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German Pages 295 [296] Year 2013
Molitor/Hild Immobilien in der Insolvenzrechtspraxis
Immobilien in der Insolvenzrechtspraxis 2014
herausgegeben von: Rechtsanwalt Michael Molitor, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Neu-Isenburg Rechtsanwalt Dr. Thilo L. Hild, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Frankfurt/Main bearbeitet von: Rechtsanwalt Friedrich Birnbreier, Frankfurt/Main Rechtsanwältin Katja Bosold, Hannover Rechtsanwältin Sabine Burges, Frankfurt/Main Rechtsanwalt Alexander Fleischmann, Neu-Isenburg Rechtsanwalt Florian Haase, Neu-Isenburg Steuerberater Roland Montague, München Leander Paries, LL.M., Frankfurt/Main Dipl.-Kauffrau Conny Prasser, Dipl.-Rechtspflegerin (FH), Dresden Rechtsanwalt Dr. Alexander Scheike, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Hannover Rechtsanwalt Dr. Richard Scholz, LL.M., Fachanwalt für Steuerrecht und Insolvenzrecht, Frankfurt/Main Prof. Dr. Christiane Seidel, Aschaffenburg
RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH Köln
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Vorwort Der Immobilienmarkt in Deutschland brummt, die Schlagzeilen werden von großen Transaktionen geprägt und leicht vergisst man dabei, dass eine Finanzierung, sei es eine selbstbewohnte Immobilie, eine Geldanlage oder eine Großinvestition, auch in Schieflage geraten kann. Ursächlich hierfür sind – in den heutigen Zeiten fast schon üblich – ambitionierte Fremdfinanzierungen mit wenig oder keinem Eigenkapital, aber auch die Einbringung einer Immobilie als Sicherheit, zum Beispiel zur Unternehmensfinanzierung, birgt Gefahren, die man leicht übersieht. Das Bewusstsein dafür, dass der Immobilienerwerb mit Risiken behaftet sein kann, hat sich insbesondere durch die großen Transaktionen mit notleidenden Immobilienforderungen, sog. “Non-Performing-Loans”, in den letzten Jahren deutlich gesteigert. Überraschend ist dann aber, dass die Immobilie in der Insolvenz oftmals ein Schattendasein führt. Die erheblichen Chancen – gerade im augenblicklichen Marktumfeld – für Insolvenzschuldner und Gläubiger werden so vielfach nicht ausreichend genutzt, nicht zuletzt weil das notwendige Spezialwissen sowie eine entsprechende Sensibilisierung nicht vorhanden sind. Diesem Mangel will die vorliegende Publikation abhelfen und sie tut es in vorbildlicher Weise. Nach themenübergreifenden Darstellungen über die Immobilie in der Insolvenz und Insolvenzgründen im Zusammenhang mit Immobilientransaktionen werden alle Spezialfragen von Miete/Pacht, über Finanzierungen, die Behandlung im Insolvenzplanverfahren, Anfechtungsrisiken bis zur Abund Aussonderung behandelt. Besonders hervorzuheben ist die ausführliche Darstellung der Verwertungschancen, die eben nicht nur auf die Zwangsversteigerung beschränkt ist, sondern auch die (Weiter-)Entwicklung der Immobilie durch eine aktive Verwaltung sowie den in aller Regel sinnvolleren freihändigen Verkauf zum Inhalt hat. Denn man sollte nicht vergessen, dass das Zwangsvollstreckungsgesetz (ZVG) – im Gegensatz zu der in ständiger Veränderung befindlichen und gerade erst novellierten InsO – seit fast 100 Jahren nahezu unverändert ist. Alle Reformbemühungen sind bis heute am ZVG abgeprallt und die Erlöse von Zwangsversteigerungen sind meist frustrierend. Insgesamt liegt damit ein Buch vor, das sich im besten Sinne an alle Praktiker wendet, die mit Immobilien in der Insolvenz zu tun haben. Dieser umfassende Ansatz spiegelt sich nicht zuletzt in dem beruflichen Hintergrund der beiden Herausgeber, Michael Molitor von der VR Recht, der vor allem die Bankensicht einbringt – Banken sind üblicherweise die Geldgeber für Immobilien und insoweit auch immer in der Insolvenz betroffen –, sowie Dr. Thilo Hild, ein erfahrener Insolvenzverwalter aus der Sozietät Kübler, der sich bereits seit Jahren auf die wertorientierte Verwertung von Immobilien spezialisiert hat, wider.
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Vorwort
Man kann dem Buch nur viele Leser wünschen, um so das Bewusstsein für die Chancen einer wertorientierten und kreativen Behandlung der Immobilie in der Insolvenz zu erhöhen. Frankfurt am Main, im November 2013
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Prof. Dr. Christoph Schalast
Inhaltsverzeichnis Rn.
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Vorwort ................................................................................................................ V Literaturverzeichnis ....................................................................................... XXI A. Die Immobilie in der Insolvenz – Rechtsgrundlagen in der Insolvenzordnung ......................................................................... 1 ............ 1 I. Die Immobilie in der Insolvenz .................................................... 1 ............ 1 II. Immobilienbezogene Rechtsgrundlagen in der Insolvenzordnung .......................................................................... 7 1. § 32 InsO – Grundbuch .......................................................... 8 2. § 35 InsO – Begriff der Insolvenzmasse ............................... 10 3. § 49 InsO – Abgesonderte Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen ............................................... 12 4. § 108 InsO – Fortbestehen bestimmter Dauerschuldverhältnisse ............................................................................. 15 5. § 109 InsO – Schuldner als Mieter oder Pächter ................. 17 6. § 110 InsO – Schuldner als Vermieter oder Verpächter ...... 20 7. § 111 InsO – Veräußerung des Miet- oder Pachtobjektes .................................................................................. 23 8. § 112 InsO – Kündigungssperre ........................................... 24 9. § 160 InsO – Besonders bedeutsame Rechtshandlungen .... 25 10. § 165 InsO – Verwertung unbeweglicher Gegenstände ...... 27 11. § 313 InsO – Treuhänder ...................................................... 28 12. § 346 InsO – Grundbuch ...................................................... 33
............ 2 ............ 3 ............ 3 ............ 4 ............ 5 ............ 6 ............ 6 ............ 7 ............ 8 ............ 9 ............ 9 .......... 10 .......... 11
B. Insolvenzgründe im Zusammenhang mit Immobilientransaktionen .......................................................... 34 .......... 13 I. Insolvenzgründe ........................................................................... 41 1. Zahlungsunfähigkeit .............................................................. 43 a) Beurteilung eingetretener oder drohender Zahlungsunfähigkeit bei Unternehmen ......................................... 44 b) Grundlagen zur Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit .... 45 c) Problem: Investitionsausgaben (CAPEX) ..................... 46 2. Überschuldung ....................................................................... 48 a) Maßgeblichkeit des Verkehrswerts für eine bilanzielle Überschuldung ............................................... 49
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VII
Inhaltsverzeichnis Rn.
b) Keine Überschuldung bei positiver Fortführungsprognose .......................................................................... aa) Ausreichender Cash-Flow ..................................... bb) Fortbestehensprognose bei ungenügendem LTV ......................................................................... cc) Fortbestehensprognose bei zu geringem Cash-Flow .............................................................. 3. Maßnahmen zur Beseitigung von Insolvenzgründen .......... a) Stillhaltevereinbarung ..................................................... b) Forderungsverzicht ......................................................... c) Rangrücktritt ................................................................... II. Insolvenzantragstellung .............................................................. 1. Die Beteiligten und ihre jeweilige Strategie ......................... a) Kreditgeber und Sicherheitentreuhänder ....................... b) Kreditnehmer .................................................................. 2. Der Gläubigerantrag und seine Erfordernisse ..................... a) Glaubhaftmachung der Forderungsinhaberschaft ........ b) Darlegung der Legitimationskette ................................. c) Glaubhaftmachung der fälligen Forderung ................... d) Glaubhaftmachung von Insolvenzgründen ................... aa) Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit ....... bb) Glaubhaftmachung der Überschuldung ................ cc) Rechtsschutzbedürfnis bei Zahlungsunfähigkeit, aber keiner Überschuldung .................................... dd) Rechtsschutzbedürfnis bei ausreichender Besicherung ............................................................. 3. Der Schuldnerantrag und seine Anforderungen .................. a) Anforderungen nach § 13 InsO ..................................... b) Antrag auf Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses ...................................................................... 4. Wahrung der Gläubigerrechte durch Schutzschrift ............ 5. Zuständiges Insolvenzgericht ...............................................
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51 .......... 17 54 .......... 18 56 .......... 19 58 60 61 65 68
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C. Immobilienkauf und Insolvenz ................................................ 99 .......... 29 I. Das Schicksal des Immobilienkaufvertrages in der Insolvenz .................................................................................... 100 .......... 29 1. Vorläufiges Verfahren über das Vermögen des Käufers ................................................................................. 110 .......... 31 2. Eröffnung des Insolvenzverfahrens bezüglich des Käufers ................................................................................. 122 .......... 34
VIII
Inhaltsverzeichnis Rn.
3. Vorläufiges Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verkäufers ...................................................................... 130 4. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verkäufers ...................................................................... 133 5. Mehrheit von Käufern/Verkäufern ..................................... 139 6. Besonderheiten GbR und GmbH als Käufer/Verkäufer ... 141 7. Vormerkung und Insolvenz ................................................ 143 8. Vollmacht (Notar) und Insolvenz ...................................... 146 9. Grundbuch und Insolvenz .................................................. 148 II. Immobilienfinanzierung/Schicksal des Darlehensvertrages in der Insolvenz .......................................................................... 153 1. Grundlagen zum Immobilienkauf und zur Finanzierung ........................................................................ 153 2. Insolvenz des Käufers .......................................................... 157 3. Insolvenz des Verkäufers .................................................... 159 4. Insolvenz des Darlehensgebers ........................................... 161 5. Insolvenz des Drittsicherungsgebers .................................. 164
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.......... 37 .......... 38 .......... 40 .......... 40 .......... 41 .......... 42 .......... 42
.......... 44 .......... 44 .......... 45 .......... 46 .......... 46 .......... 47
III. Forderungsverkauf und Grundschuldabtretung (als Kaufsurrogat) in der Insolvenz .......................................... 165 .......... 48 D. Insolvenz und Miete/Pacht ...................................................... 167 .......... 49 I. Einführung ................................................................................. 167 .......... 49 II. Anwendungsbereich ................................................................... 169 1. Mietverhältnis ...................................................................... 169 2. Pachtverhältnis ..................................................................... 172 3. Andere Schuldverhältnisse .................................................. 175 4. Abgrenzung zu beweglichen Sachen ................................... 178
.......... 49 .......... 49 .......... 50 .......... 50 .......... 51
III. Fortbestehen des Schuldverhältnisses nach § 108 Abs. 1 InsO ...................................................................... 180 .......... 51 IV. Insolvenz des Mieters ................................................................ 184 1. Nach Gebrauchsüberlassung (§ 109 Abs. 1 InsO) ............ 185 a) Kündigungssperre des § 112 InsO ................................ 185 b) Auflösungsklauseln ....................................................... 190 c) Kündigungsrecht nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO ........ 194 d) Abwicklung nach Kündigung ....................................... 197
.......... 53 .......... 53 .......... 53 .......... 54 .......... 55 .......... 56
IX
Inhaltsverzeichnis Rn.
e) Sonderregelung für Schuldnerwohnung (§ 109 Abs. 1 Satz 2 InsO) ........................................... f) Vermieterpfandrecht als Absonderungsrecht .............. aa) Ausgangslage ........................................................ bb) Entstehen und Umfang des Vermieterpfandrechts ........................................................... cc) Anfechtbarkeit des Vermieterpfandrechts .......... dd) Verhältnis zu anderen Sicherungsnehmern ......... ee) Auskunftspflicht des Verwalters ......................... ff) Verwertung des Pfandgutes ................................. 2. Vor Gebrauchsüberlassung (§ 109 Abs. 2 InsO) .............. V. Insolvenz des Vermieters .......................................................... 1. Ausgangslage ....................................................................... 2. Kein besonderes Kündigungsrecht ..................................... 3. Vorausverfügungen (§ 110 InsO) ...................................... 4. Veräußerung der Immobilie (§ 111 InsO) ......................... 5. Vermieterpflichten als Masseverbindlichkeit ..................... 6. Mietsicherheiten ..................................................................
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200 .......... 57 206 .......... 59 206 .......... 59 208 214 215 218 219 221
.......... .......... .......... .......... .......... ..........
60 61 61 62 62 63
227 228 231 234 241 249 253
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64 64 66 66 68 69 70
E. Immobilienfinanzierungen ..................................................... 261 .......... 73 I. Erscheinungsformen der Immobilienfinanzierung .................. 1. Abgrenzung zu Blanko-, Personal- und Realkredit .......... 2. Beleihungsgrenzen .............................................................. 3. Immobilienfinanzierung gewerblich .................................. 4. Immobilienfinanzierung Verbraucher ................................ 5. Mezzanine Finanzierung ..................................................... 6. Strukturierte Finanzierung ................................................. a) Immobiliengesellschaft (SPE) ...................................... b) Treuhänder .................................................................... c) Loan Market Association (LMA Standard) ................. 7. Konsortialfinanzierung ....................................................... a) Echte und unechte Konsortialfinanzierung ................. b) Außen- und Innenkonsortium ..................................... c) Konsortialvertrag, Konsortialkredit und Sicherungsverträge ........................................................ 8. Finanzierung von Immobilienfonds ................................... 9. Darlehen und Insolvenz ...................................................... a) Insolvenzantrag des Darlehensnehmers ...................... b) Vorläufiges Insolvenzverfahren über das Vermögen des Darlehensnehmers ..................................................
X
261 262 263 269 271 295 299 301 303 306 307 308 309
.......... .......... .......... .......... .......... .......... .......... .......... .......... .......... .......... .......... ..........
73 73 73 74 74 78 78 78 79 79 80 80 80
311 314 316 316
.......... .......... .......... ..........
80 81 81 81
317 .......... 81
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
c) Insolvenz des Darlehensnehmers ................................. 319 .......... 82 d) Mezzaninedarlehen in der Insolvenz ............................ 321 .......... 82 II. Kündigung von Immobilienfinanzierungen ............................. 326 1. Kündigung durch Darlehensnehmer .................................. 326 a) Ordentliche Kündigung durch Darlehensnehmer ....... 326 b) Außerordentliche Kündigung durch Darlehensnehmer ............................................................................ 327 2. Kündigung durch Darlehensgeber ...................................... 334 a) Kündigungsgründe ........................................................ 337 aa) Vermögensverschlechterung ................................ 338 bb) Sicherheitenverschlechterung ............................... 340 cc) Nichtvorlage der 18-KWG Unterlagen ............... 342 dd) Weitere Kündigungsgründe ................................. 346 b) Besonderheiten bei Verbraucherdarlehen .................... 348 aa) Verzug ................................................................... 349 bb) Mahnung ................................................................ 352 c) Verwirkung der Kündigung .......................................... 359 3. Kündigung mehrerer Darlehen ........................................... 361 4. Teilkündigung von Darlehen .............................................. 362
.......... 83 .......... 84 .......... 84 .......... 85 .......... 85 .......... 85 .......... 86 .......... 86 .......... 86 .......... 87 .......... 88 .......... 88 .......... 88
III. Typische Kreditsicherheiten bei Immobilienfinanzierungen ............................................................................ 363 1. Grundschuld ......................................................................... 363 2. Hypothek ............................................................................. 367 3. Abtretung von Mietzinsansprüchen ................................... 368 4. Abtretung der Rechte aus dem Bausparvertrag .................. 370 5. Verpfändung von Fondsanteilen ......................................... 373 6. Verpfändung von Gesellschaftsanteilen ............................. 375 7. Verpfändung von Kontokorrentkonten ............................. 377 8. Abtretung der Einspeisevergütung ..................................... 379 9. Sonstige Sicherheiten ........................................................... 381
.......... 89 .......... 89 .......... 89 .......... 89 .......... 90 .......... 90 .......... 90 .......... 91 .......... 91 .......... 91
IV. Grenzen der Immobiliarsicherheiten ........................................ 383 1. Übersicherung ...................................................................... 383 2. Widerruf bei verbundenen Geschäften ............................... 388 3. Widerruf von Sicherungszweckerklärungen ...................... 391 4. Sittenwidrigkeit .................................................................... 392 5. Unzulässige Haftungsunterwerfung des Drittsicherungsgebers .................................................................. 395
.......... 83 .......... 83 .......... 83
.......... 91 .......... 91 .......... 92 .......... 93 .......... 93 .......... 93
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Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
F. Immobilien im Insolvenzplanverfahren ................................ 397 .......... 95 I. Grundzüge des Insolvenzplanverfahrens ................................. 1. Ablauf des Insolvenzplanverfahrens .................................. a) Planerstellungsphase ..................................................... b) Phase der Vorprüfung durch das Insolvenzgericht ..... c) Erörterungs- und Abstimmungstermin ....................... aa) Erörterung des Insolvenzplans ............................ bb) Erörterung des Stimmrechts ................................ (1) Persönliche Forderung – Ausfallforderung ........................................................ (2) Recht auf abgesonderte Befriedigung ........... (3) Aufspaltung der Forderung ........................... (4) Entscheidung des Insolvenzrichters nach § 77 Abs. 2 Satz 2 InsO ................................. cc) Abstimmung ......................................................... dd) Zustimmung durch den Schuldner ...................... ee) Planbestätigung .................................................... d) Phase der Planüberwachung ......................................... 2. Inhalt des Insolvenzplans ................................................... a) Darstellender Teil .......................................................... b) Gestaltender Teil ........................................................... aa) Regelungsnotwendigkeit bei Absonderungsrechten .................................................................. bb) Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse gemäß § 228 InsO ................................................ (1) Eigentumswechsel an Immobilien ................ (a) Auflassung ................................................ (b) Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch ............................................... (c) Bestimmtheitsgrundsatz .......................... (d) Wirkung der Aufnahme ........................... (2) Bestellung von dinglichen Rechten ............... cc) Gruppenbildung ................................................... (1) Voraussetzung: Eingriff in das Absonderungsrecht ........................................ (2) Art des Eingriffs in Absonderungsrechte durch den Insolvenzplan ................................ (3) Werthaltigkeit des Absonderungsrechts ....... (4) Doppelte Einordnung des Absonderungsberechtigten ....................................................
XII
397 398 399 406 407 408 409
.......... .......... .......... .......... .......... .......... ..........
95 95 95 97 97 97 98
412 .......... 98 415 .......... 99 416 .......... 99 418 420 422 423 424 425 426 430
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100 101 101 101 102 102 102 103
431 ........ 104 433 ........ 104 435 ........ 105 436 ........ 105 437 439 440 443 444
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106 106 107 107 107
445 ........ 107 447 ........ 108 448 ........ 108 449 ........ 109
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
II. Wirkung des bestätigten Plans auf Immobiliarsicherheiten .... 450 ........ 109 1. Keine Wirkung einer Forderungsreduzierung auf die Inanspruchnahme von Drittsicherheiten gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO ..................................................... 451 ........ 109 2. Reichweite der Erlasswirkung für nachrangige Gläubiger gemäß § 225 Abs. 1 InsO ................................... 455 ........ 110 G. Insolvenzanfechtung ................................................................ 456 ........ 113 I. Einleitung ................................................................................... 456 ........ 113 II. Allgemeine Anfechtungsvoraussetzungen ............................... 457 1. Ziel des Insolvenzverfahrens ............................................... 457 2. Objektive Gläubigerbenachteiligung gem. § 129 InsO ..... 458 3. Absonderungsrechte ............................................................ 461 4. Einzelne Anfechtungstatbestände ...................................... 462 a) § 130 InsO ..................................................................... 463 b) § 131 InsO ..................................................................... 468 c) § 133 InsO ..................................................................... 472 d) § 134 InsO ..................................................................... 476 aa) Zweipersonenverhältnis ........................................ 477 bb) Mehrpersonenverhältnis ....................................... 478 e) Weitere Anfechtungsnormen ........................................ 481 5. Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung gem. § 140 InsO ................................................................... 482 6. Bargeschäft gem. § 142 InsO .............................................. 483 7. Verjährung gem. § 146 InsO ............................................... 487 8. Rechtsfolge gem. § 143 InsO .............................................. 488 III. Besondere Anfechtungsprobleme bei Immobilen in der Insolvenz .................................................................................... 489 1. Neubestellung von Sicherheiten ......................................... 490 a) Sicherung einer eigenen Verbindlichkeit des Schuldners ...................................................................... 491 aa) Sicherung innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag oder danach .............. 491 bb) Sicherung innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Eröffnungsantrag ................................... 497 cc) Sicherung innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Eröffnungsantrag ................................... 499 b) Sicherung einer fremden Verbindlichkeit (Mehrpersonenverhältnis) ............................................ 500
........ 113 ........ 113 ........ 113 ........ 114 ........ 114 ........ 115 ........ 116 ........ 116 ........ 118 ........ 118 ........ 118 ........ 119 ........ 119 ........ 119 ........ 120 ........ 120
........ 120 ........ 121 ........ 121 ........ 121 ........ 122 ........ 122 ........ 123
XIII
Inhaltsverzeichnis Rn.
2. 3. 4. 5.
Werthaltigmachung der Immobilie .................................... Unterdeckungnahme einer Forderung ............................... Anfechtbarkeit von Mietzessionen .................................... Rückführung von Darlehen ................................................ a) Zahlungen des Schuldners ............................................ aa) Zahlung auf die persönliche Forderung .............. bb) Zahlung auf die Grundschuld .............................. b) Zahlung des mit dem persönlichen Schuldner nicht identischen Sicherungsgebers ....................................... 6. Gesellschaftersicherheiten .................................................. 7. Sanierungskredite ................................................................ a) Allgemeine Risiken ....................................................... b) Anfechtungsrisiken ....................................................... aa) Schuldnereigene Sicherheit .................................. bb) Drittsicherheit ...................................................... 8. Notverkauf .......................................................................... a) § 130 InsO ..................................................................... b) § 132 ............................................................................... c) § 134 InsO ..................................................................... d) § 133 InsO .....................................................................
Seite
505 508 512 514 515 516 518
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123 124 125 126 126 126 127
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127 127 129 129 129 130 131 131 131 132 132 133
IV. Fazit ............................................................................................ 544 ........ 133 H. Immobilien und Ab-/Aussonderungsrechte ......................... 545 ........ 135 I. Grundlagen ................................................................................ 550 ........ 137 II. Pacht- und Mietzinsabtretung/-verpfändung .......................... 557 ........ 140 III. Abgetretene Rechte aus Immobilienkaufverträgen (Kaufpreis und Gestaltungsrechte) .......................................... 569 ........ 145 IV. Dienstbarkeiten ......................................................................... 572 ........ 146 V. Weitere Ab- und Aussonderungsrechte ................................... 575 ........ 147 I. Verwaltung von Immobilien in der Insolvenz des Eigentümers .............................................................................. 581 ........ 151 I. Notwendigkeit der Immobilienverwaltung .............................. 581 ........ 151 II. Bedürfnis nach alternativen Verwaltungsverfahren ................. 584 ........ 151 XIV
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
III.
Zwangsverwaltung .................................................................. 588 ........ 152
IV.
Kalte Zwangsverwaltung ........................................................ 599 ........ 155
V.
Institutsverwaltung ................................................................ 610 ........ 156
VI.
Kalte Institutsverwaltung ...................................................... 617 ........ 158
VII. Eigenverwaltung ..................................................................... 625 ........ 159 VIII. Kalte Eigenverwaltung ........................................................... 629 ........ 159 IX.
Doppelnützige Treuhand ....................................................... 637 ........ 160
X.
Eiskalte Zwangsverwaltung ................................................... 645 ........ 162
XI.
Privatautonome Zwangsverwaltung ...................................... 654 ........ 163
XII. Verwaltung bei Drittsicherungsgebern ................................. 665 ........ 164 XIII. Zusammenfassung .................................................................. 670 ........ 165 J.
Zwangsversteigerung von Immobilien in der Insolvenz .... 676 ........ 167
I.
Allgemeines ............................................................................ 676 ........ 167
II.
Antrag und Zuständigkeit ...................................................... 678 1. Antragsberechtigung ........................................................ 678 2. Zuständigkeit .................................................................... 683 3. Form und Inhalt ............................................................... 685 4. Vollstreckungstitel ........................................................... 688
........ 167 ........ 167 ........ 168 ........ 168 ........ 168
III.
Verfahrensgang ....................................................................... 692 1. Anordnung ....................................................................... 692 2. Verkehrswertbestimmung ............................................... 693 3. Geringstes Gebot ............................................................. 695 4. Einstellungsmöglichkeiten .............................................. 698 5. Versteigerungstermin ....................................................... 702
........ 169 ........ 169 ........ 169 ........ 169 ........ 170 ........ 171
IV.
Zuschlag und Verteilung ........................................................ 707 ........ 172
V.
Bestandteile und Zubehör ...................................................... 714 ........ 173
VI.
Freihändiger Verkauf im Zwangsversteigerungsverfahren ..... 718 ........ 174
XV
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz ................................................................................... 721 ........ 175 I. Alternative Verwertungsform zum Zwang .............................. 721 ........ 175 II. Verhältnis zum Zwangsversteigerungsverfahren ..................... 726 ........ 176 1. Parallelität der Verfahren .................................................... 726 ........ 176 2. Einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung ........... 727 ........ 177 III. Kommunikation mit Verfahrensbeteiligten ............................. 1. Insolvenzgericht .................................................................. 2. (Vorläufiger) Gläubigerausschuss, Gläubigerversammlung ........................................................................ 3. Grundpfandgläubiger ..........................................................
730 ........ 178 733 ........ 179
IV. Grundbuchsituation .................................................................. 1. Problemfeld „Lästigkeitsprämien“ ..................................... 2. Beschluss des BGH vom 20.3.2008 – IX ZR 68/06 ........... 3. Lösungsmöglichkeiten in der Praxis ..................................
744 744 747 758
........ ........ ........ ........
182 182 182 185
V. Verwertungsvereinbarung ......................................................... 1. Grundlagen .......................................................................... 2. Betrachtung einzelner Klauseln .......................................... a) Erlösklausel ................................................................... b) Abgeltungsklausel ......................................................... aa) Kein Absonderungsrecht am Verwertungserlös ................................................. bb) Befriedigungsreihenfolge des § 10 Abs. 1 ZVG ................................................... c) Massekostenbeitrag ....................................................... d) Freistellungserklärung .................................................. e) Rückabwicklung des Kaufvertrags ............................... f) Weitere notwendige Klauseln .......................................
767 767 772 772 773
........ ........ ........ ........ ........
187 187 188 188 188
VI. Gewährleistungs- und Haftungsausschluss in der Kaufvertragsgestaltung .............................................................. 1. Ausschluss allgemeingesetzlicher Gewährleistungsund Haftungsansprüche ...................................................... a) Kaufvertrag mit einem Unternehmer .......................... b) Verbrauchervertrag ....................................................... aa) AGB-Vertrag ........................................................ bb) Individualvereinbarung gemäß § 305b BGB .......
XVI
737 ........ 180 741 ........ 181
774 ........ 189 784 789 797 799 801
........ ........ ........ ........ ........
191 194 196 196 197
802 ........ 198 803 804 805 805 809
........ ........ ........ ........ ........
198 198 199 199 200
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
2. Die Haftung des Insolvenzverwalters gemäß §§ 60, 61 InsO .................................................................. 810 ........ 201 VII. Steuerrechtliche Implikationen ............................................. 814 ........ 202 1. Ertragsteuern .................................................................... 815 ........ 203 2. Umsatzsteuer ................................................................... 820 ........ 205 VIII. Freihändige Verwertung im Insolvenzeröffnungsverfahren ................................................................................. 821 1. Notverkauf im Insolvenzeröffnungsverfahren ............... 821 2. Rolle des vorläufigen Insolvenzverwalters ..................... 826 3. Risiken im eröffneten Insolvenzverfahren ..................... 829 a) Wahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 103 InsO .................................................................. 830 b) Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO ........... 831
........ 205 ........ 205 ........ 207 ........ 208 ........ 208 ........ 209
IX.
Freihändige Verwertung in Eigenverwaltung ....................... 837 ........ 211
X.
Freihändige Verwertung im vereinfachten Insolvenzverfahren ................................................................................. 844 ........ 213
L.
Umsatzsteuerliche Fallstricke bei der Verwertung von Immobilien in der Insolvenz ............................................... 848 ........ 215
I.
Umsatzsteuerliche Grundlagen ............................................. 849 1. Unternehmereigenschaft ................................................. 851 2. Kleinunternehmerregelung .............................................. 861 3. Steuerbarer oder nicht steuerbarer Umsatz .................... 864 4. Steuerbefreiung der Veräußerung ................................... 872 5. Option zur Umsatzsteuer gemäß § 9 UStG ................... 874 a) Option zur Umsatzsteuer gemäß § 9 Abs. 1 UStG bei der Veräußerung ...................... 875 b) Option zur Umsatzsteuer gemäß § 9 UStG bei der Vermietung .................................................... 879 c) Gemeinsame Regelungen für die Option zur Umsatzsteuer ............................................................. 881 6. Steuersatz .......................................................................... 883 7. Steuerschuldner ................................................................ 884 8. Rechnungserstellung ........................................................ 886 9. Vorsteuerabzug nach § 15 UStG ..................................... 891 10. Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG ........................ 896
........ 215 ........ 216 ........ 218 ........ 219 ........ 221 ........ 221 ........ 222 ........ 222 ........ 223 ........ 224 ........ 224 ........ 224 ........ 226 ........ 227
XVII
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
II. Praktische Umsetzung .............................................................. 903 ........ 230 1. Veräußerung einer Immobilie ............................................. 903 ........ 230 2. Zwangsverwaltung ............................................................... 912 ........ 232 M. Bausparen und Insolvenz ........................................................ 914 ........ 233 I. Bausparen ................................................................................... 1. Kollektives Bausparen ......................................................... 2. Sparphase und Darlehensphase eines Bausparvertrages .... 3. Staatliche Förderung ........................................................... a) Wohnungsbauprämie .................................................... aa) Fördervoraussetzungen ........................................ bb) Bindungsfristen und schädliche Verwendung .... b) Arbeitnehmer-Sparzulage ............................................. aa) Fördervoraussetzungen ........................................ bb) Sperrfrist und schädliche Verwendung ............... c) Wohn-Riester-Förderung ............................................. aa) Entnahme des geförderten AltersvorsorgeVermögens für eigene Wohnzwecke ................... bb) Riester-Förderung in der Darlehensphase .......... cc) Riester-Förderung bei Vorfinanzierungen .........
914 916 920 925 926 927 929 932 933 935 936
........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........
233 233 234 235 236 236 236 237 237 237 238
940 ........ 239 942 ........ 239 943 ........ 240
II. Rechtliche Grundlagen des Bausparens .................................... 944 ........ 240 1. Bausparkassengesetz, Bausparkassen-Verordnung ........... 946 ........ 241 2. Geschäftskreisbeschränkung .............................................. 948 ........ 241 III. Insolvenz des Bausparers in der Ansparphase ......................... 1. Bausparguthaben in der Insolvenz ..................................... a) Oder-Konto ................................................................... b) Konsequenzen für die Pfändung .................................. c) Auszahlung in Unkenntnis des Insolvenzverfahrens ...................................................................... 2. Staatliche Fördermittel in der Insolvenz ............................
959 ........ 244 960 ........ 244
IV. Insolvenz in der Darlehensphase .............................................. 1 Dinglich besicherte Darlehen ............................................. 2. Grundschuld als gemeinsames Sicherungsmittel ............... 3. Darlehen gegen Negativerklärung ...................................... 4. Blankodarlehen ....................................................................
965 966 970 974 979
XVIII
951 953 955 958
........ ........ ........ ........
........ ........ ........ ........ ........
242 242 243 243
244 245 245 246 247
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
N.
Kosten des Insolvenzverfahrens .......................................... 981 ........ 249
I.
Überblick ................................................................................ 981 ........ 249
II.
Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren .......................... 982 ........ 249 1. Gerichtsgebühren ............................................................. 982 ........ 249 2. Auslagen des Gerichts ..................................................... 985 ........ 250
III.
Vergütung des Insolvenzverwalters ...................................... 986 1. Allgemeines ...................................................................... 986 2. Berechnungsgrundlage ..................................................... 987 3. Regelvergütung ................................................................ 992 4. Zu- und Abschlagsfaktoren ............................................. 994
........ 250 ........ 250 ........ 251 ........ 252 ........ 253
IV.
Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ................. 1001 1. Berechnungsgrundlage ................................................... 1001 2. Regelvergütung .............................................................. 1006 3. Zu- und Abschlagsfaktoren ........................................... 1008
........ 255 ........ 255 ........ 257 ........ 257
V.
Vergütung des Sachwalters .................................................. 1010 ........ 258
VI.
Auslagen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters und des Sachwalters ............................................................................ 1011 ........ 258
VII. Vergütung und Auslagen der Gläubigerausschussmitglieder .............................................................................. 1014 ........ 259 VIII. Umsatzsteuer ........................................................................ 1017 ........ 260 IX.
Verfahren zur Festsetzung der Vergütung ......................... 1019 ........ 260
Stichwortverzeichnis ....................................................................................... 261
XIX
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XXXII
A. Die Immobilie in der Insolvenz – Rechtsgrundlagen in der Insolvenzordnung I.
Die Immobilie in der Insolvenz
Die Immobilie ist regelmäßig einer der wirtschaftlich größten Vermögenswerte 1 im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Die Immobilienfinanzierung stellt, korrespondierend dazu, oftmals den größten Einzelwert in der Insolvenztabelle des Schuldners dar, unabhängig davon, ob es sich bei dem Schuldner um eine Privatperson oder eine Personen- bzw. Kapitalgesellschaft handelt. Der Vermögenswert Immobilie kann in den unterschiedlichsten Ausprägungen Gegenstand eines Insolvenzverfahrens sein. Unterscheidet man nach den Rechtssubjekten eines Insolvenzverfahrens, so müssen sowohl die Fälle von insolventen natürlichen Personen, unabhängig von ihrer Klassifizierung nach IK- oder INVerfahren, als auch die Fälle von Personen- und Kapitalgesellschaften betrachtet werden. Im Rahmen der Betrachtung der Fälle natürlicher Personen mit Immobilien- 2 vermögen ist der Auslöser der Insolvenz häufig eine gescheiterte Immobilienfinanzierung von Wohnimmobilien oder der Wegfall des Einkommens durch Arbeitsplatzverlust. Nicht selten handelt es sich um den Kauf von sog. Schrottimmobilien, die ohne erheblichen Wertverlust nicht mehr verkäuflich sind. Existenzielle Bedeutung kommt den Fällen zu, in denen der Schuldner und seine Familie die Immobilie selbst bewohnen. Die Fälle, in denen Personen- oder Kapitalgesellschaften Rechtssubjekt eines 3 Insolvenzverfahrens sind, haben ein wesentlich breiteres Spektrum an Auslösern der Insolvenz. Hierbei sind zum einen die Insolvenzverfahren zu sehen, in denen die Immobilie z. B. als Standort eines Unternehmens genutzt wird und somit lediglich einen Teil der Vermögenswerte des Insolvenzverfahrens darstellt. Zum anderen aber auch die Fälle, in denen über eine Personen- oder Kapitalgesellschaft Immobilien erworben wurden und der einzige Zweck der Gesellschaft darin besteht, die Immobilien zu halten und zu bewirtschaften, um somit durch die Mieterträge die Darlehen zu tilgen und im Verkauf einen Gewinn zu erzielen oder das unbebaute Grundstück zu entwickeln und hierdurch einen Wert durch Mieteinnahmen oder den Verkauf des Objektes zu schaffen. Diese sog. SPV-Strukturen haben in der Insolvenzpraxis zunehmend Einzug gefunden, da die Insolvenz von ihren Gläubigern als probates Mittel angesehen wird, um einen Eigentümerwechsel und somit das Ende der gescheiterten Finanzierung herbeizuführen. Im Rahmen der Insolvenz eines produzierenden Unternehmens oder eines 4 Dienstleistungsunternehmens stellt sich die Frage, ob die Unternehmensimmobilie gemäß § 35 Abs. 1 InsO unter den Insolvenzbeschlag fällt oder in einer rechtlich eigenständigen Gesellschaft gehalten wird. Eventuell ist das Objekt
Hild
1
A. Die Immobilie in der Insolvenz – Rechtsgrundlagen in der Insolvenzordnung
auch lediglich gemietet. Sofern die Immobilie unter den Insolvenzbeschlag fällt, ist bei einer Insolvenz eines produzierenden Unternehmens die sog. Drittverwendungsfähigkeit teilweise sehr eingeschränkt. Bei der Insolvenz eines Dienstleistungsunternehmens mit normalen Büroräumen stellt sich diese Frage nicht. 5 Stellt die Immobilie den zentralen Vermögenswert einer insolventen Gesellschaft dar, wurden oftmals die Rechtssubjekte ausschließlich zum Zweck gegründet, um in Immobilien zu investieren, diese zu halten, zu bewirtschaften oder zu entwickeln. Über die Rechtsform der Gesellschaft wurde entweder eine Haftungsbegrenzung gewährleistet, wie z. B. bei der GmbH, oder auch Anlegergelder investiert wie z. B. bei der KG oder teilweise auch der GbR. Teilweise werden die Immobilien auch steuerbegünstigt durch luxemburgische oder niederländische Gesellschaften gehalten. Eine deutsche Rechtsform ist nicht zwingend. Beispielhaft hierfür sind Rechtsträger deren Fremdfinanzierung über sog. CMBS-Strukturen (Commercial Mortgage Backed Securities) verbrieft wurden. 6 In den vorgenannten Rechtssubjekten können sämtliche Arten von Immobilien gehalten werden, wie z. B. Wohnimmobilien, Bürogebäude, Einzelhandelsobjekte, landwirtschaftliche Flächen oder auch Entwicklungsflächen. Welche Arten von Immobilien in den Gesellschaften gehalten werden, ist für die Einleitung des Insolvenzverfahrens unerheblich. Entscheidend hierfür ist ausschließlich, ob ein Insolvenzantragsgrund gegeben ist. Auch kennt die Insolvenzordnung keinerlei spezifische Regelungen für Insolvenzverfahren, in denen lediglich Immobilienvermögen verwaltet wird, sog. SPV-Strukturen. Vielmehr ist das System der Insolvenzordnung für Unternehmensinsolvenzen auf ein einheitliches Unternehmensbild ausgerichtet. Hierbei spielt es keine Rolle, ob das Unternehmen 10.000 Mitarbeiter beschäftigt oder in einer Zweckgesellschaft keine Mitarbeiter beschäftigt sind und lediglich eine Immobilie gehalten wird. II.
Immobilienbezogene Rechtsgrundlagen in der Insolvenzordnung
7 Wie dargestellt, gibt es keine spezifischen Vorschriften im Hinblick auf die Immobilienart und deren Bearbeitung innerhalb der Insolvenzordnung. Vielmehr ist die Insolvenzordnung ein universell anzuwendender Rechtsrahmen, der einheitlich auf alle Insolvenzfälle Anwendung findet. Die Vorschriften der Insolvenzordnung, die auch in Bezug auf insolvenzbehaftetes Immobilienvermögen anzuwenden sind, werden unter diesem Gesichtspunkt nachfolgend darstellt.
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II. Immobilienbezogene Rechtsgrundlagen in der Insolvenzordnung
1.
§ 32 InsO – Grundbuch
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist bei Grundstücken gemäß § 32 8 Abs. 1 InsO in das Grundbuch einzutragen, sofern der Schuldner als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Ferner ist ein Insolvenzvermerk im Grundbuch einzutragen bei den für den Schuldner eingetragenen Rechten an seinem bzw. einem fremden Grundstück oder an eingetragenen Rechten, wenn ohne die Eintragung eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger zu befürchten ist. Die Eintragung des Insolvenzvermerks hat eine „Grundbuchsperre“ zur Folge.1) Der Insolvenzvermerk ist bei im Eigentum des Schuldners stehenden Grundstücken stets einzutragen, auch wenn das Insolvenzgericht sie für wertlos hält.2) Sinn und Zweck der Vorschrift ist der Schutz der Insolvenzmasse durch die 9 Eintragung des Insolvenzvermerks. Ein gutgläubiger Erwerb gemäß §§ 892, 893 BGB ist nach Eintragung des Insolvenzvermerks ausgeschlossen.3) Eine Eintragung des Insolvenzvermerks im Grundbuch gemäß § 32 InsO ist im vorläufigen Insolvenzverfahren nicht vorgesehen. Eine Änderung im Grundbuch ergibt sich gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 InsO erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, da auch erst ab diesem Zeitpunkt die Befugnis, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über dieses zu verfügen, vom Schuldner auf den Insolvenzverwalter übergeht. Das gesetzgeberische Ziel, welches mit der Eintragungspflicht des § 32 verfolgt wird, kann nur erreicht werden, wenn unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eintragung in das Grundbuch erfolgt.4) Stellt der Schuldner nach Eintragung des Insolvenzvermerks Anträge beim Grundbuchamt, so dürfen diese nicht mehr vollzogen werden.5) Eine Verzögerung kann, soweit sie zu einem Rechtsverlust führt, Haftungsansprüche gegen das Insolvenzgericht und/oder den Insolvenzverwalter auslösen. Voraussetzung ist allerdings, dass Kenntnis von der Massezugehörigkeit des Grundstücks bestand.6) Die Eintragung ist sofort nachzuholen, wenn sich erst im Laufe des Verfahrens herausstellt, dass ein Grundstück zur Insolvenzmasse gehört.7) 2.
§ 35 InsO – Begriff der Insolvenzmasse
Die Insolvenzmasse ist das der Verwaltung und Verwertung im Insolvenzver- 10 fahren unterliegende Vermögen des Schuldners und dient der gemeinschaft___________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
Graf-Schlicker/Kexel, § 32 Rn. 21. KPB/Holzer, § 32 Rn. 3. KPB/Holzer, § 32 Rn. 1. Nerlich/Römermann/Mönning, § 32 Rn. 4. KPB/Holzer, 32 Rn. 20. Nerlich/Römermann/Mönning, § 32 Rn. 4. Uhlenbruck, § 32 Rn. 7.
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A. Die Immobilie in der Insolvenz – Rechtsgrundlagen in der Insolvenzordnung
lichen Befriedigung der Gläubiger.8) Somit fallen auch sämtliche Arten von Immobilien des Schuldners unter den Begriff der Insolvenzmasse. Von dem Begriff der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger unabhängig ist die Frage zu bewerten, inwieweit die Immobilie mit Drittrechten belastet ist und hierdurch eine Position des „wirtschaftlichen Eigentümers“ auf Seiten der finanzierenden Bank oder des Immobilien-Servicers besteht. Selbst wenn die Immobilie stark übersichert ist und deshalb eine Befriedigung der Absonderungsrechte nur zum Teil möglich ist, so fällt die juristische Verfügungsgewalt in die Kompetenz des Insolvenzverwalters, weshalb auch nur durch ihn ein freihändiger Verkauf ermöglicht werden kann. 11 In den Fällen, in denen der Insolvenzmasse durch das Halten einer Immobilie Schäden bzw. Kosten entstehen, kann der Insolvenzverwalter den Vermögenswert aus der Insolvenzmasse „freigeben“.9) Hierdurch wird die Haftung für die Insolvenzmasse ausgeschlossen. Ein klassisches Beispiel hierfür sind kontaminierte Grundstücke, bei denen die Grundpfandgläubiger die Sanierung nicht bezahlen wollen.10) In diesem Fall müsste der Insolvenzverwalter, sofern überhaupt möglich, mit dem Geld der ungesicherten Gläubiger die Sanierung bezahlen, die von einem späteren freihändigen Verkauf allerdings aufgrund der Absonderungsrechte nicht profitieren würden. Deshalb erscheint eine Freigabe der Immobilie in bestimmten Fällen angezeigt. Eine Freigabe von nachteiligen Mietverträgen durch den Insolvenzverwalter ist nicht möglich, diese können nur nach Maßgabe des § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO gekündigt werden. 3.
§ 49 InsO – Abgesonderte Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen
12 Der Normzweck des § 49 InsO besteht darin, Gläubigern, denen ein Recht auf Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen der Insolvenzmasse zusteht, die Befriedigung aus dem Verwertungserlös an diesen Gegenständen zu gewähren und somit einen besonderen Schutz im Falle des wirtschaftlichen Zusammenbruchs des Schuldners zu geben.11) Dem Gesetzeswortlaut entsprechend erfolgt die abgesonderte Befriedigung außerhalb des Insolvenzverfahrens nach dem Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG). 13 Absonderungsberechtigt ist grundsätzlich derjenige, dem ein besonderes Recht zur Befriedigung aus dem jeweiligen zur Masse gehörenden unbeweglichen Vermögen zusteht.12) Die Absonderung erfolgt gemäß § 49 InsO durch Zwangsversteigerung und/oder Zwangsverwaltung. Das Verfahren läuft außerhalb des ___________ 8) 9) 10) 11) 12)
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MünchKomm-InsO/Peters, § 35 Rn. 1; Graf-Schlicker/Kexel, § 35 Rn. 4. Vgl. KPB/Holzer, § 32 Rn. 2; ders., § 35 Rn. 21. MünchKomm-InsO/Peters, § 35 Rn. 84. KPB/Prütting, § 49 Rn. 9. Graf-Schlicker/Kexel, § 49 Rn. 4; KPB/Holzer, § 49 Rn. 13.
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II. Immobilienbezogene Rechtsgrundlagen in der Insolvenzordnung
Insolvenzverfahrens und wird nur auf Antrag eines dinglichen Gläubigers oder des Insolvenzverwalters durchgeführt.13) Die Befriedigung erfolgt in der Rangfolge des § 10 ZVG gemäß den Vorschriften der §§ 105 ff. ZVG. Zu beachten ist, dass auch die freihändige Verwertung einer Immobilie durch den Insolvenzverwalter von der überwiegenden Auffassung als Realisierung des Absonderungsrechts angesehen wird,14) in rechtlicher Hinsicht jedoch auf die Vorschrift des § 165 InsO rekurriert wird. Als eine Form der Realisierung von Absonderungsrechten ist es auch anzu- 14 sehen, wenn zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Absonderungsberechtigten eine Vereinbarung zustande kommt, wonach ohne formelle Durchführung eines Zwangsverwaltungsverfahrens vom Verwalter laufende Beträge zur Befriedigung aus Nutzen an den Berechtigten abgeführt werden.15) 4.
§ 108 InsO – Fortbestehen bestimmter Dauerschuldverhältnisse
In Bezug auf Immobilien regelt die Vorschrift des § 108 Abs. 1 InsO, dass 15 Mietverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbestehen. Das Gesetz unterscheidet hierbei nicht, ob es sich bei dem Schuldner um einen Mieter oder Vermieter der Objekte handelt. Der Hintergrund der gesetzlichen Regelung gemäß § 108 Abs. 1 InsO ist, dass 16 bestimmte Dauerschuldverhältnisse nicht dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß §§ 103 f. InsO unterliegen, sondern wie § 108 InsO kraft Gesetzes mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbestehen, soweit sie zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens noch nicht beendet waren.16) Die Gläubiger von Ansprüchen aus fortbestehenden Dauerschuldverhältnissen sind insoweit privilegiert, als ihre Ansprüche für die Zeit nach der Verfahrenseröffnung bis zu einer Beendigung nach den insolvenzrechtlichen (§§ 109, 113 InsO) oder allgemeinen Vorschriften – unabhängig davon, ob der Verwalter den Vertragsgegenstand für die Masse nutzt – gemäß den §§ 53, 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO aus der Masse zu bezahlen sind.17) Sowohl Haupt- als auch Untermietverträge sind von dieser Regelung erfasst.18)
___________ 13) 14) 15) 16) 17) 18)
Vgl. Graf-Schlicker/Kexel, § 35 Rn. 9. KPB/Prütting, § 49 Rn. 20; MünchKomm-InsO/Peters, § 49 Rn. 4. KPB/Prütting, § 49 Rn. 23. Vgl. Nerlich/Römermann/Balthasar, § 108 Rn. 3. Graf-Schlicker/Breitenbücher, § 108 Rn. 1. KPB/Tintelnot, § 108 Rn. 6.
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A. Die Immobilie in der Insolvenz – Rechtsgrundlagen in der Insolvenzordnung
5.
§ 109 InsO – Schuldner als Mieter oder Pächter
17 Sofern der Schuldner als Mieter einer Immobilie ein Mietverhältnis eingegangen ist, besteht dieses ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. § 109 InsO stellt hierfür durch das Sonderkündigungsrecht des Insolvenzverwalters ein Korrektiv dar, um die Masse zu schützen. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, im Interesse aller Insolvenzgläubiger zu vermeiden, dass die Masse durch das Fortbestehen eines Dauerschuldverhältnisses belastet wird, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten oder sie angemessen nutzen zu können.19) 18 Die dreimonatige insolvenzrechtliche Sonderkündigungsfrist bezieht sich auf das Monatsende. Sie findet immer dann Anwendung, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist, § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO. Die Mietzahlungen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sind gemäß den §§ 108, 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO als Masseverbindlichkeiten vom Insolvenzverwalter zu bezahlen. Das Sonderkündigungsrecht des Verwalters kann nicht im Voraus durch Vereinbarungen zwischen den Mietvertragsparteien eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.20) 19 Für Wohnraummietverhältnisse stellt § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO klar, dass der Insolvenzverwalter den Mietvertrag nicht kündigen kann, insbesondere auch nicht, um eine hinterlegte Kaution zu erhalten. Dennoch kann der Insolvenzverwalter durch eine Erklärung gegenüber dem Vermieter gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO die Masse in der Art schützen, dass nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist nicht mehr die Masse, sondern lediglich der Insolvenzschuldner mit seinem insolvenzfreien Vermögen haftet.21) Diese Regelung schützt sowohl den Schuldner vor einer Kündigung durch den Verwalter zur Erlangung der Kaution, als auch die Masse und somit die Interessen der Gläubiger, da die Zahlungen für Wohnraummietverhältnisse aus der Masse die ohnehin geringen Quoten für die ungesicherten Gläubiger gänzlich zunichtemachen würden. 6.
§ 110 InsO – Schuldner als Vermieter oder Verpächter
20 Der Wert einer Immobilie wird oftmals in den kumulierten zukünftigen Mieterträgen gemessen. Die Kaufpreise für Immobilien spiegeln sich dementsprechend häufig in Multiplikatoren der Jahres-Netto-Ist-Miete wieder. Den zukünftigen Mietertrag lassen sich die finanzierenden Kreditinstitute beim Erwerb einer Immobilie neben der grundschuldrechtlichen Sicherung deshalb regelmäßig als weitere Sicherheit abtreten. Die Regelung des § 110 InsO greift ___________ 19) BGH, Urt. v. 5.4.1978 – VIII ZR 42/77, BGHZ 71, 189, 191; Graf-Schlicker/ Breitenbücher, § 109 Rn. 1; Nerlich/Römermann/Balthasar, § 109 Rn. 1. 20) Nerlich/Römermann/Balthasar, § 109 Rn. 5. 21) Vgl. KPB/Tintelnot, § 109 Rn. 12.
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II. Immobilienbezogene Rechtsgrundlagen in der Insolvenzordnung
zugunsten der Insolvenzmasse in dieses Sicherungsverhältnis ein und regelt, dass die Verfügung des Vermieters nur bis zum Zeitraum des Monats Anwendung findet, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird, § 110 Abs. 1 Satz 1 InsO. Sofern die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach dem 15. Tag des Monats stattfindet, entfällt die Verfügung erst mit Ende des auf die Insolvenzeröffnung folgenden Monats, § 110 Abs. 1 Satz 2 InsO. § 110 Abs. 1 erstreckt sich allein auf Miet- und Pachtverträge über Immobilien i. S. v. § 108 Abs. 1 Satz 1. Dabei kommt es anders als bei § 21 Abs. 2 KO nicht mehr darauf an, ob der Miet- oder Pachtgegenstand bereits überlassen wurde.22) Dies führt in der Praxis regelmäßig dazu, dass zwischen dem Insolvenzverwal- 21 ter und der erstrangigen Grundpfandgläubigerin bereits im Antragsverfahren Gespräche über die Vereinbarung einer Kalten Zwangsverwaltung geführt werden. Hierbei wird die Position des Insolvenzverwalters umso stärker, je später eine Kalte Zwangsverwaltung diskutiert wird, da im Falle des Scheiterns der Verhandlungen alle Mieten aus dem eröffneten Verfahrens gemäß § 110 Abs. 1 InsO in die Masse fallen und bis zur Einsetzung einer gesetzlichen Zwangsverwaltung noch einige weitere Monate die Miete ausschließlich der Masse zusteht. Für den Grundpfandgläubiger bedeutet dies, dass er eine absolute Sicherheit in Bezug auf z. B. die an ihn zedierten Mieten im Vorfeld einer möglichen Insolvenz des Vermieters bzw. Eigentümers nur durch eine gesetzliche Zwangsverwaltung absichern kann, die ihn wiederum 10 % der Mieterträge kostet. Unter einer Verfügung i. S. d.§ 110 Abs. 1 InsO ist jedes Rechtsgeschäft zu 22 verstehen, das auf die Miet- oder Pachtforderung unmittelbar einwirkt, indem es sie übertragt, belastet, verändert oder aufhebt, insbesondere Abtretung (§ 398 BGB), Verpfändung (§ 1279 BGB), Nießbrauchrechte (§ 1068 BGB), Erlass (§ 397 BGB) oder Stundung.23) Die Regelung des § 110 Abs. 3 InsO erweitert zum Schutz des Mieters die Aufrechnungsmöglichkeiten gegen den Vermieter auch in der Insolvenz bis zu dem in Abs. 1 genannten Zeitraum. Das gesetzliche Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO wird hierdurch für den Monat der Eröffnung bzw. den Monat danach, je nachdem ob das Verfahren vor oder nach dem 15. Tag des Monats eröffnet wurde, ausgeschlossen. 7.
§ 111 InsO – Veräußerung des Miet- oder Pachtobjektes
Der Normzweck des § 111 InsO zielt darauf ab, dem Insolvenzverwalter eine 23 Veräußerung unbeweglicher Miet- und Pachtobjekte aus der Insolvenzmasse zu erleichtern. Der Gesetzgeber trägt damit dem Umstand Rechnung, dass in der Praxis bestehende Miet- und Pachtverhältnisse ein erhebliches Hindernis bei der Veräußerung von Immobilien darstellen.24) Die Vorschrift des § 111 InsO ___________ 22) Nerlich/Römermann/Balthasar, § 110 Rn. 5. 23) KPB/Tintelnot, § 110 Rn. 4; Graf-Schlicker/Breitenbücher, § 110 Rn. 2. 24) Nerlich/Römermann/Balthasar, § 111 Rn. 2.
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A. Die Immobilie in der Insolvenz – Rechtsgrundlagen in der Insolvenzordnung
ermöglicht dem Erwerber, der von einem Insolvenzverwalter im Rahmen einer freihändigen Verwertung eine Immobilie erworben hat, ein einmaliges Sonderkündigungsrecht. Der Erwerber kann gemäß § 111 Satz 1 InsO das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen, jedoch nur für den ersten Termin, für den sie zulässig ist, § 111 Satz 2 InsO. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Mietvertrag vom Schuldner unterzeichnet wurde und dass es sich nicht nur um Miteigentum des Schuldners handelt.25) Der Schuldner muss also als Alleineigentümer die Immobilie vermietet haben.26) Dies kann für einen Erwerber, der die Immobilie als Kapitalanleger kauft, ein erheblicher Vorteil sein, da er durch die Insolvenz des Vermieters auch sehr langfristige Mietverträge mit nachteiligen Vertragsregelungen beenden kann. Zu beachten ist jedoch, dass der besondere Kündigungsschutz für Wohnraummietverhältnisse hierdurch nicht außer Kraft gesetzt wird.27) Auch erlangt der Erwerber für erst vom Verwalter eingegangene Verträge kein Kündigungsrecht. Die Kündigung des Erwerbers nach § 111 InsO kann einen als Insolvenzforderung zu behandelnden Ersatzanspruch des Mieters auslösen.28) 8.
§ 112 InsO – Kündigungssperre
24 Sofern der Schuldner vorinsolvenzlich ein Mietverhältnis eingegangen ist und für die Zeit vor dem Insolvenzantrag des Schuldners Mietrückstände bestehen, kann der Vermieter das Vertragsverhältnis nicht aufgrund der vorinsolvenzlichen Mietrückstände kündigen, § 112 Nr. 1 InsO. Ebenso ist eine Kündigung des Mietvertrages wegen einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners ausgeschlossen, § 112 Nr. 2 InsO. Wird die nach dem Eröffnungsantrag fällig werdende Miete nicht vertragsgemäß gezahlt, steht § 112 InsO einer Kündigung wegen der nach dem Eröffnungsantrag neu eintretenden Zahlungsrückstände nach näherer Maßgabe des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB nicht entgegen.29) Lagen sämtliche Kündigungsvoraussetzungen bei Antragstellung schon vor, hatte der andere Teil aber noch nicht gekündigt, wird ihm das entstandene Kündigungsrecht genommen.30) Die Ratio der Vorschrift besteht also darin, die Masse vor nachteiligen Vertragskündigungen zu schützen, die auf Mietrückständen fußen, die vor dem Insolvenzantrag entstanden sind.
___________ 25) 26) 27) 28) 29) 30)
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Graf-Schlicker/Breitenbücher, § 111 Rn. 1. KPB/Tintelnot, § 111 Rn. 6; Nerlich/Römermann/Balthasar, § 111 Rn. 5. Graf-Schlicker/Breitenbücher, § 111 Rn. 2. MünchKomm-InsO/Eckert, § 111 Rn. 30 f. Graf-Schlicker/Breitenbücher, § 112 Rn. 3. KPB/Tintelnot, § 112 Rn. 8.
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II. Immobilienbezogene Rechtsgrundlagen in der Insolvenzordnung
9.
§ 160 InsO – Besonders bedeutsame Rechtshandlungen
Der Vorschrift des § 160 Abs. 2 Nr. 1 InsO kommt eine große Bedeutung in 25 der Insolvenzordnung im Hinblick auf die freihändige Verwertung von Immobilien durch den Insolvenzverwalter zu. Denn grundsätzlich sollen besonders bedeutsame Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters nur mit der Zustimmung der Gläubiger vorgenommen werden. Der Zweck der Vorschrift ist es, die Gläubigerautonomie während der gesamten Verfahrensabwicklung zu gewährleisten.31) Deshalb hat der Insolvenzverwalter insbesondere für die in § 160 Abs. 2 InsO genannten Rechtshandlungen die Zustimmung des Gläubigerausschusses und, sofern dieser nicht bestellt ist, die Zustimmung der Gläubigerversammlung einzuholen, § 160 Abs. 1 Satz 2 InsO. In einem Insolvenzverfahren mit Immobilienvermögen wird sich der Insol- 26 venzverwalter regelmäßig in der ersten Gläubigerversammlung die Genehmigung erteilen lassen, die Immobilie verkaufen zu dürfen.32) Die vor dem Verkauf einzuholende Zustimmung sollte so konkret wir möglich formuliert sein, d.h. das Objekt sollte bezeichnet werden und, falls möglich, sollte auch eine Preisuntergrenze festgelegt werden, wenn die Immobilie noch freie Masse beinhaltet und nicht vollkommen übersichert ist. Leider ist eine vollkommene Übersicherung oftmals die Praxis, was bedeutet, dass für die ungesicherten Gläubiger im Hinblick auf die Immobilie lediglich durch einen Massekostenbeitrag aus dem freihändigen Verkauf die Masse gemehrt werden kann. Die Zustimmung der Gläubigerversammlung gilt als erteilt, sofern die Versammlung beschlussfähig ist und die Gläubiger bei der Einladung zur Gläubigerversammlung auf die Möglichkeit der Zustimmungsfiktion hingewiesen wurden. Eine mangelnde Zustimmung der Gläubigerversammlung oder des -ausschusses wirken sich jedoch lediglich im Innenverhältnis aus. Für den Erwerber hat die mangelnde Zustimmung der Gläubiger gemäß § 164 InsO keine Auswirkungen. Bei Gefahr im Verzug bleibt auch im Rahmen des § 160 für den Verwalter nur das Handeln auf eigenes Risiko und die nachträgliche Einholung der Zustimmung.33) 10.
§ 165 InsO – Verwertung unbeweglicher Gegenstände
Der Gesetzeswortlaut des § 165 InsO sieht vor, dass der Insolvenzverwalter für 27 unbewegliche Gegenstände der Insolvenzmasse die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung betreiben kann, auch wenn an dem Gegenstand ein Absonderungsrecht besteht.34) Mit dieser gesetzlichen Regelung wird klargestellt, dass neben dem Gläubiger auch der Insolvenzverwalter berechtigt ist, unbe___________ 31) 32) 33) 34)
Nerlich/Römermann/Balthasar, § 160 Rn. 3. Vgl. Uhlenbruck, § 160 Rn. 23. KPB/Onusseit, § 160 Rn. 3. KPB/Flöther § 165 Rn. 2.
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A. Die Immobilie in der Insolvenz – Rechtsgrundlagen in der Insolvenzordnung
wegliches Vermögen im Wege der Zwangsvollstreckung zu verwerten. Zu dem unbeweglichen Vermögen gehören das Grundstück selbst sowie dessen wesentliche Bestandteile, § 946 BGB, und Rechte, die sich aus dem Eigentum am Grundbesitz ergeben, § 96 BGB.35) Entgegen dem Wortlaut der Vorschrift ist selbstverständlich eine freihändige Veräußerung einer Immobilie durch den Insolvenzverwalter nicht ausgeschlossen.36) Die Befugnis zu freihändiger Verwaltung und Veräußerung entspringt der allgemeinen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters (auch schon des vorläufigen Verwalters, soweit die Bewirtschaftung ein Immobiliengeschäft erfordert) nach §§ 22 Abs. 1 Satz 1, 80 Abs. 1, 148 Abs. 1, 159 InsO. Dies gilt sowohl bei Lastenfreiheit des Gegenstandes als auch dann, wenn ein Dritter ein auf Befriedigung zielendes beschränktes Recht an ihm hat und somit zur Absonderung berechtigt ist.37) 11.
§ 313 InsO – Treuhänder
28 In einem sog. Verbraucherinsolvenzverfahren übernimmt der Treuhänder die Aufgaben des Insolvenzverwalters gemäß § 313 Abs. 1 Satz 1 InsO. Neben der unterschiedlichen Bezeichnung des Treuhänders und des Insolvenzverwalters zeichnet sich im Hinblick auf die Immobilie jedoch auch eine andere gesetzliche Verwaltungs- und Verwertungskompetenz ab. Nach § 313 Abs. 3 Satz 1 InsO ist der Treuhänder nicht zur Verwertung von Gegenständen berechtigt, an denen Pfandrechte oder andere Absonderungsrechte bestehen. Warum diese Regelung in der Vergangenheit Einzug in die Insolvenzordnung gefunden hat, ist schwer nachvollziehbar, da auch die absonderungsberechtigten Gläubiger in einem Verbraucherinsolvenzverfahren eine Möglichkeit der Verwertung einer Immobilie durch den Treuhänder haben sollten. 29 Um Abhilfe zu schaffen, kann der Treuhänder eine Fristbestimmung durch das Insolvenzgericht beantragen, innerhalb der der absonderungsberechtigte Gläubiger die Immobilie zu verwerten hat. Nach Fristablauf geht gemäß §§ 313 Abs. 3, 173 Abs. 2 InsO die Verwertungsbefugnis auf den Treuhänder über. 30 In der Literatur ist diese gesetzliche Regelung zum Teil auf Ablehnung gestoßen, da es sich hierbei lediglich um eine Förmelei handele bzw. dem Treuhänder ein Verwertungsrecht zusteht. Aus Sicht eines Praktikers ist dem zuzustimmen, da nicht ersichtlich ist, warum eine durch den Grundpfandgläubiger initiierte, unterstützte oder zumindest geduldete Verwertung durch den Treuhänder durch eine Fristsetzung nach § 173 Abs. 2 InsO weiter verzögert werden sollte. Solange der Grundpfandgläubiger sein Einverständnis zur Verwertung erteilt, erscheint der Weg über § 173 Abs. 2 InsO überflüssig. ___________ 35) Graf-Schlicker/Castrup, § 165 Rn. 2. 36) Vgl. Nerlich/Römermann/Balthasar, § 165 Rn. 17. 37) Nerlich/Römermann/Balthasar, § 165 Rn. 17.
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II. Immobilienbezogene Rechtsgrundlagen in der Insolvenzordnung
Die Verwertung ohne Einverständnis des Grundpfandgläubigers ist in der Pra- 31 xis schon deshalb nicht ratsam, weil ein lastenfreier Verkauf nur durch die Ablösung aller Grundpfandrechte möglich ist. Bei einem Verbraucherinsolvenzverfahren, dessen Auslöser oftmals eine gescheiterte und nicht mehr bediente Immobilienfinanzierung ist, erscheint eine Lastenfreistellung aus dem Kaufpreis ohne Verzicht durch die finanzierende Bank unüblich. Die Überwindung einer Blockadehaltung eines Grundpfandgläubigers durch Setzung einer Frist gemäß §§ 313 Abs. 2 Satz 3, 173 Abs. 2 InsO oder Ablösung des Grundpfandrechts durch den Treuhänder, um den Übererlös aus der Verwertung der Immobilie zu erhalten, setzt einen freien Wert für die Immobilie voraus. In diesen Fällen drängt sich die Frage auf, warum der Schuldner den Weg eines Insolvenzverfahrens wählen sollte und nicht die Immobilie umfinanziert, was zumindest bei Wohnimmobilien in der aktuellen Zeit kein Problem darstellt. Die Gerichte haben sich teilweise, entgegen dem Wortlaut des § 313 Abs. 3 InsO, 32 der Sichtweise angeschlossen, dass der Treuhänder aufgrund seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gemäß §§ 313 Abs. 1 Satz 1, 80 Abs. 1 InsO zur Veräußerung einer Immobilie des Schuldners berechtigt sein kann. Die rechtliche Unsicherheit wurde durch den Gesetzgeber gesehen, weshalb im Rahmen des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 16.5.2013 die § 312 bis 314 InsO gestrichen werden. Zur Begründung dieser Änderung wird u. a. angeführt, dass sich die Aufgabenverlagerung der Verwertung von Grundstücken durch den absonderungsberechtigten Gläubiger in der Praxis nicht bewährt hat. Die neue Rechtslage tritt ab dem 1.7.2014 in Kraft. 12.
§ 346 InsO – Grundbuch
§ 346 InsO regelt die Möglichkeit eines ausländischen Insolvenzverwalters, 33 Verfügungsbeschränkungen des Schuldners, die durch die Verfahrenseröffnung im Ausland oder durch die Anordnung bestimmter Sicherungsmaßnahmen gesetzt wurden, in das deutsche Grundbuch eintragen zu lassen. Insoweit entspricht die Vorschrift der Regelung des § 32 InsO. Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift ist zunächst die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens in einem Drittstaat, in dem ein Verwalter bestellt ist.38) Der Antrag ist an das zuständige Insolvenzgericht zu stellen. Anders als nach § 32 InsO steht dem ausländischen Verwalter nicht die Befugnis zu, die Eintragung unmittelbar beim Grundbuchamt zu beantragen.39) Im Falle der Verfahrenseröffnung muss der Insolvenzverwalter den Eröffnungsbeschluss vorlegen (§ 29 Abs. 1 Satz 2 GBO).40) ___________ 38) KPB/Kemper/Paulus, § 346 Rn. 4; MünchKomm-InsO/Kindler, § 346 Rn. 4. 39) KPB/Kemper/Paulus, § 346 Rn. 6. 40) MünchKomm-InsO/Kindler, § 346 Rn. 30 f.
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B. Insolvenzgründe im Zusammenhang mit Immobilientransaktionen Im Jahr 2013 rücken immobilienbesicherte Kreditportfolios noch stärker als 34 zuvor in den Fokus der insolvenzrechtlichen Praxis. Gerade in den Jahren zwischen 2005 und 2007, also noch vor Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise, wechselten zahlreiche Bürogebäude, Shoppingcenter, Lagergebäude, aber auch vermietete Wohnungen den Eigentümer. Die immobilienbesicherten Kreditverträge sehen zumeist eine Laufzeit von fünf Jahren sowie Verlängerungsoptionen für ein bis zwei Jahre vor. Daher sieht sich der Immobilienmarkt gerade derzeit besonders stark mit den Spätfolgen des vormaligen Aufschwungs konfrontiert. Viele Kredite, die auf diesen Immobilien (häufig Büros und Einzelhandelsim- 35 mobilien) lasten, befinden sich in einer komplexen Refinanzierungsstruktur, die zumeist unter dem Schlagwort Commercial Mortgage Backed Securities (CMBS) zusammengefasst wird. Durch das Instrument der Verbriefung werden grundpfandrechtlich besicherte Gewerbeimmobilienkredite dem Kapitalmarkt zugänglich gemacht. Zunächst verkauft bzw. veräußert hierbei der ursprüngliche Kreditgeber (Original Lender) im Falle einer True-Sale-Verbriefung seine Kreditforderungen an eine Zweckgesellschaft, ein sog. Special Purpose Vehicle (SPV).1) Das SPV emittiert Anleihen auf dem Kapitalmarkt, also CMBS, um den Forderungsankauf zu finanzieren. Die Rechte aus den Finanzierungsverträgen werden weder durch den Original Lender, noch durch den Neuinhaber (New Lender) ausgeübt, sondern durch einen vertraglich installierten Treuhänder, wie etwa einen Facility Agent bzw. Security Trustee. Auf Seiten des Kreditnehmers findet man üblicherweise ebenfalls ein dafür ei- 36 gens gegründetes SPV, welches außer der jeweils erworbenen Immobilie über keine weiteren Aktiva verfügt. Das erforderliche Eigenkapital wurde über einen Immobilienfonds aufgebracht. Die Tilgung der besicherten Immobiliendarlehen erfolgt üblicherweise während der Laufzeit des Darlehens in kleinen Raten und endet mit einer hohen letzten Tilgungsrate. Die Branche sieht sich derzeit mit der Situation konfrontiert, dass bis Ende 37 2013 laut Schätzungen Immobiliendarlehen in einem Betrag von etwa 30 Milliarden € zur Rückzahlung fällig werden.2) Die Entwicklung für Gewerbeimmobilien ab Mitte 2007 hat aber in vielen Fällen nicht der vertraglich zugrunde gelegten Kalkulation entsprochen: Höhere Investitionskosten und demgegenüber ___________ 1) Daneben existieren auch noch sog. synthetische Verbriefungen, bei welchen kein Wechsel der Forderungsinhaberschaft stattfindet. Die True Sale Verbriefung hat für den ursprünglichen Darlehensgeber insbesondere den Vorteil, dass durch den Inhaberwechsel die Kreditforderungen inklusive aller mit ihnen verbundenen Risiken (Kreditrisiko, Zinsänderungsrisiko etc.) nicht mehr in der Bilanz der Bank stehen. 2) Thaler/Kronat in FAZ Nr. 39 v. 15.2.2013, S. 43.
Scholz/Birnbreier
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B. Insolvenzgründe im Zusammenhang mit Immobilientransaktionen
niedrigere Mietzinserträge haben oftmalig dazu geführt, dass sich das Verhältnis zwischen Darlehensschuld einerseits und Wert der Immobilie andererseits (englisch: loan to value oder LTV) verschlechtert hat, und dass der aus der betreffenden Immobilie erzielte Cash Flow nicht zur Kredittilgung ausreicht. 38 Demzufolge haben sich die Finanzierungsparteien mit Fragen der Restrukturierung auseinanderzusetzen, doch dies wird ihnen erschwert durch die jeweilige Refinanzierungsstruktur: Auf Seiten des Kreditnehmers bestehen regelmäßig geringe Möglichkeiten, auf diese Krise zu reagieren, weil die Stellung weiteren Eigenkapitals nur über einen Immobilienfonds denkbar wäre. Derartige Produkte lassen sich aber derzeit am Markt regelmäßig nicht platzieren.3) 39 Und auch für den grundpfandrechtlich besicherten4) Kreditgeber erweist es sich häufig als schwierig, auf eine angespannte Situation seitens des Kreditnehmers zu reagieren, was maßgeblich an der eingangs geschilderten, komplexen Verbriefungsstruktur liegt. Die CMBS-Anleihegläubiger sind als wirtschaftlich Betroffene in sämtliche Restrukturierungsmaßnahmen miteinzubeziehen.5) 40 Im Folgenden soll dargestellt werden, welche strategischen Optionen die Beteiligten zur Restrukturierung krisenbehafteter Immobilienportfolios besitzen, und welche rechtlichen bzw. taktischen Gesichtspunkte hierfür ausschlaggebend sind. I.
Insolvenzgründe
41 Im Folgenden wird auf die Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) sowie der Überschuldung (§ 19 InsO) eingegangen. Diese Insolvenzgründe geben insbesondere die Grenze einer angestrebten Restrukturierung für die schuldnerische Geschäftsleitung vor: Da es sich bei den Schuldnergesellschaften üblicherweise um juristische Personen handelt, besteht nach § 15a InsO eine (strafbewehrte) Verpflichtung für deren organschaftliche Vertreter, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung, einen Eröffnungsantrag zu stellen. Auch zivilrechtlich wird eine nicht rechtzeitige Insolvenzantragstellung sanktioniert: Sollte die schuldnerische Geschäftsleitung nach Eintritt einer Zahlungsunfä-
___________ 3) Während in den Jahren 2005 bis 2007 noch CMBS von jährlich ca. 35 bis 60 Mrd. € neu emittiert wurden, betrug das Neuemissionsvolumen im Jahr 2012 nur noch schätzungsweise 1,8 Mrd. €; vgl. Immobilien Zeitung Nr. 12 v. 28.3.2013, S. 1, 4. 4) Die Darlehensforderung wird standardmäßig über ein Sicherheitenpaket (Security Package) besichert, welches neben etwaigen Grundpfandrechten die Vorausabtretung von Miet- und Pachtforderungen, die Verpfändung von Geschäftsanteilen sowie Kontopfändung vorsieht. 5) Dies erfolgt in der Praxis über einen Gläubigerausschuss (Creditors Committee).
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I. Insolvenzgründe
higkeit und/oder Überschuldung Zahlungen freigegeben haben, so haftet jeder Unternehmensleiter hierfür gegenüber der Gesellschaft.6) Neben beiden genannten Insolvenzgründen besteht daneben noch die Option 42 auf Seiten des Schuldners, ein Insolvenzverfahren aufgrund drohender Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO einleiten zu lassen. Auf diese Variante wird im Folgenden nicht näher eingegangen. 1.
Zahlungsunfähigkeit
Nach der in § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO enthaltenen Legaldefinition ist ein Schuld- 43 ner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähig i. S. v. § 17 InsO ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig, wer innerhalb von drei Wochen 10 % oder mehr seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten nicht erfüllen kann.7) a)
Beurteilung eingetretener oder drohender Zahlungsunfähigkeit bei Unternehmen
Die Schuldnervertreter sind verpflichtet, sich laufend über die wirtschaftliche 44 Lage des Unternehmens zu vergewissern. Hierzu gehört insbesondere die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit.8) Mit welcher Intensität diese Beurteilung vorgenommen werden muss, hängt von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens ab. Die Verantwortlichen trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie ihre Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verletzt haben. b)
Grundlagen zur Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit
Die Beurteilung der Frage, ob Zahlungsunfähigkeit vorliegt, erfolgt auf der 45 Grundlage eines Finanzstatus und eines darauf aufgebauten Finanzplans. Weist der Finanzstatus aus, dass der Schuldner seine fälligen Zahlungsverpflichtungen erfüllen kann, kommt eine Unterdeckung von vornherein nicht in Betracht. Aber auch dann, wenn der Finanzstatus zeigt, dass die fälligen Verbindlichkeiten mit den zur Verfügung stehenden liquiden Mitteln nicht bedient werden können, scheidet eine Zahlungsunfähigkeit i. S. v. § 17 InsO dann aus, wenn auf Basis des Finanzplans davon ausgegangen werden kann, dass die Liquidi___________ 6) Für die GmbH ergibt sich dies aus § 64 GmbHG, für die AG aus §§ 92 Abs. 2, 93 Ziff. 6 AktG; eine Ausnahme gilt stets für solche Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmensleiters vereinbart sind. Im Falle der Insolvenzeröffnung werden diese Ansprüche – ebenso wie Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a InsO – vom Insolvenzverwalter durchgesetzt, vgl. § 92 InsO. Daneben kann der Geschäftsleiter gegenüber solchen Gläubigern, die ihre Forderung gegen die Schuldnerin erst nach Insolvenzreife erworben haben, auch direkt haften (sog. Neugläubigerschaden), vgl. etwa BGH, Urt. v. 5.2.2007 – II ZR 234/05. 7) Ständige Rechtsprechung; siehe BGHZ 163, 134 ff. m. w. N. 8) BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, Rn. 16.
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B. Insolvenzgründe im Zusammenhang mit Immobilientransaktionen
tätslücke innerhalb einer Dreiwochenfrist – zumindest bis auf einen geringen Rest – ausgeglichen wird.9) In einem solchen Fall spricht man vom Vorliegen einer (rechtlich unerheblichen) vorübergehenden Zahlungsstockung.10) Dem Grunde nach liegt – vereinfacht ausgedrückt – eine vorübergehende Zahlungsstockung dann vor, wenn der Schuldner es schafft, sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung seiner fälligen Forderungen erforderlichen finanziellen Mittel zu beschaffen.11) c)
Problem: Investitionsausgaben (CAPEX)
46 Im Zusammenhang mit zu erwartenden Investitionsausgaben für längerfristige Anlagegüter12) (Capital Expenditure, kurz: CAPEX) kann es schwierig sein, die kurzfristige Liquiditätsbelastung zutreffend im Finanzplan abzubilden. Die Kostenentwicklung bei Aus- und Umbaumaßnahmen lässt sich oftmals nur schwer kalkulieren. In diesem Zusammenhang kann es für den Schuldner schwierig sein, zu prognostizieren, welche Verbindlichkeiten im kommenden Dreiwochenzeitraum aufgrund der Um- und Ausbaumaßnahmen weiter entstehen. 47 Dies kann ein Risiko für die Verantwortlichen auf Schuldnerseite darstellen, da sie die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, ihre Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verletzt zu haben.13) Insoweit kurzfristig zu erwartende Liquiditätsabflüsse müssen daher möglichst frühzeitig dokumentiert werden (etwa durch die Einholung von Kostenvoranschlägen), um eine gesicherte Grundlage für den Finanzplan schaffen zu können. 2.
Überschuldung
48 Nach dem in § 19 Abs. 2 InsO vom Gesetzgeber wieder eingeführten und in der Begründung zum Regierungsentwurf ausdrücklich in Bezug genommenen14) zweistufigen Überschuldungsbegriff besteht eine zweistufige Prüfungs___________ 9) 10) 11) 12)
IDW – Verlautbarungen zur Sanierung und Insolvenz, IDW EPS 800 n. F., S. 5 Rn. 18. BT-Drucks. 12/2443, S. 114; BGH, Urt. v. 24.05.2005 – IX ZR 123/04, NJW 2005, 3062. HeidelbKomm/Kirchhof, § 17 Rn. 18; BGH, NJW, 2005, 3062. Solche Investitionsausgaben sind für das Immobilien-SPV insbesondere dann erforderlich, wenn Gewerbemieträume den Bedürfnissen neuer Mieter angepasst werden müssen (Mieterausbau). 13) BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, Rn. 15. 14) Der Deutsche Bundestag hat am 9.11.2012 – versteckt im „Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess“ – in zweiter und dritter Lesung die Entfristung des insolvenzrechtlichen Überschuldungsbegriffes (§ 19 Abs. 2 InsO) beschlossen (BGBl. I S. 2418). Der in Folge der Wirtschaftskrise mit Wirkung ab 18.10.2008 durch Art. 5 des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes in die Insolvenzordnung eingefügte Wortlaut, der ursprünglich auf einen Zeitraum von zwei Jahren bis zum 31.12.2010 befristet war und zwischenzeitlich bis zum 31.12.2013 verlängert wurde, wird nun auch über das Jahresende 2013 hinaus unbefristet Bestand haben.
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I. Insolvenzgründe
reihenfolge: Überschuldung liegt hiernach dann vor, wenn das Vermögen des Schuldners bei Ansatz von Liquidationswerten die bestehenden Verbindlichkeiten nicht deckt (rechnerische Überschuldung) und die Finanzkraft der Gesellschaft mittelfristig nicht zur Fortführung des Unternehmens ausreicht (Fortführungs- oder Fortbestehensprognose). a)
Maßgeblichkeit des Verkehrswerts für eine bilanzielle Überschuldung
Eine Zweckgesellschaft, deren Unternehmensgegenstand im Halten und in der 49 Verwaltung eigenen Grundbesitzes besteht, verfügt daneben im Regelfall über keine weiteren nennenswerten Aktiva. Somit ist der entsprechende Verkehrswert des vom SPV gehaltenen Grundbesitzes auch der maßgebliche Bezugspunkt für die Feststellung einer bilanziellen Überschuldung. Bereits geringfügige Wertberichtigungen bei der betreffenden Immobilie können somit eine rechnerische Überschuldung der Zweckgesellschaft zur Folge haben. Neben den genannten Objektgesellschaften spielt die Frage einer Überschul- 50 dung auch bei derjenigen Gesellschaft eine Rolle, die als Immobilien-Holding fungiert und die Anteile an den einzelnen Objektgesellschaften hält. Zwar mag es in einem diversifizierten Portfolio grundsätzlich möglich sein, Wertverluste bei einer Immobilie durch Wertsteigerungen bei anderen Konzernimmobilien zu kompensieren. In der Praxis haben sich allerdings gerade die HoldingGesellschaften als besonders volatil erwiesen.15) So besteht insbesondere die Gefahr, dass die Insolvenzreife einer einzelnen Objektgesellschaft derart starke Wertberichtigungen erfordert, dass sie die rechnerische Überschuldung der Holding nach sich zieht. b)
Keine Überschuldung bei positiver Fortführungsprognose
Nach dem zweistufigen Überschuldungsbegriff kommt es immer dann, wenn 51 es eine positive Fortführungsprognose hinsichtlich des Unternehmens gibt, für die Frage der Überschuldung auf die oben unter Rn. 43 ff. dargestellte, bilanzielle Gegenüberstellung der Aktiv- und Passivwerte des Unternehmens letztlich nicht mehr an. Es war nach der Gesetzesbegründung das ausdrückliche Anliegen des Gesetzgebers zu verhindern, dass Unternehmen, die durch die Finanzkrise erhebliche Wertverluste – insbesondere auch bei Immobilien – erlitten haben, einen Insolvenzantrag stellen müssten, obwohl für sie eine positive Fortführungsprognose gestellt werden kann.16)
___________ 15) Dies sind zumeist ebenfalls reine Zweckgesellschaften, welche in der Praxis aus steuerlichen Gründen üblicherweise im Ausland ansässig sind. 16) Vgl. BT-Drucks. 16/10600, S. 21, siehe hierzu etwa Möhlmann-Mahlau/Schmitt, NZI 2009, 19, 20.
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52 Überwiegende Wahrscheinlichkeit der Fortführung des Unternehmens bedeutet, dass diese zu mehr als 50 % wahrscheinlich sein muss.17) Die zur Feststellung der Überschuldung erforderliche Fortführungsprognose ist positiv, wenn sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass die Gesellschaft mittelfristig, d. h. in einem betriebswirtschaftlich überschaubaren Zeitraum, Einnahmenüberschüsse erzielen wird, aus denen die gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten gedeckt werden können. 53 Bei der Fortbestehensprognose ist den Schuldnervertretern ein Beurteilungsspielraum einzuräumen.18) Die Geschäftsleitung, welche sich ggf. fachkundig beraten lassen muss,19) soll nicht einem unzumutbar großen Risiko ausgesetzt werden, wegen verspäteter Insolvenzantragstellung belangt zu werden. Hierdurch soll im Interesse des Unternehmens und der Gläubiger sichergestellt werden, dass sich ein seriöser Geschäftsleiter nicht aufgrund drohender Haftungsfolgen von aussichtsreichen Sanierungsbemühungen abhalten lässt.20) Allerdings sind derzeit auch erste Anzeichen in der Rechtsprechung erkennbar, wonach – in Reaktion auf die Wiedereinführung des zweistufigen Überschuldungsbegriffs – strengere Anforderungen an die Fortführungsprognose bzw. an ein Sanierungskonzept als zuvor (zur Rechtslage vor dem 17.10.2008) zu stellen sind. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. aa)
Ausreichender Cash-Flow
54 Der Schuldner hat dann eine positive Fortführungs- oder Fortbestehensprognose, wenn die Fortführung nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Teilweise ist hiernach lediglich eine reine Liquiditätsprognose anzustellen;21) nach anderer Ansicht muss die Fortführungsprognose den gesamten Umständen nach – und somit nicht nur gemessen an der Liquidität – überwiegend wahrscheinlich sein. Insofern kommt es nach letztgenannter Ansicht neben der Liquidität entscheidend auf das Unternehmenskonzept und die Ertragsfähigkeit an.22) 55 Da ein Immobilien-SPV kein eigentliches operatives Geschäft betreibt, wird seine Fortführungsprognose dann grundsätzlich positiv ausfallen, wenn über den Cash-Flow der Immobilie, also die Miet- und Pachtzinserträge, die Ver-
___________ 17) HambKomm-InsO/Schröder, § 19 Rn. 13. 18) BGHZ 126, 181 ff., 199; OLG Naumburg, NZG 2001, 136 f.; OLG Koblenz, NJW-RR 2003, 1198 f.; OLG Naumburg GmbHR 2004, 361 ff. 19) BGHZ 126, 181 ff., 199; Lutter, DB 1994, 129, 135. 20) Vgl. BGHZ 126, 181 ff., 199. 21) Hirte/Knof/Mock, ZInsO 2008, 1217, 1221. 22) HambKomm-InsO/Schröder, § 19 Rn. 12.
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bindlichkeiten gegenüber den Fremdkapitalgebern bedient werden können und somit die Zahlungsfähigkeit aufrecht erhalten werden kann.23) bb)
Fortbestehensprognose bei ungenügendem LTV
Es ist allerdings fraglich, ob die Fortbestehensprognose – trotz ausreichenden 56 Cash Flows – durch ein nicht vertragsgemäßes Verhältnis zwischen Darlehensbetrag und Objektwert (Loan to Value, kurz: LTV) ins Wanken gebracht werden kann.24) In derartigen Fällen besteht zumeist die Situation, dass der Kreditnehmer die Tilgungs- und Zinsleistungen für den Moment noch erbringen kann und mithin (noch) zahlungsfähig ist, gleichwohl aber bereits jetzt absehen kann, die hohe Schlussrate im Zeitpunkt des Fälligwerdens nicht erbringen zu können. Weiter sehen derartige Finanzierungsverträge üblicherweise eine Kündigungsmöglichkeit der finanzierenden Banken vor, sofern das LTV einen festgelegten Quotienten unterschreitet. Sollte also absehbar und erkennbar sein, dass der Kreditgeber das Darlehen unter Berufung auf diese Klausel kündigt und hierdurch die Zahlungsunfähigkeit herbeiführt, können bereits Anzeichen dafür bestehen, dass ein Fortbestehen des schuldnerischen Unternehmens nicht mehr als wahrscheinlich anzusehen ist. Nach der hier vertretenen Auffassung sollte ein ausreichender Cash Flow – un- 57 abhängig vom Zeitwert der jeweiligen Immobilie – grundsätzlich auch eine positive Fortführungsprognose zugunsten der schuldnerischen Geschäftsleitung begründen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass ein konstruktives Verhältnis zur Kreditgeberseite besteht, und Letztere ggf. bereits signalisiert hat, durch entsprechende Maßnahmen einer späteren Zahlungsunfähigkeit entgegenzuwirken. Dies entspricht auch dem Anliegen des Gesetzgebers bei Wiedereinführung des zweistufigen Überschuldungsbegriffs, nicht allein aufgrund erheblicher Immobilienwertverluste eine Insolvenzreife herbeizuführen. cc)
Fortbestehensprognose bei zu geringem Cash-Flow
Eine negative Fortbestehensprognose ist demgegenüber anzunehmen, wenn 58 sich aus der Finanzplanung für den Prognosezeitraum eine finanzielle Unterdeckung ergibt. In diesen Fällen ist die Realisierbarkeit eines Liquidationskonzeptes zur Abwendung des Insolvenzverfahrens zu prüfen. Dabei sind, ausgehend von einem entsprechend geänderten Unternehmenskonzept, die zahlenmäßigen Auswirkungen der angenommenen Verwertungsintensität und der Verwertungsgeschwindigkeit abzubilden.25) Ein Liquiditations-Szenario wird ___________ 23) Westhoff/Mock, DZWIR 2004, 23, 24. 24) Durch Tilgungen des Kredits sinkt das LTV während der Laufzeit. 25) Vgl. Braun/Bußhardt, § 19 Rn. 10.
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für ein Immobilien-SPV mangels anderer, relevanter Aktiva aber regelmäßig keine Rolle spielen. 59 Die positive Fortführungsprognose wird hiernach dann entfallen sein, wenn der Kapitaldienst aus dem Cash-Flow der Immobilie nicht mehr erbracht werden kann und zu erwarten ist, dass auch ein etwaiger Verkauf nicht zur vollständigen Kredittilgung ausreichen wird. Sofern nicht eindeutige und dokumentierte Signale von Seiten der Kreditgeber vorliegen, wird die Geschäftsleitung gehalten sein, einen Insolvenzantrag zu stellen. 3.
Maßnahmen zur Beseitigung von Insolvenzgründen
60 Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, welche strategische Option die Finanzierungsparteien im Zuge einer Restrukturierung letztlich auswählen. In diesem Punkt werden insbesondere die Optionen für den Fall dargestellt, dass die Kreditgeberseite noch genügend Vertrauen zur schuldnerischen Geschäftsleitung besitzt und eine Restrukturierung im Einvernehmen mit der Schuldnerin durchführen will. a)
Stillhaltevereinbarung
61 Als eine erste wirksame Maßnahme zur (vorläufigen) Abwendung einer Insolvenzreife können die Finanzierungsparteien ein Stillhalten (stand still) vereinbaren. 62 In einem solchen Vertrag wird üblicherweise zunächst die Situation dokumentiert, die das Standstill erforderlich gemacht hat: So wird darin festgestellt, dass die Schuldnergesellschaft ihren Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nicht nachgekommen ist, etwa indem sie den betreffenden Kredit nicht zum Rückzahlungsdatum zurückgezahlt hat, oder weil sie die vertraglich vereinbarte Quote im Hinblick auf das LTV nicht erfüllt hat. 63 Rechtsgestaltend wird sodann vereinbart, dass der Kreditnehmer für den Zeitraum der Vereinbarung die Zahlung der aus dem Kreditvertrag offenstehenden Forderungen nicht ernsthaft einfordern wird. Es handelt sich hierbei nicht um eine Stundung im rechtstechnischen Sinne; vielmehr wird die Tilgung rein tatsächlich gestundet.26) 64 Das Standstill hat vorläufigen Charakter und lässt zumeist keinen Rückschluss darüber zu, ob der Kreditgeber auch weiterhin bereit sein wird, die Schuldnergesellschaft außergerichtlich zu restrukturieren. Oftmals wird die Laufzeit des Standstill dazu genutzt, neue Wertgutachten über den Grundbesitz erstellen zu lassen, um im Anschluss hieran die Finanzierungssituation erneut zu überprüfen. Des Weiteren soll der Schuldnerseite nochmals die Chance gegeben werden, weiteres Eigenkapital aufbringen zu können. ___________ 26) Dies ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend, um die Annahme einer Zahlungsunfähigkeit auszuschließen, vgl. etwa BGH, Urt. v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08 m. w. N.
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b)
Forderungsverzicht
Ein (teilweiser) Verzicht auf die Tilgung des betreffenden Kredits wird seitens 65 der besicherten Gläubiger überhaupt erst dann in Erwägung zu ziehen sein, wenn absehbar ist, dass die bestehenden Sicherheiten in einem Insolvenzszenario27) voraussichtlich nicht zur vollständigen Rückführung des Kredits ausreichen würden. Doch selbst dann, wenn Bereitschaft auf Gläubigerseite hinsichtlich eines Ver- 66 zichts besteht, können insbesondere steuerrechtliche Gesichtspunkte dazu führen, dass dieser Schritt sich als nicht umsetzbar erweist: Durch das Ausbuchen der Forderung entsteht beim Kreditnehmer ein Gewinn in Höhe des Nennwerts der Forderung. Dieser wird als Sanierungsgewinn bezeichnet, der eine Erhöhung des Betriebsvermögens darstellt, die entsteht, weil Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden.28) Während bis zum Jahre 1997 Sanierungsgewinne nach der damaligen Regelung in § 3 Nr. 66 EStG steuerfrei waren, wurden seit Aufhebung der Vorschrift 1998 Sanierungsgewinne wieder zur ertragssteuerlichen Gewinnermittlung herangezogen. Die immensen Auswirkungen auf die Sanierungspraxis wurden durch das Schreiben des BMF vom 27.3.2003 teilweise entschärft, wonach Sanierungsgewinne unter bestimmten Voraussetzungen von den Finanzbehörden zu stunden sind. Ob die nach dem BMF-Schreiben vom 27.3.2003 erforderlichen Voraussetzun- 67 gen im Einzelfall vorliegen, kann lediglich mittels einer zeit- und kostenintensiven, verbindlichen Auskunft der Finanzbehörden (§ 89 AO) geklärt werden. c)
Rangrücktritt
Letztlich kann der besicherte Kreditgeber die Option in Betracht ziehen, den 68 Kreditnehmer durch einen Rangrücktritt zu entlasten. In einer derartigen Vereinbarung erklärt der Gläubiger üblicherweise, mit sei- 69 nen Forderungen hinter diejenigen Forderungen sämtlicher Gläubiger, mithin in den Rang nach § 39 InsO, zurückzutreten.29) Ebenfalls wird – ähnlich dem unter Rn. 43 ff. beschriebenen Standstill – erklärt, dass der Gläubiger diese Be___________ 27) Oftmals versucht die Schuldnerseite ihre Verhandlungsposition damit aufzubauen, dass sie auf Wertverluste allein aufgrund der Öffentlichkeitswirkung einer Insolvenz verweist. In der Praxis erweist sich dieser Punkt – im Falle von Immobilieninsolvenzen – allerdings oftmals als nicht zutreffend; vielmehr wird vereinzelt sogar angeführt, dass die Insolvenz auch ein wirksames Vertriebs- und Marketing-Instrument sein kann, weil hierdurch ein erheblicher Teil möglicher Investoren auf die betreffende Immobilie aufmerksam wird. 28) Vgl. BMF-Schreiben v. 27.3.2003 – IV A 6 – S 2140 – 8/03, Rn. 3. 29) Seit Inkrafttreten des MoMiG zum 1.11.2008 (BGBl. I S. 2026) werden an einen Rangrücktritt keine besonderen Anforderungen mehr gestellt. Nunmehr sind auch Forderungen mit einem sog. einfachen Rangrücktritt nicht mehr in den Überschuldungsstatus nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO miteinzubeziehen.
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träge nicht einfordern wird, soweit hierdurch eine Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO bzw. eine Überschuldung nach § 19 InsO ausgelöst wird. 70 Als „Fallstrick“ einer Rangrücktrittserklärung erweisen sich in derartigen CMBS-Fällen aber zumeist die bestehenden Kreditsicherheiten: So ist zu prüfen, ob für eine rechtssichere Nichtpassivierung einer gesicherten Forderung der Gläubiger auf die Verwertung von Sicherheiten verzichten muss. Aber auch dann, wenn dies nicht erforderlich sein sollte und der vereinbarte insolvenzrechtliche Nachrang grundsätzlich keine Auswirkungen auf den Bestand der Sicherheiten hätte, so bestünde gegen die Geltendmachung etwaiger Absonderungsrechte jedenfalls eine Einrede aus dem Sicherungsvertrag.30) II.
Insolvenzantragstellung
71 Sofern es für die Finanzierungsparteien absehbar ist, dass eine außergerichtliche Restrukturierung keinen Erfolg verspricht, tritt die Frage der Insolvenzantragstellung in den Vordergrund. 1.
Die Beteiligten und ihre jeweilige Strategie
72 In taktischer Hinsicht kann es für beide Seiten einen Vorteil haben, durch die Einreichung eines Insolvenzantrags zuerst initiativ zu werden; man kann insoweit von einem First Mover Advantage sprechen. a)
Kreditgeber und Sicherheitentreuhänder
73 Vor Insolvenzantragstellung wird der besicherte Kreditgeber zunächst gehalten sein, das bestehende Paket an Kreditsicherheiten (Security Package) einer erneuten, ggf. summarischen Prüfung zu unterziehen und insbesondere die Risiken einer möglichen späteren Insolvenzanfechtung nach den §§ 129 ff. InsO zu überprüfen und abzuwägen. Zunächst spricht der Umstand einer ausreichenden Besicherung zwar gegen eine bestehende Gläubigerbenachteiligung i. S. v. § 129 InsO. Ein besonderes Augenmerk ist aber auf die üblicherweise vereinbarte Pfändung/Abtretung von Mietforderungen zu richten: Nach dem Urteil des BGH vom 17.9.200931) richtet sich der nach § 140 InsO maßgebende Zeitpunkt für die Anfechtbarkeit bei Pfändung einer künftigen Mietforderung nach dem Beginn des Nutzungszeitraums, für den die Miete geschuldet ist. Dass die Mietforderung zusätzlich in den Haftungsverband einer Grundschuld fällt, hindert die Anfechtung nicht. Nach Ansicht des BGH liegt insoweit kein masseneutraler Sicherheitentausch vor. 74 Der Kreditgeber wird einen Insolvenzantrag regelmäßig auch dazu nutzen wollen, auf die Frage der Insolvenzverwalterbestellung Einfluss zu nehmen. Insoweit läuft er Gefahr, durch einen Schuldnerantrag vor vollendete Tatsachen ___________ 30) Vgl. Bloß/Zugelder, NZG 2011, 332. 31) BGH, Urt. v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, NJW 2010, 444.
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II. Insolvenzantragstellung
gestellt zu werden. Das (Erst-)Vorschlagsrecht hinsichtlich der Person des Insolvenzverwalters hat eine besondere Bedeutung in den Fällen, in denen sich ein Kredit auf ein ganzes Immobilienportfolio und demgemäß auf viele einzelne Schuldnergesellschaften erstreckt. Vereinzelt haben Insolvenzgerichte in solchen Fällen mehrere unterschiedliche Insolvenzverwalter bestellt, was die spätere Zusammenarbeit zwischen besicherten Kreditgebern und Verwaltern – und auch zwischen den einzelnen Verwaltern untereinander – immens erschwerte. Der besicherte Kreditgeber sollte im Insolvenzantrag daher auf einen einheitlichen (Konzern-)Insolvenzverwalter hinwirken.32) Sollten die Voraussetzungen nach § 22a InsO33) vorliegen, so kann der An- 75 tragsteller versuchen, andere Gläubiger für einen (vorläufigen) Gläubigerausschuss zu gewinnen. Wird ein solcher eingesetzt, hat das Gericht in Anbetracht von § 56a InsO nur noch einen geringen Spielraum, um von einem einstimmigen Vorschlag des Ausschusses hinsichtlich der Person des Verwalters abzuweichen. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Gläubiger im Rahmen einer Verbrie- 76 fungsstruktur in der Entscheidung, wie auf eine bestehende Insolvenzreife des Kreditnehmers zu reagieren ist, nicht kaufmännisch frei entscheiden kann. Vielmehr bestehen erhebliche Dokumentationserfordernisse der handelnden Agents und Special Servicer gegenüber den Anteilseignern. Aufgrund der grundpfandrechtlichen Besicherung hat der Gläubiger neben der 77 Insolvenzantragstellung auch noch die Möglichkeit, eine Zwangsverwaltung nach den §§ 146 ff. ZVG einzuleiten (vgl. hierzu Rn. 588 ff.) Ein maßgeblicher Gesichtspunkt bei der Frage, welche dieser beiden Optionen im Einzelfall vorteilhaft ist, wird in der Kostenstruktur liegen: So erhält der Zwangsverwalter eine Regelvergütung in Höhe von 10 % des für den Zeitraum der Verwaltung an Mieten und Pachten eingezogenen Bruttobetrags (Miete, Pacht, zzgl. Nebenkosten, vgl. § 18 Abs. 1 ZwVwV). Die Sätze für eine mit einem Insolvenzverwalter vereinbarte „Kalte“ Zwangsverwaltung liegen demgegenüber – zumindest in großen Immobilienfällen – deutlich unter diesem Prozentsatz (vgl. hierzu Rn. 599 ff.) Zudem bietet sich im Falle eines Insolvenzverfahrens – ebenfalls nach Abschluss einer entsprechenden Verwertungsvereinbarung mit dem Insolvenzverwalter – die Möglichkeit eines freihändigen Verkaufs der Immobilie.
___________ 32) Ein erheblicher Vorteil dieser Lösung liegt u. a. auch darin, dass der besicherte Kreditnehmer dann mit lediglich einem Insolvenzverwalter entsprechende Verwaltungs- und Verwertungsvereinbarung zu treffen hat. Demgegenüber entstünde bei mehreren Insolvenzverwaltern ein ungleich höherer Beratungs- und Koordinationsaufwand auf Seiten des Gläubigers. 33) In vielen Fällen wird die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses allerdings daran scheitern, dass die Schuldnergesellschaft nicht die erforderliche Mitarbeiteranzahl beschäftigt und nicht die geforderten Umsatzerlöse erzielt.
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b)
Kreditnehmer
78 Auf Seiten des Schuldners wird das In-Aussicht-Stellen eines Schuldnerantrags nach § 13 InsO eine relevante Möglichkeit sein, Druck gegenüber dem Finanzierungsgläubiger aufzubauen. So wird er zum einen die negative Öffentlichkeitswirkung anführen, um den Gläubiger von einer außergerichtlichen Restrukturierung zu überzeugen. Noch wesentlich gravierender können sich allerdings die wirtschaftlichen Folgen einer (aus Gläubigersicht) „unkontrollierten“ Insolvenz – etwa im Hinblick auf eine nicht sachgemäße Verwalterbestellung – darstellen. Diese Erwägungen wird der Schuldner regelmäßig in die Waagschale werfen, um auf die unter Rn. 60 ff. dargestellten Maßnahmen hinzuwirken und hierdurch um mehr Zeit zu einer eigenverantwortlichen Restrukturierung zu erhalten. 2.
Der Gläubigerantrag und seine Erfordernisse
79 Sollte sich der Gläubiger dazu entschließen, selbst ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kreditnehmerin einleiten zu lassen, so wird er sich umfassend vorbereiten müssen: a)
Glaubhaftmachung der Forderungsinhaberschaft
80 Zunächst müssen dem Insolvenzgericht die Finanzierungsstruktur und die sich daraus ergebenden Vertretungsverhältnisse nahegebracht werden. Der antragstellende Gläubiger muss darlegen, warum er aufgrund der Finanzierungsverträge berechtigt ist, gegenüber der Schuldnergesellschaft die betreffenden Rückzahlungs- und Zinsansprüche geltend zu machen. Die im Rahmen einer CMBS-Transaktion als Original Lender fungierende Bank wird ihre Forderungen im Regelfall kurz nach Verbriefung an einen Rechtsnachfolger abgetreten haben; sie kommt als Antragstellerin somit nicht mehr in Betracht. Die Rechtsinhaberschaft liegt beim New Lender und die Betreuung der immobilienbesicherten Kreditengagements erfolgt über einen externen Dienstleister, etwa einen Agent und/oder einen Special Servicer. 81 Daneben sehen die CMBS-Finanzierungsverträge häufig den Fall vor, dass der Darlehensnehmer im Wege einer abstrakten Garantie auch gegenüber dem Sicherheitentreuhänder (Security Trustee) die Rückzahlung erklärt (Parallel Debt).34) Als sichere Vorgehensweise empfiehlt sich in derartigen Fällen eine Antragstellung durch den New Lender und den Security Trustee gemeinsam. b)
Darlegung der Legitimationskette
82 Ausgehend von der Konstruktion der Finanzierungsverträge muss dem Insolvenzgericht eine lückenlose Legitimationskette nachgewiesen werden, welche ___________ 34) Dies geschieht zumeist aufgrund der Akzessorietät einzelner Sicherungsrechte, etwa der Verpfändung von Geschäftsanteilen und Mietkonten.
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II. Insolvenzantragstellung
vom aktuellen Forderungsinhaber (New Lender) – ggf. über den Special Servicer – bis hin zum bevollmächtigten anwaltlichen Vertreter reicht. Sofern nach der vertraglichen Konstruktion ein Parallel Debt, also ein eigen- 83 ständiges Forderungsrecht sowohl des New Lender als auch des Security Trustee vorliegt, muss die Legitimationskette in Bezug auf beide Antragsteller dargelegt werden. c)
Glaubhaftmachung der fälligen Forderung
Weiterhin hat der Gläubiger darzulegen und glaubhaft zu machen, dass der 84 betreffende Kredit an die Schuldnergesellschaft ausgezahlt wurde, die Fälligkeit des Kredits nach den Finanzierungsverträgen eingetreten ist und der Kreditnehmer den betreffenden Kredit nicht (vollständig) zurückgezahlt hat. Für Letzteres ist es ratsam, eine eidesstattliche Versicherung von Seiten des Gläubigers einzuholen, auch um hierdurch die Ernsthaftigkeit des Anliegens zu untermauern. d)
Glaubhaftmachung von Insolvenzgründen
Letztlich hat der Gläubiger noch das Vorliegen eines Insolvenzgrundes hin- 85 sichtlich der Antragsgegnerin glaubhaft zu machen. aa)
Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit
Hinsichtlich der Glaubhaftmachung einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit 86 wird der besicherte Gläubiger in der Regel nur vortragen können, dass der Schuldner die vereinbarten Zins- und Tilgungsraten nicht bezahlt hat. Schwierig für den außenstehenden Gläubiger ist hingegen der Nachweis zu führen, dass der Schuldner nicht lediglich zahlungsunwillig ist, sondern tatsächlich zahlungsunfähig ist. So verfügt der Gläubiger in der Regel nicht über Liquiditätsauswertungen aus dem schuldnerischen Unternehmen und kann eine vollständige Gegenüberstellung von fälligen Verbindlichkeiten und liquiden bzw. kurzfristig liquidierbaren Mitteln nicht leisten. An dieser Stelle hilft dem Gläubiger die Vorschrift des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO, wonach Zahlungsunfähigkeit in der Regel auch dann anzunehmen ist, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.35) Eine Zahlungseinstellung ist in derartigen Fällen deshalb anzunehmen, weil es sich bei den fälligen Tilgungs- und Zinsansprüchen um wesentliche und erhebliche Verbindlichkeiten handelt, deren Nichtbegleichung mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine bestehende Zahlungsunfähigkeit schließen lässt.36) ___________ 35) Vgl. BGH, Beschl. v. 13.4.2006 – IX ZB 118/04. 36) Insofern reicht für die Feststellung des Eröffnungsgrundes ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit aus; vgl. OLG Stuttgart, NZI 1999, 491, 492.
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B. Insolvenzgründe im Zusammenhang mit Immobilientransaktionen
bb)
Glaubhaftmachung der Überschuldung
87 Die Überschuldung eines Immobilien-SPV kann der Gläubiger in der Regel durch ein Wertgutachten37) über die betreffende Immobilie nachweisen. Weist das Gutachten einen Immobilienwert aus, der deutlich unter dem noch ausstehenden Zins- und Tilgungsbetrag liegt, so ist hierdurch eine rechnerische Überschuldung ausreichend dargetan. 88 In Bezug auf den Wegfall der Fortbestehensprognose kann ausgeführt werden, dass die Verhandlungen über eine außergerichtliche Restrukturierung der Finanzverbindlichkeiten gescheitert sind. cc)
Rechtsschutzbedürfnis bei Zahlungsunfähigkeit, aber keiner Überschuldung
89 Nachfragen des Insolvenzgerichts können sich ggf. dann ergeben, sofern im Gläubigerantrag lediglich eine bestehende Zahlungsunfähigkeit, nicht aber eine rechnerische Überschuldung glaubhaft gemacht werden kann. In derartigen Fällen liegt es am Gläubiger, das Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der Insolvenzantragstellung näher darzulegen. In der Praxis versuchen die Insolvenzgerichte in derartigen Fällen häufig sicherzustellen, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sowohl aufgrund einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit als auch aufgrund einer bereits eingetretenen Überschuldung beantragt wird. Ein Insolvenzantrag, welcher sich ausschließlich auf die Zahlungsunfähigkeit stützt, könnte insofern als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. 90 Vor diesem Hintergrund sollte ein (Gläubiger-)Insolvenzantrag, welcher maßgeblich auf den Aspekt der Zahlungsunfähigkeit gestützt ist, vorsorglich auch konkrete Angaben zur Frage der Überschuldung beinhalten. dd)
Rechtsschutzbedürfnis bei ausreichender Besicherung
91 Weiterhin hat der antragstellende Gläubiger ein besonderes Augenmerk auf die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses zu richten, sofern Anzeichen für eine ausreichende Besicherung ersichtlich sind. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung entfällt ein rechtliches Interesse des Gläubigers an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dann, wenn ihm mit hinreichender Gewissheit ein einfacherer, schnellerer und billigerer Weg zur vollständigen Befriedigung seiner Forderung zur Verfügung steht.38) Dies ist der Fall bei ausreichenden, nicht nach § 88
___________ 37) Der besicherte Gläubiger wird regelmäßig bereits aufgrund interner Dokumentationserfordernisse aktuelle Wertgutachten über die schuldnerischen Immobilien erstellen lassen. 38) OLG Schleswig, NJW 1951, 119; OLG Frankfurt, MDR 1973, 235; OLG Hamm, MDR 1973, 1029; OLG, Köln ZIP 1989, 789; vgl. auch MünchKomm-InsO/Schmahl, § 14 Rn. 50.
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II. Insolvenzantragstellung
InsO oder durch Anfechtungsmöglichkeiten gefährdeten Sicherungsrechten an Vermögensgegenständen des Schuldners oder eines Dritten.39) Aufgrund des Umstands, dass es keine allgemeine Subsidiarität des Insolvenz- 92 verfahrens gegenüber anderen Vollstreckungsmöglichkeiten gibt,40) sollte das Rechtsschutzbedürfnis nicht lediglich bei einfachen Anzeichen für eine ausreichende Besicherung verneint werden. Häufig wird sich zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung noch wenig beurteilen lassen, welche Erlöse sich aus der Verwaltung bzw. dem Verkauf der Schuldnerimmobilie erzielen lassen. 3.
Der Schuldnerantrag und seine Anforderungen
a)
Anforderungen nach § 13 InsO
Der Schuldner hat im Rahmen seines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenz- 93 verfahrens über sein Vermögen insbesondere noch die Pflichtangaben nach § 13 InsO zu machen. Sind die Angaben in dieser Hinsicht unzutreffend oder unvollständig, läuft die schuldnerische Geschäftsleitung Gefahr, hierdurch wegen unrichtiger Antragstellung strafrechtlich belangt zu werden; nach § 15a Abs. 3 InsO wird insoweit auch die nicht richtige Stellung eines Insolvenzantrags bestraft. b)
Antrag auf Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses
Sofern die entsprechenden Kennzahlen nach §§ 13 Satz 4, 22a InsO41) einschlä- 94 gig sind, wird die schuldnerische Geschäftsleitung versuchen, bereits bei Antragstellung Personen für einen vorläufigen Gläubigerausschuss benennen zu können. Somit besteht gemeinhin die Gefahr, dass die Schuldnerseite versucht, den besicherten Kreditnehmer bei der Auswahl zu umgehen. Regelmäßig ist der Kreditgeber in derartigen Transaktionen sowohl absonderungsberechtigt als auch derjenige Gläubiger mit den höchsten Forderungen; er soll daher nach dem gesetzlichen Leitbild im Ausschuss vertreten sein; vgl. § 21 Abs. 2 Ziff. 1a i. V. m. § 67 Abs. 2 InsO.
___________ 39) BGH; Urt. v. 11.7.2002 – IX ZB 28/02; vgl. Fischer, NZI 2003, 281; OLG Brandenburg, NZI 2002, 108, 109. 40) Vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2007 – IX ZB 12/07, ZInsO 2008, 103; MünchKomm-InsO/ Schmahl, § 14 Rn. 50; Uhlenbruck, § 14 Rn. 50. 41) Nach § 22a hat das Gericht einen Gläubigerausschuss dann einzusetzen, Schuldner mindestens zwei der drei nachfolgenden Merkmale erfüllt: (1) mindestens 4.840.000 € Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags; (2) mindestens 9.680.000 € Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag; (3) im Jahresdurchschnitt mindestens fünfzig Arbeitnehmer.
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B. Insolvenzgründe im Zusammenhang mit Immobilientransaktionen
4.
Wahrung der Gläubigerrechte durch Schutzschrift
95 Um etwa die Teilnahme im Gläubigerausschuss oder die Wahrung anderer Rechte für den Fall eines Schuldnerantrags sicherzustellen, sollte der besicherte Kreditgeber beizeiten eine Schutzschrift beim (voraussichtlich) zuständigen Insolvenzgericht einreichen. Hierdurch kann der Kreditgeber insbesondere darauf hinwirken, dass die Bestellung eines Sachverständigen und/oder die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung nicht ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs vorgenommen werden. Gleiches gilt für die Anordnung einer Eigenverwaltung. 96 Der Hinweis auf eine eingereichte Schutzschrift wird von den Insolvenzgerichten sodann intern vermerkt42) und es wird sichergestellt, dass diese im Fall eines Schuldnerantrags Berücksichtigung findet. 5.
Zuständiges Insolvenzgericht
97 Im „Wettlauf“ der Finanzierungsparteien kann die Frage des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen (Center of Main Interest, kurz: COMI) der betreffenden Schuldnergesellschaft (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO) eine wichtige Rolle spielen. So wird in Einzelfällen von Seiten der schuldnerischen Geschäftsleitung versucht, den handelsrechtlichen Sitz rechtzeitig vor einem Gläubigerantrag zu verlegen oder auch den wirtschaftlichen Schwerpunkt – etwa durch Wechsel auf einen neuen Asset Manager – woandershin zu verlagern. 98 Letztlich sollte sich der Gläubiger, bevor er eine Schutzschrift oder einen Insolvenzantrag stellt, vergewissern, von wo aus der Schuldner seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet.
___________ 42) Eine Zustellung der Schutzschrift an den Schuldner erfolgt in der Regel nicht.
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C. Immobilienkauf und Insolvenz Der Kauf oder Verkauf einer Immobilie, ob gewerblich oder privat, ist aus 99 Sicht eines Unternehmers oder eines Verbrauchers immer wieder etwas Besonderes. Neben einer Vielzahl an juristischen, wirtschaftlichen und steuerlichen Fragen kommen weitere Überlegungen hinzu wie taktische oder emotionale. Wenn aus einer solchen Gemengelage die Vorgehensweise herausgefiltert ist, ist es stets schwierig, bei der weiteren Abstimmung vorsorglich die Eventualitäten eines Insolvenzverfahrens mit einzuplanen. So mancher Eigentümer einer Immobilie wird aber bestätigen können, dass die Situation einer Insolvenz in der einen oder anderen Nuance beim Erwerb bedacht werden musste – auch wenn eine Insolvenz dann doch nicht relevant wurde. Die Vorgaben der Insolvenzordnung und die einschlägige Rechtsprechung lassen zumindest überschlägig erkennen, wie sich eine Insolvenz auf das jeweilige Investitionsvorhaben auswirkt. Im Focus steht dabei der Immobilienkaufvertrag selbst, dessen Umsetzung und das Schicksal der dahinterstehenden Finanzierung. I.
Das Schicksal des Immobilienkaufvertrages in der Insolvenz
Bei der Betrachtung des Immobilienkaufvertrages ist auch aus insolvenzrecht- 100 licher Sicht zu unterscheiden zwischen dem schuldrechtlichen und dem dinglichen Teil des Immobilienkaufvertrages. Während der schuldrechtliche Teil die Rechte und Pflichten der Vertragspartner ausweist, dient der dingliche Teil deren Umsetzung. Der Immobilienkaufvertrag beginnt im Regelfall mit dem schuldrechtlichen 101 Teil und der Benennung der Vertragsparteien – Käufer und Verkäufer – sowie der Personen, die für diese auftreten. Dabei kann es sich um die Vertragsparteien selbst handeln oder aber gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertreter. Eine Besonderheit ist der Auftritt eines vollmachtlosen Vertreters. Zur Wirksamkeit des Vertrages bedarf es bei einem vollmachtlosen Vertreter noch der späteren Genehmigung durch den Vertretenen. Im Rahmen der notariellen Beurkundung ist es Aufgabe des Notars, sich der Legitimationsketten und der handelnden Personen zu vergewissern. Sodann wird der Kaufgegenstand beschrieben. Der Inhalt dazu wird dem 102 Grundbuch entnommen und umfasst grundsätzlich die Eigentumsverhältnisse an der Immobilie, deren Größe, Lage und Bebauung. Es folgt der Kaufpreis, eventuell unter gesondertem Ausweis eines Kaufpreisanteils für Inventar, und zum Kaufpreis die Zahlungskonditionen. So wird die Zahlung im Regelfall von der Eintragung einer Auflassungsvormerkung und der Voraussetzung abhängig gemacht, dass der Notar alle Löschungsunterlagen für nicht übernommene Belastungen oder sonstige Genehmigungen für die Durchführung des Vertrages vorliegen hat. Bereits an diesem Punkt wird deutlich, dass der Notar mit seiner amtlichen Stellung zwischen den Parteien eine Schnittstelle zwischen Käufer
Scheike
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C. Immobilienkauf und Insolvenz
und Verkäufer darstellt, die in der Insolvenz des einen oder anderen einer besonderen Belastung ausgesetzt sein kann. 103 Üblicherweise erwirbt der Käufer lastenfrei und frei von Rechten Dritter, soweit im Kaufvertrag nichts anderes vereinbart ist. Auch erfolgen regelmäßig der Ausschluss einer Sach- und Rechtsmängelhaftung und eine gesonderte Aussage zu Bodenverunreinigungen bzw. Altlasten wie Kampfmittelrückständen u. Ä. Energieausweis, Gebäudeversicherung, Besitzübergabe und vergleichbare Themen schließen sich an. 104 Der dingliche Teil bewirkt den Erwerb des Eigentums an der Immobilie durch Einigung und Eintragung im Grundbuch gemäß §§ 873, 925 BGB. Die Einigung gemäß § 873 BGB zwischen Verkäufer und Käufer muss den Übergang des Eigentums an dem Grundstück von dem einen auf den anderen zum Gegenstand haben. Es ist ein dinglicher Verfügungsvertrag und wird gemäß § 925 BGB als Auflassung bezeichnet. Die notarielle Beurkundung der Auflassung ist zur Eintragung im Grundbuch nach §§ 20, 29 GBO erforderlich. Für den schuldrechtlichen Teil des Grundstückskaufvertrages gilt grundsätzlich ebenfalls die Vorgabe der notariellen Beurkundung gemäß § 311b BGB. Die Formvorschrift der notariellen Beurkundung mit ihrer Warn- und Beweissicherungsfunktion sowohl im Hinblick auf die dingliche Einigung als auch die schuldrechtliche Vereinbarung lässt erwarten, dass der Immobilienkaufvertrag auch im Insolvenzrecht eine besondere Berücksichtigung findet. 105 Unabhängig von der Beurkundungspflicht ergeben sich darüber hinaus zu weiteren einzelnen Regelungen eines typischen Immobilienkaufvertrages Besonderheiten in der Insolvenz. 106 Ist beispielsweise eine Finanzierungsvollmacht vorgesehen, so ermöglicht diese dem Käufer, den Kaufgegenstand im Vorgriff mit Grundpfandrechten zu belasten und der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen. Die Vollmacht ist insofern eingeschränkt, als dass der Verkäufer keine persönliche Haftung übernimmt und die dingliche Haftung nur insoweit greift, wie dem Verkäufer der Kaufpreis gezahlt wurde. 107 Auch wird im Immobilienkaufvertrag üblicherweise geregelt, wer die Kosten und Steuern übernimmt. Im Normalfall trägt der Käufer die Kosten des Vertrages und die Grunderwerbsteuer. Der Verkäufer trägt üblicherweise die Kosten der Lastenfreistellung. Nach dem Gesetz sind allerdings Verkäufer und Käufer Gesamtschuldner im Hinblick auf die Grunderwerbsteuern sowie aller Kosten und Auslagen des beurkundenden Notars und der Gerichtskosten. In der Insolvenz kann es also sein, dass ein Vertragspartner leisten muss, obwohl an sich vertraglich der andere und jetzt insolvente dazu verpflichtet ist. 108 Weiterhin beinhaltet ein Immobilienkaufvertrag regelmäßig umfängliche Durchführungsvollmachten für Notariatsangestellte des Notars.
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I. Das Schicksal des Immobilienkaufvertrages in der Insolvenz
Je nachdem in welchem Verfahrensstadium sich eine Insolvenz befindet, sind 109 die Auswirkungen auf einen solchen Immobilienkaufvertrag und seinen speziellen Regelungen zu unterscheiden. Gibt es eine Lösungsklausel für den Insolvenzfall, ist davon auszugehen, dass diese gemäß § 119 InsO unwirksam ist.1) Bereits daran wird deutlich, dass das Insolvenzrecht eine Interessenlage durchsetzen kann, die über den Willen der Vertragspartner eines Immobilienkaufvertrages hinausgeht. 1.
Vorläufiges Verfahren über das Vermögen des Käufers
Ein Insolvenzverfahren beginnt mit dem Insolvenzantrag und wird bis zur Er- 110 öffnung des Insolvenzverfahrens oder der Abweisung des Antrages vorläufiges Insolvenzverfahren oder Insolvenzantragsverfahren genannt. Das vorläufige Insolvenzverfahren ist geprägt von dem Bestreben des Gesetz- 111 gebers für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem späteren Insolvenzverwalter die Möglichkeit einer Betriebsfortführung zu wahren. Sowohl dem sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter als auch dem sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter wird gemäß § 22 InsO auferlegt, das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten. Korrespondierend dazu gilt in Bezug auf die Verfügungsgewalt des Schuldners entweder ein Zustimmungsvorbehalt beim sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter oder beim sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter ist die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ganz auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen. Das Insolvenzgericht ordnet in dem einschlägigen Beschluss weitere vorläufige Maßnahmen gemäß § 21 InsO an, um bis zur Entscheidung über den Insolvenzantrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern. So kann das Insolvenzgericht gemäß § 21 Abs. 2 Ziff. 5 InsO anordnen, dass Gegenstände, die an sich der Absonderung oder Aussonderung unterliegen, vom Gläubiger im Insolvenzantragsverfahren nicht eingezogen oder verwertet werden dürfen und zur Fortführung des Unternehmens zur Verfügung stehen. Betroffen sind davon neben sicherungsabgetretenen Forderungen Mobilien, soweit sie gemäß § 166 InsO sicherungsübereignet wurden und im Besitz des Schuldners blieben. Immobilien sind davon nicht erfasst. Auch die Untersagung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder deren einstweilige Einstellung gemäß § 21 Abs. 2 Ziff. 3 InsO betrifft nicht Immobilien, sondern nur Forderungen, Rechte und Mobilien im Übrigen. Dem Grundschuldgläubiger als absonderungsberechtigtem Gläubiger bleibt also auch nach Insolvenzantragsstellung die Möglichkeit, gemäß § 1147 BGB die Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung zu betreiben. Lediglich ein freihändiger Verkauf ist durch die gerichtlich angeordnete Verfügungsbe___________ 1) BGHZ 195, 345.
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C. Immobilienkauf und Insolvenz
schränkung des Schuldners ohne Weiteres nicht mehr möglich. Es bedarf der Mitwirkung des vorläufigen Insolvenzverwalters. 112 In Ausnahmefällen ordnet das Insolvenzgericht im Insolvenzantragsverfahren (zunächst) keine Sicherungsmaßnahmen an und setzt nur einen Sachverständigen ein. Die Ausnahme ist auch (noch) die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung im Insolvenzantragsverfahren gemäß § 270a InsO. Hier wird der insolvente Schuldner im sog. Schutzschirmverfahren des ESUG von einem vorläufigen Sachwalter begleitet. In diesen beiden Ausnahmefällen besteht grundsätzlich keine Verfügungsbeschränkung für den Schuldner trotz eines laufenden Insolvenzantragsverfahrens. In diesen Ausnahmefällen wäre ein freihändiger Verkauf dem Schuldner also noch möglich. 113 Gibt es eine Verfügungsbeschränkung des Schuldners und findet der mit Zustimmungsvorbehalt oder Verfügungsgewalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter einen noch nicht umgesetzten Immobilienkaufvertrag vor, bei dem der insolvente Schuldner in der Rolle des Käufers auftritt, so hat der vorläufige Insolvenzverwalter abzuwägen. An sich eröffnet sich erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Wahlrecht des § 103 InsO. Danach kann der Insolvenzverwalter zwischen der Erfüllung und der Nichterfüllung wählen, wenn ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt ist. Im Stadium des Insolvenzantragsverfahrens gilt dieses gesetzliche Wahlrecht noch nicht. Gleichwohl eröffnet sich bei der Käuferinsolvenz mittelbar für den schwachen/starken vorläufigen Insolvenzverwalter diese Option. Bei der Käuferinsolvenz geht es vornehmlich um die Pflicht, einen Kaufpreis aufzubringen und andere schuldrechtliche Bedingungen eines Immobilienkaufvertrages zu erfüllen. Geschieht dieses nicht bzw. nicht rechtzeitig, droht der Kaufvertrag zu scheitern. 114 Es ist mithin eine betriebswirtschaftliche Entscheidung, ob und inwiefern die Immobilie für die Verwirklichung der Ziele einer eröffneten Insolvenz bzw. beabsichtigten Unternehmensfortführung erforderlich ist. Vielfältige Abwägungen sind denkbar, die den vorläufigen Insolvenzverwalter veranlassen, an dem Immobilienkaufvertrag festzuhalten oder nicht. Es wird zudem die den insolventen Käufer finanzierende Bank sein, die in Kenntnis eines Insolvenzantrages die bisherige Finanzierung oder eine dahingehende Zusage in Frage stellt. 115 Sind bereits Gelder aufgrund einer Belastungsvollmacht an den Verkäufer geflossen, kommt es für die finanzierende Bank darauf an, ob bereits ein Grundpfandrecht zu ihren Gunsten bestellt ist. In dem Fall ist eine Rückzahlung gegen Löschung des Grundpfandrechts zu erwarten. Ist noch kein Grundpfandrecht eingetragen, hat die finanzierende Bank einen Ausfall der bereits gezahlten Beträge in der Käuferinsolvenz zu besorgen. Kam es noch nicht zu einer
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Scheike
I. Das Schicksal des Immobilienkaufvertrages in der Insolvenz
Valutierung des Kaufpreises durch das Kreditinstitut und ist dieses auch nicht zu einer weiteren Finanzierung bereit, könnte im Wege einer gerichtlichen Ermächtigung der vorläufige schwache Insolvenzverwalter einen Massekredit aufnehmen bzw. der starke vorläufige Insolvenzverwalter Masseverbindlichkeiten begründen und dem Erwerb auf diese Weise Fortgang geben. Die Situation kommt der Wahl der Erfüllung gleich. Will der vorläufige Insolvenzverwalter den Immobilienkaufvertrag in Frage 116 stellen, hält dieser den Kaufpreis zurück, greift durch den Widerruf von Vollmachten, Rücktritts- oder Kündigungserklärungen in die Abwicklung des Immobilienkaufvertrages ein oder erfüllt andere ausstehende Bedingungen nicht. Diese Situation kommt der Wahl der Nichterfüllung gleich. Da die Durchführung eines Immobilienkaufvertrages aus mehreren Akten be- 117 steht und im Wesentlichen mittels Vollmachten abgewickelt wird, ist bei Ablehnung des Immobilienkaufvertrages nachzuvollziehen, ob und inwiefern der Schuldner als Käufer über den Kaufvertragsabschluss hinaus persönlich Bedingungen erfüllen muss oder aber die Erfüllung der Bedingungen auf ehemals vom Schuldner erteilten Vollmachten beruht. Erfolgt kein Widerruf der Vollmachten, erlöschen diese nicht automatisch wie im eröffneten Insolvenzverfahren gemäß § 117 InsO. Das gilt insbesondere für die bereits erwähnten Notariatsvollmachten. Im Ergebnis ersetzt in der Insolvenz des Käufers der starke vorläufige Insol- 118 venzverwalter den Schuldner als Käufer bzw. tritt aufgrund eines Zustimmungsvorbehaltes der schwache Insolvenzverwalter mit dem beschränkt geschäftsfähigen Schuldner als Käufer zusammen auf. Im Übrigen wird durch die Insolvenzantragstellung der Immobilienkaufvertrag an sich in seinem Status quo nicht berührt. Findet der vorläufige Insolvenzverwalter keinen Immobilienkaufvertrag vor, 119 schließt aber der Schuldner als Käufer entgegen den gerichtlichen Verfügungsbeschränkungen einen Immobilienkaufvertrag (allein) ab, so könnte dieser das bei genauerer Betrachtung nach wie vor mit seinem insolvenzfreien Vermögen oder für die Zeit nach Aufhebung der Insolvenz tun. Grundsätzlich ist aber unter entsprechender Anwendung der §§ 81, 24 InsO davon auszugehen, dass der Vertragsschluss unwirksam – zumindest anfechtbar – ist, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit dem Immobilienkaufvertrag die Insolvenzmasse belastet sein soll. Allenfalls könnte der starke vorläufige Insolvenzverwalter den Immobilienkaufvertrag noch genehmigen und gemäß §§ 184, 185 BGB rückwirkend wirksam werden lassen. Bei einem Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen Insolvenzverwalters wäre das Geschäft ohnehin nur schwebend unwirksam. Auf einen Schutz des guten Glaubens gemäß § 892, 893 BGB kommt es im Falle des Käufers nicht an. Wusste der Verkäufer nichts von den Verfügungsbeschränkungen des Käufers, kommt ein Gutglaubensschutz im Übrigen gemäß §§ 82,
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C. Immobilienkauf und Insolvenz
24 InsO in Betracht. Wenn der Verkäufer die Verfügungsbeschränkungen nicht kannte und hat trotzdem verfügt, hat er gleichwohl mit schuldbefreiender Wirkung geleistet. Zur Vermeidung dieses Gutglaubensschutzes zugunsten des Verkäufers erfolgt eine Bekanntmachung der insolvenzrechtlichen Verfügungsbeschränkung gemäß § 23 InsO. Es gilt die Vermutungsregelung, dass bei einer Leistung vor der öffentlichen Bekanntmachung von Verfügungsbeschränkungen der Leistende die Beschränkung nicht kannte. Weiterhin gilt gemäß § 9 InsO eine öffentliche Bekanntmachung erst als bewirkt, sobald nach dem Tag der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind. 120 Vergleichbar verhält es sich, wenn der Schuldner entgegen den Verfügungsbeschränkungen den Kaufpreis eines zum Zeitpunkt der Insolvenzantragsstellung bereits geschlossenen Immobilienkaufvertrages zahlt und es zur weiteren Durchführung des Vertrages kommt, insbesondere die Eigentumsumschreibung im Grundbuch. Dann eröffnet sich gemäß §§ 81, 24 InsO aufgrund der Unwirksamkeit der Kaufpreiszahlung der Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises gegen Rückgewähr der Immobilie. 121 Die Phase des Insolvenzantragsverfahrens dauert für gewöhnlich drei Monate, da es für die Arbeitnehmer ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens rückwirkend für drei Monate Insolvenzgeld gibt. Ohne Personalkosten wird so die Betriebsfortführung dem vorläufigen Insolvenzverwalter vereinfacht. Zudem erstellt dieser in den drei Monaten als Sachverständiger gemäß § 22 InsO das Gutachten für das Insolvenzgericht. Das Gutachten ist Grundlage für die Entscheidung des Insolvenzgerichtes über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Durch die Intensität der Einbindung des vorläufigen Insolvenzverwalters in das schuldnerische Unternehmen und die Dauer des Insolvenzantragsverfahrens wird deutlich, dass faktisch wesentliche Weichen des Insolvenzverfahrens bereits in der Antragsphase gestellt werden, zumindest aber für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorbereitet werden. 2.
Eröffnung des Insolvenzverfahrens bezüglich des Käufers
122 Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens greift das weitere Instrumentarium der Insolvenzordnung, um den Zielen der Insolvenzordnung gemäß § 1 InsO den Weg zu bahnen. Dazu gehört nicht nur die bestmögliche Befriedigung der Gläubigergemeinschaft, sondern eben auch der Erhalt des Unternehmens zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes. In diesem Sinne steht dem Insolvenzverwalter insbesondere das bereits angesprochene Wahlrecht des § 103 InsO zur Verfügung. Dieses Wahlrecht bietet die Möglichkeit, alle bestehenden Vertragsverhältnisse des Schuldners auf den Prüfstand zu stellen, wenn er diese nicht bereits in der Rolle des vorläufigen Insolvenzverwalters aus anderen Gründen in Frage stellen konnte.
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Scheike
I. Das Schicksal des Immobilienkaufvertrages in der Insolvenz
Der Insolvenzverwalter kann an den bestehenden Verträgen festhalten und 123 Vertragserfüllung verlangen. Die Erfüllungswahl ist unwiderruflich, bedingungsfeindlich und auch ohne Zustimmung der Gläubigerversammlung oder des Gläubigerausschusses gemäß § 164 InsO wirksam. Das hat zur Folge, dass daraus ergebende Pflichten als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren sind. Die Vertragspartner sind hinsichtlich ihrer im eröffneten Insolvenzverfahren erbrachten Leistungen vorrangig zu befriedigen. Falls das nicht zu gewährleisten ist, eröffnet sich die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters gemäß § 61 InsO. Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung, ändert sich für die jeweiligen Vertragspartner durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nichts. Lehnt dagegen der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrages ab, kann der 124 Vertragspartner seine Forderungen wegen der Nichterfüllung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Damit wird dieser auf die Insolvenzquote verwiesen. Im Fall des Immobilienkaufvertrages ist aus Sicht des Verkäufers dann der Vertrag gescheitert. Ein nennenswerter Schadensausgleich ist aus der Insolvenz des Käufers im Regelfall nicht zu erwarten. Gegebenenfalls muss der Insolvenzverwalter zur Durchsetzung der Wahl der Nichterfüllung laufende Umsetzungsprozesse stoppen und beispielsweise bereits vom Käufer abgegebene Erklärungen widerrufen oder Zahlungen zurückfordern. Vollmachten erlöschen gemäß § 117 InsO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von Gesetzes wegen und damit auch die bereits angesprochenen Notariatsvollmachten. Verzögert der Insolvenzverwalter die Entscheidung über die Erfüllung, kann 125 der andere Teil gemäß § 103 InsO den Insolvenzverwalter auffordern, sein Wahlrecht auszuüben, so dass der Insolvenzverwalter unverzüglich zu antworten hat. Erfolgt das nicht, kann der Insolvenzverwalter nicht auf Erfüllung bestehen. Dem Verkäufer steht es dann frei, die Immobilie anderweitig zu veräußern. Daneben ist es dem Verkäufer unbenommen, zur Lösung des Immobilienkaufvertrages eventuelle Rücktritts- oder Kündigungsrechte zu nutzen, um von sich aus Klarheit zu schaffen. Eine Kündigungssperre wie es sie bei Mietoder Pachtverträgen gemäß § 112 InsO gibt, ist die Ausnahme und für den Immobilienkaufvertrag nicht vorgesehen. Allein Vereinbarungen, die von vornherein die §§ 103 bis 118 InsO und damit die Optionen des Insolvenzverwalters ausschließen, wie zum Beispiel Lösungsklauseln im Immobilienkaufvertrag für den Insolvenzfall, sind allerdings unwirksam gemäß § 119 InsO.2) Will der Verkäufer an dem Immobilienkaufvertrag festhalten und fordert der 126 Verkäufer mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Insolvenzverwalter nicht auf, sein Wahlrecht auszuüben, setzt sich mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Phase der Ungewissheit über das Sein oder Nichtsein des Immobilienkaufvertrages fort, die mit der Insolvenzantragstellung begonnen hat. ___________ 2) BGHZ 195, 345.
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C. Immobilienkauf und Insolvenz
127 Ein weiteres Abwarten des Insolvenzverwalters hinsichtlich seines Wahlrechts ist häufig darauf zurückzuführen, dass gemäß § 157 InsO erst die erste Gläubigerversammlung im Berichtstermin und damit nicht der Insolvenzverwalter über den Fortgang des Insolvenzverfahrens, insbesondere über die Stilllegung oder Fortführung des insolventen Unternehmens entscheidet. Das Wahlrecht des § 103 InsO berücksichtigt eine solche Verzögerung an sich nicht, da der Informationsstand des Insolvenzverwalters aus dem vorläufigen Insolvenzverfahren ausreichen müsste, um unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Schicksal des Immobilienkaufvertrages zu entscheiden. Letztlich kommt es auf diese Frage nur an, wenn der Vertragspartner den Insolvenzverwalter auffordert, sein Wahlrecht auszuüben. Faktisch ergibt sich für den Verkäufer eine weitere Verzögerung von ca. drei Monaten. Das ist der übliche Zeitraum für das Abwarten des Berichtstermins. 128 Dass der Immobilienkaufvertrag ein gegenseitiger Vertrag gemäß § 103 InsO ist, steht außer Frage. Eine andere Frage ist es, wann dieser von dem einen oder anderen Vertragspartner erfüllt ist und damit § 103 InsO außen vor bleibt. Für die Leistung des Käufers ist es regelmäßig die vollständige Kaufpreiszahlung und die Auflassung. Für die Leistung des Verkäufers ist es die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch. Wenn es an der Rechtsänderung im Grundbuch noch fehlt, besteht eine Ausnahme, sofern die Auflassung erklärt und Käufer und Verkäufer einen Eintragungsantrag gestellt haben. Dann hat der Käufer ein unentziehbares Anwartschaftsrecht3) erlangt. Der Rechtserwerb vollendet sich danach mit der Grundbucheintragung, auch wenn die Insolvenzeröffnung dazwischen kommt. Hier sieht § 91 InsO eine Ausnahme unter Verweis auf § 878 BGB vor. Für das Wahlrecht des § 103 InsO ist dann an sich kein Raum mehr. Der Insolvenzverwalter in der Käuferinsolvenz kann allerdings den Käuferantrag wieder zurückziehen und so auf das an sich unentziehbare Anwartschaftsrecht verzichten. Damit wird das Wahlrecht des § 103 InsO wieder eröffnet. 129 Von der verfahrensrechtlichen Wahl der Erfüllung oder Nichterfüllung durch den Insolvenzverwalter ist dann noch materiellrechtlich das Schicksal des Immobilienkaufvertrages selbst nachzuvollziehen. So entsteht nicht automatisch ein Rückgewährverhältnis, sondern es bedarf vorsorglich des Rücktritts. Anderenfalls ist zu besorgen, dass nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens an das verbleibende Rechtsverhältnis angeknüpft und Rechte und Pflichten daraus abgeleitet werden. Der Insolvenzverwalter hat diese Besonderheit ebenfalls zu beachten, wenn er die Rückzahlung der vom insolventen Käufer vor der Eröffnung geleisteten Anzahlung auf den Kaufpreis zurückverlangen will. Der Anspruch besteht beispielsweise dann, wenn neben der Wahl der Nichterfüllung durch den Insolvenzverwalter der Verkäufer die Aussonderung der Immobilie ___________ 3) BGHZ 49, 197.
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I. Das Schicksal des Immobilienkaufvertrages in der Insolvenz
verlangt. Allerdings muss sich der Insolvenzverwalter den Nichterfüllungsschaden des Verkäufers abziehen lassen.4) 3.
Vorläufiges Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verkäufers
Durch die Insolvenzantragstellung über das Vermögen eines Verkäufers und 130 die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ändert sich ebenfalls an dem Status quo des Immobilienkaufvertrages an sich nichts. Allein der Umstand, dass mit oder anstelle des insolventen Schuldners als Verkäufer ein vorläufiger Insolvenzverwalter über den Fortgang der Umsetzung des Immobilienkaufvertrages entscheidet, hat zunächst keine Auswirkung. Allerdings können die Vorstellungen des insolventen Schuldners und seines vorläufigen Insolvenzverwalters auseinanderfallen. So kann der vorläufige Insolvenzverwalter die Auffassung vertreten, dass die Immobilie noch in der Insolvenzmasse verbleiben sollte oder aber der Kaufpreis unangemessen ist. In dem Fall wird der vorläufige Insolvenzverwalter seine Möglichkeiten ausschöpfen, um dem Fortgang der Umsetzung des Kaufvertrages entgegenzutreten. Das hängt davon ab, in welchem Stadium sich der Umsetzungsprozess befindet. In Betracht kommt wie bei der Insolvenz des Käufers der Widerruf von Vollmachten, von Erklärungen, die Kündigung oder der Rücktritt vom Vertrag. Die Rücknahme von Treuhandaufträgen mit Löschungsbewilligungen und die Rücknahme von Anträgen beim Grundbuchamt sind Beispiele dafür. Allein eine Vormerkung im Grundbuch zugunsten des Käufers ist in der Insolvenzordnung in § 106 InsO privilegiert und würde auch im Insolvenzantragsverfahren ihre Schutzwirkung entfalten. Mit Rücksicht darauf ist zu erwarten, dass der vorläufige Insolvenzverwalter sich so verhält, wie der Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren. Hat der vorläufige Insolvenzverwalter keine Bedenken gegen die Abwicklung 131 des Immobilienkaufvertrages, wird dieser unabhängig davon, ob es eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Käufers gibt oder nicht, gegenüber den vom Immobilienkaufvertrag begünstigten Grundschuldgläubigern des insolventen Schuldners einen Beitrag zur Insolvenzmasse sicherstellen wollen. Es wird damit dem Umstand Rechnung getragen, das die Grundschuldgläubiger an sich auf die Rechte aus § 1147 BGB verwiesen werden könnten, also auf die Möglichkeit zur Zwangsversteigerung und/oder Zwangsverwaltung (vgl. hierzu Rn. 558 und 676. Der eingeforderte Beitrag zur Insolvenzmasse orientiert sich in der Praxis unterhalb der Provision eines Immobilienmaklers. Es ist eher eine sog. Lästigkeitsprämie, da der vorläufige Insolvenzverwalter bzw. die Insolvenzmasse bei der weiteren Umsetzung des Grundstücksgeschäftes zumeist nur noch einen geringen Beitrag leisten müssen. Vereitelt der vorläufige Insolvenzverwalter durch ein zögerliches Agieren die Umsetzung eines Immobilien___________ 4) BGH, WM 2013, 514.
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C. Immobilienkauf und Insolvenz
kaufvertrages und kann zu einem späteren Zeitpunkt nur ein geringerer Erlös für die Immobilie erzielt werden, steht die Frage nach der persönlichen Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters im Raum, und zwar als Anspruch sowohl von Seiten der Insolvenzmasse als auch von Seiten der betroffenen Grundschuldgläubiger. 132 Handelt der insolvente Schuldner als Verkäufer entgegen den gerichtlichen Verfügungsbeschränkungen und schließt dieser einen Immobilienkaufvertrag ab oder gibt einem bereits geschlossenen Immobilienkaufvertrag Fortgang, so ist wie bei der Käuferinsolvenz grundsätzlich auf die §§ 81, 82, 24 InsO zu verweisen. Gegenüber dem insolventen Verkäufer als verfügendem Schuldner ist allerdings der Gutglaubensschutz zugunsten des Käufers erweitert um die Geltung der §§ 892, 893 BGB gemäß § 81 InsO. Zusammengefasst gilt danach grundsätzlich zugunsten desjenigen, der ein Recht an einem Grundstück erwirbt, das Grundbuch als richtig. Zur Vermeidung dieses Gutglaubensschutzes genügt die öffentliche Bekanntmachung der Verfügungsbeschränkung des Schuldners nicht. Es überwiegt der öffentliche Glaube des Grundbuches. Erst die sog. Grundbuchsperre gemäß §§ 23, 32 InsO verhindert diesen Gutglaubensschutz. Eine andere Frage ist es, ob bis zum Vollzug einer Eintragung mit Ausnahme der Schutzwirkung des § 878 BGB der Grundbuchrechtspfleger von Amts wegen prüfen muss, ob auf Seiten des Verkäufers als Bewilligendem die notwendige Verfügungsbefugnis besteht.5) 4.
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verkäufers
133 Das Instrumentarium des Insolvenzverwalters, die Insolvenzmasse mit ihren Rechten und Pflichten auf den Prüfstand zu stellen, gilt grundsätzlich auch für den Fall des Immobilienkaufvertrages in der Insolvenz des Verkäufers. Eine Ausnahme besteht wie bei der Käuferinsolvenz dann, wenn der Immobilienkaufvertrag einseitig voll erfüllt ist und damit § 103 InsO erst gar nicht zur Anwendung kommt. Wenn also der Käufer den Kaufpreis gezahlt hat und die Auflassung erklärt ist oder aber aus Sicht des Verkäufers für den Käufer ein unentziehbares Anwartschaftsrecht6) besteht, als Eigentümer im Grundbuch eingetragen zu werden. 134 Ist der Insolvenzverwalter daran interessiert, dem noch nicht vollständig umgesetzten Verkaufsprozess Fortgang zu geben, wählt dieser die Erfüllung gemäß § 103 InsO. Er kann mit seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis das weitere veranlassen. Insbesondere wird das der Fall sein, wenn der Kaufpreis stimmt und die Veräußerung der Immobilie die Betriebsfortführung bzw. eine übertragende Sanierung nicht gefährdet. Wenn es der vorläufige Insolvenzver___________ 5) OLG Frankfurt, ZInsO 2006, 269. 6) BGHZ 49, 197.
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I. Das Schicksal des Immobilienkaufvertrages in der Insolvenz
walter noch nicht getan hat, so wird der Insolvenzverwalter gegenüber den aus dem Immobilienkaufvertrag begünstigten Grundschuldgläubigern einen Beitrag zur Insolvenzmasse sicherstellen wollen. Zur Begründung, Höhe und Haftung kann auf die vorstehenden Ausführungen zum Insolvenzantragsverfahren verwiesen werden. Im Übrigen tritt der Insolvenzverwalter bei der weiteren Umsetzung des Immobilienkaufvertrages an Stelle des insolventen Schuldners als Verkäufer auf. Zur Vermeidung von Unsicherheiten kann der Insolvenzverwalter den Immobilienkaufvertrag noch einmal ausdrücklich bestätigen, indem er diesen genehmigt. Erforderlich ist das aber an sich nicht. Ist der Insolvenzverwalter im Rahmen seines Wahlrechts gemäß § 103 InsO an 135 der Umsetzung des Immobilienkaufvertrages nicht interessiert, kommt es darauf an, ob es eine wirksame Auflassungsvormerkung im Grundbuch zugunsten des Käufers gibt, zumindest aber ein unentziehbares Anwartschaftsrecht7) diesbezüglich besteht. In dem Fall kann der Käufer gemäß § 106 InsO die Befriedigung aus der Insolvenzmasse und damit im Ergebnis die Umsetzung des Immobilienkaufvertrages verlangen. Hat der vorläufige Insolvenzverwalter diese Rechtsposition des Käufers nicht bereits zum Anlass genommen, der Umsetzung des Immobilienkaufvertrages Fortgang zu geben, so liegt es dann am Insolvenzverwalter. Auch in diesem Fall wird der Insolvenzverwalter einen Beitrag zur Insolvenzmasse gegenüber den begünstigten Grundpfandrechtsgläubigern sicherstellen wollen. Reagiert der Insolvenzverwalter trotz der Privilegierung des Käufers gemäß 136 § 106 InsO nicht und bedarf es noch der Mitwirkung des Insolvenzverwalters, muss der Käufer seine Ansprüche gemäß § 106 InsO ggf. prozessual durchsetzen. Vorab muss der Begünstigte gemäß § 106 InsO natürlich seinerseits die Verpflichtungen erfüllt haben, die ihm obliegen, insbesondere den Kaufpreis zahlen.8) Trotz der Auflassungsvormerkung muss der Käufer also mit Verzögerungen rechnen. Ein Automatismus ist nicht gegeben. Liegt keine wirksame Auflassungsvormerkung vor, da diese beispielsweise in- 137 solvenzrechtlich anfechtbar ist bzw. besteht dafür kein unentziehbares Anwartschaftsrecht,9) kann der Insolvenzverwalter die Erfüllung gemäß § 103 InsO ablehnen und den Erwerber auf die Insolvenztabelle verweisen, wenn sich aus der Nichterfüllung heraus Ansprüche für diesen ergeben. Gegebenenfalls muss der Insolvenzverwalter zur Durchsetzung der Nichterfüllung vom Schuldner bereits abgegebene Erklärungen widerrufen. Erteilte Vollmachten, auch die Notariatsvollmachten, erlöschen ohnehin mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 117 InsO. ___________ 7) BGHZ 49, 197. 8) OLG Stuttgart, ZIP 2005, 588. 9) BGHZ 49, 197.
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C. Immobilienkauf und Insolvenz
138 In der Insolvenz des Verkäufers ist schließlich wie bei der Käuferinsolvenz ebenfalls von der verfahrensrechtlichen Wahl der Erfüllung oder Nichterfüllung durch den Insolvenzverwalter gemäß § 103 InsO das materiellrechtliche Schicksal des Immobilienkaufvertrages zu unterscheiden. Es entsteht nicht automatisch ein Rückgewährverhältnis.10). 5.
Mehrheit von Käufern/Verkäufern
139 Werden die vorstehend betrachteten Konstellationen erweitert um den Aspekt, dass auf Käuferseite und/oder Verkäuferseite eine Mehrzahl von Vertragspartnern steht und einer oder alle gehen in die Insolvenz, so gelten die vorstehenden Ausführungen sinngemäß. Die Insolvenz auch nur eines Vertragspartners kann so erhebliche Auswirkungen auf den Immobilienkaufvertrag haben. Je nachdem wie sich der (vorläufige) Insolvenzverwalter positioniert, liegt es dann an den übrigen Vertragspartnern, darauf zu reagieren. Auf Käuferseite könnte der Versuch unternommen werden, den insolventen Teil auszuklammern. Dass ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter an einem Immobilienkaufvertrag festhält, dürfte die Ausnahme sein. Auf Verkäuferseite wären die Gründe für eine Blockade des (vorläufigen) Insolvenzverwalters zu beheben. Ansonsten droht das Projekt zu scheitern. Die Situation wird der (vorläufige) Insolvenzverwalter wiederum mit dem aufgezeigten Haftungsrisiko nutzen und zumindest eine zusätzliche Lästigkeitsprämie für die Insolvenzmasse geltend machen. 140 Mitunter kommt in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob tatsächlich eine Mehrzahl von Vertragspartnern vorliegt. So ist das bei Eheleuten, die im Wege der Bruchteilsgemeinschaft gemäß §§ 1008 ff. BGB auftreten, beispielsweise der Fall. Die zerstrittene Erbengemeinschaft gemäß § 2032 ff. BGB dagegen stellt eine Gesamthandsgemeinschaft dar. In der Insolvenz eines Erben kann der Insolvenzverwalter innerhalb dieser Gemeinschaft agieren und damit mittelbar den Immobilienkaufvertrag beeinflussen. Seine Stellung innerhalb der Erbengemeinschaft ermöglicht es dem Insolvenzverwalter jedoch nicht, eigenständig als Vertragspartner Einfluss auf den Immobilienkaufvertrag zu nehmen. Der Immobilienkaufvertrag ist nicht Bestandteil seiner Insolvenzmasse. 6.
Besonderheiten GbR und GmbH als Käufer/Verkäufer
141 Ist die Vermögensmasse einer GmbH oder einer GbR von der Insolvenz betroffen, macht die Gesellschaftsform in Abgrenzung zur natürlichen Person zunächst einmal für einen Immobilienkaufvertrag keinen Unterschied. Verallgemeinert gesagt, stehen insofern die juristischen Personen und die Personengesellschaften den natürlichen Personen gleich. Das gilt für das Insolvenzantragsverfahren als auch für die eröffnete Insolvenz. Insbesondere ist die GbR, die als solche auch im Grundbuch als Eigentümerin steht, insolvenzfähig gemäß § 11 InsO. ___________ 10) BGH, WM 2013, 514.
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I. Das Schicksal des Immobilienkaufvertrages in der Insolvenz
Die Insolvenz eines Gesellschafters einer GmbH oder einer GbR hat grund- 142 sätzlich keinen Einfluss auf die Rechtsgeschäfte der Gesellschaft. Allerdings führt bei der GbR gemäß § 728 BGB die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters zur Liquidation der Gesellschaft. Eine derartige Verflechtung ergibt sich bei der GmbH von Gesetzes wegen nur ausnahmsweise, wenn gemäß § 61 GmbHG der Gesellschaftszweck unmöglich wird. Der Eintritt der Liquidation bei der GbR wiederum hat an sich keinen Einfluss auf den Immobilienkaufvertrag. Es ändert sich allenfalls die Motivationslage der verbleibenden Gesellschafter zum Kauf bzw. Verkauf der Immobilie. 7.
Vormerkung und Insolvenz
Die Vormerkung gemäß § 883 BGB ist ein Sicherungsmittel eigener Art und 143 schützt vor vormerkungswidrigen Verfügungen. Im Falle des Immobilienkaufvertrages sollen die schuldrechtlichen Ansprüche gesichert werden, die auf die dingliche Rechtsänderung abzielen. Mit der Regelung des § 106 InsO ist der Gläubiger darüber hinaus in der Insolvenz begünstigt, der sich mittels Vormerkung seinen Anspruch auf Einräumung eines Rechts an einem Grundstück gesichert hat. Der Gläubiger kann in dem Fall aus der Insolvenzmasse die Erfüllung verlangen. Auch wenn der Schuldner in Insolvenz dem Gläubiger gegenüber weitere Verpflichtungen nicht oder nicht vollständig erfüllt hat, greift diese Vorgabe. Hintergrund sind gemischt typische Verträge wie der Bauträgervertrag und dessen Unterteilung in Grundstückskaufvertrag und Werkvertrag. Durch § 106 InsO wird dem Insolvenzverwalter das Wahlrecht des § 103 InsO 144 entzogen. Der § 106 InsO kommt auch dann zur Anwendung, wenn § 103 InsO gar nicht greift, beispielsweise weil es sich nicht um einen gegenseitigen Vertrag handelt oder aber der Käufer schon vollständig erfüllt hat. Die dem Rechtsverkehr gebotene Möglichkeit mittels Vormerkung Rechtssicherheit zu erzielen, wird auch in der Insolvenz gewährt. Ein Beispiel ist der Schenkungsvertrag über ein Grundstück, der für den Fall einer Insolvenz einen durch Vormerkung gesicherten Rückübertragungsanspruch enthält.11) Das insolvenzrechtliche Gegengewicht zur Vormerkung ist die Insolvenzanfechtung und die sog. Rückschlagsperre des § 88 InsO, wenn es zu der Eintragung der Vormerkung im Wege der einstweiligen Verfügung kam. Der Begünstigte eines Anspruches nach § 106 InsO kann bei nicht rechtzeiti- 145 ger Erfüllung durch den Insolvenzverwalter diesen gemäß § 60 InsO persönlich haftbar machen.12) Andererseits eröffnet der Anspruch aus § 106 InsO dem Begünstigten nicht das Recht, zwischen Erfüllung und Nichterfüllung zu wählen. Der Begünstigte bleibt an das zugrunde liegende Rechtsgeschäft gebun___________ 11) BGH, WM 2008, 1034. 12) OLG Hamm, ZIP 2006, 1911.
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C. Immobilienkauf und Insolvenz
den.13) Tritt der durch eine Vormerkung gesicherte Käufer vom Immobilienkaufvertrag zurück und wird danach ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verkäufers eröffnet, läuft der Käufer Gefahr, die Löschung der Vormerkung bewilligen zu müssen und einen bereits gezahlten Kaufpreis nicht erstattet zu bekommen.14) 8.
Vollmacht (Notar) und Insolvenz
146 Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen gemäß § 117 InsO Vollmachten, die vom Schuldner erteilt wurden und sich auf die Insolvenzmasse beziehen. Dahinter steht der Gedanke, dass der Bevollmächtigte keine weitergehenden Rechte haben kann als der Vollmachtgeber. Es ist eine automatische Rechtsfolge. Erfasst sind sowohl widerrufliche als auch unwiderrufliche Vollmachten. Auch die von einem Bevollmächtigten erteilte Untervollmacht erlischt. Allein die Notgeschäftsführung bleibt und ein Gutglaubensschutz für den Bevollmächtigten, der die Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldlos nicht kannte. Für die Vollmacht des Notars gemäß § 15 GBO gilt dieses entsprechend.15) Gemäß § 15 GBO gilt ein Notar als von Gesetzes wegen ermächtigt, eine Eintragung zu beantragen, wenn er die Erklärung des Antragsstellers beurkundet oder beglaubigt hat. 147 Im Insolvenzantragsverfahren findet § 117 InsO an sich keine Anwendung. Wenn jedoch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen ist, kann über §§ 22, 24 InsO auf § 81 InsO verwiesen werden. Dieser Verweis lässt den Umkehrschluss zu, dass Verfügungen durch den Bevollmächtigten unwirksam sind, da auch Verfügungen durch den Schuldner selbst als unwirksam erklärt werden. Unbenommen bleibt es dem starken vorläufigen Insolvenzverwalter, vorsorglich die vom Schuldner erteilten Vollmachten zu widerrufen. Anders ist es beim schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter. Hier gilt der Verweis auf § 81 InsO nicht. Der schwache vorläufige Insolvenzverwalter muss auf den Widerruf von Vollmachten achten bzw. seinen Zustimmungsvorbehalt geltend machen. 9.
Grundbuch und Insolvenz
148 Mit der Eröffnung ist das Insolvenzverfahren gemäß § 32 InsO in das Grundbuch einzutragen. Das bezieht sich nicht nur auf Grundstücke, sondern auch auf sonstige zugunsten des Schuldners eingetragene Rechte. Soweit derartige Vermögensrechte der Insolvenzmasse bekannt sind, hat das Insolvenzgericht die Eintragung von Amts wegen zu veranlassen. Die Eintragung kann aber auch vom Insolvenzverwalter beantragt werden. Dieser steht in der Pflicht zu ermitteln, ob und welche Grundstücke und Grundstücksrechte dem Schuldner zu___________ 13) OLG Rostock, OLGR Rostock 2004, 41. 14) BGH, WM 2009, 428. 15) Bayerisches OLG, ZInsO 2003, 1143.
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I. Das Schicksal des Immobilienkaufvertrages in der Insolvenz
stehen. Der Insolvenzvermerk im Grundbuch dient dazu, dass der Schuldner nicht mehr zu Lasten der Insolvenzmasse über derartige Vermögenswerte verfügen kann. Das gilt insbesondere im Verhältnis zu gutgläubigen Dritten. Für die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters ist der Insolvenzvermerk nicht von Bedeutung. Diese ergibt sich mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 80 InsO bzw. im Insolvenzantragsverfahren aus den insolvenzgerichtlichen Ermächtigungen. Dem Insolvenzvermerk kommt also keine konstitutive Bedeutung zu, auch wenn von einer Grundbuchsperre die Rede ist und sich alle Eintragungen verbieten, die den insolvenzgerichtlichen Verfügungsbeschränkungen widersprechen. Ist im Insolvenzantragsverfahren eine Verfügungsbeschränkung angeordnet, findet die Vorgabe des § 32 InsO über den Verweis des § 23 Abs. 3 InsO Anwendung, und zwar bezogen auf den starken als auch den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter. Eine Ausnahme stellt konsequenterweise die Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO dar, da eine Verfügungsbeschränkung in der Eigenverwaltung grundsätzlich nicht vorgesehen ist. Eine Ausnahme der Ausnahme bildet die Anordnung einer Zustimmungsbedürftigkeit gemäß § 277 InsO. Die durch den Insolvenzvermerk bewirkte Grundbuchsperre betrifft nur Verfügungen des insolventen Schuldners. Anderweitige Änderungen im Grundbuch sind weiterhin zulässig. Es kommt also zu keiner absoluten Grundbuchsperre. Ist im Rahmen eines Immobilienkaufvertrages oder einer sonstigen Rechtsänderung bezogen auf das Grundbuch der Eintragungsantrag gestellt und die Wirkung des § 878 BGB eingetreten, muss auch in Kenntnis der Insolvenzeröffnung bzw. Verfügungsbeschränkung im Insolvenzantragsverfahren der Grundbuchrechtspfleger die Eintragung vornehmen. Eine andere Frage ist es, ob dieser im Übrigen die insolvenzgerichtlichen Verfügungsbeschränkungen zu beachten hat, wenn noch kein Insolvenzvermerk eingetragen ist. Fraglich ist auch, ob in der Insolvenz des GbR-Gesellschafters ein lnsolvenzvermerk gemäß § 32 InsO in das Grundbuch eingetragen werden kann, da das Grundstück der GbR der gesamthänderischen Bindung der GbR-Gesellschafter unterfällt. Die Vermögensmasse des insolventen Gesellschafters und der Gesellschaft sind zu unterscheiden. Mithin kommt ein Insolvenzvermerk allein in der Form einer Verfügungsbeschränkung in Betracht.16) Diese Vorgehensweise findet sich auch bei der Bruchteilsgemeinschaft. Für den Fall der Freigabe oder Veräußerung einer Immobilie sieht § 32 InsO die Löschung auf Ersuchen des Insolvenzgerichtes oder aber auf Antrag des Insolvenzverwalters vor. Gleiches gilt für anderweitige Gründe des Entfalls der insolvenzrechtlichen Verfügungsbeschränkungen wie der Aufhebung des Insolvenzverfahrens gemäß § 200 InsO und der Aufhebung des Insolvenzeröffnungsbeschlusses gemäß § 34 Abs. 3 InsO. ___________ 16) BGH, ZinsO 2011, 1212.
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C. Immobilienkauf und Insolvenz
II.
Immobilienfinanzierung/Schicksal des Darlehensvertrages in der Insolvenz
1.
Grundlagen zum Immobilienkauf und zur Finanzierung
153 Der Immobilienkaufvertrag sieht im Regelfall als Gegenleistung eine Kaufpreiszahlung vor. Denkbar ist an Stelle der Zahlung eines Kaufpreises auch die Übernahme von Grundschuldbelastungen. So eröffnet die Regelung des § 416 BGB dem Käufer die Möglichkeit in eine bestehende Finanzierung des Verkäufers einzutreten. Die Genehmigung des Grundschuldgläubigers für den Schuldnerwechsel gilt als erteilt, wenn der Grundschuldgläubiger nicht innerhalb von sechs Monaten nach Mitteilung durch den Veräußerer reagiert. 154 Bedarf es einer klassischen Neufinanzierung des Kaufpreises ist ein Dritter, ggf. ein Gesellschafter oder ein Familienangehöriger, der Geldgeber. Den Regelfall stellt aber die Finanzierung über ein Kreditinstitut dar. Die Besicherung der Kreditierung erfolgt üblicherweise mittels Grundpfandrechts an der Immobilie, die Gegenstand des Immobilienkaufvertrages ist. Da es sich um eine Sachsicherheit handelt, wird diese Kreditart als Realkredit bezeichnet. Es wird die Immobilie beliehen. Unter Berücksichtigung einer Beleihungsgrenze wird die Werthaltigkeit des Objektes nicht voll ausgeschöpft, so dass an sich durch den Wertabschlag jederzeit die Verzinsung und Rückzahlung aus dem Objekt sichergestellt ist. Diese Art der Besicherung führt dazu, dass die Bonität des Kreditnehmers in den Hintergrund tritt, es sei denn auf diese Weise kann der Kapitalbedarf nicht gedeckt werden. Es kommt in dem Fall die Hochsetzung der Beleihungsgrenze bis hin zu deren Übersteigen in Betracht mit der Folge, dass die Bonität des Kreditnehmers immer mehr an Bedeutung gewinnt und zu der Besicherung durch das Objekt hinzutritt. Althergebracht spiegelt die Finanzierung durch eine Pfandbriefbank und einer Beleihungsgrenze von 60 %, durch eine Bausparkasse und einer Beleihungsgrenze von 80 % und die weitergehende Finanzierung durch Geschäftsbanken diese Betrachtung wider. Von dieser Form der Endfinanzierung mit langfristigem Charakter ist dann noch die Zwischenfinanzierung abzugrenzen. Neben der zeitlich engen Befristung ist es im Fall der Zwischenfinanzierung regelmäßig so, dass eine treuhänderische Besicherung durch eine Hypothekenbank zugunsten der zwischenfinanzierenden Bank erfolgt. 155 Der Verbraucherkredit, der grundschuldgesichert ist, erfährt einen besonderen Schutz im BGB über die §§ 492 ff. BGB. So beträgt der Verzugszinssatz p. a. gemäß § 503 BGB 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszins und eine Kündigung ist nur zulässig, wenn der Kreditnehmer mit mindestens zwei aufeinanderfolgenden Teilzahlungen ganz oder teilweise und mit mindestens 2,5 % des Nennbetrags des Darlehens in Verzug ist. 156 Unabhängig davon, ob es sich um einen Verbraucherkredit, eine Zwischenfinanzierung oder eine langfristige Finanzierung handelt, wird die Valutierung
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II. Immobilienfinanzierung/Schicksal des Darlehensvertrages in der Insolvenz
grundsätzlich an Auszahlungsvoraussetzungen geknüpft wie die Bestellung von Sicherheiten. Regelmäßig bedarf es einer sofort vollstreckbaren Grundschuld zu bestimmten Konditionen und einem vollstreckbaren abstrakten Schuldversprechen nebst Sicherungszweckerklärungen. Dieser Anspruch steht der Abwicklung des Immobilienkaufvertrages entgegen, da dessen Bedingungen wiederum eine Absicherung Zug um Zug nicht erlaubt. Zur Darstellung der Finanzierung des Käufers wird daher im Immobilienkaufvertrag dem Käufer eine Belastungsvollmacht durch den Verkäufer erteilt, die im Ergebnis sicherstellen soll, dass die Auszahlungsvoraussetzungen zugunsten des Käufers geschaffen werden, zugleich aber zugunsten des Verkäufers für den Fall des Scheiterns des Kaufvertrages sichergestellt ist, dass dieser infolge der Belastungsvollmacht keine Nachteile erfährt. 2.
Insolvenz des Käufers
Mit Insolvenzantragstellung auf Seiten des Käufers eröffnet sich für die finan- 157 zierende Bank des Käufers die Frage der außerordentlichen Kündigung der Geschäftsbeziehung. Geht die Bank nicht diesen Schritt und kommt es auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht dazu, gilt im eröffneten Insolvenzverfahren gemäß § 41 InsO die Darlehensforderung als fällig, auch wenn sie das nicht ist. In § 490 BGB wäre ansonsten das außerordentliche Kündigungsrecht sowohl des Darlehensgebers als auch des Darlehensnehmers normiert unter Verweis auf besondere Interessenlagen eben dieser. Es liegt also an der finanzierenden Bank so oder so nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die noch offenen Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden und bestehende Sicherheiten – insbesondere Grundschulden – als Absonderungsrechte gemäß § 28 InsO mitzuteilen. Der Insolvenzverwalter hat kein Wahlrecht gemäß § 103 InsO zur Fortführung 158 des Darlehensvertrages, wenn das Darlehen bereits ausgezahlt ist. Der Darlehensvertrag ist dann von Seiten der Bank einseitig erfüllt. Ist der Darlehensvertrag noch im Stadium der Valutierung, ist der Kredit also nicht vollständig oder noch gar nicht ausgezahlt, ist das nicht der Fall. Es eröffnet sich zunächst das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO. Wählt der Insolvenzverwalter die Nichterfüllung, kommt es nicht zur Valutierung des Kreditbetrages. Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung, so würde dieser Masseverbindlichkeiten generieren. Der Bank steht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aber erst Recht die Möglichkeit der fristlosen Kündigung offen und wird diese im Regelfall nutzen. Zu verweisen ist hier neben den gesetzlichen Regelungen wie § 490 InsO auf Ziffer 19 der AGB Banken und Kreditgenossenschaften. Danach genügt es, auf die wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse oder die wesentliche Verschlechterung der Sicherheiten zu verweisen, wenn infolgedessen die Erfüllung der Pflichten aus dem Darlehensvertrag gefährdet ist. Eine Güterabwägung berechtigter Interessen bedarf es an sich
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C. Immobilienkauf und Insolvenz
nicht, da die Folge der fristlosen Kündigung in Form der Insolvenz den Kunden bereits ereilt hat. Eine Ausnahme kommt damit allenfalls dann in Betracht, wenn die Bank tatsächlich ausreichend dinglich gesichert ist. 3.
Insolvenz des Verkäufers
159 In der Insolvenz des Verkäufers steht dessen Finanzierung nicht im Raum, sondern die des Käufers. Ist der Käufer durch eine Vormerkung gemäß § 106 InsO gesichert, steht der Umsetzung des Kaufvertrages und damit auch die Finanzierung und deren Besicherung nichts im Wege. Ist das aber nicht der Fall, besteht das Wahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 103 InsO und ist abzuwarten, wie dieser sich entscheidet. Bei der Erfüllungswahl hat der Insolvenzverwalter des Verkäufers nur insofern Einfluss, als dass dieser als Verwaltungs- und Verfügungsberechtigter in die Rolle des Vertragspartners eintritt, Erklärungen abgibt, Gelder in Empfang nimmt usw. Wählt der Insolvenzverwalter die Nichterfüllung, wird die Finanzierung des Käufers hinfällig. Ein daraus resultierender Schadensersatzanspruch kann der Käufer in der Insolvenz des Verkäufers zur Insolvenztabelle als Insolvenzforderung anmelden. 160 Aus Sicht des Insolvenzverwalters des Verkäufers dürfte sich im Regelfall die Erfüllungswahl anbieten und zwar im Hinblick auf eine ohnehin anstehende Verwertung der Immobilie im Rahmen der Insolvenz. Ist die Immobilie für eine Betriebsfortführung notwendig oder stimmen die Konditionen des Kaufvertrages aus Sicht des Insolvenzverwalters nicht, könnten das sicherlich Gründe sein, ganz von dem Immobilienkaufvertrag Abstand zu nehmen und die Nichterfüllung zu wählen. Zumeist genügt es aber nachzuverhandeln. Zu erwarten ist, dass der Insolvenzverwalter für die Mitwirkung an einer freihändigen Veräußerung einen Verwertungsbeitrag zugunsten der Insolvenzmasse einfordert, um die Masse auch bei dieser Gelegenheit zu mehren. Mit dieser Lästigkeitsprämie wird aber üblicherweise nicht der Käufer und dessen finanzierende Bank, sondern die Bank belastet, die den insolventen Verkäufer finanziert hatte. 4.
Insolvenz des Darlehensgebers
161 Ist weder der Käufer, noch der Verkäufer in Insolvenz, sondern der Darlehensgeber als Dritter, so ergibt sich eine insolvenzrechtliche Vorgabe aus § 108 InsO. Danach besteht das Darlehensverhältnis für den Darlehensgeber bzw. dessen Insolvenzmasse fort, soweit dem Darlehensnehmer der geschuldete Gegenstand zur Verfügung gestellt wurde. Erfolgte also die Finanzierung über einen sonstigen Dritten oder dem Gesellschafter des Käufers, ist diese Vorgehensweise ohne Weiteres nachvollziehbar. Bei der Insolvenz eines finanzierenden Kreditinstitutes gilt diese Vorgabe aber auch. Mithin kann der Käufer als Darlehensgeber nicht nur die Finanzierung im bisherigen Rahmen weiter nutzen.
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II. Immobilienfinanzierung/Schicksal des Darlehensvertrages in der Insolvenz
Es bleibt auch bei den im Darlehensvertrag im Übrigen vereinbarten Konditionen, insbesondere den Konditionen zu Zins und Tilgung. Wenn und soweit der geschuldete Gegenstand noch nicht zur Verfügung ge- 162 stellt wurde, kann und darf das insolvente Kreditinstitut keine Zahlungen mehr leisten – es sei denn diese Vorgehensweise ist Bestandteil der Restrukturierung des Kreditinstitutes. Insofern wird das Wahlrecht des § 103 InsO überlagert. Das Wahlrecht des § 103 InsO eröffnet sich ganz bzw. teilweise nur dann für den nicht zur Verfügung gestellten Teil, wenn ein Unternehmen oder eine Privatperson und nicht ein Kreditinstitut Darlehensgeber ist. Fraglich ist dann noch, ob es sich bei der Anwendung des § 108 InsO um ein entgeltliches Darlehen handeln muss. Als Ausnahmeregelung zu § 103 InsO setzt § 108 InsO voraus, dass ein gegenseitiges Vertragsverhältnis besteht. Der § 108 InsO gilt auch schon im Vorfeld einer Insolvenz im Rahmen der Sanierungsbemühungen gemäß §§ 45, 46 KWG oder des Restrukturierungsgesetzes. Häufig ist es der Käufer, der aus wichtigem Grund das eingegangene Darlehen 163 kündigen und sich im Fall einer erfolgten Auszahlung durch Sondertilgung oder eine anderweitige Ablösung von dem Darlehensgeber als Vertragspartner lösen will. Mit Ausnahme einzelner Vorgaben, die zu einer kurzfristigen Verzögerung führen wie § 13 Restrukturierungsgesetz im Fall von Kreditinstituten, sind Hinderungsgründe dafür nicht ersichtlich. Nach wie vor wird aber in dem Fall eine Vorfälligkeitsentschädigung zu berücksichtigen sein. 5.
Insolvenz des Drittsicherungsgebers
Schließlich kommt im Rahmen der Finanzierung des Immobilienkaufvertrages 164 auch noch die Insolvenz des Drittsicherungsgebers in Betracht. Das berührt die Vertragsparteien des Immobilienkaufvertrages zunächst nicht und bedingt allenfalls Handlungsbedarf im Hause des finanzierenden Kreditinstitutes. In der Insolvenz des Drittsicherungsgebers ist die Darlehensforderung des Käufers nicht zur Insolvenztabelle anzumelden, da Forderungen gegen den Dritten nicht bestehen. Aber es ist die Sicherheit als Absonderungsrecht unter Verweis auf die Stellung als Drittsicherheit kundzutun. Der Insolvenzverwalter wird im üblichen Rahmen prüfen, ob eine wirksame Bestellung des Absonderungsrechts vorliegt, insbesondere die Verwendungszweckerklärung stimmt. Sodann eröffnet sich der Bereich der Insolvenzanfechtung. Dabei wird hinterfragt, wann die Sicherheit vom insolventen Dritten gestellt wurde. Handelt es sich um eine Schenkung oder gibt es andere Ansatzpunkte für eine Insolvenzanfechtung, kommt es im Ergebnis darauf an, ob das finanzierende Kreditinstitut ein Vermögensopfer im Gegenzug erbracht hat. Ist das der Fall, fehlt es im Regelfall an einer wesentlichen Grundlage für eine Insolvenzanfechtung.17) Ist die ___________ 17) BGH, WM 2009, 1099.
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C. Immobilienkauf und Insolvenz
Drittsicherheit anderweitig im Zuge der Insolvenz des Sicherungsgebers in Frage gestellt, wird von Seiten der Bank des Käufers die Finanzierung des Immobilienkaufvertrages überprüft, da es an einer ursprünglich vorgesehenen Sicherheit nunmehr fehlt. Eine Nachbesicherung bzw. anderweitige Besicherung wird vom Käufer gefordert. Ein Einfluss auf den Immobilienkaufvertrag hat das aber nur, wenn diese Entwicklung sich im Prozess der Umsetzung des Immobilienkaufvertrages ergibt. Das Ergebnis ist dann eine eventuell fehlende Kaufpreisfinanzierung. Der Käufer kann den Kaufpreis nicht zahlen. III.
Forderungsverkauf und Grundschuldabtretung (als Kaufsurrogat) in der Insolvenz
165 Abschließend mag eine besondere Konstellation näher betrachtet werden und zwar der Forderungsverkauf nebst Grundschuldabtretung. Diese Vorgehensweise soll den Immobilienkaufvertrag ersetzen. Die Konstellation der Interessenten ist hier eine andere. Der die Immobilie finanzierende Darlehensgeber ist bereit und rechtlich in der Lage, seine Position an einen Immobilieninteressenten zu übertragen. Aus dessen Sicht besteht damit die Perspektive, zumindest im Wege der Zwangsversteigerung mittels Eigenerwerb Eigentümer der Immobilie zu werden. Aus den Rechten des § 1147 BGB i. V. m. dem ZVG eröffnet sich dieser Weg, wenn und soweit der Kreditvertrag die Möglichkeit eröffnet. Grundsätzlich muss die notwendige Verwertungsreife vorliegen. 166 Wenn nun der bisherige Darlehensgeber als Verkäufer im Rahmen eines solchen Vertrages in die Insolvenz geht oder aber der Käufer, so ist auch dieser Vertrag geprägt von einem schuldrechtlichen und auch dinglichen Teil. Sowohl im Hinblick auf Verfügungsbeschränkungen im Insolvenzantragverfahren als auch nach Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter eröffnet sich für diesen die Frage des Wahlrechts nach § 103 InsO im Hinblick auf den gegenseitig noch nicht vollständig erfüllten Vertrag des Forderungsverkaufs. Soweit eine Vorleistung gegeben war, ist nachzuvollziehen, ob der Vertrag in zwei Teile unterteilt werden kann. Grundsätzlich gilt in Anbetracht des Grundpfandrechts bei einer brieflosen Grundschuld sinngemäß die Situation eines Immobilienkaufes. Im Fall der Briefgrundschuld kommt es auf die Übergabe des Briefes an.
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Scheike
D. Insolvenz und Miete/Pacht I.
Einführung
In nahezu jedem Insolvenzverfahren stellen sich mietrechtliche Fragen. Bei de- 167 ren Lösung unterscheidet die Insolvenzordnung zwischen beweglichen Sachen und Immobilien. Für Mobilien gilt das Wahlrecht des Verwalters nach § 103 Abs. 1 InsO. Immobilien unterliegen dagegen den speziellen1) Regelungen der §§ 108 ff. InsO. Im Insolvenzverfahren werden dabei nur die zum Zeitpunkt der Insolvenzer- 168 öffnung bestehenden Miet- oder Pachtverträge erfasst. Weitere Voraussetzung ist, dass der Vertragsgegenstand massezugehörig ist.2) II.
Anwendungsbereich
1.
Mietverhältnis
Der Anwendungsbereich der §§ 108 ff. InsO ist eröffnet, wenn der relevante 169 Vertrag als Mietverhältnis einzuordnen ist. Miete ist dabei die Gebrauchsgewährung der Immobilie gegen Entgelt.3) Für insolvenzbefangene Immobilien ist die Unterscheidung zwischen Miete und Pacht nur sehr selten von praktischer Bedeutung.4) Dagegen wird die Abgrenzung zu anderen entgeltlichen Verträgen häufig relevant. Zweifel können bei Kauf-, Werklieferungs- oder entgeltlichen Verwahrungsverträgen aufkommen, wenn diese mietvertragliche Elemente beinhalten. Kaufrecht findet Anwendung, wenn der Schwerpunkt des Vertrages die Eigentumsverschaffung darstellt. Bei der Verwahrung wird nicht die Gebrauchsüberlassung des Raums, sondern die Aufbewahrung geschuldet.5) Wie fast immer im Zivilrecht kommt es nicht auf die Bezeichnungen an, die die Vertragsparteien gewählt haben. Ausschlaggebend ist der objektive Inhalt der Vereinbarungen. Ihr Schwerpunkt6) entscheidet über die Zuordnung zu einem bestimmten Vertragstypus und damit auch über die Anwendbarkeit der besonderen insolvenzrechtlichen Normen zur Miete und Pacht von Immobilien. Für Untermietverträge gelten keine Besonderheiten. Sie sind Miete.
170
___________ 1) Nerlich/Römermann/Balthasar, § 108 Rn. 3. 2) Zu den in der Praxis seltenen Ausnahmen wie höchstpersönliche Handlung oder Gütergemeinschaft siehe Gottwald/Huber, § 37 Rn. 5. 3) Palandt/Weidenkaff, Einf. vor § 535 Rn. 1. 4) Gottwald/Huber, § 37 Rn. 3. 5) Palandt/Weidenkaff, Einf. vor § 535 Rn. 19. 6) Der BGH stellt auf die Leistung ab, die nach dem erklärten Parteiwillen Hauptleistung sein soll, vgl. BGH, Urt. v. 5.7.2007 – IX ZR 185/06, Rn. 11, ZIP 2007, 2087.
Haase
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D. Insolvenz und Miete/Pacht
171 Auf Erbbaurechtsverträge wendet der BGH § 108 InsO nicht an.7) Zwar wird das Erbbaurecht als grundstücksgleiches Recht zeitlich befristet gegen wiederkehrendes Entgelt eingeräumt. Aber der Erbbaurechtsvertrag begründet kein Dauerschuldverhältnis und ist nicht kündbar.8) Es fehlt daher an der gesetzlichen Frist für eine Kündigung (nach § 109 InsO). 2.
Pachtverhältnis
172 Die Miete gewährt nur die Gebrauchsüberlassung der Immobilie, einer Sache nach § 90 BGB. Die Pacht dagegen beinhaltet ergänzend den Bezug der Früchte dieser Sache (nach § 99 BGB) während der Pachtzeit. 173 Die Unterscheidung spielt dann eine Rolle, wenn es auf die gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 111 Satz 1 InsO ankommt und diese im Einzelfall für Miete und Pacht unterschiedlich sind. 174 Wird durch einen Vertrag ein ausgestattetes Grundstück teilweise zum Gebrauch und teilweise zur Fruchtziehung überlassen, kommt es auf den wesentlichen Vertragszweck an.9) 3.
Andere Schuldverhältnisse
175 Nach dem Wortlaut des Gesetzes finden die §§ 108 ff. InsO nur auf Miet- und Pachtverträge Anwendung. Entsprechend den obigen Ausführungen zur Abgrenzung zu anderen Vertragsarten ist es jedoch allgemein anerkannt, dass auch andere Schuldverhältnisse diesen Vorschriften unterfallen, wenn bei unterschiedlichen vertraglichen Elementen ihr Schwerpunkt auf dem miet- oder pachtrechtlichen Bereich liegt. Ohne Bedeutung ist dabei, welche Art von gemischtem Vertrag vorliegt.10) 176 Bei Gebäuden ist das Immobilienleasing praxisrelevant. In aller Regel wird bei solchen Verträgen der Schwerpunkt des Vertrages auf der zeitlich begrenzten Gebrauchsüberlassung liegen.11) Soweit ersichtlich wendet die Rechtsprechung bei Verträgen, die das Leasing von Immobilien zum Inhalt haben, grundsätzlich die §§ 108 ff. InsO an. Konsequent sollte jedoch auch hier immer der Einzelfall geprüft werden. Angesichts der Vielzahl in der Praxis vorkommender Vertragsgestaltungen, die durchaus Elemente ganz unterschiedlicher Vertragstypen vereinen, muss der jeweilige Hauptgegenstand der Vereinbarung unter Berücksichtigung ihres wesentlichen Zwecks ermittelt worden. Nur wenn dabei die ___________ 7) 8) 9) 10)
BGH, Urt. v. 20.10.2005 – IX ZR 145/04, NJW-RR 2006, 188. BGH, Urt. v. 20.10.2005 – IX ZR 145/04, Rn. 14. OLG Köln, Urt. v. 10.10.2006 – 22 U 74/06, ZMR 2007, 114. Denkbar sind sowohl Typenkombinationsverträge, gekoppelte Verträge oder auch Typenverschmelzungsverträge. 11) Uhlenbruck/Sinz, § 108 Rn. 65.
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Haase
III. Fortbestehen des Schuldverhältnisses nach § 108 Abs. 1 InsO
miet- oder pachtähnliche Gebrauchsüberlassung im Vordergrund steht, ist die Anwendung der insolvenzrechtlichen Vorschriften über Miete und Pacht von Immobilien gerechtfertigt. Alleine das Vorhandensein von Erwerbsrechten oder -pflichten, einer Kaufop- 177 tion oder eines Andienungsrechts in einem Immobilienleasingvertrag reichen für eine Verschiebung des vertraglichen Hauptgegenstandes in den Bereich des Kaufrechts nicht aus. Solche Rechte betreffen meist die Abwicklung und Verwertung der Immobilie nach der Leasingzeit.12) Der Schwerpunkt liegt aber auf der Gebrauchsüberlassung in der Zeit zuvor. Etwas anderes gilt freilich dann, wenn zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung durch Ausübung eines der vorerwähnten Rechte bereits ein Kaufvertrag zwischen den (Leasing-)Vertragsparteien zustande gekommen ist.13) In diesem Fall kommt § 103 InsO zur Anwendung. 4.
Abgrenzung zu beweglichen Sachen
In den §§ 108 bis 111 InsO spricht das Gesetz von unbeweglichen Gegen- 178 ständen und Räumen. Die Insolvenzordnung enthält in § 49 InsO eine Legaldefinition der unbeweglichen Gegenstände. Es sind solche Gegenstände, die den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in unbewegliches Vermögen unterliegen. Das sind neben Grundstücken14) vor allem Wohnungs- und Teileigentum nach § 1 WEG und das im Beitrittsgebiet fortbestehende Gebäudeeigentum.15) Mit Räumen meint das Gesetz Innenräume in Bauwerken (nicht in beweglichen Sachen), die zum Aufenthalt von Menschen oder zur Lagerung von Sachen bestimmt sind.16) Unerheblich ist, ob es sich um Wohnräume, Geschäftsräume oder sonstige Räume handelt. Schon eine nur vorübergehende Einrichtung wie z. B. bei einem Messestand reicht aus.17) Kann der Vertragsgegenstand nach den dargestellten Regelungen weder als un- 179 beweglicher Gegenstand noch als Raum angesehen werden, ist er bewegliche Sache. III.
Fortbestehen des Schuldverhältnisses nach § 108 Abs. 1 InsO
Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO bestehen Miet- und Pachtverhältnisse über 180 Immobilien mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Der insolvenzrechtliche ___________ 12) MünchKomm-InsO/Eckert, § 108 Rn. 35. 13) MünchKomm-InsO/Ganter, § 47 Rn. 238. 14) Zu weiteren Einzelheiten wie beispielsweise Gebäudeteilen, Teilflächen oder Scheinbestandteilen nach § 95 BGB siehe MünchKomm-InsO/Eckert, § 108 Rn. 36. 15) MünchKomm-InsO/Ganter, § 49 Rn. 5. 16) Uhlenbruck/Wegener, § 108 Rn. 14. 17) Andres/Leithaus/Andres, § 108 Rn. 4.
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D. Insolvenz und Miete/Pacht
Normalfall für gegenseitige Verträge, nämlich das Wahlrecht des Verwalters nach § 103 InsO, greift hier nicht. In seinem Anwendungsbereich verdrängt § 108 InsO die Regelung des § 103 InsO.18) Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind daher sowohl der Mieter als auch der Vermieter19) zur Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für und gegen die Masse verpflichtet. Dabei entstehen Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO.20) Dies gilt bis zu einer Beendigung nach den Regelungen der §§ 109, 111– 113 InsO. 181 Praktisch tritt der Verwalter bezogen auf den Mietvertrag an die Stelle des Schuldners. Statt des Schuldners wird die Insolvenzmasse berechtigt oder verpflichtet. Die mietvertraglichen Abreden gelten unverändert weiter.21) War der Schuldner Vermieter gilt dies ausnahmsweise nicht, wenn die Immobilie im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht an den Mieter überlassen worden war. Dies hat der BGH im Zusammenhang mit einem Mietvertrag entschieden,22) der über ein noch zu errichtendes Gebäude abgeschlossen war. § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO wird dabei im Wege der teleologischen Reduktion entgegen seinem Wortlaut ausgelegt. 182 Im Übrigen bleibt es im Falle der Anwendbarkeit von § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO bei den allgemeinen mietrechtlichen Vorschriften. Ist der Mietvertrag befristet, endet er mit Ablauf der Befristung gemäß § 542 Abs. 2 BGB. Die Kündigung unterliegt dagegen noch zu behandelnden Sonderregelungen. Soweit diese nicht entgegenstehen, können die neuen Beteiligten aber bei Vorliegen entsprechender Gründe (vor allem, aber nicht nur außerordentlich) kündigen. 183 Schon an dieser Stelle soll auf § 119 InsO hingewiesen werden. Er erklärt Vereinbarungen, die im Voraus die Anwendung der §§ 103– 118 InsO ausschließen oder beschränken, für unwirksam. Daher kann das Fortbestehen des Schuldverhältnisses nach § 108 InsO nicht durch vertragliche Regelungen in Frage gestellt werden. Auch Klauseln, die ein Sonderkündigungsrecht im Falle der Insolvenz vorsehen, unterfallen § 119 InsO23). ___________ 18) BGH, Urt. v. 5.7.2007 – IX ZR 185/06, ZIP 2007, 2087. 19) Soweit hier und in der Folge von Mieter oder Vermieter die Rede ist, ist damit immer auch Pächter oder Verpächter gemeint, da sich die Rechtslage insoweit nicht unterscheidet. Dies gilt entsprechend für Mietvertrag und Pachtvertrag. 20) Andres/Leithaus/Andres, § 108 Rn. 9. 21) Uhlenbruck/Wegener, § InsO, 108 Rn. 15. 22) BGH, Urt. v. 5.7.2007 – IX ZR 185/06, ZIP 2007, 2087, dazu jurisPR-BGHZivilR 44/2007 Anm. 2 (Kummer). 23) Der BGH hat zur Wirksamkeit einer Lösungsklausel für einen Energielieferungsvertrag in seinem Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11 entschieden. Die Gründe können (und müssen) nach hier vertretener Auffassung auch auf Mietverträge über Immobilien übertragen werden. Römermann kommentiert die Entscheidung in NJW 2013, 1159, Schwenk in jurisPR-BKR 5/2013 Anm. 1.
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IV. Insolvenz des Mieters
IV.
Insolvenz des Mieters
Da das Gesetz an die Insolvenz des Mieters und des Vermieters unterschiedli- 184 che Rechtsfolgen anknüpft, sind beide Situationen gesondert darzustellen. Der in der Praxis häufigere Fall der Insolvenz des Mieters wird dabei vorangestellt. 1.
Nach Gebrauchsüberlassung (§ 109 Abs. 1 InsO)
a)
Kündigungssperre des § 112 InsO
Weiter unterscheidet die Insolvenzordnung danach, ob zum Zeitpunkt der Er- 185 öffnung des Insolvenzverfahrens die Immobilie bereits an den Mieter überlassen worden ist. Das Überlassen ist das Verschaffen der tatsächlichen Gebrauchsmöglichkeit der Mietsache. Im Bereich der Immobilien reicht dafür die Übergabe des Schlüssels zum gemieteten Objekt. Im Gegensatz zu seinem zweiten Absatz setzt § 109 Abs. 1 InsO ein Überlassen der Immobile voraus. Hat das Überlassen zum Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses bereits stattge- 186 funden, muss der Vermieter des Schuldners die Kündigungssperre des § 112 InsO beachten. Wegen Miet- oder Pachtrückständen aus der Zeit vor dem Eröffnungsantrag darf er ebenso wenig kündigen wie wegen der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit dieser Regelung, das Auseinanderreißen der 187 wirtschaftlichen Einheit im Besitz des Schuldners zur Unzeit zu verhindern.24) Vor allem Unternehmen sollen dem Verwalter solange in ihrer Gesamtheit zur Verfügung stehen, wie er dies für nötig erachtet. Häufig spielen gemietete Räume für die Fortsetzung und damit die mögliche Sanierung eines schuldnerischen Unternehmens eine bedeutende Rolle. Deshalb stellt die Norm für den Beginn der Kündigungssperre auch nicht auf 188 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab. Denn sonst wäre eine Kündigung sofort nach Kenntnis des Vermieters vom Insolvenzantrag zu befürchten. Vielmehr ist der maßgebliche Zeitpunkt für den Beginn der Kündigungssperre der Insolvenzantrag. Damit wurde, jedenfalls was den vorläufigen Verbleib von gemieteten oder gepachteten Immobilien angeht, in der Praxis ein wirkungsvolles Instrument geschaffen. Dies geschah allerdings um den Preis eines deutlich spürbaren Anstiegs des 189 Ausfallrisikos des Vermieters.25) Denn er kann sich trotz ausgebliebener Mietzahlungen nicht vom Vertrag lösen und wird auf die Insolvenzmasse verwiesen.26) Diese ist in vielen Fällen aber nicht oder nicht ausreichend leistungsfähig. Berücksichtigt man, dass § 112 InsO auch in Verbraucherinsolvenzverfah___________ 24) Nerlich/Römermann/Balthasar, § 112 Rn. 4. 25) MünchKomm-InsO/Eckert, § 112 Rn. 2. 26) Siehe Rn. 169 ff.
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D. Insolvenz und Miete/Pacht
ren (§ 305 InsO) gilt, in denen häufig vom Schuldner nur ein sog. flexibler Nullplan angeboten werden kann und damit kaum Aussicht auf eine Masse besteht, wird das Ausfallrisiko noch deutlicher. Im Grunde wird der Vermieter vom Gesetzgeber hier sogar schon im Vorfeld der Eröffnung des Verfahrens zu einem besonderen Beitrag zur Erreichung einer möglichen Sanierung herangezogen. Praxishinweis: Betrachtet man diese Ausgangslage, wird deutlich, dass der gut- oder langmütige Vermieter einen Nachteil hat. Lässt er sich bei ausbleibenden Mietzahlungen vom Mieter immer wieder vertrösten oder hinhalten, läuft er Gefahr im Falle eines (vom Mieter nur in den seltensten Fällen vorher angekündigten) Insolvenzantrags einen noch größeren Schaden zu erleiden. Er kann nicht anderweitig vermieten, sondern ist auf die für ihn kaum kalkulierbare Leistungsfähigkeit der Insolvenzmasse angewiesen. Daher sollten Vertreter von Vermietern auf die Problematik aufmerksam machen und im Zweifel zu einer sofortigen oder schnellen Kündigung raten.27) Über die Bemessung der Räumungsfrist kann dann immer noch verhandelt werden. Die oben dargestellten Nachteile werden mit der rechtzeitigen Kündigung aber vermieden.
b)
Auflösungsklauseln
190 In der Kautelarpraxis sind immer wieder Vertragsklauseln28) anzutreffen, die im Hinblick auf die Kündigungssperre oder auch andere Einschränkungen der Vorschriften der §§ 108 bis 111 InsO einen vermeintlichen Ausweg bieten wollen. Direkt oder indirekt sollen mit den Klauseln die Wirkungen der insolvenzrechtlichen Normen umgangen werden. Solche Klauseln sehen für den Fall, dass ein Insolvenzantrag gestellt wird, ein Sonderkündigungsrecht des Vermieters vor. Alternativ soll der Vertrag erlöschen oder ein anders bezeichnetes Gestaltungsrecht (z. B. Rücktrittsrecht) eingreifen. 191 Solche Klauseln sind nach der hier vertreten Auffassung eindeutig unwirksam, wenn sie auf die Insolvenz des Mieters abstellen. Sie sind dann eine Umgehung des § 112 InsO, soweit es um die Lösung vom Vertrag für den Zeitraum ab Stellung des Insolvenzantrags geht. Wie die Vertragsbeendigung dabei herbeigeführt werden soll, ist unerheblich. Der Zweck des § 112 InsO erfordert, dass er unabdingbar ist. Wegen § 134 BGB sind deshalb auch Umgehungen verboten. Selbst wenn der Wortlaut von § 112 InsO nur auf Kündigungen abstellt, wird das gesetzliche Ziel nur erreicht, wenn alle anderen Wege zur Lösung vom Vertrag als Umgehung unwirksam sind.
___________ 27) So auch Flatow, NZM 2011, 607, 614. 28) Gemeint sind Klauseln i. S. d. AGB-Rechts ebenso wie echte Individualvereinbarungen. Denn die Rechtslage hängt hier nicht von der Einordnung der Klausel als AGB ab.
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IV. Insolvenz des Mieters
Ergänzend greift § 119 InsO ein. Ob § 119 InsO insolvenzabhängige Lösungs- 192 klauseln erfasst, ist in der juristischen Literatur seit Langem umstritten.29) Der BGH hat in einem Urteil, das einen Energielieferungsvertrag betraf,30) jedoch eine Begründung gegeben, für die trotz vorsichtiger Kommentierung in der Literatur nicht ersichtlich ist, weshalb sie nicht auf insolvenzabhängige Lösungsklauseln im gesamten Anwendungsbereich des § 119 InsO übertragen werden sollte. Im Urteil wendet der BGH die Unwirksamkeitsfolge des § 119 InsO auf vertragliche Lösungsklauseln an. Allerdings ist bei der Vielfalt der in der Praxis verwendeten Klauseln sorgfältig 193 zu prüfen, woran das jeweilige Lösungsrecht oder die automatische Beendigung des Vertrages anknüpft. Denn der Entscheidung des BGH ist nur zu entnehmen, dass insolvenzabhängige Lösungsklauseln grundsätzlich unwirksam sein sollen. Wird das Recht zu Lösung vom Vertrag dagegen von Umständen abhängig gemacht, die insolvenzunabhängig sind, bleiben solche Gestaltungen wirksam. Praxishinweis: Auch wenn das dargestellte BGH-Urteil nicht den Bereich der Miete oder Pacht von Immobilien direkt betraf, ist bei Lösungsklauseln besondere Vorsicht geboten. Der Berater des Vermieters kann und darf sich nicht auf ihre Wirksamkeit verlassen. Soweit Lösungsklauseln in Verträge aufgenommen werden sollen, ist zu empfehlen, die Lösungsgründe so weit wie möglich insolvenzunabhängig zu gestalten. So kann beispielsweise weiter auf Zahlungsverzug, Verletzung sonstiger vertraglicher Pflichten sowie Nichtabnahme oder -leistung abgestellt werden.31) Außerdem kann versucht werden, gesetzlich vorgesehene Lösungsmöglichkeiten, die auch im Insolvenzfall greifen, nachzubilden.32)
c)
Kündigungsrecht nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO
Der nach § 108 Abs. 1 InsO fortbestehende und vom Vermieter nach Stellung 194 des Insolvenzantrags auch nicht mehr wegen der bis dahin entstanden Mietrückstände kündbare Mietvertrag kann vom Insolvenzverwalter gekündet werden. § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO erlaubt diese Kündigung ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Dauer des Vertrages oder den sonstigen Ausschluss der ordentlichen Kündigung. Die gesetzlich vorgegebene Kündigungsfrist beträgt drei
___________ 29) Zu den unterschiedlichen Auffassungen siehe BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, Rn. 10 – 12. 30) BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, ZIP 2013, 274. 31) Löffler, BB 2013, 1283, 1285. 32) Schwenk, jurisPR-BKR 5/2013 Anm. 1., unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 14.12.2006 – IX ZR 194/05.
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D. Insolvenz und Miete/Pacht
Monate zum Monatsende33). Hatten die Vertragsparteien eine kürzere Frist vereinbart, bleibt diese maßgeblich. Diese Fristen gelten während des gesamten Verfahrens. Der Verwalter ist nicht gezwungen, zu einem möglichst frühen Termin zu kündigen.34) 195 Das Gesetz räumt dem Verwalter diese Befugnis ein, damit er sich von wirtschaftlich für die Masse nicht mehr sinnvoll zu nutzenden Mietverträgen trennen kann. 196 Sind mehrere Mieter vorhanden, kann der Verwalter nach der dargestellten Vorschrift bereits kündigen, wenn über das Vermögen von nur einem Mieter das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Der Streit darüber, ob mit einer solchen Kündigung nur der Verwalter aus dem Mietverhältnis ausscheidet oder es insgesamt, also auch mit Wirkung für alle anderen Mitmieter beendet wird, ist vom BGH für die Praxis entschieden.35) Wegen der Gesamtwirkung der Kündigung wird der gesamte Mietvertrag beendet. Praxishinweis: Der BGH lässt in seiner Entscheidung Raum für eine abweichende vertragliche Regelung. Vertragsgestaltend tätigen Juristen sei deshalb empfohlen, im Einzelfall die Frage zu prüfen, ob eine Regelung in den Vertrag aufzunehmen ist, wonach dieser mit den weiteren Mietern unbeschadet einer Insolvenzkündigung gegenüber einem Mitmieter fortgesetzt wird.36)
d)
Abwicklung nach Kündigung
197 Kommt es zu einer Kündigung des Mietvertrages nach § 109 Abs. 1 Satz 1 BGB, endet mit Ablauf der Kündigungsfrist der Mietvertrag. Der Verwalter hat die Mietsache herauszugeben (§ 564 Abs. 1 BGB). Der Vermieter kann, sofern er Eigentümer ist, seinen Anspruch auch aus § 985 BGB herleiten, was der Geltendmachung eines Aussonderungsanspruchs nach § 47 InsO entspricht. 198 Weitere Ansprüche aus Anlass der Abwicklung des beendeten Mietvertrages sind grundsätzlich einfache Insolvenzforderungen.37) Das gilt für Schönheitsreparaturen aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung ebenso wie für vertragliche Rückbaupflichten. Eine andere Beurteilung ist aber dann gerechtfertigt und geboten, wenn die Grundlage der betroffenen Ansprüche durch den Ver___________ 33) § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO wurde mit Wirkung vom 1.7.2007 neu gefasst. Für vor diesem Datum eröffnete Insolvenzverfahren gilt die Vorgängerregelung weiter. Nach ihr ist die jeweilige gesetzliche Kündigungsfrist des zu beendenden Vertrages maßgeblich. 34) Eine sehr späte Kündigung könnte, wenn weitere Hinweise aus dem Verhalten des Verwalters hinzukommen, allerdings gegen Treu und Glauben verstoßen. 35) BGH, Urt. v. 13.3.2013 – XII ZR 34/12, ZIP 2013, 835. 36) Siehe 2. Leitsatz der Redaktion in NZM 2013, 366. 37) Gottwald/Huber, § 37 Rn. 37.
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IV. Insolvenz des Mieters
walter in seiner Zeit als Mieter (also zwischen Verfahrenseröffnung und Vertragsbeendigung) gelegt worden ist. Denkbar sind hier beispielsweise Schadensersatzansprüche wegen einer Verschlechterung der Immobilie. Denn wenn die Grundlage durch den Verwalter gelegt wurde, handelt es sich um eine Pflichtverletzung, die zu einer Masseforderung nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO führt.38) Gibt der Verwalter nach Ablauf der Kündigungsfrist die Immobilie nicht zurück, trifft der Anspruch auf Entschädigung nach § 546 a BGB ebenfalls die Masse. Dem Vermieter steht gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO außerdem ein Schadens- 199 ersatzanspruch zu. Dieser unterliegt sowohl seiner materiellen Begründung nach als auch bei der Ermittlung der Schadenshöhe den allgemeinen schadensrechtlichen Vorschriften des BGB. Voraussetzung ist allerdings, dass der Verwalter tatsächlich unter Anwendung des Sonderkündigungsrechts aus § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO und seiner verkürzten Frist gekündigt hat. Dem Vermieter entsteht kein Schaden, wenn der Verwalter aus einem anderen Kündigungsgrund wirksam kündigen konnte. Das gleiche gilt, wenn er nicht auf die Frist des Sonderkündigungsrechts zurückgreifen muss, weil er vertraglich zum gleichen oder zu einem früheren Zeitpunkt kündigen kann. Seinen Schadensersatzanspruch kann der Vermieter nur zur Tabelle anmelden, auch wenn der Schaden an sich durch eine Handlung des Verwalters entsteht. e)
Sonderregelung für Schuldnerwohnung (§ 109 Abs. 1 Satz 2 InsO)
Betrifft der Mietvertrag des Schuldners seine Wohnung, sieht das Gesetz eine 200 Sonderregelung vor. Nachdem es nach Einführung der Insolvenzordnung 1999 ohne diese Sonderregelung zunächst zu einer Vielzahl von Wohnungskündigungen durch Verwalter (bzw. Treuhänder) gekommen ist, reagierte der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO. Danach tritt an die Stelle der Kündigung das Recht des Verwalters zu erklären, 201 dass Ansprüche, die nach Ablauf der in Satz 1 genannten Kündigungsfrist (von drei Monaten vom Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist) fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Oben39) wurde bereits dargelegt, dass mit der Fortsetzung des Mietvertrages 202 nach § 108 InsO Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO entstehen. Diese belasten die Masse, obwohl die Wohnung des Schuldners nur in den seltensten Fällen für einen Umstand benötigt wird, der die Masse anreichert. Dennoch soll der Schuldner vor Obdachlosigkeit geschützt werden. Daher ermöglich die Sonderregelung eine Erklärung des Verwalters, nach der die Insolvenzmasse mit Ablauf der in § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO vorgesehen Frist ___________ 38) Gottwald/Huber, § 37 Rn. 37. 39) Siehe Rn. 169 ff.
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D. Insolvenz und Miete/Pacht
nicht mehr haftet. Der in der Literatur dafür teilweise verwendete Begriff der Enthaftungserklärung wird auch vom BGH verwendet.40) 203 Von der Rechtsprechung ungeklärt ist die Frage, welche konkreten rechtlichen Wirkungen eine vom Verwalter abgegebene Enthaftungserklärung tatsächlich zeigt. Denn der Gesetzgeber hat sich darüber offensichtlich nicht ausreichend Gedanken gemacht. Er hatte den Schutz des Schuldners vor dem Verlust seiner Wohnung im Auge. Über die Folgefrage, ob der Mietvertrag nach Abgabe einer Enthaftungserklärung oder nach Ablauf der Kündigungsfrist noch massebefangen ist, schweigt das Gesetz. Dass dies bei einem komplexen Dauerschuldverhältnis wie der Wohnraummiete aber in vielen Einzelfragen einen erheblichen Unterschied macht, liegt auf der Hand. Man denke dabei an Kündigungen, Betriebskostenabrechnungen, Schönheitsreparaturen oder Schadensersatzansprüche. 204 Vertreten werden in diesem Zusammenhang im Wesentlichen drei Ansichten. Der Mietvertrag bleibt massebefangen. Dann behält der Verwalter die zunächst übernommene Position des Mieters. Alternativ hat die Enthaftungserklärung die vollständige Freigabe des Mietvertrages zur Folge. Dann erhält der Schuldner seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis in Bezug auf die Wohnung vollständig zurück. Schließlich wird eine Zwischenlösung vertreten. Nach ihr fällt zwar die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis an den Schuldner zurück, die Aktiva aus dem Mietvertrag gehören aber weiter zur Masse.41) Der ersten Meinung dürfte die Grundlage entzogen sein, seit der BGH entschieden hat, dass die Enthaftungserklärung nicht den Mietvertrag beendet, sondern dieser mit dem Schuldner fortgesetzt wird.42) Allerdings spricht der BGH auch nicht von einer vollständigen Freigabe des Mietvertrages. 205 In der Praxis geben die Verwalter meist kurz nach Eröffnung des Verfahrens schon zur Vermeidung eigener Haftung eine Enthaftungserklärung ab. Sowohl der Vermieter als auch der Schuldner verstehen diese Erklärung als eine Art Freigabe des Mietverhältnisses. Jedenfalls in Verbraucherinsolvenzverfahren haben die Verwalter dann häufig Mühe, überhaupt noch über eventuelle Störungen oder Änderungen im Mietverhältnis informiert zu werden. Wegen des großen Aufwandes in der Abwicklung des Mietverhältnisses unter Einbeziehung des Verwalters und der regelmäßig allenfalls in sehr geringem Umfang zu erwartenden Zahlungen an die Masse aus Wohnraummietverhältnissen43) belassen es viele Verwalter auch dabei. Einige Verwalter hingegen legen Wert dar___________ 40) BGH, Urt. v. 23.2.2012 – IX ZR 29/11 Rn. 8. 41) Etwas ausführlicher mit umfangreicher eigener Stellungnahme und weiteren Nachweisen Flatow, NZM 2011, 607, 609. 42) BGH, Urt. v. 23.2.2012 – IX ZR 29/11 Rn. 10. 43) In Frage kommen evtl. überbezahlte Miete (z. B. bei Minderung) oder Guthaben aus Betriebskostenabrechnungen.
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IV. Insolvenz des Mieters
auf, dass sich aus dem Mietverhältnis ergebende Aktiva an die Masse fließen, freilich ohne in jedem Fall auch für den Vermieter bei Belastungen als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Praxishinweis: Wenn nach dem BGH das Mietverhältnis nach der Enthaftungserklärung mit dem Schuldner fortgesetzt wird, so dürfte dieser auch der richtige Adressat für künftige Betriebskostenabrechnungen sein. Das ist für die Einhaltung von gesetzlichen oder vertraglichen Abrechnungsfristen durch den Vermieter von Bedeutung. Schließt die Abrechnung mit einem Guthaben, ist für eine schuldbefreiende Auszahlung wichtig, wer der richtige Adressat ist. Eine höchstrichterliche Klärung dieser umstrittenen Frage gibt es bisher nicht, zumal wohl auch noch danach zu differenzieren ist, welche Zeiträume von der Abrechnung erfasst werden. Für eine Betriebskostennachforderung betreffend einen Abrechnungszeitraum vor der Insolvenzeröffnung hat der BGH explizit entschieden, dass eine zur Tabelle anzumeldende Insolvenzforderung vorliegt.44) Ein Abrechnungsguthaben dürfte der Vermieter mit Zahlungsrückständen aus der Zeit vor und nach der Enthaftungserklärung verrechnen können.45) Trotzdem sollten Vermieter oder ihre Vertreter prüfen, ob es nicht empfehlenswert ist, sich mit dem Verwalter schriftlich darüber zu verständigen, in welchem Umfang er das Mietverhältnis nach einer von ihm abgegebenen Enthaftungserklärung für massezugehörig ansieht. Nur so kann einigermaßen sicher haftungsträchtiges Verhalten vermieden werden.
f)
Vermieterpfandrecht als Absonderungsrecht
aa)
Ausgangslage
Die Situation des Vermieters einer Immobilie in der Insolvenz seines Mieters 206 ist meist schwierig. Regelmäßig sind nicht unerhebliche Mietrückstände aufgelaufen. Mit Stellung des Insolvenzantrags entfällt das Recht des Vermieters, im Hinblick auf diese Rückstände zu kündigen. Der Verwalter kann die Immobilie nutzen, für die künftigen Mieten haftet grundsätzlich nur die Masse. Hinsichtlich der Mietrückstände aus der Vergangenheit kann der Vermieter nur mit der (oft vernachlässigbaren) Quote rechnen. Vermieter sollten sich daher in der Praxis häufiger mit dem ihnen zustehenden 207 Vermieterpfandrecht befassen. Freilich ist das nur dann sinnvoll, wenn der Mieter in oder auf das Mietobjekt einigermaßen werthaltige Gegenstände verbracht hat, die auch in seinem Eigentum stehen. Jedenfalls verleiht dieses Rechtsinstitut eine relativ starke Position.46) Dabei darf aber nicht verkannt werden, dass im privaten Bereich wegen des ansehnlichen Umfangs der Pfän___________ 44) BGH, Urt. v. 13.4.2011 – VIII ZR 295/10, ZIP 2011, 924. 45) Flatow, NZM 2011, 607, 612. 46) Zu Recht Pape, NZM 2004, 401, 407.
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D. Insolvenz und Miete/Pacht
dungsfreiheit von Gegenständen und im gewerblichen Bereich wegen des häufigen Vorbehalts- und Sicherungseigentums gelieferter Waren mit Einschränkungen und Schwierigkeiten bei der Realisierung gerechnet werden muss.47) bb)
Entstehen und Umfang des Vermieterpfandrechts
208 Das Vermieterpfandrecht ist ein gesetzliches besitzloses Pfandrecht.48) Es entsteht bereits latent mit dem Beginn des Mietverhältnisses. Es entfaltet seine Wirksamkeit aber erst dann, wenn die Miete trotz Fälligkeit ausbleibt.49) Hierin liegt der wesentliche Vorteil gegenüber vielen anderen Sicherungsrechten, bei denen der Vermieter auf die Bestellung und deren ordnungsgemäße Umsetzung achten muss. Das Vermieterpfandrecht entsteht kraft Gesetzes (§ 562 Abs. 1 Satz 1 BGB), also quasi automatisch. 209 Dafür ist es erforderlich, dass der Mieter in seinem Eigentum stehende Gegenstände in die Mieträume oder auf das Grundstück bringt. Das Gesetz spricht von eingebrachten Sachen des Mieters. Ein Einbringen liegt vor, wenn der Mieter seine Gegenstände während der Mietzeit gewollt in die Mieträume bringt. Befinden sich die Gegenstände zu Mietbeginn bereits in den Räumen, entsteht zu diesem Zeitpunkt das Vermieterpfandrecht. 210 Dagegen entsteht es nicht, wenn die Gegenstände zwar dem Mieter gehören, aber nach den allgemeinen Vorschriften unpfändbar sind. Unpfändbare Gegenstände sind beispielsweise in §§ 811, 811c ZPO aufgeführt. Hausrat i. S. v. § 812 ZPO fällt nach herrschender Meinung ebenfalls darunter. 211 Im Insolvenzverfahren ist für den Umfang des Vermieterpfandrechts als Absonderungsrecht § 50 Abs. 2 InsO zu beachten. Ausdrücklich sind danach die oben bereits behandelten Schadensersatzansprüche des Vermieters (gem. § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO) wegen einer vorzeitigen Kündigung nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO durch den Verwalter ausgenommen. Zudem gilt eine zeitliche Beschränkung. Das Vermieterpfandrecht kann nur für Mietforderungen aus den letzten zwölf Monaten vor Eröffnung des Verfahrens geltend gemacht werden. Dies gilt wiederum nicht für den Verpächter eines landwirtschaftlichen Grundstücks (§ 50 Abs. 2 Satz 2 InsO). 212 Grundsätzlich besteht das Vermieterpfandrecht aber für alle sonstigen Forderungen, die mit dem Mietvertrag in Zusammenhang stehen. Dazu gehören neben der rückständigen Miete auch Betriebskostenforderungen, Entschädigungsansprüche des Vermieters nach § 546 a BGB (wegen unterlassener Rückgabe), sonstige Schadensersatzansprüche (z. B. wegen Beschädigung der Miet___________ 47) MünchKomm-BGB/Artz, § 562 Rn. 4. 48) Ausführlicher Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht, § 562 Rn. 5. 49) Beck/Depré/Ringstmeier, Praxis der Insolvenz, § 15 Rn. 39.
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IV. Insolvenz des Mieters
sache), die Kosten der Kündigung und der Rechtsverfolgung50) oder auch Zinsen und Vertragsstrafen.51) Nach der Eröffnung des Verfahrens kann jedenfalls durch den Schuldner kein 213 Vermieterpfandrecht mehr geschaffen werden, da die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis mit der Eröffnung auf den Verwalter übergegangen ist.52) Der Verwalter kann zu diesem Zeitpunkt nach allerdings umstrittener Ansicht53) unter bestimmten Bedingungen ein neues Vermieterpfandrecht begründen. Dem soll § 91 InsO nicht entgegenstehen, weil die Vorschrift auf Verfügungen des Verwalters keine Anwendung findet.54) cc)
Anfechtbarkeit des Vermieterpfandrechts
Zusätzlich besteht ein Anfechtungsrisiko. Die Einbringung der Gegenstände in 214 die Mieträume durch den Mieter ist ein Realakt. Dieser unterliegt nach der Rechtsprechung des BGH der Anfechtung.55) Dem Vermieter steht deshalb ein anfechtungsfreies Absonderungsrecht zu, soweit die vom Vermieterpfandrecht erfassten Gegenstände bereits vor der Krise des Mieters eingebracht worden sind.56). In der Praxis bedeutet das eine weitere wirtschaftliche Entwertung des Vermieterpfandrechts, aufgrund der in Kapitel G. dieser Publikation näher dargestellten Grundsätze der Insolvenzanfechtung vor allem dann, wenn die Einbringung in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag erfolgt ist.57) dd)
Verhältnis zu anderen Sicherungsnehmern
Nicht selten sind in der Praxis Eigentumsvorbehalte vereinbart. Die in die 215 Mieträume eingebrachten Sachen, meist Waren oder Vorprodukte, stehen nicht im Eigentum des Mieters, sondern des jeweiligen Lieferanten. Das Vermieterpfandrecht entsteht in diesem Fall schon nicht, der Lieferant kann sein Aussonderungsrecht unproblematisch geltend machen.58) Beim Vorbehaltskauf steht dem Mieter bereits ein Anwartschaftsrecht zu. 216 Hier gelten keine insolvenzrechtlichen Besonderheiten. Das Vermieterpfandrecht erstreckt sich auf das Anwartschaftsrecht. Wird der Kaufpreis noch bezahlt, erstarkt das Anwartschaftsrecht zum Vollrecht, das Pfandrecht bezieht ___________ 50) 51) 52) 53) 54) 55)
Uhlenbruck/Brinkmann, § 50 Rn. 20. Dahl, NJW-Spezial 2009, 549. Nerlich/Kreplin/Riering, § 32 Rn. 146. Uhlenbruck/Brinkmann, § 50 Rn. 18. MünchKomm-InsO/Ganter, § 50 Rn. 86b. Lütcke, NZI 2012, 262, 265 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, ZIP 2007, 191. 56) BGH, Urt. v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, 3. Leitsatz. 57) Lütcke, NZI 2012, 262, 265. 58) Dahl, NJW-Spezial 2009, 549.
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D. Insolvenz und Miete/Pacht
sich dann auf die Sache. Der Vermieter kann dies auch durch eigene Zahlung an den Vorbehaltsverkäufer erreichen, was freilich nur dann sinnvoll ist, wenn das Vorgehen einen wirtschaftlichen Vorteil bringt. Denkbar ist dies beispielsweise, wenn im Verhältnis zum Wert der Sache nur noch ein kleiner Restkaufpreis offen ist. 217 Beim Sicherungseigentum sind unterschiedliche Konstellationen zu beachten. Ist die Sicherungsübereignung vor der Einbringung in die Mieträume erfolgt, kann kein Vermieterpfandrecht entstehen, da die Gegenstände nicht im Eigentum des Mieters stehen59). Umgekehrt bleibt das Vermieterpfandrecht unberührt, wenn die Sicherungsübereignung erst nach Einbringung der Sache vorgenommen wird60). Bei der Sicherungsübereignung eines Warenlagers mit wechselndem Bestand (Raumsicherungsvertrag) müssten in Bezug auf neu eingelieferte Waren zeitlich gesehen Vermieterpfandrecht und Übereignung an den Sicherungsnehmer ranggleich sein. Der BGH hat allerdings dem Vermieterpfandrecht den Vorrang eingeräumt61). ee)
Auskunftspflicht des Verwalters
218 Wenn der Vermieter, wie häufig, nicht oder nicht genau weiß, welche konkreten Gegenstände seinem Pfandrecht unterliegen, kann er vom Verwalter Auskunft verlangen. Der BGH hat entschieden, dass dem Vermieter ein umfassender Auskunftsanspruch zusteht62). Dieser bezieht sich auch auf Gegenstände, die vom Grundstück entfernt worden sind. Deren Verbleib kann ebenso erfragt werden wie die Tatsache, ob im Falle der Verwertung der Erlös noch in der Masse vorhanden ist63). Das ist wegen eines eventuell bestehenden Ersatzabsonderungsrechts nach § 48 InsO (analog) von Bedeutung. Der Auskunftsanspruch bezieht sich auch auf die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters64). ff)
Verwertung des Pfandgutes
219 Das Verwertungsrecht für die Pfandgegenstände liegt im Normalfall beim Verwalter. Das ergibt sich aus § 166 Abs. 1 InsO. In den Ausnahmefällen, in denen der Vermieter im Besitz der Gegenstände ist, kann er selbst verwerten. 220 Der Verwalter hat das für die (freihändige) Verwertung geltende Verfahren (§ 166 ff. InsO) zu beachten. Ihm steht dann allerdings auch der vom Gesetz ___________ 59) Gottwald/Adolphsen, § 42 Rn. 53. 60) Dahl, NJW-Spezial 2009, 549. 61) Gogger, Insolvenzgläubiger-Handbuch, § 4 Rn. 97, BGH v. 12.2.1992 – XII ZR 7/91, ZIP 1992, 390. 62) BGH, Urt. v. 4.12.2003 – IX ZR 222/02, ZIP 2004, 326. 63) Pape, NZM 2004, 401, 407. 64) OLG Frankfurt, v. 6.5.2008 – 2 U 34/06 Rn. 27.
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IV. Insolvenz des Mieters
vorgesehene Kostenbeitrag zu. Dieser beträgt meist 9 % des Verwertungserlöses, nämlich 4 % für die Feststellung des Gegenstandes und der Rechte an diesem (§ 171 Abs. 1 InsO) und 5 % für die eigentliche Verwertung des Gegenstandes (§ 171 Abs. 2 Satz 1 InsO)65). Praxishinweis: Vermietern ist dringend zu empfehlen, das Vermieterpfandrecht so früh wie möglich im Verfahren geltend zu machen. Jedenfalls nach Stellung des Insolvenzantrags ist es an der Zeit, sich auf das Pfandrecht zu berufen. Dabei sollte der Entfernung der betroffenen Gegenstände widersprochen werden. Das kann und soll im Falle des vorläufigen Insolvenzverfahrens gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter geschehen, sonst natürlich beim Schuldner66). Damit wird der Verwalter in die Verantwortung für die Sicherung des Aussonderungsrechts genommen. Der Vermieter verhindert so auch eine unerlaubte Verwertung des seinem Pfandrecht unterliegenden Gegenstandes. Oft wurden oder werden die Gegenstände noch vor der Eröffnung des Verfahrens (auch durch den vorläufigen Verwalter) vom Grundstück geschafft. Für diesen Fall ist die wenig bekannte Klagefrist des § 562 b Abs. 2 Satz 2 BGB (ein Monat ab Kenntnis des Vermieters von der Entfernung der Sache) zu beachten. Die Klage muss sich gegen den Schuldner richten, wenn nicht der in der Praxis sehr seltene starke vorläufige Insolvenzverwalter bestellt worden ist.
2.
Vor Gebrauchsüberlassung (§ 109 Abs. 2 InsO)
War dem schuldnerischen Mieter die vertragsgegenständliche Immobilie zum 221 Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens noch nicht überlassen worden, gelten die oben dargestellten Rechte (Kündigung bzw. Enthaftungserklärung bei der Schuldnerwohnung) nicht. Vielmehr sieht § 109 Abs. 2 Satz 1 InsO in dieser Situation ein beiderseitiges Rücktrittsrecht vor. Sowohl Verwalter als auch Vermieter können sich mit sofortiger Wirkung vom Vertrag lösen. Für die Rücktrittserklärung gelten die §§ 346 ff. BGB. Das Überlassen ist dabei das einvernehmliche Verschaffen des unmittelbaren 222 Besitzes an der Immobilie67). Daraus ergibt sich, dass § 109 Abs. 2 Satz 1 InsO auch einschlägig ist, wenn der Mieter sich den Besitz eigenmächtig und gegen den Willen des Vermieters verschafft hat. Denn dann liegt kein Überlassen vor. Der Vermieter muss seinen Rücktritt dem Verwalter gegenüber erklären. Der 223 Schuldner darf nicht mehr verwalten oder verfügen (§ 80 Abs. 1 InsO). ___________ 65) Nach (umstrittener) Ansicht des BFH liegt bei der Verwertung durch den Verwalter eine umsatzsteuerlich steuerbare Leistung vor (vgl. BFH, Urt. v. 28.7.2011 – V R 28/09, Änderung der früheren Rechtsprechung). 66) Der ergänzende Hinweis gegenüber dem Schuldner auf den Straftatbestand der Pfandkehr nach § 289 StGB, hat schon in manchen Fällen zu einem weitaus sorgfältigerem Umgang mit den vom Vermieterpfandrecht erfassten Gegenständen geführt. 67) Uhlenbruck/Wegener, § 119 Rn. 28.
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D. Insolvenz und Miete/Pacht
224 Den vom Gesetzgeber nicht gesehenen Sonderfall einer Mehrheit von Mietern, von der nur einer insolvent ist, löst die herrschende Meinung für Verwalter und Vermieter unterschiedlich. Der Verwalter soll ein Rücktrittsrecht haben, um sich auch mit Wirkung für die anderen Mieter vom Vertrag lösen zu können. Der Vermieter soll dagegen nicht zurücktreten können, denn bei der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiege das Interesse der Mitmieter an einer Erhaltung des Mietverhältnisses68). Im Ergebnis wird der Zweck des § 109 InsO damit in den Vordergrund gestellt, während der Wortlaut an sich keinen Anhaltspunkt für eine unterschiedliche Behandlung der Beteiligten bietet. 225 Übt keine Partei das Rücktrittsrecht aus, bleibt es bei dem Schwebezustand. Allerdings kann jede Partei ihr Gegenüber zwingen, sich zu positionieren. Das geschieht durch die Aufforderung gemäß § 109 Abs. 2 Satz 3, binnen zwei Wochen eine Erklärung zur Ausübung des Rücktrittsrechts abzugeben. Verstreicht die Frist fruchtlos, erlischt das Rücktrittsrecht der schweigenden Partei. 226 Ausschließlich für den Rücktritt durch den Verwalter sieht das Gesetz einen Schadensersatzanspruch des Vermieters wegen der vorzeitigen Beendigung vor (§ 109 Abs. 2 Satz 2 InsO). Die Regelung ist im Hinblick auf den Schadensersatz abschließend. Daher kann bei einem Rücktritt des Vermieters weder er selbst noch der Verwalter für die Masse Schadensersatz verlangen69). Der Schadensersatzanspruch ist auf das Erfüllungsinteresse des Vermieters bis zum nächst möglichen Kündigungszeitpunkt gerichtet und folgt den allgemeinen Schadensersatzregeln des BGB. Der Anspruch kann nur zur Tabelle angemeldet werden. V.
Insolvenz des Vermieters
227 In der Praxis seltener aber nicht weniger wichtig sind die Fälle der Insolvenz des Vermieters. Die Umsetzung oder Abwicklung der Mietverträge bereitet in rechtlicher Hinsicht allerdings weit weniger Probleme, was nicht heißt, dass im Einzelfall nicht äußerst komplexe Fragestellungen auftreten können. 1.
Ausgangslage
228 Zunächst ist nochmals ein kurzer Hinweis auf § 108 InsO angezeigt. Oben70) wurde ausführlich dargestellt, dass Mietverhältnisse über Immobilien mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbestehen. Das gilt auch in der Insolvenz des Vermieters. Allerdings gilt die dargestellte Einschränkung der Rechtsprechung71). Das Fortbestehen nach § 108 InsO erfordert das bereits vollzogene Überlassen der Immobilie. Anderenfalls ist trotz eines gültigen Mietvertrages ___________ 68) 69) 70) 71)
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Uhlenbruck/Wegener, § 119 Rn. 30. Dahl, NZM 2008, 585, 591. Siehe Rn. 169 ff. BGH, Urt. v. 5.7.2007 – IX ZR 185/06, ZIP 2007, 2087.
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V. Insolvenz des Vermieters
über eine Immobilie das Wahlrecht des Verwalters nach § 103 InsO einschlägig72). Ansprüche des Mieters aus dem nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO fortbestehenden 229 Mietverhältnis sind Masseverbindlichkeiten, wenn ihre Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO). Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Mieter dagegen nur als Insolvenzgläubiger geltend machen, was sich aus § 108 Abs. 3 InsO ergibt73). Hervorzuheben ist dabei der sog. Herstellungsanspruch des Mieters. Damit ist 230 der Anspruch auf Herstellung des Zustandes der Immobilie gemeint, der den vertragsgemäßen Gebrauch ermöglicht. Dieser Anspruch ist nach der Judikatur des BGH ein echter Erfüllungsanspruch und als Gegenleistung für die laufende Mietzahlung eine Dauerverpflichtung74). Damit ist der Anspruch durch den Verwalter im laufenden Verfahren als Masseschuld zu befriedigen. Der Mieter kann selbst dann nicht auf die Anmeldung zur Tabelle verwiesen werden, wenn der mangelhafte Zustand bereits vor der Eröffnung des Verfahrens entstanden war75). Zu unterscheiden vom Herstellungsanspruch sind reine Gewährleistungsansprüche. Praxishinweis: Die Unterscheidung zwischen Herstellungsanspruch und Gewährleistungsanspruch kann in der Praxis natürlich zu Schwierigkeiten führen. Da der BGH seine Rechtsprechung zu „Dauerpflicht“, die Mieträume in einem vertragsgemäßen Zustand zu erhalten, auch außerhalb der Insolvenz konsequent verfolgt76), sollten Mietvertragsparteien sich auf ihre Folgen einstellen. Bei drohender Insolvenz des Vermieters ist der oft frustrierte Mieter, der ggf. schon lange auf ein Tätigwerden des Vermieters auf Mängelrügen hin wartet, in einem Dilemma. Beseitigt er Mängel auf eigene Rechnung, wozu er nach fruchtlosem Ablauf der zuvor zu setzenden Frist meist berechtigt ist, hat er nur noch einen gewährleistungsrechtlichen Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen (§ 536a BGB). Folgt dann die Insolvenzeröffnung, kann er diesen nur zur Tabelle anmelden. Hätte der Mieter weiter zugewartet, könnte der den Herstellungsanspruch gegenüber dem Verwalter als Masseschuld geltend gemacht werden. Der Mieter und seine Berater müssen daher nicht nur genau überlegen, ob eine eigene Beseitigung des Mangels angesichts der Gesamtumstände sinnvoll ist. Sie müssen auch auf die zeitnahe Umsetzung von Minderungsansprüchen und ggf. bestehender Aufrechnungsmöglichkeiten gegenüber dem Vermieter achten.
___________ 72) 73) 74) 75)
Gottwald/Huber, § 37 Rn. 42. BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 163/02 Rn. 6, ZIP 2003, 854. BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 163/02 Rn. 7. Nachvollziehbare Kritik an dieser Rechtsprechung äußern Gundlach/Frenzel in NZI 2003, 373, 374. 76) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 104/09, NZM 2010, 235.
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D. Insolvenz und Miete/Pacht
2.
Kein besonderes Kündigungsrecht
231 Für das nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO fortbestehende Mietverhältnis sieht das Gesetz im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters kein besonderes Kündigungsrecht vor. Auch ein Rücktrittsrecht existiert nicht. 232 Für das Eröffnungsverfahren, also die Zeit zwischen Insolvenzantrag und Eröffnung des Verfahrens, gelten insoweit keine Besonderheiten. Wenn schon nach der Eröffnung kein Kündigungsrecht besteht, kann für die Zeit zuvor nichts anderes gelten. Der Mieter muss die Miete weiter zahlen. Grundsätzlich erfolgt die Zahlung auch weiter an den Vermieter, es sei denn, es ist ein starker vorläufiger Verwalter bestellt oder das Insolvenzgericht hat in einem Beschluss spezielle Bestimmungen über Mietzahlungen getroffen77). 233 Im Insolvenzverfahren des Vermieters kann der Verwalter also nicht in den Fällen kündigen, in denen dies auch außerhalb eines Verfahrens möglich wäre78). 3.
Vorausverfügungen (§ 110 InsO)
234 § 110 InsO trägt im Gesetz die Überschrift „Schuldner als Vermieter oder Verpächter“, behandelt aber nur den Umgang mit Vorausverfügungen und Aufrechnungen im Falle der Insolvenz des Vermieters. Das richtige Verständnis der Vorschrift bereitet in der Praxis nicht selten Probleme. Der Wortlaut der seit 1.9.2001 unveränderten Norm wird daher ausnahmsweise vollständig wiedergegeben: § 110 Schuldner als Vermieter oder Verpächter (1) 1Hatte der Schuldner als Vermieter oder Verpächter eines unbeweglichen Gegenstands oder von Räumen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Miet- oder Pachtforderung für die spätere Zeit verfügt, so ist diese Verfügung nur wirksam, soweit sie sich auf die Miete oder Pacht für den zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalendermonat bezieht. 2Ist die Eröffnung nach dem fünfzehnten Tag des Monats erfolgt, so ist die Verfügung auch für den folgenden Kalendermonat wirksam. (2) 1Eine Verfügung im Sinne des Absatzes 1 ist insbesondere die Einziehung der Miete oder Pacht. 2Einer rechtsgeschäftlichen Verfügung steht eine Verfügung gleich, die im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt. (3) 1Der Mieter oder der Pächter kann gegen die Miet- oder Pachtforderung für den in Absatz 1 bezeichneten Zeitraum eine Forderung aufrechnen, die ihm gegen den Schuldner zusteht. 2Die §§ 95 und 96 Nr. 2 bis 4 bleiben unberührt.
235 Ausgangspunkt der Erläuterung muss § 91 Abs. 1 InsO sein. Nach ihm können Rechte an Gegenständen der Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Verfahrens nicht wirksam erworben werden. Vorausverfügungen des vermietenden ___________ 77) Schmidt/Haarmeyer/Albrecht/Pape, Praxis und Ausbildung im Insolvenzbüro, Rn. 1145. 78) Lindner-Figura/Oprée/Stellmann/Hörndler, Geschäftsraummiete, Kap. 20 Rn. 85.
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V. Insolvenz des Vermieters
Schuldners sind grundsätzlich schon nach dieser Norm unwirksam79). Der BGH unterscheidet bei der Abtretung von Mietforderungen danach, ob diese bei Vertragsschluss betagt oder befristet entstanden sind80). Betagt entstandene Forderungen unterfallen nicht dem Ausschluss des Rechtserwerbs nach § 91 Abs. 1 InsO, befristete dagegen schon. § 110 Abs. 1 InsO beschränkt nun nicht die Wirksamkeit von Vorausverfügun- 236 gen, wie häufig angenommen wird, sondern verdrängt in seinem Anwendungsbereich § 91 InsO81). In seinen zeitlichen Grenzen begründet er daher erst die Wirksamkeit der Vorausabtretung. Nach der Judikatur des BGH ist für die Anwendung von § 110 InsO gar kein Raum, wenn die Vorausverfügung nicht nach §§ 81, 91 InsO unwirksam ist. Absatz 1 regelt die Wirksamkeit von Vorausverfügungen des späteren Schuld- 237 ners gegenüber der Masse. Sie endet bereits mit dem Monat, in dem das Verfahren eröffnet wird. Liegt die Eröffnung nach dem 15. eines Monats, so endet die Wirkung der Vorausverfügung am Ende des Folgemonats. Auch hier gilt es wieder die Rechtsprechung des BGH zu beachten, nach der die Immobilie bereits überlassen sein muss82). Sonst wird schon der Mietvertrag nicht nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO fortgesetzt. Korrespondierend zu dieser Regel sind die Bestimmungen des dritten Absatzes 238 zu verstehen. Eigentlich kann der Mieter wegen § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegen von ihm geschuldete, nach der Eröffnung fällig werdende Mieten nicht mit eigenen Forderungen aufrechnen, die ihm gegenüber dem Vermieter zustehen. Er wäre auf die Anmeldung zur Tabelle verwiesen, bei gleichzeitiger Pflicht, die Miete weiter zu zahlen. Soweit nun der erste Absatz (zeitlich) die Vorausverfügung für zulässig erklärt, erklärt der dritte Absatz auch eine Aufrechnung des Mieters für zulässig. Die Aufrechnung ist also auf den Höchstbetrag beschränkt, in dem eine Vorausverfügung über die durch Aufrechnung zu tilgende Forderung zulässig wäre83). Absatz 2 stellt die Einziehung und die Zwangsvollstreckung in künftige Miet- 239 forderungen den rechtsgeschäftlichen Verfügungen gleich84). Das sind alle Rechtsgeschäfte, durch die der Anspruch des Vermieters auf Miete85) aufgeho___________ 79) 80) 81) 82)
Uhlenbruck/Wegener, § 110 Rn. 2. BGH, Urt. v. 25.4.2013 – IX ZR 62/12, Rn. 27. BGH, Urt. v. 25.4.2013 – IX ZR 62/12 Rn. 25. Gottwald/Huber, § 37 Rn. 45; a. A. MünchKomm-InsO/Eckert, § 110 Rn. 1 unter Hinweis auf die Begründung des Regierungsentwurfs, ebenso Nerlich/Römermann/Balthasar, § 110 Rn. 5. 83) Gottwald/Huber, § 37 Rn. 45. 84) Uhlenbruck/Wegener, § 110 Rn. 6. 85) Ob § 110 InsO nur auf periodisch fällig werdende Forderungen aus dem Mietverhältnis anwendbar ist, ist umstritten. Wegener vertritt dies in Uhlenbruck, § 110 Rn. 7 unter Hinweis auf die Gegenansicht.
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D. Insolvenz und Miete/Pacht
ben, übertragen, belastet oder verändert wird86). In Frage kommen dafür beispielsweise Abtretung, Belastung mit einem Nießbrauch, Stundung, Erlass, Verpfändung oder auch eine Änderung der Zahlungsart87). 240 Führen §§ 91, 110 InsO zu einer Unwirksamkeit einer Vorausverfügung, Zwangsvollstreckung oder Vorleistung durch den Mieter, bleibt es bei der ursprünglichen vertraglichen Verpflichtung, unverändert zu zahlen. Diese Zahlung beansprucht nach der Eröffnung der Verwalter. Wenn der Mieter bereits an einen Dritten bezahlt oder dem Vermieter gegenüber eine Vorleistung erbracht hat, ist der Schuldner nach § 812 Abs. 1 BGB ungerechtfertigt bereichert. Den Bereicherungsanspruch kann der Mieter allerdings nur als Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO zur Tabelle anmelden. Auch eine Aufrechnung gegen den Anspruch des Verwalters auf die laufende Miete ist nach §§ 96 Abs. 1, 110 Abs. 3 InsO unzulässig88). 4.
Veräußerung der Immobilie (§ 111 InsO)
241 Veräußert der Verwalter die Immobilie während des Insolvenzverfahrens, gilt § 111 InsO. Die Norm will die Verwertung einer vermieten Immobilie erleichtern. Dies geschieht durch Schaffung eines Sonderkündigungsrechts zugunsten des Käufers. 242 Für den Erwerber einer Immobilie gilt auch bei einem Kauf vom Verwalter im Insolvenzverfahren die allgemeine Regel der §§ 566 Abs. 1, 578 BGB.89) Der Erwerber tritt anstelle des Verwalters in das Mietverhältnis ein. Das ist Voraussetzung für die Anwendung von § 111 InsO. Kommt es ausnahmsweise nicht zu einem Übergang des Mietverhältnisses, bleibt kein Raum für § 111 InsO. 243 Weitere Voraussetzung ist, dass die Immobilie vom Schuldner selbst vermietet worden ist. Wird insoweit erst der Verwalter nach der Eröffnung des Verfahrens tätig, greift § 111 InsO ebenfalls nicht ein.90) 244 Nicht anwendbar ist § 111 InsO weiter, wenn der in Insolvenz gefallene Vermieter nur Miteigentümer war.91) 245 Unabhängig von den vertraglichen Vereinbarungen kann der Erwerber bei Vorliegen der dargestellten Voraussetzungen das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist kündigen. Die gesetzliche Frist findet sich in § 580a Abs. 4 BGB (mit den Unterscheidungen aus den vorangehenden Absätzen), für Wohnraum gilt § 573d Abs. 2 BGB. Die einschlägigen Fristen bei Pacht bzw. Landpacht ergeben sich aus § 584 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 bzw. § 594a Abs. 2 BGB. ___________ 86) 87) 88) 89) 90) 91)
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Nerlich/Römermann/Balthasar, § 110 Rn. 8. Uhlenbruck/Wegener, § 110 Rn. 8. MünchKomm-InsO/Eckert, § 110 Rn. 21. Bei Pachtverträgen gelten §§ 581 Abs. 2, 593b BGB. Andres/Leithaus/Andres, § 111 Rn. 3. Gottwald/Huber, § 37 Rn. 44.
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V. Insolvenz des Vermieters
§ 111 Satz 2 InsO verlangt eine Kündigung zu dem ersten Termin, für den sie 246 zulässig ist. Das Gesetz gibt also nur eine einmalige (sofortige) Kündigungsgelegenheit. Verpasst der Erwerber diese, kann er sich nicht mehr auf § 111 InsO stützen. Bei der ordentlichen Kündigung von Wohnraum gilt außerhalb der Insolvenz 247 bekanntermaßen das Erfordernis des § 573 Abs. 1 BGB nach einem berechtigten Interesse des Vermieters an einer Beendigung des Vertrages. Die anerkannten Gründe, die § 573 Abs. 2 BGB entnommen werden können, sind nach § 573 Abs. 3 BGB im Kündigungsschreiben darzulegen. Diese Ausgangslage wird von § 111 InsO nicht berührt.92) Der Erwerber braucht ein berechtigtes Interesse und muss es auch darlegen. § 111 InsO hilft ihm nur bei der Frist, die gerade bei schon lange bestehenden Mietverhältnissen durch die Vorschrift deutlich verkürzt sein kann. Freilich erfolgt der Erwerb von Wohnungen aus der Insolvenz heraus nicht selten durch einen Gläubiger mit Verwertungsabsicht oder durch Dritte zur Eigennutzung. In beiden Fällen besteht dem Grundsatz nach ein berechtigtes Interesse an der Kündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 bzw. Nr. 2 BGB).93) Eine wirksame Kündigung durch den Erwerber nach § 111 InsO kann beim 248 Mieter zu einem Schaden führen, wenn die Kündigungsfrist wegen der Anwendung der Norm verkürzt war. Diesen kann der Mieter als Insolvenzforderung im Verfahren anmelden. 5.
Vermieterpflichten als Masseverbindlichkeit
Zur Ausgangslage ist unter Rn. 228 ff. bereits dargestellt worden, dass Ansprü- 249 che des Mieters aus dem nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO fortbestehenden Mietverhältnis Masseverbindlichkeiten sind, wenn ihre Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO). Schließlich ist der Verwalter in die Position des Vermieters gerückt und nutzt die Immobilie für die Masse. Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Mieter dagegen nur als Insolvenzgläubiger geltend machen (vgl. § 108 Abs. 3 InsO).94) Auch auf die Rechtsprechung zum sog. Herstellungsanspruch ist an gleicher 250 Stelle bereits hingewiesen worden. Wenn der Mieter verlangen kann, dass die Immobilie in einen Zustand versetzt wird, der ihm den vertragsgemäßen Gebrauch ermöglicht, dann kommt es nicht darauf an, aus welcher Zeit der zu beseitigende Mangel stammt. Es liegt immer eine Masseverbindlichkeit vor.95) Es ___________ 92) 93) 94) 95)
MünchKomm-InsO/Eckert, § 111 Rn. 21. MünchKomm-InsO/Eckert, § 111 Rn. 22. BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 163/02 Rn. 6, ZIP 2003, 854. BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 163/02.
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D. Insolvenz und Miete/Pacht
kommt im Übrigen auch nicht darauf an, ob der Schuldner vor Insolvenzeröffnung schon in Verzug war oder ob der Mangel schon zu Beginn des Mietverhältnisses vorlag.96) Nach den Grundsätzen des Herstellungsanspruchs sind immer Masseverbindlichkeiten gegeben, es sei denn, der Mieter hat schon vor Eröffnung des Verfahrens zur Selbstabhilfe gegriffen. 251 Das gilt auch dann weiter, wenn der Verwalter Masseunzulänglichkeit angezeigt hat.97) Denn er muss den Mietvertrag nach wie vor ordnungsgemäß erfüllen. Die vom BGH zur Begründung des Herstellungsanspruchs als Masseverbindlichkeit verwendete Argumentation greift unverändert auch nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit. Der Verwalter wird zwar häufig das Mietverhältnis kündigen, bis zu seinem Ende aber bleibt die beschriebene Pflicht bestehen. 252 Die Abrechnung der Betriebskosten für die vor Insolvenzeröffnung abgelaufenen Zeiträume schuldet der Verwalter. Er kann den Mieter nicht auf die Anmeldung von Zahlungsansprüchen zur Tabelle verweisen.98) Ein sich ergebendes Guthaben kann der Mieter nutzen, um die Aufrechnung auch mit aktuellen Mieten, die nach der Eröffnung fällig geworden sind, zu erklären.99) Eine Nachzahlung, die durch die Betriebskostenabrechnung fällig wird, muss der Mieter an die Masse leisten. 6.
Mietsicherheiten
253 In der Insolvenz des Vermieters bereitet die richtige Behandlung der vom Mieter vor der Eröffnung des Verfahrens geleisteten Mietsicherheit oft Schwierigkeiten. Dies liegt an der komplexen Rechtslage, die je nach Art und Umgang mit der Sicherheit zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führt. 254 Der nur für Wohnraummietverhältnisse geltende § 551 BGB schreibt in seinem dritten Absatz vor, dass der Vermieter eine ihm als Sicherheit überlassene Geldsumme getrennt von seinem Vermögen anlegen muss. 255 Befolgt der Vermieter diese Vorschrift, entstehen die wenigsten Probleme. Denn dann wird der Zweck des Gesetzes, dem Mieter in der Insolvenz des Vermieters ein Aussonderungsrecht zu verschaffen, auch erreicht. Es entsteht bei richtiger Anlage ein Treuhandverhältnis, das nicht gem. §§ 115, 116 InsO erlischt.100) Es gehört nämlich zum Mietverhältnis, das unverändert fortzuführen ist. Allerdings muss das Konto in irgendeiner Form als Treuhandkonto ausgewiesen sein. Anderenfalls ist die Sicherheit nicht unterscheidbar vom sonstigen Vermögen des Vermieters vorhanden. ___________ 96) 97) 98) 99) 100)
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Lindner-Figura/Oprée/Stellmann/Hörndler, Geschäftsraummiete, Kap. 20 Rn. 88 – 91. Schmidt/Haarmeyer/Albrecht/Pape, Praxis und Ausbildung im Insolvenzbüro, Rn. 1176. Lindner-Figura/Oprée/Stellmann/Hörndler, Geschäftsraummiete, Kap. 20 Rn. 92. BGH, Urt. v. 21.12.2006 – IX ZR 7/06, ZIP 2007, 239. MünchKomm-InsO/Eckert, § 108 Rn. 109.
Haase
V. Insolvenz des Vermieters
Für das Aussonderungsrecht hinsichtlich der Sicherheit gilt § 47 InsO. Fälligkeit der Rückzahlung tritt nach den allgemeinen Regeln ein, die auch außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten. Problematisch für den Mieter wird es dagegen, wenn der Vermieter die gesetzliche Vorgabe nicht eingehalten hat. Denn der BGH hat entschieden, dass der Mieter dann wegen der nicht mehr unterscheidbar im Vermögen des Vermieters (bzw. faktisch meist gar nicht mehr) vorhandenen Sicherheit nur einfacher Insolvenzgläubiger ist.101) Auch ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber den nach der Insolvenzeröffnung fällig gewordenen Mieten steht ihm nicht zu.102) Schließlich kann der Mieter seinen Anspruch auf insolvenzfeste Anlage auch nicht mehr im Verfahren aus dem laufenden Vertrag als Masseverbindlichkeit gegenüber dem Verwalter geltend machen.103) Der BGH argumentiert damit, dass der Anspruch auf vertragsgemäße104) Anlage der Sicherheit schon vor der Insolvenzeröffnung entstanden und fällig war. Das gilt auch für die Ansprüche des Mieters wegen deren Nichtanlage. Dann aber gilt § 108 Abs. 3 InsO. Solche Ansprüche können nur als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden. In der Geschäftsraummiete gibt es keine vergleichbare Vorschrift. Oft wird aber vertraglich vereinbart, dass die Sicherheit getrennt vom sonstigen Vermögen des Vermieters treuhänderisch anzulegen ist. Dann gelten die gleichen Grundsätze. Der Mieter ist daher darauf angewiesen, dass seine Sicherheit vertrags- bzw. gesetzeskonform angelegt wird. Der BGH verweist den Mieter auf ein Tätigwerden vor der Insolvenz des Vermieters. Will der Mieter sich schützen, muss er die korrekte Anlage der Sicherheit vor Eintritt der Insolvenz durchsetzen, indem er den Vermieter zur Einzahlung auf ein insolvenzfestes Sonderkonto zwingt.105) Dazu darf der Mieter, wenn er rechtzeitig106) handelt, geschuldete Mieten bis zur Höhe der Kaution zurückbehalten. Er kann den Anspruch auf gesetzeskonforme Anlage der Sicherheit außerdem einklagen.107) Praxishinweis: Aus Mietersicht ist es fast schon zwingend, in Mietverträgen, die nicht den Regeln über Wohnraum unterliegen, eine „insolvenzfeste“ Anlage der Sicherheit zu
___________ 101) 102) 103) 104)
BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 132/06, ZIP 2008, 469. BGH, Urt. v. 13.12.2012 – IX ZR 9/12, ZIP 2013, 179. BGH, Urt. v. 13.12.2012 – IX ZR 9/12 Rn. 11. Der Anspruch des Vermieters auf eine Sicherheit muss zunächst vertraglich vereinbart werden. Dann aber ergibt sich die Pflicht zur insolvenzfesten Anlage aus dem Gesetz. 105) BGH, Urt. v. 13.12.2012 – IX ZR 9/12 Rn. 13. 106) Also in jedem Fall vor der Verfahrenseröffnung, besser aber noch vor der Krise des Vermieters. 107) BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 132/06 Rn. 8.
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D. Insolvenz und Miete/Pacht vereinbaren. Damit ist es aber nicht getan. Der Mieter muss nach Zahlung der Kaution auch darauf bestehen, dass der Vermieter die vereinbarte Art der Anlage nachweist. Geschieht dies nicht, muss der Mieter möglichst schnell von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen, um Nachteile in einem evtl. Insolvenzverfahrens zu vermeiden. Das trägt alles nicht zu einem entspannten Umgang der Vertragsparteien miteinander bei. Von Anfang an einfacher hat es der Mieter, der ein auf seinen Namen lautendes Sparkonto anlegt und dieses dann an den Vermieter verpfändet. Damit muss der Vermieter allerdings einverstanden sein. Will der Mieter die gesamte Thematik vermeiden, sollte er über die Vereinbarung einer Bürgschaft als Sicherheit nachdenken. Unabhängig von der Kostenfrage ist natürlich bekannt, dass auch nicht alle Bürgschaftsfälle im Sicherungsfall reibungslos abgewickelt werden. Hier sind die Chancen, im Falle der Insolvenz des Vermieters keinen Schaden zu nehmen aber am größten.
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Haase
E. Immobilienfinanzierungen I.
Erscheinungsformen der Immobilienfinanzierung
Bei der Immobilienfinanzierung handelt es sich wie bei jedem Kreditverhältnis 261 um ein Schuldverhältnis i. S. d. § 241 BGB. Dabei werden die Begriffe Immobilienkredit und Immobiliendarlehen oft als Synonym verwendet. Die Absicherung des Darlehens durch die dingliche Sicherheit führt im Vergleich zu ungesicherten Darlehen in der Regel zu einem günstigeren Zinssatz der Finanzierung. 1.
Abgrenzung zu Blanko-, Personal- und Realkredit
Im Gegensatz zum Personal- oder Blankokredit, der auf die Bonität des Darle- 262 hensnehmers oder auf persönliche Sicherheiten wie Bürgschaften oder Forderungsabtretung abstellt, ist das Immobiliendarlehen eine Unterform des Realkredits, der durch reale, dingliche Sicherheiten an beweglichen Sachen oder Grundstücken besichert wird. Das Immobiliendarlehen wird dabei als eigentlicher Realkredit im engeren Sinne bezeichnet und stellt die häufigste Form der Sicherstellung dar.1) 2.
Beleihungsgrenzen
Gem. § 21 Abs. 3 Nr. 1 KWG i. V. m. § 14 PfandBG darf der Realkredit nur bis 263 zur Höhe von 60 % des von der Pfandbriefbank festgesetzten Wertes des Grundstücks (Beleihungswert) besichert werden. Dabei ist gem. § 16 PfandBG die als Grundlage für die Beleihungswertfestsetzung dienende Wertermittlung von einem von der Kreditentscheidung unabhängigen Gutachter vorzunehmen. Einzelheiten zur Wertermittlung sind in der Verordnung über die Ermittlung 264 der Beleihungswerte von Grundstücken nach § 16 Abs. 1 und 2 des Pfandbriefgesetzes geregelt.2) Gem. § 3 Abs. 1 BelWertV gilt als Beleihungswert der Wert der Immobilie, der erfahrungsgemäß unabhängig von vorübergehenden, etwa konjunkturell bedingten Wertschwankungen am maßgeblichen Grundstücksmarkt und unter Ausschaltung von spekulativen Elementen während der gesamten Dauer der Beleihung bei einer Veräußerung voraussichtlich erzielt werden kann. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist zur Ermittlung des Beleihungswertes außerdem 265 die zukünftige Verkäuflichkeit der Immobilie unter Berücksichtigung der langfristigen, nachhaltigen Merkmale des Objekts, der normalen regionalen Marktgegebenheiten sowie der derzeitigen und möglichen anderweitigen Nutzungen im Rahmen einer vorsichtigen Bewertung zugrunde zu legen. Daraus ergibt sich ___________ 1) Assies/Beule/Heise/Strube/Veith, S. 314 f. 2) Beleihungswertermittlungsverordnung – BelWertV.
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E. Immobilienfinanzierungen
die Verpflichtung zu einer restriktiven Wertermittlung, wobei vom Beleihungswert der tatsächliche Verkehrswert einer Immobilie zu unterscheiden ist. Die für die Ermittlung des Beleihungswertes anfallenden Wertermittlungs- und Schätzkosten sind dabei vom Kreditinstitut zu tragen, da es sich dabei um die Erfüllung gesetzlicher Pflichten handelt. 266 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang § 7 Abs. 1 Satz 3 BauSparKG wonach Bausparkassen bis zu 80 % des Beleihungswertes beleihen dürfen. 267 Verstöße gegen die Beleihungs- und Bewertungsgrundsätze führen nicht zur Unwirksamkeit des Darlehensvertrages gem. § 134 BGB; es handelt sich dabei um aufsichtsrechtliche Vorgaben. 268 Hinsichtlich der Verwendung des Immobiliendarlehens muss kein Bezug zu einem konkreten Vorhaben mit der Immobilie (etwa Erwerb, Umbau, Ausbau) bestehen; entscheidend ist lediglich die Besicherung durch das Grundpfandrecht.3) 3.
Immobilienfinanzierung gewerblich
269 Eine gewerbliche Immobilienfinanzierung liegt dann vor, wenn am Darlehensverhältnis auf der Darlehensnehmerseite kein Verbraucher beteiligt ist und das vom Kreditinstitut zur Verfügung gestellte Kapital für wirtschaftliche Zwecke oder die selbstständige berufliche Tätigkeit genutzt wird. Die Abgrenzung ist mitunter schwierig.4) 270 Die Differenzierung ergibt sich somit aus dem Verwendungszweck des Darlehens. Auf die zu gewerblichen Zwecken genutzten Darlehen finden die §§ 488 bis 490 BGB Anwendung. 4.
Immobilienfinanzierung Verbraucher
271 Wird das Immobiliendarlehen einem Verbraucher gewährt, sind die besonderen Verbraucherschutzvorschriften der §§ 491 ff. BGB zu beachten. Eine Legaldefinition des Immobiliardarlehensvertrages findet sich in § 503 Abs. 1 BGB. Dies sind Verträge, bei denen die Zurverfügungstellung des Darlehens von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht wird und zu Bedingungen erfolgt, die für grundpfandrechtlich abgesicherte Verträge und deren Zwischenfinanzierung üblich sind; der Sicherung durch ein Grundpfandrecht steht es gleich, wenn von einer solchen Sicherung nach § 7 Abs. 3 – 5 des Gesetzes über Bausparkassen abgesehen wird.
___________ 3) BGH, WM 1992, 566; BGH, WM 2006, 1060. 4) BFH, Urt. v. 12.12.2002 – III R 20/01; FG Hessen, Urt. v. 24.2.2010 – 8 K 3380/07; FG Münster Urt. v. 11.3.2011 – 14 K 991/05.
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Burges/Molitor
I. Erscheinungsformen der Immobilienfinanzierung
Gem. § 13 BGB ist Verbraucher jede natürliche Person, die das Darlehen ver- 272 einbarungsgemäß weder für ihre gewerbliche oder freiberufliche noch für ihre selbstständige berufliche Tätigkeit verwendet. Existenzgründer sind grundsätzlich keine Verbraucher, da das Darlehen zur 273 Aufnahme einer selbstständigen bzw. gewerblichen beruflichen Tätigkeit genutzt wird.5) Allerdings fallen Angehörige der freien Berufe, Gewerbetreibende, Landwirte und Handwerker ausnahmsweise in den Anwendungsbereich der Verbrauchervorschriften, wenn in der Phase der Existenzgründung Kreditverträge abgeschlossen werden, deren Einzelbeträge nicht über 50.000 € liegen.6) Darlehensnehmer eines Verbraucherkredits können sowohl natürliche Perso- 274 nen als auch Mehrheiten natürlicher Personen wie eine Gesellschaft oder Gemeinschaft bürgerlichen Rechts sein.7) Der Anwendungsbereich der §§ 491 ff. BGB kann somit auch für Bauherrengemeinschaften oder Ehegattengesellschaften gegeben sein. Soweit mehrere Verbraucher als Darlehensnehmer an einem einheitlichen Kre- 275 ditvertrag beteiligt sind, ist zu beachten, dass jedem Gesamtschuldner eine Vertragsurkunde auszuhändigen ist und jeder einzeln über sein Widerrufsrecht gem. § 495 BGB zu belehren ist. Macht einer der Darlehensnehmer von seinem Widerrufsrecht Gebrauch, führt dies zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages. Bei Kündigung des Darlehensvertrages durch die Bank, ist die Kündigung einheitlich gegenüber jedem Darlehensnehmer zu erklären.8) Die Vorschriften der §§ 491 ff. BGB regeln die Formerfordernisse des Darle- 276 hensvertrages gem. § 492 BGB, die Rechtsfolgen bei Formverstößen gem. § 494 BGB, das Widerrufsrecht gem. § 495 BGB sowie besondere Vorgaben hinsichtlich der Behandlung von Verzugszinsen und der Anrechnung von Teilzahlungen gem. § 497 BGB. Schließlich sind besondere Voraussetzungen bei Darlehenskündigung gem. § 498 BGB zu beachten. Gem. § 492 Abs. I Satz 1 und 2 BGB unterliegen Darlehensverträge einem allgemeinen Schriftformerfordernis. Schließlich muss der Darlehensvertrag bestimmte Mindestpflichtangaben erfül- 277 len die über § 492 Abs. 2 BGB in Art. 247 §§ 6 – 13 EGBGB geregelt sind. Eine Besonderheit gilt für Immobiliendarlehen, für die gem. § 503 BGB nicht 278 alle Verbraucherschutzvorschriften anwendbar sind. Dies liegt daran, dass aufgrund der mit der grundpfandrechtlichen Besicherung verbundenen Warnfunktion eine geringere Schutzbedürftigkeit des Darlehensnehmers besteht. ___________ 5) 6) 7) 8)
BGH, Urt. v. 24.2.2005 – III ZB 36/04. OLG Brandenburg, NJW 2006, 159. BGHZ 149, 80. BGH, NJW 2002, 2866.
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E. Immobilienfinanzierungen
279 Gem. Art. 247 § 9 EGBGB gelten bei Immobiliardarlehensverträgen gemäß § 503 BGB daher abweichende Mitteilungspflichten. 280 Die vorvertragliche Information muss außerdem einen deutlich gestalteten Hinweis darauf enthalten, dass der Darlehensgeber berechtigt ist, Forderungen aus dem Darlehensvertrag ohne Zustimmung des Darlehensnehmers abzutreten und das Vertragsverhältnis auf einen Dritten zu übertragen, soweit nicht die Abtretung im Vertrag ausgeschlossen wird oder der Darlehensnehmer der Übertragung zustimmen muss. 281 Darüber hinaus muss der Vertrag die Angaben zum Widerrufsrecht enthalten. 282 Verlangt der Darlehensgeber zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags, dass der Darlehensnehmer zusätzliche Leistungen des Darlehensgebers annimmt oder einen weiteren Vertrag abschließt, insbesondere einen Versicherungsvertrag oder Kontoführungsvertrag, hat der Darlehensgeber dies zusammen mit der vorvertraglichen Information anzugeben. 283 Dies betrifft insbesondere die Fälle in denen der Darlehensgeber den Abschluss des Darlehensvertrages vom Abschluss einer Restschuld- oder Risikolebensversicherung o. Ä. abhängig macht. 284 Verpflichtet sich der Darlehensnehmer mit dem Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags auch zur Vermögensbildung, muss aus der vorvertraglichen Information und aus dem Verbraucherdarlehensvertrag klar und verständlich hervorgehen, dass weder die während der Vertragslaufzeit fälligen Zahlungsverpflichtungen noch die Ansprüche, die der Darlehensnehmer aus der Vermögensbildung erwirbt, die Tilgung des Darlehens gewährleisten, es sei denn, dies wird vertraglich vereinbart. 285 In diesem Zusammenhang sind als Tilgungsinstrument eingesetzte Lebens- oder Rentenversicherungen zu nennen. 286 Werden in Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag zusätzlich Versicherungen abgeschlossen, sind die dafür anfallenden Kosten grundsätzlich im effektiven Jahreszins zu berücksichtigen. Dabei ist jedoch zu differenzieren: 287 Gem. Art. 247 § 3 Abs. 2 EGBGB ist zur Berechnung des effektiven Jahrszinses § 6 PrAngVO9) zu beachten. Dabei ergibt sich aus § 6 Abs. 3 Nr. 5, dass im effektiven Jahreszins nur die Kosten einer Versicherung zu berücksichtigen sind, die die Rückzahlung des Darlehens bei Tod, Invalidität, Krankheit oder Arbeitslosigkeit des Darlehensnehmers sicherstellen. Da weitere Versicherungen in der Vorschrift nicht erwähnt sind, ergibt sich aus dem Wortlaut im Umkehrschluss, dass die Kosten einer als Tilgungsinstrument eingesetzten Kapitaloder Rentenversicherung hingegen nicht im effektiven Jahreszins einzupreisen sind. ___________ 9) Preisangabenverordnung.
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Burges/Molitor
I. Erscheinungsformen der Immobilienfinanzierung
Etwas anderes gilt mangels entsprechenden Hinweises auf die PrAngVO hin- 288 sichtlich der im Vertrag anzugebenden Kosten. Dabei sind nicht nur die Kosten einer Restschuldversicherung, sondern auch die Kosten einer als Tilgungsersatz dienenden Lebens- oder Rentenversicherung im Darlehensvertrag anzugeben.10) Ist die Schriftform insgesamt nicht eingehalten oder fehlen die gem. Art. 247 289 §§ 6 und 9 bis 13 EGBGB erforderlichen Mindestangaben führt dies gem. § 494 Abs. 1 BGB grundsätzlich zur Nichtigkeit des Darlehensvertrages. § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB sieht jedoch eine Heilung der Mängel vor und zwar 290 dann, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen empfängt oder in Anspruch nimmt. Allerdings führt der Mangel für das Kreditinstitut zu wirtschaftlich nachteiligen Konsequenzen hinsichtlich der Zinskonditionen. Fehlt im Darlehensvertrag die Angabe zum Sollzins, dem effektiven Jahreszins oder der Gesamtbetrag, ermäßigt sich gem. § 494 Abs. 2 Satz 2 BGB der dem Vertrag zugrunde zu legende Sollzins auf den gesetzlichen Zinssatz; gem. § 246 BGB somit auf 4 % p. a. Sind Pflichtangaben im Vertrag lediglich unrichtig, führt dies grundsätzlich 291 nicht zur Nichtigkeit des Vertrages und damit auch nicht zum reduzierten Zinsanspruch des Darlehensgebers.11) Soweit im Darlehensvertrag Angaben zu den Sicherheiten fehlen, kann deren 292 Bestellung vom Kreditgeber gem. § 494 Abs. 6 Satz 2 und 3 BGB nur gefordert werden, wenn der Nettodarlehensbetrag über 75.000 € liegt. Wird vom Darlehensnehmer eine Sicherheit bestellt, obwohl dies im Darlehensvertrag nicht vermerkt ist, begründet dies jedoch keinen Anspruch des Darlehensnehmers auf Herausgabe wegen ungerechtfertigter Bereicherung.12) Gem. § 503 Abs. 1 BGB ist im Falle des Verzugs des Darlehensnehmers die den 293 Verbraucher privilegierende Vorschrift des § 497 BGB auf Immobiliardarlehen nur eingeschränkt anwendbar. Dies bedeutet, dass die Tilgungsreihenfolge des § 367 BGB gilt, somit Zahlungen zunächst auf Kosten und Zinsen und erst dann auf Kapital zu verrechnen sind; dem Gläubiger steht das Recht zu, Teilleistungen zurückzuweisen; der Verzugsschaden auf Verzugszinsen gem. § 289 Satz 2 BGB kann über die Höhe der gesetzlichen Zinsen hinausgehen. Gem. § 503 Abs. 1 Satz 1 BGB ist § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB auch auf Immobili- 294 arverbraucherdarlehen anwendbar, so dass Ansprüche auf Darlehensrückzahlung und Zinsen von ihrer Entstehung an bis zu 10 Jahren gehemmt sind. Gem. § 497 Abs. 3 Satz 5 BGB gilt dies jedoch nicht für titulierte Zinsen, d. h. dass diese der dreijährigen Regelverjährung unterliegen. ___________ 10) BGHZ 162, 20. 11) Palandt/Weidenkaff, § 494 Rn. 12; BGH, BKR 2003, 979, 981. 12) BGH, NJW 2008, 3208.
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E. Immobilienfinanzierungen
5.
Mezzanine Finanzierung
295 Als Ergänzung zur Fremdmittelfinanzierung bietet sich für Unternehmen sog. Mezzanine-Kapital an, wobei es sich um eine Kombination von Fremd- und Eigenkapital handelt, die für das Unternehmen bilanziell vorteilhaft sein kann, da Mezzanine-Kapital je nach Ausgestaltung dem Eigenkapital zugeordnet werden kann, was insbesondere bei Langfristigkeit der Fall ist.13) 296 Typische Erscheinungsformen sind das Nachrangdarlehen, die typische oder atypische stille Beteiligung sowie Genussscheine und Wandel- bzw. Optionsanleihen. 297 Mezzanines Kapital zeichnet sich vor allem durch seine Nachrangigkeit gegenüber anderen Gläubigern aus, da üblicherweise auf die Bestellung von Sicherheiten verzichtet wird, was in der Regel aufgrund des höheren Risikos des Kapitalgebers zu einer höheren Verzinsung der Kapitalüberlassung führt. Es ist jedoch vorrangig gegenüber dem Stammkapital, Grundkapital und Rücklagen. 298 Der größte Vorteil Mezzaninen Kapitals besteht darin, dass es die Bonität und Bilanzstruktur des Unternehmens verbessert. Der Eigenkapitalcharakter wird dabei durch Rangrücktritt hinter dritte Gläubiger erreicht. Es bietet für Unternehmen die Möglichkeit der Liquiditätsbeschaffung, ohne Sicherheiten bereitstellen zu müssen, was den Kreditspielraum ausdehnt. 6.
Strukturierte Finanzierung
299 Strukturierte Finanzierungen bieten maßgeschneiderte Lösungen für den individuellen und situationsspezifischen Finanzbedarf eines Unternehmens an. Zielsetzung ist dabei eine ganzheitliche langfristige Lösung, die den gesamten Bedarf eines Unternehmens wie etwa Kredite und Kontokorrentlinien umfasst. Dazu zählen etwa Konsortialfinanzierungen, Projektfinanzierungen, Akquisitions- und Wachstumsfinanzierungen, die Verbriefung von Vermögensgegenständen und darüber hinaus Zertifikate, Aktienanleihen, Leveraged Finance Transaktionen sowie Leasingfinanzierungen. 300 Das Unternehmen wird auf diese Weise für mehrere Jahre komplett durchfinanziert. Sind daran mehrere Banken beteiligt, spricht man von sog. Club Deals. a)
Immobiliengesellschaft (SPE)
301 In diesem Zusammenhang trifft man häufig auf Immobilienzweckgesellschaften, die unter den jeweiligen englischen Bezeichnungen Special Purpose Vehicle (SPV) oder Special Purpose Entity (SPE) bekannt sind (vgl. hierzu auch Rn. 35. ___________ 13) Müller/Winkeljohann/Erle/Berberich, § 1 Rn. 41 ff.; Kiethe, DStR 2006, 1763.
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Burges/Molitor
I. Erscheinungsformen der Immobilienfinanzierung
Interessant sind derartige Gesellschaften, da sie für ein Unternehmen die Mög- 302 lichkeit bieten, bestimmte Geschäfte oder Projekte aus der Unternehmensbilanz in eine bilanzneutrale Zweckgesellschaft auszulagern. b)
Treuhänder
Im Falle einer sog. doppelseitigen Treuhand, stellt das Unternehmen die zum 303 Erhalt einer Fremdfinanzierung benötigten Sicherheiten nicht unmittelbar der Bank zur Verfügung, sondern überträgt die Sicherheiten im Rahmen eines Treuhandvertrages an einen Treuhänder (vgl. hierzu auch Rn. 637 ff.). Dabei besteht zwischen Kreditnehmer und Treuhänder ein Auftragsverhältnis dahingehend, die Sicherheiten zu verwahren.14) Der Treuhandvertrag zwischen Kreditnehmer und Treuhänder stellt gleichzei- 304 tig einen Vertrag zugunsten Dritter dar, aus dem der Kreditgeber im Verwertungsfall einen Anspruch auf die Sicherheit ableiten kann. Dabei wird die Sicherheit vom Treuhänder verwertet und der Erlös an die Bank ausgekehrt. Der Treuhänder ist gegenüber beiden Seiten, Kreditnehmer und Kreditgeber neutral. Diese Form der Sicherheitenbestellung ist besonders vorteilhaft für Sicherhei- 305 tenpools, da die Sicherheit nicht lediglich einem Gläubiger oder einer Forderung zugeordnet wird und sich daraus für den Kreditnehmer eine größere Flexibilität seiner finanziellen Spielräume ergibt. Die doppelseitige Treuhand ist auch häufig anzutreffen, wenn Gesellschafteranteile als Sicherheiten dienen. Der Treuhänder übernimmt und verwaltet dann die Gesellschafteranteile; im Falle der Verwertung übernimmt er als Geschäftsführer die Abwicklung der Gesellschaft. c)
Loan Market Association (LMA Standard)
Die Loan Market Association wurde gegründet, um anerkannte Muster-Ver- 306 tragsdokumentation zu erstellen und damit eine Routine im Primär- und Sekundärmarkt für syndizierte Kredite einzuführen.15) Die typischen Klauseln der LMA basieren auf angloamerikanischem Recht und haben mit den typisch europäischen Besonderheiten (Sprache, Datenschutz, Bankgeheimnis) mitunter ihre Schwierigkeiten. Für Auslandsfinanzierungen in den Regionen Europa, Afrika und Naher Osten sind die LMA Standards gebräuchlich. In Amerika besteht ein Gegenstück, die LSTA (Loan Syndication and Trading Association).
___________ 14) Undritz, ZIP, 2012, 1153 – 1161. 15) Hanke/Socher, NJW 2010, 1435.
Burges/Molitor
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E. Immobilienfinanzierungen
7.
Konsortialfinanzierung
307 Wird ein höherer Darlehensbetrag benötigt, findet sich häufig die Finanzierung in Form eines Konsortialdarlehensvertrages. Diese bietet den Vorteil, dass die Risiken der Darlehensvergabe und die Eigenkapitalkosten des benötigten Darlehensbetrages nicht von nur einer Bank alleine zu tragen sind. Durch diese Risikoteilung besteht die Möglichkeit, weitere Banken für die Finanzierung hinzuzugewinnen.16) a)
Echte und unechte Konsortialfinanzierung
308 Wird das Darlehen von nur einem Konsorten, dem Konsortialführer ausgezahlt, spricht man von einer echten Konsortialfinanzierung; hingegen wird bei einer unechten Konsortialfinanzierung von jedem beteiligten Konsorten der von ihm zur Verfügung gestellte Darlehensanteil gesondert an den Darlehensnehmer ausgezahlt.17) b)
Außen- und Innenkonsortium
309 Tritt im Außenverhältnis nur der Konsortialführer auf und unterschreibt nur dieser auch im Namen der anderen Banken den Darlehensvertrag, so spricht man von einem Innenkonsortium.18) 310 Die häufigere Variante ist jedoch das Außenkonsortium. Dabei wird der Darlehensvertrag nach außen sichtbar von allen beteiligten Banken unterschrieben. c)
Konsortialvertrag, Konsortialkredit und Sicherungsverträge
311 Beim Konsortialdarlehensvertrag, der das Darlehensverhältnis zwischen den Banken und dem Darlehensnehmernehmer regelt, handelt es sich um einen Darlehensvertrag i. S. d. §§ 488 ff. BGB.19) 312 Vom Darlehensvertrag zu unterscheiden ist der Konsortialvertrag, der die Rechte und Pflichten zwischen den beteiligten Konsorten regelt, wie etwa, wie Konsortialbeteiligung, die Konsortialquoten, die technische Darlehensabwicklung, Beschlussfassung, Vertragsdauer sowie die Aufteilung unter den Banken (sog. Pro-rata-Sharing).20) 313 Schließlich ist durch die Sicherheitenverträge festzulegen, wie die bestellten Sicherheiten im Verhältnis zu den jeweiligen Konsortialdarlehensanteilen haften sollen. Dabei werden häufig Sicherheitenpoolvereinbarungen getroffen, in de___________ 16) 17) 18) 19) 20)
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MünchHandbGesellschaftsrecht/Schaffelhuber/Sölch, § 31 Rn. 1. MünchHandbGesellschaftsrecht/Schaffelhuber/Sölch, § 31 Rn. 13. Gehrlein, DStR 1994, 1314. MünchHandbGesellschaftsrecht/Schaffelhuber/Sölch, § 31 Rn. 78. Müller/Rödder/Harrer, § 25 Rn. 153; Dieners/Reese/Schütze/Vormann, § 19 Rn. 13.
Burges/Molitor
I. Erscheinungsformen der Immobilienfinanzierung
ren Rahmen bestehende gesicherte Darlehen eingebracht werden und geregelt wird, wie diese Sicherheiten nunmehr im Rahmen des Konsortialdarlehens zu behandeln sind.21) 8.
Finanzierung von Immobilienfonds
Bei der Finanzierung von Immobilien Fonds, ist zwischen offenen und ge- 314 schlossenen Fonds zu unterscheiden. Der Hauptunterschied besteht darin, dass bei einem offenen Immobilienfonds in viele verschiedene Immobilien an unterschiedlichen Standorten investiert wird. Bei einem geschlossenen Immobilienfonds werden dagegen meist nur ein oder 315 zwei Immobilien finanziert. Der benötigte Eigenkapitalanteil wird dabei durch den Verkauf von Immobilienanteilen an Anleger eingeworben, die durch Beitritt in die Fondsgesellschaft die Position eines Kommanditisten einnehmen. Der Unterschied zu einer Fremdfinanzierung durch Bankdarlehen besteht darin, dass an die Bank für die Inanspruchnahme des Darlehens regelmäßig Zinsen zu zahlen sind, während an die Anlieger und Fondsanteilinhaber in der Regel nur dann Erträge aus dem Fonds ausgezahlt werden, wenn dieser tatsächlich Gewinne erwirtschaftet. 9.
Darlehen und Insolvenz
a)
Insolvenzantrag des Darlehensnehmers
Wurde über das Vermögen des Darlehensnehmers ein Insolvenzantrag gestellt 316 und hat das Insolvenzgericht jedoch noch keine Entscheidung getroffen (Antragsverfahren), wird das Vertragsverhältnis zwischen Kunde und Bank nicht beeinträchtigt. Zahlt der Darlehensnehmer jedoch weiterhin seine Raten und ist dem Kreditinstitut das Vorliegen der Insolvenzgründe bekannt, droht – unter der Voraussetzung der Eröffnung des Verfahrens – die Insolvenzanfechtung. b)
Vorläufiges Insolvenzverfahren über das Vermögen des Darlehensnehmers
Wurde das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen des Darlehens- 317 nehmers eröffnet, kommt es darauf an, welche Beschlüsse das Insolvenzgericht erlassen hat: Wurde ein Verfügungsverbot angeordnet, dürfen Tilgungen durch den Schuldner nicht mehr erbracht werden. Wurde ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet, sind Verfügungen nur noch 318 nach Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam.
___________ 21) MünchHandbGesellschaftsrecht/Schaffelhuber/Sölch, § 31 Rn. 19.
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E. Immobilienfinanzierungen
c)
Insolvenz des Darlehensnehmers
319 Darlehen werden mit der Insolvenzeröffnung gegenüber dem Darlehensnehmer gesamtfällig (§ 41 InsO). Sofern Dritte eine Sicherheit für das Darlehen bestellt haben (z. B. Bürgschaft), hat eine Kündigung zu erfolgen. Denn § 41 InsO gilt nicht im Verhältnis zu Dritten.22) 320 Kreditzusagen erlöschen, anders als beim Kontokorrentkredit, nicht. Der Insolvenzverwalter hat vielmehr die Wahl, ob er den Kredit noch in Anspruch nehmen will oder nicht (§ 103 InsO).23) d)
Mezzaninedarlehen in der Insolvenz
321 Alle Forderungen gegen das insolvente Unternehmen, also auch alle Darlehensrückzahlungsforderungen, sind Insolvenzforderungen, wobei die Insolvenzordnung zwischen gewöhnlichen Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) und nachrangigen Insolvenzforderungen (§ 39 InsO) unterscheidet. 322 Da ein gesetzlicher Nachrang Mezzaninen Kapitals nicht besteht, ist der Mezzanine-Kapitalgeber berechtigt, seine Forderungen als Insolvenzgläubiger zum Verfahren anzumelden.24) 323 In der Regel besteht jedoch ein Rangrücktritt, der in zwei Gestaltungen denkbar ist: (1) Entweder soll der Mezzanine-Kapitalgeber gegenüber anderen Gläubigern nachrangig und gegenüber dem haftenden Eigenkapital vorrangig bedienen werden.25) (2) Oder der Mezzanine-Kapitalgeber soll auch nachrangig zum haftenden Eigenkapital bedient werden. 324 Lässt die Rangrücktrittsvereinbarung Zweifel, welche der möglichen Ausgestaltungen gewollt war, ist diese gemäß § 39 Abs. 2 InsO als „echter“ Nachrang auszulegen mit der Folge, dass die Mezzanine-Kapitalforderung nur gemäß § 39 InsO nachrangig bedient wird. 325 Ein gesetzlicher Rangrücktritt gemäß § 39 InsO droht dem Mezzanine-Kapitalgeber, wenn sein Darlehen als Eigenkapitalersatz eingestuft wird und damit als haftendes Eigenkapital zu behandeln ist. Das ist typischerweise der Fall, wenn Mezzanine-Kapitalgeber mit Rechten ausgestattet werden, die typischerweise einem Gesellschafter zustehen, nicht jedoch einem Fremdkapitalgeber.26) Zudem droht in der Insolvenz des finanzierten Unternehmens eine Anfechtungsmöglichkeit nach § 135 InsO.27) ___________ 22) Wilmowsky, von, WM 2008, 1191; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.270. 23) MünchKomm-InsO/Bitter, § 41 Rn. 32; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.270. 24) Kiethe, DStR 2006, 1763. 25) Kiethe, DStR 2006, 1763, 1765. 26) Braun/Bäuerle, § 39 Rn. 19. 27) Kiethe, DStR 2006, 1767.
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Burges/Molitor
II. Kündigung von Immobilienfinanzierungen
II.
Kündigung von Immobilienfinanzierungen
1.
Kündigung durch Darlehensnehmer
a)
Ordentliche Kündigung durch Darlehensnehmer
Bei Immobiliendarlehen handelt es sich in der Regel um festverzinsliche 326 Grundpfanddarlehen, für die unkündbare Laufzeiten von bis zu zehn Jahren üblich sind. Der Darlehensnehmer ist gem. § 489 BGB berechtigt, derartige Darlehen mit einer Frist von einem Monat zum Ende der Zinsperiode, spätestens jedoch nach Ablauf von zehn Jahren seit dem vollständigen Empfang des Darlehens, mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ordentlich zu kündigen. b)
Außerordentliche Kündigung durch Darlehensnehmer
Darüber hinaus steht dem Darlehensnehmer gem. § 490 Abs. 2 BGB einer Im- 327 mobilienfinanzierung dann ein vorzeitiges Kündigungsrecht zu, wenn er ein berechtigtes Interesse an der anderweitigen Verwertung des Beleihungsobjektes hat. Damit steht alleine die Wahrung der objektbezogenen wirtschaftlichen Handlungsfreiheit des Darlehensnehmers im Vordergrund.28) Die Gründe müssen sich auf das Grundstück beziehen und nicht auf das Dar- 328 lehen. Der Darlehensnehmer muss gleich aus welchem Grund über das Grundstück anderweitig verfügen wollen. Derartige berechtigte Gründe, können etwa ein Umzug sein, Ehescheidung, Geldbedarf29) oder auch eine günstige Kaufpreisgelegenheit.30) Unerwartet erlangte Liquidität, oder der Wunsch nach Ablösung des Darlehens 329 aufgrund günstigeren Zinsniveaus, begründen jedoch kein berechtigtes Interesse des Darlehensnehmers.31) Allerdings wird ein berechtigtes Interesse dann zu bejahen sein, wenn der Darlehensnehmer die Immobilie nur nach Umschuldung und damit einhergehendem niedrigerem Darlehensabtrag halten kann.32) Ist der Darlehensnehmer zur Kündigung berechtigt, ist er der Bank jedoch 330 gem. § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB zur Erstattung des ihr dadurch entstehenden Vorfälligkeitsschadens verpflichtet. Ausgangspunkt bei der Ermittlung des Schadens ist dabei die rechtlich gesicherte Zinserwartung des Darlehensgebers. Als Berechnungsmethoden kommen dabei die sog. Aktiv-Aktiv-Methode 331 (hypothetische Darlehensneuausreichung) und die sog. Aktiv-Passiv-Methode (laufzeitkongruente Wiederanlage in sicheren Kapitalmarkttiteln) zur Anwen___________ 28) 29) 30) 31) 32)
BGH, WM 2003, 1261. Palandt/Weidenkaff, § 490 Rn. 12. BGH, NJW 97, 2875. BGH, WM 2003,1262. OLG Naumburg, BKR 2007, 375.
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E. Immobilienfinanzierungen
dung. Dabei ist nach der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des BGH anhand einer Cash-Flow-Betrachtung zu prüfen, welcher Betrag zum Zeitpunkt der vorzeitigen Ablösung in Kapitalmarkttiteln angelegt (Aktiv-PassivVergleich) oder hypothetisch als Darlehen neu ausgereicht (Aktiv-AktivMethode) werden muss, um zu allen nach dem Tilgungsplan vorgesehenen Zeitpunkten genau die vertraglich geschuldeten Zins und Tilgungsleistungen zu erhalten.33) 332 Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ist das für die Bank entfallende Risiko, dessen Höhe gemäß § 287 ZPO mit 0,014 % bis 0,06 % jährlich geschätzt wird, in Abzug zu bringen. Darüber hinaus sind ersparte Verwaltungskosten abzuziehen, die gemäß § 287 ZPO mit 30 € bis 60 € jährlich anzusetzen sind. Für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung kann die Bank dem Darlehensnehmer ein Bearbeitungsentgelt in Rechnung stellen, das gemäß § 287 ZPO zwischen 180 € und 255 € liegt. Die Abzinsung sowie ein Disagio sind in der Cash-Flow-Methode bereits berücksichtigt. 333 Als maßgeblicher Stichtag ist für die Ermittlung der Entschädigung auf den Tag des Zahlungseingangs des Ablösebetrages bei der Bank abzustellen, da erst dann das Kreditinstitut über den Betrag zur Wiederanlage verfügen kann. 2.
Kündigung durch Darlehensgeber
334 Das Darlehensverhältnis ist ein Dauerschuldverhältnis und kann nur durch Zeitablauf oder Kündigung beendet werden. Hat die Bank dem Darlehensnehmer ein Darlehen für eine bestimmte Laufzeit zur Verfügung gestellt, kann sie gem. § 488 Abs. 3 BGB nicht ordentlich kündigen. 335 Eine Kündigung der Darlehensverträge ist gem. § 41 InsO aber gar nicht erforderlich, um die Darlehensforderung im Insolvenzverfahren geltend zu machen; vielmehr wird die Fälligkeit fingiert. 336 Im Falle des Vorliegens von Insolvenzantragsgründen wird aber in der Regel immer auch ein wichtiger Kündigungsgrund vorliegen, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.34) a)
Kündigungsgründe
337 Nach der Vorschrift des § 490 Abs. 1 BGB besteht ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall, dass sich die Vermögensverhältnisse oder die Sicherheitensituation des Darlehensnehmers verschlechtert oder zu verschlechtern droht. Das Kündigungsrecht erstreckt sich dabei sowohl auf valutierte als auch nicht valutierte Darlehen.35) ___________ 33) BGH, NJW 2001, 509. 34) Wilmowsky, von, WM 2008, 26, 1191. 35) Assies/Beule/Heise/Strube/Lang/Assies, S. 696.
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II. Kündigung von Immobilienfinanzierungen
aa)
Vermögensverschlechterung
Es ist nicht erforderlich, dass objektiv eine Verschlechterung der Vermögens- 338 lage eingetreten ist. Ausreichend ist, dass eine solche „nahe bevorsteht“, soweit dies zu einer Gefährdung des Darlehensrückzahlungsanspruchs führt.36) Zur Beurteilung, ob eine Verschlechterung der Vermögenssituationen vorliegt, 339 ist auf die gesamte Vermögenslage des Darlehensnehmers abzustellen.37) Wesentlich ist, dass die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse bzw. der Sicherheiten nach Abschluss des Darlehensvertrages eingetreten ist. War der Bank bereits bei Vertragsschluss die schlechte Vermögenslage des Kunden bekannt, ist sie im Nachhinein nicht zur Kündigung berechtigt, wenn sich diese Vermögenssituation nach Vertragsschluss nicht verändert hat.38) Die Bank ist dann nur bei Hinzutreten neuer Umstände und weiterer Gefährdung zur Kündigung berechtigt. bb)
Sicherheitenverschlechterung
Für die Beurteilung der Werthaltigkeit der bestellten Sicherheiten ist neben der 340 Sicherheit als solcher auch die Bonität eines Bürgen oder Mitverpflichteten einzubeziehen.39) Entscheidend ist somit eine Gesamtbetrachtung dahingehend, ob nach vorgenommener Bewertung der zur Verfügung stehenden Sicherheiten der Darlehensrückzahlungsanspruch gefährdet ist. Neben diesen beiden im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Kündigungsgrün- 341 den kann das Darlehensverhältnis wegen der Verletzung vertraglicher Hauptund Nebenleistungspflichten außerordentlich gekündigt werden; darüber hinaus im Falle unzureichender Besicherung, wenn die Bank vorher die Verstärkung der Sicherheiten beim Kunden vergeblich angefordert hat,40) sowie bei unrichtigen oder unvollständigen Angaben über die Vermögenslage soweit diese Angaben für den Darlehensgeber bei der Entscheidung über die Kreditvergabe von Bedeutung waren.41) cc)
Nichtvorlage der 18-KWG Unterlagen
Gem. § 18 KWG ist ein Kreditinstitut verpflichtet, sich bei Krediten einer 342 Größenordnung von über 250.000 € vom Kreditnehmer die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers offenlegen zu lassen und diese während der gesamten Laufzeit des Darlehens zu überwachen. Zwar handelt es sich dabei um ___________ 36) 37) 38) 39) 40) 41)
Freitag, WM 2001, 2373 f. Assies/Beule/Heise/Strube/Lang/Assies, S. 697. BGH, WM 1960, 576. Köndgen, WM 2001, 1643. BGH, NJW 386. BGH, WM 1985, 1437.
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E. Immobilienfinanzierungen
eine aufsichtsrechtliche Vorschrift, aus der sich unmittelbar keine Rechte und Pflichten zwischen Kreditinstitut und Kunden ableiten lassen. Die Befugnis zu dieser Maßnahme ist jedoch in den Darlehensbedingungen der Kreditinstitute festgehalten. 343 Soweit die Bonitätsauskunft vom Kreditnehmer nicht erteilt wird, ist sowohl nach den Darlehensbedingungen als auch den AGB die Kündigung des Kreditverhältnisses aus wichtigem Grund möglich. 344 In diesem Zusammenhang hat das OLG München entschieden, dass ein Kreditinstitut zur Kündigung des Kreditverhältnisses aus wichtigem Grund berechtigt ist, wenn der Kreditnehmer auf die Vorlageaufforderung mit Fristsetzung und Kündigungsandrohung die geforderten Unterlagen nicht vorlegt, ohne dass zusätzlich ein Kontensaldo oder eine unregelmäßige Erfüllung der Tilgungsleistungen vorliegen muss.42) 345 Das Kreditinstitut darf aufgrund der Verweigerung der angeforderten Auskunft eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse vermuten. Die Kündigung ist außerdem auch deshalb berechtigt, da der Kreditnehmer durch die Nichtvorlage die Bank daran hindert, ihre Pflicht aus § 18 KWG zu erfüllen. dd)
Weitere Kündigungsgründe
346 Auch in den AGB der Banken (Nr. 19 Abs. 2) und der Sparkassen (Nr. 26 Abs. 2) ist die Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund vorgesehen. 347 Weitere Kündigungsmöglichkeiten ergeben sich aus § 313 BGB wegen Störung der Geschäftsgrundlage oder aus § 314 BGB, da es sich bei einem Darlehensvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handelt. b)
Besonderheiten bei Verbraucherdarlehen
348 Soweit es sich um einen Verbraucherdarlehensvertrag handelt, ist in § 498 BGB zusätzlich die Kündigung bei Zahlungsverzug im Falle eines Teilzahlungsdarlehens gesondert geregelt. Diese ist an enge Kündigungsvoraussetzungen geknüpft. aa)
Verzug
349 Gemäß § 503 Abs. 3 BGB gilt für ihr Immobiliardarlehensverträge die Besonderheit, dass der Darlehensnehmer mit mindestens 2,5 % des Nennbetrags des Darlehens in Verzug sein muss, bevor eine Kündigung zulässig ist. Aufgrund der Darlehenshöhe von Immobiliardarlehen kann es bei einem niedrigen Zinssatz somit längere Zeit in Anspruch nehmen, bis der zur Kündigung ausreichende Betrag erreicht ist. ___________ 42) OLG München, Urt. v. 25.3.2011 – 19 U 173/10.
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II. Kündigung von Immobilienfinanzierungen
Ist die Kündigungsvoraussetzung einmal eingetreten, kann sie der Schuldner 350 nicht durch geringe Teilzahlungen beseitigen, es reicht also nicht aus, dass der Verbraucher den Rückstand durch eine Teilzahlung unter die 2,5 % drückt;43) will er die Kündigung verhindern, muss er den gesamten Rückstand ausgleichen. Der Kündigungsgrund ist nach Auffassung des BGH allerdings auch dann ge- 351 geben, wenn der Kunde zwar mit mehreren, jedoch nicht mit zwei aufeinanderfolgenden Raten in Verzug ist, etwa weil er jede zweite Rate „überspringt“. Der BGH sieht in der Teilzahlungsabrede eine beiderseitige Verrechnungsabrede von der der Kunde nicht einseitig abweichen darf. Es ist daher bei Zahlungseingang immer auf die ältere noch offene Teilzahlungsrate zu verrechnen, so dass der Darlehensnehmer mit der zweiten unbezahlten Rate den qualifizierten Verzug auslöst.44) bb)
Mahnung
Liegen die Kündigungsgründe vor, muss der Darlehensgeber dem Darlehens- 352 nehmer seine beabsichtigte Kündigung androhen. Er muss ihm eine angemessene Zahlungsfrist setzen und erklären, dass er bei nicht rechtzeitig erfolgter Zahlung die gesamte Restschuld fällig stellen wird. Im Falle mehrerer Darlehensnehmer ist die Mahnung gegenüber jedem Gesamtschuldner auszusprechen. Der Fristlauf beginnt mit dem Zugang der Mahnung beim Darlehensnehmer, 353 wobei die Bank für den Zugang und dessen Zeitpunkt beweisbelastet ist.45) Der rückständige Betrag muss in der Mahnung exakt beziffert sein. Er ergibt 354 sich aus den rückständigen Zins- und Tilgungsleistungen gemäß § 497 Abs. 1 und 2 BGB. Sind die errechneten und in der Mahnung ausgewiesenen Beträge auch nur hinsichtlich von Nebenforderungen fehlerhaft, lässt dies die Kündigung rechtswidrig werden.46) Die Zahlungsaufforderung mit Kündigungsandrohung kann bei ernsthafter 355 Zahlungsverweigerung des Darlehensnehmers entfallen.47) Gleicht der Darlehensnehmer den angeforderten rückständigen Betrag inner- 356 halb der gesetzten Frist vollständig aus, wird der Verzug beseitigt, der Kündigungsgrund entfällt, und das Darlehensverhältnis wird unverändert fortgesetzt.
___________ 43) 44) 45) 46) 47)
BGH, WM 2005, 459. BGHZ 91, 375, 379. BGH, WM 1996, 1146. BGH, WM 2005, 459. BGH, BKR 2007, 244.
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357 Erfolgt jedoch innerhalb der Nachfrist kein Zahlungsausgleich ist der Kreditnehmer berechtigt, das Darlehensverhältnis mit sofortiger Wirkung zu kündigen. Dabei ist im Gesetz allerdings keine Frist geregelt, innerhalb der die Kündigung auszusprechen ist. Möglich erscheint dabei eine analoge Anwendung § 626 Abs. 2 BGB.48) 358 Nach Ausspruch der Kündigung steht der Bank die Rückzahlung der Gesamtrestschuld zu. c)
Verwirkung der Kündigung
359 Liegen Kündigungsgründe vor, die die Bank zur außerordentlichen Kündigung berechtigen, so ist die Kündigung zeitnah zu erklären. Andernfalls darf der Kreditnehmer darauf vertrauen, dass die Bank trotz des Vorliegens eines wichtigen Kündigungsgrundes die Geschäftsbeziehung fortsetzt und auch künftig nicht kündigt.49) 360 Eine zu einem späteren Zeitpunkt aus demselben Grund erklärte Kündigung verstößt dann gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und stellt eine unzulässige Rechtsausübung dar mit der Konsequenz, dass eine Kündigung zumindest aus diesem Grund, nicht mehr möglich ist. 3.
Kündigung mehrerer Darlehen
361 Gem. den Bestimmungen in den AGB der Banken kann ein Kreditinstitut entweder die gesamte Geschäftsverbindung oder nur einzelne Geschäftsbeziehungen kündigen. Da die Kündigung aus wichtigem Grund in der Regel aufgrund Bonitätsverschlechterung erfolgt und durch die Kündigung das Vertrauensverhältnis gestört ist, dürfte die Kündigung lediglich einzelner Darlehen die Ausnahme sein. 4.
Teilkündigung von Darlehen
362 Gem. § 489 BGB kann der Darlehensnehmer einen Kredit mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen, wenn die Zinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Zinssatz getroffen ist. Damit soll dem Verbraucher die Möglichkeit eingeräumt werden, eine Umschuldung zu marktgerechten Zinsen durchzuführen, indem am Ende der Zinsfestschreibung die vollständige oder teilweise Ablösung des Darlehens möglich ist.
___________ 48) BGH, WM 1984, 1273; Staudinger/Kessal/Wulf, § 498 Rn. 23. 49) OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 8.10.2002 – 13 W 54/02; OLG Hamm, Urt. v. 28.3.1990 – 11 U 144/89.
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III. Typische Kreditsicherheiten bei Immobilienfinanzierungen
III.
Typische Kreditsicherheiten bei Immobilienfinanzierungen
1.
Grundschuld
Gemäß § 1191 BGB kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass an 363 denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist. Aus dem im Gesetz nicht vorhandenen Hinweis auf die zu sichernde Forderung folgt die Abstraktheit der Grundschuld.50) Anders als bei der Hypothek, wo eine dingliche Verknüpfung zwischen Grund- 364 pfandrecht und Forderung besteht, wird bei der Grundschuld auf schuldrechtlichem Wege die Grundschuld durch die Sicherungsabrede oder Zweckerklärung mit der Forderung verbunden (Sicherungsgrundschuld).51) Die Insolvenz des Grundschuldgebers tangiert die Wirksamkeit der Grund- 365 schuld nicht; wurde diese allerdings innerhalb der Anfechtungsfrist (§§ 129 ff. InsO) bestellt, kann die Grundschuldbestellung anfechtbar sein. Der Gläubiger einer insolvenzfesten Grundschuld kann auch im laufenden In- 366 solvenzverfahren die Zwangsversteigerung betreiben (§ 49 InsO). 2.
Hypothek
Gemäß § 1113 BGB kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass an 367 denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme zur Befriedigung wegen einer ihm zustehenden Forderung aus dem Grundstück zu zahlen ist. Der Hypothek muss eine Forderung zugrunde liegen. Hierdurch unterscheidet sie sich im Wesentlichen von der forderungsunabhängigen Grundschuld.52) 3.
Abtretung von Mietzinsansprüchen
Die Ansprüche, die dem Vermieter gegenüber dem Mieter auf Entrichtung des 368 vereinbarten Miet-/Pachtzinses zustehen, sind grundsätzlich abtretbar. Allerdings können vertragliche Abtretungsbeschränkungen bestehen. Auch § 1124 BGB ist zu beachten, wonach die Abtretung ihre Wirksamkeit mit der Beschlagnahme im Wege der Zwangsverwaltung verliert. In der Insolvenz des Vermieters wird eine Vorausabtretung der Mietzinsan- 369 sprüche mit dem Ende des zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens laufenden, bei Eröffnung nach dem 15. Tag des Kalendermonats mit dem Ende des folgenden Kalendermonats unwirksam (§ 110 InsO). ___________ 50) Schimansky/Bunte/Lwowski/Epp, § 24 Rn. 91; MünchKomm-BGB/Eickmann, § 1191 Rn. 2 ff. 51) BayObLG, Beschl. v. 31.1.1986 – BReg. 1 Z 55/85; Schimansky/Bunte/Lwowski/Epp, § 24 Rn. 91. 52) MünchKomm-BGB/Eickmann, § 1113 Rn. 26.
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E. Immobilienfinanzierungen
4.
Abtretung der Rechte aus dem Bausparvertrag
370 Der Anspruch des Bausparers auf Auszahlung des Bauspardarlehens kann üblicherweise nach den Bausparbedingungen mit Zustimmung der Bausparkasse abgetreten werden, wenn eine Bank diesen Anspruch vorfinanzieren will.53) Andernfalls ist der Darlehensanspruch zweckgebunden und deshalb gemäß § 399 1. Alt. BGB unabtretbar.54) 371 Auch der Anspruch auf Rückzahlung der bei der Bausparkasse angesammelten Sparguthaben kann, soweit nicht die Bausparbedingungen einen Zustimmungsvorbehalt vorsehen, abgetreten werden.55) 372 In der Insolvenz des Bausparers kann der Gläubiger abgesonderte Befriedigung beanspruchen. 5.
Verpfändung von Fondsanteilen
373 Bei der Verpfändung von Investmentfondsanteilen handelt es sich um eine Verpfändung von Rechten gemäß der §§ 1273 ff. BGB. 374 Soweit Immobilienfondsanteile zur Sicherheit verpfändet werden, ist dazu grundsätzlich die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich.56) Darüber hinaus ist die Anzeige der Verpfändung gemäß § 1280 BGB gegenüber der Gesellschaft erforderlich. 6.
Verpfändung von Gesellschaftsanteilen
375 Anteile an einer Personengesellschaft können nur verpfändet werden, wenn dies im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist oder die anderen Gesellschafter zugestimmt haben. Lediglich die Gewinn- und Auseinandersetzungsansprüche sind ohne Zustimmung verpfändbar.57) Anteile an einer GmbH sind verpfändbar (§ 15 GmbHG); die Verpfändbarkeit kann jedoch im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen werden.58) Anteile an einer Genossenschaft sind als solche nicht verpfändbar, wohl aber das Geschäftsguthaben und der Auseinandersetzungsanspruch.59) 376 Bei der Verpfändung von Gesellschaftsanteilen sind haftungsrechtliche Aspekte zu beachten. Auch sollte sorgsam erwogen werden, ob nicht eine Abtretung der Gesellschaftsanteile zielführender ist.60) ___________ 53) 54) 55) 56) 57) 58) 59) 60)
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BFH, Urt. v. 22.3.1968 – VI R 293/66; OLG Stuttgart, BB 1956, 1012. Schimansky/Bunte/Lwowski/Ganter, § 96 Rn. 148. OLG Zweibrücken, WM 1975, 842; LG Bremen, NJW 1953, 1397. Schimansky/Bunte/Lwowski/Merkel, § 93 Rn. 289. Schimansky/Bunte/Lwowski/Ganter, § 50 Rn. 3. Mertens, ZIP 1998, 1787 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Ganter, § 50 Rn. 22. Schimansky/Bunte/Lwowski/Ganter, § 50 Rn. 24. Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355; Schimansky/Bunte/Lwowski/Merkel, § 93 Rn. 140.
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IV. Grenzen der Immobiliarsicherheiten
7.
Verpfändung von Kontokorrentkonten
Guthaben auf Kontokorrentkonten werden i. d. R. durch das AGB-Pfandrecht 377 erfasst, wobei eine separate Verpfändung des Kontos möglich ist. Hat das Guthaben eine relevante Höhe erreicht, wird es häufig aus dem Kontokorrent herausgenommen und sodann auf ein verpfändetes Unterkonto eingezahlt.61) In der Insolvenz des Kontoinhabers kann der Gläubiger daher i. d. R. abgeson- 378 derte Befriedigung beanspruchen; anfechtungsrechtliche Aspekte sind zu beachten. 8.
Abtretung der Einspeisevergütung
Soweit Immobilien mit erneuerbaren Energieanlagen finanziert werden, ist die 379 Abtretung der Einspeisevergütung üblich. Hierbei handelt es sich um den im Erneuerbare-Energien-Gesetz festgelegten Einspeisetarif, der von der Energiequelle, der Größe der Anlage, der eingesetzten Technologie und dem Anwendungsbereich abhängt. Durch die Abnahmepflicht des Netzbetreibers besteht eine hohe Investitionssicherheit für die Anlagenbetreiber, weshalb die Einspeisevergütung eine große Bedeutung als Kreditsicherheit erlangt hat. In der Insolvenz des Anlagebetreibers, der zugleich Kreditnehmer ist, können 380 Ansprüche auf die Einspeisevergütung gemäß § 91 InsO für die Zukunft nicht mehr erlangt werden. 9.
Sonstige Sicherheiten
Sparkonten, Sparbriefe, Wertpapiere und Festgeldguthaben sind ebenfalls typi- 381 sche Kreditsicherheiten.62) Die Rechtsgrundlage einer solchen Verpfändung sind die §§ 1279 ff. BGB und die §§ 1273 ff. BGB. In der Insolvenz des Kontoinhabers kann der Gläubiger daher i. d. R. abgeson- 382 derte Befriedigung beanspruchen. IV.
Grenzen der Immobiliarsicherheiten
1.
Übersicherung
Von einer Übersicherung spricht man, wenn der Wert der Sicherheit das gesi- 383 cherte Risiko deutlich übersteigt.63) Man unterscheidet zwischen einer anfänglichen und einer nachträglichen Übersicherung. Eine anfängliche Übersicherung liegt vor, wenn bereits bei Vertragsschluss 384 feststeht, dass zwischen dem realisierbaren Wert der Sicherheit und der gesi___________ 61) BGH, Urt. v. 19.9.1989 – XI ZR 179/88; BGH, Beschl. v. 15.11.1994 – XI ZR 174/94; Schimansky/Bunte/Lwowski/Merkel, § 93 Rn. 63. 62) Schimansky/Bunte/Lwowski/Merkel, § 93 Rn. 62. 63) BGH, WM 1966, 13, 15.
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E. Immobilienfinanzierungen
cherten Forderung ein auffälliges Missverhältnis besteht. In diesem Fall ist das Sicherstellungsgeschäft sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB).64) 385 Viel diskutiert wird die Frage, ab welcher Übersicherungsquote die o. g. Rechtfolgen eintreten sollen. Im Hinblick auf die anfängliche Übersicherung hat der BGH eine Schwelle von 150 %65) genannt. 386 Die nachträgliche Übersicherung tritt im Laufe der Geschäftsverbindung ein. Sie führt zu einem ermessensunabhängigen Freigabeanspruch des Sicherungsgebers, der aus der Treuhandnatur des Sicherungsvertrages und der Interessenlage der Vertragspartner hergeleitet wird.66) 387 Soweit keine Deckungsgrenze festgelegt ist, beträgt sie 110 % der gesicherten Forderungen; wobei auf den realisierbaren Wert der Sicherungsgegenstände abzustellen ist.67) 2.
Widerruf bei verbundenen Geschäften
388 Gemäß § 495 Abs. 1 BGB ist dem Verbraucher bei Abschluss eines Darlehensvertrages ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB einzuräumen. Nach der Vorschrift von § 358 BGB soll ein Verbraucher für den Fall, dass mit dem Darlehensvertrag ein anderer Vertrag finanziert wurde, im Falle des wirksamen Widerrufs an beide Verträge nicht mehr gebunden sein. Mit dem Widerruf des Darlehensvertrages ist der Verbraucher somit auch nicht an das finanzierte Geschäft gebunden. Entscheidend ist dabei, dass es sich um sog. verbundene Geschäfte handelt, also der eine Vertrag nicht ohne den anderen geschlossen worden wäre und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden,68) beispielsweise ein Darlehensvertrag und ein Restschuldversicherungsvertrag.69) 389 Handelt es sich bei dem finanzierten Geschäft um den Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts, ist gem. § 358 Abs. 3 Satz 3 BGB nur dann eine wirtschaftliche Einheit anzunehmen, wenn der Darlehensgeber selbst das Grundstück oder das grundstücksgleiche Recht verschafft oder über die Darlehensgewährung hinaus den Erwerb durch Zusammenwirken mit dem Unternehmer fördert.70)
___________ 64) 65) 66) 67) 68) 69) 70)
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MünchKomm-InsO/Ganter, Vor §§ 49 – 52 Rn. 84. BGHZ 137, 212 ff. = NJW 1998, 671 ff. BGH, NJW 1998, 671, 677; MünchKomm-InsO/Ganter, Vor §§ 49 – 52 Rn. 87. MünchKomm-InsO/Ganter, Vor §§ 49 – 52 Rn. 87; BGH, NJW 1998, 671, 677. BGH, NJW 1980, 938; NJW 1990, 1072; BGH, Urt. v. 7.12.2010 – XI ZR 53/08. BGH, Urt. v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09. MünchKomm-BGB/Habersack, § 358 Rn. 50.
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IV. Grenzen der Immobiliarsicherheiten
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass im Falle des finanzierten Bei- 390 tritts zu einem Immobilienfonds eine wirtschaftliche Einheit von Darlehensvertrag und Immobilienfonds bejaht wird.71) 3.
Widerruf von Sicherungszweckerklärungen
Umstritten war die Frage, ob Sicherungszweckerklärungen den besonderen 391 Vorschriften über Haustürgeschäfte unterliegen und selbstständig widerrufen werden können. Nach Auffassung des OLG Naumburg soll es sich bei der Zweckerklärung um einen Vertrag, der eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand hat, handeln.72) Insbesondere dann, wenn es um die Unterzeichnung einer neuen Sicherungsabrede für ein bereits bestehendes Grundpfandrecht geht.73) 4.
Sittenwidrigkeit
Sittenwidrig kann die Globalabtretung von sämtlichen bestehenden und künf- 392 tig entstehenden Geschäftsforderungen eines Unternehmens sein, wobei nach Lage des Einzelfalles beurteilt werden muss, ob eine Sicherung das zulässige Maß überschreitet.74) Sittenwidrigkeit liegt auch vor, wenn durch die Sicherungsverträge dem 393 Schuldner keine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit mehr belassen wird, beispielsweise durch in den Kreditbedingungen vereinbarten Covenants.75) Auch sog. Wasserfall-Klauseln, nach denen eingehende Zahlungen über mehrere „Kaskaden“ auf an das Kreditinstitut verpfändete Konten geleitet werden, werden als problematisch angesehen.76) Sittenwidrig ist es auch, wenn aufgrund von Sicherungsverträgen vom Kredit- 394 geber in die Geschäftsführung eingegriffen wird.77) 5.
Unzulässige Haftungsunterwerfung des Drittsicherungsgebers
Gegen § 307 BGB verstößt eine Klausel, wonach eine Person, die nicht Kredit- 395 nehmer ist, zusätzlich zur Grundschuldbestellung in der gleichen notariellen Urkunde die persönliche Haftung übernimmt. Unzulässig ist demnach, dass ___________ 71) BGH, NJW 2004, 2742; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 29/05; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 193/04; Jungmann, WM 2006, 2193. 72) OLG Naumburg, Urt. v. 23.8.2007 – 2 U 49/07. 73) OLG Naumburg, Urt. v. 23.8.2007 – 2 U 49/07. 74) OLG Stuttgart, Urt. v. 31.10.1963 – 3 U 69/63. 75) Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch der vorläufigen Insolvenzverwaltung, § 13 Rn. 197; Tetzlaff, ZInsO 2009, 1198. 76) Tetzlaff, ZInsO 2009, 1198. 77) OLG Köln, WM 1981, 1238, 1241; Neuhof, NJW 1999, 20, 22; Tetzlaff, ZInsO 2009, 1198.
Burges/Molitor
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E. Immobilienfinanzierungen
der Eigentümer, der nicht persönlicher Schuldner ist, in der Grundschuldbestellung auch die persönliche Haftung übernimmt.78) 396 Unproblematisch ist es aber, wenn die persönliche Haftung in der Grundschuldbestellungsurkunde übernommen wird, der Grundstückseigentümer aber zugleich Kreditnehmer ist.79)
___________ 78) BGH, WM 91, 758; BGH, Urt. v. 24.6.1997 – XI ZR 288/96; Schimansky/Bunte/ Lwowski/Epp, § 94 Rn. 245. 79) Schimansky/Bunte/Lwowski/Epp, § 94 Rn. 247.
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Burges/Molitor
F. Immobilien im Insolvenzplanverfahren I.
Grundzüge des Insolvenzplanverfahrens
Das Insolvenzplanverfahren regelt (üblicherweise) abweichend von der voll- 397 ständigen Liquidation des insolventen Rechtsträgers einen Gesamtvergleich mit den Gläubigern unter Erhalt des bisherigen Rechtsträgers. Nach § 1 InsO ist zwar nach wie vor als Zielsetzung des Insolvenzverfahrens definiert, dass die Gläubiger des Schuldners gemeinschaftlich dadurch befriedigt werden sollen, dass das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt wird. Abweichend hiervon kann aber nach § 1 InsO gleichwohl ein Insolvenzplan zum Unternehmenserhalt beschlossen werden. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber auch die Reorganisation mittels eines Insolvenzplans als gleichwertiges Mittel zur Bewältigung der Insolvenz ansieht.1) 1.
Ablauf des Insolvenzplanverfahrens
Das Insolvenzplanverfahren gliedert sich in die Phase der Planerstellung, die 398 Phase der gerichtlichen Vorprüfung, den Termin zur Abstimmung über die Annahme des Plans und die Überwachungsphase, in der die Einhaltung des Plans überwacht wird. a)
Planerstellungsphase
Ein Insolvenzplan kann zu jedem Zeitpunkt des eröffneten Insolvenzverfah- 399 rens (bis zur Abhaltung des Schlusstermins) vorgelegt werden, frühestens jedoch mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO. Vorlageberechtigt sind hierbei der Insolvenzverwalter und der Schuldner (§ 218 400 Abs. 1 Satz 1 InsO). Demgegenüber hat der im Rahmen einer Eigenverwaltung eingesetzte Sachwalter kein Initiativrecht.2) Einzelne Gläubiger verfügen demgegenüber nicht über ein Planinitiativrecht.3) Die Gläubiger können aber im Rahmen der Gläubigerversammlung den Insolvenzverwalter damit beauftragen, einen Insolvenzplan auszuarbeiten, § 157 Satz 2 InsO.4) Der Schuldner kann den Insolvenzplan bereits vor Eröffnung des Insolvenzver- 401 fahrens mit seinem Insolvenzantrag bei Gericht einreichen (§ 218 Abs. 1 Satz 2 ___________ 1) Theiselmann/Frege/Nicht, Kap. 15 Rn. 1. 2) Kübler/Rendels, § 24 Rn. 1, der zutreffend darauf hinweist, dass ein solches Planinitiativrecht des Eigenverwalters dem Zweck der Eigenverwaltung zuwiderlaufen würde; Hess, Sanierungshandbuch, S. 1099. 3) Uhlenbruck/Lüer, § 218 Rn. 16, unter Hinweis auf Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses zu §§ 254, 255 RegE InsO; Theiselmann/Frege/Nicht, Kap. 15 Rn. 47. 4) Vgl. dazu ausführlich Kübler/Rendels, § 24 Rn. 29 ff.
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F. Immobilien im Insolvenzplanverfahren
InsO). Beantragt der Schuldner dabei gleichzeitig die Anordnung der Eigenverwaltung, kommt die Durchführung eines Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO in Betracht. Der späteste Termin zur Vorlage eines Insolvenzplans ist der Schlusstermin, § 218 Abs. 1 Satz 3 InsO. 402 Wegen der möglichst optimalen Ausnutzung aller Chancen auf eine Sanierung und zur Vermeidung von Unsicherheiten bei den Geschäftspartnern des insolventen Unternehmens wird allgemein eine möglichst frühzeitige Vorlage des Insolvenzplans präferiert.5) Die Erfahrungen in der Praxis zeigen jedoch, dass ein gewisses Abwarten in den meisten Fällen durchaus sinnvoll ist, um im Insolvenzplan zugrunde gelegte Umsatz- und Gewinnerwartungen zu verifizieren.6) Der bereits mit dem Insolvenzantrag vom Schuldner vorgelegte Insolvenzplan – Prepackaged Plan – spielte daher in der Praxis bislang eine eher untergeordnete Rolle.7) Das durch das ESUG einführte Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO führt hier nun zu einer Änderung. 403 Die Ausarbeitung eines Insolvenzplans ist mit vielen wirtschaftlichen und rechtlichen Risiken verbunden und erfordert zumeist eine kostenintensive Beratung. Der von der Insolvenz bedrohte Schuldner ist mit diesen Anforderungen zumeist überlastet.8) Die meisten Insolvenzpläne werden in der Praxis durch den Insolvenzverwalter – teilweise aus Eigeninitiative, teilweise im Auftrag der Gläubigerversammlung – vorgelegt. Die Vorlage eines Insolvenzplans im eröffneten Insolvenzverfahren durch den Schuldner selbst tritt demgegenüber schon wegen der damit verbundenen Kosten zurück. 404 Im Rahmen der Phase der Planerstellung kann der Schuldner nach § 30d Abs. 2 ZVG die Einstellung eines bereits laufenden Zwangsversteigerungsverfahrens beantragen, wenn der Insolvenzplan nicht nach § 231 InsO zurückgewiesen worden ist. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass durch Versteigerung der Immobilie die Durchführung des Insolvenzplans gefährdet würde. Nach §§ 30d Abs. 2, 30d Abs. 1 Satz 2 ZVG ist die Einstellung jedoch dann abzulehnen, wenn eine solche dem Gläubiger wirtschaftlich nicht zugemutet werden kann. § 30d Abs. 3 ZVG regelt die Einstellungsmöglichkeiten beim Vollstreckungsantrag des Insolvenzverwalters. 405 Nach § 30d Abs. 1 Satz 1 Ziff. 3 ZVG kann der Insolvenzverwalter jederzeit die Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens beantragen (vgl. Rn. 701), wenn durch die Versteigerung die Durchführung eines bereits vorgelegten Insolvenzplans gefährdet wird, etwa weil im Rahmen des Insolvenzplans die Fort___________ 5) 6) 7) 8)
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Theiselmann/Frege/Nicht, Kap. 15 Rn. 57. Kübler/Rendels, § 24 Rn. 9 spricht hier von einer „Testphase“. Theiselmann/Frege/Nicht, Kap. 15 Rn. 58. Ebenso auch Theiselmann/Frege/Nicht, Kap. 15 Rn. 58.
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I. Grundzüge des Insolvenzplanverfahrens
führung des schuldnerischen Geschäftsbetriebs auf dem von der Versteigerung betroffenen Grundstück vorgesehen ist. b)
Phase der Vorprüfung durch das Insolvenzgericht
Wird ein Insolvenzplan vorgelegt, tritt das Insolvenzgericht nach § 231 InsO in 406 die Vorprüfung ein. Sinn dieser Regelung ist es, eine Verzögerung des Insolvenzverfahrens und eine Verschleppung der Verwertung der Masse durch offensichtlich unzulässige und nicht mehrheitsfähige Pläne zu verhindern.9) Liegt ein Zurückweisungsgrund10) vor, macht das Gericht von seinem Zurückweisungsrecht Gebrauch. Ist das nicht der Fall, leitet das Gericht den Insolvenzplan zur Stellungnahme an den Gläubigerausschuss, sofern ein solcher bestellt ist, dem Betriebsrat und dem Sprecherausschuss der leitenden Angestellten des Unternehmens, dem Schuldner bei Vorlage des Insolvenzplans durch den Insolvenzverwalter und dem Verwalter bei Planvorlage durch den Schuldner zu.11) c)
Erörterungs- und Abstimmungstermin
Nach § 235 InsO bestimmt das Insolvenzgericht einen Termin zur Erörterung 407 des Insolvenzplans, zu dem auch die Abstimmung über die Annahme des Insolvenzplans durch die Beteiligten erfolgt. aa)
Erörterung des Insolvenzplans
Die Erörterung des Insolvenzplans dient eigentlich dazu, die Anwesenden über 408 die wesentlichen Inhalte des Insolvenzplans zu informieren und diesen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.12) Ferner soll die Erörterung dazu dienen, den Beteiligten die Vorzüge des Insolvenzplans gegenüber der Regelabwicklung aufzuzeigen. Die Komplexität der meisten Insolvenzpläne erfordert jedoch in der Regel eine ausführliche Vorbefassung der Beteiligten mit dem Insolvenzplan. Zur Vorbereitung des Termins ist daher nach § 235 Abs. 3 Satz 1 InsO zumindest eine Kurzfassung des Insolvenzplans im Vorfeld mit der Ladung zum Termin zu übermitteln. Insbesondere mit Blick auf die komplexen Rechtsverhältnisse bei Immobilien ist eine Entscheidung über den Plan andernfalls nicht möglich.13) Wird lediglich eine Zusammenfassung des wesentlichen Planinhalts vorgelegt, müssen alle für die Information der Beteiligten wesentli___________ 9) 10) 11) 12)
HambKomm-InsO/Thies, § 231 Rn. 1. Vgl. hierzu die im Einzelnen in § 231 InsO genannten Zurückweisungsgründe. § 232 InsO. Hierbei ist es nicht erforderlich, dass der komplette Plan vorgelesen wird, die Darstellung der wesentlichen Planinhalte ist ausreichend; Kübler/Schmidt/Stahlschmidt, § 38 Rn. 18. 13) Zu der Frage, ob und inwieweit auf Grund der Stellungnahmen der Beteiligten im Erörterungstermin eine Änderung des Insolvenzplans möglich ist, vgl. ausführlich Theiselmann/Frege/ Nicht, Kap. 15 Rn. 166.
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F. Immobilien im Insolvenzplanverfahren
chen Gesichtspunkte enthalten sein, um die Abstimmungsentscheidung ordnungsgemäß vorbereiten zu können.14) bb)
Erörterung des Stimmrechts
409 Im Anschluss an die Erörterung des Insolvenzplans erfolgt zunächst die Erörterung des Stimmrechts. Hintergrund hierfür ist, dass sich nach §§ 237 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 1 Satz 1 InsO das Stimmrecht der einzelnen abstimmungsberechtigten Gläubiger daran orientiert, ob die Forderung, die diese zur Insolvenztabelle angemeldet haben, vom Insolvenzverwalter zur Tabelle festgestellt wurde oder nicht. Häufig – gerade bei komplexen Forderungen oder bei Lücken im Rechnungswesen des Schuldners – hat der Insolvenzverwalter die Forderung jedoch zum Zeitpunkt des Stattfindens des Erörterungs- und Abstimmungstermins noch nicht abschließend geprüft. Deshalb ist das Bestehen bzw. der Umfang des Stimmrechts des betreffenden Gläubigers noch nicht klar. In diesem Fall ist es nach § 77 Abs. 2 Satz 1 InsO möglich, sich über die Höhe des Stimmrechts zu einigen. Es ist jedoch immer zu empfehlen, vor dem Termin mit dem Insolvenzverwalter Kontakt aufzunehmen und eine Einigung über das Stimmrecht vorzubereiten.15) Dies erfordert in der Regel auch die Information der Hauptgläubiger, da eine Festlegung des Stimmrechts der Zustimmung auch der im Termin anwesenden stimmberechtigten Gläubiger bedarf. 410 Gläubiger, deren Forderungen durch den Insolvenzplan nicht beeinträchtigt werden, haben kein Stimmrecht, § 237 Abs. 2 InsO. 411 Im Bereich der Immobilien ist wegen der grundpfandrechtlichen Haftung das Stimmrecht der absonderungsberechtigten Gläubiger von zentraler Bedeutung. Dabei ist zunächst zwischen der gesicherten Forderung selbst und dem Anspruch des Gläubigers auf abgesonderte Befriedung zu unterscheiden. (1)
Persönliche Forderung – Ausfallforderung
412 § 237 Abs. 1 Satz 2 InsO legt für die gesicherte Forderung fest, dass der Gläubiger nur insoweit über ein Stimmrecht verfügt, als ihm der Schuldner auch persönlich haftet und der Gläubiger bei der abgesonderten Befriedigung einen Ausfall erleiden wird oder auf die abgesonderte Befriedigung verzichtet hat.16) 413 Beispiel: Das Kreditinstitut hat eine Forderung gegen den Schuldner aus dem Kreditvertrag in Höhe von 100.000,00 €. Die Forderung auf Darlehensrückzahlung ist mittels erstrangiger Grundschuld auf dem Betriebsgrundstück abgesichert. Beträgt die Grundschuld nun 100.000,00 € bei einem Verkehrswert der Immobilien von 50.000,00 €, so beträgt der mutmaßliche Ausfall 50.000,00 €. Mit dieser ___________ 14) MünchKomm-InsO/Hintzen, § 235 Rn. 17. 15) So auch Kübler/Kolmann, § 40 Rn. 50. 16) Vgl. dazu auch § 52 InsO.
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I. Grundzüge des Insolvenzplanverfahrens
(Restdarlehens-)Forderung nimmt der Gläubiger an der Gruppe der „normalen“ Insolvenzgläubiger teil. Der Ausfall kann zum Zeitpunkt der Abstimmung über den Insolvenzplan 414 meist nur prognostiziert werden, da er in der Regel noch nicht feststeht.17) In der Praxis sind Verzichte auf die abgesonderte Befriedigung selten. Bei den nach § 237 Abs. 1 Satz 2 InsO zu behandelnden Forderungen, handelt es sich um solche mit einem hohen Blankoanteil, die auch bei vollständiger Verwertung der Sicherheiten nicht voll getilgt werden können.18) Im Bereich der Immobilienfinanzierung richtet sich also das Stimmrecht für die gesicherte Darlehensforderung nach § 237 Abs. 1 Satz 2 InsO – ein etwaiger Ausfall bei der Sicherheitenverwertung ist zu schätzen. (2)
Recht auf abgesonderte Befriedigung
Grundpfandrechte geben dem Sicherungsnehmer ein Recht auf abgesonderte 415 Befriedigung, § 49 InsO. Für diese absonderungsberechtigten Gläubiger besteht bei Abstimmung über die Annahme des Insolvenzplans nur dann ein Stimmrecht, wenn durch den Insolvenzplan in deren Rechte eingegriffen werden soll, § 237 Abs. 2 InsO. Sieht der Insolvenzplan keinen solchen Eingriff vor, werden die absonderungsberechtigten Gläubiger an der Abstimmung nicht beteiligt. (3)
Aufspaltung der Forderung
Aus den genannten Gründen ist bei absonderungsberechtigten Gläubigern da- 416 her eine Aufspaltung des Stimmrechts in den grundpfandrechtlich abgesicherten Forderungsteil und den ungesicherten Teil vorzunehmen.19) Insgesamt darf das Stimmrecht beider Teile jedoch die Gesamtforderung nicht übersteigen.20) Die Art und Weise der Aufspaltung der Forderung birgt vielfältiges Konfliktpotential, da die Höhe des Stimmrechts allein von der Schätzung des Verwertungserlöses abhängt. Hier ist insbesondere problematisch, dass auch das Ergebnis der Abstimmung über den Insolvenzplan selbst, den Ausgang der Verwertung beeinflussen kann. Sieht der Insolvenzplan beispielsweise die Fortführung und den Erhalt des schuldnerischen Geschäftsbetriebes vor, bei der Regelabwicklung würde es aber zu einer Liquidation des Unternehmens kommen, so stellt sich die – für den abstimmenden Gläubiger sehr maßgebliche – Frage, ob bei der Prognose des mutmaßlichen Ausfalls Fortführungswerte oder Liquidationswerte bei der Bewertung der Sicherheit zugrunde zu legen sind. Maß___________ 17) Zum Einfluss des Ergebnisses der Abstimmung auf die Höhe des Ausfalls und die Berücksichtigung des Planzieles siehe Rn. 416. 18) Vgl. dazu auch Kübler/Kolmann, § 40 Rn. 47. 19) So auch MünchKomm-InsO/Hintzen, §§ 237, 238 Rn. 16. 20) Vgl. dazu auch Kübler/Kolmann, § 40 Rn. 48.
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F. Immobilien im Insolvenzplanverfahren
geblich für die Prognose ist der Inhalt des Insolvenzplans – sieht dieser die Fortführung vor, so sind auch bei der Ausfallprognose Fortführungswerte zugrunde zu legen.21) Beispiel: Das Kreditinstitut hat eine Darlehensforderung in Höhe von 100.000,00 €, gesichert mittels zweitrangiger Grundschuld in gleicher Höhe am Betriebsgrundstück. Vorgehend ist erstrangig eine Grundschuld in Höhe von 300.000,00 € eingetragen. Der Liquidationswert des Grundstücks ist mit 350.000,00 €, der Fortführungswert mit 500.000,00 € veranschlagt. Der Insolvenzplan, der Gegenstand der Abstimmung ist, sieht die Fortführung des Geschäftsbetriebes auf dem bisherigen Grundstück vor. Für die Prognoseentscheidung des Ausfalls ist von der Fortführung des Geschäftsbetriebes (=Ziel des Insolvenzplans) auszugehen. Der Wert des Grundstücks ist daher mit 500.000,00 € in Ansatz zu bringen. In diesem Fall erhielte das Kreditinstitut auf das Absonderungsrecht 100.000,00 €, d.h. eine Ausfallforderung besteht nicht. Sieht der Insolvenzplan dagegen die Liquidation des Unternehmens vor, ist bei der Prognoseentscheidung von einem Wert der Immobilie von 350.000,00 € auszugehen. In diesem Fall blieben wegen der erstrangigen Grundschuld zugunsten eines anderen Gläubigers nur 50.000,00 € für das Kreditinstitut im Rahmen der Absonderung übrig, der Ausfall wäre deshalb in diesem Fall mit 50.000,00 € zu schätzen. Das Kreditinstitut würde also mit einer Forderung von 50.000,00 € bei der Gruppe der Absonderungsberechtigten teilnehmen. Diese ist aber nur zu bilden, wenn der Insolvenzplan einen Eingriff in die Rechte dieser Absonderungsberechtigten vorsieht. Mit 50.000,00 € nimmt das Kreditinstitut an der Abstimmung der Gruppe der „normalen“ Insolvenzgläubiger teil. 417 In jedem Fall erfordern die mit der Aufspaltung der Forderung verbundenen Folgen eine genaue Darlegung der Bewertungskriterien im Vermögensverzeichnis nach § 151 Abs. 2 InsO und die Erläuterung der Aufspaltung des Stimmrechts für die Betroffenen im Termin selbst. (4)
Entscheidung des Insolvenzrichters nach § 77 Abs. 2 Satz 2 InsO
418 Kann zwischen den Beteiligten keine Einigung über die Höhe bzw. die Art der Aufspaltung des Stimmrechts erzielt werden, so entscheidet das Insolvenzgericht. Hierbei handelt es sich bei der Entscheidung über das Stimmrecht für die Ausfallforderung und des Absonderungsrechts um eine einheitliche Entscheidung, da diese beiden Beträge sich gegenseitig beeinflussen und durch den Gesamtbetrag der Forderung limitiert sind.22) Auf Antrag des Insolvenzverwalters ___________ 21) BGH, ZInsO 2005, 927, 928; vgl. auch Kübler/Kolmann, § 40 Rn. 49, der aber gleichzeitig zutreffend darauf hinweist, dass es dem Gläubiger selbst obliegt, den mutmaßlichen Ausfall zu schätzen und darzulegen, ebenso auch HambKomm-InsO/Thies, § 222 Rn. 9. 22) So auch MünchKomm-InsO/Hintzen, §§ 237, 238 – mit ausführlicher Beispielsrechnung, Rn. 15; HambKomm-InsO/Flessner, § 238 Rn. 6 f.; Kübler/Kolmann, § 40 Rn. 51.
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I. Grundzüge des Insolvenzplanverfahrens
oder eines Gläubigers kann der Insolvenzrichter seine Entscheidung ändern, wobei diese Entscheidung wieder einheitlich erfolgen muss. Das Ergebnis der Erörterung und ggf. Entscheidung über das Stimmrecht wird 419 durch den Urkundsbeamten in einer Stimmliste festgehalten, § 239 InsO. cc)
Abstimmung
Nach § 235 Abs. 1 Satz 1 InsO bildet die Abstimmung der Gläubiger über den 420 Insolvenzplan das letzte Element des Erörterungs- und Abstimmungstermins. Der Insolvenzplan ist angenommen, wenn alle Gruppen dem Insolvenzplan zustimmen. Nach § 222 InsO sind im Rahmen des gestaltenden Teils des Insolvenzplans Gruppen zu bilden, soweit Beteiligte mit unterschiedlicher Rechtsstellung betroffen sind.23) Damit die Zustimmung einer Gruppe vorliegt, ist eine doppelte Mehrheit er- 421 forderlich – die Kopf- und die Summenmehrheit. Die Kopfmehrheit erfordert nach § 244 Abs. 1 Ziff. 1 InsO die Zustimmung der Mehrheit der anwesenden Gläubiger. Die Summenmehrheit erfordert nach § 244 Abs. 1 Ziff. 2 InsO zusätzlich, dass die Summe der Forderungen der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der abstimmenden Gläubiger beträgt. Die Gruppenbildung im Rahmen des gestaltenden Teils des Insolvenzplans ist wegen dieser Mehrheitserfordernisse oftmals der „Schlüsselfaktor“24) für den Erfolg des Plans. Liegen die erforderlichen Mehrheiten vor, ist der Insolvenzplan angenommen. Kommt es lediglich zur Zustimmung der Mehrheit der Gruppen, aber eben nicht aller Gruppen, kann der Insolvenzplan noch unter den Voraussetzungen der §§ 245 ff. InsO zustande kommen, in dem die Zustimmung einzelner Gläubigergruppen fingiert wird.25) dd)
Zustimmung durch den Schuldner
Nach § 247 Abs. 1 InsO gilt die Zustimmung des Schuldner zum Insolvenzplan 422 als erteilt, wenn dieser nicht spätestens im Abstimmungstermin dem Insolvenzplan widerspricht. Ein erfolgter Widerspruch des Schuldners kann nach § 247 Abs. 2 InsO unbeachtlich sein. ee)
Planbestätigung
Wurde der Insolvenzplan durch die Gläubiger und den Schuldner bestätigt, 423 sieht die Insolvenzordnung eine letzte Überprüfung durch das Gericht vor. Nach § 248 InsO bestätigt das Insolvenzgericht den Insolvenzplan. Dabei ___________ 23) Zur Gruppenbildung vgl. ausführlich unter Rn. 444 ff. 24) MünchKomm-InsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 6. 25) Vgl. dazu ausführlich Theiselmann/Frege/Nicht, Kap. 15 Rn. 175 ff.
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F. Immobilien im Insolvenzplanverfahren
nimmt das Gericht eine vollumfängliche Rechtmäßigkeitskontrolle vor.26) Mit Bestätigung des Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht treten die Wirkungen der Regelungen im gestaltenden Teil des Insolvenzplan für und gegen alle Beteiligten ein, § 254 Abs. 1 InsO. Gerade im Immobilienbereich ist hier die Regelung des § 254 Abs. 2 InsO von erheblicher praktischer Bedeutung.27) d)
Phase der Planüberwachung
424 Nach der Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger und die Bestätigung durch das Insolvenzgericht, beginnt die Phase der Planüberwachung, wenn dies im Insolvenzplan so vorgesehen ist, § 260 InsO. Das Insolvenzverfahren wird aufgehoben, § 258 Abs. 1 InsO. 2.
Inhalt des Insolvenzplans
425 Der Insolvenzplan ist in zwei Hauptteile zu gliedern, die in der Insolvenzordnung vorgesehen sind: in einen darstellenden und einen gestaltenden Teil.28) Der darstellende Teil des Insolvenzplans soll die im gestaltenden Teil getroffenen Maßnahmen erläutern.29) Außerdem gibt er einen Überblick über die Vermögensverhältnisse des Schuldners.30) Der gestaltende Teil beinhaltet hingegen die materiellen Regelungen, durch die in die Rechte der Gläubiger ggf. eingegriffen werden soll, er vollzieht daher die im darstellenden Teil erläuterten Maßnahmen.31) a)
Darstellender Teil
426 Im darstellenden Teil eines Insolvenzplans soll nach § 220 InsO beschrieben werden, welche Maßnahmen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffen wurden bzw. werden sollen, um die im Insolvenzplan definierten Ziele zu erreichen.32) Dabei ist es auch erforderlich, die mit dem Insolvenzplan verfolgte Art der Verwertung des Schuldnervermögens anzugeben. Die in diesem Teil enthaltenen Darstellungen sollen die Grundlage für die geplante Gestaltung der Rechte der Beteiligten schaffen.33) Die darin enthaltenen Ausführungen führen also nicht zu einer Rechtsänderung bei den Beteiligten.34) ___________ 26) 27) 28) 29) 30) 31) 32)
Kübler/Westpfahl, § 42 Rn. 18. Vgl. dazu Rn. 451 ff. § 219 InsO. MünchKomm-InsO/Eilenberger § 220 Rn. 1. § 219 Abs. 2 InsO. Nerlich/Römermann/Braun, § 219 Rn. 13. Wimmer/Dauernheim/Wagner/Weidekind/Gietl, Handbuch des Fachanwalts Insolvenzrecht, 12. Kap. Rn. 21. 33) Vgl. dazu § 220 Abs. 1 InsO. 34) § 254 Abs. 1 InsO.
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I. Grundzüge des Insolvenzplanverfahrens
Seitens des Gesetzgebers werden an den Inhalt des darstellenden Teils nur we- 427 nig konkrete Anforderungen gestellt. Der Gesetzgeber ging hierbei davon aus, dass derjenige, der den Plan aufstellt und die Zustimmung der Gläubiger zu diesem Plan erhalten will, sein Konzept und alle dafür erforderlichen Grundlagen sehr detailliert darstellen wird, um die Gläubiger von der Tragfähigkeit des Plans zu überzeugen.35) In der Regel beinhaltet der darstellende Teil 428 x die Darstellung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners, x die Konkurrenzsituation bei Geschäftsbetrieben mit Analyse der Hauptwettbewerber, x die Darstellung und genaue Analyse der Gründe der Insolvenz, x Maßnahmen und Rechtshandlungen seit der Anordnung des Insolvenzverfahrens, x eine intensive Auseinandersetzung mit möglichen alternativen Verwaltungsund Abwicklungsszenarien, x die Darlegung des mit dem Plan verfolgten Sanierungs- bzw. Verwertungskonzepts und x die Vergleichsrechnung zwischen der Abwicklung im Rahmen des Regelinsolvenzverfahrens und des angedachten Insolvenzplans.36) Zum Bestand des Immobilienvermögens ist im Rahmen der Darstellung der 429 wirtschaftlichen Verhältnisse Stellung zu nehmen. Häufig erfolgt dabei ein Verweis auf das zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung durch den Insolvenzverwalter zu erstellende Verzeichnis nach § 153 Abs. 1 Satz 1 InsO. In jedem Fall werden aber diejenigen Immobilien, die von Maßnahmen im gestaltenden Teil des Insolvenzplans betroffen sind, in einer Anlage nochmals aufgelistet und im Rahmen des darstellenden Teils erläutert. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei den im Schuldnervermögen vorhandenen Immobilien um Bestandsimmobilien und damit um Anlagevermögen oder Umlaufvermögen, z. B. bei Immobiliengesellschaften, handelt. b)
Gestaltender Teil
Im gestaltenden Teil soll nach § 221 InsO festgelegt werden, wie die Rechts- 430 stellung der Beteiligten durch den Insolvenzplan geändert werden soll. Dabei werden zumeist folgende Punkte erläutert: x vorgesehene Rechtsänderungen für die Planbeteiligten (Absonderungsgläubiger, Insolvenzgläubiger und Schuldner); ___________ 35) Bericht BT, S. 182, zit. nach MünchKomm-InsO/Eilenberger, § 220 Rn. 2. 36) Wimmer/Dauernheim/Wagner/Weidekind/Gietl, Handbuch des Fachanwalts Insolvenzrecht, 12. Kap. G I.
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F. Immobilien im Insolvenzplanverfahren
x
Änderungen der sachenrechtlichen Verhältnisse und Verpflichtungserklärungen;
x
zusätzliche Maßnahmen;
x
Gruppenbildung;
x
Zuordnung der einzelnen Gläubiger zu den gebildeten Gruppen.37)
aa)
Regelungsnotwendigkeit bei Absonderungsrechten
431 Im Rahmen der Erläuterungen der vorgesehenen Rechtsänderungen für die Planbeteiligten ist zunächst auf die Situation der Absonderungsgläubiger einzugehen. Hierbei ist die Differenzierung zwischen Absonderungsberechtigten am Immobilienvermögen und denjenigen am Mobiliarvermögen sinnvoll. Unter Bezugnahme auf die Darstellung der Istsituation im Rahmen des darstellenden Teils erfolgt die ausführliche Schilderung der durch den Insolvenzplan geplanten Rechtsänderungen und Maßnahmen hinsichtlich der Absonderungsrechte am Immobilienvermögen. Dabei gilt, dass die Rechte der Absonderungsberechtigen grundsätzlich von einem Insolvenzplan unberührt bleiben, sofern keine Regelung erfolgt, § 223 Abs. 1 Satz 1 InsO. Enthält der darstellende Teil des Insolvenzplans also keine Regelung zur abweichenden Behandlung der Grundpfandgläubiger, so bleiben deren Rechte vom Insolvenzplan unberührt. 432 Erfolgt durch den Insolvenzplan ein Eingriff in die Absonderungsrechte, so ist im Rahmen des gestaltenden Teils des Insolvenzplans anzugeben, um welchen Bruchteil die Rechte gekürzt werden, für welchen Zeitraum eine Stundung erfolgt oder welchen sonstigen Regelungen sie unterworfen werden sollen, § 223 Abs. 2 InsO. Dabei kann insbesondere eine Regelung darüber getroffen werden, welche Sicherheiten eventuell ganz oder teilweise aufgegeben werden sollen oder mit welchen Sicherheiten ein Sicherheitentausch stattfinden soll. Denkbar ist in diesem Zusammenhang auch eine Regelung, in welcher Höhe dem Vermögen des Schuldners Verwertungserlöse zustehen sollen oder auch neue Regelungen über die Verwendung oder Verwertung der Sicherheiten getroffen werden.38) bb)
Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse gemäß § 228 InsO
433 Nach § 228 Abs. 1 InsO können die für die Begründung, Änderung, Übertragung oder Aufhebung von Rechten an Gegenständen erforderlichen Willensklärungen bereits im Rahmen des gestaltenden Teil des Insolvenzplans abgegeben werden. Durch diese Vorschrift werden also alle Verfügungen an Gegens___________ 37) Vgl. dazu auch Wimmer/Dauernheim/Wagner/Weidekind/Gietl, Handbuch des Fachanwalts Insolvenzrecht, 12. Kap. G Anhang I. C. 38) Uhlenbruck/Lüer, § 223 Rn. 7.
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I. Grundzüge des Insolvenzplanverfahrens
tänden erfasst.39) Der Begriff des Gegenstandes ist nicht mit dem Begriff der Sache gleichzusetzen. Vielmehr ist unter einem Gegenstand alles zu verstehen, was Gegenstand von Rechten sein kann.40) Auch für Immobilien können daher alle Willenserklärungen im Insolvenzplan direkt getroffen werden, die auf die Begründung, Änderung, Übertragung oder Aufhebung von Rechten an Grundstücken gerichtet sind. Grund für diese Regelung ist die Tatsache, dass schuldrechtliche Verpflichtun- 434 gen in der Regel nicht ausreichend sein werden, um eine erfolgreiche Implementierung des Insolvenzplans zu ermöglichen.41) Mit Rechtskraft der Planbestätigung gelten daher solche Willenserklärungen als abgegeben, die unmittelbar eine Rechtsänderung aufseiten der Beteiligten zur Folge haben. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass weitere Voraussetzungen der angestrebten Rechtsänderung durch den Insolvenzplan nicht ersetzt werden können.42) Verlangt also beispielsweise § 929 Satz 1 BGB für die Übereignung beweglicher Sachen für den Eintritt der Rechtsänderung neben der Einigung noch die Übergabe der Sache, so kann dieses Übergabeerfordernis nicht durch den Insolvenzplan ersetzt werden. Der Eigentumswechsel tritt daher erst mit Übergabe der Sache ein. (1)
Eigentumswechsel an Immobilien
Der Eigentumswechsel bei Immobilien setzt nach §§ 925 Satz 1, 873 Abs. 1 435 BGB die Einigung der Parteien über den Eigentumsübergang in Gestalt der Anwesenheit beider Parteien vor einer zuständigen Stelle, i. d. R. vor dem Notar, also die Auflassung, und die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch voraus. (a)
Auflassung
Die Auflassung selbst kann in den Insolvenzplan aufgenommen werden. Um 436 einen Gleichlauf von Insolvenz- und allgemeinem Zivilrecht zu erreichen hat der Gesetzgeber diese Möglichkeit auch in § 925 Abs. 1 Satz 3 BGB ausdrücklich genannt. Mit Rechtskraft des Planbestätigungsbeschlusses gelten diese Willenserklärungen der Parteien als formwirksam abgegeben. Der rechtskräftige Insolvenzplan ersetzt die Beurkundungsform.
___________ 39) Uhlenbruck/Breuer, § 228 Rn. 2. 40) Vgl. dazu BGH, ZIP 2008, 564 f. für die treuhänderische Abtretung einer Forderung, sowie HambKomm-InsO/Flessner, § 228 Rn. 2; Uhlenbruck/Breuer, § 228 Rn. 2; vgl. dazu auch HambKomm-InsO/Thies, § 228 Rn. 2. 41) FK/Jaffé, § 228 Rn. 4. 42) Uhlenbruck/Lüer, § 228 Rn. 1.
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F. Immobilien im Insolvenzplanverfahren
(b)
Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch
437 Der Eigentumswechsel ist jedoch erst vollzogen, wenn die Rechtsänderung auch im Grundbuch eingetragen wird. Damit seitens des Grundbuchamtes der Eigentumswechsel eingetragen wird, ist nach § 19 GBO die Bewilligung desjenigen, dessen Recht von der Eintragung betroffen wird, erforderlich. Auch diese Erklärung kann in den Insolvenzplan aufgenommen werden. Die sonst nach § 29 GBO erforderliche Form der öffentlichen bzw. öffentlich beglaubigten Urkunde wird nach Rechtskraft des Insolvenzplans ersetzt. 438 Problematischer ist in diesem Zusammenhang der Eintragungsantrag nach § 13 GBO. Teilweise wird in der Literatur unter Hinweis auf die Rechtsnatur des Eintragungsantrags als Verfahrenshandlung die Aufnahme in den Insolvenzplan mit dem Ziel der Formersetzung verneint.43) Vielfach wird jedoch die Zulässigkeit der Aufnahme derartiger Verfahrenserklärungen in den Insolvenzplan mit Blick auf den Normzweck der Vorschrift bejaht.44) Betrachtet man die dahinter stehenden Ziele – Sicherung des Schutzzwecks des formalisierten Verfahrens und das Interesse der Parteien an der Beschleunigung der Umsetzung des Plans – so gebietet der Normzweck des § 228 InsO die Einbeziehung der Verfahrenshandlungen in den Regelungsbereich des § 228 InsO. In der Praxis sollte daher die Aufnahme der Eintragungsanträge in den Plan erfolgen. Da nach § 13 GBO der Berechtigte den Eintragungsantrag stellen kann, birgt die fehlende Aufnahme des Antrags in den Plan bzw. die Verweigerung des Grundbuchamts, einen solchen Antrag zu vollziehen, keine Gefahr für die erfolgreiche Plandurchführung. (c)
Bestimmtheitsgrundsatz
439 Damit seitens des Grundbuchamtes die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch erfolgen kann, ist das Grundstück bereits im Insolvenzplan so genau wie möglich zu bezeichnen. Fehlt es an einer genauen Bezeichnung, kann das Insolvenzgericht die Bestätigung des Plans nach § 231 Abs. 1 Ziff. 1 InsO versagen. Nach rechtskräftiger Bestätigung des Plans muss das Gericht einen solchen Plan, der grundbuchrelevante Regelungen enthält, dem Grundbuchamt von Amts wegen zum Vollzug vorlegen.45) Damit dem Formerfordernis nach § 29 GBO Genüge getan ist, ist eine beglaubigte Kopie des Insolvenzplans und des Bestätigungsbeschlusses dem Grundbuchamt einzureichen.46)
___________ 43) Vgl. beispielsweise Uhlenbruck/Lüer, § 228 Rn. 1. 44) HambKomm-InsO/Thies, § 228 Rn. 4, FK/Jaffé, § 228 Rn. 7; MünchKomm-InsO/Breuer/ Eilenberger, § 228 Rn. 7. 45) MünchKomm-InsO/Breuer/Eilenberger, § 228 Rn. 12. 46) MünchKomm-InsO/Breuer/Eilenberger, § 228 Rn. 12.
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I. Grundzüge des Insolvenzplanverfahrens
(d)
Wirkung der Aufnahme
Nach § 254a Abs. 1 InsO führt die Aufnahme der oben genannten Willenser- 440 klärungen in den Insolvenzplan dazu, dass diese in der notwendigen Form als abgegeben gelten. Der gerichtlich bestätigte und rechtskräftige Plan ersetzt daher die für die Auflassung notwendige gleichzeitige Anwesenheit beider Teil vor einem Notar. Nach § 925 Abs. 1 Satz 3 BGB kann in einem rechtskräftig bestätigten Insol- 441 venzplan auch die Auflassung erklärt werden. Mit dieser Einfügung im BGB wurde klargestellt, dass auch die Übertragung des Grundstücks selbst in einem Insolvenzplan möglich sein soll und nicht nur die Übertragung von Rechten an einem solchen Grundstück.47) § 228 InsO enthält keine Beschränkung auf solche Gegenstände, die sich in der 442 Insolvenzmasse befinden. Auch hinsichtlich solcher Grundstücke, die nicht Bestandteil der Insolvenzmasse sind (weil sie sich beispielsweise im Gesellschaftervermögen befinden), sind Regelungen im Rahmen des Insolvenzplans möglich.48) (2)
Bestellung von dinglichen Rechten
Des Weiteren kann auch die Bestellung dinglicher Rechte im Rahmen des In- 443 solvenzplans erfolgen. Hierunter fallen z. B. die Belastung einer Immobilie mit einer Grundschuld oder einer Hypothek zur Absicherung eines Sanierungskredits. cc)
Gruppenbildung
Im Rahmen des darstellenden Teils nimmt der Planverfasser auch die Eintei- 444 lung der Gläubiger in verschiedene Gläubigergruppen vor. Der Gruppenbildung kommt – wie bereits erwähnt – eine zentrale Funktion zu, da diese maßgeblich für die spätere Abstimmung über den Insolvenzplan ist. (1)
Voraussetzung: Eingriff in das Absonderungsrecht
Wegen des bei Immobilien für die Grundpfandgläubiger bestehenden Abson- 445 derungsrechts ist hier § 222 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 InsO von entscheidender Bedeutung: Nach dieser Regelung ist für die absonderungsberechtigten Gläubiger zwingend eine Gruppe vorzusehen, wenn durch den Insolvenzplan in die Rechte dieser Gläubiger eingegriffen werden soll. Voraussetzung für die Bildung der Gruppe „absonderungsberechtigte Gläubi- 446 ger“ ist also, dass durch den Insolvenzplan ein Eingriff in ein Absonderungsrecht erfolgt. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn durch den Insolvenz___________ 47) Uhlenbruck/Breuer, § 228 Rn. 3. 48) Braun/Braun/Frank, § 228 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Breuer/Eilenberger, § 228 Rn. 4; HambKomm-InsO/Thies, § 228 Rn. 3.
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plan von den Regelungen des Regelinsolvenzverfahrens zulasten der absonderungsberechtigten Gläubiger abgewichen wird.49) Erfolgt kein solcher Eingriff unterbleibt die Bildung dieser Gruppe. Erfolgt nur in die Rechte mancher Absonderungsberechtigter ein Eingriff, so ist auch nur für diese eine Gruppe zu bilden.50) (2)
Art des Eingriffs in Absonderungsrechte durch den Insolvenzplan
447 Bei einem Eingriff in die Rechte der Absonderungsberechtigten im Rahmen des Insolvenzplans sind zwei Arten des Eingriffs denkbar: Zum einen besteht die Möglichkeit, dass im Rahmen des Insolvenzplans alle Absonderungsrechte gleich behandelt werden. Zum anderen kann aber der Insolvenzplan aber auch vorsehen, dass eine unterschiedliche Behandlung der absonderungsberechtigten Gläubiger je nach der Art ihres Absonderungsrechts erfolgt. In letzterem Fall wäre es dann auch möglich, mehrere Gruppen für die absonderungsberechtigten Gläubiger (die Zuordnung erfolgt je nach Art des Absonderungsrechts – z. B. eine Gruppe der Grundpfandgläubiger, eine Gruppe der Warenkreditgeber usw.) zu bilden.51) (3)
Werthaltigkeit des Absonderungsrechts
448 Voraussetzung für die Aufnahme in die Gruppe der absonderungsberechtigten Gläubiger ist jedoch, dass das Absonderungsrecht werthaltig ist. Besteht das Absonderungsrecht an einer wertlosen Sicherheit (z. B. das Grundstück, an dem die Grundschuld besteht, ist hochgradig mit Altlasten belastet), so nimmt der betreffende Gläubiger mit der Forderung nicht an der Gruppe der Absonderungsberechtigten teil.52) Dabei werden die Forderungen der absonderungsberechtigten Gläubiger nur in der Höhe erfasst, in der auch das Absonderungsrecht besteht.53) Dies ist ggf. zu schätzen.54) Mit dem ungesicherten Teil der Forderung nehmen die absonderungsberechtigten Gläubiger auch noch an einer anderen Gruppe als „normale“ Insolvenzgläubiger“ teil.
___________ 49) 50) 51) 52)
Uhlenbruck/Lüer, § 222 Rn. 17. Kübler/Bierbach, § 28 Rn. 39. Vgl. dazu auch Uhlenbruck/Lüer, § 222 Rn. 18. LG Berlin, NZI 2005, 335 (337); vgl. dazu auch BGHZ 163, 344, wonach keine gemeinsame Einordnung von absonderungsberechtigten Gläubigern mit und ohne werthaltiges Absonderungsrecht in eine Gruppe nach § 222 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 InsO zulässig ist, zum ganzen auch Uhlenbruck/Lüer, § 222 Rn. 20. 53) Kübler/Bierbach, § 28 Rn. 38. 54) Zu den damit verbundenen praktischen Problemen und maßgeblichen Anknüpfungspunkten siehe unter Rn. 416 ff.
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II. Wirkung des bestätigten Plans auf Immobiliarsicherheiten
(4)
Doppelte Einordnung des Absonderungsberechtigten
Problematisch ist hier in der Praxis häufig die doppelte Beteiligung der abson- 449 derungsberechtigten Gläubiger: zum einen in der Gruppe der absonderungsberechtigten Gläubiger, zum anderen im Rahmen der Gruppe der (manchmal auch nachrangigen) Insolvenzgläubiger. Nach § 52 Satz 1 InsO sind die Gläubiger, denen der Schuldner auch persönlich haftet, in voller Höhe Insolvenzgläubiger. § 52 Satz 2 InsO regelt demgegenüber, dass aber nur in Höhe des Teils der Forderung mit der der Gläubiger bei der abgesonderten Befriedigung ausfällt oder auf diese verzichtet, ein Befriedigungsrecht besteht. Teilweise wird deshalb streng zwischen der Teilnahme der Absonderungsberechtigten an einer Gruppe mit einer bestimmten Forderung, dem Recht auf Befriedigung und dem Stimmrecht unterschieden, mit der Folge, dass die Aufnahme der Forderung in die Gruppe in voller Höhe – ohne Berücksichtigung des Ausfalls – erfolgt.55) Nach anderer Auffassung ist diese Unterscheidung nicht vorzunehmen, vielmehr soll die Forderung gleich in Höhe des mutmaßlichen Ausfalls in Gruppe der Insolvenzgläubiger erfolgen.56) Unabhängig von dieser Frage besteht aber Einigkeit darüber, dass das Stimmrecht nur in der Höhe besteht, in der der Gläubiger bei der abgesonderten Befriedigung ausfällt oder auf diese verzichtet.57) II.
Wirkung des bestätigten Plans auf Immobiliarsicherheiten
Wurde der Insolvenzplan bestätigt und ist dieser Beschluss rechtkräftig, treten 450 die Wirkungen des gestaltenden Teiles ein, § 254 Abs. 1 InsO. 1.
Keine Wirkung einer Forderungsreduzierung auf die Inanspruchnahme von Drittsicherheiten gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO
Nach § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO führt die Regelung von persönlichen Ansprü- 451 chen eines Gläubigers gegenüber einem Schuldner im Rahmen eines Insolvenzplans aber nicht dazu, dass dieser auch seine Rechte am Vermögen Dritter verliert Beispiel: Ein Kreditinstitut hat eine Forderung in Höhe von 1.000.000,00 € gegen einen Schuldner über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Im Rahmen dieses Insolvenzverfahrens wird ein Insolvenzplan erarbeitet und von den Gläubigern angenommen. Darum verzichtet das Kreditinstitut auf die Hälfte seiner Forderung. Für diese Forderung hat der Vater des Schuldners dem Kreditinstitut eine Hypothek in Höhe von 1.000.000,00 € an seinem Einfamilienhaus bestellt. § 254 Abs. 2 InsO bewirkt, dass das Kreditinstitut im Rahmen der Zwangsvoll___________ 55) Vgl. dazu ausführlich Kübler/Bierbach, § 28 Rn. 48. 56) Nerlich/Römermann/Braun, § 222 Rn. 101 ff. 57) Vgl. ausführlich zum Ganzen MünchKomm-InsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 54 ff.
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F. Immobilien im Insolvenzplanverfahren
streckung in das Grundstücks des Vaters nach wie vor 1.000.000,00 € verlangen kann. Der Verzicht im Rahmen des Insolvenzplans wirkt hier nicht. 452 § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO bewirkt also eine Aufhebung des Akzessorietätsprinzips.58) Diese Regelung gilt aber nur im Rahmen des Abschlusses eines Insolvenzplans. Erfolgt der gleiche Verzicht im Rahmen eines Vergleiches des Insolvenzverwalters mit dem Gläubiger, so kann der Gläubiger – wegen der Akzessorietät der Hypothek – den Drittsicherheitengeber nur noch in Höhe der reduzierten Forderung in Anspruch nehmen.59) 453 Nach § 254 Abs. 2 Satz 2 InsO kann jedoch der Rückgriff des Drittsicherheitengebers im Innenverhältnis wiederum nur in der Höhe erfolgen, in der die Forderung auch im Rahmen des Insolvenzplans berücksichtigt ist, sog. Regresssperre. Fortsetzung des Beispiels: Macht im obigen Beispiel der Vater bei Androhung der Zwangsvollstreckung durch die Bank von seinem nach § 1142 Abs. 1 BGB bestehenden Ablöserecht Gebrauch und zahlt die 1.000.000,00 € an das Kreditinstitut, so erwirbt er die gesicherte Forderung nach § 1143 Abs. 1 BGB. Er kann – wegen § 254 Abs. 2 Satz 2 InsO – aber nur in Höhe von 500.000,00 € Regress nehmen. 454 Durch diese Regelung wird verhindert, dass der Erfolg des Insolvenzplans nachträglich auf der Regressebene vereitelt wird. In der Höhe, in der der Plan also keine Befriedigung des Gläubigers vorsieht, realisiert sich das Ausfallrisiko des Drittsicherheitengebers.60) 2.
Reichweite der Erlasswirkung für nachrangige Gläubiger gemäß § 225 Abs. 1 InsO
455 Nach § 225 Abs. 1 InsO gelten die Forderungen der nachrangigen Gläubiger grundsätzlich mit rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans als erlassen, wenn der Insolvenzplan keine anderweitige Regelung dazu vorsieht. Diese Regelung kann für die grundpfandrechtlich gesicherten Gläubiger eine besondere Bedeutung entfalten. Nach § 39 Ziff. 1 InsO sind die Zinsen und Säumniszuschläge, die ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anfallen, nachrangig. In der Regel erfasst die Sicherung einer Forderung durch ein Absonderungsrecht nach der jeweiligen Sicherungsabrede nicht nur die Hauptforderung, sondern auch die auf die Hauptforderung anfallenden Zinsen und Säumniszuschläge. Bei akzessorischen Sicherheiten hätte dies von Gesetzes wegen die Folge, dass der Gläubiger ohne eine entsprechende abweichende Regelung im Insolvenzplan die Befriedigungsmöglichkeit aus seinem Absonderungsrecht hinsichtlich der Zinsen nach Eröffnung verliert. Ohne eine entsprechende Regelung im In___________ 58) MünchKomm-InsO/Huber, § 254 Rn. 25. 59) BGH, NJW 2003, 59, 60. 60) Uhlenbruck/Lüer, § 254 Rn. 18.
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II. Wirkung des bestätigten Plans auf Immobiliarsicherheiten
solvenzplan ist der Gläubiger dann – ungewollt vom Planverfasser – schlechter gestellt als im Falle des Regelinsolvenzverfahrens.61) Um zu verhindern, dass seitens der betreffenden Gläubiger ein Antrag nach § 251 InsO gestellt werden kann, muss dieser Problemfall vom Planverfasser berücksichtigt werden und eine entsprechende Regelung im Rahmen des Insolvenzplans in der Weise getroffen werden, dass diese Ansprüche auf Zinsen seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht als erlassen gelten. Zusätzlich ist für diese Forderungen eine eigene Gruppe nach § 222 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 InsO zu bilden. Im Rahmen des Insolvenzplans ist jedoch für diese Gruppe keine Zahlung vorzusehen, da die Gruppenbildung nur zum Zweck der Anspruchserhaltung erfolgt.62)
___________ 61) Vgl. dazu ebenfalls ausführlich Kübler/Bierbach, § 28 Rn. 56. 62) Kübler/Bierbach, § 28 Rn. 56.
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G. Insolvenzanfechtung I.
Einleitung
Die Insolvenzanfechtung, geregelt in den §§ 129 ff. InsO, stellt ein vielfach un- 456 terschätztes Risiko für die Absicherung von Forderungen durch Immobilien dar. Nicht selten erweisen sich insolvenzbeständig geglaubte Sicherheiten als anfechtbar und ihr Verlust führt zu unvorhergesehenen Ausfällen. Diese unerwünschte Folge ließe sich vielfach vermeiden, wenn das Risiko einer späteren Anfechtung schon bei Hereinnahme der Sicherheit erkannt und geeignete Maßnahmen ergriffen würden, um das Anfechtungspotential im Ernstfall gering zu halten. Für Kreditinstitute als eine der hauptbetroffenen Gläubigergruppen empfiehlt sich dazu die Einbindung ihrer Abwicklungsspezialisten bereits in einer Phase, in der an eine Insolvenz des Kunden noch nicht zu denken ist. In der Krise ist es oftmals zu spät, Versäumtes nachzuholen. Grund ist, dass die meisten Anfechtungsvorschriften an subjektive Tatbestandsmerkmale anknüpfen, wie beispielsweise die Kenntnis des Gläubigers (Anfechtungsgegners) von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des späteren Insolvenzschuldners. Eine einmal bestehende Kenntnis schadet und macht eine erfolgreiche Verteidigung gegen einen erhobenen Anfechtungsanspruch oftmals unmöglich. Das gilt nicht nur für die Bestellung, sondern auch für die Änderung und schlussendlich die Verwertung von Sicherheiten. II.
Allgemeine Anfechtungsvoraussetzungen
1.
Ziel des Insolvenzverfahrens
Gemäß § 1 InsO dient das Insolvenzverfahren dazu, die Forderungen sämt- 457 licher Gläubiger eines Schuldners gleichmäßig zu bedienen, indem sein Vermögen verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung, insbesondere zum Erhalt des Unternehmens, getroffen wird. Welche der beiden Alternativen umgesetzt wird, hängt davon ab, mit welcher das Ziel einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung am ehesten zu erreichen ist. Wird der Weg der Vermögensverwertung eingeschlagen, ist die Insolvenzanfechtung, geregelt in den §§ 129 bis 146 InsO, unverzichtbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Durchführung des Verfahrens. Ihr Ziel ist es, die Verschiebung oder Belastung von Bestandteilen des Schuldnervermögens zugunsten einzelner Gläubiger rückgängig zu machen, um es zugunsten der Gläubigergesamtheit zu verwerten. Zur Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen innerhalb des Insolvenzverfahrens ist ausschließlich der Insolvenzverwalter berechtigt. 2.
Objektive Gläubigerbenachteiligung gem. § 129 InsO
Allgemeine Voraussetzung einer Insolvenzanfechtung ist § 129 InsO. Nach 458 dieser Vorschrift kann der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen, die vor der Bosold
113
G. Insolvenzanfechtung
Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO anfechten. 459 Rechtshandlung ist jedes von einem Willen getragene Handeln, das rechtliche Wirkungen auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann. Zu den Rechtsakten zählen nicht nur Willenserklärungen als Bestandteil von Rechtsgeschäften aller Art und rechtgeschäftliche Handlungen, sondern auch Realakte, denen das Gesetz Rechtswirkungen beimisst.1) 460 Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn durch die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch unter primär wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Zugriff der Insolvenzgläubiger auf das Schuldnervermögen erschwert, verzögert oder vereitelt wird.2) So führt beispielsweise die Übertragung eines Grundstücks ohne ausgleichende Gegenleistung zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung. 3.
Absonderungsrechte
461 Weil jede erfolgreiche Anfechtung voraussetzt, dass ihr Gegenstand ohne die angefochtene Rechtshandlung zum haftenden Vermögen des Insolvenzschuldners gehört, benachteiligt eine Sicherung oder Befriedigung, die ein Gläubiger aufgrund eines insolvenzfesten Sicherungsrechts am Schuldnervermögen erlangt (sog. Absonderungsrecht), die Gesamtheit der Gläubiger nicht. Absonderungsrechte sind geregelt in den §§ 49 bis 51 InsO. Als wichtigste Absonderungsrechte sind (Grund-) Pfandrechte, Sicherungsübereignungen und Sicherungsabtretungen zu nennen. So schließt beispielsweise die Verwertung eines unanfechtbar bestellten Grundpfandrechts eine objektive Gläubigerbenachteiligung aus. 4.
Einzelne Anfechtungstatbestände
462 Neben der objektiven Gläubigerbenachteiligung müssen die besonderen Voraussetzungen der jeweiligen Anfechtungsnorm vorliegen, auf die die Anfechtung konkret gestützt ist. Im Zusammenhang mit der Anfechtung von Immobiliarsicherheiten sind als wichtigste Anfechtungsnormen die Vorschriften der sog. Deckungsanfechtung gemäß den §§ 130 und 131 InsO, der sog. Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO und der Anfechtung einer unentgeltlichen Leistung (sog. Schenkungsanfechtung) gemäß § 134 InsO zu nennen. Weil die Anfechtungstatbestände grundsätzlich selbstständig nebeneinander stehen, können sie allein, aber auch gleichzeitig vorliegen. ___________ 1) BGH, Urt. v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, NZI 2009, 644. 2) BGH, Urt. v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, NZI 2009, 644.
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Bosold
II. Allgemeine Anfechtungsvoraussetzungen
a)
§ 130 InsO
§ 130 InsO regelt die Anfechtung der sog. kongruenten Deckung. Dabei han- 463 delt es sich um eine Sicherung oder Befriedigung, auf die der Insolvenzgläubiger einen fälligen, konkret identifizierbaren Anspruch hatte. Aus diesem Grund ist die Anfechtung nur unter engen Voraussetzungen möglich. Gemäß § 130 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung, die dem Insolvenzgläubiger 464 eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, anfechtbar,
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte (Abs. 1 Nr. 1) oder
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. (Abs. 1 Nr. 2).
Gemäß § 130 Abs. 2 InsO steht der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des 465 Eröffnungsantrags die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn zum Zeitpunkt der Rechtshandlung we- 466 nigstens 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten des Schuldners nicht durch liquide Mittel gedeckt sind und nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist. Die Liquiditätslücke ist anhand einer Liquiditätsbilanz zu ermitteln.3) Die Zahlungsunfähigkeit kann daneben aus Indizien hergeleitet werden. So wird die Zahlungsunfähigkeit gemäß 17 Abs. 2 Satz 2 InsO gesetzlich vermutet, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Eigene Erklärungen des Schuldners, eine fällige Verbindlichkeit nicht begleichen zu können, deuten auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind.4) Daneben sind in der Rechtsprechung zahlreiche weitere Indizien anerkannt, die auf eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hindeuten können. Anfechtbar nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist beispielsweise die vertragsgemäße 467 Rückführung eines Darlehens innerhalb der letzten drei Monate vor dem Insolvenzantrag, wenn der Schuldner zu dieser Zeit zahlungsunfähig war und die Bank die Zahlungsunfähigkeit oder Umstände, die zwingend darauf schließen lassen, kannte. ___________ 3) BGH, Urt. v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134 = ZIP 2005, 1426 = ZInsO 2005, 807 = NZI 2005, 547. 4) BGH Urt. v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 = ZInsO 2006, 1210 = NZI 2007, 36.
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115
G. Insolvenzanfechtung
b)
§ 131 InsO
468 In Abgrenzung zu § 130 InsO beinhaltet § 131 InsO die Anfechtung der sog. inkongruenten Deckung, also der Sicherung oder Befriedigung, die der Gläubiger nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Sie ist gegenüber § 130 InsO unter erleichterten Voraussetzungen anfechtbar. 469 Gemäß § 131 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, anfechtbar,
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist (Abs. 1 Nr. 1),
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war (Abs. 1 Nr. 2) oder
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, dass sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte (Abs. 1 Nr. 3).
470 Gemäß § 131 Abs. 2 InsO steht für die Anwendung des Abs. 1 Nr. 3 der Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. 471 Anfechtbar nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist beispielsweise die innerhalb des letzten Monats vor dem Eröffnungsantrag im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigung (inkongruente Deckung) eines Insolvenzgläubigers. c)
§ 133 InsO
472 § 133 InsO regelt die Vorsatzanfechtung. Hiernach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil (Anfechtungsgegner) zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn er wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Zusammengefasst hat die Vorsatzanfechtung drei Voraussetzungen, nämlich eine Rechtshandlung des Schuldners, den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Vorsatz. 473 Eine Rechtshandlung des Schuldners liegt vor, wenn er frei darüber entscheiden kann, ob er die angefochtene Leistung erbringt oder verweigert.5) Reine ___________ 5) BGH, Urt. v. 10.2.2005, IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 = ZInsO 2005, 260 = ZIP 2005, 494, NZI 2005, 215.
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Bosold
II. Allgemeine Anfechtungsvoraussetzungen
Zwangvollstreckungsmaßnahmen sind von einer Anfechtung nach § 133 InsO daher ausgenommen.6) Gleichwohl ist der vollstreckende Gläubiger damit nicht automatisch vor einer Anfechtung gemäß § 133 InsO geschützt. Nach der Rechtsprechung des BGH fällt auch eine die Zwangsvollstreckung ermöglichende Mitwirkungshandlung unter das Tatbestandsmerkmal „Rechtshandlung“. Darunter fallen beispielsweise Teilzahlungen des Schuldners, die er nach erfolgloser Zwangsvollstreckung an den Gerichtsvollzieher erbringt7) oder Scheckhingaben an den Gerichtsvollzieher.8) Darüber hinaus erfordert der Tatbestand des § 133 InsO einen Gläubigerbe- 474 nachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Gläubigers (Anfechtungsgegners) von diesem Vorsatz. Weil diese subjektiven Tatbestandvoraussetzungen einem Beweis nur eingeschränkt zugänglich sind, ist zu deren Ermittlung an objektive Kriterien anzuknüpfen. Eines dieser Kriterien ist in § 133 Abs. 1 Nr. 2 InsO gesetzlich normiert. Danach wird die Kenntnis des Gläubigers vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vermutet, wenn er die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und die Gläubigerbenachteiligung kannte. Der Bundesgerichtshof hat darüber hinaus eine Reihe weiterer Indizien entwickelt, deren Vorliegen auf einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die entsprechende Kenntnis des Gläubigers schließen lassen sollen. Danach kann beispielsweise die Inkongruenz der Erfüllungshandlung in der Krise den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis des Gläubigers von diesem Vorsatz indizieren. Gleiches gilt bei kongruenten Erfüllungshandlungen, wenn der Schuldner drohend zahlungsunfähig war und der Gläubiger von weiteren Forderungen des Schuldners wusste, wovon beim gewerblichen Schuldner regelmäßig auszugehen sei (sog. doppelte Vermutung).9) Ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ist nicht einmal ausgeschlossen, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung noch gar keine Gläubiger hatte.10) Zwar hat der BGH mehrfach betont, dass die genannten Anknüpfungstatsa- 475 chen keine unwiderlegliche Vermutung für das Vorliegen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes und die Kenntnis des Anfechtungsgegners darstellen, sondern nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen.11) Im Ergebnis führen sie aber zu einer erheblichen Herabsetzung der Voraussetzungen für eine erfolgreiche Anfechtung gemäß § 133 InsO, wodurch das Stufenverhältnis der Anfechtungsvorschriften beinahe umgekehrt wurde. Das ist im Schrifttum teilweise auf heftige ___________ 6) 7) 8) 9) 10) 11)
BGH, Urt. v. 10.2.2005, IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, ZInsO 2005, 260, ZIP 2005, 494. BGH, Urt. v. 10.12.2009, IX ZR 128/08, ZIP 2010, 191 = ZInsO 2010, 226. BGH, Urt. v. 19.2.2009, IX ZR 22/07, ZIP 2009, 728 = NZI 2009, 312 = ZInsO 2009, 717. BGH, Urt. v. 17.7.2003, IX ZR 272/02, ZIP 2003, 1799 = NZI 2003, 597 = ZInsO 2003, 850. BGH, Urt. v. 13.8.2009, IX ZR 159/06, ZIP 2009, 1966 = NZI 2009, 768. BGH, Urt. v. 18.3.2010, IX ZR 57/09, ZIP 2010, 841 = NZI 2010, 439.
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G. Insolvenzanfechtung
Kritik gestoßen, weil die Vorsatzanfechtung nach der Intention des Gesetzgebers, die sich in der systematischen Stellung im Gesetz widerspiegelt, nicht zuletzt wegen der langen Anfechtungsfrist von zehn Jahren, einen Ausnahmetatbestand zu den übrigen Anfechtungsnormen in der InsO darstellen soll. Eine Umkehr der Rechtsprechungspraxis ist gegenwärtig aber nicht absehbar. Gläubiger werden sich daher zunehmend auf Anfechtungen nach § 133 InsO einstellen müssen. d)
§ 134 InsO
476 In § 134 InsO betrifft die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen. Eine unentgeltliche Leistung des Schuldners ist anfechtbar, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden. aa)
Zweipersonenverhältnis
477 Im Zweipersonenverhältnis ist eine Zuwendung als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenüber steht, d. h. dem Leistenden keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließen soll. Das betrifft beispielsweise freigiebige Zuwendungen. bb)
Mehrpersonenverhältnis
478 Anders als im Zweipersonenverhältnis beurteilt sich die Frage der Entgeltlichkeit im Mehrpersonenverhältnis danach, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung an den Schuldner oder einen Dritten, also ein Vermögensopfer, zu erbringen hat. Ist dies der Fall, scheidet eine Anfechtung nach § 134 InsO aus. 479 So ist beispielsweise die Abtretung der Ansprüche aus einer Lebensversicherung für den Erlebens- und den Todesfall auf Grundlage einer in der Abtretungsvereinbarung hierzu übernommenen Verpflichtung gegenüber dem Sicherungsnehmer nicht als unentgeltliche Leistung anfechtbar, wenn dieser Zugum-Zug oder später vereinbarungsgemäß einem Dritten ein Darlehen ausreicht. Die Entgeltlichkeit setzt nicht voraus, dass der Sicherungsnehmer auch dem Sicherungsgeber gegenüber zur Darlehensgewährung an den Dritten verpflichtet ist.12) 480 Die Gegenleistung des Zuwendungsempfängers kann sogar darin bestehen, dass er eine werthaltige Forderung gegen den Dritten verliert, denn diese stellt
___________ 12) BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, ZIP 2013, 223 = ZInsO 2013, 240 = NZI 2013, 258.
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II. Allgemeine Anfechtungsvoraussetzungen
für ihn einen Vermögenswert dar. Ist diese Forderung hingegen wertlos, erbringt er nichts, was als Gegenleistung anzusehen wäre.13) e)
Weitere Anfechtungsnormen
Neben den aufgezeigten Regelungen sind in der Insolvenzordnung weitere An- 481 fechtungstatbestände normiert, die für Immobilien in der Insolvenzrechtspraxis aber eine untergeordnete Rolle spielen. 5.
Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung gem. § 140 InsO
Maßgeblich für die Anfechtung einer Rechthandlung ist gemäß § 140 Abs. 1 482 InsO der Zeitpunkt, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Bei mehraktigen Rechtshandlungen ist an den letzten zur Erfüllung des Tatbestandes erforderlichen Teilakt anzuknüpfen. Ausnahmen von diesem Grundsatz bilden § 140 Abs. 2 und Abs. 3 InsO. Abs. 2 regelt den anfechtungsrelevanten Vornahmezeitpunkt von Registerrechten. Ist für das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts die Eintragung in ein Register erforderlich, so gilt das Rechtsgeschäft als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist und der andere Teil (Anfechtungsgegner) den Antrag auf Rechtsänderung gestellt hat. Demnach kommt es beispielsweise für die Übertragung von Grundstücken darauf an, wann der jeweilige Eintragungsantrag vom „anderen Teil“ gestellt wurde und nicht darauf, wann die für den Erwerb konstitutive (spätere) Eintragung erfolgte. Abs. 3 regelt den anfechtungsrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt für das Wirksamwerden von bedingten oder befristeten Rechthandlungen und stellt klar, dass der Eintritt der Bedingung oder des Termins „außer Betracht bleibt“. Entscheidend ist demnach der Abschluss der rechtsbegründenden Tatbestände. 6.
Bargeschäft gem. § 142 InsO
§ 142 InsO definiert als Bargeschäft eine Leistung des Schuldners, für die eine 483 unmittelbar gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt ist. Sie kann nur angefochten werden, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind. Ein Bargeschäft gemäß § 142 InsO liegt vor, wenn der Schuldner in engem 484 zeitlichem Zusammenhang mit seiner Leistung auf Grund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat. Der Rechtsgrund für die anfechtungsrechtliche Begünstigung von Bargeschäften liegt darin, dass wegen des ausgleichenden Vermögenswerts keine Vermö___________ 13) BGH, Urt. v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, ZIP 2009, 1122 = ZInsO 2009, 1056 = NZI 2009, 435.
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G. Insolvenzanfechtung
gensverschiebung zulasten des Schuldners, sondern eine bloße Vermögensumschichtung stattfindet.14) 485 Das bloße „Stehenlassen“ einer Darlehensforderung, also der Verzicht auf das Einfordern, stellt dagegen beispielweise keinen ausgleichenden Gegenwert dar, weil dem Schuldner kein neuer Vermögenswert zugeführt wird.15) 486 Inkongruente Leistungen sind nicht als Bardeckung anzusehen.16) 7.
Verjährung gem. § 146 InsO
487 Hinsichtlich der Verjährung von Anfechtungsansprüchen verweist § 146 InsO auf die Regelung über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (objektives Kriterium) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (subjektives Kriterium). Erst wenn beide Kriterien kumulativ vorliegen, beginnt die Frist. Verjährungsbeginn von Anfechtungsansprüchen ist demnach der Schluss des Jahres, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und der Insolvenzverwalter von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Anfechtungsgegners Kenntnis erlangte oder ohne grobe Fahrlässigkeit erkennen musste. Bei späterer Kenntniserlangung verschiebt sich der Verjährungsbeginn entsprechend. 8.
Rechtsfolge gem. § 143 InsO
488 Gemäß § 143 InsO ist dasjenige, was durch eine anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, an die Insolvenzmasse zurückzugewähren. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung gelten entsprechend. III.
Besondere Anfechtungsprobleme bei Immobilen in der Insolvenz
489 Auf der Grundlage der vorgehend dargestellten allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen ergeben sich für die Übertragung und Belastung von Immobilien in der Insolvenz vielgestaltige Anfechtungsprobleme, von denen die wichtigsten unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nachfolgend dargestellt sind.
___________ 14) BGH, Urt. v. 9.6.2005, IX ZR 152/03, ZIP 2005, 1243 = ZInsO 2005, 766 = NZI 2005, 497. 15) BGH, Urt. v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, ZIP 2008, 183 = ZInsO 2008, 91 = NZI 2008, 89. 16) BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 = ZIP 2006, 1261 = ZInsO 2006, 712 = NZI 2006, 469.
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III. Besondere Anfechtungsprobleme bei Immobilen in der Insolvenz
1.
Neubestellung von Sicherheiten
Die Neubestellung von Grundpfandrechten kann unter mehreren Aspekten an- 490 fechtungsrechtlich bedeutsam sein. Das hängt von verschiedenen Faktoren ab, u. a. ob eine eigene oder fremde Verbindlichkeit gesichert wird, ob eine neue oder alte Verbindlichkeit gesichert wird, ob der Wert des Grundpfandrechts dem Wert der gesicherten Forderung entspricht und zu welchem Zeitpunkt das Grundpfandrecht bestellt wird. Deswegen ist bei der Neubestellung von Grundpfandrechten als einem der wichtigsten Kreditsicherungsmittel besondere Sorgfalt geboten. a)
Sicherung einer eigenen Verbindlichkeit des Schuldners
aa)
Sicherung innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag oder danach
Sichert der Schuldner eine neue, eigene Verbindlichkeit, ist an eine Anfechtung 491 nach § 130 InsO zu denken, wenn die Grundpfandrechtsbestellung innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag oder danach, also in der „kritischen Zeit“ erfolgte. Der Gläubiger erlangt in diesem Fall eine kongruente Deckung, die bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 130 InsO anfechtbar sein kann. Weil mit der Sicherheitenbestellung zumeist eine gleichwertige Gegenleistung unmittelbar in das Vermögen des Schuldners gelangt, scheitert die Anfechtung in diesem Fall aber am Bargeschäftseinwand gemäß § 142 InsO. Typischer Fall ist die Bestellung eines Grundpfandrechts zur Absicherung eines neu ausgereichten Darlehens. Wird mit der neuen Sicherheit zusätzlich eine bereits bestehende, eigene Verbind- 492 lichkeit des Schuldners gesichert, ist eine Anfechtung gemäß § 130 InsO hingegen nicht durch § 142 InsO ausgeschlossen, denn dann fehlt es regelmäßig an der Gleichwertigkeit zwischen der Grundschuld und der Gegenleistung des Gläubigers. Möglich ist in diesem Fall zudem eine Anfechtung gemäß § 131 InsO, wenn 493 der Gläubiger auf die Sicherung der bereits bestehenden Forderung keinen Anspruch hatte. Dann kann die Sicherheitenbestellung sogar ein insgesamt inkongruentes, in vollem Umfang nach § 131 InsO anfechtbares Deckungsgeschäft sein, sofern nicht festgestellt werden kann, ob und in welchem Umfang sich die Sicherung auf bestimmte Ansprüche bezieht.17) Bei der gleichzeitigen Besicherung einer neuen und bereits bestehenden Ver- 494 bindlichkeit ist deswegen darauf zu achten, den Verwendungszweck in der Sicherungsvereinbarung zur Grundschuld so zu definieren, dass eine konkrete Zuordnung zu den gesicherten Forderungen möglich ist. Das kann in der Weise erfolgen, dass eine Rangfolge festgelegt wird, wonach mit der neuen Sicher___________ 17) BGH, Beschl. v. 8.12.2011 – IX ZR 57/08, NZI 2012, 81.
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G. Insolvenzanfechtung
heit zunächst die neue Forderung und erst danach die bereits bestehende Forderung gesichert werden soll (oder umgekehrt). Eine sog. weite Verwendungszweckerklärung ist dazu nicht geeignet und sollte in diesem Fall nicht genutzt werden. 495 Dient die neue Sicherheit ausschließlich zur Absicherung einer bereits bestehenden Verbindlichkeit hängt die Anfechtbarkeit davon ab, ob der Gläubiger von Anfang an einen Anspruch auf die Sicherheit hatte. Ist das der Fall, richtet sich die Anfechtung nach § 130 InsO. Mangels einer ausgleichenden, unmittelbaren Gegenleistung des Gläubigers ist die Anfechtung nicht nach § 142 InsO ausgeschlossen. In dem bloßen Verzicht auf das Zurückfordern der Forderung (sog. Stehenlassen) ist keine Gegenleistung zu sehen, weil dem Schuldner dadurch kein neuer Vermögenswert zugeführt wird.18) 496 Fehlte von vornherein ein Anspruch auf die Nachbesicherung, liegt ein inkongruentes Deckungsgeschäft vor, das nach Maßgabe von § 131 InsO anfechtbar sein kann. bb)
Sicherung innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Eröffnungsantrag
497 Des Weiteren ist eine Anfechtung nach § 134 InsO in Betracht zu ziehen, wenn die Sicherheitenbestellung innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Eröffnungsantrag erfolgte. 498 Die Bestellung einer Sicherheit für eine eigene, durch eine entgeltliche Gegenleistung begründete Verbindlichkeit ist indessen keine unentgeltliche Leistung, unabhängig davon, ob die Sicherheit von Anfang an oder erst später vereinbart und/oder gewährt worden ist.19) Dieser Fall stellt somit eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass es für die Beurteilung der Entgeltlichkeit im ZweiPersonen-Verhältnis darauf ankommt, ob der Leistende eine ausgleichende Gegenleistung erhalten hat. cc)
Sicherung innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Eröffnungsantrag
499 Darüber hinaus kann sich die Besicherung einer eigenen Verbindlichkeit nach § 133 InsO als anfechtbar erweisen, wenn sie innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist. Insofern ergeben sich für die Bestellung von Grundpfandrechten keine anfechtungsrechtlichen Besonderheiten gegenüber anderen Rechtshandlungen. Die Grundpfandrechtsbestellung ist anfechtbar, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, handelte, und der Anfechtungsgegner diesen Vorsatz kannte. ___________ 18) BGH, Urt. v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, ZIP 2008, 183 = ZInsO 2008, 91 = NZI 2008, 89. 19) BGH, Beschl. v. 17.9.2009 – IX ZR 222/07, juris.
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III. Besondere Anfechtungsprobleme bei Immobilen in der Insolvenz
b)
Sicherung einer fremden Verbindlichkeit (Mehrpersonenverhältnis)
Die Sicherung einer ausschließlich fremden Verbindlichkeit, also die Gewäh- 500 rung einer sog. Drittsicherheit, ist nicht weniger anfechtungsgefährdet als die Sicherung einer eigenen Schuld. Zwar scheidet hier eine Anfechtung nach den Vorschriften der Deckungsanfechtung aus, weil der Sicherungsgeber nicht Insolvenzgläubiger des Schuldners ist. Umso mehr drängt sich dagegen eine Anfechtung der Sicherheitenbestellung als unentgeltliche Leistung gemäß § 134 InsO auf, weil der Sicherungsgeber vom Sicherungsnehmer keine Gegenleistung für die von ihm gewährte Sicherheit erhält. Bei der Besicherung einer fremden Verbindlichkeit richtet sich die Anfechtbar- 501 keit gemäß § 134 InsO grundsätzlich danach, ob der Zuwendungsempfänger (Anfechtungsgegner) für den Erhalt der Sicherheit eine ausgleichende Gegenleistung i. S. e. Vermögensopfers erbracht hat. Entgeltlichkeit ist gegeben, wenn der durch die Sicherheitenbestellung erlo- 502 schene Nachbesicherungsanspruch des Zuwendungsempfängers gegen seinen Schuldner/Dritten werthaltig war.20) Allein das „Stehenlassen“ einer ungekündigten, aber kündbaren Darlehensfor- 503 derung stellt hingegen keine zur Entgeltlichkeit führende Leistung dar, unabhängig davon ob der Rückzahlungsanspruch zum Zeitpunkt der Nachbesicherung durchsetzbar gewesen ist.21) Abweichend vom Grundsatz, dass ein Vermögensopfer des Zuwendungsempfängers die Unentgeltlichkeit der Leistung ausschließt, stellt der BGH in entsprechender Anwendung der Rechtsprechung zum Bargeschäft (§ 142 InsO) insoweit auf die Gleichwertigkeit der Gegenleistung des Zuwendungsempfängers ab. Der Grund für diese Durchbrechung wurde vom BGH offen gelassen. Gleichwohl kann die – auch nachträgliche – Besicherung einer fremden Ver- 504 bindlichkeit entgeltlich sein, wenn der Sicherungsgeber aufgrund einer entgeltlich begründeten Verpflichtung zur Bestellung der Sicherheit gehalten war. Das ist der Fall, wenn dem Sicherungsgeber für seine Leistung eine Gegenleistung an den Dritten versprochen und erbracht wurde.22) 2.
Werthaltigmachung der Immobilie
Wertsteigernde Maßnahmen an einer grundpfandrechtlich belasteten Immobi- 505 lie (sog. Werthaltigmachung) können anfechtbare Rechtshandlungen i. S. d. §§ 129 ff. InsO darstellen.
___________ 20) BGH, Urt. v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, ZIP 2009, 1122 = ZInsO 2009, 1056 = NZI 2009, 435. 21) BGH, Urt. v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, ZIP 2009, 1122 = ZInsO 2009, 1056 = NZI 2009, 435. 22) BGH Beschl. v. 6.12.2012 – IX ZR 105/12 = ZInsO 2013, 73 = NZI 2013, 81.
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506 Das Thema Werthaltigmachung von Sicherheiten wird vor allem im Zusammenhang mit der Aufwertung von Globalzessionen durch die Begründung neuer, unter die Sicherheit fallender Forderungen diskutiert und ist häufiger Streitpunkt zwischen Insolvenzverwaltern und Gläubigern. Anknüpfungspunkt für die Anfechtbarkeit des Werthaltigmachens ist in diesem Fall die Gläubigerbenachteiligung durch Bereitstellung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer des Schuldners. Macht der Schuldner die global an seine Bank abgetretenen (künftigen) Forderungen gegen seine Auftraggeber dadurch werthaltig, dass er die geschuldeten Arbeitsleistungen durch seine Arbeitnehmer erbringen lässt, ist die Werthaltigmachung der abgetretenen Forderungen als kongruente Deckung anfechtbar.23) 507 Auf der Grundlage der Rechtsprechung zur Globalzession kann auch die Werthaltigmachung einer Immobilie anfechtbar sein, wenn der Schuldner die Wertsteigerung durch Leistungen seiner Arbeitnehmer herbeiführt. Entsprechendes gilt, wenn er zur Wertsteigerung Vermögen einsetzt, das andernfalls zur Befriedigung aller Gläubiger zur Verfügung gestanden hätte. 3.
Unterdeckungnahme einer Forderung
508 Anfechtungsrisiken bringt auch die sog. Unterdeckungnahme einer Forderung mit sich. Von einer Unterdeckungnahme ist die Rede, wenn ein bereits vorhandenes Grundpfandrecht als Sicherheit für eine ungesicherte Forderung des Sicherungsnehmers oder eines Dritten verwendet wird. Die Unterdeckungnahme kann in der Weise bewirkt werden, dass die ungesicherte Forderung an den Grundpfandrechtsgläubiger oder das Grundpfandrecht an den ungesicherten Forderungsinhaber abgetreten wird. 509 Die Unterdeckungsnahme durch Abtretung der Grundschuld an einen ungesicherten Gläubiger kann die Insolvenzmasse dadurch schmälern, dass der Schuldner die sog. Nichtvalutierungseinrede verliert, also die Einrede, dass die Grundschuld keine Forderung mehr sichert. Die Abtretung ist in diesem Fall unanfechtbar, wenn gemäß der zwischen dem Schuldner und dem Zedenten insolvenzfest getroffenen Sicherungsvereinbarung die Grundschuld vollumfänglich auch die Forderung des Dritten sichert. Dies folgt aus der Rechtsprechung des BGH zur Unterdeckungnahme einer Forderung durch Abtretung der Grundschuld nach Verfahrenseröffnung.24) Die Abtretung nach Verfahrenseröffnung beurteilt der BGH als nicht unwirksam gemäß § 91 InsO. Nach dieser Vorschrift können Rechte an Gegenständen der Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden. Der Erwerb der Grundschuld (und damit eines Absonderungsrechts) sei vielmehr wirksam, ___________ 23) BGH, Urt. v. 26.6.2008 – IX ZR 144/05, ZIP 2008, 1435 = ZInsO 2008, 801 = NZI 2008, 539. 24) BGH, Urt. v. 21.2.2008, IX ZR 255/06, ZIP 2008, 703 = ZInsO 2008, 317 = NZI 2008, 304.
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III. Besondere Anfechtungsprobleme bei Immobilen in der Insolvenz
weil die Grundschuld schon vor der Abtretung beide Forderungen vollumfänglich sicherte, so dass die Masse infolge der Grundschuldübertragung keine Nichtvalutierungseinrede verloren habe, also nicht geschmälert wurde. Nichts anderes kann bei gleicher Fallkonstellation im Falle der Grundschuldübertragung vor Verfahrenseröffnung gelten. Die Anfechtung scheitert in diesem Fall am Fehlen einer objektiven Gläubigerbenachteiligung. Relevant ist die neuere Rechtsprechung des BGH insbesondere für Poolverträge, weil eine insolvenzsichere Unterdeckungnahme und damit einhergehend die Erlangung eines Absonderungsrechts hierdurch erleichtert werden. Die Unterdeckungsnahme kann auch in der Weise erfolgen, dass eine ungesi- 510 cherte Forderung an einen gesicherten Gläubiger abgetreten und die Grundschuld dadurch valutiert wird. Auf diesen Fall sind die zur Abtretung der Grundschuld an den ungesicherten Gläubiger geltenden Grundsätze übertragbar. Erwirbt ein Kreditinstitut die ungesicherte Forderung eines Dritten gegen ei- 511 nen ihrer Kunden ausschließlich zu dem Zweck, dem Zedenten Deckung aus der nicht mehr vollumfänglich benötigten Sicherheit zu verschaffen, ist ein derartiges Geschäft indessen nicht banküblich und gemäß § 138 BGB unwirksam, ohne dass es auf die Frage der Anfechtbarkeit bzw. insolvenzrechtlichen Wirksamkeit ankommt.25) 4.
Anfechtbarkeit von Mietzessionen
Die Mietzession ist ein häufig verwendetes Mittel der Kreditsicherung. Teil- 512 weise besteht sie isoliert, ohne zusätzliche grundpfandrechtliche Sicherung, teilweise besteht sie daneben als zusätzliches Mittel der Kreditsicherung. Im letztgenannten Fall lassen sich die Grundpfandrechtsgläubiger zusätzlich zur Grundpfandrechtsbestellung die mithaftenden Mietforderungen als Sicherheit abtreten, in der Annahme, hierdurch ein insolvenzfestes Absonderungsrecht zu erlangen, ohne auf den Weg der gerichtlichen Zwangsverwaltung angewiesen zu sein. Mit dieser Einschätzung befanden sich die betroffenen Gläubiger lange Zeit im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, nach welcher der mit dem Grundschuldinhaber identische Mietzessionar gegenüber dem reinen Forderungsinhaber privilegiert wurde. Verfügungen des Schuldners über mithaftende Forderungen aus seinem Grundstück zu Gunsten von Grundpfandgläubigern wurden als nicht gläubigerbenachteiligend eingestuft, weil sich der Haftungsverband eines Grundpfandrechts gemäß § 1123 BGB, § 1192 BGB auf die Mietforderungen erstreckt.26) Diese Rechtsprechung gab der BGH später aber auf und stellte den mit dem Grundschuldgläubiger identischen Mietzessionar dem persönlichen Mietzessionar im Ergebnis gleich.27) Das führt dazu, dass für die ___________ 25) BGH Urt. v. 31.1.1983 – II ZR 24/82, ZIP 1983, 667. 26) BGH, Urt. v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, ZIP 2007, 35 = ZInsO 2006, 1321 = NZI 2007, 98. 27) BGH, Urt. v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 = ZIP 2010, 38 = ZInsO 2010, 43.
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Anfechtbarkeit der Mietabtretung generell auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem der Schuldner als Vermieter die jeweilige Leistung erbracht hat, also den Gebrauch der Mietsache gewährt. Liegen die Voraussetzungen für eine Anfechtung zu diesem Zeitpunkt vor, ist die Mietabtretung anfechtbar. 513 Trotz der Rechtsprechungsänderung ist der Grundpfandrechtsgläubiger gegenüber dem „normalen“ Mietzessionar weiterhin im Vorteil: Er kann einer Anfechtung wirksam vorbeugen, indem er aus seinem Grundpfandrecht möglichst frühzeitig die Zwangsverwaltung in die Wege leitet. Gemäß § 49 InsO schützt sie ihn auch über den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung hinaus wirksam vor einer Insolvenzanfechtung. 5.
Rückführung von Darlehen
514 Die Rückführung grundpfandrechtlich gesicherter Kontokorrentkredite und Darlehen erscheint auf den ersten Blick anfechtungsrechtlich risikolos, wenn der Gläubiger am Grundstück gesichert und somit zur abgesonderten Befriedigung berechtigt ist, was eine objektive Gläubigerbenachteiligung als Grundvoraussetzung einer Insolvenzanfechtung ausschließt. Diese Annahme ist jedoch trügerisch, weil zumindest bei nichtakzessorischen Grundpfandrechten eine Kreditrückführung nicht automatisch zu einer Reduzierung (auch) der Sicherheit führt. Nur im letztgenannten Fall ist der Gläubiger aber weitgehend vor einer Anfechtung geschützt. a)
Zahlungen des Schuldners
515 Zahlt der mit dem Sicherungsgeber identische Schuldner an den Gläubiger, stellt sich daher zunächst die Frage, ob seine Zahlung als Zahlung auf die persönliche Forderung oder auf die Sicherheit zu qualifizieren ist. Das hängt von seinem bei Zahlung erklärten Willen ab. Wird dieser nicht ausdrücklich erklärt, ist er durch Auslegung zu ermitteln. In den banküblichen Sicherungsvereinbarungen finden sich regelmäßig Vereinbarungen, wie die Zahlungen des Schuldners verrechnet werden. aa)
Zahlung auf die persönliche Forderung
516 Zahlt der Schuldner auf die gesicherte (persönliche) Forderung und erlangt der Gläubiger dadurch eine kongruente Deckung, scheidet eine Gläubigerbenachteiligung im Umfang der Zahlung aus, wenn der Gläubiger in dieser Höhe vollumfänglich, insolvenzbeständig am Schuldnervermögen gesichert war und der Wert des Sicherungsguts anschließend dem Schuldnervermögen zuzuordnen ist. 517 Kann der Sicherungsnehmer von einer vollumfänglichen, insolvenzfesten Sicherung seiner Forderungen ausgehen und auf dieser Grundlage eine Gläubigerbenachteiligung ausschließen, fehlt es zudem an der für eine Anfechtung gemäß
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III. Besondere Anfechtungsprobleme bei Immobilen in der Insolvenz
§ 133 InsO erforderlichen Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners, so dass eine Anfechtung nach dieser Vorschrift ausscheidet.28) bb)
Zahlung auf die Grundschuld
Zahlt der Schuldner auf das Grundpfandrecht, tritt der auf die Grundschuld 518 gezahlte Betrag als sog. Surrogat an deren Stelle. Die durch die Verrechnung des Erlöses mit der gesicherten Forderung erlangte Befriedigung benachteiligt die Gesamtheit der Gläubiger nicht, weil der Gläubiger den vom Schuldner gezahlten Ablösebetrag ebenso durch Verwertung des Sicherungsguts hätte erzielen können.29) Einer Zahlung des Schuldners zum Zwecke der Ablösung des Sicherungsrechts 519 steht der Fall gleich, dass der Käufer des belasteten Grundstücks den Kaufpreis unmittelbar an den Absonderungsberechtigten zahlt, soweit die Zahlung dem Wert des Absonderungsrechts entspricht. Ebenso ist der Fall zu beurteilen, wenn der Käufer die Zahlung zur Ablösung des Sicherungsrechts absprachegemäß auf ein im Soll befindliches Kontokorrentkonto leistet, das der Schuldner bei der absonderungsberechtigten Bank führt, wodurch dieser die Befriedigung aus dem Zahlungseingang im Wege der Verrechnung ermöglicht wird.30) b)
Zahlung des mit dem persönlichen Schuldner nicht identischen Sicherungsgebers
Zahlt der mit dem persönlichen Schuldner nicht identische Sicherungsgeber an 520 den Gläubiger, ergeben sich für den Sicherungsnehmer in der Insolvenz des Schuldners grundsätzlich keine Probleme, unabhängig davon, ob die Zahlung als Zahlung auf die persönliche Forderung oder die Grundschuld zu qualifizieren ist. Die Insolvenzgläubiger des Schuldners werden nicht benachteiligt, weil hierdurch die zur Verfügung stehende Haftungsmasse nicht geschmälert wird. 6.
Gesellschaftersicherheiten
Gesellschaftersicherheiten sind Sicherheiten, die von einem Gesellschafter zur 521 Sicherung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft, an der er beteiligt ist, gestellt werden. Typischerweise sind das Bürgschaften und Grundpfandrechte. Aus Sicht des Sicherungsnehmers handelt es sich um herkömmliche Drittsicherheiten, die auch anfechtungsrechtlich keine Besonderheiten für ihn aufweisen. In der Insolvenz des Gesellschafters können die Sicherheiten nach den vorge___________ 28) BGH, Urt. v. 9.2.2012, IX ZR 48/11, NZI 2012, 514 = ZInsO 2012, 1264. 29) Vgl. BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 = ZInsO 2012, 1429 = NZI 2012, 667. 30) BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 = ZInsO 2012, 1429 = NZI 2012, 667.
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G. Insolvenzanfechtung
hend dargestellten Grundsätzen zur Sicherung einer fremden Verbindlichkeit anfechtbar sein. 522 Jedoch hat der Sicherungsnehmer in der Insolvenz der Gesellschaft bei der Verwertung der Gesellschaftersicherheit zu beachten, dass er gemäß § 44a InsO anteilsmäßige Befriedigung aus der Insolvenzmasse nur verlangen kann, soweit er bei der Inanspruchnahme der Gesellschaftersicherheit ausgefallen ist. Das bedeutet, dass er von der bei Verfahrenseröffnung noch unverwerteten Gesellschaftersicherheit Gebrauch machen muss, wenn er an der Insolvenzmasse teilhaben will. Anderenfalls bleibt seine Forderung unberücksichtigt. 523 Das vorbeschriebene Verwertungserfordernis besteht auch für den Fall, dass neben der Gesellschaft zusätzlich eine Gesellschaftersicherheit besteht, die Forderung des Sicherungsnehmers also doppelt gesichert ist. Allerdings ist insofern das Wahlrecht des Gläubigers, welche Sicherheit er zuerst verwertet, nicht eingeschränkt. Die Annahme eines Vorrangs der Gesellschaftersicherheit vor der Gesellschaftssicherheit würde eine Verschlechterung seiner Rechtsstellung als Absonderungsberechtigter bedeuten, für den eine gesetzliche Grundlage fehlt.31) 524 Aus Sicht des Gesellschafters unterscheidet sich die Stellung einer Gesellschaftersicherheit von der einer herkömmlichen Drittsicherheit dagegen erheblich. In der Insolvenz der Gesellschaft ist seine Regressforderung der Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens gleichgestellt und deswegen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO im Rang nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger zu berichtigen. Der Nachrang gilt allerdings nur für Gesellschaften, die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, als persönlich haftenden Gesellschafter haben. Das folgt aus 39 Abs. 4 Satz 1 InsO. Forderungen, die unter das Sanierungsprivileg des § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO oder unter das Kleinbeteiligungsprivileg des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fallen, sind nicht nachrangig. 525 Neben dem Risiko, einen Nachrang zu erleiden, ist der Gesellschafter zudem anfechtungsgefährdet. Wurde die Sicherheit schon vor Verfahrenseröffnung verwertet und hat er im Hinblick darauf innerhalb des letzten Jahres vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag bei der Gesellschaft Regress genommen, ist die Leistung der Gesellschaft gemäß § 135 Abs. 2 InsO anfechtbar. 526 Führt im Falle einer Doppelsicherung die vorrangige Verwertung der Gesellschaftssicherheit (teilweise) zu einer Befriedigung des Sicherungsnehmers/ Darlehensgebers und wird der Gesellschafter hierdurch von seiner Haftung (teilweise) befreit, steht dem Insolvenzverwalter gegen ihn zudem ein Anspruch in Höhe seines Freiwerdens zu, weil er zu Lasten des Gesellschaftsver___________ 31) BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 = ZIP 2011, 2417 = ZInsO 2012, 81 = NZI 2012, 19.
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III. Besondere Anfechtungsprobleme bei Immobilen in der Insolvenz
mögens (und damit zum Nachteil der Insolvenzgläubiger) begünstigt worden ist.32) Die rechtsdogmatische Grundlage für den Rückgriffanspruch ist allerdings noch offen. 7.
Sanierungskredite
In der wirtschaftlichen Krise des unternehmerisch tätigen Schuldners steht der 527 Gläubiger vielfach vor der Entscheidung, ob er sich an einer möglichen Sanierung zum Zwecke des Unternehmenserhalts beteiligen oder die sonst unabwendbare Insolvenz in Kauf nehmen will. Vor allem für Banken stellt sich die Frage, ob eventuelle Sanierungsbemühungen ihres Kunden durch Ausreichung sog. Sanierungskredite gestützt werden sollen. Dabei handelt es sich um Darlehen, die dem Schuldner in Stadium der Insolvenzreife gewährt werden. Der Begriff der Insolvenzreife wurde vom BGH bisher nicht näher definiert. Nach allgemeiner Meinung liegt Insolvenzreife vor, wenn der Schuldner zahlungsunfähig und/oder überschuldet ist. Der Sanierungskredit dient demnach zur Abwendung eines drohenden Insolvenztatbestandes. Eine rechtliche Verpflichtung zur Kreditgewährung besteht nicht. a)
Allgemeine Risiken
Bei rein wirtschaftlicher Betrachtungsweise wird die Entscheidung der Bank 528 davon abhängen, welche Alternative das geringere Ausfallrisiko für sie erwarten lässt. Im Falle der Insolvenz ist das Risiko auf die bereits bestehenden Kredite beschränkt. Im Falle der Sanierung werden zusätzliche Risiken begründet. Zum einen besteht im Falle des Scheiterns der Sanierung ein Ausfallrisiko in Bezug auf die neu ausgereichten Kredite. Darüber hinaus kann die Sanierungsbeteiligung als Teilnahme an einer Verschleppung des Insolvenzverfahrens zu bewerten sein mit der Gefahr, dass die neu ausgereichten Kredite sowie die neu bestellten Sicherheiten gemäß § 138 BGB nichtig sind, ferner, dass Schadensersatzpflichten gegenüber Dritten begründet werden. Neben den Risiken, die sich aus einer Insolvenzverschleppung ergeben, sind Sanierungskredite hinsichtlich ihrer Besicherung mit der Gefahr einer Insolvenzanfechtung behaftet. b)
Anfechtungsrisiken
Die Sicherung von Sanierungskrediten, beispielsweise durch Grundpfandrech- 529 te, erweist sich schon dem Wortlaut nach als potentiell anfechtungsrelevant, eben weil sie zum Zwecke der Sanierung erfolgt, mithin zur Beseitigung eines drohenden Insolvenztatbestandes. Der Gläubiger verfügt somit über die für die wichtigsten Anfechtungstatbestände erforderlichen Kenntnisse über die Liqui___________ 32) BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 = ZIP 2011, 2417 = ZInsO 2012, 81 = NZI 2012, 19.
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G. Insolvenzanfechtung
ditätslage des Schuldners. Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände ist die Sicherung eine Sanierungskredits daher unter denselben Voraussetzungen anfechtbar, wie die Sicherung eines Kredits ohne Sanierungsbezug. Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, schließen die Besonderheiten eines echten Sanierungskredits eine Anfechtung aber regelmäßig aus. aa)
Schuldnereigene Sicherheit
530 Bestellt der Schuldner zur Sicherung eines Sanierungskredits eine Sicherheit an seinem eigenen Vermögen, kommt eine Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) in Betracht, wenn die Sicherheit innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag gewährt wurde. Wird dem Kreditgeber hiermit eine kongruente Sicherung gewährt, steht der Anfechtung wegen der gleichzeitigen Kreditgewährung der Bargeschäftseinwand des § 142 InsO entgegen. Etwas anderes gilt allerdings, wenn mit der schuldnereigenen Sicherheit zugleich ein früher gewährter Kredit gesichert werden soll, ohne dass ein Bezug auf bestimmte Ansprüche hergestellt werden kann. 531 Die Anfechtung gemäß § 134 InsO scheitert ebenfalls an der gleichzeitigen Kreditgewährung, wenn diese als werthaltige Gegenleistung zur Entgeltlichkeit der Sicherheitenbestellung führt. 532 Bei der Anfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO steht die Gegenleistung des Anfechtungsgegners der Anfechtung nicht entgegen. Dennoch kann auch der Vorsatzanfechtung der Erfolg versagt sein, wenn sich ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und/oder die Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Vorsatz nicht feststellen lässt. Trotz der drohenden Zahlungsunfähigkeit kann der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und damit spiegelbildlich die Kenntnis des Gläubigers (Anfechtungsgegners) von diesem Vorsatz – durch die Umstände des Einzelfalls ausgeschlossen sein, wenn diese ergeben, dass die angefochtene Rechtshandlung (Sicherheitenbestellung) von einem anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen geleitet war und das Bewusstsein des Schuldners von der Benachteiligung anderer Gläubiger infolgedessen in den Hintergrund getreten ist. Das kommt in Betracht, wenn die Gewährung der Sicherung Bestandteil eines ernsthaften, wenngleich fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs ist. Die bloße Hoffnung des Schuldners auf eine Sanierung räumt seinen Benachteiligungsvorsatz dagegen nicht aus, wenn die dazu erforderlichen Bemühungen über die Entwicklung von Plänen und die Erörterung von Hilfsmöglichkeiten nicht hinausgekommen sind. Es muss vielmehr zu der Zeit der angefochtenen Handlung ein schlüssiges Sanierungskonzept vorliegen, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt ist und beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt.33) In diesem Fall sind der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die ___________ 33) BGH, Urt. v. 8.12.2011, IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137 = NZI 2012, 142 = ZInsO 2012, 171.
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III. Besondere Anfechtungsprobleme bei Immobilen in der Insolvenz
Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Vorsatz auch dann ausgeschlossen, wenn nicht alle Gläubiger dem Sanierungsversuch zugestimmt haben. Die für einen ernsthaften Sanierungsversuch erforderliche Zustimmungsquote hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.34) Vor dem Hintergrund der BGH-Rechtsprechung ist Kreditgebern dringend an- 533 zuraten, sich vor der Gewährung eines Sanierungskredits von der Sanierungsfähigkeit des zu unterstützenden Unternehmens durch Einholung eines Sanierungsgutachtens zu vergewissern, das von einem externen Gutachter zu erstellen ist. Hierdurch kann er sich nicht nur von dem Vorwurf der sittenwidrigen Insolvenzverschleppung der Kreditgeber entlasten, sondern auch weitgehend vor einer Anfechtung schützen. bb)
Drittsicherheit
Die Bestellung einer Drittsicherheit zur Sicherung eines Sanierungskredits ist 534 in der Insolvenz des Schuldners nicht anfechtungsträchtig, weil sein Haftungsvermögen nicht betroffen ist und seine Gläubiger nicht benachteiligt werden. Gerät der Drittsicherungsgeber in Insolvenz, drängt sich eine Anfechtung ge- 535 mäß § 134 InsO auf, weil er für die Sicherheitenbestellung keine Gegenleistung vom Sicherungsnehmer erhält. Indessen beurteilt sich die Frage der Unentgeltlichkeit im Mehrpersonenverhältnis nicht danach, ob der Schuldner eine Gegenleistung erhalten, sondern ob der Zuwendungsempfänger eine solche erbracht hat (Vermögensopfergedanke). Deswegen führt die Kreditgewährung an den mit dem Sicherungsgeber nicht identischen Kreditnehmer zu einer die Anfechtung gemäß § 134 InsO ausschließenden Entgeltlichkeit, wenn der Zuwendungsempfänger ihm diese Leistung versprochen hatte. 8.
Notverkauf
Beim Notverkauf veräußert der Verkäufer Wirtschaftsgüter, um sich aus einer 536 finanziellen Notlage zu befreien. Angesichts des kurzfristigen Liquiditätsbedarfs kommt es nicht selten vor, dass Vermögensgegenstände, vielfach Grundstücke, unter Wert verkauft werden, weil das Abwarten bis zu einem adäquaten Kaufangebot zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Gerät der Verkäufer in Insolvenz, ergeben sich für den Erwerber Anfechtungsrisiken. a)
§ 130 InsO
Erfolgt die Leistung des Schuldners in der kritischen Zeit vor dem Insolvenz- 537 antrag, stellt sich die Veräußerung eines Vermögensgegenstandes unter Wert bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 130 InsO als anfechtbar dar. Die An___________ 34) BGH, Beschl. v. 10.2.2011 – IX ZR 176/08, juris.
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G. Insolvenzanfechtung
fechtung ist nicht durch § 142 InsO ausgeschlossen, weil keine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt. b)
§ 132
538 Darüber hinaus stellt sich die Veräußerung weit unter Wert („Verschleuderung“) als Rechtsgeschäft dar, das die Insolvenzgläubiger des Schuldners unmittelbar benachteiligt. Ein derartiges Rechtsgeschäft ist gemäß § 132 InsO anfechtbar, wenn es innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurde, wenn zur Zeit des Rechtsgeschäfts der Schuldner zahlungsunfähig war und der andere Teil (Käufer) die Zahlungsunfähigkeit kannte (Abs. 1 Nr. 1). Dasselbe gilt, wenn das Rechtsgeschäft nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurde, wenn der andere Teil (Käufer) die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte (Abs. 1 Nr. 2). c)
§ 134 InsO
539 Obgleich der Erwerber einen Kaufpreis an den Veräußerer zahlt, kommt eine Anfechtung der Veräußerung als unentgeltliche Leistung des Schuldners gemäß § 134 InsO in Betracht. 540 Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob der Leistung eine zur Entgeltlichkeit führende ausgleichende Gegenleistung des Zuwendungsempfängers gegenübersteht, ist in erster Linie der objektive Sachverhalt, also ob sich Leistung und Gegenleistung in ihrem jeweils objektiv zu ermittelnden Wert entsprechen.35) Die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten sind für die Frage der Entgeltlichkeit zusätzlich von Bedeutung, wenn zu beurteilen ist, ob die Gegenleistung den Wert der Leistung des Schuldners erreicht. Bei dieser Einschätzung steht den Beteiligten ein Bewertungsspielraum zu, der vom Gegenstand der angefochtenen Leistung und den tatsächlichen Gegebenheiten abhängt. Eine teilweise unentgeltliche Leistung unterliegt der Anfechtung insoweit, als deren Wert den der Gegenleistung übersteigt und die Vertragsparteien den ihnen zustehenden Bewertungsspielraum überschritten haben. Bewegen sich die Beteiligten dagegen im Bewertungsspielraum, sind auch Verkäufe unter Wert entgeltlich.36) 541 Auf Basis dieser Rechtsprechung sind Notverkäufe entgeltlich und damit gemäß § 134 InsO unanfechtbar, wenn bei der Preisabsprache der den Beteiligten zustehende weite Bewertungsspielraum nicht überschritten wird.
___________ 35) BGH, Urt. v. 24.6.1993 – IX ZR 96/92, ZIP 1993, 1170. 36) BGH, Urt. v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, ZIP 2004, 957 = ZInsO 2004, 548.
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IV. Fazit
d)
§ 133 InsO
Bei der Veräußerung eines Vermögensgegenstandes unter Wert stellt sich zu- 542 dem die Frage der Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung gemäß § 133 InsO. § 133 InsO erfordert einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners, 543 für dessen Vorliegen es grundsätzlich genügt, dass der Schuldner sich die Benachteiligung seiner Gläubiger nur als möglich vorgestellt, sie aber in Kauf genommen hat, ohne sich durch die Vorstellung von seinem Handeln abhalten zu lassen. Daran kann es fehlen, wenn Umstände vorliegen, die den Benachteiligungsvorsatz in Frage stellen, weil die angefochtene Rechtshandlung von einem anderen, anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen geleitet war und das Bewusstsein der Benachteiligung anderer Gläubiger in den Hintergrund getreten ist. Beim Notverkauf ist der Schuldner von dem Motiv geleitet, sich durch möglichst kurzfristige Erlangung neuer Liquidität aus seiner wirtschaftlichen Zwangslage zu befreien. Eine damit einhergehende Benachteiligung tritt dabei in den Hintergrund, so dass eine Anfechtung gemäß § 133 InsO am fehlenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz scheitern kann. IV.
Fazit
Angesichts der „verwalterfreundlichen“ Rechtsprechung des für das Insolvenz- 544 recht zuständigen IX. Senats des BGH ist der Sicherungsnehmer trotz vermeintlich insolvenzsicherer Absicherung seiner Forderung zunehmend anfechtungs- und damit ausfallgefährdet. Sicherster Weg, das Anfechtungsrisiko gering zu halten, ist die möglichst frühzeitige Einleitung von Sicherungsmaßnahmen.
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H. Immobilien und Ab-/Aussonderungsrechte Das Insolvenzverfahren dient gemäß § 1 InsO dazu, die Gläubiger eines 545 Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen. Gegenstand dieser gemeinschaftlichen Befriedigung ist die Insolvenzmasse und damit das gesamte Vermögen des Schuldner, das diesem zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehörte und das er während des Verfahrens erlangt. Die Insolvenzmasse ist insofern legaldefiniert in § 35 InsO. Eine Einschränkung ergibt sich aus § 36 InsO, wenn es heißt, dass Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse gehören. Auf die entsprechende Anwendung der einschlägigen Paragrafen zur Zwangsvollstreckung wird in § 36 InsO ausdrücklich verwiesen. So ergibt sich ein Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen beispielsweise aus den §§ 850 ff. ZPO. Es fällt aber auch § 811 ZPO darunter und beispielsweise sind die zur Ausübung des Arztberufes erforderlichen Gegenstände einschließlich angemessener Kleidung unpfändbar und unterfallen damit nicht der Insolvenzmasse. Hinsichtlich des historischen Arztkoffers erscheint das nachvollziehbar, bei der modernen Zahnarztpraxis wird die Abgrenzung schon schwieriger. In der Phase zwischen Insolvenzantragsstellung und der Entscheidung über die 546 Eröffnung der Insolvenz ist es gemäß § 22 InsO Aufgabe des vorläufigen starken oder schwachen Insolvenzverwalters, diese Insolvenzmasse zu sichern und zu erhalten. Wiederum kann insofern auf § 1 InsO verwiesen werden, nämlich das Ziel der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger. Diese soll bestmöglich im eröffneten Insolvenzverfahren erfolgen und zwar entweder durch eine Zerschlagung oder durch eine Sanierung des insolventen Unternehmens bzw. Schuldners. Ob der eine oder der andere Weg eingeschlagen wird, soll bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens offengehalten werden. Fand bereits vor Insolvenzantragsstellung eine Betriebseinstellung statt oder ist eine Fortführung unvertretbar, so gibt es natürlich auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter Grenzen. Im Regelfall ist aber eine vorläufige Betriebsfortführung bis zur ersten Gläubigerversammlung möglich. Grund ist das Insolvenzgeld, das ab Eröffnung für drei Monate rückwirkend von der Agentur für Arbeit gezahlt wird, und dem dadurch bedingten Wegfall der Personalkosten. Erst in der ersten Gläubigerversammlung sollte gemäß § 157 InsO die Entscheidung über die Fortführung oder Zerschlagung des insolventen Unternehmens fallen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nimmt der Insolvenzverwalter die In- 547 solvenzmasse gemäß § 148 InsO in Beschlag, wenn er dieses nicht schon in der Rolle des vorläufigen Insolvenzverwalters getan hat. Zudem hat der Insolvenzverwalter gemäß § 151 InsO eine Inventarisierung vorzunehmen. Allein eine Inventarisierung und keine Beschlagnahme genügt nicht den Vorgaben der Insolvenzordnung. Es genügt also nicht, eine Verwertungsgesellschaft damit zu beauftragen, die Bestände des insolventen Unternehmens aufzunehmen. Es muss tatsächlich eine Inbesitznahmen durch den Insolvenzverwalter erfolgen. Scheike
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H. Immobilien und Ab-/Aussonderungsrechte
Der Besitz an einer Sache wird durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben. Dazu genügt die Begründung des mittelbaren Besitzes, der Einbindung von Besitzdienern oder auch der Mitbesitz. Gegebenenfalls muss also der Insolvenzverwalter sich den Besitz mit hoheitlicher Gewalt verschaffen und eine Sicherung beispielsweise durch den Austausch von Schlössern vornehmen. Die rechtliche Stellung als Besitzer hat Bedeutung mit Blick auf die Regelung des § 1006 BGB. Danach gilt für bewegliche Sachen die Eigentumsvermutung für den Besitzer. Aus der umfänglichen Inbesitznahme des Insolvenzverwalters und der vorbenannten Eigentumsvermutung folgt, dass in einem ersten Schritt sämtliche so erfassten Vermögenswerte, die im Besitz des insolventen Unternehmens bzw. Schuldners waren, Teil der Insolvenzmasse sind und als solche uneingeschränkt im Zugriff des Insolvenzverwalters stehen. 548 Erst in einem zweiten Schritt erfolgt dann eine Bereinigung der Insolvenzmasse. Dazu arbeitet der Insolvenzverwalter heraus, welche Vermögenswerte entgegen der Vermutungsregelung des § 1006 BGB oder aus anderen Gründen doch nicht der Insolvenzmasse unterliegen. Das sind zum einen Vermögenswerte, die gemäß § 36 InsO unpfändbar sind. Das sind zum anderen Vermögenswerte, die gar nicht dem insolventen Unternehmen gehören. Diesbezüglich erfolgt eine Aussonderung. Ein Aussonderungsrecht hat gemäß § 47 InsO, wer auf Grund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört. Dazu gehören klassischerweise die Leasingfahrzeuge. Ist diese Bereinigung erfolgt, steht dann als weiterer Teil der Bereinigung die Anreicherung an. Die Anreicherung erfolgt im Wege der Insolvenzanfechtung. Gemäß § 143 InsO ist das, was durch eine anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldner veräußert, weggeben oder aufgegeben wurde, wieder zur Insolvenzmasse zurückzugewähren. 549 Die so durch den Insolvenzverwalter herausgearbeitete Insolvenzmasse ist dann noch zu unterteilen in die sog. freie Masse und der Masse, an der Absonderungsrechte bestehen. Die freie Masse ergibt nach Abzug der Kosten des Insolvenzverfahrens gemäß § 54 InsO und den sonstigen Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 InsO die Insolvenzquote zugunsten der unbesicherten Insolvenzgläubiger. Der Teil der Masse, an dem Absonderungsrechte bestehen, dient zur Befriedigung der durch die Absonderungsrechte gesicherten Gläubiger. Als Absonderungsrechte werden in den §§ 49, 50, 51 InsO die typischen Sicherungsrechte wie die Grundschuld, die Verpfändung, die Sicherungsübereignung, die Sicherungsabtretung und Zurückbehaltungsrechte genannt. In Anbetracht derartiger Sonderrechte an Teilen der Insolvenzmasse, werden im Verhältnis zu den übrigen Insolvenzgläubigern die besicherten Insolvenzgläubiger gesondert behandelt. Soweit auf den Insolvenzverwalter das Verwertungsrecht übergegangen ist, werden die Erlöse aus den mit Absonderungsrechten belegten Vermögenswerten vom Insolvenzverwalter separiert und nach Abzügen zugunsten der freien Insolvenzmasse an die gesicherten Insolvenz-
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Scheike
I. Grundlagen
gläubiger ausgekehrt. Der Gesetzgeber hat diese Vorgehensweise für Sicherungsübereignungen und Forderungsabtretungen in den §§ 166 ff. InsO geregelt, insbesondere das Verwertungsrecht dem Insolvenzverwalter übertragen und einen Feststellungskostenbeitrag und eine Verwertungskostenpauschale zugunsten der Insolvenzmasse normiert. Bei Grundschulden und Pfandrechten verbleibt es grundsätzlich bei den absonderungsberechtigten Gläubigern selbst, die Verwertung vorzunehmen. Gesetzlich normierte Kostenbeiträge zugunsten der Insolvenzmasse gibt es dann nicht. An der freien Masse und damit an einer Insolvenzquote partizipieren die absonderungsberechtigten Insolvenzgläubiger nur, wenn sie im Wege der Ausfallrechnung gemäß § 190 InsO ihren Ausfall nachgewiesen haben und dieser Ausfall im Verteilungs- bzw. Schlussverzeichnis Berücksichtigung fand. Ist eine Verwertung des Absonderungsrechts noch nicht erfolgt, muss der absonderungsberechtigte Insolvenzgläubiger seinen Ausfall schätzen und auf einen eventuellen Mehrerlös verzichten, wenn er an einer Insolvenzquote teilhaben will. I.
Grundlagen
In der Insolvenz ist auch die Immobilie ein Vermögenswert, der Gegenstand 550 von Absonderungs- und Aussonderungsrechten sein kann. Im Regelfall ist es ein Grundpfandrecht, das als Absonderungsrecht von einem Gläubiger geltend gemacht wird. Ist es die vom insolventen Unternehmen bzw. Schuldner gepachtete/gemietete Immobilie gehört die Immobilie nicht zur Insolvenzmasse. Es macht der Verpächter/Vermieter als Dritter ein Aussonderungsrecht geltend. Wieder eine andere Konstellation ist es, wenn es sich um eine Drittsicherheit handelt und die Immobilie aus diesem Grund nicht zur Insolvenzmasse gehört. Die Immobilie steht dann außerhalb des Insolvenzverfahrens. Die Regelungen zu Ab- oder Aussonderungsrechten finden in dem Fall keine Anwendung. Allenfalls wenn auch der Drittsicherungsgeber in die Insolvenz geht, ist in dessen Insolvenzverfahren das Grundpfandrecht als Absonderungsrecht zu berücksichtigen. Wird der betroffene Insolvenzgläubiger durch die Drittsicherheit befriedigt, geht die gesicherte Forderung auf den Drittsicherungsgeber über und an die Stelle des bisherigen Insolvenzgläubigers tritt der Drittsicherungsgeber im Insolvenzverfahren auf mit der Aussicht auf eine Insolvenzquote. Auch wenn der vorläufige Insolvenzverwalter die Informationen schon einge- 551 holt hat, werden gemäß § 28 Abs. 2 InsO die Gläubiger im Eröffnungsbeschluss aufgefordert, dem Insolvenzverwalter unverzüglich ihre Sicherungsrechte an beweglichen Sachen oder Rechten mitzuteilen. Unter Gläubigern sind dabei die Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO zu verstehen, die einen zur Zeit der Insolvenzeröffnung begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hatten. Es sind damit auch die Gläubiger angesprochen, die von dem
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H. Immobilien und Ab-/Aussonderungsrechte
insolventen Schuldner nur einen Vermögenswert als Drittsicherheit gestellt bekamen. 552 Von Immobilien bzw. unbeweglichen Gegenständen ist in der Aufforderung an die Gläubiger nicht die Rede. Damit aber der Insolvenzverwalter für die weitere Bearbeitung des Insolvenzverfahrens schnellstmöglich einen umfassenden Überblick hat, sollte sowohl in der Insolvenz des Immobilieneigentümers als auch in der Insolvenz des Drittsicherungsgebers der Gläubiger gleichwohl seine Sicherheit bzw. seine Rechte an der Immobilie mitteilen und auch die durch die Immobilie gesicherte Forderung benennen. Allein ein Blick ins Grundbuch ersetzt dem Insolvenzverwalter die Information nicht. Die Information durch den Gläubiger sollte auch erfolgen, wenn es bereits gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter Auskünfte gegeben hat. Unabhängig davon, ob der Weg einer freihändigen Veräußerung zur Verwertung der Sicherheit gegangen wird oder der Weg einer Zwangsverwaltung/Zwangsversteigerung, ergibt sich früher oder später im Regelfall die Notwendigkeit zur Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter. 553 Nur in seltenen Fällen dürfte es opportun sein, die Information an den Insolvenzverwalter nicht weiterzugeben und als Sicherungsnehmer losgelöst vom Insolvenzverwalter zu agieren. Zulässig ist es jedenfalls, so vorzugehen und auch keine Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden. Gemäß § 49 InsO sind die Gläubiger, denen ein Recht auf Zwangsversteigerung/Zwangsverwaltung gemäß § 1147 BGB zusteht, zur abgesonderten Befriedigung berechtigt. Es liegt dann am Insolvenzverwalter, die Belastung der Immobilie zugunsten des Sicherungsnehmers festzustellen und die Grundlagen, wie die Verwendungszweckerklärung oder die besicherte Forderung, zu hinterfragen. Spätestens dann ist der Sicherungsgeber gezwungen, dem Insolvenzverwalter die weiteren Hintergründe für die Belastung der Immobilie mitzuteilen, da ansonsten der Insolvenzverwalter die vom Gläubiger betriebene Verwertung infrage stellen wird. Der Insolvenzverwalter könnte zwar auch selbst gemäß § 165 InsO die Verwertung der Immobilie betreiben und die Zwangsversteigerung und/oder Zwangsverwaltung beantragen. Ein Erlös zugunsten der Insolvenzmasse ist aber auf Grund der vorrangigen Rechte von Grundschuldgläubigern üblicherweise nicht zu erwarten. Allenfalls im Hinblick auf das Zubehör ist von Gesetzes wegen ein Feststellungskostenbeitrag gemäß § 10 ZVG vorgesehen. Eine Behinderung eines Zwangsversteigerungsverfahrens mittels Antrags auf einstweilige Einstellung gemäß § 30d ZVG kann sich eine Insolvenzmasse zumeist nicht leisten, da der Insolvenzverwalter als Auflage gemäß § 30e ZVG die laufenden Zinsen aus der Insolvenzmasse an den betreibenden Gläubiger zahlen muss. In Anbetracht der Dauer eines Zwangsversteigerungsverfahrens berührt eine Zwangsversteigerung ohnehin eine vorläufige Betriebsfortführung zumeist nicht, auch wenn es sich um eine betriebsnotwendige Immobilie handelt. Vielfach sieht der Insolvenzverwalter keine weiteren Vorteile für die Insolvenzmas-
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I. Grundlagen
se und gibt die Immobilie sogar aus der Insolvenzmasse frei. Das wiederum hat zur Folge, dass der Insolvenzverwalter seine Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis aufgibt und diese wieder an den insolventen Schuldner zurückfällt. Eine freihändige Veräußerung wäre also in dem Fall bei einer insolventen juristischen Person mit den Liquidatoren umzusetzen und nicht mehr mit dem Insolvenzverwalter. Bei der Insolvenz über das Vermögen einer natürlichen Person wäre es die natürliche Person selbst. Weitere Themen wie der Versicherungsschutz und die Wintersicherung fallen auf diese zurück. Der grundpfandrechtlich besicherte Gläubiger ist im Zweifel gut beraten, dabei in Vorleistung zu treten. Zum Haftungsverband eines Grundpfandrechts gehört auch das Zubehör ge- 554 mäß § 1192, 1120 BGB. Zubehör sind gemäß § 97 BGB bewegliche Sachen, die ohne Bestandteil der Sache zu sein, den wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen. Hierunter fällt im Regelfall das Anlagevermögen eines Unternehmens, soweit sich dessen Tätigkeit auf eine Betriebsimmobilie konzentriert. Das ist bei Büroinventar und Produktionsmaschinen ohne Weiteres vorstellbar und die Abgrenzung zum Umlaufvermögen eine relativ klare Trennlinie. Werden aber bei einem Bauunternehmen Baumaschinen eher auf Baustellen eingesetzt und ergibt sich deren Zugehörigkeit zur Betriebsimmobilie eher auf dem Papier, steht die Vorgabe des § 97 Abs. 2 BGB auf dem Prüfstand, wonach die vorübergehende Trennung eines Zubehörstücks von der Hauptsache die Zubehöreigenschaft nicht aufhebt. Zur Klarstellung dient da § 98 BGB im Hinblick auf gewerbliches und landwirtschaftliches Inventar, wenn auch die Beispiele der Schmiede, des Brauhauses und der Mühle antiquiert wirken. Deutlich wird jedenfalls, dass sich die Mitteilungsanordnung zu den Mobilien nach § 28 InsO auch auf das Zubehör des sog. Haftungsverbandes der Grundschuld bezieht. Allein aus diesem Grund ergibt sich sozusagen mittelbar die Notwendigkeit, die Grundschuld als Absonderungsrecht dem Insolvenzverwalter mitzuteilen. Weiterhin wird deutlich, dass mittels Zwangsverwaltung über den Haftungsverband der Grundschuld dem Insolvenzverwalter nicht nur der Zugriff auf die Immobilie, sondern auch auf das Zubehör entzogen werden könnte. In der Praxis kommt ein solches Vorgehen aber nicht vor. Zum einen wäre damit die Chance des Insolvenzverwalters auf eine Betriebsfortführung in Frage gestellt und zum anderen sind die Zwangsverwalter derzeit nicht auf diese Konstellation eingestellt. Es würde sich die Frage nach der Bewirtschaftung stellen. Die Insolvenzmasse wird regelmäßig die laufenden Kosten nicht aufbringen können. Es tritt sodann das Grundpfandrecht mit dem aufgezeigten Haftungsverband 555 in Konkurrenz zu der Sicherungsübereignung von Zubehör, der Sicherungsabtretung/-verpfändung von Pacht-/Mietzinsansprüchen und anderen Rechten Dritter. Handelt es sich um denselben Gläubiger, so kann die Differenzierung
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H. Immobilien und Ab-/Aussonderungsrechte
dahinstehen und es stellt sich allenfalls die Frage, warum mit zusätzlichen vertraglichen Vereinbarungen und Verwendungszweckerklärungen gearbeitet wurde. Handelt es sich aber um unterschiedliche Gläubiger, eröffnet sich die Notwendigkeit der Abgrenzung und Klarstellung. Im Regelfall ist eine Freigabeerklärung des Grundpfandrechtsgläubigers die Lösung. 556 Von dem Spannungsverhältnis zwischen der Grundschuld als Sicherheit zu den übrigen Absonderungsrechten in der Insolvenz ist das besagte Recht zur Aussonderung zu unterscheiden. Die Voraussetzungen für ein Aussonderungsrecht ergeben sich aus § 47 InsO. Klassischerweise ist es die Betriebsimmobilie, die der Gesellschafter gestellt hat.1) II.
Pacht- und Mietzinsabtretung/-verpfändung
557 In der Insolvenz des Eigentümers kann die Immobilie als Vermögenswert in verschiedene Facetten aufgeteilt werden. Eine Facette sind die Pacht-/Mietzinsen als Nutzungen i. S. d. § 100 BGB. Nutzungen sind danach die Früchte einer Sache, welche der Gebrauch der Sache gewährt. Wie aufgezeigt, unterfallen die Nutzungen ebenso dem Haftungsverband der Grundschuld gemäß §§ 1123, 1124 BGB wie das Zubehör. Der Mietzins wie der Pachtzins können vergleichbar dem Zubehör aber auch losgelöst von der Grundschuld betrachtet werden. Über diese kann mittels Verpfändung oder Sicherungsabtretung gesondert verfügt werden. Dann fällt unter die Forderungsabtretung gemäß § 166 InsO auch die Pacht- und Mietzinsabtretung zugunsten eines Insolvenzgläubigers. Das Verwertungsrecht steht dem Insolvenzverwalter ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu. Anders ist es bei der Verpfändung, die von § 166 InsO nicht erfasst wird. In dem Fall verbleibt das Verwertungsrecht grundsätzlich beim Sicherungsgläubiger. In beiden Fällen – Forderungsabtretung oder Verpfändung – hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aber auch zur Folge, dass ein Rechtserwerb gemäß § 91 InsO grundsätzlich nicht mehr möglich ist. Es endet damit wie bei der Globalzession die Abtretung/Verpfändung der Pacht-/Mietzinsansprüche. Diese Ansprüche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann fortlaufend der Insolvenzverwalter zur Masse ziehen. Unter das Absonderungsrecht fallen allenfalls noch ausstehende Pacht-/Mietzinsansprüche, die für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden können. Die genaue Abgrenzung findet sich in § 110 InsO. So ist die Abtretung von Pacht-/Mietzinsansprüchen wirksam, soweit diese sich auf den zur Zeit der Eröffnung laufenden Kalendermonat bezieht. Nur wenn die Eröffnung nach dem fünfzehnten Tag des Monats erfolgt, ist die Verfügung auch für den Folgemonat wirksam.
___________ 1) OLG Schleswig, NZI 2012, 622.
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II. Pacht- und Mietzinsabtretung/-verpfändung
Im Regelfall ist der Insolvenzverwalter bestrebt, bereits mit Einsetzung als vor- 558 läufiger Insolvenzverwalter dafür zu sorgen, dass der Pächter/Mieter direkt an den vorläufigen Insolvenzverwalter zahlt. Er schreibt dazu die Pächter/ Mieter an und verweist auf den insolvenzgerichtlichen Beschluss, dass Drittschuldner nur noch an den vorläufigen Insolvenzverwalter mit schuldbefreiender Wirkung zahlen können. Wenn die Ansprüche sicherungsabgetreten sind, handelt es sich aber gar nicht um Ansprüche des insolventen Schuldners und der Verweis auf den insolvenzgerichtlichen Beschluss ist fraglich.2) Der insolvente Schuldner ist vom gesicherten Gläubiger lediglich ermächtigt im normalen Geschäftsbetrieb die dem Gläubiger abgetretenen Forderungen einzuziehen. Der insolvenzgerichtliche Beschluss müsste also den vorläufigen Insolvenzverwalter ermächtigen, auch vom insolventen Schuldner sicherungsabgetretene Ansprüche einziehen zu können. Dazu wurde eigens der § 21 Abs. 2 Ziff. 5 InsO geschaffen, der dann dem vorläufigen Insolvenzverwalter vorgibt, die vereinnahmten Gelder entsprechend §§ 170, 171 InsO zu behandeln, zumindest aber für das eröffnete Insolvenzverfahren zu separieren. Die vereinnahmte Liquidität darf ein Insolvenzverwalter nicht zur Betriebsfortführung nutzen.3) Um diese Gelder zur Betriebsfortführung zu nutzen, müsste der vorläufige Insolvenzverwalter mit den betroffenen absonderungsberechtigten Gläubigern eine Vereinbarung treffen. Üblicherweise lässt sich dieser vom Insolvenzgericht ermächtigen, einen Massekredit aufzunehmen und zu besichern. Er vereinbart einen solchen sodann im Hinblick auf die aus der Sicherungsabtretung erzielten Erlöse mit dem absonderungsberechtigten Gläubiger. Der Massekredit wird wiederum besichert durch eine Sicherungsabtretung der dann fortlaufenden Mietzinsansprüche. Darüber hinaus eröffnen die Regelungen zur Insolvenzanfechtung die Möglich- 559 keit, für den Zeitraum ab Insolvenzantragsstellung und davor die Mietzinsansprüche zugunsten der Insolvenzmasse zu beanspruchen und die von Sicherungsgläubigern vereinnahmten Zahlungen herauszufordern. Es liegt für die Sicherungsgläubiger zwar eine kongruente Deckung vor.4) Bei einer kongruenten Deckung erhält der Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung, die er in der Art oder zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Gleichwohl ist auch bei einer kongruenten Deckung die Insolvenzanfechtung nicht ausgeschlossen. Wenn zur Anfechtung einer kongruenten Deckung typischerweise § 130 InsO näher betrachtet wird, so ist der Dreimonatszeitraum vor Insolvenzantragsstellung und die Zeit danach erfasst. Die Insolvenzanfechtung greift in diesem Fall durch, wenn der Schuldner in diesem Zeitraum zahlungsunfähig war und der absonderungsberechtigte Insolvenzgläubiger davon wusste oder alternativ der ___________ 2) BGHZ 154, 72. 3) BGHZ 184, 101. 4) BGHZ 174, 297.
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H. Immobilien und Ab-/Aussonderungsrechte
absonderungsberechtigte Insolvenzgläubiger von dem Insolvenzantrag Kenntnis hatte. Es bedarf der positiven Kenntnis.5) Darlegungs- und beweispflichtig ist der Insolvenzverwalter. 560 Ist der Mietzins vom insolventen Schuldner im Rahmen seiner Einzugsermächtigung bereits vereinnahmt worden und nicht mehr offen, wird das Thema Insolvenzanfechtung gleichwohl relevant, wenn der Mietzins der kontoführenden Bank zur Sicherheit abgetreten oder verpfändet war. Ist der Zahlungseingang auf dem Bankkonto des insolventen Schuldners gewesen, so ist durch den Zahlungseingang die zedierte Forderung und damit die Sicherungszession bzw. Verpfändung zugunsten der kontoführenden Bank untergegangen. Ist es zu einer Saldoreduzierung gekommen, hat die kontoführende Bank davon profitiert und der Insolvenzverwalter wird die Verrechnung des Zahlungseinganges mittels Insolvenzanfechtung infragestellen wollen. Dabei ist von diesem aber zu bedenken, dass die Forderungsabtretung untergegangen ist Zug um Zug um die Begründung des AGB-Pfandrechts zugunsten der kontoführenden Bank an dem Zahlungseingang auf dem Konto des insolventen Schuldners. In Anbetracht dieses Sicherungstausches ist aus dem Zahlungseingang selbst und dem anschließenden Rückgriff auf das AGB-Pfandrecht keine Gläubigerbenachteiligung festzustellen. Eine Gläubigerbenachteiligung ist aber Grundlage einer jedweden Insolvenzanfechtung gemäß § 129 InsO. Damit ist der Zahlungsvorgang als kongruente Deckung nicht angreifbar, sondern allenfalls die Sicherungsabtretung zum Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit. 561 Die Gewichtung zulasten des absonderungsberechtigten Gläubigers und zugunsten der Insolvenzmasse stößt bei der Insolvenzanfechtung gemäß § 133 InsO an Grenzen. Es handelt sich um die vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung und es ist der 10-Jahreszeitraum relevant. Eine Rechtshandlung des insolventen Schuldners liegt mit der Anweisung an den Drittschuldner zur Zahlung auf sein Bankkonto vor. Wenn nun der Schuldner von seiner Zahlungsunfähigkeit wusste und auch die kontoführende Bank als Sicherungsgläubigerin Kenntnis von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit hatte, ist zu unterscheiden, ob die Verwertungsreife der Sicherheit vorlag oder nicht. 562 Bestand keine Verwertungsreife bzw. Fälligkeit der Forderung und wird ein Kreditrahmen im fortlaufenden Geschäftsverkehr wieder in Anspruch genommen, kommt es zu keiner Gläubigerbenachteiligung. Der auf dem Konto des Schuldners vereinnahmte Mietzins ist dann im normalen Geschäftsbetrieb des Schuldners untergegangen. Kritisch wird die Gläubigerbenachteiligung, wenn es in Folge konkret dieses Zahlungseinganges zu einer Saldoreduzierung kommt oder es sich nicht um einen solchen Kontokorrent-Kreditrahmen handelt, sondern um Zins und Tilgung eines Darlehens. Noch kritischer ist es, ___________ 5) BGH, NZI 2010, 444.
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II. Pacht- und Mietzinsabtretung/-verpfändung
wenn die Verwertungsreife eingetreten ist und sogar die Offenlegung der Sicherungsabtretung gegenüber dem Pächter/Mieter erfolgte. In dem Fall ist davon auszugehen, dass die Bank ihre Kenntnis von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit dokumentiert hat. Während es bei der Globalzession opportun erscheint, dieses Insolvenzanfechtungsrisiko zu stoppen, indem der Bestand an offenen Forderungen zu einem bestimmten Zeitpunkt realisiert wird, ist dieser Weg bei der Miet-/Pachtzinsabtretung eine Sackgasse. Es wird die Begrenztheit der Sicherheit deutlich. Indirekt dient diese eher als Druckmittel im Vorfeld einer Insolvenz und kommt wirtschaftlich nur dann zum Erfolg, wenn es gerade keinen Insolvenzantrag gibt. Hat der Inhaber der Sicherungsabtretung bzw. Verpfändung der Pacht-/Miet- 563 zinsen darüber hinaus ein Grundpfandrecht an der Immobilie, so gehört zum Haftungsverband der Grundschuld gemäß § 1123 BGB auch der Anspruch auf die Pacht-/Mietzinsen. Daher ist aus Sicht des grundpfandrechtlich gesicherten Gläubigers rechtzeitig eine Zwangsverwaltung zu initiieren, ggf. eine Kalte Zwangsverwaltung in Abstimmung mit dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter. Neben der Zwangsversteigerung ist die Zwangsverwaltung gemäß 1147 BGB das Mittel zur Verwertung der Grundschuld. Während bei der Zwangsversteigerung die Verwertung der Immobilie im Vordergrund steht, ist es bei der Zwangsverwaltung die Bewirtschaftung der Immobilie, um aus den gezogenen Pacht-/Mietzinsen eine Rückführung der gegenüber dem Schuldner fälligen Forderungen zu erreichen. Da eine Zwangsversteigerung mit den Regularien des ZVG üblicherweise zwei Jahre dauert, wird – wenn die Bewirtschaftung Erträge erwarten lässt – zumeist eine Zwangsverwaltung parallel beantragt (vgl. Rn. 588). In der Praxis wird regelmäßig die Entscheidung über eine Zwangsversteigerung 564 und Zwangsverwaltung durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter hinausgezögert bzw. es wird vom Sicherungsgläubiger nicht ausreichend konsequent gegenüber dem Insolvenzverwalter gehandelt. „Warten wir erst mal ab“ heißt es oft von beiden Seiten. Der (vorläufige) Insolvenzverwalter bzw. die Insolvenzmasse ist letztlich Profiteur, wenn der aufgezeigte Weg zur Verwertung der Grundschuld vom absonderungsberechtigten Gläubiger nicht rechtzeitig gegangen wird. So greift der Haftungsverband der Grundschuld im Hinblick auf die Pacht-/Mietzinsen erst mit der Beschlagnahme im Wege der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung gemäß § 1123, 1124 BGB. Es steht § 91 InsO dem dinglichen Recht nicht entgegen, insbesondere wenn der Grundschuldgläubiger zusätzlich auf eine Sicherungsabtretung der Mietzinsen verweisen kann.6) Eine Insolvenzanfechtung greift ebenso im Hinblick auf die laufenden Pacht-/Mietzinsen auf Grund des dinglichen Rechts nicht. Es müsste das dingliche Recht selbst insolvenzanfechtungsrechtlich angreifbar sein. Im Vor___________ 6) BGHZ 168, 339.
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feld der Eröffnung des Insolvenzverfahrens greift die Wirkung der Beschlagnahme gemäß §§ 1123, 1124 BGB auch gegenüber konkurrierenden Sicherungsgläubigern, die mit einer Sicherungsabtretung der Mietzinsen auftreten und deren Ansprüche mit Eröffnung gemäß § 91 InsO in jedem Fall enden. 565 Wird dem Insolvenzverwalter eine Kalte Zwangsverwaltung angeboten und keine Frist zur Annahme gesetzt sowie die weiteren Vollstreckungsvoraussetzungen nicht zeitnah geschaffen, verstreichen Monate zugunsten der Insolvenzmasse, in denen der absonderungsberechtigte Gläubiger die Mietzinsen verliert. Allein die Umschreibung des Titels auf den Insolvenzverwalter und die Zustellung des Titels an diesen nimmt mehrere Wochen in Anspruch, wenn nicht bereits im Vorfeld die Zwangsversteigerung/Zwangsverwaltung auf Antrag angeordnet wurde. Unter Umständen entdeckt der Grundschuldgläubiger in diesem Zusammenhang, dass er über gar keinen vollstreckbaren Titel verfügt und ggf. noch eine Duldungsklage erheben muss. Die prozessuale Auseinandersetzung nimmt wieder Monate in Anspruch. In dieser Zeit zahlt der Pächter/Mieter an die Insolvenzmasse mit schuldbefreiender Wirkung. 566 Unter Umständen merkt es der Grundschuldgläubiger nicht einmal, dass die Pacht-/Mietzinsen ihm letztlich nicht zugutekommen werden. Wenn der Mieter/Pächter den Mietzins weiterhin auf das Bankkonto des Schuldners überweist und die Bank Sicherungsgläubigerin ist, nimmt sie die Zahlungseingänge zur Kenntnis und geht davon aus, dass damit ihrerseits die Sicherheit unangreifbar vereinnahmt wurde. Dem ist aber zumeist nicht so. Der Mieter/ Pächter hat dann im Regelfall nicht schuldbefreiend gezahlt und einen Bereicherungsanspruch gegenüber der vereinnahmenden Bank. Spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens konnte mit schuldbefreiender Wirkung nur an den Insolvenzverwalter gezahlt werden. Auch mussten abgetretene Pacht-/Mietzinsforderungen, die aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch offen waren, an den Insolvenzverwalter entrichtet werden, da auf diesen das Verwertungsrecht übergegangen war. Die Wirkung der Beschlagnahme der §§ 1123, 1124 BGB lagen nicht vor und damit hat die Bank trotz ihrer Stellung als Grundpfandrechtsgläubigerin kein Vorrecht gegenüber der Insolvenzmasse begründet. Sie hätte die Zwangsversteigerung und/oder die (Kalte) Zwangsverwaltung betreiben müssen. Die einjährige Rückwirkung des § 1123 BGB bezieht sich nur auf noch ausstehende Pacht-/Mietzinsansprüche. 567 Ähnlich verhält es sich, wenn der Insolvenzverwalter die Zahlungen vereinnahmt – womöglich über Jahre hinweg – und gegenüber der absonderungsberechtigten Insolvenzgläubigerin abrechnet und auskehrt. Der absonderungsberechtigte Insolvenzgläubiger ging davon aus, dass der Insolvenzverwalter damit Rücksicht auf seine Möglichkeiten nimmt, ohne Weiteres die Zwangsversteigerung/Zwangsverwaltung betreiben zu können. Nicht auszuschließen ist aber, dass der Insolvenzverwalter bei einer solchen Konstellation unter Verweis auf eine fehlende Rechtsgrundlage die Gelder wieder herausfordert. In dem Fall hat 144
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III. Abgetretene Rechte aus Immobilienkaufverträgen
der Gläubiger an sich keinen Anlass gehabt eine gerichtliche oder Kalte Zwangsverwaltung zu initiieren. Die Verwertung der Sicherheit bzw. die Vereinnahmung der Mietzinsen funktionierte auch so. Nun hat der absonderungsberechtigte Insolvenzgläubiger das Prozessrisiko und muss darlegen und beweisen, dass mit der Abrechnung und Auskehr der Pacht-/Mietzinsen der Insolvenzverwalter das Sicherungsrecht der Gläubigerin anerkannt hat bzw. konkludent eine Kalte Zwangsverwaltung vereinbart war. Die Beschlagnahmewirkung der §§ 1123, 1124 BGB lag jedenfalls nicht vor. Außerhalb der Insolvenz war und ist für diese Problematik als kostengünstige- 568 res Mittel die dingliche Mietpfändung möglich. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedoch ist der absonderungsberechtigte Gläubiger auf die Zwangsverwaltung bzw. die Möglichkeiten nach § 1147 BGB verwiesen.7) III.
Abgetretene Rechte aus Immobilienkaufverträgen (Kaufpreis und Gestaltungsrechte)
Ausgangspunkt der Betrachtung sind Immobilienkaufverträge, die vor Eröff- 569 nung des Insolvenzverfahrens bzw. vor Erlass von Verfügungsbeschränkungen im vorläufigen Insolvenzverfahren abgeschlossen wurden. Es ist also nicht die Frage des Rechtserwerbes nach Eröffnung gemäß § 91 InsO eröffnet und auch nicht die Frage des § 892, § 893 BGB im Fall der Verfügung durch den insolventen Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Klassischerweise hat sich der weichende Grundschuldgläubiger im Immobi- 570 lienkaufvertrag den Kaufpreis bzw. einen erstrangigen Teilbetrag davon abtreten lassen, um im Hinblick auf die anstehende Löschungsbewilligung mit Treuhandauflage einer Kaufpreispfändung durch einen Dritten, der die Zwangsvollstreckung betreibt, zuvorzukommen. Aus Sicht des Insolvenzverwalters kommt es im Fall einer solchen Forderungsabtretung nicht auf die Entstehung der Forderung und auch nicht auf die Rechnungstellung an, sondern auf den Umstand, ob und inwieweit die Forderung werthaltig war und wann die Werthaltigkeit eingetreten ist. Im Fall eines Kaufvertrages hat allein der schuldrechtliche Teil des Vertrages noch nicht zur Werthaltigkeit der Forderung beigetragen. Im Regelfall beinhaltet der dingliche Teil eines Immobilienkaufvertrages aber bereits die Auflassung und die GBO-Vollmacht zur Beantragung der Umschreibung. Sind mithin die Voraussetzungen nach § 878 BGB erfüllt, ist von einer Werthaltigkeit der Kaufpreisforderung auszugehen. Unter Umständen gibt es dann noch weitere Voraussetzungen ausweislich des Immobilienkaufvertrages, die die Kaufpreisforderung „auslösen“. Ist die Werthaltigkeit in dieser oder einer vergleichbaren Form ganz oder teilweise (noch) nicht gegeben, scheitert die Abtretung an § 91 InsO oder aber durch eine Insolvenzan___________ 7) BGHZ 168, 339.
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H. Immobilien und Ab-/Aussonderungsrechte
fechtung. Es bleibt dann für den grundpfandrechtlich gesicherten Gläubiger der Verweis auf die Treuhandauflage zur Löschungsbewilligung. Deutlich wird, dass eine Kaufpreisabtretung diese Vorgehensweise des grundpfandrechtlich gesicherten Gläubigers nicht erübrigt. Erst Recht trifft die aufgezeigte Problematik natürlich auf den nicht grundpfandrechtlich gesicherten Gläubiger zu, der sich den Kaufpreis aus dem Immobilienkaufvertrag hat abtreten lassen. 571 Die Abtretung von Gestaltungsrechten aus Immobilienkaufverträgen ist eher selten der Fall, gleichwohl denkbar. Es kann sich beispielsweise um den Anspruch auf Herausgabe des Besitzes an der Immobilie, des Zubehörs oder aber Kündigungs- und Rücktrittsrechte handeln. Abgesehen von der Vormerkung gemäß § 106 InsO steht und fällt die Abtretung von Gestaltungsrechten mit dem Immobilienkaufvertrag selbst und damit der Verweis auf § 103 InsO und dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters. An sich ist der Insolvenzverwalter mit seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis derjenige, der damit die Gestaltungsrechte an sich ziehen kann. Während die Abtretung des Kaufpreises eher die Insolvenz des Verkäufers betrifft, ist die Abtretung von Gestaltungsrechten eher in der Insolvenz des Käufers relevant. Sind die Voraussetzungen für die Umsetzung des Immobilienkaufvertrages gegeben und die Gestaltungsrechte aus Sicht des Abtretungsempfängers werthaltig, ist sodann noch zu fragen, ob diese damit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens insolvenzfest erworben worden sind oder aber der Insolvenzanfechtung unterliegen. IV.
Dienstbarkeiten
572 Im Unterschied zur Grundschuld, die als dingliches Verwertungsrecht zu verstehen ist, fallen Dienstbarkeiten unter die dinglichen Nutzungsrechte. Sie finden sich in Abteilung II des Grundbuches. Mit Dienstbarkeiten sind nicht schuldrechtliche Ansprüche wie Miete oder Pacht gemeint, sondern Rechte, die eine Immobilie belasten, unabhängig davon, wer dessen Eigentümer ist. Das Bürgerliche Recht sieht als dingliche Nutzungsrechte das Erbbauchrecht gemäß dem ErbbauRG, die Grunddienstbarkeit gemäß §§ 1018 ff. BGB, die beschränkt persönliche Dienstbarkeit gemäß § 1090 ff. BGB und das Nießbrauchrecht gemäß §§ 1030 ff. BGB vor. Im Unterschied zum Nießbrauch wird bei beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten nicht die gesamte Nutzung des belasteten Grundstücks erfasst, sondern es werden einzelne Nutzungen und Vorteile dem Berechtigten an dem Grundstück gewährt. Die Grunddienstbarkeit wiederum wird an dem dienenden Grundstück zugunsten des herrschenden Grundstücks bestellt. Inhaber der Rechte ist damit an sich nicht eine Person, sondern das herrschende Grundstück. Bei der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit wird einer Person das Recht zuteil und zwar unabhängig davon, ob diese Person Eigentümer dieses oder eines anderen Grundstücks ist. Die Eigentümerdienstbarkeit ist insofern eine Besonderheit, als dass der Eigentümer die Immobilie sozusagen auf Vorrat zu seinen Gunsten belastet. So kann
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V. Weitere Ab- und Aussonderungsrechte
dieser für den Fall, dass er die Immobilie veräußert, sich ein Überfahrtsrecht für die Zukunft sichern. Weitere typische Beispiele für Dienstbarkeiten sind Leitungsrechte oder Wohnrechte. Das dingliche Recht wird durch das BGB über § 1004 BGB geschützt. Danach kann der Inhaber des Rechts zu dessen Wahrung Ansprüche auf Beseitigung oder Unterlassung geltend machen. Die beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten fallen grundsätzlich in die Insol- 573 venzmasse des Berechtigten. Es bedarf jedoch der genauen Betrachtung der Ausgestaltung der Dienstbarkeit und ggf. einer Einzelfallentscheidung unter Einbeziehung der Gegebenheiten vor Ort. Hintergrund ist die Bindung der Dienstbarkeit an eine Person und die Frage, ob dieser Umstand eine Pfändbarkeit bzw. Übertragbarkeit des Rechts erlaubt.8) Bei juristischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften ist die Übertragbarkeit gemäß § 1092 BGB i. V. m. §§ 1059a – d BGB erleichtert. Auch ist denkbar, dass ein Recht nicht pfändbar bzw. übertragbar ist, gleichwohl aber die aus diesem Recht sich ergebenden Erträge. Dann sind es unter Umständen nur diese, die zur Insolvenzmasse gezogen werden können. Ob und inwieweit die Dienstbarkeit werthaltig ist, ist ebenfalls einzelfallabhängig. In der Insolvenz des Immobilieneigentümers ist der Berechtigte einer be- 574 schränkt persönlichen Dienstbarkeit kein absonderungsberechtigter Gläubiger wie der Grundschuldgläubiger. Er ist aussonderungsberechtigter Gläubiger und kann seine Rechte nach den Gesetzen außerhalb der Insolvenzordnung gemäß § 47 InsO geltend machen. Im Übrigen entscheidet in der Insolvenz des Immobilieneigentümers der Rang der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit im Verhältnis zu den üblicherweise bestehenden Grundschulden und weiteren dinglichen Rechten an der Immobilie, ob die Dienstbarkeit Bestand hat oder im Rahmen einer freihändigen Veräußerung oder Zwangsversteigerung untergeht. Weiterhin kommt in Betracht, dass der Insolvenzverwalter die beschränkt persönliche Dienstbarkeit insolvenzanfechtungsrechtlich infragestellt. Zunächst mindert diese jedenfalls den Wert der Immobilie und damit die Insolvenzmasse. V.
Weitere Ab- und Aussonderungsrechte
In der Insolvenz des Eigentümers einer Immobilie sind neben der Grund- 575 schuld, der Pacht-/Mietzinsabtretung/-Verpfändung und den beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten weitere Ab- und Aussonderungsrecht zu berücksichtigen. So ist die Handhabe zur Abtretung von Versicherungsansprüchen gemäß §§ 1127, 1128 BGB vergleichbar der Handhabe mit der Abtretung der Pacht-/Mietzinsansprüche.
___________ 8) BGH, WM 2006, 2226.
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H. Immobilien und Ab-/Aussonderungsrechte
576 Im Vordergrund steht aber die Sicherungsübereignung als weiteres Absonderungsrecht gemäß § 51 InsO. Es handelt sich sachenrechtlich um eine Übereignung von Mobilien. Der gesicherte Gläubiger wird also Eigentümer, wenngleich dieses Eigentum beschränkt ist um eine Sicherungsabrede und ein Besitzmittlungsverhältnis, damit der Schuldner die Mobilie weiter nutzen kann. Kann der Insolvenzverwalter die Sicherungsübereignung als Absonderungsrecht mittels Insolvenzanfechtung oder Unwirksamkeit auf Grund eines Bestimmtheitsmangels nicht infragestellen, ist das Spannungsverhältnis zum Haftungsverband der Grundschuld nachzuvollziehen. Handelt es sich bei der Mobilie um Anlagevermögen, das dem Zubehör i. S. d. § 97 BGB zugeordnet werden kann, entscheidet das Prioritätsprinzip. Auf eine Beschlagnahme gemäß §§ 1123, 1124 InsO wie bei der Sicherungsabtretung von Pacht-/Mietzinsen kommt es nicht an. Allenfalls wenn die Sicherungsübereignung vor Verbringung der Mobilie in den Haftungsverband der Grundschuld erfolgte, könnte das Prioritätsprinzip durchbrochen werden. Gehört die Mobilie wie z. B. das Warenlager nicht zum Zubehör, da es sich um Umlaufvermögen handelt, kommt es auf diese Differenzierung nicht an. Wird eine Mobilie umgewidmet, wird also aus der Milchkuh Schlachtvieh, setzt sich die Sicherungsübereignung mit ihrem bislang nachrangigem Anwartschaftsrecht durch. Da Mobilien wie Maschinen oder Fahrzeuge einen erheblichen Wert haben können und gesondert Finanzierungs- und damit auch Sicherungsbedarf besteht, wird zur Auflösung dieses Spannungsverhältnisses regelmäßig eine Freigabeklausel durch den Grundschuldgläubiger abgegeben, wenn dieser nicht selbst die Mobilie finanziert. 577 Vergleichbar mit der Sicherungsübereignung ist die Stellung des Eigentumsvorbehaltslieferanten. Auch dieser kann auf sein dingliches Recht verweisen, Eigentümer an der Mobilie zu sein. Im Regelfall ist dieses Recht vor der Verbringung der Mobilie in den Haftungsverband der Grundschuld begründet und insofern hat der Eigentumsvorbehaltslieferant i. S. d. Prioritätsprinzips Vorrang. Bei Waren und Rohstoffen, die zum Umlaufvermögen gehören, ergibt sich erst gar nicht das Spannungsverhältnis zur Grundschuld, da es sich nicht um Zubehör handelt. Es kommt aber ein Spannungsverhältnis zur Sicherungsübereignung beispielsweise von Warenlagern in Betracht. Die Sicherheit des Eigentumsvorbehaltes bedingt, dass der Verkäufer bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises das Eigentum behält. Unter Verweis auf § 161 BGB kann der Verkäufer aber den Eigentumserwerb nicht mehr verhindern. Es wird von einem Anwartschaftsrecht gesprochen. In der Insolvenz ist der Eigentumsvorbehalt gesondert in § 107 InsO geregelt. In der Insolvenz des Käufers hat danach zunächst der Insolvenzverwalter das Wahlrecht des § 103 InsO. Wählt dieser die Nichterfüllung, kann der Verkäufer die Aussonderung vom Insolvenzverwalter verlangen. Insofern bedingt der Eigentumsvorbehalt ein Aussonderungsrecht.
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V. Weitere Ab- und Aussonderungsrechte
Das Vermieterpfandrecht ist in der Insolvenz des Eigentümers der Immobilie 578 weniger von Bedeutung und betrifft an sich eher die Insolvenz des Mieters. Es hat der Vermieter oder Verpächter gemäß §§ 559, 592 BGB an der eingebrachten Sache des Mieters oder Pächters ein gesetzliches Pfandrecht. Der grundschuldgesicherte Gläubiger des Vermieters profitiert davon, indem über den Anspruch auf den Pacht-/Mietzins im Verwertungsfall auch das Vermieterpfandrecht zur Durchsetzung noch offener Ansprüche erfasst ist. Im Rahmen der Bereinigung der Insolvenzmasse muss der Insolvenzverwalter des Vermieters zunächst erkennen, dass es sich um Vermögenswerte des Mieters/Pächters handelt und nicht des insolventen Vermieters. Insofern hat der Mieter an sich ein Aussonderungsrecht wie beispielsweise der, der sein Segelboot oder Wohnmobil in der Lagerhalle oder Scheune des Vermieters hat überwintern lassen. Ist der Pacht-/Mietzins noch offen, ist das Vermieterpfandrecht der Insolvenzmasse zuzuordnen, wenn nicht ein absonderungsberechtigter Gläubiger darauf zurückgreifen kann. Anders ist es dagegen beim sog. Früchtepfandrecht. Gemäß § 1 DüngMSaatG 579 hat der Gläubiger, der Düngemittel oder anerkanntes Saatgut geliefert oder finanziert hat, ein gesetzliches Pfandrecht an den Früchten der diesbezüglichen Ernte. Das gilt auch, wenn die Früchte noch nicht vom Grundstück getrennt worden sind. Das Pfandrecht geht allen an den Früchten bestehenden dinglichen Rechten gemäß § 2 DüngMSaatG im Rang vor. Gegebenenfalls ist die Separierung im Wege der einstweiligen Verfügung durchzusetzen. Sind es eigene Flächen, die bewirtschaftet werden, gilt das in der Insolvenz des Eigentümers. Sind es (zusätzlich) gepachtete Flächen, so gilt dieses in der Insolvenz des Pächters. Es ist ein zwar althergebrachtes Absonderungsrecht, das aber nach wie vor seine Geltung beansprucht. Das Absonderungsrecht ist insolvenzfest unabhängig von § 91 InsO, also unabhängig davon, ob die Früchte erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen oder getrennt werden.9) Ein Zurückbehaltungsrecht wird in § 51 InsO ebenfalls als weiteres Absonde- 580 rungsrecht ausgewiesen und ist in Bezug auf eine Immobilie auch denkbar. In der Insolvenz findet es allerdings keine Anwendung, wenn es sich um den typischen Fall von Aufwendungen des nicht berechtigten Besitzers zur Bebauung des Grundstücks handelt.10)
___________ 9) BGH, NZI 2001, 548. 10) BGH, NZI 2003, 605.
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I.
Verwaltung von Immobilien in der Insolvenz des Eigentümers
I.
Notwendigkeit der Immobilienverwaltung
Aus Sicht des Grundpfandgläubigers ist das Bedürfnis nach einer Verwaltung 581 der verpfändeten Immobilie offensichtlich. Schließlich hat er ein Interesse daran, dass die laufenden Mieterträge eingezogen und gesichert werden, dass der Verfall der Immobilie vermieden und Vandalismus ausgeschlossen wird. Außerdem sollen notwendige und werterhaltende Instandsetzungsmaßnahmen erfolgen. Die Interessenlage des Grundpfandgläubigers kann es jedoch auch erfordern, die Immobilie vollständig auf- oder zu entmieten, nämlich dann, wenn diese entweder Mieterträge generieren oder an einen Eigennutzer verkauft werden soll. Auch der Eigentümer kann ein Interesse an der Verwaltung seiner Immobilie 582 haben. Beispielsweise weil diese aus der Insolvenzmasse herausgekauft oder freigegeben werden soll oder weil diese für eine nachhaltige Sanierung benötigt wird. Für den Insolvenzverwalter ist die Verwaltung der Immobilie eine gesetzliche 583 Pflicht, die sich aus der Aufgabe zur Sicherung und Erhaltung der Masse bis zu ihrer Verwertung herleitet.1) In der Praxis wird diese Pflicht jedoch oft an ausgebildete Immobilienfachleute delegiert.2) Ob der Insolvenzverwalter die Immobilie aus der Masse freigibt, sie veräußert oder Mieten einzieht hängt davon ab, ob diese (wertausschöpfend) verpfändet ist oder nicht. In vielen Fällen beschränkt sich das Interesse des Insolvenzverwalters nur auf die Sicherstellung der Verkehrssicherheit,3) möglichst ohne dabei weitere kostenauslösende Maßnahmen auszulösen. II.
Bedürfnis nach alternativen Verwaltungsverfahren
Den vielschichtigen und unterschiedlichen Anforderungen und Interessensla- 584 gen der Beteiligten an die Verwaltung, kann das gesetzlich normierte Verfahren der Zwangsverwaltung (ebenso die Institutszwangsverwaltung) schon lange nicht mehr erfüllen. Sie gilt im Hinblick auf Flexibilität, Kosten und Internationalität als veraltet und kann mit den Anforderungen eines modernen Wirtschaftslebens nicht mehr Schritt halten.4) ___________ 1) Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 80 Abs 1 InsO. 2) MünchKomm-InsO/Nowak, § 4 Rn. 12; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung, § 4 Rn. 43. 3) Uhlenbruck, § 80 Rn. 164; zur deliktischen Haftung siehe BGH v. 17.9.1987 – IX ZR 156/86. 4) Molitor, ZfIR, 2013, 192.
Molitor
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I. Verwaltung von Immobilien in der Insolvenz des Eigentümers
585 Schwachpunkte der Zwangsverwaltung ist insbesondere ihre Begrenzung auf innerdeutsche Immobilien,5) deren Portfoliofeindlichkeit,6) deren Unvermögen, Abverkäufe vorzunehmen,7) deren Unflexibilität im Hinblick auf Entmietungen8) und hinsichtlich Betriebsfortführungen,9) deren Unvermögen, komplexe Umgestaltungen des Verwaltungsobjektes vorzunehmen10) und die viel zu lange Laufzeit hinsichtlich der Verteilung. 586 Kaum nachvollziehbar ist auch die Zweiteilung der Immobilienabwicklung in ein Zwangsverwaltungs- und ein Zwangsversteigerungsverfahren. Hierdurch fallen die Verfahrenskosten zweimal an; wird daneben noch das Insolvenzverfahren eröffnet, fallen sie sogar dreimal an.11) Noch schwerer wiegt, dass Zwangsverwaltungs- und ein Zwangsversteigerungsverfahren nicht aufeinander abgestimmt sind und sich sogar gegenseitig behindern können. So trifft den Zwangsverwalter keine Verpflichtung, durch einen bewussten Leerstand für eine wirtschaftlich möglichst sinnvolle Verwertung des Objektes im Rahmen der Zwangsversteigerung zu sorgen.12) 587 Kein Wunder, dass sich in der Praxis eine ganze Reihe alternativer Verwaltungsverfahren entwickelt haben.13) In Ermangelung höchstrichterlicher Rechtsprechung besteht für diese jedoch keine vollständige Rechtssicherheit. III.
Zwangsverwaltung
588 Die Zwangsverwaltung ist gesetzlich normiert (§§ 146 ff. ZVG, ZwVwV). Bei der Zwangsverwaltung wird die verpfändete Immobilie des Schuldners auf Antrag des Gläubigers durch einen vom Gericht (§ 150 Abs. 1 ZVG) bestellten Zwangsverwalter verwaltet. 589 Der Zwangsverwaltung liegt das Prinzip der Einzelvollstreckung zugrunde, d. h. für jedes Grundstück ist i. d. R. ein gesondertes Verfahren durchzufüh___________ 5) 6) 7) 8)
9)
10) 11) 12) 13)
152
Vgl. § 1 ZVG. Böttcher, § 15 Rn. 1. Hannemann/Wiegner/Wiegner/Moersch, § 39 Rn. 101; BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 83/10. § 5 ZwVwV sieht als Nutzung nur die Vermietung und nicht die Entmietung vor. In der Literatur wird daher die Auffassung vertreten, die Entmietung sei mit dem Zweck der Zwangsverwaltung nicht vereinbar, Haarmeyer/Wutzke/Förster, Zwangsverwaltung, § 5 Rn. 9; OLG Köln, Beschl. v. 25.6.2007 – 2 U 39/07. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, Einl. Rn. 37; BGH, Beschl. v. 9.11.2006 – IX ZA 27/06; BGH, Beschl. v. 14.4.2005 -V ZB 16/05; LAG Niedersachsen, Urt. v. 25.2.2010 – 5 Sa 1567/09. BGH, Beschl. v. 10.12.2004 – IX a ZB 231/03; Drasdo, NJW 2005, 1549. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, Einl. Rn. 19; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 26.3.2009 – 3 W 150/08. OLG Köln, Beschl. v. 25.6.2007 – 2 U 39/07. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, Einl. Rn. 6 ff.; Tetzlaff, ZfIR 2005, 179 ff.; Raab, DZWIR 2006, 234 ff.; Molitor, ZInsO, 1331 ff.; Molitor, ZInsO 2011, 1486.
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III. Zwangsverwaltung
ren.14) Sie eignet sich daher kaum für die Verwaltung größerer Immobilienportfolios, da hierbei eine Vielzahl von Verfahren (=Vielzahl von Zwangsverwaltern und Kosten) eingeleitet werden müssten. Schwerfällig und kostspielig ist die Zwangsverwaltung auch dann, wenn ein 590 Teil der zu verwaltenden Immobilien eines Portfolios im Ausland liegen, da auch hierbei eine Vielzahl von zum Teil ausländischen Verfahren, die unterschiedlichen Rechten unterliegen und bei denen jeweils ein anderer Verwalter bestellt wird, durchzuführen sind. Zwangsverwaltung und Insolvenz laufen unabhängig nebeneinander,15) in der 591 Praxis lassen sich dabei Reibungspunkte nicht ausschließen.16) Wurde die Zwangsverwaltung angeordnet, bevor ein Insolvenzverfahren eröff- 592 net ist, bleibt die Zwangsverwaltung unberührt. Der dinglich gesicherte Gläubiger kann jedoch auch noch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Zwangsverwaltung beantragen (§ 49 InsO),17) muss dann aber seine Titel auf den Verwalter umschreiben.18) Der Insolvenzverwalter kann gemäß § 153b ZVG die Einstellung der Zwangs- 593 verwaltung beantragen, muss dabei aber glaubhaft machen, dass durch die Zwangsverwaltung eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der Insolvenzmasse wesentlich erschwert wird (§ 153b Abs. 1 ZVG). Die Einstellung ist mit der Auflage zu verbinden, dass dem dinglichen Gläubiger die durch die Einstellung entstehenden Nachteile durch laufende Zahlungen aus der Insolvenzmasse ausgeglichen werden (§ 153b Abs. 2 ZVG). Der Zwangsverwalter hat die in § 152 Abs. 1 ZVG beschriebenen Aufgaben.19) 594 Insbesondere muss er die aus dem von der Beschlagnahme erfassten Grundstück stammenden Erträge zur Befriedigung des Gläubigers einsetzen, während dem Schuldner die Substanz des Verwaltungsobjekts bis zu dessen Verwertung ungeschmälert erhalten bleibt.20) Darüber hinaus hat er alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und das das Grundstück ordnungsgemäß zu nutzen, und er muss die für die Verwaltung entbehrlichen Nutzungen in Geld umsetzen.21)
___________ 14) Im ZVG gilt der Grundsatz der Einzelversteigerung, d. h. für jedes Grundstück ist i. d. R. ein gesondertes Verfahren durchzuführen (vgl. § 63 Abs. 1 ZVG); vgl. Böttcher, § 15 Rn. 1. 15) Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, Einl. Rn. 19. 16) Eickmann, ZfIR 2007, 557. 17) Lindner-Figura/Oprée/Stellmann/Hörndler, Geschäftsraummiete, Kap. 19 Rn. 93. 18) Siehe auch zu den Ausnahmen hiervon BGH, Beschl. v. 14.4.2005 – V ZB 25/05. 19) Konkretisiert durch die Zwangsverwalterverordnung (ZwVwV). 20) BGH, Beschl. v. 24.2.2011 – V ZB 280/10. 21) Böttcher, § 152 Rn. 6; Hannemann/Wiegner/Moersch, § 39 Rn. 116.
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I. Verwaltung von Immobilien in der Insolvenz des Eigentümers
595 An ihre Grenzen stößt die Zwangsverwaltung immer dann, wenn umfangreiche Umbaumaßnahmen durchzuführen sind.22) Denn das Vorhaben des Zwangsverwalters, ein beschlagnahmtes Gebäude durch Umbau nachhaltig zu verändern oder in die vom Schuldner dem Objekt zugedachte Nutzung in einer Weise einzugreifen, die die wirtschaftliche Beschaffenheit des Grundstücks in ihrem Gesamtcharakter berührt, ist durch das Vollstreckungsgericht kaum genehmigungsfähig.23) 596 Eine Betriebsfortführung durch den Zwangsverwalter ist nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Denn die Anordnung der Zwangsverwaltung bewirkt nur die Beschlagnahme des Grundstücks und der in den §§ 20, 21, 148 ZVG näher bezeichneten Gegenstände. Nur insoweit wird die Verwaltung und Nutzung dem Zwangsverwalter übertragen.24) Der Zwangsverwalter tritt damit nicht automatisch in schuldrechtliche Verträge des Schuldners mit Dritten ein und kann daher die Fortführung des Gewerbebetriebs nur dadurch erreichen, dass er hinsichtlich solcher Gegenstände und Rechte, die er für die Fortführung benötigt und die nicht von der Beschlagnahme erfasst sind, entsprechende Verträge abschließt.25) 597 Dass der Zwangsverwalter die Immobilie nicht verkaufen darf, benachteiligt diesen gegenüber dem Insolvenzverwalter und zwingt den dinglich besicherten Gläubiger zum Nachdenken darüber, ob nicht einem Gläubigerinsolvenzantrag (§ 14 InsO) der Vorzug vor einem Antrag auf Anordnung der Zwangsverwaltung zu geben ist. In der Literatur wird daher eine Verkaufsermächtigung für den Zwangsverwalter gefordert.26) Kernpunkt dieser Diskussion ist die Sicherstellung des Schuldnerschutzes vor einer Verschleuderung der Immobilie. Sind mehrere dingliche Gläubiger vorhanden, so muss der Zwangsverwalter mit ihnen die Umstände der Erteilung einer Löschungsbewilligung aushandeln (Konsensprinzip), da der Vollzug des Kaufs gemäß BGB erfolgen soll und ein Wegfall von Grundpfandrechten analog § 91 ZVG nicht vorgesehen ist.27) 598 Andere Reformbemühungen erachten eine isolierte Verkaufsermächtigung des Zwangsverwalters als nicht weitgehend genug. Sie fordern eine Anpassung der Rechte des Zwangsverwalters an die des Insolvenzverwalters in Form eines Immobilien-Insolvenzverfahrens.28)
___________ 22) 23) 24) 25) 26) 27) 28)
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BGH, Beschl. v. 10.12.2004 – IX a ZB 231/03; Drasdo, NJW 2005, 1549. BGH Urt. v. 10.12.2004 – IXa ZB 231/03. BAG, Urt. v. 18.8.2011 – 8 AZR 230/10. BAG, Urt. v. 18.8.2011 – 8 AZR 230/10. IGZInfo 4/2012, 166; Molitor, ZfIR 2013, 192 ff. IGZInfo 4/2012, 166. Molitor, ZfIR 2013, 192 ff.
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IV. Kalte Zwangsverwaltung
IV.
Kalte Zwangsverwaltung
Beim Zusammentreffen von Insolvenz und Verwaltung spiel in der Praxis die 599 Kalte Zwangsverwaltung eine große Rolle. Sie ist gesetzlich zwar nicht geregelt, von Kommentierung und Rechtsprechung jedoch weitgehend anerkannt.29) Voraussetzung der Kalten Zwangsverwaltung ist die Eröffnung des Insolvenz- 600 verfahrens über das Vermögen des Immobilieneigentümers sowie die Bereitschaft des Insolvenzverwalters, die Verwaltung durchzuführen. Bei der Kalten Zwangsverwaltung erfolgt die Verwaltung der verpfändeten 601 Immobilie des Schuldners ausschließlich durch den Insolvenzverwalter. Auf die Einleitung eines gerichtlichen Zwangsverwaltungsverfahrens mit all seinen Kosten kann damit verzichtet werden. Hierin liegt ein weiterer Kostenvorteil der Kalten Zwangsverwaltung. Die Kalte Zwangsverwaltung wird durch eine Vereinbarung zwischen dem ab- 602 sonderungsberechtigten Gläubiger und dem Insolvenzverwalter geregelt. Kern der Vereinbarung ist die eine Beschlagnahme ersetzende Verpflichtung des Insolvenzverwalters, die erwirtschafteten Erträge an den Gläubiger zeitnah abzuführen. Die Insolvenzmasse erhält für die Verwaltertätigkeit eine frei zu verhandelnde Vergütung, die, soweit vorhanden, aus den Erträgen der Immobilie erbracht wird und gewöhnlich die Vergütung eines Zwangsverwalters nicht übersteigt. Um Missverständnisse über dem Umfang der Verwaltung auszuschließen, 603 empfiehlt es sich, die Pflichten des Insolvenzverwalters, ggf. unter Bezugnahme auf die gesetzlichen Pflichten des Zwangsverwalters, genau zu vereinbaren. Im Gegensatz zum Zwangsverwalter kann der Insolvenzverwalter die Immobi- 604 lie auch verkaufen.30) Die Kalte Zwangsverwaltung kann daher mit einer Verkausfsvereinbarung ver- 605 bunden werden. Hierin liegt ein erheblicher Vorteil der Kalten Zwangsverwaltung, da sich somit das kostspielige Zwangsversteigerungsverfahren vollständig einsparen lässt. Typischer Inhalt einer solchen Verkaufsvereinbarung sind die Mitwirkungsverpflichtung des Insolvenzverwalters am freihändigen Verkauf sowie eine weitere Provisionsvereinbarung hierfür.31) Wie sich der Verkauf der Immobilie auf die für den Ausfall festgestellte For- 606 derung des absonderungsberechtigten Grundpfandgläubigers auswirkt, ist in ___________ 29) Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, Einl. Rn. 8; Tetzlaff, ZfIR 2005, 179 ff.; Raab, DZWIR 2006, 234 – 239; Molitor, ZInsO 2011, 1486; BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZB 261/08; OLG Hamm, Urt. v. 14.6.2005 – 27 U 85/04; LG Leipzig, Beschl. v. 23.1.2007 – 12 T 763/06; FG Düsseldorf, Urt. v. 10.6.2009 – 5 K 3940/07 U. 30) BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 83/10. 31) Hawelka, ZfIR 2010, 665 – 672.
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der Insolvenzordnung nicht geregelt und daher ggf. einvernehmlich festzulegen, ansonsten gelten die allgemeinen Regeln.32) 607 Im Gegensatz zum Zwangsverwalter33) ist der Insolvenzverwalter nicht grundsätzlich verpflichtet, den Charakter der Immobilie zu erhalten. Wenn sich die Verwertung der Immobilie durch eine totale Umgestaltung wesentlich besser erzielen lässt, hierfür ausreichend Masse vorhanden ist und die Gläubigerversammlung34) zustimmt, kann der Insolvenzverwalter auch aufwendige Umbauten oder Umgestaltungen der Immobilie vornehmen. Die Kalte Zwangsverwaltung ist daher im Hinblick auf die Entwicklung der Immobilie wesentlich flexibler als die ordentliche Zwangsverwaltung. 608 Ist die Immobilie mehreren Gläubigern verpfändet, sind diese in die Kalte Zwangsverwaltung zu integrieren, da sonst die Gefahr besteht, dass diese ein eigenes Zwangsverwaltungsverfahren aus eigenem Recht einleiten und dem Insolvenzverwalter die Verwaltungsbefugnis entzogen wird. 609 Problematisch ist das Zusammentreffen von Kalter Zwangsverwaltung und Freigabe. Dem Insolvenzverwalter steht es grundsätzlich frei, Massegegenstände aus der Insolvenzmasse freizugeben, wenn er sich hierdurch keinen Nutzen mehr für die Masse verspricht.35) Und dies auch zur Unzeit. In diesem Fall wäre der Gläubiger, der sich auch zukünftig die Erträge sichern will, darauf angewiesen, die Zwangsverwaltung zu betreiben. Dies kann problematisch werden, insbesondere dann, wenn der Schuldner eine Gesellschaft ist und diese bereits aufgelöst wurde, keine zustellungsfähige Adresse oder kein Vertretungsorgan mehr hat. Ein vertraglicher Ausschluss der Freigabe dürfte insolvenzzweckwidrig und damit unwirksam sein.36) Denkbar ist allenfalls die Vereinbarung einer modifizierten Freigabe.37) V.
Institutsverwaltung
610 Die Institutsverwaltung ist in § 150a ZVG geregelt und sehr stark an die ordentliche Zwangsverwaltung angelehnt. Sie sieht vor, dass die in der Norm aufgezählten Institutionen38) dem Gericht einen Verwalter vorschlagen können. Voraussetzung hierfür ist, dass der vorgeschlagene Verwalter im Dienste des Instituts steht. Das Gericht hat den vorgeschlagenen Verwalter zu bestellen, ___________ 32) 33) 34) 35)
BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 83/10. BGH, Beschl. v. 10.12.2004 – IXa ZB 231/03. Raab, DZWIR 2006, 234 – 239. BGH, Urt. v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03; BGH, Urt. v. 12.2.2009 – IX ZB 112/06; Nerlich/ Römermann/Andres, § 35 Rn. 53; AG Köln, Beschl. v. 7.6.2010 – 71 IN 509/09. 36) BGH NJW 2005, 2015; BGH ZInsO 2006, 260; Uhlenbruck, § 35 Rn. 72. 37) Molitor, ZInsO 2009, 231 – 233. 38) Öffentliche Körperschaft, staatliches Institut, Hypothekenbank, Siedlungsunternehmen.
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V. Institutsverwaltung
wenn die vorschlagende Institution eine Haftungsfreistellung vornimmt und keine Bedenken gegen die Person des Vorgeschlagenen bestehen. Im Übrigen richtet sich die Institutsverwaltung nach den Regeln der Zwangs- 611 verwaltung, d. h. der Institutsverwalter hat dieselbe Stellung wie ein Zwangsverwalter mit allen Rechten und Pflichten.39) Der Institutsverwalter wird vom Vollstreckungsgericht beaufsichtigt.40) Er darf 612 Zahlungen an Gläubiger, auch an sein eigenes Institut, nur nach dem gerichtlichen Teilungsplan vornehmen.41) Der Schwachpunkt der Institutsverwaltung liegt wie bei der Zwangsverwal- 613 tung darin, dass wirtschaftlich sinnvolle aber wesentliche Umgestaltungen des Verwaltungsobjektes kaum vorgenommen werden können und laufende Geschäftsbetriebe des Schuldners durch den Institutsverwalter gar nicht oder nur unter sehr engen Voraussetzungen fortgeführt werden können.42) Hinzu kommt, dass die Nähe des Institutsverwalters zum Gläubiger regelmä- 614 ßig kritisch beurteilt43) wird mit der Folge, dass der ohnehin schon zu enge Handlungsspielraum des Verwalters noch weiter eingeschränkt wird.44) Dem Umstand, dass große multinationale Immobilienverwaltungsgesellschaften der Institute Immobilien qualitativ oft wesentlich besser verwalten können als Zwangsverwalter, die ihrerseits oft in kleinen Büros und als „Einzelanwalt“ unterwegs sind, wird in der Praxis oft wenig Beachtung geschenkt.45) Ein Nachteil der Institutsverwaltung ist ferner, dass auch der Institutsverwalter 615 die Immobilie nicht verkaufen kann und dass daher neben dem Institutsverwaltungsverfahren und dem Insolvenzverfahren ggf. auch noch ein Zwangsversteigerungsverfahren zu betreiben ist; hierdurch entstehen erhebliche Kosten. Die Institutsverwaltung kann hierbei jedoch gegenüber der Zwangsverwaltung 616 insoweit punkten, als dass der Institutsverwalter gemäß § 150a Abs. 2 Satz 2 ZVG keine Vergütung erhält und sie damit kostengünstiger ist.
___________ Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, § 150a Rn. 31. Keller, NZI, 2011, 1, 4. Keller, NZI, 2011, 1, 4. Vgl. oben. Keller, NZI, 2011, 1, 4 f.; Eickmann, Zwangsversteigerung- und Zwangsverwaltungsrecht, S. 395; Hintzen/Wolf, Handbuch Zwangsvollstreckung, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 2006, S. 1137; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, § 150a Rn. 31. 44) Zur Rechtsmissbräuchlichkeit der Institutsverwaltung: AG Leipzig, Urt. v. 28.2.2008 – 475 L 1103/07. 45) Keller, NZI, 2011, 1 ff.
39) 40) 41) 42) 43)
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I. Verwaltung von Immobilien in der Insolvenz des Eigentümers
VI.
Kalte Institutsverwaltung
617 Die Kalte Institutsverwaltung ist gesetzlich nicht geregelt, in der Literatur jedoch weitgehend anerkannt.46) Bei ihr erfolgt die Verwaltung der Immobilie durch den grundpfandrechtlich gesicherten Gläubiger bzw. ein auf Immobilien spezialisiertes Tochterunternehmen des Gläubigers, welches dieser als Subunternehmer einschaltet. 618 Voraussetzung der Kalten Institutsverwaltung ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Immobilieneigentümers. Ferner ein Einigwerden des Insolvenzverwalters und des grundpfandrechtlich besicherten Gläubigers darüber, dass der Grundpfandgläubiger für den Insolvenzverwalter im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrags die Verwaltung der Immobilie vornimmt und die Nutzungen zieht. In der Praxis wird eine solche Vereinbarung oft auf das Mietinkasso beschränkt. Die gewonnenen Erlöse werden anhand einer auszuhandelnden Quote zwischen der Insolvenzmasse und dem Grundpfandgläubiger aufgeteilt. 619 Da es dem Insolvenzverwalter weitgehend freisteht, an wen er Aufgaben delegiert, muss bei der Kalten Institutsverwaltung auch niemand Institut i. S. d. § 150a ZVG sein. Kalter Institutsverwalter kann daher das Institut selbst, eine Tochtergesellschaft oder ein strategischer Partner sein. 620 Die Rechte und Pflichten des Kalten Institutsverwalters richten sich nach den Regelungen des mit dem Insolvenzverwalter geschlossenen Vertrags. Im Interesse der Beteiligten empfiehlt es sich, die gegenseitigen Rechte und Pflichten möglichst deutlich zu bezeichnen und – um Missverständnisse auszuräumen – dies zu dokumentieren. Soweit die tatsächliche Immobilienbewirtschaftung vor Ort von dem Kalten Institutsverwalter wiederum an einen örtlichen AssetManager delegiert werden soll, wäre auch dies in die Dokumentation aufzunehmen. 621 Die Vorteile der Kalten Institutsverwaltung liegen in ihrer Portfoliofreundlichkeit. Im Gegensatz zum einfachen Insolvenzverwalter, der aufgrund seiner vornehmlich juristischen Kanzleiorganisation kaum in der Lage ist, eine größere Immobilie oder gar ein größeres Immobilienportfolio zur Zufriedenheit der Gläubiger zu bewirtschaften, zu verwalten oder zu verwerten, kann dies durch ein global aufgestelltes Institut leicht erfolgen. 622 Darüber hinaus kann der Gläubiger das Schicksal seiner Kreditsicherheit weitgehend mitgestalten, wohingegen sich der Insolvenzverwalter auf das Kerngeschäft der Insolvenzverwaltung konzentrieren kann. 623 Nachteil der Kalten Institutsverwaltung ist, dass der Insolvenzverwalter die Immobilie zur Unzeit aus der Masse freigeben kann. ___________ 46) Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, Einl. Rn. 7; Molitor, ZinsO 2011, 1486 ff.
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VIII. Kalte Eigenverwaltung
Für den Verwalter ist zu beachten, dass die Kalte Institutsverwaltung keine 624 Immobilienbewirtschaftung durch den Insolvenzverwalter gemäß § 3 Abs. 1 Buchst. b) Alt. 2 InsVV mehr sein dürfte, da sie kaum noch mit der üblichen Kalten Zwangsverwaltung vergleichbar ist. Eine Immobilienverwaltung liegt nur vor, wenn der Insolvenzverwalter einen Aufwand treiben musste, der sich als Immobilienbewirtschaftung beschreiben lässt, insbesondere die Vermietung sowie die Sicherung und die Erhaltung der Immobilie.47) Seine Tätigkeit dürfte daher bei der Kalten Institutsverwaltung durch die Regelvergütung abgegolten sein und keinen Zuschlag mehr erfordern. VII. Eigenverwaltung Bei der Eigenverwaltung handelt es sich um eine gesetzlich normierte Verwal- 625 tung. Gemäß § 150b ZVG wird der Schuldner selbst zum Verwalter bestellt, sofern er das will und hierzu in der Lage ist. Hiermit wird der besonderen Sachkunde des Schuldners bei der Bewirtschaftung seiner Anbauflächen Rechnung getragen. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um die Verwaltung eines unverpachte- 626 ten landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gärtnerischen Grundstücks und bei dem Schuldner um eine natürliche Person handelt.48) Die Eigenverwaltung wird durch eine vom Gericht bestelle Aufsichtsperson 627 überwacht (§ 150c ZVG). Umstritten ist, wie und ob die Erträge aus der Eigenverwaltung zwischen 628 Schuldner, Gläubiger und Aufsichtsperson aufgeteilt werden.49) VIII. Kalte Eigenverwaltung Die Kalte Eigenverwaltung ist gesetzlich nicht geregelt, in der Praxis und Lite- 629 ratur jedoch anerkannt.50) Bei der Kalten Eigenverwaltung delegiert der Insolvenzverwalter die Verwaltung der Immobilie an den Schuldner, der zugleich Eigentümer sein muss. Bei der Kalten Eigenverwaltung handelt es sich demnach um eine besondere Form der Kalten Zwangsverwaltung. Sie bietet sich an, wenn das Insolvenzverfahren nicht aufgrund einer Misswirtschaft des Schuldners eröffnet wird. Die durch die Kalte Eigenverwaltung erzielten Erlöse sind an den Gläubiger abzuführen, wobei Insolvenzmasse und der Schuldner eine im Einzelfall auszuhandelnde Provision erhalten. ___________ 47) Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Insolvenzrechtliche Vergütung, § 3 Rn. 21; FK/ Lorenz, § 3 InsVV Rn. 14; Breutigam/Blersch/Goetsch, § 3 InsVV Rn. 11; BGH, Beschl. v. 24.1.2008 – IX ZB 120/07. 48) Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, § 150e Rn. 2 f. 49) Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung,§ 150e Rn. 7. 50) Molitor, ZinsO 2011, 1486 ff.
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I. Verwaltung von Immobilien in der Insolvenz des Eigentümers
630 Voraussetzung der Kalten Eigenverwaltung ist die Eröffnung des Insolvenzverwalters über das Vermögen des Eigentümers und eine Vereinbarung zwischen Insolvenzverwalter und Schuldner hinsichtlich der Verwaltung der Immobilie. Mit dem absonderungsberechtigten Gläubiger ist Einvernehmen herbeizuführen, da er die Vereinbarung sonst durch die Einleitung eines ordentlichen Zwangsverwaltungsverfahrens aushebeln könnte. 631 Vorteil der Kalten Eigenverwaltung ist, dass die Kompetenz des Schuldners sowie dessen lokale Vernetzung genutzt werden kann. Unter Umständen kann dadurch mehr erreicht werden, z. B. eine schnellere Aufmietung, als durch einen externen Verwalter. Oftmals wohnt der Schuldner auch im oder am Objekt und kann daher Hausmeisterdienste und kleinere Instandsetzungen schneller und effizienter erledigen als ein ortsfremder Verwalter. 632 Auch bei der Kalten Eigenverwaltung ist ein Abverkauf der Immobilie durch den Insolvenzverwalter möglich, sofern er mit dem absonderungsberechtigten Gläubiger Einvernehmen über den Kaufpreis und die zu zahlende Masseprovision erzielt. 633 Hinsichtlich der Kosten zeichnet sich die Kalte Eigenverwaltung dadurch aus, dass sie dem absonderungsberechtigten Gläubiger die Einleitung eines teuren Zwangsersteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahrens erspart. 634 Die Rechte und Pflichten des Kalten Eigenverwalters richten sich nach den Regelungen des mit dem Insolvenzverwalter geschlossenen Vertrags. Im Interesse aller Beteiligten empfiehlt es sich, die gegenseitigen Rechte und Pflichten möglichst genau zu vereinbaren. 635 Schwachpunkt der Kalten Eigenverwaltung ist die Möglichkeit des Insolvenzverwalters, die Immobilie zur Unzeit freizugeben. 636 Im Gegensatz zur Kalten Institutsverwaltung tritt durch die Kalte Eigenverwaltung ein weiterer Kostenfaktor für den absonderungsberechtigten Gläubiger auf, denn auch der Schuldner will für seine Tätigkeit eine Bezahlung erhalten. Der Gläubiger muss daher im Vorfeld genau prüfen, ob die Kompetenz des Schuldners und der daraus erwartete Mehrertrag aus der Immobilie dessen Kosten erwirtschaftet oder nicht. IX.
Doppelnützige Treuhand
637 Die Doppelnützige Treuhand ist der Newcomer unter den alternativen Verwaltungsformen. Sie ist gesetzlich51) nicht geregelt und wird in der Literatur noch eifrig diskutiert.52) ___________ 51) Zur Rechtsnatur: Vertrag sui generis gemäß § 311 BGB mit Elementen eines Geschäftsbesorgungsvertrags gemäß § 675 BGB; vgl. hierzu: Undritz, ZIP 2012, 1153, 1157. 52) Undritz, ZIP 2012, 1153 ff. m. w. N.
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IX. Doppelnützige Treuhand
Die Doppelnützige Treuhand ist ursprünglich zur Sanierung von Unternehmen 638 entwickelt worden.53) Bei ihr übernimmt der Treuhänder die Gesellschaftsanteile des Schuldners zum Zwecke der Restrukturierung. Eine Anwendung der Konstruktion auf Immobilien – insbesondere auf Immobilienportfolios, die üblicherweise in Immobiliengesellschaften organisiert sind – liegt nahe. Voraussetzung der Doppelnützigen Treuhand und der Begleitung derselben 639 durch den Gläubiger ist jedoch, dass das übernommene Portfolio sanierungsfähig ist; der Nachweis erfolgt in Form eines Sanierungsgutachtens nach aktuellen Standards (IDW S6).54) Bei der Doppelnützigen Treuhand erfolgt die Verwaltung der Immobilie durch 640 den Treuhänder, dem die Anteile der die Immobilie haltenden Gesellschaft übertragen werden. Alternativ können an den Treuhänder auch nur die Sicherungsgrundschulden 641 der Immobilie übertragen werden. Denn bei Sicherungsgrundschulden ist in Ermangelung einer Akzessorietät eine Identität des Rechtsinhabers der gesicherten Forderungen und des Rechtsinhabers der gewährten Sicherheiten für eine wirksame Sicherheitenbestellung nicht notwendig. In der Praxis, insbesondere bei syndizierten Darlehen, werden daher nichtakzessorische Kreditsicherheiten zugunsten eines Sicherheiten-Treuhänders bestellt.55) Bei der Doppelnützigen Treuhand handelt es sich damit um eine dinglich ausgestaltete Variante der Privatautonomen Zwangsverwaltung. Sie unterscheidet sich vom Sicherheitenpoolvertrag dadurch, dass es sich bei dem Treuhänder um einen externen Dritten handelt und nicht um den Konsortialführer des Konsortialkreditgebers. Die Rechte und Pflichten des Treuhänders ergeben sich aus dem Treuhandver- 642 trag. Es empfiehlt sich, hierbei auf die gesetzlichen Pflichten eines Zwangsverwalters Bezug zu nehmen. Für seine Tätigkeit erhält der Treuhänder eine Vergütung. Der Vorteil der Doppelnützigen Treuhand ist ihre Portfoliofreundlichkeit und 643 Internationalität; leicht können Anteile zahlreicher multinationaler Immobiliengesellschaften von einem einzigen Treuhänder verwaltet werden. Der Nachteil der Doppelnützigen Treuhand liegt darin, dass in Ermangelung 644 von höchstrichterlicher Rechtsprechung keine Rechtssicherheit besteht. Ferner, dass durch die „Doppelseitigkeit“ dem Schuldner, insbesondere auch dem unredlichen, ein zu großer Einfluss zugestanden wird.
___________ 53) Undritz, ZIP 2012, 1153. 54) Undritz, ZIP 2012, 1153, 1154. 55) MünchHandbGesellschaftsrecht/Schaffelhuber/Sölch, § 31 Rn. 25.
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I. Verwaltung von Immobilien in der Insolvenz des Eigentümers
X.
Eiskalte Zwangsverwaltung
645 Bei der Eiskalten Zwangsverwaltung56) handelt es sich um die komplexeste Form der Immobilienverwaltung. Mit einer Eiskalten Zwangsverwaltung bezeichnet man Mischformen der oben beschriebenen einzelnen Varianten der Kalten Zwangsverwaltung; namentlich ein Gemisch aus Kalter Eigen- und Kalter Institutsverwaltung. Die Verwaltung der Immobilie erfolgt also aufgabenteilig zwischen Insolvenzverwalter, Gläubiger und Schuldner. 646 Voraussetzung der Eiskalten Zwangsverwaltung ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Eigentümers und eine Vereinbarung zwischen Insolvenzverwalter, dem Schuldner (= Eigentümer) und dem Grundpfandgläubiger hinsichtlich der gemeinsamen Verwaltung der Immobilie. 647 Die Rechte und Pflichten der Parteien der Eiskalten Zwangsverwaltung richten sich nach den Regelungen des geschlossenen Vertrags. Diese können mannigfaltig sein. Eine in der Praxis geläufige Variante ist, dass die Verkehrssicherung der Immobilie vom Schuldner selbst, die Vermarktung und Mietkontoführung vom Gläubiger (Hypothekenbank) und etwaige Umbaumaßnahmen und das Mietinkasso vom Insolvenzverwalter ausgeführt werden. Hierin läge eine Kalte Zwangsverwaltung, die sich mit Elementen der Kalten Institutsverwaltung und der Kalten Eigenverwaltung vermischt. 648 Aufgrund der Beteiligung des Insolvenzverwalters kann auch die Eiskalte Zwangsverwaltung mit einer Verkaufsvereinbarung verbunden werden. 649 Schwachpunkt der Eiskalten Zwangsverwaltung ist die Abstimmung zwischen den vielen Beteiligten. Lange Entscheidungswege und Kompetenzrangeleien können die tatsächliche Verwaltung zum Erliegen bringen oder zumindest verzögern. Auch besteht die Gefahr, dass die Rechte und Pflichten zwischen den Parteien nur unzureichend geregelt werden und dass Streit darüber entsteht, welche Leistung durch wen und auf wessen Kosten zu erbringen sind. 650 Für Außenstehende dürften die Mischformen der Kalten Zwangsverwaltung ohnehin nicht transparent sein, womit für die nach außen auftretenden Beteiligten die Gefahr besteht, (versehentlich) aus einer Art faktischen Zwangsverwaltung in Anspruch genommen zu werden; beispielsweise als Störer im polizeirechtlichen Sinne für die Vornahme von Sicherungsmaßnahmen betreffend die Baufälligkeit der Immobilie oder hinsichtlich der Beseitigung von Altlasten.57) 651 Darüber hinaus kann sich der Gläubiger auch hier nicht vor einer Freigabe der Immobilie zur Unzeit schützen. ___________ 56) Der Begriff wird vom Verfasser eingeführt, er bezeichnet die Mischformen der kalten Zwangsverwaltung. 57) Am Beispiel der Verantwortlichkeit des Geschäftsführers siehe VG Düsseldorf, Urt. v. 15.12.2009 – 17 K 3537/08.
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XI. Privatautonome Zwangsverwaltung
Vorteil der Eiskalten Zwangsverwaltung liegt darin, dass mit ihr die Kosten ei- 652 nes Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren eingespart werden können. Darüber hinaus können die Kompetenzen von Insolvenzverwalter, Schuldner 653 und Gläubiger in ihrem jeweiligen Kerngeschäft voll ausgenutzt werden. XI.
Privatautonome Zwangsverwaltung
Die Privatautonome Zwangsverwaltung ist gesetzlich nur rudimentär gere- 654 gelt,58) in der Praxis und Literatur jedoch anerkannt.59) Bei der Privatautonomen Zwangsverwaltung handelt es sich um eine außerge- 655 richtliche und vorinsolvenzliche einvernehmliche Abwendung einer drohenden Zwangsverwaltung. Die Verwaltung der Immobilie erfolgt dabei gewöhnlich durch eine externe Hausverwaltung, auf die sich Gläubiger und Schuldner (= Eigentümer) geeinigt haben; in Einzelfällen ist auch eine Eigenverwaltung des Schuldners unter Aufsicht des Gläubigers denkbar. Eigentümer und grundpfandrechtlich besicherter Gläubiger vereinbaren privat- 656 autonom, dass der Gläubiger so zu stellen sei, als ob eine gesetzliche Zwangsverwaltung angeordnet wäre; der Begriff der Privatautonomen Zwangsverwaltung stellt also nicht auf irgendeine Zwangsverwaltung ab, sondern auf das Ziel des zwischen Schuldner und Gläubiger geschlossenen Vertrages. Kernstück der Privatautonomen Zwangsverwaltung ist die Sicherstellung der 657 Auskehrung der durch die Immobilie erwirtschafteten Erlöse an den Gläubiger. Die notwendigen Bewirtschaftungs- und Erhaltungskosten muss der Schuldner gewöhnlich aber nicht abführen. Der Vollzug der Verwaltung kann beispielsweise dadurch erfolgen, dass der 658 Schuldner die Mieten auf sein Konto beim Gläubiger (z. B. Hypothekenbank) anweisen muss und dieser Verfügungen über das Guthaben nur zulässt, soweit ihm diese sachdienlich und zum Vorteil der Immobilie erscheinen. Das Asset Management vor Ort wird vom Gläubiger beaufsichtigt. Vor diesem 659 Hintergrund vereinbaren die Parteien einer Privatautonomen Zwangsverwaltung regelmäßig umfassende Auskunfts- und Berichtspflichten des Eigentümers, der turnusgemäß alle relevanten Unterlagen vorlegen muss. Als Gegenleistung für die Abführung der Erlöse und die Offenlegung der Im- 660 mobiliendaten verzichtet der Gläubiger regelmäßig auf die Kündigung der Darlehen und auf die Einleitung eines Zwangsverwaltungsverfahrens.
___________ 58) §§ 311, 779 BGB. 59) Förster, ZInsO 2008, 190; Molitor, ZInsO 2007, 1331.
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I. Verwaltung von Immobilien in der Insolvenz des Eigentümers
661 Vorteil der Privatautonomen Zwangsverwaltung ist, dass sie sich im Leisen abspielt und der Schuldner nicht durch ein öffentliches Zwangsverwaltungs- oder Insolvenzverfahren stigmatisiert ist. 662 Ein weiterer Vorteil ist, dass Gerichtskosten nicht anfallen. 663 Der Nachteil der Privatautonomen Zwangsverwaltung ist, dass über ihr das Damoklesschwert der Insolvenzanfechtung schwebt. Denn sollte es zu einer Insolvenz des Eigentümers kommen, so kann der Insolvenzverwalter dem Gläubiger vorwerfen, er hätte sich mittels der Privatautonomen Zwangsverwaltung auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners eingestellt60) und seine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit in der Vereinbarung über die Privatautonomen Zwangsverwaltung dokumentiert. Soweit in der Privatautonomen Zwangsverwaltung die Interessen Dritter nicht berücksichtigt wurden, droht sogar der Vorwurf der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung gemäß § 133 InsO.61) Die Privatautonome Zwangsverwaltung kann vor diesem Hintergrund nur als echtes Sanierungsinstrument gesehen werden, dessen Anwendung die Sanierungsfähigkeit des Schuldners voraussetzt. Dies ist durch ein Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard zu belegen. 664 Ob die Privatautonome Zwangsverwaltung mit einer Verkaufsvereinbarung verbunden werden kann, hängt vom Einzelfall ab. Bei ungekündigten Kreditengagements wäre eine Regelung, wonach der Schuldner dem Gläubiger eine Verkaufsvollmacht erteilen muss, im Hinblick auf § 1149 BGB (Unzulässige Befriedigungsabrede) höchst problematisch. Denkbar ist aber, dass der Gläubiger dem Eigentümer aufgibt, seine Immobilie selbst zu verkaufen und mit dem Erlös die bestehenden Darlehensverbindlichkeiten bis zu einem bestimmten Stichtag abzulösen; die Privatautonome Zwangsverwaltung wäre in diesem Fall auf den Stichtag zu befristen. XII. Verwaltung bei Drittsicherungsgebern 665 In der Praxis durchaus üblich ist es, dass Darlehen nicht durch den Darlehensnehmer selbst, sondern durch Dritte62) abgesichert werden. 666 Wird nun solch ein Darlehen notleidend und ist kein Insolvenzverfahren eröffnet, verbleiben dem grundpfandrechtlich besicherten Gläubiger nur die außerinsolvenzlichen Verfahren um die Verwaltung der Immobilie sicherzustellen (insbesondere die Zwangsverwaltung, Institutsverwaltung, und Privatautonome Zwangsverwaltung). 667 Wird das drittbesicherte Darlehen notleidend und ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Eigentümers eröffnet, so kann der absonderungsbe___________ 60) Vgl. für den Fall der Ratenzahlungsvereinbarung, BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06; BGH Urt. v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12. 61) LG Itzehoe, Urt. v. 10.11.2011 – 7 O 97/11. 62) Beispielsweise Familienangehörige.
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XIII. Zusammenfassung
rechtigte Gläubiger mit dem Insolvenzverwalter eine „Kalte Verwaltung“ aushandeln; daneben steht es ihm frei, die gesetzliche Zwangsverwaltung einzuleiten. Anders ist es, wenn das drittbesicherte Darlehen notleidend wird und das In- 668 solvenzverfahren über das Vermögen des persönlichen Schuldners eröffnet wird. In Ermangelung eines die Verfügungsmacht über die Immobilie erlangenden Insolvenzverwalters kann keine „Kalte Verwaltung“ ausgehandelt werden. Der Gläubiger ist daher auf die ordentliche Zwangsverwaltung oder einen Vergleich mit dem Eigentümer angewiesen. Im Falle einer Doppelinsolvenz (Eigentümer und Schuldner) stehen dem ab- 669 sonderungsberechtigten Gläubiger wiederum die Kalten Verwaltungen neben den gesetzlichen Verwaltungen offen. XIII. Zusammenfassung Aus den mannigfaltigen Interessen der Beteiligten (insbesondere Erhaltung, 670 Erwirtschaftung von Erträgen, Verkauf, Auf- oder Entmietung, Umbau der Immobilie etc.) haben sich in den Jahren eine ganze Reihe alternativer Verwaltungsformen neben der gesetzlichen Zwangsverwaltung etabliert. Diese setzen insbesondere dort an, wo die bürokratischen und wenig flexiblen normierten Verfahren an ihre Grenzen stoßen und mit dem modernen Wirtschaftsleben nicht mehr Schritt halten können. Dem grundpfandrechtlich gesicherten Gläubiger stehen daher eine ganze Reihe 671 möglicher Verfahren zur Verfügung. Neben der gesetzlichen Zwangs- Instituts- und Eigenverwaltung sind dies insbesondere die Privatautonome Zwangsverwaltung, die Kalte Zwangsverwaltung, die Kalte Instituts- und Eigenverwaltung sowie die Eiskalte Zwangsverwaltung. Die Zwangs- Instituts- und Eigenverwaltung punkten durch eine hohe Rechts- 672 sicherheit, haben jedoch Defizite hinsichtlich der Umgestaltung der Immobilie, der Betriebsfortführung, der Verfahrensdauer und der anfallenden Kosten. Einen Verkauf der Immobilie ermöglichen sie nicht. Im Übrigen gelten sie als portfoliofeindlich und rein national. Die „Kalten Zwangsverwaltungsverfahren“ bestechen durch eine hohe Flexibi- 673 lität im Hinblick auf Umgestaltung, Betriebsfortführung und Verkauf der Immobilie. Darüber hinaus sind sie in aller Regel deutlich günstiger als die Zwangsverwaltung. Jedoch ist bei den freien Verfahren immer auch ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit präsent. Keines der dargestellten Verfahren erweist sich demnach für alle Fallgestaltun- 674 gen als vorteilhaft. Der Gläubiger muss in jedem Einzelfall die Risiken bzw. die Vor- und Nachteile 675 ausloten.
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J.
Zwangsversteigerung von Immobilien in der Insolvenz
I. Allgemeines Die Zwangsversteigerung in Immobilienvermögen bildet die zweite Säule der 676 Immobilienabwicklung. Sie ist im Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG) geregelt, welches durch einen stark ausgeprägten Formzwang geprägt ist.1) Ob das Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet oder ein freihändiger Ver- 677 kauf der Immobilie erfolgen soll, muss von Gläubigern und Insolvenzverwaltern sorgsam abgewogen werden. Das Zwangsversteigerungsverfahren hat gegenüber dem Verkauf den Vorteil, dass Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen sind (§ 56 Satz 3 ZVG) und dass sich der Insolvenzverwalter nicht wegen der Höhe des Kaufpreises verantworten muss.2) Der Nachteil der Zwangsversteigerung ist ihre viel zu lange Verfahrensdauer. Darüber hinaus besteht eine erhebliche Störanfälligkeit gegenüber Rechtsmitteln, die nur mit dem Zweck der Verzögerung eingelegt werden und die durch ein zeitraubendes Vorlageverfahren (§§ 793, 572 ZPO) abgearbeitet werden müssen. II.
Antrag und Zuständigkeit
1.
Antragsberechtigung
Die Zwangsversteigerung kann vom Grundpfandgläubiger beantragt werden, 678 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Eigentümers hindert ihn nicht daran (§ 49 InsO). Ist über das Vermögen des Eigentümers das Insolvenzverfahren eröffnet, kann 679 auch der Insolvenzverwalter die Zwangsversteigerung beantragen (§ 172 ZVG, § 159 InsO). An eine vor Insolvenzeröffnung zwischen dem Schuldner und einem Grundpfandgläubiger getroffene vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung ist er nicht gebunden.3) Ist nur über das Vermögen eines Miteigentümers das Insolvenzverfahren eröffnet, so kann der Insolvenzverwalter nicht die Zwangsversteigerung des gesamten Grundstückes betreiben.4) Im vereinfachten Insolvenzverfahren ist hingegen der Treuhänder gemäß § 313 680 Abs. 2 InsO nicht zur Verwertung von mit Absonderungsrechten belasteten
___________ 1) Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, Einl. Rn. 5. 2) Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, § 172 Rn. 3.1; Mohrbutter, Handbuch des Vollstreckungsrechts, § 61 Abs. 1. 3) BGH, Urt. v. 13.1.2011 – IX ZR 53/09. 4) BGH, Beschl. v. 26.4.2012 – V ZB 181/11.
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Massegegenständen berechtigt ist. Insoweit ist auch ein Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung unzulässig.5) 681 Voraussetzung der Beantragung der Zwangsversteigerung durch den Insolvenzverwalter ist, dass das Grundstück zur Insolvenzmasse gehört und der Insolvenzverwalter es noch nicht freigegeben hat. 682 Der vorläufige Insolvenzverwalter ist in der Regel nicht befugt, Immobilienvermögen des Insolvenzschuldners zu verwerten.6) 2.
Zuständigkeit
683 Örtlich ausschließlich zuständig ist gemäß § 1 ZVG das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt; wobei nur auf die tatsächliche Lage und nicht die Eintragung im Grundbuch abzustellen ist.7) Etwas anderes gilt, soweit die Landesregierung gemäß § 1 Abs. II ZVG von ihrer Ermächtigung Gebrauch gemacht hat und die Zwangsversteigerungssachen mehrerer Bezirke einem Amtsgericht zugewiesen hat. 684 Die sachliche Zuständigkeit liegt beim Amtsgericht (§ 764 ZPO). Durchgeführt wird dort das Verfahren vom Rechtspfleger, der funktionell zuständig ist (§ 3 RPflG). 3.
Form und Inhalt
685 Gemäß § 129a ZPO kann der Antrag schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden, er ist zu unterzeichnen (§ 130 Nr. 6 ZPO). 686 Inhaltlich muss der Antrag bestimmt sein, d.h. aus ihm muss ersichtlich sein, in welches Grundstück vollstreckt werden soll und wer Eigentümer ist (§ 16 ZVG). 687 Ferner muss der Vollstreckungsanspruch genau bezeichnet werden. In diesem Zusammenhang ist anzugeben, ob aus einem dinglichen und/oder aus einem persönlichen Anspruch angeordnet werden soll.8) 4.
Vollstreckungstitel
688 In der Regel werden Immobilienfinanzierungen über Sicherungsgrundschulden abgesichert, so dass Zwangsvollstreckungen oft aus vollstreckbaren Ausfertigungen von Grundschuldbestellungsurkunden betrieben werden. 689 Die Vollstreckungsklausel hat auf den jeweiligen Eigentümer zu lauten. Wurde über das Vermögen des Eigentümers das Insolvenzverfahren eröffnet, muss die Klausel auf den Insolvenzverwalter umgeschrieben und der Titel diesem zuge___________ 5) 6) 7) 8)
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Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, § 172 Rn. 3. BGH, Beschl. v. 14.12.2000 – IX ZB 105/00. Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Sievers, § 1 Rn. 2. Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Sievers, § 16 Rn. 2 ff.
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III. Verfahrensgang
stellt werden.9) Gibt der Insolvenzverwalter nach der Anordnung des Verfahrens das Grundstück aus der Masse frei, ist eine erneute Umschreibung auf den Schuldner und eine Zustellung an ihn nicht mehr erforderlich.10) Gleiches gilt, wenn das Insolvenzverfahren während der Laufzeit des Zwangsversteigerungsverfahrens mangels Masse eingestellt wird.11) Der Vollstreckungstitel ist zuzustellen und dem Vollstreckungsgericht vorzu- 690 legen.12) Der Vollstreckungstitel muss dem Gericht jedoch nicht für die ganze Zeit des 691 Verfahrens vorliegen. Nach der Anordnung des Verfahrens kann das Gericht den Titel dem Gläubiger für andere Vollstreckungshandlungen (z. B. Vollstreckung in das mobile Vermögen) wieder zurückgeben. Spätestens zur Zuschlagsentscheidung muss der Titel dann aber wieder dem Vollstreckungsgericht vorliegen.13) III.
Verfahrensgang
1.
Anordnung
Die Zwangsversteigerung darf nur angeordnet werden, wenn der Schuldner als 692 Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist (§ 17 ZVG). Die Anordnung ist im Grundbuch einzutragen (§ 19 ZVG). 2.
Verkehrswertbestimmung
Der Grundstückswert wird vom Vollstreckungsgericht, i. d. R. auf der Basis eines 693 Sachverständigengutachtens festgesetzt (§ 74 Abs. 5 ZVG). Die sofortige Beschwerde eines insolventen Schuldners, die sich gegen die 694 Festsetzung des Verkehrswerts eines massezugehörigen Grundstücks richtet, ist unzulässig.14) Denn der Schuldner wird durch den Insolvenzverwalter vertreten und ist selbst nicht mehr beschwerdeberechtigt. 3.
Geringstes Gebot
Im Versteigerungstermin wird nur ein solches Gebot zugelassen, das die dem 695 Anspruch des bestbetreibenden Gläubigers vorgehenden Rechte sowie die Kos-
___________ 9) 10) 11) 12) 13)
OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.7.1957 – 8 W 218/57. BGH, Beschl. v. 14.4.2005 – V ZB 25/05. BGH, Beschl. v. 24.11.2005 – V ZB 84/05. Musielak/Lackmann, § 800 Rn. 9. BGH, Beschl. v. 30.1.2004 – IXa ZB 285/03 = BGH, NJW-RR 2004, 1366; Kindl/ Meller-Hannich/Wolf/Sievers, § 16 Rn. 9 ff. 14) BGH, Beschl. v. 29.5.2008 – V ZB 3/08.
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J. Zwangsversteigerung von Immobilien in der Insolvenz
ten des Verfahrens deckt; dieses bezeichnet man als geringstes Gebot (§ 44 ZVG).15) 696 Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zugunsten eines Wasserversorgungsunternehmens gem. § 9 Abs. 1 und 9 GBBerG, § 1 SachenR-DV ist bei der Aufstellung des geringsten Gebots zu berücksichtigen, sofern das (vorrangige) Recht eingetragen ist oder die Voraussetzungen des § 45 I ZVG vorliegen.16) 697 Streitigkeiten ergeben nicht nur ob, sondern auch in welcher Höhe ein Recht in das geringste Gebot fällt: Ist eine Auflassungsvormerkung als vorrangiges Recht bei der Feststellung des geringsten Gebots zu berücksichtigen, ist der Zuzahlungsbetrag nach dem Wert des Grundstücks zu bemessen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass der Anspruch besteht und durchgesetzt werden kann, gering ist.17) 4.
Einstellungsmöglichkeiten
698 Gemäß § 30 ZVG kann der Gläubiger die einstweilige Einstellung des Verfahrens bewilligen, die Bewilligung kann bis zur Zuschlagsverkündung abgegeben werden.18) Sie hat zur Folge, dass das Verfahren nur auf Antrag des Gläubigers fortgesetzt wird; wird dieser Antrag nicht binnen sechs Monaten gestellt, wird das Verfahren aufgehoben (§ 31 ZVG). 699 Auch der Schuldner kann die einstweilige Einstellung beantragen (§ 30a ZVG); hierbei ist die Frist des § 30b ZVG zu beachten. Der Antrag hat jedoch nur Erfolg, wenn Aussicht besteht, dass durch die Einstellung die Versteigerung vermieden wird oder wenn die Einstellung nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners sowie nach der Art der Schuld der Billigkeit entspricht (§ 31a ZVG). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Fortführung des Zwangsversteigerungsverfahrens den Erfolg der Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung des Schuldners gefährden würde.19) 700 Eine weitere Einstellungsmöglichkeit bietet § 765a ZPO, der auf das Vorliegen einer „besonderen Härte“ abstellt. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist die Zwangsversteigerung aber selbst bei Vorliegen einer konkreten Gefahr für Leib und Leben des Schuldners nicht ohne Weiteres einzustellen, sondern nur dann, wenn diese Gefahr nicht abgewendet werden kann.20) So ist die Zwangsversteigerung eines Grundstücks nur unter Auflagen und auf Zeit ein___________ 15) 16) 17) 18) 19) 20)
Böttcher, § 45 Rn. 1. BGH: Beschl. v. 24.11.2005 – V ZB 94/05. BGH: Beschl. v. 10.5.2012 – V ZB 156/11. BGH, Beschl. v. 15.3.2007 – V ZB 95/06; BGH, Rpfleger 2007, 414; Böttcher, § 30 Rn. 5. BGH, Beschl. v. 21.7.2011 – V ZB 48/10. BGH, Beschl. v. 4.5.2005 – I ZB 10/05; BGH, Beschl. v. 14.7.2007 – V ZB 28/07.
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III. Verfahrensgang
zustellen, wenn der mit der Fortsetzung des Verfahrens verbundenen Gefahr der Selbsttötung des Schuldners nur durch dessen dauerhafte Unterbringung entgegengewirkt werden kann.21) Zuständig hierfür ist die jeweils zuständige Behörde. Hat sich diese dem suizidgefährdeten Schuldner angenommen und geeignete Maßnahmen ergriffen, so kann das Vollstreckungsgericht davon ausgehen, dass diese ausreichen und das Zwangsversteigerungsverfahren fortsetzen; es hat nur dann eigene Maßnahmen zu erwägen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Maßnahmen der zuständigen Behörde nicht ausreichen, oder wenn sich neue Gesichtspunkte ergeben haben.22) Schließlich kann auch der Insolvenzverwalter die Einstellung verlangen, näm- 701 lich wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet ist und der Berichtstermin noch bevorsteht, das Grundstück für die Fortführung des Unternehmens benötigt wird, der Insolvenzplan gefährdet würde oder in anderer Weise eine angemessene Verwertung der Insolvenzmasse erschwert würde (§ 30d ZVG). 5.
Versteigerungstermin
Im Versteigerungstermin wird nach dem Aufruf der Sache und den Belehrun- 702 gen, das geringste Gebot und die Versteigerungsbedingungen festgesetzt (§ 66 I ZVG). Unmittelbar danach hat das Gericht auf die bevorstehende Ausschließung weiterer Anmeldungen hinzuweisen. Danach eröffnet es die Bietzeit, die mindestens 30 Minuten betragen muss und so lange andauert, bis keine Gebote mehr abgegeben werden (§ 73 ZVG). Bei der zeitgleichen Versteigerung mehrerer Grundstücke verlängert sich die Bietzeit in dem Verfahren, in welchem Gebote abgegeben werden, nicht, wenn in demselben Zeitraum in den anderen Verfahren nichts passiert.23) Für die abgegebenen Gebote kann von jedem beeinträchtigten Beteiligten ge- 703 mäß § 67 ff. ZVG Sicherheitsleistung verlangt werden. Diese kann in Form von Bundesbank- oder Verrechnungsschecks, durch Bankbürgschaft oder durch Überweisung auf das Konto der Gerichtskasse erbracht werden (§ 69 ZVG). Zu beachten sind hierbei die strengen Anforderungen. Eine Sicherheitsleistung durch Barzahlung ist ausgeschlossen. Das Vollstreckungsgericht ist nicht gehalten, einem Bieter, der seiner Obliegenheit zur Beschaffung einer nach § 69 ZVG zugelassenen Sicherheit nicht nachgekommen ist, im Termin noch Gelegenheit zu geben, diese noch während der Bietfrist beizubringen und – falls dafür erforderlich – die Frist zur Abgabe von Geboten zu verlängern.24) ___________ 21) 22) 23) 24)
BGH, Beschl. v. 6.12.2007 – V ZB 67/07. BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – V ZB 319/10. BGH, Beschl. v. 18.9.2008 – V ZB 18/08. BGH, Beschl. v. 12.1.2006 – V ZB 147/05.
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704 Gebote können persönlich oder für Dritte abgegeben werden. In letzterem Fall hängt die Wirksamkeit des Gebots von der Vertretungsmacht ab, es wird zurückgewiesen, wenn nicht die Vertretungsmacht oder die Zustimmung bei dem Gericht offenkundig ist oder durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde sofort nachgewiesen wird (§ 71 Abs. 2 ZVG). 705 Der aus Art. 14 des Grundgesetzes resultierende Anspruch auf eine faire Verfahrensführung kann es gebieten, eine Ermessensentscheidung dahin gehend zu treffen, ob ein Versteigerungstermin fortzusetzen, zu unterbrechen oder zu vertagen ist, wenn der Vollstreckungsschuldner aufgrund einer staatlichen Zwangsmaßnahme daran gehindert wird, von seinem Recht auf Anwesenheit und Wahrnehmung seiner Verfahrensrechte im Versteigerungstermin weiteren Gebrauch zu machen.25) 706 Zulässig ist die zeitgleiche Versteigerung mehrerer Grundstücke durch das Vollstreckungsgericht. Dies widerspricht in der Regel auch nicht dem verfassungsrechtlichen Gebot einer fairen Verfahrensgestaltung.26) IV.
Zuschlag und Verteilung
707 Nach Abschluss der Bietzeit fordert das Gericht die anwesenden Beteiligten und den Meistbietenden zur Stellungnahme zum Zuschlag auf (Zuschlagsverhandlung). Von Seiten des Gläubigers wird hier insbesondere eine Aussage hinsichtlich der Möglichkeit der Zuschlagsversagung (z. B. gemäß § 74a ZVG) erwartet. Die Verhandlung über den Zuschlag endet mit der Entscheidung über den Zuschlag (Erteilung oder Versagung) oder es wird ein gesonderter Verkündungstermin (§ 87 Abs. 1 ZVG) bestimmt.27) 708 Mit dem Zuschlag erwirbt der Ersteher das Eigentum am Grundstück und an den Gegenständen, auf welche sich die Versteigerung erstreckt hat (§ 90 ZVG).28)Zugleich verliert der Vollstreckungsschuldner sein Grundstück. 709 Der Zuschlag in der Zwangsversteigerung ist ein originärer öffentlich-rechtlicher Eigentumsübertragungsakt mit der Bedeutung eines Richterspruchs, weswegen der Eigentumswechsel auch dann eintritt, wenn das Grundbuch unrichtig war und Eigentum einer anderen Person als der des Schuldners zugeschlagen wurde.29) 710 Der Ersteher eines vermieteten Grundstücks hat zu beachten, dass auf ihn die Verpflichtung zur Rückzahlung der Mietsicherheit an den Mieter kraft Gesetzes auch dann übergeht, wenn der insolvent gewordene Voreigentümer die vom ___________ 25) 26) 27) 28) 29)
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BVerfG, Beschl. v. 8.3.2012 – 2 BvR 2537/11. BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – V ZB 138/06. Böttcher, § 74 Rn. 2. Böttcher, § 180 Rn. 101. OLG Brandenburg, Urt. v. 28.6.2012 – 5 U 151/09.
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V. Bestandteile und Zubehör
Mieter erhaltene Mietsicherheit nicht getrennt von seinem sonstigen Vermögen angelegt hatte.30) Grundstücksrechte erlöschen, soweit sie nicht nach den Versteigerungs- 711 bedingungen bestehen bleiben (§§ 52, 91 ZVG). An Stelle des Grundstücks tritt der Versteigerungserlös (Surrogationsprinzip), an dem die bisherigen Rechte und Rangverhältnisse fortbestehen. In § 92 ZVG ist dies für Nichtkapitalrechte geregelt; nach der h. M. gilt dieser Grundsatz jedoch auch für Grundpfandrechte.31) Der Zuschlag ist zu versagen (von Amts wegen), wenn er nicht gesetzmäßig 712 ist.32) Nach der Erteilung des Zuschlags hat das Gericht einen Termin zur Verteilung 713 des Versteigerungserlöses zu bestimmen (§ 105 ZVG) und einen Teilungsplan zu erstellen (§ 113 ZVG), Letzterer ergeht als Beschluss und bildet die Grundlage der Erlösverteilung. Das Gericht hat festzulegen, welche von den Gläubigern angemeldeten Forderungen bzw. in welcher Höhe diese zum Zuge kommen.33) Ansprüche, soweit ihr Betrag zur Zeit der Eintragung des Versteigerungsvermerkes aus dem Grundbuch ersichtlich war oder diese spätestens in dem Termin angemeldet worden sind, sind in den Teilungsplan aufzunehmen (§ 114 ZVG). V.
Bestandteile und Zubehör
Mit dem Zuschlag erwirbt der Ersteher neben dem Grundstück auch dessen 714 wesentliche Bestandteile; und zwar auch dann, wenn diese nach den Versteigerungsbedingungen nicht mitversteigert und im Zuschlagsbeschluss ausdrücklich ausgenommen worden sind.34) Gemäß § 1120 BGB erstreckt sich das Grundpfandrecht auch auf die sonstigen 715 Bestandteile, soweit sie nicht mit der Trennung vom Grundstück gemäß §§ 954 – 957 BGB in das Eigentum eines anderen als des Eigentümers gelangt sind. Es erstreckt sich ferner auf das Zubehör des Grundstücks mit Ausnahme der Zubehörstücke, welche nicht in das Eigentum des Eigentümers gelangt sind. Der Insolvenzverwalter des Eigentümers hat zu verhindern, dass der Gläubiger 716 mittels seines Grundpfandrechts bewegliche Gegenstände mitverwertet, die eigentlich der Insolvenzmasse zustehen.35) ___________ 30) 31) 32) 33) 34) 35)
BGH, Urt. v. 7.3.2012 – XII ZR 13/10. Böttcher, § 180 Rn. 101. Böttcher, § 83 Rn. 1. Böttcher, § 113 Rn. 1 ff. MünchKomm-BGB/Stresemann, § 93 Rn. 18. Nerlich/Römermann/Becker, § 165 Rn. 30.
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J. Zwangsversteigerung von Immobilien in der Insolvenz
717 Da in der Zwangsversteigerung der Absonderungsberechtigte nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a ZVG bei der Verteilung mit der Vorwegentnahme der Feststellungskosten belastet wird, hat auch dieser ein Interesse daran, die Massezugehörigkeit beweglicher Gegenstände aufzuklären.36) VI.
Freihändiger Verkauf im Zwangsversteigerungsverfahren
718 Die Anordnung der Zwangsversteigerung führt zur Beschlagnahme des Grundstücks (§ 20 ZVG) mit der Wirkung eines relativen Veräußerungsverbots.37) Der Verkauf der Immobilie nach Anordnung des Verfahrens ist daher dem Eigentümer weiterhin möglich, vorausgesetzt er einigt sich mit den dinglichen Gläubigern über eine Antragsrücknahme; andernfalls erlischt die Auflassungsvormerkung ersatzlos mit dem Zuschlag (§§ 91, 52, 44 ZVG). 719 Der Erwerber kann endgültig rechtsbeständiges Eigentum erst erlangen, wenn im Rahmen der Durchführung des Kaufvertrages das Zwangsversteigerungsverfahren zumindest hinsichtlich derjenigen betreibenden Gläubiger aufgehoben wird, denen Vorrang vor der zugunsten des Erwerbers eingetragenen Auflassungsvormerkung zukommt.38) 720 Ist das Insolvenzverfahren eröffnet, ist der Verkauf der Immobilie wegen des absoluten Veräußerungsverbots der §§ 80, 81 InsO nur noch dem Insolvenzverwalter möglich.
___________ 36) Nerlich/Römermann/Becker, § 165 Rn. 30. 37) Jursnik, MittBayNot 1999, 125. 38) Jursnik, MittBayNot 1999, 127.
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz I.
Alternative Verwertungsform zum Zwang
Sofern Immobilien Bestandteil der Vermögensmasse eines insolvenzfähigen 721 Rechtssubjekts sind, stellt sich spätestens nach Abhaltung des Berichtstermins im eröffneten Insolvenzverfahren die Frage, in welcher Form eine Verwertung erfolgen soll. Einerseits kann der Insolvenzverwalter gemäß § 165 InsO beim zuständigen 722 Gericht die Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwaltung eines unbeweglichen Gegenstands der Insolvenzmasse betreiben, selbst wenn an dem Gegenstand ein Absonderungsrecht besteht.1) Auch wenn sich dies aus dem engen Wortlaut der zitierten Norm nicht ohne Weiteres ergibt, besteht für den Insolvenzverwalter daneben die Möglichkeit, eine freihändige Verwertung des Grundvermögens im eröffneten Insolvenzverfahren durchzuführen.2) Sofern dem Insolvenzverwalter durch bestehende Gläubigerorgane keine Vorgaben erteilt werden, steht die Wahl der Verwertungsart in dessen pflichtgemäßem Ermessen.3) Die Berechtigung des Insolvenzverwalters, auf die freihändige Verwertung als 723 neben dem Zwangsversteigerungsverfahren bestehende Verwertungsform zurückzugreifen, findet in der Insolvenzordnung zwar keine ausdrückliche Regelung.4) An unterschiedlicher Stelle wird diese Verwertungsform im Gesetzestext der Insolvenzordnung jedoch ausdrücklich erwähnt. So geht die Vorschrift des § 160 Abs. 2 Nr. 1 InsO davon aus, dass ein unbeweglicher Gegenstand durch den Insolvenzverwalter „aus freier Hand“ veräußert werden kann. In Rechtsprechung5) und Literatur6) ist die Befugnis des Insolvenzverwalters, un___________ 1) Der Terminus „unbeweglicher Gegenstand“ schließt neben Grundstücken und deren Bebauung grundsätzlich auch grundstücksgleiche Rechte, Schiffe und Flugzeuge ein. Der Fokus vorliegender Betrachtung liegt jedoch allein auf dem Grundvermögen, also dem Grund und Boden sowie den darauf belegenen Gebäuden. 2) Neben den aufgezeigten Verwertungsformen kann der Insolvenzverwalter Immobilien auch durch Freigabe oder freiwillige Versteigerung verwerten, Weis/Ristelhuber, ZInsO 2002, 859. Gegenstand vorliegender Betrachtung ist jedoch einzig die freihändige Veräußerung. 3) Andres/Leithaus, § 159 Rn. 13; MünchKomm-InsO/Görg, § 159 Rn. 6; MünchKommInsO/Lwowski/Tetzlaff, § 165 Rn. 119. 4) BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 83/10, NZI 2011, 247. 5) BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 83/10, NZI 2011, 247; BGH, Urt. v. 13.1.2011 – IX ZR 53/09, NZI 2011, 138, 139; BFH, Urt. v. 18.8.2005 – V R 31/04, NZI 2006, 55, 56; zu § 47 KO siehe BGHZ 47, 181, 183. 6) Uhlenbruck/Brinkmann, § 49 Rn. 30; d’Avoine, NZI 2008, 17; Braun/Dithmar/Schneider, § 165 Rn. 1; KPB/Flöther, § 165 Rn. 7; MünchKomm-InsO/Ganter, Vor §§ 49 bis 52 Rn. 99a; HeidelbKomm/Lohmann, § 49 Rn. 23; Lwowski/Tetzlaff, WM 1999, 2336, 2337; Weis/ Ristelhuber, ZInsO 2002, 859; Beck/Depré/Zuleger/Wegmann, Praxis der Insolvenz, § 26 Rn. 101.
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
bewegliche Gegenstände durch freihändige Verwertung zu veräußern dementsprechend allgemein anerkannt. 724 Im Regelinsolvenzverfahren steht das Recht der freihändigen Verwertung allein dem Insolvenzverwalter zu.7) Es ergibt sich aus dem mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgenden Übergang der allgemeinen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter.8) 725 Im Vergleich zu der Verwertung einer Immobilie im Zwangsversteigerungsverfahren kann die freihändige Verwertung Vorteile aufweisen. Da sie nicht dem Korsett eines starren gesetzlichen Verfahrens unterliegt, kann diese Verwertungsform flexibel gestaltet werden. In Abhängigkeit von ihrer Durchführung im jeweiligen Einzelfall, kann sie schneller zu einem erfolgreichen Verkauf führen.9) Auch ermöglicht eine sachverständig durchgeführte freihändige Verwertung – verglichen mit dem in einem Zwangsversteigerungsverfahren erzielbaren Zuschlag – i. d. R. einen höheren Veräußerungserlös.10) Der Grundpfandgläubiger spart neben den Gebühren für die Durchführung des Zwangsversteigerungsverfahrens auch die Kosten für die Umschreibung des Titels auf den Insolvenzverwalter.11) Diese Einsparungen werden jedoch i. d. R. durch einen seitens des Insolvenzverwalters zur Insolvenzmasse geforderten Massekostenbeitrag relativiert.12) Aufgrund der angeführten Vorteile werden Immobilien im Insolvenzverfahren überwiegend im Rahmen einer freihändigen Verwertung veräußert.13) II.
Verhältnis zum Zwangsversteigerungsverfahren
1.
Parallelität der Verfahren
726 Der Insolvenzverwalter kann eine freihändige Verwertung grundsätzlich auch parallel zu einem laufenden Zwangsversteigerungsverfahren bis zum Beginn der
___________ 7) MünchKomm-InsO/Lwowski/Tetzlaff, § 165 Rn. 178; Lwowski/Tetzlaff, WM 1999, 2336; Tetzlaff, ZInsO 2004, 521, 529; vgl. BGH, Urt. v. 13.1.2011 – IX ZR 53/09, ZIP 2011, 387, 389. 8) Nerlich/Römermann/Becker, § 165 Rn. 17. 9) HambKomm-InsO/Büchler, § 165 Rn. 13; Uhlenbruck, § 159 Rn. 12. 10) HambKomm-InsO/Büchler, § 165 Rn. 13; Schimansky/Bunte/Lwowski/Epp, BankrechtsHandbuch, § 94 Rn. 382; MünchKomm-InsO/Lwowski/Tetzlaff, § 166 Rn. 30. 11) Braun/Bäuerle, § 49 Rn. 23; Frege/Keller, NZI 2009, 11, 13; Beck/Depré/Ringstmeier, Praxis der Insolvenz, § 15 Rn. 93; Tetzlaff, ZInsO 2004, 521, 522. 12) Siehe Rn. 789 ff. 13) Eckardt, Grundpfandrechte im Insolvenzverfahren, Rn. 184; Beck/Depré/Ringstmeier, Praxis der Insolvenz, § 15 Rn. 93; Tetzlaff, ZInsO 2004, 521, 528.
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Hild/Paries
II. Verhältnis zum Zwangsversteigerungsverfahren
Versteigerung durchführen.14) Damit ein Interessent die Immobilie wirksam erwerben kann, muss sich der Insolvenzverwalter jedoch mit den Grundpfandgläubigern über eine Rücknahme des Zwangsversteigerungsantrags einigen.15) In Abhängigkeit des Stadiums, in dem sich das Zwangsversteigerungsverfahren bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Eigentümers befindet, wird dem Insolvenzverwalter jedoch ein faktisches Zeitfenster gesetzt, in dem eine freihändige Verwertung zu erfolgen hat. 2.
Einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung
Auf Antrag des Insolvenzverwalters ist gemäß § 30d Abs. 1 ZVG die Zwangs- 727 versteigerung unter bestimmten Voraussetzungen einstweilen einzustellen. Dadurch soll eine Zerschlagung von Verbundwerten durch ein von Grundpfandgläubigern parallel betriebenes Zwangsversteigerungsverfahren verhindert und eine bestmögliche Verwertung der Insolvenzmasse ermöglicht werden.16) Unter anderem ist gemäß § 30d Abs. 1 Nr. 1 ZVG eine einstweilige Einstellung anzuordnen, wenn im eröffneten Insolvenzverfahren der Berichtstermin noch nicht stattgefunden hat. Weitere Antragsgründe liegen darin, dass das Grundstück für eine Unternehmensfortführung oder für die Vorbereitung der Veräußerung eines Betriebs oder eine andere Gesamtheit von Gegenständen benötigt wird (§ 30d Abs. 1 Nr. 2 ZVG), dass die Versteigerung die Durchführung eines Insolvenzplans gefährden würde (§ 30d Abs. 1 Nr. 3 ZVG) oder dass durch die Versteigerung die angemessene Verwertung der Insolvenzmasse wesentlich erschwert würde (§ 30d Abs. 1 Nr. 4 ZVG). Sofern glaubhaft gemacht wird, dass die einstweilige Einstellung zur Verhütung nachteiliger Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners erforderlich ist, kann bereits der vorläufige Insolvenzverwalter gemäß § 30d Abs. 4 ZVG einen entsprechenden Antrag stellen. Die Einstellung der Zwangsversteigerung ist gemäß § 30e Abs. 1 Satz 1 ZVG 728 für den Insolvenzverwalter durch das Vollstreckungsgericht mit der Auflage anzuordnen, dass dem betreibenden Gläubiger für die Zeit nach dem Berichtstermin die geschuldeten Zinsen17) gezahlt werden. Kommt es bereits im Insol___________ 14) Uhlenbruck/Brinkmann, § 165 Rn. 44; a. A. Nerlich/Römermann/Becker, § 165 Rn. 17, 49, 54; Eckardt, Grundpfandrechte im Insolvenzverfahren, Rn. 187; KPB/Flöther, § 165 Rn. 7b: Danach sei der Insolvenzverwalter an der Durchführung der freihändigen Verwertung gehindert, sofern der absonderungsberechtigte Gläubiger dem durch den Insolvenzverwalter beantragten Versteigerungsverfahren beigetreten ist oder selbst die Immobiliarvollstreckung betreibt. 15) Siehe Rn. 718. 16) Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Noethen, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, ZVG, § 30d Rn. 1. 17) Umstritten ist, ob die schuldrechtlichen oder die dinglichen Zinsen in Ansatz zu bringen sind, Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Noethen, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, ZVG, § 30e Rn. 4.
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
venzeröffnungsverfahren zu einer Einstellung, hat das Vollstreckungsgericht gemäß § 30e Abs. 1 Satz 2 ZVG spätestens für den Zeitpunkt, der drei Monate nach der ersten einstweiligen Einstellung liegt, Zinszahlungen anzuordnen. Auf Antrag des betreibenden Gläubigers ordnet das Vollstreckungsgericht außerdem gemäß § 30e Abs. 2 ZVG Ausgleichzahlungen als Masseverbindlichkeiten an, sofern das Grundstück für die Insolvenzmasse genutzt wird. 729 Da durch eine einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung Masseverbindlichkeiten entstehen, hat der Insolvenzverwalter die Entscheidung, ob ein derartiger Antrag zu stellen ist, sorgsam abzuwägen. Insbesondere bei Gesellschaften, die als sog. Special Purpose Vehicle (SPV) gegründet wurden und lediglich dem Zweck dienen, eine Immobilie zu halten und zu verwalten, ist mit einer einstweiligen Einstellung kein Nutzen verbunden. Letztlich hängt eine erfolgreiche freihändige Verwertung im Wesentlichen davon ab, ob sie durch sämtliche Grundpfandgläubiger mitgetragen wird. Vor diesem Hintergrund verbietet sich die Nutzung eines Antrags auf einstweilige Einstellung gemäß § 30d ZVG zur Verzögerung anhängiger Zwangsversteigerungsverfahren. Zumal der Insolvenzverwalter einen Grundpfandgläubiger durch die einstweilige Einstellung niemals endgültig von der beabsichtigten Zwangsversteigerung der Immobilie abhalten können wird.18) III.
Kommunikation mit Verfahrensbeteiligten
730 Eine grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche freihändige Verwertung einer Immobilie im Insolvenzverfahren ist die Kommunikation unter den verfahrensbeteiligten Parteien. In Ermangelung einschlägiger gesetzlicher Regelungen müssen zwischen den Grundpfandgläubigern und dem Insolvenzverwalter die wesentlichen Voraussetzungen für den Verkauf einer Immobilie besprochen werden. In der Praxis ist es selten möglich, in einem einzigen Gespräch alle wichtigen Punkte zu klären. Vielmehr müssen innerhalb der ersten Monate des Verfahrens die grundsätzliche Veräußerungsbereitschaft und eine Preisuntergrenze für einen Verkauf festgelegt werden. Im Verlauf des Verkaufsprozesses ergibt sich allerdings oftmals die Notwendigkeit, zuvor festgelegte Punkte flexibel zu behandeln. Dies gelingt nur, wenn sich die Grundpfandgläubiger und der Insolvenzverwalter konstruktiv in einer Interessengemeinschaft wiederfinden. Sofern bei einer der Parteien das Gefühl entsteht, übervorteilt zu werden, kann eine freihändige Verwertung in jedem Stadium leicht an deren Widerstand scheitern. Dann wurde viel Arbeit in einen Vermarktungsprozess und Kaufvertragsverhandlungen investiert, ohne dass für die Grundpfandgläubiger und die ungesicherten Gläubiger bzw. den Insolvenzverwalter am Ende ein positives Ergebnis steht. ___________ 18) Tetzlaff, ZfIR 2005, 179.
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III. Kommunikation mit Verfahrensbeteiligten
Auch wenn aus juristischer Sicht gleichwohl der Insolvenzverwalter Vertrags- 731 partner für einen Verkauf der Immobilie ist, so ist der wirtschaftliche Eigentümer in fast allen Fällen die finanzierende Bank oder der Immobilien-Servicer. In diesem Spannungsfeld müssen beide Parteien für die gegenseitigen Positionen Verständnis haben, weil das bestmögliche Ergebnis nur durch eine abgestimmte Zusammenarbeit ermöglicht wird. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Beauftragung eines Asset Managers oder eines Immobilienmaklers. Sicherlich möchte die Bank als wirtschaftlicher Eigentümer den aus ihrer Sicht besten Berater engagieren. Sofern sich dessen Verträge jedoch nicht mit den Vorstellungen des Insolvenzverwalters in Einklang bringen lassen, wird dieser nicht vom Insolvenzverwalter mandatiert werden. Man kann viele Beispiele für die Notwendigkeit einer guten Kommunikation 732 unter den Verfahrensbeteiligten anführen, wichtig ist ein regelmäßiger sachlicher und konstruktiver Austausch der involvierten Parteien. Jede Form der Transparenz gegenüber dem Gericht und allen Gläubigern ist für den Insolvenzverwalter wichtig, um einen erfolgreichen Verkauf zu erreichen. In der Praxis ist es ratsam, sämtliche Kommunikation auf dem Schriftweg zu dokumentieren, um später die Abreden klar belegen zu können. 1.
Insolvenzgericht
Die formelle Kommunikation des Insolvenzverwalters mit dem Insolvenz- 733 gericht ist durch die schriftliche Ausarbeitung des Sachverständigengutachtens und des Berichts zum Berichtstermin sowie den weiteren Berichtspflichten normiert. Hierbei hat der Insolvenzverwalter eine juristische und ökonomische Sicht einzunehmen und für das Insolvenzgericht sowie die Gesamtheit der Gläubiger ein verlässliches Bild im Hinblick auf das Vermögen des schuldnerischen Unternehmens bzw. der schuldnerischen Person darzustellen. Das Sachverständigengutachten dient regelmäßig der Klärung der Fragen, ob 734 ein Insolvenzantragsgrund gegeben ist und das vorhandene Vermögen ausreicht, um die Verfahrenskosten zu decken. Hierbei werden alle Vermögensgegenstände durch den Insolvenzverwalter auf ihre Werthaltigkeit und Belastung durch Drittrechte geprüft. Der Insolvenzrichter kann sich auf der Grundlage des Gutachtens über das vorhandene Vermögen der Schuldnerin informieren und trifft auf dieser Basis die Entscheidung, ob das Insolvenzverfahren eröffnet werden soll. Gleichzeitig erhält das Insolvenzgericht bereits im Gutachten einen Überblick über die Immobilie. Alle Gläubiger können die Angaben hierzu auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts einsehen. Der Bericht zum Berichtstermin nimmt erstmals Stellung zur Verwertbarkeit 735 der Vermögensgegenstände und beschreibt die Tätigkeit des Insolvenzverwalters im eröffneten Insolvenzverfahren. Dieser Bericht dient vorrangig der Gläubigerinformation. Allerdings kann sich auch der Rechtspfleger auf dieser
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
Basis einen Überblick verschaffen, inwieweit Vermögenswerte in dem Verfahren vorhanden sind. 736 Ohne gerichtliche Fristen und Termine findet zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Gericht gelegentlich auch ein Austausch in der Art statt, dass aktuelle Verfahren allgemein besprochen werden. Sofern es streitige Fragen im Rahmen der Verwertung der Immobilie gibt, kann dabei auch im Hinblick auf die freihändige Verwertung ein persönliches Gespräch mit dem zuständigen Richter bzw. Rechtspfleger für eine sachdienliche und richtige Entscheidung wichtig sein. Ein Austausch zwischen dem Gericht und den Gläubigern findet i. d. R. nicht statt, es sei denn, die Gläubiger beschweren sich bei dem Gericht über das Vorgehen des Insolvenzverwalters. 2.
(Vorläufiger) Gläubigerausschuss, Gläubigerversammlung
737 Bei der Durchführung einer freihändigen Verwertung handelt es sich um eine Rechthandlung, die gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 InsO von besonderer Bedeutung für das Insolvenzverfahren ist. Der Insolvenzverwalter hat daher die Zustimmung des Gläubigerausschusses zu einer freihändigen Verwertung einzuholen. Sofern im Insolvenzverfahren kein Gläubigerausschuss bestellt ist, hat er gemäß § 160 Abs. 1 Satz 2 InsO die Zustimmung der Gläubigerversammlung einzuholen. Bei der Zustimmung i. S. v. § 160 InsO handelt es sich um die vorherige Einwilligung des jeweiligen Gläubigerorgans.19) 738 Zwar bestimmt § 160 Abs. 1 Satz 3 InsO, dass die Zustimmung der Gläubigerversammlung als erteilt gilt, falls die einberufene Gläubigerversammlung beschlussunfähig ist. Insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Exkulpationswirkung durch den Beschluss der Gläubigerversammlung,20) sollte der Insolvenzverwalter ein hohes Interesse an der tatsächlich ausreichenden Besetzung der Gläubigerversammlung haben. Hierzu ist es ratsam, öffentliche Institutionen, wie z. B. das Finanzamt oder Gemeinden und Kommunen, telefonisch über die Gläubigerversammlung zu informieren. 739 Will der Insolvenzverwalter eine freihändige Veräußerung vor dem Berichtstermin durchführen oder liegt diesem die Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung aus anderen Gründen nicht vor, kann dies in dem Kaufvertrag durch die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung oder eines Rücktrittsrechts Berücksichtigung finden.21) 740 In der Praxis hat es sich als vorteilhaft erwiesen, zeitnah nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Gutachter mit der Bestimmung des Immobilienwertes zu beauftragen. Auf dieser Basis kann in der Gläubigerversammlung ___________ 19) Nerlich/Römermann/Balthasar, § 160 Rn. 11; Uhlenbruck, § 160 Rn. 4. 20) Siehe dazu Meyer-Löwy/Poertzgen, ZInsO 2004, 363, 364 f. 21) Wagner, ZfIR 2009, 345, 347.
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III. Kommunikation mit Verfahrensbeteiligten
ein Mindestpreis für den Verkauf der Immobilie festgelegt werden. Gleichzeitig kann der Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Vermarktung mit einem sicheren Wert agieren. Sofern die Immobilie übersichert ist, ist der ermittelte Verkehrswert lediglich für die absonderungsberechtigten Gläubiger relevant. Falls es sich jedoch um einen Grenzwert handelt, bei dem ggf. auch für die ungesicherten Gläubiger ein Ertrag aus dem Verkauf des Objektes entsteht, ist es wichtig, einen konkreten Preis in der Gläubigerversammlung festgelegt zu haben, um sich aus der Sicht des Insolvenzverwalters nach der Protokollierung nicht dem Vorwurf des Verkaufs unter Preis auszusetzen. 3.
Grundpfandgläubiger
Für den Insolvenzverwalter besteht keine Verpflichtung, eine freihändige Ver- 741 wertung zugunsten der Grundpfandgläubiger durchzuführen, sofern kein Übererlös zugunsten der Insolvenzmasse erzielt werden kann und ggf. entstehende Gewährleistungs- und Haftungsansprüche allein die Insolvenzmasse treffen.22) Ein Recht, die Immobilie aus der Insolvenzmasse selbst freihändig zu verwerten, kommt den Grundpfandgläubigern nicht zu.23) Ohne die Mitwirkung des Insolvenzverwalters bleibt ihnen einzig die Zwangsversteigerung der Immobilie,24) die häufig zu einem im Vergleich zu der freihändigen Verwertung niedrigeren Erlös führt. Gleichzeitig ist der Insolvenzverwalter auf die Mitwirkung der Grundpfandgläubiger angewiesen. Sie müssen hinsichtlich der bestehenden Grundpfandrechte Löschungsbewilligung erteilen, da ansonsten kein lastenfreier Verkauf der Immobilie erfolgen kann. In der Praxis hat es sich als vorteilhaft erwiesen, wenn der erstrangige Grund- 742 pfandgläubiger und der Insolvenzverwalter gemeinsam einen Asset Manager oder Immobilienmakler ihres Vertrauens bestimmen. Sofern keine Einigkeit hinsichtlich der Maklerdienstleistung besteht, kann auch die gleichzeitige Beauftragung von zwei unterschiedlichen Immobilienmaklern sinnvoll sein. Dies kann sich aufgrund des Wettbewerbs auch vorteilhaft auf die Preisentwicklung auswirken. Wichtig ist hierbei, dass beide Immobilienmakler das Objekt für einen identischen Preis anbieten und abgestimmte Informationen über das Objekt in den Markt geben. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Verwertung über Online-Plattformen 743 wie z. B. Immobilienscout24.de oder Auction.com. Darüber hinaus bestehen auch Anbieter von Präsenzauktionen wie z. B. die Deutsche Grundstückauk___________ 22) Hawelka, ZfIR 2010, 665, 668; MünchKomm-InsO/Lwowski/Tetzlaff, § 165 Rn. 179; Mitlehner, ZIP 2012, 649, 652; Tetzlaff, ZInsO 2004, 521, 529; a. A. Knees, ZIP 2001, 1568, 1570; Weis/Ristelhuber, ZInsO 2002, 859, 861. 23) MünchKomm-InsO/Lwowski/Tetzlaff, § 165 Rn. 178; Lwowski/Tetzlaff, WM 1999, 2336; Tetzlaff, ZInsO 2004, 521, 529; vgl. BGH, Urt. v. 13.1.2011 – IX ZR 53/09, ZIP 2011, 387, 389. 24) Lwowski/Tetzlaff, WM 1999, 2336, 2337.
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
tionen AG, die die Immobilie versteigern. Allen diesen Verwertungsformen ist gemeinsam, dass der Mindestpreis vorab mit den Grundpfandgläubigern festgelegt werden sollte und deshalb die Kommunikation zwischen Grundpfandgläubigern und Insolvenzverwalter wichtig ist. IV.
Grundbuchsituation
1.
Problemfeld „Lästigkeitsprämien“
744 In der Insolvenzpraxis ist eine zur Insolvenzmasse zählende Immobilie nicht selten wertausschöpfend mit Grundpfandrechten zugunsten mehrerer Gläubiger belastet. Im Fall einer Zwangsversteigerung der Immobilie reicht ein Versteigerungserlös dann meist nur aus, um den erstrangigen Grundpfandgläubiger entsprechend der Befriedigungsreihenfolge des § 10 Abs. 1 ZVG teilweise zu befriedigen. Nachrangige Grundpfandgläubiger erhalten in der Zwangsversteigerung keine Befriedigung aus dem Versteigerungserlös. Dennoch erlöschen die dinglichen Rechte der Grundpfandgläubiger durch den Zuschlag grundsätzlich gemäß §§ 52, 91 ZVG. Bei wirtschaftlicher Betrachtung scheint diesen Grundpfandrechten der nachrangig gesicherten Gläubiger kein Wert zuzukommen. Sie werden daher teilweise als „Schornsteinhypotheken“ bezeichnet. 745 Im Rahmen einer freihändigen Verwertung erlöschen nachrangige Grundpfandrechte nicht automatisch. Der Insolvenzverwalter ist vielmehr ebenso wie bei dem erstrangigen Grundpfandgläubiger darauf angewiesen, dass die nachrangigen Grundpfandgläubiger eine Löschungsbewilligung erteilen. Wie bereits vorangehend erwähnt, kann lediglich auf diese Weise eine lastenfreie freihändige Verwertung erfolgen. 746 Trotz der vermeintlichen wirtschaftlichen Wertlosigkeit ihrer nachrangigen Grundpfandrechte wird von Grundpfandgläubigern als Gegenleistung für die Löschung häufig die Leistung einer sog. Lästigkeitsprämie aus der Insolvenzmasse bzw. dem Veräußerungserlös gefordert. Um die freihändige Verwertung der Immobilie nicht zu gefährden, muss hierfür eine konstruktive, rechtlich unangreifbare Lösung gefunden werden. 2.
Beschluss des BGH vom 20.3.2008 – IX ZR 68/06
747 Mit der beschriebenen Praxis der Leistung von Lästigkeitsprämien hatte sich der neunte Senat des BGH in einem Beschluss über eine Nichtzulassungsbeschwerde aus dem Jahr 2008 zu beschäftigen. 748 In dem dem Beschluss zugrunde liegenden Sachverhalt klagte der Insolvenzverwalter einer Schuldnerin, deren Betriebsgrundstück u. a. mit einer erstrangigen Grundschuld in Höhe von 3.600.000 DM zugunsten einer Drittgläubigerin sowie in Höhe von 200.000 DM zugunsten der Rechtsvorgängerin der beklagten Grundpfandgläubigerin belastet war. Der Kläger führte den Betrieb der Schuldnerin fort und veräußerte das Grundstück einschließlich Inventar im 182
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IV. Grundbuchsituation
Jahr 2004 unter dem Vorbehalt der Löschung der Grundschulden zu einem Kaufpreis in Höhe von 470.000 €. Der Insolvenzverwalter forderte die Beklagte zur Abgabe einer Löschungsbewilligung auf, welche diese an die Zahlung von 40.000 € knüpfte. Im März 2004 bewilligte die Beklagte die Löschung gegen Zahlung von 25.000 €. Der Kläger behielt sich die Rückforderung des Betrags vor. Die Vorinstanzen hatten der Rückforderungsklage des Insolvenzverwalters stattgegeben.25) In den Beschlussgründen führt der erkennende Senat im Wesentlichen aus, dass 749 der klagende Insolvenzverwalter zur Rückforderung des als Lästigkeitsprämie in Höhe von 25.000,00 € geleisteten Betrags gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB berechtigt sei. Die Zahlung sei bei wirtschaftlicher Betrachtung auf die von der Beklagten zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung erfolgt. Da das Absonderungsrecht der Beklagten nicht werthaltig gewesen sei, habe die Verweigerung der Löschungsbewilligung ausschließlich der Durchsetzung der angemeldeten schuldrechtlichen Forderung gedient. Ein Vorteil für die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger sei mit dem durch die Löschung möglich gemachten freihändigen Verkauf des Betriebsgrundstücks nicht verbunden, weil ein höherer Erlös wegen der wertausschöpfenden Belastung durch die erstrangige Sicherheit nicht zu einem Massezuwachs geführt habe.26) Auf den ersten Blick erklärt der BGH damit die Leistung von Lästigkeitsprä- 750 mien generell als insolvenzzweckwidrig.27) Die freihändige Verwertung von Immobilien aus der Insolvenz wäre mit einer 751 derartigen Interpretation der Beschlussgründe geschwächt.28) Die Bereitschaft nachrangiger Grundpfandgläubiger, ohne die Zahlung einer Lästigkeitsprämie Löschungsbewilligung zu erteilen, würde nicht gefördert.29) Sie zeigen sich durch den Hinweis auf die in Rede stehende höchstrichterliche Entscheidung i. d. R. unbeeindruckt. Zumal durch den Beschluss eine Anspruchsgrundlage, nach der von dem Inhaber des vermeintlich wertlosen Grundpfandrechts die Abgabe der Löschungsbewilligung gefordert werden kann, nicht aufgezeigt wird.30) Zweifelhaft ist ferner, ob der nachrangige Grundpfandgläubiger zur Erteilung der Löschungsbewilligung bereit ist, sofern der Lästigkeitsprämie ent___________ 25) BGH, Beschl. v. 20.3.2008 – IX ZR 68/06, NJW-RR 2008, 1074. 26) BGH, Beschl. v. 20.3.2008 – IX ZR 68/06, NJW-RR 2008, 1074. 27) In der Literatur wird der Beschluss teilweise als allgemeingültig interpretiert, siehe Schimansky/ Bunte/Lwowski/Ganter, Bankrechts-Handbuch, § 90 Rn. 601c; Gottwald/Gottwald/ Adolphsen, Insolvenzrechts-Handbuch, § 42 Rn. 114; Beck/Depré/Zuleger/Wegmann, Praxis der Insolvenz, § 26 Rn. 102. 28) KPB/Flöther, § 165 Rn. 7a; Schulz, EWiR § 50 InsO 1/08, 471; a. A. Cervera, Anm. zu BGH, Beschl. v. 20.3.2008 – IX ZR 68/06, FD-InsR 2008, 258695. 29) So aber Cervera, Anm. zu BGH, Beschl. v. 20.3.2008 – IX ZR 68/06, FD-InsR 2008, 258695. 30) KPB/Flöther, § 165 Rn. 7a; Frege/Keller, NZI 2009, 11.
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
sprechend dem zugrunde liegenden Sachverhalt durch den Insolvenzverwalter nur unter Vorbehalt der Rückforderung geleistet wird.31) 752 Bei näherer Betrachtung der Beschlussgründe erscheint jedoch fraglich, ob die in dem Beschluss durch den Senat getroffenen Aussagen auf sämtliche Sachverhalte, in denen der Insolvenzverwalter im Rahmen der freihändigen Immobilienverwertung eine Lästigkeitsprämie an einen nachrangigen Grundpfandgläubiger leistet, übertragbar sind. 753 Aus den Beschlussgründen geht eindeutig hervor, dass mit der Realisierung der freihändigen Verwertung im konkreten Fall kein Vorteil für die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger verbunden war, weil ein höherer Erlös wegen der wertausschöpfenden Belastung durch die erstrangige Sicherheit nicht zu einem Massezuwachs geführt hat. Daneben führt der Senat aus, dass sich die Rechtsfrage, ob eine Vereinbarung, in welcher der Insolvenzverwalter sich zu einer Zahlung als Gegenleistung für die Löschung eines nachrangigen und im Fall der Zwangsversteigerung voraussichtlich wertlosen Grundpfandrechts verpflichtet, schlechthin als insolvenzzweckwidrig zu qualifizieren und deshalb unwirksam sei oder ob es auf das Verhältnis zwischen der Höhe der Zahlung und dem durch die freihändige Veräußerung erzielten Massezuwachs ankommt, deshalb nicht stelle.32) 754 Entscheidend für die Praxis und durch den BGH ausdrücklich klargestellt ist mithin, dass mit dem Beschluss keine höchstrichterliche Entscheidung darüber getroffen ist, ob die Insolvenzzweckwidrigkeit der Leistung einer Lästigkeitsprämie allein im Hinblick auf den Wert eines Anspruchs des besicherten Gläubigers zu beurteilen ist.33) Nicht ausgeschlossen wird durch den Senat vielmehr auch die Berücksichtigung eines erzielten Massezuwachses.34) 755 Ein derartiger Massezuwachs könnte auch in einem durch den Insolvenzverwalter mit den Grundpfandgläubigern vereinbarten Massekostenbeitrag zu sehen sein.35) Unklar ist, ob der Insolvenzmasse in dem zugrunde liegenden Sachverhalt im Rahmen der freihändigen Verwertung ein zwischen dem Insolvenzverwalter und den Grundpfandgläubigern vereinbarter Massekostenbeitrag zugeflossen ist. Weder im Sachverhalt, noch in den Urteilsgründen finden sich entsprechende Anhaltspunkte.36) 756 Ein Insolvenzverwalter erklärt sich im Allgemeinen nur unter Vereinbarung eines Massekostenbeitrags dazu bereit, eine freihändige Verwertung durchzufüh___________ 31) 32) 33) 34) 35) 36)
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Frege/Keller, NZI 2009, 11. BGH, Beschl. v. 20.3.2008 – IX ZR 68/06, NJW-RR 2008, 1074, 1075. So aber Frege/Keller, NZI 2009, 11, 14. Beck/Depré/Zuleger/Wegmann, Praxis der Insolvenz, § 26 Rn. 102. HambKomm-InsO/Büchler, § 165 Rn. 13 Rn. 13a; Hawelka, ZfIR 2010, 665, 667. Schulz, BGH EWiR § 50 InsO 1/08, 471.
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IV. Grundbuchsituation
ren. Entgegen der verwendeten Terminologie übersteigt der i. d. R. als Prozentsatz des erzielten Veräußerungserlöses bemessene Massekostenbeitrag die der Masse entstanden Kosten. Diesen positiven Saldo erzielt der Insolvenzverwalter zugunsten der ungesicherten Gläubiger. Allein unter diesen Voraussetzungen wird sich der Insolvenzverwalter grundsätzlich zur Durchführung einer freihändigen Verwertung bereit erklären. Auch ein vereinbarter Massekostenbeitrag kann daher einen durch „die freihändige Verwertung erzielten Massezuwachs“ i. S. d. in Rede stehenden Beschlusses darstellen. Dies gilt allerdings nur, sofern der Massekostenbeitrag die Höhe der tatsächlich durch die freihändige Verwertung anfallenden Kosten und die im Falle der Zwangsversteigerung der Insolvenzmasse zufließenden Feststellungskosten gemäß § 10 Nr. 1a ZVG übersteigt. In der Terminologie des BGH-Beschlusses gesprochen, bestünde dann ein positives Verhältnis zwischen der Höhe der Lästigkeitsprämie und dem durch die freihändige Veräußerung erzielten Massezuwachs. Unter der Prämisse, dass der Insolvenzmasse in dem in Rede stehenden Fall je- 757 doch gerade kein Massekostenbeitrag zugeflossen ist, kann der Beschluss auf die überwiegende Zahl der Fälle der in der Insolvenz durchgeführten freihändigen Verwertungen keine Anwendung finden. Denn i. d. R. vereinbart der Insolvenzverwalter mit den bestehenden Grundpfandgläubigern einen Massekostenbeitrag. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass in einer beträchtlichen Anzahl von Insolvenzverfahren der Massekostenbeitrag aus der Verwertung einer Immobilie die einzige Einnahmequelle darstellt, um die Verfahrenskosten zu decken und für die ungesicherten Gläubiger eine Quotenzahlung zu erzielen. 3.
Lösungsmöglichkeiten in der Praxis
Gemessen an dem in § 1 InsO statuierten Grundsatz der bestmöglichen Gläu- 758 bigerbefriedigung37) ist im Rahmen eines freihändigen Verkaufs unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen aller Gläubiger zu prüfen, ob die Rechtsposition eines nachrangigen Grundpfandgläubigers nicht doch eine Zahlung einer sog. Lästigkeitsprämie, in welcher Art und Weise auch immer, rechtfertigt. Eine künftige höchstrichterliche Entscheidung, die Lästigkeitsprämien als 759 schlechthin insolvenzzweckwidrig qualifiziert, ist vor dem Hintergrund der in den Beschlussgründen enthaltenen Ausführungen unwahrscheinlich, jedoch nicht ausgeschlossen. Insofern besteht für einen Insolvenzverwalter, der Lästigkeitsprämien leistet, aber auch für die die Lästigkeitsprämien empfangenden Grundpfandgläubiger, erhebliche Rechtsunsicherheit. ___________ 37) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, NZI 2006, 453, 454; BGH, Urt. v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, NJW 2005, 2015, 2016; BGH, Urt. v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, NZI 2006, 457, 459.
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
760 Um dem Risiko ggf. als insolvenzzweckwidrig zu qualifizierender Zahlungen zu entgehen, kann der Erwerber der Immobilie die nachrangigen Grundpfandgläubiger für die Erteilung der Löschungsbewilligung direkt aus seinem eigenen Vermögen befriedigen.38) Ein vereinbarter Kaufpreis kann in der Praxis von dem Erwerber anteilig direkt an die berechtigten Grundpfandgläubiger geleistet werden. Auch die Zahlung einer Lästigkeitsprämie aus dem Vermögen des erstrangigen Grundpfandgläubigers kommt in Betracht.39) Aufgrund der wertausschöpfenden Belastung der Immobilie würde der Verwertungserlös ohnehin in keinem Fall der Insolvenzmasse zustehen. Die Frage, in welchem Verhältnis sich der Verwertungserlös auf die einzelnen Grundpfandgläubiger aufteilt, ist für die Insolvenzmasse neutral, da der Ausfall sowohl von dem erstrangigen, als auch von nachrangigen Gläubigern gleichermaßen zur Insolvenztabelle angemeldet werden wird.40) 761 Interpretiert man den vorangehend betrachteten Beschluss des BGH jedoch in der Weise, dass von der Insolvenzzweckwidrigkeit einer Lästigkeitsprämie allein aufgrund der wirtschaftlichen Wertlosigkeit des dem Grundpfandgläubiger zustehenden Anspruchs auszugehen ist41), verbietet sich jedoch die aufgezeigte Lösungsmöglichkeit. Denn in diesem Fall wäre auch eine aus dem Vermögen des Erwerbers oder des erstrangigen Grundpfandgläubigers geleistete Zahlung an die nachrangigen Grundpfandgläubiger als insolvenzzweckwidrig zu qualifizieren. 762 Zusätzlich zu beachten ist der höchstrichterlich nicht entschiedene Meinungsstreit hinsichtlich der Rechtsfrage, ob sich das Absonderungsrecht der Grundpfandgläubiger ohne Weiteres am Verwertungserlös fortsetzt.42) Wäre dies nicht der Fall – wofür starke Argumente sprechen – würde der Verwertungserlös rechtlich betrachtet zunächst stets der Insolvenzmasse zufließen. Eine Lästigkeitsprämie müsste dann stets als vom Insolvenzverwalter aufgrund schuldrechtlicher Verpflichtung aus der Insolvenzmasse geleistet betrachtet werden. Eine rein tatsächliche Leistung vom Erwerber oder dem erstrangigen Grundpfandgläubiger direkt an die nachrangigen Grundpfandgläubiger würde an dieser Beurteilung nichts ändern. 763 Aus Sicht des Insolvenzverwalters ist weiterhin, analog dem Fall mit dem sich der BGH zu beschäftigen hatte, an eine Leistung von Lästigkeitsprämien unter Vorbehalt der Rückforderung zu denken. Allerdings wird kein verständiger ___________ 38) Hawelka, ZfIR 2010, 665, 667; Beck/Depré/Zuleger/Wegmann, Praxis der Insolvenz, § 26 Rn. 102. 39) Braun/Bäuerle, § 49 Rn. 22. 40) Smid, DZWIR 2008, 501, 503. 41) So Frege/Keller, NZI 2009, 11, 14; Smid, DZWIR 2008, 501, 503. 42) Siehe Rn. 774 ff.
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V. Verwertungsvereinbarung
nachrangiger Grundpfandgläubiger eine derartige Zahlung unter Vorbehalt der Rückforderung akzeptieren. Auch die Drohung des Insolvenzverwalters, bei fortgesetzter Verweigerung der 764 Löschungsbewilligung Schadensersatzansprüche gegen den nachrangigen Grundpfandgläubiger geltend zu machen, führt im Zweifel nicht zu einer erfolgreichen freihändigen Verwertung. Um eine für die Insolvenzgläubiger vorteilhafte freihändige Verwertung nicht 765 scheitern zu lassen und sich selbst nicht angreifbar zu machen, ist es aus Sicht des Insolvenzverwalters angezeigt, sich die Zahlung von Lästigkeitsprämien ausdrücklich durch den Gläubigerausschuss oder die Gläubigerversammlung genehmigen zu lassen. Dabei sollte auch gegenüber dem Insolvenzgericht substantiiert dargelegt werden, warum die Zahlung von Lästigkeitsprämien im konkreten Fall bei wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung zugunsten der Insolvenzgläubiger einen Massezuwachs ermöglicht und sich daher als vorteilhaft darstellt.43) Ein Insolvenzverwalter der diesen Weg nicht geht, sondern ein übersichertes 766 Grundstück, bei dem der Erwerber oder der erstrangige Grundpfandgläubiger eine Lästigkeitsprämie an die nachrangigen Grundpfandgläubiger zahlt, nicht verwertet und somit keinen Massekostenbeitrag für die ungesicherten Gläubiger einnimmt, kann sich ggf. für die Insolvenzmasse schädlich verhalten. V.
Verwertungsvereinbarung
1.
Grundlagen
Da hinsichtlich der freihändigen Verwertung von Immobilien im Insolvenzver- 767 fahren keine gesetzlichen Regelungen bestehen, sind die Parteien auf den Abschluss einer Verwertungsvereinbarung angewiesen. Dabei handelt es sich um eine privatrechtliche Vereinbarung, die zwischen dem Insolvenzverwalter und den Grundpfandgläubigern abzuschließen ist. Aufgrund der häufig vorliegenden wertausschöpfenden grundpfandrechtlichen 768 Belastung handelt es sich bei dem erstrangigen Grundpfandgläubiger i. d. R. um den wirtschaftlichen Eigentümer der Immobilie. Der im Rahmen der freihändigen Verwertung erzielte Erlös führt zu dessen erhöhter Befriedigung. Umgekehrt führen ein niedrigerer Kaufpreis oder vorzunehmende Ausgaben, die vom Verwertungserlös abgezogen werden – zu nennen sind beispielsweise der Massekostenbeitrag und die ggf. zu leistenden Lästigkeitsprämien –, zu einer Erhöhung des Ausfalls des erstrangigen Grundpfandgläubigers. Dementsprechend sind notwendige Regelungen in erster Linie mit diesem zu verhandeln, abzustimmen und in eine Verwertungsvereinbarung aufzunehmen. ___________ 43) Frege/Keller, NZI 2009, 11, 15.
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
769 Sofern der Verwertungserlös nur ausreicht, um den erstrangigen Grundpfandgläubiger teilweise zu befriedigen, sind die nachrangigen Grundpfandgläubiger nur hinsichtlich einer ggf. zu leistenden Lästigkeitsprämie zu berücksichtigen. Ist jedoch zu erwarten, dass ein Verwertungserlös auch ausreicht, um alle oder einzelne Nachrangstellen zu befriedigen, sind diese in gleicher Weise wie der erstrangige Grundpfandgläubiger einzubinden. 770 Gegebenenfalls sind in einer Verwertungsvereinbarung auch nicht im Grundbuch eingetragene Gläubiger zu berücksichtigen, die im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens gemäß § 10 Abs. 1 den Grundpfandgläubigern im Rang vorausgehen.44) 771 Der Insolvenzverwalter erfüllt mit der freihändigen Verwertung der Immobilie die ihm gemäß § 159 InsO zukommende Verpflichtung zur Verwertung der Insolvenzmasse.45) Dies gilt auch, wenn die Immobilie wertausschöpfend mit Grundpfandrechten belastet ist.46) Er besorgt mithin lediglich sein eigenes Geschäft. Eine Geschäftsbesorgung für den Grundpfandgläubiger kann allein deshalb nicht vorliegen, weil dieser kein Recht hat, die freihändige Verwertung der Immobilie eigenständig durchzuführen. Ein Geschäftsbesorgungsvertrag ist in der Verwertungsvereinbarung daher nach hier vertretener Auffassung nicht zu sehen.47) 2.
Betrachtung einzelner Klauseln
a)
Erlösklausel
772 Die Interessen des Grundpfandgläubigers werden durch eine Vereinbarung geschützt, die den Insolvenzverwalter verpflichten, die Immobilie nicht unter einem bestimmten Preis zu veräußern. Um die Mitwirkungsmöglichkeiten des Grundpfandgläubigers zu erhöhen, kann stattdessen auch ein Zustimmungsvorbehalt eingeräumt werden. Der Insolvenzverwalter hat sodann vor einer Veräußerung des Grundstücks Rücksprache mit dem Grundpfandgläubiger zu halten und dessen Zustimmung zum Verkauf einzuholen. b)
Abgeltungsklausel
773 Häufig werden sich die Beteiligten mit der Situation konfrontiert sehen, dass ein voraussichtlich zu erzielender Verwertungserlös nicht ausreicht, um die Absonderungsrechte des erstrangigen Grundpfandgläubigers vollständig zu be___________ 44) 45) 46) 47)
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Siehe Rn. 784 ff. Braun/Esser, § 159 Rn. 5. Vgl. BGH, Urt. v. 13.1.2011 – IX ZR 53/09, ZIP 2011, 387, 389. Ebenso Heublein, EWiR § 165 InsO 1/05, 513, 514; MünchKomm-InsO/Lwowski/ Tetzlaff, § 165 Rn. 259; Spliedt/Schacht, EWiR § 1 UStG 1/05, 841, 842; a. A. BFH, Urt. v. 18.8.2005 – V R 31/04, NZI 2006, 55, 56; BFH, Urt. v. 28.7.2011 – V R 28/09, ZIP 2001, 1923, 1924.
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V. Verwertungsvereinbarung
friedigen. Der Insolvenzverwalter und der erstrangige Grundpfandgläubiger müssen sich dann über die Verwendung des Verwertungserlöses einigen und die Einigung exakt in der Verwertungsvereinbarung festhalten.48) aa)
Kein Absonderungsrecht am Verwertungserlös
Nach überwiegender Auffassung kann sich der Grundpfandgläubiger durch die 774 freihändige Verwertung des Insolvenzverwalters aus seinem Absonderungsrecht befriedigen.49) Dementsprechend wird gefolgert, dass sich das Absonderungsrecht der Grundpfandgläubiger an dem Verwertungserlös fortsetzt.50) Unter dieser Prämisse hat der Grundpfandgläubiger qua seines Absonderungsrechts einen Anspruch auf Auskehr des Veräußerungserlöses bis zur Höhe seines Grundpfandrechts. Vereinbarungen, die einen schuldrechtlichen Anspruch auf Auskehr des Verwertungserlöses begründen, sind nach dieser Auffassung überflüssig. Eine Begründung erfolgt überwiegend mit zu § 47 KO ergangener höchstrich- 775 terlicher Rechtsprechung.51) Insbesondere wird auf ein Urteil des BGH zu § 47 KO verwiesen.52) Danach sei in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, dass nach Wortlaut und Zweck des § 47 KO abgesonderte Befriedigung auch dann vorliegt, wenn es nicht zu einer Verwertung im Wege der Zwangsvollstreckung kommt, sondern eine freiwillig vereinbarte Veräußerung erfolgt.53) Der Vergleich des Wortlauts dieser Vorschrift mit dem von § 49 InsO fördert 776 einen nicht unwesentlichen Unterschied zu Tage. Nach § 47 KO dienten „die Gegenstände, welche der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen (unbewegliche Gegenstände), für diejenigen, welchen ein Recht auf Befriedigung aus denselben zusteht“, der abgesonderten Befriedigung. Die Vorschrift ließ nach ihrem Wortlaut unproblematisch sowohl die Anwendung auf eine freihändige Verwertung, als auch auf eine Versteigerung der Immobilie ___________ 48) Mohrbutter/Ringstmeier/Elsner, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 24 Rn. 16; MünchKomm-InsO/Ganter, Vor §§ 49 bis 52 Rn. 99c. 49) BGH, Beschl. v. 16.10.2008 – IX ZR 46/08, ZIP 2008, 2276, Rn. 6; KPB/Prütting, § 49 Rn. 20; Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Kap. 25 Rn. 9; so auch noch MünchKommInsO/Ganter, § 49 Rn. 4. 50) Eckardt, Grundpfandrechte im Insolvenzverfahren, Rn. 146; KPB/Flöther, § 165 Rn. 8 Fn. 26; Frege/Keller, NZI 2009, 11, 13 in Rn. 19; Graf-Schlicker/Fuchs, § 165 Rn. 23; Hawelka, ZfIR 2010, 665, 666; Smid, DZWIR 2008, 501, 502; Pape/Uhlenbruck/ Voigt-Salus, Kap. 25 Rn. 9. 51) Siehe allein BGH, Beschl. v. 16.10.2008 – IX ZR 46/08, ZIP 2008, 2276, Rn. 6, der auf das Urteil des BGH v. 10.3.1967 –(V ZR 72/64, NJW 1967, 1370, 1371 zu § 47 KO verweist; ebenso noch MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl., 2007, Vor §§ 49 bis 52 Rn. 99a. 52) BGH, Urt. v. 10.3.1967 – V ZR 72/64, NJW 1967, 1370; ebenso wird auf ein weiteres Urteil des BGH verwiesen (Urt. v. 5.11.1976 – V ZR 5/75, NJW 1977, 247, 248), in dem jedoch lediglich die in vorgenanntem Urteil aufgeführten Grundsätze zitiert werden. 53) BGH, Urt. v. 10.3.1967 – V ZR 72/64, NJW 1967, 1370, 2371.
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
im Wege des Zwangsversteigerungsverfahrens zu. Hingegen sind nach dem Wortlaut von § 49 InsO Gläubiger, „denen ein Recht auf Befriedigung aus Gegenständen zusteht, die der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen (unbewegliche Gegenstände), […] nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung zur abgesonderten Befriedigung berechtigt“. Als abgesonderte Befriedigung gilt nach dem Wortlaut von § 49 InsO hingegen nur die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung der Immobilie.54) 777 Die Gegenauffassung verneint das Bestehen eines Absonderungsrechts der Grundpfandgläubiger an dem durch den Insolvenzverwalter erzielten Verwertungserlös.55) 778 Ohne den Abschluss einer privatrechtlichen Verwertungsvereinbarung ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich, auf die ein Anspruch des absonderungsberechtigten Grundpfandgläubigers auf Auskehr des Verwertungserlöses aus einer freihändigen Verwertung gestützt werden kann. 779 Den verbleibenden Erlös bei der freihändigen Verwertung von bewegliche Sachen und Forderungen kann der absonderungsberechtigte Gläubiger gemäß § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO gegenüber dem Insolvenzverwalter herausverlangen. Eine derartige gesetzliche Regelung existiert in Bezug auf die freihändige Verwertung von Immobilien nicht. 780 Der Verwertungserlös tritt auch nicht kraft dinglicher Surrogation an die Stelle des Absonderungsrechts. Denn das Entstehen einer dinglichen Surrogation setzt gemäß der höchstrichterlichen Rechtsprechung den Untergang des dinglichen Rechts durch die freihändige Veräußerung voraus.56) Im Rahmen einer freihändigen Verwertung einer Immobilie durch den Insolvenzverwalter kann der Grundpfandgläubiger aber sein Grundpfandrecht nicht verlieren. Ein Verzicht des Grundpfandgläubigers auf sein Absonderungsrecht beruht allein auf dessen privatautonomer Entscheidung und einer entsprechenden privatrechtlichen Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter.57) Die im Zusammenhang mit der Verwertungsvereinbarung durch den Insolvenzverwalter geleistete Zahlung hat gerade den Zweck, den Grundpfandgläubiger von der Geltendmachung seines ihm gemäß § 49 InsO zustehenden Absonderungsrechts – der Verwertung der Immobilie im Zwangsversteigerungsverfahren – abzuhalten.58) ___________ 54) Mitlehner, ZIP 2012, 649, 652 in Fn. 37. 55) MünchKomm-InsO/Ganter, Vor §§ 49 bis 52 Rn. 99b; Mitlehner, ZIP 2012, 649, 652; vgl. Nerlich/Römermann/Becker, § 165 Rn. 18. 56) BGH, Urt. v. 11.3.2010 – IX ZR 34/09, ZIP 2010, 791 f. m. w. N. 57) MünchKomm-InsO/Ganter, Vor §§ 49 bis 52 Rn. 99b; Mitlehner, ZIP 2012, 649, 652; vgl. Nerlich/Römermann/Becker, § 165 Rn. 18. 58) MünchKomm-InsO/Ganter, Vor §§ 49 bis 52 Rn. 99b; Mitlehner, ZIP 2012, 649, 652; vgl. Nerlich/Römermann/Becker, § 165 Rn. 18.
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V. Verwertungsvereinbarung
Auch für das Bestehen eines Ersatzabsonderungsrechts ist im Fall der verein- 781 barungsgemäßen freihändigen Verwertung von Immobilien durch den Insolvenzverwalter kein Raum.59) Zwar ist ein Ersatzabsonderungsrecht gemäß § 48 InsO analog hinsichtlich bestimmter Gegenstände, die Absonderungsrechten unterliegen, anerkannt. Voraussetzung ist dabei jedoch stets eine Vereitelung der Geltendmachung eines Absonderungsrechts durch den Schuldner oder den Insolvenzverwalter.60) Es ist nach hier vertretener Auffassung im Interesse des Grundpfandgläubigers 782 daher unbedingt notwendig, im Rahmen der Verwertungsvereinbarung festzuhalten, inwieweit eine Abgeltung des Absonderungsrechts im Gegenzug für die Löschungsbewilligung erfolgen soll. Allein auf Basis eines derartigen schuldrechtlichen Anspruchs kann der Grundpfandgläubiger die Auskehr des Verwertungserlöses fordern. Die Abgeltungshöhe ist dabei nicht festgelegt. Sie kann zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Grundpfandgläubiger frei ausgehandelt werden.61) Neben der Zahlung aus dem Verwertungserlös kommt auch eine Befriedigung des Grundpfandgläubigers aus der sonstigen Insolvenzmasse oder die Verschaffung einer anderweitigen Sicherheit in Betracht.62) Nach alledem müsste auch die vergütungsrechtliche Praxis des Insolvenzver- 783 walters konsequenterweise den Verwertungserlös in die Teilungsmasse im eröffneten Verfahren einbeziehen. Die Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 1 InsVV wäre hinsichtlich des Erlöses aus der freihändigen Verwertung der Immobilie nicht anzuwenden. Dies würde zu einer wesentlichen Erhöhung der Vergütung des Insolvenzverwalters für das eröffnete Insolvenzverfahren führen. bb)
Befriedigungsreihenfolge des § 10 Abs. 1 ZVG
Hinsichtlich der Frage, ob und inwiefern die Befriedigungsreihenfolge des § 10 784 Abs. 1 ZVG auch bei der freihändigen Verwertung maßgeblich sein soll, herrscht in Wissenschaft und Literatur Uneinigkeit. Nach einer Auffassung soll auch bei einer freihändigen Verwertung hinsichtlich der Verteilung des Verwertungserlöses im Zweifel die Befriedigungsreihenfolge des § 10 Abs. 1 ZVG maßgeblich sein.63) Durch eine Vereinbarung mit den Absonderungsberechtigten soll der Insolvenzverwalter nach einer Auffassung jedoch von der Befriedigungsreihenfolge des § 10 Abs. 1 ZVG abweichen können.64) Einer weiteren ___________ 59) 60) 61) 62) 63)
MünchKomm-InsO/Gantner, Vor §§ 49 bis 52 Rn. 99a. Uhlenbruck/Brinkmann, § 49 Rn. 9c; Gottwald/Gottwald/Adolphsen, § 42 Rn. 213. Nerlich/Römermann/Becker, § 165 Rn. 18. Nerlich/Römermann/Becker, § 165 Rn. 18. HambKomm-InsO/Büchler, § 165 Rn. 13; Eckardt, Grundpfandrechte im Insolvenzverfahren, Rn. 197; Gerhardt, Grundpfandrechte im Insolvenzverfahren, Rn. 146; Lwowski/Tetzlaff, WM 1999, 2336, 2337. 64) Lwowski/Tetzlaff, WM 1999, 2336, 2337.
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
Auffassung zufolge soll die Befriedigungsreihenfolge von § 10 Abs. 1 ZVG zwingend gelten.65) Schließlich wird vertreten, dass die Vorschrift des § 10 Abs. 1 ZVG lediglich als Orientierung für die Verteilung des Verwertungserlöses bei der freihändigen Verwertung diene.66) 785 Unabhängig von den aufgezeigten unterschiedlichen Auffassungen ist jedenfalls hinsichtlich bestimmter öffentlicher Lasten die ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung zu berücksichtigen. Nach einem Urteil des BGH aus dem Jahr 2010 kann eine Gemeinde, die Gläubigerin der öffentlichen Last der Grundsteuer gemäß § 12 GrStG ist, bei einer freihändigen Verwertung durch den Insolvenzverwalter keine abgesonderte Befriedigung aus dem Verwertungserlös fordern.67) Dies wird durch den BGH mit dem Fortbestand der dinglichen Haftung des Grundstücks gemäß § 12 GrStG begründet, die, anders als bei der Zwangsversteigerung, durch die freihändige Verwertung auch nicht erlösche.68) Die im zugrunde liegenden Kaufvertrag bestimmte lastenfreie Veräußerung des Grundstücks ändere die Rechtslage, dass die Vorschrift des § 12 GrStG kein disponibles Gesetzesrecht enthalte, nicht.69) Eine öffentliche Last definiert sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung u. a. durch die dingliche Haftung eines Grundstücks.70) Mithin kann, sofern die dingliche Haftung der Immobilie für eine öffentliche Last nicht qua Vereinbarung einer lastenfreien Veräußerung im Grundstückskaufvertrag abbedungen werden kann, nach den durch den BGH aufgestellten Grundsätzen hinsichtlich einer öffentlichen Last gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG in keinem Fall ein Absonderungsrecht des Lastengläubigers am Verwertungserlös entstehen. Bei einer freihändigen Veräußerung hat der Insolvenzverwalter diese Lastengläubiger daher unabhängig von den aufgezeigten unterschiedlichen Auffassungen nicht aus dem Verwertungserlös zu befriedigen. 786 Die Auffassung, wonach die Befriedigungsreihenfolge des § 10 Abs. 1 ZVG zu berücksichtigen sei, wird teilweise durch die zur Konkursordnung ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung begründet.71) Insbesondere wird dabei auf ___________ 65) Braun/Bäuerle, § 49 Rn. 22; Uhlenbruck/Brinkmann, § 49 Rn. 30; Henckel/Jaeger, Vor §§ 49 bis 52 Rn. 48; wohl auch Frege/Keller, NZI 2009, 11, 13; Beck/Depré/Ringstmeier, Praxis der Insolvenz, § 15 Rn. 93. 66) Schimansky/Bunte/Lwowski/Epp, Bankrechts-Handbuch, § 94 Rn. 382; MünchKomm-InsO/ Lwowski/Tetzlaff, § 165 Rn. 179. 67) BGH, Urt. v. 18.2.2010 – IX ZR 101/09, NZI 2010, 482. 68) BGH, Urt. v. 18.2.2010 – IX ZR 101/09, NZI 2010, 482, 483. 69) BGH, Urt. v. 18.2.2010 – IX ZR 101/09, NZI 2010, 482, 483. 70) BGH, Urt. v. 22.5.1981 – V ZR 69/80, ZIP 1981, 777, 778; BGH, Urt. v. 30.6.1988 – IX ZR 141/87, NJW 1989, 107, 108. 71) So Gerhardt, Grundpfandrechte im Insolvenzverfahren, Rn. 146; Henckel/Jaeger, Vor §§ 49 bis 52 Rn. 48 in Fn. 72; Eckardt, Grundpfandrechte im Insolvenzverfahren, Rn. 197.
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V. Verwertungsvereinbarung
ein Urteil des BGH aus dem Jahr 1976 Bezug genommen.72) In dem Urteil weist der BGH auf die unter der Konkursordnung herrschende Meinung hin,73) wonach nach Wortlaut und Zweck von § 47 KO abgesonderte Befriedigung auch dann vorliege, wenn es nicht zu einer Verwertung im Wege der Zwangsvollstreckung kommt, sondern eine freihändige Verwertung erfolgt.74) Daher erscheine es nur folgerichtig, bei einer freihändigen Verwertung dem Gläubiger ungeachtet des Konkursverfahrens dieselben Rechte, wie sie ihm am Versteigerungserlös zugestanden hätten, auch an dem Veräußerungserlös einzuräumen.75) Diesen Ausführungen wird eine Gleichsetzung der freihändigen Verwertung mit der Zwangsversteigerung entnommen.76) Auch wenn unter der Rechtslage der Konkursordnung ein derartiger Gleichlauf bestanden haben mag, kann diese Wertung nicht ohne Weiteres auf die Insolvenzordnung übertragen werden. Denn wie vorangehend aufgezeigt, können die vom BGH zur Konkursordnung aufgestellten Grundsätze nicht auf die heutige Rechtslage übertragen werden.77) Geht man von einer Maßgeblichkeit des § 10 Abs. 1 ZVG auch für die freihän- 787 dige Verwertung aus, stellt sich außerdem die Frage nach der praktischen Umsetzung dieser Auffassung. Den Grundpfandgläubigern, die in die Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG einzuordnen sind,78) haftet der Schuldner i. d. R. auch persönlich. Da diese Gläubiger ihre Forderungen daher nebst Absonderungsrechten zur Tabelle anmelden werden, sind sie dem Insolvenzverwalter bekannt. Es ist jedoch denkbar, dass Ansprüche der unterschiedlichen Rangklassen bestehen, die dem Insolvenzverwalter unbekannt sind. Im Zwangsversteigerungsverfahren ist ein Recht gemäß §§ 45 Abs. 1, 109, 110 ZVG, soweit es nicht im Grundbuch eingetragen ist, bei der Feststellung des geringsten Gebots und der Erlösverteilung nur zu berücksichtigen, sofern es angemeldet wurde.79) Gleiches gilt für den Insolvenzverwalter, der die freihändige Verwertung durchführt. Von diesem kann nicht verlangt werden, Nachforschungen anzustellen, ob und inwiefern über die ihm bekannten Gläubiger hinaus weitere Gläubiger vorhanden sind, die ggf. den Grundpfandgläubigern vorangehende Rangklassen einnehmen.
___________ 72) 73) 74) 75) 76) 77) 78) 79)
BGH, Urt. v. 5.11.1976 – V ZR 5/75, NJW 1977, 247. Siehe dazu Rn. 775 in Fn. 53. BGH, Urt. v. 5.11.1976 – V ZR 5/75, NJW 1977, 247, 248. BGH, Urt. v. 5.11.1976 – V ZR 5/75, NJW 1977, 247, 248. Gerhardt, Grundpfandrechte im Insolvenzverfahren, Rn. 146. Siehe Rn. 774 ff. Böttcher, ZVG, § 10 Rn. 49. Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Sievers, ZVG, § 110 Rn. 1; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/ Stumpe, ZVG, § 45 Rn. 2, 4.
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
788 Diese Feststellung ist auch hinsichtlich einer von der Verteilungsreihenfolge des § 10 Abs. 1 ZVG abweichenden Verwertungsvereinbarung relevant. In dieser hat der Insolvenzverwalter nur diejenigen Gläubiger der Rangklassen zu berücksichtigen, die im Grundbuch eingetragen sind oder ihm durch eine „Anmeldung“ bekannt wurden. c)
Massekostenbeitrag
789 Eine gesetzliche Regelung, welche die Leistung eines Kostenbeitrags zugunsten der Insolvenzmasse im Fall der freihändigen Verwertung vorsieht, besteht, anders als im Fall der Mobilienverwertung gemäß §§ 170, 171 InsO, nicht. 790 Die Grundpfandgläubiger sind daher nicht verpflichtet, dem Insolvenzverwalter, der eine zur Insolvenzmasse gehörende Immobilie veräußert, einen Massekostenbeitrag aus dem Verwertungserlös zu bezahlen.80) Aufgrund der vorangehend aufgezeigten Rechtslage81) und einem Mangel an Alternativen, werden sie i. d. R. die Leistung eines angemessenen Massekostenbeitrages akzeptieren. Derartige Zahlungen sind von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt.82) 791 Der Massekostenbeitrag ist zwischen den Parteien frei verhandelbar. Mit ihm sollen die zusätzlichen Risiken und Aufwendungen, die der Insolvenzverwalter zulasten der Insolvenzmasse aufnimmt, vergütet werden.83) Der Massekostenbeitrag kommt daher der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger zugute.84) 792 In der Regel erfolgt eine Festlegung als Prozentsatz von dem durch den Insolvenzverwalter erzielten Verwertungserlös. Diese Bemessungsbasis ist einem starren Geldbetrag vorzuziehen, da der Insolvenzverwalter auf diese Weise einen Anreiz erhält, trotz der wertausschöpfenden Belastung der Immobilie einen möglichst hohen Verwertungserlös zu erzielen. In der Praxis übliche Massekostenbeiträge betragen zwischen einem und zehn Prozent des Verwertungserlöses.85) 793 Deutlich wird, dass eine pauschale Empfehlung zur Höhe des Massekostenbeitrags nicht besteht. Diese hat sich vielmehr an den Umständen des Einzelfalls zu orientieren. Bemessungskriterien sollten dabei der von dem Insolvenzverwalter übernommene Aufwand sowie die zulasten der Insolvenzmasse entstehenden Kosten, das im Zusammenhang mit der freihändigen Verwertung ___________ Gerhardt, Grundpfandrechte im Insolvenzverfahren, Rn. 149. Siehe Rn. 741. BGH, Urt. v. 13.1.2011 – IX ZR 53/09, ZIP 2011, 387, 389. Raab, DZWIR 2006, 234, 236. BGH, Urt. v. 13.1.2011 – IX ZR 53/09, ZIP 2011, 387, 389; Eckardt, Grundpfandrechte im Insolvenzverfahren, Rn. 205. 85) Tetzlaff, ZInsO 2004, 521, 529: 2 – 10 %; Weis/Ristelhuber, ZInsO 2002, 859, 861: 1 – 5 %.
80) 81) 82) 83) 84)
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V. Verwertungsvereinbarung
bestehende Risiko und der voraussichtlich zu erzielende Verwertungserlös sein.86) In der Praxis ist auch eine Situation denkbar, in der der erstrangige Grundpfandgläubiger selbst die für eine freihändige Verwertung notwendigen Tätigkeiten übernimmt und der Insolvenzverwalter letztlich nur zur notariellen Beurkundung des Grundstückskaufvertrags erscheint.87) Ein derartiger Lebenssachverhalt hat in der Bemessung des Massekostenbeitrags ebenso einen Niederschlag zu finden, wie ein dem Insolvenzverwalter entstehender überdurchschnittlicher Aufwand. Beispielhaft sind in diesem Zusammenhang nachfolgende mögliche Tätigkeiten des Insolvenzverwalters zu nennen, die zu einer höheren Bemessung führen sollten: gesteigerte Akquisitionsbemühungen, Verhandlungen mit den obstruierenden nachrangigen Grundpfandgläubigern und Erstellung komplizierter Grundstückskaufverträge. Ebenso zu berücksichtigen ist, dass der mit der freihändigen Verwertung für 794 den Insolvenzverwalter verbundene Aufwand nicht proportional mit dem Marktwert der Immobilie steigt. Deshalb ist es gerechtfertigt, bei höherwertigen Immobilien einen geringeren prozentualen Massekostenbeitrag anzusetzen. Um dem Grundpfandgläubiger im Hinblick auf die Höhe eines Massekostenbeitrags eine Begrenzung zu gewähren, kann ein Maximalbetrag aufgenommen werden, bei dessen Überschreitung keine weitere Erhöhung erfolgt. Im Hinblick auf die Anreizfunktion eines Massekostenbeitrags, der sich indirekt auch auf die Vergütung des Insolvenzverwalters auswirkt, erscheint eine derartige Begrenzung jedoch unzweckmäßig. Vorzugswürdig scheint vielmehr eine staffelmäßige Bemessung des Massekostenbeitrags nach dem Vorbild des § 2 Abs. 1 InsVV. Neben der Höhe eines Massekostenbeitrags ist die Aufnahme einer Bestim- 795 mung wichtig, wie im – meist unwahrscheinlichen – Fall der Erzielung eines die valutierenden Grundpfandrechte übersteigenden Übererlöses zu verfahren ist. Soll der Übererlös dann im Interesse des Grundpfandgläubigers dem Massekostenbeitrag angerechnet werden oder soll dieser in jedem Fall vollständig aus dem auf den Grundpfandgläubiger entfallenden Teil des Verwertungserlöses entnommen werden. Aus umsatzsteuerlicher Sicht ist die Rechtsprechung des BFH zu beachten, 796 wonach der Insolvenzverwalter bei einer freihändigen Verwertung von Immobilien eine sonstige entgeltliche Leistung gemäß § 3 Abs. 9 UStG an den Grundpfandgläubiger ausführt.88) Der Massekostenbeitrag ist mithin umsatzsteuerpflichtig. Daher sollte bereits in der Verwertungsvereinbarung zusätzlich ___________ 86) Knees, ZIP 2001, 1568, 1573; Raab, DZWIR 2006, 234, 236; Weis/Ristelhuber, ZInsO 2002, 859, 861. 87) Weis/Ristelhuber, ZInsO 2002, 859, 861. 88) BFH, Urt. v. 18.8.2005 – V R 31/04, NZI 2006, 55, 56; BFH, Urt. v. 28.7.2011 – V R 28/09, ZIP 2001, 1923, 1924.
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
zum vereinbarten Massekostenbeitrag die gesetzliche Umsatzsteuer vereinbart werden. d)
Freistellungserklärung
797 Der Insolvenzverwalter geht durch die freihändige Veräußerung der Immobilie zusätzliche Haftungsrisiken ein. So gilt bei einer freihändigen Verwertung, anders als im Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 56 Satz 3 ZVG, grundsätzlich die gesetzliche Gewährleistung.89) Der Insolvenzverwalter wird zwar versuchen, mögliche Gewährleistungs- und Haftungsansprüche gegenüber dem Erwerber der Immobilie vertraglich auszuschließen.90) Unter Umständen scheitert ein Ausschluss jedoch an rechtlichen Gründen. Denkbar ist ferner, dass ein Kaufinteressent – unter Umständen der einzig vorhandene – einen Gewährleistungs- bzw. Haftungsausschluss nicht akzeptiert. Auch aus umsatzsteuerlicher Sicht ist die Veräußerung des Grundstücks mit dem Risiko verbunden, dass die Insolvenzmasse nachträglich mit Umsatzsteuern belastet wird.91) Eine Klausel, wonach die erstrangige Grundpfandgläubigerin die Insolvenzmasse von den bestehenden Haftungsrisiken freistellt, kann daher unter Umständen angezeigt sein.92) 798 Nach der Insolvenzeröffnung belasten die Insolvenzmasse allein durch das Halten einer Immobilie unterschiedliche Kosten als Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 InsO. Es handelt sich dabei beispielsweise um öffentliche Lasten (Grundsteuer, Wasser-/Abwassergebühren, Kanalnutzungsgebühren), Prämien für die Haftpflicht- und Gebäudeversicherung oder Erschließungsbeiträge. Auch können kleinere Reparaturen oder die Beauftragung eines Winterdienstes notwendig sein, um den im Zusammenhang mit der Immobilie stehenden allgemeinen Verkehrssicherungspflichten nachzukommen. Sofern parallel zur freihändigen Verwertung nicht eine sog. Kalte Zwangsverwaltung oder ein Zwangsverwaltungsverfahren gemäß ZVG durchgeführt wird, ist im Interesse der Insolvenzmasse zusätzlich zum Massekostenbeitrag die Übernahme weiterer im Zusammenhang mit der Immobilie stehenden Kosten durch den Grundpfandgläubiger denkbar.93) e)
Rückabwicklung des Kaufvertrags
799 Ein nicht unerhebliches Risiko besteht für die Insolvenzmasse und den Insolvenzverwalter bei der freihändigen Verwertung außerdem in Bezug auf eine ___________ 89) 90) 91) 92)
Braun/Bäuerle, § 49 Rn. 22. Siehe Rn. 803 ff. Siehe Rn. 820. Hawelka, ZfIR 2010, 665, 668; MünchKomm-InsO/Lwowski/Tetzlaff, § 165 Rn. 179; Mitlehner, ZIP 2012, 649, 651. 93) Tetzlaff, ZfIR 2005, 179, 180.
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V. Verwertungsvereinbarung
mögliche berechtigte Ausübung eines gesetzlichen Rücktrittsrechts durch den Immobilienerwerber. Im Rahmen eines dann entstehenden Rückabwicklungsverhältnisses richten sich Rückabwicklungsansprüche des Erwerbers als Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegen die Insolvenzmasse. Der Verkaufserlös wurde jedoch meist – abgesehen von dem i. d. R. vereinbarten Massekostenbeitrag – an die Grundpfandgläubiger ausgekehrt. Das Insolvenzverfahren ist ggf. bereits beendet. Hinsichtlich einer möglichen persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters ist vor allem auf die Vorschrift des § 60 InsO hinzuweisen. Dem diesbezüglichen Haftungsrisiko der Insolvenzmasse und des Insolvenz- 800 verwalters ist durch eine entsprechende Bestimmung zu begegnen, wonach die Grundpfandgläubiger verpflichtet sind, im Falle der Rückabwicklung des Kaufvertrags die empfangenen Zahlungen zur Insolvenzmasse zurückzugewähren.94) Im Gegenzug ist im Interesse der Grundpfandgläubiger im Fall der Rückabwicklung ein Anspruch auf Wiederbestellung der Grundpfandrechte zu vereinbaren.95) Aus Sicht der Grundpfandgläubiger stellt dies freilich einen Malus dar, den sie im Zwangsversteigerungsverfahren nicht zu tragen haben.96) f)
Weitere notwendige Klauseln
Nachfolgend genannte Klauseln sollten weiterhin Bestandteil einer Verwer- 801 tungsvereinbarung sein:97)
Detaillierte Angaben zu den im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechten sowie deren aktueller Valuta zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Festlegung eines durch den Insolvenzverwalter mindestens zu erzielenden Verwertungserlöses.
Vereinbarung, welche Partei die Nebenkosten des Grundstückskaufs (Beurkundungskosten, Gebühren des Grundbuchamts, etc.) sowie die Kosten für einen ggf. eingeschalteten Immobilienmakler zu tragen hat.
___________ 94) Hawelka, ZfIR 2010, 665, 668; MünchKomm-InsO/Lwowski/Tetzlaff, § 165 Rn. 180; Mitlehner, ZIP 2012, 649, 651. 95) MünchKomm-InsO/Lwowski/Tetzlaff, § 165 Rn. 180. 96) Hawelka, ZfIR 2010, 665, 668. 97) In Anlehnung an Eckardt, Grundpfandrechte im Insolvenzverfahren, Rn. 204; Hawelka, ZfIR 2010, 665, 669; MünchKomm-InsO/Lwowski/Tetzlaff, § 165 Rn. 259; Tetzlaff, ZfIR 2005, 179.
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
VI.
Gewährleistungs- und Haftungsausschluss in der Kaufvertragsgestaltung
802 Der Insolvenzverwalter, der eine Immobilie freihändig aus der Insolvenz verwertet, hat meist nur wenig Zeit, sich mit dem Objekt und ggf. bestehenden Mängeln zu beschäftigen. Daneben sind die finanziellen Mittel, um die Immobilie auf bestehende Mängel überprüfen zu lassen, in der Insolvenzsituation beschränkt. Der Insolvenzverwalter ist in dieser Hinsicht auf die ihm durch den Schuldner erteilten Informationen und übergebenen Unterlagen angewiesen. Ferne fließt bei einer wertausschöpfenden Belastung der Immobilie der Verwertungserlöses i. d. R. fast vollständig an die grundpfandrechtlich gesicherten Gläubiger. Lediglich ein Bruchteil des Verwertungserlöses verbleibt in Form des Massekostenbeitrags in der Insolvenzmasse. Da der Insolvenzverwalter Vertragspartner des Erwerbers ist, richten sich sämtliche Gewährleistungs- und Haftungsansprüche aus dem geschlossenen Kaufvertrag als Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegen die Insolvenzmasse.98) Anders als im Verfahren der Zwangsversteigerung gemäß ZVG ist ein Gewährleistungsanspruch nicht bereits von Gesetzes wegen ausgeschlossen.99) Sofern die Möglichkeit besteht, dass gegen die Insolvenzmasse Gewährleistungsansprüche geltend gemacht werden, kann das Insolvenzverfahren vor Ablauf der Gewährleistungsfrist nicht abgeschlossen werden.100) Vor diesem Hintergrund ist das Bestreben des Insolvenzverwalters, im Grundstückskaufvertrag einen Gewährleistungs- und Haftungsausschluss zu vereinbaren, nachvollziehbar.101) 1.
Ausschluss allgemeingesetzlicher Gewährleistungs- und Haftungsansprüche
803 Zunächst stellt sich die Frage, ob und inwieweit ein Ausschluss auf vertraglicher Grundlage basierender allgemeingesetzlicher Gewährleistungs- und Haftungsansprüche erfolgen kann. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Immobilie durch den Insolvenzverwalter an einen Unternehmer gemäß § 14 BGB oder an einen Verbraucher gemäß § 13 BGB veräußert wird. a)
Kaufvertrag mit einem Unternehmer
804 Sofern es sich bei dem Grundstückskaufvertrag nicht um einen Verbrauchervertrag i. S. v. § 310 Abs. 3 BGB handelt und eine Individualvereinbarung gemäß § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB vorliegt, ist ein Gewährleistungs- und Haftungsausschluss innerhalb der gesetzlichen Grenzen grundsätzlich unproblematisch ___________ 98) Marotzke, ZInsO 2002, 501; Reul/Heckschen/Wienberg/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, Kap. M. Rn. 61. 99) Braun/Bäuerle, § 49 Rn. 22. 100) Ringstmeier/Homann, ZIP 2002, 505. 101) Marotzke, ZInsO 2002, 501.
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VI. Gewährleistungs- und Haftungsausschluss in der Kaufvertragsgestaltung
möglich.102) Ein Ausschluss ist gemäß § 444 BGB insbesondere im Hinblick auf Mängel, die dem Insolvenzverwalter beim Abschluss des Kaufvertrags bekannt waren und die er gegenüber dem Erwerber arglistig verschwiegen hatte, nicht möglich.103) Gemäß § 276 Abs. 2 BGB kann zudem die Haftung für vorsätzliches Handeln nicht ausgeschlossen werden. Einschlägig sind in diesem Zusammenhang ferner die Vorschriften der §§ 134, 138 BGB. Liegt ein AGBVertrag vor, weil der Insolvenzverwalter einen i. S. v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB vorformulierten Vertragsentwurf verwendet, kann ein Gewährleistungs- und Haftungsausschluss ggf. gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB verstoßen.104) b)
Verbrauchervertrag
aa)
AGB-Vertrag
Wird der Grundstückskaufvertrag allerdings zwischen dem Insolvenzverwalter 805 als Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen, liegt ein Verbrauchervertrag i. S. v. § 310 Abs. 3 BGB vor. Sofern eine „neu hergestellte“ Immobilie verkauft werden soll, ist ein Gewährleistungs- und Haftungsausschluss dann nicht ohne Weiteres möglich. In der Insolvenz eines Unternehmers i. S. v. § 14 BGB handelt der Insolvenz- 806 verwalter stets als Unternehmer.105) Im Schrifttum umstritten und von der Rechtsprechung bisher ungeklärt ist jedoch die Frage, ob der Insolvenzverwalter in der Verbraucherinsolvenz als Unternehmer oder Verbraucher zu qualifizieren ist. Eine Auffassung stellt dabei auf die Person des Schuldners ab.106) Nach der Gegenauffassung ist auf die Person des Insolvenzverwalters abzustellen, sodass ein Insolvenzverwalter auch in der Insolvenz des Verbrauchers i. S. v. § 13 BGB stets als Unternehmer handelt.107) Wird die im Eigentum eines Verbrauchers stehende Immobilie durch den Insolvenzverwalter freihändig veräußert, ist daher stets in Erwägung zu ziehen, dass ein vereinbarter Gewährleistungs- und Haftungsausschluss im Streitfall als Verbrauchervertrag behandelt und im Rahmen der nachfolgend beschriebenen AGB-Kontrolle für unwirksam erklärt wird. ___________ 102) Wagner, ZfIR 2009, 345, 348; Reul/Heckschen/Wienberg/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, Kap. M. Rn. 121. 103) Vgl. Ringstmeier/Homann, ZIP 2002, 505, 507. 104) Reul/Heckschen/Wienberg/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, Kap. M. Rn. 119 m. w. N. in Fn. 194. 105) Amann/Brambring/Hertel/Hertel, Vertragspraxis nach dem neuen Schuldrecht, S. 350; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer, § 310 Rn. 18. 106) Wagner, ZfIR 2009, 345, 349; im Ergebnis Basty, Der Bauträgervertrag, Rn. 1126. 107) Amann/Brambring/Hertel/Hertel, Vertragspraxis nach dem neuen Schuldrecht, S. 350; DNotI-Report Nr. 4/2009, S. 25 f.; Reul/Heckschen/Wienberg/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, Kap. M. Rn. 44.
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
807 Ist ein Grundstückskaufvertrag als Verbrauchervertrag zu qualifizieren, sind insbesondere die in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB aufgeführten Klauselverbote zu beachten, die auch dann Anwendung finden, wenn der Vertrag nur zur einmaligen Verwendung bestimmt ist und der Verbraucher auf seinen Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte.108) Insbesondere ist hier das Klauselverbot gemäß § 309 Nr. 8 lit. b) aa) und bb) BGB zu beachten. Danach ist bei Verträgen über Lieferungen und Leistungen neu hergestellter Sachen und Werkleistungen eine Bestimmung unzulässig, die die Haftung wegen eines Mangels ausschließt, auf die Haftung Dritter beschränkt oder von der vorherigen gerichtlichen Inanspruchnahme Dritter abhängig macht. Dieses Klauselverbot findet allerdings nur auf „neu hergestellte“ Immobilien Anwendung. Wenn der Insolvenzverwalter, wie dies regelmäßig der Fall sein wird, Bestandsimmobilien aus der Insolvenzmasse veräußert, ist ein Gewährleistungs- und Haftungsausschluss daher unproblematisch möglich.109) 808 Allerdings kann im Einzelfall fraglich sein, wann eine Sache als „neu hergestellt“ i. S. v. § 309 Nr. 8 lit. b) BGB zu betrachten ist. So kann bei einer Bestandsimmobilie, trotz ihres erheblichen Alters, aufgrund einer umfassenden Sanierung beispielsweise eine neu hergestellte Sache vorliegen.110) bb)
Individualvereinbarung gemäß § 305b BGB
809 Eine Möglichkeit, die vorangehend beschriebenen Klauselverbote zu vermeiden, liegt in dem Abschluss einer Individualvereinbarung gemäß § 305b BGB. Der höchstrichterlichen Rechtsprechung zufolge kann eine derartige Individualvereinbarung vorliegen, wenn dem Verbraucher unterschiedliche Alternativen angeboten werden.111) Im Schrifttum wird überwiegend eine Gestaltung als ausreichend erachtet, bei der die Immobilie dem erwerbsinteressierten Verbraucher zu unterschiedlichen Kaufpreisen angeboten wird. Ein Angebot wird bei dieser Gestaltung ohne die Aufnahme eines Gewährleistungs- und Haftungsausschlusses an den Verbraucher gerichtet, während ein zweites, geringeres Angebot einen Gewährleistungs- und Haftungsausschluss beinhaltet.112) Gegenüber dem Grundpfandgläubiger einer wertausschöpfend grundpfandrechtlich belasteten Immobilie ist diese Gestaltungsvariante unter Umständen jedoch nur schwer zu vermitteln. Denn mit Blick auf den höheren Erlös wird dieser den Insolvenzverwalter unter Umständen zum Abschluss des Grund___________ 108) Zu den einzelnen Klauselverboten siehe Reul/Heckschen/Wienberg/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, Kap. M. Rn. 62 ff. m. w. N. in Fn. 107. 109) Wagner, ZfIR 2009, 345, 349. 110) Vgl. MünchKomm-BGB/Wurmnest, § 309 Rn. 17. 111) BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, DNotZ 2003, 349. 112) Kesseler, RNotZ 2004, 176, 215 f.; Wagner, ZfIR 2009, 345, 350; Reul/Heckschen/ Wienberg/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, Kap. M. Rn. 102; zum Konkursverwalter Brambring, NJW 1987, 97, 102; a. A. Basty, ZNotP 2001, 333.
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VI. Gewährleistungs- und Haftungsausschluss in der Kaufvertragsgestaltung
stückskaufvertrags mit den bestehenden Gewährleistungs- und Haftungsrechten drängen. Die praktische Handhabbarkeit einer derartigen Klausel kann bei grundpfandrechtlich belasteten Immobilien daher eingeschränkt sein. 2.
Die Haftung des Insolvenzverwalters gemäß §§ 60, 61 InsO
Ist ein Ausschluss der allgemeingesetzlichen Gewährleistung und Haftung aus 810 tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich, stellt sich aus Sicht des Insolvenzverwalters die Frage, wie er eine mögliche Haftung gemäß §§ 60, 61 InsO vermeiden kann. Schließt der Insolvenzverwalter einen Grundstückskaufvertrag, in dem die Ge- 811 währleistung und Haftung nicht ausgeschlossen ist, muss er mit einer entsprechenden Inanspruchnahme der Insolvenzmasse rechnen. Der Insolvenzverwalter ist gemäß § 53 InsO verpflichtet, aus der Insolvenzmasse die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) und die sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) zu befriedigen. Verteilt er die bestehende Insolvenzmasse und veranlasst die Beendigung des Verfahrens ohne die potentiellen Masseverbindlichkeiten zu berücksichtigen, kommt die Verletzung einer insolvenzspezifischen Pflicht113) in Betracht. Diese kann auch nach der Einstellung des Insolvenzverfahrens gemäß § 60 Abs. 1 InsO114) zu einer persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters gegenüber dem geschädigten Massegläubiger führen.115) Die Tatsache, dass spätere mögliche Masseverbindlichkeiten für den Insolvenzverwalter nicht absehbar sind,116) ändert an diesem Befund nichts.117) Anderenfalls könnte die Geltendmachung von Mängelgewährleistungsansprüchen durch den Insolvenzverwalter stets durch die frühzeitige Verfahrensbeendigung vereitelt werden. Ebenso verfängt in diesem Zusammenhang der Hinweis, der Verwalter sei lediglich dazu verpflichtet, Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, die bereits geltend gemacht wurden oder von denen er in sonstiger Weise Kenntnis erlangt hat,118) nicht. Zumal er aufgrund eigener Unkenntnis die Mangelhaftigkeit der Immobilie und damit das Bestehen eines entsprechenden Haftungsanspruchs gegen die Insolvenzmasse nicht ausschließen kann. Eine Haftung gemäß § 61 ___________ 113) Nerlich/Römermann/Rein, § 60 Rn. 39. 114) Zum Verhältnis von § 60 InsO zu § 61 InsO siehe MünchKomm-InsO/Hefermehl, § 53 Rn. 84. 115) Nerlich/Römermann/Andres, § 53 Rn. 37; Braun/Baumert, § 60 Rn. 35; zur Konkursordnung siehe OLG München, Urt. v. 30.4.1981 – 1 U 4248/80, ZIP 1981, 887; vgl. zur Möglichkeit des Konkursgläubigers einen Haftungsanspruch gemäß § 82 KO nach Beendigung des Konkursverfahrens gegen den Konkursverwalter geltend zu machen BGH, Urt. v. 22.2.1973 – VI ZR 165/71, NJW 1973, 1198; Vallender, ZIP 1997, 345, 354. 116) Marotzke, ZInsO 2002, 501, 506; Wagner, ZfIR 2009, 345, 351. 117) Kritisch ebenfalls Reul/Heckschen/Wienberg/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, Kap. M. Rn. 94. 118) Marotzke, ZInsO 2002, 501, 506; Wagner, ZfIR 2009, 345, 351.
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
InsO wird dagegen regelmäßig ausscheiden, sofern der Insolvenzverwalter bei Abschluss des Kaufvertrags keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Mangels hatte.119) 812 Im Schrifttum wird diskutiert, ob der Insolvenzverwalter der Gefahr einer Haftungsinanspruchnahme durch die Bildung von Rücklagen aus dem Verwertungserlös der Immobilie, hinsichtlich derer nach Ablauf der Gewährleistungsfrist eine Nachtragsverteilung erfolgt, entgehen kann.120) Da der Insolvenzverwalter jedoch i. d. R. die Höhe eines ggf. zukünftig erhobenen Gewährleistungsanspruchs und damit die Höhe zu bildendender Rücklagen nicht bestimmen kann, erschweren praktische Hürden dieses Vorgehen.121) 813 Alternativ wird im Schrifttum eine Klausel im Grundstückskaufvertrag empfohlen, wonach der Erwerber auf die Geltendmachung der persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters gemäß §§ 60, 61 InsO verzichtet.122) Ob allerdings ein wirksamer Ausschluss der Haftung des Insolvenzverwalters gemäß §§ 60, 61 InsO möglich ist, ist umstritten.123) Aufgrund der besonderen Position des Insolvenzverwalters, seines Handeln zugunsten der Gläubiger sowie seines geringen wirtschaftlichen Eigeninteresses spricht vieles für die Möglichkeit eines Haftungsausschlusses. VII. Steuerrechtliche Implikationen 814 Bei einer freihändigen Verwertung können in steuerrechtlicher Hinsicht erhebliche Risiken bestehen, die prospektiv zu berücksichtigen sind. Der veräußernde Insolvenzverwalter hat den jeweiligen Einzelfall, ggf. unter Hinzuziehung eines verständigen Steuerberaters, genau zu prüfen. Bleiben steuerrechtliche Aspekte unberücksichtigt, kann der Insolvenzmasse eine erhebliche Belastung mit Steuerverbindlichkeiten drohen. Neben der Gefahr einer eintretenden Masseunzulänglichkeit, setzt sich der veräußernde Insolvenzverwalter dabei erheblichen persönlichen Haftungsrisiken aus. Unter Berücksichtigung der möglichen, die Insolvenzmasse belastenden Steueransprüchen, kann sich die Durchführung einer zunächst lukrativ erscheinenden Verwertungsmöglichkeit unter Umständen verbieten. Dem Insolvenzverwalter bleibt dann meist nichts anderes übrig, als die Immobilie zum Schutz der Insolvenzmasse aus dem Insolvenzbeschlag freizugeben. ___________ 119) Uhlenbruck/Sinz, § 61 Rn. 24. 120) Ringstmeier/Homann, ZIP 2002, 505, 509; Reul/Heckschen/Wienberg/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, Kap. M. Rn. 90; kritisch Marotzke, ZInsO 2002, 501, 506 f. 121) Ringstmeier/Homann, ZIP 2002, 505, 510. 122) Kesseler, RNotZ 2004, 176, 214; Wagner, ZfIR 2009, 345, 351. 123) Grundsätzlich für die Möglichkeit eines individualvertraglichen Haftungsausschlusses Laws, MDR 2004, 1149, 1153; Reul/Heckschen/Wienberg/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, Kap. M. Rn. 119; a. A. Meyer-Löwy/Poertzgen, ZInsO 2004, 363, 367 f.; Kesseler, RNotZ 2004, 176, 214; Krauß, Immobilienkaufverträge, Rn. 1726.
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VII. Steuerrechtliche Implikationen
1.
Ertragsteuern
In ertragsteuerlicher Hinsicht sind ggf. auf der Immobilie des Betriebsvermö- 815 gens124) ruhende stille Reserven zu berücksichtigen, die durch eine Veräußerung aufgedeckt werden. Zu denken ist an den typischen Fall, dass die vorgenommenen handelsrechtlichen Abschreibungen die tatsächlich eingetretene Wertminderung des Immobilienvermögens übersteigen. Aber auch durch die Fertigstellung einer Immobilie im Rahmen des Insolvenzverfahrens kann der bei einer freihändigen Verwertung realisierte Marktwert erheblich von dem aktivierten Buchwert abweichen. Unter der Geltung der Konkursordnung vertrat der BFH die Auffassung, dass 816 das bloße Halten stiller Reserven nicht der Steuerpflicht unterliege. Nach dem Realisationsprinzip führe vielmehr erst die im Konkursverfahren vorgenommene Verwertungshandlung zur Verwirklichung des Steuertatbestands und der konkursrechtlichen Begründung des Anspruchs.125) Auch wenn die durch die Veräußerung aufgedeckten stillen Reserven bereits vor der Insolvenzeröffnung gebildet wurden, war die betreffende Steuerforderung unter Geltung der Konkursordnung mithin in voller Höhe Masseverbindlichkeit, sofern der Gewinn während des Konkursverfahrens realisiert wurde. Die Begründung des BFH basiert auf einer formal steuerrechtlichen Betrachtung; konkurs- bzw. insolvenzrechtliche Kriterien werden nicht berücksichtigt.126) Die überwiegende Literaturmeinung lehnt die vorgenannte Auffassung des BFH zur Konkursordnung daher ab.127) Für die Insolvenzordnung wurde die Frage nach der insolvenzrechtlichen Be- 817 handlung von im Zusammenhang mit der Aufdeckung von stillen Reserven entstehenden Ertragsteuern durch die finanzgerichtliche Rechtsprechung bisher nicht abschließend geregelt.128) Ob und inwiefern der BFH in einer künftigen Entscheidung zur Insolvenzordnung von den vorangehend ausgeführten Grundsätzen abrückt, kann nicht beurteilt werden.129) Der Insolvenzverwalter wird vor dem Hintergrund der zur Konkursordnung ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung jedoch aus Vorsichtsgründen davon ausgehen müssen, dass die Ertragsteuer, die aus der Aufdeckung stiller Reserven während des Insolvenzverfahrens resultiert, in voller Höhe als Masseverbindlichkeit zu leisten ___________ 124) Auf durch den Schuldner in seinem Privatvermögen gehaltene Immobilien soll nicht eingegangen werden. Sie dazu z. B. Raab, DZWIR 2006, 234, 238. 125) BFH, Urt. v. 11.11.1993 – XI R 73/92, ZIP 1994, 1286 f. 126) Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, 9.765. 127) Jeweils m. w. N. Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, Rn. 377 ff.; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 120 ff. 128) Wessel, DZWIR 2009, 112, 115. 129) Vgl. Wessel, DZWIR 2009, 112, 115.
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
ist.130) Es ist daher vor der Durchführung einer freihändigen Verwertung unbedingt zu prüfen, ob durch eine freihändige Verwertung stille Reserven aufgedeckt werden. 818 Darüber hinaus ist umstritten, ob aus der Aufdeckung stiller Reserven resultierende Ertragsteuern auch dann als Masseverbindlichkeiten zu behandeln sind, wenn sie nicht der Insolvenzmasse, sondern den begünstigten Grundpfandgläubigern zufließen. Dieser Fall ist insbesondere im Hinblick auf die meist bestehende wertausschöpfende grundpfandrechtliche Belastung von Immobilien relevant. Eine Auffassung131) stützt sich dabei auf die Rechtsprechung des BFH zur Konkursordnung, wonach die bei der Verwertung durch die Aufdeckung stiller Reserven entstehende Einkommensteuer nur insoweit als Masseverbindlichkeit zu bewerten ist, als der Erlös in die Insolvenzmasse fließt.132) Die Gegenauffassung133) führt an, dass die Masse bei der Verwertung eines Vermögensgegenstands keineswegs nur in Höhe des zugeflossenen Mehrerlöses bereichert werde, sondern auch um die dem Absonderungsrecht zugrunde liegende schuldrechtliche persönliche Forderung gegen den Schuldner134). Außerdem sei die Vorteilhaftigkeit eines Geschäfts für die Insolvenzmasse nach allgemeinen Grundsätzen kein geeignetes Kriterium für die Abgrenzung von Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten.135) Den Insolvenzverwalter stellt diese unklare Rechtslage vor erhebliche Probleme. Sofern hinsichtlich der grundpfandrechtlich wertausschöpfend belasteten Immobilie stille Reserven aufgedeckt werden und die Ertragsteuern auch für den an die Grundpfandgläubiger fließenden Teil des Verwertungserlöses als Masseverbindlichkeiten entstehen, dürften diese von dem vereinbarten Massekostenbeitrag regelmäßig nicht abgedeckt sein. Sofern keine Übernahme dieser Steuerverbindlichkeiten durch die begünstigten Grundpfandgläubiger erfolgt, dürfte sich eine freihändige Verwertung der wertausschöpfend belasteten Immobilie, bei der stille Reserven aufgedeckt werden, nach dieser Auffassung regelmäßig verbieten. 819 Um eine freihändige Verwertung durch das Risiko der ertragsteuerlichen Belastung nicht bereits im Vorfeld scheitern zu lassen, kann sich der Insolvenzverwalter vorab mit den Finanzbehörden ins Benehmen setzen, um die ertragsteuerliche Behandlung der realisierten, an die Grundpfandgläubiger fließenden ___________ 130) So auch Depré/Lambert, ZfIR 2012, 1, 3, 5; Raab, DZWIR 2006, 234, 238; vgl. Wessel, DZWIR 2009, 112, 115. 131) Beck/Depré/Depré/Dobler, Praxis der Insolvenz, § 35 Rn. 46; Depré/Lambert, ZfIR 2012, 1, 3. 132) BFH, Urt. v. 9.11.1994 – I R 5/94, ZIP 1995, 661, 662; BFH, Urt. v. 29.3.1984 – IV R 271/83, NJW 1985, 511. 133) FG Düsseldorf, Urt. v. 19.8.2011 – 11 K 4201/10 E, ZIP 2011, 2070, 272 f.; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 147 ff.; Onusseit, ZInsO 2003, 677, 681; Waza/Uhländer/ Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 1493. 134) Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 147 f. 135) FG Düsseldorf, Urt. v. 19.8.2011 – 11 K 4201/10 E, ZIP 2011, 2070, 273.
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Hild/Paries
VIII. Freihändige Verwertung im Insolvenzeröffnungsverfahren
stillen Reserven abzuklären. Auch wenn sich die Finanzbehörden entsprechend einlassen, kann ein bestehendes Risiko jedoch nicht vollständig ausgeschlossen werden. 2.
Umsatzsteuer
In umsatzsteuerlicher Hinsicht ergibt sich für die Insolvenzmasse ein beträcht- 820 liches Risiko aus der Gefahr einer vorzunehmenden Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG.136) Wurde die veräußerte Immobilie in den letzten zehn Jahren durch den Schuldner umsatzsteuerpflichtig erworben oder wurden in diesem Zeitraum Vorsteuerbeträge auf bestimmte Grundstückskosten umsatzsteuermindernd geltend gemacht, müssten diese zeitanteilig gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 8 Satz 1, Abs. 9 UStG berichtigt werden, wenn sich die für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse ändern. Dieser Vorsteuerberichtigungsanspruch entsteht nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung als Masseverbindlichkeit.137) Im Vorfeld der freihändigen Verwertung einer Immobilie eines umsatzsteuerlichen Unternehmers138) hat der Insolvenzverwalter daher umfassende Ermittlungen anzustellen.139) Ergibt sich dabei, dass im relevanten Zeitraum Vorsteuern geltend gemacht wurden, hat der Insolvenzverwalter gemäß § 9 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 UStG im notariell zu beurkundenden Grundstückskaufvertrag zur Umsatzsteuer zu optieren.140) VIII. Freihändige Verwertung im Insolvenzeröffnungsverfahren 1.
Notverkauf im Insolvenzeröffnungsverfahren
In zeitlicher Hinsicht ist allein der Insolvenzverwalter nach dem im eröffneten 821 Insolvenzverfahren stattfindenden Berichtstermin zur Verwertung der Insolvenzmasse befugt.141) Die Funktion eines bestellten vorläufigen Insolvenzverwalters besteht im Insolvenzeröffnungsverfahren dagegen gemäß §§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO lediglich in der Sicherung des Vermögens des Schuldners.142) Durch das Insolvenzgericht wird in diesem Verfahrensstadium in erster Linie geprüft, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegen. Es ist unklar, ob es über___________ 136) Siehe zur Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG ausführlich Rn. 896. 137) BFH, Urt. v. 6.6.1991 – V R 115/87, ZIP 1991, 1080. 138) Ein steuerbarer Umsatz scheidet hingegen von vornherein aus, wenn es sich um das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Schuldners handelt, der nicht Unternehmer i. S. v. § 1 UStG ist bzw. in der Insolvenz eines Unternehmers ein nicht zum Unternehmensvermögen gehörendes Grundstück veräußert wird, Bächer, ZInsO 2010, 1084, 1086. 139) Zum Umfang der notwendigen Prüfung siehe Rn. 903 ff. 140) Vgl. im Übrigen Rn. 874 ff., 904. 141) Nerlich/Römermann/Mönning, § 22 Rn. 38. 142) Begr. RegE zu § 26 InsO, BT Drucks. 12/2443, S. 117.
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
haupt zu einer Insolvenzeröffnung kommt. Aus verfassungsrechtlicher Sicht muss der Schuldner im Insolvenzeröffnungsverfahren daher vor einem endgültigen Vermögensverlust geschützt werden.143) Grundsätzlich kommt eine freihändige Verwertung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter in diesem Verfahrensstadium daher nicht in Betracht.144) 822 Vor dem Hintergrund der dem vorläufigen Insolvenzverwalter zukommenden Sicherungsfunktion kann im Einzelfall jedoch eine freihändige Verwertung von Immobilien im Rahmen eines Notverkaufs angezeigt sein, sofern Gefahr im Verzug ist. Voraussetzung ist, dass durch eine Verzögerung des Verkaufs beträchtliche Nachteile entstehen, die künftige Insolvenzmasse also geschädigt werden würde.145) In der Begründung des Regierungsentwurfs der Insolvenzordnung wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich der Notverkauf verderblicher Waren genannt.146) 823 Nach diesen Grundsätzen kann im Insolvenzeröffnungsverfahren auch eine freihändige Verwertung von Immobilien angezeigt sein. Denkbar ist beispielsweise das Vorliegen eines für die künftige Insolvenzmasse sehr vorteilhaften, zeitlich jedoch befristeten Kaufangebots. Dabei muss der Angebotspreis jedoch unbedingt über dem Marktwert der Immobilie liegen. Damit sich der vorläufige Insolvenzverwalter in Bezug auf im Nachhinein ggf. gegen ihn erhobene Vorwürfe exkulpieren kann, sollte die Bestimmung des Marktwerts durch ein Gutachten eines unabhängigen und anerkannten Sachverständigen erfolgen. 824 Eine freihändige Verwertung zu diesem frühen Zeitpunkt ist allerdings nur durchzuführen, sofern gewährleistet ist, dass über das Vermögen des Schuldners tatsächlich das Insolvenzverfahren eröffnet wird.147) Vor Durchführung eines Notverkaufs muss der vorläufige Insolvenzverwalter also Gewissheit darüber erlangen, ob tatsächlich ein Eröffnungsgrund vorliegt und die Verfahrenskosten gedeckt sind. 825 Eine zusätzliche Absicherung der Verwertungsentscheidung durch die Einholung der Zustimmung bestimmter Verfahrensbeteiligter ist anzuraten. In Abhängigkeit des Einzelfalls erscheint die Einholung der Zustimmung aller Ver___________ 143) BGH, Urt. v. 5.5.2011 – IX ZR 144/10, NZI 2011, 602, 607; Eckardt, Grundpfandrechte im Insolvenzverfahren, Rn. 193. 144) BGH, Urt. v. 5.5.2011 – IX ZR 144/10, NZI 2011, 602, 607; BGH, Beschl. v. 14.12.2000 – IX ZB 105/00, NZI 2001, 191; MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 73. 145) BGH, Urt. v. 5.5.2011 – IX ZR 144/10, NZI 2011, 602, 607, der unter bestimmten Voraussetzungen sogar von einer Verpflichtung des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters zum Notverkauf mit Einzelermächtigung des Insolvenzgerichts ausgeht, wenn eine günstige, sich nach Verfahrenseröffnung voraussichtlich nicht mehr bietende Veräußerungsgelegenheit besteht; MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 76; Kirchhof, ZInsO 1999, 436, 437; Nerlich/ Römermann/Mönning, § 22 Rn. 39; Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 38. 146) Begr. RegE zu § 26 InsO, BT Drucks. 12/2443, S. 117. 147) Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 37.
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fahrensbeteiligten zwar möglich.148) Gerade vor dem Hintergrund einer regelmäßig bestehenden Dringlichkeit eines Notverkaufs, wird die Herstellung von umfassend gläubigerseitigem Einvernehmen in den meisten Fällen aufgrund der damit verbundenen zeitlichen Verzögerung jedoch kaum möglich sein. Sofern ein vorläufiger Gläubigerausschusses eingerichtet ist, besteht dessen Aufgabe gemäß §§ 21 Abs. 2 Satz 1a, 69 InsO u. a. in der Unterstützung des vorläufigen Insolvenzverwalters.149) Die Einbindung eines gemäß § 22a InsO eingesetzten vorläufigen Gläubigerausschusses in eine in diesem Verfahrensstadium geplante freihändige Verwertung ist daher unbedingt anzuraten. Sofern kein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt wurde, ist durch den Insolvenzverwalter die Zustimmung des Insolvenzgerichts einzuholen. Dies setzt allerdings voraus, dass das Insolvenzgericht durch den vorläufigen Insolvenzverwalter umfassend informiert wurde. 2.
Rolle des vorläufigen Insolvenzverwalters
Eine freihändige Verwertung im Insolvenzeröffnungsverfahren ist lediglich 826 dann ohne Mitwirkung des Schuldners möglich, wenn gemäß §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2, 1. Alt., 22 Abs. 1 InsO ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wurde auf den die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis übergegangen ist (sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter). Im Regelfall wird durch das Insolvenzgericht gemäß §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 827 Nr. 2, 2. Alt., 22 Abs. 2 InsO lediglich ein sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt.150) Die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis verbleibt in diesem Fall bei dem Schuldner. Die Verfügungen des Schuldners bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Insolvenzverwalters.151) Zeigt sich der Schuldner kooperativ und mitwirkungsbereit, kann eine freihändige Verwertung theoretisch auch mit einem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter durchgeführt werden. Eine anfänglich bestehende Kooperationsbereitschaft kann im Verlauf des Insolvenzeröffnungsverfahrens jedoch kippen. Um bei einer freihändigen Verwertung nicht von der Mitwirkung des Schuld- 828 ners abhängig zu sein, ist die Beantragung einer gerichtlichen Einzelermächtigung durch den Insolvenzverwalter ratsam. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann das Insolvenzgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter durch einen entsprechenden Beschluss ermächtigen, einzelne, im Voraus genau festgelegte Verpflichtungen zulasten der späteren Insolvenzmasse einzugehen, ___________ 148) 149) 150) 151)
So Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 38. Braun/Böhm, § 22a Rn. 19. Braun/Böhm, § 22 Rn. 20; MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 32. Braun/Böhm, § 22 Rn. 20; Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 13.
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soweit dies für eine erfolgreiche Verwaltung nötig ist.152) Auch für die freihändige Verwertung einer Immobilie ist die Anordnung einer gerichtlichen Einzelermächtigung möglich. Die Eigentumsübertragung sowie die ggf. vereinbarte Eintragung einer Auflassungsvormerkung kann ein Erwerber nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dann als Masseverbindlichkeit fordern. 3.
Risiken im eröffneten Insolvenzverfahren
829 Neben der Tatsache, dass durch eine Einzelermächtigung Obstruktionsmöglichkeiten des Schuldners umgangen werden, liegt eine Veräußerung durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Einzelermächtigung auch im Interesse des Erwerbers der Immobilie. Denn der Verkauf einer Immobilie durch den Schuldner, dem seitens des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters lediglich die Zustimmung erteilt wurde, ist im eröffneten Insolvenzverfahren angreifbar. Als mögliche Risiken, die sich nach Verfahrenseröffnung realisieren können, sind in diesem Zusammenhang insbesondere das Wahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß §§ 103 ff. InsO sowie die Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO zu nennen. a)
Wahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 103 InsO
830 Sofern der betreffende Kaufvertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt ist, kann der Insolvenzverwalter gemäß § 103 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 InsO die weitere Erfüllung des Vertrages ablehnen. Dies wird der Insolvenzverwalter immer dann tun, wenn durch den Erwerber bereits ein Teil des Kaufpreises vorgeleistet wurde.153) Wurde die Immobilie durch den Schuldner mit Zustimmung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters verkauft, steht dem Erwerber lediglich ein seiner teilweisen Leistung entsprechender Erfüllungsanspruch auf die Gegenleistung als einfache Insolvenzforderung zu.154) Insolvenzfest im Hinblick auf § 103 InsO155) ist der Anspruch des Erwerbers auf Übertragung des Eigentums an der Immobilie in diesem Fall lediglich dann, wenn der Antrag auf Umschreibung des Eigentums156) oder der Antrag des ___________ 152) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, NZI 2002, 543, 546 m. w. N. 153) An einer vollständigen Erfüllung seitens des Erwerbers kann es aber auch bei einer vollständigen Leistung des Kaufpreises fehlen, wenn z. B. dessen Mitwirkung an der Auflassung noch aussteht, MünchKomm-InsO/Huber, § 103 Rn. 123. Unter Umständen kann zu einer vollständigen Erfüllung auch die Bezahlung der Grunderwerbsteuer zählen, Jenn, ZfIR 2009, 174, 177. 154) Vgl. MünchKomm-InsO/Kreft, § 103 Rn. 25. 155) Eine insolvenzrechtliche Anfechtung der Auflassungsvormerkung ist jedoch noch möglich, vgl. dazu Jenn, ZfIR 2009, 174, 177. 156) Durch die Antragstellung erwirbt der Erwerber ein unentziehbares Anwartschaftsrecht, Nerlich/Römermann/Balthasar, § 103 Rn. 30; MünchKomm-InsO/Kreft, § 103 Rn. 132; Reul/Heckschen/Wienberg/Reul, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, Kap. K. Rn. 5.
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Erwerbers auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung157) bei dem zuständigen Grundbuchamt bereits vor der Insolvenzeröffnung gestellt war. Da der Erwerber jedoch keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat, besteht für ihn stets die Unsicherheit, einen entsprechenden Antrag beim zuständigen Grundbuchamt zu spät zu stellen. Diesem Risiko kann lediglich durch den Verkauf der Immobilie durch einen starken vorläufigen Insolvenzverwalter oder einen schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Einzelermächtigung begegnet werden. b)
Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO
Schließlich sind bei der Durchführung einer freihändigen Verwertung im vor- 831 läufigen Insolvenzverfahren die Vorschriften der Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO zu berücksichtigen. Voraussetzung für die Insolvenzanfechtung ist stets das Vorliegen einer Gläu- 832 bigerbenachteiligung i. S. v. § 129 Abs. 1 InsO.158) In Bezug auf die freihändige Verwertung einer Immobilie ist eine Gläubigerbenachteiligung insbesondere bei einem Verkauf unter deren Marktwert anzunehmen.159) Bei der Veräußerung von Immobilien, die über ihren Marktwert hinaus mit Grundpfandrechten belastet sind, ist zu berücksichtigen, dass eine Verfügung über wertausschöpfend belastete Sachen oder Rechte nicht gläubigerbenachteiligend wirkt.160) Die Rechtshandlungen, die ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter oder ein 833 schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter mit Einzelermächtigung vorgenommen hat, sind nach herrschender Auffassung insoweit nicht anfechtbar, als dieser damit Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 2 InsO begründet.161) Damit ist der durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter oder den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Einzelermächtigung im Insolvenzeröffnungsverfahren als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 2 InsO begründete Anspruch auf Auflassung insolvenzfest. Hingegen unterliegt eine vom Schuldner vorgenommene Rechtshandlung, der 834 der schwache vorläufige Insolvenzverwalter lediglich seine Zustimmung erteilt hat, grundsätzlich der Insolvenzanfechtung im eröffneten Insolvenzverfahren, sofern durch den Insolvenzverwalter mit der Zustimmung nicht ein gemäß ___________ 157) Eine eingetragene Vormerkung ist gemäß § 106 InsO insolvenzfest. Nach herrschender Meinung gilt Gleiches für die Bewilligung einer Vormerkung gemäß § 878 BGB analog, BGH, Urt. v. 1.10.1958 – V ZR 26/57, NJW 1958, 2013; Jenn, ZfIR 2009, 174, 177 f.; Reul/ Heckschen/Wienberg/Reul, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, Kap. K. Rn. 5. 158) Zum Begriff der Gläubigerbenachteiligung beispielsweise Nerlich/Römermann/Nerlich, § 129 Rn. 63 ff. 159) Vgl. Nerlich/Römermann/Nerlich, § 132 Rn. 16. 160) Statt vieler BGH, Urt. v. 19.5.2009 – IX ZR 129/06, NJW-RR 1567, 1568 m. w. N. 161) Braun/de Bra, § 129 Rn. 21; KPB/Ehricke, § 129 Rn. 24; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 129 Rn. 44; Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 240.
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§ 242 InsO zu berücksichtigender Vertrauenstatbestand geschaffen wurde.162) Das Entstehen eines derartigen Vertrauenstatbestandes kann der Insolvenzverwalter verhindern, indem er auf die später beabsichtigte Anfechtung hinweist.163) Erfolgt ein solcher Hinweis, muss der Erwerber also davon ausgehen, nach der Insolvenzeröffnung gemäß den Vorschriften der §§ 129 ff. InsO auf Rückübertragung der Immobilie in Anspruch genommen zu werden. Seinen Anspruch, der bei Anfechtung des Erfüllungsgeschäfts gemäß § 144 Abs. 1 InsO wieder auflebt, kann er jedoch nur als einfache Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anmelden.164) Hat der Erwerber den Kaufpreis bereits geleistet, ist dieser gemäß § 144 Abs. 2 Satz 1 InsO aus der Insolvenzmasse zu erstatten, sofern dieser noch unterscheidbar vorhanden ist oder soweit die Masse um diesen Wert bereichert ist. 835 Grundsätzlich wird ein vorläufiger schwacher Insolvenzverwalter einer freihändigen Verwertung nur dann zustimmen, wenn er den Kaufpreis als angemessen, also dem Marktwert entsprechend, bewertet. Unter dieser Annahme dürfte eine Anfechtung im eröffneten Insolvenzverfahren unwahrscheinlich sein. Denn der vorläufige Insolvenzverwalter wird im eröffneten Verfahren regelmäßig auch zum endgültigen Insolvenzverwalter bestellt.165) Zwingend zu beachten hat der Erwerber jedoch, dass die Auflassung der Immobilie als Verfügungsgeschäft auch i. S. v. § 129 InsO gläubigerbenachteiligend sein kann, wenn ein angemessener Kaufpreis geleistet wurde.166) Denn die Immobilie steht mit ihrer Übertragung der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger nicht mehr als Haftungsmasse zur Verfügung. Auch der personenidentische endgültige Insolvenzverwalter, der sich bei der Zustimmung zur Veräußerung im eröffneten Verfahren die Anfechtung vorbehalten hat, könnte das Verfügungsgeschäft anfechten. Da gemäß § 143 Abs. 1 InsO die Immobilie dann rückübertragen werden muss, die Forderung auf deren Übertragung durch den Erwerber aber gemäß § 144 Abs. 1 InsO lediglich als Insolvenzforderung zur Tabelle angemeldet werden kann, kann dieses Vorgehen für den Insolvenzverwalter wirtschaftlich sinnvoll sein. 836 Das Risiko einer Insolvenzanfechtung kann weiterhin dadurch steigen, dass – entgegen der üblichen Praxis – ein vom vorläufigen Insolvenzverwalter abweichender endgültiger Insolvenzverwalter bestellt wird. Ebenfalls ist eine Abwahl ___________ 162) Braun/de Bra, § 129 Rn. 20; KPB/Ehricke, § 129 Rn. 23; Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 241. 163) BGH, Urt. v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, NZI 644, 646. 164) Braun/Riggert, § 144 Rn. 3. 165) Uhlenbruck/Vallender, § 21 Rn. 13. 166) Eine bereits eingetragene Auflassungsvormerkung vermag eine Gläubigerbenachteiligung dagegen zu beseitigen, da das Schuldnervermögen durch die anschließende Auflassung nicht weiter zulasten der Gläubigergesamtheit reduziert wird. Ein Verwalter wird daher zwingend auch eine eingetragene Auflassungsvormerkung anzufechten haben. Vgl. dazu Jenn, ZfIR 2009, 174, 177, 183.
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IX. Freihändige Verwertung in Eigenverwaltung
des endgültigen Insolvenzverwalters durch die erste Gläubigerversammlung gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 InsO denkbar. IX.
Freihändige Verwertung in Eigenverwaltung
Im Verfahren der Eigenverwaltung gemäß §§ 270 ff. InsO verbleibt die Verfü- 837 gungs- und Verwaltungsbefugnis über die Insolvenzmasse bei dem Schuldner.167) Es kommt zur Bestellung eines Sachwalters, der gegenüber dem Schuldner im Wesentlichen eine Aufsichts- und Überwachungsfunktion ausübt.168) Der Schuldner ist gemäß § 282 Abs. 1 Satz 1 InsO selbst zur Verwertung von 838 Absonderungsgegenständen berechtigt. Der Gesetzgeber wollte auf diesem Weg die beweglichen Sicherungsgegenstände vor einem ungehinderten Zugriff der Sicherungsgläubiger schützen und eine Sanierung des schuldnerischen Unternehmens erleichtern.169) In Bezug auf Immobilien sind die Grundpfandgläubiger trotz angeordneter Eigenverwaltung gemäß § 49 InsO berechtigt, eine Verwertung der Immobilie im Rahmen des Zwangsversteigerungs- oder Zwangsverwaltungsverfahrens durchzuführen.170) Erfolgt die freihändige Verwertung der Immobilie durch den Schuldner, ist dieser für die Grundpfandgläubiger primärer Ansprechpartner. Sofern es sich um eine betriebsnotwendige Immobilie handelt, kann der Schuldner die einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungs- oder Zwangsverwaltungsverfahrens gemäß §§ 30d, 153b ZVG beantragen.171) Da der Schuldner nach Auffassung des Gesetzgebers über die bestehenden 839 Sicherungsrechte bereits Bescheid weiß,172) fallen gemäß § 282 Abs. 1 Satz 2 InsO bei der Verwertung zugunsten der Insolvenzmasse keine Feststellungskostenbeiträge an. Ein Verwertungskostenbeitrag kann gemäß § 282 Abs. 1 Satz 3 InsO in Höhe der tatsächlich entstandenen, für die Verwertung erforderlichen Kosten und der Umsatzsteuer angesetzt werden. Die Vorschrift des § 282 Abs. 2 InsO bestimmt zwar, dass das Verwertungs- 840 recht des Schuldners im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausgeübt werden soll. Ein Verstoß gegen diese gesetzliche Obliegenheit durch den Schuldner hat jedoch keine Wirkung im Außenverhältnis.173) Wird mit dem Sachwalter über die Verwertung kein Einvernehmen hergestellt, wird darin jedoch ein Umstand ___________ 167) 168) 169) 170)
MünchKomm-InsO/Wittig/Tetzlaff, § 270 Rn. 1. Uhlenbruck, § 274 Rn. 2, 29. KPB/Pape, § 282 Rn. 6; Braun/Riggert, § 282 Rn. 1. Nerlich/Römermann/Riggert, § 282 Rn. 4; KPB/Pape, § 282 Rn. 6; MünchKomm-InsO/ Wittig/Tetzlaff, § 282 Rn. 17. 171) MünchKomm-InsO/Wittig/Tetzlaff, § 282 Rn. 17. 172) KPB/Pape, § 282 Rn. 7. 173) Nerlich/Römermann/Riggert, § 282 Rn. 4.
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
gemäß § 274 Abs. 3 Satz 1 InsO zu sehen sein, der Nachteile für die Gläubiger bei Fortsetzung der Eigenverwaltung erwarten lässt und der vom Sachwalter unverzüglich dem Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht anzuzeigen ist. Der Verstoß kann letztlich zu einem Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung gemäß § 272 InsO, durch die Gläubigerversammlung oder einen Gläubiger, führen.174) 841 Zu beachten ist ferner die Vorschrift des § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO. Danach soll der Schuldner Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, nur mit Zustimmung des Sachwalters eingehen. Die Frage, ob eine Verbindlichkeit zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb des Schuldners gehört, muss anhand eines Vergleichs des jeweiligen Geschäfts nach Art und Umfang der begründeten Verbindlichkeiten mit Art und Umfang des bisher ausgeführten Geschäftsbetriebs festgestellt werden.175) Solange das schuldnerische Unternehmen nicht mit Grundstücken handelt, wird die freihändige Verwertung einer Immobilie i. d. R. nicht zu dessen gewöhnlichem Geschäftsbetrieb zählen.176) Verstößt der Schuldner gegen die durch § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO normierte Zustimmungsverpflichtung, berührt dies die Wirksamkeit des durch den Schuldner vorgenommenen Geschäftes nicht.177) 842 Schließlich kann die Gläubigerversammlung bei dem Insolvenzgericht den Antrag stellen, dass bestimmte Rechtsgeschäfte gemäß § 277 Abs. 1 Satz 1 InsO nur wirksam sind, wenn der Sachwalter ihnen zustimmt. Ein derartiger Antrag bedarf keiner Begründung178) und ist auch hinsichtlich der Veräußerung von Grundstücken des Schuldners möglich.179) Im Gegensatz zu der Rechtsfolge einer nicht eingeholten Zustimmung i. S. v. § 275 Abs. 1 Satz 2 InsO, ist ein Rechtsgeschäft, für das das Insolvenzgericht nach § 277 Abs. 1 Satz 1 InsO die Zustimmungsbedürftigkeit angeordnet hat, ohne Zustimmung des Sachwalters absolut schwebend unwirksam.180) Eine (nachträgliche) Genehmigung durch den Sachwalter ist möglich.181) Durch die Verweiskette der §§ 277 Abs. 1 Satz 2, 81 Abs. 1 Satz 2 InsO i. V. m. §§ 892, 893 InsO ist der gutgläubige Erwerb von Immobilien geschützt.182) ___________ 174) MünchKomm-InsO/Wittig/Tetzlaff, § 282 Rn. 19. 175) MünchKomm-InsO/Wittig/Tetzlaff, § 275 Rn. 7. 176) Nerlich/Römermann/Riggert, § 275 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Wittig/Tetzlaff, § 275 Rn. 7. 177) KPB/Pape, § 275 Rn. 22. 178) KPB/Pape, § 277 Rn. 24. 179) Uhlenbruck, § 275 Rn. 2. 180) MünchKomm-InsO/Wittig/Tetzlaff, § 277 Rn. 35; Uhlenbruck, § 277 Rn. 5. 181) MünchKomm-InsO/Wittig/Tetzlaff, § 277 Rn. 35. 182) KPB/Pape, § 277 Rn. 19.
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X. Freihändige Verwertung im vereinfachten Insolvenzverfahren
Da auch ein Schuldner für die Durchführung einer lastenfreien freihändigen 843 Verwertung im Verfahren der Eigenverwaltung auf die Mitwirkung der Grundpfandgläubiger angewiesen ist, sind Letztere vor einer für sie ungünstigen Veräußerung geschützt. Denkbar, wenn auch fernliegend, ist jedoch die Veräußerung einer Immobilie durch den Schuldner einschließlich der bestehenden Belastungen. Einem Grundpfandgläubiger der sich vor diesem unwahrscheinlichen Fall schützen will, ist anzuraten, in der Gläubigerversammlung auf einen entsprechenden Beschluss gemäß § 277 Abs. 1 Satz 1 InsO hinzuwirken. Um einen gutgläubigen Erwerb der Immobilie zu verhindern, sollte der Grundpfandgläubiger in diesem Fall die Eintragung eines Sperrvermerks im Grundbuch gemäß §§ 277 Abs. 3 Satz 2, 31 InsO sicherstellen. X.
Freihändige Verwertung im vereinfachten Insolvenzverfahren
Bei einer Immobilie, die nicht grundpfandrechtlich belastet ist, sind bei der 844 Durchführung einer freihändigen Verwertung im vereinfachten Insolvenzverfahren gemäß den §§ 311 ff. InsO durch den Treuhänder im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren keine Besonderheiten zu beachten.183) Gemäß § 313 Abs. 3 Satz 1 InsO ist der Treuhänder nicht zur Verwertung von 845 Gegenständen berechtigt, an denen Pfandrechte oder andere Absonderungsrechte bestehen. Die Auslegung des unklaren Wortlauts der Vorschrift ist stark umstritten. Nach der wohl herrschenden Auffassung sei dem Treuhänder durch die Vorschrift die freihändige Verwertung von mit Grundpfandrechten belasteten Immobilien zunächst untersagt.184) Ein Recht des Treuhänders zur freihändigen Verwertung der Immobilie komme danach erst dann in Betracht, wenn das Insolvenzgericht auf Antrag des Treuhänder gemäß §§ 313 Abs. 3 Satz 3, 173 Abs. 2 InsO dem berechtigten Grundpfandgläubiger eine Verwertungsfrist gesetzt hat und diese fruchtlos verstrichen ist. Nach abweichender Mindermeinung sei der Treuhänder durch § 313 Abs. 3 Satz 1 InsO vor Ablauf einer Frist gemäß § 173 Abs. 2 InsO nur an der Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens gemäß ZVG gehindert. Eine freihändige Verwertung durch den Treuhänder könne nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens jederzeit ohne Weiteres erfolgen.185) Jedoch wurde das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens 846 und zur Stärkung der Gläubigerrechte am 15.7.2013 verkündet.186) Durch diese ___________ 183) Arg. e contr. § 313 Abs. 3 Satz 1 InsO; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, § 313 Rn. 15; KPB/Wenzel, § 313 Rn. 3b. 184) Andres/Leithaus/Andres, § 313 Rn. 15; Hergenröder, ZVI 2005, 521, 526; Vallender, NZI 2001, 562, 565; so wohl auch Braun/Buck, § 313 Rn. 27; KPB/Wenzel, § 313 Rn. 3b. 185) LG Braunschweig, Beschl. v. 1.4.2009 – 8 T 262/09, RNotZ 2009, 402; Kesseler, ZInsO 2006, 1029, 1035; Lwowski/Tetzlaff, WUB VI C § 313 InsO 1.00. 186) BGBl. I S. 2379.
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K. Freihändige Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
Novellierung wurde die Vorschrift des § 313 InsO ersatzlos gestrichen. Nach den Ausführungen in der Gesetzesbegründung hat sich die Verwertung von mit Absonderungsrechten behafteten Gegenständen durch den absonderungsberechtigten Gläubiger nicht bewährt.187) Diese Änderungen treten gemäß Art. 9 Satz 1 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte zum 1.7.2014 in Kraft. Auf sämtliche vereinfachten Insolvenzverfahren, die bis einschließlich 30.6.2014 beantragt werden, findet dagegen das bisherige Recht Anwendung. 847 Aufgrund der in zeitlicher Hinsicht begrenzten Relevanz der Vorschrift des § 313 InsO, erfolgt an dieser Stelle keine weitere Auseinandersetzung mit dem vorerwähnten Meinungsstreit. Um sich bei der Bearbeitung von Altfällen in der Praxis keinem Risiko auszusetzen, ist es aus Sicht des Treuhänders jedoch ratsam, in jedem Fall eine Fristsetzung durch das Insolvenzgericht gemäß §§ 313 Abs. 3 Satz 3, 173 Abs. 2 InsO zu beantragen. Oft besteht hinsichtlich der freihändigen Verwertung der Immobilie Dringlichkeit, z. B. wegen als Masseverbindlichkeiten auflaufender Grundstückskosten und drohender Masseunzulänglichkeit. In diesem Fall können bis zum Ablauf der gerichtlich gesetzten Frist in Absprache mit den Grundpfandgläubigern bereits vorbereitende Maßnahmen zur freihändigen Veräußerung der Immobilie erfolgen.
___________ 187) Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahren und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BR-Drucks. 467/12, S. 54.
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L. Umsatzsteuerliche Fallstricke bei der Verwertung von Immobilien in der Insolvenz Dieses Kapitel soll dazu dienen auf Basis der aktuellen Rechtslage mögliche 848 Umsatzsteuerliche Probleme bei der Verwertung von Immobilien darzustellen. Im ersten Abschnitt werden hierzu die umsatzsteuerlichen Grundlagen dargestellt, soweit diese für die Verwertung von Bedeutung sind. Im zweiten Abschnitt wird dann die praktische Umsetzung dieser Grundlagen beschrieben. Die Ausführungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sollen aber wesentliche Fehler zu vermeiden helfen. I.
Umsatzsteuerliche Grundlagen
Die Umsatzsteuer ist in der Europäischen Union harmonisiert. Basis für die 849 Umsatzsteuergesetze in den einzelnen Ländern ist aktuell die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuergesetz. Diese sog. Mehrwertsteuersystemrichtlinie gilt jedoch nicht unmittelbar mit ihrer Verkündigung in allen Mitgliedsstaaten, sondern verpflichtet diese nur, das jeweilige nationale Umsatzsteuergesetz an die gültige EURichtlinie anzupassen. Deutsche Umsetzung dieser Mehrwertsteuersystemrichtlinie ist das Umsatzsteuergesetz. Durch die EU-weite Harmonisierung des Mehrwertsteuerrechts ist das deutsche Umsatzsteuergesetz richtlinienkonform auszulegen. Dies bedeutet: Soweit Unklarheiten beim deutschen Umsatzsteuergesetz bestehen, sind diese entsprechend der Mehrwertsteuersystemrichtlinie auszulegen.1) Zwar gilt die Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht unmittelbar im Mitglieds- 850 land der EU, jedoch kann sich nach der Rechtsprechung des EuGH der Steuerpflichtige unmittelbar auf die Mehrwertsteuersystemrichtlinie berufen, bei Bestimmungen, die hinreichend klar und genau und nicht an Bedingungen geknüpft sind.2) Aus diesem Grund gewinnt die Rechtsprechung des EuGH auch immer mehr Bedeutung für das nationale Umsatzsteuergesetz in Bezug auf die richtlinienkonforme Auslegung. Soweit die deutsche Regelung die Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht richtig umsetzt bzw. Fragen offen lässt, ist auf den Text und die Kommentierung zur Mehrwertsteuersystemrichtlinie abzustellen ist. Darüber hinaus kann zur Auslegung strittiger Rechtsfragen der Europäische Gerichtshof angerufen werden.3)
___________ 1) Vgl. Sölch/Ringleb/Klenk, Vor § 1 Rn. 20 ff. 2) Vgl. EuGH v. 6.7.1995, C-62/93 Soupergaz, UR 95, 404 mit weiteren Nennungen. 3) Vgl. Sölch/Ringleb/Klenk, Vor § 1 Rn. 23.
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L. Umsatzsteuerliche Fallstricke bei der Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
1.
Unternehmereigenschaft
851 Zentraler Rechtsbegriff des Umsatzsteuergesetzes ist der Unternehmer. Zentraler Begriff deswegen, da gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG nur Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, grundsätzlich der Umsatzsteuer unterliegen. § 2 UStG definiert den Unternehmerbegriff wie folgt: „Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.“
852 Ist der Schuldner, über den das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, kein Unternehmer i. S. d. Umsatzsteuergesetzes, so unterliegt die Verwertung von Immobilien nicht der Umsatzsteuer. Für die Verwertung ist dies eine zentrale Frage. 853 Unternehmer ist jedes selbstständige Wirtschaftsgebilde, das im Inland nachhaltig gegen Entgelt Leistungen ausführt4) oder die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine unternehmerische Tätigkeit gegen Entgelt und selbstständig auszuüben und erste Investitionsausgaben für diesen Zweck tätigt.5) Unternehmer kann somit jede natürliche Person sein, aber auch juristische Personen oder Personenzusammenschlüsse.6) 854 Voraussetzung ist das Vorliegen einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit. Der Begriff dieser gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit geht über die Begriffsbestimmung des Einkommensteuergesetzes und des Gewerbesteuergesetzes hinaus.7) Voraussetzung ist, dass eine Leistung im wirtschaftlichen Sinne ausgeführt wird.8) Weitere Voraussetzung ist die Nachhaltigkeit der Tätigkeit. Eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nachhaltig ausgeübt, wenn sie auf Dauer zur Erzielung von Entgelten angelegt ist.9) Zudem ist Voraussetzung, dass eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen gerichtet ist. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht, anders als beim Einkommensteuerrecht, kommt es hierbei nicht an.10)
___________ 4) Vgl. BFH, Urt. v. 4.7.1956 – V 56/55 U, BStBl III, S. 275. 5) Vgl. BFH, Urt. v. 22.2.2001 – V R 77/96, BStBl 2003 II, S. 426 und v. 8.3.2001 – V R 24/98, BStBl 2003 II, S. 430. 6) Vgl. Abschnitt 2.1 Abs. 2 UStAE. 7) Vgl. BFH, Urt. v. 5.9.1963, V 117/60 U, BStBl III, S. 520. 8) Vgl. Abschnitt 2.3 Abs. 1 UStAE. 9) Vgl. Abschnitt 2.3 Abs. 5 UStAE. 10) Vgl. Abschnitt 2.3 Abs. 8 UStAE.
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I. Umsatzsteuerliche Grundlagen
In der Regel wird sich die Unternehmereigenschaft dadurch feststellen lassen, 855 dass in der Vergangenheit Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. Umsatzsteuerjahreserklärungen abgegeben wurden. Zweifel hinsichtlich des Vorliegens eines Unternehmers oder nicht werden in der Regel nur dann bestehen, wenn mit der Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit erst begonnen wurde oder die unternehmerische Tätigkeit erst vor kurzem anscheinend beendet wurde. Hier führt Abschnitt 2.6 Abs. 1 des Umsatzsteueranwendungserlasses aus: „Die Unternehmereigenschaft beginnt mit dem ersten nach außen erkennbaren, auf eine Unternehmertätigkeit gerichteten Tätigwerden, wenn die spätere Auffassung entgeltlicher Leistung beabsichtigt ist (Verwendungsabsicht) und die Ernsthaftigkeit dieser Absicht durch objektive Merkmale nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird.“
Die Unternehmereigenschaft endet mit dem letzten Tätigwerden.
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Wichtig zur umsatzsteuerlichen Beurteilung ist auch die Frage, welche Grund- 857 stücke oder andere Wirtschaftsgüter zum umsatzsteuerlichen Unternehmen zählen. Nur wenn eine Leistung eines Unternehmers im Rahmen seines Unternehmens erbracht wird, unterliegt dies grundsätzlich der Umsatzsteuer. Ein Unternehmer kann sowohl über unternehmerisches Vermögen, als auch über nicht unternehmerisches Vermögen verfügen. Beispiel: Ein Gewerbetreibender ist Eigentümer einer Immobilie, der seinem Gewerbebetrieb dient. Diese Immobilie zählt zum Unternehmensvermögen. Das private Eigenheim des Gewerbetreibenden, das dieser ausschließlich privat nutzt, zählt im Gegensatz dazu nicht zu seinem Unternehmensvermögen. Eine Verwertung dieses privaten Eigenheims unterliegt daher nicht dem Umsatzsteuergesetz. Das Umsatzsteuergesetz definiert das Unternehmen als gesamte gewerbliche 858 oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Anders als im Einkommensteuergesetz, bei dem in § 2 Abs. 1 EStG die sieben Einkunftsarten definiert sind, umfasst das umsatzsteuerliche Unternehmen die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Beispiel: Ein Arzt betreibt eine ärztliche Praxis. Daneben betreibt er auf dem Dach seines privaten Wohnhauses eine Photovoltaikanlage und vermietet sein Ferienhaus in den bayerischen Alpen, soweit er dieses nicht selber nutzt. Weiterhin vermietet er langfristig Wohnungen. Der Arzt ist grundsätzlich Unternehmer, da er gewerblich und beruflich tätig ist und diese Tätigkeit auch nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen ausführt. Auch wenn der Arzt in der Regel umsatzsteuerbefreite Dienstleistungen ausführt, ist er trotzdem Unternehmer im Umsatzsteuersinne. Das Unternehmen des Arztes umfasst seine gesamte Tätigkeit, also neben der Arztpraxis die Vermietung der Ferienwohnung, der Mietwohnungen und dem Betreiben der Photovoltaik-Anlage. Für umsatzsteuerliche Zwecke ist hier nicht zu differenzieren. Montague
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L. Umsatzsteuerliche Fallstricke bei der Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
859 Aus umsatzsteuerlicher Sicht spielt es jedoch nicht nur eine Rolle, ob der Leistende Unternehmer ist, sondern im Einzelfall kann auch wichtig sein, ob der Leistungsempfänger Unternehmer ist. Dies ist z. B. wichtig für die Ausübung einer Option nach § 9 UStG und bei der Rechnungsstellung gemäß § 14 UStG. 860 Von Interesse ist natürlich auch der umsatzsteuerliche Status des Insolvenzverwalters. Nach der Rechtsprechung11) ist der Zwangsverwalter im Rahmen seiner Verwaltungstätigkeit nach § 152 Abs. 1 ZVG, der vorläufige Insolvenzverwalter oder der Insolvenzverwalter nicht selber Unternehmer, sondern Unternehmer ist der Inhaber der Vermögensmasse für die der Verwalter tätig wird.12) Nach dem Umsatzsteuergesetz bleibt also auch der Schuldner in der Insolvenz der Unternehmer. Eine Besonderheit besteht dann, wenn Unternehmensteile der Verfügungsmacht des Insolvenzverwalters unterliegen und andere Unternehmensteile in der Verfügungsmacht des Schuldners. Umsatzsteuerlich liegen in diesem Fall zwei Unternehmen vor.13) 2.
Kleinunternehmerregelung
861 Eine Vereinfachungsregelung gilt für Unternehmer, die nur in geringem Umfang Leistungen erbringen. Hier gilt die sog. Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG. Danach sind Kleinunternehmer Unternehmer, deren Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich 50.000 € nicht übersteigen wird. Soweit die Umsatzgrenzen nicht überstiegen sind, muss der Kleinunternehmer keine Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen. Im Gegenzug besteht für ihn der Nachteil, dass kein Vorsteuerabzug aus seinen Aufwendungen besteht. Für den Kleinunternehmer besteht nach § 19 Abs. 2 UStG die Möglichkeit, auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu verzichten. Dieser Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung bindet den Unternehmer für fünf Jahre. Im Einzelfall kann es vorteilhaft sein, auf die Kleinunternehmerregelung zu verzichten. Beispiel: Klassisches Beispiel für den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung ist der Betreiber einer Photovoltaikanlage. Bei kleinen Anlagen ist der Betreiber in der Regel Kleinunternehmer. Er erbringt Stromlieferungen an ein Stromunternehmen. Die Nettovergütung für den Betreiber der Photovoltaikanlage bestimmt sich nach dem EEG. Der Kleinunternehmer erhält die Nettovergütung vom Stromunternehmer. Sofern er auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nicht ver___________ 11) Vgl. BFH, Urt. v. 23.6.1988 – V R 203/83, BStBl II, S. 920; BFH, Urt. v. 20.2.1986 – V R 16/81, BStBl II, S. 579; BFH, Urt. v. 16.7.1987 – V R 80/82, BStBl II, S. 691. 12) Vgl. Abschnitt 2.1 Abs. 7 UStAE. 13) Vgl. Sölch/Ringleb/Klenk, § 2 Rn. 224.
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I. Umsatzsteuerliche Grundlagen
zichtet, kann er aus der Anschaffung und dem Betrieb der Photovoltaikanlage keinen Vorsteuerabzug vornehmen. Verzichtet der Kleinunternehmer jedoch auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung gegenüber dem Finanzamt, so erhält er vom Stromunternehmer zusätzlich zur Nettovergütung für den Strom die Umsatzsteuer. Diese führt er ans Finanzamt ab. Die Umsatzsteuer stellt also für den Betreiber einer Photovoltaikanlage quasi einen durchlaufenden Posten dar. Hieraus hat er keine finanziellen Nachteile. Im Gegenzug kann er aus der Anschaffung der Photovoltaikanlage – soweit die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt sind – einen Vorsteuerabzug durchführen. Wichtig bei der Beurteilung, ob ein Kleinunternehmer vorliegt oder nicht, ist, 862 dass die unternehmerische Tätigkeit – wie beschrieben – die gesamte gewerbliche und betriebliche Tätigkeit des Kleinunternehmers erfasst. Zur Beurteilung ist daher auf eine gesamtunternehmerische Betrachtung abzustellen. Sofern also keine Umsatzsteuervoranmeldungen oder Jahresmeldungen abge- 863 geben werden, ist entweder von einem Nichtunternehmer oder möglicherweise von einem Kleinunternehmer auszugehen. 3.
Steuerbarer oder nicht steuerbarer Umsatz
Wie beschrieben, regelt § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, dass ein steuerbarer Umsatz 864 vorliegt, wenn eine Leistung, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, vorliegt. Steuerbarer Umsatz i. S. d. Umsatzsteuergesetzes bedeutet, dass dieser Umsatz grundsätzlich der Umsatzsteuer unterliegt. Jedoch kann auch ein nicht steuerbarer Umsatz vorliegen. In diesem Falle spielt die Umsatzsteuer bei der Leistung keine Rolle. Einer der Hauptanwendungsfälle bei der Verwertung von Immobilien in der Insolvenz für einen nicht steuerbaren Umsatz ist die sog. Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1a UStG. Hier ist ausgeführt: „Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmer oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.“
Bei dem Terminus „Geschäftsveräußerung im Ganzen“ handelt es sich um ei- 865 nen Fall, bei dem die Terminologie der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht 1:1 in deutsches Recht umgesetzt wurde. Bei dem Terminus „Geschäftsveräußerung im Ganzen“ würde man üblicherweise an die Veräußerung eines gesamten Gewerbebetriebes denken, jedoch geht die Umsatzsteuer hier wesentlich weiter. Nach der Rechtsprechung setzt die Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a 866 UStG die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbstständigen Un-
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L. Umsatzsteuerliche Fallstricke bei der Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
ternehmensteils voraus, der als Zusammenhang materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bildet, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Wichtig ist zudem, dass der Erwerber beabsichtigt, den erworbenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil fortzuführen und nicht nur die Tätigkeit sofort abzuwickeln.14) Das Institut der Geschäftsveräußerung im Ganzen wurde in den letzten Jahren erheblich ausgeweitet. 867 Wird ein vermietetes Gebäude veräußert und der Erwerber beabsichtigt, die Vermietungstätigkeit fortzuführen, so liegt eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor. Es ist nicht zwingend erforderlich, dass das gesamte Gebäude vermietet ist. Der BFH hat bereits für ein Bürogebäude eine Geschäftsveräußerung im Ganzen angenommen, das nur zu 37 % vermietet war.15) 868 Keine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt vor bei einem weder vermieteten noch verpachteten Grundstück.16) Auch keine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt vor, wenn das vermietete Objekt an den bisherigen Mieter veräußert wird und der Mieter beabsichtigt, das Objekt für eigene Zwecke zu nutzen.17) Keine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt in der Regel auch bei der Veräußerung eines Neubaus durch einen Bauträger vor 18), auch wenn der Erwerber das Objekt vermietet. Geschäftstätigkeit des Bauträgers i. S. d. Umsatzsteuergesetzes ist nämlich nicht die Vermietung des Gebäudes, sondern die Errichtung von Gebäuden und deren Veräußerung. Der Erwerber führt diese Tätigkeit im Rahmen des Objektes nicht fort, sondern nimmt eine neue Tätigkeit auf, nämlich die Vermietung. Somit liegt hier keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor. Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt auch bei der Übertragung einer Photovoltaikanlage vor, wenn der Erwerber der Anlage diese fortführt .19) 869 Welche Rechtsfolgen hat die Geschäftsveräußerung im Ganzen? 870 Die Rechtsfolgen sind zweierlei. Es liegt – wie beschrieben – ein nicht steuerbarer Vorgang vor. Dies bedeutet, der Vorgang unterliegt grundsätzlich nicht der Umsatzsteuer. Eine Option zur Umsatzsteuer gemäß § 9 UStG, wie dies unter Rn. 875 beschrieben ist, ist nicht möglich. Zudem legt § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG fest, dass der erwerbende Unternehmer an die Stelle des Veräußerers tritt. Dies bedeutet, der Erwerber wird quasi umsatzsteuerrechtlicher Gesamt___________ 14) Vgl. EuGH v. 27.11.2003, C-497/01, „Zita modes“, BFH/NV-Beilage 04, 12; BFH, Urt. v. 30.4.2009 – V R 4/07, BStBl II, 2009, S. 863; BFH, Urt. v. 28.10.2010 – V R 22/09; BFH/NV 11, S. 854. 15) Vgl. BFH, Urt. v. 30.4.2009, V R 4/07, BStBl 2009 II, S. 863. 16) Vgl. BFH, Urt. v. 11.10.2007 – V R 57/06, BStBl 2008 II, S. 447. 17) Vgl. BFH, Urt. v. 24.9.2009, V R 6/08, BStBl 2010 II, S. 315. 18) Vgl. BFH, Urt. v, 24.2.2005 – V R 45/02, BStBl II, 2007, S. 61. 19) Vgl. Verfügung des Bayerischen Landesamtes für Steuern v. 17.2.2012, S 7104.1.1-9/2 St33.
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I. Umsatzsteuerliche Grundlagen
rechtsnachfolger des Veräußerers. Eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG, wie dies unter Rn. 901 beschrieben ist, geht auf den Erwerber über. Aufgrund dieser möglichen Risiken versuchen Erwerber oft, das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen zu verhindern. Jedoch besteht kein Wahlrecht, ob eine Geschäftsveräußerung im Ganzen gegeben ist oder nicht. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Dann ist eine Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1a UStG gegeben. Beispiel: Der Insolvenzverwalter verwertet ein vermietetes Gebäude. Der Erwerber führt die Vermietungstätigkeit fort. In diesem Fall liegt eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor. Soweit nicht von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen auszugehen ist, ist bei 871 der Verwertung von Immobilien von einer steuerbaren Lieferung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG auszugehen. 4.
Steuerbefreiung der Veräußerung
Sofern ein steuerbarer Umsatz gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vorliegt, ist im 872 nächsten Schritt zu prüfen, ob eine Steuerbefreiung gemäß § 4 UStG gegeben ist. § 4 Nr. 9a UStG befreit Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen. Die Verwertung von Immobilien fällt unter das Grunderwerbsteuergesetz, daher ist die Übertragung von Immobilien steuerbefreit. Wird eine Immobilie im Rahmen einer Vermietung verwertet, ist diese Vermie- 873 tung grundsätzlich steuerfrei gemäß § 4 Nr. 12 UStG. Ausdrücklich nicht befreit ist gemäß § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält. Hierbei handelt es sich klassischerweise um Hotels. Die Vermietung von Hotelzimmern wird nicht von der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 UStG erfasst, sondern ist grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig. Auch steuerpflichtig ist die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen, soweit es sich bei dieser Vermietung um eine selbstständige Leistung handelt. Beispiel: An einen Interessenten wird ein Tiefgaragenstellplatz vermietet. Andere Rechtsbeziehungen bestehen mit dieser Person nicht. Die Vermietung des Tiefgaragenstellplatzes ist umsatzsteuerpflichtig. 5.
Option zur Umsatzsteuer gemäß § 9 UStG
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, eine steuerfreie Veräußerung gemäß 874 § 4 Nr. 9a UStG oder eine steuerfreie Vermietung gemäß § 4 Nr. 12 UStG zur Umsatzsteuer zu optieren. Die Voraussetzungen für die Option bei der Veräußerung und der Vermietung sind unterschiedlich: Montague
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L. Umsatzsteuerliche Fallstricke bei der Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
a)
Option zur Umsatzsteuer gemäß § 9 Abs. 1 UStG bei der Veräußerung
875 Voraussetzung für die Option zur Umsatzsteuer bei einer eigentlich gem. § 4 Nr. 9a UStG umsatzsteuerbefreiten Veräußerung ist, dass das Grundstück an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Vom Veräußerer ist somit zu prüfen, ob die Veräußerung an einen Unternehmer erfolgt. Zum anderen ist mit dem Käufer zu klären, ob er beabsichtigt, das Grundstück für sein Unternehmen zu nutzen. Soweit beide Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine Option zur Umsatzsteuer möglich. Sollten die Voraussetzungen nicht erfüllt werden, so ist keine Option zur Umsatzsteuer möglich. 876 Die Option zur Umsatzsteuer ist bei der Veräußerung von Grundstücken an Formerfordernisse gebunden. So ist gemäß § 9 Abs. 3 UStG die Option zur Umsatzsteuer bei der Übertragung von Grundstücken im Zwangsversteigerungsverfahren durch den Vollstreckungsschuldner an den Ersteher bis zur Aufforderung zur Abgabe von geboten im Versteigerungstermin zulässig. Eine spätere Option zur Umsatzsteuer ist bei der Übertragung von Grundstücken im Zwangsversteigerungsverfahren nicht mehr möglich. Aus diesem Grunde sollte unbedingt vor dem Termin für die Zwangsversteigerung erörtert werden, ob eine Option zur Umsatzsteuer sinnvoll ist. 877 Bei anderen Übertragungen von Grundstücken außerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens ist gem. § 9 Abs. 3 UStG eine Option zur Umsatzsteuer nur möglich, wenn dies in dem gemäß § 311 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt wird. Sollte im Nachhinein festgestellt werden, dass im notariellen Kaufvertrag dieser Hinweis vergessen wurde, kann dies grundsätzlich auch nachbeurkundet werden. 878 Sofern eine Option zur Umsatzsteuer durchgeführt werden soll, kann beispielsweise folgender Passus in den Vertrag aufgenommen werden: „Es handelt sich um eine von der Umsatzsteuer gemäß § 4 Nr. 9a UStG befreite Übertragung eines Grundstücks. Der Veräußerer verzichtet gemäß § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerfreiheit der Übertragung. Dieser Verzicht ist zulässig, da der Käufer Unternehmer ist und beabsichtigt, das Grundstück für sein Unternehmen zu verwenden.“ b)
Option zur Umsatzsteuer gemäß § 9 UStG bei der Vermietung
879 Bei der Option zur Umsatzsteuer bei der Vermietung von Grundstücken ist zusätzlich zu der Voraussetzung, dass die Leistung an einen Unternehmer für sein Unternehmen erfolgt, erforderlich, dass der Mieter ausschließlich steuerpflichtige Ausgangsumsätze hat. Diese Verwendungsabsicht durch den Mieter muss der Vermieter objektiv belegen und im guten Glauben erklären.20) ___________ 20) Vgl. BFH, Urt. v. 22.3.2001 – V R 46/00, BStBl 2003 II, S. 433.
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I. Umsatzsteuerliche Grundlagen
Um eine solche umsatzsteuerpflichtige Nutzung zu gewährleisten, kann z. B. 880 folgender Passus in den Mietvertrag übernommen werden: „Der Mieter ist verpflichtet, den Mietgegenstand ausschließlich für die Erzielung umsatzsteuerpflichtiger Umsätze zu verwenden und in den Mieträumen keine umsatzsteuerfreien Geschäfte durchzuführen oder umsatzsteuerfrei unterzuvermieten. Der Mieter hat dem Vermieter allen Schaden zu ersetzen, der dem Vermieter dadurch entsteht, dass ein Verstoß des Mieters gegenüber dieser Verpflichtung zu einer Korrektur des Vorsteuerabzugs des Vermieters führt. Der Mieter hat dem Vermieter jährlich durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung eines Steuerberaters nachzuweisen, dass in den Mieträumen ausschließlich steuerpflichtige Umsätze durchgeführt werden.“ c)
Gemeinsame Regelungen für die Option zur Umsatzsteuer
Die Option zur Umsatzsteuer muss nicht für ein gesamtes Gebäude erklärt 881 werden, sondern es besteht auch eine Teiloption. So ist beispielsweise eine Aufteilung nach räumlichen Gesichtspunkten möglich.21) Beispiel: Ein mehrgeschossiges Gebäude soll wie folgt vermietet werden: Das Erdgeschoss soll an einen gastronomischen Betrieb, das erste Obergeschoss an einen Arzt, das zweite Obergeschoss wird an den Arzt für private Wohnzwecke vermietet und das dritte Obergeschoss wird als Wohnung vermietet. Beim Erdgeschoss kann zur Umsatzsteuer gemäß § 9 UStG optiert werden. Die Leistung erfolgt an einen Unternehmer für sein Unternehmen und im Rahmen einer Gaststätte werden ausschließlich steuerpflichtige Umsätze ausgeführt. Erstes Obergeschoss: Bei der Vermietung an den Arzt kann nicht zur Umsatzsteuer gemäß § 9 UStG optiert werden. Zwar erfolgt die Leistung an einen Unternehmer für sein Unternehmen, jedoch führt der Arzt umsatzsteuerfreie Leistungen aus. Somit ist die Option nicht möglich. Zweites Obergeschoss: Auch hinsichtlich des zweiten Obergeschosses kann nicht zur Umsatzsteuer optiert werden. Zwar erfolgt die Leistung an einen Unternehmer, nämlich den Arzt, aber nicht für sein Unternehmen, da die Wohnung für private Wohnzwecke genutzt wird. Daher scheidet die Option auch hier aus. Drittes Obergeschoss: Die Vermietung der Wohnung erfolgt an einen Nichtunternehmer. Daher ist eine Option hier nicht möglich. Beschränkt wird die Option auch zeitlich durch das BFH-Urteil vom 882 10.12.2008.22) Danach ist die Option zur Umsatzsteuer nur bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen Jahressteuerfestsetzung möglich. Die formelle Bestandskraft für die Jahresumsatzsteuer tritt bei Nachzahlungen einen Monat ___________ 21) Vgl. Abschnitt 9.1 Abs. 6 UStAE. 22) BFH, Urt. v. 10.12.2008 – XI R 1/08, BStBl 2009 II S. 1026.
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L. Umsatzsteuerliche Fallstricke bei der Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
nach Einreichung der Umsatzsteuererklärung beim Finanzamt ein. Bei Erstattungen nach Zustimmung des Finanzamts zuzüglich eines Monats. Dies bedeutet: Soweit die Option zur Umsatzsteuer bisher vergessen wurde, ist die nachträgliche Korrektur nur bis zur formellen Bestandskraft der Jahresumsatzsteuer möglich. 6.
Steuersatz
883 Der Steuersatz für steuerpflichtige Umsätze gemäß § 12 Abs. 1 UStG beträgt 19 %. Der ermäßigte Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 UStG beträgt 7 %. Im Bereich der Verwertung von Immobilien ist der ermäßigte Steuersatz für die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingplätzen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG anwendbar. Klassischer Fall für den reduzierten Umsatzsteuersatz ist die Hotelübernachtung. 7.
Steuerschuldner
884 Steuerschuldner ist grundsätzlich gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG der leistende Unternehmer. Eine Ausnahme besteht im Bereich der Verwertung von Immobilien gemäß § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG bei Umsätzen, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen. Dies bedeutet: Liegt eine Veräußerung eines Grundstücks vor, bei dem gemäß § 9 UStG zur Umsatzsteuer optiert wurde, so ist zur Anmeldung der Umsatzsteuer nicht der Veräußerer, sondern der Erwerber verpflichtet. In der Rechnung des Veräußerers an den Erwerber darf die Umsatzsteuer nicht ausgewiesen sein, sondern in der Rechnung ist auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger hinzuweisen. Der Passus muss wie folgt lauten: „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers.“ 885 Der Leistungsempfänger hat die Umsatzsteuer selber zu ermitteln und anzumelden. Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ist der Kaufpreis für das Grundstück. 8.
Rechnungserstellung
886 Soweit eine Leistung an einen Unternehmer für sein Unternehmen erbracht wurde, ist der leistende Unternehmer gemäß § 14 Abs. 2 UStG spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung zur Ausstellung einer Rechnung verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht nicht, wenn im Bereich der Verwertung von Immobilien eine steuerbefreite Veräußerung oder steuerfreie Vermietung vorliegt. 887 Hinsichtlich des Vorliegens einer Rechnung ist das Umsatzsteuergesetz bezüglich der Nomenklatur eher großzügig. So legt § 14 Abs. 1 UStG fest, dass eine
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I. Umsatzsteuerliche Grundlagen
Rechnung jedes Dokument ist, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird. Eine Bezeichnung als Rechnung ist nicht notwendig. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, eine Rechnung auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers auch elektronisch zu übermitteln. Eine Rechnungserstellung in einem elektronischen Format wie Word oder PDF, ist zulässig. In § 31 UStDV ist auch festgelegt, dass eine Rechnung aus mehreren Dokumenten bestehen kann. Die Rechnung muss aus umsatzsteuerlicher Sicht gewisse Mindestanforderungen erfüllen. Diese sind gemäß § 14 Abs. 4 UStG: x
Vollständiger Name und vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
x
Steuernummer des leistenden Unternehmers oder die Umsatzsteueridentifikationsnummer,
x
Ausstellungsdatum,
x
Rechnungsnummer,
x
Menge und Art der gelieferten Gegenstände oder Umfang und Art der sonstigen Leistung,
x
Leistungszeitpunkt,
x
Aufgliederung nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselter Nettobetrag für die Lieferung und sonstige Leistung,
x
anzuwendender Steuersatz sowie der auf den Nettobetrag entfallende Steuerbetrag.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist: Nur wenn eine ordnungsgemäße Rech- 888 nung vorliegt, ist grundsätzlich ein Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger möglich. Wichtig beim Übergang der Steuerschuldnerschaft gemäß § 13b UStG: Auch in diesem Fall ist der leistende Unternehmer zur Ausstellung einer Rechnung verpflichtet. In dieser darf die Steuer nicht gesondert ausgewiesen werden. Es ist ein Hinweis auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft aufzunehmen. Auch ein notarieller Kaufvertrag über die Veräußerung eines Grundstückes 889 kann eine Rechnung darstellen. Die oben genannten Rechnungserfordernisse sind bereits weitgehend im notariellen Kaufvertrag erfüllt. Zu ergänzen ist in der Regel nur die Steuernummer oder die Umsatzsteuer-ID-Nummer des Veräußerers und eine Rechnungsnummer. Die Urkundennummer des Notars stellt keine Rechnungsnummer dar. Bei Dauerleistungen ist nicht bei jeder Leistung eine Rechnung auszustellen, 890 sondern eine Dauerrechnung in Verbindung mit dem Kontoauszug stellt eine Rechnung dar. Liegt beispielsweise ein Mietvertrag vor und erfüllt dieser Mietvertrag alle Rechnungsanforderungen, so stellt der Mietvertrag eine Rechnung zusammen mit dem Kontoauszug dar. Montague
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L. Umsatzsteuerliche Fallstricke bei der Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
9.
Vorsteuerabzug nach § 15 UStG
891 Soweit ein Unternehmer steuerpflichtige Ausgangsumsätze, steuerfreie Ausfuhrlieferungen oder steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen erbringt, kann er die Umsatzsteuer aus den Eingangsrechnungen – soweit ordnungsgemäße Rechnungen gemäß § 14 UStG vorliegen – als Vorsteuer geltend machen und diese in seiner Umsatzsteuervoranmeldung erklären. Unabdingbare Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung gemäß § 14 UStG. 892 Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass ein unmittelbarer Zusammenhang besteht zwischen der Eingangsleistung mit einer steuerpflichtigen Ausgangsleistung.23) Sofern also eine Immobilie zur Ausführung steuerpflichtiger Ausgangsumsätze verwendet wird, beispielsweise für eine steuerpflichtige Vermietung, ist ein Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen, der unmittelbar der steuerpflichtigen Vermietung dient, möglich. Wird eine Leistung dagegen für eine steuerfreie Eingangsleistung erbracht, so ist ein Vorsteuerabzug nicht möglich. Beispiel: Um die Vermietungsfähigkeit einer Wohnung zu erhöhen, die für Wohnzwecke genutzt wird, lässt der Insolvenzverwalter das Bad renovieren. Es ist beabsichtigt, die Wohnung für private Wohnzwecke zu vermieten. Die Eingangsleistung steht im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Verwendung für steuerfreie Umsätze. Ein Vorsteuerabzug aus der Renovierung des Bades ist daher nicht möglich. Wird in einem anderen Fall eine Wohnung renoviert, um diese dann mittels der Option zur Umsatzsteuer an einen Rechtsanwalt umsatzsteuerpflichtig zu vermieten, ist aus den Eingangsumsätzen ein Vorsteuerabzug möglich. 893 Aus diesem Beispiel wird klar, dass – soweit möglich – bei der Vermietung zur Umsatzsteuer gemäß § 9 Abs. 2 UStG optiert werden sollte, da auf diesem Wege ein Vorsteuerabzug möglich ist und somit die Kosten für die Erhaltungsaufwendungen in diesem Falle reduziert werden können. 894 Auch aus der Errichtung neuer Gebäude ist nach den vorstehenden Grundsätzen grundsätzlich ein Vorsteuerabzug möglich. Beispiel: Ein Unternehmer errichtet ein zweigeschossiges Gebäude. Es ist beabsichtigt, das Erdgeschoss an einen Supermarkt umsatzsteuerpflichtig gemäß § 9 Abs. 2 UStG zu vermieten. Dies ist grundsätzlich zulässig, da der Supermarkt ausschließlich steuerpflichtige Ausgangsleistungen erbringt. Im ersten Obergeschoss sollen Wohnungen entstehen, die umsatzsteuerfrei für Wohnzwecke vermietet werden sollen. Die ___________ 23) Vgl. Abschnitt 15.2 Abs. 15a UStAE.
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I. Umsatzsteuerliche Grundlagen
Nutzflächen des Erdgeschosses und des ersten Obergeschosses sind gleich. In diesem Fall ist ein Vorsteuerabzug wie folgt durchzuführen: Für den Abzug der Vorsteuerbeträge hat eine prozentuale Aufteilung des gesamten Gebäudes im Verhältnis der umsatzsteuerpflichtigen zu den gesamten Umsätzen zu erfolgen. In der Regel kommt es hier zu einer Aufteilung nach dem Verhältnis der Nutzflächen.24) Übertragen auf den Beispielfall bedeutet dies, das Gebäude soll zu 50 % zur Ausführung umsatzsteuerpflichtiger Umsätze verwendet werden. Somit können 50 % der Vorsteuerbeträge aus dem Gebäude geltend gemacht werden. Der Vorsteuerabzug ist entsprechend der beabsichtigen Verwendung vorzu- 895 nehmen, dies bedeutet: Beabsichtigt der Unternehmer den Eingangsumsatz zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze zu verwenden, so ist ein Vorsteuerabzug möglich. Dies gilt auch dann, wenn später eine steuerfreie Verwendung erfolgt, also die beabsichtigte Verwendung von der tatsächlichen Verwendung abweicht. 10.
Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG
Dieser ursprünglich geltend gemachte Vorsteuerabzug ist möglicherweise spä- 896 ter zu berichtigen. Alleiniger Zeitpunkt für den Vorsteuerabzug ist sowohl der Höhe als auch dem Grunde nach die Inanspruchnahme der Lieferung oder sonstigen Leistung. Erfolgt die tatsächliche Verwendung des Wirtschaftsguts nach dem Leistungsbezug anders als bei der beabsichtigten Verwendung, so kann eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG notwendig sein. Eine Überprüfung des Auseinanderklaffens zwischen der beabsichtigten Ver- 897 wendung und der tatsächlichen Verwendung ist innerhalb des Berichtigungszeitraums notwendig. Der Berichtigungszeitraum beträgt bei Grundstücken einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile zehn Jahre, bei anderen Wirtschaftsgütern fünf Jahre. Der Berichtigungszeitraum beginnt mit dem Jahr der erstmaligen Verwendung 898 und umfasst auch dieses Jahr. Die Berichtigung beträgt für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Zehntel (1/10) bzw. ein Fünftel (1/5) der auf das Wirtschaftsgut entfallenden Vorsteuer. Welche Vorsteuerbeträge sind von dieser Vorsteuerberichtigung erfasst? Dies sind zum einen Vorsteuerbeträge aus Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern, hier insbesondere von Gebäuden, aber verschärfend kommen für Erhaltungsmaßnahmen nach dem 31.12.2004 auch Erhaltungsmaßnahmen dazu. Auch für Erhaltungsaufwendungen ist eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG notwendig. Eine solche Änderung der Verhältnisse liegt auch vor, wenn das Wirtschaftsgut 899 vor Ablauf des maßgeblichen Berichtigungszeitraums veräußert wird und dieser Umsatz für den Vorsteuerabzug anders zu beurteilen ist, als die für den ur___________ 24) Vgl. Abschnitt 15.17 Abs. 7 UStAE.
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L. Umsatzsteuerliche Fallstricke bei der Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
sprünglichen Vorsteuerabzug maßgebliche Verwendung. Die Berichtigung ist so vorzunehmen, als wäre das Wirtschaftsgut in der Zeit ab der Veräußerung bis zum Ablauf des maßgeblichen Berichtigungszeitraums entsprechend den geänderten Verhältnissen weiterhin für das Unternehmen verwendet worden.25) Beispiel: Ein Unternehmer kauft eine Wohnung umsatzsteuerpflichtig zum 1.1.2013. Aus diesem Kauf ergibt sich eine Umsatzsteuer in Höhe von 100.000 €. Die Wohnung soll an einen Steuerberater umsatzsteuerpflichtig vermietet werden (100 % Vorsteuerabzug). Die Wohnung wird ab 1.1.2013 – wie beabsichtigt – an einen Steuerberater vermietet. Ab dem 1.1.2015 wird die Wohnung an einen Arzt für seine Arztpraxis vermietet. Der Arzt kauft die Wohnung umsatzsteuerfrei zum 1.1.2019. Die umsatzsteuerlichen Folgen stellen sich wie folgt dar: 2013: Der Unternehmer hat die Umsatzsteuer aus dem steuerpflichtigen Kauf der Wohnung in der Umsatzsteuervoranmeldung zu erklären, da ein Übergang der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers gemäß § 13b UStG vorliegt. Der Vorsteuerabzug ist endgültig 2013 vorzunehmen, soweit die Voraussetzungen des § 15 UStG vorliegen. Für die Höhe des Vorsteuerabzugs ist die Absicht der späteren Verwendung im Zeitpunkt des Leistungsbezugs maßgeblich. Diese muss glaubhaft gemacht werden. Somit kann für die Wohnung in derselben Umsatzsteuervoranmeldung Vorsteuer in voller Höhe geltend gemacht werden. Der zehnjährige Korrekturzeitraum läuft vom 1.1.2013 bis zum 31.12.2022. Pro Jahr ist ein Zehntel (1/10) des Vorsteuerbetrages ggf. zu berichtigen, also 10.000 € pro Jahr. 2013 bis 2015: Es erfolgt keine Berichtigung des Vorsteuerabzugs. Die tatsächliche Verwendung (100 % umsatzsteuerpflichtig) stimmt mit der beabsichtigten Verwendung (100 % umsatzsteuerpflichtig) überein. 2016 bis 2018: Berichtigung des jährlichen Vorsteuerkorrekturbetrages in voller Höhe, da die tatsächliche Verwendung (0 % umsatzsteuerpflichtig) zur beabsichtigten Verwendung (100 % umsatzsteuerpflichtig) um 100 % abweicht. Vorsteuerberichtigung: 2016: – 10.000 € 2017: – 10.000 € 2018: – 10.000 € 2019: Die steuerfreie Veräußerung wirkt wie eine steuerfreie Nutzung für den Rest des Berichtigungszeitraums. Diese Korrektur ist jedoch nicht jährlich vorzunehmen, sondern in voller Höhe im Jahr der steuerfreien Veräußerung. Verbleibender Berichtigungszeitraum 2019 bis 2022, also vier Jahre. In diesem Fall hat eine Vorsteuerkorrektur von 10.000 € × 4 Jahre = 40.000 € zu erfolgen.Der Unternehmer muss also im Jahr 2019 einen Betrag von 40.000 € an das Finanzamt zurückzahlen. ___________ 25) Vgl. § 15a Abs. 8 UStG.
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I. Umsatzsteuerliche Grundlagen
Grundsätzlich hätte hinsichtlich der Veräußerung der Wohnung gegenüber dem Arzt zur Umsatzsteuer optiert werden können. Voraussetzung für die Option zur Umsatzsteuer bei der Veräußerung ist gemäß § 9 Abs. 1 UStG, dass der Erwerber Unternehmer ist und das erworbene Wirtschaftsgut für sein Unternehmen nutzt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Somit hätte grundsätzlich der Veräußerer zur Umsatzsteuer optieren können. In diesem Fall wirkt die steuerpflichtige Veräußerung wie eine steuerpflichtige Nutzung für den Rest des Berichtigungszeitraums. Die beabsichtige Verwendung (100 % umsatzsteuerpflichtig) stimmt mit der tatsächlichen Verwendung (100 % umsatzsteuerpflichtig) überein. Eine Korrektur der Umsatzsteuer gemäß § 15a UStG hat daher nicht zu erfolgen. Diese Vorsteuerberichtigungspflicht kann auch in die andere Richtung wirken.
900
Beispiel: Ein Arzt kauft eine Wohnung für seine Praxis umsatzsteuerpflichtig zum 1.1.2013. Aus diesem Kauf ergibt sich eine Umsatzsteuer in Höhe von 200.000 €. In den Jahren 2013 bis 2017 nutzt er wie beabsichtigt die Wohnung für seine Praxis. Im Jahr 2018 geht der Arzt in Ruhestand und verkauft die Wohnung umsatzsteuerpflichtig zum 1.1.2018. Die umsatzsteuerlichen Folgen stellen sich wie folgt dar: 2013: Der Arzt hat die Umsatzsteuer aus dem steuerpflichtigen Kauf der Wohnung in der Umsatzsteuervoranmeldung zu erklären, da ein Übergang der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers gemäß § 13b UStG vorliegt. Ein Vorsteuerabzug aus dem Ankauf der Wohnung ist nicht möglich, da der Arzt beabsichtigt, die Wohnung zur Ausführung umsatzsteuerfreier Umsätze zu verwenden. Der zehnjährige Korrekturzeitraum läuft vom 1.1.2013 bis zum 31.12.2022. Pro Jahr ist ein Zehntel (1/10) des Vorsteuerbetrages ggf. zu berichtigen, also 20.000 € pro Jahr. 2013 bis 2017: Es erfolgt keine Berichtigung des Vorsteuerabzugs. Die tatsächliche Verwendung (100 % umsatzsteuerfrei) stimmt mit der beabsichtigten Verwendung (100 % umsatzsteuerfrei) überein. 2018: Die steuerpflichtige Veräußerung wirkt wie eine steuerpflichtige Nutzung für den Rest des Berichtigungszeitraums. Diese Korrektur ist jedoch nicht jährlich vorzunehmen, sondern in voller Höhe im Jahr der steuerpflichtigen Veräußerung. Verbleibender Berichtigungszeitraum 2018 bis 2022, also fünf Jahre. In diesem Fall hat eine Vorsteuerkorrektur von 20.000 € × 5 Jahre = 100.000 € zu erfolgen. Der Arzt kann also im Jahr 2018 einen Betrag von 100.000 € beim Finanzamt geltend machen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die unter Rn. 870 beschriebene Ge- 901 schäftsveräußerung im Ganzen. Wie dargestellt, ist bei einer Geschäftsveräußerung im Ganzen der Erwerber umsatzsteuerrechtlicher Rechtsnachfolger des Veräußerers. Dies bedeutet: Die Vorsteuerberichtigungspflicht geht auf den Käufer über. Der Verkäufer hat dem Erwerber entsprechende Unterlagen zur Verfügung zu stellen, aus denen sich die Vorsteuerberichtigungspflicht ergibt.
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L. Umsatzsteuerliche Fallstricke bei der Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
Dies ergibt sich aus § 15a Abs. 10 UStG. Für den Käufer führt dies zum möglichen Problem, da er sich eine Vorsteuerberichtigungspflicht einkauft, obwohl nie Vorsteuer von ihm geltend gemacht wurde oder auch, dass keine Unterlagen zur Vorsteuerberichtigung zur Verfügung stehen, da sich ja der Veräußerer in der Insolvenz befindet. 902 Ein Vorsteuererstattungsanspruch des Finanzamtes aus der Vorsteuerberichtung nach § 15a UStG stellt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Masseverbindlichkeit dar.26) Ein Vorsteuerberichtigungsanspruch während des vorläufigen Insolvenzverfahrens fällt unter die Anwendung des § 55 Abs. 4 InsO.27) II.
Praktische Umsetzung
1.
Veräußerung einer Immobilie
903 Bei der möglichen Verwertung einer Immobilie ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der Eigentümer der Immobilie, über den das Insolvenzverfahren eröffnet bzw. beantragt wurde, Unternehmer ist oder nicht und – soweit er Unternehmer ist – die Immobilie zum umsatzsteuerlichen Unternehmen zählt. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so ist die Verwertung der Immobilie ohne umsatzsteuerliche Berührungspunkte möglich. Soweit die Immobilie zum Unternehmensvermögen eines umsatzsteuerlichen Unternehmers zählt, ist die Umsatzsteuer ein zu berücksichtigender Aspekt bei der Verwertung. 904 In nächsten Schritt ist zu prüfen, ob bei der Anschaffung oder Herstellung der Immobilie innerhalb der letzten zehn Jahre Vorsteuerbeträge gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht wurden. Darüber hinaus ist zu überprüfen, ob nach dem 31.12.2004 Erhaltungsaufwendungen im Zusammenhang mit der Immobilie geltend gemacht wurden. In einem nächsten Schritt ist zu überprüfen, ob ein steuerbarer Umsatz gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vorliegt oder ob eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1a UStG gegeben ist, beispielsweise weil eine vermietete Immobilie veräußert wird und der Erwerber die Vermietungstätigkeit fortführt. 905 Sofern Vorsteuerbeträge in den letzten zehn Jahren geltend gemacht wurden, geht das Risiko bei einer Geschäftsveräußerung im Ganzen auf den Erwerber über. Für die insolvente Masse besteht in diesem Fall kein Risiko der Vorsteuerberichtigung. Ist dagegen eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht gegeben, so liegt in der Regel eine steuerbare Leistung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vor. Diese ist – wie dargestellt – gemäß § 4 Nr. 9a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Soweit eine Veräußerung an einen Unternehmer für sein ___________ 26) Vgl. BFH, Urt. v. 9.4.1987 – V R 23/80, BStBl 1987 II S. 527; Sölch/Ringleb/Oelmaier,, § 15a Rn. 71. 27) Vgl. BMF Schreiben v. 17.1.2012 zu Insolvenzforderung; Anwendungsfragen zu § 55 Abs. 4 InsO.
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II. Praktische Umsetzung
Unternehmen erfolgt, besteht die Möglichkeit gemäß § 9 Abs. 1 UStG zur Umsatzsteuer zu optieren. Wurden in den letzten zehn Jahren Vorsteuerbeträge geltend gemacht und liegt ein steuerbarer Umsatz vor, so sollte darauf berücksichtigt werden, dass zur Umsatzsteuer optiert wird, da ansonsten eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG durchzuführen ist. Sofern zur Umsatzsteuer optiert wird, ist darauf zu achten, dass bei einer Ver- 906 äußerung im notariellen Kaufvertrag die Option zur Umsatzsteuer erklärt wird. Bei einer Zwangsversteigerung ist die Option zur Umsatzsteuer bis zur Aufforderung zur Abgabe von Geboten zu erklären. Sofern in den letzten zehn Jahren keine Anschaffung oder Herstellung mit 907 Umsatzsteuer erfolgte bzw. keine Erhaltungsmaßnahmen mit Umsatzsteuer nach dem 31.12.2004 durchgeführt wurde, ist bei der Veräußerung nicht darauf zu achten, ob steuerfrei oder steuerpflichtig veräußert wird. Sofern in dem beschriebenen Zeitraum Vorsteuerbeträge angefallen sind und bisher noch nicht geltend gemacht wurden, kann es bei Vorliegen einer steuerbaren Leistung zu einer positiven Berichtigung zu Gunsten der insolventen Masse kommen. In diesem Fall ist zur Umsatzsteuer zu optieren. Eine Option ist nur möglich, bei einer Lieferung an einen Unternehmer für 908 sein Unternehmen. Dies sollte bei der Auswahl der Käufer des Grundstücks oder Gebäudes beachtet werden. Für die Parteien stellt sich des Öfteren folgende Situation dar:
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Es besteht keine Sicherheit hinsichtlich der Rechtsfrage, ob eine Geschäftsver- 910 äußerung im Ganzen vorliegt oder nicht. Dem Veräußerer ist es jedoch wichtig, dass es nicht zu einer Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG kommt, da in diesem Falle Vorsteuerbeträge an das Finanzamt zurückzuzahlen wären. In solchen Fällen wird zwischen den Vertragsparteien eine vorsorgliche Option für den Fall vereinbart, dass wider Erwarten keine Geschäftsveräußerung im Ganzen gegeben ist. Wie unter Rn. 882 beschrieben, wird die Option jedoch durch das BFH-Urteil vom 10.12.200828) zeitlich beschränkt. Danach ist die Option zur Umsatzsteuer nur bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen Steuerfestsetzung möglich. In einem solchen Fall sollte daher eine unbedingte Option zwischen den Vertragsparteien vereinbart werden. Diese könnte wie folgt lauten: „Die Vertragsparteien gehen übereinstimmend von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen aus. Der Veräußerer optiert zur Umsatzsteuer. Eine Option ist zulässig, da der Erwerber Unternehmer ist und beabsichtigt, die Immobilie für sein Unternehmen zu nutzen. Die Verpflichtung zur Anmeldung der Umsatzsteuer geht gemäß § 13b UStG auf den Erwerber über.“
___________ 28) BFH, Urt. v. 10.12.2008 – XI R 1/08, BStBl 2009, II S. 1026.
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L. Umsatzsteuerliche Fallstricke bei der Verwertung von Immobilien in der Insolvenz
911 Auch nach Meinung der Finanzverwaltung ist die Option bereits vor Eintritt der formellen Bestandskraft wirksam erklärt und somit kommt es – selbst für den Fall, dass keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt – zu keiner Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG.29) 2.
Zwangsverwaltung
912 Auch im Rahmen einer Zwangsverwaltung kann die mögliche Vorsteuerberichtigungspflicht gemäß § 15a UStG ein Thema sein. Wichtig ist für den Zwangsverwalter daher, festzustellen, ob in den letzten zehn Jahren Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Immobilien vorlagen. Zusätzlich ist zu überprüfen, ob Erhaltungsaufwendungen nach dem 31.12.2004 vorlagen. Sofern innerhalb des Zehnjahreszeitraums ein Vorsteuerabzug vorgenommen wurde, ist bei einer Neuvermietung darauf zu achten, dass diese – soweit möglich – umsatzsteuerpflichtig erfolgt. Wie beschrieben, ist die Vermietung grundsätzlich gemäß § 4 Nr. 12 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Jedoch besteht die Möglichkeit, zur Umsatzsteuer gemäß § 9 UStG zu optieren, soweit eine Leistung an einen Unternehmer für sein Unternehmen erbracht wird. Zusätzliche Voraussetzung bei der Vermietung ist, dass der Mieter ausschließlich steuerpflichtige Ausgangsumsätze hat. Bei der Vermietung ist daher in solchen Fällen darauf zu achten. 913 Im Gegenzug kann es auch sein, dass solche Aufwendungen innerhalb der letzten zehn Jahre vorliegen und bisher noch keine Vorsteuerabzugsbeträge geltend gemacht wurden. Nun besteht für den Zwangsverwalter die Möglichkeit, durch eine umsatzsteuerpflichtige Vermietung eine Vorsteuerberichtigung für die Immobilie durchzuführen. Somit kann hier zusätzliches Ertragspotential erschlossen werden.
___________ 29) Vgl. Verfügung der OFD Frankfurt am Main v. 11.3.2013, S-7198A-25-St-111 und BMFSchreiben v. 23.10.2013, IV D3 – S 7198/12/10002.
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M. Bausparen und Insolvenz I.
Bausparen
Die Bedeutung des Bausparens für die Finanzbranche einerseits und für die 914 Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum andererseits lässt sich leicht an folgenden Zahlen erkennen: seit Ende des Zweiten Weltkrieges wurden laut Verband der Privaten Bausparkassen e. V.1) von deutschen Bausparkassen mehr als 1.000 Milliarden € für die Wohnungsfinanzierung zur Verfügung gestellt. Mit diesen Mitteln wurden mehr als 13 Millionen Wohnungen mitfinanziert. In Deutschland gibt es ca. 24 Millionen Bausparer, es existieren fast 30 Millionen Bausparverträge mit einer Bausparsumme von zusammengerechnet rund 770 Milliarden €2). Derzeit existieren in Deutschland insgesamt 22 Bausparkassen.3) Darunter sind 915 zwölf private Bausparkassen, die in der Rechtsform der AG betrieben werden (vgl. § 2 Abs. 1 BSpKG) und zehn öffentlich-rechtliche Bausparkassen (Landesbausparkassen, LBS), die – je nach Landesrecht – als unselbstständige Abteilungen der Landesbanken oder als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts organisiert sind. 1.
Kollektives Bausparen
Häufig wird die Grundidee des Bausparens anhand des folgenden Beispiels dar- 916 gestellt:4) Angenommen, zehn Bauwillige ohne anfängliches Eigenkapital wären in der Lage, 917 in einem Jahr ein Zehntel des für den Erwerb einer typisierten Immobilie erforderlichen Kapitals anzusparen. Dann müsste jeder dieser Bauwilligen bis zur Realisierung seines Bauvorhabens zehn Jahre warten. Wenn sich die zehn Bauwilligen nun zusammen tun und ihre Sparleistungen in einen gemeinsamen Topf einbringen, dann kann der erste von ihnen sein Bauvorhaben bereits nach einem Jahr verwirklichen. Ein Zehntel der von ihm benötigten Summe wird ihm aus dem von ihm erbrachten Eigenkapital zur Verfügung gestellt. Neun Zehntel erhält er als Darlehen. Wenn dieser – zum Beispiel im Losverfahren ermittelte – erste Bauherr im zweiten Jahr ein Zehntel des Kapitals als Tilgungsleistung zurückzahlt, stehen nach Ablauf des zweiten Jahres wieder zehn Zehntel zur Verfügung, mit denen der zweite bauwillige sein Vorhaben verwirklichen kann. Er erhält zwei Zehntel der von ihm benötigten Summe aus dem von ihm erbrachten Eigenkapital und acht Zehntel als Darlehen. ___________ 1) 2) 3) 4)
Vgl. http://www.bausparkassen.de. Thomas, Bausparkassen-Fachbuch, S. 28 f. Vgl. Statistik der Bundesbank unter http://www.bundesbank.de. Vgl. z. B. Thomas, Bausparkassenfachbuch, S. 29.
Fleischmann
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M. Bausparen und Insolvenz
918 Das System setzt sich fort, bis im zehnten Jahr der zehnte Bauwillige die notwendigen Mittel für die Realisierung seines Bauvorhabens erhält. Dieser zehnte Bauwillige hat in diesem Beispiel zwar keinen zeitlichen Vorteil erlangt, aber eben auch keinen Nachteil. Und durch die Teilnahme am System hat er immerhin die Chance erhalten, sein Vorhaben wesentlich früher zu realisieren. Erweitert man das Beispiel um beispielsweise jährlich fünf neue hinzutretende Bausparer, dann können den zehn ersten Bausparen die erforderlichen Mittel bereits nach Ablauf von fünf Jahren bereitgestellt werden. Durch eine größere Zahl von neu hinzutretenden Bausparern können die Mittel sogar noch schneller zur Verfügung gestellt werden.5) 919 Nun variiert in der Praxis der Finanzierungsbedarf der individuellen Bausparer, sodass jeder seine Teilhabe an dem Kollektiv über die Bausparsumme seinen Bedürfnissen und seiner Leistungsfähigkeit anpassen muss. Und auch die Frage, welcher Bausparer diese Bausparsumme wann zur Verfügung gestellt bekommt, hängt in der Praxis nicht vom Losglück, sondern von einem auf messbaren Kriterien beruhenden Zuteilungsverfahren ab. Dennoch basiert auch das heutige System des Bausparens dem Grunde nach auf der dargestellten Idee.6) 2.
Sparphase und Darlehensphase eines Bausparvertrages
920 Schon aus dem vorstehenden Beispiel ergibt sich, dass ein Bausparvertrag eine Spar- und eine Darlehensphase7) durchläuft. 921 Während der Sparphase stellt der Bausparer der Bausparkasse Geldmittel zu Verfügung. Er ist mit seinem Bausparguthaben Gläubiger des Kollektivs. 922 Nach Ablauf einer vertraglich geregelten Mindestlaufzeit kann der Bausparvertrag bei Erfüllung weiterer Bedingungen zugeteilt werden. Diese Zuteilung ist Voraussetzung für die Auszahlung der Bausparsumme,8) die sich aus dem Bausparguthaben und dem Bauspardarlehen zusammensetzt. Die Zuteilung hat also einerseits zur Folge, dass das Bausparguthaben zur Auszahlung fällig wird.9) Andererseits hat die Zuteilung zur Folge, dass dem Bausparer das Bauspar-Darlehen zur Auszahlung bereitsteht, wobei die Gewährung des Bauspar-Darlehens natürlich von weiteren Kriterien (insbes. Sicherheiten und Bonität) abhängt. Durch die Gewährung des Bauspar-Darlehens wird der Bausparer zum Schuldner des Kollektivs. ___________ 5) Vgl. Verband der Privaten Bausparkassen e. V. unter http://www.bausparkassen.de. 6) Thomas, Bausparkassenfachbuch, S. 30. 7) Einige Veröffentlichungen, z. B. https://de.wikipedia.org/wiki/Bausparvertrag gehen – aus Sicht des Verfassers unzutreffend – von drei Phasen aus, weil die Zuteilung des Bausparvertrages als eigene Phase betrachtet wird. 8) Dies ergibt sich regelmäßig aus § 4 der Allgemeinen Bausparbedingungen. Hier und nachfolgend beziehen sich Verweise auf Allgemeine Bausparbedingungen immer auf Regelungen, die den Musterbedingungen der privaten oder öffentlichen Bausparkassen entsprechen. Konkrete Bausparbedingungen können Abweichungen enthalten. 9) Vgl. § 6 der Allgemeinen Bausparbedingungen.
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I. Bausparen
Guthaben Darlehen
Sparphase
Bausparsumme
Stand des Bausparkontos Soll Haben
Dementsprechend lässt sich der Verlauf eines Bausparkontos anhand einer Ab- 923 bildung wie folgt darstellen:
Zuteilung Darlehensphase
Die Zuteilung hängt nun regelmäßig von einer Mindestvertragslaufzeit und ei- 924 ner Mindestbesparung ab, beide Faktoren variieren je nach Anbieter und Tarifvariante. Ferner hängt die Zuteilung vom Erreichen einer bestimmten Bewertungszahl ab.10) Durch die Bewertungszahl wird – vereinfacht gesagt – die Sparleistung des Bausparers bewertet, es geht letztlich um die Frage, wie lange der Bausparer dem Bausparkollektiv wie viel Geld zur Verfügung gestellt hat. Je größer diese Sparleistung ist, desto höher wird die Bewertungszahl bemessen, die Zuteilungssaussichten und damit die Möglichkeit, in den Genuss des Bauspar-Darlehens zu kommen, steigen. 3.
Staatliche Förderung
Für viele Bausparer ein wichtiges Motiv beim Abschluss eines Bausparvertrages 925 und für die Bausparkassen ein beliebtes Ansprache-Thema und MarketingMoment sind die verschiedenen Möglichkeiten der staatlichen Förderung des Bausparens. Daher soll an dieser Stelle ein kurzer Überblick über die aktuell existierenden Fördermodelle x Wohnungsbauprämie x Arbeitnehmer-Sparzulage x Riester-Förderung für Bausparverträge („WohnRiester“) gegeben werden. ___________ 10) Vgl. § 4 der Allgemeinen Bausparbedingungen.
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M. Bausparen und Insolvenz
a)
Wohnungsbauprämie
926 Die Wohnungsbauprämie soll insbesondere unteren und mittleren Einkommensgruppen Erleichterungen bei der Schaffung von eigenem Wohnraum bringen. Zu diesem Zweck gewährt der Staat für bestimmte Anlageformen auf Antrag eine Prämie. Unter den verschiedenen förderfähigen Anlageformen dürfte das Bausparen (Beiträge an Bausparkassen zur Erlangung von Baudarlehen i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 WoPG) die praktisch wichtigste Anlageform darstellen. aa)
Fördervoraussetzungen
927 Voraussetzung für die Prämiengewährung ist die unbeschränkte Steuerpflicht des Antragstellers und dessen Mindestalter von 16 Jahren. Ferner darf das Einkommen des Antragstellers bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreiten. Diese betragen derzeit 25.600 € bei Alleinstehenden und bei Ehegatten 51.200 €, maßgeblich ist das zu versteuernde Einkommen i. S. v. § 2 Abs. 5 EStG. 928 Aufwendungen. Prämienbegünstigt sind eigene Einzahlungen des Bausparers sowie insbesondere Guthabenszinsen11) bis zu einem Betrag von insgesamt 512 €, bei verheirateten sind Aufwendungen bis 1.024 € prämienbegünstigt. Die maximale Prämie beträgt somit bei Alleinstehenden 45,06 € und bei Verheirateten 90,11 €. bb)
Bindungsfristen und schädliche Verwendung
929 Hinsichtlich der Verwendung der mit Wohnungsbauprämien geförderten Bausparmittel sind Bausparverträge danach zu unterscheiden, ob sie vor oder nach dem 1.1.2009 abgeschlossen wurden. 930 Bei Altverträgen (Vertragsabschluss vor dem 1.1.2009 und Erbringung einer Regelsparrate12) ist Voraussetzung für den Erhalt der Prämie, dass vor Ablauf von sieben Jahren seit Vertragsabschluss weder die Bausparsumme ausgezahlt noch die geleisteten Einzahlungen abgetreten oder beliehen wurden. Eine Verfügung über den Bausparvertrag innerhalb der siebenjährigen Bindungsfrist darf nur zu wohnungswirtschaftlichen Zwecken erfolgen, andernfalls gehen die Prämien verloren.13) 931 Bei Neuverträgen (Verträge, die ab dem 1.1.2009 abgeschlossen wurden oder solche, die zwar älter sind, auf die zu diesem Zeitpunkt aber noch keine Regelsparrate eingezahlt war) existiert dagegen keine Bindungsfrist. Dies bedeutet, dass die zur Auszahlung kommenden Bausparmittel in jedem Fall unverzüglich ___________ 11) Nach Abzug einer eventuell einzubehaltenden Abgeltungsteuer, vgl. R 3 WoPR. 12) Im Sinne des § 2 der Allgemeinen Bausparbedingungen. 13) Lindner, Bausparkassen-Fachbuch, S. 483.
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I. Bausparen
und unmittelbar zum Wohnungsbau verwendet werden müssen.14) Andernfalls gehen die Prämien verloren. b)
Arbeitnehmer-Sparzulage
Die Arbeitnehmer-Sparzulage soll die Vermögensbildung von Arbeitnehmern 932 fördern. Zu diesem Zweck können Arbeitnehmer von ihren Arbeitgebern verlangen, dass diese Teile des Arbeitslohns (statt sie in bar auszuzahlen) als vermögenswirksame Leistungen für den Arbeitnehmer anlegen. Für viele Arbeitnehmer ist die Anlage von vermögenswirksamen Leistungen besonders interessant, weil vermögenswirksame Leistungen nicht selten – beispielsweise aufgrund eines Tarifvertrages – zusätzlich zum eigentlichen Arbeitslohn gewährt werden. Der Staat fördert diese Art der Vermögensbildung durch Gewährung der Arbeitnehmer-Sparzulage. Neben zahlreichen anderen Anlageformen ist auch die Anlage vermögenswirksamer Leistungen auf einem Bausparvertrag förderfähig. aa)
Fördervoraussetzungen
Förderberechtigt sind alle Arbeitnehmer und Auszubildenden sowie Beamte, 933 Richter, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit. Da die unbeschränkte Steuerpflicht nicht Voraussetzung für den Erhalt der Arbeitnehmer-Sparzulage ist, kommen auch in Deutschland nur beschränkt Steuerpflichtige Arbeitnehmer (Grenzgänger) in den Genuss der Zulage, sofern nur ihr Arbeitsverhältnis deutschem Arbeitsrecht unterliegt.15) Wie bei der Wohnungsbauprämie darf auch für den Erhalt der Arbeitnehmersparzulage das Einkommen bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreiten. Für die Anlage vermögenswirksamer Leistungen auf Bausparverträgen betragen diese Grenzen 17.900 € für Alleinstehende und 35.800 € für Ehegatten. Maßgeblich ist auch hier das zu versteuernde Einkommen i. S. v. § 2 Abs. 5 EStG. Liegen die Voraussetzungen der Zulagen-Gewährung vor, beträgt die Förde- 934 rung jährlich 9 % der vermögenswirksam angelegten Beträge. Der Zulagen begünstigte Höchstbetrag beträgt bei Alleinstehenden 470 € und bei verheirateten 940 €. Die maximale Zulage beträgt somit bei Alleinstehenden 43 € und bei verheirateten 86 €. bb)
Sperrfrist und schädliche Verwendung
Gem. § 13 Abs. 5 VermBG 5 entfällt der Anspruch auf die Zulage rückwirkend, 935 soweit bei einer Anlage der vermögenswirksamen Leistungen auf einem Bau___________ 14) Alternativ müssen im Fall der Abtretung bzw. Beleihung des Bausparvertrags die aufgrund der Beleihung erlangten Beträge entsprechend verwendet werden. 15) BMF-Schreiben v. .8.2004, Abschn. 1 Abs. 1 Satz 1.
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M. Bausparen und Insolvenz
sparvertrag die in § 2 Abs. 1 Nr. 3 und 4 und Abs. 3 Satz 1 des WohnungsbauPrämiengesetzes vorgesehenen Voraussetzungen nicht eingehalten werden. Daraus ergibt sich, dass hinsichtlich der Sperrfrist, innerhalb welcher Verfügungen über den Bausparvertrag zum Verlust der Zulage führen, die Vorschriften des Wohnungsbau-Prämiengesetzes für Altverträge gelten.16) Demnach kann vor Ablauf einer siebenjährigen Sperrfrist nur dann ohne Verlust der Zulagen über den Bausparvertrag verfügt werden, wenn die Verfügung zum Wohnungsbau oder für eine Weiterbildungsmaßnahme (sog. Weiterbildungssparen) erfolgt. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, geht die Zulage verloren. Nach Ablauf der siebenjährigen Sperrfrist kann dagegen über den Bausparvertrag zu beliebigen Zwecken verfügt werden, ohne dass die Zulage verloren geht. c)
Wohn-Riester-Förderung
936 Durch das Eigenheimrentengesetz vom 29.7.2008 wurde die selbstgenutzte Wohnimmobilie in die Riester-Förderung integriert. Seitdem bieten Bausparkassen neben klassischen Bausparverträgen auch nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz zertifizierte, riestergeförderte Altersvorsorge-Bausparverträge an.17) 937 Die Riester-Förderung des Bausparvertrages unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von der Riester-Förderung eines anderen Sparprodukts. In der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung haben Pflichtversicherte Anspruch auf die Altersvorsorge-Zulage, vgl. § 79 EStG. Voraussetzung für die Gewährung der Zulage ist, dass der Zulage-Berechtigte den Mindesteigenbeitrag gemäß § 86 EStG erbracht hat. Dieser beträgt 4 % der im vorangegangenen Kalenderjahr bezogenen sozialversicherungspflichtigen Einnahmen. 938 Jeder Zulageberechtigte erhält eine Grundzulage in Höhe von 154 € jährlich sowie für jedes zu berücksichtigende Kind die Kinderzulage. Für Kinder, die vor dem 1.1.2008 geboren wurden, beträgt die Kinderzulage 185 €. Für Kinder, die nach dem ein 31.12.2007 geboren wurden, beträgt sie 300 €. Darüber hinaus können die Zulageberechtigten die Altersvorsorge-Beiträge und die erhaltenen Zulagen bis zu einer Höhe von 2.100 € als Sonderausgaben von ihren Einkünften abziehen.18) Dabei kommt der Sonderausgabenabzug nur zum Tragen, wenn er für den Steuerpflichtigen günstiger ist als der Anspruch auf die Zulage (Günstigerprüfung, vgl. § 10 Abs. 2 EStG). Dadurch erhält die Zulage den Charakter einer Mindestförderung, diese kommt insbesondere unteren Einkommensgruppen zugute, die über den Sonderausgabenabzug einen geringeren Steuervorteil erzielen würden. ___________ 16) Lindner, Bausparkassen-Fachbuch, S. 501. 17) Thöne/Otterbach, Praxiswissen Bankrecht, S. 971. 18) Vgl. §§ 10a, 2 Abs. 4 EStG.
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I. Bausparen
Durch den Sonderausgabenabzug werden die auf einen Riester-Vertrag einge- 939 zahlten Beträge im Einzahlungszeitpunkt faktisch von der Einkommensteuer freigestellt. Mit dieser Steuerfreistellung im Einzahlungszeitpunkt korrespondiert die Steuerpflicht der aus dem Altersvorsorge-Vertrag fließenden Leistungen in der Auszahlungsphase (nachgelagerte Besteuerung, vgl. § 22 Nr. 5 EStG). aa)
Entnahme des geförderten Altersvorsorge-Vermögens für eigene Wohnzwecke
Durch das Eigenheimrentengesetz neu geschaffen wurde die Möglichkeit, ge- 940 fördertes Altersvorsorge-Vermögen (soweit vorhanden zusammen mit ungefördertem Kapital) zu Wohnzwecken zu verwenden (vgl. § 92a EStG). Es bestehen folgende Möglichkeiten: x
Bis zum Beginn der Auszahlungsphase können die angesparten Mittel zur Anschaffung oder Herstellung einer eigenen, den Hauptwohnsitz bildenden Wohnung verwendet werden.
x
Zum Zeitpunkt des Beginns der Auszahlungsphase können die angesparten Mittel zur Entschuldung einer eigenen, den Hauptwohnsitz bildenden Wohnung verwendet werden.
x
Bis zum Beginn der Auszahlungsphase können die Mittel für den Erwerb von Pflichtanteilen an einer eingetragenen Genossenschaft für die selbst Nutzung einer Genossenschaftswohnung verwendet werden.
Das entnommene, geförderte Altersvorsorge-Vermögen bleibt steuerverstrickt 941 und für die nachgelagerte Besteuerung erfasst, indem die Beträge als Altersvorsorge-Eigenheimbetrag in einem Wohnförderkonto erfasst werden (vgl. § 92s Abs. 2 EStG). Der Bestand des Wohnförderkontos wird bis zum Beginn der Auszahlungsphase jährlich mit 2 % verzinst. Aus dem Stand des Wohnförderkontos ergibt sich in der Auszahlungsphase eine fiktive Rente, für die der Steuerpflichtige bis zu seinem 85. Lebensjahr Einkommensteuer schuldet (vgl. § 92a Abs. 2 Satz 5 i. V. m. § 22 Nr. 5 Satz 4 EStG). Alternativ besteht im Zeitpunkt des Beginns der Auszahlungsphase die Möglichkeit der einmaligen, privilegierten19) Ablösung der Steuerschuld durch Versteuerung des Auflösungsbetrages. bb)
Riester-Förderung in der Darlehensphase
Darüber hinaus wurde durch das Eigenheim-Rentengesetz auch die Möglich- 942 keit der Zertifizierung von Darlehensverträgen (§ 1 Abs. 1a Satz Nr. 1 AltZertG) und von Bausparverträgen (§ 1 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 AltZertG) geschaffen. Die nach Valutierung des Darlehens geleisteten Tilgungsraten stellen in ___________ 19) Der Stand des Wohnförderkontos muss in diesem Fall nur zu 70 % versteuert werden.
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239
M. Bausparen und Insolvenz
diesem Fall Altersvorsorge-Beiträge nach § 82 Abs. 1 Nr. 2 EStG dar, sie werden gemäß § 92a Abs. 2 EStG im Wohnförderkonto erfasst und sind nachgelagert zu versteuern. cc)
Riester-Förderung bei Vorfinanzierungen
943 Schließlich besteht die – ebenfalls durch das Eigenheimrentengesetz eingeführte – Möglichkeit der Förderung von Bauspar-Vorfinanzierungen. Bei diesen Verträgen handelt es sich um zertifizierte Altersvorsorge-Verträge i. S. v. § 1 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 AltZertG. Die bis zur Zuteilung des Bausparvertrages erbrachten Sparbeiträge gelten gem. § 82 Abs. 3 EStG steuerlich als Tilgungsleistungen, die im Wohnförderkonto erfasst und nachgelagert besteuert werden. II.
Rechtliche Grundlagen des Bausparens
944 Bausparen stellt eine Form des grundsätzlich durch § 3 Nr. 2 KWG verbotenen Zwecksparens dar. Durch das Zwecksparverbot wird die Annahme von Geldern verboten, wenn der überwiegende Teil der Einzahler einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Darlehens aus den eingezahlten Beträgen erlangt. Das Verbot begründet sich in der grundsätzlichen Instabilität solcher Systeme: der Zeitpunkt der möglichen Gewährung des Darlehens ist maßgeblich vom kontinuierlichen Mittelzufluss durch neue Zwecksparer einerseits und vom Tilgungsverhalten der Darlehensnehmer andererseits abhängig und kann im Einzelfall unvertretbar hinausgezögert werden.20) 945 Für das Bausparen sieht § 3 Nr. 2 KWG eine ausdrückliche Ausnahme vom Zwecksparverbot vor. Diese Ausnahme rechtfertigt sich insbesondere dadurch, dass an Darlehen zu Zwecken des Wohnungsbaus ein ständiger Bedarf besteht, was einen stetigen Mittelzufluss zum Bausparkollektiv erwarten lässt. Andererseits sind Bausparkassen als Realkreditinstitute gehalten, Darlehen grundsätzlich nur gegen Immobiliarsicherheiten zu gewähren, was den Mittelrückfluss gewährleistet.21) Darüber hinaus ist im Fall des Bausparens das Kollektiv durch das Bausparkassengesetz und die Bausparkassenverordnung, die den Bausparkassen Beschränkungen im Umgang mit den Bausparmitteln auferlegen, besonders gesichert.22)
___________ 20) Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schäfer, § 3 Rn. 12. 21) Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schäfer, § 3 Rn. 16. 22) Schimansky/Bunte/Lwowski/Fischer, § 127 Rn. 82.
240
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II. Rechtliche Grundlagen des Bausparens
1.
Bausparkassengesetz, Bausparkassen-Verordnung
Grundsätzlich sieht das Kreditwesengesetz ein Universalbankprinzip vor, 946 nachdem Banken gleichzeitig und nebeneinander Kreditgeschäft, Einlagengeschäft, Wertpapier-, Depot- und Emissionsgeschäft betreiben dürfen.23) Hiervon abweichend hat sich der Gesetzgeber beim Bausparen für das Spezial- 947 itätsprinzip entschieden: Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 BSpKG ist das Bauspargeschäft den Bausparkassen vorbehalten. Dieses Spezialitätsprinzip rechtfertigt sich in der Komplexität des Bausparens. Die Steuerung des Bausparkollektivs, das sich aus Einlagen und Tilgungsleistungen zusammensetzt und aus dem heraus den Bausparern nach einer angemessenen Wartezeit ein Darlehen gewährt werden soll, erfordert eine ausschließlich hierauf ausgerichtete Geschäftspolitik.24) Bausparkassengesetz und Bausparkassen-Verordnung regeln insbesondere Details der Steuerung des Bausparkollektivs. 2.
Geschäftskreisbeschränkung
Aus dem Spezialitätsprinzip ergibt sich, dass es Universalbanken untersagt ist, 948 das Bauspargeschäft zu betreiben. Die notwendige Kehrseite bildet die Geschäftskreisbeschränkung für Bausparkassen: Bausparkassen dürfen als Spezialkreditinstitute neben dem Bauspargeschäft nur die vom Bausparkassengesetz ausdrücklich erlaubten Neben- und Hilfsgeschäfte betreiben, § 4 BSpKG. Das Bauspargeschäft definiert § 1 Abs. 1 Satz 1 BSpKG als die Entgegennahme von Einlagen und das Bereitstellen von Gelddarlehen für wohnungswirtschaftliche Maßnahmen aus den angesammelten Beträgen. Daneben sind nur solche Bankgeschäfte zulässig, die unmittelbar oder mittelbar mit der Wohnungsbaufinanzierung zu tun haben. Die in der Praxis wichtigsten Nebengeschäfte sind Vor- und Zwischenfinanzie- 949 rungen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 BSpKG. Vor- und Zwischenfinanzierung ermöglichen die Realisierung von Finanzierungswünschen schon vor Zuteilung des Bausparvertrages. Dem Bausparer wird ein Darlehen in Höhe der Bausparsumme zur Verfügung gestellt. Im Zeitpunkt der Zuteilung des Bausparvertrages erfolgt die Tilgung dieses Darlehens mit dem Bausparguthaben und dem Bauspar-Darlehen. Dementsprechend lässt sich der Verlauf eines vorfinanzierten Bausparkontos 950 anhand einer Abbildung wie folgt darstellen:
___________ 23) Schimansky/Bunte/Lwowski/Rümker/Winterfeld, § 124 Rn. 80. 24) Thomas. Bausparkassen-Fachbuch, S. 47 m. w. N.
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241
Guthaben Vorfinanzierungsdarlehen
Darlehen
Bausparsumme
Stand des Bausparkontos Soll Haben
M. Bausparen und Insolvenz
Sparphase Zuteilung Darlehensphase
III.
Insolvenz des Bausparers in der Ansparphase
951 Hinsichtlich der rechtlichen Folgen der Insolvenz des Bausparers ergeben sich in der Sparphase nur überschaubare Besonderheiten gegenüber einem herkömmlichen Sparprodukt. 952 In der Darlehensphase wird im Insolvenzfall des Bausparers danach zu unterscheiden sein, wie das Darlehen besichert wurde. 1.
Bausparguthaben in der Insolvenz
953 Bausparkassen führen das Bausparkonto als Kontokorrent-Konto, vgl. § 16 der Allgemeinen Bausparbedingungen. Sämtliche den Bausparer betreffenden Auszahlungen werden daher dem Bausparkonto belastet. Dies bedeutet aber nicht, dass Bausparguthaben ohne Weiters pfändbar wäre. Denn der Bausparvertrag sieht grundsätzlich kein jederzeitiges Verfügungsrecht des Bausparers über das Guthaben vor. Vielmehr wird Bausparguthaben nur ausgezahlt, nachdem der Vertrag zugeteilt wurde oder wenn der Vertrag durch eine Kündigung als solcher beendet wurde. 954 Selbstverständlich besteht die Möglichkeit, das Recht des Bausparers, den Bausparvertrag nach § 15 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen jederzeit zu kündigen, ebenfalls zu pfänden. Dies führt aber zu Besonderheiten bei der Mehrheit von Bausparern. 242
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III. Insolvenz des Bausparers in der Ansparphase
a)
Oder-Konto
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 1.3.200925) entschieden, dass bei ei- 955 nem Bausparvertrag, den Ehegatten gemeinsam abschließen, sofern keine anderslautende Vereinbarung getroffen wurde, davon auszugehen sei, dass das Kontokorrentkonto, welches die Bausparkasse für die Ehegatten führt, ein Oder-Konto sei. Jeder Ehegatte sei Gesamtgläubiger mit Einzelverfügungsbefugnis. Die BGH-Entscheidung ist insoweit missverständlich, als dass sie nicht losge- 956 löst vom ihr zugrunde liegenden Sachverhalt beurteilt werden kann. Der BGH hatte über einen Fall zu entscheiden, indem ein Ehegatten-Gemeinschaftsvertrag bereits zugeteilt war. Für derartige Fälle ist die BGH-Entscheidung eindeutig und unmissverständlich: aufgrund der Gesamtgläubigerstellung kann jeder Ehegatte die Leistung des gesamten Bausparguthabens an sich fordern, die Bausparkasse kann mit schuldbefreiender Wirkung an jeden Bausparer auszahlen. Die isolierte Betrachtung des Leitsatzes legt jedoch den Schluss nahe, dass je- 957 der Ehegatte jederzeit die Auszahlung des Bausparguthabens an sich verlangen kann. Dies trifft nicht zu: Die Auszahlung des Bausparguthabens setzt die Zuteilung des Bausparvertrages voraus (vgl. § 6 der Allgemeinen Bausparbedingungen). Die Auszahlung von nicht zugeteilten Bausparguthaben kann nur aufgrund einer den Bausparvertrag als solchen beendigenden Kündigung erfolgen (vgl. § 15 der Allgemeinen Bausparbedingungen). Eine einen Vertrag insgesamt beendigende Kündigung kann aber immer nur durch einheitliche Erklärung aller Vertragsinhaber erfolgen. Dies gilt unabhängig davon, ob das aufgrund des Vertrages geführte Konto ein Und-Konto oder ein Oder-Konto ist. b)
Konsequenzen für die Pfändung
Da Ehegatten gemäß BGH Gesamtgläubiger mit Einzelverfügungsbefugnis 958 sind, unterliegen ihre jeweiligen Mitberechtigungen dem unbeschränkten Vollstreckungszugriff ihrer jeweiligen Gläubiger. Allerdings kann aufgrund einer Pfändung des Gläubigers eines Ehegatten noch keine Auszahlung des Bausparguthabens erfolgen, weil der Bausparvertrag – wie beschrieben – keine Fälligkeitskündigung vorsieht. Vielmehr ist zur Auszahlung eine Beendigungskündigung erforderlich, die vom Pfändungsgläubiger und dem anderen Ehegatten gemeinsam erklärt werden muss. Notfalls muss der pfändende Gläubiger die Mitwirkung des anderen Ehegatten gerichtlich erzwingen.26)
___________ 25) BGH, Urt. v. 1.3.2009 – XI ZR 288/08. 26) Thomas, Bausparkassen-Fachbuch, S. 301.
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243
M. Bausparen und Insolvenz
c)
Auszahlung in Unkenntnis des Insolvenzverfahrens
959 Wenn eine Bausparkasse das Bausparguthaben in Unkenntnis der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an dem Bausparer und Insolvenzschuldner auszahlt, ist sie trotz der Möglichkeit, durch eine Einzelabfrage im Internet von dem Insolvenzverfahren Kenntnis zu nehmen, nicht gehindert, sich auf ihre Unkenntnis zu berufen. Auch eine beweismäßige Entlastung für sämtliche Mitarbeiter ist trotz der Möglichkeit der Internetabfrage nicht erforderlich.27) 2.
Staatliche Fördermittel in der Insolvenz
960 Die Pfändung des Bausparguthabens stellt in der Regel eine schädliche Verwendung dar, weil die Mittel nicht dem Förderzweck entsprechend verwendet werden. 961 Hinsichtlich der Wohnungsbau-Prämie tritt die prämienschädliche Verwendung allerdings erst ein, wenn das gepfändete Bausparguthaben an den Pfändungsgläubiger ausgezahlt wird. 962 Zwar ist der Anspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber auf vermögenswirksame Anlage von Teilen des Arbeitslohns unpfändbar. Diese Unpfändbarkeit setzt sich jedoch nicht an den angelegten vermögenswirksamen Leistungen fort. Die auf einem Bausparvertrag angelegten vermögenswirksamen Leistungen sind daher zusammen mit dem übrigen Bausparguthaben voll pfändbar.28) Dies gilt auch vor Ablauf der siebenjährigen Sperrfrist, dem Zulageberechtigten geht in diesem Fall die Arbeitnehmer-Sparzulage verloren. 963 Eine Ausnahme besteht hinsichtlich der Riester-Förderung: Gefördertes Altersvorsorge-Vermögen einschließlich seiner Erträge ist gem. § 97 EStG nicht übertragbar und damit unpfändbar, was auch für den Fall der Insolvenz gilt. Allerdings erstreckt sich der Pfändungsschutz nicht auf Kapital, das auf nicht geförderten Beiträgen beruht und auch nicht auf die hierauf entfallenden Erträge. 964 Das nach der Entnahme des Altersvorsorge-Vermögens in einer Immobile gebundene geförderte Vermögen ist dagegen voll pfändbar.29) IV.
Insolvenz in der Darlehensphase
965 Im Fall der Insolvenz des Bausparers in der Darlehensphase ist hinsichtlich der Art der Besicherung des Darlehens zu unterscheiden.
___________ 27) BGH IX ZR 62/09. 28) Thomas, Bausparkassen-Fachbuch, S. 206. 29) BMF-Schreiben v. 31.3.2010, Rn. 228.
244
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IV. Insolvenz in der Darlehensphase
1
Dinglich besicherte Darlehen
Bausparkassen haben als Realkreditinstitute ihre Kredite grundsätzlich durch 966 Grundpfandrechte zu besichern, vgl. § 7 Abs. 1 BSpKG. Diese dingliche Besicherung der als Darlehen ausgereichten Bausparmittel dient insbesondere dem Schutz derjenigen Bausparer, deren Bausparverträge noch nicht zugeteilt sind.30) Das Erfordernis der dinglichen Besicherung gilt dabei nicht nur für zugeteilte Bauspardarlehen, sondern insbesondere auch für die Vor- und Zwischenfinanzierung von Bausparverträgen, bei der der Bausparer ein endfälliges Zinszahlungsdarlehen erhält, das im Zeitpunkt der Zuteilung mit der Bausparsumme getilgt wird. Die Beleihungen dürfen ohne zusätzliche Sicherheiten 80 % des Beleihungswertes nicht übersteigen, vgl. § 7 Abs. 1 Satz 3 BSpKG. Als Pfandobjekte kommen Grundstücke, Erbbaurechte, Wohnungs- und Teil- 967 eigentum sowie Wohnungs- und Teilerbbaurechte in Betracht.31) Da die Bestellung von Grundpfandrechten kostenintensiv ist, sieht § 7 Abs. 3 968 BSpKG vor, dass von Ihrer Bestellung abgesehen werden kann, wenn ausreichende Ersatzsicherheiten gestellt werden. Als Ersatzsicherheiten kommen insbesondere Bankbürgschaften, Abtretungen von Guthaben bei Kreditinstituten, Abtretungen von Lebensversicherungen sowie die Verpfändung bestimmter Wertpapiere und Investment-Zertifikate in Betracht.32) Hinsichtlich dinglich besicherter Darlehen bestehen keine nennenswerten Be- 969 sonderheiten gegenüber der herkömmlichen Immobilienfinanzierung, auf die Ausführungen unter Rn. 363 ff. wird verwiesen. 2.
Grundschuld als gemeinsames Sicherungsmittel
Eine Besonderheit stellen Fälle dar, in denen eine Grundschuld von einer 970 Bausparkasse und einer Bank als gemeinsames Sicherungsmittel verwendet wird. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BSpKG steht der unmittelbaren Bestellung einer Grundschuld der Anspruch einer Bausparkasse gegen ein Kreditinstitut auf Abtretung oder Teilabtretung einer Grundschuld, die von dem Kreditinstitut treuhänderisch zugunsten der Bausparkasse verwaltet wird, gleich. Bei der Grundschuld als gemeinsames Sicherungsmittel „teilen“ sich also meh- 971 rere Darlehensgeber, i. d. R. die Finanzierer desselben Bauvorhabens, eine Grundschuld, statt für jeden ein eigenes Grundpfandrecht zu bestellen. An die Stelle einer Teilabtretung tritt eine dieser Teilabtretung entsprechende Treuhandabrede. Die Bausparkasse kann jederzeit von der Bank (Teil-)Abtretung der Grundschuld fordern. ___________ 30) Thomas, Bausparkassen-Fachbuch, S. 71. 31) Thomas a. a. O. 32) BaKred v. 9.1.1979 (III 18.13.1).
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245
M. Bausparen und Insolvenz
972 Die Grundschuld als gemeinsames Sicherungsmittel setzt eine dreiseitige Sicherungsvereinbarung voraus, in der der Sicherungsgeber gleichzeitig gegenüber Bausparkasse und Bank erklärt, für welche Forderungen die Grundschuld als Sicherheit dienen soll. ggf. Rahmenvertrag
Bank
Bausparkasse
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Dreiseitige Treuhandvereinbarung
Darlehensnehmer
973 Die dreiseitige Treuhandvereinbarung ist insolvenzfest, wenn sie einen Anspruch auf Abtretung eines konkret benannten Teils der Grundschuld begründet und die Sicherungsvereinbarung in insolvenzrechtlich unverdächtiger Zeit begründet wurde. § 91 Abs. 1 InsO steht dem (teilweisen) Übergang der Grundschuld nicht entgegen, weil der Wechsel der Rechtsinhaberschaft die Insolvenzmasse nicht beeinträchtigt.33) Die dreiseitige Treuhandvereinbarung ist somit selbst in dem Fall insolvenzfest, in dem die Abtretung der Grundschuld erst nach Insolvenzeröffnung erfolgt. 3.
Darlehen gegen Negativerklärung
974 Gem. § 7 Abs. 4 Nr. 1 BSpKG kann von einer Besicherung des Darlehens durch ein Grundpfandrecht und von der Bestellung einer Ersatzsicherheit abgesehen werden, wenn sich der Darlehensnehmer gegenüber der Bausparkasse verpflichtet, eine grundsätzlich mögliche Sicherung durch Grundpfandrechte ___________ 33) BGH, Urt. v. 21.2.2008 – IX ZR 255/06 mit Urteilsanmerkung Freckmann, BKR 2008, 258, 261.
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IV. Insolvenz in der Darlehensphase
nicht durch die Verpfändung des als Pfandobjekt in Betracht kommenden Gegenstands für eine andere Verbindlichkeit oder durch die Veräußerung des Gegenstands zu verhindern. Der Sinn und Zweck derartiger Negativerklärungen besteht darin, das schuld- 975 nerische Vermögen lastenfrei und werthaltig zu halten und es somit für einen potentiellen Zugriff durch den Gläubiger zu sichern, der im Gegenzug auf die Bestellung dinglicher Sicherheiten verzichtet.34) Für eine Besicherung durch eine Negativerklärung kommen nur Darlehen bis 976 30.000 € in Betracht, vgl. § 6 Abs. 1 BSpKVO, ferner ergibt sich aus der Formulierung „grundsätzlich mögliche Sicherheit“ in § 7 Abs. 4 Nr. 1 BSpKG, dass der Beleihungsauslauf von 80 % nicht überschritten werden darf. In der Praxis werden Negativerklärungen häufig mit Positiverklärungen, also 977 schuldrechtlichen Verpflichtungen zur Bestellung bestimmter dinglicher Sicherheiten, verknüpft. Aufgrund der Positiverklärung kann im Vollstreckungsfall eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung einer Grundschuld erwirkt werden. Gegebenenfalls ist dies sogar kurzfristig im Wege der einstweiligen Verfügung möglich.35) Die aufgrund der Positiverklärung erwirkte Vormerkung der Sicherung der 978 Grundschuldbestellung verschafft der Bausparkasse im Fall der Eintragung vor Eröffnung eines Insolvenzerfahrens gem. § 140 Abs. 2 Satz 2 InsO eine insolvenzfeste Rechtsposition,36) während die Negativerklärung nicht insolvenzfest ist.37) 4.
Blankodarlehen
Gem. § 7 Abs. 4 Nr. 2 BSpKG kann von einer Besicherung des Darlehens 979 durch ein Grundpfandrecht und von der Bestellung einer Ersatzsicherheit schließlich abgesehen werden, wenn eine Sicherung wegen der geringen Höhe des Darlehensbetrages nicht erforderlich scheint, sog. Blankodarlehen. Bei Darlehen bis 30.000 € (vgl. § 6 Abs. 1 BSpKVO) besteht somit auch die 980 Möglichkeit, Darlehen ausschließlich aufgrund der Bonität des Darlehensnehmers zu vergeben. In diesen Fällen werden regelmäßig formularmäßig einige Sicherheiten gestellt, in Betracht kommt neben einer Gehaltsabtretung die Abtretung der Ansprüche auf Auszahlung etwaiger Verkaufs- oder Versteigerungserlöse. Hinsichtlich dieser Sicherheiten ergeben sich keine nennenswerten Besonderheiten, so dass auf die Ausführungen unter Rn. 363 ff. verwiesen werden kann. ___________ 34) 35) 36) 37)
Schimansky/Bunte/Lwowski,Ganter, § 90 Rn. 189. Thomas, Bausparkassen-Fachbuch, S. 181. Schimansky/Bunte/Lwowski/Merkel/Tetzlaff, § 98 Rn. 102. MünchKomm-InsO/Ganter, § 47 Rn. 353.
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247
N. Kosten des Insolvenzverfahrens I.
Überblick
Zu den Kosten eines Insolvenzverfahrens zählen gem. § 54 InsO zum einen die 981 Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren und zum anderen die Vergütungen und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Ebenso zählen im Verfahren der Eigenverwaltung (§§ 270 – 285 InsO) die Vergütung und Auslagen des vorläufigen Sachwalter und des Sachwalters zu den Kosten des Insolvenzverfahrens. II.
Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren
1.
Gerichtsgebühren
Für die Gerichtskosten und die Auslagen des Gerichts ist das Gerichtskosten- 982 gesetz (GKG)1) einschlägig. Die Gebührentatbestände des Insolvenzverfahrens sind in den Nummern 2310 bis 2364 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zum GKG geregelt, wobei diese Kosten untergliedert werden in: x
Gebühren im Insolvenzeröffnungsverfahren,
x
Gebühren im eröffneten Insolvenzverfahren,
x
sonstige besondere Gebühren (z. B. für besonderen Prüfungstermin, Beschwerdeverfahren o. ä.).
Die Gebühren sind sog. Wertgebühren, d. h. die Höhe der Gebühren richtet 983 sich nach dem Wert des Gegenstandes. Gegenstandswert für die Gebühr der Entscheidung über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie für die Durchführung des Insolvenzverfahrens ist nach § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG der Wert der Insolvenzmasse im Zeitpunkt der Beendigung des Insolvenzverfahrens. Beantragt ein Gläubiger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, richtet sich die Gebühr für die Entscheidung über diesen Antrag nach der Höhe der Forderung dieses Gläubigers, sofern diese geringer ist als die Insolvenzmasse. Der Wert der Insolvenzmasse ergibt sich aus der Schlussrechnung des Insolvenzverwalters nach § 66 InsO. Gegenstände, die zur abgesonderten Befriedigung dienen, werden nur in Höhe des für diese nicht erforderlichen Betrags angesetzt (§ 58 Abs. 1 Satz 2 GKG). Der Betrag, der an den absonderungsberechtigten Gläubiger nach der Verwertung des jeweiligen Gegenstands aus der Masse gezahlt wird, zählt somit nicht zum Gegenstandswert für die Gerichtsgebühren. Für die Ermittlung des Gegenstandswerts bei Fortführung des Geschäftsbetriebs während des Insolvenzverfahrens enthält § 58 GKG keine dem § 1 Abs. 2 Ziff. 4 Buchst. b) InsVV entsprechende Regelung. Aus diesem ___________ 1) Gerichtskostengesetz v. 5.5.2004 (BGBl. I S. 718), zuletzt geändert durch Artikel 3 des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 23.7.2013 (BGBl. I S. 2586).
Prasser
249
N. Kosten des Insolvenzverfahrens
Grund haben in jüngster Zeit Gerichte vermehrt die Gebühren auf Basis der Insolvenzmasse berechnet, die sämtliche fortführungsbedingten Einnahmen ohne Abzug der fortführungsbedingten Ausgaben enthält.2) Dieser Auffassung ist jedoch nicht zu folgen.3) Vielmehr ist der Begriff der Insolvenzmasse in § 58 GKG als der „wirtschaftliche Wert“ der Insolvenzmasse zu verstehen. Bei einer Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren dürfen daher für die Berechnungsgrundlage der Gerichtskosten nicht alle Umsätze der Fortführung eingehen, ohne die hierfür erforderlichen Aufwendungen in Abzug zu bringen. 984 Gem. § 39 Abs. 2 GKG beträgt der Streit- bzw. Gegenstandswert höchstens 30 Mio €. Dies gilt auch für die Gebühren des Insolvenzverfahrens.4) 2.
Auslagen des Gerichts
985 Auch die Auslagenerstattung fällt in den Geltungsbereich des Gerichtskostengesetzes (§ 1 Nr. 1 Buchst. d) GKG). Die zu erstattenden Auslagen des Gerichts sind in Nr. 9000 ff. GKG des Kostenverzeichnisses aufgeführt. Hierzu zählen vor allem die Kosten einer Zustellung (Nr. 9002 GKG KV), die Kosten für die öffentliche Bekanntmachung (Nr. 9004 GKG KV) sowie die Vergütung eines Sachverständigen (Nr. 9005 GKG KV). Insbesondere letztere ist ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor im Insolvenzverfahren. Hierzu gehören neben der Entschädigung des nach § 5 InsO bestellten Gutachters im Insolvenzeröffnungsverfahren auch der Honoraranspruch des Sachverständigen, der im Auftrag des Gerichts die Schlussrechnung prüft. Diese Vergütung des Schlussrechnungsprüfers ist häufig so hoch, dass sie die Quote für Gläubiger erheblich schmälert oder sogar dazu führt, dass schließlich keine Masse für die Ausschüttung an die Gläubiger mehr verbleibt. Im schlechtesten Fall muss sogar allein wegen dieser Auslagen das Verfahren mangels Masse eingestellt werden. In diesem Fall wird sogar die Befriedigungsquote der Insolvenzverwaltervergütung gemindert, da die Auslagen gem. § 207 Abs. 3 InsO vorrangig vor der Vergütung und den Gerichtsgebühren zu bedienen sind. III.
Vergütung des Insolvenzverwalters
1.
Allgemeines
986 Die §§ 63 bis 65 InsO regeln die Vergütung und Auslagenerstattung des Insolvenzverwalters im eröffneten Insolvenzverfahren. Anspruchsgrundlage für die ___________ 2) Vgl. u. a. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.3.2012 – 3 W 286/11, BeckRS 2012, 08043; OLG München, Beschl. v. 8.8.2012 – 11 W 832/12, BeckRS 2012, 18497; LG Konstanz, Beschl. v. 5.4.2013 – 62 T 11/12 A, NZI 2013, 494. 3) So auch OLG Hamm, Beschl. v. 18.1.2013 – I-25 W 262/12, ZIP 2013, 470 (dazu Anm. Prasser, EWiR 2013, 277); Schoppmeyer, ZIP 2013, 811. 4) So auch Grub, ZInsO 2013, 313 ff.; Schoppmeyer, ZIP 2013, 811 ff.; a. A: Nicht/Schildt, NZI 2013, 64 ff.
250
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III. Vergütung des Insolvenzverwalters
Vergütung und angemessene Auslagenerstattung ist § 63 Abs. 1 InsO. Gemäß § 65 InsO ist das Bundesministerium der Justiz ermächtigt, die Vergütung und Erstattung der Auslagen durch Rechtsverordnung näher zu regeln. Aufgrund dieser Verordnungsermächtigung hat das Bundesministerium der Justiz am 19.8.1998 die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV) erlassen (BGBl I S. 2205) und zuletzt geändert durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013 (BGBl I S. 2389). Die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung regelt in den §§ 1 – 9 InsVV die Vergütung des Insolvenzverwalters als degressiv steigenden Bruchteil der Insolvenzmasse. Durch die Gewährung von Zuschlägen für Schwierigkeiten des konkreten Verfahrens oder von Abschlägen bei erheblichen Arbeitserleichterungen für den Insolvenzverwalter nach § 3 InsVV stellt die Vergütungsberechnung ein sog. offenes System dar. 2.
Berechnungsgrundlage
Berechnungsgrundlage der Vergütung des Insolvenzverwalters ist gem. § 1 987 Abs. 1 Satz 1 InsVV i. V. m. § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO die Insolvenzmasse zum Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens. Maßgebend ist die Schlussrechnung des Insolvenzverwalters nach § 66 InsO. Weitere Massezuflüsse nach Einreichung der Schlussrechnung bis zur Verfahrensbeendigung, z. B. weitere Zinsen, Steuererstattungen oder pfändbare Einnahmen des Schuldners zählen ebenfalls zur Berechnungsgrundlage. In § 1 Abs. 2 InsVV sind Besonderheiten in Bezug auf Absonderungsrechte, aufrechenbare Forderungen, Masseverbindlichkeiten sowie Massezu- und -vorschüsse geregelt. Bezüglich der mit Absonderungsrechten belasteten Vermögensgegenstände gilt 988 der Grundsatz des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 InsVV, wonach diese nur insoweit berücksichtigt werden, als aus ihnen der Masse ein Überschuss zusteht. Bei vollumfänglich mit Absonderungsrechten belasteten Vermögensgegenständen werden die diesbezüglichen Kostenbeiträge gem. § 171 InsO und die Umsatzsteuer in die Berechnungsgrundlage einbezogen. Wird der jeweilige Vermögensgegenstand durch den Insolvenzverwalter oder durch einen von ihm beauftragen externen Verwerter verwertet, kann der Verwertungserlös in voller Höhe in die Berechnungsgrundlage einbezogen werden. Der Mehrbetrag der Vergütung, der auf diese Gegenstände entfällt, darf jedoch 50 % der für diesen Gegenstand zur Masse geflossenen Feststellungskostenbeitrag nicht übersteigen. Dies gilt sowohl für die gesetzlichen Feststellungskostenbeiträge gem. § 171 Abs. 1 InsO, als auch für frei vereinbarte Feststellungskostenbeiträge, z. B. bei Immobilien. Wird für die Verwertung von Immobilien durch Insolvenzverwalter lediglich ein sog. Massekostenbeitrag ohne Aufteilung nach Feststellungsund Verwertungskosten vereinbart, können in Anlehnung an die gesetzliche Regelung des § 171 InsO bis zu 4 % des Verkaufserlöses auf Feststellungskos-
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251
N. Kosten des Insolvenzverfahrens
ten entfallen.5) Eine ausdrückliche Bezeichnung als solche ist nicht erforderlich.6) Die so errechnete Mehrvergütung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV ist Teil der Regelvergütung. Daher sind Zuschläge und Abschläge nach § 3 Abs. 1 und 2 InsVV sowie die Auslagenpauschale nach § 8 Abs. 3 InsVV auch unter Berücksichtigung dieser Mehrvergütung zu berechnen. 989 Masseverbindlichkeiten werden von der Insolvenzmasse als Berechnungsgrundlage gem. § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 InsVV grundsätzlich nicht abgezogen. Von diesem Grundsatz gelten zwei Ausnahmen (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 InsVV): x
Beträge nach RVG oder StbgebV, die der Verwalter als Rechtsanwalt oder Steuerberater für den Einsatz besonderer Sachkunde erhält,
x
fortführungsbedingte Ausgaben, soweit diese die fortführungsbedingten Einnahmen nicht überschreiten.
990 Im Hinblick auf die Geschäftsfortführung wird somit lediglich der erzielte Überschuss in die Berechnungsgrundlage einbezogen, der sich nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen ergibt. Bei der Ermittlung dieses Fortführungsüberschusses sind lediglich die Einnahmen und Ausgaben zu berücksichtigen, die während des eröffneten Insolvenzverfahrens erzielt wurden bzw. angefallen waren. Hiervon abzugrenzen sind die sonstigen, sog. abwicklungsbedingten Einnahmen und Ausgaben sowie die Einnahmen und Ausgaben, die die Geschäftsfortführung im vorläufigen Insolvenzverfahren betreffen. 991 Darüber hinaus zählen Kostenvorschüsse, die zur Durchführung des Insolvenzverfahrens von Dritten eingezahlt wurden, damit das Insolvenzverfahren eröffnet werden kann oder nicht vorzeitig mangels Masse bzw. nach Masseunzulänglichkeitsanzeige eingestellt werden muss, sowie Zuschüsse von Dritten zur Erfüllung eines Insolvenzplans nicht zur Berechnungsgrundlage der Vergütung Insolvenzverwalters. Jegliche anderweitigen Massekostenvor- und -zuschüsse werden hingegen bei der Berechnungsgrundlage erhöhend berücksichtigt. 3.
Regelvergütung
992 Aus der nach § 1 InsVV ermittelten Berechnungsgrundlage ergibt sich rechnerisch die Regelvergütung des § 2 InsVV. Ist die Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 InsVV höher als die sog. Staffelvergütung in § 2 Abs. 1 InsVV, ist die Mindestvergütung als Regelvergütung anzusetzen. Die Mindestvergütung beträgt grundsätzlich 1.000 €. Sie erhöht sich pauschal nach der Zahl der angemeldeten Gläubiger. Von 11 bis 30 Gläubigern soll sich die Vergütung für je ___________ 5) Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung, § 1 Rn. 69; KPB/Eickmann/ Prasser, § 1 InsVV Rn. 31. 6) Förster, ZInsO 2002, 575.
252
Prasser
III. Vergütung des Insolvenzverwalters
fünf Gläubiger um 150 € erhöhen, ab 31 Gläubigern um 100 € je fünf Gläubiger. Die so ermittelte Regelvergütung (Staffel- oder Mindestvergütung) vergütet 993 nach der Begründung des Verordnungsgebers ein sog. abstraktes Normalverfahren, das regelmäßig folgende Merkmale aufweist: x
Umsatz bis zu 1,5 Mio €,
x
Prüfung von Fremdrechten in einem Umfang von ca. 30 % der Schuldenmasse,
x
weniger als 20 Arbeitnehmer (§§ 17, 18 KSchG),
x
eine Betriebsstätte,
x
Forderungsanmeldungen von bis zu 100 Gläubigern,
x
Einzug von bis zu 200 Forderungen.
4.
Zu- und Abschlagsfaktoren
Die Regelvergütung ist entsprechend den Besonderheiten des konkreten Insol- 994 venzverfahrens und insbesondere dem Arbeitsaufwand des Insolvenzverwalters nach § 3 InsVV zu erhöhen zu kürzen. Durch § 3 InsVV werden die Besonderheiten des Einzelfalles vergütungsrechtlich berücksichtigt. § 3 InsVV nennt lediglich Regelbeispiele für Abweichungen vom Normalfall des § 2 InsVV. Da die Vergütung des Insolvenzverwalters eine typische Tätigkeitsvergütung 995 ist,7) bewirkt nicht die Verleihung einer bestimmten Rechtsstellung als solche eine bestimmte Vergütungshöhe, sondern erst eine dadurch ausgelöste zusätzliche Tätigkeit des Verwalters; deren Umfang und Schwierigkeit entscheiden. Ein Zu- oder Abschlag auf die Regelvergütung ist somit anzusetzen, wenn der Verwalter durch die konkrete Tätigkeit stärker oder schwächer als in entsprechenden Insolvenzverfahren allgemein üblich in Anspruch genommen wurde.8) Die Entscheidung darüber, in welcher Höhe ein Zu- oder Abschlag angefallen ist, ist nach quantitativen und qualitativen Tätigkeitsmerkmalen zu treffen. Die hierzu in der Literatur vorgeschlagenen „Faustregeltabellen“9) dienen dabei als grundsätzliche Orientierung, bedürfen aber stets der einzelfallbezogenen Interpretation. In Insolvenzverfahren, in denen Immobilien zur Insolvenzmasse gehören, 996 kommen regelmäßig folgende Zuschlagsfaktoren in Betracht: ___________ 7) Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung, Vor § 1 Rn. 49; MünchKomm-InsO/Stephan, § 63 Rn. 45. 8) BGH, Beschl. v. 11.6.2006 – IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204 Rn. 41 f.; BGH, Beschl. v. 12.1.2012 – IX ZB 97/11, BeckRS 2012, 03065. 9) Vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung, § 3 Rn. 78; KPB/Prasser/ Stoffler, § 3 InsVV Rn. 116.
Prasser
253
N. Kosten des Insolvenzverfahrens
x
die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten (§ 3 Abs. 1 Buchst. a) InsVV),10)
x
die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens (§ 3 Abs. 1 Buchst. b) 1. Halbs. InsVV),11)
x
die Immobilienverwaltung (§ 3 Abs. 1 Buchst. b) 2. Halbs. InsVV),12)
x
die sog. „kalte“ Zwangsverwaltung,13)
x
die freihändige Veräußerung von Immobilien durch den Insolvenzverwalter.14)
997 Darüber hinaus sind in größeren Insolvenzverfahren häufig folgende Zuschlagsfaktoren zu berücksichtigen: x
der Degressionsausgleich, d. h. bei einer Masse, die größer als 250.000 € ist und erheblicher Massemehrung durch den Insolvenzverwalter (§ 3 Abs. 1 Buchst. c) InsVV),15)
x
große Gläubigeranzahl (mehr als 100 angemeldete Forderungen),16)
x
großen Debitorenanzahl (mehr als 200 Einzelforderungen),
x
die Bearbeitung von Arbeitnehmerangelegenheiten (bei mehr als 20 beteiligten Arbeitnehmern; § 3 Abs. 1 Buchst. d) InsVV),17)
x
die Erstellung oder Prüfung eines Insolvenzplans (§ 3 Abs. 1 Buchst. e) InsVV),18)
x
die Bearbeitung von Beteiligungsverhältnissen (z. B. an Immobilien bzw. Immobiliengesellschaften),19)
x
die Übertragung des Geschäftsbetriebs (sog. „übertragende Sanierung“),20)
x
enge Zusammenarbeit mit dem Gläubigerausschuss.21)
998 Unterschreitet das Insolvenzverfahren die Kriterien eines sog. Normalverfahrens deutlich, ist die Regelvergütung des § 2 InsVV durch Abschläge gem. § 3 Abs. 2 InsVV zu mindern. ___________ 10) 11) 12) 13) 14) 15) 16) 17) 18) 19) 20) 21)
254
KPB/Prasser/Stoffler, § 3 InsVV Rn. 70 ff. KPB/Prasser/Stoffler, § 3 InsVV Rn. 79 ff. KPB/Prasser/Stoffler, § 3 InsVV Rn. 96 ff. KPB/Prasser/Stoffler, § 3 InsVV Rn. 97. KPB/Prasser/Stoffler, § 3 InsVV Rn. 94. KPB/Prasser/Stoffler, § 3 InsVV Rn. 91 f. KPB/Prasser/Stoffler, § 3 InsVV Rn. 93. KPB/Prasser/Stoffler, § 3 InsVV Rn. 69. KPB/Prasser/Stoffler, § 3 InsVV Rn. 99. KPB/Prasser/Stoffler, § 3 InsVV Rn. 77. KPB/Prasser/Stoffler, § 3 InsVV Rn. 81 ff. KPB/Prasser/Stoffler, § 3 InsVV Rn. 95.
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IV. Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters
Von Bedeutung sind vor allem folgende Abschlagstatbestände:
999
x
Tätigwerden eines vorläufigen Verwalters (§ 3 Abs. 2 Buchst. a) InsVV),
x
fortgeschrittene Masseverwertung bei Amtsübernahme durch den Insolvenzverwalter (§ 3 Abs. 2 Buchst. b) InsVV),
x
vorzeitige Verfahrensbeendigung oder Amtsbeendigung (§ 3 Abs. 2 Buchst. c) InsVV).
Bezüglich des Abschlagstatbestands gem. § 3 Abs. 2 Buchst. a) InsVV ist zu 1000 berücksichtigen, dass allein die Tatsache, dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter im Verfahren tätig war, noch nicht zu einem Abschlag führt. Vielmehr muss die Voraussetzung vorliegen, dass durch die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters die Tätigkeit des Insolvenzverwalters erheblich erleichtert wurde. Der Grad der Erleichterung und damit die prozentuale Höhe des Abschlages ist vom Gericht anhand des konkreten Einzelfalles dadurch zu bemessen, dass ermittelt wird, welche Tätigkeiten des endgültigen Verwalters erheblich vereinfacht wurden oder ganz entfallen sind.22) Für die Bemessung der Höhe eines eventuellen Abschlags sind diese dem Insolvenzverwalter ersparten Tätigkeiten in Relation zu setzen zur Gesamtheit der im eröffneten Verfahren angefallenen Aufgaben.23) Auch bezüglich des Abschlags nach § 3 Abs. 2 Buchst. c) InsVV ist zu ermitteln, welche Regelaufgaben dem Insolvenzverwalter durch die vorzeitige Verfahrensbeendigung oder Amtsbeendigung erspart geblieben sind. IV.
Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters
1.
Berechnungsgrundlage
Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters wird durch §§ 63 Abs. 3, 65 1001 InsO i. V. m. § 11 InsVV geregelt. Die Vorschriften wurden zuletzt geändert durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013.24) Bis zur Änderung dieser Vorschriften vom 15.7.2013 wurde die Vergütung des 1002 vorläufigen Insolvenzverwalters lediglich in § 11 InsVV geregelt. Ende 2012 kam der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis, dass die Regelungen des § 11 Abs. 1 Satz 4 InsVV hinsichtlich der Kriterien zur Einbeziehung von Gegenständen, die im eröffneten Verfahren der Aus- oder Absonderung unterlägen, in die Berechnungsgrundlage des vorläufigen Verwalters einzubeziehen, von der Ermächtigungsgrundlage des §§ 63, 65 InsO in dieser Ausgestaltung nicht ___________ 22) BGH, Beschl. v. 11.5.2006 – IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204 Rn. 25. 23) KPB/Prasser/Stoffler, § 3 InsVV Rn. 127. 24) BGBl I S. 2379; Die Änderungen der Vorschriften zur Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters sind am 19.7.2013 in Kraft getreten.
Prasser
255
N. Kosten des Insolvenzverfahrens
gedeckt und deshalb unwirksam seien.25) Daraufhin hat der Gesetz- und Verordnungsgeber die vorgenannten Paragrafen umgehend geändert. Wenngleich eine ausdrückliche Rückwirkung dieser geänderten Vorschriften nicht deklariert wurde, sind für die Ermittlung der Vergütung des vorläufigen Verwalters die §§ 63 Abs. 3, 65 InsO i. V. m. § 11 InsVV in der Fassung vom 15.7.2013 auf alle noch nicht rechtskräftig abgerechneten Vergütungen anzuwenden, da die Gesetzes- und Verordnungsänderung nach dem Willen des Gesetzgebers keine Neuregelung sondern lediglich eine Klarstellung sein soll, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom November 2012 nicht der gesetzlichen Konzeption und der auf ihr beruhenden Verordnungsregelungen entsprach.26) 1003 Gem. § 63 Abs. 3 Satz 2 InsVV n. F. und § 11 Abs. 1 Satz 1 InsVV n. F. wird als Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters das Vermögen, auf das sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens erstreckt hat, herangezogen. Gem. § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV n. F. werden Vermögensgegenstände, an denen bei Verfahrenseröffnung Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, in die Berechnungsgrundlage einbezogen, sofern sich der vorläufige Insolvenzverwalter in erheblichem Umfang mit ihnen befasst. Sie bleiben jedoch gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 InsVV n. F. unberücksichtigt, sofern der Schuldner die Gegenstände lediglich aufgrund eines Besitzüberlassungsvertrags in Besitz hat. 1004 Als erhebliche Befassung mit drittrechtsbelasteten Immobilien werden in der Rechtsprechung und Literatur u. a. folgende Tätigkeiten anerkannt, die somit eine Einbeziehung des Immobilienwerts in die Berechnungsgrundlage rechtfertigen: x
Verwaltung (u. a. Vermietung oder Bewirtschaftung) von Immobilien, sofern dies einen größeren Teil der Arbeitskraft des vorläufigen Verwalters bindet,27)
x
Einleitung von Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich der Immobilie,28)
x
Wiederherstellung des Versicherungsschutzes für die Immobilie,29)
x
Verhandlung mit der die Zwangsversteigerung betreibenden Grundpfandgläubigerin über die Aussetzung der Zwangsvollstreckung oder Erwirkung
___________ 25) BGH, Beschl. v. 15.11.2012 – IX ZB 88/09, ZIP 2012, 2515; BGH, Beschl. v. 15.11.2012 – IX ZB 130/10, ZIP 2013, 30; bestätigt in BGH, Beschl. v. 7.2.2013 – IX ZB 286/11 ZIP 2013, 468. 26) BT-Drucks. 17/13535, S. 43 f., so auch Graeber, NZI 2013, 836 ff.; Amery/Kästner, ZIP 2013, 2041. 27) BGH, Beschl. v. 13.7.2006, ZIP 2006, 1403; BGH, Beschl. v. 28.9.2006, ZIP 2006, 2134. 28) LG Cottbus, Beschl. v. 2.9.2009, ZInsO 2009, 2114, 2117; Haarmeyer, ZInsO 2007, 73, 75; Lorenz/Klanke, § 19 InsVV Rn. 16. 29) LG Wuppertal, Beschl. v. 18.11.2005, ZInsO 2006, 205.
256
Prasser
IV. Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters
einer einstweiligen Einstellung nach § 30d Abs. 4 ZVG30) bzw., sofern noch keine Zwangsvollstreckung eingeleitet worden ist, die Verhandlungen mit der Grundpfandgläubigerin zur Verhinderung der Einleitung dieser Maßnahmen,31) x
Nutzung der Immobilie im Rahmen der Geschäftsfortführung,32)
x
Verhandlungen zum Abschluss einer Verwertungsvereinbarung,33)
x
Maßnahmen im Umweltbereich, Optionsflächen, Nutzungsüberlassungsverträgen, umstrittene Jagdpachtverhältnisse, die Bereitstellung von Ausgleichsflächen, die Sicherung eines Sonderlandeplatzes, laufende Umschreibungsverfahren oder die fristgerechte Ausübung von Ankaufsoptionen.34)
Vom Schuldner angemietete oder gepachtete Immobilien gehören gem. § 11 1005 Abs. 1 Satz 3 InsVV n. F. nicht zur Berechnungsgrundlage. Die Tätigkeiten des vorläufigen Insolvenzverwalters in Bezug auf diese Vermögensgegenstände können jedoch einen Zuschlag zur Regelvergütung auslösen. 2.
Regelvergütung
Gem. § 63 Abs. 3 Satz 2 InsVV beträgt der Ausgangssatz für den vorläufigen 1006 Insolvenzverwalter 25 % der Vergütung des (fiktiven) Insolvenzverwalters im eröffneten Verfahren. Die Mindestvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters richtet sich nach 1007 §§ 10, 2 Abs. 2 InsVV. Die Höhe der Mindestvergütung ermittelt sich demnach nach der Anzahl der Gläubiger, für die im eröffneten Verfahren eine Forderungsanmeldung zur Tabelle zu erwarten ist. Der vorläufige Verwalter muss sich mit der einzelnen Forderung nicht in einem bestimmten Maß befasst haben.35) 3.
Zu- und Abschlagsfaktoren
Über § 10 InsVV ist § 3 InsVV auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter 1008 anwendbar. Somit sind grundsätzlich alle Zu- und Abschlagstatbestände, die beim Insolvenzverwalter zur Anwendung kommen können, auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter möglich.36) Eine Ausnahme bildet der Zuschlagstatbestand für die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten. Sofern ___________ 30) 31) 32) 33) 34) 35)
BGH, Beschl. v. 13.7.2006, ZIP 2006, 1403; BGH, Beschl. v. 28.9.2006, ZIP 2006, 2134. KPB/Prasser/Stoffler, § 11 InsVV Rn. 44. KPB/Prasser/Stoffler, § 11 InsVV Rn. 47; Graeber, InsbürO 2007, 82, 84. KPB/Prasser/Stoffler, § 11 InsVV Rn. 45. LG Cottbus, Beschl. v. 2.9.2009, ZInsO 2009, 2114, 2117. BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 104/05, ZIP 2006, 1403; BGH, Beschl. v. 4.2.2010 – IX ZB 129/08, ZIP 2010, 486. 36) Vgl. Rn. 994 ff.
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257
N. Kosten des Insolvenzverfahrens
diese mit Drittrechten belasteten Vermögensgegenstände bereits in die Berechnungsgrundlage aufgrund der erheblichen Befassung des vorläufigen Insolvenzverwalters einbezogen wurden, kommt für diesbezügliche Tätigkeiten ein Zuschlag nicht mehr in Betracht, da ansonsten die Tätigkeit doppelt vergütet werden würde. 1009 Die Zuschläge auf die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters sind nicht auf 25 % der für den Insolvenzverwalter angemessenen Zuschläge zu kürzen.37) Die Zu- oder Abschläge sind vielmehr so zu berechnen, dass sie unmittelbar den 25 %-igen Ausgangsvergütungssatz erhöhen oder verringern. V.
Vergütung des Sachwalters
1010 Die Vergütung des Sachwalters, der den Schuldner bei der Eigenverwaltung überwacht und unterstützt, richtet sich nach § 12 InsVV. Als Regelvergütung erhält der Sachwalter 60 % der für den Insolvenzverwalter bestimmten Vergütung. Die Regelung des § 3 InsVV der Zu- und Abschläge gilt über § 10 InsVV auch für den Sachwalter. VI.
Auslagen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters und des Sachwalters
1011 Nach § 4 InsVV sind die allgemeinen Geschäftskosten und insbesondere Schreibgebühren und Gehälter von Angestellten, die im Rahmen ihrer laufenden Arbeiten auch bei der Insolvenzabwicklung beschäftigt werden, durch die Vergütung des Insolvenzverwalters mit abgegolten. Erstattungsfähig sind deshalb lediglich die Ausgaben für Porto, Telefon, Papier und Reisekosten wenn sie vom Verwalter spezifiziert nachgewiesen werden. Anstelle der tatsächlichen Kosten kann der Verwalter einen Pauschsatz gem. § 8 Abs. 3 InsVV beantragen. Die Pauschale fällt jährlich an und beträgt im ersten Jahr 15 %, in jedem Folgejahr 10 % der Regelvergütung. Die Pauschale darf jedoch 250 € je angefangenem Monat der Verwaltertätigkeit nicht überschreiten. 1012 Die Kosten einer Haftpflichtversicherung sind gem. § 4 Abs. 3 Satz 1 InsVV mit der Verwaltervergütung abgegolten. Damit ist jedoch nur die allgemein für Freiberufler obligatorische Haftpflichtversicherung gemeint. Ist im Einzelfall in Großverfahren das Haftungsrisiko für den Verwalter so erheblich, dass die normale Deckungssumme nicht ausreicht, dann kann eine entsprechende Haftpflichtversicherung auf Kosten der Insolvenzmasse abgeschlossen werden (§ 4 Abs. 3 Satz 2 InsVV). 1013 Für den vorläufigen Insolvenzverwalter und den Sachwalter gelten diese Vorschriften über § 10 InsVV entsprechend mit folgenden Einschränkungen: Die ___________ 37) BGH, Beschl. v. 18.12.2003 – IX ZB 50703, ZIP 2004, 518; BGH, Beschl. v. 4.11.2004 – IX ZB 52/04, ZIP 2004, 2448; BGH, Beschl. v. 12.1.2006 – IX ZB 127/04, ZIP 2006, 672; BGH, Beschl. v. 1.3.2007 – IX ZB 277/05, ZInsO 2010, 1855.
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VII. Vergütung und Auslagen der Gläubigerausschussmitglieder
Auslagenpauschale des vorläufigen Verwalters berechnet sich dabei aus der 25 %-igen Regelvergütung.38) Die Pauschale für den Sachwalter berechnet sich aus der 60 %-igen Regelvergütung und beträgt gem. § 12 Abs. 3 InsVV maximal 125 € je angefangenen Monat. VII. Vergütung und Auslagen der Gläubigerausschussmitglieder Gem. § 73 Abs. 1 InsO haben die Mitglieder eines Gläubigerausschusses An- 1014 spruch auf eine angemessene Vergütung. Als Grundsatz regelt § 17 InsVV ein Vergütungssystem, das den Zeitaufwand durch eine Stundenvergütung abgilt. Der Stundensatzrahmen beträgt gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 InsVV 35 bis 95 €. Abweichungen sind nach § 17 Abs. 1 Satz 2 InsVV erlaubt. Dabei sind Art und Umfang der Tätigkeit zu berücksichtigen, insbesondere im Hinblick auf die rechtliche und tatsächliche Schwierigkeit des Falles, die Intensität der Mitwirkung des einzelnen Mitglieds sowie dessen Qualifikation und besondere Sachkunde. Erstes Kriterium für eine angemessene Bestimmung des Stundensatzes ist die besondere berufliche Qualifikation eines Mitgliedes (Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer). Bei der Bestimmung des Stundensatzes sind auch die besonderen Erschwernisse des Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen. Dabei kann auf die Grundsätze zu § 3 Abs. 1 InsVV verwiesen werden. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen kann der Stundenrahmen bis 95 € überschritten werden.39) Streitig ist, ob auch eine Vergütungsgewährung als Prozentsatz der Vergütung 1015 Treuhänders/des Insolvenzverwalters für zulässig gehalten werden kann.40) Der Bundesgerichtshof hat zumindest bestätigt, dass abweichend von einer Stundensatzvergütung eine Pauschalvergütung, die sich an der Höhe der Vergütung des Verwalters orientiert, festgesetzt werden kann, sofern der nachgewiesene Zeitaufwand in einem klaren Missverhältnis zur objektiven Bedeutung des Verfahrens steht.41) Gem. § 18 Abs. 1 InsVV sind die Auslagen der Gläubigerausschussmitglieder 1016 erstattungsfähig, sofern sie einzeln nachgewiesen werden.
___________ 38) BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 104/05, ZIP 2006, 1403; BGH, Beschl. v. 6.4.2006 – IX ZB 109/05, ZIP 2006, 2228. 39) AG Detmold, Beschl. v. 6.3.2008 – 10 IN 214/07, NZI 2008, 505 (300 €). 40) Ablehnend u. a. LG Aurich, Beschl. v. 6.3.2013 – 4 T 204/10, ZIP 2013, 1342; vgl. dazu Zimmer, ZIP 2013, 1309; befürwortend: AG Chemnitz, Beschl. v. 13.10.1998 – N 1555/96, ZIP 1999, 669; AG Ansbach, Beschl. v. 12.12.1989 – N 36/88, ZIP 1990, 249; KPB/Lüke, § 73 Rn. 9; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung, § 17 Rn. 23. 41) BGH, Beschl. v. 8.10.2009 – IX ZB 11/08, ZIP 2009, 2453 f.
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N. Kosten des Insolvenzverfahrens
VIII. Umsatzsteuer 1017 Die für den (vorläufigen) Verwalter und den Sachwalter festgesetzte Vergütung und Auslagen sind umsatzsteuerpflichtig. Gem § 7 InsVV ist der jeweils gültige Umsatzsteuersatz zusätzlich zur Vergütung und zur Erstattung der Auslagen festzusetzen. 1018 Für die Vergütung der Gläubigerausschussmitglieder gilt dies entsprechend, sofern das jeweilige Ausschussmitglied umsatzsteuerpflichtig ist (§ 18 Abs. 2 InsVV). IX.
Verfahren zur Festsetzung der Vergütung
1019 Das Insolvenzgericht setzt auf Antrag des (vorläufigen) Insolvenzverwalters oder des Sachwalters die jeweilige Vergütung und Auslagen sowie die anfallende Umsatzsteuer getrennt fest (§ 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 InsVV, § 64 Abs. 1 InsO). Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen und dem (vorläufigen) Verwalter, dem Sachwalter, dem Schuldner und den Gläubigerausschussmitgliedern zuzustellen (§ 64 Abs. 2 InsO). Die festgesetzten Beträge sind nicht zu veröffentlichen. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass der vollständige Beschluss auf der Geschäftsstelle einsehbar ist. Gegen den Beschluss stehen gem. § 64 Abs. 3 InsVV dem (vorläufigen) Verwalter, dem Sachwalter und jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu. Gläubigerausschussmitglieder haben dagegen keine Beschwerdebefugnis, sofern sie nicht gleichzeitig Insolvenzgläubiger sind.
260
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Stichwortverzeichnis Abgesonderte Befriedigung 447 ff., 461, 545 ff. Ausfallforderung 412 Aussonderungsrecht 548
Freihändiger Verkauf – der Immobilie 23, 241, 604, 718, 721 ff. Freistellungserklärung 797 ff.
Bargeschäft
Gerichtsgebühren
12, 415,
483 Bausparvertrag 914 ff. – Arbeitnehmer-Sparzulage 932 – Pfändung 953 Beleihungsgrenze 154, 263 Beleihungswert 265 Betriebsfortführung – bei Zwangsverwaltung 596 Betriebskosten 252
Capital Expenditure, kurz: CAPEX 46 Center of Main Interest (COMI) 97 Commercial Mortgage Backed Securities (CMBS) 5, 35 Covenants – Sittenwidrigkeit 393
Dienstbarkeit 572 Doppelnützige Treuhand 637 ff. Drittsicherungsgeber 164, 395, 534, 665 ff. Eigenverwaltung
625 ff., 837 – freihändige Verwertung 837 ff. Einspeisevergütung – Abtretung 379 Eiskalte Zwangsverwaltung 645 ff.
First Mover Advantage 72 Forderungsverkauf 165 ff. Forderungsverzicht 65 ff. Freigabe – der Immobilie durch den Insolvenzverwalter 11, 609
– im Insolvenzverfahren 982 f. Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens 32 Gläubigerausschuss 1014 Gläubigerbenachteiligung – Insolvenzanfechtung 458 ff., 831 Grundbuch – Eintragung Insolvenzvermerk 8, 148 Grundschuld 363 – Abtretung 165 f. Gutglaubensschutz 119
Haftung – des Insolvenzverwalters 810 Hypothek 367
Immobilienkaufvertrag – in der Insolvenz 100 ff., 241 ff. – Mehrheit von Käufern/Verkäufern 139, 140 Insolvenzanfechtung 456 ff. – Mehrpersonenverhältnis 477, 478 Insolvenzantrag Insolvenzgründe 41 ff. Insolvenzmasse 10 ff. Insolvenzplanverfahren 397 ff. Insolvenzquote 549 Institutsverwaltung 610 ff.
Kalte Eigenverwaltung
629 ff. Kalte Institutsverwaltung 617 ff. 261
Stichwortverzeichnis
Kalte Zwangsverwaltung 599 ff. – Pflichten des Verwalters 603 – Vereinbarung 602 Kaufvertrag – Immobilie 100 ff. Kleinunternehmerregelung 861 Konsortialfinanzierung 307 ff. Konzerninsolvenzverfahren 74 Kündigung – von Mietverträgen 194 ff. Kündigung von Immobilienfinanzierungen 326 ff. Kündigungssperre 24, 185 ff.
Lästigkeitsprämie
744 ff. Leasing 176 Loan Market Association (LMA Standart) 306 Loan to Value (LTV) 37, 56
Marktwert
835 Massekostenbeitrag 789 ff. Masseunzulänglichkeit 251 Mezzanine Finanzierung 295 ff. Miete 169 ff., 557 Mietsicherheit 253 ff. Mietzinsansprüche – Abtretung von 368
Notverkauf 821 ff. Negativerklärung 975 Pacht
172 ff., 557 Positiver Fortführungsprognose 51 Positiverklärung 977 Prepackaged Plan 402 Privatautonome Zwangsverwaltung 654 ff.
Rangrücktritt 68 ff. Raumsicherungsvertrag 217 Realkredit 262
262
Sanierungsgewinn
66 Sanierungskredit 527 Schutzschirmverfahren 112, 401 Sicherungseigentum 217 Special Purpose Vehicle (SPV) 35, 301 Steuerbarer oder nicht steuerbarer Umsatz 864 Steuerschuldner 884 Stillhaltevereinbarung 61 ff.
Treuhänder
28, 303
Überschuldung
48 ff. Übersicherung 383 ff. Umsatzsteuer 849 ff. Unterdeckungnahme – einer Forderung 508 f.
Verbraucher
271 ff., 348 Verbraucherinsolvenzverfahren 28 Verfügungsbeschränkung 33, 113 Vergütung – des Insolvenzverwalters 986 – des vorläufigen Insolvenzverwalters 1001 ff. Vergütung der Gläubigerausschussmitglieder 1014 Vergütung des Insolvenzverwalters 986 – Zu- und Abschlagsfaktoren 994 ff. Vergütung des Sachwalters 1010 Verkauf – der Immobilie in der kalten Zwangsverwaltung 604 Vermieterpfandrecht 208 ff., 578 Verpfändung von Fondsanteilen 373 Verwertungsvereinbarung – über den Verkauf der Immoblie durch den Insolvenzverwalter 767 ff.
Stichwortverzeichnis
Verwirkung – der Kündigung 359 Vollmacht – des Notars 146 Vorausverfügungen 234 Vorbehaltskauf 216 Vorläufiger Gläubigerausschuss 737 Vorläufiges Insolvenzverfahren 110, 130 Vormerkung 143 ff. Vorsteuerabzug 891 ff.
Werthaltigmachen – und Insolvenzanfechtung 505 Widerruf – von verbundenen Geschäften 388 ff.
Wohn-Riester-Förderung 936 ff. Wohnungsbauprämie 926
Zahlungsunfähigkeit 43 Zubehör 553 f., 714 ff. Zustimmungsvorbehalt 118 Zwangsversteigerung – Antragsberechtigung 678 ff. – einstweilige Einstellung 698 ff., 727 – Verkehrswert 693 – Vollstreckungsschutz 699 – Zuschlag 707 ff. – Zuständigkeit 683, 684 Zwangsverwaltung 588 ff., 912 – Schwachpunkte 584 – steuerliche Grundsätze 912
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