Infrastrukturförderung zwischen EU-Beihilfenrecht und mitgliedstaatlicher Wirtschaftspolitik [1 ed.] 9783428548668, 9783428148660

Für die Infrastrukturpolitik der Mitgliedstaaten der EU hatten die Vorgaben des Europäischen Beihilfenrechts lange Zeit

121 19 3MB

German Pages 409 Year 2016

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Infrastrukturförderung zwischen EU-Beihilfenrecht und mitgliedstaatlicher Wirtschaftspolitik [1 ed.]
 9783428548668, 9783428148660

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Schriften zum Europäischen Recht Band 175

Infrastrukturförderung zwischen EU-Beihilfenrecht und mitgliedstaatlicher Wirtschaftspolitik Von Michael Gayger

Duncker & Humblot · Berlin

MICHAEL GAYGER

Infrastrukturförderung zwischen EU-Beihilfenrecht und mitgliedstaatlicher Wirtschaftspolitik

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 175

Infrastrukturförderung zwischen EU-Beihilfenrecht und mitgliedstaatlicher Wirtschaftspolitik

Von Michael Gayger

Duncker & Humblot · Berlin

Die Bucerius Law School, Hochschule für Rechtswissenschaft, Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2015 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-14866-0 (Print) ISBN 978-3-428-54866-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-84866-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern, Gabriele und Joseph Gayger

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im April 2015 von der Bucerius Law School, Hoch­ schule für Rechtswissenschaft, in Hamburg als Dissertation angenommen. Der Erst­ gutachter war Prof. Dr. Jörn Axel Kämmerer, der Zweitgutachter Prof. Dr. Hermann Pünder. Die mündliche Promotionsprüfung fand am 24.06.2015 zu dem Thema „Öffentliche gegen private Durchsetzung des Kartellrechts? Zum Akten­einsichts­ recht von Kartellgeschädigten in Kronzeugenanträge“ statt. Ich möchte an dieser Stelle den vielen Menschen danken, die mich in meiner Promotionszeit unterstützt haben und mir mit Rat und Tat zur Seite standen. Sie alle zu nennen, würde den Rahmen eines Vorworts sprengen, doch einige möchte ich hervorheben. Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Jörn Axel Kämmerer. Er hat stets ein offenes Ohr für meine Anliegen gehabt. Dabei hat er mir jedoch viel Freiheit bei der Entwicklung und Ausarbeitung meiner Dissertation ge­ lassen, was ich sehr zu schätzen wusste. Weiter danke ich Herrn Prof. Dr. Hermann Pünder für die zügige Erstellung des Zweitvotums. Der Konrad-Adenauer-Stiftung danke ich dafür, dass ich mit einem Stipendium der Graduiertenförderung finan­ ziell und auch ideell gefördert wurde. Darüber hinaus sollen einige Personen aus meinem Freundeskreis nicht unerwähnt bleiben, namentlich Dr. Eva-Maria Hoyler und Dr. Matthias Schulz, mit denen ich viele Aspekte meiner Arbeit diskutieren konnte und die mir enorm dabei geholfen haben, das Manuskript zu finalisieren. Von ganzem Herzen gilt mein Dank auch meiner lieben Freundin Anna Span, die mich fachlich wie persönlich während meiner gesamten Promotionszeit mit viel Hingabe unterstützt hat. Nicht zuletzt danke ich vor allem aber meinen Eltern, die mir Zeit meines Lebens in allen Lebenslagen Rückhalt gegeben und meine aka­ demische Ausbildung gefördert haben. Stets waren und sind sie mir ein Vorbild auf meinen Wegen. Ihnen soll diese Arbeit deshalb gewidmet sein. 

Michael Gayger

Inhaltsübersicht

Einführung

31

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 B. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 C. Zum Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 D. Bedeutendste Rechtsquellen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 E. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Kapitel 1

Der Infrastrukturbegriff

38

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 B. Historische Entwicklung des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 C. Infrastruktur als Begriff in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften . . . . . . . . . . . 39 D. Entschließungen und Entscheidungen des Europäischen Parlaments . . . . . . . . . . . . . 42 E. Infrastruktur als Rechtsbegriff des Europarechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 F. Ansätze zur weiteren Unterteilung der materiellen Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . 52 G. Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 H. Zusammenfassung und eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

Kapitel 2

Infrastrukturen im Wettbewerb

62

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 B. Grundlagen zur Bestimmung der Wettbewerbsverhältnisse im Infrastrukturbereich . . 62 C. Marktversagen im Infrastrukturbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

10

Inhaltsübersicht Kapitel 3



Infrastrukturen im Europäischen Beihilfenrecht

94

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 B. Das Europäische Beihilfenrecht und seine allgemeinen Grenzen in kompetenzieller Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 C. Die Kompetenzverteilung zwischen Union und Mitgliedstaaten in der Infrastruktur­ politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Kapitel 4

Einzelfragen zur Anwendung der Beihilfenvorschriften auf den Infrastrukturbereich

124

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 B. Die mitgliedstaatliche Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen als selektiver wirtschaftlicher Vorteil eines Infrastrukturbetreibers . . . . . . . . . . . . . . 171 C. Wettbewerbsverfälschungen durch mitgliedstaatliche Infrastrukturförderung . . . . . . 247 D. Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels bei Infrastrukturmaßnahmen . . . 288 E. Vereinbarkeit von Beihilfen zur Errichtung und zum Betrieb von Infrastrukturen mit dem Binnenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

Kapitel 5

Zusammenfassung und rechtspolitischer Ausblick

364

A. Die Entwicklung der Entscheidungspraxis der Kommission zur beihilfenrechtlichen Bewertung der mitgliedstaatlichen Förderung der Errichtung und des Betriebs von In­ frastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 B. Eigene Einschätzung zur Kritik der Literatur an der Entwicklung der Rechtspraxis der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 C. Eigene Bewertung der Kommissionspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 D. Rechtspolitischer Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374

Inhaltsübersicht

11

Anhang: Thesenförmige Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 Übersicht der wichtigsten zitierten Mitteilungen und sonstigen Veröffentlichungen der Kommission (chronologisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407

Inhaltsverzeichnis

Einführung

31

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 B. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 C. Zum Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 D. Bedeutendste Rechtsquellen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 E. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Kapitel 1

Der Infrastrukturbegriff

38

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 B. Historische Entwicklung des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 C. Infrastruktur als Begriff in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften . . . . . . . . . . . 39 I.

Der Begriff des Sozialkapitals nach Hirschman . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

II. Der Infrastrukturbegriff nach Jochimsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 III. Die Bestimmung der Infrastrukturinvestitionen nach Tuchtfeldt . . . . . . . . . . . . . 41 IV. Enumerative Begriffsbestimmungen am Beispiel von Frey . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 V. Zusammenfassung und eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 D. Entschließungen und Entscheidungen des Europäischen Parlaments . . . . . . . . . . . . . 42 I.

Entschließung von 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

II. Beschluss von 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 E. Infrastruktur als Rechtsbegriff des Europarechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I.

Europäisches Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

II. Verordnungen und Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 III. Entscheidungspraxis von Kommission und Gerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

14

Inhaltsverzeichnis 1. Die Rechtspraxis zu Art. 102 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Die Essential-Facilities-Doktrin im Europäischen Recht . . . . . . . . . . . . . 46 b) Exkurs: Vergleichbare Regelungen in den Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . 48 2. Der Infrastrukturbegriff bei Art. 107 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 a) Rechtspraxis der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 b) Ansätze in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

F. Ansätze zur weiteren Unterteilung der materiellen Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . 52 I.

Private und öffentliche Infrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

II. Punkt-Infrastrukturen, Punkt-Netzwerk-Infrastrukturen und Netzwerk-Infrastruk­ turen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 III. Primäre und sekundäre Infrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 G. Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 I.

Mitgliedstaatliche Konzepte wie Daseinsvorsorge und Service Public . . . . . . . . 56 1. Das deutsche Konzept der Daseinsvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Der französische Begriff des Service Public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

II. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Infrastrukturbegriff ist weiter als jener der DAWI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Infrastrukturbegriff ist enger als jener der DAWI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 H. Zusammenfassung und eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

Kapitel 2

Infrastrukturen im Wettbewerb

62

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 B. Grundlagen zur Bestimmung der Wettbewerbsverhältnisse im Infrastrukturbereich . 62 I.

Marktwirtschaft und Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

II. Wettbewerbsverhältnisse im Infrastrukturbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Wettbewerbsverhältnisse bei der Errichtung von Infrastruktureinrichtungen (Errichtungsebene) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Wettbewerbsverhältnisse beim Betrieb von Infrastrukturen (Betreiberebene) . 65

Inhaltsverzeichnis

15

a) Abgrenzung der Begriffe von Infrastrukturbetrieb und Infrastrukturnutzung 65 b) Wettbewerbsverhältnisse beim Infrastrukturbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3. Wettbewerbsverhältnisse bei der Nutzung von Infrastruktureinrichtungen (Nutzer- oder Dienstleisterebene) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 C. Marktversagen im Infrastrukturbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 I.

Allokatives Marktversagen im Infrastrukturbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Allokatives Marktversagen durch Externalitäten und das Vorliegen von Eigen­ schaften öffentlicher Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 b) Besonderheiten im Infrastrukturbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 aa) Positive externe Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 bb) Öffentliche Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 c) Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Allokatives Marktversagen durch Tendenzen zum natürlichen Monopol . . . 77 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 aa) Subadditivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 bb) Fehlen von potentiellem Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Besonderheiten im Infrastrukturbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 aa) Netzinfrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (1) Vorliegen von Subadditivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (2) Fehlen von potentiellem Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (3) Verbleibender Spielraum für Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (a) Langfristiger Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (b) Intermodaler Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (c) Randzonenwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Wettbewerbspotentiale bei Punkt-Netzwerk-Infrastrukturen und PunktInfrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (1) Wettbewerbspotentiale bei Punkt-Netzwerk-Infrastrukturen am Beispiel von Flughäfen und Häfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (2) Beispiele für Wettbewerbschancen im Bereich der Punkt-Infra­ strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

II. Distributives Marktversagen im Infrastrukturbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

16

Inhaltsverzeichnis Kapitel 3



Infrastrukturen im Europäischen Beihilfenrecht

94

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 B. Das Europäische Beihilfenrecht und seine allgemeinen Grenzen in kompetenzieller Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 I.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

II. Struktur des Europäischen Beihilfenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 III. Exkurs: Durchsetzung des Beihilfenrechts durch Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 IV. Rechtspolitische Ziele und Zwecke der Europäischen Beihilfenkontrolle . . . . . 97 1. Das Konzept des Binnenmarktschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Das Wettbewerbsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3. Das Modell der politischen Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 V. Die Entwicklung der Europäischen Beihilfenpolitik bis 2005 . . . . . . . . . . . . . . 101 VI. Die Reform der Beihilfenkontrolle seit 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Ökonomischer und wettbewerbspolitischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Die rechtlichen Einfallstore für den more economic approach in der Bei­hilfen­ kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Tatbestandsebene – Art. 107 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 b) Vereinbarkeitsebene – Die Abwägungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 VII. Rechtliche Grenzen der neuen Beihilfenpolitik der Union . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Übersicht zur Kritik der Literatur an der Beihilfenreform von 2005 und der Einführung der Abwägungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2. Insbesondere: Mangelnde Transparenz und Rechtssicherheit der Abwägungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Die Reduzierung des Beihilfenvolumens und damit potentiell auch der mit­ gliedstaatlichen Infrastrukturinvestitionen als politisches Ziel der Kommission? 112 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 C. Die Kompetenzverteilung zwischen Union und Mitgliedstaaten in der Infrastruktur­ politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 I.

Die allgemeine Kompetenzverteilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten 117

II. Historischer Abriss zur Kompetenzverteilung im Infrastrukturbereich . . . . . . . . 119 III. Der Titel zu Transeuropäischen Netzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 IV. Folgerungen für die allgemeine Infrastrukturpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

Inhaltsverzeichnis

17

V. Zusammenfassung und Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Kapitel 4 Einzelfragen zur Anwendung der Beihilfenvorschriften auf den Infrastrukturbereich



124

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 I.

Der Unternehmensbegriff im Europäischen Beihilfenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 125

II. Die Entwicklung der Rechtspraxis zur Einordnung von Infrastrukturbetreibern als Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Der traditionelle Ansatz in der Infrastrukturpraxis der Kommission . . . . . . . 126 2. Neuorientierung in der Kommissionspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Die Entscheidungspraxis der Kommission zum Flughafenbetrieb . . . . . 128 aa) Die kartellrechtlichen Entscheidungen zum Flughafenbetrieb . . . . . 128 bb) Die Entwicklung der beihilfenrechtlichen Kommissionspraxis zum Flughafenbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Die Entscheidungspraxis der Kommission zum Hafenbetrieb  – eine un­ einheitliche Linie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 aa) Die Kommissionspraxis bis zu Beginn der 2000er Jahre . . . . . . . . . . 134 bb) Die Kommissionspraxis seit 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 c) Die Entwicklung der Kommissionpraxis bei anderen Infrastrukturarten . . 138 aa) Beispiele aus der Entscheidungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 bb) Besonderheiten bei der Förderung von Straßen- und Eisenbahnschie­ neninfrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 cc) Weitere Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 III. Der Infrastrukturbetrieb als nichtwirtschaftliches hoheitliches oder allgemein­ politisches Handeln der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Abgrenzungsansätze von hoheitlichem und wirtschaftlichem Handeln auf Grund­ lage anderer Regelungsmaterien der Europäischen Verträge sowie auf Basis der mitgliedstaatlichen Verfassungen und meta-verfassungsrechtlicher Theorien 144 a) Erster möglicher Anknüpfungspunkt: Begriff der „öffentlichen Verwaltung“ im Kontext der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa) Art. 45 Abs. 4 AEUV und Art. 51 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 bb) Spezifische Schwierigkeiten einer Legaldefinition aufgrund des funk­ tionalen Unternehmensbegriffs im Beihilfenrecht . . . . . . . . . . . . . . . 145

18

Inhaltsverzeichnis b) Zweiter möglicher Anknüpfungspunkt: Herleitung hoheitlicher Aufgaben aus den Verfassungen der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Dritter möglicher Anknüpfungspunkt: Herleitung hoheitlicher Aufgaben aus meta-verfassungsrechtlichen Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 aa) Die „Aufgabentheorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 bb) Die „Befugnistheorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2. Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Bestimmung hoheitlicher Tätigkeiten 150 a) Die Vergleichsmethode der Rechtssache Höfner und Elser . . . . . . . . . . . 150 b) Die positive Definition der wirtschaftlichen Tätigkeit in den Rechtssachen Zollspediteure, Pavlov und Wouters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 c) Die Bestimmung hoheitlicher Tätigkeiten nach der Entscheidung Eurocontrol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 d) Folgerungen von Kommission und Gerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Entwicklung von eigenständigen Abgrenzungskonzepten in der Literatur . . 155 a) Normative Abgrenzungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 b) Abgrenzung anhand ökonomischer Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 4. Folgerung für die Einordnung von mitgliedstaatlichen Infrastrukturmaßnah­ men als hoheitliche Aufgaben der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Allgemeine Abgrenzungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 b) Insbesondere: Eigene Bewertung der Abgrenzung nach der jüngeren Rechtspraxis sowie der Mitteilung der Generaldirektion Wettbewerb spe­ ziell für den Bereich der Straßen- und Eisenbahnschieneninfrastrukturen 160 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 IV. Der Infrastrukturbetrieb als vom Beihilfenrecht ausgenommener „dritter Bereich“ zwischen wirtschaftlicher und hoheitlicher Tätigkeit der Mitgliedstaaten . . . . . 164 1. Dogmatische Herleitung aus der Rechtsprechung zu Sozialversicherungssys­ temen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Übertragung auf den Infrastrukturbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3. Jüngste Rechtsprechung zur Annahme eines „dritten Weges“ . . . . . . . . . . . . 167 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 V. Zusammenfassung und eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

B. Die mitgliedstaatliche Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen als selektiver wirtschaftlicher Vorteil eines Infrastrukturbetreibers . . . . . . . . . . . . . . 171 I.

Unmittelbar betriebsbezogene mitgliedstaatliche Zuwendungen an Infrastruktur­ betreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Entwicklung der beihilfenrechtlichen Bewertung in der Kommissionspraxis 171

Inhaltsverzeichnis

19

2. Exkurs: Formen unmittelbar betriebsbezogener mitgliedstaatlicher Vorteils­ gewährungen an Infrastrukturbetreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Positive und negative mitgliedstaatliche Fördermaßnahmen . . . . . . . . . . 174 b) Zuwendungen finanzieller und nicht-finanzieller Art . . . . . . . . . . . . . . . . 174 II. Die mitgliedstaatliche Finanzierung der Errichtung von Infrastrukturanlagen als selektive Begünstigung des Infrastrukturbetreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Die Entwicklung der Kommissionspraxis zur mitgliedstaatlichen Förderung der Errichtung von Infrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Exkurs: Die Neuausrichtung der Kommissionspraxis im Spannungsverhältnis zwischen den Vorgaben der Luftverkehrs-Leitlinien von 1994 und 2005 . . . . 176 a) Erster Lösungsansatz: Substitution der Luftverkehrs-Leitlinien 1994 . . . 177 b) Zweiter Lösungsansatz: Ergänzung und Konkretisierung . . . . . . . . . . . . 177 c) Auflösung des Spannungsverhältnisses durch die Luftverkehrs-Leitlinien 2014? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3. Verbleibende offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 III. Die Behandlung von indirekten und mittelbaren Begünstigungen bei der mit­ gliedstaatlichen Infrastrukturförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Abgrenzung einer mittelbaren Begünstigung eines Infrastrukturnutzers von einer unmittelbaren Beihilfengewährung durch einen Infrastrukturbetreiber 181 2. Verschiedene Konstellationen der mittelbaren Begünstigung, erläutert anhand der Rechtspraxis von Kommission und Gerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Mittelbare Begünstigung auf der Nutzerebene durch Zuwendungen an den Infrastrukturbetreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Die Einleitungsentscheidung zum Verfahren Flughafen Leipzig/Halle 182 bb) Die Entscheidung InfraLeuna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 cc) Die Entscheidung DTT in abgelegenen Regionen Spaniens . . . . . . . 186 b) Mittelbare Begünstigung auf der Betreiberebene durch Zuwendungen an den Infrastrukturnutzer (Nutzerebene) oder dessen Abnehmer (Endkun­ denebene) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 aa) Kommissionentscheidungen DVB-T Berlin/Brandenburg, DVB-T Bayern und DVB-T Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 bb) Die Entscheidung Italienische Decoder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 c) Mittelbare Begünstigung auf der Gesellschafterebene durch Zuwendun­ gen an den Infrastrukturbetreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 d) Mittelbare Begünstigung auf der Betreiberebene durch Zuwendungen an den Infrastruktureigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3. Rechtliche Zulässigkeit der Konstruktion von mittelbaren Begünstigungen . . 193 a) Kritik der Literatur an der Kommissionspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) Vereinbarkeit der Konstruktion der mittelbaren Begünstigung mit den Vor­ gaben des Beihilfenrechts – eigene Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

20

Inhaltsverzeichnis c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 4. Eigene Einschätzung zur uneinheitlichen Anwendung der Rechtfigur der mit­ telbaren Begünstigung in der jüngeren Kommissionspraxis . . . . . . . . . . . . . 199 a) Uneinheitliche Rechtspraxis der Kommission in Einzelfällen . . . . . . . . . 199 b) Fehlen eines einheitlichen Maßstabs in den Leitlinienvorgaben der Kom­ mission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 aa) Rechtspraxis bei Breitband-Infrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 bb) Rechtspraxis zu Flughafen-Infrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 c) Eigene Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 d) Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 IV. Erste Ausnahme von der Annahme einer Begünstigung bei mitgliedstaatlicher In­ frastrukturförderung: Anwendung des Private Investor Tests . . . . . . . . . . . . . . . 205 1. Der Private Investor Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. Relevanter Investitionshorizont bei Infrastrukturinvestitionen . . . . . . . . . . . 207 3. Paradoxe Rechtspraxis bei der Anwendung des Private Investor Tests auf In­ frastrukturprojekte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 V. Zweite Ausnahme von der Annahme einer Begünstigung bei mitgliedstaatlicher Infrastrukturförderung: DAWI und die Altmark-Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Erstes Altmark-Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 a) Zur Begriffsbestimmung der „gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen“ . 214 b) Bestimmung von „gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen“ beim Infra­ strukturbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 aa) Frühere Anknüpfungspunkte aus der Kommissionpraxis und Fehlen einer einheitlichen Abgrenzungsmethodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 bb) Jüngere Kommissionslinie und Einführung von Elementen der Abwägungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (1) Das Vorliegen eines Marktversagens als Abgrenzungskriterium . 219 (2) Die Einführung einer Erforderlichkeits-/Angemessenheitsprüfung 222 (3) Kritik der Literatur an der Neuorientierung der Kommissionspraxis und eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Zweites Altmark-Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3. Drittes Altmark-Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 a) Verhinderung von Überkompensation bei teilweise rentablen Infrastruk­ turprojekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 b) Ermittlung des „angemessenen Gewinns“ eines Infrastrukturbetreibers . 228 4. Viertes Altmark-Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 a) Spezielle Probleme bei der Durchführung eines Vergabeverfahrens . . . . 229

Inhaltsverzeichnis

21

b) Spezielle Probleme bei der Durchführung einer Kostenanalyse . . . . . . . . 231 aa) Der Sonderfall Breitband Dorsal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 bb) Schwierigkeiten der Anwendung der Vergleichsmethode bei Infrastruk­ turen mit Monopolisierungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (1) Unternehmen mit Monopolstellung als Vergleichsunternehmen . 233 (2) Ausgleichsempfänger mit Monopolstellung . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (3) Zusammenfassung und eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . 234 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 VI. Exkurs: Ausschluss einer Begünstigung bei Beteiligung Privater an öffentlichen Infrastrukturprojekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 1. Durchführung eines offenen, transparenten und bedingungsfreien Vergabe­ verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 a) Grundsatz der Offenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 b) Grundsatz der Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 c) Grundsatz der Bedingungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 2. Ermittlung eines Marktpreises durch unabhängige Sachverständigengutachten 242 3. Fortbestehen einer Begünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 C. Wettbewerbsverfälschungen durch mitgliedstaatliche Infrastrukturförderung . . . . . . 247 I.

Das Merkmal der Wettbewerbsverfälschung in der Rechtspraxis von Kommis­ sion und Europäischen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 1. Das weite Verständnis nach der Philip Morris-Rechtsprechung und Abgren­ zung zu den kartellrechtlichen Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 2. Bestehen eines Spürbarkeitserfordernisses? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 3. Neuorientierung infolge der Beihilfenreform 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

II. Die jüngere Rechtspraxis im Infrastrukturbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 1. Ansätze einer intensivierten Untersuchung des Merkmals der Wettbewerbs­ verfälschung im Infrastruktursektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 a) Beispiele aus dem Bereich der Flughafeninfrastrukturen . . . . . . . . . . . . . 254 b) Beispiele aus dem Bereich der Rundfunk-Übertragungsinfrastrukturen . 256 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2. Kritik der Literatur an der zeitweiligen Neuausrichtung der Kommissionspra­ xis und eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 III. Erfordernis einer einheitlichen Methodik, insbesondere zur Marktabgrenzung . . 260 1. Marktabgrenzung im Europäischen Kartell- und Fusionskontrollrecht . . . . . 261 2. Besonderheiten bei der Marktabgrenzung im Beihilfenrecht . . . . . . . . . . . . . 263

22

Inhaltsverzeichnis a) Keine Beschränkung auf einzelnen Produktmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 b) Berücksichtigung von vor- und nachgelagerten Marktstufen . . . . . . . . . . 264 c) Abwandlungen des SSNIP-Tests unter besonderer Berücksichtigung der umgekehrten Cellophane Fallacy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 d) Im Regelfall keine Berücksichtigung von Angebotssubstitution und poten­ tiellem Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 3. Besonderheiten der Marktabgrenzung bei der mitgliedstaatlichen Förde­rung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 a) Berücksichtigung aller Geschäftsbereiche eines Infrastrukturbetreibers . 267 b) Berücksichtigung vor- und nachgelagerter Märkte des Infrastrukturbetriebs 267 c) Ausnahmsweise doch Berücksichtigung potentiellen Wettbewerbs . . . . . 271 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 IV. Der Wettbewerbsbegriff in Art.  107 Abs.  1 AEUV und das Verhältnis von Art. 107 Abs. 1 AEUV zu Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 1. Enger und weiter Wettbewerbsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 a) Enger Wettbewerbsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 b) Weiter Wettbewerbsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 c) Bedeutung für den Infrastruktursektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 d) Auslegung des Wettbewerbsbegriffs in Art. 107 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . 274 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 2. Das Verhältnis von Art.  107 Abs.  1 AEUV zu Art.  107 Abs.  3 AEUV, ins­ besondere Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 V. Wettbewerbsverfälschungen bei (natürlichen) Monopolen . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 1. Situation bei gesetzlichen Monopolen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 2. Situation bei rein tatsächlichen Monopolen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 a) Erfordernis einer umfassenden Untersuchung der Monopolstellung . . . . 284 b) Insbesondere: Vorliegen von Wettbewerb um den Markt . . . . . . . . . . . . . 285 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

D. Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels bei Infrastrukturmaßnahmen . . . 288 I.

Allgemeine Rechtspraxis zum Merkmal der Handelsbeeinträchtigung . . . . . . . 288

II. Anwendung im Infrastrukturbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 III. Darstellung der Uneinheitlichkeit der Rechtspraxis der Kommission im Infra­ strukturbereich und eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 IV. Exkurs: Die neue Ausnahme für „lokale Infrastrukturen“ in der Beihilfen-Grup­ penfreistellungsverordnung 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 V. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

Inhaltsverzeichnis

23

E. Vereinbarkeit von Beihilfen zur Errichtung und zum Betrieb von Infrastrukturen mit dem Binnenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 I.

Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV als zentrale Rechtfertigungsnorm für Infrastruktur­ beihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 1. Rechtspraxis vor Veröffentlichung des Aktionsplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 2. Die sektorspezifische Umsetzung der Abwägungsprüfung und ihre Bedeu­ tung in der Fallpraxis zu Infrastrukturbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 a) Die Abwägungsprüfung in den Breitband-Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . 295 b) Die Abwägungsprüfung in den Luftverkehrs-Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . 297 aa) Luftverkehrs-Leitlinien 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 bb) Luftverkehrs-Leitlinien 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 c) Die Abwägungsprüfung in der Rechtspraxis zu anderen Infrastrukturarten 298 3. Die einzelnen Elemente der Abwägungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 a) Erste Ebene der Abwägungsprüfung: Marktversagen oder allgemeines Ziel von gemeinsamem Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 aa) Werden vom Marktversagenskriterium auch Fälle distributiven Markt­ versagens erfasst? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 (1) Ökonomischer und beihilfenpolitischer Hintergrund . . . . . . . . . 300 (2) Beschränkung auf ein vorrangig allokatives Marktversagenskrite­ rium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 (3) Gleichrangige Berücksichtigung allokativer und distributiver Marktversagenserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 (4) Weitere Entwicklung und Konzept im Allgemeine GrundsätzePapier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 (5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 bb) Allokatives Marktversagen in Form von Marktmacht und (natürlichen) Monopolen sowie Beihilfen zur Förderung eines „künstlichen Wettbewerbs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 (1) Rechtliche Regelungen und wirtschaftspolitischer Hintergrund . 307 (2) Die Rechtspraxis der Kommission im Beihilfenrecht . . . . . . . . . 311 (a) Allgemeine Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (aa) Positionierungen der Kommission gegen die Anerken­ nung von Marktmacht im Rahmen des beihilfenrecht­ lichen Marktversagensbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (bb) Positionierungen der Kommission zugunsten der An­ erkennung von Marktmacht im Rahmen des beihilfen­ rechtlichen Marktversagensbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . 312 (b) Kritik der Literatur an den Positionierungen der Kommis­ sion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 (3) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

24

Inhaltsverzeichnis cc) Das Marktversagenskriterium in der beihilfenrechtlichen Kommissions­ praxis zum Infrastrukturbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 (1) Entwicklung der Kommissionspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 (a) Beispiele für die Untersuchung eines allokativen Marktver­ sagens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 (b) Beispiele für die Untersuchung distributiver Erwägungen . . 319 (c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 (2) Zusammenfassung und eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . 321 b) Zweite Ebene der Abwägungsprüfung: Erforderlichkeits- und Angemes­ senheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 aa) Zulässigkeit einer strengen Erforderlichkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . 322 (1) Die neue Rechtspraxis der Kommission seit 2005 . . . . . . . . . . . 322 (2) Kritik der Literatur an der neuen Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . 323 (3) Eigene Bewertung der Kritik der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 (4) Konsequenzen für die praktische Anwendung der Abwägungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 bb) Weitere Entscheidungspraxis im Infrastrukturbereich . . . . . . . . . . . . 328 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 c) Dritte Ebene der Abwägungsprüfung: Wettbewerbsverfälschung und Han­ delsbeeinträchtigung sowie Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 aa) Prüfung der Wettbewerbsverfälschung und Handelsbeeinträchtigung 331 (1) Bedeutung und Umfang der Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 (2) Eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 bb) Abwägung der positiven und der negativen Auswirkungen der mit­ gliedstaatlichen Fördermaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 (1) Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 (2) Anwendung im Infrastrukturbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 (a) Bedeutung der vertieften Prüfung der Wettbewerbsverfäl­ schung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 (aa) Bedeutung für lokale Infrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . 336 (bb) Reichweite und methodische Tiefe der Prüfung . . . . . . 337 (b) Durchführung einer Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 cc) Zusammenfassung und eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 4. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 II. Regionalbeihilfen nach Art. 107 Abs. 3 lit. a) und lit. c) AEUV . . . . . . . . . . . . . 342 1. Infrastrukturen in den Leitlinien für Regionalbeihilfen 2006 . . . . . . . . . . . . 342 a) Anwendungsbereich der Leitlinien für Regionalbeihilfen 2006 . . . . . . . . 342 b) Genehmigungsvoraussetzungen und Rechtspraxis der Kommission . . . . 343 aa) Regionale Zielsetzung der Fördermaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 bb) Sonstige Genehmigungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344

Inhaltsverzeichnis

25

2. Infrastrukturen in den Leitlinien für Regionalbeihilfen 2013 . . . . . . . . . . . . 345 a) Anwendungsbereich der Leitlinien für Regionalbeihilfen 2013 . . . . . . . . 345 b) Genehmigungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 3. Eigene Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 III. Kulturbeihilfen nach Art. 107 Abs. 3 lit. d) AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 IV. Beihilfen zur Koordinierung des Verkehrs nach Art. 93 AEUV . . . . . . . . . . . . . 349 1. Anwendungsbereich und jüngere Rechtspraxis zu Art. 93 AEUV . . . . . . . . . 349 2. Vergleich mit der Abwägungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 V. Beihilfen für DAWI nach Art. 106 Abs. 2 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 1. Bedeutung von Art.  106 Abs.  2 AEUV seit der Altmark-Entscheidung des ­ Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 2. Vergleich zwischen Art. 106 Abs. 2 AEUV und den Altmark-Kriterien . . . . 353 a) Anwendungsbereich des Art. 106 Abs. 2 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 b) Vergleich mit den einzelnen Altmark-Kriterien und darauf beruhende Kritik der Literatur an der Auslegung von Art. 106 Abs. 2 AEUV sowie eigene Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 c) Folgen für die Rechtspraxis der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 3. Anwendung des Freistellungsbeschlusses im Infrastrukturbereich . . . . . . . . 357 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 VI. Infrastrukturförderung in der Beihilfen-Gruppenfreistellungsverordnung 2014 . 359 1. Beihilfen für bestimmte Arten von Infrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 2. Beihilfen für „lokale Infrastrukturen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362

Kapitel 5

Zusammenfassung und rechtspolitischer Ausblick

364

A. Die Entwicklung der Entscheidungspraxis der Kommission zur beihilfenrechtlichen Bewertung der mitgliedstaatlichen Förderung der Errichtung und des Betriebs von In­ frastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 B. Eigene Einschätzung zur Kritik der Literatur an der Entwicklung der Rechtspraxis der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 I.

Generelle Ausnahme von der Beihilfenkontrolle für die mitgliedstaatliche Infra­ strukturförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367

26

Inhaltsverzeichnis II. Die Rechtsfigur der mittelbaren Begünstigung bei mitgliedstaatlicher Infrastruk­ turförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 III. Die Anwendung des Private Investor Tests im Infrastrukturbereich . . . . . . . . . . 369 IV. Die Anwendung der Altmark-Ausnahme im Infrastrukturbereich . . . . . . . . . . . 369 V. Die Prüfung der Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt, insbesondere die Abwägungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370

C. Eigene Bewertung der Kommissionspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 D. Rechtspolitischer Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 I.

Derzeit angestoßene Ansätze zur Weiterentwicklung der Rechtspraxis bezüglich Infrastrukturbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374

II. Eigene Vorschläge zur zukünftigen Anwendung der Beihilfenvorschriften auf die mitgliedstaatliche Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen 374 1. Konsequente Anwendung des Beihilfentatbestands auf Infrastrukturbetreiber 375 2. Untersuchung der Begünstigungswirkung auf allen in Betracht kommenden Marktebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 3. Konsequente Ausgestaltung der Altmark-Tatbestandsausnahme . . . . . . . . . . 376 4. Umfassende Untersuchung der Wettbewerbsverfälschung auf Tatbestands­ ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 5. Das Merkmal der Handelsbeeinträchtigung als Schlüssel für eine effektive Beihilfenkontrollpraxis im Infrastrukturbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 6. Weitere Vereinheitlichung der Durchführung der Abwägungsprüfung auf Rechtfertigungsebene von Infrastrukturbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377

Anhang: Thesenförmige Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 Übersicht der wichtigsten zitierten Mitteilungen und sonstigen Veröffentlichungen der Kommission (chronologisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere(r) Ansicht ABl. Amtsblatt der Europäischen Union Abs. Absatz AEIDL Association Européenne pour l’Information sur le Développement Local AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte(r) Fassung Anh. Anhang AöR Archiv des öffentlichen Rechts Art. Artikel Bd. Band Beschl. Beschluss BGH Bundesgerichtshof BRZ Zeitschrift für Beihilfenrecht BT-Drucks. Bundestagsdrucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht CMLR Common Market Law Review DAI Dienstleistung(en) von allgemeinem Interesse DAWI Dienstleistung(en) von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse DB Der Betrieb DG Regio Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung DG Tren Generaldirektion Energie und Verkehr DÖV Die Öffentliche Verwaltung DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt EG Europäische Gemeinschaften EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft EL Rev European Law Review Ent. Entscheidung EStAL European State Aid Law Quarterly EU Europäische Union EuG Gericht der Europäischen Union (vormals: Gericht erster Instanz) EuGH Europäischer Gerichtshof EuR Europarecht (Zeitschrift) EUV Vertrag über die Europäische Union EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) f. folgende(r) ff. fortfolgende(r) Fordh. Int. Law Jnl. Fordham International Law Journal FS Festschrift Gerichtshof Europäischer Gerichtshof

28

Abkürzungsverzeichnis

GG Grundgesetz GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Hrsg. Herausgeber IJIO International Journal of Industrial Organization insbs. insbesondere Iss. Issue JCLE Journal of Competition Law & Economics JECLP Journal of European Competition Law & Practice JEEA Journal of the European Economic Association J Regul Econ Journal of Regulatory Economics K&R Kommunikation und Recht Kap. Kapitel Kommission Europäische Kommission KommJur Kommunaljurist lit. litera Mitt. Mitteilung MMR MultiMedia und Recht m. w. N. mit weiteren Nachweisen NJ Neue Justiz NJW Neue Juristische Wochenschrift No. Number Nr. Nummer NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NZBau Neue Zeitschrift für Baurecht NZS Neue Zeitschrift für Sozialrecht NZV Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick­ lung RIO Review of Industrial Organization RIW Recht der Internationalen Wirtschaft RL Richtlinie Rn. Randnummer RTkom Zeitschrift für das gesamte Recht der Telekommunikation S. Seite sog. so genannt TKG Telekommunikationsgesetz u. a. und andere Urt. Urteil vgl. vergleiche VO Verordnung Vol. Volume WM Wertpapier-Mitteilungen WuW Wirtschaft und Wettbewerb ZaöRV Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht z. B. zum Beispiel ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

Abkürzungsverzeichnis ZLW ZWeR ZWS

Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht Zeitschrift für Wettbewerbsrecht Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

29

Einführung A. Einleitung Infrastrukturen sind Motor für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region. Die Versorgung mit Wasser und Energie, ein Straßenzugang, eine funktionsfähige Abfallentsorgung und Telekommunikationsinfrastruktur sind Grundlage für die Erschließung eines Gebiets für Bevölkerungs- und Unternehmensansiedlungen. In Zeiten zunehmender überregionaler Handelsbeziehungen ist aber auch eine­ darüber hinausgehende hochqualitative infrastrukturelle Ausstattung zu einem entscheidenden Standortvorteil geworden und damit unmittelbarer Faktor für die Schaffung von Wirtschaftskraft, Arbeitsplätzen und Wohlstand. Kein produzierender oder dienstleistender Unternehmer kann heutzutage darauf verzichten, über moderne Verkehrs- und Kommunikationsinfrastrukturen den An­ schluss an globale Märkte zu behalten. Dies betrifft keinesfalls nur multinationale Großkonzerne, um deren Ansiedlung politische Entscheidungsträger in verschie­ denen Gebietseinheiten werben. Auch kleine und mittelständische Unternehmen, deren Leitungs- und Produktionsstätten sich zuweilen in Randlagen befinden, sind auf die Erschließung ihrer Regionen mit leistungsfähigen Infrastrukturen angewie­ sen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Gleichzeitig beschränkt sich das Erfordernis hochqualitativer Infrastrukturen al­ lerdings nicht nur auf die Bedürfnisse der Produktions- und Dienstleistungswirt­ schaft, sondern stellt darüber hinaus einen wichtigen Aspekt der Lebensqualität für die Menschen dar. Kulturelle Einrichtungen wie Museen und Theater sowie Frei­ zeit- und Sportanlagen wie Schwimmbäder und Multifunktionsarenen fördern die Attraktivität einer Gegend für Bewohner und Gäste. Der vom früheren deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl zur Zeit der Wiedervereinigung geprägte Begriff der „blühenden Landschaften“ steht sinnbildlich für infrastrukturell hervorragend er­ schlossenen Gebiete, in denen Wirtschaft und Lebensqualität florieren. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass gerade lokale politische Ak­ teure die Förderung der infrastrukturellen Entwicklung ihrer Region mit Wohlwol­ len betrachten und als politisches Ankerthema regelmäßig aufgreifen. Traditionell waren die Errichtung und der Betrieb von Infrastrukturen in der Europäischen Union ohnehin lange als allgemeine politische Aufgabe der Mitgliedstaaten betrach­ tet worden. Viele der großen Netzinfrastrukturen – Energie, Bahn, Telekommuni­ kation – wurden bis in die frühen 1990er Jahre fast ausschließlich von der öffent­ lichen Hand finanziert und monopolisiert betrieben. Auch andere Infrastrukturen wurden bis dahin nahezu vollständig von staatlichen Stellen bereitgestellt, sei es im­

32

Einführung

Verkehrsbereich (Straßen, Flughäfen, Häfen), dem Kultur- und Sportbereich (Mu­ seen, Multifunktionsarenen) oder dem Rundfunkbereich (Sendeinfrastrukturen). Seit den 1990er Jahren haben sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Infrastruktursektors in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union allerdings er­ heblich gewandelt. Angestoßen durch Liberalisierungsbestrebungen in den großen Netzwirtschaften erlebten weite Teile des Infrastrukturbereichs in den vergange­ nen beiden Jahrzehnten eine wirtschaftspolitische Neuausrichtung. Anstelle frühe­ rer staatlicher Monopole und regulatorischer Marktzutrittsschranken entwickeln sich seitdem (teilweise sektorspezifisch regulierte) wettbewerbliche Strukturen auf immer mehr Infrastrukturmärkten. Die wettbewerbliche Öffnung des Infrastruktur­ sektors soll dafür sorgen, dass eine qualitativ hochwertige Versorgung von Unter­ nehmen und Bevölkerung mit infrastrukturellen Leistungen bei gleichzeitig mög­ lichst geringer Kostenbelastung für die öffentlichen Haushalte realisierbar wird. Zugleich werden zunehmend privatwirtschaftliche Unternehmen im Infrastruk­ turgeschäft tätig. Den Mitgliedstaaten kommt diese Entwicklung vor allem da­ durch entgegen, dass zunehmend privates Kapital für Infrastrukturinvestitionen herangezogen werden kann. Auf diese Weise können auch Projekte realisiert wer­ den, die angesichts der angespannten Finanzlagen der öffentlichen Kassen ansons­ ten kaum umsetzbar gewesen wären. Die privaten Infrastrukturunternehmen haben dagegen erkannt, dass mit dem Betrieb von Infrastrukturen beachtliche Gewinne erzielt werden können und dort langfristige Renditeperspektiven bestehen. Die Liberalisierungsentwicklungen im Infrastruktursektors haben zur Folge, dass sich die Errichtung und der Betrieb von Infrastrukturen in der Union zuneh­ mend nicht mehr allein nach allgemeinpolitischen oder (raum-)planerischen Er­ wägungen der Mitgliedstaaten richtet, sondern auch nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten. Damit geht die Entwicklung wettbewerblicher Strukturen auf den Infrastrukturmärkten einher, auf denen Infrastrukturbetreiber immer stärker in Konkurrenz zueinander treten. Gleichzeitig behalten die Mitgliedstaaten jedoch eine starke Stellung im In­ frastrukturbereich, da sie trotz dieser Entwicklungen zumindest auf mittelfristige Sicht weiterhin die wichtigsten Kapitalgeber für die Errichtung und den Betrieb von Infrastrukturen bleiben werden. Die Bereitstellung von Infrastrukturen über den freien Markt funktioniert aufgrund ihrer besonderen ökonomischen Eigen­ schaften und vor dem Hintergrund ihrer sozial- und regionalpolitischen Bedeu­ tung nicht immer in volkswirtschaftlich oder politisch erwünschenswertem Maße. Dort jedoch, wo sich entwickelnde wettbewerbliche Strukturen auf gewollte und gesamtwirtschaftlich teils auch sinnvolle politische mitgliedstaatliche Interven­ tionen treffen, stellt sich die rechtliche Frage, wie der von den Europäischen Ver­ trägen geforderte Wettbewerbsschutz im Binnenmarkt mit den Interessen der Mit­ gliedstaaten an wirtschaftspolitischen Eingriffen in Infrastrukturmärkte in Einklang gebracht werden kann. Nicht ohne Grund besteht auch heute noch die Ansicht, über 50 Jahre nach Einführung der ersten Fassungen der europäischen Wettbewerbs­

A. Einleitung

33

regeln, dass die größten Gefahren für den Wettbewerb im Binnenmarkt nicht etwa von zur Kartellbildung und zum Monopolmissbrauch geneigten Unternehmen aus­ gehen. Vielmehr lägen diese in den wirtschaftspolitischen Eingriffen der Mitglied­ staaten1. Andererseits stellt sich allerdings exemplarisch gerade im Infrastruktur­ bereich die Frage, warum dort nicht politischen und planerischen Zielvorstellungen der Vorrang gegenüber ohnehin als insgesamt unvollkommen betrachteten Markt­ strukturen gewährt werden sollte. Mit der Beihilfenkontrolle statten die Europäischen Verträge die Europäische Kommission2 mit einem wirkungsstarken Instrument aus, um den Schutz des Wettbewerbs im Binnenmarkt vor der mitgliedstaatlichen Gewährung materiel­ ler Vorteile an bestimmte Unternehmen zu gewährleisten. Solange im Infrastruk­ turbereich in der Vergangenheit keine wettbewerblichen Strukturen bestanden und die Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturanlagen als allgemeine wirtschafts- und planungspolitische der Mitgliedstaaten angesehen wurde, konnte diese auch nicht der Beihilfenaufsicht der Kommission unterfallen. Mit der schrittweisen Liberalisierung der alten Staatsmonopole, dem steigenden Einfluss privater Unternehmen und der weiteren wirtschaftlichen Fortentwicklung des Infrastruktursektors erkannte die Kommission jedoch die Erforderlichkeit, den Wettbewerbsschutz und die Anwendung der Beihilfenvorschriften auch auf mit­ gliedstaatliche Infrastrukturmaßnahmen auszudehnen. Freilich bewegt sie sich dabei in einem wirtschaftlich, politisch und rechtlich aufgeladenen Spannungsfeld: Während sie auf der einen Seite über das Beihilfen­ recht den Wettbewerbsschutz als ihre Aufgabe aus den Verträgen durchzusetzen hat und damit am Projekt eines von Wettbewerbshemmnissen freien Binnenmarkts mitwirkt, muss sie auf der anderen Seite ihre nur begrenzten Kompetenzen zur Mitgestaltung der mitgliedstaatlichen Wirtschaftspolitiken im Allgemeinen und der Infrastrukturpolitik im Besonderen beachten. Schnell sieht sie sich von mit­ gliedstaatlicher Seite dem Vorwurf ausgesetzt, die Regeln der Beihilfenkontrolle nur als Vorwand dazu zu nutzen, jenseits ihrer Zuständigkeit eine eigene Harmoni­ sierungspolitik im Infrastrukturbereich anzustreben. Andererseits stehen mitglied­ staatliche Kritiker der Kommissionspraxis zuweilen nicht völlig zu Unrecht in dem Verdacht, ein bewusstes Eigeninteresse an der Aushebelung des Wettbewerbs­ schutzes im Infrastrukturbereich zu haben, um auf diese Weise öffentlichen Unter­ nehmen oder Mitgliedern alter politischer Netzwerke aus Zeiten vor der Liberali­ sierung wirtschaftliche Vorteile im lukrativen Infrastrukturgeschäft zu verschaffen. Unabhängig von der politischen Bewertung derartiger Sachverhalte geht es bei einer rechtlichen Analyse der Anwendbarkeit der Vorschriften des Beihilfenrechts auf mitgliedstaatliche Infrastrukturvorhaben somit um handfeste Machtfragen: Haben die Mitgliedstaaten oder hat die Union das letzte Wort bei der Planung, Or­ ganisation und Finanzierungsgestaltung von Infrastrukturprojekten? 1

So etwa Emmerich, Kartellrecht, S. 19. Im Folgenden nur „Kommission“.

2

34

Einführung

B. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands Gegenstand der folgenden Untersuchung ist die Frage, ob und inwieweit die Kommission nach den Bestimmungen des Beihilfenrechts die mitgliedstaatliche Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen überprüfen kann. Zentrale Bedeutung erlangt dabei der eingangs aufgerissene Konflikt zwischen dem Interesse der Union am Schutz des Wettbewerbs im Binnenmarkt und dem In­ teresse der Mitgliedstaaten, über die Planung, Organisation und Finanzierung ihrer Infrastrukturprojekte selbst zu entscheiden. Um den derzeitigen Stand der Diskussion zur Anwendung der Beihilfenvor­ schriften auf die Infrastrukturförderung im Einzelnen bewerten sowie Ideen für eine potentielle zukünftige Entwicklung aufzeigen zu können, ist eine Analyse des bisherigen Gangs der Kommissionspraxis sowie der Rechtsprechung der Unions­ gerichte hierzu erforderlich. Besondere Beachtung soll in diesem Zusammenhang der Reform der Beihilfenpolitik der Union seit 2005 mit der Einführung einer ver­ stärkten ökonomischen Betrachtungsweise (more economic approach) zukom­ men, welche die jüngere Entwicklung der Entscheidungen zu Infrastrukturbeihil­ fen charakteristisch neu geprägt hat. Auch wenn die Beihilfenbestimmungen bzw. ihre Vorläufer bereits seit den­ ersten Schritten der europäischen Einigung in den 1950er Jahren bedeutsamer Be­ standteil der gemeinschaftlichen Übereinkommen waren, sind bis heute viele Ein­ zelfragen hierzu in Literatur und Rechtspraxis strittig und von den Euro­päischen Gerichten noch nicht abschließend beantwortet worden. Weiterhin handelt es sich bei dem Beihilfenrecht um eine sehr dynamische Materie, die vor allem in den ver­ gangenen 20 Jahren zahlreichen Reformbemühungen unterzogen und von Rechts­ praxis und Rechtsprechung fortentwickelt wurde. Anspruch dieser Arbeit kann und soll aber nicht sein, eine allgemeine Übersicht über das Europäische Bei­ hilfenrecht zu liefern und alle oder viele der dort bestehenden Konfliktfragen auf­ zulösen. Vielmehr beschränkt sich die vorliegende Untersuchung auf die Bewer­ tung der wichtigsten beihilfenrechtlichen Aspekte im Zusammenhang mit der mitgliedstaatlichen Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastruktu­ ren. Bezüge zu allgemeinen beihilfenrechtlichen Fragen und Querschnittsmate­ rie wie dem Konzept der Daseinsvorsorge bzw. der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse3 sollen nur insoweit dargestellt werden, wie sie spezifisch für die Bewertung von Infrastrukturbeihilfen von Bedeutung sind.

3

Im Folgenden nur „DAWI“.

C. Zum Gang der Untersuchung

35

C. Zum Gang der Untersuchung Die folgende Abhandlung gliedert sich in fünf Kapitel: Die Kapitel 1 und 2 umfassen die Erläuterung des Infrastrukturbegriffs, die Darstellung der ökonomischen Besonderheiten des Infrastrukturbereichs sowie die Grundlagen zu den Wettbewerbsverhältnissen im Infrastruktursektor. Als Allgemeiner Teil sind sie der spezifischen beihilfenrechtlichen Analyse vorgelagert. Das Verständnis der ökonomischen und politischen Aspekte des Infrastruktur­ bereichs und der dort vorzufindenden Argumentationslinien ist unabdingbare Vor­ bedingung, um weite Teile der rechtlichen Bewertung nachvollziehen zu können. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird aus diesem Grunde immer wieder Bezug auf die hier dargestellten Gesichtspunkte genommen werden. In Kapitel 1 wird als Arbeitsgrundlage zunächst der Begriff der Infrastruktu­ ren erörtert und seine Ausprägung im Europäischen Wettbewerbs- und Beihilfen­ recht dargestellt. Des Weiteren wird er von ähnlichen Konzepten wie dem deut­ schen Modell der Daseinsvorsorge und dem gemeinschaftsrechtlichen Begriff der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse abgegrenzt. In Kapitel 2 wird die Sonderstellung des Infrastrukturbereichs in der Marktwirt­ schaft anhand seiner spezifischen ökonomischen Eigenschaften sowie seiner poli­ tischen Bedeutung erläutert. Ferner werden die Grundlagen zum Bestehen wett­ bewerblicher Strukturen auf den verschiedenen Märkten und Marktebenen des Infrastrukturbereichs untersucht. Die Kapitel 3 und 4 beinhalten die Darstellung des im Infrastruktursektor be­ stehenden Kompetenzgefüges zwischen der Union und den Mitgliedstaaten sowie eine detaillierte Untersuchung der Rechtspraxis von Kommission und Europäischen Gerichten zur Anwendbarkeit der Beihilfenvorschriften auf die mitgliedstaatliche Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen. Kapitel 3 umfasst schwerpunktmäßig eine Darstellung der Zuständigkeitsver­ teilung zwischen Union und Mitgliedstaaten im Infrastrukturbereich sowie einen Überblick über allgemeine Ziele und Grenzen von Beihilfenrecht- und Beihilfen­ politik unter besonderer Beachtung der für die Neuausrichtung der Beihilfenkon­ trolle im Infrastrukturbereich wichtigen Beihilfenreform von 2005. Kernstück der Untersuchung ist das folgende Kapitel 4, in dem die beihilfenrecht­ lichen Praxis der Kommission und der Gemeinschaftsgerichte im Infrastruktur­ bereich anhand der einzelnen Merkmale des Beihilfenverbotstatbestands (Art. 107 Abs. 1 AEUV) sowie der wichtigsten Rechtfertigungsvorschriften dargestellt und mit Blick auf die Kompetenzverteilung zwischen Union und Mitgliedstaten auf die­ sem Gebiet kritisch erörtert wird. Das Kapitel 5 umfasst schließlich rechtspolitische Erwägungen sowie Vorschläge für eine zukünftige Anwendung der Beihilfenvorschriften im Infrastruktursektor.

36

Einführung

Dort finden sich eine Zusammenfassung der wichtigsten gefundenen Ergebnisse sowie ein daraus entwickelter rechtspolitischer Ausblick auf eine mögliche zu­ künftige Ausrichtung der Beihilfenkontrolle im Infrastrukturbereich.

D. Bedeutendste Rechtsquellen der Untersuchung Wichtigste Rechtsquelle einer beihilfenrechtlichen Untersuchung sind naturge­ mäß die primärrechtlichen Vorschriften der Beihilfenkontrolle nach Art. 107–109 AEUV. Spezifisch für den Infrastrukturbereich sind aus dem Primärrecht darüber hinaus die Bestimmung für Beihilfen zur Koordinierung des Verkehrs, Art.  93 AEUV sowie die Normen betreffend Transeuropäische Netze in Art. 170 ff. AEUV bedeutend. Bezüglich nicht-primärrechtlicher beihilfenrechtlicher Bestimmungen sind insbesondere die Beihilfenverfahrensverordnung4, die De-Minimis-Verordnungen5 sowie die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO)6 zu nennen. Darüber hinaus hat die Kommission in den vergangenen Jahren mehrere Mit­ teilungen veröffentlicht, die sektorspezifische Vorgaben für mitgliedstaatliche Beihilfen zur Förderung verschiedener Infrastrukturarten umfassen. Hier sind insbesondere die Luftverkehrs-Leitlinien 19947, 20058 und 20149 sowie die Breit­ band-Leitlinien 200910 und 201311 anzuführen. Ferner sind auch die Regionalbei­ hilfen-Leitlinien 200612 und 201313 für den Infrastrukturbereich bedeutsam. In Hinblick auf Infrastrukturbeihilfen als Ausgleich für DAWI sind schließlich die Bestimmungen des DAWI-Pakets 2011/2012 wichtig, welches aus einem Ge­ meinschaftsrahmen14, einem Freistellungsbeschluss15 sowie einer DAWI-Mittei­ lung16 besteht. Darüber hinaus werden im Rahmen der Untersuchung eine Reihe weiterer Rechtsnormen betrachtet, die für die beihilfenrechtliche Bewertung der mitglied­ staatlichen Infrastrukturförderung jedoch vor allem in spezifischen einzelnen Zu­ sammenhängen relevant sind und deshalb individuell dort erläutert werden. 4

Rat, VO Nr. 659/1999 v. 22.03.1999 – Beihilfenverfahrensverordnung. Kommission, VO Nr. 1407/2013 v. 18.12.2013 – De-Minimis-Verordnung 2013; Kommission, VO Nr. 1998/2006 v. 15.12.2006 – De-Minimis-Verordnung 2006. 6 Kommission, VO Nr. 800/2008 v. 06.08.2008 – AGVO. 7 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 1994. 8 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2005. 9 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014. 10 Kommission, Breitband-Leitlinien 2009. 11 Kommission, Breitband-Leitlinien 2013. 12 Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2006. 13 Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013. 14 Kommission, DAWI-Gemeinschaftsrahmen 2012. 15 Kommission, DAWI-Freistellungsbeschluss 2011. 16 Kommission, DAWI-Mitteilung 2012. 5

E. Forschungsstand

37

E. Forschungsstand Die beihilfenrechtliche Relevanz mitgliedstaatlicher Infrastrukturmaßnahmen untersuchte erstmals Modlich17 Mitte der 1990er Jahre ausführlich in seiner Dok­ torarbeit. Da er einem engen Verständnis der Anwendbarkeit der Beihilfenvor­ schriften auf die nationale Infrastrukturförderung folgte und zu dem damaligen Zeitpunkt die folgende Neuausrichtung der Kommissionpraxis in diesem Bereich noch nicht antizipieren konnte, waren für ihn allerdings weite Teile der heutigen Diskussion zur beihilfenrechtlichen Einordnung der mitgliedstaatlichen Infra­ strukturunterstützung noch nicht relevant. Die weitere Entwicklung der beihilfenrechtlichen Behandlung der allgemeinen mitgliedstaatlichen Infrastrukturförderung seit den späten 1990er Jahren wurde in einigen kürzeren Abhandlungen und Aufsätzen aufgegriffen. Zu nennen sind hier insbesondere die Publikationen von Koenig/Scholz18, Koenig/Braun19, Karpenstein/­ Schiller20 und Kekelekis21. Des Weiteren widmeten sich mehrere Veröffentlichungen sektorspezifischen Fra­ gen zur beihilfenrechtlichen Untersuchung mitgliedstaatlicher Infrastrukturmaß­ nahmen. Hervorzuheben ist hier die Doktorarbeit von Mellwig22 zur Finanzierung von Hafeninfrastrukturen. Daneben sind aus der Aufsatzliteratur etwa die Abhand­ lung von Jennert/Eitner23 zu mitgliedstaatlichen Beihilfen für Hafeninfrastrukturen zu nennen, die Beiträge von Bartosch24, Koenig/Trías25 und Hobe/­Seidenspinner26 zur Förderung von Flughafeninfrastrukturen sowie die Darstellung von Koenig/ Fechtner27 zur Finanzierung von Breitband-Infrastrukturen. Dagegen fehlt bislang eine umfassende Betrachtung der beihilfenrechtlichen Bewertung allgemeiner mitgliedstaatlicher Infrastrukturmaßnahmen vor dem Hin­ tergrund der Neuausrichtung von Kommissionspraxis und Rechtsprechung auf die­sem Gebiet seit Mitte der 1990er Jahre. Diese Lücke beabsichtigt die vorlie­ gende Arbeit zu schließen.

17

Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnahmen. Koenig/Scholz, EuZW 2003, S. 133 ff. 19 Koenig/Braun, in: Sanchez-Rydelski, The EC State Aid Regime, S. 91 ff. 20 Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81 ff. 21 Kekelekis, EStAL 2011, S. 433 ff. 22 Mellwig, Infrastrukturfinanzierung in Häfen. 23 Jennert/Eitner, EuZW 2013, S. 414 ff. 24 Bartosch, WuW 2005, S. 1122 ff. 25 Koenig/Trías, EStAL 2009, S. 299 ff. 26 Hobe/Seidenspinner, Infrastrukturbeihilfen. 27 Koenig/Fechtner, EStAL 2009, S. 463 ff. 18

Kapitel 1

Der Infrastrukturbegriff A. Einleitung Eine Untersuchung der Anwendbarkeit der Vorschriften des Europäischen Bei­ hilfenrechts auf Infrastrukturprojekte setzt voraus, zunächst die Bedeutung des Terminus’ „Infrastruktur“ zu umreißen. Obwohl der Begriff der „Infrastruktur“ sowohl in Europäischen Rechtsnormen als auch in Entscheidungen der Kommis­ sion sowie des Europäischen Gerichtshofs1 zu finden ist, hat sich eine einheitliche Definition bislang weder in der Rechtssetzung noch der Rechtspraxis etablieren können. In den folgenden Ausführungen soll deshalb zunächst die Bedeutung des Begriffs „Infrastruktur“ im allgemeinen Sprachgebrauch sowie in den Wirtschaftsund Sozialwissenschaften untersucht werden. Auf dieser Grundlage sollen die An­ sätze zur Verwendung dieses Terminus in rechtswissenschaftlicher Literatur und Rechtspraxis erläutert werden. Letztlich gilt es zu erschließen, inwieweit der In­ frastrukturbegriff heute als europarechtlicher Begriff eingeordnet und für die wei­ tere Untersuchung nutzbar gemacht werden kann.

B. Historische Entwicklung des Begriffs „Infrastruktur“ leitet sich aus den lateinischen Wörtern „infra“ (dt. unter, unter­ halb)  und „structura“ (dt. Bau, Aufbau) ab2. Als eigenständige Wendung wurde der Terminus „Infrastruktur“ erstmals in der Fachsprache der französischen Eisen­ bahnen verwendet. Unter den Begriff wurden dort erdverbundene Einrichtungen mit langer Lebensdauer wie Brücken, Tunnel und Schienentrassen gefasst3. Stärkere Verbreitung erfuhr der Begriff ab den 1950er-Jahren durch seine Ver­ wendung im militärischen Sprachgebrauch der North Atlantic Treaty Organisation (NATO). Dort wurde er zur Bezeichnung der ortsfesten Einrichtungen der militä­ rischen Organisation genutzt, insbesondere für die Gesamtheit der militärisch er­ forderlichen Gebäude, Anlagen und Kommunikationsnetze4. Nach und nach bür­ gerte sich der Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch ein und wurde zunehmend 1

Im Folgenden nur „Gerichtshof“. Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnahmen, S. 118. 3 Vgl. Hünnekens, Rechtsfragen, S. 7. 4 Hünnekens, Rechtsfragen, S. 7; Jochimsen, Infrastruktur, S. 100. 2

C. Infrastruktur als Begriff in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

39

auch zur Bezeichnung ziviler Anlagen und Einrichtungen herangezogen5. Heute wird er in der Sprache von Gesellschaft, Politik und Medien weitgehend unspezifi­ ziert verwendet. Aus dem allgemeinen Sprachgebrauch lässt sich damit für die hier zu untersuchenden Infrastrukturmaßnahmen keine verwendbare Begriffsbestim­ mung herleiten.

C. Infrastruktur als Begriff in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Seit den 1960er Jahren ist der Infrastrukturbegriff vielfacher Gegenstand wirt­ schafts- und sozialwissenschaftlichen Untersuchungen. Die in diesen Ausarbei­ tungen gefundenen Definitionsansätze sind dabei so vielseitig wie die spezifisch untersuchten Forschungsinhalte6. Während teilweise auf eine enumerative Auf­ zählung von Einrichtungen zurückgegriffen wird, um den Begriff einzugrenzen, knüpfen andere Untersuchungen abstrakter an spezifische Merkmale (z. B. Stand­ ortgebundenheit) oder Funktionen der Infrastrukturen an7. Die folgende Darstel­ lung beschränkt sich auf die wichtigsten Grundlagenansätze, die für die weitere rechtswissenschaftliche Einordnung des Infrastrukturbegriffs hilfreich sind.

I. Der Begriff des Sozialkapitals nach Hirschman Eine der ersten wissenschaftlichen Darstellungen des Infrastrukturbereichs fin­ det sich bei Hirschman, der in diesem Zusammenhang den Begriff des Sozialkapitals (eng. „social overhead capital“) entwickelt. Dieser beschreibt die Grund­ leistungen, auf welche die direkten produktiven Aktivitäten („directly productive activities“) im primären, sekundären und tertiären Wirtschaftsbereich angewiesen sind8. Die Gesamtheit von Sozialkapital und direkten produktiven Aktivitäten bil­ det danach den Realkapitalstock einer Volkswirtschaft9. Als weitere Unterteilung nennt Hirschman das Sozialkapital im weiteren Sinne, wozu er alle öffentlichen Dienstleistungen zählt (z. B. die Rechtsordnung, das Bil­ dungs- und Gesundheitswesen, das Transportwesen, die Energie- und Wasserver­ sorgung) sowie das Sozialkapital im engeren Sinne (der „harte Kern“), worunter er allein das Verkehrswesen und die Energieversorgung fasst10.

5

Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnahmen, S. 118. Hünnekens, Rechtsfragen, S. 8. 7 Ebd. 8 Hirschman, The Strategy of Economic Development, S. 83. Vgl. dazu Hünnekens, Rechts­ fragen, S. 8. 9 Siehe etwa Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 169. 10 Hirschman, The Strategy of Economic Development, S. 83. 6

40

Kap. 1: Der Infrastrukturbegriff

Das Sozialkapital stellt nach seiner Auffassung die Grundvoraussetzung und den Rahmen aller wirtschaftlichen Aktivitäten einer Volkswirtschaft dar. Dieses Verständnis der Begrifflichkeit des Sozialkapitals entspricht einer Reihe von spä­ teren Definitionen der Infrastruktur. In vielen Fällen werden die beiden Bezeich­ nungen deshalb auch parallel oder synonym verwendet11.

II. Der Infrastrukturbegriff nach Jochimsen Als einen der wichtigsten Definitionsansätze der Infrastruktur hat sich die von Jochimsen entwickelte Begriffsbestimmung durchgesetzt. Danach ist die Infra­ struktur die „Summe der materiellen, institutionellen und personalen Einrichtungen und Gegebenheiten […], die den Wirtschaftseinheiten zur Verfügung stehen und mit beitragen, den Ausgleich der Entgelte für gleiche Faktorbeiträge bei zweckmäßiger Allokation der Ressourcen, d. h. vollständige Integration und höchstmögliches Niveau der Wirtschaftstätigkeit, zu ermöglichen.“12 Nach seinem Verständnis handelt es sich bei der Infrastruktur damit um die „Basisfunktionen“ einer Volkswirtschaft13. Mit der Unterteilung in materielle, institutionelle und per­ sonelle Infrastruktur schafft Jochimsen zugleich verschiedene Kategorien zur Sys­ tematisierung des Infrastrukturbegriffsverständnisses. Unter die materielle Infrastruktur fasst er physisch greifbare standortgebundene Einrichtungen. Beispielhaft nennt er Gebäude des Staates – wie solche der Verwal­ tung und Schulen – sowie die „Anlagen, Ausrüstungen und Betriebsmittel, die zur Energieversorgung, Verkehrsbedienung, Telekommunikation dienen (…) [und] die Bauten usw. zur Konservierung der natürlichen Ressourcen und Verkehrswege im weitesten Sinne“14. Als institutionelle Infrastruktur bezeichnet Jochimsen die Gesamtheit der Nor­ men und Verhaltensregeln, die das Zusammenleben in der Gesellschaft bestimmen sowie die Einrichtungen zu deren Durchsetzung15. Unter der personellen Infrastruktur schließlich versteht er die Größe und Eigen­ schaften der Erwerbsbevölkerung, die der Volkswirtschaft potentiell als Arbeits­ kräfte dienen können16.

11

Vgl. dazu Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnahmen, S. 121. Jochimsen, Infrastruktur, S.  100. Dazu Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnahmen, S. 120 ff.; Hünnekens, Rechtsfragen, S. 9. 13 Jochimsen, Infrastruktur, S. 101. 14 Jochimsen, Infrastruktur, S. 103. 15 Jochimsen, Infrastruktur, S. 117. 16 Jochimsen, Infrastruktur, S. 133. 12

C. Infrastruktur als Begriff in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

41

III. Die Bestimmung der Infrastrukturinvestitionen nach Tuchtfeldt Ein Definitionsansatz mit konkreter Zuordnung des Infrastrukturbereichs als öffentliche Aufgabe findet sich bei Tuchtfeldt. Danach sollen Infrastrukturinves­ titionen die „Gesamtheit aller vorwiegend von der öffentlichen Hand vorgenommenen Investitionen“ sein, „die Voraussetzung für die Integrations- und Entwicklungsfähigkeit einer Volkswirtschaft sind“17. Diese Begriffsbestimmung unterscheidet sich von anderen Ansätzen im We­ sentlichen dadurch, dass der Fokus der Betrachtung ausdrücklich nicht den Sek­ tor privater Investitionen umfasst. Nicht außer Acht gelassen werden darf da­ bei allerdings der historische Hintergrund dieses Begriffsverständnisses aus den 1970er Jahren. Die Einschätzung, dass bestimmte Versorgungsbereiche wie Post, Telekommunikation und Bahn eine natürliche Monopolstellung innehaben und aus diesem Grunde allein vom Staat in ausreichendem Maße unmittelbar zur Ver­ fügung gestellt werden konnten, war zu dieser Zeit noch ein weitgehender wirt­ schaftswissenschaftlicher und -politischer Konsens18. Tuchtfeldt will seinen engen Infrastrukturbegriff gerade auf diese Bereiche beschränken.

IV. Enumerative Begriffsbestimmungen am Beispiel von Frey Schließlich lehnt ein nicht unerheblicher Teil der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur eine abstrakte Definition des Infrastrukturbegriffs ab und beschränkt sich auf eine enumerative Aufzählung von Einrichtungen, die nach ihrer Ansicht unter diesen Begriff fallen. Die konkrete Auswahl unterscheidet sich dabei erheblich. So sollen nach Frey die Einrichtungen von „Verkehr, Energie, Ausbildung, Forschung, Gesundheitswesen, Wasserbau und Wasserwirtschaft sowie Anlagen für Kultur, Erholung, Sport sowie öffentliche Verwaltung“ als Infrastruktur zu verstehen sein19. Nicht darunter fallen nach Freys Ansicht dagegen „Justiz, Polizei, Verwaltung (…) und das Wohnungswesen“20.

V. Zusammenfassung und eigene Einschätzung Bei einer Gesamtbetrachtung der dargestellten sozialwissenschaftlichen Bestim­ mungen des Infrastrukturbegriffs nach Hirschman, Jochimsen, Tuchtfeldt und Frey lassen sich trotz aller Unterschiede im Detail einige grundlegende Gemeinsamkei­ ten feststellen. Dazu gehört zunächst die Beschreibung des „Basischarakters“ der 17

Tuchtfeldt, in: Jochimsen/Simonis, Infrastrukturpolitik, S. 125, 128. Vgl. Schalast/Abrar, ZWeR 2009, S. 85, 86; Schalast/Sibbel, WuW 2008, S. 560, 561. 19 Frey, Infrastruktur, S. 1. 20 Frey, Infrastruktur, S. 2. 18

42

Kap. 1: Der Infrastrukturbegriff

Infrastrukturen als Grundlage für die vielfältigen ökonomischen Tätigkeiten im pri­ mären, sekundären und tertiären Bereich einer modernen Volkswirtschaft. Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit liefert zudem Jochimsens Unterteilung der personellen, institutionellen und materiellen Infrastrukturen eine wichtige Sys­ tematisierung. Die hier angestoßene Untersuchung des Schutzes des Wettbewerbs im Infrastrukturbereich vor Einschränkungen durch mitgliedstaatliche Beihilfen soll sich auf die materielle Infrastruktur beschränken21. Kein Gegenstand der Be­ arbeitung können dagegen Fragen der institutionellen Infrastruktur im Sinne eines Wettbewerbs der europäischen Rechtsordnungen oder der personellen Infrastruk­ tur im Rahmen einer Beurteilung von bevölkerungspolitischen Maßnahmen der verschiedenen Mitgliedstaaten sein. Die Begrenzung auf staatliche Investitionen bei Tuchtfeldt bietet ein klares Ab­ grenzungskriterium und macht damit den nur schwierig abstrakt zu umreißenden Begriff der Infrastrukturen erheblich greifbarer. Andererseits schränkt sie den Un­ tersuchungsgegenstand derart ein, dass die gerade vor dem Hintergrund der Reali­ tät zunehmenden privatwirtschaftlichen Engagements im Infrastrukturbereich un­ umgängliche gesamtwirtschaftliche Betrachtung nicht mehr möglich sein kann. Es bleibt insoweit zudem dahingehend Vorsicht geboten, dass die im Zusammenhang von Staats- und Privatwirtschaft aufgeworfenen inhaltlichen (Abgrenzungs-)Fragen zu vielfältig und komplex sind, als dass sie bereits auf der Ebene der Bestimmung eines grundlegenden Infrastrukturbegriffs pauschal aufgelöst werden können22. Die­ sem Ansatz soll aus diesem Grunde hier nicht weiter gefolgt werden. Die Beschränkung der Infrastruktureinrichtungen auf einen abschließenden enumerativen Katalog wie ihn Frey vorschlägt, hilft auf der vorgelagerten Ebene, einen Begriff der Infrastruktur zu entwickeln, nur eingeschränkt weiter und soll deshalb im Folgenden ebenfalls nicht weiterverfolgt werden.

D. Entschließungen und Entscheidungen des Europäischen Parlaments I. Entschließung von 1989 Im Jahr 1989 stellte das Europäische Parlament in einer Entschließung zur Be­ deutung der Infrastrukturen eine eigene Begriffsbestimmung auf, wonach darunter fällt „die Ausstattung mit materiellen Gütern (…), die nicht unmittelbar im Produktionsprozeß verwendet werden, wobei diese Ausstattung einer Vielzahl von Benutzern zur Verfügung steht und normalerweise vom Staat selbst oder von eigens dafür vorgesehen halbstaatlichen Stellen oder auch privaten Körperschaften hergerichtet 21

Vgl. auch die Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes bei Modlich, Nationale Infra­ strukturmaßnahmen, S. 122. 22 Ähnlich Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnahmen, S. 119 f.

E. Infrastruktur als Rechtsbegriff des Europarechts

43

und finanziert wird“23. Teilweise angelehnt ist diese Definition damit an die bereits dargestellten wirtschaftswissenschaftlichen Infrastrukturbegriffe von Hirschman und Jochimsen, insoweit als auf die Basisfunktion der Infrastruktur als der dem Pro­ duktionsprozess vorgelagerte Stufe materieller Einrichtungen zurückgegriffen wird. Problematisch an der Begriffsbestimmung ist, wie schon bei Tuchtfeldts Infra­ strukturdefinition, der Versuch der grundlegenden Zuordnung der Infrastrukturen als öffentliche Aufgaben. Der Wortlaut der Parlamentsentschließung schränkt dies zwar dahingehend ein, dass die Bereitstellung von Infrastrukturen lediglich „normalerweise“ als staatliche Aufgabe betrachtet wird und „auch private[…] Körperschaften“ oder „halbstaatliche Stellen“ als Erbringer infrastruktureller Leistungen angesehen werden können. Dennoch ist ein solcher Ansatz kritisch zu betrachten, da die komplexe Diskussion zur Frage der Aufgabenzuweisung zwischen Staat und Privaten hier auf die dafür ungeeignete Ebene der Definition des Infrastruk­ turbegriffs gehoben wird.

II. Beschluss von 2010 Für den Bereich der Verkehrsinfrastrukturen liefert der Beschluss 661/2010/EU24 des Europäischen Parlaments und des Rates in Art. 3 Abs. II eine Auflistung, wo­ nach „Straßen-, Eisenbahn- und Binnenwasserstraßennetze, Meeresautobahnen, See- und Binnenhäfen, Flughäfen sowie andere Knotenpunkte zwischen modalen Netzen“ darunter zu fassen sind. Auch wenn hier anstelle einer abstrakten Defini­ tion die Form der enumerativen Aufzählung von Infrastruktureinrichtungen ge­ wählt wurde, lässt sich daraus zumindest herleiten, dass unter Verkehrsinfrastruk­ turen alle zur Beförderung von Personen und Waren erforderlichen unbeweglichen Einrichtungen zu verstehen sind25.

E. Infrastruktur als Rechtsbegriff des Europarechts I. Europäisches Primärrecht Im Europäischen Primärrecht ist die einzige ausdrückliche Erwähnung des Be­ griffs der Infrastruktur im Abschnitt über Transeuropäische Netze in Art. 170 Abs. 1 AEUV zu finden, wonach „die Union zum Auf- und Ausbau transeuropäischer Netze in den Bereichen der Verkehrs-, Telekommunikations- und Energieinfrastruktur 23

Europäisches Parlament, Entschließung v. 17.03.1989, Dok.-EP A 2-292/88, ABl. 1989 C-96/243, 244. 24 Beschluss Nr. 661/2010/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07.07.2010. Die Auflistung wurde seit ihrer ersten Aufführung in Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Nr. 1692/96/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.07.1996 um einige Einrichtungen ergänzt. 25 Ähnlich Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 84.

44

Kap. 1: Der Infrastrukturbegriff

bei[trägt]“. Dieser Beitrag der Union erfolgt nach Art. 170 Abs. 2 AEUV „im Rahmen eines Systems offener und wettbewerbsorientierter Märkte“. In Art. 171 Abs. 1 AEUV ist daneben bestimmt, dass die Union spezifische Verkehrsinfrastrukturvor­ haben in den Mitgliedstaaten finanziell unterstützen kann. Eine Legaldefinition der genannten Infrastrukturbereiche findet sich in den Europäischen Verträgen allerdings nicht. Ebenso wenig gibt es zu den Art. 170 ff. AEUV bislang Entscheidungen der Europäischen Gerichte, so dass die unmittel­ bare Ableitung einer Definition des Infrastrukturbegriffs auch nicht auf die Recht­ sprechung gestützt werden kann. In der Literatur wurden in diesem Zusammenhang mehrere verschiedene De­ finitionsansätze entwickelt: In Anlehnung an Freys Ablehnung einer abstrakten Definition wird auch für die Bestimmung des Infrastrukturbegriffs in Art. 170 ff. AEUV teilweise ausschließ­ lich eine enumerative Aufzählung der unter den jeweiligen Infrastrukturbereich zu fassenden Einrichtungen vorgeschlagen26. Andere Autoren definieren die Infrastrukturen ohne konkretere Umreißung, als „Kunstbauten“27, welche im Zusammenhang mit den im Gesetzeswortlaut erwähn­ ten Bereichen Verkehr, Telekommunikation und Energie stehen. Callies schließlich erwägt, unter Infrastruktur „alle für die Beförderung von Personen, Gütern, Daten, Signalen oder Energie zwischen zwei Orten erforderlichen, ortsfesten, dauerhaften Einrichtungen“ zu fassen28. Letztlich bleibt festzuhalten, dass sich aus dem Regelungsgegenstand der Art. 170 ff. AEUV (Transeuropäische Netze) erklärt, dass alle darauf aufbauen­ den Infrastrukturdefinitionen sich ausschließlich auf Netzwerk-Infrastrukturen beziehen29. Unabhängig von der individuellen Überzeugungskraft der einzelnen Begriffsbestimmungen erweisen sich diese damit für eine allgemeine Definition des Infrastrukturterminus im Europäischen Wettbewerbs- und Beihilfenrecht als zu eng.

II. Verordnungen und Richtlinien Auch in den in der Europäischen Union erlassenen Verordnungen und Richt­ linien lässt sich eine ausdrückliche Erwähnung von Infrastrukturen nur vereinzelt finden. Insbesondere im Gebiet des Verkehrs- und Eisenbahnrechts sowie der Ener­ gieregulierung gibt es jedoch auch konkrete Ansätze von Begriffsbestimmungen. 26

Vgl. auch den Überblick bei Abegg, Liberalisierung von Netzsektoren, S. 13 m. w. N. Erdmenger, in: von der Groeben/Schwarze, EGV/EUV, 6. Aufl., Art. 154 EG Rn. 6. 28 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 170 AEUV Rn. 7; Hermes, Staatliche In­ frastrukturverantwortung, S. 164 ff. 29 Siehe dazu unten Kap. 1, F. II. 27

E. Infrastruktur als Rechtsbegriff des Europarechts

45

So werden „Eisenbahninfrastrukturen“ ausdrücklich benannt in der Richtlinie zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft30, welche im Jahr 1991 den Anstoß für umfassende Eisenbahnreformen in den Mitgliedstaaten gab31. Mit dem Verweis auf die Verordnung Nr. 2598/70/EWG32 wurde allerdings auch hier einmal mehr der Weg gewählt, sich anstelle einer abstrakten Infrastruktur­ definition auf eine enumerative Aufzählung der einzelnen unter den Infrastruktur­ begriff fallenden Anlagen zu beschränken. Weitere Begriffsbestimmungen finden sich in neueren Verordnungen aus dem Bereich des Energierechts: So ist in der Verordnung über die Mitteilung von Investitionsvorhaben für Energieinfrastruktur als Begriffsbestimmung festgelegt, dass als „Infrastruktur (…) alle Arten von Anlagen oder Teile[] von Anlagen für Erzeugung, Übertragung und Lagerung/Speicherung“33 von Energie anzusehen sind. In einem jüngeren Gesetzentwurf der Kommission34 wurde der Begriff der „Energieinfrastruktur“ dagegen dahingehend eingeschränkt, dass lediglich „jede materielle Ausrüstung, die für die Stromübertragung und -verteilung oder die Gasfernleitung und -verteilung, für den Transport von Erdöl oder von CO2 oder für die Speicherung von Strom oder Gas konzipiert“35 umfasst wird, die Erzeugungs­ ebene mithin dort nicht vom Infrastrukturbegriff abgedeckt sein soll. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass in der endgültigen Fassung der Verordnung diese Definition nicht mehr auftaucht und stattdessen allein durch eine enumerative Aufzählung der erfassten Infrastrukturanlagen ersetzt wurde36. Damit ist der aus den Begriffsbestimmungen in Verordnungen und Richtlinien abzuleitende Gewinn für eine konkrete Infrastrukturdefinition im Rahmen des Wettbewerbsrechts ebenfalls beschränkt. Vielmehr zeigt sich, dass die vereinzelte Nutzung des Infrastrukturbegriffs jedenfalls keiner einheitlichen Linie folgt, son­ dern vielmehr individuell den konkreten Umständen des jeweiligen Regelungs­ bereichs angepasst verwendet wird.

30

Art. 3 RL 91/440/EWG des Rates v. 29.07.1991, ABl. 1991 L 237/25. Ausführlich dazu Zellhofer, Wettbewerb auf Europäischen Schienenverkehrsmärkten, S. 47 ff. 32 Kommission, VO Nr. 2598/70/EWG v. 18.12.1970, ABl. 1970 L 278/1. 33 Art. 3 VO 617/2010/EG des Rates v. 24.06.2010, ABl. 2010 L 180/7. 34 Kommission, Vorschlag KOM (2011) 658 endg. 35 Art. 2 Nr. 1 von KOM (2011) 658 endg. 36 Art.  2 Nr.  1 i. V. m. Anhang II der VO 347/2013 des Parlaments und des Rates v. 17.04.2013, ABl. 2013 L 115/39. 31

46

Kap. 1: Der Infrastrukturbegriff

III. Entscheidungspraxis von Kommission und Gerichtshof Eine konkrete Infrastrukturdefinition hat sich auch in der Rechtspraxis von Kommission und Gerichtshof bislang nicht herausgebildet, was die Handhabung des Begriffs weiterhin erschwert37. Dennoch eröffnet eine immer umfangreichere Entscheidungspraxis mit ausdrücklicher Bezugnahme auf den Infrastrukturbereich zumindest die Möglichkeit einer Systematisierung. Auf diesem Wege können Rückschlüsse auf gemeinsame Merkmale der Entscheidungen und somit zumin­ dest Anhaltspunkte für die Grundlagen eines einheitlichen Begriffsverständnisses gefunden werden. 1. Die Rechtspraxis zu Art. 102 AEUV a) Die Essential-Facilities-Doktrin im Europäischen Recht In der kartellrechtlichen Praxis sind Infrastruktureinrichtungen in der Vergan­ genheit vor allem im Kontext des Missbrauchstatbestands des Art. 102 AEUV Ge­ genstand von Entscheidungen gewesen. In einer Reihe von Verfahren ging es da­ bei um die Frage des Zugangsanspruchs von dritten Dienstleistungserbringern zur Nutzung von infrastrukturellen Anlagen wie Seehäfen38 oder Eisenbahnnetzen39 zur eigenen Leistungserbringung. Die ersten von der Kommission in diesem Bereich behandelten Fälle stellen die drei Hafen-Entscheidungen40 aus den Jahren 1992 und 1993 dar. Diesen Entschei­ dungen lagen jeweils ähnliche Sachverhalt zu Grunde, in denen die Eigentümer und Betreiber eines Seehafens jeweils selbst auch Fährdienstleistungen anboten. Wettbewerbern auf dem Markt für Fährdienstleitungen verweigerten die Hafen­ betreiber die Nutzung der Hafenanlagen für eigene Fährangebote jedoch bzw. ge­ statteten diese nur zu für den Konkurrenten unzumutbaren Konditionen. Die Kom­ mission beurteilte die Sachverhalte im Lichte der Essential-Facilities-Doktrin des US-Antitrust-Rechts41 und bejahte einen kartellrechtlichen Zugangsanspruch der Fährunternehmen zu den Häfen. Der Missbrauchstatbestand des heutigen Art. 102 37

Vgl. Kekelekis, EStAL 2011, S. 433. Kommission, Ent. v. 21.12.1993, Az. IV/34.689, ABl. 1994, L 15/8 – Sealink II; Kommission, Ent. v. 21.12.1993, ABl. 1994 L 55/52 – Hafen von Roedby. 39 Kommission, Ent. v. 27.08.2003, Az. COMP/37.685, ABl. 2004, L 11/17 – GVG/FS. 40 Kommission, Ent. v. 11.06.1992, Az. IV/34.174  – Sealink I; Kommission, Ent. v. 21.12.1993, Az. IV/34.689, ABl. 1994 L 15/8 – Sealink II; Kommission, Ent. v. 21.12.1993, ABl. 1994 L 55/52 – Hafen von Roedby. Dazu Deselaers, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 102 AEUV, Rn. 465 ff.; Müller, EuZW 1998, S. 232. 41 Ständige Rechtsprechung des Supreme Court seit United States v. Terminal Railroad As­ sociation, 224 US 383 (1912). Ausführlich dazu aus der deutschsprachigen Literatur Markert, in: Immenga/Möschel/Reuter, FS Mestmäcker, S. 661 ff. 38

E. Infrastruktur als Rechtsbegriff des Europarechts

47

AEUV war aus ihrer Sicht jedenfalls dann erfüllt, wenn es sich bei der Infrastruktur um eine wesentliche Einrichtung handelt, der Betreiber eine marktbeherrschende Stellung innehat, er selbst die Infrastrukturanlage zur Erbringung von Dienstleis­ tungen nutzt und zugleich Wettbewerbern auf dem Dienstleistungsmarkt ohne sachlich gerechtfertigten Grund den Zugang zu der Anlage verweigert42. Voraussetzung dafür ist jedenfalls, dass das Angebot der Dienstleistungserbrin­ gung und die Tätigkeit des Infrastrukturbetreibers zwei voneinander getrennte Märkte darstellen, die derart verknüpft sind, dass ein Tätigwerden des Drittanbie­ ters auf dem Dienstleistungsmarkt nur dann möglich ist, wenn der auf dem Markt für die Infrastrukturleistung beherrschende Betreiber ihm Zugang zu seiner Ein­ richtung gewährt43. Für die Anwendung der Essential-Facilities-Doktrin ist damit in jedem Einzelfall eine spezifische Abgrenzung des entsprechenden Marktes für den jeweiligen Infrastrukturbetrieb erforderlich44. Die in den Hafen-Entscheidungen etablierte Rechtspraxis der Kommission wurde in den Entscheidungen Magill45 und Bronner46 im Wesentlichen vom Ge­ richtshof bestätigt. Gleichwohl sind die genauen Voraussetzungen eines Zugangs­ anspruchs zu einer Infrastruktureinrichtung nach wie vor nicht abschließend herausgebildet47. Bei einer Gesamtbetrachtung der zur Essential-Facilities-Dogmatik ergange­ nen Rechtsprechung wird letztlich allerdings deutlich, dass der Gerichtshof eine über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Infrastrukturdefinition stets für ent­ behrlich erachtete. Für den vorgelagerten Markt selbst wird der Begriff der In­ frastruktur nicht verwendet. Selbst der Bezeichnung „essential facilities“ bzw. „wesentliche Einrichtungen“ weicht der Gerichtshof aus und verwendet diese in der Bronner-Entscheidung etwa nur, um den Vortrag der Parteien darzustel­ len48. Dies ist vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass der Gerichtshof von Beginn an den Anwendungsbereich eines solchen Zugangsanspruchs weit fasste und nicht begrifflich einengen wollte. Insbesondere können nach der Rechtspre­ chung in den Sachen Magill49 und IMS Health50 auch Immaterialgüterrechte darun­ ter ­fallen51. Eine die europäische Essential-Facilities-Doktrin einengende knappe 42

Vgl. auch Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art.  102 Rn. 332. 43 Deselaers, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 102 AEUV, Rn. 472; Eilmannsberger/Bien, in: Hirsch/Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 1, Art. 102 AEUV Rn. 345. 44 Vgl. dazu auch Bergmann, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Art. 82 EGV, Rn.87. 45 EuGH, Urt. v. 06.04.1995, Rs. C-241/91 P und C-242/91 P – Magill. 46 EuGH, Urt. v. 26.11.1998, Rs. C-7/97 – Bronner. 47 Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art. 102 Rn. 333. 48 Siehe EuGH, Urt. v. 26.11.1998, Rs. C-7/97, Rn. 24 – Bronner. 49 EuGH, Urt. v. 06.04.1995, Rs. C-241/91 P und C-242/91 P – Magill. 50 EuGH, Urt. v. 29.04.2004, Rs. C-418/01 – IMS Health. 51 Ausführlich Ensthaler/Bock, GRUR 2009, S. 1.

48

Kap. 1: Der Infrastrukturbegriff

Infra­strukturdefinition war damit nicht erforderlich und wäre der weiteren Fortent­ wicklung der Spruchpraxis auch wenig dienend gewesen. Stattdessen wurde vom Gerichtshof gerade seit der wegweisenden Bronner-Entscheidung52 die Frage der Möglichkeit eines „tatsächlichen oder potentiellen Ersatz[es]“53 der entsprechen­ den Einrichtung als zentrales Ausschluss- und Eingrenzungskriterium für den Zu­ gangsanspruch etabliert54. b) Exkurs: Vergleichbare Regelungen in den Mitgliedstaaten Andere Wege in dieser Frage wählten einige nationale Gesetzgeber der Mit­ gliedstaaten. So ist in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB in Deutschland ausdrücklich ein Zu­ gangsanspruch zu „Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen“ kodifiziert. Abgesehen davon, dass eine mitgliedstaatliche Begriffsbestimmung für eine euro­ parechtliche Definition der Infrastrukturen allenfalls Indizwirkung haben kann, hat auch die deutsche Rechtspraxis von Bundeskartellamt und den zuständigen Gerichten bislang keine einheitliche Linie zur Bestimmung eines Infrastruktur­ begriffs gefunden55. Gleichfalls sind die Ansätze der deutschen Kommentarliteratur insoweit wenig ergiebig. So spricht etwa Götting äußerst vage von einer Einrichtung, die „zur Vornahme einer Wettbewerbshandlung in Anspruch genommen wird“ und als „Grundlage für die Erbringung von Dienstleistungen dien[t]“56. Negativ trifft er daraufhin eine Abgrenzung zu Produktionsanlagen sowie „Anlagen zur Erbringung von Dienstleistungen, selbst wenn sie flächendeckend erbracht werden“57. Auch wenn diese Infrastrukturdefinition vor dem spezifischen Hintergrund der in diesem Kon­ text relevanten Zugangsanspruch zu einer Einrichtung erste Anhaltspunkte liefern kann, taugt sie zur genaueren Subsumtion im praktischen Einzelfall aufgrund ihrer weitgehenden Unbestimmtheit nur in geringem Maße. Ein weiterer Begriffsbestimmungsansatz will die Infrastruktureinrichtungen mit Anlagen mit dem Charakter eines natürlichen Monopols gleichsetzen58. Gestützt wird diese Ansicht in erster Linie auf die Gesetzesbegründung zur 3. GWB No­ velle59, wonach von § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB vor allem in früherer Zeit als natür­ 52

EuGH, Urt. v. 26.11.1998, Rs. C-7/97 – Bronner. EuGH, Urt. v. 26.11.1998, Rs. C-7/97, Rn. 41 – Bronner. 54 Dazu Ehle, EuZW 1999, 86, 90; Scherer, MMR 1999, S. 315, 318 f. 55 Vgl. auch Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB, § 19 Rn. 318. 56 Götting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, § 19 GWB Rn. 89. 57 Götting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, § 19 GWB Rn. 89; ähnlich Bechtold/Bosch, GWB, § 19 Rn. 69; Wiedemann, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 23 Rn. 68. 58 Vgl. etwa v. Wallenberg, K&R 1999, S. 152, 154. 59 Bundesrat, Stellungnahme v. 19.12.1997, BT-Drucks. 13/9720, S. 73. 53

E. Infrastruktur als Rechtsbegriff des Europarechts

49

liche Monopolbereiche angesehenen Gebiete wie Eisenbahn, Energieversorgung und Telekommunikation erfasst werden sollen60. Auch diese Auslegung des Be­ griffs der Infrastruktureinrichtung begegnet allerdings erheblicher Kritik. So ist schon die ökonomische Einordnung einer Einrichtung als natürliches Monopol in vielen Fällen sehr streitig und kann kaum positiv empirisch festgestellt werden, so dass eine erhebliche Rechtsunsicherheit bestehen würde61. Nicht zuletzt gibt es in der deutschen Literatur zu § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB den Ansatz, dass vom Begriff der Infrastruktureinrichtung ausschließlich solche An­ lagen umfasst werden sollen, die Zwecken des Gemeinwohls dienen62. Zu Recht wird hiergegen jedoch eingewendet, dass Abwägungsentscheidungen mit wett­ bewerbspolitischem Charakter nicht schon auf der Definitionsebene zu treffen sein können63. Schließlich ist auf einen Definitionsansatz einzugehen, der vorrangig die cha­ rakteristische Transport- und entfernungsüberwindende Logistikfunktion von ma­ teriellen Infrastruktureinrichtungen hervorhebt64. Gerade im Verkehrssektor, aber auch bei den leitungsgebundenen Einrichtungen etwa zur Beförderung von Was­ ser, Strom oder Telekommunikationssignalen steht das Transportelement im Vor­ dergrund. Problematisch an dieser Anknüpfung ist aber, dass sie letztlich allein Einrichtungen mit Netzcharakter beschreibt und damit zwar zur Definition des engeren Begriffs „Netz“ geeignet erscheint65, den damit nicht zwangsläufig iden­ tischen, aus guten Gründen auch als weiter aufzufassenden Begriff der Infrastruk­ tureinrichtung aber gar nicht eigenständig erfasst. Die aus ökonomischer Sicht als Punkt-Infrastrukturen und Punkt-Netzwerk-Infrastrukturen eingeordneten Ein­ richtungen66 würden von vornherein weitgehend aus dem Definitionsbereich aus­ geklammert. Aus diesem Grunde kann die Anknüpfung an die Transport- und Logistikfunktion einer Einrichtung lediglich zur Beschreibung eines Teils des Ge­ samtbegriffs Infrastruktur dienen67.

60

Vgl. auch Götting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, § 19 GWB Rn. 89. 61 Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB, § 19 Rn. 318. 62 Vgl. Dreher, DB 1999, S. 833, 836. 63 So auch Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB, § 19 Rn. 318. 64 Hohmann, Essential Facility, S.  205 f.; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 329 f.; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB, § 19 Rn. 319. 65 Vgl. auch den volkswirtschaftlichen Netzbegriff von v. Weizsäcker, WuW 1997, S. 572 ff. 66 Siehe dazu unten Kap. 1, F. II. 67 Martenczuk/Thomaschki, RTkom 1999, S.  15, 22; a. A. Fuchs/Möschel, in: Immenga/ Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB, § 19 Rn. 319.

50

Kap. 1: Der Infrastrukturbegriff

2. Der Infrastrukturbegriff bei Art. 107 AEUV a) Rechtspraxis der Kommission Auch im Bereich des Beihilfenrechts der Art.  107 ff. AEUV haben die Kom­ mission und der Gerichtshof bislang keine einheitliche Infrastrukturdefinition ent­ wickelt68. Gleichwohl zieht die Kommission den Begriff in einer Reihe von jün­ geren Entscheidungen heran. So fasst sie darunter aus dem Verkehrsbereich etwa Flughäfen69, Seehäfen70, Eisenbahnanlagen (Schienen, Bahnhöfe)71 und Fernstra­ ßen. Aus dem Gebiet der leitungsgebundenen Versorgung sind Strom- und Gas­ netze72, Fernwärmeleitungen73, Telekommunikations- und Breitbandnetze74 sowie Rundfunksendeinfrastrukturen75 zu nennen. Daneben wird der Begriff der Infra­ struktur im Zusammenhang mit Sporteinrichtungen (insbesondere Fußballstadien)76 und Kultur- und Freizeiteinrichtungen (Mehrzweckhallen, Museen, Freizeitparks77) verwendet. Schließlich sind auch Einrichtungen auf dem Gebiet der Gesundheits­ versorgung (Krankenhäuser)78, Abfallentsorgung (Sammelpunkte, Umschlagplätze etc.)79 und Forstwirtschaft (Wasserversorgung und Entwässerung des Waldes, Wald­ wege)80 von der Kommission als Infrastruktur qualifiziert worden.

68

Siehe nur Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 83 f. Vgl. schon Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 1994, Rn. 12. 70 Kommission, Ent. v. 02.07.2013, Az. SA.35418 (2012/N) – Port of Piraeus (extension); Kommission, Ent. v. 15.06.2011, Az. N 44/2010 – Port Infrastructure in Krievu Sala; Kommission, Ent. v. 15.12.2009, Az. N 385/2009 – Ventspils Port. 71 Kommission, Ent. v. 24.05.2011, Az. SA.31492 (N 375/2010) – Multimodal Platform Linked to the Ronchi dei Legionari Airport; Kommission, Ent. v. 13.07.2009, Az. N 316/08 – First-Last Mile Infrastructure and Intermodality Hungary. 72 Kommission, Ent. v. 17.12.2010, Az. N 629/2009 – Electricity and Natural Gas Transmission Networks Romania; Kommission, Ent. v. 13.07.2009, Az. N 56/2009 – Electricity Distribution Networks Poland; Kommission, Ent. v. 08.06.2007, Az. N 183/2007 – Gas and Electricity Net­ works in Castille La-Manche. 73 Kommission, Ent. v. 10.05.2011, Az. SA.31261 – Geothermal Heat Distribution Network Unterschleißheim; Kommission, Ent. v. 09.03.2011, Az. SA.30828 (N 494/2010)  – Heating Networks in Veneto. 74 Kommission, Ent. v. 05.07.2013, Az. SA.35834 (2012/N) – PEBA-NGA Spanien; Kommission, Ent. v. 06.06.2013, Az. SA.35027, SA.35028 & SA.35029 (2012/N)  – Broadband Podlasie; Kommission, Ent. v. 20.11.2012, Az. SA.35000 (2012/N) – Breitband Bayern. 75 Kommission, Ent. v. 19.06.2013, Az. SA.28599 (C 23/2010 (ex NN 36/2010, ex CP 163/2009)) – DTT in abgelegenen Regionen Spaniens; Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14 – DVB-T Berlin/Brandenburg. 76 Kommission, Ent. v. 09.11.2011, Az. SA.31722 – Hungarian Sports Sector. 77 Kommission, Ent. v. 17.09.2003, Az. K(2003) 3241, ABl. 2004 L61/66 – Space Park Bremen. 78 Kommission, Ent. v. 28.10.2009, Az. NN 54/2009 (ex CP 244/2005)  – IRIS Hospitals Brussels-Capital. 79 Kommission, Ent. v. 17.01.2009, Az. N 390/2009 – Waste Collection Systems Latvia. 80 Kommission, Ent. v. 22.09.2011, Az. SA.32939 – Czech Forest Infrastructure; Kommission, Ent. v. 08.06.2011, Az. SA.32792 – Latvian Forestry. 69

E. Infrastruktur als Rechtsbegriff des Europarechts

51

Die Betrachtung dieser Beispielsfälle macht deutlich, dass die Kommission ins­ gesamt eine weite Interpretation des Infrastrukturbegriffs in der beihilfenrecht­ lichen Praxis wählt81. Insbesondere fällt auf, dass sie keine Einschränkung auf lediglich wirtschaftsnahe Einrichtungen (wie Versorgungsleitungen) oder die Netz­ gebundenheit der Anlagen legt82. Teilweise bezeichnet sie aber auch andere Einrichtungen als Infrastrukturen, die nach dem hier angenommenen Verständnis der materiellen Infrastruktur nicht als solche angesehen würde, etwa Filmproduktionsstätten83 oder Tankstellen84. Letz­ tere etwa haben zwar auch eine Versorgungsfunktion, jedoch steht – ähnlich wie etwa bei Bäckereien oder Supermärkten  – der Handelsaspekt (welcher im wei­ teren Sinne der Produktion zuzuordnen ist) im Vordergrund gegenüber einer die materielle Infrastruktur charakterisierenden Basisfunktion für die produzierende Wirtschaft. Außerdem sieht die Kommission teilweise auch – anders als hier im Folgenden angenommen – ausdrücklich Dienstleistungen als vom Begriff der Infra­ struktur umfasst. Exemplarisch lässt sich dies an ihrer Definition von „Forschungsinfrastruktur“ in der Beihilfen-Gruppenfreistellungsverordnung 201485 aufzeigen, wonach unter diesen Begriff fallen: „Einrichtungen, Ressourcen und damit verbundene Dienstleistungen, die von Wissenschaftlern für die Forschung auf ihrem jeweiligen Gebiet genutzt werden.“86

b) Ansätze in der Literatur In der beihilfenrechtlichen Literatur wird für die Bestimmung des Infrastruk­ turbegriffs teilweise auf die wirtschaftswissenschaftlichen Ansätze von Frey zu­ rückgegriffen und anstelle einer allgemeinen Definition ein entwicklungsoffener Infrastrukturbegriff gefordert, der sich auf eine Aufzählung von anerkannterma­ ßen als Infrastrukturen eingeordneten Anlagen beschränkt87. Auch die Kommis­ sion verfolgt jüngst einen ähnlichen Ansatz, wie sich aus den neuen Energie­ infrastruktur-Leitlinien 2014 ergibt88. Andererseits ist auch hier einer Reihe von Wissenschaftlern und Praktikern deut­ lich geworden, dass es als Arbeitsbegriff zumindest eines bestimmten Grundkon­ senses für einen abstrakten Infrastrukturterminus bedarf. So schlägt Modlich eine an den Begriff der materiellen Infrastruktur von Jochimsen angelehnte Definition 81

So auch Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 83 ff. Vgl. auch Koenig/Kühling/Theobald, Recht der Infrastrukturförderung, Einleitung S. XIV. 83 Siehe Kommission, Film-Leitlinien 2013, Rn. 30: „Filmproduktionsinfrastruktur“. 84 Kommission, Ent. v. 18.08.2008, Az. N 275/08  – Refuelling Infrastructure for Natural Gas-Powered Vehicles Italy. 85 Kommission, VO Nr. 651/2014 – im Folgenden „Beihilfen-GVO 2014“. 86 Kommission, Art. 2 Nr. 91 Beihilfen-GVO 2014 (Hervorhebung durch den Verfasser). 87 Koenig/Kühling, DÖV 2001, S. 881, 882. 88 Kommission, Energieinfrastruktur-Leitlinien 2014, Rn. 19 Nr. 31. 82

52

Kap. 1: Der Infrastrukturbegriff

auch im Beihilfenrecht vor. Dies begründet er vor allem damit, dass die in diesem Bereich von der Kommission überprüften Vorhaben im Regelfall bauliche bzw. physische Einrichtungen betreffen, welche die Grundvoraussetzung für eine wirt­ schaftliche, soziale und kulturelle Nutzung darstellen89. Deutlich wird daraus vor allem auch, dass die (physische) Infrastruktur (Beispiel: Eisenbahnschienen) auch in diesem Bereich von ihrer möglichen Nutzung (in dem Beispiel: der Betrieb von Zügen) zur Erbringung von Dienstleistungen getrennt zu betrachten ist. Diese – auch im Rahmen der bereits dargestellten Essential-Facilities-Doktrin wesent­ liche – Grundannahme ist für die Eingrenzung des beihilfenrechtlichen Infrastruk­ turbegriffs von besonderer Bedeutung.

IV. Zusammenfassung Der Begriff der Infrastruktur wird in den primär- und sekundärrechtlichen Be­ stimmungen des Europarechts, der Literatur dazu sowie der Rechtspraxis von Kommission und Europäischen Gerichten uneinheitlich verwendet. Eine übergrei­ fende Definition oder die Festlegung bestimmter Begriffsmerkmale fehlen bis­ lang. Aus diesem Grunde erweist sich die Anwendung des Infrastrukturterminus als einzelfallorientiert. In jüngerer Zeit zeichnet sich eine Tendenz dazu ab, dass bei der Verwendung des Infrastrukturbegriffs in Rechtsbestimmungen von einer abstrakten Bestimmung abgesehen wird und stattdessen eine enumerative Aufzäh­ lung verschiedener darunter gefasster Einrichtungen genannt wird.

F. Ansätze zur weiteren Unterteilung der materiellen Infrastruktur In der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Literatur wurde für den Be­ reich der materiellen Infrastruktur eine Vielzahl weiterer Ausdifferenzierungen entwickelt. Einige wichtige Überlegungen, die in weiten Teilen auch für die wett­ bewerbsrechtliche Beurteilung von Infrastrukturprojekten von Bedeutung sind, sollen im Folgenden erläutert werden.

I. Private und öffentliche Infrastrukturen So gibt es in der Literatur eine Unterteilung in öffentliche und private Infra­ struktur. Diese kann sich zum einen an den materiellen Eigentumsverhältnissen orientieren90. Andererseits lässt sich die Differenzierung auch an den Widmungs­ zweck der Infrastruktur anknüpfen. Danach ist zu unterscheiden, ob die Infrastruk­ 89

Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnahmen, S. 122 f. Vgl. Klaus, Primärinfrastruktur, S. 105 m. w. N.

90

F. Ansätze zur weiteren Unterteilung der materiellen Infrastruktur

53

tureinrichtung einem öffentlichen oder einem privaten Zweck dient91. Diese Auf­ teilung kann beispielhaft an einer Straße erläutert werden: So ist vorstellbar, dass ein Privatweg der Öffentlichkeit gewidmet wird, so dass er den öffentlichen In­ frastrukturen zuzurechnen ist92. Ein vergleichbarer Privatweg auf dem Betriebs­ gelände einer größeren Fabrik, den das Fabrikunternehmen ausschließlich privat nutzt, stellt dagegen eine private Infrastruktur dar. Vor dem Hintergrund der Gleichbehandlung öffentlicher und privater Unterneh­ men im Europäischen Wettbewerbsrecht nach Art. 106 Abs. 1 AEUV stellt diese Differenzierung für die weitere Untersuchung der beihilfenrechtlichen Bewertung der mitgliedstaatlichen Infrastrukturförderung keinen Gewinn dar. Sie soll deshalb im Folgenden im Einzelfall nur dort berücksichtigt werden, wo es an den öffent­ lichen oder privaten Charakter einer Infrastruktur anknüpfende Besonderheiten gibt.

II. Punkt-Infrastrukturen, Punkt-Netzwerk-Infrastrukturen und Netzwerk-Infrastrukturen Weiterhin können die materiellen Infrastrukturen nach ihrem Netzwerkcharak­ ter genauer unterteilt werden. Hier ergibt sich – ähnlich wie beim Infrastruktur­ begriff – die Schwierigkeit, eine gemeinverbindliche Bestimmung des Terminus „Netz“ zu finden. Hier soll insoweit ausreichen, als „Netz“ einen Zusammenhang zu bezeichnen, der aus bestimmten Objekten sowie den Verbindungen zwischen diesen Objekten besteht93. Zu unterscheiden sind danach Punkt-Infrastrukturen, Punkt-Netzwerk-Infrastrukturen sowie Netzwerk-Infrastrukturen. Die grundlegende Ausprägung stellt eine Punkt-Infrastruktur dar, die sich durch eine besondere Eigenständigkeit ohne notwendige engere Verknüpfung mit gleich­ artigen Infrastrukturen auszeichnet94. Mangels notwendigen Zusammenhangs zwi­ schen diesen Punkten bestehen zwischen ihnen auch keine physischen Verbin­ dungen. Beispiele für Punkt-Infrastrukturen sind etwa Kultureinrichtungen wie Museen oder Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser und Schwimmbäder. Davon abzugrenzen sind die Punkt-Netzwerk-Infrastrukturen95. Bei diesen han­ delt es sich dem Grunde nach zwar ebenfalls um einzelne eigenständige infra­ strukturelle Einrichtungen, diese sind jedoch dadurch gekennzeichnet, dass zwi­ schen den einzelnen Punkten eine gewisse Verbindung besteht, ohne dass diese 91

Ebd. Ebd. 93 Siehe etwa Lindemann, Wettbewerbspositionen von Telekommunikationsnetzen, S. 75. 94 Vgl. zu dem Begriff Buhr, What is Infrastructure?, S. 8, der allerdings bei der Zuordnung einzelner Infrastruktureinrichtungen einem anderen Weg folgt. 95 Vgl. für See- und Flughäfen auch mit einer ähnlichen Einordnung Fuchs/Möschel, in:­ Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB, § 19 Rn. 319 Fn. 1060: Infrastruktureinrich­ tungen als „punktueller Teil des jeweiligen Verkehrsnetzes“. 92

54

Kap. 1: Der Infrastrukturbegriff

p­ hysischer Natur ist. Eine einzelne Infrastruktur kann hier nicht sinnvoll beste­ hen, erforderlich ist vielmehr, dass diese mit mindestens einer zweiten gleicharti­ gen Infrastruktur verknüpfbar ist. Beispiele aus diesem Bereich stellen etwa Häfen und Flughäfen dar, deren Nutzer im Regelfall eine Start- und eine Zieleinrichtung benötigen, bei der die erforderliche Infrastruktur vorgehalten wird96. Für die Ver­ bindung selbst dagegen ist unmittelbar keine physische Einrichtung erforderlich. Für Netzwerk-Infrastrukturen schließlich ist charakteristisch, dass gerade die Verbindungen einen wesentlichen Teil  der Infrastruktureinrichtung ausmachen und regelmäßig auch selbst physisch ausgebaut sind. Typische Beispiele für die­ sen Infrastrukturtypus sind Telefon-, Strom- und Gasleitungen sowie Straßen97. Die Zuordnung einer bestimmten Infrastruktur zu einer dieser drei Ausprägun­ gen ist nicht immer ohne weitere Probleme möglich. So ließe sich etwa bei Kran­ kenhäusern einwenden, dass zur flächendeckenden Sicherstellung der in ihnen erbrachten medizinischen Versorgungsleistungen, gerade auch in Hinblick auf spezialisierte Behandlungen, sehr wohl eine Koordination und somit eine gewisse Netzwerkbildung erforderlich ist. Letztlich muss aber beachtet werden, dass es sich bei der Unterteilung in Punkt-, Punkt-Netzwerk- und Netzwerk-Infrastruk­ turen allein um eine Gruppenbildung von Einrichtungen anhand bestimmter Ge­ meinsamkeiten handelt. Bei der konkreten Prüfung eines einzelnen Infrastruktur­ projekts kann eine schematische Abgrenzung dieser Kategorien damit allein ein Hilfskriterium sein, auf dessen Grundlage allein jedoch keine abschließende Wer­ tung möglich ist. Insgesamt bleibt es zur Beurteilung des Einzelfalls notwendig, auf die individuellen wirtschaftlichen Besonderheiten der jeweils untersuchten Einrichtung in Bezug auf ihre Netzwerkeffekte einzugehen.

III. Primäre und sekundäre Infrastrukturen Angelehnt an den Gedanken der Unterscheidung zwischen Netz- und Punkt-­ Infrastrukturen wurde die Differenzierung nach Primär- und Sekundärinfrastruk­ turen entwickelt98. Unter Primärinfrastrukturen sind danach solche Infrastruktur­ einrichtungen zu verstehen, welche nicht auf einer bereits vorhandenen anderen Infrastruktur aufbauen99. Hierzu zählen in erster Linie die Versorgungsnetze zur Durchleitung von Strom, Wasser oder Telekommunikationssignalen sowie die Ver­ kehrsinfrastrukturen wie Straßen und Schienenwege. Abzugrenzen sind diese An­ lagen von den Sekundärinfrastrukturen, die nur deshalb bestehen können, weil sie 96

Klaus, Infrastruktur, S. 97 f. spricht bei Flughäfen von einem „Spezialfall“ der netzbasier­ ten Infrastrukturen. 97 Vgl., allerdings wiederum im Detail abweichend, Buhr, What is Infrastructure?, S. 8. 98 Teilweise wird bei einem ähnlichen Unterteilungskonzept auch von Infrastrukturen im „engeren“ und im „weiteren Sinne“ gesprochen, vgl. Hermes, Staatliche Infrastrukturverant­ wortung, S. 170 u. S. 341; Klaus, Primärinfrastruktur, S. 107. 99 Klaus, Primärinfrastruktur, S. 107 f.

G. Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen

55

auf bereits vorhandene (Primär-)Infrastrukturen aufbauen100. Zu diesem Bereich werden Infrastrukturen aus den Bereichen Gesundheit, Kultur und Bildung ge­ rechnet. Dadurch, dass diese Einrichtungen zentralisiert errichtet werden, bedarf es zu ihrer Nutzung des Anschlusses zumindest an ein Verkehrsnetz wie Straßen oder Schienen. Abgrenzungsschwierigkeiten treten bei dieser Kategorisierung in Bereichen wie der Post101 und der Abfallentsorgung102 auf. Denn einerseits sind diese Sekto­ ren dadurch charakterisiert, dass sie auf der Nutzung einer anderen Infrastruktur – in erster Linie dem Straßennetz als Transportebene – angewiesen sind und somit eigentlich unter den Begriff der Sekundärinfrastruktur zu fassen sind. Andererseits erfordert die Koordination von Einsammlung und Verteilung in diesen Bereichen selbst einen hohen Organisationsgrad. Die Sammel- und Verteilstellen sind zwar untereinander physisch nicht verbunden, stellen aber in der Gesamtbetrachtung sehr wohl ein eigenständiges (Punkt-)Netzsystem dar103. Im Ergebnis bleibt damit auch nach diesem Abgrenzungsansatz eine Betrach­ tung der wirtschaftlichen Eigenschaften der einzelnen Infrastruktureinrichtung und ihrer wettbewerblichen Bedeutung im Einzelfall notwendig. Wieder zeigt sich, dass eine pauschale Kategorisierung aufgrund der Komplexität der verschiedenen Infrastrukturbereiche für eine strukturierte Betrachtung nicht ausreichend ist.

IV. Zusammenfassung Die weitere Untergliederung der materiellen Infrastruktur nach den bestehenden Eigentumsverhältnissen, ihrem Netzwerkcharakter oder ihrer Eigenständigkeit (primäre und sekundäre Infrastrukturen) kann Bedeutung in der individuellen Un­ tersuchung eines Einzelfalls erlangen. Vor allem bei den ökonomischen Besonder­ heiten der jeweiligen Infrastrukturarten wird auf diese Unterteilung zurückzukom­ men sein. Für eine abstrakte Begriffsbestimmung des Infrastrukturterminus liefert sie dagegen keine weiteren Anhaltspunkte.

G. Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union besteht eine Reihe von rechts­ wissenschaftlichen Begriffen, welche die staatliche Verantwortung für die Grund­ versorgung der Bevölkerung mit bestimmten Leistungen und Einrichtungen be­ schreiben. Diese Modelle sind vom Terminus der Infrastruktur abzugrenzen, wie 100

Klaus, Primärinfrastruktur, S. 108. Klaus, Primärinfrastruktur, S. 108 f. 102 Vgl. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 173. 103 Ebd. 101

56

Kap. 1: Der Infrastrukturbegriff

im Folgenden anhand der Konzepte der Daseinsvorsorge aus Deutschland sowie des Service Public aus Frankreich skizziert werden soll. Darüber hinaus werden auch Ähnlichkeiten und Unterschiede zum europarechtlichen Begriff der DAWI aufgezeigt.

I. Mitgliedstaatliche Konzepte wie Daseinsvorsorge und Service Public 1. Das deutsche Konzept der Daseinsvorsorge In der Bundesrepublik Deutschland wird im Zusammenhang mit Infrastrukturen zuweilen der von Forsthoff in der Verwaltungswissenschaft im Jahre 1938 begrün­ dete Begriff der Daseinsvorsorge gebraucht104. Forsthoff entwickelte dieses Kon­ zept auf Grundlage der Annahme, dass der Mensch in der modernen Gesellschaft sich nicht mehr ausschließlich autark versorgen kann, sondern auch von der Ge­ meinschaft und damit von staatlicher Leistungserbringung abhängig ist105. Charak­ teristisch für Daseinsvorsorgeleistungen ist demnach zunächst die Angewiesenheit des Einzelnen darauf. Darüber hinaus betont Forsthoff jedoch, dass das Leistungs­ verhältnis bei staatlichen Daseinsvorsorgemaßnahmen typischerweise zugleich zweiseitig ist106. Abgegrenzt werden muss es daher von einseitigen staatlichen Leis­ tungserbringungen, wie beispielsweise der Fürsorge in individuellen Notlagen107. Forsthoffs Daseinsvorsorgemodell ist von dem hier bevorzugten Infrastruktur­ begriff abzugrenzen, da es primär die staatliche Bereitstellung von Versorgungs­ leistungen abbildet und im Verhältnis von Staat und Privatwirtschaft nicht neutral bezüglich des Leistungserbringers ist108. Das Konzept kommt an seine Grenzen, wo faktisch Aufgaben in klassischen Daseinsvorsorgebereichen auf Private über­ tragen werden. Teilweise wird nun versucht, dort auf neue Kategorien wie die einer subsidiären Erfüllungsverantwortung des Staates zu verweisen109. Andere Verfechter des Daseinsvorsorgekonzepts wollen darin eine fortbestehende Auf­ gabenverantwortung des Staates erkennen, die als Gegenstück zu einem Wett­ bewerb „um seiner selbst“ besteht110. Übergreifendes Merkmal dieser Ansätze ist, dass sie insgesamt vage bleiben. Das Daseinsvorsorgekonzept ist in der (rechts-) wissenschaftlichen Diskussion damit weitgehend eine Leerformel geblieben. 104

Die Grundlagen zu dem Begriff finden sich in Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungs­ träger. Das Werk wurde mit einer neuen Einleitung in Teilen nochmals herausgegeben im Jahre 1959 als: Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung. 105 Forsthoff, Rechtsfragen, S. 26 ff. 106 Forsthoff, Rechtsfragen, S. 26. 107 Forsthoff, Rechtsfragen, S. 38. 108 So auch Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 19. 109 So etwa Wilkens, Wettbewerbsprinzip und Gemeinwohlorientierung, S. 150 ff. 110 Ronellenfitsch, DVBl. 2008, S. 201, 204.

G. Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen

57

Darüber hinaus knüpfte das in der NS-Zeit geprägte Daseinsvorsorgemodell von Forsthoff ursprünglich an ein fundamental anderes Verständnis des Staats­ wesens an111, als es den modernen europäischen Rechtsordnungen zugrunde liegt. Schon dies erschwert seine heutige praktische Anwendung. Schließlich deuten die Ansätze einer weiten Umreißung des Daseinsvorsorge­ begriffs zudem eine Reichweite des Konzepts an, die deutlich über das hier bevor­ zugte materielle Infrastrukturverständnis hinausgeht. Dies zeigt sich bereits daran, dass vielfach auch die staatlichen Sozialversicherungssysteme als Daseinsvorsor­ geleitungen eingeordnet werden112. Im Ergebnis beschreibt der Terminus der Daseinsvorsorge damit ein populäres und schillerndes Modell, das jedoch nicht mit dem hier vertretenen Infrastrukturbegriff kongruent ist. 2. Der französische Begriff des Service Public Das vor allem in Frankreich113 etablierte Konzept des Service Public umfasst nach dortigem Verständnis „jede von der Verwaltung im öffentlichen Interesse durchgeführte Unternehmung“114. Ähnlich wie dem Begriff der Daseinsvorsorge fehlt es auch dem Terminus des Service Public an einer einheitlichen Definition115. Dennoch lassen sich zumindest einige allgemeine Grundzüge des Konzepts auf­ zeigen, die darauf hindeuten, dass es zwar Überschneidungen zum hier angenom­ menen Infrastrukturbegriff aufweist, insgesamt jedoch wiederum nicht mit diesem deckungsgleich ist. So umfasst der Service Public nicht allein die staatlichen Unternehmungen, die eine materielle Grundlage für die Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen etwa aus den Bereichen Verkehr, Energie und Telekommunikation schaffen, son­ dern darüber hinaus auch weite Teil der Eingriffsverwaltung (etwa zur Aufrecht­ erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung) sowie teilweise sogar eine reine Einnahmenerzielung der Verwaltung116. Der Service Public ist damit wesent­ lich weiter gefasst als der hier als Begriffsgrundlage vorgeschlagene Terminus der materiellen Infrastruktur. Darüber hinaus begründet sich das Konzept des Service 111

Vgl. hierzu nur den Ausspruch Forsthoffs von 1938: „Die Grundrechte gehören der Geschichte an.“ Dieser findet sich – mit einer ergänzenden Kommentierung in der Einleitung – auch noch 1957 in Forsthoff, Rechtsfragen, S. 22. Siehe zur Kritik an Forsthoff nur Hösch, Die kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 28 ff. 112 Forsthoff, Rechtsfragen, S. 28; zur Abgrenzung des Begriffs von ähnlichen Konzepten aus diesem Grunde auch Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 18 f. 113 Ähnliche Modelle gibt es auch in Belgien, Griechenland, Italien und Portugal, siehe dazu Simon, Liberalisierung von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, S. 15 m. w. N. 114 Simon, Liberalisierung von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, S. 14 m. w. N.; ausführ­ lich Pielow, in: Hrbek/Nettesheim, EU und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 155 ff. 115 Zur Begriffsbeschreibung und Übersetzung ins Deutsche Waechter, Verwaltungsrecht im Gewährleistungsstaat, S. 90 ff. 116 Simon, Liberalisierung von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, S. 14.

58

Kap. 1: Der Infrastrukturbegriff

Public auf einem gänzlich anderen Verständnis von Wettbewerb im Infrastruktur­ bereich als die Bestimmungen des Europäischen Wettbewerbsrechts. Wesentliche Grundüberlegung des Service Public ist, dass der Staat bestimmte (Infrastruktur-) Bereiche als öffentliche Aufgabe erklären kann und diese dadurch den Anwen­ dungsregeln der Wettbewerbsregeln entzieht117. Dies steht in diametralem Gegen­ satz und Spannungsverhältnis zu der Normierung in Art. 106 Abs. 1 AEUV, wonach die Wettbewerbsregeln des Vertrags auch auf öffentliche Unternehmen angewendet werden. Das Konzept des Service Public unterscheidet sich damit grundlegend von dem hier verwendeten Begriff der Infrastruktur.

II. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse Darüber hinaus ist bei der Bestimmung des Infrastrukturbegriffs die naheliegende Frage der Abgrenzung zu der bereits im Europäischen Primärrecht verankerten Ka­ tegorie der „Dienste“ bzw. der „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ („DAWI“) aus Art. 16 AEUV, Art. 106 Abs. 2 S. 1 AEUV und Art. 36 Grundrechtscharta zu beantworten. Die beiden Bezeichnungen werden in Teilen der Literatur ohne weitere Differenzierung als synonym und austauschbar verwen­ det118. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass die beiden Begriff­ lichkeiten zwar Überschneidungen aufweisen, jedoch keineswegs kongruent sind. 1. Infrastrukturbegriff ist weiter als jener der DAWI Erstens stellt sich der hier bevorzugte Infrastrukturbegriff weiter dar als die jener der DAWI, so dass nicht die Bereitstellung jeder Infrastruktureinrichtung zwangs­ läufig zugleich auch eine DAWI darstellen muss. Dies ist vor allem dadurch be­ gründet, dass DAWI – unabhängig von der konkreten Reichweite dieses Begriffs, die wiederum in vielen Aspekten streitig ist119 – letztlich lediglich einen politisch definierten Mindeststandard an flächendeckender Versorgung mit bestimmten Leis­ tungen zur Befriedigung der Grundbedürfnisse der Bevölkerung darstellen. Die infrastrukturelle Erschließung von Städten und Regionen kann dagegen auch ein deutlich höheres Niveau aufweisen. Im Einzelfall kann die Abgrenzung, ob es sich bei einer bestimmten Leistung (noch) um eine DAWI handelt, schwierig sein120. Dieser Unterschied zwischen Infrastruktur und DAWI wird etwa in einer Mit­ teilung bezüglich DAWI von 2012121 deutlich. Dort stellt die Kommission am Bei­ spiel von Breitband-Infrastrukturen klar, dass deren Errichtung und Betrieb ihrer 117

Simon, Liberalisierung von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, S. 15. Siehe etwa Gaßner, KommJur 2007, S. 129, 132 mit Bezug auf Art. 36 Grundrechtscharta. 119 Siehe unten Kap. 4, B. V. 1. 120 Siehe ausführlich unten Kap. 4, B. V. 1. b). 121 Kommission, DAWI-Mitteilung 2012. 118

G. Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen

59

Auffassung nach in einigen Gebieten eine DAWI darstellen kann, nämlich dort, wo (private) „Investoren nicht in der Lage sind, eine angemessene Breitbandversorgung anzubieten“122. Andererseits soll die Errichtung und der Betrieb tech­ nisch identischer Breitband-Infrastrukturen in anderen Regionen nicht als DAWI anzusehen sein, wenn dort nämlich „private Investoren bereits in Breitband­ infrastruktur investiert haben (oder ihre Netzwerkinfrastruktur gerade ausweiten) und bereits wettbewerbsfähige Breitbanddienste mit einer angemessenen Flächendeckung anbieten“123. Die Einordnung einer bestimmten Infrastruktur als DAWI hängt damit von weiteren individuellen wirtschaftlichen und politischen Umstän­ den ab, so dass darüber ohne Berücksichtigung der konkreten Besonderheiten des Einzelfalls kein pauschales Urteil möglich ist. 2. Infrastrukturbegriff ist enger als jener der DAWI Zweitens ist der hier bevorzugte materielle Infrastrukturbegriff zugleich aller­ dings auch enger als der Terminus der DAWI, so dass nicht alle DAWI zugleich mit der Bereitstellung von Infrastrukturen identisch sind. So umfassen die DAWI nach Ansicht der Kommission etwa auch die mitgliedstaatlichen Systeme der Ren­ ten- und Krankenversicherung124, welche nach dem hier vertretenen Verständnis nicht zu der materiellen Infrastruktur gehören. 3. Ergebnis Wann die mitgliedstaatliche Förderung der Errichtung und des Betriebs von In­ frastruktureinrichtungen als DAWI einzuordnen ist, lässt sich nicht pauschal über die Begriffsbestimmung ermitteln. Vielmehr ist es nach den Umständen des Ein­ zelfalls zu untersuchen. Das methodische Vorgehen dazu wird im Folgenden noch umfassend erörtert125. Da die Begriffe jedenfalls nicht übereinstimmen, sind sie grundsätzlich unabhängig voneinander zu betrachten.

III. Zusammenfassung Der hier bevorzugte Begriff der materiellen Infrastruktur weist Überschneidun­ gen zu den mitgliedstaatlichen Konzepten der Daseinsvorsorge und des Service Public sowie dem gemeinschaftsrechtlichen Terminus der DAWI auf. Gleichwohl ist er nicht mit diesen kongruent und aus diesem Grunde abstrahiert von ihnen zu betrachten. Für die Abgrenzung zu den mitgliedstaatlichen Modellen ergibt sich 122

Kommission, DAWI-Mitteilung 2012, Rn. 49. Ebd. 124 Kommission, DAWI-Mitteilung 2012, Rn. 17 ff. 125 Vgl. unten Kap. 4, B. V. 1. b). 123

60

Kap. 1: Der Infrastrukturbegriff

dieses Erfordernis bereits aus der Pflicht zur autonomen Bestimmung der Rechts­ begriffe des Unionsrechts. Auf die Einordnung bestimmter Infrastrukturen als DAWI ist in dem entsprechenden beihilfenrechtlichen Kontext individuell im De­ tail einzugehen, ohne dass es zu einer pauschalen Wertungsgleichstellung zwischen diesen Begriffen kommen darf.

H. Zusammenfassung und eigene Einschätzung Sowohl in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften als auch in der Rechts­ praxis der Europäischen Institutionen besteht bislang kein Konsens über den Be­ griff der Infrastruktur. Unter den zahlreichen Einzelmeinungen sind jedoch zwei größere Strömungen auszumachen. Die erste lehnt eine abstrakte Definition des Infrastrukturbegriffs ab und be­ schränkt sich auf eine enumerative Aufzählung von jedenfalls als Infrastrukturen anzusehenden Einrichtungen. Begründen lässt sich dieser Ansatz vor allem mit der Überlegung, dass jede abstrakte Definition des Begriffs in der praktischen Anwen­ dung nur schwierig zu handhaben wäre. Damit würden die Umstände des Einzel­ falls jeweils stark ins Gewicht fallen, was zu einem erheblichen Maß an Rechts­ unsicherheit führen würde. Eine zweite Strömung steht einer abstrakten Bestimmung des Infrastruktur­ begriffs offener gegenüber. Sie geht im Grundsatz davon aus, dass unter den In­ frastrukturbegriff diejenigen Faktoren einer Volkswirtschaft zu fassen sind, die als Grundlage für den wirtschaftlichen Produktionsprozess dienen, ohne dabei selbst produzierend tätig zu sein. Die materielle Infrastruktur bildet dabei die physischen Anlagen und Einrichtungen ab, die diesem Zwecke dienen. Der praktische Vorteil letzteren Begriffsverständnisses ist, dass er sich im Ge­ gensatz zu einer abschließenden enumerativen Aufzählung von Infrastrukturein­ richtungen als entwicklungsoffen erweist. Auf diese Weise können auch neue technologische Entwicklungen – wie sie gerade im Bereich der Telekommunika­ tions- und Breitbandinterneteinrichtungen in den vergangenen Jahren zu beobach­ ten sind  – vom Infrastrukturbegriff umfasst werden, ohne dass es einer stetigen Anpassung desselben durch eine kontrollierende Instanz bedürfe, sei es der Uni­ onsgesetzgeber oder die Kommission als Verwaltungsorgan. Für die vorliegende Untersuchung soll dieser Ansatz als Arbeitsgrundlage die­ nen. Gleichwohl wird an ihm auch deutlich, dass eine abstrakte, abschließende, ju­ ristisch subsumtionsfähige Definition der Infrastruktur bislang nicht besteht und aufgrund der Dynamik des Terminus auch überhaupt nur eingeschränkt aufstell­ bar wäre. Vielmehr ist Infrastruktur ein übergreifender beschreibender Begriff für Einrichtungen, welche im Gesamtwirtschaftssystem eine bestimmte Funktion er­ füllen und dabei regelmäßig selbst über spezifische charakteristische ökonomische Eigenschaften verfügen.

H. Zusammenfassung und eigene Einschätzung

61

Erforderlich für die Einordnung einer Einrichtung als Infrastruktur ist dabei eine grundlegende Anlagenstruktur, die sich je nach Art der Infrastruktur aber in ihrem (physischen) Umfang erheblich unterscheiden kann (siehe etwa einer­ seits eine leitungsgebundene Versorgungsinfrastruktur wie ein Stromnetz und andererseits ein im Wesentlichen allein auf Briefkästen, Sammel- und Verteil­ stellen aufbauendes Postinfrastrukturnetz). Regelmäßig abzugrenzen von der In­ frastruktur selbst sind damit die auf oder mit Hilfe der Infrastruktur erbrachten Dienstleistungen. Sowohl die besonderen ökonomischen Charakteristika der Infrastrukturen als auch die zuletzt genannte getrennte Betrachtung von Infrastruktureinrichtungen und Infrastrukturdienstleistungen werden im folgenden Kapitel genauer erläutert.

Kapitel 2

Infrastrukturen im Wettbewerb A. Einleitung Wie bereits die Bestimmung des Infrastrukturbegriffs in Grundzügen gezeigt hat, spiegelt sich bei einer wettbewerblichen Untersuchung des Infrastruktur­ bereichs in gewichtigem Maße die Frage nach dem Verhältnis von Staat und Pri­ vaten bei der Bereitstellung von Infrastrukturen wider. Der Infrastruktursektor ist in allen Mitgliedstaaten der Union in erheblichem Maße durch staatliches Handeln beeinflusst. Dieses ist freilich in verschiedensten Formen ausgestaltet. Es reicht von der vollständigen Bereitstellung von Infrastrukturen durch die Mitgliedstaaten auf der einen Seite über gemischte öffentliche und private Infrastrukturorganisa­ tion bis hin zu vollständiger privater Infrastrukturvorhaltung. Selbst bei Letzterer bleibt zuweilen ein gewisser staatlicher Einfluss dadurch erhalten, dass eine (fi­ nanzielle) mitgliedstaatliche Förderung der Infrastrukturprojekte erfolgt. Die besondere Staatsnähe des Infrastruktursektors beruht vor allem auf der An­ nahme, dass der freie Markt ohne Staatseingriffe die Versorgung der Bevölke­ rung mit Infrastrukturen und Infrastrukturdienstleistungen nicht in ausreichendem Maße sicherstellt. Hintergrund hierfür sind zum einen ökonomische Besonderhei­ ten des Infrastrukturbereichs, zum anderen aber auch politische Erwägungen der Mitgliedstaaten. Im folgenden Kapitel werden die Gründe für die Sonderstellung der Infrastruk­ turen in der Marktwirtschaft näher dargestellt. In diesem Zusammenhang werden vor allem die Grundlagen zu Wettbewerb und Marktversagen im Infrastruktur­ bereich dargestellt, deren Verständnis für die weitere beihilfenrechtliche Bewer­ tung dieses Gebiets unabdingbar ist.

B. Grundlagen zur Bestimmung der Wettbewerbsverhältnisse im Infrastrukturbereich I. Marktwirtschaft und Wettbewerb In der Marktwirtschaft erfolgt die Koordination von Angebot und Nachfrage über einen Markt. Nach der neoklassischen Theorie in der Volkswirtschaftslehre kommt es in einem modellhaften vollkommenen Markt durch den Preismechanis­

B. Bestimmung der Wettbewerbsverhältnisse im Infrastrukturbereich

63

mus zu einem Marktgleichgewicht, welches zu einer pareto-effizienten Ressour­ cenallokation führt (Erster Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie)1. Dies bedeutet, dass bei keiner anderen Güterverteilung ein Marktakteur besser gestellt würde, ohne dass zugleich ein anderer einen Nachteil erleiden würde. In dieser Situation be­ steht auf dem hypothetischen perfekten Markt die höchstmögliche gesamtwirt­ schaftliche Wohlfahrt, welche sich aus der Summe der Konsumentenrente (der Differenz zwischen dem Preis, den der Konsument bereit ist zu zahlen und dem tatsächlichen Preis) und der Produzentenrente (dem Gewinn des Anbieters) ergibt2. Auf diesem hypothetischen vollkommenen Markt besteht vollständiger Wett­ bewerb zwischen den Marktakteuren. Der Begriff Wettbewerb beschreibt all­ gemein die Konkurrenz um die Nutzung knapper Güter, welche dadurch entsteht, dass der einzelne Marktteilnehmer durch den Versuch der Maximierung des eige­ nen Nutzens notwendig in Konflikt zu anderen Marktakteuren mit gleichlaufen­ den Interessen gerät3. Eine allgemeingültige Definition des Wettbewerbsbegriff wurde bis heute weder in der Wirtschafts- noch der Rechtswissenschaft entwickelt. Vielmehr bestehen in der Wettbewerbstheorie eine Reihe von Modellen, anhand derer das Vorliegen von Wettbewerb in einem Markt dargestellt werden kann. Ge­ nannt werden soll hier nur das zentrale Konzepte des freien Wettbewerbs nach neoklassischem Verständnis4. Darüber hinaus existieren allerdings auch weitere Wettbewerbsmodelle, die jeweils eng mit spezifischen wirtschaftswissenschaft­ lichen Theorien zusammenhängen5. Der Wettbewerb erfüllt in der Marktwirtschaft eine Reihe von Funktionen, wo­ bei der Ressourcenallokationsfunktion eine besondere Bedeutung zukommt6. Erst durch das Bestehen eines vollständigen und unverfälschten Wettbewerbs kann sich eine optimale Faktorallokation auf die alternativen Verwendungsmöglichkei­ ten und eine effiziente Faktorkombination auf einem Markt einstellen7.

II. Wettbewerbsverhältnisse im Infrastrukturbereich Zur Untersuchung der wettbewerblichen Besonderheiten des Infrastruktur­ bereichs ist unabdingbar, die Wettbewerbsverhältnisse in diesem Gebiet zu be­ leuchten. Unabhängig von den sachlichen und räumlichen Marktabgrenzungen 1

Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 53; Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 9 f.; ausführ­ lich Sohmen, Allokationstheorie und Wirtschaftspolitik, S. 30 ff. 2 Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 632; Schrüfer, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 115. 3 Fritsch, Marktversagen, S. 13 f.; Klaus, Primärinfrastruktur, S. 146 f. 4 Schumann/Meyer/Ströbele, Mikroökonomische Theorie, S.  517. Grundlegend zu dem Konzept Hoppmann, Marktmacht und Wettbewerb, S. 6 ff. 5 Siehe hierzu den Überblick bei Emmerich, Kartellrecht, S. 4 ff. 6 Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 4. 7 Anschaulich dargestellt bei Wied-Nebbeling/Schott, Mikroökonomik, S. 157 ff.

64

Kap. 2: Infrastrukturen im Wettbewerb

im Einzelfall in Bezug auf ein konkretes Infrastrukturprojekt gibt es hier struktu­ relle Gemeinsamkeiten, die übergreifend den Infrastruktursektor charakterisieren. Für den weiteren Verlauf der Untersuchung am bedeutsamsten ist die Aufteilung der Betrachtung in verschiedenen Marktebenen, wovon die wichtigsten diejeni­ gen der Errichtung, die des Betriebs und die der Nutzung von Infrastrukturen sind8. 1. Wettbewerbsverhältnisse bei der Errichtung von Infrastruktureinrichtungen (Errichtungsebene) Auf dem Markt für die Errichtung von Infrastruktureinrichtungen treten Bau-, Handwerks- und Spezialunternehmen als Anbieter auf, während die Nachfrage nach derartigen Leistungen regelmäßig von öffentlichen oder privaten Infrastruk­ turbetreibern sowie der öffentlichen Hand selbst ausgeht. Der Markt ist durch eine Vielzahl von vergaberechtlichen Bestimmungen geprägt, die in weiten Teilen auf europarechtliche Vorgaben zurückgehen9. Für den Infrastrukturbereich in be­ sonderem Maße relevant ist die Richtlinie zur Koordinierung der Zuschlagsertei­ lung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversor­ gung sowie der Postdienste10. Zweck dieser Bestimmungen ist neben der volkswirtschaftlich effizienten Be­ schaffungstätigkeit der öffentlichen Hand11 auch die Gewährleistung eines unver­ fälschten Wettbewerbs, bei dem insbesondere eine Bevorzugung eigener nationa­ ler Unternehmen durch die Mitgliedstaaten verhindert werden soll12. Naheliegend ist vor dem Hintergrund des letztgenannten Zwecks des Vergaberechts, dass auch dem Verbot wettbewerbsverfälschender Beihilfen in diese Bereich eine besondere Bedeutung zukommt. Insbesondere kann ein Verstoß gegen die wettbewerblichen Vorgaben bei der Durchführung eines Vergabeverfahrens zugleich auch eine bei­ hilfenrechtlich unzulässige Begünstigung des Ausschreibungsgewinners bewir­ ken13. Darüber hinaus werden Fälle, in denen nach den einschlägigen Bestim­ mungen kein Vergabeverfahren erforderlich ist (etwa weil die Schwellenwerte der Vergaberichtlinien nicht überschritten sind) von der Kommission in erhöhtem Maße kritisch auf das potentielle Vorliegen von Beihilfen untersucht14.

8

So auch Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 85 f.; Koppmann, Grenzen der bei­ hilfenrechtlichen Inhaltskontrolle, S. 272 ff. 9 Siehe dazu Fehling, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 97 GWB Rn. 14 ff. 10 RL 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 zur Koor­ dinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134/1). 11 Fehling, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht 2011, § 97 GWB Rn. 3. 12 Burgi, NZBau 2009, S. 609, 612. 13 Dörr, in: Dreher/Motzke, Vergaberecht, Einl. Lit. C III. Nr. 4. Rn. 172. 14 Dazu auch Pünder, NZBau 2003, S. 530, 534.

B. Bestimmung der Wettbewerbsverhältnisse im Infrastrukturbereich

65

Die allgemeinen in diesem Zusammenhang bestehenden Probleme und Fra­ gestellungen sind allerdings vorrangig vergaberechtlicher Art und stellen keinen Schwerpunkt der folgenden Untersuchung dar. Die spezifisch für den Infrastruk­ turbereich relevanten Konstellationen der Beihilfengewährung bei der mitglied­ staatlichen Vergabe von Konzessionen sowie der Veräußerung von Anteilen an (vormals öffentlichen) Infrastrukturbetreibergesellschaften werden dagegen im Rahmen der Begünstigung von Infrastrukturbetreibern noch näher erörtert. 2. Wettbewerbsverhältnisse beim Betrieb von Infrastrukturen (Betreiberebene) a) Abgrenzung der Begriffe von Infrastrukturbetrieb und Infrastrukturnutzung Eine allgemeingültige Definition des Begriffs des Infrastrukturbetreibers gibt es im europäischen Recht nicht. Zum Infrastrukturbetrieb gehören jedenfalls die Verwaltung der Infrastruktureinrichtungen, die Planung und Organisation bei ih­ rer Errichtung und Instandhaltung sowie ihre wirtschaftliche Verwertung, vor al­ lem ihre entgeltliche Zurverfügungstellung an Infrastrukturdienstleister15. Häufig, jedoch nicht notwendigerweise, ist ein Infrastrukturbetreiber zugleich auch Eigen­ tümer der infrastrukturellen Einrichtungen. Exemplarisch für die Beschreibung des Infrastrukturbetriebs in europäischen Rechtsakten kann die Definition des Be­ griffs des „Leitungsorgans“ eines Hafens aus einem Richtlinienentwurf der Kom­ mission angeführt werden: „[E]ine Stelle, die – in Verbindung mit anderen Tätigkeiten oder ausschließlich – die Verwal­ tung und Unternehmensleitung der Hafeninfrastrukturen nach innerstaatlichen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften sowie die Koordinierung und gegebenenfalls die Kontrolle der Tä­ tigkeit der in dem betreffenden Hafen oder Hafensystem präsenten Wirtschaftsbeteiligten zum Ziel hat. Sie kann sich in mehrere getrennte Stellen gliedern oder für mehr als einen Hafen zuständig sein.“16

Grundsätzlich nicht zum Betrieb von Infrastruktureinrichtungen zählt dagegen die Erbringung der Dienstleistungen selbst, für welche die Infrastruktur verwen­ det wird. Nicht selten waren und sind Infrastrukturunternehmen derart vertikal in­ tegriert, dass diese sowohl Betreiber als auch (einziger) Dienstleister auf einer In­ frastruktureinrichtung sind17. Soweit möglich, soll vorliegend dennoch an einer konsequenten Trennung bei der Betrachtung festgehalten werden, um die wett­

15

Vgl. auch Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 25 Nr. 6) für Flughäfen. Kommission, Richtlinienvorschlag KOM (2004) 654 endg., Art. 3 Nr. 5; siehe auch Mellwig, Infrastrukturfinanzierung in Häfen, S. 3. 17 Siehe dazu Kämmerer, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd.  1, S. 424 ff. 16

66

Kap. 2: Infrastrukturen im Wettbewerb

bewerblichen Auswirkungen einer mitgliedstaatlichen Beihilfengewährung auf den verschiedenen Marktstufen genauer verfolgen zu können. Die rechtliche, organisatorische und wirtschaftliche Aufspaltung derart inte­ grierter, vormals zumeist staatlicher Infrastrukturunternehmen stellt einen zentra­ len Aspekt der Liberalisierungspolitik zur wettbewerblichen Öffnung der Infra­ strukturmärkte in der Europäischen Union seit den 1990er Jahren dar18. Insoweit wird häufig die schlagwortartige Bezeichnung der Trennung von Netz und Betrieb gebraucht, die selbst in die rechtswissenschaftliche Literatur Einzug gefunden hat19. Präziser ausgedrückt handelt es sich bei dieser „Trennung“ um eine organi­ satorische Aufspaltung des Betriebs des Netzes bzw. der Infrastruktureinrichtung auf der einen und der Erbringung von Dienstleistungen auf dieser Infrastruktur auf der anderen Seite. Letztere wird nach dem hiesigen Verständnis als Infrastrukturnutzung oder Infrastrukturdienstleistung bezeichnet. Nicht bei allen Infrastruktureinrichtungen ist eine derartige Aufspaltung jedoch ökonomisch sinnvoll. Die Trennung bringt das Risiko mit sich, dass (private) In­ vestitionen sowohl auf Ebene des Infrastrukturbetriebs als auch auf dem nachgela­ gerten Markt der Infrastrukturdienstleitung zurückgehen20. Grund dafür ist vor allem, dass sich die Möglichkeit der Renditeerzielung potentiell auf mehrere Un­ ternehmen verteilt, so dass der einzelne Infrastrukturbetreiber bzw. -nutzer regel­ mäßig weniger Gewinn erzielen kann. Außerdem steigen infolge der Aufspaltung der Koordinierungsaufwand und die Transaktionskosten für alle Beteiligten21. Darüber hinaus bestehen vielfach spezifische Verbundvorteile von Infrastruk­ turbetrieb und -nutzung, welche bei einer Auftrennung dieser Tätigkeiten nicht mehr erzielt werden können22. Dies führt dazu, dass eine Spaltung wirtschaftlich regelmäßig nur dann Sinn ergibt, wenn die gesamtwirtschaftlichen Vorteile eines (regulierten) Wettbewerbs auf der Dienstleisterebene den Verlust dieser Verbund­ vorteile aufwiegen. So handelt es sich bei der Eisenbahn beispielsweise um eine Infrastrukturart, bei welcher eine Aufspaltung von Infrastrukturbetrieb und -nutzung gesamtwirt­ schaftlich sinnvoll sein kann. Dort erscheint im Falle einer (regulierten) Markt­ öffnung der Wettbewerb zwischen verschiedenen Verkehrsunternehmen zumin­ dest möglich. 18

Siehe am Beispiel Deutschlands ebenfalls Kämmerer, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Beson­ deres Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 424 ff. 19 Siehe nur Michalczyk, Europäische Ursprünge der Regulierung, S. 59 ff. u. S. 280. Kritisch zu dem Begriff auch Frenzel, NZV 2006, S. 57: „als ob das Netz noch keinen Betrieb erfordere“. 20 Haucap, in: Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Trennung von Infrastruktur und Be­ trieb, S. 5, 18 f. 21 Haucap, in: Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Trennung von Infrastruktur und Be­ trieb, S. 5, 19. 22 Haucap, in: Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Trennung von Infrastruktur und Be­ trieb, S. 5, 17 f. m. w. N.

B. Bestimmung der Wettbewerbsverhältnisse im Infrastrukturbereich

67

Dagegen ist etwa bei der kommunalen Wasserversorgung ein Wettbewerb auf Dienstleisterebene regelmäßig ausgeschlossen Dies begründet sich damit, dass ein Wettbewerb auf zwischen verschiedenen Wasserversorgern in einem Netz aus technischen und vor allem aus hygienerechtlichen Gründen kaum praktisch reali­ sierbar ist. Durch das Beibehalten der bestehenden (staatlich regulierten) Einheits­ struktur von Infrastrukturbetrieb und -dienstleistung können zumindest die beste­ henden Größen- und Verbundvorteilen gewahrt werden.23. Ob und inwieweit eine Aufspaltung von Infrastrukturbetrieb und -nutzung sinn­ voll ist, muss letztlich eine auf ökonomischen Kriterien aufbauende wirtschafts­ politische Entscheidung bleiben. Für Infrastrukturarten, bei denen es (bislang) keine rechtliche und organisatorische Trennung gibt, entfällt jedenfalls die auf­ gespaltene Betrachtung zwischen der Betreiber- und der Dienstleisterebene. Die­ jenigen Einheiten, die derartige Infrastrukturen (etwa Schwimmbäder, Freizeit­ parks, Seilbahnen) verwalten und Endkunden (ggf. gegen Entgelt) zur Verfügung stellen, sollen im Folgenden ebenfalls einheitlich als Infrastrukturbetreiber be­ zeichnet werden. b) Wettbewerbsverhältnisse beim Infrastrukturbetrieb Infrastrukturbetreiber treten als Akteure auf unterschiedlichen Märkten auf. Wie oben geschildert sind sie zum einen Nachfrager auf dem Markt für Bau- und Er­ richtungsleistungen. Bedeutender für die vorliegende Untersuchung ist jedoch ihre Rolle als Anbieter auf dem Markt der entgeltlichen Bereitstellung von Infrastruk­ turanlagen an Infrastrukturnutzer. So stellen Flughafenbetreiber ihre Infrastrukturen an Luftfahrtunternehmen zur Verfügung, die ihrerseits Passagiere und Fracht transportieren. Die Betreiber von Strom- oder Gasnetzen überlassen diese zur Durchleitung entsprechender Ener­ gieträger an Versorgungsunternehmen, welche auf diesem Wege Endkunden belie­ fern. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht gibt es bei dieser Konstellation damit zwei getrennte Märkte. Auf dem ersten (vorgelagerten) Markt bietet der Infrastruktur­ betreiber seine Einrichtungen entgeltlich für Infrastrukturdienstleister an. Auf dem zweiten (nachgelagerten) Markt bieten diese Infrastrukturdienstleister ihre Dienst­ leistungen für Endkonsumenten an24. Inwieweit Infrastrukturbetreiber im Wettbewerb zueinander stehen, bestimmt sich nach der Abgrenzung des sachlich und räumlich relevanten Marktes25. Dabei 23

Vgl. ausführlicher zu diesem Beispiel Haucap, in: Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Trennung von Infrastruktur und Betrieb, S. 5, 23 ff. und S. 34 ff. 24 Siehe dazu für die Entwicklung im Telekommunikationsbereich beispielhaft Bunte/Welfens, Marktabgrenzung auf Telekommunikationsmärkten, S. 28 ff. 25 Vgl. dazu auch schon die Ausführungen zur Essential-Facilities-Doktrin oben unter Kap. 1, E. III. 1. a).

68

Kap. 2: Infrastrukturen im Wettbewerb

ist zunächst der Grad des intramodalen Wettbewerbs zu bestimmen, also des Wett­ bewerbs zwischen Betreibern gleichartiger Infrastrukturen (z. B. Verkehrsflughä­ fen) in einem bestimmten Gebiet26. Gegebenenfalls sind dabei weitere Spezifizie­ rungen bezüglich des sachlich relevanten Marktes erforderlich (beim Beispiel der Verkehrsflughäfen etwa zwischen Regionalflughäfen, Fernflughäfen und Dreh­ kreuzen)27, welche auch Bedeutung für die Bestimmung des räumlich relevanten Marktes haben. Darüber hinaus ist bei einer Reihe von Infrastruktureinrichtungen aber auch das Vorhandensein von intermodalem Wettbewerb (auch als Infrastruktur­wettbewerb28 bezeichnet) zu berücksichtigen29. Darunter ist der Wettbewerb zwischen verschie­ denen Arten von Infrastruktureinrichtungen zu verstehen, welcher insbesondere im Verkehrsbereich30 und zunehmend auch auf dem Gebiet der Telekommunika­ tionsinfrastrukturen31 von Bedeutung ist. Befindet sich zwischen Infrastrukturbetreiber und Endkunden eine eigenstän­ dige Infrastrukturdienstleisterebene, so ist bei der Bestimmung intermodaler Wett­ bewerbsverhältnisse zwischen Infrastrukturbetreibern auch der Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt der Infrastrukturdienstleister zu ihren Endkunden zu beachten32. Die Besonderheiten bei der Bestimmung der Wettbewerbsverhält­ nisse in diesen Fällen werden im Rahmen der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Wettbewerbsverfälschung bei der beihilfenrechtlichen Untersuchung noch ver­ tieft dargestellt. 3. Wettbewerbsverhältnisse bei der Nutzung von Infrastruktureinrichtungen (Nutzer- oder Dienstleisterebene) Bei Infrastruktureinrichtungen, die eine Plattform für die Erbringung von infra­ strukturellen Dienstleistungen darstellen, stehen die Nutzer regelmäßig in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander. Dies gilt im Verkehrssektor etwa für Luftfahrt­ unternehmen und Betreiber von Hochgeschwindigkeitszügen als Nutzer von Flug­ hafen- und Eisenbahninfrastrukturen. Im Bereich der Versorgungsnetzinfrastruk­ turen sind durch weitgehende Liberalisierung und spezifische Marktregulierung seit den 1990er Jahren wettbewerbliche Strukturen auf der Dienstleisterebene etwa bei Telekommunikation, Energie und Eisenbahn geschaffen worden. Ähnlich wie 26

Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 102. Siehe am Beispiel von Flughäfen fer­ ner Alram, Post-Merger-Netzwerk-Integration, S. 78 f. 27 Vgl. dazu ferner Cranfield University, Competition between Airports, Sec. 4–1 ff. 28 Siehe etwa Klaus, Primärinfrastruktur, S. 362; Möschel, MMR 2010, S. 450, 453. 29 Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 102; Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 86; Schrotz, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 278. 30 Siehe etwa Winkelmann, Privatisierung von Verkehrsinfrastrukturen, S. 68. 31 Vgl. Möschel, MMR 2010, S. 450, 453. 32 Siehe dazu die Darstellung zu den sog. indirect constraints unten in Kap. 4, C. III. 3. b).

C. Marktversagen im Infrastrukturbereich

69

auf der Ebene der Infrastrukturbetreiber besteht in einer Reihe von Bereichen auf der Dienstleisterebene neben einem intramodalen Wettbewerb auch ein intermo­ daler Wettbewerb33. Spezifische Wettbewerbshemmnisse, die insbesondere durch die Erforderlichkeit des Zugangs zur Infrastruktureinrichtung für die Nutzer und die teilweise fortbestehende vertikale Integration von Infrastrukturbetreibern und Infrastrukturdienstleistern bestehen, wurden durch wettbewerbsrechtliche Sonder­ bestimmungen abzubauen versucht34.

III. Zusammenfassung Für den Infrastrukturbereich ist das Bestehen von verschiedenen Marktebenen charakteristisch, was in weiten Teilen auf die Liberalisierungsbestrebungen in diesem Bereich mit der rechtlichen und organisatorischen Aufspaltung der alten Staatsmonopole in Infrastrukturbetreiber und Infrastrukturdienstleister zurück­ geht. Für die beihilfenrechtliche Bewertung der mitgliedstaatlichen Infrastruk­ turförderung ist eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Marktebenen sinnvoll, um die wettbewerblichen Auswirkungen der staatlichen Maßnahmen ge­ nauer identifizieren zu können. Wichtigste Ebenen sind dabei die der Infrastruktu­ rerrichtung, die des Infrastrukturbetriebs und die der Infrastrukturnutzung. Diese Unterteilung spiegelt sich in der folgenden beihilfenrechtlichen Untersuchung so­ wohl beim Merkmal der selektiven Begünstigung als auch bei der Prüfung des Vorliegens einer Wettbewerbsverfälschung wider. Zugleich wird in diesem Kon­ text verdeutlicht werden, dass die zunächst vorgenommene Auftrennung der Be­ trachtung in der tatsächlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Bewertung keinen absoluten Bestand haben kann, sondern in der Realität zuweilen durchbrochen werden muss.

C. Marktversagen im Infrastrukturbereich Die Bereitstellung von Infrastrukturen in der Marktwirtschaft allein über die Kräfte des freien Markts funktioniert nicht in allen Fällen in gesamtwirtschaftlich und/oder politisch zufriedenstellendem Maße. Erstens lässt sich aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht im Infrastruktur­ bereich vielfach das Phänomen einer suboptimalen Ressourcenallokation über den freien Markt beobachten. Hintergrund hierfür sind die besonderen wirtschaftlichen Eigenschaften der Infrastrukturen, welche durch das Auftreten von positiven ex­ 33

Ausführlich am Beispiel des Verkehrssektors Heuermann, Intermodale Wettbewerbsdyna­ mik im europäischen Personenverkehr, S. 1 ff. 34 Siehe zur Zugangsregulierung aus europäischer und mitgliedstaatlicher Sicht in den Berei­ chen Telekommunikation, Energie und Eisenbahn Britz, EuR 2006, S. 46 ff. m. w. N. Vgl. ferner zur Essential-Facilities-Doktrin oben Kap. 1, E. III. 1. a).

70

Kap. 2: Infrastrukturen im Wettbewerb

ternen Effekten, Größenvorteilen und Tendenzen zur Ausbildung von natürlichen Monopolen charakterisiert sind. Insoweit wird auch von einem allokativen Wettbewerbs- oder Marktversagens35 gesprochen. Volkswirtschaftlich betrachtet kann dieses zu einer Verringerung der Gesamtwohlfahrt führen. Mittels unterschied­ licher Maßnahmen  – unter anderem der Vergabe von Beihilfen  – versuchen die Mitgliedstaaten, dem entgegenzuwirken. Das Ziel derartiger Staatseingriffe in den Markt ist damit, die durch verschiedene Formen des allokativen Marktversagen im Infrastruktursektor beeinträchtigte volkswirtschaftliche Gesamtwohlfahrt wieder zu steigern, mithin den „Kuchen zu vergrößern“36. Zweitens stellt aber auch die erhebliche sozial-, regional- und wirtschaftspoli­ tische Bedeutung der Infrastrukturen in den modernen Industrie- und Wohlfahrts­ staaten der Union einen bedeutenden Faktor für die besondere staatliche Einfluss­ nahme auf die Infrastrukturmärkte dar. Dabei stehen politische Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen im Vordergrund. Eingriffe finden dort statt, wo die Vertei­ lungsergebnisse des freien Marktes als ungerecht empfunden werden37. So wer­ den etwa ländliche Gebiete sowie wirtschaftsschwache Regionen in der Union vom Markt erheblich weniger mit infrastrukturelle Leistungen versorgt, als dies etwa in Ballungsgebieten und wirtschaftlich prosperierenden Gegenden ge­ schieht. In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff des distributiven Markt­ versagens38 verwendet. Ein weiteres Mal bildlich gesprochen geht es nun bei mitgliedstaatlichen Maßnahmen darum, den erwirtschafteten „Kuchen besser zu verteilen“39. Das allokative sowie das distributive Marktversagen als zentrale Rechtfertigun­ gen für wirtschaftspolitische Interventionen der Mitgliedstaaten im Infrastruktur­ bereich werden im Folgenden näher erläutert.

I. Allokatives Marktversagen im Infrastrukturbereich Unter einem allokativen Marktversagen ist eine Situation zu verstehen, in der die optimale Allokation auf einem bestimmten Markt nicht mehr erfüllt wird und es dadurch zu Ineffizienzen kommt40. Geht man mit der neoklassischen Wirt­ schaftstheorie vom Modell eines hypothetischen vollkommenen Marktes für alle 35

Vgl. Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1070 ff. m. w. N. Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 632. 37 Bührle, Gründe und Grenzen des „EG-Beihilfenverbots“, S. 78 f. 38 Siehe etwa Bührle, Gründe und Grenzen des „EG-Beihilfenverbots“, S. 78; Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1070 ff. m. w. N. 39 Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 632. 40 Graf, Jahrbuch für Sozialwissenschaft 32 (1981), S.  311, 313; Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1070; Haucap/Schwalbe, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Einl. Rn. 43 ff. 36

C. Marktversagen im Infrastrukturbereich

71

Ressourcen aus41, so soll es zu derartigen Allokationsineffizienzen nicht kommen. Dessen ungeachtet handelt es sich außerhalb von theoretischen Modellen in der Realität stets um unvollkommene Märkte. Bei einem weiten Verständnis des Begriffs des allokativen Marktversagens müsste ein relatives Versagen aufgrund dieser unumgänglichen Abweichungen vom theoretischen Optimum auf allen Märkten diagnostiziert werden (sog. Nir­ wana-Vorwurf)42. Das Konzept des allokativen Marktversagens wäre damit weit­ gehend verwässert und wird aus diesem Grunde von einigen Wissenschaftlern auch als insgesamt wenig ergiebig angesehen43. Eine engere Betrachtung will unter das Konzept des allokativen Marktversagen dagegen allein Situationen fassen, in denen (private) Akteure auf einem Markt ein Gut oder eine Dienstleistung nicht anbieten, obwohl die gesamtwirtschaft­ lichen Vorteile eines solchen Angebots die gesamtwirtschaftlichen Nachteile über­ wiegen44. Diesem Verständnis soll auch hier gefolgt werden. Wichtigste Fälle dieser Kategorie des allokativen Marktversagens sind das Vor­ liegen von externen Effekten und von öffentlichen Gütern sowie das Bestehen von Informationsasymmetrien zwischen Marktteilnehmern45. Daneben kann es auch durch die Marktmacht eines einzelnen oder einer Gruppe von Marktteilnehmern zu einer ineffizienten Faktorallokation kommen. Dies ist insbesondere dann ge­ geben, wenn die Struktur eines Marktes eine Tendenz zur Ausbildung eines (natür­ lichen) Monopoles oder engen Oligopols erkennen lässt46. Im Folgenden soll erläutert werden, welche dieser Formen des allokativen Marktversagens von besonderer Bedeutung für den Infrastrukturbereich sind. Bei allen Unterschieden bezüglich der einzelnen Arten von Infrastruktureinrichtungen und im Detail des Einzelfalls finden sich eine Reihe von gemeinsamen Eigenschaf­ ten, mit denen die Infrastrukturen als Wirtschaftsgüter beschrieben werden und aus denen Schlüsse auf das charakteristische Vorliegen eines allokativen Marktver­ sagens im Infrastrukturbereich gezogen werden können.

41

Dazu Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 7 ff. und – kritisch zur Anwendbarkeit des Mo­ dells speziell im Infrastrukturbereich – S. 68 f. 42 Dazu Fritsch, Marktversagen, S. 57 f.; Rühl, Statut und Effizienz, S. 216; Sohmen, Alloka­ tionstheorie und Wirtschaftspolitik, S. 101 f. 43 Richter/Wiegand, ZWS 113 (1993), S. 169, 177 ff. 44 Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 633. 45 Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 633 f. 46 Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 634; Stiglitz/Walsh, Mikroökonomie – Bd. 1 zur Volkswirtschaftslehre, S. 281 ff.

72

Kap. 2: Infrastrukturen im Wettbewerb

1. Allokatives Marktversagen durch Externalitäten und das Vorliegen von Eigenschaften öffentlicher Güter a) Grundlagen Als Externalitäten (auch: externe Effekte)  werden die unkompensierten Aus­ wirkungen der Handlungen eines Marktakteurs auf andere unbeteiligte Marktteil­ nehmer bezeichnet47. Einzuteilen sind diese Nebeneffekte in negative und posi­ tive Externalitäten. Ein typisches Beispiel für eine negative Externalität stellt die Umweltverschmutzung einer Fabrik dar48. Diese belastet die umliegende Bevöl­ kerung in Form von Boden-, Wasser- oder Luftverschlechterungen, ohne dass der Produzent dafür (beim Fehlen gesetzlicher Regelungen) Ausgleichsleistungen zu erbringen hat. Eine positive Externalität liegt beispielsweise im Bereich der wis­ senschaftlichen Grundlagenforschung vor49. Soweit es hier keine Möglichkeiten für einen Schutz des geistigen Eigentums an den Forschungsergebnissen gibt, kön­ nen andere Unternehmen auf diese zugreifen und sie für eigene Zwecke verwer­ ten, ohne dafür eine Gegenleistung an das erforschende Unternehmen entrichten zu müssen (sog. Wissens-Spillover)50. Da ein Anbieter die positive Wirkung seines Gutes auf Dritte beim Vorliegen von positiven Externalitäten nicht vollständig ein­ preisen kann, werden diese Güter auf einem unregulierten Markt nicht in dem Maße angeboten, das gesamtwirtschaftlich zur größten Wohlfahrt führen würde51. Eine besondere Unterform der positiven Externalitäten ist bei den sogenannten öffentlichen Gütern vorzufinden. Diese zeichnen sich nach modernem wirtschafts­ wissenschaftlichem Verständnis durch ihre Nicht-Rivalität im Konsum sowie durch die Nicht-Ausschließbarkeit von Konsumenten aus52. Die fehlende Rivalität im Konsum bedeutet, dass das Gut von einer unbegrenzten Anzahl von Wirtschafts­ teilnehmern gleichzeitig genutzt werden kann, ohne dass Kosten durch den Zutritt eines weiteren Nutzers entstehen53. Die zweite Voraussetzung der fehlenden Aus­ schlussmöglichkeit von Nutzern kann insbesondere aufgrund von ökonomischen, technologischen und normativen Eigenheiten des Gutes bestehen54. Folge davon ist vor allem, dass zahlungsunwillige Nutzer nicht vom Gebrauch des Gutes ab­

47

Breyer/Kolmar, Grundlagen der Wirtschaftspolitik, S. 255 ff. Grundlegend Lohr, Öffent­ liche Güter und Externe Effekte, S. 405 ff.; Sohmen, Allokationstheorie und Wirtschaftspolitik, S. 221 ff. 48 Vgl. zu diesem klassischen Beispiel etwa Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S.  63 ff.; Lueg, Ökonomik des Handels mit Umweltrechten, S. 74 ff. 49 Zimmermann/Henke/Broer, Finanzwissenschaft, S. 53. 50 Hoppe/Pfähler, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2 (2) (2001), S. 125, 135. 51 Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 66 ff. 52 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 313; Musgrave/Musgrave/Kullmer, Die öffentlichen Finanzen, S. 53 ff. 53 Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 79. 54 Klaus, Primärinfrastruktur, S. 231; Olten, Wettbewerbstheorie, S. 74 f.

C. Marktversagen im Infrastrukturbereich

73

gehalten werden können55. Dadurch entsteht das Problem von Trittbrettfahrern, die das Gut zwar konsumieren, dafür allerdings keine eigene finanzielle Gegenleis­ tung entrichten. Klassisches Schulbeispiel eines öffentlichen Gutes ist die Landes­ verteidigung, die auch einzelnen hierfür zahlungsunwilligen Staatsbürgern zugute­ kommt56. Auf einem unregulierten Markt werden öffentliche Güter nicht in einem hinreichenden Maße angeboten, das gesamtwirtschaftlich zur größten Wohlfahrt führen würde57. b) Besonderheiten im Infrastrukturbereich aa) Positive externe Effekte Infrastruktureinrichtungen werden mit einer Reihe von positiven externen Ef­ fekten in Verbindung gebracht58. Im Vordergrund stehen hier vor allem die posi­ tiven Auswirkungen der infrastrukturellen Erschließung eines Gebiets auf die regionale Wirtschaftsentwicklung59. Bestimmte infrastrukturelle Einrichtungen – etwa die Strom-, Telekommunikations- und Wasserversorgung, der Anschluss an das Straßennetz sowie an eine funktionierende Abfallentsorgung  – bilden über­ haupt erst die Grundlage für eine Ansiedlung von Menschen und Unternehmen in einer Region. Darüber hinaus kann die weitergehende infrastrukturelle Ausstat­ tung eines Gebiets ein entscheidender Faktor für die Standortentwicklung sein mit der Folge positiver Auswirkungen auf die regionale Arbeitsmarkts- und Bevölke­ rungsstruktur. In diesem Zusammenhang sind insbesondere leistungsfähige Ver­ kehrsinfrastrukturen wie Autobahnen, Häfen und Flughäfen zu nennen60, ebenso wie immer wichtiger werdende Kommunikationsinfrastrukturen wie BreitbandInternetzugänge und -Mobilfunknetze. Aber auch kulturelle Infrastrukturen wie Theater und Sportanlagen können die wirtschaftliche Attraktivität für Unterneh­ men und Mitarbeiter und damit die Entscheidung zur Ansiedlung an einem be­ stimmten Ort beeinflussen61. Gemein ist allen diesen infrastrukturellen Einrichtun­ gen, dass ihre Betreiber die positiven Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Standortumgebung nur in begrenztem Maße internalisieren und in eigene wirtschaftliche Vorteile umwandeln können. 55

Zimmermann/Henke/Broer, Finanzwissenschaft, S. 53. Siehe etwa Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 313; Modlich, Nationale In­ frastrukturmaßnahmen, S. 210 f.; Stiglitz/Walsh, Mikroökonomie – Bd. 1 zur Volkswirtschafts­ lehre, S. 293 f; siehe aber auch kritisch dazu Bührle, Gründe und Grenzen des „EG-Beihilfen­ verbots“, S. 79. 57 Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 84 ff. 58 Jochimsen, Infrastruktur, S. 62 ff.; Lohr, Öffentliche Güter und Externe Effekte, S. 405 ff.; Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnahmen, S. 151 m. w. N. 59 Vgl. große Siemer, Die kommunale Wirtschaftsförderung, S. 124. 60 Ausführlich zu Verkehrsinfrastrukturen als Standortfaktor Caesperlein, Verkehrsinfra­ struktur und Immobilienwerte, S. 45 ff. m. w. N. 61 Mösgen, Regionalentwicklung in Deutschland, S. 121 ff. 56

74

Kap. 2: Infrastrukturen im Wettbewerb

bb) Öffentliche Güter Aufbauend auf der Erkenntnis des Bestehens dieser positiven externen Effekte wird bei der ökonomischen Beschreibung des Infrastruktursektors die Frage dis­ kutiert, inwieweit Infrastruktureinrichtungen die Charakteristika eines öffent­ lichen Gutes aufweisen62. Einen Grundstein für diese Annahme liefern die von Musgrave formulierten Ansätze zur Bestimmung der Infrastruktureigenschaf­ ten. Nach seinem Verständnis sollen die Begriffe der „Infrastruktur“ und des „öffentlichen Gutes“ weitgehend Synonym verstanden werden können, obgleich es für beide keinen wirtschaftswissenschaftlich eindeutig anerkannten Definiti­ onsrahmen gäbe63. Aus dieser Erkenntnis folgert Musgrave die Notwendigkeit un­ mittelbarer staatlicher Eingriffe in den Infrastrukturbereich, um die durch private Marktakteure nicht hinreichend gesicherte Bereitstellung von Infrastrukturen zu gewährleisten64. Bei genauerer Betrachtung steht dieser Gleichsetzung jedoch eine Reihe von Bedenken entgegen. So ist zunächst zu bemerken, dass die Einordnung weniger auf einer empirisch qualifizierten wirtschaftswissenschaftlichen Grundlage beruht, sondern vielmehr als ergebnisorientierte polit-ökonomischen Argumentation zur Rechtfertigung staatlichen Handelns im Infrastrukturbereich herangezogen wird. Zu Recht wird von einer Reihe von Ökonomen und Rechtswissenschaftlern be­ anstandet, dass hier eine rein politik- oder sozialwissenschaftlich angelegte Argu­ mentationsform zur Begründung von ökonomischen und rechtswissenschaftlichen Ergebnissen dient65. Eine präzisere Analyse des Vorliegens von Charakteristika öffentlicher Güter im Infrastrukturbereich muss dagegen weitaus differenzierter mit den einzelnen Ar­ ten von Infrastrukturen verfahren. Zu begründen ist dies damit, dass es im stren­ gen ökonomischen Sinne nur eine äußerst eingeschränkte Zahl „geborener“ öf­ fentlicher Güter gibt66. Bei einer Vielzahl von Infrastruktureinrichtungen handelt es sich dagegen lediglich um „gekorene“ öffentliche Güter, bei denen vor allem die Anwendbarkeit des Ausschlussprinzips politisch nicht gewollt ist67. Eine Reihe dieser auch als „meritorische Güter“ bezeichneten „unechten öffentlichen Güter“ weisen zwar positive externe Effekte auf, könnten allerdings grundsätzlich auch 62

Ausführlich dazu Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 313 ff.; Klaus, Primär­ infrastruktur, S. 231 f.; Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnahmen, S. 152 ff., jeweils m. w. N. 63 Musgrave, in: Arndt/Swatek, Grundfragen der Infrastrukturplanung, S. 43 ff. Dazu Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 314; Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnah­ men, S. 152. 64 Musgrave, in: Arndt/Swatek, Grundfragen der Infrastrukturplanung, S. 43, 52. 65 Vgl. etwa aus ökonomischer Sicht: Schomaker, Bereitstellung netzgebundener Infrastruk­ tur, S.  1; aus dem rechtswissenschaftlichen Bereich Berschin, Daseinsvorsorge durch Wett­ bewerb, S. XVII. 66 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 314. 67 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 315; Klös, Öffentliches Infrastruktur­ monopol, S. 11 f.

C. Marktversagen im Infrastrukturbereich

75

allein über den freien Markt bereitgestellt werden, ohne dass es eines staatlichen Eingriffs bedarf68. Als Paradebeispiel aus dem Infrastrukturbereich lassen sich hier kulturelle Einrichtungen wie Theater, Museen oder Sportstadien anführen69. Erforderlich wird ein öffentliches Handeln bei den meritorischen Gütern erst da­ durch, dass vermutet wird, dass eine marktwirtschaftliche Bereitstellung nicht im politisch erwünschten Umfang stattfindet70. Folgt man dieser Erkenntnis, so liegt bei den meritorischen Gütern in erster Linie ein distributives Marktversagen vor und nur teilweise aufgrund des Bestehens von positiven externen Effekten eine Form von allokativem Marktversagen. In einem solchen Fall handelt es sich damit allenfalls um Mischgüter, die weder eindeutig der Kategorie des privaten noch des öffentlichen Gutes zugeordnet werden können. Betrachtet man allein die ökonomischen Kriterien der Nicht-Ausschließ­barkeit von Nutzern und der Nicht-Rivalität im Konsum, so verbleiben nur noch we­ nige Infrastruktureinrichtungen, bei denen aufgrund ihrer technologischen Eigen­ schaften vom Charakter eines „geborenen“ öffentlichen Guts gesprochen werden kann71. Gerade der Ausschluss zahlungsunwilliger Nutzer ist bei den meisten In­ frastruktureinrichtungen technologisch denkbar und in seiner Durchsetzung auch wirtschaftlich vertretbar möglich. Dies gilt etwa für die Netzinfrastrukturen aus dem Versorgungsbereich wie Gas-, Strom- und Telefonleitungen, wo die gezielte Exklusion eines einzelnen Nutzers durch den Infrastrukturbetreiber möglich ist72. Auch im Bereich der Verkehrsinfrastrukturen ist ein Ausschluss von Nutzern denk­ bar73. Durch neuere technologische Entwicklungen zur Mauterfassung ist dies selbst in dem lange Zeit als öffentliches Gut betrachteten innerstädtischen Stra­ ßenbereich74 mittels computergesteuerter GPS-Systeme oder über einen automati­ sierten Kennzeichenabgleich möglich, wie beispielhaft das praktizierte System der City-Maut-Erfassung in London zeigt75. Folglich bleibt festzuhalten, dass bei einer rein allokativen Betrachtung vom Marktversagen eine Gleichsetzung vom Begriff der Infrastruktur und des öffent­ lichen Gutes nicht überzeugen kann76. Vielmehr weisen Infrastruktureinrichtun­ 68

Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S.  96 f.; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwor­ tung, S. 315. 69 Siehe etwa Horlacher, Kultursubventionen, S. 23. 70 Kritisch aus diesem Grunde etwa Haucap/Schwalbe, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Einl. Rn. 71 ff. m. w. N. 71 So auch Modlich, S. 153f; Schomaker, Bereitstellung netzgebundener Infrastruktur, S. 8. 72 Vgl. nur Schomaker, Bereitstellung netzgebundener Infrastruktur, S. 8. Für die leitungs­ gebundene Wasserversorgung aus neuerer Zeit Schomaker, Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft, S. 18 f. m. w. N. 73 Ausführlich Winkelmann, Privatisierung von Verkehrsinfrastrukturen, S. 45 ff. 74 So vor einigen Jahren noch Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S.  315 f.; Michel­bach, Sanierung der Deutschen Bundesbahn, S. 197. 75 Ausführlich zum Londoner City-Maut-System und zu anderen Varianten Trommer, Aus­ wirkungen einer City-Maut in Deutschland, S. 24 ff. 76 So im Ergebnis auch Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 315.

76

Kap. 2: Infrastrukturen im Wettbewerb

gen regelmäßig nicht die Eigenschaften eines öffentlichen Gutes auf77. Für die Darstellung der positiven externen Effekte von einzelnen Infrastruktureinrichtun­ gen bedarf es einer ökonomisch unpräzisen Einordnung als öffentliches Gut nicht. Stattdessen erscheint hier eine einzelfallbezogene Prüfung zur Bewertung der Not­ wendigkeit eines staatlichen Eingreifens sinnvoller. Rein politische Fragen zum Umfang der Bereitstellung von Infrastrukturen dagegen sollten unter der Katego­ rie des distributiven Marktversagens erörtert werden. Somit soll der Theorie der öffentlichen Güter im Folgenden zur generellen Bewertung der ökonomischen Eigenschaften des Infrastrukturbereichs keine nähere Bedeutung zugemessen wer­ den, soweit nicht im Einzelfall ausdrücklich darauf zurückgegriffen werden kann. c) Zusammenfassung und Ausblick Das Vorliegen positiver Externalitäten ist ein wesentliches Charakteristikum einer Vielzahl von Infrastruktureinrichtungen. Insoweit können staatliche Ein­ griffe in den Markt aus allokationstheoretischer Sicht sinnvoll sein. Denkbar ist dabei neben regulatorischen Bestimmungen, mittels denen eine Internalisierung der Externalitäten angestrebt wird, im Falle positiver externer Effekte auch die Gewährung eines (finanziellen) Ausgleichs zugunsten des Infrastrukturunterneh­ mens. Nur so kann sichergestellt werden, dass Infrastrukturen in wohlfahrtstheo­ retisch wünschenswertem Maße unter marktwirtschaftlichen Bedingungen bereit­ gestellt werden78. Das vielfach im Zusammenhang mit Infrastrukturen gebrauchte Konzept der öffentlichen Güter soll nach dem hier vertretenen Verständnis dagegen keine wei­ tere Bedeutung in der folgenden Untersuchung erlangen. Das Modell der öffent­ lichen Güter erweist sich als unscharf und für den Infrastrukturbereich kaum handhabbar. Anstelle unter Rückgriff auf dieses Modell deshalb pauschale Bewer­ tungen staatlichen Handelns im Infrastruktursektor aufzustellen, sollen individu­ elle Lösungen auf Grundlage des allgemeinen Konzepts der positiven externen Ef­ fekte im Infrastrukturbereich gefunden werden.

77

So auch Schomaker, Bereitstellung netzgebundener Infrastruktur, S. 8. An dieser Stelle ist zu ergänzen, dass eine tatsächlich optimale Bereitstellung in der Pra­ xis immer daran scheitern muss, dass auch die eingreifende staatliche Stelle stets nur über be­ grenzte Informationen verfügt. Daraus ergeben sich politische Folgefragen dahingehend, auf welcher Grundlage die Reichweite staatlicher Maßnahmen bestimmt werden soll. Siehe zum Ganzen Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 109 ff.

78

C. Marktversagen im Infrastrukturbereich

77

2. Allokatives Marktversagen durch Tendenzen zum natürlichen Monopol a) Grundlagen Zentrales Element der Diskussion um die ökonomischen Besonderheiten des Infrastrukturbereichs ist das Konzept des natürlichen Monopols79. Dieses ist in den Wirtschaftswissenschaften nicht einheitlich definiert. Zumeist wird das Vorlie­ gen eines natürlichen Monopols angenommen, wenn ein einzelner Anbieter einen Markt kostengünstiger versorgen kann als dies zwei oder mehreren Unternehmen möglich wäre80. Im Kern handelt es sich damit um einen Effizienztatbestand und eine besondere Form von Größenvorteilen81. Charakteristisch für das Bestehen eines natürlichen Monopols auf einem Markt sind die Subadditivität der Kosten­ funktion und das Fehlen von potentiellem Wettbewerb aufgrund von hohen ver­ sunkenen Kosten für neu in den Markt eintretende Unternehmen82. aa) Subadditivität Die Subadditivität der Kostenfunktion stellt die industrieökonomische Abbil­ dung des Zustands dar, bei dem ein einzelnes Unternehmen einen Markt kosten­ günstiger bedienen kann als zwei oder mehreren Anbieter83. Ursächlich hierfür sind vor allem Größen-, Verbund- und Verdichtungsvorteile. Als Größenvorteil (Economies of Scale)  wird das Vorliegen von fallenden Durchschnittskosten bei steigendem Produktionsumfang eines Unternehmens be­ zeichnet84. Das Vorliegen von Größenvorteilen ist eng mit dem Bestehen von Fixkosten in einem Produktionsbereich verbunden. So liegt nach einer Fixkos­ teninvestition bei steigender Produktion eine Degression bezüglich des Fixkosten­ anteils an jeder weiteren hergestellten Produkteinheit vor85. Ins Gewicht fällt dies vor allem bei Produkten, die einen hohen Anteil an Fixkosten und einen geringeren Anteil an variablen Kosten aufweisen. Größenvorteile sind das wichtigste Krite­ rium, um auf das Vorliegen von Subadditivität auf einem bestimmten Markt schlie­ ßen zu können. Dennoch ist die bloße Gegebenheit jedweder Form von Größen­ vorteilen allein noch nicht hinreichend zur Annahme von Subadditivität. Vielmehr 79

Vgl. zum Folgenden grundlegend Baumol, American Economic Review Vol. 67, No. 5 (1977), S. 809 ff.; ferner Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 316 ff.; Klaus, Pri­ märinfrastruktur, S. 170 ff.; Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 21 ff. 80 Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 23. 81 Vgl. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 315. 82 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 317 m. w. N. 83 Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 23. 84 Fritsch, Marktversagen, S. 164 ff.; Klaus, Primärinfrastruktur, S. 180 ff. m. w. N.; Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 24 f. 85 Klaus, Primärinfrastruktur, S. 182.

78

Kap. 2: Infrastrukturen im Wettbewerb

müssen diese in besonders starkem Maße gegeben sein oder kombiniert mit den im Folgenden aufgeführten Verbund- oder Dichtevorteilen auftreten86. Unter den Verbundvorteilen (Economies of Scope) werden Kostenvorteile ver­ standen, die bei der verbundenen Produktion mehrerer Güter im Vergleich zu ih­ rer einzelnen Herstellung ergeben87. Derartige Verbundvorteile können sich vor allem aus einer (technischen oder wirtschaftlichen) Unteilbarkeit der wesentlichen Inputfaktoren für die Produktion ergeben88. Gleichsam führt auch das Vorliegen von Verbundvorteilen nicht zwangsläufig zum Schluss auf eine subadditive Markt­ struktur. Dies ist in erster Linie dadurch begründet, dass sich die Verbundvorteile allein auf die verbundenen Komplementärprodukte beziehen, nicht aber auf die Gesamtproduktion89. So kann es vorkommen, dass mehrere Unternehmen eine entsprechende Produktkombination anbieten und von den Verbundvorteilen pro­ fitieren, was eine strukturelle Tendenz zur Ausbildung von Oligopolen zur Folge haben kann, nicht aber zum natürlichen Monopol auf dem Markt führen muss. Erst wenn in einem solchen Fall wiederum Größenvorteile zum Tragen kommen, kann das Bestehen von Verbundvorteilen die Marktstellung eines einzelnen Anbieters dahingehend stärken, dass Subadditivität vorliegt90. Schließlich kann die Tendenz zur Ausbildung eines natürlichen Monopols auf einem Markt durch Verdichtungsvorteile (Economies of Density) verstärkt werden. Sie sind dann gegeben, wenn sich Kostenvorteile für einen Anbieter vergrößern, je geringer die geographische Entfernung seiner Nachfrager zueinander (also die Nachfragedichte in einem bestimmten Gebiet) ist91. Im Grundsatz handelt es sich dabei um eine Form von Größenvorteilen, die vor allem in den Netzwirtschaften auftritt92. So ist etwa der innerstädtische Anschluss von Wohnungen an die Wasser­ versorgung zu geringeren Kosten möglich als dies bei über mehrere Kilometer aus­ einanderliegenden einzelnen Höfen auf dem Land erreichbar wäre. Das Vorliegen von Subadditivität ist damit insbesondere beim Vorhandensein starker Größenvorteile in einem Markt oder beim gleichzeitigen Bestehen von Größenvorteilen und Verbundvorteilen oder Verdichtungsvorteilen anzunehmen. Zur Überprüfung des Bestehens von Subadditivität muss der zu untersuchende Markt mit seinen individuellen Eigenheiten betrachtet werden. Ein stichhaltiger empirischer Nachweis ist in der Praxis häufig schwierig, da eine Datenerhebung in Hinblick auf den genauen Umfang der Größen-, Verbund- und Verdichtungs­ 86

Klaus, Primärinfrastruktur, S. 182; Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 25 ff. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S.  317 f.; Klaus, Primärinfrastruktur, S. 182 ff.; Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 25 f. 88 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 317. 89 Klaus, Primärinfrastruktur, S. 183 f. 90 Fritsch, Marktversagen, S. 168 f.; Klaus, Primärinfrastruktur, S. 184. 91 Klaus, Primärinfrastruktur, S. 184 ff.; ähnlich Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwor­ tung, S. 318. 92 Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 22; siehe auch Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 38. 87

C. Marktversagen im Infrastrukturbereich

79

vorteile kaum möglich ist93. Dies gilt auch für den in diesem Zusammenhang häu­ fig als Beispiel herangezogenen Bereich der Netzinfrastrukturen, der im Folgen­ den noch näher untersucht wird. Schlussendlich muss eine praxisnahe Analyse sich aus diesem Grunde darin erschöpfen, hinreichend überzeugende Anzeichen für die Tendenz eines Marktes zur Ausbildung von natürlichen Monopolen festzustellen. bb) Fehlen von potentiellem Wettbewerb Nach der Theorie der angreifbaren Märkte (contestable markets) kann ein An­ bieter eine stabile natürliche Monopolstellung auf einem Markt nur dann begrün­ den, wenn er keinem potentiellen Wettbewerb ausgesetzt ist94. Andernfalls führt regelmäßig schon allein der denkbare Marktzutritt neuer Wettbewerber zu einer Verhaltensdisziplinierung des Monopolisten, der ansonsten Gefahr läuft, durch das Umschlagen von potentiellem zu aktuellem Wettbewerb wirtschaftliche Einbußen hinzunehmen. Potentieller Wettbewerb ist anzunehmen, wenn für andere Unter­ nehmen sowohl ein freier Marktzutritt als auch ein kostenloser Marktaustritt mög­ lich ist95. Vor allem dem Bestehen von versunkenen Kosten bei Marktzutritt kommt deshalb in diesem Zusammenhang entscheidende Bedeutung zu. Als versunkenen Kosten werden in der Vergangenheit getätigte, unwiederbringliche Ausgaben be­ zeichnet, die ein Unternehmen auch bei einem Marktaustritt nicht zurückerlangen kann96. Als geradezu charakteristisches Beispiel kann hier aus dem Infrastruktur­ bereich die Errichtung von Versorgungsleitungen etwa für Wasser, Strom oder Gas angesehen werden97. Selbst wenn ein potentieller Wettbewerber sich ausrechnet, im Wettbewerb gegen einen Monopolisten grundsätzlich bestehen zu können, stel­ len nicht unerhebliche versunkene Marktzutrittskosten einen Abschreckungsfaktor und damit eine Eintrittsbarriere dar98. Gleichwohl bleibt zu beachten, dass einmal festgestellte natürliche Mono­ pole auf einem bestimmten Markt keineswegs in Zukunft konstant bleiben müs­ sen99. Vielmehr können die technischen, wirtschaftlichen und nicht zuletzt auch die rechtlichen Rahmenbedingungen sich dahingehend entwickeln, dass aktueller oder zumindest potentieller Wettbewerb auf einem früheren Monopolmarkt mög­ lich wird. 93

Vgl. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S.  317; dazu auch Krakowski, in: Krakowski, Regulierung, S. 19, 27 ff. 94 Baumol/Panzar/Willig, Contestable Markets, S. 1 ff.; Klaus, Primärinfrastruktur, S. 198 ff.; Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 28 ff. 95 Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 29. 96 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S.  317; Klaus, Primärinfrastruktur, S. 186 f.; Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 32 ff. 97 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 318. 98 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 318; Windisch, in: Windisch, Privatisie­ rung natürlicher Monopole, S. 1, 61. 99 Vgl. dazu unten Kap. 2, C. I. 2. b) aa) (3) (a).

80

Kap. 2: Infrastrukturen im Wettbewerb

cc) Zusammenfassung Im Ergebnis weist die Kumulation des Vorliegens von Subadditivität und dem Fehlen von potentiellem Wettbewerb, insbesondere aufgrund von versunkenen Kosten, auf den „harten Kern“ der natürlichen Monopole hin100. Selbst wenn ein empirischer Nachweis dieser Faktoren in der Praxis auf erhebliche Schwierigkei­ ten stößt, können Tendenzen zur Bildung eines natürlichen Monopols auf einem Markt bei einer Kombination dieser Eigenschaften zumindest als wahrscheinlich angenommen werden. Infolge der technischen, wirtschaftlichen und auch recht­ lichen Entwicklung kann sich Wettbewerb aber auch auf Märkten etablieren, die zuvor die Charakteristika von natürlichen Monopolen aufgewiesen haben. b) Besonderheiten im Infrastrukturbereich aa) Netzinfrastrukturen (1) Vorliegen von Subadditivität Besonders starke Tendenzen zur Ausbildung von Subadditivität und damit zu natürlichen Monopolen lassen sich in den Netzbereichen der Versorgungsnetz­ werk-Infrastrukturen (z. B. Wasser-, Strom-, Gas- und Festnetztelekommunikati­ onsleitungen) sowie der Verkehrsinfrastrukturen (Schienenwege, Straßen) finden. Zunächst sind dort deutliche Größenvorteile festzustellen, was durch den hohen Anteil an mengenunabhängigen Fixkosten bei der Errichtung der Netze und nied­ rige mengenabhängige variable Kosten bedingt ist101. Empirische Forschungen ge­ hen dabei von einem Verhältnis von etwa 10 : 1 aus102. Hinzu kommen Größenteile durch die ingenieurwissenschaftliche sogenannte Zwei-Drittel-Regel, wonach bei einer Leitungsverlegung die Materialkosten bei Verdoppelung der Leitungskapazi­ tät (also etwa einer Verdoppelung des Querschnitts einer Wasserleitung) lediglich um zwei Drittel steigen103. Darüber hinaus entstehen Größenvorteile im Bereich der Versorgungsnetze durch stochastische Effekte: Nach dem sogenannten Gesetz der großen Zahl werden etwa Instandhaltungskosten und der Bedarf an Reserveka­ pazitäten für Spitzennutzungszeiten bei steigender Netzgröße immer geringer und leichter einkalkulierbar, da Abweichungen vom funktionierenden Regelbetrieb der Leitungen zunehmend unwahrscheinlicher werden104. Schließlich sind in die­ 100

Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 318 f. Schomaker Bereitstellung netzgebundener Infrastruktur, S. 10; vgl. auch Kluge/Scheele, in: Franzke, Wasser: Zukunftsressource, S. 13, 18. 102 Schomaker, Bereitstellung netzgebundener Infrastruktur, S. 10. 103 Fritsch, Marktversagen, S. 161; Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 22; Schomaker Bereit­ stellung netzgebundener Infrastruktur, S. 10 f.; Schulze, Liberalisierung und Re-Regulierung, S. 8. 104 Fritsch, Marktversagen, S. 161; Schomaker Bereitstellung netzgebundener Infrastruktur, S. 11; Schulze, Liberalisierung und Re-Regulierung, S. 9. 101

C. Marktversagen im Infrastrukturbereich

81

sem Zusammenhang die vor allem im Bereich der Kommunikationsinfrastrukturen auftretenden Größenvorteile durch steigende Anschlussverlegungen zu nennen, welche unter den Begriffen des Netzwerkvorteils oder der positiven Netzwerk­ externalität zusammengefasst werden105. Danach erhöht die Aufschaltung eines zu­ sätzlichen Teilnehmers an das Netz auch die Attraktivität der Infrastruktur für alle anderen Nutzer, welche ersteren nun über das Kommunikationsnetz erreichen kön­ nen106. Damit treten mit einem zusätzlichen Anschluss sowohl eine positive Exter­ nalität zugunsten aller Netzteilnehmer als auch ein Größenvorteil für den Netz­ betreiber auf. Außerdem sind die bereits angesprochenen Verdichtungseffekte (Economies of Density) im Bereich der Versorgungsnetzinfrastrukturen besonders ausgeprägt107. Gerade in dicht besiedelten städtischen Ballungsräumen bewirken die kurzen Dis­ tanzen zwischen den Anschlussteilnehmern eine kostengünstigere individuelle Anbindung der einzelnen Nutzer als etwa in ländlichen Gebieten108. Zugute kommt einem Infrastrukturbetreiber diese besondere Form von Größenvorteilen ebenso beim Anschluss von großen Gewerbegebieten und Industrieparks. (2) Fehlen von potentiellem Wettbewerb Gerade im Bereich der Netzinfrastrukturen kommt den versunkenen Kosten beim Markteintritt eine erhebliche Bedeutung zu, so dass das Vorliegen von poten­ tiellem Wettbewerb vielfach nur eingeschränkt angenommen werden kann109. Dies resultiert in erster Linie aus der technischen Unteilbarkeit der Netzinfrastrukturen, die dadurch entsteht, dass ihre Kapazitäten nicht in kleinen Schritten, sondern nur in größerem Umfang errichtet und verändert werden können110. Daraus ergibt sich auch das Erfordernis eines hohen Kapitaleinsatzes als Grundinvestition111. Hinzu kommen außerdem die lange Planungs- und Ausreifungszeit der Infrastrukturanla­ gen, ihre lange Lebensdauer und ihre Standortgebundenheit112, die den Marktaus­ tritt für einen Infrastrukturbetreiber erheblich erschweren oder sogar wirtschaftlich vollständig unmöglich machen.

105

Klaus, Primärinfrastruktur, S. 236. Klaus, Primärinfrastruktur, S. 237 m. w. N. 107 Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 22. 108 Fritsch, Marktversagen, S. 162; Schulze, Liberalisierung und Re-Regulierung, S. 8. 109 Siehe hierzu den umfassenden Überblick bei Broemel, Strategisches Verhalten in der Re­ gulierung, S. 78 ff. 110 Schulze, Liberalisierung und Re-Regulierung, S. 9. 111 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 310. 112 Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnahmen, S. 147. 106

82

Kap. 2: Infrastrukturen im Wettbewerb

(3) Verbleibender Spielraum für Wettbewerb Aus dem kumulativen Vorliegen von Subadditivität und dem Fehlen von poten­ tiellem Wettbewerb lässt sich gemäß der oben dargestellten Definition zum Beste­ hen von natürlichen Monopolen der Schluss ziehen, dass weite Teile der Netzinfra­ strukturen erhebliche Monopolisierungstendenzen aufweisen113. Gleichwohl wäre die Annahme zu kurz gegriffen, dass alle Netzinfrastrukturen per se natürliche Mo­ nopole darstellen und das Bestehen von Wettbewerb daher von vornherein als aus­ geschlossen angesehen werden muss. Vielmehr gibt es auch hier wettbewerbliche Perspektiven, deren wichtigste Ausformungen im Folgenden unter den Begriffen des langfristigen Wettbewerbs, des intermodalen Wettbewerbs sowie des Wett­ bewerbs in Randbereichen zusammengefasst werden sollen. (a) Langfristiger Wettbewerb Selbst wenn die Tendenz zum natürlichen Monopol auf einem Markt nach empi­ rischer Erforschung als wahrscheinlich anzunehmen ist, bedeutet dies noch nicht, dass eine solche Monopolstruktur langfristig stabil bestehen wird114. Durch die der Marktwirtschaft immanente Dynamik kann es dazu kommen, dass sich zuvor monopolistische Märkte hin zu wettbewerblichen Bereichen entwickeln115. Zum einen kann dies dadurch geschehen, dass aufgrund eines starken Nachfragewachs­ tums die Grenzkosten des Monopolisten derart steigen, dass mehrere Anbieter den Markt effizient bedienen können und ein Markteintritt für Wettbewerber damit wirtschaftlich sinnvoll wird116. Zum anderen kann dies dann der Fall sein, wenn es einem neuen Wettbewerber möglich wird, den Markt zu erheblich geringeren Kos­ ten zu bedienen als zuvor117. Dafür können insbesondere Prozess- und Produkt­ innovationen sowie technischer Fortschritt ursächlich sein118. Als Paradebeispiel lassen sich hierfür die bereits mehrfach angedeuteten Ent­ wicklungen im Bereich der Sprachtelekommunikationsinfrastrukturen anführen119. Während bis in die 1990er Jahre hinein sowohl die Festnetzinfrastrukturen der

113

Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 319. Ausführlich Cansier/Bayer, Finanzwissenschaft, S.  169 ff.; Knieps, Wettbewerbsökono­ mie, S. 113 f. 115 Schulze, Liberalisierung und Re-Regulierung, S. 11. 116 Cansier/Bayer, Finanzwissenschaft, S. 169; Schulze, Liberalisierung und Re-Regulierung, S. 11. 117 Schulze, Liberalisierung und Re-Regulierung, S. 11; v. Weizsäcker, WuW 1997, S. 572, 576. 118 Klös, Öffentliches Infrastrukturmonopol, S. 20; Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 113 f.; Schulze, Liberalisierung und Re-Regulierung, S. 11. 119 Zur Liberalisierung dieser Infrastrukturen in Deutschland vgl. Kämmerer, in: Ehlers/Feh­ ling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 426. 114

C. Marktversagen im Infrastrukturbereich

83

Fern- als auch der Ortsnetze als natürliche Monopole betrachtet wurden120, be­ schränkte sich in der Diskussion der späten 1990er Jahre die Einstufung als natür­liches Monopol auf den Bereich der Ortsnetze121. Angesichts zunehmen­ der Bedeutung von alternativen Infrastrukturen auch in der Sprachtelefonie – wie breitbandigen Kabelinternetanschlüsse, über die im sogenannten Voice-Over-IP Verfahren telefoniert werden kann sowie Mobilfunkinfrastrukturen – wird selbst letzterer Befund mittlerweile in der Literatur angezweifelt122. Die Perspektive langfristigen Wettbewerbs auf einem monopolisierten Infra­ strukturmarkt kann das Fehlen aktuellen sowie potentiellen Wettbewerbs und eine daraus folgende spezifische Regulierungsbedürftigkeit dieses Marktes keines­ wegs aufwiegen. Dennoch müssen die öffentlichen Regulierungsinstanzen dar­ auf achten, dass bei der Ausgestaltung der Marktregulierung sich konkret andeu­ tende Möglichkeiten eines langfristigen Wettbewerbs berücksichtigt werden und dieser nicht infolge der Regulierung der spezifischen Infrastrukturen zusätzlichen Hemmnissen ausgesetzt wird123. Diese Grundüberlegung lässt sich auch auf den beihilfenpolitischen Kontext übertragen. Bei der Förderung von Infrastruktureinrichtungen sollten die Mit­ gliedstaaten und die Union als Kontrollinstanz berücksichtigen, inwieweit hier­ bei monopolitische Strukturen geschaffen oder gestärkt werden, welche sich zu­ lasten mittel- und langfristiger Wettbewerbsperspektiven auf dem entsprechenden Markt entwickeln. (b) Intermodaler Wettbewerb Zumindest in einigen Bereichen der Netzwerk-Infrastrukturen bestehen darüber hinaus intermodale Wettbewerbspotenziale, also solche zum Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Arten von Infrastruktureinrichtungen. Ausgeprägt sind diese vor allem bei den Kommunikations-124 und die Verkehrsinfrastrukturen125. Die

120

Vgl. die Zusammenfassung bei Bundestag, Zwischenbericht Enquete-Kommission „Neue Informations- und Kommunikationstechniken“ v. 28.03.1983, Drucksache 9/2442, S.  174 f.; Fetzer, Staat und Wettbewerb in dynamischen Märkten, S. 58 ff. 121 Vgl. etwa Bundeskartellamt, Zugang zu Netzen, S. 21; Hermes, Staatliche Infrastruktur­ verantwortung, S. 319. 122 Schalast/Abrar, ZWeR 2009, S. 85, 88 ff. Eine Tendenz dazu ist auch bei Knieps, Wett­ bewerbsökonomie, S. 113 zu erkennen. 123 Vgl. dazu die Kritik an der Telekommunikationsregulierung in Deutschland bei Dewenter/ Haucap, Die Liberalisierung der Telekommunikationsbranche, S. 1 ff.; Schalast/Abrar, ZWeR 2009, S. 85, 90 ff. 124 Vgl. nur Möschel, MMR 2010, S. 450, 453. 125 Siehe etwa Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 102; Schrotz, in: Birnstiel/Bun­ genberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S.  278 m. w. N.; Winkelmann, Privatisierung von Ver­ kehrsinfrastrukturen, S. 68.

84

Kap. 2: Infrastrukturen im Wettbewerb

spezi­fischen wettbewerbsrechtlichen Probleme bei dieser Art von Wettbewerb werden in den entsprechenden Zusammenhängen dieser Arbeit erläutert126. Praktische Schwierigkeiten ergeben sich bei der konkreten Darstellung eines tatsächlich vorhandenen intermodalen Wettbewerbsdrucks auf einen Infrastruk­ turbetreiber. Intermodale Wettbewerbsverhältnisse können sich über eine Vielzahl unterschiedlicher sachlich und räumlich relevanter Märkte erstrecken. Dies macht verallgemeinerungsfähige Aussagen in diesem Zusammenhang schwierig und er­ fordert eine genaue Untersuchung der individuellen Umstände des Einzelfalls. (c) Randzonenwettbewerb Eine weitere Wettbewerbsperspektive in Netzinfrastrukturmärkten wird im Rah­ men dieser Untersuchung unter dem Oberbegriff des Randzonenwettbewerbs127 zu­ sammengefasst. Dieser zeigt sich in zwei Varianten: Zum einen umfasst er den Wettbewerb in geographischen Randlagen des Net­ zes eines Infrastrukturbetreibers, in denen ein Infrastrukturbetreiber aus einem be­ nachbarten Gebiet seine Infrastrukturen mit verhältnismäßig geringem Aufwand bis in das Gebiet des erstgenannten Infrastrukturbetreibers erweitern und so Kun­ den für sich gewinnen kann128. Zum anderen fällt unter diese Kategorie auch der vor allem in den Versorgungs­ bereichen vorzufinden Parallelleitungsbau. Darunter ist der Anschluss eines oder mehrerer einzelner Kunden durch einen Infrastrukturbetreiber in einem Gebiet zu verstehen, das eigentlich von einem anderen Infrastrukturbetreiber mit eigenem Netz abgedeckt wird129. Ansätze von Randzonenwettbewerb lassen sich in einer Reihe von Bereichen von Netzinfrastrukturen vorfinden, wobei in der Vergangenheit vor allem recht­ liche Beschränkungen in vielen Mitgliedstaaten verhindert haben, dass dieser Wett­ bewerbsperspektive eine noch größere Bedeutung zugekommen ist. Umstritten ist die Errichtung von Parallelinfrastrukturen vor allem aus umwelt- und vertei­ lungspolitischen Gesichtspunkten. Erstere ökologische Bedenken bauen vor allem auf der Überlegung auf, dass jede Neuerrichtung von Infrastrukturen mit Ressourcenverbrauch und Umwelt­ belastungen (etwa der Beeinträchtigung von unversiegelten Bodenflächen und 126

Vgl. dazu insbesondere unten Kap.  4, C. III. 3.  b). Siehe auch schon oben Kap.  2, B. II. 2. b). 127 Angelehnt an den Begriff bei Schulze, Liberalisierung von Netzindustrien, S.  56 f. und Schulze, Liberalisierung und Re-Regulierung, S. 11. 128 Schulze, Liberalisierung von Netzindustrien, S. 56 f. m. w. N. 129 Janda, Weiterentwicklung des deutschen Trinkwasserversorgungsmarktes, S. 286 ff. Siehe auch Theobald, NJW 2003, S. 324, 328.

C. Marktversagen im Infrastrukturbereich

85

Energieverbrauch) verbunden ist. Diese seien nicht als erforderlich zu rechtfer­ tigen, soweit ausreichende Infrastrukturkapazitäten bereits bestehen130. Aus verteilungspolitischer Sicht wird vor allem der Vorwurf des „Rosinen­ pickens“ gegen den Parallelbau von Infrastruktureinrichtungen vorgebracht131. Dieser beruht darauf, dass der Eintritt eines Infrastrukturbetreibers in ein bereits infrastrukturell erschlossenes Gebiet regelmäßig einzig darauf abzielt, die gezielte Versorgung von besonders lukrativen Großkunden zu übernehmen. Die in der Flä­ che erforderliche infrastrukturelle Anbindung einer Vielzahl von kleineren Kun­ den und Haushalten, welche weniger ertragsreich bis zuweilen sogar nur defizitär möglich ist, bleibt dagegen in der Verantwortung des eigentlich heimischen Netz­ betreibers. Diesem gehen durch den Verlust der Großkunden Möglichkeiten zur internen Quersubventionierung verloren, mit denen auch ein an anderen Stellen unwirtschaftlicher, aber aufgrund des allgemeinen Versorgungsauftrags notwen­ diger, Netzbetrieb teilfinanziert werden kann132. Gleichwohl wurde der Randzonenwettbewerb als eigenständiges Wettbewerbs­ konzept in einzelnen Infrastrukturbereichen sogar in der europäischen Recht­ setzung etabliert. So findet sich im Bereich der Energiewirtschaft in der GasRichtlinie eine ausdrückliche Erwähnung von Direktleitungen, die „zusätzlich zum Verbundnetz“ errichtet werden können133. Zu beachten bleibt in dem Zusammen­ hang jedoch, dass der Parallelleitungsbau nur subsidiär zur vorrangigen Durchlei­ tung, also der Nutzung des bereits bestehenden Netzes, erfolgen soll. Der Aufbau eines vollständigen Parallelnetzes soll durch die Regelung gerade nicht bewirkt werden134. Vielmehr handelt es sich beim Direktleitungsbau nur um eine Wett­ bewerbsoption, die einem Versorgungsunternehmen offenstehen soll, sofern ihm die Durchleitung verweigert wird135. Auch im Bereich der Trinkwasserversorgung erscheint Randzonenwettbewerb denkbar. In diesem Infrastrukturbereich gab es bislang nur wenige Ansätze einer wettbewerblichen Marktöffnung. Hintergrund ist dabei vor allem, dass sich eine gesetzlich normierte Durchleitungspflicht des Netzbetreibers für Trinkwasser von Drittunternehmen als nicht praxistauglich erweist. Zurückzuführen ist dies auf 130

Zu den ökologischen Bedenken ausführlich etwa Jarass, Bodenbelastung durch Infra­ strukturmaßnahmen, S. 1 ff. Siehe auch Klös, Öffentliches Infrastrukturmonopol, S. 19 f., der einer Errichtung von Parallelinfrastrukturen ansonsten positiv gegenübersteht. Vgl. aber fer­ ner Kommission, Mitteilung an Parlament und Rat v. 20.12.2001, Az. KOM(2001) 775 endg., S.  16: „Zu Verzögerungen [bei der Erlangung von Genehmigungen zur Infrastrukturerrichtung] im Zusammenhang mit Umweltbelangen kommt es jedoch häufig gar nicht wegen tatsächlicher Umweltauswirkungen (…), sondern aus politischen Gründen.“ 131 Vgl. dazu Fetzer, Staat und Wettbewerb in dynamischen Märkten, S. 65 f.; Klaus, Primär­ infrastruktur, S. 208 ff. 132 Klaus, Primärinfrastruktur, S. 208 f.; Knieps, Wettbewerbsökonomie 2005, S. 36 f. 133 Art. 2 Nr. 18 RL 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.07.2009. 134 Theobald, NJW 2003, S. 324, 328. 135 Kühne/Scholtka, NJW 1998, S. 1902, 1904; Theobald, NJW 2003, S. 324, 328.

86

Kap. 2: Infrastrukturen im Wettbewerb

das legitime politische Ziel, einheitliche umwelt- und gesundheitliche Qualitäts­ standards bei der Trinkwasserbereitstellung zu gewährleisten136. Bei einer Durch­ mischung des Wassers von verschiedenen Produzenten in einer Leitung wäre dem nicht mehr genüge getan137. Dem könnte durch den Bau von Parallelleitungen ent­ gegengewirkt werden. Ein vom deutschen Bundeswirtschaftsministerium in Auf­ trag gegebenes Forschungsprojekt hat ermittelt, dass im Falle einer gesetzlichen Freigabe des Leitungsbaus trotz des Vorliegens von erheblichen Größenvortei­ len beim Betrieb von Wassernetzen zumindest in Teilbereichen mit Infrastruktur­ wettbewerb zu rechnen ist138. Bestärkt wird diese Annahme durch den schon heute hohen Anteil an Eigenversorgung im Wasserbereich, der bei industriellen Groß­ verbrauchern nahezu 90 % ausmacht und zunächst vor allem zur Versorgung be­ nachbarter Kunden erweitert werden könnte139. Im Verkehrsbereich bestehende Ansätze von Randzonenwettbewerb sind da­ gegen weniger ausgeprägt, aber zumindest denkbar. Zu nennen ist hier etwa das Beispiel einer deutschen und einer französischen Autobahn, die auf der jeweiligen Landesseite des Grenzflusses Rhein verlaufen140. Auch Schienenverbindungen kön­ nen in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen, vor allem im Bereich von direkt errichteten Bahnanschlüssen für Unternehmen. Letztlich ist die Bedeutung von Randzonenwettbewerb im Verkehrsbereich allerdings nur als gering anzuse­ hen. Wichtiger sind in diesem Gebiet die intermodalen Wettbewerbsperspektiven141. In besonderem Maße ausgeprägt ist der Randzonenwettbewerb dagegen in (Punkt-)Netzinfrastrukturbereichen, die ohne die Bereitstellung eines eigenen physischen Netzes auskommen, also etwa dem Post- und dem Abfallentsorgungs­ sektor142. Aufgrund des geringeren Anteils an versunkenen Kosten im Vergleich zu den physischen Netzinfrastrukturen gestaltet sich der Markteintritt für Wettbewer­ ber hier einfacher, obgleich auch die hier erforderlichen Vorleistungen und Inves­ titionen zum Aufbau eines logistischen Netzes nicht gänzlich vernachlässigt wer­ den können143. Die Übergänge vom Randzonenwettbewerb zu einem vollständigen 136

Janda, Weiterentwicklung des deutschen Trinkwasserversorgungsmarktes, S. 279 ff. Schulze, Liberalisierung von Netzindustrien, S. 208 m. w. N. 138 Ewers/Botzenhart/Jekel/Salzwedel/Kraemer, Marktöffnung für eine nachhaltige Wasser­ versorgung, S. 42 f.; siehe auch Theobald, NJW 2003, S. 324, 328. 139 Theobald, NJW 2003, S. 324, 328. 140 Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 102. 141 Vgl. dazu Schrotz, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 278. 142 Siehe zur Abfallwirtschaft nur die Diskussion zu Parallelinfrastrukturen bei der Hausmüll­ entsorgung bei Koch/Reese, DVBl. 2010, S. 1393 ff.; zum Postbereich Theobald, NJW 2003, S. 324, 328. 143 Theobald, NJW 2003, S. 324, 328; siehe in diesem Zusammenhang auch EuGH, Urt. v. 03.07.2003, Rs. C-83/01 P, C-93/01 P u. C-94/01 P, Rn. 36 – Chronopost SA: „Auf Grund der Besonderheiten der Dienstleistung, deren Erbringung das Netz der Post ermöglichen muss (…) gehorchen die Errichtung und Aufrechterhaltung dieses Netzes nicht rein kommerziellen Er­ wägungen. (…) Dieses Netz wäre daher von einem privaten Unternehmen niemals errichtet worden.“ Vgl. dazu auch unten Kap. 4, B. V. 4. b) bb) (2). 137

C. Marktversagen im Infrastrukturbereich

87

Wettbewerb mit der Errichtung eines eigenständig funktionsfähigen logistischen Parallelnetzes sind in diesem Bereich fließend. Wie an diesen Beispielen aus unterschiedlichen Infrastrukturbereichen ersicht­ lich wird, gibt es Ansätze von Randzonenwettbewerb in vielfältigen Formen und unterschiedlichen Ausprägungen. bb) Wettbewerbspotentiale bei Punkt-Netzwerk-Infrastrukturen und Punkt-Infrastrukturen Viele Punkt-Netzwerk-Infrastrukturen und Punkt-Infrastrukturen weisen eben­ falls Charakteristika eines natürlichen Monopols auf. Gleichzeitig sind diese mangels vergleichbar starker Netzwerkeffekte jedoch nicht so bedeutend aus­ geprägt wie bei den Netzwerk-Infrastrukturen. Die in der Vergangenheit von Wirt­ schafts- und Wettbewerbspolitik wenig berücksichtigten Wettbewerbspotentiale von Punkt-Netzwerk und Punkt-Infrastrukturen sind in jüngerer Zeit stärker in den Fokus ökonomischer Untersuchungen gerückt144. Die daraus gewonnenen Er­ kenntnisse sind auch ein wesentlicher Anstoßfaktor für die Neuausrichtung der beihilfenrechtlichen Behandlung der mitgliedstaatlichen Infrastruktur­ förderung durch die Kommission gewesen145. (1) Wettbewerbspotentiale bei Punkt-Netzwerk-Infrastrukturen am Beispiel von Flughäfen und Häfen Im Bereich der Punkt-Netzwerk-Infrastrukturen aus dem Verkehrsbereich ent­ wickelten sich in den vergangenen 20 Jahren verstärkt wettbewerbliche Struktu­ ren. Besonders ausdifferenziert zeigt sich dies bei den Flughafeninfrastrukturen. So wird in der ökonomischen Literatur argumentiert, dass Drehkreuz-Flughäfen, die als Verkehrsknotenpunkt zum Umstieg von Passagieren zwischen Kurz-, Mit­ tel- und Langstreckenflügen dienen, nicht die Eigenschaften eines natürlichen Monopols aufweisen. Insbesondere sei dort regelmäßig keine subadditive Kos­ tenfunktion nachzuweisen146. Wettbewerbshemmend wirkten lediglich die hohen Marktzutrittsschranken, die neben den institutionellen Hürden zur Errichtung von

144

Siehe etwa für Flughäfen Cranfield University, Competition between Airports, Sec. 4–1 ff.; Wolf, Privatisierung im Flughafensektor, S.  22 ff.; für Seehäfen Pallis/Verhoeven, in: Notteboom/Ducruet/de Langen, Ports in Proximity, S.  99, 108 m. w. N.; für Krankenhäuser Kallfaß, Räumlicher Wettbewerb zwischen Allgemeinen Krankenhäusern, S. 1 ff.; Klaue, in: Bruckenberger/Klaue/Schwintowski, Krankenhausmärkte zwischen Regulierung und Wett­ bewerb, S. 3 ff. 145 Siehe für Flughäfen etwa die Darstellung bei Kommission, Ent. v. 03.10.2012, Az. SA.23600 – C 38/2008 (ex NN 53/2007), Rn. 74 ff. – Munich Airport Terminal 2. 146 Alram, Post-Merger-Netzwerk-Integration, S. 80.

88

Kap. 2: Infrastrukturen im Wettbewerb

Flughafeninfrastrukturen und hohen Grundinvestments vor allem durch das kom­ plexe Erfordernis der Koordinierung eines abgestimmten Flugbetriebs entstehen147. Das Bestehen von Marktzutrittshemmnissen ist deutlich geringer, wenn bei der Neugründung eines Flughafenbetriebs auf bereits errichtete Infrastrukturen zu­ rückgegriffen werden kann. Dies ist in den vergangenen Jahren vielfach durch die Umwidmung von ungenutzten ehemaligen Militärflughäfen zu Verkehrsflughä­ fen möglich gewesen148. Auf diese Weise können in Bereichen, in denen sich als räumlich relevanter Markt die Einzugsgebiete der Passagiere mit bereits bestehen­ den Flughäfen überschneiden, Wettbewerbsverhältnisse entstehen. Insbesondere kleine Regionalflughäfen, die vor allem von sogenannten Billigfluggesellschaften genutzt werden, können mit größeren Flughäfen in Wettbewerb treten149. Auch im Bereich der Häfen diskutiert die ökonomische Literatur vermehrt das Bestehen wettbewerblicher Ansätze. Das Einzugsgebiet eines Hafens und damit den grundsätzlich von ihm abgedeckten räumlichen Markt stellt die Region dar, in der mit Hilfe ausreichender Hinterlandanbindung (vor allem Schienen- und Straßenwege) eine über den Hafen abgewickelte Transportlieferung möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist150. Durch den Bedeutungsgewinn von standardisierten Containern im Seefrachtverkehr sind die Transportverfahrensabläufe erheblich ver­ einfacht und vergünstigt worden, was dazu führte, dass die Reichweite vieler Hä­ fen sich ins Hinterland erweiterte und auf diese Weise sich überlappende Einzugs­ gebiete verschiedener Häfen entstanden151. Ähnlich wie im Bereich der Flughäfen kommt es deshalb häufiger zu der Konstellation, dass Häfen zwar eine Monopol­ stellung in dem sie unmittelbar umgebenden Gebiet innehaben, in weiter entfernt liegenden Regionen jedoch durchaus ein Wettbewerbsverhältnis bestehen kann152. (2) Beispiele für Wettbewerbschancen im Bereich der Punkt-Infrastrukturen Im Bereich der Punkt-Infrastrukturen lassen sich zahlreiche Beispiele anführen, in denen ein Wettbewerb zwischen Infrastrukturbetreibern angenommen werden kann. Eine breite ökonomische und wettbewerbspolitische Debatte hat sich etwa zum Wettbewerb zwischen Krankenhausbetreibern entwickelt. Die von einer besonders 147

Alram, Post-Merger-Netzwerk-Integration, S. 80. Siehe beispielhaft die Entwicklung des Flughafens Frankfurt-Hahn in Deutschland, dar­ gestellt bei Widmann, in: Groß/Schröder, Handbook of Low-Cost-Airlines, S. 171 ff. 149 Vgl. Cranfield University, Competition Between Airports, Sec. 0–2. 150 Zhang, in: OECD, Port Competition and Hinterland Connections, S. 129 ff. 151 Siehe Notteboom, in: Konings/Priemus/Nijkamp, Future of Intermodal Freight Transport, S. 66. 152 Vgl. auch Notteboom/Yap, in: Talley, Maritime Economics, S. 549, 551. 148

C. Marktversagen im Infrastrukturbereich

89

intensiven Regulierung geprägten Krankenhausmärkte zeigen infolge von Libera­ lisierungsansätzen zumindest in einigen Mitgliedstaaten gerade in städtischen Bal­ lungsräumen verstärkt Wettbewerbspotentiale auf153. Umfassende Studien hierzu wurden etwa in Großbritannien erstellt, wo die Schaffung wettbewerblicher Struk­ turen im Krankenhausbereich ein Ziel mehrerer politischer Reformprogramme seit den 1980er Jahren war154. Auch zwischen kleineren Infrastruktureinrichtungen mit überwiegend lokalem Charakter kann Wettbewerb bestehen. So merkte die australische Industry Commission155 bereits in den 1990er Jahren in einem Bericht an, dass in großen Städten ein Wettbewerb zwischen Schwimmbädern bestehen kann156. In anderen Regio­ nen, etwa in dünner besiedelten ländlichen Gemeinden, würde ein Großschwimm­ bad dagegen weiterhin regelmäßig die Eigenschaften eines natürlichen Monopols aufweisen und keinem Wettbewerbsdruck ausgesetzt sein157. Ebenso kann zwischen Freizeitparks ein Wettbewerbsverhältnis bestehen. Für die Bundesrepublik Deutschland hat das Bundeswirtschaftsministerium in einer Studie festgestellt, dass sich die Einzugsbereiche (geographische „Quellmärkte“) vieler Freizeitparkeinrichtungen aufgrund ihrer räumlichen Verteilung zwar häufig nicht überschneiden158. In einigen Regionen (z. B. der Lüneburger Heide) komme es allerdings durchaus zu einem Wettbewerb mehrerer Anbieter. Darüber hinaus nehme auch der grenzüberschreitende Wettbewerb, insbesondere zu den BeneluxLändern und Frankreich, sowie zu neuartigen Freizeitanlagen wie dem Tropical­ Islands im Bundesland Brandenburg zu159. c) Zusammenfassung Tendenzen zur Ausbildung von natürlichen Monopolen stellen die wichtigste Kategorie allokativen Marktversagens im Infrastruktursektor dar, insbesondere auf dem Gebiet der Netzwerk-Infrastrukturen. Dennoch greift die pauschale An­ nahme zu kurz, einen Wettbewerb zwischen Infrastrukturbetreibern mit dem Hin­ weis auf die Bedeutung natürlicher Monopole in diesem Bereich gänzlich ab­ zutun. Vielmehr bestehen jenseits der Tendenz zu monopolartigen Strukturen im 153

Kallfaß, Räumlicher Wettbewerb zwischen Allgemeinen Krankenhäusern, S. 16. Propper/Dixon, in: Dixon/Mays/Jones, Understanding New Labour’s Market Reforms of the English NHS, S. 78 f. 155 Es handelte sich dabei um eine unabhängige öffentliche wissenschaftliche Regierungs­ beratungskommission in Australien, die 1998 in der Productivity Commission aufgegangen ist. Nähere Informationen unter http://www.pc.gov.au/. 156 Industry Commission, Submission on the National Access Regime, S. 13. 157 Ebd. 158 Lorenz/Melzer, Tourismusperspektiven in ländlichen Räumen  – Sonderstudie Freizeit­ parks, S. 4. 159 Lorenz/Melzer, Tourismusperspektiven in ländlichen Räumen  – Sonderstudie Freizeit­ parks, S. 4 ff. 154

90

Kap. 2: Infrastrukturen im Wettbewerb

Infrastruktursektor verschiedene Wettbewerbspotentiale, die im Einzelfall bei der wettbewerbsrechtlichen Betrachtung zu berücksichtigen sein können. Dabei ist vor allem zu beachten, dass sich die Wettbewerbsverhältnisse bei einigen Infra­ strukturarten durch die technische und wirtschaftliche Entwicklung in den jeweili­ gen Bereichen in einem Wandel befinden. So erlangen durch den technologischen Fortschritt im Telekommunikationsbereich etwa intermodale Wettbewerbsper­ spektiven an Bedeutung. Die wirtschaftliche Entwicklung mit der Zunahme der globalen Handelsströme sowie eine Liberalisierung der früheren staatlichen Struk­ turen mit einer vermehrten Beteiligung privater Investoren führen darüber hinaus beispielsweise im Bereich einiger Verkehrsinfrastrukturen (Flughäfen, Seehäfen, Autobahnen) zu Wettbewerbschancen. Für das Verständnis der Entwicklung der Kommissionpraxis bezüglich der bei­ hilfenrechtlichen Überprüfung von Infrastrukturprojekten sind diese Erkenntnisse von zentraler Bedeutung. Auch wenn die Kommission sich in ihren einzelnen Ent­ scheidungen bislang zumeist nur knapp mit den wettbewerblichen Gegebenhei­ ten des jeweiligen Falles auseinandersetzt, spiegelt sich in der Ausweitung der bei­hilfenrechtlichen Kontrolle im Infrastrukturbereich die Bedeutung wettbewerb­ licher Strukturen in diesem Gebiet wider. Die genaue Auseinandersetzung damit wird zentraler Gegenstand der weiteren Untersuchung sein.

II. Distributives Marktversagen im Infrastrukturbereich Auch wenn Märkte ein hohes Maß an Allokationseffizienz aufweisen und damit die Verteilung einem Pareto-Gleichgewicht nahekommt, bedeutet dies noch nicht, dass die vom freien Markt erzielten Ergebnisse zwangsläufig als (politisch) ge­ recht empfunden werden müssen160. Exemplarisch kann hierfür das berühmte und vielzitierte Beispiel von Samuelson/Nordhaus angeführt werden: „A rich man’s cat may drink the milk that a poor boy needs to remain healthy. Does this ­happen because the market is failing? Not at all, for the market mechanism is doing its job – putting goods in the hands of those that have the dollar votes. Even the most efficient m ­ arket system may generate great inequality.“161

Musgrave, einer der wichtigen Wegbereiter der Theorie der Marktunvollkommen­ heiten, führte aus, dass es staatliche Aufgabe sei, neben den von ihm ausgemach­ ten Formen allokativen Marktversagen auch dem distributiven Marktversagen zu begegnen162. Dies stellt eine Abweichung von der im Umfeld der neoklassischen Theorie vertretenen Auffassung dar, dass der Begriff des Marktversagens allein al­ lokative Marktunvollkommenheiten umfasst163. 160

Siehe nur Schmidtchen, Property Rights, S. 26; ferner Kaupa, EStAL 2009, S. 311, 316. Samuelson/Nordhaus, Economics, S. 47. 162 Musgrave/Musgrave/Kullmer, Die öffentlichen Finanzen, S. 97 ff., insb. S. 102. 163 Siehe etwa Sohmen, Allokationstheorie und Wirtschaftspolitik, S. 100 ff. 161

C. Marktversagen im Infrastrukturbereich

91

Hauptgrund für die allgemeine Zurückhaltung bei der Nutzung des Begriffs eines distributiven Marktversagens unter Ökonomen ist die Tatsache, dass allein auf nor­ mativer Grundlage bestimmt werden kann, unter welchen Voraussetzungen ein dis­ tributives Marktversagen anzunehmen ist164. Mangels einer empirischen Bestimm­ barkeit oder allgemeingültigen Definition einer „gerechten“ Güterverteilung in der sozialen Marktwirtschaft kann das normative Grundgerüst dieses Begriffs allein an­ hand politischer Präferenzen, nicht aber ökonomisch bestimmt werden165. Diese er­ weisen sich in vielen Fällen als unscharf und für eine abstrakte Wertung ungeeignet. Dennoch findet sich in den rechtlichen Bestimmungen zur Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik in der Union eine Reihe von Anhaltspunkten dafür, dass distri­ butive Erwägungen darin eine erhebliche Bedeutung zukommt. Art. 3 Abs. 3 EUV charakterisiert das wirtschaftspolitische System der Union als „wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft“. Darüber hinaus fördert die Union gemäß Art. 3 Abs. 3 EUV „den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt sowie die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten“. Art. 14 AEUV betont den Stellenwert der „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse innerhalb der gemeinsamen Werte der Union“. Im Protokoll Nr. 26 „Über Dienste von gemeinsamem Interesse“ werden weitere Einzelheiten dazu ausgeführt. Darüber hinaus finden sich auch in den Wettbewerbs- und Beihilfenregeln mit den Bestimmungen der Art. 106 Abs. 2 AEUV sowie Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV Ausnahmeregeln für gemeinwirtschaftliche Dienste und regionalpolitische Maßnahmen, welche deren besondere Bedeutung im Gefüge der Unionsvorschriften widerspiegeln166. Unabhängig davon, ob und inwieweit die Errichtung und der Betrieb von Infra­ strukturen im Einzelfall rechtlich als DAWI eingeordnet werden kann, stellt der Zugang zu Infrastruktureinrichtungen zu zumutbaren Bedingungen, insbesondere Kosten, und bei hochwertiger Qualität einen wesentlichen Pfeiler der Politik des sozialen und territorialen Zusammenhalts in der Union dar167. Darunter fallen ne­ ben dem Anschluss an die Grundversorgungsinfrastrukturen – etwa für Energie, Wasser und Abfallentsorgung  – auch der Zugang zu leistungsfähigen Verkehrs­ infrastrukturen168 (Autobahnen, Schienennetze, Flughäfen) und in jüngerer Zeit verstärkt auch die Nutzungsmöglichkeit von hochleistungsfähigen Telekommuni­ kations- und Breitband-Internetinfrastrukturen169. 164

Vgl. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 2 f. Siehe zu dieser Kritik an einem weiten Marktversagensbegriff auch Bührle, Gründe und Grenzen des „EG-Beihilfenverbots“, S. 77 ff. 166 Vgl. dazu insgesamt auch Kaupa, EStAL 2009, S. 311, 318 f. 167 Vgl. Kommission, Fünfter Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt, S.  XIV sowie S.  55 ff. Siehe auch Klös, Öffentliches Infrastrukturmonopol, S. 11 f. 168 Kommission, Fünfter Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusam­ menhalt, S. 55 ff. 169 Kommission, Fünfter Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusam­ menhalt, S. 59 ff.

165

92

Kap. 2: Infrastrukturen im Wettbewerb

Auf der anderen Seite dürfen die Errichtung und der Betrieb von Infrastruktur­ einrichtungen aber auch kein Selbstzweck sein und führen auch nicht per Automa­ tismus zur wirtschaftlichen und sozialen Fortentwicklung einer Region sowie lo­ kalen Wachstumseffekten. Vielmehr besteht bei staatlichen geförderten Projekten eine immanente Gefahr, dass eine für verfehlt erachtete marktmäßige Allokation durch eine suboptimale Distribution ersetzt wird170. Die Ursachen hierfür können vielfältig sein. Zum einen können Infrastrukturen aufgrund von Fehlplanung sowie dem Auseinanderfallen von politischer Prognose und tatsächlicher Entwicklung an lokalen und regionalen Bedürfnissen vorbei errichtet werden. Die Generaldirektion Regio nennt hierfür als Beispiel Fälle aus der Vergangenheit, in denen die infrastrukturelle Erschließung z. B. von Technologie-Gewerbeparks in großem Umfang vorangetrieben wurde, ohne dass gleichzeitig andere entscheidende Rah­ menbedingungen für private Investitionen in diesen erschlossenen Gebiete hinrei­ chend beachtet und gestaltet wurden171. Darüber hinaus ist bei verteilungspolitisch motivierter Infrastrukturförderung das Risiko nicht zu vernachlässigen, dass Ent­ scheidungsträger von sachfremden Erwägungen geleitet werden, etwa durch ge­ zielten Lobbyismus172 sowie persönliche Opportunität173. Nicht zuletzt kann die distributiv begründete Infrastrukturförderung auch wettbewerbliche Auswirkun­ gen auf bereits bestehende Infrastrukturen haben und auf den jeweiligen Märkten zu Verzerrungen führen174.

D. Zusammenfassung Der Infrastruktursektor nimmt in der Marktwirtschaft eine Sonderstellung ein. Um die Beeinflussung der Wettbewerbsverhältnisse durch mitgliedstaatliche Maß­ nahmen in diesem Bereich zu analysieren, ist zunächst eine differenzierte Betrach­ tung der verschiedenen Marktebenen erforderlich, wobei die wichtigsten Ebenen erstens die der Infrastrukturerrichtung, zweitens die des Infrastrukturbetriebs und drittens die der Infrastrukturdienstleistungen sind. 170 Dirk Ahner, der frühere Präsident der DG Regio, hat hierfür den Begriff „stupid growth“ geprägt, vgl. Soto/Arnkil, in: AEIDL/EU, Urban Development in the EU, S. 13. 171 Soto/Arnkil, in: AEIDL/EU, Urban Development in the EU, S. 12.f. 172 Dazu Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 5. Vgl. auch Coppi, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 64, 77. 173 Siehe dazu Haucap/Schwalbe, Economic Principles of State Aid Control, S.  13 f. In Deutschland ist spätestens seit dem Jahr 2013 eine breite politische und mediale Debatte dar­ über aufgekommen, inwieweit die Errichtung weiterer wirtschaftlich ohne staatliche Unterstüt­ zung kaum überlebensfähiger Regionalflughäfen sinnvoll ist. In diesem Zusammenhang wurde zuweilen der Vorwurf erhoben, es handele sich bei der Verwirklichung derartigen Flughafen­ vorhaben vorrangig um „Prestigeprojekte“ von Lokalpolitikern. So etwa schon 2005 Heymann/ Vollenkemper, DB Research Akt. Nr. 337, S. 3: „Flughäfen als Prestigeobjekte der Regionalfürsten“. Koenig, EStAL 2011, S. 395, 396 spricht gar von einer „Member States’ political class of infrastructure junkies“. 174 Vgl. Koenig/Bache, JECLP 2012, S. 261, 263. Ausführlich unten Kap. 4, C.

D. Zusammenfassung

93

Die Ebene des Infrastrukturbetriebs ist durch die besonderen ökonomischen Eigenschaften von Infrastruktureinrichtungen charakterisiert. Das Vorliegen von positiven Externalitäten sowie die Tendenz zur Ausbildung von natürlichen Mo­ nopolen legen den Schluss auf das Bestehen eines allokativen Marktversagens bei der Bereitstellung von Infrastrukturen und die daraus folgende Notwendig­ keit staatlicher Interventionen nahe. Allerdings konnte ebenfalls gezeigt werden, dass ein pauschaler Verweis auf allokatives Marktversagen als Rechtfertigung für mitgliedstaatliche Eingriffe in die Infrastrukturmärkte zu kurz greift, da ge­ rade aufgrund voranschreitender Liberalisierung und Deregulierung in diesem Bereich verschiedene Formen von Wettbewerbspotentialen bestehen, welche bei einer wettbewerblichen Bewertung mitgliedstaatlichen Handelns im Infrastruktur­ bereich im Einzelfall zumindest bedacht werden müssen. Darüber stellen verteilungspolitische Motive aufgrund eines angenommenen distributiven Marktversagens eine bedeutende Begründung für mitgliedstaatliche Maßnahmen im Infrastrukturbereich dar. Obgleich von wirtschaftswissenschaft­ licher Seite zuweilen kritisiert, gebietet das europäische Recht, dass auch derartig politisch motiviertes mitgliedstaatliches Handeln im Infrastrukturbereich grund­ sätzlich berechtigt sein kann. Gleichwohl dürfen damit einhergehende negative wettbewerbliche Auswirkungen nicht aus den Augen verloren werden und müssen in der Bewertung der individuellen Umstände des jeweiligen Einzelfalls ebenfalls Berücksichtigung finden.

Kapitel 3

Infrastrukturen im Europäischen Beihilfenrecht A. Einleitung Mit der EU haben die an den Verträgen beteiligten Staaten einen historisch und weltweit einzigartigen Verbund begründet. Unabhängig von den vielfältigen staatswissenschaftlichen Theorien zur Beschreibung und Einordnung der Rechts­ natur der Union stellt sich in ihrem Verhältnis zu den Mitgliedstaaten wie in jedem Bereich des Zusammenwirkens unterschiedlicher Hoheitsträger die Frage der Ab­ grenzung der einzelnen sachlichen Zuständigkeitsbereiche untereinander. Ein be­ sonderes Spannungsfeld entsteht in Fällen, in denen eine spezifische Entscheidung mehrere Sachgebiete berührt, für welche die Kompetenzen unterschiedlich verteilt sind. Gerade exemplarisch hierfür steht der Infrastruktursektor. Im Folgenden werden zunächst die Grundzüge des Europäischen Beihilfen­ rechts aufgezeigt und die Entwicklung der gemeinschaftlichen Beihilfenpolitik dargestellt. Schwerpunktmäßig werden dabei die allgemeinen primärrechtlichen Grenzen der Beihilfenkontrolle erörtert. Bei der mitgliedstaatlichen Realisierung von Infrastrukturprojekten sind eine Vielzahl von unterschiedlichen Politik- und Rechtsbereichen betroffen. Grund­ legend stehen häufig sozial-, wirtschafts- und regionalpolitische Erwägungen im Vordergrund. Darüber hinaus werden bei derartigen Vorhaben bau-, planungsund umweltpolitische Belange berührt. Vor diesem Hintergrund wird im zwei­ ten Teil dieses Kapitels untersucht, wie die Zuständigkeitsverteilung für eine all­ gemeine Infrastrukturpolitik zwischen Union und Mitgliedstaaten geregelt ist.

B. Das Europäische Beihilfenrecht und seine allgemeinen Grenzen in kompetenzieller Hinsicht I. Einleitung Mit den Vorschriften zur Beihilfenkontrolle (Art.  107 ff. AEUV) verfügt die Kommission über ein wirkungsstarkes Instrument, mit dem sie wirtschafts- und verteilungspolitische Entscheidungen der Mitgliedstaaten beeinflussen kann. Die Reichweite dieser Bestimmungen wird besonders deutlich, wenn man sich die be­ troffenen Summen an überprüften Subventionszahlungen der Mitgliedstaaten ver­ gegenwärtigt. Die bei der Kommission angemeldeten Gesamtaufwendungen für

B. Das Europäische Beihilfenrecht und seine Grenzen

95

nicht-krisenbedingte mitgliedstaatliche Beihilfen1 beliefen sich im Jahr 2011 auf etwa 64,3 Mrd. Euro bzw. 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts der EU2. Dass die Gesamtsummen an vergebenen Beihilfen seit den 1980er Jahren rück­ läufig ist, liegt mutmaßlich neben kurzfristigen Faktoren wie der angespannten Haushaltslage in vielen Mitgliedstaaten in den vergangenen Jahren3 auch an der längerfristig intensivierten Durchsetzung einer restriktiven Beihilfenpolitik durch die Kommission. Sie verweist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass durch die stärkere Fokussierung der Beihilfenüberprüfung als „Schlüsselkomponente des Binnenmarkts“ auch in den Mitgliedstaaten die Erkenntnis gewachsen sei, „dass hohe staatliche Beihilfen nicht nur den effizienten Einsatz der Ressourcen behindern, sondern auch eine geringere Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft insgesamt zur Folge haben“4. Im Folgenden werden die Grundlagen, Ziele und Zwecke des Europäischen Bei­ hilfenrechts umrissen und hinterfragt, inwieweit die inhaltlichen Prüfungskom­ petenzen der Kommission begrenzt sind.

II. Struktur des Europäischen Beihilfenrechts Zentrale Bestimmung des Europäischen Beihilfenrechts ist das Beihilfenverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV. Eine mitgliedstaatliche Maßnahme stellt eine unzuläs­ sige Beihilfe dar, wenn sie alle Tatbestandsmerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt. Danach muss –– einem Unternehmen oder Produktionszweig –– eine Begünstigung zukommen, –– welche selektiv ist (Begünstigung „bestimmter“ Unternehmen oder Produktions­ zweige), –– aus staatlichen Mittel stammt, –– den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht und –– den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt5. 1

Die krisenbedingten Beihilfen für den Finanzsektor seit 2008 stellen eine Sonderkategorie dar, die hier nicht näher untersucht werden soll, um Verzerrungen in der Gesamtbetrachtung zu vermeiden. Auch die Kommission trennt in ihren Stellungnahmen zur Beihilfenpolitik krisen­ bedingte und nicht-krisenbedingten Beihilfen, vgl. dazu Kommission, Anzeiger für staatliche Beihilfen, Herbstausgabe 2012, SEK(2012) 443 endg., S. 5. 2 Kommission, Anzeiger für staatliche Beihilfen, Herbstausgabe 2012, SEK(2012) 443 endg., S. 4. 3 Ebd. 4 Kommission, Anzeiger für staatliche Beihilfen, Herbstausgabe 2008, KOM (2008) 715 endg., S. 4. 5 Die Voraussetzungen der Tatbestandsmerkmale werden im Rahmen der Untersuchung in Kapitel 4 im Einzelnen näher erläutert.

96

Kap. 3: Infrastrukturen im Europäischen Beihilfenrecht

Aus dem Wortlaut der Norm, wonach Beihilfen mit dem Binnenmarkt „unvereinbar“ sind, ergibt sich nach mittlerweile kaum mehr umstrittener Auffassung in Rechtsprechung6 und Literatur7 ein unmittelbares Verbot der mitgliedstaatlichen Beihilfengewährung. Adressat dieses Verbots sind die Mitgliedstaaten selbst, wo­ durch sich das Beihilfenverbot von den kartellrechtlichen Vorschriften des Euro­ päischen Wettbewerbsrechts (Art. 101 ff. AEUV) unterscheidet8. Das Beihilfenverbot gilt nicht absolut, vielmehr sind auch bei Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV Ausnahmen davon nach Art. 107 Abs. 2 und Abs. 3 normiert9. Teilweise wird in der Literatur von einem „präven­ tiven Verbot mit Genehmigungsvorbehalt“ gesprochen10. Während der Kommis­ sion bei Art.  107 Abs.  3 AEUV ein Ermessenspielraum zusteht, ist sie in den selteneren Fällen des Art.  107 Abs.  2 AEUV in ihrer Entscheidung gebunden11. Daneben ist auch im Beihilfenrecht Art. 106 Abs. 2 AEUV als Rechtfertigungs­ vorschrift für DAWI anwendbar. Das Beihilfenverfahren ist in seinen Grundlagen in Art. 108 AEUV geregelt. Die genaueren Details sind seit 1999 in der VO (EG) Nr. 659/1999 (Beihilfenverfahrensdurchführungsverordnung) des Rates normiert. Darüber hinaus hat die Kom­ mission weitere Rechtsakte erlassen, um das Beihilfenverfahren zu vereinfachen und zu standardisieren12. Hervorzuhebende Elemente des Beihilfenverfahrens sind die Notifizierungs­ pflicht von neuen Beihilfen nach Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV sowie das Durchfüh­ rungsverbot nach Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV. Danach muss ein Mitgliedstaat eine beabsichtigte Beihilfengewährung zunächst bei der Kommission anmelden und den abschließenden Beschluss der Kommission zu der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt abwarten, bevor er die Maßnahme durchführt. Dies kann im Einzelfall einen nicht unerheblichen Zeitaufwand mit sich bringen und beihilfen­ finanzierte Projekte verzögern13. Allerdings entspricht diese Verfahrensweise dem

6

EuGH, Urt. v. 14.02.1990, Rs. C-301/87, Rn. 15 – Frankreich/Kommission; EuGH, Urt. v. 22.03.1977, Rs. 78/76, Rn. 8 – Steinike und Weinling. 7 Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Vor. Art.  107 AEUV Rn.  8; Pache, NVwZ 1994, S. 318, 319; von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 107 AEUV Rn. 15. Anderer Ansicht früher noch Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, 101 f. 8 Vgl. Schwarze, EuZW 2000, S. 613 ff. 9 Vgl. wieder EuGH, Urt. v. 14.02.1990, Rs. C-301/87, Rn. 15 – Frankreich/Kommission; EuGH, Urt. v. 22.03.1977, Rs. 78/76, Rn. 8 – Steinike und Weinling. 10 So Koenig/Kühling/Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 3; siehe auch von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 107 AEUV Rn. 15. 11 Schwarze, EuZW 2000, S. 613 ff.; von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 107 AEUV Rn. 130 f. 12 Siehe bereits oben Kap. Einführung. 13 Vgl. dazu Jennert/Manz, KommJur 2009, S. 367, 368.

B. Das Europäische Beihilfenrecht und seine Grenzen

97

Ziel, den Binnenmarkt bestmöglich vor negativen Auswirkungen durch vorzeitig ausgezahlte, im Ergebnis als unzulässig eingestufte Beihilfen zu schützen14.

III. Exkurs: Durchsetzung des Beihilfenrechts durch Private Zwar entfaltet das Beihilfenverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV keine unmittel­ bare Wirkung zugunsten betroffener Konkurrenten15. Drittschützend ist dagegen aber das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV16. Mit einer im Jahr 2009 herausgegebenen Mitteilung hat die Kommission klargestellt, dass mitglied­ staatliche Gerichte den effektiven Schutz von konkurrierenden Unternehmen bei nicht von der Kommission freigegebenen Beihilfen zu gewährleisten haben17. In Deutschland ist der BGH dieser Aufforderung mittlerweile gefolgt18, nachdem es bis 2011 bei den unterinstanzlichen Gerichten verschiedene Wertungen in Bezug auf die private Durchsetzung von Beihilfenrückforderungen gab19.

IV. Rechtspolitische Ziele und Zwecke der Europäischen Beihilfenkontrolle Im Wesentlichen werden drei Modelle vertreten, die die jeweils eigene Ziele, Zwecke und Grenzen der europäischen Beihilfenpolitik umreißen: Das Konzept des Binnenmarktschutzes, das Wettbewerbsmodell und das Modell der politischen Integration20.

14

EuGH, Urt. v. 14.02.1990, Rs. C-301/87, Rn. 17 – Frankreich/Kommission; EuGH, Urt. v. 20.09.1983, Rs. 171/83 R, Rn. 12 – Kommission/Frankreich; von Wallenberg/Schütte, in: Grab­ itz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 108 AEUV Rn. 70. 15 EuGH, Urt. v. 22.03.1977, Az. 78/76, Rn. 8–10 – Steinike und Weinling; Cremer, in: Cal­ liess/Ruffert, EUV/AEUV, Vor. Art. 107 AEUV Rn. 8. 16 EuGH, Urt. v. 11.12.1973, Az. 120/73, Rn.  8  – Lorenz/Deutschland; EuGH, Urt. v. 19.06.1973, Az. 77/72, Rn. 6 – Capolongo/Maya; Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Vor. Art. 107 AEUV Rn. 9; Leibrock, EuR 1990, S. 20, 29 f. 17 Kommission, Mitt. v. 09.04.2009, ABl. 2009 C 85/01. 18 BGH, Urt. v. 10.02.2011, Az. I ZR 213/08 – Ryanair Hahn; BGH, Urt. v. 10.02.2011, Az. I ZR 136/09 – Ryanair Lübeck. 19 Vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 20.05.2008, Az. 6 U 54/06; LG Potsdam, Urt. v. 23.11.2006, Az. 51 O 167/05. Kritisch dazu Soltész, EuZW 2012, S. 174, 178; Martín-Ehlers/Strohmayer, EuZW 2008, S. 745; Arhold, EStAL 2008, S. 31. 20 Vgl. Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 2 ff.

98

Kap. 3: Infrastrukturen im Europäischen Beihilfenrecht

1. Das Konzept des Binnenmarktschutzes Nach dem Konzept des Binnenmarktschutzes handelt es sich bei dem Beihil­ fenverbot um eine Ergänzung des Verbots tarifärer Handelshemmnisse in den Ver­ trägen. Ohne eine entsprechende Verbotsbestimmung wäre es den Mitgliedstaaten nämlich möglich, einheimische Unternehmen durch gezielte Subventionierung ge­ genüber ausländischen Wettbewerbern zu bevorteilen. Die Wirkung wäre ähnlich wie bei der Einführung von Zöllen oder Abgaben auf eingeführte Produkte, näm­ lich dass der ausländische Konkurrent gegenüber dem inländischen Hersteller be­ nachteiligt werden würde21. Des Weiteren bestünde die Gefahr eines Subventions­ wettlaufs zwischen den Mitgliedstaaten, wodurch sich der Binnenmarkt immer weiter von einem System unverfälschten Wettbewerbs entfernen würde22. Eine konsequente Verfolgung dieses beihilfenpolitischen Ansatzes bedeutet, staatliche Zuwendungen an Unternehmen im weitest möglichen Umfang als Bei­ hilfen einzustufen und damit der Kontrolle der Kommission zu unterwerfen23. Um einen effektiven Binnenmarktschutz zu gewährleisten, müssen nach diesem Kon­ zept der Kommission weitreichende Eingriffsrechte gegenüber den Mitgliedstaaten zugestanden werden. Unumgängliche Nebenfolge ist, dass über die Durchsetzung des Beihilfenrechts der Einfluss der Kommission auch in Politikfeldern zunimmt, die eigentlich dem Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten zugeordnet sind24. Diese Entwicklung wird von Vertretern dieser Ansicht als unproblematisch gese­ hen, solange die Kommission klaren Verfahrensregeln unterworfen ist, die Entschei­ dungsfindung transparent erfolgt und eine gerichtliche Kontrolle der Einzelfallent­ scheidungen gewährleistet wird, um Kompetenzübergriffe über die erforderliche Durchsetzung der beihilfenrechtlichen Bestimmungen hinaus zu verhindern25. 2. Das Wettbewerbsmodell Nach Ansicht der Vertreter des Wettbewerbsmodells bezwecken die Beihil­ fenvorschriften primär den unmittelbaren Schutz des Binnenmarkts vor Wett­ bewerbsverfälschungen. Hierfür spricht vor allem die systematische Verortung der Art. 107 ff. AEUV in den „Wettbewerbsregeln“, die seit dem Vertrag von Rom unverändert fortbesteht26. Die Beihilfenvorschriften sollen damit die Funktions­ fähigkeit der freien Märkte in der Gemeinschaft aufrechterhalten und damit eine 21

Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Vor. Art. 107 AEUV Rn. 5. Buendia Sierra/Smulders, in: Flett, Liber Amicorum Gadea, S.  1, 8 f.; von Wallenberg/ Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 107 AEUV Rn. 10. 23 Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 2. 24 Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 3. 25 Vgl. Ehlermann, Fordh. Int. Law Jnl., 18 (1994), S. 1212, 1218 f.; aufgegriffen auch bei Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 3. 26 Vgl. auch Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Vor. Art. 107 AEUV Rn. 1. 22

B. Das Europäische Beihilfenrecht und seine Grenzen

99

optimale Faktorallokation ermöglichen27. Einerseits bedeutet dies, dass staatliche Eingriffe durch Beihilfen dort unterbunden werden sollen, wo Güter- und Dienst­ leistungsmärkte funktionierende wettbewerbliche Strukturen aufweisen. Anderer­ seits können staatliche Beihilfen dann aber ein legitimes Instrument zur Behebung von Fällen von Marktversagen sein28. Eine am Wettbewerbsmodell orientierte Durchsetzung des Europäischen Beihil­ fenrechts unterscheidet sich von der des vorgenannten Binnenmarktmodells vor al­ lem dadurch, dass Beihilfen nicht als grundsätzlich negativ für die Marktentwick­ lung angesehen werden29. Stattdessen werden sowohl die positiven als auch die negativen wettbewerblichen Effekte der Beihilfengewährung analysiert und ei­ nander gegenübergestellt. Im Gegensatz zu dem stärker an formalen Kriterien und einem per se-Verbot von Beihilfen ausgerichteten Binnenmarktmodell orientiert sich das Wettbewerbsmodell damit stärker an der Abwägung im Einzelfall30. Diese ermöglicht es, dass bei der Entscheidungsfindung die ökonomischen Besonderhei­ ten des konkreten Falls in besonderem Maße berücksichtigt werden und stellt da­ mit ein Einfallstor für eine verstärkte Ausrichtung der Beihilfenkontrolle an wirt­ schaftlichen Effizienzerwägungen dar31. Gleichzeitig wird die Durchsetzung des Beihilfenverbots somit auf besonders relevante Fälle beschränkt, in denen nicht nur unerhebliche Wettbewerbsverfälschungen durch mitgliedstaatliche Maßnah­ men bewirkt werden32. Dadurch werden wiederum die Eingriffsbefugnisse der Kommission zugunsten des politischen Gestaltungsspielraums der Mitgliedstaaten vor allem bei wettbewerblich für den Binnenmarkt weniger relevanten lokalen und regionalen Projekte eingeschränkt. 3. Das Modell der politischen Integration Nach einer dritten Auffassung bezweckt das Beihilfenrecht eine Vertiefung der politischen Integration der Mitgliedstaaten in die Union, indem es ein Mittel zur Kontrolle der mitgliedstaatlichen Regierungen und ihrer Wirtschaftspolitik bereit­ stellt. Das Beihilfenrecht solle danach über seine Anwendung im Einzelfall hinaus ein politisches Gestaltungsinstrument für die Union darstellen33. 27

Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 3. Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 3 f. 29 Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 3. 30 Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S.  1, 3 f.; Kleiner/Alexis, Revue Concurrences 4/2005, S. 45 ff. 31 Vgl. Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 647 ff.; Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 4. 32 Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 4 m. w. N. Siehe dazu auch die Diskussion im Vorfeld der Beihilfenreform 2005 zu einer Beschränkung der Beihilfenkontrolle auf besonders wettbewerbsschädliche Beihilfen, dargestellt bei Kleiner, in: Sanchez-Rydelski, The EC State Aid Regime, S. 827, 832 f. 33 Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 4 f. 28

100

Kap. 3: Infrastrukturen im Europäischen Beihilfenrecht

Dieses Modell der politischen Integration unterscheidet sich in einem wesent­ lichen Punkt von dem vorgenannten Konzepten des Binnenmarktschutzes und dem Wettbewerbsmodell. Nach letzteren Auffassungen stellt das Beihilfenrecht ein ty­ pisches Beispiel des Konzepts der negativen Integration in den Binnenmarkt dar34. Darunter wird die Vertiefung der Binnenmarktintegration durch den Abbau na­ tionaler Handelshemmnisse und Wettbewerbsbeschränkungen verstanden35. Das Modell der politischen Integration basiert demgegenüber auf der Annahme, dass die Beihilfenvorschriften ein Instrument der positiven Integration in den Binnen­ markt darstellen. Positive Integration meint die Vertiefung des Binnenmarktes durch aktive politische Gestaltungsmaßnahmen der Union. Dies geschieht vor al­ lem durch im Wege der Rechtsetzung bewirkte Harmonisierung und Koordinie­ rung mitgliedstaatlicher Bestimmungen36. Anhänger des Modells der politischen Integration verweisen darauf, dass das Beihilfenrecht der Kommission vielfältige Einflussmöglichkeiten zur Gestaltung der mitgliedstaatlichen Wirtschaftspolitik bietet. Die Durchsetzung des Beihilfen­ verbots kann Mitgliedstaaten zu einer stärkeren Haushaltsdisziplin anhalten und das Gesamtvolumen vergebener Subventionen verringern37. Gleichzeitig bewirkt die Kommission indirekt, dass der Einfluss von Lobbygruppen auf die national­ staatliche Politik abnimmt, soweit diese nicht frei zugunsten von Unternehmen über Finanzmittel verfügen kann38. Schließlich bieten vor allem die im Ermes­ sen der Kommission stehenden Genehmigungsmöglichkeiten von Beihilfen dieser Gestaltungsmittel, um gezielt mitgliedstaatliche Förderprojekte im Lichte eines gemeinschaftlichen europäischen Interesses zu koordinieren39. 4. Zusammenfassung Rechtspolitisch lassen sich die Ziele und Zwecke der Europäischen Beihilfen­ kontrolle anhand von drei unterschiedlichen Konzepten aufzeigen, denen jeweils unterschiedliche Motive als Grundlage dienen. So handelt es sich nach dem Modell des Binnenmarktschutzes bei der Beihilfen­ überprüfung der Kommission um eine Flankierung des Verbots der Erhebung von Zöllen und Abgaben im Binnenmarkt. Spiegelbildlich zur Untersagung solcher 34

Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S.  1, 4 f.; Scharpf, in: Marks,­ Governance in the European Union, S.15, 34 f. 35 Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 36 AEUV Rn. 2; Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 4 f. 36 Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 36 AEUV Rn. 2; Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 5. 37 Dewatripont/Seabright, JEEA Vol. 4, Iss. 2/3 (2006), S. 513 ff.; Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 5. 38 Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 5. 39 Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 4 f. m. w. N.

B. Das Europäische Beihilfenrecht und seine Grenzen

101

Belastungen für ausländische Unternehmen sollen die Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit haben, inländische Marktteilnehmer zu bevorzugen. Dieses Modell steht der mitgliedstaatlichen Beihilfenvergabe damit insgesamt kritisch gegenüber. Nach dem Modell des Wettbewerbsschutzes soll das Beihilfenverbot vorran­ gig bezwecken, dass die im Binnenmarkt tätigen Unternehmen zu gleichen wett­ bewerblichen Bedingungen auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten in der Union tätig werden können. Danach werden mitgliedstaatliche Beihilfen dann ne­ gativ beurteilt, wenn ihre wettbewerbsschädlichen Auswirkungen ihre positiven (Effizienz-)Effekte überwiegen. Nach dem Modell der politischen Integration schließlich stellt die Europäische Beihilfenkontrolle ein Instrument der positiven Integration der mitgliedstaatlichen Politiken in den Binnenmarkt dar. Danach steht der Union über das Beihilfenrecht die Möglichkeit zu, harmonisierenden politischen Einfluss auf das mitgliedstaat­ liche Ausgaben- und Investitionsverhalten zu nehmen und so aktiv die national­ staatliche Politik mitzugestalten.

V. Die Entwicklung der Europäischen Beihilfenpolitik bis 2005 Die Kontrolle von staatlichen Beihilfen ist bereits Vertragsgegenstand der Vor­ läuferorganisationen der heutigen Union gewesen. Schon der EGKS-Vertrag sah für Kohle und Stahl ein Subventionsverbot in Art. 4 lit. c) vor40. In den EWG-Ver­ trag von 1957 wurden in Art. 92 ff. beihilfenrechtliche Bestimmungen aufgenom­ men, die weitgehend Wortlautidentisch mit den heutigen Art. 107 ff. AEUV sind. Obwohl die primärrechtlichen Vorschriften zum Beihilfenrecht damit seit den 1950er Jahren nahezu unverändert kodifiziert sind, hat sich ihre praktische Durch­ setzung erheblich gewandelt. In den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens war ihre praktische Bedeutung gering41. Besonders während der Wirtschaftskrise in den 1970ern und frühen 1980er Jahren beschränkte sich die Kommission auf marginale Interventionen, obwohl eine Reihe von Mitgliedstaaten zunehmend auf extensive Subventionsmaßnahmen zugunsten ihrer heimischen Unternehmen zurückgriff42. Erst seit den Schritten der vertieften wirtschaftlichen Integration der Gemein­ schaft hin zur Schaffung des europäischen Binnenmarktes seit den späten 1980er und frühen 1990er Jahre rückte die Durchsetzung der Beihilfenvorschriften wieder 40

Dazu ausführlich Hochbaum, Das Diskriminierungs- und Subventionsverbot in der EGKS und EWG, S. 15 ff. 41 von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd.  2, Art.  107 AEUV Rn. 3. 42 Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 6.

102

Kap. 3: Infrastrukturen im Europäischen Beihilfenrecht

in den Fokus der europäischen Wettbewerbspolitik43. Die Kommission begann eine immer größere Zahl an Verfahren aufzugreifen und eine immer ausdifferenziertere Entscheidungspraxis zu entwickeln. Zugute kam ihr dabei, dass die Gerichte der Gemeinschaft die verstärkte Durchsetzung der Beihilfenkontrolle in einer Reihe von Entscheidungen bestätigten, obwohl damit auf der Kehrseite zugleich Ein­ griffe in die Gestaltungsautonomie der Mitgliedstaaten in ihrer Wirtschaftspolitik verbunden waren44. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang vor allem die ge­ richtlich gestützte extensive Auslegung des Beihilfenbegriffs sowie der Merkmale der Wettbewerbsverzerrung und der Handelsbeeinträchtigung45. Dadurch erlangte die Kommission die Möglichkeit, eine Vielzahl unterschiedlicher mitgliedstaat­ licher Subventionsmaßnahmen ihrer Kontrolle zu unterwerfen. Neben den klassi­ schen unmittelbaren finanziellen Zuwendungen an einzelne Unternehmen seien in diesem Zusammenhang beispielhaft direkte oder indirekte Steuervergünstigungen und andersartige geldwerte Vorteile wie die Übernahme von Bürgschaften oder Garantien genannt, die von der Kommission auf ihre Vereinbarkeit mit den beihil­ fenrechtlichen Vorschriften überprüft werden46. Die Mitgliedstaaten standen dieser Entwicklung erwartungsgemäß kritisch ge­ genüber, so dass sich die Kommission mit ihren Entscheidungen gegen zuneh­ menden politischen Widerstand aus den Nationalstaaten durchsetzen musste47. Ein wesentlicher Schritt zur Vereinheitlichung der Entscheidungspraxis ist in der He­ rangehensweise der Kommission zu sehen, eine Reihe von Mitteilungen, Leit­ linien und Gemeinschaftsrahmen für verschiedene Bereiche zu erlassen. Auf diese Weise soll den Mitgliedstaaten zumindest ein gewisses Maß an Rechtssicherheit und Transparenz gewährleistet werden48. Unmittelbarer Nebeneffekt der Ausweitung der Beihilfenüberprüfungen war eine zunehmende Arbeitsbelastung der Kommission, die sich mit einer Auslastung ihrer begrenzten Ressourcen konfrontiert sah. Die Zahl der von ihr zu überprü­ fenden Beihilfen stieg beständig an, nicht zuletzt auch durch häufigere Beschwer­ den von Wettbewerbern begünstigter Unternehmen49. Um ihre Arbeitsfähigkeit aufrecht zu erhalten, erließ die Kommission deshalb schließlich eine Reihe von Regelwerken, die bestimmte Beihilfen von der Anmeldungspflicht ausnehmen. 43 Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 6 f.; von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 107 AEUV Rn. 3. 44 Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 7. 45 Siehe nur EuGH, Urt. v. 17.09.1980, Az. 730/79, Rn. 9, 11 – Philip Morris; Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 7; ausführlich unten Kap. 4, B. I., C. I. und D. I. 46 Vgl. zum weiten Beihilfenbegriff Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbs­ recht, 2. Aufl., § 43 Rn. 38. 47 Vgl. etwa Ehlermann, Fordh. Int. Law Jnl., 18 (1994), S. 1212 f.; Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 7. 48 Mederer, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Unionsrecht, Vor. Art. 107 AEUV Rn. 6; von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 107 AEUV Rn. 3. 49 von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd.  2, Art.  107 AEUV Rn. 6.

B. Das Europäische Beihilfenrecht und seine Grenzen

103

Dazu gehören die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) von 2008 und die Verordnung über De Minimis-Beihilfen50, welche aufgrund ihrer Natur und ihres geringen Umfangs nur unwesentlichen Einfluss auf den Wettbewerb und den zwischenstaatlichen Handel haben.

VI. Die Reform der Beihilfenkontrolle seit 2005 1. Ökonomischer und wettbewerbspolitischer Hintergrund Seit den späten 1990er Jahren wirkte die Kommission im Europäischen Kartell­ recht und der Fusionskontrolle auf eine umfassenden Modernisierung ihrer Wett­ bewerbspolitik hin, deren Kernstück eine verstärkte wirtschaftliche Ausrichtung (more economic approach) der wettbewerbsrechtlichen Entscheidungspraxis dar­ stellte51. Wesentliche Grundüberlegung ist dabei vor allem die Abkehr von der früheren form-basierten wettbewerbsrechtlichen Bewertung der Sachverhalte hin zu einer stärker auswirkungs-orientierten Einschätzung52. Die Entscheidungsfindung soll sich weniger von verallgemeinernden vorformulieren Regelungen leiten lassen als vielmehr von einer konkreten Analyse des Einzelfalls, in der positive und nega­ tive wettbewerbliche Effekte gegeneinander abgewogen werden. Die wettbewerbs­ rechtliche Zulässigkeit einer Maßnahme soll danach beurteilt werden, wie sie sich bei einer Betrachtung aller relevanten Faktoren auf die Konsumentenwohlfahrt auswirkt53. Als Analyseinstrumente sollen verstärkt wirtschaftswissenschaftliche Methoden herangezogen werden54. Ideengeschichtlich ist der more economic approach von Überlegungen der Neo­ klassischen Schule geprägt, wonach Märkte im Regelfall selbstständig die größt­ mögliche Effizienz bei der Ressourcenallokation erzielen55. Staatsinterventionen können dieses Ergebnis verzerren, so dass sie auf ein Mindestmaß reduziert wer­ den sollten56. Im Lichte der sogenannten Lissabon-Agenda des Europäischen Rates aus dem Jahr 2000, wonach Europa bis zum Jahr 2010 zum dynamischsten Wirtschafts­ 50

Siehe dazu auch schon oben Kap. Einführung. Siehe dazu nur Arndt, More Economic Approach in der Fusionskontrolle, S. 44 ff.; Immenga, ZWeR 2006, S. 346 ff.; Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit, S. 5 ff.; Schmidtchen, Effizienz als Leitbild der Wettbewerbspolitik, S. 3 ff. 52 Vgl. etwa Albers, „More economic approach“ bei Verdrängungsmissbräuchen, S. 1 ff. 53 Siehe nur Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art.  102 Rn.  9; Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit, S.  453 f.; v. Weizsäcker, WuW 2007, S. 1078 ff. 54 Dazu Hildebrand, WuW 2005, S. 513 ff. 55 Kaupa, EStAL 2009, S. 311, 312. 56 Vgl. nur Friedman, Capitalism and Freedom, S. 22 ff. 51

104

Kap. 3: Infrastrukturen im Europäischen Beihilfenrecht

raum der Welt werden sollte, weitete die Kommission im Jahr 2005 ihre wettbe­ werbspolitischen Reformbemühungen auf das Beihilfenrecht aus. Im Konsultati­ onspapier Aktionsplan staatliche Beihilfen (State Aid Action Plan, kurz SAAP 57) führte sie die Ziele der Beihilfenmodernisierung bis 2009 aus. Kernbestandteile der Strategie waren danach: „– weniger und besser ausgerichtete staatliche Beihilfen – eine verfeinerte wirtschaftliche Betrachtungsweise – effizientere Verfahren, bessere Rechtsanwendung, größere Berechenbarkeit und mehr Transparenz – geteilte Verantwortung zwischen Kommission und Mitgliedstaaten (…).“58

Das Konsultationspapier stellt die Grundlage für die vollständige Neuausrich­ tung einer aktiv gestalteten Beihilfenpolitik der Kommission dar59. Während das Beihilfenrecht zuvor primär als wettbewerbsschützendes Interventionsinstrument der Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten angesehen wurde, soll es nun­ mehr als Mittel zur Umsetzung weitergehender gemeinsamer politischer Ziele der Union und der Einzelstaaten dienen60. Die Reformvorschläge der Kommission sind im Aktionsplan in weiten Teilen nur allgemein formuliert und wenig detailliert ausgearbeitet. Hintergrund ist, dass die Kommission darin vor allem einen Anstoß für eine neue Beihilfenpolitik ge­ ben wollte, während die Details hierzu Schrittweise in den Folgejahren ausgear­ beitet werden sollten61. Die Entwicklung war mit dem Auslaufen des Aktionsplans im Jahr 2009 keineswegs abgeschlossen, vielmehr zeigten und zeigen sich die län­ gerfristigen Auswirkungen auf die Entscheidungspraxis über die ersten Einzelfälle hinaus erst nach und nach62. Einerseits wurde die Rolle der Mitgliedstaaten durch die Reform der Beihil­ fenpolitik seit 2005 gestärkt. So erfolgten die mit dem Aktionsplan angestoße­ nen Erneuerungen einer Reihe von Verfahrensnormen, Mitteilungen und Rechts­ rahmen keineswegs allein durch die Kommission, sondern in einer Vielzahl von themenspezifischen Konsultationsverfahren und Diskussionen, in denen die Mit­ gliedstaaten ihre individuellen Ansichten zur Neuausrichtung der Beihilfenpoli­ tik einbringen konnten. Gleichzeitig brachte die Reform auch einige Verfahrens­ erleichterungen für die Mitgliedstaaten mit sich, vor allem die Einführung eines vereinfachten und beschleunigten Prüfverfahrens sowie einen Verhaltenskodex63. 57

Im Folgenden nur „Aktionsplan“. Kommission, Aktionsplan, Rn. 18. 59 Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 10 ff. 60 Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 10. 61 Siehe Kommission, Aktionsplan, Rn. 68 f. 62 Eine Zwischenbilanz von 2009 findet sich bei Jaeger, EuZW 2010, S. 47 ff. 63 Kommission, Mitt. vereinfachtes Verfahren, ABl. 2009 C 136/3; Kommission, Verhaltens­ kodex, ABl. 2009 C 136/13. 58

B. Das Europäische Beihilfenrecht und seine Grenzen

105

Nicht zuletzt wurde auch eine Reihe von Rechtsakten näher präzisiert, so dass die Mitgliedstaaten hier von einem erhöhten Maß an Rechtssicherheit bei ihrer Sub­ ventionsvergabe profitieren64. Andererseits definierte aber auch die Kommission ihre beihilfenpolitische Stel­ lung neu – gerade über die beiden erstgenannten Reformziele – „weniger und besser ausgerichtete staatliche Beihilfen“ und eine „verfeinerte wirtschaftliche Betrachtungsweise“. Beihilfenpolitisch betrachtet lassen sich in diesen Zielen des Aktionsplans aus allen der drei vorgestellten Grundkonzepte – dem Konzept des Binnenmarkschutzes, dem Wettbewerbsmodell sowie dem Modell der politischen Integration – Elemente finden65. Aus der Vorgabe der Verringerung des durch die Mitgliedstaaten vergebenen Beihilfenvolumens lässt sich eine am Binnenmarktkonzept orientierte grundsätz­ lich kritische Haltung der Kommission gegenüber der Beihilfenvergabe als solcher erkennen, die in vielen Fällen nur als „zweitbeste“ Lösung gegenüber anderen, we­ niger wettbewerbsverzerrenden (Regulierungs-)Maßnahmen angesehen wird66. Die verfeinerte wirtschaftliche Betrachtungsweise zeigt daneben auch eine ein­ deutige Anlehnung an das Wettbewerbsmodell mit einer verstärkten Prüfung der Auswirkungen einer Beihilfe im Einzelfall in Abgrenzung zu eher schematischen anzuwendenden form-basierten Lösungsansätzen. Darüber hinaus stellen die Reformvorschläge aber vor allem im Sinne des Mo­ dells der politischen Integration weitreichende Einfallstore für eine Einflussnahme der Kommission auf die mitgliedstaatlichen Wirtschaftspolitiken dar. Schon der eingangs aufgeführte Umstand, dass mit der Umsetzung der Lissabon-Agenda viel weitgehendere politische Ziele als allein der Wettbewerbsschutz bezweckt wer­ den, verdeutlicht dies. Mit der Zielvorgabe von „weniger und besser ausgerichtete[n] staatliche[n] Beihilfen“67 bringt die Kommission ihren Willen zum Aus­ druck, stärker als zuvor steuernd auf die Beihilfengewährung der Mitgliedstaaten einzuwirken. Als Instrument dazu dient vor allem die „verfeinerte wirtschaftliche Betrachtungsweise“ der Beihilfenkontrolle mit besonderer Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Sachverhalts. Mit der individuellen Abwägung im Ein­ zelfall eröffnen sich der Kommission weitreichende Entscheidungsspielräume. Über eine reine wettbewerbliche Kontrolle hinaus wird ihr dadurch die Möglich­ keit gegeben weitere (politische) Motive – explizit oder auch nur implizit – in ihre Entscheidungsfindung einfließen zu lassen68.

64

Jaeger, EuZW 2010, S. 47, 50. Siehe zu den Modellen oben Kap. 3, B. IV. 66 Kommission, Aktionsplan, Rn. 23. 67 Kommission, Aktionsplan, Rn. 18. 68 Zu den damit zusammenhängenden Problemen wie der Gefahr einer kompetenzüberschrei­ tenden politischen Einflussnahme etwa Monopolkommission, Siebzehntes Hauptgutachten (2006/2007), Rn. 989. 65

106

Kap. 3: Infrastrukturen im Europäischen Beihilfenrecht

Gerade in Bereichen wie dem Infrastruktursektor, in dem die Zuständigkeits­ verteilung zwischen Union und Mitgliedstaaten grundsätzlich eine Kompetenz der einzelnen Nationalstaaten vorsieht, führen diese weitreichenden Möglichkeiten der Einflussnahme der Kommission zu einem besonderen Spannungsverhältnis69. 2. Die rechtlichen Einfallstore für den more economic approach in der Beihilfenkontrolle Bei der im Aktionsplan angeführten verfeinerten wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Beihilfenkontrolle handelt es sich nicht um ein in sich geschlossenes Konzept zur Anwendung ökonomischer Vorgaben auf das Beihilfenrecht, sondern vielmehr allein um Grundüberlegungen zur stärkeren Berücksichtigung von öko­ nomischen Bewertungen und Effizienzüberlegungen. In der Rechtspraxis bieten sich eine Reihe unterschiedlicher Einfallstore für eine an ökonomischen Kriterien ausgerichtete Beihilfenprüfung an. Dies gilt sowohl für die Tatbestandsebene des Beihilfenverbots aus Art. 107 Abs. 1 AEUV als auch für die Rechtfertigungsebene, vor allem im Rahmen des Art. 107 Abs. 3 AEUV70. a) Tatbestandsebene – Art. 107 Abs. 1 AEUV Insgesamt zeigt sich die Kommission in ihren Entscheidungen zurückhaltend bezüglich einer stärkeren ökonomischen Ausrichtung der Beihilfenprüfung auf der Tatbestandsebene71. Obgleich hier eine Reihe von möglichen Anknüpfungspunkten für eine an ökonomischen Kriterien ausgerichtete Untersuchung besteht  – etwa die Tatbestandsmerkmale der Begünstigung und der Selektivität sowie der Wett­ bewerbsverfälschung und der Handelsbeeinträchtigung – blieb eine grundlegende Neuorientierung der Kommissionspraxis dort bislang aus. In einzelnen Fällen griff die Kommission zwar Reformideen aus dem Aktionsplan auf, wie beispielsweise die intensive Prüfung der Wettbewerbsverfälschung in dem Fall DVB-T Berlin/Brandenburg72 zeigt. Diese Umsetzungen blieben bislang jedoch isoliert für sich stehen und fügten sich zu keinem größeren einheitlichen Gesamtkonzept zusammen73. Ansätze einer Ökonomisierung der Tatbestandsprüfung bei der Prüfung der Altmark-Ausnahme lässt die Kommission in der DAWI-Mitteilung von 201274 so­ 69

So auch Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 85 f. Siehe dazu Lübbig/Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 90 ff. 71 Kritisch dazu Jaeger, EuZW 2010, S. 47, 51. 72 Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14, Rn.  64 ff.  – DVB-T Berlin/Brandenburg, bestätigt durch EuGH, Urt. v. 15.09.2011, Rs. C-544/09  P  – DVB-T Berlin/Brandenburg. 73 Siehe kritisch dazu unten Kap. 4, C. II. und C. III. 74 Kommission, DAWI-Mitteilung 2012. 70

B. Das Europäische Beihilfenrecht und seine Grenzen

107

wie in einigen neueren Entscheidungen75 erkennen. Dort werden Elemente der Abwägungsprüfung aufgegriffen, die im Zuge der Beihilfenreform von 2005 auf der Rechtfertigungsebene neu eingeführt wurde76. Hier wird jedoch erst die weitere Fallpraxis zeigen, inwieweit die Kommission die neue Methodik tatsächlich kon­ sequent anwenden wird. Wie im Folgenden im Rahmen der Untersuchung der beihilfenrechtlichen Rele­ vanz der mitgliedstaatlichen Infrastrukturförderung noch im Detail gezeigt wird, könnte eine stärker an ökonomischen Kriterien ausgerichtete Prüfung der Tat­ bestandsmerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV auch darüber hinaus zweckmäßig sein77. Eine präzisere Untersuchung auf dieser Ebene könnte dazu beitragen, die Arbeitsbelastung der Kommission einzudämmen. Soweit nämlich der Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht eröffnet ist, kann die Kommission auf die umfas­ sende und häufig komplexe Überprüfung der Rechtfertigungsebene verzichten78. b) Vereinbarkeitsebene – Die Abwägungsprüfung Kernelement der Beihilfenreform von 2005 war die Neuausrichtung der Prüfung der Vereinbarkeit von tatbestandsmäßigen Beihilfen mit dem Binnenmarkt und die dazu gehörende Entwicklung der sogenannten Abwägungsprüfung (engl. Balanc­ ing Test)79. Prägnant fasst die Kommission im Aktionsplan zusammen: „Die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt zu prüfen, bedeutet (…) im Grunde nichts anderes, als zwischen den negativen Auswirkungen staatlicher Beihilfen auf den Wettbewerb und ihren positiven Auswirkungen auf Ziele im gemeinsamen Interesse abzuwägen.“80

Diese Zielvorstellung entspricht sinnbildlich der Grundidee des more economic approach, nachdem sich die wettbewerbsrechtliche Prüfung weniger an for­ mal-normativen Kriterien und Schemen zu orientieren hat, als vielmehr die ein­ zelfallbezogen wettbewerblichen Auswirkungen einer Maßnahme im Vordergrund der Untersuchung stehen sollen81. Konkret umreißt die Kommission ihr Prüfungs­ programm im Aktionsplan folgendermaßen: 75

Kommission, Ent. v. 25.04.2012, Az. SA.25051 (C 19/10) (ex NN 23/10), ABl. 2012 L 236/1, Rn.  151 ff.  – Zweckverband Tierkörperbeseitigung; Kommission, Ent. v. 30.09.2009, Az. N 331/2008, Rn. 120 ff. – Breitband Hauts-de-Seine, bestätigt v. EuG, Ent. v. 16.09.2013, Rs. T-79/10, T-258/10, T-325/10 – Breitband Hauts-de-Seine. 76 Ausführlich unten Kap.  4, B. V. 1.  b)  bb); dazu Klasse, in: Szyszczak/van de Gronden,­ Financing Services of General Economic Interest, S. 35, 40 f. 77 Siehe etwa die Ausführungen zum Unternehmensbegriff unten bei Kap. 4, A. III. 3. b). 78 Vgl. auch Lübbig/Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 140 f. 79 Grundlegend dazu Coppi, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 64, 69 ff.; Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 648 ff.; Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1066 ff. 80 Kommission, Aktionsplan, Rn. 11. 81 Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625 f.

108

Kap. 3: Infrastrukturen im Europäischen Beihilfenrecht

„Die positive Wirkung einer Beihilfe hängt im Allgemeinen davon ab, i) wie genau das im gemeinsamen Interesse liegende Ziel (sozialer, regionaler, wirtschaft­ licher oder kultureller Zusammenhalt) bestimmt worden ist, ii) ob eine Beihilfe im Vergleich zu anderen politischen Instrumenten das geeignete Mit­ tel ist und iii) ob sie die erforderlichen Anreize schafft und verhältnismäßig ist. Wie stark eine Beihilfe den Wettbewerb verzerrt, hängt wiederum davon ab, i) nach welchen Kriterien die Begünstigten ausgewählt werden und welche Auflagen mit der Beihilfe verbunden sind, ii) welche Merkmale der Markt und die Begünstigten aufweisen und iii) wie hoch die Beihilfe bemessen ist und um welche Art von Beihilfeinstrument es sich handelt.“82

Nach der Auffassung der Kommission im Aktionsplan kann eine mitgliedstaat­ liche Beihilfengewährung vor allem dann positive Auswirkungen auf die Er­ reichung von Zielen von gemeinsamem haben, wenn sie der Beseitigung eines Marktversagens dient („Marktversagenskonzept“). Die Untersuchung des Vor­ liegens eines Marktversagens ist danach für die Einzelfallprüfung von „zentraler Bedeutung“83. Beispielhaft führt die Kommission im Aktionsplan verschie­ dene Formen allokativen Marktversagens auf, u. a. externe Effekte, Öffentliche Güter, Informationsasymmetrien und Marktmacht84. Auf die Analyse distributiven Marktversagens geht sie im Aktionsplan dagegen nicht näher ein. In den folgenden Jahren entwickelte die Kommission in ihrer Entscheidungs­ praxis auf Grundlage der Vorgaben des Aktionsplans ein allgemeines Raster für die Abwägungsprüfung. Im 2009 veröffentlichten Allgemeine Grundsätze-­Papier85, das erste Ergebnisse der Beihilfenreform von 2005 zusammenfasste, umriss sie das Prüfungsprogramm für die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt folgendermaßen: „1. Dient die Beihilfemaßnahme einem klar definierten Ziel von gemeinsamem Interesse? 2. Ist die geplante Beihilfemaßnahme zielführend ausgestaltet, d. h., dient sie der Beseiti­ gung des Markversagens oder anderen Zielen? i. Ist die Beihilfemaßnahme ein geeignetes Instrument, um das betreffende Ziel zu erreichen? ii. Hat die Beihilfemaßnahme einen Anreizeffekt, d. h., veranlasst sie den Beihilfeempfänger zu einer Verhaltensänderung? iii. Ist die Beihilfemaßnahme angemessen, d. h., könnte dieselbe Verhaltensänderung mit einer geringeren Beihilfe nicht erreicht werden? 82

Kommission, Aktionsplan, Rn. 20 (eigene Formatierung). Kommission, Aktionsplan, Rn. 23. 84 Ebd. 85 Kommission, Allgemeine Grundsätze. Die Veröffentlichung ist als Diskussionspapier der Kommission rechtlich allerdings nicht bindend. 83

B. Das Europäische Beihilfenrecht und seine Grenzen

109

3. Sind die Wettbewerbsverzerrungen und die Handelsbeeinträchtigungen so gering, dass die Gesamtbilanz positiv ausfällt?“86

Dieses Schema möchte die Kommission dabei keineswegs als starr und im Auf­ bau als zwingend vorgegeben verstanden wissen87. Ein solches Vorgehen würde der Reformidee des Aktionsplans zuwiderlaufen, der die Anwendung einer forma­ lisierten Prüfungsabfolge in der Beihilfenkontrolle zugunsten einer wirkungsbezo­ genen Untersuchung des Einzelfalls zu überkommen versucht. Vielmehr betrach­ tet die Kommission dieses Prüfungsprogramm als allgemeinen Umriss für ihre Analyse, ohne dass sie bei jeder Einzelfallprüfung zwingend „schablonenhaft“88 auf alle Punkte eingehen und die vorgegebene Reihenfolge stets einhalten müsse89. Eine bedeutende Ergänzung findet sich im Allgemeine Grundsätze-Papier in Hinblick auf die von der Kommission als legitim anerkannten „Ziele von gemeinsamem Interesse“ der Mitgliedstaaten bei der Beihilfenvergabe. Neben den schon im Aktionsplan angeführten Effizienzerwägungen, nach denen staatliche Beihil­ fen vorrangig die Behebung eines allokativen Marktversagens bezwecken sollen, geht die Kommission nunmehr auch deutlicher auf Gleichheitserwägungen ein90. Weiterer wesentlicher Inhalt des Allgemeine Grundsätze-Papiers ist im Folgen­ den eine nähere Erläuterung zur Durchführung der Abwägungsprüfung, deren Ein­ zelheiten im konkreten Zusammenhang in Kapitel 3 näher untersucht werden. 3. Zusammenfassung Mit der Beihilfenreform von 2005 hat die Kommission unter der Vorgabe „weniger und besser ausgerichtete staatliche Beihilfen“ Ansätze für eine neue Beihil­ fenpolitik veröffentlicht. Wesentliche Grundüberlegungen darin entstammen dem Konzept einer verstärkten ökonomischen Betrachtung der Wettbewerbspolitik, welches in ähnlicher Form bereits im Bereich des Kartellrechts und der Fusions­ kontrolle umgesetzt worden war. Darüber hinaus versteht sich das Reformkonzept allerdings auch als Rahmen für eine zukünftige aktive Gestaltung der Beihilfen­ politik durch die Union. Aus allen der drei aufgeführten rechtspolitischen Modelle zur Beschreibung der Ziele und Zwecke der Europäischen Beihilfenkontrolle  – dem Konzept des Binnenmarktschutzes, dem Wettbewerbsmodell und dem Modell der politischen Integration – finden sich Überlegungen im neuen beihilfenpoliti­ schen Ansatz der Kommission wieder. 86

Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 9. Vgl. etwa Kommission, Leitfaden Regionalbeihilfen Große Investitionsvorhaben, Rn. 52. Siehe dazu aber auch Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 648 ff., die darauf verweisen, dass hierdurch nicht nur Aufbaufragen, son­ dern auch die inhaltliche Tiefe der Prüfung betroffen sein kann. 88 Kommission, Leitfaden Regionalbeihilfen Große Investitionsvorhaben, Rn. 52. 89 Vgl. die Kritik dazu spezifisch für den Infrastrukturbereich unten unter Kap. 4,. E. I. 3. b) aa). 90 Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 26 ff. 87

110

Kap. 3: Infrastrukturen im Europäischen Beihilfenrecht

Rechtlich betrachtet umfasst die Beihilfenreform von 2005 kein in sich ge­ schlossenes Modell zur Neuausrichtung der Beihilfenkontrolle. Anknüpfungs­ punkte für die neue Beihilfenpolitik finden sich vielmehr an unterschiedlichen Stellen der Auslegung der Beihilfenvorschriften. Während auf Tatbestandsebene des Art. 107 Abs. 1 AEUV bislang nur vereinzelt Elemente der verstärkten öko­ nomischen Betrachtung zu erkennen sind, kann deren Einfluss auf Rechtfer­ tigungsebene deutlicher ausgemacht werden. Insbesondere mit der Einführung der Abwägungsprüfung hat die Kommission dort eine prägnante Neuerung geschaffen.

VII. Rechtliche Grenzen der neuen Beihilfenpolitik der Union 1. Übersicht zur Kritik der Literatur an der Beihilfenreform von 2005 und der Einführung der Abwägungsprüfung Als wichtigstes rechtliches Element der Beihilfenreform von 2005 ist die Abwägungsprüfung zugleich auch zentraler Anknüpfungspunkt für kritische Stimmen in der rechtwissenschaftlichen Literatur und aus den Mitgliedstaaten geworden91. Erstens wird der Kommission insbesondere vorgeworfen, dass sie mit der Neu­ ausrichtung der Vereinbarkeitsprüfung in der Beihilfenkontrolle ihre Kompeten­ zen zulasten der Mitgliedstaaten überschreitet. Schwerpunktmäßig wird dabei der Vorwurf erhoben, dass die Kommission jenseits ihrer Zuständigkeiten die von den Mitgliedstaaten verfolgten Ziele92 und die von ihnen gewählten politischen Maß­ nahmen93 kontrolliere. Dieser Kritikpunkt stellt gerade im Infrastrukturbereich, in dem die Union nur eingeschränkt über Zuständigkeiten verfügt94, ein zentra­ les Problemfeld dar und wird deshalb in der weiten Untersuchung der einzelnen Merkmale der Abwägungsprüfung noch im Detail aufgegriffen95. Zweitens wird das Marktversagenskonzept kritisiert. Dieses sei unklar und deute nach seiner Formulierung im Aktionsplan darauf hin, dass das Beihilfen­ recht vorrangig der Bekämpfung von Formen allokativen Marktversagens diene und ein distributives Marktversagen nur nachrangig berücksichtigt werde96. Auch darauf wird im konkreten Zusammenhang mit der Diskussion der Genehmigungs­ 91

Vgl. auch den Überblick zur Kritik an dem Konzept von Heithecker, in: Birnstiel/Bungen­ berg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 521 ff. m. w. N. 92 Bartosch, RIW 2007, S. 681, 688; Bartosch, EStAL 2007, S. 587 f. Gegen diese Kritik Heithecker, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 523 f. 93 Knoblich, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 13, 14 AGVO, Rn. 29; Soltész, EuZW 2008, S. 97. Gegen diese Kritik wieder Heithecker, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 523 f. 94 Ausführlich unten Kap. 3, C. 95 Siehe dazu unten Kap. 4,. E. I. 3. b) aa). 96 Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1070 ff. Gegen diese Kritik weiterhin Heithecker, in: Birn­ stiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 523.

B. Das Europäische Beihilfenrecht und seine Grenzen

111

möglichkeiten von Beihilfen für die Errichtung und den Betrieb von Infrastruktu­ ren noch näher eingegangen97. Drittens bemängeln Kritiker, dass die Einführung der verstärkten ökonomischen Betrachtungsweise die Vorhersehbarkeit der Prüfungsergebnisse einschränkt und damit zu einem erheblichen Maße an Rechtsunsicherheit für die Mitgliedstaaten und die begünstigten Unternehmen führt98. Dieser Punkt wird sogleich aufgegriffen. Schließlich wird die Kommission viertens dafür kritisiert, dass das von ihr ver­ folgte beihilfenpolitisch Ziel von „weniger Beihilfen“ – welches sich insbesondere in der strengen Erforderlichkeitsuntersuchung der Abwägungsprüfung widerspie­ gelt  – keine Grundlage in den primärrechtlichen Bestimmungen der Beihilfen­ kontrolle habe99. Diese ermächtigten die Union nicht zu einer allgemeinen Über­ prüfung mitgliedstaatlichen Ausgabeverhaltens, sondern allein zum Schutze des Wettbewerbs im Binnenmarkt100. Auch dieser Diskussionsaspekt wird hier so­ gleich näher beleuchtet. 2. Insbesondere: Mangelnde Transparenz und Rechtssicherheit der Abwägungsprüfung Der Vorwurf der mangelnden Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit der Kom­ missionsergebnisse in der Abwägungsprüfung stützt sich vor allem darauf, dass die Kommission im Rahmen ihrer Wertung eine Vielzahl von Informationen zu verarbeiten hat und dabei jeweils über einen weiten Ermessensspielraum sowohl darüber verfügt, welche Daten sie als relevant erachtet als auch wie sie diese ge­ wichtet. Jenseits von wirtschaftswissenschaftlichen Modellrechnungen lassen sich für nahezu alle zu berücksichtigen Faktoren der Abwägungsprüfung in der Praxis keine einheitlichen akzeptierten Nachweise erbringen, sondern allenfalls (mit er­ heblichem Aufwand erstellte)  Datenerhebungen und Studien, welche im Regel­ fall eher Anknüpfungspunkt für weitere Diskussionen als für greifbare Ergebnisse sein können101. Dies betrifft zentrale Aspekte wie die Frage des Vorliegens eines Marktversagens, welches schon in der Ökonomie keineswegs einheitlich definiert und interpretiert wird102. Bei den potentiellen Auswirkungen der Beihilfenvergabe auf den Wettbewerb sind darüber hinaus in vielen Fällen allein Prognoseentschei­ dungen möglich, da die Prüfung der Kommission ex ante vor der Beihilfengewäh­ rung durchgeführt wird. Hinzu kommt, dass die Kommission in erheblichem Um­ 97

Ausführlich unten Kap. 4,. E. I. 3. a) aa). Heithecker, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S.  522; ferner auch Nemitz, in: Flett, Liber Amicorum Gadea, S. 27, 37 ff. 99 Bartosch, RIW 2007, S. 681, 689 f.; Bartosch, EStAL 2007, S. 587 f. 100 Kaupa, EStAL 2009, S. 311, 319 f. 101 Langner, Beihilfenkontrolle auf dem Prüfstand, S. 21 f.; vgl. auch Storr, in: Birnstiel/Bun­ genberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 827, zu ähnlichen Problemen im Kontext von DAWI. 102 Vgl. Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1072. 98

112

Kap. 3: Infrastrukturen im Europäischen Beihilfenrecht

fang auf von den Mitgliedstaaten und den betroffenen Unternehmen bereitgestellte Daten angewiesen ist. Soweit dieser Weg aber für viele relevante Informationen die einzige Quelle der Kommission darstellt, besteht regelmäßig die Gefahr, dass ihr allein „schön gerechnete“ Daten zur Verfügung gestellt werden103. Um eine tat­ sächlich objektive Entscheidung treffen zu können, müsste die Kommission alle ihr mitgeteilten Informationen, Studien und Stellungnahmen nochmals vollständig im Detail evaluieren und gegebenenfalls eigene weitergehende Analysen durchfüh­ ren104. Aufgrund ihrer begrenzten Ressourcen und dem Ziel einer zeitnahen Ent­ scheidung über die angemeldeten Beihilfen wird ihr dies in der Praxis aber kaum in dem erforderlichen Umfang möglich sein. Vielmehr wird sie – so wird zumindest von Kritikern gemutmaßt – sich bei ihrer Entscheidungsfindung auf das ihr zuste­ hende weite Ermessen stützen, ohne sich zuvor ein vollständiges Bild der Marktund Wettbewerbsverhältnisse auf einer verobjektivierten Grundlage zu machen105. Diese Bedenken sind ernst zu nehmen, nicht zuletzt auch aufgrund ihrer immen­ sen praktischen Relevanz. Aus diesem Grunde ist zu begrüßen, dass die Kommis­ sion im Infrastrukturbereich in neueren Mitteilungen (etwa den Breitband-Leit­ linien 2009 und 2013, den Luftverkehrs-Leitlinien 2014 und den Leitlinien für Regionalbeihilfen 2013) verstärkt darauf achtet, die bereichsspezifische Ausfor­ mung der einzelnen Schritte der Abwägungsprüfung näher zu erläutern und damit auf eine stärkere Vereinheitlichung ihrer Entscheidungspraxis hinzuarbeiten106. Es ist zu erwarten und zu wünschen, dass diese Entwicklung sich zukünftig fortsetzt und die Kommission auf diesem Wege die Rechtssicherheit für alle Beteiligten er­ höht, ohne dabei die jeweiligen Umstände des Einzelfalls zugunsten einer Rück­ kehr zu form-basierten Prüfungswegen aus den Augen zu verlieren107. 3. Die Reduzierung des Beihilfenvolumens und damit potentiell auch der mitgliedstaatlichen Infrastrukturinvestitionen als politisches Ziel der Kommission? Das erstgenannte Ziel des Aktionsplans, nämlich die Reduzierung des insgesamt durch die Mitgliedstaaten vergebenen Beihilfenvolumens108, wirft grundlegende Fragen schon zur allgemeinen Reichweite der Kompetenzen der Union im Rah­ men der Beihilfenkontrolle auf. Das Recht zur Gestaltung und Umsetzung der Haushaltspolitik liegt in der Union als „Königsrecht“ der nationalstaatlichen Par­ 103 Langner, Beihilfenkontrolle auf dem Prüfstand, S. 22; ähnlich auch Friederiszick/Röller/ Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 640 f. 104 Langner, Beihilfenkontrolle auf dem Prüfstand, S. 22. 105 Langner, Beihilfenkontrolle auf dem Prüfstand, S. 23. 106 Vgl. dazu im Detail unten Kap. 4,. E. I. 2. und E. II. 2. 107 In dieser Hinsicht optimistisch auch Heithecker, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EUBeihilfenrecht, S. 524. 108 Kommission, Aktionsplan, Rn. 18.

B. Das Europäische Beihilfenrecht und seine Grenzen

113

lamente bei den Mitgliedstaaten109. Der Union und damit auch der Kommission steht kein allgemeines Kontrollrecht über das mitgliedstaatliche Ausgabenverhal­ tens zu. Die Einhaltung einer nationalstaatlichen Haushalsdisziplin kann von ihr nur eingeschränkt im Rahmen der Art. 126 und Art.  140 AEUV überwacht und durchgesetzt werden. Die Verhinderung einer volkswirtschaftlich nachteilhaften Verschwendung finanzieller Ressourcen bleibt damit vorrangige Aufgabe der ein­ zelnen Mitgliedstaaten110. Gleichwohl deutet eine Reihe von Kommissionsveröffentlichungen darauf hin, dass das reformierte Beihilfenrecht auch als Instrument für eine stärkere Über­ wachung der mitgliedstaatlichen Ausgabenverhalten dienen soll. Im Aktionsplan heißt es etwa ausdrücklich: „(…) Die Vergabe öffentlicher Mittel an Unternehmen bedeutet, dass öffentliche Mittel aus anderen Politikbereichen abgezogen werden. Staatliche Mittel sind nur begrenzt vorhanden und werden für vielerlei Zwecke benötigt, u. a. zur Finanzierung des Bildungssystems, des Gesundheitswesens, der nationalen Sicherheit und des Sozialschutzes. Die Mitgliedstaaten müssen daher eine nachvollziehbare Auswahl treffen und Schwerpunkte setzen.“111

Noch deutlicher äußerte Wettbewerbskommissarin Nellie Kroes in einer öffent­ lichen Rede im Jahr 2007, dass die Erneuerung der Beihilfenpolitik auch eine ver­ stärkte Beachtung der Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten bewirken soll: „The message to governments, in short, was ‚think hard before you spend!‘112. And as no national or regional government has unlimited resources, that message is also one which should ring a bell in the heads of every European tax-payer.“113

Ebenfalls in diese Richtung äußerten sich Ökonomen der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen im Jahre 2006: „Reducing the overall level of state aid is a long-standing EU policy objective which is in­ corporated, along with better targeted aids, in the Lisbon Agenda and later became a leit­ motif of the State Aid Action Plan. Reducing the volume of state aid is not only a question of budget discipline (although no part of government expenditure should be exempt from dis­ cipline); it also reflects a wide-spread view that a significant proportion of state aid is ineffi­ cient and distortive. Hence, state aid control is seen as being concerned not only with mini­ mising distortions of competition but also with limiting government failures.“114

Der Ansatz, mit dem Beihilfenrecht eine Kontrollinstanz für mitgliedstaatliches Ausgabeverhalten zu schaffen, stellt einen Systembruch mit der früheren Beihilfen­

109

Siehe etwa Baumgart, NJ 2011, S. 450, 452 f. mit Bezugnahme auch auf BVerfG, Urt. v. 07.09.2011, Az. 2 BvR 987/10, BVerfGE 129, 124, Rn. 127 – Währungsunion-Finanzstabilitäts­ gesetz. 110 Monopolkommission, Siebzehntes Hauptgutachten (2006/2007), Rn. 947 ff. 111 Kommission, Aktionsplan, Rn. 8. 112 Hervorhebung im Original. 113 Kroes, The Law and Economics of State Aid Control, SPEECH/07/601, S. 3. 114 Buelens/Garnier/Meiklejohn/Johnson, Economic Analysis of State Aid, S. 8.

114

Kap. 3: Infrastrukturen im Europäischen Beihilfenrecht

praxis dar115. Zentraler Gegenstand dieser beihilfenpolitischen Erwägung ist eine Entkopplung der Beihilfenaufsicht vom Wettbewerbsschutz116. Folge wäre, dass auch wettbewerbsneutrale Subventionsvergaben der Mitgliedstaaten – etwa an Un­ ternehmen, die ein lokales natürliches Monopol innehaben oder deren Tätigkeit auf­ grund ihrer regionalen Natur in keiner Weise den Handel zwischen den Mitglied­ staaten beeinträchtigen – grundsätzlich der Beihilfenaufsicht unterfallen würden. Auch wenn im Zuge einer angespannten Haushaltslage in vielen Mitgliedstaa­ ten die Infrastrukturinvestitionen der öffentlichen Hand in den vergangenen Jah­ ren rückläufig sind, bilden diese nach wie vor ein erhebliches Gesamtvolumen. Beispielhaft lässt ich dies an einigen Zahlen aufzeigen: Die Bundesrepublik Deutschland etwa investierte im Jahr 2011 allein in die vom Bund verwaltete Verkehrsinfrastruktur (v. a. Schienenwege des Bundes, Bundesfernstraßen und Bundeswasserstraßen) über 10 Mrd. Euro117. Bezüglich Breitband-Infrastrukturen planten zehn EU-Mitgliedstaaten im Jahre 2009 Gesamt-Investitionen in Höhe von knapp 9 Mrd. Euro für die folgenden Jahre ein118. Aus ökonomischer und politischer Sicht lässt sich eine Ausweitung der Beihil­ fenkontrolle als allgemeines Ausgabenüberprüfungsrecht durchaus rechtfertigen. Vorgebracht werden zum einen volkswirtschaftliche Effizienzerwägungen, wo­ nach auch Subventionen, die keinen unmittelbaren Einfluss auf den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten haben, negative Auswirkungen auf die allokative sowie die distributive Ressourcenzuordnung in einer Volkswirtschaft haben können119. Zum anderen wird mit dieser weitgefassten Ausgabenkontrolle im Sinne des beihilfenpolitischen Modells der politischen Integration ein Instru­ ment für die Kommission geschaffen, mit dem sie die mitgliedstaatlichen Wirt­ schaftspolitiken verstärkt koordinieren und die Integration in den Binnenmarkt vertiefen kann. Nebeneffekt ist, dass die Mitgliedstaaten einen Teil ihrer Verant­ wortung für die Ausgabenpolitik an die Union auslagern und damit vor allem un­ abhängiger von inländischen Lobbygruppen bei der Verteilung von Finanzmitteln werden120. In der Literatur zur Reform der Beihilfenpolitik wird gemutmaßt, dass dies auch der Grund dafür ist, dass sich eine Reihe von Mitgliedstaaten im Zuge der Konsultation zum Aktionsplan positiv gegenüber einer Ausweitung der Uni­ onskompetenzen in der Beihilfenkontrolle gezeigt hat121. 115

Bartosch, RIW 2007, S. 681, 689 f.; Bartosch, EStAL 2007, S. 587 f. Anderer Ansicht, aber nur knapp Heithecker, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 523 f. 116 Siehe etwa Bartosch, RIW 2007, S. 681, 689 f.; Kaupa, EStAL 2009, S. 311, 319 f. 117 Deutscher Bundestag, Verkehrsinvestitionsbericht 2011, Drucksache 17/12230, S. 24. Zu der Zahl ist anzumerken, dass darin auch EU-Mittel berücksichtigt sind. 118 Studie von Booz & Co, angeführt bei Sabbagh/Friedrich/El-Darwiche/Singh, in: Dutta/ Mia, Global Information Technology Report 2009–2010, S. 91, 102. 119 Vgl. nur Buelens/Garnier/Meiklejohn/Johnson, Economic Analysis of State Aid, S. 8. 120 Coppi, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 64, 77; vgl. ferner Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 5. 121 Coppi, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 64, 76 f.

B. Das Europäische Beihilfenrecht und seine Grenzen

115

Problematisch ist jedoch, dass eine von wettbewerblichen Erwägungen voll­ ständig abgekoppelte Beihilfenpolitik weder mit dem Primärrecht noch mit der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Merkmalen der Wett­ bewerbsverzerrung und der Handelsbeeinträchtigung vereinbar ist. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut und Telos von Art. 107 AEUV fallen nur solche Begüns­ tigungen unter den Verbotstatbestand, die den „den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen“ und dies auch nur „soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen“122. Eine teleologische Reduktion dieser Vorschrift dahingehend, dass diese Merkmale in der Qualifikation einer Zuwendung als Bei­ hilfe völlig außer Acht gelassen werden könnten, würde dem Wortlaut der Bestim­ mung in derart eklatanter Weise widersprechen, dass sie aus kompetenzrechtlicher Sicht ohne ausdrückliche Änderung des Vertrags durch die Mitgliedstaaten nicht zulässig erscheint. Auch wenn die Rechtsprechung von Gericht und Gerichtshof die Kriterien für den Nachweis einer Wettbewerbsverzerrung und einer Handels­ beeinträchtigung in Kommissionsentscheidungen niedrig ansetzt und damit ein weites Verständnis dieser Tatbestandsmerkmale favorisiert123, so hat sie doch in der Vergangenheit eindeutige Schranken dahingehend gezogen, dass die Umstände zur Begründung einer Wettbewerbsverfälschung zumindest summarisch von der Kommission dargelegt werden müssen124. Ein vermittelnder Ansatz in der Literatur betont, dass eine Verringerung des Beihilfenvolumens bei einer volkswirtschaftlichen Gesamtbetrachtung das Maß wettbewerbsverfälschender und handelsbeeinträchtigender staatlicher Eingriffs­ maßnahmen reduziert. Dieser gesamtheitliche Markt- bzw. Leistungswettbewerbs könne Schutzgegenstand der Beihilfenvorschriften sein125. Eine allgemeine Über­ prüfung der mitgliedstaatlichen Mittelvergaben an Unternehmen stelle damit keine Haushaltskontrolle dar, sondern einen gesamtwirtschaftlichen Wettbewerbsschutz. Dem Ansatz liegt letztlich die These zugrunde, dass ein großer Teil der vergebenen Beihilfen per se wettbewerbsverfälschend wirken, ohne dass es einer Analyse der wettbewerblichen Umstände des Einzelfalls bedürfe126. Den Anforderungen des Primärrechts und der Rechtsprechung127 wird dieser Begründungsansatz damit al­ lerdings ebenso wenig gerecht wie eine vorrangig an der Überwachung der Haus­ haltsdisziplin ausgerichtete Beihilfenpolitik128. 122

Vgl. etwa Monopolkommission, Siebzehntes Hauptgutachten (2006/2007), Rn. 1093 und Rn. 1047. 123 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.09.1980, Rs. 730/79, Rn. 9, 11 – Philip Morris. 124 Siehe EuGH, Urt. v. 13.03.1985, Rs. 296/82 und 318/82, Rn. 24 – Leeuwarder Papierwa­ renfabriek/Kommission. Ausführlich unten Kap. 4,. C. I. 125 Jaeger, EuZW 2010, S. 47, 52. 126 Siehe etwa die Darstellung m. w. N. bei Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art.  107 AEUV Rn. 30. Kritisch zu diesem per-se Ansatz auch Leisner, EuZW 2006, S. 648, 650 m. w. N. aus der älteren Literatur. 127 Siehe nur EuGH, Urt. v. 13.03.1985, Rs. 296/82 und 318/82, Rn. 24 – Leeuwarder Papier­ warenfabriek/Kommission; Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art. 107 AEUV Rn. 30. 128 So auch Kaupa, EStAL 2009, S. 311, 319 f.

116

Kap. 3: Infrastrukturen im Europäischen Beihilfenrecht

Gerade in Bereichen wie dem Infrastruktursektor, in welchen die Union nur über begrenzte Kompetenzen verfügt, kann eine allgemeine Ausgabenkontrolle über das Beihilfenrechts nicht als zulässig betrachtet werden. Soweit der politi­ sche Wille besteht, die Kontroll- und Eingriffsbefugnisse der Kommission gegen­ über den Mitgliedstaaten zu stärken, kann dies allein im Wege einer Änderung der Verträge umgesetzt werden. Eine eigenständige Ermächtigung der Union zur Aus­ weitung der Anwendung des Beihilfenrechts stellt eine Durchbrechung der beste­ henden Kompetenzordnung dar, selbst wenn eine Reihe der betroffenen Mitglied­ staaten dem explizit oder implizit zustimmt. De lege lata ist die Beihilfenkontrolle der Kommission deshalb nur dann zuläs­ sig, wenn diese dem Schutz eines aktuellen oder potentiellen Wettbewerbs dient129. 4. Zusammenfassung Die Neuausrichtung der Beihilfenkontrolle mit der Einführung der Abwägungsprüfung ist in der rechtswissenschaftlichen Literatur auf eine Reihe kritischer Stim­ men gestoßen. Diese umfassen zum einen die Ablehnung der einzelnen Elemente des Marktversagenskonzepts sowie der strengen Erforderlichkeitsprüfung130, welche im spezifischen Kontext der Infrastrukturbeihilfen näher erörtert werden. Darüber hinaus sind aber auch eine generelle Intransparenz der Abwägungsprüfung bemän­ gelt sowie allgemeiner die primärrechtliche Zulässigkeit des beihilfenpolitischen Reformkonzepts von „weniger mitgliedstaatlichen Beihilfen“ bezweifelt worden. Eine Untersuchung des Vorwurfs der fehlenden Transparenz und Rechtssicher­ heit durch die Einführung der Abwägungsprüfung zeigt, dass diese Bedenken ernst zu nehmen sind. Gleichzeitig greifen sie jedoch nach hier vertretener Auffassung nicht weit genug, um die Legitimität der Abwägungsprüfung gänzlich in Frage zu stellen. Vielmehr müssen sie bei der weiteren Ausformung sowie der praktischen Umsetzung des neuen Konzepts berücksichtigt werden. Die jüngere Entwicklung zeigt hier, dass die Kommission an einer klareren Konturierung des Modells arbei­ tet – beispielsweise mittels genauerer Ausformulierungen zur Anwendung der ein­ zelnen Schritte der Abwägungsprüfung in neueren Mitteilungen und sektorspezi­ fischen Leitlinien. Durchschlagend ist dagegen die Kritik am neuen europäischen politischen Ziel von „weniger mitgliedstaatlichen Beihilfen“. Die Union verfügt über keine Kom­ petenz zu einer allgemeinen Haushaltskontrolle der Mitgliedstaaten. Auch wenn 129 Zu den Konsequenzen für die Anwendung der Abwägungsprüfung auf Infrastrukturbeihil­ fen siehe unten Kap. 4,. E. I. 3. b) aa). 130 Nota bene: In den deutschen Übersetzungen der Kommissionsentscheidungen und -doku­ mente wird dieser Prüfungsschritt nicht durchgängig „Erforderlichkeit“ genannt, sondern zu­ weilen auch „Geeignetheit“ oder „Notwendigkeit“. Angelehnt an die Begrifflichkeiten im deut­ schen Verwaltungsrecht soll hier allerdings der Begriff der „Erforderlichkeit“ verwendet werden.

C. Die Kompetenzverteilung in der Infrastrukturpolitik

117

einige volkswirtschaftliche und beihilfenpolitische Konzepte die Reduzierung des Beihilfenvolumens insgesamt begrüßen, findet dieser Ansatz in den primärrecht­ lichen Bestimmungen der europäischen Verträge keine Grundlage. Das Instrument der Beihilfenkontrolle darf von der Kommission ausschließlich zum Schutz des Wettbewerbs im Binnenmarkt eingesetzt werden. Eine an einer allgemeinen Aus­ gabenkontrolle der Mitgliedstaaten orientierte Beihilfenrechtspraxis würde da­ gegen einen nicht gerechtfertigten Übergriff der Union in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten bedeuten.

C. Die Kompetenzverteilung zwischen Union und Mitgliedstaaten in der Infrastrukturpolitik Wie gezeigt wurde, darf die Kommission ihre Ermächtigung zur Durchfüh­ rung von Beihilfenkontrollverfahren nicht unbegrenzt als politisches Gestaltungs­ instrument nutzen. Dies gilt in besonderem Maße in Politikbereichen, in denen die Union über keine eigene Zuständigkeit verfügt. Das Beihilfenrecht darf inso­ weit nicht als Hebel für eine Kompetenzausweitung dienen. Die folgende Unter­ suchung zeigt, dass es sich bei dem Infrastrukturbereich um ein exemplarisches Feld handelt, in welchem die Handlungsmöglichkeiten der Union gegenüber den Mitgliedstaaten in sachkompetentieller Hinsicht begrenzt sind.

I. Die allgemeine Kompetenzverteilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten Grundlegende Bedeutung für die Kompetenzverteilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten kommt dem seit dem Vertrag von Lissabon erstmals ausdrück­ lich in Art. 5 Abs. 2 EUV genannten Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung zu. Nach diesem bis zum Maastricht-Vertrag durch Auslegung ermittelten131 und danach in Art. 3 b Abs. 1 EGV132 sowie später in Art. 5 Abs. 1 EGV festgelegten Grundsatz besitzt die Union nur in solchen Bereichen eine Regelungskompetenz, die ihr von den Mitgliedstaaten übertragen worden sind133. Insbesondere bedeutet dies auch, dass der Union keine Kompetenz-Kompetenz zukommt, sie also nicht selbstständig Zuständigkeiten von den Mitgliedstaaten übernehmen kann134. Für jede Kompetenzübertragung ist gemäß Art. 48 Abs. 4 EUV vielmehr eine Vertrags­ änderung erforderlich, die von allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden muss135. 131

Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 6. Ausführlich dazu Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung, S. 16 ff. 132 Dazu Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der EU, S. 61 ff. 133 Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 1, Art. 5 EUV Rn. 13 ff. 134 Vgl. statt aller Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 1, Art. 1 AEUV Rn. 18 ff. 135 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 6.

118

Kap. 3: Infrastrukturen im Europäischen Beihilfenrecht

Ergänzend ergibt sich nach der negativen Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Mitgliedstaaten aus den Art. 4 Abs. 1 EUV, Art. 5 Abs. 2 S. 2 AEUV, dass alle nicht auf die Union übertragenen Kompetenzen bei den Nationalstaaten verbleiben. Daraus wird von Teilen der Literatur in Zweifelsfällen eine Vermutung zugunsten der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten abgeleitet136. Ebenfalls zugunsten des Kompetenzerhalts der Nationalstaaten sind in den Europäischen Verträgen auch in einigen weiteren Bestimmungen noch Klarstellun­ gen enthalten137. Dazu gehört etwa Art. 3 Abs. 6 AEUV, wonach die Union „ihre Ziele mit geeigneten Mitteln entsprechend den Zuständigkeiten, die ihr in den Verträgen übertragen sind“, verfolgt und somit hierzu keine weiteren Kompetenzen eigenständig begründen kann. In Art. 7 AEUV findet sich darüber hinaus ein Ver­ weis auf die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, welche die Union im Rahmen der Verfolgung ihrer Ziele zu beachten hat. Ein Teil der Literatur führt bei einer Ge­ samtbetrachtung diese wiederholte Betonung des Prinzips der begrenzten Einzel­ ermächtigung als Hinweis dafür an, dass die der Union von den Mitgliedstaaten zugewiesenen Zuständigkeiten eher eng als weit auszulegen sind138. Jedenfalls eng zu fassen sind vor diesem Hintergrund die sogenannten implizi­ ten Kompetenzen (implied powers)139 der Union. Es handelt sich dabei um eine der deutschen Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs140 vergleichbare Kompetenz­ begründung, die in ähnlicher Form auch in anderen Rechtsordnungen141 sowie im Völkerrecht vorzufinden ist. Danach liegt eine Unionskompetenz auch dann vor, wenn eine bestehende Kompetenznorm der Union nicht sinnvoll genutzt werden kann, ohne dass sie auch einen von ihrem Wortlaut nicht ausdrücklich erwähn­ ten Bereich umfasst142. Der Gerichtshof erkennt eine derartige Zuständigkeits­ begründung der Union bereits seit den 1950er Jahren in ständiger Rechtsprechung an143. Nach dem heute vorherrschenden Meinungsstand widerspricht das Bestehen von impliziten Kompetenzen zugunsten der Union zwar nicht grundsätzlich dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung144. Vielmehr werden die impliziten Kompetenzen als stillschweigend mit übertragener Bestandteil der von den Mit­ gliedstaaten ausdrücklich der Union übertragenen Zuständigkeiten angesehen145. 136

In diese Richtung Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 7. Dagegen Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 1, Art. 5 EUV Rn. 14. 137 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 7 m. w. N. 138 Dafür Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art.  5 EUV Rn.  7. Dagegen Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 1, Art. 5 EUV Rn. 14. 139 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 16. 140 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 16 m. w. N. 141 Vgl. etwa die „necessary and proper-clause“ in Art. I Sect. 8 der Verfassung der Vereinig­ ten Staaten. Dazu Mayer, ZaöRV 2001, S. 577, 586 m. w. N. 142 Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 1, Art. 5 EUV Rn. 21 m. w. N. 143 EuGH, Urt. v. 29.11.1956, Rs. 8/55 – Fédéchar. 144 Vgl. nur Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 17. Tendenziell für eine engere Auslegung Merten, in: Merten, Die Subsidiarität Europas, S. 77, 80 ff. 145 Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 1, Art. 5 EUV Rn. 21.

C. Die Kompetenzverteilung in der Infrastrukturpolitik

119

Dennoch gebietet die Beachtung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung, dass das Konzept der impliziten Kompetenzen nicht als weitreichendes Einfallstor der Union zur Begründung eigener Zuständigkeiten genutzt werden darf.

II. Historischer Abriss zur Kompetenzverteilung im Infrastrukturbereich Schon früh gab es in der EGKS und der EWG Bestrebungen zur Entwick­ lung einer gemeinsamen Infrastrukturpolitik. Die Kommission versuchte seit den 1960er Jahren zunächst vor allem im Bereich der Verkehrsinfrastrukturen, auf eine gemeinschaftliche grenzüberschreitende Politik hinzuwirken146. Ihre Bemühun­ gen und Initiativen wurden jedoch bis in die späten 1980er Jahre kaum von den Mitgliedstaaten aufgegriffen, da diese um einen Verlust ihrer planungsrechtlichen Kompetenzen fürchteten147. Erst mit der wachsenden Bedeutung immer komple­ xerer technischer Infrastrukturen – beispielhaft erkennbar am Ausbau der Hoch­ geschwindigkeitseisenbahnnetze der TGV-Züge in Frankreich und der ICE-Züge in Deutschland – und der Schaffung des Europäischen Binnenmarktes gingen die Mitgliedstaaten erste Schritte, sich für eine gemeinschaftliche Infrastruktur­politik zu öffnen148. Die Errichtung des Binnenmarktes sollte nicht dadurch behindert werden, dass die Mitgliedstaaten ihre Infrastrukturentwicklung weiterhin vorran­ gig nach nationalen Interessen ausrichteten149. Bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht am 01.11.1993 wurden ein­ zelne Gemeinschaftsrechtsakte zur Infrastrukturpolitik auf den damaligen Art. 75 Abs. 1 lit. c) EWGV (heute: Art. 91 Abs. 1 lit. d) AEUV) gestützt150. In der Li­ teratur stieß dies auf Kritik, da die Norm ihrem Telos nach lediglich eine ord­ nungspolitische, nicht jedoch eine infrastrukturpolitische Ermächtigung der Ge­ meinschaft umfasste151. Eine wesentliche Entwicklung hin zu einer gemeinsamen Infrastrukturpolitik war mit dem Vertrag von Maastricht schließlich die Schaffung eines neuen Titels im EG-Vertrag zu den Transeuropäischen Netzen im Jahre 1993. Auch hier blieben die Mitgliedstaaten jedoch zurückhaltend bezüglich der Kom­ petenzübertragung auf die EU, wie im Folgenden aufgezeigt wird.

146

Siehe dazu die Darstellung bei Gottschewski, Durchsetzung von europäischen Straßen, S. 61 ff.; ferner Köhler, Gemeinschaftsrechtliche Infrastrukturverantwortung, S. 5. 147 Köhler, Gemeinschaftsrechtliche Infrastrukturverantwortung, S. 5 f. 148 Köhler, Gemeinschaftsrechtliche Infrastrukturverantwortung, S. 8. 149 Vgl. Rat, Entschließung v. 22.01.1990, ABl. 1990 C 27/8; Köhler, Gemeinschaftsrecht­ liche Infrastrukturverantwortung, S. 8. 150 Vgl. dazu Lecheler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd.  2, Art.  170 AEUV Rn. 2. 151 Bogs, Planung transeuropäischer Verkehrsnetze, S. 24 ff.; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/ AEUV, Art. 170 AEUV Rn. 2.

120

Kap. 3: Infrastrukturen im Europäischen Beihilfenrecht

III. Der Titel zu Transeuropäischen Netzen Mit dem Titel zu den Transeuropäischen Netzen (heute Art. 170 ff. AEUV) er­ hielt die Gemeinschaft erstmals eine ausdrückliche Kompetenzzuweisung für in­ frastrukturpolitische Maßnahmen152. Die Normierung in Art.  170 AEUV macht jedoch deutlich, dass die Reichweite der Unionszuständigkeit in mehrfacher Hin­ sicht eingegrenzt ist. So beschränkt sich die Norm auf die aufgezählten Bereiche der Verkehrs-, Tele­ kommunikations- und Energieinfrastrukturen. Damit ist zwar ein erheblicher Teil der in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für den Binnenmarkt besonders wichtigen Netzinfrastrukturen abgedeckt, aber mitnichten eine Aufgabenzuweisung an die Union für alle Infrastrukturarten festgelegt. Die Aufzählung der Infrastrukturberei­ che ist als abschließend zu betrachten, insbesondere ermöglicht schon der Wortlaut der Bestimmung keine weitergehende Auslegung153. Des Weiteren müssen von Art. 170 AEUV umfasste Infrastrukturen von trans­ europäischer Bedeutung sein. Damit sind zunächst vor allem grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte gemeint. Aufgrund des im Wortlaut angelegten Binnen­ marktbezugs können jedoch auch ausschließlich innerstaatliche Infrastruktur­ vorhaben darunter gefasst werden, wenn sie von Bedeutung für die Umsetzung des Binnenmarkts sind154. Dies wird bei größeren Infrastrukturprojekten, gerade in bevölkerungsreichen Ballungsgebieten, häufig anzunehmen sein, nicht jedoch bei Vorhaben von allein regionaler oder lokaler Bedeutung155. Die wichtigste inhaltliche Eingrenzung für den Anwendungsbereich der Art.  170 ff. AEUV ergibt sich jedoch daraus, dass sich die Aufgaben der Union nach dem ausdrücklichen Wortlaut auf ein „Beitrag leisten“ zur Infrastruktur­ entwicklung beschränken. Damit wird insbesondere verdeutlicht, dass die Zustän­ digkeiten für die Planung, die Finanzierung, den Bau und den Betrieb der auf­ geführten Infrastrukturnetze in erster Linie bei den Mitgliedstaaten als „Herren über [die] Planung“ verbleiben156. Der Union kommt allenfalls die Kompetenz einer allgemeinen Rahmenplanung zu157. Darüber hinaus kann ihr Beitrag etwa in der ausdrücklich in Art. 170 Abs. 2 AEUV aufgeführten Interoperabilität sowie

152 Bogs, Planung transeuropäischer Verkehrsnetze, S. 34 f.; Köhler, Gemeinschaftsrechtliche Infrastrukturverantwortung, S. 8. 153 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 170 AEUV Rn. 9; Köhler, Gemeinschafts­ rechtliche Infrastrukturverantwortung, S. 12. 154 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 170 AEUV Rn. 6; Koenig/Scholz, EWS 2003, S. 223, 224; Köhler, Gemeinschaftsrechtliche Infrastrukturverantwortung, S. 15. 155 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 170 AEUV Rn. 6; Köhler, Gemeinschafts­ rechtliche Infrastrukturverantwortung, S.  15; Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnahmen, S. 201; Schulenberg, Die Energiepolitik der EU, S. 194. 156 Erdmenger, in: von der Groeben/Schwarze, EGV/EUV, 6. Aufl., Art. 154 EGV Rn. 3. 157 Lecheler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 170 AEUV Rn. 8.

C. Die Kompetenzverteilung in der Infrastrukturpolitik

121

der Vereinheitlichung technischer Normen und des Verbundes bestehen158. Auch durch die Ausweisung von Infrastrukturprojekten von gemeinsamem Interesse und schließlich vor allem durch die unmittelbare finanzielle Unterstützung derartiger Vorhaben aus eigenen Mitteln kann die Union tätig werden159.

IV. Folgerungen für die allgemeine Infrastrukturpolitik Insgesamt ergibt sich aus den Art. 170 ff. AEUV keine Zuständigkeit für eine eigenständige Infrastrukturpolitik der Union160. An der inhaltlichen Reichweite der Kompetenzbestimmung hat auch der Vertrag von Lissabon nichts verändert, durch den der Bereich der Transeuropäischen Netze ausdrücklich in den Katalog der ge­ teilten Zuständigkeiten des Art. 4 Abs. 2 AEUV aufgenommen wurde161. Vielmehr verbleibt die Kompetenz für die Planung und Umsetzung von Infra­ strukturvorhaben als Bestandteil der allgemeinen Wirtschaftspolitik bei den Mit­ gliedstaaten. Der Union kommt insoweit allein eine harmonisierende, unterstüt­ zende und koordinierende Rolle für Projekte von gemeinsamem Interesse im Verkehrs-, Telekommunikations- und Energiebereich zu162. Darin zeigt sich auch das Subsidiaritätsprinzip des Art.  5 Abs.  3 AEUV, wonach die Union in Berei­ chen mit geteilter Zuständigkeit nur dann tätig wird, wenn die vorgesehenen Ziele nicht auf zentraler, regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht wer­ den können163.

V. Zusammenfassung und Folgerung Der Union kommt keine sachpolitische Kompetenz für eine eigenständige all­ gemeine Infrastrukturpolitik zu. Sie kann lediglich in eingeschränktem Umfang über den Kompetenztitel zu Transeuropäischen Netzen im AEUV einen Beitrag zu Infrastrukturprojekten von gemeinschaftlicher Bedeutung leisten und auf die Har­ monisierung von technischen Normen und Standards hinwirken. Die Zuständig­ 158

Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 170 AEUV Rn. 3. Lecheler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 170 AEUV Rn. 8. 160 von Burchard, in: von Burchard/Eckert, Natural Gas and EU Energy Law, S. 71, 77; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 170 AEUV Rn. 3; Erdmenger, in: von der Groeben/ Schwarze, EGV/EUV, 6. Aufl., Art. 154 EGV Rn. 3; Koppmann, Grenzen der beihilfenrecht­ lichen Inhaltskontrolle, S. 271 f.; Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnahmen, S. 205. 161 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 170 AEUV Rn. 3. 162 Erdmenger, in: von der Groeben/Schwarze, EGV/EUV, 6. Aufl., Art. 154 EGV Rn. 3 ff.; Gröpl, in: Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art.  90 Rn.73; Modlich, Nationale Infrastrukturmaß­ nahmen, S. 205. 163 Erdmenger, in: von der Groeben/Schwarze, EGV/EUV, 6. Aufl., Art.  154 EGV Rn.  4;­ Lecheler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 170 AEUV Rn. 18; Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnahmen, S. 236 f. 159

122

Kap. 3: Infrastrukturen im Europäischen Beihilfenrecht

keit für die Planung und Umsetzung von allgemeinen Infrastrukturvorhaben liegt allein bei den Mitgliedstaaten. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass sich die Kommission bei der Durch­ setzung des Europäischen Beihilfenrechts hinsichtlich mitgliedstaatlicher Infra­ strukturfördermaßnahmen in einem Spannungsverhältnis bewegt: Auf der einen Seite ist es ihre Aufgabe, den Wettbewerbsschutz im Binnenmarkt zu gewährleis­ ten. Auf der anderen Seite verfügt sie über keine Kompetenz, gestaltend auf die mitgliedstaatlichen Infrastrukturpolitiken einzuwirken. Besondere Schwierigkei­ ten folgen daraus, dass eine trennscharfe Abgrenzung zwischen diesen beiden As­ pekten in der Kommissionspraxis vielfach kaum möglich ist164.

D. Zusammenfassung Die Durchsetzung der beihilfenrechtlichen Bestimmungen durch die Kommis­ sion unterliegt einer wechselhaften Entwicklung. Während diese bis in die 1990er Jahre mitgliedstaatliche Beihilfengewährungen nur zurückhaltend überprüfte, in­ tensiviert sie seitdem ihre Kontrollpraxis. Wettbewerbs- und integrationspolitisch lässt sich die supranationale Beihilfenüberprüfung im Binnenmarkt mit verschie­ denen konzeptionellen Modellen rechtfertigen. Danach kann die Beihilfenkon­ trolle alternativ oder kumulativ dem Schutz des Binnenmarktprojekts, dem Wett­ bewerbsschutz auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten in der Union sowie der vertieften politischen Integration der mitgliedstaatlichen Ausgabenpolitiken­ dienen. Mit der Beihilfenreform von 2005 veröffentlichte die Kommission erstmals ein umfassendes beihilfenpolitisches Konzept. Neben der verstärkten Ausrichtung der Beihilfenkontrolle an ökonomischen Kriterien formulierte sie mit dem Leitsatz von „weniger und besser ausgerichteten staatlichen Beihilfen“ eine Zielvorgabe für eine zukünftige aktiv gestaltete Beihilfenpolitik. Aus rechtlicher Sicht umfasste die Beihilfenreform von 2005 kein in sich ge­ schlossenes Neuerungskonzept, sondern spiegelt sich vielmehr in der Fortentwick­ lung unterschiedlicher Prüfungspunkte in der jüngeren Beihilfenrechtspraxis der Kommission wider. Wichtigstes Element dieser Neugestaltung ist die auf Recht­ fertigungsebene, insbesondere im Rahmen der Art. 107 Abs. 3 lit. a) und c) AEUV, eingeführte Abwägungsprüfung. Das neue beihilfenpolitische Konzept der Kommission von „weniger und besser ausgerichteten staatlichen Beihilfen“ im Allgemeinen sowie die Etablierung der Abwägungsprüfung im Besonderen sind in der rechtswissenschaftlichen Lite­ ratur kritisiert worden. Bemängelt wurde vor allem eine generelle Intransparenz der Abwägungsprüfung. Ferner wurde die primärrechtliche Zulässigkeit des bei­ 164

Vgl. auch Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnahmen, S. 194.

D. Zusammenfassung

123

hilfenpolitischen Reformkonzepts von „weniger mitgliedstaatlichen Beihilfen“ bezweifelt. Nach der hier vertretenen Auffassung ist eine generelle Intransparenz der Ent­ scheidungsfindung bei der Durchführung der Abwägungsprüfung zumindest im Lichte der jüngeren präzisierenden Rechtsakte der Kommission hierzu, insbeson­ dere in Mitteilungen und sektorspezifischen Leitlinien, nicht anzunehmen. Da­ gegen sind die Bedenken an der primärrechtlichen Basis des politischen Ziels von „weniger (…) mitgliedstaatlichen Beihilfen“ durchschlagend. Die Union ver­ fügt über keine Kompetenz für eine allgemeine Kontrolle mitgliedstaatlichen Aus­ gabenverhaltens. Das Beihilfenrecht ermächtigt die Kommission allein dazu, den Schutz des Wettbewerbs im Binnenmarkt zu gewährleisten. Darüber hinausge­ hende politische Ziele – wie eine mitgliedstaatliche Haushaltskontrolle – darf sie auf diesem Wege dagegen nicht verfolgen. Das hier allgemein anhand des Haushaltsrechts aufgezeigte Spannungsverhält­ nis zwischen mitgliedstaatlichen Zuständigkeiten und der Durchsetzung des Bei­ hilfenrechts durch die Kommission spiegelt sich im Besonderen auch in anderen politischen Bereichen wider, deren Gestaltungskompetenz allein den Mitgliedstaa­ ten zukommt. Exemplarisch hierfür steht die Infrastrukturpolitik: Nach der Kompetenzvertei­ lung zwischen Union und Mitgliedstaaten kommt der Union keine Zuständigkeit für eine allgemeine Infrastrukturpolitik zu. Ihre Kompetenzen in diesem Bereich beschränken sich auf die spezifischen, im Titel zu Transeuropäischen Netzen im AEUV ausgeführten Aufgaben. Zu einem darüber hinausgehenden Einfluss auf den Infrastruktursektor, insbesondere einem Einwirken auf die mitgliedstaatliche Infrastrukturplanung, ist sie nicht ermächtigt.

Kapitel 4

Einzelfragen zur Anwendung der Beihilfenvorschriften auf den Infrastrukturbereich

Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen Vor dem Hintergrund der aufgezeigten begrenzten Kompetenz der Union im Bereich der Infrastrukturpolitik werden in diesem Kapitel die wichtigsten recht­ lichen Einzelaspekte der Anwendbarkeit der Vorschriften des Europäischen Bei­ hilfenrechts auf die mitgliedstaatliche Infrastrukturförderung aufgezeigt und erör­ tert. Die Struktur der Darstellung folgt dabei den einzelnen Prüfungsschritten der Kommission, wie sie typischerweise in beihilfenrechtlichen Entscheidungen zum Infrastruktursektor abgehandelt werden.

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit Das Beihilfenverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV setzt voraus, dass es sich bei dem begünstigten Rechtssubjekt um ein Unternehmen handelt. Ähnlich wie auch bei den kartellrechtlichen Bestimmungen des AEUV wirft der Unternehmens­ begriff als Grundvoraussetzung zur Anwendbarkeit der Vorschriften des Beihil­ fenrechts in hohem Maße Unklarheiten und Abgrenzungsprobleme auf. Gerade in traditionell eng mit der öffentlichen Hand verbundenen Wirtschaftsbereichen wie dem Infrastruktursektor zeigen sich die praktischen Schwierigkeiten einer rechts­ sicheren Einordnung zwischen hoheitlichem staatlichem Handeln und unterneh­ merischer wirtschaftlicher Betätigung in besonderem Maße1. Die Rechtspraxis der Kommission und der europäischen Gerichte zeigte sich insgesamt lange uneinheitlich bezüglich der Einordnung des Infrastrukturbetriebs als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Beihilfenrechts. In der Literatur finden sich verschiedenste Lösungsansätze zu dieser Frage. Nicht unbeachtet bleiben darf freilich, dass gerade in einem politisch sensiblen Bereich wie dem vorliegenden eine Vielzahl von Publikationen auch vor dem Hintergrund von konkreter Inter­ essenvertretung verstanden werden muss. Im folgenden Abschnitt soll die Ent­ wicklung der Rechtspraxis kritisch gewürdigt und einigen Ansätzen der Literatur gegenübergestellt werden. Die Darstellung erfolgt bewusst umfassend, da es sich bei der Frage der Ein­ ordnung des Infrastrukturbetriebs als unternehmerische Tätigkeit um eine zentrale 1

Siehe auch Pauer, WuW 2013, S. 1080, 1082.

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

125

Weichenstellung für die Kontrollbefugnis der Union über die mitgliedstaatliche Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen handelt. Die Be­ deutung der nachfolgenden Diskussionen für den Gesamtkomplex der beihilfen­ rechtlichen Bewertung der mitgliedstaatlichen Infrastrukturförderung kann des­ halb nicht unterschätzt werden.

I. Der Unternehmensbegriff im Europäischen Beihilfenrecht Der Unternehmensbegriff im Europäischen Beihilfenrecht entspricht dem der kartellrechtlichen Vorschriften der Art.  101, 102 AEUV2. Die vereinzelt in der Literatur vertretene Ansicht, dass der Unternehmensbegriff spezifisch dem Bei­ hilfenrecht anzupassen sei3, kann nicht überzeugen. Vielmehr ist aus der syste­ matischen Verortung des Beihilfenverbots bei den kartellrechtlichen Wettbewerbs­ regeln im AEUV zu schließen, dass die Vertragsparteien stets einen einheitlichen wettbewerbsrechtlichen Unternehmensbegriff vor Augen hatten4. Diese Sicht­ weise haben auch die Europäischen Gerichte wiederholt bestätigt5. Obgleich dem Unternehmensbegriff sowohl im Europäischen Kartellrecht als auch im Europäischen Beihilfenrecht zentrale Bedeutung zukommt und er die Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften darstellt, fehlt eine Legaldefinition in den europäischen Verträgen. Ein Anhaltspunkt lässt sich jedoch dem Protokoll Nr. 22 zum EWR-Vertrag entnehmen, wo in Art. 1 als Unterneh­ men „jedes Rechtssubjekt, das eine kommerzielle oder wirtschaftliche Tätig­keit ausübt“ definiert wird6. Daran angelehnt bestimmt der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung ein Unternehmen als „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“7. Auch die Kommission verwendet diesen Unternehmensbegriff in ihren Entscheidungen8.

2

von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd.  2, Art.  107 AEUV Rn. 39; vgl. auch EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08 und T-455/08, Rn. 117 – Flug­ hafen Leipzig/Halle. 3 So etwa Monti, EStAL 2011, S. 415, 417 ff. 4 Vgl. von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 107 AEUV Rn. 39. 5 EuGH, Urt. v. 10.01.2006, Az. C-222/04, Rn. 107 – Cassa di Risparmio di Firenze u. a.; EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08 und T-455/08, Rn. 117 – Flughafen Leipzig/Halle. 6 Vgl. dazu Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art. 101 Rn. 7. 7 Siehe etwa EuGH, Urt. v. 19.01.1994, Rs. C-364/92, Rn. 18 – SAT Fluggesellschaft/Euro­ control; EuGH, Urt. v. 17.02.1993, Rs. C-159/91 u. C-160/91, Rn.  17  – Poucet und Pistre; EuGH, Urt. v. 23.04.1991, Rs. C-41/90, Rn. 21 – Höfner und Elser. 8 Siehe nur Kommission, Ent. v. 05.06.2013, Az. SA.36377 (2013/N), Rn. 16 – Flughafen Memmingen; Kommission, Ent. v. 25.04.2012, Az. SA.25051, ABl. 2012 L 236/1, Rn. 142 – Zweckverband Tierkörperbeseitigung; Kommission, Ent. v. 10.12.2008, Az. N 110/2008, Rn. 52 – Jade Weser Port.

126

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Wesentliches Abgrenzungsmerkmal zur Begründung der Unternehmenseigen­ schaft eines Handlungssubjekts ist damit das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tä­ tigkeit. Darunter versteht der Gerichtshof im Wesentlichen das Anbieten von Gü­ tern oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt9. In Grenzfällen kann die Unterscheidung einer wirtschaftlichen von einer nicht-wirtschaftlichen Betätigung jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein. Als besonders problema­ tisch stellt sich dabei die Einordnung staatlichen Handelns dar, vor allem die Ab­ grenzung zu mitgliedstaatlicher Betätigung im Bereich der Leistungsverwaltung. Die Differenzierung zwischen wirtschaftlichem und nicht-wirtschaftlichem mit­ gliedstaatlichem Handeln war bereits Gegenstand zahlreicher Entscheidungen von Kommission und Gerichtshof. Die Gesamttendenz der nicht immer gänzlich kon­ sequenten und einheitlichen Rechtspraxis deutet dabei auf eine negative Bestim­ mung des Begriffs des wirtschaftlichen Handelns hin. Wichtigste Ausnahmeberei­ che vom grundsätzlich weit gefassten Verständnis der wirtschaftlichen Betätigung der Mitgliedstaaten sind dabei die Ausübung hoheitlicher Befugnisse sowie die Übernahme rein sozialer Tätigkeiten.

II. Die Entwicklung der Rechtspraxis zur Einordnung von Infrastrukturbetreibern als Unternehmen 1. Der traditionelle Ansatz in der Infrastrukturpraxis der Kommission Bis in die 1990er Jahre betrachtete die Kommission die Bereitstellung von In­ frastrukturen als mitgliedstaatliche Angelegenheit, welche diese im Rahmen ihrer Kompetenz für Aufgaben der allgemeinen Wirtschaftspolitik erfüllten10. Dement­ sprechend gering ist die Zahl der Fälle bis zu diesem Zeitraum, in denen die Kom­ mission sich mit der beihilfenrechtlichen Bewertung von Infrastrukturprojekten auseinandersetzte. In keinem der Fälle stand ein Infrastrukturbetreiber im Zentrum der Betrach­ tungen. Vielmehr handelte es sich bei den Entscheidungen mit infrastrukturel­ lem Bezug vor allem um Sachverhalte, in denen es um die mitgliedstaatlicherseits vorgenommene infrastrukturelle Erschließung von Grundstücken oder Industrie­ gebieten ging11. Damit verbunden stellte sich die Frage, ob die sich auf einem solchen Gelände ansiedelnden Produktionsunternehmen durch die staatlichen

9

EuGH, Urt. v. 18.06.1998, Rs. C-35/96, Rn.  36  – Kommission/Italien; EuGH, Urt. v. 16.06.1987, Rs. C-118/85, Rn. 7 – Kommission/Italien; vgl. ferner auch Kommission, Ent. v. 05.06.2013, Az. SA.36377 (2013/N), Rn. 16 – Flughafen Memmingen. 10 Siehe dazu auch Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 1994, Rn. 12; Kommission, Antwort auf Anfrage vom Abgeordneten Dehousse, Nr. 28 v. 10.04.1967, ABl. Nr. P 118, S. 2311/67. 11 Kommission, Ent. v. 18.07.2001, Az. C 57/2000 (ex NN 157/99), ABl. 2001, C 37/44 – Valmont Nederland; Kommission, Ent. v. 12.07.2000, Az. C 38/1998, ABl. 2002, L 12/1 – Scott

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

127

Erschließungsmaßnahmen begünstigt werden12. Überprüft wurde folglich aus­ schließlich eine potentielle Beihilfengewährung auf der Endnutzerebene, ohne auf die vorgelagerte Betreiber- oder Dienstleisterebene einzugehen13. Ausdrückliche Erwähnung fanden staatliche Infrastrukturinvestitionen im Jahre 1994 in der Mitteilung der Kommission zu staatlichen Beihilfen im Luftverkehr14. Danach stellte nach Meinung der Kommission „[d]er Bau oder Ausbau von Infrastrukturanlagen (z. B. Flughäfen, Autobahnen oder Brücken) (…) eine allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahme [dar], die von der Kommission nicht gemäß den Vertragsbestimmungen über staatliche Beihilfen kontrolliert werden kann.“15 Wei­ ter führte die Kommission aus, dass „[d]ieser allgemeine Grundsatz (…) lediglich für den Bau von Infrastrukturanlagen durch die Mitgliedstaaten [gilt]; er präjudiziert nicht die Bewertung möglicher Beihilfeelemente im Zusammenhang mit einer Vorzugsbehandlung bestimmter Unternehmen bei der Nutzung der Infrastruktur.“16 Gerade letztere Aussage bestätigt die sich schon in der Rechtspraxis an­ deutende frühere Tendenz, dass die Kommission damals den Fokus der beihilfen­ rechtlichen Überprüfung von Infrastrukturprojekten auf die Endnutzerebene legte, während vor allem auf Betreiberebene keine genauere Untersuchung stattfand17. In der Entscheidung Manchester Airport18 von 1999 musste sich die Kommis­ sion mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit eine staatliche Förderung des In­ frastrukturausbaus eine Beihilfe zugunsten der Betreibergesellschaft eines Ver­ kehrsflughafens darstellt. Dem Flughafen Manchester war von mehreren lokalen Gebietskörperschaften ein zinsgünstiges Darlehen zur infrastrukturellen Entwick­ lung gewährt worden. Im Ergebnis verneinte die Kommission die Anwendbarkeit der Beihilfenvorschriften19. Sie berief sich dabei auf die Luftverkehrs-Leitlinien 1994 und betonte die Bedeutung eines Flughafens für die wirtschaftliche und so­ ziale Entwicklung einer Region20. Insgesamt beschränkte die Kommission sich da­ bei aber – wie nicht selten in Beihilfenentscheidungen – auf allgemeine Aussagen zur Begründung ihres Ergebnisses, ohne eine genauere juristische Prüfung der ent­ sprechenden Vertragsvorschriften vorzunehmen. Deshalb kam sie auch um eine Präzisierung herum, an welchem genauen Merkmal des Beihilfentatbestands  – dem Unternehmensbegriff, der Selektivität oder der Wettbewerbsverzerrung – sie die Nichtanwendbarkeit des Beihilfenverbots festmachte. Paper; Kommission, Bekanntgabe der Einstellung eines Verfahrens, ABl. 1994, C 21/4 – Frese­ nius AG; Kommission, Ent. v. 31.07.1991, ABl. 1992, L6/36 – Toyota. Dazu Heidenhain, Euro­ pean State Aid Law, § 9 Rn. 9; Lübbig/Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 470. 12 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 15.06.1993, Rs. C-225/91, Rn. 29 f. – Matra/Kommission. 13 Siehe auch Dolde/Porsch, ZLW 2004, S. 3, 8. 14 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 1994. 15 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 1994, Rn. 12. 16 Ebd. 17 Siehe auch Bartosch, WuW 2005, S. 1122, 1124. 18 Kommission, Ent. v. 14.06.1999, Az. NN 109/98 – Manchester Airport. 19 Kommission, Ent. v. 14.06.1999, Az. NN 109/98, Rn. 6 – Manchester Airport. 20 Kommission, Ent. v. 14.06.1999, Az. NN 109/98, Rn. 4 f. – Manchester Airport.

128

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Auch in der Entscheidung Flughafen Elba I21 im Jahr 1999 nahm die Kommis­ sion an, dass eine mit staatlichen Mittel finanzierte Infrastrukturmodernisierung am Flughafen auf der italienischen Insel Elba keine Beihilfe darstellte. Sie bezog sich in ihrer Begründung ebenfalls auf die Luftverkehrs-Leitlinien 1994 und das Argument der Regionalentwicklung, freilich gleichfalls ohne eine genauere juris­ tische Analyse. 2. Neuorientierung in der Kommissionspraxis a) Die Entscheidungspraxis der Kommission zum Flughafenbetrieb Wie schon die letzten beiden dargestellten Entscheidungen zeigen, ist seit den 1990er Jahren von allen Infrastrukturarten zunächst der Flughafenbereich in den Fokus beihilfenrechtlicher Überprüfungen der Kommission gelangt. So war es auch der Flughafensektor, in dem zuerst eine Änderung der Kommissionseinschät­ zung zur beihilfenrechtlichen Bewertung der staatlichen Förderung des Infrastruk­ turbetriebs einsetzte22. aa) Die kartellrechtlichen Entscheidungen zum Flughafenbetrieb Hintergrund war zunächst eine Verschärfung der Rechtspraxis gegenüber Flug­ häfen im Europäischen Kartellrecht. Im Jahr 1995 setzte sich die Kommission im Verfahren Flughafen Brüssel23 mit der Anwendbarkeit des heutigen Art.  102 AEUV auf einen Flughafenbetreiber auseinander. Ein britisches Luftfahrtunter­ nehmen hatte der Betreibergesellschaft des Flughafens Brüssel-National vor­ geworfen, dass das Rabattsystem für Start- und Landegebühren gegenüber klei­ neren Fluggesellschaften diskriminierend wirkte. Die Kommission stellte in der Entscheidung fest, dass „Bau, Errichtung, Unterhalt und Betrieb des Flughafens Brüssel-National und der damit verbundenen Infrastruktur“ eine „wirtschaftliche Tätigkeit [darstellten], die auf jeden Fall theoretisch von einem privaten Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt werden könnte.“24 Damit ordnete die Kommission erstmalig einen Flughafenbetreiber als Unternehmen im Sinne des Europäischen Wettbewerbsrechts ein und eröffnete so den Anwendungsbereich der Vorschriften auf den Infrastrukturbetrieb25. 21 Kommission, Ent. v. 12.04.1999, Az. N 638/98 – Flughafen Elba I; dazu Hobe/Seidenspinner, Infrastrukturbeihilfen, S. 8. 22 Zu dieser Entwicklung Hobe/Seidenspinner, Infrastrukturbeihilfen, S. 6 ff.; Soltész/Hildebrandt, in: Scholz/Moench, Flughäfen in Wachstum und Wettbewerb, S. 82, 84 ff. 23 Kommission, Ent. v. 28.06.1995, Az. 95/364/EG, ABl. 1995, L 216/8 – Flughafen Brüssel. 24 Kommission, Ent. v. 28.06.1995, Az. 95/364/EG, ABl. 1995, L 216/8, Rn. 2 – Flughafen Brüssel. 25 Hobe/Seidenspinner, Infrastrukturbeihilfen, S. 18 f.

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

129

In den folgenden kartellrechtlichen Verfahren Flughafen Frankfurt26, Portugie­ sische Flughäfen27 sowie Aéroports de Paris28 wiederholte und bestätigte die Kom­ mission die Einordnung des Flughafenbetriebs als wirtschaftliche Tätigkeit. Diese Auffassung wurde in den Entscheidungen Aéroports de Paris schließlich auch vom Gericht29 und vom Gerichtshof30 bestätigt. Dabei trennte das Gericht ausdrück­ lich zwischen „der reinen Verwaltungstätigkeit“ des Flughafenbetreibers, wie der „Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben“ auf der einen Seite, und wirtschaftlicher Betätigung, wie der entgeltlichen Bereitstellung von Flughafeninfrastrukturen an Luftfahrtunternehmen und andere Dienstleister31, auf der anderen Seite. Während erstere als hoheitliche Staatsaufgaben eingeordnet wurden, welche keiner wett­ bewerbsrechtlichen Kontrolle unterlagen, waren auf letztere Tätigkeiten des sons­ tigen Flughafenbetriebs nach der vom Gerichtshof bestätigten Ansicht des Ge­ richts die Bestimmungen des Europäischen Wettbewerbsrechts anwendbar32. bb) Die Entwicklung der beihilfenrechtlichen Kommissionspraxis zum Flughafenbetrieb Parallel zur Neubewertung der Unternehmenseigenschaft von Infrastruktur­ betreibern in den kartellrechtlichen Vorschriften begann die Kommission ab den späten 1990er Jahren auch, den Anwendungsbereich des Beihilfenverbots im Be­ reich des Flughafenbetriebs auszuweiten. Erste Anzeichen dieser Trendwende ge­ genüber den Luftverkehrs-Leitlinien 1994 finden sich im 29. Bericht über die Wettbewerbspolitik aus dem Jahre 199933. Im Abschnitt über sektorbezogene Beihilfen im Luftverkehr stellte die Kommission zunächst die Ergebnisse der Entscheidun­ gen Flughafen Manchester und Flughafen Elba dar, in denen die Anwendbarkeit der Beihilfenvorschriften auf staatliche Finanzierungen von Flughafeninfrastruk­ turen noch abgelehnt worden war34. Daraufhin merkte sie jedoch an, dass sie diese Praxis überprüfe, da sich der Flughafensektor in einem Umbruch befände und im­ mer mehr an wirtschaftlicher Bedeutung gewinne35. In Folge der gerichtlichen Bestätigung der kartellrechtlichen Entscheidung Aéroports de Paris sah die Kommission sich in diesem Ansatz bestärkt und begann zunehmend, mitgliedstaatliche Zuwendungen zugunsten von Flughafenbetreibern 26

Kommission, Ent. v. 14.01.1998, Az. IV/34.801, ABl. 1998, L 72/30 – Flughafen Frankfurt. Kommission, Ent. v. 16.03.1999, Az. IV/35.703, ABl. 1999, L 69/31  – Portugiesische Flughäfen. 28 Kommission, Ent. v. 11.06.1998, Az. IV/35.613, ABl. 1998, L 230/10 – Aéroports de Paris. 29 EuG, Urt. v. 12.12.2000, Rs. T-128/98, Rn. 112 – Aéroports de Paris. 30 EuGH, Urt. v. 24.10.2002, Rs. C-82/01 P – Aéroports de Paris. 31 EuG, Urt. v. 12.12.2000, Rs. T-128/98, Rn. 112 – Aéroports de Paris. 32 EuG, Urt. v. 12.12.2000, Rs. T-128/98, Rn. 121 ff. – Aéroports de Paris. 33 Kommission, XXIX. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1999, Rn. 299. 34 Siehe oben Kap. 4, A. II. 1. 35 Kommission, XXIX. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1999, Rn. 299. 27

130

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

zu untersuchen. Bezüglich der Einordnung von Flughafenbetreibern als Unterneh­ men zeigte sich die Entwicklung der Entscheidungspraxis in den Folgejahren da­ bei zunächst allerdings nicht ganz stringent. So entschied die Kommission im März 2001 über die beihilfenrechtliche Be­ wertung der mitgliedstaatlichen Finanzierung der Entwicklung und Verbesserung von Flughafeninfrastrukturen der Flughäfen im Piemont in Italien36. Sie stellte in diesem Fall fest, dass die Einordnung eines Flughafens als Unternehmen im Sinne des Beihilfenrechts durchaus denkbar sei. Zwar merkte sie an, dass dies eine Ab­ weichung von den Luftverkehrs-Leitlinien 1994 darstellte, verwies allerdings ein weiteres Mal auf die wirtschaftliche Entwicklung im Flughafenbereich. Im Ergeb­ nis ließ sie eine Entscheidung jedoch offen, da die geförderten Flughäfen aufgrund ihrer geographischen Lage und ihrer Größe (wohl) nicht im Wettbewerb zu an­ deren Flughäfen standen und damit eine Wettbewerbsverfälschung und Handels­ beeinträchtigung nicht anzunehmen waren37. Jedenfalls waren die mitgliedstaat­ lichen Maßnahmen nach Auffassung der Kommission entsprechend dem heutigen Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV gerechtfertigt38. Erstmals ausdrücklich berufen auf die Entscheidung Aéroports de Paris hat sich die Kommission in der im Juli 2001 folgenden Entscheidung Schiphol-Group39. Gegenstand dieses Verfahrens waren niederländische Vorschriften, nach denen Flughafenbetreiber von bestimmten steuerlichen Vorzugsbehandlungen gegenüber anderen Unternehmen profitieren konnten. Als Konsequenz aus der Rechtspre­ chung der europäischen Gerichte stufte die Kommission die Schiphol-Gruppe, die unter anderem auch den Flughafen Rotterdam betrieb, als Unternehmen im Sinne des Beihilfenrechts ein und stellte einen Verstoß gegen den heutigen Art.  107 Abs. 1 AEUV fest. Den eingeschlagenen Weg setzte die Kommission im Oktober 2001 fort und ordnete die Betätigung der irische Flughafenbetreibergesellschaft Aer Rianta40 ebenfalls als wirtschaftliche Tätigkeiten ein. Differenziert setzte sich die Kommission mit der Unternehmenseigenschaft eines Flughafenbetreibers in der Entscheidung Flughafen Elba II41 auseinander. Dort ging es um zwei Maßnahmen, für die dem Flughafen auf der Insel Elba mit­ gliedstaatliche Begünstigungen gewährt wurden. Erstens handelte es sich um eine Zuwendung zur Errichtung eines Grabensystems, das den Flughafen vor Über­ schwemmungen schützen sollte sowie zum Bau eines Straßenanschlusses an den Flughafen. Zweitens ging es um die finanzielle Förderung des Ausbaus bestimmter Infrastrukturteile auf dem Flughafengelände (u. a. Anlagen zur Gepäckkontrolle, Instandsetzung der Landebahn). Ähnlich wie in der Entscheidung Aéroports de 36

Kommission, Ent. v. 13.03.2001, Az. N 58/2000 – Flughäfen Piemont. Kommission, Ent. v. 13.03.2001, Az. N 58/2000, Rn. 12 ff. – Flughäfen Piemont. 38 Kommission, Ent. v. 13.03.2001, Az. N 58/2000, Rn. 17 – Flughäfen Piemont. 39 Kommission, Ent. v. 03.07.2001, Az. E 45/2000 – Schiphol Group. 40 Kommission, Ent. v. 05.10.2001, Az. NN 86/2001 – Aer Rianta. 41 Kommission, Ent. v. 22.09.2004, Az. N 106/2003 – Flughafen Elba II. 37

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

131

Paris grenzte die Kommission hier hoheitliche Aufgaben des Flughafenbetreibers von wirtschaftlicher Betätigung ab42. Während erstere Maßnahmen als mitglied­ staatliche Aufgabe zum Schutze der Allgemeinheit betrachtet wurden, ordnete die Kommission zweitere dem wirtschaftlichen Handeln des Flughafenbetreibers zu. Diese aufgespaltene Betrachtung der Betätigung von Flughafenbetreibern setzte sich in folgenden Kommissionsentscheidungen fort. In der Entscheidung Flughafen Leipzig/Halle wurde der neue Ansatz der Kommission bei Flughäfen aus­ drücklich vom Gericht43 und vom Gerichtshof bestätigt44. Danach handelt es sich bei der entgeltlichen Bereitstellung einer Landebahn an Luftfahrtunternehmen um eine wirtschaftliche Tätigkeit eines Flughafenbetreibers, unabhängig davon, ob dieser in die Kategorie eines Groß- oder eines Regionalflughafens fällt. Nach Auf­ fassung der Gerichte stellen manche Aufgaben eines Flughafenbetreibers zwar ein hoheitliches Tätigwerden des Mitgliedstaates dar, welches nicht vom Anwen­ dungsbereich des Beihilfenverbots erfasst wird. Der Betrieb einer Landebahn ge­ höre jedoch gerade nicht zu diesen hoheitlichen Betätigungen, sondern stehe für einen Hauptbestandteil des wirtschaftlichen Handelns eines Flughafenbetreibers45. Ferner nehmen die europäischen Gerichte an, dass eine wirtschaftliche Betäti­ gung eines Flughafenbetreibers selbst dann bejaht werden könne, wenn auf dem entsprechenden Markt keine privaten Akteure agierten und die Tätigkeiten nicht gewinnbringend ausgeübt werden könnten46. Das Gericht und der Gerichtshof tei­ len dabei ausdrücklich das tragende Motiv der Kommissionsentscheidung, wo­ nach sich der Flughafenbereich spätestens seit dem Jahr 2000 in wirtschaftlicher und wettbewerblicher Hinsicht in einem erheblich Wandel befindet und die Kom­ mission daher von ihrer früheren Entscheidungspraxis abweichen kann, den Flug­ hafenbetrieb als nicht-wirtschaftliche Betätigung anzusehen47. Im Jahr 2005 veröffentlichte die Kommission neue Luftverkehrs-Leitlinien, in denen die neuen Grundsätze zur beihilfenrechtlichen Behandlung von Flughäfen ausdrücklich festgehalten wurden: „(…) Flughafenbetreiber [üben] grundsätzlich eine wirtschaftliche Tätigkeit gemäß Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag aus, die unter die Vorschriften über staatliche Beihilfen fällt. Aller­ dings sind nicht alle Aktivitäten eines Flughafenbetreibers notwendigerweise wirtschaft­ licher Art.  Vielmehr muss differenziert und festgestellt werden, inwieweit die einzelnen Aktivitäten wirtschaftliche Tätigkeiten darstellen oder nicht (…). Wie der Gerichtshof fest­ 42

Kommission, Ent. v. 22.09.2004, Az. N 106/2003, Rn. 22 ff. – Flughafen Elba II. EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08, Rn. 71 ff. – Flughafen Leipzig/Halle. 44 EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, Rn. 23 ff. – Flughafen Leipzig/Halle. 45 EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, Rn.  40 f. u. 47  – Flughafen Leipzig/Halle; EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08, Rn. 98 f. – Flughafen Leipzig/Halle. 46 EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, Rn.  49 f.  – Flughafen Leipzig/Halle; EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08, Rn. 114 f. – Flughafen Leipzig/Halle. Kritisch dazu Wilson, EStAL 2014, S. 24, 26. 47 EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, Rn.  39  – Flughafen Leipzig/Halle; EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08, Rn. 103 ff. – Flughafen Leipzig/Halle. 43

132

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

gestellt hat, gehören Tätigkeiten, für die normalerweise der Staat aufgrund seiner hoheitli­ chen Befugnisse zuständig ist, nicht zu den Tätigkeiten wirtschaftlicher Art und unterliegen nicht den Vorschriften über staatliche Beihilfen. Zu nennen sind hier die Bereiche Gefahren­ abwehr, Flugsicherung, Polizei, Zoll etc.“48

In der von Gericht und Gerichtshof bestätigten Kommissionsentscheidung Flughafen Leipzig/Halle fanden die neuen Leitlinien zwar noch keine Anwendung, da sich das Verfahren auf einen Sachverhalt aus dem Jahr 2004 bezog. Da die zi­ tierten Grundsätze der Luftverkehrs-Leitlinien 2005 jedoch inhaltlich nicht von der vom Gerichtshof bestätigten Bewertung der Kommission abweichen, können sie mit der Entscheidung ebenfalls als bestätigt betrachtet werden. Die Kommission hat zwischenzeitlich eine Vielzahl an beihilfenrechtlichen Überprüfungsverfahren zur mitgliedstaatlichen Förderung von Flughafenbetrei­ bern durchgeführt. Zusammenfassend stellte sie zu dieser Entwicklung in einer Entscheidung aus dem Jahre 2012 treffend fest: „Die Entwicklung von Flughäfen richtete sich bis in die jüngste Zeit häufig nach rein raum­ planerischen Gesichtspunkten oder in einigen Fällen nach militärischen Anforderungen. Ihr Betrieb war als Teil der öffentlichen Verwaltung und nicht als Wirtschaftsunternehmen or­ ganisiert. Auch der Wettbewerb zwischen Flughäfen und zwischen Flughafenbetreibern war gering und nahm allmählich zu. Vor diesem Hintergrund wurde die Finanzierung von Flug­ häfen und Flughafeninfrastruktur durch den Staat bislang von der Kommission selbst als all­ gemeine wirtschaftspolitische Maßnahme angesehen, die nicht den Beihilfebestimmungen des AEUV unterlag. Dies hat sich jedoch in den letzten Jahren geändert. Zwar mögen raumplanerische Aspekte und Verwaltungsstrukturen mitunter noch eine Rolle spielen, doch sind die Mehrzahl der Flughäfen jetzt Gesellschaften des Handelsrechts, um ihren Betrieb in einem von zu­ nehmendem Wettbewerb geprägten Umfeld zu Marktbedingungen zu ermöglichen. (…) In den letzten Jahren durchlief die Flughafenwirtschaft in der Union grundlegende organi­ satorische Veränderungen, die sich nicht nur auf dem aktiven Interesse von Privatinvestoren an Flughäfen beruhen, sondern auch auf einer veränderten Haltung der Behörden gegenüber der Beteiligung des Privatsektors an der Entwicklung der Flughäfen. Dies hat zu einer zu­ nehmenden Vielfalt und Komplexität der Funktionen von Flughäfen geführt. Die Veränderungen der jüngsten Zeit haben wiederum einen Wandel der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Flughäfen bewirkt. Während die Flughäfen zuvor meist als Infra­ struktur im Hinblick darauf verwaltet wurden, Zugänglichkeit und räumliche Entwicklung zu gewährleisten, verfolgen immer mehr Flughäfen seit einigen Jahren auch wirtschaftliche Ziele und stehen miteinander im Wettbewerb um den Luftverkehr.“49

Darüber hinaus findet sich dieser Ansatz auch in den Luftverkehrs-Leitlinien 2014 wieder50. 48

Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2005, Rn. 31–33. Kommission, Ent. v. 03.10.2012, Az. SA.23600 – C 38/2008 (ex NN 53/2007), Rn. 74–76 – Munich Airport Terminal 2. 50 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 26 ff. 49

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

133

cc) Zusammenfassung Während die Kommission Flughäfen bis in die 1990er Jahre nicht als Unterneh­ men im Sinne des Europäischen Wettbewerbsrechts ansah, änderte sie ihre Auf­ fassung schrittweise seit Mitte etwa 1995 zunächst im Kartellrecht und seit den späten 1990er Jahren auch im Beihilfenrecht. Hintergrund hierfür war die zuneh­ mende wirtschaftliche Entwicklung des Flughafensektors und die damit steigende Bedeutung des Wettbewerbsschutzes in diesem Bereich. In ihrer jetzigen Entschei­ dungspraxis nimmt sie die Unternehmenseigenschaft von Flughafenbetreibern re­ gelmäßig an. Sowohl das Gericht als auch der Gerichtshof bestätigten diese Ein­ ordnung in ihrer jüngeren Rechtsprechung. b) Die Entscheidungspraxis der Kommission zum Hafenbetrieb – eine uneinheitliche Linie Somit kann trotz aller Unstimmigkeiten im Detail bei der Entwicklung der Ent­ scheidungspraxis im Flughafenbereich insgesamt eine Linie dahingehend erkannt werden, dass die Kommission – nunmehr auch bestätigt vom Gerichtshof – den Flughafenbetrieb in der wettbewerbsrechtlichen Prüfung als unternehmerisches Handeln einordnet. Bezüglich anderer Infrastrukturarten blieb eine stringente bei­ hilfenrechtliche Bewertung des Infrastrukturbetriebs durch die Kommission da­ gegen bislang weniger klar erkennbar. Vor allem bezüglich sonstiger Verkehrs­ infrastrukturen zeigt sich die Entscheidungspraxis vage. Gerade in diesem Gebiet bestehen nach wie vor erhebliche organisatorische Unterschiede bei der recht­ lichen und wirtschaftlichen Ausgestaltung in den einzelnen Mitgliedstaaten. Hinzu kommt, dass es bezüglich dieser Infrastrukturen bislang noch keine ähnlich tief­ greifende unionsweite Liberalisierungs- und Privatisierungspolitik gibt wie etwa im Bereich der Telekommunikations- und der Energieversorgungsinfrastrukturen. Exemplarisch zeigt sich die Uneinheitlichkeit der Kommissionspraxis vor allem im Bereich der staatlichen Finanzierung von Hafeninfrastrukturen51. Seit Mitte der 1990er Jahren gab es Ankündigungen der Kommission, dass Leitlinien zur In­ frastrukturfinanzierung in Häfen erarbeitet und veröffentlicht werden sollten, um für die Mitgliedstaaten ein Mindestmaß an Rechtssicherheit in diesem Bereich zu schaffen52. Nachdem die Kommission dies zunächst ablehnte, unter anderem, da „Interessengruppen“ sich insgesamt gegen Beihilfen für Seehäfen aussprachen53, erarbeitete sie einige Jahre später dennoch einen konkreten Entwurf54 und kündigte

51

Siehe dazu aus jüngerer Zeit Jennert/Eitner, EuZW 2013, S. 414 ff.; Mellwig, Infrastruk­ tur in Häfen, S. 66 ff. 52 Siehe etwa Kommission, Mitt. v. 05.07.1995, Az. KOM(1995) 317 endg. 53 Kommission, Mitt. v. 13.02.2001, Az. KOM (2001) 35 endg., S. 11. 54 Siehe Kommission, Vademecum Seehafenbeihilfen.

134

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

eine Veröffentlichung auch daraufhin weiter an55. Dennoch steht eine Mitteilung zu Beihilfen für Seehafenbetreiber bislang weiterhin aus. Als Grund dafür sind mut­ maßlich auch fortwährende inhaltliche Unstimmigkeiten zwischen der Kommis­ sion und dem Europäischen Parlament zu nennen56. aa) Die Kommissionspraxis bis zu Beginn der 2000er Jahre In beihilferechtlichen Entscheidungen der Kommission bis in die späten 1990er Jahre wurde das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit bei Seehafenbetreibern nicht näher thematisiert. Unter Bezugnahme auf die „allgemeine wirtschaftspolitische Bedeutung“ der Seehafeninfrastrukturen lehnte die Kommission eine Er­ öffnung des Art. 107 Abs. 1 AEUV – den Grundsätzen der Luftverkehrs-Leitlinien 1994 folgend57  – ab. Nach der Entscheidung Aéroports de Paris58 des Gericht­ hofs begann sie jedoch, die in diesem Urteil für Flughafenbetreiber aufgestellten Grundsätze auch auf Seehafenbetreiber zu übertragen. In der Entscheidung Freight Facilities Grants59 von 2002 ordnete sie den Seehafenbetrieb erstmals als wirt­ schaftliche Tätigkeit im Sinne des Beihilfenrechts ein. Daraufhin ließ die Kommission die Tendenz erkennen, dass sie bei Häfen eine differenzierte Betrachtung nach der Art der jeweiligen vom Mitgliedstaat finan­ zierten Infrastruktur für erforderlich hielt. So ordnete sie in einem (rechtlich nicht verbindlichen) internen Arbeitspapier von 200360 zur Bewertung von Beihilfen für Hafenbetreiber die Investitionen in Hafenzugangs- und Schutzinfrastruktu­ ren (etwa gegen Hochwasser) als Aufgabe der Allgemeinheit ein, da sie von einem Hafenbetreiber nicht wirtschaftlich verwertet werden könnten. Die eigentlichen Hafeninfrastrukturen dagegen könnten den Nutzern (in der Regel handelt es sich hierbei um Reedereien) vom Hafenbetreiber entgeltlich zur Verfügung gestellt werden, was ein unternehmerisches Handelns darstellte61. Diese grundlegende Un­ terscheidung findet sich auch in mehreren Kommissionsentscheidungen62. Den­ noch zeigte sich in den folgenden Jahren die Kommissionspraxis selbst in diesem grundsätzlichen Punkt weiterhin nicht einheitlich. 55

Siehe etwa Kommission, Mitt. v. 18.10.2007, Az. KOM(2007) 616 endg., S.10: Ankündi­ gung für 2008. 56 Siehe auch von Kap-Herr, in: Lagoni, Deutsche Seehäfen, S. 33, 37 f. 57 Vgl. Kommission, Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme nach Art.  93 II EG [a. F.] v. 21.01.1999, ABl. 1999 C 108/2 – Hafen von Ancona. Dazu Keppenne, in: van Hooydonk, European Seaports Law, S. 251, 257. 58 EuGH, Urt. v. 24.10.2002, Rs. C-82/01 P, Rn. 68 ff. – Aéroports de Paris. 59 Kommission, Ent. v. 20.12.2001, N 649/2001, Rn.  48  – Freight Facilities Grants. Dazu Schmidt-Kötters, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 18, Rn. 103. 60 Kommission, Vademecum Seehafenbeihilfen. 61 Kommission, Vademecum Seehafenbeihilfen, Rn. 42 ff. 62 Kommission, Ent. v. 21.12.2005, Az. N 503/2005, Rn. 22 ff. – Great Yarmouth Outer Har­ bour; Kommission, Ent. v. 20.10.2004, Az. N 520/2003, Rn. 30 ff. – Flemish Ports.

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

135

bb) Die Kommissionspraxis seit 2003 So verdeutlicht die Entscheidung Flämische Häfen63, dass eine eindeutige Ab­ grenzung von Hafenzugangs- und Hafeninfrastrukturen keineswegs immer unpro­ blematisch möglich ist. In dem Fall befasste sich die Kommission ausschließlich mit Infrastrukturen, die sich innerhalb der flämischen Häfen befanden. Einen Teil der überprüften Hafenanlagen ordnete die Kommission den Hafeninfrastrukturen zu (in der Entscheidung „Projektinfrastrukturen“ genannt), nämlich die Hafen­ becken (Wassergrund, Uferböschungen, Baggerarbeiten), Andockungsinfrastruk­ tur (Kaimauern, Anlegestege)  sowie die „leichte Hafeninfrastruktur“ (Schienen­ anbindungen, interne Kanalisationswege, interne Straßen)64. Dagegen stellte sie bezüglich der Fahrtwege (Kanäle) innerhalb des Hafens fest, dass diese einen Teil der Zugangsinfrastruktur darstellten und ihre Finanzierung deshalb eine öffentliche Aufgabe des Mitgliedstaats sei, durch die kein Hafenbetreiber be­günstigt werde65. Die inhaltliche Differenzierung kann hier nicht vollends überzeugen. Sofern man annimmt, dass die Kommission die Abgrenzung zwischen Hafenzugangsund Hafeninfrastrukturen allein anhand ihrer Lage innerhalb oder außerhalb des Hafengebiets vornimmt, ist die Einordnung mit Blick auf die Fahrtwege (Kanäle) innerhalb des Hafens nicht konsequent66. Zieht man dagegen das Kriterium der Möglichkeit einer wirtschaftlichen Verwertung der konkreten Infrastruktur durch den Hafenbetreiber als Differenzierungsmaßstab heran, so ist die Einschätzung der Kommission ebenfalls nicht verständlich. Denn es erscheint kaum nachvollzieh­ bar, warum ein Hafenbetreiber etwa für das Anlegen an Docks von den Nutzern ein Entgelt fordern kann, nicht jedoch für den Gebrauch der inneren Fahrtwege67. In der Entscheidung Great Yarmouth Outer Harbour68 erläuterte die Kommis­ sion zunächst, dass in der beihilfenrechtlichen Prüfung die Ebenen der Infrastruk­ turnutzer und der Infrastrukturbetreiber getrennt voneinander zu bewerten seien69. In der folgenden Prüfung bezüglich der Finanzierung von zur Hafenzugangsinfra­ struktur gehörenden Anlagen führte sie dann aus, dass diese auf der Ebene des Ha­ fenbetreibers beihilfenrechtlich unproblematisch sei, solange ein offener und dis­ kriminierungsfreier Zugang für alle Nutzer gewährleistet sei70. Auch wenn das Ergebnis mit der allgemeinen Linie der Kommissionspraxis zu Schutz- und Zu­ gangsinfrastrukturen übereinstimmt, ist die Herleitung in zweifacher Hinsicht in­ konsequent: Zum einen wird die Frage, inwieweit es sich bei einem Hafenbetreiber um ein Unternehmen handelt, mit Ausführungen zum Merkmal der Begünstigung 63

Kommission, Ent. v. 20.10.2004, Az. N 520/2003 – Flemish Ports. Kommission, Ent. v. 20.10.2004, Az. N 520/2003, Rn. 46 – Flemish Ports. 65 Kommission, Ent. v. 20.10.2004, Az. N 520/2003, Rn. 42 ff.– Flemish Ports. 66 So auch Mellwig, Infrastruktur in Häfen, S. 75 f. 67 Siehe auch Mellwig, Infrastruktur in Häfen, S. 86 f. m. w. N. 68 Kommission, Ent. v. 21.12.2005, Az. N 503/2005 – Great Yarmouth Outer Harbour. 69 Kommission, Ent. v. 21.12.2005, Az. N 503/2005, Rn. 19 – Great Yarmouth Outer ­Harbour. 70 Kommission, Ent. v. 21.12.2005, Az. N 503/2005, Rn. 29 – Great Yarmouth Outer ­Harbour. 64

136

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

beantwortet71. Zum anderen wird die eingangs von der Kommission selbst ein­ geforderte getrennte Betrachtung der Betreiber- und der Nutzerebene verwischt, denn zur Begründung der Ablehnung einer Beihilfe zugunsten des Hafenbetreibers wird die Offenheit der Infrastruktur für die Hafennutzer herangezogen72. Besonders problematisch ist eine ähnliche Vermengung der Prüfungspunkte und der Begünstigtenebenen in der Entscheidung Polnische Häfen73. Dort ging es darum, dass an anderer Stelle eingesparte Gelder der polnischen Hafenverwal­ tung für den Bau, die Erweiterung und die Unterhaltung von Hafeninfrastrukturen (nicht ausschließlich Zugangs- und Schutzinfrastrukturen) genutzt werden soll­ ten. Nach Ansicht der polnischen Regierung waren diese Maßnahmen keine wirt­ schaftlichen Aktivitäten. Diese Auffassung bestätigte die Kommission in dem Fall mit der Begründung, dass die betroffenen Hafeninfrastrukturen allen Nutzern of­ fen und diskriminierungsfrei zur Verfügung gestellt werden sollten74. Wieder wur­ den die Tatbestandsmerkmale des Unternehmens und der Begünstigung von der Kommission vermischt und die Betreiber- sowie die Nutzerebene nicht ausein­ andergehalten75. In dieser Entscheidung passt aber auch das Ergebnis nicht in die Linie der Kommissionspraxis, da es sich nicht um Zugangs- und Schutzinfrastruk­ turen handelt, sondern um Hafeninfrastrukturen, für die nicht ersichtlich ist, aus welchem Grunde ein Hafenbetreiber sie nicht gegenüber den Nutzern wirtschaft­ lich verwerten können sollte76. Sinnbildlich für die Unentschlossenheit der Kommission steht schließlich die Entscheidung Jade Weser Port77 aus dem Jahr 2008. Die Kommission führte hier aus, dass die Bestimmung, ob ein Hafenbetreiber eine unternehmerische Tätigkeit ausübt, „komplex ist und unterschiedliche Interpretationen zulassen könnte“78. Im Folgenden diskutierte sie ausführlich die Argumente für und gegen eine solche Einordnung, konnte das Ergebnis jedoch schließlich offen lassen. Einen neuerlichen Wendepunkt in der Entscheidungspraxis stellte die Prü­ fung von staatlichen Beihilfen zugunsten des lettischen Ventspils Port79 dar. Die Kommission ordnete den Hafenbetrieb in diesem Fall als unternehmerische Tä­ tigkeit ein, unabhängig von der Tatsache, dass die in diesem Falle betroffene Ha­ fenverwaltung auch öffentliche Aufgaben wahrnahm. Zur Begründung zog sie un­ ter anderem die Rechtsprechung des Gerichtshofs in der Sache Aéroports de Paris heran. Ähnlich wie ein Flughafenbetreiber übt ihrer Ansicht nach auch ein Hafen­ betreiber eine wirtschaftliche Tätigkeit aus, wenn er Infrastrukturen den Hafen­ 71

Mellwig, Infrastruktur in Häfen, S. 76. Kritisch insgesamt auch Mellwig, Infrastruktur in Häfen, S. 76 f. 73 Kommission, Ent. v. 10.07.2007, Az. N 510/2005 – Polnische Häfen. 74 Kommission, Ent. v. 10.07.2007, Az. N 510/2005, Rn. 26 ff. – Polnische Häfen. 75 So auch Mellwig, Infrastruktur in Häfen, S. 86 f. 76 Ebd. 77 Kommission, Ent. v. 10.12.2008, Az. N 110/2008 – Jade Weser Port. 78 Kommission, Ent. v. 10.12.2008, Az. N 110/2008, Rn. 53 – Jade Weser Port. 79 Kommission, Ent. v. 15.12.2009, Az. N 385/2009, ABl. 2010, C 62/7 – Ventspils Port. 72

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

137

nutzern entgeltlich zur Verfügung stellt80. Beachtlich ist in dieser Entscheidung weiterhin, dass die Kommission nicht zwischen Zugangs- sowie Schutzinfrastruk­ turen und Hafeninfrastrukturen differenzierte, sondern vielmehr entgegen ihrer vorherigen Praxis alle Infrastrukturen gleichermaßen einheitlich als durch den Ha­ fenbetreiber wirtschaftlich nutzbar einordnete81. Im Ergebnis ähnlich fiel die Bewertung der Kommission in der Entscheidung Port of Piraeus82 aus. Auch in diesem Beihilfenverfahren ordnete sie den Hafen­ betreiber unter Rückgriff auf die Aéroports de Paris-Rechtsprechung als Unter­ nehmen ein. In der folgenden Entscheidung Krievu Sala Port83 aus dem Jahre 2011 war die Kommission dagegen wieder zurückhaltender und ließ die Bewertung offen, ob die mitgliedstaatliche Finanzierung von Hafenzugangs- und Schutzinfrastrukturen dem Hafenbetreiber als Unternehmen zugutekam84. Gleichwohl wies sie in die­ sem Zusammenhang auf ihre Bewertung in der Entscheidung Ventspils Port hin, ohne diese explizit bestätigen zu wollen. Bezüglich der mitgliedstaatlichen Inves­ titionen in Hafeninfrastruktur bejahte die Kommission daraufhin die Unterneh­ menseigenschaft des Hafenbetreibers wiederum ausdrücklich85, allerdings mit Ausnahmen bei der Finanzierung von Einrichtungen, die hoheitlichen Aufgaben dienen sollten, nämlich Gebäuden für Zoll, Hafensicherheit und ärztlicher Versor­ gung sowie Maßnahmen zum Umweltschutz86. In den jüngsten Entscheidungen zur mitgliedstaatlichen Finanzierung von See­ hafeninfrastrukturen griff die Kommission nunmehr auf die Grundsätze der Ent­ scheidung Flughafen Leipzig/Halle des Gerichtshofs zurück. Sie unterstellte danach die unternehmerische Betätigung eines Hafenbetreibers, soweit er seine Infrastruk­ tureinrichtungen wirtschaftlich verwertete. Ausdrücklich verzichtete sie nunmehr auf eine generelle Unterscheidung von allgemeinen (Schutz-) und nutzerspezi­ fischen Infrastrukturen. Stattdessen traf sie eine individuelle Entscheidung im Ein­ zelfall, nach der auch etwa die Finanzierung von Wellenbrechern, Schutzzäunen und Umweltmaßnahmen einen Hafenbetreiber als Unternehmen begünstigen konnten87. 80

Kommission, Ent. v. 15.12.2009, Az. N 385/2009, ABl. 2010, C 62/7, Rn. 57 – Ventspils Port. Dazu auch Mellwig, Infrastruktur in Häfen, S. 78 f.; Jennert/Eitner, EuZW 2013, S. 414, 416 f. 82 Kommission, Ent. v. 18.12.2009, Az. C 21/09 (ex N 105/2008, N 168/2008 and N 169/2008), Rn. 73 ff. – Port of Piraeus. 83 Kommission, Ent. v. 15.06.2011, Az. N 44/2010 – Krievu Sala Port. 84 Kommission, Ent. v. 15.06.2011, Az. N 44/2010, Rn. 63 – Krievu Sala Port. 85 Kommission, Ent. v. 15.06.2011, Az. N 44/2010, Rn. 68 – Krievu Sala Port. 86 Kommission, Ent. v. 15.06.2011, Az. N 44/2010, Rn. 65 – Krievu Sala Port. 87 Siehe etwa Kommission, Ent. v. 02.07.2013, Az. SA.35418 (2012/N), Rn. 23 ff. – Port of Piraeus (extension); Kommission, Ent. v. 19.12.2012, Az. SA. 34940 (2012/N), Rn. 44 ff. – Port of Augusta; kritisch dazu Wilson, EStAL 2014, S. 24, 25. Siehe aber auch etwa Kommission, Ent. v. 19.06.2013, Az. SA.35738 (2012/N), Rn. 39 ff. – Katakolo Port, wo die Finanzierung eines Gebäudes für Passkontrollen ausgenommen wurde. 81

138

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

cc) Zusammenfassung Die uneinheitliche Entscheidungspraxis bezüglich der Einordnung des See­ hafenbetriebs als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Beihilfenrechts zeigt, dass die Kommission trotz der seit den frühen 2000er Jahren vielfach betonten Neuaus­ richtung der Beihilfenkontrolle im Infrastrukturbereich noch in vielen Details un­ entschlossen ist. Auch wenn die jüngste Entwicklung darauf hindeutet, dass die Kommission infolge der Rechtsprechung zum Flughafen Leipzig/Halle grund­ sätzlich auch die mitgliedstaatliche Förderung anderer Infrastrukturarten verstärkt einer beihilfenrechtlichen Überprüfung zu unterziehen gedenkt, bleiben im Ha­ fenbereich eine Reihe von zuvor aufgeworfenen Abgrenzungsfragen noch unent­ schieden. Es bleibt abzuwarten, ob die Kommission ihre erneute Ankündigung tatsächlich in die Praxis umsetzen wird, mittels Leitlinien hier eine stärkere Ver­ einheitlichung der Rechtspraxis herbeizuführen, nunmehr nahezu 20 Jahre nach­ dem deren Veröffentlichung erstmals im Gespräch war. c) Die Entwicklung der Kommissionpraxis bei anderen Infrastrukturarten aa) Beispiele aus der Entscheidungspraxis Parallel zur Entwicklung auf dem Gebiet von Flughafenbetreibern seit den spä­ ten 1990er Jahren und verstärkt nach dem Erlass der Luftverkehrs-Leitlinien 2005 begann die Kommission damit, die mitgliedstaatliche Förderung der Errichtung und des Betriebs weiterer Infrastrukturarten im Lichte der beihilfenrechtlichen Vorschriften zu überprüfen. In einer Reihe von Entscheidungen wurde der Betrieb von verschiedenen Infrastrukturen als wirtschaftliche Tätigkeit eingestuft. Durch das Urteil des Gerichts in der Rechtssache Flughafen Leipzig-Halle in dieser Li­ nie bestärkt, kündigte die Generaldirektion Wettbewerb in einem Vermerk für die Generaldirektion Regionalpolitik im März 2011 an, die beihilfenrechtliche Über­ prüfung auf alle kommerziell genutzten Infrastrukturen auszuweiten88. Auch wenn es sich bei diesem Schreiben nur um ein internes Dokument der Kommission han­ delt, wird seine Bedeutung schon daran deutlich, dass sie es zur Information an die Mitgliedstaaten weiterleitete89. Aus dem Bereich der Versorgungsinfrastrukturen ordnete die Kommission in den vergangenen Jahren den Betrieb von Stromnetzen90, Gasnetzen91 und Nahwär­ 88

Kommission, Note to DG Regio 2011. So auch Maier/Dietz, Concurrences 3–2013, S. 3. 90 Kommission, Ent. v. 13.07.2009, Az. N 55/2009, Rn. 23 ff. – Electricity Connection Net­ works Poland. 91 Kommission, Ent. v. 17.12.2010, Az. N 629/2009, Rn. 35 f. – Electricity and Natural Gas Networks Romania. 89

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

139

menetzen92 als wirtschaftliches Handeln ein. Ferner stellte sie dies auch für den Betrieb von Telekommunikationsnetzen und Breitband-Internetnetzen93 fest. Glei­ ches gilt auch für Abfallentsorgungs-Infrastrukturen wie Mülldeponien, Sortier­ anlagen und Kompostierwerke94. Aus dem Bereich der Kultur- und Freizeitinfrastrukturen nahm die Kommission eine unternehmerische Tätigkeit an beim Betrieb von Freizeitinfrastrukturen etwa von Schwimmbädern95, Sportstadien96 und Freizeitparks97. Darüber hinaus fol­ gerte sie dies auch bei der Untersuchung von Museen98 und Kinos99. bb) Besonderheiten bei der Förderung von Straßenund Eisenbahnschieneninfrastrukturen Zurückhaltender zeigte sie sich bislang im Bereich der Eisenbahnschienen- und Straßenverkehrsinfrastrukturen. Derzeit gibt es in diesen Bereichen noch keine von der Union angestoßene weitreichende Liberalisierungsentwicklung wie bei ande­ ren Infrastrukturarten, so dass die Mitgliedstaaten weiterhin eigenständig darüber entscheiden können, ob sie Eisenbahnschienen und Straßen unmittelbar selbst (ge­ gebenenfalls auch als staatliches Monopol), durch öffentliche Unternehmen oder privatwirtschaftlich betreiben lassen wollen100. In der Entscheidung CIE/Irish Rail101 untersuchte die Kommission eine Garan­ tieerklärung des irischen Staates zugunsten eines Eisenbahninfrastrukturunter­ nehmens, das vollständig in öffentlichem Eigentum stand und das die mittels der Garantieerklärung gesicherten, auf dem freien Markt bezogenen Kredite aus­ schließlich für Investitionen in Infrastrukturen nutzen durfte. Im Ergebnis ordnete die Kommission den Eisenbahninfrastrukturbetrieb nicht als unternehmerische Tä­ tigkeit, sondern als öffentliches Verwaltungshandeln ein. Sie begründete dies un­ ter anderem damit, dass dem Eisenbahninfrastrukturbetreiber vom Mitgliedstaat 92 Kommission, Ent. v. 18.06.2013, Az. SA.35674 (2012/N), Rn. 36 – District Heating War­ saw; Kommission, Ent. v. 10.09.2012, Az. SA.34642 2012/N, Rn. 30 – Greece District Heating Kozani. 93 Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 11 m. w. N. 94 Kommission, Ent. v. 09.06.2009, Az. N 390/2009 – Waste Collection Systems Latvia. 95 Zumindest in diese Richtung Kommission, Ent. v. 12.01.2001, Az. N 258/00, S. 5 – Frei­ zeitbad Dorsten. 96 Kommission, Ent. v. 02.05.2013, Az. SA.33618 Rn. 35 ff. – Uppsala Arena; Kommission, Ent. v. 20.03.2013, Az. SA.35440 (2012/N), Rn. 8 f. – Multifunktionsarena Jena. 97 Kommission, Ent. v. 17.09.2003, Az. K(2003) 3241, ABl. 2004 L 61/66, Rn. 25 – Space Park Bremen. 98 Kommission, Ent. v. 11.05.2011, Az. 32643 (2011/N) – Basque Museums; Kommission, Ent. v. 21.09.2010, Az. N 158/2010, Rn. 18 – Fußballmuseum Dortmund. 99 Vgl. Kommission, Film-Leitlinien 2013, Rn. 53. 100 Vgl. dazu Kommission, Note to DG Regio 2011, Rn. 8 f. 101 Kommission, Ent. v. 07.06.2006, Az. N 478/2004 – CIE/Irish Rail. Vgl. auch Kekelekis, EStAL 2011, S. 433, 437.

140

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

eine Reihe von Organisationsaufgaben übertragen wurde, etwa die Überwachung der planmäßige Ausführung der von der Regierung beschlossenen Infrastruktur­ investitionen und die Durchführung von Ausschreibungsverfahren102. Im Folgen­ den vermengte die Kommission allerdings auch in dieser Entscheidung – ähnlich wie schon in den Hafenfällen – die Tatbestandsmerkmale des Unternehmens sowie der Selektivität und die Betreiber- und Nutzerebene der Eisenbahninfrastruktur, indem sie ausführte, dass jedenfalls keine wirtschaftliche Aktivität des Eisenbahn­ infrastrukturbetreibers anzunehmen ist, solange die Infrastrukturen allen Nutzern zu gleichen und nicht-diskriminierenden Bedingungen offenstehen103. In den 2008 von der Kommission veröffentlichten Leitlinien für Beihilfen an Eisenbahnunternehmen werden Eisenbahninfrastrukturbetreiber ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Bestimmungen ausgenommen104. In ihrem Vermerk an die Generaldirektion Regio aus dem Jahr 2011 erklärte die Generaldirektion Wettbewerb, dass die Anwendbarkeit der Beihilfenvorschriften auf Eisenbahn­ infrastrukturbetreiber letztlich von der konkreten Organisationsform in den jewei­ ligen Mitgliedstaaten abhängen solle105. Einen ähnlichen Ansatz formulierte die Kommission in dem Dokument auch für den Betrieb von Straßen und Autobahnen. Den Eigenbetrieb dieser Infrastruktu­ ren (ohne selbständige öffentliche oder formell privatisierte Betreibereinheit) kön­ nen die Mitgliedstaaten danach im Rahmen ihrer eigenen Wirtschafts- und Ver­ kehrspolitik ausgestalten, ohne dass die Wettbewerbs- und Beihilfenvorschriften auf den Infrastrukturbetrieb Anwendung finden106. Einzige Voraussetzung ist nach der Kommissionspraxis wieder – obwohl eigentlich nicht auf Betreiberebene zu beachten – dass die Infrastrukturen allen Nutzern zu gleichen und nicht-diskrimi­ nierenden Bedingungen offenstehen107. Anders verhält es sich nach Auffassung der Kommission dagegen, wenn Pri­ vate – im Regelfall als Konzessionsnehmer – den Betrieb von Straßen oder Auto­ bahnen von den Mitgliedstaaten übernehmen. Ein gängiges Modell ist in solchen Fällen, dass der private oder gemischt öffentlich-private Betreiber mit der Errich­ tung und Instandhaltung der Straßeninfrastruktur von der öffentlichen Hand beauf­ tragt wird und im Gegenzug von den Nutzern der Straße Gebühren (Maut) verlan­ gen kann. Die Kommission hat in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass dies eine unternehmerische Tätigkeit des Straßeninfrastrukturbetreibers darstellt108.

102

Kommission, Ent. v. 07.06.2006, Az. N 478/2004, Rn. 28 ff. – CIE/Irish Rail. Kommission, Ent. v. 07.06.2006, Az. N 478/2004, Rn.31 – CIE/Irish Rail. 104 Kommission, Eisenbahn-Leitlinien 2008, Rn. 23. 105 Kommission, Note to DG Regio 2011, Rn. 9. 106 Kommission, Note to DG Regio 2011, Rn. 8. 107 Ebd. 108 Siehe Kommission, Ent. v. 15.06.2006, Az. N 149/2006, Rn. 29 ff. – M3 Clonee to North of Kells; ferner Kommission, Ent. v. 02.12.2009, Az. N 462/2009, Rn. 25 ff. – A2 Motorway Poland. Vgl. auch Kommission, Note to DG Regio 2011, Rn. 8. 103

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

141

cc) Weitere Ausnahmen Darüber hinaus benennt die Generaldirektion Wettbewerb in ihrem Vermerk zwei wichtige Ausnahmen von der Einordnung eines Infrastrukturbetreibers als Unternehmen: Erstens nimmt sie keine wirtschaftliche Tätigkeit des Infrastrukturbetreibers an, wenn dieser seine Infrastrukturen nicht wirtschaftlich verwertet, also Nutzern ge­ gen Entgelt zur Verfügung stellt. Als Beispiele führt die Kommission hier öffent­ liche, nicht kommerziell betriebene und für alle potentiellen Nutzer offene Parks und Kinderspielplätze an109. Zweitens soll der Anwendungsbereich der Beihilfenkontrolle weiterhin bei al­ len Infrastrukturarten nicht eröffnet sein, soweit es sich um die mitgliedstaat­ liche Förderung einer hoheitlichen Aufgabe handelt. Hier nennt die Kommission, unter Bezugnahme unter anderem auf die Eurocontrol-Entscheidung110 des Ge­ richtshofs, beispielhaft: „Schutz-, Sicherheits-, Polizei- und Zollmaßnahmen, die Überwachung des Luftraums, Brandschutz, Wetterdiensttätigkeit und Luftverkehrskontrolle.“111 Dieser Aspekt wird im Folgenden noch ausführlich diskutiert112. d) Zusammenfassung Die Kommissionspraxis bei der Einordnung des Infrastrukturbetriebs als wirt­ schaftliche Tätigkeit im Sinne des Beihilfenrechts hat in den vergangenen 20 Jah­ ren eine nahezu vollständige Wendung erfahren. Nahm die Kommission noch bis in die späten 1990er Jahre an, dass Infrastrukturbetreiber generell von der Beihil­ fenkontrolle ausgenommen sind, folgt aus ihrer jüngsten Veröffentlichungs- und Entscheidungspraxis, dass sie den kommerziellen Infrastrukturbetrieb nunmehr im Regelfall als unternehmerische Betätigung bewertet. Die Entwicklung der Rechtspraxis verlief dabei in kleinen Schritten und von einzelnen Infrastrukturarten ausgehend, vor allem dem Flughafensektor. Inhalt­ lich verfolgte die Kommission – wie besonders deutlich am Bereich der Seehafen­ infrastrukturen gezeigt – keineswegs eine immer eine gänzlich konsistente Linie. Insgesamt kann die Neuausrichtung der Kommissionspraxis nur vor dem Hin­ tergrund der wirtschaftlichen Entwicklung der Infrastrukturen verstanden werden. Bis in die 1990er Jahre standen bei der Errichtung von Infrastrukturen und der Or­ ganisation des Infrastrukturbetriebs vor allem planerische und versorgungspoliti­ sche Erwägungen der Mitgliedstaaten im Vordergrund. Infrastrukturen wurden da­ 109

Kommission, Note to DG Regio 2011, Rn. 8. EuGH, Urt. v. 19.01.1994, Rs. C-364/92, Rn. 30 – SAT Fluggesellschaft/Eurocontrol. 111 Kommission, Note to DG Regio 2011, S. 4 (Zusammenfassung). 112 Siehe unten Kap. 4, A. III. 110

142

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

mit weniger selbst als wirtschaftliche Einrichtungen verstanden als vielmehr als dienende Grundlage für die produzierende Wirtschaft und die Bevölkerung ange­ sehen. Im Zuge zunehmender Liberalisierungen in verschiedenen Infrastruktur­ bereichen erkannten die Mitgliedstaaten und zunehmend auch private Akteure die wirtschaftlichen Chancen, die sich schon allein auf der Ebene des Infrastruktur­ betriebs realisieren lassen. Dies hatte zur Folge, dass neben die alten planerischen Erwägungen bei der Errichtung und dem Betrieb von Infrastrukturen zunehmend auch wirtschaftliche Interessen traten, so dass auch der Wettbewerbsschutz an Be­ deutung gewann. Infolge der Entscheidung Flughafen Leipzig/Halle des Gerichtshofs hat die Kommission nunmehr angekündigt, ihre beihilfenrechtliche Überprüfung auf die meisten Fälle mitgliedstaatlicher Finanzierung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen anzuwenden. Gleichwohl sieht sie hiervon – mutmaßlich wohl aus politischen Gründen – weiterhin Ausnahmen vor, insbesondere im Bereich der Verkehrsinfrastrukturen.

III. Der Infrastrukturbetrieb als nichtwirtschaftliches hoheitliches oder allgemeinpolitisches Handeln der Mitgliedstaaten Sowohl Literatur als auch Rechtspraxis trennen zuweilen zur Begründung einer Ausnahmestellung des Infrastruktursektors im Beihilfenrecht nicht klar die Anknüpfungspunkte einer hoheitlichen Tätigkeit der Mitgliedstaaten und des Daseinsvorsorgecharakters dieses Bereichs („dritter Bereich“113)114 beim Unter­ nehmensbegriffs sowie der Abgrenzung einer allgemeinen wirtschaftspolitischen Maßnahme von der selektiven Vorteilsgewährung bei der Prüfung der Begüns­ tigung115. Im Rahmen dieser Untersuchung werden diese Aspekte dennoch indivi­ duell diskutiert, da sie jeweils einen eigenen dogmatischen Hintergrund im Sys­ tem des Beihilfenrechts haben. Den ersten Schritt stellt eine Erörterung der Einordnung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen als hoheitliche oder allgemeinpolitische und da­ mit nicht-wirtschaftliche Maßnahme der Mitgliedstaaten dar. Dieser Ansatz stellt im Grunde genommen eine Gegenthese zur soeben erläuterten Entwicklung der Rechtspraxis der Kommission dar. 113

Dazu unten Kap. 4, A. IV. Siehe etwa das Vorbringen des ADV in EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, Rn. 33 – Flughafen Leipzig/Halle, wonach der Bau von Flughafeninfrastrukturen einen „elementaren Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge und damit eine typische hoheitliche Aufgabe dar[stellt]“. 115 So knüpfen Dolde/Porsch, ZLW 2004, S. 3, 8 an die Selektivität an, was Soltész, EStAL 2006, S. 719, 721 kritisiert; ebenfalls für eine Verortung der Diskussion im Rahmen der Be­ günstigung Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 88. 114

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

143

Die Entwicklung der Rechtspraxis von Kommission und Gerichtshof bezüglich der Überprüfung der mitgliedstaatlichen Förderung der Errichtung und des Be­ triebs von Infrastrukturen ist in der Literatur dafür kritisiert worden, dass sie über die Anwendungsgrenzen des Beihilfenrechts hinaus einen Übergriff der Union in „originär hoheitliche“ Bereiche mitgliedstaatlichen Handelns ermögliche116. Da­ nach sollen vor allem die Errichtung und der Ausbau von Infrastrukturanlagen re­ gional- und gegebenenfalls verkehrspolitische sowie planerische Aufgaben der Mitgliedstaaten darstellen, welche  – zunächst unabhängig von einer möglicher­ weise anderen Bewertung des Infrastrukturbetriebs – keiner beihilfenrechtlichen Kontrolle unterliegen117. Diese Argumentationslinie wurde auch von einem der Unterstützer der mitgliedstaatlichen Stelle im Verfahren Flughafen Leipzig/Halle vor dem Gericht aufgegriffen118. Hoheitliches Handeln der Mitgliedstaaten stellt keine wirtschaftliche Betätigung dar und unterfällt deshalb nicht dem Unternehmensbegriff des Europäischen Kar­ tell- und Beihilfenrechts. Darin spiegeln sich letztlich die Grenzen der beschränk­ ten Einzelermächtigung der Union wider. Kernbereiche der mitgliedstaatlichen Souveränität sollen jenseits einer konkreten Kompetenzzuweisung von einer Ein­ flussnahme der Union über die Wettbewerbsregeln ausgenommen bleiben, so dass diese sich nicht darüber zusätzliche Sachkompetenzen erschließen kann119. Obgleich in diesem Grundsatz nahezu unumstrittene Einigkeit in Literatur und Rechtsprechung besteht, erweist sich die Folgefrage dennoch als äußerst proble­ matisch, was im Einzelfall unter den konturlosen Begriff eines hoheitlichen Handelns der Mitgliedsstaaten einzuordnen sein soll. Auf dem ersten Blick handelt es sich dabei um keine spezifische Besonderheit des europäischen Rechts. Vielmehr erkennt man, dass die Kehrseite dieser Abgrenzung innerhalb der einzelnen Mit­ gliedstaaten die Frage der Aufgabenverteilung zwischen Staat und Gesellschaft be­ trifft, welche einen jahrhundertealten Gegenstand verschiedenster philosophischer wie auch staats- und rechtswissenschaftlicher Untersuchungen darstellt120. Schwierigkeiten in der praktischen Rechtsanwendung ergeben sich daraus, dass ein einheitlicher Maßstab für die Bestimmung dieser die Staatlichkeit begrün­ denden Aufgaben der Mitgliedstaaten fehlt. Gerade in den im Infrastruktursektor 116

Fouqué/Riedel/Guarrata, Der Energieblog (Becker Büttner Held)  v. 01.02.2013, abruf­ bar unter: http://www.derenergieblog.de/alle-themen/uncategorized/warum-der-flughafenbaukein-fall-fur-die-beihilfeaufsicht-ist/ [Stand: 27.09.2014]. 117 Vgl. Soltész, EStAL 2006, S.  719, 723; Soltész/Hildebrandt, in: Scholz/Moench, Flug­ häfen in Wachstum und Wettbewerb, S. 82, 88 ff.; ähnlich Dolde/Porsch, ZLW 2004, S. 3, 9 f., allerdings unter Anknüpfung an das Merkmal der Selektivität. Dargestellt auch bei Arhold, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 215. 118 EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08, Rn. 85 – Flughafen Leipzig/Halle. 119 Vgl. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 356. 120 Vgl. Bull, Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S.  3 ff.; Häberle, AöR 1986, S.  595, 600. Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, S. 23 weist auf Einflüsse aus Politikwissen­ schaft, Soziologie, Nationalökonomie und Theologie auf diese Diskussion hin.

144

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

vorzufindenden Grenzfällen zwischen hoheitlicher staatlicher Betätigung und privatwirtschaftlichem Handeln der öffentlichen Hand bedarf es jedoch klarer Abgrenzungskriterien, um einerseits die Wahrung der Kompetenzordnung zu gewährleisten, andererseits jedoch eine effektive Durchsetzung der wettbewerbs­ rechtlichen Vorschriften zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden zunächst auf Grundlage eines Ver­ gleichs mit anderen Regelungsbereichen in den europäischen Verträgen sowie auf Basis der mitgliedstaatlichen Verfassungen und allgemeiner Staatsaufgabentheorien nach einer Möglichkeit zur Bestimmung hoheitlicher mitgliedstaatlicher Aufgaben gesucht werden. Daraufhin werden die wichtigsten in Rechtspraxis und Wissenschaft entwickel­ ten Abgrenzungsmöglichkeiten skizziert. Schließlich soll ein daraus entwickeltes einheitliches Konzept kritisch auf seine praktische Anwendbarkeit im Infrastruk­ tursektor überprüft werden. 1. Abgrenzungsansätze von hoheitlichem und wirtschaftlichem Handeln auf Grundlage anderer Regelungsmaterien der Europäischen Verträge sowie auf Basis der mitgliedstaatlichen Verfassungen und meta-verfassungsrechtlicher Theorien a) Erster möglicher Anknüpfungspunkt: Begriff der „öffentlichen Verwaltung“ im Kontext der Grundfreiheiten aa) Art. 45 Abs. 4 AEUV und Art. 51 AEUV Die mitunter schwierige Abgrenzung zwischen wirtschaftlicher und hoheitlicher Betätigung der Mitgliedstaaten ist auch über das europäische Kartell- und Beihil­ fenrecht hinaus in verschiedenen Zusammenhängen in den Europäischen Verträ­ gen von Bedeutung. Hervorzuheben sind hier insbesondere spezifische Einschrän­ ken bei der Anwendbarkeit der Europäischen Grundfreiheiten, namentlich die in Art.  45 Abs.  4 AEUV normierte Bereichsausnahme von der der Arbeitnehmer­ freizügigkeit für Tätigkeiten in der „öffentlichen Verwaltung“ sowie die in Art. 51 AEUV festgelegte Beschränkung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit für „Tätigkeiten, die (…) mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind“. Dennoch fehlt auch in diesen Zusammenhängen sowohl im europäischen Pri­ mär- wie auch im Sekundärrecht bislang eine positivrechtliche Einordnung, wel­ che Bereiche mitgliedstaatlichen Handelns als diesen vorbehaltene „hoheitliche“ bzw. „öffentliche“ Tätigkeit anzusehen sind121. Beachtlich erscheint dies gerade vor dem Hintergrund, dass mit Art. 51 S. 2 AEUV eine Ermächtigung der Union ge­ 121

Vgl. Jennert, WuW 2004, S. 37 m. w. N.

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

145

schaffen wurde, nach der das Europäische Parlament und der Rat im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beschließen können, auf welche Betätigungen der Mit­ gliedstaaten die Vorschriften der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit keine Anwendung finden sollen. Von einem derartigen Rechtsakt könnte zumindest eine Indizwirkung für die Auslegung des wettbewerbsrechtlichen Unternehmensbegriffs ausgehen. Bislang wurde von dieser Ermächtigung jedoch kein Gebrauch gemacht. Als Begründung für das Ausbleiben einer derartigen Regelung lassen sich vor allem rechtspoliti­ sche Erwägungen anführen. Die Bestimmung des Art. 51 S. 2 AEUV hat in der Li­ teratur weitreichende Kritik erfahren. Dadurch, dass sie keinerlei materiellen Vor­ aussetzungen für den Erlass eines Rechtsakts statuiert, mit dem die Anwendbarkeit von Vertragsvorschriften außer Kraft gesetzt werden würde, stellt die Norm einen Fremdkörper in der Systematik des AEUV dar122. Vor dem Hintergrund der über­ ragenden Bedeutung des Binnenmarktprojekts soll die Vorschrift deshalb nach gängiger Auffassung in der Literatur zumindest eng auszulegen sein123, teilweise werden sogar weitergehende Tatbestandsrestriktionen gefordert124. Aufgrund die­ ser Unklarheiten bei den Anwendungsvoraussetzungen wird angenommen, dass die Bestimmung auch in absehbarer Zukunft keine praktische Relevanz erlangen wird125. Damit ist ein Rückgriff auf sie für die Auslegung des Beihilfenrechts we­ nig ergiebig. bb) Spezifische Schwierigkeiten einer Legaldefinition aufgrund des funktionalen Unternehmensbegriffs im Beihilfenrecht Darüber hinaus würde eine eingrenzende Legaldefinition von „hoheitlichen“ Bereichen der mitgliedstaatlichen Betätigung aber auch mit dem von der Recht­ sprechung entwickelten funktionalen wettbewerbsrechtlichen Unternehmens­ begriffs nur schwer in Einklang zu bringen sein. Eine einheitliche Bestimmung der hoheitlichen Aufgaben der Mitgliedstaaten erscheint kaum denkbar, ohne dass da­ bei zumindest in Teilen eine Verschiebung hin zu einer institutionellen Eingren­ zung des Unternehmensbegriffs kommen würde126. Gerade vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Ausgestaltung staatlicher Betätigungen in den einzelnen 122

Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 51 AEUV Rn. 24; Roth, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, Kap. E I Rn. 40. 123 Bröhme, in: Calliess/Ruffert, Art. 51 AEUV Rn. 7; Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 51 AEUV Rn. 24. 124 Roth, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, Kap. E I Rn. 40: „überragend wichtige Gründe“ seien für den Beschluss erforderlich. 125 Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 51 AEUV Rn. 24. 126 Auch im Rahmen des Art. 45 Abs. 4 hat der EuGH eine institutionelle Auslegung des Be­ griffs der „öffentlichen Verwaltung“ abgelehnt, vgl. EuGH, Urt. v. 02.07.1996, Rs. C-473/93, Rn.  25 ff.  – Kommission/Luxemburg und Brechmann, in: Calliess/Ruffert, Art.  45 AEUV Rn. 107.

146

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Mitgliedstaaten könnte dies zu Ungleichbehandlungen führen. Des Weiteren be­ stünde die Gefahr, dass die Mitgliedstaaten durch eine entsprechende Organisation ihrer Staatsstrukturen selbst die Reichweite der Anwendung des Gemeinschafts­ rechts beeinflussen könnten127. Schließlich könnten Fälle einer Doppelbetätigung einzelner staatlicher Stellen, die in bestimmten Funktionen als hoheitliche Ak­ teure, in anderen Zusammenhängen aber als auch als am Markt tätige Subjekte tä­ tig würden, nur schwer mit einer einheitlichen Normierung zu fassen sein. Eine zu starre Regelung würde dabei die effektive Durchsetzung des europäischen Rechts erheblich erschweren, während eine offenere Definition zum einen Gefahr liefe, sich in Detailbestimmungen zu verlaufen, zum anderen aber auch kaum die gerade bezweckte Erhöhung der Rechtssicherheit mit sich bringen würde. Beachtet man diese Schwierigkeiten, so wird ersichtlich, warum die Union trotz des zweifelsohne bestehenden Interesses der Mitgliedstaaten an einer klare­ ren Umreißung der in ihrer alleinigen Kompetenz verbleibenden Bereiche hoheit­ lichen Tätigwerdens auf diesem Gebiet bislang nicht rechtsetzend tätig geworden ist. b) Zweiter möglicher Anknüpfungspunkt: Herleitung hoheitlicher Aufgaben aus den Verfassungen der Mitgliedstaaten Beim wettbewerbsrechtlichen Unternehmensbegriff des AEUV handelt es sich um einen Rechtsterminus, der nach dem Grundsatz der kohärenten Anwendung des Gemeinschaftsrechts allein gemeinschaftsrechtlich zu bestimmen ist128. Ein Rückgriff auf einzelne nationalrechtliche Bestimmungen zur Auslegung ist damit verwehrt, unabhängig davon, ob ähnliche Abgrenzungen zwischen hoheitlicher und wirtschaftlicher Tätigkeit innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten im ein­ fachen Recht oder in den Verfassungen normiert sind. Als denkbarer Anknüpfungspunkt kommen dagegen allgemeinere, den mit­ gliedstaatlichen Verfassungen gemeinsame Grundsätze zur Feststellung genuin staatlichen Aufgabenbereiche in Betracht129. Auf der Basis von historischen und empirischen Untersuchungen der Verfassungstexte lassen sich Ähnlichkeiten bei der Aufgabenverteilung zwischen Staat und Gesellschaft herausarbeiten, die als Auslegungshilfe für den gemeinschaftsrechtlichen Unternehmensbegriff heran­ gezogen werden könnten130. In systematischer Hinsicht zeigt dieser Ansatz eine Ähnlichkeit zur Herleitung der Gemeinschaftsgrundrechte aus den „Verfassungs-

127 Siehe auch Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 354, mit Bezug auf Art. 45 Abs. 4 AEUV, Art. 51 AEUV. 128 Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 353. 129 Siehe zu einer solchen Methodik auch Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 157 f.; kritisch Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 53. 130 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 157.

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

147

überlieferungen der Mitgliedstaaten“ (Art.  6 Abs.  3 EUV), also aus einem die Wertungen der einzelnen Verfassung übergreifenden Zusammenhang131. Problematisch an dieser Herangehensweise ist jedoch wiederum ihre man­ gelnde Praktikabilität in der tatsächlichen Rechtsanwendung. Vor dem Hinter­ grund des Erfordernisses einer effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts müsste die Bestimmung gemeinsamer staatlicher Aufgabenzuweisungen in den nationalen Verfassungen eng gehalten werden. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass die Auslegung des gemeinschaftsrechtlichen Unternehmensbegriffes zur Dis­ position der Mitgliedstaaten stünde, die durch konzertierte Verfassungsänderun­ gen neue hoheitliche Aufgaben festlegen und so der Kontrolle des Europäischen Wettbewerbsrechts entziehen könnten. Folgte man nun aber einer solchen engen Herangehensweise, so bliebe der Erkenntnisgewinn gering. Als allgemeiner Kon­ sens könnte kaum mehr festgehalten werden, als dass die legislative (parlamentari­ sche) Gestaltung der Rechtsordnung und ihre Durchsetzung durch Regierung und Verwaltung bei Gewährleistung eines Mindestmaßes an judikativen Rechtsschutz­ möglichkeiten als hoheitliche nationalstaatliche Aufgaben zu betrachten sind. Ge­ rade für die schwierigen Abgrenzungsfragen im Bereich der Leistungsverwaltung können derartig allgemeine Feststellungen kaum eine Auslegungshilfe darstel­ len132. Damit ist auch eine Anknüpfung an den übergreifenden Kontext der mit­ gliedstaatlichen Verfassungen für die hier zu prüfende Abgrenzung zu verwerfen. c) Dritter möglicher Anknüpfungspunkt: Herleitung hoheitlicher Aufgaben aus meta-verfassungsrechtlichen Theorien Als weiterer Anknüpfungspunkt für eine Bestimmung hoheitlicher Staatsaufgaben kommen allgemeinere, auf einer meta-verfassungsrechtlichen Ebene aufbauende Theorien in Betracht133. aa) Die „Aufgabentheorie“ Nach der sogenannten „Aufgabentheorie“ soll es materiell feststellbare hoheit­ liche Aufgaben geben, die „originär“ dem Staat zugeordnet sein sollen134. Schon bei der Frage, welche konkreten Bereiche darunter fallen, zeigen sich die Wertun­ 131

Dazu Schorkopf in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 6 EUV, Rn. 50 ff. So auch Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 159, der im Ergebnis dennoch betont, dass „an der Verfassung als alleiniger normativer Grundlage zur Begründung staatlicher Verantwortung für einen konkreten Sachbereich kein Weg vorbeiführt“. 133 Ausführlich und m. w. N. dazu Kämmerer, Privatisierung, S. 157 ff. 134 Begriff nach Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten, S. 60 f.; aufgegriffen bei Kämmerer, Privatisierung, S. 158. In diese Richtung auch Krüger, Staatslehre, S. 760; aus jüngerer Zeit Burgi, Funktionale Privatisierung, S. 43 ff. und Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 53. Vgl. ferner Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnahmen, S. 211. 132

148

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

gen der Vertreter dieses Konzepts allerdings als uneinheitlich135. Unabhängig da­ von, inwieweit sich die einzelnen Begründungen der Zuordnung bestimmter Be­ reiche als „Kernaufgaben“ staatlichen Handelns bei kritischer Überprüfung als überzeugend erweisen, fehlt der „Aufgabentheorie“ damit jedenfalls ein über all­ gemeine Feststellungen hinausgehendes Maß an generell anerkannten Abstrakti­ onsmerkmalen, das sich in der praktischen Abgrenzungsprüfung fruchtbar machen ließe. Als Ergebnis verbleibt damit ein Bündel von Einzelauffassungen verschiede­ ner Vertreter dieser Theorie, die sich jedoch kaum generalisierend auf andere Pro­ blemfälle übertragen lassen136. bb) Die „Befugnistheorie“ Das Bestehen spezifisch bestimmbarer materieller staatlicher „Kernaufgaben“ wird dagegen von Vertretern der sogenannten „Befugnistheorie“ grundsätzlich abgelehnt137. Nach dieser Auffassung kann es keine über-verfassungsrechtliche Ebene zur Bestimmung genuin staatlicher Verantwortungsbereiche geben138. So­ weit auch darin Einigkeit besteht, fehlt Vertretern dieses Ansatzes gleichwohl ins­ gesamt eine Antwort auf die Frage nach den sich daraus ergebenden praktischen Folgerungen für die Einordnung staatlichen Handelns als hoheitliches Tätigwer­ den139. Als grundsätzliche Idee lässt sich insoweit allenfalls festhalten, dass das Verhältnis von Staat und Gesellschaft als sich in einem stetigen Wandel befindend begriffen wird, so dass eine konkrete Zuordnung einer Tätigkeit zum hoheitlichen Bereich staatlichen Handelns jedenfalls nur zu einem konkreten Zeitpunkt und in einem konkreten Zusammenhang erfolgen kann140. Die „Befugnistheorie“ unter­ streicht damit in Abkehr von einem statischen staatlichen Aufgabenverständnis die Dynamik staatlicher und gesellschaftlicher Entwicklung und stellt klar, dass staat­ liche Aufgaben weder dauerhaft als solche anzusehen sein müssen noch exklusiv auf einzelne Handlungsbereiche beschränkt sind. Die Stärke eines solchen Ansatzes zeigt sich darin, dass er keine starren Ab­ grenzungsvorgaben mit sich zu bringt und damit eine konkrete Interessenabwä­ gung im Einzelfall vor dem Hintergrund zeitgemäßer Auffassungen von staatlicher Aufgabenverantwortung ermöglicht. Dennoch kann dies nicht darüber hinweg­ täuschen, dass es sich bei der „Befugnistheorie“ um ein schwerpunktmäßig de­ skriptives Modell handelt, das weitere greifbare Anhaltspunkte benötigt, um in der 135

Siehe hierzu die kritische Darstellung bei Kämmerer, Privatisierung, S. 158 ff. etwa zur Einordnung von Straßen und Eisenbahnen. 136 So auch Baumann, Private Luftfahrtverwaltung, S. 42 f.; Kämmerer, Privatisierung, S. 161. 137 Dazu Bull, Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S.  99 ff.; Krautzberger, Erfüllung durch Private, S. 51 ff. Vgl. auch Kämmerer, Privatisierung, S. 161 ff. 138 Kämmerer, Privatisierung, S. 162 m. w. N. 139 Siehe dazu nur Kämmerer, Privatisierung, S. 163 m. w. N. 140 Kämmerer, Privatisierung, S.  163 ff. Kämmerer, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 406 bezeichnet sie als „metamorph“.

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

149

Rechtspraxis ausgefüllt werden zu können. Es erweist sich insoweit eher als all­ gemeine theoretische Überlegung denn als konkretes Prüfungsinstrument. Als Folgeschritt in der Praxis bleibt wiederum etwa eine Anknüpfung an die Texte der mitgliedstaatlichen Verfassungen denkbar. Damit ergäben sich aller­ dings ein weiteres Mal die zuvor erläuterten Schwierigkeiten141 einer möglichen Einflussnahme der Mitgliedstaaten auf die Auslegung des Europäischen Wett­ bewerbsrechts. Eine solche Folgeüberlegung würde damit kaum einen praktischen Fortschritt mit sich bringen und zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage der Abgrenzung von hoheitlichem und nicht-hoheitlichem staatlichem Handeln nicht weiterhelfen. cc) Zusammenfassung Insgesamt erweisen sich die allgemeinen, dem Verfassungsrecht vorgelager­ ten Theoriemodelle der „Aufgabentheorie“ und der „Befugnistheorie“ für die Be­ stimmung hoheitlicher Aufgaben im europäischen Recht als konturenlos. Während Erstere weitgehend unbestimmt bleibt, reicht die praktische Bedeutung Letzterer über einen begrenzten theoretischen Erkenntnisgewinn zur Berücksichtigung der Dynamik der Entwicklung des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft bei der Bestimmung hoheitlichen staatlichen Handelns kaum hinaus. d) Zusammenfassung Zur Bestimmung hoheitlicher Aufgaben der Mitgliedstaaten in Abgrenzung zu wettbewerbsrechtlich relevanten wirtschaftlichen Betätigungen findet sich kein Anknüpfungspunkt in den Europäischen Verträgen. Ein Vergleich mit den Ausnah­ mebestimmungen zu den Grundfreiheiten ist nicht ergiebig, da es auch in diesem Bereich an einem klaren Abgrenzungskonzept fehlt. Ein Rückgriff auf die mitgliedstaatlichen Verfassungen respektive noch näher zu bestimmenden gemeinsamen Verfassungsgrundsätzen taugt ebenso wenig zur Bestimmung hoheitlicher Aufgaben der Mitgliedstaaten. Bei der Orientierung an diesem Konzept bestünde vor allem die Gefahr, dass die Anwendbarkeit der Euro­ päischen Wettbewerbsregeln zur Disposition der politischen Entscheidungsträger in den Mitgliedstaaten gestellt werden könnte. Schließlich können auch theoretische Ansätze zur Feststellung hoheitlicher Tä­ tigkeiten der Mitgliedstaaten nach meta-verfassungsrechtlichen Grundsätzen im wettbewerbsrechtlichen Kontext nicht überzeugen. Diese erweisen sich als un­ scharf und sind kaum in der praktischen Rechtsanwendung fruchtbar zu machen. 141

Siehe oben Kap. 4, A. III.1. b).

150

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

2. Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Bestimmung hoheitlicher Tätigkeiten Nachdem nunmehr festgestellt wurde, dass eine rechtssichere Bestimmung der hoheitlichen Aufgaben der Mitgliedstaaten weder aus bestehenden europäischen Rechtsnormen, noch aus den nationalrechtlichen Verfassungsüberlieferungen oder meta-verfassungsrechtlichen Theorien hergeleitet werden kann, soll der Fokus der Betrachtung auf die praktische Rechtsanwendung durch die europäischen Gerichte gelegt werden. Der Gerichtshof hat sich in mehreren Entscheidungen mit dem wettbewerbs­ rechtlichen Unternehmensbegriff und der Abgrenzung von wirtschaftlicher und hoheitlicher Tätigkeit der Mitgliedstaaten auseinandersetzen müssen. Die Rich­ ter haben in den jeweiligen Einzelfällen im Laufe der Zeit unterschiedliche An­ sätze für die Bestimmung hoheitlicher Aufgabenbereiche der Mitgliedstaaten entwickelt. Die verschiedenen Modelle sind dabei weniger im Sinne einer sich wandelnden Rechtsprechung zu betrachten, als vielmehr parallel nebeneinander­ stehende Konzepte, welche sich zur Bewertung der jeweils einschlägigen Fälle an­ geboten haben. Die folgende Darstellung soll sich auf eine kurze Erläuterung der wichtigsten von der Rechtsprechung entwickelten Ansätze beschränken142. a) Die Vergleichsmethode der Rechtssache Höfner und Elser In der Entscheidung Höfner und Elser143 musste der Gerichtshof erörtern, inwie­ weit das damalige der Bundesanstalt für Arbeit übertragene Monopol der Arbeits­ kräftevermittlung in Deutschland mit den Art. 102 AEUV und Art. 106 AEUV ver­ einbar war. Zentrales Problem des Falls war, ob die Bundesanstalt für Arbeit ein Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts darstellte. Dafür hatte der Gerichtshof zunächst zu prüfen, inwieweit die Arbeitsvermitt­ lung als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen war. Zur Beurteilung dieser Frage zo­ gen die Richter den Vergleich heran, ob die zu untersuchende staatliche Tätigkeit auch von Privaten erbracht werden könnte. Die bloße Übertragung der Aufgabe an eine öffentlich-rechtliche Stelle war nach Auffassung des Gerichtshofs kein ent­ scheidendes Kriterium für diese Einordnung. Unabhängig davon werde die Ar­ beitskräftevermittlung nämlich grundsätzlich nicht ausschließlich von staatlichen Stellen ausgeübt und könne ebenso von Privaten erbracht werden144. Obgleich der Gerichtshof in einer Reihe von Folgeentscheidungen auf diese Vergleichsmethode zur Abgrenzung von wirtschaftlicher und hoheitlicher Tätig­

142

Ausführlich Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit, S. 45 ff. EuGH, Urt. v. 23.04.1991, Rs. C-41/90 – Höfner und Elser. 144 EuGH, Urt. v. 23.04.1991, Rs. C-41/90, Rn. 25 – Höfner und Elser. 143

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

151

keit zurückgriff145, erweist sich diese als wenig geeignet zur Beurteilung schwieri­ gerer Abgrenzungsfälle. Problematisch ist nämlich, dass es kaum möglich ist, fest­ zustellen, welche Tätigkeit nicht von einem Privaten erbracht werden könnte. Die Rechtsprechung stellte dafür bislang keine greifbaren Kriterien auf. Nicht zu Un­ recht verwies der Generalanwalt Maduro in seinen Schlussanträgen zur Rechts­ sache FENIN deshalb darauf, dass es selbst für die nahezu unstreitig als staatliche Aufgabe angesehene Landesverteidigung historische Beispiele gab, in denen diese auf Private übertragen wurde146. Für die praktische Anwendung ist die Vergleichs­ methode damit als nahezu wertlos anzusehen147. b) Die positive Definition der wirtschaftlichen Tätigkeit in den Rechtssachen Zollspediteure, Pavlov und Wouters Nach der jüngeren positiven Definition des Gerichtshofs soll „eine wirtschaftliche Tätigkeit jede Tätigkeit [sein], die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten“148. Im Gegensatz zur Vergleichsmethode der Entscheidung Höfner und Elser kommt es bei dieser Definition nicht darauf an, ob eine Tätigkeit theoretisch von Privaten ausgeübt werden könnte, sondern dass sie tatsächlich unter Marktbedingungen erbracht wird149. Anhaltspunkte dafür sind die Entgeltlichkeit der Tätigkeit, ihre Ausrichtung an einem Leistungs- und Gegen­ leistungsverhältnis und die Übernahme eines finanziellen Risikos durch den Leis­ tungserbringer150. Die Orientierung am tatsächlichen Bestehen eines Marktes für eine konkrete Leistung stellt in der bisherigen Rechtsprechung zur Definition einer wirtschaft­ lichen Tätigkeit im Rahmen des Wettbewerbsrechts den greifbarsten Ansatz dar. Trotzdem bleiben auch hier die Details der Abgrenzung zu einer hoheitlichen mit­ gliedstaatlichen Tätigkeit unpräzise151. So besteht etwa im Bereich der Sicherheits­ leistungen durchaus ein Markt, der sich etwa im Angebot privater Unternehmen zeigt, Aufgaben wie die Überwachung von Fabrikgeländen, Baustellen oder Groß­ veranstaltungen gegen Entgelt zu übernehmen. Trotzdem bleibt auch nach An­ sicht von Vertretern dieses Lösungsansatzes die polizeiliche Tätigkeit eine typische 145

Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 24.10.2002, Rs. C-82/01 P, Rn. 79 – Aéroports de Paris; EuGH, Urt. v. 25.10.2001, Rs. C-475/99, Rn. 20 – Ambulanz Glöckner. 146 Generalanwalt Poiares Maduro, Schlussanträge v. 10.11.2005, Rs. C-C02/03, Rn. 12 – FENIN. Vgl. auch Bührle, Gründe und Grenzen des „EG-Beihilfenverbots“, S. 79. 147 So auch Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit, S. 66 ff. 148 EuGH, Urt. v. 12.09.2000, Rs. C-180/98 bis C-184/98, Rn.  75  – Pavlov; EuGH, Urt. v. 18.06.1998, Rs. C-35/96, Rn.  36  – Zollspediteure. Siehe auch EuG, Urt. v. 16.07.2014, Rs. T-309/12, Rn. 70 – Zweckverband Tierkörperbeseitigung. 149 Vgl. auch Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit, S. 64. 150 EuGH, Urt. v. 19.02.2002, Rs. C-309/99, Rn. 48 – Wouters; EuGH, Urt. v. 18.06.1998, Rs. C-35/96, Rn. 37 – Zollspediteure. 151 Siehe auch Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit, S. 64.

152

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

hoheitliche Staatsaufgabe. Wo aber nun die genauen Grenzen zwischen der Markt­ tätigkeit Sicherheitsdienstleistungen und der hoheitlichen Aufgabe Polizei verlau­ fen soll, kann anhand verallgemeinernder Kriterien wie dem Erfordernis der Ent­ geltlichkeit einer Leistung kaum erfasst werden. c) Die Bestimmung hoheitlicher Tätigkeiten nach der Entscheidung Eurocontrol In der Rechtssache Eurocontrol152 wandte sich ein Luftfahrtunternehmen gegen die von der Luftaufsichtsorganisation Eurocontrol geforderten Streckengebühren unter dem Verweis darauf, dass Eurocontrol seine marktbeherrschende Stellung missbrauchte. Bei der Eurocontrol handelt es sich um eine auf Grundlage eines völ­ kerrechtlichen Vertrags gegründete europäische Institution, die das Ziel verfolgt, eine gemeinsame Zusammenarbeit im Bereich der Luftsicherung zu ermöglichen. Ihr ist zugleich die Aufgabe übertragen worden, im Auftrage der Vertragsstaaten für die Flugsicherung von diesen festgelegte Streckengebühren einzuziehen. Der Gerichtshof lehnte die Unternehmenseigenschaft der Eurocontrol und da­ mit einen Verstoß gegen Art. 102 AEUV ab153. Die Richter begründeten dies da­ mit, dass es sich bei der Flugsicherung um eine Aufgabe im öffentlichen Interesse und mithin um eine hoheitliche Tätigkeit handelte. Diese sei eng mit der Ausübung „hoheitliche[r] Vorrechte“ verbunden154. Leider ließ der Gerichtshof im Folgen­ den allerdings offen, was genau unter derartigen „hoheitliche[n] Vorrechten“ zu verstehen ist. Einen Anhaltspunkt dafür bieten jedoch die Schlussanträge des Ge­ neralanwalts Tesauro in der Entscheidung Eurocontrol155. Dieser bezog sich auf die Schlussanträge des Generalanwalts Mayras in der zur Niederlassungsfreiheit ergangenen Rechtssache Reyners156 aus dem Jahre 1974157. Generalanwalt Mayras hatte damals ausgeführt: „Die öffentliche Gewalt entspringt der staatlichen Herrschaftsmacht, dem staatlichen Im­ perium. Sie beinhaltet für denjenigen, der sie ausübt, die Möglichkeit, dem Bürger gegen­ über von Sonderrechten, Hoheitsprivilegien und Zwangsbefugnissen Gebrauch zu machen. Eine Teilhabe an der Ausübung dieser Gewalt kann nur der Staat selber vermitteln (…).“158 152

EuGH, Urt. v. 19.01.1994, Rs. C-364/92 – SAT Fluggesellschaft/Eurocontrol; dazu Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art. 106 Abs. 1 AEUV Rn. 20. 153 EuGH, Urt. v. 19.01.1994, Rs. C-364/92, Rn. 31 – SAT Fluggesellschaft/Eurocontrol. 154 EuGH, Urt. v. 19.01.1994, Rs. C-364/92, Rn. 30 – SAT Fluggesellschaft/Eurocontrol. 155 Generalanwalt Tesauro, Schlussanträge v. 10.11.1993 – SAT Fluggesellschaft/Eurocontrol. 156 EuGH, Urt. v. 21.06.1974, Rs. 2–74 – Reyners. 157 Generalanwalt Tesauro, Schlussanträge v. 10.11.1993, Rn.  9  – SAT Fluggesellschaft/ Eurocontrol. 158 Generalanwalt Mayras, Schlussanträge v. 28.04.1974, Abs. III. 1. – Reyners; dazu Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art. 106 Abs. 1 AEUV Rn. 14.

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

153

Die Anknüpfung an „Sonderrechte“ oder „Hoheitsprivilegien“ zur Bestimmung hoheitlicher Staatsaufgaben erweist sich als wenig ergiebig, wenn man bedenkt, dass es sich dabei letztlich um nichts anderes als eine tautologische Beschrei­ bung des gerade zu untersuchenden Gegenstands handelt. Es verbleibt somit die Ausübung von „Zwangsbefugnissen“ als Maßstab, um hoheitliches staatliches Tä­ tigwerden zu charakterisieren. Herzuleiten ist daraus zumindest, dass vom wett­ bewerbsrechtlichen Unternehmensbegriff typische Bereiche der Eingriffsverwal­ tung ausgeklammert werden sollen159. Generalanwalt Tesauro erläuterte in seinen Schlussanträgen für die Rechts­ sache Eurocontrol, dass im europäischen Wettbewerbsrecht jedenfalls die Felder „der allgemeinen Verwaltung und der Finanzverwaltung, der Justiz, der Sicherheit oder der Landesverteidigung“ als hoheitliche Tätigkeiten der Mitgliedstaaten zu ver­stehen sind160. Damit blieb auch er jedoch bei einer beispielhaften Aufzählung, ohne abstraktere Definitionskriterien zu entwickeln. Interessant ist an der Entscheidung Eurocontrol aber, dass der Gerichtshof ne­ ben den „hoheitliche[n] Vorrechten“ ein weiteres Kriterium heranzog, um das ho­ heitliche Tätigwerden Eurocontrols zu begründen: Die Nicht-Ausschließbarkeit eines zahlungsunwilligen Nutzers von der Luftverkehrskontrolle161. Eurocontrol war rechtlich verpflichtet, die Flugsicherung für jedes Luftfahrzeug in seinem Luft­ raum wahrzunehmen, unabhängig davon, ob der Betreiber die geschuldete Gegen­ leistung erbracht hatte oder nicht162. Über die rechtlichen Erwägungen h­ inaus be­ stand aber auch eine tatsächliche Unmöglichkeit des Leistungsausschlusses eines einzelnen Luftverkehrsteilnehmers. Die Luftsicherheit insgesamt kann nämlich nur solange gewährleistet werden, wie jedes einzelne betriebene Luftfahrzeug die Möglichkeit hat, die Leistungen der Eurocontrol in Anspruch zu nehmen. Würde auch nur ein einzelner Teilnehmer davon ausgeschlossen werden, so wäre die im Allgemeininteresse liegende Sicherheit des Luftverkehrs für alle anderen Beteilig­ ten eingeschränkt163. Im Kern handelt es sich bei diesem Abgrenzungskriterium um eine Abwendung des Gerichtshofs von einer rein normativen Bestimmung der hoheitlichen Tätig­ keit der Mitgliedstaaten hin zu einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die eine Bewertung in Anlehnung an die Theorie der öffentlichen Güter bzw. der merito­ rischen Güter vornimmt164. Da bei Leistungen mit derartigem Charakter ein alloka­ 159 Vgl. auch Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit, S. 74, die die starke Ein­ zelfallbezogenheit dieses Ansatzes kritisiert. 160 Generalanwalt Tesauro, Schlussanträge v. 10.11.1993, Rn.  9  – SAT Fluggesellschaft/ Eurocontrol. 161 EuGH, Urt. v. 19.01.1994, Rs. C-364/92, Rn.  25  – SAT Fluggesellschaft/Eurocontrol; siehe dazu Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit, S. 74 ff. 162 EuGH, Urt. v. 19.01.1994, Rs. C-364/92, Rn. 24, 25 – SAT Fluggesellschaft/Eurocontrol. 163 Vgl. auch Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit, S. 75. 164 Siehe dazu Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art. 106 Abs. 1 AEUV Rn. 18.

154

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

tives Marktversagen vorliegt, müsse der Staat diese selbst bereitstellen, soweit ein öffentliches Interesse daran besteht. Dieser Ansatz wurde auch von Generalanwalt Cosmas in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Diego Cali165 aufgegriffen166. Festzuhalten bleibt dabei aber, dass weder Kommission noch Gerichtshof bis­ lang eine nähere Ausarbeitung dieses vielversprechenden Anknüpfungspunkts in ihrer folgenden Rechtspraxis hervorgebracht haben. Gerade im Zuge der Neu­ ausrichtung auch des Europäischen Beihilfenrechts im Lichte des more economic­ approach wurde der Gedanke noch nicht weiter fruchtbar gemacht. Es bleibt ab­ zuwarten inwieweit sich dies in der nächsten Zeit ändern wird. d) Folgerungen von Kommission und Gerichtshof Im Ergebnis sind sowohl Kommission als auch Gerichtshof bis heute dem Mo­ dell einer abstrakten Aufzählung von hoheitlichen Tätigkeiten weiter gefolgt, wie es in der Entscheidung Eurocontrol angedeutet wurde. In einem jüngeren Doku­ ment zu DAWI fasst die Kommission die einschlägige Rechtsprechung folgender­ maßen zusammen: „(…) Tätigkeiten, die untrennbarer Teil der Vorrechte einer Behörde sind und vom Staat aus­ geübt werden, [stellen] im Allgemeinen keine wirtschaftlichen Tätigkeiten dar. Beispiele hierfür sind Tätigkeiten im Zusammenhang mit (a) der Armee oder Polizei (b) Flugsicherung und Flugverkehrskontrolle167 (c) Seeverkehrskontrolle und -sicherheit168 (d) Überwachungstätigkeiten zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung169 und (e) Organisation, Finanzierung und Durchsetzung von Haftstrafen170.“171

165

EuGH, Urt. v. 18.03.1997, Rs. C-343/95 – Diego Cali. Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge v. 10.12.1996, Rn. 46 – Diego Cali. 167 „Rechtssache C-364/92, SAT Fluggesellschaft mbH/Eurocontrol, Randnr. 27; EuGH, Urteil vom 26. März 2009, SELEX Sistemi Integrati SpA/Kommission und Eurocontrol, Rechtssache C-113/07 P, Slg. 2009, I-2207, Randnr. 71.“ (Fn. 22 im Original) 168 „Beschluss der Kommission vom 16. Oktober 2002 in der Sache N 438/02 – Belgien – Subventionen zugunsten der Hafenverwaltungen (ABl. C 284 vom 21.11.2002, S. 2).“ (Fn. 23 im Original) 169 „EuGH, Urteil vom 18. März 1997, Diego Calì & Figli Srl/Servizi ecologici porto di Genova SpA (SEPG), Rechtssache C-343/95, Slg. 1997, I-1547, Randnr. 22.“ (Fn. 24 im Original) 170 „Entscheidung der Kommission in der Sache N 140/2006 – Litauen – Zuweisung von Beihilfen an Besserungsanstalten leitende staatliche Unternehmen (ABl. C 244 vom 11.10.2006, S. 12).“ (Fn. 25 im Original) 171 Kommission, DAWI-Mitteilung 2012, Rn. 16. 166

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

155

e) Zusammenfassung Die Rechtsprechung hat bislang keine einheitliche Methodik zur Abgrenzung der hoheitlichen von einer wirtschaftlichen Tätigkeit der Mitgliedstaaten ent­ wickelt. Vielmehr hat sie mehrere verschiedene Ansätze erarbeitet: Erstens den Vergleich zwischen staatlichem und privatem Handeln in der Entscheidung Höfner und Elser, zweitens die positive Bestimmung einer wirtschaftlichen Betätigung über die Tätigkeit des Untersuchungssubjekts auf einem Markt u. a. in der Ent­ scheidung Zollspediteure und drittens die Abgrenzung wirtschaftlichen Handelns von „hoheitlichen Vorrechten“ in der Rechtssache Eurocontrol unter Heranzie­ hung auch von ökonomischen Kriterien. Insgesamt bleibt die Entscheidungspra­ xis des Gerichtshofs damit stark von den individuellen Umständen des jeweiligen Einzelfalls geprägt und eine abstraktere Bestimmung der Abgrenzung von hoheit­ lichem und wirtschaftlichem Handeln der Mitgliedstaaten daraus kaum möglich. Die Kommission tendiert dazu, sich eher katalogmäßig an der bisherigen Entschei­ dungspraxis des Gerichtshofs zu einzelnen Einrichtungen zu orientieren, als ein eigenes Abgrenzungsmodell zu entwickeln. 3. Entwicklung von eigenständigen Abgrenzungskonzepten in der Literatur Obwohl die Anzahl der vom Gerichtshof entschiedenen Fälle zur Abgrenzung von wirtschaftlicher und hoheitlicher Betätigung der Mitgliedstaaten im Wett­ bewerbsrecht insgesamt überschaubar blieb, wurde in der Literatur eine Reihe von weitergehenden Lösungsideen für diese Frage entwickelt. Zusammenfassend sind dabei mehrere Strömungen erkennbar, die sich teilweise auch schon in der Recht­ sprechung widergespiegelt haben. a) Normative Abgrenzungskonzepte Zum einen gibt es Vertreter eines normativ bestimmten Abgrenzungsansatzes, die vor allem auf Grundlage anderer Bestimmungen des europäischen Rechts oder grundsätzlichen verfassungs- bzw. sozialstaatlichen Erwägungen ihre Ergebnisse begründen172. Berücksichtigt man, dass die Ausrichtung der europäischen Wett­ bewerbspolitik und mit ihr die Grundsätze zur Auslegung der wettbewerbsrecht­ lichen Bestimmungen bis etwa zur Jahrtausendwende vorrangig normativ geprägt war, erscheint ein solches Vorgehen nachvollziehbar. Gleichzeitig hat es den Vor­ 172

Vgl. zu verschiedenen Konzepten, die hier nicht im Einzelnen erläutert werden sollen, nur Storr, Staat als Unternehmer, S. 280 f., und Jennert, WuW 2004, S. 37 ff. m. w. N. – ausführlich und kritisch zu den einzelnen Ansätzen Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit, S. 125 ff.

156

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

teil, dass die Aufstellung einheitlicher abstrakter Regelungsideen gegenüber einer individuellen Bewertung des Einzelfalls im Vordergrund steht, so dass auf Grund­ lage eines geschlossenen und in sich stimmigen Abgrenzungskonzepts ein ver­ gleichsweise hohes Maß an Rechtssicherheit geschaffen werden könnte. Darin liegt aber auch das wichtigste praktische Problem der Vertreter eines nor­ mativen Lösungsansatzes: Bislang ist es nicht gelungen, ein abstraktes Regelungs­ modell zu entwerfen, das einerseits klare Kriterien aufstellt, andererseits allerdings auch die effektive Durchsetzung des europäischen Wettbewerbsrechts gewährleis­ tet, ohne dass die Mitgliedstaaten durch ihre eigene wirtschaftliche Organisation und Rechtssetzung auf die Ergebnisse der Beurteilung Einfluss nehmen könnten. In diesen Lösungsansätzen spiegeln sich damit die Schwierigkeiten wider, die sich bereits bei dem Versuch der Herleitung hoheitlicher Aufgabenzuweisungen aus den Europäischen Verträgen, den mitgliedstaatlichen Verfassungen oder meta-ver­ fassungsrechtlichen Theorien gezeigt haben173. Darüber hinaus läuft eine normative Abgrenzung von hoheitlicher und wirt­ schaftlicher Staatstätigkeit – ähnlich wie die Rechtspraxis von Kommission und Gerichtshof – praktisch häufig allein auf die Ausbildung von Beispielen und Fall­ gruppen hinaus, ohne dass für neuartige schwierige Einzelfälle tatsächlich ein handhabbares Prüfungsmuster aufgestellt werden würde174. b) Abgrenzung anhand ökonomischer Erwägungen Es verwundert deshalb nicht, dass gerade in jüngerer Zeit verstärkt nach alter­ nativen Lösungswegen zu dieser schwierigen Abgrenzungsfrage geforscht wurde. Über die frühere normative Betrachtung hinaus rückte verstärkt eine an wirtschafts­ wissenschaftlichen Erkenntnissen angelehnte Herangehensweise in den Vorder­ grund. Auch in diesem Zusammenhang entwickelte sich jedoch keine einheitliche Linie. Vielmehr zogen die Vertreter einer auf ökonomischen Kriterien beruhen­ den Abgrenzung unterschiedliche Anknüpfungspunkte für ihre Wertungen heran. So wird teilweise auf die Konzepte des Marktversagens und der Öffentlichen Güter zurückgegriffen175. Wo der Markt versagt, solle der Staat zu hoheitlichem Tätigwerden in der Pflicht stehen. Andere Autoren wollen das gerade eine Ver­ tragsbeziehung und damit einen wirtschaftlichen Austausch charakterisierende Vorliegen einer Leistungs- und Gegenleistungsbeziehung fruchtbar machen, um

173

Vgl. oben Kap. 4, A. III. 1. Vgl auch Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit, S. 174 sowie zur Rechts­ praxis der Kommission oben Kap. 4, A. III. 2. 175 Spezifisch für den Infrastrukturbereich Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnahmen, S. 237; allgemeiner Fesenmair, Öffentliche Dienstleistungsmonopole, S. 47 ff.; kritisch dazu Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit, S. 145 ff. m. w. N. 174

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

157

daraus zu schließen, dass eine bestimmte staatliche Leistung wirtschaftlicher und nicht hoheitlicher Art ist176. In der jüngeren Literatur sticht der Abgrenzungsansatz von Krispenz hervor177. Danach soll eine positive Bestimmung des Vorliegens einer wirtschaftlichen Be­ tätigung eines Mitgliedstaats auf Basis von wirtschaftswissenschaftlichen Er­ kenntnissen als Abgrenzung zu hoheitlichem mitgliedstaatlichem Handeln die­ nen. Grundüberlegung ist, dass ein wirtschaftliches Handeln auf einem Markt von einem Tauschverhältnis geprägt ist178. Lässt sich ein solches zwischen (staat­ lichem) Anbieter und (staatlichem oder vor allem privatem) Nachfrager aufzeigen, so liegt keine hoheitliche Staatstätigkeit vor. Die konkrete Untersuchung dazu verläuft in zwei Schritten. Zunächst ist fest­ zustellen, ob zwischen dem Anbieter und dem Nachfrager ein Leistungs- und Gegenleistungsverhältnis besteht179. Im Regelfall wird es sich dabei um eine vertragliche Beziehung zwischen den Beteiligten handeln. Liegt ein solches Aus­ tauschverhältnis vor, so ist in einem zweiten Schritt zu untersuchen, ob es für beide Parteien die tatsächliche Möglichkeit gibt, den jeweils anderen von der Inanspruch­ nahme der Leistung auszuschließen, wenn er die versprochene Gegenleistung nicht erbringt180. Erst dann stehen sich beide Beteiligten auf Augenhöhe gegenüber, so dass von einem wirtschaftlichen Austauschverhältnis im Gegensatz zu einer Überund Unterordnung ausgegangen werden kann. Wichtig ist dabei festzuhalten, dass es beim zweiten Schritt nicht auf eine rechtliche Ausschlussmöglichkeit ankom­ men kann, die zur Disposition der Mitgliedstaaten stünde, sondern allein auf eine ökonomische Sichtweise181. So muss die Möglichkeit des Ausschlusses der ande­ ren Partei tatsächlich möglich und (wirtschaftlich) sinnvoll sein. Die von Krispenz entwickelte Lösung läuft im Ergebnis auf ein sehr enges Ver­ ständnis der den Mitgliedstaaten verbleibenden Hoheitsbereiche hinaus. Dennoch fügt sie sich in die Linie der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein, der in seiner Rechtsprechung zu Zollspediteure und Pavlov eine positive Definition des Unter­ nehmensbegriffs entwickelte182. Außerdem zeigten die Richter sich – wenn auch bislang nur in wenig präzisierten Ansätzen – einer wirtschaftswissenschaftlichen Betrachtungsweise des Unternehmensbegriffs gegenüber grundsätzlich offen183.

176

Siehe etwa Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 123 ff.; kritisch zu­ sammenfassend Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit, S. 162 ff. m. w. N. 177 Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit, S. 177 ff. 178 Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit, S. 177 f. 179 Ebd. 180 Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit, S. 178 ff. 181 Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit, S. 179 f. 182 EuGH, Urt. v. 12.09.2000, Rs. C-180/98 bis C-184/98, Rn. 75 – Pavlov; EuGH, Urt. v. 18.06.1998, Rs. C-35/96, Rn. 36 – Zollspediteure. 183 EuGH, Urt. v. 19.01.1994, Rs. C-364/92, Rn. 24, 25 – SAT Fluggesellschaft/Eurocontrol.

158

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Eine derartige Herangehensweise erscheint auch vor dem Hintergrund der bei­ hilfenpolitischen Reformlinie der Kommission sinnvoll, eine stärkere Ausrichtung des Europäischen Beihilfenrechts an ökonomischen Kriterien zu etablieren. Ge­ rade für das Tatbestandsmerkmal des Unternehmens wurde dieser Ansatz in der bisherigen Rechtspraxis noch kaum fruchtbar gemacht184. Nicht zuletzt erweist sich die vorgeschlagene Lösung im Gegensatz zu den angesprochenen Ansätzen von normativen Abgrenzungskonzepten als aufgrund der klaren Kriterien prak­ tisch stringenter anwendbar und zugleich flexibel genug, um die jeweiligen Um­ stände des bewerteten Einzelfalls zu berücksichtigen. c) Zusammenfassung Ansätze in der Literatur, eine Abgrenzung hoheitlichen und wirtschaftlichen Handelns der Mitgliedstaaten anhand normativer Erwägungen vorzunehmen, scheitern an ihrer praktischen Unergiebigkeit. Bislang ist es nicht gelungen, einen derartigen Lösungsweg zu entwickeln, der klare Kriterien aufweist und gleich­ zeitig mitgliedstaatliche Einflussnahmemöglichkeiten auf die unionsrechtsauto­ nom vorzunehmende Bestimmung hoheitlichen Tätigwerdens der Mitgliedstaa­ ten ausschließt. Dagegen können jüngere Abgrenzungskonzepte in der Literatur überzeugen, die sich verstärkt an ökonomischen Kriterien orientieren. Besonders hervorzuhe­ ben ist Methode von Krispenz zur Ermittlung des Vorliegens einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Danach ist eine zweistufige Prüfung vorzunehmen, bei der zunächst un­ tersucht wird, ob sich die Parteien in einem Austauschverhältnis befinden und dar­ aufhin weiter hinterfragt wird, ob es für beide Seiten eine tatsächliche und öko­ nomisch sinnvolle Möglichkeit des Leistungsausschlusses des jeweils anderen Beteiligten gibt. Eine solche Vorgehensweise bei der Abgrenzung von hoheit­ lichem und wirtschaftlichem Handeln der Mitgliedstaaten steht sowohl in Ein­ klang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs und entspricht dem jüngeren bei­ hilfenpolitischen Konzept der Kommission, verstärkt wirtschaftliche Erwägungen in die wettbewerbsrechtliche Praxis einfließen zu lassen.

184

Vgl. auch Jaeger, EuZW 2010, S. 47, 51.

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

159

4. Folgerung für die Einordnung von mitgliedstaatlichen Infrastrukturmaßnahmen als hoheitliche Aufgaben der Mitgliedstaaten a) Allgemeine Abgrenzungsgrundsätze Eine pauschale Ausnahme für die mitgliedstaatliche Infrastrukturförderung von den Europäischen Wettbewerbsregeln als hoheitliche Maßnahme verbietet sich ebenso wie jede allgemeine Vermutung in diese Richtung. Vielmehr ist für die Be­ stimmung des wirtschaftlichen Charakters der Errichtung und des Betriebs von In­ frastrukturen eine differenzierte Betrachtung in jedem Einzelfall erforderlich185, wobei der von Krispenz entwickelte wirtschaftliche Prüfungsansatz hierfür eine geeignete Methodik darstellt. Die Errichtung sowie der Ausbau von Infrastrukturen kann dabei nicht generell getrennt vom Betrieb der Anlagen betrachtet werden. Steht die Errichtung der In­ frastruktur mit deren Betrieb und einer (möglichen) wirtschaftlichen Verwertung in unmittelbarem Zusammenhang, erscheint eine derartige Aufteilung künstlich. Andererseits kann unter Umständen aber auch eine Aufspaltung der Bewertung er­ forderlich sein: So können Teile eines mitgliedstaatlich unterstützten Infrastruk­ turprojekts originär dem hoheitlichen Handeln des Mitgliedstaats zuzuordnen sein (z. B. Errichtung einer Passkontrollanlage in einem Seehafen), während andere Aspekte (z. B. Erneuerung von Kaimauern in dem Seehafen) im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Infrastrukturbetreibers stehen186. Diese Überlegung bestätigten Gericht und Gerichtshof auch in der Entscheidung Flughafen Leipzig/Halle ist. Die Vertreter des Mitgliedstaats hatten in dem Ver­ fahren unter anderem argumentiert, dass die Infrastrukturerrichtung als solche – (zunächst) unabhängig von der Bewertung des Infrastrukturbetriebs  – als nichtwirtschaftliche Tätigkeit einzuordnen sei, da sich in der Praxis keine Beispiele einer vollständig privaten Flughafeninfrastrukturfinanzierung auffinden ließen. Der Gerichtshof entschied dagegen, dass eine solche künstliche Aufspaltung der Betrachtung nicht zulässig ist187. Es handele sich bei der Infrastrukturerrichtung als solcher nämlich um keine spezifisch hoheitliche Tätigkeit, die sich vom Infrastruk­ turbetrieb trennen lässt188. Anders als noch das Gericht189 hat der Gerichtshof insoweit allerdings auch klar­ gestellt, dass allein die Tatsache, dass eine mitgliedstaatlich finanzierte Maßnahme 185

Siehe exemplarisch Kommission, Ent. v. 19.06.2013, Az. SA.35738 (2012/N), Rn. 39 ff. – Katakolo Port; Kommission, Ent. v. 19.12.2012, Az. SA. 34940 (2012/N), Rn. 44 ff. – Port of Augusta. 186 Vgl. dazu Kommission, Ent. v. 19.06.2013, Az. SA.35738 (2012/N), Rn. 39 ff. – Katakolo Port. 187 EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, Rn. 49 – Flughafen Leipzig/Halle. 188 EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, Rn. 48 f. – Flughafen Leipzig/Halle. 189 EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08, Rn. 110 f. – Flughafen Leipzig/Halle.

160

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

als Vorbedingung für den Infrastrukturbetrieb anzusehen ist, für sich betrach­ tet noch nicht zwangsläufig zu dem Schluss führt, dass der Infrastrukturbetreiber durch eine solche Zuwendung als Unternehmen begünstigt wird190. In der Praxis sind nämlich auch Vorbedingungen für den Infrastrukturbetrieb denkbar, die den Interessen der Allgemeinheit dienen und keinen spezifische Bezug zur wirtschaft­ lichen Betätigung des Infrastrukturbetreibers haben. Insbesondere bei Zuwendun­ gen für in Zusammenhang mit der hoheitlichen Tätigkeit eines Mitgliedstaats ste­ hende Infrastrukturanlagen (z. B. für Polizei, Zoll und Wetterdienst am Flughafen) kann eine Eröffnung des Beihilfentatbestands verneint werden191. Gleichzeitig betonen die Richter, dass die Einordnung, inwieweit eine konkrete mitgliedstaatliche Betätigung ein hoheitliches Handeln darstellt, allein auf Basis einer Einzelfalluntersuchung festgestellt werden kann192. Die in ersten Kommen­ taren zur Entscheidung Flughafen Leipzig/Halle geäußerte Kritik, dass der Ge­ richtshof mit seiner Rechtsprechung auch „originär hoheitliche“ Tätigkeiten pau­ schal der Beihilfenkontrolle unterwirft193, erweist sich vor diesem Hintergrund bei genauerer Lektüre des Urteils als unberechtigt. b) Insbesondere: Eigene Bewertung der Abgrenzung nach der jüngeren Rechtspraxis sowie der Mitteilung der Generaldirektion Wettbewerb speziell für den Bereich der Straßen- und Eisenbahnschieneninfrastrukturen Wie gezeigt, unterscheidet die Kommission bei der beihilfenrechtlichen Bewer­ tung der mitgliedstaatlichen Förderung von Eisenbahninfrastrukturen und Straßen­ infrastrukturen faktisch danach, ob die Infrastruktur allein im Eigentum des Mit­ gliedstaats steht und betrieben wird oder ob ein privates Unternehmen den Betrieb übernimmt194. Sie überprüft jeweils, ob der entsprechende Markt für den Infra­ strukturbetrieb in dem jeweiligen Mitgliedstaat liberalisiert ist beziehungsweise ob private Akteure als Infrastrukturbetreiber auftreten. Soweit dies der Fall ist, sollen mitgliedstaatliche Unterstützungsmaßnahmen zugunsten der Infrastrukturbetrei­ ber der Beihilfenkontrolle unterfallen195. Andernfalls, wenn der Mitgliedstaat allei­ niger Eigentümer und Betreiber der Eisenbahn- und Straßeninfrastrukturen ist, soll 190

EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, Rn. 47. – Flughafen Leipzig/Halle. Vgl. auch dazu EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, Rn. 47 – Flughafen Leipzig/ Halle. 192 Siehe EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, Rn. 39 – Flughafen Leipzig/Halle. 193 Fouqué/Riedel/Guarrata, Der Energieblog (Becker Büttner Held)  v. 01.02.2013, abruf­ bar unter: http://www.derenergieblog.de/alle-themen/uncategorized/warum-der-flughafenbaukein-fall-fur-die-beihilfeaufsicht-ist/ [Stand: 27.09.2014]. 194 Kommission, Note to DG Regio 2011, Rn. 8 f. Dazu oben Kap. 4, A. II. 2. c) bb). 195 Siehe Kommission, Ent. v. 15.06.2006, Az. N 149/2006, Rn. 29 ff. – M3 Clonee to North of Kells; ferner Kommission, Ent. v. 02.12.2009, Az. N 462/2009, Rn. 25 ff. – A2 Motorway­ Poland. Vgl. auch Kommission, Note to DG Regio 2011, Rn. 8. 191

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

161

eine Unternehmenseigenschaft der staatlichen Betreibereinheit verneint werden196. Die Kommission greift dazu wiederum auf die Annahme zurück, dass es sich bei der Bereitstellung von Eisenbahn- und Straßeninfrastrukturen um eine hoheitliche Tätigkeit der Mitgliedstaaten handelt197. Anknüpfungspunkt für die Differenzierung bei der Unternehmenseigenschaft von öffentlichen und privaten Infrastrukturbetreibern ist in diesen Fällen die (tat­ sächliche) wirtschaftliche Verwertung der Infrastruktur198: Soweit ein Mitgliedstaat selbst Eisenbahn und Straßeninfrastrukturen betreibt und diese für alle potentiellen Nutzer zu gleichen Bedingungen öffnet, unterstellt die Kommission, dass keine wirtschaftliche Verwertung anzunehmen ist und der Infrastrukturbetreiber danach nicht unternehmerisch tätig ist199. Bei privaten Infrastrukturbetreibern (etwa Konzessionsnehmern) unterstellt sie dagegen, dass diese regelmäßig mit Gewinnerzielungsabsicht tätig wird und daher eine wirtschaftliche Verwertung der Infrastruktur vorliegt, womit auch eine unter­ nehmerische Betätigung anzunehmen ist200. Bei näherer Betrachtung erschließen sich weder rechtliche noch wirtschaftliche Gründe für diese Differenzierung. Die Kommission präzisiert auch nicht, was un­ ter einer wirtschaftlichen Verwertung der Infrastruktur zu verstehen ist, welche bei dem mitgliedstaatlichen Infrastrukturbetrieb nicht erfüllt sein soll. Besonders pro­ blematisch ist darüber hinaus, dass für gleichartige mitgliedstaatliche und private Betätigungen im Infrastrukturbereich jeweils unterschiedliche Vermutungen für ihren wirtschaftlichen Charakter und damit für die Eröffnung der Beihilfenvor­ schriften angenommen werden. Dieses Vorgehen steht in einem Spannungsver­ hältnis zu der Bestimmung des Art. 106 Abs. 1 AEUV, wonach die Europäischen Wettbewerbsregeln grundsätzlich gleich sowohl auf öffentliche als auch auf pri­ vate Unternehmen angewendet werden sollen. Nach der allgemeinen Kommissionpraxis und Rechtsprechung zu Art.  107 Abs. 1 AEUV kann es im Rahmen der Untersuchung des Unternehmensbegriffs jedenfalls nicht darauf ankommen, ob die eine mitgliedstaatliche Zuwendung er­ haltende Einheit tatsächlich eine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt oder Gewinne erzielt201. Vielmehr darf lediglich nicht von vornherein ausgeschlossen sein, dass Gewinne mittels einer bestimmten Tätigkeit erzielt werden könnten, um diese 196

Kommission, Note to DG Regio 2011, Rn. 8 f. Kommission, Note to DG Regio 2011, S. 4 (Überblick). 198 Kommission, Note to DG Regio 2011, Rn.  7. Kritisch dazu auch Wilson, EStAL 2014, S. 24, 25 f. 199 Kommission, Note to DG Regio 2011, Rn. 7 ff. u. S. 4 (Überblick). 200 Kommission, Ent. v. 15.06.2006, Az. N 149/2006, Rn.  29 ff.  – M3 Clonee to North of Kells; Kommission, Note to DG Regio 2011, Rn. 8 f. u. S. 4 (Überblick). 201 EuGH, Urt. v. 16.11.1995, Rs. C-244/94, Rn.  21  – Fédération Francaise des Sociétés d’Assurance; EuGH, Urt. v. 29.10.1980, Rs. 209 bis 215 u. 218/78, Rn. 88 – Van Landewyck/ Kommission; Weiß, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 25. 197

162

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

als wirtschaftlich einzustufen202. Die Anforderung der fehlenden wirtschaftlichen Verwertung einer Infrastruktureinrichtung müsste demnach präziser als fehlende Möglichkeit einer wirtschaftlichen Verwertung anzusehen sein. Dabei kommt es nach dem hier vertretenen Abgrenzungsansatz darauf an, ob der Infrastrukturbetreiber mit seinen Nutzern in ein Austauschverhältnis treten und er den Zugang zu der Infrastruktureinrichtung tatsächlich und zu wirtschaftlich sinnvollen Bedingungen für zahlungsunwillige Nutzer beschränken kann. Eine solche Annahme mag bei den von der Kommission in der Nachricht an die DG Regio aufgeführten Einrichtungen eines städtischen Parks oder eines kom­ munalen Kinderspielplatzes noch gegeben sein203. Hier erscheint es tatsächlich denkbar, dass ein Ausschluss zahlungsunwilliger Nutzer wirtschaftlich nicht sinn­ voll ist. Möglicherweise gilt ähnliches ebenfalls noch für kleinere Innerorts- so­ wie Überlandstraßeninfrastrukturen. Für Fernverkehrsstraßen, insbesondere Auto­ bahnen, kann eine fehlende Ausschlussmöglichkeit allerdings kaum pauschal angenommen werden, ebenso wenig wie für Eisenbahninfrastrukturen. Beispielhaft kann dies an den Autobahnen in der Bundesrepublik Deutschland gezeigt werden. Dort hat der Mitgliedstaat nicht nur die Möglichkeit einer wirt­ schaftlichen Verwertung der Infrastruktur, sondern macht davon tatsächlich auch Gebrauch. Zwar erhebt er keine allgemeinen Nutzungsgebühren für alle Arten von Kraftfahrzeugen, wohl aber solche vom Schwerlastverkehr („LKW-Maut“)204. Dennoch nimmt die Kommission an, dass der mitgliedstaatliche Betrieb der Auto­ bahnen keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt. Problematisch an dieser Lösung ist vor allem, dass die Kommission durch ihre Vorgehensweise den Schutz des intermodalen Wettbewerbs zwischen verschiede­ nen Verkehrsinfrastrukturträgern nur unzureichend vor verfälschenden Beihilfen schützen kann. Dadurch, dass einige Infrastrukturarten unter bestimmten Umstän­ den gänzlich vom Anwendungsbereich des Art. 107 Abs. 1 AEUV ausgenommen werden, kann es nämlich zu Verfälschungen in den intermodalen Wettbewerbsver­ hältnisses auf der Infrastrukturbetreiberebene kommen205. Des Weiteren – und dar­ auf wird in der folgenden Untersuchung noch einzugehen sein – können darüber hinaus durch die mitgliedstaatliche Infrastrukturfinanzierung in diesen Bereichen noch deutlich weiterreichende spill-over Effekte auf nachgelagerten Marktstufen der Infrastrukturnutzung auftreten206. Gerade vor dem Hintergrund von Andeutungen in jüngeren Unionsrechts­ akten, im Bereich der Verkehrsinfrastrukturen mittelfristig das Ziel der Gleich­ 202 Vgl. Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art. 101 Rn. 16, der darauf verweist, dass lediglich „marktferne Tätigkeiten“ ausgeschlossen sein sollen. 203 Vgl. Kommission, Note to DG Regio 2011, Rn. 8. 204 Siehe dazu etwa Neumann/Kocken, NVwZ 2009, S. 940 ff. 205 Siehe zum intermodalen Wettbewerb oben Kap. 2, B. II. 2. b). 206 Siehe unten Kap. 4, B. III. und Kap. 4, C. III. 3. b).

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

163

behandlung aller Infrastrukturarten zu verfolgen207, erscheint der selektive all­ gemeine Ausschluss einer beihilfenrechtliche Kontrolle der Errichtung und des Betriebs einiger mitgliedstaatlicher Infrastruktureinrichtungen nicht überzeugend. Die Kommission sollte diese Sonderbehandlung aufgeben. 5. Zusammenfassung Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und wirtschaftlicher Tätigkeit der Mit­ gliedstaaten ist mangels einschlägiger europäischer Rechtsnormen, der fehlenden Möglichkeit eines Rückgriffs auf mitgliedstaatliche oder meta-verfassungsrecht­ liche Bestimmungen sowie einer uneinheitlichen Entscheidungspraxis der Recht­ sprechung bisher nur unbefriedigend gelöst worden. Auf einzelnen Ansätzen der Rechtsprechung aufbauend und unter Berücksichti­ gung von ökonomischen Grundsätzen wurde jedoch in der jüngeren Literatur eine zweistufige Differenzierungsmethodik entwickelt, die auch bei der Ein­ordnung des Infrastrukturbetriebs als wirtschaftliche oder nicht-wirtschaftliche Tätigkeit frucht­ bar gemacht werden kann: Zunächst ist festzustellen, ob zwischen dem Anbieter und dem Nachfrager ein Leistungs- und Gegenleistungsverhältnis besteht. Liegt ein solches vor, so ist in einem zweiten Schritt zu untersuchen, ob es für beide Parteien die tatsächliche Möglichkeit gibt, den jeweils anderen von der Inanspruchnahme der Leistung auszuschließen, wenn er die versprochene Gegenleistung nicht erbringt. Bei der konkreten Anwendung im Infrastrukturbereich bedeutet dieser Abgren­ zungsansatz, dass es zu einem engen Verständnis von nicht-wirtschaftlicher Tätig­ keit kommt und damit ein grundsätzlich weiter Anwendungsbereich für die Beihil­ fenkontrolle eröffnet ist. Die Erfüllung des Beihilfentatbestands kann auch nicht davon abhängen, ob es sich bei der mitgliedstaatlichen Förderung eines Infrastruk­ turbetreibers um Zuwendungen zur Errichtung von Infrastrukturen oder um eine Betriebsunterstützung handelt, da letztlich beide Arten von Maßnahmen dem In­ frastrukturbetreiber gleichermaßen zugutekommen und für eine Aufspaltung der Betrachtung keine sachlichen Gründe bestehen. Allein Infrastrukturmaßnahmen, die nach der vorgeschlagenen Abgrenzung unmittelbaren Bezug zu nicht-wirt­ schaftlichen Tätigkeiten haben (z. B. etwa für Polizei, Zoll oder Flugsicherung), unterfallen somit nicht dem Beihilfenverbot, da der Infrastrukturbetreiber bei einer derartigen Förderung nicht in seiner Eigenschaft als Unternehmen begünstigt wird. Als problematisch erweist sich bei Anwendung der hier vorgeschlagenen Ab­ grenzungsgrundsätze die jüngere beihilfenrechtliche Überprüfungspraxis der Kom­ mission bei der mitgliedstaatlichen Förderung der Errichtung und des Betriebs von Straßen- und Eisenbahninfrastrukturen. Die Kommission nimmt an, dass die Be­ 207

Vgl. Art. 8 Abs. 4 RL 2012/34/EU – Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisen­ bahnraums.

164

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

reitstellung derartiger Infrastrukturen eine hoheitliche Aufgabe der Mitgliedstaa­ ten darstellt, soweit ihr Betrieb in dem jeweiligen Mitgliedstaat nicht liberalisiert ist und insbesondere keine privaten Unternehmen daran beteiligt sind. Diese Kom­ missionspraxis ist vor dem Hintergrund des Art. 106 Abs. 1 AEUV bedenklich und führt zu Lücken im Wettbewerbsschutz, für die es jenseits von politischen Begrün­ dungen keine wettbewerbsrechtliche Rechtfertigung gibt.

IV. Der Infrastrukturbetrieb als vom Beihilfenrecht ausgenommener „dritter Bereich“ zwischen wirtschaftlicher und hoheitlicher Tätigkeit der Mitgliedstaaten Die Liberalisierung der zuvor in vielen Bereichen von staatlichen Monopolen geprägten Infrastrukturmärkte seit den frühen 1990er Jahren sowie die zuneh­ mende Einbindung von Privaten in den Infrastrukturbetrieb hatte und hat zur Folge, dass die Grenzen zwischen wirtschaftlicher und nicht-wirtschaftlicher Be­ tätigung der Infrastrukturbetreiber immer schwieriger abzustecken sind208. Eine generelle Einordnung des Infrastrukturbetriebs als hoheitliche Tätigkeit der Mit­ gliedstaaten, welche als allgemeine Aufgabe des Staates nicht in den Anwendungs­ bereich der Beihilfenkontrolle fällt, ist im Lichte der wirtschaftlichen Entwicklung dieses Bereichs wie auch der immer differenzierteren dazu ergehenden Rechts­ praxis zunehmend kaum noch dogmatisch zu begründen. Vor diesem Hintergrund haben Kritiker einer zunehmenden wettbewerblichen Öffnung des Infrastruktur­ sektors einen „dritten Weg“ entwickelt, um den Infrastrukturbetrieb von der An­ wendung der Wettbewerbsregeln auszunehmen209. 1. Dogmatische Herleitung aus der Rechtsprechung zu Sozialversicherungssystemen Der Einschätzung von Kommission und Gerichtshof stimmen sie zwar grund­ sätzlich dahingehend zu, dass der Infrastrukturbetrieb nicht (mehr) generell als ho­ heitliche Tätigkeit eingeordnet werden kann210. Anders als die Rechtspraxis wollen sie daraus aber nicht den Umkehrschluss ziehen, dass es sich damit beim Infra­ strukturbetrieb um eine wirtschaftliche Betätigung handelt. Vielmehr soll es sich beim Infrastrukturbetrieb um einen Teil der mitgliedstaatlichen Daseinsvorsorge handeln, die nicht nach wirtschaftlichen Kriterien zu beurteilen sein soll und damit generell auch vom Anwendungsbereich des Beihilfenrechts auszuklammern ist211. 208

Pauer, WuW 2013, S. 1080, 1082. Siehe dazu Hobe/Seidenspinner, Infrastrukturbeihilfen, S. 29 ff. 210 Hobe/Seidenspinner, Infrastrukturbeihilfen, S. 51. 211 Hobe/Seidenspinner, Infrastrukturbeihilfen, S. 29 ff.; Ansätze auch bei Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 87 f., die jedoch im Ergebnis für eine Verortung dieser Diskussion beim Merkmal der selektiven Begünstigung plädieren. 209

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

165

Ihre dogmatische Grundlage findet diese Idee in der Rechtsprechung zu den so­ zialen Sicherungssystemen in den Mitgliedstaaten. Seit der Entscheidung P ­ oucet und Pistre212 nahm der Gerichtshof an, dass mitgliedstaatliche Sozialversiche­ rungsträger unter bestimmten Umständen vom wettbewerbsrechtlichen Unterneh­ mensbegriff auszunehmen sind. In dem Fall lehnten die Richter die Unternehmens­ eigenschaft der gesetzlichen Pflichtversicherung für Krankheit und Mutterschaft in Frankreich ab, da diese „eine Aufgabe mit ausschließlich sozialem Charakter“ ausübte213. Der Gerichtshof stützte seine Beurteilung auf drei Anhaltspunkte, welche die soziale, nicht-wirtschaftliche Ausrichtung des Versicherungssystems begründeten: Erstens nannten die Richter den Grundsatz der Solidarität, wonach gleiche Leis­ tungen der Versicherung unabhängig von der Höhe der individuell eingezahlten Beiträge gewährt werden214. Zweitens führten sie die fehlende Gewinnerzielungs­ absicht des Versicherungsträgers an215. Drittens stellten sie darauf ab, dass eine enge Verflechtung mit dem Mitgliedstaat und eine effektive staatliche Kontrolle der Versicherung vorlagen216. Anhand dieser drei Prüfungskriterien beurteilte der Gerichtshof auch in folgenden Entscheidungen, inwieweit mitgliedstaatliche Ver­ sicherungssysteme als Unternehmen im wettbewerbsrechtlichen Sinne einzuord­ nen waren217. Gleichwohl stellen diese Merkmale keine starren Prüfungspunkte dar; vielmehr kommt ihnen allein besonderes Gewicht im Rahmen einer werten­ den Gesamtbetrachtung zu218. Eine wesentliche Motivation des Gerichtshofs zum Ausklammern der mit­ gliedstaatlichen Sozialversicherungssysteme aus der Anwendbarkeit des Wett­ bewerbsrechts dürfte darin zu erblicken sein, dass die Richter potentiell daraus resultierenden Kompetenzkonflikten zwischen Union und Mitgliedstaaten aus­ weichen wollten. Die Kompetenzverteilung im politisch sensiblen Bereich der sozialen Sicherung sieht eine weitreichende Gestaltungsautonomie der Mitglied­ staaten vor, die weitgehend von einer Einflussnahme der Union ausgenommen ist. Der Gerichtshof versucht mit seiner Rechtsprechung zu verhindern, dass über die Anwendung der Wettbewerbsregeln dennoch ein Einfallstor für die Politik der Union in diesem Gebiet eröffnet wird, welches sich vor allem in Form einer „negativen Harmonisierung“ niederschlagen könnte219. Bei dieser Grundüber­ legung ist durchaus eine Parallele zu der hier untersuchten Frage zu erkennen, 212

EuGH, Urt. v. 17.02.1993, Rs. C-159/91 u. C-160/91 – Poucet und Pistre. EuGH, Urt. v. 17.02.1993, Rs. C-159/91 u. C-160/91, Rn. 18 – Poucet und Pistre. 214 EuGH, Urt. v. 17.02.1993, Rs. C-159/91 u. C-160/91, Rn. 8 ff. – Poucet und Pistre. 215 EuGH, Urt. v. 17.02.1993, Rs. C-159/91 u. C-160/91, Rn. 18 – Poucet und Pistre. 216 EuGH, Urt. v. 17.02.1993, Rs. C-159/91 u. C-160/91, Rn. 14 f. – Poucet und Pistre. 217 EuGH, Urt. v. 16.03.2004, Rs. C-264/01, C-306/01, C-354/01 u. C-355/01, Rn. 51 ff. – AOK Bundesverband; EuGH, Urt. v. 22.01.2002, Rs. C-218/00, Rn. 37 ff. – Cisal/INAIL. 218 Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 36 Rn. 40. 219 Siehe etwa Penner, NZS 2003, S.  234, 239; dazu kritisch und m. w. N. Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit, S. 115 f. 213

166

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

inwieweit die Union im Infrastrukturbereich über die Wettbewerbsregeln in nach der Kompetenzverteilung den Mitgliedstaaten zugeordnete Aufgabenfelder ein­ greifen darf. 2. Übertragung auf den Infrastrukturbereich Dennoch kann die Lösung dieses Zuständigkeitskonflikts über die ein­ schränkende Auslegung des wettbewerbsrechtlichen Unternehmensbegriffs für Infrastruktur­projekte aus mehreren Gründen nicht überzeugend. So erweist sich erstens schon die zu übertragende Rechtsprechung des Gerichts­ hofs zu den Sozialversicherungssystemen aus systematischer Sicht als fragwürdig. Das Problem der Kompetenzabgrenzung im Bereich der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse ist dem Unionsrecht nämlich keineswegs unbekannt, sondern spiegelt sich vielmehr in der Bestimmung des Art. 106 Abs. 2 AEUV wi­ der. Danach finden die Wettbewerbsregeln grundsätzlich Anwendung auch auf „Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem In­ teresse betraut sind“220. Schon aus dieser Formulierung ist zu schließen, dass Er­ bringer von Dienstleistungen von allgemeinem „wirtschaftlichem“ Interesse auch „Unternehmen“ sein müssen und nach dem Willen der Vertragsparteien nicht per se alle gemeinwirtschaftlich tätigen Einheiten vom wettbewerbsrechtlichen Unter­ nehmensbegriff ausgenommen werden sollen221. Speziell im Beihilfenrecht hat der Gerichtshof den besonderen Status von DAWI darüber hinaus mit seiner Altmark Trans-Entscheidung222 konkretisiert. Die Richter haben dabei nicht die durch Art. 106 Abs. 2 AEUV vorgezeichneten Rechtfertigungslösung fortentwickelt, sondern vielmehr eine eigenständige Tat­ bestandslösung im Rahmen von Art.  107 Abs.  1 AEUV etabliert223. Diese Frei­ stellung vom Beihilfenverbot knüpft jedoch gleichfalls nicht an den wettbewerbs­ rechtlichen Unternehmensbegriff an, sondern führt vielmehr zu einem Ausschluss des Merkmals der Begünstigung. Um in den Genuss dieser Ausnahme zu kom­ men, müssen die Mitgliedstaaten bei der Erbringung der Ausgleichsleistung eben­ falls eng gefasste – und den Voraussetzungen des Art. 106 Abs. 2 AEUV in wei­ ten Teilen ähnliche224 – Kriterien erfüllen225. Mit der Altmark-Entscheidung haben die Richter also strenge Vorgaben für einen Tatbestandsausschluss des Beihilfen­ verbots aufgestellt. 220

Siehe dazu näher unten Kap. 4, E. V. Vgl. nur Bühner/Sonder, NZS 2012, S. 688, 690; Weiß, EuR 2013, S. 669, 673. 222 EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. C-280/00 – Altmark Trans. 223 Dazu Kämmerer, NVwZ 2004, S. 28, 31 ff. 224 Dazu Wolf, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 783 ff. Ferner unten Kap. 4, B. V. 225 EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. C-280/00, Rn. 89 ff. – Altmark Trans. Siehe dazu ausführ­ lich unten Kap. 4, B. V. 221

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

167

Soweit die Mitgliedstaaten gestützt auf die Poucet und Pistre-Rechtsprechung nun Dienste von allgemeinem Interesse226 einrichten können, die schon nicht dem Unternehmensbegriff unterfallen, liegt darin bei einer systematischen Gesamt­ betrachtung der Wettbewerbsbestimmungen des Vertrags und der Altmark-Recht­ sprechung ein erhebliches Missbrauchspotential. Auch wenn die Vertragsparteien sich in Art. 2 des Protokoll Nr. 26 nunmehr ausdrücklich darauf verständigt haben, dass den Mitgliedstaaten die Organisation von „nichtwirtschaftliche[n] Dienste[n] von allgemeinem Interesse“ freigestellt bleiben soll, muss eine solche Bestim­ mung vor dem Hintergrund des Erfordernisses einer effektiven Durchsetzung des europäischen Wettbewerbsrechts eng verstanden werden. Der Gerichtshof hat in­ Poucet und Pistre zu den Sozialversicherungssystemen zwar besondere Kriterien benannt, deren Vorliegen die tatbestandliche Ausnahme von der Anwendbarkeit der Wettbewerbsvorschriften begründen soll227. Gleichzeitig muss aber verhindert werden, dass die Mitgliedstaaten diese nicht abschließend ausgeformten Vorgaben dazu nutzen, um eine pauschale Loslösung von strengen Kriterien der AltmarkRechtsprechung und von Art. 106 Abs. 2 AEUV zu finden228. Schließlich ist zweitens eine pauschale Übertragung der Poucet und Pistre-Ent­ scheidung auf den Infrastrukturbereich selbst dann nicht angemessen, wenn man die Grundsätze dieser Rechtsprechung für die Systeme der sozialen Sicherheit für überzeugend erachtet. Der Betrieb von Infrastrukturen basiert im Regelfall weder auf dem Prinzip der Solidarität noch erfolgt er per se unentgeltlich. Die wirtschaft­ lichen Entwicklungen in diesem Bereich haben in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt, dass Betreiber von Infrastrukturen durchaus nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen tätig werden – nicht zuletzt, indem sie zahlungsunwillige Nutzer aus­ schließen – und dabei auch Gewinne erzielen können229. Nicht ohne Grund nimmt die Beteiligung privatwirtschaftlicher Unternehmen sowie institutioneller Investo­ ren an mitgliedstaatlichen Infrastrukturprojekten stetig zu, denn mittel- bis lang­ fristig lässt sich mit dem Betrieb von Infrastrukturen durchaus eine positive Ren­ dite erzielen. 3. Jüngste Rechtsprechung zur Annahme eines „dritten Weges“ In der Entscheidung Flughafen Leipzig/Halle verwarfen nunmehr schließlich sowohl Gericht als auch Gerichtshof die Annahme eines „dritten Weges“ zwischen hoheitlicher und wirtschaftlicher Tätigkeit bei der Einordnung der B ­ etätigung eines Infrastrukturbetreibers. Ein Ausklammern der mitgliedstaatlichen Finanzierung von 226

Beachte den Unterschied zu Diensten von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse. EuGH, Urt. v. 17.02.1993, Rs. C-159/91 u. C-160/91, Rn. 8 ff., 14 f. u. 18 – Poucet und­ Pistre. 228 In diese Richtung auch Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit, S. 118 ff. 229 Vgl. nur die Erwägungen in Kommission, Ent. v. 03.10.2012, Az. SA.23600 – C 38/2008 (ex NN 53/2007), Rn. 74–76 – Munich Airport Terminal 2. 227

168

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Infrastrukturanlagen von der Beihilfenkontrolle mit Verweis auf deren „regio­nal-, wirtschafts- und verkehrspolitische“ Bedeutung nahmen die Richter nicht an230. Tatsächlich kommt derartigen politischen Motiven bei der mitgliedstaatlichen Er­ richtung von Infrastrukturen zwar regelmäßig eine nicht unerhebliche Bedeu­ tung zu. Nach der Rechtsprechung erfolgt die Bewertung einer mitgliedstaatlichen Fördermaßnahme allerdings ausschließlich nach ihren Auswirkungen, nicht je­ doch nach ihrem Zweck oder ihrer Begründung. Inwieweit spezifische politische Motive zur Vereinbarkeit der konkreten Maßnahme mit dem Beihilfenrecht führen können, ist daher keine Frage des Tatbestands des Art. 107 Abs. 1 AEUV, sondern findet seine Berücksichtigung vielmehr in der Vereinbarkeitsprüfung nach Art. 107 Abs. 2 und Abs. 3 AEUV231. Mit einer ähnlichen Begründung bejahte der Gerichtshof auch die Wahrung der Vorgaben der europarechtlichen Kompetenzordnung bei der beihilfenrechtlichen Überprüfung von mitgliedstaatlichen Infrastrukturfinanzierungen durch die Kom­ mission. Soweit objektiv die selektive Begünstigung eines Infrastrukturbetrei­ bers durch eine solche Maßnahme festgestellt werden könnte, sei der Beihilfen­ tatbestand erfüllt, unabhängig davon, dass der Mitgliedstaat mit der Maßnahme auch darüber hinausgehende politische Zwecke verfolgen wollte, die in seine aus­ schließliche Zuständigkeit fielen232. 4. Zusammenfassung Eine allgemeine Ausnahme der mitgliedstaatlichen Finanzierung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen als „dritte mitgliedstaatliche Betätigungsform“ zwischen hoheitlichem und wirtschaftlichem Handeln, hergeleitet vor allem aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den mitgliedstaatlichen Sozialver­ sicherungssystemen, kann nicht überzeugen. Der Ausgleich zwischen sozialen Be­ langen und den Wettbewerbsvorschriften ist über die spezielleren Ausnahme- und Rechtfertigungsmöglichkeiten der Altmark-Rechtsprechung, von Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV sowie Art. 106 Abs. 2 AEUV normiert. Diese beziehen auch, wie noch im Detail gezeigt wird, verstärkt gesamtwirtschaftliche Erwägungen mit in die Lösung des Einzelfalls ein. Ihnen ist damit jedenfalls Vorzug vor einer all­ gemeinen und wenig präzisen Ausnahme für Leistungen der Daseinsvorsorge vom wettbewerbsrechtlichen Unternehmensbegriff zu gewähren. 230

EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, Rn. 35 ff., 78 ff. – Flughafen Leipzig/Halle; EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08, Rn. 102 – Flughafen Leipzig/Halle. 231 EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08, Rn. 102 – Flughafen Leipzig/Halle; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, Rn. 35 ff. – Flughafen Leipzig/Halle; dem folgend Schrotz, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 276. 232 EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, Rn.  78 ff.  – Flughafen Leipzig/Halle; EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08, Rn. 203 ff. – Flughafen Leipzig/Halle. Zum Merkmal der Be­ günstigung ausführlich unten Kap. 4, B.

A. Infrastrukturbetrieb als unternehmerische Tätigkeit

169

V. Zusammenfassung und eigener Ansatz Die Ausnahmen von der Annahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit bei der Er­ richtung und dem Betrieb von Infrastrukturen sind eng auszulegen. Die Bereitstel­ lung von Infrastrukturen kann weder pauschal als hoheitliche Tätigkeit der Mit­ gliedstaaten von den Wettbewerbsregeln ausgenommen werden noch in eine an den Gerichtsentscheidungen zu den mitgliedstaatlichen Sozialversicherungssyste­ men orientierte „dritte Kategorie“ eingeordnet werden. Aus diesem Grunde ist eine Einschätzung nur auf Grundlage des Einzelfalles für die konkret zu untersuchende Infrastruktur möglich. Aus den europa­rechtlichen Normen, den mitgliedstaatlichen Verfassungen, meta-verfassungsrechtlichen Theo­ rien sowie der Entscheidungspraxis der Kommission und den Europäischen Ge­ richte lässt sich insoweit keine einheitliche Abgrenzungsmethodik herleiten. Aus diesem Grunde erscheint es sinnvoll, einem Ansatz zu folgen, der gleichzeitig so einfach wie möglich anwendbar und hinreichend präzise in sei­nen Ergebnissen ist. Hier bietet sich das von Krispenz entwickelte Modell einer zweistufigen wirtschaft­ lichen Betrachtung an. Auf der ersten Stufe untersucht man, ob der Infrastrukturbetreiber seine Leis­ tungen in einem Austauschverhältnis erbringt, also konkret, ob er für die von ihm angebotene Leistung eine Gegenleistung erhält. Dies wird häufig anzunehmen sein, da Infrastrukturbetreiber ihre Einrichtungen regelmäßig nur gegen ein Ent­ gelt an Infrastrukturnutzer überlassen. Stellt man fest, dass der Infrastrukturbetrei­ ber keine Gegenleistung von seinen Nutzern erhält, bedeutet dies aber noch nicht notwendigerweise, dass keine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt. Ansonsten hätte der Mitgliedstaat es nämlich in der Hand, freiwillig auf eine Gegenleistung bei der Nutzung von ihm betriebener Infrastrukturen zu verzichten (diese also etwa allein aus Steuermitteln zu finanzieren) und so zu einer Nichtanwendbarkeit der Wettbewerbsregeln zu gelangen. Um diese Umgehung zu verhindern, kann es nicht allein darauf ankommen, ob tatsächlich eine Gegenleistung erbracht wurde. Vielmehr ist dann zu untersuchen, ob die grundsätzliche Möglichkeit einer Aus­ gestaltung des Verhältnisses zwischen Infrastrukturbetreiber und -nutzer in einem Leistungs-/Gegenleistungsverhältnis besteht. Auf der zweiten Stufe ist zu hinterfragen, ob für den Infrastrukturbetreiber die tatsächliche Möglichkeit besteht, zahlungsunwillige Nutzer von seiner Leistung unter wirtschaftlich zumutbaren Konditionen auszuschließen. Erst auf diese Weise ist sichergestellt, dass bei einer wirtschaftlichen Betrachtung ein echtes Austausch­ verhältnis vorliegt. Auch dieses Kriterium wird bei Infrastrukturbetreibern häufig erfüllt sein. Dabei ist jedoch auch eine Reihe von Ausnahmen denkbar. Vor allem bei kleinen kommunalen Einrichtungen und Anlagen wie Parks, Kinderspielplät­ zen und Stadtmöbeln, aber auch etwa bei Bürgersteigen, Fußgängerbrücken und Straßenlaternen ist ein unter wirtschaftlichen Bedingungen sinnvoller Ausschluss einzelner Nutzer kaum vorstellbar.

170

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Schwieriger gestaltet sich die Abgrenzung in (Teil-)Bereichen eines Infrastruk­ turbetriebs, bei denen der Ausschluss einzelner Nutzer zwar grundsätzlich für die­ sen zu wirtschaftlichen Bedingungen möglich ist, diese Vorgehensweise aber mit negativen Folgen für die Allgemeinheit einhergehen würde. So könnte ein Flug­ hafenbetreiber einen zahlungsunwilligen Infrastrukturnutzer durchaus verwehren, mit der bei ihm eingesetzten Flugsicherung in Kontakt zu treten. Dies wäre ihm mutmaßlich auch betriebswirtschaftlich zu zumutbaren Bedingungen möglich. Dennoch widerspräche ein solches Vorgehen den Interessen der Allgemeinheit, da potentiell sowohl die Sicherheit beteiligter als auch unbeteiligter Menschen ge­ fährdet ist, wenn ein Luftfahrtunternehmen ohne Kontaktmöglichkeit zur Flugsi­ cherung am Luftverkehr teilnimmt. In einem solchen Falle muss auf der zweiten Prüfungsstufe auf Grundlage einer wertenden Betrachtung erkannt werden, dass es in diesem Falle nicht nur um die wirtschaftliche Zumutbarkeit des Ausschlus­ ses des einzelnen Nutzers für den Infrastrukturbetreiber ankommt, sondern auch die Kosten eines solchen Handelns für die Allgemeinheit berücksichtigt werden müssen. Der Anwendungsbereich einer solchen wertenden Betrachtung ist vor dem Hin­ tergrund des Erfordernisses einer effektiven Durchsetzung des Beihilfenrechts im­ mer eng zu fassen. Jenseits von für in Zusammenhang mit der öffentlichen Sicher­ heit erbrachten Tätigkeiten (etwa von Polizei, Zoll und Flugsicherung) gibt es im Infrastrukturbereich nur wenige Anwendungsfälle, in denen die Kosten der All­ gemeinheit in die Betrachtung der individuellen Maßnahme eingezogen werden können. Berücksichtigt werden kann beispielsweise noch ein allgemeines staat­ liches Schulbildungssystem und dessen infrastrukturelle Ausstattung, in dem allen Kindern eine grundlegende Allgemeinbildung ermöglicht werden soll. Insbesondere darf die wertende Betrachtung jedoch kein Einfallstor für eine grundsätzliche Abwägung von Wohlstands- und Sozialinteressen gegenüber wirt­ schaftlichen Interessen bei der Untersuchung des wettbewerbsrechtlichen Unter­ nehmensbegriffs sein. Diese Aspekte können umfassender und präziser im Rahmen der speziellen beihilfenrechtlichen Bestimmungen (etwa der Altmark-Ausnahme sowie der verschiedenen Rechtfertigungsmöglichkeiten) untersucht werden. Zuletzt muss in diesem Zusammenhang betont werden, dass ein enges Ver­ ständnis der Ausnahmen vom beihilfenrechtlichen Unternehmensbegriff und da­ mit ein weiter Anwendungsbereich der Beihilfenkontrolle im Infrastruktursektor nicht allgemein bedeutet, dass die mitgliedstaatliche Finanzierung sozialer und re­ gionaler Belange per se in Frage gestellt werden soll. Vielmehr bleibt es in den weiteren Schritten der Beihilfenkontrolle weiterhin zentrale Aufgabe der Kom­ mission, einen Ausgleich zwischen dem mitgliedstaatlichen Interesse an der För­ derung qualitativ hochwertiger sozialer und regionaler Infrastrukturprojekte und der Berücksichtigung gesamtwirtschaftlich bedeutsamer wettbewerbliche Belange zu schaffen.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

171

B. Die mitgliedstaatliche Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen als selektiver wirtschaftlicher Vorteil eines Infrastrukturbetreibers B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

Folgt man der Ansicht, dass es sich bei Infrastrukturbetreibern grundsätzlich um Unternehmen im Sinne des Europäischen Wettbewerbsrechts handelt, so gilt es in der beihilfenrechtlichen Untersuchung als Folgendes festzustellen, inwieweit eine mitgliedstaatliche Zuwendung an einen Infrastrukturbetreiber für diesen einen se­ lektiven wirtschaftlichen Vorteil bewirken kann. Die staatliche Förderung von In­ frastrukturbetreibern ist in vielfältiger Form denkbar. Im Folgenden werden drei Arten mitgliedstaatlicher Förderungen von Infrastrukturbetreibern individuell da­ rauf untersucht, inwieweit diese die selektive Begünstigung eines Infrastruktur­ betreibers bewirken können: Erstens die Gewährung von unmittelbar betriebsbezogenen Zuwendungen an Infrastrukturbetreiber, zweitens die Förderung der Errichtung von Infrastruktur­ anlagen und drittens die Vergabe von Infrastruktur-Betreiberkonzessionen sowie die mitgliedstaatliche Veräußerung von Anteilen an Infrastruktur-Betreibergesell­ schaften.

I. Unmittelbar betriebsbezogene mitgliedstaatliche Zuwendungen an Infrastrukturbetreiber 1. Entwicklung der beihilfenrechtlichen Bewertung in der Kommissionspraxis Die Kommission differenzierte in ihrer früheren beihilfenrechtlichen Entschei­ dungspraxis bezüglich mitgliedstaatlicher Infrastrukturförderung zumeist nicht zwischen den einzelnen Merkmalen des „Unternehmens“ und des „selektiven wirtschaftlichen Vorteils“ in Art.  107 Abs.  1 AEUV233. Vielmehr lehnte sie eine Er­ öffnung des Beihilfentatbestands mit der Begründung ab, dass es sich dabei um eine „allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahme“ der Mitgliedstaaten handele, welche von ihr nicht überprüft werden könne234. Betrachtet man diese Begrün­ dung dogmatisch genauer, so bietet das Merkmal der „spezifischen Begünstigung“ durchaus einen denkbaren Anknüpfungspunkt für diese Ausnahme235. Nach diesem Ansatz entfällt auch die Erforderlichkeit der künstlich anmutenden Konstruktion 233

Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 87 f. Vgl. dazu nur Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 1994, Rn.  12; ferner Karpenstein/ Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 88; Kekelekis, EStAL 2011, S. 433, 434; Schrotz, in: Birnstiel/ Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 275 f. 235 Dolde/Porsch, ZLW 2004, S. 3, 8; Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 88. A. A. Soltész, EStAL 2006, S. 719, 723. 234

172

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

einer Trennung der Bewertung der Förderung von Infrastrukturerrichtung und -be­ trieb bereits im Rahmen der Untersuchung der Unternehmenseigenschaft von In­ frastrukturbetreibern, wie diese zuweilen insbesondere von mitgliedstaatlicher Seite vertreten wurde236. Grundsätzlich bezweckt das Merkmal der selektiven Begünstigung in Art. 107 Abs. 1 AEUV, dass keine allgemeinen wirtschaftspolitischen Fördermaßnahmen der Mitgliedstaaten der Beihilfenkontrolle der Kommission unterworfen werden, soweit diese diskriminierungsfrei allen Unternehmen gleichsam zugutekommen237. Darin zeigt sich ein weiteres Mal eine Begrenzung der Kompetenzen der Union, über das Beihilfenrecht auf die allgemeine Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten Einfluss zu nehmen. Beispielhaft können hier etwa die Senkung oder Abschaffung von Unternehmenssteuern, Zuschüsse zu Löhnen von Arbeitnehmern, erweiterte steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten oder die Finanzierung berufsbildenden­ der Programme genannt werden238. Das Selektivitätskriterium ist nach der Recht­ sprechung des Gerichtshofs allerdings weit auszulegen, so dass für allgemeine Maßnahmen nur ein enger Gestaltungsbereich verbleibt239. Insbesondere soll eine Umgehung des Beihilfenverbots dadurch verhindert werden, dass die Mitglied­ staaten allgemein gehaltene Förderungsregelungen schaffen, die faktisch jedoch nur einzelnen Unternehmen zugutekommen240. In ihrer früheren Rechtspraxis ordnete die Kommission auch die mitgliedstaat­ liche Infrastrukturförderung als allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahme ein. Verdeutlich wird dies etwa an der auch bereits im Rahmen des Unternehmens­ begriffs angesprochenen Formulierung der Luftverkehrs-Leitlinien 1994, wo es heißt, dass „[d]er Bau oder Ausbau von Infrastrukturanlagen (z. B. Flughäfen, Autobahnen oder Brücken) (…) eine allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahme [ist], die von der Kommission nicht gemäß den Vertragsbestimmungen über staatliche Beihilfen kontrolliert werden kann.“241 Dieser Ansatz wurde inhaltlich auch in mehreren Kommissionsentscheidungen der 1990er Jahre zum Infrastrukturbereich wiederholt242.

236

Siehe dazu das Vorbringen der Kläger in EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, Rn. 24 – Flughafen Leipzig/Halle. 237 von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 107 AEUV Rn. 41. 238 Beispiele nach Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rn. 26. 239 EuGH, Urt. v. 13.02.2003, Rs. C-409/00, Rn. 47 f. – Spanien/Kommission; EuGH, Urt. v. 17.06. 1999, Rs. C-75/97, Rn. 32 ff. – Maribel; Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rn.  26 m. w. N.; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 2.  Aufl., § 43 Rn. 38. 240 Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rn. 26. 241 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 1994, Rn. 12. 242 Kommission, Ent. v. 14.06.1999, Az. NN 109/98, Rn. 4 f. – Manchester Airport; Kommission, Ent. v. 12.04.1999, Az. N 638/98 – Flughafen Elba I.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

173

Da die Kommission infolge der Aéroports de Paris243-Entscheidung des Ge­ richtshofs Infrastrukturbetreiber später jedoch grundsätzlich als Unternehmen im Sinne des Europäischen Wettbewerbsrechts einordnete, stellte sich aus beihilfen­ rechtlicher Sicht die Folgefrage, inwieweit diese Änderung auch Auswirkungen auf die Bewertung des Merkmals der selektiven Begünstigung bei der mitglied­ staatlichen Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen haben würde. Unmittelbar betriebsbezogene mitgliedstaatliche Zuwendungen an Infrastruk­ turbetreiber sieht die Kommission seit der Schiphol-Group-Entscheidung244 aus dem Jahr 2001 nunmehr in ständiger Rechtspraxis als selektive Vorteilsgewährung an. Damit gelten für Infrastrukturbetreiber bei unmittelbar betriebsbezogener För­ derungen aus beihilfenrechtlicher Sicht die gleichen Maßstäbe wie für andere Un­ ternehmen auch245. Dies ist letztlich vor dem Hintergrund konsequent, dass der In­ frastrukturbetrieb nach der hier vertretenen und nunmehr auch im Grundsatz vom Gerichtshof bestätigten Auffassung regelmäßig als wirtschaftliche Tätigkeit an­ zusehen ist. Die Rechtspraxis der Kommission entwickelte sich bei dem Merkmal der Begünstigung insoweit parallel zu der im Rahmen des Unternehmensbegriffs dargestellten Neuausrichtung. Insbesondere stellt die generelle Förderung des Be­ triebs von Infrastrukturen damit ausdrücklich keine „allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahme“ der Mitgliedstaaten ohne Begünstigungscharakter mehr dar. Eine Sonderstellung des Infrastruktursektors als hoheitlicher Verantwortungs­ bereich der Mitgliedstaaten oder aufgrund seiner Nähe zu mitgliedstaatlichen Tä­ tigkeiten der Daseinsvorsorge („dritter Bereich“) ist nach der hier vertretenen Auf­ fassung darüber hinaus auf Begünstigungsebene ebenso wenig anzunehmen wie im Rahmen des Unternehmensbegriffs246. Die unmittelbar betriebsbezogene mitgliedstaatliche Förderung von Infrastruk­ turbetreibern unterfällt damit grundsätzlich und ohne generelle Ausnahmen den Vorschriften der Beihilfenkontrolle. 2. Exkurs: Formen unmittelbar betriebsbezogener mitgliedstaatlicher Vorteilsgewährungen an Infrastrukturbetreiber Bei unmittelbar betriebsbezogenen mitgliedstaatlichen Vorteilsgewährungen an Infrastrukturbetreiber kann es sich sowohl um positive als auch um negative Maß­ nahmen handeln, und diese können entweder finanzieller oder auch nicht-finan­ zieller Art sein. 243

EuGH, Urt. v. 24.10.2002, Rs. C-82/01 P, Rn. 68 ff. – Aéroports de Paris. Kommission, Ent. v. 03.07.2001, Az. E 45/2000 – Schiphol Group. Siehe auch oben Kap. 4, A. II. 2. a) bb). 245 Heidenhain, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 9 Rn. 4. 246 Vgl. ausführlich dazu oben Kap. 4, A. IV. 244

174

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

a) Positive und negative mitgliedstaatliche Fördermaßnahmen Finanzielle Unterstützungen können in Gestalt von Zuwendungen der Mitglied­ staaten vorliegen, worunter etwa die einmalige Gewährung von Finanzmitteln für den laufenden Betrieb, zinsvergünstigte Darlehen oder ein regelmäßiger Ausgleich aufgelaufener Defizite fallen. Darüber hinaus kann eine finanzielle Unterstützung eines Infrastrukturbetrei­ bers aber auch dadurch erfolgen, dass ihm (steuerliche)  Entlastungen von einer mitgliedstaatlichen Stelle zugestanden werden. Der Verzicht auf die einem Mit­ gliedstaat nach seinem Recht zustehenden Steuermittel stellt eine Begünstigung des betroffenen Unternehmens dar247. b) Zuwendungen finanzieller und nicht-finanzieller Art Eine typische mitgliedstaatliche Betriebsbegünstigung finanzieller Art stellen Kapitalzuführungen an Infrastrukturbetreibergesellschaften dar, an denen die öf­ fentliche Hand beteiligt ist, soweit diese nicht zu marktüblichen Bedingungen er­ folgen248. In diesem Zusammenhang kommt dem Private Investor Test besondere Bedeutung zu, der einiger Anpassungen an die besonderen wirtschaftlichen Eigen­ schaften des Infrastruktursektors bedarf und im Folgenden noch näher erläutert wird249. Aus dem Bereich von Zuwendungen nicht-finanzieller Art ist die mitgliedstaat­ liche Übernahme von Garantien und Bürgschaft zugunsten von Infrastrukturbetrei­ bern hervorzuheben, die dadurch zu günstigeren als Marktkonditionen auf Kredite und andere (Finanzierungs-)Leistungen privater Anbieter zugreifen können. Auch dabei kann die Abgrenzung zwischen einem marktkonformen Handeln des Mit­ gliedstaats und der Gewährung einer Begünstigung schwierig sein, vor allem bei öffentlichen Infrastrukturbetreibern250. Wiederum kommt in diesem Zusammen­ hang dem Private Investor Test besondere Bedeutung zu. Die vielfältigen Abgrenzungs- und Problemfälle, gerade bei nicht-finanziel­ len Maßnahmen, waren und sind Gegenstand zahlreicher beihilfenrechtlicher Dis­ kussionen und Kontroversen, die mangels spezifischen Bezugs zum Infrastruk­ turbereich hier nicht vertieft erläutert werden sollen. Die Besonderheiten bei der Anwendung des bereits angedeuteten Private Investor Test sowie der Altmark 247

EuGH, Urt. v. 13.06.2002, Rs. C-382/99, Rn.  60  – Niederlande/Kommission; EuGH, Urt. v. 15.03.1994, Rs. C-387/92, Rn. 14 – Banco Exterior de Espana; von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 107 AEUV Rn. 47. 248 Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 97. 249 Siehe unten Kap. 4, B. IV. 250 Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 97; ferner Götz/Martínez Soria, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, Kap. H. III Rn. 91 f.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

175

Kriterien im Infrastrukturbereich, welche die Annahme einer Begünstigung je­ weils entfallen lassen, werden im Rahmen der mitgliedstaatlichen Finanzierung der Errichtung von Infrastrukturen näher erörtert251.

II. Die mitgliedstaatliche Finanzierung der Errichtung von Infrastrukturanlagen als selektive Begünstigung des Infrastrukturbetreibers Schwerpunktmäßig untersucht werden soll im Folgenden die Frage, inwieweit einem Infrastrukturbetreiber ein selektiver wirtschaftlicher Vorteil bei der mit­ gliedstaatlichen Finanzierung von Infrastruktureinrichtungen zukommt. Dabei sind verschiedene Konstellationen denkbar. So kann ein Mitgliedstaat einem Infra­ strukturbetreiberunternehmen bereits bestehende Infrastrukturen (etwa einen auf­ gegebenen ehemaligen Militärflughafen) zur Verfügung stellen. Des Weiteren kann es sich aber auch um eine vollständige oder teilwiese mitgliedstaatliche Finanzie­ rung des Aus-, Um- oder Neubaus bereits bestehender und von einem Infrastruk­ turunternehmen betriebener Infrastrukturanlagen handeln, im Falle eines Flugha­ fenbetreibers beispielsweise um die Errichtung einer neuen, weiteren Lande­bahn. 1. Die Entwicklung der Kommissionspraxis zur mitgliedstaatlichen Förderung der Errichtung von Infrastrukturen Entsprechend ihrer allgemeinen Rechtspraxis zur beihilfenrechtlichen Bewer­ tung der mitgliedstaatliche Infrastrukturmaßnahmen überprüfte die Kommission die mitgliedstaatliche Förderung der Errichtung von Infrastrukturen bis in die spä­ ten 1990er Jahre nicht anhand der Beihilfenvorschriften. Wie gezeigt, sieht sie unmittelbar betriebsbezogene mitgliedstaatliche Zuwen­ dungen an Infrastrukturbetreiber seit der Schiphol-Group-Entscheidung aus dem Jahr 2001 als selektive Vorteilsgewährung an252. Zugleich deutete die Kommission in ebendieser Entscheidung zur Schiphol-Group allerdings an, dass sie die mit­ gliedstaatliche Finanzierung der Errichtung und des Ausbaus von Infrastruktur­ anlagen weiterhin anders bewerte als Betriebsbeihilfen für Infrastrukturbetreiber, nämlich als „allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahmen“ im Sinne der Luft­ verkehrs-Leitlinien 1994 und nicht als selektive Begünstigung253.

251

Siehe unten Kap. 4, B. IV. und B. V. Kommission, Ent. v. 03.07.2001, Az. E 45/2000 – Schiphol Group. Siehe dazu auch oben Kap. 4, A. II. 2. a) bb). 253 Kommission, Ent. v. 03.07.2001, Az. E 45/2000 – Schiphol Group. 252

176

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Diese Differenzierung verfolgte sie jedoch schon wenige Jahre später in ihrer Rechtspraxis nicht weiter. So überprüfte sie im Jahr 2005 in den Verfahren Flughafen Antwerpen254 und Deutsche Regionalflughäfen255 die mitgliedstaatliche För­ derung der Infrastrukturerrichtung an Flughäfen anhand der beihilfenrechtlichen Vorschriften. Darüber hinaus intensivierte sie in zu dieser Zeit ihre beihilfenrecht­ lichen Untersuchungen auch in anderen Infrastrukturbereichen, etwa bei See­ häfen256, Pipelines257 und Breitband-Netzen258. In den Luftverkehrs-Leitlinien 2005 spiegelte sich die Neuausrichtung der Kommissionspraxis ebenfalls wider. Die Bedeutung des Erlasses dieser Leitlinien ist über den Flughafensektor hinaus für die gesamte beihilfenrechtliche Bewertung der mitgliedstaatlichen Förderung der Infrastrukturerrichtung nicht zu unterschät­ zen. Die Grundsätze der Leitlinien wurden von der Kommission in der Folgezeit nämlich auch auf eine Reihe von weiteren Infrastrukturarten angewendet, wie etwa auf privat betriebene Autobahnen259. 2. Exkurs: Die Neuausrichtung der Kommissionspraxis im Spannungsverhältnis zwischen den Vorgaben der Luftverkehrs-Leitlinien von 1994 und 2005 Gleichwohl erscheint allerdings überraschend, dass die Kommission trotz der Neuformulierung ihrer Rechtspraxis in den Luftverkehrs-Leitlinien 2005 die alten Grundsätze aus den Luftverkehrs-Leitlinien 1994 nicht als vollständig überholt be­ trachtete. Vielmehr merkte sie an, dass die Grundsätze zur mitgliedstaatlichen In­ frastrukturfinanzierung in den Luftverkehrs-Leitlinien 2005 diejenigen von 1994 lediglich ergänzen und konkretisieren, nicht aber ersetzen sollen260. Dies führt zu der Frage, wie ihre fundamental unterschiedlichen Einschätzungen zur beihilfen­ rechtlichen Überprüfung der mitgliedstaatlichen Förderung der Errichtung von In­ frastrukturen in den Luftverkehrs-Leitlinien 1994 und 2005 zueinander stehen. Offensichtlich hatte die Kommission  – zumindest um die Mitte der 2000er Jahre – bei ihren Prüfungen im Flughafensektor selbst Probleme damit, eine strin­ gente Entscheidungspraxis zu entwickeln. So verwies sie in einigen Entscheidun­ gen auf die Luftverkehrs-Leitlinien 1994 und betonte, dass der Bau- oder Ausbau 254

Kommission, Ent. v. 20.04.2005, Az. N 335/2004, Rn. 30 ff. – PPP Flughafen Antwerpen. Kommission, Ent. v. 07.06.2005, N 644i/2002, Rn. 26 ff. – Regionalflughäfen. 256 Kommission, Ent. v. 20.10.2004, N 520/2003, Rn.  56  – Financial Support for Infra­ structure Works in Flemish Ports. 257 Kommission, Ent. v. 16.06.2004, C 67/03 (ex N 355/03), C 68/03 (ex N 400/03), C 69/03 (ex N 473/03), Rn. 55 – Propylen-Pipeline von Rotterdam über Antwerpen ins Ruhrgebiet. 258 Kommission, Ent. v. 16.11.2004, Az. N 307/2004, Rn. 23 ff. – Broadband Scotland. 259 Kommission, Ent. v. 15.06.2006, Az. N 149/2006, Rn. 46 f. – M3 Clonee to North of Kells; siehe auch Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 109. 260 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2005, Rn. 19. 255

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

177

von Flughafenanlagen eine „allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahme darstelle“, kam schlussendlich aber dennoch zu dem Ergebnis, dass eine beihilfen­ rechtliche Überprüfung erforderlich sei261. a) Erster Lösungsansatz: Substitution der Luftverkehrs-Leitlinien 1994 Einige Stimmen in der Literatur nahmen an, dass die Luftverkehrs-Leitlinien 2005 diejenigen von 1994 vollständig substituierten. Nach dieser Auffassung lässt eine Auslegung der neuen Luftverkehrs-Leitlinien 2005 allein den Schluss zu, dass die Leitlinien von 1994 ersetzt werden sollten, auch wenn die Kommission dies ausdrücklich nicht beabsichtigte262. Die Einordnung der Aktivitäten des Flug­ hafeninfrastrukturbetriebs als wirtschaftliche Tätigkeit, allein mit der Ausnahme für bestimmte hoheitliche Betätigungen, impliziere, dass die mitgliedstaatliche In­ frastrukturförderung sowohl bei Groß- als auch bei Regionalflughäfen als selek­ tive Unternehmensbegünstigung der Beihilfenkontrolle der Kommission unterfal­ len solle263. Nach dieser Ansicht verfolgt die Kommission damit de facto eine klare Abkehr von den Vorgaben der Luftverkehrs-Leitlinien 1994. b) Zweiter Lösungsansatz: Ergänzung und Konkretisierung Andere Literaturvertreter waren der Ansicht, dass mittels Auslegung der Leit­ linien von 1994 und 2005 ihr Verhältnis zueinander klargestellt und abgegrenzt werden könnte. Bartosch schlug vor, dass aufgrund der von der Kommission festgelegten fortdauernden Anwendbarkeit der Luftverkehrs-Leitlinien 1994 der Grundsatz gelten sollte, dass die Finanzierung von Flughafeninfrastruktu­ ren weiterhin als staatliche Aufgabe zur Verwirklichung verkehrspolitischer Zwe­ cke angesehen wird264. Da dabei allerdings ein Vorteil zugunsten bestimmter Flughafen­betreiber nicht ausgeschlossen werden könne, müsse in diesen Fällen der Beihilfentatbestand eröffnet sein265. Regelmäßig wird es dann jedoch andere Gründe für Rechtfertigungen der Beihilfen für die Infrastrukturbetreiber geben, welche vor dem Hintergrund der verkehrspolitischen Bedeutung der Flughäfen be­ sonders zu würdigen seien266.

261

Vgl. nur Kommission, Ent. v. 07.06.2005, N 644i/2002, Rn. 26 ff. – Regionalflughäfen. So Soltész, EStAL 2006, S. 719, 722. 263 Soltész, EStAL 2006, S. 719, 722 f. u. 729. 264 Bartosch, WuW 2005, S. 1122, 1127. 265 Vgl. dazu Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2005, Rn.  57; Bartosch, WuW 2005, S. 1122, 1127. 266 Vgl. auch Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2005, Rn. 61. Zur verkehrspolitischen Be­ deutung von Flughäfen vgl. Kommission, Weißbuch Verkehrspolitik, S.  42 f.; Dolde/Porsch, ZLW 2004, S. 3, 9 f. m. w. N. 262

178

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Ähnlich dazu sahen einige Literaturvertreter in den Luftverkehrs-Leitlinien 2005 allein eine Ergänzung und Spezifizierung der Luftverkehrs-Leitlinien 1994 und wollten so den anscheinenden Widerspruch zwischen ihnen auflösen. So kon­ statieren Koenig und Trías, dass die Luftverkehrs-Leitlinien 1994 die mitglied­ staatliche Infrastrukturfinanzierung allein unter den folgenden Bedingungen von der Beihilfenkontrolle freistellten267: „1. Die Mitgliedstaaten verfolgen mit der Infrastrukturfinanzierung ein allgemeinpolitisches Ziel in den Bereichen planungspolitischer Anforderungen oder (…) [nationaler Umwelt­ schutzpolitik und/oder Verkehrspolitik]. 2. Die Beihilfenkontrolle auf Ebene der Betreiber, Eigentümer und Gesellschafter der Be­ treibergesellschaft entfällt nur und ausschließlich dann, wenn der Mitgliedstaat allein zu­ gleich Entwickler, Eigentümer und Betreiber der Infrastruktureinrichtungen bleibt. 3. Der Zugang zur Infrastruktur steht allen Nutzern zu offenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen offen.“268

Koenig und Trías merkten selbst an, dass sich die Bestimmung des Anwen­ dungsbereichs der Luftverkehrs-Leitlinien 1994 und 2005 nicht „vollständig decke[]“269. Dennoch hielten sie die Leitlinien für miteinander vereinbar, da lediglich die Fortentwicklung der wirtschaftlichen Bedeutung des Flughafenbereichs darin widergespiegelt werde270. c) Auflösung des Spannungsverhältnisses durch die Luftverkehrs-Leitlinien 2014? Gerade anhand der Darstellung von Koenig und Trías ist deutlich erkennbar, in welchem Spannungsfeld sich die Kommission bei der Veröffentlichung der Luft­ verkehrs-Leitlinien 2005 bewegte. Es ging dabei um das bereits dargestellte Kern­ problem der beihilfenrechtlichen Einordnung der mitgliedstaatlichen Infrastruk­ turförderung: Auf der einen Seite erhebt die Kommission den Anspruch, einen effektiven Wettbewerbsschutz auf diesem Gebiet zu gewährleiten. Erforderlich wurde dies in den letzten Jahrzehnten vor allem aufgrund der auch im Wege der Liberalisierung vieler Infrastrukturbereiche angestoßenen enormen Dyna­ mik in der wirtschaftlichen Entwicklung bei der Errichtung und dem Betrieb von Infrastruktur­einrichtungen. Auf der anderen Seite würden durch eine konsequente Anwendung der Bei­ hilfenkontrolle auf alle mitgliedstaatlichen Infrastrukturprojekte die wirtschafts­ politischen Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten bei der Errichtung von 267

Koenig/Trías, EStAL 2009, S. 299, 303 f. Koenig/Trías, EStAL 2009, S. 299, 304. (Eigene Übersetzung aus dem Englischen.) 269 Koenig/Trías, EStAL 2009, S.  299, 309: „both scopes of application do not coincide­ completely“. 270 Koenig/Trías, EStAL 2009, S. 299, 309. 268

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

179

Infrastruktureinrichtungen eingeschränkt und durch die Kommissionspraxis mit­ beeinflusst werden. In den neuen Luftverkehrs-Leitlinien 2014 ist nunmehr ausdrücklich festgelegt, dass die Regelungswerke von 1994 und von 2005 mit dem Inkrafttreten der neuen Bestimmungen aufgehoben werden sollen271. Damit bewegt sich die Kommission einen deutlichen Schritt von ihrer alten Rechtspraxis zur Nicht­eröffnung des Bei­ hilfentatbestands bei der mitgliedstaatlichen Infrastrukturfinanzierung weg. Die rechtliche Relevanz des dargestellten Streits über das Verhältnis der LuftverkehrsLeitlinien 1994 und 2005 bleibt allerdings – über seine dogmatische Bedeutung für die grundsätzliche Entwicklung der Kommissionspraxis hinaus – auch nach Erlass der neuen Leitlinien für die gerichtliche Überprüfung zuvor von der Kommission entschiedener Altfälle bestehen. 3. Verbleibende offene Fragen Gleichwohl greift die Annahme zu kurz, dass das grundsätzliche Spannungsver­ hältnis zwischen Union und Mitgliedstaaten bei der beihilfenrechtlichen Einord­ nung der Infrastrukturförderung mit der Neuregelung der Luftverkehrs-Leitlinien 2014 und der grundlegenden Entscheidung Flughafen Leipzig/Halle nunmehr vollständig aufgelöst wäre. Vielmehr fehlt es weiterhin an einer tatsächlich kohä­ renten Anwendung der Beihilfenvorschriften auf die mitgliedstaatliche Infrastruk­ turfinanzierung. Dies folgt im Wesentlichen aus zwei Aspekten: Erstens unterscheidet die Kommission bei der Frage des Vorliegens einer Bei­ hilfe durch die mitgliedstaatliche Infrastrukturfinanzierung teilweise danach, ob die Infrastruktur allein im Eigentum des Mitgliedstaats steht und betrieben wird oder ob der Betrieb von einem privaten Unternehmen übernommen wird272. Die Kommission lässt dabei letztlich offen, ob sie diese Ausnahmeregelung für öffent­ liche Infrastrukturbetreiber im Tatbestandsmerkmal des Unternehmens oder der selektiven Begünstigung verortet. In der vorliegenden Bearbeitung wurde sie be­ reits in ersterem Kontext des Unternehmensmerkmals kritisch diskutiert273. Zweitens deutet sich auch nach den neuen Luftverkehrs-Leitlinien 2014 der Kommission keine einheitliche Behandlung der mittelbaren Auswirkungen der mitgliedstaatlichen Beihilfenvergabe an ein im Infrastrukturbereich tätiges Unter­ nehmen auf vor- und nachgelagerten Märkten und Begünstigtenebenen an. Die da­ mit zusammenhängenden und für den Wettbewerbsschutz im Infrastruktursektor zentralen Überlegungen werden im Folgenden näher dargestellt. 271

Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 24. Dies gilt vor allem für Straßen- und Eisenbahninfrastrukturen, siehe Kommission, Ent. v. 15.06.2006, Az. N 149/2006, Rn. 29 ff. – M3 Clonee to North of Kells; vgl. auch Kommission, Note to DG Regio 2011, Rn. 8. 273 Ausführlich dazu oben Kap. 4, A. III. 4. b). 272

180

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

III. Die Behandlung von indirekten und mittelbaren Begünstigungen bei der mitgliedstaatlichen Infrastrukturförderung Eine im Rahmen der beihilfenrechtlichen Bewertung des Infrastrukturbetriebs erst in jüngerer Zeit aufgegriffene Frage betrifft die Behandlung von Fällen einer sogenannten indirekten oder mittelbaren Begünstigung274. Es handelt sich da­ bei um Konstellationen, in denen eine mitgliedstaatliche Zuwendung nicht allein einem unmittelbar Begünstigten zugutekommt, sondern mittelbar zugleich wei­ teren Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft. Mittelbare Begüns­ tigungen sind kein Spezifikum der Beihilfenkontrolle des Infrastrukturbereichs, wie dazu ergangene Entscheidungen der Kommission und des Gerichtshofs aus anderen Wirtschaftsbereichen zeigen, etwa zum Kraftstoffhandel und zum Wein­ bau275. Allerdings erlangt diese Rechtsfigur gerade im Infrastruktursektor erheb­ liche Bedeutung, was auf die Besonderheiten der dortigen Marktstrukturen zu­ rückzuführen ist276. Die unterschiedlichen Marktebenen des Infrastrukturbereichs (vor allem Errich­ tung, Betrieb und Nutzung) sind zwar für eine transparente beihilfenrechtliche Be­ wertung zunächst getrennt zu betrachten277, in der wirtschaftlichen Realität jedoch häufig eng miteinander verbunden. Dies gilt in besonderem Maße in Fällen, in de­ nen Infrastrukturbetrieb (Betreiberebene) und Infrastrukturdienstleistung (Nutzer­ ebene) von einem vertikal integrierten Unternehmen erbracht werden. Aber selbst wenn dies nicht der Fall ist, kann eine Weitergabe wirtschaftlicher Vorteile des In­ frastrukturbetreibers an seine Nutzer für diesen von wirtschaftlichem Interesse sein, um sich gegenüber anderen Infrastrukturbetreibern oder im intermodalen Wettbewerb Vorsprünge zu verschaffen278. Umgekehrt kann aber auch eine staat­ liche Unterstützung von Infrastrukturdienstleistern (Nutzerebene) dazu führen, dass mittelbar dem Infrastrukturbetreiber (Betreiberebene) wirtschaftliche Vorteile zukommen. Schließlich ist aber auch denkbar, dass Zuwendung an eine Infrastruk­ turbetreibergesellschaft (Betreiberebene) auf ihre Gesellschafter (Gesellschafter­ ebene) begünstigende Wirkung haben. Noch komplexer gestaltet sich die Betrach­ tung, wenn Infrastruktureigentümer (Eigentümerebene) und Infrastrukturbetreiber (Betreiberebene) auseinanderfallen und damit auch dort eine ebenenübergreifende Begünstigung zu untersuchen ist.

274 Siehe dazu etwa Heidenhain, EuZW 2007, 623; Soltész/Hellstern, EuZW 2013, S. 489, 490 f.; ferner Arhold, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 135 ff.; Bartosch, EU-Beihilfenrecht, Art. 87 Abs. 1 EGV Rn. 81 f.; von Brevern/Grafunder, EStAL 2012, S. 201, 205 f. 275 Dazu Heidenhain, EuZW 2007, 623. 276 Vgl. die Darstellung bei Koenig/Scholz, EuZW 2003, S. 133. 277 Siehe oben Kap. 2, B. II. 278 Siehe zum Merkmal der Wettbewerbsverfälschung auch unten Kap. 4, C. III. 3. b).

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

181

Diese Konstellationen sollen im Folgenden einzeln anhand konkreter Beispiele erläutert werden, bevor die Bedeutung der Rechtsfigur der mittelbaren Begüns­ tigung insgesamt diskutiert und die Defizite bei ihrer bisherigen Anwendung im Infrastrukturbereich dargestellt werden. 1. Abgrenzung einer mittelbaren Begünstigung eines Infrastrukturnutzers von einer unmittelbaren Beihilfengewährung durch einen Infrastrukturbetreiber Die Konstellation einer mittelbaren Begünstigung auf der Nutzerebene durch eine mitgliedstaatliche Vorteilsgewährung an einen Infrastrukturbetreiber ist zu­ nächst von der Fallgruppe abzugrenzen, in der ein öffentlicher Infrastrukturbetrei­ ber selbst unmittelbar eine Beihilfe an einen Infrastrukturnutzer vergibt279. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann eine beihilfenrechtlich rele­ vante mitgliedstaatliche Zuwendung an ein Unternehmen nicht nur unmittelbar von einer (hoheitlichen) staatlichen Stelle gewährt werden, etwa durch eine Ver­ waltungsbehörde280. Vielmehr kann auch ein von der öffentlichen Hand beherrsch­ tes (und unter Umständen auch in Privatrechtsform organisiertes) Unternehmen als Beihilfengeber eingeordnet werden. Hierfür ist nach der Stardust Marine-Rechtsprechung des Gerichtshofs erfor­ derlich, dass der Staat auf die unternehmerische Entscheidung des Infrastruk­ turbetreibers über die Vorteilgewährung zugunsten eines dritten Unternehmens tatsächlichen Einfluss genommen hat, damit das Merkmal der Gewährung der Be­ günstigung „aus staatlichen Mitteln“ im Beihilfentatbestand als erfüllt betrachtet werden kann281. Derartige Sachverhalte aus dem Infrastrukturbereich haben in der beihilfen­ rechtlichen Überprüfungspraxis der Kommission in jüngerer Zeit verstärkt Bedeu­ tung erlangt282. Eine Vielzahl an öffentlichen Betreibern von Regionalflughäfen hat in den vergangenen Jahren sogenannten „Low-Cost-Carriern“ vertraglich Ver­ günstigungen etwa in Form von niedrigen Start- und Landegebühren als Gegen­ leistung dafür gewährt, dass diese sich dazu verpflichteten, den jeweiligen Flug­ hafen mittel- bis langfristig zu bedienen283.

279

Siehe dazu etwa Martín-Ehlers, EuZW 2010, S. 287 ff. EuGH, Urt. v. 16.5.2002, Rs. C-482/99 – Stardust Marine. Vgl. dazu Reich/Helios, EuZW 2002, S. 468 ff. 281 EuGH, Urt. v. 16.5.2002, Rs. C-482/99, Rn. 52 – Stardust Marine. Dazu Koenig/Kühling/ Ritter, EG-Beihilfenrecht, Rn. 159 f.; Lübbig, WM 2002, S. 1828, 1830 f. 282 Siehe hierzu etwa die Verfahren zu den Flughäfen Charleroi, Belgien (Az. SA.14093), An­ goulême, Frankreich (Az. SA.33963) und Dortmund, Deutschland (Az. SA.29404). 283 Ausführlich Lykotrafiti, EStAL 2008, S. 214 ff. 280

182

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

In diesen Fällen liegt bereits eine unmittelbare Begünstigung der Unternehmen auf der Nutzerebene vor, so dass es zu ihrer beihilfenrechtlichen Beurteilung auf die komplizierte Rechtsfigur der mittelbaren Begünstigung nicht mehr ankommt284. Dies gilt zudem unabhängig davon, ob der Infrastrukturbetreiber selbst (Betrei­ berebene)  ebenfalls von mitgliedstaatlichen Zuwendungen (etwa zur Infrastruk­ turerrichtung) profitiert oder profitiert hat und in diesem Kontext als Beihilfen­ empfänger einzustufen ist. Es widerspricht nach der jüngsten Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht der Logik des Beihilfenrechts, dass ein öffentliches Infrastruk­ turbetreiberunternehmen einem Zusammenhang als Beihilfenempfänger anzuse­ hen ist, während es in einer anderen Konstellation als Beihilfengeber auftritt285. Losgelöst von den konkreten Fragen in diesem Zusammenhang zeigen sich einige vorgelagerte allgemeinere Problemstellungen, die sich ähnlich sowohl bei der Beihilfenvergabe eines öffentlichen Infrastrukturbetreibers als auch bei der Konstellation der mittelbaren Begünstigung ergeben. Dazu gehört vor allem der Aspekt, inwieweit ein Infrastrukturbetreiber die (mitgliedstaatlicherseits über­ nommenen oder zumindest bezuschussten) Kosten der Errichtung der Infrastruk­ turanlagen an die Infrastrukturnutzer über seine Preisgestaltung grundsätzlich wei­ terzureichen hat. Dieser Punkt wird später noch genauer aufgegriffen286. Darüber hinausgehende Einzelfragen zur Beihilfenvergabe öffentlicher Infrastrukturbetrei­ ber sollen im Folgenden dagegen nicht näher erörtert werden287. 2. Verschiedene Konstellationen der mittelbaren Begünstigung, erläutert anhand der Rechtspraxis von Kommission und Gerichtshof a) Mittelbare Begünstigung auf der Nutzerebene durch Zuwendungen an den Infrastrukturbetreiber aa) Die Einleitungsentscheidung zum Verfahren Flughafen Leipzig/Halle Die Konstellation einer mittelbaren Begünstigung auf der Nutzerebene durch eine mitgliedstaatliche Vorteilsgewährung an einen Infrastrukturbetreiber wurde von der Kommission im Laufe des Verfahrens DHL – Flughafen Leipzig/Halle288 untersucht. 284

Vgl. auch Soltész/Hellstern, EuZW 2013, S. 489, 492. So nunmehr auch die Rechtsprechung in EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08, Rn. 140 ff. – Flughafen Leipzig/Halle; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P – Flug­ hafen Leipzig/Halle. 286 Siehe unten Kap. 4, B. III. 4. 287 Siehe dazu etwa Giesberts/Kleve, EuZW 2009, S. 287 ff. 288 Kommission, Ent. v. 22.11.2006 (Einleitungsent.), Az. Nr.  C 48/2006 (ex N 227/2006), ABl. 2007 Nr. C 48/7 – DHL-Flughafen Leipzig/Halle. 285

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

183

In diesem Fall gewährte der Freistaat Sachsen dem Flughafen Leipzig/Halle sowie dem Luftfrachtunternehmen DHL verschiedene wirtschaftliche Unterstüt­ zungen, damit DHL den Flughafen Leipzig/Halle als Standort für sein neues europäischen Drehkreuzes auswählte. Der von der öffentlichen Hand betrie­ bene Flughafen erhielt erstens eine Kapitaleinbringung, die zur Errichtung einer neuen Landebahn aufgewendet wurde, welche vor allem von DHL genutzt wer­ den sollte289. Der Flughafen schloss des Weiteren mit DHL eine „Rahmenvereinbarung“, in der er DHL unter anderem garantierte, dass ihr die Nutzung der Flug­ hafeninfrastrukturen zu jeder Tages- und Nachtzeit möglich sein werde290. Für den Fall, dass der Flughafen diese Zusicherung nicht einhalten könne, verpflichtete er sich verschuldensunabhängig (also auch z. B. bei behördlicher Verhängung eines Nachtflugverbots) zur Leistung von Schadensersatz an DHL. Der Freistaat Sach­ sen wiederum gab gegenüber DHL eine „Patronatserklärung“ ab, in der er unter anderem garantierte, für die potentiellen Schadensersatzansprüche der DHL gegen den Flughafenbetreiber einzustehen291. In ihrer Einleitungsentscheidung nahm die Kommission an, dass der Flug­hafen Leipzig/Halle durch die Kapitaleinbringung und die „Patronatserklärung“ des Freistaats Sachsen begünstigt worden sei292. Die dem Flughafenbetreiber gewähr­ ten wirtschaftlichen Vorteile könnten allerdings auch auf DHL begünstigend wir­ ken, soweit sie durch die durch die „Rahmenvereinbarung“ zwischen dem Flug­ hafen und DHL an Letztere „weitergegeben“ wurden. Die Kommission führte insoweit aus: „Wenngleich die Patronatserklärung und die Kapitaleinbringungen zunächst einmal eine selektive Begünstigung des Flughafens Leipzig darzustellen scheinen, ist zu berücksich­ tigen, dass diese Begünstigung durch den Abschluss einer allzu günstigen Rahmenverein­ barung möglicherweise an DHL weitergegeben wird. Der Flughafen Leipzig könnte somit teils als Zwischenstation für die Weiterleitung der Beihilfe an DHL dienen, dem die Patro­ natserklärung und die Finanzierung der Start- und Landebahn Süd letztlich zugutekommen könnten.“293

Letztlich kam es für die Kommission auf die Frage einer mittelbaren Begüns­ tigung der DHL durch die staatlichen Maßnahmen zugunsten des Flughafenbetrei­ bers in der abschließenden Entscheidung Flughafen Leipzig/Halle allerdings nicht mehr an. 289

Kommission, Ent. v. 22.11.2006 (Einleitungsent.), Az. Nr.  C 48/2006 ABl. 2007 Nr. C 48/7, Rn. 37 ff. – DHL-Flughafen Leipzig/Halle. 290 Kommission, Ent. v. 22.11.2006 (Einleitungsent.), Az. Nr.  C 48/2006 ABl. 2007 Nr. C 48/7, Rn. 11 ff. – DHL-Flughafen Leipzig/Halle. 291 Kommission, Ent. v. 22.11.2006 (Einleitungsent.), Az. Nr.  C 48/2006 ABl. 2007 Nr. C 48/7, Rn. 33 ff. – DHL-Flughafen Leipzig/Halle. 292 Kommission, Ent. v. 22.11.2006 (Einleitungsent.), Az. Nr.  C 48/2006 ABl. 2007 Nr. C 48/7, Rn. 49 ff., 79 ff. – DHL-Flughafen Leipzig/Halle. 293 Kommission, Ent. v. 22.11.2006 (Einleitungsent.), Az. Nr.  C 48/2006 ABl. 2007 Nr. C 48/7, Rn. 47. – DHL-Flughafen Leipzig/Halle.

(ex N 227/2006), (ex N 227/2006), (ex N 227/2006), (ex N 227/2006), (ex N 227/2006),

184

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Bezüglich der Kapitalzuführung für die Infrastrukturerrichtung prüfte sie in ih­ rer endgültigen Entscheidung allein eine Begünstigung auf der Ebene des Flugha­ fenbetreibers. Eine Weitergabe dieser Vorteile an DHL konnte sie dagegen nicht mehr erkennen294. Bezüglich der Garantien der Rahmenvereinbarung und der diese absichern den Patronatserklärung stellte die Kommission fest, dass DHL durch diese Maß­ nahmen unmittelbar begünstigt wurde295. Beihilfengeber seien dabei gemeinsam sowohl der Freistaat Sachsen als auch die staatlichen Flughafenbetreibergesell­ schaften296. Für die Kommission war der Flughafenbetreiber damit nicht wie zu­ nächst angenommen nur Zwischenstelle für die Weitergabe der ihm vom Mit­ gliedstaat gewährten wirtschaftlichen Vorteile, sondern vergab als öffentliches Unternehmen auch selbst eine Begünstigung. Die Kommission konnte in der Entscheidung damit letztlich die Antworten auf die schwierigen Folgefragen offenlassen, was genau unter den „allzu günstigen“297 Konditionen zugunsten von DHL in der Rahmenvereinbarung zu verstehen war und inwieweit tatsächlich quantifizierbare wirtschaftliche Vorteile vom Flughafen Leipzig/Halle an DHL weitergegeben wurden. Auch ohne diese komplexen Erwä­ gungen konnte sie im Ergebnis begründen, dass DHL Empfänger einer unzulässi­ gen Beihilfe war. Insoweit hatte die Entscheidung auch Bestand vor dem Gericht erster Instanz und dem Gerichtshof. Die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland rügten in diesem Verfahren zwar, dass die Betreibergesellschaften des Flughafens Leip­ zig/Halle nicht gleichzeitig als Beihilfenempfänger (hinsichtlich der Kapitalzu­ führung) und als Beihilfengeber (bezüglich der „Rahmenvereinbarung“ und der „Patronatserklärung“) angesehen werden könnten298. Das Gericht Erster Instanz verwarf diese Argumentation allerdings mit der Begründung, dass es sich um zwei unabhängige Maßnahmen handelte, in denen dem Flughafenbetreiber aus beihil­ fenrechtlicher Sicht jeweils eine unterschiedliche Stellung zukomme. So konnte er im ersten Falle eine staatliche Begünstigung erhalten, im zweiten Falle aber eine solche als öffentliches Unternehmen auch gewähren299. Der Gerichtshof bestätigte diese Auffassung und kam damit ebenfalls umhin, auf die Rechtsfigur der mittel­ baren Begünstigung näher einzugehen300. 294

Kommission, Ent. v. 23.07.2007, Az. C 48/06 (ex N 227/06), ABl. 2007 Nr.  L346/1, Rn. 147 ff. – DHL-Flughafen Leipzig/Halle. 295 Kommission, Ent. v. 23.07.2007, Az. C 48/06 (ex N 227/06), ABl. 2007 Nr.  L346/1, Rn. 231 ff., 249 ff. – DHL-Flughafen Leipzig/Halle. 296 Ebd. 297 Kommission, Ent. v. 22.11.2006 (Einleitungsent.), Az. Nr.  C 48/2006 (ex N 227/2006), ABl. 2007 Nr. C 48/7, Rn. 47. – DHL-Flughafen Leipzig/Halle. 298 EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08, Rn. 136 ff. – Flughafen Leipzig/Halle. 299 EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08, Rn. 140 ff. – Flughafen Leipzig/Halle; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P – Flughafen Leipzig/Halle. 300 Siehe EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P – Flughafen Leipzig/Halle.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

185

bb) Die Entscheidung InfraLeuna Auch in dem Verfahren InfraLeuna301 aus dem Jahr 1998, einer der ersten Ent­ scheidungen zu Infrastrukturbeihilfen überhaupt, setzte sich die Kommission um­ fassend mit der Frage einer mittelbaren Begünstigung von Infrastrukturnutzern durch mitgliedstaatliche Zuwendungen an einen Infrastrukturbetreiber auseinan­ der. Exemplarisch lassen sich anhand dieses Falls verschiedene Wege darstellen, in welcher Form im wirtschaftlichen Verhältnis des Infrastrukturbetreibers zu seinen Nutzern die Möglichkeit einer Weitergabe von Begünstigungen besteht. Die InfraLeuna war Betreiber von Infrastrukturanlagen (u. a. Straßen, Schie­ nen und Wasserrohre)  in einem Chemie-Park in Sachsen-Anhalt. Die bestehen­ den maroden Infrastruktureinrichtungen hatte die InfraLeuna in den 1990er Jah­ ren im Zuge der Privatisierungen der Wirtschaft der ehemaligen DDR nach der deutschen Wiedervereinigung übernommen. Diese Anlagen sollte die InfraLeuna nach umfassender Sanierung den neu angesiedelten Chemieunternehmen entgelt­ lich zur Nutzung anbieten302. Um die erforderlichen Mittel für die Sanierungs­ arbeiten aufbringen zu können, wurde die InfraLeuna umfassend mitgliedstaatlich bezuschusst303. Die Kommission untersuchte nun, ob die Zuwendungen an die In­ fraLeuna möglicherweise auch begünstigend auf Nutzer der Infrastruktur wirken konnten. Im Rahmen ihrer Prüfung setzt sich die Kommission mit verschiedenen denk­ baren Formen einer mittelbaren Begünstigung der Infrastrukturnutzer auseinander: Eine solche könnte zunächst vorliegen, wenn die Infrastrukturanlagen nicht für alle potentiellen Nutzer zu gleichen Bedingungen zugänglich wären. Nutzer, die in den Genuss von privilegierten Nutzungskonditionen kämen, würden dann gegen­ über anderen Nutzern selektiv von der Infrastrukturfinanzierung profitieren. Im konkreten Fall der InfraLeuna stellte die Kommission jedoch fest, dass der Infra­ strukturbetreiber vertraglich verpflichtet war, die Anlagen allen Nutzern zu offe­ nen und diskriminierungsfreien Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Eine mit­ telbare Begünstigung der Nutzer auf diese Weise schied damit aus304. Des Weiteren könnte man an eine mittelbare Begünstigung der Infrastruktur­ nutzer denken, wenn ein unmittelbar mitgliedstaatlich geförderter Infrastruktur­ betreiber keine marktüblichen Entgelte für den diskriminierungsfreien Zugang zu seinen Infrastruktureinrichtungen von den Nutzern erhebt. Inwieweit eine von

301

Kommission, Ent. v. 25.11.1998, Az. K(1998) 3840, ABl. 1999 L 260/1 – InfraLeuna. Kommission, Ent. v. 25.11.1998, Az. K(1998) 3840, ABl. 1999 L 260/1, S. 1 ff. – Infra­ Leuna. 303 Kommission, Ent. v. 25.11.1998, Az. K(1998) 3840, ABl. 1999 L 260/1, S. 5 ff. – Infra­ Leuna. 304 Kommission, Ent. v. 25.11.1998, Az. K(1998) 3840, ABl. 1999 L 260/1, S. 11 – Infra­ Leuna. 302

186

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

den Infrastrukturnutzern geforderte Gegenleistung „marktüblich“ oder „industrie­ üblich“ ist, kann mitunter schwierig zu ermitteln sein. In der InfraLeuna-Ent­ scheidung war der Infrastrukturbetreiber in den Monopolbereichen (etwa den Verkehrswegen und der Wasserversorgung) an ein genaues Regelungswerk zur Preisgestaltung gebunden. Danach mussten alle laufenden Kosten an die Abneh­ mer umgelegt werden, wobei unter anderem auch Abschreibungen sowie Kosten für Instandhaltungs- und Zinsaufwendungen berücksichtigt wurden. Für die nichtmonopolartigen Bereiche des Infrastrukturbetriebs verpflichtete sich die Bundes­ republik Deutschland dazu, keine pauschalen Verlustausgleiche an die Betreiber­ gesellschaft zu zahlen, um künstlich niedrig gehaltene Preise zu verhindern. Die Kommission nahm infolge dieser Sicherungsmaßnahmen gegen Preissubventio­ nierungen an, dass die Infrastrukturnutzer durch die Preisgestaltung der staatlich geförderten InfraLeuna nicht mittelbar begünstigt wurden305. Schließlich diskutierte die Kommission eine mittelbare Begünstigung der In­ frastrukturnutzer durch die Verpflichtung der InfraLeuna auf das sog. Low-ProfitPrinzip. Nach diesem Grundsatz durfte die Infrastrukturbetreibergesellschaft nur in eingeschränktem Umfang erzielte Gewinne an ihre Gesellschafter ausschütten. Ohne diese Beschränkung hätte sie möglicherweise ein Interesse an der Erzielung einer höheren Gewinnmarge gehabt und aus diesem Grunde höhere Preise für die Infrastrukturnutzer angesetzt. Die Kommission sah dennoch keine indirekte Be­ günstigung der Infrastrukturnutzer. Die Gründung der auf das Low-Profit-Prinzip verpflichteten Infrastrukturgesellschaft war zum einen den historischen Besonder­ heiten des Falles geschuldet, in dem sich zuvor kein privatwirtschaftlicher Bieter für die Übernahme des Chemie-Parks hatte finden lassen. Des Weiteren entsprach es der Natur der gesellschaftsrechtlichen Form der Genossenschaft in Deutsch­ land, deren Bestand die Kommission nicht antasten wollte306. cc) Die Entscheidung DTT in abgelegenen Regionen Spaniens In der Entscheidung DTT in abgelegenen Regionen Spaniens307 untersuchte die Kommission jüngst, inwieweit die mitgliedstaatliche Begünstigung der Betreiber von Digital-Rundfunksendeinfrastrukturen in dünn besiedelten Regionen in Spa­ nien indirekt auch Rundfunkanbietern (Nutzerebene)  einen Vorteil verschaffte. Dazu hinterfragte sie, ob die Rundfunkanbieter durch den Infrastrukturausbau zu­ sätzliche Gewinne erwirtschaften konnten. Im Ergebnis verneinte sie dies, was sie im Wesentlichen daraus schloss, dass vor Gewährung der Fördermaßnahme offen­

305

Ebd. Kommission, Ent. v. 25.11.1998, Az. K(1998) 3840, ABl. 1999 L 260/1, S. 11 f. – Infra­ Leuna. 307 Kommission, Ent. v. 19.06.2013, Az. SA.28599 (C 23/2010 (ex NN 36/2010, ex CP 163/2009)) – DTT in abgelegenen Regionen Spaniens. 306

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

187

bar kein eigener wirtschaftlicher Anreiz für die Rundfunkanbieter bestanden hatte, ihre Programme auch in den abgelegenen Regionen zu verbreiten. Dies zeigte sich daran, dass sich die Rundfunkanbieter – anders als in dichter besiedelten Gebieten des Landes – nicht finanziell an der Digitalisierung der Übertragungsinfrastruktu­ ren in diesen Gebieten beteiligen wollten. Damit war nach Ansicht der Kommis­ sion eine indirekte Begünstigung der Rundfunkanbieter nicht anzunehmen308. b) Mittelbare Begünstigung auf der Betreiberebene durch Zuwendungen an den Infrastrukturnutzer (Nutzerebene) oder dessen Abnehmer (Endkundenebene) In mehreren jüngeren Entscheidungen setzte sich die die Kommission mit der umgekehrten Konstellation auseinander und untersuchte, inwieweit Zuwendun­ gen an einen Infrastrukturnutzer (Nutzerebene) und an dessen Kunden (Endkun­ denebene) mittelbar den Infrastrukturbetreiber begünstigen können. Sie kam da­ bei teilweise zu dem Ergebnis, dass ein selektiver wirtschaftlicher Vorteil auch auf der Betreiberebene vorlag. Sowohl das Gericht als auch der Gerichtshof bestätig­ ten einige dieser Kommissionsentscheidungen. aa) Kommissionentscheidungen DVB-T Berlin/Brandenburg, DVB-T Bayern und DVB-T Nordrhein-Westfalen In einer ersten Reihe von Fällen ging es um die mitgliedstaatliche Förderung der Einführung des DVB-T-Rundfunksendestandards in Deutschland. Im Sachverhalt zur Entscheidung DVB-T Berlin/Brandenburg309 hatte eine deutsche Landesmedienanstalt mit mehreren privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbietern eine Vereinbarung bezüglich der Übertragung ihrer Sendepro­ gramme mittels des DVB-T-Standards geschlossen. Danach verpflichteten sich die Rundfunkanbieter, ihre wichtigsten Programme mittels DVB-T-Übertragungs­ technik zu verbreiten. Im Gegenzug gewährte die Landesmedienanstalt den pri­ vaten Rundfunkanbietern u. a. eine Bezuschussung zu den Entgelten, welche diese an den lokalen DVB-T-Sendenetzbetreiber für die Nutzung seiner Infrastruktur zu entrichten hatten310. Die Kommission stellte in ihrer Entscheidung unter anderem fest, dass es sich bei den Zuschüssen zu den Nutzungsentgelten der DVB-T-Übertragungsinfra­ 308 Kommission, Ent. v. 19.06.2013, Az. SA.28599 (C 23/2010 (ex NN 36/2010, ex CP 163/2009)), Rn. 112 – DTT in abgelegenen Regionen Spaniens. 309 Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14 – DVB-T Berlin/ Brandenburg. 310 Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14, Rn.  19 ff.  – DVB-T Berlin/Brandenburg.

188

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

strukturen zum einen um eine unmittelbare Begünstigung der Rundfunkanbieter handelte (Nutzerebene), zum anderen aber auch um eine mittelbare B ­ egünstigung des DVB-T-Infrastrukturbetreibers (Betreiberebene)311. Da die Förderung nicht technologieneutral ausgestaltet war, war nach Auffassung der Kommission ein wirtschaftlicher Vorteil der DVB-T-Sendeinfrastrukturbetreiber gegenüber Betrei­ bern von anderen Rundfunk-Übertragungsinfrastrukturen, etwa Kabelbetreibern („DVB-C“) und Satellitenbetreibern („DVB-S“) naheliegend312. Im Ergebnis konnte die Kommission jedoch nicht nachweisen, dass die DVB-T-­ Sendeinfrastrukturbetreiber tatsächlich von den Zuschüssen profitiert hatten, etwa, indem sie höhere Entgelte bei den Rundfunkanbietern hätten durchsetzen können. Aus diesem Grunde sah die Kommission es als „vorrangig“ an, die insgesamt als unzulässig eingeordneten Beihilfen von den Rundfunkanbietern (Nutzerebene) zurückzufordern313. In der Folgezeit setzte sich die Kommission mit zwei ähnlichen Sachverhalten bezüglich vergleichbarer Förderprogramme zugunsten von Rundfunkanbietern zur Umstellung auf die DVB-T-Übertragungstechnik in den deutschen Bundesländern Bayern und Nordrhein-Westfalen auseinander. In beiden Fällen wurde die Mittel­ vergabe vor der Durchführung notifiziert. In der Einleitungsentscheidung DVB-T Bayern314 nahm die Kommission an, dass neben den unmittelbar begünstigten Rundfunkanbietern (Nutzerebene) mit­ telbar auch die DVB-T-Sendeinfrastrukturbetreiber (Betreiberebene) einen wirt­ schaftlichen Vorteil durch die Zuwendungen erlangen könnten. Dies begründete sie damit, dass die Sendeinfrastrukturbetreiber ohne die Förderung möglicher­ weise zusätzliche Gebühren von den Endnutzern („Abonnentengebühren“) ver­ langt hätten315. Zu einer endgültigen Entscheidung der Kommission kam es nicht, da das Bundesland Bayern das geplante Förderprogramm nach der Eröffnung des Beihilfenverfahrens durch die Kommission nicht weiterverfolgte. In der Entscheidung DVB-T Nordrhein-Westfalen316 untersuchte die Kommis­ sion neben der unmittelbaren Begünstigung der Rundfunkanbieter (Nutzerebene) ebenfalls die mögliche mittelbare Begünstigung eines DVB-T-Sendeinfrastruktur­

311

Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14, Rn.  62 f.  – DVB-T Berlin/Brandenburg. 312 Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14, Rn.  76 ff.  – DVB-T Berlin/Brandenburg. 313 Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14, Rn.  136.  – DVB-T Berlin/Brandenburg. 314 Kommission, Ent. v. 19.07.2006 (Einleitungsent.), Az. C 33/2006 (ex N 576/2004)  – DVB-T Bayern. 315 Kommission, Ent. v. 19.07.2006 (Einleitungsent.), Az. C 33/2006 (ex N 576/2004), Rn. 30 – DVB-T Bayern. 316 Kommission, Ent. v. 23.10.2007, Az. C 34/2006 (ex N 29/2005 und ex CP 13/2004)  – DVB-T Nordrhein-Westfalen.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

189

betreibers (Betreiberebene). Sie stellte im Rahmen des Verfahrens fest, dass die Sendeinfrastrukturbetreiber die Förderung der Rundfunkanbieter in ihrer Preiskal­ kulation berücksichtigten und so möglicherweise höhere Infrastrukturnutzungs­ gebühren fordern könnten317. Aus rechtlicher Sicht interessant an der Entscheidung ist, dass die Kommission sich ausdrücklich gegen eine restriktive Auslegung des Begünstigungsbegriffs wandte. Insbesondere müsse sich die mittelbare Vorteils­ gewährung nicht „automatisch“ aus der mitgliedstaatlichen Maßnahme ergeben, sondern könne auch von der autonomen Entscheidung des unmittelbar Begünstig­ ten abhängen. Auf eine Quantifizierbarkeit der weitergereichten Vorteile komme es nicht an318. bb) Die Entscheidung Italienische Decoder In der Entscheidung Italienische Decoder319 ging es ebenfalls um die mittel­ bare Begünstigung von DVB-T-Sendeinfrastrukturbetreibern. Die Republik Ita­ lien gewährte in den Jahren 2004 und 2005 Zuschüsse von bis zu 150 Euro an Ver­ braucher, die einen DVB-T oder DVB-C taugliches Empfangsgerät kauften oder mieteten. Die Kommission untersuchte, ob diese Bezuschussung der Verbraucher eine mittelbare Begünstigung von Rundfunkanbietern (Nutzerebene)  und DVB-T/ DVB-C Sendeinfrastrukturbetreibern (Betreiberebene)  darstellte. Ähnlich wie in den deutschen Fällen prüfte sie, inwieweit die Betreiber von DVB-T-Sendeinfra­ strukturen mangels technologieneutraler Ausgestaltung der Zuschussgewährung einen Vorteil gegenüber Betreibern von anderen Übertragungsinfrastrukturen (ins­ besondere der Satellitenübertragungstechnik) erlangten320. Im Ergebnis lehnte sie eine indirekte Begünstigung der Infrastrukturbetreiber ab, allerdings nur aus dem Grunde, dass sie nicht mit „vertretbarer Sicherheit“ feststellen konnte, inwieweit bei den relativ kurz (zwei Jahre) laufenden Fördermaßnahme die Rundfunkanbie­ ter als Nutzer der DVB-T/DVB-C Sendeinfrastrukturen bereits ihre Präferenzen hinsichtlich der unterschiedlichen Übertragungsinfrastrukturen geändert hatten321. Für den Fall einer fortlaufenden oder wiederholten ähnlichen Maßnahme nahm die

317

Kommission, Ent. v. 23.10.2007, Az. C 34/2006 (ex N 29/2005 und ex CP 13/2004), Rn. 85 – DVB-T Nordrhein-Westfalen. 318 Kommission, Ent. v. 23.10.2007, Az. C 34/2006 (ex N 29/2005 und ex CP 13/2004), Rn. 80 ff. – DVB-T Nordrhein-Westfalen. 319 Kommission, Ent. v. 24.01.2007, Az. C 52/2005 (ex NN 88/2005, ex CP 101/2004), ABl. 2007 L 147/1  – Italienische Decoder; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 28.07.2011, Az. C-403/10 P – Italienische Decoder. 320 Kommission, Ent. v. 24.01.2007, Az. C 52/2005 (ex NN 88/2005, ex CP 101/2004), ABl. 2007 L 147/1, Rn. 81 ff. – Italienische Decoder. 321 Kommission, Ent. v. 24.01.2007, Az. C 52/2005 (ex NN 88/2005, ex CP 101/2004), ABl. 2007 L 147/1, Rn. 119 – Italienische Decoder.

190

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Kommission jedoch an, dass ein Vorteil der DVB-T/DVB-C Sendeinfrastrukturen durchaus angenommen werden könnte322. Bei den Rundfunkanbietern (Nutzerebene)  bejahte die Kommission dagegen eine indirekte selektive Begünstigung durch die Maßnahme. Diese bevorzuge nämlich Rundfunkanbieter, die ihre Programme vorwiegend mittels DVB-T oder Kabeltechnik übertragen ließen gegenüber Sendern, die stärker auf eine Über­ tragung mittels Satellitentechnik setzten323. Beachtlich ist, dass es in dem italienischen Fall gänzlich an einem beihilfen­ rechtlich relevanten unmittelbar Begünstigten fehlte. Die Verbraucher, die fi­ nanziell direkt von dem Förderprogramm profitierten, wurden mangels Unter­ nehmenseigenschaft nicht vom Anwendungsbereich des Beihilfenrechts erfasst. Bezüglich einer mittelbaren Begünstigung prüfte die Kommission aber dennoch einen Vorteil zugunsten der Infrastrukturbetreiber und -nutzer sowie der Hersteller der Decoder. Eine indirekte Begünstigung anderer Unternehmen, die wirtschaft­ lich von dem Förderprogramm profitierten, etwa der Händler der Decoder, unter­ suchte sie in ihrer Entscheidung jedoch nicht324. Zentrale Erkenntnis der mittlerweile vom Gerichtshof bestätigten Entschei­ dung325 ist damit, dass eine beihilfenrechtlich relevante mittelbare Vorteilsgewäh­ rung nach der Rechtspraxis auch dann angenommen werden kann, wenn die Kommission (mangels Anwendbarkeit der Beihilfenvorschriften) nicht gegen den unmittelbar Begünstigten vorgehen kann326. c) Mittelbare Begünstigung auf der Gesellschafterebene durch Zuwendungen an den Infrastrukturbetreiber Schließlich ist denkbar, dass unmittelbare Zuwendungen an einen Infrastruktur­ betreiber mittelbar eine Begünstigung der an dem Betreiberunternehmen beteilig­ ten Gesellschafter bewirken. Diese Konstellation analysierte die Kommission ebenfalls in der bereits ange­ führten InfraLeuna-Entscheidung327. In dem konkreten Fall waren die Gesellschaf­ ter der Infrastrukturbetreibergesellschaft zugleich auch die Nutzer der Infrastruktu­ ren. So hatten sie auf der einen Seite als Gesellschafter des Betreiberunternehmens 322

Kommission, Ent. v. 24.01.2007, Az. C 52/2005 (ex NN 88/2005, ex CP 101/2004), ABl. 2007 L 147/1, Rn. 95 – Italienische Decoder. 323 Kommission, Ent. v. 24.01.2007, Az. C 52/2005 (ex NN 88/2005, ex CP 101/2004), ABl. 2007 L 147/1, Rn. 84 ff. – Italienische Decoder. 324 Kritisch dazu Heidenhain, EuZW 2007, S. 623, 624. 325 EuGH, Urt. v. 28.07.2011, Az. C-403/10 P – Italienische Decoder. Dazu von Brevern/Grafunder, EStAL 2012, S. 201 ff. 326 Koenig, EStAL 2011, S. 395 bezeichnet dieses Ergebnis als die „Dekoder-Doktrin“. 327 Kommission, Ent. v. 25.11.1998, Az. K(1998) 3840, ABl. 1999 L 260/1 – InfraLeuna.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

191

zwar ein Interesse daran, den Infrastrukturbetrieb kostendeckend (oder sogar ge­ winnbringend) auszugestalten. Auf der anderen Seite waren sie als Nutzer jedoch dazu geneigt, möglichst günstige Preise für den Infrastrukturgebrauch anzusetzen. Die Kommission forderte deshalb den Mitgliedstaat auf, sicherzustellen, dass kein einzelner Gesellschafter durch seine Gesellschafterstellung in den Genuss von Vorzugsbedingungen bei der Infrastrukturnutzung kommt und sich so eine indi­ rekte Begünstigung verschafft. Dies wurde durch eine entsprechende Ausgestal­ tung der Gesellschafterverträge gewährleistet328. Unabhängig davon untersuchte die Kommission in InfraLeuna, ob die Gesell­ schafter der Betreibergesellschaft bereits dadurch eine mittelbare Begünstigung erlangten, dass der Wert ihrer Gesellschaftsanteile durch die mitgliedstaatliche In­ vestition in das Betriebsvermögen stieg. Erwirbt ein Investor einen Gesellschafts­ anteil an einer Infrastrukturbetreibergesellschaft, bevor aus mitgliedstaatlichen Mitteln der (Aus-)Bau der Infrastruktureinrichtung bestritten wird, so könnte er nämlich möglicherweise danach den Gesellschaftsanteil zu einem höheren Preis weiterveräußern. Die Kommission sah diese nach ihrer Auffassung grundsätzlich beihilfenrechtlich relevante Konstellation in der InfraLeuna-Entscheidung nur aus dem Grunde als nicht gegeben an, dass die Gesellschafter längerfristig zum Be­ trieb der Infrastruktureinrichtung verpflichtet waren. Aufgrund von Abschreibun­ gen und Wertverlusten der Infrastruktureinrichtung über diesen Zeitraum hätte ein Verkauf der Gesellschaftsanteile für die Gesellschafter wirtschaftliche keinen Sinn ergeben. Damit war keine indirekte Begünstigungswirkung zu erwarten329. d) Mittelbare Begünstigung auf der Betreiberebene durch Zuwendungen an den Infrastruktureigentümer Ist der Infrastrukturbetreiber nicht zugleich Eigentümer der von ihm verwalte­ ten Infrastrukturanlagen, kann eine indirekte Begünstigung auf der Betreiberebene durch mitgliedstaatliche Zuwendungen an den Infrastruktureigentümer unter Um­ ständen nicht ausgeschlossen werden. In einem jüngeren Verfahren untersuchte die Kommission diese Konstellation bei der Finanzierung eines neu zu errichten­ den Mehrzweck-Stadions in der schwedischen Stadt Uppsala330. Nach den Pla­ nungen der Kommune Uppsala sollte die Stadion-Immobilie nach dem Bau im Eigentum einer eigens errichteten Eigentümergesellschaft stehen. Diese sollte das Stadion an eine rechtlich und wirtschaftlich von ihr unabhängige Betreiberge­ sellschaft verpachten331. Die Stadt Uppsala konnte keine Investoren finden, wel­ 328

Kommission, Ent. v. 25.11.1998, Az. K(1998) 3840, ABl. 1999 L 260/1 S. 12 f. – Infra­ Leuna. 329 Kommission, Ent. v. 25.11.1998, Az. K(1998) 3840, ABl. 1999 L 260/1 S. 13 f. – Infra­ Leuna. 330 Kommission, Ent. v. 02.05.2013, Az. SA.33618 – Uppsala Arena. 331 Kommission, Ent. v. 02.05.2013, Az. SA.33618 Rn. 7 ff. – Uppsala Arena.

192

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

che die Infrastrukturerrichtung vollständig privat finanzieren wollten. Aus diesem Grunde plante sie, Zuschüsse zu den Baukosten an die Eigentümergesellschaft zu gewähren332. Die Kommission hielt es für denkbar, dass die unmittelbare Vorteilsgewährung an die Eigentümergesellschaft auch zu einer mittelbaren Begünstigung der Betrei­ bergesellschaft führt. Dies hing ihrer Auffassung nach wesentlich davon ab, wie sich die Ausgestaltung der Konditionen im Pachtvertrag darstellte. Da die Förder­ maßnahme im Ergebnis aber jedenfalls gerechtfertigt war, konnte die Kommission eine endgültige Entscheidung darüber offenlassen, ob tatsächlich eine mittelbare Begünstigung des Infrastrukturbetreibers durch die Zuwendungen an die Infra­ struktureigentümergesellschaft vorlag333. e) Zusammenfassung Die ausgewählten Beispiele zeigen, dass indirekte Begünstigungen ein bedeu­ tender Problempunkt in einer Reihe von jüngeren Kommissionsentscheidungen zur beihilfenrechtlichen Bewertung von Infrastrukturprojekten waren. Insgesamt ist die Tendenz zu erkennen, dass die Kommission den Begriff des selektiven wirt­ schaftlichen Vorteils weit fasst und so den Anwendungsbereich des Beihilfen­ verbots über den Kreis der unmittelbar Beteiligten hinaus erheblich ausweitet. Gleichzeitig nimmt sie in diesem Zusammenhang für sich einen erheblichen Be­ urteilungsspielraum in Anspruch. Gerade die Entscheidung Italienische Decoder macht deutlich, dass sie nach freiem Ermessen bestimmt, bezüglich welcher indi­ rekt begünstigen Unternehmen sie ein Beihilfeverfahren einleitet, auch wenn dar­ über hinaus weitere Marktteilnehmer potentiell durch die Maßnahme einen mit­ telbaren wirtschaftlichen Vorteil erlangt haben könnten334. Des Weiteren bietet die Kommission in ihren Entscheidungen bislang auch keine Antwort auf die kom­ plexe Frage, nach welcher Methodik der Umfang einer „weitergeleiteten“ Begüns­ tigung zu quantifizieren ist. Sie schließt eine Rückforderung allein dann aus, wenn rein tatsächlich nicht ermittelt werden kann, inwieweit das vorgeblich indirekt be­ günstigte Unternehmen einen Vorteil erlangt hat335.

332

Kommission, Ent. v. 02.05.2013, Az. SA.33618 Rn. 36 – Uppsala Arena. Kommission, Ent. v. 02.05.2013, Az. SA.33618 Rn. 38 ff. – Uppsala Arena. 334 Heidenhain, EuZW 2007, S. 623, 624 bezeichnet dieses Vorgehen gar als „willkürlich“. 335 So etwa in Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14, Rn. 136. – DVB-T Berlin/Brandenburg; siehe auch Soltész/Hellstern, EuZW 2013, S. 489, 492. 333

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

193

3. Rechtliche Zulässigkeit der Konstruktion von mittelbaren Begünstigungen a) Kritik der Literatur an der Kommissionspraxis Die Entwicklung der Kommissionslinie zu mittelbaren Begünstigungen ist bei den Mitgliedstaaten336 und in der Literatur337 auf Kritik gestoßen, da sie eine Reihe von Folgeproblemen mit sich bringt. So erweist sich zunächst die Eingrenzung des Kreises der durch eine mitgliedstaatliche Maßnahme potentiell begünstigten Un­ ternehmen in der Praxis als schwierig338. Wie die dargestellten Entscheidungen gezeigt haben, ist schon im näheren Umfeld der mitgliedstaatlich bezuschussten Infrastrukturprojekte eine Vielzahl von potentiell indirekt Begünstigten auszuma­ chen. Hier ist (nicht abschließend) an Errichter, Eigentümer, Betreiber, und Nut­ zer der Infrastrukturanlagen sowie deren Gesellschafter zu denken. Des Weiteren sind an der Finanzierung beteiligte Investoren sowie Kreditinstitute zu berücksich­ tigen, ferner gegebenenfalls auch speziell gegründete Planungs- und Projektgesell­ schaften. Noch komplexer gestaltet sich die Betrachtung, wenn die Förderung dar­ über hinaus potentiell für weitere Unternehmen indirekte wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt, wie etwa in der Entscheidung Italienische Decoder für die Herstel­ ler, Groß- und Einzelhändler von digitalen Empfangsgeräten. Die Feststellung, ob im Einzelfall eine Begünstigung weitergereicht wurde, ge­ staltet sich als äußerst komplex. Wann ein unmittelbar begünstigter Infrastruktur­ betreiber etwa seine erlangten wirtschaftlichen Vorteile über nicht kostendeckende Entgeltforderungen an seine Infrastrukturnutzer weiterreicht, ist in der Praxis nur mittels einer umfassenden Analyse zu ermitteln. Schwierigkeiten ergeben sich schon bei der Feststellung, inwieweit festgelegte Entgelte als kostendeckend ange­ sehen werden können. Dabei stellt sich etwa die Frage, inwieweit die Kosten der Infrastrukturerrichtung selbst zu berücksichtigen sind und ob bestimmte Effizienz­ anforderungen an den Infrastrukturbetreiber gestellt werden339. Darüber hinaus ist ein geeigneter Kostenmaßstab zu bestimmen. Die bereits langjährig geführte pa­ rallele Diskussion zu diesem Problem bei der Bewertung von Kampfpreisunter­ bietungen und Rabattsystemen im Rahmen des Art. 102 AEUV deutet bereits an, wie kompliziert dabei die Entwicklung einer ökonomisch plausiblen und zugleich rechtssicher anwendbaren Methodik ist340.

336

Siehe die Darstellung der Argumentation Deutschlands in Kommission, Ent. v. 23.10.2007, Az. C 34/2006 (ex N 29/2005 und ex CP 13/2004), Rn. 80 – DVB-T Nordrhein-Westfalen. 337 Heidenhain, EuZW 2007, S. 623 ff. etwa lehnt die Rechtsfigur ausdrücklich ab. 338 Heidenhain, EuZW 2007, S. 623, 624; von Brevern/Grafunder, EStAL 2012, S. 201, 205. 339 Dazu Koenig/Scholz, EuZW 2003, S. 133, 135; Koppmann, Grenzen der beihilfenrecht­ lichen Inhaltskontrolle, S. 275 f. 340 Zu entsprechenden Parallelen von Kartell- und Beihilfenrecht Martín-Ehlers, EuZW 2010, S. 287 ff.

194

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Im Rahmen des Beihilfenrechts stellt sich das zusätzliche Problem, dass sich die Aufgabe die Kommission anders als im Kartellrecht nicht im Wesentlichen auf die nachträgliche Bewertung eines feststehenden Sachverhalts beschränkt, sondern dass sie vielmehr im Regelfall (soweit eine Maßnahme notifiziert worden ist) ex ante eine Prognoseentscheidung zur möglichen indirekten Begünstigungswirkung einer mitgliedstaatlichen Zuwendung treffen muss341. Gerade vor dem Hintergrund der begrenzten Kompetenzen der Union im In­ frastrukturbereich ist des Weiteren bedenklich, dass die Kommission durch die Rechtsfigur der mittelbaren Begünstigung die Reichweite ihrer Überprüfungs­ möglichkeiten mitgliedstaatlicher Maßnahmen deutlich ausweitet. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass nach der Entscheidung Italienische Decoder klargestellt ist, dass es für die Feststellung einer indirekten Begünstigung nach der Rechtspre­ chung nicht darauf ankommt, ob die mitgliedstaatliche Zuwendung für den unmit­ telbaren Vorteilsempfänger eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV dar­ stellt. Zusammen mit dem weiten Ermessenspielraum der Kommission, inwieweit sie potentiell mittelbar begünstigte Unternehmen als Beihilfenempfänger einstuft, könnte die Union so zukünftig einen aktiveren Einfluss auf die mitgliedstaatliche Infrastrukturpolitik nehmen342. Dies wird etwa bei der mitgliedstaatlichen Finanzierung von Straßeninfrastruk­ turen deutlich. Bislang nahm die Kommission hier regelmäßig keine beihilfen­ rechtliche Kontrolle vor. Begründung hierfür war primär ihre wenig überzeugende Ausnahmepraxis speziell für Straßen- und Eisenbahninfrastrukturen343. Darüber hinaus würde eine Anwendung der Beihilfenkontrolle auf die mitgliedstaatliche Förderung der Errichtung von Straßen unter konsequenter Anwendung der Rechts­ figur indirekter Begünstigungen allerdings auch weitreichende politische Kon­ sequenzen haben, deren Durchsetzung die Kommission gegenüber den Mitglied­ staaten bislang offensichtlich scheut. Gezeigt werden kann dies am Beispiel von mitgliedstaatlichen Investitionen in Autobahninfrastrukturen in Deutschland: Die Errichtung, der Unterhalt und die Verwaltung (mithin der Betrieb) der deut­ schen Autobahnen wird allgemein vom Staat finanziert, ohne dass von den Infra­ strukturnutzern kostendeckende Gebühren verlangt werden. Eine Maut wird aus­ schließlich von schweren Nutzfahrzeugen erhoben und deckt nur einen Teil der durch Errichtung und Betrieb der Straßeninfrastrukturen entstehenden Kosten ab344.

341

Siehe dazu auch – allerdings konkret auf den Kontext der Wettbewerbsverfälschung be­ zogen – Bührle, Gründe und Grenzen des „EG-Beihilfenverbots“, S. 212 f. 342 Kritisch zu einer solchen Ausweitung etwa Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 85. 343 Siehe dazu oben Kap. 4, A. III. 4. b). 344 Siehe für 2012 und 2013 den Bundeshaushaltsplan 2013, Einzelplan 12 (Bundesministe­ rium für Verkehrs, Bau und Stadtentwicklung), S. 106 ff. als Anlage zum Haushaltsgesetz 2013 v. 20.12.2012, BGBl. 1 S. 2757.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

195

Schaffte man die allgemeine Ausnahme von der Anwendung des Beihilfen­ rechts auf die mitgliedstaatliche Fernstraßenfinanzierung ab, so könnten bei einer konsequenten Anwendung der Kommissionspraxis zu mittelbaren Begünstigun­ gen alle Unternehmen, welche die Autobahninfrastruktur nutzen  – also etwa Speditionsbetriebe, Fernbusbetreiber, aber auch etwa Handwerker, Einzelhänd­ ler und sonstige Dienstleister, die aus geschäftlichem Anlass die Autobahn befah­ ren – deshalb als indirekt begünstigt angesehen werden. Gerade im Bereich des Güterverkehrs ließe sich auch wenig problematisch argumentieren, dass die feh­ lende Deckung der Nutzungskosten den begünstigten Unternehmen einen selek­ tiven Vorteil im intermodalen Wettbewerb (etwa gegenüber dem Gütertransport mit Zügen, Luft- oder Wasserfahrzeugen) verschafft und damit den Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt345. Soweit man keinen besonderen Rechtfertigungs­ grund für diese Maßnahmen erblickt, handelt es sich bei den mitgliedstaatlichen Investitionen in die Straßeninfrastruktur dann um unzulässige Beihilfen. Für die Bundesrepublik Deutschland hätte dies die Konsequenz, dass sie infrastrukturund verkehrspolitisch neue Organisationskonzepte für ihre Autobahnen finden müsste, etwa durch die Einführung kostendeckender Mautgebühren ohne steuer­ liche Querfinanzierung. Die Kommission könnte damit die Mitgliedstaaten über das Instrument des Bei­ hilfenrechts in noch weiterem Umfang als bislang zu einer Infrastrukturpolitik nach ihren Vorstellungen anhalten. Eine weitere Schwierigkeit bei der praktischen Anwendung der Rechtsfigur der mittelbaren Begünstigung ergibt sich bei der Rückabwicklung von zu Unrecht durch einen Mitgliedstaat bereits durchgeführten Beihilfen346. Problematisch ge­ staltet sich dabei vor allem die Quantifizierung der Begünstigung, wenn diese über mehrere Ebenen oder an eine Vielzahl verschiedener Unternehmen weitergelei­ tet wurde. Unklar ist insoweit auch, ob die Rückforderung von einem unmittelbar Begünstigten gegenüber den nachgelagerten Ebenen als prioritär anzusehen ist. In der Entscheidung DVB-T Berlin/Brandenburg hat die Kommission dies zwar angenommen347, allerdings erscheint diese Auslegung nicht verallgemeinerungs­ fähig. In dem konkreten Fällen scheiterte eine Rückforderung nämlich schlicht daran, dass die Kommission keinen Nachweis über die tatsächliche Weitergabe der Begünstigung erbringen konnte348. Schließlich stellt sich das Problem, dass mit­ telbar begünstigte Unternehmen teilweise sogar unwissentlich von den indirekten 345

Für Fernbusse wird bereits eine wettbewerbliche Ungleichbehandlung gegenüber Eisen­ bahnen aufgrund fehlender Infrastrukturnutzungsgebühren in der Öffentlichkeit diskutiert, vgl. FAZ online v. 25.09.2013 (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/verkehr-eisenbahn-fordertlkw-maut-fuer-fernbusse-12590931.html). 346 Dazu Bartosch, EU-Beihilfenrecht, Art.  87 EGV Rn.  82; Heidenhain, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 4 Rn. 17 ff.; Heidenhain, EuZW 2007, S. 623, 625 f. 347 Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14, Rn.  136.  – DVB-T Berlin/Brandenburg. 348 Ebd.

196

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Vorteilen profitieren und damit das Risiko einer potentiellen Rückforderung in ihr Handeln gar nicht einkalkulieren. Hier erscheint schon aus rechtsstaatlichen Grün­ den eine Einschränkung von Rückforderungsanordnungen geboten. b) Vereinbarkeit der Konstruktion der mittelbaren Begünstigung mit den Vorgaben des Beihilfenrechts – eigene Bewertung Trotz der benannten Bedenken sprechen gute Gründe dafür, auch indirekte Be­ günstigungen der Beihilfenkontrolle zu unterwerfen. Schon nach dem Wortlaut des Art. 107 Abs. 1 AEUV sind „Beihilfen gleich welcher Art“ verboten, ohne dass zwischen unmittelbaren und mittelbaren wirtschaftlichen Vorteilen unterschieden wird349. Die Auffassung, dass nur eine weite Auslegung des Begünstigungsbegriffs eine dem europarechtlichen Effektivitätsgebot angemessene Beihilfenprüfung er­ möglicht, wird auch von der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt350. Dass die Rechtsfigur der mittelbaren Begünstigung keine Erfindung der jüngeren Kom­ missionspraxis, sondern bereits im Vertragstext angelegt ist, verdeutlicht Art. 107 Abs. 2 lit. a) AEUV. Die dort geregelte Ausnahme für bestimmte Zuwendungen an Verbraucher lässt den Umkehrschluss zu, dass andere an Verbraucher gewährte wirtschaftliche Vorteile dem Beihilfenverbot unterfallen können. Da die Verbrau­ cher selbst aber nach dem ausdrücklichen Wortlaut und Zweck des Art. 107 Abs. 1 AEUV niemals unmittelbar Begünstigte im Sinne des Beihilfenverbots sein kön­ nen, kann in einem solchen Fall immer nur eine mittelbare Unternehmensbegüns­ tigung vorliegen351. Hintergrund dieser Erwägung ist, dass die Mitgliedstaaten ih­ ren Unternehmen gerade keine verdeckten selektiven Vorteile über vordergründig nicht unmittelbar dem Beihilfenverbot unterfallende Förderprogramme zuwen­ den können sollen352. Diese Überlegungen gelten in gleichem Maße auch in Ge­ bieten wie dem Infrastruktursektor, in dem aufgrund ihrer ökonomischen Struktur verschiedene Unternehmen wirtschaftlich – und häufig auch politisch – eng mit­ einander verbunden sind, bis hin zur vertikalen Integration. Parallel dazu hat die Kommission etwa in den Leitlinien für Risikokapitalbeihilfen und damit in einem Bereich, der ebenfalls durch die enge Verbindung mehrerer wirtschaftlicher Ebe­ nen geprägt ist, die Überprüfung mittelbarer Begünstigungen bereits ausdrücklich für erforderlich erachtet353. 349 von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd.  2, Art.  107 AEUV Rn. 30. Ähnlich auch Soltész/Hellstern, EuZW 2013, S. 489, 492. 350 Siehe nur EuGH, Urt. v. 13.02.2003, Rs. C-409/00, Rn.  47 f.  – Spanien/Kommission; EuGH, Urt. v. 17.06.1999, Rs. C-75/97, Rn. 32 ff. – Maribel; ferner Cremer, in: Calliess/Ruf­ fert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rn. 26. 351 Arhold, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 135. 352 von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd.  2, Art.  107 AEUV Rn.  30. Ähnlich Arhold, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd.  3, Art.  107 AEUV Rn. 135. 353 Arhold, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 137.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

197

Wenig überzeugend ist des Weiteren, die Rechtsfigur der mittelbaren Begüns­ tigung aufgrund der mit ihr verbundenen Schwierigkeiten bei der Rückabwick­ lung der Beihilfe abzulehnen354. Dieser Ansatz verkennt, dass es grundsätzliches Ziel des Beihilfenverbots ist, beihilfenrechtswidrige mitgliedstaatliche Maßnah­ men schon vor ihrer tatsächlichen Vergabe zu unterbinden. Dies ergibt sich syste­ matisch aus der in Art. 108 AEUV niedergelegten Notifizierungspflicht sowie dem Durchführungsverbot für von der Kommission nicht freigegebene Beihilfen. Bei der Rückabwicklung handelt es sich allein um eine Folgefrage. Es erscheint wider­ sinnig, ursprünglich beihilfenrechtswidrige mitgliedstaatliche Maßnahmen pau­ schal mit der Begründung zu rechtfertigen, dass die Folgen dieses Verhaltens spe­ zifische Probleme mit sich bringen355. Ein solches Ergebnis lässt sich auch weder sonst dogmatisch noch rechtspolitisch stützen356. In den komplexen Einzelfällen müssen dagegen individuelle Lösungen ent­ wickelt werden, welche die wirtschaftliche Realität des jeweiligen Sachverhalts widerspiegeln. Dies entspricht auch der Rechtspraxis der Kommission. In der Ent­ scheidung Italienische Decoder etwa hat sie die Rückforderung auf die Ebene der Infrastrukturnutzer (Rundfunkanbieter) beschränkt, da ihr eine Weiterleitung der Begünstigung auf die Betreiberebene (DVB-T-Sendeinfrastrukturbetreiber) nicht hinreichend nachweisbar erschien, auch wenn sie dafür glaubwürdige Anhalts­ punkte vorbringen konnte357. Wie bereits angesprochen, kann in manchen Fällen darüber hinaus aus rechtsstaatlichen Gründen eine Begrenzung der Rückforde­ rung geboten sein. Aus diesen besonderen Härtefällen lässt sich jedoch keine all­ gemeine Ausnahme herleiten. Den vorgebrachten Besorgnissen, dass die Anerkennung mittelbarer Begüns­ tigungen zu einer „uferlosen Ausweitung“358 der Beihilfenkontrolle führt, ist ent­ gegenzuhalten, dass weder die Bestimmung des Art. 107 Abs. 1 AEUV noch die Rechtspraxis hierzu ein Spürbarkeitserfordernis bei der Begünstigung fordert. Das Vorliegen einer Begünstigung bestimmt sich vielmehr allein anhand eines objektiven Maßstabs359. Eine wertende Betrachtung, inwieweit tatsächlich durch die mitgliedstaatliche Maßnahme der Wettbewerb auf einer entfernteren Markt­ ebene beeinflusst wird, kann nicht einschränkender Gegenstand der Prüfung des Begünstigungsmerkmals sein360. Diese Erwägungen sind im Rahmen der Wett­ bewerbsverfälschung, der Handelsbeeinträchtigung und gegebenenfalls in der Ab 354

So aber Bartosch, EU-Beihilfenrecht, Art. 87 EGV Rn. 82. Arhold, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 135. 356 Ebd. 357 Kommission, Ent. v. 24.01.2007, Az. C 52/2005 (ex NN 88/2005, ex CP 101/2004), ABl. 2007 L 147/1, Rn. 119 – Italienische Decoder. 358 Heidenhain, EuZW 2007, S. 623, 624. 359 So auch jüngst EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08, Rn. 104 – Flughafen Leipzig/Halle; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, Rn. 39 – Flughafen Leipzig/Halle. 360 So i. Erg. auch von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 107 AEUV Rn. 48. 355

198

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

wägungsprüfung auf Rechtfertigungsebene zu berücksichtigen361. Beim Merkmal der Begünstigung muss die Kommission dagegen zunächst allein objektiv die tat­ sächliche Weitergabe des wirtschaftlichen Vorteils nachweisen. Allerdings ist von ihr insoweit zu fordern, dass sie ihre ökonomischen Schlussfolgerungen jeweils unter Offenlegung der angewandten Methodik begründet. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass die Kommission bislang von den Mitgliedstaaten dafür kritisiert wurde, die Maßstäbe für die Annahme einer indirekten Begünstigung nicht ver­ ständlich genug darzulegen. Diese Anforderungen an eine individuelle Erläuterung ist auch aus dem Grunde sinnvoll, dass eine mittelbare Begünstigung von einem bloßen positiven wirtschaft­ lichen Reflex einer mitgliedstaatlichen Fördermaßnahme abzugrenzen bleibt362. Als Musterbeispiel werden dafür etwa die Gläubiger eines mittels Sanierungsbei­ hilfen vor der Insolvenz geretteten Unternehmens genannt363. Im Infrastruktur­ bereich stellen die ökonomisch unter dem Begriff der positiven externen Effekte zusammengefassten Auswirkungen364 einen solchen Reflex dar, der beihilfenrecht­ lich als nicht relevant eingeordnet wird. Dabei kann die Abgrenzung zur indirek­ ten Begünstigung im Einzelfall schwierig sein. Bei der ökonomischen Bewertung durch die Kommission, inwieweit konkrete Vorteile eines unmittelbar begünstig­ ten Unternehmens weitergeleitet wurden, kann neben dem allgemeinen wirtschaft­ lichen Zusammenhang auch der wesentliche vom Mitgliedstaat mit der Maßnahme verfolgte wirtschaftliche Zweck als Kriterium herangezogen werden. Dabei bleibt freilich zu beachten, dass das Vorliegen einer Begünstigung grundsätzlich allein nach ihrem Effekt, nicht jedoch nach dem vom Beihilfengeber dabei verfolgten Ziel zu beurteilen ist. Mit der Zuwendung vom Mitgliedstaat verfolgte allgemeine Ziele – vor allem politischer Natur – bleiben aus diesem Grunde bei der Einord­ nung einer Maßnahme als Begünstigung unbeachtlich365. Berücksichtigt werden kann allein ein mit der Maßnahme verfolgter wirtschaftlicher Zweck, wobei wie­ derum zwischen unmittelbaren und mittelbaren Zielen des Mitgliedstaats differen­ ziert werden muss366. In Zweifelsfällen ist bei der Annahme eines bloßen positiven wirtschaftlichen Reflexes in Abgrenzung zu einer Begünstigungswirkung Zurück­ haltung geboten um dem Erfordernis einer effektiven Durchsetzung des Beihilfen­ rechts Genüge zu tun. 361

Für eine Prüfung im Rahmen der Wettbewerbsverfälschung oder auf Vereinbarkeitsebene auch Arhold, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 135. 362 Arhold, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 141; Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, Rn. 70. 363 Arhold, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 141. 364 Siehe dazu oben Kap. 2, C. I. 1. b) aa). 365 Siehe aus dem Infrastrukturbereich etwa EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08, Rn. 102 – Flughafen Leipzig/Halle; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P – Flug­ hafen Leipzig/Halle; Arhold, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd.  3, Art.  107 AEUV Rn. 141. 366 So zutreffend auch Arhold, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd.  3, Art.  107 AEUV Rn. 141 m. w. N. A. A. Heidenhain, EuZW 2007, S. 623, 625.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

199

c) Zusammenfassung Entgegen in der Literatur bestehender Bedenken zur grundsätzlichen Zuläs­ sigkeit der Rechtsfigur der mittelbaren Begünstigung ist diese nach hier vertre­ tener Auffassung mit den Vorgaben des Europäischen Beihilfenrechts verein­ bar. Im Lichte des Erfordernisses der effektiven Durchsetzung der Europäischen Wettbewerbsvorschriften zum Schutz des Wettbewerbs im Binnenmarkt ist ihre praktische Anwendung regelmäßig sogar geboten. Gleichwohl ist die Kommis­ sion – nicht zuletzt aus rechtsstaatlichen Gründen – dazu gehalten, in jeder einzel­ nen Entscheidung bei der Annahme einer indirekten Begünstigung ihre Prüfungs­ methodik aufzuzeigen, ihre Ergebnisse für den Mitgliedstaat nachvollziehbar zu begründen und dabei insbesondere eine Begünstigungswirkung von einem bloßen wirtschaftlichen Reflex abzugrenzen. 4. Eigene Einschätzung zur uneinheitlichen Anwendung der Rechtfigur der mittelbaren Begünstigung in der jüngeren Kommissionspraxis a) Uneinheitliche Rechtspraxis der Kommission in Einzelfällen Weiterhin gibt es bislang keinen einheitlichen Maßstab dafür, wann die Kom­ mission bei der mitgliedstaatlichen Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen zugleich eine mittelbare Begünstigung auf anderen Ebenen unter­ sucht. Insgesamt lässt sich in den vergangenen Jahren eine grundsätzliche Tendenz erkennen, dass die Kommission in immer mehr Fällen auf mögliche indirekte Aus­ wirkungen der mitgliedstaatlichen Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen auf weitere Marktebenen eingeht. Dennoch ist sie dabei noch nicht immer konsequent, wie einige folgende Beispiele zeigen: In den neueren Entscheidungen zu Seehafen-Infrastrukturen untersucht die Kommission nunmehr mögliche Auswirkungen der mitgliedstaatlichen Förderung auf verschiedenen Ebenen367. Gleiches gilt auch für die Überprüfung der Förderung kultureller Einrichtungen wie Stadien und Multifunktions-Arenen368 sowie für Bin­ nenhäfen369. Vereinzelt griff sie den Ansatz auch bei der mitgliedstaatlichen Unter­ stützung des Ausbaus von Energie-Infrastrukturen (Stromnetze, Gasnetze) auf370, 367

Kommission, Ent. v. 19.06.2013, Az. SA.35738 (2012/N), Rn. 34 ff. – Katakolo Port; Kommission, Ent. v. 05.06.2013, Az. SA.36223 (2013/N), Rn. 36 ff. – Port of Santa Cruz of Tene­ rife; Kommission, Ent. v. 19.12.2012, Az. SA. 34940 (2012/N), Rn. 40 ff. – Port of Augusta. 368 Kommission, Ent. v. 02.05.2013, Az. SA.33618 Rn. 35 ff. – Uppsala Arena. 369 Kommission, Ent. v. 17.10.2012, Az. SA.34501 (2012/N), Rn.  18 ff.  – Deutschland Binnen­hafen Königs-Wusterhausen. 370 Kommission, Ent. v. 13.07.2009, Az. N 55/2009, Rn. 29 ff. – Electricity Connection Net­ works Poland.

200

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

während sie eine solche Prüfung in anderen Entscheidungen aus diesem Bereich nur kursorisch vornahm371. In den jüngeren Entscheidungen zur mitgliedstaatlichen Förderung des Erwerbs von Digitaldecodern überprüft die Kommission ebenfalls inwieweit die Förder­ maßnahmen sich indirekt auswirken372. Andererseits hat sie etwa im Kranken­ hausbereich, in dem die öffentliche Förderung der Infrastruktur ebenso erhebliche Auswirkungen auf den vorgelagerten Markt der Herstellung medizinischer Ge­ räte haben kann, dort entstehende Effekte der Beihilfenmaßnahme noch nicht nä­ her untersucht373. b) Fehlen eines einheitlichen Maßstabs in den Leitlinienvorgaben der Kommission Über diese einzelnen Prüfungen in einigen Entscheidungen hinaus fehlt der Kommission bislang ein einheitliches Vorgehen bei der Analyse und der Bewer­ tung ebenenübergreifender Auswirkungen im Infrastrukturbereich. Insbesondere für die praktisch besonders relevante Konstellation, dass ein unmittelbar begüns­ tigter Infrastrukturbetreiber die ihm gewährten Vorteile an seine Infrastrukturnut­ zer weiterreicht, wurde bisher kein einheitlicher Maßstab entwickelt374. Dies wird im Folgenden beispielhaft an den Bereichen der Breitband-Infrastrukturen sowie der Flughafen-Infrastrukturen gezeigt. Diese eignen sich in besonderem Maße für einen Vergleich, da die Kommission mittels ihrer Leitlinien auf diesen Gebieten die Rechtspraxis zumindest sektorspezifisch weitgehend vereinheitlicht hat. aa) Rechtspraxis bei Breitband-Infrastrukturen In den Breitband-Leitlinien 2013 stellt die Kommission ausdrücklich fest, dass die mitgliedstaatliche Förderung von Breitband-Infrastrukturen auch mittelbare wirtschaftliche Vorteile auf der nachgelagerten Ebene der Infrastrukturnutzer mit sich bringen kann375. Dies schließt die Kommission auch dann nicht aus, wenn der Beihilfenbetrag auf ein Minimum reduziert ist und der begünstigte Infrastruktur­ betreiber mittels eines vergabe- und beihilfenrechtskonformen Ausschreibungs­ verfahrens ermittelt wurde376. 371

Siehe etwa Kommission, Ent. v. 17.12.2010, Az. N 629/2009, Rn. 69 – Electricity and Na­ tural Gas Networks Romania. 372 Kommission, Ent. v. 19.06.2013, Az. SA.28599 (C 23/2010 (ex NN 36/2010, ex CP 163/2009)), Rn.  100 ff.  – DTT in abgelegenen Regionen Spaniens; Kommission, Ent. v. 08.02.2012, Az. SA. 28685 (2011/NN), Rn. 33 ff. – Digital Television Cantabria. 373 Vgl. etwa Koenig, EStAL 2011, S. 395, 397. 374 Kritisch dazu Koenig, EStAL 2011, S. 395 ff. 375 Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 12. Vgl. dazu auch Koenig, EStAL 2011, S. 395 ff. 376 Ebd.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

201

Diese Annahme ist beihilfenrechtlich konsequent: Die mitgliedstaatliche För­ derung der Errichtung und des Betriebs von Breitband-Infrastrukturen in unter­ versorgten Gebieten erfolgt nicht um seiner selbst willen, sondern mit dem Ziel, den Bewohnern dieser Regionen (Endkunden) den Zugang zu Breitband-Diensten (Infrastrukturnutzerebene) zu angemessenen Preisen zu ermöglichen. Die Nach­ frage der Endkunden richtet sich nicht unmittelbar nach Infrastrukturen, sondern nach den entsprechenden Infrastrukturdiensten. Der Infrastrukturbetreiber kann und soll nicht dazu verpflichtet sein, die (vom Mitgliedstaat getragenen oder zumindest bezuschussten) Kosten der Infrastruk­ turerrichtung durch seine Preisgestaltung auf die Infrastrukturdienstleister ab­ zuwälzen377. Erstens hätte dies nämlich den Effekt zur Folge, dass der Infra­ strukturbetreiber die Investitionskosten in die Infrastrukturerrichtung doppelt zurückerhalten würde, nämlich zum einen durch die mitgliedstaatliche Förderung, zum anderen durch die von den Infrastrukturnutzern eingenommenen Gebühren378. Zweitens würde vor allem so aber auch gar nicht der von dem Mitgliedstaat mit der Förderung verfolgte Zweck erreicht werden können, nämlich die Versorgung der Bevölkerung mit preisgünstigen Breitband-Diensten. Eine Weitergabe der Be­ günstigung von der Infrastrukturbetreiberebene auf die Nutzerebene ist hier gerade gewollt379. Darum ist es letztlich auch nur konsequent, dass die beihilfenrechtliche Prüfung der Kommission in Fällen der Breitband-Infrastrukturförderung neben der Betreiberebene auch die Dienstleisterebene umfasst. bb) Rechtspraxis zu Flughafen-Infrastrukturen In den Luftverkehrs-Leitlinien 2005 fehlte vollständig eine Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit sich die mitgliedstaatliche Förderung von Flughafeninfra­ strukturen mittelbar auch auf ihre Nutzer auswirken kann. Im Laufe des Verfahrens DHL/Halle-Leipzig380 sprach die Kommission dieses Problem zumindest an, ohne jedoch im Ergebnis darauf eingehen zu müssen381. In der Ryanair/Charleroi-Entscheidung382 ging sie – anders als im Kontext der Breitband-Leitlinien – davon aus, dass die mitgliedstaatlichen Investitionen in die 377

Dies scheitert regelmäßig bereits daran, dass die Preise für den Infrastrukturzugang vor­ abreguliert sind, vgl. Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 12, Fn. 16. 378 Vgl. Koenig/Scholz, EuZW 2003, S. 133, 135. 379 Ebd. 380 Kommission, Ent. v. 22.11.2006 (Einleitungsent.), Az. Nr.  C 48/2006 (ex N 227/2006), ABl. 2007 Nr. C 48/7, Rn. 47 – DHL-Flughafen Leipzig/Halle. Ausführlich dazu oben Kap. 4, B. III. 2. a) aa). 381 Insgesamt kritisch dazu Koenig, EStAL 2011, S. 395 f. 382 Kommission, Ent. v. 12.02.2004, Az. C (2004) 516, ABl. 2004 Nr.  L 137/1  – Rya­ nair/Charleroi; ausdrücklich dazu die Angaben der Kommission in EuG, Ent. v. 17.12.2008, Rs. T-196/04, Rn. 74 – Ryanair/Charleroi.

202

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Flughafenanlagen bei der Ermittlung, ob ein Luftfahrtunternehmen durch niedrige Flughafengebühren begünstigt wird, nicht zu berücksichtigen sind. Gegenstand des Ryanair/Charleroi-Verfahrens war nicht eine indirekte Vorteilsgewährung, sondern die unmittelbare Begünstigung eines Luftverkehrsunternehmens durch eine öffentliche Flughafenbetreibergesellschaft383. Die Schwierigkeit der Ermitt­ lung eines einheitlichen Bewertungsmaßstabs bei der Festsetzung der Infrastruk­ turnutzungsgebühren stellte sich in diesem Kontext jedoch entsprechend. In den Luftverkehrs-Leitlinien 2014 setzt sich die Kommission nunmehr um­ fassender mit der Frage auseinander, inwieweit öffentlich finanzierte Flughafen­ betreiber ihnen gewährte wirtschaftliche Vorteile an Luftverkehrsunternehmen weitergeben können384. Sie nimmt dies an, soweit die Flughäfen ihre Nutzungs­ gebühren unter dem marktüblichen Preis ansetzen. Problematisch ist in diesem Zu­ sammenhang, auf welcher Grundlage ein solcher Marktpreis überhaupt ermittelt werden kann. Ein Vergleich mit den Preisen ähnlicher Flughäfen eignet sich nur begrenzt, da nahezu alle Flughäfen in Europa mit öffentlichen Mitteln teilfinan­ ziert werden385. Aus diesem Grunde wäre bereits der Vergleichsmaßstab verzerrt. Die Kommission schlägt deshalb eine „ex-ante Rentabilitätsanalyse“ als alterna­ tives Analyseinstrument vor386. Danach soll unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren, wie etwa auch Einnahmen aus Nebengeschäften des Flughafenbetriebs (etwa der Vermietung von Flächen an Gastronomie, Läden etc.), ermittelt werden, ob die Nutzungsgebührenausgestaltung des Flughafens mittelfristig dessen Renta­ bilität sicherstellt: „Der Flughafen sollte bei der Aufsetzung einer Vereinbarung mit einer Luftverkehrsgesell­ schaft (z. B. (…) allgemeine Flughafenentgelt-Regelung) aufzeigen, dass er während der Laufzeit der Vereinbarung in der Lage ist, die Kosten aus der Vereinbarung mit einer ange­ messenen Gewinnmarge auf der Grundlage solider mittelfristiger Aussichten zu decken.“387

Einschränkend fügt die Kommission jedoch hinzu: „Kosten, die der Flughafen unabhängig von der Vereinbarung mit der Luftverkehrsgesell­ schaft in jedem Falle zu tragen hätte, sollten in die Prüfung (…) hingegen nicht einbezo­ gen werden.“388

Aus ihren folgenden Ausführungen geht hervor, dass sie die mittelbare Begüns­ tigung einer Luftverkehrsgesellschaft durch einen unmittelbar begünstigten Flug­ hafenbetreiber nicht annimmt, soweit die Beihilfe zugunsten des Flughafenbetrei­ bers rechtmäßig war, die Infrastruktur allen potentiellen Nutzern offensteht und die Luftverkehrsgesellschaft die (genauer beschriebenen) inkrementellen Kosten

383

Vgl. zu der Abgrenzung oben Kap. 4, B. III. 1. Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 53 ff. 385 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 56 ff. 386 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 61 ff. 387 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 63 ohne Fn. des Originals. 388 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 64. 384

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

203

ihrer Infrastrukturnutzung zahlt389. Damit setzt die Kommission letztlich die Li­ nie der vorherigen Entscheidungspraxis fort, eine Weitergabe der durch die mit­ gliedstaatlichen Finanzierung der Errichtung der Infrastruktur erzielten Begüns­ tigung des Flughafenbetreibers auf der Ebene der Luftverkehrsgesellschaften nicht zu thematisieren. c) Eigene Bewertung Für die uneinheitliche Vorgehensweise der Kommission bei einer Weitergabe der einem Infrastrukturbetreiber durch die mitgliedstaatliche Förderung der Er­ richtung von Infrastrukturen gewährten Vorteile auf nachgelagerte Marktstufen sind auf dem ersten Blick keine objektiven Gründe ersichtlich. Bei genauerer Be­ trachtung erscheint freilich denkbar, dass die strengere beihilfenrechtliche Prü­ fungspraxis der Kommission im Breitbandbereich darauf beruht, dass zur Zu­ gangsregulierung bei Telekommunikationsinfrastrukturen nach den europäischen Richtlinien-Vorgaben strenge Regelungen zu den inhaltlichen Voraussetzungen (Marktmacht des Netzbetreibers) und zur Abgrenzung der Zuständigkeiten von Kommission und nationalen Regulierungsbehörden bestehen390. Insoweit könnte die Kommission das Beihilfenrecht als Instrument nutzen, um sich eine Hintertür zur Einflussnahme auf die wettbewerbliche Entwicklung sowohl auf der vorgela­ gerten Telekommunikations-Infrastrukturebene als auch auf der nachgelagerten Dienstleisterebene offenzuhalten391. Aus kompetenzrechtlicher Sicht erscheint die Zulässigkeit einen solchen Han­ delns der Kommission zumindest fragwürdig. Andererseits sind die weitreichenden beihilfenrechtlichen Prüfungsbefugnisse der Kommission über verschiedene Ebe­ nen und Märkte hinweg letztlich aber ein Ausdruck der konsequenten Anwendung der Rechtsfigur der mittelbaren Begünstigung, welche das Beihilfenrecht grund­ sätzlich nach der hier vertretenen Auffassung nicht nur zulässt, sondern ausweis­ lich seiner Auslegung im Lichte des Erfordernisses einer effektiven Durchsetzung des Europäischen Wettbewerbsrechts sogar fordert392. Die Grenzen der Unions­ kompetenz in diesem Bereich sind erst dann überschritten, wenn ein Eingreifen der Kommission nicht mehr vor dem Hintergrund des Wettbewerbsschutzes verstan­ den werden kann393. Aus diesem Grunde kommt in solchen Fällen der Prüfung des Merkmals der Wettbewerbsverfälschung besondere Bedeutung zu. Für die vorgela­ gerte Frage der Erfüllung des Tatbestandserfordernisses einer selektiven Begüns­ tigung sind derartige Erwägungen dagegen zunächst noch nicht entscheidend394. 389

Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 65. So mutmaßt Koenig, EStAL 2011, S. 395, 396. 391 Vgl. auch Koenig/Fechtner, EStAL 2009, S. 463, 468. 392 Siehe oben Kap. 4, B. III. 3. b). 393 Vgl. dazu Bartosch, RIW 2007, S. 681, 690 sowie ausführlich oben Kap. 3, B. VII. 394 Vgl. auch Arhold, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 135. 390

204

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Gleichzeitig folgt aus dem Erfordernis der effektiven Durchsetzung des Beihil­ fenrechts aber auch, dass die Kommission dazu gehalten ist, ebenenübergreifende Auswirkungen der mitgliedstaatlichen Förderung bezüglich aller Infrastruktur­ arten und aller Formen von Begünstigungen zu untersuchen, also sowohl in Hin­ blick auf Investitionen in die Infrastrukturanlagen als auch bei der unmittelbaren Finanzierung des Infrastrukturbetriebs395. Nur auf diese Weise kann sie dem Vor­ wurf entgegentreten, sich bei ihrer Prüfung selektiv auf bestimmte Bereiche zu be­ schränken, in denen sie ihre eigenen Kompetenzen ausweiten möchte. Praktische Folge einer derart konsequenten Herangehensweise an die Unter­ suchung von Beihilfen im Infrastrukturbereich wäre allerdings zugleich eine deut­ liche Erhöhung des von der Kommission in jedem Einzelfalle vorzunehmenden Prüfungsumfangs396. Bislang war dies mutmaßlich auch ein entscheidender Grund dafür, warum die Kommission sich dort zurückhaltend bei der Formulierung einer einheitlichen Anwendungspraxis zeigte. Gleichwohl handelt es sich bei dem mit einem solchen Vorgehen verbunde­ nen höheren Arbeitsaufwands für die Kommission allein um die Kehrseite der auch von ihr selbst vorgetragenen Forderung, den Wettbewerb im Infrastruktur­ bereich umfassend vor Verfälschungen durch Beihilfen zu schützen. Umso wich­ tiger erscheint es deshalb, auf anderem geeigneten Wege (etwa durch die Auswei­ tung der AGVO) sicherzustellen, dass klar definierte, potentiell wenig intensiv wettbewerbsverfälschend wirkende Beihilfen nicht in jedem Falle nach den all­ gemeinen Grundsätzen untersucht werden müssen. d) Zusammenfassung und Ausblick Weder in beihilfenrechtlichen Einzelentscheidungen aus dem Infrastruktur­ bereich noch in den sektorspezifischen Leitlinien der Kommission zur BreitbandFörderung und zum Luftverkehr lässt sich bislang eine einheitliche Methodik zur Anwendung der Rechtsfigur der mittelbaren Begünstigung erkennen. Angesichts des Erfordernisses einer effektiven Durchsetzung der wettbewerbsrechtlichen Vor­ schriften des Vertrages und zur Erhöhung der Rechtssicherheit vor allem für die von den Beihilfenentscheidungen betroffenen Mitgliedstaaten wäre hier eine zu­ künftige Vereinheitlichung wünschenswert. Grundgedanke sollte dabei die kon­ sequente Durchführung der Untersuchung von möglichen indirekten Begüns­ tigungswirkungen mitgliedstaatlicher Infrastrukturfördermaßnahmen sein.

395

In diese Richtung auch Koenig, EStAL 2011, S. 395, 396 f. Kritisch deshalb Bartosch, EStAL 2011, S. 747 f.

396

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

205

5. Zusammenfassung Die Rechtsfigur der mittelbaren Begünstigung ist trotz bestehender Schwie­ rigkeiten bei ihrer Anwendung in der Praxis grundsätzlich mit den Vorgaben des Beihilfenrechts nicht nur vereinbar, sondern ihre Anwendung vor dem Hinter­ grund des Erfordernisses einer effektiven Durchsetzung des Europäischen Wett­ bewerbsrechts sogar geboten. Die Kommission verfügt bei der Durchsetzung des Beihilfenverbots ebenso wie bei der Anordnung der Rückgewährung zu Unrecht erhaltener Vorteile gegenüber mittelbar begünstigten Unternehmen über einen Er­ messensspielraum. Vor dem Hintergrund ihrer beschränkten Kompetenzen im In­ frastrukturbereich und aus rechtsstaatlichen Gründen ist sie dazu gehalten, ihr Ermessen mit Bedacht auszuüben und die jeweiligen Umstände des Einzelfalls je­ weils in ihre Bewertung einzubeziehen. Dabei ist vor allem erforderlich, dass sie zwischen einer tatsächlichen indirekten Begünstigung und dem bloßen positiven Reflex einer mitgliedstaatlichen Maßnahme abgrenzt. Ferner ist von ihr zu for­ dern, ihre Entscheidungsgründe transparent wiederzugeben und ihre einzelnen Schritte zu begründen. Mittelfristig wäre es zu begrüßen, wenn die Kommission ihre bislang nur auf der Bewertung von Einzelfällen in diesem Bereich aufbauende Methodik insgesamt vereinheitlichen würde. Erst auf diese Weise wäre eine tatsächlich konsistente An­ wendung des Beihilfenrechts auf den Infrastrukturbereich vorstellbar.

IV. Erste Ausnahme von der Annahme einer Begünstigung bei mitgliedstaatlicher Infrastrukturförderung: Anwendung des Private Investor Tests 1. Der Private Investor Test Handelt es sich bei einem Infrastrukturbetreiber um ein öffentliches Unterneh­ men, ist eine Begünstigung gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV ausgeschlossen, wenn der Mitgliedstaat sich bei der Fördermaßnahme wie ein vergleichbarer hypothe­ tischer privater Investor an seiner Stelle verhält397. Grundsätzlich unterfallen öf­ fentliche Unternehmen zwar ebenso wie private Unternehmen den Vorschriften des Europäischen Wettbewerbs- und Beihilfenrechts, Art. 106 Abs. 1 AEUV. Nach Art. 345 AEUV lassen die Europäischen Verträge die Eigentumsordnung der Mit­ gliedstaaten jedoch unberührt. Aus diesem Grunde kann ein Mitgliedstaat (unter Beachtung sekundärrechtlicher Vorgaben) frei entscheiden, inwieweit er den Be­ trieb von Infrastruktureinrichtungen über private oder öffentliche Unternehmen 397

Siehe zum Private Investor Test im Infrastrukturbereich nur Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 97 f.; Kekelekis, EStAL 2011, S. 433, 440 f.; von Donat, EuZW 2010, S. 812, 815 f.

206

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

organisiert, solange er die Gleichbehandlung der öffentlichen und der privaten Unternehmen sicherstellt. Grundsätzlich dürfen die Mitgliedstaaten damit also selbst im Infrastrukturbereich unternehmerisch tätig werden. Diese Freiheit der Mitgliedstaaten darf nicht durch die Beihilfenkontrolle der Union wieder einge­ schränkt werden, soweit sich ein Mitgliedstaat bei der Förderung seiner eigenen Unternehmen marktkonform verhält398. Um zu ermitteln, inwieweit eine spezifische mitgliedstaatliche Maßnahme als marktgerecht einzuordnen ist und keine selektive Unternehmensbegünstigung darstellt, entwickelte die Kommission bereits in den 1970er Jahren den so­ genannten Private Investor Test. Dabei wird hinterfragt, ob ein hypothetischer marktwirtschaftlich denkender Marktteilnehmer ebenso gehandelt hätte wie die entsprechende mitgliedstaatliche Stelle. Ursprünglich nutzte die Kommission den Private Investor Test vor allem, um mitgliedstaatliche Kapitalzuführungen an Un­ ternehmen zu überprüfen399. Später entwickelte sie den Test – teilweise mit leich­ ten Abwandlungen  – fort und verwendete ihn als Analyseinstrument für unter­ schiedlichste mitgliedstaatliche Maßnahmen400. Besondere Bedeutung kommt dem Test heute auch bei der Einschätzung nichtfinanzieller mitgliedstaatlicher Unternehmensunterstützungen zu, etwa der Ver­ gabe von Bürgschaften und Garantien401. Nicht zuletzt wendet die Kommission den Private Investor Test auch auf die mitgliedstaatliche Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen an, wie sie etwa in den Luftverkehrs-Leitlinien 2005402 und 2014403 und den Breit­ band-Leitlinien 2013404 verdeutlicht. Die Entwicklung des Private Investor Tests ist in vielen Einzelpunkten nach wie vor nicht endgültig abgeschlossen und unterliegt einer fortwährenden näheren Ausgestaltung in Literatur, Kommissionspraxis und Rechtsprechung. Die folgende Darstellung beschränkt sich auf die wichtigsten Problemfelder, die im Zusammen­ hang der mitgliedstaatlichen Infrastrukturförderung bestehen.

398

EuG, Urt. v. 21.01.1999, Rs. T-129/95, T-2/96 und T-97/96, Rn. 105 – Neue Maxhütte; fer­ ner EuGH, Urt. v. 21.03.1991, Rs. C-303/88, Rn. 18 ff. – Italien/Kommission; Leibenath, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 6 Rn. 2. Siehe auch Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 16. 399 Leibenath, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 6 Rn. 1. 400 Vgl. dazu Kleine/Sühnel, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 135. 401 Ausführlich Leibenath, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 7 Rn. 1 ff.; spezifisch für den Infrastrukturbereich Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 97 f. 402 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2005, Rn. 46 ff. 403 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 46 ff. 404 Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 16 f.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

207

2. Relevanter Investitionshorizont bei Infrastrukturinvestitionen Bei der modellhaften Vorstellung eines hypothetischen privaten Anlegers ist zunächst dessen Investitionshorizont zu ermitteln, um einen Vergleich mit der tatsächlichen mitgliedstaatlichen Unterstützung eines Infrastrukturprojekts zu ermöglichen405. Dabei sind die wirtschaftlichen Besonderheiten des Infrastruktur­ bereichs zu beachten. Die Errichtung von Infrastrukturen ist regelmäßig mit einem hohen Investi­ tionsaufwand verbunden, von dem ein erheblicher Teil  versunkene Kosten dar­ stellt, welche im Falle eines zukünftigen Marktaustritt des Infrastrukturbetreibers von diesem nicht wieder zurückerlangt werden können406. Eine Amortisation der getätigten Aufwendungen und die Erwirtschaftung einer positiven Rendite sind bei Infrastrukturprojekten vielfach erst über einen langfristigen Zeitraum zu er warten407. Des Weiteren bringt der lange Zeithorizont spezifische Unsicherheiten mit sich, da zum Investitionszeitpunkt lediglich eine Prognose über die wirtschaft­ liche Entwicklung des Infrastrukturprojekts abgegeben werden kann, welche umso komplexer und schwieriger kalkulierbar wird, je länger sie in die Zukunft reicht. Private Kapitaleinbringungen waren deshalb in der Vergangenheit im Infra­ strukturbereich eher eine Ausnahme und sind auch heute noch nicht bei allen Arten von Infrastrukturen üblich. Beispielhaft können hier Luft- und Seeverkehrsinfra­ strukturen genannt werden, deren beihilfenrechtliche Finanzierungsüberprüfung einen Grundstein für die Neuausrichtung der Kommissionspraxis im Infrastruktur­ sektor bildete408. Bislang blieben vollständig von privaten Investoren errichtete und betriebene Flughafenprojekte in Europa eine Ausnahme409. Im Bereich der Häfen bestehen privat errichtete und betriebene Infrastruktureinrichtungen nur in einzel­ nen Mitgliedstaaten, vor allem im Vereinigten Königreich410. Teilweise haben sich Modelle öffentlich-privater Partnerschaften im Infrastruk­ turbereich etabliert, etwa bei der Errichtung und dem Betrieb von Fernstraßen411. Die Finanzierung der Infrastrukturerrichtung wird auch bei dieser Organisations­ 405

Vgl. Kleine/Sühnel, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 139 f.; Leibenath, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 6 Rn. 70 ff. 406 Siehe nur Broemel, Strategisches Verhalten in der Regulierung, S. 61 f.; ausführlich oben Kap. 2, C. I. 2. a). 407 Cruz/Marques, Infrastructure Public-Private Partnerships, S. 7 gehen von einem derzeiti­ gen regelmäßigen Anlagehorizont von 30 Jahren, teilweise jedoch auch bis zu 50 Jahren bei In­ frastrukturinvestitionen in Form von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften aus. Siehe auch Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 50. 408 Siehe schon oben Kap. 4, A. II. 2. 409 Vgl. Soltész/Hildebrandt, in: Scholz/Moench, Flughäfen in Wachstum und Wettbewerb, S. 82, 89. Dies erkennt auch Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 56 an. 410 Dazu Mellwig, Infrastrukturfinanzierung in Häfen, S. 25 ff. 411 Siehe etwa Kommission, Ent. v. 02.12.2009, Az. N 462/2009, A2 Motorway Poland; aus­ führlich Kupjetz/Eftekharzadeh, NZBau 2013, S. 142 ff. Ferner Koppmann, Grenzen der beihil­ fenrechtlichen Inhaltskontrolle, S. 277 f.

208

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

gestaltung jedoch häufig (zumindest zu einem erheblichen Teil) aus mitgliedstaat­ lichen Mitteln bestritten, während die Kosten des laufenden Betriebs von dem gemischtwirtschaftlichen Infrastrukturbetreiber selbst gedeckt werden412. Hinter­ grund ist, dass private Investoren eher bereit sind, das im Vergleich zu einer voll­ ständigen Infrastrukturinvestition (Errichtung und Betrieb der Anlagen) deut­ lich geringere wirtschaftliche Risiko allein des Infrastrukturbetriebs auf sich zu nehmen413. In jüngerer Zeit ist bei einigen Infrastrukturarten darüber hinaus ein neuer Trend hin zu vollständiger privater Finanzierung erkennbar. Einige Arten von BreitbandNetzen etwa wurden gänzlich ohne mitgliedstaatliche Förderung errichtet. Die­ ses Phänomen beschränkte sich allerdings weitgehend auf dicht besiedelte Bal­ lungsräume, in denen die Investoren allerdings noch immer Investitionshorizonte von 20–30 Jahren einkalkulieren mussten414. Bestehende Strom- und Gasnetze wurden teilweise zum vollständig privaten Betrieb an Investoren veräußert, wie etwa in der Stadt Hamburg an ein schwedisches Energieunternehmen Anfang der 2000er Jahre415. Diese strukturellen Eigenheiten des Infrastruktursektors erschweren die Ermitt­ lung eines geeigneten Maßstabs für einen privaten Vergleichsinvestor. Im Einzel­ fall kommt es auf die üblichen Umstände des jeweiligen relevanten Infrastruktur­ markts an, die auch ein privater Kapitalgeber berücksichtigen würde. Dennoch lassen sich aus der Rechtsprechung und der Kommissionspraxis einige allgemeine Grundsätze herleiten, die für die Durchführung des Private Investor Tests im Infra­ strukturbereich insgesamt von Bedeutung sind. Zunächst muss sich der Mitgliedstaat nicht an einem kurzen Anlagehorizont orientieren und eine „mehr oder weniger kurzfristige[…] Rentabilisierung“ seiner Investitionen bezwecken416. Vielmehr darf er auch langfristige strukturelle Renta­ bilitätsüberlegungen und strategische Ausrichtungen bei der Infrastrukturfinanzie­ rung berücksichtigen. Insoweit wird in der Literatur auch vom Maßstab eines um­ sichtigen „long term investors“417 gesprochen418.

412

Vgl. von Donat, EuZW 2010, S. 812, 815. Siehe aus jüngerer Zeit Kommission, Ent. v. 02.05.2013, Az. SA.33618, Rn. 36 ff. – Upp­ sala Arena. 414 Siehe etwa Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Breitband-Strategie der Bundesregierung, S. 25. 415 Siehe dazu den zusammenfassenden Überblick in Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucksache 20/2630 v. 23.12.2011, S. 1. 416 EuGH, Urt. v. 25.04 2002, Rs. C-323/00 P, Rn. 42 – DSG Dradenauer Stahlgesellschaft. 417 Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rn. 11. 418 Dazu EuGH, Urt. v. 24.10.1996, Rs. C-329/93, C-62/95 u. C-63/95, Rn.  36  – Bremer Vulkan; EuGH, Urt. v. 21.03.1991, Rs. C-303/88, Rn. 21 f. – Italien/Kommission. Ferner zum „long term investor“-Maßstab Koenig, ZIP 2001, S. 629, 630 ff.; Koenig, ZIP 2000, S. 53, 56; Koenig/Ritter, ZIP 2000, 769 ff. 413

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

209

Gleichzeitig muss allerdings zumindest auf längere Sicht erkennbar sein, dass die mitgliedstaatliche Investition überhaupt eine positive Rendite erzielen wird. Kurzfristige Verluste, vor allem im Zeitraum unmittelbar nach der Kapitalzufüh­ rung, können zwar hingenommen werden. Dies gilt gerade bei Investitionen in In­ frastruktureinrichtungen, deren betriebswirtschaftliche Struktur zumeist vom Be­ stehen erheblicher Fixkosten geprägt ist419. Gleichzeitig muss jedoch auch ein umsichtiger staatlicher Investor zumindest in einem absehbaren Zeitraum die Erzielung von Gewinnen prognostizieren. In der jüngeren Entscheidung Ventspils Port kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass eine mitgliedstaatliche In­ vestition in Hafenstrukturen nicht den Anforderungen des Private Investor Test genügt, wenn nach bestehenden Prognoserechnungen auch nach 25 Jahren keine Gewinnerwirtschaftung zu erwarten ist420. Keine Berücksichtigung im Rahmen des Private Investor Tests können dagegen sozial- und regionalpolitische sowie allgemeine volkswirtschaftliche Erwägungen des Mitgliedstaats finden421. Auch wenn Errichtung und Betrieb einer Infrastruk­ tureinrichtung positive externe Effekte verursachen, etwa in Form weiterer Unter­ nehmensansiedlungen, der Schaffung neuer Arbeitsplätze und der Steigerung des Wohlstands der Region, berücksichtigt ein hypothetischer privater Investor diese bei seiner Investitionsentscheidung nicht. Auch staatliche „Umwegerenditen“ in Form von steigenden Steuern- und Abgabeeinnahmen infolge der wirtschaftlichen Entwicklung eines Gebiets nach der Infrastrukturerrichtung sind bei der Anwen­ dung des Private Investor Tests als unbeachtlich zu beurteilen422. Derartige Ein­ nahmen kommen dem Mitgliedstaat aufgrund seiner hoheitlichen Befugnis zur Steuer- und Abgabenerhebung zu, nicht aufgrund seiner Tätigkeit wie ein Privat­ unternehmer423. Aspekte der sozial- und regionalpolitischen Bedeutung von Infra­ strukturvorhaben sind allein bei den entsprechenden Ausnahme- und Rechtsfer­ tigungsmöglichkeiten vom Beihilfenverbot (etwa der Altmark-Ausnahme, Art. 106 Abs. 2 AEUV und Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV) zu berücksichtigen.

419

So stellt die Kommission etwa in den Luftverkehrs-Leitlinien 2014 fest: „Zwischen 70 % und 90 % der Kosten eines Flughafens sind Fixkosten.“, siehe Kommission, Luftverkehrs-Leit­ linien 2014, Rn. 89, Fn. 83. 420 Kommission, Ent. v. 15.12.2009, Az. N 385/2009, ABl. 2010 C62/7, Rn.  62 ff.  – Vent­ spils Port. Diesen Zeithorizont wendet die Kommission auch in anderen Untersuchungen mitgliedstaatlicher Infrastrukturfinanzierung an, vgl. etwa Kommission, Ent. v. 02.07.2013, Az. SA.35418 (2012/N), Rn. 11, 46 – Port of Piraeus (extension); ferner Jennert/Eitner, EuZW 2013, S. 414, 418. 421 EuGH, Urt. v. 14.09.1994, Rs. C-280/92, Rn.  22  – Hytasa; EuGH, Urt. v. 10.07.1986, Az. 234/84, Rn.  14  – Meura; Jennert/Eitner, EuZW 2013, S.  414, 417 f.; Kekelekis, EStAL 2011, S. 433, 440; Leibenath, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 6 Rn. 4. 422 Jennert/Eitner, EuZW 2013, S. 414, 417 f.; Jennert/Pauka, KommJur 2009, S. 321, 322. 423 Jennert/Pauka, KommJur 2009, S. 321, 322.

210

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

3. Paradoxe Rechtspraxis bei der Anwendung des Private Investor Tests auf Infrastrukturprojekte? In der Praxis führt die fehlende Berücksichtigung positiver externer Effekte beim Private Investor Test dazu, dass vor allem bei kleineren, regionalen Infra­ strukturvorhaben die Bedingungen des Tests häufig nicht erfüllt sein werden. Die öffentliche Hand beabsichtigt bei diesen Projekten nämlich vielfach gar nicht, dass die entsprechende Infrastruktureinrichtung mittelfristig rentabel betrieben wer­ den kann. Vielmehr stehen gerade die Folgeeffekte auf die regionale Wirtschafts­ entwicklung oder zur Versorgung der Bevölkerung mit hochqualitativen Infra­ strukturen im Vordergrund424. Kekelekis kritisiert, dass diese Rechtspraxis zur Anwendung des Private Investor Tests im Infrastrukturbereich zu paradoxen Ergebnissen führe. Da sozialund regionalpolitische Erwägungen bei dem Vergleichstest von Kommission und Gerichtshof keine Berücksichtigung finden, würden kleinere lokale Infrastruk­ turprojekte beihilfenrechtlich strenger bewertet als Großvorhaben. Die von den Mitgliedstaaten nicht mit unmittelbarer Renditeerzielungsabsicht verfolgten regi­ onalen Infrastrukturerrichtungen würden nämlich den vergleichsweise hohen An­ forderungen einer Ausnahme- oder Vereinbarkeitsprüfung unterzogen, etwa nach den Altmark-Kriterien, Art. 106 Abs. 2 AEUV oder Art. 107 Abs. 3 AEUV, wäh­ rend größere Infrastrukturvorhaben schon auf Grundlage des Private Investor Tests von einer beihilfenrechtlichen Kontrolle ausgenommen werden können. Diese Entscheidungspraxis sei aus dem Grunde widersprüchlich, dass große Infrastruk­ turvorhaben sich regelmäßig deutlich stärker auf den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten auswirken würden als lokale Projekte425. Kekelekis macht zwei Vorschläge, wie dieses scheinbare Paradoxon aufgelöst werden könnte: Erstens regt er an, dass die mitgliedstaatliche Finanzierung lokaler Infrastruktu­ ren als öffentliche Aufgabe dem Anwendungsbereich des Beihilfenrechts entzogen werden könnte426. In diesem Zusammenhang weist er aber selbst darauf hin, dass dies nicht der neuen Kommissionspraxis zur beihilfenrechtlichen Überprüfung von Infrastrukturvorhaben entspricht427. Als zweite Idee schlägt er vor, die Anwendungskriterien des Private Investor Tests bei rein lokalen Infrastrukturprojekten weniger streng auszugestalten und im Rahmen der Bewertung auch Aspekte des Marktversagens sowie regional- und so­

424

Kekelekis, EStAL 2011, S. 433, 440 f. Kekelekis, EStAL 2011, S. 433, 441. 426 Ebd. 427 Kekelekis, EStAL 2011, S. 433, 441; siehe dazu EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08, Rn. 102 – Flughafen Leipzig/Halle; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, Rn. 35 ff. – Flughafen Leipzig/Halle. 425

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

211

zialpolitische Erwägungen zu berücksichtigen428. Einen ähnlichen Ansatz gab es auch schon in den Diskussionen zur Anwendung des Private Investor Tests auf ge­ meinwirtschaftliche Vorhaben in den 1990er Jahren429. Kommission und Recht­ sprechung haben eine entsprechende Abänderung der Vergleichskriterien jedoch für die beihilfenrechtliche Beurteilung von Infrastrukturprojekten ausdrücklich abgelehnt430. Insgesamt können die Vorschläge zur Abwandlung des Private Investor Tests im Infrastrukturbereich nur wenig überzeugen. Dies liegt vor allem daran, dass­ Kekelekis’ die Rechtsnatur des Privatinvestorentests unzutreffend einordnet. Es handelt sich dabei nämlich gerade nicht um die vereinfachte Form einer Rechtfer­ tigungsvorschrift für Beihilfen, sondern um einen Ausschluss des Beihilfenverbots nach Art. 107 Abs. 1 AEUV mangels Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des Norm. Der Private Investor Tests führt nicht zu einer Privilegierung der mit­ gliedstaatlichen Förderung großer Infrastrukturprojekte, sondern vielmehr dazu, dass die von den Mitgliedstaaten gewählte Organisationsform von Infrastruktur­ betreibern als öffentliche Unternehmen nicht gegenüber einer privaten Organisa­ tionsausgestaltung benachteiligt wird. Zu Recht stellen Kommission und Recht­ sprechung an den Privatinvestorenvergleich dahingehend hohe Anforderungen, dass sozial-, regional- und strukturpolitische Auswirkungen einer staatlichen In­ vestition sowohl bei großen als auch bei kleineren Infrastrukturprojekten einheit­ lich keine Berücksichtigung finden. Eine Aufweichung des Private Investor Tests würde den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnen, die speziellen Bestimmun­ gen der Rechtfertigungsgründe (etwa der Altmark-Kriterien oder der Abwägungsprüfung nach Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV) zu umgehen. Befürwortete man mit Kekelekis’ die Berücksichtigung positiver externer Ef­ fekte bei kleinen und lokalen Infrastrukturprojekten, so stellte sich die schwierige Abgrenzungsfrage, wann genau ein Infrastrukturprojekt allein regionale Auswir­ kungen hat und diese Privilegierung genießen sollte. Kekelekis’ Anknüpfung an die angebliche beschränkte Auswirkung lokaler In­ frastrukturprojekte auf den Wettbewerb und den zwischenstaatlichen Handel tau­ gen als Begründung für eine Abänderung des Private Investor Tests ebenfalls nicht. Diese Aspekte können und müssen im Rahmen der beihilfenrechtlichen Be­ urteilung einer mitgliedstaatlichen Infrastrukturfördermaßnahme zwar Berück­ sichtigung finden, allerdings dogmatisch präzise unter dem Tatbestandsmerkmal der Wettbewerbsverfälschung und der zwischenstaatlichen Handelsbeeinträchti­ gung, nicht jedoch im Rahmen der Begünstigung.

428

Kekelekis, EStAL 2011, S. 433, 441. In diese Richtung auch Koppmann, Grenzen der bei­ hilfenrechtlichen Inhaltskontrolle, S. 276 u. 281. 429 Vgl. dazu kritisch Koenig,/Kühling, EuZW 2000, S. 197, 198 m. w. N. 430 EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08, Rn. 102 – Flughafen Leipzig/Halle; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, Rn. 35 ff. – Flughafen Leipzig/Halle.

212

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Des Weiteren kann schon die pauschale Annahme, dass Beihilfen für kleinere lokale Infrastrukturprojekte nur wenige wettbewerbsschädliche Auswirkungen haben, kaum überzeugen. Zwar streitet eine Vermutung dafür, dass bei lokalen Sachverhalten die wettbewerblichen Effekte beschränkter sind als bei großen In­ frastrukturvorhaben. Dennoch können diese nur individuell anhand der Ausgestal­ tung der konkreten Maßnahme und des relevanten Marktes beurteilt werden. Schließlich ist festzuhalten, dass es durchaus auch Beispiele gibt, in denen die Anwendung des Private Investor Tests auf kleinere Infrastrukturprojekte erfolg­ reich war. So hat die Kommission in ihrer jüngeren Entscheidung Finland Tampere-Pirkkala Airport431 die Kriterien des Tests für die mitgliedstaatliche För­ derung einer Infrastrukturmaßnahme an einem Flughafen als erfüllt angesehen, der mit unter 800.000 Passagieren in den vergangenen Jahren in die kleinste Flug­ hafenkategorie fällt. Auch wenn das Projekt nur eine verhältnismäßig geringe För­ derungssumme umfasste432, die vor allem zum Ausbau und zur Renovierung eines bereits bestehenden Terminals genutzt wurde, so zeigt der Fall dennoch, dass auch bei verhältnismäßig kleinen Infrastruktureinrichtungen wie Regionalflughäfen eine Heranziehung des Private Investor Tests keineswegs generell als ausgeschlos­ sen angesehen werden muss433. 4. Zusammenfassung Der Private Investor Test stellt ein wichtiges Instrument bei der Bewertung der mitgliedstaatlichen Förderung öffentlicher Infrastrukturbetreiber dar. Nur durch seine Berücksichtigung ist eine beihilfenrechtliche Gleichbehandlung öffentlicher und privater Infrastrukturunternehmen möglich. Die wirtschaftlichen Besonder­ heiten des Infrastrukturbereichs spiegeln sich bei der Anwendung des Private­ Investor Test insbesondere darin wider, dass bei Infrastrukturinvestitionen der Maßstab eines langfristig denkenden Kapitalanlegers berücksichtigt wird. Da­ gegen können positive externe Effekte auf die wirtschaftliche Entwicklung einer Region durch die mitgliedstaatliche Infrastrukturförderung im Rahmen des Privat­ investorentests keine Berücksichtigung finden. Von diesem allgemeinen Grund­ satz ist, anders als teilweise in der Literatur gefordert, bei der Anwendung des Private Investor Tests auch auf die mitgliedstaatliche Förderung der Errichtung und des Betriebs von allein lokal oder regional bedeutsamen Infrastrukturen keine Aus­ nahme zu machen.

431

Kommission, Ent. v. 25.07.2012, Az. SA.23324 – C 25/2007 (ex NN 26/2007) – TamperePirkkala Airport. 432 Diese lag bei insgesamt 760.612 EUR, vgl. Kommission, Ent. v. 25.07.2012, Az. SA.23324 – C 25/2007 (ex NN 26/2007), Rn. 85 – Tampere-Pirkkala Airport. 433 Siehe Kommission, Ent. v. 25.07.2012, Az. SA.23324  – C 25/2007 (ex NN 26/2007), Rn. 79 ff. – Tampere-Pirkkala Airport.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

213

V. Zweite Ausnahme von der Annahme einer Begünstigung bei mitgliedstaatlicher Infrastrukturförderung: DAWI und die Altmark-Kriterien Infolge der in Literatur und Rechtspraxis vieldiskutierten434 Altmark TransRechtsprechung des Gerichtshofs435 liegt keine Beihilfe im Sinne des Art.  107 Abs. 1 AEUV vor, wenn es sich bei der mitgliedstaatlichen Zuwendung um eine Ausgleichsleistung für von den begünstigten Unternehmen erbrachte Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse („DAWI“) handelt. Der Gerichtshof hat in der Altmark-Entscheidung vier Kriterien aufgestellt, die kumulativ erfüllt sein müssen, damit sich ein Mitgliedstaat auf diese Tatbestandsausnahme vom Beihil­ fenverbot berufen kann („Altmark-Kriterien“): „1. Das begünstigte Unternehmen muss tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaft­ licher Verpflichtungen betraut worden sein, und diese Verpflichtungen müssen klar definiert sein. 2. Die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet wird, wurden zuvor objektiv und transparent aufgestellt. 3. Der Ausgleich geht nicht über das hinaus, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfül­ lung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erziel­ ten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken. 4. Die Höhe des erforderlichen Ausgleichs ist, sofern die Wahl des begünstigten Unterneh­ mens nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt, auf der Grundlage einer Analyse der Kosten bestimmt worden, die ein durchschnittliches, gut ge­ führtes Unternehmen, das so angemessen ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirt­ schaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflich­ tungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.“436

Die Altmark-Rechtsprechung wurde in der Folgezeit von den Unionsgerich­ ten bestätigt und die einzelnen Kriterien wurden teilweise näher ausgeformt437. Auch die Kommission hat die Altmark-Grundsätze in ihre Veröffentlichungen und Entscheidungen seit 2003 aufgenommen und nähere Ausführungen zu ihren Vor­ 434

Siehe aus der Rechtsprechung nur EuGH, Urt. v. 08.05.2013, Rs. C-197/11 und C-203/11, Rn.  84 ff.  – Libert; EuG, Urt. v. 12.02.2008, Rs. T-289/03  – BUPA; aus der Literatur nur Deuster, Ausgleichzahlungen für Dienstleitungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse; Kämmerer, NVwZ 2004, S. 28 ff.; Sinnaeve, EStAL 2003, S. 351 ff.; Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Economic Interest; Szyszczak, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 293 ff. 435 EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. C-280/00 – Altmark Trans. 436 EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. C-280/00, Rn. 89 ff. – Altmark Trans. 437 Siehe etwa EuGH, Urt. v. 27.11.2003, Rs. C-34/01 bis C-38/01, Rn.  31  – Enirisorse und zur Weiterentwicklung vor allem EuG, Urt. v. 12.02.2008, Rs. T-289/03 – BUPA; ferner Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Vor. Art. 107 AEUV Rn. 16.

214

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

aussetzungen gemacht438. Die wichtigsten Erkenntnisse zu diesem Bereich hat sie im sogenannten DAWI-Paket Ende 2011/Anfang 2012 zusammengefasst und erläutert439. Die Behandlung von DAWI im Europäischen Wettbewerbs- und Beihilfenrecht stellt einen der politisch wie auch rechtlich umstrittensten Bereiche des gesamten Unionsrechts dar. In der Diskussion des Altmark-Urteils und seiner Auswirkun­ gen auf die Beihilfenkontrolle im DAWI-Bereich sind in der Literatur wie auch bei Praktikern unterschiedlichste Ansichten und Folgerungen vertreten worden. Die folgende Darstellung beschränkt sich auf die wichtigsten Fragen, die sich spezi­ fisch für den Infrastrukturbereich stellen und dort insbesondere die Reichweite der Unionskompetenz betreffen, über das Beihilfenrecht in die mitgliedstaatliche Wirt­ schaftspolitik auf diesem Gebiet einzugreifen. 1. Erstes Altmark-Kriterium Nach dem ersten Altmark-Kriterium muss es sich bei der von dem begünstigten Unternehmen erbrachten Tätigkeit um die „Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen“440 handeln. Aus diesem Grunde ist zunächst zu hinterfragen, inwie­ weit die Errichtung und der Betrieb von Infrastrukturen als eine derartige Leistung eingestuft werden können. a) Zur Begriffsbestimmung der „gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen“ Weder aus dem europäischen Primär- noch dem Sekundärrecht lässt sich eine Definition der „gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen“ entnehmen441. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Gerichts soll der in der ersten Altmark-Vorausset­ zung im Rahmen des Art. 107 AEUV verwendete Begriff mit dem der „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ aus Art. 106 Abs. 2 AEUV übereinstimmen442. Dieser wiederum entspricht dem Terminus der „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ in Art. 14 AEUV sowie Art. 36 Grund­ rechtscharta443. Der Verweis auf diese Normen hilft bei der Begriffsbestimmung je­ 438

Vgl. für den Infrastrukturbereich etwa Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 18 ff.; Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2005, Rn. 34 ff. 439 Das DAWI-Paket umfasst folgende Rechtsakte: Kommission, DAWI-Mitteilung 2012; Kommission, DAWI-Gemeinschaftsrahmen 2012; Kommission, DAWI-Freistellungsbeschluss 2011; ferner Kommission, Verordnung (EU) Nr. 360/2012. 440 EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. C-280/00, Rn. 89 – Altmark Trans. 441 So auch ausdrücklich EuG, Urt. v. 12.02.2008, Rs. T-289/03, Rn. 165 – BUPA; ferner Wernicke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 106 AEUV Rn. 37. 442 Siehe EuG, Urt. v. 12.02.2008, Rs. T-289/03 – BUPA, vor allem Rn. 165 ff. 443 Jung, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 14 AEUV Rn. 12 m. w. N.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

215

doch nur insoweit, als dass auf von der Rechtsprechung dazu entschiedene Fall­ kategorien zurückgegriffen werden kann. Eine allgemeine Definition gibt es auch zu diesen Bestimmungen nicht. Insoweit bleibt auch die Formel der Kommis­ sion aus dem Grünbuch zu Dienstleitungen von allgemeinem Interesse konturen­ los, nach der sich der Begriff der DAWI auf „wirtschaftliche Tätigkeiten bezieht, die von den Mitgliedstaaten oder der Gemeinschaft mit besonderen Gemeinwohl­ verpflichtungen verbunden werden und für die das Kriterium gilt, dass sie im Interesse der Allgemeinheit erbracht werden.“444 Der Begriff der „gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung“ darf jedenfalls nicht mit dem einer nicht-wirtschaftlichen Leistung verwechselt werden, worunter die Ge­ meinschaftsgerichte etwa die allgemeinen mitgliedstaatlichen Systeme der Kran­ ken- und der Rentenversicherung verstehen445. Derartige Leistungen unterfallen schon deshalb nicht der Beihilfenkontrolle nach Art.  107 Abs.  1 AEUV, da sie nicht von „Unternehmen“ erbracht werden. Nichts anderes stellt auch Art. 2 des Protokolls Nr. 26 zum Lissabon-Vertrag klar. Allgemein anerkannt bezüglich der „gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen“ und der entsprechenden unionsvertraglichen Termini ist allenfalls, dass es sich bei ihnen um autonome unionsrechtliche Begriffe handelt446. Bei ihrer Auslegung darf aus diesem Grunde einerseits nicht auf – zuweilen ebenfalls wenig konturen­ scharfe – mitgliedstaatliche Konzepte wie die deutsche Daseinsvorsorge oder den französischen Service Public zurückgegriffen werden447. Allerdings kann der Be­ griff der „gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen“ andererseits auch nicht gleich­ bedeutend mit einem „Allgemeininteresse“ der Union sein, da es sich bei den entsprechenden Ausnahmebestimmungen um Regelungen zugunsten der Mit­ gliedstaaten handelt448. Konsequenz daraus ist, dass den Mitgliedstaaten bei der Festlegung, ob eine bestimmte Tätigkeit als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung eingeordnet wird, von der Union ein weites Ermessen eingeräumt wird449. Damit berücksichtigt die Union auch, dass es unterschiedliche Traditionen und politische 444

Kommission, Grünbuch DAI, Rn. 17. EuGH, Urt. v. 16.03.2004, Rs. C-264/01, C-306/01, C-354/01 u. C-355/01, Rn. 51 ff. – AOK Bundesverband; EuGH, Urt. v. 22.01.2002 Rs. C-218/00, Rn.  37 ff.  – Cisal/INAIL; EuGH, Urt. v. 17.02.1993, Rs. C-159/91 u. C-160/91 – Poucet und Pistre; dazu Jung, in: Cal­ liess/Ruffert, EUV/AEUV, Art.  106 AEUV Rn.  39. Ferner ausführlich und kritisch zu einer Übertragung auf den Infrastrukturbereich oben Kap. 4, A. IV. 446 Vgl. Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art. 106 Abs. 2 AEUV Rn. 77; Wernicke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 106 Rn. 37. 447 Siehe nur Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art. 106 Abs. 2 AEUV Rn. 77 m. w. N. 448 Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art.  106 Abs. 2 AEUV Rn. 77. 449 EuG, Urt. v. 12.02.2008, Rs. T-289/03, Rn.  166  – BUPA; EuG, Urt. v. 27.02.1997, Rs.  T-106/95, Rn.  192  – FFSA; Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, Wett­ bewerbsrecht: EU, Art.  106 Abs.  2 AEUV Rn.  84; Wernicke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 106 Rn. 44. 445

216

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Vorstellungen von der Beteiligung des Staates am Wirtschaftsleben in den Mit­ gliedstaaten gibt. Gleichwohl sind den Mitgliedstaaten bei der Ausfüllung der un­ bestimmten Formel der DAWI auch Grenzen gesetzt. Letztlich darf die Anwend­ barkeit der Regelungen des Europäischen Wettbewerbsrechts nämlich nicht zur freien Disposition der Mitgliedstaaten stehen450. Aus diesem Spannungsverhältnis zwischen mitgliedstaatlicher Autonomie im Bereich gemeinwirtschaftlicher Leis­ tungen und der effektiven Durchsetzung des Europäischen Beihilfenrechts ergibt sich die Notwendigkeit einer Festlegung unionsweit gültiger Mindestkriterien für die Bestimmung derartiger Tätigkeiten. Das Gericht wählt insoweit die Formulie­ rung eines „universalen und obligatorischen Charakters der Aufgabe“451. Gemeinwirtschaftliche Betätigungen und (gewöhnliche)  wirtschaftliche Tätig­ keiten können nach einer verbreiteten Auffassung voneinander abgegrenzt werden, indem man die mit ihnen verfolgten Ziele hinterfragt. Handelt es sich dabei um die Erfüllung „allgemeiner Interessen“, so liegt eine privilegierte Tätigkeit vor; ste­ hen dagegen „Partikularinteressen“ – insbesondere die individuelle Gewinnerzie­ lungsabsicht – im Vordergrund, so kommen Ausnahmen von der Anwendbarkeit des Beihilfenrechts nicht in Betracht452. Problematisch ist jedoch auch an diesem Ansatz, dass der Begriff der „allgemeinen Interessen“ nahezu ebenso unbestimmt ist wie jener der „gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen“. Der Gerichtshof be­ stimmt ein derartiges „allgemeines Interesse“ insoweit danach, dass es sich „von dem Interesse an anderen Tätigkeiten des Wirtschaftslebens besonders unterscheidet“453. Dabei muss weder eine eng verstandene Universaldienstverpflichtung des Unternehmens bestehen, noch muss die Leistung der gesamten Bevölkerung eines Mitgliedstaats gleichermaßen zugutekommen454. b) Bestimmung von „gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen“ beim Infrastrukturbetrieb Im Infrastrukturbereich ist die genaue Abgrenzung einer unternehmerischen Tä­ tigkeit im „allgemeinen Interesse“ von einer an individuellen Interessen orientier­ ten Betätigung besonders schwierig. Dies liegt vor allem darin begründet, dass in den Mitgliedstaaten unterschiedliche politische Auffassungen darüber bestehen, inwieweit die Bereitstellung von Infrastrukturen als Aufgabe des Staates oder des 450

Vgl. EuG, Urt. v. 12.02.2008, Rs. T-289/03, Rn.  168  – BUPA. So auch Mestmäcker/ Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art. 106 Abs. 2 AEUV Rn. 84. 451 EuG, Urt. v. 12.02.2008, Rs. T-289/03, Rn. 185 ff. – BUPA. 452 In diese Richtung EuGH, Urt. v. 27.03.1974, Rs. 127–73, Rn. 23 – BRT-II; EuG, Urt. v. 12.02.2008, Rs. T-289/03, Rn. 178 – BUPA. Vgl. außerdem nur Mestmäcker/Schweitzer in: Im­ menga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art. 106 Abs. 2 AEUV Rn. 80. 453 EuGH, Urt. v. 10.12.1991, Rs. C-179/90, Rn. 27 – Hafen von Genua; ähnlich EuGH, Urt. v. 17.07.1997, Rs. C-242/95, Rn. 53 – GT-Link. Dazu Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/ Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art. 106 Abs. 2 AEUV Rn. 81 m. w. N. 454 EuG, Urt. v. 12.02.2008, Rs. T-289/03, Rn. 186 – BUPA.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

217

Marktes angesehen wird. Zudem führt der ökonomische Wandel infolge der Li­ beralisierung vieler Infrastrukturarten in den vergangenen Jahrzehnten dazu, dass vormals stärker gemeinwirtschaftlich geprägte Tätigkeiten in diesem Gebiet zu­ nehmend auch von individuellen Gewinninteressen geleitet werden. Gleichzeitig unterscheiden sich weiterhin die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Errich­ tung und des Betriebs von Infrastrukturen sowohl bei einzelnen Infrastrukturtypen als auch innerhalb der einzelnen Infrastrukturarten hinsichtlich des jeweiligen Mit­ gliedstaats wie auch der entsprechenden Regionen, was eine allgemeine Katego­ rienbildung erschwert. aa) Frühere Anknüpfungspunkte aus der Kommissionpraxis und Fehlen einer einheitlichen Abgrenzungsmethodik Die Kommission merkte in ihrem Weißbuch zu DAI insoweit an, dass sie un­ ter DAWI insbesondere „bestimmte Leistungen der großen netzgebundenen Wirtschaftszweige wie des Verkehrswesens, der Postdienste, des Energiesektors und der Telekommunikation“455 versteht. Diese Formulierung impliziert zum einen, dass dem Infrastrukturbereich eine bedeutende Rolle im Gesamtgefüge der DAWI zukommt. Gleichzeitig lässt sich daraus zum anderen aber auch herleiten, dass nicht der Betrieb jeder Infrastruktureinrichtung ein allgemeines Interesse verfolgt. Einen Anhaltspunkt für die Einordnung der Errichtung und des Betriebs von Infra­ strukturen als gemeinwirtschaftliche Leistungen liefern die Freistellungsentschei­ dung der Kommission von 2005456 sowie der an ihre Stelle getretene Freistellungs­ beschluss von 2011457. In diesen Rechtsakten legte die Kommission nieder, unter welchen Voraussetzungen die mitgliedstaatliche Beihilfenvergabe an bestimmte mit der Erfüllung von DAWI betraute Unternehmen nach Art. 106 Abs. 2 AEUV als grundsätzlich mit dem Binnenmarkt vereinbar betrachtet werden kann und da­ her auch nicht gem. Art. 108 Abs. 3 AEUV angemeldet werden muss. Aus dem Infrastrukturbereich werden im Freistellungsbeschluss „Krankenhäuser, die medizinische Versorgung leisten“458 genannt sowie Flughäfen mit weni­ ger als 200.000 Passagieren und Seehäfen mit weniger als 300.000 Passagieren je­ weils in den vorherigen beiden Geschäftsjahren459. Darüber hinaus werden auch bestimmte soziale Dienste (etwa zur Langzeitpflege und zur Betreuung sozial schwacher Personen) aufgeführt460. Ohne dass die Kommission dabei näher darauf eingeht, sind nach dem Zweck der Regelung auch mit diesen sozialen Leistungen zusammenhängende Infrastruktureinrichtungen (z. B. Wohnungslosenheime, Kin­ 455

Kommission, Weißbuch DAI, Anh. 1. Kommission, Freistellungsentscheidung 2005. 457 Kommission, Freistellungsbeschluss 2011. 458 Kommission, Freistellungsbeschluss 2011, Art. 2 Abs. 1 lit. b). 459 Kommission, Freistellungsbeschluss 2011, Art. 2 Abs. 1 lit. e). 460 Kommission, Freistellungsbeschluss 2011, Art. 2 Abs. 1 lit. c). 456

218

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

derbetreuungsstätten) vom Freistellungsbeschluss umfasst461. Ferner betont die Kommission bei allen aufgeführten freigestellten Einrichtungen aber auch, dass die jeweilige Beihilfe tatsächlich zur Erbringung von DAWI bestimmt sein muss462. Die Kommission erleichtert mit ihrer Aufzählung potentiell freigestellter Infra­ struktureinrichtungen die Einschätzung, wann eine Infrastruktureinrichtung als im allgemeinen Interesse tätig eingestuft werden kann, ohne letztlich abstrakte Ab­ grenzungsvorgaben zu benennen. Insoweit schafft sie einen Rahmen, an dem die Mitgliedstaaten ihre Ermessensentscheidungen bei der Bestimmung derartiger In­ frastrukturen als DAWI ausrichten können, ohne dass eine vollständige Regelung oder einzelne strikte Vorgaben für alle denkbaren Fälle bestehen463. In der Literatur ist auf erhebliche Kritik gestoßen, dass die Kommission das neue DAWI-Paket von 2011/2012 nicht dazu genutzt hat, genauere Definitionen für diesen Bereich zu entwickeln464. Während des Konsultationsprozesses wurde dieses Problem zwar aufgegriffen465. Dass die Kommission sich in den neuen Rechtsakten dennoch nicht genauer auf einen Begriff der gemeinwirtschaftlichen Leistungen festlegte, ist wohl in erster Linie dem Umstand geschuldet, dass sie den weiten Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei der Einordnung konkre­ ter Leistungen als DAWI nicht über Gebühr einschränken wollte466. Sie nahm da­ für allerdings gleichzeitig in Kauf, dass die Mitgliedstaaten, die von dieser Rege­ lung eigentlich profitieren sollten, weiterhin mit erheblichen Rechtsunsicherheiten zu kämpfen haben. Einzelne Literaturstimmen schlagen als Lösung für dieses Problem vor, dass die Kommission anstelle fester Definitionen zur Erhöhung der Rechtsklarheit bei gleichzeitiger Berücksichtigung der mitgliedstaatlichen Kompetenzen zumindest „Definitionsansätze“ veröffentlichen sollte467. Leider bleibt aber völlig unklar, was unter diesem Begriff zu verstehen ist und wie genau derartige „Definitionsansätze“ aussehen sollten. Jenseits einer enumerativen Aufzählung von durch Rechtspre­ chung und Kommissionspraxis anerkannten Formen von DAWI erscheint ein für die Mitgliedstaaten subsumtionsfähiger, abstrakter „Definitionsansatz“ von DAWI angesichts der unterschiedlichen Arten derartiger Leistungen wie auch der indivi­ duellen mitgliedstaatlichen Vorstellungen nur schwer realisierbar. 461

Vgl. auch Bühner/Sonder, NZS 2012, S. 688, 693. Kommission, Freistellungsbeschluss 2011, Art. 2 Abs. 1. 463 Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art. 106 Abs. 2 AEUV Rn. 84 formulieren allgemeiner, dass in diesen Bereichen „die Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten eingeschränkt sein [kann].“ 464 Siehe Bühner/Sonder, NZS 2012, S. 688, 693; ferner ähnlich Jung/Deuster, BRZ 2012, S. 24, 28 ff., die jedoch auch darauf hinweisen, dass die letztliche „Definitionshoheit“ im An­ wendungsbereich der Beihilfenvorschriften nicht bei der Kommission, sondern beim Gerichts­ hof liegen muss. 465 Dazu Hirsbrunner/Litzenberger EuZW 2011, S. 742, 744 f. m. w. N. 466 So aus jüngerer Zeit ausdrücklich EuG, Urt. v. 12.02.2008, Rs. T-289/03, Rn. 166 – BUPA. 467 So Bühner/Sonder, NZS 2012, S. 688, 693. 462

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

219

bb) Jüngere Kommissionslinie und Einführung von Elementen der Abwägungsprüfung (1) Das Vorliegen eines Marktversagens als Abgrenzungskriterium Die Kommission hat sich mit dem DAWI-Paket für die Einführung eines neuen Prüfungsansatzes bei der Bestimmung von gemeinwirtschaftlichen Leistungen entschieden: „Die Kommission ist (…) der Auffassung, dass es nicht zweckmäßig wäre, bestimmte ge­ meinwirtschaftliche Verpflichtungen an eine Dienstleistung zu knüpfen, die von im Ein­ klang mit den Marktregeln handelnden Unternehmen zu normalen Marktbedingungen, die sich z. B. im Hinblick auf den Preis, objektive Qualitätsmerkmale, Kontinuität und den Zu­ gang zu der Dienstleistung mit dem vom Staat definierten öffentlichen Interesse decken, zu­ friedenstellend erbracht wird oder erbracht werden kann.“468

Auch wenn die Kommission es nicht ausdrücklich benennt, handelt es sich bei diesem Abgrenzungsansatz um nichts anderes als eine Übertragung des im Zuge der Beihilfenreform von 2005 entwickelten Marktversagenskonzepts auf das erste Altmark-Kriterium469. Zur Feststellung, ob eine bestimmte Leistung eine gemein­ wirtschaftliche Verpflichtung darstellt, muss danach eine Marktanalyse vorgenom­ men und (gegebenenfalls mittels einer hypothetischen Betrachtung) hinterfragt werden, ob tatsächlich ein Marktversagen vorliegt oder ob die Leistung auch zu normalen Marktbedingungen erbracht werden könnte. Leider macht die Kommission in ihren Veröffentlichungen keine näheren An­ gaben dazu, unter welchen Umständen sie davon ausgeht, dass zu gewöhnlichen Marktbedingungen kein „zufriedenstellendes“ Marktergebnis erzielt wird. In der Literatur wird im Zusammenhang mit der Bestimmung von DAWI teil­ weise ein enges Verständnis des Marktversagensbegriffs gefordert. Danach soll dieser – ähnlich wie auch im Rahmen des Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV zuweilen angenommen  – ausschließlich Formen allokativen Marktversagens umfassen470. Vorteil eines solchen Verständnisses ist, dass zur Feststellung des tatsächlichen Vorliegens eines Marktversagens zumindest weitgehend anerkannte ökonomische Kriterien herangezogen werden könnten471. Zwar kann in der Praxis eine danach erfolgende Untersuchung aufgrund unvollständiger oder schwierig zu erlangen­ der Marktinformationen, denkbaren Datenmanipulationen sowie potentiell un­ 468

Kommission, DAWI-Mitteilung 2012, Rn. 48. So auch Kekelekis, EStAL 2011, S.  433, 442; Klasse, in: Szyszczak/van de Gronden,­ Financing Services of General Economic Interest, S. 35, 40. 470 So Sauter, EL Rev 2008, S. 167, 179 f.; kritisch Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/ Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art. 106 Abs. 2 AEUV Rn. 82 m. w. N. 471 Kritisch zur Handhabbarkeit des Begriffs eines allokativen Marktversagens dagegen­ Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1072. 469

220

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

terschiedlicher Folgeneinschätzungen im Einzelfall durchaus kompliziert sein472. Dennoch bestünde erstmals wenigstens ein Mindestmaß an Rechtssicherheit für die Mitgliedstaaten und die begünstigten Unternehmen bei der Bestimmung ge­ meinwirtschaftlicher Leistungen. Praktische Zweifelsfälle könnten etwa mittels einer widerleglichen Vermutung zugunsten des Vorliegens eines Marktversagens gehandhabt werden, um so dem weiten Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei der Bestimmung von DAWI gerecht zu werden. Gegen eine derart enge Auslegung des Marktversagens im Rahmen der Be­ stimmung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen sprechen jedoch gewichtige te­ leologische und systematische Erwägungen. Weder die Altmark-Tatbestandsaus­ nahme vom Beihilfenverbot noch eine mögliche Rechtfertigung von DAWI über Art. 106 Abs. 2 AEUV bezweckt den Schutz der Allokationseffizienz in den Mit­ gliedstaaten473. Sinn und Zweck dieser Regelungen ist vielmehr, dass die Mitglied­ staaten auch jenseits des Damoklesschwertes der Beihilfenregeln die Möglichkeit behalten sollen, gemeinwirtschaftliche Leistungen in von ihnen individuell für politisch wünschenswert erachtetem Umfang zu finanzieren474. Dabei können vor allem auch die von der Union geförderten Motive eines „wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts“ eine Rolle spielen475. Grund für diese Aus­ nahmeregeln für DAWI im Beihilfenrecht ist damit im Wesentlichen der Schutz der politischen Kompetenzen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich. Diese wä­ ren jedoch erheblichen Einschränkungen ausgeliefert, würde man den Begriff der gemeinwirtschaftlichen Leistungen allein auf Fälle eines ökonomisch allokativ begründeten Marktversagens beschränken476. Einer engen Auslegung des Markt­ versagensbegriffs ist deshalb im Rahmen des ersten Altmark-Kriteriums nicht zu folgen. Auch die Kommission verwendet bei der Bestimmung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen im Grundsatz zunächst ein weites Verständnis vom Marktver­ sagen. Dies zeigt sich an dem in der DAWI-Mitteilung von ihr aufgeführten Bei­ spiel aus dem Infrastrukturbereich. Sie verweist darin auf die Regelungen in den Breitband-Leitlinien 2009, wonach die Errichtung und der Betrieb von BreitbandInfrastrukturen als gemeinwirtschaftliche Leistung eingeordnet werden kann, wenn sich in dem entsprechenden Gebiet keine privaten Investoren bereit sind, eine „angemessene Breitbandversorgung anzubieten“477. 472

Siehe nur Langner, Beihilfenkontrolle auf dem Prüfstand, S. 21 f. Ausführlich dazu oben Kap. 3, B. VII. 2. 473 So ausdrücklich zu Art. 106 Abs. 2 AEUV Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmä­ cker, Wettbewerbsrecht: EU, Art. 106 Abs. 2 AEUV Rn. 82. 474 Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art.  106 Abs. 2 AEUV Rn. 82. 475 Siehe dazu auch oben Kap. 2, C. II. 476 So i. Erg. auch Klasse, in: Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Eco­ nomic Interest, S. 35, 40. 477 Kommission, DAWI-Mitteilung 2012, Rn. 49.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

221

Bei einer rein allokativen Betrachtung liegt in solchen Gegenden regelmäßig kein Marktversagen vor, sondern im Gegenteil vielmehr ein gut funktionierender Markt478: Auf diesem wäre (zumeist aus strukturellen Gründen wie einer gerin­ gen Bevölkerungsdichte und damit einer geringen Zahl potentieller Kunden von Breitbanddiensten) eine für den Investor betriebswirtschaftlich rentable Errich­ tung entsprechender Breitband-Infrastrukturen nur möglich, wenn die einzelnen Nutzer bereit wären, einen vergleichsweise deutlich höheren Preis als in anderen Regionen zu zahlen. Sind die Endkunden dazu nicht gewillt, so schätzen sie ihren zusätzlichen Nutzen durch den Anschluss an ein Breitband-Netz geringer ein als die dafür aufzubringenden Kosten. Damit kommt zu Marktbedingungen kein Ver­ tragsschluss zu Stande und der Breitband-Infrastrukturbetreiber wird seine Inves­ titionen in andere Regionen verlagern479. Erst mittels distributiver Erwägungen lässt sich begründen, dass zur Sicher­ stellung der Versorgung der Bevölkerung mit Breitband-Diensten zu (politisch bestimmten) (Höchst-)preisen in allen Regionen eines Mitgliedstaats eine staat­ liche finanzielle Förderung von Infrastrukturbetreibern erfolgen soll480. Dadurch, dass die Kommission derartige Förderungen als typischen Fall einer gemeinwirt­ schaftlichen Ausgleichsleistung einordnet, stellt sie implizit klar, dass sie kein aus­ schließlich an der Ressourcenallokation ausgerichtetes Marktversagenskonzept im Rahmen der Altmark-Kriterien und bei Art. 106 Abs. 2 AEUV verfolgt. In einer jüngst ergangenen Entscheidung Breitband Hauts-de-Seine481 bestätigte das Gericht Erster Instanz den neuen Ansatz der Kommission zur Einführung der Marktversagensprüfung auf die Ebene des ersten Altmark-Kriteriums482. Das Vor­ liegen eines Marktversagens stellt demnach eine „Vorbedingung“ dafür dar, dass eine bestimmte Leistung als DAWI eingeordnet werden kann483. Beim Begriff des Marktversagens handele es sich um ein „objektives Konzept“, welches im Einzel­ falle auf Grundlage der „konkreten Marktsituation“ zu ermitteln sei484. Dabei kön­ nen auch distributive Erwägungen berücksichtigt werden.

478

Beispiel nach Koenig/Bache, JECLP 2012, S. 261, 262 f. Ebd. 480 Ebd. 481 EuG, Ent. v. 16.09.2013, Rs. T-79/10, T-258/10, T-325/10 – Breitband Hauts-de-Seine. 482 EuG, Ent. v. 16.09.2013, Rs. T-79/10, T-258/10, T-325/10, Rn. 146 ff. – Breitband Hauts-deSeine. 483 EuG, Ent. v. 16.09.2013, Rs. T-79/10, T-258/10, T-325/10, Rn. 154 – Breitband Hauts-deSeine. 484 EuG, Ent. v. 16.09.2013, Rs. T-79/10, T-258/10, T-325/10, Rn. 158 – Breitband Hauts-deSeine. 479

222

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

(2) Die Einführung einer Erforderlichkeits-/ Angemessenheitsprüfung Das weite Verständnis vom Marktversagen schränkt die Kommission in ihrer jüngeren Entscheidungspraxis zum ersten Altmark-Kriterium allerdings dadurch wieder ein, dass sie über das Marktversagenskriterium hinaus weitere Prüfungs­ elemente der im Zuge der Beihilfenreform von 2005 eingeführten Abwägungsprüfung in die Untersuchung aufnimmt485. Nachdem sie in den konkreten Fällen das Bestehen eines Marktversagens angenommen hat, hinterfragt sie zusätzlich, ob das mit der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung vom Mitgliedstaat geförderte Ziel auch auf einem anderen, weniger wettbewerbsbeeinträchtigenden Wege als mittels einer Beihilfenvergabe hätte erreicht werden können486. Im Infrastruktur­ bereich hat die Kommission eine derartige Prüfung vereinzelt bereits in früheren Bei­hilfenverfahren durchgeführt. So untersuchte sie in einem Fall zum Ausbau von Kapazitäten zur Energieerzeugung in Irland im Rahmen des ersten Altmark-Krite­ riums, ob die vom Mitgliedstaat als DAWI deklarierten zusätzlichen Kapazitäten zur Versorgungssicherung nicht auch mittels des Ausbaus bestehender Infrastruk­ tureinrichtungen anstelle der Förderung neuer Anlagen zur Energieproduktion hätte erreicht werden können487. Ähnlich argumentierte die Kommission – in diesem Falle allerding auf der Infra­ strukturnutzerebene – auch in ihren Entscheidungen DVB-T Berlin/Brandenburg488 und DVB-T Nordrhein-Westfalen489. Sie lehnte in diesen Fällen die Einordnung einer finanziellen Unterstützung privater Rundfunkanbieter (Infrastrukturnutzer) zur Umstellung der Übertragung ihrer Programme mittels der neu eingeführten DVB-T-Sendeinfrastrukturen als Kompensation für eine gemeinwirtschaftliche Ver­ pflichtung ab. Zur Begründung führte sie aus, dass mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbietern in Deutschland bereits Einrichtungen bestünden, welche mit der Sicherstellung eines gemeinwohlorientierten Auftrags betraut seien. Die pri­ vaten Rundfunkanbieter würden daneben kommerzielle Interessen verfolgen und damit gewerblich (auf einem funktionierenden Markt ohne Monopolstrukturen) tätig sein, ohne einen besonderen gemeinwirtschaftlichen Zweck zu verfolgen490. 485

Vgl. Kekelekis, EStAL 2011, S. 433, 442. Siehe dazu Kekelekis, EStAL 2011, S. 433, 442; Klasse, in: Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Economic Interest, S. 35, 40. 487 Kommission, Ent. v. 16.12.2003, Az. N 475/2003, Rn. 21 ff. – Ireland Security of Supply; dazu Kekelekis, EStAL 2011, S. 433, 442. 488 Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14 – DVB-T Ber­ lin/Brandenburg. 489 Kommission, Ent. v. 23.10.2007, Az. C 34/2006 (ex N 29/2005 und ex CP 13/2004)  – DVB-T Nordrhein-Westfalen. 490 Kommission, Ent. v. 23.10.2007, Az. C 34/2006 (ex N 29/2005 und ex CP 13/2004), Rn. 90 ff. – DVB-T Nordrhein-Westfalen; Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14, Rn. 125 – DVB-T Berlin/Brandenburg; dazu auch Klasse, in: Szyszczak/ van de Gronden, Financing Services of General Economic Interest, S. 35, 40. 486

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

223

In der jüngeren Entscheidung Zweckverband Tierkörperbeseitigung491 griff die Kommission im Rahmen der Überprüfung des ersten Altmark-Kriteriums ein wei­ teres Mal auf Elemente der Abwägungsprüfung zurück. In diesem Fall ging es um die Finanzierung der Entsorgung von Schlachtabfällen in mehreren Bundesländern in Deutschland. Einige mit einem ausschließlichen Recht ausgestatteten Betreiber von Tierkörper-Entsorgungsinfrastrukturen erhielten einen finanziellen Ausgleich für die Beseitigung besonders risikobehafteter Schlachtabfälle sowie für das Vor­ halten von Reservekapazitäten für den Fall des Ausbruchs von Tierseuchen. Die Kommission stellte zunächst fest, dass die mitgliedstaatliche Verleihung eines ausschließlichen Rechts an einen Infrastrukturbetreiber nicht automatisch bewirkt, dass es sich bei der Leistung um eine gemeinwirtschaftliche Verpflich­ tung handelt. Andernfalls könnte jeder Mitgliedstaat nahezu beliebig gemein­ wirtschaftliche Verpflichtungen begründen und die entsprechenden Aufgaben so von den Vorschriften des Europäischen Wettbewerbsrechts ausnehmen, was dem Grundsatz einer effektiven Durchsetzung des Beihilfenrechts zuwider liefe492. Des Weiteren stellte die Kommission klar, dass die Verleihung eines ausschließ­ lichen Rechts zum Betrieb einer Tierkörper-Entsorgungsinfrastruktur durchaus einem öffentlichen Interesse dienen könne, nämlich dem Schutz der öffentlichen Gesundheit, was etwa auch im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56, 52, 62 AEUV) zu berücksichtigen sei493. Daraus ergebe sich jedoch nicht zwangsläu­ fig, dass es sich bei der entsprechenden Leistung auch um eine gemeinwirtschaft­ liche Verpflichtung handele. Vielmehr könnten die Kosten für den Betrieb solcher Entsorgungsinfrastrukturen, wie im allgemeinen Wirtschaftsverkehr üblich, den Verursachern auferlegt werden und müssten nicht von der Allgemeinheit getragen werden494. Damit lehnte die Kommission das Vorliegen der Voraussetzungen des ersten Altmark-Kriteriums ab. Sie ging allerdings noch einen Schritt weiter und stellte in einer hilfsweisen Prüfung dar, dass selbst bei der hypothetischen Annahme, dass es sich bei der Tierkörperbeseitigung und der Vorhaltung von Reservekapazitäten um eine ge­ meinwirtschaftliche Leistung handele, die mitgliedstaatliche Kostenbezuschus­ sung hierfür nicht notwendig sei495. Dieses Ergebnis stützt sie unter anderem auf eine Vergleichsbetrachtung zwischen den deutschen Bundesländern. Danach 491 Kommission, Ent. v. 25.04.2012, Az. SA.25051, ABl. 2012 L 236/1 – Zweckverband Tier­ körperbeseitigung. Bestätigt durch EuG, Urt. v. 16.07.2014, Rs. T-309/12  – Zweckverband Tierkörperbeseitigung. 492 Kommission, Ent. v. 25.04.2012, Az. SA.25051, ABl. 2012 L 236/1, Rn. 167 – Zweckver­ band Tierkörperbeseitigung. 493 Kommission, Ent. v. 25.04.2012, Az. SA.25051, ABl. 2012 L 236/1, Rn. 169 – Zweckver­ band Tierkörperbeseitigung. 494 Kommission, Ent. v. 25.04.2012, Az. SA.25051, ABl. 2012 L 236/1, Rn. 172 ff. – Zweck­ verband Tierkörperbeseitigung. 495 Kommission, Ent. v. 25.04.2012, Az. SA.25051, ABl. 2012 L 236/1, Rn. 180 ff. – Zweck­ verband Tierkörperbeseitigung.

224

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

werde die Tierkörperbeseitigung in anderen Bundesländern zu normalen Markt­ bedingungen ausgeführt, ohne dass eine zusätzliche staatliche Förderung gewährt werde496. Daraus schließt die Kommission, dass der Aufbau eines solchen Infra­ struktursystems auch in den betroffenen Bundesländern möglich sein müsste, ohne dass hierfür eine mitgliedstaatliche Förderung notwendig sei497. Es fehle mithin an der Erforderlichkeit der Maßnahme zur Beseitigung eines anerkennenswerten Marktversagens498. (3) Kritik der Literatur an der Neuorientierung der Kommissionspraxis und eigene Einschätzung Die Einführung eines Marktversagenstests sowie von Elementen der Abwägungsprüfung in die Kommissionspraxis zum ersten Altmark-Kriterium sind in der Literatur auf Kritik gestoßen499. Insbesondere wird vorgebracht, dass die Kom­ mission auf diese Weise das von der Rechtsprechung zu den primärrechtlichen Bestimmungen hinsichtlich DAWI geforderte weite Ermessen der Mitgliedstaa­ ten bei der Definition gemeinwirtschaftlicher Leistungen in unzulässigem Maße einschränkt500. Gerade durch die Überprüfung der Erforderlichkeit einer mitglied­ staatlichen Ausgleichszahlung greife sie jenseits ihrer Kompetenzen in die Frei­ heit der Ausgestaltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen durch die Mitgliedstaa­ ten ein. Anstelle der ihr von der Rechtsprechung zugebilligten Überprüfung der mitgliedstaatlichen Definition der gemeinwirtschaftlichen Leistungen auf erheb­ liche Fehler führe sie faktisch eine vollumfängliche Zweitkontrolle der mitglied­ staatlichen Einordnung durch501. Ferner bezweifeln einzelne Literaturstimmen ge­ rade für den Infrastrukturbereich die Zulässigkeit und Sinnhaftigkeit einer solchen Ausgestaltung der Prüfung des ersten Altmark-Kriteriums durch die Kommission. Viele Projekte in diesem Bereich seien von vornherein nicht auf Profitabilität ge­ richtet und würden auch langfristig oder sogar dauerhaft zu Marktbedingungen keine positiven Renditen erzielen können, allerdings dem Allgemeinwohl dienen.

496

Kommission, Ent. v. 25.04.2012, Az. SA.25051, ABl. 2012 L 236/1, Rn. 186 – Zweck­ verband Tierkörperbeseitigung. 497 Kommission, Ent. v. 25.04.2012, Az. SA.25051, ABl. 2012 L 236/1, Rn. 186 ff. – Zweck­ verband Tierkörperbeseitigung. 498 Siehe auch Klasse, in: Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Econo­ mic Interest, S. 35, 40. 499 Kekelekis, EStAL 2011, S. 433, 442; Klasse, in: Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Economic Interest, S.  35, 40. Ferner Hirsbrunner/Litzenberger EuZW 2011, S. 742, 744 f. m. w. N. aus dem Konsultationsprozess zum DAWI Paket 2011/2012. 500 Hirsbrunner/Litzenberger EuZW 2011, S. 742, 745; Klasse, in: Szyszczak/van de Gron­ den, Financing Services of General Economic Interest, S. 35, 40. Siehe dazu auch oben Kap. 4,. B. V. 1. a). 501 Klasse, in: Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Economic Interest, S. 35, 40.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

225

Eine strenge Untersuchung derartiger Vorhaben mittels Kriterien der Abwägungsprüfung schränke die Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten über Gebühr ein502. Die Kritik an der Entscheidungspraxis der Kommission ist ernst zu nehmen. So­ wohl Union als auch Mitgliedstaaten betonen regelmäßig, dass im politisch sen­ siblen Bereich der DAWI den Mitgliedstaaten ein weitreichende Autonomie ver­ bleiben müsse, die nicht durch die Regeln des europäischen Wettbewerbs- und Beihilfenrecht ausgehebelt werden solle503. Dennoch müssen auf der anderen Seite auch nachvollziehbare Maßstäbe für die Prüfungen der Kommission in diesem Be­ reich bestehen, um den den europäischen Verträgen ebenfalls immanenten Gedan­ ken des Schutzes des Wettbewerbs im Binnenmarkt auch in diesem Bereich nicht gänzlich ins Leere laufen zu lassen. Insbesondere muss die Kommission darüber wachen, dass die Ausnahmeregelungen für DAWI nicht aus politischer Opportuni­ tät in den Mitgliedstaaten als Instrument zur Aushebelung von Wettbewerb in Be­ reichen missbraucht wird, in denen die marktwirtschaftliche Ressourcen­verteilung funktioniert und keine eklatant ungerechten Verteilungsergebnisse erzielt werden. Ziel der Überprüfung der Kommission muss mithin ein schonender Interessenaus­ gleich zwischen dem weiten Ermessen der Mitgliedstaaten bei der Definition von DAWI und dem Schutz des Wettbewerbs im Binnenmarkt sein. Bei der von der Kommission in das erste Altmark-Kriterium integrierten Markt­ versagensprüfung handelt es sich um ein Instrument, das die Berücksichtigung sowohl der Interessen der Mitgliedstaaten als auch des Wettbewerbsschutzes er­ möglich. Dadurch, dass die Kommission einen weiten Marktversagensbegriff ver­ wendet, in dem sich auch sozial- und regionalpolitische Erwägungen widerspie­ geln, eröffnet sie den Mitgliedstaaten in einem ersten Schritt einen weitreichenden politischen Spielraum. Dass dieser mittels einer Überprüfung der Notwendigkeit der Maßnahme wieder eingeschränkt wird, verdeutlicht auf der anderen Seite die Bedeutung der effektiven Durchsetzung des Europäischen Beihilfenrechts. Gerade aus kompetenzrechtlichen Gründen muss die Kommission bei diesem Prüfungs­ schritt jedoch ebenfalls die Belange der Mitgliedstaaten in besonderem Maße be­ rücksichtigen. Insbesondere muss sie sich mit deren Argumenten auseinanderset­ zen und ihre Ergebnisse transparent und nachvollziehbar begründen. Des Weiteren darf die Kommission Vergleichsbetrachtungen wie in der Ent­ scheidung Zweckverband Tierkörperbeseitigung nur eingeschränkt heranziehen. Vor allem ist von ihr zu fordern, dass sie dabei zeigt, dass die Gegenüberstellung tatsächlich auf Grundlage vergleichbarer Kriterien durchgeführt wird. Eine kon­ sequente Anwendung dieses Grundsatzes bedeutet vor allem, dass ein Vergleich über mitgliedstaatliche Grenzen hinaus nur in begrenztem Maße als zulässig er­ achtet werden kann. Da die Union die bei der Bewertung von DAWI unterschied­ lichen Rechtstraditionen in den Mitgliedstaaten zu berücksichtigen hat, können 502

Kekelekis, EStAL 2011, S. 433, 442. Siehe auch das Protokoll Nr. 26 „Über Dienste von gemeinsamem Interesse“.

503

226

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

sich die Vergleichskriterien auch nur auf den spezifisch untersuchten Rechtskreis beschränken. Andernfalls könnte die spezifisch marktwirtschaftliche Ausrichtung bei einer konkreten Art von Infrastrukturen (z. B. von Krankenhäusern) in einem einzelnen Mitgliedstaat zur Folge haben, dass die Kommission über das Beihilfen­ recht auch andere Mitgliedstaaten dazu zwingt, diesem Weg zu folgen, obgleich ihr hierfür gerade keine Kompetenz zusteht. Darüber hinaus werden aber selbst bei Vergleichen innerhalb eines Mitgliedstaats regionale Unterschiede zu berück­ sichtigen sein. Insgesamt kann die Prüfungsweise der Kommission letztlich damit im Einzel­ fall immer nur auf eine Abwägung der Interessen der Mitgliedstaaten an der Fi­ nanzierung der DAWI und des Schutzes des Wettbewerbs hinauslaufen. Damit bleibt das Problem fortbestehen, dass mangels konkreterer Prüfungskriterien wei­ terhin Rechtsunsicherheit für die Mitgliedstaaten bei der Definition von DAWI be­ stehen bleibt. Um dem entgegenzuwirken und gleichzeitig die Überprüfungsmög­ lichkeiten der Kommission aufrecht zu erhalten, kommt de lege ferenda vor allem eine Ausweitung des bisherigen Freistellungsbeschlusses in Betracht, in dem die Kommission zumindest festlegen könnte, welche Leistungen sie nach der Recht­ sprechung und ihrer eigenen Praxis regelmäßig als DAWI anzuerkennen gedenkt. c) Zusammenfassung Inwieweit die mitgliedstaatliche Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen als Ausgleichsleistung für eine gemeinwirtschaftliche Verpflich­ tung im Sinne des ersten Altmark-Kriteriums eingeordnet werden kann, ist man­ gels klarer Definitionskriterien für DAWI im jeweiligen Einzelfall zu prüfen. Als Untersuchungsmethodik wendet die Kommission dabei in jüngerer Zeit Elemente der im Zuge der Beihilfenreform von 2005 auf Rechtfertigungsebene eingeführten Abwägungsprüfung an. So überprüft sie das Vorliegen eines Marktversagens sowie die Angemessenheit der mitgliedstaatlichen Ausgleichsgewährung im Vergleich zu denkbaren alternativen politischen Maßnahmen. Dieses Vorgehen ist in der Lite­ ratur auf Kritik gestoßen. Danach überschreite die Kommission mit ihrem neuen Prüfungsmuster ihre Kompetenzen zur Überprüfung der Bestimmung von DAWI, bei welcher den Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein weites Ermessen zukommt. Diese Kritik ist nach der hier vertretenen Auffassung unberechtigt, soweit die Kommission im Rahmen ihrer Untersuchung die Interes­ sen der Mitgliedstaaten hinreichend berücksichtigt. Dies erfordert insbesondere, dass sie einem weiten Marktversagensbegriff folgt, der auch distributive Erwä­ gungen der Mitgliedstaaten umfasst. Des Weiteren muss sie bei ihrer Vergleichs­ betrachtung in der Angemessenheitsprüfung die Besonderheiten der Organisation entsprechender Infrastrukturaktivitäten in dem konkreten Mitgliedstaat berück­ sichtigen, was die Möglichkeit allgemeiner mitgliedstaatsübergreifender Betrach­ tungen in diesem Bereich einschränkt.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

227

2. Zweites Altmark-Kriterium Bei dem zweiten Altmark-Kriterium ergeben sich im Infrastrukturbereich keine spezifischen Besonderheiten. Im Zusammenhang mit der mitgliedstaatlichen Fi­ nanzierung eines Breitband-Infrastrukturnetzes betonte die Kommission, dass die Mitgliedstaaten die Ausgleichsparameter für die DAWI-Leistung in jedem Falle ex ante festzulegen haben. Jede nachträgliche Veränderung impliziere, dass die Voraussetzungen des zweiten Altmark-Kriteriums nicht erfüllt seien504. Diesen Grundsatz bestätigte die Kommission in mehreren Folgeentscheidungen als all­ gemeingültig auch über den Infrastruktursektor hinaus505. 3. Drittes Altmark-Kriterium a) Verhinderung von Überkompensation bei teilweise rentablen Infrastrukturprojekten Der Ausschluss einer nach dem dritten Altmark-Kriterium unzulässigen Über­ kompensation stellt ein zentrales Problem bei der mitgliedstaatlichen Förderung von Infrastrukturvorhaben dar. Die Finanzierung einiger Infrastrukturprojekte kann wegen ihrer technischen und wirtschaftlichen Eigenschaften (vor allem aufgrund ihrer Größe oder beson­ derer Standortgegebenheiten) nur zu einem Teil als Ausgleich für DAWI eingeord­ net werden. Dies ist dann anzunehmen, wenn ein anderer Teil dieser Infrastruk­ turvorhaben unter üblichen Marktbedingungen realisiert werden kann. Typische Beispiele für eine solche Konstellation finden sich im Bereich des Ausbaus von Breitband-Infrastrukturen. Die Errichtung von Breitband-Netzen in mangels Ren­ tabilität nicht unter Marktbedingungen versorgten Gegenden („weiße Flecken“ im Sinne der Breitband-Leitlinien 2013506) ist in manchen Fällen technisch nur rea­ lisierbar, indem die Infrastruktur zugleich auch in benachbarten Gebieten errich­ tet wird, in denen eine rentable Infrastrukturbereitstellung theoretisch möglich ist. Während die mitgliedstaatliche Förderung des Ausbaus der Breitband-Infrastruk­ turen in den „weißen Flecken“ dann einen Ausgleich für DAWI darstellt, fällt die Unterstützung in den „rentablen Gebieten“ nicht darunter507.

504 Kommission, Ent. v. 03.05.2005, Az. N 382/2004, Rn. 57 – Broadband Dorsal; siehe auch Klasse, in: Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Economic Interest, S. 35, 42. 505 Dazu Klasse, in: Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Economic Interest, S. 35, 42 m. w. N. 506 Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 66. Dazu auch unten Kap. 4, E. I. 3. a) bb) (2) (a) (bb). 507 Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 26.

228

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

In derartigen Konstellationen muss sich die vom Mitgliedstaat gewährte För­ derung auf die für die Bedienung der „weißen Flecken“ erforderlichen Kosten un­ ter Berücksichtigung der Einnahmen des Infrastrukturbetreibers und eines an­ gemessenen Gewinns beschränken508. Dies bedeutet jedoch nicht, dass im Falle einer tatsächlichen technischen oder wirtschaftlichen Notwendigkeit der teilwei­ sen Förderung der Errichtung der Breitband-Netze auch in „rentablen Gebieten“ per se eine Inkompatibilität mit dem dritten Altmark-Kriterium anzunehmen ist. Vielmehr kommt es hierbei auf die individuelle Ausgestaltung der Maßnahme an. So haben Kommission und Gericht Erster Instanz in der Entscheidung Breitband Hauts-de-Seine509 angenommen, dass die Erwirtschaftung zusätzlicher Gewinne des Infrastrukturbetreibers in den „rentablen Gebieten“ unproblematisch ist, wenn sie mit Verlusten in den „weißen Flecken“ verrechnet werden und damit wiederum das insgesamt erforderliche Beihilfenvolumen senken510. Die in diesem Zusam­ menhang angestellten Überlegungen beschränken sich nicht nur auf BreitbandNetze, sondern lassen sich als allgemeiner Grundsatz auch auf die Förderung an­ derer Infrastruktureinrichtungen übertragen. b) Ermittlung des „angemessenen Gewinns“ eines Infrastrukturbetreibers Schwierigkeiten können sich beim dritten Altmark-Kriterium auch bei der Be­ antwortung der Frage ergeben, was unter einem „angemessenen Gewinn“ des Aus­ gleichsempfängers zu verstehen ist. Grundsätzlich zeigt sich die Entscheidungs­ praxis hier einzelfallorientiert. Für den Bereich der Breitband-Infrastrukturen schlägt die Kommission in den Breitband-Leitlinien 2013 vor, dass die Mitglied­ staaten als Vergleichsmaßstab für den angemessenen Gewinn eines Breitband-In­ frastrukturbetreibers in einem „weißen Fleck“ ein benachbartes oder vergleich­ bares „rentables Gebiet“ heranziehen können511. In der Entscheidung Breitband Pyrénées-Atlantiques – einem der wenigen Fälle, in welchen die Altmark – Aus­ nahme zugunsten eines Infrastrukturbetreibers von der Kommission anerkannt wurde – nahm sie an, dass ein Gewinn nach ROCE-Standard von etwa 11 % in die­ sem Gebiet angemessen ist512.

508

Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 26 mit Bezugnahme auf Kommission, Ent. v. 30.09.2009, Az. N 331/08 – Breitband Hauts-de-Seine. 509 Kommission, Ent. v. 30.09.2009, Az. N 331/2008  – Breitband Hauts-de-Seine. Bestä­ tigt durch EuG, Ent. v. 16.09.2013, Rs. T-79/10, T-258/10, T-325/10  – Breitband Hauts-deSeine. 510 So ausdrücklich EuG, Ent. v. 16.09.2013, Rs. T-79/10, T-258/10, T-325/10, Rn.  186  – Breitband Hauts-de-Seine. 511 Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 26. 512 Klasse, in: Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Economic Interest, S. 35, 45.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

229

Häufig wird bei der mitgliedstaatlichen Förderung der Errichtung und des Be­ triebs von als DAWI eingeordneten Infrastrukturen jedoch das Problem beste­ hen, dass eine entsprechende Vergleichsbetrachtung mit an einem anderen Ort un­ ter marktwirtschaftlichen Bedingungen tätigen Infrastrukturbetreibern mangels des Vorliegens eines unverfälschten Komparationsmaßstabs nur schwer möglich ist. Dies liegt vor allem daran, dass viele Infrastrukturbetreiber von den Mitglied­ staaten traditionell zumindest teilfinanziert werden, so dass ihre Gewinnspanne nicht zu einem neutralen Vergleich herangezogen werden kann513. In diesen Fäl­ len bleibt damit für eine objektive Ermittlung eines angemessenen Gewinns allein der Rückgriff auf ökonomische Studien, soweit solche vorliegen oder erstellt wer­ den können514. 4. Viertes Altmark-Kriterium In der Rechtspraxis der Kommission scheitert die Anwendbarkeit der AltmarkAusnahme im Infrastrukturbereich vielfach an der Nichterfüllung des vierten Altmark-Kriteriums. Dies gilt zunächst in Fällen, in denen die mitgliedstaatliche Unterstützung eines Infrastrukturbetreibers ohne vorheriges Vergabeverfahren ge­ währt wurde und der Mitgliedstaat auch keine Berechnung dafür vorweisen kann, dass die Ausgleichsgewährung der eines durchschnittlich gut geführten Unterneh­ mens entspricht515. Auch bei Einhaltung dieser Vorgaben sind darüber hinaus im Infrastruktursektor jedoch von der Kommission weitere Anforderungen etabliert worden, die zur Erfüllung dieses Kriteriums von den Mitgliedstaaten berücksich­ tigt werden müssen. a) Spezielle Probleme bei der Durchführung eines Vergabeverfahrens Grundsätzlich soll die Auswahl des DAWI-Leistungserbringers mittels eines Vergabeverfahrens sicherstellen, dass der Mitgliedstaat unter mehreren Anbie­ tern denjenigen auswählt, der für die im Rahmen des ersten Altmark-Kriteri­ ums definierte Leistung die niedrigsten Ausgleichskosten benötigt. Fraglich er­ scheint deshalb, inwieweit ein Mitgliedstaat bei der Vergabeentscheidung darüber 513

Siehe dazu auch das parallele Problem bei der Ermittlung der potentiellen Begünstigung eines Infrastrukturnutzers durch einen öffentlichen Infrastrukturbetreiber oben in Kap. 4, B. III. 4. b) bb) und Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 56 ff. 514 Klasse, in: Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Economic Interest, S. 35, 45. 515 Kommission, Ent. v. 23.02.2012, Az. SA.26190 – C/2011 (ex NN/2011; CP 171/2008), Rn. 89 ff. – Germany Airport Saarbrücken; Kommission, Ent. v. 24.05.2011, Az. SA.30931– 2011/C (ex N 185/2010), Rn.  86 ff.  – Romania Airport Infrastructure Scheme; Kommission, Ent. v. 20.07.2010, Az. N 196/2010, Rn. 61 f. – Estonia Broadband EstWin Project.

230

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

hinaus weitere qualitative Aspekte berücksichtigen darf, etwa solche zu ökologi­ schen Standards oder sozialen Umständen wie den Arbeitsbedingungen bei dem Leistungsempfänger516. Die Kommission nahm in einer der wenigen inhaltlichen Entscheidungen zum vierten Altmark-Kriterium im Infrastrukturbereich an, dass allein die Höhe der Ausgleichskosten ein zulässiger Maßstab für die Vergabeentscheidung sein darf517. Darüber hinausgehende qualitative Aspekte mussten demnach entweder bereits auf der Ebene der Definition der DAWI (erstes Altmark-Kriterium) Be­ rücksichtigung finden oder aber der Mitgliedstaat musste im Rahmen des vier­ ten Altmark-Kriteriums auf die zweite Variante  – also die Berechnung der Aus­ gleichskosten anhand des Vergleichsmaßstabs eines durchschnittlich gut geführten Unternehmens – zurückgreifen518. In ihrer DAWI-Mitteilung von 2012 rückt die Kommission von dieser Position wieder ab und stellt fest: „Bei den Vergabekriterien ist mit dem ‚niedrigsten Preis‘ (…) das vierte Altmark-Kriterium eindeutig erfüllt. Auch das ‚wirtschaftlich günstigste Angebot‘ (…) wird als ausreichend be­ trachtet, sofern die Vergabekriterien, einschließlich ökologischer (…) oder sozialer Krite­ rien, eng mit dem Gegenstand der erbrachten Dienstleistung im Zusammenhang stehen und das wirtschaftlich günstigste Angebot dem Marktwert entspricht (…). (…) Es steht der Ver­ gabebehörde frei, Qualitätsstandards festzusetzen, die von allen Wirtschaftsteilnehmern er­ füllt werden müssen, oder Qualitätsaspekte in Verbindung mit den verschiedenen Angebo­ ten bei der Vergabeentscheidung zu berücksichtigen.“519

Die Kommission kommt damit Literaturstimmen entgegen, die eine allein am niedrigsten Preis orientierte Vergabepraxis für ein ungeeignetes Instrument, ge­ rade bei großen und komplexen DAWI-Projekten, hielten520. Die Bedeutung die­ ser Neuorientierung der Kommission ist für den Infrastruktursektor nicht zu unter­ schätzen. Die Errichtung und der Betrieb großer Infrastruktureinrichtungen gehen häufig mit einem erheblichen Flächen- und Ressourcenverbrauch einher521. Aus diesem Grunde können gerade Aspekte des Natur-, Klima- und Umweltschutzes eine erhebliche Rolle bei der Realisierung eines Infrastrukturprojekts spielen. Den

516

Dazu Klasse, in: Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Economic Interest, S. 35, 46; Klasse, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 28 Rn. 65. 517 Kommission, Ent. v. 03.05.2005, Az. N 382/, Rn. 66 ff. – Broadband Dorsal. 518 Vgl. in diese Richtung auch Klasse, in: Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Economic Interest, S.  35, 46f; Klasse, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 28 Rn. 65. 519 Kommission, DAWI-Mitteilung 2012, Rn. 67. 520 So etwa Klasse, in: Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Economic Interest, S. 35, 47. 521 Vgl. etwa Jarass, Bodenbelastung durch Infrastrukturmaßnahme, S.  1 ff., ferner am Beispiel des Verkehrsbereichs Weinreich, Nachhaltige Entwicklung im Personenverkehr, S. 53 ff.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

231

Mitgliedstaaten steht nunmehr ein weiterer Gestaltungsspielraum zu, derartige Be­ lange zu berücksichtigen und dennoch die Altmark-Kriterien zu erfüllen522. In der Praxis besteht bei der Durchführung einer Ausschreibung für die Erbrin­ gung einer DAWI beim Betrieb von Infrastrukturen darüber hinaus allerdings die Schwierigkeit, dass es zur Herstellung wettbewerblicher Verhältnisse zunächst überhaupt mehrerer Unternehmen bedarf, die sich an dem Vergabeverfahren be­ teiligen. Obgleich in den vergangenen Jahren vermehrt (private oder öffentliche) Unternehmen in den Markt für den Betrieb von Infrastrukturen  – etwa Flughä­ fen523 oder Straßeninfrastrukturen524 – eingetreten sind und sich nunmehr damit zu­ mindest potentiell auch an unionsweit ausgeschriebenen Vergabeverfahren betei­ ligen525, ist dies (noch immer) nicht bei allen Arten von Infrastrukturen gegeben526. So dominieren etwa im Bereich der Seehäfen in vielen Mitgliedstaaten weiterhin lokale öffentliche Hafenverwaltungen den Infrastrukturbetrieb, ohne dass private Unternehmen diesen Markt bislang umfassend erschlossen haben und sich potenti­ ell an Ausschreibungen beteiligen527. Auch wenn sich zumindest eine Tendenz da­ hingehend abzeichnet, dass private Unternehmen auf liberalisierten Märkten zu­ nehmend die wirtschaftlichen Chancen des Infrastrukturbetriebs erkennen und dadurch auch ein verstärktes Interesse haben, sich an öffentlichen Ausschreibun­ gen in diesem Bereich zu beteiligen, bleibt zumindest derzeit noch in vielen Fällen die Ermittlung der angemessenen Ausgleichshöhe mittels eines Vergabeverfahrens nicht erfolgsversprechend528. b) Spezielle Probleme bei der Durchführung einer Kostenanalyse Die zweite Möglichkeit der Mitgliedstaaten, die Voraussetzungen des vier­ ten Altmark-Kriteriums zu erfüllen, liegt in „einer Analyse der Kosten“, „die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen“ für die Leistungserbringung auf­ wenden müsste. Die praktische Anwendung dieser unbestimmten Vorgaben geht mit erheblichen Schwierigkeiten einher. Auch wenn die Kommission in ihrer DAWI-Mitteilung 2012 zumindest einige Anhaltspunkte für die Durchführung der Kostenanalyse festgehalten hat529, bleibt ihre praktische Umsetzung weiter­ hin regelmäßig höchst „bürokratisch und streitbar“530. Als allgemeiner Grundsatz 522

Siehe auch Clarke, in: Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Econo­ mic Interest, S. 69, 75. 523 So schon Kommission, Ent. v. 20.04.2005, Az. N 335/2004 – PPP Flughafen Antwerpen. 524 Vgl. dazu die erläuterten Projekte bei Kupjetz/Eftekharzadeh, NZBau 2013, S. 142 ff. 525 Siehe dazu auch von Donat, EuZW 2010, S. 812 ff. 526 Vgl. auch Klasse, in: Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Econo­ mic Interest, S. 35, 47. 527 Mellwig, Infrastrukturfinanzierung in Häfen, S. 131. 528 Ebd. 529 Kommission, DAWI-Mitteilung 2012, Rn. 69 ff. 530 Storr, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 827 m. w. N.

232

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

kann allenfalls festgehalten werden, dass das Kriterium eine Vergleichsbetrach­ tung erfordert. aa) Der Sonderfall Breitband Dorsal In einer einzelnen Entscheidung aus dem Infrastrukturbereich – Breitband Dorsal531 – hat die Kommission 2005 angenommen, dass die mitgliedstaatliche Un­ terstützung eines Breitband-Infrastrukturbetreibers die Voraussetzungen der zwei­ ten Variante des vierten Altmark-Kriteriums erfüllt. In diesem Falle erstellte der Mitgliedstaat einen umfassenden vergleichenden Analysereport, in welchem die Eigenschaften des finanzierten Infrastrukturvorhabens sowie die Konditionen der verschiedenen im Rahmen eines Vergabeverfahrens eingegangenen Angebote be­ rücksichtigt wurden532. In der mittlerweile vielfältigen Entscheidungspraxis zu Breitband-Beihilfen stellt dieses Ergebnis eine absolute Ausnahme dar. In einer Reihe von auf dem ers­ ten Blick ähnlichen Konstellationen nahm die Kommission abweichend von Breitband Dorsal an, dass das vierte Altmark-Kriterium nicht erfüllt sei und damit der Beihilfentatbestand eröffnet war533. Über einen möglichen Anknüpfungspunkt für das besondere Vorgehen der Kommission in der Breitband Dorsal-Entscheidung konnte in der Literatur bislang nur gemutmaßt werden. So verweist Klasse auf die strikte Trennung der mitgliedstaatlichen Förderung zwischen der Betreiber- und Nutzerebene in diesem Falle, wobei auf Letzterer in Breitband Dorsal keine un­ mittelbaren mitgliedstaatlichen Zuwendungen gewährt wurden534. Darin unter­ scheide sich die Entscheidung von vielen Folgefällen. Im Lichte der bereits erläuterten denkbaren mittelbaren ebenenübergreifenden Auswirkungen einer mitgliedstaatlichen Infrastrukturfördermaßnahme erscheint ein solches Motiv als tragende Überlegung für eine Kommissionsentscheidung zu­ mindest fragwürdig. Soweit es jedoch tatsächlich die entscheidende Erwägung ge­ wesen sein sollte, kann dies nur vor dem Hintergrund verstanden werden, dass es sich um eine frühe Entscheidung aus dem Bereich der Breitband-Beihilfen han­ delte und die Kommission zu diesem Zeitpunkt (2005) noch nicht konsequent die möglichen indirekten Auswirkungen der Förderung eines Breitbandinfra­ strukturbetreibers näher untersuchte. Jedenfalls wäre es für die Kommission vor dem Hintergrund ihrer Vorgaben in den Breitband-Leitlinien 2013535 konsequent, 531

Kommission, Ent. v. 03.05.2005, Az. N 382/2004 – Broadband Dorsal. Kommission, Ent. v. 03.05.2005, Az. N 382/2004, Rn. 66 ff. – Broadband Dorsal. 533 Siehe nur Kommission, Ent. v. 16.11.2004, Az. N 307/2004 – Broadband Scotland; Kommission, 16.11.2004, Az. N 199/2004 – Broadband East Midlands; dazu Klasse, in: Szyszczak/ van de Gronden, Financing Services of General Economic Interest, S. 35, 47 m. w. N. 534 Klasse, in: Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Economic Interest, S. 35, 48. 535 Siehe dazu oben Kap. 4, B. III. 4. b) aa). 532

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

233

zukünftig ebenenübergreifende Auswirkungen der mitgliedstaatlichen Infrastruk­ turförderung auch im Rahmen der Vergleichsanalyse beim vierten Altmark-Krite­ rium zu berücksichtigen. Dass sich aus der Breitband Dorsal-Entscheidung keine allgemeine Linie der Kommissionpraxis entwickelte zeigt, dass die Kommission einem restriktiveren Ansatz bei der Anwendung des vierten Altmark-Kriteriums im Infrastruktur­ bereich den Vorzug gab, ohne im Weiteren dazu explizite Ausführungen oder Be­ gründungen für erforderlich zu erachten. bb) Schwierigkeiten der Anwendung der Vergleichsmethode bei Infrastrukturen mit Monopolisierungstendenzen (1) Unternehmen mit Monopolstellung als Vergleichsunternehmen Losgelöst von dem Einzelfall Breitband Dorsal ist bei der mitgliedstaatlichen Kostenanalyse im Infrastrukturbereich zu berücksichtigen, dass ein Infrastruktur­ betreiber, der über ein (natürliches) Monopol verfügt, nicht als Vergleichsunter­ nehmen herangezogen werden kann536. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass der Vergleichsmaßstab verfälscht wird, da die Kostenstruktur eines Monopolisten nicht notwendigerweise die gewöhnlichen Marktbedingungen widerspiegelt537. Auch wenn diese Einschränkung praktisch sinnvoll ist, so erschwert sie die ohne­ hin bereits komplizierte Kostenanalyse von Infrastrukturvorhaben als DAWI noch­ mals nicht unerheblich. Konsequenz daraus wird häufig sein, dass eine Vergleichs­ betrachtung zur Erfüllung des vierten Altmark-Kriteriums im Einzelfall gänzlich ausscheiden muss. (2) Ausgleichsempfänger mit Monopolstellung Handelt es sich bei dem Ausgleichsempfänger um einen Infrastrukturbetreiber mit natürlicher Monopolstellung, so könnte man erwägen, im Rahmen der Kosten­ analyse den Maßstab eines „durchschnittlich gut geführten Unternehmens“ ent­ sprechend den Grundsätzen der Chronopost-Rechtsprechung des Gerichtshofs538 durch die Betrachtung der Kosten zu ersetzen, wie sie zu „hypothetischen normalen Marktbedingungen“539 angefallen wären. 536

Kommission, DAWI-Mitteilung 2012, Rn. 74. Storr, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 827. 538 EuGH, Urt. v. 03.07.2003, Verb. Rs. C-83/01 P, C-93/01 P u. C-94/01 P – Chronopost SA. Dazu auch Leibenath, EuZW 2003, S. 504, 509 f. 539 EuGH, Urt. v. 03.07.2003, Verb. Rs. C-83/01 P, C-93/01 P u. C-94/01 P, Rn. 38 – Chrono­ post SA. 537

234

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

In der Chronopost-Entscheidung ging es um die Frage, welche Kosten der öf­ fentliche Betreiber einer monopolistischen Infrastruktur einem Infrastrukturnut­ zer für den Gebrauch der Infrastruktureinrichtung mindestens in Rechnung stel­ len muss, um nicht dem Vorwurf ausgeliefert zu sein, dem Infrastrukturnutzer eine Beihilfe zu gewähren (Infrastrukturbetreiber als Beihilfengeber). Das Problem be­ stand im Chronopost-Fall darin, dass es keinen privaten Vergleichsinvestor gab, der eine der betriebenen Infrastruktur (Netz der französischen Post) entsprechende Einrichtung jemals vollständig privat errichtet hätte: „Auf Grund der Besonderheiten der Dienstleistung, deren Erbringung das Netz der Post er­ möglichen muss [(Universaldienst entsprechend Art. 106 Abs. 2 AEUV)], gehorchen die Er­ richtung und Aufrechterhaltung dieses Netzes nicht rein kommerziellen Erwägungen. (…) Dieses Netz wäre daher von einem privaten Unternehmen niemals errichtet worden.“540

Aus diesem Grunde entwickelte der Gerichtshof in diesem Fall den Maßstab der Kosten zu „hypothetischen normalen Marktbedingungen“541, welche regelmäßig den tatsächlichen Kosten entsprechen dürften542. Auf das vierte Altmark-Kriterium bei Ausgleichsleistungen für monopolistische Infrastrukturbetreiber ist eine Übertragung dieses Ansatzes allerdings schon aus dem Grunde nicht überzeugend, dass die jeweilige Kostenkalkulation zu einem gänzlich anderen Zweck durchgeführt wird.543 In der Chronopost-Entscheidung vergleichbaren Fällen soll das monopolistische Unternehmen seine Kosten nicht zu niedrig ansetzen, um nicht selber Beihilfengeber zu sein. Im Rahmen des vier­ ten Altmark-Kriteriums soll dagegen verhindert werden, dass der Monopolbetrei­ ber zu hohe (hypothetische) Kosten geltend macht. Darüber hinaus würde ein Kos­ tenmaßstab, der regelmäßig einen Ausgleich der tatsächlich entstandenen Kosten zum Ziel hat, das Effizienzerfordernis des vierten Altmark-Kriteriums gänzlich aushöhlen. (3) Zusammenfassung und eigene Einschätzung Im Rahmen des vierten Altmark-Kriteriums hat die Kommission die mitglied­ staatlichen Spielräume für die Durchführung von Vergabeverfahren dadurch er­ weitert, dass sie nunmehr neben dem günstigsten Preis auch andere Zuschlags­ kriterien als zulässig erachtet.

540

EuGH, Urt. v. 03.07.2003, Verb. Rs. C-83/01 P, C-93/01 P u. C-94/01 P, Rn. 36 – Chrono­ post SA. 541 EuGH, Urt. v. 03.07.2003, Verb. Rs. C-83/01 P, C-93/01 P u. C-94/01 P, Rn. 38 – Chrono­ post SA. 542 Wolf, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 787. 543 Ähnlich auch Wolf, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 787. Tendenziell anderer Ansicht Bartosch, EuZW 2004, S. 295, 300.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

235

Bei der Durchführung einer vergleichenden Kostenanalyse nach dem vierten Altmark-Kriterium war die Kommissionspraxis zunächst uneinheitlich, tendiert jedoch in nunmehr fortgesetzter Linie zu einem restriktiven Ansatz. Besondere Schwierigkeiten treten bei der Vergleichsbetrachtung auf, wenn Unternehmen mit (natürlicher) Monopolstellung beteiligt sind, entweder auf der Begünstigtenseite oder bei den Vergleichsunternehmen. Im Zweifel ist auch dabei eine restriktive Herangehensweise zu bevorzugen und das vierte Altmark-Kriterium als nicht er­ füllt zu betrachten. Andernfalls bestünde regelmäßig die Gefahr einer Verfälschung der Vergleichsanalyse und damit einer gänzliche Entkernung des Effizienzerfor­ dernisses des vierten Altmark-Kriteriums. Eine Rechtfertigungsmöglichkeit der Beihilfe bleibt in diesen Fällen gegebenenfalls über Art.  106 Abs.  2 AEUV bestehen544. 5. Zusammenfassung Der Altmark-Ausnahme kommt bei der beihilfenrechtlichen Beurteilung der mitgliedstaatlichen Infrastrukturförderung eine zentrale Rolle zu. Die Kommission tendiert in diesem Bereich zu einer strengen Kontrolle des Vorliegens der vom Ge­ richtshof etablierten Kriterien. In die Untersuchung des ersten Altmark-Kriteriums hat sie Elemente der im Zuge der Beihilfenreform von 2005 eingeführten Abwägungsprüfung integriert. Dieses Vorgehen ist in der Literatur zu Infrastrukturbeihilfen auf Kritik gestoßen, nach der hier vertretenen Auffassung allerdings grundsätzlich von den Prüfungs­ kompetenzen der Kommission gedeckt. Beim dritten Altmark-Kriterium erfordern teilweise rentable Infrastrukturpro­ jekte eine besondere Detailbetrachtung. Eine individuelle Analyse kann jedoch auch in solchen Fällen zu dem Ergebnis führen, dass die Anforderungen an die Verhinderung einer Überkompensation des Infrastrukturbetreibers erfüllt sind. Eine Vielzahl von mitgliedstaatlichen Fördermaßnahmen zur Errichtung und zum Betrieb von Infrastrukturen ist dagegen mit den Vorgaben des vierten Altmark-Kriteriums nicht kompatibel. Soweit der Mitgliedstaat kein Vergabeverfah­ ren durchführt, scheitert eine Erfüllung des Kriteriums vielfach an der praktischen Unmöglichkeit der Durchführung einer unverfälschten vergleichenden Kosten­ analyse. Dies gilt insbesondere in den im Infrastrukturbereich nicht seltenen Fäl­ len, in denen Unternehmen mit (natürlicher) Monopolstellung beteiligt sind.

544

Vgl. dazu unten Kap. 4, E. V. 2.

236

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

VI. Exkurs: Ausschluss einer Begünstigung bei Beteiligung Privater an öffentlichen Infrastrukturprojekten Eine weitere beihilfenrechtlich bedeutsame Kategorie betrifft die mögliche Be­ günstigung (privater) Unternehmen im Rahmen der Beteiligung an öffentlichen In­ frastrukturprojekten. Dabei sind beispielsweise folgende Konstellationen denkbar: –– Ein Mitgliedstaat finanziert die Errichtung der Infrastruktureinrichtung, über­ trägt den Betrieb der Infrastruktur einer formell privaten Betreibergesellschaft und veräußert Anteile von dieser an private Investoren (entweder mit dem Ziel einer vollständigen materiellen Privatisierung oder zur Schaffung einer ge­ mischtwirtschaftlichen Infrastrukturbetreibergesellschaft)545. –– Ein Mitgliedstaat schließt einen Konzessionsvertrag mit einem (privaten) Un­ ternehmen, in welchem Letzteres beauftragt wird, eine Infrastruktur zu errich­ ten und zu betreiben546. Dabei sind unterschiedliche Ausgestaltungen möglich, nach denen die wirtschaftlichen Risiken zwischen den beteiligten Parteien auf­ geteilt werden. So kann der Mitgliedstaat dem privaten Infrastrukturbetreiber etwa das Recht gewähren, die erzielten Nutzungsgebühren für die Infrastruk­ tur selbst einzubehalten. Andererseits sind aber auch Vereinbarungen denkbar, in denen die öffentliche Hand dem Betreiberunternehmen festgelegte Leistun­ gen und/oder Finanzbeiträge gewährt, dafür aber die Nutzungsgebühren selbst erhebt und einbehält547. Bei derartigen Konstellationen sind verschiedene Formen selektiver Begüns­ tigungen auf den unterschiedlichen Ebenen zu untersuchen: Erstens können die privaten Anteilseigner an einer gemischt öffentlich-privaten Infrastrukturbetreibergesellschaft einen selektiven Vorteil erhalten, wenn sie keine marktgerechte Gegenleistung für die von ihnen übernommenen Gesellschafts­ anteile zahlen548. Zweitens kann der Abschluss eines Konzessionsvertrags das mit der öffent­ lichen Hand kontrahierende Unternehmen sowie dessen Gesellschafter begüns­ tigen, sofern für die Konzessionsgewährung keine marktgerechte Gegenleistung an den Mitgliedstaat gezahlt werden muss549. Dies kann auch Fälle betreffen, in denen der ursprüngliche Konzessionsvertrag keine Begünstigungswirkung entfal­ 545 Dazu von Bonin, EuZW 2013, S.  247 ff. sowie Kommission, Leitfaden Privatisierung 2012. 546 So etwa im Fall Kommission, Ent. v. 02.12.2009, Az. N 462/2009 – A2 Motorway Poland. 547 Siehe dazu die Erläuterung für verschiedene Modelle im Bereich der Verkehrsinfrastruk­ turen bei Kupjetz/Eftekharzadeh, NZBau 2013, S. 142 ff. 548 von Bonin, EuZW 2013, S. 247, 250 f. m. w. N. 549 Ausführlich Groth, Die Dienstleistungskonzession, S.  194 ff.; ferner Koenig/Pfromm, NZBau 2004, S. 375, 376 ff.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

237

tet und erst nachträglich Änderungen an der Vereinbarung vorgenommen werden, die zu einer selektiven Bevorzugung des Unternehmens und/oder seiner Gesell­ schafter führen550. Schwierigkeiten ergeben sich in diesen Fällen vor allem bei der Ermittlung, in­ wieweit der Mitgliedstaat für die Anteilsveräußerung bzw. die Konzessionsgewäh­ rung eine marktgerechte Gegenleistung erhält und somit eine selektive Begüns­ tigung der Infrastrukturbetreibergesellschaft respektive ihrer Gesellschafter in diesen Situationen ausgeschlossen werden kann. Als Orientierungshilfe kann da­ bei die Rechtspraxis der Kommission zur Privatisierung öffentlicher Unterneh­ men551 sowie dem mitgliedstaatlichen Verkauf von Grundstücken552 dienen553. Danach ist eine Begünstigung zunächst dann nicht anzunehmen, wenn der Ver­ äußerung der Gesellschaftsanteile bzw. der Zuschlagerteilung für den Abschluss des Konzessionsvertrags ein offenes, transparentes und bedingungsfreies wett­ bewerbliches Vergabeverfahren vorausgegangen ist. Darüber hinaus kann der Mit­ gliedstaat unter Umständen auch auf andere Instrumente zurückgreifen, etwa die Erstellung unabhängiger Sachverständigengutachten. 1. Durchführung eines offenen, transparenten und bedingungsfreien Vergabeverfahrens Als vorrangiges Vorgehen zur Ermittlung einer marktgerechten Gegenleistung bei der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen oder dem Abschluss eines Kon­ zessionsvertrags bietet sich für die Mitgliedstaaten die Durchführung eines offe­ nen, transparenten und bedingungsfreien Vergabeverfahrens an554. Anders als für die vergaberechtliche Bewertung derartiger Sachverhalte bestehen für deren bei­ hilfenrechtliche Beurteilung jedoch bislang keine europarechtlich normierten Ver­ fahrensvorschriften555. Trotz des Fehlens einer ausdrücklichen Regelung orientiert sich die Kommis­ sion in ihrer Beihilfenrechtspraxis an den vergaberechtlichen Rechtsvorgaben556.

550

Vgl. Kommission, Ent. v. 02.12.2009, Az. N 462/2009 – A2 Motorway Poland. Siehe hierzu Kommission, Leitfaden Privatisierung 2012. 552 Siehe Kommission, Grundstück-Mitteilung 1997. Dazu etwa Götz/Martínez Soria, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, Kap. H. III Rn. 94. 553 Koenig/Pfromm, NZBau 2004, S. 375, 378 ff.; Schrotz, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 271 f. 554 Nach Groth, Die Dienstleistungskonzession, S. 215 soll es sich dabei sogar um die ein­ zige praktisch durchführbare Vorgehensweise bei der Ermittlung einer angemessenen Gegen­ leistung beim Abschluss von Konzessionsverträgen handeln. 555 Groth, Die Dienstleistungskonzession, S. 216 f.; Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 93 f.; von Donat, EuZW 2010, S. 812, 813. 556 Vgl. für den Bereich der DAWI (viertes Altmark-Kriterium) auch ausdrücklich Kommission, DAWI-Mitteilung 2012, Rn. 63 f. 551

238

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

In den Breitband-Leitlinien von 2013 führt sie insoweit aus, dass „das betreffende Auswahlverfahren mit dem Geist und den Grundsätzen der EU-Vergaberichtlinien im Einklang stehen [muss]“557. In der Literatur wird insoweit auch von einem „Gleichlauf“ von Vergabe- und Beihilfenrecht gesprochen558. Die Einhaltung der Vorschriften der europäischen Vergaberichtlinien führt da­ mit im Regelfall dazu, dass das Fehlen einer beihilfenrechtlichen Begünstigung zugunsten des Infrastrukturbetreiberunternehmens und seiner Gesellschafter zu vermuten ist559. In Fällen, in denen die europäischen Vergaberichtlinien unmittel­ bar keine Anwendung finden, etwa weil die Schwellenwerte nicht erreicht sind oder weil es sich um die Vergabe einer Dienstleistungskonzession handelt, ist in­ soweit zumindest der zitierte „Geist“560 dieser Bestimmungen zu berücksichti­ gen. Unabhängig von den möglicherwiese anzuwendenden Vergabevorschriften im konkreten Einzelfall ist damit in jedem beihilfenrechtlichen Vergabeverfahren den Grundsätzen der Offenheit, Transparenz und Bedingungsfreiheit in besonde­ rem Maße Rechnung zu tragen561. a) Grundsatz der Offenheit Nach dem Grundsatz der Offenheit sollen alle potentiellen Interessenten die Möglichkeit haben, an dem Vergabeverfahren teilzunehmen562. Aus diesem Grunde hat die mitgliedstaatliche Stelle eine hinreichend offene Ausschreibungsverfah­ rensform auszuwählen563. Diesen Anforderungen genügt regelmäßig vor allem die Wahl des offenen Verfahrens564 der Vergaberichtlinien565. Demgegenüber entspricht eine Direktvergabe ohne vorherige Durchführung eines Vergabewettbewerbs grund­ sätzlich nicht den Anforderungen des Grundsatzes der Offenheit566. Schwieriger gestaltet sich die Beurteilung, wenn der Mitgliedstaat ein anderes Ausschreibungsverfahren analog den Vergaberichtlinien wählt: 557

Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 78 lit. c). Schrotz, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 272. 559 von Donat, EuZW 2010, S. 812, 813 m. w. N. 560 Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 78 lit. c); vgl. für den Bereich der DAWI wie­ derum die parallele Überlegung in Kommission, DAWI-Mitteilung 2012, Rn. 64. 561 Siehe Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2005, Rn. 58; Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 93 f.; Koenig/Pfromm, NZBau 2004, S. 375, 377 ff.; Schrotz, in: Birnstiel/Bun­ genberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 271 ff.; von Donat, EuZW 2010, S. 812, 813 f. 562 Koenig/Pfromm, NZBau 2004, S. 375, 378. 563 Siehe dazu auch Kaelble, in: Müller-Wrede, Kompendium des Vergaberechts, Kap.  32, Rn. 37 ff. 564 Art. 1 Abs. 11 lit. a) VergKR; zur Umsetzung im deutschen Vergaberecht siehe Pünder, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 101 GWB Rn. 17 ff. 565 Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 94; Koenig/Pfromm, NZBau 2004, S. 375, 378; von Donat, EuZW 2010, S. 812, 813. 566 von Donat, EuZW 2010, S. 812, 813. 558

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

239

Bei dem nichtoffenen Verfahren567, dem Verhandlungsverfahren568 mit vorheri­ ger Bekanntmachung und dem wettbewerblichen Dialog569 gibt es nur einen ein­ geschränkten Kreis von Bewerbern, die ein Angebot abgeben können570. Um da­ bei ein wettbewerbliches und beihilfenrechtskonformes Verfahren zu garantieren, müssen alle geeigneten Bewerber zumindest die Chance erhalten, sich an einem vorangestellten Teilnahmewettbewerb zu beteiligen571. Will die mitgliedstaatliche Stelle die Teilnehmerzahl aufgrund einer hohen Zahl an Bewerbungen beschrän­ ken, muss sie sich an die entsprechenden Vorgaben der Vergaberichtlinien halten und während des gesamten Verfahrensablaufs gewährleisten, dass echter Wett­ bewerb besteht572. Die Kommission verlangt, dass derartige Vergaben in jedem Falle notifiziert werden, damit sie ihre mutmaßliche beihilfenrechtliche Relevanz individuell überprüfen kann573. Das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung genügt den An­ forderungen an die Offenheit des Verfahrens regelmäßig nicht574. Ausnahmen sind etwa denkbar, wenn aufgrund einer besonderen Marktstruktur alle potentiellen Bieter dem Mitgliedstaat bekannt sind, diese ein Angebot einreichen können und ein tatsächlicher Wettbewerb unter ihnen besteht575. Auch in solchem Falle behält sich die Kommission jedoch eine individuelle Evaluierung des Einzelfalls vor576. Insgesamt kommt es bei der Bewertung des beihilfenrechtlichen Vergabeverfah­ rens immer auf die spezifischen Umstände des jeweiligen Falles an. Der Mitglied­ staat muss insoweit zeigen können, dass die von ihm gewählte Verfahrensart dem Grundsatz der Offenheit genügt. Außerhalb des offenen Verfahrens der Vergabe­ richtlinien sind die Nachweisanforderungen an ihn hoch, da in diesen Fällen keine Vermutung zu seinen Gunsten greift, dass er die wettbewerblichen Anforderungen an das Auswahlverfahren eingehalten hat.

567

Art. 1 Abs. 11 lit. b) VergKR; zur Umsetzung im deutschen Vergaberecht siehe Pünder, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 101 GWB Rn. 32 ff. 568 Art. 1 Abs. 11 lit. d) VergKR; zur Umsetzung im deutschen Vergaberecht siehe Pünder, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 101 GWB Rn. 69 ff. 569 Art. 1 Abs. 11 lit. c) VergKR; zur Umsetzung im deutschen Vergaberecht siehe Pünder, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 101 GWB Rn. 43 ff. 570 von Donat, EuZW 2010, S. 812, 814. 571 Koenig/Pfromm, NZBau 2004, S. 375, 378; von Donat, EuZW 2010, S. 812, 814. 572 von Donat, EuZW 2010, S. 812, 814. 573 Kommission, Leitfaden Privatisierung 2012, S. 10. 574 Kommission, Leitfaden Privatisierung 2012, S.  10. Ferner auch Arhold, in: Montag/Sä­ cker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 216; Koenig/Pfromm, NZBau 2004, S. 375, 378; von Donat, EuZW 2010, S. 812, 814. 575 Kommission, Leitfaden Privatisierung 2012, S. 10; von Donat, EuZW 2010, S. 812, 814. 576 Kommission, Leitfaden Privatisierung 2012, S. 10. Siehe auch Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 94.

240

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

b) Grundsatz der Transparenz Nach dem Grundsatz der Transparenz muss das beihilfenrechtliche Vergabever­ fahren in allen Stufen und für alle Beteiligten zu jeder Zeit objektiv nachvollzieh­ bar ablaufen577. Um dies sicherzustellen, ist die mitgliedstaatliche Stelle vor allem gehalten, den potentiellen Teilnahmeinteressenten alle relevanten Informationen zu dem Ausschreibungsverfahren zur Verfügung zu stellen. Darunter fallen etwa Angaben zum Gegenstand der Vergabe, zum Ablauf des Verfahrens, zu den ein­ zuhaltenden Fristen sowie zu den genauen Kriterien für die Auswahl und den Zu­ schlag578. Ferner sind die Fristen so zu wählen, dass alle potentielle Bieter – auch solche, die an früheren und ähnlichen Vergabeverfahren noch nicht teilgenommen haben – hinreichend Zeit zur Prüfung der Abgabe eines Angebots haben579. Des Weiteren muss die Ankündigung des beihilfenrechtlichen Ausschreibungs­ verfahrens vom Mitgliedstaat hinreichend effektiv bekannt gemacht werden. Hier­ bei sind verschiedene Wege denkbar: Fallen Ausschreibungen unter die Vergabe­ richtlinien, sind sie grundsätzlich im Amtsblatt zu veröffentlichen580. Entsprechend den Vorgaben der Breitband-Leitlinien 2013 ist in „[i]n allen anderen Fällen“ zu­ mindest zu fordern, „dass die Auswahlverfahren zumindest landesweit zu veröffentlichen“ sind581. Bei größeren Vergabeverfahren, die auch europaweit von Bedeutung sind, al­ lerdings nicht unter die Vergaberichtlinien fallen (etwa weil es sich um Dienst­ leistungskonzessionen handelt), ist dennoch erforderlich, dass diese auch über die Grenzen des jeweiligen Mitgliedstaats hinaus bekannt gemacht werden. Dies ent­ spricht auch den Vorgaben der Grundstücksmitteilung582. Neben der Möglichkeit einer Veröffentlichung im Amtsblatt gibt es dabei aber auch andere taugliche Wege der Bekanntmachung. Zu denken ist etwa an die Mitteilung in einschlä­ gigen Fachpublikationen sowie die Information von spezifischen international tätigen Maklern583. Schließlich müssen die genauen Konditionen der vom Gewinner der Ausschrei­ bung zu erbringenden Leistungen sowie der mitgliedstaatlichen Gegenleistun­ gen offengelegt werden, damit alle potentiellen Bieter eine individuelle Kosten-­ Nutzen-Analyse vornehmen können. Spezifisch bei Infrastrukturprojekten ist der jeweilige Mitgliedstaat gehalten, genau zu zeigen, in welcher Form und Höhe

577

Koenig/Pfromm, NZBau 2004, S. 375, 378; von Donat, EuZW 2010, S. 812, 814. Koenig/Pfromm, NZBau 2004, S. 375, 378. 579 Siehe etwa Kommission, Ent. v. 02.10.2002, Az. N 264/2002, Rn.  83 f.  – PPP London Under­ground; dazu auch Koenig/Pfromm, NZBau 2004, S. 375, 378. 580 Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 78 lit. c) Fn. 99. 581 Ebd. 582 Kommission, Leitfaden Privatisierung 2012, S. 10; vgl. auch Koenig, EuZW 2001, S. 741, 746. 583 Koenig/Pfromm, NZBau 2004, S. 375, 378; Koenig, EuZW 2001, S. 741, 746. 578

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

241

öffent­liche Investitionszuschüsse an den Gewinner des Ausschreibungsverfahrens geleistet werden584. c) Grundsatz der Bedingungsfreiheit Nach dem Grundsatz der Bedingungsfreiheit, der teilweise weiter gefasst auch als Grundsatz der Diskriminierungsfreiheit585 bezeichnet wird, müssen alle potenti­ ellen Bieter in jeglichen Angelegenheiten des Verfahrens rechtlich wie auch tatsäch­ lich von der öffentlichen Hand gleich behandelt werden586. Damit soll sichergestellt werden, dass alle Interessenten die gleichen Chancen im Vergabeverfahren haben. Der Begriff der „Bedingungsfreiheit“ leitet sich aus der Grundstücksmitteilung ab587. Er ist – vor allem im Bereich von Infrastrukturprojekten – unpräzise, da es der Natur derartiger Vergaben entspricht, dass gerade Bedingungen des Mitglied­ staats für die Erteilung des Zuschlags formuliert werden588. Umstritten ist, inwieweit über finanzielle Aspekte (günstigste Gegenleistung bzw. höchster Preis bei Anteilsverkauf) hinaus auch andere Kriterien berücksichtigt werden können589. Hervorzuheben sind hier für den Infrastrukturbereich vor allem Belange des Umweltschutzes, welche die zukünftigen Infrastrukturbetreiberunter­ nehmen zu berücksichtigen haben, aber auch etwa Sozialstandards für die bei dem Betreiberunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer. Die Kommission führt insoweit im Leitfaden zur Privatisierung aus, dass der­ artige Bedingungen von den Mitgliedstaaten aufgestellt werden dürfen, soweit sie allein die Einhaltung (allgemein für alle Unternehmen) bestehender gesetzlicher Vorschriften fordern590. Damit folgt sie bei der Zulässigkeit vergabefremder Krite­ rien einem sehr engen Verständnis. Zwar erscheint eine solch strenge Linie vor dem Hintergrund sinnvoll, dass so sichergestellt werden kann, dass die Mitgliedstaaten den Vergabewettbewerb nicht durch ihren Wunsch zur Durchsetzung allgemein­ politischer Vorstellungen behindern591. Insbesondere kann auf diese Weise auch verhindert werden, dass Ausschreibungen gezielt darauf zugeschnitten werden, bestimmte (vor allem lokale) Bieter oder Bietergruppen zu bevorzugen, ohne dass echter Wettbewerb zwischen allen potentiellen Interessenten ermöglicht wird592. 584

Koenig/Pfromm, NZBau 2004, S. 375, 378 f. So Koenig/Pfromm, NZBau 2004, S.  375, 379; Begründung zur Begrifflichkeit bei­ Koenig/Kühling, NVwZ 2003, S. 779, 782. 586 Kommission, Leitfaden Privatisierung 2012, S. 11. 587 Kommission, Grundstücks-Mitteilung 1997, Abschnitt II. 1. 588 Koenig/Pfromm, NZBau 2004, S. 375, 379; Koenig/Kühling, NVwZ 2003, S. 779, 782. 589 Siehe dazu die parallele Diskussion im Rahmen der Altmark – Kriterien oben in Kap. 4, B. V. 4. a). 590 Kommission, Leitfaden Privatisierung 2012, S. 11. 591 Dazu Groth, Die Dienstleistungskonzession, S. 222 ff. 592 Vgl. Koenig/Pfromm, NZBau 2004, S. 375, 379. 585

242

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Auf der anderen Seite stellt eine derartige Einengung mitgliedstaatlicher Ver­ gabeverfahren im Infrastrukturbereich eine erhebliche Einschränkung des infra­ strukturpolitischen Entscheidungsspielraums der Mitgliedstaaten dar. Auch wenn ihr Gestaltungsermessen auf diesem Gebiet nicht eine dem Bereich der DAWI ent­ sprechende Bedeutung hat593, so erscheint es doch erforderlich, zumindest teil­ weise die Etablierung spezifischer Vergabebedingungen zu ihren Gunsten zu­ zulassen594. Dies gilt vor allem aufgrund der Bedeutung der Berücksichtigung von Umweltaspekten bei der Realisierung von Infrastrukturprojekten. Insoweit ist je­ doch wiederum darauf zu achten, dass solche Kriterien so wettbewerbsneutral wie möglich ausgestaltet werden. Im Einzelnen bedeutet dies vor allem, dass sie einen spezifischen Bezug zu dem jeweiligen Infrastrukturvorhaben aufweisen und allein projektbezogen formuliert sind, also keine Anforderungen an die Bieter stel­ len, die über das konkrete Projekt hinausgehen (wie etwa die Erfüllung über die allgemeinen gesetzlichen Anforderungen hinausgehender Standards auch bei an­ deren, von dem konkreten Vorhaben unabhängigen Infrastrukturprojekten)595. 2. Ermittlung eines Marktpreises durch unabhängige Sachverständigengutachten Als weitere Methode zur Ermittlung einer marktgerechten Gegenleistung bei der mitgliedstaatlichen Veräußerung von Anteilen an Infrastrukturbetreibergesell­ schaften oder bei Abschluss einer Konzessionsvereinbarung kommt die Erstellung eines unabhängigen Sachverständigengutachtens in Betracht596. Die Anforderun­ gen sowohl an die Person des Gutachters als auch an die Qualität der ökono­ mischen Bewertung des Sachverhalts sind dabei hoch597. Zunächst muss der den Gutachter beauftragende Mitgliedstaat dessen fachliche Eignung und seine tat­ sächliche Unabhängigkeit sicherstellen, so dass ausgeschlossen werden kann, dass auch nur indirekt Einfluss auf dessen Ergebnis ausgeübt werden könnte598. In Be­ tracht kommen hier etwa unabhängige Wirtschaftsprüfer. Ferner muss die Sach­ verhaltsanalyse unter allen beihilfenrechtlich relevanten wirtschaftlichen Aspekten erfolgen, wobei auch die unterschiedlichen Ebenen berücksichtigt werden müssen, auf denen möglicherweise eine Begünstigungswirkung eintreten könnte599. In Betracht kommt die Erstellung eines qualifizierten Gutachtens anstelle eines Vergabeverfahrens vor allem in Fällen, in denen Letzteres praktisch nicht durch­ 593

Dazu oben Kap. 4, B. V. 1. a). Vgl. auch, allerdings mit stärkerem Bezug zu DAWI, Groth, Die Dienstleistungskonzes­ sion, S. 224. 595 I. Erg. ähnlich Groth, Die Dienstleistungskonzession, S. 225. 596 Vgl. dazu Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 94 f. 597 Koenig/Kühling/Theobald, Recht der Infrastrukturförderung, Kap. 1, Rn. 56 ff.; Schrotz, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 273. 598 Schrotz, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 273. 599 Ebd. 594

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

243

führbar ist. Dies kann sich etwa daraus ergeben, dass von vornherein feststeht, dass es in einem Vergabeverfahren nur einen einzigen Bieter geben würde600. Fer­ ner ist eine Konstellation denkbar, in der nur ein bestimmtes Unternehmen für das zu realisierende Infrastrukturprojekt geeignet ist, etwa weil es Eigentum an einem Grundstück hat, auf dem die Infrastruktureinrichtung notwendigerweise errichtet werden muss601. Im Falle des Abschlusses von Konzessionsverträgen, die üblicherweise eine lange Laufzeit haben, kann die gutachtenmäßige Berechnung eines angemesse­nen Leistungs- und Gegenleistungsverhältnisses mit erheblichen praktischen Schwie­ rigkeiten verbunden sein. Dies liegt vor allem daran, dass ex ante allein eine Prognose über die wirtschaftliche Entwicklung des entsprechenden Infrastruk­ turprojekts und damit hinsichtlich Kosten und Einnahmen des zukünftigen Infra­ strukturbetreibers möglich ist602. Je länger der zu untersuchende Zeitraum sich erstreckt, desto unpräziser werden jedoch notwendigerweise auch diese Vorher­ sagen. Teilweise wird die gutachterliche Bewertung der marktgerechten Gegen­ leistung beim Abschluss von Konzessionsverträgen deshalb als praktisch un­ geeignetes Instrument gänzlich in Frage gestellt603. Diese Bedenken sind ernst zu nehmen. Insoweit ist von der Kommission in jedem Falle genau und kritisch zu prüfen, inwieweit die herangezogene Berechnungsgrundlage eines von den Mit­ gliedstaaten vorgelegten Sachverständigengutachtens eine zukünftige Begüns­ tigung realistisch ausschließt604. Dennoch sollte die Bedeutung von unabhängigen Sachverständigengutachten in Fällen, in denen die Durchführung eines Vergabe­ verfahrens praktisch nicht möglich ist, nicht unterschätzt werden. Soweit die Kom­ mission im Einzelfall nämlich zu dem Schluss kommt, dass eine Begünstigung nicht endgültig ausgeschlossen werden kann, können die Folgerungen eines sol­ chen Gutachtens jedenfalls auf Rechtfertigungsebene der Beihilfenprüfung be­ rücksichtigt werden. 3. Fortbestehen einer Begünstigung Die Auswahl eines privaten Gesellschafters in einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen oder eines Konzessionsnehmers mittels eines offenen, transparen­ ten und bedingungsfreien Vergabeverfahrens schließt nach teilweise vertrete­ ner Auffassung grundsätzlich aus, dass diese durch die Zuschlagerteilung selbst einen beihilfenrelevanten wirtschaftlichen Vorteil erlangen. Danach eröffnet sich 600

Vgl. dazu etwa Mellwig, Infrastrukturfinanzierung in Häfen, S. 131. Koenig/Pfromm, NZBau 2004, S. 375, 379. 602 Vgl. Groth, Die Dienstleistungskonzession, S. 214 f. 603 Groth, Die Dienstleistungskonzession, S. 215. 604 Siehe als praktisches Beispiel für eine solche Überprüfung von Sachverständigengutach­ ten aus jüngerer Zeit – allerdings zu einem längerfristigen Pachtvertrag – Kommission, Ent. v. 21.03.2012 (Einleitungsent.), Az. SA.31550 (2012/C) (ex 2012/NN), Rn. 153 ff. – Nürburgring. 601

244

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

für das im Vergabeverfahren obsiegende Unternehmen durch den Zuschlag allein die Möglichkeit, auf dem entsprechenden Markt tätig zu werden und dort gegebe­ nenfalls zukünftig Gewinne zu realisieren, was durch den Konzessionsvertrags­ schluss selbst allerdings allein eine (zu diesem Zeitpunkt noch) neutrale Chance darstellt605. Dieses Ergebnis wird beim Abschluss von Konzessionsverträgen teilweise be­ zweifelt. Danach soll bereits der Zuschlag eine begünstigende Wirkung entfalten, da dem Konzessionsnehmer dadurch erstens regelmäßig eine gegenüber anderen Unternehmen vorteilhafte Marktstellung eingeräumt wird (häufig wird er faktisch eine monopolistische Stellung innehaben) und zweitens bereits durch die Konzes­ sionserteilung selbst der Unternehmenswert des Konzessionsnehmers insgesamt erhöht wird606. Indes erscheint hier eine differenzierte Betrachtung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls sinnvoll. Führt der Ausgang des Vergabeverfahrens dazu, dass der Gewinner alleine eine Erwerbschance erhält, so ist keine beihilfenrecht­ liche Begünstigung durch die Zuschlagerteilung selbst anzunehmen. Erhält er da­ gegen eine gesicherte Stellung bezüglich einer zukünftigen Gewinnerzielung, so ist das Vorliegen einer Begünstigung näher zu untersuchen. Letztlich kommt es da­ mit vor allem auf die Verteilung des zukünftigen wirtschaftlichen Risikos bei der Infrastrukturinvestition an. Liegt dieses allein oder vorrangig beim Gewinner des Vergabeverfahrens (was etwa im Falle des Anteilserwerbs an einer Infrastruktur­ betreibergesellschaft regelmäßig anzunehmen sein wird), so ist eine Begünstigung üblicherweise nicht anzunehmen. Wird dagegen – etwa durch entsprechende Ver­ einbarungen des Konzessionsvertrags – das zukünftige wirtschaftliche Risiko des Konzessionsnehmers minimiert, ohne dass sich dies in der Gegenleistung wider­ spiegelt, so bleibt eine Vorteilsgewährung denkbar, da der Konzessionsnehmer dann nicht mehr zu üblichen Marktbedingungen tätig wird607. Gleichzeitig sei an dieser Stelle nochmals betont, dass das Vergabeverfahren keine Garantie dafür bietet, dass darüber hinausgehende Leistungen des Mitglied­ staats zugunsten der Infrastrukturbetreibergesellschaft diese nicht selektiv begüns­ tigen. Soweit weitere mitgliedstaatliche Zuwendungen an den Infrastrukturbetrei­ ber geleistet werden (z. B. ergänzende Finanzzuwendungen für die Errichtung der Infrastruktur, Anlaufhilfen, Bürgschaftserklärungen), können diese selektive Begünstigungswirkung aufweisen, soweit der Infrastrukturbetreiber dafür nicht (etwa im Rahmen der Konzessionsvereinbarung) einen marktgerechten Ausgleich

605

So  – allerdings in einem nicht-beihilfenrechtlichen Kontext  – Hattig/Ruhland, NZBau 2005, S. 626, 628 f.; für die beihilfenrechtliche Bewertung aufgegriffen, aber i. Erg. abgelehnt von Groth, Die Dienstleistungskonzession, S. 196 ff.; ähnlich von Donat, EuZW 2010, S. 812, 814. 606 So Groth, Die Dienstleistungskonzession, S. 196 ff. 607 Ähnlich für eine vergaberechtliche Bewertung Hattig/Ruhland, NZBau 2005, S. 626, 629.

B. Förderung von Infrastrukturen als Vorteil eines Infrastrukturbetreibers

245

erbringt608. Allein durch die beihilfenfreie Beteiligung eines (privaten) Unterneh­ mens an einem Infrastrukturprojekt ist nämlich noch nicht sichergestellt, dass der ausgewählte Infrastrukturbetreiber selbst nicht durch zusätzliche mitgliedstaat­ liche Zuwendungen im Folgenden begünstigt wird609. Zu beachten ist schließlich auch, dass die Durchführung eines Vergabeverfah­ rens zur Bestimmung eines Infrastrukturbetreibers nicht dazu führt, dass potenti­ elle Begünstigungen auf nachgelagerten Ebenen (vor allem der Nutzerebene) aus­ geschlossen sind. Die Grundsätze der Entscheidung Italienische Decoder610 gelten damit auch, wenn auf Betreiberebene aufgrund einer ordnungsgemäßen Aus­ schreibung keine Begünstigung angenommen werden kann611. In den BreitbandLeitlinien 2013 geht die Kommission vielmehr davon aus, dass eine Weitergabe der dem Breitbandinfrastrukturbetreiber gewährten Vorteile an die Breitband­ diensteanbieter (Nutzerebene) sogar „wahrscheinlich“ ist612. Dies ergibt sich aus der Überlegung, dass die öffentlich geförderten Breitbandinfrastrukturbetreiber von ihren Nutzern regelmäßig keinen „Marktpreis“ (bei Bestehen eines natür­ lichen Monopols entspräche dies dem jeweiligen Monopolpreis) verlangen kön­ nen, sondern sich aufgrund entsprechender europarechtlicher und mitgliedstaat­ licher Vorgaben gegenüber den Infrastrukturnutzern an die Preisvorgaben der jeweiligen nationalen Regulierungsbehörde zu halten haben613. Gleichzeitig ist dies auch eine der Voraussetzungen dafür, dass die entsprechende Beihilfe zuguns­ ten des Infrastrukturbetreibers nach den Breitband-Leitlinien 2013 überhaupt erst genehmigungsfähig ist614. Damit wird sichergestellt, dass die dem Infrastruktur­ betreiber gewährten Vorteile bis auf die Ebene der Endkunden weitergegeben, de­ ren Versorgung mit preisgünstigen Breitband-Zugängen das primäre Ziel der mit­ gliedstaatlichen Breitbandförderung ist615. Gleichzeitig bedeutet dies allerdings auch, dass die Kommission auf Nutzerebene das Bestehen einer selektiven Be­ günstigung untersuchen muss.

608

Ähnlich von Donat, EuZW 2010, S. 812, 814. Siehe etwa Kommission, Ent. v. 20.04.2005, Az. N 335/2004, Rn.  44  – PPP Flughafen Antwerpen; Kommission, Ent. v. 10.12.2008, Az. N 110/2008, Rn. 51 – Jade Weser Port; von­ Donat, EuZW 2010, S. 812, 814 ff. 610 Kommission, Ent. v. 24.01.2007, Az. C 52/2005 (ex NN 88/2005, ex CP 101/2004), ABl. 2007 L 147/1  – Italienische Decoder; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 28.07.2011, Az. C-403/10 P – Italienische Decoder. 611 Siehe dazu Koenig, EStAL 2011, S. 395. 612 Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 12 Fn. 16. 613 Ebd. 614 Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 78 lit. h). 615 Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 1. Ferner oben Kap. 4, B. III. 4. b) aa). 609

246

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

VII. Zusammenfassung Sowohl die mitgliedstaatliche Unterstützung der Errichtung als auch des Be­ triebs von Infrastrukturen können nach der jüngeren Rechtspraxis der Kommis­ sion eine beihilfenrelevante selektive Begünstigung des Infrastrukturbetreibers im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen. Dies stellt eine Abkehr von ihrer frü­ heren, bis etwa Mitte der 2000er Jahre etablierten Entscheidungspraxis dar, nach der die Infrastrukturförderung als allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahme der Mitgliedstaaten keinen Begünstigungscharakter zugunsten von Infrastruktur­ betreibern aufwies. Die Neuorientierung der Kommission in dieser Hinsicht er­ folgte schrittweise hinsichtlich der mitgliedstaatlichen Förderung der verschiede­ nen Infrastrukturarten und zeigte sich nicht immer gänzlich konsequent. Besondere Schwierigkeiten bei der Ermittlung von beihilfenrechtlichen Be­ günstigungen ergeben sich im Infrastrukturbereich dadurch, dass dort regel­ mäßig eine enge wirtschaftliche Verbindung zwischen verschiedenen Märkten und Marktebenen besteht. Dies führt zu dem Erfordernis der Überprüfung der indirek­ ten Auswirkungen einer konkreten Infrastrukturfördermaßnahme auf allen poten­ tiell betroffenen Begünstigtenebenen. Die Rechtspraxis der Kommission befindet sich dabei noch in einer Entwicklungsphase und ist bislang nicht gänzlich konsis­ tent. In Teilen der Literatur und von Vertretern der Mitgliedstaaten wird die Zuläs­ sigkeit der beihilfenrechtlichen Überprüfung von mittelbaren, ebenenübergreifen­ den Auswirkungen von mitgliedstaatlichen Fördermaßnahme gänzlich abgelehnt. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Vielmehr ist zu fordern, dass die Kommis­ sion die beihilfenrechtliche Überprüfung ebenenübergreifender Begünstigungs­ wirkungen mitgliedstaatlicher Infrastrukturfördermaßnahmen konsequent in al­ len Fällen vornimmt. Nur auf dieser Weise kann dem Erfordernis eines effektiven Wettbewerbsschutzes im Infrastrukturbereich genüge getan werden. Eine Ausnahme von der Annahme der Begünstigung eines Infrastrukturbetrei­ bers liegt vor, wenn sich der Mitgliedstaat bei der Gewährung der Infrastruktur­ förderung wie ein privater Investor verhalten hat. Im Rahmen des Private Investor Tests im Infrastrukturbereich sind dessen wirtschaftliche Besonderheiten bei der Ermittlung des relevanten Investitionshorizonts eines hypothetischen Privat­ investors zu berücksichtigen. Dagegen können positive externe Effekte einer mit­ gliedstaatlichen Infrastrukturinvestition, etwa auf die Regionalentwicklung, im Rahmen des Private Investor Tests nicht berücksichtig werden. Anders als zuwei­ len in der Literatur gefordert, ist insoweit auch keine Anpassung der Anwendung dieses Tests bei Infrastrukturvorhaben mit ausschließlich lokaler oder regionaler Bedeutung erforderlich. Des Weiteren kommt der Altmark-Ausnahme bei der beihilfenrechtlichen Beur­ teilung der mitgliedstaatlichen Infrastrukturförderung eine zentrale Rolle zu. Die Kommission tendiert in diesem Bereich zu einer strengen Kontrolle des Vorliegens der vom Gerichtshof etablierten Altmark-Kriterien. Insbesondere bei der Prüfung

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

247

der ersten, dritten und vierten Altmark-Voraussetzung hat sie die spezifischen Be­ sonderheiten des Infrastruktursektors bei ihrer Untersuchung zu berücksichtigen. Ob die mitgliedstaatliche Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infra­ strukturen einen Ausgleich für DAWI darstellt, untersucht die Kommission beim ersten Altmark-Kriterium anhand von Elementen der auf Rechtfertigungsebene neu eingeführten Abwägungsprüfung. Dieses Vorgehen ist in der Literatur auf Kri­ tik gestoßen, nach der hier vertretenen Auffassung allerdings zulässig, soweit die Kommission die Belange der Mitgliedstaaten hinreichend berücksichtigt. In vie­ len Fällen scheitert eine Anwendbarkeit der Altmark-Ausnahme im Infrastruktur­ bereich jedoch an der Nichterfüllung der strengen Voraussetzungen der Kosten­ analyse beim vierten Altmark-Kriterium, wenn vor Vergabe der Förderung vom Mitgliedstaat kein Ausschreibungsverfahren durchgeführt wurde. Schließlich ist die Begünstigung eines Infrastrukturbetreibers durch den Er­ werb von Anteilen an einer öffentlichen Infrastrukturbetreibergesellschaft oder den Abschluss eines Konzessionsvertrags dann ausgeschlossen, wenn er für dafür eine marktgerechte Gegenleistung erbringt. Die Ermittlung eines angemessenen Marktpreises kann dabei mittels Durchführung eines offenen, transparenten und bedingungsfreien Vergabeverfahrens erfolgen oder über die Erstellung unabhän­ giger Sachverständigengutachten. Letztlich bleibt in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die Durchführung einer vergabe- und beihilfenrechtskonformen Ausschreibung nicht in allen Fällen sicherstellt, dass auf vor- und nachgelager­ ten Marktstufen keine Begünstigungswirkung durch die mitgliedstaatliche Förder­ maßnahme eintritt. Im Einzelfall kann deshalb eine beihilfenrechtliche Überprü­ fung der Kommission auf diesen Ebenen zulässig sein.

C. Wettbewerbsverfälschungen durch mitgliedstaatliche Infrastrukturförderung I. Das Merkmal der Wettbewerbsverfälschung in der Rechtspraxis von Kommission und Europäischen Gerichten 1. Das weite Verständnis nach der Philip Morris-Rechtsprechung und Abgrenzung zu den kartellrechtlichen Bestimmungen Das Merkmal der Wettbewerbsverzerrung wird bei Art. 107 AEUV weit ausgelegt. Zweck der Norm ist es, jegliche wettbewerbsverfälschende Wirkung einer Beihil­ fengewährung zu vermeiden. Teilweise wird daraus geschlossen, dass jede staat­ liche Beihilfenvergabe per se zu einer drohenden Wettbewerbsverfälschung führt616. 616 Siehe etwa GA Warner, Schlußantr. v. 15.05.1974, Az. 173/73 – Italien/Kommission; fer­ ner die Darstellung bei Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art. 107 AEUV Rn. 30 m. w. N. Kritisch zu diesem per-se Ansatz Leisner, EuZW 2006, S. 648, 650 m. w. N. aus der älteren Literatur.

248

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Begründet werden kann dieser Ansatz damit, dass unabdingbare Folge einer Bei­ hilfenzuwendung an ein Unternehmen ist, dass dieses einen Vorteil erlangt, dessen Kehrseite ein Nachteil für nicht begünstigte Unternehmen darstellt. Nach anderer Auffassung ist – ähnlich wie bei Art. 101, 102 AEUV und im Fusionskontrollrecht – auch im Beihilfenrecht zu fordern, dass zur Feststellung einer Wettbewerbsverzer­ rung eine Marktabgrenzung und eine Analyse der konkreten Auswirkungen der Bei­ hilfenzuwendung auf die relevanten Märkte zu prüfen ist617. Der Gerichtshof nahm schon früh eine weite Interpretation des Merkmals der Wettbewerbsverzerrung an und stellte in seiner Philip Morris-Entscheidung 1980 fest, dass auch ohne eine genauere Marktanalyse die finanzielle Unterstützung eines einzelnen Unternehmens die Stärkung von dessen Wettbewerbsposition ge­ genüber seinen Konkurrenten nahelegt618. Später präzisierte er jedoch, dass eine Wettbewerbsverzerrung sich zwar schon aus den Umständen einer Beihilfenge­ währung ergeben könnte, diese Umstände von der Kommission in ihrer Entschei­ dung allerdings zumindest aufgeführt werden müssen619. Einige Stimmen in der Literatur folgern daraus eine Trendwende der Recht­ sprechung dahingehend, dass nunmehr im Beihilfenrecht allgemein eine genauere Analyse des Vorliegens einer Wettbewerbsverzerrung erforderlich sein soll620. Demgegenüber stellte das Gericht in jüngeren Entscheidungen ausdrücklich fest, dass es eine genaue Marktabgrenzung, Marktstrukturanalyse und wettbewerbliche Untersuchung der Beihilfenauswirkungen für nicht erforderlich hält621. Des Wei­ teren fordert das Gericht auch keine umfassenden ökonomischen Nachweise für die Wettbewerbsbeeinträchtigung im Einzelfall von der Kommission. Die Ent­ scheidungen des Gerichts deuten damit darauf hin, dass ein summarisches Aufzei­ gen der wettbewerblichen Gegebenheiten auf dem betroffenen Markt sowie eine nachvollziehbare Begründung einer Wettbewerbsverzerrung zwar genügen, aber jedenfalls gleichzeitig auch tatsächlich in die Kommissionsentscheidung einflie­ ßen müssen622.

617 In diese Richtung Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art.  107 AEUV Rn.  30 f.; Groth, Die Dienstleistungskonzession, S. 264; von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2, Art. 107 AEUV Rn. 67. 618 EuGH, Urt. v. 17.09.1980, Az. 730/79, Rn. 9, 11 – Philip Morris. 619 Nunmehr ständige Rspr., vgl. EuGH, Urt. v. 13.02.2003, Rs. C-409/00, Rn. 74 – Spanien/ Kommission; EuGH, Urt. v. 24.10.1996, Rs. C-329/93, C-62/95 u. C-63/95, Rn. 52 – Bremer Vulkan; EuGH, Urt. v. 13.03.1985, Rs. 296/82 u. 318/82, Rn. 24 – Leeuwarder Papierwaren­ fabriek/Kommission; dazu Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art. 107 AEUV Rn. 30. 620 In diese Richtung Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art. 107 AEUV Rn. 30. 621 So EuG, Urt. v. 29.09.2000, Rs. T-55/99, Rn.  102 ff.  – CETM/Kommission; EuG, Urt. v. 15.06.2000, Rs. T-298/97, Rn. 95 – Alzetta Mauro/Kommission; EuG, Urt. v. 13.06.2000, Rs. T-204/97, 47 f. – EPAC/Kommission; dazu Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art. 107 AEUV Rn. 30; Heidenhain, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 4 Rn. 71. 622 Dies schließt auch Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art. 107 AEUV Rn. 30 aus den in der vor­ herigen Fn. genannten Entscheidungen.

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

249

Für die im Vergleich zu den kartellrechtlichen Art.  101 AEUV und Art.  102 AEUV geringeren Anforderungen an die Kommission bei der Darlegung der Wett­ bewerbsverfälschung lassen sich zwei wesentliche Gründe aufzeigen: Zum einen handelt es sich bei der Bewertung der Kommission von im Regelfall vor ihrer Durchführung angemeldeten Beihilfen um eine Prognoseentscheidung. Anders als im Kartellrecht, wo die Auswirkungen unternehmerischen Verhaltens auf den Wettbewerb ex post genauer beurteilt werden kann, gestaltet sich eine prä­ zise Einschätzung bei einer ex ante-Entscheidung wie im Beihilfenrecht ungleich schwieriger623. Da derartige Analysen auch deutlich größeres Potential böten, von den Mitgliedstaaten nachträglich auf dem Rechtswege in Frage gestellt zu werden, könnte das Erfordernis einer genaueren Marktanalyse zu einer Einschränkung der effektiven Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die Kommission führen624. Zweitens sind die wettbewerblichen Auswirkungen der Beihilfengewährung an ein Unternehmen in vielen Fällen in der Praxis komplex und sowohl schwer zu quantifizieren als auch nachzuweisen. Wendet ein Mitgliedstaat einem Unterneh­ men als allgemeine Fördermaßnahme wirtschaftliche Vorteile zu, so ist häufig nur mit erheblichem Untersuchungsaufwand festzustellen, in welche Geschäftsberei­ che des Unternehmens diese Mittel fließen, wenn das Unternehmen auf einer Viel­ zahl unterschiedlicher Märkte tätig ist und dazu gegebenenfalls in komplexen ge­ sellschaftsrechtliche (Konzern-)Strukturen organisiert ist625. 2. Bestehen eines Spürbarkeitserfordernisses? Über das Erfordernis der genauen Marktanalyse hinaus wird diskutiert, ob die Wettbewerbsverfälschung in Anlehnung an die Rechtsprechung zu Art. 101 AEUV eine spürbare Auswirkung haben muss626. Vor allem in der Literatur wurde dies bis in die 1990er Jahre teilweise gefordert627. Der Gerichtshof hat ein Spürbarkeits­ erfordernis dagegen in jüngerer Zeit wiederholt ausdrücklich abgelehnt628. Ungeachtet dessen hat die Kommission bereits 1992 Regeln bezüglich DeMinimis-Beihilfen veröffentlicht und darin Zuwendungen für Kleine und Mitt­ lere Unternehmen unterhalb bestimmter Schwellenwerte von der Anmeldepflicht 623 Insgesamt kritisch dazu, ob überhaupt die Möglichkeit einer objektiven Prognose und Feststellung einer Wettbewerbsverfälschung im Beihilfenrecht besteht Bührle, Gründe und Grenzen des „EG-Beihilfenverbots“, S. 212 f. 624 In diese Richtung Bartosch, RIW 2007, S. 681, 687 f. 625 Soltész, in: Montag/Säcker, MüKo-WettbR, Bd.  3, Art.  107 AEUV Rn.  407 spricht in­ soweit von einer „Streuwirkung“. 626 Siehe etwa Bartosch, EU-Beihilfenrecht, Art. 87 Abs. 1 EGV Rn. 132: Cremer, in: Cal­ liess/Ruffert, Art. 107 AEUV Rn. 33. 627 Siehe dazu Evans/Martin, EL Rev 1991, S. 79, 85 m. w. N. aus der älteren Literatur. 628 EuGH, Urt. v. 19.09.2000, Rs. C-156/98, Rn. 32, 39 – Deutschland/Kommission; ferner dazu Heidenhain, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 4 Rn. 73.

250

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

freigestellt beziehungsweise einem vereinfachten Genehmigungsverfahren un­ terworfen. Die De-Minimis-Regelungen wurden mit der Zeit auch auf andere als Kleine und Mittlere Unternehmen ausgeweitet und die Schwellenwerte mehrfach erhöht629. Trotz der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Spürbarkeitserforder­ nis werden die De-Minimis-Regeln als vereinbar mit Art. 107 Abs. 1 AEUV an­ gesehen630. Begründet wird dies damit, dass die Kommission angesichts ihrer be­ grenzten Ressourcen selbstständig ihr Ermessen dahingehend ausüben darf, Fälle mit unerheblichen Auswirkungen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt nicht un­ tersuchen zu müssen631. 3. Neuorientierung infolge der Beihilfenreform 2005 Im Zuge der von der Kommission angestoßenen Neuausrichtung der Beihil­ fenkontrolle seit 2005 wurde in der Literatur diskutiert, inwieweit die Rechtspra­ xis zum Merkmal der Wettbewerbsverfälschung einer Neuausrichtung bedarf. Im Rahmen der neu eingeführten Abwägungsprüfung auf der Rechtfertigungsebene gewann die Betrachtung der wettbewerblichen Auswirkungen mitgliedstaatlicher Fördermaßnahmen neue Bedeutung. Dies berücksichtigend schlug etwa Jaeger vor, das Merkmal der Wettbewerbsverfälschung schon auf der Tatbestandsebene von einem bloßen Aufgriffskriterium632 für die folgende genauere Untersuchung der Kommission hin zu einem eigenständigen Analysepunkt fortzuentwickeln633. Aufgrund der engen Verbindung des Wettbewerbsbegriffs zur Ökonomie bietet sich dieser Prüfungspunkt als Einfallstor für wirtschaftliche Erwägungen in die ju­ ristische Wertung besonders an634. Jüngere Studien zur Ökonomisierung der Prü­ fung der Wettbewerbsverzerrung im Beihilfenrecht verdeutlichen dies635. Jaeger forderte deshalb, die bisherige Rechtspraxis zu diesem Tatbestandsmerkmal um­ zukehren: Während die großzügige Rechtsprechung bislang im Regelfall keine ge­ nauere Untersuchung der wettbewerblichen Umstände durch die Kommission for­ dert und nur in Ausnahmefällen eine genauere Analyse verlangt, sollte zukünftig

629

Siehe aktuell Kommission, VO Nr. 1407/2013 v. 18.12.2013 – De-Minimis-Verordnung 2013; zur Geschichte und Entwicklung der De-Minimis-Bestimmungen Cremer, in: Calliess/ Ruffert, Art. 107 AEUV Rn. 33 ff. 630 Siehe etwa Sinnaeve, CMLR 2007, S. 965, 973 f.; offengelassen bei Bartosch, EU-Bei­ hilfenrecht, Art. 87 Abs. 1 EGV Rn. 132; differenziert Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art. 107 AEUV Rn. 35. 631 Vgl. Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art. 107 AEUV Rn. 33. 632 In diese Richtung Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 649; tendenziell ebenfalls kritisch dazu Lübbig/Martín-Ehlers, Beihilfen­ recht der EU, Rn. 140 f. 633 Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1075 f. 634 So auch Lübbig/Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 99 ff. 635 Siehe etwa Nitsche/Heidhues, Impact of State Aid on Competition; ferner Haucap/ Schwalbe, Economic Principles of State Aid Control.

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

251

eine umfassende Betrachtung der potentiell betroffenen Wettbewerbsverhältnisse der Normalfall werden, von welchem die Kommission nur in besonders begründe­ ten Ausnahmen abweichen darf636. Mit Spannung wurde von den Vertretern dieses Ansatzes der Neuausrichtung der beihilfenrechtlichen Tatbestandsprüfung die Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Wam SpA637 aus dem Jahr 2009 erwartet. In diesem Fall muss­ ten sich die Luxemburger Richter erstmals nach dem Beginn des Beihilfenreform­ vorhabens ausdrücklich mit der Frage auseinandersetzen, welche Anforderun­ gen an die Kommission bei der Untersuchung der Wettbewerbsverzerrung auf Tatbestands­ebene zu stellen sind638. Konkret ging es um die mitgliedstaatliche Gewährung eines Darlehens an ein Unternehmen, mit dem dessen Stellung als Exporteur vor allem auf asiatischen Märkten gestärkt werden sollte. Die Kommission nahm in ihrer beihilfenrecht­ lichen Negativentscheidung unter Berufung auf die allgemeine Entscheidungspra­ xis des Gerichtshofs und ohne genauere Untersuchung an, dass schon die finan­ zielle Stärkung des Unternehmens für die Annahme einer Wettbewerbsverzerrung und Handelsbeeinträchtigung auf dem europäischen Markt ausreicht, obgleich die Maßnahme allein den Export in nicht-europäische Staaten fördern sollte639. Das Gericht hob die Kommissionsentscheidung auf. Es führte zunächst aus, dass allein aus der Selektivität einer mitgliedstaatlichen Begünstigung noch nicht auf ihren wettbewerbsverfälschenden Charakter geschlossen werden kann. Nach Art.  253 EGV (jetzt: Art.  296 AEUV) hätte die Kommission zumindest die ab­ sehbaren wettbewerblichen Folgen der Maßnahme in ihrer Begründung erläutern müssen. Eine allgemeingehaltene Darstellung dahingehend, dass das begünstigte Unternehmen im innergemeinschaftlichen Handel tätig ist und einen finanziellen Vorteil erlangt, reiche in dem konkreten Falle nicht aus. Vielmehr hätte die Kom­ mission zeigen müssen, warum die zur Stärkung des Exportes nach Asien durch­ geführte italienische Fördermaßnahme konkrete Auswirkungen auf den Handel in der Union haben sollte640. Der Gerichtshof bestätigte die Entscheidung des Gerichts. Dabei betonte er, dass die Kommission sich zwar grundsätzlich auf die widerlegliche Vermutung stützen könne, dass die finanzielle Besserstellung eines Unternehmens gegenüber seinen Wettbewerbern durch eine Beihilfe eine Wettbewerbsverfälschung indi­ ziert641. Dennoch müsse die Kommission auch in solchen Fällen die wettbewerb­ lichen Folgen der Maßnahme aufzeigen. Soweit bei einer mitgliedstaatlichen Un­ 636

Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1075 f. EuGH, Urt. v. 30.04.2009, Rs. C-494/06 P – Wam SpA. 638 Farley, EStAL 2010, S. 369 f. 639 Kommission, Ent. v. 19.05.2004, Az. C (2004) 1812, ABl. 2006 L 63/11, Rn. 75 – Wam SpA. 640 EuG, Ent. v. 06.09.2006, Rs. T-304/04 u. T-316/04, Rn. 74 ff. – Wam SpA. 641 EuGH, Ent. v. 30.04.2009, Rs. C-494/06 P, Rn. 50 ff. – Wam SpA. 637

252

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

ternehmensförderung naheliegt – wie im Falle der Wam SpA –, dass diese keine direkten Auswirkungen auf den Wettbewerb in der Union hat, kommt der wider­ leglichen Vermutung der Wettbewerbsverfälschung nur geringes Gewicht zu. Viel­ mehr müsse die Kommission dann eine umfassendere individuelle Begründung ih­ rer Entscheidung vorlegen642. Nachdem einige Kommentatoren nach der Entscheidung des Gerichts angenom­ men hatten, dass es sich um einen „Wendepunkt“ in der Rechtsprechung zum Merkmal der Wettbewerbsverfälschung im Beihilfenrecht handelte643, schränkte das Urteil des Gerichtshof diese Erwartung wieder ein. Entgegen der etwa von Jaeger vertretenen Auffassung, dass die Kommission grundsätzlich zu einer detaillier­ ten Analyse der wettbewerblichen Auswirkungen der mitgliedstaatlichen Begüns­ tigungen verpflichtet werden sollte, forderte der Gerichtshof nämlich allein eine hinreichende Begründung ihrer Entscheidungen. Der Kommission verbleibt aus­ drücklich weiterhin die Möglichkeit, sich in weniger komplexen Fällen allein auf die widerlegliche Vermutung der wettbewerbsverfälschenden Auswirkungen einer selektiven Begünstigungsmaßnahme zu stützen. Dabei ist sie weder gehalten, eine genauere Marktabgrenzung vorzunehmen, noch die spezifischen Strukturen des relevanten Marktes näher zu untersuchen. Insoweit bestätigte der Gerichtshof die seit der Philip Morris-Entscheidung von der Kommission in ihrer Rechtspraxis an­ gewendete weite Auslegung des Begriffs der Wettbewerbsverfälschung644. Darüber hinaus – und das ist der eigentlich interessante Teil der Entscheidung – stellt der Gerichtshof jedoch klar, dass ein Rückgriff der Kommission auf die wi­ derlegliche Vermutung des Vorliegens einer Wettbewerbsverfälschung in kom­ plexeren Fällen zwar weiterhin zulässig bleibt, allein für sich jedoch nur einen schwachen Anhaltspunkt darstellt645. Je mittelbarer und weniger eindeutig fass­ barer sich die wettbewerblichen Auswirkungen einer mitgliedstaatlichen Förder­ maßnahme darstellen, desto größeren Begründungsaufwand muss die Kommis­ sion betreiben, um das Bestehen einer Wettbewerbsverfälschung aufzuzeigen646. Der Gerichtshof verbindet damit die juristische Konstruktion der widerleglichen Vermutung mit einem graduell ansteigenden Begründungserfordernis, je nachdem, wie direkt oder indirekt sich die Auswirkungen einer Maßnahme darstellen647. Im Ergebnis kommt er dabei sowohl den Interessen der Union an der effizienten Durchsetzung des Wettbewerbsrechts als auch dem berechtigten Anliegen der Mit­ gliedstaaten entgegen, eine hinreichende und im Zweifel gerichtlich überprüfbare Begründung der Kommissionsentscheidung zu erhalten.

642

EuGH, Ent. v. 30.04.2009, Rs. C-494/06 P, Rn. 59 ff. – Wam SpA. Siehe etwa Spector, in: OECD, Policy Roundtables: Competition, State Aids and Sub­ sidies 2010, S. 17, 22; Gedanke aufgegriffen bei Farley, EStAL 2010, S. 369, 370. 644 So auch Farley, EStAL 2010, S. 369, 373. 645 Ebd. 646 Ebd. 647 Ähnlich Farley, EStAL 2010, S. 369, 373 f. 643

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

253

Leider bleibt der Gerichtshof allerdings vage darin, was genau er unter einer „genaueren Begründung“648 der Kommission versteht. In der Literatur wird teil­ weise angenommen, dass die Kommission durch diese Vorgabe des Gerichts­ hofs keineswegs dazu verpflichtet wurde, eine vollständige wirtschaftliche Unter­ suchung der betroffenen Märkte und der Effekte der Förderung vorzunehmen649. Auch wenn es nicht abwegig erscheint, dieses Ergebnis aus dem wenig konkret formulierten Wam SpA-Urteil herzuleiten, so ist es bei einer Gesamtbetrachtung der Entscheidung allerdings keineswegs zwingend. In besonders komplexen Fäl­ len – etwa bei den oben dargestellten Konstellationen einer mittelbaren Begüns­ tigungswirkung einer Maßnahme über mehrere wirtschaftliche Ebenen und ver­ schiedene Märkte650 – kann nach den Grundsätzen aus Wam SpA sehr wohl eine umfassende ökonomische Analyse zur Begründung der Ergebnisse der Kommis­ sion erwartet werden. Gegebenenfalls kann nämlich nur so dem Interesse der Mit­ gliedstaaten an einer hinreichend transparenten und nachvollziehbaren Entschei­ dung entsprochen werden. Auch wenn eine solche umfassende Analyse der Wettbewerbsverfälschung nach dem Wam SpA-Urteil keineswegs als Standard bei einer Vielzahl von Beihilfenent­ scheidungen angesehen werden kann, ist ein solches Erfordernis gerade im Infra­ strukturbereich jedoch auch nicht pauschal ausgeschlossen, wie im Weiteren ge­ zeigt wird. 4. Zusammenfassung Traditionell verfolgten Kommission und Gerichte ein weites Verständnis der Wettbewerbsverfälschung bei Art.  107 Abs.  1 AEUV. Die Kommission be­ schränkte sich nach der Philip Morris-Formel regelmäßig auf eine kursorische Un­ tersuchung der wettbewerblichen Auswirkungen einer mitgliedstaatlichen Unter­ nehmensbegünstigung. Im Zuge der Beihilfenreform von 2005 wurde diskutiert, ob das Tatbestandsmerkmal der Wettbewerbsverfälschung beim Beihilfenverbot zukünftig ein Einfallstor für eine genauere und stärker ökonomisch ausgerichtete Untersuchung der wettbewerblichen Auswirkungen von Beihilfen darstellen sollte. Der Gerichtshof hat sich den Forderungen einer solch weitgehenden Neuausrich­ tung der Beihilfenprüfung in einer jüngeren Entscheidung nicht angeschlossen. Gleichwohl betonte er dort, dass der Kommission ein pauschaler Rückgriff auf die Vermutung der wettbewerbsverfälschenden Wirkung mitgliedstaatlicher Beihilfen nicht in allen Fällen möglich ist. Zeitigt eine mitgliedstaatliche Maßnahme wenig evidente und allenfalls indirekte Auswirkungen auf den Wettbewerb im Binnen­ markt, so hat die Kommission näher zu begründen, aus welchem Grunde sie im Einzelfall das Vorliegen einer Wettbewerbsverfälschung annimmt. 648

EuGH, Ent. v. 30.04.2009, Rs. C-494/06 P, Rn. 62 – Wam SpA. Farley, EStAL 2010, S. 369, 373. 650 Siehe oben Kap. 4, B. III. 649

254

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

II. Die jüngere Rechtspraxis im Infrastrukturbereich 1. Ansätze einer intensivierten Untersuchung des Merkmals der Wettbewerbsverfälschung im Infrastruktursektor Als wesentliche Begründung für die Veränderung ihrer beihilfenpolitischen Pra­ xis im Infrastruktursektor nannte die Kommission wiederholt die Entwicklung der wirtschaftlichen Gegebenheiten in diesem Bereich651. Danach haben sowohl die organisatorischen als auch die wettbewerblichen Umstände auf diesem Gebiet in den vergangenen Jahren einen erheblichen Wandel erfahren. Eine Vielzahl ehema­ liger staatlicher Monopole (etwa im Energieversorgungs-, Telekommunika­tionsund Bahnbereich) wurde in regulierte wettbewerbliche Strukturen überführt. Auch bei anderen Infrastrukturarten ist – teilweise zumindest in Ansätzen – Wettbewerb entstanden652. So unterschiedlich auch im Einzelfall die Gründe für diese Entwicklung sein mögen, so zeigt sie allgemein doch zunächst eines: Wettbewerbliche Struktu­ ren im Infrastrukturbereich sind  – aus ökonomischer wie aber auch aus politi­ scher Sicht – in den Mitgliedstaaten der Union keineswegs immer als Selbstver­ ständlichkeit betrachtet worden. Aufgrund seiner spezifischen wirtschaftlichen Eigenschaften prägen auch heute teilweise besondere wettbewerbliche Umstände den Infrastruktursektor im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen. Im Folgen­ den wird anhand einiger Beispiele dargestellt und kritisch beleuchtet, inwieweit diese sich in der jüngeren beihilfenrechtlichen Kommissionspraxis bei der Unter­ suchung des Merkmals der Wettbewerbsverfälschung in Infrastrukturfällen nieder­ geschlagen haben. a) Beispiele aus dem Bereich der Flughafeninfrastrukturen In der Entscheidung Flughafen Schiphol aus dem Jahr 2002 nahm die Kom­ mission beim Merkmal der Wettbewerbsverfälschung eine summarische Prüfung vor und betonte, dass sich Flughafeninfrastrukturbetreiber aufgrund der veränder­ ten wirtschaftlichen Umstände in diesem Bereich nicht mehr immer in der Posi­ tion eines lokalen Monopolisten befänden653. Vielmehr sei in jedem Einzelfall an­ hand der konkreten Gegebenheiten das Bestehen von Wettbewerb zu überprüfen. Als Kriterien für die wettbewerbliche Einordnung eines Flughafens kommen da­ nach die geografische Lage, der Umfang und die Art der von ihm ausgehenden Flugbewegungen und seine Funktion innerhalb des Verkehrsnetzes in Betracht654. 651

So ausdrücklich etwa Kommission, Ent. v. 03.10.2012, Az. SA.23600  – C 38/2008 (ex NN 53/2007), Rn. 74 ff. – Munich Airport Terminal 2. 652 Siehe dazu insbesondere oben Kap. 2, B. II., C. I. 2. b) aa) (3) und C. I. 2. b) bb). 653 Kommission, Ent. v. 03.07.2001, Az. E 45/2000, S. 4 f. – Schiphol Group. 654 Kommission, Ent. v. 03.07.2001, Az. E 45/2000, S. 4 – Schiphol Group.

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

255

In dem konkreten Fall stellte die Kommission fest, dass es sich bei dem Flug­ hafen Schiphol um ein internationales Drehkreuz handelte, das 42 % der Passa­ giere als Umsteiger nutzten. Darüber hinaus befand sich der Flughafen in einer verkehrsgünstigen Lage im Zentrum von Europa mit schneller Anbindung nach Deutschland und Belgien. Vor diesem Hintergrund nahm die Kommission an, dass Schiphol in einem Wettbewerbsverhältnis zu anderen Umsteigeflughäfen in der Union stand655. Auch wenn die Kommission in diesem Falle keine umfassende Marktabgren­ zung und -analyse vorgenommen hat, so zeigt ihr Begründungsaufwand doch zu­ mindest die Tendenz, dass eine Wettbewerbsverfälschung im Bereich der Flug­ hafeninfrastrukturbetreiber nicht völlig unproblematisch angenommen werden kann. Vielmehr hinterfragt und untersucht sie (wenn auch nicht sehr detailliert) die wettbewerblichen Umstände des Einzelfalls. Dies geht über die bloße Feststellung nach den Philip Morris-Grundsätzen hinaus, dass allein die finanzielle Besser­ stellung eines Unternehmens dessen Wettbewerbschancen gegenüber seinen Kon­ kurrenten verbessert und deshalb eine Wettbewerbsverfälschung indiziert. In den Luftverkehrs-Leitlinien 2005 griff die Kommission den seit der Schi­ phol-Entscheidung entwickelten Grundsatz auf, dass eine beihilfenrechtlich re­ levante Verfälschung des Wettbewerbs zwischen Flughafenbetreibern individuell zu analysieren ist. Aus diesem Grunde legte sie dort fest, dass die konkreten Wett­ bewerbsverhältnisse eines Flughafens in jedem Einzelfall zu untersuchen sind656. Um die jeweilige Einordnung zu erleichtern, entwickelte sie vier Kategorien von Flughäfen. Bei mitgliedstaatlichen Zuwendungen an große Flughäfen (Kategorien A und B) sieht die Kommission danach grundsätzlich die Gefahr, dass diese sich negativ auf den Wettbewerb zwischen den Flughafenbetreibern auswirken könn­ ten657. Bei Begünstigungen der kleineren Flughäfen (Kategorien C und D) seien solche Bedenken nicht in gleich erheblichem Maße gegeben. Gleichwohl gilt nach Auffassung der Kommission keine Vermutung dahingehend, dass Fördermaßnah­ men zugunsten kleinerer Flughäfen nicht zu Wettbewerbsverfälschungen führen könnten. Vielmehr sei auch in solchen Fällen die bereits angesprochene individu­ elle Untersuchung der wettbewerblichen Umstände erforderlich658. Obgleich die Kommission damit 2005 ihr methodisches Vorgehen für die zu­ künftige wettbewerbliche Bewertung von mitgliedstaatliche Zuwendungen an Flughafeninfrastrukturbetreiber klar umrissen hat, hielt sie sich in ihrer folgenden Rechtspraxis nicht durchgehend an ihre eigenen Maßstäbe. Vielmehr beließ sie es in einer Reihe von Folgeentscheidungen zu Flughafeninfrastrukturbetreibern bei der knappen, formelhaften Begründung des Vorliegens einer Wettbewerbs­ 655

Kommission, Ent. v. 03.07.2001, Az. E 45/2000, S. 5 – Schiphol Group. Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2005, Rn.  40; dazu Soltész, in: Montag/Säcker,­ MüKoWettbR, Bd. 3, Kap. F – Sektoren, Rn. 849. 657 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2005, Rn. 39. 658 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2005, Rn. 40. 656

256

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

beeinträchtigung aus der Philip Morris-Entscheidung, ohne auf die konkrete Wettbewerbssituation des jeweiligen Falles einzugehen659. Auch in den Luftver­ kehrs-Leitlinien 2014 greift sie den Ansatz einer genaueren Untersuchung der Wettbewerbsverhältnisse auf Tatbestandsebene nicht mehr auf und bleibt insoweit bei allgemeinen Ausführungen660. b) Beispiele aus dem Bereich der Rundfunk-Übertragungsinfrastrukturen Eine ausführliche Prüfung des Merkmals der Wettbewerbsverfälschung bei mitgliedstaatlicher Infrastrukturförderung findet sich in mehreren Kommissions­ entscheidungen aus dem Bereich der Rundfunk-Übertragungsinfrastrukturen. Her­ vorzuheben ist dabei die Entscheidung DVB-T Berlin/Brandenburg661. Darin dif­ ferenzierte die Kommission zunächst zwischen den verschiedenen betroffenen Märkten, namentlich denen der Sendeinfrastrukturbetreiber und denen der Rund­ funkanbieter. Damit setzte sie die bereits beim Merkmal der Begünstigung auf­ gegriffene Untersuchung hinsichtlich der mittelbaren Auswirkungen der Vorteils­ gewährung auf den unterschiedlichen Ebenen konsequent auch bei der Prüfung der Wettbewerbsverfälschung fort662. Darüber hinaus nahm sie eine genauere Markt­ abgrenzung vor, bei der sie sich ausdrücklich auf die einschlägigen Marktdefi­ nitionen in Kartell- und Fusionskontrollfällen aus diesem Bereich bezog663. Eine derart genaue Analyse der Wettbewerbsverhältnisse war entsprechend der all­ gemeinen Kommissionspraxis bis zu diesem Zeitpunkt auf der Tatbestandsebene von Art. 107 Abs. 1 AEUV äußerst ungewöhnlich und wurde in der Literatur mit Erstaunen aufgenommen664. Auch in der Entscheidung Italienische Decoder665 setzte sich die Kommis­ sion intensiv mit dem Merkmal der Wettbewerbsverfälschung auseinander, wenn auch nicht in gleich detailliertem Umfang wie in der Sache DVB-T Berlin/Brandenburg. Ein wesentliches Argument, auf das die Kommission die Annahme einer

659

Siehe aus jüngerer Zeit nur Kommission, Ent. v. 27.06.2012 (Einleitungsent.), Az. C 37/2007 (ex NN 36/2007) SA.23098, ABl. 2013 C 40/15, Rn. 170 f. – Aeroporto di Alghero; Kommission, Ent. v. 02.07.2009, Az. N 269/2009, Rn. 49 – Newquay Cornwall Airport; dazu Schrotz, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S.  278; ebenfalls tendenziell kritisch Soltész, in: Montag/Säcker, MüKoWettbR, Bd. 3, Kap. F – Sektoren, Rn. 850 m. w. N. 660 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 41 ff. 661 Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14 – DVB-T Ber­ lin/Brandenburg. 662 Vgl. zur ebenenübergreifenden Prüfung der Begünstigungswirkung oben Kap. 4, B. III. 663 Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14, Rn. 64 ff., insb. Rn. 77 – DVB-T Berlin/Brandenburg. 664 Siehe etwa Bartosch, RIW 2007, S. 681, 683 ff. 665 Kommission, Ent. v. 24.01.2007, Az. C 52/2005 (ex NN 88/2005, ex CP 101/2004), ABl. 2007 L 147/1 – Italienische Decoder; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 28.07.2011, Az. C-403/10 P – Italienische Decoder.

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

257

Wettbewerbsbeeinträchtigung in diesem Falle stützte, war die fehlende technische Neutralität der Fördermaßnahme. Danach verschaffte diese einseitig der DVB-TTechnologie und damit auch den DVB-T-Sendeinfrastrukturbetreibern einen Wett­ bewerbsvorteil gegenüber anderen Übertragungsinfrastrukturbetreibern, etwa Sa­ telliten- und Kabelunternehmen666. In den Entscheidungen DVB-T Berlin/Brandenburg sowie Italienische Decoder zeigte der Einfluss des more economic approach in der beihilfenrechtlichen Prü­ fung der mitgliedstaatlichen Infrastrukturförderung beim Tatbestandsmerkmal der Wettbewerbsverfälschung deutliche Konturen. Umso erstaunlicher ist deshalb, dass sich in der weiteren Kommissionspraxis – ähnlich wie auch bei den Flughäfen  – wieder eine Tendenz dahingehend ab­ zuzeichnen scheint, die wettbewerbsverfälschenden Auswirkungen einer mitglied­ staatlichen Begünstigung auf Tatbestandsebene knapp und ohne genauere Prüfung zu unterstellen667. Teilweise lässt sich eine Verschiebung der genaueren Unter­ suchung der wettbewerblichen Umstände des Einzelfalls auf die Rechtfertigungs­ ebene finden, wo im Rahmen der im Zuge der Beihilfenreform 2005 eingeführ­ ten Abwägungsprüfung ein weiteres Mal die Frage der Wettbewerbsverfälschung umfassend aufgegriffen wird668. Da die Kommission dabei jedoch nicht in allen Fällen eine solch umfassende Wettbewerbsprüfung auf Vereinbarkeitsebene vor­ nimmt, kann nicht generell von einer bloßen Verlagerung des Untersuchungs­ standorts der Wettbewerbsbeeinträchtigung gesprochen werden669. Vielmehr zeigt sich insgesamt das Bild einer uneinheitlichen und methodisch wenig konsequen­ ten Rechtspraxis. c) Zusammenfassung In zeitlicher Nähe zur Einführung der verstärkten ökonomischen Betrachtung in der Beihilfenpolitik entwickelte die Kommission in mehreren Entscheidungen aus dem Infrastrukturbereich eine Neuorientierung bei der Prüfung des Merkmals der Wettbewerbsverfälschung bei Art.  107 Abs.  1 AEUV. Anstelle der früheren kursorischen Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals setzte sie sich nunmehr inten­ siv mit den individuellen Auswirkungen der mitgliedstaatlichen Fördermaßnahme auf den Wettbewerb auseinander. In jüngeren Entscheidungen tendiert sie dagegen 666

Kommission, Ent. v. 24.01.2007, Az. C 52/2005 (ex NN 88/2005, ex CP 101/2004), ABl. 2007 L 147/1, Rn. 102 ff. – Italienische Decoder. 667 Siehe etwa Kommission, Ent. v. 08.02.2012, Az. SA. 28685 (2011/NN), Rn. 37 f. – Di­ gital Television Cantabria; außerdem auch Kommission, Ent. v. 25.09.2007, Az. N 103/2007, Rn. 58 ff. – Digitaldecoder Soria. 668 Vgl. ausführlich dazu unten Kap. 4, E. I. 3. c) aa). 669 Siehe exemplarisch wiederum Kommission, Ent. v. 08.02.2012, Az. SA.28685 (2011/ NN) – Digital Television Cantabria, wo sie auf Vereinbarkeitsebene gar keine nähere Analyse der wettbewerblichen Umstände vornimmt.

258

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

wieder dazu, das Vorliegen der Wettbewerbsverfälschung knapp unter Verweis auf die niedrigen Anforderungen der Philip Morris-Rechtsprechung an diese Tat­ bestandsvoraussetzung zu bejahen. 2. Kritik der Literatur an der zeitweiligen Neuausrichtung der Kommissionspraxis und eigene Einschätzung Die in den angeführten DVB-T-Entscheidungen sowie der Rechtssache Italienische Decoder praktizierte intensive Prüfung der Wettbewerbsverfälschung auf der Beihilfentatbestandsebene wurde von einigen Literaturstimmen kritisiert. Ins­ besondere Bartosch bemängelte, dass die Kommission sich mit einer solch umfas­ senden Untersuchung selbst eine schwierige Hürde setze, obgleich sie nach der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs dazu gar nicht verpflichtet sei670. Des Weiteren merkt Bartosch an, dass Entscheidungen, in denen die Kommis­ sion nach intensiver Überprüfung das Vorliegen einer Beihilfe allein aufgrund des (angenommenen) Fehlens einer wettbewerbsverfälschenden Wirkung der mitglied­ staatlichen Maßnahme ablehnt, einer gerichtlichen Überprüfung bei der Klage eines Wettbewerbers nicht Stand halten würden. Die im Kartell- und Fusions­ kontrollrecht üblichen detaillierten Marktanalysen entsprächen nämlich nicht dem von der Rechtsprechung vorgegebenen Prüfungsstandard im Beihilfenrecht. Die­ ser erschöpfe sich vielmehr in den weitaus geringeren Anforderungen der Philip Morris-Rechtsprechung und erfordere damit nur eine kursorische Darstellung der möglichen wettbewerbsverfälschenden Auswirkungen einer mitgliedstaatlichen Beihilfenvergabe671. Die Kritik an der intensiven Prüfung des Merkmals der Wettbewerbsverfäl­ schung in einigen Kommissionsentscheidungen zu Infrastrukturbeihilfen erweist sich bei genauerer Betrachtung als nicht stichhaltig. Den von Bartosch als Ne­ gativbeispiele angeführten deutschen DVB-T-Entscheidungen sowie die Rechts­ sache Italienische Decoder liegen mitgliedstaatliche Fördermaßnahmen zugrunde, die wettbewerbliche Auswirkungen auf verschiedenen Märkten mit sich brachten. Bereits die Untersuchung, inwieweit die Vorteilsgewährung auf den unterschied­ lichen Marktebenen zu einer Begünstigung der Beteiligten führt, erwies sich in diesen Fällen als äußerst komplex. Folgt man der mittlerweile vom Gerichtshof bestätigten672 und auch hier vertretenen Auffassung, dass mitgliedstaatliche Zu­ wendungen nicht nur den unmittelbaren Empfänger begünstigen, sondern darüber hinaus auch mittelbare Begünstigungswirkung auf anderen Marktebenen entfalten können, so ist es nur konsequent, sich mit den Auswirkungen einer solchen Maß­ nahme auch im Rahmen der Wettbewerbsverfälschung näher auseinanderzusetzen. Gerade im Infrastrukturbereich, in dem es in vielen Fällen enge wirtschaftliche 670

Bartosch, RIW 2007, S. 681, 687. Bartosch, RIW 2007, S. 681, 687 f. 672 EuGH, Urt. v. 28.07.2011, Az. C-403/10 P – Italienische Decoder. 671

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

259

Verflechtungen zwischen verschiedenen Märkten und Marktebenen gibt, wären die Interessen der Mitgliedstaaten kaum gewahrt, wenn bei von der Kommission ermittelten mittelbaren Auswirkungen einer Begünstigungsmaßnahme deren wett­ bewerbsverfälschender Charakter ohne nähere Untersuchung als indiziert angese­ hen werden würde673. Vielmehr kommt gerade in diesem Zusammenhang der bereits im Rahmen der mittelbaren Begünstigung von Infrastrukturunternehmen vorgebrachte Ein­ wand der begrenzten Zuständigkeit der Kommission in diesem Bereich zum Tra­ gen. Die Überprüfungskompetenz der Kommission nach Art. 107 Abs. 1 AEUV beschränkt sich nämlich sowohl nach Wortlaut als auch nach Systematik der Vorschrift ausschließlich auf wettbewerblich relevante mitgliedstaatliche Infra­ strukturförderungsmaßnahmen674. Auch wenn der Begriff der Wettbewerbsver­ fälschung im Beihilfenrecht traditionell weit ausgelegt wird, so zeigt doch die jüngste Praxis des Gerichtshofs mit der Entscheidung Wam SpA, dass eine allein auf Vermutungen gestützte Annahme dieses Tatbestandsmerkmals nicht unter al­ len Umständen als ausreichend erachtet werden kann675. Obwohl diese Entschei­ dung keine Infrastrukturfinanzierung, sondern Exportbeihilfen betraf, lässt sich der Grundgedanke des Urteils übertragen: Dort, wo die direkten oder indirekten wettbewerblichen Auswirkungen einer mitgliedstaatlichen Fördermaßnahme nicht offensichtlich sind, bedürfen die Kommissionsentscheidungen eines höheren Be­ gründungsaufwands676. Gerade in Bereichen wie dem Infrastruktursektor, wo die Kompetenzen der Union begrenzt und die wettbewerblichen Auswirkungen von mitgliedstaatlich Förderungsmaßnahmen in vielen Fällen kaum als evident be­ trachtet werden können, ist es daher nur konsequent, eine genauere Untersuchung der individuellen wettbewerblichen Umstände des Einzelfalls von der Kommission zu fordern677. Gegebenenfalls ist deshalb tatsächlich eine umfassende Analyse der betroffenen Märkte sowie der wettbewerblichen Konsequenzen der mitgliedstaat­ lichen Maßnahme notwendig678. Soweit eine derart genaue Untersuchung im Ein­ zelfall erforderlich ist, um die Interessen des betroffenen Mitgliedstaats zu wahren, darf die Kommission nicht pauschal auf die in weniger komplexen Fällen zuläs­ sige Vermutung einer Wettbewerbsverfälschung nach der Philip Morris-Entschei­ dung zurückgreifen.

673

Vgl. auch Koenig, EStAL 2011, S. 395 ff. Ähnlich, allerdings allgemeiner und ohne konkreten Bezug zum Infrastrukturbereich Heiden­hain, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 4 Rn. 75. 675 Dazu ausführlich oben Kap. 4, C. I. 3. 676 Siehe auch Mellwig, Infrastruktur in Häfen, S. 140 f. 677 Offen in diese Richtung auch Lübbig/Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 140 f. 678 In diese Richtung auch Jaeger, WuW 2008, S.  1064, 1075 f.; Koenig, EStAL 2011, S. 395 ff.; kritisch Bartosch, EU-Beihilfenrecht Art. 87 Abs. 1 EGV, Rn. 129 sowie Bartosch, RIW 2007, S. 681, 687 f. 674

260

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

3. Zusammenfassung Die jüngere Kommissionspraxis zur mitgliedstaatlichen Infrastrukturförderung zeigt beim Merkmal der Wettbewerbsverfälschung nach Art.  107 Abs.  1 AEUV eine uneinheitliche Linie. Während sich zeitweilig eine Tendenz dahin abzeich­ nete, dass dieses Tatbestandserfordernis intensiv geprüft wurde, beschränkt sich die Kommission in jüngeren Entscheidungen wieder verstärkt auf eine knappe Analyse nach der Philip Morris-Formel des Gerichtshofs. Die zeitweilig verfolgte umfassende Untersuchung der Wettbewerbsverfälschung auf Tatbestandsebene wurde in der Literatur dafür kritisiert, dass sie nicht den Vorgaben der Recht­ sprechung entspreche. Diese Kritik ist nach der hier vertretenen Auffassung zu­ rückzuweisen. Vielmehr ist im Lichte jüngerer Entscheidungen der europäischen Gerichte im Gegenteil sogar anzunehmen, dass hohe Anforderungen an die Be­ gründung der Kommission beim Merkmal der Wettbewerbsverfälschung zu stellen sind, soweit die wettbewerblichen Auswirkungen einer mitgliedstaatlichen Förder­ maßnahme nicht evident sind. Gerade im Infrastrukturbereich mit seinen komple­ xen Marktstrukturen und denkbaren Auswirkungen einer mitgliedstaatlichen Un­ terstützung auf verschiedenen Marktebenen ist aus diesem Grunde eine genauere Untersuchung der wettbewerblichen Umstände des Einzelfalls schon auf Tatbe­ standsebene des Art. 107 Abs. 1 AEUV regelmäßig geboten. Nur auf diese Weise kann dem Interesse der Mitgliedstaaten am Schutz ihrer allgemeinen Kompetenz für die Infrastrukturpolitik genüge getan werden. Eingriffe der Kommission in mit­ gliedstaatliche Infrastrukturmaßnahmen müssen sich nach der Zuständigkeitsver­ teilung zwischen Union und Mitgliedstaaten auf den Schutz des Wettbewerbs in diesem Bereich beschränken. Die Kommission ist dazu gehalten, die Beachtung dieses Grundsatzes auch in ihren individuellen Entscheidungen zu Infrastruktur­ beihilfen zum Ausdruck zu bringen.

III. Erfordernis einer einheitlichen Methodik, insbesondere zur Marktabgrenzung Nachdem nunmehr festgestellt wurde, dass bei der Prüfung des Tatbestands­ merkmals der Wettbewerbsverfälschung bei Art. 107 Abs. 1 AEUV bei der mit­ gliedstaatlichen Finanzierung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen eine umfassende Analyse der wettbewerblichen Auswirkungen der Fördermaß­ nahme erfordern kann, sollen im Folgenden die wichtigsten Aspekte des metho­ dischen Vorgehens bei einer solchen Untersuchung skizziert werden. Ähnlich wie auch im Kartellrecht und der Fusionskontrolle kommt dabei zu­ nächst vor allem der Bestimmung des betroffenen sachlich und geographisch rele­ vanten Marktes bzw. der entsprechenden relevanten Märkte besondere Bedeutung zu. Aus der bisherigen Kommissionspraxis zum Beihilfenrecht im Allgemeinen und zur beihilfenrechtlichen Überprüfung von Infrastrukturmaßnahmen im Be­

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

261

sonderen lassen sich allerdings allenfalls einzelne Prüfungsbruchstücke zur Markt­ abgrenzung zusammentragen679. Auch wenn die Kommission infolge der Beihil­ fenreform von 2005 nunmehr selbst eine umfassendere Auseinandersetzung mit den wettbewerblichen Auswirkungen der Beihilfenvergabe als Ziel ausgibt680 und aus diesem Grunde auch eine individuelle Marktabgrenzung in den einzelnen Ent­ scheidungen zu erwarten sein könnte, bleibt sie in der Rechtspraxis in dieser Hin­ sicht bei der Tatbestandsprüfung des Art.  107 Abs.  1 AEUV weiterhin zurück­ haltend681. Zumeist beschränkt sie sich auf allgemeinere Feststellungen zu den (potentiell) betroffenen Märkten. In dem Allgemeine Grundsätze-Papier geht sie zwar auf das Erfordernis einer Marktabgrenzung auch in beihilfenrechtlichen Ent­ scheidungen ein und erläutert einige Aspekte hierzu682, bleibt zu den spezifischen Besonderheiten der Methodik im Beihilfenrecht gegenüber dem Kartell- und Fusions­kontrollrecht jedoch knapp. Im Folgenden sollen, ausgehend von den in Literatur und Rechtspraxis bereits über längere Zeit ausgeformten allgemeinen Grundsätzen zur Marktabgrenzung in diesen Bereichen des Europäischen Wettbewerbsrechts, Ideen für eine einheit­ liche Methodik bei der beihilfenrechtlichen Marktabgrenzung im Allgemeinen so­ wie bei Infrastrukturbeihilfen im Besonderen dargestellt werden. 1. Marktabgrenzung im Europäischen Kartellund Fusionskontrollrecht Die Marktabgrenzung im Europäischen Kartell- und Fusionskontrollrecht dient als Grundlage für die Ermittlung, welche Struktur auf einem bestimmten Markt besteht, welche Marktstellung ein oder mehrere Unternehmen haben und in­ wieweit diese über Marktmacht verfügen. Erst mit diesem Wissen kann etwa festgestellt werden, ob einem Unternehmen der Missbrauch einer marktbeherr­ schenden Stellung im Sinne des Art. 102 AEUV vorgeworfen werden kann oder inwieweit der Zusammenschluss von zwei Unternehmen „eine Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung“ entsprechend Art. 2 Abs. 3 FKVO be­ wirken kann.

679

So etwa aus Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14, Rn. 64 ff. – DVB-T Berlin/Brandenburg. 680 Siehe Kommission, Aktionsplan, Rn. 22; dazu Lübbig/Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 109 f. 681 Dies stellt auch Bartosch, EU-Beihilfenrecht Art. 87 Abs. 1 EGV, Rn. 129, fest, der die fehlende Fortentwicklung einer Prüfung der Wettbewerbsverfälschung bei Art.  107 Abs.  1 AEUV jedoch begrüßt. Zu einzelnen Ausnahmen aus dem Infrastrukturbereich siehe oben Kap. 4, C. II. 1. 682 Nota bene: Die Grundsätze zur Marktabgrenzung erklärt die Kommission im Kontext der Vereinbarkeitsprüfung, was für die anzuwendende Methodik als solcher jedoch keinen Unter­ schied macht.

262

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Die wesentlichen Grundsätze der Marktabgrenzung hat die Kommission in der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft683 niedergelegt. Sie erfolgt nach dem sogenann­ ten Bedarfsmarktkonzept684 (auch Konzept der funktionalen Austauschbarkeit685 genannt). Danach kommt es für die Einbeziehung eines Produkts oder einer Dienstleistung in einen bestimmten sachlich und räumlich relevanten Markt auf die funktionelle Austauschbarkeit aus Sicht der Marktgegenseite an686. Die Kommission führt dazu näher aus, dass Wettbewerbsdruck auf Unternehmen im Wesentlichen in drei Formen ausgeübt wird: durch Nachfragesubstituierbarkeit, durch Angebotssubstituierbarkeit und durch potentiellen Wettbewerb687. Nachfra­ gesubstituierbarkeit meint dabei die Möglichkeit der Abnehmer, auf ein anderes Produkt bzw. eine andere geographische Region zur Befriedigung ihrer Nachfrage auszuweichen688. Bei der Angebotssubstituierbarkeit wird demgegenüber die Mög­ lichkeit der Anbieter ähnlicher Produkte untersucht, flexibel und ohne größeren Auf­ wand und Kosten ihr Angebot auf die von dem zu untersuchenden Unternehmen hergestellten Produkte umzustellen689. Potentieller Wettbewerb schließlich meint den Markteintritt weiterer Unternehmen, die das entsprechende Produkt anbieten690. Während durch die Nachfragesubstituierbarkeit nach Auffassung der Kommis­ sion die stärksten „Wettbewerbskräfte“ wirken, sind diese bei der Angebotssub­ stituierbarkeit schwächer und bedürfen deshalb einer genaueren Analyse und Be­ gründung691. Potentiellen Wettbewerb schließlich berücksichtigt sie auf Ebene der Marktabgrenzung regelmäßig noch gar nicht und misst ihm erst in der folgenden Untersuchung der Wettbewerbsverhältnisse eine nähere Bedeutung zu692. Für die Bestimmung des möglichen Wettbewerbsdrucks wendet die Kommis­ sion in ständiger Rechtspraxis den sogenannten hypothetischen Monopolistentest693 an (auch SSNIP-Test genannt für Small but significant non-transistory incrase in price-Test694). Die Kommission erläutert die Durchführung dieses Tests folgendermaßen: 683

Kommission, Bekanntmachung Definition des relevanten Marktes. Dazu nur Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU Art.  102 Rn.  48 m. w. N.; aus jüngerer Zeit ausführlich Lenßen, Der kartellrechtlich relevante Markt, S. 185 ff.; kritisch betrachtet beispielsweise bei Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmiss­ brauch, S. 270 ff. 685 Siehe nur Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, S. 275. 686 Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art. 102 Rn. 49. 687 Kommission, Bekanntmachung Definition des relevanten Marktes, Rn. 13 ff. 688 Kommission, Bekanntmachung Definition des relevanten Marktes, Rn. 15 ff. 689 Kommission, Bekanntmachung Definition des relevanten Marktes, Rn. 20 ff. 690 Kommission, Bekanntmachung Definition des relevanten Marktes, Rn. 24. 691 Kommission, Bekanntmachung Definition des relevanten Marktes, Rn. 13. 692 Kommission, Bekanntmachung Definition des relevanten Marktes, Rn. 24. 693 Dazu Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art. 102 Rn. 50. 694 Siehe etwa Niels/Jenkins/Kavanagh, Economics for Competition Lawyers, S.  37 ff. mit einer Darstellung der ökonomischen Grundlagen zu diesem Test. 684

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

263

„Die zu beantwortende Frage lautet, ob die Kunden der Parteien als Reaktion auf eine an­ genommene kleine, bleibende Erhöhung der relativen Preise (im Bereich zwischen 5 und 10 %) für die betreffenden Produkte und Gebiete auf leicht verfügbare Substitute auswei­ chen würden. Ist die Substitution so groß, dass durch den damit einhergehenden Absatz­ rückgang eine Preiserhöhung nicht mehr einträglich wäre, so werden in den sachlich und räumlich relevanten Markt so lange weitere Produkte und Gebiete einbezogen bis kleine, dauerhafte Erhöhungen der relativen Preise einen Gewinn einbringen würden.“695

Bei der Feststellung, inwieweit ein bestimmtes Produkt oder eine spezifische Dienstleistung sachlich als substituierbar anzusehen ist, stellt die Kommission auf unterschiedliche Faktoren ab. Dazu gehören etwa der tatsächlich erfolgte Aus­ tausch in jüngerer Zeit, die Sicht von Kunden und Wettbewerbern oder die für die Nachfrager mit einer Umstellung verbundenen Kosten696. Auch bei der Bestim­ mung der räumlichen Austauschbarkeit berücksichtigt die Kommission verschie­ dene Aspekte, etwa bestehende Belege für ein entsprechendes Ausweichen von Nachfragern, Präferenzen von Kunden und Wettbewerbern oder mit der Substitu­ tion verbundene Schranken und Kosten697. 2. Besonderheiten bei der Marktabgrenzung im Beihilfenrecht Die Grundsätze zur Marktabgrenzung im Europäischen Kartell- und Fusions­ kontrollrecht lassen sich entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung698 nicht ohne weitere Anpassung auf die Marktabgrenzung im Beihilfenrecht übertragen. Dies folgt schon daraus, dass mit der Marktabgrenzung unterschiedliche Zwecke verfolgt werden. Bei der beihilfenrechtlichen Marktabgrenzung ist der Aspekt, ob es sich bei dem Empfänger der Beihilfe um ein marktmächtiges Unternehmen han­ delt, nur von nebengeordnetem Interesse. Vielmehr ist die Marktabgrenzung im Beihilfenrecht wichtig, um festzustellen, auf welchen Märkten die mitgliedstaat­ liche Mittelvergabe sich auswirkt und welche Wettbewerber des begünstigten Un­ ternehmens damit potentiell durch die Beihilfengewährung beeinträchtigt wer­ den699. Im Folgenden werden die wichtigsten methodischen Unterschiede und ihre Gründe skizziert.

695 Kommission, Bekanntmachung Definition des relevanten Marktes, Rn. 17. Zuletzt auch aufgegriffen von der Rechtsprechung, siehe EuG, Urt. v. 15.12.2010, Az. T-427/08, Rn. 69 – CEAHR. 696 Kommission, Bekanntmachung Definition des relevanten Marktes, Rn. 38 ff. 697 Kommission, Bekanntmachung Definition des relevanten Marktes, Rn. 44 ff. 698 Siehe etwa von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd.  2, Art. 107 AEUV Rn. 67. 699 Fingleton/Ruane/Ryan, in: European Economy 3/1999, S. 65, 66 ff.; siehe auch die Über­ sicht zur Diskussion in der Literatur bei Nitsche/Heidhues, Impact of State Aid on Competition, S. 95 ff. m. w. N.

264

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

a) Keine Beschränkung auf einzelnen Produktmarkt Im Europäischen Kartell- und Fusionskontrollrecht beschränkt sich die Markt­ abgrenzung in vielen Fällen auf einzelne Produkte, nämlich solche, bezüglich de­ rer das Bestehen oder die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung des oder der zu untersuchenden Unternehmen anzunehmen ist. Demgegenüber ist im Beihilfenrecht nicht nur der einzelne Produktmarkt zu identifizieren, auf dem sich die mitgliedstaatliche Begünstigung auswirkt. Vielmehr sind gegebenenfalls meh­ rere Märkte zu berücksichtigen, auf denen das begünstigte Unternehmen tätig ist700. Begründung dafür ist erstens, dass die Begünstigung eines Unternehmens in einem Geschäftsbereich diesem zumindest potentiell die Möglichkeit der inter­ nen Quersubventionierung anderer Geschäftsfelder ermöglicht701. Selbst wenn eine solche interne Mittelverschiebung im Unternehmen ausgeschlossen werden kann, so kann zweitens potentiell dennoch durch die staatliche Förderung eines Geschäftsbereichs in anderen Unternehmensbereichen ein begünstigender Effekt eintreten. Dies ist etwa dann anzunehmen, wenn durch die Zuwendung der Wert des Unternehmens insgesamt steigt und dieses dadurch auch Vorteile in anderen Geschäftsbereichen realisieren kann702. Dazu gehört etwa die Möglichkeit, Kre­ dite zu günstigeren Konditionen aufzunehmen als zuvor. b) Berücksichtigung von vor- und nachgelagerten Marktstufen Neben den Märkten, auf denen das begünstigte Unternehmen selbst tätig ist, kommen darüber hinaus wettbewerbliche Auswirkungen der mitgliedstaatlichen Förderung auf vor- und nachgelagerten Märkten in Betracht (durch indirekte bzw. mittelbare Begünstigungen703)704. Aus diesem Grunde müssen auch diese Märkte bestimmt und abgegrenzt werden. Gerade hierfür fehlt in der Kommissionpraxis bislang eine einheitliche Methodik, wie im Folgenden noch konkret an Beispielen aus dem Infrastruktursektor aufgezeigt wird705.

700

Fingleton/Ruane/Ryan, in: European Economy 3/1999, S.  65, 76 f.; Haucap/Schwalbe, Economic Principles of State Aid Control, S. 22; siehe auch Koenig, JECLP 2012, S. 49, 51. 701 Groth, Die Dienstleistungskonzession, S. 266 ff. 702 Vgl. Groth, Die Dienstleistungskonzession, S. 268 f. 703 Siehe dazu oben Kap. 4, B. III. 704 Fingleton/Ruane/Ryan, in: European Economy 3/1999, S.  65, 76 ff.; Haucap/Schwalbe, Economic Principles of State Aid Control, S. 24; Koenig, JECLP 2012, S. 49, 51. 705 Vgl. Koenig, EStAL 2011, S. 395 ff.; ausführlich unten Kap. 4, C. III. 3. b).

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

265

c) Abwandlungen des SSNIP-Tests unter besonderer Berücksichtigung der umgekehrten Cellophane Fallacy Grundsätzlich kann auch bei der beihilfenrechtlichen Marktabgrenzung der SSNIP-Test angewendet werden, wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen und mit einigen Anpassungen. Entsprechend der Wirkung von mitgliedstaatlichen Zuwendungen an ein Un­ ternehmen muss untersucht werden, inwieweit eine Senkung der Preise des Un­ ternehmens dazu führt, dass es seinen Absatz steigern kann. Dabei können unter Umständen andere Kreuzpreiselastizitäten auftreten als im Falle einer Preisstei­ gerung706. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der SSNIP-Test die Aus­ wirkungen des tatsächlichen Beihilfenvolumens abbilden sollte. Dieses kann dazu führen, dass das begünstigte Unternehmen seine Preise möglicherweise um mehr als 5–10 % senken kann707. Schließlich ist das Phänomen der sogenannten umgekehrten Cellophane Fal­ lacy708 bei der Marktabgrenzung zu beachten709. Bei der Cellophane Fallacy710 im Kartellrecht bei Art. 102 AEUV handelt es sich um das Problem, dass im Falle eines bereits bestehenden überhöhten Preises eines Monopolunternehmens für ein bestimmtes Produkt die Marktabgrenzung zu weit gefasst werden kann. Dies ge­ schieht dadurch, dass aus Nachfragersicht auch teure Produkte als Substitut in Be­ tracht kommen, welche bei einem niedrigeren wettbewerbskonformen Produkt­ preis des Monopolisten von den Abnehmern nicht als Alternative wahrgenommen werden würden711. Im Falle der mitgliedstaatlichen Beihilfengewährung an ein Unternehmen kann der umgekehrte Fall eintreten: Aufgrund der niedrigen subventionierten Preise könnten Abnehmer davon absehen, einen Umstieg auf alternative, zu höheren (bei­ hilfenfreien) Marktpreisen angebotene Produkte in Betracht zu ziehen. Dies hätte eine zu enge Marktabgrenzung zur Folge712.

706

Nitsche/Heidhues, Impact of State Aid on Competition, S. 121 f. Ebd. 708 Siehe zum Begriff und Phänomen der „Reverse Cellophane Fallacy“ Froebs/Werden, RIO 1992, S. 241 ff. 709 Haucap/Schwalbe, Economic Principles of State Aid Control, S.  22f; Koenig, EStAL 2011, S. 395 ff. 710 Der Name leitet sich daraus her, dass dieses Problem erstmals im Zusammenhang mit der Marktabgrenzung bei Verpackungsmaterialien in einem Kartellrechtsverfahren in den USA dis­ kutiert wurde, nämlich United States v. E. I. du Pont de Nemours & Co., 351 U. S. 377 (1956); vgl. dazu die Darstellung bei Niels/Jenkins/Kavanagh, Economics for Competition Lawyers, S. 65 ff. 711 Niels/Jenkins/Kavanagh, Economics for Competition Lawyers, S. 65 f. 712 Haucap/Schwalbe, Economic Principles of State Aid Control, S.  22f; Koenig, EStAL 2011, S. 395 ff.; in diese Richtung auch Eilmannsberger, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 188 f. 707

266

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Teilweise wird im Kartellrecht angenommen, dass der SSNIP-Test aufgrund der Cellophane Fallacy als praktisches Instrument für die Marktabgrenzung gänz­ lich ungeeignet sei713. Dieser Kritik folgen jedoch bislang weder die Kommission in Kartellrechtsentscheidungen noch die Literatur zum Beihilfenrecht. In Letzte­ rer wird das Problem der umgekehrten Cellophane Fallacy bislang nur vereinzelt diskutiert714. Im Ergebnis wird – zutreffend – angenommen, dass der SSNIP-Test trotz seiner daraus resultierenden Einschränkungen ein methodisch zuverlässiges Instrument bleibt, solange die bekannten Schwierigkeiten bei seiner Anwendung bedacht werden715. In Fällen, in denen mit Hilfe eines reinen SSNIP-Tests die relevanten Märkte (wahrscheinlich) nur unzureichend erfasst werden können, ist darüber hinaus eine weitergehende Analyse erforderlich. Als ergänzendes Instrument sind hierbei ins­ besondere hypothetische Marktbetrachtungen unter Berücksichtigung von Um­ fragen zum Nachfrageverhalten unter Abnehmern, Wettbewerbern sowie Markt­ akteuren auf vor- und nachgelagerten Märkten denkbar. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit, ein realistisches Bild von den Gegebenheiten auf einem konkre­ ten Markt zu erhalten716. d) Im Regelfall keine Berücksichtigung von Angebotssubstitution und potentiellem Wettbewerb Des Weiteren findet eine mögliche Angebotssubstitution regelmäßig keine Be­ rücksichtigung in der beihilfenrechtlichen Marktabgrenzung. Der Grund hierfür liegt in der Natur der Angebotssubstitution: Im Kartell- und Fusionskontrollrecht prüft man den denkbaren Markteintritt von Wettbewerbern in einen bestimmten Produktmarkt im Falle der Preissteigerung des hypothetischen Monopolisten, in­ folge welcher die Produktion durch die Konkurrenten erst als rentabel eingestuft wird. Bei der Untersuchung der wettbewerblichen Auswirkungen einer Beihilfe tritt jedoch gerade der gegenteilige Effekt ein, nämlich dass das begünstigte Unter­ nehmen seine Preise potentiell senken kann. Aus diesem Grunde sollen eine Ange­ botssubstitution und potentieller Wettbewerb erst auf einer der Marktabgrenzung nachfolgenden Stufe berücksichtigt werden717.

713

So etwa Bulst, in: Langen/Bunte, EU-Kartellrecht, Art.  102 AEUV Rn.  40 m. w. N.; aufgegriffen bei Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art.  102 AEUV Rn. 52. 714 Haucap/Schwalbe, Economic Principles of State Aid Control, S.  22 f.; Koenig, EStAL 2011, S. 395 ff. 715 Haucap/Schwalbe, Economic Principles of State Aid Control, S. 23; Koenig, EStAL 2011, S. 395 ff. 716 Vgl. Haucap/Schwalbe, Economic Principles of State Aid Control, S. 23 m. w. N. 717 Zum Ganzen Nitsche/Heidhues, Impact of State Aid on Competition, S. 121 f.

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

267

3. Besonderheiten der Marktabgrenzung bei der mitgliedstaatlichen Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen Die Besonderheiten der Marktabgrenzung im Beihilfenrecht spiegeln sich ex­ emplarisch bei der beihilfenrechtlichen Untersuchung der mitgliedstaatlichen För­ derung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen wider. Auch wenn bei der individuellen Marktabgrenzung jeweils die besonderen Umstände des Einzel­ falls zu berücksichtigen sind, können einige allgemeine Grundsätze festgestellt werden. a) Berücksichtigung aller Geschäftsbereiche eines Infrastrukturbetreibers Zunächst sind auch bei der mitgliedstaatlichen Förderung von Infrastruktur­ betreibern alle Geschäftsbereiche und damit potentiell relevanten Märkte zu er­ mitteln, auf denen das Unternehmen tätig ist und sich die Zuwendung wettbewerb­ lich auswirken kann. Dies können zum einen vom unmittelbar begünstigten Bereich des Infrastrukturbetriebs geschäftlich weitgehend unabhängige Unter­ nehmenstätigkeiten sein, wie sie vor allem bei größeren Unternehmen und Kon­ zernen vorliegen können, bei denen der Infrastrukturbetrieb nur einen einzelnen Teilbereich der wirtschaftlichen Gesamtaktivitäten ausmacht718. Andererseits kön­ nen Infrastrukturunternehmen allerdings auch über Geschäftsbereiche verfügen, die eine spezifische Nähe zu dem begünstigten Infrastrukturbetrieb aufweisen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Infrastrukturbetreiber (Betrei­ berebene)  selbst oder mittels eines vertikal integrierten Unternehmens auch In­ frastrukturdienstleistungen (Nutzerebene)  anbietet. Gerade in diesen Fällen ist eine genauere Marktabgrenzung sinnvoll, um zu ermitteln, welche Wettbewer­ ber (potentiell) durch die Begünstigung des Infrastrukturbetreibers beeinträchtigt­ werden719. b) Berücksichtigung vor- und nachgelagerter Märkte des Infrastrukturbetriebs Letztlich kann sich jedoch auch unabhängig davon, ob der begünstigte Infra­ strukturbetreiber selbst auch auf vor- und nachgelagerten Märkten tätig ist, die mitgliedstaatliche Förderung des Infrastrukturbetriebs auch auf anderen Marktstu­ fen auswirken.

718

Vgl. Groth, Die Dienstleistungskonzession, S. 266 ff. Koenig, JECLP 2012, S. 49, 51; Koenig, EStAL 2011, S. 395 ff.

719

268

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der Begünstigung wurde dieses Phäno­ men umfassend erörtert: Zum einen kann ein öffentlicher Infrastrukturbetreiber selbst als Beihilfengeber anzusehen sein, wenn er Begünstigungen an Unterneh­ men auf anderen Marktstufen vergibt (z. B. in Form von marktunüblich nied­ rigen Entgelten für Infrastrukturnutzer)720. Dabei kann ein öffentlicher Infrastruk­ turbetreiber auch zugleich Vorteilsempfänger und -geber sein721. Daneben und darüber hinaus kann eine unmittelbare Zuwendung an einen öffentlichen oder privaten Infrastrukturbetreiber aber auch selbst eine mittelbare bzw. indirekte Be­ günstigungswirkung auf anderen Märkten entfalten722. In solchen Fällen ist es erforderlich, auch die vor- und nachgelagerten Märkte eines begünstigten Infrastrukturbetreibers zu identifizieren und abzugrenzen. Dies führt regelmäßig dazu, dass deutlich mehr Unternehmen wettbewerblich von den Auswirkungen einer Beihilfenvergabe betroffen sein können als bei einer isolier­ ten Betrachtung der Infrastrukturbetreiberebene. Verdeutlich werden soll dies an einem Beispiel von Verkehrsinfrastrukturen, wobei der Fokus auf der Berücksich­ tigung intermodaler Wettbewerbsverhältnisse liegt723: Die Städte A und B (Entfernung: 400 Km), zwischen denen als Industriezentren ein reger Reiseverkehr sowohl von Geschäfts- als auch von Privatpersonen besteht, verfügen jeweils über einen Flughafen, von dem Fluglinien in die jeweils andere Stadt verkehren, sowie über eine unmittelbare Verbindung mittels einer Eisenbahnstrecke. Wirkt sich ein aus mitglied­ staatlichen Mitteln finanzierter Ausbau der Eisenbahninfrastruktur zu einer Hochgeschwin­ digkeits-Strecke zulasten der beiden Flughafenbetreiber aus?

Ein erster Schritt der Untersuchung der wettbewerblichen Auswirkung der mit­ gliedstaatlichen Maßnahme besteht in einer Abgrenzung des sachlich und räumlich relevanten Marktes. Nach dem Bedarfsmarktkonzept ist dabei auf die Substituier­ barkeit des Produkts aus Sicht der Marktgegenseite abzustellen. Die Nachfrage nach den Infrastrukturen „Flughafen“ und „Eisenbahnschienen“ geht dabei von den entsprechenden Infrastrukturdienstleistern aus  – Luftverkehrsunternehmen und Eisenbahnverkehrsunternehmen. Aus deren Sicht sind die Infrastrukturen nicht austauschbar – Flugzeuge und Züge können die jeweils andere Infrastruktur­ einrichtung nicht nutzen. Auf dem nachgelagerten Infrastrukturdienstleistungsmarkt können aus Sicht der Endkunden die Leistungen aber möglicherweise als substituierbar angesehen 720

Siehe dazu oben Kap. 4, B. III. 1.; außerdem Koenig, EStAL 2011, S. 395 ff. So nunmehr ausdrücklich auch die Rechtsprechung, siehe EuG, Urt. v. 24.03.2011, Rs. T-443/08, Rn. 140 ff. – Flughafen Leipzig/Halle; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P – Flughafen Leipzig/Halle. 722 Siehe dazu ausführlich oben Kap. 4, B. III. 2. 723 Siehe dazu auch den Gedanken in Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn.  86: „Die mittelfristigen Auslastungsperspektiven müssen anhand zuverlässiger Prognosen (…) dargelegt werden und müssen auch die zu erwartenden Auswirkungen der Investition auf die Auslastung bereits bestehender Infrastruktur, wie (…) insbesondere HochgeschwindigkeitsZugverbindungen, aufzeigen.“ 721

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

269

werden. Dafür sind eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen, etwa die jewei­ lige Dauer der Reise, der Komfort, die Möglichkeit, während der Reise zu arbeiten oder spezifische Präferenzen der Kunden. Unterstellt man, dass eine Untersuchung (wozu auch Instrumente etwa einer Wettbewerber- und Kundenbefragungen her­ angezogen werden können) ergibt, dass die Endkunden die Produkte „Flugreise“ und „Eisenbahnreise“ für die Verbindung zwischen den Städten A und B als aus­ tauschbar erachten, so umfasst der relevante Markt sowohl das Angebot von auf dieser Strecke verkehrenden Luftverkehrsunternehmen als auch jenes von den Eisenbahnverkehrsunternehmen724. Da ohne genauere Untersuchungen der Möglichkeit einer Weitergabe der vom Mitgliedstaat gewährten Vorteile für den Infrastrukturbetreiber auch eine indi­ rekte Begünstigung auf dem nachgelagerten Markt der Eisenbahnverkehrsleistun­ gen nicht a priori ausgeschlossen werden kann, können zumindest potentiell auch Wettbewerbsverzerrungen zulasten der Luftverkehrsunternehmen auftreten. Die Wettbewerbsverfälschungen auf dem nachgelagerten Markt der Infrastruk­ turdienstleistungsunternehmen/Endkunden können sich indirekt wiederum auf die Infrastrukturbetreiberebene zurück auswirken. Führt die mitgliedstaatliche Be­ günstigung des Eisenbahninfrastrukturbetreibers in dem genannten Beispiel dazu, dass dieser die daraus gewonnenen Vorteile an die Eisenbahnverkehrsunternehmen weitergeben kann und dass diese daraufhin deutlich niedrigere Preise von den Endkunden verlangen können, so bestünde die Möglichkeit, dass Endkunden an­ stelle eines Fluges verstärkt eine (relativ günstigere)  Zugfahrt nutzen. Streichen Luftverkehrsunternehmen infolge des Kundenverlustes an die Eisenbahnverkehrs­ unternehmen nun Flugverbindungen zwischen A und B, so wirkt sich dies auch zu­ lasten des Flughafenbetreibers aus, der für die entfallenen Flüge keine Infrastruk­ turnutzungsgebühren von den Luftverkehrsunternehmen erhält. Diese Situation ähnelt einem Phänomen im Kartellrecht, das unter dem Begriff indirect constraints behandelt wird725. Auch dieses soll hier an einem Beispiel ver­ deutlicht werden726: Zwei Breitband-Infrastrukturbetreiber X und Y verfügen in einer Stadt Z jeweils über ein eigenes Breitband-Netz (Betreiberebene), das sich technisch jedoch vom jeweils anderen unterscheidet, so dass sie aus Sicht der Infrastruktur-Dienstleister (Nutzerebene) nicht aus­ tauschbar sind. Das Produkt der Infrastruktur-Dienstleister wiederum (Hochgeschwindig­ keits-Internetanschluss) ist aus Sicht der Endkunden jedoch austauschbar, so dass dem sach­ lich relevanten Endkunden-Markt alle Infrastrukturdienstleister unabhängig von der von ihnen genutzten Infrastruktur X oder Y zuzuordnen sind.

724

Ausführlich Steer Davies Gleave, Air and Rail Competition, S. 6 ff. Siehe dazu Edwards/Sorana, Indirect Constraints, S.  1 ff.; Inderst/Valletti, JCLE 2007, S. 203 ff. 726 Zu dem Beispiel vgl. auch Rundfunk und Telekom Regulierungs GmbH, Abgrenzung des Marktes für breitbandigen Zugang auf Vorleistungsebene, S. 57 ff. 725

270

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Erhöht Breitband-Infrastrukturbetreiber X nun die Infrastrukturnutzungsgebüh­ ren (Netzentgelte) gegenüber seinen Infrastruktur-Dienstleistern und müssen Letz­ tere die Preiserhöhung (zumindest in merklichem Umfang) an die Endkunden weitergeben, so könnte aus Sicht der Endkunden ein Wechsel zu InfrastrukturDienstleitern attraktiv werden, welche die nunmehr relativ günstigere BreitbandInfrastruktur Y nutzen. Diese Entwicklung könnte zu Lasten des Infrastruktur­ betreibers X gehen, im Extremfall etwa dann, wenn X-Infrastruktur-Dienstleister mangels Kunden aus dem Markt austreten müssen und somit auch keine Netz­ entgelte mehr zahlen. Der Wettbewerb auf dem nachgelagerten Endkunden-Markt kann somit bewir­ ken, dass der Infrastrukturbetreiber auf der vorgelagerten Marktstufe dazu diszip­ liniert wird, seine Preise nicht zu erhöhen, selbst wenn er bei einer engen Markt­ abgrenzung aus Sicht der Marktgegenseite (X-Infrastruktur-Dienstleister) nicht als austauschbar angesehen wird und somit gegebenenfalls sogar über ein Monopol auf dem sachlich relevanten Markt X-Infrastrukturbetrieb in der Stadt Z verfügt. Dieses Phänomen stellt einen sogenannten indirect constraint dar. Im Bereich der Telekommunikations-Regulierung vertreten mehrere nationale Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden in Europa deshalb die Auffassung, dass bei der Feststellung der Marktmacht von Telekommunikations-Infrastrukturbetrei­ bern eine weite Marktabgrenzung und Berücksichtigung des Wettbewerbs auf dem nachgelagerten Markt vorgenommen werden sollte und auch solche Infra­ strukturbetreiber dabei vom sachlich relevanten Markt umfasst werden, die aus unmittel­barer Sicht der Marktgegenseite (Infrastruktur-Dienstleister) aufgrund un­ terschiedlicher Techniken als nicht austauschbar erachtet werden727. Die Kommis­ sion geht in diesem Bereich dagegen davon aus, dass eine Berücksichtigung nicht im Rahmen der Marktabgrenzung sinnvoll ist, sondern erst auf nachgelagerter Ebene der Untersuchung der wettbewerblichen Umstände auf dem Markt728. Diese Überlegungen lassen sich – wie anhand des Verkehrsinfrastruktur-­Bei­ spiels gezeigt – auch auf das Beihilfenrecht sowie auf andere Infrastrukturarten übertragen. Mithin ist eine indirekte wettbewerbliche Beeinträchtigung des Flug­ hafenbetreibers durch die mitgliedstaatliche Förderung des Eisenbahninfrastruk­ turunternehmens denkbar. Dies könnte zum einen Berücksichtigung finden, in­ dem man den sachlich relevanten Markt des Eisenbahninfrastrukturbetriebs unter Beachtung der indirekten wettbewerblichen Beeinträchtigung weit ab­ gegrenzt und in die Marktdefinition auch Flughafeninfrastrukturen aufnimmt. Zum anderen könnte man allerdings auch den entsprechenden Markt ohne Be­ rücksichtigung der indirekten wettbewerbliche Beeinträchtigung eng abgrenzen und die wettbewerblichen Auswirkungen erst auf dem individuell untersuchten

727

Cardona/Schwarz/Yurtoglu/Zulehner, J Regul Econ 2009. S. 70, 73 m. w. N. Ebd.

728

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

271

nachgelagerten Markt der Luftverkehrs- und Eisenbahnverkehrsdienstleistungen berücksichtigen. Unabhängig von der im Zusammenhang der indirekten wettbewerbliche Beeinträchtigung gewählten Methodik ist im Rahmen der Untersuchung der Wett­ bewerbsverfälschung bei Art.  107 Abs.  1 AEUV grundsätzlich eine Bestim­ mung aller von der mitgliedstaatlichen Unternehmensbegünstigung beeinflussten Märkte vorzunehmen. Nur auf diese Weise können sämtliche von der Beihilfenge­ währung potentiell betroffenen Unternehmen auf dem unmittelbar sachlich rele­ vanten Markt sowie auf den vor- und nachgelagerten Märkten ermittelt werden729. c) Ausnahmsweise doch Berücksichtigung potentiellen Wettbewerbs Anders als für eine allgemeine beihilfenrechtliche Methodik zur Marktabgren­ zung teilweise vorgeschlagen, sollte im Sonderfall der mitgliedstaatlichen För­ derung des Infrastrukturbereichs potentieller Wettbewerb bereits auf Ebene der Marktabgrenzung berücksichtigt werden. Hintergrund ist, dass ansonsten die Gefahr einer zu kurzgegriffenen Bewertung bei Infrastrukturen besteht, die ge­ genwärtig eine Monopolstellung einnehmen, welche allerdings (ohne mitglied­ staatliche Vorteilsgewährungen an den Infrastrukturbetreiber) angreifbar wäre. Zu­ wendungen zugunsten eines zum Untersuchungszeitpunkt stabilen Monopolisten können grundsätzlich keine Auswirkungen auf den aktuellen Wettbewerb entfal­ ten, da Ergebnis der entsprechenden Marktabgrenzung gerade ist, dass auf dem entsprechenden Markt kein Wettbewerb besteht. Damit müsste auch eine Eröff­ nung des Art. 107 Abs. 1 AEUB abgelehnt werden730. Unberücksichtigt bliebe insoweit, dass die Begünstigung des Infrastruktur­ monopolisten unter Umständen dazu führen kann, dass dieser seine Monopol­ stellung gegenüber ansonsten in den Markt eintrittswilligen potentiellen Wett­ bewerbern behaupten kann (crowding out)731. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Zuwendungen an den Monopolisten es ihm ermöglichen, seine Leistungen zu künstlich niedrig gehaltenen Preisen anzubieten, während er bei fehlender Begüns­ tigung seine Preise derart hochsetzen müsste, dass Konkurrenzanbieter mit ihm in einen Preiswettbewerb treten könnten. Insoweit beruht die Stabilität seiner Mono­ polstellung allein auf der mitgliedstaatlichen Vorteilsgewährung, was einen wett­ bewerbsrechtlich relevanten Umstand darstellt, der im Rahmen der Prüfung der Wettbewerbsbeeinträchtigung berücksichtigt werden muss732. 729

Koenig, JECLP 2012, S. 49, 51; Koenig, EStAL 2011, S. 395 ff. Siehe Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rn. 31; ausführlich un­ ten Kap. 4, C. V. 731 Koenig, JECLP 2012, S. 49, 51; Koenig, EStAL 2011, S. 395 ff. 732 Siehe auch Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 4. 730

272

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

4. Zusammenfassung Kommission und Gerichtshof haben bislang keine einheitliche Methodik zur beihilfenrechtlichen Marktabgrenzung entwickelt. Grundzüge der Rechtspraxis aus dem Kartell- und Fusionskontrollrecht können auf die Marktabgrenzung im Beihilfenrecht übertragen werden, insbesondere die Anwendung des Bedarfsmarktkonzepts. Dennoch bedarf die beihilfenrechtliche Marktabgrenzung einiger spezifischer Modifikationen. Dazu gehören im Allgemeinen die Berücksichtigung aller potentiell betroffenen Geschäftsbereiche des begünstigten Unternehmens, die Berücksichtigung vor- und nachgelagerter Marktstufen, die Anpassung des SSNIP-Tests an das Beihilfenrecht sowie die Ausklammerung von Angebotssub­ stituierbarkeit und potentiellem Wettbewerb. Speziell im Infrastrukturbereich mit seinen wirtschaftlich eng verbundenen unterschiedlichen Marktebenen ist die Ab­ grenzung der verschiedenen vor-, nach- und nebengelagerten Märkte von beson­ derer Bedeutung, auf denen sich die mitgliedstaatliche Förderung auswirken kann. Darüber hinaus sind dort im Gegensatz zur allgemein vorgeschlagenen beihilfen­ rechtlichen Marktabgrenzungsmethodik auch die Angebotssubstituierbarkeit so­ wie potentieller Wettbewerb zu berücksichtigen, welchem ein nicht-begünstigter (Monopol-)Infrastrukturbetreiber ausgesetzt wäre.

IV. Der Wettbewerbsbegriff in Art. 107 Abs. 1 AEUV und das Verhältnis von Art. 107 Abs. 1 AEUV zu Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV 1. Enger und weiter Wettbewerbsbegriff Wettbewerbs- und integrationspolitisch lässt sich die Europäische Beihilfen­ kontrolle aus unterschiedlichen Gründen rechtfertigen, wie bereits anhand der Konzepte des Binnenmarktschutzes, des Wettbewerbsmodells sowie des Modells der politischen Integration erläutert wurde. Gleichwohl können diese politischen Überlegungen nur insoweit für die juristische Anwendungspraxis der Art. 107 ff. AEUV Bedeutung entfalten, wie sie im Rahmen der rechtlichen Auslegung der Norm fruchtbar gemacht werden können. Für die Reichweite der Eingriffsbefug­ nis der Kommission in die mitgliedstaatliche Wirtschaftspolitik im Infrastruktur­ bereich über das Beihilfenrecht kommt es damit entscheidend darauf an, wie der Rechtsterminus der Wettbewerbsverzerrung im Beihilfentatbestand interpretiert wird und wo die Grenzen einer rechtlich zulässigen Auslegung dieses Tatbestands­ merkmals liegen. Insbesondere erweist sich dabei als fraglich, inwieweit über den wirtschaftlichen Wettbewerb auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten hinaus auch ein Wettbewerb zwischen Standorten, Regionen oder gar Mitgliedstaaten von den Vorschriften den Europäischen Beihilfenrechts geschützt ist733. 733

Siehe dazu schon Koenig/Kühling, EuZW 1999, S. 517 ff.

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

273

Weder für den Begriff der Wettbewerbsverzerrung noch für den des Wettbewerbs gibt es eine Legaldefinition im europäischen Primär- oder Sekundärrecht. Aus die­ sem Grunde kommen bei der Bestimmung der Reichweite dieser Tatbestandsele­ mente des Art. 107 Abs. 1 AEUV die klassischen juristischen Auslegungsmetho­ den zur Anwendung. a) Enger Wettbewerbsbegriff Bei einem engen Verständnis dieses Tatbestandsmerkmals ist darunter allein der Wettbewerb auf Güter- und Dienstleistungsmärkten zu fassen. Die Beihilfenregeln stellen danach sicher, dass ein level playing field734 zwischen den Unternehmen im Binnenmarkt besteht. Im Einzelnen schützen sie zugunsten der Marktteilneh­ mer die Freiheit des zwischenstaatlichen Handels, den unverfälschten Wettbewerb sowie die wettbewerbliche Chancengleichheit735. Das Beihilfenverbot soll da­ nach verhindern, dass Wettbewerber von begünstigten Unternehmen ihren Absatz vermindern und ihre Investitionsplanungen einschränken, mithin vom Markt ver­ drängt werden (sog. crowding out).736 b) Weiter Wettbewerbsbegriff Demgegenüber können bei einem weiten Verständnis des Begriffs der Wett­ bewerbsverfälschung darunter auch über die unmittelbaren Auswirkungen der mit­ gliedstaatlichen Beihilfenvergabe auf die Güter- und Dienstleistungsmärkte hin­ ausgehende Effekte berücksichtigt werden. Die Kommission beschreibt in ihrem Allgemeine Grundsätze-Papier zwei weitere von ihr als relevant erachtete Formen von Wettbewerbsbeeinträchtigungen737: Erstens können sich Beihilfen demnach auf die langfristigen Leistungsanreize bei den begünstigten Unternehmen sowie ihren Wettbewerbern auswirken. Mittels staatlicher Zuwendung geförderte Unternehmen könnten ihre Anstrengungen ver­ ringern, da sie für die Erzielung ihrer Gewinne nicht mehr allein auf eigene wirt­ schaftliche Erfolge angewiesen sind. Folge dieses fehlenden Anreizeffekts können Rückgänge sowohl bei der Innovationsfähigkeit der Unternehmen als auch bei ih­ ren Investitionen sein. Das Verhalten des einzelnen begünstigten Unternehmens

734

Vgl. zu dem Begriff Coppi, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 64, 81; Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 646. 735 Behrens, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 87. 736 Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 47. 737 Umfassend Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 44 ff. Nota bene: Die Erläuterun­ gen der Kommission beziehen sich auf die Wettbewerbsprüfung auf Rechtfertigungsebene; vgl. dazu auch unten Kap. 4, E. I. 3. c).

274

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

kann dabei auch Einfluss auf das Handeln der Wettbewerber haben und schluss­ endlich zu einer geringeren Markt- und Wettbewerbsdynamik führen738. Darüber hinaus können mitgliedstaatliche Beihilfen zweitens den Wettbewerb auf Inputmärkten beeinflussen. Wichtigster betroffener Inputfaktor ist dabei die Standortwahl. Erhält ein Unternehmen mitgliedstaatliche Zuwendungen, um in einer bestimmten Region zu investieren, so können daraus Nachteile für Standorte entstehen, an denen die Investitionen nicht getätigt oder sogar abgezogen werden. Auf diese Weise kann die Beihilfenvergabe den Standortwettbewerb sowohl zwi­ schen den Mitgliedstaaten als auch zwischen einzelnen Regionen verfälschen739. c) Bedeutung für den Infrastruktursektor Anhand letzterer Überlegung verdeutlicht sich, aus welchem Grunde der Ent­ scheidung für eine enge oder eine weite Auslegung des Begriffs der Wettbewerbs­ verfälschung in Art. 107 Abs. 1 AEUV für den Infrastrukturbereich grundlegende Bedeutung zukommt. Der Entschluss eines Unternehmens, an einem bestimmten Standort eine Infrastruktur zu errichten und zu betreiben, hat regelmäßig wesent­ liche Auswirkungen auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung des betroffenen Ortes oder sogar der gesamten Region740. Grund dafür sind vor allem die durch das Infrastrukturunternehmen unmittelbar geschaffenen Arbeitsplätze und die von der Infrastruktureinrichtung ausgehenden positiven externen Effekte741, vor allem auf die Ansiedlung weiteren Gewerbes in der näheren Umgebung und die gesteigerte Lebensqualität742 für ihre Bewohner. Deswegen konkurrieren die Mitgliedstaaten und Regionen in der Union mittlerweile regelmäßig um die Ansiedlung großer In­ frastrukturprojekte. Vor allem leistungsfähige Transport- und Verkehrsinfrastruk­ turen (Flug- und Seehäfen743, Binnenhäfen, Autobahnen, Schienenanschlüsse, Containerterminals) sowie Telekommunikations- und Breitbandinfrastrukturen744 stellen wichtige Standortfaktoren für die jeweiligen Gegenden dar. d) Auslegung des Wettbewerbsbegriffs in Art. 107 Abs. 1 AEUV Folgt man der Ansicht, dass der Begriff der Wettbewerbsverfälschung in Art. 107 Abs. 1 AEUV eng zu verstehen ist und ausschließlich der Wettbewerb zwischen Unternehmen auf Güter- und Dienstleistungsmärkten von der Norm geschützt 738

Vgl. Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 46. Vgl. Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 49. 740 Vgl. Koenig/Scholz, EuZW 2003, S.  133; große Siemer, Die kommunale Wirtschafts­ förderung, S. 124. 741 Vgl. oben Kap. 2, C. I. 1. b). 742 Dazu Reiter, in: Pechlaner/Bachinger, Lebensqualität, S. 51, 54. 743 Dazu Jennert/Eitner, EuZW 2013, S. 414. 744 Siehe VATM, Positionspapier zum Glasfasernetzausbau, S. 1 ff. 739

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

275

werden soll, so kann der Wettbewerb zwischen Mitgliedstaaten, Regionen und ein­ zelnen Standorten um die Ansiedlung von Infrastrukturprojekten nicht darunter gefasst werden. Vertritt man dagegen ein weites Verständnis dieses Tatbestands­ merkmals, so ist neben dem Unternehmenswettbewerb der Infrastrukturbetrei­ ber auch der Wettbewerb auf den Inputmärkten vom Beihilfentatbestand umfasst. Praktische Bedeutung erlangt diese Unterscheidung beispielsweise in Fällen, in denen der vom Mitgliedstaat geförderte Infrastrukturbetreiber auf dem relevanten Markt die Stellung eines natürlichen Monopols innehat und es dort weder aktuel­ len noch potentiellen Wettbewerb gibt745. Der Wortlaut des Art. 107 Abs. 1 AEUV deutet auf eine enge Auslegung des Wettbewerbsbegriffs hin. Zwar fehlt eine nähere Präzisierung des Terminus. Einen Anhaltspunkt kann jedoch das weitere Tatbestandsmerkmal der zwischenstaat­ lichen Handelsbeeinträchtigung bieten, das neben der Wettbewerbsverfälschung kumulativ erfüllt sein muss. Dieses Erfordernis deutet darauf hin, dass in erster Li­ nie der Wettbewerb der Unternehmen auf Güter- und Dienstleistungsmärkten von der Norm erfasst sein soll, da in der von den europäischen Verträgen vorgesehenen marktwirtschaftlichen Ordnung im Regelfall (private)  Unternehmen am Handel beteiligt sind. Auch die Rechtsprechung sieht einen engen Zusammenhang zwi­ schen den beiden Tatbestandsmerkmalen der Wettbewerbsverfälschung und der Handelsbeeinträchtigung. Auch die systematische Stellung des Art. 107 Abs. 1 AEUV im Kapitel „Wettbewerbsregeln“ deutet darauf hin, dass der Wettbewerbsbegriff in dieser Norm eng auszulegen ist746. In diesem Kapitel befinden sich auch die kartellrechtlichen Be­ stimmungen der Art. 101 und Art. 102 AEUV, deren Adressaten ausdrücklich „Un­ üterternehmen“ sind. Diese Normen schützen damit den Wettbewerb auf den G und Dienstleistungsmärkten als Element der marktwirtschaftlichen Ordnung im Binnenmarkt, was die Vertragsparteien über Art.  3 Abs.  1 AEUV und das Pro­ tokoll Nr. 27 als Ziel der Union niedergelegt haben. Art. 107 Abs. 1 AEUV unter­ scheidet sich von diesen Normen zwar dadurch, dass er sich nicht unmittelbar an die Unternehmen, sondern an die Mitgliedstaaten richtet747. Gleichwohl wirkt sich das Beihilfenverbot mittelbar aber auch für die Unternehmen im Binnenmarkt aus, für welche die Untersagung einer (beabsichtigten oder sogar bereits durchgeführ­ ten) mitgliedstaatlichen Begünstigung erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben kann. Das Beihilfenverbot stellt strukturell zwar auch eine Ergänzung zum Verbot ta­ rifärer- und nicht tarifärer Handelshemmnisse im Binnenmarkt dar748. Dennoch haben sich die Parteien bei der Errichtung der Europäischen Verträge dafür ent­ schieden, dieses nicht etwa in den Kontext der Waren- oder Dienstleistungsfreiheit 745

Siehe dazu unten Kap. 4, C. V. So auch Eilmannsberger, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 176. 747 Vgl. dazu Schwarze, EuZW 2000, S. 613 ff. 748 Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Vor. Art. 107 AEUV Rn. 5. 746

276

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

aufzunehmen, sondern vielmehr in den Wettbewerbsregeln zu verorten. Diese Ent­ scheidung deutet darauf hin, dass mit dem Beihilfenverbot vorrangig der Wett­ bewerb auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten geschützt werden soll gegen­ über dem Systemwettbewerb der Mitgliedstaaten um Inputfaktoren wie allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und Standorte. Eine teleologische Betrachtung des Art. 107 Abs. 1 AEUV bietet weniger greif­ bare Anhaltspunkte, die richtungsweisend für ein enges oder ein weites Verständ­ nis des Wettbewerbsbegriffs in dieser Norm sprechen. Aus wettbewerbspolitischer und volkswirtschaftlicher Sicht werden als wesentliche Zwecke des Beihilfen­ verbots der Schutz der wettbewerblichen Chancengleichheit der Unternehmen (Wettbewerbskonzept), der Schutz des Binnenmarkts vor Subventionswettläu­ fen der Mitgliedstaaten (Binnenmarktkonzept) sowie die Vertiefung der politi­ schen Inte­gration der mitgliedstaatlichen Wirtschaftspolitiken in den Binnenmarkt (Konzept der politischen Integration) aufgeführt749. Das Wettbewerbskonzept deu­ tet auf eine enge Auslegung des Wettbewerbsbegriffs hin, wonach allein der Wett­ bewerb der Unternehmen auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten von Art. 107 Abs. 1 AEUV geschützt werden soll. Dagegen stützen das Binnenmarktkonzept sowie das Konzept der politischen Integration sich auf ein weites Wettbewerbs­ verständnis im Beihilfentatbestand. Beim Binnenmarktkonzept stellt auch der Schutz der Inputmärkte im Systemwettbewerb der Mitgliedstaaten um politische Rahmenbedingungen und Standortfaktoren ein zentrales Element dar. Das Kon­ zept der politischen Integration kennzeichnet sich durch ein noch breiteres Ver­ ständnis des Wettbewerbsbegriffs. Der Fokus der Beihilfenkontrolle verschiebt sich nach diesem Ansatz weg von strengen Erfordernissen bei der Darlegung einer Wettbewerbsverfälschung durch die Maßnahme des Mitgliedstaats hin zu einer all gemeineren Kontrolle. Danach kann auch bei lediglich langfristigen und entfern­ ten wettbewerblichen Auswirkungen einer mitgliedstaatlichen Maßnahme  – wie der Verringerung des Anreizeffekts von Unternehmen750 und der Verhinderung der Verschwendung finanzieller Ressourcen durch die Mitgliedstaaten751 – der Beihil­ fentatbestand eröffnet sein. Bei einer Gesamtbetrachtung erweist sich eine enge Auslegung des Wett­ bewerbsbegriffs in Art. 107 Abs. 1 AEUV dennoch als überzeugender752. Wie ge­ zeigt streiten sowohl der Wortlaut der Norm als auch eine systematische Analyse für dieses Ergebnis. Die weniger deutlichen Folgerungen aus der teleologischen Betrachtung muss man indes differenziert betrachten. Die wettbewerbspolitische 749

Dazu ausführlich oben Kap. 3, B. IV. sowie bei Kleiner, in: Szyszczak, Research Hand­ book State Aid, S. 1, 2 ff. 750 Vgl. auch Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 46. 751 Vgl. Dewatripont/Seabright, JEEA Vol. 4, Iss. 2/3 (2006), S. 513 ff.; Kleiner, in: S ­ zyszczak, Research Handbook State Aid, S. 1, 5. 752 So i. Erg. auch Behrens, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S.  95.; Koppmann, Grenzen der beihilfenrechtlichen Inhaltskontrolle, S.  273; siehe ferner Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnahmen, S. 77 f.

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

277

und -ökonomische Begründung einer europäischen Beihilfenkontrolle über das Binnenmarktkonzept und das Konzept der politischen Integration finden in der positivrechtlichen Ausgestaltung des Beihilfenrechts im AEUV keine unmittel­ baren Anknüpfungspunkte. Auf die nach diesen Modellen begründete Motivation des Beihilfenverbots – der Schutz auch des Systemwettbewerbs der Mitgliedstaa­ ten im Binnenmarkt sowie die vertiefte politische Integration der mitgliedstaat­ lichen Wirtschaftspolitiken – arbeitet die Kommission mit ihrer Beihilfenaufsicht zwar faktisch neben dem Wettbewerbsschutz auf den Güter- und Dienstleistungs­ märkten ebenfalls hin. Gleichwohl handelt es sich dabei nicht um primäre Ziele der beihilfenrechtlichen Bestimmungen der Art. 107 ff. AEUV, sondern vielmehr um (politisch und integrationstheoretisch durchaus gewünschte)  reflexhafte Ne­ beneffekte des Wettbewerbsschutzes auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten in der Union. Diese Lösung ist aus mehreren Gründen überzeugend: Erstens sind die Kompetenzen der Kommission beschränkt, über das Beihil­ fenrecht in die mitgliedstaatliche Finanz- und Wirtschaftspolitik einzugreifen. Dies zeigt sich insbesondere in Bereichen wie dem Infrastruktursektor, in dem die Union nur über begrenzte Zuständigkeiten verfügt753. Die Beihilfenkontrolle stellt de lege lata kein allgemeines Instrument für die Union dar, um die mitglied­ staatliche Haushaltspolitik zu überwachen, eine allgemeine Ausgabenkontrolle durchzusetzen und koordinierend auf die Errichtung und den Betrieb von Infra­ strukturen einzuwirken. Kompetenziell lässt sie sich allein zur Durchsetzung des Wettbewerbsschutzes auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten im Binnenmarkt rechtfertigen754. Im Bereich des Kartell- und Beihilfenrechts haben Wissenschaft und Rechtspraxis in den vergangenen Jahrzehnten eine umfassende Methodik ent­ wickelt, um das Bestehen von Wettbewerb und Wettbewerbsverfälschungen auf Güter- und Dienstleistungsmärkten zu bestimmen. Fasst man den Wettbewerbs­ begriffs in Art. 107 Abs. 1 AEUV dagegen weiter, so erweist dieser sich als weit­ gehend konturlos755. Wesentliche Folge davon wäre, dass eine rechtssichere Ab­ grenzung der Reichweite der beihilfenrechtlichen Kompetenzen der Union auf die mitgliedstaatlichen Wirtschaftspolitiken einzuwirken kaum mehr möglich wäre756. Die Kommission wäre weitgehend frei darin, etwa eine von wettbewerblichen Ge­ sichtspunkten gelöste eigene Infrastrukturpolitik zu verfolgen, ohne hierzu durch die europäischen Verträge ermächtigt zu sein757.

753

Siehe auch Koppmann, Grenzen der beihilfenrechtlichen Inhaltskontrolle, S. 285. So auch Behrens, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 95. Ausführ­ lich oben Kap. 3, B. VII. und C. 755 A. A. insoweit Koenig/Kühling, EuZW 1999, S. 517 ff., die für ein weites Verständnis des Wettbewerbsbegriffs plädieren, um eine effektive Durchsetzung der Beihilfenkontrolle zu ge­ währleisten. 756 Vgl. auch Behrens, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 95; Haucap, in: Oberender, More Economic Approach, S. 107, 121. 757 Vgl. auch Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 85. 754

278

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Zweitens sieht sich eine weite Auslegung kaum auflösbaren praktischen Schwie­ rigkeiten ausgesetzt, soweit diese neben dem Wettbewerb auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten auch den Wettbewerb auf Inputmärkten und damit vor allem den Standortwettbewerb als vom Wettbewerbsbegriff in Art.  107 Abs.  1 AEUV umfasst ansieht. Denn dabei handelt es sich allein um einen Unterfall des mitgliedstaatlichen bzw. regionalen Systemwettbewerbs, der von einer Vielzahl komplexer Wirkungszusammenhänge geprägt ist. Eine rechtssicher nachvollzieh­ bare Analyse dieser Faktoren ist schon aus dem Grunde kaum möglich, dass sich viele Aspekte wirtschaftlicher Rahmenbedingen kaum hinreichend quantifizieren lassen, um ihre Bedeutung im Systemwettbewerb zu bestimmen758. Schließlich spricht gegen die enge Auslegung des Wettbewerbsbegriffs bei Art.  107 Abs.  1 AEUV auch nicht, dass nach dem Wortlaut des Beihilfentat­ bestands bereits eine drohende Wettbewerbsbeeinträchtigung ausreicht. Diese For­ mulierung betrifft nämlich nicht die inhaltliche Bestimmung des Wettbewerbs­ begriffs in dieser Norm. Sie zeigt allein, dass die Nachweisanforderungen an die Kommission hinsichtlich der bei Durchführung der Vorteilsgewährung mutmaß­ lich eintretenden ökonomischen Auswirkungen auf den Wettbewerb niedrig ge­ halten sind, was angesichts der Tatsache sinnvoll ist, dass es sich im Regelfall von vorab notifizierten Beihilfen allein um eine Prognoseeinschätzung handeln kann. Diese Auslegung entlastet die Kommission freilich weiterhin nicht davon, dass sie bei der Annahme einer bloß drohenden Wettbewerbsverzerrung auf den Güterund Dienstleistungsmärkten in Zweifelsfällen juristisch plausibel und begrün­ det darlegen muss, auf welchen Annahmen sie diesen Schluss stützt759. Hierzu ge­ hört gegebenenfalls auch eine Bestimmung der (potentiell) betroffenen relevanten Märkte unter Berücksichtigung vorhandener oder mittels zumutbaren Aufwands beschaffbarer ökonomischer Daten. Dies gilt – wie bereits dargestellt – insbeson­ dere in Gebieten wie dem Infrastruktursektor, in denen sie über die Beihilfen­ kontrolle mittelbar in ansonsten den Mitgliedstaaten vorbehaltene Zuständig­ keitsbereiche eingreifen kann. Die Annahme, dass in einem solchen Gebiet auf Tatbestandsebene des Beihilfenverbots allein eine kursorische Prüfung der Wett­ bewerbsverhältnisse ohne inhaltlichen Tiefgang genügt, kann schon aus kom­ petenzrechtlichen Erwägungen nicht überzeugen760.

758

So ebenfalls Behrens, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 95; Haucap, in: Oberender, More Economic Approach, S. 107, 120 f. 759 Vgl. dazu auch Farley, EStAL 2010, S. 369, 373 f. 760 Siehe dazu auch oben Kap. 4, C. II. 2.

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

279

e) Zusammenfassung Der Wettbewerbsbegriff auf der Tatbestandsebene des Art. 107 Abs. 1 AEUV ist nach hier vertretener Auffassung eng auszulegen. Danach erfasst diese Bestimmung allein den Schutz des Wettbewerbs auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten im Binnenmarkt vor Verfälschungen. Die von einem weiten Wettbewerbsverständnis ebenfalls umfassten Formen eines Wettbewerbs auf Inputmärkten, insbesondere des Standortwettbewerbs, sowie einer langfristigen Wettbe­werbsdyna­mik unterfal­ len dagegen nicht dem Wettbewerbsbegriff des Art. 107 Abs. 1 AEUV. 2. Das Verhältnis von Art. 107 Abs. 1 AEUV zu Art. 107 Abs. 3 AEUV, insbesondere Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV In Folge der Beihilfenreform von 2005 mit der Einführung der Abwägungsprüfung untersucht die Kommission in vielen Fällen nunmehr auf der Rechtfer­ tigungsebene ein weiteres Mal das Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung, vor al­ lem bei nach Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV zu beurteilenden Beihilfen. Hintergrund ist, dass im Rahmen des neu eingeführten auswirkungsbezogenen Beurteilungs­ maßstabs in einer Gesamtbetrachtung die positiven wie auch die negativen Effekte der Beihilfengewährung gegenübergestellt werden sollen. Die konkreten negati­ ven Auswirkungen einer Beihilfenmaßnahme auf den Wettbewerb stellen in dieser Analyse einen entscheidenden Faktor für die Gesamtbewertung der Vereinbarkeit der Förderung mit dem Beihilfenrecht dar761. Die Kommission hat ihre Entscheidungspraxis zur mitgliedstaatlichen För­ derung der Errichtung und des Betrieb von Infrastrukturen zuletzt dahingehend entwickelt, dass in vielen Fällen das Merkmal der Wettbewerbsverfälschung auf Tatbestandsebene mit nur knapper Begründung unter Verweis auf die Philip Morris-Rechtsprechung des Gerichtshofs bejaht wurde, während in der folgenden Ver­ einbarkeitsprüfung eine umfassendere Wettbewerbsanalyse erfolgte. Die inhalt­ liche Tiefe dieser Analyse war dabei in den verschiedenen Entscheidungen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Jedenfalls ging sie – auch wenn die Kommission re­ gelmäßig keine genauere Marktabgrenzung vornahm – zumindest über die typi­ sche kursorische Begründung des Merkmals auf Tatbestandsebene hinaus762. Die Auffassung, nach der eine inhaltlich tiefgreifende Untersuchung der wett­ bewerblichen Auswirkungen nicht im Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV, son­

761

Ausführlich dazu unten Kap. 4, E. I. 3. c) bb). Siehe aus jüngerer Zeit beispielsweise Kommission, Ent. v. 10.09.2012, Az. SA.34642 2012/N, Rn. 30 u. 60 ff. – Greece District Heating Kozani; Kommission, Ent. v. 31.07.2012, Az. SA 33.823 (2012/N), Rn. 43 f. u. 68 ff. – Electricity Cable Aland. Ähnlich bei Art. 93 AEUV auch Kommission, Ent. v. 17.10.2012, Az. SA.34501 (2012/N), Rn. 22 u. 51 ff. – Deutschland Binnenhafen Königs-Wusterhausen. 762

280

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

dern allein im Rahmen der Abwägungsprüfung auf der Rechtfertigungsebene erfolgen soll, ist indes kritisch zu betrachten. Zwar kann die vertiefte wettbewerb­ liche Untersuchung im Rahmen der Vereinbarkeitsprüfung von Beihilfen nach Art.  107 Abs.  3 lit. c) AEUV mittlerweile als allgemeiner Standard angesehen werden und wird von der Kommission auch bei anderen Rechtfertigungsgründen (z. B. Art. 93 AEUV) sinngemäß vorgenommen. Allerdings kommt die Kommis­ sion gar nicht in allen Entscheidungen zu diesem Prüfungspunkt. Denn teilweise bricht sie die Vereinbarkeitsprüfung (Abwägungsprüfung) wegen Nichterfüllung anderer Voraussetzungen ab, bevor sie überhaupt zur Untersuchung der Wett­ bewerbsverzerrung gelangt763. Das Merkmal der Wettbewerbsverfälschung auf Tatbestandsebene des Beihilfenverbots ist dagegen ein konstitutives Element, wes­ halb es sich anbietet, die nicht zuletzt aus kompetenzrechtlichen Erwägungen be­ deutsamen Fragen zur den wettbewerblichen Bedeutungen einer mitgliedstaat­ lichen Fördermaßnahme bereits an dieser Stelle zu prüfen764. Nicht abschließend geklärt ist die sich daraus ergebende Folgefrage, wie bei einer doppelten Prüfung der Wettbewerbsverfälschung auf der Tatbestandsebene und auf der Rechtfertigungsebene das Verhältnis dieser Prüfungspunkte zuein­ ander zu bestimmen ist. Einige Literaturstimmen nehmen an, dass die entspre­ chenden Prüfungselemente im Beihilfentatbestands des Art.  107 Abs.  1 AEUV und bei der Abwägungsprüfung im Rahmen der Rechtfertigungsuntersuchung  – etwa bei Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV – inhaltlich übereinstimmen765. Einzige Un­ terschiede sollen danach „das kritische Ausmaß möglicher Wettbewerbsbedenken“ sowie die „Tiefe der Analyse“ darstellen766. Die Wettbewerbsverfälschung als Tat­ bestandsmerkmal dient damit als weit zu verstehendes Aufgriffskriterium für die Untersuchung einer Beihilfe durch die Kommission, während die detailliertere inhaltliche Überprüfung der Wettbewerbsverfälschung erst auf Rechtfertigungs­ ebene erfolgen soll. Manche Literaturvertreter verweisen in diesem Zusammen­ hang darauf, dass auf Tatbestandsebene bereits die Möglichkeit einer Wettbewerbs­ verfälschung ausreicht (nach dem Wortlaut des Art. 107 Abs. 1 AEUV „Beihilfen (…), die (…) den Wettbewerb (…) zu verfälschen drohen“), während im Rah­ men der Abwägungsprüfung auf Rechtfertigungsebene allein tatsächliche Wett­ bewerbsbeeinträchtigungen zu berücksichtigen seien767. Indes sprechen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass das Merkmal der Wett­ bewerbsverfälschung auf Tatbestandsebene des Beihilfenverbots anders auszu­ legen ist als jenes in der Abwägungsprüfung auf der Rechtfertigungsseite. Wie be­ reits gezeigt wurde, ist der Begriff der Wettbewerbsverfälschung in Art. 107 Abs. 1 AEUV nach Wortlaut und Systematik der Norm inhaltlich eng zu verstehen. Allein 763

Ausführlich unten Kap. 4, E. I. 3. b) aa). So i. Erg. auch Lübbig/Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 140 f. 765 Eilmannssberger, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 186 ff. 766 Eilmannssberger, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 186. 767 Vgl. Jaeger, WuW 2008, S. 164, 183. 764

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

281

der Schutz des Wettbewerbs auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten in der Union ist davon umfasst. Demgegenüber können auf der Rechtfertigungsebene im Rahmen der Abwägungsprüfung auch eine Vielzahl anderer Faktoren neben der Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten in der Union in die Be­ wertung einfließen. Ziel und Zweck der dortigen Untersuchung ist es, die (posi­ tiven wie negativen) Wohlfahrtseffekte der mitgliedstaatlichen Beihilfenvergabe zu ermitteln und gegenüberzustellen. Dabei können vor allem auch dynamische Auswirkungen der Beihilfe auf den Wettbewerb berücksichtigt werden768. Die Kommission hat in ihrem Allgemeine Grundsätze-Papier hierzu etwa die Beein­ flussung der langfristigen Anreizeffekte für begünstigte Unternehmen sowie Wett­ bewerbsverfälschungen auf Inputmärkten (insbesondere bei der Wahl des Stand­ orts) genannt769. Die Unterschiede in der Prüfung der Wettbewerbsverfälschung auf Tatbestandsund Rechtfertigungsebene müssen sich nicht dem Vorwurf eines inkonsequen­ ten Vorgehens ausgesetzt sehen. Vielmehr sind beide Prüfungspunkte in ihrem jeweiligen Zusammenhang zu verstehen. Die (drohende)  Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten in der Union ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass es sich bei einer mitgliedstaatlichen Förder­ maßnahme um eine Beihilfe handelt. Ist diese gegeben, so können gegen eine Rechtfertigung der grundsätzlich nach Art. 107 Abs. 1 AEUV als unzulässig zu betrachtenden Beihilfe auf der Vereinbar­ keitsebene auch andere negative wettbewerbliche Auswirkungen der Maßnahme sprechen, soweit nicht sonstige, positiv gewertete Effekte überwiegen. Im Wort­ laut der Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV und Art. 107 Abs. 3 lit. d) AEUV wird dies dadurch verdeutlicht, dass dort alle Faktoren zu berücksichtigen sind, welche dazu führen können, dass die wettbewerblichen Auswirkung der mitgliedstaatlichen Unternehmensbegünstigung „dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft“. Diese Formulierung ist damit weiter gefasst als jene auf Tatbestandsebene des Art. 107 Abs. 1 AEUV770. Durch die Trennung der Wettbewerbsbegriffe auf der Tatbestands- und der Rechtfertigungsebene ist auch klargestellt, dass positive Effizienzerwägungen im Rahmen der Prüfung des Art. 107 Abs. 1 AEUV keine Berücksichtigung fin­ den. Folgte man der Auffassung, dass es sich bei der Wettbewerbsversfälschung im Beihilfenverbotstatbestand um eine kleine Abbildung der auf Rechtfertigungs­

768

Vgl. Coppi, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 64, 82. Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 44 ff. 770 Diese Unterscheidung sehen auch Soltész, in: Montag/Säcker, MüKoWettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 411 ff. und Eilmannsberger, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 183, wobei Letzterer anders als hier vertreten allerdings auch den weiteren Schluss daraus herleitet, dass schon eine Marktanalyse im Rahmen des Art. 107 Abs. 1 AEUV entbehrlich ist. 769

282

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

ebene zu untersuchenden Wettbewerbsverzerrung handelte771, so müssten wenigs­ tens naheliegende positive Effizienzerwägungen bereits dort beachtet werden. Ein derartiges Erfordernis lässt sich jedoch weder aus dem Wortlaut und Telos des Art. 107 Abs. 1 AEUV herleiten, noch gibt es entsprechende Anhaltspunkte dazu aus der Rechtsprechung. 3. Zusammenfassung Nach der hier vertretenen Auffassung ist auf Tatbestandsebene des Art.  107 Abs.  1 AEUV einem engen Wettbewerbsbegriff zu folgen, der allein den Wett­ bewerb auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten im Binnenmarkt umfasst. Nicht unmittelbar von Art. 107 Abs. 1 AEUV werden demgegenüber andere For­ men des Wettbewerbs geschützt, insbesondere der für den Infrastrukturbereich be­ deutsame Standortwettbewerb zwischen verschiedenen Regionen und Mitglied­ staaten. Derartige Erwägungen können dagegen im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeitsebene berücksichtigt werden, insbesondere bei der für Infrastruktur­ beihilfen wichtigsten Rechtfertigung nach Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV. Insoweit unterscheiden sich inhaltlich die für die Erfüllung des Beihilfentatbestands kon­ stitutive Prüfung der Wettbewerbsverfälschung bei Art. 107 Abs. 1 AEUV und die Untersuchung der negativen wettbewerblichen Auswirkungen einer mitgliedstaat­ lichen Maßnahme im Rahmen des Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV.

V. Wettbewerbsverfälschungen bei (natürlichen) Monopolen In jüngster Zeit hat die Kommission betont, dass sie im Rahmen der Beihilfen­ kontrolle zukünftig ein besonderes Augenmerk auf die in den vergangenen Jahren liberalisierten Wirtschaftssektoren (z. B. Post, Telekommunikation, Energie) zu le­ gen beabsichtigt772. Hintergrund ist, dass die Mitgliedstaaten die gesamtwirtschaft­ lich positiven Auswirkungen von Wettbewerb in diesen Bereichen nicht wieder zu­ nichtemachen sollen. Dies könnten sie etwa dadurch bewirken, dass sie mittels der Vergabe von Beihilfen neue Wettbewerbshemmnisse auf diesen Märkten schaffen, um so frühere (wirtschaftspolitisch teilweise bevorzugte)  wettbewerbsfeindliche Strukturen zu zementieren773. Auch nach teilweise erfolgter Liberalisierung gibt es eine Reihe von Märkten, auf denen Infrastrukturbetreiber aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder wegen der besonderen ökonomischen Eigenschaften infrastruktureller Einrichtungen die Stellung eines natürlichen Monopolisten innehaben. Per Definition kann in einem 771

So etwa Eilmannsberger, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 188. Almunia, Modernising State Aid Control, SPEECH/12/117, S. 4; Heinrich, in: Birnstiel/ Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 69. 773 Vgl. auch Almunia, Modernising State Aid Control, SPEECH/12/117, S. 4. 772

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

283

solchen Falle ein einzelner Anbieter den Markt kostengünstiger versorgen als dies zwei oder mehreren Unternehmen möglich wäre774. Ohne staatliche Interventionen entwickelt sich auf einem derartigen Markt mithin kein Wettbewerb. Wo aber kein Wettbewerb besteht, kann es schon begrifflich keine Wettbewerbsverfälschung ge­ ben, womit der Anwendungsbereich des Art. 107 Abs. 1 AEUV seinem Wortlaut nach auch nicht eröffnet sein kann775. Fraglich ist vor diesem Hintergrund, ob und inwieweit die Kommission im Rah­ men der beihilfenrechtlichen Vorschriften die mitgliedstaatliche Förderung von monopolistischen Infrastrukturbetreibern kontrollieren kann. 1. Situation bei gesetzlichen Monopolen Soweit ein bestimmter Infrastrukturmarkt in den Mitgliedstaaten (noch) nicht liberalisiert ist und die Monopolstellung eines Infrastrukturbetreibers dort auf mit­ gliedstaatlichen Bestimmungen beruht (gesetzliches Monopol), kann es auf diesem Markt weder aktuellen noch potentiellen Wettbewerb geben. Die mitgliedstaat­ liche Begünstigung des Infrastrukturbetreibers kann deshalb grundsätzlich keine Wettbewerbsverfälschung bewirken, so dass der Beihilfentatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht eröffnet ist776. Diese Annahme hat jedoch nur unter zwei Be­ dingungen Bestand, die kumulativ erfüllt sein müssen: Erstens müssen die mitgliedstaatlichen Vorschriften zur Schaffung und Unter­ haltung des gesetzlichen Monopols mit dem europäischen Primär- und Sekun­ därrecht vereinbar sein. In einer Reihe von Infrastruktursektoren (z. B. Energie, Telekommunikation, Eisenbahn) gibt es europarechtliche Vorgaben zur Markt­ liberalisierung, welche die Mitgliedstaaten beachten müssen. Errichtet oder unter­ hält ein Mitgliedstaat dennoch ein gesetzliches Monopol entgegen derartiger Vor­ gaben, so kann er sich dadurch nicht der Beihilfenkontrolle entziehen. Dies gilt jedenfalls, soweit bei Beachtung der europarechtlichen Vorgaben auf dem entspre­ chenden Markt wenigstens potentieller Wettbewerb bestünde. Zweitens muss sich die Gewährung der mitgliedstaatlichen Zuwendung auf den Kernbereich des natürlichen Monopols beschränken. Verfügt das unterstützte Un­ ternehmen über mehrere Geschäftsbereiche, von denen einige die Eigenschaften eines natürlichen Monopols ausweisen, andere sich jedoch im Wettbewerb befin­ den, so darf die Förderung sich nicht auf letztere Wettbewerbsverhältnisse aus­ wirken777. Dies hat die Kommission in ihrer Entscheidung Network Rail zur Förde­

774

Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 23. Siehe auch oben Kap. 2, C. I. 2. a). Vgl. Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rn. 31. 776 Vgl. Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rn. 31; Eilmannsberger, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 185. 777 Eilmannssberger, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 185. 775

284

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

rung des britischen Eisenbahninfrastrukturbetreibers betont778. Insbesondere wird insoweit auch genau zu untersuchen sein, inwieweit unternehmensintern die Mög­ lichkeiten einer Quersubventionierung besteht. Teilweise wird in der Literatur angenommen, dass auch in Fällen, in denen eine Verschiebung von Mitteln aus dem monopolistischen Geschäftsbereich in an­ dere Geschäftsfelder ausgeschlossen ist, dennoch ein begünstigender und wett­ bewerbsverfälschender Effekt eintreten kann. Dies sei etwa dann anzunehmen, wenn durch die mitgliedstaatliche Zuwendung der Wert des Infrastrukturbetreiber­ unternehmens und damit seine wirtschaftliche Stärke insgesamt steigt. Eine Erhö­ hung des Unternehmenswerts kann sich etwa auf die Kreditwürdigkeit positiv aus­ wirken und damit Vorteile gegenüber Wettbewerbern in nicht-monopolistischen Geschäftsbereichen verschaffen779. Dennoch geht die pauschale Annahme fehl, dass vor diesem Hintergrund jede mitgliedstaatliche Vorteilsgewährung an ein Unternehmen mit Monopolstellung potentiell geschäftsbereichsübergreifende wettbewerbsverfälschende Auswirkun­ gen hat. Vielmehr sollten jeweils kritisch die Umstände des Einzelfalls betrachtet werden. Eine Pauschalformel könnte ansonsten leicht dazu dienen, die nach der hier vertretenen Auffassung von der Kommission geforderte genauere Analyse der individuellen Wettbewerbsverhältnisse auf dem jeweils untersuchten Markt780 zu umgehen. 2. Situation bei rein tatsächlichen Monopolen a) Erfordernis einer umfassenden Untersuchung der Monopolstellung Kommt einem Infrastrukturbetreiberunternehmen keine gesetzliche, sondern le­ diglich eine tatsächliche natürliche Monopolstellung zu, so ist das Fehlen einer Wettbewerbsverfälschung weniger einfach zu begründen781. Vor allem muss der betroffene Mitgliedstaat zeigen können, dass aus ökonomischer Sicht der Schluss zwingend ist, dass es neben fehlendem aktuellem Wettbewerb auch keinen poten­ tiellen Wettbewerb auf dem entsprechenden Markt geben kann. Eine bloße Ver­ mutung dahingehend aufgrund einer bestehenden Marktstruktur gibt es insoweit nicht. Vielmehr sind auch die im zweiten Kapitel umfassend dargestellten Phä­ nomene des langfristigen Wettbewerbs, des intermodalen Wettbewerbs und des

778

Kommission, Ent. v. 17.07.2002, Az. N 356/2002, ABl. 2002 C232/02; Rn. 75 ff. – Net­ work Rail; jüngst bestätigt in Kommission, Ent. v. 02.05.2013, Az. SA.35948 (2012/N), Rn. 18 ff. – Czech Republic Railway Transport. 779 Groth, Die Dienstleistungskonzession, S. 268 f. 780 Vgl. dazu oben Kap. 4, C. II. 2. 781 Eilmannssberger, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 185; Koenig/ Scholz, EuZW 2003, S 133, 137.

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

285

Randzonenwettbewerbs zu beachten782. Aus diesem Grunde ist auch in diesen Fäl­ len eine hinreichend genaue Marktabgrenzung erforderlich wie auch eine umfas­ sende Untersuchung der (potentiellen) Wettbewerbsverhältnisse auf diesem rele­ vanten Markt. In der Praxis ist es für die Mitgliedstaaten damit schwierig, sich auf das Feh­ len einer Wettbewerbsverfälschung bei der Begünstigung eines Monopolunter­ nehmens zu berufen. Vor dem Hintergrund des Erfordernisses einer effektiven Durchsetzung des Europäischen Beihilfenrechts ist dieses Ergebnis jedoch nicht zu beanstanden. Allerdings muss die Kommission insoweit sicherstellen und auch in der Begründung ihrer Entscheidung festhalten, dass sie die Argumentation des betroffenen Mitgliedstaats bei ihrer Untersuchung berücksichtigt hat. b) Insbesondere: Vorliegen von Wettbewerb um den Markt Ergibt die Marktabgrenzung, dass es sich bei dem begünstigten Infrastruktur­ betreiber tatsächlich um einen Monopolisten handelt, der keinem potentiellem Wettbewerb ausgesetzt ist und darüber hinaus auch die Möglichkeit von Auswir­ kungen der Maßnahme auf andere Geschäftsbereiche des Unternehmens sowie auf nachgelagerte Marktstufen ausgeschlossen werden kann, bleibt weiterhin eine denkbare Verfälschung des Wettbewerbs um den entsprechenden Markt zu unter­ suchen783. Dazu muss die Kommission überprüfen, inwieweit im jeweiligen Falle ein Wett­ bewerb um den Markt des Infrastrukturbetriebs besteht. Erstens ist dabei abstrakt zu hinterfragen, ob der entsprechende Markt in dem jeweiligen Mitgliedstaat für den Wettbewerb geöffnet ist, etwa aufgrund bestehender sekundärrechtlicher euro­ päischer Vorgaben oder aufgrund einer in dem Mitgliedstaat etablierten Rechts­ praxis784. Darüber hinaus müssen aber auch die konkreten Umstände des Einzel­ falls berücksichtigt werden. So ist das Vorliegen eines Wettbewerbs um den Markt nicht anzunehmen, wenn sich etwa trotz der Durchführung eines vergabe- und beihilfenrechtskonformen Ausschreibungsverfahrens kein Unternehmen gefunden hat, das ein den vom Mitgliedstaat vorgegebenen Kriterien entsprechendes Ange­ bot abgegeben hat785. Eine Verfälschung des Wettbewerbs um den Markt ist vor allem denkbar, wenn der Mitgliedstaat trotz einer wettbewerblichen Öffnung des jeweiligen monopoli­ 782

Siehe oben Kap. 2, C. I. 2. b) aa) (2). Koenig/Braun, in: Sanchez-Rydelski, The EC State Aid Regime, S. 91, 96. 784 Siehe etwa Kommission, Ent. v. 17.07.2002, Az. N 356/2002, ABl. 2002 C232/02; Rn. 75 ff. – Network Rail. Vgl. dazu auch Kommission, DAWI-Mitteilung 2012, Rn. 37. 785 Gleichwohl bleibt zu beachten, dass auch in solchen Fällen eine Wettbewerbsverfälschung auf vor- und nachgelagerten Märkten durch die mitgliedstaatliche Vorteilsgewährung entstehen kann, vgl. Koenig/Braun, in: Sanchez-Rydelski, The EC State Aid Regime, S. 91, 96 f. 783

286

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

sierten Marktes gar keine Ausschreibung durchgeführt hat oder diese nicht den je­ weils einschlägigen allgemeinen Anforderungen des Vergaberechts sowie des Bei­ hilfenrechts entsprochen hat. Ein solches Vorgehen kann vor allem dazu führen, dass gerade die Position von ausländischen oder kleineren Wettbewerbern um den Markt dadurch geschwächt wird, dass ihnen ein Markteintritt unmöglich gemacht wird786. 3. Zusammenfassung Mitgliedstaatliche Zuwendungen an Monopolunternehmen haben mangels be­ stehenden Wettbewerbs auf dem entsprechenden Markt keine wettbewerbsverfäl­ schende Wirkung und unterfallen deshalb nicht dem Beihilfenverbot nach Art. 107 Abs. 1 AEUV. Insoweit ist jedoch im Infrastrukturbereich jeweils genau zu über­ prüfen, inwieweit tatsächlich eine gesetzlich oder ökonomisch begründete Mono­ polstellung eines Infrastrukturunternehmens besteht. Bei gesetzlichen Monopolen muss für eine Ausnahme vom Beihilfenverbot die Marktstellung mit den Vorgaben des europäischen Rechts vereinbar sein und es muss darüber hinaus ausgeschlos­ sen werden, dass die mitgliedstaatlichen Zuwendungen in nicht-monopolisierte Geschäftsbereiche des Infrastrukturunternehmens übertragen werden können. Bei ökonomisch begründeten tatsächlichen Monopolen ist jeweils kritisch zu unter­ suchen, inwieweit die Monopolstellung stabil ist und insbesondere kein poten­ tieller Wettbewerb sowie kein Wettbewerb um den Markt durch die mitgliedstaat­ lichen Maßnahmen beeinträchtigt werden kann.

VI. Zusammenfassung Das Merkmal der Wettbewerbsverfälschung bei Art. 107 Abs. 1 AEUV wurde traditionell in der beihilfenrechtlichen Kommissionspraxis weit ausgelegt und re­ gelmäßig nur kursorisch untersucht. In Folge der Beihilfenreform von 2005 gab es einige Ansätze, diesem Tatbestandserfordernis eine neue Ausrichtung zu geben und es als Einfallstor für ökonomische Erwägungen in die Beihilfenkontrolle aus­ zugestalten. Einzelne Kommissionsentscheidungen aus dem Infrastrukturbereich deuteten ebenfalls eine solche Neuorientierung an und umfassten eine intensive Prüfung der Wettbewerbsverfälschung. In der Literatur stieß dieser Ansatz auf Kritik. Zuletzt zeichnete sich eine Tendenz ab, dass die Kommission wieder an ihre frühere Rechtspraxis anknüpft und das Merkmal der Wettbewerbsverfäl­ schung nur knapp prüft. Nach der hier vertretenen Auffassung ist bei beihilfenrechtlichen Entscheidun­ gen zur mitgliedstaatlichen Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infra­ 786

Siehe für den Bereich der DAWI ausdrücklich auch Kommission, DAWI-Mitteilung 2012, Rn. 37.

C. Wettbewerbsverfälschungen durch Infrastrukturförderung

287

strukturen eine genaue Analyse des Vorliegens einer Wettbewerbsverfälschung bei Art. 107 Abs. 1 AEÚV dagegen nicht nur zulässig, sondern sogar geboten. Auf­ grund der begrenzten Zuständigkeiten der Union in der Infrastrukturpolitik ist ein Eingreifen der Kommission in diesen Bereich nur dann mit der Kompetenzord­ nung vereinbar, wenn er nachweislich dem Schutz des Wettbewerbs im Binnen­ markt dient. Dass diese Voraussetzung für ein Handeln der Kommission vorliegt, hat sie in jedem individuellen Falle aufzuzeigen. Dabei ist sie dazu gehalten, die wettbewerblichen Verhältnisse auf den von der mitgliedstaatlichen Maßnahme be­ troffenen Märkten zu analysieren. Die Rechtspraxis hat hierzu bislang keine einheitliche Methodik zur bei­ hilfenrechtlichen Marktabgrenzung entwickelt. Grundzüge lassen sich aus dem Europäischen Kartell- und Fusionskontrollrecht übernehmen. Diese sind für das Beihilfenrecht im Allgemeinen und die beihilfenrechtliche Überprüfung mitglied­ staatlicher Infrastrukturvorhaben im Besonderen spezifisch anzupassen, um die Eigenheiten der wettbewerblichen Auswirkungen mitgliedstaatlicher Beihilfen­ vergaben in diesem Bereich abzubilden. Darüber hinaus ist der Wettbewerbsbegriff bei Art. 107 Abs. 1 AEUV eng aus­ zulegen und umfasst danach nur den Wettbewerb auf den Güter- und Dienst­ leistungsmärkten. Andere Formen von Wettbewerb, insbesondere der für den Infrastrukturbereich bedeutende Standortwettbewerb zwischen verschiedenen Re­ gionen oder Mitgliedstaaten, finden dagegen beim Wettbewerbsverständnis auf Tatbestandsebene des Beihilfenverbots keine Berücksichtigung. Gegebenenfalls können diese allerdings bei der wettbewerblichen Untersuchung auf Rechtfer­ tigungsebene von Bedeutung sein, insbesondere bei Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV. Schließlich bewirken mitgliedstaatliche Fördermaßnahmen zugunsten von mo­ nopolistischen Infrastrukturunternehmen keine Wettbewerbsverfälschung und un­ terfallen damit nicht Art. 107 Abs. 1 AEUV. Allerdings muss hierfür ausgeschlos­ sen werden können, dass das Infrastrukturunternehmen mitgliedstaatlicherseits gewährte Vorteile in nicht-monopolistische Geschäftsbereiche überträgt. Ferner darf im Falle einer rein tatsächlichen Monopolstellung die mitgliedstaatliche Un­ terstützung keine verfälschenden Auswirkungen auf den potentiellen Wettbewerb sowie auf einen denkbaren Wettbewerb um den Markt haben.

288

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

D. Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels bei Infrastrukturmaßnahmen I. Allgemeine Rechtspraxis zum Merkmal der Handelsbeeinträchtigung Ähnlich wie das Merkmal der Wettbewerbsverfälschung behandelt die Kom­ mission auch die Zwischenstaatlichkeitsklausel in Art. 107 Abs. 1 AEUV in ih­ rer Entscheidungspraxis zumeist nur knapp. Unter Verweis auf die Philip MorrisRechtsprechung des Gerichtshofs unterstellt sie regelmäßig das Vorliegen einer Handelsbeeinträchtigung, ohne eine genauere Prüfung des Einzelfalls vorzuneh­ men oder eine nähere Begründung darzulegen787. Teilweise geht die Kommission in ihrer allgemeinen Rechtspraxis so weit, die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals stillschweigend zu unterstellen und dieses gar nicht in der Entscheidung zu erwäh­ nen788. Insgesamt sind die Anforderungen an die Handelsbeeinträchtigung damit erkennbar niedrig gehalten. Ein dem Kartellrecht vergleichbares Spürbarkeitserfordernis gibt es in der Rechtspraxis zu Art.  107 AEUV auch beim Merkmal der zwischenstaatlichen Handelsbeeinträchtigung nicht789. So können grundsätzlich auch geringwertige Zuwendungen darunter fallen. Darüber hinaus kommt es auch in diesem Zusam­ menhang nicht auf die Größe des begünstigten Unternehmens an790. Entsprechend den zur Wettbewerbsverfälschung gemachten Ausführungen soll auch unbeacht­ lich sein, ob ein Unternehmen tatsächlich nur auf einem lokalen oder regionalen Markt tätig ist, soweit dieser Markt dahingehend liberalisiert ist, dass zumindest potentiell auch Wettbewerb um den Markt besteht. In diesem Falle wäre es zumin­ dest denkbar, dass Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten die vom begünstig­ ten Unternehmen erbrachten Leistungen anbieten und damit auch in dem relevan­ ten geographischen Markt tätig werden791. In der praktischen Umsetzung ist die Kommission in dieser Hinsicht allerdings nicht in allen Fällen konsequent, wie so­ gleich gezeigt wird. Die dogmatische wie auch praktische Bedeutung der Zwischenstaatlichkeits­ klausel im Beihilfenrecht ist damit – trotz des identischen Wortlauts – eine gänz­ lich andere als bei Art. 101 Abs.1 AEUV. Hintergrund ist vor allem, dass es im Bei­ 787 Kommission, Ent. v. 10.09.2012, Az. SA.34642 2012/N, Rn. 30 – Greece District Heating Kozani. 788 Soltész, in: Montag/Säcker, MüKo-WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 440 unter Verweis auf Kommission, Ent. v. 30.04.2008, Az. C 56/2006 (ex NN 77/2006), ABl. 2008 L239/32 – Bank Burgenland. 789 So die Rechtsprechung, vgl. Soltész, in: Montag/Säcker, MüKo-WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 451 m. w. N.; anderer Auffassung etwa Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, Rn. 185. 790 Soltész, in: Montag/Säcker, MüKo-WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 456. 791 Vgl. auch Kommission, DAWI-Mitteilung 2012, Rn. 37.

D. Beeinträchtigung des Handels bei Infrastrukturmaßnahmen

289

hilfenrecht, anders als im Kartellrecht, keine Zuständigkeitsaufteilung zwischen der Kommission und den nationalen Kartellbehörden gibt. Die Beihilfenaufsicht ist, schon aus ihrer Rechtsnatur heraus, ein genuines Betätigungsfeld der Kommis­ sion. Eine Durchsetzung des Beihilfenrechts durch mitgliedstaatliche Behörden erfolgt nicht. Mit der von Kommission und Gerichtshof praktizierten weiten Aus­ legung der Zwischenstaatlichkeitsklausel sichert die Union sich somit vor einem „Vollzugsvakuum“792 ab793.

II. Anwendung im Infrastrukturbereich Wie gezeigt, ist es gerade im Infrastrukturbereich ein wettbewerbspolitisches Ziel der Kommission, dass die Mitgliedstaaten dem in den vergangenen Jahrzehn­ ten verwirklichten (und in weiten Teilen durch europäische Bestimmungen durch­ gesetzten) wettbewerblichen Marktöffnungsprozess nicht durch gezielte Beihil­ fenmaßnahmen wieder entgegenwirken794. Andererseits hat die tatbestandliche Ausweitung der Beihilfenkontrolle auf den Infrastrukturbetrieb zur Folge, dass die Kommission eine Fülle neuer Beihilfenverfahren zu bewältigen hat. Dabei han­ delt es sich neben Zuwendungen an große Infrastrukturbetreiber – etwa zuguns­ ten von Großflughäfen, Seehäfen oder großstädtischen Telekommunikations- und Breitbandnetzen – um eine Vielzahl von mitgliedstaatlichen Förderungen kleine­ rer, häufig kommunaler Infrastrukturunternehmen. Dazu gehören etwa Betreiber von Schwimmbädern795, Kultureinrichtungen796 oder lokalen Fernwärmenetzen797. Mangels der Beschränkung der Kontrollreichweite der Kommission durch ein Spürbarkeitserfordernisses oder sonstiger Einschränkungen der Zwischenstaat­ lichkeitsklausel unterfallen auch diese Infrastrukturbetreiber der Beihilfenkon­ trolle und die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, entsprechende Zuwendungen bei der Kommission zu notifizieren. Diese Entwicklung bringt die Union in ein Dilemma: Auf der einen Seite setzt sie sich für eine weitreichende Anwendung der Beihilfenvorschriften auf die mit­ gliedstaatliche Unterstützung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen ein, um so eine effektive Durchsetzung des Beihilfenrechts und einen nachhalti­ gen Schutz des in diesem Bereich noch teilweise jungen Phänomens wettbewerb­ licher Strukturen zu gewährleisten798. Andererseits eröffnet sie damit den Kontroll­ anspruch über ein weitläufiges, kaum vollständig zu überschauendes Feld auch 792

Soltész, in: Montag/Säcker, MüKo-WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 446. Zum Ganzen Soltész, in: Montag/Säcker, MüKo-WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 443 ff. 794 Almunia, Modernising State Aid Control, SPEECH/12/117, S. 4; Heinrich, in: Birnstiel/ Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 69. 795 Kommission, Ent. v. 12.01.2001, Az. N 258/00 – Freizeitbad Dorsten. 796 Vgl. etwa Kommission, Ent. v. 11.05.2011, Az. 32643 (2011/N) – Basque Museums. Siehe für Theater die kritische Erörterung bei Sinnaeve, EStAL 2008, S. 7 ff. m. w. N. 797 Kommission, Ent. v. 10.09.2012, Az. SA.34642 2012/N – Greece District Heating Kozani. 798 Almunia, Modernising State Aid Control, SPEECH/12/117, S. 4. 793

290

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

kleinerer, lokaler und regionaler Infrastrukturprojekte in der gesamten Union799. Mit den begrenzten personellen und sachlichen Ressourcen der Kommissions­ dienststellen ist eine vollständige und inhaltlich den rechtsstaatlichen Mindest­ anforderungen genügende individuelle Untersuchung aller dieser Vorhaben auf ihre beihilfenrechtliche Relevanz kaum denkbar800. Um einem Ausufern ihrer Arbeitsbelastung entgegenzutreten, kam die Kom­ mission erstmals in ihrer viel beachteten Entscheidung Freizeitbad Dorsten801 zu dem Ergebnis, dass unter bestimmten Umständen bei rein lokalen Infrastruktur­ vorhaben die Zwischenstaatlichkeitsklausel nicht erfüllt sei, obgleich sie nach dem grundsätzlich weiten Verständnis dieses Merkmals auch derartige Infrastruk­ turprojekte eigentlich auf ihre beihilfenrechtliche Relevanz untersuchen müsste. In dem Fall ging es um die kommunale Förderung der Errichtung eines Freizeit­bades im westfälischen Dorsten, etwa 90 Kilometer von der nächsten Grenze (zu den Niederlanden) entfernt. Die Kommission nahm an, dass der Einzugsbereich einer solchen Freizeitbadeinrichtung maximal 50 Kilometer betrage und dessen Betrei­ ber sich damit in keinem grenzüberschreitenden Wettbewerb befände.

III. Darstellung der Uneinheitlichkeit der Rechtspraxis der Kommission im Infrastrukturbereich und eigene Einschätzung Auch wenn die Lösung aus der Entscheidung Freizeitbad Dorsten im Ergeb­ nis nachvollziehbar ist, da die Kommission ihre begrenzten Ressourcen auf grö­ ßere Beihilfeverfahren mit potentiell stärkeren wettbewerblichen Auswirkungen zu konzentrieren versucht, kann ihr praktisches Vorgehen nicht vollständig über­ zeugen. Eine enge Auslegung der Zwischenstaatlichkeitsklausel dahingehend, dass rein lokale Infrastrukturvorhaben ohne grenzüberschreitenden Bezug nicht von ihr um­ fasst werden sollen, erscheint zwar sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrem Telos möglich. Dies ergibt sich gerade vor dem Hintergrund, dass der Kommission mit dem Beihilfenrecht kein Instrument zusteht, um rein mitglied­ staatliche Subventionen ohne gemeinschaftlichen Bezug ihrer Kontrolle zu unter­ werfen. Einer derartigen Einschränkung der Eingriffsbefugnisse der Kommission stünde auch nicht die Argumentation entgegen, dass auf diese Weise ein „Vollzugs­ vakuum“ geschaffen würde. Vielmehr erreicht die Kommission bei rein lokalen 799

Allein in der Bundesrepublik Deutschland gibt es ca. 14.000 Städte und Gemeinden, die jeweils eigene Infrastrukturprojekte wie z. B. Schwimmbäder und Jugendzentren finanzieren. 800 Vgl. auch Bartosch, EStAL 2011, S. 747 f. 801 Kommission, Ent. v. 12.01.2001, Az. N 258/00 – Freizeitbad Dorsten. Siehe dazu etwa die Rede der ehemaligen Wettbewerbskommisarin Kroes, Reforming Europe’s State Aid Regime, SPEECH/05/347, S. 3; ferner Lübbig/Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 97 f.

D. Beeinträchtigung des Handels bei Infrastrukturmaßnahmen

291

Subventionen schlicht den Randbereich ihrer von den Verträgen vorgesehenen Kompetenz802. Problematisch ist jedoch, dass die Kommission bislang keine einheitlichen Grundsätze entwickelte, unter welchen Umständen eine Infrastruktur nach ihrem Verständnis als rein lokal zu betrachten ist803. So hat sie die in der Folgezeit die Sanierung eines als Kulturdenkmal an­ gesehenen kommerziell genutzten Piers in England als rein lokale Maßnahme ein­ geordnet804. Ähnlich argumentierte sie auch bei einer Stadthalle in Tschechien805. Dagegen hat sie für Museen in Spanien806 oder öffentliche Vergnügungsparks807 entschieden, dass deren mitgliedstaatliche Förderung den zwischenstaatlichen Handel beeinträchtige, da sie potentiell von ausländischen Besuchern frequentiert werden. Auch in einer jüngeren Entscheidung zur mitgliedstaatlichen Förderung von Kletterhallen nahm die Kommission an, dass der grenzüberschreitende Han­ del in diesem Bereich betroffen sei808. Bei Seilbahnanlagen differenzierte die Kommission danach, ob diese in einem Tourismusgebiet liegen und/oder zur allgemeinen Personenbeförderung dienen oder ob diese von rein lokaler Bedeutung sind. Während sie in ersteren Fällen eine mögliche Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels annahm, lehnte sie eine solche in letzterer Konstellation ab809. Bei der Finanzierung der Errichtung und des Betriebs von Flughäfen beurteilt die Kommission das Vorliegen einer Handelsbeeinträchtigung analog zum Be­ stehen einer Wettbewerbsverfälschung. Nach den Leitlinien von 2005 wird bei mitgliedstaatlicher Unterstützung von Großflughäfen der Kategorien A und B grundsätzlich die Gefahr einer Handelsbeeinträchtigung vermutet810. Bei Regio­ nalflughäfen der Kategorien C und D solle es dagegen auf eine individuelle Ana­ lyse des Einzelfalls ankommen811. In der tatsächlichen Entscheidungspraxis hat sich die Kommission jedoch vielfach nicht an diese eigenen Vorgaben gehalten 802

Tendenziell anderer Ansicht, allerdings allgemeiner und weniger mit spezifischem Bezug zu lokalen Infrastrukturen Soltész, in: Montag/Säcker, MüKo-WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 445. 803 Siehe dazu etwa Heidenhain, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 9 Rn. 6; Soltész, in: Montag/Säcker, MüKo-WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 461 ff. 804 Kommission, Ent. v. 09.04.2002, Az. N 560/01 und NN 17/02, Rn. 34 – Brighton West Pier. 805 Kommission, Ent. v. 20.12.2006, Az. N 497/2006, Rn. 13 ff. – Přerov Municipal Hall. 806 Kommission, Ent. v. 11.05.2011, Az. SA.32643 (2011/N) – Basque Museums. 807 Kommission, Ent. v. 17.09.2003, Az. K(2003) 3241, ABl. 2004 L61/66, Rn. 25 m. w. N. – Space Park Bremen. 808 Kommission, Ent. v. 05.12.2012, Az. SA.33952 (2012/NN), Rn.  55 ff.  – Kletterhallen des DAV. 809 Kommission, Ent. v. 27.02.2002, Az. N 860/01, Rn. 19 ff. – Skigebiet Mutterer Alm. 810 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2005, Rn. 39. 811 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2005, Rn. 40.

292

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

und unter Rückgriff auf die Philip Morris-Rechtsprechung auch bei der mitglied­ staatlichen Förderung von Regionalflughäfen ohne nähere Begründung eine Han­ delsbeeinträchtigung angenommen812. Diese beispielhafte Auswahl an Entscheidungen aus dem Infrastrukturbereich zeigt, dass der Kommission bei der Auslegung des Merkmals der grenzüberschrei­ tenden Handelsbeeinträchtigung insgesamt eine klare Auslegungslinie fehlt. Es erscheint unklar und kaum voraussagbar, inwieweit die Kommission ein Infra­ strukturprojekt von vorrangig lokaler Bedeutung aus dem Beihilfenbegriff aus­ klammert. Dies führt zu einem erheblichen Maße an Rechtsunsicherheit, sowohl für die Mitgliedstaaten als auch für die begünstigten Infrastrukturbetreiber so­ wie potentiell benachteiligte Wettbewerber. Hier liegt ein wichtiger Anknüpfungs­ punkt für zukünftige Reformen zur Vereinheitlichung der Beihilfenkontrolle im Infrastrukturbereich.

IV. Exkurs: Die neue Ausnahme für „lokale Infrastrukturen“ in der Beihilfen-Gruppenfreistellungsverordnung 2014 Einen ersten Schritt in diese Richtung hat die Kommission zwar mit der Veröffentlichung der neuen Beihilfen-Gruppenfreistellungsverordnung 2014813 gemacht814. Dort werden Investitionsbeihilfen für den „Bau oder die Modernisierung lokaler Infrastrukturen“ bis zu bestimmten – relativ niedrigen – Höchst­ beträgen (10 Mio. Euro oder Gesamtkosten über 20 Mio. Euro für dieselbe Infra­ struktur815) und unter weiteren Voraussetzungen als nach Art. 107 Abs. 3 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar eingeordnet und von der Notifizierungspflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV freigestellt816. Inwieweit sich diese neue Bestimmung allerdings als praxistauglich erweisen wird, bleibt abzuwarten. Problematisch erscheint insbesondere, dass die Kommission in der Gruppen­ freistellungsverordnung 2014 offen lässt, was genau sie unter einer „lokalen Infrastruktur“ versteht. Insoweit nennt sie weder eine Definition noch eine Beschrei­ bung oder Fallbeispiele. Des Weiteren erweist sich das Vorgehen der Kommission bei näherer Betrach­ tung auch dogmatisch als nicht gänzlich überzeugend. Die Anknüpfung der Frei­ stellung an die Rechtfertigungsnorm des Art.  107 Abs.  3 AEUV zeigt, dass aus Sicht der Kommission auch bei „lokalen Infrastrukturen“ das Tatbestandsmerkmal der Handelsbeeinträchtigung erfüllt sein kann817. Gleichwohl stützt sie ihre Be­ 812

Kritisch auch Soltész, in: Montag/Säcker, MüKo-WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 471. Kommission, Beihilfen-GVO 2014. 814 Siehe ausführlicher unten Kap. 4, E. VI. 815 Kommission, Art. 4 Nr. 1. cc) Beihilfen-GVO 2014. 816 Kommission, Art. 56 Beihilfen-GVO 2014. 817 Siehe auch Kommission, Grund 75 (letzter Satz) Beihilfen-GVO 2014. 813

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

293

gründung für die Schaffung des Art. 56 der Gruppenfreistellungsverordnung 2014 ausdrücklich darauf, dass bei lokalen Infrastrukturen „die Gefahr von Verfälschungen begrenzt bleibt“818. Während dieser Aspekt zwar auch auf Rechtfertigungs­ ebene bei Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV Berücksichtigung findet, wäre nach hier vertretener Auffassung eine Anknüpfung an das vorgelagert auf Tatbestandsebene zu prüfende Merkmal der Handelsbeeinträchtigung konsequenter.

V. Zusammenfassung und Ausblick Kommission und Gerichtshof legen die Zwischenstaatlichkeitsklausel im Bei­ hilfenrecht im Allgemeinen weit aus. Dennoch haben praktische Erwägungen zu den begrenzten Ressourcen der Kommissionsdienststellen dazu geführt, dass In­ frastrukturprojekte von ausschließlich lokaler Bedeutung zuweilen nicht als da­ von umfasst angesehen wurden. Insgesamt zeigt die Rechtspraxis sich in diesem Bereich allerdings uneinheitlich. Das bisherige Fehlen von feststehenden Bewer­ tungsgrundsätzen führt hier zu einem erheblichen Maß an Rechtsunsicherheit. Die Zwischenstaatlichkeitsklausel zeigt sich damit als rechtspolitisch geeigneter An­ knüpfungspunkt für eine zukünftige stärkere Vereinheitlichung der Kommissions­ rechtspraxis zur beihilfenrechtlichen Bewertung der mitgliedstaatlichen Infra­ strukturförderung.

E. Vereinbarkeit von Beihilfen zur Errichtung und zum Betrieb von Infrastrukturen mit dem Binnenmarkt Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

I. Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV als zentrale Rechtfertigungsnorm für Infrastrukturbeihilfen 1. Rechtspraxis vor Veröffentlichung des Aktionsplans Aufgrund der allgemeinen Kommissionspraxis zur mitgliedstaatlichen Infra­ strukturförderung bis zur Mitte der 2000er Jahre gab es bis dahin nur einzelne Ent­ scheidungen, in denen die Kommission überhaupt die Rechtfertigungsebene in derartigen Fällen zu untersuchen hatte. Daher kann für diese Zeit auch kaum von einem spezifischen Prüfungssystem zur Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt gesprochen werden. Insgesamt orientierte sich die Kommission in Entscheidungen, in denen sie eine Rechtfertigungsmöglichkeit von Infrastrukturbeihilfen nach dem heutigen Art. 107 Abs. 3 c) AEUV annahm, an ihrer allgemeinen beihilfenrechtlichen Prü­ fungspraxis. Rechtsdogmatisch formte sie die Norm kaum aus, vielmehr blieben 818

Kommission, Beihilfen-GVO 2014, Grund 75.

294

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

die Entscheidungen stark einzelfallabhängig und schwer vorhersagbar819. Auch der von ihr unternommene Aufwand für die einzelnen Entscheidungsbegründun­ gen variierte von Fall zu Fall. Als Grundlinie lassen sich dennoch folgende Prüfungsschritte ausmachen820: (1) Zunächst forderte die Kommission, dass die Förderung des Infrastrukturbetrei­ bers einem Ziel von gemeinsamem Interesse dient821. (2) In einem weiteren Schritt untersuchte sie, ob die geförderte Maßnahme nicht auch hätte von privaten Markakteuren zu für sie wirtschaftlich rentablen Kon­ ditionen finanziert werden können. In diesem Punkt prüfte sie damit – ohne dies explizit zu benennen und dogmatisch näher auszuformen – das Vorliegen eines Marktversagens822. (3) Schließlich führte die Kommission eine Angemessenheitsprüfung durch, in de­ ren Rahmen sie die Verhältnismäßigkeit sowie die mit der Maßnahme poten­ tiell verbundenen Beeinträchtigungen des Wettbewerbs und des innergemein­ schaftlichen Handels untersuchte. Bei der Untersuchung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme hinterfragte die Kommission unter anderem, ob sich die Höhe der Beihilfe auf das erforderliche Maß beschränkte und keine Überkompensation des Infrastrukturbetreibers zu er­ warten war. Ferner prüfte sie, ob der Infrastrukturbetreiber die Einrichtungen allen potentiellen Nutzern öffnete und zu nicht-diskriminierenden Bedingungen bereit­ stellte. Darüber hinaus analysierte sie hier die allgemeine Ausgestaltung der Maß­ nahme, etwa in Hinblick auf ihre Intensität und ihre Laufzeit. Vereinzelt nahm sie darüber hinaus eine genauere Prüfung der wettbewerb­ lichen Effekte der einzelnen Beihilfenmaßnahme vor. In der Entscheidung Freight Facilities Grants etwa überprüfte sie die Auswirkungen der mitgliedstaatlichen Förderung der Betreiber von Hafeninfrastrukturen auf den intermodalen Wett­ bewerb von Transportträgern823. Dabei setzte sie sich mit den verschiedenen poten­ tiell betroffenen Märkten auseinander. Auch wenn diese Analyse insgesamt nicht sehr detailliert ausfiel, zeigte die Kommission in dieser Entscheidung dennoch An­ sätze einer in besonderem Maße wettbewerbsorientierten Prüfung.

819

So auch Heithecker, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 507 f. Vgl. auch Koenig/Haratsch, EStAL 2005, S. 393, 397 f. 821 Kommission, Ent. v. 20.10.2004, N 520/2003, Rn.  56  – Financial Support for Infra­ structure Works in Flemish Ports; Kommission, Ent. v. 16.06.2004, C 67/03 (ex N 355/03), C 68/03 (ex N 400/03), C 69/03 (ex N 473/03), Rn. 55 – Propylen-Pipeline von Rotterdam über Antwerpen ins Ruhrgebiet. 822 Kommission, Ent. v. 16.06.2004, C 67/03 (ex N 355/03), C 68/03 (ex N 400/03), C 69/03 (ex N 473/03), Rn.  57  – Propylen-Pipeline von Rotterdam über Antwerpen ins Ruhrgebiet; Kommission, Ent. v. 20.12.2001, Az. N 649/2001, Rn. 58 – Freight Facilities Grants. 823 Kommission, Ent. v. 20.12.2001, Az. N 649/2001, Rn. 65 ff. – Freight Facilities Grants. 820

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

295

Der wichtigste inhaltliche Unterschied der früheren Kommissionspraxis zu der 2005 neu eingeführten Abwägungsprüfung824 ist darin zu erblicken, dass die Kom­ mission vormals keine strenge Untersuchung der Erforderlichkeit einer Beihil­ fengewährung vornahm. Insbesondere verglich sie die Beihilfengewährung nicht mit anderen, möglicherweise weniger wettbewerbsschädlichen Politikinstrumen­ ten der Mitgliedstaaten, wie sie es nun auf der zweiten Stufe der Abwägungsprüfung tut. Darüber hinaus ist die ausdifferenzierte Prüfung des Marktversagens auf der ersten Stufe der Abwägungsprüfung eine wesentliche Neuerung seit der Bei­ hilfenreform von 2005. 2. Die sektorspezifische Umsetzung der Abwägungsprüfung und ihre Bedeutung in der Fallpraxis zu Infrastrukturbeihilfen Die Abwägungsprüfung ist nach der Veröffentlichung des Aktionsplans zentra­ ler Gegenstand der Vereinbarkeitsprüfung in einer Reihe beihilfenrechtlicher Leit­ linien und Gemeinschaftsrahmen geworden, u. a. im Gemeinschaftsrahmen für Forschung, Entwicklung und Innovation825, den Leitlinien für Risikokapitalin­ vestitionen in KMU826 sowie den Leitlinien für Umweltschutzbeihilfen827. Diese Rechtsakte sind für die beihilfenrechtliche Untersuchung des Infrastruktursektors nur von nebengeordneter Bedeutung, in ihren Grundzügen als Exempel für die all­ gemeine Entwicklung der Beihilfenpraxis der Kommission allerdings nicht zu un­ terschätzen. a) Die Abwägungsprüfung in den Breitband-Leitlinien Speziell für den Infrastrukturbereich beinhalten die Breitband-Leitlinien 2009 und 2013 der Kommission die wichtigste statuierte Ausformung der Abwägungsprüfung. Dort ist folgendes Prüfungsprogramm festgelegt: „Erstens muss jede Beihilfemaßnahme die nachstehend genannten erforderlichen Vorausset­ zungen erfüllen. Ist eine der folgenden Voraussetzungen nicht erfüllt, so wird die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt: 1. Beitrag zur Erreichung von Zielen von gemeinsamem Interesse 2. Unzufriedenstellendes Marktergebnis aufgrund von Marktversagen oder wesentlichen Ungleichheiten 3. Eignung des Instruments der staatlichen Beihilfe

824

Ausführlich dazu bereits oben Kap. 3, B. VI. 2. b) und B. VII. Kommission, Gemeinschaftsrahmen FuEI 2006, Abschnitt 1.3 u. 1.4. 826 Kommission, Leitlinien Risikokapitalinvestitionen in KMU 2006, Abschnitt 1.3. 827 Kommission, Leitlinien Umweltschutzbeihilfen, Abschnitt 1.3 u. 1.4. 825

296

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

4. Vorliegen eines Anreizeffekts 5. Beschränkung der Beihilfe auf das erforderliche Minimum 6. Begrenzte negative Auswirkungen 7. Transparenz Wenn alle erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, wägt die Kommission den positiven Beitrag der Beihilfemaßnahme zur Erreichung des Ziels von gemeinsamem Interesse gegen die potenziellen negativen Auswirkungen ab. (…) 8. Allgemeine Abwägungsprüfung und Voraussetzungen für die Vereinbarkeit mit dem Bin­ nenmarkt zur Begrenzung der Wettbewerbsverzerrungen.“828

Im Vergleich zu dem im Allgemeine Grundsätze-Papier aufgeführten Prüfungs­ schema ergeben sich aus den Breitband-Leitlinien zunächst kaum Abweichungen von der allgemeinen Abwägungsprüfung, abgesehen von einigen anders gewählten Formulierungen für inhaltlich identische Prüfungsgegenstände. Der Prüfungspunkt „6. Begrenzte negative Auswirkungen“ umfasst eine Un­ tersuchung der möglichen negativen Effekte der Beihilfenvergabe auf den Wett­ bewerb und den Handel, wobei nach den Erläuterungen der Kommission vor allem die Auswirkungen der Beihilfenvergabe auf die Wettbewerber des begünstigten Unternehmens an dieser Stelle betrachtet werden sollen829. Damit ist das Verständ­ nis der Kommission bei den wettbewerblichen Auswirkungen der Beihilfenmaß­ nahme an diesem Punkt tendenziell enger als im Allgemeine Grundsätze-Papier, in dem als negative wettbewerbliche Auswirkungen darüber hinaus auch eine lang­ fristige Verringerung des Anreizeffekts bei dem begünstigten Unternehmen sowie die Beeinflussung des Wettbewerbs auf den Inputmärkten genannt werden830. Da derartige Erwägungen allerdings gegebenenfalls unter dem weiter gefassten Punkt „8. Allgemeine Abwägungsprüfung“ berücksichtigt werden können, sind die prak­ tischen Auswirkungen dieser Differenzierung im Ergebnis unerheblich. Hinzugekommen ist bei den Breitband-Leitlinien der Prüfungspunkt „7. Transparenz“. Nach diesem  – im Weiteren umfassend und detailliert von der Kom­ mission erläuterten – Erfordernis sind die Mitgliedstaaten bei der Förderung von Breitband-Infrastrukturen vor der Mittelvergabe unter anderem zur Durchführung einer öffentlichen Konsultation und eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens verpflichtet. Darüber hinaus haben sie unter anderem sicherzustellen, dass die Bei­ hilfenvergabe technologieneutral ausgestaltet ist und die begünstigten Infrastruk­ turbetreiber ihre Netze zu diskriminierungsfreien Bedingungen für Dienstleister auf nachgelagerten Marktebenen zur Verfügung stellen831. Dieser Prüfungspunkt 828

Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 33, 34 u. Vor. 49. Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 47. 830 Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 44 ff. 831 Siehe zum Ganzen Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 48 u. 78 ff. 829

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

297

umfasst damit einige Besonderheiten, die gerade spezifisch im Bereich der Bei­ hilfen für Infrastrukturbetreiber relevant sind. Derartigen Erwägungen kann auch bei anderen Infrastrukturbeihilfen eine erhebliche Bedeutung zukommen, welche in ihrer Vereinbarkeitsprüfung nicht unmittelbar auf die Breitband-Leitlinien ge­ stützt werden können832. b) Die Abwägungsprüfung in den Luftverkehrs-Leitlinien aa) Luftverkehrs-Leitlinien 2005 Weiterhin hat die Kommission in den Ende 2005 erlassenen Luftverkehrs-Leit­ linien ein spezielles Prüfungsprogramm für die Vereinbarkeit der mitgliedstaat­ lichen Finanzierung von Flughafeninfrastrukturen entwickelt: „– Der Bau und Betrieb der Infrastruktur dient einem klar definierten Ziel von allgemeinem Interesse (Regionalentwicklung, Zugänglichkeit usw.). – Die Infrastruktur ist für die Erreichung des beabsichtigten Ziels notwendig und angemes­ sen. – Die mittelfristigen Perspektiven für die Nutzung der Infrastruktur, insbesondere der be­ stehenden, sind zufrieden stellend. – Alle potenziellen Nutzer erhalten einheitlichen und diskriminierungsfreien Zugang zu der Infrastruktur. – Die Entwicklung des Handelsverkehrs wird nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt, das dem gemeinschaftlichen Interesse zuwiderläuft.“833

In dieser ursprünglichen Form ähneln diese Vorgaben weitgehend der Prüfungs­ reihenfolge der Kommission in der Abwägungsprüfung834. Sie unterscheiden sich jedoch wesentlich dadurch, dass das für die Abwägungsprüfung gerade konsti­ tutive Element der Abwägung der positiven und der negativen wettbewerblichen Auswirkungen der Beihilfenmaßnahme zum Abschluss der Prüfung nicht vor­ genommen wird. bb) Luftverkehrs-Leitlinien 2014 Im Entwurf für die neuen Luftverkehrs-Leitlinien 2014 ergänzte die Kommis­ sion zu ihrem spezifischen Prüfungsraster für Beihilfen an Flughafenbetreiber nunmehr, dass sie im Anschluss an dessen Untersuchung „in der Regel die positiven Auswirkungen der Beihilfemaßnahme im Hinblick auf die Verwirklichung 832

Vgl. dazu unten zur Prüfung der Wettbewerbsverfälschung Kap. 4, E. I. 3. c). Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2005, Rn. 61. 834 Vgl. auch Koenig/Trías, EStAL 2009, S. 299. 833

298

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

eines Ziels von gemeinsamem Interesse gegen ihre etwaigen nachteiligen Auswirkungen ab[wägt]“835. Interessanterweise fehlt dieser Passus in der endgültigen Fassung der Luftver­ kehrs-Leitlinien 2014. Dagegen formuliert die Kommission dort allgemeiner, dass sie „untersucht (…), ob die Ausgestaltung der Maßnahme Gewähr dafür bietet, dass die positiven Auswirkungen der Beihilfe im Hinblick auf ein Ziel von gemeinsamem Interesse ihre möglichen negativen Auswirkungen auf Handel und Wettbewerb überwiegen“836. Es folgt ein Katalog von Prüfungsschritten837, der un­ ter anderem auch den Aspekt „Vermeidung übermäßiger negativer Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handel zwischen Mitgliedstaaten“838 umfasst und in dem es heißt: „Die negativen Auswirkungen der Beihilfe müssen in ausreichendem Maße begrenzt sein, damit die Gesamtbilanz der Maßnahme positiv ausfällt.“839 Diese Formulierung deutet zwar darauf hin, dass die Kommission sich bei der Überprüfung von Beihilfen für Flughafeninfrastrukturen weiterhin die Möglich­ keit einer Gesamtabwägung offenhält. Im Regelfall kann sie jedoch bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen der Leitlinien eine Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Binnenmarkt annehmen, soweit nicht besonders negative wettbewerb­ liche Auswirkungen zu erwarten sind. Dies nimmt die Kommission vor allem dann an, wenn sich im Einzugsbereich der neu zu errichtenden Infrastruktur bereits un­ rentable bestehende Infrastruktureinrichtungen befinden840. Insgesamt schlägt die Kommission damit einen formalisierteren Lösungsweg ein als bei der allgemein im Rahmen des Art.  107 Abs.  3 lit. c) AEUV durchgeführten offenen Gesamt­ abwägung, welche in der praktischen Anwendung zuweilen erhebliche Schwierig­ keiten verursacht841. Wie der neue Ansatz in der Rechtspraxis zu Flughafeninfra­ strukturen von der Kommission indes tatsächlich ausgefüllt wird, bleibt nunmehr abzuwarten. c) Die Abwägungsprüfung in der Rechtspraxis zu anderen Infrastrukturarten Darüber hinaus von bedeutender Relevanz für den Infrastrukturbereich ist die Einführung der Abwägungsprüfung im Rahmen der allgemeinen Vereinbarkeits­ prüfung nach Art. 107 Abs. 3 AEUV, insbesondere bei den sektorspezifischen Bei­ hilfen nach Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV. Für deren Beurteilung durch die Kommis­ sion bietet vor allem das Allgemeine Grundsätze-Papier wertvolle Anhaltspunkte. 835

Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014 (Entwurf 2013), Rn. 73. Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 78. 837 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 79. 838 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 79 lit. f). 839 Ebd. 840 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 106 ff. 841 Ausführlich dazu unten Kap. 4, E. I. 3. c) bb). 836

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

299

Die in diesem Dokument ausgeführten Grundlinien zur Anwendung der Abwägungsprüfung will die Kommission ausschließlich als Instrument zur Beurteilung von Beihilfen betrachtet wissen, die nicht dem Anwendungsbereich von beste­ henden spezielleren Leitlinien oder Gemeinschaftsrahmen unterfallen, welche ge­ gebenenfalls bereichsspezifische Modifikationen der Prüfung statuieren842. Eine Reihe von Infrastrukturbeihilfen, die nicht den spezifischen sektorspezifischen Vorgaben wie für Breitband-Netze oder den Luftverkehr unterfallen – etwa für lo­ kale Heizungsnetze843, Pipelines844 und Rundfunkinfrastrukturen845  – wurde von der Kommission auf Grundlage einer solchen allgemeinen Abwägungsprüfung un­ tersucht. 3. Die einzelnen Elemente der Abwägungsprüfung a) Erste Ebene der Abwägungsprüfung: Marktversagen oder allgemeines Ziel von gemeinsamem Interesse Nach dem Aktionsplan sollen Beihilfen jedenfalls dann ein von der Kommis­ sion anerkanntes legitimes Ziel verfolgen, wenn sie der Beseitigung eines Markt­ versagens dienen. Zentrale Bedeutung kommt im Rahmen der Abwägungsprüfung demnach dem Begriff des Marktversagens zu. Wie bereits gezeigt wurde, sind im Infrastrukturbereich aufgrund dessen ökonomischer Eigenschaften und seiner so­ zialpolitischen Bedeutung verschiedene Ausprägungen von Marktversagen denk­ bar. Im Folgenden sollen die für den Infrastruktursektor wichtigsten Fragen der rechtlichen Bewertung des Marktversagenskonzepts in der Abwägungsprüfung diskutiert werden. aa) Werden vom Marktversagenskriterium auch Fälle distributiven Marktversagens erfasst? Im Zuge der Beihilfenreform 2005 kam eine Diskussion darüber auf, inwie­ weit das neu entwickelte Marktversagenskonzept ein distributives Marktversagen umfasst und ob damit im Rahmen auch verteilungspolitische Erwägungen als Rechtfertigung für Beihilfen herangezogen werden können. Anknüpfungspunkt für diese Debatte war, dass die Kommission im Aktionsplan die Betrachtung der Rechtfertigung von Beihilfen aufspaltet in solche mit Effizienzzielen (Beihilfen

842

Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 6 f. Kommission, Ent. v. 10.09.2012, Az. SA.34642 2012/N – Greece District Heating Kozani. 844 Kommission, Ent. v. 06.03.2013, Az. SA.34359 (2012/N), Rn.  43 ff.  – Poland Pipeline Brody-Adamowo. 845 Kommission, Ent. v. 19.06.2013, Az. SA.28599 (C 23/2010 (ex NN 36/2010, ex CP 163/2009)), Rn. 148 ff. – DTT in abgelegenen Regionen Spaniens. 843

300

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

zur Beseitigung eines allokativen Marktversagens) und solche mit Gleichheitszie­ len (Beihilfen zur Beseitigung eines distributiven Marktversagens)846. (1) Ökonomischer und beihilfenpolitischer Hintergrund Nach der neoklassischen Schule in den Wirtschaftswissenschaften ist zwischen den Zielen der Beseitigung eines allokativen Marktversagens und der Bekämpfung eines distributiven Marktversagens strikt zu unterscheiden847. In den Wirtschaftswissenschaften werden unterschiedliche Ansichten dazu ver­ treten, in welchem Verhältnis diese Ziele zueinander stehen. Nach neoklassischem Verständnis ist es grundsätzlich Aufgabe der Politik  – nicht der Ökonomie – über Maßnahmen zur Herstellung von Distributionsgerech­ tigkeit zu entscheiden848. Gleichwohl betonen Vertreter dieser Schule, dass staat­ liche Eingriffe in den Marktprozess regelmäßig Effizienzeinbußen zur Folge haben können und damit potentiell die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt verringern, da sie Fehlanreize bei den Marktakteuren setzen849. Aus diesem Grunde stehen sie Verteilungsmaßnahmen, die nicht der Beseitigung eines allokativen Marktver­ sagens dienen, tendenziell kritisch gegenüber850. Einige Wirtschaftswissenschaft­ ler – etwa der ehemalige Chefökonom der Generaldirektion Wettbewerb Röller – folgern daraus, dass die mitgliedstaatliche Beihilfenpolitik sich in erster Linie an der Steigerung der Effizienz ausrichten sollte, also der Beseitigung von Formen al­ lokativen Marktversagens, während Verteilungsaspekte nur nachrangig als Recht­ fertigung für die Beihilfenvergabe dienen können851. 846

Zu der Diskussion Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1070 ff.; ferner Heithecker, in: Birnstiel/ Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 521. 847 Kaupa, EStAL 2009, S. 311, 316 m. w. N. 848 Vgl. nur Samuelson/Nordhaus, Economics, S. 48. 849 Siehe nur Friedman, Capitalism and Freedom, S. 166: „Individuals co-operate with others because they can in this way satisfy their own wants more effectively. But unless an individual receives the whole of what he adds to the product, he will enter into exchanges on the basis of what he can receive rather than what he can produce.“ Aus dem beihilfenpolitischen Kontext dazu auch Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 635. 850 Vgl. aus der klassischen Theorie schon Smith, Wealth of Nations, S. 560 f.: „According to the system of natural liberty, the sovereign has only three duties to attend to (…): first, the duty of protecting the society from the violence and invasion of other independent societies; sec­ ondly, the duty of protecting, as far as possible, every member of the society from the injustice or oppression of every other member of it, or the duty of establishing an exact administration of justice; and, thirdly, the duty of erecting and maintaining certain public works, and certain public institutions, which it can never be for the interest of any individual, or small number of individuals to erect and maintain (…).“ Zur Neoklassik siehe den Überblick bei Karagiannis/ Madjd-Sadjadi, Modern State Intervention, S. 29 ff. m. w. N. 851 Vgl. Friederiszick/Röller, EStAL 2007, S. 592, 599; kritisch Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1072.

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

301

Demgegenüber lehnen Vertreter anderer ökonomischer Schulen eine Aufteilung der Bewertung von staatlichen Maßnahmen nach Effizienz- und Gleichheitszielen ab. Danach können auch staatliche Umverteilungsmaßnahmen positive gesamtwirt­ schaftliche Auswirkungen haben852. Dies gilt in besonderem Maße auch für öffent­ liche Infrastrukturinvestitionen853. Anhänger derartiger ökonomischer Ansätze erach­ ten konsequenterweise eine Aufspaltung der beihilfenpolitischen Beurteilung von staatlichen Fördermaßnahmen nach Effizienz- und Gleichheitszielen als verfehlt854. (2) Beschränkung auf ein vorrangig allokatives Marktversagenskriterium Einige Literaturstimmen nahmen an, dass die Kommission mit dem Aktionsplan ihre Beihilfenpolitik dahingehend präzisieren wollte, dass sie zukünftig bei der Rechtfertigung von Beihilfen vorrangig Effizienzerwägungen berücksichtigt, während die Verfolgung verteilungspolitischer Zwecke durch die Mitgliedstaaten nur nachrangig anerkannt werden soll855. Gestützt wird diese Annahme vor allem auf folgende Formulierung: „Im Rahmen der neu belebten Lissabon-Strategie hat der Europäische Rat die Mitglied­ staaten ersucht, der Korrektur von Marktversagen Beachtung zu schenken. Darüber hinaus sollten auch Anstrengungen unternommen werden, um sozialen und wirtschaftlichen Zu­ sammenhalt und nachhaltige Entwicklung sicherzustellen.“856

Hintergrund dieser Überlegungen ist das dargestellte neoklassische Markt­ verständnis, wonach Märkte grundsätzlich aus Sicht der Gesamtwohlfahrt opti­ male Allokationsergebnisse erzielen und staatliche Eingriffe auf ein Mindestmaß (nämlich zur Beseitigung von allokativen Marktversagensformen) zu beschränken sind857. Staatliche Umverteilung in Form von Beihilfen zur Förderung von Gleich­ heitszielen könne dagegen zu negativen Auswirkungen auf die Allokationseffi­ zienz der Märkte führen. Prägnant erklären die Kommissionsökonomen Friede­ riszick, Röller und Verouden: „(…) it has to be recognized that many public policy measures that focus on redistribution have strong side effects on efficiency (…). These side effects may result in a trade-off be­ tween equity and efficiency objectives. An important role of economic analysis is to iden­ tify any such trade-off.“858 852

Siehe etwa Kaupa, EStAL 2009, S. 311, 316 f. Grundlegend zu diesem Gedanken schon Keynes, Allgemeine Theorie, S. 314 ff. 853 Klauser, Infrastrukturinvestitionen als Mittel der Konjunkturpolitik S.12 ff.; Siebert, in: Jochimsen/Simonis, Infrastrukturpolitik, S. 33 ff. 854 Siehe etwa Kaupa, EStAL 2009, S. 311, 316 ff. 855 Siehe dazu etwa Buendia Sierra/Smulders, in: Flett, Liber Amicorum Gadea, S. 1, 5 f. 856 Kommission, Aktionsplan, Rn. 23. 857 Vgl. Friedman, Capitalism and Freedom, S. 166; siehe dazu auch oben Kap. 4, E. I. 3. a) aa) (1). 858 Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 635.

302

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Vertreter dieser Auffassung folgen danach der Ansicht, dass der neu in die recht­ liche Betrachtung aufgenommenen Terminus des Marktversagens nur Fälle erfas­ sen soll, die im Rahmen dieser Arbeit unter dem Begriff des allokativen Marktversagens zusammengefasst werden859. Bei dem hier als distributives Marktversagen bezeichneten Konzept handele es sich dagegen tatsächlich nicht um ein Marktversagen. Im Gegenteil sei bei einem angenommenen distributiven Marktversagen sogar häufig aus allokativer Sicht an­ zunehmen, dass der entsprechende Markt gut funktioniert860. Dies kann an einem Beispiel aus dem Bereich der Breitband-Infrastrukturen erläutert werden861: In vie­ len ländlichen Regionen der Union hat sich in der Vergangenheit kein Infrastruk­ turunternehmen finden können, dass die Errichtung von Breitband-Infrastruktur­ netzen finanziert. Der Hintergrund dafür ist, dass potentielle Investoren davon ausgehen, dass die hohen Investitionskosten für die Infrastrukturerrichtung auch mittel- und langfristig nicht gedeckt werden können. Zu diesem Schluss kommen die Investoren auf der Grundlage von verschiedenen Modellrechnungen, in de­ nen ermittelt wird, wie hoch die Investitionskosten auf der einen Seite sind und in welcher Höhe auf der anderen Seite die potentiellen Nutzer bereit wären, An­ schluss- und Nutzungsbeiträge für den Infrastrukturgebrauch zu zahlen. Bei letz­ terer Berechnung wird hinterfragt, welchen Wohlfahrtszuwachs der einzelne Nut­ zer durch den Anschluss an die Breitband-Infrastruktur erfährt und welchen Preis er spiegelbildlich deshalb dafür zu zahlen bereit wäre. Kommt man bei dieser Rechnung zu dem Ergebnis, dass der Wohlfahrtszuwachs für die potentiellen Nut­ zer und damit die Höhe seiner Zahlungsbereitschaft die Investitionskosten des Infrastrukturunternehmens auch langfristig nicht deckt, so wird die Infrastruk­ turinvestition (ohne staatlichen Eingriff in den Markt) nicht stattfinden. Dieses Er­ gebnis zeigt aus allokativer Sicht damit gerade keine Marktversagen, sondern im Gegenteil vielmehr, dass der Markt perfekt funktioniert. Die Investition unter­ bleibt, da durch sie gesamtwirtschaftlich nicht der größtmögliche Wohlfahrts­ zuwachs erzielt werden könnte. Begründet wird die Forderung nach einer Neuausrichtung der Beihilfenkon­ trolle an rein allokativen Maßstäben auch damit, dass das beihilfenpolitische Ziel der Reform von 2005 gerade eine verstärkte „ökonomische“ Betrachtung der Bei­ hilfenkontrolle war und die Kommission versuchen sollte, sich von der zuvor häu­ fig stark politisch und ergebnisorientiert geprägten Ergebnisfindung zu lösen862. Gleichzeitig muss die auf ein vorrangig allokatives Verständnis beschränkte enge rechtliche Auslegung des Marktversagensbegriffs allerdings nicht notwen­ 859 Friederiszick/Röller, EStAL 2007, S.  592, 599. Siehe dazu auch Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1070 ff. 860 Vgl. Koenig/Bache, JECLP 2012, S. 261, 262. 861 Beispiel nach Koenig/Bache, JECLP 2012, S. 261, 262 f. 862 Vgl. dazu allgemein auch Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl., § 2 Rn. 118.

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

303

digerweise bedeuten, dass mit ihm eine von der Union verordnete Absenkung der sozialen Standards in den Mitgliedstaaten verbunden ist. Vielmehr kann damit er­ reicht werden, die Motive für Beihilfenvergaben auch in politisch sensiblen Berei­ chen wie etwa der Versorgung der Bevölkerung mit infrastrukturellen Leistungen klar und ehrlich zu benennen, um auf dieser Grundlage eine objektive Entschei­ dung über ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt treffen zu können863. So blei­ ben Rechtfertigungsmöglichkeiten für Beihilfen mit gleichheitspolitischer Zielset­ zung weiterhin auf den folgenden Wegen bestehen: Im Rahmen der Abwägungsprüfung können verteilungspolitische Erwägungen dann Berücksichtigung finden, wenn sie sich gleichzeitig auch in Formen alloka­ tiven Marktversagens widerspiegeln. Von besonderer Bedeutung ist hier vor al­ lem die Berücksichtigung eines allokativen Marktversagens in Form (positiver wie negativer) externer Effekte. In vielen Bereichen, in denen zur Rechtfertigung von Beihilfen traditionell eher mit dem Vorliegen eines distributiven Marktver­ sagens aufgrund der Verfehlung politisch gewünschter Ziele argumentiert wird, kann auf diese Weise der Fokus von einer politischen Betrachtung hin zu einer ökonomischen Einordnung verschoben werden. Denkbar ist dies etwa beim Um­ weltschutz oder bei einer Vielzahl von Diensten von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse864. Darüber hinaus können nach teilweise vorgetragener Auffassung auch Gleich­ heitserwägungen  – bei entsprechendem politischem Willen  – unabhängig von einem allokativen Marktversagen im weiter gefassten Rahmen der Ziele von gemeinsamem Interesse berücksichtigt werden865. In diesem Zusammenhang betonen die Vertreter eines vorrangig an allokativen Maßstäben ausgerichteten Marktver­ sagenskonzepts wiederholt, dass sie ihre Ansicht nicht als rechtlich absolut ver­ stehen, sondern die Ausgestaltung des Verständnisses des Marktversagensbegriffs letztlich eine rein politische Entscheidung ist866. Gleichzeitig unterstreichen sie je­ doch, dass bei der politischen Entscheidung für einen weiten, auch distributive Er­ wägungen umfassenden Marktversagensbegriff in jedem Falle die nach dem neo­ klassischen Verständnis angenommenen negativen Begleitwirkungen auf die die gesamtwirtschaftliche Effizienz zu berücksichtigen, was zu einer strengeren Kon­ trolle auf den folgenden Prüfungsebenen der Abwägungsprüfung führt867.

863

Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 641 f. 864 Zum Ganzen Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1070 f. m. w. N. 865 Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 642. 866 So explizit Friederiszick/Röller/Verouden, in: Sanchez-Rydelski, The EC State Aid Re­ gime, S. 145, 157; ferner Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 642. 867 So ausdrücklich Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 642; kritisch dazu Kaupa. EStAL 2009, S. 311, 316 f.

304

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Schließlich bleibt bei Beihilfen für Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse die Möglichkeit einer Rechtfertigung über die Altmark-Rechtsprechung oder Art.  106 Abs.  2 AEUV bestehen. Diese Ausnahmen vom Beihilfenverbot allein erfassen bereits einen wesentlichen Anteil am Gesamtvolumen aller mit­ gliedstaatlichen Begünstigungen von Unternehmen mit gleichheitspolitischer Ziel­ setzung. Die spezifischen von den Mitgliedstaaten zu erfüllenden Kriterien, um bei der Mittelvergabe auf diese Ausnahme- und Rechtfertigungsmöglichkeiten zu­ rückgreifen zu können, sind allerdings umfassender und strikter als bei einer all­ gemeinen beihilfenrechtlichen Vereinbarkeitsprüfung. (3) Gleichrangige Berücksichtigung allokativer und distributiver Marktversagenserwägungen Die Annahme eines vorrangig allokativen Marktversagensbegriffs sieht sich indes vielfältiger Kritik ausgesetzt. Kernproblem dieser vor allem von Öko­ nomen entwickelten Auffassung ist, dass sie vor dem Hintergrund wirtschafts­ wissenschaftlicher Theorien (vor allem nach einem neoklassischen Marktver­ ständnis) zwar durchaus nachvollziehbar erscheint, daraus allein jedoch nicht auf ihre rechtliche Vereinbarkeit mit dem Europäischen Primärrecht geschlossen wer­ den kann868. Betrachtet man den Wortlaut der wichtigsten Rechtfertigungsnormen für Beihilfen – Art. 93 AEUV, Art. 106 Abs. 2 AEUV sowie Art. 107 Abs. 2 und Abs. 3 AEUV – so findet sich in keiner dieser Vorschriften ein Anhaltspunkt dafür, dass zur Rechtfertigung mitgliedstaatlicher Beihilfen vorrangig Effizienzziele he­ rangezogen werden müssen, nicht dagegen auch Gleichheitsziele869. Im Gegenteil deuten gerade die in der Praxis äußerst relevanten870 Art. 107 Abs. 3 lit. a) und lit. c) AEUV bereits in ihrer sprachlichen Gestaltung an, dass darunter auch in erster Linie verteilungspolitisch motivierte mitgliedstaatliche Zuwendungen gefasst wer­ den können. Die strukturellen Schwierigkeiten, etwa die vergleichbar schwächere Infrastrukturausstattung in Randgebieten sowie in „Gebiete[n], in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht“ stellt im Regelfall kein Problem der Allokationseffizienz dar, sondern zeigt vielmehr – wie oben gezeigt – dass die Märkte entsprechend dem neoklassi­ schen Verständnis funktionieren871. Potentielle Investoren meiden diese Regionen, da sie davon ausgehen, dass ihre Investitionen in anderen Gebieten eine höhere Steigerung der Gesamtwohlfahrt erzielen können. Die Rechtfertigung von Beihil­ fen an Unternehmen in diesen Regionen stellt also bereits im Kern auf distributive Erwägungen ab. Auch historisch stellte die Genehmigung der Vergabe von Regio­ nalbeihilfen zur Verringerung wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheiten in den 868

Vgl. auch Kaupa. EStAL 2009, S. 311, 318 f. So auch Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1072. 870 Vgl. nur Schrotz, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 280. 871 Vgl. Koenig/Bache, JECLP 2012, S. 261, 262 f. 869

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

305

Mitgliedstaaten einen wesentlichen Teil der Beihilfenpraxis der Kommission dar. Im Rahmen ihres weiten Ermessens berücksichtigte sie somit regelmäßig auch verteilungspolitische Erwägungen872. Des Weiteren löst auch die vorrangige Ausrichtung an rein allokativen Maß­ stäben einige grundlegende Probleme des Marktversagenskonzepts nicht. Die Kritik an der Einbeziehung eines distributiven Marktversagensansatzes, nämlich dass es sich um ein wenig konturenreiches Konzept sowie ein Einfallstor für po­ litisch erwünschte anstelle ökonomisch sinnvoller Ergebnisse handeln kann, ist im Kern zwar zutreffend. Gleichzeitig ist allerdings auch der Begriff des alloka­ tiven Marktversagens keineswegs einheitlich umrissen und in seiner Reichweite bereits in seinem Ursprungsgebiet in der Volkswirtschaftslehre umstritten873. Zu­ dem können sich selbst in Bereichen, in denen das Vorliegen eines allokativen Marktversagens in der theoretischen Betrachtung zumindest naheliegt, in der Pra­ xis erhebliche Schwierigkeiten dabei ergeben, dieses für die juristische Bewertung nachvollziehbar darzulegen und nachzuweisen. In vielen Fällen wären hier kom­ plexe Marktuntersuchungen erforderlich, bei denen allein schon die Erfassung der relevanten Daten einen kaum handhabbaren Aufwand darstellt874. Selbst wenn die Kommission dieses Datenmaterial jedoch erlangen sollte, so gibt es für die fol­ gende Bewertung keinen trennscharfen Maßstab, nach dem das tatsächliche Vor­ liegen einer Marktversagens zu „messen“ ist875. Vielmehr müsste zu einem we­ sentlichen Teil auf theoretische Modelle, Vermutungen und Wahrscheinlichkeiten zurückgegriffen werden, deren Stichhaltigkeit jeweils zumindest weiterhin zu hin­ terfragen sein könnte. Nicht ohne Grund wird deshalb in der Literatur auch an­ genommen, dass das Marktversagenskriterium eher zur „Grobprüfung“ denn zur Detailanalyse herangezogen werden kann876. Schließlich lässt auch der Zweck des Beihilfenrechts keinen Schluss dahin­ gehend zu, dass distributive Erwägungen in der Rechtfertigung hinter allokativen Effizienzgesichtspunkten zurückstehen müssten. Unmittelbarer Telos der Beihil­ fenkontrolle ist es, Wettbewerbsverzerrungen auf den Güter- und Dienstleistungs­ märkten zu verhindern877. Darüber hinaus wird indirekt der Schutz der Union vor Subventionswettläufen der Mitgliedstaaten bezweckt. Aus dem Primärrecht lässt sich dagegen kein allgemeiner Grundsatz herleiten, den Mitgliedstaaten generell die Vergabe von Beihilfen mit gleichheitspolitischer Zielsetzung gegenüber sol­ chen zur Erzielung von (allokativen) Effizienzgewinnen zu erschweren878. 872

Haucap/Schwalbe, Economic Principles of State Aid Control, S. 5; vgl. auch Bartosch, RIW 2007, S. 681, 688, der einer Kontrolle der Kommission über die vom Mitgliedstaat mit der Beihilfe verfolgten Ziele generell kritisch gegenübersteht. 873 Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1072. 874 Vgl. Langner, Beihilfenkontrolle auf dem Prüfstand, S. 21 f. 875 Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1072 m. w. N. 876 Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1072. 877 Siehe ausführlich oben Kap. 4, C. IV. 1. d); ferner Kaupa, EStAL 2009, S. 311, 319. 878 So auch Kaupa, EStAL 2009, S. 311, 318 f.

306

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

(4) Weitere Entwicklung und Konzept im Allgemeine Grundsätze-Papier Trotz der Ansätze im Aktionsplan hat sich ein rein allokatives Marktversagens­ kriterium in der Kommissionspraxis bislang nicht durchgesetzt879. Vielmehr be­ rücksichtigt sie im Rahmen der Abwägungsprüfung auch weiterhin distributive Er­ wägungen der Mitgliedstaaten. Im Allgemeine Grundsätze-Papier stellt sie dies ausdrücklich klar. Beispiel­ haft nennt sie dort etwa Regionalbeihilfen, Beihilfen für Dienstleistungen von all­ gemeinem wirtschaftlichen Interesse sowie Rettungs- und Umstrukturierungsbei­ hilfen880. Letztlich bleibt das Dokument allerdings dahingehend äußerst vage, wie bei Beihilfen mit distributiver Zielsetzung das tatsächliche Vorliegen eines neben den Formen des allokativen Marktversagens stehenden anerkennenswerten Ziels von gemeinsamem Interesse zu ermitteln ist881. Die Kommission verliert sich hier in allgemeine Bemerkungen, etwa dass die Mitgliedstaaten bei der Vergabe der­ artiger Beihilfen „unterschiedliche Gleichheitsziele im Auge haben können“882. Dabei lasse sich bei der „Verfolgung solcher Ziele häufig ein breites gemeinsames Interesse ermitteln“883. Auf der einen Seite stellt die Kommission mit diesen Formulierungen zwar klar, dass sie eine weitreichende Autonomie der Mitgliedstaaten anerkennt, eigene ver­ teilungspolitische Maßnahmen durchzuführen. Andererseits macht sie aber nicht deutlich, welches Gewicht den mitgliedstaatlichen Wertungen bei ihrer Gesamt­ abwägung zukommen soll, und inwieweit darüber hinaus auch Effizienzgesichts­ punkte bei der zukünftigen Rechtfertigung derartiger Beihilfen eine Rolle spielen werden. Insgesamt bleibt somit der Eindruck bestehen, dass die Kommission sich davor scheut, in der politisch sensiblen Frage der Reichweite des Marktversagens­ begriffs eine einheitliche und abschließende eigene Linie festzulegen. (5) Zusammenfassung Infolge der Beihilfenreform von 2005 wurde in der Literatur diskutiert, ob im Rahmen des neu eingeführten Marktversagenskonzepts allokativen Erwägungen ein Vorrang vor distributiven Zielsetzungen zukommt. Nach der hier vertretenen Auffassung erweist sich dieser Ansatz auf Grundlage der bestehenden Vorschriften in den Europäischen Verträgen aus rechtlicher Sicht als nicht überzeugend. Viel­ mehr können sowohl die Beseitigung von Formen allokativen wie auch distribu­ 879

So auch Heithecker, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S. 523. Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 28. 881 Kritisch dazu auch Coppi, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 64, 77 f. 882 Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 29. 883 Ebd. 880

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

307

tiven Marktversagens gleichrangig legitime Zwecke einer mitgliedstaatlichen Bei­ hilfengewährung darstellen. Die jüngere Kommissionspraxis deutet ebenfalls in diese Richtung. Gleichwohl bleibt kritisch anzumerken, dass die Kommission bei der genaueren Ausgestaltung des Marktversagensbegriffs weiterhin vage bleibt und damit eine präzise und rechtssichere Prognose zu ihrer Beurteilung von Ein­ zelfällen erschwert. bb) Allokatives Marktversagen in Form von Marktmacht und (natürlichen) Monopolen sowie Beihilfen zur Förderung eines „künstlichen Wettbewerbs“ In besonderem Maße fragwürdig erscheint, ob die gerade im Infrastruktur­ bereich häufig vorzufindende Marktmacht einzelner Unternehmen, insbesondere auf Märkten mit Tendenzen zur Ausbildung von natürlichen Monopolen, eine im Rahmen der beihilfenrechtlichen Abwägungsprüfung anerkennenswerte Form von (allokativem) Marktversagen darstellt. (1) Rechtliche Regelungen und wirtschaftspolitischer Hintergrund Die natürlichen Monopole im Infrastrukturbereich sind unterschiedlichen spe­ ziellen Regelungen unterworfen. So gibt es für einige Infrastrukturarten – vor al­ lem die früheren mitgliedstaatlichen Monopole im Eisenbahn-, Energie- und Telekommunikationsbereich – sektorspezifische Regulierungsvorgaben. Diese be­ ruhen in weiten Teilen auf europäischem Sekundärrecht884 und werden von den nationalen Regulierungsbehörden durchgesetzt. Sie umfassen vor allem Vorschrif­ ten zur Zugangs- und Preisregulierung. Des Weiteren enthalten das Europäische Kartellrecht wie auch die nationa­ len Rechtsordnungen mit dem allgemeinen Verbot des Missbrauchs einer markt­ beherrschenden Stellung weitere Regelungen885, um missbräuchliche Praktiken von marktmächtigen Unternehmen zu unterbinden. Vor allem unterliegen natür­ liche Monopole in vielen Fällen der im allgemeinen Kartellrecht entwickelten­ Essential-Facilities-Doktrin, nach deren Konzeption der Monopolbetreiber unter bestimmten Umständen zur diskriminierungsfreien Zugangsermöglichung für alle Nutzungspetenten verpflichtet werden kann886. Zweck dieser Kartell- und Regulierungsregelungen ist es zu verhindern, dass der Infrastrukturmonopolbetreiber seine Stellung ausnutzt, um den Wettbewerb 884

Siehe dazu den Überblick bei Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 248 ff. Vgl. Art. 102 AEUV und bespielhaft für Deutschland §§ 19 ff. GWB. 886 Siehe dazu oben Kap. 1, E. III. 1. a). 885

308

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

auf der nachgelagerten Nutzerebene (Infrastrukturdienstleisterebene)  zu behin­ dern. Sie sorgen dafür, dass der Infrastrukturbetreiber den Zugang zu seinen Ein­ richtungen nicht verweigern oder hierfür Preise einfordern darf, welche aufgrund ihrer Höhe die Nutzung der Infrastruktur für Drittanbieter wirtschaftlich unattrak­ tiv machen. Neben staatlichen Eingriffen auf der Basis von regulierungs- und kartellrecht­ lichen Bestimmungen eröffnet zumindest theoretisch aber auch die gezielte Beihil­ fenvergabe den Mitgliedstaaten verschiedene Möglichkeiten, um der Marktmacht einzelner Unternehmen entgegenzuwirken. So kann eine mitgliedstaatliche För­ derung beispielsweise den Markteintritt von Wettbewerbern erleichtern, wenn die­ ser mit besonders hohen Investitionskosten verbunden ist887. Des Weiteren können besondere wirtschaftliche Risiken kleinerer Wettbewerber etwa durch die Gewäh­ rung staatlicher Bürgschaften und Garantien abgefedert werden. Die wirtschafts­ politische Leitidee bei solchen staatlichen Interventionen ist vor allem, dass der von außen angestoßene Wettbewerb auf den entsprechenden Märkten den markt­ mächtigen Akteur dazu zwingt, seine Leistungen zu verbessern und/oder seine Preise zu senken888. Die Förderung eines kleineren Wettbewerbers eines marktmächtigen Unterneh­ mens kann volkswirtschaftlich betrachtet sinnvoll sein aus und eine Steigerung der Gesamtwohlfahrt bewirken. Ökonomisch umfassend erläutert hat diesen Effekt etwa Collie889. Coppi hat dessen Ideen aufgegriffen und in den Rahmen der Abwägungsprüfung integriert. Er verdeutlicht seine Annahme an einem (ökonomisch stark vereinfachten) Beispiel890: Ein kleiner Autoproduzent, der gegen einen marktmächtigen Autohersteller konkurriert, erhält vom Mitgliedstaat 1000 Euro je neu hergestelltem Fahrzeug. Der kleine Wettbewerber kann so seine Produktionskapazitäten ausweiten. Das marktmächtige Unternehmen muss seine Produktion zwar zurückfahren, aufgrund seiner starken Stellung allerdings nicht in gleichem Maße, wie die Herstellungs­ kapazitäten des kleinen Wettbewerbers steigen. Die Folge wäre eine größere Ge­ samtanzahl an produzierten Autos und damit fallende Preise für die Konsumenten. Insgesamt scheint auf dem ersten Blick damit gesamtwirtschaftlich eine Wohl­ fahrtssteigerung anzunehmen zu sein. Aus diesem Grunde befürwortet Coppi Beihilfen als wirksames Instrument zur ge­ samtwohlfahrtssteigernden Reduzierung von Marktmacht einzelner Unternehmen891. 887 Vgl. Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 634. 888 Langner, Beihilfenkontrolle auf dem Prüfstand, S. 13. 889 Collie, IJIO Vol. 18 (2000), S. 867 ff.; siehe auch die umfassende Darstellung dazu bei Nitsche/Heidhues, Impact of State Aid on Competition, S. 68 ff. 890 Coppi, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 64, 79 f. 891 Vgl. auch Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 634; kritisch unmittelbar dazu Langner, Beihilfenkontrolle auf dem Prüfstand, S. 13 u.

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

309

Problematisch an dieser Beispielsannahme ist jedoch, dass bei einer solchen vereinfachten Betrachtung mehrere wesentliche Faktoren nicht berücksichtigt werden. Erstens stellt sich in jedem Einzelfall in Frage, ob die dargestellte Aus­ weitung der Produktionskapazitäten des kleinen Wettbewerbers größer ausfällt als die Verringerung der Produktion bei dem marktmächtigen Unternehmen und ob damit tatsächlich die Gesamtproduktion steigt. Dies kann zwar in vielen Fällen an­ genommen, allerdings kaum verallgemeinert als automatische Folge der Beihilfen­ vergabe erachtet werden. Vor allem basiert das Beispiel auf der Annahme, dass im Wesentlichen ein reiner Preiswettbewerb zwischen den Konkurrenten besteht. Es lässt damit eine Reihe anderer wesentlicher Faktoren außer Acht, etwa bestimmte Verbraucherpräferenzen, die Markenreputation des Autoherstellers und die Quali­ tät der hergestellten Fahrzeuge. Erfüllt der kleinere Wettbewerber hier nicht die Er­ wartungen der Konsumenten, so kann die Folge eintreten, dass durch die subven­ tionierten Fahrzeuge zwar ein größeres Gesamtangebot auf dem Markt entsteht, dieses jedoch nicht (oder zumindest selbst zu dem durch die Beihilfe verringerten Preis nicht) auf eine entsprechende Nachfrage stößt. Als direkte Folge müsste der Mitgliedstaat entweder seine Förderung je Fahrzeug für den kleinen Wettbewer­ ber weiter erhöhen oder die gewünschten Auswirkungen auf den marktmächti­ gen Wettbewerber blieben in der erwünschten Form aus. Zu erwartende Folge wä­ ren steigende Beihilfenforderungen des unterstützten Unternehmens – anstelle von wettbewerblichen Anreizen, die Qualität und Innovationsleistung der eigenen Pro­ dukte zu verbessern. Entscheidendes und bis zu diesem Punkt nicht vollständig berücksichtigtes Pro­ blem ist jedoch die Tatsache, dass die Vergabe von Beihilfen aus Gesamtwohl­ fahrtssicht auch negative Auswirkungen haben kann. In diesem Zusammenhang wird von den „Schattenkosten“892 der Subventionsmaßnahmen gesprochen893. Da­ bei geht es um die gesamtwirtschaftlichen Nachteile, welche dadurch entstehen, dass die Mittel für die Beihilfenvergabe von den Mitgliedstaaten zunächst in Form von Steuern und Abgaben (oder über die Aufnahme von Staatsschulden) generiert werden müssen. Hinzu kommen die Kosten für den administrativen Aufwand der Mitteleintreibung auf der einen und der Mittelverwendung auf der anderen Seite. Zwar kann selbst bei Berücksichtigung dieser Schattenkosten im Einzelfall eine Gesamtwohlfahrtssteigerung durch die Beihilfenvergabe eintreten894. Daraus allein kann jedoch nicht auf die generalisierende Annahme einer effizienzstei­ S. 17; Grigolon/Leheyda/Verboven, Car Industry, S. 11, mit Bezugnahme auf die allgemeine­ ren Erkenntnisse im Airbus-Fall von Neven/Seabright, Economic Policy 21 (1995), S. 313 ff. 892 Eng. „shadow costs“, siehe dazu insgesamt Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 635. 893 Dies muss letztlich auch Coppi, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 64, 81 Fn. 42 eingestehen. Dazu auch Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of An­ titrust Economics, S. 625, 645 f. 894 Collie, IJIO 18 (2000), S. 867 ff.; Coppi, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 64, 81.

310

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

gernden Wirkung von Beihilfen zur Eindämmung von Marktmacht geschlossen werden. Derartige Maßnahmen werden von weiten Teilen der wirtschaftswis­ senschaftlichen Literatur deshalb weiterhin als nicht sinnvoll betrachtet895. Hinzu kommt das Problem, dass auch die Förderung kleinerer Wettbewerber eines markt­ mächtigen Unternehmens ihrerseits zur Entstehung von Marktmacht  – nämlich gegenüber anderen kleineren Wettbewerbern oder potentiellen Wettbewerbern  – führen kann896. Aus ökonomischer Sicht noch problematischer erweist sich die Vergabe von Subventionen an kleinere Wettbewerber in Märkten, welche die Tendenz zur Ausbildung natürlicher Monopole aufweisen. Per Definition kann in einem sol­ chen Falle ein einzelner Anbieter den Markt kostengünstiger versorgen, als dies zwei oder mehreren Unternehmen möglich wäre897. Die staatliche Förderung des Markteintritts eines Wettbewerbers führt bei natürlichen Monopolen damit zwangsläufig zu steigenden Kosten und damit zu einem gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverlust. Des Weiteren wird sich die staatliche Unterstützung in einem solchen Falle häufig nicht auf Markteintrittsunterstützungen beschränken können, sondern kontinuierliche weitere Mittelvergaben zur Aufrechterhaltung des „künstlichen Wettbewerbs“898 erfordern. Beispielhaft lässt sich diese Entwicklung in jüngster Zeit in Deutschland beobach­ ten. Seit den 1990er Jahren wurde dort – zu einem erheblichen Teil mit staatlichen Beihilfen – eine Vielzahl kleiner bis mittelgroßer Regionalflughäfen errichtet, wel­ che zuweilen dieselben räumlichen Märkte wie bestehende größere Flughäfen ab­ decken und damit zumindest in einigen sachlichen Märkten (z. B. Zurverfügung­ stellung von Kapazitäten für Ferienflüge) Überschneidungen aufweisen. Auf diesen (Teil-)Märkten besteht folglich ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Flughä­ fen. Die unmittelbare Begründung und Rechtfertigung für die staatliche Förderung der Errichtung und des Ausbaus dieser Regionalflughäfen lag zwar in verkehrsund sozialpolitischen Erwägungen und nicht in der Schaffung eines „künstlichen Wettbewerbs“, hatte dessen faktisches Entstehen jedoch zur Folge. Gleichzei­ tig schaffen es eine Reihe dieser Regionalflughäfen aufgrund ihrer beschränkten Größe und struktureller Schwierigkeiten jedoch nicht, in diesem Wettbewerbs­ umfeld betriebswirtschaftlich eigenständig zu bestehen und sind deshalb beständig auf weitere staatliche Beihilfen angewiesen, um nicht in Insolvenz zu geraten899. 895 Vgl. etwa Langner, Beihilfenkontrolle auf dem Prüfstand, S.  17; differenzierend, aber ebenfalls kritisch Nitsche/Heidhues, Impact of State Aid on Competition, S. 91. 896 Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 634; Langner, Beihilfenkontrolle auf dem Prüfstand, S. 17. 897 Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 23. Siehe auch oben Kap. 2, C. I. 2. a). 898 Den  – auch im Folgenden genutzten  – Begriff der „artificial competititon“ verwenden auch etwa Coppieters, in: Biondi/Eeckhout/Flynn, The Law of State Aid, S. 265, 276; TDC, Submission on Broadband-Guidelines 2009, S. 3. 899 Anschaulich wird dies etwa am Beispiel des Betreibers des Flughafens Lübeck, für den die Stadt Lübeck im Jahr 2010 einen ausführlichen Bericht des Rechnungsprüfungsamt ver­

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

311

(2) Die Rechtspraxis der Kommission im Beihilfenrecht (a) Allgemeine Entwicklungen Aus der jüngeren Kommissionspraxis lässt sich nicht eindeutig erschließen, in­ wieweit das Bestehen von Marktmacht für sie ein anerkennenswertes und damit potentiell die Beihilfenvergabe rechtfertigendes Marktversagen darstellt. Auf der einen Seite erklärte die Kommission in mehreren verschiedenen Zusammenhän­ gen, dass sie Beihilfen nicht als legitimes Instrument zur Verringerung von Markt­ macht ansähe. Andererseits deutet ihre jüngere Praxis im Bereich der Beihilfen für Breitband-Infrastrukturen in eine andere Richtung. (aa) Positionierungen der Kommission gegen die Anerkennung von Marktmacht im Rahmen des beihilfenrechtlichen Marktversagensbegriffs In ihrer Mitteilung über öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus dem Jahr 2001900 betonte die Kommission ausdrücklich: „(…) Das heißt nicht, dass staatliche Beihilfen als Instrument gerechtfertigt werden kön­ nen, mit dem das Angebot auf einem Markt vergrößert und der Wettbewerb verstärkt wer­ den kann. Eine staatliche Beihilfe, die einem Veranstalter trotz seiner wiederholten Verluste ein Verbleiben auf dem Markt erlaubt, verursacht eine größere Wettbewerbsverzerrung, da sie langfristig zu einem höheren Grad an Ineffizienz, einem geringeren Angebot und zu hö­ heren Preisen für die Verbraucher führt. Effektivere Instrumente in dieser Hinsicht sind die Beseitigung rechtlicher und wirtschaftlicher Einstiegsbarrieren, eine wirksame Anti-TrustPolitik und die Förderung des Pluralismus. Natürliche Monopole unterliegen normalerweise der Regulierung.“901

Darüber hinaus stellte sie im Allgemeine Grundsätze-Papier fest: „Dass ein Markt kein effizientes Ergebnis herbeiführt, kann beispielsweise auch darauf zu­ rückzuführen sein, dass in einer Monopolsituation Marktmacht ausgeübt wird. In den mei­ sten Fällen, in denen auf Märkten mehrere Marktteilnehmer in bestimmtem Umfang Markt­ macht ausüben und in denen Märkte nicht als vollkommen effizient angesehen werden können, wird die Kommission dies jedoch nicht als ausreichenden Grund für die Gewäh­ rung staatlicher Beihilfen beispielsweise zugunsten kleinerer oder marginaler Marktteilneh­ mer akzeptieren.“902

öffentlicht hat, der eine explizite Negativprognose zur zukünftigen wirtschaftlichen Entwick­ lung des Regionalflughafens enthält, siehe http://www.luebeck.de/stadt_politik/rathaus/wahlen/ files/M25_Wirtschaftliche_Situation_Flughafen_RPA_2010–03.pdf (Stand: 27.09.2014). 900 Kommission, Rundfunk-Mitteilung 2001. 901 Kommission, Rundfunk-Mitteilung 2001, Fn. 20. Siehe dazu auch Coppieters, in: Biondi/ Eeckhout/Flynn, The Law of State Aid, S. 265, 275 f. 902 Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 22 Fn. 22.

312

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Die Überlegungen der Kommission deuten darauf hin, dass sie die ökonomi­ sche Kritik an der Beihilfenvergabe an kleinere Wettbewerber zur Verringerung von Marktmacht nachvollzogen hat. Aus diesem Grunde hält sie – zumindest nach den aufgeführten Annahmen – in diesen Fällen andere wettbewerbsrechtliche In­ strumente aus dem Bereich des Kartellrechts und der sektorspezifischen Regulie­ rung für besser geeignet zur Verhinderung der missbräuchlichen Ausnutzung von Marktmacht durch marktstarke und monopolartige Unternehmen903. (bb) Positionierungen der Kommission zugunsten der Anerkennung von Marktmacht im Rahmen des beihilfenrechtlichen Marktversagensbegriffs Obgleich die Kommission damit in einigen Zusammenhängen erkennbar Kri­ tik an einer mitgliedstaatliche Beihilfenvergabe zur Eindämmung von Marktmacht formuliert hat, findet sich in ihrer Genehmigungspraxis zu mitgliedstaatlichen Bei­ hilfen zur Förderung der Errichtung und des Betriebs von Breitband-Infrastruktu­ ren eine beachtliche gegenläufige Tendenz904. Verdeutlichen lässt sich dies an der besonderen Ausformung der Abwägungsprüfung für diesen Bereich, die in diesem Punkt sowohl in den Breitband-Leit­ linien 2009 als auch von 2013 ähnlich ausgestaltet sind. Zur Untersuchung, inwie­ weit ein Marktversagen bei der Versorgung mit Breitband-Infrastrukturen in einem bestimmten Gebiet besteht, entwickelte die Kommission drei unterschiedliche Ka­ tegorien von Gebiets-Typen: Sogenannte „weiße Flecken“, „schwarze Flecken“ und „graue Flecken“. Die Breitband-Leitlinien 2013 führen insoweit aus: „,Weiße Flecken‘ sind Gebiete, in denen keine Breitbandinfrastruktur vorhanden ist und vor­ aussichtlich auch in naher Zukunft keine Breitbandinfrastruktur aufgebaut wird.“905 „Schwarze Flecken“ sind „Gebiete (…), in denen [es] mindestens zwei Breitbandgrundver­ sorgungsnetze unterschiedlicher Betreiber gibt oder in naher Zukunft geben wird und [in denen] Breitbanddienste (…) zu Wettbewerbsbedingungen angeboten werden (Infra­ strukturwettbewerb).“906 „,Graue Flecken‘ sind Gebiete, in denen ein Netzbetreiber vertreten ist und in naher Zukunft voraussichtlich kein weiteres Netz aufgebaut wird.“907

Während die Kommission in „weißen Flecken“ im Allgemeinen das Bestehen eines Marktversagens vermutet908, lehnt sie dieses in „schwarzen Flecken“ regel­

903

Kritisch dazu Coppi, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 64, 78 f. Siehe zum Ganzen Koenig/Fechtner, EStAL 2009, S. 463, 468 ff. 905 Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 66. 906 Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 72. 907 Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 67. 908 Vgl. Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 66. 904

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

313

mäßig ab909. Interessant für die Betrachtung des Vorgehens der Kommission hin­ sichtlich Beihilfen zur Verminderung von Marktmacht sind deshalb vor allem die „grauen Flecken“, in denen sie vor der Genehmigung von Beihilfen für den Auf­ bau einer weiteren Breitband-Infrastruktur eine individuelle und umfassende Ana­ lyse der dortigen Marktverhältnisse vornimmt910. Dabei müssen die Mitgliedstaa­ ten vor allem nachweisen, dass „i) keine erschwinglichen oder angemessenen Dienste zur Deckung des Bedarfs von Bür­ gern und Unternehmen angeboten werden und ii) dieselben Ziele nicht mit milderen Mitteln (einschließlich Vorabregulierung) erreicht werden können.“911

Damit stellt die Kommission zwar grundsätzlich klar, dass sie in Gebieten mit (natürlichen) monopolistischen Strukturen beim Betrieb von Breitband-Infrastruk­ turen in erster Linie eine effektive Regulierung durch die mitgliedstaatlichen Re­ gulierungsbehörden verlangt, bevor mitgliedstaatliche Beihilfen zum Aufbau eines konkurrierenden Breitband-Netzwerks vergeben werden dürfen. Gleichzeitig er­ kennt sie aber explizit an, dass sie im Falle eines Misserfolgs der regulatorischen Maßnahmen grundsätzlich auch die mitgliedstaatliche Begründung eines „künstlichen Wettbewerbs“ mittels Beihilfengewährung als adäquates Mittel zur Eindäm­ mung der Marktmacht des monopolistischen Infrastruktur-Betreibers ansieht. (b) Kritik der Literatur an den Positionierungen der Kommission Die uneinheitliche Vorgehensweise der Kommission bei der Genehmigung von Beihilfen zur Reduzierung von Marktmacht ist in der Literatur auf Kritik aus ver­ schiedenen Richtungen gestoßen. Coppi führt an, dass die Kommission keinen sachlichen Grund dafür vorwei­ sen könne, dass sie etwa im Allgemeine Grundsätze-Papier das Bestehen von Marktmacht nicht als anerkennenswertes Marktversagen in der Abwägungsprüfung ansieht. Anhand seines (vereinfachten) Beispiels erläutert er, dass Beihilfen zur Eindämmung von Marktmacht im Einzelfall aus Gesamtwohlfahrtssicht sinn­ voll sein können912. Nach seiner Ansicht gibt es deshalb auch aus ökonomischer Sicht keine allgemeine Rechtfertigung dafür, nur bestimmte Arten von allokati­ vem Markt­versagen in der Abwägungsprüfung anzuerkennen. Er mutmaßt, dass es der Kommission dabei vor allem darum gehe, mitgliedstaatliche industriepoliti­

909

Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 72. Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 67 ff. 911 Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 69. 912 Coppi, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 64, 81 f.; siehe dazu oben Kap. 4, E. I. 3. a) bb) (1). 910

314

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

sche Interventionen auf ein Mindestmaß zu reduzieren913. Hier ist zu Coppis Kri­ tik zu ergänzen, dass die Kommission im Rahmen des Beihilfenrechts – wie ge­ zeigt  – keine Kompetenz zur Verfolgung derartiger wirtschaftspolitischer Ziele zukommt914. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Literaturstimmen, welche die Ansätze der Kommission zur Genehmigung mitgliedstaatlicher Beihilfen zur Reduzierung von Marktmacht kritisch betrachten, vor allem im Bereich der Breitband-Infra­ strukturen. So bemängeln etwa Koenig und Bache die Entwicklung der Kommis­ sionspraxis bezüglich der in den Breitband-Leitlinien als „graue Flecken“ bezeich­ neten Gebiete915. Der dort durch die mitgliedstaatliche Förderung geschaffene und von der Kommission gebilligte „künstliche Wettbewerb“ könne ihrer Meinung nach aus allokativer Sicht zu Effizienzeinbußen führen, da gesamtwirtschaftlich in einem Gebiet mit geringer Nachfrage durchaus auch die Existenz nur eines ein­ zigen Anbieters sinnvoll sein könne916. Des Weiteren kritisieren Koenig und Bache, dass durch derartige Beihilfenvergaben im Vertrauen auf die ohne staatliche Ein­ griffe bestehende Marktstruktur getätigte Investitionen des (marktmächtigen) Un­ ternehmens entwertet werden könnten917. Dies würde Infrastrukturbetreiber von zukünftigen privaten Investitionen in mit Breitband unterversorgten Gebieten ab­ schrecken und damit dem Ziel der Kommission entgegenwirken, den Breitband­ ausbau so weit wie mögliche ohne staatliche Eingriffe durch den freien Markt aus­ führen zu lassen918. Darüber hinaus entwickeln Koenig und Fechtner eine im Kern kompetenz­ rechtliche Argumentation gegen die beihilfenrechtliche Genehmigungspraxis der Kommission zur Eindämmung von Marktmacht in „grauen Flecken“ bei der Breitband-Förderung919. Danach verstößt die Kommission mit ihrem in den Breit­ band-Leitlinien ausgearbeiteten Konzept zur Genehmigungsmöglichkeit von Bei­ hilfen für den Aufbau konkurrierender Infrastrukturen in dem bereits von einem einzelnen Infrastrukturbetreiber erschlossenen Gebiet gegen das kartell- und bei­ hilfenrechtliche Prinzip der symmetrischen Regulierung. Dieser Grundsatz besagt, dass die Kommission die allgemeinen Bestimmungen des Europäischen Wett­ bewerbsrecht (vor allem Art. 101, Art. 102 und Art. 107 AEUV) in gleicher Art und Weise (also symmetrisch) auf alle Unternehmen920 anwenden muss und keine 913

Zum Ganzen Coppi, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 64, 78 f. u. 81 f. Siehe dazu insbesondere oben Kap. 3, B. VI. 3. und C. IV. 915 Koenig/Bache, JECLP 2012, S. 261, 263. 916 Siehe auch BITKOM, Comments on Draft Community Guidelines, S. 2; Koenig/Fechtner, EStAL 2009, S. 463, 468. 917 Koenig/Bache, JECLP 2012, S. 261, 263. 918 So auch Koenig/Fechtner, EStAL 2009, S. 463, 468. 919 Ausführlich zum Folgenden Koenig/Fechtner, EStAL 2009, S. 463, 468. Siehe auch Monopolkommission, Sondergutachten 56 (§ 121 Abs. 2 TKG), Rn. 254. 920 Der Ansatz von Koenig und Fechtner ist hier etwas unpräzise, da die Adressaten des Bei­ hilfenverbots die Mitgliedstaaten sind, nicht die einzelnen Unternehmen. 914

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

315

gesonderte Behandlung einzelner Marktakteure erfolgen darf. Davon werden nur in engen Grenzen Ausnahmen gemacht, etwa bei KMU-Beihilfen und bei der An­ wendung der Essential-Facilities-Doktrin im Rahmen des Art. 102 AEUV. Bezüg­ lich Letzterer hat auch der Gerichtshof mit der Bronner-Entscheidung bestätigt, dass derartige asymmetrische Interventionen nur in Ausnahmefällen vom Europä­ ischen Wettbewerbsrecht umfasst werden921. Koenig und Fechtner erläutern nun, dass die Genehmigung der gezielten mit­ gliedstaatlichen Förderung eines Wettbewerbers eines marktmächtigen Unter­ nehmens einen asymmetrischen Markteingriff durch die Kommission darstellt. Hierfür besitze sie im Rahmen der allgemeinen Beihilfenregeln jedoch keine Kompetenz. Asymmetrische Marktinterventionen im Breitband-Bereich könne die Union allein durch eine Angleichung der mitgliedstaatlichen Bestimmungen zur Telekommunikationsregulierung erreichen. Hierfür müsse sie jedoch ein or­ dentliches Gesetzgebungsverfahren zur Rechtsangleichung nach Art. 114 AEUV mit Beteiligung von Rat und Parlament anstoßen. Die Kommission allein darf das Beihilfenrecht nicht als ein Instrument nutzen, um diese Vorgaben zu umgehen922. (3) Eigener Ansatz Im hier untersuchten Zusammenhang des Marktversagensbegriffs kann al­ lein berücksichtigt werden, inwieweit die Eindämmung von Marktmacht im In­ frastrukturbereich mittels Beihilfen rechtlich als legitimes Ziel anerkannt wer­ den kann, nicht jedoch, inwiefern ein solches Vorgehen auch ökonomisch sinnvoll ist. Eine intensive Untersuchung auch der wirtschaftlichen Auswirkungen solcher Maßnahmen sowie eine Evaluation gegebenenfalls vorhandener alternativer Vor­ gehensmöglichkeiten des Mitgliedstaats findet im Rahmen der Abwägungsprüfung erst in den folgenden Untersuchungsschritten der Erforderlichkeit und Angemes­ senheit statt. Damit handelt es sich bei der Festlegung der Reichweite des Marktversagens­ begriffs nicht allein um eine dogmatische Nuancierung, sondern um eine we­ sentliche Richtungsentscheidung: Sieht man vom rechtlichen Begriff des Markt­ versagens auch Fälle von Marktmacht und damit von (natürlichen) Monopolen umfasst, so ist auf den folgenden Prüfungsebenen eine umfassende inhaltliche Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten des Einzelfalls erfor­ derlich. Lehnt man einen derart umfassenden Marktversagensbegriff jedoch ab, so scheidet eine Rechtfertigungsmöglichkeit für derartige Beihilfen im Rahmen der

921

EuGH, Urt. v. 26.11.1998, Rs. C-7/97 – Bronner. Siehe dazu auch oben Kap. 1, E. III. 1. a). So im Ergebnis Koenig/Fechtner, EStAL 2009, S. 463, 468. Weniger kritisch Holznagel/ Deckers/Schramm, NVwZ 2010, S. 1059, 1064, die von bloßen „Nebeneffekte[n]“ einer ge­ samtwirtschaftlich begrüßenswerten Beihilfenvergabe sprechen.

922

316

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Abwägungsprüfung regelmäßig aus, so dass sie in vielen Fällen überhaupt nicht mehr genehmigungsfähig sein werden. Auf dem ersten Blick erscheinen die Ausführungen Coppis nachvollziehbar, der es ablehnt, den rechtlichen Terminus des Marktversagens anders als den ent­ sprechenden volkswirtschaftlichen Begriff zu verstehen923. Danach müsste auch das Bestehen von Marktmacht darunter fallen. Vor dem Hintergrund, dass es wesentlicher Gegenstand des more economic approach in der jüngeren Beihil­ fenpolitik ist, rechtliche und ökonomische Wertungen bei der Anwendung des Beihilfenrechts zusammenzuführen, wäre eine solche weite Auslegung des Markt­ versagensbegriffs durchaus nachvollziehbar. Andererseits sprechen gewichtige Argumente dagegen, auch Marktmacht als vom rechtlichen Begriff des Marktversagens in der Abwägungsprüfung umfasst anzusehen. Zum einen suggeriert eine an das volkswirtschaftliche Verständnis des Marktversagens angelehnte Auslegung, dass dieser in diesem Fachgebiet eindeu­ tig festgelegt ist. Bei genauerer Betrachtung ist jedoch festzustellen, dass auch un­ ter Volkswirten keineswegs Einigkeit über die genaue Bedeutung dieses Termi­ nus besteht. Vielmehr erweist er sich in den Wirtschaftswissenschaften ebenfalls als unscharf und uneinheitlich genutzt, so dass dort allenfalls Anhaltspunkte für die rechtliche Auslegung gefunden werden können, nicht jedoch ein greifbares Konzept924. Des Weiteren ist aber vor allem auch die kompetenzrechtliche Argumentation von Koenig und Fechtner zur Unzulässigkeit einer asymmetrischen Anwendung der Vorschriften des Beihilfenrechts überzeugend925. Anknüpfend an die Erläute­ rung der Kommission im Allgemeine Grundsätze-Papier926 stellt das Bestehen von Marktmacht allein keine hinreichende Rechtfertigung für in der Grundsystema­ tik des Europäischen Wettbewerbsrechts nur in Ausnahmefällen zulässige asym­ metrische Eingriffe der Kommission dar. Wie anhand der Breitband-Infrastruktu­ ren gezeigt, dürfen bestehende spezifische regulierungsrechtliche Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten nicht ausgehebelt werden. Die Kommission darf das Beihil­ fenrecht nicht als Instrument nutzen, um ihre wirtschaftspolitischen Kompetenzen auszuweiten927. Darüber hinaus bedarf es aber auch bei anderen Infrastrukturarten ohne sektorbezogene Regulierungsvorgaben einer konsistenten symmetrischen Anwendung der beihilfenrechtlichen Vorschriften. Diese dürfen sich nicht ohne spezifische Begründung zu Lasten von Unternehmen auswirken, die über eine starke Marktstellung verfügen928. 923

Coppi, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 64, 78. Vgl. Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1072. 925 Siehe Koenig/Fechtner, EStAL 2009, S. 463, 468 f. 926 Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 22 Fn. 22. 927 So auch Koenig/Fechtner, EStAL 2009, S. 463, 468 f. 928 Für eine Übertragung der spezifisch zu Breitband-Beihilfen entwickelten Argumentation auf alle Bereiche von Infrastrukturbeihilfen auch Koenig/Fechtner, EStAL 2009, S. 463, 471 f. 924

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

317

Gleichwohl bedeutet dieses Ergebnis freilich nicht, dass Beihilfen zugunsten der Errichtung von alternativen Infrastrukturen in den den Breitband-Leitlinien entsprechenden grauen Bereichen gänzlich ausgeschlossen wären. Soweit dort nämlich andere, vor allem distributive Ziele verfolgt werden  – etwa aus dem Grunde, dass die bestehende Infrastruktur von dem Mitgliedstaat als nicht ausrei­ chend zur gewünschten Versorgung der Bevölkerung erachtet wird –, kann durch­ aus weiterhin ein (distributives) Marktversagen angenommen werden. In einem solchen Falle ist jedoch von den Mitgliedstaaten eine genaue Begründung der von ihnen verfolgten Ziele zu fordern und insbesondere auch die Situation des beste­ henden Monopol-Infrastrukturbetreibers in die weitere Prüfung mit einzubezie­ hen. Vor allem sind die Mitgliedstaaten gehalten, die tatsächlichen Motive für ihre Beihilfenvergabe klar wiederzugeben929 und die Beihilfe gegebenenfalls so tech­ nologieneutral wie möglich auszugestalten930. In einigen jüngeren Entscheidungen aus dem Breitband-Infrastrukturbereich verschwimmen die von den Mitgliedstaa­ ten vorgetragenen Gründe zwischen distributiven Zielen und einer Eingrenzung von bestehender Marktmacht jedoch nach wie vor931. (4) Zusammenfassung Nach der hier vertretenen Auffassung umfasst der rechtliche Begriff des Markt­ versagens in der Abwägungsprüfung nicht das Bestehen von Marktmacht oder Tendenzen zur Ausbildung von (natürlichen) Monopolen. Grund hierfür sind kom­ petentielle regulierungsrechtliche Erwägungen sowie das Erfordernis des Schut­ zes bestehender (privater) Investitionen in monopolistische Infrastruktureinrich­ tungen. Die Einschränkung von Marktmacht allein stellt demnach kein legitimes Ziel bei der Rechtfertigung mitgliedstaatlicher Beihilfen dar. Soweit eine derartige Beschränkung von Marktmacht jedoch nur Nebeneffekt einer mitgliedstaatlichen Beihilfenvergabe ist, mit der primär andere (vor allem distributive) Ziele verfolgt werden, hindert dies nicht die Möglichkeit von deren Vereinbarkeit mit dem Bin­ nenmarkt.

929

Vgl. Koenig/Bache, JECLP 2012, S. 261, 263. Vgl. auch Koenig/Fechtner, EStAL 2009, S. 463, 472. 931 Siehe vor allem Kommission, Ent. v. 06.06.2013, Az. SA.35027, SA.35028 & SA.35029 (2012/N), Rn. 7 ff., 85 ff. – Broadband Podlasie; ähnlich auch Kommission, Ent. v. 29.10.2012, Az. SA.33473 (2012/N), Rn. 7 ff., 83 ff. – Broadband Mazovia; Kommission, Ent. v. 19.10.2012, SA.33092 (2012/N), Rn. 7 ff., 80 ff. – Broadband Silesia. 930

318

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

cc) Das Marktversagenskriterium in der beihilfenrechtlichen Kommissionspraxis zum Infrastrukturbereich (1) Entwicklung der Kommissionspraxis In der beihilfenrechtlichen Kommissionpraxis zur Errichtung und zum Betrieb von Infrastrukturen hat das Marktversagenskriterium seit 2005 zwar Einzug er­ halten, jedoch nur in wenigen Fällen die analytische Tiefe und Bedeutung erreicht, die ihm in den Reformplänen zugedacht wurde. Strukturell ist auszumachen, dass die Kommission offenbar mehr oder minder einheitliche Prüfungsraster nach der jeweiligen Art der Infrastruktur entwickelt. Dies ist auch bei Infrastrukturen er­ kennbar, deren Förderung bislang nicht durch sektorspezifische Leitlinien genauer ausgeformt wurde. (a) Beispiele für die Untersuchung eines allokativen Marktversagens Eine in mehreren Fällen verhältnismäßig umfangreiche Prüfung des Marktver­ sagens mit Bezugnahme auf allokative Marktunvollkommenheiten findet sich in Ent­ scheidungen aus dem Bereich der Rundfunkinfrastrukturen. So ist die Sache DVB-T Berlin/Brandenburg vom November 2005 eines der wenigen deutlichen Beispiele, in denen die Kommission sich bemüht, umfassend und unter Berücksichtigung der Argumente des Mitgliedstaats das Bestehen eines allokativen Marktversagens (u. a. in Form von positiven externen Effekten und Koordinierungsproblemen) zu erör­ tern932. In der Sache DVB-T Nordrhein-Westfalen greift sie die Überlegungen der Entscheidung DVB-T Berlin/Brandenburg in ihrer Untersuchung erneut auf933. Ähn­ lich prüfte sie auch die Vereinbarkeit der mitgliedstaatlichen Maßnahme in der Ent­ scheidung Italienische Decoder934. Im Fall Digitaldecoder Soria geht die Kommis­ sion ebenfalls näher zumindest auf positive externe Effekte der Fördermaßnahme ein935. Auch in den jüngeren Entscheidungen aus diesem Bereich Digital Television ­ ebieten Spaniens937 hinterfragt sie ein allo­ Cantabria936 und DTT in abgelegenen G katives Marktversagen mit Bezugnahme auf positive Externalitäten. 932

Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14 – DVB-T Ber­ lin/Brandenburg. 933 Kommission, Ent. v. 23.10.2007, Az. C 34/2006 (ex N 29/2005, ex CP 13/2004), Rn. 172 ff. – DVB-T Nordrhein-Westfalen. 934 Kommission, Ent. v. 23.01.2007, Az. C 52/2005 (ex NN 88/2005, ex CP 101/2004), Rn. 141 ff. – Italienische Decoder. 935 Kommission, Ent. v. 25.09.2007, Az. N 103/2007, Rn. 41 ff. – Digitaldecoder Soria. 936 Kommission, Ent. v. 08.02.2012, Az. SA. 28685 (2011/NN), Rn. 47 – Digital Television Cantabria. 937 Kommission, Ent. v. 19.06.2013, Az. SA.28599 (C 23/2010 (ex NN 36/2010, ex CP 163/ 2009)), Rn. 151 f. – DTT in abgelegenen Regionen Spaniens.

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

319

In einigen anderen Entscheidungen geht sie zumindest kursorisch auf Aspekte eines allokativen Markversagens ein, ohne diese freilich näher zu erläutern. In der Entscheidung Krievu Sala Port (Finanzierung von Infrastruktur in einem lettischen Seehafen) etwa benennt sie positive Umweltauswirkungen des Projekts als in der Überprüfung berücksichtigte positive externe Effekte938. Im Fall Riga Airport Infrastructure erwähnt sie ebenfalls im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung posi­ tive Externalitäten der Maßnahme, nämlich eine Zunahme von Sicherheit und Um­ weltfreundlichkeit der Flughafeninfrastruktur939. In der Entscheidung Breitband Niedersachsen940 (ergangen noch auf allgemeiner Grundlage wie vor der Ver­ öffentlichung der Breitband-Leitlinien von 2009 üblich) untersucht die Kommis­ sion positive Externalitäten des Breitbandausbaus. (b) Beispiele für die Untersuchung distributiver Erwägungen Demgegenüber stehen in einer Vielzahl von Entscheidungen zu anderen Infra­ strukturarten distributive Erwägungen oder allgemeine politische Ziele der Union im Vordergrund, ohne dass in diesem Zusammenhang eine allokative Betrachtung überhaupt erwogen wird. Die Hintergründe des mutmaßlichen distributiven Markt­ versagens untersucht die Kommission in unterschiedlicher Tiefe. In den Breitband-Leitlinien 2013 erläutert die Kommission, dass bei der Breit­ bandförderung sowohl die Beseitigung eines allokativen Marktversagens (vor al­ lem in Form positiver Externalitäten) als auch eines distributiven Marktversagens als Begründung für ein mitgliedstaatliches Eingreifen in den Markt herangezo­ gen werden kann941. In den einzelnen jüngeren Breitband-Entscheidungen fasst sie sich dagegen regelmäßig deutlich knapper. So zitiert sie zumeist das in der „Digitalen Agenda für Europa 2020“ festgelegte politische Ziel, dass der Versorgungs­ grad der Bevölkerung mit Breitband-Anschlüssen in den kommenden Jahren deut­ lich erhöht werden solle. In einem Folgeschritt stellt sie dann knapp fest, dass in der jeweils geförderten Region bislang keine hinreichenden privaten Investitionen in den Breitband-Ausbau getätigt wurden und auch in näherer Zukunft nicht zu erwarten sind942. Eine individuelle Analyse der Umstände des Einzelfalls lässt sie dabei jedoch regelmäßig nicht erkennen.

938

Kommission, Ent. v. 15.06.2011, Az. N 44/2010, Rn. 104, 115 – Krievu Sala Port. Kommission, Ent. v. 28.04.2010, Az. N 41/2010, Rn. 46 – Riga Airport. 940 Kommission, Ent. v. 14.08.2009, Az. N 243/2009, Rn. 50 – Breitband Niedersachsen. 941 Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 37 ff. 942 Vgl. nur Kommission, Ent. v. 05.07.2013, Az. SA.35834 (2012/N), Rn. 40 f. – PEBA-NGA Spanien; Kommission, Ent. v. 06.06.2013, Az. SA.35027, SA.35028 & SA.35029 (2012/N), Rn.  67 ff.  – Broadband Podlasie; Kommission, Ent. v. 20.11.2012, Az. SA.35000 (2012/N), Rn. 43 f. – Breitband Bayern. 939

320

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Entsprechend den Anforderungen in den Luftverkehrs-Leitlinien 2005, dass Bei­ hilfen für Flughafeninfrastrukturen einem „klar definierten Ziel von allgemeinem Interesse“ dienen sollen, setzt die Kommission sich in diesen Fällen zumeist zu­ mindest summarisch dem Zweck der konkreten Förderung auseinander. Dabei un­ tersucht sie die Umstände des jeweiligen Falles und stellt die Bedeutung der Maß­ nahme etwa für die regionale Entwicklung dar. Insgesamt bleibt sie jedoch auch hier zumeist knapp943. In den neueren Entscheidungen zu Beihilfen für Seehäfen zitiert die Kommis­ sion aus zwei ihrer Mitteilungen944 zur zukünftigen Entwicklung der Transport­ politik, in welchen sie die Bedeutung der Seehäfen für die Logistik in der Union und als Tore zur internationalen Handelswelt betont945. Mit dem konkreten Ein­ zelprojekt setzt sie sich auf der ersten Stufe der Abwägungsprüfung gar nicht näher auseinander. Erst im Rahmen der Prüfung der Notwendigkeit und Angemessenheit der Maßnahme stellt sie hier fest, dass eine private Finanzierung der entsprechen­ den Infrastrukturmaßnahme nicht erfolgversprechend war946. Knapp bleibt die Kommission auch in einer Reihe jüngerer Entscheidungen zur Rechtfertigung von Beihilfen für die Errichtung von lokalen Fernwärmenetzen. Hier erklärt sie, dass sich aus mehreren neueren Richtlinien das politische Ziel herleiten lasse, dass die Union den Umweltschutz sowie die Energieeffizienz be­ sonders zu fördern beabsichtigt. Auch insoweit bleibt sie allerdings bei einer eher oberflächlichen und allgemeinen Darstellung, ohne spezifischer den Einzelfall aufzugreifen947. In Fällen von mitgliedstaatlichen Beihilfenvergaben für Sportinfrastrukturen bezieht sich die Kommission regelmäßig auf die Erklärung von Amsterdam zum Sport948 sowie auf die Bestimmung des Art. 165 AEUV. Auch dabei bleibt sie je­ doch zumeist kurz und allgemein949.

943

Siehe etwa Kommission, Ent. v. 20.02.2013, Az. SA.35697 (2012/N), Rn. 32 ff. – Skiathos Airport; Kommission, Ent. v. 24.05.2011, Az. N 491/2010, Rn. 33 ff. – Cardiff Airport. 944 Kommission, Mitteilung KOM(2013) 295 endg.; Kommission, Mitteilung KOM(2009) 279 endg., Rn. 46 und Kommission, Mitteilung KOM (2009) 8 endg. 945 Kommission, Ent. v. 19.06.2013, Az. SA.35738 (2012/N), Rn. 62 f. – Katakolo Port; Kommission, Ent. v. 05.06.2013, Az. SA.36223 (2013/N), Rn. 56 f. – Port of Santa Cruz of Tenerife; Kommission, Ent. v. 19.12.2012, Az. SA. 34940 (2012/N), Rn. 66 f. – Port of Augusta. 946 Kommission, Ent. v. 19.06.2013, Az. SA.35738 (2012/N), Rn. 68 – Katakolo Port; Kommission, Ent. v. 05.06.2013, Az. SA.36223 (2013/N), Rn. 62 – Port of Santa Cruz of Tenerife; Kommission, Ent. v. 19.12.2012, Az. SA. 34940 (2012/N), Rn. 72 – Port of Augusta. 947 Kommission, Ent. v. 18.06.2013, Az. SA.35674 (2012/N), Rn.  43 ff.  – District Heating Warsaw; Kommission, Ent. v. 10.09.2012, Az. SA.34642 2012/N, Rn. 36 ff. – Greece District Heating Kozani. 948 ABl. 1997 C 340/136 – Erklärung zum Sport. 949 Kommission, Ent. v. 02.05.2013, Az. SA.33618 Rn.  48  – Uppsala Arena; Kommission, Ent. v. 20.03.2013, Az. SA.35440 (2012/N), Rn. 15 – Multifunktionsarena Jena.

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

321

(c) Zusammenfassung Die Prüfungspraxis der Kommission zum Merkmal des Marktversagens bei In­ frastrukturbeihilfen zeigt unterschiedliche Ansätze. Die Untersuchung des Vorliegens eines allokativen Marktversagens hat insgesamt keine große Bedeutung gewonnen. Eine ausführliche Überprüfung derartiger Er­ wägungen findet sich in einigen Entscheidungen aus dem Bereich der RundfunkInfrastrukturen. Bei anderen Infrastrukturen werden allokative Begründungen für die mitgliedstaatliche Beihilfenvergabe nur vereinzelt und kursorisch angesprochen. Bezüglich distributiver Erwägungen hat die Kommission vielfältige, zumeist spezifisch auf eine Infrastrukturart bezogene Aspekte in ihrer Prüfungspraxis auf­ gegriffen. Auch dabei verzichtete sie jedoch zuweilen auf eine genauere Analyse und beließ es bei allgemein gehaltenen Begründungen. Die Ausformung der Marktversagensprüfung steht damit in der tatsächlichen Rechtspraxis der Kommission in einem gewissen Kontrast zu den theoretischen Ansätzen im Aktionsplan wie auch im Allgemeine Grundsätze-Papier, in denen diesem Untersuchungspunkt größere Bedeutung zugemessen wird. Ohne dies of­ fen zu bekennen, ist die Kommission damit mutmaßlich Kritikern des Markt­ versagenskonzepts entgegengekommen, welche dieses als zu unbestimmt ansehen und die mit ihm einhergehende Tiefe der Prüfungskompetenz der Kommission ge­ genüber den Mitgliedstaaten insgesamt kritisieren.

(2) Zusammenfassung und eigene Einschätzung Das Marktversagenskriterium war als eine der bedeutendsten Neuerungen der Beihilfenreform von 2005 Anknüpfungspunkt eine Reihe kritischer Diskussionen in der Literatur. Speziell für den Infrastrukturbereich ist zunächst die Frage relevant, ob der Marktversagensbegriff eng auszulegen ist und damit nur Formen allokativen Marktversagens umfasst, oder ob es weit zu verstehen ist und auch distributive Er­ wägungen der Mitgliedstaaten darin berücksichtigt werden können. Nach der hier vertretenen Auffassung deutet das europäische Primärrecht auf ein weites Ver­ ständnis des Marktversagenskriteriums hin. Danach dürfen die Mitgliedstaaten auch verteilungspolitische Zwecke bei der Beihilfenvergabe zur Förderung von In­ frastrukturvorhaben verfolgen. Zu fordern ist allerdings von den Mitgliedstaaten auf der einen Seite, dass sie die tatsächlichen Motive der Beihilfenvergabe klar be­ nennen und von der Kommission auf der anderen Seite, dass sie diese von den Mit­ gliedstaaten benannten Erwägungen in ihrer Entscheidung berücksichtigt. Des Weiteren ist speziell für den Infrastrukturbereich relevant, ob das Beste­ hen von Marktmacht ein im Rahmen der Abwägungsprüfung anerkennenswertes

322

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Marktversagen darstellt. Nach der hier vertretenen Auffassung ist dies regelmäßig nicht der Fall. Begründung hierfür sind vor allem kompetentielle regulierungs­ rechtliche Erwägungen sowie das legitime Interesse (privater) Investoren am Schutz ihrer Infrastrukturinvestitionen vor einem durch die Beihilfenvergabe an­ geregten ineffizienten „künstlichen Wettbewerb“. Schließlich zeigt eine Untersuchung der tatsächlichen jüngeren Rechtspraxis der Kommission zu Infrastrukturbeihilfen, dass der Prüfung des Marktversagens regelmäßig keine größere Bedeutung in ihren Entscheidungen zum Infrastruktur­ bereich zukommt. Obgleich sich die Literatur in dieser Hinsicht zuweilen kritisch zeigt, besteht bei diesem Prüfungspunkt damit noch erhebliches Potential, um die Entscheidungspraxis zukünftig weiter auszudifferenzieren. b) Zweite Ebene der Abwägungsprüfung: Erforderlichkeitsund Angemessenheitsprüfung aa) Zulässigkeit einer strengen Erforderlichkeitsprüfung (1) Die neue Rechtspraxis der Kommission seit 2005 Die aus kompetentieller Sicht schwerwiegendsten Bedenken gegen eine An­ wendung der Abwägungsprüfung auf der Rechtfertigungsebene von Infrastruktur­ beihilfen ergeben sich aus der zweiten Ebene des Prüfungsprogramms der Kom­ mission. Dort untersucht sie, inwieweit die konkrete Beihilfenmaßnahme zur Erreichung des anerkennenswerten Ziels geeignet ist, diese einen Anreizeffekt für das geförderte Unternehmen bietet und ob sie insgesamt angemessen ist. Insbesondere der Prüfungspunkt der Geeignetheit der Beihilfe erweist sich vor dem Hintergrund der Kompetenzverteilung zwischen Union und Mitgliedstaa­ ten als problematisch, seitdem die Kommission im Zuge der Beihilfenreform von 2005 angekündigt hat, darin zukünftig eine strenge Erforderlichkeitsprüfung vor­ zunehmen. Gleichzeitig stellt dieser Prüfungsschritt neben der Einführung des Marktversagenskonzepts eine der bedeutendsten konzeptionellen Neuheiten der Abwägungsprüfung dar. Im Rahmen der Erforderlichkeitsuntersuchung hinterfragt die Kommission nun­ mehr, ob der Mitgliedstaat mittels alternativer, weniger wettbewerbsverzerren­ der Maßnahmen das mit der Beihilfenvergabe verfolgte Ziel ebenfalls erreichen könnte. Beispielhaft nennt sie hierfür „Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die direkte Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen durch den Staat, sowie fiskalische Instrumente, um Wohlstand umzuverteilen oder Anreize für Unternehmen zu schaffen“950. Eine Beihilfe ist aus Sicht der Kommission erforderlich, „wenn der 950

Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 30.

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

323

Mitgliedstaat alternative Interventionsformen in Erwägung gezogen hat und der Kommission darlegen kann, dass der Einsatz eines selektiven Instruments wie der staatlichen Beihilfe nachweislich Vorteile hat“951. (2) Kritik der Literatur an der neuen Rechtspraxis Die neue Rechtspraxis zur Erforderlichkeitsuntersuchung wird in der Litera­ tur aus mehreren Gründen kritisiert. Erstens knüpft an sie der Vorwurf an, dass die Kommission mit der Ausgestaltung der Abwägungsprüfung nicht primär den Schutz des Wettbewerbs im Binnenmarkt verfolge, sondern sich vielmehr ein all­ gemeines Eingriffsinstrument zur Überwachung des mitgliedstaatlichen Ausgabe­ verhaltens schaffe952. Halte sie eine mitgliedstaatliche Beihilfe für nicht geeignet, etwa weil sie eine Regelung mittels Rechtsvorschriften als weniger wettbewerbs­ verfälschend erachtet, und untersagt sie diese aus diesem Grunde, so dränge sie dem Mitgliedstaat ihre eigenen wirtschaftspolitischen Vorstellungen auf. Das Prü­ fungsprogramm der Kommission in diesem Punkt der Abwägungsprüfung sei an einer allgemeinen Kontrolle der Effizienz und politischer Sinnhaftigkeit der mit­ gliedstaatlichen Verwendung von Steuermitten ausgerichtet953. Damit überspanne sie ihre von den Europäischen Verträgen im Rahmen des Beihilfenrechts vorgese­ henen Zuständigkeiten und greife in die allgemeine Rechts- und Finanzpolitik der Mitgliedstaaten ein, für deren Angleichung ihr keine Kompetenz zukomme954. Al­ leiniges Ziel der Beihilfenbestimmung sei nämlich der Wettbewerbsschutz, nicht jedoch die Unterbindung mitgliedstaatlicher Geldverschwendung955. Zweitens ergeben sich mit der strengen Erforderlichkeitsprüfung der zweiten Stufe der Abwägungsprüfung speziell im Infrastruktursektor über diese allge­ meinen Kritikpunkte hinaus noch weitergehende kompetenzrechtliche Bedenken. Exemplarisch lässt sich dies an der Formulierung in den Luftverkehrs-Leitlinien 2005 zeigen, welche der Kommission auch als Muster für andere Infrastruktur­ bereiche gedient haben956. Danach müssen folgende Kriterien erfüllt sein: „– Die Infrastruktur ist für die Erreichung des beabsichtigten Ziels notwendig und ange­messen. – Die mittelfristigen Perspektiven für die Nutzung der Infrastruktur, insbesondere der be­ stehenden, sind zufrieden stellend.“957 951

Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 31. Siehe allgemein zu dieser Kritik auch Heithecker, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EUBeihilfenrecht, S. 522 m. w. N. 953 Knoblich, in: Oberender, More Economic Approach, S. 85, 91; Soltész, EuZW 2008, S. 97. 954 Knoblich, in: Montag/Säcker, MüKo-WettbR, Art. 13, 14 AGVO, Rn. 29. 955 Bartosch, RIW 2007, S. 681, 689 f.; Bartosch, EStAL 2007, S. 587 f. Ausführlich auch oben Kap. 3, B. VII. 3. 956 Vgl. Kommission, Ent. v 15.06.2006, Az. N 149/2006, Rn. 46 f. – M3 Clonee to North of Kells; dazu auch Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 109. 957 Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2005, Rn. 61; der Ansatz findet sich auch in Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014, Rn. 90 ff. und 85 f. wieder. 952

324

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

In den Breitband-Leitlinien 2013 fordert die Kommission, dass die „Eignung des Instruments der staatlichen Beihilfe“ im Vergleich zu anderen Formen staat­ lichen Handelns  – insbesondere Vorabregulierung  – individuell festgestellt wer­ den muss958. In der Literatur wird vorgebracht, dass speziell auf den Infrastrukturbereich be­ zogen die strenge Erforderlichkeitsprüfung der Kommission nicht nur potentiell die bereits erwähnten finanzpolitischen Zuständigkeitsbereiche der Mitgliedstaa­ ten berührt, sondern darüber hinaus auch den der Infrastrukturpolitik959. Vor allem in die planungsrechtliche Hoheit der Mitgliedstaaten im Infrastruktursektor könne die Kommission auf diese Weise eingreifen. Nach wie vor wird ein Großteil der Infrastrukturprojekte in den Mitgliedstaaten zumindest teilweise aus öffentlichen Mitteln finanziert und unterfällt damit nach der jüngeren Rechtspraxis der Kom­ mission grundsätzlich der Beihilfenkontrolle. Die Kommission könnte ihr weites Ermessen bei der Rechtfertigung von diesen Beihilfen nun dazu nutzen, um jen­ seits der Kompetenzen der Union auf diesem Gebiet eigene infrastrukturplaneri­ sche Erwägungen anstelle derjenigen der Mitgliedstaaten durchzusetzen960. Ver­ sagt sie die Genehmigung einer Beihilfe zur Errichtung oder zum Betrieb einer Infrastruktureinrichtung mangels erachteter Notwendigkeit der Förderung, so könne sie den Mitgliedstaat nämlich faktisch dazu zwingen, ein von ihr präferier­ tes „milderes Mittel“ umzusetzen. Explizit verweise die Kommission darüber hinaus in den Luftverkehrs-Leit­ linien 2005 auf die Berücksichtigung bereits bestehender Infrastrukturen. Inwie­ weit neben einer bereits vorhandenen Infrastruktur aber wirtschaftlich und nach politischem Ermessen sinnvoll weitere Infrastrukturen errichtet werden können, könne losgelöst von wettbewerblichen Erwägungen kein Prüfungsgegenstand des Beihilfenrechts sein. Ergänzend wird dazu angemerkt, dass eine knappe und in vielen Fällen nur begrenzt transparent ausgestalteten Beihilfenentscheidung der Kommission als letzte vom Mitgliedstaat zu überwindende Hürde vor der Errich­ tung eines Infrastrukturprojekts nicht dazu geeignet sei, in ihrer finalen Einschät­ zung umfangreiche nationalrechtlich bestrittene Verwaltungsverfahren unter Be­ rücksichtigung von Planungs-, Bau-, Umwelt- und Verkehrsbestimmungen sowie solchen aus anderen Rechtsbereichen zu ersetzen. Schließlich könnten auch dazu ergangene nationale Gerichtsentscheidungen potentiell von einer Brüsseler SuperEntscheidungsinstanz übergangen werden961.

958

Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 33 u. 40 ff. Koppmann, Grenzen der beihilfenrechtlichen Inhaltskontrolle, S. 439 f. 960 Siehe auch Karpenstein/Schiller, ZHR 172 (2008), S. 81, 85. 961 Zum Ganzen Koppmann, Grenzen der beihilfenrechtlichen Inhaltskontrolle, S. 439 f.; ähn­ lich auch Soltész, EuZW 2008, S. 97 f. 959

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

325

(3) Eigene Bewertung der Kritik der Literatur Sowohl die allgemeine Kritik an der zweiten Stufe der Abwägungsprüfung als auch an ihrer spezifischen Ausformulierung im Infrastrukturbereich erweisen sich bei genauerer Betrachtung als durchaus stichhaltig. Wie bereits umfassend erläutert wurde, bewegt sich die Kommission außer­ halb der Grenzen ihrer Zuständigkeit, wenn sie die Beihilfenkontrolle als Instru­ ment zur Disziplinierung der Mitgliedstaaten in ihrer Haushaltspolitik nutzt. Das vom Aktionsplan vorgegebene Ziel der Beihilfenreform, das Gesamtvolumen der mitgliedstaatlichen Beihilfenvergaben zu senken, hat als solches keine rechtliche Grundlage in den Bestimmungen des Europäischen Beihilfenrechts962. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse erweist es sich für eine positive Einschätzung der kompetenzrechtlichen Zulässigkeit der Untersuchungen der Kommission auf der zweiten Stufe der Abwägungsprüfung nicht als förderlich, dass Teile der beihil­ fenrechtlichen Literatur dieses Prüfungsprogramm geradezu als Verkörperung des beihilfenpolitischen Ziels von „weniger Beihilfen“ und einer mitgliedstaatlichen Budgetkontrolle ansehen963. Ebenso sind die Bedenken ernst zu nehmen, dass die Kommission sich über die Beihilfenkontrolle zu einer Planungs- und Koordinierungsinstanz allgemeiner mit­ gliedstaatlicher Infrastrukturprojekte aufschwingt. Insoweit ließe sich der Vorwurf begründen, dass die Kommission sich über die Neuausrichtung der Anwendung der Beihilfenvorschriften auf den Infrastrukturbereich seit den späten 1990er Jah­ ren zunehmend eigene Kompetenzen auf diesem Gebiet erschließt, ohne hierzu er­ mächtigt zu sein. Trotz dieser gravierenden Einwände erscheint es allerdings verfehlt, das von der Kommission entwickelte Programm der zweiten Stufe der Abwägungsprüfung per se als unvereinbar mit dem Primärrecht anzusehen. Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV eröffnet der Kommission ein weites Ermessen bei der Genehmigung von Beihil­ fen, welches von den Gemeinschaftsgerichten nur eingeschränkt überprüfbar ist964. Ein Ermessensfehler ist dann anzunehmen, wenn die Kommission ihr Ermessen missbräuchlich verwendet965. Ein solcher Ermessensmissbrauch liegt vor, wenn die Kommission im Rahmen ihrer Ermessensausübung ihre kompetenzrechtlich zu­ gestandenen Grenzen einer Durchsetzung des Wettbewerbsschutzes im Einzelfall überschreitet. Ist an einer Beihilfenentscheidung erkennbar, dass die Kommission auf der zweiten Stufe der Abwägungsprüfung das Ziel einer mitgliedstaatlichen Haushaltskontrolle, der generellen Verringerung des Beihilfenvolumens oder einer allgemeinen Infrastrukturplanung verfolgt hat, so ist diese aufgrund eines Ermessens­ missbrauchs der Kommission folglich offenkundig als rechtswidrig einzuordnen. 962

Ausführlich dazu oben Kap. 3, B. VII. 3. So etwa Coppi, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 64, 77. 964 Götz/Martínez Soria, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, Kap. H. III Rn. 133 ff. 965 Götz/Martínez Soria, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, Kap. H. III Rn. 134. 963

326

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Dies impliziert jedoch noch nicht, dass jede Kommissionsentscheidung in Hin­ blick auf den zweiten Schritt der Abwägungsprüfung als unzulässig erachtet werden muss. Die Kommission kann auch bei diesem Prüfungsschritt primär wettbewerb­ liche Erwägungen anstellen und sich damit in den Grenzen ihrer Zuständigkeit be­ wegen. Legt sie plausibel dar, in welcher Form die konkrete Ausgestaltung der mitgliedstaatlichen Beihilfen andere Auswirkungen auf den Wettbewerb auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten hat als eine alternative Maßnahme, so kann dies durchaus Gewicht bei der Gesamteinschätzung der Genehmigungsfähigkeit der Bei­ hilfe haben. Wirkt sich eine solche Entscheidung dann zugleich auf das Ausgabe­ verhalten der Mitgliedstaaten oder deren Planungen im Infrastrukturbereich aus, so handelt es sich um einen bloßen Reflex der Durchsetzung des Beihilfenrechts. Dass allein die Möglichkeit eines solchen Effekts besteht, führt für sich betrach­ tet nicht unmittelbar zur Rechtswidrigkeit dieses Prüfungsrasters. Dabei zeigt sich auch die enge Verknüpfung der verschiedenen Stufen der Abwägungsprüfung. Das von der Kommission gefundene Ergebnis auf der zweiten Ebene (Geeignetheit, An­ reizeffekt, Erforderlichkeit) kann nur als Baustein für die Prüfung der Wettbewerbs­ verfälschung und der Gesamtabwägung auf der dritten Stufe verstanden werden. Gerade in Bereichen wie dem Infrastruktursektor, in denen die Einzelfallent­ scheidungen der Kommission in besonderem Maße die Zuständigkeiten der Mit­ gliedstaaten berühren können, muss diese damit genau zeigen, welche Bedeutung die Geeignetheits- und Angemessenheitsprüfung für die Bewertung der Auswir­ kungen auf den Wettbewerb hat. Dabei kommt ihr eine umfassende Begründungs­ pflicht zu, in der sie sich auch mit den vom Mitgliedstaat vorgetragenen Argumen­ ten auseinanderzusetzen hat. Die Gründe für die Ermessenentscheidung müssen transparent wiedergegeben werden und objektiv nachvollziehbar sein. Hält die Kommission diese Vorgaben ein, so ist auch eine strenge Prüfung der Erforderlich­ keit einer mitgliedstaatlichen Maßnahme von ihrer Zuständigkeit zum Schutz des Wettbewerbs über die Durchsetzung der Beihilfenregeln gedeckt. (4) Konsequenzen für die praktische Anwendung der Abwägungsprüfung Aufgrund des dargestellten Zusammenhangs der zweiten und der dritten Stufe der Abwägungsprüfung sind Entscheidungen gerade im Infrastruktursektor kri­ tisch zu bewerten, in denen die Kommission das Vorliegen der Voraussetzungen der zweiten Stufe verneint und daraufhin die Prüfung abbricht, ohne überhaupt noch auf die dritte Stufe einzugehen. Exemplarisch lässt sich diese Kritik an der Kommissionspraxis an der Entschei­ dung DVB-T Berlin/Brandenburg966 aufzeigen. In diesem Fall führte die Bundes­ 966

Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14 – DVB-T Berlin/ Brandenburg.

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

327

republik Deutschland unterschiedliche Arten von Marktunvollkommenheiten als Rechtfertigung für eine Beihilfengewährung u. a. zugunsten von Rundfunk-Infra­ strukturen an. Die Kommission prüfte die Vereinbarkeit der Beihilfenmaßnahme mit dem Binnenmarkt anhand der Abwägungsprüfung. Nach ihrer Auffassung konnte die Bundesrepublik Deutschland bei einigen Marktunvollkommenheiten nicht zeigen, dass es sich dabei tatsächlich um auf der ersten Stufe der Prüfung an­ erkennenswerte Fälle von Marktversagen handelte. Einige andere von der Bundes­ republik Deutschland aufgeführte Marktunvollkommenheiten stufte sie dagegen als anerkennenswert ein und ging auf die zweite Stufe der Abwägungsprüfung über967. Dort beendete sie die Prüfung dann allerdings vollständig unter dem Ver­ weis darauf, dass andere, weniger wettbewerbsschädliche Interventionsformen an­ stelle der Beihilfenvergabe der Bundesrepublik Deutschland in dem konkreten Fall zumindest möglich gewesen wären968. Eine tatsächliche Abwägung der positiven wie der negativen wettbewerblichen Auswirkungen der Beihilfenmaßnahme (dritte Stufe der Abwägungsprüfung) nahm die Kommission daraufhin nicht mehr vor. Mehrere Literaturstimmen sahen in diesem Vorgehen eine Kompetenzüberschrei­ tung der Kommission969. Selbst wenn man die zweite Stufe der Abwägungsprüfung als integrierten Bestandteil des vollständigen Abwägungsprüfungsprogramms der Kommission als legitim ansieht, so erscheint deren isolierte Untersuchung als Schlusspunkt der Vereinbarkeitsprüfung aus kompetentieller Sicht dennoch be­ denklich. Bei einem derartigen Vorgehen liegt die Vermutung nahe, dass die Kommission die tatsächlichen positiven wettbewerblichen Effekte wie auch die negativen wettbewerblichen Auswirkungen der konkreten Beihilfe bei der Recht­ fertigungsprüfung nicht hinreichend genau untersucht hat970. Gerade die Analyse der Wettbewerbsaspekte der mitgliedstaatlichen Beihilfenvergabe stellt jedoch die kompetentielle Rechtfertigung für ein Eingreifen der Kommission dar971. Der Gerichtshof teilte die Bedenken der Literatur in seiner Entscheidung zu DVB-T Berlin/Brandenburg  – einem der ersten Urteile zur Abwägungsprüfung überhaupt – nicht. Vielmehr bestätigte er, dass die Kommission im Rahmen der Vereinbarkeitsprüfung bei Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV berechtigt ist, die Geeig­ netheit und Angemessenheit einer mitgliedstaatlichen Beihilfenvergabe zu unter­ suchen. Dabei könne sie ausdrücklich auch andere (regulatorische) Maßnahmen

967

Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14, Rn.  94 ff.  – DVB-T Berlin/Brandenburg. 968 Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14, Rn. 102 u. 107 – DVB-T Berlin/Brandenburg. 969 Siehe etwa Bartosch, RIW 2007, S.  681, 688; Knoblich, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 13, 14 AGVO, Rn. 29; Soltész, EuZW 2008, S. 97. 970 So etwa Bartosch, RIW 2007, S. 681, 688; weniger kritisch Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1069 f. 971 Siehe auch Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Econo­ mics, S. 625, 649 f.

328

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

benennen, die sie als „weniger wettbewerbsschädlich“ erachtet972. Eine genauere Auseinandersetzung mit den wettbewerblichen Auswirkungen der jeweiligen Maßnahmen fordert der Gerichtshof von der Kommission dagegen nicht973. Leider blieb der Gerichtshof in seiner Begründung zu diesen Punkten über­ aus knapp. Die Bestätigung der Entscheidung des Gerichts dahingehend, dass die Kommission auf der zweiten Stufe der Abwägungsprüfung dem Mitgliedstaat vor­ halten darf, er könne das angestrebte Ziel auch mittels „weniger wettbewerbsschädlich(en)“974 Maßnahmen als einer Beihilfenvergabe erreichen, impliziert selbst allerdings das Erfordernis einer wettbewerbsspezifischen Untersuchung schon auf dieser Ebene  – andernfalls könnte kaum ermittelt werden, ob die Al­ ternativmaßnahme intensiver oder weniger stark wettbewerbsschädigend wirkt. Gleichzeitig betont der Gerichtshof auch, dass die Zulässigkeit des Vergleichs der Beihilfengewährung mit Alternativvorschlägen durch die Kommission in dem konkreten Falle jedenfalls deshalb zulässig war, da sie nur ein einzelnes Element der umfassenderen und auch andere Belange berücksichtigenden Vereinbarkeits­ prüfung darstellte975. Dennoch hat der Gerichtshof mit seiner knappen Darstellung in der Entscheidung DVB-T Berlin/Brandenburg eine Chance vertan, für mehr Rechtssicherheit bei der Vereinbarkeitsprüfung von Beihilfen für Infrastruktur­ projekte zu sorgen und klarere Grenzen zwischen den Kompetenzbereichen von Union und Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet zu ziehen976. Nach der hier vertretenen Auffassung überschreitet die Kommission bei einem Abbruch der Vereinbarkeitsprüfung bei der mitgliedstaatlichen Gewährung von In­ frastrukturbeihilfen bereits auf der zweiten Stufe der Abwägungsprüfung und einer daraus folgenden Negativentscheidung regelmäßig die Grenzen ihrer Zuständig­ keit, soweit nicht bereits eine Berücksichtigung auch der positiven Auswirkungen der Maßnahme vorgenommen wird. bb) Weitere Entscheidungspraxis im Infrastrukturbereich Bestärkt durch das Urteil des Gerichtshofs in DVB-T Berlin/Brandenburg hat die Kommission ihre restriktive Angemessenheitsprüfung mit einer Beendigung der Untersuchung bereits auf der zweiten Stufe, in der jüngeren Entscheidung DTT in abgelegenen Regionen Spaniens wiederholt977. Insgesamt hat sie auch in wei­ 972

Siehe EuGH, Urt. v. 15.09.2011, Rs. C-544/09 P, Rn. 67 f. – DVB-T Berlin/Brandenburg sowie EuG, Urt. v. 06.10.2009, Rs. T-21/06, Rn. 68 – DVB-T Berlin/Brandenburg. Dazu auch Koenig, JECLP 2012, S. 49 ff. 973 EuGH, Urt. v. 15.09.2011, Rs. C-544/09 P, Rn. 71 – DVB-T Berlin/Brandenburg. 974 Siehe EuG, Urt. v. 06.10.2009, Rs. T-21/06, Rn. 68 – DVB-T Berlin/Brandenburg. 975 EuGH, Urt. v. 15.09.2011, Rs. C-544/09 P, Rn. 68 ff. – DVB-T Berlin/Brandenburg. 976 Vorsichtig kritisch dazu auch Koenig, JECLP 2012, S. 49 ff. 977 Kommission, Ent. v. 19.06.2013, Az. SA.28599 (C 23/2010 (ex NN 36/2010, ex CP 163/2009)), Rn. 159 ff. – DTT in abgelegenen Regionen Spaniens.

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

329

teren Fällen bezüglich Beihilfen für Rundfunkinfrastrukturen eine strenge Haltung auf der zweiten Stufe der Abwägungsprüfung eingenommen978. Ebenfalls eine nachdrückliche Prüfung der Erforderlichkeit der Maßnahme  – allerdings ganz überwiegend mit Positiventscheidungen  – verfolgte sie darüber hinaus bei der Untersuchung von mitgliedstaatlichen Beihilfen für Energieinfra­ strukturen, etwa Fernwärmenetze979, Öl- und Gaspipelines980 sowie Fernstrom­ kabeln981. Auch für Sportstadien hat sie eine ähnliche Erforderlichkeitsunter­ suchung vorgenommen, wenn auch in diesem Kontext insgesamt etwas knapper982. Von dieser einheitlichen Anwendung der zweiten Stufe der Abwägungsprüfung im Infrastruktursektor weicht die Kommission allerdings in ihrer Rechtspraxis zu Beihilfen für Hafeninfrastrukturen ab. In den jüngeren Entscheidungen zu dieser Art von Infrastrukturen, in denen sie eine Eröffnung des Beihilfentatbestands an­ nahm und daher auch eine Vereinbarkeitsprüfung durchführen musste, untersuchte sie – angelehnt an ihr grobes Prüfungsraster vor der Beihilfenreform von 2005 – allein die Notwendigkeit (hinsichtlich eines Ausbleibens hinreichender privater In­ vestitionen) und Angemessenheit der Beihilfenmaßnahme (vor allem bezüglich ih­ rer Intensität und Höhe)983. Eine strenge Erforderlichkeitsprüfung mit Blick auf denkbare alternative, weniger wettbewerbsverzerrende mitgliedstaatliche Maß­ nahmen als einer Beihilfenvergabe führte sie dagegen nicht durch. Auch die mit­ telfristigen Perspektiven für die Nutzung unter Berücksichtigung bereits bestehen­ der vergleichbarer Infrastrukturen hinterfragte sie nicht984. Anders als in der Literatur teilweise behauptet kann aus diesem Grunde nur schwerlich der Aussage zugestimmt werden, dass die Kommission sich bei der Vereinbarkeitsprüfung von Beihilfen für Hafeninfrastrukturen an den Luftver­ kehrs-Leitlinien 2005 orientiert985. Ähnlichkeiten der Prüfung mit diesen Leitlinien sind allein in einem weit gefassten Rahmen zu erkennen und lehnen sich an die 978

Siehe etwa negativ Kommission, Ent. v. 23.10.2007, Az. C 34/2006 (ex N 29/2005 und ex CP 13/2004), Rn. 151 ff. – DVB-T Nordrhein-Westfalen und positiv Kommission, Ent. v. 25.09.2007, Az. N 103/2007, Rn. 50 ff. – Digitaldecoder Soria. 979 Kommission, Ent. v. 18.06.2013, Az. SA.35674 (2012/N), Rn.  49 ff.  – District Heating Warsaw; Kommission, Ent. v. 10.09.2012, Az. SA.34642 2012/N, Rn. 41 ff. – Greece District Heating Kozani. 980 Kommission, Ent. v. 06.03.2013, Az. SA.34359 (2012/N), Rn. 49 ff. – Poland Oil Pipe­ line Brody-Adamowo; Kommission, Ent. v. 05.02.2013, Az. SA.34235, Rn. 50 ff. – Poland Gas Pipeline Rembelszczyzna-Gustorzyn. 981 Kommission, Ent. v. 31.07.2012, Az. SA 33.823 (2012/N), Rn. 55 ff. – Electricity Cable Aland. 982 Kommission, Ent. v. 02.05.2013, Az. SA.33618 Rn. 50 ff., insbs. 52 – Uppsala Arena. 983 Siehe etwa Kommission, Ent. v. 19.06.2013, Az. SA.35738 (2012/N)  – Katakolo Port; Kommission, Ent. v. 05.06.2013, Az. SA.36223 (2013/N)  – Port of Santa Cruz of Tenerife; Kommission, Ent. v. 19.12.2012, Az. SA. 34940 (2012/N) – Port of Augusta. 984 Anders aber für Flughäfen Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2005, Rn. 61, dazu oben Kap. 4, E. I. 2. b). 985 So aber Jennert/Eitner, EuZW 2013, S. 414, 418.

330

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

allgemeine und ältere Rechtspraxis zu Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV von vor 2005 an. Ferner erinnert diese Prüfungsstruktur an die Rechtspraxis zu Art. 93 AEUV986. Obgleich die Kommission diese Norm zur Rechtfertigung von Beihilfen für See­ häfen nicht unmittelbar heranziehen kann, deutet die Entscheidungspraxis an, dass sie deren (weniger strengen) Grundsätze auch in diesen Bereich über die Anwen­ dung des Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV übertragen möchte. Angesichts der Tatsa­ che, dass die Kommissionspraxis zu Seehafenbeihilfen insgesamt eine unstete Ent­ wicklung aufzeigt, ist in diesem weniger strikten Vorgehen mög­licherweise auch kommissionsintern ein politischer Kompromiss zur beihilfenrechtlichen Bewer­ tung von Seehafenprojekten zu sehen. cc) Zusammenfassung Die zweite Stufe der Abwägungsprüfung mit der im Zuge der Beihilfenreform von 2005 neu eingeführten strengen Erforderlichkeitsuntersuchung der Kom­ mission begegnet aus kompetenzrechtlicher Sicht schwerwiegenden Bedenken. Diese knüpfen zum einen allgemein daran an, dass die Kommission die Beihil­ fenkontrolle nicht als Instrument gebrauchen darf, um das Ausgabeverhalten der Mitgliedstaaten zu begrenzen. Zum anderen könnte sie mittels dieses Prüfungs­ schrittes eine über ihre Zuständigkeiten hinausgehende Einflussnahme auf die mit­ gliedstaatlichen Infrastrukturpolitiken bewirken. Nach der hier vertretenen Auffas­ sung ist die strenge Erforderlichkeitsprüfung dennoch zulässig, soweit diese zum Zwecke des Wettbewerbsschutzes erfolgt. Die Kommission ist demnach gehalten, in ihren Entscheidungen die Bedeutung der Erforderlichkeitsuntersuchung für die wettbewerbliche Gesamtbewertung der Vereinbarkeit der mitgliedstaatlichen Bei­ hilfengewährung aufzuzeigen. Aus diesem Grunde ist eine verkürzte Form der Abwägungsprüfung kritisch zu betrachten, in welcher diese auf der zweiten Stufe en­ det und die wettbewerbliche Bewertung auf der dritten Stufe ausgelassen wird. In der tatsächlichen Rechtspraxis der Kommission zu Infrastrukturbeihilfen zeigt sich ein weiteres Mal, dass diese die von ihr selbst aufgestellten Grundsätze nicht konsequent in allen Fällen anwendet. Bezüglich einiger Infrastrukturarten, etwa bei der Überprüfung der mitgliedstaatlichen Förderung von Seehafeninfra­ strukturen, erscheint die Analyse eher an andere Rechtfertigungsgründe  – wie Art. 93 AEUV – angelehnt. Dies verdeutlicht wiederum, dass die Kommission die Festlegung auf eine einheitliche Linie scheut, offensichtlich um bezüglich poli­ tisch sensibler Entscheidungen flexibel zu bleiben – auf Kosten der Rechtssicher­ heit für die Mitgliedstaaten.

986

Siehe dazu unten Kap. 4, E. IV. 2.

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

331

c) Dritte Ebene der Abwägungsprüfung: Wettbewerbsverfälschung und Handelsbeeinträchtigung sowie Gesamtabwägung Im dritten und letzten Schritt der Abwägungsprüfung untersucht die Kom­ mission zunächst, inwieweit sich die Beihilfe negativ auf die Wettbewerbs- und Handelsbedingungen im Binnenmarkt auswirkt. Anschließend stellt sie in einer Gesamtbetrachtung die wahrscheinlichen positiven und negativen Folgen der Bei­ hilfengewährung gegenüber und wägt diese gegeneinander ab, um schlussendlich eine Entscheidung darüber zu treffen, ob die positiven Effekte überwiegen und die Abwägungsprüfung damit zugunsten der Genehmigung der Beihilfe entschieden werden kann. aa) Prüfung der Wettbewerbsverfälschung und Handelsbeeinträchtigung (1) Bedeutung und Umfang der Prüfung Aufgrund der dargestellten und ausführlich kritisierten Kommissionspraxis, die Merkmale der Wettbewerbsverfälschung und der zwischenstaatlichen Handels­ beeinträchtigung auf Tatbestandsebene des Art. 107 Abs. 1 AEUV regelmäßig nur kursorisch zu prüfen, erfolgt auf der dritten Stufe der Abwägungsprüfung in vie­ len Kommissionsentscheidungen erstmals eine (im Einzelfall mehr oder minder) umfassende Untersuchung der (wahrscheinlichen) Auswirkungen der Beihilfenge­ währung auf Wettbewerb und zwischenstaatlichen Handel. Im Allgemeine Grundsätze-Papier erläutert die Kommission ausführlich ihre Untersuchungsmethodik bei diesem Prüfungspunkt987. Danach soll sich die Tiefe der Marktanalyse nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls richten. Grund­ sätzlich sieht die Kommission es zur Feststellung der potentiellen negativen Aus­ wirkungen einer Beihilfe als sinnvoll an, eine Marktabgrenzung nach Vorbild des Kartell- und Fusionskontrollrechts vorzunehmen. Weil jedoch „viele Märkte  – wenn auch in unterschiedlichem Maße – betroffen sein können, konzentriert sich die Kommission in der Regel in ihrer Untersuchung auf jene Märkte, auf denen die Auswirkungen besonders klar und/oder auffallend sind.“988 Darüber hinaus folgt sie bei ihrer Prüfung an dieser Stelle einem weiten Wett­ bewerbsbegriff, der neben dem Wettbewerb auf den Güter- und Dienstleistungs­ märkten auch den Wettbewerb auf den Inputmärkten (insbesondere den Wett­ bewerb der Standorte)  umfasst sowie langfristige Anreizeffekte berücksichtigt,

987

Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 44 ff. Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 55.

988

332

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

welche sich durch eine potentielle Veränderung der Rentenallokation infolge der Beihilfenvergabe ergeben können989. (2) Eigene Einschätzung Nach der hier vertretenen Auffassung sollte bei der beihilfenrechtlichen Über­ prüfung der mitgliedstaatlichen Förderung der Errichtung und des Betriebs von In­ frastrukturen bereits auf Tatbestandsebene des Art. 107 Abs. 1 AEUV eine umfas­ sende Untersuchung der Auswirkungen der Maßnahme auf den Wettbewerb auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten sowie auf den zwischenstaatlichen Han­ del erfolgen990. Das von der Kommission auf der dritten Stufe der Abwägungsprüfung ein­ geführte Konzept einer Marktanalyse mittels einer Abgrenzung der relevanten Märkte ist für sich betrachtet ein sinnvolles Instrument, um die Auswirkungen einer mitgliedstaatlichen Beihilfenvergabe zu evaluieren. Dessen Verortung bereits in der Prüfung auf Tatbestandseben hätte jedoch praktische Vorteile, welche über allein dogmatische Überlegungen zum Prüfungsaufbau hinausgehen. Eine wett­ bewerbliche Marktanalyse ist auf Tatbestandsebene vor allem aus dem Grunde zu bevorzugen, dass es sich bei den Prüfungspunkten der Wettbewerbsverfälschung und der Handelsbeeinträchtigung des Art. 107 AEUV um konstitutive Merkmale des Beihilfenbegriffs handelt, die in jeder beihilfenrechtlichen Prüfung zu unter­ suchen sind. Die in der entsprechenden Prüfung auf Tatbestandsebene gefunde­ nen Ergebnisse zu den Auswirkungen der Beihilfenmaßnahme auf die Güter- und Dienstleistungsmärkte können dabei im Rahmen der dritten Stufe der Abwägungs­ prüfung berücksichtigt werden, so dass es zu keiner Dopplung dieser Unter­ suchung kommt. Daneben und darüber hinaus ist der Kommission allerdings darin zuzustimmen, dass sie auf der dritten Stufe der Abwägungsprüfung einem weiten Wettbewerbs­ verständniss folgt – anders als nach der hier vertretenen Auffassung zum Merkmal der Wettbewerbsverfälschung auf der Tatbestandsebene des Art. 107 Abs. 1 AEUV. Ein weites Wettbewerbsverständnis ist auf dieser Ebene vor allem aus dem Grunde sinnvoll, dass die Wettbewerbsverfälschung auf den Güter- und Dienst­ leistungsmärkten im Rahmen der Gesamtabwägung aller positiven und negativen Auswirkungen einer mitgliedstaatlichen Beihilfengewährung für die Errichtung und den Betrieb von Infrastrukturen zwar einen wichtigen Aspekt darstellt, jedoch nicht alleinentscheidendes Merkmal sein muss. Vielmehr verfügt die Kommission in der Rechtfertigungsprüfung des Art. 107 Abs. 3 AEUV über ein weites Ermes­ sen dahingehend, welche Faktoren sie hier einfließen lässt. Die Annahme eines 989

Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 44 ff. Siehe bereits oben Kap. 4, C. II. 2. sowie C. III.

990

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

333

weiten Wettbewerbsbegriffs führt dabei allein dazu, dass der Katalog der berück­ sichtigten Aspekte ausgeweitet wird und die inhaltlichen Anforderungen an eine Rechtfertigung der Beihilfe für die Mitgliedstaaten strenger werden, da mehr An­ knüpfungspunkte für eine negative wettbewerbliche Prognose bestehen (konkret zusätzlich zu den Verzerrungen auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten auch Beeinträchtigungen des langfristigen Anreizeffekts sowie Verfälschungen auf den Inputmärkten). Dies kann von besonderer Bedeutung im Rahmen einer beihilfen­ rechtlichen Untersuchung von mitgliedstaatlichen Infrastrukturfördermaßnahmen sein, vor allem soweit Verfälschungen des Wettbewerbs zwischen verschiedenen Standorten in die Betrachtung aufgenommen werden991. bb) Abwägung der positiven und der negativen Auswirkungen der mitgliedstaatlichen Fördermaßnahme (1) Allgemeine Grundsätze Im letzten und für die Abwägungsprüfung entscheidenden Schritt stellt die Kommission die wahrscheinlichen positiven wie die negativen Auswirkungen der Beihilfenvergabe gegenüber und ermittelt, welche Aspekte insgesamt überwiegen. In diesem Punkt zeigt sich auch, aus welchem Grunde ein Abbruch der Prü­ fung auf der zweiten Stufe (Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Ziels, dem festgestellten Marktversagen entgegen­ zuwirken) wie in der Entscheidung DVB-T Berlin/Brandenburg992 aus Sicht des Gesamtkonzepts zu kurz greift993. Bei einem solchen Vorgehen berücksichtigt die Kommission nämlich allein negative Auswirkungen der Maßnahme, ohne sich bei ihrer Entscheidungsfindung hinreichend mit denkbaren positiven Effekten aus­ einanderzusetzen. Auch wenn die Kommission gerade auf dieser letzten Stufe der Abwägungsprüfung über ein weites Ermessen verfügt, bedarf es hier einer voll­ umfänglichen Prüfung, bei der sie die vom Mitgliedstaat vorgetragenen positiven Aspekte der Maßnahme hinreichend würdigt. Nur so kann gerade in einem kom­ petenziell sensiblen Bereich wie dem Infrastruktursektor sichergestellt werden, dass das Endergebnis auf einer verobjektivierten Grundlage über die tatsächlichen wettbewerblichen Auswirkungen der Maßnahme basiert und nicht dem Verdacht ausgesetzt ist, in die mitgliedstaatlichen Planungs- und Regelungskompetenzen auf diesem Gebiet überzugreifen. Obgleich mit dieser Erkenntnis die Bedeutung der letzten Stufe der Abwägungsprüfung im Gesamtgefüge klargestellt ist, sieht sich die Kommission bei ihrer Um­ 991

Siehe dazu auch Koenig/Kühling, EuZW 1999, S. 517 ff. Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14, Rn.  94 ff.  – DVB-T Berlin/Brandenburg. 993 Siehe dazu oben Kap. 4, E. I. 3. b) aa) (4); ferner Bartosch, RIW 2007, S. 681, 688. 992

334

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

setzung sowohl bezüglich der theoretischen Grundüberlegungen als auch vor al­ lem in der praktischen Anwendung erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt. Dies beginnt damit, dass bislang eine einheitliche Festlegung fehlt, auf Grundlage welchen Wohlfahrtsstandards die Auswirkungen der Beihilfengewährung ermit­ telt werden sollen. Im Europäischen Kartell- und Fusionskontrollrecht verfolgt die Kommission einen Konsumentenwohlfahrtstandard, nach dem bei der wettbewerbs­ rechtlichen Bewertung vor allem die Interessen der Verbraucher im Zentrum ste­ hen sollen994. Demgegenüber verdeutlicht sie im Allgemeine Grundsätze-Papier, dass sie im Beihilfenrecht einem Gemeinwohlstandard folgt. Dazu merkt sie an: „In der Wirtschaftstheorie wird Konsumentenwohlfahrt in der Regel als Konsumentenrente der Verbraucher auf allen Märkten definiert, d. h., es handelt sich um die Differenz zwischen dem Geldbetrag, den die Konsumenten für ein Gut zu zahlen bereit wären, und dem Markt­ preis. Umgekehrt kann die Produzentenwohlfahrt als Produzentenrente der Hersteller be­ zeichnet werden, d. h. es handelt sich um den Betrag, den ein Hersteller aus dem Verkauf eines Produkts erwirtschaftet, indem er einen Preis verlangt, der über den Grenzkosten der Herstellung liegt. Das Konzept der Gemeinwohlfahrt berücksichtigt nicht nur die Summe der Verbraucher- und der Produzentenrenten, sondern auch, wie die Wohlfahrt auf das Land und die Bürger verteilt ist. Gemeinwohlfahrt beinhaltet somit Effizienzerwägungen (indem z. B. untersucht wird, wieviel Wohlstand geschaffen wird, wenn auf die Renten von Verbrau­ chern und Produzenten eingewirkt wird) sowie Gleichheitserwägungen (indem z. B. unter­ sucht wird, wie dieser Wohlstand auf die Mitgliedstaaten und die Bürger verteilt wird). Wird die Gemeinwohlfahrt zugrunde gelegt, so werden alle denkbaren Auswirkungen der Bei­ hilfe berücksichtigt.“995

Die Begründung dafür, dass die Kommission im Beihilfenrecht anders als im Kartell- und Fusionskontrollrecht keinen reinen Konsumentenwohlfahrtstandard verfolgen möchte – was von der Literatur teilweise vorgeschlagen wurde996 – ist mutmaßlich darin zu sehen, dass sie im Beihilfenrecht vor der Reform von 2005 typischerweise die Wirkung der Beihilfe auf die Wettbewerber des begünstigten Unternehmens betrachtet hat („effect on rivals“997) und eine vollständige Abkehr von diesem Verständnis einen derart erhebliche Wende der Beihilfenpolitik bedeu­ tet hätte, dass die Kommission sie nicht anzugehen wagte998. Insgesamt erscheint aufgrund der auch von der Kommission betonten vielfältigen wettbewerblichen Auswirkungen der mitgliedstaatlichen Beihilfenvergabe eine Gesamtbetrachtung anhand eines Gemeinwohlfahrtstandards aber insgesamt sinnvoll999. 994

Bereits diese Kommissionspraxis im Kartell- und Fusionskontrollrecht ist nicht unumstrit­ ten, vgl. zur Kritik daran etwa Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, Art. 2 FKVO Rn. 335 f. m. w. N. 995 Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 58 Fn. 41. 996 Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 643 ff. 997 Siehe dazu die Diskussion bei Nitsche/Heidhues, Impact of State Aid on Competition, S. 82 ff. 998 Coppi, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 64, 81. 999 Kritisch etwa Coppi, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid, S. 64, 82.

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

335

Unabhängig davon, wie man die Auswahl des Gemeinwohlfahrtsstandards als Maßstab für die Abwägungsprüfung wettbewerbsökonomisch und wettbewerbs­ politisch bewertet, ist er wettbewerbsrechtlich in seiner praktischen Umsetzung nur schwer handhabbar. Dies hängt in erster Linie damit zusammen, dass eine qualitative und quantita­ tive Bewertung der vorteilhaften wie nachteiligen Auswirkungen einer Beihilfen­ maßnahme in vielen Fällen kaum möglich ist1000. Beschränkt sich das Ziel der Bei­ hilfenmaßnahme auf die Beseitigung eines allokativen Marktversagens, so besteht zumindest im Grundsatz noch die Chance, dass bestimmte positive und negative Effizienzauswirkungen auf einer rechnerischen Grundlage gegenübergestellt wer­ den1001. Schon in diesem Zusammenhang kann jedoch nicht ausgeschlossen wer­ den, dass die genaue Erfassung der Effizienzen sowie die Berechnungsmethodik zwischen den unterschiedlichen Beteiligten (Kommission, Mitgliedstaaten, be­ günstigte Unternehmen, Wettbewerber) streitig sein kann und eine objektive Ent­ scheidung dadurch nur schwer zu finden ist1002. Erst Recht problematisch gestalten sich allerdings Konstellationen, in denen der Mitgliedstaat mit der Beihilfenvergabe in erster Linie andere Ziele als die Besei­ tigung eines allokativen Marktversagens verfolgt, vor allem insoweit Gleichheitsund Verteilungszwecke im Vordergrund stehen1003. Da es sich dabei um originär politische Ziele handelt, gestaltet sich eine quantitative Darstellung in ökonomi­ schen Effizienzkategorien als kaum durchführbar. Auch die Kommission erkennt dieses Problem und merkt dazu im Allgemeine Grundsätze-Papier an: „Die Kommission ist sich bewusst, dass eine präzise Quantifizierung der Auswirkungen einer bestimmten staatlichen Beihilfe vielfach nicht möglich ist. Doch in den meisten Fällen sollte es zumindest möglich sein, die Größenordnung der Auswirkungen zu bestimmen.“1004

In diesem Zusammenhang betont die Kommission unter anderem, dass sie ihre schlussendliche Bewertung etwa auf Einschätzungen zu den Folgen der Beihilfen­ maßnahme auf den Arbeitsmarkt, die Qualität und den Preis von Produkten sowie auf Innovationen stützt. Dazu fordert sie die Mitgliedstaaten auf, „Verbraucherbefragungen, Marktstudien und Expertengutachten oder eine Politikbewertung, wie sie zum Beispiel in Grundsatzdokumente der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten vorgenommen wurde“1005 als geeignete Untersuchungsinstrumente anzusehen. Schluss­ endlich „stützt sich [die Kommission] ansonsten auf ihre eigene Einschätzung.“1006 1000

Dies müssen auch Befürworter eines solchen Vorgehens eingestehen, siehe etwa Nitsche/ Heidhues, Impact of State Aid on Competition, S. 107. 1001 Siehe auch Haucap/Schwalbe, Economic Principles of State Aid Control, S. 20. 1002 Vgl. auch Langner, Beihilfenkontrolle auf dem Prüfstand, S. 21 f. 1003 Siehe nur Haucap/Schwalbe, Economic Principles of State Aid Control, S. 15: „problems of distributive justice (…) cannot be solved by economic theory alone“. 1004 Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 63. 1005 Kommission, Allgemeine Grundsätze, Rn. 67. 1006 Ebd.

336

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Insgesamt bleibt die dritte Stufe der Abwägungsprüfung damit weitgehend kon­ turenlos. Dies zeigt sich auch in der praktischen Anwendung im Infrastruktur­ bereich, die im Folgenden näher aufgezeigt werden soll. (2) Anwendung im Infrastrukturbereich (a) Bedeutung der vertieften Prüfung der Wettbewerbsverfälschung (aa) Bedeutung für lokale Infrastrukturen Im Rahmen ihrer vertieften Untersuchung der Wettbewerbsverfälschung auf der dritten Stufe der Abwägungsprüfung kommt die Kommission in einigen Entschei­ dungen aus dem Infrastrukturbereich zu Erkenntnissen, die nach der hier vertre­ tenen Auffassung bereits bei den Merkmalen der Wettbewerbsverfälschung und Handelsbeeinträchtigung auf Tatbestandsebene des Art. 107 Abs. 1 AEUV berück­ sichtigt wurden. Exemplarisch führt sie etwa bei Fernwärmeinfrastrukturen regel­ mäßig aus: „Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Förderung der Fernwärmeinfrastruktur zu Wettbe­ werbsverzerrungen auf dem Wärmetransportmarkt führen wird. Der Wärmetransportmarkt ist per definitionem an den Standort der Rohrleitungen gebunden und daher seiner Natur nach lokal. Daher ist allenfalls mit geringen Auswirkungen auf den Handel zwischen Mit­ gliedstaaten zu rechnen.“1007

Diese inhaltlich zutreffende Feststellung lässt sich prinzipiell auch auf andere ortsgebundene Versorgungsinfrastrukturen wie lokale Strom- und Gasnetze über­ tragen. Problematisch daran ist allerdings, dass die Kommission hier auf Recht­ fertigungsebene zeigt, dass eines ihrer zuständigkeitsbegründenden Tatbestands­ merkmale aus Art. 107 Abs. 1 AEUV möglicherweise gar nicht erfüllt ist. In einzelnen Entscheidungen zu lokalen Infrastrukturen erkannte die Kommis­ sion diesen Umstand. So prüfte sie in Electricity and Natural Gas Networks Romania1008 bereits auf Tatbestandsebene, inwieweit die Begünstigung der Infra­ strukturbetreiber sich möglicherweise auch auf andere Märkte auswirken kann, auf denen diese tätig sind und auf welchen eine Handelsbeeinträchtigung auch von ge­ meinschaftsweiter Bedeutung denkbar wäre. Auch wenn diese Untersuchung ins­ gesamt vergleichsweise knapp blieb, zeigt sie zumindest, dass die Kommission sich mit den damit zusammenhängenden Fragen auseinandergesetzt hat. 1007

Kommission, Ent. v. 17.06.2009, Az. N 485/2008, Rn. 38 – Österreich Fernwärme- und Fernkälteinfrastruktur. Siehe auch Kommission, Ent. v. 18.06.2013, Az. SA.35674 (2012/N), Rn.  66  – District Heating Warsaw; Kommission, Ent. v. 10.09.2012, Az. SA.34642 2012/N, Rn. 64 – Greece District Heating Kozani. 1008 Kommission, Ent. v. 17.12.2010, Az. N 629/2009, Rn. 67 ff. – Electricity and Natural Gas Networks Romania; siehe auch Kommission, Ent. v. 15.03.2010, Az. N 594/2009, Rn. 70 ff. – Poland Gas Transmission Networks.

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

337

In vielen anderen Fällen zur mitgliedstaatlichen Förderung lokaler Infrastruk­ turen berief sich die Kommission bei der Tatbestandsprüfung des Art. 107 Abs. 1 AEUV dagegen pauschal allein auf die Philip Morris-Formel und eine bestehende Marktliberalisierung1009. Selbst wenn die Kommission die besonderen wettbewerb­ lichen Umstände der mitgliedstaatlichen Förderung lokaler Infrastrukturen dann teilweise in der dritten Stufe der Abwägungsprüfung berücksichtigt, kann dieses Vorgehen aus vorgenannten dogmatischen und vor allem kompetentiellen Grün­ den nicht überzeugen. (bb) Reichweite und methodische Tiefe der Prüfung Darüber hinaus fehlt es der Kommission – trotz der umfassenden Erläuterun­ gen zur Marktabgrenzung im Allgemeine Grundsätze-Papier – auch im Rahmen der Untersuchung der Wettbewerbsverfälschung auf der dritten Stufe der Abwägungsprüfung in ihrer Entscheidungspraxis nach wie vor an einer einheitlichen Methodik. Den Aufwand einer umfassenden Marktabgrenzung nimmt sie nur sel­ ten auf sich und begründet ihre Ergebnisse somit regelmäßig mit allgemeinen Aussagen zu den wettbewerblichen Umständen des jeweiligen Falles1010. Vor al­ lem denkbare mittelbare wettbewerbliche Auswirkungen der Beihilfen auf vorund nachgelagerte Marktstufen sowie auf sonstige Märkte, auf denen das begüns­ tigte Infrastrukturunternehmen tätig ist, untersucht sie häufig nur kursorisch oder gar nicht1011. Auch wenn der Umfang der einzelnen Prüfungen damit zumeist im­ mer noch deutlich über die Untersuchungstiefe beim Merkmal der Wettbewerbs­ verfälschung auf Tatbestandsebene des Art. 107 Abs. 1 AEUV – einem knappen Verweis auf die Philip Morris-Rechtsprechung – hinausgeht, bleibt sie in ihrer Ge­ samtheit dennoch deutlich hinter einem vollständigen und einheitlichen Prüfungs­ konzept zurück, wie es hier in Ansätzen bereits im Rahmen der Tatbestandsanalyse des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorgeschlagen wurde1012.

1009 So etwa Kommission, Ent. v. 18.06.2013, Az. SA.35674 (2012/N), Rn. 38 – District Heat­ ing Warsaw; Kommission, Ent. v. 10.09.2012, Az. SA.34642 2012/N, Rn. 30 – Greece District Heating Kozani. 1010 Siehe exemplarisch aus jüngerer Zeit etwa Kommission, Ent. v. 06.03.2013, Az. SA.34359 (2012/N), Rn.  60 ff.  – Poland Pipeline Brody-Adamowo; Kommission, Ent. v. 20.03.2013, SA.35135 (2012/N), Rn. 20 – Multifunktionsarena Erfurt; Kommission, Ent. v. 19.12.2012, Az. SA. 34940 (2012/N), Rn. 77 ff. – Port of Augusta. 1011 Eine Ausnahme ist hier etwa Kommission, Ent. v. 15.03.2010, Az. N 594/2009, Rn. 70 ff. – Poland Gas Transmission Networks, wobei selbst dort die Prüfung überaus knapp bleibt. 1012 Siehe dazu oben Kap. 4, C. III.

338

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

(b) Durchführung einer Gesamtabwägung Die Bedeutung und der Umfang der tatsächlichen Gesamtabwägung auf der dritten Stufe der Abwägungsprüfung variieren erheblich nach der Art der Infra­ struktur, deren mitgliedstaatliche Förderung von der Kommission untersucht wird. Bei Beihilfen für Flughäfen führt die Kommission entsprechend ihrer Vorgaben in den Luftverkehrs-Leitlinien 2005 und 2014 regelmäßig gar keine Gesamtabwä­ gung durch1013. Allenfalls vereinzelt stellt sie im Rahmen der Überprüfung der Wettbewerbs- und Handelsbeeinträchtigung möglichen negativen wettbewerb­ lichen Auswirkungen einige positive Aspekte der Maßnahme gegenüber1014. Im Bereich der Beihilfen für Seehäfen orientiert sich die Kommission nicht am Prüfungsraster der Abwägungsprüfung. Eine Gesamtabwägung nimmt sie in die­ sen Fällen gar nicht vor. Ähnlich wie bei den Flughafeninfrastrukturen berücksich­ tigt sie positive Aspekte der Maßnahme kursorisch im Rahmen der Wettbewerbs­ verfälschung und Handelsbeeinträchtigung, ohne dass von einer tatsächlichen Abwägung gesprochen werden könnte1015. In den Kommissionsentscheidungen zu Rundfunkinfrastrukturen erlangt die Gesamtabwägung ebenfalls nur wenig Bedeutung in der Abwägungsprüfung. Wie gezeigt untersucht die Kommission bei dieser Art von Infrastrukturen vielfach die zweite Stufe der Abwägungsprüfung (Erforderlichkeit und Angemessenheit der Beihilfengewährung) besonders intensiv. Lehnt sie die Erforderlichkeit der Maß­ nahme ab, so führt sie in diesen Fällen gar keine Gesamtabwägung mehr durch1016. Aber selbst in Entscheidungen, in denen sie die Erforderlichkeit der Beihilfe als politisches Instrument positiv bewertet, fehlt zuweilen die dritte Prüfungsstufe gänzlich und die Kommission kommt ohne Gesamtabwägung zur Genehmigung der Beihilfe1017. Im Bereich der Beihilfen für Energieinfrastrukturen führt sie dagegen zumin­ dest vereinzelt eine über kursorische Erwägungen hinausgehende Gesamtabwä­

1013

Vgl. oben Kap. 4, E. I. 1. b). Vgl. etwa Kommission, Ent. v. 05.06.2013, Az. SA.36377 (2013/N), Rn. 44 ff. – Flug­ hafen Memmingen; Kommission, Ent. v. 20.02.2013, Az. SA.35697 (2012/N), Rn.  41 ff.  –­ Skiathos Airport. Siehe in diesem Zusammenhang auch oben Kap. 4, E. I. 1. b) bb) zur Formu­ lierung in den Luftverkehrs-Leitlinien 2014. 1015 Siehe etwa Kommission, Ent. v. 19.06.2013, Az. SA.35738 (2012/N), Rn. 81 – Katakolo Port; Kommission, Ent. v. 05.06.2013, Az. SA.36223 (2013/N), Rn. 71 – Port of Santa Cruz of Tenerife. 1016 Siehe beispielsweise Kommission, Ent. v. 19.06.2013, Az. SA.28599 (C 23/2010 (ex NN 36/2010, ex CP 163/2009)), Rn. 170 – DTT in abgelegenen Regionen Spaniens; Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14 – DVB-T Berlin/Brandenburg. 1017 Siehe etwa Kommission, Ent. v. 08.02.2012, Az. SA. 28685 (2011/NN) – Digital Tele­ vision Cantabria; zumindest knapp angesprochen bei Kommission, Ent. v. 25.09.2007, Az. N 103/2007, Rn. 63 ff. – Digitaldecoder Soria. 1014

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

339

gung durch1018. In anderen Entscheidungen, etwa bei der mitgliedstaatlichen För­ derung von Ölpipelines1019 sowie von Stromkabeln1020, blieb sie dagegen knapper und beschränkte sich im Kontext der Untersuchung der Wettbewerbsverfälschung wiederum auf allgemeinere Angaben. Ein gänzlich anderes Bild zeigt sich bei den Breitband-Infrastrukturen. Nach den Breitband-Leitlinien 2013 stellt die Gesamtabwägung einen der bedeutend­ sten und umfangreichsten Abschnitte der Rechtfertigungsprüfung dar1021. Die Kommission hat in diesem Zusammenhang einen ganzen Katalog von Maßnah­ men angeführt, welche die Mitgliedstaaten beachten sollen, um die negativen wett­ bewerblichen Auswirkungen der Beihilfenvergabe weitestgehend zu reduzieren. Die dadurch vorgegebene Prüfungstiefe charakterisiert auch die tatsächliche Ent­ scheidungspraxis zu Breitband-Beihilfen1022. cc) Zusammenfassung und eigene Einschätzung Nach den theoretischen Grundlagen zur Anwendung der Abwägungsprüfung soll auf deren dritter Ebene eine umfassende Untersuchung der wettbewerb­ lichen Auswirkungen einer mitgliedstaatlichen Beihilfenvergabe und schließlich eine Gesamtabwägung deren positiver und negativer Effekte erfolgen. Anders als nach der hier vertretenen Auffassung, wonach bereits auf Tatbestandsebene des Art.  107 Abs.  1 AEUV eine intensive Prüfung der Merkmale der Wettbewerbs­ verzerrung und der Handelsbeeinträchtigung geboten ist, nimmt die Kommission in ihrer Rechtspraxis auf der dritten Stufe der Abwägungsprüfung erstmals eine solche Analyse vor. Dabei stützt sie sich – auf dieser Ebene zu Recht – auf einen weiten Wettbewerbsbegriff. Bei der Gesamtabwägung begegnet sie allerdings der Schwierigkeit, dass sich die einzelnen positiven wie negativen wettbewerblichen Aspekte einer mitgliedstaatlichen Beihilfenvergabe kaum quantifizieren lassen. In ihrer tatsächlichen Rechtspraxis im Infrastrukturbereich führt dies zu einer wenig einheitlichen und stark einzelfallbezogenen Prüfungslinie der Kommission. Bei einer Reihe von Infrastrukturarten fällt die dritte Stufe der Abwägungsprüfung nur knapp aus oder wird von ihr bisweilen sogar gänzlich ausgelassen.

1018

Siehe etwa Kommission, Ent. v. 17.12.2010, Az. N 629/2009, Rn. 67 ff. – Electricity and Natural Gas Networks Romania. 1019 Kommission, Ent. v. 06.03.2013, Az. SA.34359 (2012/N), Rn.  60 ff.  – Poland Pipeline Brody-Adamowo. 1020 Kommission, Ent. v. 31.07.2012, Az. SA 33.823 (2012/N), Rn. 55 ff. – Electricity Cable Aland. 1021 Kommission, Breitband-Leitlinien 2013, Rn. 49 ff. 1022 Siehe vor allem Kommission, Ent. v. 06.06.2013, Az. SA.35027, SA.35028 & SA.35029 (2012/N), 80 ff.  – Broadband Podlasie; ähnlich auch Kommission, Ent. v. 14.12.2012, Az. SA.33386 (2012/N), Rn. 74 ff. – Broadband Lower Silesia.

340

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Insgesamt bleiben vor allem die mit dem Aktionsplan angestoßenen Ansätze zu einer stärkeren ökonomischen Ausrichtung der Entscheidungsfindung hier in der Praxis hinter den theoretischen Überlegungen zurück. Die Kommission musste er­ kennen, dass der praktischen Berücksichtigung wirtschaftlicher Erwägungen dort Grenzen gesetzt sind, wo die zahlenmäßige Quantifizierung von positiven und ne­ gativen Effekten einer Beihilfenvergabe nicht oder jedenfalls mit zumutbarem Analyseaufwand kaum möglich ist. Insgesamt kann eine beihilfenrechtliche Ab­ wägung damit nur in Form einer Gesamtbetrachtung der rechtlichen, politischen wie auch ökonomischen Aspekte des Einzelfalls durchgeführt werden, wobei der Kommission bei der Gewichtung der jeweiligen Elemente ein Ermessensspiel­ raum zusteht.

4. Zusammenfassung und Ausblick Art.  107 Abs.  3 lit. c) AEUV hat als zentrale Rechtfertigungsnorm für Infra­ strukturbeihilfen durch die Beihilfenreform von 2005 eine neue Ausgestaltung erfahren. Diese hat sich auch in den seit dieser Zeit veröffentlichten sektorspe­ zifischen Leitlinien für verschiedene Infrastrukturarten niedergeschlagen. Die Ein­ führung der neuen Abwägungsprüfung war Anstoß für vielfältige Erörterungen in der Literatur. Eine Reihe dieser Diskussionspunkte ist spezifisch für den Infra­ strukturbereich von Bedeutung. Auf der ersten Stufe der Abwägungsprüfung  – der Untersuchung des Vorlie­ gens eines Marktversagens – ist insbesondere die Reichweite des beihilfenrecht­ lichen Marktversagensbegriffs umstritten. Nach der hier vertretenen Auffassung ist er in Einklang mit den primärrechtlichen Bestimmungen grundsätzlich weit aus­ zulegen und umfasst damit sowohl Formen allokativen Marktversagens wie auch distributive Erwägungen der Mitgliedstaaten. Dagegen stellt das Bestehen von Marktmacht als Unterart eines allokativen Marktversagens für sich allein keinen hinreichenden Rechtfertigungsgrund für eine mitgliedstaatliche Beihilfenvergabe dar. Grund hierfür sind vor allem kompetentielle Erwägungen sowie das legitime Interesse am Schutz privater Investitionen im Infrastrukturbereich vor einer asym­ metrischen wettbewerblichen Regulierung durch die Kommission. Auf der zweiten Stufe der Abwägungsprüfung erweist sich speziell die neu ein­ geführte strenge Erforderlichkeitsuntersuchung einer mitgliedstaatlichen Beihil­ fengewährung zugunsten der Errichtung oder des Betriebs von Infrastrukturen als kompetentiell bedenklich. Nach der hier vertretenen Auffassung soll diese von der Zuständigkeit der Union gedeckt sein, soweit die Kommission sicherstellt, dass die Prüfung im Einzelfall primär dem Schutz des Wettbewerbs dient. Darüber hin­ ausgehende Motive  – etwa die Verringerung des mitgliedstaatlichen Ausgaben­ volumens oder die Koordinierung der Infrastrukturpolitiken der Mitgliedstaaten – darf sie im Rahmen ihrer Untersuchung dagegen nicht verfolgen. Eine derartige Einflussnahme auf die Politiken der Mitgliedstaaten ist allenfalls als Nebeneffekt

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

341

einer vorrangig am Wettbewerbsschutz ausgerichteten Kommissionsuntersuchung zulässig. Auf der dritten Stufe der Abwägungsprüfung nimmt die Kommission eine ge­ naue wettbewerbliche Analyse der mitgliedstaatlichen Beihilfengewährung vor, die nach der hier vertretenen Auffassung bei der mitgliedstaatlichen Förderung von Infrastrukturvorhaben bereits auf Tatbestandsebene des Art. 107 Abs. 1 AEUV er­ folgen sollte. Die abschließende Gesamtabwägung der Kommission ist von der Schwierigkeit geprägt, dass eine präzise Quantifizierung der positiven und der negativen wettbewerblichen Auswirkungen einer mitgliedstaatlichen Beihilfen­ gewährung kaum möglich ist. So erweist sich die Gesamtabwägung im Infra­ strukturbereich eher als allgemeine Diskussion der einzelnen Effekte der Beihil­ fenmaßnahme denn als tatsächliche juristisch-ökonomische Analyse. Insgesamt zeigt sich in der Rechtspraxis der Kommission zur Genehmigung von Infrastrukturbeihilfen nach Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV, dass die Untersuchungen letztlich vielfach allgemein gehalten sind und nur wenige Elemente der umfassen­ den theoretischen Diskussion zur Abwägungsprüfung aufgreifen. Des Weiteren entwickelte die Kommission über die vergangenen Jahre hinsichtlich einzelner In­ frastrukturarten zwar relativ einheitliche Untersuchungsmuster, die jedoch in ih­ rer Gesamtheit im Infrastrukturbereich nicht gänzlich konsistent sind. Mutmaß­ lich zeigt sich darin, etwa spezifisch am Beispiel der Seehafeninfrastrukturen, die starke politische Prägung der beihilfenrechtlichen Entscheidungspraxis der Kommission. Zukünftig wäre eine einheitlichere Ausgestaltung der Kommissionslinie zur all­ gemeinen Abwägungsprüfung im Infrastrukturbereich wünschenswert. Dadurch könnte für alle Beteiligten ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit geschaffen wer­ den. Angesichts der Tatsache, dass der Kommission bei der Anwendung der Abwägungsprüfung ohnehin ein weites Ermessen zukommt und gerade auf der entschei­ denden Ebene der Gesamtabwägung bei realistischer Betrachtung die juristische Argumentation eine praktisch nahezu unmögliche rechnerischen Bewertung der mitgliedstaatlichen Maßnahme regelmäßig ersetzen wird, blieben der Kommis­ sion weiterhin hinreichende Möglichkeiten zur Berücksichtigung der individuel­ len Besonderheiten des Einzelfalls. Eine stärkere Vereinheitlichung müsste damit nicht zwangsläufig den Abschied von der mit der Beihilfenreform 2005 eingeläu­ teten Abkehr von form-basierten Überprüfungsmustern bedeuten. Vielmehr würde sie allein einen Rahmen für die individuelle Prüfung darstellen. Ein solcher An­ satz findet sich auch in den neuen Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013, wie im Fol­ genden dargestellt wird.

342

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

II. Regionalbeihilfen nach Art. 107 Abs. 3 lit. a) und lit. c) AEUV Darüber können Beihilfen für die Errichtung und den Betrieb von Infrastruk­ turen unter bestimmten Umständen auch entsprechend den Leitlinien für Regio­ nalbeihilfen 2006 und 2013 nach Art. 107 Abs. 3 lit. a) und lit. c) AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sein. In ihrer Rechtspraxis zu den Leitlinien für Regional­ beihilfen 2006 hatte die Kommission hierzu noch kein vollständig einheitliches Konzept entwickelt und sich an einer Einzelfallprüfung orientiert. Die neuen Leit­ linien für Regionalbeihilfen 2013 stellen dagegen erstmals ausdrücklich klar, in­ wieweit die Bestimmungen auch für die mitgliedstaatliche Infrastrukturfinan­ zierung gelten und in welchem Verhältnis sie zu den spezifischen Leitlinien für einzelne Infrastrukturarten stehen. 1. Infrastrukturen in den Leitlinien für Regionalbeihilfen 2006 a) Anwendungsbereich der Leitlinien für Regionalbeihilfen 2006 In den Leitlinien für Regionalbeihilfen 2006 stellte die Kommission ausdrück­ lich fest, dass diese für Regionalbeihilfen für „sämtliche Wirtschaftszweige“ – mit wenigen einzeln festgelegten Ausnahmebereichen – galten1023. Konsequenterweise fielen somit auch Beihilfen mit regionaler Zielsetzung für die Errichtung und den Betrieb von Infrastrukturen darunter, soweit der begünstigte Infrastrukturbetreiber als wirtschaftlich tätig eingestuft wurde. Nicht näher ausgeführt wurde das Verhältnis der Leitlinien für Regionalbeihil­ fen 2006 zu den ein Jahr zuvor veröffentlichten Luftverkehrs-Leitlinien 2005. In den Leitlinien für Regionalbeihilfen 2006 stellte die Kommission zwar ausdrück­ lich fest, dass es Sonderbestimmungen in einigen Wirtschaftsbereichen gibt, wel­ che die besonderen Umstände des jeweiligen Zweigs berücksichtigen und deshalb von den Vorgaben der Leitlinien für Regionalbeihilfen 2006 abweichen können, wobei sie ausdrücklich den Verkehrssektor nannte1024. An einer – rechtlich nicht bindenden  – Auslegungshilfe für Infrastrukturbeihilfen von 2012 wird jedoch deutlich, dass sie Beihilfen für Flughafeninfrastrukturen keiner Ausnahme zuord­ net und die Leitlinien für Regionalbeihilfen 2006 damit auch darauf für anwend­ bar hielt1025. In der Praxis hat eine Genehmigung von Beihilfen für Flughäfen nach diesen Bestimmungen neben den Luftverkehrs-Leitlinien bislang jedoch keine besondere Relevanz erlangt.

1023

Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2006, Rn. 8. Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2006, Rn. 8 Fn. 9. 1025 Kommission, Infrastructure Analytical Grid No. 2 (Airports) 2012, Rn. 6. 1024

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

343

b) Genehmigungsvoraussetzungen und Rechtspraxis der Kommission aa) Regionale Zielsetzung der Fördermaßnahme Keine Genehmigung von Beihilfen für die Errichtung und den Betrieb von In­ frastrukturen nach den Leitlinien für Regionalbeihilfen 2006 war nach Auffassung der Kommission möglich, wenn bei der Förderung des Infrastrukturprojekts all­ gemeine wirtschaftspolitische Motive im Vordergrund standen und nicht die ge­ zielte Entwicklung einer Region, vor allem durch die Förderung von regionalen In­ vestitionen und der Schaffung von Arbeitsplätzen. So führte sie zur Vereinbarkeit der mitgliedstaatlichen Unterstützung eines überregionalen Gaspipeline-Projekts in Polen mit den Beihilfenvorschriften aus: „However, the regional aid is designed to contribute to regional development by support­ ing investment and job creation. It promotes the expansion and diversification of the eco­ nomic activities of enterprises located in the less-favoured regions, in particular by encour­ aging firms to set up new establishments there. In the case at hand neither job creation nor setting up new establishment are the main objective of the aid. As stated by Polish authori­ ties and assessed below, the main objective of the aid is the development of the Polish sys­ tem for the transmission of natural gas and in this way contributing to the creation of the ba­ sic infrastructure for the operation of the internal market in natural gas and increased energy security in the European Union. The Commission therefore considers that the assessment of the compatibility of the measure with the common market requires an assessment of the con­ tribution of the measure to the development of the European Union market for gas and the contribution to the security of supply of the European Union and needs a wider basis for as­ sessment as the RAG and therefore needs to be based directly on Article 107(3)(c) (…).“1026

In anderen Fällen, in denen es um die Förderung der Errichtung lokaler Stromund Gasinfrastrukturen in benachteiligten Regionen ging, nahm die Kommis­ sion dagegen eine Anwendbarkeit der Leitlinien für Regionalbeihilfen 2006 an. Die Begründungen der Kommission bezüglich der spezifisch regionalen Zielset­ zung der Maßnahmen blieben dabei zuweilen allerdings eher allgemein gehal­ ten. So stellte sie in Gas Distribution Network in Galicia fest, dass es sich bei der Region Galizien in Spanien um ein Gebiet handelt, in dem der Ausbau der Gas­ infrastrukturen im Vergleich zu anderen Regionen Spaniens noch unterentwickelt war und die Fördermaßnahme dazu beiträgt, dass in Galizien ansässige Unterneh­ men durch den Zugang zu der neuausgebauten Energiequelle ähnliche Bedingun­ gen für die Energieversorgung erhalten wie Betriebe im Rest Spaniens1027. Ähnlich argumentierte sie auch in der Entscheidung Networks for Electricity and Natural Gas Romania1028. 1026

Kommission, Ent. v. 15.03.2010, Az. N 594/2009, Rn. 45 – Poland Gas Transmission Net­ works. Interpunktionsfehler des Originals vom Verfasser korrigiert. 1027 Kommission, Ent. v. 23.11.2009, Az. N 463/2009, Rn. 23 ff. – Gas Distribution Network Galicia. 1028 Kommission, Ent. v. 03.12.2009, Az. N 467/2009, Rn. 42 ff. – Networks for Electricity and Natural Gas Romania.

344

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Interessanterweise folgte sie in der Entscheidung Electricity Connection Networks Poland1029 einer anderen Linie. In diesem Falle betonte sie, dass die Beihil­ fen für die Investitionen in Stromnetze in Polen auf der Ebene des Netzbetreibers zwar nach den Leitlinien für Regionalbeihilfen 2006 genehmigungsfähig wären. Die Förderung begünstige jedoch potentiell mittelbar auch die Stromproduzenten sowie Unternehmen auf End-Kundenebene, die indirekt ebenfalls von dem Netz­ ausbau profitierten. Da deren Begünstigung jedoch nicht pauschal unter die Kate­ gorie einer regionalen Investitionsbeihilfe eingeordnet werden könne, scheide eine Rechtfertigung der Maßnahme nach den Leitlinien für Regionalbeihilfen 2006 ins­ gesamt aus und es bleibe nur die Möglichkeit einer allgemeinen Vereinbarkeits­ prüfung nach Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV1030. Die Argumentation der Kommission in Electricity Connection Networks Poland ist begrüßenswert, da sie – wie auch im Rahmen dieser Arbeit gefordert – die wett­ bewerblichen Auswirkungen einer Infrastrukturfördermaßnahme nicht nur isoliert auf der Ebene des Infrastrukturbetreibers betrachtet, sondern darüber hinaus auch andere Begünstigtenebenen berücksichtigt. Wie das Fehlen der Betrachtung dieses Aspekts in den anderen angeführten Kommissionsentscheidungen jedoch zeigt, mangelt es der Kommission insoweit auch im Bereich der Regionalbeihilfen noch immer an einer einheitlichen Methodik und Vorgehensweise bei der Überprüfung der mitgliedstaatlichen Infrastrukturförderung. bb) Sonstige Genehmigungsvoraussetzungen Die Leitlinien für Regionalbeihilfen 2006 statuierten darüber hinaus eine Reihe weiterer Anforderungen zur Einschränkung der wettbewerbsverfälschenden Aus­ wirkungen der Förderung, die für eine Genehmigung der Beihilfe danach vom Mitgliedstaat und dem begünstigten Unternehmen zu erfüllen waren (etwa Vor­ gaben zu konkret geförderten Assets, einem Anreizeffekt der Maßnahme, einer Mindestdauer des Erhalts der Investitionen und einem Eigenkapitalzuschuss des Begünstigten)1031. Darüber hinaus nahm die Kommission jedoch – mit Ausnahme der Sonderbedingungen für große Investitionsvorhaben1032 – bei Regionalbeihilfen keine an den Aktionsplan angelehnte Abwägungsprüfung vor und untersuchte da­ mit vor allem auch nicht die Geeignetheit sowie die Erforderlichkeit der Beihilfen­ maßnahme an dem strengen Maßstab, der nunmehr in weiten Teilen der Genehmi­ gungspraxis nach Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV Anwendung findet1033. 1029

Kommission, Ent. v. 13.07.2009, Az. N 55/2009  – Electricity Connection Networks­ Poland. 1030 Kommission, Ent. v. 13.07.2009, Az. N 55/2009, Rn. 37 f. – Electricity Connection Net­ works Poland. 1031 Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2006, Rn. 33 ff. 1032 Siehe Kommission, Mitteilung große Investitionsvorhaben. 1033 Siehe dazu oben Kap. 4, E. I. 3. b).

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

345

2. Infrastrukturen in den Leitlinien für Regionalbeihilfen 2013 a) Anwendungsbereich der Leitlinien für Regionalbeihilfen 2013 Die neuen Leitlinien für Regionalbeihilfen 2013, die für den Zeitraum von 2014 bis 2020 gelten, beinhalten gegenüber den Leitlinien für Regionalbeihilfen 2006 umfassende Neuregelungen für die beihilfenrechtliche Bewertung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen. Erstmals setzt sich die Kommission aus­ drücklich damit auseinander, inwieweit mitgliedstaatliche Infrastrukturförderung als Regionalbeihilfe gerechtfertigt sein kann und wie das Verhältnis der Leitlinien für Regionalbeihilfen 2013 zu anderen infrastrukturspezifischen Beihilfenleit­ linien ausgestaltet ist. Grundsätzlich sollen die Leitlinien für Regionalbeihilfen 2013 Anwendung auf Beihilfen für „alle Wirtschaftszweige“1034 finden und damit auch auf die Errichtung und den Betrieb von Infrastrukturen, soweit es sich dabei um eine wirtschaftliche Tätigkeit entsprechend Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt. Ausdrücklich ausgenommen von einer Rechtfertigung nach den Bestimmungen der Leitlinien für Regionalbeihilfen 2013 sind jedoch Beihilfen für Flughäfen und Energieinfrastrukturen, deren Überprüfung die Kommission allein anhand der je­ weiligen speziellen Leitlinien vorzunehmen beabsichtigt1035. Ferner stellt die Kommission zu Beihilfen für Breitband-Infrastrukturen fest: „Regionale Investitionsbeihilfen für den Ausbau der Breitbandnetze können als mit dem Binnenmarkt vereinbar erachtet werden, wenn sie zusätzlich zu den allgemeinen Vorausset­ zungen dieser Leitlinien auch die folgenden spezifischen Voraussetzungen erfüllen: i) Die Beihilfen werden nur in Gebieten gewährt, in denen kein Netz derselben Kategorie (ent­ weder Breitbandgrundversorgung oder NGA) vorhanden ist und in naher Zukunft voraus­ sichtlich auch nicht aufgebaut wird; ii) der geförderte Netzbetreiber hat zu den aktiven und passiven Infrastrukturen zu fairen und diskriminierungsfreien Bedingungen Zugang auf Vor­ leistungsebene zu gewähren und die Möglichkeit einer tatsächlichen und vollständigen Ent­ bündelung zu bieten; iii) die Beihilfe sollte auf der Grundlage eines wettbewerblichen Aus­ wahlverfahrens im Sinne der Nummer 78 Buchstaben c und d der Breitbandleitlinien (…) gewährt werden.“1036

Die Kommission wählt damit den neuen Ansatz, dass einzelne Elemente aus den bereichsspezifischen Breitband-Leitlinien 2013 in die Prüfung der Leitlinien für Regionalbeihilfen 2013 übernommen werden. Inwieweit sich eine auf den Leit­ linien für Regionalbeihilfen 2013 beruhende Genehmigungspraxis für BreitbandInfrastrukturen etablieren wird, bleibt derweil noch abzuwarten.

1034

Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013, Rn. 10. Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013, Rn. 11. 1036 Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013, Rn. 12. 1035

346

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

b) Genehmigungsvoraussetzungen Nimmt die Kommission eine Anwendbarkeit der Leitlinien für Regionalbeihil­ fen 2013 auf eine Beihilfe zur Errichtung oder zum Betrieb einer Infrastruktur an, so führt sie im Folgenden eine Abwägungsprüfung durch, deren inhaltliche Aus­ gestaltung sie in den Leitlinien ausführlich erläutert1037. Betriebsbeihilfen werden darin durchgehend strenger untersucht als Investitionsbeihilfen1038. Im Rahmen der ersten Stufe der Abwägungsprüfung betont die Kommission, dass bei Regionalbeihilfen regelmäßig Kohäsions- bzw. Gleichheitsziele im Vor­ dergrund stehen1039. Die Mitgliedstaaten werden dazu angehalten, die Einbettung der Maßnahme in eine umfassendere „Entwicklungsstrategie“1040 aufzuzeigen. Darüber hinaus müssen sie nachweisen, welche konkreten positiven Auswirkun­ gen sie von der Maßnahme erwarten. Ohne dies explizit zu benennen, führt die Kommission in diesem Zusammenhang eine Reihe positiver externer Effekte auf, welche von dem geförderten Unternehmen ausgehen können1041. Damit nimmt sie auch Elemente eines allokativen Marktversagens in ihre Prüfung auf, ohne eine strikte Trennung der Betrachtung zu distributiven Erwägungen vorzunehmen1042. Auf der zweiten Stufe der Abwägungsprüfung untersucht die Kommission ne­ ben der Geeignetheit der Beihilfe, eines mit ihr verbundenen Anreizeffekts sowie der Verhältnismäßigkeit (d. h. der Beschränkung des Beihilfenbetrags auf das er­ forderliche Minimum) die Erforderlichkeit der Maßnahme, sowohl im Vergleich zu anderen Politik- als auch zu anderen Beihilfeninstrumenten1043. Sie wendet da­ mit das strenge Prüfungsprogramm der Abwägungsprüfung an. Beachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass sie die „Infrastrukturentwicklung“ einer Region als beispielhaftes Alternativinstrument gegenüber einer Beihilfe für produzierende Unternehmen heranzieht1044. Mit dieser Einschätzung verdeutlicht sie, dass sie mit­ gliedstaatliche Infrastrukturinvestitionen – auch wenn diese selbst gegebenenfalls einer beihilfenrechtlichen Überprüfung unterfallen – grundsätzlich eher gewillt ist als geeignetes Politikinstrument zur Regionalentwicklung anzusehen denn die mit­ gliedstaatliche Förderung eines einzelnen produzierenden Betriebes, soweit der in­ frastrukturelle Ausbau mehreren bzw. allen potentiellen Nutzern in der benachtei­ ligten Region zugutekommt. Auf der dritten Stufe der Abwägungsprüfung stellt die Kommission für die Untersuchung der erwarteten potentiell wettbewerbsverfälschenden negativen 1037

Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013, Rn. 25 ff. Vgl. nur Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013, Rn. 43ff, 56 u. 75 f. 1039 Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013, Rn. 30. 1040 Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013, Rn. 33. 1041 Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013, Rn. 40. 1042 Vgl. zu der Diskussion oben Kap. 4, E. I. 3. a) aa). 1043 Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013, Rn. 51 ff. 1044 Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013, Rn. 51. 1038

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

347

Auswirkungen der Regionalbeihilfenmaßnahme umfangreich dar, inwieweit ge­ rade mitgliedstaatliche Beihilfen zur Erreichung von Gleichheitszielen sich wett­ bewerbsschädigend auswirken können1045. Erstens geht sie dabei auf den Wett­ bewerb auf den Produkt- und Dienstleistungsmärkten ein, der etwa durch die Förderung ineffizienter Unternehmen verzerrt werden kann, welche ohne mit­ gliedstaatliche Förderung am Markt nicht bestehen könnten1046. Zweitens betont sie aber auch ihre Betrachtung des Wettbewerbs auf den Inputmärkten, vor allem zwischen verschiedenen Standorten1047. Dieser gerade bei der Überprüfung von Regionalbeihilfen sinnvoll anzuwendende weite Wettbewerbsbegriff der Kommis­ sion bei der Untersuchung der dritten Stufe der Abwägungsprüfung ist nach der hier vertretenen Auffassung mit den Vorgaben des Primärrechts vereinbar, wie be­ reits zuvor gezeigt wurde1048. Im Folgenden erläutert die Kommission noch einige Grundsätze für die jeweiligen Prüfungsszenarien, wobei sie etwa erklärt, wie sie die Marktstruktur und -entwicklung jeweils in ihrer Bewertung zu berücksichti­ gen beabsichtigt1049. 3. Eigene Bewertung Insgesamt ist der jüngere Ansatz der Kommission positiv zu bewerten, die Prüfungsrahmen für unterschiedliche Beihilfen zu vereinheitlichen und die Abwägungsprüfung in der allgemeinen Untersuchung von Regionalbeihilfen an­ zuwenden. Darüber hinaus stellt die Kommission erstmals klar, dass Infrastruk­ turinvestitionen (und damit auch Infrastrukturbeihilfen) gegenüber anderen Politikinstrumenten grundsätzlich ein zu bevorzugendes Mittel zur Förderung be­ nachteiligter Gebiete in der Union sind. Damit impliziert sie, dass sie diese im Rahmen der strengen Abwägungsprüfung zukünftig möglicherweise großzügiger als geeignetes Instrument anerkennen wird als andere Maßnahmen. Auch wenn sich die umfassende Erläuterung der einzelnen Schritte der Abwägungsprüfung in diesem Zusammenhang naturgemäß an den spezifischen Um­ ständen der Regionalbeihilfen orientiert, lassen sich ihre Grundgedanken durch­ aus auf die allgemeine Vereinbarkeitsprüfung nach Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV übertragen, welche zumindest vorerst neben den speziellen Leitlinien für die mit­ gliedstaatliche Infrastrukturfinanzierung von besonderer Bedeutung bleiben wird. Inwieweit die Kommission ihre neu kodifizierten Überlegungen zukünftig je­ doch auch tatsächlich bei der Überprüfung von Beihilfen zur Errichtung und zum Betrieb von Infrastrukturen anwenden wird und damit das Ziel einer stärkeren Ver­ einheitlichung der Prüfung erreichen kann, wird sich noch zu zeigen haben. 1045

Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013, Rn. 113 ff. Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013, Rn. 114 f. 1047 Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013, Rn. 116 f. 1048 Siehe oben Kap. 4, C. IV. 2. 1049 Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013, Rn. 118 ff. 1046

348

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

4. Zusammenfassung Während Infrastrukturbeihilfen in den Leitlinien für Regionalbeihilfen 2006 noch keine genauere Erwähnung gefunden haben und sich die nachfolgende Rechtspraxis der Kommission auf diesem Gebiet als uneinheitlich darstellte, um­ fassen die neuen Leitlinien für Regionalbeihilfen 2013 nunmehr ausdrücklich Regelungen für ihre Anwendung auf die mitgliedstaatliche Förderung verschie­ dener Infrastrukturarten. Darüber hinaus umfassen die neuen Leitlinien für Re­ gionalbeihilfen 2013 eine Auslegungshilfe für die Anwendung der Abwägungsprüfung, welche in ihren Grundsätzen auch bei der allgemeinen Anwendung der Abwägungsprüfung im Rahmen des Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV von Bedeutung sein könnte. Insbesondere lässt die Kommission erkennen, dass sie die mitglied­ staatliche Förderung von Infrastrukturen als milderes Mittel im Vergleich zur un­ mittelbaren Unterstützung produzierender Unternehmen ansieht. Diese Erwägung könnte zukünftiger Anknüpfungspunkt für eine großzügigere Bewertung von In­ frastrukturbeihilfen im Rahmen der strengen Erforderlichkeitsprüfung der Kom­ mission auf der zweiten Stufe der Abwägungsprüfung sein.

III. Kulturbeihilfen nach Art. 107 Abs. 3 lit. d) AEUV Mitgliedstaatliche Infrastrukturmaßnahmen zur „Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes“ können nach Art. 107 Abs. 3 lit. d) AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sein und von der Kommission genehmigt werden. Diese Rechtfertigungsnorm steht in einem engen Zusammenhang zur Bestimmung in Art. 167 AEUV, wonach die Union einen Beitrag zur „Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten“ leistet1050. Der in Art. 107 Abs. 3 lit. d) AEUV niedergelegte Kulturbegriff ist als Ausnah­ mebestimmung vom Beihilfenverbot eng auszulegen1051. Gleichzeitig kann er in­ haltlich nur von den Mitgliedstaaten ausgefüllt werden, ohne dass der Kommis­ sion eine über eine reine Missbrauchsüberprüfung hinausgehende Kompetenz zukommt, deren Einordnung zu hinterfragen. Der Union verfügt über keine eigene Zuständigkeit für den Kultursektor1052. Bezüglich der mitgliedstaatlichen Förderung von Infrastrukturen ist zu beach­ ten, dass die Genehmigung einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 3 lit. d) AEUV nur möglich ist, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der mitgliedstaat­ 1050

von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd.  2, Art.  107 AEUV Rn. 396. 1051 EuG, Urt. v. 15.04.2008, Rs. T-348/04, Rn. 62 – SIDE/Commission; Heidenhain, in: Hei­ denhain, European State Aid Law, § 19 Rn. 3. 1052 von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd.  2, Art.  107 AEUV Rn. 397.

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

349

lichen Unterstützungsmaßnahme und der Kulturförderung besteht1053. Dies bedeu­ tet, dass mitgliedstaatliche Zuwendungen zugunsten kultureller Infrastrukturein­ richtungen darunter fallen können, etwa für die Errichtung von Museen oder den Erhalt von Kulturdenkmälern. Nicht nach dieser Bestimmung freigestellt werden kann jedoch die Unterstützung für allgemeine Infrastrukturmaßnahmen, etwa für den Ausbau einer Straße vor einem Museum. Ferner umfasst Art. 107 Abs. 3 lit. d) AEUV auch keine allgemeine Freistellung­ möglichkeit für Beihilfen zugunsten von Sportinfrastrukturen und Multifunktions­ arenen1054. Dagegen kann die mitgliedstaatliche Förderung zur „Modernisierung von Kinos einschließlich ihrer Digitalisierung“ nach den neuen Film-Leitlinien 2013 ausdrücklich unter diese Bestimmung fallen1055. Vielfach ist bei der mitgliedstaatlichen Unterstützung kultureller Infrastruk­ turen schon fraglich, ob diese überhaupt den zwischenstaatlichen Handel beein­ trächtigt und damit den Tatbestand des Beihilfenverbots nach Art.  107 Abs.  1 AEUV erfüllt. Die Kommission lässt diesen Aspekt in jüngeren Entscheidungen zuweilen offen und stellt fest, dass die jeweilige Maßnahme etwa zur Finanzie­ rung eines Museums jedenfalls nach Art. 107 Abs. 3 lit. d) AEUV gerechtfertigt wäre1056. Wie bereits angedeutet, besteht an dieser Stelle ein erhebliches Poten­ tial für die Kommission, ihre zukünftige Beihilfenpraxis durch die Schaffung ein­ heitlicher Ausnahmeregelungen in diesem Bereich stärker zu beschränken und auf diese Weise kommissionsinterne Ressourcen auf die Untersuchung potentiell stär­ ker wettbewerbsschädigender Beihilfen bei industrienahen Infrastrukturvorhaben zu fokussieren1057.

IV. Beihilfen zur Koordinierung des Verkehrs nach Art. 93 AEUV 1. Anwendungsbereich und jüngere Rechtspraxis zu Art. 93 AEUV Im Rahmen des Art.  93 AEUV untersucht die Kommission in jüngeren Ent­ scheidungen die Vereinbarkeit einer mitgliedstaatlichen Beihilfengewährung für Infrastrukturprojekte „zur Koordinierung des Verkehrs“ mittels eines einheitlichen Kontrollrasters, das von dem der Abwägungsprüfung abweicht.

1053

Vgl. Heidenhain, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 19 Rn. 5. von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd.  2, Art.  107 AEUV Rn. 397. 1055 Kommission, Film-Leitlinien 2013, Rn. 53. 1056 Siehe etwa Kommission, Ent. v. 21.09.2010, Az. N 158/2010, Rn. 19 ff. – Fußballmuseum Dortmund. 1057 Vgl. auch Lübbig/Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 140 f. 1054

350

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Die Anwendbarkeit des Art. 93 AEUV auf Infrastrukturprojekte hat in den ver­ gangenen 15 Jahren mehrere Wendungen erfahren1058. Während die Kommission bis 2003 die Vereinbarkeit entsprechender Beihilfen für Verkehrsinfrastrukturen auf der Grundlage dieses Artikels prüfte, entschied der Gerichtshof in der Altmark-Entscheidung, dass die Norm nicht unmittelbar zur Feststellung der Ver­ einbarkeit solcher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt herangezogen werden konnte. Die Kommission wich in der Folgezeit deshalb bei der Untersuchung der Rechtfertigung entsprechender Verkehrsinfrastrukturbeihilfen auf Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV aus1059. Seit dem Inkrafttreten der Verordnung 1370/2007 hält sie je­ doch – gestützt von einer Reihe von Stimmen in der Literatur1060 – Art. 93 AEUV wieder auf nicht von der Verordnung erfasste Infrastrukturbeihilfen „zur Koordinierung des Verkehrs“ für unmittelbar anwendbar1061. Art. 93 AEUV ermöglicht die Freistellung von Beihilfen nur für den Landver­ kehr, nicht jedoch für den See- und Luftverkehr. Auf Beihilfen für letztere Wirt­ schaftsbereiche wendet die Kommission bei der Rechtfertigungsprüfung allein Art. 106 Abs. 2 AEUV sowie Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV nebst der entsprechen­ den Leitlinien an1062. Im hier relevanten Infrastrukturzusammenhang ist Art.  93 AEUV aus diesem Grunde nur für die mitgliedstaatliche Förderung zugunsten von Landverkehrsinfrastrukturen (z. B. Binnenhäfen1063, intermodale Transportter­ minals1064, Seilbahnen) von Bedeutung1065. Gegenüber Art. 106 Abs. 2 AEUV ist Art. 93 AEUV in seinem Anwendungsbereich lex specialis, so dass ein Rückgriff auf Art. 106 Abs. 2 AEUV in diesen Fällen ausgeschlossen ist1066. Zu den Voraussetzungen der Norm hinsichtlich der „Koordinierung des Verkehrs“ führt die Kommission in einer jüngeren Entscheidung aus: „Artikel 93 AEUV sieht vor, dass Beihilfen, die den Erfordernissen der Koordinierung des Verkehrs entsprechen, mit den Verträgen vereinbar sind. Der im genannten Artikel verwendete 1058 Siehe die Darstellung etwa in Kommission, Ent. v. 17.10.2012, Az. SA.34501 (2012/N), Rn.  26  – Binnenhafen Königs Wusterhausen/Wildau; Kommission, Ent. v. 15.06.2011, Az. SA.32224, Rn. 23 – Alblasserdam Container Transferium. 1059 Siehe etwa Kommission, Ent. v. 11.02.2009, Az. N 651/2008 – Multimodale Container Terminal (EFRO). 1060 So etwa Jung, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 93 AEUV Rn. 16. 1061 Siehe Kommission, Ent. v. 17.10.2012, Az. SA.34501 (2012/N), Rn.  26  – Binnen­ hafen Königs Wusterhausen/Wildau; Kommission, Ent. v. 15.06.2011, Az. SA.32224, Rn. 23 – Alblasserdam Container Transferium. 1062 Boeing/Maxian Rusche, in: Grabitz/Hilf, Recht der EU, Bd. 2, Art. 93 AEUV Rn. 23. 1063 Kommission, Ent. v. 17.10.2012, Az. SA.34501 (2012/N) – Binnenhafen Königs Wuster­ hausen/Wildau. 1064 Kommission, Ent. v. 05.06.2013, Az. SA. 35193 (2012/N) – Multimodal Platform Ter­ mini Imerese; Kommission, Ent. v. 15.06.2011, Az. SA.32224 – Alblasserdam Container Trans­ ferium. 1065 Jung, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 93 AEUV Rn. 14. 1066 Vgl. Jung, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 93 AEUV Rn. 8 m. w. N.; Schrotz, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihilfenrecht, S.  279. Offengelassen bei EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. C-280/00, Rn. 104, 108 – Altmark Trans.

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

351

Begriff ‚Koordinierung des Verkehrs‘ geht in seiner Bedeutung über die einfache Förderung der Entwicklung einer Wirtschaftstätigkeit hinaus. Er setzt zusätzlich voraus, dass der Staat in die Entwicklung des Verkehrssektors im gemeinsamen Interesse lenkend eingreift. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs werden mit diesem Artikel ‚Beihilfen für den Verkehr nur in ganz bestimmten Fällen und nur dann, wenn sie den allgemeinen Interessen der Ge­ meinschaft nicht abträglich sind, für vereinbar mit dem Vertrag erklärt.‘ Die fortschreitende Liberalisierung des landgebundenen Verkehrs hat den Koordinierungs­ bedarf erheblich verringert. Grundsätzlich können in einem effizienten liberalisierten Sektor die Marktkräfte selbst koordinierend wirken. Jedoch können auch nach der Liberalisierung des Sektors verschiedene Unzulänglichkeiten des Marktes fortbestehen. Dadurch ist ein Ein­ greifen des Staates in diesem Bereich gerechtfertigt. Im Verkehrssektor können ‚Koordinierungsschwierigkeiten‘ im ökonomischen Sinne zum Beispiel bei den Verbindungen zwischen verschiedenen Verkehrsnetzen auftreten. (…).“1067

Des Weiteren präzisiert sie in einer anderen jüngeren Entscheidung zu Art. 93 AEUV: „The concept of ‚coordination of transport‘ used in Article 93 TFEU has  a significance which goes beyond the simple fact of facilitating the development of an economic activity. It implies an intervention by public authorities which is aimed at guiding the development of the transport sector in the common interest.“1068

2. Vergleich mit der Abwägungsprüfung Aus diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die Kommission bei ihrer An­ wendung von Art. 93 AEUV gegenüber der allgemeinen Abwägungsprüfung bei Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV andere Prioritäten setzt. Die Untersuchung des Vorlie­ gens eines Marktversagens stellt hier nur einen Teilaspekt dar, während das (poli­ tische) Ziel der Mittelverwendung, nämlich der Aufbau eines im gemeinschafts­ interesse liegenden zusammenhängenden Verkehrsnetzes, in den Vordergrund tritt. Entsprechend gestaltet sich auch das Untersuchungsraster der Kommission modi­ fiziert. Dieses umfasst folgende Prüfungsschritte: „– Die Beihilfe trägt zu einem Ziel von gemeinsamem Interesse bei; – die Beihilfe ist erforderlich und hat einen Anreizeffekt; – die Beihilfe ist angemessen; – die fragliche Infrastruktur ist allen Nutzern diskriminierungsfrei zugänglich; – die Beihilfe bewirkt keine Wettbewerbsverzerrung, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.“1069 1067

Kommission, Ent. v. 17.10.2012, Az. SA.34501 (2012/N), Rn. 27–29 – Binnenhafen Kö­ nigs Wusterhausen/Wildau. 1068 Kommission, Ent. v. 27.06.2012, Az. SA.34056 (2012/N), Rn. 50 – Cable Car London. 1069 Kommission, Ent. v. 17.10.2012, Az. SA.34501 (2012/N), Rn. 31 – Binnenhafen Königs Wusterhausen/Wildau.

352

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Die neuere Rechtspraxis der Kommission zu Art. 93 AEUV knüpft damit stärker an die allgemeine Prüfungspraxis der Kommission vor der Beihilfenreform von 2005 als an die neu eingeführte Abwägungsprüfung an. Vor allem nahm die Kom­ mission nunmehr bereits in einer Reihe von Entscheidungen zu Art.  93 AEUV keine strenge Geeignetheits-/Erforderlichkeitsprüfung wie im zweiten Schritt der Abwägungsprüfung bei Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV vor und untersuchte nicht, in­ wieweit der Mitgliedstaat das mit der Beihilfe verfolgte Ziel auch mittels anderer alternativer politischer Instrumente hätte erreichen können. Das Vorliegen eines Marktversagens wurde kursorisch im Rahmen der abge­ schwächten Erforderlichkeitsprüfung angesprochen, regelmäßig jedoch ohne dass die Kommission sich mit den ökonomischen Hintergründen näher auseinander­ setzte1070. Darüber hinaus nahm sie auch, abgesehen von einer teilweise abgegebe­ nen knappen Bewertung im Rahmen der Wettbewerbsverfälschungsprüfung, keine genauere Abwägung der Vor- und Nachteile der Beihilfengewährung vor1071. Insgesamt spiegelt sich in diesem gegenüber der vollständigen Abwägung in der neuen Rechtspraxis zu Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV eher zurückhaltenden Kon­ trollraster die Bedeutung des Art. 93 AEUV als spezifische Ausnahmevorschrift des Vertrags wider. Grund für dieses Vorgehen der Kommission ist nicht zuletzt auch, dass sie bei Art. 93 AEUV über einen deutlich geringeren Ermessensspiel­ raum als etwa bei Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV verfügt, so dass sie stärker an die gesetzlichen formalen Vorgaben gebunden ist und weniger einzelfallbezogen in­ dividuell abwägen kann1072. Dies berücksichtigend wird verständlich, warum die Grundsätze des more economic approach in der Beihilfenkontrolle im Rahmen des Art. 93 AEUV keine größeren Auswirkungen gezeitigt haben. 3. Zusammenfassung Nach der jüngeren Rechtspraxis der Kommission findet Art. 93 AEUV auf die Rechtfertigung der mitgliedstaatlichen Förderung von Landverkehrsinfrastruktu­ ren unmittelbar Anwendung. Die einzelnen Untersuchungsschritte sind bei dieser Bestimmung weniger strikt ausgestaltet als in der vor allem bei Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV vorgenommenen Abwägungsprüfung der Kommission. Vielmehr orien­ tiert diese sich bei der Genehmigung von Beihilfen nach Art. 93 AEUV an der äl­ teren Rechtspraxis und nimmt vor allem keine strenge Erforderlichkeitsprüfung in Hinblick auf die mitgliedstaatliche Beihilfengewährung vor. Grund hierfür ist vor allem, dass die Kommission bei der Ausgestaltung der Prüfung des Art. 93 AEUV 1070

Kommission, Ent. v. 05.06.2013, Az. SA. 35193 (2012/N), Rn. 53 – Multimodal Platform Termini Imerese; Kommission, Ent. v. 17.10.2012, Az. SA.34501 (2012/N), Rn. 45 – Binnen­ hafen Königs Wusterhausen/Wildau. 1071 Vgl. etwa Kommission, Ent. v. 17.10.2012, Az. SA.34501 (2012/N), Rn. 51 ff. – Binnen­ hafen Königs Wusterhausen/Wildau. 1072 Boeing/Maxian Rusche, in: Grabitz/Hilf, Recht der EU, Bd. 2, Art. 93 AEUV Rn. 59.

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

353

nicht über einen vergleichbar weiten Ermessensspielraum verfügt wie etwa bei Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV. 

V. Beihilfen für DAWI nach Art. 106 Abs. 2 AEUV 1. Bedeutung von Art. 106 Abs. 2 AEUV seit der Altmark-Entscheidung des Gerichtshofs Infolge der Altmark-Entscheidung1073 des Gerichtshof erschien zunächst unklar zu sein, welche weitere beihilfenrechtliche Bedeutung für Art. 106 Abs. 2 AEUV verbleibt, der ansonsten bedeutsamsten Vorschrift für DAWI im Europäischen Wett­ bewerbsrecht1074. In ihrer nachfolgenden Rechtspraxis verdeutlichte die Kommis­ sion jedoch, dass auch neben der Altmark-Tatbestandausnahme weiterhin ein eigen­ ständiger Anwendungsbereich für Art. 106 Abs. 2 AEUV auf Rechtfertigungsebene besteht1075. Bei einer Gesamtbetrachtung der allgemeinen beihilfenrechtlichen Ent­ scheidungspraxis zum Infrastrukturbereich ist zwar festzustellen, dass Art.  106 Abs. 2 AEUV in deutlich weniger Verfahren zentraler Rechtfertigungsgrund ist als etwa Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV. Die Norm hat isoliert betrachtet heute nicht mehr das Gewicht, das ihr vor der Altmark-Entscheidung zukam1076. Dennoch ist ihre Be­ deutung vor allem vor dem Hintergrund ihrer näheren Ausgestaltung mittels des Freistellungsbeschlusses der Kommission1077 sowie des DAWI-Gemeinschaftsrah­ mens1078 auch für die mitgliedstaatliche Infrastrukturförderung nicht zu verkennen. 2. Vergleich zwischen Art. 106 Abs. 2 AEUV und den Altmark-Kriterien a) Anwendungsbereich des Art. 106 Abs. 2 AEUV In ihrem allgemeinen Anwendungsbereich setzt Art.  106 Abs.  2 AEUV als Rechtfertigungsnorm zunächst voraus, dass der Beihilfenverbotstatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt ist. Danach muss die mitgliedstaatliche Förderung vor allem einem Unternehmen gewährt werden, die Tatbestandsausnahme nach der Altmark-Rechtsprechung darf nicht eingreifen und es muss zumindest die Mög­ 1073

EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. C-280/00 – Altmark Trans. Ausführlich dazu oben Kap. 4, B. V. Siehe etwa Bauer, EuZW 2006, S. 7, 8 ff. 1075 Siehe aus dem Infrastrukturbereich etwa Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14, Rn. 123 ff. – DVB-T Berlin/Brandenburg. Ferner dazu auch Kommission, Freistellungsentscheidung 2005. 1076 Vgl. etwa die früheren Ausführungen bei Kommission, Vademecum Seehafenbeihilfen, Rn. 24; dazu auch Mellwig, Infrastrukturfinanzierung in Häfen, S. 111 f. 1077 Kommission, Freistellungsbeschluss 2011. 1078 Kommission, DAWI-Gemeinschaftsrahmen 2012. 1074

354

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

lichkeit einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs sowie des zwischenstaatlichen Handels durch die Maßnahme bestehen1079. Entsprechend ihrer Ermächtigung in Art. 106 Abs. 3 AEUV hat die Kommission im Jahr 2005 einen Gemeinschaftsrahmen zur Anwendung des Art.  106 Abs.  2 AEUV entwickelt1080, der im Zuge der DAWI-Reform 2011/2012 durch einen neuen Gemeinschaftsrahmen 2011 ersetzt wurde1081. Insgesamt zeigt sich, dass die Anforderungen des neuen Gemeinschaftsrahmens vielfältige Ähnlichkeiten zu den Altmark-Kriterien aufweisen. In der Rechtspraxis hat dies teilweise gar dazu ge­ führt, dass Kommission und Gericht die Prüfungen der Altmark-Ausnahme sowie von Art. 106 Abs. 2 AEUV vermischen1082. Neben dogmatischer Unklarheit ist dies vor allem praktisch vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Rechtsfolgen für die Mitgliedstaaten (keine Notifizierungspflicht bei Erfüllung der Altmark-Krite­ rien, dagegen eine solche außerhalb des Anwendungsbereichs des Freistellungs­ beschlusses bei Art. 106 Abs. 2 AEUV) kritisch zu betrachten1083. b) Vergleich mit den einzelnen Altmark-Kriterien und darauf beruhende Kritik der Literatur an der Auslegung von Art. 106 Abs. 2 AEUV sowie eigene Einschätzung Das erste Altmark-Kriterium, wonach das begünstigte Unternehmen tatsächlich eine DAWI erbringen muss und seine Verpflichtung in einem Betrauungsakt fest­ gelegt ist, findet sich in ähnlicher Form auch in den Anforderungen des Gemein­ schaftsrahmens. Eine Entsprechung für das zweite Altmark-Kriterium, wonach die Ausgleich­ parameter ex ante objektiv und transparent aufgestellt werden müssen, statuieren die Vorgaben des Gemeinschaftsrahmens für den Betrauungsakt. Die Verhinderung einer Überkompensation wie im dritten Altmark-Kriterium fordert der Gemeinschaftsrahmen ebenfalls und stützt sich dabei auf das auch im Wortlaut des Art. 106 Abs. 2 AEUV verankerte Erforderlichkeitskriterium. Der wichtigste Unterschied des Gemeinschaftsrahmens zur Altmark-Tatbestands­ ausnahme liegt in der Abweichung von den Anforderungen des vierten AltmarkKriteriums1084. Während Letzteres fordert, dass entweder ein Vergabeverfahren durchgeführt wird oder eine Analyse der Ausgleichskosten anhand des Maßstabs 1079

Klasse, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 28 Rn. 79. Kommission, DAWI-Gemeinschaftsrahmen 2005. 1081 Kommission, DAWI-Gemeinschaftsrahmen 2012. 1082 EuG, Urt. v. 12.02.2008, Rs. T-289/03, Rn. 224 – BUPA. 1083 Vgl. dazu und zum folgenden Vergleich der Kriterien auch Wolf, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 783 u. 784 ff. Zu den einzelnen Altmark-Kriterien ausführlich oben Kap. 4, B. V. 1084 Siehe auch Klasse, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 28 Rn. 61; Wolf, in: Mon­ tag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 787. 1080

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

355

eines „durchschnittliche[n], gut geführten Unternehmens“1085 erfolgt, lässt der Ge­ meinschaftsrahmen den Mitgliedstaaten hier mehr Freiheit: „Die Höhe der Ausgleichsleistungen kann auf der Grundlage der erwarteten Kosten und Ein­ nahmen oder auf der Grundlage der tatsächlich angefallenen Kosten und erzielten Einnah­ men oder aber entsprechend den Effizienzanreizen, die der Mitgliedstaat (…) von Beginn an setzen will, auf der Grundlage einer Kombination aus beiden Modellen festgelegt werden.“1086

In der Literatur ist diese Regelung im Gemeinschaftsrahmen teilweise auf Kri­ tik gestoßen und es wurde eine stärkere Angleichung an das vierte Altmark-Krite­ rium gefordert1087. Danach solle sich der Kostenmaßstab auch bei Art. 106 Abs. 2 AEUV an einem in der Struktur vergleichbaren, effizient handelnden Unternehmen orientieren. Begründung hierfür ist gerade der Blick auf den Infrastrukturbereich, in dem wesentliches Ziel der Liberalisierung der vergangenen Jahrzehnte gerade eine Effizienzsteigerung der ehemals staatlich geführten Unternehmen darstellte, welches nicht durch die mitgliedstaatliche Förderung ineffizienter Strukturen wie­ der eingeschränkt werden soll1088. Zudem führe eine solche Auslegung des Art. 106 Abs.  2 AEUV auch nicht dazu, dass neben den Altmark-Kriterien kein Anwen­ dungsbereich für die Norm verbliebe. Anders als beim vierten Altmark-Kriterium könne eine ineffiziente Leistungserbringung nach Art. 106 Abs. 2 AEUV nämlich ausnahmsweise doch gerechtfertigt sein, soweit der Mitgliedstaat zeigen kann, dass eine effiziente Leistungserbringung ausgeschlossen ist, etwa weil die geforderte Leistung in dem Mitgliedstaat aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen aus­ schließlich von einem einzigen ineffizienten Unternehmen erbracht werden kann1089. Der aufgezeigten Kritik am Gemeinschaftsrahmen ist nicht zu folgen. Auch wenn eine stärkere Angleichung der Auslegung des Art. 106 Abs. 2 AEUV an das vierte Altmark-Kriterium wettbewerbspolitisch gerade im Infrastruktursektor sinn­ voll erscheint, findet sich in Art. 106 Abs. 2 AEUV kein unmittelbarer Anhalts­ punkt dafür, dass eine derartige Interpretation zwingend ist. Vielmehr schränkte sie den den Mitgliedstaaten über Art. 106 Abs. 2 AEUV, Art. 13 AEUV sowie das Protokoll Nr. 29 gewährten Handlungsspielraum bei der Ausgestaltung von DAWI über Gebühr ein. Freilich bedeutet ein solches Ergebnis auch nicht, dass die Mit­ gliedstaaten nach Belieben ineffiziente Strukturen bei der DAWI-Erbringung ze­ mentieren könnten. Vielmehr sind sie auch nach dem Gemeinschaftsrahmen gehal­ ten, bestimmte Effizienzkriterien zu erfüllen, soweit sie nicht plausibel begründen können, dass ihnen dies unmöglich ist. Insgesamt zeigt die überschaubare Anzahl an Genehmigungen von Beihilfen für die Errichtung und den Betrieb von Infrastrukturen auf der Grundlage von Art. 106 Abs. 2 AEUV aber in der Praxis auch, dass die Mitgliedstaaten die Auslegung der 1085

EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. C-280/00, Rn. 93 – Altmark Trans. Kommission, DAWI-Gemeinschaftsrahmen 2012, Rn. 22. 1087 Wolf, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 828 ff. 1088 Wolf, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 829. 1089 Wolf, in: Montag/Säcker, MüKo WettbR, Bd. 3, Art. 107 AEUV Rn. 830. 1086

356

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Vorschrift durch die Kommission nicht in großem Maßstab dazu nutzen, um ineffi­ ziente Strukturen bei vormals staatlichen Infrastrukturunternehmen zu schützen. c) Folgen für die Rechtspraxis der Kommission In der Entscheidungspraxis der Kommission zu Beihilfen für die Errichtung und den Betrieb von Infrastrukturen spiegelt sich die Erkenntnis aus dem Gemein­ schaftsrahmen wider, dass die ersten drei Altmark-Kriterien sich mit dem Anwen­ dungsbereich von Art.  106 Abs.  2 AEUV überschneiden, während die Einhal­ tung der strengen Anforderungen des vierten Altmark-Kriteriums auf der Ebene dieser Norm nicht gefordert wird. So nahm die Kommission eine Rechtfertigung nach Art. 106 Abs. 2 AEUV etwa bei Beihilfen für den mit Universaldienten ver­ pflichteten Betrieb von Postnetzen im Vereinigten Königreich1090, für non-pro­ fit Organisationen, die in unterversorgten ländlichen Gebieten Estlands Hoch­ geschwindigkeits-Breitbandnetze errichten und betreiben1091 sowie für öffentliche Krankenhäuser in Belgien1092 an. In allen diesen Fällen betonte die Kommission, dass eine Tatbestandsausnahme von Art.  107 Abs.  1 AEUV nach der AltmarkRechtsprechung jeweils an der fehlenden Erfüllung der Voraussetzungen des vier­ ten Altmark-Kriteriums scheiterte1093. Stellt die Kommission dagegen im Rahmen der Prüfung der Altmark-Tat­ bestandsausnahme fest, dass das erste Altmark-Kriterium nicht erfüllt ist, so kommt regelmäßig auch keine Rechtfertigung der Beihilfe nach Art. 106 Abs. 2 AEUV in Betracht. Dabei handelt es sich im Infrastruktursektor vor allem um Fälle, in denen sie nicht davon überzeugt ist, dass der begünstigte Infrastrukturbetreiber tatsäch­ lich eine DAWI erbringt. Exemplarisch hierfür sind die Negativentscheidungen bei der mitgliedstaatlichen Finanzierung von Rundfunkinfrastrukturen wie DVB-T Berlin/Brandenburg1094 und DTT in abgelegenen Regionen Spaniens1095 sowie die Eröffnungsentscheidung in dem Verfahren Sardinian Airports1096. 1090

Kommission, Ent. v. 28.03.2012, Az. SA.33054 (2012/N), Rn. 52 ff. – Post Office Limited. Kommission, Ent. v. 20.07.2010, Az. N 196/2010, Rn. 63 ff. – Estonia Broadband EstWin Project. 1092 Kommission, Ent. v. 28.10.2009, Az. NN 54/2009 (ex- CP 244/2005), Rn. 164 ff. – IRIS Hospitals Brussels-Capital. 1093 Kommission, Ent. v. 28.03.2012, Az. SA.33054 (2012/N), Rn. 41 ff. – Post Office Limit­ed; Kommission, Ent. v. 20.07.2010, Az. N 196/2010, Rn. 61 f. – Estonia Broadband EstWin Pro­ ject; Kommission, Ent. v. 28.10.2009, Az. NN 54/2009 (ex- CP 244/2005), Rn. 159 ff. – IRIS Hospitals Brussels-Capital. 1094 Kommission, Ent. v. 09.11.2005, Az. C (2005) 3903, ABl. 2006 L 200/14, Rn.  90 u. 123 ff.  – DVB-T Berlin/Brandenburg; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 15.09.2011, Rs. C-544/09 P – DVB-T Berlin/Brandenburg. 1095 Kommission, Ent. v. 19.06.2013, Az. SA.28599 (C 23/2010 (ex NN 36/2010, ex CP 163/2009)), Rn. 119 ff. u. 172 – DTT in abgelegenen Regionen Spaniens. 1096 Kommission, Ent. v. 23.01.2013, Az. SA.33983 (2013/C) (ex 2012/NN) (ex 2011/N), Rn. 52 ff. u. 107 ff. – Sardinian Airports. 1091

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

357

3. Anwendung des Freistellungsbeschlusses im Infrastrukturbereich Speziell für Beihilfen im Infrastrukturbereich ist darüber hinaus der im Rahmen des DAWI-Pakets von der Kommission ergangene Freistellungsbeschluss von 2011/2012 von Bedeutung1097. Nach dieser Entscheidung betrachtet sie bestimmte Beihilfen als Ausgleichsleistung für DAWI unter genauer festgelegten Kriterien als grundsätzlich nach Art. 106 Abs. 2 AEUV gerechtfertigt und von der Notifizie­ rungspflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV ausgenommen1098. Im Einzelnen sind etwa folgende Infrastrukturen vom Anwendungsbereich des Freistellungsbeschlusses umfasst: –– Krankenhäuser, die medizinische Versorgung leisten1099, –– Einrichtungen für Gesundheitsdienste und Langzeitpflege1100, –– Kindertagesstätten, soweit die Betreuung der Kinder und nicht die Bildung im Vordergrund steht (ansonsten nach Auffassung der Kommission schon keine Eröffnung des Art. 107 Abs. 1 AEUV mangels Unternehmenseigenschaft des Betreibers1101)1102, –– Einrichtungen, die dem Zugang zum und der Wiedereingliederung in den Ar­ beitsmarkt dienen1103, –– Einrichtungen, die der Betreuung und der sozialen Einbindung sozial schwacher Bevölkerungsgruppen dienen1104, –– Flughäfen mit höchstens 200.000 Passagieren in den vorangegangenen zwei­ Finanzjahren1105, –– Seehäfen mit höchstens 200.000 Passagieren in den vorangegangenen zwei­ Finanzjahren1106.

1097

Kommission, Freistellungsbeschluss 2011. Kommission, Freistellungsbeschluss 2011, Art. 1. 1099 Kommission, Freistellungsbeschluss 2011, Art. 2 Abs. 1 lit. b). 1100 Kommission, Freistellungsbeschluss 2011, Art. 2 Abs. 1 lit. c). 1101 Kritisch zu daraus folgenden Abgrenzungsschwierigkeiten Bühner/Sonder, NZS 2012, S. 688, 693. 1102 Kommission, Freistellungsbeschluss 2011, Art. 2 Abs. 1 lit. c). 1103 Kommission, Freistellungsbeschluss 2011, Art. 2 Abs. 1 lit. c). 1104 Kommission, Freistellungsbeschluss 2011, Art. 2 Abs. 1 lit. c). 1105 Kommission, Freistellungsbeschluss 2011, Art. 2 Abs. 1 lit. e). 1106 Kommission, Freistellungsbeschluss 2011, Art. 2 Abs. 1 lit. e). 1098

358

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

Ausdrücklich ausgenommen von der Entscheidung sind Beihilfen für Verkehrs­ infrastrukturen1107, deren Genehmigung sich nach der lex specialis Art. 93 AEUV richtet1108. Darüber hinaus ist auch bei diesen Infrastruktureinrichtungen erforderlich, dass sie tatsächlich mit einer DAWI betraut sind, die Ausgleichsparameter ex ante fest­ gelegt sind und eine Überkompensation ausgeschlossen ist, wozu der Freistel­ lungsbeschluss im Detail nähere Ausführungen umfasst1109. 4. Zusammenfassung Art. 106 Abs. 2 AEUV hat auch nach der Altmark-Entscheidung des Gerichts­ hofs einen eigenen Anwendungsbereich für die Rechtfertigung mitgliedstaat­ licher Infrastrukturbeihilfen zugunsten von DAWI. Die Kriterien der AltmarkTatbestandsausnahme und von Art.  106 Abs.  2 AEUV überschneiden sich zwar in einigen Punkten, weichen bei der Ermittlung einer möglichen Überkompensa­ tion allerdings voneinander ab. Insoweit können auch Maßnahmen nach Art. 106 Abs. 2 AEUV gerechtfertigt werden, die nicht die Voraussetzungen des vierten Altmark-Kriteriums erfüllen. Im Infrastrukturbereich hat eine allgemeine Rechtfertigung mitgliedstaatlicher Maßnahmen nach Art.  106 Abs.  2 AEUV dennoch in der Entscheidungspraxis aus jüngerer Zeit nur eine eingeschränkte Bedeutung erlangt. Aus diesem Grunde ist auch die in der Literatur formulierte Sorge unzutreffend, dass Art. 106 Abs. 2 AEUV von den Mitgliedstaaten dazu missbraucht werden könnte, um die in den vergangenen Jahren angestoßenen Marktliberalisierungen im Infrastrukturbereich wieder durch staatliche Eingriffe auszuhebeln. Als bedeutend erweist sich demgegenüber die von der Kommission erlassene Freistellungsentscheidung, in der eine Reihe von Infrastrukturfördermaßnahmen grundsätzlich von der Beihilfenkontrolle ausgenommen wird.

1107

Kommission, Freistellungsbeschluss 2011, Art. 2 Abs. 1 lit. a). Vgl. Jung, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 93 AEUV Rn. 8 m. w. N. Offengelassen bei EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. C-280/00, Rn. 104, 108 – Altmark Trans. 1109 Vgl. Kommission, Freistellungsbeschluss 2011, Art. 4 ff. 1108

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

359

VI. Infrastrukturförderung in der Beihilfen-Gruppenfreistellungsverordnung 2014 1. Beihilfen für bestimmte Arten von Infrastrukturen Die zum 01.07.2014 in Kraft getretene Beihilfen-Gruppenfreistellungsverord­ nung 2014 enthält mehrere Freistellungstatbestände für Beihilfen zugunsten von Betreibern bestimmter Arten von Infrastrukturen. Danach wird die mitgliedstaat­ liche Förderung der Errichtung und teilweise auch des Betriebs solcher Infrastruk­ turen bis zu einer bestimmten jeweils festgelegten Höhe1110 und unter weiteren Bedingungen  – welche zum einen allgemeine Vorgaben1111 (etwa, dass ein Mit­ gliedstaat durch die Maßnahme keine Vorteile für einheimische Waren schafft1112) und zum anderen projektspezifische Erfordernisse (z. B. zur Zugangsregulierung bei Energieinfrastrukturen1113) umfassen – als generell mit dem Binnenmarkt ver­ einbar nach Art.  107 Abs.  3 AEUV angesehen und auch keiner Notifizierungs­ pflicht unterworfen. Im Einzelnen enthält die Beihilfen-Gruppenfreistellungsverordnung 2014 aus­ drückliche Bestimmungen hinsichtlich Forschungsinfrastrukturen1114 (wobei die hierfür von der Kommission entwickelte Definition – wie bereits aufgezeigt1115 – nicht vollständig mit dem hier vertretenen Begriff der Infrastruktur konform ist), Energieinfrastrukturen1116, Breitbandinfrastrukturen1117, Kultur-Infrastrukturen1118 sowie Sportinfrastrukturen und multifunktionalen Freizeitinfrastrukturen1119. Des Weiteren kann über die Regelungen der Beihilfen-Gruppenfreistellungsverord­ nung 2014 auch die Förderung von Infrastrukturprojekten im Zusammenhang mit Innovationsclustern1120, energieeffizienter Fernwärme und Fernkälte1121 sowie­ Recycling und Wiederverwendung von Abfall1122 erfasst werden. Die neue Beihilfen-Gruppenfreistellungsverordnung 2014 ist als wichtiger Schritt zu einer Priorisierung der Infrastrukturbeihilfenkontrolle der Kommission dahingehend zu erachten, einen vertieften Untersuchungsaufwand zukünftig vor allem auf schwierige und potentiell besonders wettbewerbsverfälschende Infra­ strukturbeihilfen zu konzentrieren. 1110

Kommission, Art. 4 Beihilfen-GVO 2014. Kommission, Art. 1–Art. 12 Beihilfen-GVO 2014. 1112 Kommission, Art. 1 Nr. 2 d) Beihilfen-GVO 2014. 1113 Kommission, Art. 48 Nr. 3 Beihilfen-GVO 2014. 1114 Kommission, Art. 26 Beihilfen-GVO 2014. 1115 Siehe oben Kap. 1, E. III. 2. a). 1116 Kommission, Art. 48 Beihilfen-GVO 2014. 1117 Kommission, Art. 52 Beihilfen-GVO 2014. 1118 Kommission, Art. 53 Beihilfen-GVO 2014. 1119 Kommission, Art. 55 Beihilfen-GVO 2014. 1120 Kommission, Art. 27 Beihilfen-GVO 2014. 1121 Kommission, Art. 46 Beihilfen-GVO 2014. 1122 Kommission, Art. 47 Beihilfen-GVO 2014. 1111

360

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

2. Beihilfen für „lokale Infrastrukturen“ Besondere Bedeutung für die zukünftige beihilfenrechtliche Praxis vor allem bezüglich kommunaler Infrastrukturprojekte kommt der Bestimmung des Art. 56 Beihilfen-Gruppenfreistellungsverordnung 2014 zu, der eine Vereinbarkeit nach 107 Abs.  3 AEUV und eine Freistellung von der Notifizierungspflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV für „Investitionsbeihilfen für lokale Infrastrukturen“ vor­ sieht. Grundsätzliche Voraussetzung ist, dass es sich bei den Beihilfen „um [für den] Bau oder die Modernisierung lokaler Infrastrukturen bestimmte Finanzierungen für Infrastrukturen, die auf lokaler Ebene einen Beitrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen und Verbraucher und zur Modernisierung und Weiterentwicklung der industriellen Basis leisten“1123 handelt. Die wei­ teren Voraussetzungen in Art. 56 Beihilfen-Gruppenfreistellungsverordnung 2014 sehen unter anderem vor, dass „die Infrastruktur […] interessierten Nutzern zu offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Bedingungen zur Verfügung gestellt“1124 wird, dass „[d]er für die Nutzung oder den Verkauf der Infrastruktur in Rechnung gestellte Preis […] dem Marktpreis entspr[icht]“1125 und dass es sich um die Förderung der „Kosten der Investitionen in materielle und immaterielle Vermögenswerte“1126 handelt. Die Höchstbeträge für entsprechende freistellungs­ fähige Beihilfen liegen bei 10 Mio. Euro oder Gesamtkosten über 20 Mio. Euro für dieselbe Infrastruktur1127. Leider versäumte es die Kommission in diesem Zusammenhang, eine Definition oder zumindest einen Bestimmungsansatz dafür zu entwickeln, wann sie ein In­ frastrukturprojekt als rein „lokal“ einordnet. Insoweit grenzt sie allein negativ da­ nach ab, dass die Beihilfe nicht unter Abschnitt III der Beihilfen-GVO 2014 fallen darf1128 sowie es sich nicht um Flughafen- oder Hafeninfrastrukturen handelt1129. Grund hierfür ist, dass die Kommission verhindern will, dass die Mitgliedstaa­ ten die speziellen Anforderungen der jeweiligen infrastrukturspezifischen Bestim­ mungen bei der Förderung „lokaler“ Infrastrukturen umgehen1130. Ausgenommen von der Freistellung nach Art. 56 Beihilfen-GVO 2014 sind darüber hinaus auch „gewidmete Infrastrukturen“1131, welche definiert werden als „Infrastruktur[en], die für im Voraus ermittelbare Unternehmen errichtet (…) [werden] und auf deren Bedarf zugeschnitten (…) [sind].“1132 Ohne dass die Kommission es expli­ zit benennt, werden damit Fälle der mittelbaren Begünstigung von Infrastruktur­ 1123

Kommission, Art. 56 Nr. 1 Beihilfen-GVO 2014. Kommission, Art. 56 Nr. 3 Beihilfen-GVO 2014. 1125 Kommission, Art. 56 Nr. 3 Beihilfen-GVO 2014. 1126 Kommission, Art. 56 Nr. 5 Beihilfen-GVO 2014. 1127 Kommission, Art. 4 Nr. 1. cc) Beihilfen-GVO 2014. 1128 Siehe dazu soeben oben Kap. 4, E. VI. 1. 1129 Kommission, Art. 56 Nr. 2 Beihilfen-GVO 2014. 1130 Kommission, Grund 76 Beihilfen-GVO 2014. 1131 Kommission, Art. 56 Nr. 7 Beihilfen-GVO 2014. 1132 Kommission, Art. 2 Nr. 33 Beihilfen-GVO 2014. 1124

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

361

nutzern erfasst. Bemerkenswert ist dabei der gewählte enge Ansatz der Ausnahme mit den kumulativen Voraussetzungen, dass es sich bei den indirekt Begünstigten um „im Voraus ermittelbare Unternehmen“ handeln muss und darüber hinaus die Infrastrukturen „auf deren Bedarf“ zugeschnitten sein müssen1133. Es wird sich in der Fallpraxis zeigen, ob und inwieweit die Mitgliedstaaten hier kreative Lösungen entwickeln werden, um diese Vorgaben zu umgehen. Fruchtbar gemacht werden wird der Art.  56 Beihilfen-GVO 2014 tatsächlich wohl vor allem bei kleinen kommunalen Infrastrukturvorhaben, bei denen zum Teil schon die Abgrenzung einer wirtschaftlichen von einer nicht-wirtschaftlichen Tätigkeit auf der Tatbestandsebene des Art. 107 Abs. 1 AEUV Schwierigkeiten be­ reitet1134. Für derartige Konstellationen hat die Kommission damit eine Lösung ge­ schaffen, durch die es im Ergebnis nicht mehr auf umfangreiche Untersuchungen ankommt, die von ihrem Arbeitsaufwand her in keinem Verhältnis zu den letzt­ lich ohnehin nur eingeschränkten wettbewerblichen Auswirkungen der Maßnahme stünden. Gerade bei kommunalen Projekten jedoch, die eine Förderung im mittleren und oberen Bereich der freistellungsfähigen Beihilfenbeträge erfordern, die in der Nähe zu bereits bestehenden Infrastruktureinrichtungen geplant werden, die sich in Grenznähe befinden oder die neben rein lokaler möglicherweise trotz ih­ rer Größe auch regionale oder sogar weiterreichende Bedeutung haben könnten, wird sich zeigen, inwieweit der Art. 56 Beihilfen-GVO 2014 sich als praxistaug­ lich erweisen und möglicherweise nicht sogar neue Abgrenzungsschwierigkeiten schaffen wird. 3. Zusammenfassung Die neue Beihilfen-GVO 2014 umfasst eine Reihe von Regelungen zur generel­ len Vereinbarkeit von verhältnismäßig niedrigen Beihilfenbeträgen für bestimmte Arten von Infrastrukturen sowie für „lokale Infrastrukturen“ mit dem Binnen­ markt bei gleichzeitiger Freistellung entsprechender mitgliedstaatlicher Förder­ maßnahmen von der Notifizierungspflicht. Sie stellt damit einen wichtigen Schritt für eine stärkere Priorisierung der Beihilfenkontrolle auf besonders wettbewerbs­ schädliche mitgliedstaatliche Beihilfen im Infrastrukturbereich dar. Inwieweit die Bestimmungen der Beihilfen-GVO 2014 möglicherweise neue rechtliche Streit­ punkte aufwerfen werden, insbesondere im Kontext der Freistellung von „lokalen Infrastrukturen“, wird sich zukünftig in der Rechtspraxis zeigen.

1133

Kommission, Art. 56 Nr. 7 Beihilfen-GVO 2014. Siehe dazu oben Kap. 4, A., insbesondere auch A. V.

1134

362

Kap. 4: Einzelfragen zu Infrastrukturbeihilfen

VII. Zusammenfassung Die wichtigste Genehmigungsnorm für mitgliedstaatliche Infrastrukturbeihil­ fen, Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV, wurde durch die Einführung der Abwägungsprüfung im Zuge der Beihilfenreform von 2005 in ihrer Anwendungspraxis in­ haltlich in verschiedenen Aspekten neu ausgestaltet. Insbesondere die vertiefte Untersuchung des Vorliegens eines Marktversagens sowie die neue strenge Erfor­ derlichkeitsuntersuchung bei der mitgliedstaatlichen Beihilfenvergabe waren An­ knüpfungspunkt für eine Vielzahl kritischer Literaturstimmen. Nach der hier vertretenen Auffassung ist das Konzept der Abwägungsprüfung der Kommission zur Genehmigung mitgliedstaatlicher Infrastrukturfördermaß­ nahmen grundsätzlich mit den Bestimmungen des europäischen Primärrechts so­ wie den Vorgaben zur Zuständigkeitsverteilung zwischen Union und Mitgliedstaa­ ten vereinbar, soweit die einzelnen Prüfungsschritte der Kommission erkennen lassen, dass diese das Ziel des Schutzes des Wettbewerbs im Binnenmarkt ver­ folgt und nicht primär auf die Durchsetzung darüber hinausgehender allgemein(in­ frastruktur)politischer Zwecke abstellt. Bei der Beurteilung des Vorliegens eines Marktversagens muss die Kommission von den Mitgliedstaaten vorgebrachte al­ lokative (Effizienz-) wie auch distributive (Gleichheits-)Erwägungen gleichrangig berücksichtigen. Eine Analyse der tatsächlichen jüngeren Rechtspraxis der Kom­ mission zur Abwägungsprüfung bei Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV im Infrastruk­ turbereich zeigt insgesamt, dass diese uneinheitlich ist und von den umfassenden theoretischen Diskussionen nur begrenzt beeinflusst wird. In den neuen Leitlinien für Regionalbeihilfen 2013 umreißt die Kommission ihre konkrete Anwendung der Abwägungsprüfung in diesem Bereich näher und liefert damit wichtige Anhaltspunkte für deren Anwendung auch zur Prüfung sonstiger Infrastrukturbeihilfen. Ferner stellt sie in diesen Leitlinien klar, dass sie grundsätzlich im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung infrastrukturelle Maßnah­ men der Mitgliedstaaten als milderes Mittel im Vergleich zur unmittelbaren Un­ terstützung von produzierenden Unternehmen ansieht. Damit schafft sie potentiell eine allgemeinleitende Vorgabe für die zukünftige Bewertung von Infrastruktur­ beihilfen. In anderen Bereichen, wie bei der mitgliedstaatlichen Förderung von Kultur­ infrastrukturen nach Art.  107 Abs.  3 lit. d) AEUV und vor allem der Landver­ kehrsinfrastrukturen nach Art. 93 AEUV, hat die Kommission bislang die strengen Vorgaben der Abwägungsprüfung nur teilweise oder nahezu gar nicht in ihre Ent­ scheidungspraxis aufgenommen. Vielmehr orientiert sie sich gerade bei der An­ wendung des Art. 93 AEUV an ihrer älteren Rechtspraxis und nimmt insbesondere keine strenge Erforderlichkeitsprüfung der mitgliedstaatlichen Beihilfengewäh­ rung vor. Hintergrund hierfür dürfte vor allem das Motiv sein, dass den Mitglied­ staaten bei der Förderung von Verkehrsinfrastrukturen eine größere Entschei­ dungsfreiheit verbleiben soll.

E. Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt

363

Bei der Rechtfertigung von Beihilfen für DAWI hat Art. 106 Abs. 2 AEUV in­ folge der Entwicklung der Altmark-Ausnahme durch den Gerichtshof an prakti­ scher Bedeutung eingebüßt. Eine vergleichende Betrachtung der beiden Freistel­ lungsmöglichkeiten für DAWI zeigt, dass sich ihre Voraussetzungen in weiten Teilen ähneln. Allerdings ermöglicht Art. 106 Abs. 2 AEUV eine Rechtfertigung von DAWI-Beihilfen unter Umständen auch dann, wenn die strengen Vorgaben zur Bemessung der Höhe der Ausgleichsleistung der Altmark-Rechtsprechung nicht erfüllt sind. Speziell für den Infrastrukturbereich ist darüber hinaus insbesondere der DAWI-Freistellungsbeschluss der Kommission von 2011 bedeutsam. Die­ ser umfasst ausdrücklich mehrere Arten von Infrastruktureinrichtungen und lie­ fert den Mitgliedstaaten damit ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit bei der För­ derung derartiger Projekte.

Kapitel 5

Zusammenfassung und rechtspolitischer Ausblick A. Die Entwicklung der Entscheidungspraxis der Kommission zur beihilfenrechtlichen Bewertung der mitgliedstaatlichen Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen Die beihilfenrechtliche Behandlung der mitgliedstaatlichen Förderung der Er­ richtung und des Betriebs von Infrastrukturen hat in den vergangenen zwei Jahr­ zehnten in der Rechtspraxis von Kommission und Gerichtshof einen erheblichen Wandel erfahren. Bis in die späten 1990er Jahre sind nur vereinzelt Fälle von Infrastrukturfinan­ zierung in den Fokus der beihilfenrechtlichen Überprüfung der Kommission ge­ langt. Die Untersuchung konzentrierte sich dabei zudem allein auf eine mögliche Begünstigung von Unternehmen, welche die entsprechenden Infrastrukturein­ richtungen nutzten. Allgemeine Linie der Kommission war dagegen, dass es sich bei der Errichtung und dem Betrieb von Infrastrukturen im Regelfall um eine all­ gemeine wirtschaftspolitische Aufgabe der Mitgliedstaaten handelt, die nicht dem Tatbestand des Beihilfenverbots unterfällt  – dogmatisch zumeist wenig präzise begründet wahlweise anhand der fehlenden Unternehmenseigenschaft der Infra­ strukturbetreiber oder anhand des Fehlens einer selektiven Begünstigungswirkung der Maßnahmen. In der Folgezeit änderte die Kommission in kleinen Schritten ihre Rechtspraxis und begann damit, zunächst bei einzelnen Infrastrukturarten (insbesondere Flug­ häfen) die mitgliedstaatliche Förderung des Betriebs und wenig später auch die der Errichtung als beihilfenrechtlich relevante Begünstigung des Infrastrukturbetrei­ bers einzuordnen. Gleichzeitig betonte sie allerdings noch 2005, dass sie grund­ sätzlich an ihrer früheren Auffassung festhalten wolle, mitgliedstaatliche Investi­ tionen in die Errichtung von Infrastrukturen als allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahme von der Beihilfenkontrolle auszunehmen. Dennoch übertrug sie die Neuausrichtung ihrer beihilfenrechtlichen Überprü­ fungspraxis nach und nach auf immer mehr Infrastrukturarten, bis sie diese – be­ stärkt durch erste zu ihren Gunsten ergangene Urteile der europäischen Gerichte auf diesem Gebiet  – spätestens seit 2011 als allgemeine neue Beurteilungslinie betrachtete. Den Betrieb von Infrastrukturen ordnet sie danach regelmäßig als wirtschaftliche Tätigkeit ein und die mitgliedstaatliche (Teil-)Finanzierung der

A. Die Entwicklung der Entscheidungspraxis der Kommission

365

Errichtung und des Betriebs der Einrichtungen als selektive Begünstigung des In­ frastrukturbetreibers. Darüber hinaus untersucht sie  – wenn auch bislang nicht immer in Gänze kohärent  – mögliche Auswirkungen der Infrastrukturfinanzie­ rung auf vor- und nachgelagerte Marktebenen des Infrastrukturbetriebs. Damit ist in vielen Fällen von mitgliedstaatlicher Infrastrukturförderung der Beihilfenver­ botstatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV eröffnet und die Kommission analysiert folglich die Vereinbarkeit der Maßnahme nach den beihilfenrechtlichen Rechtfer­ tigungsregeln. Dabei berücksichtigt sie regelmäßig die wirtschafts-, sozial- und re­ gionalpolitische Bedeutung der Infrastrukturprojekte. Während somit bis in die späten 1990er Jahre die mitgliedstaatliche Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen nach Kommissionsansicht grundsätzlich nicht vom Beihilfentatbestand erfasst wurde und nur in Ausnahme­ fällen auf Nutzerebene eine Überprüfung stattfand, behandelt sie diese heute regel­ mäßig als dem Beihilfenverbot unterfallend, wobei zugunsten der Mitgliedstaaten ein Erlaubnisvorbehalt verbleibt. Die Entwicklung der Kommissionspraxis zur beihilfenrechtlichen Bewertung der mitgliedstaatlichen Infrastrukturförderung kann nur vor dem Hintergrund von zwei Aspekten nachvollzogen werden: Erstens wandelte sich die wirtschaftliche Realität im Infrastrukturbereich seit den 1990er Jahren. Infolge der vielfach europarechtlich angestoßenen Liberalisie­ rungsentwicklungen entstanden dort erstmals (teilweise regulierte)  wettbewerb­ liche Strukturen, vor allem auf den nachgelagerten Marktebenen der Infrastruk­ turdienstleister, zuweilen allerdings auch auf der Ebene der Infrastrukturbetreiber selbst. Darüber hinaus gewannen die Mitgliedstaaten – auch vor dem Hintergrund begrenzter staatlicher Mittel für den Infrastrukturausbau  – zunehmend Interesse daran, private und damit in jedem Falle gewinnorientiert tätige Unternehmen und Investoren an der Realisierung von Infrastrukturprojekten zu beteiligen. Schließ­ lich führte bei einigen Infrastrukturarten – vor allem im Bereich der Telekommuni­ kationsinfrastrukturen  – der technische Fortschritt dazu, dass verschiedenartige alternative Infrastrukturkonzepte entwickelt wurden und nunmehr (zumindest teil­ weise) wettbewerblich zur Nutzung angeboten werden. Die Kommission wollte mit der Ausweitung der Beihilfenkontrolle auf den Infra­ struktursektor nunmehr sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten auf die noch jungen Ansätze wettbewerblicher Strukturen in diesem Gebiet nicht mittels wettbewerbs­ verfälschender Beihilfenvergaben übermäßigen Einfluss nehmen. Vor allem sollte verhindert werden, dass die Mitgliedstaaten die – teilweise nur gegen erhebliche politische Widerstände durchgesetzten – Liberalisierungsentwicklungen in diesem Bereich nicht wieder dadurch zunichtemachen, dass sie gezielt den alten in diesem Gebiet tätigen Staatsunternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen. Zweitens fällt die Neuorientierung der Rechtspraxis zur beihilfenrechtlichen Kontrolle der mitgliedstaatlichen Finanzierung der Errichtung und des Betriebs

366

Kap. 5: Zusammenfassung und rechtspolitischer Ausblick

von Infrastrukturen in eine Zeit, in der die Kommission zunehmend ihr beihil­ fenpolitisches Profil schärfte und die Beihilfenkontrolle umfassend reformierte. Ihre Zielvorstellung, eine besser ausgerichtete Beihilfenpolitik zu verfolgen und dabei insbesondere auch verstärkt ökonomische Erwägungen in die juristische Überprüfung von Beihilfen einfließen zu lassen, konnte sie gerade (wenn auch selbstverständlich nicht ausschließlich) in einem Wirtschaftsbereich mit jungen wettbewerblichen Strukturen verwirklichen. Vor diesem Hintergrund sind auch die Ausformungen der Überprüfung in den wichtigsten niedergelegten Bestimmungen zur Anwendung der Beihilfenvorschriften auf bestimmte Infrastrukturarten – den Luftverkehrs-Leitlinien 2005 und 2014 sowie den Breitband-Leitlinien 2009 und 2013 – zu verstehen. Die Kommission bewegt sich bei der beihilfenrechtlichen Beurteilung mitglied­ staatlicher Infrastrukturförderung in einem Spannungsfeld zwischen verschie­ denen, teils divergierenden Interessen: Zum einen hat sie aus den Europäischen Verträgen die Aufgabe, den Schutz eines unverfälschten Wettbewerbs im Binnen­ markt zu gewährleisten und diesen gerade in den erst vor unlanger Zeit libera­ lisierten Wirtschaftssektoren gegebenenfalls auch gegen die Partikularinteressen der Mitgliedstaaten durchzusetzen. Auf der anderen Seite gewähren die Mitglied­ staaten den Infrastrukturbetreibern wirtschaftliche Vorteile regelmäßig nicht al­ lein um ihrer selbst willen, sondern vorrangig, um auf diese Weise sozial-, regio­ nal- oder wirtschaftspolitische Ziele zu verfolgen. Das besondere Erfordernis von Interventionen der öffentlichen Hand im Infrastrukturbereich ergibt sich aus den spezifischen ökonomischen Eigenschaften infrastruktureller Einrichtungen, auf­ grund derer ihre Bereitstellung über den freien Markt in Teilen nach wirtschafts­ wissenschaftlichem (allokatives Marktversagen) und/oder politischem Verständnis (distributives Marktversagen) nur unzureichend erfolgt. Diese Aspekte muss die Kommission – und auch dies ist eine ihr aus den Verträgen vorgegebene Verpflich­ tung  – im Rahmen ihrer beihilfenrechtlichen Bewertung der mitgliedstaatlichen Infrastrukturförderung hinreichend beachten und sorgsam den von ihr vertretenen Interessen des Wettbewerbsschutzes gegenüberstellen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass ihre Kompetenzen in der Infrastrukturpolitik begrenzt sind und die Zuständigkeit für die Planung und Organisation von Infrastrukturvorhaben weitgehend bei den Mitgliedstaaten liegt. Mit der Abwägungsprüfung hat die Kommission seit der Beihilfenreform von 2005 ein Instrument geschaffen, um im Rahmen des praktisch wichtigsten Recht­ fertigungsgrundes für Infrastrukturbeihilfen – Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV – diese divergierenden Interessen gegenüberzustellen und auf Grundlage einer abwägen­ den Gesamtbetrachtung zu beurteilen. Auch wenn sich die konkrete Ausformung dieses Prüfungsmodells mit der vorschreitenden Fallpraxis und weiteren sektor­ spezifischen Leitlinien zunehmend konkretisiert, schaffte die Kommission es bis­ lang noch nicht, ein tatsächlich einheitliches Bewertungsmuster für Infrastruktur­ beihilfen zu entwickeln.

B. Eigene Einschätzung zur Kritik an der Rechtspraxis der Kommission

367

B. Eigene Einschätzung zur Kritik der Literatur an der Entwicklung der Rechtspraxis der Kommission B. Eigene Einschätzung zur Kritik an der Rechtspraxis der Kommission

Die Neuorientierung der Kommission bei der beihilfenrechtlichen Beurteilung der mitgliedstaatlichen Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastruk­ turen ist in der Literatur sowie teilweise auch bei den Mitgliedstaaten auf viel­ fältige Kritik gestoßen. Die wichtigsten Kritikpunkte sowie ihre Einschätzung in dieser Arbeit werden im Folgenden kurz zusammengefasst dargestellt; für eine de­ taillierte Diskussion der relevanten Problemfragen sei insoweit auf die einzelnen Kapitel verwiesen.

I. Generelle Ausnahme von der Beihilfenkontrolle für die mitgliedstaatliche Infrastrukturförderung Erstens vertreten kritische Stimmen die Auffassung, dass die mitgliedstaatliche Finanzierung von Infrastrukturen – jedenfalls bezüglich ihrer Errichtung, zuwei­ len allerdings auch hinsichtlich ihres Betriebs – eine allgemeine wirtschafts-, so­ zial- und regionalpolitische Aufgabe der Mitgliedstaaten darstelle, die nicht dem Tatbestand des Beihilfenverbots unterfalle. Zur dogmatischen Begründung werden dabei unterschiedliche Ansätze vertreten: Teilweise wird angenommen, dass es sich bei dem Betrieb und insbesondere bei der Errichtung von Infrastrukturen um eine hoheitliche Aufgabe der Mitglied­ staaten handelte und der Infrastrukturbetreiber mangels Unternehmenseigenschaft nicht dem Anwendungsbereich des Beihilfenrechts unterfallen könne. Nach einer Abwandlung dieser Auffassung soll es sich bei der Errichtung und dem Betrieb von Infrastrukturen zwar nicht um eine hoheitliche Tätigkeit der Mitgliedstaaten handeln, allerdings sollen diese gleichzeitig auch keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen, sondern als allgemeine Aufgaben der „Daseinsvorsorge“ vom Anwen­ dungsbereich der Beihilfenvorschriften ausgeklammert sein. Eine weitere Ansicht geht davon aus, dass Infrastrukturbetreiber zwar als Unter­ nehmen im Sinne des Europäischen Wettbewerbsrechts eingeordnet werden kön­ nen, mitgliedstaatliche Zuwendungen an sie jedoch keine selektive Begünstigungs­ wirkung entfalten. Da die Mitgliedstaaten damit nämlich wiederum vorrangig wirtschafts-, sozial- und regionalpolitische Zwecke verfolgen, handelt es sich da­ nach um generelle wirtschaftspolitische Maßnahmen zu Gunsten der Allgemeinheit. Sämtliche dieser einer Kontrolle der Kommission über die mitgliedstaatliche Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen generell kritisch gegenüberstehenden Auffassungen können letztlich nicht überzeugen: Auch wenn es im Gemeinschaftsrecht keine einheitliche Bestimmung des Be­ griffs einer hoheitlichen Tätigkeit gibt, erweist es sich nach den gängigen von der

368

Kap. 5: Zusammenfassung und rechtspolitischer Ausblick

Rechtsprechung und Literatur entwickelten Abgrenzungskriterien als nicht zutref­ fend, den Infrastruktursektor generell als hoheitlichen Bereich mitgliedstaatlichen Handelns einzuordnen. Des Weiteren kann auch eine auf Grundlage eines nicht näher spezifizierten ge­ meinschaftsrechtlichen Begriffs der Daseinsvorsorge hergeleitete pauschale Be­ reichsausnahme vom Beihilfenverbot für den Infrastruktursektor nicht stichhaltig begründet werden, vor allem, da auf diese Weise die speziellen Vorgaben der Ver­ träge und der Rechtsprechung zu Beihilfen für DAWI (die Altmark-Tatbestands­ ausnahme sowie eine Rechtfertigung über Art. 106 Abs. 2 AEUV) pauschal um­ gangen würden. Schließlich verkennt die Einordnung der mitgliedstaatlichen Infrastrukturfinan­ zierung als allgemeine wirtschaftspolitische Ausgabe ohne spezifische Begüns­ tigungswirkung, dass sich der beihilfenrechtliche Begünstigungsbegriff objek­ tiv bestimmt und nicht anhand der von dem Mitgliedstaat mit der Maßnahme bezweckten Ziele. Soweit die Mitgliedstaaten hier wirtschafts-, sozial- und re­ gionalpolitische Motive verfolgen, so finden diese allein in den weiteren Prü­ fungsschritte auf Vereinbarkeitsebene der Beihilfe Berücksichtigung, sowie ge­ gebenenfalls allenfalls im Rahmen der Altmark-Ausnahme auf Tatbestandsebene.

II. Die Rechtsfigur der mittelbaren Begünstigung bei mitgliedstaatlicher Infrastrukturförderung Ein weiterer Kritikpunkt der Literatur knüpft an die Kommissionsprüfung der Begünstigungswirkung einer mitgliedstaatlichen Infrastrukturförderung auf ver­ schiedenen Marktebenen an. Die Annahme einer mittelbaren Begünstigung auf vor- und nachgelagerten Marktstufen führt nach dieser Auffassung zu einer ufer­ losen Ausweitung des Beihilfentatbestands und praktischen Problemen bei der Rückabwicklung unrechtmäßig durchgeführter Beihilfen. Auch diese Kritik kann nicht überzeugen. Vielmehr ergibt sich schon aus dem Beihilfentatbestand selbst, dass dieser weit auszulegen ist und auch indirekte Be­ günstigungswirkungen von ihm umfasst werden. Des Weiteren können praktische Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung von zu Unrecht von den Mitgliedstaaten durchgeführten Beihilfen kein Argument dafür sein, dass diese nachträglich einer Kontrolle entzogen werden. Dagegen ist die Kritik an der Kommissionspraxis durchschlagend, dass es für die Prüfung der Auswirkungen einer mitgliedstaatlichen Beihilfenvergabe auf den unterschiedlichen Marktstufen bislang keine einheitliche Methodik gibt. Hier liegt ein wesentlicher Anknüpfungspunkte für eine zukünftige Präzisierung der Vor­ gaben für die beihilfenrechtliche Bewertung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen.

B. Eigene Einschätzung zur Kritik an der Rechtspraxis der Kommission

369

III. Die Anwendung des Private Investor Tests im Infrastrukturbereich Weitere Kritik wird in der Literatur an der stringenten Anwendung des Private Investor Tests bei der mitgliedstaatlichen Infrastrukturfinanzierung geübt. Statt­ dessen wird vorgeschlagen, die von der Kommission bislang bei diesem Test nicht berücksichtigten positiven Auswirkungen der mitgliedstaatlichen Infrastruktur­ finanzierung auf die Regionalentwicklung darin zukünftig zu beachten und auf diese Weise mehr Infrastrukturprojekte von der Beihilfenkontrolle freizustellen. Auch dieser Ansatz kann letztlich allerdings nicht überzeugen. Dies liegt vor al­ lem daran, dass wiederum die Gefahr bestünde, dass die Mitgliedstaaten die spe­ ziellen Vorgaben der Rechtfertigungsprüfung oder der Ausnahmen vom Beihilfen­ verbot für DAWI umgehen könnten.

IV. Die Anwendung der Altmark-Ausnahme im Infrastrukturbereich Schließlich ist auch die Neuorientierung der Kommission bei der Prüfung der Altmark-Ausnahme für DAWI im Infrastrukturbereich in der Literatur kritisiert worden. Dies gilt insbesondere für die neue Anwendungspraxis zum ersten Altmark-Kriterium, in dessen Untersuchung die Kommission in jüngerer Zeit Ele­ ment der eigentlich auf Rechtfertigungsebene entwickelten Abwägungsprüfung aufgenommen hat. Dabei ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten bei der Definition von DAWI nach einheitlicher Rechtsprechung tatsächlich über einen weiten Beurteilungs­ spielraum verfügen, den die Kommission nicht uneingeschränkt durch ihre eigenen Vorstellungen ersetzen darf. Gleichzeitig müssen ihr jedoch geeignete Prüfungsmöglichkeiten verbleiben, damit sie verhindern kann, dass die Mitglied­ staaten ihren Einschätzungsspielraum missbräuchlich dazu nutzen, eine effektive Durchsetzung des Europäischen Wettbewerbsrechts zu verhindern. Nach der hier vertretenen Auffassung können dazu als Instrument durchaus Elemente der Abwägungsprüfung und des Marktversagenskonzepts dienen, soweit die Kommission bei deren Anwendung die privilegierte Stellung der Mitgliedstaaten in diesem Be­ reich berücksichtigt.

370

Kap. 5: Zusammenfassung und rechtspolitischer Ausblick

V. Die Prüfung der Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnenmarkt, insbesondere die Abwägungsprüfung Auf Rechtfertigungsebene ist vor allem die wichtige Rechtfertigungsbestim­ mung des Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV in den Fokus der kritischen Betrachtung der Literatur gelangt. Da die Kommission bei der Anwendung dieser Norm über ein weites Ermessen verfügt, tragen Kritiker hier Bedenken vor, dass sie dieses als In­ strument zur Etablierung einer eigenen Infrastrukturpolitik missbrauchen könnte, zu welcher ihr nach den Verträgen keine Kompetenz zukommt. Insoweit wurden die einzelnen Schritte der mit der Beihilfenreform von 2005 neu eingeführten und im Infrastrukturbereich seitdem regelmäßig angewendeten Abwägungs­prüfung einer Detailkritik unterzogen. Das neu etablierte Marktversagenskonzept als erster Schritt der Abwägungs­ prüfung wurde beanstandet, da es nach seiner ursprünglichen Konzeption mut­ maßlich verteilungspolitische Erwägungen der Mitgliedstaaten bei der Gewäh­ rung von Beihilfen nur noch eingeschränkt als legitimes Ziel anerkannt hätte. Ein solches Verständnis der neuen Marktversagensprüfung, welches tatsächlich kaum mit den primärrechtlichen Vorgaben der Verträge in Einklang zu bringen wäre, hat sich jedoch nicht durchgesetzt und spiegelt sich auch nicht in der jüngeren Kom­ missionspraxis zur Beurteilung der Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen wider. Wichtigster Kritikpunkt an der Abwägungsprüfung ist die Durchführung einer strengen Erforderlichkeitsprüfung der mitgliedstaatlichen Maßnahme auf der zwei­ ten Stufe, welche spezifisch für den Infrastrukturbereich auch bereits in den Luft­ verkehrs-Leitlinien 2005 ausgeformt wurde. In diesem Untersuchungsschritt hin­ terfragt Kommission, inwieweit der Mitgliedstaat das von ihm verfolgte Ziel auch mit alternativen politischen Mitteln anstelle der überprüften Infrastrukturbeihilfen hätte erreichen können. Die Literaturvertreter äußern Bedenken dahingehend, dass die Kommission sich über die Beihilfenkontrolle zur obersten Genehmigungs­ instanz bei der Planung und Organisation von Infrastrukturprojekten aufschwin­ gen könnte, ohne hierfür von den Verträgen ermächtigt zu sein. Diese Kritik ist ernst zu nehmen. Dennoch kann als Konsequenz daraus nicht angenommen werden, dass die strenge Erforderlichkeitsprüfung der Kommis­ sion auf der zweiten Stufe der Abwägungsprüfung generell unzulässig wäre. Viel­ mehr ist sie solange als von den Kompetenzen der Kommission gedeckt anzuse­ hen, wie diese zeigen kann, dass sie die konkrete Erforderlichkeitsuntersuchung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der wettbewerb­ lichen Auswirkungen der Beihilfengewährung vornimmt. Diese Erkenntnis hat zur Folge, dass ein sequentieller Aufbau der Abwägungsprüfung mit einem Abbruch der Untersuchung, sofern die Voraussetzungen der zweiten Stufe (strenge Erfor­ derlichkeitsprüfung) nicht erfüllt sind, kompetenzrechtlich problematisch ist. Ver­ folgt die Kommission bei der Abwägungsprüfung dagegen einen integrierten An­ satz, bei dem unabhängig von den Zwischenergebnissen auf den einzelnen Stufen

C. Eigene Bewertung der Kommissionspraxis

371

alle Prüfungsschritte vorgenommen werden und damit die wettbewerbliche Ge­ samteinschätzung auf der dritten Stufe schlussendlich für die Gesamteinschätzung ausschlaggebend ist, so handelt sie im Rahmen ihrer wettbewerbsrechtlichen Zu­ ständigkeit. Folglich ist der Kritik der Literatur an der Ausgestaltung der zweiten Stufe der Abwägungsprüfung durch die Kommission in Fällen zu folgen, in de­ nen die Kommission ihre Untersuchung mangels Erfüllung des Geeignetheits-/Er­ forderlichkeitskriteriums abbricht. In den Gesamtrahmen der Abwägungsprüfung eingebettet bleibt dieser Prüfungsschritt allerdings zulässig, so dass bei einem der­ artigen Vorgehen der Kommission der allgemeinen Kritik der Literatur nicht ge­ folgt werden kann.

C. Eigene Bewertung der Kommissionspraxis Wie nunmehr gezeigt wurde, kann weiten Teilen der Kritik der Literatur und der Mitgliedstaaten an der Neuausrichtung der Kommissionpraxis zur beihilfenrecht­ lichen Bewertung der mitgliedstaatlichen Förderung der Errichtung und des Be­ triebs von Infrastrukturen nicht gefolgt werden. Grundsätzlich kann damit weder eine pauschale Ausnahme vom Beihilfentatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV für die mitgliedstaatliche Infrastrukturförderung angenommen werden, noch kann die Vereinbarkeitsuntersuchung der Kommission mittels der Abwägungsprüfung als generell außerhalb des Rahmens ihrer Zuständigkeiten liegend angesehen werden. Gleichwohl bestehen bei der praktischen Umsetzung der Beihilfenkontrolle auf die mitgliedstaatliche Infrastrukturförderung weiterhin Defizite, die vor allem mit Blick auf die begrenzten Kompetenzen der Union in der Infrastrukturpolitik sowie aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten bedenklich sind. Insoweit mangelt es der Kommission bei ihrer Anwendung des Art. 107 Abs. 1 AEUV im Infrastrukturbereich zunächst an einer einheitlichen Methodik, vor al­ lem bei den Merkmalen der selektiven Begünstigung und der Wettbewerbsverfäl­ schung. Im Rahmen dieser Tatbestandserfordernisse stellen sich bei der beihilfen­ rechtlichen Betrachtung einer mitgliedstaatlichen Infrastrukturfördermaßnahme sowohl ökonomisch als auch juristisch komplexe Fragen zur Bewertung ihrer Auswirkungen auf unterschiedlichen Märkten sowie vor-, nach- und potentiell auch nebengelagerten Marktebenen, deren Beantwortung eine präzise Einschät­ zung der beihilfenrechtlichen Relevanz der mitgliedstaatlichen Vorteilsgewährung überhaupt erst ermöglicht. In ihrer bisherigen Rechtspraxis zu Infrastrukturbeihil­ fen blieb die Kommission – von einigen positiv hervorstechenden Ausnahmen ab­ gesehen – bei einer genaueren Beurteilung dieser Aspekte jedoch knapp und be­ schränkte sich zuweilen auf allgemein gehaltene Begründungen. Während ein solches Vorgehen beim Merkmal der Wettbewerbsverfälschung in der allgemeinen Beihilfenpraxis von den Europäischen Gerichten zuweilen als den rechtlichen Anforderungen des Beihilfentatbestands genügend betrachtet wurde,

372

Kap. 5: Zusammenfassung und rechtspolitischer Ausblick

kann es in kompetentiell sensiblen Bereichen wie dem Infrastruktursektor nicht als ausreichend erachtet werden. Alleinige Legitimation für die Beihilfenkontrolle der Kommission ist nach den Vorgaben der Europäischen Verträge der Schutz des unverfälschten Wettbewerbs auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten. Will die Kommission nicht in den Verdacht geraten, stattdessen primär eine aktive Ein­ flussnahme auf die mitgliedstaatliche Infrastrukturpolitik zu betreiben, so kann der Schlüssel dafür allein in einer Rückbesinnung auf den mit dem Instrument des Bei­ hilfenrechts durchgesetzten Wettbewerbsschutz liegen. Hierfür ist allerdings erforderlich, dass die Kommission ihre Rechtspraxis zu Infrastrukturbeihilfen in methodischer Sicht und mit Blick auf die Analysetiefe und den individuellen Begründungsaufwand fortentwickelt. Erste Ansätze für eine methodisch konsequentere Wettbewerbsprüfung im Beihilfenbereich wur­ den im Rahmen der Bearbeitung erläutert. Die damit zusammenhängenden ge­ steigerten Anforderungen an die einzelnen Falluntersuchungen ist die Kehrseite der Neuausrichtung der Kommissionspraxis dahin, den Wettbewerbsschutz im In­ frastrukturbereich durch eine weitreichende Anwendung der Beihilfenvorschrif­ ten auf mitgliedstaatliche Infrastrukturprojekte zu gewährleisten, ohne dabei die kompetentiellen Grenzen ihrer Ermächtigung aus den Verträgen zu überschreiten. Auch auf Vereinbarkeitsebene muss bei den Kommissionuntersuchungen zu In­ frastrukturbeihilfen der Wettbewerbsschutz ihr zentrales Handlungsmotiv sein und so auch in ihrer Analyse und ihren Begründungen zum Ausdruck gebracht wer­ den. Die neu eingeführte Abwägungsprüfung wird diesen Vorgaben gerecht, soweit die wettbewerblichen Belange des Einzelfalls darin die tragenden Gründe für die schlussendliche Kommissionsentscheidung sind. Obgleich die Kommission bei dieser Prüfung im Rahmen des Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV ein weites Ermessen zukommt, darf sie dieses aufgrund ihrer begrenzten Kompetenzen im Infrastruk­ turbereich nicht zu anderen Zwecken gebrauchen, als der Vorgabe gerecht zu wer­ den, die wettbewerblichen Auswirkungen der mitgliedstaatlichen Infrastrukturför­ dermaßnahme zu evaluieren. Konkret besteht die Gefahr, dass sie diese Grenze überschreitet, vor allem dann, wenn sie ihre Abwägungsprüfung mangels Erfül­ lung einzelner Voraussetzungen abbricht, ohne auf den zentralen Prüfungsschritt der wettbewerblichen Gesamtabwägung überhaupt einzugehen. Auch wenn sie die Vorgaben der Abwägungsprüfung nicht als starres Prüfungsschema verstanden wissen will und bei der konkreten Anwendung im Einzelfall ein gewisses Maß an Flexibilität behalten möchte, darf dieses im Ergebnis nicht zulasten der ihre Kom­ petenz überhaupt erst begründenden Wettbewerbsprüfung gehen. Insgesamt ist an der bisherigen Prüfungspraxis der Kommission zu Infrastruk­ turbeihilfen zu bemängeln, dass ein vom Einzelfall gelöstes einheitliches Vor­ gehen kaum ausgemacht werden kann  – sowohl bei den Untersuchungen auf Tatbestandsebene als auch bei der Vereinbarkeitsprüfung. Bei einigen Infrastruk­ turarten wirkte die Kommission diesem Defizit bereits dadurch entgegen, dass sie auf Grundlage der Entscheidungspraxis sektorspezifische Leitlinien formulierte.

C. Eigene Bewertung der Kommissionspraxis

373

Auch wenn dies ein wichtiger und richtiger Schritt hin zu einer stärkeren Verein­ heitlichung und größeren Rechtssicherheit ist, schaffen es auch die bislang ver­ öffentlichten Leitlinien nicht, die bestehenden methodischen Unklarheiten voll­ ständig aufzulösen. Gleichzeitig hat die Kommission betont, dass sie bei anderen Infrastrukturarten (etwa Häfen) zunächst weitere Einzelfälle untersuchen möchte, bevor sie sich etwa in Form von Leitlinien auf vereinheitlichte Prüfungskriterien festlegt. Unabhängig davon, dass dieses Vorgehen grundsätzlich als legitim ange­ sehen werden kann, da die Kommission auf diese Weise die spezifischen Beson­ derheiten einzelner Infrastrukturtypen anhand von Einzelfällen näher untersucht, bevor sie sich aus eine verallgemeinernde Linie festlegt, führt es zu einem nicht unerheblichen Maß an Rechtsunsicherheit für die an den Beihilfenverfahren betei­ ligten Mitgliedstaaten sowie die (potentiell zukünftig) geförderten Unternehmen. Insbesondere mangelt es an Transparenz und Vorhersehbarkeit, wie die Kommis­ sion konkrete mitgliedstaatliche Maßnahmen zur Infrastrukturförderung bewer­ ten wird. Aus diesem Grunde wäre es wünschenswert, dass die Kommission zukünftig für Infrastrukturbeihilfen zumindest von den Besonderheiten der jeweiligen In­ frastrukturart losgelöste, bereichsübergreifende allgemeine Grundsätze formulie­ ren würde, die – unabhängig von den individuellen Besonderheiten der jeweiligen Infrastruktur sowie des Einzelfalls – bei der beihilfenrechtlichen Bewertung aller mitgliedstaatlichen Infrastrukturprojekte zur Anwendung kämen. Auf diese Weise könnte die Kommission auf der einen Seite genug Freiraum behalten, um auf die individuellen Eigenheiten jeden einzelnen Falles einzugehen, während für die Mit­ gliedstaaten zumindest in Grundzügen eine stärkere Vorhersehbarkeit hinsichtlich der anstehenden Entscheidung möglich wäre. Schließlich bleibt zu beachten, dass die hier geforderten vertieften Unter­ suchungs- und Begründungserfordernisse der Begünstigungs- und Wettbewerbs­ verhältnisse auf Tatbestandsebene des Art. 107 Abs. 1 AEUV einen erhöhten Ar­ beitsaufwand der Kommission bei der Überprüfung von Infrastrukturbeihilfen zur Folge haben. Schon unabhängig davon ist die Arbeitsbelastung der Kommission durch ihre beihilfenrechtliche Neuorientierung im Infrastruktursektor angestie­ gen, da auf diese Weise eine Vielzahl mitgliedstaatlicher Förderungsmaßnahmen überhaupt erst der Beihilfenkontrolle unterworfen wurde. Vor diesem Hintergrund erscheint es beihilfenpolitisch sinnvoll, zukünftig nähere Konkretisierungen an­ zustoßen, wie die Kommission ihre Arbeit auf besonders wettbewerbsschädliche Beihilfen fokussieren kann.

374

Kap. 5: Zusammenfassung und rechtspolitischer Ausblick

D. Rechtspolitischer Ausblick I. Derzeit angestoßene Ansätze zur Weiterentwicklung der Rechtspraxis bezüglich Infrastrukturbeihilfen Die Mitte 2012 von der Kommission angestoßene neuerliche Beihilfenreform hat ausdrücklich das Ziel, dass die bestehenden Regelungswerke und die Bei­ hilfenpraxis der Kommission stärker vereinheitlicht werden. Vor diesem Hinter­ grund ist die Überarbeitung und Neufassung einiger für den Infrastrukturbereich bedeutsamer Leitlinien zur Anwendung der Beihilfenvorschriften hervorzuhe­ ben. Dazu gehören neben den bereits veröffentlichten Breitband-Leitlinien 2013 und den Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013 auch die neuen Luftverkehrs-Leitlinien 2014 sowie erstmals auch solche für Energieinfrastrukturen (EnergieinfrastrukturLeitlinien 2014). Schließlich kündigte die Kommission ebenfalls die Veröffent­ lichung von Leitlinien für Seehafen-Infrastrukturen ein weiteres Mal für die nä­ here Zukunft an. Neben der Berücksichtigung der sektorspezifischen Besonderheiten in den neuen Leitlinien ist vor allem die jeweilige Darstellung zur Durchführung der Vereinbarkeitsprüfung bei entsprechenden Infrastrukturbeihilfen bedeutsam. Die Kommission formt dabei die einzelnen Schritte der Abwägungsprüfung in dem je­ weiligen Kontext näher aus und schafft auf diese Weise bereits ein höheres Maß an Rechtssicherheit bezüglich der jeweiligen bereichsspezifischen Infrastruktur­ beihilfen. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen – allerdings wird sich noch zu zeigen haben, inwieweit die zuweilen eher theoretischen Ansätze aus den Leitlinien sich auch tatsächlich in der Anwendungspraxis der Kommission widerspiegeln werden.

II. Eigene Vorschläge zur zukünftigen Anwendung der Beihilfenvorschriften auf die mitgliedstaatliche Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen Abschließend sollen an dieser Stelle die wichtigsten Diskussionsergebnisse der Arbeit in der Form von Vorschlägen zur zukünftigen Anwendung der Beihilfenvor­ schriften auf die mitgliedstaatliche Finanzierung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen zusammengefasst werden. Bewusst wird dabei auf den spezi­ fischen Bezug zu einzelnen Infrastrukturarten verzichtet. Ziel dieser grundlegen­ den Erwägungen ist vielmehr, einen Denkanstoß für eine allgemeine, bereichs­ übergreifende Anwendung der Beihilfenvorschriften auf den Infrastrukturbereich zu schaffen.

D. Rechtspolitischer Ausblick

375

1. Konsequente Anwendung des Beihilfentatbestands auf Infrastrukturbetreiber Der Betrieb von Infrastrukturen stellt regelmäßig eine wirtschaftliche Tätigkeit dar. Die Errichtung der Infrastrukturen ist untrennbar mit dem Betrieb der Anlagen verbunden und bedarf aus diesem Grunde keiner anderen Einschätzung. Nur aus­ nahmsweise unterfallen Errichtung und Betrieb nicht dem Unternehmensbegriff, wenn diese im Einzelfall keine wirtschaftliche Betätigung darstellen. Dies ist an­ zunehmen, wenn zwischen dem Infrastrukturbetreiber und seinen Nutzern nicht die Möglichkeit des Aufbaus einer marktmäßigen Beziehung besteht. Eine dar­ über hinausgehende, allgemeine Ausnahme des Infrastrukturbetriebs vom beihil­ fenrechtlichen Unternehmensbegriff gibt es nicht. Diese Grundsätze sollten konsequent auf alle Infrastrukturarten angewendet werden, unabhängig davon, ob diese von staatlichen oder privaten Betreibern un­ terhalten werden. Eine fehlende tatsächliche kommerzielle Verwertung der In­ frastrukturen (insbesondere durch staatliche Betreiber) steht der Annahme einer wirtschaftlichen Betätigung nicht entgegen, solange eine solche Verwertung mög­ lich ist und der Betreiber allein aus eigenen (politischen) Erwägungen darauf verzichtet.

2. Untersuchung der Begünstigungswirkung auf allen in Betracht kommenden Marktebenen Neben dem durch die mitgliedstaatliche Finanzierung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen unmittelbar bevorteilten Unternehmen sind alle wei­ teren unmittelbar und mittelbar Begünstigten auf sämtlichen relevanten vor-, nachund nebengelagerten Marktstufen zu ermitteln. Die indirekte Begünstigungs­ wirkung der Maßnahme muss bestimmbar und darlegbar sein, einer genauen Quantifizierung bedarf es insoweit jedoch auf dieser Ebene noch nicht. Abzugren­ zen ist die indirekte Begünstigung insoweit lediglich von einem bloßen positiven Reflex für andere Marktteilnehmer. Insbesondere ist eine mögliche mittelbare Be­ günstigung nicht nur bei der mitgliedstaatlichen Bezuschussung der Infrastruk­ turbetriebskosten denkbar, sondern auch bereits vorgelagert bei der staatlichen Investition in die Errichtung von Infrastrukturanlagen. Der Ausschluss einer Be­ günstigung auf einer einzelnen Ebene (z. B. Betreiberebene)  bedeutet nicht zu­ gleich, dass eine mitgliedstaatliche Fördermaßnahme nicht auf anderen Markt­ ebenen (z. B. Nutzerebene)  Begünstigungswirkung entfalten kann. Allgemeiner Grundsatz ist insoweit, dass eine beihilfenrechtliche Begünstigung allein dann aus­ geschlossen werden kann, wenn sämtliche Kosten der Errichtung und des Betriebs der Infrastruktureinrichtung von den Marktteilnehmern selbst ohne mitgliedstaat­ liche Förderung getragen werden. Bei staatlichen Infrastrukturunternehmern fin­ det der Private Investor Test nach allgemeinen beihilfenrechtlichen Grundsätzen

376

Kap. 5: Zusammenfassung und rechtspolitischer Ausblick

Anwendung, einer spezifischen Modifikation oder Aufweichung der Testkriterien für den Infrastrukturbereich bedarf es insoweit nicht. 3. Konsequente Ausgestaltung der Altmark-Tatbestandsausnahme Bei der Anwendung der Altmark-Tatbestandsausnahme für DAWI sowie bei Art. 106 Abs. 2 AEUV werden die ökonomischen Besonderheiten des Infrastruk­ turbereichs bei der Untersuchung berücksichtigt, inwieweit eine konkrete Infra­ strukturfinanzierung einen Aufwand für eine „gemeinwirtschaftliche Verpflichtung“ darstellt. Den Mitgliedstaaten kommt bei der Definition der DAWI ein weiter Beurteilungsspielraum zu, welchen die Kommission nur eingeschränkt überprüfen kann. Als Analyseinstrumente darf sie hier Elemente der auf Verein­ barkeitsebene eingeführten Abwägungsprüfung nutzen, insbesondere das tatsäch­ liche Vorliegen eines Marktversagens sowie die Erforderlichkeit der Einordnung einer Leistung als DAWI hinterfragen. Gleichwohl hat sie dabei – insbesondere bei vergleichenden Betrachtungen – die Eigenschaften des entsprechenden Infra­ strukturmarkts und seiner Organisation in dem jeweiligen Mitgliedstaat zu berück­ sichtigen. 4. Umfassende Untersuchung der Wettbewerbsverfälschung auf Tatbestandsebene Die beim Merkmal der Begünstigung erfolgte Betrachtung der verschiedenen von der Fördermaßnahme beeinflussten Infrastrukturmarktebenen setzt sich bei der Beurteilung der Wettbewerbsverfälschung konsequent fort. Untersucht wer­ den hier die Effekte der mitgliedstaatlichen Infrastrukturfinanzierung auf die Gü­ ter- und Dienstleistungsmärkte; Wettbewerb auf Inputmärkten  – insbesondere zwischen verschiedenen Standorten in der Union – wird in diesem Kontext nicht berücksichtigt. Zentraler Bestandteil der Prüfung der Wettbewerbsverfälschung ist die Abgrenzung der sachlich und räumlich relevanten Märkte, auf denen die be­ günstigten Unternehmen tätig sind sowie die Analyse der Auswirkungen der mit­ gliedstaatlichen Fördermaßnahme auf diesen Märkten. Beachtung finden dabei im Infrastrukturbereich auch mögliche Beeinträchtigungen intermodaler Wett­ bewerbsverhältnisse. Damit die Kommission sich gegenüber den Mitgliedstaa­ ten auf ihre aus den vertraglichen Vorgaben zur Beihilfenkontrolle erwachsenden Eingriffsbefugnisse bei der Überprüfung der Finanzierung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen stützen kann, reicht eine bloß kursorische oder pau­ schale Betrachtung an dieser Stelle nicht aus. Vielmehr hat die Kommission ihre Untersuchungsergebnisse transparent aufzuzeigen und zu begründen.

D. Rechtspolitischer Ausblick

377

5. Das Merkmal der Handelsbeeinträchtigung als Schlüssel für eine effektive Beihilfenkontrollpraxis im Infrastrukturbereich Das im Infrastrukturbereich bislang nur wenig stringent angewendete Merkmal der zwischenstaatlichen Handelsbeeinträchtigung stellt einen sinnvollen Anknüp­ fungspunkt für eine zukünftig stärker priorisierte Beihilfenkontrolle der Kommis­ sion dar. Obgleich eine teilweise geforderte allgemeine „Infrastrukturausnahme“ sich praktisch mangels einheitlicher Definition des Infrastrukturbegriffs nicht rea­ lisieren lässt, könnten hier sektorspezifische Ausnahmebestimmungen für be­ stimmte Infrastrukturarten geschaffen werden. Auf diese Weise könnte vor allem die mitgliedstaatliche Förderung von Infrastrukturen mit allein kommunaler oder regionaler Bedeutung bis zu individuell festzulegenden Höchstsummen und unter strikt einzuhaltenden Bedingungen (wie diskriminierungsfreie Zugangsgewährung zu der Einrichtung, keine Weiterleitung von finanziellen Mitteln in andere Tätig­ keiten als den Infrastrukturbetrieb) von der Beihilfenkontrolle ausgenommen wer­ den. Bei der genauen Ausgestaltung einer solchen Regelung handelt es sich um eine originär politische Entscheidung. Bei deren Umsetzung ist ein Ausgleich zwi­ schen den Interessen des Wettbewerbsschutzes und denen einer insgesamt effek­ tiven Durchsetzung der Wettbewerbsregeln durch eine Fokussierung auf die Ver­ folgung besonders wettbewerbsverfälschender Beihilfen im Infrastrukturbereich zu finden. 6. Weitere Vereinheitlichung der Durchführung der Abwägungsprüfung auf Rechtfertigungsebene von Infrastrukturbeihilfen Die Prüfung der Vereinbarkeit von Infrastrukturbeihilfen mit dem Binnen­ markt muss sich – unabhängig von der konkret herangezogenen Rechtfertigungs­ norm – ebenso am zentralen Grundsatz ausrichten, dass die Beihilfenkontrolle der Kommission insgesamt den Wettbewerbsschutz bezweckt. Während dies in der Grundkonzeption der im Zuge der Beihilfenreform von 2005 neu eingeführten Abwägungsprüfung zum Ausdruck kommt, ist die Kommission gehalten, auch in der praktischen Umsetzung dieses Prüfungskonzepts die wettbewerblichen Aus­ wirkungen der mitgliedstaatlichen Infrastrukturförderung als zentrales Kriterium zu beachten. Der bisherige Ansatz der Kommission, die Abwägungsprüfung bei In­ frastrukturbeihilfen nicht als starre schematische Vorgabe aufzufassen, ist zur Be­ rücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls zwar grundsätzlich sinnvoll. Gleichzeitig darf die Untersuchung dabei jedoch nicht derart verkürzt werden, dass eine Analyse der wettbewerblichen Aspekte der mitgliedstaatlichen Infrastrukturmaßnahme nur noch einen Nebenaspekt der Prüfung darstellt. Darü­ ber hinaus zeigt sich die Prüfungspraxis der Kommission auf Vereinbarkeitsebene vielfach uneinheitlich, ohne dass hierfür eine tatsächlich stichhaltige Begründung

378

Kap. 5: Zusammenfassung und rechtspolitischer Ausblick

gefunden werden könnte. Im Zuge der Fortentwicklung der Fallpraxis sowie der Ausarbeitung weiterer sektorspezifischer Leitlinienvorgaben durch die Kommis­ sion deutet sich bereits an, dass die Untersuchungspraxis zukünftig stärker ver­ einheitlicht wird. Diese ersten Ansätze sollten fortentwickelt und optimalerweise in einem allgemeinen (nicht sektorspezifischen) Rahmen zur Überprüfung von Infrastrukturbeihilfen zusammengeführt werden. Dabei könnte auch der in den neuen Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013 zum Ausdruck kommende Gedanke be­ rücksichtigt werden, dass Infrastrukturinvestitionen regelmäßig ein weniger wett­ bewerbsschädliches Mittel zur allgemeinen Regionalentwicklung darstellen als eine unmittelbare mitgliedstaatliche Förderung produzierender Unternehmen.

Anhang: Thesenförmige Zusammenfassung Eine abstrakte, subsumtionsfähige Definition des Begriffs Infrastruktur wurde noch nicht gefunden und wäre aufgrund der Dynamik des Terminus auch über­ haupt nur eingeschränkt aufstellbar. Vielmehr ist Infrastruktur als ein übergreifen­ der beschreibender Begriff für Einrichtungen zu verstehen, welche im Gesamtwirt­ schaftssystem eine bestimmte Funktion erfüllen und dabei regelmäßig selbst über spezifische charakteristische ökonomische Eigenschaften verfügen. Mitgliedstaatliche Maßnahmen im Infrastrukturbereich können als wirtschafts­ politische Eingriffe mit dem Vorliegen eines allokativen Marktversagens begrün­ det werden (insbesondere aufgrund von Tendenzen zum Vorliegen von positiven externen Effekten und zur Ausbildung von natürlichen Monopolen). Des Wei­ teren können die Mitgliedstaaten auch Motive zur Beseitigung eines distributiven Marktversagens (fehlende Verteilungsgerechtigkeit) verfolgen. Der Infrastruktursektor nimmt in der Marktwirtschaft eine Sonderstellung ein. Um die Beeinflussung der Wettbewerbsverhältnisse durch mitgliedstaatliche Maß­ nahmen in diesem Bereich zu analysieren, ist zunächst eine differenzierte Betrach­ tung der verschiedenen Marktebenen erforderlich. Dabei sind die wichtigsten Ebe­ nen erstens die der Infrastrukturerrichtung, zweitens die des Infrastrukturbetriebs und drittens die der Infrastrukturdienstleistungen. Mit der Beihilfenreform von 2005 hat die Kommission unter der Vorgabe „weniger und besser ausgerichtete staatliche Beihilfen“ Ansätze für eine neue Beihil­ fenpolitik veröffentlicht. Wesentliche Grundüberlegungen darin entstammen dem Konzept einer verstärkten ökonomischen Betrachtung der Wettbewerbspolitik. Darüber hinaus versteht sich das Reformkonzept allerdings auch als Rahmen für eine zukünftige aktive Gestaltung der Beihilfenpolitik durch die Union. Rechtlich betrachtet umfasst die Beihilfenreform von 2005 kein in sich ge­ schlossenes Modell zur Neuausrichtung der Beihilfenkontrolle. Anknüpfungs­ punkte für die neue Beihilfenpolitik finden sich vielmehr an unterschiedlichen Stellen der Auslegung der Beihilfenvorschriften. Insbesondere mit der Einfüh­ rung der Abwägungsprüfung hat die Kommission dort eine prägnante Neuerung geschaffen. Die Union verfügt über keine Kompetenz zu einer allgemeinen Haushaltskon­ trolle der Mitgliedstaaten. Der Ansatz „weniger Beihilfen“ findet in den primär­ rechtlichen Bestimmungen der europäischen Verträge keine Grundlage. Das In­ strument der Beihilfenkontrolle darf von der Kommission ausschließlich zum Schutz des Wettbewerbs im Binnenmarkt eingesetzt werden. Eine an einer all­

380

Anhang: Thesenförmige Zusammenfassung

gemeinen Ausgabenkontrolle der Mitgliedstaaten orientierte Beihilfenrechtspraxis würde dagegen einen nicht gerechtfertigten Übergriff der Union in die Kompeten­ zen der Mitgliedstaaten bedeuten. Der Union kommt keine sachpolitische Kompetenz für eine eigenständige all­ gemeine Infrastrukturpolitik zu. Die Zuständigkeit für die Planung und Umsetzung von allgemeinen Infrastrukturvorhaben liegt allein bei den Mitgliedstaaten. Die Ausnahmen von der Annahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit bei der Er­ richtung und dem Betrieb von Infrastrukturen sind eng auszulegen. Die Bereitstel­ lung von Infrastrukturen kann weder pauschal als hoheitliche Tätigkeit der Mit­ gliedstaaten von den Wettbewerbsregeln ausgenommen werden noch in eine an den Gerichtsentscheidungen zu den mitgliedstaatlichen Sozialversicherungssyste­ men orientierte „dritte Kategorie“ eingeordnet werden. Die tatsächliche Kommissionspraxis zur Einordnung von Infrastrukturbetrei­ bern als Unternehmen ist unübersichtlich und noch wenig einheitlich. Insoweit wäre eine stärkere Ausrichtung der Abgrenzung an den ökonomischen Gegeben­ heiten der jeweiligen Infrastruktureinrichtungen wünschenswert. Sowohl die mitgliedstaatliche Unterstützung der Errichtung als auch des Be­ triebs von Infrastrukturen können nach neuerer Rechtsprechung eine beihilfenre­ levante selektive Begünstigung des Infrastrukturbetreibers im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen. Dies stellt eine Abkehr von der früheren Kommission­ praxis dar, nach der die Infrastrukturförderung als allgemeine wirtschaftspoli­ tische Maßnahme der Mitgliedstaaten nicht dem Beihilfentatbestand unterfiel. Hintergrund dieser Entwicklung sind die wirtschaftlichen Umbrüche im Infra­ strukturbereich seit den 1990er Jahren mit zunehmender Privatisierung von Infra­ strukturbetreibern und der steigenden Bedeutung privater Kapitalinvestitionen in Infrastruktureinrichtungen. Besondere Schwierigkeiten bei der Ermittlung von beihilfenrechtlichen Be­ günstigungen ergeben sich im Infrastrukturbereich dadurch, dass dort regel­ mäßig eine enge wirtschaftliche Verbindung zwischen verschiedenen Märkten und Marktebenen besteht. Dies führt zu dem Erfordernis der Überprüfung der indirek­ ten Auswirkungen einer konkreten Infrastrukturfördermaßnahme auf allen poten­ tiell betroffenen Begünstigtenebenen. Eine Ausnahme von der Annahme der Begünstigung eines Infrastrukturbetrei­ bers liegt vor, wenn sich der Mitgliedstaat bei der Gewährung der Infrastruktur­ förderung wie ein privater Investor verhalten hat. Im Rahmen des Private Investor Tests im Infrastrukturbereich sind die wirtschaftlichen Besonderheiten von Infra­ struktureinrichtungen etwa bei der Ermittlung des relevanten Investitionshorizonts eines hypothetischen Privatinvestors zu berücksichtigen. Der Altmark-Ausnahme kommt bei der beihilfenrechtlichen Beurteilung der mitgliedstaatlichen Infrastrukturförderung eine zentrale Rolle zu. Ob die mitglied­

Anhang: Thesenförmige Zusammenfassung

381

staatliche Förderung der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen einen Ausgleich für DAWI darstellt, untersucht die Kommission beim ersten AltmarkKriterium anhand von Elementen der auf Rechtfertigungsebene neu eingeführten Abwägungsprüfung. In vielen Fällen scheitert eine Anwendbarkeit der AltmarkAusnahme im Infrastrukturbereich an der Nichterfüllung der strengen Vorausset­ zungen der Kostenanalyse beim vierten Altmark-Kriterium, wenn vor Vergabe der Förderung vom Mitgliedstaat kein Ausschreibungsverfahren durchgeführt wurde. Das Merkmal der Wettbewerbsverfälschung bei Art. 107 Abs. 1 AEUV wurde traditionell in der Kommissionspraxis weit ausgelegt und regelmäßig nur kur­ sorisch untersucht. In Folge der Beihilfenreform von 2005 gab es Ansätze, diesem Tatbestandserfordernis eine neue Ausrichtung zu geben und es als Einfallstor für ökonomische Erwägungen in die Beihilfenkontrolle auszugestalten. Bei den beihilfenrechtlichen Entscheidungen zur mitgliedstaatlichen Infrastruk­ turförderung ist eine genaue Analyse des Vorliegens einer Wettbewerbsverfäl­ schung nicht nur zulässig, sondern sogar geboten. Aufgrund der begrenzten Zuständigkeiten der Union in der Infrastrukturpolitik ist ein Eingreifen der Kom­ mission in diesen Bereich nur dann mit der Kompetenzordnung vereinbar, wenn es nachweislich dem Schutz des Wettbewerbs im Binnenmarkt dient. Die Rechtspraxis hat bislang keine einheitliche Methodik zur beihilfenrecht­ lichen Marktabgrenzung entwickelt. Grundzüge lassen sich aus dem Europäischen Kartell- und Fusionskontrollrecht übernehmen. Diese sind für das Beihilfenrecht im Allgemeinen und die beihilfenrechtliche Überprüfung mitgliedstaatlicher Infra­ strukturvorhaben im Besonderen spezifisch anzupassen, um die Eigenheiten der wettbewerblichen Auswirkungen mitgliedstaatlicher Beihilfenvergaben in diesem Bereich abzubilden. Der Wettbewerbsbegriff ist bei Art. 107 Abs. 1 AEUV eng auszulegen und um­ fasst danach nur den Wettbewerb auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten. Andere Formen von Wettbewerb, insbesondere der für den Infrastrukturbereich bedeutende Standortwettbewerb zwischen verschiedenen Regionen oder Mitglied­ staaten, finden dagegen beim Wettbewerbsverständnis auf Tatbestandsebene des Beihilfenverbots keine Berücksichtigung. Die Rechtspraxis zur Anwendung der Zwischenstaatlichkeitsklausel des Art. 107 Abs. 1 AEUV zeigt sich uneinheitlich. Das bisherige Fehlen von feststehenden Be­ wertungsgrundsätzen führt hier zu einem erheblichen Maß an Rechtsunsicherheit. Die Zwischenstaatlichkeitsklausel stellt jedoch einen rechtspolitisch geeigneten Anknüpfungspunkt für eine zukünftige stärkere Vereinheitlichung der Kommis­ sionsrechtspraxis zur beihilfenrechtlichen Bewertung der mitgliedstaatlichen In­ frastrukturförderung dar. Art.  107 Abs.  3 lit. c) AEUV hat als zentrale Rechtfertigungsnorm für Infra­ strukturbeihilfen durch die Beihilfenreform von 2005 eine neue Ausgestaltung er­ fahren, insbesondere durch die Einführung der Abwägungsprüfung. Diese hat sich

382

Anhang: Thesenförmige Zusammenfassung

auch in den seit dieser Zeit veröffentlichten sektorspezifischen Leitlinien für ver­ schiedene Infrastrukturarten niedergeschlagen. Das Kriterium des Marktversagens auf der ersten Stufe der Abwägungsprüfung ist in Einklang mit den primärrechtlichen Bestimmungen grundsätzlich weit aus­ zulegen und umfasst damit sowohl Formen allokativen Marktversagens wie auch distributive Erwägungen der Mitgliedstaaten. Dagegen stellt das Bestehen von Marktmacht als Unterart eines allokativen Marktversagens für sich allein keinen hinreichenden Rechtfertigungsgrund für eine mitgliedstaatliche Beihilfenvergabe dar. Auf der zweiten Stufe der Abwägungsprüfung erweist sich die neu eingeführte strenge Erforderlichkeitsuntersuchung mitgliedstaatlicher Infrastrukturbeihilfen als kompetentiell bedenklich. Sie ist von der Zuständigkeit der Union gedeckt, soweit die Kommission sicherstellt, dass die Prüfung im Einzelfall primär dem Schutz des Wettbewerbs dient. Darüber hinausgehende Motive – etwa die Verringerung des mitgliedstaatlichen Ausgabenvolumens oder die Koordinierung der Infrastruk­ turpolitiken der Mitgliedstaaten – darf die Kommission im Rahmen ihrer Unter­ suchung dagegen nicht verfolgen. Die abschließende Gesamtabwägung der Kommission auf der dritten Stufe der Abwägungsprüfung ist von der Schwierigkeit geprägt, dass eine präzise Quanti­ fizierung der positiven und der negativen wettbewerblichen Auswirkungen einer mitgliedstaatlichen Beihilfengewährung kaum möglich ist. Die Gesamtabwägung im Infrastrukturbereich erweist sich eher als allgemeine Diskussion der einzel­ nen Effekte der Beihilfenmaßnahme denn als tatsächliche juristisch-ökonomische Analyse. Die Rechtspraxis der Kommission zur Genehmigung von Infrastrukturbeihilfen nach Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV zeigt, dass die Untersuchungen letztlich viel­ fach allgemein gehalten sind und nur wenige Elemente der umfassenden theore­ tischen Diskussion zur Abwägungsprüfung aufgreifen. Des Weiteren entwickelte die Kommission über die vergangenen Jahre hinsichtlich einzelner Infrastruktur­ arten zwar relativ einheitliche Untersuchungsmuster, die jedoch in ihrer Gesamt­ heit im Infrastrukturbereich nicht gänzlich konsistent sind. Die Leitlinien für Regionalbeihilfen 2013 umfassen ausdrückliche Regelun­ gen für ihre Anwendung auf die mitgliedstaatliche Förderung verschiedener Infra­strukturarten. Diese können eine Auslegungshilfe für die Anwendung der Abwägungsprüfung auch im Rahmen des Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV insgesamt sein. Nach der jüngeren Rechtspraxis der Kommission findet Art. 93 AEUV auf die Rechtfertigung der mitgliedstaatlichen Förderung von Landverkehrsinfrastruktu­ ren unmittelbar Anwendung. Die einzelnen Untersuchungsschritte sind bei dieser Bestimmung weniger strikt ausgestaltet als bei der im Rahmen des Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV vorgenommenen Abwägungsprüfung der Kommission.

Anhang: Thesenförmige Zusammenfassung

383

Art. 106 Abs. 2 AEUV hat auch nach der Altmark-Entscheidung des Gerichts­ hofs einen eigenen Anwendungsbereich für die Rechtfertigung mitgliedstaat­ licher Infrastrukturbeihilfen zugunsten von DAWI. Die Kriterien der AltmarkTatbestandsausnahme und von Art.  106 Abs.  2 AEUV überschneiden sich zwar in einigen Punkten, weichen bei der Ermittlung einer möglichen Überkompensa­ tion allerdings voneinander ab. Insoweit können auch Maßnahmen nach Art. 106 Abs. 2 AEUV gerechtfertigt werden, die nicht die Voraussetzungen des vierten Altmark-Kriteriums erfüllen. Die Beihilfen-GVO 2014 umfasst eine Reihe von Regelungen zur generellen Vereinbarkeit von verhältnismäßig niedrigen Beihilfenbeträgen für bestimmte Ar­ ten von Infrastrukturen sowie für „lokale Infrastrukturen“ mit dem Binnenmarkt. Sie stellt damit einen wichtigen Schritt für eine stärkere Priorisierung der Beihil­ fenkontrolle auf besonders wettbewerbsschädliche mitgliedstaatliche Beihilfen im Infrastrukturbereich dar. Die wichtigsten rechtspolitischen Forderungen für die zukünftige Anwen­ dung der Beihilfenvorschriften auf den Infrastrukturbereich knüpfen an folgende Aspekte an: eine einheitlichere und konsequentere Ausgestaltung der Kommis­ sionspraxis sollte erreicht werden, eine stringente Untersuchung der Auswirkun­ gen von Infrastrukturbeihilfen auf alle Marktebenen sollte eingeführt werden, eine stärkere Fokussierung sollte auf das Merkmal der Wettbewerbsverfälschung auf Tatbestandsebene gelegt werden und eine zentrale Ausrichtung der Rechtfer­ tigungsprüfung am Ziel des Wettbewerbsschutzes sollte erfolgen.

Literaturverzeichnis Abegg, Christof: Liberalisierung von Netzsektoren: Auswirkungen auf die Unternehmen im Schweizer Alpenraum, Zürich 2005. Albers, Michael: Der „more economic approach“ bei Verdrängungsmissbräuchen: Zum Stand der Überlegungen der Europäischen Kommission, Brüssel 2006. Abrufbar unter: http:// ec.europa.eu/competition/antitrust/art82/albers.pdf [Stand: 25.02.2016]. Almunia, Joaquín: Modernising State Aid Control. Rede anlässlich: European Economic and Social Committee – Plenary Meeting, Brüssel, 23.02.2012, Nr. SPEECH/12/117. Abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-12–117_en.pdf [Stand: 25.02.2016]. Alram, Johannes: Post-Merger-Netzwerk-Integration aus der Sicht von Belly-Fracht am Bei­ spiel der Lufthansa, Austrian Airlines und Swiss: Europäischer Luftfrachtmarkt, Recht und Wettbewerb, Strategie, Kostenfunktion, Netzwerk-Gestaltung und Modell zur Optimierung der Flugrouten im Kontext von Belly-Fracht, Kassel 2011. Arhold, Christoph: European Airline Wars: German Courts Divided over Actions against LowCost carriers, EStAL 2008, S. 31–47. Arndt, Christian: Der „More Economic Approach“ in der EU-Fusionskontrolle: Entwicklung, konzeptionelle Grundlagen und kritische Analyse, Frankfurt am Main u. a. 2008. Bartosch, Andreas: Die Kommissionspraxis nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Alt­ mark – Worin liegt das Neue?, EuZW 2004, S. 295–301. – Wettbewerbsverzerrungen auf den Märkten für den Betrieb und die Nutzung von Flughafen­ infrastrukturen, WuW 2005, S. 1122–1134. – The more refined economic approach  – still some room for fine-tuning?, EStAL 2007, S. 587–588. – Der „More Economic Approach“ in der Entscheidungspraxis der Europäischen Kommis­ sion in Beihilfesachen, RIW 2007, S. 681–690. – EU-Beihilfenrecht: Kommentar; Art.  86–89 EGV, De-minimis-Verordnung, Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung sowie Verfahrensverordnung, München 2009. Zitiert als: Bartosch, EU-Beihilfenrecht. – On Spirits and How Difficult it Has Become to Get Rid of Them?, EStAL 2011, S. 747–748. Baumann, Karsten: Private Luftfahrtverwaltung: die Delegation hoheitlicher Befugnisse an Private und privatrechtsförmig organisierte Verwaltungsträger im deutschen Luftverkehrs­ recht, Köln u. a. 2002. Baumgart, Jörg-Klaus: Die Zurückweisung der Verfassungsbeschwerden gegen Maßnahmen zur Griechenlandhilfe und zum Euro-Rettungsschirm, NJ 2011, S. 450–454. Baumol, William Jack: On the Proper Cost Tests for Natural Monopoly in a Multiproduct In­ dustry, The American Economic Review Vol. 67, No. 5 (Dec. 1977), S. 809–822.

Literaturverzeichnis

385

Baumol, William Jack/Panzar, John Clifford/Willig, Robert Daniel: Contestable markets and the theory of industry structure, New York u. a. 1988. Zitiert als: Baumol/Panzar/Willig, Contestable Markets. Bechtold, Rainer/Bosch, Wolfgang: Kartellgesetz: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§§ 1–96, 130, 131), Kommentar, 8. Aufl., München 2015. Berschin, Felix: Daseinsvorsorge durch Wettbewerb: der öffentliche Verkehr zu Lande im Markt, Heidelberg 2000. Birnstiel, Alexander/Bungenberg, Marc/Heinrich, Helge (Hrsg.): Europäisches Beihilfenrecht, Baden-Baden 2013. Zitiert als: Bearbeiter, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, EU-Beihil­ fenrecht. BITKOM (Ersteller): Comments on the Draft Community Guidelines for the Application of State Aid Rules in Relation to Rapid Deployment of Broadband Networks, Berlin 2009. Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/consultations/2009_broadband_guidelines/ bitkom_en.pdf [Stand: 25.02.2016]. Bogs, Eckhard: Die Planung transeuropäischer Verkehrsnetze, Berlin 2002. Bonin, Andreas von: Aktuelle Fragen des Beihilferechts bei Privatisierungen, EuZW 2013, S. 247–252. Bornkamm, Joachim/Montag, Frank/Säcker, Franz Jürgen (Hrsg.): Münchener Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht, Kartellrecht, Missbrauchs- und Fusions­ kontrolle, Bd. 1: Europäisches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl., München 2015. Zitiert als: Bearbeiter, in: MüKo WettbR, Bd. 1. Brevern, Daniel von/Grafunder, René: No Clarity Provided  – European Courts Review the Concept of Indirect State Aid: Comment on the Judgments of the General Court (Second Chamber) of 15 June 2010 (T-177/07) and of the Court of Justice (Third Chamber) of 28 July 2011 (C-403/10 P) – Mediaset v Commission, EStAL 2012, S. 201–207. Breyer, Friedrich/Kolmar, Martin: Grundlagen der Wirtschaftspolitik, 3.  Aufl., Tübingen 2010. Britz, Gabriele: Vom Europäischen Verwaltungsverbund zum Regulierungsverbund? Euro­ päische Verwaltungsentwicklung am Beispiel der Netzzugangsregulierung bei Telekom­ munikation, Energie und Bahn, EuR 2006, S. 46–77. Broemel, Roland: Strategisches Verhalten in der Regulierung: zur Herausbildung eines Markt­ gewährleistungsrechts in den Netzwirtschaften, Tübingen 2010. Bruckenberger, Ernst/Klaue, Siegfried/Schwintowski, Hans-Peter: Krankenhausmärkte zwi­ schen Regulierung und Wettbewerb, Berlin u. a. 2006. Zitiert als: Bearbeiter, in: Brucken­ berger/Klaue/Schwintowski, Krankenhausmärkte zwischen Regulierung und Wettbewerb. Brümmerhoff, Dieter: Finanzwissenschaft, 10. Aufl., München 2011. Buelens, Christian/Garnier, Gaelle/Meiklejohn, Roderick/Johnson, Matthew: The Economic Analysis of State Aid: Some open questions, European Economy, Economic Papers Nr. 286, Brüssel 2007. Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/publication 9549_en.pdf [Stand: 25.02.2016].

386

Literaturverzeichnis

Buendia Sierra, Jose Luis/Smulders, Ben: The Limited Role of the ‚Refined Economic Ap­ proach‘ in Achieving the Objectives of State Aid Control: Time for Some Realism, in: Flett, James (Hrsg.): EC State Aid Law, Le Droit des Aides d’Etat dans la CE, Liber Amicorum Francisco Santaolalla Gadea, Alphen aan den Rijn 2008, S. 1–26. Bühner, Arnd/Sonder, Nicolas: Die Finanzierung von Sozialdienstleistungen nach den neuen Regelungen des EU-Beihilfenrechts über Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaft­ lichem Interesse („Almunia“-Paket), NZS 2012, S. 688–694. Buhr, Walter: What is Infrastructure? Discussion Paper No. 107–03, Universität Siegen, Siegen 2003. Abrufbar unter: http://www.wiwi.uni-siegen.de/vwl/research/diskussionsbeitraege/ pdf/107–03.pdf [Stand: 25.02.2016]. Bührle, Folko: Gründe und Grenzen des „EG-Beihilfenverbots“: Art. 87 Abs. 1 EG-Vertrag: eine europäische Norm im Spannungsfeld von ökonomischer Rationalität und staatlichem Gestaltungsanspruch, Tübingen 2006. Bull, Hans-Peter: Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Aufl., Kronberg/Ts. 1977. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Deutschland) (Hrsg.): Breitbandstrategie der Bundesregierung, Berlin 2009. Abrufbar unter: http://www.bmwi.de/Dateien/BBA/ PDF/breitbandstrategie-der-bundesregierung,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de, rwb=true.pdf [Stand: 25.02.2016]. Bunte, Hermann-Josef/Welfens, Paul J. J.: Wettbewerbsdynamik und Marktabgrenzung auf Tele­kommunikationsmärkten: juristisch-ökonomische Analyse und rationale Regulierungs­ optionen für Deutschland, Berlin u. a. 2002. Burchard, Friedrich von: Trans-European Energy Networks, in: von Burchard, Friedrich/ Eckert, Lutz (Hrsg.): Natural Gas and EU Energy Law, Baden-Baden 1995, S. 71–83. Zitiert als: von Burchard, in: von Burchard/Eckert, Natural Gas and EU Energy Law. Burgi, Martin: Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe: Staatsaufgabendogmatik, Phä­ nomenologie, Verfassungsrecht, Tübingen 1999. Zitiert als: Burgi, Funktionale Privatisie­ rung. – Die Zukunft des Vergaberechts, NZBau 2009, S. 609–615. Caesperlein, Toni: Verkehrsinfrastruktur und Immobilienwerte: konzeptionelle, methodische und empirische Aspekte von monetären Bewertungsverfahren, München 2011. Calliess, Christian: Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union: Vor­ gaben für die Anwendung von Art 3b EGV am Beispiel der gemeinschaftlichen Wett­ bewerbs- und Umweltpolitik, Baden-Baden 1996. Zitiert als: Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der EU. Calliess, Christian/Ruffert, Matthias (Hrsg.): EUV/EGV: das Verfassungsrecht der Europä­ ischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta; Kommentar, 4. Aufl., München 2011. Zitiert als: Bearbeiter, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV. Cansier, Dieter/Bayer, Stefan: Einführung in die Finanzwissenschaft: Grundfunktionen des Fiskus, München u. a. 2003. Cardona, Melisande/Schwarz, Anton/Yurtoglu, Burcin/Zulehner, Christine: Demand Estima­ tion and Market Definition for Broadband Internet Services, Journal of Regulatory Econo­ mics 2009, S. 70–95.

Literaturverzeichnis

387

Clarke, Ian: The Role of Procurement and SGEI After Altmark, in: Szyszczak, Erika/van de Gronden, Johan Willem (Hrsg.): Financing Services of General Economic Interest: Reform and Modernization, The Hague 2013, S. 69–84. Zitiert als: Clarke, in: Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Economic Interest. Collie, David R.: State Aid in the European Union: The Prohibition of Subsidies in an Inte­ grated Market, International Journal of Industrial Organization Vol. 18 (2000), S. 867–884. Coppi, Lorenzo: The Role of Economics in State Aid Analysis and the Balancing Test, in: Szyszczak, Erika: Research Handbook on European State Aid Law, Cheltenham u. a. 2011, S. 64–89. Zitiert als: Coppi, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid. Coppieters, Sandra: The Financing of Public Service Broadcasting, in: Biondi, Andrea/Eeck­ hout, Piet/Flynn, James (Hrsg.): The Law of State Aid in the European Union, Oxford 2004, S. 265–280. Cranfield University (Hrsg.): Study on Competition between Airports and the Application of State Aid Rules – Final Report, Vol. 1, Cranfield 2002. Cruz, Carlos Oliveira/Marques, Rui Cunha: Infrastructure Public-Private Partnerships: Deci­ sion, Management and Development, Berlin u. a. 2013. Dauses, Manfred A. (Hrsg.): Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 34. Ergänzungslieferung, München 2013. Zitiert als: Bearbeiter, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht. Deuster, Jan: Ausgleichszahlungen für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem In­ teresse: das Verhältnis von Art. 87 Abs. 1 EG zu Art. 86 Abs. 2 EG nach der Altmark TransRechtsprechung unter besonderer Berücksichtigung der öffentlichen Finanzierung des Luft­ verkehrs, Berlin 2007. Dewatripont, Mathias/Seabright, Paul: „Wasteful“ Public Spending and State Aid Control, The Journal of the European Economic Association 2006, Vol. 4, Issue 2–3, S. 513–522. Dewenter, Ralf/Haucap, Justus: Die Liberalisierung der Telekommunikationsbranche in Deutsch­ land: bisherige Erfolge und weiterer Handlungsbedarf, Hamburg 2004. Dolde, Klaus-Peter/Porsch, Winfried: Öffentliche Finanzierung von Infrastrukturanlagen und europäisches Wettbewerbsrecht, ZLW 2004, S. 3–22. Donat, Christoph von: IÖPP zwischen Vergaberecht und EU-Beihilferecht, EuZW 2010, S. 812–817. Dreher, Meinrad: Die Verweigerung des Zugangs zu einer wesentlichen Einrichtung als Miss­ brauch der Marktbeherrschung, DB 1999, S. 833–839. Dreher, Meinrad/Motzke, Gerd (Hrsg.): Beck’scher Vergaberechtskommentar: GWB 4. Teil, VgV, SektVO, VOB Teil A, 2. Aufl., München 2013. Zitiert als: Bearbeiter, in: Dreher/ Motzke, Vergaberecht. Edwards, Geoff/Sorana, Valter: Indirect Constraints and Captive Sales: Overview of Regulatory Practice and Competition Case Law with regard to Indirect Constraints and Captive Sales in Market Definition and Market Power Assessment, prepared by CRA International for Of­ com in May 2006, London 2006. Abrufbar unter: http://www.crai.com/ecp/assets/Indirect_ constraints_and_captive_sales.pdf [Stand: 25.02.2016].

388

Literaturverzeichnis

Ehle, Dirk: EuGH: Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 26.11.1998, Rs. C-7/97 – Bronner, EuZW 1999, S. 86–89. Ehlermann, Claus-Dieter: State Aid Control in the European Union: Success or Failure?, Ford­ ham Int. Law Jnl. 1994–1995, S. 1212–1229. Ehlers, Dirk/Fehling, Michael/Pünder, Hermann (Hrsg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1: Öffentliches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl., Heidelberg u. a. 2012. Zitiert als: Bearbeiter, in: Eh­ lers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1. Emmerich, Volker: Kartellrecht, 13. Aufl., München 2014. Ensthaler, Jürgen/Bock, Leonie: Verhältnis zwischen Kartellrecht und Immaterialgüterrecht am Beispiel der Essential-facility-Rechtsprechung von EuGH und EuG, GRUR 2009, S. 1–6. Evans, Andrew/Martin, Stephen: Socially Acceptable Distortion of Competition: Community Policy on State Aid, EL Rev 1991, S. 79–111. Ewers, Hans-Jürgen/Botzenhart, Konrad/Jekel, Martin/Salzwedel, Jürgen/Kraemer, Andreas: BMWi-Forschungsvorhaben (11/00): Optionen, Chancen und Rahmenbedingungen einer Marktöffnung für eine nachhaltige Wasserversorgung, Endbericht, Juli 2001. Abrufbar un­ ter: http://unser-wasser.de/pdf/EWERS-Gutachten.pdf [Stand: 25.02.2016]. Farley, Martin: The Role of Economics-based Approaches when Analysing Effects on Trade and Distortions of Competition after Wam, EStAL 2010, S. 369–374. Fesenmair, Joseph: Öffentliche Dienstleistungsmonopole im europäischen Recht – eine juris­ tisch-ökonomische Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Theorie der natürlichen Monopole, Berlin 1996. Fetzer, Thomas: Staat und Wettbewerb in dynamischen Märkten: eine juristisch-ökonomische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der sektorspezifischen Telekommunika­ tionsregulierung in Deutschland und den USA, Tübingen 2013. Zitiert als: Fetzer, Staat und Wettbewerb in dynamischen Märkten. Fingleton, John/Ruane, Frances/Ryan, Vivienne: Market Definition and State Aid Control, in: Europäische Kommission (Hrsg.): European Economy Nr. 3/1999, Brüssel 1999, S. 65–88. Zitiert als: Fingleton/Ruane/Ryan, in: European Economy 3/1999. Forsthoff, Ernst: Die Verwaltung als Leistungsträger, Stuttgart u. a. 1938. Zitiert als: Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger. – Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, Stuttgart 1959. Zitiert als: Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung. Frenzel, Eike Michael: Die Änderungen des Eisenbahnrechts nach der AEG-Novelle 2005 – Zugleich Anschauungsunterricht zur Gesetzgebungspraxis des Bundes, NZV 2006, S. 57–63. Frey, René L.: Infrastruktur: Grundlagen der Planung öffentlicher Investitionen, 2.  Aufl., Tübin­gen u. a. 1972. Friederiszick, Hans W./Röller, Lars-Hendrik: Using Economic Analysis to Assess R & D & I State Aid Measures, EStAL 2007, S. 592–604.

Literaturverzeichnis

389

Friederiszick, Hans W./Röller, Lars/Verouden, Vincent: EC State Aid Control: An Economic Perspective, in: Sánchez Rydelski, Michael (Hrsg.): The EC State Aid Regime: Distortive Effects of State Aid on Competition and Trade, London 2006, S. 145–182. Zitiert als: Friederiszick/Röller/Verouden, in: Sanchez-Rydelski, The EC State Aid Regime. – European State Aid Control: An Economic Framework, in: Buccirossi, Paolo: Handbook of Antitrust Economics, Cambridge (Massachusetts) 2008, S. 625–669. Zitiert als: Friederiszick/Röller/Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics. Friedman, Milton: Capitalism and Freedom: Fortieth Anniversary Edition, Chicago u. a. 2002. Fritsch, Michael: Marktversagen und Wirtschaftspolitik: mikroökonomische Grundlagen staat­ lichen Handelns, 9. Aufl., München 2014. Froeb, Luke M./Werden, Gregory J.: The Reverse Cellophan Fallacy in Market Delineation, RIO 1992, S. 241–247. Gaßner Otto: Europa und das Zusammenspiel von Markt und Daseinsvorsorge, KommJur 2007, S. 129–133. Giesberts, Ludger/Kleve, Guido: „Private Investor Test“ im EG-Beihilfenrecht – Das RyanairUrteil des EuG, EuZW 2009, S. 287–289. – Anwendung des EU-Beihilfenrechts auf Finanzierungen von Infrastrukturanlagen. Das Ur­ teil des EuGH i. S. d. Flughafen Leipzig/Halle vom 19. Dezember 2012, ZLW2013. S.62–74. Giesen, Richard: Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag – eine Untersuchung am Beispiel der gesetzlichen Unfallversicherung in der Bundesrepublik Deutschland, Baden-­Baden 1995. Gottschewski, Martina: Zur rechtlichen Durchsetzung von europäischen Straßen, Berlin 1998. Götz, Volkmar: Recht der Wirtschaftssubventionen, München u. a. 1966. Grabitz, Eberhard (Begr.)/Hilf, Meinhard/Nettesheim, Martin (Hrsg.): Das Recht der Euro­ päischen Union, Bd.  1: EUV/EGV, 57. Ergänzungslieferung, München 2015. Zitiert als:­ Bearbeiter, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 1. – Das Recht der Europäischen Union, Bd. 2: EUV/EGV, 57. Ergänzungslieferung, München 2015. Zitiert als: Bearbeiter, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, Bd. 2. Graf, Gerhard: Regulierung und innovatorische Prozesse, Jahrbuch für Sozialwissenschaft 1981, S. 311–345. Grigolon, Laura/Leheyda, Nina/Verboven, Frank: Public Support for the European Car Indus­ try: An Integrated Analysis, Discussion Paper No. 12–077 der Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW), Mannheim 2012. Abrufbar unter: http://www.zew.de/ de/publikationen/publikation.php3?action=detail&nr=6828 [Stand: 25.02.2016]. Groeben, Hans von der/Schwarze, Jürgen (Hrsg.): Kommentar zum Vertrag über die Europä­ ische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Bd. 3: Art. 98–188 EGV, 6. Aufl., Baden-Baden 2003/2004. Zitiert als: Bearbeiter, in: von der Groeben/Schwarze, EGV/EUV, 6. Aufl.. Groeben, Hans von der/Schwarze, Jürgen/Hatje, Armin (Hrsg.): Europäisches Unionsrecht: Ver­ trag über die Europäische Union, Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Bd. 3: Art. 106 bis 173 AEUV, 7. Aufl., Ba­ den-Baden 2015. Zitiert als: Bearbeiter, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Unionsrecht.

390

Literaturverzeichnis

Groth, Axel: Die Dienstleistungskonzession im europäischen Vergabe- und Beihilfenrecht, Frankfurt a. M. 2010. große Siemer, Stephan: Die kommunale Wirtschaftsförderung und die Regionalpolitik der Europäischen Gemeinschaften: eine Untersuchung der Stellung der Kommunen in der Re­ gionalpolitik der Europäischen Gemeinschaften und der Grenzen der kommunalen Wirt­ schaftsförderung, Köln 1993. Gröteke, Friedrich/Heine, Klaus: Beihilfenkontrolle und Standortwettbewerb: „Institutionelle Rigiditäten“ als Rechtfertigung für die Vergabe einer Beihilfe, WuW 2003, S. 257–265. Häberle, Peter: Verfassungsstaatliche Staatsaufgabenlehre, AöR 1986, S. 595–611. Hattig, Oliver/Ruhland, Bettina: Die Rechtsfigur der Dienstleistungskonzession, NZBau 2005, S. 626–630. Haucap, Justus: Regionalbeihilfen bei Unternehmensneuansiedlungen im Lichte eines stär­ ker ökonomisch fundierten Ansatzes, in: Oberender, Peter (Hrsg.): Der „more economic ap­ proach“ in der Beihilfenkontrolle, Berlin 2008, S. 107–127. Zitiert als: Haucap, in: Oberen­ der, More Economic Approach. – Trennung von Netz und Betrieb bei kommunalen Versorgungsunternehmen?, in: Gesell­ schaft für öffentliche Wirtschaft (Hrsg.): Trennung von Infrastruktur und Betrieb  – Kö­ nigsweg öffentlicher Aufgabenerledigung?, Berlin 2008, S.  5–41. Abrufbar unter: http:// www.bvoed.de/assets/files/downloads/Beitraege/Heft_28.pdf [Stand: 25.02.2016]. Zitiert als: Haucap, in: Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Trennung von Infrastruktur und Betrieb. Haucap, Justus/Schwalbe, Ulrich: Economic Principles of State Aid Control, Düsseldorf Insti­ tute for Competition Economics – Discussion Paper No. 17, Düsseldorf 2011. Abrufbar un­ ter: http://www.dice.hhu.de/fileadmin/redaktion/Fakultaeten/Wirtschaftswissenschaftliche_ Fakultaet/DICE/Discussion_Paper/017_Haucap_Schwalbe.pdf [Stand: 25.02.2016]. Zitiert als: Haucap/Schwalbe, Economic Principles of State Aid Control. Heidenhain, Martin: Mittelbare Beihilfen, EuZW 2007, S. 623–626. – (Hrsg.): European State Aid Law, München 2010. Zitiert als: Bearbeiter, in: Heidenhain, European State Aid Law. Hermes, Georg: Staatliche Infrastrukturverantwortung: Rechtliche Grundstrukturen netzgebun­ dener Transport- und Übertragungssysteme zwischen Daseinsvorsorge und Wettbewerbs­ regulierung am Beispiel der leitungsgebundenen Energieversorgung in Europa, Tübingen 1998. Heuermann, Caroline: Intermodale Wettbewerbsdynamik im europäischen Personenverkehr: Bestimmungsfaktoren des Wettbewerbs zwischen Schienen- und Luftverkehrsanbietern so­ wie strategische Implikationen für Bahnunternehmen, Köln 2007. Heymann, Eric/Vollenkemper, Jan: Ausbau von Regionalflughäfen: Fehlallokation von Res­ sourcen, Deutsche Bank Research, Aktuelle Themen Nr. 337 (2005), Frankfurt am Main 2005. Abrufbar über die Suchfunktion auf http://www.dbresearch.de/ [Stand: 25.02.2016]. Hildebrand, Doris: Der „more economic approach“ in der Wettbewerbspolitik, Dynamik und Ausblick, WuW 2005, S. 513–520.

Literaturverzeichnis

391

Hirsbrunner, Simon/Litzenberger, Ines: Ein bisschen Almunia im Monti-Kroes-Paket?, EuZW 2011, S. 742–746. Hirschman, Albert O.: The Strategy Of Economic Development, New Haven 1958. Hobe, Stephan/Seidenspinner, Angela: Infrastrukturbeihilfen am Beispiel deutscher Verkehrs­ flughäfen und der Unternehmensbegriff des europäischen Beihilfenrechts, Köln 2010. Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/consultations/2011_aviation_guidelines/ university_koeln_de.pdf [Stand: 25.02.2016]. Hochbaum, M.: Das Diskriminierungs- und Subventionsverbot in der EGKS und EWG, Ba­ den-Baden/Bonn 1962. Hohmann, Holger: Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen: eine Untersuchung der allgemeinen Zugangsregelung zu Netzen und anderen Infrastruk­ tureinrichtungen gem. § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB unter Berücksichtigung US-amerikanischer, europäischer und sektorspezifischer Erfahrungen, Baden-Baden 2001. Holznagel, Bernd/Deckers, Sebastian/Schramm, Marc: Erschließung des ländlichen Raums mit Breitband: Die Leitlinien der Kommission zum Breitbandausbau, NVwZ 2010, S. ­1059–1065. Hoppe, Heidrun C./Pfähler, Wilhelm: Ökonomie der Grundlagenforschung und Wissenschafts­ politik, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2001, S. 125–144. Hoppmann, Erich: Marktmacht und Wettbewerb: Beurteilungskriterien und Lösungsmöglich­ keiten; Vortrag gehalten am 25.2.1977 auf dem 10. FIW-Symposion in Innsbruck, Tübin­ gen 1977. Horlacher, Felix: Kultursubventionen: Begründungen öffentlicher Kulturförderung und ziel­ gerechte Ausgestaltung von Kultursubventionen, mit besonderer Berücksichtigung der Zür­ cher Kulturpolitik, Bern u. a. 1984. Hösch, Ulrich: Die kommunale Wirtschaftstätigkeit: Teilnahme am wirtschaftlichen Wett­ bewerb oder Daseinsvorsorge, Tübingen 2000. Hünnekens, Georg: Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, Köln u. a. 1995. Immenga, Ulrich: Ökonomie und Recht in der europäischen Wettbewerbspolitik, ZWeR 2006, S. 246–365. Immenga, Ulrich/Mestmäcker, Ernst-Joachim (Hrsg.): Wettbewerbsrecht, Bd. 1: EU/Teil 1 und 2, 5. Aufl., München 2012. Zitiert als: Bearbeiter, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbs­ recht: EU. – (Hrsg.): Wettbewerbsrecht, Bd. 2: GWB, 5. Aufl., München 2014. Zitiert als: Bearbeiter, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB. Inderst, Roman/Valletti, Tommaso: Market Analysis in the Presence of Indirect Constraints and Captive Sales, JCLE 2006, S. 203–231. Industry Commission (Australia) (Hrsg.): Submission to the NCC on the National Access Re­ gime: A Draft Guide to Part IIIA of the Trade Practices Act, Belconnen 1997. Abrufbar un­ ter: http://www.pc.gov.au/__data/assets/pdf_file/0014/9050/ncc.pdf [Stand: 25.02.2016]. Jaeger, Thomas: Systemfragen des More Economic Approach im Beihilferecht, WuW 2008, S. 1064–1077.

392

Literaturverzeichnis

– Vier Jahre Beihilfereform Eine Bilanz, EuZW 2010, S. 47–53. Janda, Agnes Emilie: Ökonomische Reformoptionen zur Weiterentwicklung des deutschen Trinkwasserversorgungsmarktes, Bochum 2012. Jarass, Lorenz (Hrsg.): Bodenbelastung durch die Flächeninanspruchnahme von Infrastruktur­ maßnahmen: Erhebung, Bewertung und Steuerungsmöglichkeiten – dargestellt am Beispiel von Hochspannungsleitungen; Dokumentation des Symposiums am 5./6. Mai 1988 an der Fachhochschule Wiesbaden/Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung. Im Auftrag des Bundesministeriums für Forschung und Technologie durchgeführt von der ATW-Forschung, Wiesbaden, Bonn 1989. Jennert, Carsten: Wirtschaftliche Tätigkeit als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des euro­ päischen Wettbewerbsrechts, WuW 2004, S. 37–47. Jennert, Carsten/Eitner, Sebastian: EU-Beihilferecht und Seehafeninfrastruktur, EuZW 2013, S. 414–419. Jennert, Carsten/Manz, Tobias: EU-Beihilfenrechtliche Risiken in der kommunalen Praxis  – Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Notifizierungspflicht und Haftungsrisiken der Ge­ schäftsführung kommunaler Unternehmen (Teil 2), KommJur 2009, S. 367–373. Jennert, Carsten/Pauka, Marc: EU-Beihilfenrechtliche Risiken in der kommunalen Praxis  – Einführung und Darstellung typischer Sachverhalte im kommunalen Alltag mit Bezug zum Europäischen Beihilferecht (Teil 1), KommJur 2009, S. 321–330. Jochimsen, Reimut: Theorie der Infrastruktur, Tübingen 1966. Jung, Christian/Deuster, Jan: Einfacher, klarer, verhältnismäßiger? Das neue EU-Beihilfen­ paket für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, BRZ 2012, S. ­24–67. Kallfaß, Hermann: Räumlicher Wettbewerb zwischen Allgemeinen Krankenhäusern, Diskus­ sionspapier, Ilmenau 2006. Abrufbar unter: http://www.db-thueringen.de/servlets/Derivate­ Servlet/Derivate-8179/050/Diskussionspapier_Nr_50.pdf [Stand 01.03.2016]. Kämmerer, Jörn Axel: Privatisierung: Typologie – Determinanten – Rechtspraxis – Folgen, Tü­ bingen 2001. Zitiert als: Kämmerer, Privatisierung. – Strategien zur Daseinsvorsorge  – Dienste im allgemeinen Interesse nach der „Altmark“Entscheidung des EuGH, NVwZ 2004, S. 28–34. Kap-Herr, Katarina von: Weitere Entwicklungen des Port-Package bis Ende Juni 2003, in: La­ goni, Rainer (Hrsg.): Deutsche Seehäfen: Hafenwettbewerb, Hafensicherheit, Schiffsent­ sorgung, Münster 2004, S. 33–38. Zitiert als: von Kap-Herr, in: Lagoni, Deutsche Seehäfen. Karagiannis, Nikolaos/Madjd-Sadjadi, Zagros: Modern State Intervention in the Era of Globa­ lization, Cheltenham u. a. 2007. Karpenstein, Ulrich/Schiller, Gernot: Infrastrukturbeihilfen in der Praxis der EU-Kommission, ZHR 172 (2008), S. 81–114. Kaupa, Clemens: The More Economic Approach – a Reform Based on Ideology?, EStAL 2009, S. 311–322. Kekelekis, Mihalis: Recent Developments in Infrastructure Funding: When Does It Not Consti­ tute State Aid?, EStAL 2011, S. 433–444.

Literaturverzeichnis

393

Keppenne, Jean-Paul: Les Aides d’Etat dans le Secteur Portuaire, in: van Hooydonk, Eric (Hrsg.): European Seaports Law: the Regime of Ports and Port Services under European Law and the Ports Package, Antwerpen u. a. 2003, S. 251–274. Zitiert als: Keppenne, in: van Hooy­ donk, European Seaports Law. Keynes, John Maynard: Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, 3. Aufl. (deutsch), Berlin 1966. Klasse, Max: The Impact of Altmark: The European Commission Case Law Responses, in: Szyszczak, Erika/van de Gronden, Johan Willem (Hrsg.): Financing Services of General Economic Interest: Reform and Modernization, The Hague 2013, S.  35–51. Zitiert als: Klasse, in: Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Economic Interest. Klaus, Samuel: DeRegulierung der netzbasierten Infrastruktur: Identifikation und Analyse von Lenkungsinstrumenten im Rahmen von De-/Regulierungsvorgängen in Primärinfrastruktur­ sektoren, Norderstedt 2008. Klauser, Walter: Staatliche Infrastrukturinvestitionen als Mittel der Konjunkturpolitik: dar­ gestellt am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, Darmstadt 1974. Kleiner, Thibaut: The State Aid Reform, in: Sánchez Rydelski, Michael (Hrsg.): The EC State Aid Regime: Distortive Effects of State Aid on Competition and Trade, London 2006, S. 827–848. Zitiert als: Kleiner, in: Sanchez-Rydelski, The EC State Aid Regime. – Modernization of State Aid Policy, in: Szyszczak, Erika: Research Handbook on European State Aid Law, Cheltenham u. a. 2011, S. 1–27. Zitiert als: Kleiner, in: Szyszczak, Research Handbook State Aid. Kleiner, Thibaut/Alexis, Alain: Politique des aides d’Etat: une analyse économique plus fine au service de l’intérêt commun, Revue Concurrences No. 4–2005, Art. No. 356, S. 45–52. Klös, Hans-Peter: Öffentliches Infrastrukturmonopol – noch zeitgemäß? Köln 1989. Kluge, Thomas/Scheele, Ulrich: Zwischen Wirtschaftsgut und Menschenrecht: Wasserversor­ gung und Millennium-Ziele, in: Franzke, Jochen (Hrsg.): Wasser: Zukunftsressource zwischen Menschenrecht und Wirtschaftsgut, Konflikt und Kooperation, Potsdam 2008, S. 13–27. Zi­ tiert als: Kluge/Scheele, in: Franzke, Wasser: Zukunftsressource. Knieps, Günter: Wettbewerbsökonomie: Regulierungstheorie, Industrieökonomie, Wettbewerbs­ politik, 3. Aufl., Berlin 2008. Knoblich, Michael: Die Entwicklung des Regionalbeihilferechts und aktuelle Herausforderun­ gen, in: Oberender, Peter (Hrsg.): Der „more economic approach“ in der Beihilfenkontrolle, Berlin 2008, S. 85–105. Zitiert als: Knoblich, in: Oberender, More Economic Approach. Koch, Hans-Joachim/Reese, Moritz: Abfallwirtschaftliche Daseinsvorsorge im Europäischen Binnenmarkt  – zugleich ein Beitrag zur Auslegung von Art.  106 AEUV, DVBl. 2010, S. 1393–1403. Koenig, Christian: Fremd- und Eigenkapitalzufuhr an Unternehmen durch die öffentliche Hand auf dem Prüfstand des EG-Beihilfenrechts, ZIP 2000, S. 53–59. – EG-beihilfenrechtliche Anforderungen an Unterstützungsmaßnahmen eines öffentlichen Mutterunternehmens zugunsten seiner Tochtergesellschaften, ZIP 2001, S. 629–635. – Funktionen des Bietverfahrens im EG-Beihilfenrecht, EuZW 2001, S. 741–747.

394

Literaturverzeichnis

– Better Downstream Regulation through a More Refined State Aid Law Approach!, EStAL 2011, S. 395–397. – A Plea for a More Refined State Aid Law Approach after a Crude Switch Over to Digital Tele­vision, in: JECLP 2012, S. 49–51. Koenig, Christian/Bache, Volker: The Guidelines for the Application of State aid Rules in Rela­ tion to Rapid Deployment of Broadband Networks – Remedy for a Market Failure?, JECLP 2012, S. 261–263. Koenig, Christian/Braun, Jens-Daniel: Infrastructure Funding, in: Sánchez Rydelski, Michael (Hrsg.): The EC State Aid Regime: Distortive Effects of State Aid on Competition and Trade, London 2006, S. 91–107. Zitiert als: Koenig/Braun, in: Sanchez-Rydelski, The EC State Aid Regime. Koenig, Christian/Fechtner, Sonja: The European Commission’s hidden asymmetric Regula­ tory Approach in the Field of Broadband Infrastructure Funding, EStAL 2009, S. 463–472. Koenig, Christian/Haratsch, Andreas: The Logic of Infrastructure Funding under EC State Aid Control, EStAL 2004, S. 393–398. Koenig, Christian/Kühling, Jürgen: Reform des EG-Beihilfenrechts aus der Perspektive des mit­ gliedstaatlichen Systemwettbewerbs Zeit für eine Neuausrichtung?, EuZW 1999, S. 517–523. – Mitgliedstaatliche Kulturförderung und gemeinschaftliche Beihilfekontrolle durch die EGKommission, EuZW 2000, S. 197–203. – EG-beihilfenrechtliche Beurteilung mitgliedstaatlicher Infrastrukturförderung im Zeichen zunehmender Privatisierung, DÖV 2001, S. 881–890. – Diskriminierungsfreiheit, Transparenz und Wettbewerbsoffenheit des Ausschreibungsver­ fahrens – Konvergenz von EG-Beihilfenrecht und Vergaberecht, NVwZ 2003, S. 779–786. Koenig, Christian/Kühling, Jürgen/Ritter, Nicolai: EG-Beihilfenrecht, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 2005. Zitiert als: Koenig/Kühling/Ritter, Beihilfenrecht. Koenig, Christian/Kühling, Jürgen/Theobald, Christian: Recht der Infrastrukturförderung, München/ Heidelberg 2004. Zitiert als: Koenig/Kühling/Theobald, Recht der Infrastrukturförderung. Koenig, Christian/Pfromm, René: Die Förderlogik des EG-beihilfenrechtlichen Ausschrei­ bungsverfahrens bei PPP-Daseinsvorsorge-Infrastrukturen, NZBau 2004, S. 375–379. Koenig, Christian/Ritter, Nicolai: Die EG-beihilfenrechtliche Behandlung von Gesellschafter­ darlehen, ZIP 2001, S. 769–804. Koenig, Christian/Scholz, Michael: Öffentliche Infrastrukturförderung durch Bau- und Be­ triebsgesellschaften im EG-beihilfenrechtlichen Kontrollraster der EG-Kommission, EuZW 2003, S. 133–138. – Die Förderung transeuropäischer Netzinfrastrukturen, EWS 2003, S. 223–229. Koenig, Christian/Trías, Ana: A New Sound Approach to EC State Aid Control of Airport In­ frastructure Funding, EStAL 2009, S. 299–310. Köhler, Volker: Gemeinschaftsrechtliche Infrastrukturverantwortung der Mitgliedstaaten im Rahmen des Wettbewerbs: zum Verhältnis der EG-Vertragstitel über transeuropäische Netze und staatliche Beihilfen, Köln 2011.

Literaturverzeichnis

395

Koppmann, Martin: Die Grenzen der beihilferechtlichen Inhaltskontrolle: eine umfassende Darstellung und Bewertung der europäischen Beihilfekontrolle in kompetenzrechtlicher Hinsicht, Hamburg 2011. Krakowski, Michael: Theoretische Grundlagen der Regulierung, in: Krakowski, Michael (Hrsg.): Regulierung in der Bundesrepublik Deutschland: die Ausnahmebereiche des Ge­ setzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Hamburg 1988, S.  19–115. Zitiert als: Krakowski, in: Krakowski, Regulierung. Kraußer, Hans-Peter: Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Struk­ turprinzip des EWG-Vertrages, Berlin 1991. Krautzberger, Michael: Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Private: zum Begriff des staatlichen Bereichs, Berlin 1971. Krispenz, Sabina: Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit im Unternehmensbegriff des Europäischen Kartellrechts, Baden-Baden 2011. Kroes, Neelie: Reforming Europe’s State Aid Regime: An Action Plan for Change. Rede an­ lässlich: Wilmer Cutler Pickering Hale and Dorr/University of Leiden Joint conference on European State Aid Reform, Brüssel, 14.06.2005, Nr.  SPEECH/05/347. Abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-05–347_en.pdf [Stand: 25.02.2016]. Zitiert als: Kroes, Reforming Europe’s State Aid Regime, SPEECH/05/347. – The Law and Economics of State Aid Control – a Commission Perspective. Rede anläss­ lich: Joint EStALI/ESMT Conference, „The Law and Economics of European State Aid Control“, Berlin, 08.10.2007, Nr. SPEECH/07/601. Abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/ press-release_SPEECH-07–601_en.pdf [Stand: 25.02.2016]. Zitiert als: Kroes, The Law and Economics of State Aid Control, SPEECH/07/601. Krüger, Herbert: Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., Stuttgart u. a. 1966. Kühne, Gunther/Scholtka, Boris: Das neue Energiewirtschaftsrecht, NJW 1998, S. 1902–1909. Künzler, Adrian: Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit? Zur Frage nach den Aufgaben des Rechts gegen private Wettbewerbsbeschränkungen, Tübingen 2008. Kupjetz, Jörg/Eftekharzadeh, Puya: PPP im Verkehrswesen, Entwicklung und Stand in Deutsch­ land und Großbritannien, NZBau 2013, S. 142–148. Langen, Eugen/Bunte, Hermann-Josef (Hrsg.): Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 2: Europäisches Kartellrecht, 12. Aufl., Köln 2014. Zitiert als: Bearbeiter, in: Langen/Bunte, EU-Kartellrecht. Langner, Benedikt: Die Europäische Beihilfenkontrolle auf dem Prüfstand, Studie des Cen­ trum für Europäische Politik (CEP), Freiburg 2009. Abrufbar unter: http://www.cep.eu/ fileadmin/user_upload/Kurzanalysen/Beihilfenkontrolle/CEP_Studie_Beihilfenkontrolle.pdf [Stand: 25.02.2016]. Leibenath, Christoph: EuGH: Bestimmung einer Beihilfe bei nicht unter normalen Markt­ bedingungen tätigem Unternehmen – La Poste/SFMI-Chronopost (mit Anmerkung), EuZW 2003, S. 504–510. Leibrock, Gero: Der Rechtsschutz im Beihilfeaufsichtsverfahren des EWG-Vertrages, EuR 1990, S. 20–44.

396

Literaturverzeichnis

Leisner, Walter Georg: Das europarechtliche Beihilfenverbot in Art. 87 I EG Rechtfertigung für einen Subventionsabbau in Deutschland?, EuZW 2006, S. 648–653. Lenßen, Markus: Der kartellrechtlich relevante Markt: Prinzip – Konzeption – Methode, Ba­ den-Baden 2009. Loewenheim, Ulrich/Meessen, Karl M./Riesenkampff, Alexander: Kartellrecht: Kommentar, 2. Aufl., München 2009. Zitiert als: Bearbeiter, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht. Lohr, Wolfgang: Öffentliche Güter und externe Effekte: eine wohlfahrtstheoretische Analyse, Konstanz 1989. Lorenz, Andreas/Melzer, Hagen/Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg.): Tourismusperspektiven in ländlichen Räumen: Sonderstudie Freizeitparks, Märkte und Volksfeste, Berlin 2013. Abrufbar unter: http://fachpublikum.thueringen-tourismus.de/files/ Media/PDF/tourismusperspektivenfreizeitparksmaerktevolksfeste.pdf [Stand: 25.02.2016]. Lübbig, Thomas: Das „Stardust-Marine“-Urteil des EuGH zur Anwendung des EG-Beihilfen­ rechts auf das Aktivgeschäft der öffentlichen Banken, WM 2002, S. 1828–1831. Lübbig, Thomas/Martín-Ehlers Andrés: Beihilfenrecht der EU: das Recht der Wettbewerbs­ aufsicht über staatliche Beihilfen in der Europäischen Union, 2. Aufl., München 2009. Lueg, Barbara: Ökonomik des Handels mit Umweltrechten: umweltökonomische Grundlagen, Instrumente und Wirkungen – insbesondere in der EU, Frankfurt a. M. 2010. Lykotrafiti, Antigoni: Low Cost Carriers and State Aids: A Paradox?, EStAL 2008, S. 214–229. Maier, Martina/Dietz, Katharina: Public Infrastructure Financing in the EU: A Hot Topic in State Aid Law, Concurrences No. 3–2013, Art. 54510, Doctrines S. 1–8. Markert, Kurt: Die Anwendung des US-amerikanischen Monopolisierungsverbots auf Verweige­ rungen des Zugangs zu „wesentlichen Einrichtungen“, in: Immenga, Ulrich/Möschel, Wern­ hard/Reuter, Dieter: Festschrift für Ernst-Joachim Mestmäcker zum siebzigsten Geburtstag, Baden-Baden 1996. Zitiert als: Markert, in: Immenga/Möschel/Reuter, FS Mestmäcker. Martenczuk, Bernd/Thomaschki, Kathrin: Der Zugang zu Netzen zwischen allgemeinem Kar­ tellrecht und sektorieller Regulierung, RTkom 1999, S. 15–25. Martin-Ehlers, Andrés: Konvergenzen von Kartell- und Beihilfenrecht, EuZW 2010, S. ­287–291. Martin-Ehlers, Andrés/Strohmayr, Sebastian: Private Rechtsdurchsetzung im EG-Beihilfen­ recht Konkurrentenklagen vor deutschen Zivilgerichten, EuZW 2008, S. 745–751. Maunz, Theodor (Begr.)/Dürig, Günter (Begr.)/Herzog, Roman (Hrsg.): Grundgesetz: Kom­ mentar, 75. Ergänzungslieferung, München 2015. Zitiert als: Bearbeiter, in: Maunz/Dü­ rig/Herzog, GG. Mayer, Franz C.: Die drei Dimensionen der Europäischen Kompetenzdebatte, ZaöRV 2001, S. 577–640. Mellwig, Wibke: Infrastrukturfinanzierung in Häfen und europäisches Beihilferecht, Münster 2011. Merten, Detlef: Subsidiarität als Verfassungsprinzip, in: Merten, Detlef (Hrsg.): Die Subsidia­ rität Europas, S. 77–96, 2. Aufl., Berlin 1994.

Literaturverzeichnis

397

Mestmäcker, Ernst-Joachim/Schweitzer, Heike: Europäisches Wettbewerbsrecht, 3.  Aufl., Mün­chen 2014. – Europäisches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl., München 2004. Zitiert als: Mestmäcker/Schweit­ zer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl.. Michalczyk, Roman: Europäische Ursprünge der Regulierung von Wettbewerb: eine rechtshis­ torische interdisziplinäre Suche nach einer europäischen Regulierungstradition am Beispiel der Entwicklung der Eisenbahn in England, Preußen und den USA, Tübingen 2010. Michelbach, Roger: Probleme der Sanierung der Deutschen Bundesbahn durch die Änderung institutioneller Rahmenbedingungen, Thun u. a. 1984. Modlich, Joachim Johannes: Nationale Infrastrukturmaßnahmen und Artikel 92 Abs. 1 EGV: zur Vereinbarkeit nationaler Infrastrukturmaßnahmen mit dem Beihilfeverbot des Artikel 92 Abs. 1 EGV, Köln u. a. 1996. Monopolkommission (Hrsg.): Weniger Staat, mehr Wettbewerb – Gesundheitsmärkte und staat­ liche Beihilfen in der Wettbewerbsordnung  – Siebzehntes Hauptgutachten der Monopol­ kommission gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 GWB – 2006/2007 –, Bonn 2008. Abrufbar unter: http://www.monopolkommission.de/images/PDF/HG/HG17/1610140.pdf [Stand: 25.02.2016]. Zitiert als: Monopolkommission, Siebzehntes Hauptgutachten (2006/2007). – (Hrsg.): Sondergutachten 56, Telekommunikation 2009: Klaren Wettbewerbskurs halten, Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 121 Abs.  2 TKG, Bonn 2009. Ab­ rufbar unter: http://www.monopolkommission.de/images/PDF/SG/s56_volltext.pdf Stand: 25.02.2016]. Zitiert als: Monopolkommission, Sondergutachten 56 (§ 121 Abs. 2 TKG). Montag, Frank/Säcker, Franz Jürgen (Hrsg.): Münchener Kommentar Europäisches und Deut­ sches Wettbewerbsrecht (Kartellrecht), Bd. 3: Beihilfen- und Vergaberecht, München 2011. Zitiert als: Bearbeiter, in: MüKo WettbR, Bd. 3. Monti, Giorgio: Recovery Orders in State Aid Proceedings: Lessons from Antitrust?, EStAL 2011, S. 415–424. Möschel, Wernhard: Investitionsförderung als Regulierungsziel: Neuausrichtung des Euro­ päischen Rechtsrahmens für die elektronische Kommunikation, MMR 2010, S. 450–453. Mösgen, Andrea: Regionalentwicklung in Deutschland und ihre Determinanten, Berlin 2008. Müller, Matthias: Die „Essential Facilities“-Doktrin im Europäischen Kartellrecht, EuZW 1998, S. 232–237. Müller-Wrede, Malte: Kompendium des Vergaberechts: Systematische Darstellung unter Be­ rücksichtigung des EU-Vergaberechts, Köln 2008. Musgrave, Richard Abel: Infrastruktur und die Theorie der öffentlichen Güter, in: Arndt, Hel­ mut/Swatek, Dieter (Hrsg.): Grundfragen der Infrastrukturplanung für wachsende Wirt­ schaften, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 58, 1970, S. 43–54. Zitiert als: Musgrave, in: Arndt/Swatek, Grundfragen der Infrastrukturplanung. Musgrave, Richard Abel/Musgrave, Peggy B./Kullmer, Lore: Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis, Bd. 1, 6. Aufl., Tübingen 1994. Zitiert als: Musgrave/Musgrave/Kullmer, Die öffentlichen Finanzen.

398

Literaturverzeichnis

Nemitz, Paul: Economic Analysis and State Aid Law: The Questions Lawyers Need to Ask, in: Flett, James (Hrsg.): EC State Aid Law, Le Droit des Aides d’Etat dans la CE, Liber Amico­ rum Francisco Santaolalla Gadea, Alphen aan den Rijn 2008, S. 27–42. Zitiert als: Nemitz, in: Flett, Liber Amicorum Gadea. Neumann, Dieter/Kocken, Petra: Rechtsentwicklungen bei der Mauterhebung auf deutschen Bundesautobahnen, NVwZ 2009, 940–944. Neven, Damien/Seabright, Paul: European Industrial Policy: The Airbus Case, Economic­ Policy 21 (1995), S. 313–358. Niels, Gunnar/Jenkins, Helen/Kavanagh, James: Economics for competition lawyers, Oxford u. a. 2011. Nitsche, Rainer/Heidhues, Paul: Study on Methods to Analyse the Impact of State Aid on Competition, European Commission, Economic Paper No. 244, Brüssel 2006. Abruf­ bar unter: http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/publication804_en.pdf [Stand: 25.02.2016]. Notteboom, Theo: Bundling of Freight Flows and Hinterland Network Development, in: Ko­ nings, Rob/Priemus, Hugo/Nijkamp, Peter (Hrsg.): The Future of Intermodal Freight Trans­ port: operations, designs and policy, Cheltenham 2008, S. 66–88. Zitiert als: Notteboom, in: Konings/Priemus/Nijkamp, Future of Intermodal Freight Transport. Notteboom, Theo/Yap, Wei Yim: Port Competition and Competitiveness, in: Talley, Wayne Ken­ neth: The Blackwell companion to maritime economics, Malden, MA 2012, S. ­549–570. Zi­ tiert als: Notteboom/Yap, in: Talley, Maritime Economics. Olten, Rainer: Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, München u. a. 1995. Pache, Eckhard: Rechtsfragen der Aufhebung gemeinschaftsrechtswidriger nationaler Beihilfe­ bescheide, NVwZ 1994, S. 318–326. Pallis, Athanasios/Verhoeven, Patrick: Does the EU Port Policy Strategy Encompass „Pro­ ximity“?, in: Notteboom, Theo/Ducruet, César/de Langen, Peter (Hrsg.), Ports in Pro­ ximity, Competition and Coordination among Adjacent Seaports, S. 99–112, Farnham/Bur­ lington, VT 2009. Zitiert als: Pallis/Verhoeven, in: Notteboom/Ducruet/de Langen, Ports in Proximity. Pauer, Nada Ina: Die Abgrenzung hoheitlicher und wirtschaftlicher Tätigkeiten im Europä­ ischen Wettbewerbsrecht: Eine Analyse der Entscheidungspraxis des EuGH, WuW 2013, S. 1080–1091. Penner, Andreas: Monopolschutz für die Unfallversicherung  – Fortschreibung der EuGHRechtsprechung zur eingeschränkten Anwendung des europäischen Wettbewerbsrechts auf Sozialversicherungen, NZS 2003, S. 234–239. Pielow, Johann-Christian: Grundstrukturen öffentlicher Versorgung: Vorgaben des Europä­ ischen Gemeinschaftsrechts sowie des französischen und des deutschen Rechts unter be­ sonderer Berücksichtigung der Elektrizitätswirtschaft, Tübingen 2001. Zitiert als: Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung. – Frankreich  – Service Public, in: Hrbek, Rudolf/Nettesheim, Martin (Hrsg.): Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, Baden-Baden 2002, S. 155–173. Zitiert als: Pielow, in: Hrbek/Nettesheim, EU und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge.

Literaturverzeichnis

399

Propper, Carol/Dixon, Jennifer: Competition between hospitals, in: Dixon, Anna/Mays, Ni­ cholas/Jones, Lorelei (Hrsg.): Understanding New Labour’s Market Reforms of the Eng­ lish NHS, London 2011, S. 78–88. Abrufbar unter: http://www.kingsfund.org.uk/sites/files/ kf/chapter-6-competition-between-hospitals-new-labours-market-reforms-sept11.pdf [Stand: 25.02.2016]. Zitiert als: Propper/Dixon, in: Dixon/Mays/Jones, Understanding New Labour’s Market Reforms of the English NHS. Pünder, Hermann: Die Vergabe öffentlicher Aufträge unter den Vorgaben des europäischen Beihilferechts, NZBau 2003, S. 530–539. Pünder, Hermann/Schellenberg, Martin: Vergaberecht: GWB, VgV, SektVO, VOL/A, VOB/A, VOF, Haushaltsrecht, Öffentliches Preisrecht; Handkommentar, Baden-Baden 2011. Zitiert als: Bearbeiter, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht. Reich, Dieter O./Helios, Marcus: EuGH: Eigenkapitalzufuhr an Unternehmen durch die öffent­ liche Hand, EuZW 2002, S. 468–476. Reiter, Andreas: Bedeutung von Lebensqualität im 21. Jahrhundert, in: Pechlaner, Harald/Ba­ chinger, Monika (Hrsg.): Lebensqualität und Standortattraktivität: Kultur, Mobilität und re­ gionale Marken als Erfolgfaktoren, Berlin 2010, S. 51–64. Richter, Wolfram F./Wiegand, Wolfgang: Zwanzig Jahre „Neue Finanzwissenschaft“. Teil  1: Überblick und Theorie des Marktversagens, ZWS 113 (1993), S. 169–224. Ronellenfitsch, Michael: Daseinsvorsorge und Wirtschaftlichkeit des Eisenbahnwesens, DVBl. 2008, S. 201–209. Rühl, Giesela: Statut und Effizienz: ökonomische Grundlagen des Internationalen Privatrechts, Tübingen 2011. Rundfunk und Telekom Regulierungs GmbH (Österreich) (Hrsg.): Abgrenzung des Marktes für breitbandigen Zugang auf Vorleistungsebene, Wien 2005. Abrufbar unter: https://www.rtr. at/de/inf/KonsultationTKMVO2003/3072_Marktabgrenzung_Breitband_nat_Konsultation. pdf [Stand: 25.02.2016]. Sabbagh, Karim/Friedrich, Roman/El-Darwiche, Bahjat/Singh, Milind: Enabling Sustainable Digital Highways, in: Dutta, Soumitra/Mia, Irene (Hrsg.): The Global Information Tech­ nology Report 2009–2010: ICT for Sustainability, World Economic Forum, Genf 2010, S.  91–105. Abrufbar unter: http://www.weforum.org/pdf/GITR10/GITR%202009-2010_ Full%20Report%20final.pdf [Stand: 25.02.2016]. Zitiert als: Sabbagh/Friedrich/El-Darwiche/Singh, in: Dutta/Mia, Global Information Technology Report 2009–2010. Samuelson, Paul Anthony/Nordhaus, William D.: Economics, 19. Aufl., Boston 2010. Sauter, Wolf: Services of General Economic Interest and Universal Service in EU Law, EL Rev 2008, S. 167–193. Schalast, Christoph/Abrar, Kamyar: Wettbewerb und Regulierung in Netzsektoren: Modell Breitband-Telekommunikationsmarkt?, ZWeR 2009, S. 85–104. Schalast, Christoph/Sibbel, Rainer: Zusammenschlusskontrolle als Wettbewerbshindernis auf den regulierten Infrastrukturmärkten?, WuW 2008, S. 560–567. Scharpf, Fritz W.: Negative and Positive Integration in the Political Economy of European Wel­ fare States, in: Marks, Gary (Hrsg.): Governance in the European Union, London u. a. 1996, S. 15–39. Zitiert als: Scharpf, in: Marks, Governance in the European Union.

400

Literaturverzeichnis

Scherer, Joachim: Das Bronner-Urteil des EuGH und die Essential facilities-Doktrin im TKSektor, MMR 1999, S. 315–321. Schmidtchen, Dieter: Property Rights, Freiheit und Wettbewerbspolitik, Tübingen 1983. Zitiert als: Schmidtchen, Property Rights. – Effizienz als Leitbild der Wettbewerbspolitik: Für einen „more economic approach“, Saarbrücken 2004. Abrufbar unter: http://www.uni-saarland.de/fak1/fr12/csle/publications/ 2004-11_moreeconomic.pdf [Stand: 25.02.2016]. Zitiert als: Schmidtchen, Effizienz als Leitbild der Wettbewerbspolitik. Schomaker, Rahel: Bereitstellung netzgebundener Infrastruktur: Regulierung vs. Public Pri­ vate Partnership, Speyer 2009. Zitiert als: Schomaker, Bereitstellung netzgebundener In­ frastruktur. – Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas: in­ stitutionelle Bestimmungsfaktoren und Potentiale, Stuttgart 2010. Zitiert als: Schomaker, Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft. Schrüfer, Klaus: Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 3. Aufl., Berlin 2010. Schulenberg, Sebastian: Die Energiepolitik der Europäischen Union: eine kompetenzrecht­ liche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung finaler Kompetenznormen, BadenBaden 2009. Schulze, Andreas: Liberalisierung und Re-regulierung von Netzindustrien: ordnungspolitische Paradoxon oder wettbewerbsökonomische Notwendigkeit? Potsdam 2003. Schumann, Jochen/Meyer, Ulrich/Ströbele, Wolfgang: Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, 9. Aufl., Heidelberg u. a. 2011. Schwarze, Jürgen: Der Staat als Adressat des europäischen Wettbewerbsrechts, EuZW 2000, S. 613–627. Siebert, Horst: Zur Frage der Distributionswirkungen öffentlicher Infrastrukturinvestitionen, in: Jochimsen, Reimut/Simonis, Udo E. (Hrsg.): Theorie der Infrastrukturpolitik, Berlin 1970, S. 33–71. Zitiert als: Siebert, in: Jochimsen/Simonis, Infrastrukturpolitik. Simon, Sven: Liberalisierung von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge im WTO- und EURecht, Tübingen 2009. Sinnaeve, Adinda: State Financing of Public Services: The Court’s Dilemma in the Altmark Case, EStAL 2003, S. 351–363. – State Aid Procedures: Developments since the Entry into Force of the Procedural Regula­ tion, CMLR Vol. 44, No. 4 2007, S. 965–1056. – Does Aid for Theatres affect Trade between Member States?, EStAL 2008, S. 7–11. Smeddinck, Ulrich: Integrierte Gesetzesproduktion: der Beitrag der Rechtswissenschaft zur Ge­ setzgebung in interdisziplinärer Perspektive, Berlin 2006. Smith, Adam: An Inquiri Into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, Digitaler Re­ print, Hazleton, PA 2005. Abrufbar unter: http://www2.hn.psu.edu/faculty/jmanis/adamsmith/wealth-nations.pdf [Stand: 25.02.2016].

Literaturverzeichnis

401

Sohmen, Egon: Allokationstheorie und Wirtschaftspolitik, 2. Aufl., Tübingen 1992. Soltész, Ulrich: The New Commission Guidelines on State Aid for Airports:  a Step too far,­ EStAL 2006, S. 719–729. – Wo endet die „Allzuständigkeit“ des Europäischen Beihilferechts? Grenzen der beihilfe­ rechtlichen Inhaltskontrolle, EuZW 2008, S. 97. – Die Rechtsprechung der Unionsgerichte zum Beihilferecht im Jahre 2011, EuZW 2012, S. 174–181. Soltész, Ulrich/Hellstern, Mara: „Mittelbare Beihilfen“  – Indirekte Begünstigungen im EUBeihilferecht, EuZW 2013, S. 489–493. Soltész, Ulrich/Hildebrandt, Burghard: Flughäfen im Visier der Brüsseler Beihilfenkontrolle – Entscheidungspraxis der Kommission („Charleroi“) und die neuen Kommissionsleitlinien – Mandantenseminar Flughäfen im Wettbewerb: Aktuelle Rechtsfragen bei (Aus-)Bau und Betrieb, in: Scholz, Rupert/Moench, Christoph (Hrsg.): Flughäfen in Wachstum und Wett­ bewerb – Aktuelle Rechtsfragen bei Bau und Betrieb, Baden-Baden 2007. Zitiert als: Soltész/Hildebrandt, in: Scholz/Moench, Flughäfen in Wachstum und Wettbewerb. Soto, Paul/Arnkil, Robert: Smart Growth, in: AEIDL/Europäische Union (Hrsg.): Urban De­ velopment in the EU: 50 Projects Supported by the European Regional Development Fund During the 2007–13 Period, Draft Final Report, Brüssel 2013. Abrufbar unter: http:// ec.europa.eu/regional_policy/sources/docgener/studies/pdf/50_projects/urban_dev_erdf50. pdf [Stand: 25.02.2016]. Spector, David: Background Note, in: OECD (Directorate for Financial and Enterprise Af­ fairs – Competition Committee) (Hrsg.): Policy Roundtables: Competition, State Aids and Subsidies 2010, Nr. DAF/COMP/GF(2010)5, ohne Ortsangabe 2011, S. 17–48. Abrufbar unter: http://www.oecd.org/regreform/sectors/48070736.pdf [Stand: 25.02.2016]. Steer, Davies Gleave (Hrsg.): Air and Rail Competition and Complementary, Prepared for: European Commission DG Tren, London 2006. Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/transport/ rail/studies/doc/2006_08_study_air_rail_competition_en.pdf [Stand: 25.02.2016]. Stiglitz, Joseph E./Walsh, Carl E.: Mikroökonomie: Bd. 1 zur Volkswirtschaftslehre, 4. Aufl., München u. a. 2010. Storr, Stefan: Der Staat als Unternehmer  – Öffentliche Unternehmen in der Freiheits- und Gleichheitsdogmatik des nationalen Rechts und des Gemeinschaftsrechts, Tübingen 2001. Szyszczak, Erika: Altmark Assessed, in: Szyszczak, Erika: Research Handbook on European State Aid Law, Cheltenham u. a. 2011, S. 293–326. Zitiert als: Szyszczak, in: Szyszczak, Re­ search Handbook State Aid. Szyszczak, Erika/van de Gronden, Johan Willem (Hrsg.): Financing Services of General Eco­ nomic Interest: Reform and Modernization, The Hague 2013. Zitiert als: Szyszczak/van de Gronden, Financing Services of General Economic Interest. TDC A/S (Dänemark) (Hrsg.): TDC submission: Draft Community Guidelines for the Applica­ tion of State Aid Rules in Relation to Rapid Deployment of Broadband Networks, Kopenha­ gen 2009. Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/consultations/2009_broadband_ guidelines/tdc_en.pdf [Stand: 25.02.2016].

402

Literaturverzeichnis

Theobald, Christian: Aktuelle Entwicklungen des Infrastrukturrechts, NJW 2003, S. 324–331. Trommer, Stefan: Auswirkungen einer City-Maut in Deutschland: Abschätzungen von Para­ metern zur Übertragung in ein Verkehrsnachfragemodell, Hamburg 2008. Tuchtfeld, Egon: Infrastrukturinvestitionen als Mittel der Strukturpolitik, in: Jochimsen, Rei­ mut/Simonis, Udo E.: Theorie und Praxis der Infrastrukturpolitik, Berlin 1970, S. 125–151. Zitiert als: Tuchtfeldt, in: Jochimsen/Simonis, Infrastrukturpolitik. VATM Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e. V. (Hrsg.): VATM-Positionspapier zum Glasfasernetzausbau der Deutschen Telekom AG: Kern­ aussagen und Kernforderungen für einen effizienten Ausbau breitbandiger Infrastruk­ turen in Deutschland, Köln/Berlin 2006. Abrufbar unter: http://www.vatm.de/uploads/ media/17–03–2006.pdf [Stand: 25.02.2016]. Vogel, Klaus: Öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand: eine verwaltungsrechtliche Untersuchung, Hamburg 1959. Waechter, Kay: Verwaltungsrecht im Gewährleistungsstaat, Tübingen 2008. Wallenberg, Gabriela von: Diskriminierungsfreier Zugang zu Netzen und anderen Infrastruk­ tureinrichtungen, K&R 1999, S. 152–157. Weinreich, Sigurd: Nachhaltige Entwicklung im Personenverkehr: eine quantitative Analyse unter Einbezug externer Kosten, Heidelberg 2004. Weiß, Wolfgang: Privatisierung und Staatsaufgaben: Privatisierungsentscheidungen im Lichte einer grundrechtlichen Staatsaufgabenlehre unter dem Grundgesetz, Tübingen 2002. Zitiert als: Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben. – Öffentliche Daseinsvorsorge und soziale Dienstleistungen: Europarechtliche Perspektiven, EuR 2013, S. 669–688. Weizsäcker, Christian C. von: Wettbewerb in Netzen, WuW 1997, S. 572–579. – Konsumentenwohlfahrt und Wettbewerbsfreiheit – Über den tieferen Sinn des „Economic Approach“, WuW 2007, S. 1078–1084. Widmann, Torsten: The Contribution of Low Cost Carriers to Incoming Tourism as exempli­ fied by Frankfurt-Hahn Airport and the Rhineland Palatinate Destination of theMoselle Re­ gion, in: Groß, Sven/Schröder, Alexander (Hrsg.): Handbook of Low Cost Airlines, Stra­ tegies, Business Processes and Market Environment, Berlin 2007, S. 171–184. Zitiert als: Widmann, in: Groß/Schröder, Handbook of Low-Cost-Airlines. Wied-Nebbeling, Susanne/Schott, Hartmut: Grundlagen der Mikroökonomik, 4. Aufl., Berlin u. a. 2007. Wiedemann, Gerhard (Hrsg.): Handbuch des Kartellrechts, 2. Aufl., München 2008. Zitiert als: Bearbeiter, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts. Wilkens, Sarah: Wettbewerbsprinzip und Gemeinwohlorientierung bei der Erbringung von Eisenbahndienstleistungen: zum Verhältnis von Art. 87e III und IV GG, Berlin 2006. Wilson, Thomas: Infrastructure Financing and State Aid Post Leipzig-Halle, EStAL 2014, S. 24–27.

Literaturverzeichnis

403

Windisch, Rupert: Privatisierung natürlicher Monopole: Theoretische Grundlagen und Kriterien, in: Windisch, Rupert (Hrsg.): Privatisierung natürlicher Monopole im Bereich von Bahn, Post und Telekommunikation, Tübingen 1987, S. 1–146. Winkelmann, Cornelius: Privatisierung von Verkehrsinfrastrukturen: Triebkräfte und Finanzie­ rungsprobleme, Darmstadt 2000. Wolf, Hartmut: Privatisierung im Flughafensektor: eine ordnungspolitische Analyse, Berlin u. a. 2003. Wurmnest, Wolfgang: Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch: eine rechtsvergleichende Neubestimmung des Verhältnisses von Recht und Ökonomik in der Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen, 2. Aufl., Tübingen 2012. Zellhofer, Georg: Der Wettbewerb auf den europäischen Schienenverkehrsmärkten: eine Ana­ lyse der Liberalisierungsrichtlinien und der wettbewerbsrechtlichen Entscheidungspraxis der EG im Schienenverkehr, Zürich u. a. 2003. Zhang, Aming: The Impact of Hinterland Access: Conditions on Rivalry Between Ports, in: OECD (Hrsg.): Port Competition and Hinterland Connections, Paris 2009. Zimmermann, Horst/Henke, Klaus-Dirk/Broer, Michael: Finanzwissenschaft: eine Einführung in die Lehre von der öffentlichen Finanzwirtschaft, 11. Aufl., München 2012.

Übersicht der wichtigsten zitierten Mitteilungen und sonstigen Veröffentlichungen der Kommission (chronologisch)

Übersicht der Mitteilungen und Veröffentlichungen der Kommission Mitteilung: Anwendung der Artikel 92 und 93 des EG-Vertrages sowie des Artikels 61 des EWR-Abkommens auf staatliche Beihilfen im Luftverkehr v. 10.12.1994, ABl. 1994 C 350/5. Zitiert als: Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 1994. Mitteilung über die Entwicklung des Kurzstreckenseeverkehrs in Europa – Perspektiven und Herausforderungen v. 05.07.1995, Az. KOM(1995) 317 endg. XXIX. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1999, Luxemburg 2000. Mitteilung an das Europäische Parlament und an den Rat: Verbesserung der Dienstequalität in Seehäfen: Ein zentraler Aspekt für den europäischen Verkehr v. 13.02.2001, Az. KOM(2001) 35 endg. Abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CE­ LEX:52001DC0035&qid=1411502668216&from=EN [Stand: 25.02.2016]. Mitteilung: Über die Anwendung der Vorschriften über Staatliche Beihilfen auf den öffentlichrechtlichen Rundfunk v. 15.11.2001, ABl. 2001 C 320/5. Zitiert als: Kommission, Rund­ funk-Mitteilung 2001. Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und So­ zialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Umsetzung der Leitlinien für die transeuropäischen Netze im Energiebereich in der Zeit von 1996 bis 2001, 20.12.2001, Az. KOM(2001) 775 endg. Abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ. do?uri=COM:2001:0775:FIN:DE:PDF [Stand: 25.02.2016]. Weißbuch: Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft v. 12.09.2001, Az. KOM(2001) 370. Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/transport/themes/ strategies/doc/2001_white_paper/lb_texte_complet_de.pdf [Stand: 25.02.2016]. Zitiert als: Kommission, Weißbuch Verkehrspolitik. Commission Staff Working Document: VADEMECUM on Community Rules on State Aid and the Financing of the Construction of Seaport Infrastructure v. 15.01.2003. Zitiert als: Kommission, Vademecum Seehafenbeihilfen. Zitiert nach: van Hooydonk, Eric (Hrsg.), Euro­ pean Seaports Law, Antwerpen 2003, Anhang 10. Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse v. 21.05.2003, Az. KOM(2003) 270 endg. Abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CE­ LEX:52003DC0270&from=DE [Stand: 25.02.2016]. Zitiert als: Kommission, Grünbuch DAI. Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse v. 12.05.2004, Az. KOM(2004) 374 endg. Abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CE­ LEX:52004DC0374&from=DE [Stand: 25.02.2016]. Zitiert als: Kommission, Weißbuch DAI.

Übersicht der Mitteilungen und Veröffentlichungen der Kommission

405

Konsultationspapier: Aktionsplan staatliche Beihilfen: Weniger und besser ausgerichtete staat­ liche Beihilfen – Roadmap zur Reform des Beihilferechts 2005–2009 v. 07.06.2005, Az. KOM(2005) 107 endg. Abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ. do?uri=COM:2005:0107:FIN:de:PDF [Stand: 25.02.2016]. Zitiert als: Kommission, Ak­ tionsplan. Entscheidung: Über die Anwendung von Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag auf staatliche Beihil­ fen, die bestimmten mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaft­ lichem Interesse betrauten Unternehmen als Ausgleich gewährt werden, v. 28.11.2005, ABl. 2005 L 312/67. Zitiert als: Kommission, Freistellungsentscheidung 2005. Mitteilung: Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen, die als Ausgleich für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gewährt werden v. 29.11.2005, ABl. 2005 C 297/4. Zitiert als: Kommission, Gemeinschaftsrahmen 2005. Mitteilung: Gemeinschaftliche Beihilfen für die Finanzierung von Flughäfen und die Ge­ währung staatlicher Anlaufbeihilfen für Luftfahrtunternehmen auf Regionalflughäfen v. 09.12.2005, ABl. 2005 C 312/01. Zitiert als: Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2005. Mitteilung: Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007–2013 v. 04.03. 2006, ABl. 2006 C 54/13. Zitiert als: Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2006. Mitteilung über eine europäische Hafenpolitik v. 18.10.2007, Az. KOM(2007) 616 endg. Abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2007:0616: FIN:DE:PDF [Stand: 25.02.2016]. Commission Staff Working Document: Allgemeine Grundsätze für eine ökonomisch aus­ gerichtete Prüfung der Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen nach Artikel 87 Absatz 3 EG-Ver­ trag v. 2009. Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/state_aid/reform/economic_ assessment_de.pdf [Stand: 25.02.2016]. Zitiert als: Kommission, Allgemeine Grundsätze. Mitteilung: Strategische Ziele und Empfehlungen für die Seeverkehrspolitik der EU bis 2018 v. 21.01.2009, Az. KOM(2009) 8 endg. Abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/ LexUriServ.do?uri=COM:2009:0008:FIN:DE:PDF [Stand: 25.02.2016]. Mitteilung: Leitlinien der Gemeinschaft für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau v. 30.09.2009, ABl. 2009 C 235/7. Zitiert als: Kommission, Breitband-Leitlinien 2009. Mitteilung: Eine nachhaltige Zukunft für den Verkehr: Wege zu einem integrierten, tech­ nologieorientierten und nutzerfreundlichen System v. 17.06.2009, Az. KOM(2009) 279 endg. Abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2009: 0279:FIN:de:PDF [Stand: 25.02.2016]. Beschluss: Über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zu­ gunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von all­ gemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind v. 20.12.2011, ABl. 2012 L 7/3. Zitiert als: Kommission, DAWI-Freistellungsbeschluss 2011. Mitteilung: Über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Aus­ gleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaft­ lichem Interesse v. 11.01.2012, ABl. 2012 C 8/4. Zitiert als: Kommission, DAWI-Mittei­ lung 2012.

406

Übersicht der Mitteilungen und Veröffentlichungen der Kommission

Mitteilung: Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichs­ leistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen (2011) v. 11.01.2012, ABl. 2012 C 8/15. Zitiert als: Kommission, DAWI-Gemeinschaftsrahmen 2012. Mitteilung: Leitlinien der EU für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau v. 26.01.2013, ABl. 2013 C 25/1. Zi­ tiert als: Kommission, Breitband-Leitlinien 2013. Mitteilung: Häfen als Wachstumsmotor v. 23.05.2013, Az. COM(2013) 295 fin. Abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2013:0295:FIN:DE:PDF [Stand: 25.02.2016]. Entwurf: Mitteilung: EU-Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrs­ gesellschaften. Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/consultations/2013_aviation _guidelines/aviation_guidelines_de.pdf [Stand: 25.02.2016]. Zitiert als: Kommission, Luft­ verkehrs-Leitlinien 2014 (Entwurf 2013). Mitteilung: Leitlinien für Regionalbeihilfen 2014–2020 v. 23.07.2013, ABl. 2013 C 209/1. Zi­ tiert als: Kommission, Regionalbeihilfen-Leitlinien 2013. Mitteilung: Staatliche Beihilfen für Filme und andere audiovisuelle Werke v. 15.11.2013, ABl. 2013 C 332/1. Zitiert als: Kommission, Film-Leitlinien 2013. Mitteilung: Leitlinien für staatliche Beihilfe für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften v. 04.04.2014, ABl. 2014 C 99/3. Zitiert als: Kommission, Luftverkehrs-Leitlinien 2014. Mitteilung: Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014–2020 v. 28.06.2014, ABl. 2014 C 200/1. Zitiert als: Kommission, Energieinfrastruktur-Leitlinien 2014. * * * Die zitierten Entscheidungen der Kommission sind unter Angabe des jeweiligen Aktenzeichens abrufbar über (Stand: 25.02.2016): http://ec.europa.eu/competition/elojade/isef/ Die zitierten Urteile der europäischen Gerichte sowie die zitierten Schlussanträge der General­ anwälte sind unter Angabe des jeweiligen Aktenzeichens abrufbar über (Stand: 25.02.2016): http://curia.europa.eu/juris/recherche.jsf?language=de

Sachverzeichnis Abfallentsorgung  55, 86, 139 Abwägungsprüfung  107, 110, 219, 279, 295 Aktionsplan staatliche Beihilfen  104, 295 Allokatives Marktversagen  70, 108, 109, 154, 219, 300, 318, 366 Altmark-Ausnahme  106, 166, 209, 213, 353 Aufgabentheorie  147 Bedarfsmarktkonzept  262 Befugnistheorie  148 Betreuungseinrichtungen  357 Binnenhafen  199, 350 Breitband-Leitlinien 2013  200, 227, 245, 312, 319, 324, 339 Breitbandnetz  58, 139, 176, 200, 208, 220, 227, 245, 269, 295, 302, 312, 319, 324, 339, 345, 359 Bürgschaft  174, 206, 308 Daseinsvorsorge  56, 215 DAWI-Paket  214, 357 Dienstleistungen von allgemeinem wirt­ schaftlichen Interesse  58, 106, 166, 213, 353 Distributives Marktversagen  70, 75, 90, 108, 110, 299, 319, 366 „dritter Bereich“  142, 164, 173 Durchführungsverbot  96, 97, 197 DVB-T  187, 222, 256, 318, 326, 356 Economies of Density  81 Eisenbahn  44, 49, 66, 68, 119, 139, 160, 268, 283, 307 Energieversorgung  39, 343 Essential Facilities  46, 307, 315 Externalität  72, 209, 274, 303, 318, 346 Flughafen  68, 87, 127, 128, 167, 170, 175, 176, 181, 182, 201, 217, 254, 268, 291, 297, 310, 338, 357 Freistellungsbeschluss  217, 357

Garantie  174, 206, 308 Gasnetz  75, 80, 138, 336 Gesetz der großen Zahl  80 Hoheitliches Handeln  142 Hypothetischer Monopolistentest  262 Indirect Constraints  269 intermodaler Wettbewerb  68, 83, 90, 162, 180, 195, 284, 294, 376 Investitionshorizont  207 Kindertagesstätten  357 Kompetenzverteilung  117, 166, 322 Konzept des Binnenmarktschutzes  98, 105, 272 Konzession  140, 236 Krankenhäuser  88, 200, 217, 356, 357 Kulturbeihilfen  348 Künstlicher Wettbewerb  307 Legal pluralism  siehe Rechtspluralismus Lokale Infrastrukturen  292, 336, 360 Luftverkehrs-Leitlinien 2014  112, 178, 202, 256, 297 Marktabgrenzung  63, 248, 260, 285 Marktgerechte Gegenleistung  236 mittelbare Begünstigung  180, 258, 264, 269 Modell der politischen Integration  99, 105, 272 more economic approach  103, 257, 316, 352 Museum  50, 139, 349 natürliches Monopol  41, 49, 70, 71, 77, 233, 245, 282, 307 Netzwerk-Infrastruktur  53, 80 Notifizierungspflicht  96, 197, 239, 289, 292, 354, 357

408

Sachverzeichnis

Öffentliche Gewalt  144 Öffentliche Güter  72, 153, 156 Öffentliche Verwaltung  144

Standortwettbewerb  274, 278, 347 Straßen  139, 160, 194, 207 Stromnetz  61, 75, 80, 138, 199, 336, 344

Pipeline  176, 299, 329 Post  55, 61, 86, 234, 282, 356 Potentieller Wettbewerb  79, 271, 272 Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung  117, 143 Private Investor Test  174, 205 Punkt-Infrastruktur  53, 88 Punkt-Netzwerk-Infrastruktur  53, 87

Telekommunikation  57, 68, 75, 80, 90, 203, 270, 282, 307 Theorie der angreifbaren Märkte  79 Transeuropäische Netze  43, 120

Quersubventionierung  85, 264, 284 Randzonenwettbewerb  84, 285 Regionalbeihilfen  293, 342 Rückforderung  192, 195 Sachverständigengutachten  242 Schwimmbad  89, 139, 289, 290 Seehafen  46, 133, 199, 217, 231, 320, 338, 341, 357 Selektivitätskriterium  172 Service Public  57, 215 Sozialkapital  39, 40 Spürbarkeit  197, 249 Stadion  50, 139, 191, 199, 320, 329

Überkompensation  227, 294, 354, 358 Unternehmensbegriff  125 Verfassungsüberlieferungen der Mitglied­ staaten  147 Vergabe  64, 140, 200, 229, 237, 285 Vorfeldmaßnahmen  Siehe Prävention Wärmenetz  139, 289, 320 Wettbewerb auf Inputmärkten  274, 347 Wettbewerbsbegriff  250, 272, 331 Wettbewerbsmodell  98, 105, 272 Wettbewerbsverfälschung  247, 331 Wettbewerb um den Markt  285, 288 Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt  357 Zwei-Drittel-Regel  80 Zwischenstaatlichkeitsklausel  288