Indikatoren in der soziologischen Forschung [Reprint 2021 ed.] 9783112580424, 9783112580417


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Indikatoren in der soziologischen Forschung [Reprint 2021 ed.]
 9783112580424, 9783112580417

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Indikatoren in der soziologischen Forschung

Indikatoren in der soziologischen Forschung herausgegeben von Horst Berger und Eckhard Priller

Akademie-Verlag • Berlin 1982

Autoren: 1

Abschnitt 1.1 Prof. Dr. habil. Horst Berger Abschnitt 1.2 Dr. Werner Klimek t Abschnitt 1.3 Prof. Dr. habil. Worst Berger

2..

Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt

3.:

Dr. Eckhard Priller

4.:

Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6

4.1 4.2 4.3 4.4

Prof. Dr. habil. Horst Berger Dr. Eckhard Friller Dr. Eckhard Friller Dr. Werner Klimek t Dr. Eckhard Friller Dr. Werner Klimek t

Prof. Dr. habil. Horst Berger Dr. Manfred Lindtner Dr. Manfred Lindtner Dr. Thomas Hanf

Erschienen im Akademie-Verlag. 1086 Berlin. Leipziger Str. 3 — 4 © Akademie-Verlag. Berlin 1982 Lizenznummer: 202,- 100/28/82 Gesamtherstellung: VEB Druckerei „Thomas Müntzer". 5820 Bad Langensalza Einbandgestaltung: Rolf Kunze Bestellnummer: 753 892 4 (6601) • LSV 0185 Printed in GDR EVP 10.— M

Inhaltsverzeichnis

1.

Gesellschaftsanalyse — soziale Information — soziologische Forschung . . . .

7

1.1. 1.2. 1.3.

Die Rolle der soziologischen Forschung für die Gesellschaftsanalyse . . . . . . . Zum Wesen der sozialen Information Quellen soziologischer Informationen.

7 12 22

2.

Bedeutung und Funktion von Indikatoren in der soziologischen Forschung . . .

27

2.1. 2.2.

2.5. 2.6.

Begriff des Indikators 27 Erkenntnistheoretische und wissenschaftslogische Aspekte der Indikatorenproblematik 34 Indikatoren als Vermittlungselemente zwischen theoretischer und empirischer 42 Stufe im soziologischen Forschungsprozeß Die Rolle der Sozialindikatoren bei der Analyse, Leitung und Planung sozialer Prozesse 50 Zum positivistischen Indikatorenverständnis in der bürgerlichen Soziologie . . 55 Kritische Anmerkungen zur bürgerlichen „Sozialindikatorenbewegung" . . . . 63

3.

Klassifikation der Indikatoren

3.1.

3.3.

Klassifikation der Indikatoren nach der logischen Struktur zwischen Indikator, und Indikatum 71 Klassifizierung der Indikatoren nach instrumentell-methodischen Gesichtspunkten 79 Zur Klassifizierung von Sozialindikatoren 84

4.

Indikatorengewinnung und Probleme der Messung

4.1. 4.2. 4.3. 4.4.

Die theoretische Bestimmung von Indikatoren 89 Gewinnung und Prüfung der Indikatoren zur Erfassung sozialer Sachverhalte 104 Der Zusammenhang von Indikatorenanalyse und Skalierung 117 Indikatoren zur Messung und mathematischen Modellierung sozialer Sachverhalte 123

5.

Schlußbemerkungen Personenregister

2.3. 2.4.

3.2.

71

89

145 147

1.

Gesellschaftsanalyse — soziale Information — soziologische Forschung

1.1.

Die Rolle der soziologischen Forschung für die Gesellschaftsanalyse

Die marxistisch-leninistische Soziologie in der DDR hat auf der Grundlage und bei der Realisierung des Programms der SED ihr Profil als notwendige Disziplin im Ensemble der Gesellschaftswissenschaften weiter ausgeprägt. Zu Grundprozessen bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und der Schaffung grundlegender Voraussetzungen für den Übergang zum Kommunismus wurden von der Soziologie theoretische und empirische Forschungsergebnisse vorgelegt, die für die gesellschaftliche Praxis von nicht geringer Bedeutung sind. Der 3. Kongreß der marxistisch-leninistischen Soziologie in der DDR (März 1980) verdeutlichte die Spezifik und Eigenständigkeit der soziologischen Forschung. Ausgehend von fundierten soziologischen Analysen, konnte insbesondere zur Erforschung der Dialektik von Sozialstruktur und Lebensweise bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft beigetragen werden. Es ist evident, daß die Erforschung der Einheit und Wechselwirkung von wissenschaftlich-technischem, ökonomischem, politischem, sozialem und ideologischem Forschritt Aufgabe aller Gesellschaftswissenschaften ist und zur Interdisziplinarität in der gesellschaftswissenschaftlichen Forschung drängt. Zugleich werden damit an jede Gesellschaftswissenschaft neue Anforderungen gestellt, um ihren spezifischen Beitrag zur Erforschung der Triebkräfte gesellschaftlichen Fortschritts weiter erhöhen zu können. Für die marxistisch-leninistische Soziologie bedeutet dies, ihre grundlegenden Funktionen 1 — Entwicklung ihres Theoriengebäudes; Beitrag zur wissenschaftlichen Fundierung der Analyse; Leitung, Planung und Prognose sozialer Prozesse und Teilnahme am ideologischen Kampf — voll zu erfüllen. Die qualifizierte Wahrnehmung dieser drei grundlegenden miteinander verbundenen Funktionen der marxistisch-leninistischen Soziologie erheischt die weitere Vervollkommnung der Methoden und Instrumentarien soziologischer Forschung. Insbesondere kommt es darauf an, durch systematische Informationsbereitstellung die Zielstellungen, Prinzipien, Aufgaben und Wir-

1

Vgl. R. Stollberg, Gegenstand und Aufgaben der marxistisch-leninistischen Soziologie, in: Grundlagen der marxistisch-leninistischen Soziologie, hg. von G. Aßmann/R. Stollberg, Berlin 1977, S. 19—35; Autorenkollektiv, Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie, Berlin 1977, S. 603/604.

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kungen der Sozialpolitik unseres sozialistischen Staates theoretisch begründen, analysieren, leiten, planen, kontrollieren und realisieren zu helfen.2 Es ist nicht das Anliegen dieser Schrift, Methoden und Techniken soziologischer Forschung darzustellen. Die Autoren konzentrieren sich indessen darauf, Kriterien zu erarbeiten, wie man zu Informationen über wesentliche Merkmale und Bedingungen sozialer Erscheinungen, Prozesse und Strukturen gelangt. Rudi Weidig verweist mit Recht darauf, daß es nicht genügt, soziale Erscheinungen allgemein zu charakterisieren, sondern daß wesentliche Merkmale und Entwicklungsniveaus kennziffernmäßig zu erfassen sind.3 Dies kann nur mittels solider empirischer Analysen geschehen. Die zunehmende Komplexität der sozialen Erscheinungen und Prozesse und ihre wechselseitige Verflechtung mit ökonomischen, wissenschaftlich-technischen und anderen Prozessen der gesellschaftlichen Entwicklung stellt die empirisch-soziologische Forschung vor neue Probleme. Als ein Kardinalproblem solider empirischer Analysen erweist sich offenbar die Ausarbeitung von Indikatoren. Es erscheint daher legitim zu sein, sich der Indikatorenproblematik besonders zuzuwenden. Wenn einerseits als ein Vorzug auf dem 3. Soziologiekongreß der D D R konstatiert werden konnte, daß die Komplexität und gegenseitige Verflechtung solcher Sachverhalte wie Sozialstruktur und Lebensweise bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft an Hand konkret-historischer Analysen vielfaltiger damit zusammenhängender Prozesse sichtbar gemacht werden konnte, so war andererseits nicht zu übersehen, daß bei der Vielzahl empirischer Analysen zu Teilaspekten von Lebensweise und Sozialstruktur das vermittelnde Band des Determinationsprozesses zwischen sozialen Verhältnissen und sozialem Verhalten mitunter verloren ging. Die Vielzahl empirischer Befunde verweist auf die Notwendigkeit einheitlicher methodischer Grundlagen, um über vergleichbare Analysen die gesellschaftlichen Ursachen und wesentlichen Zusammenhänge sozialer Erscheinungen aufspüren zu können. Nicht selten wird als ein Mangel empirisch-soziologischer Untersuchungen ein Mißverhältnis zwischen erhobenen und ausgewerteten sozialen Daten vermerkt. Sicher deutet dieses Mißverhältnis auf ungenügende theoretische Fundierung derartiger Untersuchungen hin. Rationalität in der Datenbeschaffung ist zweifelsohne vonnöten. Wir brauchen keine „Datenfriedhöfe", sondern verwertbare Datenmengen. Mitunter wird aber auch über ein Datendefizit geklagt. Weder die Auffassung von einem Datenüberschuß noch die Auffassung von einem Datendefizit ist völlig gerechtfertigt. Betrachtet man die verfügbare soziale Information unter dem Gesichtspunkt der Gesellschaftsanalyse und der drei grundlegenden Funktionen der marxistisch-leninistischen Soziologie, so kann wohl zu

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Vgl. G. Winkler, Zur höheren Qualität der Verbindung von Soziologie und Sozialpolitik, in: Jahrbuch für Soziologie und Sozialpolitik 1980, Berlin 1980, S. 32 (Akademie der Wissenschaften der D D R , Institut für Soziologie und Sozialpolitik).

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Vgl. R. Weidig, Soziologische Sozialstrukturforschung in der D D R , in: ebenda, S. 40.

Recht gefragt werden, ob wir über die notwendigen sozialen Daten verfügen. Diese Frage ist sicher nicht leicht zu beantworten. Die zunehmende Informationsflut der letzten Jahrzehnte drängt nach einer Reduzierung der Informationen. Entscheidend ist indessen, nach welchen Kriterien diese Reduzierung der Informationen erfolgen soll. Sicher ist der Hinweis darauf, daß die verfügbaren sozialen Informationen besser zu nutzen bzw. systematischer auszuwerten sind, keine hinreichende Lösung des Problems. Hierzu muß man bei den Grundlagen der Informationsbeschaffung ansetzen. Und genau hier ordnet sich die Indikatorenproblematik ein. Niemand wird bestreiten, daß die Kenntnisse über die realen Entwicklungsprozesse der Gesellschaft, über soziale Zustände, Abläufe, Situationen und über das soziale Verhalten verschiedener sozialer Gruppen durchaus unterschiedlich sind. Und sicher muß der Informationsbedarf für verschiedene Ebenen und Bereiche der Gesellschaft unterschiedlich bestimmt werden. Ein weiterer Aspekt soll in diesem Zusammenhang genannt werden — soziale Informationen über die Gesellschaft, ihre Entwicklung, Struktur und Funktionsweise werden von verschiedenen Institutionen unter spezifischen Gesichtspunkten gewonnen und verarbeitet. So kann hier beispielsweise auf die Rolle gesellschaftlicher Organisationen und Institutionen sowie der Massenkommunikationsmittel nur verwiesen werden, geht es doch in dieser Schrift um Grundlagen der Informationsgewinnung in den Gesellschaftswissenschaften, genauer, im Rahmen der empirischen soziologischen Forschung. Indessen sollte auf Bezüge zwischen soziologischen Informationen und allgemeinen sozialen Informationen zumindest aufmerksam gemacht werden. Auch auf die wachsende Differenz zwischen Wissenszuwachs und Wissensauswertung kann in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden. Mit der Wissensbewältigung angesichts der zunehmenden Informationslawine hat sich u. a. Georg Klaus eingehend befaßt.4 Trotz des allgemeinen Überangebots an Informationen, vielleicht auch gerade deshalb, sind durch empirisch-soziologische Forschungen gewonnene Informationen eher in unzureichendem Maße vorhanden, um die wesentlichen Entwicklungs-, Struktur- und Funktionsgesetze unserer gesellschaftlichen Entwicklung hinreichend erkunden zu können. Der Bedarf an fundierten empirisch-soziologischen Analysen wird daher auch künftig wachsen. Die Informationsproblematik ist im Zusammenhang mit der Gesellschaftsanalyse indessen nicht nur im Hinblick auf die Informationsgewinnung und Informationsauswertung zu sehen, sondern auch hinsichtlich der Informationsspeicherung. Moderne EDVA ermöglichen auch für die soziologische Forschung den Aufbau von Datenspeichern bzw. Datenbanken. Wenn mit dem Aufbau von Datenbanken in unserem Lande bislang vor allem für ökonomische und wissenschaftlich-technische Sachverhalte begonnen worden ist, so hängt das sicher mit dem fortgeschrittenen Niveau ökonomischer und wissenschaftlich-technischer

* Vgl. G. Klaus, Rationalität — Integration — Information, Berlin 1974, S. 268—270.

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Analysen für die Gesellschaftsentwicklung zusammen. 5 Zugleich muß aber auf die unterschiedliche Informationsbasis im ökonomischen und sozialen Bereich hingewiesen werden. Die ökonomische Statistik beispielsweise hat eine jahrzehntelange Tradition und verfügt über ausgearbeitete Methoden, über Mittel, Kapazitäten und Kader. In diesem Sinne kann von einem System der Sozialstatistik noch nicht die Rede sein, wenngleich viele auch für die soziologische Forschung relevante Sachverhalte periodisch statistisch erfaßt werden und durch die Volks-, Berufs-, Wohnraum- und Gebäudezählung umfassende Informationen über wesentliche Lebensbedingungen zur Verfügung gestellt werden. Wie jede andere Wissenschaft zielt auch die Soziologie auf Gesetzerkenntnis. Sie ist demzufolge auf objektive Gesetzmäßigkeiten sozialer Grundprozesse bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft orientiert und stellt sich somit den Forderungen des Parteiprogramms der SED an die gesellschaftswissenschaftliche Forschung: „Die Erforschung der Gesetzmäßigkeiten der entwickelten sozialistischen Gesellschaft soll dazu beitragen, Varianten und Lösungswege für neue heranreifende ökonomische, soziale, kulturelle und ideologische Aufgaben zu erarbeiten." 6 Auch in Zukunft werden wesentliche Merkmale und Prozesse der Entwicklung der sozialistischen Lebensweise in den verschiedenen Klassen, Schichten und sozialen Gruppen, die ihnen entsprechenden konkret-historischen Verläufe und Bedingungen im Zentrum soziologischer Analysen stehen. Theoretische und empirische Untersuchungen sind also gleichermaßen zu intensivieren, um die ganze Vielfalt und Widersprüchlichkeit der gesellschaftlichen Entwicklung aufzudecken. Nicht selten wird auf die Begrenztheit empirischer Analysen hingewiesen.7 Dies hat sicher seine Berechtigung, wenn damit einzelne empirische Untersuchungen gemeint sind.8 Begreifen wir jedoch empirische Analysen als Bestandteil soziologischer Forschung, als eine Stufe soziologischer Erkenntnis bzw. ein Durchgangsstadium, welches zur theoretischen Analyse hinführt, sind derartige Warnungen zu relativieren. Der Stellenwert fundierter empirischer Untersuchungen als Pendant zu theoretischen Untersuchungen kann für die soziologische Forschung nicht hoch genug veranschlagt werden. Wogegen man sich wenden muß, sind theoretisch ungenügend begründete empirische Analysen; nicht zu reden vom platten Empirismus. In der „Deutschen Ideologie" schreiben Marx und Engels: „Die empirische Beobachtung muß in jedem einzelnen Fall den Zusammenhang der gesellschaftlichen und politischen Gliederung mit der Produktion

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Vgl. S. Apelt/K. Neumann, Datenbanken der staatlichen Zentralverwaltung für Statistik — eine Hauptrichtung der EDV — Anwendung, in: Wirtschaftswissenschaft, 5/1980, S. 588—597. Programm der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Berlin 1976, S. 47. Vgl. Autorenkollektiv, Wie steht es um Leistungsstreben, Initiative, Schöpfertum?, Berlin 1979, S. 6. Vgl. ebenda, S. 32.

empirisch und ohne alle Mystifikation und Spekulation aufweisen. Die gesellschaftliche Gliederung und der Staat gehen beständig aus dem Lebensprozeß bestimmter Individuen hervor; aber dieser Individuen, nicht wie sie in der eignen oder fremden Vorstellung erscheinen mögen, sondern wie sie wirklich sind, d. h. wie sie wirken, materiell produzieren, also wie sie unter bestimmten materiellen und von ihrer Willkür unabhängigen Schranken, Voraussetzungen und Bedingungen tätig sind . . . , es wird von den wirklich tätigen Menschen ausgegangen und aus ihrem wirklichen Lebensprozeß auch die Entwicklung der ideologischen Reflexe und Echos dieses Lebensprozesses dargestellt . . . Diese Betrachtungsweise ist nicht voraussetzungslos. Sie geht von den wirklichen Voraussetzungen aus, sie verläßt sie keinen Augenblick. Ihre Voraussetzungen sind die Menschen nicht in irgendeiner phantastischen Abgeschlossenheit und Fixierung, sondern in ihrem wirklichen, empirisch anschaulichen Entwicklungsprozeß unter bestimmten Bedingungen." 9 So begriffene empirische Untersuchungen zielen darauf ab, in den sozialen Erscheinungen und Prozessen wesentliche Merkmale, Bedingungen, Triebkräfte und Ursachen der gesellschaftlichen Entwicklungen aufzudecken und die so gewonnenen soziologischen Informationen für die einheitliche Wirtschafts- und Sozialpolitik der Partei, des sozialistischen Staates und der Gewerkschaften zu verallgemeinern. Nun ist es allerdings eine Binsenwahrheit, daß Gesetzmäßigkeiten empirisch nicht unmittelbar erfaßbar sind. 10 Es sind daher solche sozialen Erscheinungen und Prozesse der empirischen Analyse zu unterziehen, in denen das Wesen der gesellschaftlichen Entwicklung zum Ausdruck kommt. 11 Dies ist zweifelsohne keine leichte theoretische und methodische Aufgabe. Gestützt auf den Historischen Materialismus, ist entsprechend der von Marx entwickelten Methode des Aufsteigens vom Abstrakten zum Konkreten vorzugehen: „Die Forschung hat den Stoff sich im Detail anzueignen, seine verschiedenen Entwicklungsformen zu analysieren und deren inneres Band aufzuspüren. Erst nachdem diese Arbeit vollbracht ist, kann die wirkliche Bewegung entsprechend dargestellt werden." 12 Empirische Forschung und theoretische Forschung sind ergo in ihrer dialektischen Einheit zu fassen. Die empirische Forschung erschließt die Möglichkeit, die den sozialen Erscheinungsformen zugrunde liegenden allgemeinen Merkmale, Bedingungen, Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten darzustellen. Der Prozeß des Aufsteigens vom Abstrakten zum Konkreten ist demzufolge die theoretische Reproduktion der Einheit der mannigfaltigen Bestimmungen in den sozialen Erscheinungen und Prozessen. Dies ist nun allerdings eine höhere, über die empirische Erkenntnis hinausgehende Verallgemeinerungs9

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K. Marx/F. Engels, Die deutsche Ideologie, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke (im folgenden MEW), Bd. 3, Berlin 1958, S. 25ff. Vgl. H. Berger, Methoden industriesoziologischer Untersuchungen, Berlin 1965, S. 19. Vgl. W. I. Lenin, Konspekt zu Hegels „Wissenschaft der Logik", in: Werke, Bd. 38, Berlin 1964, S. 142. K. Marx, Das Kapital, Erster Band, in: MEW, Bd. 23, Berlin 1962, S. 27.

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stufe der Wissenschaft, die Denkkraft und Beherrschung der dialektischen Methode voraussetzt, denn „alle Wissenschaft wäre überflüssig, wenn die Erscheinungsform und das Wesen der Dinge unmittelbar zusammenfielen" schreibt Marx. 13 Das Konkrete als Zusammenfassung vieler Bestimmungen des Untersuchungsobjektes wird von Marx als geistiges reproduziertes Konkretes bezeichnet.14 Die Tatsache, daß im Prozeß der soziologischen Forschung einerseits die realen konkret-historischen sozialen Erscheinungen und Prozesse einer eingehenden empirischen Analyse unterzogen werden und aus dieser Analyse konkrete soziologische Erkenntnisse als theoretisches Wissen über diese Erscheinungen und Prozesse gewonnen werden, rechtfertigt die Auffassung S. Michailovs, die Termini „konkret" und „empirisch" nicht als Synonyme zu verwenden.15 In der soziologischen Erkenntnis spielen Begriffe und Indikatoren eine besondere Rolle. Der Forderung nach gründlicherer Erfassung der Komplexität sozialer Prozesse, nach ganzheitlicher Analyse der soziologischen Forschungsobjekte und schließlich nach weiterer theoretischer Profilierung der marxistisch-leninistischen Soziologie16 kann sicherlich besser entsprochen werden, wenn insbesondere die Indikatorenforschung solche objektbezogenen Indikatorenbatterien, Indikatorenmodelle bzw. Indikätorensysteme ausarbeitet, die es ermöglichen, die einzelnen empirisch-soziologischen Untersuchungen nach einheitlichen standardisierten Strategien durchzuführen und damit besser vergleichbar zu machen. Dabei sind systemorientierte Voraussetzungen zu klären, Fortschritte in der mathematischen Modellierung sozialer Prozesse zu erreichen, multivalent verwendbare Programmpakete für die Auswertung soziologischer Untersuchungsergebnisse zu erarbeiten und insbesondere entscheidende Schritte zur Standardisierung und Speicherung von Indikatoren zu tun. Auf diesem Wege wird es möglich sein, die soziale Informationsbasis der marxistisch-leninistischen Soziologie entscheidend zu verbreitern.

1.2.

Z u m Wesen der sozialen Information

Die marxistische Soziologie untersucht die Information als soziales Phänomen, d. h. sie analysiert die Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien, die den informationellen Prozessen in gesellschaftlichen Strukturen und Systemen zugrunde liegen sowie den soziologischen Forschungsprozeß als einen Informationsprozeß, bei dem aus 13 14

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K. Marx, Das Kapital, Dritter Band, in: MEW, Bd. 25, Berlin 1964, S. 825. Vgl. K. Marx, Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie, in: MEW, Bd. 13, Berlin 1964, S. 632. Vgl. S. Michailov, Ëmpiriceskoe sociologiceskoe issledovanie, Moskva 1975, S. 46—48. Vgl. R. Weidig, Soziologische Sozialstrukturforschung in der DDR, in: Jahrbuch für Soziologie und Sozialpolitik 1980, a. a. O., S. 40/41 (Akademie der Wissenschaften der DDR, Institut für Soziologie und Sozialpolitik).

stufe der Wissenschaft, die Denkkraft und Beherrschung der dialektischen Methode voraussetzt, denn „alle Wissenschaft wäre überflüssig, wenn die Erscheinungsform und das Wesen der Dinge unmittelbar zusammenfielen" schreibt Marx. 13 Das Konkrete als Zusammenfassung vieler Bestimmungen des Untersuchungsobjektes wird von Marx als geistiges reproduziertes Konkretes bezeichnet.14 Die Tatsache, daß im Prozeß der soziologischen Forschung einerseits die realen konkret-historischen sozialen Erscheinungen und Prozesse einer eingehenden empirischen Analyse unterzogen werden und aus dieser Analyse konkrete soziologische Erkenntnisse als theoretisches Wissen über diese Erscheinungen und Prozesse gewonnen werden, rechtfertigt die Auffassung S. Michailovs, die Termini „konkret" und „empirisch" nicht als Synonyme zu verwenden.15 In der soziologischen Erkenntnis spielen Begriffe und Indikatoren eine besondere Rolle. Der Forderung nach gründlicherer Erfassung der Komplexität sozialer Prozesse, nach ganzheitlicher Analyse der soziologischen Forschungsobjekte und schließlich nach weiterer theoretischer Profilierung der marxistisch-leninistischen Soziologie16 kann sicherlich besser entsprochen werden, wenn insbesondere die Indikatorenforschung solche objektbezogenen Indikatorenbatterien, Indikatorenmodelle bzw. Indikätorensysteme ausarbeitet, die es ermöglichen, die einzelnen empirisch-soziologischen Untersuchungen nach einheitlichen standardisierten Strategien durchzuführen und damit besser vergleichbar zu machen. Dabei sind systemorientierte Voraussetzungen zu klären, Fortschritte in der mathematischen Modellierung sozialer Prozesse zu erreichen, multivalent verwendbare Programmpakete für die Auswertung soziologischer Untersuchungsergebnisse zu erarbeiten und insbesondere entscheidende Schritte zur Standardisierung und Speicherung von Indikatoren zu tun. Auf diesem Wege wird es möglich sein, die soziale Informationsbasis der marxistisch-leninistischen Soziologie entscheidend zu verbreitern.

1.2.

Z u m Wesen der sozialen Information

Die marxistische Soziologie untersucht die Information als soziales Phänomen, d. h. sie analysiert die Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien, die den informationellen Prozessen in gesellschaftlichen Strukturen und Systemen zugrunde liegen sowie den soziologischen Forschungsprozeß als einen Informationsprozeß, bei dem aus 13 14

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K. Marx, Das Kapital, Dritter Band, in: MEW, Bd. 25, Berlin 1964, S. 825. Vgl. K. Marx, Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie, in: MEW, Bd. 13, Berlin 1964, S. 632. Vgl. S. Michailov, Ëmpiriceskoe sociologiceskoe issledovanie, Moskva 1975, S. 46—48. Vgl. R. Weidig, Soziologische Sozialstrukturforschung in der DDR, in: Jahrbuch für Soziologie und Sozialpolitik 1980, a. a. O., S. 40/41 (Akademie der Wissenschaften der DDR, Institut für Soziologie und Sozialpolitik).

Primärdaten zusammengefaßte Informationen und daraus für die Leitung der Gesellschaft verwendbare Informationen gewonnen werden. Entsprechend dieser Betrachtungsweise der sozialen Information sollen nachfolgend vor allem theoretische Fragen geklärt werden, die als Voraussetzung für eine effektivere Nutzung sozialer Informationen für die Leitung der Gesellschaft dienen. Grundsätzlich können zwei Arten von Informationen in der menschlichen Gesellschaft unterschieden werden. Die technische, maschinelle Information, die mathematisch genau erfaßbar ist und bei der Sender und (oder) Empfanger nicht mehr Menschen sind, und die semantische, vernünftige, menschliche oder soziale Information, die den Menschen als Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse betrifft. „Die vernünftige Information ist außerordentlich spezifisch. In ihrer qualitativen Besonderheit stellt sie eben dasjenige dar, das in der Information anderer Art nicht enthalten ist. Diese Information muß allseitig untersucht und vor allem aus sich selbst heraus richtig verstanden werden, nicht aber durch ihren Vergleich mit der maschinellen oder biologischen Information." 17 Die soziale Information ist das Mittel, mit dem sich die Kommunikation in der Gesellschaft vollzieht, „Ohne Kommunikation, ohne die Möglichkeit einer solchen Kommunikation wäre das gesellschaftliche Leben unmöglich, unmöglich wäre insbesondere der allem gesellschaftlichen Leben zugrunde liegende Prozeß der Arbeit. Deshalb ist das Kommunikationsproblem gleichfalls ein Grundproblem der Soziologie . . . Der Prozeß der Arbeit und der Prozeß des Gebrauchs von Zeichen — das heißt die menschliche Kommunikation — sind genetisch und funktional miteinander verbunden. Eben deswegen kann man, wenn man diese Verbindung erkennt, die Kommunikation ruhig als ein Element in die Definition des Menschen und der menschlichen Gesellschaft aufnehmen." 18 Insofern, als der soziologische Forschungsprozeß spezifische soziale Informationen ermittelt, verarbeitet und verallgemeinert, kann er als spezifischer Kommunikationsprozeß bezeichnet werden. In diesem spezifischen Kommunikationsprozeß gelangen spezifische Kommunikationsmethoden zur Anwendung. Unter dem Gesichtspunkt der Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung sind Aussagen, Urteile, Begriffe und Indikatoren als Widerspiegelungselemente auch Kommunikationsmittel. Ebenso wie der Begriff „Soziales" im engeren und im weiteren Sinne verstanden und verwendet werden kann, verhält es sich mit der „sozialen Information". Soziale Information im weiteren Sinne bezeichnet die Informationen, die in der Gesellschaft zirkulieren, durch das Bewußtsein der Menschen gehen und

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S. G. Ivanov, Einige gnoseologische Aspekte der Informationstheorie, Leningrad 1965, zitiert in: S. E. Zlocevsky u. a„ Information in der wissenschaftlichen Forschung, Berlin 1972, S. 11. A. Schaff, Einführung in die Semantik, Berlin 1966, S. 111.

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bei der Analyse, Leitung, Planung und Gestaltung der gesellschaftlichen Prozesse angewendet werden.19 Soziale Information im engeren Sinne widerspiegelt vor allem die Beziehungen der Menschen, ihre Wechselwirkung, ihr Verhalten, ihre Bedürfnisse, Interessen und die Wirkungsbedingungen ihres Handelns. Da es keine soziale Information außerhalb der Gesellschaft, der in ihr mit bestimmten Interessen und Zielen tätigen Klassen, Schichten, Gruppen usw. gibt, trägt die soziale Information tiefe Spuren klassenmäßiger, nationaler und anderer Beziehungen, den Stempel der Bedürfnisse, Interessen und psychischen Wesenszüge des sozialen Kollektivs, dessen Verhältnisse die Information widerspiegelt und das die Information nutzt.20 Eine Nachricht wird dann zur Information, wenn ihr eine Bedeutung zugeordnet wird. Diese Bedeutungszuordnung ist die dialektische Einheit einer historisch konkreten Widerspiegelung und Bewertung durch die am Informationsprozeß Beteiligten, die als Sender und (oder) als Empfänger fungieren. Der von der statistischen Informationstheorie gefaßte Informationsbegriff abstrahiert von der konkreten Bedeutung der Signale. Information in diesem Sinne ist weder ein semantisches noch ein pragmatisches Maß. „Sie bezieht sich nicht so sehr auf das, was man sagt, sondern auf das, was man sagen könnte."21 Entscheidend ist aber die tatsächliche Relevanz der Informationen und nicht die potentielle. Deshalb ist für soziologische Fragestellungen der pragmatische Aspekt der Information der entscheidende Ansatzpunkt für Untersuchungen. Der pragmatische Aspekt der Information, in dem auch der soziologische Aspekt zum Ausdruck kommt, untersucht die Beziehung der Zeichen zu ihren Benutzern.22 Der pragmatische Aspekt ist der breiteste und am wenigsten formalisierbare Aspekt der Information, er ist der praxisnächste, aber auch der komplizierteste.23

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Vgl. W. G. Afanasjew, Soziale Information und Leitung der Gesellschaft, Berlin 1976, S. 43; und ders., Der Mensch in der Leitung der Gesellschaft, Berlin 1979, S. 121. Vgl. H. Borchardt, Stichwörter Information und Kommunikation, in: Autorenkollektiv, Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie, a. a. O. ; W. G. Afanasjew, Der Mensch in der Leitung der Gesellschaft, a. a. O., S. 121. W. Weaver, Die Mathematik der Information, in: Das Elektronengehirn, Wiesbaden o. J., S. 57, zitiert in: A. G. Coenberg, Die Kommunikation in der Unternehmung, Wiesbaden 1966, S. 27. „Zusammenfassend kann man sagen, daß die Pragmatik eine Theorie ist, die vor allem die psychologische und soziologische Komponente beim Gebrauch sprachlicher Zeichen untersucht." (G. Klaus, Die Macht des Wortes. Ein erkenntnistheoretisch-pragmatisches Traktat, Berlin 1968, S. 21.) Vgl. W. Nemtschinow/J. I. Tschernjak/J. Maiminas u. a., Informationsströme in der Wirtschaft, Berlin 1971, S. 120-121.

Die Soziologie muß bei der Analyse des Kommunikationsprozesses die historisch-konkreten sozialen Strukturen und Bedingungen herausarbeiten, unter denen sich dieser Prozeß realisiert. Das schließt die Beantwortung der Fragen ein, wie sich dieser Kommunikationsprozeß im Informationsinhalt und im Handeln niederschlägt, wie die Informationen verhaltensrelevant wirken bzw. Handlungen stimulieren können und an welche Voraussetzungen das geknüpft ist. Jeder Kommunikationsprozeß vollzieht sich unter einer bestimmten Menge historisch-konkreter sozialer Bedingungen, die in ihrer Gesamtheit als Kommunikationssituation24 bezeichnet werden. Diese Bedingungen können in objektive und subjektive unterteilt werden, wobei berücksichtigt werden muß, daß die Verhaltensdetermination des Menschen nur aus der Wechselwirkung der objektiven und subjektiven Bedingungen erklärt werden kann. Der Informationsprozeß ist ein Vorgang, der sich immer zwischen Gruppen von Menschen bzw. zwischen Menschen vollzieht; Kommunikation tritt ein, wenn Sender und Empfanger einer Zeichenfolge im wesentlichen gleiche Bedeutung zuordnen. Dies gilt unabhängig davon, ob Sender und (oder) Empfänger einzelne Individuen, Kollektive oder z. B. Organisationen sind, die am politischen Willensbildungsprozeß beteiligt sind. Durch die Bedeutungszuordnung wird die Einheit von Widerspiegelung und sozialer Bewertung erzielt; die soziale Information ist immer Ergebnis der Einheit von Widerspiegelung und Bewertung. Die Bedeutungszuordnung ist eine semantische Widerspiegelung innerhalb einer bestimmten sozialen Situation mit spezifischer Bewertung durch das tätige Subjekt bzw. die Organisation in dieser sozialen Situation. Die tätigen Subjekte, die Menschen, sind Träger von Funktionen (politische, ökonomische u. a.), Wissen, praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, Einstellungen, Wertorientierungen und Motiven; ihre Aktivität und ihr Verständnis für die ablaufenden Prozesse gewährleistet erst das Funktionieren der sozialen Kommunikation.25 Für arbeitsteilig gegliederte Organisationen, wie z. B. ein Forschungsinstitut, und für das Zusammenwirken der Organisationen miteinander ist nun typisch, daß sich die Bedeutungszuordnung zu Zeichen nicht in einem einmaligen Akt vollzieht. Die arbeitsteilig bestimmten und kooperativ zusammenwirkenden Gruppen und Organisationen realisieren durch ihr aktives soziales Verhalten Teilfunktionen zur Gesamtfunktion des Systems. Dieses aktive soziale Verhalten spiegelt sich auch in der Bedeutungszuordnung zu Informationen wider. Diese Zuordnung erfolgt mehrmalig, daß heißt sukzessiv. Durch die sukzessive Bedeutungszuordnung ist die Möglichkeit und Notwendigkeit gegeben, daß die

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Vgl. L. Bisky/G. Friedrich, Massenkommunikation und Jugend, Berlin 1971, S. 125. Vgl. H. Borchardt, Stichwort Kommunikation, in: Autorenkollektiv, Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie, a. a. O., S. 352 ff.; und für spezifischere Aussagen zum Kommunikationsprozeß im Industriebetrieb: W. Klimek, Soziale Informationstransformation im industriellen Leitungsprozeß, Diss. A, Humboldt-Universität, Berlin 1974.

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beteiligten Funktionsgruppen bzw. Organisationen einen aktiven Beitrag zur Bedeutungsbildung leisten können. Die Bedeutungszuordnung steht in unmittelbarer Beziehung zur Erfassung und Aufbereitung der Informationen. Die richtige Erhebung und Aufbereitung der Informationen wird nur gewährleistet durch sukzessive Bedeutungszuordnung (Transformations- oder Interpretationsstufen der Information). Dieser Prozeß der sukzessiven Bedeutungszuordnung ist ein sozialer Transformationsprozeß von Informationen, der verhaltensrelevante Informationen erzeugt. Sie kann somit auch als verhaltensrelevantes Erfassen und Aufbereiten der Informationen bezeichnet werden. Die Informationen in der Gesellschaft sind Ergebnis dieses sozialen Transformationsprozesses und ebenso ist es die Kommunikation als gesellschaftliche Verständigung. Die organisationsspezifische Gestaltung der Informationsprozesse läßt sich vor allem durch zweierlei charakterisieren: inhaltlich durch die Entscheidung und formell durch die Transinformation.26 Daraus wird zugleich der enge Zusammenhang zwischen Leitung, Entscheidung und sozialer Information deutlich, auf den noch später eingegangen werden soll. Das Ergebnis des sozialen Transformationsprozesses der Information, der sukzessiven Bedeutungszuordnung, ist die Transinformation.27 Innerhalb arbeitsteilig gegliederter Organisationen bzw. auch zwischen ihnen sind nun mehrere Transformationen notwendig, ehe der Empfanger erreicht wird. Transformation selbst ist die auf Auswahl und Entscheidungsvorgängen beruhende Zuordnung von Zuständen des Senders oder Empfängers in Zustände von Zeichenstrukturen, die sich als soziale Kommunikation über den Zeichenverkehr realisiert.28 Reduziert auf die Semantik, wäre die Transinformation nur eine Frage der fehlerhaften Informationsübermittlung. Trotz gleichbleibender Semantik ändert sich jedoch die soziale Bewertung der Information durch die am Transformationsprozeß beteiligten Funktionsgruppen, da ein und derselbe Sachverhalt nicht die gleiche Bedeutung für unterschiedliche Fiinktionsrealisierungen hat. Die Bedeutung wird vom Standpunkt der sozialen Funktion aus zugeordnet, 26

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Vgl. auch R. Welskopf, Die Auswirkungen der elektronischen Datenverarbeitung als Leitungsinstrument auf die Teilnahme der Werktätigen an der Leitung und Planung in der sozialistischen Industrie, Diss. A, Humboldt-Universität, Berlin 1973, S. 59/60. Der Begriff wurde von M. Lötsch/H.-G. Meyer, „Struktur, Information und Verhalten als soziologische Probleme der Organisationsanalyse", Habilitationsschrift, Berlin 1969, S. 93, in die Soziologie eingeführt und geht auf L. Couffignal, „Kybernetische Grundbegriffe", Baden-Baden 1962, S. 29, 33, 73 zurück. Für detailliertere Ausführungen im Zusammenhang mit der sozialen Informationstransformation sei verwiesen auf W. Klimek, Soziale Informationstransformation im industriellen Leitungsprozeß, a. a. O., worauf sich auch die weiteren Darlegungen stützen. Vgl. L. Bisky/G. Friedrich, Massenkommunikation und Jugend, a. a. O., S. 95.

bezogen auf einen Sachverhalt, und spiegelt sich im Informationsinhalt wider. Der Empfänger muß nun in der Lage sein, dieser Information die „richtige" Bedeutung zuzuordnen. Voraussetzung dafür ist ein Mindestmaß an gemeinsamen Zeichen und Bedeutungen. Da auch der Empfänger vom Standpunkt seiner sozialen Funktion aus eine Bedeutungszuordnung vornimmt, kann es bei mangelhafter Aufbereitung der Informationen unter anderem durch Überspringen einiger Interprétations- bzw. Transformationsstufen vorkommen, daß Informationen entstellend wirken können. So hat die Widerspiegelung singulärer Gegebenheiten bei einer soziologischen Befragung noch keine „richtige" Bedeutung für die Bewertung des Untersuchungsgegenstandes, kann sie ohne Interpretation und Aggregation sogar entstellend wirken. Umgekehrt muß eine theoretische soziologische Information zumeist erst für einen bestimmten Bereich der Gesellschaft aufbereitet und auf die konkreten Bedingungen bezogen werden, ehe die „Empfanger" ihr eine „richtige" Bedeutung zuordnen können — die Information wird sozial transformiert und erreicht als soziale Transinformation den Empfanger. An dieser Stelle muß die Frage aufgeworfen werden : Wie kann bestimmt werden, was Information oder Transinformation ist? Was Information ist, hängt von dem betrachteten System und dessen Ziel ab. A. I. Berg und J. I. Tschernjak 29 schreiben dazu: „Der Begriff .Information' existiert nicht unabhängig vom Begriff .System' und wird durch ihn bestimmt." Das gilt auch für den Begriff Transinformation. Transinformationen sind jene Informationen, die mehrmalig transformiert, denen also sukzessiv Bedeutungen zugeordnet werden, ehe sie den Empfänger erreichen. Was für die Organisation und ihre Teile Information und Transinformation ist, hängt von der zu betrachtenden Ebene, ihrem Entscheidungsfeld und ihrer Funktion innerhalb der Organisation ab, die als Ausgangspunkt für den Informationsprozeß genommen wird. Würden wir das Bezugssystem außer acht lassen, müßten wir konsequenterweise alle in der Gesellschaft vorhandenen Informationen als Transinformationen bezeichnen (mit Ausnahme der primär in der Wissenschaft gewonnenen Erkenntnisse, die erst kommuniziert werden müssen). Damit wäre aber nichts gewonnen. Die soziale Informationstransformation (die sukzessive Bedeutungszuordnung) realisiert sich z. B. bei der Anwendung der Befragungsmethoden in der soziologischen Forschung. Der „Empfänger" der Information ist letztlich Mitglied des Untersuchungskollektivs und richtet sich nach einer genau definierten Indikatorenbatterie, die dem ,Sender" (Probanden) vorgelegt wird. Es findet jedoch eine wechselseitige Information statt, Fragen seitens des Forschers und Antworten seitens des Probanden. Der sozialen (Trans-)Information wird dabei durch sukzessive Bedeutungszuordnung semantische Redundanz und organisationsspezi29

2

A. I. Berg/J. I. Tschernjak, Information und Leitung, Berlin 1969, S. 34. Berger u. a., Indikatoren

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fische Erfahrung (in Form zusätzlicher und konkretisierender Informationen) hinzugefügt. Semantische Redundanz wird hier als synonyme Umschreibung für den Bedeutungsgehalt einer Information verstanden. Insbesondere für soziologische Untersuchungen gilt, daß es unter Umständen notwendig ist, zur Kontaktaufnahme mit den Probanden semantische Redundanz einzusetzen. Das Redundanzproblem beinhaltet folglich nicht nur das Verstehen einer Information, sondern auch ihre Wirkung auf den Empfänger. In diesem Fall — mit dem es die Soziologie vorwiegend zu tun hat — umfaßt die semantische Redundanz mehr als die synonyme Umschreibung des Bedeutungsgehalts einer Information. Die Spezifik der sozialen Informationstransformation kann nicht ausreichend damit erklärt werden, daß es sich um eine Informationstransformation in der menschlichen Gesellschaft handelt, da es hier mehrere Arten der Informationstransformation gibt. Die Übermittlung vom Ort der Verfügbarkeit zum Ort ihrer Verwertung wäre die örtliche, die Informationsspeicherung die zeitliche und die Informationsverarbeitung die sachliche Informationstransformation. Die hier aufgeführten Transformationsarten könnten von einer Datenverarbeitungsanlage realisiert werden. Das Ergebnis dieser Prozesse ist aber nicht die soziale Transinformation. Der Prozeß selbst ist nicht der der sozialen Informationstransformation, da dieser Prozeß nur durch die sukzessive Bedeutungszuordnung ausreichend erklärt werden kann. Die soziale Informationstransformation wird teilweise in der bürgerlichen Literatur auch als Umwandlung in handhabbare Gebrauchsnachrichten bezeichnet. Diese Bezeichnung ist aber für soziologische Fragestellungen nicht relevant, weil z. B. die mechanische Übertragung von Daten einer Lochkarte auf ein Magnetband auch eine Umwandlung in eine handhabbare Gebrauchsnachricht darstellt und der Terminus Gebrauchsnachricht sehr eng mit dem Nutzen in Verbindung steht, der aber nicht das einzige Kriterium der sozialen Information ist.30 30

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Der betriebswirtschaftliche Lösungsweg zur Nutzensbewertung von Information schlägt vor, die Entscheidungsergebnisse mit und ohne Berücksichtigung der zu bewertenden Informationen zu vergleichen (z. B. K. Däumichen, Grundlagen der Bewertung ökonomischer Informationen bei der Vorbereitung von Leitungsentscheidungen, Diss. A, Humboldt-Universität, Berlin 1968, und Handwörterbuch der Organisation, hg. von E. Grochla, Stuttgart 1969). Die Bewertung ist zu eng gefaßt: Diese Entscheidung ist nicht der einzige Verwendungsprozeß der Information; es gibt vor- und nachgelagerte Verwendungsprozesse, denn die Wirkung der eingesetzten Information muß nicht ausschließlich in der Veränderung der Entscheidungsresultate bestehen. Auch kann mit der Information die Frage geklärt werden, ob bei gegebenem Informationsstand entschieden, geplant, kontrolliert, motiviert u. ä. werden soll, oder ob eine weitere Informationsgewinnung sinnvoll erscheint. Der Wert dieser Information für die Persönlichkeitsentwicklung der Werktätigen muß nicht sofort in den Entscheidungsnutzen eingehen. Zumeist dauert es eine größere Zeitspanne, ehe sich Informationen für die Persönlichkeitsentwicklung in einem „meßbaren Nutzen" niederschlagen (der sogenannte Sleeper-Effekt).

Die soziale Informationstransformation erfolgt durch sukzessive Bedeutungszuordnung und bewirkt, daß die übermittelten Informationen (Transinformationen) verhaltensbestimmend wirken. Dadurch wird gesichert, daß der Effekt der Informationen für unterschiedliche Aufgaben- und Funktionsrealisierungen immer gleich bleibt. Der soziale Transformationsprozeß, die sukzessive Bedeutungszuordnung, kann somit auch als Sicherung" der gleichen Wirkung der Informationen durch Veränderung bezeichnet werden. Dabei muß berücksichtigt werden, daß auch und gerade invariante übermittelt werden müssen. Um den Prozeß der sozialen Informationstransformation zu erklären, sind mindestens drei Teilprozesse zu untersuchen: die Selektion, die Strukturierung und die Ergänzung der erhaltenen Informationen, die nachfolgend behandelt werden sollen. Der Informationsempfänger übernimmt nicht die Struktur einer Information, die ihm geboten wird, sondern er „strukturiert neu, unter Berücksichtigung seiner Erfahrung. Diese bedeutsame Tatsache muß man wenigstens in Umrissen kennen und berücksichtigen." 31 (Hervorhebung d. V.) Da es unter soziologischem Aspekt um das Bereitstellen handlungsrelevanter Informationen geht — unabhängig davon, ob ein Individuum oder eine bestimmte soziale Organisation informiert wird —, reicht allein die Selektion von Informationen (oder auch Informationsfilterung) nicht aus, um den Prozeß darzustellen, in dem verhaltensbestimmende Informationen erzeugt und weitergegeben werden. Die sukzessive Bedeutungszuordnung ist damit auch nicht erklärbar. Unter analytischem Aspekt unterscheiden wir drei Teilprozesse der sozialen Informationstransformation 32 : 1. Selektion oder Informationsfilterung (Hervorhebung einiger Fakten, Vernachlässigung anderer), 2. Strukturierung (Neustrukturierung unter Berücksichtigung der Erfahrung des Empfängers) und 3. Ergänzung (der empfangenen Nachricht werden bestimmte Bedeutungen hinzugefügt, die vom Sender nicht intendiert waren, die aber vom Standpunkt des Empfangers aus „da sein müßten", damit die Informationen verhaltensauslösend wirken können). Wenn hier von der Informationstransformation als Aufgabe der soziologischen Forschung gesprochen wird, dann haben wir vorwiegend 31 32

2*

G. Klaus, Sprache der Politik, Berlin 1971, S. 50/51. O. Arnold/K. H. Wieland, Warum — worüber — wie informieren?, Berlin 1971, S. 113 (Schriftenreihe „Soziologie"), schreiben zu diesem Sachverhalt: „Die zu übermittelnden Informationen unterliegen . . . selektierenden, filternden Einwirkungen, sie werden verdichtet oder erweitert. Oft ist eine Verdichtung und andererseits Erweiterung entsprechend den konkreten Aufgaben der Kollektivmitglieder durchaus erforderlich". Dieses „durchaus Erforderliche" ist die soziale Informationstransformation mit ihren drei Teilprozessen.

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die Strukturierung und Ergänzung der erhaltenen Informationen im Auge einschließlich ihrer Interpretation und Verallgemeinerung. Soziale Information — und darin sind die spezifischen Prozesse ihrer Verarbeitung eingeschlossen — ist die höchste, komplizierteste und mannigfaltigste aller bekannten Informationstypen. Die soziale Information ist keine sekundäre oder zusätzliche Komponente der Leitung der Gesellschaft, sondern ein ihr immanenter Zug, eine Grundbedingung für ihre Realisierung. Sie erfordert die Ausarbeitung einer Theorie der sozialen Information. 33 Dabei gewinnt die soziologische Indikatorenforschung für die Analyse, Leitung und Planung der Gesellschaft besondere Bedeutung. Vor der Theorie der sozialen Information steht unter anderem die Aufgabe, Systeme zur quantitativen Informationsbewertung auszuarbeiten wie auch Methoden und Techniken für die Gewinnung optimaler Informationen sowie deren effektive Nutzung zu entwickeln. In der sozialistischen Gesellschaft funktioniert ein kompliziertes, viele Ebenen aufweisendes Leitungssystem: die Gesamtheit der staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Organisationen mit der Partei an der Spitze. Der nun für die Aufgabenerfüllung notwendige Informationsbedarf ist für die verschiedenen Leitungssubjekte unterschiedlich und hängt vor allem von den Aufgaben ab, die das jeweilige Subjekt, der jeweilige Leiter oder Mitarbeiter des Leitungsapparates in ihrer jeweiligen Funktion ausüben. Das dem Leitungssystem entsprechende Informationssystem hat das Ziel, den Informationsbedarf jedes Leitungsbereiches zu decken. Entscheidend für die Wirksamkeit der Informationen ist, daß der Informationsbedarf konsequent durch die Funktionen bzw. Aufgaben bestimmt wird. Damit ist eine stufenweise Verdichtung der Informationen von unten nach oben verbunden, so daß der Leitungspyramide auch eine Informationspyramide entspricht. 34 Auch hierbei wirken die schon dargestellten Prozesse der sozialen Informationstransformation; jedoch fand dieser Aspekt noch nicht genügende Beachtung in der soziologischen Forschung und ist auch nicht Gegenstand alleiniger disziplinarer Betrachtung. Dabei geht es nicht nur um verschiedene Informationsarten, die genutzt werden, sondern auch um ihr Verhältnis zueinander, um die Veränderung von Umfang und Inhalt der Information und anderes. So kann man z. B. davon sprechen, daß für die Leitungssubjekte der höchsten Ebene möglichst alle wesentlichen Informationsaiten vorhanden sein müssen, während für spezialisierte Subjekte und Subjekte der unteren Ebenen nur einige Informationsarten erforderlich sein können. 35 Natürlich ist damit nicht not33 34

35

20

Vgl. M. Markow, Theorie der sozialen Leitung, Berlin 1978, S. 41. Vgl. z. B. R. Weidauer/A. Wetzel, Sozialistische Leitung im Betrieb und Kombinat, Berlin 1974, S. 260. Vgl. A. J. Tichomirow, Die Leitungsentscheidung, Berlin 1975, S. 77.

wendigerweise eine Erweiterung der Informationsmenge verbunden. Vielmehr geht es um eine Informationsverdichtung. Zu Teilaspekten bzw. Teilbereichen der Gesellschaft ist die spezifische Informationsmenge auf unteren Ebenen meist umfangreicher. In gewisser Weise, ist das Problem mit dem der Komplexität identisch. So muß bei einem gewissen Grad der Gemeinsamkeit der Informationsquellen, zu denen auch die soziologische Forschung mit ihren Ergebnissen zählt, auch die Spezifik beachtet werden, die für optimale Entscheidungen gesellschaftlicher Organisationen, der örtlichen Volksvertretungen oder des Staatsapparates notwendig ist. So sind z. B. für Entscheidungen, die einen klar ausgeprägten politisch-ideologischen Charakter haben, Informationsquellen notwendig, wie die unmittelbare Beobachtung, die Information aus mündlichen Gesprächen, Begegnungen, schriftliche Mitteilungen, offizielle Dokumente, Eingaben, Briefe, Fragen der Werktätigen, Ergebnisse soziologischer Untersuchungen, der Statistik und Informationen aus der örtlichen Presse. Wir wollen bei dieser Problematik abschließend auf die Informationen eingehen, die die soziologische Forschung vor allem für die Leitung und Planung der Gesellschaft zur Verfügung stellen kann. Es handelt sich hier um soziale Informationen im engeren Sinne der Bedeutung des Begriffs. So ist die durch den soziologischen Forschungsprozeß erzeugte soziologische Information eine Teilmenge der sozialen Information (im weiteren Sinne). Die Kompliziertheit des Problems zeigt sich auch darin, daß es die soziologische Forschung mit allen drei Ebenen der sozialen Information 36 zu tun hat und auch als Ergebnis bereitstellt: 1. Informationen, die in der Praxis entstehen und direkt für die Praxis bestimmt sind (Quelle dieser Informationsebene ist die Sphäre, die der Wahrnehmung und gleichzeitig der praktischen Tätigkeit des Menschen zugänglich ist); 2. Informationen, die die Sphäre widerspiegeln, die der menschlichen Wahrnehmung und Beobachtung zugänglich ist, sich jedoch außerhalb der praktischen Einwirkung des Menschen befinden; 3. Informationen, die die Sphäre widerspiegeln, die Gegenstand theoretischer Überlegungen ist (Inhalt dieser sozialen Information ist das schöpferische Denken, der aktivste, höchste Typ der Widerspiegelung der Realität). Die soziologische Forschung kann zu einer effektiveren Nutzung der sozialen Information durch entsprechend aufbereitete Informationen an die Leitungsorgane der Gesellschaft beitragen. Insbesondere hier finden die Sozialindikatoren ihre Nutzung. Aus der weiteren Vervollkommnung des Systems der Analyse, Leitung und Planung der Gesellschaft ergibt sich mit Notwendigkeit die Entwicklung eines sozialen Kennziffernsystems in Ergänzung schon vorhandener Kennziffernsysteme. Soziale Indikatoren eröffnen in enger Verbindung zur Sozialplanung und sozialen 36

Vgl. S. Sachowski, Regulation, Information, Bewußtsein, in: W. G. Afanasjew, Soziale Information und Leitung der Gesellschaft, a. a. O., S. 54—55. 21

Prognostizierung die Möglichkeit, konkrete Prozesse und Probleme des realen Vollzugs des gesellschaftlichen Lebens kontinuierlich zu analysieren und wissenschaftliche Voraussagen für die Leitung und Planung der Gesellschaft bereitzustellen, die für die jeweilige Leitungsebene bzw. die Aufgaben, die das Leitungsorgan wahrnimmt, entsprechend aufbereitet werden müssen, damit sie auch tatsächlich als Ausgangsinformation für Entscheidungen dieser Organe dienen können. An dieser Stelle soll nur darauf verwiesen werden, daß mindestens folgende Aufbereitung sozialer Informationen für die Leitung und Planung sozialer Prozesse vorgenommen werden muß: für die Ebene der Gesellschaft als Ganzes, für die territoriale Ebene und die des Betriebes/Kombinates.

1.3.

Quellen soziologischer Informationen

Die ständige Zunahme sozialer Informationen, der ansteigende Informationsbedarf ist ein Attribut der Gesellschaftsentwicklung, insbesondere der wachsenden Bedeutung von Informationsprozessen bei der Leitung der Gesellschaft.37 Die in den letzten zwei Jahrzehnten erschienene philosophische, kybernetische, informationstheoretische und leitungswissenschaftliche Literatur zur Informationsproblematik hat u. a. auch die allgemeinen Aspekte der Informationsgewinnung eingehend erörtert. In der soziologischen Literatur der DDR wurde die Informationsproblematik dagegen vorwiegend unter dem Aspekt des Kommunikationsprozesses in sozialen Organisationen und Gruppen bzw. der Teilnahme der Werktätigen an Leitung und Planung38 oder unter methodischen Gesichtspunkten behandelt.39 Natürlich ist die Ausarbeitung von Methoden zur Erfassung soziologischer Informationen eine notwendige Aufgabe, die auch gegenwärtig nicht gering geschätzt werden darf. Indessen hat die soziologische Forschung in der DDR ein Entwicklungsstadium erreicht, wo es nicht mehr allein um die Verbesserung des methodischen Instrumentariums geht, sondern um die allseitige Erschließung des für soziologische Forschungen notwendigen Informationsfundus, um die qualitative Verbesserung der Informationsbasis und die optimale Nutzung der Informationsquellen. Es ist Afanasjev zuzustimmen, wenn er schreibt: „Quelle der sozialen 37

38

39

22

Vgl. W. G. Afanasjew, Wissenschaft, Technik und Leitung in der sozialistischen Gesellschaft, Berlin 197l,S. 89. Vgl. G. Aßmann, Information und Kommunikation in sozialen Organisationen, in: Autorenkollektiv, Grundlagen der marxistisch-leninistischen Soziologie, hg. von G. Aßmann/R. Stollberg, a. a. O., S. 200—207; O. Arnold/K. H. Wieland, Warum — worüber — wie informieren?, Berlin 1971 (Schriftenreihe „Soziologie"). Vgl. H. Berger, Methoden industriesoziologischer Untersuchungen, a. a. O.; H. Jetzschmann/ O. Bernstein, Informations- und sozialtheoretische Aspekte in der soziologischen Forschung, Berlin 1969 (Schriftenreihe „Soziologie"); A. Ullmann/S. Wilsdorf, Bewertung und Vergleich, Berlin 1977 (Schriftenreihe „Soziologie").

Prognostizierung die Möglichkeit, konkrete Prozesse und Probleme des realen Vollzugs des gesellschaftlichen Lebens kontinuierlich zu analysieren und wissenschaftliche Voraussagen für die Leitung und Planung der Gesellschaft bereitzustellen, die für die jeweilige Leitungsebene bzw. die Aufgaben, die das Leitungsorgan wahrnimmt, entsprechend aufbereitet werden müssen, damit sie auch tatsächlich als Ausgangsinformation für Entscheidungen dieser Organe dienen können. An dieser Stelle soll nur darauf verwiesen werden, daß mindestens folgende Aufbereitung sozialer Informationen für die Leitung und Planung sozialer Prozesse vorgenommen werden muß: für die Ebene der Gesellschaft als Ganzes, für die territoriale Ebene und die des Betriebes/Kombinates.

1.3.

Quellen soziologischer Informationen

Die ständige Zunahme sozialer Informationen, der ansteigende Informationsbedarf ist ein Attribut der Gesellschaftsentwicklung, insbesondere der wachsenden Bedeutung von Informationsprozessen bei der Leitung der Gesellschaft.37 Die in den letzten zwei Jahrzehnten erschienene philosophische, kybernetische, informationstheoretische und leitungswissenschaftliche Literatur zur Informationsproblematik hat u. a. auch die allgemeinen Aspekte der Informationsgewinnung eingehend erörtert. In der soziologischen Literatur der DDR wurde die Informationsproblematik dagegen vorwiegend unter dem Aspekt des Kommunikationsprozesses in sozialen Organisationen und Gruppen bzw. der Teilnahme der Werktätigen an Leitung und Planung38 oder unter methodischen Gesichtspunkten behandelt.39 Natürlich ist die Ausarbeitung von Methoden zur Erfassung soziologischer Informationen eine notwendige Aufgabe, die auch gegenwärtig nicht gering geschätzt werden darf. Indessen hat die soziologische Forschung in der DDR ein Entwicklungsstadium erreicht, wo es nicht mehr allein um die Verbesserung des methodischen Instrumentariums geht, sondern um die allseitige Erschließung des für soziologische Forschungen notwendigen Informationsfundus, um die qualitative Verbesserung der Informationsbasis und die optimale Nutzung der Informationsquellen. Es ist Afanasjev zuzustimmen, wenn er schreibt: „Quelle der sozialen 37

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Vgl. W. G. Afanasjew, Wissenschaft, Technik und Leitung in der sozialistischen Gesellschaft, Berlin 197l,S. 89. Vgl. G. Aßmann, Information und Kommunikation in sozialen Organisationen, in: Autorenkollektiv, Grundlagen der marxistisch-leninistischen Soziologie, hg. von G. Aßmann/R. Stollberg, a. a. O., S. 200—207; O. Arnold/K. H. Wieland, Warum — worüber — wie informieren?, Berlin 1971 (Schriftenreihe „Soziologie"). Vgl. H. Berger, Methoden industriesoziologischer Untersuchungen, a. a. O.; H. Jetzschmann/ O. Bernstein, Informations- und sozialtheoretische Aspekte in der soziologischen Forschung, Berlin 1969 (Schriftenreihe „Soziologie"); A. Ullmann/S. Wilsdorf, Bewertung und Vergleich, Berlin 1977 (Schriftenreihe „Soziologie").

Information ist die Gesellschaft selbst, sind die sich in ihr vollziehenden vielfältigen Prozesse. Die Verschiedenheit der gesellschaftlichen Erscheinungen, Beziehungen und Prozesse, der Leitungsfunktionen bedingt das Bestehen verschiedner Arten der Information. Das sind vor allem die wissenschaftlich-technische, die ökonomische, die sozialpolitische und die ideologische Information." 40 Die Gewinnung soziologischer Informationen ist einerseits mit den genannten Informationsarten verbunden, zumal sie zur wissenschaftlichen Fundierung der Leitung und Planung der sozialen Entwicklung einen gewichtigen Beitrag zu leisten hat, 41 andererseits hat sie ihre Spezifik, die sich aus dem Gegenstand der marxistischleninistischen Soziologie ableitet.42 Die marxistisch-leninistische Soziologie verarbeitet und verallgemeinert wie jede andere Gesellschaftswissenschaft eine Vielzahl unterschiedlicher Informationen, die in Dokumenten, Statistiken, Berichten, Aufzeichnungen, Büchern, Zeitungen etc. gespeichert sind. Mithin muß angemerkt werden, daß diese Informationsträger nicht immer genügend genutzt werden. Sicherlich ist es nicht einfach, die in diesen „Informationsspeichern" enthaltenen für die soziologische Forschung relevanten Informationen zu erschließen. Indessen sind spezielle Methoden wie die Dokumentenanalyse, die Inhaltsanalyse und die Sekundäranalyse erarbeitet worden, deren zielgerichtete Anwendung auch in der soziologischen Forschung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Eine bislang völlig unzureichend erschlossene Informationsquelle soziologischer Forschung ist das Registratur- und Archivgut. Möglichkeiten der Nutzung und Bewertung von Registratur- und Archivgut hat aus soziologischer Sicht G. Kolbe aufgezeigt.43 Inzwischen gibt es bei verschiedenen soziologischen Forschungsinstitutionen gespeicherte Daten von durchgeführten empirischen Untersuchungen, die insbesondere für Trendanalysen genutzt werden können. Eine optimale Nutzung dieser Primärinformationen setzt den Aufbau von Methodenspeichern, Indikatorenspeichern, Programmbibliotheken und Datenspeichern bzw. Datenbanken voraus. Dies wäre ein Weg, um ein wichtiges Organisationsprinzip für Informationssysteme zu verwirklichen: „die Ermittlung des Minimums an Primärinformation, an Ausgangsdaten für die Gewinnung eines Maximums an Sekundärinformation, abgeleiteten Daten, . . . die Ermittlung des Informationsoptimums". 44 Mitunter wird irrtümlicherweise angenommen, daß die Analyse 40

41

42 43

44

W. G. Afanasjew, Wissenschaft, Technik und Leitung in der sozialistischen Gesellschaft, a. a. O., S. 90. Vgl. Autorenkollektiv, Theorie und Praxis der Sozialpolitik in der DDR, hg. vom Institut für Soziologie und Sozialpolitik der Akademie der Wissenschaften der DDR durch Günter Manz und Gunnar Winkler, Berlin 1979, S. 431—456. Vgl. Autorenkollektiv, Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie, a. a. O., S. 600. Vgl. G. Kolbe, Registraturgut als Objekt der Dokumentenanalyse, Diplomarbeit, HumboldtUniversität, Berlin 1980. Vgl. W. G. Afanasjew, Wissenschaft, Technik und Leitung in der sozialistischen Gesellschaft, a. a. O., S. 102. 23

von Sekundärinformationen keiner besonderen Methodik bedürfe. Indessen erweist sich diese Auffassung als falsch. Die Auswertung gespeicherter Informationen, gleich welcher Art, ist mit Informationsfilterung verbunden. Informationsfilterung schließt statistische Bearbeitung der Informationen und deren wissenschaftliche Interpretation in sich ein. Durch Informationsfilterung wird nicht nur eine Rationalisierung bei der Ausschöpfung der verschiedenen Informationsquellen erreicht, sondern auch eine Konzentration auf die für das jeweilige Untersuchungsobjekt notwendigen Informationen. 45 Freilich setzt eine derartige Informationsfilterung entsprechende Analysekriterien voraus. 46 Am Rande sei vermerkt, daß auch theoretische Aussagen anderer Wissenschaftler über ein bestimmtes soziologisches Untersuchungsobjekt, die meist in Büchern oder anderen wissenschaftlichen Abhandlungen enthalten sind, zum auszuwertenden Informationsfundus der Soziologie gehören. Indessen bleibt dieser Aspekt bei den weiteren Betrachtungen unberücksichtigt, weil er im Zusammenhang mit der Indikatorenproblematik irrelevant ist. Uns geht es vielmehr um Kriterien für die Gewinnung empirischer Informationen. Methoden zur Erlangung von Primärinformationen — sogenannte empirische Methoden der soziologischen Forschung 47 — sind in einschlägigen Publikationen hinreichend beschrieben worden, 48 und die Technik ihrer Anwendung ist relativ ausgereift. Insbesondere gilt dies für die verschiedenen Formen der Befragungsmethode. Ein Mangel bisheriger Methodendarstellungen besteht offensichtlich darin, daß sie zu wenig unter dem Gesichtspunkt des Aufbaus eines einheitlichen und abgestimmten Informationssystems betrachtet worden sind. Besonders im Zusammenhang mit den Systemansätzen sozialer Indikatoren stellt sich auch das Problem der Gewinnung primärer empirischer soziologischer Informationen auf neue Weise. Die neuen Anforderungen an die Analyse der Gesellschaftsentwicklung, die Struktur und Funktionsweise der Gesellschaft, insbesondere unter dem Aspekt der sozialen Effektivität, erfordern eine komplexere und differenziertere Betrachtung der soziologischen Forschungsobjekte. Beispielsweise erfordert die Erforschung der sozialistischen Lebensweise, einschließlich ihrer sozialstrukturellen und territorialen Gliederung, eine adäquate Komplexmethodik empirisch soziologischer Forschung. Die Forderung nach einer Komplexmethodik bzw. nach Methodenkombinationen ist bereits vor Jahren erhoben worden, um die verschiedenen Informationsquellen soziologischer Forschung allseitig erschließen zu können, 49 und insbesondere bei den großen Sozial45 46

47 48

49

24

Vgl. Autorenkollektiv, Sozialistische Betriebswirtschaft, Berlin 1973, S. 184. Vgl. J. Pietrzynski, Inhaltsanalyse und Hörerpost, Dissertation A, Humboldt-Universität, Berlin 1978. Vgl. E. Hahn, Historischer Materialismus und marxistische Soziologie, Berlin 1968, S. 169. Vgl. Der sozialwissenschaftliche Forschungsprozeß, hg. von W. Friedrich/W. Hennig, Berlin 1975; Grundlagen der marxistisch-leninistischen Soziologie, hg. von G. Aßmann/ R. Stollberg, a. a. O.; H. Berger/H. Jetzschmann, Der soziologische Forschungsprozeß, Berlin 1973. Vgl. Autorenkollektiv, Einführung in die soziologische Forschung, Berlin 1966, S. 76.

Strukturuntersuchungen und arbeitssoziologischen Untersuchungen der letzten Jahre auch teilweise realisiert worden. 50 Dennoch stößt die Realisierung dieser Forderung nach wie vor auf Schwierigkeiten, die insbesondere aus der nicht hinreichenden „Paßfähigkeit" der angewandten empirischen Forschungsmethoden und der unzureichenden Indikatorenstandardisierung resultieren. Besonders im Zusammenhang mit den Systemansätzen sozialer Indikatoren wurde dieses Problem relevant. Den „Systemen sozialer Indikatoren" entspricht eine empirische Informationsbasis, die vor allem durch folgende Methoden gewonnen wird: a) Analyse des Materials der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik in der DDR (einschließlich spezieller Kennziffernsammlungen); b) Analyse von Registratur- und Archivgut des Staates, der Parteien, der gesellschaftlichen Organisationen und anderer gesellschaftlicher Institutionen bzw. Einrichtungen ; c) Analyse wissenschaftlicher, literarischer und persönlicher Dokumente; d) empirische Methoden der Soziologie zur Erfassung von Primärinformationen. Auch Michailov51 faßt die empirische Informationsbasis der soziologischen Forschung sehr breit. Er nennt „Informationen, die durch die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik gesammelt, bearbeitet und in Umlauf gebracht werden", „Geschichte und die Archäologie", „empirische Informationen, die über die Partei*, Staatsorgane und gesellschaftlichen Organisationen gewonnen werden", „persönliche Eindrücke" und „nichtsoziologische empirische soziale Forschungen". Diese Informationen werden von Michailov als wertvolle Ergänzungen der empirischen-soziologischen Informationen betrachtet. Als entscheidende Informationsbasis für die Entwicklung der soziologischen Theorie sieht Michailov indessen die empirischen soziologischen Forschungen an, weil sie erstens dem Gegenstand der Soziologie entsprächen, in hohem Maße zuverlässig seien und gewöhnlich repräsentative Informationen vermittelten.52 Dieser Auffassung kann im Prinzip zugestimmt werden. Indessen geht eine derartige Bewertung der verschiedenen Informationen von der gegenwärtigen Lage aus. Insbesondere, was den Charakter der statistischen Informationen der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik (SZS) betrifft, ist anzumerken, daß sich in jüngster Zeit Bestrebungen zum systematischen Aufbau einer zentralen Sozialstatistik zeigen, um die Einseitigkeiten der gegenwärtigen Statistik — die freilich in den einzelnen Ländern unterschiedlich ausgeprägt sind — zu überwinden. In der DDR wurde durch die von der SZS herausgegebenen Kennziffernsammlungen „Sozialstatistik", „Die Frau in der D D R " und die „Jugend in der D D R " eine solide Erweiterung der statistischen 50

51 52

Vgl. S. Grundmann/M. Lötsch/R. Weidig, Zur Entwicklung der Arbeiterklasse und ihrer Struktur in der DDR, Berlin 1976 (Schriftenreihe „Soziologie"); R. Stollberg, Arbeitssoziologie, Berlin 1978. Vgl. S. Michailov., Empiriceskoe sociologiceskoe issledovanie, a. a. O., S. 64—69. Vgl. ebenda, S. 71.

25

Basis für soziologische Forschungen erreicht. Neben dem „Statistischen Jahrbuch der D D R " bieten sie speziell für die Analyse der Lebensbedingungen im Rahmen der Lebensweiseforschung eine gute Grundlage. Besonders in der „Kennziffernsammlung Sozialstatistik" sind viele Kennziffern enthalten, die aus Spezialstatistiken (Statistik der Industrie, des Gesundheitswesens, der Kultur, des Volksbildungswesens etc.) übernommen worden sind und dementsprechend differenziertere Analysen ermöglichen. Schließlich wird seit 1978 innerhalb des RGW verstärkt an einem „System der Hauptkennziffern der Sozialstatistik und Methodologie ihrer Berechnung" gearbeitet. Dieses System umfaßt bisher 12 Untersysteme (Bevölkerung und Familie, Bildung, Arbeitskräfte und Verteilung der Einkommen und des Vermögens der Bevölkerung, Konsumtion, Gesundheitszustand, Wohnungswesen, Tätigkeit auf dem Gebiet der Kultur, Körperkultur — Tourismus — Erholung, Zeitbudget, Sozialfürsorge) und soll durch weitere Untersysteme (Entwicklung der Dienstleistungen, Umweltschutz, Arbeitsbedingungen, Teilnahme der Bevölkerung am gesellschaftspolitischen Leben u. a.) ergänzt werden.53 Freilich wird auch künftig die empirische soziologische Forschung die wichtigste Form zur Gewinnung empirisch-soziologischer Informationen bleiben. Um aber den erhöhten theoretischen und praktischen Erfordernissen gerecht werden zu können, wird die empirische soziologische Forschung nach neuen Maßstäben betrieben werden müssen. Das betrifft insbesondere die Durchführung repräsentativer Querschnittsuntersuchungen, die Konzipierung und Durchführung von Intervallstudien, die Standardisierung der Methoden und Indikatoren von empirischen Untersuchungen in Teilbereichen der Gesellschaft und zu Teilaspekten der gesellschaftlichen Entwicklung, die Aufnahme neuer Themenbereiche und die Koordinierung mit empirischen Forschungen anderer Gesellschaftswissenschaften. Indem in den folgenden Abschnitten die Rolle der Indikatoren bei der Erhebung und Analyse von soziologischen Informationen dargestellt wird, sollen zugleich die Möglichkeiten für theoretisch gehaltvolle Interpretationen des Informationsfundus der soziologischen Forschung erweitert und verbessert werden, um letztlich den Beitrag der Soziologie für die Analyse, Leitung und Planung der Gesellschaftsentwicklung effektiver zu gestalten.

53

26

Vgl. H. Berger/W. Klimek/E. Priller, Vergleichende Studie über soziale Indikatoren, in: Protokolle und Informationen des Rates für Sozialpolitik und Demografìe, 1/1980.

2.

Bedeutung und Funktion von Indikatoren in der soziologischen Forschung

2.1.

Begriff des Indikators

Im Prozeß der soziologischen Forschung kommt den Indikatoren eine außerordentliche Bedeutung zu. In letzter Zeit wird die Rolle der Indikatoren bei der Gewinnung soziologischer Informationen mehr und mehr betont. Tatsächlich sind Indikatoren ein wichtiges Vermittlungsglied zwischen der theoretischen und der empirischen Erkenntnisstufe. Was verstehen wir unter Indikatoren und welche Funktionen haben sie zu erfüllen? Ganz allgemein gesehen, sind Indikatoren Widerspiegelungselemente. Im Unterschied zu anderen Widerspiegelungselementen (Aussagen, Begriffen, Urteilen etc.) kommt den Indikatoren die Eigenschaft zu, empirische Äquivalente wesentlicher Bestimmungsmerkmale und Wirkungsbedingungen soziologischer Forschungsobjekte zu sein. Trotz unterschiedlicher Bestimmung des Indikatorbegriffs wird diese Eigenschaft — empirisches Äquivalent sozialer Erscheinungen zu sein — auch allgemein anerkannt. So schreibt P. Lazarsfeld: „Die Erscheinung (soziale — d. Vf.) mag nicht unmittelbar beobachtbar sein, dennoch hinterläßt sie Spuren, die, wenn sie richtig interpretiert werden, ihre Identifizierung und Analyse möglich machen". 1 T. Pawlowski führte diesen Gedanken weiter, indem er die Beziehungen zwischen den Indikatoren und den widergespiegelten sozialen Erscheinungen genauer kennzeichnete: „Eine Eigenschaft A ist der Indikator einer Eigenschaft B, wenn zwischen beiden, eine Beziehung besteht, die den Charakter einer ausnahmslosen oder statistischen Regularität hat". 2 Und er erweitert den Anwendungsbereich der Indikatoren, indem er feststellt: „Die Eigenschaften A und B müssen nicht demselben Gegenstand zukommen. Es ist auch nicht immer so, daß die angezeigte Eigenschaft eine Attitüde oder Disposition darstellt, also etwas einer unmittelbaren Beobachtung Unzugängliches.,"3 In ähnlicher Weise äußert sich S. Nowak, indem er Indikatoren ganz allgemein als Merkmale bezeichnet, über die wir mit gewisser Sicherheit auf den Inhalt von Ereignissen oder Erscheinungen schließen

1 2

3

P. Lazarsfeld, Philosophie des sciences sociales, Paris 1970, S. 326. T. Pawlowski, Methodologische Probleme in den Geistes- und Sozialwissenschaften, Warszawa 1975, S. 96. Ebenda.

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können. 4 Damit wurden wichtige Merkmale des Indikatorbegriffs genannt und die meisten Autoren, die sich um eine weitere Klärung dieses Begriffs bemühen, nehmen auf diese Bestimmungen Bezug. Dennoch treten bei der Verwendung des Indikatorbegriffs Divergenzen auf. Diese zeigen sich oft nicht in der globalen Definition des Indikators, sondern in den unterschiedlichen theoretischen und methodologischen Grundpositionen. Insbesondere bei der unterschiedlichen Bestimmung des Gegenstandes und des Objekts soziologischer Forschung treten diese Divergenzen zutage. Zunächst ist zu vermerken, daß der Begriff „Indikator" in der Wissenschaft allgemein als Anzeiger von Eigenschaften der Forschungsobjekte verstanden wird, die zunächst unmittelbarer Beobachtung unzugänglich sind. Einige Beispiele sollen diese Auffassung belegen. Das Röten von Lackmuspapier bei Einwirkung von Säure, die Bewegungsänderung eines Elektronenbündels im elektromagnetischen Feld, die Ausdehnung der Quecksilbersäule bei Temperaturerhöhungen, die Erhöhung der Geschwindigkeit durch einwirkende Kraft — all das sind Indikatoren für das Vorhandensein, Fehlen oder die Intensität nicht unmittelbar beobachtbarer Eigenschaften. In der Bedeutung, auf etwas der unmittelbaren Beobachtung Verborgenes hinzuweisen, findet der Begriff auch in den Gesellschaftswissenschaften Anwendung. In der Psychologie wird von der Lösung bestimmter Aufgaben auf die Intelligenz der Individuen geschlossen. Antworten auf bestimmte Fragen nach den Beweggründen von Verhaltensweisen und Einstellungen geben Aufschluß über Wertorientierungen, Motive oder psychische Eigenschaften. In der Ökonomie erhält man mittels bestimmter Kennziffern Aussagen über die Effektivität und Intensität ökonomischer Prozesse. So gibt der Gewinn eines Betriebes Aufschluß über die Effektivität wirtschaftlicher Tätigkeit, der Materialausnutzungskoeffizient läßt auf den spezifischen Materialverbrauch schließen usw. Für die soziologische Forschung verweist z. B. die Zeiteinteilung eines Individuums auf seine Lebensweise, Verhaltensmerkmale wie Initiative, Schöpfertum, Leistungsverhalten und Qualifizierung widerspiegeln die Persönlichkeitsentwicklung; von unterschiedlichem sozialem Verhalten wird auf die Relevanz verschiedener Determinationsbedingungen geschlossen, die gesellschaftliche Aktivität wird als Ausdruck des qualitativen Wachsens der Klassen, Schichten und sozialen Gruppen betrachtet usw. Aus der Tatsache, daß viele soziale Erscheinungen, Strukturen, Beziehungen und Prozesse nicht immer empirisch erfaßbar sind, sie aber auf empirisch konstatierbare Merkmale zurückgeführt werden können, resultiert die Einführung des Terminus Indikator in die soziologische Wissenschaft. Die unterschiedlich akzentuierte Verwendung dieses Terminus in den verschiedenen Wissenschaften ist der jeweiligen Spezifik des Gegenstandes dieser Wissenschaften geschuldet und kann in dieser Schrift nicht näher untersucht werden. Wie auch immer der Terminus Indikator bestimmt wird, seine Bedeutung für die empirische Forschung ist allgemein aner4

Vgl. S. Nowak, Methodology of Sociological Research, Warszawa 1977, S. 132.

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kannt. Darin liegt auch seine Bedeutung für die soziologische Forschung. Die komplexen sozialen Erscheinungen und Prozesse, die Objekt soziologischer Forschung sind, der empirischen Analyse zugänglich zu machen, ist eine der wichtigsten Aufgaben, die die soziologische Indikatorenforschung zu lösen hat. Der Einsatz von Indikatoren im Rahmen soziologisch-empirischer Untersuchungen erwächst folglich aus dem Gegenstand der soziologischen Forschung und der ihr eigenen Vorgehensweise. Die marxistisch-leninistische Soziologie untersucht die Entwicklung und Struktur der menschlichen Gesellschaft als System sozialer Beziehungen, die Entwicklung und Struktur der Gesellschaftsformationen und ihrer Teilbereiche sowie die Triebkräfte der sozialen Aktivität der Klassen, Gruppen und Individuen in der Gesellschaft.5 Die Durchführung soziologischer Untersuchungen schließt die empirische Analyse des erreichten Entwicklungsstandes der sozialen Erscheinungen und Prozesse ein. Dabei ist davon auszugehen, daß die Betrachtung der sozialen Erscheinungen und Prozesse deren Komplexität Rechnung tragen muß. Es werden nicht einzelne Seiten der sozialen Prozesse und Erscheinungen betrachtet, sondern ihre komplexe soziale Bestimmtheit, d. h. die Wechselwirkung ökonomischer, politischer, ideologischer, kultureller, technischer, organisatorischer und anderer Bedingungen, die Wechselwirkung materieller und ideeller Faktoren. Aus diesem Grunde erwachsen für die empirische soziologische Forschung eine Reihe von Aufgaben, die den Einsatz von Indikatoren erforderlich machen. Die Komplexität der soziologischen Betrachtungsweise, die entsprechende Vielschichtigkeit der untersuchten Probleme und die vielseitige Determiniertheit der Objekte sowie die Notwendigkeit, qualitative Merkmale quantitativ zu erfassen, führen zu einem umfangreichen und differenzierten Einsatz von Indikatoren in der soziologischen Forschung. Die Soziologie bedient sich der empirischen Analyse, um das Wesen der sozialen Prozesse und Erscheinungen aufdecken zu können, denn das Wesen der sozialen Prozesse und Erscheinungen selbst existiert nur im Konkreten. Dabei muß berücksichtigt werden, daß die entsprechenden Sachverhalte meist nicht unmittelbar empirisch zu erfassen sind. Da die empirische Analyse das empirisch Konstatierbare der sozialen Erscheinungen und Prozesse feststellt, müssen diese Sachverhalte vermittelt über Indikatoren erfaßt werden. Unmittelbar mit der Problematik der empirischen Erfassung und damit der Realisierung der Beobachtung sozialer Sachverhalte ist die Problematik ihrer Messung verbunden. Dabei geht es darum, zur Sicherung der empirischen Erfaßbarkeit sozialer Sachverhalte ihre Quantifizierung zu realisieren und damit gleichzeitig eine entscheidende Voraussetzung für den Einsatz entsprechender mathematisch-statistischer Verfahren zu schaffen. Neben der Realisierbarkeit der empi5

Vgl. R. Stollberg, Gegenstand und Aufgaben der marxistisch-leninistischen Soziologie, in: Autorenkollektiv, Grundlagen der marxistisch-leninistischen Soziologie, hg. von G. Aßmann/ R. Stollberg, Berlin 1977, S. 9/10.

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rischen Erfassung der Sachverhalte haben beim Einsatz von Indikatoren die Spezifik der Methoden, mit denen Informationen über die sozialen Sachverhalte gewonnen werden, und Fragen der Rationalität dieses Prozesses eine besondere Bedeutung (z. B. die Anpassung der Erhebungsunterlagen an das Bildungsniveau der Probanden bei der Befragung, die Wirkung psychologischer Aspekte usw.). Sprechen wir im Rahmen der soziologischen Analyse von der empirischen Erfassung von Merkmalen, so bringt der Begriff des „Merkmals" zum Ausdruck, daß die sozialen Objekte hinsichtlich bestimmter Eigenschaften betrachtet werden. Merkmale existieren folglich nicht „an sich", sondern sind immer an Objekte gebunden. Sie sind Grundlage für die Bestimmung des Objektes in der Hinsicht, daß es sich zu einer Klasse von Objekten zugehörig erweist oder nicht. Folglich sind Merkmale das, worin Objekte sich gleichen oder unterscheiden (und deshalb vergleichbar sind). Im Rahmen der empirischen Analyse erfolgt mit Hilfe von Merkmalen die Charakterisierung der Objekte, die uns zur Bestimmung des Wesens der sozialen Prozesse und Erscheinungen führt. Stellen sich soziale Prozesse und Erscheinungen als Objekte der empirischen Analyse dar, sind die Merkmale das, worin diese Objekte empirisch erfaßbar sind. Dabei ist zu berücksichtigen, daß ein Objekt durch ein System von Merkmalen bestimmt wird. Versteht man unter einem System eine Klasse oder einen Bereich von Objekten (in diesem Fall eine Klasse oder einen Bereich von Merkmalen), so besitzen die Elemente des Systems den Charakter von Teilsystemen, die unter Umständen weiter differenzierbar sind. Aufgrund der Charakterisierung der Merkmale und in Verbindung mit den bisherigen Darstellungen der Spezifik sozialer Prozesse und Erscheinungen läßt sich in der soziologischen Forschung eine Unterteilung der Merkmale in unmittelbar empirisch erfaßbare Merkmale und in Merkmale, die der direkten empirischen Erfassung verschlossen sind, vornehmen. Zählen zur ersten Gruppe Merkmale wie Geschlecht, Alter, Einkommensgröße, Qualifikation, Lohngruppe usw., unterteilt sich die zweite Gruppe noch in einzelne Merkmale, die der direkten Beobachtung nicht zugänglich sind, und Merkmale, die komplexe Sachverhalte ausdrücken. Bei den Merkmalen, die der direkten Beobachtung verschlossen sind, handelt es sich z. B. um psychische Eigenschaften wie Einstellungen, Motive, Kenntnisse, Fähigkeiten. Merkmale, die/einem solch komplexen Sachverhalt wie Lebensweise zukommen, können unter anderem soziale Aktivität, Bedürfnisbefriedigung, soziale Beziehungen, Arbeitsverhalten, Kulturverhalten, Bildungsstreben usw. sein. Da sich in beiden Fällen die empirische Erfassung nicht unmittelbar realisieren läßt, aber andererseits nur mit Hilfe des empirisch Konstatierbaren das Wesen der sozialen Erscheinungen und Prozesse aufgedeckt werden kann, muß die empirische Erfassung über solche Merkmale realisiert werden, die als Indikatoren der zu untersuchenden Merkmale fungieren. Wir schließen uns der Definition des Merkmals in der statistischen und logischen Literatur an, in der unter Merkmalen eines Objektes die Eigenschaften bzw. Eigenheiten dieses Objektes verstanden 30

werden. Berücksichtigt man, daß Indikatoren auch aus den bereits angedeuteten methodisch-instrumentellen Erwägungen Verwendung finden, entsteht ihr Einsatz zusammengefaßt aus folgenden Ursachen : 1. Eine Reihe von Merkmalen, die Gegenstand soziologischer Untersuchungen sind, können nicht durch direkte Beobachtung erschlossen werden. Bewußtseinsinhalte und Persönlichkeitseigenschaften lassen sich nur durch indirekte Beobachtung empirisch erfassen. 2. In der soziologischen Forschung werden komplexe Sachverhalte untersucht, die begrifflich fixiert Abstraktionen darstellen und deshalb nicht der unmittelbaren Beobachtung zugänglich sind. Um die empirische Erfassung dieser Sachverhalte zu gewährleisten, ist im soziologischen Forschungsprozeß vom Konkreten zum Abstrakten und vom Abstrakten zum Konkreten aufzusteigen. „Finge ich also mit der Bevölkerung an, so wäre das eine chaotische Vorstellung des Ganzen und durch nähere Bestimmung würde ich analytisch immer mehr auf einfachere Begriffe kommen ; von dem vorgestellten Konkreten auf immer dünnere Abstrakta, bis ich bei den einfachsten Bestimmungen angelangt wäre. Von da wäre nun die Reise wieder rückwärts anzutreten, bis ich endlich wieder bei der Bevölkerung a n l a n g t e , . . . als einer reichen Totalität von vielen Bestimmungen und Beziehungen." 6 Indikatoren haben folglich unter diesem Aspekt die Funktion, die „einfachsten Bestimmungen" der sozialen Wirklichkeit, das durch die Beobachtung Gegebene der komplexen Sachverhalte, darzustellen. 3. Methodisch-instrumentelle Überlegungen erfordern den Einsatz von Indikatoren. Hierbei handelt es sich um die Erfassung direkt beobachtbarer Merkmale, die auf Grund spezifisch erhebungsmethodischer Faktoren den Einsatz von Indikatoren notwendig werden lassen. Zu diesen Faktoren zählen die Kompliziertheit des zu erfassenden Merkmals und die damit verbundene Überforderung des das jeweilige Merkmal einschätzenden Individuums (Beobachter, Befragter), die mögliche Verweigerung von Antworten oder bewußt falsche Aussagen bei diffizilen und intimen Merkmalsbereichen sowie Fragen der Rationalität der empirischen Erhebung, wenn Merkmale schwer oder nur mit einem großen Aufwand empirisch zu erfassen sind. Dieser Umstand mag die Ursache dafür sein, daß der Indikatorenbegriff oft im Zusammenhang mit der Befragungsmethodik definiert worden ist. So analysierte W. Friedrich den Indikatorbegriff hinsichtlich der Relation von Indikator (Widerspiegelndes) und Indikatum (Widergespiegeltes) bei Befragungen über Verhaltensweisen und Verhaltensdispositionen : „Meist zielen Fragen eines wissenschaftlichen Interviews nicht auf das aktuelle Verhalten der Befragten. Selten interessiert nur der situationsspezifische Verhaltensakt . . . Mit den Fragen wird meist mehr bezweckt. Der Versuchsleiter bzw. Auftraggeber will mit den Fragen 6

K. Marx, Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie, in: MEW, Bd. 13, Berlin 1964, S. 631.

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tiefer eindringen, er will Informationen über die dem aktuellen Verhalten zugrunde liegenden Verhaltensweisen oder Verhaltensdispositionen gewinnen. Fragen sind, bildhaft gesprochen, .Sonden', die in das .Hinterland' des aktuellen Verhaltens eindringen sollen. Sie bilden mit den entsprechenden Antworten bestimmte Merkmale des — meist nicht unmittelbar gegebenen — Forschungsgegenstandes ab. Exakter: „Fragen verstehen sich von einer Indikatorfunktion her." 7 Obgleich auf den spezifischen Kommunikationsvorgang der Befragung bezogen, werden von Friedrich damit wesentliche Komponenten empirischer Forschung mittels Indikatoren angesprochen. Dazu zählen aber auch solche komplexe Sachverhalte wie die gesellschaftlichen Verhältnisse, die Lebensbedingungen und konkrete Bedingungen der Arbeits- und Freizeitsphäre. In einem anderen Kontext verwendet I. Krasemann den Indikatorbegriff: „Allgemein bestehen . . . Operationen darin, daß das Verhalten zu irgendeinem Objekt gegliedert wird in eine Reihe von Elementen, die das Verhalten darstellen." 8 Diese Elemente sind Indikatoren des Verhaltens. Damit werden von Krasemann notwendige Schritte zur Messung sozialer Sachverhalte mittels Indikatoren angegeben. Die sowjetischen Soziologen E. P. Andreev und A. V. Kabysca verbinden in ihrer Bestimmung die Widerspiegelungsfunktion der Indikatoren mit deren Meßfunktion, wenn sie Indikatoren als „empirisch feststehende Fakten realer wesentlicher Erscheinungen, als beobachtbare und meßbare Vertreter anderer Erscheinungen, die der Beobachtung und Messung nicht . zugänglich sind" 9 bezeichnen. H. F. Wolf leitet den Einsatz von Indikatoren vor allem von der Komplexität und Dimensionalität soziologischer Sachverhalte ab: „Indikatoren sind die beobachtbaren empirischen Äquivalente nicht direkt beobachtbarer oder wegen ihrer Kompliziertheit (Vieldimensionalität, Allgemeinheit) nicht unmittelbar erfaßbarer Sachverhalte." 10 In den angeführten Bestimmungen werden wichtige Elemente des Indikatorenbegriffs genannt. Und die Tatsache, daß sich so viele Soziologen in der letzten Zeit mit der Indikatorenproblematik befaßten, mag ein Beleg dafür sein, welche Relevanz Indikatoren für die empirischsoziologische Forschung haben. Allerdings wird in bisherigen Definitionsversuchen zum Begriff „Indikator" nicht immer beachtet, daß Indikatoren Vermittlungselemente zwischen theoretischer und empirischer Erkenntnisstufe der Soziologie sind. Unseres Erachtens ist die von S. Michailov11 vorgenommene Unterscheidung von soziologischen Grundbegriffen, begrifflichen Indikatoren und 7

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W. Friedrich/W. Hennig, Grundprobleme der Befragung, in: Der sozialwissenschaftliche Forschungsprozeß, hg. von W. Friedrich/W. Hennig, Berlin 1975, S. 390. I. Krasemann, Skalierungsverfahren, in: Technik und Methodologie soziologischer Forschung, hg. von V. Stoljarow, Berlin 1966, S. 239. E. P. Andreev/A. V. Kabysca, Metodologiöeskie problemy izmerenija v sociologiöeskich issledovanijach, in: Voprosy metodika i techniki sociologiceskich issledovanij, hg. vom ISF an der AdW der UdSSR, Moskau 1975, S. 115-116. H. F. Wolf, Zu einigen soziologischen Aspekten der Indikatorenproblematik, in: Informationen zur soziologischen Forschung in der DDR, 4/1976, S. 20. Vgl. S. Michailov, fsmpiriceskoe sociologiceskoe issledovanie, Moskva 1975, S. 115/116.

empirischen Indikatoren ein geeigneter methodologischer Ansatz zur begrifflichen Klärung der Indikatorenproblematik. Das stufenförmige Vorgehen von soziologischen Begriffen mit höherem Abstraktionsgrad (theoretische Begriffe) zu begrifflichen Indikatoren (empirisch-allgemeine Begriffe) und von dort zu empirisch erfaßbaren Merkmalen (Indikatoren) soziologischer Forschungsobjekte entspricht dem Marxschen Prinzip des Aufsteigens vom Abstrakten zum Konkreten. So gesehen, stellen Indikatoren empirische Äquivalente soziologischer Forschungsobjekte dar, deren theoretische Bestimmung sich aus der Operationalisierung von soziologischen Begriffen als wesentlichen Widerspiegelungsformen dieser Forschungsobjekte ergibt und die in der Lage sind, die qualitative und quantitative Bestimmtheit dieser Objekte zu erfassen. Wir können Indikatoren daher wie folgt definieren: Indikatoren in der soziologischen Forschung sind theoretisch begründete und empirisch geprüfte bzw. zu prüfende Merkmale sozialer Erscheinungen, Strukturen und Prozesse, die Merkmalsstrukturen und Wirkungsbedingungen soziologischer Forschungsobjekte repräsentieren.12 Den sozialen Erscheinungen, Sachverhalten, Prozessen und Strukturen bzw. den Wirkungsbedingungen und Determinationsmechanismen, die Objekt soziologischer Forschung in der gesellschaftlichen Praxis sind, sind die Indikatoren eindeutig oder probabilistisch zugeordnet. Das heißt, die Beziehungen zwischen den Indikatoren und Forschungsobjekten (Indikatum) sind statistischer Natur. Die Indikatoren widerspiegeln die Merkmalsstrukturen, Merkmalsbeziehungen, Merkmalsdimensionen und Wirkungsbedingungen der Objekte mit einem bestimmten Grad statistischer Wahrscheinlichkeit, der um so höher ist, je theoretisch begründeter diese Indikatoren sind, je genauer sie empirisch geprüft worden sind und je ausgereifter das methodische Instrumentarium bei ihrer Anwendung ist. In den letzten Jahren tauchte in der gesellschaftswissenschaftlichen Literatur, namentlich in der soziologischen Literatur immer häufiger der Begriff des „sozialen Indikators" bzw. „Sozialindikators" auf. Die entsprechende Literatur ist nahezu unübersehbar, es wird von einer „Indikatorenbewegung" gesprochen. Auf die Genesis dieses Begriffs „sozialer Indikator" und der „Sozialindikatorenbewegung" soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.13 Der spezielle Terminus „Sozialindikator" muß von dem oben definierten Indikatorbegriff abgehoben werden, er zielt auf eine konzentrierte Gesellschaftsanalyse und insbesondere auf eine Wirkungsanalyse der Sozialpolitik. Sozialindikatoren werden vor allem als Kennziffern verwendet. 12

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Vgl. auch E. Priller, Stichwort „Indikator", in: Autorenkollektiv, Wörterbuch der marxistischleninistischen Soziologie, Berlin 1977, S. 271/272; H. Berger/W. Klimek, Zum Begriff und zur Rolle von Indikatoren in der soziologischen Forschung, in: Jahrbuch für Soziologie und Sozialpolitik 1980, Berlin 1980, S. 149 (Akademie der Wissenschaften der DDR, Institut für Soziologie und Sozialpolitik). Vgl. H. Berger/W. Klimek/E. Priller, Vergleichende Studie über soziale Indikatoren, in: Protokolle und Informationen des Rates für Sozialpolitik und Demografie, 1/1980. Berger u. a., Indikatoren

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V. S. Semenov bringt die umfassende gesellschaftliche Bedeutung der Sozialindikatoren zum Ausdruck, wenn er sie wie folgt kennzeichnet: „Soziale Indikatoren müssen die ganze reale Komplexität der sich in der Gesellschaft zeigenden Tendenzen der sozialen Entwicklung widerspiegeln; in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit, unter Berücksichtigung des Einflusses der bewußt tätigen Kräfte, unter Hervorhebung der führenden Kräfte, die diese soziale Tendenz der Entwicklung bestimmen. Es geht um die Indexbildung für das gesellschaftliche System als Ganzes, seine Struktur und seine Dynamik, sein Funktionieren unter der Wechselwirkung der Gesellschaft, der Gruppen und Persönlichkeiten."14 Um die ganze Vielfalt und Mannigfaltigkeit der Gesellschaft, ihre Strukturiertheit, Dynamik, Entwicklung und Funktionsweise erfassen zu können, werden seit Mitte der siebziger Jahre Systeme sozialer Indikatoren entwickelt. Die Ausarbeitung derartiger Systeme ist untrennbar mit dem weiteren Ausbau der Sozialstatistik verbunden, die in Verbindung mit repräsentativen soziologischen Erhebungen die entscheidende soziale Informationsbasis darstellt.

2.2.

Erkenntnistheoretische und wissenschaftslogische Aspekte der Indikatorenproblematik

Die Beurteilung des Wertes der Indikatoren in der soziologischen Forschung verlangt eine über den reinen instrumenteilen Charakter der Indikatoren hinausgehende umfassende Einordnung der Problematik in den soziologischen Erkenntnisprozeß. Neben den Faktoren, die zu einer relativ selbständigen Behandlung der Indikatorenproblematik führen, sind deshalb entsprechende allgemeine erkenntnistheoretische und wissenschaftslogische Fragestellungen zu berücksichtigen. Sie bilden den Rahmen für die detaillierte Erörterung methodologischer und methodischer Fragen der Indikatoren in der soziologischen Forschung. Eine solche Betrachtung weist zugleich auf zwei Momente bei der Analyse der Indikatorenproblematik hin. Einerseits geht es darum, daß Indikatoren nur ein, wenn auch überaus wesentliches Element im soziologischen Erkenntnisprozeß darstellen. Andererseits ist die häufig anzutreffende enge Fassung der Indikatoren — sie beschränkt sich oft nur auf das unmittelbare Auftreten der Indikatoren in den Erhebungsunterlagen zur Datengewinnung und damit verbundene Meßprobleme und vernachlässigt erkenntnistheoretische Aspekte der Indikatorengewinnung und die Interpretation der mit ihrer Hilfe gewonnenen Daten — zu überwinden. Das relativ enge Indikatorenverständnis läßt sich auf gewisse Überbetonungen von Methoden zur Datengewinnung zurückführen. Zugleich wird dieser Aspekt oft von psychologischen Forschungen intendiert, indem 14

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V. S. Semenov, Tendencii nastojaScego razvitija i metodologiceskie principy razrabotki social'nych indikatorov, in: Social'nye aspekty ekonomiceskogo i kul'turnogo razvitija i razrabotka social'nych i kul'turnych indikatorov v modeljach mira, Moskva 1976, S. 1.

V. S. Semenov bringt die umfassende gesellschaftliche Bedeutung der Sozialindikatoren zum Ausdruck, wenn er sie wie folgt kennzeichnet: „Soziale Indikatoren müssen die ganze reale Komplexität der sich in der Gesellschaft zeigenden Tendenzen der sozialen Entwicklung widerspiegeln; in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit, unter Berücksichtigung des Einflusses der bewußt tätigen Kräfte, unter Hervorhebung der führenden Kräfte, die diese soziale Tendenz der Entwicklung bestimmen. Es geht um die Indexbildung für das gesellschaftliche System als Ganzes, seine Struktur und seine Dynamik, sein Funktionieren unter der Wechselwirkung der Gesellschaft, der Gruppen und Persönlichkeiten."14 Um die ganze Vielfalt und Mannigfaltigkeit der Gesellschaft, ihre Strukturiertheit, Dynamik, Entwicklung und Funktionsweise erfassen zu können, werden seit Mitte der siebziger Jahre Systeme sozialer Indikatoren entwickelt. Die Ausarbeitung derartiger Systeme ist untrennbar mit dem weiteren Ausbau der Sozialstatistik verbunden, die in Verbindung mit repräsentativen soziologischen Erhebungen die entscheidende soziale Informationsbasis darstellt.

2.2.

Erkenntnistheoretische und wissenschaftslogische Aspekte der Indikatorenproblematik

Die Beurteilung des Wertes der Indikatoren in der soziologischen Forschung verlangt eine über den reinen instrumenteilen Charakter der Indikatoren hinausgehende umfassende Einordnung der Problematik in den soziologischen Erkenntnisprozeß. Neben den Faktoren, die zu einer relativ selbständigen Behandlung der Indikatorenproblematik führen, sind deshalb entsprechende allgemeine erkenntnistheoretische und wissenschaftslogische Fragestellungen zu berücksichtigen. Sie bilden den Rahmen für die detaillierte Erörterung methodologischer und methodischer Fragen der Indikatoren in der soziologischen Forschung. Eine solche Betrachtung weist zugleich auf zwei Momente bei der Analyse der Indikatorenproblematik hin. Einerseits geht es darum, daß Indikatoren nur ein, wenn auch überaus wesentliches Element im soziologischen Erkenntnisprozeß darstellen. Andererseits ist die häufig anzutreffende enge Fassung der Indikatoren — sie beschränkt sich oft nur auf das unmittelbare Auftreten der Indikatoren in den Erhebungsunterlagen zur Datengewinnung und damit verbundene Meßprobleme und vernachlässigt erkenntnistheoretische Aspekte der Indikatorengewinnung und die Interpretation der mit ihrer Hilfe gewonnenen Daten — zu überwinden. Das relativ enge Indikatorenverständnis läßt sich auf gewisse Überbetonungen von Methoden zur Datengewinnung zurückführen. Zugleich wird dieser Aspekt oft von psychologischen Forschungen intendiert, indem 14

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V. S. Semenov, Tendencii nastojaScego razvitija i metodologiceskie principy razrabotki social'nych indikatorov, in: Social'nye aspekty ekonomiceskogo i kul'turnogo razvitija i razrabotka social'nych i kul'turnych indikatorov v modeljach mira, Moskva 1976, S. 1.

ihnen zugrunde liegende Auffassungen direkt auf soziologische Fragestellungen übertragen und generalisiert werden. Wenn beispielsweise ein Autorenkollektiv, unter Leitung von Hiebsch und Vorwerg, unter einem Indikator (bei der Darstellung von Methoden zur Einstellungsmessung) eine verbale Aussage versteht, die bei der Einstellungsmessung die Versuchsperson zu einer Stellungnahme auffordern soll,15 besitzt die Definition, obwohl stark auf rein methodische Momente gerichtet, einem bestimmten, der psychologischen Forschung entsprechenden, inhaltlichen Aspekt. Eine solche Akzentuierung, die Indikatoren nur von ihrer Reizwirkung im Prozeß der Informationsgewinnung faßt, reicht bei weitem nicht aus, um der Bedeutung von Indikatoren in der Soziologie gerecht zu werden. Die Soziologie stützt sich in der konkreten Forschung auf die Erfassung des empirisch Konstatierbaren von sozialen Erscheinungen, Zuständen, Ereignissen und Verhaltensweisen und untersucht die Art und Weise des Handelns und Verhaltens von Klassen, Schichten, Gnippen und Individuen sowie ihre Reaktionen und Meinungen' auf diese Handlungen, Erscheinungen, Zustände, Ereignisse und Verhaltensweisen. Der spezifische Gegenstand soziologischer Forschung erfordert folglich entsprechende Konsequenzen für die Indikatorenforschung. Sonst besteht Gefahr, daß die Indikatorenfrage als rein instrumentelles Problem betrachtet wird, ihre umfassende Bedeutung vernachlässigt und eine einseitige, auf methodische Belange orientierende Auffassung entsteht. Um so notwendiger ist es deshalb, von der Einordnung der Indikatorenproblematik in den soziologischen Erkenntnisprozeß auszugehen. Vom Gegenstand und der Zielstellung der marxistisch-leninistischen Soziologie leitet sich eine Vorgehensweise für die wissenschaftliche Erforschung der sozialen Prozesse und Erscheinungen ab, die R. Stollberg wie folgt charakterisiert: „Wenn die Soziologie bei der Erforschung der Gesellschaft und ihrer Entwicklung auch deren Teilbereiche einbezieht, wenn sie Gesetzmäßigkeiten aufdecken will, die die Beziehungen der Teilbereiche zum gesellschaftlichen Ganzen wie auch untereinander beherrschen, wenn sie der Verknüpfung der gesellschaftlichen Verhältnisse mit dem Verhalten der Menschen ihr besonderes Augenmerk schenkt, dann muß sie ein sehr konkretes, bis ins einzelne gehende Abbild der sozialen Wirklichkeit erarbeiten."16 Um ein solches Abbild zu gewinnen, werden die zu untersuchenden sozialen Prozesse und Erscheinungen empirisch analysiert. Die empirische Analyse als spezifische Phase der soziologischen Forschung sichert durch den Einsatz verschiedener Methoden die Beschreibung der untersuchten sozialen Prozesse und Erscheinungen, indem Daten erhoben, geordnet und nach bestimmten Kriterien 15 16

Vgl. Autorenkollektiv, Sozialpsychologie, Berlin 1980, S. 262. R. Stollberg, Gegenstand und Aufgaben der marxistisch-leninistischen Soziologie, in: Autorenkollektiv, Grundlagen der marxistisch-leninistischen Soziologie, hg. von G. Aßmann/R. Stollberg, a. a. O., S. 39.

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systematisiert werden. Soziale Prozesse und Erscheinungen können jedoch erst empirisch erschlossen werden, wenn sie einer solchen Analyse entsprechend zugänglich gemacht worden sind. Das erfordert nicht nur die Entwicklung eines methodischen Instrumentariums, sondern vorerst kommt es auf die Ermittlung eines fundierten methodologischen Zugangs an. Die marxistisch-leninistische Soziologie geht von dem Grundsatz aus, daß der Forschungsprozeß nicht isoliert zu betrachten ist, sondern einzuordnen ist in die Gesamtheit des sozialen Erkenntnismechanismus der Gesellschaft. In diesem Sinne ist das Verhältnis von Historischem Materialismus und marxistischer Soziologie — es geht über das Verständnis des Historischen Materialismus als allgemeinste soziologische Theorie hinaus — entscheidende Voraussetzung. Da der Historische Materialismus als dialektische und materialistische philosophische Theorie der Gesellschaft sowohl die grundsätzlichen Lösungen erkenntnistheoretischer Probleme der soziologischen Forschung beinhaltet, der Soziologie den grundlegenden theoretischen Rahmen zur Lösung theoretischer Fragen liefert, das Begriffsinstrumentarium und die Kategorien enthält, die eine wissenschaftliche Analyse von Sachverhalten durch empirische Untersuchungen gewährleisten, erfüllt er zugleich eine grundlegende methodologische Funktion. Sie reicht bis hin zur Schaffung von Voraussetzungen für die Anwendung bestimmter logischer Verfahren im soziologischen Forschungsprozeß. 17 Zu den wesentlichen methodologischen Aussagen gehört die für soziologische Forschungen entscheidende Feststellung, daß empirische Aussagen in Form von Tatsachen zur Überprüfung der Erfahrungen bzw. der Theorie nur einsetzbar sind, wenn es sich um „die in der objektiv materiellen Welt vor sich gehenden Prozesse (Ereignisse)" handelt. 18 Die soziologische Theorie umfaßt folglich Aussagen, für die keine beobachtbaren Sachverhalte angegeben werden können und solche, die der Überprüfung zugänglich sind. Einen Unterschied zwischen vor und außerhalb der Erkenntnis existierenden objektiven Tatsachen und Tatsachen in der Erkenntnis der Wissenschaft bestreitet dagegen der Positivismus. Er verabsolutiert letztere und hält die „sinnlich beobachtbaren Fakten" für die letzten Instanzen der wissenschaftlichen Überprüfung. 19 Reduziert der Positivismus die Erkenntnis auf die „unmittelbare Erfahrung", behauptet der Neopositivismus, daß alle Erkenntnis Wissen des sinnlichen Gegebenen ist und nur die Ausdrucksformen des Wissens es anders erscheinen lassen. Ein solcher Standpunkt, von den Neopositivisten des Wiener Kreises um R. Carnap geprägt, beeinflußte die bürgerliche Soziologie entscheidend und konnte noch nicht grundsätzlich überwunden werden, obwohl er in der extremen Form des „radikalen Reduktionismus" gegenwärtig nur noch selten vertreten ist. Die von der positivistischen und marxistischen Soziologie zu diesen Fragen 17 18 19

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Vgl. E. Hahn, Historischer Materialismus und marxistische Soziologie, Berlin 1968, S. 5—9. Vgl. I. S. Narski, Positivismus in Vergangenheit und Gegenwart, Berlin 1967, S. 584. Vgl. E. Hahn, Historischer Materialismus und marxistische Soziologie, a. a. O., S. 41.

vertretenen grundsätzlich unterschiedlichen Positionen implizieren zugleich völlig gegensätzliche Auffassungen zum Verhältnis von theoretischer und empirischer Wissensebene und zum Vorgehen in der konkreten Forschung. Sie äußern sich auch in den Aussagen zur Indikatorenproblematik. Den positivistischen Standpunkt kennzeichnet, daß jede theoretische Aussage, jeder Begriff sich vollständig und unabhängig von anderen Begriffen auf „empirisch Gegebenes" reduzieren läßt. Der Grundsatz der marxistischen Soziologie, daß nicht jede Aussage und jeder Begriff unmittelbar beobachtbare Sachverhalte darstellen, resultiert aus der Tatsache, daß das menschliche Denken aktives schöpferisches Denken ist und zur Konstituierung von Begriffen als Elementen wissenschaftlicher Theorie gelangt, die kein sinnliches Korrelat besitzen. Begriffe sind nicht einfach als das Herausheben von Merkmalen aus einer Summe von Merkmalen, sondern als Abstraktion durch Konstruktion entstanden. Darauf verweist G. Klaus, wenn er am Beispiel des Begriffs Proletariat zeigt, wie Marx und Engels nicht nur aus der Vielzahl vorhandener Eigenschaften zur Charakterisierung des Proletariats bestimmte Merkmale heraushoben, sondern zugleich durch schöpferische Abstraktion eine „Reihe idealer und geschichtlich zukunftsträchtiger Momente" dem empirisch Gegebenen zufügten. 20 In diesem Zusammenhang sind vor allem die Erkenntnisse der Wissenschaftslogik hinsichtlich der aus einzelnen Begriffen abzuleitenden empirisch beobachtbaren Fakten wichtig. V. S. Svyrjev weist auf die Grenzen einer solchen Ableitung hin, indem er feststellt: „Alle diese Begriffe bilden bestimmte Wesenszüge und Charakteristika der Objekte ab, die der empirischen Beobachtung nicht zugänglich sind: der Strukturtyp eines Objektes, die Eigenschaften dieser Struktur, die Zusammenhänge innerhalb dieser Struktur usw." 21 Von entscheidender methodologischer Bedeutung für die Indikatorenproblematik in der empirischen soziologischen Forschung ist die vom Standpunkt der modernen Wissenschaftslogik ausgehende Feststellung, daß die Bedeutung theoretischer Begriffe nicht ausschließlich durch den Bezug auf „Beobachtungsprädikate" bestimmt werden kann, sondern daß der Zusammenhang mit anderen theoretischen Begriffen Beachtung finden muß. Darauf eingehend führt Svyrjev aus: „Diese Zusammengänge bilden ein bestimmtes System des theoretischen Wissens, und nur in dessen Kontext kann die Bedeutung eines einzelnen theoretischen Begriffs adäquat charakterisiert werden. Dieses System hängt natürlich mit dem empirischen Wissen zusammen, aber als Ganzes. Nicht jedes seiner Elemente, sondern nur einzelne seiner Punkte, die gleichsam .Repräsentanten' des gesamten Systems sind, besitzen eine eindeutige Entsprechung in der empirischen Ebene. Die übrigen Elemente des Systems sind mit der empirischen Ebene indirekt, durch 20 21

Vgl. G. Klaus, Semiotik und Erkenntnistheorie, Berlin 1969, S. 150/151. V. S. Svyrjew, Einige Fragen der logisch-methodologischen Analyse des Verhältnisses von theoretischer und empirischer Wissensebene, in: Studien zur Logik der wissenschaftlichen Erkenntnis, hg. von R. Kröber, Berlin 1967, S. 87. 37

diese Punkte, verbunden. Diese .Punkte' sind übrigens in der Regel theoretische Begriffe, welche über Merkmale verfügen, -die auf die Bedingungen ihrer empirischen Anwendung hinweisen und einen empirisch feststellbaren Indikator des nichtbeobachtbaren .Wesens'.angeben." 22 Im soziologischen Forschungsprozeß tragen Indikatoren zur Erschließung der sozialen Wirklichkeit bei und schaffen damit Voraussetzungen für die weitere Erkenntnis sozialer Erscheinungen und Prozesse. Die empirische Forschung impliziert in diesem Zusammenhang die Beobachtung der untersuchten sozialen Erscheinungen und Prozesse als allgemeine Methode wissenschaftlicher Erkenntnis, 23 die in Form von Beobachtungsdaten das empirische Material für theoretische Verallgemeinerungen liefert. Das Wesen wissenschaftlicher Beobachtung besteht nicht nur in passiver Wahrnehmung, sondern auch darin, daß das erkennende und tätige Subjekt, in unserem Fall der soziologisch Forschende, bewußt dem zu erkennenden Objekt gegenübertritt. Sie setzt in dieser Hinsicht theoretische Überlegungen voraus, auf deren Grundlage das Objekt der Beobachtung bewußt ausgewählt, das Ziel und die Mittel der Beobachtung bestimmt werden.24 Es wurde bereits festgestellt, daß die in der Soziologie untersuchten Sachverhalte häufig nicht der unmittelbaren Beobachtung zugänglich sind, da sie in Form von Begriffen als Abstraktionen der theoretischen Ebene soziologischen Wissens reflektiert werden. Solche soziologischen Sachverhalte werden widergespiegelt durch Begriffe wie soziale Stellung, Lebensweise, Verhältnis zur Arbeit, Arbeitsbedingungen, Lebensbedingungen. Die durch Begriffe charakterisierten Sachverhalte entsprechen den Erscheinungen und Prozessen in der objektiven Realität, erhalten jedoch durch die Abstraktion in Form von Begriffen eine besondere Akzentuierung hinsichtlich ihrer Wesensbestimmung, denn im Prozeß der Abstraktion wird von manchen Merkmalen abgesehen, andere werden als wesentlich hervorgehoben und schlagen sich in der Spezifik des Begriffs als neue Qualität nieder. Für die Problematik der Indikatorengewinnung und allgemein für den Prozeß der soziologischen Erkenntnis ist die Vorgehensweise von den wissenschaftlichen Begriffen zur empirischen Ebene entscheidend. In diesem Zusammenhang besitzt die Aussage von Marx hinsichtlich der möglichen Wege zur wissenschaftlichen Erforschung sozialer Erscheinungen in der „Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie" fundamentale Bedeutung: „Es scheint das Richtige zu sein, mit dem Realen und Konkreten der wirklichen Voraussetzung zu beginnen, also z. B. in der Ökonomie mit der Bevölkerung, die die Grundlage und das Subjekt des ganzen gesellschaftlichen 11 23

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38

Ebenda, S. 89. Die Beobachtung ist in dieser Hinsicht nicht identisch mit der Beobachtung als Erhebungsmethode in der soziologischen Forschung. Sie umfaßt als allgemeine Methode wissenschaftlicher Erkenntnis das gesamte Arsenal vorhandener Methoden zur Erfassung der sozialen Wirklichkeit, folglich auch die Befragung und Dokumentenanalyse. Vgl. Autorenkollektiv, Philosophisches Wörterbuch, Leipzig 1975, Bd. 1, S. 212.

Produktionsakts ist. Indes zeigt sich dies bei näherer Betrachtung (als) falsch. Die Bevölkerung ist eine Abstraktion, wenn ich z. B. die Klassen, aus denen sie besteht, weglasse. Diese Klassen sind wieder ein leeres Wort, wenn ich die Elemente nicht kenne, auf denen sie beruhen, z. B. Lohnarbeit und Kapital usw. Finge ich also mit der Bevölkerung an, so wäre das eine chaotische Vorstellung des Ganzen, und durch nähere Bestimmung würde ich analytisch immer mehr auf einfachere Begriffe kommen; von dem vorgestellten Konkreten auf immer dünnere Abstrakta, bis ich bei den einfachsten Bestimmungen angelangt wäre. Von da wäre nun die Reise wieder rückwärts anzutreten, bis ich endlich wieder bei der Bevölkerung anlangte, diesmal aber nicht als bei einer chaotischen Vorstellung eines Ganzen, sondern als einer reichen Totalität von vielen Bestimmungen und Beziehungen."25 Den letzten Weg, vom Abstrakten zur gedanklichen Wiederspiegelung des durch die Beobachtung gegebenen Konkreten, bezeichnet Marx als wissenschaftlich richtig, denn „Das Konkrete ist konkret, weil es die Zusammenfassung vieler Bestimmungen ist, also die Einheit des Mannigfaltigen."26 V. A. Jadov unterstreicht die Bedeutung dieser Erkenntnis für die soziologische Forschung, indem er feststellt: „Diesen letzten Weg müssen auch wir bei der Untersuchung der empirischen Daten gehen. Zu beginnen ist mit den abstrakten Bestimmungen, mit einigen soziologischen Kategorien (Verhältnis zur Arbeit allgemein, Verhältnis zur Arbeit als erstes Lebensbedürfnis usw.), und diese Bestimmungen sind bis zum Konkreten, die Wirklichkeit widerspiegelnden als Einheit vieler Bestimmungen zu entwickeln."27 Für die Realisierung der empirischen Analyse besteht folglich stets die Aufgabe, zu den „einfachsten Bestimmungen" der sozialen Wirklichkeit zu gelangen, zu dem durch die Beobachtung Gegebenen. E. Hahn weist ebenfalls auf dieses wichtige erkenntnistheoretische Moment hin, wenn er ausführt: „Empirisch konstatierbar sind demnach die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht als solche, nicht' in ihrer Verabsolutierung, sondern in ihrer Erscheinungsform als Eigenschaften, als Merkmale der Menschen und der übrigen sinnlichen Gegebenheiten der Gesellschaft, aber als Eigenschaften, die nur in der gesellschaftlichen Beziehung der Individuen zueinander in Erscheinung treten."28 Bei diesen Merkmalen handelt es sich um Indikatoren, die als Elemente des soziologischen Forschungsprozesses in zweierlei Hinsicht charakterisiert sind: dadurch, daß sie durch die wissenschaftliche Beobachtung erschlossen werden können und daß sie hinsichtlich ihrer Beziehung zum untersuchten Sachverhalt Rückschlüsse auf denselben ermöglichen. 25 26 27

28

K. Marx, Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie, in: MEW, Bd. 13, a. a. O., S. 631. Ebenda, S. 632. W. A. Jadow/W. P. Roschin/A. G. Sdrawomyslow, Der Mensch und seine Arbeit, Berlin 1971, S. 108. E. Hahn, Historischer Materialismus und marxistische Soziologie, a. a. O., S. 72.

39

Die Relation von Abstraktem und Konkretem gewinnt zugleich unter einem weiteren Aspekt für die Indikatorenproblematik Bedeutung. Betrachten wir die von der Soziologie untersuchten Sachverhalte, stellen sich psychische Eigenschaften im Sinne von Bewußtseinsinhalten (Einstellungen, Verhaltensdispositionen, Kenntnisse, Fähigkeiten, Persönlichkeitseigenschaften usw.) als relativ stabile Merkmale einzelner Individuen dar, die nicht durch direkte, sondern nur auf dem Wege indirekter Beobachtung zu erschließen sind. W. Friedrich und W. Hennig führen in einer Arbeit zur Persönlichkeitsforschung aus: „Einstellungen und Eigenschaften sind gleichermaßen als Verhaltensweisen nicht direkt beobachtbar und stellen somit keine empirischen Erscheinungen dar. Sie müssen erschlossen werden, und zwar aus Verhaltensakten, als beobachtbare situationsgebundene Elemente des Verhaltens."29 So verwendet Jadov für die Erfassung des Interesses des Arbeiters an der gesellschaftlichen Produktion den Indikator „Grad der Arbeitsinitiative" und für die Erfassung der Einstellung zu den beruflichen und staatsbürgerlichen Pflichten den Indikator „Stand der Diszipliniertheit des Arbeiters".30 Bei der Untersuchung von Bewußtseinsinhalten, also von Einstellungen und Persönlichkeitseigenschaften, sind zwei Aspekte zu berücksichtigen. Einmal vollzieht sich die Hinwendung zur Indikatorenebene entsprechend der dargestellten Vorgehensweise vom Abstrakten zum Konkreten, d. h. von Einstellungen und Persönlichkeitseigenschaften, die ein abstrakteres und globales Objekt beinhalten, zu Einstellungen und Persönlichkeitseigenschaften, die das jeweilige Objekt stärker differenzieren, es einengen. Bei einer empirischen Analyse zur Untersuchung der Arbeitszufriedenheit, die so einen abstrakten und globalen Objektbereich darstellt, geht man gewöhnlich so vor, daß die Zufriedenheit mit den einzelnen Momenten des Arbeitsprozesses, wie den Elementen der Arbeitsbedingungen (einschließlich der Lohnzufriedenheit, der Zufriedenheit mit dem Leiter), der Arbeitstätigkeit, und Momenten, 'die unmittelbar mit dem Arbeitsprozeß verbunden sind (z. B. Wegezeiten), erfaßt wird. Der zweite Aspekt beinhaltet den Übergang von einfachen Einstellungen und Eigenschaften, die sich auf ein konkretes Objekt beziehen, zu den Verhaltensakten. Sie sind ausschlaggebend für den Rückschluß unmittelbar auf die einfach strukturierten sowie vermittelt auf die komplexen Einstellungen und Eigenschaften. Die Situationsgebundenheit der Verhaltensakte, die bei dem zweiten Aspekt zu berücksichtigen ist, erfordert wesentliche inhaltliche Kenntnisse zur Determination des Verhaltens durch Bewußtseinsinhalte. Im Forschungsprozeß selbst 29

30

40

W. Friedrich/W. Hennig, Theoretische Probleme der Entwicklung, Struktur und Erforschung der Persönlichkeit. Thesen zum Forschungsgegenstand, in: Der sozialwissenschaftliche Forschungsprozeß, hg. von W. Friedrich/W. Hennig, a. a. O., S. 109. Vgl. W. A. Jadow/W. P. Roschin/A. G. Sdrawomyslow, Der Mensch und seine Arbeit, a. a. O., S. 111/112.

müssen die beiden dargelegten Momente vor allem in der Konzipierungsphase der Untersuchung Berücksichtigung finden und eine entsprechend gründliche inhaltliche Fundierung erhalten. Bei der Darstellung der Bedeutung von Indikatoren in der soziologischen Forschung darf ein dritter Faktor nicht unberücksichtigt bleiben, der aus methodisch-instrumentellen Gesichtspunkten der Datenerhebung resultiert. In diesem Fall handelt es sieh um die Erfassung direkter Beobachtung zugänglicher Merkmale durch Indikatoren. Folgende Momente bedingen in diesem Zusammenhang den Einsatz der Indikatoren: 1. Entsprechend der Untersuchungskonzeption zu erhebende Merkmale können hinsichtlich der Einschätzung (Aussage) eine Überforderung des Beobachtenden verursachen. Bei der Beobachtung als soziologische Erhebungsmethode ist das der Beobachter, bei der Befragung der befragte Proband. Diese Merkmale implizieren die Möglichkeit einer Antwortverweigerung bzw. falscher oder ungenauer Aussagen. Sie können gewisse Kenntnisse und Erfahrungen (z. B. technischer oder technologischer Art) voraussetzen, die nicht oder in unterschiedlichem Maße vorhanden sind. Beispielsweise läßt sich der Grad der technischen Bindung an den Arbeitsplatz schwerer einschätzen als Möglichkeiten zur selbständigen Pausengestaltung, zur Entfernung vom Arbeitsplatz und zur Unterhaltung während der Tätigkeit. 2. Bei den untersuchten Sachverhalten kann es sich um Bereiche, vor allem Persönlichkeitsbereiche, handeln, zu denen von Befragten nur ungern Aussagen gegeben werden. Das trifft aus unterschiedlichen Gründen u. a. zu für Fragen weltanschaulicher Einstellungen (zum Beispiel bei religiös gebundenen Personen), politisch-ideologischen Einstellungen, Fragen der Geschlechtsbeziehungen, Einschätzung von Autoritäten und bestimmten Personen des täglichen Umgangs, Selbsteinschätzungen sowie Handeln, das nicht den gesellschaftlichen Normen entspricht.31 Fragen und Aussagen zu diesen Bereichen werden häufig als unangenehm empfunden, nur mit Vorbehalt oder nicht exakt der Realität entsprechend beantwortet. Deshalb bietet sich der Einsatz von Indikatoren an. 3. Aus methodischen Gründen kann die notwendige Rationalität empirischer Erhebungen den Einsatz von Indikatoren erfordern, d. h., an die Stelle schwer oder nur mit großem Aufwand empirisch zu erfassender Merkmale treten einfachere, mit geringem Aufwand zu erfassende Merkmale. So kann der Ausstattungsgrad eines Haushalts mit langlebigen Konsumgütern durch den Besitz oder Nichtbesitz eines Farbfernsehgerätes oder teuren Autos charakterisiert werden, wenn diese Merkmale mit entsprechender statistischer Sicherheit Aussagen über einen genau abgegrenzten Ausstattungsgrad des Haushalts zulassen.

31

Vgl. W. Friedrich/W. Hennig, Grundprobleme der Befragung, in: Der sozialwissenschaftliche Forschungsprozeß, hg. von W. Friedrich/W. Hennig, a. a. O., S. 375. 41

2.3.

Indikatoren als Vermittlungselemente zwischen theoretischer und empirischer Stufe im soziologischen Forschungsprozeß

Nachdem wir die erkenntnistheoretische und wissenschaftslogische Bedeutung der Indikatoren in ihrer allgemeinen Ausprägung erörtert haben, soll detaillierter auf die Bedeutung der Indikatoren im soziologischen Forschungsprozeß als eine Möglichkeit ihrer Anwendung eingegangen werden. Die Relation von theoretischer und empirischer Stufe im soziologischen Forschungsprozeß erfordert in diesem Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit, da sie entscheidenden Einfluß auf die Realisierung der den Indikatoren zukommenden Aufgaben hat. Wenn wir von einer allgemeinen Betrachtung der Indikatoren zu ihrer spezifischen Darstellung im soziologischen Forschungsprozeß gelangen, heißt das selbstverständlich nicht, daß sie nur im soziologischen Forschungsprozeß verwendet werden. Mit Indikatoren haben wir es bekanntlich sehr oft und auf unterschiedlichen Ebenen zu tun. Bei Aussagen über soziale Prozesse und Erscheinungen finden sie bewußt oder unbewußt ständig Verwendung. So erfüllen z. B. Angaben zur Beteiligung an der Neuererbewegung oder zur Höhe des Krankenstandes eine indikative Funktion hinsichtlich der jeweils bestehenden Bedingungen sowohl auf der Ebene einzelner Betriebe, der Gesellschaft insgesamt oder einzelner globaler Bereiche, ohne daß die Gewinnung der Aussagen selbst in einen soziologischen Forschungsprozeß eingeordnet sein muß. Die folgende stärkere Bindung von Indikatoren an den soziologischen Forschungsprozeß läßt sich auf drei Faktoren zurückführen: 1. Auf der Grundlage des soziologischen Forschungsprozesses sind neue, theoretisch begründete, praktisch überprüfbare und realisierbare Erkenntnisse zu gewinnen, die für die Erklärung, Leitung und Planung sozialer Prozesse wesentliche Bedeutung haben. Soziologische Erkenntnis basiert folglich stark auf den im soziologischen Forschungsprozeß gewonnenen Ergebnissen. 2. Im soziologischen Forschungsprozeß geht es um die wissenschaftliche Lösung von Problemen des gesellschaftlichen Lebens. Diese Probleme erfordern eine komplexe Betrachtungsweise und implizieren auf Grund der Spezifik sozialer Prozesse und Erscheinungen den systematischen Einsatz von Indikatoren. 3. Im Verlauf des soziologischen Forschungsprozesses entscheidet die sinnvolle Anwendung der Indikatoren wesentlich über das Gelingen des Erkenntnisprozesses und über den wissenschaftlichen Wert der Untersuchung. Wenn die Bedeutung der Indikatoren im soziologischen Forschungsprozeß untersucht werden soll, ist es zuvor notwendig, den Forschungsprozeß in seinen wesentlichen Ausprägungen selbst zu charakterisieren. Der soziologische Forschungsprozeß stellt eine Form der soziologischen Erkenntnisgewinnung dar. Man versteht Erkenntnistätigkeit als soziologischen Forschungsprozeß, wenn bei der Untersuchung sozialer Prozesse und Erscheinungen, wie sie im Rahmen

42

der Gegenstandsbestimmung der marxistisch-leninistischen Soziologie dargestellt sind, folgende Anforderungen erfüllt sind: 1. Die Gewinnung neuer Erkenntnisse für die gesellschaftliche Praxis ist das eigentliche Erkenntnisziel der soziologischen Erkenntnistätigkeit. 2. Die soziologische Erkenntnistätigkeit erfüllt die allgemeinen Kriterien und Normen, die an wissenschaftliche Erkenntnisprozesse gestellt sind.32 3. Dem Gegenstand der soziologischen Forschung angemessene Methoden und Instrumentarien werden angewendet. 4. In die soziologische Erkenntnistätigkeit ist die empirische Analyse des Forschungsobjektes eingeschlossen. Bevor auf die Bedeutung der Indikatoren im soziologischen Forschungsprozeß näher eingegangen wird, soll als Ausgangspunkt die wissenschaftslogische Struktur des Forschungsprozesses dargestellt werden, denn sie läßt den Stellenwert der Indikatoren besonders deutlich erkennen. Der soziologische Forschungsprozeß unterteilt sich in einzelne Stufen; sie sind auch als Teilprozesse oder bestimmte Aktivitäten zu charakterisieren. Die einzelnen Stufen stehen in bestimmten Ordnungsbeziehungen, kausalen, determinierenden und zeitlichen Relationen zueinander. Im folgenden Schema33 wird die Struktur so dargestellt, daß die einzelnen Stufen im Verlauf des Forschungsprozesses am effektivsten zu bewältigen sind (siehe Abbildung 1). Das schließt natürlich nicht aus, daß die Ergebnisse einer Stufe zu der Notwendigkeit führen, bereits als abgearbeitet bzw. bewältigt angesehene Stufen erneut zu analysieren und zu verändern. Die Betrachtung von Theorie und Empirie als den Grundstufen des soziologischen Forschungsprozesses erfordert zugleich, auf die Unterscheidung von Theorie und Empirie als zwei qualitativ unterschiedlichen Wissensebenen einzugehen.34 Theorie und Empirie haben als Erkenntnisebenen jeweils eine eigenständige Existenzberechtigung innerhalb des wissenschaftlichen Wissens. Als Erkenntnisebenen zeichnen sie sich durch ein spezifisches Aussagenniveau, spezielle Formen und Methoden der Erkenntnisgewinnung aus. Gleichzeitig 32

33 34

Vgl. D. Wittich/K. Gößler/K. Wagner, Marxistisch-leninistische Erkenntnistheorie, Berlin 1978, S. 468-489. Vgl. H. Berger/H. Jetzschmann, Der soziologische Forschungsprozeß, Berlin 1973, S. 40. Das dialektische Wechselverhältnis von Theorie und Empirie wird in einer Reihe von Publikationen und anderen wissenschaftlichen Arbeiten dargestellt. Deshalb beschränken wir uns an dieser Stelle auf eine Darstellung der wesentlichsten Aspekte. Umfangreiche Ausführungen finden wir in folgenden Arbeiten: E. Hahn, Historischer Materialismus und marxistische Soziologie, a. a. O.; D. Dohnke, Zum Verhältnis von Theorie und Empirie in der soziologischen Forschung, Dissertation A, Humboldt-Universität, Berlin 1968; H. ICorch, Die wissenschaftliche Hypothese, Berlin 1972, 5. 185—202; H. Berger/H. Jetzschmann, Der soziologische Forschungsprozeß, a. a. O., S. 7—36; H. Berger, Die dialektische Einheit von Theorie und Empirie im soziologischen Forschungsprozeß, in: Autorenkollektiv, Grundlagen der marxistisch-leninistischen Soziologie, hg. von G. Aßmann/R. Stollberg, a. a. O., S. 55—62. 43

1. theoretische Stufe (Phase)

T •

(theoretische Voraussetzungen)

PF •

(Problemformulierung)

H

(Hypothesenbildung)

t empirische Stufe (Phase)

I

(Ableitung von Indikatoren)

OU •

(Objektuntersuchung)

OA _| 2. theoretische Stufe (Phase)

HP

(Gewinnung und Formulierung von Objektaussagen) (Prüfung der Hypothesen)

I + E (Interpretation und Erklärung der | empirischen Untersuchungsergebnisse) T' _| GP

(Überführung der gewonnenen Gesetzesaussagen in die soziologische Theorie) (gesellschaftliche Praxis)

Abbildung 1: Stufen des soziologischen Forschungsprozesses

bedingen sich Theorie und Empirie als zwei Seiten der Erkenntnis. Nur so kann die Zielstellung wissenschaftlicher Arbeit, die Aufdeckung von Zusammenhängen, Wirkungsbedingungen und Gesetzmäßigkeiten, realisiert werden. Sie bilden eine dialektische Einheit im wissenschaftlichen Wissen und im Erkenntnisprozeß. In dieser Hinsicht sind sie als zwei Stufen des soziologischen Forschungsprozesses zu verstehen. Jede der beiden Stufen weist ihre Besonderheiten und Eigenarten auf, die in der Wechselwirkung und gegenseitigen Ergänzung die soziologische Erkenntnis ermöglichen. Sie beinhalten einen unterschiedlichen Grad des Eindringens in die Erkenntnis und unterscheiden sich besonders hinsichtlich der systematischen Darstellung, der Nähe zur sozialen Wirklichkeit, des Umfangs und der Breite der Erklärung von Sachverhalten, des Grades der Objektivität, ihres Anwendungsbereiches sowie der Verfahrensweise, wie sie erlangt werden. Die empirische Stufe der soziologischen Forschung erfaßt die vielfältige, differenzierte soziale Wirklichkeit mittels empirischer Erhebungen und unterzieht die gewonnenen Daten einer rationalen Bearbeitung, so daß ihre Ergebnisse bereits einen gewissen allgemeinen Charakter besitzen. Dabei geht der Weg von den empirisch individuellen zu den empirisch allgemeinen Informationen. Sind die Ergebnisse der empirischen Stufe bereits Aussagen auf der Ebene des 44

empirisch Allgemeinen, vermag jedoch erst die theoretische Ebene die Einsicht in innere, wesentliche Zusammenhänge der sozialen Erscheinungen und Prozesse zu geben und Gesetzmäßigkeiten zu erschließen. Obwohl das dialektische Wechselverhältnis von Theorie und Empirie den soziologischen Forschungsprozeß insgesamt prägt und sich Konsequenzen für jede Phase des Forschungsprozesses ergeben, liegen unterschiedliche Akzentuierungen beider Seiten für einzelne Etappen des Forschungsprozesses vor, und wir sprechen deshalb von der ersten und zweiten theoretischen und der empirischen Stufe. In den Prozeß des Übergangs von der ersten theoretischen Stufe zur empirischen Stufe und von dieser zur zweiten theoretischen Stufe ordnet sich die vermittelnde Funktion der Indikatoren ein. Die wissenschaftslogische Struktur des soziologischen Forschungsprozesses basiert auf der Tatsache, daß Ausgangspunkt der Erkenntnis Erscheinungen der sozialen Realität sind. Die bewußte Gestaltung von Prozessen durch die Gesellschaft, die sich mit bisherigen Kenntnissen nicht mehr erklären lassen, erfordert Aussagen zum Wirkungsmechanismus, zu den Möglichkeiten der Einflußnahme und praktische Vorschläge für ihre Leitung. Den bewußt gewordenen Widerspruch zwischen Erscheinungen der sozialen Praxis und den Möglichkeiten ihrer Erklärung auf Grundlage des vorhandenen Wissens bezeichnet man als Problem. Ein soziologisches Problem widerspiegelt immer nur einen Ausschnitt der sozialen Wirklichkeit. Ihm entsprechen nur bestimmte, abgegrenzte soziale Erscheinungen und Prozesse, die durch die Problemsituation determiniert sind. Auf diesen Bereich beschränkt sich die jeweilige soziologische Forschung, aber nicht ohne eine genügend komplexe Sichtweise zu berücksichtigen. Die erste theoretische Phase des Forschungsprozesses hat die Untersuchungskonzeption zu entwickeln. Sie beinhaltet die theoretische Einordnung des Problems und reicht bis zur Bestimmung der Indikatoren. Von dieser Phase des Forschungsprozesses hängt das Gelingen der Untersuchung in weitem Maß ab, weil es hier nicht nur um die Aufdeckung eines entsprechenden methodologischen und methodischen Zuganges hinsichtlich der jeweiligen sozialen Erscheinungen geht, sondern zugleich die Fragen der mathematisch-statistischen Auswertung und das Niveau der zu gewinnenden Aussagen eine wesentliche Rolle spielen. Einen zentralen Platz nehmen in dieser Phase die Hypothesen ein. Sie reflektieren die Ergebnisse der Problemformulierung, in deren Verlauf das Forschungsthema abgegrenzt und das Untersuchungsfeld abgesteckt wurde, ziehen die Schlußfolgerungen aus einer Analyse des vorliegenden theoretischen Wissens — es wird durch das Studium entsprechender Teile des Historischen Materialismus, von Analysen und Beschlüssen der Partei, den Ergebnissen gesellschaftswissenschaftlicher Disziplinen, besonders der Soziologie, gewonnen — und berücksichtigen bisherige empirische Kenntnisse über das Untersuchungsobjekt. In den Hypothesen finden die Einordnung des Problems, die Abstraktion von anderen sozialen Erscheinungen und Konzentration auf die wesentlichen Seiten der zu untersuchenden Erscheinungen sowie Vorschläge zur Problemlösung ihren Niederschlag. Als 45

weitere wesentliche Seite gewährleisten die Hypothesen den Übergang vom empirischen zum theoretischen Wissen, da sie die Auswertung der empirischen Daten auf ein der theoretischen Ebene entsprechendes Niveau erfordern.35 Die in den Hypothesen aufgestellten Behauptungen weisen eine unterschiedliche Struktur auf. Sie können die Form einer Begriffsexplikation haben, eine Rangfolge von Faktoren angeben, die eine bestimmte soziale Erscheinung beeinflussen oder ausdrücken, wie und in welchem Grade sich Faktoren wechselseitig beeinflussen und bedingen. In allen Fällen bedürfen die in den Hypothesen aufgestellten Behauptungen der Überprüfung. Kriterium für den Wahrheitsgehalt der Aussagen ist die gesellschaftliche Praxis. Die theoretische Konzeption der Forschung muß zu diesem Zweck ihre empirische Umsetzung erfahren. Der damit verbundene Übergang von der theoretischen zur empirischen Phase der Forschung läßt sich durch die Ableitung entsprechender empirischer Folgerungen realisieren. Sie beinhalten einerseits bestimmte zu erwartende Beziehungen, Rangfolgen und Ausprägungen von Merkmalen und umschließen andererseits den gesamten Kreis der Indikatorenableitung. Häufig wird dieser Prozeß als Operationalisierung bezeichnet. Es geht dabei um die Bestimmung empirisch erfaßbarer Merkmale, die eine Analyse der in den Hypothesen getroffenen Behauptungen, ihre Verifikation oder ihre Falsifikation erlauben. Der Prozeß selbst realisiert sich über eine entsprechend inhaltlich-theoretische Ableitung. Diese berücksichtigt sowohl die vorliegenden gesicherten Erkenntnisse wie die in der Untersuchungskonzeption enthaltenen Ideen. Letztere beinhalten den Neuigkeitswert, die Erweiterung des bisherigen Wissens. Die empirischen Entsprechungen der Untersuchungskonzeption sind Voraussetzung für die Objektuntersuchung im Forschungsprozeß. Sie geben der empirischen Analyse die Richtung und Zweckbestimmtheit an, gewährleisten, daß aus der Vielfalt der Merkmale diejenigen herauskristallisiert werden, die der Zielrichtung des jeweiligen Forschungsprozesses entsprechen. In der empirischen Phase erfolgt die Datensammlung entsprechend der in der vorhergehenden theoretischen Phase vorgenommenen Bestimmung empirischer Merkmale. Ihr schließt sich die Aufbereitung der Daten an, die zur Formulierung von Objektaussagen führt. Sie stellen nach bestimmten Gesichtspunkten, auf Grundlage der theoretischen Konzeption und vielfach im Rahmen der Datenanalyse empirisch erprobte Verfahren, gruppierte und klassifizierte Daten dar, die verallgemeinernde Aussagen hinsichtlich einzelner untersuchter Merkmale ermöglichen. Auf Grundlage dieser Resultate wird die Hypothesenprüfung ermöglicht, beginnt der Übergang zur zweiten theoretischen Stufe des Forschungsprozesses, die des weiteren die theoretische Erklärung und Deutung der empirischen Untersuchungsergebnisse sowie die Überführung der so gewonnenen Aussagen in die soziologische Theorie beinhaltet. 35

46

Vgl. H. Korch, Die wissenschaftliche Hypothese, a. a. O., S. 335.

Im Verlauf der Forschung nehmen Indikatoren verschiedene Positionen ein. Empirische Merkmale, die uns im Forschungsprozeß als Indikatoren gegenübertreten, spielen bereits eine besondere Rolle in dem soziologischen Forschungsprozeß vorausgehenden Problem. Als Merkmale, die die sozialen Erscheinungen, ihre Objekte und Bedingungen charakterisieren, tragen sie dazu bei, die Probleme auf gesellschaftlicher Ebene bewußt werden zu lassen und sie als Probleme zu erkennen. Die unter diesem Gesichtspunkt wahrgenommenen empirischen Merkmale stellen eine untergeordnete, willkürlich ausgewählte Menge dar. Der soziologische Forschungsprozeß hat unter diesem Aspekt zwei Aufgaben zu bewältigen : 1. Die empirischen Merkmale, die uns in der Charakterisierung der sozialen Erscheinungen im Problem gegenübertreten, sind in theoretische Zusammenhänge einzuordnen. Es geht um die Entwicklung von Vorstellungen, die eine Erklärung und sich darauf begründende Lösung des Problems gewährleisten. Das ist nur möglich, wenn, ausgehend vom Auftreten des Problems in der sozialen Realität, die Einbeziehung vorhandener theoretischer Erkenntnisse erfolgt und dadurch eine genügend umfassende und komplexe Sichtweise gesichert ist, die den Anforderungen der gesellschaftlichen Praxis entspricht. 2. Die allgemeinen Vorstellungen zur Erklärung der im Problem enthaltenen sozialen Erscheinungen — sie reflektieren sich in den Hypothesen der Forschung — bedürfen des Beweises. Dabei ist es notwendig, zu den empirischen Merkmalen in der Art zurückzugehen, daß sie systematisch analysiert werden, sie also im Erkenntnisprozeß als Indikatoren wirken. Auf dieser Ebene sind die empirischen Merkmale entsprechend der im Forschungsprozeß entwickelten Konzeptionen auszuwählen. Sie haben eine bestimmte Funktion, unmittelbar der Analyse der empirischen Ebene zu dienen, mittelbar jedoch vermittelnd zwischen theoretischer und empirischer Stufe im soziologischen Forschungsprozeß zu wirken. Die besondere Stellung der Indikatoren im Vermittlungsprozeß zwischen Theorie und Empirie bringt es mit sich, daß aus beiden Stufen eine Reihe von Anforderungen an die Indikatoren erwachsen. Die Umsetzungsproblematik läßt sich nur in dem Maße erfüllen, wie die Indikatoren diesen Anforderungen gerecht werden. Die theoretische Stufe der Forschung verlangt theoretisch begründete Indikatoren. Empirische Merkmale, deren Ausprägungen bei den Untersuchungseinheiten — das können sowohl einzelne Individuen als auch Gruppen von Menschen sein — ermittelt werden, resultieren folglich aus der theoretischen Konzeption. Sie haben den in den Hypothesen enthaltenen Aussagen das empirische Material zu liefern. Bisherige theoretische Erkenntnisse sind bei der Indikatorenermittlung zu berücksichtigen. So sind die auftretenden Begriffe hinsichtlich ihres bisherigen Inhalts und ihres Gehalts für die Indikatorengewinnung zu analysieren. Um den theoretischen Wert der Forschung zu sichern, besteht die Notwendigkeit, die Stellung jedes empirischen Merkmals, das als Indikator eingesetzt werden soll, im theoretischen Gesamtgefüge zu bestimmen. Oft verbindet sich damit eine Betrachtung der einzelnen Objekte der Untersuchung. 47

Solche Objekte können das Handeln bestimmter Personengruppen hinsichtlich der Teilnahme an den Formen der demokratischen Mitbestimmung, die Charakterisierung von Bedingungen, wie sie die Arbeitsbedingungen darstellen, oder Bewußtseinsinhalte, wie sie in der Arbeitszufriedenheit zum Ausdruck kommen, sein. Die Teilnahme an der Neuererbewegung, der physische Aufwand an Arbeitskraft oder die Zufriedenheit mit dem Lohn sind empirische Merkmale, deren Platz im Rahmen der genannten Objekte zu bestimmen ist, bevor die empirische Analyse erfolgt. Gleichzeitig wird an Indikatoren die Forderung gestellt, die wesentlichen Seiten der zu untersuchenden Sachverhalte zu erfassen. Häufig werden in der soziologischen Forschung eine Vielzahl empirischer Merkmale analysiert, ohne daß die wesentlichen Seiten der Objekte erreicht werden. Neben der theoretischen Begründung von Indikatoren sind folglich zugleich die inneren und gegenseitigen Relationen zu ermitteln, um den Stellenwert des einzelnen empirischen Merkmals zu bestimmen. Beispielsweise stellen die Faktoren Staub, Lärm, Beleuchtung usw. einen bestimmten Komplex der Arbeitsbedingungen dar, während sich soziale Beziehungen, wie sie im Rahmen des Kollektivs auftreten, eine andere Seite des Sachverhalts zum Ausdruck bringen. Der relativ selbständige Stellenwert der verschiedenen Indikatorengruppen für einen Sachverhalt darf nicht vernachlässigt werden: Verlangt die theoretische Ebene der Forschung, daß Indikatoren den Übergang zur empirischen Ebene zu sichern haben, ist damit u. a. die Forderung eingeschlossen, qualitative Merkmale quantitativ erfaßbar zu gestalten. Da die quantitative Erfaßbarkeit die Bestimmtheit einer Erscheinung darstellt, sie sich in Merkmalen der Größe, des Umfangs, des Gewichts, der Intensität, der zeitlichen Dauer oder Geschwindigkeit, prozentualen Verhältnisse usw. äußert, kommt ihr die Eigenschaft der Meßbarkeit zu. Die Meßbarkeit ist für die soziologische Forschung wesentlich, denn durch die wissenschaftliche Bestimmung der qualitativen Merkmale mittels in numerischen Größen faßbarer Aussagen (qualitative Bestimmungen) können tiefere Einsichten in die Dynamik und die ihr zugrunde liegenden Tendenzen, Regelmäßigkeiten und Gesetzmäßigkeiten erlangt werden.36 Durch die Erkundung der quantitativen Momente und Seiten sozialer Erscheinungen und Prozesse können deren Existenzformen und innere Strukturen, die Entwicklung und Determination erkannt und meßbar gemacht werden. Auf diesem Wege gewinnt man exakte Schlußfolgerungen für die bewußte Einflußnahme auf die sozialen Erscheinungen und Prozesse durch Leitung und Planung. In der empirischen Phase des soziologischen Forschungsprozesses werden die Daten gewonnen und aufbereitet. Entsprechend richten sich die Anforderungen an die Indikatoren auf Momente, die diesen Prozeß gewährleisten. In erster Linie geht es darum, daß die Indikatoren der empirischen Ebene entsprechen, daß es sich bei Indikatoren um empirisch erfaßbare Merkmale handelt. Häufig 36

48

Vgl. Autorenkollektiv, Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie, a. a. O., S. 529.

ist jedoch der Fakt anzutreffen, daß in Erhebungsunterlagen, besonders bei Befragungen, Merkmale auftreten, die nicht der theoretischen Ebene entsprechen bzw. die nicht völlig oder ungenügend operationalisiert wurden. Das trifft beispielsweise zu, wenn allgemein nach dem Zustand der Arbeitsbedingungen oder dem Grad der Arbeitszufriedenheit gefragt wird. Die Aussagekraft solcher Ergebnisse bleibt, wie bereits an anderer Stelle dargestellt, beschränkt. Die Verwirklichung der Forderung, als Indikatoren im soziologischen Forschungsprozeß nur empirisch erfaßbare Merkmale zu betrachten, ist eine entscheidende Voraussetzung für die Umsetzung des in der konzeptionellen Phase der Forschung entwickelten theoretischen in ein empirisches Modell. Ein solches empirisches Modell gewährleistet die adäquate Umsetzung der theoretischen Konzeption und sichert den Prozeß der Datengewinnung durch die Bestimmung entsprechender Merkmale. Zugleich müssen Indikatoren quantifizierbar sein. Durch quantifizierbare Indikatoren werden Voraussetzungen geschaffen, damit für die Forschung adäquate mathematische Modelle entwickelt werden können. Die empirisch erfaßbaren Merkmale werden im mathematischen Modell als Variable betrachtet und dem Objekt, dem Ziel der Untersuchung und den Realisierungsmöglichkeiten entsprechend in Meßinstrumente (Skalen, Test, Indizes usw.) umgesetzt. Das mathematische Modell trägt entscheidend zur Sicherung einer qualitativ hochwertigen mathematisch-statistischen Aufbereitung der Daten bei. Zur Aufgabe der Indikatoren, die Umsetzung des theoretischen in ein operationales und schließlich in ein mathematisches Modell zu gewährleisten, gehört zugleich, einen Beitrag zur systematischen empirischen Erschließung des jeweiligen Sachverhalts zu liefern. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, nur einzelne Seiten sozialer Prozesse und Erscheinungen zu analysieren, sondern alle wesentlichen Seiten. Zu diesem Zweck sind Indikatorensysteme aufzubauen und zu entwickeln, die den gestellten Kriterien gerecht werden. Umfassend beschreibende und gründlich strukturierte Indikatoren tragen in hohem Maße dazu bei, daß weitere Forderungen an Indikatoren erfüllt werden können, die vor allem die Interpretation, Erklärung und Deutung von Forschungsergebnissen betreffen. Wenn einerseits von Indikatoren verlangt wird, die Umsetzung der theoretischen Konzeption in der empirischen Phase der Forschung in entsprechende Instrumentarien zu sichern, so hat andererseits die Aussagekraft der Indikatoren den Schritt von den Ergebnissen der empirischen Phase zur theoretischen Ebene, in die die Resultate der Forschung eingehen sollen, zu gewährleisten. Struktur und Qualität der Indikatoren haben folglich nicht nur Anforderungen zu erfüllen, die der theoretischen Konzeption der empirischen Erhebung entsprechen und zur mathematisch-statistischen Bearbeitung der Daten führen, sondern müssen zugleich den Übergang der Resultate in die zweite theoretische Phase der Forschung ermöglichen.

4

Berger u. a., Indikatoren

49

2.4.

Die Rolle der Sozialindikatoren bei der Analyse, Leitung und Planung sozialer Prozesse

In der gegenwärtigen Phase des Aufbaus der entwickelten sozialistischen Gesellschaft werden an die Leitung und Planung sozialer Prozesse qualitativ neue Anforderungen gestellt. Die Politik der Hauptaufgabe in ihrer Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik erfordert, die Leitung und Planung der sozialen Entwicklung auf gesamtgesellschaftlicher Ebene, den einzelnen Bereichen der Gesellschaft, den Kombinaten, Betrieben und Territorien zu vertiefen und zu vervollkommnen. Unter sozialer Entwicklung versteht man im allgemeinen den erfolgreichen Verlauf der Prozesse, die kennzeichnend für die weitere Ausprägung der sozialen Merkmale der entwickelten sozialistischen Gesellschaft sind.37 Leitung und Planung haben die Voraussetzungen für eine ständig wachsende effektivere Gestaltung sozialer Prozesse zu entwickeln und damit die Grundlage für eine wirksame Sozialpolitik zu schaffen. Fragen der sozialen Effektivität, des Zusammenhangs zwischen Aufwand und Ergebnis bei Maßnahmen im Rahmen der Sozialpolitik des Staates wie auch die Durchsetzung entsprechender sozialpolitischer Maßnahmen in den Betrieben haben in diesem Zusammenhang entscheidende Bedeutung. Die Erhöhung des Niveaus der Leitung und Planung sozialer Prozesse erfordert die Schaffung einer wissenschaftlich begründeten und effektiven Informationsbasis. Zugleich sind entsprechende Instrumentarien zu entwickeln, die neben der Analyse sozialer Prozesse weitere Aufgaben bei der Gestaltung dieser Prozesse übernehmen. Sozialindikatoren und Systeme von Sozialindikatoren bieten Möglichkeiten, um in dieser Hinsicht wesentlich voranzukommen. Da sie neben der analysierenden auch normative, stimulierende, prognostizierende, und kontrollierende Funktionen erfüllen, sind sie nicht nur als wesentliches statistisches Instrumentarium zur Informationsbereitstellung und Erkenntnisgewinnung zu verstehen. Sie stellen auf der Grundlage ihrer Vielseitigkeit ein überaus wichtiges Instrumentarium zur unmittelbaren Leitung und Planung sozialer Prozesse dar, zu dem bereits umfangreiche praktische Erfahrungen vorliegen. Seit Gründung der sozialistischen Staaten werden mit den ökonomischen Zielstellungen zugleich auch soziale Zielstellungen verknüpft; der GOELRO-Plan der jungen Sowjetmacht enthielt und verfolgte nicht nur wirtschaftliche Zielstellungen allein, sondern zugleich mit ihnen auch soziale Ziele (z. B. die weitere Herausbildung der Arbeiterklasse). In den zwanziger Jahren wurden vielfaltige soziale Analysen auf der Grundlage der gesamtgesellschaftlichen Planung in der Sowjetunion erstellt, und seit dem 37

50

Vgl. Autorenkollektiv, Theorie und Praxis der Sozialpolitik in der DDR, hg. vom Institut für Soziologie und Sozialpolitik der Akademie der Wissenschaften der DDR durch Günter Manz und Gunnar Winkler, Berlin 1977, S. 433.

ersten Fünfjahrplan finden außer ökonomischen auch soziale Indizes Verwendung. Beginnend mit dem ersten Fünfjahrplan in der Sowjetunion 1927, wurden auch Bilanzen über die Ausnutzung der Arbeit, den Zu- und Abgang der Bevölkerung, das Wachstum der Arbeitseinkommen, die Dauer der Arbeitszeit, die soziale Sicherstellung und sozialkulturelle Mittel, die Entwicklung der Bildung, des Gesundheitsschutzes, des Wohnungsbaus u. a. erarbeitet. Analog entwickelten auch die anderen sozialistischen Länder während ihres Aufbaus entsprechende Planabschnitte. Eine Verstärkung der planmäßigen Leitung sozialer Prozesse setzte mit der Entwicklung der Sozialplanung in der Sowjetunion 1966, beginnend bei den Betrieben, und in der D D R mit der vom VIII. Parteitag 1971 beschlossenen Hauptaufgabe in ihrer Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik ein. In der Sowjetunion werden heute neben Betrieben und wissenschaftlichen Forschungsinstituten auch im regionalen Bereich (Territorien) Sozialpläne erarbeitet, und gegenwärtig ist das Bedürfnis herangereift, die Sozialplanung auch in die Zweige der Volkswirtschaft einzuführen. Im engeren und heute meist gebrauchten Sinne38 umfaßt der Begriff „Sozialplanung" die Sphäre sozialer Bedingungen und Prozesse, zu denen bestimmte Veränderungen in der Produktion oder Ökonomie führen, und wird definiert39 als eine wissenschaftlich begründete Bestimmung von Zielen, Kennziffern und Aufgaben für die Entwicklung der sozialen Prozesse und die Ausarbeitung grundlegender Mittel für ihre Verwirklichung im Interesse der Arbeiterklasse und aller Werktätigen der sozialistischen Gesellschaft. Objekt der Sozialplanung ist die sozialistische Lebensweise, eine Kategorie, die vor allem die sozialen Beziehungen charakterisiert.40 Auch die auf dem VIII. Parteitag beschlossene und vom IX. und X. Parteitag der SED konkretisierte Hauptaufgabe hat ihr Ziel in der weiteren Herausbildung der sozialistischen Lebensweise. Entscheidend ist dabei, „ . . . ob eine organische Verbindung zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik hergestellt, ob die ökonomische Entwicklung in wirkungsvoller Weise mit der Herausbildung der sozialistischen Lebensweise verbunden ist".41 Die Sozialpolitik „beeinflußt die sozialen Beziehungen und Verhältnisse über die planmäßige Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus auf der Grundlage der stetigen Steigerung des Leistungsvermögens der Volkswirtschaft, über die Gestaltung der Arbeits- und Lebensbedingungen in den Betrieben und im Territorium sowie über die aktive Einflußnahme auf die Entwicklung der Denk- und Verhaltensweisen im Hinblick

38

Vgl. L. N . Kogan, Soziale Planung: Arbeit, Bildung, Lebensweise, Berlin 1971 (Schriftenreihe „Soziologie"), S. 13.

39

Vgl. ebenda, S. 19 und auch Autorenkollektiv, Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie, a. a. O., S. 579/580.

40

Vgl. E. J. Korenevskaja, Mestnye sovety: social'noe planirovanie, Moskva 1977, S. 8.

41

O. Reinhold, Wesen und Merkmale der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, in: N D vom 29. 1. 1976, S. 3.

4*

51

auf die weitere Gestaltung der sozialistischen Lebensweise. Sie hat die Aufgabe, die Prozesse — bezogen auf Klassen, Schichten und soziale Gruppen — planmäßig zu gestalten." 42 Besondere Bedeutung also erlangt die Aufgabe, über ökonomische und wissenschaftlich-technische Zusammenhänge hinaus die Komplexität der gesamten sozialen Entwicklung im Plan konkret und wissenschaftlich begründet zu erfassen. 43 Wie an anderer Stelle noch nachzuweisen ist, erfolgt diese wissenschaftlich begründete Erfassung mittels der „Sozialindikatoren". F. Kutta 44 resümiert, daß in dem Maße, wie die Rolle der Planung bei der Entwicklung sozialer Faktoren wächst, die Lösung der Probleme auf der Grundlage von Systemen sozialer Kennziffern Aufmerksamkeit gewinnt und führt dazu zwei historische Tendenzen an: Erstens erfordert der weitere Aufbau der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, verstärkte Aufmerksamkeit den sozialen Seiten zuzuwenden, d. h., der Plan wird um neue soziale Kennziffern bereichert und zweitens wird die Periode des intensiven Wachstums begleitet von der extensiven Erhöhung der Quantität der Planungs- und Analysekennziffern. Während die zweite, von F. Kutta angeführte Tendenz ein nicht erstrebenswerter Zustand ist (die extensive Erhöhung der Quantität 45 der Planungs- und Analysekennziffern), soll der ersteren noch detaillierter nachgegangen werden. In der DDR sind wichtige Voraussetzungen für die Planung sozialer Prozesse in einem längeren Zeitraum geschaffen worden; z. B. die langfristigen Konzeptionen der Volkswirtschaftszweige, die Ausarbeitung und Verwirklichung komplexer Entwicklungsprogramme (z. B. das Wohnungsbauprogramm) und die territorial abgestimmten Objektprogramme zur Sicherung bestimmter volkswirtschaftlicher Großvorhaben, die komplexen Charakter tragen. 46 Durch die zunehmende Verflechtung von ökonomischen, wissenschaftlich-technischen und sozialen Prozessen wird in verstärktem Maße die Notwendigkeit begründet, 42

G. Winkler u. a., Aufgaben und Probleme der Sozialpolitik in der DDR (Thesen), in: Wirtschaftswissenschaften, 1/1975, S. 2. 43 Vgl. Autorenkollektiv, Das materielle und kulturelle Lebensniveau des Volkes und seine volkswirtschaftliche Planung, Berlin 1975, S. 393. 44 F. Kutta, Postroenie informacionnoj bazy i sistema pokazatelej planovogo upravlenija social'nymi processami, in: Sbornik dokladov, Mezdunarodnyi simposium „Sistema social'nych pokazatelej kak osnova social'nogo planirovanija i prognozirovanija", Sofija, S. 8—25. 45 Es gibt Untersuchungen, die u. E. nachweisen, daß eine Vielzahl von Kennziffern — insbesondere auf der Ebene der Zweige und Betriebe — unnötig ist und im Prinzip schon in anderen enthalten ist bzw. zu einem anderen Zeitpunkt erfaßt wird, so daß eine beträchtliche Reduzierung der ökonomischen Kennziffern möglich wäre und insgesamt keine Erhöhung der Anzahl der Kennziffern durch das Hinzufügen sozialer Indizes einzutreten brauchte. 46 Vgl. Autorenkollektiv, Theorie und Praxis der Sozialpolitik in der DDR, hg. vom Institut für Soziologie und Sozialpolitik der Akademie der Wissenschaften der DDR durch Günter Manz und Gunnar Winkler, a. a. O., S. 451.

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soziale Kennziffern in der Planung der Volkswirtschaft anzuwenden. Die Planung der sozialen Prozesse im Territorium erfuhr durch die komplexe Planung der ökonomischen und sozialen Entwicklung des Kreises Riesa und ausgewählter Schwerpunktbetriebe nach den Leningrader Erfahrungen eine weitere Entwicklung. Hier wurden große Anstrengungen unternommen, um die ökonomische Entwicklung noch enger mit der sozialen Entwicklung zu verbinden und als einheitlichen Prozeß in den Betrieben und im Territorium zu gestalten.47 Es ist folglich F. Kutta zuzustimmen, der ein komplexes soziales Kennziffernsystem zur Vervollkommnung des Systems der Planung und Leitung in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft fordert, das in höherem Maße der Langfristigkeit, Differenziertheit und Komplexität, Wissenschaftlichkeit und Operationalität des Planes Rechnung trägt. Darüber hinaus sind jedoch weitere Ursachen für eine verstärkte Sozialindikatorenforschung in den sozialistischen Ländern in den letzten Jahren anzuführen, weil — es zunehmend notwendig wird, die komplexen sozialen Grundprozesse zu planen und sich damit die stärkere' Hinwendung der Soziologie zur Leitung und Planung sozialer Prozesse verbindet, um einen Beitrag zur wissenschaftlichen Begründung von Aufgaben und Zielen der Sozialpolitik zu leisten; — es notwendig und möglich wird, die prinzipielle Überlegenheit und die Vorzüge des sozialistischen Gesellschaftssystems gegenüber dem kapitalistischen konkret nachzuweisen und — innerhalb der sozialistischen Staatengemeinschaft, auch angeleitet durch die UNESCO, internationale Vergleichsstudien notwendig sind. Wenn wir davon ausgehen, daß soziale Kennziffern die wichtigste Form darstellen, in der Sozialindikatoren im Rahmen der Leitung und Planung sozialer Prozesse auftreten, dann kommt es vor allem darauf an, durch ein gutes Niveau der Informationsbasis, durch Effektivität, Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit von sozialen Kennziffern Grundlagen für eine weitere Erhöhung der Effektivität des Systems der Leitung und Planung sozialer Prozesse zu schaffen. Da die wissenschaftliche Entwicklung eines Systems sozialer Kennziffern nicht nur analytisch Bedeutung hat, sondern der praktischen Leitung dient, da es normativ, stimulierend, prognostizierend und kontrollierend wirken kann, ist zugleich eine enge Verbindung zur sozialen Modellierung und zum sozialen Experiment gegeben. Wenn wir die „Sozialindikatoren" anwenden für die Leitung und Planung sozialer Prozesse und für die Verwirklichung der Sozialpolitik — und nur in diesem Kontext sollte der Begriff „Sozialindikator" verwendet werden —, dann

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Vgl. H. Modrow, Der Fünfjahrplan des Kreises und die Verwirklichung der Hauptaufgabe, in: Einheit, 3/1978, S. 273.

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existieren mindestens drei unterschiedliche Niveaus der Sozialindikatoren in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft: 48 1. die gesellschaftliche Leitung und Planung sozialer Prozesse, 2. die territoriale Leitung und Planung sozialer Prozesse und 3. die Leitung und Planung sozialer Prozesse im Kombinat, Betrieb und Arbeitskollektiv. Innerhalb der Sozialpolitik, ihrer Wirksamkeit und der des wissenschaftlichtechnischen Fortschritts ist das Problem der sozialen Effektivität und ihrer Messung mittels der Sozialindikatoren zu untersuchen. Dabei bringt die soziale Effektivität die Wirksamkeit der zur Erreichung sozialpolitischer Ziele eingesetzten Mittel und Ressourcen zum Ausdruck. Ein entsprechendes System sozialer Indikatoren gründet sich theoretisch auf die empirische Umsetzung (Messung) sozialer Zielkriterien und praktisch auf die Tatsache, daß das gegenwärtig angewandte Kennziffernsystem der Sozialpolitik noch nicht in ausreichendem Maße auf die soziale Effektivität orientiert. Ein wichtiger Schritt zur näheren Bestimmung der sozialen Effektivität ist die Fixierung sozialer Zielkriterien, die sich in den Zielen unserer Sozialpolitik widerspiegeln. Diese sozialen Zielkriterien können zugleich als Ausdruck des Ausprägungsgrades der sozialistischen Lebensweise interpretiert werden. Gleichzeitig haben Indikatoren auch Informationen für die Entwicklung der Soziologie als Wissenschaft oder wissenschaftliche Informationen über soziologische Forschungsobjekte zu liefern. Gemeinsam mit den o. a. Informationen für die Leitung und Planung sozialer Prozesse sind das zwei unterschiedliche, aber auch miteinander verbundene Informationsarten. Komplexe soziale Kennziffernsysteme sind folglich notwendig zur Vervollkommnung des Systems der Leitung und Planung der Gesellschaft. Sie sind erforderlich wegen des größeren Stellenwertes sozialer Faktoren innerhalb dieses Systems, weil die Soziologie eine theoretische Grundlage der Sozialpolitik ist und die Aufgabe hat, wissenschaftlich begründete Analysen der sozialen Verhältnisse zu erbringen, sowie wegen der Notwendigkeit, im Rahmen internationaler Vergleich die Vorzüge der sozialistischen Gesellschaft nachzuweisen. Daraus folgt offensichtlich, daß Indikatorensysteme zu unterscheiden sind in: 1. Systeme, die der Leitung und Planung der komplexen sozial-ökonomischen Entwicklung unserer Gesellschaft dienen und als Systeme sozialer Indikatoren zu bezeichnen sind. Damit wird in stärkerem Mäße der Langfristigkeit, Komplexität. Differenziertheit und Wissenschaftlichkeit der Volkswirtschaftsplanung, und hierdurch der Planung der gesamten Gesellschaft, Rechnung getragen. 2. Systeme, die für die empirische Forschung in der Soziologie entwickelt wurden und die einen genau definierten Platz im soziologischen Forschungs48

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Sowohl in der Sowjetunion als auch in der DDR werden diese Ebenen der Sozialplanung unterschieden. Vgl. Autorenkollektiv, Das materielle und kulturelle Lebensniveau des Volkes und seine volkswirtschaftliche Planung, a. a. O., S. 393.

prozeß einnehmen und als Systeme soziologischer Indikatoren bezeichnet werden können. 3. Systeme von soziologischen, sozialen u. a. Indikatoren, die die qualitativen Merkmale der entwickelten sozialistischen Gesellschaft quantifizierend widerspiegeln und dem Vergleich sozial-ökonomisch unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen dienen. Die hier vorgenommene Unterscheidung dient nicht dem Zweck, die Entwicklung vollständig getrennter Indikatorensysteme zu begründen, sondern soll verdeutlichen, daß es notwendig ist, für unterschiedliche Zielsetzungen auch unterschiedliche Indikatoren- bzw. Sozialindikatorensysteme zu entwickeln. Dabei können soziologische Indikatoren sowohl in Sozialindikatorensystemen zur Leitung und Planung als auch zum internationalen Vergleich herangezogen werden; jedoch erfüllen sie diese Funktion jeweils in einem anderen theoretischen Bezugssystem. Außerdem werden nicht alle Indikatoren, die für den soziologischen Forschungsprozeß benötigt werden, für das Sozialindikatorensystem zur Leitung und Planung der Gesellschaft relevant sein. Insbesondere, weil nur ein bestimmter Teil der Kennziffern den Verifikationsprinzipien des soziologischen Forschungsprozesses unterworfen werden kann.

2.5.

Zum positivistischen Indikatorenverständnis in der bürgerlichen Soziologie

Neben dem hohen Stellenwert, der den Indikatoren im soziologischen Erkenntnisprozeß bei der Operationalisierung theoretischer Begriffe und bei der Leitung und Planung sozialer Prozesse zukommt, haben Indikatoren entscheidende Bedeutung bei der Auseinandersetzung mit erkenntnistheoretischen und methodologischen Ausgangspositionen sowie Ergebnissen der bürgerlichen Soziologie. Die analytische Betrachtung von Standpunkten der bürgerlichen Soziologie zur Indikatorenproblematik ist stets als Teil der umfassenden Auseinandersetzungen mit diesen Auffassungen zu betrachten und bereichert die Gesamtauseinandersetzung wesentlich. Es gelingt auf dem Gebiet der Indikatoren besonders, bedeutsame erkenntnistheoretische und methodologische Schwächen und daraus resultierende Konsequenzen bürgerlicher soziologischer Forschungen aufzudecken sowie im Rahmen der von der bürgerlichen Soziologie postulierten „Sozialindikatorenbewegung" nachzuweisen, daß diese Bewegung sich in hohem Maße für die Erhaltung der bestehenden kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse einsetzt und entsprechende Aufgaben übernimmt. Unberücksichtigt bleiben darf in diesem Zusammenhang nicht, daß sich die bürgerliche Soziologie recht umfangreich mit der Indikatorenproblematik beschäftigt. Resultat dessen sind u. a. eine Vielzahl technischer und empirischer Verfahren, die zur Indikatorengewinnung entwickelt wurden und häufig auch im Rahmen von Untersuchungen der marxistisch-leninistischen Soziologie Verwendung finden. Um so mehr gilt 55

prozeß einnehmen und als Systeme soziologischer Indikatoren bezeichnet werden können. 3. Systeme von soziologischen, sozialen u. a. Indikatoren, die die qualitativen Merkmale der entwickelten sozialistischen Gesellschaft quantifizierend widerspiegeln und dem Vergleich sozial-ökonomisch unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen dienen. Die hier vorgenommene Unterscheidung dient nicht dem Zweck, die Entwicklung vollständig getrennter Indikatorensysteme zu begründen, sondern soll verdeutlichen, daß es notwendig ist, für unterschiedliche Zielsetzungen auch unterschiedliche Indikatoren- bzw. Sozialindikatorensysteme zu entwickeln. Dabei können soziologische Indikatoren sowohl in Sozialindikatorensystemen zur Leitung und Planung als auch zum internationalen Vergleich herangezogen werden; jedoch erfüllen sie diese Funktion jeweils in einem anderen theoretischen Bezugssystem. Außerdem werden nicht alle Indikatoren, die für den soziologischen Forschungsprozeß benötigt werden, für das Sozialindikatorensystem zur Leitung und Planung der Gesellschaft relevant sein. Insbesondere, weil nur ein bestimmter Teil der Kennziffern den Verifikationsprinzipien des soziologischen Forschungsprozesses unterworfen werden kann.

2.5.

Zum positivistischen Indikatorenverständnis in der bürgerlichen Soziologie

Neben dem hohen Stellenwert, der den Indikatoren im soziologischen Erkenntnisprozeß bei der Operationalisierung theoretischer Begriffe und bei der Leitung und Planung sozialer Prozesse zukommt, haben Indikatoren entscheidende Bedeutung bei der Auseinandersetzung mit erkenntnistheoretischen und methodologischen Ausgangspositionen sowie Ergebnissen der bürgerlichen Soziologie. Die analytische Betrachtung von Standpunkten der bürgerlichen Soziologie zur Indikatorenproblematik ist stets als Teil der umfassenden Auseinandersetzungen mit diesen Auffassungen zu betrachten und bereichert die Gesamtauseinandersetzung wesentlich. Es gelingt auf dem Gebiet der Indikatoren besonders, bedeutsame erkenntnistheoretische und methodologische Schwächen und daraus resultierende Konsequenzen bürgerlicher soziologischer Forschungen aufzudecken sowie im Rahmen der von der bürgerlichen Soziologie postulierten „Sozialindikatorenbewegung" nachzuweisen, daß diese Bewegung sich in hohem Maße für die Erhaltung der bestehenden kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse einsetzt und entsprechende Aufgaben übernimmt. Unberücksichtigt bleiben darf in diesem Zusammenhang nicht, daß sich die bürgerliche Soziologie recht umfangreich mit der Indikatorenproblematik beschäftigt. Resultat dessen sind u. a. eine Vielzahl technischer und empirischer Verfahren, die zur Indikatorengewinnung entwickelt wurden und häufig auch im Rahmen von Untersuchungen der marxistisch-leninistischen Soziologie Verwendung finden. Um so mehr gilt 55

es, die unterschiedlichen erkenntnistheoretischen und methodologischen Grundpositionen in Betracht zu ziehen, da sie für die Beurteilung von Nutzen und Grenzen dieser Verfahren entscheidend sind. Die Auseinandersetzung mit bürgerlichen Auffassungen zur Indikatorenproblematik bietet sich vor allem im Rahmen der positivistisch orientierten Soziologie an, 49 da durch deren Verabsolutierung empirischer Erkenntnisse Fragen der Indikatorenforschung einen besonders hohen Stellenwert haben. Als Quelle aller Erkenntnis wird das unmittelbar Gegebene angesehen. Gegeben, also „wirklich", sind nach positivistischer Auffassung nur die sinnlich wahrnehmbaren Erscheinungen. Werden bestimmte Beziehungen der Menschen zueinander oder menschliche Verhaltensweisen in konkreten Situationen als Gegebenes betrachtet, beschreibt die positivistische Soziologie die Beziehungen und Verhaltensweisen nur in ihrer Unmittelbarkeit. Die Untersuchung erfolgt losgelöst vom historischen, kausalen und logischen Gesamtzusammenhang und damit getrennt vom gesellschaftlich-historischen Prozeß. Die analysierten Erscheinungen werden verabsolutiert, die Aussagen dieser Ebene unmittelbar in Wesentliches und Gesetzmäßiges verwandelt. Soziale Erscheinungen und Prozesse untersucht man hier folglich nur an der Oberfläche. Der theoretischen Verallgemeinerung wird kein Wert beigemessen. Eine auf solchen Postulaten begründete bürgerliche Soziologie hat Wesensmerkmale, die auf die Indikatorenproblematik determinierenden Einfluß haben und sie den positivistischen Zielen unterordnen. Folgende Grundsätze sind besonders wesentlich: 1. Durch die positivistische Soziologie erfolgt eine Verabsolutierung der empirischen Erkenntnis in der Hinsicht, daß sie als alleiniger Weg zur wissenschaftlichen Erkenntnis betrachtet wird. „Blinder Empirismus", die Reduzierung der Erkenntnis auf die Erfahrung, führt zur Verabsolutierung der empirischen Phase der Forschung. E>ie empirische Soziologie vermag zwar eine detailgetreue Erfassung einzelner sozialer Erscheinungen zu erreichen, die Beschränkung auf Erfahrungsdaten führt jedoch in der Endkonsequenz dazu, daß die vielfaltigen Erscheinungen der Wirklichkeit nur als unmittelbare Gegebenheiten und nicht als vermittelte Glieder eines zusammenhängenden Organismus betrachtet werden. Die Folge ist Verzicht auf die Erklärung der Wirkungsmechanismen, auf die Bestimmung-des Wesens der analysierten sozialen Prozesse und Erscheinungen. Für die Indikatorenproblematik führt das dazu, daß man behauptet, jede unter49

In diesem Zusammenhang sind Aussagen von M. Buhr und J. Schreiter zur Entwicklung des Positivismus, vor allem die Darlegung der positivistischen Grundpositionen im kritischen Rationalismus, von Interesse, wo auf eine philosophische Kritik der erkenntnistheoretischen Ausgangspositionen des Positivismus eingegangen wird. Vgl. J. Schreiter, Zur Kritik der philosophischen Grundpositionen des Wiener Kreises, Berlin 1977; J. Schreiter, Wahrheit, Wissenschaftlichkeit, Gesellschaftswissenschaften, Berlin 1979; M. Buhr/J. Schreiter, Erkenntnistheorie — kritischer Rationalismus — Reformismus (Zur jüngsten Metamorphose des Positivismus), Berlin 1979.

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suchte soziale Erscheinung, jeder untersuchte soziale Prozeß habe einen unmittelbaren empirischen Bezug und die Erkenntnis beschränke sich auf die Erfassung dieser unmittelbar feststellbaren Gegebenheiten. In diesem Sinne stellen R. Mayntz, K. Holm, P. Hübner fest: „So hat wohl schon manch ein Sozialforscher, der mittels einer mehrdimensionalen Statusskala sozialen Status von Individuen gemessen und diese anschließend nach der Höhe ihres gemessenen Status in Schichten eingruppiert hat, am Ende sozialen Status und soziale Schichten für soziale Phänomene gehalten, die so, wie er es gemessen hat, auch existieren. Die Gefahr liegt darin, daß der Forscher, wenn er seine Ergebnisse interpretiert und seine Schlüsse zieht, am Ende doch wieder auf der Ebene der Begriffe selber und nicht ihrer Opeiationalisierung argumentiert. Die Interpretation und Schlußfolgerungen bleiben jedoch genauso fragwürdig, wie es die Beziehung zwischen der Operationalisierung (und damit dem tatsächlich Gemessenen) und dem mit dem Begriff eigentlich gemeinten Phänomen ist."50 Die Funktion der Indikatoren erfährt durch das empirische Herangehen der positivistischen Soziologie eine wesentliche Einengung. Da davon ausgegangen wird, daß nur das Beobachtbare existent ist, bezieht sich die Indikatorfunktion nur auf die Darstellung direkt und indirekt zu beobachtender Merkmale, d. h., alle Sachverhalte werden auf diese Relation reduziert. Indikatoren haben aus diesem Grunde also nur die Beobachtbarkeit entsprechender Merkmale zu gewährleisten, und dieser Prozeß wird als direkt bzw. indirekt realisierbar angesehen. Eine Reihe von Sachverhalten zeichnet sich jedoch durch ihre komplexe Natur aus, da sie eine Vielzahl von Beziehungen beinhalten, deren qualitatives Zusammenwirken erst den Sachverhalt bestimmt (z. B. Lebensweise, soziale Stellung, Arbeitsbedingungen). Das Wesen dieser Sachverhalte, in Form von Begriffen widergespiegelt, die nicht der empirischen Ebene angehören und deren Bezug zur sozialen Realität auf Grund des Abstraktionsgrades, den sie verkörpern, nur vermittelt über andere Begriffe mit niederem Abstraktionsgrad hergestellt werden kann, läßt sich nicht als direkt oder indirekt beobachtbar bezeichnen. Um solche komplexen Sachverhalte empirisch erfassen zu können, ist folglich ein komplizierter Prozeß von Vermittlungen zu beachten, der von der positivistischen Soziologie unberücksichtigt bleibt. 2. Die positivistische Soziologie verwendet einen einseitigen Erfahrungsbegriff. Er vereinfacht die Beziehung von Empirischem und Theoretischem unzulässig oder negiert sie und führt letztendlich zum Verzicht auf die Erkenntnis gesetzmäßiger Zusammenhänge. Es bleibt unberücksichtigt, daß sinnliche Erfahrung nicht mit der empirischen Ebene des Wissens gleichgesetzt werden kann, daß die sinnliche Erfahrung nur eine Seite der empirischen Erkenntnis ist. Die Reduzierung des Erfahrungsbegriffs auf sinnlich wahrnehmbare Gegebenheiten steht 50

R. Mayntz/K. Holm/P. Hübner,' Einfuhrung in die Methoden der empirischen Soziologie, Opladen 1974, S. 22. 57

zwar einer umfassenden Beschreibung sozialer Erscheinungen und Prozesse nicht im Wege, verhindert jedoch die Unterscheidung zwischen oberflächlichen Beziehungen und wesentlichen inneren, allgemeinen und notwendigen Zusammenhängen. Entsprechend sind die Indikatoren darauf ausgerichtet, die jeweiligen Sachverhalte zu beschreiben und eine gewisse Ordnungsfunktion zu erfüllen. Sie sind aber nicht auf die Erkenntnis des Wesens sozialer Sachverhalte gerichtet und können eine solche Aufgabe deshalb nicht erfüllen. In diesem Sinne reflektieren Indikatoren einen Grundsatz,- den der logische Positivismus bereits in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts postulierte: „In der Wissenschaft gibt es keine ,Tiefen'; überall ist Oberfläche . . . In die wissenschaftliche Beschreibung kann nur die Struktur (Ordnungsform) der Objekte eingehen, nicht ihr,Wesen'." 51 Die Erfahrung ist jedoch nicht einseitig auf Sinneswahrnehmung beschränkt, empirische Erkenntnis enthält in sich Elemente des Rationalen, nur unter Beachtung der Dialektik von Theorie und Empirie gewonnene Indikatoren lassen das Wesen sozialer Sachverhalte empirisch erfassen. Dabei vollzieht sich dieser Prozeß nicht mehr oder weniger direkt, sondern ist stufenförmig vermittelt. 3. Der Positivismus geht von einem nicht-dialektischen Wahrheitsbegriff aus. Dieser Wahrheitsbegriff resultiert unmittelbar aus dem positivistischen Erfahrungsbegriff, also aus der bereits dargestellten Auffassung von der Natur, Struktur und Funktion des empirischen Erkenntnismaterials. Der Begriff der Erfahrung wird u. a. verwendet, um eine angeblich „exakte" Formulierung des empirischen Wahrheitskriteriums — des Verifikationsprinzips — vorzunehmen. Damit soll die Möglichkeit geschaffen werden, mit einem in logischer Sicht einwandfreien Kriterium des Wahrheitswertes der Aussagen zu operieren.52 Das Prinzip der Verifikation spielt daher in den methodologischen Konzeptionen der bürgerlichen Soziologie eine wichtige Rolle. Dabei versteht man unter Verifikation, „daß das Subjekt die Wahrheit (oder Falschheit) eines Satzes nur durch Gegenüberstellung dieser Aussage mit den Erlebnissen der Erfahrung verifizieren kann. Wenn sich die Gegenüberstellung (der Vergleich) des zu prüfenden Satzes mit den empirischen Daten nicht unmittelbar verwirklichen läßt, so ist mit den Mitteln der logischen Deduktion auf einen Satz überzugehen, der den Vergleich mit der Erfahrung zuläßt. Wenn sich herausstellt, daß der Vergleich mit der Erfahrung weder unmittelbar noch mittelbar zu ziehen ist, gilt der Satz als sinnlos." 53 Die positivistische Soziologie erkennt nur jene Sätze als wahr an, die sich durch unmittelbare Beobachtung bestätigen lassen. Entsprechend richtet sie ihr Augenmerk vorrangig auf die ständige Entwicklung und Verfeinerung der Erhebungsmethoden.

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Wissenschaftliche Weltanschauung. Der Wiener Kreis, Wien 1929, S. 20. Vgl. S. Narski, Positivismus in Vergangenheit und Gegenwart, a. a. O., S. 388. Ebenda, S. 409.

Unter dem Einfluß des logischen Positivismus findet eine Trennung zwischen Beobachtungssätzen, die aus der Erfahrung gewonnen und mittels Verifikation oder Falsifikation überprüft werden, und den übrigen Sätzen statt. Letztere betrachtet man als logisch-linguistische Konstruktionen. Und so trifft zu, wie Narski einschätzt, „daß entweder versucht wird, die gesamte Soziologie mit Hilfe des Verifikationsprinzips auf die verschiedenen Arten der ,empirischen Soziologie' zu reduzieren . . . oder die Soziologie (einschließlich ihres theoretischen Teils) von der Philosophiegeschichte zu isolieren oder schließlich die Sprache als grundlegende soziale Erscheinung zu deuten, die alle übrigen bestimmt".54 Die einseitige Anwendung des Verifikationsprinzips in der positivistischen Soziologie führt dazu, daß die Feststellung, daß eine Aussage sinnvoll ist, mit der Verifikation dessen, was die Aussage bedeutet, identifiziert wird. Da nicht jede sinnvolle Aussage durch unmittelbare Beobachtung verifiziert werden kann und vermittelte Beobachtung stets ein System theoretischer Überlegungen voraussetzt, über das die positivistische Soziologie auf Grund ihres eingeengten Erfahrungsbegriffs nicht verfügt, führt die einseitige positivistische Zuspitzung des Verifikationsprinzips zur Einengung der Möglichkeiten des theoretischen Denkens und schlägt sich zweifellos ebenfalls in der empirischen Forschung nieder. Die positivistische Soziologie erkennt bei der erkenntnistheoretischen Fundierung der Indikatoren und ihrem praktischen Einsatz nicht, daß es sich, sobald die Relation der unmittelbaren Beobachtung verlassen wird und es um komplexe Sachverhalte in der bereits charakterisierten Form geht, um einen theoretisch vermittelten Prozeß handelt. Nur durch diese Vermittlung ist die Bereitstellung von rationalen Elementen zur Bestimmung und Begründung der Indikatoren möglich. Sie gewährleistet, daß Indikatoren nicht nur der Erfassung von Sachverhalten dienen, sondern daß sie einen wesentlichen Platz im Erkenntnisprozeß einnehmen. Der Versuch, dieses Problem aliein über logische Verfahren zu bewältigen, ist zum Scheitern verurteilt. Die Reduktion der Indikatorenproblematik auf semantische Aspekte führt zur Gegenüberstellung von Indikatoren und sozialer Realität, reduziert die Funktion der Indikatoren auf die Ordnung sozialer Prozesse und Erscheinungen. 4. Durch den Positivismus wird die Rolle der Theorie relativiert und subjektiviert. Sie wird nicht als Theorie von der Gesellschaft, sondern als Theorie von der Forschung verstanden. Eine solche Auffassung muß sich zwangsläufig auf die Qualität der Indikatoren auswirken, wenn man berücksichtigt, daß theoretische Aussagen für die Indikatorengewinnung wesentlich erforderlich sind. Durch die positivistische Soziologie wird zwar verbal die Rolle der Theorie im Erkenntnisprozeß anerkannt, zugleich wird aber der Sinn theoretischer Erkenntnis angezweifelt und geleugnet. R. Mayntz bringt in diesem Sinne zum Ausdruck: „Eine theoretische Gesamtkonzeption der Gesellschaftsprozesse kann beim heu54

Ebenda, S. 256/257.

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tigen Wissensstand nicht anders als entweder inhaltsleer-abstrakt oder weitgehend spekulativ und unverifiziert sein und bietet so kaum ausschlaggebende Vorteile." 55 Zugleich spiegelt sich in der positivistischen Theorieauffassung die Verabsolutierung der empirischen Erkenntnis wider, wenn gefordert wird, daß die Bestandteile der Theorie direkt oder indirekt empirisch prüfbar sein sollen.56 M. Buhr und J. Schreiter halten hinsichtlich der Bedeutung solcher Theorien für die Wissenschaft fest: „In der Tat, die innerhalb des Positivismus entwickelten Theorien im allgemeinen und die von Popper inaugurierte Theorie im besonderen halten einfach der Dialektik der Wissenschaftsentwicklung und des Erkenntnisbzw. Forschungsprozesses nicht stand. Sie stimmen über weite Strecken mit der tatsächlichen Wissenschaftsentwicklung und den tatsächlichen Erkenntnisbzw. Forschungsprozessen nicht überein." 57 Fehlende Theorien auf den verschiedenen Ebenen der gesellschaftlichen Erkenntnis und ein falsches Theorieverständnis wirken sich besonders für die Indikatorenproblematik nachhaltig negativ aus. Grundlage der Indikatorengewinnung können nur empiristische Ausgangspunkte sein, da Theorie als rationales Element der Indikatorengewinnung fehlt. „Aber auch die sozialen Teilprobleme sind doch nur im Rahmen bestimmter allgemeiner Gesetzmäßigkeiten, die das Wesen eines gegebenen sozialen Systems ausdrücken, richtig zu verstehen. Doch gerade davon ist in den empirischen Forschungen der neopositivistischen Soziologen nichts zu finden."58 I. S. Kon führt als Beweis zwei bekannte Arbeiten bürgerlicher Soziologen an. In einer großen soziologischen Untersuchung, in der Publikation „The American Soldier" veröffentlicht, wird ein großer Kreis von Fragen angesprochen, z. B. Wie fühlt sich der Soldat in der Armee? Wie verhält er sich im Kampf? usw. „Dem Inhalt nach", bemerkt Kon, „ist das aber eher eine amtliche Untersuchung als eine soziologische Arbeit. Detailliert sind viele Einzelheiten beschrieben, aber ein geschlossenes Bild des amerikanischen Soldaten und der amerikanischen Armee wird nicht vermittelt, die Verallgemeinerungen sind unbedeutend und oberflächlich, sie gehen in der Menge des deskriptiven Materials unter." 59 Ähnlich verhält es sich mit der Untersuchung von P. Lazarsfeld und Wagner Thielens jun. „The Academic Mind" (Social Scientists in a Time of Crisis, Glencoe, III., 1958). Von den Autoren wird dargestellt, daß die „Kontrolle über die Gedanken", wie sie die Verfolgung fortschrittlich denkender Wissenschaftler zur Zeit des McCarthyismus darstellte, 55

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R. Mayntz, Soziologie in der Eremitage?, in: Logik der Sozialwissenschaften, hg. von E. Topitsch, Berlin (West) 1965, S. 530/531. Vgl. R. Mayntz/K. Holm, P. Hübner, Einführung in die Methoden der empirischen Soziologie, a. a. O., S. 24/25. M. Buhr/J. Schreiter, Erkenntnistheorie — kritischer Rationalismus — Reformismus, a. a. O., S. 76. I. S. Kon, Der Positivismus in der Soziologie, Berlin 1968, S. 246. Ebenda, S. 247.

nicht zu vertreten war und für die Hochschulen der USA eine Gefahr darstellte. Dabei werden viele Daten über die Verfolgung von Wissenschaftlern, Entlassungen usw. erhoben. Insgesamt kommt durch die Befragung von über 2400 Lehrkräften der Hochschulen zum Ausdruck, daß der McCarthyismus abgelehnt wird. Die Autoren vermitteln jedoch kein geschlossenes Bild des McCarthyismus, sondern versuchen, „die Reaktion zu .messen', ohne ihr Wesen aufzudecken. Es kommt ihnen nicht in den Sinn, die sozialen Ursachen, die Klassenursachen zu untersuchen, die zu einer Verstärkung der Reaktion führen. Für sie ist der McCarthyismus nur eine gutgemeinte Verirrung' einiger übertrieben wachsamer Leute." 60 Die fehlende Theorie von der Gesellschaft und die Beschränkung theoretischer Aussagen auf unmittelbar empirisch prüfbare Zusammenhänge führt dazu, daß die jeweils zu untersuchenden sozialen Sachverhalte nicht in ihrem Zusammenhang dargestellt werden können. Dieser Aspekt ist für die Indikatorengewinnung wesentlich, da erst aus dem Zusammenhang mit anderen Sachverhalten die wesentlichen Seiten zu bestimmen sind, für die es sich notwendig erweist, entsprechende Indikatoren zu finden. Gleichzeitig hat das „Theorieverständnis" der bürgerlichen Soziologie zur Folge, daß wichtige rationale Elemente der Indikatorengewinnung und -begründung fehlen. Es wurde bereits dargestellt, daß es bei der Untersuchung sozialer Sachverhalte darauf ankommt, die Indikatoren theoretisch zu begründen. Dieser Aspekt kann im Rahmen der bürgerlichen Soziologie nicht realisiert werden. Das führt zu einer einseitigen Beschränkung der Indikator-Indikatum-Relation auf direkte empirische Zusammenhänge und auf Fragen semantischer Begriffsbestimmungen. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die methodologischen Ausgangspositionen der positivistischen Soziologie zu folgenden Resultaten bezüglich der Indikatorenproblematik führen: 1. Reduzierung der möglichen Beziehungen zwischen Indikator und Indikatum auf direkte bzw. indirekte Beziehungen (Qualität der untersuchten Sachverhalte bleibt unberücksichtigt, und Indikatoren beschränken sich auf sinnlich wahrnehmbare Erscheinungen); 2. Nichtbeachtung rationaler Vermittlungen, die die Relation Indikator-Indikatum determinieren; 3. Einengung der Indikator-Indikatum-Relation auf empirische Zusammenhänge und semantische Bestimmungen (folgt unmittelbar aus 2.); 4. keine theoretische Einordnung und Begründung der Indikatoren. Aussagen der positivistischen Soziologie zur Indikatorenproblematik sind folglich nur von Wert, wenn sie sich auf Sachverhalte beziehen, die unmittelbar empirisch beobachtbar sind. In diesem Rahmen läßt sich auch nur die Bedeutung der von ihren Vertretern zur Indikatorengewinnung und Indikatorentestung 60

Ebenda, S. 248/249.

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entwickelten Verfahren und Techniken einordnen. Krasemann stellt deshalb treffend fest: „Nun ist jedoch unvermeidlich, daß vor dem Einsatz der Technik, die darüber entscheidet, ob z. B. ein Indikator eindeutig formuliert ist, zunächst Indikatoren vorhanden sein müssen. Da jedoch der Auswahl von Indikatoren keine wissenschaftliche Theorie zugrunde liegt, wird die Aufstellung von Indikatoren entweder intuitiv oder empirisch vorgenommen. Dieses Vorgehen ist untrennbar mit der entsprechenden bürgerlichen Ideologie verbunden, die das Denken des Forschers beeinflußt." 61 Die erkenntnistheoretischen und methodologischen Mängel positivistischer Auffassungen verhindern nicht, daß Indikatoren bei der Analyse sozialer Prozesse und Erscheinungen in der bürgerlichen Gesellschaft unter den bereits genannten einschränkenden Bedingungen zu Ergebnissen führen. Bei verschiedenen empirischen Untersuchungen läßt sich nachweisen, daß die soziologischen Fragestellungen vorwiegend auf die reine Beschreibung sozialer Sachverhalte gerichtet sind. Das ist im Falle der Sozialindikatorenproblematik besonders ausgeprägt. In immer stärkerem Maße sollten Instrumente entwickelt werden, die eine — auch sozial effektive — Möglichkeit bieten, die kapitalistische Gesellschaft zu lenken. Der Anspruch der bürgerlichen Soziologie jedoch beschränkt sich nicht auf die Beschreibung sozialer Sachverhalte, sondern schließt die Erklärung und letztlich den Versuch, mittels sozialer Indikatoren eine allgemeine Theorie von der Gesellschaft zu konstruieren, ein. Diese Zielsetzung, bei den verschiedenen Vertretern von Sozialindikatorenkonzepten unterschiedlich ausgeprägt, bleibt, wie noch an anderer Stelle zu zeigen ist, eine Illusion, und es gelingt nicht, zu praktischen Lösungen vorzudringen, die wesentlich über analytische Gesichtspunkte hinausreichen. Zunehmend gewinnt die Auseinandersetzung zu Indikatoren für internationale Vergleiche an Gewicht. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Vergleiche einzelner Indikatoren oder Kennziffern nur begrenzten Aussagewert besitzen. Verglichen werden können gesellschaftliche Systeme nur in ihrer Gesamtheit. Nur in der Totalität der wesentlichen Bestimmungen kann die historisch neue Qualität der sozialistischen Gesellschaftsordnung widergespiegelt werden. Die Entwicklung von Sozialindikatoren für internationale Vergleiche hat zu berücksichtigen, daß qualitative Merkmale der sozialistischen Lebensweise quantitativ so zu erfassen sind, daß sie in ihrer Gesamtheit die Überlegenheit der sozialistischen Gesellschaftsordnung nachweisen.

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I. Krasemann, Skalierungsverfahren: in: Zur Technik und Methodologie einiger quantifizierender Methoden der soziologischen Forschung, hg. von V. Stoljarow, a. a. O., S. 253.

2.6.

Kritische Anmerkungen zur bürgerlichen „Sozialindikatorenbewegung"

Seit Mitte der sechziger Jahre sind die „Sozialindikatoren" wie kaum eine andere soziale Problematik von der bürgerlichen Soziologie reflektiert worden. Das Bestreben, große soziale Bereiche der Gesellschaft mit Hilfe statistischer Instrumentarien zu analysieren, etablierte sich als „social indicators movement" und verfolgte letztendlich das Ziel, in der Gesellschaft mehr und genauer zu messen, als es der Wirtschaftsberichterstattung bisher gelang. Die Sozialindikatorenbewegung führt dabei die empirisch-positivistische Tradition der bürgerlichen Soziologie fort, verläßt aber das ehemals für ihren Anspruch zumindest subtil ausgearbeitete methodische Instrumentarium, um praktizistisch die selbstgesteckten Ziele zu erreichen. Ein Beispiel dafür ist die sorglose Verwendung des ehemals relativ streng determinierten Indikatorbegriffs in der bürgerlichen Soziologie. Unter Sozialindikatoren wird allgemein ein statistisches Instrumentarium verstanden, wie es Cohen zum Ausdruck bringt: „Soziale Indikatoren sind Statistiken, die klar und präzise die gegenwärtigen Bedingungen in unserer Gesellschaft anzeigen."62 Im weiteren Sinne werden sie auch als „Zusammenfassung von Daten über soziale Tatbestände oder ganz allgemein über die Qualität des Lebens"63 aufgefaßt. Solcherart gewonnene Maßzahlen betrachtet man als geeignet für die Charakterisierung des Zustandes der Gesellschaft. In diesem Sinne benutzt Zapf soziale Indikatoren zur Messung der „Wohlfahrt" und schreibt: „Die Operationalisierung und Messung der Wohlfahrtskomponenten kann in Geldeinheiten vorgenommen werden oder in physischen Einheiten oder in .psychischen' Einheiten (durch Einstellungsmessung). Diese Meßgrößen, insbesondere die beiden letzten Arten, kann man als soziale Indikatoren bezeichnen."64 In der bürgerlichen Soziologie werden soziale Indikatoren als Bestandteil der Sozialberichterstattung verstanden und orientieren folglich auf die gesamte Gesellschaft. Eine entsprechend allgemeine Definition findet sich auch in den Konzepten internationaler Organisationen: „Soziale Indikatoren beziehen sich auf Bereiche gesellschaftspolitischer Bedeutsamkeit, und sie können dazu dienen, unsere Neugierde zu befriedigen, unser Verständnis zu verbessern oder unser Handeln anzuleiten. Sie können die Form einfacher statistischer Reihen haben, oder sie können synthetische statistische Reihen sein, die durch mehr oder weniger komplizierte Verarbeitung einfacher Reihen gewonnen werden . . . Soziale Indikatoren sind eine Teilmenge der Daten und Konstrukte, die aktuell oder potentiell verfüg62

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Zitiert nach W. Zapf, Soziale Indikatoren — ein Überblick, in: Soziale Indikatoren, Konzepte und Forschungsansätze, Bd. 1, hg. von W. Zapf, New York—Frankfurt a. M. 1974, S. 13. M. Bretz, Die Arbeiten des Statistischen Bundesamtes an der Publikation „Sozialistische Trends", in: ebenda, S. 18. W. Zapf, Systeme sozialer Indikatoren: Ansätze und Probleme, in: ebenda, Bd. 3, S. 170. 63

bar sind; sie unterscheiden sich deshalb von anderen Statistiken nur durch ihre Relevanz und Brauchbarkeit für einen der obengenannten Zwecke."65 In ähnlicher Richtung wie die Definition in den UNO-Materialien zielt auch die dem OECD-Programm zugrunde liegende. Wie mit diesen Beispielen gezeigt werden sollte, beginnt das auch von einigen Vertretern der Sozialindikatorenbewegung eingestandene theoretische Defizit mit der unklaren und sorglosen Verwendung des Begriffs selbst. Zwischen Sozialstatistik und sozialen Indikatoren sowie zwischen verschiedenen Indikatortypen wird selten ein Unterschied gemacht, obwohl das nicht nur unter analytischem Aspekt von Bedeutung ist. Eine Gemeinsamkeit dieser zum Teil sogar divergierenden Definitionen besteht offensichtlich nur noch im Ziel, mehr und genauer zu messen, als es bisher der Fall war. Darauf zielen auch kritische Überlegungen ab, die von der Bedeutung des Begriffs „Indikator" in der (positivistischen) soziologischen Forschung ausgehen: „Der Begriff Indikator ist im Prozeß der Informationsgewinnung genau festgelegt. Er bezeichnet die Operationalisierung eines Konstrukts. Innerhalb der Indikatorenbewegung wird der Begriffjedoch viel weiter und ungenauer gebraucht. Im Grunde bezeichnet er die allgemeine Intention, mehr soziale Tatbestände zu messen und so die Analyse und Steuerung des Systems zu verbessern, und zielt damit auf den gesamten Prozeß der Informationsgewinnung ab. Der Begriff meint dann nicht eine bestimmte Phase, sondern kennzeichnet eher eine bestimmte wissenschaftliche und auch politische Bewegung Und übernimmt Stimulusfunktionen für diese Bewegung. Er ist dann von der allgemeinsten Bedeutung des Wortes her zu verstehen, daß etwas .angezeigt' wird."66 Die häufige Vernachlässigung erkenntnistheoretischer Aspekte und die Überbetonung inhaltlicher Zielrichtungen in der Bestimmung des Begriffs „Sozialindikator" führt nicht nur zu einer bedeutenden Ausweitung des Begriffsumfanges selbst, sondern gestattet es, vordergründig pragmatisch an die Gewinnung sozialer Indikatoren heranzugehen. Ein prominenter Vertreter dieser stark quantifizierenden Richtung ist W. Zapf, unter dessen Leitung das SPES-System (Sozialpolitisches Entscheidungs- und Indikatorensystem) in der BRD entwickelt wurde und wo sehr schnell bemerkenswerte Ergebnisse zu den Lebensbedingungen67 publiziert worden sind. Ausdruck seiner Position zur Gewinnung sozialer Indikatoren ist die Feststellung, daß die 65

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United Nations Secretariat, Towards a System of Social and Demographic Statistics (prepared by Stone), St/Stat. 68, New York 1973, S. 66. Dieser Definition hat sich auch Zapf angeschlossen. R. Werner, Methodische Ansätze zur Konstruktion sozialer Indikatoren, in: Soziale Indikatoren — Konzepte und Forschungsansätze, hg. von W. Zapf, Bd. 1, a. a. O., S. 195f. Vgl. Lebensbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland. Das sozialpolitische Entscheidungs- und Indikatorensystem, hg. von W. Zapf, Frankfurt a. M.—New York 1978 (SPESSchriftenreihe, Bd. 10, 2. Überarb. Auflage).

Konstruktion guter sozialer Indikatoren zu allererst eine Frage der „sozialwissenschaftlichen Phantasie" sei.68 Das Theoriedefizit setzt sich also bei der Gewinnung sozialer Indikatoren fort, wofür noch ein Beispiel angeführt werden soll: „Wir sind gewöhnlich so vorgegangen, daß wir versuchsweise ganze Listen von Indikatoren aufgestellt haben, wenn wir irgendeine Variable hatten, die für uns von Wichtigkeit war, und wir haben dann versucht festzustellen, welcher von den äquivalenten Indikatoren, die im Prinzip in Frage kamen, mit verfügbaren Daten belegbar war. Wir haben eine Selektionsstrategie angewendet, bei der selbstverständlich der Gesichtspunkt der Datenverfügbarkeit als Selektionskriterium mitgewirkt hat." 69 Datenverfügbarkeit als Kriterium für die Indikatorenbestimmung zu wählen bedeutet jedoch weitgehenden Verzicht auf theoretische Orientierung und Erkennbarkeit sozialer Sachverhalte; Auf diesem Wege lassen sich bestenfalls Legitimationsdaten gewinnen. Das Fehlen eines theoretischen Bezugsrahmens, der die Einordnung sozialer Prozesse in die gesamtgesellschaftliche Entwicklung ermöglicht, wirkt sich so aus, daß die Erkennbarkeit der Mechanismen sozialer Prozesse und Erscheinungen eingegrenzt und die Aufdeckung von Gesetzmäßigkeiten verhindert bzw. negiert wird. Diese Gefahr für die Wissenschaftlichkeit des Konzeptes der Sozialindikatoren wird auch teilweise von ihren Vertretern selbst erkannt, ohne daß sie in der Lage wären, ihre positivistischen Ausgangspositionen zu überwinden. Das methodologische Defizit muß also als eine Folge des theoretischen Defizits der bürgerlichen Soziologie angesehen werden, das heißt des Mangels an einer systematischen theoretischen Konzeption der Gesellschaft, wie sie der MarxismusLeninismus gibt und damit der marxistisch-leninistischen Soziologie zur Verfügung stellt. Um diesen Problemen zu entgehen, treten einige Autoren für eine „Theorieunabhängigkeit" sozialer Indikatoren ein und verbinden damit den reduzierten Anspruch, „Realität nur abzubilden und nicht zu erklären".70 Unseres Erachtens müssen auch die bisher vorgelegten Ergebnisse des SPES-Projektes diesem Aussageniveau zugeordnet werden. Der programmatisch formulierte Anspruch der Sozialindikatorenbewegung reicht indes weiter. Angestrebt wird ein Indikatorensystem, das zumindest die zentralen Variablen der Gesellschaftspolitik enthält und in der Perspektive ein simulationsfähiges Gesellschaftsmodell ergibt. Die Hoffnung, aus empirischen Analysen eine allgemeine Gesellschaftstheorie entwickeln zu können bzw. eine empirisch fundierte allgemeine soziologische Theorie, bleibt allein schon deshalb 68

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W. Zapf, Soziale Indikatoren — Eine Zwischenbilanz, in: Sozialpolitik und Sozialberichterstattung, hg. von H. J. Krupp/W. Zapf, Frankfurt a. M.—New York 1977, S. 239. H. Klages, Diskussionsbeitrag, in: Soziale Indikatoren, Konzepte und Forschungsansätze, Bd. 1, hg. von W. Zapf, a. a. O., S. 99. Ch. Siara, Resümee der Diskussion über die Theorie der politischen Güter, in: ebenda, Bd. 2, S. 150. Berger u. a., Indikatoren

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eine Illusion, weil das methodologische Defizit bei der Bestimmung und Gewinnung der Sozialindikatoren zu groß ist. Darüber hinaus erweist sich das verschwommene Konzept der „Lebensqualität" als ungeeignet, das vorhandene theoretische Defizit abzudecken und als theoretischer Bezugsrahmen zu fungieren. Gleiches gilt für die Theorie der Modernisierung.71 Beide Konzepte sind von vornherein auf die Negierung bzw. Verwischung der Klassenunterschiede in der kapitalistischen Gesellschaft gerichtet, und der angenommene Zusammenhang von „sozialem Wandel" und „sozialer Wohlfahrt" schließt den Zugang zu den objektiven Entwicklungs- und Strukturgesetzen der kapitalistischen Gesellschaft aus. Charakteristisch für das Theoriedefizit ist auch das bewußt proklamierte Fortschreiten von der Empirie zur Theorie, ohne vorher die dafür notwendigen theoretischen Voraussetzungen geschaffen zu haben. H. J. Krupp und W. Zapf erklären deshalb für das SPES-System: „Es erscheint wenig sinnvoll, diese Analyse zu beginnen (die gesellschaftliche Bewertung von Zielgrößen — d. V.), bevor die Vorfragen der Messung gesellschaftlicher Zielgrößen geklärt sind, bevor auch nur so etwas wie ein System sozialer Indikatoren existiert."72 Die Wissenschaft wird hier zur wertfreien Mittelanalyse; die dem gesellschaftlichen System immanenten Ziele werden aus der wissenschaftlichen Analyse ausgeklammert, und die Ziel—Mittel-Relation verbleibt als alleinige Aufgabe. Die politische Integrationsfunktion der Analyse, erzeugt über die Ideologie der Wertfreiheit und politischer Neutralität, ist gefährlich, und es ist leicht, auf dieser Basis einem Datenfetischismus zu erliegen. Tatsächlich garantiert natürlich der Anspruch auf Wertfreiheit und der Versuch, politische Neutralität zu üben, keine „Werturteilsgleichheit", da auch die Wissenschaft in der bürgerlichen Klassengesellschaft politischen Zielen untergeordnet ist und letztlich die Interessen der herrschenden Klasse durchgesetzt werden, wodurch in der Regel ihre politische Macht gestärkt wird. Anhand der Funktionen, die den Sozialindikatoren in der kapitalistischen Gesellschaft zukommen, soll das verdeutlicht werden. Ende der sechziger Jahre wurde in den kapitalistischen Hauptländern, namentlich in den USA und in der BRD, die Sozialberichterstattung mittels Sozialindikatoren etabliert, deren erklärtes Ziel es ist, die Wirtschaftsberichterstattung um Datensammlungen der bisher vernachlässigten sozialen Bereiche zu ergänzen. In dieser Zeit trat die allgemeine Krise des Kapitalismus in eine neue Phase, und die 71

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Die praktische Aufgabe der Dauerbeobachtung ist für Zapf die „Analyse des sozialen Wandels" und ihr theoretischer Bezugsrahmen die „Modernisierung". Die Analyse der Wohlfahrtsentwicklung soll als eine „vergrößernde Heraushebung bestimmter autonomer oder politisch gestalteter Wandlungsvorgänge" begriffen werden, deren Bezugsrahmen die „Lebensqualität" ist. Vgl. W. Zapf, Einleitung in das SPES-Indikatorensystem, in: Lebensbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland. Das sozialpolitische Entscheidungs- und Indikatorensystem, a. a. O., S. 12 (SPES-Schriftenreihe, Bd. 10, 2. Überarb. Auflage). H. J. Krupp/W. Zapf, Sozialpolitik und Sozialberichterstattung, a. a. O., S. 13..

Widersprüche für das Kapital verschärften sich im Weltmaßstab. So war „in keiner Periode der Nachkriegszeit die Labilität und Krisenhaftigkeit der kapitalistischen Wirtschaft so groß wie zu Beginn der siebziger Jahre", 73 und es zeigte sich „eine ganz besondere Art der Verflechtung von allgemeiner und zyklischer Krise".74 In dieser Situation erwiesen sich Sozialindikatoren als ein geeignetes Instrumentarium, Krisensymptome zu erfassen, Prognosen in Teilbereichen der Gesellschaft zu erstellen oder zumindest geeignete Daten dafür zu liefern. Relativ einheitlich ist deshalb der Standpunkt der Autoren, wenn es darum geht, Sozialindikatoren für die Sozialberichterstattung heranzuziehen: Es „müssen Daten, die als soziale Indikatoren organisiert werden, . . . einen instrumentellen Charakter hinsichtlich ihrer sozialpolitischen Funktion haben, um in einer theoretischen Analyse von größerer Relevanz mit anderen Variablen koordinierbar zu sein. Angestrebt wird ein Indikatorensystem, das zumindest die zentralen Variablen der Gesellschaftspolitik enthält und in der Perspektive als simulationsfahiges Gesellschaftsmodell gedacht wird."75 Solcherart verwendete soziale Indikatoren verstehen sich als ein Hilfsmittel der Sozialpolitik des kapitalistischen Staates; daraus resultiert ihre starke Verknüpfung mit dem verschwommenen Konzept der „Lebensqualität", das — wie schon aufgezeigt wurde — das Theoriedefizit nicht mindern kann. Deshalb wird auch Kritik in den eigenen Reihen laut, die als Nachteil der Sozialstatistik gegenüber der Wirtschaftsstatistik das Fehlen einer Gesamttheorie über den Zusammenhang zwischen den wichtigsten Größen notiert.76 Die Mehrheit der Wissenschaftler, die sich in der bürgerlichen Soziologie mit Sozialindikatorensystemen beschäftigen, scheint nach wie vor das Konzept eines sehr vollständigen Statistischen Almanachs zu verfolgen und sucht umfassende Informationen über ökonomische Daten und Daten über Gesundheit, Erziehung, Technologie, Kultur und in Ausnahmen auch über militärische und andere konfligierende Aspekte des sozialen Lebens zu sammeln; zu diesen Arbeiten findet man kein explizites theoretisches Gesellschaftsmodell, und das mehr oder weniger vollständige Fehlen von Dateninterpretationen ist bemerkenswert. Auch neueren

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E. Honecker, Der VIII. Parteitag und unsere nächsten Aufgaben, in: der$.: Reden und Aufsätze, Bd. 1, Berlin 1975, S. 463. Bericht des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands an den X. Parteitag der SED, Berichterstatter: Genosse Erich Honecker, Berlin 1976, S. 23. E. Lawrence, Soziale Indikatoren: Kommentar und Perspektive, in: Die Krise in der bürgerlichen Soziologie, hg. von H. J. Krysmanski/P. Marwedel, Köln 1975, S. 241. Vgl. H. Brüngger, Soziale Indikatoren — ein brauchbares statistisches Instrument, in: Neue Zürcher Zeitung v. 12. 10. 1978.

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Arbeiten kann dieser Vorwurf nicht erspart bleiben, wie der vom Soziologischen Institut der Universität Zürich herausgegebene Almanach der Schweiz beweist.77 Die Sozialberichterstattung, die die Wirtschaftsberichterstattung um die Analyse der einzelnen Lebens- und Politikbereiche, die unmittelbar für die Lebensbedingungen der Bürger relevant sind, ergänzen will, sieht ihre wichtigsten Funktionen in der „gesellschaftlichen Dauerbeobachtung" und der „Wohlfahrtsmessung" ; die praktische Aufgabe der Dauerbeobachtung ist für Zapf die „Analyse des sozialen Wandels" und ihr theoretischer Bezugsrahmen die „Modernisierung".78 Zapf selbst unterscheidet drei unterschiedliche Ansätze der Sozialindikatorenforschung:79 1. Von gesellschaftlichen Wohlfahrtszielen ausgehend, das Ausmaß sozialer Probleme beziehungsweise der Zielerreichungsgrad wohlfahrtsrelevanter Maßnahmen bestimmen: Wohlfahrtsmessung durch Probleminformation, 2. Breite Aufklärung über möglichst viele Aspekte gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse: Dauerbeobachtung des sozialen Wandels, 3. Prognose und Steuerung mit Hilfe theoretisch fundierter Modelle: Erklärung. Vor allem der dritte Ansatz fordert theoretische Vorarbeiten und Modelle, die Wohlfahrtsänderungen überhaupt erst erklären könnten. Hierin ist aber — wie schon aufgezeigt werden konnte — die positivistische Soziologie überfordert. Eine wesentliche Funktion sozialer Indikatoren in der kapitalistischen Gesellschaft innerhalb der Sozialberichterstattung ist die Verhinderung von Konflikten-. „Regelmäßig erhobene soziale Indikatoren sind Problemindikatoren; ihre Erhebung dient dem Zweck, die verschiedensten Bereiche des sozialen Lebens auf .weiche Stellen', auf pathologische Veränderungen abzutasten, bevor das Problem zu schmerzhaften Konflikten führt oder gar Krisenproportionen annimmt. Wir brauchen Informationen, die mehr als bisher Problembereiche so frühzeitig identifizieren, daß eine präventive soziale Therapie möglich ist."80 Hier werden soziale Indikatoren als „Frühwarnsystem" des kapitalistischen Staates eingesetzt. In diesem Kontext verstehen sich auch soziale Indikatoren als „politikanleitende Informationen"; es geht hierbei um die „Verbesserung" der Information als eine 77

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Vgl. Almanach der Schweiz, Daten und Kommentare zu Bevölkerung, Gesellschaft und Politik, hg. von der Universität Zürich, Soziologisches Institut; vgl. R. Meyer, Rezension zu Almanach der Schweiz, Daten und Kommentare zu Bevölkerung, in: Schweizerische Zeitschrift'fiir Soziologie, Bd. 5, Nr. 1/1979. Vgl. Lebensbedingungen in der BRD. Das sozialpolitische Entscheidungs- und Indikatorensystem, hg. von W. Zapf, a. a. O. Vgl. W. Zapf, Zu einigen Grundproblemen der Sozialberichterstattung, in: M. Dierkes, Soziale Daten und politische Planung, Frankfurt a. M.—New York 1975, S. 34/35. B. Strümpel, Soziale Indikatoren — Fieberkurve der Nation, in: Wirtschaftsdienst 1972, S. 302.

zentrale Variable der aktiven Gesellschaftsgestaltung. Dazu sind Institutionen notwendig, schreibt Zapf, die es erlauben, gesellschaftliche Verhältnisse und die Wirkungen politischen Handelns regelmäßig, systematisch, umfassend und autonom zu beobachten.81 Dem Wunsch der bürgerlichen Soziologie, sich zu institutionalisieren, wird hier Nachdruck verliehen und kann als eine „innere Funktion" soziologischer Sozialindikatorenforschung in der bürgerlichen Gesellschaft betrachtet werden. Die Verbesserung der Information oder genauer der Informiertheit der kapitalistischen Gesellschaft hat natürlich auch positive Auswirkungen. So stehen damit den Gewerkschaften und anderen, dem politischen System des kapitalistischen Staates angehörenden, fortschrittlichen Organisationen die durch Sozialberichterstattung ermittelten Sozialindikatoren zur Verfügung. Vom Standpunkt der herrschenden Klasse aus gesehen, verlängert sich durch das Zwischenschalten des Instrumentariums Sozialindikatoren der politische Willensbildungsprozeß. Offensichtlich ist der kapitalistische Staat nur in geringem Umfang gewillt, eine Verzögerung des politischen Willensbildungsprozesses zuzulassen. Ungeachtet der Tatsache, daß einige Vertreter der bürgerlichen „Sozialindikatorenbewegung" versuchen, die kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse unter kritischen Gesichtspunkten zu analysieren, fallt immer wieder auf, daß jene Forschungsgruppen, die sich mit Sozialindikatoren beschäftigen, ziemlich eng an den Staat gebunden sind und für ihn arbeiten.82 Selbst die Manipulation der Bürger als wirksames Herrschaftsinstrument ist auf dieser Informationsbasis möglich. Darüber hinaus besteht seitens der bürgerlichen Soziologie die Hoffnung, „daß die Sozialindikatorenbewegung innerhalb der Soziologie zur Integration dieser Disziplin wesentliches beitragen kann. Indem sich Soziologen der verschiedensten Schulen und Denkweisen unter der Voraussetzung der aktiven Teilnahme an der Gestaltung der Zukunft mit Problemen der Gesellschaftsbeschreibung befassen und somit auch das gleiche Ziel der Erhellung von als sozial relevant erachteten Tatbeständen und Zusammenhängen verfolgen, etabliert sich ein kommunikatives System und eine gemeinsame Legitimationsbasis, die erstmals seit langem Möglichkeiten verstärkter, kooperativer Interaktion bieten."83 Ausgehend von der Vielfalt der theoretischen Positionen kann man den Wunschcharakter nur unterstreichen. Eine wichtige Richtung innerhalb der Sozialindikatorenforschung und zugleich wesentliche Funktion ist die des internationalen Vergleichs. Hier sind solche Indika-

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W. Zapf, Gesellschaftliche Dauerbeobachtung und aktive Politik, in: Sozialpolitik und Sozialberichterstattung, hg. von H.-J. Krupp/W. Zapf, a. a. O., S. 212. Vgl. H. Fischer-Kowalski/J. M. Pelikan, Sozialindikatoren in Österreich, in: Soziale Indikatoren, hg. von H.-J. Hoffmann-Nowotny, Frauenfeld 1975, S. 170. M. U. Peters/P. G. Zeugin, Zur Problematik sozialer Indikatoren, in: ebenda, S. 18.

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torensysteme zu nennen wie das OECD-System,84 die Studien von E. Allardt und der UNESCO85 sowie die Entwicklung von Indikatorensystemen in den Vereinten Nationen, SSDS.86 Die sogenannte „Indikatorenbewegung" bezieht sich hauptsächlich auf die internationale Ebene und versucht zu zeigen, daß „die sozio-ökonomische Entwicklung und das Wachstum einerseits und die Verteilung der Resultate der Entwicklung und das Wachstum andererseits nicht homogen und gleich ist — sowohl auf der internationalen, nationalen und individuellen Ebene als auch auf der Ebene der Systeme der Gesellschaft und der Bedürfnisse".87 Zusammenfassend soll hier noch auf die grundsätzlichen Unterschiede zwischen bürgerlichen und marxistischen Positionen zur Sozialindikatorenforschung verwiesen werden :88 1. In marxistischen Arbeiten wird von einem einheitlichen, komplexen, systemhaften und dynamischen Modell ausgegangen. Bürgerlichen Forschungsansätzen fehlt ein solches wissenschaftlich begründetes Modell der Wechselwirkung von Produktivkräften, Produktionsverhältnissen und gesellschaftlichem Überbau. 2. Marxistische Arbeiten unterstreichen die informationelle Bedeutung konkreter empirischer Daten vom Standpunkt der Wechselwirkung von gesellschaftlicher Theorie und konkreter praktischer Entwicklung. Bürgerliche Arbeiten gehen in der Mehrheit von der Ewigkeit und Unersetzlichkeit der kapitalistischen Gesellschaft aus. Ihre theoretisch-methodologische Grundlage ist eine Mischung von Positivismus, Empirismus, Funktionalismus und Pragmatismus, die keine wissenschaftliche Begründung der ausgewählten Indikatoren erlaubt. 3. Marxistische Untersuchungen sozialer Erscheinungen haben ihre objektive Grundlage in der sozialökonomischen Struktur der Gesellschaft. Ihr Ziel besteht in der Leitung und Planung der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft. Ein solches Ziel fehlt bürgerlichen Arbeiten bzw. realisiert sich nur als unverbindliche Beratung.

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Vgl. H. Brüngger, Das Programm der OECD zur Entwicklung sozialer Indikatoren, in: ebenda. Vgl. E. Allardt, Definition und Messung sozialer Indikatoren in einer vergleichenden skandinavischen Studie, UNESCO 1976 (unveröff.). Vgl. System of Social and Demographic Statistics. Draft Guidelines on Social Indicators, E/CN ?450, 1975. E. Lawrence, Soziale Indikatoren: Kommentare und Perspektive, in: Die Krise in der bürgerlichen Soziologie, hg. von H. J. Krysmanski/P. Marwedel, a. a. O., S. 257. Vgl. auch F. Kutta, Postroenie informacionnoj bazy i sistema pokazatelej planovogo upravlenija social'nymi processami, in: Sbornik dokladov, Meidunarodnyj simpozium „Sistema social'nych pokazatelej kak osnova social'nogo planirovanija i prognozirovanija", a. a. O., S. 8 - 2 5 .

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3.

Klassifikation der Indikatoren

3.1.

Klassifikation der Indikatoren nach der logischen Struktur zwischen Indikator und Indikatum

Der Stellenwert von Indikatoren in der soziologischen Forschung weist, wie bereits dargestellt, auf die Breite und Differenziertheit der gesamten Problematik hin. Für die Lösung praktischer Fragen reicht eine globale Betrachtung deshalb nicht aus. Es muß verstärkt Berücksichtigung finden, daß Indikatoren im soziologischen Forschungsprozeß stets durch die Spezifik der untersuchten sozialen Sachverhalte in der gesellschaftlichen Praxis determiniert sind. Neben den Faktoren, die einen unterschiedlichen methodologischen Zugang erfordern (die soziologische Erforschung von Bewußtseinsinhalten unterscheidet sich beispielsweise von der soziologischen Erforschung des Handelns) haben der konkrete Verwendungszweck von Indikatoren (Indikatoren als forschungsinstrumentales Problem oder Sozialindikatoren als Instrument konzentrierter Gesellschaftsanalyse) sowie methodische Gesichtspunkte (zum Beispiel unterschiedliche Erhebungsmethoden oder Meßniveaus) entscheidenden differenzierenden Einfluß. Eine Klassifizierung der Indikatoren hat diesen unterschiedlichen Aspekten zu folgen, damit aus erkenntnistheoretischer und methodischer Sicht Schlußfolgerungen für die praktische Bewältigung der Indikatorenproblematik deutlich aufgezeigt werden können. Dabei ist, von bisher erarbeiteten allgemeinen Grundsätzen ausgehend, die Spezifik der einzelnen Indikatorenarten herauszuarbeiten, sind deren Anwendungsmöglichkeiten und -grenzen klar zu bestimmen. Für eine Klassifikation der Indikatoren nach dem unterschiedlichen methodologischen Zugang zu den untersuchten sozialen Objekten und Prozessen (bringt die den sozialen Objekten und Prozessen entsprechende äquivalente Form ihrer Erforschung zum Ausdruck) hat die Relation von Indikator und Indikatum entscheidende Bedeutung. Das trifft sowohl für methodologische Aspekte, den Prozeß der Indikatorengewinnung, die Interpretation empirischer Daten als auch für die Beurteilung des Wertes von Indikatoren zu. Erst die jeweilige Ermittlung der Indikator—Indikatum-Relation gewährleistet die richtige erkenntnistheoretische Nutzung der Indikatoren. Die Bestimmung der Beziehungen zwischen Indikatoren und Indikata geht davon aus, daß diese die logische Form von Aussagen haben. „Unter einer Aussage wird", nach G. Klaus, „die Widerspiegelung eines Sachverhalts, also etwa der Tatsache, daß einem bestimmten Gegenstand eine bestimmte Eigen71

schaft zukommt, oder der Tatsache, daß zwischen bestimmten Gegenständen eine bestimmte Beziehung besteht usw."1 verstanden. Eine Aussage ist folglich die gedankliche Widerspiegelung eines Sachverhalts. Das bedeutet in der Indikatorenproblematik, daß dem Indikatum bestimmte Eigenschaften, bestimmte Merkmale — sie werden als Indikatoren bezeichnet — zukommen. Gleichzeitig kann die Indikator—Indikatum-Relation die Beziehung zwischen zwei Merkmalen beinhalten, für die eine entsprechende Charakterisierung bzw. Unterscheidung als Indikator und Indikatum vorliegt. So ist z. B. die Feststellung, daß ein Zusammenhang zwischen den Merkmalen Allgemeinbildung und Schulabschluß besteht, eine Aussage im genannten Sinne. Geht man davon aus, daß die Allgemeinbildung ein Merkmal ist, das sich nicht immittelbar empirisch erfassen läßt, kann das Merkmal Schulabschluß auf Grund der oben angeführten Aussage als Indikator für das Merkmal Allgemeinbildung eingesetzt werden. Für die Problematik der Indikatorengewinnung sind solche Aussagen von Interesse, die eine Beziehung zu empirisch erfaßbaren Merkmalen herstellen und in diesem Sinne die Relation zwischen Indikatum und Indikator bestimmen. Nach logischen Gesichtspunkten lassen sich Aussagen in Sachaussagen und definitorische Aussagen unterscheiden. Sachaussagen haben den Charakter einer natürlichen Verbindung. Sie sind eine empirische Behauptung, deren Wahrheitswert auf empirischem Wege bewiesen wurde bzw. sich auf diesem Wege beweisen läßt. Sachaussagen unterliegen somit den Regeln der empirischen Verifikation. Definitorische Aussagen sind definitorische Festsetzungen, die auf der Grundlage vorhandenen Wissens getroffen werden. Für sie kann eine unmittelbare empirische Bestimmung des Wahrheitswertes nicht erfolgen. Ob sie einen Sachverhalt richtig darstellen, läßt sich nur auf Grundlage des vorhandenen Wissens inhaltlich bestimmen und damit theoretisch begründen. Kann man definitorische Festsetzungen als über die Definition zu einem Sachverhalt gewonnene Aussagen betrachten, sei in diesem Zusammenhang dahingestellt, ob sie nach den Regeln der Logik vollwertige gleichsetzende Definitionen oder partielle Definitionen sind.2 Entsprechend den beiden Formen von Aussagen unterscheidet man zwischen Sachindikatoren und definitorischen Indikatoren. Einer solchen Auffassung folgt T. Pawlowski, wenn er ausführt: „In Analogie zu der in der Logik bekannten Unterscheidung von Sachaussagen und definitorischen Aussagen werde ich einen Indikator einen Sachindikator oder einen definitorischen Indikator nennen, je nachdem, ob der diesen Indikator einführende Satz eine empirische Behauptung oder eine terminologische Festsetzung ist."3 1 2

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G. Klaus, Moderne Logik, Berlin 1973, S. 31. Vgl. T. Pawlowski, Methodologische Probleme in den Geistes- und Sozialwissenschaften, Warszawa 1975, S. 95/96. Ebenda, S. 90.

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Beide Indikatorarten haben im soziologischen Forschungsprozeß ihre Existenzberechtigung und finden entsprechend ihrer Spezifik Verwendung. Zur empirischen Erschließung von Sachverhalten, die eine komplizierte Struktur aufweisen, weil sie der theoretischen Ebene entstammen, oder zu denen relativ geringe empirische Erkenntnisse vorliegen, sind empirische Behauptungen als Grundlage für die Indikatorenfindung nicht möglich. Sie charakterisieren diese Sachverhalte unvollständig und nicht der theoretischen Ebene entsprechend fundiert genug. In diesem Fall sichern terminologische Festsetzungen in Form operationaler Definitionen eine adäquate, theoretisch fundierte empirische Erfassung mittels entsprechender Indikatoren. Definitorische Indikatoren haben in soziologischen Untersuchungen einen breiten Anwendungsbereich. Sie dienen vor allem zur empirischen Erschließung der bereits charakterisierten komplexen Sachverhalte, die in begrifflich fixierter Form vorliegen und wesentliche Bestandteile der Forschungskonzeption sind. Die Spezifik definitorischer Indikatoren ist nicht als Mangel zu verstehen, sie sind keine unterentwickelte Ebene der Indikatoren, sondern entsprechen in Form theoretisch fundierter operationaler Definitionen den zu analysierenden Sachverhalten, sind deren äquivalente Form. Definitorische Indikatoren werden stets durch die Einbeziehung theoretischer Aussagen gewonnen. Sie müssen theoretisch begründet werden. Erst die Begründung gewährleistet die nähere Bestimmung des jeweils untersuchten Sachverhalts, vermittelt uns Kenntnis über seine Elemente. In diesem Sinne ist Marx zu verstehen, wenn er ausführt: „Die Bevölkerung ist eine Abstraktion, wenn ich z. B. die Klassen, aus denen sie besteht, weglasse. Diese Klassen sind wieder ein leeres Wort, wenn ich die Elemente nicht kenne, auf denen sie beruhen, z. B. Lohnarbeit, Kapital usw... ." 4 Lohnarbeit und Kapital als Elemente zu erkennen, auf denen die Teilung der Bevölkerung beruht, erfordert theoretische Aussagen über die Gesellschaft, ihre ökonomische Struktur und Entwicklung, erfordert die Bestimmung der ökonomischen Verhältnisse als die alle anderen Verhältnisse determinierenden. Durch definitorische Indikatoren erfolgt keine völlige Zerlegung des untersuchten Indikatums in einzelne Bestandteile, wie es in positivistischen Positionen von Vertretern des Reduktionismus postuliert wurde, definitorische Indikatoren beruhen auf partiellen Definitionen. Da sie für den Prozeß der empirischen Erhebung die einzelnen vorzunehmenden Operationen bestimmen, werden sie als operationale Definitionen bezeichnet.5 Erkennt man den partiellen Charakter definitorischer Indikatoren an, läßt sich einer aus der Auseinandersetzung mit dem Reduktionismus resultierenden extremen Auffassung, daß definitorische Indikatoren keine Relevanz zukomme, nicht folgen. K.-P. Noack formuliert beispielsweise: „Das wichtigste Ergebnis der Analyse dieser Probleme besteht in * K. Marx, Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie, in: MEW, Bd. 13, Berlin 1964, S. 631. 5 Vgl. S. Nowak, Methodology of Sociological Research, Warszawa 1977, S. 132. 73

der Einsicht, daß eine definitorische Zurückführung der hypothetischen Konstrukte auf die empirischen Begriffe nicht möglich ist, d. h., es ist nicht möglich, den Inhalt der theoretischen Begriffe durch die Angabe empirischer Begriffe festzulegen."6 Zwar sind definitorische Indikatoren nicht die einzige Art von Indikatoren, doch gerade die von uns dargestellten Sachverhalte lassen sich ohne sie nicht empirisch erschließen. Dabei bedarf es jedoch stets der Beachtung der unterschiedlichen Herangehensweise. Versteht die marxistisch-leninistische Soziologie definitorische Indikatoren als Resultat der theoretischen Analyse, in deren Rahmen eine entsprechende theoretische Begründung der Indikatoren vorgenommen wird, gehen positivistische Auffassungen von semantischen Aspekten der Begriffsbestimmung aus und verstehen Begriffe nicht als wesentliche Bestandteile der Erkenntnis. Bei definitorischen Indikatoren muß es sich nicht unbedingt nur um relativ einfache, „empirisch nahe" Begriffe handeln, wie es die Auffasung von R. Mayntz, K. Holm und P. Hübner ist. Als typisches Beispiel für definitorische Indikatoren bestimmen sie den „soziometrischen Status", definiert als die Anzahl der Wahlen, die ein Individuum in einer Gruppe erhält.7 Die Begrenzung definitorischer Indikatoren auf eindimensionale Sachverhalte kann nicht als einziges Wirkungsfeld für diesen Indikatortyp angesehen werden. Die Definition eines Sachverhalts, der sich aus mehreren Dimensionen zusammensetzt, läßt sich zwar häufig nicht nur durch einen einzelnen Indikator darstellen, kann aber durch eine Reihe von Indikatoren erfaßbar gestaltet werden. Das Auftreten von mehreren Indikatoren zu einem Sachverhalt oder zu einer Dimension ergibt Aussagen, die sich durch einen hohen Detailliertheitsgrad auszeichnen. Das kann vorteilhaft für entsprechende Schlußfolgerungen, für die gezielte Beeinflussung der sozialen Prozesse und Erscheinungen in der Praxis sein. Problematischer wird es, wenn einzelne Indikatoren zu einem Ausdruck zusammengeführt werden sollen. Um die Bildung von Indizes zu realisieren, sind Kenntnisse hinsichtlich der wechselseitigen Relation der Indikatoren erforderlich. Sie verlangen die eingehende Analyse des Sachverhalts. Vom zu untersuchenden Sachverhalt hängt es auch ab, ob das Indikatum in einzelne Bestandteile zerlegt werden kann und auf Grundlage dieser Dimensionen einer empirischen Erfassung zugänglich ist oder ob Merkmale, die mit dem Indikatum zwar in der sozialen Realität verbunden, aber nicht unmittelbar und ohne theoretische Vermittlung als dessen Bestandteile zu erkennen sind,'als Indikatoren Verwendung finden. Beispielsweise läßt sich der Sachverhalt Arbeitsbedingungen in die Bestandteile materielle Arbeitsbedingungen, zeitliche Arbeitsbedingungen, Bedin6

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K.-P. Noack, Zu einigen logisch-methodologischen Aspekten der wissenschaftlichen Begriffsbildung, in: Der sozialwissenschaftliche Forschungsprozeß, hg. von W. Friedrich/W. Hennig, Berlin 1975, S. 97. Vgl. R. Mayntz/K. Holm/P. Hübner, Einführung in die Methoden der empirischen Soziologie, Opladen 1974, S. 41.

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gungen der materiellen und ideellen Stimulierung, politisch-ideologische Arbeitsbedingungen und soziale Arbeitsbedingungen untergliedern.8 Michailov erschließt den Begriff soziale Stellung über die Dimensionen Klassenzugehörigkeit, Platz in der Organisation der Arbeit, Bildung und Einkommen.9 Sachindikatoren, sie werden auch als empirische Indikatoren bezeichnet10, beruhen auf Aussagen, die eine empirisch nachweisbare Relation zum Ausdruck bringen. Da der Wahrheitswert der Beziehung zwischen Indikator und Indikatum sich empirisch bestimmen läßt, unterliegen Entscheidungen über Einsatzmöglichkeiten von Merkmalen als Indikatoren dem Verifikationsprozeß. Sachindikatoren sind folglich das Ergebnis eines eigenständigen Forschungsprozesses (bzw. Teil eines solchen), der bereits vor der eigentlichen Untersuchung zu einer gesicherten empirischen Aussage hinsichtlich der Indikator—Indikatum-Relation führt. Indikata von Sachindikatoren können einerseits Merkmale sein, die einer direkten Beobachtung zugänglich sind und für die sich aus den bereits genannten instrumentellen Überlegungen der Einsatz von Indikatoren als zweckmäßig erweist. Andererseits handelt es sich um den bereits dargestellten Bereich von nicht durch direkte Beobachtung zu analysierenden Merkmalen, wie sie Bewußtseinsinhalte und Persönlichkeitsmerkmale darstellen. Entsprechend den unterschiedlichen Indikata unterscheiden wir bei den Sachindikatoren nach Beobachtungsindikatoren, häufig auch als korrelative Indikatoren bezeichnet11, und Inferenzindikatoren (schlußfolgernde Indikatoren). Bei Beobachtungsindikatoren ist die Relation zwischen Indikator und Indikatum unmittelbar zu bestimmen, da beide Merkmale direkter Beobachtung zugänglich sind. In dieser Hinsicht existieren eine Reihe unterschiedlicher Möglichkeiten. Indikatoren, die unmittelbar Bestandteile des Indikatums sind, also als Elemente desselben auftreten; bezeichnet man als interne korrelative Indikatoren. So liegt ein interner korrelativer Indikator vor, wenn von der Anzahl der Eigentumsdelikte auf die Gesamtzahl krimineller Handlungen geschlossen wird, denn Eigentumsdelikte sind eine bestimmte Art krimineller Handlungen. Interne korrelative Indikatoren lassen sich durch die Kenntnis innerer Strukturen des jeweiligen Sachverhalts bestimmen. Für unser Beispiel folgt, daß wir wissen, Eigentumsdelikte

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10 11

Vgl. E. Priller, Die Gewinnung von Indikatoren zur soziologischen Erforschung der Arbeitsbedingungen, in: Jahrbuch für Soziologie und Sozialpolitik 1980, Berlin 1980, S. 172/173 (Akademie der Wissenschaften der DDR, Institut für Soziologie und Sozialpolitik). Vgl. S. Michailov, O ponjatijnych i empiriceskich indikatorach pri razrabotke programmy empiriieskogo sociologiieskogo issledovanija, in: voprosy filosofli, 7/1973, S. 41—48. Vgl. S. Nowak, Methodology of Sociological Research, a. a. O., S. 132/133. Vgl. R. Mayntz/K. Holm/P. Hübner, Einführung in die Methoden der empirischen Soziologie, a. a. O., S. 40. 75

sind ein Bestandteil krimineller Handlungen; von der Anzahl der Eigentumsdelikte können wir auf ein bestimmtes Ausmaß der Gesamtheit krimineller Handlungen schließen. Wenn Merkmale, die als Indikatoren fungieren, nicht unmittelbar dem Indikatum angehören, jedoch eine solche Beziehung zu ihm besitzen, daß sie eine indizierende Funktion erfüllen, handelt es sich um externe korrelative Indikatoren. Sie können als Resultat (Wirkung) des Indikatums, als seine Bedingung (Ursache) oder als rein statistisch gesicherter Zusammenhang, der erst noch der theoretischen Analyse bedarf, auftreten. Um einen extern korrelativen Indikator handelt es sich, wenn z. B. die Pünktlichkeit der Arbeitsaufnahme einer bestimmten Gruppe von Werktätigen eines Betriebes, die auf einen speziell eingerichteten Berufsverkehr angewiesen ist, den Rückschluß auf den Zustand des Berufsverkehrs zuläßt. Beobachtungs- bzw. korrelative Indikatoren erfüllen vor allem die bereits genannten instrumentellen Aufgaben. Gleichzeitig schaffen sie die Möglichkeit, relativ umfassende, direkter Beobachtung zugängliche Sachverhalte durch einzelne Indikatoren zu erfassen. Nachteilig kann sich in diesem Zusammenhang der Fakt auswirken, daß nur zu einzelnen Bestandteilen des Indikatums (intern korrelative Indikatoren) oder zu keinem Bestandteil des Indikatums (extern korrelative Indikatoren) unmittelbar Aussagen getroffen werden und der Detailliertheitsgrad der empirischen Daten sich hinsichtlich der inneren Struktur des Sachverhalts verringert. Entscheidungen zur unmittelbaren Leitung und Planung sozialer Prozesse basieren jedoch häufig auf detaillierten Kenntnissen der inneren Struktur. Inferenz- oder schlußfolgernde Indikatoren liegen dann vor, wenn das Indikatum nur durch indirekte Beobachtung erschlossen werden kann. Bekanntlich trifft das für Bewußtseinsinhalte und Persönlichkeitseigenschaften zu. Um sie der empirischen Erfassung zugänglich zu machen, bedarf es der Bestimmung manifester Merkmale oder Verhaltensweisen, deren Ausprägungen den Schluß auf das Vorhandensein und die Ausprägung des jeweiligen Indikatums gestatten. Bei der Ermittlung der Indikatoren geht man davon aus, daß Personen mit einer bestimmten Einstellung in bestimmten Situationen ein bestimmtes Verhalten zeigen oder daß bestimmte verbale Reaktionen auf eine Reihe von Fragen, die auf Bewußtseinsinhalte oder Verhalten gerichtet sind, für das Vorliegen entsprechender Bewußtseinsinhalte oder Persönlichkeitseigenschaften gewertet werden. Die Kompliziertheit der Indikata (meist werden große Verhaltensbereiche, komplexe Bewußtseinsinhalte analysiert, wie die Arbeitseinstellung, das politische Interesse) erfordert oft den gleichzeitigen Einsatz mehrerer Indikatoren, „Die Einstellung zur Arbeit, Politik, Sozialismus, Moral, Freizeit usw. kann bei einzelnen Personen oder bei Gruppen sehr heterogen strukturiert sein, daher in sehr unterschiedlichen Verhaltensweisen, spezifischen Situationen oder Teilproblemen gegenüber zum Ausdruck kommen. Ein Indikator kann höchstens einen diffusen Globalzustand, nicht aber die unterschiedlichen Teilkomponenten, die Wider76

Sprüche und Besonderheiten, nicht die besondere Kenntnis und Motivstruktur solcher komplexer Einstellungen repräsentativ aufweisen."12 Verschiedene zu einem Sachverhalt gehörende Indikatoren lassen sich zu einer Indikatorbatterie zusammenfügen, deren einzelne Indikatoren dann meist zu einem Gesamtindex zusammengefaßt werden. Solche Indizes entwickelte u. a. A. Ullmann für die Einstellung zur Arbeit13 und für die Erfassung von Wechselbeziehungen zwischen Arbeitszeit und Freizeitverhalten sowie den zugrunde liegenden Wertorientierungen der Werktätigen unter Bedingungen, die ihre Lebensweise charakterisieren.14 Eine Indikatorbatterie zur Analyse der Arbeitseinstellung stellen W. Friedrich und W. Hennig vor. Sie enthält neben der Ausgangsfrage die einzelnen als Indikatoren verwendeten Faktoren und wird wie folgt formuliert: „Welche der nachstehend genannten Faktoren sind nach Ihrer Meinung wichtig für ein gutes Gruppenklima in einem Arbeitskollektiv? 1. störungsfreier Arbeitsablauf 2. leistungsgerechte Entlohnung 3. gute Beziehungen im Arbeitskollektiv 4. gutes Verhältnis zu den wichtigsten Vorgesetzten 5. Klarheit über die persönliche Perspektive 6. Möglichkeiten zur Mitbestimmung 7. gute politische und gesellschaftliche Arbeit 8. richtige Anwendung von Lob und Kritik."15 Inferenzindikatoren lassen nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den Schluß auf das entsprechende Indikatum zu. Dem entspricht die Aussage von W. Friedrich und W. Hennig über die Existenz einer probabilistischen Beziehung zwischen Indikator und Indikatum, die sie wie folgt begründen: „Das ist auf die Grundtatsache zurückzuführen, daß menschliches Verhalten prinzipiell in stochastischer Form erscheint. Alle Gesetzmäßigkeiten der Verhaltensentwicklung sind Wahrscheinlichkeitsgesetze. Die Beziehung von Verhaltensakt (Indikator) und Verhaltensweise/Verhaltensdisposition (Indikatum) ist dadurch charakterisiert. Das komplexe, sich ständig verändernde System (Umwelt) und das hochdisponible, von biologischen Faktoren und vielschichtigen sozialen Erfahrungs-

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15

W. Friedrich/W. Hennig, Grundprobleme der Befragung, in: Der sozialwissenschaftliche Forschungsprozeß, hg. von W. Friedrich/W. Hennig, a. a. O., S. 396. Vgl. A. Ullmann, Einige Probleme der Messung der Einstellung zur Arbeit, in: Informationen zur soziologischen Forschung in der Deutschen Demokratischen Republik, 3/1974, S. 20—26. Vgl. A. Ullmann, Zur Notwendigkeit der quantitativen Erfassung von Elementen der sozialistischen Lebensweise und Begründung eines Komplexindikators, in: Informationen zur soziologischen Forschung in der Deutschen Demokratischen Republik, 4/1976, S. 36—40. W. Friedrich/W. Hennig, Grundprobleme der Befragung, in: Der sozialwissenschaftliche Forschungsprozeß, hg. von W. Friedrich/W. Hennig, a. a. O., S. 398. 77

grundlagen determinierte innere System (Person) bedingen die stochastische Erscheinungsform des menschlichen Verhaltens."16 Diese Feststellungen beziehen sich jedoch nur auf den Bereich der Inferenzindikatoren, und für diese Gruppe trifft der Wahrscheinlichkeitsbezug unbestritten zu. Ein solcher Bezug, teilweise ebenfalls bei Beobachtungsindikatoren registrierbar, hat keine generelle Bedeutung, da neben statistischen Zusammenhängen die Relation von Indikator-Indikatum auch als ausnahmslose Beziehung charakterisiert ist. Gegen eine zu weit vorangetriebene Formalisierung der IndikatorIndikatum-Relation wendet sich u. a. H.-F. Wolf: „Die Feststellung von Friedrich/Hennig, daß ein Indikator nur gestattet, mit bestimmter Wahrscheinlichkeit auf das Indikatum zu schließen, ist für die Persönlichkeitsanalyse zutreffend. Es ist fraglich, ob es genügt, diesen Zusammenhang lediglich empirisch nachzuweisen."17 Pawlowski reduziert empirische Indikatoren nicht auf den Wahrscheinlichkeitsbezug, sondern ermittelt folgende Varianten: „Die Möglichkeiten erstrecken sich von einfachen Implikationen, die feststellen, daß das Auftreten des Indikators eine ausreichende oder eine notwendige Bedingung für das Auftreten des Indikatums ist, über mehr komplizierte ausnahmslose Beziehungen, die den Charakter der Implikation oder der Äquivalenz haben, bis zu Sätzen, die probabilistische Beziehungen behaupten."18 Die vielseitige logische Struktur der Beziehung zwischen Indikator und Indikatum ist bei soziologischen Untersuchungen stets zu beachten. Hier einen einseitigen Standpunkt einzunehmen oder sie nicht exakt bei jedem Indikator zu bestimmen führt zu unexakten und falschen Ausgangspositionen bei der Dateninterpretation. Die einzelnen von Pawlowski dargestellten Formen der logischen Struktur zwischen Indikator und Indikatum stellen sich wie folgt dar: Ist die logische Struktur eine Implikation, so drückt sie eihen Zusammenhang zwischen den beiden Merkmalen (Indikator und Indikatum) aus, der sich darin äußert, daß, wenn der dem Indikator entsprechende Sachverhalt besteht, auch der dem Indikatum entsprechende Sachverhalt existiert. Liegt bei der Indikator-Indikatum-Relation eine Implikation vor, dann widerspiegelt der Indikator als Vorderglied unserer Aussagenverbindung einen Sachverhalt, der gegenüber dem Vorhandensein des Sachverhalts des Indikatums als Hinterglied eine hinreichende Bedingung darstellt. Wenn also der dem Indikator entsprechende Sachverhalt eintritt, folgt notwendigerweise der das Indikatum charakterisierende Sachverhalt. Die Replikation kennzeichnet den Zusammenhang zwischen einer notwendigen Bedingung und dem von ihr Bedingten. Die notwendige Bedingung ist Voraus16 17

18

78

Ebenda, S. 391. H. F. Wolf, Zu einigen soziologischen Aspekten der Indikatorproblematik, in: Informationen zur soziologischen Forschung in der Deutschen Demokratischen Republik, 4/1976, S. 21. T. Pawlowski, Methodologische Probleme in den Geistes- und Sozialwissenschaften, a. a. O., S. 89/90.

Setzung des von ihr Bedingten, d. h., ohne Vorhandensein des Indikators kann das Indikatum nicht auftreten. Wie bei der Implikation ist bei der Replikation der Abstraktionsprozeß der formalen Logik zu beachten. Das Vorhandensein nur der notwendigen Bedingungen, wie bei der Replikation, reicht nicht aus, um das Bedingte eintreten zu lassen, sondern es müssen weitere Bedingungen erfüllt sein, von denen in diesem Fall abstrahiert wird. Liegt zwischen Indikator und Indikatum die Aussagenverbindung der Äquivalenz vor, widerspiegelt das die Tatsache, daß Indikator und Indikatum als zwei bestimmte Sachverhalte zusammen bestehen oder zusammen nicht bestehen. Auf den probabilistischen Bezug zwischen Indikator und Indikatum wurde bereits an anderer Stelle eingegangen. Er bedeutet, daß, wenn der Indikator vorliegt, mit einem bestimmten Grad an Wahrscheinlichkeit das Indikatum zutrifft bzw. daß mit gewisser Wahrscheinlichkeit von einer bestimmten Ausprägung des Indikators auf eine bestimmte Ausprägung des Indikatums zu schließen ist. 3.2.

Klassifizierung der Indikatoren nach instrumentell-methodischen Gesichtspunkten

Neben einer Klassifizierung der Indikatoren nach erkenntnistheoretischen und wissenschaftslogischen Aspekten — sie hilft methodologisch den empirischen Zugang für die untersuchten sozialen Sachverhalte zu finden — sind eine Reihe von Klassifikationskriterien zur unmittelbaren Gewinnung der Primärinformationen von Interesse. Diese Kriterien berücksichtigen, daß Indikatoren letztendlich ihre Funktion im soziologischen Forschungsprozeß nur erfüllen, wenn sie Grundlage für die exakte Beschaffung des erforderlichen Datenmaterials in der Erhebungsphase sind. In dieser Hinsicht haben Fragen der spezifischen Gestaltung von Indikatoren in den Erhebungsunterlagen, die Art und Weise ihres Auftretens entsprechend den zum Einsatz kommenden Erhebungsmethoden bis hin zum unterschiedlichen Skalierungsniveau Bedeutung. Auswahl und Einsatz von Erhebungsmethoden sind neben den Zielen einer soziologischen Untersuchung, der Anzahl der Untersuchungspersonen, dem Auswertungsprogramm sowie den zur Verfügung stehenden Mitteln und dem Forschungspotential vor allem von den untersuchten sozialen Prozessen und Erscheinungen abhängig. Die Erhebungsmethode hat unter Berücksichtigung des zuletzt genannten Faktors die äquivalente Primärinformationsgewinnung zu sichern. Die Indikatoren haben hierbei entscheidenden Einfluß, weil sie den konkreten empirischen Bereich, auf den die Informationsgewinnung gerichtet ist, angeben. Dieser Bereich ist ausschlaggebend für die Wahl der Erhebungsmethode. Indikatoren beinhalten sowohl die Erfassung bestimmter Bedingungen (materieller, zeitlicher, wertmäßiger usw.), die Beziehungen zwischen Individuen und sozialen Gruppen, verbale Reaktionen, die auf Bewußtseinsinhalte oder Persönlichkeitseigenschaften gerichtet sind, als auch verbales und praktisches Verhalten. 79

Setzung des von ihr Bedingten, d. h., ohne Vorhandensein des Indikators kann das Indikatum nicht auftreten. Wie bei der Implikation ist bei der Replikation der Abstraktionsprozeß der formalen Logik zu beachten. Das Vorhandensein nur der notwendigen Bedingungen, wie bei der Replikation, reicht nicht aus, um das Bedingte eintreten zu lassen, sondern es müssen weitere Bedingungen erfüllt sein, von denen in diesem Fall abstrahiert wird. Liegt zwischen Indikator und Indikatum die Aussagenverbindung der Äquivalenz vor, widerspiegelt das die Tatsache, daß Indikator und Indikatum als zwei bestimmte Sachverhalte zusammen bestehen oder zusammen nicht bestehen. Auf den probabilistischen Bezug zwischen Indikator und Indikatum wurde bereits an anderer Stelle eingegangen. Er bedeutet, daß, wenn der Indikator vorliegt, mit einem bestimmten Grad an Wahrscheinlichkeit das Indikatum zutrifft bzw. daß mit gewisser Wahrscheinlichkeit von einer bestimmten Ausprägung des Indikators auf eine bestimmte Ausprägung des Indikatums zu schließen ist. 3.2.

Klassifizierung der Indikatoren nach instrumentell-methodischen Gesichtspunkten

Neben einer Klassifizierung der Indikatoren nach erkenntnistheoretischen und wissenschaftslogischen Aspekten — sie hilft methodologisch den empirischen Zugang für die untersuchten sozialen Sachverhalte zu finden — sind eine Reihe von Klassifikationskriterien zur unmittelbaren Gewinnung der Primärinformationen von Interesse. Diese Kriterien berücksichtigen, daß Indikatoren letztendlich ihre Funktion im soziologischen Forschungsprozeß nur erfüllen, wenn sie Grundlage für die exakte Beschaffung des erforderlichen Datenmaterials in der Erhebungsphase sind. In dieser Hinsicht haben Fragen der spezifischen Gestaltung von Indikatoren in den Erhebungsunterlagen, die Art und Weise ihres Auftretens entsprechend den zum Einsatz kommenden Erhebungsmethoden bis hin zum unterschiedlichen Skalierungsniveau Bedeutung. Auswahl und Einsatz von Erhebungsmethoden sind neben den Zielen einer soziologischen Untersuchung, der Anzahl der Untersuchungspersonen, dem Auswertungsprogramm sowie den zur Verfügung stehenden Mitteln und dem Forschungspotential vor allem von den untersuchten sozialen Prozessen und Erscheinungen abhängig. Die Erhebungsmethode hat unter Berücksichtigung des zuletzt genannten Faktors die äquivalente Primärinformationsgewinnung zu sichern. Die Indikatoren haben hierbei entscheidenden Einfluß, weil sie den konkreten empirischen Bereich, auf den die Informationsgewinnung gerichtet ist, angeben. Dieser Bereich ist ausschlaggebend für die Wahl der Erhebungsmethode. Indikatoren beinhalten sowohl die Erfassung bestimmter Bedingungen (materieller, zeitlicher, wertmäßiger usw.), die Beziehungen zwischen Individuen und sozialen Gruppen, verbale Reaktionen, die auf Bewußtseinsinhalte oder Persönlichkeitseigenschaften gerichtet sind, als auch verbales und praktisches Verhalten. 79

Die verschiedenen Erhebungsmethoden sind auf Grund ihrer Spezifik für die Erfassung der einzelnen empirischen Bereiche in unterschiedlichem Maße geeignet. Das soll an den drei grundlegenden Erhebungsmethoden Dokumentenanalyse, Beobachtung und Befragung verdeutlicht werden. „Bei der Dokumentenanalyse werden die für eine soziologische Untersuchung relevanten Daten aus vorliegenden Dokumenten (in verbaler und statistischer Form) gewonnen, in denen soziale Verhaltensweisen oder deren Resultate, soziale Situationen, soziale Strukturen usw. festgehalten worden , sind. Bei der Dokumentenanalyse werden demnach soziale Daten bzw. die Reflexion sozialen Verhaltens, die zuvor von einzelnen Personen, Gruppen oder Institutionen ermittelt worden sind, entsprechend der jeweiligen Forschungskonzeption gesichtet, geordnet, analysiert und ausgewertet."19 Die Spezifik der zur Verfügung stehenden Dokumente bringt es mit sich, daß zumeist praktisches Verhalten und bestimmte Bedingungen in der bereits charakterisierten Art erfaßt sind. Nur selten (Tagebücher, Briefe usw.) bringen Dokumente verbales Verhalten und Beziehungen zum Ausdruck. Entsprechend läßt sich der Einsatz der Dokumentenanalyse hauptsächlich nur dann realisieren, wenn die Indikatoren auf die Erfassung von Bedingungen und praktisches Verhalten gerichtet sind. Bei der Beobachtung „werden zielgerichtet und systematisch Merkmale sozialer Sachverhalte (Erscheinungen, Situationen, Prozesse, soziales Verhalten, Zusammenhänge und Beziehungen) direkt erfaßt". 20 Die Beobachtung kann hinsichtlich der durch sie zu erfassenden empirischen Bereiche und damit der Indikatoren ebenso charakterisiert werden wie die Dokumentenanalyse. Unterschiede bestehen vor allem darin, daß bei der Beobachtung die Merkmale sozialer Prozesse und Erscheinungen direkt durch den Untersuchenden zu erfassen sind. Bei der Dokumentenanalyse handelt es sich dagegen bekanntlich um Prozesse und Erscheinungen, deren Merkmalserfassung zu einem bereits vergangenen Zeitpunkt erfolgte. Die Befragungsmethode, als eine der am häufigsten verwendeten empirischen Forschungsmethoden der Soziologie21, ermöglicht sowohl die Registrierung von Bedingungen, Beziehungen und praktischem Verhalten als auch die Erfassung von auf Bewußtseinsinhalte und Persönlichkeitseigenschäften gerichteten Reaktionen verbalen Verhaltens. Unterscheidet sie sich in der ersten Gruppe von Merkmalen nicht wesentlich von der Dokumentenanalyse und Beobachtung, ist sie für die Ermittlung verbaler Reaktionen und verbalen Verhaltens fast ausschließlich die alleinige Erhebungsmethode.

19

20 21

H. Berger, Erhebungsmethodik der soziologischen Forschung, in: Autorenkollektiv, Grundlagen der marxistisch-leninistischen Soziologie, hg. von G. Aßmann/R. Stollberg, Berlin 1977, S. 93. Ebenda, S. 104. Vgl. ebenda, S. 95.

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Da sich viele Untersuchungen — und nicht nur im Rahmen der Persönlichkeitsforschung — auf solche verbalen Reaktionen und verbales Verhalten beziehen, ist die Befragung ein unentbehrliches methodisches Instrumentarium. Wenn wir feststellten, daß unterschiedliche Bereiche empirisch konstatierbarer sozialer Erscheinungen (Bedingungen, Beziehungen, verbale Reaktionen und verbales und praktisches Verhalten) nach äquivalenten Erhebungsmethoden verlangen, zeigt sich zugleich, daß unterschiedliche Erhebungsmethoden gleiche Indikatoren beinhalten können und zur Erfassung derselben empirischen Bereiche geeignet sind. Bedingungen und praktisches Verhalten sind beispielsweise in gleichem Maße durch Dokumentenanalyse, Beobachtung und Befragung erfaßbar. In diesem Zusammenhang wird der Einfluß der jeweiligen Erhebungsmethode auf die Indikatorengestaltung (darunter ist das konkrete Auftreten des Indikators in den Erhebungsunterlagen zu verstehen) besonders deutlich. Eine Schlüsselposition nimmt die Befragung ein, weil einerseits durch ihre Spezifik (Gewinnung der Primärinformatipnen über den Kommunikationsprozeß) Fragen kommunikativer Informationsgewinnung verstärkt zu berücksichtigen sind und andererseits, weil sie als am häufigsten verwendete Erhebungsmethode unter methodischen Gesichtspunkten am weitesten entwickelt wurde. Auf einige klassifikatorische Momente für Indikatoren bei der Befragung soll näher eingegangen werden. Häufig werden Indikatoren im Rahmen der Befragung nur unter dem Aspekt der Frage betrachtet. Eine solche Verabsolutierung ist nicht gerechtfertigt. „Bekanntlich muß nicht jeder Indikator in einem wissenschaftlichen Interview als Fragesatz formuliert sein."22 W. Friedrich und W. Hennig weisen darauf hin, daß nach syntaktischen Gesichtspunkten Indikatoren in solche, die als Fragesätze (Fragen) und in Indikatoren, die als Aussagesätze formuliert sind (Aussagen), gruppiert werden.23 Obwohl, wie sie betonen, sich nicht eindeutig sagen läßt, welcher Indikatortyp wissenschaftlich wertvoller ist, führen sie eine Reihe von Faktoren an, die nach ihrer Meinung Ursachen für die häufigere Anwendung von Aussagesätzen (Statements) in der Sozialforschung sind:24 1. Aussagesätze entsprechen der empirischen Wirklichkeit, weil es dabei naturgemäß tun die Feststellung von Aussagen geht. Durch Frageformulierungen kann es zu Veränderungen der Aussage kommen. 2. Mit einem Aussagesatz ist bereits ein Standpunkt vorformuliert, der dem Befragten die Entscheidung erleichtert. 3. Aussagesätze können, da sie unpersönlicher und damit direkter wirken, die Aussagebereitschaft erhöhen.

22

23 24

6

W. Friedrich/W. Hennig, Grundprobleme der Befragung, in: Der sozialwissenschaftliche Forschungsprozeß, hg. von W. Friedrich/W. Hennig, a. a. O., S. 404. Vgl. ebenda. Vgl. ebenda, S. 404/405. Berger u. a., Indikatoren

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4. Aussagesätze sind technisch leichter zu konstruieren. Sie lassen sich einfacher als Fragen zu Indikatorbatterien zusammenstellen. 5. Antwortskalen können oft einfacher und sinnvoller mit Aussagesätzen verknüpft werden. Neben Unterschieden nach syntaktischen Gesichtspunkten findet vor allem die Gegenstandsbezogenheit, d. h. der Gegenstandsbereich des Indikators in der methodischen Literatur, umfangreiches Interesse. Es bezieht sich vor allem auf die weitere Differenzierung der mittels Indikatoren zu erfassenden empirischen Bereiche und impliziert die Berücksichtigung verschiedener methodischer Gesichtspunkte, die unter anderem bei der Fragebogenkonstruktion Bedeutung haben, wenn es um die Anordnung der Indikatoren geht (Berücksichtigung von „Ausstrahlungseffekten" der Indikatoren, Anwendung der Technik des „Trichters", Vorgehen von einfachen zu komplizierten Fragen usw.25). Nach der Gegenstandsbezogenheit der Indikatoren unterscheidet man: — Faktenindikatoren, — Wissensindikatoren, — Meinungsindikatoren, — Motivindikatoren, — Einstellungsindikatoren, — Handlungsindikatoren. Diese Klassifikation läßt sich um weitere Indikatorengruppen erweitern. So spielen in psychologisch orientierten Untersuchungen Fähigkeitsindikatoren bei intelligenzdiagnostischen Verfahren eine wesentliche Rolle. Auch demographische Indikatoren und Bewertungsindikatoren können als besondere Gruppe ausgewiesen werden. Um die Überschneidung der einzelnen Kategorien gering zu halten, beschränken wir uns jedoch auf die oben angeführte Klassifikation. Faktenindikatoren (auch als Tatsachenindikatoren bezeichnet) zielen auf die Gewinnung von Informationen zur untersuchten Person (Befragter) oder der sie umgebenden Bedingungen. Sie beinhalten nachprüfbare Tatsachen und sind deshalb relativ eindeutig bestimmt. Als personen-klassifizierende Merkmale liefern sie die für die Analyse notwendigen Daten zur Gruppierung der Untersuchungspersonen nach Merkmalsklassen. Zu den Faktenindikatoren sind als besondere Untergruppe die demographischen Indikatoren zu zählen. Sie ermitteln im allgemeinen folgende Merkmale: Alter, Geschlecht, Familienstand, Kinderzahl, Schulbildung, berufliche Bildung, Beruf, Einkommen, Tätigkeit, Wohnbedingungen (territorial, Größe der Wohnung, Alter der Wohnung, Wohnungsqualität). Wissensindikatoren erfassen ebenfalls Fakten. Es interessiert jedoch nicht der Fakt als solcher, sondern das, was die befragte Person über ihn weiß. Das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Kenntnissen soll so nachgewiesen werden. Bei Verwendung von Wissensindikatoren ist zu berücksichtigen, daß der 25

82

Vgl. ebenda, S. 411-416.

Befragte potentieller Wissensträger sein kann, zum Zeitpunkt der Befragung jedoch nicht in der Lage ist, die entsprechende Antwort zu geben. Folglich ist, um von entsprechenden Antworten auf das tatsächliche Wissen zu schließen, ein umsichtiges methodisches Herangehen bei der Verwendung von Wissensindikatoren notwendig. Wissensindikatoren können z. B. als Fragen nach der Kenntnis über Qualifikationsformen, über Arten der Teilnahme der Werktätigen an der Leitung und Planung im Betrieb oder über das Vorhandensein bestimmter Möglichkeiten zur kulturellen Freizeitgestaltung formuliert werden. Meinungsindikatoren richten sich auf die Erfassung der Meinung bzw. der Ansicht einer befragten Person zu einem bestimmten sozialen Sachverhalt. Sie sind auslösend für die entsprechenden Urteile zu dem Sachverhalt. Als verbale Verhaltensakte determinieren Meinungen wesentlich das aktuelle soziale Verhalten. 26 Das mit Hilfe von Indikatoren ermittelte Meinungsbild von Personen und Gruppen läßt jedoch nicht unbedingt auf ihr tatsächliches Handeln schließen. Da Meinungen zudem einen instabilen Charakter aufweisen — sie werden von Faktoren wie Alter, soziale Erfahrung, weltanschauliche Standpunkte, konkrete Situationen, in denen sich die Menschen befinden, geprägt —, muß, wenn die Meinung eine richtige Wertung erfahren soll, das gesellschaftliche, kollektive und individuelle Bezugssystem berücksichtigt werden. Motivindikatoren sollen Beweggründe für das Handeln der Menschen ermitteln. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich die Handlung bereits vollzogen hat oder ob im Rahmen einer fiktiven Situation eine Handlung als zu erfolgend angenommen wird. Der forschungspraktische Wert von Motivindikatoren ist vor allem dadurch bestimmt, daß sie Informationen über verhaltensregulierende Elemente vermitteln. „Das Motiv ist die psychische Erscheinung, die durch ihre energetische und orientierende Funktion unmittelbar als Antrieb des Verhaltens wirkt; es gibt der Aktivität Intensität und Richtung." 27 Problematisch für Motivindikatoren ist es, daß häufig eine Diskrepanz zwischen den tatsächlichen Motiven und den der befragten Person bewußt gewordenen Motiven auftritt. Oft sind Motive für bereits zurückliegende Handlungen anzugeben. Außer der Tatsache, daß das Erinnerungsvermögen nachläßt, muß damit gerechnet werden, daß die Untersuchungsperson zurückliegende Handlungen vom Standpunkt gegenwärtiger Erkenntnis und entsprechender Handlungsweisen beurteilt. Gleichzeitig spielen bei der Angabe von Handlungsmotiven Selbsttäuschung, Anpassung an positive Normen sowie die Tendenz, dem eigenen Verhalten edlere Motive zu unterstellen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Einstellungsindikatoren beinhalten die Ermittlung von relativ invarianten Beziehungen der Befragten zu materiellen Bedingungen, Personen, Gruppen, zur Gesellschaft, zu Normen und Werten. Ihre Funktion besteht in der Wider-

26 27

6*

Vgl. ebenda, S. 406/407. W. Speigner, Vom Motiv zum Handeln, Berlin 1980, S. 55.

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Spiegelung der habituellen Gerichtetheit von Personen und Gruppen. 28 Sie unterscheiden sich von den Meinungsindikatoren dadurch, daß man von der Situationsspezifik abstrahiert und auf habituelle Reaktionsbereitschaft schließt. Handlungsindikatoren ermitteln das Handeln der Untersuchungspersonen. Sie können auf gegenwärtiges, vergangenes, zukünftiges und „hypothetisches" Handeln gerichtet sein. Dabei ist eine Überschneidung mit Faktenindikatoren möglich. Da in den meisten Fällen nur einzelne Verhaltensakte zu erfassen sind, ist stets der bereits an anderer Stelle behandelte Wahrscheinlichkeitsbezug zur generellen Wertung des Verhaltens zu berücksichtigen. Weitere Klassifikationskriterien richten sich auf den Bezug des Indikators zur Untersuchungsperson und auf die Form der Vorgabe von Entscheidungsmöglichkeiten. In bezug auf die Untersuchungsperson unterscheidet man zwischen direkten und indirekten Indikatoren 29 und nach der Form der Vorgabe von Entscheidungsmöglichkeiten zwischen offenen und geschlossenen Indikatoren. 30 Da Indikatoren Instrumente sind, mit denen wir messen, können hinsichtlich des Meßniveaus — nominale Indikatoren, — ordinale Indikatoren und — quantitative Indikatoren unterschieden werden. Ausführlicher wird auf die Problematik der unterschiedlichen Meßniveaus im Abschnitt zur Skalierung eingegangen.

3.3.

Zur Klassifizierung von Sozialindikatoren

Da die Vielfalt möglicher Klassifikationskriterien gleichfalls für den Bereich der Sozialindikatoren zutrifft, wollen wir uns auf einige wesentliche Gesichtspunkte beschränken. Nach dem bisherigen Stand der Indikatorenforschung lassen sich drei Niveaus sozialer Indikatoren bzw. Indikatorensysteme unterscheiden: 1. Indikatoren und Indikatorensysteme, die die sozialökonomisch bedeutsamen Prozesse in der Gesellschaft als Ganzes in ihrer Struktur, Dynamik, Entwicklung und Funktionsweise widerspiegeln. Entsprechende Indikatorensysteme dienen der Analyse von Sozialstruktur, Lebensweise, Bedürfnisentwicklung, gesellschaftlicher Aktivität etc.

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Vgl. W. Friedrich/W. Hennig, Grundprobleme der Befragung, in: Der sozialwissenschaftliche Forschungsprozeß, hg. von W. Friedrich/W. Hennig, a. a. O., S. 407. Ausführlich dazu ebenda, S. 402—404. Ebenda, S. 400/401.

Spiegelung der habituellen Gerichtetheit von Personen und Gruppen. 28 Sie unterscheiden sich von den Meinungsindikatoren dadurch, daß man von der Situationsspezifik abstrahiert und auf habituelle Reaktionsbereitschaft schließt. Handlungsindikatoren ermitteln das Handeln der Untersuchungspersonen. Sie können auf gegenwärtiges, vergangenes, zukünftiges und „hypothetisches" Handeln gerichtet sein. Dabei ist eine Überschneidung mit Faktenindikatoren möglich. Da in den meisten Fällen nur einzelne Verhaltensakte zu erfassen sind, ist stets der bereits an anderer Stelle behandelte Wahrscheinlichkeitsbezug zur generellen Wertung des Verhaltens zu berücksichtigen. Weitere Klassifikationskriterien richten sich auf den Bezug des Indikators zur Untersuchungsperson und auf die Form der Vorgabe von Entscheidungsmöglichkeiten. In bezug auf die Untersuchungsperson unterscheidet man zwischen direkten und indirekten Indikatoren 29 und nach der Form der Vorgabe von Entscheidungsmöglichkeiten zwischen offenen und geschlossenen Indikatoren. 30 Da Indikatoren Instrumente sind, mit denen wir messen, können hinsichtlich des Meßniveaus — nominale Indikatoren, — ordinale Indikatoren und — quantitative Indikatoren unterschieden werden. Ausführlicher wird auf die Problematik der unterschiedlichen Meßniveaus im Abschnitt zur Skalierung eingegangen.

3.3.

Zur Klassifizierung von Sozialindikatoren

Da die Vielfalt möglicher Klassifikationskriterien gleichfalls für den Bereich der Sozialindikatoren zutrifft, wollen wir uns auf einige wesentliche Gesichtspunkte beschränken. Nach dem bisherigen Stand der Indikatorenforschung lassen sich drei Niveaus sozialer Indikatoren bzw. Indikatorensysteme unterscheiden: 1. Indikatoren und Indikatorensysteme, die die sozialökonomisch bedeutsamen Prozesse in der Gesellschaft als Ganzes in ihrer Struktur, Dynamik, Entwicklung und Funktionsweise widerspiegeln. Entsprechende Indikatorensysteme dienen der Analyse von Sozialstruktur, Lebensweise, Bedürfnisentwicklung, gesellschaftlicher Aktivität etc.

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Vgl. W. Friedrich/W. Hennig, Grundprobleme der Befragung, in: Der sozialwissenschaftliche Forschungsprozeß, hg. von W. Friedrich/W. Hennig, a. a. O., S. 407. Ausführlich dazu ebenda, S. 402—404. Ebenda, S. 400/401.

2. Indikatoren und Indikatorensysteme, die die Strukturiertheit, Dynamik, Entwicklung und das Funktionieren bestimmter Teilbereiche und Teilprozesse der Gesellschaft widerspiegeln. Sie beziehen sich auf den industriellen Bereich, den landwirtschaftlichen Bereich, den Dienstleistungsbereich, das Bildungswesen, das Gesundheitswesen, territoriale Prozesse, kulturelle Prozesse etc. 3. Indikatoren und Indikatorensysteme über das soziale Verhalten sowie die unmittelbaren sozialen Beziehungen und Bedingungen von Individuen und sozialen Gruppen. Sie helfen politisches Verhalten, Arbeitsverhalten, kulturelles Verhalten, Freizeitverhalten, Lebensweise von Familien und demographischen Gruppen etc. erschließen. Es sind also Sozialindikatoren und Indikatorensysteme zur Analyse gesellschaftlicher Grundprozesse, Verhältnisse, Strukturen und Institutionen sowie Sozialindikatoren und Indikatorensysteme zur Analyse empirisch wahrnehmbaren sozialen Verhaltens und unmittelbarer sozialer Beziehungen einschließlich der determinierenden Bedingungen zu unterscheiden. Entsprechend den Niveauebenen sind Sozialindikatoren in ihrer Merkmalsstruktur, der Art ihrer Gewinnung und Datenrekrutierung sowie den Datenarten unterschiedlich gekennzeichnet. Für Sozialindikatoren der ersten Ebene muß beispielsweise durch den großen Umfang des abzubildenden Bereiches eine starke Orientierung auf ihre Aggregation erfolgen. Gleichzeitig darf bei aller Spezifik der Sozialindikatoren in den einzelnen Ebenen nicht übersehen werden, daß die drei Niveaus der Sozialindikatoren als organische Einheit zu verstehen sind, die einerseits ein Aufsteigen vom niederen zum höheren Niveau ermöglicht und andererseits die Beschreibung und Analyse von einem unterschiedlichen Allgemeinheitsgrad gewährleistet. Die sowjetischen Soziologen G. V. Osipov und V. G. Andreenkov nehmen eine Klassifikation der Sozialindikatoren hinsichtlich der Charakterisierung, der Entwicklungsrichtung und Entwicklungsdynamik sozialer Erscheinungen vor. Folgende soziale Erscheinungen werden unterschieden, denen Sozialindikatoren zuzuordnen sind : 31 1. Nach der Herkunft der sozialen Erscheinung differenziert man zwischen sozialen Erscheinungen, die auf den Grundlagen der sozialistischen Gesellschaft oder auf Grundlagen vorsozialistischer Gesellschaftsformationen entstanden sind; zwischen sozialen Erscheinungen der Gegenwart und der Zukunft. 2. Nach der Zeitdauer des Auftretens der sozialen Erscheinung lassen sich stabile soziale Erscheinungen, soziale Erscheinungen, die nur in einfer Gesellschaftsformation, einef Phase der Formation (z. B. Sozialismus oder Kommunismus) oder nur in einer Etappe einer Phase der Formation auftreten, unterscheiden.

31

Vgl. G. V. Osipov/V. G. Andreenkov, Issledovanie postroenija pokazatelej social'nogo razvitija i planirovanija, Moskva 1979, S. 36.

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3. Nach dem Umfang und dem Maßstab gliedert man nach massenhaft, dominierend, vorherrschend, teilweise und einzeln auftretenden sozialen Erscheinungen. 4. Nach dem Charakter und der Bedeutung unterscheidet man soziale Erscheinungen in progressive und rückständige; positive, nützliche und negative, schlechte; soziale Erscheinungen mit einem hohen, mittleren und niedrigen Niveau der Entwicklung. Diese Klassifikation nach der umfassenden Charakterisierung der sozialen Erscheinungen gewährleistet eine unmittelbare inhaltliche Wertung der jeweiligen Sozialindikatoren. Für die Realisierung wesentlicher Ziele der Sozialindikatoren bei der Ermittlung sozialer Effektivität von Maßnahmen im Rahmen der Sozialpolitik des Staates besitzt diese Klassifikation nicht genügend Aussagekraft. Da Sozialindikatoren in dieser Hinsicht den Aufwand, die erreichten Leistungen und erzielten Ergebnisse sowie die Reflexion, d. h. die Wirksamkeit der Maßnahmen im Bewußtsein der Bevölkerung zu ermitteln haben, bietet sich eine Klassifikation nach folgenden drei Gesichtspunkten an: 1. Sozialindikatoren zur Erfassung des Aufwandes. Sie erfassen den Einsatz von materiellen und finanziellen Mitteln nach der Art und Höhe für die jeweiligen gesellschaftlichen Bereiche, sozialen Prozesse (z. B. Aufwendungen für Volksbildung, Gesundheitswesen) und sozialpolitischen Maßnahmen (z. B. Höhe der Kredite zur Unterstützung junger Ehen). 2. Sozialindikatoren zur Erfassung der erreichten Leistungen und erzielten Ergebnisse. Sie ermitteln die Resultate, die mit den Aufwendungen erreicht werden (z. B. schulische Leistungen in Abschlußprüfungen, Höhe des Krankenstandes, materielle Bedingungen junger Ehen). 3. Sozialindikatoren zur Erfassung der Zufriedenheit mit sozialen Maßnahmen -, die Reflexion von sozialen Maßnahmen im Bewußtsein der Menschen. Sozialindikatoren der Zufriedenheit werden häufig als subjektive Sozialindikatoren bezeichnet. Sie ermitteln, ob und in welchem Grad die Maßnahmen und ihre Wirkungen sich im Bewußtsein der Menschen widerspiegeln (z. B. Zufriedenheit mit der schulischen Bildung, Zufriedenheit mit ärztlicher Betreuung, Zufriedenheit mit der finanziellen Unterstützung junger Ehen). Durch diese Klassifikation wird deutlich, daß mit Hilfe von Sozialindikatoren eine Verknüpfung der Aufwandsermittlung mit der soziologischen Wirkungsanalyse zu realisieren ist. Einer Klassifikation der Sozialindikatoren nach verschiedenen Ebenen (Niveaus) der Gesellschaft weichen bürgerliche Soziologen aus. Statt dessen erfolgt eine Unterteilung der Gesellschaft in horizontaler Richtung, das heißt in verschiedene gesellschaftliche Bereiche mit völlig unterschiedlicher sozialer Bedeutung. J. Delors, der ehemals eine verantwortliche Position im französischen Planungsapparat für soziale Angelegenheiten innehatte, stellt in seinem Buch „Les indicateurs sociaux" beispielsweise 21 Bereiche vor, zu denen entsprechende 86

Kennziffern entwickelt werden 32 (Lebenserwartung, Gesundheitsschutz, Entwicklung der Familie, Teilnahme der Frau am wirtschaftlichen und sozialen Leben, ältere und alte Menschen in der Gesellschaft, Lebensweise der Randgruppen, Entwicklung der Beschäftigung, Rolle der Erziehung, kulturelle Entwicklung, Anpassung an den Wandel, soziale Mobilität, Offenheit der Gesellschaft gegenüber Ausländern, Nutzung des nationalen Reichtums, Nutzung des Einkommens, Entwicklung des Erbguts, Entwicklung der Solidarität, Heimat, Organisation des ländlichen Raumes, städtische Entwicklung, Nutzung der Zeit). J. Delors, wie andere bürgerliche Autoren, entwickelt zwar ein System von Sozialindikatoren, das einzelne Gebiete und Sphären der Gesellschaft beschreibt, jedoch fehlt ein Gesellschaftsmodell, welches die Bestimmung der sozial bedeutsamen Bereiche der Gesellschaft ermöglicht. Die für bürgerliche Klassifikationsansätze charakteristische und zum Teil intuitiv oder nach pragmatischen Gesichtspunkten vorgenommene Einteilung der Gesellschaft liefert eine Reihe von Ergebnissen bei der Beschreibung einzelner Seiten der Gesellschaft, verhindert jedoch ein zielgerichtetes, systematisches und theoretisch begründetes Vorgehen, wie es mit Hilfe der marxistisch-leninistischen Gesellschaftstheorie möglich ist. An Stelle von Klassifizierungen, die auf theoretisch fundierte Struktur- und Wirkungszusammenhänge gerichtet sind, orientieren bürgerliche Soziologen vor allem auf die Art der Daten und Aspekte ihrer Gewinnung. Zu einer solchen Feststellung gelangen u. a. Peters/Zeugin: „Obwohl vieles in der Sozialindikatorenforschung der Problematik der Operationalisierung im oben beschriebenen Sinne zugeordnet werden müßte, spielt die wissenschaftstheoretische oder methodologische Diskussion eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Wenn sich die Diskussion um methodische Probleme dreht, stehen meist Fragen der Analyse und des Vergleichs sozialer Indikatoren sowie Fragen betreffend den Typus der zu verwendenden Indikatoren (z. B. die Problematik der Wahl zwischen subjektiven und objektiven Indikatoren) — oft sogar losgelöst von den zu operationalisierenden abstrakten Größen — im Vordergrund des Interesses." 33 Die Berücksichtigung innerer Gesetzmäßigkeiten der Gesellschaft ist Voraussetzung, um die Problematik der Sozialindikatoren nicht nur als Aufgabe der Informationsgewinnung und Datenbereitstellung, sondern in erster Linie auch als inhaltlich-theoretische Aufgabenstellung zu erfassen. Klassifizierungsmerk-

32 33

Vgl. J. Delors, Les indicateurs sociaux, Paris 1972. M. U. Peters/P. G. Zeugin, Zur Problematik sozialer Indikatoren, in: Soziale Indikatoren, hg. von H.-J. Hoffmann-Nowotny, Frauenfeld 1975, S. 19.

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male nach spezifischen Funktionen von Sozialindikatoren34 oder der Art ihrer Gewinnung müssen dabei nicht unberücksichtigt bleiben, sind aber auch nicht in den Vordergrund zu stellen. 34

B. Biervert unterscheidet beispielsweise nach ihren speziellen Funktionen Sozialindikatoren wie folgt: — informative Indikatoren, die das Sozialsystem und seine Subsysteme beschreiben und damit die Informationsbasis verbessern; — problemorientierte Indikatoren, die im Rahmen eines Modells Auskunft über zukünftige Entwicklungen geben; — Programmbewertungs-Indikatoren als Grundlage für die Messung von output-Effekten öffentlicher Programme. Vgl. B. Biervert, Subjektive Sozialindikatoren — Ansatzpunkte einer sozialökonomischen Theorie der Bedürfnisse, in: Soziale Daten und politische Planung, hg. von A. Dierkes, Frankfurt a. M . - N e w York 1975, S. 98.

88

4.

Indikatorengewinnung und Probleme der Messung

4.1.

Die theoretische Bestimmung von Indikatoren

Indikatoren sind zwar empirische Widerspiegelungselemente, dürfen aber nicht von der theoretischen Erkenntnisebene getrennt werden. Da die Indikatoren den Prozeß des Übergangs vom theoretischen Wissen zur empirischen Untersuchung des Forschungsobjekts und die Überführung des neugewonnenen empirischen Wissens in den Fundus der soziologischen Wissenschaft vermitteln, kann ihre Gewinnung nicht theoretisch voraussetzungslos erfolgen. Indikatoren müssen sich folgerichtig und begründet aus den theoretischen Ausgangspunkten (Theorien, Problemen, Hypothesen, Begriffen) ergeben. Die Art der Indikatorengewinnung ist entscheidend für die Qualität des Forschungsprozesses und bestimmt weitgehend das angestrebte Erkenntnisniveau. Von besonderer Bedeutung für die Indikatorengewinnung sind die soziologischen Grund- bzw. Ausgangsbegriffe — sie sind gewissermaßen das theoretische Fundament der Indikatoren. Begriffe sind insofern wichtige Elemente der Theorie, als sie die allgemeinen Eigenschaften (Merkmale), Zusammenhänge, Beziehungen und Gesetze der objektiven sozialen Wirklichkeit widerspiegeln und auf Grundlage der dabei vorgenommenen Abstraktionen die sozialen Erscheinungen und Prozesse nicht nur als geistig Konkretes reproduzieren, sondern deren Wesensgehalt erfassen. Der Begriff stellt nach P. W. Kopnin den Zusammenhang zwischen Einzelnem und Allgemeinem her: „Im Begriff denken wir das Allgemeine und beziehen es auf bestimmte einzelne Dinge, Erscheinungen und Ereignisse. Ohne diesen Zusammenhang (ohne die Beziehung des Allgemeinen zum Einzelnen) gibt es keinen Begriff."1 Der Begriff als gedankliche Widerspiegelung einer Klasse von Dingen oder Erscheinungen auf der Grundlage ihrer invarianten Merkmale ist keine einfache Summe der widergespiegelten Merkmale. Die im Begriff widergespiegelten Merkmale sind innerlich miteinander verbunden, haben eine bestimmte Struktur und prägen die eigenständige Qualität des jeweiligen Begriffs. So schreibt G. Klaus: „Die Gegenstände der wirklichen Welt, die wir in Begriffen widerspiegeln, sind nicht Konglomerate von zufällig nebeneinanderstehenden Eigenschaften, sondern Gebilde, die gesetzmäßig entstanden sind und sich entwickelt haben. Ein Begriff, der das Wesen eines Gegenstandes der Realität widerspiegelt, darf deshalb nicht

1

P. W. Kopnin, Dialektik, Logik, Erkenntnistheorie, Berlin 1970, S. 272.

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als eine einfache arithmetische Summe von Merkmalen aufgefaßt werden." 2 Durch die wissenschaftliche Begriffsbildung gelangt man zu idealisierten Objekten, mit denen das Denken operieren kann. Derartige Idealisierungen sind notwendige Voraussetzungen, um das Wesen der Erscheinungen, Strukturen und Prozesse in möglichst reiner Form erfassen und gewissermaßen modellhaft darstellen zu können. Damit entfernt sich die Erkenntnis zunächst von der objektiven Realität, wodurch der unmittelbare Zusammenhang mit der sinnlich-wahrnehmbaren Erscheinung verlorengeht. Andererseits nähert sich die Erkenntnis der objektiven Realität, indem sie diese tiefer, d. h. deren Wesen, erfaßt. Die begriffliche Widerspiegelung sozialer Sachverhalte auf der Grundlage invarianter Merkmale, die jenen Sachverhalten eigen sind, ist also mit Abstraktionen und Verallgemeinerungen verbunden. Marx wies wiederholt darauf hin, daß die Funktion der Abstraktion vor allem darin bestehe, Klassen von Merkmalen auf der Grundlage objektiver Eigenschaften zu bilden und somit Ordnung in das empirische Material zu bringen. Einerseits ist ohne das Sammeln empirischen Materials (mittels Indikatoren) keine Begriffsbildung möglich, andererseits bedarf die empirische Forschung wissenschaftlicher Begriffe, um nicht im empirischen Datenwust zu versinken. Wissenschaftliche Begriffe über Erscheinungen und Prozesse der sozialen Wirklichkeit bilden sich dann heraus, wenn die sozialen Erscheinungen und Prozesse einen bestimmten Reifegrad in ihrer Entwicklung erreicht haben. Sie ergeben sich demzufolge aus den Bedürfnissen der praktischen gesellschaftlichen Tätigkeit der Menschen. Es versteht sich von selbst, daß die Begriffe der Historizität der sozialen Erscheinungen und Prozesse entsprechen müssen. Bei der Bestimmung wissenschaftlicher Begriffe ist daher stets die historische Entwicklung des entsprechenden widerzuspiegelnden sozialen Sachverhalts zu berücksichtigen. Inhalt und Umfang der Begriffe wandeln sich um so schneller, je unmittelbarer ihr empirischer Bezug zu diesen sozialen Sachverhalten ist. Allgemeine Begriffe und Kategorien unterliegen weniger einem Bedeutungswandel. Die dialektische Logik faßt deshalb den Begriff als Ergebnis der historischen Erkenntnis und als logische Form der Erkenntnis, die das Historische widerspiegelt, auf. Die wissenschaftlichen Begriffe sind nach ihrer Nähe zur empirischen Ebene der Erkenntnis zu unterscheiden. Begriffe, die der empirischen Ebene der Erkenntnis sehr nahe sind, ihr entsprechen oder eine unmittelbare Verbindung zu ihr haben, werden als empirische Begriffe bezeichnet. Sie zeichnen sich durch einen relativ niedrigen Abstraktionsgrad aus und lassen sich direkt auf empirisch beobachtbare Merkmale zurückführen. Solche Begriffe sind beispielsweise „Einkommen", „Bildung", „Qualifizierung", „Fluktuation", „Arbeitsdisziplin" usw. Andere Begriffe sind Begriffe „höherer Ordnung" und gehören zum Kategorien- bzw. Begriffsgefüge einer Wissenschaft und werden theoretische Begriffe genannt. Diese Begriffe haben eine schwache empirische Bindung, sind vermittelt durch empirische Begriffe mit der empirischen Erkenntnisebene ver2

G. Klaus, Moderne Logik, Berlin 1973, S. 178.

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bunden. Solche Begriffe sind u. a. „Lebensweise", „Demokratie", „soziale Aktivität", „soziale Stellung", „Sozialstruktur". S. Michailov vertritt die Auffassung, daß zwischen diesen beiden Begriffsebenen weitere Ebenen existieren, die jeweils durch ihre Nähe oder Entfernung zu den empirisch beobachtbaren Merkmalen charakterisiert sind.3 Für den Prozeß der Indikatorengewinnung leitet sich aus dieser Unterscheidung die Schlußfolgerung ab, daß sich die Indikatorengewinnung in Abhängigkeit vom Abstraktionsgrad der Begriffe mehr oder weniger direkt als stufenförmiger Prozeß über verschiedene begriffliche Ebenen vollzieht. Die Funktion wissenschaftlicher Begriffe im soziologischen Forschungsprozeß reduziert sich nicht auf die Widerspiegelung des Wesens sozialer Sachverhalte bzw. auf die Gewinnung theoretischer Aussagen. Wissenschaftliche Begriffe bilden das Fundament für empirische Untersuchungen. In dieser Hinsicht sind sie Vermittler zwischen theoretischer und empirischer Ebene des soziologischen Forschungsprozesses. Andererseits erfolgt in Auswertung empirischer Forschungsergebnisse nicht selten eine Präzisierung, Bereicherung oder Neubildung von Begriffen. Jede Etappe des soziologischen Forschungsprozesses impliziert auch die Verwendung entsprechender Begriffe mit unterschiedlicher Akzentuierung bzw. einem unterschiedlichen Grad abstrakter Bestimmung. Die Entwicklung und Präzisierung der Begriffe im Prozeß soziologischer Forschung ist notwendige Bedingung für die Analyse der gesellschaftlichen Wirklichkeit, für die Bestätigung vorhandener und die Gewinnung neuer Erkenntnisse. Bei jeder soziologischen Untersuchung steht man vor dem Problem, die konzeptionellen Zielstellungen zunächst begrifflich exakt zu formulieren und durch weitere Begriffsgliederungen solche Untersuchungskriterien zu bilden, die eine genaue, gültige und zuverlässige Erfassung der die zu untersuchenden sozialen Sachverhalte wesentlich bestimmenden Merkmale, Determinanten und Wirkungsbedingungen gewährleisten. Voraussetzung für diese Operationen ist die Einbindung der Begriffe in das theoretische Gesamtgefüge der Soziologie. Indem soziale Erscheinungen und Prozesse mit Hilfe von Begriffen als geistig Konkretes reproduziert werden können,' sind die Begriffe wichtige Erkenntnismittel und theoretische Voraussetzungen für jeden soziologischen Forschungsprozeß und seine einzelnen Stufen. In der Phase der Problemformulierung erfolgt die begriffliche Fassung der theoretischen Ausgangspositionen. Die in dieser Phase verwendeten Begriffe werden als Ausgangs- oder Grundbegriffe der Forschung bezeichnet. Ihre nähere Bestimmung und Präzisierung innerhalb der Problemanalyse gehört zum theoretischen Programm der empirisch-soziologischen Forschung.4

3

S. Michailov, O ponjatijnych i empiriceskich indikatorach pri razrabotke programmy empiriceskogo sociologiceskogo issledovanija, S. 43—48. * Vgl. A. G. Zdravomyslov, Metodologija i procedura sociologiceskogo issledovanija, Moskva 1969, S. 60-100.

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In dieser Phase der soziologischen Forschung werden die wesentlichen in den Begriffen fixierten Eigenschaften und Beziehungen sozialer Sachverhalte und deren Determination durch die verschiedenen sozialen Wirkungsbedingungen genauer bestimmt und die Relationen der Ausgangsbegriffe zu anderen Elementen der theoretischen Ausgangsposition ermittelt. Im Rahmen der Begriffsbestimmung und -präzisierung erfolgt auch die empirische Interpretation der Begriffe, d. h. ihre operationale Bestimmung, indem der Inhalt der Ausgangsbegriffe mit den realen Tatsachen der sozialen Wirklichkeit verglichen wird. Dies ist der Prozeß zur Gewinnung definitorischer Indikatoren. Die empirische Interpretation der Begriffe ist eine wesentliche Voraussetzung für die Gewinnung empirischer Informationen durch adäquate Indikatoren. Die Resultate der empirischen Begriffsinterpretation sind Ergebnis des Übergangs von der theoretischen Ebene soziologischer Forschung zur empirischen Ebene. Dieser Prozeß geht einher mit der Ableitung empirischer Folgerungen aus den Forschungshypothesen. 5 Die Schlüsselstellung wissenschaftlicher Begriffe im soziologischen Forschungsprozeß ist unbestritten. So stellt beispielsweise W. Friedrich fest: „Am Anfang eines jeden Forschungsprozesses stehen Probleme, die in sprachlichen Ausdrücken mitgeteilt werden. Diese Probleme müssen analysiert, empirisch geprüft, schließlich theoretisch beantwortet werden." 6 Und er stellt dabei insbesondere die Rolle von Begriffen heraus: „Das Ziel besteht doch darin, für einen klar bestimmten Begriff (als Widerspiegelung eines Ausschnittes der objektiven Realität) eine repräsentative Stichprobe von Indikatoren zu finden, die eine wissenschaftlich begründete empirische Prüfung gestattet." 7 Trotz dieses prägnant begründeten Zusammenhangs zwischen theoretischer Ableitung von Indikatoren aus wohldefinierten Begriffen und empirischer Indikatorenprüfung überwiegt im praktischen Forschungsprozeß noch immer die empirische Indikatorengewinnung. Es ist daher V. Jadov unbedingt zuzustimmen, wenn er die Klärung der Grundbegriffe und deren empirische Interpretation als wesentlich für die Indikatorengewinnung betrachtet: „Den Vergleich des Inhalts allgemeiner Begriffe mit den realen Fakten der sozialen Wirklichkeit bezeichnet man als empirische Interpretation der Begriffe durch deren operationale Bestimmung, das heißt die Angabe von Verfahrensregeln, mit deren Hilfe die entsprechenden zum Inhalt des Begriffs gehörenden konkreten Fakten fixiert werden. In der konkreten soziologischen Forschung ist eine solche Gegenüberstellung absolut notwendig, denn 5

6

7

Vgl. H. Berger/H. Jetzschmann, Der soziologische Forschungsprozeß, in: Autorenkollektiv, Grundlagen der marxistisch-leninistischen Soziologie, hg. von G. Aßmann/R. Stollberg, Berlin 1977, S. 75/76. W. Friedrich, Einige Probleme der gesellschaftswissenschaftlichen Forschung, in: Zum Verhältnis von individuellem und gesellschaftlichem Erkenntnisprozeß, Autorenkollektiv, Berlin 1974, S. 78. Ebenda, S. 79.

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im entgegengesetzten Fall finden wir keinen Zugang zur Praxis und sind gezwungen, uns in der Sphäre abstrakter Definitionen zu bewegen."8 In einem anderen Zusammenhang bezeichnet Jadov den Begriffsapparat als Bindeglied zwischen der theoretischen Konzeption und der empirischen Basis.9 Die besondere Rolle soziologischer Begriffe, als Ausgangspunkt empirisch-soziologischer Forschung, betont auch S. Michailov: „Insofern die empirische soziologische Forschung ihr Ziel in der Sammlung von Informationen für erkundende und praktische Probleme sieht, ist dieses nicht ohne die Aufbereitung soziologischer Begriffe möglich. Es ist notwendig, eine mehr oder weniger direkte Verbindung zwischen den gegebenen individuellen Informationen und ihrer Auswertung, die in Begriffen erfolgt, die zu einer bestimmten Stufe des soziologisch theoretischen Wissens gehören, herzustellen. Gerade dieser Prozeß stellt den notwendigen Rahmen begrifflicher und empirischer Indikatoren dar." 10 Michailov versteht unter begrifflichen Indikatoren Begriffe mit unterschiedlichem Abstraktionsniveau, die den Prozeß der Annäherung an die empirische Ebene gewährleisten helfen: „Die begrifflichen Indikatoren der ersten Stufe erläutern und konkretisieren bestimmte Grundbegriffe. Die Gesamtheit der begrifflichen Indikatoren charakterisiert die Grundbegriffe ziemlich eindeutig . . . Endergebnis des Prozesses zur Konkretisierung der Grundbegriffe, des Durchlaufes durch eine entsprechende Stufe der begrifflichen Indikatoren, sind solche Begriffe, deren Äußerung eine empirische Erfassung ermöglicht."11 Die Umsetzung soziologischer Begriffe in Indikatoren ist nicht nur eine notwendige Prozedur empirisch-soziologischer Forschung, sondern trägt nicht selten zur Erweiterung und Modifizierung des theoretischen Ausgangswissens bei. Wesentlich ist vor allem, daß Indikatoren einerseits durch wissenschaftliche Begriffe definiert sein müssen und andererseits so formuliert werden müssen, daß sie in der Lage sind, singuläre Informationen über die soziale Wirklichkeit zu vermitteln, deren Aggregation und Verallgemeinerung neue theoretische Erkenntnisse über das Untersuchungsobjekt und seine Wirkungsbedingungen gestattet. Die Verwendung von Begriffen als Grundlage der Indikatorengewinnung schließt die Beachtung einer Reihe erkenntnistheoretischer Aspekte ein. Zum einen sind wissenschaftliche Begriffe als Resultat des Abstrahierens von realen Objekten zu betrachten; in den Begriffen existieren gewissermaßen ideale Objekte.12 Zum 8

9

10

11 12

W. A. Jadow/W. P. Roschin/A. G. Sdrawomyslow, Der Mensch und seine Arbeit, Berlin 1971, S. 27. Vgl. W. A. Jadow, Die Leninsche Methode in der soziologischen Forschung, in: Soziologie in der Sowjetunion. Ausgewählte Beiträge, Berlin 1971, S. 45 (Schriftenreihe „Soziologie"). S. Michailov, O ponjatijnych i empiriceskich indikatorach pri razrabotke programmy empiriceskogo sociologiceskogo issledovanija, in: Voprosy filosofli, 7/1973, S. 48. Ebenda, S. 46. Vgl. P. W. Kopnin/M. W. Popowitsch, Logik der wissenschaftlichen Forschung, Berlin 1969, S. 96.

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anderen ist zu berücksichtigen, daß jeder Begriff in Beziehung zu anderen Begriffen steht und wissenschaftliche Begriffe Bestandteile einer Theorie sind, die insgesamt systematisch geordnete Gesetzesaussagen über ein Objekt, seine Wirkungs- und Funktionsweise und seine Entwicklungstendenzen umfaßt. Diese theoretische Einbettung jedes Begriffs ist auch die Basis für die theoretische Begründung der Indikatoren. Die Konzeption des logischen Empirismus, den Begriff als selbständiges isoliertes Element zu betrachten, das in seine einzelnen Bestandteile zu zerlegen ist, kann als gescheitert angesehen werden. 13 Der Begriff wird vom logischen Empirismus als rein subjektives Produkt verstanden, dem die materiellen Entsprechungen erst nachträglich zugeordnet werden. Gegen die Auffassungen von einer isolierten Daseinsweise der Begriffe trat bereits Lenin auf: „Jeder Begriff befindet sich in einer bestimmten Beziehung, in einem bestimmten Zusammenhang mit allen übrigen." 14 Die Beziehungen zwischen den Begriffen zeigen sich in den Definitionen; außerhalb dieser Beziehungen können wissenschaftliche Begriffe nicht existieren: „Was heißt etwas definieren? Es heißt vor allem einen gegebenen Begriff auf einen anderen, umfassenderen zurückführen." 15 Begriffsbildung durch Definieren bedeutet die Herstellung von Beziehungen zu dem Gattungsmerkmal, welches das Allgemeine und Wesentliche des entsprechenden Sachverhalts widerspiegelt. Auf die Spezifik des zu definierenden Sachverhalts verweist der artbildende Unterschied, der die besonderen Eigenschaften und Merkmale jedes Sachverhalts fixiert. Definitionsformen, die sowohl Gattungsmerkmale als auch artbildende Unterschiede enthalten, reflektieren das Allgemeine und Besondere in den sozialen Erscheinungen und Prozessen. Dies gilt insbesondere für die soziologischen Ausgangs- bzw. Grundbegriffe empirisch-soziologischer Forschung. Aber auch bei der Definition von Indikatoren gilt das gleiche methodologische Herangehen — freilich nehmen Gattungsmerkmale und artbildende Unterschiede bei empirischen Begriffen und Indikatoren konkreter Formen an. Bei Definitionen der den Indikatoren zugrunde liegenden Ausgangsbegriffe der empirisch-soziologischen Forschung sind vor allem folgende Prinzipien der dialektischen Methode zu berücksichtigen: 1. Die Definition muß den jeweiligen Sachverhalt möglichst allseitig erfassen. Mit der Erfassung aller wesentlichen Merkmale, die den Inhalt des entsprechenden Begriffs ausmachen, soll die Vielfalt aller Seiten, Zusammenhänge und Vermittlungen aufgespürt werden und einseitigen Verabsolutierungen begegnet werden. 2. Die Definition muß die Veränderung und Entwicklung der sozialen Sachverhalte berücksichtigen. Die sozialen Sachverhalte sind daher in ihrer strukturellen

13 14 15

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Vgl. G. Klaus, Semiotik und Erkenntnistheorie, Berlin 1969, S. 111—114. W. I. Lenin, Konspekt zur „Wissenschaft der Logik", in: Werke, Bd. 38, Berlin 1964, S. 187. W. I. Lenin, Die Erkenntnistheorie des dialektischen Materialismus und des Empiriokritizismus, in: Werke, Bd. 14, Berlin 1964.

und historischen Einordnung in gesellschaftliche Entwicklungsprozesse zu bestimmen, dies impliziert, die Widersprüchlichkeit der Entwicklung aufzuspüren. 3. In die Definition muß die gesellschaftliche Praxis als entscheidendes Wahrheitskriterium und Grunddeterminante des betreffenden Sachverhaltes eingehen. „Allen wissenschaftlichen Definitionen liegt die Verallgemeinerung der menschlichen Praxis zugrunde, die die Beziehung eines gegebenen Gegenstandes, seiner verschiedenen Seiten und Eigenschaften mit dem herstellt, was der Mensch braucht: Diese oder jene Definition nimmt abhängig von den historischen Bedingungen und praktischen Bedürfnissen der Menschen, den ersten Platz als die wesentlichste, wichtigste ein." 16 Zur Erfüllung dieser Anforderungen tragen strukturelle, historische und inhaltliche Begriffsanalysen bei. Diese Analyse kann nicht außerhalb der jeweiligen Theorie für den zu untersuchenden sozialen Objektbereich erfolgen. Sozialstrukturelle Begriffsbildungen beispielsweise müssen von den gründlichen Erkenntnissen der Sozialstrukturtheorie ausgehen. Wesentliche Hilfestellung in diesem Stadium empirisch-soziologischer Forschung leistet eine gründliche Analyse jener Begriffe und Indikatoren, die bereits bei empirischen Untersuchungen verwendet worden sind. Bereits die Sammlung, Sichtung, Gruppierung und Systematisierung bisher benutzter Indikatoren zum jeweiligen Sachverhalt und die Analyse ihres Informationsgehaltes unterstützt die Präzisierung der Ausgangsbegriffe, hilft diese in ihren vielfaltigen Beziehungen erschließen. Im Prozeß der Indikatorengewinnung gilt es, stets die Relation von Begriff und abgebildetem Objekt zu beachten. Friedrich Engels stellt dazu fest: „ . . . der Begriff einer Sache und ihre Wirklichkeit, laufen nebeneinander wie zwei Asymptoten, sich stets einander nähernd und doch nie zusammentreffend. Dieser Unterschied beider ist eben der Unterschied, der es macht, daß der Begriff nicht ohne weiteres, unmittelbar, schon die Realität, und die Realität nicht unmittelbar ihr eigner Begriff ist. Deswegen, daß ein Begriff die wesentliche Natur des Begriffs hat, daß er also nicht ohne weiteres prima facie sich mit der Realität deckt, aus der er erst abstrahiert werden mußte, deswegen ist er immer noch mehr als eine Fiktion . . ." 17 Natürlich gilt für alle Abbildungen sozialer Sachverhalte, daß Abbild und abgebildetes Objekt mehr oder weniger deckungsungleich sind. In Sonderheit gilt dies für Begriffe als verallgemeinernde und abstrahierende Abbildungsformen — diese Tatsache macht gerade den Einsatz von Indikatoren erforderlich. Während theoretische Begriffe Wesenszüge und Charakteristika der Objekte abbilden, die der empirischen Beobachtung nicht zugänglich sind wie Strukturtyp eines Objekts sowie Eigenschaften und Zusammenhänge dieser Struktur, 18 16 17 18

P. W. Kopnin, Dialektik, Logik, Erkenntnistheorie, a. a. O., S. 296. F. Engels, Brief an C. Schmidt vom 12. März 1895, in: MEW, Bd. 39, Berlin 1968, S. 431. Vgl. V. S. Svyrjew, Einige Fragen der logisch-methodologischen Analyse des Verhältnisses von theoretischer und empirischer Wissensebene, in: Studien zur Logik der wissenschaftlichen Erkenntnis, hg. von R. Kröber, Berlin 1967, S. 87.

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bilden Indikatoren empirisch beobachtbare Merkmale und Zusammenhänge dieser Objekte ab. In der empirisch-soziologischen Forschung bedienen wir uns. daher dreier Wissenschaftssprachen: der Beobachtungssprache (Indikatoren), der Sprache empirischer Konstruktionen (empirische Begriffe) und der Sprache theoretischer Konstruktionen (theoretische Begriffe und Aussagen).19 Das Resultat der Vorgehensweise in der empirisch-soziologischen Forschung, die von Begriffen mit höherem Abstraktionsgrad zu Begriffen mit niederem Abstraktionsgrad, von theoretischen zu empirischen Begriffen und von dort zu Indikatoren der empirischen Datenerhebung verläuft, ist ein hierarchisch gegliedertes Begriffsschema20. Der Charakter der Arbeit wird hier im engeren Sinne verstanden, d. h. als die Art der Tätigkeit, wie sie sich z. B. in der Relation zwischen körperlicher und geistiger Arbeit manifestiert (siehe Abbildung 2). Selbstverständlich können derartige Schemata nur im Ergebnis einer eingehenden Begriffsinterpretation entstehen und nur als Orientierungsrahmen gelten. Betrachtet man den Prozeß der Indikatorengewinnung unter logischen Gesichtspunkten, so stellen die entsprechenden Begriffe solcher Schemata diesen Prozeß nur punktuell dar. Die eigentliche Erkenntnis erfolgt in Form von Aussagen, deren Eigenschaften G. Klaus wie folgt kennzeichnet: „Die ursprünglichste Form der lebendigen

Grundbegriff

Begriffliche Indikatoren:

00


£ g 3 ^ ö j » o S ü o M I

Abbildung 2

19 20

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Vgl. V. A. Smirnow, Wissensebenen und Etappen des Erkenntnisprozesses, in: ebenda, S. 58. Vgl. S. Michailov, Empiriceskoe sociologiceskoe issledovanie, Moskva 1975, S. 122.

Widerspiegelung der Wirklichkeit ist die Aussage. Logisch gesehen setzt sich zwar eine Aussage aus Begriffen zusammen. Aber der Begriff war nicht etwa früher da als die Aussage." 21 Dieser Zusammenhang von Begriff und Aussage ist für die Informationsgewinnung mittels Indikatoren fundamental. Das Wesen eines Begriffs, seine konkrete Bestimmung wird in Aussagen gefaßt, und die Aussagen vermitteln letztendlich Begriff und empirisch konstatierbaren Sachverhalt. Aussagen bringen die Relation zwischen Indikator und Indikatum zum Ausdruck. Begriffe sind also im Prozeß der Indikatorengewinnung als Bestandteile der Theorie zu betrachten. Ihre Relationen zu anderen Bestandteilen (Aussagen, Urteilen etc.) gewährleisten, die Vielfalt der sozialen Wirklichkeit zu erschließen, die in der reinen semantischen Bedeutung der Begriffe nicht zum Ausdruck kommt. Im Unterschied zur isolierten Begriffsbetrachtung läßt sich bei dieser theoretischen Einbindung eine umfassendere und tiefere Begriffsanalyse vornehmen. Erstens läßt sich die Relation eines bestimmten Begriffs zu anderen Begriffen und weiteren Bestandteilen der theoretischen Konzeption klären. Bereits die Herstellung dieser Beziehungen führt zur näheren Bestimmung des Begriffs und zur Aufklärung der Verbindungen, Vermittlungen und Zusammenhänge, die durch die Forschung ermittelt werden sollen. Die theoretische Analyse ermöglicht somit eine erweiterte und umfassendere Betrachtung des Begriffs, führt zu einer präziseren Bestimmung der Intention und Extention des Begriffs. Damit werden einseitige Verabsolutierungen vermieden und ein tieferes Erfassen der im Begriff widergespiegelten sozialen Erscheinungen, Strukturen und Prozesse möglich. Zweitens ist es nur bei Beachtung dieser theoretischen Einbettung des Begriffs möglich zu entscheiden, welche Aspekte, Merkmale und Bedingungen der sozialen Erscheinungen, Prozesse und Strukturen entsprechend der Aufgabenstellung in der empirischen Forschung von Bedeutung sind. Ausgehend von der theoretischen Konzeption, erfolgt eine Einengung der zu untersuchenden Relationen, Merkmale und Bedingungen, und zwar in der Hinsicht, daß das Wesen des durch diese Relationen, Merkmale und Bedingungen geprägten Objekts erhellt werden kann. Im Gegensatz zum Reduktionismus der bürgerlichen positivistischen Soziologie §eht die marxistisch-leninistische Soziologie davon aus, daß die Bedeutung theoretischer Begriffe vor allem durch ihre Zusammenhänge mit anderen theoretischen Begriffen bestimmt wird und weniger durch ihren Bezug auf sogenannte „Beobachtungsprädikate". Ebenso wie soziale Sachverhalte nur in ihrem sozialen Determinationsbezug richtig erfaßt werden können, kann der theoretische Begriff nur im Zusammenhang mit dem gesamten für einen Sachverhalt relevanten System theoretischen Wissens adäquat charakterisiert werden. „Dieses System hängt natürlich mit dem empirischen Wissen zusammen, aber als Ganzes. Nicht jedes seiner Elemente, sondern nur einzelne seiner Punkte, die gleichsam .Repräsentanten' des gesamten Systems sind, besitzen eine eindeutige Entsprechung in der empirischen Ebene. Die übrigen 21

G. Klaus, Moderne Logik, a. a. O., S. 32.

7

Berger u. a., Indikatoren

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Elemente des Systems sind mit der empirischen Ebene indirekt, durch Punkte verbunden. Diese .Punkte' sind übrigens in der Regel theoretische Begriffe, welche über Merkmale verfügen, die auf die Bedingungen ihrer empirischen Anwendung hinweisen und einen empirisch feststellbaren Indikator des nichtbeobachtbaren .Wesens' angeben." 22 In diesem Zusammenhang ist es nötig, näher auf die Position des logischen Positivismus einzugehen. Die Vertreter des logischen Positivismus verstehen den Zusammenhang von theoretischem Wissen und empirischer Ebene nicht als Zusammenhang von Begriff und Wahrnehmung, nicht als Zusammenhang von Wesen und Erscheinung, sondern als logischen Zusammenhang innerhalb der Sprache. Demnach enthalten Kenntnisse höherer wie niederer „Ebenen" dieselben Informationen, lediglich in sprachlich unterschiedlicher Form. In beiden „Ebenen" sei „unmittelbar Gegebenes" enthalten. Die Spezifik von theoretischem und empirischem Wissen entsteht nach dieser Auffassung durch den Unterschied in der sprachlichen Form. Selbstredend, daß hier ein Theoriebegriff verwendet wird, der Gesetzesaussagen ausschließt. Die Unterscheidung in theoretisches und empirisches Wissen erscheint den Positivisten nützlich, weil in gekürzter Form eine große Menge empirischer Informationen zu erfassen ist. Gleichzeitig wird ein Nachteil darin gesehen, daß die Darstellung des Wissens in unterschiedlichen Ebenen zu ungenauen und falschen Aussagen führen kann. Aus diesem Grunde ist das Bestreben, vom „theoretischen Wissen" zum Wissen der „unmittelbaren Erfahrung" zu gelangen, stark ausgeprägt. Dieser Übergang soll durch die logische Analyse der sprachlichen Formen erfolgen. Die Konzeption führte zwar zu einer gewissen Bereicherung der Sprachwissenschaft, die eigentlich angestrebte Zielstellung, eine Brücke zwischen Theorie und Empirie zu schlagen, läßt sich auf diese Weise nicht realisieren. Als besonders engagierte Vertreter dieser Richtung traten die Vertreter des „Wiener Kreises" in Erscheinung. Trotz gewisser Verdienste bei der logischen Analyse der Wissenschaftssprache blieben sie in erkenntnistheoretischer Hinsicht der neopositivistischen Grundposition verhaftet. Theorie wird letztlich auf Wissenschaftslogik reduziert. 23 In der ersten Zeit ihres Wirkens gingen die Vertreter des Wiener Kreises um R. Carnap davon aus, daß jeder verwendete Begriff vollständig auf eine bestimmte Menge „empirisch Gegebenes" reduzierbar sei.24 Gewisse Ergebnisse der logischen Sprachanalyse wurden direkt auf philosophische Fragestellungen übertragen, ohne der Spezifik von Wahrnehmung und Begriffsbildung Rechnung zu tragen. Diese Richtung, auch als radikaler Reduktionismus bezeichnet, mußte nach praktischen Versuchen als gescheitert angesehen werden. Carnap ging deshalb 22

23 24

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V. S. Svyrjew, Einige Fragen der logisch-methodologischen Analyse des Verhältnisses von theoretischer und empirischer Wissensebene, in: Studien zur Logik der wissenschaftlichen Erkenntnis, hg. von R. Kröber, a. a. O., S. 89. Vgl. K. Popper, Logik der Forschung, Tübingen 1966, S. 229. Vgl. R. Carnap, Der logische Aufbau der Welt, Leipzig 1928.

von diesem extremen Standpunkt, daß Begriffe durch explizite Definitionen vollständig auf „Beobachtungsprädikate" reduzierbar seien, ab und suchte einen Ausweg, indem er Reduktionssätze auf Beobachtungsprädikate zurückführte. Der Mangel dieser Versuche besteht darin, daß jeweils entsprechende Reduktionssätze eingeführt werden, die zwar die Unbestimmtheit der Bedeutung von Begriffen verringern, aber mit den Problem verbunden sind, daß entsprechend der unendlichen Menge von Situationen es unmöglich ist, alle Situationen zu erfassen. Reduktionssätze gestatten also nur eine teilweise und für bestimmte vereinzelte Situationen (Bedingungen) zutreffende Definition der Begriffe. Dieses Eingeständnis von Carnap kann als ein Abweichen vom Reduktionismus gewertet werden, der aber noch nicht völlig überwunden ist. Die moderne Wissenschaftslogik geht davon aus, „daß ein wissenschaftlicher Begriff einen solchen Inhalt hat, der prinzipiell nicht auf eine Abhängigkeit zwischen Charakteristika der Beobachtungsebene reduziert werden kann". 25 Der Inhalt wissenschaftlicher Begriffe, deren Bedeutung sich durch Reduktionssätze partiell definieren läßt, kann nicht auf eine endliche Anzahl empirischer Abhängigkeiten zwischen bestimmten experimentellen Situationen und deren Resultaten reduziert werden. Vor allem muß das erkenntnistheoretische Wesen des Begriffs (Abstraktion) Beachtung finden. Engels wies bereits in der Auseinandersetzung mit dem Empirismus seiner Zeit auf die Bedeutung der Abstraktion hin: „Erst macht man Abstraktionen von den sinnlichen Dingen, und dann will man sie sinnlich erkennen, die Zeit sehn und den Raum riechen. Der Empiriker vertieft sich so sehr in die Gewohnheit des empirischen Erfahrens, daß er sich noch auf dem Gebiet des sinnlichen Erfahrens glaubt, wenn er mit Abstraktionen hantiert." 26 Fassen wir zusammen: Die Besonderheit des Begriffs als verallgemeinernde und abstrahierende Widerspiegelungsform der Wirklichkeit macht es also unmöglich, den Inhalt eines Begriffs vollständig in eine endliche Zahl von Indikatoren zu übersetzen; nicht jedes Element des theoretischen Wissens ist unmittelbar mit den Indikatoren verbunden. Die empirische Interpretation der theoretischen Begriffe ist deshalb notwendigerweise eine teilweise bzw. unvollständige Interpretation. Sie wird ergänzt durch vermittelte Interpretationen, durch logische Verbindungen der Begriffe mit den empirisch interpretierten Termini. Die operationalen Bestimmungen bzw. Indikatoren bedürfen daher in jedem Falle der theoretischen Begründung, um als Repräsentanten begrifflich fixierter theoretischer Konzeptionen der Forschung auftreten zu können. Die Realisierung dieser Aufgabenstellung ist mit einer möglichst umfassenden Charakterisierung der Begriffe verbunden. G. M. Andrejewa spricht in diesem Zusammenhang von der Errichtung eines „Netzes" oder Verzeichnisses der Charakteristika des Untersu25

26

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V. S. Svyrjew, Einige Fragen der logisch-methodologischen Analyse des Verhältnisses von theoretischer und empirischer Wissensebene, in: Studien zur Logik der wissenschaftlichen Erkenntnis, hg. von R. Kröber, a. a. O., S. 87. F. Engels, Dialektik der Natur, in: MEW, Bd. 20, Berlin 1971, S. 502.

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chungsobjektes als Voraussetzung für die Indikatorengewinnung. 27 Die Lösung des Problems besteht demzufolge nicht in der Aufgliederung.einzelner Begriffe in Indikatorenbatterien, sondern in der Entwicklung eines theoretischen Modells, dem die Indikatoren des zu beschreibenden bzw. messenden Objektes zugeordnet werden. Die Konstruktion eines derartigen Modells schließt die Bestimmung der wesentlichen Merkmale des Objekts und die diesen Merkmalen entsprechenden empirischen Repräsentaten (Indikatoren) ein. Die Relevanz und Signifikanz der Indikatoren wird zunächst durch dieses Modell bestimmt. Selbstverständlich bedürfen die Indikatoren danach der empirischen Überprüfung. Diese Prozedur wird im folgenden Abschnitt näher untersucht. Voraussetzung für die empirische Gewinnung und Prüfung der Indikatoren indessen ist die theoretische Begriffsanalyse und die damit verbundene empirische Interpretation der Begriffe. Innerhalb der theoretischen Begriffsanalyse lassen sich folgende Stufen unterscheiden: 1. Einordnung des Begriffs in die soziologische Theorie, 2. historische Analyse des Begriffs, 3. strukturell-dimensionale Analyse des Begriffs, 4. inhaltliche Analyse des Begriffs. Durch diese Prozedur wird, ausgehend von einer präzisen Begriffsdefinition, die Konkretisierung der Begriffe vorgenommen. Zunächst erfolgt im Modell die Darstellung der Verbindungen zu grundlegenden Aussagen der soziologischen Theorie. Als Resultat entsteht das Programm der Untersuchung, welches gesicherte Aussagen, Hypothesen und ein hierarchisch gegliedertes Begriffssystem einschließt. Untersucht man beispielsweise die gesellschaftspolitische Aktivität, sind zunächst die Relationen zum politischen Verhalten allgemein zu verdeutlichen und das politische Verhalten zu anderen Formen des menschlichen Verhaltens (Produktionsverhalten, Kulturverhalten, Verhalten im Privatleben etc.) in Beziehung zu setzen. Sodann sind Elemente gleicher Ebene aufzuspüren wie politische Meinung, Motive politischer Meinungen und Aktivitäten und Attitüden. Die historische Analyse der Begriffe offenbart deren Veränderlichkeit. Das politische Verhalten hat z. B. in der Periode der Machtübernahme durch die Arbeiterklasse einen anderen Inhalt als in der Periode der sozialistischen Revolution. Die historische Analyse der Begriffe entspricht den Prinzipien des dialektischen und historischen Materialismus, stets historisch-konkret an die Analyse der sozialen Wirklichkeit heranzugehen. Die gesellschaftlichen Wandlungen müssen sich in den entsprechenden Begriffen manifestieren. Die strukturell-dimensionale Analyse der Begriffe umfaßt die Bestimmung ihrer Bestandteile. Gleichzeitig erfolgt die Ermittlung der Relationen und Wechselbeziehungen der einzelnen Bestandteile der Begriffe, damit die unterschiedlichen Dimensionen erkannt werden können. Es wird die innere Determiniertheit der Begriffe analysiert und damit ein

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Vgl. G. M. Andrejewa, Präzisierung der Begriffe, in: Jugendforschung — methodologische Grundlagen, Methoden und Techniken, hg. von W. Friedrich/W. Hennig, Berlin 1976, S. 61.

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Schritt von höheren zu niederen Abstraktionen getan, der Übergang von Begriffen der theoretischen Ebene zu Begriffen der empirischen Ebene vorbereitet. So gliedert beispielsweise Molnär den Begriff „gesellschaftlich-politische Aktivität" in folgende Bestandteile, die seine Dimensionen darstellen: Zugehörigkeit zu politischen und gesellschaftlichen Organisationen, tatsächlich geleistete Arbeit in diesen Organisationen, auf Versammlungen gezeigte Aktivitäten, Aktivitäten bei der Informationsaufnahme, Teilnahme an gesellschaftspolitischen Aktionen usw. Andere Autoren fassen den Begriff der gesellschaftlich-politischen Aktivität in einem teilweise erweiterten Sinne. Ein von V. N. Ivanov entwickeltes Kennziffernsystem der gesellschaftlich-politischen Aktivität enthält beispielsweise folgende Bestandteile: „— Teilnahme an den Wahlen der Machtorgane (Arbeit in Wahlkommissionen, Arbeit als Agitator, Teilnahme bei Abstimmungen usw.); — Teilnahme an der Arbeit gewählter Machtorgane (in den Sowjets aller Grade, in den Kommissionen bei den Sowjets, den Organen der Volkskontrolle usw.); — Teilnahme an der Erörterung von Projekten gesamtstaatlicher Gesetze und anderer Beschlüsse; — Teilnahme an der Arbeit gesellschaftlicher Organisationen (Partei, Gewerkschaft, Komsomol); — Teilnahme an den gesellschaftlichen Organen der Leitung der Produktion (ständige Produktionsberatung, Arbeiterversammlungen, Konferenzen usw.)" 28 Nicht selten erweist sich eine weitere Zerlegung der einzelnen Dimensionen in ihre Bestandteile als notwendig. Sie werden als Unterdimensionen bzw. Dimensionen zweiter, dritter, n-ter Ebene bezeichnet (siehe Abbildung 3).29 Die inhaltliche Analyse des Begriffs realisiert die Untergliederung der Dimensionen des Begriffs in einzelne Faktoren, Elemente bzw. Merkmale, die der empirischen Erfassung zugänglich sind. Als Ergebnis der inhaltlichen Begriffsanalyse werden die Indikatoren bestimmt. Diese Phase ist wohl die wichtigste und schwierigste im Prozeß der Indikatorengewinnung, weil nunmehr der unmittelbare Bezug zur Vielfalt der sozialen Erscheinungen des Untersuchungsobjektes, seiner Determinationsebenen und Wirkungsbedingungen hergestellt wird. Besonders bei komplexen sozialen Sachverhalten ist, ausgehend von der Bestimmung aller wesentlichen Merkmalsdimensionen, eine hinreichend große Anzahl von Indikatoren zu erarbeiten, die jene Merkmalsdimensionen adäquat widerspiegeln. Mitunter sind diese Merkmalsdimensionen durch mehrere parallele Indikatoren abzusichern. 28

29

V. N. Ivanov, K voprosu o sisteme pokazatelej obsestvenno-politiöeskoj aktivnosti mass, in: Sociologiceskie Issledovania, 3/1978, S. 74. L. Molnär, Die Übersetzung theoretischer Kategorien der Soziologie in die Sprache der Empirie, in: Soziologie im Sozialismus. Materialien der „Tage der marxistisch-leninistischen Soziologie in der DDR", Berlin 1970, S. 448—450 (Schriftenreihe „Soziologie").

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allgemeine menschliche Tätigkeit und Verhalten

politisches Verhalten (als Verhältnis zum Gesellschaftssystem, zu den polit. Erscheinungen)

gesellschaftlichpolitische Aktivität

politische Meinung

Motiv der Meinung und der Aktivität

Attitüde

Zugehörigkeit zu polit. und gesellschaftl. Organisationen

In gesellschaftl. u. polit. Organisationen tatsächlich geleistete freiwillige Arbeit

auf Versammlungen gezeigte Aktivität

Einschaltung in den Fluß des Informationsstromes

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§ S 3 8 • ' i l ä S S S ^ Q Ç - S «1 t"i IA ^ gleichen Typs (wobei A bzw. B Mengen empirischer bzw. numerischer Objekte und die Ri bzw. Sj empirisch beobachtbare oder numerische Relationen zwischen Elementen der jeweiligen Mengen sind. Der T y p eines Relativs ist das geordnete Tupel der Stelligkeiten der Relationen). Sei Rt eine «-stellige Relation a u f A und Si eine n-stellige Relation auf B, dann heißt