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German Pages 290 Year 2017
Immanuel Kant: Die Einheit des Bewusstseins
Kantstudien–Ergänzungshefte
Im Auftrag der Kant-Gesellschaft herausgegeben von Manfred Baum, Bernd Dörflinger und Heiner F. Klemme
Band 197
Immanuel Kant: Die Einheit des Bewusstseins Herausgegeben von Giuseppe Motta und Udo Thiel
ISBN 978-3-11-055766-4 e-ISBN (PDF) 978-3-11-056079-4 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-055972-9 ISSN 0340-6059 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Michael Peschke, Berlin Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Inhalt Einleitung
1
Dietmar H. Heidemann Diskursivität und Einheit des Bewusstseins bei Kant Corey W. Dyck The Principles of Apperception
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Giuseppe Motta „Was objektive Einheit des Selbstbewußtseins sei“ § 18 als systembildendes Element der B-Deduktion Rudolf Mösenbacher Apperzeption und Urteil Analysen zum § 19 der Transzendentalen Analytik
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Henny Blomme Die Rolle der Anschauungsformen in der B-Deduktion
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Dennis Schulting Gap? What Gap? On the Unity of Apperception and the Necessary Application of the Categories 89 Thomas Höwing Kant über Wissen, Allgemeingültigkeit und Wahrheit
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Camilla Serck-Hanssen Fighting Achilles 130 Toni T. Kannisto Why There Can Be no Future Achilles The Inherent Fallacy in the Paralogisms
148
Falk Wunderlich Kant on Consciousness of Objects and Consciousness of the Self
164
VI
Inhalt
Udo Thiel Die Einheit des Bewusstseins und die „Gefahr des Materialismus“
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Thomas Sturm Reines und empirisches Selbstbewusstsein in Kants Anthropologie: Das „Ich“ und die rationale Charakterentwicklung 195 Bernd Dörflinger Kants Idee eines intuitiven Verstandes im Kontext seiner Theorie der Organismen 221 Violetta L. Waibel Das reine Selbst, die Kausalität des Begriffs und die Zeit
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Heiner F. Klemme „Eigentliches Selbst“ (I. Kant) oder „ursprüngliches Selbstsein“ (D. Henrich)? Über einige Merkmale von Kants Begriff des Selbstbewusstseins 258 Autorinnen und Autoren Namenregister Sachregister
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277
Einleitung Mit diesem Band erscheint erst zum zweiten Mal eine Sammlung von Aufsätzen von verschiedenen Autoren in der Reihe der Kantstudien-Ergänzungshefte. Für die Herausgeber ist es eine besondere Freude, dass die Akten der Tagung Immanuel Kant: Die Einheit des Bewusstseins in diesem Forum publiziert werden können. Diese Tagung, die am 19. und 20. September 2014 in Graz stattfand, war nach Auffassung der Herausgeber in mehrfacher Hinsicht von großer Bedeutung. Zum einen wurde durch diese Veranstaltung der Kant-Forschung an der KarlFranzens-Universität Graz, die in dieser Hinsicht keine einschlägige Tradition hat, ein nachhaltiger Impuls gegeben. Zum anderen konnte mit dieser Tagung eine Tradition innerhalb der Kant-Forschung wieder aufgegriffen werden. Denn mit ihr wurde die Reihe internationaler Veranstaltungen über die B-Deduktion und über die Begriffe Apperzeption / Selbstbewusstsein fortgesetzt, die nach den viel beachteten Konferenzen der 1980er Jahre (beispielweise in Marburg 1981, Memphis 1986, Bad Homburg 1986, Stanford 1987) für mehr als zwei Jahrzehnte fast ganz zum Erliegen gekommen war. Wichtiger als bestimmte „Trends“ in der Kant-Forschung war und ist jedoch für die Herausgeber vor allem die Tatsache, dass der Begriff der Einheit des Bewusstseins von fundamentaler Bedeutung für das Verständnis des kritischen Systems im Ganzen ist und dass dieser Begriff auch weiterhin in verschiedensten Hinsichten detaillierte Untersuchungen und Würdigungen verlangt. Schon zu Kants Zeiten stieß seine Konzeption der Einheit des Bewusstseins auf großes Interesse. Einige der wichtigsten unmittelbaren Nachfolger Kants stellten gerade diesen Begriff ins Zentrum ihrer Interpretationen, um ein neues System der Philosophie zu entwickeln. Die metaphysisch neu definierte Ursache-Funktion der ursprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption führte diese Denker zu einer radikalen Neubestimmung der Kantischen Auffassung von der Natur des Denkens und des Anschauens und dadurch schließlich zu einer neuen, nicht mehr Kantischen, von Kant aber inspirierten Theorie der Objektivität. Diese Tendenz, auf Grund der Interpretation des Konzepts von der Einheit des Bewusstseins das gesamte Kantische System der Philosophie neu zu gestalten, hat nicht nur die Anfänge, sondern auch die gesamte Geschichte der Auseinandersetzungen mit diesem Begriff geprägt. In der Tat wirkt sie sich noch heute auf viele der neueren und neuesten Interpretationen aus den unterschiedlichen Perspektiven aus. Auf die einzelnen Denker und philosophischen Schulen, die diese Geschichte der Interpretation von Kants „Einheit des Bewusstseins“ über die Jahrhunderte charakterisiert haben, können wir in dieser kurzen Einleitung nicht eingehen. Erwähnt werden müssten dann ebenso die sehr zahlreichen Versuche, konkrete DOI 10.1515/9783110560794-001
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Einleitung
und spezifische Aspekte von Kants Konzeption der Einheit des Bewusstseins aus einer eher streng historischen, begrifflichen, systematischen oder text-analytischen Perspektive zu erklären. Eine ganz allgemeine Frage lässt sich jedoch in diesem Zusammenhang wenigstens kurz behandeln: Woher kommen die vielen Schwierigkeiten, die die Kant-Forschung mit Bezug auf dieses Thema so sehr beschäftigt haben und sehr wahrscheinlich auch weiter beschäftigen werden? Betrachtet man den Übergang von der ersten zur zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft, dann ist man unter anderem mit einem Bedeutungszuwachs und einer gewissen Verselbständigung der Lehre von der Einheit des Bewusstseins konfrontiert. In der sogenannten A-Deduktion (1781) gehören die Aussagen über Funktion und Notwendigkeit einer höchsten synthetischen Einheit noch zu einer allgemeinen Bestimmung von Form und Materie der Erfahrung, somit zu einer Untersuchung selbst des Unterschieds von formal bestimmten und nicht formal bestimmten Vorstellungen. Das Muster Form / Materie prägt sowohl die Bestimmung des Unterschieds von Anschauung und Denken im ersten Abschnitt der Deduktion als auch die Beschreibung der dreifachen Synthesis (der Apprehension in der Anschauung, der Reproduktion in der Einbildung und der Rekognition im Begriffe) im zweiten Abschnitt, wie schließlich die Definitionen der Begriffe der „Natur“ und der „Affinität“ im Übergang zum dritten Abschnitt. Die B-Deduktion (1787) unterscheidet sich von der A-Deduktion unter anderem dadurch, dass sie die allgemeine Prägung des transzendentalen Diskurses durch das erwähnte Muster Form / Materie aufgibt und die Lehre der synthetischen Einheit des Bewusstseins von Anfang an ins Zentrum des Argumentes stellt. Diese (eigentlich nur scheinbare) Selbständigkeit und Autonomie des Themas der Einheit des Bewusstseins im Zentrum des Systems der Kritik der reinen Vernunft stellt wenigstens einen Ursprung für die zahlreichen Fragen und Probleme dar, die jede Auseinandersetzung mit diesem fundamentalen Begriff der Kantischen Philosophie begleiten. Diese Fragen betreffen beispielsweise die Bestimmung des Selbstbewusstseins als höchste qualitative Einheit (in § 15 der B-Deduktion), den Inhalt und die Charakteristika dieses mehr oder weniger reflexiven Bewusstseins, den sinnlichen versus logischen bzw. analytischen versus synthetischen Charakter dieser Einheit (§ 16), die von ihr ermöglichte Definition eines Prinzips des Verstandesgebrauchs (§ 17), die transzendentale Definition des Urteils (§ 19) und ihr Verhältnis zu den Kategorien als Funktionen des Denkens in ihrer Anwendung auf die Materie der sinnlichen Anschauung (im zweiten Teil der B-Deduktion). Diese Liste von Fragen ließe sich leicht verlängern und komplexer gestalten. Zu erwähnen wäre dabei zunächst die Verschiebung der Bedeutungen von Formulie-
Einleitung
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rungen wie „Einheit des Bewusstseins“, „Selbstbewusstsein“, „synthetische Einheit der Apperzeption“, „objektive Einheit des Selbstbewusstseins“, usw. Wichtig wäre es auch, die sehr komplexe Entwicklungsgeschichte dieser Lehre (seit den 60er / 70er Jahren bis in die späten 80er und darüber hinaus) in Betracht zu ziehen. Von zentraler Bedeutung ist schließlich die Funktion des Begriffs der Einheit des Bewusstseins in anderen Teilen der Kritik der reinen Vernunft – vor allem in den „Paralogismen der reinen Vernunft“ – und in anderen Werken und Schriften des Kantischen Systems – vor allem in den Schriften zur Anthropologie, zur praktischen Philosophie und in den verschiedenen Teilen der Kritik der Urteilskraft. Darüber hinaus wurden in den letzten Jahren verstärkt die historischen Quellen der Kantischen Konzeption der Einheit des Bewusstseins erforscht, um sie auf diese Weise im Rahmen des Kontextes der Philosophie des 18. Jahrhunderts zu erklären und kritisch zu würdigen. Die fünfzehn Beiträge dieses Sammelbandes, von denen zehn auf Deutsch und fünf auf Englisch verfasst wurden, sollen zur Diskussion und Beantwortung einiger der hier angedeuteten Fragen beitragen. Sie lassen sich zunächst ganz kurz wie folgt zusammenfassen. Einheit und Identität sind die Themen des Aufsatzes von Dietmar H. Heidemann. Corey W. Dyck untersucht unterschiedliche Formen von Prinzipien der notwendigen Einheit der Apperzeption. Ausgehend von § 18 setzt sich Giuseppe Motta mit der Frage der Architektonik des ersten Teils der B-Deduktion auseinander. Rudolf Mösenbacher untersucht das komplexe Verhältnis zwischen Apperzeption und Urteil. Funktion und Bedeutung der Formen der Anschauung (Raum und Zeit) im zweiten Teil der B-Deduktion sind das Thema der Rekonstruktion von Henny Blomme. Dennis Schulting greift die zentrale Frage nach der Anwendung der Kategorien auf die Gegenstände der Erfahrung auf. Thomas Höwing verteidigt die These, man könne anhand des Konzepts des Wissens einen spezifischen Blick auf die Einheit des Bewusstseins eröffnen. Camilla Serck-Hanssen und Toni T. Kannisto setzen sich in ihren beiden Beiträgen mit der logischen Form des zweiten Paralogismus der reinen Vernunft auseinander. Falk Wunderlich argumentiert, dass Kants Konzeption sich als komplexe Modifikation der auf Christian Wolff zurückgehenden Theorielinie begreifen lässt. Interpretationen, gemäß welchen Kant „ontologisch“ auf die Immaterialität der Seele festgelegt ist, sind Gegenstand der Untersuchung von Udo Thiel. Thomas Sturm erforscht die Begriffe der empirischen und der reinen Apperzeption im Kontext der Kantischen Schriften, Reflexionen und Vorlesungen zur Anthropologie. Bernd Dörflinger untersucht das Konzept eines intuitiven Verstandes in Bezug auf die Kantische Theorie der Biologie. Reines Ich und transzendentale Theorie der Freiheit sind die Themen des Beitrags von Violetta L. Waibel. Heiner F. Klemme schließlich
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Einleitung
setzt sich kritisch mit Dieter Henrichs Konzeption des Kantischen Begriffes des Selbstbewusstseins auseinander. Eine ausführlichere Darstellung und Zusammenfassung dieser Texte erfolgt unmittelbar im Anschluss, im zweiten Teil der Einleitung („Die Beiträge“). Die Herausgeber begrüßen die Veröffentlichung dieser Aufsatzsammlung in den Kantstudien-Ergänzungsheften nicht nur wegen der eingangs erwähnten Aspekte, sondern vor allem auch wegen der hohen Qualität der Beiträge, von denen sie hoffen, dass sie die Diskussionen zum Thema „Einheit des Bewusstseins bei Kant“ positiv beeinflussen und beleben werden.
Die Beiträge Im ersten Aufsatz des Bandes argumentiert Dietmar H. Heidemann (Luxemburg) unter dem Titel „Diskursivität und Einheit des Bewusstseins bei Kant“, dass Einheit und Identität für Kant korrelative kognitive Eigenschaften sind, die dem (Selbst-)Bewusstsein in zwei genuin unterschiedlichen Zusammenhängen zukommen. Wie die transzendentale Deduktion der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft ausführt, sind Einheit und Identität des (Selbst-)Bewusstseins zum einen notwendige Bedingungen a priori der Möglichkeit objektiver Erkenntnis. Zum anderen lassen sich Einheit und Identität aber auch dem (Selbst-) Bewusstsein qua Person zuschreiben. Während Kant den ersten Fall für transzendental legitimierbar hält, bestreitet er jedoch die Möglichkeit, aus der Einheit und Identität des (Selbst-)Bewusstseins auf die Persönlichkeit des Inhabers dieses (Selbst-)Bewusstseins zu schließen. Anhand der Differenzierung zwischen diskursiver und personaler Identität lässt sich nach Heidemann zeigen, warum Kant mit guten Gründen argumentieren kann, dass Einheit und Identität zwar transzendentale Erkenntnisbedingungen sind, sich ein Bewusstsein auf Grund seiner Einheit und Identität aber nicht als Person erkennen kann. In dem anschließenden Text „The Principles of Apperception“ von Corey W. Dyck (Western Ontario) unterscheidet und erörtert dieser ausgehend vom § 16 des ersten Abschnittes der Transzendentalen Deduktion drei Prinzipien bzw. Aspekte der Apperzeption. Für das erste Prinzip gelte: „(F)or any manifold of my representations, it must be possible to become conscious of it insofar as it is to figure in a cognition.“ Beim zweiten Prinzip der Einheit der Apperzeption müsse es für das mir gegebene Mannigfaltige der Vorstellungen möglich sein, „to think the identity of the subject with respect to it“. Ausgehend von dieser Bestimmung kommt im dritten Prinzip hinzu, dass die Identität des Subjekts mit Bezug auf die Mannigfaltigkeit nur gedacht werden könne, „by bringing it into a synthetic unity
Die Beiträge
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through combination.“ Nach Dyck sind die ersten zwei Prinzipien analytisch, da sie aus dem Begriff eines diskursiven Intellekts entwickelt werden können; aber das letzte Prinzip ist synthetisch, da es auf der Tatsache beruht, dass uns Zeit als Form des inneren Sinns zukommt. Die Zentralisierung und Verselbständigung der Lehre des Selbstbewusstseins in der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft stellt uns nach Giuseppe Motta (Graz) vor die Frage nach Form, Struktur und Architektur des Kantischen Diskurses über dieses besondere Vermögen. Kant beschreibt hier nach Motta das konstitutive, aber sehr komplexe Oxymoron einer nicht quantitativen, sondern qualitativen Einheit (im § 15), einer Intuition der Apperzeption ohne Erfahrung derselben (im § 16), einer Einheit der Synthesis (im Übergang zum § 17) und schließlich einer zugleich transzendental-psychologischen und transzendentallogischen Definition des Urteils (im § 19). Ausgehend vom kurzen (aber zentralen) § 18 entwickelt Motta eine systematische Reflexion über unterschiedliche Formen der Struktur der Argumentation Kants im ersten Teil der B-Deduktion. Rudolf Mösenbacher (Graz) konstatiert in seinem Beitrag „Apperzeption und Urteil. Analysen zum § 19 der Transzendentalen Analytik“ in der Kategoriendeduktion der Kritik der reinen Vernunft eine gegenstands- und eine handlungstheoretische Bestimmung der Einheit des Bewusstseins. Dabei wird gezeigt, dass die handlungstheoretische Auffassung, wie sie sich vor allem in der Definition des Urteils von § 19 findet, methodisch der gegenstandstheoretischen überlegen ist. Gleichzeitig führt die erkenntnistheoretische Beschränkung auf das Urteil allerdings dazu, dass die Kategoriendeduktion die Unterscheidung von subjektiver und objektiver Einheit bzw. Urteil und Assoziation immer schon voraussetzt. In „Die Rolle der Anschauungsformen in der B-Deduktion“ geht Henny Blomme (Leuven) von der Überzeugung aus, dass die besondere Natur von Raum und Zeit, die in der transzendentalen Ästhetik erörtert wurde, eine fundamentale Prämisse der Deduktion sei, ohne welche diese gar nicht vollführt werden könne. Er setzt sich daher sowohl mit der Rolle von Raum und Zeit als auch mit der Funktion der Selbstaffektion im Kontext der B-Deduktion auseinander. Dabei vertritt Blomme im Rahmen einer textimmanenten Analyse der zweiten Hälfte der B-Deduktion die These, dass neben dem Raum auch die Zeit schon als reine Form eine Mannigfaltigkeit besitze. Die Untersuchung der Selbstaffektion weist, so Blomme, einen systematischen Zusammenhang von Raum und Zeit auf, indem der Verstand auch den äußeren Sinn affiziere. Dennis Schultings Beitrag „Gap? What Gap? On the Unity of Apperception and the Necessary Application of the Categories” hat die anglophone Kant-Interpretation zum Gegenstand, wie sie sich etwa bei James Van Cleve, Anil Gomes und Andrew Stephenson findet. Dieser Interpretation zufolge beweist Kants
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Einleitung
Argument der Transzendentalen Deduktion für die notwendige Anwendung der Kategorien auf die Objekte unserer Erfahrung nicht, dass die Kategorien ipso facto auch tatsächlich von Objekten instanziiert wären. Schulting zeigt auf, dass diese Interpretationsversuche u.a. auf einem falsch verstandenen Prinzip der Einheit der Apperzeption beruhen. Er versucht systematisch nachzuweisen, dass Kant nicht nur für die Notwendigkeit der Kategorien als Bedingungen der Erfahrung argumentiere, sondern diese gerade in Bezug auf, und konstitutiv für, ihre Gegenstände der Erfahrung deduziere. In den Prolegomena unternimmt Kant den Versuch, seinen Lesern erneut den Grundgedanken der transzendentalen Deduktion nahe zu bringen. In seinem Beitrag „Kant über Wissen, Allgemeingültigkeit und Wahrheit“ beschäftigt sich Thomas Höwing (Frankfurt am Main) mit einer These, die Kant in diesem Zusammenhang vorbringt. Kant zufolge sind „objective Gültigkeit und nothwendige Allgemeingültigkeit (für jedermann) Wechselbegriffe“ (Prol 4:298). Höwing zufolge lässt sich diese These vor dem Hintergrund von Kants Begriff des Wissens als eines vernünftigen Fürwahrhaltens verstehen. So argumentiert Höwing dafür, dass Wissen nach Kant einen ,allgemein verpflichtenden Grund‘ erfordert, also einen Grund, welcher ein entsprechendes Fürwahrhalten für jedes vernünftige Subjekt rational notwendig machen würde. Darüber hinaus zeigt Höwing, dass Kants Wechselbegriff-These den Zusammenhang betrifft, welcher zwischen einem allgemein verpflichtenden Grund und der Wahrheit des Urteils besteht. Nach Kant ist ein Grund genau dann ein allgemein verpflichtender, wenn er dem urteilenden Subjekt einen infalliblen Zugang zur Wahrheit des entsprechenden Urteils verschafft. In „Fighting Achilles“ betont Camilla Serck-Hanssen (Oslo) Kants Unterscheidung von zwei Formen der Negation: erstens das unendliche Urteil und zweitens das negative Urteil. Während ersteres über eine existentielle Bedeutung verfügt, trifft dies auf das negative nicht zu. Diese Unterscheidung liefert SerckHanssen ein wertvolles Mittel zur Auflösung des Achilles-Argumentes im zweiten Paralogismus der reinen Vernunft, das es ihr ermöglicht zu begründen, warum für Kant eine existentielle Charakterisierung zurückzuweisen ist und das Ich des ‚Ich denke‘ nicht eine einfache Substanz, sondern ein logisches Subjekt ist. Der Beitrag von Toni T. Kannisto (Oslo) “Why there can be no Future Achilles. The Inherent Fallacy in the Paralogisms“ schließt direkt an den von Camilla SerckHanssen an. Methodisch geht Kannisto so vor, dass er zuerst den Paralogismus formalisiert und damit wieder auf die logische Diskrepanz im zweiten Paralogismus der reinen Vernunft verweist. Wenn die rationale Psychologie erfolgreich sein wolle, müsse sie die mögliche Existenz der Seele demonstrieren. Auf Grund der nachgewiesenen inhärenten Formfehler bleibe eine Neubearbeitung des AchillesArgumentes allerdings ohne Erfolg, so die Schlussfolgerung Kannistos.
Die Beiträge
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Falk Wunderlich (Halle) beschäftigt sich in seinem Beitrag „Kant on Consciousness of Objects and Consciousness of the Self“ mit Kants Begriff der Apperzeption und der Beziehung zwischen Selbstbewusstsein und Objektbewusstsein. Er zeigt, dass sich Kants Bewusstseinstheorie als komplexe Modifikation der auf Christian Wolff zurückgehenden Theorielinie verstehen lässt, die eine Abhängigkeit des Selbstbewusstseins vom Bewusstsein von Objekten behauptet. Dabei unterscheidet er zwischen Wolffs begrifflicher Erklärung des Bewusstseins einerseits – die Kant teilt – und seiner psychologischen Erklärung andererseits, die Kant sich nicht zu eigen macht. Er zeigt weiterhin, dass die von Kant als „rein“ und „ursprünglich“ bezeichneten Formen der Apperzeption mit Wolffs begrifflicher Erklärung vereinbar sind. In „Die Einheit des Bewusstseins und die ,Gefahr des Materialismus‘“ thematisiert Udo Thiel (Graz) die Frage, ob man von einer „ontologischen Festlegung“ Kants auf eine immaterialistische Seelenlehre sprechen kann. Eine solche Festlegung werde in der Kant-Rezeption immer wieder behauptet. Diese Interpretation sei allerdings sehr problematisch, und die behauptete Festlegung sei mit Kants transzendentalem und metaphysik-kritischem Projekt nicht vereinbar. Aus Kants Zurückweisung des Materialismus folge keineswegs eine Verpflichtung auf den Immaterialismus. Weder die oft in Anschlag gebrachte Unterscheidung zwischen Immaterialität und Spiritualität, noch das Konzept der transzendentalen Apperzeption, noch schließlich Kants Vernunftkonzeption könne dazu dienen, Kant eine Festlegung auf eine immaterielle Seelennatur zuzuschreiben. Thiel setzt sich sowohl mit älteren Interpretationen (Heinz Heimsoeth) als auch mit neueren Deutungsversuchen (Karl Ameriks, Eric Watkins u.a.) auseinander. Thomas Sturm (Barcelona) gliedert seinen Beitrag „Reines und empirisches Selbstbewusstsein in Kants Anthropologie: Das ,Ich‘ und die rationale Charakterentwicklung“ in zwei Hauptteile. Im ersten Teil argumentiert er dafür, dass die bei Kant entgegengesetzten Begriffe des empirischen und des transzendentalen Selbstbewusstseins keineswegs auf die disziplinäre Aufteilung von empirische Anthropologie bzw. Psychologie versus transzendentale Logik bzw. Philosophie projiziert werden sollten. Ganz im Gegenteil: Das reine Selbstbewusstsein spiele im Rahmen der (bei Kant pragmatischen) Anthropologie eine fundamentale Rolle. Darüber hinaus kann man nach Sturm den Begriff eines „empirischen Selbstbewusstseins“ keineswegs auf die Erfassung mentaler Vorstellungen im inneren Sinne reduzieren, wie dies üblicherweise in der Sekundärliteratur gehandhabt wird. Man könne ihn eher als „das reichhaltige, vor allem praktische Selbstkonzept“ auffassen, „das sich aus zunehmend komplexen sozialen Interaktionen bildet, die durch unsere Vernunft erst ermöglicht werden“. Im zweiten Teil des Aufsatzes thematisiert Sturm dementsprechend Form und Inhalte der Kantischen
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Einleitung
Annahme der einfachen Vorstellung des Ich (und der damit implizierten Einheit des Bewusstseins) im breiten und vielfaltigen Kontext seiner pragmatischen Anthropologie. Es wird diesbezüglich gezeigt, welche Rolle das Selbstbewusstsein für die Möglichkeit von rationalen Entscheidungen, auch im Hinblick auf die personale Entwicklung des Individuums und im Rahmen seiner zunehmend komplexen sozialen Relationen spielt. Bernd Dörflinger (Trier) untersucht in seinem Aufsatz „Kants Idee eines intuitiven Verstandes im Kontext seiner Theorie der Organismen“ drei Haupt aspekte: Im ersten Teil behandelt er die Frage, was es bedeute, einen Organismus als Naturzweck zu denken. Der zweite Teil betont die erkenntniskritischen Restriktionen, denen diese Anwendung unterliegt, und der dritte Teil akzentuiert schließlich Kants Voraussetzung eines intuitiven Verstandes in § 77 der Kritik der Urteilskraft. Damit belichtet Dörflinger einen Problembereich, der zwar vielbeachtet und prominent diskutiert wird, spezifiziert allerdings dabei den intuitiven Verstand im Hinblick auf seine grundlegende Rolle im Kontext der Kantischen Theorie der Biologie. In „Das reine Selbst, die Kausalität des Begriffs und die Zeit“ geht Violetta L. Waibel (Wien) von der Auflösung der Antinomie der Freiheit aus, um das Verhältnis von transzendentalem und empirischem Selbst, wie Kant es in den Transzendentalen Deduktionen von 1781 und 1787 thematisiert, einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Die berühmte Antinomie der Freiheit tangiert bei Kant das Verhältnis von rationalem und empirischem Selbst und seiner Freiheit. Ihr Ergebnis ist auch für die praktische Philosophie Kants von zentralem Interesse. Kant zeigt sich überzeugt, dass das reine Ich mittels seiner Begriffe, die an sich unzeitlich sind, und dank seiner Freiheit Kausalität auf das empirisch handelnde Ich in der Zeit auszuüben vermag. Eine Ursache außer der Zeit ermöglicht eine Wirkung in der Zeit. Mit der Auflösung der Antinomie der Freiheit behauptet Kant also die Kompatibilität der in der Empirie geltenden Kausalität mit der Kausalität der Freiheit. In enger Korrelation dazu thematisiert Waibel die Zeitlichkeit der Sinnlichkeit sowie die Nicht-Zeitlichkeit des Verstandes und kommt dabei mit Blick auf die Philosophie J. G. Fichtes zu dem Ergebnis, dass sich diese Dualität in Form eines Schwebens in jedem (kategorialen) Begriff finde. Kants Argumente in der Transzendentalen Deduktion würden daher ein kritisches Konzept gegen Naturalisierungsversuche jeglicher Art bieten. In dem Beitrag „,Eigentliches Selbst‘ (I. Kant) oder ,ursprüngliches Selbstsein‘ (D. Henrich)? Über einige Merkmale von Kants Begriff des Selbstbewusstseins“ wendet sich Heiner F. Klemme (Halle) den von Dieter Henrich zur Konzeption der Selbstbewusstseinstheorien bei Kant, Fichte und Reinhold seit der 1960er Jahren vorgelegten Interpretationen aus der Perspektive der philosophischen
Verzeichnis der Siglen
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Erwartungen zu, die nach Henrich an eine Theorie des Selbstbewusstseins in philosophischer Hinsicht zu stellen sind. Henrichs Auseinandersetzung mit den genannten Philosophen liegt, so Klemme, ein subjektphilosophisch gewendeter Gedanke von Heidegger zugrunde: Selbstbewusstsein muss von einem Ursprung her verstanden werden, der im Rückbezug auf sich selbst immer schon vorausgesetzt wird. Doch Henrichs „ursprüngliches Selbstsein“ führt nach Klemme an der Theorie Kants vorbei: Erstens vertritt Kant kein Reflexionsmodell des Selbstbewusstseins, und zweitens möchte Kant mit seiner Rede vom „eigentlichen Selbst“ keinen Beitrag zur Hermeneutik eines menschlichen Lebens leisten.
Anmerkungen zur Zitierweise Kants Werke werden zitiert nach der Akademieausgabe (Kant, Immanuel, Gesammelte Schriften, hrsg. von der Preußischen Akademie der Wissenschaften / von der Deutschen / Göttinger Akademie der Wissenschaften, Berlin-Leipzig: G. Reimer, 1900ff. / Berlin: De Gruyter, 1967f.) mit Angabe der Werkes (siehe unten das Verzeichnis der Siglen), des Bandes, der Seiten und (falls nötig) der Zeilen. Zum Beispiel: (Prol 4:270.10–13). Die Kritik der reinen Vernunft wird nach der Originalpaginierung der ersten und zweiten Auflage zitiert (respektive: A = Riga: Hartknoch, 1781 und B = Riga: Hartknoch, 1787). Zum Beispiel: (KrV A77 / B102).
Verzeichnis der Siglen Anth Anth-Busolt Anth-Collins Anth-Friedländer Anth-Menschenkunde Anth-Mrong Anth-Parow Anth-Philippi Anth-Pillau Briefe Entdeckung
Fakultäten Fortschritte GMS
Anthropologie in pragmatischer Hinsicht Anthropologie Busolt Anthropologie Collins Anthropologie Friedländer Anthropologie Menschenkunde Anthropologie Mrongovius Anthropologie Parow Anthropologie Philippi Anthropologie Pillau Kants Briefe Über eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll („Eberhard-Streitschrift“) Der Streit der Fakultäten Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik seit Leibnizens und Wolffs Zeiten in Deutschland gemacht hat? Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
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Einleitung
KpV KrV KU Log-Blomberg Log-Busolt Log-DW Log-Pölitz Log-Wien Logik MAN Met-L1 Met-Schön MS MS-Vigilantius Prol Refl Spitzfindigkeit
Kritik der praktischen Vernunft Kritik der reinen Vernunft Kritik der Urteilskraft Logik Blomberg Logik Busolt Logik Dohna Wundlacken Logik Pölitz Wiener Logik Jäsche-Logik Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaften Metaphysik L1 (Pölitz) Metaphysik von Schön Metaphysik der Sitten Metaphysik der Sitten Vigilantius Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können Reflexionen Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren
Dank Wie eingangs erwähnt gehen die Beiträge dieses Bandes auf eine Tagung zurück, die am 19. und 20. September 2014 am Arbeitsbereich Geschichte der Philosophie des Instituts für Philosophie der Karl-Franzens-Universität Graz stattgefunden hat. Wir danken dem österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), der großzügig das Forschungsprojekt gefördert hat, in dessen Rahmen diese Tagung zu lokalisieren ist. Für die institutionelle Unterstützung bei der Planung und Durchführung der Tagung bedanken wir uns bei Prof. Bernd Dörflinger (Erster Vorsitzender der Kant-Gesellschaft) und Prof. Lukas Meyer (Dekan der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz). Für die wertvollen praktischen und administrativen Hilfen vor, während und nach der Tagung sei Frau Ingeborg Röllig sowie den Mitarbeitern Hannes Fraissler, Rudolf Mösenbacher und Timo Teberikler-Kostmann herzlich gedankt. Für die Begutachtung der Beiträge und die Aufnahme des Bandes in die KantStudien Ergänzungshefte danken wir Prof. Manfred Baum (Wuppertal). Bei der Fritz Thyssen Stiftung und dem Land Steiermark bedanken wir uns für die großzügige finanzielle Unterstützung der Tagung, bei ersterer auch für die finanzielle Förderung der Drucklegung dieses Bandes. Giuseppe Motta und Udo Thiel Graz, im August 2017
Dietmar H. Heidemann
Diskursivität und Einheit des Bewusstseins bei Kant Einleitung Für jede philosophische Theorie des Bewusstseins ist der Begriff der Einheit unentbehrlich. Denn ohne den Begriff der Einheit dürfte nur schwer zu erfassen sein, was Bewusstsein grundsätzlich auszeichnet, worin seine Funktion besteht und wie kognitive Leistungen des Bewusstseins zustande kommen. Dieser Befund zählt zu den Grundeinsichten auch der Kantischen Theorie des Bewusstseins und Selbstbewusstseins. Dabei ist Kant wahrscheinlich der erste Philosoph, der jenseits des Lehrkanons klassischer Ontologien eine detailliert ausgearbeitete Theorie des Bewusstseins und seiner rein kognitiven Fähigkeiten vorlegt. Diese Theorie zeichnet sich entschieden durch den Anspruch aus, keine ontologischen Annahmen hinsichtlich des Bewusstseins und seines Inhabers zu machen, so dass mit dem Ausdruck ‚Einheit des Bewusstseins‘ insbesondere nicht die mentale Einheit einer existierenden Geistsubstanz gemeint ist, sondern anderes bezeichnet sein muss.1 Dass ‚Einheit‘ ein Schlüsselbegriff philosophischer Theoriebildung über Bewusstsein ist, stellt für Kant durchaus keine Selbstverständlichkeit oder begriffliche Plattitüde dar. ‚Einheit‘ als Eigenschaft menschlichen Bewusstseins ist nach Kant ein kontingentes kognitives Merkmal des Bewusstseins, da wir uns leicht eine Welt vorstellen können, in der Bewusstsein nicht durch ‚Einheit‘ geprägt ist, zumindest nicht durch diejenige ‚Einheit‘ wie sie unserem Bewusstsein in unserer Welt offensichtlich zukommt. Dies zeigt nicht zuletzt die Idee des intuitiven Verstandes, wie sie Kant in § 77 der Kritik der Urteilskraft rein hypothetisch und negativ-kontrastierend zum menschlichen Verstand konzipiert. Gegenüber dem intuitiven Verstand ist menschliches Bewusstsein und damit der menschliche diskursive Verstand ein bloß zufälliges Vermögen. Obwohl der intuitive Verstand ein nicht-diskursives kognitives Vermögen darstellt, kommt auch er nicht ohne den Begriff der Einheit aus, eine intuitive mentale Einheit jedoch, die
1 Im Folgenden werden die Begriffe ‚Bewusstsein‘ und ‚Selbstbewusstsein‘ synonym verwendet. Dort, wo es auf Bedeutungsunterschiede ankommt, wird dies kenntlich gemacht. Eine Definition dieser Begriffe soll an dieser Stelle jedoch nicht gegeben werden. Die spezifisch Kantische Verwendung der Begriffe ‚Bewusstsein‘ und ‚Selbstbewusstsein‘ wird im weiteren aber deutlich werden. DOI 10.1515/9783110560794-002
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Dietmar H. Heidemann
mit der diskursiven Einheit menschlichen Bewusstseins nur den Namen gemein hat. Schließlich besteht die Einheit der Erkenntnis des intuitiven Verstandes in einem nicht-inferentiellen, unmittelbaren Bewussthaben von Objekten, während ein diskursives Vermögen kognitive Einheit mit Hilfe begrifflicher Inferenzen herstellen muss: Unser Verstand ist ein Vermögen der Begriffe, d.i. ein discursiver Verstand, für den es freilich zufällig sein muß, welcherlei und wie sehr verschieden das Besondere sein mag, das ihm in der Natur gegeben werden und das unter seine Begriffe gebracht werden kann. [...] so kann man sich auch einen intuitiven Verstand (negativ, nämlich bloß als nicht discursiven) denken, welcher nicht vom Allgemeinen zum Besonderen und so zum Einzelnen (durch Begriffe) geht, und für welchen jene Zufälligkeit der Zusammenstimmung der Natur in ihren Producten nach besondern Gesetzen zum Verstande nicht angetroffen wird, welche dem unsrigen es so schwer macht, das Mannigfaltige derselben zur Einheit des Erkentnisses zu bringen; ein Geschäft, das der unseige nur durch Übereinstimmung der Naturmerkmale zu unserm Vermögen der Begriffe, welche sehr zufällig ist, zu Stande bringen kann, dessen ein anschauender Verstand aber nicht bedarf (KU 5:406).2
Auch wenn Kant in der Kritik der reinen Vernunft von der „Einheit des Selbstbewusstseins“ als der „ursprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption“ spricht, die sich auf kein grundlegenderes Prinzip zurückführen lasse (KrV B131f.) und sich als originäre Eigenschaft menschlichen Bewusstseins weiterer theoretischer Explikation zu entziehen scheint, ist es immer noch eine sinnvolle Frage, was Einheit zu einer ursprünglichen Eigenschaft menschlichen Bewusstseins macht. Die Unhintergehbarkeit der Einheit des Bewusstseins wird damit nicht bestritten, nicht zuletzt weil nach Kant alle Erkenntnis auf dieser ursprünglichen Einheit beruht, von der wir nicht sagen können, woher sie stammt. Gleichwohl, und dafür wird im Folgenden argumentiert, lässt sich zeigen, warum ‚Einheit‘ eine kognitive Eigenschaft menschlichen Bewusstseins sein muss, auch wenn das Faktum der Einheit des Bewusstseins als solches für den Menschen ein kontingentes ist. Zeigen lässt sich dies anhand des zweiten Schlüsselbegriffs der Kantischen Theorie des Bewusstseins, des Begriffs der Identität. Wie wir sehen werden, ist 2 Vgl. KU 5:406: „Es kommt hier also auf das Verhalten unseres Verstandes zur Urtheilskraft an, daß wir nämlich darin eine gewisse Zufälligkeit der Beschaffenheit des unsrigen aufsuchen, um diese Eigenthümlichkeit unseres Verstandes zum Unterschiede von anderen möglichen anzumerken. Diese Zufälligkeit findet sich ganz natürlich in dem Besondern, welches die Urtheilskraft unter das Allgemeine der Verstandesbegriffe bringen soll“. Mit Ausnahme der Kritik der reinen Vernunft werden Kants Werke nach der Akademieausgabe zitiert (vgl. Einleitung zum Sammelband). Die Kritik der reinen Vernunft wird zitiert nach der Ausgabe von Jens Timmermann (Hrsg.), Hamburg 1998.
Diskursivität und Einheit des Bewusstseins bei Kant
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der Begriff der Identität des Bewusstseins ebenso wie der Begriff der Einheit nach Kant rein logisch und nicht ontologisch, etwa im Sinne zeitlicher Beharrlichkeit perdurierender Objekte, zu verstehen. Logische Identität, so wie sie von Kant in der transzendentalen Deduktion der Kritik der reinen Vernunft eingeführt wird, ist diskursive Identität wie sie dem Begriff als repraesentatio discursiva zugrundliegt. Auf ihr beruhen die Handlungen des Verstandes qua Apperzeption, der gemäß diskursiven Regeln, das heißt Funktionen, logische Ordnung unter mannigfaltigen Vorstellungen herstellt. Die kognitive Tatsache der Mannigfaltigkeit der Vorstellungen erklärt dabei, aus welchen Gründen menschlichem Bewusstsein neben Einheit ursprünglich auch logisch-diskursive Identität zukommen muss. Denn die für das Bewusstsein mannigfaltigen Vorstellungen müssen synthetisiert werden, um als Begriffe in Urteilen zur objektiven Einheit der Apperzeption gebracht und damit Erkenntnis werden zu können. Im ersten Abschnitt der folgenden Darlegungen soll dieser abstrakte Sachverhalt anhand des Zusammenhanges von Kantischer Begriffslehre und Theorie des transzendentalen Selbstbewusstseins transparent gemacht werden. Die Einheit des Bewusstseins, so wird die Rekonstruktion dieses Zusammenhanges ergeben, gründet in der Theorie des diskursiven Begriffs. Die dabei herausgearbeitete Konzeption der diskursiven Identität wird dann im zweiten Abschnitt anhand des dritten Paralogismus der ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft mit dem Begriff der personalen Identität kontrastiert, um zu zeigen, warum der auch hier bestehende konstitutive Zusammenhang zwischen kognitiver Einheit und Identität des Bewusstseins zu keiner spezifischen Erkenntnis hinsichtlich des Bewusstseins führt. Während die transzendentale Deduktion die Theorie nichtzeitlicher, logischer Einheit und diskursiver Identität der transzendentalen Apperzeption entfaltet, thematisiert der dritte Paralogismus das mentale Phänomen kontingenter, temporaler Einheit und damit personaler Identität. Über die prinzipiellen Bedeutungsunterschiede dieser beiden Konzeptionen von Einheit und Identität im Bereich des Mentalen ist Klarheit zu schaffen. Der Schlussteil widmet sich einigen naheliegenden Einwänden gegen den in diesem Beitrag entwickelten Interpretationsvorschlag. Insbesondere wird eine Kritik an der hier verteidigten Diskursivitätsthese diskutiert, derzufolge die Einheit des Bewusstseins in der Diskursivität des Verstandes bzw. Begriffs und nicht umgekehrt die Diskursivität des Verstandes bzw. des Begriffs in der Einheit des Bewusstseins gründet.
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1 Logische Einheit und diskursive Identität des Bewusstseins Es ist zunächst nicht gänzlich überflüssig darauf hinzuweisen, dass die Begriffe ‚Einheit‘ und ‚Identität‘ in verschiedenen Kontexten der Kantischen Philosophie prominent sind, etwa wenn Kant von „Verstandeseinheit“ bzw. „Vernunfteinheit“ (KrV A307 / B363, A645ff. / B673ff., u. ö.), Einheit der Anschauung (KrV A79 / B105, B143, B144 Anm., B162, A162 / B203, u. ö.), Urteilseinheit (KrV A69 / B94), kategorial-quantitativer „Einheit“ (KrV A80 / B106) oder in seiner Auseinandersetzung mit Leibniz’ principium identitatis indiscernibilium (z. B. KrV A263f. / B319f.) von numerischer Identität spricht. Solche und andere Bedeutungen werden in dieser Abhandlung nicht im einzelnen berücksichtigt, da es hier allein um Einheit und Identität des Bewusstseins gehen soll. Des weiteren sollte man sich über die Ambiguität der Kantischen Formal „Einheit des Bewußtseins“ im klaren sein. Zum einen wird „Einheit“ in diesem Ausdruck von Kant verstanden als Eigenschaft, die dem Bewusstsein selbst zukommt, in dem Sinne dass Bewusstsein ein ursprünglich einheitliches ist. Zum anderen versteht Kant unter „Einheit“ auch das vom Bewusstsein qua transzendentaler Apperzeption hervorgebrachte Produkt der Einheit als einer „Verbindung“ bzw. „Synthesis“ des „Mannigfaltigen“ (KrV B129ff.). Diese Ambiguität besteht deshalb, weil Kant Bewusstsein und Selbstbewusstsein in transzendentaler Bedeutung als Spontanvermögen synthetisierender Handlungen des Verstandes begreift, das nicht nur selbst ursprüngliche Einheit ist, sondern diese auch unter gegebenen Vorstellungen herzustellen vermag. Die Einheit des Bewusstseins geht dabei überhaupt zurück auf die Diskursivität des Verstandes bzw. Begriffs.
1.1 Die Diskursivitätsthese Gemäß der Diskursivitätsthese gründen Einheit und Identität des Bewusstseins in der Theorie des diskursiven Begriffs. Dabei geht es nicht um empirische Einheit und Identität wie sie einem Bewusstsein im Verlauf seiner mentalen Erlebnisgeschichte, etwa als Person, zukommen kann. Gegenstand der Diskursivitätsthese ist die Begründung der transzendentalen Einheit und Identität des Bewusstseins als Bedingung a priori der Erkenntnis. Die hier verteidigte Diskursivitätsthese ist also nicht zu verwechseln mit Allisons „discursivity thesis“, derzufolge menschliche Erkenntnis diskursiv ist, was nichts anderes heiße als „it requires both concepts and sensible intuiton“ (Allison 1996: 6). Allisons „discursivity thesis“ ist eine These über die Komposition von Erkenntnis. Kant setze sie letztlich als
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„ultimate ‚fact‘“ (1996: 6) voraus, rechtfertige sie aber nicht eigens. Dies ist m. E. nicht der Fall. Was Kant als factum brutum nicht voraussetzt, sondern als kognitiven Befund über das menschliche Erkenntnisvermögen konstatiert, ist allein die Tatsache, dass der menschliche Verstand ein diskursives Vermögen ist.3 Dagegen behauptet die hier aufgestellte Diskursivitätsthese nichts in Bezug auf die Komposition von Erkenntnis, sondern führt die Struktur der Einheit des Bewusstseins auf die diskursive Struktur von Begriffen zurück. Während für Allison aus der „discursivity thesis“ der transzendentale Idealismus folgt,4 erklärt die Diskursivitätsthese also zunächst nichts über den Unterschied von Erscheinung und Ding an sich, auch wenn sich dieser ex post daraus entwickeln lassen mag. Mit der Diskursivitätsthese ist das Kantische Theorem kompatibel, dass Einheit eine ursprüngliche kognitive Eigenschaft des Bewusstseins ist. Denn die Diskursivitätsthese erklärt lediglich, warum Einheit eine kognitive Eigenschaft des Bewusstseins ist, nämlich weil sie auf diskursiven Begriffen beruht, und nicht warum sie eine ursprüngliche Eigenschaft des Bewusstseins ist. Das heißt Einheit kann eine ursprüngliche und insofern nicht reduzierbare kognitive Eigenschaft des Bewusstseins sein, wobei sich die Gründe ihres Bestehens durchaus angeben lassen. Die Argumente für die Diskursivitätsthese lassen sich entwickeln im Ausgang vom Kantischen Grundtheorem, dass die Verbindung oder Synthesis eines wie auch immer gearteten Mannigfaltigen nicht einfach vorliegt, sondern durch das Bewusstsein bzw. den Verstand zustande gebracht werden muss und dass „Verbindung“ die „Vorstellung der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen“ ist. Dabei entsteht die Vorstellung dieser Einheit nicht aus der Verbindung, sondern macht diese erst möglich (KrV B130f.). Kant macht sein eigentliches Argument in einem Brief an Beck vom 1. Juli 1794 deutlicher als in der Kritik der reinen Vernunft: Die Zusammensetzung können wir nicht als gegeben warnehmen, sondern wir müssen sie selbst machen: wir müssen zusammensetzen, wenn wir uns etwas als zusammengesetzt vorstellen sollen (selbst den Raum und die Zeit). [...] Die Auffassung (apprehensio) des Manigfaltigen Gegebenen und die Aufnehmung in die Einheit des Bewustseyns desselben (apperceptio) ist nun mit der Vorstellung eines Zusammengesetzten (d.i. nur durch Zusammensetzung Möglichen) einerley, wenn die Synthesis meiner Vorstellung in der Auffassung, und die Analysis derselben so fern sie Begrif ist, eine und dieselbe Vorstellung geben [...] (Briefe 11:515).
3 Zur Rechtfertigung des Kantischen Stämmedualismus vgl. Heidemann 2002. Siehe auch Düsing 2004: 104ff., der die Gründe erörtert, warum diskursive Begriffe ein sinnliches Anschauungsmannigfaltiges erfordern, um Erkenntnis möglich zu machen. 4 Vgl. Allison 1996: 7. Zur „discursivity thesis“ siehe auch Allison 2004: 12ff., 77ff. u. ö.
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Mit dieser Grundkonzeption, derzufolge „Erkenntnis“ in der Verstandeshandlung der „Synthesis“ besteht, nämlich darin, „verschiedene Vorstellungen zueinander hinzuzutun, und ihre Mannigfaltigkeit [...] zu begreifen“ (KrV A77 / B103), legt sich Kant auf eine Epistemologie fest, die Erkenntnis als Produkt einer spezifischen Form reflektierender Tätigkeit und nicht als bloß kognitives Entdecken gegebener Sachverhalte begreift.5 Wenn Erkenntnis auf der Grundlage des Stämmedualismus von Sinnlichkeit und Verstand aber ein Reflexionsprodukt ist, muss gezeigt werden, wie der Verstand qua Apperzeption dieses Produkt aus einer Mannigfaltigkeit von Vorstellungen hervorbringt. Da der Ort der Wahrheit gemäß Kant das Urteil ist und ein „Urteil nichts anderes sei, als die Art, gegebene Erkenntnisse zur objektiven Einheit der Apperzeption zu bringen“ (KrV B141), spielen bei der Erzeugung der Einheit von Erkenntnis Begriffe eine maßgebliche Rolle: „Wir können aber alle Handlungen des Verstandes auf Urteile zurückführen, so daß der Verstand überhaupt als ein Vermögen zu urteilen vorgestellt werden kann. Denn er ist [...] ein Vermögen zu denken. Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.“ (KrV A69 / B94)6 Aus diesem Grunde gibt die Funktion und Struktur des Begriffs Aufschluss darüber, was ein Urteil ist und wie die objektive Einheit der Apperzeption zustande kommt. Was also ist ein Begriff nach Kant? Der Kantischen Theorie zufolge ist ein Begriff anders als die Anschauung nicht einzelne (repraesentatio singularis), sondern allgemeine Vorstellung (repraesentatio universalis). Als solcher ist der Begriff zugleich „repraesentatio communis“ (Briefe 11:348), das heißt eine Vorstellung, die nur aufgrund gemeinschaftlicher Merkmale gebildet werden kann. In der Jäsche-Logik heißt es: „Begriff [ist] eine allgemeine (repraesentatio per notas communes) oder reflectirte Vorstellung (repraesentatio discursiva).“ (Logik 9:91). Neben der Allgemeinheit ist die Eigenschaft der Diskursivität von Begriffen entscheidend. Denn ein Begriff wird durch die Methode der Abstraktion gebildet und das heißt, dass Begriffsverhältnisse gemäß dem Modell der Subordination konzipiert werden müssen. Diskursiv sind Begriffe, weil sie dadurch gebildet werden, dass ein gegebenes Besonderes durchgegangen werden muss, um die ihnen gemeinsamen Merkmale unter Absehung vom sie Unterscheidenden herauszugreifen. Dabei zerstreuen oder breiten sich (von lat. discurrere) die gemeinsamen Merkmale als begriffliche Komplexionen im Besonderen aus.7 Begriffe sind inso5 Nach Allison (1996: 7) wäre letzteres gleichbedeutend mit der Suspension der „discursivity thesis“, da das kognitive Entdecken von Sachverhalten Formen a priori der Sinnlichkeit, die Gegebenes zuerst ordnen, überflüssig machen würde. 6 Vgl. Heidemann 2004: 201ff. 7 Auch wenn Abstraktion dabei eine methodische Rolle spielt, ist Kants Begriffstheorie doch keine reine Abstraktionstheorie, da Begriffen logische Funktionen zugrunde liegen (siehe
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fern distributive Vorstellungen, die „einer unendlichen Menge von verschiedenen möglichen Vorstellungen (als ihr gemeinschaftliches Merkmal)“ zukommen und diese „unter sich“ enthalten (KrV A25 / B39f.). Begriffsverhältnissen liegt folglich eine nach Gattung und Art aufgebaute logische Ordnung zugrunde, in der es umfangreichere höhere und inhaltsärmere niedere Vorstellungen gibt. Ein Begriff ist also diskursiv allgemein, weil das Besondere oder Einzelne zunächst durchgegangen und daraufhin verglichen werden muss, was ihm gemeinsam ist: „[...] denn durch das Allgemeine unseres (menschlichen) Verstandes ist das Besondere nicht bestimmt; und es ist zufällig, auf wie vielerlei Art unterschiedene Dinge, die doch in einem gemeinsamen Merkmale übereinkommen, unserer Wahrnehmung vorkommen können.“ (KU 5:406). Das dabei abstrahierte, Vorstellungen gemeinschaftlich Zukommende, repräsentiert der Begriff als Komplexion von „Teilvorstellungen“ (KrV A32 / B48). So stellen Begriffe das analytisch Identische dessen vor, was ansonsten verschieden ist. Kant versteht Begriffe demnach dezidiert nicht als Instrumente der Klassifikation bzw. Begriffsverhältnisse nicht als Klassifikationssysteme, die lediglich der Einteilung zum Beispiel von natürlichen Arten dienen.8 Da der menschliche Verstand nur mit Begriffen als allgemeinen Vorstellungen zu operieren vermag, verfährt er auch bei der Urteilsbildung auf diskursive Weise. Ein Begriff beruht nach Kant auf einer „Funktion“ als „Einheit der Handlung, verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen.“ (KrV A68 / B93). Der Terminus „Funktion“ ist transzendentalphilosophisch zu verstehen als die Einheit stiftende, spontane Tätigkeit des Verstandes, Vorstellungen unter Begriffe zu bringen und dadurch Einheit unter ihnen herzustellen. Die durch Funktionen geregelte Verwendung von Begriffen bedeutet insofern nichts anderes als zu urteilen. Da durch einen Begriff als repraesentatio generalis ein unten). Dass Kants Begriffstheorie darüber hinaus gegenüber den klassischen Einwänden gegen die Abstraktionstheorie verteidigt werden kann, insbesondere gegen den Zirkeleinwand des Erwerbs von Begriffen, zeigt Vanzo 2012: 19–25, 133ff., 164ff. 8 Dies ist bereits Kants Ansicht vor dem Erscheinen der Kritik der reinen Vernunft. In der kleinen Schrift Von den verschiedenen Racen der Menschen (1775) weist er ausdrücklich darauf hin, dass die Einteilung natürlicher Arten gemäß spezifischen Ähnlichkeitskriterien eine Klassifikation bloß für das „Gedächtniß“ (2:429) darstellt, die – so kann man vom Standpunkt der kritischen Lehre aus hinzufügen – nicht dem gerecht wird, was einen Begriff als diskursive Vorstellung auszeichnet. Aus diesem Grunde scheint mir Kitchers (1999: 368–369) Kennzeichnung der Kantischen Begriffstheorie als eine Theorie der Klassifikation („classification“) zumindest missverständlich, da darin die Eigenschaft der Diskursivität von Begriffen nicht zum Ausdruck kommt. Zur Einteilung nach Gattungen und Arten siehe auch Kants Lehre von „der Homogenität, der Spezifikation und der Kontinuität der Formen“ (KrV A 658 / B686) im Abschnitt „Von dem regulativen Gebrauch der Ideen der reinen Vernunft“ im Anhang zur transzendentalen Dialektik der Kritik der reinen Vernunft.
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Gegenstand nur mittelbar vorstellt wird, ist ein Urteil die „mittelbare Erkenntnis eines Gegenstandes, mithin die Vorstellung einer Vorstellung desselben.“ (KrV A68 / B93). Ein Urteil als „Vorstellung einer Vorstellung“ kann darum nur durch ein diskursives Vermögen, den Verstand, erzeugt werden. Anders als die Sinnlichkeit stellt der menschliche Verstand nicht intuitiv, sondern mittels abstrakter Merkmale diskursiv vor. Aus diesem Grunde sind die Vorstellungen des Verstandes eben Allgemeines, das heißt sie repräsentieren analytische Identitäten von sonst vielfältig Verschiedenem und referieren daher nur mittelbar durch andere Vorstellungen auf Gegenstände. Kant erläutert dies in der Kritik der reinen Vernunft am Urteil „Alle Körper sind teilbar.“ (KrV A68 / B93). Der Begriff „Körper“ ist eine repraesentatio generalis, eine Vorstellung, die von vielem der gleichen Art gilt. Dies trifft auch auf den Begriff „Teilbarkeit“ (KrV A69 / B94) zu, so dass dieses Prädikat ebenso von vielem der gleichen Art gilt. Kant meint nun, dass das Urteil „Alle Körper sind teilbar.“ nichts anderes ausdrückt, als dass durch den Begriff des „Teilbaren“ (KrV A68 / B93) bzw. der „Teilbarkeit“ neben anderem auch der Begriff „Körper“ vorgestellt wird und so bestimmte in der Anschauung gegebene „Erscheinungen“ (KrV A69 / B93), konkrete Körperdinge, durch das Prädikat der „Teilbarkeit“ mittelbar vorgestellt und erkannt werden können. In Urteilen werden also immer nur höhere Begriffe verwendet, die andere, umfangärmere Begriffe unter sich enthalten, um für „viele mögliche Erkenntnisse“ (KrV A69 / B94) gelten zu können. Wenn nun Funktionen nichts anderes sind als Handlungen, „verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen“, dann sind Urteile selbst nichts anderes als „Funktionen der Einheit unter unseren Vorstellungen“ (KrV A68f. / B93f.). In dem Urteil: „Alle Körper sind teilbar.“ ist somit die gesamte Sphäre des Subjektbegriffs unter den Prädikatbegriff subsumiert oder mittelbar durch den Prädikatbegriff vorgestellt, so dass durch diese Einheit gegebener Vorstellungen der Gedanke bzw. die Erkenntnis der Teilbarkeit aller Körper geformt werden kann. Der Begriff der Funktion lässt sich daher auch als Regel der Einheit der logischen Ordnung von Vorstellungen bezeichnen. Auch ein diskursiver Begriff muss auf einer logischen Ordnungsfunktion beruhen, da er indirekt-referenziell ist, das heißt sich auf die Gegenstände, die durch ihn vorgestellt werden, nur indirekt bezieht, indem Vorstellungen (Merkmale) zueinander in Subsumtionsbeziehungen gebracht werden. So wird durch die logische Funktion von Begriffen logische Ordnung unter Vorstellungen möglich, wodurch Begriffe selbst ihre Einheit erhalten. Einheit ist insofern zunächst eine logische Eigenschaft von Begriffen. Eine logische Eigenschaft ist eine Eigenschaft, die der Form und nicht dem Inhalt eines Begriffs zukommt. Gleich welchen Inhalt ein Begriff hat, logisch-formal
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stellt er immer eine Einheit dar. Dabei geht es nicht darum, wie Begriffe gebildet werden, etwa durch Abstraktion, sondern um die grundlegendere Frage der formalen Erzeugung eines Begriffs. Denn um einen Begriff durch Abstraktion von Merkmalen bilden zu können, muss man schon wissen, wie ein Begriff überhaupt formal, also diskursiv erzeugt wird. Ein Begriff ist dabei selbst eine logisch-diskursive Einheit.9
1.2 Diskursivität und Einheit des Bewusstseins Die erforderliche Begründung für den kognitiven Sachverhalt, dass ein Begriff formal eine logisch-diskursive Einheit darstellt, liefert der der Kantischen Theorie des Selbstbewusstseins entstammende „Grundsatz“ (KrV B136) der ursprünglichen „Einheit des Bewußtseins“. Die ursprüngliche Einheit des Bewusstseins ist Bedingung der Möglichkeit dafür, einen Begriff haben zu können. Im einzelnen gezeigt wird dies im erstes Beweisschritt der transzendentalen Deduktion der reinen Verstandesbegriffe. Das Argument beginnt mit dem bereits angeführten Theorem, dass „wir uns nichts, als im Objekt verbunden, vorstellen können, ohne es vorher selbst verbunden zu haben“, da die „Verbindung“ eines Mannigfaltigen durch die spontane „Verstandeshandlung“ der „Synthesis“ erst erzeugt wird. Die Möglichkeit der Verbindung aber setzt die apriorische „Vorstellung der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen“ voraus (KrV B130f.). „Grund“ dieser „Einheit“, die nach Kants ausdrücklichem Hinweis nicht mit der „Kategorie der Einheit“ (KrV B131) verwechselt werden darf, ist die „ursprünglich-synthetische[...] Einheit der Apperzeption“. Als „transzendentale Einheit des Selbstbewußtseins“ (KrV B131) sei sie Möglichkeitsbedingung des Bewusstseins mannigfaltiger Vorstellungen, und zwar indem sie es als „analytische Einheit der Apperzeption“ möglich macht, dass ein und dasselbe „Ich denke“-Bewusstsein mannigfaltige Vorstellungen sowohl haben als auch durch „Synthesis“ zur Einheit verbinden kann. Dadurch stellt die Apperzeption die „Identität des Bewußtseins in diesen Vorstellungen selbst“ vor (KrV B133). Als Folgerung aus dem Verbindungs-Theorem setzt dieses analytische Identitätsbewusstsein aber seinerseits die Möglichkeit synthetischer Einheit von Vorstellungen voraus, nämlich durch die „ursprüngliche syntheti9 In der Jäsche-Logik erläutert Kant dies eher schematisch anhand der „logischen VerstandesActus“ der „Comparation, Reflexion und Abstraction“: „1) die Comparation, d.i. die Vergleichung der Vorstellungen unter einander im Verhältnisse zur Einheit des Bewußtseins; 2) die Reflexion, d.i. die Überlegung, wie verschiedene Vorstellungen in Einem Bewußtsein begriffen sein können; und endlich 3) Die Abstraction oder die Absonderung alles Übrigen, worin die gegebenen Vorstellungen sich unterscheiden.“ (Logik 9:94).
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sche Einheit der Apperzeption“ (KrV B135). So beruht letztlich alle Einheit von Vorstellungen nach Kant auf der „synthetische[n] Einheit des Bewußtseins“, die zugleich, „objektive Einheit des Selbstbewußtseins“ ist (KrV B137ff.). Diese Einheit des Selbstbewusstseins ist rein logisch, das heißt sie wird nicht psychisch in der Zeit konstituiert und beruht nicht auf einem kontingenten Faktum der Synthesis von Vorstellungen. Sie ist transzendentale Einheit. Wenn also die Einheit von Vorstellungen auf die synthetische Einheit der Apperzeption zurückgeht, beruht auch die mittels der logischen Funktion erzeugte Einheit des Begriffs auf der Einheit des Selbstbewusstseins. Dass sich dies so verhält, zeigt die notorisch schwierige Anmerkung zur analytischen Einheit des Selbstbewusstseins der transzendentalen Deduktion: Die analytische Einheit des Bewußtseins hängt allen gemeinsamen [allgemeinen; D.H.] Begriffen, als solchen, an, z.B. wenn ich mir rot überhaupt denke, so stelle ich mir dadurch eine Beschaffenheit vor, die (als Merkmal) irgend woran angetroffen, oder mit anderen Vorstellungen verbunden sein kann; also nur vermöge einer vorausgedachten möglichen synthetischen Einheit kann ich mir die analytische vorstellen. Eine Vorstellung, die als verschiedenen gemein gedacht werden soll [ein Begriff; D.H.], wird als zu solchen gehörig angesehen, die außer ihr noch etwas Verschiedenes an sich haben [z.B. der Begriff ‚Baum‘: Erlen, Buchen, Linden; D.H.], folglich muß sie in synthetischer Einheit mit anderen (wenn gleich nur möglichen Vorstellungen) vorher gedacht werden, ehe ich die analytische Einheit des Bewußtseins, welche sie zum conceptus communis macht, an ihr denken kann (KrV B133f. Anm.).
Wenn nach Kant die analytische Einheit der Apperzeption den Begriff möglich macht, ist dies so zu verstehen, dass um einen Begriff als diskursive Vorstellung, das heißt als Vorstellung eines Merkmals bzw. einer Komplexion von Merkmalen konzipieren zu können, auch der Gedanke gefasst werden können muss, dass ein Merkmal anderen Vorstellungen als das in ihnen analytisch Identische zukommt. Wie gesehen, ist dieser Gedanke nur möglich durch die analytische Einheit der Apperzeption, die ihrerseits nur möglich ist aufgrund der synthetischen. Um zum Beispiel den Begriff ‚Blume‘ haben zu können, muss ich wissen, was es bedeutet, dass die durch diesen Begriff vorgestellten Merkmale in den mannigfaltigen einzelnen Blumen (Lilien, Tulpen, Rosen usw.) dieselben sind. Diese Vorstellung ist die einer analytischen Identität von ansonsten Verschiedenem, die durch das Selbstbewusstsein nur als analytische Einheit begriffen werden kann. Diese vorgestellte Einheit, der Begriff, impliziert dabei Synthesis, nämlich die Verbindung der von anderen Vorstellungen abstrahierten Merkmale zum Begriff. Der Akteur dieser Synthesisleistungen, durch die die analytische Einheit zustande gebracht wird, ist die Apperzeption, und die Apperzeption ist der „Verstand selbst“ (KrV B134 Anm.) als der kognitive Ursprung von Einheit. Wer also weiß, was es heißt,
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einen Begriff zu haben bzw. wer ein kompetenter Begriffsverwender ist, weiß implizit auch, dass Begriffe diskursiv-allgemeine Vorstellungen und als solche analytisch-identische Einheiten sind. Und wenn eine Person dies weiß, besitzt sie ebenfalls das Wissen, dass es höhere und niedere Begriffe als Gattungen und Arten gibt, jede Art selbst wieder Begriff ist, der als Gattung fungieren kann usw., da sie andernfalls einen Begriff gar nicht formal erzeugen könnte. Die Fähigkeit, Begriffe zu haben, sie also zu erzeugen und zu verwenden, ist somit eine an das Selbstbewusstsein gebundene kognitive Fähigkeit, deren Ausübung ein Wissen über die logisch-formale Struktur sowie das diskursiv-analytische Verhältnis von Begriffen zueinander impliziert. Analog zum Begriff gilt dabei für das Urteil, zum einen dass es eine logische Ordnung von Vorstellungen enthält, die eine durch Funktionen geregelte Einheit darstellt, sowie zum anderen dass es allgemeinere und besondere Urteile gibt wie ‚Alle Lilien sind Blumen.› und ‚Einige Blumen sind Lilien.› Die Fähigkeit, solche Urteile bilden zu können, impliziert folglich wie im Falle des Begriffs ein Wissen um die logisch-hierarchische Über- und Unterordnung von Urteilen. Das heißt wenn ich das Urteil bilden kann ‚Alle Lilien sind Blumen.›, dann muss ich auch das diesem gegenüber besondere Urteil bilden können ‚Einige Blumen sind Lilien.› und darüber hinaus annehmen, dass sich die Gattung ‚Blume› in weitere Arten einteilen lässt, die wiederum Unterarten haben, usw. Die durch die synthetische Einheit der Apperzeption geforderte logische Identität des Selbstbewusstseins ist also deswegen eine analytische, weil sie sich als diskursive Identität erweist. Und diskursive Identität ist sie, weil die Apperzeption nichts anderes ist als der „Verstand selbst“, nämlich das Vermögen der Begriffe, in denen, wie Kant auch formuliert, „eben dasselbe Bewusstsein, als in vielen Vorstellungen“ enthalten gedacht wird (KrV B137 Anm.). Das heißt also, dass Kants transzendentale Theorie des Selbstbewusstseins, genauer der Zusammenhang zwischen synthetischer und analytischer Einheit der Apperzeption in der kritischen Theorie des diskursiven Begriffs gründet. Denn die Identität der Apperzeption ist deswegen eine analytische, weil sie sich als eine diskursive erweist. Hierbei handelt es sich um einen kontingenten kognitiven Sachverhalt, da die Identität der Apperzeption ja ebenso als eine synthetische konzipiert werden könnte, so dass sich Identität, also „dasselbe Bewusstsein, als in vielen Vorstellungen“, nicht aus der Reflexion des Verstandes, sondern durch Anschauung, also durch „viel(e) Vorstellungen als in einer, und deren Bewusstsein, enthalten“ (KrV B137 Anm.) ergäbe. Das menschliche Erkenntnisvermögen jedoch ist kein solches, dem das Prinzip der synthetischen Identität des Selbstbewusstseins, sondern dasjenige der diskursiv-analytischen Identität eigentümlich
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ist.10 Dass die Theorie des transzendentalen, reinen Selbstbewusstseins in der Begriffstheorie gründet, heißt also: Wären diskursive, allgemeine Vorstellungen, das heißt Begriffe, für den menschlichen Verstand keine Bedingungen des Denkens und Erkennens, könnte der menschlichen Apperzeption weder synthetische Einheit noch analytische Identität zukommen, zumindest nicht auf eine für die menschliche Rationalität nachvollziehbare Weise. Denn da der menschliche Verstand nicht anschaut, sondern denkt, und sich Denken für den menschlichen Verstand nicht anders vollziehen kann als durch den Gebrauch von Begriffen, die wiederum auf diskursiver Einheit beruhen, hängen Einheit und Identität des Bewusstseins von der Diskursivität des Begriffs als unhintergehbarer formaler Struktur des Denkens ab. Eine Erkenntnis personaler Einheit und Identität wird damit jedoch nicht erreicht, wie nun zu zeigen ist.
2 Einheit und Identität der Person Das soeben explizierte Verhältnis von logischer Einheit und diskursiver Identität des Bewusstseins ist kein begriffliches Glasperlenspiel, sondern hat als transzendentale Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis objektive Bedeutung. Der konstitutive Zusammenhang von Einheit und Identität des Bewusstseins ist in einem weiteren Kontext relevant, im dritten Paralogismus der Personalität, so dass man annehmen könnte, auch in diesem Fall würden Einheit und Identität des Bewusstseins objektive Erkenntnisbedeutung besitzen, nämlich dass der Seele aufgrund der Einheit und diachronen Identität ihres Bewusstseins der Status des Personseins zukommt. Dies ist nach Kant jedoch gerade nicht der Fall. Um die Diskursivitätsthese und den mit ihr verbundenen Begriff der diskursiven Identität weiter zu erhellen, wird im Folgenden auf die Unterschiede zwischen diskursiver und personaler Identität eingegangen und es werden die Gründe eruiert, warum aus der Einheit des Bewusstseins nichts in Bezug auf die Eigenschaft des Personseins folgt. Der dritte Paralogismus der ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft (A361) hat folgenden Wortlaut: (1) Was sich der numerischen Identität seiner selbst in verschiedenen Zeiten bewußt ist, ist so fern eine Person: 10 Vgl. KrV B135: „Dieser Grundsatz, der notwendigen Einheit der Apperzeption, ist nun zwar selbst identisch, mithin ein analytischer Satz, erklärt aber doch eine Synthesis des in einer Anschauung gegebenen Mannigfaltigen als notwendig, ohne welche jene durchgängige Identität des Selbstbewußtseins nicht gedacht werden kann.“
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(2) Nun ist die Seele [sich der numerischen Identität ihrer selbst in verschiedenen Zeiten bewußt ist; D.H.]. Also ist sie eine Person.
In seiner Kritik des dritten Fehlschlusses der rationalen Seelenlehre (KrV A361– 366) hebt Kant darauf ab, dass der Obersatz dieses Schlusses eigentlich nichts anderes als ein „identischer [analytischer; D.H.] Satz des Selbstbewußtseins in der Zeit“ (KrV A362) ist. Denn zu jedem Zeitpunkt bin ich das identische Bewusstsein meiner Vorstellungen. Die zu klärende Frage lautet nun, ob ich auch zu verschiedenen Zeitpunkten das identische Bewusstsein meiner Vorstellungen bin und wie sich dies erkennen ließe. Sollte sich die diachrone Identität meines Bewusstseins, wie klassische metaphysica specialis behaupten muss, aus begrifflichen Gründen objektiv erkennen lassen, so würde sich aus dem rein begrifflichen Zusammenhang von Einheit und Identität des Bewusstseins ein wahrer Sachverhalt ableiten lassen, nämlich dass die Seele als Person existiert. Diese Schlussfolgerung aber geht weit über das hinaus, was sich anhand der Analyse der Diskursivitätsthese ergab und objektiv begründbar ist.
2.1 Zwei Gedankenexperimente: Der äußere und der innere Beobachter Um die Frage zu beantworten, ob ich auch zu verschiedenen Zeitpunkten das identische Bewusstsein meiner Vorstellungen bin und vor allem wie dies aus reinen Begriffen erkannt werden könnte, unterscheidet Kant in seiner Kritik des dritten Paralogismus zwei generelle Antwortoptionen, die er jeweils in Form eines Gedankenexperiments darstellt. Im ersten, dem Gedankenexperiment des äußeren Beobachters, wird überlegt, ob ein „äußere[r] Beobachter“ (KrV A362) die Identität meines Bewusstseins, verstanden als die zeitliche Beharrlichkeit meiner Seele, sozusagen drittpersonal von außen feststellen könnte, zum Beispiel indem er meine Bewusstseinszustände extern erkundet und bezeugt, es handle sich offenkundig um die wechselnden mentalen Zustände desselben Bewusstseinsinhabers. Dazu ist er nach Kant nicht in der Lage. Denn der Zeitraum, in den er mein Bewusstsein als identisch setzt, wäre ja gar nicht der Zeitraum meines Bewusstseins, sondern der seines eigenen beobachtenden Bewusstseins. Ein äußerer Beobachter würde nämlich stets nur konstatieren können, zu einem bestimmten Zeitpunkt t1 eine Beobachtung zu machen, also eine Vorstellung zu haben, deren Gegenstand mein Bewusstsein in der Zeit ist. Zum Zeitpunkt t2 kann er zwar eine weitere Vorstellung haben, deren Gegenstand mein Bewusstsein in der Zeit
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ist, aber aus diesem Sachverhalt kann er nur schließen, dass er zum Zeitpunkt t1 sowie zum Zeitpunkt t2 jeweils mein Bewusstsein in der Zeit zum Gegenstand seiner Vorstellung gemacht hat. Daraus ergibt sich nicht die numerische Identität des vorgestellten Bewusstseins und ebenso wenig, wie man ergänzen kann, die Identität des vorstellenden Bewusstseins des äußeren Beobachters: Denn [...] in der ganzen Zeit, darin ich mir meiner bewußt bin, bin ich mir dieser Zeit, als zur Einheit meines Selbst gehörig, bewußt, und es ist einerlei, ob ich sage: diese ganze Zeit ist in Mir als individueller Einheit, oder ich bin mit numerischer Identität, in aller dieser Zeit befindlich (KrV A362).
Aus der externen Perspektive der dritten Person kann personale Identität also nie festgestellt werden, da der äußere Beobachter immer nur von seiner eigenen auf meine personale Identität schließen würde. Denn ein äußerer Beobachter könnte keine Informationen über einen erstpersonalen zeitlichen Vorstellungswechsel in mir haben und folglich nichts über die numerische Identität meines Bewusstseins wissen.11 Wenn überhaupt, kann personale Identität nur aus der Perspektive der ersten Person erkannt werden, wie Kant in einem zweiten, dem Gedankenexperiment des inneren Beobachters ausführt: Nun wird argumentiert, dass die Identität meines Selbstbewusstseins in verschiedenen Zeiten lediglich die formale Bedingung der Einheit meines Bewusstseins ist, aber nichts über die numerische Identität meines Subjekts aussagt. Kant veranschaulicht sein Argument wie folgt: Nehmen wir eine sukzessive Reihe von (geistigen) Substanzen an, wobei die erste der zweiten, die zweite der dritten usw. jeweils ihr gesamtes Bewusstsein übertrüge. Die letzte Substanz dieser Reihe würde sich dann aller mentalen Zustände der Vorgängersubstanzen als ihrer eigenen bewusst sein. Aber dennoch, so Kant, diese letzte Substanz würde doch nicht die identische, das heißt dieselbe Person in allen diesen Zuständen gewesen sein, selbst wenn sie sich aller ihr übertragenen Gedankeninhalte bewusst sein sollte (KrV A363f. Anm.). Aus der Tatsache also, dass ich eine kontinuierliche Erinnerung an meine mentale Vergangenheit habe, folgt nicht, dass ich in diesem Erinnerungszeitraum dieselbe Person bin bzw. war. Gemäß Kant ist zumindest denkbar, dass ich mir in meiner Erinnerung nur der Summe von Gedankeninhalten anderer Subjekte bewusst bin. Damit die Erkenntnis meiner selbst als eines zeitlich beharrenden Selbst aus erstpersonaler Perspektive möglich wäre, müsste ich mich in meinem Bewusstsein mit mir selbst vergleichen können, und zwar so, dass ich mich 11 Kant geht hier davon aus, dass die eigenen mentalen Zustände nur erstpersonal zugänglich sind.
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selbst als den in der Zeit beharrenden Bezugspol meiner wechselnden Vorstellungen beobachten könnte. Eben dies ist nach Kant nicht möglich, denn was das Bewusstsein dabei beobachten würde, wäre lediglich es selbst als das analytisch identische Bewusstsein seiner Vorstellungen. Um die Identität meines Bewusstseins feststellen zu können, müsste ich mich in meinem Bewusstsein aber als etwas objektiv Beharrliches in der Zeit erkennen können. Eine solche, wie Kant sie nennt, „Selbsterkenntnis durch reine Vernunft [...] aus dem bloßen Begriffe des identischen Selbst“ (KrV A366) ist nicht möglich, da wir nicht, wenn man so will, aus uns heraustreten können, um unseren Vorstellungswechsel gleichsam von außen zu betrachten. Wie das Gedankenexperiment des äußeren Beobachters bereits gezeigt hat, lässt sich personale Identität darüberhinaus generell nicht aus einer externen Perspektive erkennen.12 Mit dem Gedankenexperiment des inneren Beobachters bezieht sich Kant möglicherweise konkret auf Lockes Konstitutionstheorie personaler Identität und den darin zum Tragen kommenden Zusammenhang zwischen Einheit und Identität des Bewusstseins. Auch für Locke ist ‚Einheit‘ eine wesentliche Eigenschaft des Bewusstseins.13 In seiner Theorie unterscheidet Locke zwischen Mensch, Substanz und Person (Essay II 27, 7). Der Begriff ‚Mensch‘ („man“, Essay II 27, 6, 8) referiert dabei auf den Körper eines bestimmten Menschen. Identitätskriterium des menschlichen Körpers sei die Organisation seiner Glieder zur Teilnahme an einem gemeinsamen Leben. Der Begriff ‚Substanz‘ („substance“, Essay II 27, 2) bezeichnet generell den Träger von Eigenschaften. Da dieser Begriff undeutlich ist, können wir jedoch nicht wissen, was die Identität einer Substanz ausmacht. Demgegenüber bedeutet „person“ „a thinking intelligent being, that has reason and reflection, and can consider itself as itself“ (Essay II 27, 9). Als denkendes, 12 In der Anthropologie nennt Kant das „Beobachten seiner selbst“ „eine methodische Zusammenstellung der an uns selbst gemachten Wahrnehmungen, welche den Stoff zum Tagebuch eines Beobachters seiner selbst abgiebt und leichtlich zu Schwärmerei und Wahnsinn hinführt.“ (Anth 7:132). Zu theoretischer Erkenntnis reicht die Selbstbeobachtungmethode also nicht hin. Vgl. Fortschritte 20:270. 13 Dem Begriff der Einheit kommt im Kapitel „Of Identity and Diversity“ (II.27) des An Essay Concerning Human Understanding nicht nur im Kontext der Erörterung der Personbegriffs eine grundlegende Funktion zu. Auch bei der Festlegung des Identitätskriteriums zum Beispiel von Pflanzen, operiert Locke mit dem Begriff der Einheit, so dass etwa die Einheit der Teile einer Eiche diese zu einer Pflanze macht (vgl. Essay II.27, 4). Ebenso gilt für den menschlichen Körper („man“), dass dieser deswegen ein solcher ist, weil seine Teile in ihrem Zusammenhang eine Einheit bilden. Grundlegend ist ‚Einheit‘ für das Selbstbewusstsein, das nicht ursprünglich ist, sondern durch die Erinnerung die Einheit mentaler Zustände herstellt („uniting“, Essay II.27, 10). Denn „Consciousness alone unites actions into the same person.“ (Essay II.27, 16; vgl. 23–25). Lockes Essay wird unter Angabe des Buches, Kapitels und Paragraphen in modernisierter Schreibweise zitiert nach der Ausgabe von P. H. Nidditch (Hrsg.), Oxford 1975.
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intelligentes Wesen zeichnet sich die Person durch Bewusstsein bzw. Selbstbewusstsein aus. Mithilfe der Begriffe des Selbstbewusstseins und Bewusstseins lässt sich allererst erklären, und darauf kommt es an, wie ein denkendes Wesen wissen kann, an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten als dasselbe zu denken. Denn durch die reflexive Struktur des Bewusstseins als Selbstbewusstsein wird das ‚Ich‘ und damit die Identität der Person konstituiert, und zwar indem das Bewusstsein durch Reflexion, das heißt mittels Selbstbezug, oder Selbstbewusstsein, und anhand des Erinnerungskriteriums feststellt, zu einem früheren Zeitpunkt dasselbe Bewusstsein wie zu einem späteren bzw. zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu sein. Personale Identität muss daher nach Locke verstanden werden als das von einem Bewusstsein aufgrund von Erinnerungsleistungen konstituierte Selbst, das sich in der Erinnerung aufgrund der Selbstzuschreibung seiner früheren Handlungen der zeitlichen Kontinuität seiner Existenz bewusst ist. Dabei ist die denkende Substanz zwar unverzichtbare Realisationsgrundlage personaler Identität, doch spreche nichts dagegen, dass sich die Identität ein und derselben Person in unterschiedlichen Substanzen realisiert. Was gemeint ist, geht aus dem Beispiel hervor, das Locke gibt: [...] it must be allowed, that, if the same consciousness [...] can be transferred from one thinking substance to another, it will be possible that two thinking substances may make but one person. For the same consciousness being preserved, whether in the same or different substances, the personal identity is preserved (Essay II 27, 13).14
Der für Locke entscheidende Punkt ist, dass es keine Rolle spielt, in welcher Sub stanz ein Bewusstsein denkt. Es komme allein darauf an, dass ein Bewusstsein als Selbstbewusstsein mithilfe des Erinnerungskriteriums die Identität einer Person konstituiere. An einen solchen oder ähnlichen Fall denkt Kant im Gedankenexperiment des inneren Beobachters, das den Transfer von Bewusstseinsinhalten von Substanz zu Substanz annimmt. Den auch von Locke angenommenen Zusam14 Brook (1994: 38) scheint eine solche theoretische Möglichkeit auch Kant zuschreiben zu wollen, wenn er „Einheit des Bewusstseins“ definiert als: „(i) a single act of consciousness, which (ii) makes one aware of a number of representations and / or objects of representation in such a way that to be aware of any of this group is also to be aware of at least some others in the group and as a group.“ Denn aus dieser Definition schließt er, „it is possible to have one, unified system of awareness without being one mind and certainly without being one person [...]. At least for identity across time, Kant also argued for this possibility [...]. Unity of consciousness may require identity of consciousness (B134), and identity of mind may require unity of consciousness (A108), but Kant nowhere says that unity of consciousness requires identity of mind.“ Brook zufolge ist es nach Kant offenbar denkbar, dass sich wie bei Locke die Einheit des Bewusstseins in unterschiedlichen Trägersubstanzen realisieren kann. Wie im dritten Paralogismus würde Kant eine solche Erwägung wohl als metaphysische Spekulation zurückweisen.
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menhang von Einheit und Identität des Bewusstseins stellt Kant nicht grundsätzlich in Frage: „Daß der Mensch in seiner Vorstellung das Ich haben kann, erhebt ihn unendlich über alle andere auf Erden lebende Wesen. Dadurch ist er eine Person und vermöge der Einheit des Bewußtseins bei allen Veränderungen, die ihm zustoßen mögen, eine und dieselbe Person“ (Anth 7:127). Insofern die Einheit des Bewusstseins Ermöglichungsbedingung personaler Identität ist, würde Kant dem Lockeschen Vorschlag sogar ausdrücklich zustimmen. Allerdings handelt es sich in diesem Falle nicht um diskursiv-logische, sondern um diachrone Identität, die sich als materiale Bestimmung nicht aus der Formalbestimmung der Einheit des Bewusstseins ableiten lässt. Denn auch wenn mir der Einheitszusammenhang im Bewusstsein einer reichhaltig bestimmten mentalen Geschichte, die ich mir selbst zuschreibe, formal vorliegt, folgt daraus nicht, dass ich in diesem Zusammenhang das durch Erinnerung konstituierte identische Erlebnissubjekt dieser Geschichte bin, wie Locke annimmt.15
2.2 Numerische Identität und personale Einheit des Bewusstseins Während also, wie gesehen, diskursive Identität des Bewusstseins objektive Erkenntnisbedeutung hat, ist numerisch-diachrone, verstanden als personale Identität, untauglich, um aus der Selbigkeit des Bewusstseins zu jedem aktualen Zeitpunkt des Vorstellens auf die Selbigkeit des Bewusstseins zu verschiedenen Zeitpunkten des Vorstellens zu schließen. Letzteres ist, so Kants Argument, ein „identischer Satz des Selbstbewußtseins in der Zeit“ (KrV A362), und zwar insofern aus der ersten Prämisse des dritten Paralogismus, also aus numerischer qua personaler Identität des Bewusstseins, eben nichts anderes folgt als die Tautologie, dass ich zu jedem Zeitpunkt meines Vorstellens derselbe Vorstellende bin. Zwar setzt auch numerische qua personale Identität Einheit des Bewusstseins voraus, zum Beispiel im Gedanken des ‚Ich bin Ich‘, doch bleibt diese jeweils punktuell und bedeutet keine notwendige synthetische Einheit der Identität des Bewusstseins zu verschiedenen Zeiten. Der für den Begriff der Person relevante Identitätsbegriff ist mithin nicht derjenige der diskursiven Identität, die sich als logische Eigenschaft von Begriffen erwies. Der Gedanke ‚ich bin zu jedem Zeitpunkt, an dem ich die Vorstellung x habe, das identische Subjekt dieser Vorstellung‘ ist zwar eine distributive Vorstellung, von der analytisch wahr ist, dass sie auf jede mentale Instantiierung meines Habens einer Vorstellung zutrifft. Denn hierbei 15 Siehe zu den relevanten Unterschieden zwischen Locke und Kant Baum 2002: 109f., 119f. Vgl. auch Thiel 2015: 159ff.
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handelt es sich um ein analytisches Subordinationsverhältnis von Vorstellungen, wie es für jeden diskursiven Begriff gilt. Die daraus abgeleitete Schlussfolgerung, ich sei auch zu verschiedenen Zeitpunkt, an denen ich die Vorstellung x habe, das identische Subjekt dieser Vorstellungen‘, ist jedoch unzulässig, weil sie einen materialen Zusammenhang unter den Instantiierungen meines Bewusstseins von Vorstellungen herstellt, der in dem analytisch wahren Satz über die Identität des Bewusstseins zu jedem Zeitpunkt des Vorstellens nicht enthalten ist. Aus diesem Grunde hat der als solcher nicht zu bestreitende Zusammenhang von Einheit des Bewusstseins und diachroner Identität der Person keine objektive Erkenntnisbedeutung. Wie die beiden Gedankenexperimente der Konstruktion personaler Identität aus dritt- und erstpersonaler Perspektive zeigen, wird im dritten Paralogismus zu unrecht auf die synthetische Einheit der Person geschlossen, weil der Zusammenhang zwischen Einheit und Identität hier kein logischer ist, sondern auf der zeitlich-mentalen Kontinuität des Bewusstseins beruht. Dagegen ist die synthetische Einheit der Apperzeption eine notwendige, ahistorische, weil die analytische Einheit der Apperzeption auf logisch-diskursiver Identität beruht. Obwohl zwischen Einheit und Identität des Bewusstseins in der transzendentalen Deduktion sowie im dritten Paralogismus der prima facie gleiche begriffliche Konstitutionszusammenhang besteht, erweist sich dieser nur im ersteren Fall als legitimierbar. Hinsichtlich Einheit und Identität des Bewusstseins muss daher unterschieden werden zwischen atemporaler, notwendiger logischer Einheit und diskursiver Identität im Rahmen des transzendentalphilosophischen Projekts einerseits, und temporaler, kontingenter Einheit und personaler Identität im Rahmen des rationalistischen Projekts einer Metaphysik der Person andererseits.
Fazit In diesem Beitrag wurden Argumente für die Diskursivitätsthese entwickelt. Die Diskursivitätsthese besagt, dass die spezifische Art der Einheit und damit zugleich die Identität menschlichen Bewusstseins in der Diskursivität des Begriffs bzw. des Verstandes gründet. Alleinige kognitive Operationsgrundlage des menschlichen Verstandes sind Begriffe als allgemeine, diskursive Vorstellungen, durch deren Gebrauch in Urteilen transzendentale Einheit und Identität des Bewusstseins zustandekommen. Anders als durch die Synthesis diskursiver Vorstellungen lässt sich nicht erklären, wie Einheit und Identität des Bewusstseins konstituiert werden. Die ursprüngliche Einheit des Bewusstseins stellt sich also, so könnte man schlussfolgern, als ursprüngliche Diskursivität des Verstandes heraus.
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Damit tritt allerdings ein grundsätzliches Bedenken gegenüber der Diskursivitätsthese zutage, das bereits kurz erwähnt wurde. Wenn die Diskursivität des Verstandes als kognitive Tatsache die Einheit des Bewusstseins begründet, wie kann die Einheit des Bewusstseins dann „ursprünglich“ sein (KrV A118; B131, 136, 151)? Denn was ursprünglich ist, kann nicht auf Grundlegenderes zugeführt und durch es begründet werden. Ist es nicht vielmehr so, dass die Diskursivität des Begriffs bzw. des Verstandes in der Einheit des Bewusstseins gründet? Dieses Bedenken ist ernst zu nehmen, lässt sich aber mit dem Hinweis darauf zurückweisen, dass die Diskursivitätsthese nicht beansprucht, eine Grundlegung der Ursprünglichkeit der Einheit des Bewusstseins zu liefern, sondern deren diskursive Struktur zu erklären. Als solche ist Diskursivität zwar fundamental für die Einheit des Bewusstseins, da ihre Konstitution und Struktur ohne Diskursivität nicht einsehbar wäre. Dass aber „die synthetische Einheit der Apperzeption der höchste Punkt [ist], an dem man allen Verstandesgebrauch, selbst die ganze Logik und nach ihr die Transzendental-Philosophie heften muß“ (KrV B134 Anm.), wird dadurch nicht in Frage gestellt. Das heißt die Einheit des Bewusstseins bleibt eine ursprüngliche, auch wenn die Diskursivitätsthese zeigt, warum sie Einheit einer ganz bestimmten, eben diskursiven Art ist. Zu einer so weitreichenden Schlussfolgerung, wie Brook sie zieht, gibt die Diskursivitätsthese allerding keinen Anlass: „Kant concluded by arguing that for unified awareness to be possible, objects or contents of conceptualized representation must be synthesized under concepts.“ (1994: 39). Es ist nicht ganz klar, ob Brook damit einen starken Konzeptualismus in Kauf nimmt, demzufolge alles einheitliche Bewusstsein immer schon unter Begriffen steht. Die Diskursivitätsthese impliziert keine solche Behauptung, sondern restringiert die diskursive Struktur des Bewusstseins auf mentale Zustände, in denen die Einheit des Bewusstseins transzendentale Bedingung der Erkenntnis ist. Jenseits der transzendentalen Einheit bleibt die Möglichkeit nicht-begrifflichen Inhalts erhalten. Die Diskursivitätsthese ist folglich vereinbar mit Kants Non-Konzeptualismus.16 Auf der anderen Seite scheint die Diskursivitätsthese Ähnlichkeit mit dem zu haben, was insbesondere seit Patrica Kitchers Kant’s Transcendental Psychology (1990) als funktionalistische Lesart der Kantischen Erkenntnistheorie diskutiert und von Andrew Brook in Kant and the Mind weitergeführt wurde. Gemäß der funktionalistischen Lesart werden die kognitiven Funktionen aus der Analyse und Beobachtung von kognitiven Aktivitäten des menschlichen Erkenntnisvermögens erschlossen und nicht unmittelbar durch das Bewusstsein erfasst. Dabei erkennt sich der menschliche Geist nicht wie er an sich ist, sondern – hier ganz in
16 Zu Argumenten für Kants Non-Konzeptualismus siehe Heidemann 2013.
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Übereinstimmung mit Kant – nur wie er sich in der Ausübung seiner kognitiven Funktionen selbst erscheint.17 Kitcher erläutert dies wie folgt: „functional analyses“ „[...] provide a functional specification of the kind of processing, or faculty, required for a given cognitive task; alternatively, they decompose a cognitive task into its basic subtasks and so reveal that it involves elements that cannot be supplied by the senses“.18 Bezogen auf die Diskursivitätsthese heißt das, dass die Einheit des Bewusstseins durch die Analyse der konzeptuellen Handlungen des Verstandes erklärt wird. Die Diskursivität menschlicher Begriffe bzw. des menschlichen Verstandes liefert dabei die Begründung, warum Einheit und damit Identität diejenigen diskursiv-logischen Eigenschaften sind, durch die sich menschliches Bewusstsein transzendentalphilosophisch auszeichnet. Zumindest in dieser Hinsicht scheint eine funktionalistische Vermögensanalyse vielversprechend zu sein, auch wenn damit nicht entschieden ist, ob der Funktionalismus überhaupt mit dem transzendentalphilosophischen Projekt vereinbart werden kann.
Literatur Allison, Henry E., 1996, Idealism and Freedom. Essays on Kant’s Theoretical and Practical Philosophy, Cambridge: Cambridge University Press. Allison, Henry E., 2004, Kant’s Transcendental Idealism. An Interpretation and Defense, New Haven / London: Yale University Press. Baum, Manfred, 2002, „Logisches und personales Ich bei Kant“, in: Dietmar H. Heidemann (Hrsg.), Probleme der Subjektivität in Geschichte und Gegenwart, Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog, 107–123. Brook, Andrew, 1994, Kant and the Mind, Cambridge: Cambridge University Press. Düsing, Klaus, 2004, „Spontane, diskursive Synthesis. Kants neue Theorie des Denkens in der kritischen Philosophie“, in: Sabine Doyé u.a. (Hrsg.), Metaphysik und Kritik. Festschrift für Manfred Baum zum 65. Geburtstag, Berlin / New York: de Gruyter, 83–107. Heidemann, Dietmar H., 2013, „Kant and Non-Conceptual Content: The Origin of the Problem“, in: Dietmar H. Heidemann (Hrsg.), Kant and Non-Conceptual Content, Abingdon: Routledge, 1–10. Heidemann, Dietmar H., 2004, „Kants Grammatik des Verstandes. Erkenntnistheoretische Untersuchungen zum Zusammenhang von Urteil und Kategorie“, in: Dieter Hüning u.a. (Hrsg.), Aufklärung durch Kritik, Berlin: Dunker & Humblot, 189–218. Heidemann, Dietmar H., 2002, „Anschauung und Begriff. Ein Begründungsversuch des Stämmedualismus in Kants Erkenntnistheorie“, in: Kristina Engelhard (Hrsg.), Aufklärungen. Festschrift für Klaus Düsing zum 60. Geburtstag, Berlin: Dunker & Humblot, 65–90.
17 Vgl. Brook 1994: 115, auch 152, 170, 194, 224. 18 Vgl. Kitcher 1990: 20f., ebenso 12, 111, 207.
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Kant, Immanuel, Kritik der reinen Vernunft, Jens Timmermann (Hrsg.), Hamburg: Meiner 1998. Kitcher, Patrica, 1999, „Kant on Selfconsciousness“, Philosophical Review, 108, 345–386. Kitcher, Patrica, 1990, Kant’s Transcendental Psychology, New York: Oxford University Press. Locke, John, An Essay concerning Human Understanding, P. H. Nidditch (Hrsg.), Oxford: Oxford University Press, 1975. Thiel, Udo, 2015, „Unities of the Self from Kant to Locke“, Kant Yearbook, 7, 139–165. Vanzo, Alberto, 2012, Kant e la formazione die concetti, Trento: Verifiche.
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The Principles of Apperception While much regarding the details and the success of Kant’s transcendental deduction1 is subject to dispute, there is, at the very least, something of a consensus regarding its starting point. Kant seeks to demonstrate the validity of the categories with respect to the objects of experience on the basis of a claim concerning the subject of experience, expressed in the principle of apperception which, most generally, concerns the identity or unity of the subject across the various representations that belong to it. Perhaps surprisingly, however, given its widespread currency among commentators,2 “the principle of apperception” is a phrase which to my knowledge Kant himself never uses, either in the published or unpublished texts.3 In fact, rather than referring to a single, generic principle of apperception, in the course of the deduction in A and B, Kant variously refers to the “transcendental principle of the unity of all manifold of our representations” (KrV A116), the “principle of the synthetic unity of the manifold in all possible intuition” (KrV A116–17), the principle that “every different empirical consciousness must be combined into a single self-consciousness” (KrV A117n.), the “principle of the necessary unity of apperception” (KrV B135), and the “principle of the synthetic unity of apperception” (KrV B136). It might of course be the case that these various expressions are reducible to a single principle, but that is by no means obvious (nor has any commentator taken up the task of demonstrating this), and in fact, Kant’s characterization of some of these expressions as synthetic in A and others as analytic in B, would suggest at the very least that the assumption that there is but a single (i.e., the) principle of apperception stands in need of further textual and argumentative support. As I will argue in this paper, however, there is good reason to think that there must be multiple principles of apperception that jointly constitute the foundation
1 When referring to the chapter as a whole in what follows, I will use the capitalized form ‘Deduction,’ whereas in references to the argument itself I will use the lower-case ‘deduction.’ 2 For discussions of the “principle of apperception” see, for instance, Guyer 1980 and Guyer 1987: 133–9; Allison 1996; McBay Merritt 2011; and Schulting 2012. 3 As it happens, the phrase only occurs in Kemp Smith’s translation of the KrV. His translation of a sentence at B135 reads “The principle of apperception is the highest principle in the whole sphere of human knowledge” (Kemp Smith 1929: 154) yet the original German reads “welcher Grundsatz der oberste im ganzen menschlichen Erkenntnis ist” (my emphasis), where it is unclear what the principle is to which Kant is referring as none was named in the immediately preceding text. DOI 10.1515/9783110560794-003
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of Kant’s enterprise in the transcendental deduction in the KrV.4 To this end, I will begin with a (necessarily) brief overview of Kant’s argument in § 16 of the B edition which, by most accounts, constitutes the first step in the argument of the deduction. On the basis of this overview I will distinguish three principles of apperception which, while closely linked, are nonetheless distinct in content and, most importantly, in their justification. Finally, I will show that my distinction between various principles of apperception coheres with Kant’s text (even if Kant does not endorse it explicitly), but also helpfully serves to resolve the apparent inconsistency between Kant’s treatments of the principle(s) in the A and B editions. Over the course of the three short paragraphs (along with two footnotes) of § 16 of the B edition, Kant constructs the foundation for his transcendental deduction. Most generally, in the first paragraph Kant will argue that the fact that it must be possible to attach the I think to my representations implies that the manifold of representations must be such that it can be thought in relation to a single identical subject. In the second paragraph, Kant argues that the fact that the manifold is subject to this condition implies that it must be capable of being brought into a synthetic unity, and in the third paragraph Kant traces the fact that the manifold is thus subject to such a synthesis to the type of cognizer that we are, namely, that we are beings for whom the relation of a representation to the self is not given but must be thought. Looking more closely at these passages, the incredibly dense first paragraph begins with the famous claim that “The I think must be able to accompany all my representations” (KrV B131). While Kant’s use of the phrase I think might be (and has been) taken to indicate that Kant is immediately interested in a form of self-consciousness that is putatively possible with respect to any representation, other passages would suggest that it is first and foremost, a consciousness of the content of the representation, and specifically a consciousness that it represents an object, that is at issue here. For instance, the justification Kant offers for this claim, that otherwise the representation “would either be impossible or else at least would be nothing for me” (KrV B132) is precisely that which he offers for a similar claim in the A edition which does not make explicit mention of self-consciousness, namely, that “[a]ll representations have a necessary relation to a possible empirical consciousness” (KrV A117n.) where this consciousness has just been characterized as involving the consciousness “of the identity of these reproductive representations with the appearances through which they are given” (KrV A115). Accordingly, the claim that the I think 4 It bears noting that Patricia Kitcher has also recently defended the posit of multiple principles of apperception; cf. Kitcher 2010: 121–6; though I differ from her on a number of points which will be discussed in due course.
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must be able to accompany my representations should be taken, at least initially, to amount to the claim that for every representation (that is to be in some way cognitively significant), it must be possible to become (empirically) conscious of it.5 Of course, that the appending of the I think to a representation is not to be understood first and foremost as resulting in a form of self-consciousness does not mean that some relation to a self is not involved in this consciousness. That such a consciousness of a representation involves its implicit relation to a subject is made clear not only by the fact that Kant analyses this consciousness in the B edition in terms of the addition of the I think, but also by the fact that Kant takes the resulting consciousness to amount to a given representation being something “for me” (KrV B132), which is to say that it is taken to represent something to me.6 Accordingly, the consciousness of a representation (specifically as relating to an object) involves the thought of the relation of that representation to the subject (for whom that representation represents something). This raises a question as to who the ‘me’ is to whom these representations are hereby thought to relate, and Kant’s answer, elaborated in the remainder of the first paragraph, is that it is the single, identical subject; thus, he writes that “all manifold of intuition has a necessary relation to the I think in the same subject in which this manifold is to be encountered” (KrV B132—latter emphasis mine). As Kant proceeds to claim, the I of the I think must refer to the same subject in all of its instances inasmuch as the representations to which it must (be possible to) be added have already been identified as my representations: “the manifold of representations that are given in a certain intuition would not altogether be my representations if they did not all together belong to a self-consciousness” (KrV B132). The I of the I think is thus “that self-consciousness [...] which in all consciousness is one and the same” (KrV B132) or, what amounts to the same thing, the ‘me’ for whom a representation is something when it is accompanied by consciousness is just the accusative of the I of apperception.7 Accordingly, Kant’s conclusion at this stage is that the consciousness of a representation, insofar as it amounts to the consciousness of that representation relating to an object, also involves relating that representation to the single, identical subject or I of apperception. What remains to be determined, at least for the purposes of § 16, is what exactly is required in order to think the relation of the representation to the identical subject of consciousness, and Kant turns to just this in the remaining para5 See also KrV A120: “without the relation to an at least possible consciousness appearance could never become an object of cognition for us, and would therefore be nothing for us”. 6 Allison 2004: 163. 7 To signal this, I take it, Kant switches from talk of “for us” in A (i.e., representations are “nothing for us and do not in the least concern us”—KrV A116) to “for me” in B.
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graphs of the section. In the second paragraph, Kant argues that the relation of a manifold of representations to the identical subject is only brought about through the synthesis or combination of that manifold into a single representation. This is on account of the fact that the simple consciousness, or perception, of some representation within that manifold does not suffice to relate it to an identical subject since these instances of perception are, taken on their own, unrelated to one another. What is required, rather, in order to think the identity of the subject with respect to a given manifold is to take each element in that manifold and bring it together into a single conscious representation. As Kant writes, “it is only because I can combine a manifold of given representations in one consciousness that it is possible for me to represent the identity of the consciousness in these representations itself” (KrV B133). The resulting unity in the manifold of representations is further characterized as synthetic inasmuch as it is effected without regard to the similarity (or dissimilarity) of the contents of the representations; rather, it is only insofar as these representations are taken together as belonging to a single consciousness, and not insofar as they share common marks or features, that they are taken to constitute a unity.8 Following this, in the third paragraph Kant contends that the fact that we are required, in thinking the relation of the manifold of representations to the identical subject, to combine or synthesize our representations, is a function of our specific cognitive limitations, and in particular to the fact that we are not given an intellectual intuition of the self as an identical subject of representations. In the B edition, Kant draws attention to the paucity of our existing representation of the self, namely, that through the I “nothing manifold is given” (KrV B135), which is to say it is wholly without content (or “simple”—cf. KrV A355, A443 / B471) and, consequently, there is nothing that it might contribute to the content of a representation such that we could recognize it as the same across diverse elements of a manifold. The operative distinction, then, is between the kind of cognizer that could intuit the relation of a manifold to the identity of the self, inasmuch as the manifold is in some way given through such a subject’s self-consciousness, and the kind of cognizer that must think this relation to the self, that is, represent it through the act of combining given representations (cf. KrV B135). In this way, then, the fact that a manifold of representation must be thought in relation to the identity of the subject requires that the manifold be brought into a synthetic unity, which in turn requires, as Kant will try to demonstrate, a synthesis in accordance with the categories.
8 See KrV B131n.: “Whether the representations themselves are identical, and therefore one could be thought through the other analytically, does not come into consideration here.”
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On the basis of this outline of the main argument of § 16, I would contend that it is possible to isolate three principles relating to apperception which play key roles in Kant’s discussion. What might be identified as the first principle of apperception is expressed in Kant’s assertion of the necessary possibility of consciousness with respect to all of our representations, a claim with which Kant opens both versions of the transcendental deduction proper. This principle, which I will call “principleC” (where ‘c’ denotes cognition, for reasons we will see) can be formulated as follows: principleC: for any manifold of my representation, it must be possible to become conscious of it insofar as it is to figure in a cognition
This is the principle, I take it, expressed in the famous statement with which Kant opens § 16, that it must be possible for the I think to accompany all of my representations,9 but it is also clearly the basis for the narrower claim with which Kant opens the corresponding A edition passage, namely that “All intuitions are nothing for us and do not in the least concern us if they cannot be taken up into consciousness” (KrV A116—my emphasis). Moreover, while it is unstated in both of these versions of the principle, it should be clear that Kant is not contending that it must be possible to be conscious of all mental representations in all contexts, but rather that the scope of this principle (and those that follow) is limited to representations insofar as they might figure into cognition.10 Indeed, recognizing that this principle is limited to representations taken in cognitive contexts is crucial for understanding how Kant takes it to be justified. While this principle (or something close to it) might be taken to be self-evident on the basis of a sort of Cartesian introspective certainty,11 in fact the principle’s assertion of the possibility of becoming conscious of a representation insofar as it is to figure in cognition follows directly from an analysis of the mere concept of ‘a being capable of cognition,’ and specifically of the component concept of ‘cognition’. This is already suggested by Kant’s claim, immediately following his statement of the principle in A, that “through this [relation to possible consciousness] alone is cognition 9 Kitcher likewise identifies this as a principle of apperception (cf. Kitcher 2010: 126). In a recent paper, Melissa McBay Merritt refers to this as the “cogito statement” (my emphasis), in order to distinguish it from what she identifies as the (sole) “apperception principle” (cf. McBay Merritt 2011: 5). I take it that the difference between McBay Merritt and I on this point is merely terminological (though see note 14, below), and I in any case agree that principleC does not contain any mention of synthesis or combination and, for that reason, is not the principle at the focus of Kant’s argument in the deduction. 10 Allison 2004: 164. See also Carl 1997: 151–2. 11 This is, for instance, McBay Merritt’s claim; cf. McBay Merritt 2011: 5.
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possible” (KrV A116), but Kant’s various definitions make it clear that he takes consciousness to be a key mark of cognitio. So, in the Stufenleiter passage, Kant identifies cognitio as an “objective perception,” where a perception (perceptio) is identified generally as a “representation with consciousness” (KrV A320 / B376), an account of cognition to which Kant adheres throughout his logic lectures and in various Reflexionen.12 This is to say, then, that this principle of apperception is an analytic proposition: to allow a representation of which we could not be conscious to count as cognition would be inconsistent with the definition of cognition as a representation accompanied with (objective) consciousness. Significantly, it is by means of reflection on the nature of the consciousness involved in this first principle that the remaining two principles of apperception are yielded. As we have seen, the sort of consciousness proper to a cognition is analysed by Kant in terms of an awareness of a representation as being something for me, or as representing something to me, and so involves an implicit thought of the relation of a representation to the self. Moreover, inasmuch as it is only my representations that are at issue here, it follows that the self to which my representations must bear some relation is the same throughout my various representations. These considerations yield a second, distinct principle of apperception which Kant himself refers to in B as the “principle of the necessary unity of apperception” (KrV B135) and which can be formulated as follows: principleNUA: for any manifold of representations that belongs to me, it must be possible to think the identity (or unity) of the subject with respect to it
A version of this principle can be found in the A edition claim that “We are conscious a priori of the thoroughgoing identity of ourselves with regard to all representations that can ever belong to cognition” (KrV A116). Yet it is given its clearest formulation in B where Kant not only asserts the identity of the subject across its representations but also stipulates the need to actively consider the manifold in relation to the identity of the subject: “all my representations in any given intuition must stand under the condition under which alone I can ascribe them to the identical self as my representations” (KrV B138). With respect to its status, principleNUA is clearly an analytic proposition, as can readily be shown by denying that it holds. Were it the case that a manifold of representations that amounted to a cognition were such that we could not think them in relation to the identity of the subject, then that would be, for Kant, as much as to say that those representations could not be anything for me, and this 12 See, for instance, Refl 1677 16:79, Refl 1686 16:83, Refl 2836 16:538, and Log-Pölitz 24:565, Log-Busolt 24:653, Log-DW 24:752, Log-Wien 24:904.
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would mean that I could not possibly be conscious of them and so they could not constitute a cognition (in accordance with the first principle). Indeed, principleNUA follows directly from principleC, and consequently is likewise contained in the notion of a being capable of cognition, inasmuch as it is yielded through elaborating what is required to relate a manifold to a subject which is required for that manifold to be involved in a cognition. Significantly, that (the claim that I identify as) principleNUA is analytic would seem to be widely-shared; yet commentators are also apparently unified in dismissing this claim as “trivial” and an “obvious tautology” that representations are subject to whatever conditions govern their ascription to me.13 Nonetheless, if it is a tautology, this principle is hardly an obvious one given that the representation of the identity of the subject was not widely recognized as a condition of cognition before Kant’s exposition in the Deduction. In any case, much of what motivates this dismissive reaction to principleNUA is the concern that a principle that makes a comparatively modest claim would not be worthy of the title of “supreme principle of all use of the understanding” (KrV B136). I take it, however, that principleNUA does not itself constitute this supreme principle but rather only yields that principle through a consideration of how the condition it stipulates is satisfied with respect to any manifold of representations that could possibly count as cognition. As we saw previously, the condition that the identity of the subject be thought in relation to the manifold of representations can only be fulfilled, in the case of cognizers like us, insofar as the manifold is taken together and combined into a synthetic unity. PrincipleNUA, then, yields a third, and final principle of apperception which I, using Kant’s own phrase, will call the “principle of the original synthetic unity of apperception”: principleOSUA: for any manifold of representations, the identity of the subject with respect to that manifold can be thought only by bringing it into a synthetic unity through combination
This last principle is referred to in the A edition, where Kant identifies the claim that “the unity of the manifold in a subject is synthetic” as the “principle of the synthetic unity of the manifold in all possible intuition” (KrV A116–17).14 In the B edition, however, this principle is typically mentioned only in connection with the 13 See, for instance, Allison 1996: 41, 44; Allison 2004: 165; Guyer 1980: 209, where this principle is identified as the mere “analytical truth that whatever representations I can ascribe to myself are subject to whatever conditions govern such ascription”; and Kitcher refers to this as the “tautological B edition principle of apperception,” cf. Kitcher 2010: 126. 14 I take it that this is the principle explicitly identified as the main part of the principle of apperception, or simply as the principle of apperception by both Allison (cf. Allison 1996: 47 and Allison 2004: 164) and McBay Merritt (cf. McBay Merritt 2011: 5).
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previous one, which serves as an indication of their close relation; for example, after claiming that “I am therefore conscious of the identical self in regard to the manifold of the representations that are given to me in intuition because I call them all together my representations,” which I take it amounts to principleNUA, Kant remarks that this is “as much as to say that I am conscious a priori of their necessary synthesis, which is called the original synthetic unity of apperception” (KrV B135). While these latter two principles of apperception are closely related, the differences between them are significant. The first and most obvious difference is that while both principleNUA and principleOSUA mention the necessity of unity with respect to a manifold of representations, the former does so in terms of the unity of the subject, whereas for the latter this unity is understood in terms of the resulting unity of the manifold. Moreover, only the latter explicitly characterizes this unity as synthetic and as involving the synthesis or combination of the manifold. This serves to highlight another important difference between the principles, namely, that where principleNUA stipulates a general rule with respect to the manifold of representations (that it must be thought in relation to the identity of the subject), principleOSUA documents the way that rule is fulfilled in the case of beings with our cognitive capacities. Given this, the relation between the two principles can be thought in roughly the same terms as that between a concept, which constitutes a (discursive) rule for the connection of a manifold of representations (marks), and that concept’s schema, or the condition of its application to a specific manifold of intuition.15 I take it, however, that the primary difference between principleNUA and principleOSUA consists in their status: where the former is clearly analytic, the latter, I would contend, is synthetic. This is, of course, a controversial claim as a number of commentators have argued for the analyticity of (what I call) prinicpleOSUA, with Allison offering the most vigorous defence.16 Allison considers the principle “that the identity of the ‘I think’ entails the synthetic unity of its representations,”17 and argues that it is analytic inasmuch as there is no other way for a discursive cognizer to ascribe a manifold to itself with respect to a manifold of representa-
15 For a similar use of the analogy with a concept and its schema with respect to the principle of apperception, see Allison 1996: 46. 16 For endorsements and defenses of the analyticity of the principle of apperception other than Allison’s (which I’ll consider below), see McCann 1985; Kitcher 2010: 125–6; and Schulting 2012: 75. 17 Allison 1996: 48; for a longer version of the principle Allison is concerned with, see Allison 2004: 166. It should be noted that Allison also considers the converse claim, namely, that every synthetic unity requires a logically simple subject, though I will not take this up here.
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tions other than by taking that manifold together into a single consciousness. As Allison writes, the possibility of becoming aware of an identical ‘I think’ clearly requires that the representations with respect to which the ‘I’ is conscious of its identity constitute a synthetic unity in a single consciousness. Otherwise, the ‘I’ could not conceivably become aware of its identity with respect to these representations.18
Of course, while it is the case that every cognizer must relate the manifold of representations to the identity of the subject, it is not the case that every cognizer must do so by means of combining the manifold into a synthetic unity. As we have already seen, Kant makes this clear through contrasting the discursive understanding, which is constrained to think the identity of the subject with respect to the manifold, and an intuitive understanding “through whose self-consciousness the manifold of intuition would at the same time be given” (KrV B138). Yet, given that Kant is explicit that the sort of cognition under consideration for the purposes of the deduction is specifically discursive cognition, that is, as involving concepts and sensible intuition (see for instance, KrV A78 / B103, A92 / B125, B146), it would seem to follow from the mere concept of such a cognizer that the manifold of representations must be brought into a synthetic unity in order to relate it to the identity of the subject. I grant that principleOSUA would be analytic were it the case that we could not conceive of a discursive cognizer other than one that was constrained to think, rather than merely intuit, its identity with respect to a manifold of representation. Yet, while it is obvious that an intellectual intuition of its identity would be beyond the capabilities of such a cognizer, and so Kant appropriately rules it out, it is nonetheless quite conceivable that a discursive cognizer could be disposed of a sensible intuition of its own identity and indeed one which would relieve it of the necessity of thinking its identity through bringing the manifold into a synthetic unity. Rather, in such a case, a cognizer could simply intuit its identity by means of inner sense so that the subject would be recognized as persisting across the manifold of its representations. Such a possibility when it comes to the consciousness of one’s identity amounts to something of a neglected alternative on the part of the defenders of the analyticity of principleOSUA though, it bears noting that far from representing a merely abstract possibility, this is precisely the way
18 Allison 1996: 48. See also Allison 2004: 166–7, where Allison makes a similar claim: “since the subject is being considered merely as the subject of discursive thought, its identity is inseparable from the synthetic unity of its thought.”
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in which Kant had taken us to be conscious of our identity before the KrV. As is recorded in the Met-L1 notes, The soul is a single soul (the oneness [Unität], the unity [Einheit] of the soul), i.e., my consciousness is the consciousness of a single substance. I am not conscious of myself as several substances. For if there were several thinking beings in a human being, then one would also have to be conscious of several thinking beings. But the I expresses oneness: I am conscious of myself as one subject. (Met-L1 28:267)
As Kant here indicates, the consciousness of the I already expresses the singularity of the soul throughout its representations and, since the I is given “through the inner intuition of inner sense” (Met-L1 28:265), it is clear that at least at the time of the Met-L1 notes, Kant had assumed that the way in which the human soul was conscious of its unity or identity was by means of a direct sensible intuition of the I as a persisting substance.19 Accordingly, the claim of the analyticity of principleOSUA is rendered doubtful inasmuch as it is not obviously the case that a discursive cognizer as such must think their identity, that is, must relate the manifold of representations to the identity of its subject only by means of bringing that manifold into a synthetic unity. As the defender of the analyticity of (what I call) principleOSUA would likely point out, however, by the time of the KrV Kant would think better of the claim that inner sense discloses a persistent subject and, indeed, for reasons that would support the connection between the concept of a discursive cognizer and the necessity of synthetic unity. In an oft-quoted passage from the A Deduction, Kant writes: The consciousness of oneself in accordance with the determinations of our state in internal perception is merely empirical, forever variable; it can provide no standing or abiding self in this stream of inner appearances (KrV A107)
Kant proceeds to suggest that the unavailability of a persisting subject in inner intuition is not a mere fact about us and our cognitive limitations (and so the possible basis for a synthetic claim), but rather that it would actually be impossible to intuit the identity of the subject inasmuch as that “which should necessarily be represented as numerically identical cannot be thought of as such through empirical data” (KrV A107). Kant’s presupposition here is presumably the Humean one that experience cannot supply a warrant for necessary (or universal) claims, or as Kant puts it, “[e]xperience teaches us [...] that something is constituted thus and so, but not that it could not be otherwise” (KrV B3). So, given that the identity of 19 See Dyck 2014: 161.
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the logical subject is necessary, it follows that it cannot be represented empirically by means of inner sense. Accordingly, the analyticity of principleOSUA can be maintained since the putatively neglected alternative of a sensible intuition of the identity of the subject is not a viable alternative at all and, therefore, it follows directly from the concept of a discursive cognizer that it must think its identity by bringing a manifold into a synthetic unity. Yet, while there is no doubt that Kant comes to reject any inner intuition of the persistence of the subject with the KrV, the line of reasoning suggested at A107 cannot be his considered reason for doing so. For starters, the unqualified denial that the identity of the subject could be represented “through empirical data” would seem to also rule out Kant’s own alternative to this, namely, that the subject’s identity can only be thought by means of an empirically given manifold of intuition (cf. KrV B423n.). More problematically, to rule out the possibility of an inner intuition of the subject’s identity would be to mistakenly assume that the subject is necessarily identical whereas Kant’s claim in the quoted passage is merely that the subject is necessarily represented as numerically identical20 which does not obviously preclude empirical access to that identity itself.21 Accordingly, he typically draws attention to the simple lack of such an intuition, rather than its sheer impossibility, as when he asserts that “not the least intuition is bound up with this representation [the I]” (KrV A350), and that “there is no persistent intuition to be found in inner sense” (KrV B292), that in our representation of the I there is simply no “predicate of intuition that, as persistent, could serve as the correlate for time-determination in inner sense” (KrV B278) rather than that it would be entirely inappropriate to seek for such a predicate (cf. also KrV A350). Moreover, Kant later allows that the representation of the subject as “persist[ing] in existence [...] while its states are constantly changing” (KrV A672 / B700) is an aspect of the illusory appearance of reason’s idea of the soul, which illusion could hardly be natural and unavoidable if, on the basis of Kant’s claims at A107, it were ruled out in advance as simply impossible. Instead, as Kant makes clearer in the B edition and elsewhere, the unavailability of any intuition of the identity of the subject is a function of a limitation 20 Compare Kant’s formulation at KrV B132, which likewise avoids ascribing necessity to the subject’s identity: “all manifold of intuition has a necessary relation to the I think” (my emphasis). 21 One might consult Kant’s parallel account of how we cognize the numerical identity of an external object by means of attention “to what is persisting in its appearance to which, as subject, everything else relates as a determination” (KrV A361–2). While the subject of the determinations could be necessarily represented as identical across its determinations, the identity of this subject would nonetheless be cognized empirically, by means of the (in this case available) sensible intuition of its persistence.
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on the part of our inner sense, and its specific form (in our case), time. As Kant writes, it is in virtue of the fact that “time [...] and thus everything that is in inner sense, constantly flows,” in contrast with space which “persistently determines” (KrV B291), that a sensible intuition of the numerically identical subject is unavailable to us. Indeed, in MAN, Kant suggests that this is a result of the fact that time has only one-dimension (MAN 4:471) which would make the recognition of something persistent impossible given that a single dimension does not allow for the simultaneous recognition of one magnitude as persisting while its other determinations change.22 In any case, it is only with respect to cognizers constituted as we are, namely, not only as discursive intellects but also as beings with time (and space) as forms of sensibility, that principleOSUA can be taken to hold, as Kant himself seems to claim at the end of § 17 in B where he limits the applicability of principleOSUA to the human understanding which, he claims, excludes both an understanding that “would intuit itself” and “one that, while possessing a sensible intuition, would possess one of a different kind than one grounded in space and time” (KrV B139). This is all just to say, then, that the connection asserted in principleOSUA between the concepts of a discursive cognizer and the necessity of its thinking its identity can only be synthetic since it is grounded in the fact that we are beings with time as the specific form of inner sense and, only for this reason, are constrained to combine the manifold of representations in order to relate it to the identity of the subject. Allowing that such a distinction between these principles of apperception, and particularly between principleNUA and principleOSUA can be drawn, it might be wondered whether it can be made consistent with Kant’s text. After all, not only does Kant repeatedly insist on the analyticity of the principle of apperception in B, but he also claims, in § 21 that the first step of the deduction had proceeded in abstraction from “the way in which the empirical intuition is given in sensibility” (KrV B144) which, presumably, would render Kant’s apparent reliance in the account of principleOSUA on the character of time, as the form of inner sense, out of bounds.23 Significantly, however, this distinction between principles can be shown to be consistent with Kant’s pronouncements regarding apperception and its principle in the Deduction (and elsewhere), even if Kant never makes it explicit. Regarding the first apparent inconsistency, a consideration of the relevant texts makes clear that the principle which is identified as analytic is what I have labelled principleNUA, or the claim that any manifold of intuitions must be such that the identity of the subject can be represented with respect to it where this principle falls short of stipulating the way in which that identity is to be rep22 For a similar point, see Edmundts 2010: 175–6. 23 I am indebted to Camilla Serck-Hanssen for raising, and urging me to address, this concern.
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resented. So, in the two instances in which Kant makes the analyticity claim in the B Deduction, he seems to distinguish the analytic principle from its consequence for beings with our discursive intellect and forms of sensibility: Now this principle of the necessary unity of apperception is, to be sure, itself identical, thus an analytical proposition, yet it declares as necessary a synthesis of the manifold given in an intuition, without which that thoroughgoing identity of self-consciousness could not be thought. (KrV B135—my emphasis) This last proposition is, as we said, itself analytic, although, to be sure, it makes synthetic unity into the condition of all thinking. (KrV B138—my emphasis)
Indeed, this same distinction between the analytic principle and its implication that a discursive being like us can only think our identity through the manifold of intuition is clearest in a passage in the B edition Paralogisms which notably does not make any mention of the need for synthesis or combination in bringing the manifold into a unity, or even of the type of unity (synthetic) that results: The proposition of the identity of myself in everything manifold of which I am conscious is equally one lying in the concepts themselves, and hence an analytic proposition. (KrV B408)
Regarding the second apparent inconsistency, namely, with the strictures Kant imposes regarding the first step of the Deduction, it should be noted that Kant does not baldly claim that this part of the argument needed to abstract entirely from human sensibility and its specific forms, rather, it was required only to “abstract from the way in which the manifold for an empirical intuition is given” (KrV B144—my emphasis), that is, from the fact that time (and space) are both given as unities (or as a single time and space) already in advance of any categorial determination.24 Kant abstracted from the unity that already belongs to space and time, as he immediately proceeds to claim, “in order to attend only to the unity that is added to the intuition through the understanding by means of the category” (KrV B144—my emphases). Given that the syntheticity of principleOSUA does not turn on the singularity or unity of time (i.e., the fact that there is a single time), then, it does not overstep the boundaries Kant sets for the initial step of the deduction. Significantly, thus distinguishing between the analytic principleNUA and synthetic principleOSUA also allows us to resolve the apparent inconsistency between 24 See KrV B160–1n.: “In the Aesthetic I ascribed this unity merely to sensibility, only in order to note that it precedes all concepts” and later in the same note: “the unity of this a priori intuition belongs to space and time.”
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the A and B editions, where Kant refers to a “synthetic proposition” as the principle of apperception in the former, in contrast to the analytic principle of the latter. Among the commentators who have acknowledged this discrepancy, Guyer (who first brought it to general attention) contends that in fact both versions of the principle in A and B must be synthetic for Kant’s aims in the deduction,25 whereas Allison takes the analytic principle in B as sufficient for Kant’s purposes, though Allison thinks Kant rightly identifies the principle mentioned in A as synthetic given its “connection with time and possible experience” in virtue of the general framework of the A deduction (cf. KrV A99).26 Yet, turning to the notorious footnote in the A edition, we can see that a compromise position becomes possible: The synthetic proposition that every different empirical consciousness must be combined into a single self-consciousness is the absolutely first and synthetic principle of our thinking in general. (KrV A117n.—latter emphasis mine)
While this statement of the principle, like principleNUA relates the manifold of representations (of which we are empirically conscious) to the identity of the subject (“a single self-consciousness”), it clearly goes beyond that principle in explicitly specifying that this is accomplished through the synthesis or combination of the manifold. This principle then, amounts to an expression of (what I have called) principleOSUA and, in accordance with the foregoing, it is appropriately identified by Kant as synthetic. With respect to the critical standoff, we can see that Allison is right to stress that this principle is synthetic as a result of the invocation of time, the form of inner sense, in its justification (rather than for the reasons which Guyer supplies), but Guyer is likewise correct to emphasize the synthetic character of this principle of apperception in both editions, a fact which Allison overlooks in his reconstruction of the first step of the B Deduction wholly on the basis of a putatively analytic principle. Ultimately, then, the only change in Kant’s presentation with respect to the principle(s) of apperception between the A and B editions is a change in emphasis—from the synthetic principleOSUA to the analytic principleNUA that yields it. Such a shift was, in all likelihood, motivated by Kant’s concern that laying emphasis in the deduction upon a synthetic claim regarding the way in which the subject must think its identity might be, and indeed was, mistaken as a new basis for synthetic a priori cognition of the self in spite of Kant’s warnings against such an enterprise in the Paralogisms.27 25 Guyer 1980: 209. 26 Allison 2004: 167. 27 On this, see Gäbe 1954: 101–111; and Horstmann 1993; esp. 410–12. It bears noting that this worry motivates a number of Kant’s other revisions to the B Deduction and the Paralogisms.
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In the end, I hope to have shown that there are substantial grounds, both philosophical and textual, for such a distinction between the principles of apperception. Distinguishing between the various principles of apperception that are involved in Kant’s argument in the transcendental deduction helps elucidate key steps at the outset of Kant’s Deduction in the B edition version and also serves to resolve an apparent inconsistency between the A and B editions. On its own, of course, merely obtaining clarity with respect to the principles of apperception, and their differing roles in Kant’s argument, would seem a rather modest result though few, I think, would dispute the importance of a better grasp of the foundations of Kant’s transcendental deduction for any understanding, and evaluation, of the imposing argument constructed upon it.28
References Allison, Henry E., 1996, “Apperception and Analyticity in the B Deduction”, in: Henry Allison (ed.), Idealism and Freedom: Essays on Kant’s Theoretical and Practical Philosophy, Cambridge: Cambridge University Press, 41–52. Allison, Henry E., 2004, Kant’s Transcendental Idealism, New Haven: Yale University Press. Carl, Wolfgang, 1997, “Apperception and Spontaneity”, International Journal of Philosophical Studies, 5, 147–63. Dyck, Corey W., 2014, Kant and Rational Psychology, Oxford: Oxford University Press. Edmundts, Dina, 2010, “The Refutation of Idealism and the Distinction between Phenomena and Noumena”, in: Paul Guyer (ed.), Cambridge Companion to Kant’s Critique of Pure Reason, Cambridge University Press, 168–89. Gäbe, Lüder, 1954, Die Paralogismen der reinen Vernunft in der ersten und in der zweiten Auflage von Kants Kritik, Diss. phil. Marburg. Guyer, Paul, 1980, “Kant on Apperception and a priori Synthesis”, American Philosophical Quarterly, 17, 205–12. Guyer, Paul, 1987, Kant and the Claims of Knowledge, Cambridge: Cambridge University Press. Horstmann, Rolf-Peter, 1993, “Kants Paralogismen”, Kant-Studien, 84, 408–25. Kemp Smith, Norman, 1929, Immanuel Kant’s Critique of Pure Reason, London: Macmillan. Kitcher, Patricia, 2010, Kant’s Thinker, New York: Oxford University Press. McBay Merritt, Melissa, 2011, “Kant’s Argument for the Apperception Principle”, European Journal of Philosophy, 19, 59–84. McCann, Edwin, 1985, “Skepticism and Kant’s B Deduction”, History of Philosophy Quarterly, 2, 71–89. Schulting, Dennis, 2012, Kant’s Deduction from Apperception, London: Palgrave Macmillan.
28 For their helpful comments and suggestions, I would like to thank Camilla Serck-Hanssen, Dennis Schulting, and Brian Bradley Ohlman.
Giuseppe Motta
„Was objektive Einheit des Selbstbewußtseins sei“ § 18 als systembildendes Element der B-Deduktion Paragraph 18 kann in seiner frappierenden Kürze als Angelpunkt, somit als Scharnier-Text innerhalb des ersten Teiles der transzendentalen Deduktion der Kategorien (§§ 15–21) betrachtet werden. Schwerlich kann man übersehen, dass die komplexe Auseinandersetzung mit dem Begriff der Apperzeption (als höchster Punkt der transzendentalen Philosophie) erst hier durch die Verbindung der Resultate der Paragraphen 15, 16 und 17 zu einem Ende kommt. Auffallend scheint andererseits auch die Tatsache zu sein, dass allein die erst in § 18 definitiv dargelegte „objektive“ (also nicht bloß „subjektive“) Apperzeption die notwendige Bedingung des Übergangs zur Bestimmung des Urteils und dessen Funktionen in den §§ 19–20 konstituiert. Laut § 19 sei nämlich das Urteil nichts Anderes als „die Art, gegebene Erkenntnisse zur objektiven Einheit der Apperzeption zu bringen“ (KrV B141). § 18 befindet sich somit zwischen zwei Argumentationsreihen (15–16– 17 / 18 und 18 / 19–20), also ganz im Zentrum der systematischen Entwicklung des ersten Teiles der B-Deduktion. In der ersten Sektion dieses Artikels werde ich mich mit den Grundzügen der Systematik des Textes vor und nach (also um) § 18 auseinandersetzen. Diese systematischen Überlegungen werden die Form einer Auseinandersetzung mit dem Titel selbst des § 18 annehmen, also mit der Formel: „objektive Einheit des Selbstbewußtseins“. Nach dieser Untersuchung werde ich mich dann mit den näheren Inhalten des Paragraphen auseinandersetzen, d.h. mit der hier dargelegten Unterscheidung von „objektiver“ und „subjektiver“ Einheit der Apperzeption. Dieser fundamentalen und systematisch auch genau durchgedachten Trennung sind nämlich alle Sätze des § 18 gewidmet.
1 Kants Systematik Kant fasst sämtliche Resultate der Argumente von § 15, § 16 und § 17 in der hier im Titel des § 18 angegebenen Definition der transzendentalen Apperzeption als „objektive Einheit des Selbstbewußtseins“ zusammen. Im Prinzip könnte DOI 10.1515/9783110560794-004
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man „Apperzeption“ und „Selbstbewußtsein“ als Synonyme betrachten. Oder besser, wie Kant am Anfang von § 16 deutlich erklärt, die Apperzeption sei nur ein spezieller modus des Selbstbewusstseins. Nämlich „dasjenige Selbstbewußtsein [...] was, indem es die Vorstellung Ich denke hervorbringt, die alle andere muß begleiten können, und in allem Bewußtsein ein und dasselbe ist, von keiner weiter begleitet werden kann“ (KrV B132). Andererseits wird hier durch den Begriff des Selbstbewusstseins der eher reflexive und quasi sinnliche Akt einer Selbsterfahrung ausdrücklich betont und somit auch ein qualitatives (d. h. nicht mehr nur quantitatives und noch nicht schon synthetisches) Moment im Begriff des höchsten Elements der transzendentalen Philosophie überhaupt festgelegt. Im Titel von § 18 finden wir somit einen deutlichen Hinweis auf die Unverzichtbarkeit und auf die Unersetzbarkeit des „Selbstbewußtseins“ als speziellen Vermögens, welches allein die unmittelbare Reflexion des Verstandes über sich möglich macht. Demzufolge kann man im Begriff der „objektiven Einheit des Selbstbewußtseins“ alle drei fundamentalen Momente der Apperzeption wiederfinden. Also: eine erst quantitative und ganz allgemeine Auffassung derselben im Begriff der „Einheit“ (unitas) in § 15 (hier: 1.1), das fundamentale, qualitative (und reflexive) Moment im Begriff der „Einheit des Selbstbewußtseins“ (veritas) in § 16 (hier: 1.2), die relationale / synthetische Funktion der Apperzeption für die Bestimmung der Gegenstände der Erfahrung in ihrer Objektivität im Begriff der „objektiven Einheit des Selbstbewußtseins“ (bonitas) in § 17 (hier: 1.3).
1.1 Die „Einheit“ (§ 15) § 15 enthält einen expliziten Hinweis auf § 12, in dem Kant eine mögliche Aktualisierung der drei klassischen Transzendentalien (unum, verum, bonum) im neuen (kritischen) Sinne skizziert hatte. Weder die veritas noch die bonitas kommen jedoch in § 15 direkt in Frage, sondern nur die unitas als erste mögliche (und allgemeinste) Definition des Grundes aller möglichen Verbindungen. Ganz im Allgemeinen kann man in § 15 zwei fundamentale Thesen isolieren, welche den zwei langen Absätzen des Paragraphen korrespondieren. Jede Verbindung, so Kants erste These, setzt eine Synthesis voraus, welche nicht durch Objekte gegeben wird, da sie ein Aktus der Selbstständigkeit des Verstandes ist. Selbst die Analysis, welche im Grunde eine zu der Verbindung konträre Aktion beschreibt (analúein = trennen) setzt Verbindung, mithin Synthesis, voraus, denn „wo der Verstand vorher nichts verbunden hat, da kann er auch nichts auflösen“ (KrV B130).
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Die Kategorien, so Kants zweite Grundbehauptung, müssen in einer möglichst hohen Einheit a priori den Grund ihrer logischen Verbindungen finden. Die Möglichkeit selbst des Verstandes als verbindendes Vermögen hängt von dieser höchsten Einheit ab. Diese sei vor allem nicht als eine bloß quantitative, sondern eher als eine „qualitative Einheit“ zu verstehen. Was heißt aber hier überhaupt „qualitative Einheit“? In Unterschied zu der „quantitativen Einheit“, welche in der Erzeugung einer gleichartigen Größe (quantum) besteht, fasst die qualitative Einheit ein buntes, differenziertes Mannigfaltiges zusammen. Sie ermöglicht somit die Verknüpfung ungleichartiger Erkenntnisstücke „in einem Bewußtsein“ durch die „Qualität eines Erkenntnisses als Prinzips“ (KrV B115). Das wird in § 12 mit Hilfe von drei schönen, einander assoziierten Metaphern dargestellt: „In jedem Erkenntnisse eines Objekts ist […] Einheit des Begriffs, welche man qualitative Einheit nennen kann, so fern darunter nur die Einheit der Zusammenfassung des Mannigfaltigen der Erkenntnisse gedacht wird, wie etwa die Einheit des Thema in einem Schauspiel, einer Rede, einer Fabel“ (KrV B114). Durch die qualitative Einheit wird also weder das Objekt in seiner einheitlichen, formalen Bestimmung der Essenz noch die numerische Einheit oder die Einzigkeit eines Dinges, sondern die Form selbst und hiermit die Kategorie als Prinzip der Vereinigung des Mannigfaltigen der Materie thematisiert. Um überhaupt die Notwendigkeit der Verbindung dieser neuen Art der Einheit festzulegen, beschreibt Kant im zweiten Absatz des § 15 eine Reihe von Graden, die zu einer ziemlich komplexen Einstufung der unterschiedlichen Formen der Einheit selbst führen. Verbindung sei ganz im Allgemeinen die synthetische Einheit des Mannigfaltigen. Die Vorstellung der Einheit könne aber nicht aus der Verbindung entstehen (siehe KrV B131). Sie mache viel mehr die Verbindung selbst erst möglich. Die Einheit sei mit anderen Worten kein Resultat der Verbindung, sondern die Voraussetzung jeder möglichen Verbindung. Kategorien seien ihrerseits nichts Anderes als Funktionen der Einheit des Mannigfaltigen zum Zweck der Verbindung desselben. Als logische Funktionen des Urteils setzten sie aber schon eine Verbindung und hiermit (noch höher) eine andere Einheit voraus, welche ihre und überhaupt jede Synthesis möglich macht. Hiermit unterscheidet Kant mindestens vier getrennte und unterschiedliche Formen der synthetischen Einheit. Von unten beginnend: 1. das durch die Kategorie verbundene Mannigfaltige der Erfahrung, 2. die Kategorie selbst als Funktion der Synthesis, 3. die Verbindung als der den Kategorien obergeordnete Begriff, 4. die Einheit, welche jede Verbindung überhaupt möglich macht. Durch diese Trennung der Formen der Synthesis äußert Kant die Notwendigkeit, die qualitative Einheit der Erfahrung möglichst hoch zu suchen und zu
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bestimmen: „Also müssen wir diese Einheit (als qualitative, § 12) noch höher suchen, nämlich in demjenigen, was selbst den Grund der Einheit verschiedener Begriffe in Urtheilen, mithin der Möglichkeit des Verstandes sogar in seinem logischen Gebrauche enthält“ (KrV B131). Später (in § 16) wird diese Einheit erst als eine „analytische“ Einheit (der Apperzeption), dann als die „synthetische“ Einheit (der Apperzeption) spezifiziert. Man kann nun aber schon in § 15 die wichtige Tatsache festlegen, dass die Möglichkeit der Apperzeption als höchster Punkt der transzendentalen Philosophie und als Ausgangspunkt der transzendentalen Deduktion zunächst durch die Definition des einheitlichen und des Einheit stiftenden Charakters derselben, also durch die Behauptung von ihrer Einheit (unitas) allein, definiert wird.
1.2 „Einheit des Selbstbewußtseins“ (§ 16) In § 16 setzt Kant den Leser (und sich selbst) vor die unmittelbare Tatsache, dass es etwas Reales (verum) gibt, was der höchsten Einheit (unum) als Prinzip der allgemeinen Möglichkeit aller Verbindungen korrespondiert. Dieses reale Etwas lässt sich am besten in einem Akt der Reflexion des Subjekts über sich selbst als das „Ich denke“ auffassen, welches alle meine Vorstellungen begleiten können muss. Man kann dies einerseits als das konkrete Bewusstsein der Identität seiner selbst in allen möglichen Vorstellungen bezeichnen. Dieselbe unmittelbare Gewissheit ermöglicht andererseits die Bestimmung der Einheit des Bewusstseins zunächst als eine „analytische“, dann (endgültig, wohl aber in einem separaten Schritt der Kantischen Argumentation) als eine „synthetische Einheit der Apperzeption“. Ganz im Allgemeinen kann man daher auch in § 16 mindestens zwei für die Deduktion allerdings fundamentale Argumentationsschritte trennen:
1.2.1 Analytische Einheit der Apperzeption Das am Anfang des § 16 ausgedrückte „Ich denke“ ist nichts Anderes als der reflexive Akt des Subjekts über sich selbst. Ich bin (jetzt) und kann mir potentiell in allen meinen Vorstellungen unmittelbar selbst bewusst sein. Das sich selbst betrachtende Ich ist also hier gleichzeitig Objekt und Subjekt seiner Betrachtung im Denken. Im Akt dieses über sich selbst reflektierenden Bewusstseins wird eine an sich empirische Wirklichkeit zugleich als eine Notwendigkeit in ihrer unmittelbaren Gewissheit festgelegt. Dieser Akt ist zwar nicht an sich notwendig; er muss aber notwendigerweise mit einer jeglichen Vorstellung des Subjekts verbunden
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werden können. Das somit ausgedrückte Selbstbewusstsein, welches erst jetzt als Hauptvermögen der ganzen transzendentalen Deduktion definiert wird, sei also ganz im Allgemeinen ein skepsisresistenter Sachverhalt, welcher die Sicherheit einer unbezweifelbaren Selbsterfassung bzw. Selbstwahrnehmung enthält. Historisch betrachtet bleibt das Kantische „Ich denke“ in der Tradition der vielen modernen Aktualisierungen des Cartesianischen cogito.1 Interessanter1 Vor allem im Discours de la méthode erklärte Descartes, dass die „Wahrheit: ‘Ich denke, also bin ich‘ so fest und sicher ist, dass die ausgefallensten Unterstellungen der Skeptiker sie nicht zu erschüttern vermöchten, [und dass] ich sie ohne Bedenken als ersten Grundsatz der Philosophie […] ansetzen könne“ (Œeuvres VI 33; dt. 26). In den Meditationes wurde darüber hinaus argumentiert, wie sich diese fundamentale Erkenntnis als die zweifelresistente Gewissheit erweist, worauf auch der ontologische Schluss der substantiellen Differenz zwischen res cogitans und res extensa basiert (vgl. Œeuvres VII 78). Der Interpret, der wahrscheinlich am deutlichsten die Cartesianische Prägung des Kernarguments der Deduktion erkannt hat, ist Dieter Henrich in Identität und Objektivität von 1976 gewesen. Kants „Ich denke“ drückt laut Henrich das unmittelbare Bewusstsein eines sich selbst betrachtenden Subjekts im Akt einer Reflexion über sich selbst aus. Das Kantische Selbstbewusstsein sei nun aber – im Unterschied zu dem Cartesianischen cogito – das Bewusstsein, in dem wir unmittelbar wahrnehmen, dass wir potentiell den Gedanken von uns selbst als denkendem Subjekt zu jedem unserer Gedanken hinzufügen können. Kontinuität und Unterschiede zwischen Descartes und Kant werden von Henrich sorgfältig beschrieben: „Es ist nicht schwer einzusehen, in welchem Sinne dieses Bewußtsein ursprünglich ist: Es hat die Evidenz, über allem Zweifel zu stehen und auch auf kein anderes Bewußtsein zurückgeleitet werden zu können, – die Evidenz also, die zuerst Descartes für die Selbstgewißheit seiner denkenden Substanzen in Anspruch nahm und die man deshalb (um der Kürze der Formel willen) die cartesianische Evidenz zu nennen gewohnt ist“ (Henrich 1976: 58–59). Nicht nur diese Cartesianische Ursprünglichkeit könne nun dem Kantischen Selbstbewusstsein zugeschrieben werden. Das Selbstbewusstsein sei vor allem einfach (so Henrich: „Denken wir uns selbst als das denkende Subjekt unserer Gedanken, so ist in diesem Gedanken nichts weiter enthalten als eben dies, daß ein Denker auf ein und dieselbe Weise auf alle seine Gedanken bezogen ist“; 1976: 55), ein (so Henrich: „Seine Einheit ergibt sich aus seiner Leere von aller spezifischen Bestimmung in seiner Beziehung auf mannigfaltige Inhalte“; 1976: 56) und identisch (so Henrich: „ sein läßt sich wörtlich durch die Formel übersetzen: , die sich zuvor aus der Einfachheit des Subjekts hatte herleiten lassen“; 1976: 57). Gerne rekurriert also Henrich auf die Eigenschaften, die Kant im (ganz anderen) Kontext der Paralogismen auflistet, um eine kohärente Auffassung der Apperzeption zu skizzieren. In seiner großzügig rekonstruktiven Auseinandersetzung mit Kants Begriff des Selbstbewusstseins stellt Henrich vor allem die problematische Tatsache in den Vordergrund, dass „das Selbstbewußtsein […] kraft seiner Einzelheit keine Ressourcen dafür [enthält], daß die Bedingungen für komplexe Gedanken apriori spezifiziert werden können“ (Henrich 1976: 68–69). Die Frage also, wie die Einheit des Selbstbewusstseins zugleich auch eine durch gewisse Prinzipien a priori regulierte Synthesis verlangt, findet laut ihm keine von Kant angemessen artikulierte Lösung. Kant habe dieses ganz zentrale Problem der Deduktion einfach übergangen. In Identität und Objektivität versucht daher Henrich selbst, den Schritt von der Konstanz des identischen Subjektes zur konstanten Form der Verbindung mit Hilfe einer vertieften Untersuchung der Begriffe der „Identität“ und der „Ein-
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weise drückt Kant hier explizit einen sinnlichen, sogar empirischen Moment im Akt der Selbsterfahrung aus und legt daher ein nicht bloß begriffliches Moment im Konzept der transzendentalen Apperzeption fest.2 Nur der Hinweis auf eine reflexive, zugleich aber sinnliche und somit qualitative Prägung des Kantischen Begriffs des „Ich denke“ hilft bei der Interpretation der vielen, manchmal etwas verwirrenden Sätze, in denen Kant diesen Satz explizit als einen empirischen Satz oder als Ausdruck einer spezifischen Wahrheit beschreibt.3 Strikt formalistische oder konstruktivistische Interpretationen, welche die konkrete, reflexive und intuitive Gewissheit im Akt der Reflexion des Subjekts über sich selbst verneinen, versuchen zwar die Komplexität der Kantischen Argumentation zu vereinfachen (und wahrscheinlich auch die Deduktion selbst eindeutiger und linearer zu machen); sie schaden aber somit dem Argument selbst in seiner strukturellen Komplexität und müssen daher abgelehnt werden.4 fachheit“ zu übergehen (Henrich 1976: 86ff. und 93ff.). In anderen (auch früheren) Schriften wie „Fichtes ursprüngliche Einsicht“ von 1966 beschuldigt Henrich ganz im Allgemein die Grenze und die Selbstwidersprüchlichkeit aller Theorien des Selbstbewusstseins (wie die von Descartes und von Kant), die sich auf einem Akt von Reflexion stützen. Fichte sei in dem Sinne der erste Autor, der eine Theorie der Subjektivität entwickelt, welche sich nicht auf das klassische Paradigma einer Reflexivität des Subjekts über sich selbst stützt. 2 Die Quellen dieser sinnlichen / empirischen Auffassung des Ichs können offensichtlich weniger in Descartes, als in Autoren und Philosophen des 18. Jahrhunderts wie Rousseau, Baumgarten, Merian, Tetens oder Feder gesucht werden. Die Diskussion über die Theorien dieser Philosophen kann hier in keiner Weise eröffnet werden. Es sei nur erinnert, dass ein deutlicher Schwerpunkt der Kant-Forschung in den letzten Jahrzehnten ausgerechnet in der Vertiefung und in der Verfeinerung der Untersuchungen über die historischen Quellen der Kantischen Apperzeption besteht. Von Bedeutung in dieser Hinsicht sind zum Beispiel die Schriften von Brandt 1994, Thiel 1996 und 2001, Kühn 1997, Heßbrüggen-Walter 2001, Euler 2004, Wunderlich 2005 und Lorini 2014. 3 Das: „Ich denke“, schreibt Kant zum Beispiel in den „Paralogismen der reinen Vernunft“ der ersten Ausgabe der Kritik der reinen Vernunft, drückt „die Wahrnehmung seiner selbst“ aus (KrV A342 / B400), welche aber zugleich eine „an Inhalt gänzlich leere Vorstellung“ ist (KrV A345–346 / B404) mithin gar keine Erfahrung oder Erkenntnis ermöglicht. In den späteren Prolegomena von 1783 definiert Kant das „Ich denke“ als die Äußerung eines „Gefühls eines Daseins“ (Prol 4:334 Anm.) und in den „Paralogismen“ der zweiten Ausgabe der Kritik der reinen Vernunft als „ein empirischer Satz“, welcher den Satz „Ich existire“ in sich enthält: „Er drückt eine unbestimmte empirische Anschauung, d. i. Wahrnehmung, aus, (mithin beweiset er doch, daß schon Empfindung, die folglich zur Sinnlichkeit gehört, diesem Existentialsatz zum Grunde liege) geht aber vor der Erfahrung vorher, die das Object der Wahrnehmung durch die Kategorie in Ansehung der Zeit bestimmen soll…“ (KrV B422–423 Anm.). Vgl. z. B. auch KrV B68, B155–156, B157–159. 4 Gegen solche Auslegungen richtet sich zum Beispiel die Untersuchung, die Katja Crone in den letzten Jahren zum Thema der Kantischen Definition eines (wie sie schreibt) “erstpersonal zugänglichen phänomenalen Gehalts des Apperzeptionsbewusstseins” geführt hat (Crone 2007:
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Kant schreibt nun bekanntlich, dass das „Ich denke“ alle meine Vorstellungen „begleiten können muss“. Dies heißt offensichtlich nicht nur, dass ich mir selbst bei meinen Vorstellungen bewusst bin, sondern eher, dass das reflexive Selbstbewusstsein, das ich bei einer Vorstellung (hier und jetzt) habe, zugleich auch potentiell bei allen Vorstellungen sein muss, die ich noch nicht habe. Dies ist nach Kant ein analytischer, weil identischer Satz. Die Analysis korrespondiert nämlich der Festlegung einer rekurrierenden (diachronischen) Identität. Sie ist vor allem leicht in der Auflösung zu sehen, welche distributiv in allen meinen (möglichen) Vorstellungen bzw. Bewusstseinseinheiten das gleiche Element, nämlich das Bewusstsein, dass ich eine Vorstellung denke, (also das Selbstbewusstsein) notwendigerweise wiederfindet. Definiert man ganz im Allgemeinen das Bewusstsein als die Vorstellung, dass eine andere Vorstellung in mir ist, dann konstituiert das Selbstbewusstsein eine zusätzliche, jedoch (weil ursprüngliche) notwendigerweise damit verbundene und notwendigerweise also begleitende Vorstellung.
1.2.2 Synthetische Einheit der Apperzeption Ab dem zweiten Absatz des § 16 thematisiert Kant den fundamentalen Unterschied zwischen Analysis und Synthesis bzw. den Kontrast zwischen der Definition der Apperzeption als bloß analytischer und der Definition derselben als synthetischer Einheit. Es geht nun vor allem um den Vorgang der Synthesis und des synthetischen Aktes der Apperzeption über die analytische Definition der Identität des Subjekts, was man auch schnell an dem rekurrierenden Auftauchen von Ausdrücken wie „möglich sein durch“, „voraussetzen“, „vorausdenken“, „vorhergehen“ (zweimal) oder von Worten wie „Voraussetzung“ oder „Grund“ erkennen kann. Die Einheit der Apperzeption – so die Hauptthese des zweiten Absatzes – ist keine einfache oder einfach ableitbare Identität. Sie könne viel mehr nur als eine synthetische und verbindende Einheit aufgefasst werden. Das Bewusstsein des identischen Selbst erfolge in diesem Sinne erst nicht durch die bloße Vorstellung des in allem Bewusstsein identischen (und daher analytischen) „Ich denke“. Das Bewusstsein des identischen Selbst sei viel mehr das Resultat der spontanen Vorstellung eines Denkens als Akt des synthetischen Verbindens des Mannigfalti-
151, siehe auch Crone 2012). Weitere bekannte Kant-Interpreten wie Dieter Sturma (vgl. 1985), Konrad Cramer (vgl. 1987), Manfred Frank (vgl. 1991) und Béatrice Longuenesse (vgl. 2008) hatten schon auf Aspekte des phänomenalen Selbst und des konkreten Bewusstseins jenseits bzw. vor jeder funktionalen oder formalen Bestimmung im Denken hingewiesen.
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gen.5 So liest man zum Beispiel am Ende von B133: „Also nur dadurch, daß ich ein Mannigfaltiges gegebener Vorstellungen in einem Bewußtsein verbinden kann, ist es möglich, daß ich mir die Identität des Bewußtseins in diesen Vorstellungen selbst vorstelle, d. i. die analytische Einheit der Apperzeption ist nur unter der Voraussetzung irgendeiner synthetischen möglich“. Schon im ersten Absatz des § 15 hatte Kant festgestellt, dass alle Verbindungen letztendlich synthetischer Natur sind und darüber hinaus, dass jede analytische Einheit eine synthetische voraussetzt. Jetzt kann er demzufolge behaupten, dass die analytische Einheit der Apperzeption eine ursprünglich synthetische voraussetzt. Laut dieser Aussage 5 Manche wichtige Interpreten haben jedoch versucht, den strikt analytischen (nicht synthetischen) Charakter der Einheit der Apperzeption festzulegen. Der Vorrang des Analytischen über das Synthetische sei zum Beispiel nach Malte Hossenfelder als ein notwendiger zu sehen: „Wenn [in der transzendentalen Deduktion] die Möglichkeit synthetischer Urteile a priori allererst bewiesen werden soll, dann darf der Beweis selbst, um nicht zirkular zu sein, keine solchen Urteile voraussetzen“ (Hossenfelder 1988: 281). Das Primat des Analytischen lasse sich zunächst und vor allem in der Ausdeutung des Prinzips „Das: Ich denke, muß alle meine Vorstellungen begleiten können“ darlegen: „Kants Grundsatz ist nichts weiter als eine Erläuterung des Begriffs ‚meine Vorstellungen‘, der auf alle Vorstellungen anwendbar sein muß, sofern ich behaupten will, daß ich durch sie etwas erkenne“ (Hossenfelder 1978: 101). Die synthetische Einheit des Bewusstseins selbst sei dementsprechend analytisch ableitbar. Nicolai Hartmann und Peter F. Strawson sind nach Hossenfelder die zwei Philosophen, die das strikt analytische Moment der Kantischen Deduktion am besten betont haben. Beide haben jedoch, in Unterschied zu Hossenfelder, auf eine enge Auseinandersetzung mit den Inhalten der Deduktion de facto verzichtet. Nicolai Hartmann hält die ganze transzendentale Deduktion und die darin enthaltene subjektivistische Konstitutionstheorie für philosophisch irrelevant. Schließlich enthalte die Kritik der reinen Vernunft keine Theorie der Subjektivität: „Das ‚Subjekt überhaupt‘ ist eine rein standpunktliche Fiktion. Mit ihr fällt der transzendentale Idealismus in den Atavismus der von ihm so heftig bekämpften dogmatischen Systeme, in denen die Fiktion des intellectus infinitus, archetypus oder divinus dieselbe überbauende Rolle gespielt hat“ (Hartmann 1924: 171). Kant habe leider nicht verstanden, dass der Grundsatz der synthetischen Urteile a priori „vollkommen unabhängig von seinem transzendentalen Idealismus“ ist (Hartmann 1924: 188). Peter F. Strawson versucht in The Bounds of Sense von 1966, das synthetische Argument der Deduktion der Kategorien zu einem regressiven und vor allem strikt analytischen Argument zurückzuführen. Strawsons Auseinandersetzung mit der Deduktion sei dementsprechend eine sehr strenge („austere“) und eingreifende: „the doctrine of synthesis [may] be by-passed by establishing a direct analytical connexion between the unity of consciousness and the unified objectivity of the world of our experience“ (Strawson 1966: 96). Im Unterschied zu Hartmann und Strawson verzichtet Hossenfelder nicht auf eine komplette Untersuchung der Transzendentalen Deduktion der Kategorien. Er rechtfertigt in diesem Sinne den doch synthetischen Charakter der Einheit der Apperzeption durch die klare Trennung von unterschiedlichen Ebenen der einheitlichen Funktion der Synthesis: „Was Kant vor Augen hat, wenn er vom bewußten Hinzusetzen der Vorstellungen [im Ziehen einer Linie oder in der Konstruktion eines geometrischen Gegenstandes zum Beispiel] spricht, ist offenbar eine andere Einheit“ (Hossenfelder 1978: 105). Der analytische Charakter der Deduktion bleibe von diesen und anderen Formen der Synthese unbeschädigt.
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entsteht das Selbstbewusstsein auch nicht aus dem Bewusstsein der Verbindung des Mannigfaltigen der Vorstellungen schlechthin. Selbstbewusstsein sei viel mehr erst das Bewusstsein der Möglichkeit (d. h. des Könnens) der Verbindung des Mannigfaltigen. Selbstbewusstsein komme mit anderen Worten nur dann zustande, wenn sich der Verstand seiner synthetischen Verbindungshandlung als solcher, d. h. vor der Verbindung selbst, bewusst wird. Dieser für die Definition der Apperzeption entscheidende Punkt wird sehr gut in einem wertvollen, notwendigerweise aber ziemlich intrikaten Satz von Manfred Baum erklärt: „Jene synthetische Einheit des Bewußtseins, die der Grund der analytischen Einheit des Bewußtseins ist, ist nicht die synthetische Einheit des Bewußtseins der Vorstellungen, sondern Bewußtsein der Einheit der Synthesis des Verstandes selbst in seinem reinen Verbinden, d. h. in seiner synthesis intellectualis“6. Selbstbewusstsein ist daher nur dann möglich, wenn der Verstand sich seiner reinen (noch nicht an das Mannigfaltige der Vorstellungen angewendeten) Verbindungshandlung bewusst ist. Noch einmal definiert Kant die Apperzeption in einer paradoxalen, fast widersprüchlichen Art. Nach der Bestimmung ihrer Einheit, welche jedoch keine quantitative, sondern eine qualitative ist, und nach der Beschreibung einer ganz besonderen Intuition, die gar nichts Gegebenes erfasst, definiert nun Kant die Einheit als Synthesis vor und unabhängig von dem spezifischen Akt des Verbindens.
1.3 „Objektive Einheit des Selbstbewußtseins“ (§ 17) Der Übergang von § 16 zum § 17 lässt sich als der (von Kant systematisch und ganz genau durchgedachte) Wechsel von einer inhaltlichen (wenn auch sehr komplexen) Auffassung der transzendentalen Apperzeption als solcher zur Definition eines Prinzips und dessen Wirkung im Verstandesgebrauch verstehen. § 17 aktiviert (und dynamisiert somit) die Einheit der Apperzeption selbst, welche in § 16 zunächst an sich (in ihrem Wesen, könnte man sagen, obwohl es hier offensichtlich nicht um eine Substanz bzw. um ein Wesen geht), dann in § 17 in ihrer Wirkung im Verstandesgebrauch thematisiert wird. Wir haben hier mit einem spezifischen und szs. neu entdeckten Prinzip (in Form eines Urteils) zu tun, welches den Verstand in seinem Gebrauch (d.h. in der Erfassung des Mannigfaltigen der Erfahrung) lenkt und somit überhaupt möglich macht. Dieses Prinzip lautet (in einer der möglichen Formulierungen): Alle mir gegebenen Vorstellungen stehen
6 Baum 1986: 101.
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unter der ursprünglichen Einheit der Apperzeption als unter der notwendigen Synthesis derselben a priori. Kant geht also von der Frage nach dem Ich (nach dem Verstand überhaupt als ursprüngliche Einheit der Apperzeption) zur Auffassung und Beschreibung einer Gültigkeit über, d. h. zur Auslegung der Wirkung des höchsten Prinzips der transzendentalen Apperzeption in jedem Verstandesgebrauch. Vom Anfang bis zum Ende thematisiert dementsprechend Paragraph 17 die Synthesis als spezifische Funktion des Verstandes. Schon in § 16 hatte Kant die Synthesis extensiv betrachtet und zwar im Kontext der Definition der Apperzeption als synthetischer, ursprünglicher Einheit. Erörtert wurde jedoch dort weniger die Synthesis selbst (als solche) als der synthetische Charakter der Einheit der Apperzeption. Von oben an und szs. vor der Festlegung des verbindenden Aktes definierte Kant in § 16 die Synthesis als notwendige Bedingung (und Bestimmung) der erst analytisch begriffenen Einheit der Apperzeption. Zugleich behauptete Kant schon in B135, es sei unmöglich, sich die synthetische Identität (oder die synthetische Einheit) des Selbstbewusstseins überhaupt zu denken, wenn kein Bewusstsein von der Synthesis der Anschauungen da ist. Hiermit war der Übergang zu den Argumenten des § 17 explizit angedeutet bzw. der Übergang von der Definition des synthetischen Charakters der Einheit der Apperzeption als solcher zur Bestimmung der Synthesis des Mannigfaltigen der Anschauungen in der Definition des Gegenstandes der Erfahrung. Nun thematisiert Kant in allen fünf Absätzen des § 17, wenn auch aus sehr differenzierten Perspektiven (d. h. im Vergleich von Ästhetik und Logik in Abs. 1, in der darauf folgenden Definition des Objekts in Abs. 2, in der Bestimmung der transzendentalen Bedeutung einer geometrischen Konstruktion in Abs. 3, in der neuen Auffassung des „Ich denke“ in Abs. 4, und schließlich in der Beschreibung des diskursiven Charakters des menschlichen Verstandes in Abs. 5) die Synthesis im Akt der Verbindung des Mannigfaltigen für die Konstitution der Gegenstände der Erfahrung.7 Am besten im zweiten Absatz des § 17 wird das Objekt selbst als das, dessen Begriff eine Verbindung enthält, definiert. Die Objektivität der Gegenstände der Erfahrung hänge also vor allem nicht von einer einzigen Anschauung ab, sei diese eine reine (mathematische) oder eine empirische, sondern von der Vereinigung, somit von der Synthesis gegebener Vorstellungen im Verstande. Objekt sei erst „das, in dessen Begriff das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung vereinigt ist“ (KrV B137). Alle Vereinigungen der Vorstellungen erfordern „Einheit des Bewußtseins in der Synthesis derselben“. Daraus zieht Kant drei wichtige Schlüsse: „Folglich ist die Einheit des Bewußtseins dasjenige, was allein die 7 Vgl. dazu vor allem Motta, Synthesen. Eine Auseinandersetzung mit Form und Struktur des § 17 der B-Deduktion (voraussichtlich 2018).
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Beziehung der Vorstellungen auf einen Gegenstand, mithin ihre objektive Gültigkeit, folglich, daß sie Erkenntnisse werden, ausmacht, und worauf folglich selbst die Möglichkeit des Verstandes beruht“ (KrV B137). Die Apperzeption ist also für Kant – so die Hauptthese des § 17, die ich hier grundsätzlich unter dem Titel bonitas zusammenfasse – konstitutiv für das Objekt der Erfahrung und solle deswegen als eine „objektive“ bezeichnet werden. Die Einheit des Selbstbewusstseins ist eine „objektive“ und das Kantische cogito begründet, wie schon früher das Cartesianische, wohl aber in einem ganz anderen Sinne, die Objektivität in ihrem spezifischen Sinne. Diese enge Verknüpfung und Verflechtung von Subjektivität und Objektivität, welche zu einer konstitutiven Kollision zwischen unterschiedlichen Formen der Notwendigkeit führt (zum Beispiel zwischen derjenigen der unmittelbaren Gewissheit im reflexiven Akt des Selbstbewusstsein und derjenigen der synthetischen Konstitution der Objektivität der Gegenstände der Erfahrung), prägt also zutiefst die (an sich etwas paradoxale) Formel einer „objektiven Einheit des Selbstbewusstseins“ im Titel des § 18.
1.4 Systematischer Zusammenhang der Argumente im ersten Teil der B-Deduktion Wenn nun die obigen Zusammenfassungen des ersten Teiles der Deduktion allgemeinen annehmbar sind, dann kann man anschließend auch versuchen, die Grundformen der „Systematik“ des ersten Teils der B-Deduktion festzulegen. Mindestens fünf (nicht unbedingt von Anfang an ganz sichtbare) Ordnungsstrukturen des Kantischen Diskurses in diesen schwierigen Seiten können hier vorgeschlagen werden: I Ein versteckter Schluss. Ganz am Anfang der Deduktion (in § 15) wird das Primat der Synthesis über die Analysis festgelegt. Dies ermöglicht Kant, sein Argument (zwischen § 15 und § 16) in Form eines Syllogismus zu entwickeln: Maior: Die Analysis setzt immer eine Synthesis voraus. Minor: Ich bin mir analytisch bewusst, dass die unmittelbare und reflexive Vorstellung „Ich denke“ alle meine möglichen Vorstellungen begleiten können muss. Conclusio: Diese analytische Einheit der Apperzeption setzt eine synthetische als höchsten Punkt der transzendentalen Philosophie überhaupt voraus. II Der Übergang von einer mathematischen (quantitativen und qualitativen) zu einer dynamischen Auffassung der Apperzeption. Der Übergang von §§ 15 und 16 zu § 17 lässt sich als eine Dynamisierung und Funktionalisierung der Einheit der Apperzeption beschreiben. Diese wird nämlich nicht mehr an sich (als syntheti-
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sche Einheit der Apperzeption), sondern eher als Prinzip selbst der Synthesis für die Konstitution der Gegenstände der Erfahrung in ihrer Objektivität angenommen. III Die drei Transzendentalien. Ganz allgemein betrachtet, thematisiert Kant erst die Einheit in § 15, dann die Wahrheit in § 16 und schließlich die funktionale Bedeutung der Apperzeption in § 17. Man kann daraus schließen und festhalten, dass Kant in der allgemeinen Entfaltung seines Arguments der klassischen Ordnung der drei Transzendentalien der Scholastik folgt (also, wie oben erklärt: unitas, veritas, bonitas), welche bei Kant auch eine gewisse Rolle in der Systematisierung der Kategorien gehabt haben. Ein weiteres (m. E. fundamentales) Ordnungselement wurde bisher noch nicht erwähnt: Das vierte Moment. Der Thematisierung von unitas / veritas / bonitas IV bzw. Quantität / Qualität / Relation in den §§ 15, 16, 17 korrespondiert der Inhalt des § 19 als ein letztes, viertes Moment in der Position eines Postulats (nach der klassischen Systematik der Kategorien: 1, 2, 3 / 4). § 18 bleibt also dazwischen (in der Position des / ). Durch das vierte Moment wird normalerweise bei Kant die Wende zu einer ganz neuen Reflexionsebene ausgedrückt. Zugleich soll aber dieses vierte Moment keinen an sich neuen Inhalt gegenüber den drei vorhergehenden darstellen, sondern eher nachträglich das spezifische Objekt bestimmen, um das es von Anfang an (also in 1, 2, 3) ging.8 Das ist im Fall der B-Deduktion der Kategorien nichts Anderes als die logische Funktion des Urteilens (Kant scheint zu sagen: Wir sprechen von Anfang an nur davon…) und die damit korrelierte modale Bestimmung der Kopula „ist“ in allen objektiven (also nicht bloß subjektiven und zufälligen) Urteilen. Anzuführen sei schließlich die Form der ganzen Argumentation des ersten Teils der B-Deduktion, wie Kant selber sie in § 20 explizit beschreibt. § 18 wird in diesem Kontext zwar nicht erwähnt; seine zentrale Funktion in Kants Diskurs wird jedoch durch die Polarisierung der Elemente der Systematik in der Gegenüberstellung der Paragraphen 17 und 19 bestätigt. Ein fundamentaler Schluss. In § 20 fasst Kant die bisherige ArgumentaV tion der Deduktion in einem einzigen Schluss zusammen. Dieser Schluss basiert auf der hier in IV dargestellten Behauptung, man könne die logische Funktion des Urteilens (Thema von § 19) als die Handlung überhaupt annehmen, durch welche das Mannigfaltige in eine Apperzeption verbunden wird (Thema von § 17, 8 Vgl. dazu vor allem Brandt 2007.
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als Schluss der Argumentationskette der §§ 15–16–17). Man könne somit (und nur somit) die Kategorien selbst als logische Funktionen des Urteils in ihrem Besitz und in ihrem Gebrauch durch den Verstand rechtfertigen. Kant schreibt (ich zitiere den ganzen Paragraph): Das mannigfaltige in einer sinnlichen Anschauung Gegebene gehört notwendig unter die ursprüngliche synthetische Einheit der Apperzeption, weil durch diese die Einheit der Anschauung allein möglich ist (§ 17). Diejenige Handlung des Verstandes aber, durch die das Mannigfaltige gegebener Vorstellungen (sie mögen Anschauungen oder Begriffe sein) unter eine Apperzeption überhaupt gebracht wird, ist die logische Funktion der Urteile (§ 19). Also ist alles Mannigfaltige, sofern es in Einer empirischen Anschauung gegeben ist, in Ansehung einer der logischen Funktionen zu urteilen bestimmt, durch die es nämlich zu einem Bewußtsein überhaupt gebracht wird. Nun sind aber die Kategorien nichts anderes, als eben diese Funktionen zu urteilen, sofern das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung in Ansehung ihrer bestimmt ist (§ 13). Also steht auch das Mannigfaltige in einer gegebenen Anschauung notwendig unter Kategorien (KrV B143).
Vor allem die Thematisierung in § 18 des Unterschieds zwischen „subjektiver Einheit der Apperzeption“ und „objektiver Einheit der Apperzeption“ spielt eine wichtige Rolle im Übergang von § 17 zum § 19. Hier wird nämlich das Urteil selbst als die objektive Einheit der Apperzeption definiert. Voraussetzung dieses Übergangs ist die Klärung der Tatsache, dass wir überhaupt nicht mit einem psychologischen (empirischen und subjektiven), sondern eher mit einem transzendentalen (objektiven, im Sinne von Objekt konstituierenden) Prinzip, also mit keiner Zufälligkeit, sondern mit einer Notwendigkeit zu tun haben. Das ist im Allgemeinen das Thema des § 18 der Transzendentalen Deduktion der Kategorien.
2 Subjektive und Objektive Einheit der Apperzeption Am Anfang des Paragraphen 18 liest man Folgendes: „Die transzendentale Einheit der Apperzeption ist [Frage also nach dem Wesen: Was ist das?] diejenige, durch welche alles in einer Anschauung gegebene Mannigfaltige in einen Begriff vom Objekt vereinigt wird [hier finden wir nichts Anders als die Funktion der Synthesis für die Bestimmung des Objekts]“ (KrV B139). Im Begriff der „transzendentalen Einheit der Apperzeption“ werden somit die zwei vorher separat gehaltenen Ebenen der Argumentation in eine einzige und endgültige Definition der Apperzeption verbunden. Also: 1) die Untersuchungen des § 16 über die Apperzeption überhaupt: die Einheit der Apperzeption ist an sich
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ursprünglich und synthetisch, und 2) die Schlussfolgerungen des § 17 über die Gültigkeit des Prinzips der Apperzeption für die Bestimmung der Objektivität: das Objekt ist das Resultat einer Synthese des Mannigfaltigen im Verstande. Es folgt eine ziemlich intensive Auseinandersetzung mit dem entgegengesetzten Begriff der (nicht „objektiven“, sondern) „subjektiven Einheit des Bewußtseins“. Diese, schreibt Kant, ist „eine Bestimmung des inneren Sinnes“, also des Vermögens, „vermittels dessen das Gemüth sich selbst oder seinen inneren Zustand anschauet“ (KrV A22 / B37). Im inneren Sinne kann man sich vom Mannigfaltigen der Anschauung „zugleich“ oder „nacheinander“ bewusst werden, jedenfalls aufgrund von Umständen, die „empirisch“ sind, da sie von empirischen Bedingungen der Erfahrung abhängen. Da nun eine empirische Assoziation der Vorstellungen immer auch eine zufällige ist, lässt sich die subjektive Einheit des Bewußtseins zugleich als eine „empirische“ und als eine „zufällige Einheit des Bewusstseins“ definieren. Man kann in dieser Hinsicht ganz allgemein (und quasi als Einleitung in die Auseinandersetzung mit dem Begriff der „subjektiven Einheit des Bewußtseins“) festlegen, dass innerhalb der Kritik der reinen Vernunft die Adjektive „subjektiv“ (also: nicht objektiv), „empirisch“ (also: nicht a priori) und „zufällig“ (also: nicht notwendig) tendenziell immer als Synonyme gebraucht werden. Man beachte in dieser Hinsicht die drei folgenden Gleichsetzungen: 1. subjektiv = zufällig. In einer Reflexion aus den 80er Jahren liest man: „Das objectiv gültige und nothwendig gültige ist einerley. Was ich vom Obiect sagen soll, muß nothwendig seyn. Denn ist es zufällig, so gilt es nur im Subiect, aber nicht vom obiect“ (Refl 5915, 18:383). „Objektiv“ hat die Bedeutung von „nicht subjektiv“ im Sinne von „nicht zufällig“, was Kant in einer anderen Reflexion (auch aus den 80ern) folgendermaßen ausdrückt: „Um objectiv allgemein zu urtheilen und zwar apodictisch, muß die Vernunft frey von subjektiv bestimmenden Gründen seyn; denn bestimmten die, so wäre das Urtheil nur so wie es ist zufallig, nämlich nach den subjektiven Ursachen desselben“ (Refl 5413, 18:176). Vor allem in der zweiten „Analogie der Erfahrung“ unterscheidet Kant die zugleich „subjektive“ und „zufällige“ Abfolge der Apprehension eines Gegenstandes (wenn wir zum Beispiel ein Haus beliebig von oben oder von unten betrachten) von den eher zugleich „objektiven“ und „notwendigen“ Folgen in einem Ereignis (wenn wir zum Beispiel ein Schiff beobachten, das vom Strom bewegt wird). In letzterem Fall kann ich nämlich „die Apprehension nicht anders anstellen, als gerade in dieser Folge…“ (KrV A196–197 / B242). 2. zufällig = empirisch. „Zufällig“ gilt zugleich als Synonym von „empirisch“. „Empirisch“ heißt nämlich „aus der Erfahrung stammend“, „a posteriori“, d. h.
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„nicht a priori“, „nicht notwendig“ und daher „zufällig“. Diese Gleichsetzung von Begriffen wird von Kant auch in einer Reflexion aus den 80ern besonders klar festgelegt: „Die Einheit des Bewustseyns ist entweder empirisch: in der Wahrnehmung des Mannigfaltigen, verbunden durch Einbildungskraft. Oder sie ist logisch: die Einheit in der Vorstellung des obiects. Die erstere [also die empirische] ist zufallig und blos subiectiv, die zweyte [also die logische] nothwendig und obiectiv“ (Refl 5933, 18:392). Die zwei Ausdrücke „empirisch“ und „zufällig“ werden von Kant öfters einfach gleichgesetzt: „empirisch, mithin zufällig…“, das liest man sowohl in der zweiten Sektion der Einleitung der Kritik der reinen Vernunft (KrV B5) als auch, zum Beispiel, in der zweiten Sektion der Einleitung der Kritik der Urteilskraft (5:174). 3. empirisch = subjektiv. Diese letzte Gleichsetzung lässt sich aus dem Gesagten leicht ableiten. Man beachte jedoch auch die folgenden Definitionen. „Empirisch“ ist für Kant alles, was aus der Erfahrung stammt (bzw. alles, was sich unmittelbar auf Erfahrungen bezieht). „Erfahrung“ ist ihrerseits nichts Anderes als Wahrnehmung. Oder besser: Sie ist das von Wahrnehmungen Abstrahierte oder das, was aus Wahrnehmungen (durch Induktion) gewonnen wird. Wahrnehmungsurteile, welche als auf Erfahrungen bezogen auch als empirisch gelten, werden von Kant dementsprechend in den Prolegomena als „subjektiv“ definiert: „Alle unsere Urtheile sind zuerst bloße Wahrnehmungsurteile: sie gelten blos für uns, d. i. für unser Subject, und nur hinten nach geben wir ihnen eine neue Beziehung, nämlich auf ein Object, und wollen, daß es auch für uns jederzeit und eben so für jedermann gültig sein solle“ (Prol 4:298). Soviel über die allgemeine Gleichsetzung (und Kongruenz) der Begriffe „Subjektivität“, „Zufälligkeit“ und „Empirie“. Das Thema des § 18 besteht nun im engen Vergleich der zwei Formen der Einheit der Apperzeption: der objektiven / notwendigen / apriorischen und der subjektiven / zufälligen / empirischen Einheit. Es handelt sich um eine (im strikten Sinne des Wortes) „kritische“ Unterscheidung, welche kaum in Werken von anderen Autoren des 18. Jahrhunderts und auch nicht in Kants Schriften und Reflexionen vor der Kritik der reinen Vernunft (also aus den 70er Jahren) zu finden ist. Die subjektive Einheit des Bewusstseins entsteht nach Kant aus der Bestimmung des inneren Sinnes durch das Mannigfaltige der (inneren) Erfahrung in (inneren) Vorstellungen, die daher keine objektive, sondern eine bloß subjektive Gültigkeit haben. Die Art, wie das Bewusstsein selbst bestimmt wird, bleibt hier eine ganz beliebige bzw. zufällige: „Ob ich mir des mannigfaltigen als zugleich, oder nacheinander, empirisch bewußt sein könne, kommt auf Umstände, oder empirische Bedingungen, an. Daher die empirische Einheit des Bewußtseins,
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durch Assoziation der Vorstellungen, selbst eine Erscheinung betrifft, und ganz zufällig ist“ (KrV B139–140). Die objektive Einheit des Bewusstseins bezieht sich dagegen laut Kant auf die Zeit selbst als reine Form der Anschauung. Sie betrifft also keine spezifische, zeitlich determinierte Anschauung, sondern die Zeit als reine, formale Bestimmung aller Anschauungen überhaupt. Das Mannigfaltige der Anschauung wird somit hier nicht empirisch, sondern in seinem allgemeinen und notwendigen Verhältnis zum „Ich denke“ begriffen. Das Mannigfaltige wird mit anderen Worten nicht in einer oder mehreren speziellen, empirischen Synthesis (in der Zeit), sondern a priori durch die reine Synthesis des Verstandes (in ihrem Verhältnis zu der Zeit überhaupt als Form der Anschauung) aufgefasst. Wenn man nun diese Überlegungen auf die Inhalte der Paragraphen 15, 16 und 17 projiziert, dann kann man leicht zunächst festlegen, dass das Wort „Selbstbewusstsein“ im Kontext dieser Trennung zwei radikal unterschiedliche Bedeutungen bekommt: — Durch den „inneren Sinn“ bildet sich das Selbstbewusstsein bloß als Ich (also als Seele, Geist, Gemüt, usw.), somit als Objekt einer spezifischen Wahrnehmung und einer genauso spezifischen Erkenntnis. — Als „objektive Apperzeption“ gilt aber das Selbstbewusstsein als Subjekt selbst des Denkens und somit als höchste Bedingung der Konstitution der Objektivität der Gegenstände der (äußeren und inneren) Erfahrung. Darüber hinaus kann man durch dieselbe Trennung der subjektiven von der objektiven Einheit zwei radikal unterschiedliche Formen der Gültigkeit definieren: — eine bloß „subjektive Gültigkeit“, welche die Synthesis der empirischen Apperzeption in der zufälligen Auffassung des Mannigfaltigen „unter gegebenen Bedingungen in concreto“ prägt, und — die „objektive Gültigkeit“, welche die Synthesis der nicht empirischen, sondern reinen und ursprünglichen Apperzeption in der allgemeinen und notwendigen Auffassung des Mannigfaltigen charakterisiert. Die Asymmetrie zwischen diesen Formen der Einheit sollte aus dem Gesagten besonders klar resultieren. Dieselbe Asymmetrie kann aber vor allem deswegen als eine ganz radikale angenommen werden, weil die objektive Einheit der Apperzeption schließlich und offensichtlich als transzendentale Bedingung aller äußeren wie auch aller inneren Vorstellungen, mithin der subjektiven Einheit der Apperzeption selbst, gilt. Die subjektive Einheit des Bewusstseins wird also erst durch die Bedingungen der objektiven Einheit des Bewusstseins überhaupt möglich.
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Schluss Die letzte Frage, die man sich nun, am Ende dieser Auseinandersetzung mit den Inhalten des § 18, stellen soll, ist eine für diese Erforschung sehr wichtige: Warum thematisiert und diskutiert Kant überhaupt hier, in § 18, diesen (wie gesehen unmöglichen, weil radikal asymmetrischen) Vergleich zwischen zwei so unterschiedlichen Begriffen der Einheit der Apperzeption? Offensichtlich will Kant nicht zwei ähnliche aber wohl getrennte Begriffe in ihrer unterschiedlichen Bedeutung besser definieren oder quasi lexikographisch bestimmen. Es geht also nicht um bloße Definitionen. Die subjektive Einheit der Apperzeption wird darüber hinaus hier nicht – wie z. B. in der A-Deduktion – als Teil bzw. als Element der komplexen Mechanik der objektiven Einheit der Apperzeption selbst aufgefasst. Ganz im Gegenteil werden nun die zwei Formen der Einheit sorgfältig getrennt und separat behandelt. Kant thematisiert schließlich auch nicht – wie später in den Paragraphen 24 und 25 der B-Deduktion – das fundamentale Verhältnis zwischen Verstand und Sinnlichkeit. Die subjektive Einheit der Apperzeption hat also auch nicht die Funktion eines Zwischengliedes oder einer Zwischenstufe für die Bestimmung des Sinnlichen durch die Funktionen des Verstandes. Meine Antwort auf die Frage ist eine ganz einfache und wurde in den obigen Seiten schon mehrmals angedeutet. Sie lautet: Kant fügt diese Unterscheidung der Einheiten ausgerechnet in diese (extrem delikate und systematisch sehr wichtige) Stelle der Deduktion ein, weil nur die Kontrastierung mit dem empirischen und psychologischen Charakter der subjektiven Einheit des Bewusstseins zur deutlichen Definition des dagegen transzendentalen und logischen Charakters der objektiven Einheit der Apperzeption führen kann. Durch die Thematisierung dieses Unterschieds wird also der Übergang selbst zur transzendentallogischen Definition des Urteils in § 19 ermöglicht. Man kann in diesem Sinne den ganzen Paragraphen 18 als funktional im Übergang zum Paragraphen 19 auffassen. Diese Untersuchung will somit die methodologische Anfangsthese dieser Arbeit bestätigt haben: Man kann die Deduktion nur auf der Basis einer präzisen Auffassung der Struktur ihrer Argumentation begreifen. Die Inhalte selbst des § 18 könnten außerhalb einer solchen systematischen Auseinandersetzung mit der Architektur der Argumente der Deduktion nicht ausführlich verstanden werden. Man soll aber hinzufügen – wenn auch quasi aphoristisch am Ende dieses Aufsatzes –, dass diese ganze systematische Darstellung schließlich auf der Grundüberzeugung basiert, dass die Kohärenz des Kantischen Diskurses in den Paragraphen 15, 16, 17 und darüber hinaus im § 18 und im § 19 viel weniger im einheitlichen Charakter einer gewissen Form von „Verstand überhaupt“ als
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eher in der systematischen Kohärenz des Arguments selbst und schließlich also in der allgemeinen Funktion einer Deduktion der Kategorien liegt. In einem etwas paradoxalen Satz ausgedrückt: Es gibt keine Theorie der Subjektivität als solche (sondern nur der Objektivität) und schließlich also auch kein Subjekt in der Transzendentalen Deduktion der Kategorien.
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Rudolf Mösenbacher
Apperzeption und Urteil Analysen zum § 19 der Transzendentalen Analytik
Handlungs- oder gegenstandsbezogene Deutung der Einheit des Bewusstseins „Diese [Eris] nun streuete Zank zu gemeinsamem Weh in die Mitte Wandelnd von Schar zu Schar, das Geseufz’ der Männer vermehrend.“ (Homer, Ilias, vierter Gesang, 444–445)
Immanuel Kant benennt 1787 einen „höchste[n] Punkt, an dem man allen Verstandesgebrauch, selbst die ganze Logik, und, nach ihr die Transzendental-Philosophie heften muss“ (KrV B134). Aber wie Eris einem unerwünschten Gaste gleich findet dieser Punkt in seinem kritischen System keinen Platz und wird daher nie systematisch ausgeführt. Seine Benennung sollte die Einheit des Bewusstseins gewähren, säte aber in der Interpretationsgeschichte große Zwietracht. In der Auseinandersetzung um ein Verständnis jener „Einheit (als qualitative § 12)“ (KrV B131) – die den „Grund der Einheit verschiedener Begriffe in Urteilen“ (KrV B131) bildet und damit die „Möglichkeit des Verstandes“ (KrV B131) enthält – bilden sich anhand von Rekonstruktionen, Korrekturen und Weiterentwicklungen des Kantischen Textes verschiedene Lager, in denen ein Wiederkehren zentraler Interpretationsmotive sichtbar wird. Dabei reichen die Interpretationsversuche so weit auseinander, dass es scheint, als ob die ursprüngliche Apperzeption sowohl als empirisches Phänomen (vgl. u. a. Heimsoeth 1956: 232ff.; Klemme 2013: 195ff.) wie auch als rein logisches (vgl. u. a. Hossenfelder 1988: 283f.; Hossenfelder 1978: 123ff.; Strawson 1966: 72ff.) aufgefasst werden kann. Die ursprüngliche Einheit der Apperzeption wird damit entweder auf eine formal-logische oder eine empirische Ebene reduziert und der von Kant in der Kritik der reinen Vernunft intendierte rationale Begründungsanspruch zwischen formaler Logik und empirischer Tatsachenfeststellung – der sich in der Frage nach der Möglichkeit von synthetischen Urteilen a priori findet – übergangen. Eine Konsequenz daraus ist, dass sich die Lager in der Auseinandersetzung um ein systematisches Verständnis der transzendentalen Logik verhärten, da gerade die Ebene der Vermittlung beider Ansätze – d. i. die Frage nach ihrer Bedingung der Möglichkeit – von Vornherein ausgeschlossen wird.
DOI 10.1515/9783110560794-005
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Nimmt man hingegen den rationalen Begründungsanspruch ernst, den Kant mit der ursprünglichen synthetischen Einheit der Apperzeption benennt, eröffnen die hier im Zentrum stehenden Textabschnitte zur Frage nach der Einheit des Bewusstseins immer noch einen großen Interpretationsspielraum: So unterscheidet etwa R.-P. Horstmann in einer 2006 neu aufgeflammten Auseinandersetzung mit M. Wolff, T. Rosefeldt und D. Emundts schematisch eine gegenstandsbezogene und eine handlungsbezogene Deutung der Einheit des Bewusstseins.1 Lässt sich diese Unterscheidung auch nicht, wie Horstmann dies intendiert, in der Differenzierung zwischen A- und B-Auflage nachweisen, so handelt es sich doch um zwei paradigmatische Ansätze Kants, die den transzendentalen Begründungsanspruch jeweils auf ihre Weise ernst nehmen.2 Die Unterscheidung Horstmanns aufgreifend, soll im Folgenden nicht das Paralogismuskapitel im Zentrum stehen, sondern die Kategoriendeduktion, insbesondere in ihrer urteilstheoretischen Apperzeptionsauffassung des § 19 der Transzendentalen Analytik.3 Parallel zur Transzendentalen Dialektik wird auch 1 Nach Horstmann bildet die Seele oder das Ich denke (vgl. dazu u. a. KrV A342 / B400) einmal einen Gegenstand oder ein Seelending, von dem allerdings keine Merkmale erkannt werden können und das dadurch epistemisch unzugänglich ist (gegenstandsbezogene Deutung). Hingegen wird in der handlungsbezogenen Deutung die Seele oder das Ich denke als untrennbar mit dem Akt des Denkens verbundener Aspekt vorgestellt. (Vgl. Horstmann 1993: 416) Dabei handelt es sich um eine Differenzierung, die bereits in den 50er Jahren von R. Zocher in Form der Unterscheidung von transzendentaler Semantik und transzendentaler Ontik in Bezug auf die transzendentale Deduktion kritisch besprochen wurde. (Vgl. Zocher 1954: 190) Zocher spricht von transzendentaler Semantik, wenn von der Gültigkeit und Geltung einer Regel gehandelt wird und richtet seine Kritik gegen eine transzendentale Ontik – eines E. Lask oder N. Hartmann –, die von der Wirklichkeit und dem Sein der entsprechenden Vermögen handelt. (Vgl. Zocher 1959: 143) 2 M. Wolff, der Horstmanns Unterscheidung zwischen einer gegenstands- und einer handlungsbezogenen Deutung der Einheit des Bewusstseins scharf kritisiert, greift vor allem die jeweilige Positionierung dieser Ansätze in der A- bzw. B-Auflage an und damit die von Horstmann intendierte Entwicklung Kants vom Schulmetaphysiker zum Vorboten des deutschen Idealismus. (Vgl. Wolff 2006: 266, 274) Diese Kritik aufgreifend, sei an dieser Stelle nur hervorgehoben, dass sich beide Auffassungen am Text Kants rekonstruieren lassen, wie Wolff selbst in der Widerlegung Horstmanns für die A- und B-Auflage nachweist. Wolff revidiert Horstmanns Position, indem er ausführt, dass Kant seinen Standpunkt eines empirischen Dualismus in der zweiten Auflage fallen gelassen habe, was mit der Revidierung der Ansicht zu tun habe, dass der innere Sinn für sich genommen, d. i. unabhängig vom äußeren Sinn, „so etwas wie ein substanzielles Phänomen“ (Wolff 2006: 274) sei. Ist aber der innere Sinn substanziell unabhängig vom äußeren, liegt hier in letzter Konsequenz auch eine gegenstandsbezogene Deutung des Ichs bzw. der Seele vor, was wiederum Horstmanns These indirekt bestätigen würde. 3 Auch wenn der systematische Zusammenhang zwischen transzendentaler Deduktion und Paralogismuskapitel, zwischen Ich und Seele umstritten sein mag, besteht doch, zumindest in der Frage nach der Einheit des Bewusstseins, ein enger thematischer Zusammenhang.
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in der Transzendentalen Analytik der zweiten Auflage die Prävalenz des inneren Sinnes durch die des äußeren Sinnes geschwächt, wie sich neben der transzendentalen Deduktion u. a. auch in der Widerlegung des Idealismus zeigt – die zentralen Lehrstücke, d. i. die Transzendentale Ästhetik und das Schematismuskapitel, bleiben dabei allerdings unangetastet. Eine Klärung dieses Problems ist daher nicht in der Differenz zwischen erster und zweiter Auflage zu suchen – insbesondere auch weil Kant selbst den Unterschied zwischen A- und B-Auflage nur in einer das Verständnis erleichternden Fassung sieht (vgl. KrV BXLII; MAN 4:474) –, d. i. einer genealogischen Entwicklung, sondern in einer systematischen Unterscheidung. Die ursprüngliche synthetische Einheit der Apperzeption zeigt sich als dynamisches handlungsbezogenes Phänomen, wenn der Fokus auf die Gesamtstruktur des ersten Beweisschrittes (vgl. Henrich 1973: 93f.) gelegt wird: Dieser mündet argumentativ in § 19, in dem Kant eine genau bestimmte Definition des Urteils überhaupt gibt4 und die ursprüngliche synthetische Einheit der Apperzeption in ihrem Akt und ihrer Funktion für das Urteil charakterisiert. Diese urteilstheoretische Apperzeptionsauffassung steht damit aber zum Teil in Opposition zur isolierten Bestimmung in § 16, wie dies eine detaillierte Analyse des § 19 in der Folge belegen wird.
Die Urteilstheorie in § 19 Nachdem Kant in § 15 die Frage nach dem „Grund der Einheit verschiedener Begriffe in Urteilen“ (KrV B131) stellt, kehrt er spätestens in den §§ 18 und 19 zurück auf die Ebene des zu begründenden Urteils. Zwischen diesen Paragraphen wird die ursprüngliche synthetische Einheit der Apperzeption – die jeglicher Zergliederung unserer Erkenntnis vorausgehen muss5 – über die analytische Einheit des Ich denke als notwendige Voraussetzung transzendental6 erschlossen
4 Damit sei nicht gesagt, dass diese Urteilsdefinition nicht bereits in der ersten Auflage sowie der metaphysischen Deduktion wirksam sei, es sei jedoch betont, dass jene transzendentallogische Definition des Urteils in § 19 ihre explizite Ausformulierung findet. Vgl. dazu etwa die Entwicklung der Urteilsdefinition bei Reich 1948: 41ff., aber auch Schulthess 1981: 259ff. 5 „Man wird hier leicht gewahr, daß diese Handlung ursprünglich einig und für alle Verbindung gleichgeltend sein müsse, und daß die Auflösung, Analysis, die ihr Gegentheil zu sein scheint, sie doch jederzeit voraussetze; denn wo der Verstand vorher nichts verbunden hat, da kann er auch nichts auflösen, weil es nur durch ihn als verbunden der Vorstellungskraft hat gegeben werden können.“ (KrV B130) 6 „[…] die analytische Einheit der Apperzeption ist nur unter der Voraussetzung irgendeiner synthetischen möglich.“ (KrV B133)
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und soll nun in ihrer Funktion für das Urteil entwickelt werden. D. h., erst in § 19 wird deutlich, was unter der synthetischen Einheit der Apperzeption zu verstehen ist, nämlich ein Konstituens des Urteils, das seine innere Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit begründet. Die von den Logikern gegebene Urteilsdefinition als „Vorstellung eines Verhältnisses zwischen zwei Begriffen“ (KrV B140)7 kann Kant in seinem transzendentalen Anspruch nicht befriedigen8, ist sie doch erstens fehlerhaft, da diese Definition nur für kategorische, nicht aber für hypothetische und disjunktive Urteile passe, und zweitens unvollkommen, da das Verhältnis zwischen den Begriffen selbst nicht bestimmt werde. Genau dieses Verhältnis ist aber für eine transzendentale Logik gegenüber einer formalen essenziell: Analytisch werden verschiedene Vorstellungen unter einen Begriff gebracht (ein Geschäfte, wovon die allgemeine Logik handelt). Aber nicht die Vorstellungen, sondern die reine Synthesis der Vorstellungen auf Begriffe zu bringen, lehrt die transsc. Logik. (KrV B104)
Kants Interesse gilt demnach einer apriorischen Regel der Regelanwendung, d. i. einer Anwendung des Denkens auf die Sinnlichkeit.9 In diesem Sinne stellt Kant der formalen Logik eine Bestimmung des Urteils als Gebrauch von Begriffen zur Erkenntnis von Objekten gegenüber: „[…] ein Urteil, d. i. ein Verhältnis, das objektiv gültig ist, und sich von dem Verhältnis eben derselben Vorstellungen, worin bloß subjektive Gültigkeit wäre […], unterscheidet.“ (KrV B142) Inhaltlich äquivalent dazu lautet eine Formulierung von 1786 in den Metaphysischen Anfangsgründen, in der das Urteil als eine „Handlung, durch die gegebene Vorstellungen zuerst Erkenntnisse eines Objects werden“ (MAN 4:474), bestimmt wird.10 Wird demnach die Beziehung gegebener Erkenntnis in die Urteilsdefini7 Vgl. dazu exemplarisch die Urteilsdefinition von Chr. Wolff: „Derowegen wenn wir urtheilen, verknüpfen wir zwey Begriffe mit einander, oder trennen sie voneinander.“ (Wolff Deutsche Logik: 156; vgl. auch Meier Auszug: 624) 8 „Ich habe mich niemals durch die Erklärung, welche die Logiker von einem Urteile überhaupt geben, befriedigen können […].“ (KrV B140) 9 „Die Sinnlichkeit, dem Verstande untergelegt, als das Objekt worauf dieser seine Funktion anwendet, ist der Quell realer Erkenntnisse.“ (KrV B351) Dass es sich in der Urteilsdefinition des § 19 um eine transzendentale Bestimmung handelt, wird u. a. bestritten von: vgl. Paton 1957/58: 245–263; vgl. Wuchterl 1958: 15, 26ff., vgl. Lenk 1968: 6f. Urteile unterscheiden sich allerdings in analytische und synthetische aufgrund des Inhalts, nicht aufgrund der Form. 10 Das Urteil ist daher im Gegensatz zu Begriffen zu verstehen, die Gedanken bilden, unter die verschiedene Vorstellungen subsumiert sind. In diesem Sinne ist das Urteil konstitutiv für den Begriffsgebrauch, d. i., nur durch das Urteil kann ein Begriff einer Vorstellung zu- bzw. abgesprochen werden, gleichzeitig setzt das Urteil den Begriff voraus, da nur mit Begriffen geurteilt werden kann. Kant unterscheidet demnach „zwischen der Verbindung von Vorstellungen in einem
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tion miteinbezogen, so findet Kant, „dass ein Urteil nichts anderes sei, als die Art, gegebene Erkenntnisse zur objektiven Einheit der Apperzeption zu bringen.“ (KrV B141) Die Kantische Urteilskonzeption besteht demnach aus drei Elementen: Neben dem Prädikat als Bestimmung findet sich im Urteil ein Subjekt als Bestimmtes. Die Kopula des Urteils, das Verhältniswörtchen ist, setzt als drittes Element Subjekt und Prädikat, Bestimmtes und Bestimmung, in ein Verhältnis und macht sie damit überhaupt erst zu einem Urteil: Das, was das Urteil zum Urteil macht, ist demnach die ursprüngliche Apperzeption, da diese die Bedingung der Möglichkeit der Scheidung von Vorstellungen und damit die Möglichkeit überhaupt, etwas als etwas zu bezeichnen, bildet.11 Die Beziehung der Vorstellungsverbindung auf ein Objekt kommt daher Vorstellungen nicht nachträglich hinzu – vielmehr bezeichnet das Ist im Urteil das unter der objektiven Einheit der Apperzeption Stehen der Vorstellungen12 und es unterscheidet demnach die objektive Einheit der Vorstellungen von einer bloß subjektiven sowie Urteile von Assoziationen.13 Dadurch wird die von Kant proklamierte veränderte Denkungsart bezüglich der Definition des Urteils wirksam, denn der Gegenstand kann nur als Relat einer synthetischen Relation des Verstands zur Erkenntnis kommen. (Vgl. Schulthess 1981: 291) Den ersten Beweisschritt der transzendentalen Deduktion rekapitulierend, formuliert Kant daher im Polysyllogismus des § 20, dass die logische Funktion des Urteils, diejenige Handlung des Verstandes sei, „durch die das Mannigfaltige gegebener Vorstellungen (sie mögen Anschauungen oder Begriffe sein) unter eine Apperzeption überhaupt gebracht wird […].“ (KrV B143) Die systematische Weiterentwicklung des § 19 im Vergleich zu § 16 liegt demnach in der urteilstheoretischen Apperzeptionsauffassung und der transzendentalen Formalisierung des Urteils. Gleichzeitig evoziert dieser methodische Fortschritt das Problem, dass Erkennen überhaupt auf Urteile beschränkt wird, Begriff und der in einem Urtheil z. B. der schwarze Mensch und der Mensch ist schwarz.“ (Briefe 11:333) 11 Wird nach Kant im Urteil nur eine Verbindung gegebener Begriffe auf ein Objekt gedacht, unterscheidet sich seine Auffassung nicht wesentlich von der Urteilstheorie des Aristoteles oder der modernen mathematischen Logik. Erst dort, wo er sie mit dem höchsten Punkt der Transzendentalphilosophie selbst in Zusammenhang bringt, unterscheidet sich Kants Urteilsdefinition von den herkömmlichen Konzeptionen. 12 „Die synthetische Einheit des Bewußtseins ist also eine objective Bedingung aller Erkenntniß, nicht deren ich bloß selbst bedarf, um ein Object zu erkennen, sondern unter der jede Anschauung stehen muß, um für mich Object zu werden, weil auf andere Art und ohne diese Synthesis das Mannigfaltige sich nicht in einem Bewußtsein vereinigen würde.“ (KrV B138) 13 Diese Unterscheidung findet sich unter veränderten Vorzeichen auch in den Prolegomena als Erfahrungs- und Wahrnehmungsurteil wieder. (Prol 4:297f.; vgl. auch Logik 9:113.)
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weshalb Kant die Überlegungen zur Entwicklung des Urteils über die dreifache Synthesis der Apprehension, Reproduktion und Rekognition (vgl. KrV A99ff.) aus der subjektiven Deduktion der A-Auflage tilgt – auch wenn sie in § 24 in einer Kurzform wieder auftauchen. D. h., die zweite Auflage liefert die logische Struktur und überwindet damit eine psychologische Entwicklung des Problems. Die erkenntnistheoretische Beschränkung auf das Urteil (Synthesis der Rekognition) zwingt Kant aber, in der Urteilsdefinition die in § 18 bloß postulierte Unterscheidung von subjektiver und objektiver Einheit, Assoziation und Urteil, unhinterfragt in § 19 vorauszusetzen.14 Der Nachweis der objektiven Gültigkeit der Kategorien als Ziel der transzendentalen Deduktion wird folglich in dieser Unterscheidung ebenfalls bereits vorausgesetzt. Dies zeigt sich insbesondere als Problem in den Beispielen, die Kant am Ende des § 19 anführt: Die Kategoriendeduktion ist im Rahmen des ersten Beweisschrittes auf eine Analyse der Urteilsnotwendigkeit restringiert und damit nach der Einteilung Kants noch nicht auf synthetische Urteile im Besonderen spezifizierbar. (Vgl. KrV B144) Durch die ursprüngliche Apperzeption, so Kant, werde aus dem Verhältnis von Körper und Schwere ein Urteil – Alle Körper sind schwer –, d. i. ein Verhältnis, das objektiv gültig sei. Dadurch unterscheide es sich, auch in seiner empirischen Ausprägung, von der subjektiven Gültigkeit – etwa der Wahrnehmung: Wenn ich einen Körper trage, fühle ich einen Druck der Schwere –, die nur nach Gesetzen der Assoziation bestimmt sei. Das ganze Gewicht der Beweisführung liegt demnach auf der Unterscheidung von Ich fühle einen Druck der Schwere und Der Körper ist schwer15, es bleibt aber offen, wie die Unterscheidung systematisch zu verstehen ist.
Die objektive Einheit der Vorstellungen und die ursprüngliche Einheit des Bewusstseins „Also stehet auch das Mannigfaltige in einer gegebenen Anschauung notwendig unter Kategorien“ (KrV B143), lautet das von Kant im Polysyllogismus des § 20 angegebene Ergebnis des ersten Beweisschrittes. Ausgehend davon, dass alle Handlungen des Verstandes auf Urteile zurückzuführen seien, d. i., der Verstand überhaupt das Vermögen zu urteilen bilde (vgl. KrV B106), stellt eine Begründung 14 Auch in § 16 wird die Beweisführung aufgrund der vorausgesetzten Unterscheidung von analytischer und synthetischer Einheit geführt. (Vgl. KrV B133) 15 Diese Unterscheidung ist für Kant maßgeblich, da sich in ihr das Problem einer transzendentalen Logik von dem einer psychologischen Sinnesphysiologie, in der es um empirische Gesetze der reproduktiven Einbildungskraft geht, scheidet. (Vgl. Baum 1986: 125)
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des Urteils auch die Anwendung der Kategorien als Formen des Urteils sicher. Eine transzendentale Deduktion ist demnach gesichert, wenn gezeigt werden kann, dass das, was ein Urteil zu einem Urteil macht, die ursprüngliche objektive Einheit des Selbstbewusstseins ist und dass die Kategorien nichts anderes sind als bloße Anwendungen dessen, was die logische Form des Urteils als solches ist. Genau in diesem Aspekt wird die von Kant selbst angesprochene Vereinfachung der Deduktionsfrage in der zweiten Auflage sichtbar. Im Hinblick auf die Frage nach der Einheit des Bewusstseins zeigt sich darüber hinaus aber, dass die urteilstheoretische Apperzeptionsauffassung eine grundlegende methodische Veränderung darstellt. Kant entwickelt damit die ursprüngliche Einheit des Bewusstseins als objektive Einheit der Vorstellungen in ihrer ganzen Dynamik. Die objektive Einheit der Apperzeption ist in der obig skizzierten dreigliedrigen Urteilsstruktur demnach als Actus der Spontaneität16, d. i. als „Vehikel aller Begriffe überhaupt“ (KrV A341 / B399), zu verstehen. Wird im Gegensatz dazu die Passage Von der ursprünglichen synthetischen Einheit der Apperzeption (§ 16) als gesondertes Textstück gelesen, ist die synthetische Einheit als höchster Punkt der Logik nicht anders als in vergegenständlichter Form zu denken. Die transzendentale Einheit des Selbstbewusstseins wird damit zu einem Ich an sich, das in kritischer Hinsicht zwar als epistemologisch unzugänglich gefasst wird, aber trotzdem gegenstandstheoretisch und nicht handlungstheoretisch, d. h. in Form einer transzendentalen Ontik und nicht als transzendentale Semantik. Im Gegensatz dazu bildet der höchste Punkt zwar eine unabhängige Stelle, die aber im Kontext der Transzendentalen Analytik nur im Zusammenhang des Urteils, d. i. der Subjekts- und Prädikatstrennung, Geltung und Gültigkeit hat. Daraus folgt, dass die Einheit des Bewusstseins nur in Verbindung mit einem propositionalen Gehalt (Gedanken) möglich ist, aber nicht mit dem Gehalt selbst zusammenfallen darf. Das heißt, sie darf sich weder auf das Erkenntnissubjekt noch auf das Erkenntnisobjekt reduzieren lassen, da sie als Bedingung jeder Vorstellung nicht selbst wieder eine Vorstellung unter Vorstellungen oder ein Gegenstand unter Gegenständen sein kann.17 Erst dadurch kommt die handlungstheoretische Deutung der ursprünglichen synthetischen Apperzeption zur Geltung. Kant stellt demnach in der Transzendentalen Analytik die Frage nach dem höchsten Punkt, benennt diesen als ursprüngliche synthetische Einheit und führt 16 „Allein die Verbindung (conjunctio) eines Mannigfaltigen überhaupt […] ist ein Actus der Spontaneität der Vorstellungskraft […].“ (KrV B130) 17 Diese Vorstellung der Synthesis selbst, nach welcher § 15 fragt, ist „unter allen Vorstellungen die einzige, die nicht durch Objekte gegeben werden kann“ (KrV B130), da sie Objekte selbst erst möglich macht.
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ihn über die Urteilstheorie auch systematisch ein. Gleichzeitig fehlen Kant aber die logischen Mittel, diesen selbst auf den Begriff zu bringen. Die „reine Synthesis der Vorstellungen auf Begriffe bringen“ (KrV B104) wäre jedoch, nach Kant, die eigentliche Aufgabe der transzendentalen Logik. Wird aber das Urteil als logische Form der Gegenstandsbestimmung, als Primat aller Erkenntnis etabliert18, wie Kant dies versucht, so ist die eigentlich zu begründende Gültigkeit der Kategorien in der Unterscheidung von subjektiver und objektiver Einheit (§ 18), Urteil und bloßer Assoziation, immer schon vorausgesetzt. Die Urteilsrelation selbst, d. i. die (Korrespondenz-)Wahrheit, ist dann im Erkenntnissystem für die transzendentale Logik ebenso wenig auszudrücken wie in der formalen Logik. Die Kopula des Urteils erscheint daher immer nur als eine jeweilige Relation von Bestimmtem und Bestimmung. Als solche kann sie zwar als notwendig erkannt werden, muss aber gleichzeitig auch dunkel bleiben. Für eine Analyse der apriorischen Regel der Regelanwendung ist man daher wieder auf eine subjektive Deduktion (A-Auflage) oder einen Schematismus der Verstandesbegriffe verwiesen.19
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Die Rolle der Anschauungsformen in der B-Deduktion 1 Einleitung Einige Forscher die den sogenannten transzendentalen Ansatz Kants mit philosophischem Wohlgefallen betrachten, möchten trotzdem nicht als Anhänger seiner in der transzendentalen Ästhetik vorgestellten Raum- und Zeitlehre gelten. Diese Lehre halten sie für unattraktiv, weil sie die These einschließt, dass Raum und Zeit keine transzendentale Realität haben. Und es ist diese These, von der angenommen wird, dass sie wegen ihrer vermeintlichen Skurrilität abgelehnt werden muss, bevor man überhaupt anfängt, etwas Gutes über Kants Kritik der reinen Vernunft zu sagen. Bei denjenigen, die die Aufgabe dieses Buches richtig erfassen, heißt es dann etwa, dass eine Untersuchung über die Möglichkeit von synthetischen Urteilen a priori in der Metaphysik ein zwar lobenswertes philosophisches Unterfangen darstellt, das aber zweifelsohne auch ohne die Behauptung der transzendentalen Idealität von Raum und Zeit unternommen werden kann. Es muss mit anderen Worten die transzendentale Analytik von der transzendentalen Ästhetik abgetrennt werden, damit die philosophische Relevanz der Analytik auf unverdächtige Weise aktualisiert werden kann. Die Behauptung, dass insbesondere Kants transzendentale Deduktion von der Hauptthese des transzendentalen Idealismus – Raum und Zeit sind als apriorische Formen der menschlichen Anschauung weder Eigenschaften von Dingen an sich, noch selbst Dinge an sich – separiert werden kann, ist aber unhaltbar. In der Tat ist die besondere Natur von Raum und Zeit eine wichtige Prämisse der Deduktion, ohne welche diese nicht vollführt werden kann. Im Folgenden gilt es, die Rolle der Kantischen Auffassung von Raum und Zeit in der transzendentalen Deduktion der Kategorien zu verfolgen, und zwar spezifisch mit Bezug auf die B-Deduktion, in welcher die Unhaltbarkeit der sogenannten Separierbarkeitsthese besonders ins Auge springt.
DOI 10.1515/9783110560794-006
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2 Raum und Zeit in der B-Deduktion In den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft (MAN) kündigt Kant an, dass er eine neue Darstellung der Deduktion der Kategorien vor Augen hat. Diese neugefasste Deduktion wird zwei Aufgaben erfüllen müssen.1 Erstens widmet sie sich der Aufgabe, die Frage zu beantworten, „wie Erfahrung vermittelst jener Kategorien und nur allein durch diese möglich sei”. Diese Aufgabe kann nun, so Kant in den MAN, „beinahe durch einen einzigen Schluß aus der genau bestimmten Definition eines Urteils überhaupt [...] verrichtet werden” (MAN 4:475 Anm.). In der Tat fungiert in der B-Deduktion die Definition der logischen Funktion des Urteils – „[eine] Handlung des Verstandes […], durch die das Mannigfaltige gegebener Vorstellungen […] unter eine Apperzeption überhaupt gebracht wird […]” (KrV B143) – als Beweisgrund für die These, dass alle sinnlichen Anschauungen unter den Kategorien stehen. Es wird im ersten Schritt der Deduktion bewiesen, dass alle Arten von sinnlichen Anschauungen (also nicht nur die durch Raum und Zeit bedingten, menschlichen Anschauungen), notwendig unter Kategorien stehen müssen als „Bedingungen, unter denen allein das Mannigfaltige derselben in ein Bewußtsein zusammenkommen kann.” (KrV B143) Bei jedem möglichen denkenden (d.h.: nicht-anschauenden) Verstand muss Erkenntnis notwendig bedeuten: Erkenntnis einer nicht von ihm selbst hervorgebrachten Materie. Wie aber kann so ein diskursiver Verstand diese heterogene Materie befassen? Zentral ist hier der Begriff des Gegenstandes überhaupt, der a priori sowohl einen Bezug auf Sinnlichkeit und also Mannigfaltigkeit überhaupt als auf die notwendigen Formen, womit ein nicht-anschauender Verstand sinnliche Materie allein denken kann, enthält. Das unsynthetisierte Mannigfaltige einer sinnlichen Anschauung überhaupt kann nur in das Bewusstsein eines denkenden Verstandes kommen, wenn es durch die Kategorien bestimmt wird und dadurch als eine Einheit der Anschauung, d.h.: als ein Gegenstand überhaupt, gedacht wird. Nun ist die Bestimmung des Anschauungsmannigfaltigen durch Kategorien nach Kant eine Bestimmung „in Ansehung […] der logischen Funktionen zu Urteilen“ (KrV B128). Über Erkenntnis verfügt der denkende Verstand ja nicht dadurch, dass er den Begriff ‚Gegenstand‘ denkt, sondern nur dadurch, dass er Urteile über Gegenstände aufstellt. An einem Beispiel erläutert Kant, wie die Kategorien für einen jeden möglichen nicht-anschaulichen Verstand solche Urteilsbestimmungen realisieren: ohne kategoriale Bestimmungen ist es in Hinsicht auf ihren jeweiligen Beiträge zur Erkenntnis von Gegenständen 1 Der Ansicht, dass die B-Deduktion aus zwei Schritten besteht, wird in der Literatur meistens zugestimmt. Umstritten ist nur – vor allem seit einem bekannt gewordenen Aufsatz von Dieter Henrich (1969) – was genau in diesen zwei Schritten bewiesen werden soll.
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nicht möglich, das kategorische Urteil „Alle Körper sind teilbar“ vom kategorischen Urteil „Einiges Teilbare ist ein Körper“ zu unterscheiden. Dadurch, dass der Begriff des Körpers unter die Kategorie ‚Substanz‘ gebracht wird, wird im Urteil eine nicht-triviale Übereinstimmung mit der empirischen Anschauungsmaterie realisiert. Durch die Subsumption des Begriffes ‚Körper‘ unter den Begriff ‚Substanz‘, nämlich, „wird bestimmt: daß seine empirische Anschauung in der Erfahrung immer nur als Subjekt, niemals als bloßes Prädikat betrachtet werden müsse“ (KrV B129) und kann das zweite Urteil („Einiges Teilbare ist ein Körper“) als untauglich zur Erkenntnis zur Seite geschoben werden, da sich ‚das Teilbare‘ als Objekt unter Objekten – und also als Substrat mit inhärierenden Prädikaten – in der empirischen Anschauung nicht antreffen lässt.2 Zweitens wird die neue Deduktion, wie Kant in den MAN verspricht, auch eine Erklärung bieten für die “befremdliche Einstimmung der Erscheinungen zu den Verstandesgesetzen, ob diese gleich von jenen ganz verschiedene Quellen haben” (MAN 4:476 Anm.). Es geht dabei nicht so sehr darum, zu zeigen, dass auch die spezifisch menschlichen Anschauungen notwendig unter Kategorien stehen müssen – die Behauptung einer solchen Einstimmung wäre nach dem ersten Schritt der Deduktion eigentlich trivial.3 Vielmehr geht es darum, zu zeigen, dass wegen der Bedingungen, die den Erscheinungen als Erscheinungen wesentlich anhängen, die Einstimmung zwischen den Erscheinungen und den Verstandesgesetzen notwendigerweise gegeben sein muss. Die Übereinstimmung zwischen den von den spezifisch menschlichen Anschauungsformen bestimmten Erscheinungen und den Kategorien soll also nicht bloß bewiesen werden, sondern es muss zudem gezeigt werden, dass uns Erscheinungen nur als den Verstandesgesetzen gemäß gegeben werden können. Für diesen Beweis der notwendigen Übereinstimmung der Erscheinungen mit den Kategorien greift Kant auf die spezifisch menschlichen, sinnlichen Bedingungen der Erscheinungen zurück, nämlich Raum und Zeit. Der Beweisgrund für diesen zweiten Schritt ist also nicht nochmals die Definition eines Urteils überhaupt, sondern die Erschei-
2 Es muss hierbei bemerkt werden, dass Kant seinen Beispielsatz leider schlecht gewählt hat. Das Urteil „Alle Körper sind teilbar“ ist innerhalb seiner Philosophie nämlich analytisch, und es trägt deshalb zur Erkenntnis von Gegenständen nicht mehr bei, als es die bloß in Richtung einer Definition zielende Explikation des Begriffes ‚Körper‘ tun würde. 3 Baum (1986) und Bird (2006) haben auf eine solche Trivialität aufmerksam gemacht. Allison (2015) meint, dass es im zweiten Schritt tatsächlich um eine Spezifizierung des ersten Schrittes geht, verneint aber, dass deswegen der Trivialitätsvorwurf zutrifft. In Bezug auf Allisons Interpretation trifft der Vorwurf in der Tat nicht zu, aber nur, weil auch er eigentlich implizit anerkennt, dass die jeweiligen Beweisgründe, worauf sich Kant in den zwei Schritten bezieht, nicht identisch sind.
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nungsweise der sinnlichen Formen, worin alle empirischen Anschauungen bei uns Menschen gegeben werden müssen.4 Empirische Anschauungen sind uns so gegeben, dass sie eine spezifische Stelle im Raum und in der Zeit besetzen. Raum und Zeit, als das worin die Anschauungen gegeben werden, sind aber selbst formale Anschauungen, was bedeutet, dass die Vorstellungen des Raumes und der Zeit als Bedingungen des Gegeben-seins von Anschauungen selbst eine Einheit aufweisen. Ursprünglich sind Raum und Zeit aber reine apriorische Mannigfaltigkeiten, und es ist also die Frage, woher eine solche Einheit der Raum- und Zeitvorstellung stammt. Die Einheit einer Vorstellung beruht nun aber bei Kant immer auf einer Synthesis und kann als solche nie im sinnlichen Material der Anschauung selbst enthalten sein. Dass das Mannigfaltige der Raum- und Zeitanschauung a priori gegeben ist, ändert daran nichts: Auch das reine sinnliche Material, das in den spezifisch menschlichen Formen der Anschauung enthalten ist, ist ursprünglich bloß reine Mannigfaltigkeit, also ohne alle Einheit. Erst die Synthesisleistung der Einbildungskraft kann, ausgehend von der apriorischen Mannigfaltigkeit der Raumund Zeitform, die Einheit der Raum- und Zeitvorstellung stiften. Insofern diese Synthesis, die die Einheit der Raum- und Zeitvorstellung bewirkt, schon im Raum und in der Zeit – nun selbst als Anschauungen betrachtet – realisiert ist, gehört sie zur Sinnlichkeit. Insofern aber diese Synthesis das in der Raum- und Zeitform enthaltene reine Mannigfaltige zu einer Einheit bestimmt und die Sinne – als bloß rezeptive und bestimmbare Vermögen – keine solche einheitsstiftende Kraft besitzen, muss auch diese besondere Synthesis als ein Akt der Spontaneität betrachtet werden und zum Verstand gehören. Das ist der Sinn der folgenden, in der Literatur sehr umstrittenen, Textpassage aus § 24 der B-Deduktion: Da nun alle unsere Anschauung sinnlich ist, so gehört die Einbildungskraft, der subjektiven Bedingung wegen, unter der sie allein den Verstandesbegriffen eine korrespondierende Anschauung geben kann, zur Sinnlichkeit; sofern aber doch ihre Synthesis eine Ausübung der Spontaneität ist, welche bestimmend, und nicht, wie der Sinn, bloß bestimmbar ist, mithin a priori den Sinn seiner Form nach der Einheit der Apperzeption gemäß bestimmen kann, so ist die Einbildungskraft sofern ein Vermögen, die Sinnlichkeit a priori zu bestimmen, und ihre Synthesis der Anschauungen, den Kategorien gemäß, muß die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft sein, welches eine Wirkung des Verstandes auf die Sinnlichkeit und die erste Anwendung desselben (zugleich der Grund aller übrigen) auf Gegenstände der uns möglichen Anschauung ist. (KrV B151–152)
Wenn diese besondere Synthesis der Einbildungskraft, die die Einheit der Raumund Zeitvorstellung herstellt (und die Kant gerade wegen ihrer Besonderheit 4 Siehe dazu auch Baum 1986 und Carl 1998.
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auch synthesis speciosa nennt), also im Endeffekt als eine Wirkung des Verstandes gedeutet werden muss, dann wissen wir, dass sie, wie Kant es formuliert, „der Einheit der Apperzeption gemäß” sein soll. Im ersten Teil der Deduktion wurde bewiesen, was das in Bezug auf Gegenstände der sinnlichen Anschauung überhaupt heißt: nämlich, dass diese Synthesis „den Kategorien gemäß” ist – und genau das wird in der oben zitierte Passage auch noch einmal bestätigt. Das bedeutet aber, dass wir auch im Raum und in der Zeit, insofern sie als formale Anschauungen vorgestellt werden, die formalen Bedingungen des Denkens eines Gegenstandes realisiert finden. Der Verstand bestimmt hier mit anderen Worten die reine Sinnlichkeit (d.h.: Raum und Zeit als reine Formen der menschlichen Anschauung) so, dass Raum und Zeit nun selbst als Anschauungen (also als eine Art von Gegenständen) gegeben werden. Die von der transzendentalen Synthesis der Einbildungskraft hervorgebrachte Einheit ist also letztendlich keine andere als die Einheit des Anschauungsgegenstandes. So wie die Zugehörigkeit der synthesis speciosa, ist auch die Zugehörigkeit dieser Einheit der Raum- und Zeitanschauung nuanciert zu bestimmen: Diese Einheit [von Raum und Zeit als formale Anschauungen - HB] hatte ich in der Ästhetik bloß zur Sinnlichkeit gezählt, um nur zu bemerken, daß sie vor allem Begriffe vorhergehe, ob sie zwar eine Synthesis, die nicht den Sinnen angehört, durch welche aber alle Begriffe von Raum und Zeit zuerst möglich werden, voraussetzt. Denn da durch sie (indem der Verstand die Sinnlichkeit bestimmt) der Raum oder die Zeit als Anschauungen zuerst gegeben werden, so gehört die Einheit dieser Anschauung a priori zum Raume und der Zeit, und nicht zum Begriffe des Verstandes. (KrV B160–161 Anm.)
Obwohl dies von manchen Interpreten anders beurteilt wird, beinhaltet diese bekannte Fußnote aus § 26 der B-Deduktion überhaupt keinen Widerspruch. Da die Einheit der Raum- und Zeitanschauung eine Synthesis der transzendentalen Einbildungskraft voraussetzt, und da diese letztere, insofern sie eine bestimmende Ausübung der Spontaneität ist, dem Verstand angehört, könnte man nämlich denken (und gerade davor warnt Kant), dass auch die Einheit der Raumund Zeitanschauung zum „Begriffe des Verstandes“ gehört. Das könnte dann heißen, dass Räumlichkeit und Zeitlichkeit Kategorien wären und also auch zu den Verstandesformen, die das Denken eines Gegenstandes überhaupt möglich machen, gehören würden. Die von der transzendentalen Einbildungskraft hervorgebrachte Synthesis wird aber völlig a priori ausgeübt auf das in den reinen Anschauungsformen enthaltene un-synthetisierte Mannigfaltige. Dieses Mannigfaltige ist als solches rein sinnliches (unbestimmtes, aber bestimmbares) Material. Daher gehört, so Kant, auch die Einheit der Raum- und Zeitanschauung zur Sinn-
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lichkeit, obwohl die Synthesis, die Raum und Zeit die Form einer Anschauungseinheit gibt, ein spontaner Akt des Verstandes ist. Wenn das in den reinen Formen der Sinnlichkeit enthaltene unsynthetisierte Mannigfaltige gemäß den Kategorien von der transzendentalen Einbildungskraft zur Einheit der Apperzeption gebracht wird, dann heißt dies, dass selbst Raum und Zeit als (formale) Anschauungen unter den Begriff eines ‚Gegenstandes überhaupt‘ subsumiert werden müssen. Dass das tatsächlich der Fall ist geht daraus hervor, dass Raum und Zeit als entia imaginaria einen Platz in der Tafel des Nichts (KrV B348) haben. Dort sieht man nämlich, dass bei Kant sowohl die Arten des Nichts als auch dasjenige, was von ihm dort nicht ganz unzweideutig ein ‚Etwas‘ genannt wird, unter den höchsten Begriff eines Gegenstandes überhaupt subsumiert werden. Da nun alle Erscheinungen nur innerhalb dieser, als eine Art von Gegenständen überhaupt vorgestellten, Formen der Sinnlichkeit erscheinen können, müssen auch sie notwendigerweise den Kategorien gemäß gegeben sein. In der Tat sind alle besonderen Räume und Zeiten, die von den jeweiligen Erscheinungen besetzt werden, immer Teile des einen Raums und der einen Zeit. Wenn nun Raum und Zeit als Gegenstände – und also den Kategorien gemäß – gegeben werden, dann gilt das notwendigerweise auch für diejenigen Teile des Raumes und diejenigen Teile der Zeit, die von den empirischen Erscheinungen besetzt werden. Als Gegenstände sind Erscheinungen also notwendig gemäß den Bedingungen der Einheit von Raum und Zeit gegeben, was umgekehrt heißt, dass Erscheinungen nur dann, wenn sie den Kategorien gemäß als Anschauungseinheiten erzeugt werden, für uns als Gegenstände gelten können. So wird zum Beispiel der durch einen empirischen Gegenstand eingenommene Teilraum mithilfe der empirischen Einbildungskraft (durch Zusammennehmen des gleichartigen Mannigfaltiges) notwendig so erzeugt, dass in ihm die quantitativen apriorischen Formen des Verstandes realisiert sind. Wenn also gerade dadurch, dass sie nur in Raum und Zeit gegeben werden können, die Erscheinungen als empirische Gegenstände der Einheit der Apperzeption gemäß sein sollen, dann ist der zweite Schritt der Deduktion vollendet, weil dann in der Tat bewiesen wurde, dass die empirischen, raumzeitlichen Anschauungen notwendigerweise als schon den Kategorien gemäß gegeben werden müssen. Was in der Deduktion nicht bewiesen wird, ist, dass der Verstand notwendigerweise mit dieser besonderen Synthesis (die Kant figürliche Synthesis der Einbildungskraft nennt) auf das durch die Anschauungsformen gegebene reine Mannigfaltige wirken können muss. Nach Kant kann aber die Notwendigkeit einer solchen glücklichen Zusammenstimmung von unseren völlig heterogenen Erkenntnisquellen auch nicht bewiesen werden – sie muss philosophisch vielmehr als ein kontingentes Faktum unserer Vermögen betrachtet werden. Wäre
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das anders, dann würde dies bedeuten, dass wir erklären können, „warum wir gerade eine solche Art der Sinnlichkeit und eine solche Natur des Verstandes haben, durch deren Verbindung Erfahrung möglich wird” und, wie Kant uns versichert, „das kann [...] niemand weiter erklären” (Entdeckung 8:249–250). Eine Folge dieser „Harmonie zwischen dem Verstande und der Sinnlichkeit“ (Entdeckung 8:249) ist, dass wir im Stande sind, Begriffe von den Anschauungen – und also auch von den als Anschauungen betrachteten Anschauungsformen – zu bekommen.
3 Selbstaffektion Im Rahmen der Bestimmung der reinen Formen der Sinnlichkeit durch die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft spricht Kant auch davon, dass wir uns dabei selbst affizieren. In der Tat wird die Synthesis hier nicht eingesetzt, um ein empirisches Mannigfaltiges zu apprehendieren, sondern um etwas subjektiv und a priori Gegebenes in eine einheitliche Vorstellung zu transformieren. Wie wir wissen, sind Raum und Zeit nach Kant ursprünglich nur subjektive Formen und keine Dinge an sich oder Bestimmungen von Dingen an sich. Sie gehören untrennbar zum menschlichen rezeptiven Vermögen, das wir Sinnlichkeit nennen und das ein Vermögen des Anschauens ist. Wenn nun aber der Verstand diese Sinnlichkeit mittels einer transzendentalen Synthesis der Einbildungskraft ihrer Form nach bestimmt, dann geschieht diese Bestimmung a priori und gänzlich innerhalb der Sphäre der Subjektivität: das eine subjektive Vermögen bestimmt das andere. Hierbei können wir zwischen der Bestimmung des Raummannigfaltigen und der Bestimmung des Zeitmannigfaltigen unterscheiden. Wie der Verstand die apriorische Form des äußeren Sinnes affiziert, ist nun einfacher zu denken, als wie er die apriorische Form des inneren Sinnes affiziert. Fangen wir also mit der Affektion der Raumform an, dann müssen wir festhalten, dass das reine Mannigfaltige des Nebeneinander, das im Raum als reine Form des äußeren Sinnes vorhanden ist, durch die Synthesis der Einbildungskraft zusammengenommen werden muss, damit der Raum uns als formale Anschauung gegeben werden kann.5 Wo die Form des äußeren Sinnes nur reine Mannigfaltigkeit ist, weist die formale Anschauung Einheit der Vorstellung auf, die sich auf die Synthesis der Einbildungskraft (als Zusammennehmen der reinen Mannigfaltigkeit) gründet. Der Raum als Form ist demnach noch nicht hinsichtlich seiner Dimensionalität bestimmt. Er ist als Form auch noch keine Anschau5 Siehe dazu auch Dörflinger 2010 und Blomme 2013.
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ung. Angeschaut werden kann der Raum erst, wenn seine ursprüngliche Mannigfaltigkeit in einer Vorstellung zusammengenommen wurde. Es ist also die transzendentale Einbildungskraft, die dafür verantwortlich ist, dass die apriorische Mannigfaltigkeit der Form des äußeren Sinnes in eine (formale) Anschauung verwandelt wird. Nur wenn dies geschehen ist, wird der Verstand diesen als Anschauung vorgestellten Raum weiter durch Raumbegriffe bestimmen können. Dass nun auch diese Bestimmung der Raumform zu einer Anschauung den Kategorien gemäß geschehen soll, geht, wie wir schon gesehen haben, daraus hervor, dass alles a priori mögliche Verbinden, also auch die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft, Einheit der Apperzeption hervorbringen muss. Bei der Wirkung des Verstandes auf die äußere Sinnlichkeit werden also die Kategorien im nun als Gegenstand betrachteten Raum eine Realisierung bekommen. Anderswo habe ich darauf hingewiesen, dass diese Realisierung der Kategorien im Raum als formale Anschauung gut sichtbar ist in der metaphysischen Erörterung des Raumbegriffs in der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft, was schon Klaus Reich bemerkt hatte (Blomme 2012; Reich 1932: 61). Da der Raum a priori gegeben ist, kann die Realisierung der Kategorien hier in ihrer analytischen Ordnung verfolgt werden. Die Apriorizität der Raumvorstellung bedeutet nämlich, dass sie in Hinsicht ihrer Beziehung zu dem menschlichen Erkenntnisvermögen als notwendig bestimmt werden muss, und das heißt, dass apriorische Gegebenheit schon modale Bestimmtheit voraussetzt, wogegen die gegenstandsbezogene Aspekte des apriorisch Gegebene nicht unbedingt ohne philosophische Analyse hervorleuchten. Die vier Artikel der metaphysischen Erörterung in B38–40 werden demnach zeigen wie die Kategorien der Modalität, Relation, Qualität und Quantität im Raum als formale Anschauung realisiert sind. Kurz gefasst heißt es in der Erörterung dann, dass der Raum, (1) in seiner Beziehung zum Erkenntnisvermögen, als eine notwendige Vorstellung betrachtet werden muss, die als apriorische Bedingung gegeben ist und nicht aus der Erfahrung genommen wurde ; (2) in seiner Relation mit den in ihm gegebenen Objekten, als Substanz bestimmt werden muss6; (3) was die Qualität der Raumvorstellung betrifft, als absolut homogen betrachtet werden muss, weil alle Raumteile dieselbe Eigenschaften haben als der eine Raum; (4) in Bezug auf die Quantität der Raumvorstellung, als unendliche Größe gegeben ist. Bei der Zeit ist die Sache komplexer. Wenn wir uns die durch den Verstand gedachte Verbindung von Mannigfaltigem überhaupt – das heißt: unabhängig vom gegebenen Denkmaterial – durch bloßes Denken bewusst machen, dann wird dadurch der innere Sinn von uns selbst bestimmt. Auch hier ist also von 6 Es geht hierbei natürlich um eine analogische kategoriale Bestimmung die keine objektive Realität hat: der Raum ist nicht wirklich Substanz.
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einer Selbstaffektion die Rede. Die Zeit als reine Form des inneren Sinnes enthält bloß das Mannigfaltige des Nacheinander, aber wenn wir uns dieses Nacheinander vorstellen wollen, müssen wir die äußere Anschauung zur Hilfe nehmen. Um die Zeit als formale Anschauung vorstellen zu können, braucht man also das Mannigfaltige des Nebeneinander, das in der formalen Anschauung des Raumes vorgestellt wird. Dadurch ist die Selbstaffektion in Bezug auf die Form des inneren Sinnes schwer zu beschreiben. Einerseits stellt man fest, dass sich das Gemüt hier selbst affiziert, was ein exklusiv innerlicher Akt zu sein scheint. Andererseits kann die Vorstellung der Zeit, die durch eine Synthesis der ursprünglichen Mannigfaltigkeit der Zeitform zu Stande kommt, zunächst nur als Vorstellung im Raum bestehen. Dabei ziehen wir eine Linie im Raum und achten nur auf die Sukzession der Vorstellungen. Wenn wir uns die Zeit vorstellen wollen, müssen wir also beim Ziehen dieser Linie auf das Entstehen der Linie im Prozess des Ziehens achten und abstrahieren von der Gleichzeitigkeit und Fortdauer der Teile in der schon entstandenen Linie. Wir müssen also vom Nebeneinander, worin die Teile der Linie vorgestellt werden, absehen und uns bewusst machen, wie die sukzessiv gezogenen Teile der Linie als ein Mannigfaltiges von Vorstellungen auch sukzessiv in den inneren Sinn gesetzt werden. Diese Bewusstmachung der Art, wie Vorstellungen in den inneren Sinn gesetzt werden ist es, die die Handlung des Setzens als sukzessive Synthesis bestimmt. Das heißt, dass nicht nur die sinnlich bedingte Vorstellung der Sukzession mittels der sukzessiv gezogenen Teile der Linie, sondern auch der Begriff der Sukzession, als wesentliche Zeitbestimmung, nur in Folge einer Affektion des inneren Sinnes durch den Verstand (als Vermögen der Verbindung) hervorgebracht werden.7 Weil die Zeit als Form des inneren Sinnes nur die unsynthetisierte Mannigfaltigkeit eines dauernden Verschwindens von (möglicherweise von Vorstellungen besetzten) „Zeiten“8 ist, muss im Bild der Linie abstrahiert werden von der Gleichzeitigkeit der schon vorhandenen Teile der gezogenen Linie. Dieses Abstrahieren von jeder Gleichzeitigkeit kann nun auch direkter verbildlicht werden, wenn man sich die Zeit als Punktverschiebung vorstellt. Als Empirische unterstellt eine solche Vorstellung aber technische Mittel, die zur Zeit Kants nicht vorhanden
7 Es heißt aber nicht, dass in der Zeit als reine apriorische Form von Sukzession überhaupt noch nicht die Rede ist und alle Sukzession erst durch die transzendentale Synthesis (und mithilfe der formalen Anschauung des Raumes) von uns selbst als Spontaneität hervorgebracht wird. Zwar brauchen wir für jede bewusste Vorstellung von Sukzession den Bezug auf den Raum und wir haben ohne Selbstaffektion auch keinen Begriff von Sukzession. Dennoch ist mit der bloß als Form betrachteten Zeit schon Sukzession gegeben, die wir uns aber als ursprüngliche nicht bewusst vorstellbar machen können. 8 Es geht hierbei nicht um Augenblicke, da die Zeit ein Kontinuum ist.
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waren. Kant hat wohl deutlich erklärt, dass das Ziehen der Linie in diesem Fall als Bewegung eines Punktes verstanden werden sollte, aber aus seinen Ausführungen wird klar, dass er sich solche Bewegung eines Punktes nicht anders vorstellbar machen konnte, als so, dass sie eine Linie hinterlässt. Heutzutage ist es perfekt möglich, mittels eines Bildschirmes eine bloße Punktverschiebung darzustellen – an einer Kreidetafel geht das nicht. Ich meine, dass eine solche Punktverschiebung, als Sukzession von Punktvorstellungen, uns besser erlaubt, das Formale des Mannigfaltigen der Vorstellungen qua Vorstellungen zu verbildlichen als die gezogene Linie es tut. In der Tat ist die Form des Mannigfaltigen der Vorstellungen qua Vorstellungen die Sukzession – und da die Punktvorstellungen sowohl als Anschauungen im Raum als, qua Vorstellungen, auch als Anschauungen im inneren Sinn, nicht anders als sukzessiv gegeben sind, haben wir damit eine adäquatere Verbildlichung der ursprünglichen Mannigfaltigkeit der Zeit als Form des inneren Sinnes bekommen. Diese Verbildlichung des Formale des inneren Sinnes muss natürlich noch stets im Raum verwirklicht werden, aber da sie die Gleichzeitigkeit der Mannigfaltigkeit der Punktvorstellungen aufhebt, brauchen wir nicht mehr – wie bei der gezogenen Linie – vom Zugleich-sein der Teile der Linie abzusehen. Um die Vorstellung der Zeit denken zu können, müssen wir uns dann lediglich auf die Handlung des Setzens der verschiedenen Punktvorstellungen in den inneren Sinn konzentrieren. Sofern man die Zeit als formale Anschauung, also: als eine Art Gegenstand betrachtet, müssen wir auch in ihr eine bestimmte Realisierung der Kategorien, als Bedingungen des Denkens eines Gegenstandes überhaupt, antreffen. Quantitativ ist die Zeit, genau wie der Raum, bestimmt als eine unendliche Größe. Daraus wird zugleich klar, dass die Vorstellung des Fließens eines Punktes nur mittelbar eine Vorstellung von der Zeit ist: das Fließen des Punktes müsste man sich als immer schon angefangen und ohne Ende vorstellen können. Qualitativ ist die Zeit, wie der Raum, als Anschauung absolut homogen: verschiedene Zeiten sind nur Teile der selben, einigen Zeit und besitzen die gleiche Merkmale wie diese. Aber anders als bei den Raumteilen können verschiedene Zeiten nicht zugleich sein. Das zeigt, dass die unendliche Zeitfolge der einen Zeit übertragen wird auf jeden Zeitteil. Was die Bestimmung der formalen Anschauung der Zeit in Bezug auf die Kategorie der Relation angeht, ist sie eine pseudo-Substanz worin die Erscheinungen (qua Vorstellungen) als Akzidenzen inhärieren. Der Modalität nach, muss die formale Anschauung der Zeit viertens als eine notwendige und a priori gegebene Vorstellung bestimmt werden, weil nur in Bezug auf sie das Zugleichsein und Aufeinanderfolgen der Erscheinungen bestimmt wird und in die Wahrnehmung kommen kann.
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4 Probleme und Lösungen Die Analyse der Selbstaffektion zeigt, dass es zwischen der Raum- und Zeitvorstellung einen engen Zusammenhang gibt. Der Raum als Form der äußeren Anschauung (als bloßes Nebeneinander) muss nämlich als Bedingung der Vorstellung der Zeit als formale Anschauung bestimmt werden. Es gibt aber auch einen umgekehrten Zusammenhang, der von Kant weniger explizit betont wird. Qua Form des inneren Sinnes enthält die Zeit ein bloßes Mannigfaltiges das wir als bloßes Nacheinander bestimmen können. Aber gerade dieser bloße Wechsel der „Zeiten“ ist eine Voraussetzung für jedes mögliche Bewusstsein von Raummannigfaltigem. Das heißt, dass die Zeit auch die Vorstellung des Raumes als formale Anschauung bedingt. Eine solche Wechselwirkung zwischen Raum und Zeit wird in der Ästhetik nicht thematisiert. Dort wird nur eine gewisse Asymmetrie zwischen den jeweiligen Geltungsbereichen der beiden Anschauungsformen betont. Der Raum ist nur die Form der äußeren Erscheinungen, wogegen die Zeit die Form aller Erscheinungen, nämlich qua Vorstellungen, ist. Dieser Asymmetrie zufolge schaue ich mich selbst in der Zeit an, aber nicht im Raum. Da, wo die Vorstellungen im inneren Sinn mein empirisches Selbstbewusstsein bestimmen, ist alles im Raum Angeschaute gerade dasjenige, was ich nicht bin. Es wäre aber falsch, daraus zu schließen, dass von Selbstaffektion nur in Bezug auf den inneren Sinn die Rede sein kann. In der Tat spricht Kant in der Kritik nur im Rahmen der Analyse der Zeit als formale Anschauung explizit davon, dass der Verstand die Sinnlichkeit affiziert. Aber als bloß subjektive Form der äußeren Sinnlichkeit ist auch der Raum in uns. Indem er auf die reine Raummannigfaltigkeit eine figürliche Synthesis ausübt, affiziert der Verstand auch den äußeren Sinn, und auch diese Affektion ist eine Selbstaffektion. In einer Reflexion die Kant, nach der Datierung von Erich Adickes, in den Jahren 1790–91 niedergeschrieben hat, heißt es demnach so: „die Einbildungskraft kann nur dadurch, daß sie [...] den äußeren Sinn afficirt, eine Vorstellung vom äußeren verschaffen” (Refl. 6313 18:613). Das heißt, dass diese reine Raummannigfaltigkeit zusammengenommen werden muss, um den Raum als Form zu einer Vorstellung (eine formale Anschauung) zu bestimmen. Wir kennen alle die These Kants, dass wir uns selber nur erkennen, wie wir erscheinen und nicht so, wie wir an uns selbst sind. Wir sind uns selbst also nur als ein im inneren Sinn vorgestellter Gegenstand gegeben. Wenn wir wissen wollen, wie wir beschaffen sind, dann müssen wir unsere innere Anschauung zu Rate ziehen. Das heißt, dass die Erkenntnis von uns selbst von einem anschaulich gegebenen Material abhängig ist. Während der Bemühung, eine solche Selbsterkenntnis zu gewinnen, sind wir mit anderen Worten auf direkte Weise
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Zeuge unserer Endlichkeit, weil wir bei der nicht-trivialen Bestimmung unseres Selbst jederzeit feststellen müssen, dass diese Bestimmung von sinnlich bedingtem Material abhängig ist. Das transzendentale Selbstbewusstsein kann uns keine Bestimmungen liefern, die es uns möglich machen würden, uns inhaltlich von Anderen zu unterscheiden. Ich bin mir im Selbstbewusstsein zwar meines eigenen Daseins und nicht des Daseins eines andern gewiss, aber dieses Bewusstsein liefert keine Anschauung und also keine Selbsterkenntnis. Es ist lediglich ein Denken meines eigenen Daseins. Die Frage, wie wir denn seiend da sind, wird von dem Bewusstsein, das Kant „transzendentale Apperzeption” nennt, nicht beantwortet. Für die Selbsterkenntnis braucht man nicht nur die Urteile – als den Formen, worin diese Erkenntnis allein ausgedrückt werden kann –, sondern auch noch Selbstanschauung, weil nur diese den Inhalt für die Selbsterkenntnisurteile liefern kann. Nun können Anschauungen von mir selbst, die eine Antwort liefern sollen auf die Frage, wie ich mich selbst erkenne, nach Kant nur Anschauungen des inneren Sinnes sein. Da aber Anschauungen des inneren Sinnes nur gemäß ihrer apriorischen Form gegeben werden können, sind sie Erscheinungen. Sie lehren uns also nichts über das Ich an sich.9 Ein Einwand gegen die Bestimmung des inneren Sinnes als primäre Bezugsquelle für unsere empirische Selbsterkenntnis könnte nun so lauten: Ich bin auch äußerlich bestimmt und kann mich selber also auch als physischer Körper im Raum anschauen. Ist eine Erkenntnis darüber, wie ich äußerlich beschaffen bin, denn für Kant keine Selbsterkenntnis? Obwohl das Selbst der Selbsterkenntnis traditionell eher mit dem Begriff der Seele verbunden wurde, liefern natürlich auch Vorstellungen von meiner körperlichen Beschaffenheit eine Art von (empirischer) Selbsterkenntnis. Aber Erkenntnis unterstellt ja Bewusstsein, und als bewusste Vorstellungen können auch diejenige Vorstellungen, die mich als äußerlich so und so bestimmt darstellen, nur Anschauungen des inneren Sinnes sein. Auch das empirische Bewusstsein davon, wie ich mir meine äußerliche Beschaffenheit vorstelle, kann also nur als Inhalt des inneren Sinnes bestehen. Ob aber diese empirische Selbsterkenntnis objektiv ist, hängt nicht direkt von den sinnlich gegebenen „rohen“ Vorstellungen selbst ab, sondern von der Frage, ob und wie diese Vorstellungen einen Platz im Ganzen der Erfahrung einnehmen können. Ein anderer Einwand gegen meine Interpretation lautet, dass die Zeit als reine Form des inneren Sinnes keine Mannigfaltigkeit enthält.10 In der Tat ist es schwer vorstellbar, dass es ein ursprünglich bloß als Zeitform gegebenes reines 9 Siehe für eine ausführlichere Analyse dieser These Michel 2003: 221–248. 10 Siehe zum Beispiel Nakano 2011 und Dyck 2006: 39–40 und Endnote 27.
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Nacheinander gibt, wenn wir für jede bewusste Vorstellung von Sukzession das Mannigfaltige im Raum brauchen.11 Erstens ist aber, wie ich schon bemerkt habe, eine solche Abhängigkeit von der anderen Form der Sinnlichkeit auch bei der Vorstellung des Raumes als Anschauung vorhanden. Die Synthesis der Einbildungskraft die dem bloßen Raummannigfaltigen die Einheit gibt, wodurch wir eine Vorstellung und eventuell auch einen Begriff vom Raume bekommen, ist selbst nur möglich im Nacheinander der Zeit. Zweitens sagt auch Kant selbst explizit, dass die Zeit als Form eine eigene Mannigfaltigkeit besitzt. In einer Passage der ersten Kritik heißt es zum Beispiel, dass „der innere Sinn die bloße Form der Anschauung, aber ohne Verbindung des Mannigfaltigen in derselben, mithin noch gar keine bestimmte Anschauung enthält, welche nur durch das Bewußtsein der Bestimmung desselben durch die transzendentale Handlung der Einbildungskraft, (synthetischer Einfluß des Verstandes auf den inneren Sinn) welche ich die figürliche Synthesis genannt habe, möglich ist” (KrV B154). Oder: in der Zeit als bloßer Form der Anschauung finden wir zwar ein Mannigfaltiges, aber (noch) keine Verbindung dieses Mannigfaltigen. Und eine solche Verbindung ist notwendig, damit wir uns die Form der inneren Anschauung als etwas bestimmtes (als eine Anschauung) vorstellen können, aber eine solche einheitliche Anschauung der Zeit wird erst durch die in der Spontaneität des Verstandes gründende Selbstaffektion zustande gebracht. Mit anderen Worten: sowohl für den Raum als für die Zeit gilt, dass wir einen synthetischen Akt des Verstandes brauchen, um das in den bloßen Formen der Anschauung enthaltene Mannigfaltige selbst als eine Anschauung vorstellbar machen zu können. Weil der Verstand dabei dasjenige, was selbst keine Anschauung ist (die bloße Form der Anschauung), in eine Anschauung verwandelt und also macht, dass wir uns etwas vorstellen können, das als solches im bloßen Anschauungsvermögen nicht da ist, ist er hier wirksam als transzendentale Einbildungskraft.12
11 Klaus Düsing bestreitet, dass das im inneren Sinn gegebene Material ohne jede Synthesis schon als zeitlich geordnet betrachtet werden kann (Düsing 1980). 12 Für hilfreiche Bemerkungen bin ich Sebastian Abel, Manfred Baum, Karin de Boer, Bernd Dörflinger, Corey Dyck, Dieter Hüning und Giuseppe Motta, sowie den Teilnehmern an der Tagung zur Einheit des Bewusstseins (Graz, September 2014), wo dieser Text zuerst vorgetragen wurde, zu Dank verpflichtet.
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Literatur Allison, Henry, 2015, Kant’s Transcendental Deduction. An Analytical-Historical Commentary, Oxford: Oxford University Press. Baum, Manfred, 1986, Deduktion und Beweis in Kants Transzendentalphilosophie, Königstein / Ts.: Athenäum Verlag. Bird, Graham, 2006, The Revolutionary Kant: A Commentary on the Critique of Pure Reason, La Salle: Open Court. Blomme, Henny, 2012, „The Completeness of Kant’s Metaphysical Exposition of Space“, in: Kant-Studien, 103 (2), 139–162. Blomme, Henny, 2013, „Können wir den ursprünglichen Raum erkennen?“, in: Dieter Hüning / Stefan Klingner / Carsten Olk (Hrsg.), Das Leben der Vernunft: Beiträge zur Philosophie Kants, Berlin: De Gruyter, 30–39. Carl, Wolfgang, 1998, „Die transzendentale Deduktion in der zweiten Auflage“, in: Georg Mohr / Marcus Willaschek (Hrsg.), Klassiker Auslegen – Kritik der reinen Vernunft, Berlin: Akademie Verlag, 189–216. Dörflinger, Bernd, 2010, „Zum Begriff des Raums in Kants Vernunftkritik. Von der Form der Anschauung zur formalen Anschauung“, in: Norbert Fischer (Hrsg.), Kants Grundlegung einer kritischen Metaphysik. Einführung in die >Kritik der reinen Vernunft