imitatio – artificium: Goldschmiedekunst und Naturbetrachtung im 16. Jahrhundert [1 ed.] 9783412522452, 9783412522438


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imitatio – artificium: Goldschmiedekunst und Naturbetrachtung im 16. Jahrhundert [1 ed.]
 9783412522452, 9783412522438

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IMITATIO – ARTIFICIUM GOLDSCHMIEDEKUNST UND NATURBETRACHTUNG IM 16. JAHRHUNDERT

HENRIKE HAUG

Interdependenzen Die Künste und ihre Techniken Band 7

Herausgegeben von Magdalena Bushart und Henrike Haug

Henrike Haug

imitatio – artificium Goldschmiedekunst und Naturbetrachtung im 16. Jahrhundert

BÖHLAU VERLAG  WIEN KÖLN

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein Zugl.: Habilitation, Technische Universität Dortmund, Fakultät 16 Kunst- und Sportwissenschaften, 2019.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2021 Böhlau, Lindenstraße 14, D-50674 Köln, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildungen: Vorderseite, obere Reihe: Details aus Abb. 29 und 5, untere Reihe: Details aus Abb. 54 und 65 in diesem Band. Rückseite, obere Reihe: Details aus Abb. 80 und 81, untere Reihe: Details aus Abb. 84 und 102 in diesem Band. Satz: Punkt für Punkt GmbH Mediendesign, Düsseldorf Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-52245-2

Inhaltsverzeichnis Einleitung  7 1 Handsteine  41 Einleitung  41 1.1 Der Handstein  42 1.2 Die erhaltenen Handsteine  50 1.3 Die Sammler  57 1.4 Die Ikonographie „Bergwerk“  75 1.5 Das Material  89 1.6 Die Künstler  99 1.7 Metallogenetische Positionen im 16. Jahrhundert  113 1.8 Mineraliensammlungen  134 2 Turbanschneckenkannen  195 Einleitung  195 2.1 Die Turbanschneckenkanne  201 2.2 Weitere Arbeiten aus Perlmutt und Turbanschneckenhäusern  210 2.3 Meerschnecken als Zeichen des Fernhandels  224 2.4 Antikenkenntnis und Antikenevokation  234 2.5 Ornament / Form / Naturabguss  254 2.6 Die logarithmische Spirale  269 3 Globuspokale  323 Einleitung  323 3.1 Der Globuspokal  329 3.2 Globuspokale von Abraham Gessner und anderen Künstlern  343 3.3 Weltbilder: Ptolemaios und die Folgen  357 3.4 Die Welt als Kugel: Kurze Geschichte der Globen  374 3.5 Die Welt als Artefakt: Bilder, die die Erde als Kunstwerk darstellen  388 3.6 Das Gelehrtennetzwerk  404 3.7 Vermessenheit  422

Inhalt I 5

Dank  455 Literaturverzeichnis  457 Bildnachweise  534 Personenregister  537 Ortsregister  541 Sachregister  544

6 I Inhalt

Einleitung Dieser Text beschäftigt sich mit Artefakten: Mit Werken menschlicher Kunstfertigkeit, die aus Edelmetallen – in Kombination mit anderen wertvollen Materialien – geschaffen wurden. Ausgehend von einem Handstein, einer Turbanschneckenkanne und einem Globuspokal werden die komplexen Bezugssysteme vorgestellt, in denen Goldschmiedewerke im 16. Jahrhundert entstanden, betrachtet wurden und ihre Wirksamkeit entfalten konnten. Der Handstein entstammt der Kunstkammer in Ambras und steht heute im Kunsthistorischen Museum in Wien: Eine große Silbererzstufe, die von Goldschmieden im böhmischen Erzgebirge in die Figuren einer Kreuzigungsgruppe umgeformt wurde (Abb. 1).1 Sie ruht auf einem Sockel aus verschiedenen Mineralen, auf dem in siebzehn Szenen die einzelnen Phasen des Bergbaus geschildert werden. Die Turbanschneckenkanne zählt zu den Beständen der Dresdner Kunstkammer und integriert drei Häuser von großen, aus dem Indischen Ozean importierten Perlmuttschneckenhäusern (Abb. 31).2 Als Teil einer Lavabo-Garnitur gehört zu ihr ein Becken, das indische Künstler in der Region Gujarat fertigten und das von süddeutschen Goldschmieden mit eigenen Werkanteilen weiterbearbeitet wurde. Der Globuspokal stammt aus der Sammlung von Bonifacius Amerbach (1495–1562) und wird im Historischen Museum Basel ausgestellt: Er ist ein artifizielles Bild der Welt – graviert in eine silberne Kugel – und bot seinem Besitzer verschiedene Möglichkeiten der Raum- und Zeitmessung an (Abb. 82).3 Zudem konnte aus ihm (am Äquator geöffnet) Wein getrunken werden, eine beiliegende Handschrift in lateinischer und deutscher Sprache beschreibt seine verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten. Die drei Artefakte stehen exemplarisch für drei Themenkomplexe, die für sich Einzeluntersuchungen ergeben; aber es ist die Zusammenschau, in der die Vielzahl von Bezügen auf verwandte Probleme und Praktiken sichtbar wird und die ein facettenreiches Bild der Ziele und Formen artifizieller Naturnachahmung und der Wahrnehmung von Materialien in der Frühen Neuzeit zeichnet. Ihre Auswahl wurde durch den Wunsch bestimmt, aussagekräftige Beispiele zu definieren, mit denen die Polyvalenz der frühneuzeitlich-artifiziellen Annäherung an die Natur in ihren unterschiedlichen Qualitäten beschrieben und analysiert werden kann. Die drei gewählten Teilbereiche lassen dabei unterschiedliche Formen der menschlichen imitatio naturae deutlich zu Tage treten. Sie variieren sowohl im Verständnis und der Einschätzung der Vorbildhaftigkeit der Natur als auch in den gewählten Arten ihrer Repräsentation durch den menschlichen artifex, sind angesiedelt zwischen erstens einer direkten mimetischen Aneignung, zweitens der Identifizierung, Ableitung und Kategorisierung scheinbar verbindlicher mathematischer Urformen in Auseinandersetzung mit natürlichen Vorbildern und drittens der Übertragung natürlicher Phänomene in abstrakte Daten und deren Reinszenierung durch Künstler:innen. Auf unterschiedlichem Niveau wird dabei kontinuierlich die Möglichkeit der Reproduktion des natürlichkreativen Schaffensprozesses durch den Menschen mit verhandelt.4 Zugleich werden

Einleitung I 7

kunsttheoretische Reflexionen sichtbar, die die menschliche Fähigkeit zur Schöpfung in Auseinandersetzung mit natürlichen Vorbildern und Prozessen thematisieren. Diese Arbeit versteht sich als Beitrag zu einer Kunsttheorie der Frühen Neuzeit im Kontext des practical turn und damit einer Vorstellung von Kunst als Handlung und Prozess der Transformation und Hervorbringung. Die Arbeit ist zugleich ein kunstwissenschaftlicher Beitrag zu einem vieldiskutierten Problem der Wissenschaftsgeschichte – zur Frage, welche Ur­ sachen die grundlegende methodische Wandlung einer betrachtenden Naturphilosophie hin zu einer experimentell handelnden, kategorisierenden und quantifizierenden empirischen Naturwissenschaft im 16. und frühen 17. Jahrhundert in Europa (mit)bedingten. Der Handstein, die Turbanschneckenkanne und der Globuspokal sind als Artefakte Teil eines objektbasierten Wissensdiskurses, sie ermöglichen Handlungen, erzeugen im Ensemble Ähnlichkeiten und Sympathien, fordern Ordnungen und Kategorisierungen und ­zeigen, dass Theoriebildung nicht ausschließlich über Sprache geschehen muss.5 Diese ­Arbeit untersucht weder den Umgang bestimmter Wissenschaftler:innen mit Objekten noch die Möglichkeiten, mit ihnen zu Handeln und sie fortzuentwickeln; vielmehr geht es um den Status der Objekte selbst. Als Träger und Ausdruck von unterschiedlichen Formen von Kenntnissen machen sie deutlich, dass die Forschungsdiskussion nicht allein über die Protagonisten einer „neuen Wissenschaft“, über die veränderten Prozesse und Methoden sowie über die daraus entstehenden neuen theoretischen Positionen geführt werden kann.6 Sondern, dass die in diesem Kontext hergestellten und verwendeten Dinge und ihre Macher ebenso und noch stärker als bisher Berücksichtigung finden müssen, um zu verstehen, welche Akteure in der Zeit um 1600 Wissen und Können und die menschliche Haltung zur Natur neu aushandelten. In der Untersuchung von Handstein, Turban­ schneckenkanne und Globuspokal wird auf unterschiedlichen Ebenen offensichtlich, welche Praktiken und Methoden aus dem impliziten, dem Handlungswissen der Praktiker auf naturphilosophische Theoriebildungen einwirkten: Und aus welchen Bereichen und auf welchen Wegen – seien es (Lehr-)Gespräche, Austausch oder methodische Bezüge – dieses Handlungswissen vermittelbar wurde. Zugleich werden die andersartigen formalen Lösungen, die nichtsprachliches, materialimmanentes Wissen annimmt, die charakteristischen Kommunikationsarten, die durch Artefakte in die frühneuzeitliche Aushandlung des Verhältnisses von Natur und Kunst eintraten und die spezifischen Räume, in denen diese Objekte wirkten, sichtbar. Die Vernetzung und die Vernetzbarkeit der Artefakte sollen innerhalb dieser Arbeit vorgestellt werden. Dabei geht es nicht um Vollständigkeit: die hier gewählten Bezüge sind nur einige, die augenscheinlich wirkten; die Möglichkeiten, weitere Vergleiche zu suchen und zu finden aber bleiben bestehen und wandeln sich je nach Vorwissen und ­Interessen der Betrachter:innen, die vor den Objekten zu Gesprächspartnern werden ­können. Die ausgewählten drei Beispiele berühren sehr differente Themenfelder: Den frühneuzeitlichen Bergbau als den innovativsten Bereich der sich etablierenden früh­ kapitalistischen Industrie und Wirtschaft; das sich entwickelnde globale Netzwerk, das

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über große Handelsverbünde Waren und Materialien in bisher unbekanntem Ausmaß in Bewegung setzte und damit den europäischen Markt, die Verfügbarkeit sowie die Einstellung zum Konsum von Luxusgegenständen grundlegend veränderte.7 Das aggressive ­Ausgreifen der Europäer in (für sie) „neue Welten“ als eine Praxis der Landnahme und Aneignung, die mit Entdeckung, Vermessung und Kategorisierung sowie der Visualisierung der gesammelten Daten in Form von Karten und Globen einherging. Weitere Motive, die die Artefakte anbieten, sind die Materialsemantiken der Metalle, beispielsweise des Silbers, die damit verbundenen zeitgenössischen Vorstellungen zur ­Metallogenese sowie die daraus resultierenden Impulse auf das künstlerisch-handelnde Selbstverständnis mit diesen Ressourcen.8 Aber auch die Frage nach der Potenz und den Voraussetzungen künstlerischer Formgebungsprozesse, die in enger Interaktion mit den verwendeten Materialien gedacht werden müssen: Sei es als Möglichkeit der Transformation im Sinne einer Unterwerfung des (natürlichen) Werkstoffs unter den (menschlichen) Entwurf, sei es als Dialog mit den vorgefundenen Formen, die beobachtet, kategorisiert und dann adaptiert werden können, sei es als wertschätzende Rezeption natürlicher Objekte – wie bei den Turbanschneckenhäusern – die eigenwillige formale Lösungen anboten und damit signifikante Impulse auf das künstlerische Schaffen geben konnten. Mit Bezug auf die Globuspokale wird deutlich, in welchem Maße eine Vermessung von Land auf die Mediengeschichte von Landesdarstellungen in ihren unterschiedlichen Bereichen rückwirkte und welche Bedeutung dabei der künstlerischen Visualisierung innerhalb eines frühneuzeitlichen Wissensdiskurses zugemessen werden muss.9 Ziel des vorliegenden Textes ist es, das Handlungs- und Werkstattwissen sowie die theoretischen Selbstverortungen von Goldschmieden im 16. Jahrhundert zu diskutieren und ihren Platz innerhalb der grundlegenden naturphilosophischen Neuerungen (nova scientia, „wissenschaftliche Revolution“) zu bestimmen. Dabei wird der Begriff der imitatio in einem breiten semantischen Feld verortet, das die vielfältigen Formen menschlicher Hervorbringung umfasst und dabei die sowohl quantitativen als auch qualitativen Veränderungen innerhalb des materialnahen, experimentellen Handelns berücksichtigt, um so zu einem tieferen Verständnis der frühneuzeitlichen Beschäftigung mit der Natur, ihren Formen und Prozessen zu gelangen.10 Durch den Fokus auf die Artefakte werden Akteure sichtbar, die sich mit natürlichen Phänomenen beschäftigten, dabei ihr Wissen und Können allerdings nicht oder kaum verschriftlichten. Der „Körper des Künstlers“ – so Pamela H. Smith wirkmächtiges Bild – ist Träger von stillem Vermögen (tacit knowledge), das nicht im Text seine angemessene Ausdrucksform fand.11 Das Wissen der Künstler äußert sich im Werkprozess, in der Erfahrung, der körperlichen Arbeit und im fertigen Werk selbst, das Smith mit ihrer Theorie der artisanal epistemology und einer artisanal literacy beschrieb.12 Die hier vorliegende Arbeit wendet sich in diesem Sinne den Produkten künstlerischen Handelns zu und folgt einigen der möglichen Aussagen, die sie anbieten. Denn anders als der parataktisch fortlaufende Text, der ein Argument entwickelt, bieten die hier analysierten Werke vielfache Diskurse an, die sich je nach Neigung, Vorwissen und Interesse der

Einleitung I 9

Betrachter:innen entfalten. Sie sind davon beeinflusst, in welcher Nähe zu anderen Objekten sie stehen, in welchen Räumen sie präsentiert und auch, in welcher Zeit sie mit welchen Intentionen betrachtet werden. Vielfach nahm die wissenschaftshistorische Forschung die auf Praxis und Materialkenntnis basierende Expertise von Handwerkern, von Künstlern und Ingenieuren in der Frühen Neuzeit in den Blick und diskutierte, inwieweit durch Übernahme der in diesen Anwendungsbereichen verbreiteten experimentellen Verfahren sowie der dort vorhandenen Kenntnisse um materielle Eigenschaften die tradierte, textbasierte Wissenschafts­ kultur der Antike und des Mittelalters verändert wurde.13 Das Fach hat sich durch Impulse aus der Praxistheorie und des (Neuen) Materialismus verstärkt den Objekten der Wissenschaft – beispielsweise Modellen, Instrumenten, Präparaten et al. – sowie anderen, nicht mehr ausschließlich textbasierten Wissensformen zugewandt.14 So konnten sowohl das implizite Wissen, das Können von Praktikern als auch Artefakte zum Teil einer Geschichte des Wissens des 16. und frühen 17. Jahrhunderts werden. Lissa Roberts und Simon Schaffer beispielsweise betonen in der Einführung zu ihrem Sammelband über Innovation und Forschung in der Frühen Neuzeit, dem sie den programmatischen Titel der „Mindful Hand“ gaben, den „intimate link of contemplative and manipulative knowledge“.15 In vergleichbarer Weise sprechen Ursula Klein und E. C. Spary von einer „mixed artisanal and learned praxis“, die sich im Handeln mit „nützlichen Materialien“, also Ressourcen, Werkstoffen und Waren und ihrer Verwertung in den Werkstätten, Laboratorien und den Märkten weiterentwickelte.16 Dennoch waren bislang der Handstein, die Turbanschneckenkanne und der Globuspokal zu „kunstvoll“, um in den Fokus einer verstärkt an Objekten interessierten Wissenschaftsgeschichte (oder einer an Instrumenten interessierten Technik­ geschichte) zu geraten; ebenso wenig waren sie Teil eines analytischen kunsthistorischen Diskurses. Bekanntermaßen führte die Entmaterialisierung der Kunst durch das sich institutionell ausbildende Fach der Kunstgeschichte im 19. Jahrhundert dazu, dem Machen und den Materialien innerhalb der Forschungsinteressen wenn überhaupt einen marginalen Platz zuzuweisen. Erst eine verstärkt seit Beginn des 21. Jahrhunderts (wieder) einsetzende, sehr heterogene Beschäftigung mit künstlerischen Materialien und damit verbunden künstlerischen Praktiken zeigten und zeigen die hohe Relevanz als auch die Breite dieses Teilbereichs der kunstwissenschaftlichen Forschung.17 Erschwerend hinzu kommt, dass die hier verhandelten Werke als Produkte der Goldschmiedekunst zu „materiell“ sind und zu viel virtuoses technisches Vermögen zeigen, so dass sie bislang meist in den Bereich des Kunstgewerbes verwiesen wurden. Dieser Bereich neigt(e) dazu, formale Reihen, ­Typen und Werkstattzusammenhänge zu betonen und weniger, einzelne Artefakte herauszugreifen. Erst in jüngerer Zeit erhalten ausgewiesene Werke vermehrt analysierende Einzeluntersuchungen: Von einer kunstwissenschaftlichen Forschung, die sich für Dinge und deren agency interessiert, die Materialwahrnehmungen und Materialwege analysiert, die kleinformatige, dreidimensionale Werke als Träger von komplexen Ikonographien anerkennt oder die den Status künstlerischer Praxis im Kontext der sich transformierenden

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Wissenskulturen der frühen Neuzeit beschreiben will.18 Ein dritter Aspekt, der die bislang kaum erfolgte Theoretisierung vergleichbarer Artefakte erklären kann, betrifft ihre Provenienz: Wenngleich zahlreiche Forschungen zu den großen fürstlichen Kunstkammern in Ambras, in Dresden und Wien sowie den Gelehrten- und Patrizier-Sammlungen in den Städten vorliegen, so interessierte hier vor allem das System Sammlung, in Teilen auch das Ensemble, viel weniger aber das Einzelstück. In seiner Publikation zur Thing Knowledge von 2004 entwarf David Baird eine Lehre vom Wissen des Instruments, die sich auf drei Ebenen äußere: erstens in der Form des Modells, das Wissen repräsentiert, zweitens als working knowledge der ausführenden Meister, ein sich in der Ausführung zeigendes Können, das unter anderem die Kenntnis von Materialeigenschaften umfasst. Drittens als encapsulating knowledge, einer Form, die Baird durch Messinstrumente verkörpert sieht, die sowohl Träger von vorgängigem ­Wissen seien, als auch in ihrer Anwendung durch Dritte neues Wissen produzierten. Mit diesem Begriff des „eingeschlossenen Wissens“ unterscheidet Baird zwei Ebenen, erstens Ver­ mögen, das vorhanden sein muss, um das Objekt funktionierend zu erschaffen, und zweitens Wissen, das in dem Objekt bzw. Instrument eingelagert ist, um prospektiv Daten sammeln zu können.19 Das mit diesem Begriff umschriebene Zusammenfallen von praktischem Vermögen des Goldschmieds und theoretischen Kenntnissen der Kartographen, Instrumentenbauern und Vermessern in einem Artefakt ist eindeutig in den Globuspokalen sichtbar – die zugleich als Modell der Welt Wissen ausstellen und als Messinstrumente neue Daten generieren können. Der Begriff der working knowledge aber ist letztlich auf jede künstlerische Handlung anwendbar, so dass auch die Handsteine und Turban­ schneckenpokale als Träger von vielfältigen Arten eingeschlossenen Wissens angesprochen werden können.20 Bairds Überlegungen sind durch die Hinwendung zu den sowohl performativen als auch materialbasierten Wissensformen richtungsweisend, die sich im Herstellungsprozess, im fertigen Werk und im Handeln mit dem Objekt zeigen. Für die hier diskutierten Themen ist zudem relevant, dass Baird nicht allein die Hersteller und ihre Produkte in den Blick nimmt, sondern auch die Besitzer der Objekte mit in die Analyse einbezieht und so die Objektforschung um die Mäzene, die Sammler:innen und Nutzer:innen bereichert.21 Andrew Morrall spricht von einer shared epistemological basis, einem geteilten Horizont von Interessen und Wertvorstellungen, die die unterschiedlichen, an der Erschaffung der frühneuzeitlichen Kunstkammern beteiligten Akteure miteinander teilten bzw. die in den zwischen 1550 und 1620 entstandenen Artefakten aufscheinen.22 Die Goldschmiede, die diese Kunstwerke für reiche Sammler:innen schufen, waren Teil einer städtischen educated craftsmen elite und damit an einem der Orte versammelt, an denen unterschiedliche Gruppen und Diskurse aufeinandertrafen, sich kreuzten, verstärkten, widersprachen und zu neuen Formen verbanden. Auch der Hof ist solch ein Ort, an dem Wissen generiert, gehandelt und verhandelt wurde – wie Pamela O. Long mit dem Begriff der trading zones in ihrem Buch Artisan/Practitioners and the Rise of the New Sciences herausarbeitete.

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Long unterstrich die Bedeutung dieser sites of innovation and exchange, die sich durch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Status- und Berufsgruppen auszeichnen und zu denen neben den Städten und den Höfen auch die Montanregionen oder die Arsenale für den Schiffsbau zählten.23 Alle diese Orte sind durch Konkurrenz und Innovationsdruck geprägt, zwei Aspekte, die mit dem Ausbau der Textilindustrie, dem Bergbau und der Kriegsindustrie (und damit mit (früh-)kapitalistischen Wirtschaftsformen) zusammenhingen.24 Hinzu trat das sich entwickelnde Netz eines globalen Fernhandels, der bislang unbekannte Produkte außereuropäischer Kulturen, Flora und Fauna nach Europa brachte und zusätzlichen Anlass zur Neuausrichtung des tradierten Wissens gab. Als weitere Impulse betont Long den ansteigenden Konsum von (Luxus-)Gütern sowie den Gabentausch zwischen den Höfen, beides Bereiche, die in bislang nicht bekanntem Ausmaß überraschende Kreationen virtuoser Kunsthandwerker forderten. All diese Aspekte mündeten ihrer L­ esart zufolge in der hohen Wertschätzung von Artefakten sowie dem Interesse an und Wissen um die sie erschaffenden Künstler und das künstlerische Handeln, die durch eine durch kunsttheoretische Positionen gestützte Nobilitierung der (bildenden) Künste getragen wurde.25 Bruce T. Moran wies in seiner Arbeit über die German Prince-Practitioners auf die an Innovationen interessierten Fürsten und ihre Höfe hin, darunter Kurfürst August von Sachsen (1526–1586), Landgraf Wilhelm  IV. von Hessen-Kassel (1532–1592) oder auch ­Johann Georg, Kurfürst von Brandenburg (1525–1598). Alle diese Fürsten waren in der Konstruktion und Weiterentwicklung von Messinstrumenten – für die Landesaufnahme oder die Zeitmessung und Sternenbestimmung – involviert und selbst als Vermesser tätig: In enger Zusammenarbeit mit Handwerkern aus den führenden Handelsstädten.26 An ­ihren Höfen – und aus ökonomischen, politischen Motiven aber auch aus rein wissenschaft­ lichem Interesse – fanden gebildete Instrumentenbauer und Uhrmacher Finanzierung und Förderung und arbeiteten für sich, aber auch im engen Austausch mit den Fürsten. Es ist dieses von Innovationsdruck und Repräsentationsbedürfnis, von Konkurrenz und wissenschaftlicher Neugier geprägte Umfeld der Städte und der Höfe, in denen die in dieser ­Arbeit diskutierten Artefakte entstanden und ihre Wirksamkeit entfalten konnten. Aber nicht erst die rezentere Forschung fragte nach dem Anteil von Künstlern, ihren Produkten und ihren Methoden an der Ausbildung der nova scientia im 16. und frühen 17. Jahrhundert: Schon Bruno Alexander Hanschmann (1840–1905) beschrieb das Aufeinandertreffen des Naturwissenschaftlers Francis Bacon (1561–1626) und des Keramikkünstlers Bernard Palissy (1510–1589/90) in Paris in den Jahren von 1575–1577 als den maßgeblichen Impuls zur Aufnahme neuer Methoden in die Naturphilosophie der Frühen Neuzeit.27 Denn Hanschmann zufolge ist es der Künstler und Erfinder Palissy, der die Natur beobachtete, der von den dortigen natürlichen Produkten und Prozessen her abstrahierte und somit der „Vater der neuen Naturwissenschaften“ werden konnte, die sich durch eine neue Wissenschaftsmethode – die der Induktion – auszeichnet.28 In seiner Untersuchung benannte Hanschmann zukunftsweisende Aspekte, die aus dem Austausch zwischen Künstler und Naturphilosophen resultierten und die in der (nicht unbedingt an Hansch-

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mann anschließenden) Forschungsdiskussion weiterhin große Beachtung fanden; dazu zählt die Idee vom Lesen im Buch der Natur als religiöser Praxis ebenso, wie das Motiv der Mathematisierung der Naturbetrachtung sowie der Vorstellung einer Beherrschbarkeit der Natur durch den Menschen.29 Hanschmann betonte zudem den veränderten Status, der dem Experiment im Prozess des Erkenntnisgewinns bei Bacon zukam und band auch diesen Bereich an das künstlerische Handeln und die Suche nach technischen Voraussetzungen und Möglichkeiten zur Umsetzung der Formvorstellungen zurück: Bacon erhielt den grossen Gedanken seines Lebens und Denkens von einem einfachen, doch genial angelegten, durch ganz neue und zahllose Versuche herangebildeten und zu einer eigenen Philosophie gereiften, praktischen Geiste eines Töpfers und Glasers, erhielt diesen Gedanken, der die auf Induktion beruhende Wissenschaft zum Teil erst schaffen sollte, nicht aus einem litterarischen Werke, sondern – wie es auch so natürlich ist – aus dem begeisterten, mündlichen Vortrage jenes in seinen Tonarbeiten bis zur Kunst und sich zu ganz neuen Erfindungen emporgeschwungenen Handwerkers, der zu Paris den Professoren der Universität und des Königl. Kollegs, – an welchem auch Ramus und Rabelais dociert hatten –, durch vorher nie gesehene, grosse Sammlungen von Naturprodukten und durch die mit Metallen, Salzen, Erden angestellten Experimente Tatsachen aus den Natur-Wissenschaften bewies, die [...] durch ihn originell gefunden waren, und der dadurch die Haltlosigkeit der meisten bisherigen Lehren besonders auf den Gebieten der Physik, Chemie und Geologie offenbarte.30

Hanschmanns Schilderung zufolge war es die handwerkliche Praxis eines Glasers und Keramikers, aus der heraus die nötigen Voraussetzungen zum gezielten Handeln mit den Materialien entwickelt wurden – und die von der Naturwissenschaft in der Form des Experiments übernommen werden konnten. Ausgangsbasis für das Experimentieren waren die natürlichen Stoffe, die zur Sammlung des Künstlers Palissy gehörten und die dieser angelegt hatte, um für die Verbesserung seiner Werke und seiner damit verbundenen Materialforschung ausreichendes Anschauungsmaterial zur Verfügung zu haben. Als weiteres Motiv scheint in Hanschmanns Formulierungen der „Beweis“ durch – erneut als Spielart der Empirie, der aber nicht allein durch die Anschauung, sondern durch die Anschauung aufgrund von durch den Menschen herbeigeführten – damit per se „unnatürlichen“ – Abläufen besondere Glaubwürdigkeit besitzt. Die wissenschaftshistorische Forschung hat sich vielfach der Frage nach der Bedeutung des experimentellen Handelns für die Genese einer modernen Naturwissenschaft zugewandt. Ertragreich war dabei unter anderem die Schärfung des Begriffsfeldes um experiri, das Erfahren, aber auch das suchende Feld des Erprobens und Versuchens sowie die Bedeutung von Begründen und Beweisen umfasst. Dabei bezeichnet expertus die Vorstellung von Erfahrensein ebenso wie von Erfahrung. Von dort leitet sich experimentum als Erfahrungschaffen im Sinne eines bewusst durchgeführten Experiments im heutigen Sinne ab, wird doch seit dem 17. Jahrhundert die „experimentelle Methode als bewusste und kontrollierte Form der wissenschaftlichen Erfah-

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rung“ grundlegend für einige Bereiche der Naturwissenschaften. 31 Bacon ist dabei wiederum ein wichtiger Bezugspunkt, ist für ihn doch das experimentum als eine „durch menschliches Handeln herbeigeführte Erfahrung“ von grundlegender Bedeutung.32 Doch schon der mittelalterliche Kunstdiskurs kennt die Auszeichnung in arte peritus – auf meisterhafte Ausführung durch einen Künstler bezogen, der innerhalb seines kunstschaffenden/künstlerischen Bereichs über Erfahrung verfügte, kundig war.33 Der Experte speist sich aus demselben Wortstamm wie das Experiment, meint aber im älteren umfassenden Sinn auch den in Wissenschaft/Kunst Erfahrenen und damit durch Expertise ausgewiesenen Fachmann.34 Das der in Quellen des 13. und 14. Jahrhunderts zu findende Begriff expertum im modernen Sinne zu verstehen sei, wurde daher – auf der Suche nach dem „Beginn des Experiments“ – sowohl behauptet als auch angezweifelt.35 Hinzu tritt die Kultur der unterschiedlichen Wissensbereiche – ist doch beispielsweise die Mathematik weniger experimentaffin als die Physik oder die – noch nicht als Fach deutlich definierte – Chemie, so dass die monokausale Gleichsetzung von Experiment und „moderner Wissenschaftlichkeit“ für das 16. und 17. Jahrhundert zu Recht zurückgewiesen wurde. Thomas S. Kuhn unterschied daher zwei unterschiedliche Traditionen der Naturforschung in der Geschichte:36 Erstens die der „klassischen“ Wissenschaften, zu denen er die mathematischen Disziplinen wie geometrische Optik, Astronomie, Statik, Harmonielehre und Geometrie zählte. Diese Fächer haben eine weitzurückreichende Geschichte, in der das Experiment fast ausschließlich für die Überprüfung einer gedanklich schon vorher entwickelten Theorie Verwendung fand. Zweitens die baconische Tradition von neuen Fächern, die sich erst im Lauf des 16. Jahrhunderts herausbildeten und die davon geprägt wurden, dass sie Methoden und Verfahren aus anderen – anwendungsbezogenen – Bereichen übernahmen.37 Zu diesen neuen Wissensbereichen zählt Kuhn das alchemische und metallurgische Wissen, die Pharmazie und die Glaskunst, alles Bereiche, die sich aus der Praxis heraus entwickelten, so dass hier die traditionelle Trennung zwischen „freien“ (und damit akademisch-textbasierten) und (handwerklich) „mechanischen“ Künsten überwunden wurde, beziehungsweise gar nicht bestand.38 Die Werkstätten der Kunsthandwerker und Künstler waren immer schon der Ort des experimentellen Materialerprobens  – genauso wie das laboratorium des Alchemisten. Dazu treten besondere Räume, die im Umfeld der neuzeitlichen Sammlungen angesiedelt sind, und die der gesteuerten Veränderung von Natur dienten. Der Begriff Laboratorium leitet sich von labor im Sinne von Anstrengung, Bemühung, auch Strapaze, her und wird zur Bezeichnung eines naturwissenschaftlichen Raumes, in dem vor allem der praktische Aspekt der Materialerprobung, die Verfremdung und artifizielle Veränderung betont werden.39 Das wissenschaftliche Labor stellt „einen Rahmen dar, innerhalb dessen ein großer Teil wissenschaftlicher Praxis nicht nur durchgeführt, sondern geformt wird.“40 Die Wurzeln dieses experimentellen Materialhandelns sind tatsächlich in der alchemischen Praxis zu suchen, die – die frühen Überlieferungen des Leydener und Stockholmer Papyrus bezeugen es – aus der kunst/handwerklichen Praxis mit ihren Färbeprozessen und Legierun-

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gen stammt; im 16. Jahrhundert ist weiterhin die Nähe zu Palissy und der Werkstattpraxis vieler Künstler evident.41 Das die neue Wertschätzung des Experimentes und die veränderte Wahrnehmung der Methode des Experimentierens durchaus zeitgenössisch ist, bezeugt eine vielfach zitierte Stelle von Francis Bacon. Nature exists in three states and accepts three kinds of regime. She is either free and unfolding in her own ordinary course, or driven from her state by the vicious and insolent assaults of matter and by the force of obstructions, or constrained and shaped by human art and agency. The first state refers to the species of things, the second to prodigies, the third to artificial things. For in artificial things nature accepts the yoke from the empire of man; for these things would never have been done without man. A completely new face is given to bodies by human effort and agency, a different universe of things a different theatre. There are, consequently, three forms of natural history. It deals either with the Freedom of nature or with the Errors of nature or with the Bonds of nature; so that a good division we might make would be a history of Births, a history of Prodigious Births, and a history of Arts; the last of which we have also often called the Mechanical and the Experimental Art.42

Hier wird ein Naturverständnis sichtbar, das die Natur als das Gegenüber des Menschen begreift und dabei auch zugleich die Zugriffsmöglichkeiten und das Zugriffsrecht auf diese Natur formuliert.43 Natura ist dabei ihrem grammatikalischen Geschlecht zufolge – und als Materie im Gegensatz zum männlich gedachten Geist-Prinzip tief in der abendländischen Philosophie verwurzelt – weiblich; die Natur ist verborgen, verbirgt sich selbst – kann aber durch den menschlichen Zugriff dazu gezwungen werden, sich zu offenbaren: „So nature exhibits herself more clearly under the trials and vexations of art than when left to herself”.44 Wie dieser aggressiv unterwerfende Zugriff des Forschers auf die Natur zu denken ist, macht Bacon deutlich: die dem menschlichen Handeln unterworfene Natur zeige sich in things artifical – also in künstlich hergestellten Dingen. Der künstliche (und damit per se „unnatürliche“) Zugriff auf Material also ist derjenige, der die Natur transformiert und innerhalb dieser transformierenden Handlungen ihre Eigenschaften entdecken kann. Die menschlichen Künste – im umfassenden Sinne aller menschlichen Kunstfertigkeiten – versteht Bacon dabei als Instrument, und bezeichnet sie als „Mechanical or Experimental Art“. Diese Art von Entschleierung natürlicher Geheimnisse, die Entdeckung der Natur durch ihre Verstörung hängt Bacon zufolge mit Verfahren zusammen, die er innerhalb der Werkstätten von Kunsthandwerkern verortet, die in ihrer Werkstattpraxis täglich und zielgerichtet mit natürlichen Ressourcen handeln und dadurch über grundlegende Kenntnisse der Materialeigenschaften verfügen.45 Bacon also ist ein Naturforscher der Frühen Neuzeit, der sich den Verfahren der Handwerker zuwendet, um das dort abrufbare Wissen für eine Theoretisierung in naturwissenschaftlichen Diskursen fruchtbar zu machen.46 Eine vergleichbare Passage findet sich bei Johann Valentin Andreae (1586–1654) im Jahr 1619. Hier betritt der Besucher der utopischen Stadt Christianopolis, nachdem er die

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Sammlungen durchwanderte, den Bereich, der dem experimentellen Arbeiten mit der ­Natur zugewiesen ist: Nach der Schatzkammer zeigt sich ein Laboratorium oder Werkstatt, das den chemischen Unter­ suchungen gewidmet ist, und von allerlei sehr künstlichen Öfen und zu Aufschließung und Vereinigung der Materialien dienlichen Instrumenten einen ungemeinen Vorrat hat. Niemand hat sich hier vor der Betrüger Leichtfertigkeit, Lügen und Bettelei zu fürchten, sondern man stellt sich hier eine sorgfältige Amme der Natur vor. Hier werden zum menschlichen Gebrauch und zur Beförderungen der Gesundheit alle Kräfte der Metalle und Mineralien oder Gewächse, auch der Tiere, untersucht, gereinigt, vermehrt, vereinigt. Hier wird der Himmel der Erde angetraut und die der Erde eingeprägten göttlichen Geheimnisse entdeckt. Hier lernt man das Feuer regieren, die Luft gebrauchen, das Wasser schätzen und die Erde erkennen. Hier hat der Affe der Natur, die Kunst etwas, worin sie spielt, indem sie den ersten Ursprung nachahmt und nach den Fußstapfen des großen Weltgebäudes ein solches im kleinen auf das vortrefflichste nachbildet. Was durch den Fleiß der Alten aus dem Eingeweide der Natur uns ausgegraben und ans Licht gebracht worden ist, wird hier unter die Probe genommen, damit man weiß, ob es uns auch recht redlich entdeckt worden ist.47

Das Labor oder die Werkstatt sind bei Andreae die Orte des experimentellen Handelns mit den Materialien.48 Kunst im umfassenden Sinn wird als Nachahmung natürlicher Prozesse verstanden – mit dem Ziel, zur Kenntnis der Materialien und Urstoffe zu gelangen; das Verständnis von Materialeigenschaften wird dabei erneut eng an den künstlerischen Werkprozess gebunden.49 Der hier vorliegende Text beschreibt anhand von drei Werken der Goldschmiedekunst die komplexen Bezugssysteme zwischen Kunstkammer, Naturbetrachtung und Werkstattpraxis; als Untersuchungszeitraum wurden die Jahre zwischen 1550 und 1620 gewählt, da in dieser Zeit die geschilderten methodischen Veränderungen zu einer Neukonzeption der Naturwissenschaften führten.50 George Sarton hatte darauf hingewiesen, dass die Text­ basiertheit des Renaissance-Humanismus dieser neuartigen, auf Experiment und Beobachtung gerichteten Wissenschaft geradezu gegenläufig gewesen sei; seiner Meinung nach trug die italienische Renaissance nur über den Handwerker zum wissenschaftlichen Fortschritt bei.51 Edgar Zilsel betonte in seinem einflussreichen Aufsatz The Sociological Roots of Science die frühkapitalistischen Kontexte, in denen die Interaktion zwischen theoretischen und praktischen Methoden möglich wurde. In der Diskussion der intrinsischen wie extrinsischen Faktoren, die auf die Entwicklung der nova scientia wirkten, verweist er auf die frühkapitalistischen Märkte und die damit verbundene Konkurrenz, die den Austausch von superior craftsmen mit lateinkundigen Forschern förderten.52 Zilsel betonte diese ­Interaktion zwischen theoretischen und praktischen Methoden, die durch die Veränderungen in der sozialen Wahrnehmung unterschiedlicher Gruppen ermöglicht wurde. Ihm zufolge standen sich zwei Klassen gegenüber, von denen die eine methodisch/logisch

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ausgebildet und rein textbasiert arbeitete, die andere mit den Methoden des Experimentierens und der quantitativen Bestimmung vertraut war – Humanisten und Akademiker vs. Handwerker. Das Auftreten hochspezialisierter Handwerker, Instrumentenbauer und Künstler-Ingenieure, die Theoretisierung einiger Bereiche der Künste, sowie das neue ­Forschungsparadigma der Beherrschbarkeit der Natur führte zur Entwicklung der experimentellen Methode und damit zum Verschmelzen beider Wissenskulturen.53 Zilsels These gehört in den Kontext einer marxistischen Wissenschaftstheorie, die materialistisch ausgerichtet bereit ist, den Objekten einen eigenen Platz zuzugestehen – und die ebenso die Prozesse und damit die Herstellenden berücksichtigt.54 Rupert Hall betont in The ­Scholar and the Craftsman in the Scientific Revolution, dass der Zugang zu den „neuen“ Forschungsfeldern, zu denen er auch die „Chemie“ zählt, für Forscher der unterschiedlichsten Ausbildungswege offen stand, „where all types of ability, manual and intellectual, were almost equally required“; dennoch sieht er einen vierfachen Gegensatz (social, intellectual, teleological, educational) zwischen Gelehrten und Handwerkern und damit zwischen konzeptuellen vs. praktisch-operationalen Ergebnissen.55 Paolo Rossi unterstrich erneut die starken Impulse, die von den Mechanikern und Künstlern (Palissy als Keramiker, Norman als Kompassbauer) auf die Naturphilosophen einwirkten, und so zu den methodischen Verschiebungen im 16. Jahrhundert führen konnten.56 Cyril Stanley Smith verstärkte in seinen Forschungen zur Interaktion von Kunst, Technologie und Naturwissenschaften die These, dass es vor allem die Künstler waren, die am deutlichsten die dem Material inhärenten Qualitäten und Eigenschaften erkannten.57 Im Bestreben, ihre Vorstellungen im Werk zu manifestieren, die Materie zu beherrschen und nach ihrem Willen zu formen, trugen sie mit ihrer dem Werkprozess entstammenden Methode des Experimentierens und ihrer Materialkenntnis maßgeblich zur Genese einer modernen Naturwissenschaft in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bei. Pamela H. Smith betont, dass es die (körperliche) Fähigkeit zur Durchführung spezialisierter Verfahren und zur Schaffung von Objekten und Kunstwerken war, die einer neuen Gruppe von Praktikern an der Grenze zwischen den textbasiert forschenden Gelehrten und den in den Werkstätten ausgebildeten Künstlern/Kunsthandwerkern Zugang zu gelehrten Kreisen und den Höfen ermöglichte sowie Anerkennung und Autorität brachte.58 Die hier vorliegende – kunsthistorische – Arbeit nähert sich diesem Problemfeld über Werke der Kunst; im Zentrum stehen dabei Objekte, die im 16. Jahrhundert geschaffen wurden. Ihr Geschaffensein ist dabei zentral und daher ist für die hier geführte Diskussion der Begriff des Artefakts grundlegend – nicht Ding, nicht Sache, nicht Objekt, nicht Gegenstand, nicht Werk.59 Artefakte sind (zumindest hier: absichtsvoll) hergestellte Gegenstände  – also Dinge, die durch einen oder mehrere Akteure unter Nutzung von (nicht qualitativ zu bewertenden und sehr breit gedachten) Fertigkeiten und/oder Fähigkeiten erschaffen wurden.60 Sicherlich schwingt die Gegenständlichkeit – ja Widerständigkeit – der Objekte, die Uneindeutigkeit des Dings sowie die Verfüg- und Nutzbarkeit der Sachen immer dort mit, wo Werke der Goldschmiedekunst innerhalb von frühneuzeitlichen

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Sammlungskulturen mit ihren Ordnungen, (kontextuellen) Entfremdungen und Gesten der Aneignung diskutiert werden.61 Und unstrittig sind Artefakte auch Dinge in dem Sinn, dass sie materiell an einem Ort präsent sind. Da aber Objekt, Gegenstand und Sache, wenngleich sie im allgemeinen Sprachgebrauch sehr ähnliche „Dinge“62 bezeichnen, in der Forschung zur Adressierung unterschiedlicher Eigenschaften unterschiedlich belegt wurden, soll auch hier eine klare Wahl der Begrifflichkeit begründet werden: In der soziologisch (und anthropologisch) dominierten Diskussion wurde das Objekt – im Sinne eines Gegen-Standes, der durch Betrachtung und Handlung konstituiert wird – vielfach an das Subjekt Mensch rückgebunden, der es wahrnimmt, beurteilt oder erkennt. Auch das ­Begriffsfeld um nutzen/nützen spielt dabei eine Rolle, Georg Lukácz beispielsweise untersuchte „eine Welt von fertigen Dingen und Dingbeziehungen“ als „Welt der Waren und ihrer Bewegung auf dem Markte“ und unterschied dabei die Sache vom Ding, um die ­unterschiedlichen Nutzbarkeiten bzw. die Verweigerung der materiellen Umwelt in der Interaktion mit den Menschen zu diskutieren.63 Seinem Verständnis nach sind Sachen (nach Marx als Arbeitsprodukte) verfügbar, wohingegen sich Dinge (dem Kantschen ­unfassbaren „Ding an sich“ folgend) entziehen.64 Heidegger hingegen trennte Ding, Werk und Zeug, um die menschliche Gestaltung (beim Zeug und Werk) zu betonen, das dien­ liche Zeug mit seinem Zweck als dem Menschen untertan zu erkennen und den „Eigensinn“ von Werk und Ding auszuweisen.65 Schon diese frühen Positionen verdeutlichen, dass Gegenstands-Untersuchungen vielfach von einer Beziehung zwischen Subjekt und Objekt ausgehen – und dass im Zentrum des Interesses die menschliche Interaktion mit den ihn umgebenden Dingen stand und steht, die erfolgreich sein oder auch scheitern kann. So beschreibt auch Bruno Latour auf vielfachen Ebenen die Komplexität von Mensch-Ding-Beziehungen, bei denen die Dinge als Aktanten auftreten – nicht, um ihnen eine tatsächliche (quasi belebte und eigenwirksame) Wirkmacht zuzusprechen, sondern um ihr Sein und ihren Ort innerhalb menschlicher Handlungen aufzuwerten.66 Innerhalb seiner Soziologie der Assoziationen – als Netzwerk von Beziehungen zwischen mensch­ lichen und nichtmenschlichen Akteuren – betont er die Verschränkung und gegenseitigen Abhängigkeiten von Menschen, Objekten und Diskursen. In diesem Sinne beschreibt Hans Peter Hahn seine Überlegungen mit dem Bild des „Eigensinns der Dinge“, der sich aber erneut im (habituellen) Umgang der Menschen mit den Dingen und ihrer Wahrnehmung äußert.67 In der hier vorliegenden kunsthistorischen Untersuchung zu Handstein, Turbanschneckenkanne und Globuspokal aber soll auf einen anderen Aspekt fokussiert werden, der im Begriff des Kunstwerks genauso enthalten ist, wie im Artefakt. Da sowohl „Kunst“ als auch „Werk“ jedoch im Deutschen68 weiterhin dazu neigen, zu eng geführte Vorstellungen von Schöpfertum und ästhetischem Kanon zu implizieren69, wird hier das Artefakt verwendet, wenngleich auch in der ursprünglichen Bedeutung das deutsche Wort umfassender ist, wie beispielsweise Kant definierte: „wenn man etwas schlechthin ein kunstwerk nennt, um es von einer naturwirkung zu unterscheiden, so versteht man allemal

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darunter ein werk des menschen.“70 Beide Begriffe verweisen darauf, dass die hier verhandelten Dinge durch menschliches Vermögen entstanden sind  – arte factum als „durch Kunst gemacht“, wobei Kunst jedwede Form menschlicher Hervorbringung meint und als Gegenteil von „natürlich entstanden/generiert“ zu verstehen ist.71 Um diese Kunst – das hervorbringende, bildende Vermögen (poíesis) des Menschen – soll es gehen, und um das, was in dem durch diese Handlung Entstandenem sichtbar, entschlüsselbar, erinnerbar, erahnbar oder auch nur imaginiert vorhanden ist. Bislang wurde der Begriff des Artefakts meist innerhalb von ethnologischen bzw. anthropologischen Forschungen verwendet und bezeichnete eine Stufe „unterhalb“ des Kunstwerks im Sinne von „menschlich gemacht, aber nicht künstlerisch“.72 Glenn Adamson diskutiert die Abwertung der decorative arts aber zugleich als Problem der modernen Forschungen, wenn sowohl die material culture als auch die design history erneut Werke beispielsweise der Goldschmiedekunst nicht ­berücksichtigen.73 Im Kontext dieser Arbeit aber wird mit dem Artefakt-Begriff nicht auf eine materielle Sachkultur „unterhalb“ der Kunst verwiesen oder auf Erzeugnisse der Kunst anderer Kulturen, die mit einer impliziten Abwertung von Werken einhergeht, die nicht in das eurozentrische Kunst-System passen.74 Er wird vielmehr bewusst genutzt, um darzulegen, welche Aspekte die Erzeugnisse menschlicher Kunstfertigkeit zu einem umfassenden Wissensdiskurs der Frühen Neuzeit beitragen (können) und was sie in den ­Prozessen und Formen ihres Entstehens über ihre materielle Beschaffenheit, die Herkunft der verwendeten Materialien, die Möglichkeiten eines menschlichen Zugriffs auf vorhandene Ressourcen sowie das artifizielle Vermögen an sich aussagen.75 Alle drei Werke sind meisterhaft erdachte, kunstvoll produzierte Stücke, die über das Material und die dort verwendeten Techniken ins Außergewöhnliche und Staunenswerte verweisen. Die drei Artefakte wurden mit dem Ziel erschaffen, wertgeschätzt und entschlüsselt zu werden, sollen ihre Betrachter:innen zum Nachdenken und zum Gespräch auffordern und sind dabei wechselseitigen kulturellen Aushandlungen unterworfen.76 ­Susan Pearce wies auf das menschliche Bedürfnis hin, die „Um-Welt“ fortwährend neu zu deuten und neu zuordnen – ausgehend von den sinnlich wahrnehmbaren, materiellen Dingen, die durch ein internal narrative gegliedert werden.77 Die hier verhandelten Werke sind ambivalent, sie entziehen sich eindeutigen Festschreibungen und müssen daher auch ­innerhalb von Sinnstiftungsprozessen berücksichtigt werden, eine Aushandlung von ­Bedeutung, die über Codierungen und Übereinkunft zwischen den Herstellern und den Betrachter:innen zustande kommen kann.78 Diese betrifft nicht allein die Ebene der ­Formen, sondern auch die der verwendeten Materialien, verfügen doch weder Silber noch Gold, noch Perlmutt über eine überzeitliche „Eigenart der Stoffe“. Material-Semantiken sind in kulturelle Erzählungen eingebettete Zuschreibungen. Die materielle Gegenwart von Globuspokal, von Handstein und von Turbanschneckenkanne ist  – wie bei allen ­Dingen – eigenständig: Sie brauchen nicht das betrachtende Subjekt, um zu sein. Sobald sie aber gesehen werden, sind sie von den Ordnungssystemen der sie betrachtenden S­ ubjekte abhängig und ihre Lesbarkeit wird durch diese Ordnungssysteme bestimmt. Im Moment

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des Sichtbarwerdens steht das Kunstwerk zudem nicht solitär, sondern wird durch weitere Faktoren bestimmt: seinem Ort, den Nachbarschaften, seiner Form und ­Materialität – und eben auch durch seinen besonderen Status, ein Artefakt zu sein.79 Wenngleich als internal narrative vielfältige kulturelle Ordnungssysteme vorstellbar sind, tritt hier der Aspekt des Gemacht-Seins in den Mittelpunkt. Zu Fragen ist, was es für diese Werke und für die Kon­ stellationen, in denen mit ihnen und durch sie gehandelt wird, bedeutet, durch menschliche Kunst gemacht (worden) zu sein: Was die Artefakte aus S­ ilber und Gold als solche über das zeitgenössische Verständnis von Werkstoff und ­Ressource, von (natürlichem) Vorbild und (künstlichem) Abbild, von Sichtbarmachung und künstlerischer Potenz, von Handeln mit Materialien und daraus resultierenden Erfahrungen und theoretischen Systemen, von Transformation, Formfindung, von Prozess und P ­ rodukt als Aussagemöglichkeiten in sich tragen.80 Und was sie wiederum als Rückverweis auf ihre Hersteller über dessen Vermögen der Hervorbringung und Schöpfung aussagen. Hier rückt der zweite Kernbegriff der Arbeit in den Blickpunkt, die Frage nach dem Status und den Bedingungen von „Nachahmung“. Aristoteles beschrieb im zweiten Buch seiner Physik das Wesen der Kunst (techne) als Nachahmung der Natur und bot dabei eine prozessual gedachte Sichtweise an, der ­zufolge sich nicht die Produkte, sondern die Prozesse ähneln müssen.81 Zugleich sprach er dem menschlich hervorbringenden Vermögen die Potenz zu, das zu vollenden, was die Natur nicht zu Ende zu bringen vermöge.82 In Buch VI der Nikomachischen Ethik wiederum definierte er, dass Kunst auf Hervorbringung ziele, und damit eine Fähigkeit sei, die ein Produkt auf Grundlage von vernunftmäßigen Regeln erschaffe (poiesis, als zweckgebundenes Handeln).83 Dort legte er zudem fest, dass das von Natur aus Seiende oder Ent­ stehende das Prinzip seiner Hervorbringung in sich selbst trage – im Unterschied zur Kunst, wo dieses Prinzip (die Ursache) außerhalb läge.84 In seiner Poetik wiederum nannte er den Menschen – mit Blick auf das Konzept von Nachahmung (mimesis)85 – ein besonders nachahmungsfähiges Wesen und beschrieb im Kontext von sozialem, gesellschaftlichem, politischem und öffentlichem Handeln dies als Nachahmung der Taten der Vorfahren, mit dem Ziel, von ihnen zu lernen. Nachahmung ist also immer auch eine erinnernde Vergegen­ wärtigung mit der Fähigkeit, Vergangenes bzw. Vorzeitiges erneut hervorzurufen.86 Aus diesen Positionen ergeben sich wirkmächtige Grundlagen, die für die nachfolgenden Über­legungen eine wichtige Ausgangsposition schufen: Kunst ist regelhaft und wird mit dem Ziel der Erschaffung einer Sache ausgeführt; Kunst ahmt die Natur prozessual nach, hat aber die Ursache der Hervorbringung außer sich selbst; Kunst ist durch mimesis lernend und kann über die Natur hinausgehen; und Kunst kann etwas, das geschehen ist, ­re-produzieren. Von großer Bedeutung für den hier diskutierten Zusammenhang ist, dass Aristoteles keine eigenständige Theorie der Kunst (also des Herstellens) entwickelte, sondern techne in Analogie zu Natur diskutierte und daher beide Bereiche zwingend in einer Relation zueinander gedacht werden.87 In Teilen aufbauend auf diesen aristotelischen ­Positionen – und ihren Neuaushandlungen in der Frühen Neuzeit – werden der Handstein, die Turbanschneckenkanne und der Globuspokal nach den in ihnen sichtbar gemachten

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und ableitbaren Aspekten einer Naturnachahmung befragt.88 Dabei wird nicht allein auf die formalen Lösungen fokussiert, sondern treten die Prozesse ihrer Herstellung sowie das Handeln mit Materialien und Materialtransformationen in den Blick – ist doch Nachahmung auch und vor allem ein praktisch-künstlerisches Verfahren, eine Handlung, die in einem eigenen theoretischen Rahmen situiert ist. Arbeiten wie William Royal Newmans Promethean Ambitions oder Marco Berettas When Glass Matters zeigten eindrucksvoll, welche tiefe Einblicke eine kritische Analyse der frühneuzeitlichen Wahrnehmung alchemischen Handelns (auch im Umfeld von „Kunst-Stoffen“ wie Bronze, Keramik oder Glas) in die Beurteilung der artifiziellen Schaffenskräfte erlaubt.89 Wird doch die besondere Qualität dieser menschlichen Potenz – und in der Analogiesetzung die Möglichkeit, durch künstlerisches Handeln natürliche Vorgänge zu verstehen – im 16. Jahrhundert auf diversen Ebenen diskutiert, verstärkt im Umfeld der metallverarbeitenden Künste. Benedetto Varchi (1503–1564) beispielsweise diskutiert das menschliche Vermögen der Naturnachahmung sowohl im Kontext der Alchemie, als auch der (bildenden) Kunst. Dabei schreibt er in seiner Questione sull’Alchimia (1544) der archimia vera die Fähigkeit zu, Metalle zu erschaffen, also tatsächlich Substanzen zu verändern und damit die Natur zu verbessern90 – allerdings nur dort, wo sich die alchemischen Verfahren natürlicher Prozesse bedienen bzw. diese Prozesse anstoßen (la natura disposta però, et aiutata dall’Archimista, e dall’arte). Die archimia sofistica aber – der Bereich der artifiziellen Verfahren – wiederholt nicht die natürlichen Prozesse, sondern nur das Erscheinungsbild natürlicher Produkte: „non muta veramente, e trasforma la sostanza, ma li accidenti soli, e cosino non fa i metalli veri, ma somiglianti [...].“91 Varchi beschreibt hier also den Alchemisten als solo aiutatore, e ministro della natura, und seine Kunst nicht als Vermögen, das die Metalle erschaffe, sondern als ein Instrument der Schöpfung.92 In seinen Due lezioni sopra la pittura e scultura (1547) greift er das Motiv des Alchemisten als Dieners der Natur (ministro della natura) wieder auf – und stellt diesem den Architekten gegenüber, der etwas erschaffen könne, was die Natur nicht erschaffen kann. Der prozessuale Nachvollzug von natürlichen Verfahren wird mit dem Schöpfen von Dingen in Verbindung gebracht, die außerhalb der natürlichen Produkte stehen. Varchi wertete diese künstliche Neuschöpfung als einen Sieg über die Natur (vincere la natura), also ihr Übertreffen, sieht das prozessuale Nachahmen natürlicher Verfahren als dienende Tätigkeit an – und weist den rein äußerlich imitierenden Künsten den niedrigsten Rang zu, da diese nicht an die Perfektion der natürlichen Werke heran reichten und daher von der Natur besiegt werden.93 Die hier diskutierten Werke stellen Natur als Handlung dar, die sowohl als Schöpfung im Sinne einer geschaffenen Natur (natura naturata) als auch im Sinne einer Erzeugerin, der schaffenden Natur (natura naturans) verstanden wurde.94 Die Beschäftigung mit und Erforschung dieser Natur brachte dabei zugleich auch Erkenntnisse über den Schöpfer, beispielsweise dort, wo seine Werke als harmonisch, regelhaft und schön beschrieben werden konnten; die Ableitung erkennbarer Regeln wies dabei als Spur und Zeichen auf ­Gottes Handeln (im Sinne einer Signatur) und stellte zugleich Material für den Künstler

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bereit, das als Grundlage seines eigenen formschaffenden Handelns reaktiviert werden konnte. Die Analogiesetzung der natürlichen und künstlerischen Handlungen erweist sich als eine Rezeptionshaltung, in der das forschende Interesse des Rezipienten deutlich hervortritt. Thomas von Aquin betonte in Auseinandersetzung mit Aristoteles das künstlerische Verfahren und die Vergleichbarkeit der Art und Weise, in der Natur und ars handeln: Der göttliche Intellekt ist der Ursprung der natürlichen, der menschliche Intellekt der Ursprung der künstlichen Dinge, wenn er formuliert:95 Die Tätigkeiten der Kunst ahmen die Tätigkeiten der Natur nach und die von der Kunst hervor­ gebrachten Dinge ahmen die in der Natur vorkommenden Dinge nach. [...] Der menschliche Intellekt ahmt den göttlichen Intellekt nach und diese Nachahmung überträgt sich auf die Tätigkeit des Menschen und auf die durch diese Tätigkeit hervorgebrachten Dinge.96

Im Verständnis der Frühen Neuzeit kommt es in der Parallelisierung von menschlichen (und damit artifiziellen) und göttlichen (per se natürlichen) Werkprozessen zu einer wechselseitigen Erklärung, natürliche Abläufe werden erkennbar, menschliche Verfahren mit Bedeutung aufgeladen.97 Auch für Thomas von Aquin (1225–1274) ahmte die Kunst nicht nach, was die Natur erschaffen hatte, sondern arbeitete so, wie die Natur selbst.98 Ars zeigt sich damit als das menschliche Vermögen, das der Natur am nächsten kommt; durch sie kann der Mensch die Natur wiederholen, erkennen, verbessern und verändern.99 Dabei schließen sich in der Frühen Neuzeit Naturforschung und Gottesdienst bzw. die Suche nach Gott nicht aus; die Hinwendung zur Natur ist Teil einer religiösen Praxis, die Gott in zwei Büchern, dem lebendigen Codex der Natur und dem geschriebenen Codex der Offenbarung, lesend erfahrbar macht. Die Natur wird damit vom Materiellen – dem Geschaffenen – zur zweiten Offenbarung (auf)gewertet, eine Vorstellung, die in der Metapher vom Buch der Natur große Aufmerksamkeit erfahren hat.100 Angelegt ist diese Position in Psalm 19,1 (Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündigt seiner Hände Werk), in Psalm 104 (Herr, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter) sowie in Hiob 12, 7–9 (Frage doch das Vieh, das wird dich’s lehren, und die Vögel unter dem Himmel, die werden dir’s sagen, oder die Sträucher der Erde, die werden dich’s lehren, und die Fische im Meer werden dir’s erzählen. Wer erkennte nicht an dem allen, dass des Herrn Hand das gemacht hat). Paulus verstärkt die Vorstellung im Römerbrief 1, 19–21, wenn er als Stellung gegen die Heiden auf die Schöpfung verweist: Denn was man von Gott weiß, ist ihnen offenbar; denn Gott hat es ihnen offenbart, damit dass Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird ersehen, so man des wahrnimmt, an den Werken, nämlich an der Schöpfung der Welt; also dass sie keine Entschuldigung haben, dieweil sie wußten, dass ein Gott ist, und haben ihn nicht gepriesen als einen Gott noch ihm gedankt, sondern sind in ihrem Dichten eitel geworden, und ihr unverständiges Herz ist verfinstert.101

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Im Anschluss an diese Stelle wurde durch den Kirchenvater Augustinus, der die mit den Sinnen erfahrbare Welt als die zweite Schrift Gottes bezeichnete, der Weg zu einer (in Teilen forschenden) Hinwendung zur Schöpfung bereitet – die auf ihren Schöpfer zurückverwies.102 Dieser zeichentheoretische Ansatz, der jegliche Form der Natur als Verweis auf den Autoren ausdeutbar macht, enthält zwei Möglichkeiten: den Blick auf die Natur, um durch sie hindurch auf das Nichtsichtbare zu schauen; aber auch den (tatsächlichen) Blick auf die Natur. Die zweite Möglichkeit erlaubt nicht nur die Beschäftigung mit der Natur, sondern enthält die ausdrückliche Aufforderung dazu, da Gott in seiner Schöpfung von seinen Lesern erkannt werden will.103 Schon bei Basilius von Caesarea (ca. 330–379) finden sich interessante Analogiesetzungen von Schöpfung und künstlerischem Werk, so u. a. in seinen Homilien über das Hexaemeron (Sechstagewerk), die deutlich ihre Abhängigkeit von Aristoteles offenbaren: Es werden von den Künsten die einen poetische (schaffende), die anderen praktische, wieder andere theoretische genannt. Der theoretischen Künste Zweck ist die Betätigung des Geistes, der praktischen die Bewegung des Körpers, bei deren Aufhören nichts mehr da ist, und es nichts mehr zum Leben gibt; das Ende des Tanzes und Flötenspieles ist nichts weiter als das Aufhören der ­Tätigkeit an sich. Hört aber bei den schaffenden Künsten die Tätigkeit auch auf, so ist doch das Werk da, so bei der Baukunst, Holzschneidekunst, Schmiedekunst und Webekunst und anderen derartigen Künsten, die, auch wenn der Künstler nicht da ist, in sich schon die künstlerischen ­Gedanken genügend bekunden; du kannst den Baumeister, Metallarbeiter und Weber im Werke bewundern. Um nun die Welt, so wie sie allen sichtbar ist, als eine kunstvolle Schöpfung zu erweisen, die an sich die Weisheit ihres Schöpfers zu erkennen gibt, hat der weise Moses mit Bezug auf sie keine andere Wendung gebraucht als den Ausdruck: Im Anfange schuf, nicht bewerkstelligte oder stellte her, sondern schuf.104

Basilius betont, dass jedes Kunstwerk – als Produkt künstlerischen Handelns (das implizit eine ausführend-praktische und eine planend-formentwerfende Seite enthält)  – als ­Hinweis auf den künstlerischen Gedanken, der es schuf und der in ihm enthalten bleibt, zu interpretieren sei. In der Schöpfung Gottes, die in diesem Sinne als Ergebnis planvollen Schaffens zu verstehen ist, ist somit auch immer der Hinweis auf den Werkmeister zu lesen. Dem Topos des Buchs der Natur ist daher die Erlaubnis implizit, sich der sinnlichen Anschauung der Natur zu widmen, gefordert ist zugleich ihre aktive Ausdeutung. Durch die Zeiten variieren die Vorstellung dessen, wie diese Ausdeutung zu erfolgen hat und wohin sie führen kann: sind es in der Frühzeit und im Mittelalter häufig intellektuelle ­Betrachtungen, die von der Schönheit und Ordnung des cosmos auf die Güte seines ­Schöpfers verweisen, verändert sich die Forderung in der Frühen Neuzeit hin zu einer ­intellektuell forschenden, empirisch sammelnden, später dann experimentell handelnden Naturbetrachtung.105 Autopsie und Evidenz, Kategorisierung, Ordnung und Systematisierung sind die Grundlagen der nova scientia – die sich somit als Gottes-Dienst erweisen. Bei

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Johannes Mathesius (1504–1565), einem Prediger aus dem Erzgebirge, findet sich vielerorts die Vorstellung, dass Erze die Manifestationen von Gottes Wort seien. So benennt er als sein ausdrückliches Ziel in der dritten Predigt über den Ursprung der Metalle, das ich euch meinen Pfarrkindern / vornemlich die allmechtige unnd wunderbarliche hand Gottes / unnd seinen unmeßlichen reychthumb / neben seiner unerforschlichen weißheyt / unnd gnedigen und Väterlichen hertzen / inn Schöpffung unnd offenbarung allerley Ertz unnd Metalla zeyge / damit ir ewren Gott in seinen gaben erkennnen und preysen lernet / die er euch in disem Gebirge auf gnediger güte mittheylet.106

Diese Metapher und die ihr zugrundeliegende Naturvorstellung erhielt ab dem 16. Jahrhundert neue Wirkmacht – und entwickelte sich geradezu zur Devise, die den tradierten Wissensbereichen entgegen gehalten wurde, um einen Neuanfang (auf Basis von Naturbeobachtungen) methodisch zu legitimieren.107 Die Mathematik avancierte dabei zur Sprache, in der das Buch der Natur verfasst wurde; sie gilt traditionell als Bindeglied ­zwischen Physik und Metaphysik, die – in der Welt, aber immateriell, vergleichbar der ­Linie in der Kunst – das Unsichtbare durch das Sichtbare beschreibbar macht.108 Besonders deutlich wurde diese Beziehung durch das berühmte Diktum Galileo Galileis (1594–1642): La filosofia è scritta in questo grandissimo libro che continuamente ci sta aperto innanzi agli occhi (io dico l’ universo), ma non si può intendere se prima non s’ impara a intender la lingua, e ­conoscer i caratteri ne’ quali è scritto. Egli è scritto in lingua matematica, e i caratteri sono ­triangoli, cerchi, ed altre figure geometriche, senza i quali mezzi è impossibile a intenderne ­umanamente parola; senza questi è un aggirarsi vanamente per un oscuro laberinto.109

Galileis Aussage, dass das Buch der Natur in der Sprache der Mathematik mit Buchstaben aus Dreiecken, aus Kreisen und anderen geometrischen Figuren geschrieben wurde, liegt unter anderem die bekannte Stelle aus dem Liber Sapientiae (Weisheit Salomos) 11, 21 zugrunde (Aber du hast alles geordnet mit Maß, Zahl und Gewicht). So wurde die Vorstellung einer auf Geometrie basierenden, vermessenden Naturerkenntnis zur Epochen­ signatur der Frühen Neuzeit. Dieses Motiv findet seine klassische Ausformung in Platons Timaios, wo der Demiurg im Möglichkeitsbereich der Chora mithilfe der regelmäßigen geometrischen Körper das Chaos in die Taxis überführte und das eigentlich Seiende der Ideen in eine mit den Sinnen zu erfassende Erscheinung übersetzte.110 In dieser Erzählung basiert der Schöpfungsakt auf mathematischen Regeln, die im Werk erkenn- und ableitbar enthalten bleiben und die wiederum durch den Künstler – in Nachahmung der Schöpfungs­ tat Gottes – dazu genutzt werden können, Dinge zu erschaffen.111 Maß und Proportion sind menschliche Kriterien, die Rückführung der Welt auf geometrischen Formen ist zugleich auch ein Akt der Vereinfachung, um die Vielheit der natürlichen Formen zu vermindern und eine Auswahl vornehmen zu können. Die damit beschriebene Zähmung der

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Einzelformen durch die Annahme einer idealen Form, die regelhaft ist, zeigt eine forschende und erkundende Haltung gegenüber dem cosmos.112 Auf vielfältigen Ebenen machen die in dieser Arbeit diskutierten Werke der Goldschmiedekunst diese Prinzipien sichtbar – in Form theoretischer Grundlagen, die scheinbar aus der Natur gezogen wurden, in der Wahrnehmung eines harmonischen Ganzen ihre Entsprechung finden und als künst­ lerisch beschreibende Erfassung der sichtbaren Umwelt zu deuten sind.113 Die Frühe Neuzeit ist eine metaphorische Zeit – das Übertragen von Bedeutungen, der Vergleich, der über die Betonung unterschiedlicher Qualitäten immer wieder neue ­Gemeinsamkeiten behaupten kann, die überraschenden Paarungen, die sich daraus ergeben (können), sind ihr eigen.114 Diese Uneindeutigkeit ist als Potenz im Artefakt selbst anwesend, sie erst schafft die Voraussetzung, die diversen Angebote zu benennen und durch sie in den (objektbasierten) Diskurs einzutreten. In ihm geht es um Kenntnisse und Vermögen, um Vorstellungswelten und um Praktiken.115 Dabei sind die Möglichkeiten der Bezüge durch die Nachbarschaften bedingt, Bezüge, die sich durch die Zusammenstellung von Artefakten ergeben, zugleich aber eine Nichtnotwendigkeit sind. Diese Verbindungen zwischen den Objekten als Interkonnektivitätserfahrung werden durch die Rezipient:innen hergestellt. Die Kunstkammer als Ort der Sammlung und Ordnung dieser Objekte ist zugleich auch ein Raum der Umordnung und Neuordnung.116 Dustin Breiten­ wischer nutzte dazu den Begriff des „Kommunikationsraums“, der zwischen dem Objekt und dem betrachtenden Subjekt entsteht und ihn dabei zum Erfahrungsgegenstand macht.117 Vergleichbare Vorstellungen finden sich auch in Sammlungstheorien, die beispielsweise die Sammlung als Narrativ ansprechen; dabei muss aber gleichermaßen die Sammlung als Ort, in dem diese Beziehungen – durch Gespräche, durch Relationen, durch die Nähe zum Hof, durch das Aufgreifen rezenter Diskurse – erschaffen werden oder als Möglichkeiten zumindest angelegt sind, mitgedacht werden.118 Frühneuzeitliche Sammlungen sind der Ort, an denen der objektbasierte Wissensdiskurs seinen angestammten Ort fand.119 Schon David Murray wies in seinem Überblickswerk über das Museum von 1904 (und damit im selben Jahr, in dem Hanschmanns Arbeit zu Palissy/Bacon erschien) auf die Bedeutung dieser Sammlungen für die frühneuzeitliche Naturforschung hin: While humanism was spreading in every land and literature was becoming a profession, the objects of animated nature and the phenomena of the material world were beginning to be regarded with scientific interest.120

Doch ist es unzureichend, allein das Phänomen der frühneuzeitlichen Sammlungen als Summe der Objekte zu betrachten, vielmehr müssen zugleich die dort versammelten zeitgenössischen Artefakte als solche Berücksichtigung finden. Dies ist bislang zu wenig geschehen und der hier vorliegende Text tritt an, diese Lücke zu schließen: Es genügt nicht (mehr), in Zeiten des material turns und der Hinwendung zum Handlungswissen der Künstler, diese Artefakte in den Wissensbereich der Kunstkammer zu verweisen. Man wird

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ihnen nur gerecht und begreift das komplexe Bezugssystem, das sie umgibt, indem man ihr „Gemachtsein“ deutlich hervorhebt und der Frage nach den Bedingungen und den Parametern, in denen künstlerisches Handeln zu verorten ist, detailliert nachgeht.121 Diese Sammlungsstücke waren und sind Einladungen zum Weiterdenken, die in die unterschiedlichsten Bereiche verweisen: Hin zu den zeitgenössischen Materialsemantiken, zur ­Herkunft des verwendeten Materials, zu den Möglichkeiten des Zugriffs auf die trans­ formierten Werkstoffe ebenso wie zu den Einschätzungen der bei der Werk- und Formgenese angewandten Prozesse.122 Vergleichbar dem Laboratorium gehört auch zum Sammlungsraum die Vorstellung der Entnahme aus einem natürlichen und die Translozierung in einen für sie geschaffenen Raum, in dem sie bewusst platziert werden.123 Dabei verweist allein schon die Geste der Entnahme und Translozierung auf ein Territorium mit seinen Ressourcen oder auf einen fernen Markt. Der Zugriff auf diese Stoffe erzählt von ökonomischer, militärischer oder industrieller Potenz, die Transformation vom Vorhandensein fähiger Meister und einem (kunsttheoretischen) Anspruch, der menschliches Vermögen und Rechte betont.124 Hans Holländer wies darauf hin, dass die in den Kunstkammern versammelten Objekte den Buchstaben und Worten eines Textes vergleichbar seien, durch die sich ein Betrachter lesend hindurch bewegen kann.125 Dort, wo das natürliche Objekt neben das translozierte und transformierte Objekt tritt, wird ein Diskurs über imitatio eröffnet, über das menschliche Vermögen, auf die Natur zuzugreifen, sie zu verändern und ihre Prozesse nachzuahmen: Wer also damals eine Kunst- und Wunderkammer besichtigte, las darin eine andere Natur­ geschichte als ein moderner Betrachter, und er brachte das Gesehene auch mit anderen bibliothekarischen Kenntnissen in Verbindung, als wir es heute zu tun pflegen. Um den alten Sammlungstext wiederherstellen zu können, müssen wir versuchen, diejenigen Kenntnisse zu erwerben, die der Betrachter damals vermutlich hatte und an die er dachte, wenn er, seinen individuellen Assoziationen folgend, die Objekte betrachtete. Das bedeutete, dass wir „seine“ Bibliothek benutzen und uns die Ungewissheiten, Spekulationen und zufälligen Einfälle vergegenwärtigen sollten.126

Die Vergemeinschaftung mit anderen Objekten erzählt in der Ordnung und Kategorisierung die zugrundeliegenden naturphilosophischen Diskurse mit, betont Gemeinsamkeiten und verweist in der Gesamtheit auf Gottes Schöpfung. Die Objekte in den Sammlungen als Semiophoren gehen Beziehungen zueinander ein, die durch die Besucher:innen in den Kunstkammern erkannt und gesprochen werden – oder auch durch Umstellungen variiert und neu organisiert werden konnten.127 Diese Unabgeschlossenheit mit der ihr inhärenten Möglichkeit der Neuordnung ist ein wichtiger Aspekt, der in der neueren Wissenschaftstheorie unter dem Begriff der „Unbestimmtheit“ (Indeterminiertheit) diskutiert wird.128 Sind doch Sammlungen so mehrdeutig, wie es die in ihnen versammelten Objekte sind.129 Die Kunstkammer erweist sich damit als einer der Orte, der den veränderten Zugang zur Natur, an dem das 16. Jahrhundert arbeitet, sichtbar macht.130 Mit Blick auf die Wissen-

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schaftsgeschichte ist interessant, dass es vor allem die Forscher:innen sind, die selbst mit Sammlungen betraut waren, die den Objekten – und damit den Motiven der Evidenz, der Erfahrung und der Beschreibung, die materialnahe Forschung auszeichnet – einen e ­ igenen Wert zustanden: Rupert Halls The Scholar and the Craftsman beispielsweise entstand ­während seiner Tätigkeit als Kurator am Whipple Museum of the History of Science in Cambridge, und auch die Texte von Michael Korey oder Karsten Gaulke sind durch ihre Arbeiten in den Kunstkammerbeständen von Dresden und von Kassel geprägt.131 Bei diesen Sammlungen handelt es sich um display Situationen, die gezielt und für die Betrachtung angelegt wurden und fortwährend die Betrachter:innen herausfordern: Die Exponate wurden und werden gemeinsam angeschaut, man sprach darüber, musste sich vor dem Objekt und dem Gesprächspartner als gelehrt erweisen – und die Weite der Assoziationsmöglichkeiten zeigte dabei die Weite des Geistes an.132 Adalgisa Lugli betonte den Forschungsaspekt der frühneuzeitlichen Sammlungen, in denen Objekte menschlicher Kunstfertigkeit versammelt waren, die durch immer höhere Virtuosität, durch fortwährende Innovationen im Bereich der kunsttechnischen ­Leistungen und innerhalb kunsttheoretischer Vorstellungen von Meisterschaft und Meisterung der Natur entstehen konnten – bedingt durch die Konkurrenz zwischen den Fürstenhäusern.133 Lugli arbeitete für das 16. und frühen 17. Jahrhundert heraus, dass nicht nur Artefakte im Sinne von „fertigen Objekten“ dort Aufstellung fanden, sondern dass dem Prozessualen ein wichtiger Anteil an der frühneuzeitlichen Kunstkammerkultur zugewiesen werden muss. Die Vermehrung von Wissen ist hierbei als ein Ziel zu betonen, nicht das vorgängige Wissen, das bestätigt oder visualisiert wird, sondern das im Versammeln entsteht und sich vermehrt. Materialbasiertes Wissen, das weder normiert, noch standardisiert und fest­ geschrieben auftritt, sondern in Aushandlungsprozessen begriffen ist. Besondere Bedeutung wies Lugli dabei den Mineraliensammlungen zu, in denen natürliche Vorbilder und die künstliche Weiterführung des Formgebungsprozesses miteinander in Beziehung gesetzt wurden.134 Erneut werden hier die Künstler und Kunsthandwerker mit ihrem Beitrag zum Wissensdiskurs sichtbar, die regelgeleitet aber dennoch offen mit den Werkstoffen handeln und dabei – sowohl für die Wissenschaftler als auch für die Praktiker – neue Wege zum Material beschreiten.135 Die zeitgenössischen Betrachter:innen konnten an virtuosen Werken menschlicher Kunstfertigkeit Bezüge entdecken, Allusionen entschlüsseln, wurden ge- und enttäuscht; es waren nonverbale, visuelle Angebote, die diese Form des Dialogs ermöglichten und ihn rezent und wandelbar hielten. Der ausformulierte Vergleich hingegen ist starr: Er ist eindeutig, bevorzugt eine Qualität, muss dabei andere Möglichkeiten ausblenden und vereinfacht zu Gunsten der Eindeutigkeit. Das 16. Jahrhundert ist durch die Aufwertung der Beobachtung natürlicher Abläufe und Prozesse in der Kunst und in der Naturphilosophie geprägt. Beschreibung, Sammlung und Kategorisierung avancieren zu leitenden Methoden der Naturbeschäftigung und führen in der Folge zu einer umfassenden theoretischen Durchdringung vieler Bereiche menschlichen (und damit künstlerisch-künstlichen) Schaf-

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fens. In der Diskussion der drei Artefakte – dem Handstein, dem Globuspokal und der Turbanschneckenkanne – wird deutlich, wie diese neuen Formen der Naturbetrachtung sich in neuen Formen von durch menschliche Kunstfertigkeit geschaffenen Objekten wiederfinden lassen. Ein verändertes Verständnis von natürlichen Prozessen wirkte sich auf die Wahrnehmung und Transformationsmöglichkeiten von Materialien aus; die Änderungen in der (wissenschaftlichen) Praxis kreierten neue Datenmengen in qualitativer wie quantitativer Hinsicht, was wiederum auf die künstlerische Nutzung sowie die Darstellung (Verbildlichung) dieser Daten, zur Erschaffung neuer Modelle und Instrumente zurückwirkte.136 Die Erschließung von – aus europäischer Sicht – neuen Welten mit den dortigen Produkten forderte zur Beschäftigung und Aneignung auf; zugleich verlangten die neuen Einsichten einen Abgleich (oder die redaktionelle Neuordnung) des tradierten abend­ ländisch-antiken Wissenskanons. Durch die Beteiligung einer immer größer werdenden Anzahl von Akteuren aus unterschiedlichen Bereichen sowie der daraus resultierenden zunehmenden Spezialisierung veränderten sich die Kenntnisse über die natürlichen ­Abläufe und Materialien: Durch die Masse der erhobenen Daten, durch den Einsatz von Instrumenten, die immer exaktere Beobachtungen ermöglichten (Präzisionsuhren mit ­Sekundenanzeiger) und bis dato unsichtbare Dinge sichtbar werden ließen (Mikroskop, Fernrohr) und durch die Entwicklung von materialtransformierenden (experimentellen) Praktiken innerhalb einer sich verändernden Naturbetrachtung. Die innerhalb dieses Textes auftretenden Goldschmiede verfügten über ein komplexes Instrumentarium, waren hochspezialisierte Meister, die natürliche Ressourcen als Werkstoffe verarbeiteten, sie kannten die Eigenschaften der von ihnen genutzten Materialien und suchten nach neuen Wegen, ihre Formvorstellungen ins Werk zu setzen um innerhalb ihrer Werkstattpraxis in immer technisch versierterem Maße Silber und Gold in überraschende Entwürfe zu transformieren. Die Methode der Verfremdung der Natur, die in ein neues Umfeld übertragen (Werkstatt, Kunstkammer und Labor), in ungewohnte Zusammenhänge gesetzt (sympathische Verwandtschaften, Analogien und Signaturen) und durch Handlungen (in der ­Baconschen Diktion) verstört werden konnte (künstlerischer Werkprozess, Experimente), lieferte dabei veränderte Einsichten.137 Die empirisch-sammelnde und visuell-kategorisierende Wissensaneignung findet in den Diskursen über und in den Sachen selbst statt. Daher ist eine sachliche Wissensaneignung die der Empirie gemäße Form, die zwar den Text zur Beschreibung und zur Kommunikation braucht, deren Methode aber im sinnlichen Erfahren verankert ist. Dabei wird eine Betonung und Bevorzugung von visuell basierten Erkenntnisprozessen erkennbar, die als Erfahrung von Evidenz beschrieben werden kann.138 Empirie und Augenschein entwickeln sich in der frühen Neuzeit zur erkenntnistheoretischen Methode und zu einem tiefgreifenden Vertrauen in die Potentiale visueller Erkenntnis.139 Die Vielschichtigkeit der Artefakte ist dabei das adäquate Mittel, die Vielschichtigkeit des kunsttheoretischen und naturphilosophischen Diskurses der Frühen Neuzeit zu repräsentieren. Die Pracht der hier diskutierten Artefakte entspricht dabei dem zeitgenössischen Verständnis von Repräsentation, ist den Orten, an denen sie aufbewahrt

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und den Personen, die mit ihnen handeln, angemessen. Ihre Schönheit, ihre die Augen erfreuenden Oberflächen und formalen Lösungen, die kostbaren Materialien und die in der Umsetzung gezeigte Meisterschaft fügen diesen Kunstwerken weitere Ebenen hinzu, die heutigen Betrachter:innen befremdlich und unvertraut ist. Auch sie soll zurückgewonnen werden, da sie ein konstituierender Bestandteil der Artefakte ist.

Anmerkungen  1 Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv. Nr. KK_4157. Handstein mit einer Kreuzigungsgruppe und siebzehn Szenen aus dem Bergbau, Caspar Ulich (?), Sankt Joachimsthal (?), 2. Hälfte 16. Jahrhundert.  2 Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv.  Nr.  IV 157. Turbanschneckenkanne, Niclaus Schmidt, um 1592/1594.  3 Basel, Historisches Museum, Inv. Nr. 1882.103. Globuspokal mit dem Meisterzeichen von Jakob Stampfer [IS], Beschauzeichen von Zürich, um 1550.  4 Rüfner (1955) zur Parallele von christlichem artifex deus zum artifex homo v. a. S.  257–259; ­Blumenberg (1957).  5 Grafton (2007); Lorrain Daston verweist 2004 in ihren „object lessons from art and science“ auf die Schwierigkeit, Dinge zum Sprechen bringen, ohne in „Bauchrednerei“ zu verfallen, vgl. Things (2004), S. 21; Findlen (2013), S. 6–15.   6 Leemans (2020) untersucht, wie sich practical knowledge, verstanden als know-how in Texten mitteilt (practical knowledge disclosed in recipes), S. 7: „Textually speaking, this knowledge presents itself as a perscription, recipe, secret, or formula“ – ist aber per se an die Handlung gebunden bzw. als Aufforderung zum Handeln (als invitation to action) zu verstehen, wie Smith (2016a) betont.  7 Schmidt-Funke (2019), S. 21–26; Siebenhüner (2019), S. 266–270.  8 Zu einer Neubewertung von Material in der kunsttheoretischen Diskussion vgl. Lehmann (2013), die zurecht anmahnt (S. 12), in der Erforschung von Materialbedeutungen diese nicht zu vereinzeln, sondern in ihrer Interaktion mit anderen Materialien zu betrachten; dennoch wird in diesem Kapitel der Fokus auf die verarbeiteten Silbererze gelegt; Lehmann (2015).  9 Mokre (1997), S. 71. 10 Tayler (1964), S. 33/34; Müller/Pfister (2011) zur aemulatio als Epochensignatur der Frühen Neuzeit; Mittelstraß (2014), S. 84. 11 Smith (2004), S. 20 zeigt, dass es Künstler waren, die vor den Protagonisten einer neuen, aktiven Wissenschaft über ihre artisanal epistemology neue Wege der Naturbetrachtung beschritten und diese Methoden aufwerteten; Smith (2007), S. 40/41: „[...] knowledge was gained by doing; it was transmitted through observation and the imitation of bodily gestures; it was accumulated in and demostrated by objects, which were jugded and compared by experts.“ Schon Blumenberg (1957), S. 268/269) weist auf die Sprachlosigkeit der Technik hin; mit Blick auf die Praxeologie formuliert Reckwitz (2008) – im Sinne einer skillfull performance, S. 111: „Praktiken bündeln praktisches Wissen, ein Können, ein know-how, ein Konglomerat von Alltagstechniken, ein praktisches Verstehen im Sinne eines „Sich auf etwas verstehen“.“ vgl. Schatzki (2008), S. 2 zu Praktiken als „embodied, materially mediated arrays of human activity centrally organized around shared practical understanding.“ 12 Smith (2004), u. a. S. 238: „[Artisans] techniques of observation and representation were profoundly important in the development of empirical science, but more fundamental were their epistemological claims about the primacy of nature and about the power and promise of natural knowledge and artisanal pratice.“ Keller (1950). Vgl. die Überlegungen von Peter Dormer (1994),

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der skills, craft und tacit knowledge diskutiert und Arbeiten zum Selbstverständnis von (Kunst-) Handwerkern und deren Wissensformen, vgl. Adamson (2007) sowie zum Handlungsfeld der ­Alchemie Newman (2004). 13 Beispielsweise bei Rossi (1971), S. 11–67, der den Zusammenhang zwischen den arti meccaniche und der filosofia nachgeht. Er fokussiert dabei auf die Mechanik und damit auf die Beiträge, die Praktiker aus den Bereichen, in denen mechanisches Wissen zur Anwendung kam, zur Veränderung der Wissenskulturen erbrachten. 14 Zum material turn in den Kulturwissenschaften allgemein Miller (2005), S. 4–20; Hahn/Eggert/ Samida (2014); Freist (2015), S.  267 zur Abgrenzung von praxeologischen und strukturanaly­ tischen oder akteursorientierten handlungstheoretischen Ansätzen. Miller (2010), S. 50 zufolge sind Dinge (stuffI) in der Lage, Handlungen zu formen sowie Einbildungen, Verbindungen (Assoziationen) und Gefühle hervorzurufen und zu modellieren; grundlegend zu den wissenschaftlichen Instrumenten Bennett (1987). 15 Roberts/Schaffer S. XXXVI. 16 Klein/Spary (2010), S. 1. 17 Die Zahl der kunsthistorischen Beiträge zum material turns ist zu umfangreich, um hier auch nur annähernd abgebildet zu werden; genannt werden einige relevante Positionen, die nicht an anderen Orten der Arbeit eingearbeitet sind, beispielsweise Lehmann (2012) zum Phänomen der Entmaterialisierung der Kunstgeschichte. Offensichtlich führt vermeintlich mehr „Materialität“ zu einer verstärkten Hinwendung zum Material, jedenfalls verfügt die Forschung zur skulpturalen Praxis über eine längere Tradition, Werkstoffe und Prozesse zu berücksichtigen; einen Überblick über ältere Forschungen gibt Baker (1998), S. 505–510, ausgehend von Baxandall (1966); vgl. zu den neueren Positionen und dem Versuch, die Fülle der Ansätze zu kategorisieren Cole (2011). Für die Malerei mit Bezug zum (al)chemisch-transformierenden Handeln der Maler als pars pro toto DaCosta Kaufmann (1997); Elkins (1999); Fadda (2006); Leonhard (2014b); Bol (2014); Meganck (2014); Wagner (2019); (und ohne die Vielzahl an kunsttechnologischen Arbeiten zu diesem Thema zu nennen). 18 Zu nennen sind beispielsweise Arbeiten zur Saliera von Benvenuto Cellini, so u. a. die Aufsätze in Saliera (2018); zum Berliner Kaiserpokal Czogalla (2007); zu einem Narwalpokal von Jan Vermeyen Morrall (2018); zur Muschelschale von Christopher Jamnitzer Brisman (2020); Smith (2007) zum Schreibzeug von Wenzel Jamnitzer; zu Flötners Holzschuher-Pokal Pfisterer (2018); zum ­Bezoarstein Fricke (2018) sowie die Beiträge zu Bergkristall in Seeking (2020). 19 Baird (2004), S. 85–88. 20 Auch im Sinne von Polányis Begriff einer tacit dimension (1966) Implizites Wissen, Polányi (1985), S. 17 als „Wissen, dass sich nicht in Worte fassen lässt“, das er (S. 21) in vier Aspekte unterteilt (funktional, phänomenal, semantisch, ontologisch). Dormer (1994), S. 10–24 zur craft knowledge als ein Wissen, das durch Erfahrung erlangt und durch Handlung ausgedrückt wird („craft ist knowledge that must be demonstrated“, S. 7). 21 Baird (2004), S. 85–88 betont das Materialwissen der Hersteller, dass nötig bzw. grundlegend ist, um präzise Messinstrumente zu erschaffen. 22 Morrall (2006); Morrall (2014), S. 85–89; Crombie (1985), S. 17, spricht von einem „common intellectual style“, der Künstler, Wissenschaftler und Philosophen in der Renaissance verband. 23 Long (2011), S. 95: „Early modern trading zones consisted of arenas in which the learned taught the skilled, and the skilled taught the learned, and in which the knowledge involved in each arena was valued by both kinds of „traders“.“ 24 Long (2011), S. 96. 25 Long (2011), S. 125.

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26 Moran (1981), S. 259. 27 Zu Francis Bacons Werk und der Wende innerhalb der Naturwissenschaft Gaukroger (2001). 28 Hanschmann (1903), S. III. Hanschmann war als Pädagoge ein Vertreter der induktiven Methode, der sich für die Anfänge dieser Methode (und Haltung zur Welt) interessierte. 29 Kemp (1991); Struhal (2017). 30 Hanschmann (1903), S. 139/140. 31 Heidelberger (2007), S. 158; vgl. die Beiträge in Knowledge (2017), vor allem die Untersuchungen von Christine Göttler zum Bronzeguss und von Lorenz Seelig zur Goldschmiedekunst in Ant­ werpen. 32 Frey (1972), S. 878. 33 Dear (2006), S. 106. Zum Topos des erfahrenen Künstlers vgl. Dietl (1987); Scholz (2014) sowie Kintzinger (1999), S. 167–172 zum Begriffsfeld „Erfahrung und Wissen“, S. 167: „In einer Tradition des 13. Jahrhunderts (Vinzenz von Beauvais) unterschieden gelehrte Autoren gern zwischen dem theoreticus und dem practicus oder empiricus, dem Handwerker. Für den Humanisten Enea Silvio (Papst Pius II.) war empiricus durchaus als sine litteris zu verstehen.“ 34 Röckelein (2012); Keßler (2012); Sarnowsky (2012); Mulsow (2012) sowie Lutz-Bachmann (2007). 35 Dingler (1928), S. 225–237 untersucht (§4 Das Experiment im Mittelalter) die Zeit des 13. und 14. Jahrhunderts, benennt aber das 17. Jahrhundert als „Die klassische Zeit“ des Experiments, da zwar (S. 238) das Mittelalter über die nötigen Messinstrumente, aber nicht über die Kenntnis der mechanischen Bewegungsgesetze verfügte. Crombie (1953) hingegen sieht die Anfänge des ­Experiments deutlich im 13. Jahrhundert; Heidelberger (2007), S. 156 zur alchemistischen Laborpraxis im 13. Jahrhundert und dem Hinweis, dass das Experiment im großen Stil erst in der Frühen Neuzeit aufkam, dass es aber sehr wohl (und gegen die stereotype Auffassung des 18. Jahrhunderts) schon vorher eine relevante Experimenttradition gab. 36 Kuhn (1977) zu den „Origins of modern science“ und dem Plädoyer, nicht nur von der Entwicklung „der“ Naturwissenschaft zu sprechen, sondern deutlich zwei Bereiche mit klar unterschiedenen Methoden zu trennen, S. 35: „The Classical Physical Sciences“ von den „Baconian Sciences“ (S. 41). 37 Eamon (1994), S. 6/7. 38 Heidelberger (2007), S. 157: „Die Baconische Bewegung brachte auch das Fernrohr, das Mikroskop, das Thermometer und Barometer, ebenso die Luftpumpe zum Erzeugen eines Vakuums, elektrische Ladungsdetektoren, die Leidener Flasche und viele ähnliche Vorrichtungen hervor. Es ist interessant zu sehen, dass diese Instrumente erst spät zu Messungen verwendet wurden. Dies geschah erst am Ende des 18. oder zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als klassische und Baconische Traditionen miteinander zu verschmelzen begannen.“ 39 Hoffmann (2009), S. 112 versteht dies als sowohl lokalen als auch epistemischen Raum. Knorr Cetina (2002), S. 25: „Im Labor hat man es nicht mit der ‚Natur’ zu tun; ob Messinstrumente oder wissenschaftliche Artikel – es handelt sich um von Menschenhand erzeugte Artefakte.“ 40 Knorr Cetina (2002), S. 25. 41 Newman (2004), S. 116/117; Moran (2005), v. a. Kapitel II: That pleasing novelty. Alchemy in artisan and daily Life; Newman (2004); Shell (2010). 42 Bacon (2000), S. 233/224. 43 Blumenberg (1951), S. 465; Tayler (1964), S. 29–33. Vor allem feministische Umwelttheoretikerinnen, u. a. Merchant (1987); Genth (1985); List (1993); von Winterfeld (2006), Merchant (2008) ­haben die Vergewaltigung der Natur, ihre Unterjochung durch die neuzeitliche Naturwissenschaft durch Analysen der Texte von Francis Bacon, René Descartes und anderen frühneuzeitlichen ­Naturforschern betont und auf den heutigen zerstörerischen Umgang mit der Natur bezogen. 44 Zitiert nach Eamon (1994), S. 7.

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45 Bacon (2000), S. 150 (Neues Organon, Buch II): „As rare and unusual works of nature arouse and stimulate the intellect to seek and discover forms capacious enough to contain them, so too do outstanding and admirable works of art; and more so, because the way of effecting and achieving such wonders of art is mostly quite plain, whereas in the wonders of nature it is often quite obscure.“ 46 Eamon (1994), S. 7; vgl. Grafton (2007), S. 186. 47 Andreae (1972), S. 113/115: 44. Kapitel De laboratorio. 48 So betont u. a. auch Paolo Rossi die starken Impulse, die von den Mechanikern und Künstlern auf die Naturphilosophen einwirkten und so zur methodischen Verschiebung im 16.  Jahrhundert führten, Rossi (1971); Rossi (1997). 49 Hartung (2006), S. 222 zu Experimenten, die den natürlichen Prozess nachahmen und im Bereich der Metallverarbeitung  – beispielsweise bei der Erstellung von Legierungen (= künstlich her­ gestellten Stoffen), im Bereich der Glasherstellung und dem damit verbundenen Emaille und der Goldschmiedekunst – vielfach „experimentell“ neue Möglichkeiten erschlossen haben. 50 Long (2011), S. 10–29. Hooykaas (1987), S. 453 stellt – wie viele andere Forscher – den Begriff der „Revolution“ (der erst in den 1930er Jahren aufkam und durch Koyré (1943) stark betont wurde) deutlich in Frage und diskutiert zudem (erneut: wie viele andere, beispielsweise Shapin (1998), S. 11), ob ein möglicher „Beginn“ der Veränderungen im forschenden Umgang mit der Natur nicht schon im 13. oder 14. Jahrhundert anzusetzen sei, die Renaissance auch als Wiedergeburt einer „Naturwissenschaft“ anzusprechen ist, oder tatsächlich erst das 17. Jahrhundert die methodische Neuausrichtung brachte, S. 453. 51 Sarton (1929), S. 82–87; er bezeichnet daher (S. 75) die Renaissance als „halfway rest between two revivals“ und spricht (S. 79) von „unscientific tendencies of the humanists“. 52 Zilsel (1942). Schon (1926), ab S. 31, verweist Zilsel auf das mathematische Wissen als Aufstiegsmovens und die Aufwertung des Erfinders und der Erfindung für den Ruhm der Stadt oder den Herrscher – ein Motiv, das Biagioli (1999) in seinem „Galileo der Höfling“ weiter verfolgt. Zu Zilsel vgl. Krohn (1976), S. 23–28: Die sozialen Träger (4.1. Ingenieure und Künstler, 4.2. Die Humanisten, 4.3. Die scholastischen Gelehrten). 53 Arthur Clegg verstärkte 1979 in seinem Beitrag „Craftsmen and the Origin of Science“ die These Zilsels, Clegg (1979), S. 187. 54 Zum Status epistemischer Dinge Rheinberger (2014). 55 Hall (1959), S. 4; er betont zugleich die unterschiedlichen (akademischen) Traditionen der Fächer (das Argument, das Kuhn aufgreift), S. 18: „Here it may be useful to recall the deep distinction between the academic sciences (astronomy, anatomy, mechanics, medicine) and the nonacademic (experimental physics, chemistry, botany and zoology, metallurgy) – the latter group being so described because it had no regular place in university studies.“ 56 Rossi (1971). 57 Smith (1970). 58 Smith (2004), S. 19. 59 Vgl. zur Diskussion des Begriffs Werk (vor allem in der literaturwissenschaftlichen Theorie) Schmücker (2020), S. 19 zum Zusammenhang von Werk und Schöpfung und der Konzeption von Autor- und Urheberschaft sowie der Annahme, dass mit Werk die Vorstellung einer Leistung verbunden sei, die dem Artefakt nicht anhaften würde; Danneberg/Gilbert/Spoerhase (2019), S.  12–14 zur rezenten Aufmerksamkeit auf veränderte Schreib-und Produktionspraktiken im ­Umfeld sich wandelnder Konzepte von Autorschaft beim (literarischen) Werk. 60 Reicher (2013) betont das Intentionale und definiert das Artefakte (S. 222) als durch „absichtliche Einwirkung eines Subjekts entstanden“, den Schaffensakt als Entscheidung. Dipert (1993), S. 49–56 nutzt zusätzlich den Begriff des halb-intentionalen mit Blick auf Gewohnheiten (habits) und Ver-

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mögen/Können (skills); Schmücker (2020), S. 24–27 negiert die Bedeutung des Intentionalen bei der Erschaffung von Artefakten und nennt anregende Gegenbeispiele (beispielsweise das Scheitern, den Zufall und kollektive Intentionen), um wiederum (S. 37) das (Kunst-)Werk als Sonderform (Intendiertheit/Urheber/Schöpfung) definieren zu können; er fokussiert damit nicht auf die Handlungen bei der Erschaffung des Artefakts, sondern erneut auf den/die Autor:in; Bahr (2020), S. 47/48 diskutiert die unterschiedlichen Positionen zur Abhängigkeit des Werkes von einer Autor:in. 61 Zum Konzept der Widerständigkeit der Dinge (im Gegensatz zum Objekt) u. a. die Überlegungen von Brown (2001a), S. 4: „We begin to confront the thingness of objects when they stop working for us“; Latour (2001), S. 346/347: „Menschliche und nicht-menschliche Akteure erschienen zunächst als Störenfriede. Ihr Handeln lässt sich vor allem durch den Begriff der Widerspenstigkeit definieren.“ Ebenso wenig soll eine kunsthistorische Objektwissenschaft, wie sie u. a. Philippe Cordez vorschlägt, hier verfolgt werden, Cordez (2014). 62 Zum Ding-Begriff Karg-Gasterstädt (1958), u. a. S. 10 zum Ding als Gegenstand des Erkennens und S. 11 zum Ding als „dem Geschaffenen in der belebten und unbelebten Natur“. 63 Lukács (1923), S. 98 und S. 104: „Indem die Gebrauchswerte ausnahmslos als Waren erscheinen, erhalten sie [die Dinge] eine neue Objektivität, eine neue Dinghaftigkeit, die sie zur Zeit des bloßen gelegentlichen Tausches nicht gehabt haben, in der ihre ursprüngliche Dinghaftigkeit vernichtete wird, verschwindet.“ Quadflieg (2014), S. 149–151. 64 Lukács (1923), S. 145 zu Engels Aussage, der zufolge die Unfassbarkeit des Dings an sich durch die Praxis (das Experiment/die Industrie) beschränkt und den menschlichen Zwecken dienstbar ­gemacht werde: „Die im pflanzlichen und tierischen Körper erzeugten chemischen Stoffe blieben solche „Dinge an sich“, bis die organische Chemie sie einen nach dem anderen darzustellen anfing; damit wurde das „Ding an sich“ ein Ding für uns, wie z. B. der Farbstoff des Krapps das ­Alizarin, das wir nicht mehr auf dem Felde in den Krappwurzeln wachsen lassen, sondern aus Kohlenteer weit wohlfeiler und einfacher herstellen.“ 65 Heidegger (1950a), S. 10–20; Porath (2002), S. 258; Barthes (1988), S. 189 zum Objekt als „etwas, das zu etwas dient“. 66 Latour (2007), S.  114. Zur Wirkmacht der Dinge u. a. Macho (2008); mit Blick auf Alfred Gells agency–Konzept u. a. Joyce/Bennett (2010), S. 5; Scholz (2019), S. 19–32. 67 Hahn (2016) in kritischer Auseinandersetzung mit der Akteur-Netzwerk-Theorie von Latour (S. 24– 30) in Abgrenzung zum „Eigensinn“, S. 30: „Die Dinge sind vorhanden, sie bilden Anordnungen, Ensembles oder Assemblagen, ohne deshalb zugleich auch in jedem Fall Netzwerke zu sein.“ 68 Das Problem kann in der englischen Sprache leichter vermieden werden, da hier artifact im umfassenden Sinne einsetzbar ist, vgl. beispielsweise Dipert (1993), S. XII: „the major categories of artifical objects, including artifacts“; er unterteilt artifactual objects aufgrund ihres Zweckes vierfach (S. 102–118: communicative, expressive, artistic und practical purpose). Zugleich unterscheiden auch Handlungstheoretiker:innen dort, wo es notwendig wird, hierarchisch works of art / art works von artifacts, so beispielsweise Hilpinen (1992), der artifacts klassisch als „physical objects which have been manufactured for a certain purpose or intentionally modified for a certain purpose“ definiert, dem work of art hingegen (S. 76–80) ein Klassifizierungssystem zuweist. 69 Vgl. Schmücker (2020), S. 19: „Es ist diese normative Dimension, die der Werkbegriff mit dem Begriff der Schöpfung teilt, welche den engen Zusammenhang dieser Begriffe mit einer Konzeption von Autor- oder Urheberschaft erklärt: Dass wir Werke und Schöpfungen immer schon j­emandem zuschreiben, hat offenbar damit zu tun, dass der Gebrauch des Begriffs des Werks und des Begriffs der Schöpfung die Anerkennung einer Leistung impliziert und der Begriff der ­Leistung wiederum auf eine Entität verweist, die als Erbringerin einer Leistung vorgestellt werden kann.“ 70 Kant (1790), S. 303, § 43 Von der Kunst überhaupt.

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71 Blumenberg (1951), S.  462 unterscheidet aus sich selbst entstehendes und damit natürliches ­Seiendes von dem verfertigten Seienden, dessen Ursprung in Fertigkeit (= techne) liegt und definiert Technik historisch als „angewandte Naturwissenschaft“. 72 Tsouparopoulou/Meier (2015), S. 47–53; vergleichbar der englischen Unterscheidung von art und artifact, Bhagwati (2013); Grewe (2006), S. 27–32; Feest (2003), S. 241, weist darauf hin, dass die ethologische Forschung von Menschen gestaltete Artefakte von Naturfakten und Exofakte ­(Gegenstände, die von einer Gesellschaft verwendet, aber nicht hergestellt werden) scheidet. Der Kern des Problems wird u. a. bei Prown sichtbar, der seine materiellen „Dinge“ von ästhetisch zu nützlich ordnet und dabei Kunst von Kunstgewerbe trennt, Prown (1982), S. 3. Eine vergleichbare Hierarchisierung von Werk und Artefakt kennt auch die Literaturwissenschaft, Schmücker (2020), S. 21 (zum Werk als Unterkategorie zweiten Grades des Artefakts) und S. 22 zum Werk als all­ gemeinste Bezeichnung produzierter Entitäten. 73 Adamson (2013) betont, dass die Erforschung der decorative arts bis heute von kennerschaft­ lichen Methoden (Zuschreibung an ein Künstleroeuvre und Reihenbildung – „In this move, an object’s individuality is subsumed into its class typicality“) geprägt ist. 74 Vogel (1988) S. 13, in ihrer Einführung zur Ausstellung ART/artifact. African Art in Anthropoly Collections (New York, Center for Afrcian Art, 1988), unterscheidet art von craftmanship und weist damit dem handwerklichen Vermögen – allerdings weiterhin im westlich geprägten hierarchischen Denken – einen wichtigen Anteil am artifact zu: „[...] art museums [...] have preferred the unique object, valuing originality and invention – the qualities that separate art from craftmanship in Western definition.“ Bordes (2013) sieht in der Malerei und damit im Triumph einer illusionistischen Kunst, bei dem Öl und Leinwand über Materialluxus siegten, den Beginn des immaterial turn, der das Genie des Künstlers in den Blickpunkt rückte und „angewandte“ Kunst, als arti ­minori/minor arts, als Kunstgewerbe, abwertete; er verwendet anstelle des Begriffs des Artefakts den des objet d’art, da bei diesem das Immaterielle und das Materielle zusammen­fallen. 75 Alfred Gell (1992) schreibt dem art object Wirksamkeit aufgrund seines Gemachtseins zu, das er als „technology of the radical transformation of materials“ (S. 54) definiert; Kunstwerke verkörpern den technischen Prozess, der sie hervorbrachte (S. 44). Dipert (1993), S. 104 benennt ein Kunstwerk, das Aussagen über seinen Hersteller intendiert, als „expressive artifact“. 76 Dipert (1993), S. 31 betont, dass Artefakte „distinctively social“ seien, somit als (kommunikative) Angebote zwischen zwei Wirkern/Handelnden (Macher:innen und Nutzer:innen) stehen, vgl. S. 102 „all artifacts have a communicative purpose.“ 77 Pearce (1997), S. 2: „[...] our constant need to create and re-create our world, constantly reworking, reinterpreting surroudings organized by internal narrative; and in this process neither surroundings nor narrative is primary, but each perpetually feeds off the other.“ Vgl. Hahn (2016), S. 53/54 zum Erkennen von Bedeutung im Ding im Augenblick der Interaktion. 78 Bal (1994), S. 98; auch Hartmann/Haubl (2000), S. 10 betonen, dass weniger ihre tatsächliche Beschaffenheit, sondern die ihnen durch die Menschen zugeschriebenen Bedeutungen konstitutiv für die Dinge seien. 79 Dipert (1993), S. 112 definiert, dass das artistic object notwendigerweise seine Wahrnehmung als Artefakt verlangt – „that is, regarding it as an agent’s product.“ 80 Hilgert (2014), der zwölf Hypothesen zu Material und Präsenz formuliert, dort Nr. 12, S. 159: „Materialität und Präsenz eines Artefakts sind als material-kulturelle Parameter der daran hervorgebrachten Rezeptionspraktiken zu verstehen. Aus der Analyse solcher material-kulturellen Parameter sind damit Aussagen über die Möglichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit bestimmter Rezeptionspraktiken abzuleiten, die an einem Artefakt hervorgebracht worden sein könnten (affordances).“

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81 Aristoteles (2019), Physik, zweites Buch, 199a, S. 55, 199b, S. 57/58; Blumenberg (1957), S. 274: „Nachahmung der Natur bedeutet so nicht nur Reproduktion eines eidetischen Bestandes, sondern Nachvollzug des produktiven Vorgangs, art in general imitates the method of nature.“ Flasch (1965), S. 270/271 zu Platon, der ebenfalls eine Kunst beschreibt, die in Verbindung zur Wesensnatur der Dinge steht, dabei Mimesis als Annährung an ein Prinzip, Nachahmung von ­Ur-Bildern, versteht; Peres (1990), S. 23–26; Fehrenbach (1997), S. 60–88; Pfisterer (2005) zur Verbindung von Zeugungs- und Kunsttheorie im 16. Jahrhundert. 82 Blumenberg (1957), S. 266, vgl. Aristoteles (2019), Buch II, 199a, 55; Newman (2004), S. 116. 83 Aichele (2010), S. 40, mit Verweis auf die Nikomachischen Ethik 1140 a6–10. 84 Aichele (2010), S. 42 (mit Verweis auf NE, 1140 a11–19) betont, dass in der Nikomachischen Ethik dies der einzige Unterscheidungsgrund von Kunst und Natur sei: „Erstere [die Ursache, das Prinzip von Kunst] ist bezüglich ihres Produkts externes, mithin akzidentielles Prinzip, letztere [die Ursache, das Prinzip von Natur] internes, mithin wesenhaftes Prinzip.“ 85 Koller (1980); Wolff (2007). Aristoteles (1982), S. 5, 1 definiert Nachahmung unter anderem als die Herstellung von Ähnlichkeit. 86 Aristoteles (1982), S. 11, 4: „Denn sowohl das Nachahmen selbst ist dem Menschen angeboren – es zeigt sich von Kindheit an, und der Mensch unterscheidet sich dadurch von den übrigen Lebewesen, dass er in besonderem Maße zur Nachahmung befähigt ist und seine ersten Kenntnisse durch Nachahmung erwirbt – als auch die Freude, die jedermann an Nachahmungen hat.“ Es folgt die in der Diskussion von Naturabgüssen so häufig zitierte Stelle, in der Aristoteles ausführt, dass Menschen von Dingen, die „wir in Wirklichkeit ungern erblicken“ – beispielsweise „äußerst unansehnliche[n] Tiere[n]“ – mit Freude möglichst getreue Abbildungen betrachten. Vgl. Cordie (2000), S. 280/281 zur Verschiebung der aristotelischen Mimesis-Konzeption in der Frühen Neuzeit, S. 287: „Nachahmung wird nun [in der Frühen Neuzeit] nicht mehr als Möglichkeit des Menschseins begriffen [...] Mimesis heißt nun die Produktion künstlicher Bilder, die den Herrschaftsanspruch der menschlichen Technik über eine fremde Natur durchsetzen soll.“ Eusterschulte (1997), S. 20 spricht von einem Verständnis der Natur als „immanente[m] Prinzip kunstvoller Erzeugung der sinnfälligen Mannigfaltigkeit – und die damit Verknüpfte Vorstellung, die geschaffene Natur sein ein Kunstwerk/artificium [...].“ 87 Blumenberg (1951), S. 463: „[...] techne ist nur möglich als sich ins Werk setzender Vollzug des im Logos begründeten Bezuges des Menschen zur Natur.“; Tayler (1964), S. 48; Aichele (2010), S. 41. 88 Smith (2004), S. 16 zu einer naturalistischen Kunst, die an einer Repräsentation von Natur interessiert ist: „When artisans looked to nature, they were interested, not suprisingly, in its powers of generation and transformation, for they themselves worked with the materials of nature and struggled to manipulate and control them in order to produce objects. von Rosen (2011) mit ­einer Diskussion der Begriffe mimesis und imitatio sowie weiterführender Literatur zum kunsttheoretischen Diskurs der Frühen Neuzeit. 89 Beretta (2004); Newman (2004), S. 116–163. 90 Varchi (2827), S. 21: „[...] tramuta, e trasforma un metallo in un altro non solamente quanto alli accidenti, comè il colore, l’odore, il sapore, la durezza, il peso, e tutte l’altre qualità, ma ancora quanto alla sostanza, di maniera che abbia tutte le medesime virtù, e proprietà che i metalli ­naturali.“ 91 Varchi (1827), S. 24. 92 Varchi (1827), S. 22: „[...] onde si vede manifestamente, che non l’arte fa i metalli, ma essa natura, se non quanto l’arte è strumento [...].“ 93 Newman (2004), S. 141 mit dem Zitat aus Varchi: „Dell’arti alcune fanno cose che si possono fare solamente dall’arte sola, e queste si dicono vincere la nature, come l’Architettura: alcune fanno cose che si possono fare dall’arte e dalla natura parimente, come la Medicina e l’Alchimia. Dell’arti alcune vincono la nature, come s’è detta di sopra dell’Architettura, che fanno quello che

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ella non può fare; alcune sono vinte da lei, come tutte l’arte, che non arrivano a quella perfezione della natura, le quali sono moltissime. Alcune sono minstre della natura, come la Medicina e l’Alchimia.“ 94 Mittelstraß (1981), S. 39; Pochat (2000), S. 26. 95 Flasch (1965), S. 279 und 282–284 (parallele Struktur von Naturvorgängen und Handlungen des artifex); Krause (2010), S. 63. 96 Krause (2010), S. 71. 97 Spaemann (2007), S.  250; Moritz (2010), S.  10 betont die Verselbständigung menschlichen Schöpfer­tums in der Frühen Neuzeit. 98 Thomas (1954), II, Lectio 4, 171 (Absatz 6), S. 87: „ars imitatur naturam [...] Eius autem, quod ars imitatur naturam, ratio est, quia principium operationis artificialis cognitio est [...] Ideo autem res naturales imitabiles sunt per artem, quia ab aliquo principio intellectivo tota natura ordinatur ad finem suum, ut sic opus naturae videatur esse opus intelligentiae, dum per deteriminata media ad certos fines procedit: quod etiam in operando ars imitatur.“ Panofsky (1924), S. 19–22; Dyroff (1923), S. 200; Tayler (1964), S. 74–80, 88.Wobei die künstlerisch-künstlichen Prozesse hierarchisch ihrem Vermögen nach unterhalb der natürlichen Prozesse stehen, Newman (2004), S. 94. 99 Flasch (1965), S. 284; Tuckwell (2018), S. 1: „Art is the power most proximate to nature. Yet what this power imitates is no longer a form – it is the action of phusis and the process bringing all to being. Arguably, Aristotle does not simply propose an alternative mimetic theory, but a very different problem or topos in which art, nature and creation were thought, together.“ 100 Zum Buch der Natur vgl. Curtius (1948): Kapitel 16, §7: Das Buch der Natur (S.  321–327) und S.  529–531: Gott als Bildner; Nobis (1971); Ohly (1973), S.  420; Rothacker (1979); Blumenberg (1981), v. a. 68–107; Sandkühler (1993); van Dülmen (2004); Groh (2005a), S. 139; Jorink (2010), u. a. S. 257–289 mit Blick auf die frühneuzeitlichen Sammlungen. 101 Groh (2005b), S. 148. 102 Augustinus De civitate Dei VIII.6, erklärt, dass den platonischen Philosophen mit „Geisteraugen“ das unsichtbare Wesen Gottes (soweit es erkennbar sei) durch die Anschauung seiner Schöpfung (Welt) offenbar wurde. Flasch (1965), S. 298; Groh (2005a), S. 141; Groh (2005b), S. 158–160 mit Verweis darauf, dass nicht Augustinus sondern Antonius den Topos prägte, da er auf die Frage, wie er es ertrage, ohne Bücher zu leben, antwortete: „Mein Buch, Philosoph, ist die Natur der geschaffenen Dinge, und sie steht vor mir, wenn ich Gottes Wort lesen will.“ Kann (2003), S. 35/36: „Beide Bücher (liber scripturae und liber creaturae) verweisen auf einen einzigen Urheber und Schöpfer (auctor et conditor), beide sind gleichermaßen Mittel oder Medien, durch die Gott sein Werk an den Menschen richtet.“ 103 Groh (2005a), S. 140. 104 Basilius von Caesarea, Hexaemeron (SC 26), I.7, zitiert nach der Bibliothek der Kirchenväter http:// www.unifr.ch/bkv/kapitel2615–7.htm [aufgerufen 20. Juli 2018]. Groh (2005b), S. 155 betont, dass sich das hier verwendete poietikai („schaffen“) auf den Begriff der poieses nach Aristoteles ­bezieht. 105 Lissa Roberts (2007), S. IX definiert die Zeit zwischen „the so-called Scientific Revolution and the early years of the so-called Industrial Revolution“ treffend als eine „complex story of complicity between contemplation and manipulation.“ 106 Mathesius (1562), fol. 38v. 107 Shapin (1998), S. 80–87, S. 85: „Es gab nur wenige moderne Naturphilosophen, die sich den Hinweis auf das Buch der Natur hätten entgehen lassen und nicht empfohlen hätten, lieber dort nachzulesen als in den Schriften menschlicher Autoritäten, so alt und angesehen sie auch sein mochten.“ Lepenius (1982).

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108 Damit wird auch ein Schönheitsbegriff virulent, der auf das Wahre, Gute und Schöne des Schöpfers verweist, vgl. Olschki (1930), S. 522; Zimmermann (1982); zur Rolle der Zeichnung bei der künstlerischen Übersetzung der überzeitlichen idea in die Materia vgl. Tordella (2009), S. 5. 109 Il Saggiatore, in: Galileo (1896), S. 232. Pernkopf (2006), S. 150: „Dieses Buch sei „nicht zu verstehen, ehe man nicht gelernt hat, die Sprache zu verstehen, und die Buchstaben kennt, in denen es geschrieben ist. Es ist in der Sprache der Mathematik geschrieben, und die Buchstaben sind Dreiecke, Kreise und andere geometrische Figuren. Ohne diese Mittel ist es dem Menschen unmöglich, ein einziges Wort davon zu verstehen; ohne sie ist es ein vergebliches Umherirren in einem dunklen Labyrinth.“ Blumenberg (1981), S. 72–75; Ohly (1982), S. 19. 110 Platon (1992), S. 37, 32b/c: „So hat also der Gott zwischen Feuer und Erde in die Mitte Wasser und Luft gesetzt, und er hat ihr gegenseitiges Verhältnis, soweit das nur ging, nach derselben Weise ausgearbeitet: Wie Feuer zu Luft, so Luft zu Wasser, und wie Luft zu Wasser, so Wasser zu Erde; so hat er zusammengebunden und zusammengesetzt den Himmel, sichtbar und anfaßbar. Aufgrund dieser Überlegung also und aus diesen derartigen Stoffen, der Zahl nach vier, wurde der Welt­ körper erzeugt, durch Zahlenverhältnis in Übereinstimmung mit sich.“ Olschki (1930) zum euklidischen Anschauungsraum der Renaissance als „idealer Realität“ und „abstrakter Wirklichkeit“; Flasch (1965), S. 271. 111 Cassirer (1922), S. 11 spricht davon, dass bei Platon durch das Medium der Mathematik die Versöhnung des Reiches der Natur mit dem Reich der reinen Form vollzogen wird; vgl. ebenso Rüfner (1955), S. 261; Blumenberg (1957), S. 272; Pochat (2000), S. 16; Eusterschulte (1997), S. 20/21; Felfe (2015a), S. 233–246. 112 Flasch (1965), S. 293/294 und 301. 113 Pochat (2000), S. 12 zum Selektionsprozess im Geist des Künstlers, basierend auf Urteilskraft und Einbildungsvermögen. 114 Ohly (1973), S. 410: „Das vielseitig Unbegreifliche wird annähernd aussprechbar im ganzen Spektrum aller dem Buch des Seins entnehmbaren und anwendbaren Bezeichnungen, die jeweils eine der Eigenschaften des göttlichen oder menschlichen Phänomens treffen und das Ganze nur in der Summe durch die Sprache zu fassen versuchen können.“ Foucault (1997), S. 22: „nichts ist tastender, nichts empirischer als die Einrichtung einer Ordnung unter den Dingen.“ Zum Metaphern­ begriff von Giambattista Vico Goldmann (2019), S. 144–157; dort S. 251–268 zu Hans Blumenberg. 115 Hartmann/Haubl (2009), S. 9 sprechen von „Erlebnis- und Handlungspotentialen“, die in den Dingen materialisiert vorliegen. 116 Zum Motiv des Sammlungsraums Felfe (2007). 117 Breitenwischer (2008), S. 12. 118 Stewart (1984), S. 161–163; Clifford (1988), S. 218–222. 119 Bredekamp (1993), S. 102 spricht von einem „bedachten Chaos der Kunstkammer“ und verweist auf Julius von Schlossers Unverständnis für die rudolfinische Kunstkammer, von Schlosser (1908), S. 90 und 94. 120 Murray (1904), Band 1, Kapitel III: The Progress of Science. Collections of Natural Objects, S. 19. 121 Hoffmann (2009), S. 79: „Die Art und Weise, wie Wissen erzeugt und bewertet wird, ist abhängig von den wissenskulturspezifischen Repräsentationspraxen und -techniken. [...] Wissen wird stets in Kontexten – z. B. im Kontext einer bestimmten Weltsicht – konstituiert. Wissenskulturen implizieren verschiedenen Weltzugänge, mit denen auf die Welt Bezug genommen wird.“ Gell (1992), S. 49 zur Schwierigkeit, das Gemachtsein von Kunstwerken (coming into being) zu erfassen, die ihren eigentlichen Wert ausmacht. 122 Barbara Marx und Karl-Siegbert Rehberg: Vorwort, in: Sammeln (2006), S. VIII: Wissensleistung und -erwerb im Medium der Artefakte von Kunst und Natur werden „ab dieser Zeit in wachsen-

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dem Maße in den kommunikativen Handlungsraum von visueller und taktiler Erfahrung und Selbsterfahrung eingerückt.“ 123 Pomian (1998), S. 16; Bredekamp (1993) zur Ordnung von Quiccheberg (S. 33/34) und zu Ambras, S. 35 als erstem nachantiken Gebäudekomplex, der von vornherein zu Aufnahme einer Sammlung vorgesehen war. 124 Gell (1992), S. 56 betont, dass die besondere technische Meisterschaft, die in die Erschaffung eines Kunstwerks einfließt, konstitutiver Bestandteil seiner (magischen) Wirkmacht ist, „wir“ (wohl die westlich-europäischen Betrachter:innen der Gegenwart) allerdings dazu tendieren, das Gemachtsein, das auf technischen Verfahren basiert, zu ignorieren oder gar zu negieren. 125 Holländer (2015), S. 43: „Wenn die ganze Welt wie ein Buch ist, dann entspricht dies einer Sammlung, die das Ziel hat, die ganze Welt zu repräsentieren. Dann sind die Dinge wie Buchstaben, Silben, Wörter, die sich zu Sätzen verdichten, zu Aussagen, Thesen, Vermutungen, Spekulationen. Dann stellen sich Kombinationen ein, und die Anzahl möglicher und sinnvoller Texte vermehrt sich mit dem Gedanken der Betrachter in den Gesprächen über die Sammelobjekte.“ 126 Holländer (2015), S. 47. Rainer (2017), S. 94 zur Kunstkammer als Wörterbuch. 127 Pomian (1998), S. 57/58: „Kurz, die Sammlungen sind für die Angehörigen des intellektuellen und künstlerischen Milieus Arbeitsinstrumenten und Insignien sozialer Zugehörigkeit, für die Machthaber dagegen Insignien ihrer Überlegenheit und Instrumente, die der Beherrschung dieses Milieus dienen.“ Die Anlage von Sammlung ist Umwandlung von Nützlichkeit in Bedeutung, Pomian (1998), S. 63. 128 Knorr Cetina (1984), S. 34. 129 Bredekamp (1993), S. 102 betont, dass die Kunstkammer „schon einmal fast vollständig auf das Denken in und durch Bilder gesetzte hatte“. Holländer (2015), S. 50; Sünderhauf (1996); Rauch (2006); Felfe (2014); Felfe (2015b). 130 Zu den Wissensräumen der Kunstkammer u. a. Findlen (1994); Valter (2000). 131 Hall (1952); Hall (1959); auch seine Frau, Marie Boas, arbeitete in diesem Feld, Boas (1965); Korey (2007); Ptolemäus (2007); Dupré/Korey (2009); Gaulke (2015). Auch Julius von Schlossers Arbeit zur Kunstkammer und Ernst Kris’ Studien zu den Werken von Wenzel Jamnitzer und Bernard Palissy entstanden im Kontext ihrer Tätigkeit für das Wiener Museum. 132 Peter J. Bräunlein wies darauf hin, dass das heutige Berührungsverbot (please don’t touch) in der Frühen Neuzeit einem touch und damit der Aufforderung entsprach, die Dinge zu berühren, mit ihnen zu handeln und eben auch über sie zu sprechen, Bräunlein (1992); Rainer (2015) S. 81. 133 Lugli (1983), S. 89. 134 Lugli (1983), S. 110. 135 Lugli (1983), S. 111 und spricht (S. 90) vom piccolo artigianato scientifico. 136 Instrumente (2006), S. V. 137 Das Motiv des Experiments als Verstörung der Natur wird durch den Wissenschaftsphilosophen Michael Serres (Le parasite, Paris 1980) aufgegriffen, vgl. Reulecke/Vöhringer (2019), S. 12. 138 Jütte (2007), S. 41. Zur ambivalenten Beurteilung der Erkenntnismöglichkeit durch das Sehen Konersmann (1997), v. a. S. 22–28 zur „Rehabilitation des Sehens“ in der Frühen Neuzeit (um Kopernikus und der astronomischen als einer der Optik aufgeschlossenen Wissenschaft); zu den Theorien des Sehvorgangs und damit verbunden den Vorstellungen von der Weltwahrnehmung Köhnen (2009), u. a. S. 104–111. 139 Wimböck/Leonhard/Friedrich (2007), S. 12; Eusterschulte (2000), S. 801 zu Ghiberti und den Folgen: „So ist es nicht erst Leonardo, für den das Lob des Auges, die Berufung auf das Sichtbare und die Erforschung der augenfälligen Naturformen Fundament künstlerischer Naturwahrnehmung sind. d. h. für den die Malerei gleichsam eine Wissenschaft des Sichtbaren ist.“

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1  Handstein mit einer Kreuzigungsgruppe und siebzehn Szenen aus dem Bergbau, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Wien, KHM, KK_4157.

1 Handsteine Einleitung Handsteine sind natürlich gewachsene Erzstufen (lapides manuales), die aufgrund ihrer Größe, ihrer Formen und ihres Materials besonders wertgeschätzt wurden. Der böhmische Prediger und Mineralienkundler Johannes Mathesius (1504–1564) definierte den Begriff „Handstein“ in seiner dritten Predigt Über den Ursprung der Metalle: „Denn Bergkart heyst bey uns / ein handtsteyn oder stuffen / die im berge oder auff genge und fletze bricht / und so vil ertz oder metal helt / als ein schütte stro.“1 Mit dem Begriff „Handstein“ werden aber nicht allein diese natürlichen Minerale, sondern auch künstlerisch überformte reine Silbererzstufen bezeichnet, in die Figuren geschnitten wurden. Diese Kunstwerke stehen entweder allein auf einem aus Silber getriebenen Sockel oder erhoben sich von einem Unterbau, der aus verschiedenen Mineralen zusammengesetzt war. Vor allem diese dritte Gruppe ist ikonographisch bemerkenswert, zeigt sie doch eine spannungsvolle Verbindung aus in das Silbererz geschnittenen christlichen Szenen und Bergbauepisoden, die durch Figuren in dem künstlich geschaffenen Berg nachgestellt wurden.2 Ein Exemplar aus dieser Gruppe bildet den Ausgangspunkt der Diskussion, ein Artefakt, das auf der Schwelle zwischen natürlich entstandenen Rohstoffen und den Produkten der menschlichen Werkstätten steht.3 Alle drei Formen, die natürliche Erzstufe, das überformte Silbererz und die Silbererzstufen mit Bergbauepisoden, wurden in Sammlungen der Frühen Neuzeit präsentiert.4 Die künstlerisch überarbeiteten Versionen thematisieren auf komplexe Weise Formen und Praktiken der Naturbeschäftigung im 16. Jahrhundert, als höchst artifizielle Wunderwerke adressieren sie auf vielfältigen Ebenen Themen aus dem Montanwesen, dem wirtschaftlich bedeutenden, großen Innovationsbereich der Frühen Neuzeit.5 Die Handsteine bauten in der Sammlung als Träger verschiedener Bedeutungen ein komplexes Beziehungsnetz auf: Von den Objekten selbst ausgehend geraten die Sammler und die Sammlungen, die Materialien und die Regionen, auf die sie verweisen, sowie die zeitgenössischen metallogenetischen Aushandlungen im Kontext objektbasierter Wissensdiskurse in den Blick. Handsteine sind Kunstwerke aus den Werkstätten frühneuzeitlicher Goldschmiede, die mit dem Silberabbau sowohl über das verwendete Material als auch über die dargestellten Themen eng verbunden sind. Sie zeigen die arbeitsteiligen Verfahren und Werkprozesse bei der Verhüttung sowie Vorstellungen über das dort verarbeitete Material an und können als Manifestationen des Austausches zwischen Theoretikern und Praktikern verstanden werden, der im 16. Jahrhundert und vor allem im Umfeld der frühneuzeitlichen Montanindustrie zu starken Veränderungen in der Wahrnehmung von Metallen und zur Entwicklung innovativer Verfahren führte. Die Handsteine sind Teil der Rezeption, Neuordnung und Weiterentwicklung des antiken metallurgischen Wissens, der

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Erfahrung von Experten, des künstlerisch-materiellen Vermögens sowie den rasanten Veränderungen im Bergbau ab den 1450er Jahren.6 Angewandtes alchemisches Wissen ist dabei allgegenwärtig, verstanden als Sammelbegriff unterschiedlicher Verfahren und Praktiken der frühneuzeitlichen Chemie und des experimentellen Handelns mit Stoffen.7 Handsteine sind Minerale, die in ein höfisches Umfeld transloziert und dort in einen Kontext eingebunden wurden, der sowohl Wissen generierte als auch ausstellte und dabei zugleich politische Aussagen transportierte: Über die Minerale innerhalb der Kunst­ kammersammlungen wurden die Zugriffsmöglichkeiten auf die im Territorium vorhandenen Ressourcen sichtbar gemacht. Die künstlerisch überformten Handsteine bezeugten die Anwesenheit von hochspezialisierten Handwerkern, Bergbaupraktikern und Künstlern, die die Ressourcen erschließen und weiterverarbeiten konnten.8 Als Minerale waren sie zugleich Teil der umfangreichen und fortwährend wachsenden Stoffsammlungen, die systematisiert und kategorisiert werden mussten und so zur menschlichen Aneignung und zum Verständnis der Welt beitrugen. Handsteine haben – auch wenn das Material keine glänzenden Oberflächen aufweist – einen immensen Materialwert, der bewusst sicht­bar gehalten werden konnte: Die großen Silbererzstufen wurden aus dem regulären Verhüttungs­prozess aussortiert und in die Werkstätten von spezialisierten Handwerkern ­gebracht, die sie überformten. Dabei sollte für die frühneuzeitlichen Betrachter:innen ­erkennbar bleiben, dass es sich keineswegs um ein aufbereitetes, sondern um eine Form von natürlichem Silber handelte. Bezeugten die Handsteine doch den Rohstoffreichtum des Landes über das Vorkommen von massiven Erzstufen, deren Silberanteil so hoch ist, dass sie ohne montanindustrielle Verfahren in ein Kunstwerk verwandelt werden konnten. Darüber hinaus zeigen sie  – da sie zugleich natürlich gewachsene Ressource und künstlerisch überformter Werkstoff sind – die Parallelität von göttlichen und menschlichen Verfahren an: Georgius Agricola (1494–1555) definierte in seiner frühen Schrift B ­ ermannus sive de re metallica das Feld der Minerale als „quas vel natura edidit vel ars invenit“ – als das, was die Natur hervorbringt oder die Kunst erfindet.9 In der Sichtbarhaltung der gewachsenen Strukturen wurde dieser direkte Vergleich zwischen dem natürlichen Zustand des Bodenschatzes und dem artifiziellen Handeln mit dem Material möglich und damit ein agonales Verhältnis zwischen der göttlichen Schöpfung und den menschlichen formschaffenden Kräften behauptet: Durch den Bergbau und durch die Translozierung der natür­ lichen Materialien wurden diese zu Werkstoffen, die dem menschlichen Zugriff unter­ worfen waren.10

1.1 Der Handstein In der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien befindet sich ein Werk der frühneuzeitlichen Goldschmiedekunst, das aufgrund der Themen und auch des merk­ würdigen und bemerkenswerten Materials heute als Kuriosum wirkt.11 Dargestellt ist eine

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2  Handstein mit einer Kreuzigungsgruppe und siebzehn Szenen aus dem Bergbau. Detail der Kreuzigung, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Wien, KHM, KK_4157.

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Kreuzigung, die auf einem Berg mit Bergknappen steht, die die unterschiedlichen ­Arbeiten beim Abbau von Edelmetallen ausführen.12 Dieser Handstein ist ein aus Silber­ erzen und anderen Mineralen zusammengesetzter „Berg“, der sich über einem Sockel erhebt. Sein breit ausladender Fuß besteht aus vergoldetem Silber, die profilierte Standplatte ist vierpassförmig und zeigt Roll- und Beschlagwerk; auf den hohen getriebenen Buckeln sitzen Masken auf. Der niedrige Schaft mit breitem Nodus und Löwenköpfen ist oben und unten mit eingerolltem Blattwerk verziert. Er trägt eine flache Cuppa, die von Ausmaß und Gestaltung dem oberen Teil der Fußplatte entspricht; in der so gebildeten Schale liegt der Handstein, der von einer Doppelkette eingefasst wird. Die vier Figuren der Kreuzigung (Maria, Johannes, der ans Kreuz geschlagene Jesus sowie die kniende Figur eines Betenden) sind aus einem silberhaltigen Erz geschnitten; die Besonderheit dieses Materials fällt sowohl durch seine gräuliche Farbigkeit als auch die zwischen Geschlossenheit und Porosität changierende Oberflächenbeschaffenheit ins Auge (Abb. 2). Die Kreuzigungsgruppe steht in beziehungsweise auf einer Berglandschaft, in der Bergknappen Erz abbauen; diese sehr viel kleineren Figuren bestehen aus farbig (kalt-)emailliertem gegossenen Silber.13 In siebzehn verschiedenen Szenen werden auf der allansichtigen Erzstufe unterhalb der Kreuzigung die einzelnen Etappen des Erzabbaus erzählt, von ihrem Auffinden, dem Anlegen der Stollen bis zum Waschen und Scheiden von Erz und Gestein vor dem Weitertransport zur Verhüttung (Abb. 3). Diese Szenen sind auf dem Handstein nicht chronologisch angeordnet, so dass die Betrachter:innen das Objekt – oder sich selbst um das Objekt – bewegen und mit den Augen springen müssen. Wer die verschiedenen Arbeitsschritte nicht genau zuordnen kann, wird von der Fülle der angebotenen Personen und Szenen erst einmal überwältigt. So bietet das Objekt allein schon auf der ikonographischen Ebene zwei Möglichkeiten der Rezeption an: es ist ein kunstvoll ausgeführtes Stück, das die Kreuzigung mit dem Bergbau verbindet – für den Laien. Für den Bergbaukenner aber öffnet sich über die verwendeten Materialien und über die dargestellten Szenen ein umfassendes Buch montanistischer Themen, die in vielen Ebenen miteinander verschränkt sind. Denn die Betrachter:innen sehen nicht nur die verschiedenen Verfahren, sondern erkennen auch, dass das Material, aus dem das Kunstwerk besteht, mithilfe der auf dem Werk selbst dargestellten Verfahren gewonnen wurde. Sie halten also ein Artefakt in der Hand, das die natürliche Ressource, ihre Auffindung und Erschließung, die Verhüttung und spätere Überarbeitung in der Goldschmiedewerkstatt überblendet und den Betrachter:innen die Zeitlichkeit des Abbaus sowie die verschiedenen Materialitäten in der Abfolge vor Augen stellt. Zugleich werden die unterschiedlichen Werkzeuge und Instrumente des Bergbaus präsentiert, die sonst im Material als Wissen und als Erinnerung vorhanden, aber nicht mehr direkt erkennbar sind.14 Die Minerale des Berges bilden kleine Höhlen als Schauplätze für die einzelnen S­ zenen. Die Geschichte des Erzabbaus beginnt auf der Vorderseite rechts unterhalb der Kreuzigung. Dort sucht ein Prospektor mit einer Wünschelrute in der Hand und von seinem Hund begleitet nach neuen Erzadern zur Erschließung (Szene 1). Vor ihm auf dem Boden

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3  Handstein mit einer Kreuzigungsgruppe und siebzehn Szenen aus dem Bergbau. Ansicht der linken Seite, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Wien, KHM, KK_4157.

4  Handstein mit einer Kreuzigungsgruppe und siebzehn Szenen aus dem Bergbau. Rückseite, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Wien, KHM, KK_4157.

liegt eine Keilhaue, ein bergmännisches Werkzeug, mit dem er lockeres Gestein lösen und die Probe mithilfe der ebenfalls bereitliegenden Erzmulde (einem Gefäß zum Erztransport) zur weiteren Untersuchung mitnehmen kann. Diese Art von Proben zur Begutachtung wurden ebenfalls Handsteine oder Erzstufen genannt, so dass sich für den kundigen Betrachter hier erneut Material und Artefakt treffen.15 Auf gleicher Höhe links, unterhalb der Maria der Kreuzigungsszene, setzt ein Bergmann seine Keilhaue zur Anlage eines Schurfgrabens an (Szene 2), um aus geringer Tiefe eine Probe zu entnehmen – neben ihm liegt eine breite Hacke (Kratze), mit der er das von ihm gelockerte Haufwerk zusammenziehen und in die ebenfalls bereitliegende, schon ein wenig gefüllte Mulde legen kann. Als nächster Arbeitsschritt folgt die Anlage der Stollen und Schächte, die in drei Szenen gezeigt wird: auf der Rückseite des Handsteins unterhalb des Kreuzes findet sich ein

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Huthaus, hinter dem ein Knappe einen Balken trägt, um das Mundloch oder den Stollen selbst zu stützen (Szene 3) (Abb. 4). Darunter leicht rechts sieht man im unteren Register den weiteren Stollenausbau, für den ein Knappe einen Balken an einem Seil hinter sich ­herzieht, ein zweiter Bergmann begleitet ihn (Szene 4). Den Ausbau des Stollens und das tiefere Vordringen in den Berg sieht man im unteren Register des Handsteins auf der Vorderseite, wo ein Bergknappe im Sitzen arbeitet und vor ihm die neuen Pfeiler zur ­Abstützung der Förderstelle liegen (Szene 5). Danach konnte mit dem Abbau der Erze begonnen werden: Am unteren Rand des Handsteins auf der rechten Seite ist offenbar ein Knappe gerade in den Berg eingefahren – die Leiter (Fahrte) lehnt noch links von ihm. Er beugt sich hinab und prüft das G ­ estein (Szene 6). Auf der linken hinteren Seite im oberen Register sind zwei Knappen dargestellt: Der untere kniet – den Rückenbereich vom Leder geschützt – in einem engen Schacht und hält den Schlägel in der linken, mit der Rechten reicht er ein Stück Erz aus dem vor ihm liegenden Trog nach oben zum zweiten Knappen, der ihm einen weiteren Erztrog ent­ gegen hält; seine Haue lehnt hinter ihm am Berg (Szene 7). Im Register darunter, auf der l­inken Seite des Handsteins, bearbeitet ein weiterer Knappe das Gestein mit Schlägel und Eisen, hinter ihm an dem schuppenartigen Haus (der Kaue) lehnt eine Fahrte (Szene 8). Im unteren Register auf der vorderen linken Seite sieht man im Stollenhintergrund einen Knappen (einen Krätzer), der grobes Haufwerk mit einer Kratze in einen Trog befördert (Szene 9). Das Ein- und Ausfahren in/aus dem Berg wird ebenfalls dargestellt, so beispielsweise auf der Vorderseite des Handsteins im mittleren Register. Dort tritt hinter den beiden Männern an der Haspel ein Bergmann aus dem Stollenmund. Er trägt in den Händen das aus dem Gebirgsverband gelöste Gestein (Haufwerk) (Szene  10). In der gleichen Szene auf der linken Seite zu Fuß des einen Hasplers ist ein Bergmann auszumachen, der halb aus dem Schacht hervorkommt, den er wohl gerade mit Hilfe einer Fahrte verlässt (Szene 11). Die Förderung des abgebauten erzhaltigen Gesteins aus den Stollen und Schächten an die Oberfläche wird in zwei Szenen thematisiert: Am Fuß des Handsteins auf der Vorderseite sieht man einen Bergknappen, der einen mit Haufwerk gefüllten Handkarren (eine einrädrige Schubkarre zum Transport auf den Strecken) aus dem Stollenmund schiebt (Szene 12). Darüber wird der Betrieb einer Haspel (einer Winde, mit der im Handbetrieb Material aus dem Schaft befördert werden kann) geschildert (Szene 13). Hier fördern zwei Haspler mit Hilfe des Gesenks (also eines an dem Seil der Winde befestigten Eimers oder Korbs) das erzhaltige ­Gestein aus dem Schachtmund. Das Waschen des Förderguts ist ein weiterer wichtiger Arbeitsschritt, der ebenfalls aufgeführt ist: auf der rechten Seite des Handsteins im unteren Register unterhalb des Göpelhauses füllt ein Knappe das Gestein aus einer Mulde in ein Sieb in einem Wasserfass (Szene 14) (Abb. 5). Rechts von ihm steht ein zweites Fass, in dem ein kleiner Eimer mit Haufwerk steht, an dem ein Sieb lehnt. Am Ende der Arbeit steht das Scheiden der Erze und der Abtransport zur weiteren Verhüttung – hier wird dies durch einen Meißner an der linken Seite des Handsteins unten angezeigt, dem ein Knappe Material reicht (Szene 15).

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5  Handstein mit einer Kreuzigungsgruppe und siebzehn Szenen aus dem Bergbau. Ansicht der rechten Seite. 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Wien, KHM, KK_4157.

Zwei weitere Szenen gehören in den Arbeitsalltag des Bergmanns, sie erinnern an die Gefahren des Bergbaus und die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens: Sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite des Handsteins, direkt im ersten Register unterhalb der Kreuzigungsszene, wird über Grabkreuze an die im Bergbau Verstorbenen erinnert. Auf der linken Seite (Szene 16) sieht man einen erhöhten Bildstock und zwei kleine Kreuze in Gold ausgeführt, zu denen ein Bergmann mit Hammer und Eisen in der Hand von unten aufsteigt. Eine vergleichbare Szene findet sich rechts unterhalb der Kreuzigung (Szene 17): hier schreitet ein Bergknappe, von seinem Hund begleitet, mit einer langstieligen Axt in der linken Hand weit aus und wird nach wenigen Metern auf drei Kreuze, die dort am Weg stehen, treffen. In diesen beiden Szenen verweist das Kunstwerk auf die verunglückten Menschen, die als Erinnerung Teil der im Berg arbeitenden Knappen sind und über ihre Kreuze und Grabstellen in die Erzählung der Montanlandschaft integriert werden. Zudem finden sich Gebäude auf dem Handstein: Ein Göpelhaus auf der rechten, eine Kaue auf der linken sowie ein Huthaus (auch Zechenhaus) auf der hinteren Seite. Die

Der Handstein I 47

­Gebäude verweisen auf unterschiedliche Bereiche: Das Huthaus ist Zeichen der Zechen­ verwaltung, war es doch die Arbeitsstätte des Hutmanns, des Grubenaufsehers; zugleich übernahm es noch weitere Aufgaben beispielsweise als Aufbewahrungsort der Arbeits­ geräte der Knappen (Gezähekammer) sowie als Versammlungs- und Gebetsort.16 Die Kaue ist durch die geöffnete Tür und die angelehnte Leiter als Überbau eines Schachts gekennzeichnet. Das Göpelhaus beherbergt die Göpelkunst, eine von Muskel- oder Wasserkraft angetriebene Förderanlage. Auffällig ist, dass die menschlichen Arbeiten im Berg in vielfachen Formen gezeigt werden, aber keine maschinellen Konstruktionen und ingeniöse Maschinen zur Erleichterung der schweren Arbeit auftauchen.17 Das Kunstwerk zeigt den Menschen in der Natur, die er als Ressource abbaut. Jeder Bergknappe arbeitet für sich oder im Verbund mit anderen menschlichen Kräften, die verwendeten Werkzeuge sind die klassischen Schlag- und Transportinstrumente. Die Figuren wirken klein im Berg, der ihren Lebensraum bildet und die Lebensgrundlage, denn es ist kein ernährender Berg und man sieht auch keine agrarischen Arbeiten. Hier werden Silber und andere Erze abgebaut, weiter­bearbeitet und gehandelt, um für Nahrungsmittel, Kleidung und weitere lebenswichtige Dinge eingetauscht zu werden. Bekrönt wird der Handstein durch die schon erwähnte Kreuzigungsszene, zu der ein kniender, andächtiger Betrachter als Zeuge des Geschehens hinzugesetzt wurde. Damit wird diese feinteilige Schilderung des Bergbaus in einem christlichen Kontext verortet, wobei mehrere Zeitebenen ineinander fallen: Erinnert werden die Schöpfung und die dabei geschaffene Natur sowie der Verlust des paradiesischen Zustandes in der Darstellung der Aufhebung der Erbsünde durch das göttliche Sühneopfer. In der Kreuzigung Christi sind diese Aspekte mitenthalten, zugleich wird Golgatha und die Lebensgeschichte von Jesus Christus zur Erinnerung in der Gegenwart des knienden Betrachters, der als Figur der zeitlichen Verschränkung dient.18 Denn er ist einerseits aus dem gleichen Material (dem silberhaltigen Erz des Handsteins) geschnitten, wie die Figuren der Kreuzigung, und er entspricht auch von der Größe her diesem Geschehen. Durch seine Kleidung und Haltung aber wird er zugleich als Betrachter des 16. Jahrhunderts ausgewiesen, der – in andächtiger Schau – das vergangene Ereignis der Kreuzigung vergegenwärtigt. Seine Figur verbindet die vergangene Zeit der Schöpfung und der Kreuzigung mit der gegenwärtigen Zeit des Bergbaus, in der in Gottes Werk seine Gaben an den Menschen abgebaut werden. Über das Material wird eine weitere Bedeutungsebene generiert, wurde doch durch den Abbau von Silbererzen überhaupt erst der Werkstoff an die Oberfläche gefördert, aus dem der Goldschmied das Kunstwerk bilden konnte. Er setzte diese Ressource in unterschiedlichen Qualitäten ein, bedeutungsvoll dabei sind vor allem die unterschiedlichen Stadien von „natürlichem“ und „verarbeitetem“ Material, die bewusst nebeneinander stehen. Silber erscheint hier mindestens in vier verschiedenen Varietäten: einerseits als wirklicher „Gesteinsbrocken“, der als pars pro toto für das Erzgebirge steht. Die in den Kunstkammern versammelten Stufen haben einen Silbergehalt von 50 bis 60 % und wurden aus dem Verhüttungsprozess ausgeschieden, um in den Goldschmiedewerkstätten zu

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6  Drahtsilber auf Kalzit. Fundort Grube Himmelsfürst, Freiberger Revier, Erzgebirge.

Bildträgern umgeformt zu werden, so dass allein in dem so scheinbar rohen Gestein ein sehr hoher materieller Wert ausgestellt ist. Zudem wird Silber in seiner gediegenen – also reinen – Form verwendet, sehen die Betrachter:innen doch überall die haarfeinen Gebilde der Silberdrähte, die als natürliche Gewächse aus dem Grund hervorragen. Diese gediegenen Funde von Drahtsilber und Silberlocken zeigen erneut den Ressourcenreichtum der heimischen Lagerstätten an – und in den wundersamen, natürlich gewachsenen Formen auch die Spielarten der Erzvorkommen, die von den Zeitgenossen als Besonderheit des Erzgebirges erkannt werden konnten (vgl. Kapitel 1.5).19 Innerhalb der Kreuzigungsszene ist das Blut aus Christi Seitenwunde auffällig, handelt es sich doch auch hier um g ­ ediegenes Silber in seiner haarförmigen Varianz (Abb. 6).20 Diese besondere Form ist an vielen Stellen auch als Vegetation auf dem Berg verteilt, so dass die Bergknappen Silbererze in einer Landschaft abbauen, die aus natürlich gewachsenen Mineralen gebildet wurde und die mit einem schier wunderbaren Reichtum an gediegenem – und damit natürlich gewachsenem – Silber bestanden ist.21

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Drittens gibt es das Silbererz in Form der Kreuzigungsfiguren, die einerseits die Größe der vorhandenen Funde anzeigen und zugleich das technische Vermögen der Goldschmiede betonen, die über eine Technik verfügten, das Material so zu verdichten, dass es verarbeitbar wurde, aber zugleich als natürlich gewachsene Form erkennbar blieb. Viertens findet reines Silber am Ende des Verhüttungsprozesses Verwendung, aus ihm sind die Bergleute geschaffen. In Silber also ist die Erlösungstat Gottes dargestellt, die Hoffnung bringt für die arbeitenden Bergleute – deren Leben, Arbeit und Tod als einzelne Szenen im künstlichen Berg von einem Goldschmied nachgestellt wurden, der aus dem Material Silber das Lebensumfeld der Knappen formte, die die natürliche Ressource abbauten.22 Ausgehend von diesem Artefakt werden im Folgenden die heute noch erhaltenen Handsteine vorgestellt (Kapitel 1.2) und im Anschluss die Sammler und Sammlungen genannt, in denen in der Frühen Neuzeit diese besonderen Kunstwerke in großer Zahl ausgestellt waren (Kapitel 1.3). Im vierten Kapitel wird die Ikonographie des Bergbaus diskutiert, im anschließenden fünften Kapitel die besondere Materialität der Objekte und im sechsten Kapitel die Künstler, die diese Artefakte schufen. Das siebte Kapitel beleuchtet die metallogenetischen Vorstellungen, innerhalb derer diese Objekte geschaffen und ausgestellt wurden und die maßgeblich auf das künstlerische Handeln mit diesen Materialien zurückwirkten. Wurden diese Handsteine doch nicht als reine Kuriositäten für eine sich am Wunderbaren ergötzende Kunstkammerkultur erschaffen, sondern sind mit der Aushandlung von Theorien zur Genese von Metallen verbunden; so wird ersichtlich, welche Aufgaben diese Objekte innerhalb eines objektbasierten Wissensdiskurses einnahmen. Auch das abschließende achte Kapitel beleuchtet diesen Kontext und stellt drei Sammlungen vor, um Motive und Kategorien der frühneuzeitlichen Beschäftigung mit Mineralen zu benennen.

1.2 Die erhaltenen Handsteine Der Handstein mit Bergwerkszenen und Kreuzigung aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien besteht aus den genannten zwei unterschiedlichen Bereichen, zwei Orten und Zeiten der Handlung: Er stellt einen silberführenden Berg dar, der den Knappen als Arbeitsraum dient und in der Gegenwart der zeitgenössischen Betrachter:innen verortet ist, die sich und ihre Lebenswelt in ihm wieder erkennen können. Zugleich aber ist er der Berg Golgatha – und wird somit zum Erinnerungsort an die Passion Christi im Heiligen Land. Als Scharnier zwischen den beiden Zeiten dient die kleine Figur, die kniend das Geschehen der Kreuzigung Christi betrachtet – sie ist ein andächtig Schauender aus der Gegenwart. Die große Sensibilität der ausführenden Meister für die eingesetzten Materialien offenbart sich an dieser Stelle, setzten sie doch bewusst – hierarchisierend, handlungsführend – deren Qualitäten ein, um auf die getrennten Bedeutungsebenen zu verweisen: Der Berg ist aus verschiedenen Mineralen zusammengesetzt und von aus Silber geschaffenen Knappen

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bestanden – die Figuren der Kreuzigung jedoch wurden aus einem größeren Stück silberhaltigen, noch nicht verhütteten Erz geschnitten. Die in der Natur gefundene Ressource wird für die vergangene und heilige Geschichte genutzt – im Gegensatz zu dem artifiziell kompilierten Berg und den Figuren, die aus einem Werkstoff entstehen, der erst in komplexen Bearbeitungsschritten erschaffen wurde. Die weiteren erhaltenen Handsteine des 16. Jahrhunderts bestätigen den bewussten künstlerischen Umgang mit den unterschiedlichen Silberzuständen. In der Sammlung des Kunsthistorischen Museums in Wien finden sich dreizehn Stücke, die eine vergleichbare Kombination aus religiösen Szenen und Darstellungen aus dem Bergbau zeigen. Dazu zählt erstens ein aus verschiedenen Mineralen zusammengesetzter Handstein mit Kreuzigung und Szenen aus dem Bergbau.23 Zweitens ein Handstein mit Adam und Eva, bei dem nicht direkt am Handstein, sondern am Fuß die Bergwerksthematik auftaucht. 24 Drittens ein Handstein mit Kreuzigung, Heiligem Georg und Bergbauszenen, der die Inschriften „Komet zu mir al die ir muselig u beladen se ich wil euch erquick“, „Durch Christum haben wir einen Zugang in Glaub zu diser Gnade“ und „Ein getreier Arbeid ist seines Lons wert“ trägt. Das Inventar von 1596 beschreibt ihn als: Aber ain stuckh von gedignem silber- und sonst ärzt, obenauf ain crucifix geschmelzt, das creiz ist von glasärzt, darunder der ritter sanct Geörg zu rosz geschmelzt und streit mit dem drackhen, noch darunder seind allerlei grueben, darinnen etliche fügurn der knappen, steet auf ainem ganz silbern und vergulten fuesz.25

Aus diesem kurzen Eintrag geht hervor, dass der Verfasser des Inventars in der Lage war, am Artefakt die Varietäten der Erze und verschiedenen Formen des natürlichen und verarbeitenden Silbers ebenso zu entziffern, wie die dargestellte Ikonographie. Das vierte ­Exemplar ist ein Handstein aus einer großen Silbererzstufe, in die vorderseitig eine Kreuzigungsgruppe und rückseitig die Auferstehung Christi geschnitten ist und die auf einem Berg aus zusammengesetzten Mineralen mit Bergleuten und einer rechteckigen Tafel aus Glaserz mit der Inschrift „Das Blut Ihesu Christi reiniget uns von allen Sunden“ aufliegt (Abb. 7).26 Fünftens ein Handstein mit Auferstandenem und Bergwerkszenen mit den beiden Inschriften „Das Blut Ihesu Cristi reiniget uns von allen Sunden“ und „Mir ist gegeben aller Gewalt im Himel Hell und Erden“.27 Sechstens ein Handstein mit Kreuzigungsgruppe und Szenen aus dem Bergbau,28 siebtens ein Handstein mit Ölbergszene und Bergarbeitern29 und achtens ein Handstein mit zwei Bergleuten.30 Neuntens ein aus verschiedenen Mineralen zusammengesetzter Handstein mit David und Goliath.31 Zehntens ein Handstein in Form eines Tischbrunnens mit David und Bathseba,32 elftens ein Handstein mit der Kreuzigung und Szenen aus dem Bergbau33 und zwölftens ein vermeintlicher Handstein, der eine Kreuzigung sowie Szenen aus dem Bergbau über einem Holzkern zeigt.34 Zudem befindet sich im Kunsthistorischen Museum in Wien eine Doppelscheuer (Abb. 8), die inschriftlich auf 1545 datiert ist und aus einer in Silber gefassten Kokosnuss besteht, die ge-

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7  Handstein mit Kreuzigungsgruppe und Auferstehung Christi mit Szenen aus dem Bergbau, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Wien, KHM, KK_4149.

öffnet werden kann.35 Im Innern ist der Sündenfall mit Adam und Eva dargestellt, umgeben von mit Emaille überzogenen silbernen Figuren von Bergknappen, die hier, wie auf den beiden vergoldeten Füßen, in einer aus Mineralen zusammengesetzten Montanlandschaft arbeiten. Wie bei den bislang vorgestellten Handsteinen ist hier erneut die Überblendung unterschiedlicher Zeitschichten bemerkenswert, stehen Adam und Eva doch im Paradiesgarten und flankieren den Baum der Erkenntnis. Sie halten beide einen Apfel in der Hand, eine Schlange windet sich um den Baumstamm und um den Körper von Adam, eine zweite Schlange kriecht vor Eva auf dem Boden. Dargestellt ist somit ein transitorischer Moment, der Übergang vom paradiesischen Zustand in die Welt. Die Verdoppelung der Schlange scheint auf die Prophezeiung aus Genesis 3, 14 hinzudeuten: Da sprach Gott, der Herr, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens.

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8  Kokosnuss-Doppelscheuer mit Adam und Eva und Szenen aus dem Bergbau, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Wien, KHM, KK_885/886.

Mit diesen Worten beginnt die auf die Entdeckung folgende Verfluchung und Vertreibung des ersten Menschenpaars, in der Gott Eva prophezeit, in Zukunft unter Schmerzen gebären zu müssen und Adam verkündet, dass wegen seiner Verfehlung der zukünftige Ackerboden verflucht sei und er sich unter Mühsal wird ernähren müssen. Die Betrachter:innen des 16. Jahrhunderts erkannten zugleich den paradiesischen Ort als auch das im Sündenfall gründende Schicksal der Menschen – das Mühsal und harte Arbeit verhieß und das durch die Bergknappen, die im Schweiße ihres Angesichts der Erde ihre Ressourcen abrangen, direkt mit der Montanregion des Erzgebirges verknüpft wurde. Wie

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9  Caspar Ulich, Handstein mit der Erschaffung Evas und der Anbetung der Hirten. Sankt Joachimsthal, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Wien, KHM, KK_4139.

bei den meisten der erhaltenen Handsteine finden sich auch bei der Kokosnussdoppelscheuer natürliche Vorkommen gediegenen Silbers. Der Künstler hat sie für die Figur der Schlange genutzt und mit von ihm geschaffenen Teilen verwoben, so dass der Körper der Verführerin oben als künstlich gestaltete Figur ausläuft, aber im unteren Teil seine Herkunft als natürliche Ressource offenbart. Neben dieser Gruppe gibt es noch weitere erhaltene Handsteine, die alle aus sehr ­großen Erzstufen bestehen, in die Figuren und Geschichten eingeschnitten wurden. Siebzehn dieser Handsteine werden in Wien, einer in Dresden sowie einer in Nürnberg auf­ bewahrt. Wie viele weitere Handsteine in Privatsammlungen vorhanden sind, ist nicht zu ermitteln.36 Das erste dieser Artefakte aus Wien ist der Handstein mit der Darstellung einer Caritas; er trägt ein ligiertes CW und ist das einzige Werk, das dem Sankt ­ ­Joachimsthaler Goldschmied Concz Welcz (gestorben vor 1555) gesichert zuschreibbar ist.37 Zweitens ein Handstein mit der Erschaffung Evas,38 drittens ein Handstein mit der Erschaffung Evas und der Anbetung der Hirten (Abb.  9); hier findet sich das ligierte

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10  Handstein in Form eines bärtigen Mannes, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Wien, KHM, KK_4162.

Die erhaltenen Handsteine I 55

Monogramm CV für den Sankt Joachimsthaler Goldschmied Caspar Ulich (gestorben 1576).39 Viertens ein Handstein mit dem Opfer Abrahams,40 fünftens ein Handstein mit Ölbergszene41 und sechstens ein Handstein mit dem Heiligen Hieronymus im Gehäuse und mit Loth und einer seiner Töchter.42 Siebtens ein Handstein mit der Auferstehung Christi, den drei Frauen am Grab und dem Emmausmahl,43 achtens der Handstein mit der Auferstehung Christi und einer Szene nach der Schlacht von Pavia, der zweite Handstein, der das ligierte CV für Caspar Ulich trägt.44 Bei diesem Objekt handelt es sich um den einzigen erhaltenen Handstein, der ein zeitgenössisches Ereignis von politischer Bedeutung zeigt. Neuntens ein Handstein mit der Auferstehung Christi,45 zehntens ein Handstein mit Maria/ Caritas, der dritte Handstein, der das ligierte CV trägt.46 Elftens der Handstein mit Kreuzigungsgruppe und einer Stifterin (?),47 zwölftens der Handstein mit Lukrezia48 und dreizehntens der Handstein mit Christus am Kreuz und Auferstehung.49 Vierzehntens der Handstein mit dem Opfer Abrahams,50 fünfzehntens der Handstein mit der Taufe Christi,51 sechzehntens der Handstein mit büßender Maria Magdalena52 und siebzehntens der Dresdner Handstein mit der Darstellung von Christus am Ölberg, der – als viertes Exemplar – mit dem ligierten CV signiert ist.53 Eine Besonderheit stellt der achtzehnte Handstein in Form eines bärtigen Mannes dar: Bei diesem singulären Objekt wurde der Kopf aus einer silbererzhaltigen Stufe geschnitten, der Körper aber aus einem Geflecht aus verschiedenen, natürlich gewachsenen Silberdrähten gebildet (Abb. 10).54 Das Inventar von 1596 beschreibt ihn: Mer ain handstain von gedignem silber, geformiert wie ain wilder mann, der kopf und hend daran von glasärzt, steet auf ainem silbern und vergulten fueszt.55

Der Legende zufolge bewachten die Wilden Männer immense Reichtümer unter der Erde; sie ließen sich nicht zähmen, da sie, in Gefangenschaft geraten, die Sprache und das Essen verweigerten und bald starben. Als Schutzgeister der Erzminen waren sie namentlich mit der Harzer Bergstadt „Wildemann“ sowie den dort geschlagenen Münzen verbunden.56 In diesem Artefakt wurde das künstlerisch überformte Silbererz der Stufe, das lockige und haarige natürliche gediegene Silber und das verhüttete reine Material miteinander künstlerisch kombiniert, um eine Figur in der Form des legendären Hüters des Silbers zu erschaffen. Die hier vorgestellten insgesamt dreizehn Handsteine mit Bergwerkszenen, die Kokosnussdoppelscheuer, die sechszehn in Wien und die eine in Dresden verwahrten figürlichen Silberstufen sowie die Figur des Wilden Mannes bilden nur einen Bruchteil dessen, was einstmals in den Sammlungen vor allem in Ambras, München und Dresden vorhanden war, ein Bestand, der im folgenden dritten Kapitel über die Quellen erschlossen werden kann. Ihr Material ist zugleich merkwürdig und wundervoll, wirken die raren Erzstufen mit ihren grauporösen Oberflächen doch als Fremdkörper innerhalb der polierten Objekte aus Silber und Gold, die sie in den Kunstkammern umgaben. Wenngleich es in den modernen musealen Displaysituationen nicht mehr möglich ist, diese Objekte in die Hand zu

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nehmen, so bleibt doch vorstellbar, wie interessant auch ihre Handhabung gewesen sein muss: Die Schwere und die Temperatur der Erzstufe sowie die unterschiedlichen, haptisch erfahrbaren Oberflächenstrukturen waren zusätzliche Sensationen, die den heutigen Betrachter:innen verborgen bleiben. Dabei scheinen jenseits der offenkundigen christ­ lichen Historien oder anderer Ikonographien die materiellen Transformationen das Hauptthema gewesen zu sein, das mit Hilfe dieser Objekte verhandelt wurde: Die Entnahme der Silbererzstufe aus ihrem natürlichen Kontext, ihre Überführung in die Werkstätten von Goldschmieden und die dortigen Arbeitsschritte zur künstlerischen Werkgenese. Aber auch ikonographisch wird Erstaunliches verhandelt, sind viele der Handsteine doch frühe Beispiele für bemerkenswert akkurate Industriedarstellungen, die detailliert die arbeitsteiligen Verfahren des frühneuzeitlichen Bergbaus schildern. In einem abschließenden Beispiel wird deutlich, dass die Handsteine für ein Publikum geschaffen wurden, das über das nötige Fachwissen verfügte, die einzelnen Verfahrensschritte zu identifizieren und ihnen mit den Augen über das Objekt zu folgen: Im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg wird ein Handstein verwahrt, der aus verschiedenen Mineralen, Kristallen sowie Korallen, Perlmutt und Schneckenhäusern durch den Goldschmied Martin Stieber (Meister 1550–1592) im Jahr 1563 montiert wurde.57 Auftraggeber war Christoph III. Scheurl (1535– 1592), das Pantherwappen seiner Familie wird durch einen Löwen auf dem Handstein gehalten. Das verwendete Material („handstein und stuffen“) hatte Scheurl geerbt, denn die Familie hielt – nicht ungewöhnlich für Patrizierfamilien aus Nürnberg und Augsburg – verschiedene Anteile an Bergwerken.58 Sein Vater, der Nürnberger Ratskonsulent Christoph II. Scheurl (1481–1542), übernahm die Materialien von seinem Vater Albrecht, der Geld an Kaiser Maximilian I. geliehen und dafür Anteile an den Erzgebirgen in Schlaggenwald, Sankt Joachimsthal und Annaberg erhalten hatte.59 Auch auf diesem Handstein findet man Figuren aus emailliertem Silber, die den Bergbau darstellen.60 Scheurl also nutzte das Artefakt, um über diese Form den familiären Anteil am Bergbau, seine Verbindungen zu den ergiebigen Montanrevieren im Erzgebirge sowie seine Kenntnisse der Montanwirtschaft auszustellen.

1.3 Die Sammler Das 16. Jahrhundert ist von einem zunehmenden Metallbedarf geprägt, das Berg- und Hüttenwesen stieg in Mitteleuropa nach der Landwirtschaft zum entscheidenden Wirtschaftszweig auf. Die Montanindustrie deckte den hohen Bedarf an Edelmetallen – sowohl für den sich ausweitenden Geld- und Warenhandel als auch für die vielen Kriegszüge (Rüstungen und Kanonen, die ab dem 14. Jahrhundert aufkamen).61 Hinzu traten neue Formen des Konsums, der sich in den Luxusgütern der adligen und reichen bürgerlichen Schichten spiegelte: Die Fertigung von feinen Silberwaren – zum Gebrauch in Form von Geschirren und Pokalen, zu Schmuck oder Kunstwerken – band ebenfalls große Mengen

Die Sammler I 57

an Edelmetallen. Bedeutend war neben dem Silber- auch der Kupferabbau – nicht allein für den europäischen Markt, sondern für den steigenden Bedarf des Fernhandels mit Indien. Mit dem Bergbau verbunden waren das Versprechen von hohen Gewinnen (sowie die Gefahren von hohen Verlusten) und neue Praktiken einer anteiligen Finanzierung in Form von Gewerkschaften über Kuxe, frühkapitalistische Wirtschaftsformen, die einen verstärkten Kapitalzufluss gewährleisteten.62 Ab 1500 kam es vielerorts zur Neuerschließung, aber auch zur Wiederaufnahme von Silber- und Kupferbergwerken. Um den gesteigerten Bedarf bei gleichzeitiger Verknappung der Ressourcen63 – die leicht zu erschließenden Lagerstätten waren schnell erschöpft – dennoch kostendeckend und gewinnbringend organisieren zu können, bedurfte es weitgreifender metallurgischer und betriebstechnischer Innovationen. Dazu zählten Maschinen, die das Einfahren in den Berg, die Belüftung der immer tiefer getriebenen Stollen sowie das Abführen des Wassers modernisierten. Zugleich wurden neue Verfahren innerhalb der Aufbereitung entwickelt, um aus den immer geringer ertragreichen Erzen die enthaltenen Edelmetalle auszuschmelzen (Saigerverfahren). Die Erschließung von neuen Lagerstätten sowie die genannten Modernisierungen im Hüttenwesen steigerten die Silberproduktion, die sich in der Zeit zwischen 1450 und 1540 verfünffachte.64 Reichtum und Verarmung einzelner Gebiete sowie die Entwicklung innovativer Wirtschaftszweige oder das Verharren in agrarischen Formen in bestimmten Territorien sind eng mit dem Vorkommen von Edelmetallen oder anderen nutzbaren Bodenschätzen verbunden. Nicht zu überschätzen ist die Rolle, die die Zugriffsmöglichkeiten auf Metallvorkommen für Dynastien und ihren Machtaufstieg spielten.65 Bedeutende mitteleuropäische Lagerstätten befanden sich im sächsischen und böhmischen Teil des Erzgebirges, in Schwaz in Tirol,66 im Mansfelder Land, am Rammelsberg bei Goslar im Harz, in Rauris und im Gasteiner Tal (Salzburger Land), in der niederungarischen Region um die Goldstadt Kremnitz, die Silberstadt Schemnitz und die Kupferstadt Neusohl, sowie im Lebertal in den Vogesen. Die maßgeblichen Landesherren, die im 16. Jahrhundert vom Abbau der Silbervorkommen innerhalb ihrer Territorien profitierten, waren damit die sächsischen Kurfürsten sowie das Haus Habsburg,67 das an den Tiroler Silbergruben ebenso beteiligt war wie am Abbau im böhmischen Teil des Erzgebirges und in der niederungarischen Bergbauregion;68 hinzu kamen die Erzbischöfe von Salzburg.69 Die genannten Landesherren hatten ein besonderes Interesse, die Montanwissenschaften in ihrem Herrschaftsbereich zu fördern, um die wirtschaftliche Prosperität zu gewährleisten und zu sichern.70 Vielfache Belege für metallogenetische Forschungen sind beispielsweise im Umfeld des sächsischen Hofes zu finden. So betont Georgius Agricola in seinem Widmungsbrief vom 18. März 1555 zur zweiten Auflage von De Ortu et Causis subterraneorum an Kurfürst August von Sachsen dessen besondere Hinwendung zur Montanwirtschaft: Sie [Agricolas Schriften zur Entstehung, Ursache, Eigenart der Stoffe und der Vorgänge im Innern der Erde] werden Euch – so hoffe ich – deshalb zu Danke und willkommen sein, weil Euch die Be-

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schäftigung mit dem Bergbau fesselt und viel Freude macht, weil Ihr in den Versuchen mit der Aufbereitung der Lagerstätten erfahren seid und weil die Bergwerke, zumal die Silberbergwerke, die Ihr besitzt, ertragreich sind und eine gute Ausbeute geben. Ihr werdet sie bei dem Eifer und dem Einfluss, den Ihr habt, für Euch und Euren Sohn noch viel ertragreicher machen.71

Der Silberreichtum von Sachsen, von Böhmen und Tirol spiegelt sich im Umfeld des Hofes, gehören doch die Kurfürsten von Sachsen, August und sein Nachfolger Christian I. (1560– 1591) sowie Erzherzog Ferdinand II. von Tirol (1529–1596) zu den bedeutendsten Sammlern der Frühen Neuzeit. Zu den Beständen ihrer Kunstkammern in Dresden und in Ambras zählten vielfältige Minerale, darunter auch Erzstufen und Handsteine.72 Berühmt ist der dritte, rot ausgeschlagene Kasten von Ferdinand II. in seinem Ambraser musaeum, in dem dessen Handsteine aufbewahrt wurden.73 Erzherzog Ferdinand II. von Tirol war der zweite Sohn von Ferdinand I. (1503–1564), König von Ungarn und Böhmen und Erzherzog von Österreich, und Bruder von Maximilian II. (1527–1576). Seit 1547 war er Statthalter in Böhmen74 und hatte damit direkten Zugriff auf die Silberbestände im südlichen Teil des Erzgebirges sowie (als Landesherr von Tirol) auf die Bergbaugebiete in Schwaz.75 In dem genannten dritten Kasten seiner Kunstkammer waren 41 Handsteine und weitere Erzstufen untergebracht.76 Doch ist die unfassbar hohe Anzahl an Mineralen, die sich in den Sammlungen in Dresden und Ambras befunden haben müssen, über die heute erhaltenen Belege kaum abzubilden. Eine Rekonstruktion der erhaltenen Bestände ist aber über die Inventare von Ambras, Dresden und München in Teilen möglich.77 Die erhaltenen Quellen sind in Dresden die Inventare der Silber- bzw. Schatzkammer von 1543–1546,78 nach dem 11. Februar 1586 (dem Tod von Kurfürst August) sowie die Inventare der Kunstkammer von 1587 und 1595 (Christian I.). Für die Ambraser Sammlungen das Inventar von 1544– 1547 und das Sammlungsinventar von 1596 (nach dem Tod von Ferdinand II.).79 Für München das Kunstkammerinventar von 1598, das Johann Baptist Fickler (1533–1610) im Auftrag von Maximilian I. erstellte. Das Dresdner Teilinventar der Silberkammer, das nach dem Tod von Kurfürst August von Sachsen am 11. Februar 1586 erstellt wurde, enthält vielfache Informationen über Minerale aus der Sammlung des sächsischen Hauses.80 In diesem Inventar, das die Neuzugänge der Silberkammer seit der letzten Bestandsaufnahme aufführt, sind Handsteine verzeichnet, womit sowohl reine Erzfunde, als auch artifiziell überformte Silbererzstufen bezeichnet wurden.81 Eine „neue schatz cammer“ wurde in der Folge im Erdgeschoss des Westflügels des Schlosses eingerichtet. Schon im April 1586 sind hierhin erste Ausstellungsstücke verbracht worden, vielleicht auch bald die Handsteine. Ein in dieser Zeit entstandenes Schatzkammerinventar mit 1144 Einträgen listet den Inhalt von dort aufgestellten sechs großen Schränken auf.82 Im ersten Schrank werden allein 55 Handsteine genannt, im zweiten Schrank befanden sich silberne Arbeiten, im dritten Schrank die Werke aus Bergkristall.83 Im vierten Schrank standen 350 Bernsteinobjekte, im fünften Schrank das „volgulden silbergeschirr“ mit 310 Objekten (darunter 140 Gefäße, viele davon figürliche

Die Sammler I 59

Trinkspiele, Kokosnuss- und Straußeneipokale) und im sechsten Schrank Silbergeschirr.84 Für den hier untersuchten Zusammenhang von besonderem Interesse ist die Beschreibung des „[...] sranck, darinnen die schonen ertzstufen stehen“.85 Das es sich dabei keineswegs um reine Minerale, sondern um künstlerisch überformte Handsteine handelt, erschließt sich über die beschreibenden Einträge. Da heute in Dresden nur noch ein Handstein mit einer Ölbergszene erhalten ist, sollen einige der Bestände ausführlicher aufgeführt werden, um einen Eindruck zu geben, was sich im 16. Jahrhundert in den dortigen Kunstsammlungen befand: −

ein Handstein mit einer Verkündigung unterhalb eines Samson, der die Tore von Gaza auf den Berg Hebron trägt: Offenbar war die Verkündigung in die Erzstufe eingearbeitet, der Samson (oder nur die Tore, die er trägt) jedoch aus Spießglas/Stibnit86 gefertigt; nicht deutlich wird aus der Beschreibung, ob die Stufe so gewachsen war, dass das Stibnit natürlich auf dem Silbererz steckte.87



Ein weiterer Handstein mit der Darstellung des Königs Salomon, der in einem „geheuß“ aus Spießglas/Stibnit sitzt.88



ein Handstein, in den offenbar mehrere Szenen aus der Passion Christi eingeschnitten waren und der oben von einer Darstellung der Justitia – die erneut aus Spießglas/Stibnit gefertigt war und als Attribute ein Schwert und eine Waage mit sich führte – bekrönt ist.89



ein Handstein mit der Kreuzigung Christi sowie zwei Löwen.90



ein Handstein, der wie ein Bergwerksmodell mit vielen Gängen und thurigen gestaltet ist und oben einen Kruzifixus trägt, der aus vergoldetem Silber besteht und aufgesetzt ist.91



ein Handstein, der mit vielen kleinen Bergmännern besetzt ist, und der oben die Darstellung der Justitia aus Spießglas/Stibnit trägt.92



ein Handstein mit Szenen aus der Passion Christi, auf dem oben die Darstellung der Justitia mit dem Attribut der Waage, aus Spießglas/Stibnit gefertigt, steht.93



ein Handstein, der die Darstellung der Geburt Christi trägt, mit einem aus Spießglas/Stibnit gefertigten Engel mit einem Zirkel (?).94



ein Handstein mit Szenen aus der Passion Christi, bekrönt von einem auferstehenden Christus, der ein Kreuz aus Gold trägt.95



ein sehr großer Handstein, der aus verschiedenen Erzen zusammengesetzt ist – also nicht aus einer einzigen großen Silbererzstufe besteht; er ruht zudem nicht auf einem silbernen, vergoldeten Fuß, sondern auf einem blau angemalten Holzfuß.96



vier Handsteine, die nicht aus einer Erzstufe bestehen, sondern aus Rotgültigerz/Pyrargyrit, gediegen Silber und anderen Erzen zusammengesetzt worden sind, und die auf runden, blau angemalten Holzfüßen aufliegen.97



ein Handstein auf einem niedrigen Fuß, der wie ein natürlicher Berg von Bergarbeitern mit Schubkarren und Trögen bevölkert ist und auf dem Häuser stehen, und der obenauf die Geburt Christi aus Glaserz/Akanthit trägt.98



ein Handstein mit einem Kruzifix.99

60 I Handsteine



zwei Handsteine, die aus Rotgültigerz/Pyrargyrit, Glaserz/Akanthit und gediegen Silber zusammengesetzt sind.100



ein Handstein mit Goliath aus Spießglas/Stibnit (wobei die Vermutung nahe liegt, dass ein dazu gehöriger David entweder fehlt, oder vom Inventarschreiber nicht gesehen oder genannt wurde).101



ein kleiner Handstein.102



neun zusammengesetzte Handsteine, die aus Rotgültigerz/Pyrargyrit, Glaserz/Akanthit und gediegen Silber zusammengesetzt sind.103



ein Handstein, der aus Silber und Korallen zusammengesetzt ist und an dem Natterzungen hängen.104



zwei Erzstufen, aus denen Korallenäste „hervorwachsen“.105



ein Handstein, zusammengesetzt aus Rotgültigerz/Pyrargyrit und gediegen Silber, auf dem oben ein goldenes Kreuz steht.106



ein Handstein, dessen runder hölzerner Fuß rundherum mit aus Seide gefertigtem Laubwerk geschmückt ist, und der auf vier gläsernen Knöpfen aufliegt.107



ein nicht gesockelter Handstein mit einem goldenen Kreuz und dem Namen Jesu.108



ein Bergmann, zusammen gesetzt aus Glaserz/Akanthit und gediegen Silber, der ein Schwert und eine Bergbarte in den Händen hält.109



eine goldene Stufe, auf der die Kreuzigung Christi zu sehen ist, mit einer Perle.110



ein silberner Baum mit Eidechsen.111



eine Stufe aus gediegen Silber.112



ein kleiner silberner Strauß.113



ein Holzkasten, in dem sich in achtundvierzig Fächern Erzstufen aus Rotgültigerz/ Pyrargyrit, Glaserz/Akanthit und gediegen Silber befinden.114



ein Kasten aus Horn mit Silberbeschlägen, in dem sich mehrere Erzstufen befinden.115



ein Schachtel aus Horn mit kleinen Erzfunden.116



im unteren Fach des Schrankes mehrere Handsteine und Erzstufen aus Rotgültigerz/Pyrargyrit, Glaserz/Akanthit und gediegen Silber.117



sechs Erzstufen aus reinem Gold.118



eine Erzstufe mit einem kleinen Bergmann aus Gold.119



ein großer Krötenstein.120



ein viereckiges, glattes Mineral, in das der Stempel mit dem Bild des Kurfürsten August geschlagen ist.121

Dieser Auszug beschreibt ein paar der Stücke, die zum Bestand der älteren Silberkammer gehörten und von denen einige von besonderem Interesse sind: Die „goldene Stufe, auf der die Kreuzigung Christi zu sehen ist“ ist heute noch erhalten (Abb. 11).122 Es handelt sich dabei um ein etwa walnussgroßes Stück gediegenen Goldes, das als Standfläche und damit Berg Golgatha für eine Kreuzigungsgruppe dient. Diese ist weiß emailliert, die in der Quelle genannte Perle aber fehlt. Ebenso interessant sind die Nennung des silbernen

Die Sammler I 61

11  Kleiner Kalvarienberg aus einer Goldstufe, Ende 16. Jahrhundert. Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. VI 8dd.

Baums mit Eidechsen sowie des kleinen silbernen Straußes. Möglicherweise handelt es sich hier um Naturabgüsse, wie sie vor allem aus dem Umfeld der Jamnitzer-Werkstatt in Nürnberg bekannt sind. Durch den Aufbewahrungskontext aber scheint es ebenso möglich, dass es sich hier um natürliche Funde gediegenen Silbers handelt, die in Strauch- oder ­Lockenform (haarig, Haarsilber) gewachsen waren und in ihrer Form an einen Strauch oder einen Baum erinnerten. So befand sich ehemals ein in Kreuzform gewachsenes Stück gediegenes Silber in der Kunstkammer, das heute zu den Beständen der Senckenberg ­Naturhistorischen Sammlungen Dresden (Museum für Mineralogie und Geologie) zählt (Abb. 12).123 Denn es ist bedeutsam, dass neben den künstlich überformten Handsteinen auch Minerale in ihrer natürlichen Form innerhalb des gleichen Sammlungskontexts aufbewahrt wurden. Möglicherweise, um Material für weitere Handsteine zur Verfügung zu haben, die bei Bedarf von Goldschmieden transformiert werden konnten; wahrschein­ licher aber ist, das die natürlichen Formen neben den künstlichen lagen, um im Gespräch in den Sammlungen den direkten Vergleich ziehen zu können. Auch das zuletzt aufgelis-

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12  Silbernes Kreuz aus natürlich gewachsenem gediegenem Silber. Fundort Schneeberg-Neustädtel, Bergkappe Fundgrube am Widdersberg, Erzgebirge. Dresden, Senckenberg Naturhistorische Sammlungen, Inv.-Nr. Min 7657 Sa.

tete viereckige Mineral, in das ein Stempel mit dem Bild des Kurfürsten August geschlagen ist, verweist eindrücklich auf den Materialdiskurs, der in diesem Teil der Sammlung über die Objekte geführt wurde: es handelt sich um natürliches reines Silber, das geprägt und damit auch ausgemünzt werden konnte. Wahrscheinlich wurde hier ein Münzstempel verwendet, der das Bildnis des Landesfürsten trägt; die Zentralisierung der sächsischen Münzprägung seit 1556 in der Münzstätte Dresden mit der Nähe zum Hof stützt diese Vermutung. Noch heute ist in der Dresdner Sammlung eine handgroße Stufe aus Hornerz (Chlorsilber, das 75 % reinen Silberanteil hat) erhalten, die um 1536 in St. Annaberg in der Grube Himmlisches Heer gefunden wurde; in das weiche bräunliche Material wurden Münzen eingedrückt – erneut, um seine „Prägefähigkeit“ vor der Verhüttung zu beweisen.124 So wird über das Material auf einen verbreiteten Topos verwiesen, der darauf zielt, die Reinheit der Silbererze im Gebiet des sächsischen Territoriums zu behaupten: Das gefundene Material sei so hochwertig, dass man es ohne Verhüttung sofort ausmünzen oder von einem Goldschmied weiterverarbeiten lassen könnte. Diese Behauptung wird hier am Material selbst vorgeführt und damit verifiziert – sowohl in den Handsteinen als auch in dem geprägten natürlichen Material. Die Dresdner Kunstkammer wurde (um) 1560 durch Kurfürst August im zweiten Obergeschoss des Residenzschlosses in sieben Zimmern eingerichtet.125 Im Jahr 1587 ließ sein Nachfolger Christian I. ein erstes Inventar der dort versammelten Dinge erstellen.126 Im

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Inventar der Dresdner Kunstkammer von 1595 finden sich Berichte zu Handsteinen auf fol. 17r127 sowie auf den foll. 302r-305v,128 wo die Neuzugänge aufgelistet sind. Die Einträge betonen erneut den Reichtum der Sammlung – wie auch den stetigen Zuwachs an Werken. Hervorzuheben ist vor allem ein Handstein auf fol. 302r (602): 1 Große Ertzstuffen von allerley schönen Ertzen auf einem geuirten grünen fuß, auf der Stuffen sind vier geschnitzte Holzern Bildtnuß, bedeuten die 4. Element, sambt anders zum Bergwerke gehörigen wergken und dersalbers Befehlenden Bergk beamten und arbeitern. Desgleichen auf dieser stufen die 7. Planeten mit einer ieden Metals bedeutung, oben auf die heilige Dreyfaltigkeit als erschaffer aller gewechse, sambt einem gemahleten geheuse hat Daniell Fischer machen lassen.129

Dieser Handstein ist deshalb so bemerkenswert, da hier weder historische Ereignisse noch biblische Historien dargestellt werden. In das Material wurden vielmehr metallogenetische Vorstellungen eingearbeitet, in Form der vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft, aus deren Mischungen sich der antiken und auch noch im 16. Jahrhundert gültigen Vorstellung nach der Urstoff der Metalle bildete.130 In diesen ens primum, auch nobilis succus, materia prima oder Ghur (vgl. Kapitel 1.7 zu den metallogenetischen Vorstellungen) gab ein formgebender Wirker Impulse, die zur Ausbildung der unterschiedlichen Metalle führten. Die Frühe Neuzeit unterschied sieben Metalle und die im Handstein dargestellten sieben Planeten wurden als Ursache dieser Metalle angesehen – Material, künstlerische Transformation und metallogenetisches Wissen fallen also in diesem Werk zusammen. Ein zweiter in dem Verzeichnis beschriebener Handstein verweist über das Material auf das Territorium – versammelte er doch 120 Erzarten aus den Bergstädten des Kurfürstentums.131 Dieser Aspekt ist von hoher Relevanz, da durch die Minerale in den Kunst­kammern der Reichtum des Herrschaftsbereiches am Hof sichtbar gemacht wurde – die Handsteine bestehen aus den eigenen Silbererzen und ein Handstein, der bewusst die Vielzahl der vorhandenen Erzarten ausstellt, betonte diesen Aspekt noch zusätzlich. Ebenso finden sich innerhalb des Inventars vielfach Hinweise auf frühneuzeitliche Geschenk­ praktiken: 1 Große Ertzstuffe auff einem kupffern versilberten und vorgüldtem Baßigtem fuße, ist Churfürst Christians zu Sachsen und derosolben gemahlin zum nawen Jahr vorehret worden Anno 1589.132 1 Ertzstufe [auf einem grün angestrichenem fuße ...] ist churfurst Christian zu Sachßen p vom bergkmeister ufn Schnöberge vorehret worden, den 25. martii anno 91.133

Bei dem ersten Eintrag scheint es sich um ein Geschenk von einem anderen Fürstenhaus zu handeln; aus dem zweiten Eintrag aber wird eine weitverbreitete Praxis ersichtlich – die Gabe eines hochstehenden Bergbauverwalters an seinen Landesherren.134

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Auch aus dem Umfeld des Hauses Habsburg haben sich vielfältige Nachrichten über Handsteine erhalten, schon im Inventar der kaiserlichen Eigentümer, die der Kammerdiener Leopold Heyperger in Verwahrung hatte und das in Wien am 27. 12. 1544 begonnen wurde und bis 1547 die Besitztümer erschloss, finden sich unter dem Buchstaben O Einträge solcher Werke:135 Ain handstain von gold sambt dem kisz, so bischoff zu Vesperin khgl. maj. etc. verert. In ainem truchl ain zusamengeseczter schöner handstain mit silber und ander allerlai ärzt, mit perkhmänndlien und hüttlein von silber geziert. Ain grosser zusamengeseczter handstain von silbren stueffen auch rot gulden glasz und andern manicherlai ärzten, mit perkhmanndlein und prenhütten von silber geziert.136

Im ersten Eintrag findet sich erneut der Verweis, dass es sich um ein Geschenk an den Wiener Hof handelte; bei dem zweiten und dritten Eintrag ist auffällig, wie deutlich die Bergbauthematiken (Bergmänner und Brennhütten) in der Beschreibung hervorgehoben wurden. Das Inventar der Kunstsammlung in Ambras, das nach dem Tod von Erzherzog Ferdinand II. am 25. Januar 1595 erstellt wurde, nennt ebenfalls viele Minerale.137 Die Sammlungen befanden sich in achtzehn mit unterschiedlichen Farben ausgemalten Schränken und waren nach Materialien geordnet. Der erste, blaue Kasten enthielt Objekte aus Gold oder Kristall, darunter die Saliera von Benvenuto Cellini (1500–1571); der zweite, grüne Kasten silberne Objekte, und im oben schon genannten dritten Kasten, der rot gestaltet war, wurden die Handsteine aufbewahrt. Schon diese Reihung bezeugt den hohen Wert und Status, den die Handsteine hatten.138 Aber nicht nur in dem großen Kunstkammerraum fanden sich Handsteine und Minerale, auch an anderen Orten der Sammlung konnten diese Objekte betrachtet werden.139 Der Bestand der Kunstkammer wird in dem Inventar von 1596 ab fol. 347r beschrieben, ab fol. 363v folgt die Auflistung der Handsteine im dritten roten Kasten.140 Bemerkenswert ist gleich der erste Eintrag, wird dort doch minutiös ein nicht erhaltener Handstein beschrieben, der insgesamt 69 Tiere trug.141 Zu den im Inventar genannten Objekten, die erhalten und heute im Wiener Kunsthistorischen Museum aufbewahrt werden, zählten unter anderem der Tischbrunnen in Handsteinform (Nr. 10, KK_4161): Ain schöner grosser handstain, darauf die histori Davidt mit Persabe herrlich schön von fügurn geziert, alle von glaszärzt geschnütten, steet auf ainem silbern vergulten fuez; darzue gehört ain silbers vergults peckh, zu ainem prunnen gericht.

oder der berühmte Handstein mit der Schlacht von Pavia von 1525, hier Nr. 8, KK_4148:

Die Sammler I 65

Mer ain schöner geschnitner handstain wie ain perg von glaszärzt, daran ain kaiserliche fügur mit seinem scepter und cron auf dem kopf und ain kinigliche person, vor dem kaiser kniend, oben an dem perg daz kaiserliche wappen mit den zwo seilen, steet auf ainem silbern ganz vergulten ­fuesz, daran das kaiserlich, Beheimisch, Vnngrisch und Tirolisch wappen geschmelzt, auf der andern seiten die urstend Cristi von geschnitnem glasärzt.142

Beschrieben werden zudem auch die Handsteine mit christlichen Szenen und Bergarbeiten, so (fol. 367r): Mer ain ganzer von digen silber handstain, oben darauf ain silbern vergults crucifix, darauf sein zwai artzgrueben, versilbert und vergult, sambt ainem haspl und etliche fügurn von knappen, steet auf ainem hülzen plau angestrichnen vergulten fuesz.143

oder auch Aber ain handstain, obenauf von glaszärzt, darinnen ist geschnitten Cristus am creiz, darunder zwei Mariabilder und sanct Johannes, auf der andern seiten die aufersteeung Cristi sambt den kriegsknechten von füguren geschniten, herunden ist der handstain von ganz gedignem silber- und rot gulden ärzt, darbei sein zwai vergulte ärztheüsl und grueben, steet auf ainem silber vergulten fuesz.144

und ebenso (fol. 367v) Mer ain handstain, obenauf steet ain perg von rot gulden ärzt, herunden ist der handstain von gedignem silberärzt, unden steet Cristus und neben ime laint ain vergults creiz, in der rechten hand hat er gaisl und rueten, neben ime ain vergulter kelch, auf der andern seiten ist die aufersteeung Cristi, auch in glasärzt geschniten; an solchem handstain sein etliche fügurn von knappen, darinnen vergulte knappenheüser, stet auf aim silber und vergulten fuesz.145

Die hier aufgeführten Einträge bezeugen, dass die Ikonographien der Handsteine auch für die zeitgenössischen Betrachter gut zu entschlüsseln waren und offenbar als so signifikant angesehen wurden, dass sie die Schreiber der Inventare aufführten. Auch die besondere Aufmerksamkeit für das Material der Handsteine wird an unterschiedlichen Stellen in den Beschreibungen ersichtlich, so (fol. 369r): Ain handstain, oben darauf ain crucifix von glaszärzt geschniten. die fügur daran weisz geschmelzt, darunder die aufersteeung Cristi, das grab von glasärzt, die fügurn von schmelzwerch; das ander ist von gewaxnem silber, rot gulden und glaszärzt, steet auf ainem silbern vergulten füssel.146

Hier wird mit dem Begriff Handstein das gesamte Gebilde gekennzeichnet, der beschreibende Verfasser des Inventars ist in der Lage, darauf sehr viele unterschiedliche ­Materialien zu iden-

66 I Handsteine

tifizieren. Er benennt die Erzstufe, aus der der gekreuzigte Christus geschnitten wurde als „Glaserz“ und spezifiziert zudem, dass die Figur noch weißlich geschmolzen wurde; darunter befindet sich eine Auferstehungsszene, bei der das Grab aus einer natürlichen Stufe Glaserz geschaffen wurde, die dazugehörigen Figuren aber für den Schreiber deutlich erkennbar aus geschmolzenem Silber bestehen. Der Rest des Handsteins – damit ist sehr wahrscheinlich der Berg an sich gemeint – wurde aus verschiedenen Mineralen zusammengesetzt, von denen gesondert gewachsenes Silber (in Haar- oder Lockenform), Rotguldenerz und Glaserz genannt werden (zur genauen Identifizierung dieser Metalle vgl. Kapitel 1.5). Interessant sind die Einträge, in denen auf die Montanregion verwiesen ist, aus dem die Stufe entstammt, die aber selten sind: Ain Schwaczerischer handstain von eingesprengtem plei, steet oben drauf ain schlosz von pain, auf ainem hülzen fuesz, plau angestrichen, steend.147

Aus diesem Eintrag geht hervor, dass es sich um einen Handstein aus dem Bergbaugebiet um Schwaz handelt – was die Frage aufwirft, ob diese Nennung bedeutet, dass die Herkunft aus Schwaz besonders ist, weil die restlichen Handsteine aus dem böhmischen Erzgebirge – hier möglicherweise vor allem aus Sankt Joachimsthal – stammen (vgl. Kapitel 1.5 und 1.6). Ebenso interessant ist der explizite Verweis auf andere Materialien als Silbererz: auch diese Beispiele sind sehr selten und scheinen anzuzeigen, dass die meisten der Handsteine – wie es sowohl über die erhaltenen Exemplare als auch über die Einträge in den Inventaren zu erschließen ist – aus Silbererzstufen bestehen und andere Materialien eine bemerkenswerte Ausnahme bildeten: Aber ain handstain von eisenplie, so gar schneeweisz, steet auf aim dreieggeten vergulten fuesz, unden sein drei englsköpf, drauf ein crucifix sambt dem Mariabild und Johannes, alles von lauter gold.148

Auch im Inventar der Münchner Kunstkammer, das von Johann Baptist Fickler 1598 im Auftrag des bayerischen Herzogs Maximilian I. (1573–1651) erstellt worden war, finden sich vielfache Hinweise auf Handsteine.149 Die im Jahr 1565 von Albrecht V. (1528–1579) angelegte und durch Wilhelm V. (1548–1626) fortgeführte Sammlung befand sich im zweiten Stock des ab 1563 neuerrichteten Marstall- und Kunstkammergebäudes der herzoglichen Residenz in München und war mit dieser durch einen Hofgang verbunden.150 Auf die Auflistung des Inhalts eines Bücherkastens folgt die Beschreibung eines aschenfarbenen Sammlungsmöbels mit 74 Schubladen, in dem die Graphiksammlung verwahrt wurde. Danach schreibt Fickler: −

122 (120): Auf disem langen Casten, ist ein verglaster Castn, darin ein Landtschafft mit einem gebürg von holz, und ainem andern berg von berchwerckh, und handtstainen, darauf ein schloß oder Vestung gebawt, entzwischen ein See darauf man mit schiffen fehrt, darauß auch ein waßer fleußt herab umb den yezgenanten Schloßberg, dise ganze Landtschafft mit Chorallenzinggen ubersetzt, darzwischen allerly Thür von Corallen.151

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123 (121): An ieztbemellten Castn, steht ain hohes clains kästl auf der erden, mit ainem stuck Perckhwerch, daran alle arbeit so am berckwerch verricht wirdt, mit allerlay gueten handstainen auf einem hülzenen außgeschnittenen vergulltem fueß.152

Es folgen ein merkwürdig gewachsenes Geweih, eine besonders gemusterte Marmortafel sowie ein Spiegel aus Bergkristall und ein aus Holz geschnitzter Totenkopf. Die Beschreibung der folgenden Nummer 129  – der Schädel von einem Wild, durch das ein Stück Tannen­holz gewachsen ist – macht den Kontext dieses Teils der Sammlungstücke deutlich: [...] also, das das oberthail des holz von der feuchtigkait deßen darinnen gewesten hirns dickher worden, als das under so am ersten dardurch geht, und an im selbs der natur nach clainer und geschmeidiger ist, weder das ober, gleichsam wie ein Miraculum Naturae.153

Der starke montanwissenschaftliche Bezug, den die Stücke in Ambras und Dresden haben, wird damit in München nicht sichtbar, vielmehr scheinen die dortigen Handsteine Teil einer Versammlung von besonderen und merkwürdigen Dingen. Doch gibt es noch weitere Nennungen von künstlerisch überformten Erzstufen in anderen Teilen der Münchner Sammlung, nur einige besondere Funde sollen hier aufgeführt werden:154 An den Egckpfeilern zwischen zwayen Fenster steht Auf einem hochen hülzern Posament ein Berckhwerckh von handstainen, mit dem Crucifix Christi, zwen Schachern, unsern lieben Frawen, St. Johanns und Maria Magdalena, das bildtwerckh auf, und under den Creuzen silberin, zum thail vergult, der Berg ist mit goßnem Kreutlwerckh besteckt, alles von Herzog Ferdinands in Bayrn etc. handt gemacht, und mit einem schwarz seyden gestrichelten Tuech bedeckht.155

Nicht nur wird hier ein Bergwerk genannt, das aus Erzstufen gebildet und offenbar mit haarig gewachsenem Silber (so ist wohl „Kreutlewerckh“ zu deuten) bestanden ist; von größter Bedeutung ist zudem der Hinweis, dass dieses Stück von Ferdinand von Bayern selbst gefertigt wurde und somit der einzige aus den Quellen zu erschließende Handstein ist, den ein Adliger schuf. Vergleichbar dem in Dresden genannten Handstein, der über die Elemente und die sieben Planeten metallogenetische Themen aufgreift, ist ein weiteres Exemplar: Auf bemelten langleten Kastn, stehn 5 clainer Kästl, darinnern auch allerlay obgedachter berckhwerkch, auf gedräten runden füeßlen, deren aller an der anzal 21 sein, darunder auch geraitt, die 7 Planeten in Glaßärz geschnitten, auf hochem Messingen vergulten füeßlen.156

Erneut werden hier direkt auf einem Handstein die sieben Planeten dargestellt, die dem zeitgenössischen Verständnis nach für die Erschaffung der sieben bekannten Metalle verantwortlich sind – wobei das Silber dem Mond entspricht. Ein Handstein, der auf seine Herkunft verweist, findet sich ebenfalls:

68 I Handsteine

Mehr in einem blaw angestrichnen gstätele, ligt ein schöner handstain von dignem Silber, Christall und anderm Erz, welcher handstain im Jar 1583 auf dem Uderweisischen Berckhwerkch gebrochen worden, wie auf dem gestättele verzaichnet.157

Offenbar ist hier kein künstlerisch umformtes Gebilde bezeichnet, sondern eine natürlich gewachsene Erzstufe, die in einem Stück in einem heute nicht näher zu verortenden Bergwerk aufgefunden und in die fürstliche Sammlung überführt worden war.158 Auf dem vierzigsten Tisch befindet sich mit der Nr. 2069 (1971): Diese Dafl ist mit allerlay großen und clainen handstainen und stainen gewechs uberlegt, under welchem in ainem hochen runden fueteral ein Berckhwerckh von allerlay handtstainen, darauf ein Schloß, von versilbert- und vergultem Meißng, umb den berg herumb ist allerlay arbeit, zu dem Berckhwerckh gehörig, gemacht, und für augen gestellt, und steht diß Berckhwerckh auf 3 von Metall gegoßnen und vergulten nackhenden Khindlein.159

Dieses Artefakt ist ein Handstein, der wie die Beispiele in Dresden und Ambras das Thema des Bergwerks aufgreift; auf dem einundvierzigsten Tisch steht ein weiteres Beispiel unter vielen: In einem clainern hochen Kästl, auch mit grüenem Sammat gefüetert, und schwarz von goldt gestempfftem leder uberzogen, Ein berckhwerckhl von silber und rotem goltärz zusamen gemacht, zu obrist darauf die Auferstehung Christi, in glaßärz geschnitten, umb und umbher allerlay berckharbeit formiert, alles auf einem hochen silberen vergulten fueß mit eingeschmelzten figürlen.160

Der vierzigste wie auch der einundvierzigste Tisch sind voller künstlerisch überformter Handsteine.161 Besonders interessant sind diejenigen Objekte, die als Geschenke in die Sammlung kamen, darunter Nr. 2120 (2013): In einem hochen hülzen Castn, inwendig mit grüenem Sammat gefuetert, außwendig mit schwarzem leder uberzogen, und verzintem eysenwerckh beschlagen, ein berckhwerckh von gueten handstainen, umb und umb mit gewechs von dignem silber und rotem goldärz besezt, auf einem hochem silbernen vergulten fueß, welcher unden herumb mit hantstainen und silberkiß belegt, darauf vergulte heußle, disch, Leuth und Thier, auch silbergewechs, darumbher etliche Conterfetische brustbilder, in glaßärz geschnitten, welches stuckh Erzherzog Carl von Össterreich hergeschenckht.162

und Nr. 2121 (2014): Mehr ein gleichformiger hocher Kastn, darinen ein ander Berckhwerck, auch auf einem hochen, silberen vergulten fueß von getribner arbeit, darauf das Sächsisch, Schwedisch, Norttwegisch und

Die Sammler I 69

Dennmarckhisch wappen, umb disen berg sein etliche Evangelische figurn, und oben her, darauf ein hoch geheuß, darunder die erschaffung des ersten Menschen, und geburt Christi, und ander vil mehr bildtwerckh, alles in Glaßärz geschnitten, welches Herzog Augustus Churfürst zu Sachsen hergeschenckht.163

und Nr. 2131 (2034): Volgt ain ander hülzen fueteral, mit rot angestrichen, darinen ein hol berckhwerckhl, auf einem Kupffer und vergulten fueß, darinen die Berckharbeit, oben auf der Ritter St. Geörg, ober demselbigen das Creuz Christi, darvor khniet der herr von Rosenberg, welcher diß stückhel zu der F. Kunstcamer geben.164

Bei dem hier genannten Herren von Rosenberg könnte es sich um Wilhelm von Rosenberg (1523–1592) handeln, der seit 1560 Oberstlandeskämmerer, seit 1570 Oberster Burggraf von Böhmen war, was erneut auf die Herkunft der Handsteine aus dem Erzgebirge verwiese – hinzu kommt, dass sich von Rosenberg (wie viele Adlige der Zeit) für alchemisches Wissen interessierte und mit dem Mineralogen Anselmus de Boodt (1550–1632) in Kontakt stand.165 Der durch das Inventar aufgezeigte Reichtum an Handsteinen innerhalb der Münchner Sammlung – von denen kein einziger erhalten zu sein scheint – ist bemerkenswert. Hatten doch die bayerischen Herzöge keine nennenswerten Silberbergwerke im eigenen Land, von denen sie das benötigte Material beziehen konnten. Bei den drei genannten Handsteinen, bei denen die Herkunft vermerkt ist, wird erkennbar, dass sie als Geschenke aus dem böhmischen Herrschaftsbereich, über das Haus Habsburg und über Sachsen nach München kamen: alles drei Gebiete, die über große Vorkommen an Silber verfügten.166 Möglicherweise ist davon abzuleiten, dass auch die anderen Münchner Handsteine aus diesen drei Quellen stammen; dies lässt sich aber nicht beweisen. Ein interessantes Beispiel aber beleuchtet die Schwierigkeiten, die Wilhelm V. hatte, um in großer Zahl an Erzstufen zu gelangen. Als Erbprinz ließ er sich in Landshut einen „neuen Lustund Irrgarten“ erbauen.167 Dieses anspruchsvolle Gartenprojekt orientierte sich an dem Wiener Fasanengarten von Kaiser Maximilian II. und den neuen Gärten in Schloss Ambras. Zur geplanten Anlage gehörte auch ein Lustbrunnen, für den Wilhelm V. seit Frühjahr 1575 versuchte, „Berggewächse, handsteine zum vorhabenden Lustprunnenwerckh“ ankaufen zu lassen. Am 25. August 1575 schrieb Cyriach Heidenreich von Pidenegg aus Innsbruck an den Erbprinzen: [...] vernomben, waß E. F. G. mir, von wegen bestellung, und überschickung ainer Antzal allerhant schöner geferbten Perckgewächsen, hantstainen, und stainwerchen, zu E. G. gnaden vorhabendem lustprunnenwerch geht Lantzhuet genedickhlich auferlegen, und bevelchen. [...] So will ich angeregte bestellung, pesstangelegen vleiß, bei dem perckhwerch zu Schwatz, und andern perchwerchen thuen.168

70 I Handsteine

Wie schwierig sich der Ankauf gestaltete, erhellt ein Schreiben von Paulus Herwart aus Augsburg an Herzog Wilhelm V. vom 21. September 1575: [...] bevelch von wegen schöner hanndstain, darauf das goldt auch silber scheindt und zusehen ist, hab ich mein nachfrag gehabt. Kann aber [...] nichts erfahren, und so ich gleich etwas mit lannger hanndt bekomen mechte, würden es doch nur klaine stüeffl sein, und von kainem ansehen. Werden auch gar theuer geachtet, und ain Rörpronnen daraus zumachen, ain große Summa gelts anlauffen.169

Aus diesem Briefwechsel geht hervor, dass der Herzog auf dem freien Markt kaum an das gewünschte Material herankam, offenbar war die Verfügbarkeit dieser Stücke sehr beschränkt. Dies ist besonders aufschlussreich, war es doch eine der Aufgaben von Grotten innerhalb der frühneuzeitlichen Gartenanlagen, über das dort verwendete Material auf den Reichtum des Territoriums zu verweisen.170 Die Absenz von Handsteinen im Garten von Landshut nun belegt eindrucksvoll das Nichtvorhandensein von reichhaltigen Silber­ erzen im Herrschaftsgebiet von Wilhelm V.171 Ein Brief von Ferdinand II. aus Innsbruck an einen böhmischen Bergrichter aus dem Jahr 1574 unterstreicht das besondere Interesse des Erzherzogs an sonderbar geformten Erzstufen, sein Wissen über deren Vorhandensein in der böhmischen Montanregion sowie seine Zugriffsmöglichkeiten auf das seltene und gesuchte Material: Ihr sollt uns schicken, was ihr von ebenmäßigen schönen zierlichen handsteinen, es sei von gediegenem silber, rotguldenerz, auch von allerlei farben, schön wunderbarlichen artigen gezierten gewäxen und gebirgen und was sonst disfalls von seltsamen handsteinen bei diesem bergwerk gebrochen wird, dieweil wir zu solchen und dergleichen handsteinen eine sonder lust und begierd haben.172

Auch sein Bruder, Kaiser Maximilian II., schrieb im Jahr 1575 aus Regensburg an die Böhmische Kammer: „Wir sein schöner handstein bedürftig, die wir unserem freundlichen lieben Vettern und fürsten Wilhelm pfalzgraven bei Rein173 [...] zu verehren vorhabens sein.“ Der Kaiser wünscht, dass nach Sankt Joachimsthal, Kuttenberg und Schlaggenwald geschrieben werde, damit rasch schöne Stücke für diesen Zweck übersandt würden.174 All dies legt die Vermutung nahe, dass die Sammlungsbestände aus Dresden und aus Ambras sich aus den direkten Zugriffsmöglichkeiten von Ferdinand II. sowie von August und Christian I. von Sachsen auf die Silberbestände des Erzgebirges speisten – und dass die Bestände in München als Geschenke aus diesen Regionen an die Wittelsbacher angesehen werden können.175 Diese Praxis wird durch das Geschenk eines Handsteins des sächsischen Kurfürsten Moritz von Sachsen (1521–1553, ab 1547 Kurfürst) auf dem Reichstag von Regensburg im Jahr 1546 an Kaiser Karl V. (1500–1558) bestätigt. Der Handstein trug das Bildnis seines Onkels, Herzog Georg den Bärtigen (1471–1539), und Moritz konnte durch diese ­Schenkung

Die Sammler I 71

13  Eyn Silbernn vergulter Kopff mitt silbern vnd vergultenn Ertze. Hallesches Heiltum, um 1526. 6. Gang, Reliquiar Nr. 218, Aschaffenburg, Hofbibliothek, Ms. 14, fol. 281v.

den dynastischen Rückbezog auf die albertinische  – und damit katholisch-kaisertreue  – ­Linie des sächsischen Hauses betonen, zugleich aber auch den Silberreichtum (und damit implizit die wirtschaftlich/militärische Stärke) des Territoriums unterstreichen.176 Abschließend sei erwähnt, dass sich auch außerhalb der großen fürstlichen Sammlungen in München, Ambras und Dresden zumindest ein Handstein, wahrscheinlich sogar zwei, in einer interessanten Quelle nachweisen lassen: Die in der Hofbibliothek Aschaffenburg verwahrte Bilderhandschrift der Reliquien des Stifts Halle (Ms. 14) protokolliert die Sammlung, die Kardinal Albrecht von Brandenburg (1490–1545) in das von ihm neugegründete Stift im Jahr 1520 überführen lies. In dem um 1526 entstandenen Pergamentcodex werden in ganzseitigen farbigen Federzeichnungen die Kirchenschätze abgebildet und beschrieben. Im Zweiten Gang findet sich „eyne vorclerunge Christi vonn Silber vnnd Silbernn Ertze“, über die Zeichnung wird ersichtlich, dass es sich bei dem genannten Objekt um einen Handstein handelt.177 Im 6. Gang der Weisung wird eine Art Pokal gezeigt, in dessen gebuckelter Cuppa sich eine Bergwerksszene befindet (Abb. 13).178 Die Beschrei-

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bung nennt einen „silbernn vergulter Kopff mitt silbern vnd vergultenn Ertze“, die farbige Zeichnung zeigt, dass die Cuppawand, die Bergarbeiter und ihre Standfläche in Form eines felsigen Grundes aus vergoldetem Silber gearbeitet wurden.179 Farblich deutlich davon geschieden sind die Bodenschätze, die sie abbauen: Ein Mineral, das Gold, Silber sowie weißen Quarz enthält und zwei Haufen, die wahrscheinlich aus gediegenem Silber (Haarsilber) gebildet wurden, das durch Korrosion dunkel geworden ist. Diese „Ressourcen“ werden durch Knappen abgebaut, ein Motiv, das auch die erhaltenen Handsteine in Dresden und Wien überliefern. Woher die beiden Stücke in Halle stammen, ist nicht zu rekonstruieren, aber über diese Quelle sind schon vor 1526 überformte Silbererzstufen und Bergwerksthematiken in Verbindung mit Mineralen nachzuweisen. Die Handsteine wurden zu besonderen Anlässen aus den nur einem kleinen Kreis zugänglichen Sammlungen entnommen und im Umfeld des Herrschers öffentlich inszeniert. Mehrere Quellen sind erhalten, die das Mitführen von Handsteinen bei höfischen Festen und Umzügen im Rahmen von Bergparaden und ähnlichen Aufzügen im Herzogtum Sachsen überliefern.180 So führte Kurfürst August von Sachsen 1574 beim Fastnachtsringreiten eine erste verbürgte bergmännische Invention auf. Er präsentierte sich als Merkur, Gott der Metalle und Schutzherr des Bergbaus, und trat innerhalb einer Gruppe von Bergleuten, Hüttenarbeitern und Münzern auf. Damit betonte er sowohl sein landesherrliches Anrecht auf die aus dem Berg- und Münzregal erwachsenen Einnahmen, als auch seine Oberhoheit und Aufsichtspflicht über das gesamte Hüttenwesen. Im Zug wurden Blicksilber und Blickkupfer (also besonders schöne Metallstufen) mitgeführt, die deutlich auf die Potenz der sächsischen Montanindustrie verwiesen.181 Sein Nachfolger Kurfürst Christian I. erweiterte die Merkur-Invention 1591 durch mehrere Wagen, die im dreizehnten Part des Zuges ein Schmelzofenmodell sowie Schaubergwerke vorführten. In den erhaltenen Zeichnungen von Daniel Bretschneider dem Älteren (um 1550–nach 1625), die den Zug protokollieren, tragen Bergleute zwei ungefasste Erze vor und hinter einem besonders prächtigen Handstein, als Schirmherren dieser Invention ritten Kurfürst Christian I. von Sachsen, Christian von Anhalt sowie der Oberhauptmann der Erzgebirge, Heinrich von Schönberg, und der kursächsische Berghauptmann Christoph von Schönberg voran.182 Der feuerspeiende Schmelzofenwagen mit Merkur verwies auf die technischen Innovationen und die Leistungsfähigkeit der Montanindustrie, ebenso wie ein Schlitten, auf dem Bergleute mit Schlägel und Eisen ein Bergwerk bevölkern. Eröffnet wurde dieser Teil des Umzugs durch Johann Georg von Osterhausen und Stellanus von Holtzendorf, die in Bergmannstracht vor einem Zug von Bergmännern ritten, die große Erzstufen in Mulden mit sich führten (Abb. 14). Die sächsischen Herrscher nutzten diese festlichen Inszenierungen auch, um den Rohstoffreichtum ihres Landes für die politische Kommunikation zu instrumentalisieren. Traten andere Fürsten in der Rolle des Mars oder Herkules auf, um ihre kriegerische Macht und Stärke zu betonen, oder konnte Andrea Doria (1466–1560) als Neptun die Seemacht Genuas verkörpern, so waren die sächsischen Herzöge die Herren über das Silber und

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14  Szenen aus dem Ringk-Rennen von 1591 mit Handsteinen, Merkur auf einem Schmelzofen und der Darstellung eines Bergwerks. Daniel Bretschneider d. Ä., Zeichnungen des Ringk-Rennen, 1591. Dresden, SLUB, Mscr. Dresd. J.9., Abb. 28, 29, 30, 31, 32.

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andere Metalle und konnten deshalb die Rolle des Merkur annehmen. Aus vergleichbaren Gründen wurden Handsteine und Erzstufen zum Willkommen eingesetzt; so ist überliefert, dass anlässlich des gemeinsamen Besuchs von Kurfürst August von Sachsen und dem Herzog Albrecht V. von Bayern in der sächsischen Bergstadt Freiberg die Bevölkerung „all in weißen wüllenen Hembden / Bergkappen und Nelkenkräntzen auf den Häuptern / in der linken Hand brennende Grubenlichter / und auf den Achseln jeder einen Trog Erz haltend“ zur Begrüßung antraten.183 Hof, Herrscher und Ressourcen des Landes verschmolzen so in der Wahrnehmung der Besucher:innen und Gäste zu einer Einheit.

1.4 Die Ikonographie „Bergwerk“ Die Handsteine mit den Erz abbauenden Bergknappen sind bedeutende frühe Beispiele für Industriedarstellungen und für die Entwicklung technischer ikonographischer Formulare.184 Die um die Mitte des 16. Jahrhunderts erscheinenden Publikationen zum Verhüttungswesen und zur Montanindustrie liefern eine Fülle solcher Abbildungen. An erster Stelle zu nennen – aufgrund des Umfangs der Illustrationen – sind hier Georgius Agricolas postum erschienene De re metallica libri XII.185 Diese Publikation enthält 292 Holzschnitte, auf die er selbst als zusätzliches Medium der Erklärung in seinem Titel verweist und von denen einige wohl auf eigenhändigen Skizzen basieren, die Agricola bei Hüttenbesuchen anfertigte.186 Die meisten aber stammen von Basilius Wefring – den Kontakt zu diesem aus Annaberg stammenden, in Sankt Joachimsthal tätigen Zeichner stellte der dortige Prediger und Mineraloge Johannes Mathesius her.187 Die Illustrationen dokumentieren den Stand des Bergbaus, der Aufbereitungs- und Hüttentechnik im 16. Jahrhundert eindrucksvoll und zeigen die Bergbauikonographie voll ausgebildet; so beispielsweise auf der Tafel auf Seite 74, wo die unterschiedlichen Gänge (puteus) und Schächte (cuniculus) sowie ein Mundloch (os cuniculi) dargestellt und durch Buchstaben über eine das Bild ­begleitende Legende mit ihren lateinischen Fachwörtern verbunden sind (Abb. 15). Dargestellt werden Grundrisse und geometrische Figuren, Messinstrumente und Werkzeuge, Formen von ­Mineral- und Erzgängen, Grubenbauten, Aufbereitungs- und Verhüttungsanlagen, Bildunterschriften erläutern zudem das Dargestellte.188 Die Illustrationen haben derart dokumentarischen Charakter, dass der Zeichner über montanistisches Wissen verfügt haben muss, um die einzelnen Arbeitsschritte verbildlichen zu können.189 Wahrscheinlich war die Verbreitung und damit auch Sichtbarkeit dieser Illustrationen jedoch gering, da De re metallica zwar 1556 auf Latein und 1557 in Deutsch erschienen war, danach aber bis zum Ende des 16. Jahrhunderts nur eine weitere Neuauflage erhielt.190 Sehr viel verbreiteter war hingegen die erstmalig 1544 erschienene Weltbeschreibung von Sebastian Münster (1489–1552) (Cosmographia), die bis 1600 mehr als dreißig weitere Auflagen erhielt.191 Einflussreich wurde vor allem die neue Bearbeitung von 1550 mit dem Titel C ­ osmographei, die gegenüber den 660 Seiten der Ausgabe von 1544 auf 900 Seiten ­erweitert worden

Die Ikonographie „Bergwerk“ I 75

15  Die Anlage von Gängen und Schächten, in: Georg Agricola, De re metallica libri XII, Basel: Froben 1556, S. 74.

war.192 An mehreren Stellen wird über die Montanindustrie und den Abbau von Metallen berichtet, so im ersten Buch, wo Münster im 8. Kapitel von metallen und sunderlich von golt und 9. Kapitel von dem sylber handelt.193 Münster beschreibt hier das Vorkommen von gediegenem Silber in deutschen Revieren, betont damit das neue Wissen und die Überlegenheit der nordischen Lagerstätten, die das reine Silber führen und unterstreicht diese Besonderheit zudem noch durch eine Illustration (vgl. Kapitel 1.5): Die alten haben gemeynt, man find keyn lauter und gedigen sylber, aber zu unsern zeyten fint man daz widspil in Teutschland. Dan der Schneeberg, Sant Annenberg, Joachimsthal und das Lebertal und andere meer sylber gruben bringen fein sylber, wie wol des nit gar viel, außgenommen zwo gruben in Meysen und Behem, eine im Schneberg die heißt S. Jörg, die übertrifft weit al andere gruben, und hat ein gang der gibt garnahe eitel gedigen sylber.194

Es folgen die Metalle in absteigender Ordnung, Quecksilber (Kap. 10), Erz/Kupfer (Kap. 11), Eisen (Kap.  12) und die Legierungen (Kap.  13) hin zum vierzehnten Kapitel (Wo man

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16  Bergwerksdarstellung mit Wünschel­ rutengänger, der Arbeit im Berg sowie einem Hutmann. Cap. VIII: Wo man vor zeiten und jetz zu unsern zeiten berg werck hat auffgericht, in: Sebastian Münster, Cosmographei, Basel: Petri, 1550, S. 11.

vor Zeiten und jetz zu unsern Zeiten bergwerck hat auffgericht).195 Zu diesem Bericht steht auf Seite 8 eine kleine längsrechteckige Illustration, die von rechts nach links den Abbau im Berg, das Zusammenklauben des Haufwerks sowie das Haspeln aus dem Schacht zeigt. Davor sieht man die Erzwäsche und einen Huntläufer sowie zwei Bergknappen mit Schubkarren, die die Erze transportieren; das Bild hat keine In- oder Beischriften. Auf Seite 11 folgt eine größere Illustration, die zusätzlich einen Wünschelrutengänger und einen Hutmann zeigt (Abb. 16). Hier gibt es Beischriften, die die einzelnen Arbeiter und Instrumente (teilweise auf Lateinisch und Deutsch) erklären, so steht beispielsweise „virgula divina / Glücksrute“ beim Prospektor oder „instrumentum tractorum / Haspeler“ bei den beiden Männern an der Handwinde.196 Auf Seite 13 folgt eine weitere Abbildung mit der Erz­ wäsche. Da die Illustrationen mehrfach verwendet wurden, gibt es insgesamt nur sechs verschiedene Bildformulare, die über das Buch verteilt auftauchen. Bergwerk und Metallabbau werden im Verlauf des Buches an weiteren Stellen aufgegriffen, so auf Seite 526 Von Bergwerck so in Teutscher nation und befunden im Elsaß zu unseren zeiten gefunden und was wunderbarliche ding darin gesehen werden, wo sich erneut das Bild mit dem

Die Ikonographie „Bergwerk“ I 77

Rutengänger befindet. Auf Seite 688 folgt ein Bericht über den Bergbau in Schwaz mit der kleinen längsrechteckigen Illustration, auf Seite 691 Wie man gelt schmidet auß gold und sylber mit einer neuen Illustration, die drei Schmieden zeigt und ab Seite 850 Von dem Behemer wald und gebirg, daß sich außhär in Meißen zeucht und metal reich ist, auf Seite 851 Von dem Joahims thal. Wie man zum ersten in den Meisischen bergern verursachet ist worden metall zu suchen (hier erneut das kleine längsrechteckige Bildfeld), auf Seite 856 Von ertz und metal des Sachen lands und auf Seite 942 Fichtelberg Metallreich mit der Darstellung eines weit zum Schlag ausholenden Bergmanns. Um 1550 also sind die Ikonographien zum Bergwerk in der Druckgraphik und über den Buchdruck eingeführt und weit verbreitet. Die Betrachter:innen der Erzstufen  – selbst wenn sie Montanreviere nicht aus eigener Anschauung kannten – konnten auf Bildmaterial zurückgreifen und waren mit Bildfindungen vertraut, die in vergleichbarer Art und Weise wie die Handsteine die Arbeiten am Berg veranschaulichten. Die genannten Publikationen hatten zudem den Vorteil, dass die Bilder als Illustrationen zu einem Text erschienen und somit einerseits die dort beschriebenen Arbeitsgänge kommentierten, aber zugleich über die Beischriften und den Text auch die Bedeutung und die bergmännische Fachterminologie vermittelten. Die Bilder zu den montanwissenschaftlichen Schriften von Agricola und für den Text von Münster sind aber nicht erst in der Mitte des 16. Jahrhunderts entwickelt worden. Sie haben Vorläufer, die nicht allein in ikonographischer Hinsicht aussagekräftig sind. Aufschlussreich ist zudem, in welchen Bereichen diese Bergbau­ themen aufkommen – denn dies sagt viel über den „Ort“ der Montanindustrie aus und darüber, wie in der Frühen Neuzeit das Thema Ressourcen und Ressourcenabbau bewertet und genutzt wurde. Eine Analyse dieser frühen Verwendungen bringt daher aussagekräftige Ergebnisse für die Ausdeutung der Handsteine und lässt deren Intentionen und Implikationen deutlicher hervortreten, als der direkte Vergleich der dortigen Szenen mit den Bildern in Agricolas oder Münsters Publikationen.197 Wenig überraschend ist, dass die ­frühen Darstellungen mit der Intensivierung des Bergbaus (dem zweiten Berggeschrei nach der hochmittelalterlichen Phase) zusammenfallen.198 Veränderte doch die wirtschaftliche Bedeutung der Montanindustrie ebenso wie das Ausmaß, in dem Bergbau betrieben wurde, die Wahrnehmung dieses Wirtschafszweiges und mit dem Bedeutungsgewinn stieg auch die Sichtbarkeit – sowohl von den Erträgen des Bergbaus (Silber), als auch vom Bergbau als Thema der Kunst. Die Handsteine bilden hier einen Sonderfall, da bei ihnen das abgebaute Material und die Bergbauthematik miteinander kombiniert waren. Um 1500 nutzten unterschiedliche Akteure die bildliche Darstellung von Bergknappen und ihren arbeitsteiligen Verfahren, seien es die Bergbau treibenden Arbeiter selbst, seien es die den Abbau finanzierenden Unternehmer und Händler von Metallen oder die Landesherren, in deren Territorien Bodenschätze abgebaut wurden.199 Die BergbauindustrieDarstellungen unterschieden sich von anderen Bildformularen der Frühen Neuzeit: Nicht das agrarische Jahr, das in seinem zeitlichen Ablauf das Leben der ländlichen Bevölkerung bestimmt, wird hier thematisiert, auch nicht das Land als Jagd- und Vergnügungsraum des

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17  Arbeiten im Bergwerk. Mittelalterliches Hausbuch, nach 1470, ehemals Schloss Wolfegg, fol. 35r.

Die Ikonographie „Bergwerk“ I 79

Adels. Vielmehr werden Industrielandschaften geschildert, die, auch dort, wo sie die Transformationen der Landschaft, die Abholzung und die Umweltverschmutzungen nicht explizit anprangern, dennoch die Eingriffe des Menschen deutlich sichtbar machen. Zwei Themen sind hier vor allem relevant: Der Berg, der aber nicht als unbezwingbare Alpenlandschaft jenseits und vor allem erhaben über dem menschlichen Leben liegt, sondern der von Menschen bevölkert, betreten, beherrscht und durchlöchert wird. Und damit verbunden die ungeheure Betriebsamkeit, die die Menschen in dieser an sich feindlichen und unwirklichen Umgebung entwickeln, die zwar nicht mechanisch wie in einem Uhrwerk abläuft, die aber dennoch in den ineinandergreifenden arbeitsteiligen Verfahren, die aufeinander aufbauend, geplant und zielgerichtet ablaufen, an eine Maschine erinnern.200 Eine frühe Darstellung eines Bergwerks findet sich im Mittelalterlichen Hausbuch, einer bildreichen Sammelhandschrift, die verschiedene Themenfelder praktischen Wissens ab ca. 1470 in mehreren Phasen kompiliert.201 In dieser ganzseitigen Zeichnung werden überblicksartig verschiedene Arbeitsschritte der Montanindustrie gezeigt (Abb. 17): Zwischen einer Stadt und einer Burg (die beide im Hintergrund erkennbar sind), liegt der Berg mit seinen Stollen und seiner Vielzahl von Arbeitern.202 Wenngleich dieses Areal außerhalb liegt, ist doch seine enge Anbindung sowohl an die Stadt als auch an den Hof durch die Verbindungsstraßen und die Fuhrwerke darauf angedeutet. In sieben Stollenmundlöchern arbeiten Bergknappen, oben auf dem Berg sind ein Schacht mit Haspel zu erkennen, rechts baut ein Knappe oberirdisch mit weitausholendem Schlag ab. Im Mittelgrund werden das Zerkleinern, das Sortieren und der Abtransport der geförderten Erze zur weiteren Verhüttung gezeigt.203 Das Blatt gilt allgemein als erste (erhaltene) Darstellung einer Bergbau-Szenerie und zeigt eine Ikonographie, die sich in direkten Vergleich zu dem besprochenen Handstein setzen lässt. Dort aber steht die Bergbau-Schilderung allein und ist mit der bekrönenden Kreuzigungsszene verbunden, die den Berg als Golgatha umdeutet. Der Kontext der Bergbau-Zeichnung im Hausbuch ist ein anderer: Sie leitet einen Abschnitt zum Bergbau, zum Hütten- und Münzwesen ein, der insgesamt drei Lagen (foll. 35r–47r, Lage 5, 6 und 7) umfasst.204 Auf die Zeichnung folgt auf fol. 35v der Blick in ein Hüttenwerk mit Treibofen, auf fol. 36r eine Darstellung der beim Saigerverfahren verwendeten Geräte und Öfen (Abb. 18),205 sowie fünf Zeichnungen mit mechanischen Konstruktionen für ein wasserbetriebenes Stampfwerk, zwei Gebläse zur Feuerung, ein Pochwerk und eine höhenverstellbare Ramme (fol. 36v, 37r, 37v, 38r und 38v).206 War das Blatt 35v noch mit Menschen belebt, die um den Treibofen standen, zeigen die anderen Abbildungen keine Figuren mehr, es sind rein technische Zeichnungen. Sie beschreiben im Bild die zur Verhüttung benötigten Instrumente, Öfen und andere mechanische Werkzeuge detailliert und genau. Auffällig ist ebenso die Größe der querformatigen Zeichnungen, die das ganze Blatt füllen  – die Leser:innen also zwingen, den Codex zu drehen. Die ­genannten Zeichnungen protokollieren das Saigerverfahren, eine entmischende Schmelztechnik in der Verhüttung, in der durch Bleizugabe Silber aus gefördertem Kupfererz

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18  Darstellung der beim Saigerverfahren verwendeten Geräte und Öfen. Mittelalterliches Hausbuch, nach 1470, ehemals Schloss Wolfegg, fol. 36r.

­gelöst werden kann – um reines Kupfer und reines Silber zu erhalten (seigern/saigern = reinigen/abtrennen). Dargestellt ist ein Treibherd, der rechts durch zwei große Gebläse betrieben wird, links davor findet sich ein Röstofen; auf dem gegenüberliegenden Blatt ist dann das Verfahren bildlich aufgeschlüsselt.207 Das hier so detailliert protokollierte Verfahren ist eine der bedeutendsten Innovationen des 16. Jahrhunderts: Es wurde in den Werkstätten von Goldschmieden und Münzmeistern eingesetzt, um durch Verbleiung des ­Silbers das Kupfer abzutrennen und zwischen 1400 und 1453 zur Anwendung in der Montanindustrie weiterentwickelt.208 Da ohne diese Neuerung der Aufschwung in der Kupferund Silberproduktion nicht zu erreichen gewesen wäre, erweist sich die Folge der Bilder des Hausbuches als Erzählung, die Bergregion, Verhüttungsverfahren sowie das M ­ otiv der Innovation kausal miteinander verknüpft.209 Zugleich wird die Anwendung der abgebauten Ressourcen im Handel bedacht, da auf die genannten Zeichnungen ein Münztraktat (fol. 42r) sowie eine Gold-Wertetabelle (fol. 43r) folgen, die nützliches Wissen für Händler bereitstellen.210 Die anschließenden leer gelassenen Blätter betonen den kompilatorischen, nicht abgeschlossenen und auf zukünftige Weiterentwicklung gerichteten ­Charakter der Sammlung. Ab fol. 48r folgen kriegstechnische Bilder und Texte, darunter pyrotechnische Rezepte (erneut auf drei Lagen), die in der Tradition von Bilderhandschriften wie dem Büchsenmeisterbuch oder dem Bellifortis des Konrad Kyeser (kurz nach 1400) stehen.211

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19 Liebesgarten. Mittelalterliches Hausbuch, nach 1470, ehemals Schloss Wolfegg, fol. 24v–25r.

Diese montanwissenschaftlichen und kriegstechnischen Abschnitte bilden den zweiten Teil des nur fragmentarisch überlieferten Hausbuches, davor befinden sich im ersten Teil nach dem Wappen der Auftraggeber (fol. 2r), einer Darstellung von Gauklern und Fechtern (fol. 3r) und einem kurzen lateinischen Traktat zur ars memorandi (ab fol. 4r) die Bilder der Planetenkinder.212 Die Handschrift wirkt damit merkwürdig zweigeteilt, enthält verschiedene Handreichungen und Anleitungen und gehört sowohl in den Bereich der artesLiteratur, zeigt aber auch Darstellungen aus dem adligen Leben, darunter Turniere und Jagden sowie erotische Vergnügungen.213 Beide Bereiche treffen in der Darstellung des Liebesgartens (fol. 24v–25r, Abb. 19) aufeinander, da hier die detaillierte technische Zeichnung eines Pumpwerks integriert wurde.214 Wenngleich dieses Detail innerhalb des Bildthemas als Fremdkörper wirkt, passt es sich doch hervorragend in einen übergeordneten Innovations-Diskurs ein: Zusammen mit der Entwicklung des Saigerverfahrens waren die Verbesserungen in der Wasserhebekunst die entscheidenden Neuerungen innerhalb des frühneuzeitlichen Bergbaus, durch die neue Lagen unterhalb des Grundwasserspiegels erschlossen werden konnten.215 Die vermeintlich klare Trennung von erstem und zweitem Teil der Handschrift erweist sich damit als nicht haltbar, da technischer Fortschritt als Thema in beiden Bereichen erkennbar wird.216 Bergbau, Geld und Kriegswesen sind somit im Hausbuch auf drei Ebenen miteinander verbunden: Auf materieller Ebene stellt die Montanindustrie die Boden-

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schätze bereit, die sowohl die Fertigung von Rüstungen, Waffen und Kanonen ermög­ lichen als auch zu Geld geschlagen werden können. Wenngleich der Kanonenguss andere Metalle erfordert, als das Schmieden von Rüstungen, und die Münzen im Hausbuch direkt auf „Gold“ bezogen sind, scheint dennoch diese inhaltliche Verbindung intendiert.217 Auf kausaler Ebene wird der Bergbau als Zugriff auf Ressourcen vorgestellt, der Aufstieg, Reichtum, Verteidigung und Kriegsführung – sowie Handel – ermöglicht. Als dritte Ebene ist die Innovations-Erzählung zu nennen, die neben dem Bergbau das Kriegswesen als den zweiten der beiden Bereiche vorstellt, in denen die relevantesten technischen Veränderungen, Neu- und Weiterentwicklungen in der gesamten Frühen Neuzeit abliefen.218 Das Hausbuch bietet keine how to-Lösungen an, fehlen doch beispielsweise die Erläuterungen zu den detaillierten Zeichnungen der Öfen und Werkzeuge.219 Die Handschrift richtet sich somit nicht an Praktiker, die aus dem dort versammelten Wissen in die Anwendung gehen, sondern an ein Publikum, das mit der Innovations-Thematik vertraut war.220 Die Verbindungen mit Themen aus dem adlig-höfischen Bereich zeigen den sozialen Kontext an, innerhalb dessen sich die Besitzer verorten wollten. Wenngleich der Versuch, das Wappen (fol. 2r und fol. 34v) zu entschlüsseln, bislang erfolglos blieb, scheint als Besitzerin der Handschrift eine Familie wahrscheinlich, die mit der Montanindustrie verbunden war.221 Die Bergwerkszeichnungen werden aufgrund dieser Überlegungen auf die Zeit um 1490/1500 datiert und nach Nürnberg in das reiche Händlerumfeld lokalisiert, das nicht allein mit Kupfer und Silber handelte, sondern vielfach auch eigene Anteile am Bergwerk hielt.222 Einer vergleichbaren Auftraggeberschicht werden auch die Stifter einer zweiten frühen Bergwerksdarstellung angehören, die jedoch einem gänzlich anderen Kontext entstammt. Sie findet sich auf fol. 1v im Kuttenberger Graduale, das vor 1491 sehr wahrscheinlich für Kuttenberger Bürger, die am Silberabbau beteiligt waren, gefertigt wurde und zeigt den Bergbau unter Tage sowie den Verkauf der Erträge auf dem Erzmarkt.223 Das Bild ist als Einzelblatt vor das Graduale gebunden und findet seine Entsprechung in der Bergwerksdarstellung aus dem sogenannten Kuttenberger Graduale aus dem Jahr 1471 sowie einem erhaltenen Einzelblatt.224 Alle drei Miniaturen gehören in den Kontext von liturgischen Handschriften aus Bergbau-Regionen; sie repräsentieren die Gruppe von Bergleuten und im Erzbergbau tätigen Unternehmern, die durch den Bergbau reich geworden waren und prachtvolle liturgische Ausstattungsstücke finanzieren konnten. Thema­tisiert wurden in den Blättern die Mühsal der Arbeit, die Hoffnung auf gute Rückkehr aus dem Berg sowie die Preisung der Bodenschätze als Gottes Gabe, wobei erneut die detailgetreue Schilderung der einzelnen Arbeitsschritte und damit die genaue Kenntnis der Verfahren hervorzuheben ist.225 In diesen Kontext gehören weitere Zeugen aus anderen Bergbauregionen, darunter die sogenannte Siegener Randleiste, ehemals aus Böhmen;226 aus den Vogesen (Lothringen) stammt das Graduale (auch Antiphonar) von Saint-Dié-des-Vosges, aus der dortigen Montanregion Lebertal, das als Val d’Argent bekannt ist (Abb. 20).227 Das Graduale wurde zwischen 1505 und 1515 im Auftrag des Kanonikers und Officiers géneral des Bergwerks im Dienst des lothringischen Herzogs René II.

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20  Graduale von Saint-Dié-desVosges, zwischen 1505/1515. Saint-Dié, Bibliothèque Municipale, 74, fol. 338r.

(1451–1508), Vautrin Lud (1448–1527), geschaffen.228 Die Darstellung findet sich am Rand von fol. 338r und betont erneut mit dem Abbau und der Förderung, der Aufbereitung der Ausbeute sowie der Verhüttung die ineinandergreifende Abfolge der Arbeitsschritte.229 Offensichtlich übten die komplexen arbeitsteiligen Verfahren eine hohe Faszination auf die Zeitgenossen aus. Die auf dem Blatt stehenden Texte aber betonen die religiöse Aussage der Bilder, dort stehen der Vers „Ehrfurcht gebietend/Erschreckend ist dieser Ort! Hier ist das Haus Gottes, die Pforte des Himmels; genannt wird er Palast Gottes“, der Vers „Wie liebenswert sind deine Wohnungen, o Herr der Heerscharen! Meine Seele verlangt und sehnt sich nach dem Tempel des Herrn“, sowie der Vers „Dieser Ort ist von Gott geschaffen, ein unschätzbares Geheimnis, kein Fehl ist an ihm“.230 Die Schöpfung Gottes auch unter der Erde, die Preisung der Ressourcen als Gaben Gottes – aber zugleich auch die Ehrfurcht und das Erschrecken vor der Tiefe, terribilis, und die vielen Geheimnisse, die dort zu finden sind, wurden also – auch mithilfe der Bilder – evoziert bzw. sind ihnen als Vorstellungen angelagert. Wenig später als das Graduale aus St. Dié entstand die von

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21  Georg Kobenhaupt, Rappoltsteiner Pokal. Detail des Fußes mit Reliefdarstellungen aus dem Silber-Bergbau. Residenz München, Schatzkammer, um 1543 oder nach 1550, Inv. Nr. ResMüSch.0043.

Heinrich Gross geschaffene Handschrift für die Rote Grube von Sankt Nikolaus in La-Croixaux-Mines (Rouge Myne de Saint Nicolas de la Croix).231 Der Künstler schuf 25 kolorierte Federzeichnungen anlässlich des im Jahr 1529 erfolgten Besuchs von Herzog Anton II. von Lothringen (1489–1544). Erneut war es der Verwalter der herzoglichen Bergwerke, Georges Ainvaux, der die Illustrationen der verschiedenen Verfahren und vor allem auch der Arbeiter in der Grube darstellen ließ. Wahrscheinlich wurde die Handschrift mit einer Doppelfunktion erstellt  – einerseits als Selbstbeschreibung der bergbaubetreibenden Gruppen, andererseits als Darstellung des Bergbaus für den Landesherren, der diesen ­Bereich förderte und zugleich von dem Ertrag dieser Region maßgeblich profitierte. Vergleichbare Motive finden sich auch beim Rappoltsteiner Pokal (Abb.  21) in der Schatzkammer der Residenz in München, der von Georg Kobenhaupt (gestorben 1623) in Straßburg gefertigt wurde.232 Seine Entstehung ist legendär mit dem Fund einer großen Silberstufe in einem der Bergwerke bei Markirch im Lebertal verbunden, das zum Besitz der Herren von Rappoltstein gehörte.233 Der Pokal zeigt also den Silberreichtum dieser Minen an, allerdings nur so lange, wie das Narrativ des Fundes mit ihm verbunden bleibt, da durch die Verhüttung der Silbererzstufe die Herkunft des Werkstoffes nicht mehr deutlich am vollendeten Pokal ablesbar ist. Dies unterscheidet den Rappoltsteiner Pokal von den Handsteinen, die über ihre materiale Präsenz den ungeheuren Reichtum an Silber und

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die Größe der Silbererzstufen verewigen.234 Doch betont auch der Rappoltsteiner Pokal seine Verbindung zum Bergbau noch auf einer weiteren Ebene: Werden an den Hand­ steinen der Abbau und die Verfahren bei der Aufbereitung des Silbers über kleine silberne Figuren gezeigt, sind es hier sechs Reliefs am Fuß. Auf dem ersten Bild sieht man zwei Bergleute im Schacht, die Erze abbauen. Im zweiten Bild arbeiten ein Wünschelrutengänger sowie fünf Knappen, die Erze auf unterschiedliche Weise transportieren. Im dritten Bild sind drei Arbeiter dabei, das Erz zu zerkleinern und vom tauben Gestein zu scheiden, das vierte Bild zeigt vier Knappen beim Waschen der Erze. Auch im fünften Bild sieht man die Erzwäsche durch einen Knappen mit einer Kratze, das sechste Bild zeigt dann das ­Innere einer Schmelzhütte mit den dortigen Arbeitsverfahren.235 In der schon genannten Auflage von Münsters Cosmographei oder beschreibung aller länder von 1550 befindet sich ein Bericht von Johann Haubensack zum Bergbau im Lebertal – und damit genau in der Region, aus der der Rappoltsteiner Pokal stammt.236 In diese Ausgabe wurden wie oben gezeigt Holzschnitte mit Bergwerksdarstellungen integriert, die so eng mit den ­Reliefs am Fuß des Pokals übereinstimmen, dass eine gegenseitige Bezugnahme oder der Zugriff auf die gleichen Vorbilder anzunehmen ist.237 Haubensack hat diese Bilder offenbar eigens dem Bericht mitgegeben, um ihn anschaulicher zu gestalten: So vil den Bergwercken in einer gemein, hab ich eüch jetzt zumal ein bericht wollen geben. Schick eüch auch hie neben ein bericht des Leberthalischen Bergwercks mit ettlichen figuren der ­fürnemsten arbeiten, so im Bergwerk stäts fürghan müssen. Weiter schick eich eüch ein stiefflin digens sylber, wie es hie im Bergwerck gehauwen wirt, auch ein stiefflin wölches im Joachimsthal gehauen wirt, wöllend somit jetzzumal für gut nemmen.238

Haubensack übersandte seiner Aussage zufolge einen Bericht über die verschiedenen Montanreviere, besonders aber über das Lebertal, wo er als Landrichter tätig war und im engen Kontakt mit Bergbaupraktikern stand. Er gab seinem Bericht Bilder bei, die die wichtigsten Arbeitsschritte veranschaulichen sollten – und sandte zudem zwei Erzstufen an Münster, eine aus dem Lebertal, eine aus Sankt Joachimsthal im Erzgebirge, um seinen Text und seine Bilder durch das Material selbst noch zu verstärken. Aus seinem Bericht wird die enge Verbindung deutlich, die zwischen den Montanregionen, ihrer Beschreibung und den von dort stammenden Materialien bestehen konnte. Haubensack muss über gute Kenntnisse der Metalle und den Abbau der Ressourcen verfügt haben, da er innerhalb seines Berichts auch über den Ertrag der Minen referiert: Bei diesen Gruben bricht man Glaserz, Bleiglanz und Silbererz. Daraus macht man eine ziemliche Menge Blei, Kupfer und Silber; seit 1528 waren es in keinem Jahr unter siebeneinhalbtausend Mark Silber. Dazwischen hat man – Anno 1530 auf der Grube zum Backofen und Anno 1539 auf der alten Fundgrube Sankt Wilhelm – gediegenes Silber gehauen. Man hat jedes Mal an drei Zentner an einem Stück gemacht. Das Silber ist so gediegen, weiß und rein in der Grube mit Schrot­

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meißeln abgehauen worden, dass es ein Goldschmied oder Münzer zum größten Teil ganz ohne Feuer hätte verarbeiten können. Es ist ein so wunderbares Gewächs gewesen, wie dergleichen kein Bergmann je gesehen hat. Solches Silber wird noch täglich gehauen, wenn auch wenig.239

Der Rappoltsteiner Pokal ist über die Erzählung mit einer vergleichbaren Silberstufe verbunden: Topisch findet sich hier die Betonung der hohen Qualität des natürlichen Fundes, der als so rein beschrieben wird, dass das Silber ohne weitere Schmelzverfahren von einem Goldschmied in ein Werk oder von einem Münzer in Geld umgewandelt werden könne. Aus dem Bericht von Johann Haubensack werden zudem Fragen um das Zugriffsrecht auf die Ressourcen ersichtlich: Als aber der Römisch künig Ferdinand auß einem alten vertrag, wölchen die herren von Rappoltstein mit Herzog Sigmunden von Oestereich löblichen gedechtnuß in der herrschaft hohenack gemacht ansprach des Bergwercks halb gehabt, so haben sich die herren von Rappoltstein, nämlich der jetzt regierende herr, herr Wilhelm onangesehen das dis thal, das man die Rappoltsteinisch seiten nennt, nit in der herschafft Hohenack sund in der herschafft Rappoltstein ligt, und des orts grundherren seind gegen hohgemelter küniglicher Maiestat eins neüwen vertrgs yngelassen, unn mit einander verglichen also das jeder theil halb zehenden und wechsel empfahen, auß­ genommen der alten fürdergruben Sant Wilhelm, die den herren von Rappoltstein vorbehalten ist, habe auch ein gemeinen Bergrichter und andere amptleüt so das Bergwerck verwalten. Nach solicher vergleichung der herschafft und gegebener freiheit und ordnung, ist das Bergwerck in ein weit geschrey kommen, das von vilen stetten, sudnerlich vonn Straßburg, kauffleüt, burger und von Adel zu geritten und wie ein jeder zukommen hat mögen theyl kaufft oder sunst angenommen.240

In der Grenzregion in den Vogesen – die zu den bedeutenden Bergbaurevieren der Frühen Neuzeit zählt – sind nicht nur die lothringischen Herzöge, sondern auch das Haus Habsburg sowie die Herren von Rappoltstein am Bergbau beteiligt. Die von Haubensack ­geschilderte Einigung zeigt an, in welchem Maß das Bergrecht in ältere Rechte eingriff, lag doch das Bergregal beim Landesherren. Um aber nachhaltig die Ressourcen fördern zu können, mussten die beteiligten Machthaber schnell und dauerhaft Rechtssicherheit schaffen und für Frieden sorgen. Es lag also im Interesse der Rappoltsteiner, sich mit König Ferdinand  I. zu einigen, wenngleich er in ihre älteren grundherrschaftlichen Rechte ­eingriff.241 Durch gemeinsame Verwaltungsbeamte gelang es, die unterschiedlichen Interessen zu einen und – wie Haubensack berichtet – damit Bergbauunternehmer sowohl aus der Händler- als auch aus der Adelsschicht zu gewinnen, die den tatsächlichen Abbau ­finanzierten und organisierten. Innerhalb dieser Machtverschiebungen und Aushandlungen von Rechtsansprüchen müssen die genannten Kunstwerke ebenfalls bedacht werden, zeigen sie doch nicht nur den Reichtum der Ressourcen an, sondern auch die Zugriffs­ rechte.242

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Ebenso tauchen Bergbauikonographien in Schriften zur Mineralogie auf, so in einer Handschrift, die von Michael Foresius um 1483/1494 in Saverne (Zabern) im Elsass geschaffen wurde. Diese kleinformartige Sammelhandschrift (20 x 15 cm) umfasst 221 Blätter und befindet sich in der Historischen Stiftsbibliothek Zeitz in der Sammlung Bischof Julius von Pflug (1499–1564).243 Sie enthält sowohl die Abhandlung über Meteorologie (De Meteoris Libri quattuor, nur das vierte Kapitel) als auch über die Minerale (De Mineralibus Libri Quinque) von Albertus Magnus (um 1200–1280).244 Das diese naturwissenschaftliche Schrift des 13. Jahrhunderts im 15. Jahrhundert abgeschrieben wurde, ist kein Anachronismus, Albertus’ Text wurde weit ins 16. Jahrhundert hinein gelesen und von Agricola und anderen Metallurgen rezipiert. Seine Überlegungen zur Geologie und Mineralogie waren Teil und Weiterentwicklung des tradierten Kanons; zugleich kannte Albertus aus eigener Anschauung Bergwerke in Köln und Paris, schrieb über Freiberger Silber und Kupfer aus Goslar und verschmolz so in seinen Texten die antike Tradition mit dem Wissen von Bergbaupraktikern.245 Die Miniatur steht als Umrahmung des Anfangstextes vom dritten Buch (Hic liber tercius incipit Alberti Magni de Mineralibus).246 Links am unteren Blattrand steht ein Schmied, der den Blasebalg an seiner Esse bedient, ein Knappe schlägt mit Schlägel und Eisen in das Gestein, ein zweiter fährt das Erz in einer einrädrigen Schubkarre davon. Die Handschrift ist dem Pfalzgraf Albrecht von Pfalz-Mosbach (1440–1506) gewidmet, der zwischen 1478 bis 1506 das Bischofsamt in Straßburg innehatte.247 Geschrieben wurde sie durch Foresius offenbar in dem Versuch, eine Anstellung zu erhalten – indem der Autor sich über diesen Text und mithilfe der Miniatur als Metallexperte und den damit verbundenen Montanwissenschaften auswies.248 Straßburg war – durch die Nähe zu den Vogesen – ein Ort, an dem diese Wissensbereiche gebraucht und abgefragt wurden; und Foresius war aufgrund seines Berufs als Mediziner  – wie auch Agricola  – mit Mineralen innerhalb der Pharmazie vertraut. Vergleichbar ist die Arbeit mit dem Werk eines weiteren bergbau­affinen Arztes, Ulrich Rülein von Calws (1465–1523).249 Sein Bergbüchlein, ab 1501 als Druck in vielfacher Folge erschienen, zeigt auf einer der Titelblattvarianten zwei Bergleute, die mit der Haspel einen Erzkübel aus dem Schacht fördern, ein weiterer sitzt mit Hammer und Eisen in einem Erzgang (Abb. 22).250 Das Beispiel der Albertushandschrift bezeugt die ­Aktualität des Textes, der durch neue Abschriften – und dann auch bald durch Ausgaben im Druck – im 15. und 16. Jahrhundert weiterhin sichtbar blieb und genutzt wurde. Bilder vom Bergbau finden sich  – dies verdeutlichte dieser Exkurs zur Genese der ­Ikonographien – in ganz unterschiedlichen Kontexten: In einigen der Werke wurde eine religiöse Komponente sichtbar, die Gottes Gaben in der Tiefe der Erde pries und gött­ lichen Beistand bei der gefährlichen Arbeit erbat. Weitaus größeren Raum aber nahmen andere Narrative ein: Mit diesen Bildern konnte das Anrecht und die Zugriffsmöglich­ keiten auf die Ressourcen betont und die Verfahren sowie technischen Voraussetzungen des Abbaus dargestellt werden. Als eine Form der Textrezeption zeigten die Illustrationen zu Albertus’ Schrift, dass das Interesse an der Genese von Mineralen in Verbindung mit

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22  Ulrich Rülein von Calw, Titelblatt. Ein nützlich Bergbüchlein von allen Metallen. Erfurt: Johann Loersfelt, 1527.

ihrem Abbau und ihrer Gewinnung stand. Als konstitutiv für die Bergbauikonographien erwiesen sich die vielen am Abbauprozess beteiligten Menschen – ein Motiv, dass auch auf dem hier diskutierten Handstein sehr deutlich herausgearbeitet wurde.

1.5 Das Material Handsteine, lateinisch lapides manuales, sind große Erzstufen, die – künstlerisch überformt – in den Inventaren aufgrund der dort gezeigten Arbeiten häufig als „Bergwerk“ bezeichnet werden. Doch ist auch der Begriff des Handsteins vielfach aus Quellen des 16. Jahrhunderts zu erschließen. Beispielsweise berichtet der Sankt Joachimsthaler Prediger und Mineraloge Johannes Mathesius, der mit dem erzgebirgischen Bergbau und seinen Bräuchen eng vertraut ist, über die zeitgenössische Geschenkpraxis: „Verständige Bergleute beweisen guten Leuten nicht allein Ehre mit Fressen und Saufen, sondern mit einem schönen Handstein.“251

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Große Silbererzstufen sind auch das Attribut des Heiligen Daniels, der in Tirol und im sächsischen Erzgebirge als Schutzheiliger der Bergleute verehrt wurde.252 In der Vorrede zu seiner Sammlung von Berg-Predigten Sarepta oder Bergpostill sagt Mathesius, dass Handsteine als Geschenke der Knappen an den Bergherren üblich seien und übergibt seine Schrift den Lesern als „geschriebenen Handstein“.253 Mathesius ist sowohl für die großen Erzstufen als auch für viele mineralurgische und metallogenetische Positionen im 16. Jahrhundert eine umfassende und fruchtbare Quelle.254 Er ist Prediger und Chronist in der für die frühneuzeitliche Montanindustrie so bedeutenden Bergstadt Sankt Joachimsthal, die 1516 gegründet wurde, als um den Herrenhof der Grafen Schlick bedeutende Silbervorkommen gefunden wurden.255 Durch das Berggeschrei angezogen wuchs die Stadt rasch, schon 1520 lebten hier 8000 Bergleute.256 Über die seit 1519 ansässige Münze, die den Joachimsthaler prägte, erlangte die Stadt, die in den 1530er/40er Jahren mit ca. 20 000 Einwohnern zur zweitgrößten Stadt Böhmens nach Prag aufstieg, überregionale Bedeutung.257 Sankt Joachimsthal war unter anderem auch für die frühe Formierung des Bergbautheoretikers Georgius Agricola maßgebend, in den Jahren 1532 und 1533 lebten Agricola und Mathesius gemeinsam in der böhmischen Stadt, beide profitierten von dem Umfeld und dem Austausch mit Bergbaupraktikern für ihre eigenen Forschungen.258 Eine zeitgenössische Beschreibung der „Gelegenheit oder Topographia“ des Reviers von Sankt Joachimsthal mit den dortigen Zechen findet sich in der elften Bergpredigt von Johannes Mathesius.259 In diesen Texten, die 1562 mit dem Titel Sarepta oder Bergpostill als Sammlung bei Ulrich Neuber und Johann vom Berg in Nürnberg veröffentlicht wurden, zeigt sich Mathesius als Bergbau-Theoretiker ersten Ranges.260 Die Sarepta versammelt einzelne Predigten zu übergeordneten Fragestellungen wie beispielsweise der Genese der Metalle in der Erde und zu Untersuchungen über deren Arten in hierarchisch absteigender Ordnung vom Gold, über das Elektron, Silber bis hinab zu den „Bergsafften“ wie Alaun, Salpeter und den Salzvorkommen in Hall.261 In seinen Texten verbindet Mathesius auf anschauliche Weise verschiedene Themenbereiche und bietet neben theologischen Reflexionen umfassendes mineralogisches Wissen, das er mit metallurgischen Überlegungen, metaphorischen Ausdeutungen sowie moralisch-ethischen Bewertungen verbindet.262 Mathesius’ Sarepta ist damit eine einzigartige Quelle zur Materialwahrnehmung und der Beurteilung technischer Verfahren im 16. Jahrhundert.263 Der Autor stammt aus einer Rochlitzer Familie, sein Vater war Ratsherr der Stadt und Berggewerke – und auch Johannes Mathesius arbeitete in diesem Bereich, als Zubußeinnehmer und Bergwerkschreiber bei seinem Vater.264 Nach dessen Tod allerdings ging er mittellos zu Studien nach Nürnberg, danach (1523/1524) nach Ingolstadt. Nachdem er mit den Schriften von Martin Luther (1483–1546) in Kontakt gekommen war, entschied er sich 1530 zu einem Studium in Wittenberg.265 Danach war er als Schulgehilfe in Altenburg und zwischen 1532 und 1540 als Rektor der Lateinschule in Sankt Joachimsthal tätig; durch den Geschworenen Matthes Sax wurde er Mitgewerke einer Zeche, so dass er 1540 finanziell unabhängig nach Wittenberg zu weiteren Studien zurückkehren konnte.266 Er gehörte zum engeren Kreis um Luther, unterhielt freundschaftliche Beziehungen zu Melanchthon (1497–1560) und wurde

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Tischgenosse des Reformators. Am 29. März 1542 ordinierte Luther Mathesius, der ab 1545 in Sankt Joachimsthal das Amt des evangelischen Pfarrers bis zu seinem Tod am 8. Oktober 1565 inne hatte. Mathesius bezeichnet sich in seiner Sarepta selbst als „geistigen Bergmann“, der dem obersten Bergherren Jesu Christo diene. Seit seinem Studium in Wittenberg war Mathesius eng mit dem Kreis der Wittenberger Reformatoren verbunden und seine Lutherpredigten sind frühe biographische Quellen. In der dortigen sechszehnten Predigt handelt er über Luther als Bergmann und gibt Einblicke in das bergmännische Leben und den Vorstellungshorizont der Zeit.267 Dort findet sich auch eine sehr aussagekräftige Nennung von künstlich überformten Handsteinen, die er mit Luther in Verbindung bringt: Als sich aber etliche fundgrübner / mit schönen handsteinen und geschnittenen stuffen / unnd schawgroschen wie ehrliche bergleut am tisch erzeygten / und irer kinder halber sich bedankten, fieng er [Luther] vom Bergwerk an zu reden / Ich sehe gerne / wie der reyche Gott seine schetz unter der erden wachsen lesset / damit er beweyse / er sorge stetigs für uns /unnd lasse seine mechtige unnd künstliche hand ansehen [...].268

Mathesius schildert eine zeitgenössische Begebenheit – einen Besuch Luthers in Sankt Joachimsthal – bei der die Bergknappen als Willkommensgeschenk die Früchte ihrer Arbeit, große Silberfunde, mitbrachten. Interessant ist, dass Mathesius hier drei Formen voneinander trennt, nämlich natürliche Erzstufen (die er als Handsteine bezeichnet), dann die künstlerisch überformten Erzstufen, in die Bildnisse geschnitten worden waren und als drittes Schaugroschen, also bildtragende Medaillen. Dreierlei Verarbeitungsstufen des Silbers werden somit von Mathesius als Material unterschieden – das Martin Luther in Mathesius’ Bericht dazu bringt, über die mächtige und künstliche Hand Gottes zu sprechen, der es als Schätze in der Erde wachsen lässt.269 In den Inventaren (vgl. Kapitel 1.3) wird das Material der Erzstufen mit roth gulden ertz und gedichen silber angegeben, in Teilen auch mit rotgulden und glaß ertz. Dabei handelt es sich um Pyrargyrit und das ähnlich aussehende Proustit; beide Minerale waren im 16. Jahrhundert unter der Bezeichnung (dunkles bzw. lichtes) Rotgültigerz bekannt und werden heute zur Mineralklasse der Sulfide und Sulfosalze gezählt. Namensgebend war dabei die auffällige rote Färbung und der Glanz; das Erz verfügt über einen hohen Silbergehalt von annähernd 60 %.270 Diese Bezeichnungen der Erze werden von Georgius Agricola und von Johannes Mathesius genutzt, letzterer definiert: Rotgülden ertz ist blutrodt / Drumb sagen die Bergkleute: Das blutet / wiewol man offt quecksilber ertz / als auff der Plan / und hie auff S. Lorentz für rotgüldig ertz angesehen.271

Bei dem Lateinisch schreibenden Agricola findet es sich 1544 im fünften Buch von De Ortu et Causis subterraneorum,272 in dem er die Gemische behandelt:

Das Material I 91

Ähnlich das durchscheinende Rotgültigerz (argentum rude ruffum), das aus einem Gemenge von Silber und aus einem Gemenge entsteht, das der Stoff für einen durchscheinenden Stein ist. Wenn es aber zu gediegen Silber ausgeschmolzen wird, ist das durchsichtige Gemenge, das man von ihm absondert, nicht mehr durchscheinend.273

Das ebenfalls in den Inventaren genannte glaß ertz ist auch als Silberglanz bekannt und wird heute unter der Bezeichnung Akanthit274 (Argentit275) ebenfalls zur Mineralklasse der Sulfide und Sulfosalze gezählt. Es besteht aus Silber und Schwefel im Verhältnis zwei zu eins und ist somit ein Silbersulfid (Schwefelsilber).276 Diese Minerale entsprechen den Funden der Lagerstätten von Sankt Joachimsthal, die in der ersten Teufzone – in der Silberzone  – gediegen Silber, Silberglanz sowie Rotgültigerz führen.277 Peter Huber hat die Handsteine in Wien untersucht und die dort verwendeten Minerale bestimmt – allerdings ohne Entnahme von Proben, allein auf dem Augenschein basierend. Wenngleich er auf die Schwierigkeit hinweist, derbe graue Silbererze nur über die Autopsie zu bestimmen, kommt er dennoch zu folgenden Aussagen: Dennoch konnten auf den Handsteinen, die auch nach ihrem Mineralbestand eindeutig dem Entstehungsort St. Joachimsthal zugeordnet werden müssen, folgende Mineralien beobachtet werden: fast immer Silberglanz (bei Temperaturen unter 179 ° C ein monokliner Akanthit), oftmals auch in schönen, meist kubischen Kristallen („Argentit“). Aus Silberglanz sind die kunstvollen ­Arbeiten geschnitten. Fast ebenso oft wurde gediegen Silber (Drahtsilber, Locken) verwendet. Sehr häufig ist Proustit (helles Rotgültigerz) feststellbar, nicht nur in schönen, bis zu 5 cm großen Kristallen, sondern auch derb und als zerstoßenes Streumaterial. Pyrargyrit (dunkles Rotgültigerz), derb oder in Kristallen, sowie Stephantit – pseudohexagonale Kristalle! – sind weniger häufig zu sehen. Schöne Zinnsteinkristalle (Kassiterit) dürften aus Schlaggenwald stammen. Gelegentlich sind Bleiglanz, Pyrit oder Markasit, Kupferkies, Zinnober, Hämatit, Quarz und verschiedene Carbonate zu beobachten. Daneben wurden auch Feilspäne, Glassplitter u.v.m. verwendet. Einige wenige Handsteine aus dem KHM weisen Tiroler Mineralien auf; es ist daher auch denkbar, dass sie direkt in Tirol hergestellt oder ergänzt worden sind: Fahlerz, Kupferkies, Malachit, Azurit, Quarz, Baryt? und kleine Aragonite (Eisenblütenästchen) lassen dies vermuten.278

Die in den Handsteinen verwendeten Minerale verweisen nach diesem Befund vor allem auf Sankt Joachimsthal und damit auf das böhmische Erzgebirge als Fund- und wahrscheinlich auch Herstellungsort. Dies ist umso bedeutender, als die beiden aus den Quellen und über Monogramme ermittelbaren Künstlernamen in Verbindung mit den Handsteinen – Concz Welcz und Caspar Ulich (vgl. Kapitel 1.6) – auch mit dieser Bergstadt verbunden sind. Zugleich aber weist Huber auf ein anderes wichtiges Abbaugebiet der Frühen Neuzeit hin, auf Schwaz.279 Zeitgleich mit dem zweiten Berggeschrei, das im Erzgebirge zum Ende des 15. Jahrhunderts den erneuten Aufschwung der Montanindustrie brachte, erlangte auch der Schwazer Bergbau eine überregionale Bedeutung.280 Dort wurde zwar

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kein gediegenes Silber gefunden, wie das für einige Lagerstätten im Erzgebirge bezeugt ist,281 aber Silberglanz/Glaserz (Argentit, Ag2S) wurde in den Revieren um den Schwazer Eisenstein, vor allem in der Alten Zeche, abgebaut.282 Auch Rotgültiger Erz (Proustit, Ag3AsS3) ist zwar in Tirol selten, soll aber ebenfalls im Revier am Schwazer Eisenstein zusammen mit Pyrargyrit zu den älteren Funden gehören.283 Somit kommen also auch die Lagerstätten um Schwaz mit den beiden wichtigen Revieren Heiligkreuz und Alte Zeche als Herkunftsregionen des in den Handsteinen verwendeten Materials in Frage. 284 Denn auch in den dortigen Lagerstätten finden sich die Minerale, darunter die genannten reichen Silbererze Proustit und Pyrargyrit, sowie Silberblende, die in den Handsteinen verarbeitet wurden.285 Es ergibt sich also die schwierige Situation, dass in Sankt Joachimsthal im böhmischen Erzgebirge aber auch im Tiroler Bergbau um Schwaz in den älteren Revieren die gleichen Materialien aufzufinden sind.286 Die Forschung ist sich daher unsicher, woher die Handsteine stammen und ob es nur einen Herkunftsort dieser Kunstwerke gibt oder sie in mehreren Zentren hergestellt werden konnten.287 Der im dritten Kapitel zitierte Quelleneintrag, der ausdrücklich von einem Handstein aus Schwaz spricht, könnte aber darauf deuten, dass dies eine Besonderheit darstellt, und die meisten der Handsteine im Erzgebirge hergestellt wurden.288 Beide Varianten, sowohl glaß ertz/Silberglanz (Akanthit/Argentit), als auch rotgulden und glaß ertz (Pyrargyrit, dunkles Rotgültigerz und Proustit, lichtes Rotgültigerz) werden im Bermannus von Agricola genannt, den er im Jahre 1530 in Basel bei Hieronymus Froben veröffentlichte. In diesem fiktiven Lehrgespräch erklärt der gelehrte Bergbaupraktiker Bermann289 seinen Gesprächspartnern die verschiedenen rohen Silbererzarten (argenti ­rudis genera). Seine Verwendung des Begriffs regt den einen von ihnen – den Arzt Naevius – zur Nachfrage an: Was nennst du denn Rohsilber (argentum rude)? Bei den Silberschmieden und ganz gewiß bei den Münzmeistern würde man nach dem Sprachgebrauch des Terentius Varro noch ungeprägtes und unbezeichnetes Silber darunter verstehen.290

Naevius – als Vertreter antiken mineralogischen Wissens – fragt nach, da den antiken Mineralogen natürlich vorkommendes reines Silber nicht bekannt war. Bermann antwortet, dass er vordergründig damit all das bezeichnet, „was irgendwie Silber ist, aber sich in seiner Farbe unterscheidet“291 – kennt er doch sechs verschiedene Farbvariationen: −

Rotgültigerz I, mit der Farbe puniceus (purpurrot)



Silberglanz, mit der Farbe plumbeus (bleigrau)



Melanglanz, mit der Farbe niger (schwarz)



Chlorsilber, mit der Farbe purpureus (braun)



Fahlerz, mit der Farbe cineraceus (aschgrau)



Rotgültigerz II, mit der Farbe rufus (hellrot)292

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Anschließend beschreibt Bermann eine Stufe von Rotgültigerz, die er im Vorbeigehen einem Fund entnommen hat, der gerade aus einem Schacht gehaspelt worden war. Aus seinen Worten wird deutlich, auf welche Eigenschaften und Phänomene ein Mineraliensammler und Bergbaupraktiker bei der Betrachtung der Ressourcen achtete: Teilweise leuchtet es [das Rotgültigerz] einem entgegen aus einem schwarzen Nebengestein. Teils umgeben es Nebengesteine wie Funken, mindestens eine gewisse Art des Rotgültigerzes. Teilweise haften aber ganze Klumpen am Gestein. Dieses letztere Rotgültigerz ist meist derb. Bisweilen kommt aber auch Rotgültigerz von anderer Art vor. Die eine Art springt vor, gewissermaßen in kreiselförmigen Schneideflächen. Eine weitere Art umschließt einen anderen Stoff, den der Erzgang zugleich umfasst. Und so pflegt sie bald in gewissermaßen quadratischen Scheiben aufzutreten. Bald kommt sie auch in sechsseitigen Kristallen wie der Diamant vor, häufig aber auch mit vielen und schiefen Winkeln, wie sie manchmal beim Bergkristall auftreten. Übrigens ist dies Rotgültigerz durch seine Schönheit ganz besonders dann zu bewundern, wenn es blau angelaufen zu sehen ist.293 Mir wenigstens scheint die Natur, nach so vollendeten Werken gleichsam erschöpft, sich selbst wie an einem Gemälde an diesem herrlichen farbigen Schimmer dann wieder erholt zu haben. Ja, ich wüsste nicht, ob die Kunst mit der größten Anstrengung diese Schönheit erreichen kann.294

Auch bei der Betrachtung von einer Stufe des zweiten Rohsilbers, dem Silberglanz, ist die Beschreibung von Bermann bemerkenswert: Man findet auch dieses Silbererz unter sehr verschiedenen Formen. Es gibt nämlich erstaunlich große Massen in den Nebenschnüren der Erzgänge, gewissermaßen werden sie wie in förmlichen Nestern gefunden. Außerdem findet man es so, wie Knospen aus Bäumen hervorsprossend. Schließlich haftet es auf dem Nebengestein, wobei man eine vollendete Rundung bewundern kann. Und außerdem ist es in das Nebengestein eingeschlossen. Überdies wächst es wie eine Art Staude heraus und täuscht geradezu gewisse Gebilde vor. So haben wir einmal ein Fäustel und eine Keilhaue, die ja das Werkzeug des Bergmannes sind, gesehen. Und zwar bei Bartholomäus Bach, der sie aus der Grube „Konstantin“ [...] gefördert hatte, – sie sahen naturgetreu aus, und du hättest glauben können, ein Silberschmied (Fabrum argentarium) habe sie gebildet. So scheint die Natur ihre Spiele zu treiben, wenn nicht einer lieber annimmt, dass so etwas wie dergleichen Gebilde durch den Zufall hervorgebracht wird.295

Beide Quellen sind von hoher Relevanz für die Handsteine – erstens, weil sie mit dem Material genau die Silbererze in den Blick nehmen, aus denen diese Artefakte erschaffen wurden. Beide Textstellen bezeugen, wie sehr schon das rohe Ausgangsmaterial bewundert wurde. Zweitens sind diese beiden Beschreibungen singulär im Bermannus; weder vorher noch nachher bemüht sich Agricola um eine so umfangreiche Charakterisierung von Mineralen und zeigt eine so große Wertschätzung für ihr Aussehen und ihre Materi-

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alqualitäten. Besonders hervorzuheben ist, wie die vorgetäuschten „Gebilde“ (varias ­figuras mentitur) als Spiele der Natur wahrgenommen und diese Formen als tatsächliche Dinge – wie die Instrumente mit Bezug zum Bergbau – ausgedeutet werden konnten. Auch der italienische Bergbautheoretiker Vanoccio Biringuccio (1480–1537) zeigt eine vergleichbare Sensibilität für die Schönheit und auch Staunen über die Größe und Qualität des gefundenen Rohmaterials. In seiner Schilderung des Tiroler Bergbaus berichtet er, wie er zwischen Innsbruck und Hall ein großes Tal mit einem imposanten Bergwerk besuchte. Er zeigt sich beeindruckt von den Erzvorkommen und der Menge der Arbeiter: Außer der Grube fesselte mich der Anblick der Menge teils ausgeklaubten, teils rohen Erzes, das aus dem Mundloch des Stollens herausgeschafft worden war. Unter anderem sah ich eine reine Erzmasse ganz in einem Stück von solcher Größe und Schwere, dass ein Gespann guter Pferde es mit einem Wagen nicht fortgeschafft, ja es kaum bewegt hätte. Das Erz war, wie gesagt, Kupfererz, aber man nannte es des größeren Eindrucks wegen Silbererz, weil es soviel Silber enthielt, dass dieses alle Gestehungskosten mehr als deckte.296

Auch Johannes Mathesius hat ein Auge für die Schönheit der natürlich gewachsenen Erze, wenn er zu rotgülden ertz ausführt: Man sihet nicht allein im gold und silber / sondern im rotgülden ertz / zwitter / flössen und cobald wasser / wenn die materien erstlich geflossen / und das wetter so für und für im berg durch der erden schweißlöchlein / und sonderlich in drussen / so von der hitze herkommen / auß / und ein zeucht / wie so schöne zencklein werden / die der wind poliert unnd abdeckt / das sie ir rechte abtheylung und gleiche seyten / unnd abgestolen kümpffe haben / wie die edlen gesteine / als het sie Bezaleel an seinem schneydzeug / mit schmirgel und Demantpulver abgezogen und außgebutzt. Man muß Gott / der alle ding erfüllet / und uberall gegenwertig und geschefftig ist / auch mitten inn der erden sein werckstadt lassen / welcher mit seinem Son für und für wircket [...]297

Nicht allein die besondere Qualität des Rohmaterials wird von den Zeitgenossen hervor­ gehoben – sowohl für Agricola als auch für Mathesius ist es bemerkenswert, dass die Erzstufen in Formen in der Erde aufgefunden werden, als seien sie von menschlichen Künstlern geformt. Dabei wird das Bild eines Silberschmieds genutzt, bei Agricola sogar der alttestamentliche Künstler Bezalel imaginiert, der von Moses berufen worden war, um im Auftrag Gottes das Stiftszelt mit Werken aus Gold, Silber, Bronze und geschnittenen Edelsteinen zu schmücken (Exodus 31, 1–11, sowie 35, 30–35). Agricola hingegen findet die Metapher der Natur als Künstlerin, die die Erze wie ein Gemälde entwirft. Die besondere Farbigkeit und auch die Formen werden immer wieder gepriesen, so auch in der 11. Predigt von Mathesius, in der er die Lagerstätten und Zechen in Sankt Joachimsthal beschreibt:

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An diesem Gebirge streicht der geschübergang hinder Georg Heidlers hause in 8 ½ darauff Sanct Dorothea, Schnarpetter unnd Wolff Hubers lehen, ligt. darauff ist das schönst rot güldig Ertze gebrochen, durchsichtig wie ein Rubin, polirt und abgeeckt, wie ein geschnittner Demant.298

Die Schönheit des Materials sowie der Wert der Silbererzstufen gaben den Ausschlag dafür, sie so behutsam zu verarbeiten, dass ihre originale Substanz erkennbar erhalten blieb. Aber allein schon das Vorkommen von gediegenem Silber war eine Besonderheit aus dem Erzgebirge – wird doch im Bermannus deutlich herausgearbeitet, dass die antiken Schriftsteller keine Nachricht davon überlieferten, da die von ihnen beschriebenen Fundstellen kein gediegenes Silber führten: Naevius, Ancon und Bermann haben während ihres Dialogs gerade eine Grube verlassen und schauen im Haus des Joachimthaler Obersteigers vorbei, wo Naevius ausruft: Guter Gott! Wieviel Bütten und Tröge mit silberhaltigem Gestein sind hier! Was ist denn das für eine Art, die die Farbe des Silbers hat?

Bermann antwortet darauf, dass dies Silber sei. Naevius aber hält es für schon ­verarbeitetes Silber, wenn er darauf entgegnet: Was tut denn hier ausgeschmolzenes Silber, wo keine Silberschmiede sind und, wie ich glaube, ebenso wenig Münzwerkstätten, um Stücke zu prägen?

Bermann antwortet, dass es sich keineswegs um ausgeschmolzenes, sondern um reines, natürlich gewachsenes Silber handelt – ein Zustand, den Plinius nicht kennen würde und der den drei Dialogpartnern deutlich macht, was für eine Besonderheit sich in den erzgebirgischen Gängen und Klüften befindet.299 Es ist also diese Neuheit und Einmaligkeit, die das Material für die Erschaffung von Kunstwerken ausweist – und zugleich die außerordentliche Schwierigkeit definiert: das Silbererz soll in seiner gewachsenen Form und in der materiellen Reinheit der natürlichen Ressource in ein Artefakt überführt werden, das so zu einer Symbiose der artifiziellen und der natürlichen Anteile wird. Johannes Mathesius betont dies in seiner dritten Predigt vom Ursprung der Metalle. So findt man gewachsen zeinlein silber / die sich krümmen / winden und schlingen / wie die kleinen Schlinglein oder Regenwürmlein. Denn wie ein Dratzieher seine dret unnd zeinlein durch die engen löchlein zeucht / und ein Goldschlaher silber unnd gold so dönne macht als ein Mahenbletlein / Also zeucht Gott seine zeinlein / und schlecht seine dönne bletlein silber zwischen den engen und festen klüfftlein / wie es die erfarung zeuget / Darzu findt man im glantz / Marchasith und andern metallen viereckichte leybe / abgespitzt und geeckt wie ein würffel / Item / welche circkelrund sein / als het sie ein Drechsler gedrehet.300

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Die hier erneut aufscheinende Parallelisierung von Gott und/oder der Natur, die wie Handwerker – bei Agricola wie ein Maler, bei Mathesius wie ein Drahtzieher, ein Blattgoldschlager und ein Drechsler – in ihrer Werkstatt erstaunliche Formen erschaffen, ist ein in der zeitgenössischen Literatur zu den Mineralen und Metallen häufig vorkommendes Motiv. Dabei wird der Vergleich zu Goldschmieden oder Steinschneidern gezogen, die mit den gleichen Rohstoffen arbeiten und sie formgebend verändern – beispielsweise bei Mathesius, der in der 3. Predigt zum Ursprung der Metalle ausführt: Die metal / spricht Job / werden formiert und geziegelt in der mutter der erde leyb / da vil wasser ist / Gleych wie ein kind auß der eltern samen301 in mutter leyb gezelt wirdt / Denn Job wil one zweyffel mit diesem worten das wunderbarlich werck Gottes beschreyben / der gemeiniglich wo vil wassers am tag und in zechen ist / seine kunst und meisterstück beweyset / und lesset nicht allein silber und gold wachsen / sondern formirt unnd macht es so artig / als het ein Goldschmid dran gearbeyt / oder als het es ein polierer und Steinschneyder zubereytet / unnd abgeschliffen / Wie die erfarung zeuget / Wes findt man der aller schönsten handsteinlein von allerley gewechß / von schönen farben / offt contrafiguriert dingt / das thierlein / beumlein / thüernen und schlössern ehnlich sihet.302

Erneut ist es die Analogiesetzung des natürlichen gewechß mit dem contrafiguriert ding, die suggerieren, dass Handstein (Ressource) und Handstein (Kunstwerk) den göttlichen oder menschlichen Goldschmiedewerkstätten (zugleich) entstammen. Weitere Stellen bei Agricola belegen die Würdigung der Rohform, in der das gediegene Silber gefunden wurde: Was nun das gediegene Silber angeht, so wächst es bald in Stauden, bald haarförmig. So findet man bisweilen ganze Büschel, von denen die einzelnen Fäden wie ein Gewebe verflochten sind. Teils sind sie ganz weiß, teilweise aber auch rosarot. Schließlich findet man dieses gediegene Silber auch so, als ob durch ein bewundernswertes Kunstwerk der Natur irgendein Werkzeug, oder auch das Bild eines Baumes abgebildet sei. Das können wir dann als einen großen Genuss betrachten.303

Schon Albertus Magnus war gediegenes Silber offenbar aus eigener Anschauung, die er im Freiberger Revier erlangt hatte, bekannt: Wir [Albertus] haben herausgefunden, dass Silber in vier Formen ausgebildet ist, möglicherweise gibt es in anderen Ländern noch mehr Ausbildungsformen. Aber diese vier Formen haben wir in Deutschland gefunden; ich selbst fand es ganz in den Stein eingeschlossen, von dem es durch Rösten, Zertrümmern und Feuer abgetrennt wird, wie es zuvor für das in den Stein eingeschlossene Gold beschrieben wurde. Ich selbst habe es auch als eine Art von Ader gefunden, die den ganzen Stein durchzieht. Es war etwas reiner, aber es ist einige Substanz des Begleitsteins darunter gemischt. Und es wird auch in der Erde gefunden, als eine Art Ader, die reiner ist als alles

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23  Caspar Ulich, Handstein mit der Auferstehung Christi und der Gefangennahme von Franz I. nach der Schlacht von Pavia, Seitenansicht. Sankt Joachimsthal, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Wien, KHM, KK_4148.

­[Silber], das in Stein angetroffen wird. Denn an dem Ort, der Freiberg heißt – was „Freier Berg“ bedeutet –, wird es manchmal als fester Grus gefunden. Dies ist die beste und reinste Art von ­Silber. Es enthält nur wenig Schlacke, als wäre es durch die Bemühungen der Natur selbst gereinigt worden. 304

Also ist schon im 13. Jahrhundert die Vorstellung vorhanden, dass das Freiberger (und damit das erzgebirgische) Silber so rein sei, als wäre es durch Verhüttungsverfahren von allen Beigaben befreit worden – Albertus bemüht die Natur selbst, die das Material reinigt. Neben der Bewunderung für die natürlich gewachsenen Formen wird bei ihm dennoch zugleich auch der menschliche Zugriff und die Weiterverarbeitung bedacht und allegorisch ausgedeutet.305 Das aus dem Kontext der Kunstkammern und frühneuzeitlichen Sammlungen bekannte Motiv von einem Dialog, einer Konkurrenz oder eines Wett­ kampfes von natürlichen und künstlichen Formen, ist mit Blick auf die Silbererze deutlich zu betonen, wie es auch Vincenzo Borghini (1515–1580) 1570 formuliert hatte: „Diese

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Dinge gehören nicht allein zum Reich der Natur und nicht allein zum Reich der Kunst, sondern sie haben beide Aspekte in sich und das eine fördert das andere.“306 Wie bewusst die besonderen materiellen Möglichkeiten der Silbererzstufen von den Goldschmieden genutzt werden konnten, zeigt sich exemplarisch am Handstein mit der Auferstehung Christi und der Schlacht von Pavia (Abb. 23).307 Bei dieser Stufe tritt das Material dort, wo sich der Leib des auferstehenden Christus befindet, als weißliches Silber vor dem dunklen Hintergrund hervor. Es wirkt so, als seien hier zwei verschiedene Materialien miteinander kombiniert; der Künstler aber verwendet nur eine Erzstufe, bei der er im Hintergrund die natürlich gewachsene Struktur mit ihrer porösen Oberfläche stehen lässt. Und die er im Körper des Christus polierend so verdichtet, dass über das Material noch eine erzählerische Bedeutungsebene hinzutritt und der Körper des Gottessohns aus dem Inneren zu leuchten scheint.308 Die Begeisterung für den Rohstoff und die Wertschätzung der artifiziell erschaffenen Form treffen hier aufeinander – nicht unbedingt in einem agonalen Verhältnis zwischen Artifex und natura, das mit den Begriffen von imitatio und aemulatio beschrieben werden kann, sondern tatsächlich als Dialog und als Ausloten von materiellen und technischen Möglichkeiten.309 Diese Beziehungen werden innerhalb der Sammlungskontexte noch betont, wo die Handsteine gemeinsam mit Erzstufen und Silberfunden aufbewahrt wurden, die natürlich entstandene „Bilder“ enthielten. Auf das Kreuz aus haarigem Silber, das heute in der Naturkundlichen Sammlung in Dresden aufbewahrt wird, ist schon hingewiesen worden; weitere fantastische Funde von Drahtsilberstufen sind seit dem Beginn der Erschließung der Silbererzstätten durch Christian IV. von Dänemark-Norwegen (1577–1648) ab 1623 in Kongsberg ausgestellt, die eindrucksvoll die Wertschätzung der Rohmaterialien und das Staunen über die von der Natur geschaffenen Formen belegen.310

1.6 Die Künstler Fünf der erhaltenen Handsteine in Wien und in Dresden sind monogrammiert: In der Wiener Sammlung trägt der Handstein mit der Darstellung der Caritas ein ligiertes CW und ist damit das einzige an Concz Welcz sicher zuschreibbare Werk (Abb. 24).311 Das ligierte CV für Caspar Ulich findet sich an vier Objekten: an dem Handstein mit der Erschaffung Evas und der Anbetung der Hirten in Wien,312 an dem Handstein mit der Auferstehung Christi sowie der Schlacht von Pavia in Wien,313 an dem Handstein mit Maria/Caritas in Wien314 und an dem Handstein in Dresden mit der Darstellung von Christus am Ölberg (Abb. 25).315 Beide Meister arbeiteten als Goldschmiede in Sankt Joachimsthal im böhmischen Erz­ gebirge, Caspar Ulich lernte sehr wahrscheinlich in der Werkstatt von Concz Welcz und führte dessen Werkstatt weiter. Keiner der Handsteine mit Bergwerkszenen trägt ein Monogramm oder Meisterzeichen, so dass bei dieser Gruppe eine mögliche Zuschreibung an Welcz oder Ulich rein spekulativ ist und aufgrund von stilistischen Überlegungen, über das verwendete Material und der Zugehörigkeit zur selben Objektgruppe diskutiert wurde.

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24  Concz Welcz, Handstein mit Caritas. Sankt Joachimsthal, Mitte des 16. Jahrhunderts. Wien, KHM, KK_4136.

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25  Caspar Ulich, Handstein mit Christus am Ölberg, Sank Joachimsthal, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. VI 8 ff.

Von Concz Welcz sind neben dem Caritas-Handstein aus Wien nur wenige weitere Werke bekannt oder über Quellen zu erschließen. So erwähnt Johannes Mathesius den Meister als Schöpfer eines großen Kelchs, den Margarethe von Hassenstein und Lobkowitz316 seiner Kirche stiftete: Ich muß hie unsers großen Kelchs gedencken, darzu di hochgeborne fraw, Fraw Margaretha vom Hassenstein vnd Litzko, Burggreuin zu Meissen etc., heimlich ließ 50 Taler geben, welchen der berümpte künstler Cuntz wels, dieser Kirchen zu letzt vnd gedechtnuß machet, vnd am fuß, Christum am Creutz, vnnd die Tauff, Absolution Matth. 9 vnd das Abendmal, hoch vnd künstlich triebe, vnd an die hülsen die vier Evangelisten inn Thier gestalt, frey von der hand schnitte, vnd die kappe am corpus mit amelierten vnd geschmeltzten angesichten, vnd schönen gesprengen kleydete vnd schmückete, welchs neben dem pantelen, auff welches der salvator punctioniert, sehr lustig zu sehen ist.317

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26  Concz Welcz, Entwurf eines Deckelpokal, Mitte des 16. Jahrhunderts, Wien, Albertina, Inv. Nr. 5138.

Mathesius notierte zudem in seiner Chronica der Keyserlichern freyen Bergkstadt Sanct Jochimßthal der zuvor die Conradsgrün genent war,318 die er tabellarisch Jahr für Jahr unterteilt in die vier Register „Oberregiment“, „Berckregiment“, „Stadtregiment“ und „Pfarr und Schul“ führte, zum Jahr 1553: „Die hochgeborne fraw Margaretha von Hassenstein / geborne Burggreffin zu Meichssen / hat den grossen kelch zur außsteylung des Abendmalß geben, im Aprill.“ Darüber hinaus haben sich einige graphische Werke erhalten, darunter der von Concz Welcz signierte Entwurf eines Deckelpokals in der Albertina, Wien (Abb. 26).319 Diese Federzeichnung zeigt einen Pokal mit einem aufwendigen Fuß, der als Montanrevier gestaltet ist und eine direkte Verbindung zu den Handsteinen mit vergleichbarer Motivik bildet. Daneben hat der Künstler einen Baumstumpf auf einem Steinblock gezeichnet, der die drei­ zeilige Aufschrift CONCZ – / WELCZ /. 15.32 trägt und an dem ein Mann, möglicherweise der Goldschmied selbst in Landsknechtsgewand, lehnt.320 Ein zweiter Entwurf für einen schalen-

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27  Concz Welcz, Medaille mit Weltgerichtsdarstellung, 1545.

förmigen Pokal von 1533 (in der Universitätsbibliothek Erlangen, Inv. Nr. B 1386) wurde Concz Welcz zugeschrieben, da hier die Figur eines Bergmanns mit schmauchender Öllampe und Axt über der Schulter den Deckelknauf des Werkes bildet.321 Neuerdings aber wird ­Melchior Baier als Entwerfer des Pokals diskutiert, allerdings ohne Kenntnis der älteren Zuschreibung an Welcz.322 Für einen dritten Entwurf, der Humpen von 1532 aus Berlin, sowie eine vierte Entwurfszeichnung in der Waldburgschen Sammlung in ­Wolfegg, ein Deckel­ pokal mit Figurenfries, wurde der Goldschmied aus Sankt Joachimsthal ebenfalls als Autor vorgeschlagen.323 Möglicherweise basieren zwei Plaketten mit der Darstellung der Arbeiten im Bergwerck und eines Alchemisten in seiner Werkstatt, die sich heute im Bayerischen Nationalmuseum in München befinden, ebenfalls auf Entwurfszeichnungen von Concz Welcz.324 Das Monogramm von Concz Welcz findet sich auf mehreren hochwertigen Prägemedaillen aus der Zeit zwischen 1535 und 1551, die er bis 1545 mit C. W., ab 1545 dann mit dem ligierten Monogramm (wie auf dem Caritas-Handstein in Wien) bezeichnet.325 Zu

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­seiner umfangreichen Produktion zählen eine Medaille mit der Mondgöttin (1543),326 die Weihnachtsmedaille von 1545 mit der Darstellung der Heiligen drei Könige,327 eine Medaille mit Weltgerichtsdarstellung von 1545 (Abb. 27),328 eine Ostermedaille (1551),329 eine Medaille mit Todesallegorie330 sowie die Medaille mit dem Tod der Lukrezia und dem ­Heiligen Georg in Silberguss.331 Interessant sind die Weltbilder der Weltgerichtsdarstellung und der Weltenschöpfer-Medaille von Concz Welcz, werden diese doch durch die um­ laufenden Meridiane und den Zodiakusreif als menschliche Artefakte (als Globen) definiert (vgl. dazu Kapitel 3.5).332 Eine Medaille von Concz Welcz – die Darstellung von Lot und seinen Töchtern – ziert den Innendeckel eines Humpens mit den Personifikationen der sieben Planeten, der aus der Wenzel Jamnitzer-Werkstatt stammen soll.333 Auch im Bereich der Bildnismedaillen war Concz Welcz tätig, erhalten sind unter anderem eine Prägemedaille mit den Brustbildern von Kaiser Karl V. und seinem Bruder, Ferdinand I.334 Über dieses Motiv wurde der Künstler mit zwei hölzernen reliefierten Buchdeckeln verbunden, die möglicherweise aus der Kunstkammer von Rudolf II. (1552–1612) stammen und die erneut Kaiser Karl V. und Ferdinand I. zeigen.335 Eine weitere Prägemedaille mit avers den sich zugewandten Brüdern und revers der Schlacht von Mühlberg vom 24. April 1547 wird ihm auch zugeschrieben.336 Diese Medaillen, die Herrscherdarstellungen mit historischen Ereignissen verbinden, zählen zu den hervorragenden Schöpfungen der erzgebirgischen Kunst im 16. Jahrhundert.337 Sie bezeugen, dass Concz Welcz für ein gebildetes Umfeld fertigte und durch die frühe Übernahme der aus Italien kommenden Gattung der Bildnis- und Geschichtsmedaillen einen hohen künstlerischen und innovativen Anspruch als Goldschmied vertrat.338 Wie Mathesius in seiner oben zitierten LutherPredigt darlegt, sind die „schönen Handsteine und geschnittenen Stufen und Schau­ groschen“ für ihn gemeinsam zu betrachten. Die natürliche Erzstufe, die künstlerisch überarbeiteten Silbererze, in die Geschichten geschnitten worden waren sowie die geprägten und gegossenen Medaillen sind für ihn wertvolle Objekte, denen besondere Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit zukam. Der natürliche Fund wird dabei in einer Reihe mit den Silberkunstwerken der Handsteine und Medaillen genannt, auf denen christliche Bilder im Erzgebirge kursierten. Der Goldschmied Concz Welcz schuf sowohl Handsteine als auch die modernen, in Silber gegossenen – oder geprägten – Medaillen. In beiden Medien tauchen vergleichbare Themen auf (Lucrezia, historische Schlachtenerinnerungen und christliche Szenen), die Materialbehandlung aber divergiert, wenngleich in beiden Fällen regionales Silber verwendet wurde und beide Werkgruppen in denselben Sammler- und Gelehrtenkreisen kursierten.339 In beiden Gattungen wurden Bilder aus Silber geformt, in beiden Gattungen blieb die Materialität im fertigen Werk bedeutungsvoll, da sowohl die Handsteine als auch die Medaillen in die Hand genommen und aus der Nähe betrachtet wurden. So traten also weitere, über die Sinne erfahrbare Sensationen bei ihrer Rezeption hinzu, wie die Schwere und die Temperatur der Objekte. Die Handsteine verwiesen in ihrer Materialität auf den Reichtum der natürlichen Silberressourcen, die Medaillen auf die Leistungsfähigkeit der regionalen In-

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dustrie, auf das reine Endprodukt, das in Münze oder Medaille umgewandelt und so zum Bildträger geworden war. Concz Welcz war es auch, der das Siegel der Bergstadt Sankt Joachimsthal schuf.340 Es zeigt Joachim und Anna, die das Wappen der Stadt halten: Ein in vier Felder geteilter Schild, im ersten und vierten Feld der Löwe (Böhmen) und im zweiten und dritten ein zwischen Bergen gelegenes Göpelhaus, davor in einem Herzschild vor einer Binde341 gekreuzt Hammer und Schlägel. Zwischen ihnen steht die Jahreszahl 1545. Die Umschreibung, die hinter den Köpfen von Joachim und Anna umläuft, lautet SIGILUM SECRET ­LIBERE CIVITATIS VALLIS S. JOACHIMI ORTE CIRCA M D XVI AN CHRISTI SCULPT mit dem Monogramm CW unterhalb des Stadtwappens.342 Über Concz Welcz ist ansonsten nichts bekannt; dass er seine Lehrjahre in einem der beiden Zentren deutscher Goldschmiedekunst des 16. Jahrhunderts, eher Nürnberg als Augsburg, verbrachte, ist möglich – vielleicht sogar naheliegend  – aber nicht zwingend. Caspar Ulich führte die Tradition der Fertigung von Handsteinen weiter; er heiratete am 6. Januar 1555 die Witwe von Concz Welcz und es ist anzunehmen, dass er aus dessen Werkstatt als Lehrling oder Geselle hervorgegangen ist.343 In der vierten Auflage der Sankt Joachimsthaler Chronik von 1578, die die von Mathesius bis 1561 verfasste Geschichte weiterschreibt, findet sich die Notiz „Caspar Ulich ein kunstreicher meisster auff allerley Ertzstuffen / gestorben 18. Julij. [1576]“.344 Durch sie wird betont, dass Ulich mit den figürlichen Handsteinen eng verbunden war.345 Die Namen von Concz Welcz und Caspar Ulich sind mit einer technischen Innovation verbunden, die für die künstlerische Arbeit an den Handsteinen, bei denen das natürliche Material weiterhin erkennbar bleiben, aber dennoch überformt werden musste, eine wichtige Voraussetzung schufen. Bei dieser Technik scheint die poröse Struktur der natürlichen Erzstufe durch Erhitzung soweit verdichtet worden zu sein, dass sie (noch besser) verarbeitbar und formbar wurde.346 Hinweise auf dieses Verfahren finden sich unter anderem in der elften Bergpredigt von Johannes Mathesius, in der er über Salpeter, Alaun, Borax, Salz und Schwefel (= Bergsäfte succorum concretorum, die im Wasser schmelzen oder zergehen) handelt: Man sol auch nun Salermoniax und Borras neben andern zusetzen nemen / wenn man die klein glaßertz stüflein wil zusammen lassen / on abgang seiner natürlichen farbe / welches kunststück ein goldschmid allhier erfunden hat.347

Diese Stelle nennt Glaserz-Stufen und damit genau jenes Material (Argentit/Akanthit), das in den Handsteinen verwendet wurde. Mathesius sagt, dass es eines Zusatzes von Salmiak und Borax348 bedurfte, wenn man diese natürlichen Funde ohne eine Veränderung der Farbe weiterverarbeiten wollte – und fügt hinzu, dass dieses bislang unbekannte technische Verfahren (kunststück) von einem Goldschmied aus Sankt Joachimsthal entwickelt worden sei. Der Zusatz „wil zusammen lassen“ mag allein auf den Verzicht einer den natürlichen Fund zerstörenden weiteren Aufbereitung verweisen, oder aber die künstliche

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Verdichtung des Materials bedeuten, die allerdings ohne den Verlust der natürlichen Farbe erfolgen konnte. Bei der Diskussion der verschiedenen Silberarten, die in den ­Gruben im Erzgebirge lagerten, verweist Mathesius erneut auf das innovative Verfahren: Ich hab auch braun gedigen silber gesehen / vom himlischen heer auff S. Annaberg / darauß man ein bild geschnitten / Wie man auch grauw und gelb glaßertz findt. Ihr wisset das man auß glaßertz unnd weissem silber / wechs man mit meisseln hat abschroten müssen / hie schwa­ groschen gemüntzet / ehe es in ein fewer kommen ist. Wiewol man nun auch das glaßertz one verenderung seiner farb und halt schmeltzen und pregen kann / Welchs ein Goldschmid allhie erfunden hat.349

Hier sind es drei unterschiedliche Qualitäten, die Mathesius beschreibt: erstens betont er, dass im Erzgebirge natürliche Vorkommen so reichhaltig Silber tragen, dass sie ohne Verhüttungsverfahren direkt geprägt werden können. Dies impliziert zweitens eine gewisse Geschmeidigkeit (Duktilität) des Materials. Auch Agricola lässt Bermann berichten, dass man Silberglanz/Akanthit gefunden habe, das mit den Zähnen verformbar sei.350 Dieselbe Materialeigenschaft beschreibt Mathesius für den Silberglanz/Glaserz: „Glasertz lest sich affm nagel streichen / oder untern zehnen fletzschen / oder gar hacken / drein schneyden wie inn ein pley.“351 Das bedeutet, dass schon der natürliche Fund verformbar war und mit einer Art von schneidender (schnitzender) Technik bearbeitet werden konnte.352 Als Neuerung oder eher Weiterentwicklung nennt er dann drittens ein innovatives Verfahren (wiewohl man nun), das von einem erzgebirgischen Goldschmied entwickelt wurde, und das es erlaubt, das Glaserz zu schmelzen und zu prägen, ohne das es seine Farbe und seinen halt, also seine Struktur und Festigkeit verändere. Zudem beschreibt er den weiterführenden Arbeitsgang bei der Bildgestaltung erneut als „schneiden“ (darauß man ein bild geschnitten), was die verarbeitbare Dichte und Weiche des Materials betont, eine Eigenschaft, die durch den expliziten Vergleich mit Blei bestätigt wird (drein schneyden wie inn ein pley). Petrus Albinus (1543–1598) berichtet im 16. Kapitel seiner Meißnischen Bergk Chronica zu den Silbervorkommen im Erzgebirge, nachdem er das Gediegen weis oder Bleichgelblichcht Silber wie ein Horn, das Lederfarb Ertz. Durchsichtig Ertz wie ein Horn / und fast wie ein Sarda sowie das Gründglaß Ertz. BraunErtz so nach dem Schnit grün worden. Derb Leberfarb Ertz auffm Schneeberg

besprochen hat ebenfalls über die Newe Kunst aus Glaßertz etwas zumachen das die Farbe bleibt. Schawstuff aus Glaßertz: Neben dem dieses zuerinnern / das man die Ertz eins theils / ob sie schon nicht geschmeltzet / hat arbeiten lernen / allerley draus zumachen / und ein gepreg drauff zu schlagen / sonderlich das GlaßErtz / so eine Bleyfarbe hat / und von den Bergleuten also genennet wird / welches durch ein

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Goldtschmiedt im Joachimsthal erfunden / darauff viel Ringe und Schawgroschen daraus gemacht worden / wie allbereit droben erinnerung geschehen. So hat Caspar Ulrich Bürger daselbst als ein kunstreicher Werckmeister / einsmal von solchem Glaßertz ein schön Wercklein verfertiget / da uff einer seiten die Aufferstehung Christi / uff der andern Keyser Caroli V. Sieg / so er an dem König zu Frankreich erlanget / zu sehen gewesen.353

Erneut wird hier betont, das „gelernt“ wurde, die natürlichen Funde „ungeschmolzen“ weiterzuverarbeiten; allein dies weist schon auf ein innovatives Verfahren hin. Als Arbeitsprozess wird das Prägen genannt, mit dem Ringe und Medaillen hergestellt werden konnten. Aus den Beschreibungen geht deutlich hervor, dass dieses Verfahren – das mit einem „Goldschmied aus Sankt Joachimsthal“ verbunden ist – ermöglichte, die nicht weiterverarbeiteten oder gereinigten Erzfunde künstlerisch zu gestalten. Daher scheint auch Mathesius, wenn er oben von Farbe und in der zweiten Quelle von Farbe und von Halt spricht, die Bewahrung der materiellen Struktur insgesamt bezeichnet zu haben – was nicht ungewöhnlich ist, werden doch häufig in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Texten Substanzveränderungen als Farbveränderungen (und umgekehrt) beschrieben. Mit dem Motiv des „gepreg drauff zu schlagen“ kommt das im Dresdner Schatzkammerinventar von 1586 genannte Stück Erz in Erinnerung, in das das Bildnis des Kurfürsten geprägt wurde (fol. 65r): „Ein viereckichter glatter stein von guter bergkart, darauf ein gebrech von einem thaler, mit churfurst Augusten contrafect geschlagen“.354 Friedrich Nies berichtet in seinem Artikel über Ausbeutemünzen ebenfalls über das „Unikum“ der Prägbarkeit von Silberglanz und kennt ein vergleichbares, allerdings jüngeres Objekt aus der mineralogischen Sammlung in Göttingen;355 ein dreieckiges Stück Silberglanz, in das der sächsische Münzstempel (erkennbar ist das kursächsisch-polnische Doppelwappen, 1780) avers wie revers eingeprägt ist und das danach in der Mitte durchgebrochen wurde: Gewiss handelt es sich um eine Probe, die mit einem sonst für Silber dienenden Stempel an dem besonderen Materiale hinsichtlich seiner Prägbarkeit angestellt wurde, worauf man vielleicht zur Feststellung der inneren Beschaffenheit nach dem Drucke das Stück zertrümmerte.356

Auch Medaillen sind aus diesem Material erschaffen worden – wobei die gleichen Prägestempel Verwendung fanden, die auch für die Medaillen aus verarbeitetem Silber genutzt wurden.357 Im Münzkabinett in Dresden ist die in Silberglanz geprägte Darstellung des Sündenfalls (avers) und der Vertreibung aus dem Paradies (revers) ausgestellt, die dem einer berühmten Sankt Joachimsthaler Stempelschneiderfamilie entstammenden Nickel Milicz zugeschrieben wird.358 Eine weitere geprägte Glaserz-Medaillen mit avers der Darstellung von Jeremias und der Umschrift STRAF DER STAT IERVSALEM IEREMIE IM GESICHT OFENBART und revers Jesus mit der Umschrift ES WERDEN ZEICHEN GESCHEN AN DER SONEN VND MON ist in den Beständen des Dresdner Münzkabinetts erhalten und wird dem Sankt Joachimsthaler Goldschmied Concz Welcz zugeschrieben.359

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Die Technik des Schneidens in einen Handstein wird zudem mit einem noch heute erhaltenen Werk von Caspar Ulich in Verbindung gebracht, der in der Albinus-Chronik zwar nicht – wie bei Mathesius – als Erfinder, aber als Anwender des innovativen Verfahrens erinnert wird: Mit dem Handstein in Wien mit der Schlacht von Pavia und dem auferstehenden Christus, dessen schimmernder Körper sich deutlich vor dem dunklen Hintergrund abhebt (KK_4148, vgl. Abb. 23). Diese Stufe ist auch Mathesius bekannt, der sie mit folgenden Worten beschreibt: Die schönste stuffe, die ich mein tag gesehen, war ein glaßertz von etlichen Marcken, darein man die Auferstehung des Sons Gottes mit seinem grab und Wechtern künstlich geschnitten hatte; da gab das gewechse, das der leib des Herren eben in weiß silber kam, Wechter und grab war schwartz wie play.360

Erneut spricht Mathesius hier von „künstlich geschnitten“ und bedeutet damit, dass die Figuren in das Material, wohl vergleichbar den Arbeitsschritten eines Bildschnitzers in Holz, eingegraben wurden. Werner Quellmalz veröffentlichte 1969 die Ergebnisse seiner naturwissenschaftlichen Analyse einer kleinen Probe des Dresdner Handsteins mit Christus am Ölberg und der Signatur von Caspar Ulich.361 Er gehört zu den fünf Erzstufen, die Christian I. von Sachsen am 18. März 1587 seiner Gemahlin Sophie von Brandenburg (1558–1622) schenkte und die nach ihrem Tod in die Kunstkammer kamen. Quellmalz und sein Team hatten die Möglichkeit, zwei Proben des legendären Silberfundes der Sankt Georgs Grube von 1477 erzmi­ kroskopisch zu untersuchen.362 Agricola lässt seinen Protagonisten Bermann zu diesem Fund aus Schneeberg berichten: Bermann: Dort ist es aus der Grube St. Georg in einer solchen Menge, wie bisher noch aus keiner einzigen deutschen Grube gefördert worden. Wir hören darüber, es sei als eine solche Riesenstufe angetroffen worden, dass der Herzog Albrecht zu Sachsen, der vor allen anderen deutschen Fürsten seit Menschengedenken im Kriegsdienst und durch seinen Reichtum einen ganz besonderen Ruf genoss, eben deshalb in jene Grube eingefahren ist [...] Der Herzog soll nun damals angeordnet haben, ihm bei seiner Besichtigung dieser Grube Speise und Trank hinunter zu bringen. Es wird uns überliefert, dass er eben diese Stufe als Tisch für sich und die Seinen benutzt hat und dabei äußerte: „Kaiser Friedrich (III.) ist zwar ein mächtiger und reicher Kaiser, aber einen Tisch von purem Silber hat er heute nicht.“ So stark erregte diese große Silbermasse die Bewunderung des Herzogs Albrecht. Und ich selbst geriet in eine noch größere Verwunderung, als ich zu Schneeberg hörte, welch erstaunliches Gewicht dieses Silber, was herausgeschafft und zusammengetragen worden war, insgesamt gehabt hat. Naevius: Du erzählst viele Dinge, von denen kein Mensch eine Ahnung hat! Aber wie schwer war denn nun das Gewicht dieser Menge? Bermannus: Ich glaube, es waren etwas mehr als 10 [Wagenlasten].363

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Die Proben erwiesen sich als „ein sehr uneinheitliches Aggregat verschiedener Silberminerale, worin gediegen Silber und Silberglanz überwiegen.“364 Beide Minerale haben eine geringe Härte und hohe Dehnbarkeit, kommen aber natürlich vor allem als Haar- oder Moossilber (also in drahtiger Form) oder in dünnen Blechen und somit als ein poröses Geflecht vor. Quellmalz schlug vor, dass die Berge der Wiener Handsteine, in die die Figuren von Bergknappen eingestellt sind, aus diesem Material geschaffen sein könnten und damit nicht zusammen­ gesetzt, sondern auch natürliche Vorkommen („unbearbeitete Masse“) seien. Dem widersprechen allerdings die Beobachtungen von Peter Huber, der davon ausgeht, dass für die Berge unterschiedliche Proustit und Pyrargyrit Funde sowie Lockensilber über einem Trägerkern aus Harzmatrix zusammengesetzt wurden.365 In Absetzung zum Unterbau erscheinen Quellmalz die auf diesen Bergen aufliegenden geschnittenen Bildwerke – wie auch die Szene mit Christus am Ölberg in Dresden – aus einem „völlig anderen, sehr dichten und einheitlichen Material, wovon nicht eine einzige Stelle [...] unbearbeitet geblieben ist.“366 Er stellt daher in Frage, ob es sich um ein unbearbeitetes, natürlich gewachsenes Silbererz handelt, zumal er am Dresdner Stück am Innenrand Schmelzrundungen beobachten kann und es als im unteren Teil hohl beschreibt. Die Untersuchung einer sehr kleinen Probe des Dresdner Handsteins mit dem Elektronenstrahl-Mikroanalysator jedoch ergab eindeutig, dass es sich bei dem Material um keine Legierung handelt. Die auflichtmikroskopische Analyse zeigte, dass das Material eine künstliche Wärmebehandlung erfahren haben musste, es sich also um das natürlich vorkommende Mineral Silberglanz handelt, das vor der künstlerischen Formgebung einem Schmelzprozess ausgesetzt war.367 Dadurch wurde eine Homogenisierung des porösen, von Hohl­ räumen durchsetzten natürlichen Minerals erreicht – ein Befund, der sich sehr genau mit den Beschreibungen des Verfahrens in den zeitgenössischen Quellen deckt. Franz Kirchheimer schlug 1972 – allerdings nicht für die Handsteine, sondern für die geprägten Medaillen aus Silberglanz – vor, dass das natürliche Material zur Verdichtung in eiserne Formen „von der Größe der vorhandenen Stempel“ eingeschlagen worden war und so etwaige Hohlräume lediglich durch Druck geschlossen wurden.368 Für die Handsteine aber nimmt auch er, basierend auf Quellmalz’ Befund, eine „thermische Alteration“ des Materials vor. Alexandra Hylla formulierte 2016, basierend auf den Beobachtungen von Quellmalz, dass es sich bei der Formung von figürlichen Handsteinen tatsächlich um ein Gussverfahren handeln würde: Tatsächlich muss es sich aber um ein Gussverfahren unter reduzierenden Bedingungen handeln, bei dem der Chemismus des Erzes unverändert blieb, die kristalline Struktur sich jedoch wandelte. [...] Die Elektronenstrahlanalyse und eine mikroskopische Untersuchung ergaben, durch den Nachweis von Entmischungskörpern, dass das Erz eine Hitzebehandlung erfahren haben musste. Allerdings erwähnte Quellmalz die Möglichkeit eines Gusses nur am Rande. Bei genauer Betrachtung der Handsteine aus Akanthit, lassen sich jedoch zahlreiche Lunker und andere Gussfehler erkennen. Im Inventar der Kunstkammer Rudolfs II. von 1607 bis 1611 werden Figuren aus Akanthit ebenfalls als Güsse bezeichnet. Deshalb kann heute ein Gussverfahren für die [...] figürlichen Handsteine nicht mehr angezweifelt werden.369

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Bislang liegen jedoch keine rezenten naturwissenschaftlichen Untersuchungen der Handsteine in Dresden oder Wien vor. Rainer Paulus vom KHM in Wien plant eine solche Untersuchung, die vielleicht klären kann, wie stark die natürliche Ressource tatsächlich durch Hitze verändert wurde. Endgültig entscheiden wird die Diskussion um die Technik mög­ licherweise diese (erneute) materialtechnische Untersuchung.370 Die zitierten Quellen aber sprechen nicht von einem Guss, sondern davon, dass das natürliche Material bis zu einem gewissen Grad erhitzt wurde, um das Erz (leicht) zu verdichten und so bearbeitbar zu machen. Zudem muten die Handsteine keineswegs wie gegossene Kunstwerke, sondern wie natürlich gewachsene Erzstufen an, ein Effekt, der von den Zeitgenossen stark rezipiert und wertgeschätzt wurde. So schreibt Mathesius in seiner zehnten Hochzeitspredigt: Mir hat unser künstler ein lebendigen Herrgott oder urstend auff ein glaß ammeliert / wie Christus auß der Helle herauff feret / sihet das Bildt gar schwartz / so bald man das bildt umbkeret / wirdt es schneeweis / Das ist ein Kunststück / da gehören auch sondere accidentia ab Deo zu. Als da inn einer glaß ertzstuffen / Jüden unnd grab schwartz / unnd der Herre Christus schneeweis was.371

Mathesius’ Wertschätzung dieser beiden Werke ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil er als Rezipient nicht allein deren besondere Kunstfertigkeit betont, sondern zugleich die Materialeigenschaften mitwürdigt – die er als accidentia ab Deo wahrnimmt. Dabei scheinen diese Akzidenzien weder im aristotelischen Sinne das Unwesentliche noch das Zufällige (als das Beliebige) zu bedeuten. Der genannte Glaskünstler gravierte entweder ein Bild ein und füllte die Linien mit einem schwarzen Farbstoff aus oder trug es in Hinterglasmalerei mit Schwarzlot, Silbergelb und weiteren Schmelzfarbe auf. Das Werk – ob es sich um ein Glasbild oder wahrscheinlicher um ein verziertes Trinkgefäß handelt, muss offen bleiben – zeigt die Figur des (auferstehenden) Jesus Christus in solcher Art, dass es die Farbe von schwarz zu weiß wechselte, wenn man es bewegte. Mathesius kennt die besondere Kunstfertigkeit der Arbeit an, verweist zugleich aber auf die Natur/auf Gott als weiteren am Werkprozess beteiligten Akteur, wenn er dann auf den Wiener Handstein von Ulich mit der Auferstehung Christi verweist. Denn in seiner Beschreibung wird an dem Werk vor allem die Fähigkeit des Künstlers hervorgehoben, die dem Material inhärenten Qualitäten zu nutzen, um den Leib des Auferstehenden in hellpoliertem Silber vor dem dunklen Grund der natürlichen Erzstufe zu arbeiten. Es sind diese dem Material innewohnenden Werte, die Mathesius offenbar als die accidentia beschreibt – und die damit als göttliche Beigaben zur Kunst von Ulich (und dem anonymen Glasmaler) gelten können. Sehr wahrscheinlich bezieht sich auch eine weitere Stelle bei Mathesius – ebenfalls aus der zehnten Hochzeitspredigt – entweder auf Concz Welcz oder auf Caspar Ulich, da sie direkt im Anschluss an die oben schon genannte Würdigung des Handsteins mit der Auferstehung folgt: Einen solchen künstler haben wir hie an unserm Bezaleel / der hat seinen scharpffen kopff und fertige handt vom geist Gottes / und Gott gibt ihm darneben ein muster und vorbildt / darnach er sich

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richten solle. Denn grosse Köpff / wunderliche köpff372 / die können alzeit andern nicht folgen / oder ihnen einreden lassen. Aber dieser meyster / ob er wol inn seiner kunst erleuchtet / und von Gott für andern hoch begnadet ist / so gibt er sich in gehorsam Mosis / unnd des vorgestalten musters / lest sich regulieren / unnd gibt sich gefangen. Denn er erkent Gottes geyst für seinen meyster / unnd weyß das Gott klüger und künstlicher ist / denn alle klugen / Und das nicht allein die sich in regimenten / schulen und kirchen / selber für klug halten / offt umwerffen / und ihre thorheit redlich seinen lassen / sonder das auch grosse künstler zu schwermern und betlern werden / wenn sie auff ire kunst und geschickligkeit sich verlassen / und ander leut verachten / Gottes gabe nicht erkennen.373

In dieser Quelle wird der Sankt Joachimsthaler Goldschmied über den Vergleich mit dem alttestamentlichen Künstler Bezalel ausgezeichnet, der die Goldschmiedewerke für das Stiftszelt, darunter die Bundeslade, nach den Vorgaben Gottes in Gold, Silber, Bronze und geschnittenen Edelsteinen ausführte. Beide sind großartige Künstler, die jeweils nach einem göttlichen Vorbild ihre Artefakte schufen. Interessant ist, dass der menschliche Artifex bei Mathesius über einen scharpfen kopff und fertige handt verfügt, also über die zwei Dinge, die in der zeitgenössischen Kunsttheorie immer wieder als Tugenden des guten Künstlers betont werden: Erfindungsgeist und Kunstfertigkeit. Mathesius teilt den formgebenden Prozess in eine vom Kopf gesteuerte und durch die Hand ausgeführte Arbeit auf und betont somit das Vermögen, sowohl theoretisch als auch praktisch die Regeln der eigenen Kunst zu beachten und innerhalb beider Parameter gute Werke zu schaffen. Der Künstler in Sankt Joachimsthal wird im nächsten Satz als großer Kopf, der aber nicht ins Wunderliche verfällt, geschildert, da er, obgleich von Gott hochbegnadet, und damit vor anderen Künstlern über sein natürliches Talent ausgezeichnet, dem Vorbild Gottes (des vorgestalten musters) folgt. Einerseits wird hier sicherlich das Motiv der menschlichen Demut angesprochen, die Matthesius – als protestantischer Pfarrer – betonen muss, um die Gottebenbildlichkeit des Menschen nicht in die Hybris zu steigern. Zugleich aber scheint er die Vorbildhaftigkeit der göttlichen Schöpfung zu betonen, die Maßstab und Leitbild des künstlerischen Tuns bleiben muss, also die imitatio naturae. Eine Form der Nachschöpfung, die in den Werken von Caspar Ulich, der sich eng mit den göttlich geschaffenen Materialien auseinandersetzte (und die als zweite Offenbarung Gottes zu ­lesen und wertzuschätzen ist, wie Mathesius immer wieder betont), auf besondere Weise sichtbar wird.374 Das hohe Prestige der Werke von Caspar Ulich wird durch einen Brief vom 23. Juli 1577 bezeugt, den Kaiser Maximilian II. nach dem Tod des Goldschmieds am 18. Juli 1576 an die Böhmische Kammer sandte: Wir fuegen euch genedigist zu wissen, das im Jochimstal ein goldschmidt, Caspar Ulich genant; der hat ungeferlich sechszehn stuckh roch goldens erzt, so uns zusteet, bei seinen handen. Und weil wir dann solichs gerne haben wollten, so bevelhen wir euch demnach himit gnedigist, ir wellt unserm münzmaister daselbst im Joachimsthal an unser statt auferlegen, das er soliche stuckh ertz

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alsbals von ihm dem goldschmidt abfordern und sie euch unser Behaimbischen cammer zu handen wolverwart und also eingemacht, das sie nit schaden nehmen, schickhe, und wann ir die bekhommen habt, sie uns alsdann unverzüglich übersenden.375

Aus diesem Schreiben geht hervor, dass sowohl Sankt Joachimsthal als auch der dort tätige Goldschmied Caspar Ulich dem Kaiser bekannt waren, und dass er sich die Handsteine aus des Meisters Werkstatt für seine Sammlung sichern wollte. Die besondere Verbindung der böhmischen Bergstadt mit der Produktion von künstlerisch überarbeiteten Handsteinen ist ebenso durch Mathesius bestätigt, der in der zehnten Hochzeitspredigt, in der er auf Grundlage von Gottes Berufung von Bezalel zu „allerley werck künstlich zu arbyten / am Gold / silber / ertz / künstlich stein zu schneiden und einzusetzen / und künstlich zimmern am holtze / zu machen allerley werck“376 bemerkt, dass Gott lob in diesem thal [Sankt Joachimsthal] viel schöner Historien, auß altem vnd newem Testament, auch auß erbarn und züchtigen Heydnischen Historien, auff schawgroschen gepreget und in ertz geschnitten sind [...]. Ich köndte viel schöner groschen und stuffen erwehnen, die hie im Tal zugericht, darinn neben trefflicher kunst, viel schöner artickel der wahren Religion zu sehen sindt neben die alten Jüdischen seckeln und andrn schönen manumenten. In diesem fall sind künstler nicht zu beschuldigen. Denn ein jeder sol Gottes ehr mit predigen, schreiben, gießen und mahlen fördern helfen. Wie Dürer und Lucas nit allein jungen Mahlern und Goldschmieden irer kunst, sondern neben iren Passionen, mit viel andern schönen und lieblichen kunststücken, gedienet haben.377

Erneut taucht das Motiv der aus protestantischer Sicht tadelnswerten Künstler auf, die sich aber weder in der Produktion der Sankt Joachimsthaler Goldschmiede noch in den Werken von Dürer oder Cranach einer Falschheit schuldig machen (In diesem fall sind künstler nicht zu beschuldigen): Ihre Werke sind als Gottesdienst zu verstehen und waren auf gleicher Ebene angeordnet wie gesprochene oder geschriebene Predigten. Zudem wird die böhmische Bergstadt als Produktionsort von Medaillen und figürlich überformten Erzstufen und einer gottgefälligen Bildproduktion betont. Ein weiterer Goldschmied von dort, Ruprecht Puellacher (gestorben 1563),378 der zugleich als Münzmeister von Sankt Joachimsthal arbeitete,379 ist nicht über das Werk, aber über eine aussagekräftige Quelle zu erschließen. Seine Witwe verlangte im Jahr 1564 für einen von ihrem Mann gefertigten Handstein von Kaiser Maximilian II. den Gegenwert von 7000 Talern.380 Dieser wandte sich an seinen Bruder, den Erzherzog Ferdinand II., der als Kenner solcher Arbeiten den Wert des Handsteins schätzen sollte. Ferdinand antwortet in einem Schreiben vom 12. Juli 1565 dem Kaiser: [...] nun manglt aber die Schaczung jeczo an dem, dass alhie im Behaim nit dergleichn Goltschmidt und Kunstler so mit solcher Arbeit umbzugehen, und sich darauf verstunden, vorhanden sein, und sollten das die Goldschmidt im Tall, die an denselben Hanndstain etlich Jarlang gearbeitet haben

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darzue erfordert worden, so ist zuebesorgen, Sie möchten solche in Kunst dermaßen hoch achten und scheczen, dass Euer Kay. Mt. u. Br. dieselb gaar zue theuer ankhomen wurde.381

Ferdinand also muss bekennen, dass die Schätzung und der Vergleich des Wertes des Handsteins selbst ihm als Kenner der Materie nicht leichtfällt, da in Böhmen nur die Goldschmiede aus Sankt Joachimsthal diese Arbeiten auszuführen vermögen und so die Vergleichsbeispiele fehlten.382 Sankt Joachimsthal aber war nicht zufällig der Ort, an dem Concz Welcz, Caspar Ulich und Ruprecht Puellacher natürliche Silbererzstufen umformten. Die Gründung von Sankt Joachimsthal wird im Zusammenhang mit dem Fund und Abbau von Silbererz von Mathesius angesprochen, der zu Beginn seiner neunten Predigt sagt: Geliebten freunt im Herrn / auff diß quartal Crucis / vor 43. jaren / ist in disem thal auff der alten fundgruben / die erste außbeut gefallen / für die selbige und alle die hernach diß in diß 1559. jar / hie gegeben ist [...]. Da man zalt nach Christi unsers Heylandes geburt / 1516. im 23 jar Keyers Maximiliani / im letzten Vladißlai des Königs zu Ungern / bey leben unnd regierung des tewren Helden Graff Stephan Schlicken / eben da das Evangelion im Land zu Sachssen auffgieng / [...] da ist dises Bergwerck mit gewalt angangen / und man hat auffs quartal Crucis / die erste außbeut geben.383

Der Ertrag des Sankt Joachimsthaler Reviers wird im 16. Jahrhundert auf zwischen 307 und 350 Tonnen geförderten Silbers geschätzt, nach Freiberg die größte Fördermasse. Aber auch hier ging der Silberbergbau (nach dem Beginn 1516 und dem erfolgreichsten Jahr 1533) ab 1548 stark zurück, wie überall in den europäischen Lagerstätten, die erschöpft waren.384 Die enormen Gold- und Silbervorkommen der neuen Welt, die in der Folge auch die Machtverhältnisse in Europa nachhaltig verändern sollten fingen an, auf die Märkte und ins Bewusstsein der Europäer zu drängen. Die Spanier hatten 1545 die Silbervorkommen in Potosí (heute in Bolivien) entdeckt;385 1546 notierte Agricola im achten Buch seiner De natura fossilium, wo er über die Fundorte und Fundformen von gediegenem Gold berichtet: „In unserer Zeit sind ziemlich große Klumpen von den jüngst entdeckten Inseln zu Schiff nach Spanien gebracht worden.“386 Die Handsteine der Sankt Joachimsthaler Meister erweisen sich damit als kunstvoller Ausdruck der Hochzeit des erzgebirgischen Silberabbaus im 16. Jahrhundert, und sein Niedergang mag auch das Ende der Handsteinproduktion bedeutet haben.

1.7 Metallogenetische Positionen im 16. Jahrhundert Die Goldschmiede arbeiteten in Sankt Joachimsthal zusammen mit Fachleuten, die praktisch mit dem Abbau und der Veredelung von Metallen befasst waren, mit Bergknappen,

Metallogenetische Positionen im 16. Jahrhundert I 113

Probierern und mit Münzmeistern. All dies sind Berufsgruppen, die über die Arbeit im Bergbau und damit über durch Erfahrung erlangtes Wissen von den Eigenschaften der Minerale verfügten.387 Zugleich sind die beiden bedeutendsten Theoretiker des 16. Jahrhunderts, die sich in schriftlicher Form mit metallurgischen und montanistischen Themen befasst haben, eng mit dem Erzgebirge und mit Sankt Joachimsthal verbunden: Die Kenntnisse von Georgius Agricola und Johannes Mathesius basieren auf dem in der Bergstadt vorhandenen Wissen um die Metalle, ihre Lagerstätten, ihre Eigenschaften und Verhüttung, das beide Autoren aufnahmen, ordneten und verschriftlichten. Das praktische Handeln mit den Erzen und das theoretische Erforschen dieser Materialien lief dabei nicht getrennt voneinander, fortwährend finden sich in den Schriften von Agricola und Mathesius Hinweise auf einen Austausch zwischen den verschiedenen Gruppen.388 Für Agricola hatte dabei die Bergstadt Sankt Joachimsthal grundlegende Bedeutung; er hielt sich dort zwischen 1527 und 1531 auf, 1528 vollendete er seinen Bermannus sive de re metallica, der 1530 in Basel bei Froben erschien.389 In diesem Werk betont er ausdrücklich, wie wichtig ihm der Austausch mit „Bartholomäus Bach und Lorenz Bermann, Leute(n), die nicht nur in der Literatur, sondern ganz besonders im Bergbau bewandert sind“ war.390 Wie Mathesius kommt auch Agricola aus einer humanistischen Tradition, hatte in Leipzig alte Sprachen, Theologie und Philosophie studiert; das Interesse an der Mineralogie entstammt seinem Studium der Medizin, das er in Bologna fortsetzte.391 Beide Bereiche fielen zusammen, als Agricola an der Edition der ersten griechischen Ausgabe der medizinischen Werke Galens in Venedig bei Andreas Asolanus mitarbeitete. Ab 1527 war er als Stadtarzt von Sankt Joachimsthal und als Apotheker tätig. Sein Interesse ist also ein zuerst intellektuelles, das er durch das Studium der alten Quellen erlangte und das durch die Anwendung in der Arzneikunde einen deutlich in die Praxis zielenden Aspekt erhielt.392 Der Abgleich von humanistischer Tradition und praktischem Wissen ist auch Agricolas Thema, das er in seinem Bermannus als fiktiven Dialog von drei Mineralinteressierten aufgreift.393 In ihm treffen Bermann, Naevius und Ancon auf dem Stadtplatz von Sankt Joachimsthal zusammen und beginnen ein Lehrgespräch über Minerale, in dessen Verlauf sie die unterschiedlichen Positionen abwägen und synthetisieren. Diesen fiktiven Charakteren liegen drei tatsächliche zeitgenössische Protagonisten zugrunde; der Bermannus selbst ist nach Lorenz Wermann gestaltet, den Agricola als einen wesentlichen Gewährsmann nennt und der als Hüttenschreiber in der böhmischen Bergstadt tätig war. Ihm kommt innerhalb Agricolas Gespräch die Rolle des gebildeten Praktikers zu, der sein umfassendes, am Material gewonnenes Wissen durchaus theoretisiert und seine Kenntnisse im gelehrten Gespräch mit zwei humanistisch gebildeten Ärzten – programmatisch – vertreten kann. Sein einer Gesprächspartner heißt Johannes Naevius, eine Figur, die Johannes Neefe (1499–1574) nachgebildet ist, den Agricola noch aus der gemeinsamen Studienzeit an der Universität von Bologna kannte und der bis 1540 im Erzgebirge als Arzt tätig war. Er vertritt die aus der Antike tradierten Positionen, ist aber zugleich am in der Praxis erworbenen Wissen von Bermann/Wermann interessiert. Der dritte Gesprächspartner ist Ancon, dessen Vorbild

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nicht eindeutig von der Forschung identifiziert werden konnte, vorgeschlagen wurde Wenzeslaus Bayer (Wenzel Beyer, 1488–1526), der auch in Bologna studiert hatte und ab 1521 als Stadtarzt in Sankt Joachimsthal sowie als Leibarzt der Grafen Schlick tätig war.394 Ihm kam die Aufgabe zu, arabisches (und damit – über den Rezeptions- und Überlieferungszusammenhang – aristotelisches) naturphilosophisches Wissen in das Gespräch einzubringen.395 In diesem Kapitel werden aus den Bergpredigten von Johannes Mathesius, die eng mit Sankt Joachimsthal verbunden sind, die zeitgenössischen Positionen zur Metallogenese herausgearbeitet, um darzulegen, wie natürliche Prozesse wahrgenommen und in ihrem Verhältnis zu artifiziellen Verfahren beurteilt wurden. In seiner Sarepta oder Bergpostill verschmelzen theologische Reflexion, metallurgische Überlegungen, metaphorische Ausdeutung und mineralogisches Wissen, Materialwahrnehmung und moralisch-ethische Bewertungen zu einer Kulturgeschichte der Minerale des 16. Jahrhunderts. Die Texte von Mathesius liegen gedruckt vor und erreichten in dieser schriftlich fixierten Form nicht allein in ihrer Zeit eine enorme Verbreitung und Wirkung. Zugleich sind sie „Predigten“, zu denen Mathesius jeweils an den Anfang notierte, wann er diese Themen in Sankt Joachimsthal in seiner Kirche verhandelt hatte. Wenngleich es unwahrscheinlich scheint, dass er die dichten und umfangreichen Berichte in der schriftlich vorliegenden Form tatsächlich vortrug, so ist dennoch vorstellbar, dass den gedruckten Texten im Kern eine Predigt zugrunde liegt, die öffentlich gelesen, gehört und sicherlich auch diskutiert wurde.396 Neben dem Bibeltext und der lutherischen Lehre ist es das eigene metallogenetische Wissen – seine Erfahrung –, auf die Mathesius in seinen Predigten zurückgreift und die er in einer engen inhaltlichen Verschränkung vermitteln will: halt mirs zu gut / das ich bey euch Bergkleuten / und meinen lieben Pfarrkindern / von disen natürlichen wunderwercken also stammle / Denn ich wolt euch gerne mit Gottes wort / unnd augenscheinlicher erfarung disen trost einreden.397

An anderer Stelle sagt Mathesius: „Erfarung ist alles / sagen die Weysen / und wer wider die erfarung redet / oder disputiret / der ist nicht wol bey sich selber.“398 Mathesius’ Predigten sind trotz der thematischen Varianz und Breite nach einem Schema aufgebaut.399 Für jedes Kapitel wählt er ein Mineral (manchmal auch eine Mineralgruppe) und beginnt mit einer etymologischen Klärung. Dann versammelt er die das Mineral betreffenden Bibelstellen und deutet diese aus; im Anschluss folgen die naturkundlichen Teile, in denen er Lagerstätten und Fundorte, Materialeigenschaften und weitere das Material betreffende naturphilosophische Positionen darlegt und mit eigenem, aus dem Lebensumfeld der Bergleute entnommenen und auf eigener Erfahrung beruhendem Wissen abgleicht. Seine Predigten verbinden die grundlegenden Positionen der zeitgenössischen metallurgischen Diskurse; diese werden im Folgenden über Zitate aus der Sarepta und weiteren Belegstellen aus Agricolas mineralogisch-metallurgischen Schriften, aus Va-

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noccio Biringuccio, Lazarus Ercker und anderen Autoren dargelegt.400 Durch diese Sammlung werden die Vorstellungen und Bewertungen sichtbar, die das Handeln mit Metallen im 16. Jahrhundert begleiteten. Ein Leitmotiv war dabei die Frage, ob Gottes Schöpfung nachgeahmt und gestaltet werden kann und welcher epistemologische Status diesen nachahmenden und neuschöpfenden Handlungen zukommt.401 Die Frage, wie die Metalle entstanden sind oder entstehen, was ihre Ursachen und ihre Natur ist, beschäftigt Mathesius – wie auch andere mineralische Theoretiker – an vielen Stellen: Worauß es [das Silber] aber wachse / lassen wirs / wie zuvor gemeldet [in der 3. Predigt zum Ursprung der Metalle] / bey dem quecksilber und schwebel bleyben / oder den temperirten dünsten / unnd feuchtigkeyten von disen zweyen metallen. Die andern fragen / ob auß einem metall ein anders oder bessers werde / haben wir nicht allein der Alchimisten stimmen / sondern auch der Bergkleut gemeine reden für uns. Denn da sie in einen schönen glantz oder wißmut erschlagen / sprechen sie / wir sind zu früe kommen / so gibt die erfarung / das auß eysen kupffer wirdt / auffm Kuttenberg. Und Galenus der hochberümpte Artzt und natur kündiger zeuget / das nicht allein auß bergsafft kupfferwasser / Sondern solchs werde auch zu roth atrament oder kupfferrauch. Von verwesung der gediegen ertz / so ir agmi unnd volstendige krafft erreicht / unnd dahin gediegen unnd kommen sein / das sie iren stillstandt haben / wie ein mensch inn seinem vierztzig jaren / können wir von aller naturkündiger grundt unnd schluß nicht weichen / was da wirt und wechst / das vergehet und verweset auch. [...] Denn kann fewer im schmeltzofen / und auff der Capellen gold unnd silber verprennen / und zu rauch und asche machen / So kann auch die natürliche hitze und wirckung der erden / oberstendig oder volstendig metall verzeren.402

Dieses Zitat versammelt die relevanten Positionen, die die Diskussion der Metallogenese im 16.  Jahrhundert bestimmen: Silber „wächst“ aus einer Mischung aus Schwefel und Quecksilber oder entsteht aus „temperierten Dünsten“ und „Feuchtigkeiten“. Materialien verhalten sich in einer hierarchischen Ordnung zueinander, Metalle formen sich in einer Art von Reifungsprozess in höherstehende Metalle um, so dass Silber „noch nicht Gold“ ist, „Glantz oder Wismut“ sich umwandeln und Kupfer aus Eisen reifen kann. Zugleich werden die Experten benannt, die über metallurgisches Wissen verfügen, seien es die ­experimentell arbeitenden Alchemisten oder die täglich mit dem Material befassten Bergleute. Als einen grundsätzlichen Impuls nennt Mathesius die Hitze, die Metalle schaffen aber auch „verbrennen“ kann. Er lässt dabei die heterogenen Positionen neben einander stehen, ohne sich um eine Synthese oder auch Wertung zu bemühen. Diese Vielheit der Positionen ist in vielen der frühneuzeitlichen Texte zu beobachten, ein vergleichbares ­Nebeneinander von vermeintlich nicht zu vereinbarenden Meinungen wird beispielsweise auch bei Vanoccio Biringuccio ersichtlich.403 Dieser italienische Bergbaupraktiker, der sein Wissen in De la Pirotechnia (postum erschienen 1540) verschriftlichte,404 bezeugt, dass er innerhalb der gleichen Bezugssysteme dachte und handelte, wie Mathesius im Erzgebirge:

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Auch für ihn entstehen in der Erde die Metalle aus einer nicht näher zu greifenden ­Mischung aus elementaren Stoffen; in diese Ausgangsmaterie wirken die bekannten Möglichkeiten ein: „die Kraft des Himmels“ als Umschreibung der sieben Planeten, die traditionell als die Wirker der sieben bekannten Metalle gelten, „die Zeit“ ebenso wie „Gesetze“ einer weisen Natur. Bezeichnenderweise aber hat für Biringuccio das „wie“ einen höheren Stellenwert als das „woraus/warum“. Ihn interessieren die Eigenschaften der Metalle insoweit, als diese sein Handeln betreffen und steuern, so dass für ihn die Ausgangsmaterialien weniger bedeutsam sind, als die aus ihnen resultierenden Prozesse.405 Mathesius nennt die „temperirten dünsten unnd feuchtigkeyten“406 als einen möglichen Ausgangsstoff, aus dem Metalle entstehen, beispielsweise im 3. Buch, in dem er deren Genese ausführlich diskutiert: [...] wie es denn eygentlich war ist / das metall irdische leibe sein / auß staub und feuchten unnd feysten dünsten / so die natürliche hitze auß der erden oder felssen zusammen zeucht / oder die auß dem gestein in die genge prodemet / von Gott geschaffen werden.407

Dies überrascht nicht, bezieht er sich damit doch auf die verbreitete, auf Aristoteles zurück­gehende Theorie, der zufolge Minerale, also Steine und Metalle, aus exhalationes (Dämpfen) entstehen.408 Mathesius’ mineralogisches Wissen setzt sich – wie bei allen seinen Zeitgenossen – aus einer Mischung von antikem Buchwissen und den neuen Impulsen aus der Praxis, aus Augenschein, Erfahrung und damit Empirie und Verfahrenswissen zusammen. Auch bei Agricola verbinden sich die Aussagen von antiken Autoren mit zeitgenössischen Theorien und den aus eigener Anschauung gewonnenen Einsichten. Dabei wird vielfach betont, dass das eigene und neue Wissen den Theorien der antiken Schriftsteller überlegen ist.409 In seinem Widmungsschreiben von 1544 von De Ortu et Causis subterraneorum nennt Agricola die beiden wichtigsten älteren Autoren: Die Griechen und Lateiner aber, die wir in einem Zeitraum von mehr als tausend Jahren mit wissenschaftlicher Erkenntnis beschäftigt sehen, haben allesamt nur die Schriften des Platon oder des Aristoteles410 ausgelegt und haben sich ihren Ansichten angeschlossen – desto weniger haben sie über viele noch nicht geklärte Fragen eine Untersuchung angestellt und sie wissenschaftlich beleuchtet. Denn als unser Albertus daran ging, sich über die Entstehung der Stoffe, die ausgegraben wurden, zu äußern, vermengte er die Lehren der Philosophen und Astrologen und Chymisten in eins.411

Agricola, der die Genese der Minerale behandelt, verweist mit Aristoteles und Albertus Magnus auf die beiden Autoren der Antike und des Mittelalters, die sich zu den Metallen, Mineralen und in Teilen auch dem Bergbau geäußert haben.412 Die Theorien von Aristoteles, die er in seinen naturphilosophischen Schriften Meteorologie sowie in De generatione et corruptione (peri geneseôs kai phthoras / Über Entstehen und Vergehen) formulierte,

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bilden bei den meisten der Autoren des 16. Jahrhunderts die Grundlage der Diskussion.413 Aristoteles entwickelt im dritten Buch seiner Meteorologie die exhalationes-Theorie vom trockenen Rauch, aus dem Erde und Steine, und vom feuchten Dampf, aus dem die Metalle erzeugt werden. Darauf baut (vermeintlich) Albertus Magnus in seiner mineralogischen Abhandlung De mineralibus et rebus metallicis libri V (etwa 1254–1257) auf, die gedruckt seit 1476 in der Ausgabe aus Padua vorliegt.414 Albertus entwickelt hierin – angelegt als Kommentar zu Aristoteles – eine Mineralogie des 13. Jahrhunderts. Er berichtet, dass er auf seiner Wanderschaft Bergwerksgebiete besucht habe und somit ebenfalls tradiertes Wissen und eigene Erfahrung abgleicht.415 Innerhalb des mineralischen Reiches unterscheidet er Steine und Metalle als commixta, also einfache Mischungen der Elemente, wohingegen aufsteigend die Pflanzen complexionata und Tiere composita sind. Die Steine als einfache Mischungen aus Erde und Wasser werden zuerst von Albertus behandelt, es folgen die Metalle als komplexere Mischungen aus Schwefel und Quecksilber – die wiederum Mischungen aus Erde und Wasser (Quecksilber) und aus allen vier E­lementen (Schwefel) darstellen.416 Mit dieser Schwefel-Quecksilber-Theorie verlässt Albertus das aristotelische Gedankengebäude und rezipiert – wissentlich oder unwissentlich – die arabischaristotelische Tradition von Avicenna (Abū Alī al-Husain ibn Abd Allāh ibn Sīnā, vor 980– 1037) und anderen Naturforschern. Die exhalationes als Ausgangsstoff (= Materialursache, causa materialis) aber bedürfen – dies ist die Grundannahme, die auch im 16. Jahrhundert Gültigkeit behielt – einer Wirkung (= Wirkursache, causa efficiens). Hitze und Kälte sind Albertus zufolge die Instrumente, derer sich die Wirkursache bedient, die er – Avicenna folgend – als eine Art von „mineralisierender Kraft“ definiert. Im Sinne des dualistischen Systems, das Aristoteles in seiner De generatione et corruptione entwirft, geht Albertus von einem weiblichen, passiven und aufnehmenden Grundstoff aus, in den der männlich, formend-aktive Teil einwirkt, eine wirkmächtige Position, die künstlerisches Handeln (als geistig gedachter Impuls mit einer und in eine aufnehmende, aber selbst nicht kreative Materie) bis heute maßgeblich formte.417 Agricola kennt das Quecksilber und den Schwefel ebenso wie die „temperierten dünste“ und Feuchtigkeiten, aus denen heraus die Metalle generieren. Er nimmt Albertus’ Schrift zwar wahr, lehnt aber dessen Rezeption von arabisch-alchemischen Positionen ab, da er selbst kein Vertreter der dort vertretenen Schwefel-Quecksilber-Theorie ist: „Aber Albertus impft des Aristoteles Lehre mit der Krätze des Alchimisten: die trieft immer vom Eiter des Quecksilbers und riecht nach dem Gestank des Schwefels.“418 Was hier innerhalb der Polemik bei Agricola aufscheint, ist eine klare Abneigung gegenüber alchemischen Praktiken, die er als Scharlatanerie und Betrug geißelt. Doch auch Albertus Magnus ist kein überzeugter Alchemist, wenn es um das Thema der substantiellen Verwandlung von Stoffen geht. Dennoch gibt es nachweisbar „neue“ Stoffe, die durch Umwandlungsprozesse entstehen. Jegliche Formen von Metalllegierungen – allen voran die Bronze – zählen dazu, ebenso die Vergoldung von Silberwerken. Albertus beschreibt klar solche in den Werkstätten der Kunsthandwerker zu beobachtenden Verfahren:

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Diejenigen, die in den uns vertrauten Regionen viel mit Kupfer arbeiten, – ich spreche von Paris und Köln und anderen Gegenden, wo ich gewesen bin und zusehen konnte, wie man das durch Erfahrung prüfte – verwandeln Kupfer mit Hilfe des Pulvers von einem calamina genannten Stein in Messing [Galmeis, Zinkkarbonat]. Und wenn dieser Stein sich auflöst, bleibt ein dunkles Glänzen zurück, es ähnelt im Aussehen Gold. Um es heller in der Färbung zu machen und so dem Gelb des Goldes ähnlicher, mischen sie ein wenig Zinn hinzu. Aber aufgrund dieser Behandlung verliert das Kupfer viel von seiner Geschmeidigkeit. [...] Und es entwickelt ein so glänzendes Gelb, dass viele Leute glauben, es handele sich um Gold, obgleich es in Wirklichkeit nur eine Art Kupfer [mit Beimengungen] darstellt.419

Albertus ist bekannt, dass Kupfer durch die Zugabe von Arsen eine dem Silber vergleichbare Farbe annehmen und dass diese Verfärbung durch Schmelzen wieder rückgängig gemacht werden kann. Was Albertus hier beschreibt, sind künstlerische Prozesse zur Herstellung von Messing und von Bronze. Für ihn  – ebenso wie für die Theoretiker des 16. Jahrhunderts – ist zu entscheiden, ob es sich bei solchen Verfahren um Farbveränderungen, bei neuen Legierungen aus den Werkstätten der Künstler und den Laboratorien der alchemisch arbeitenden Experten um transmutierte Metalle handelt – oder nicht. Für Albertus, dies geht aus der zitierten Quelle hervor, sind die genannten Verfahren keine substanzverändernden Umwandlungen, sondern Einfärbungen – zugleich aber will er die Möglichkeit einer substantiellen Transmutation von Metallen nicht gänzlich negieren.420 Die weite Verbreitung der Schwefel-Quecksilber-Theorie wird von Mathesius bezeugt, der nicht nur seinen Austausch mit den Bergleuten protokolliert, sondern auch deren metallogenetische Vorstellungen, auf denen ihr Handeln basiert: Auß disen zeichen [der Anwesenheit von Schwefel und Quecksilber in Gängen, die Silber führen] haltens Bergkleut mit denen / so fürgeben / das auß Schwebel und quecksilber die ertze her­ wachsen / Wie solches der schöne vers des Herrn Melanthon / den er in disem Thale machet / auch bezeuget. Lactea ubi fumis hydrargyra mixta coquuntur / Sulphureis, venae semina prima nova.421

In dieser Quelle scheint deutlich das Gelehrtennetzwerk und der enge Kontakt zu den Reformatoren aus Wittenberg auf, die regen Anteil am Bergbau nahmen. Luther selbst entstammte einer Bergbauregion und seine Affinität zu diesem Wirtschaftsbereich (den er zugleich in seiner Finanzierung über Kuxe und den damit einhergehenden Spekulationen scharf verurteilte) ist in Mathesius’ Lutherpredigten (vor allem der 16. Predigt, in der er Luther als Bergmann abhandelt) protokolliert.422 Aus dem Briefwechsel zwischen Johannes Mathesius und Philipp Melanchthon geht hervor, wie eng der Sankt Joachimsthaler Pfarrer in das Gelehrtennetzwerk der Zeit eingebunden war.423 So bittet Melanchthon seinen Freund in einem Brief aus Wittenberg vom 3. August 1551, dem ins Erzgebirge reisenden Jakob Milich (1501–1569) „die Wunder des Bergbaus“ zu zeigen, und preist das Gespräch befreundeter Gelehrter über die Wunder der Natur und ihren Schöpfer.424 Schon am 9. Juli 1551 hatte Melanchthon aus Wittenberg an Mathesius gemeldet, welch großes Vergnü-

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gen ihm die übersandte Bergwerkspredigt bereitet habe.425 Durch Agricola werden weitere Akteure des weitgespannten Netzwerks sichtbar, die im 16. Jahrhundert mit montanwissenschaftlichen Themen befasst waren: In unserer Sprache sind zwei Bücher geschrieben worden: das eine über den Nachweis des metallischen Stoffes und der Metalle [de experimento materiae metallicae et metallorum]; es ist sehr verworren geschrieben; seinen Verfasser kennt man nicht.426 Das andere handelt über die Erzgänge, von denen auch Pandulfus Anglus lateinisch geschrieben haben soll. Das deutsche Buch aber hat Kalbe von Freiberg [Rülein von Calw]427 verfasst, ein angesehener Arzt; indes hat keiner von beiden den Gegenstand, den er sich erwählt hat, erschöpfend behandelt. Kürzlich aber hat Vanoccio Biringuccio aus Siena, ein beredter und kenntnisreicher Mann, in italienischer Umgangssprache das Thema behandelt.428

Agricola kannte und nutzte die grundlegenden zeitgenössischen Schriften zu dem von ihm behandelten Thema: Das genannte Bergbüchlein Rülein von Calws ist ebenfalls als Dialog angelegt, als ein Gespräch zwischen Daniel, dem Bergverständigen, und Knappius, seinem Bergjungen.429 Auch in dieser Schrift wird der Austausch mit Praktikern als Abgleich des vorhandenen Gelehrtenwissens mit praktischer Empirie deutlich betont: „Ich habe es aus den Schriften der alten Gelehrten und aus der Erfahrung geübter Bergleute geschöpft.“430 Bei der Ablehnung der Schwefel-Quecksilber-Theorie argumentiert Agricola mit (seiner) Erfahrung und Anschauung.431 Er hatte in den Silberlagerstätten in Deutschland kein Quecksilber gefunden und konnte in nur wenigen Erzgängen Schwefel nachweisen, so dass er formuliert: Wenn sich aus den besagten zwei Stoffen die Erze bildeten, dann wäre es notwendig, dass sich an der Fundstätte jedes von ihnen zuerst einmal selber völlig unverändert vorfände, dann etwas davon zu dem Erz, das aus ihnen wird, verändert und gewandelt, dann der größte Teil zu eben dem Erz geworden wäre. Denn die Natur steigt gewissermaßen in einer Reihe von Stufen zur Vollendung und Vollkommenheit ihrer Werke auf.432 [...] Daher folgt notwendigerweise, dass sich anderswo in der Erde Stoffe finden, aus denen sich die Erze bilden. Nicht richtig ist also diese Ansicht der Chymisten, der in gleicher Weise der große Haufe der Gelehrten und der Bergleute beipflichten.433

Wie stark aber die Schwefel-Quecksilber-Theorie in der Vorstellung der Zeit mit alchemischen Praktiken verbunden war, und wie umfassend dieses Wissen um die dortigen Verfahren auch auf die Theorien zu natürlichen Vorkommen rückwirkte, beschreibt Mathesius in seiner elften Predigt, in der er Salpeter, Alaun, Schwefel und andere Stoffe diskutiert: Unser Herrgott schaffet auch klüfft und genge / und wircket sein schwebel unnd quecksilber drinnen / als inn seim laboratorio, darauß lesset er ein metal nach dem andern / offt auch zu tag

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­heraus wachsen / oder lest das durch witterung verraten / gibt ruten und zwifelte beume neben andern künsten / das man genge aufrichten / sichern unnd probieren kann / und wenn man unterkriechen / oder tieffe schechte abteuffen / unnd stoln treiben muß / das gibt er einem bergkman ein fewerzeug / sein magneten und quadranten darzu / damit er auch unter der erden seine liechter und wegweyser habe / und nicht irre fart.434

Mathesius imaginiert Gott anschaulich als Werkmeister in einem Laboratorium, in dem er die einzelnen Metalle durch Mischverhältnisse der Ausgangsstoffe Schwefel und Queck­ silber erschafft und in Klüften und Gängen für den Abbau durch die Bergleute ablegt. Zugleich ist Gott der Ursprung aller menschlichen Künste, die die Bergleute in die Lage versetzten, die Lagerstätten aufzufinden und abzubauen und Instrumente (wie den Kompass und den Quadranten) für die Orientierung unter Tage zu entwickeln. Gott als Werkmeister, der mit den Metallen handelt, ist ein wirkmächtiges Vorbild für die Goldschmiede, die mit vergleichbaren Prozessen Gold und Silber umformten – dazu unten mehr. Auch Agricola äußert sich zur Schwefel-Quecksilber-Theorie: Aristoteles meint, es sei feuchter Dampf. Die Chymisten haben eine andere Anschauung; bei ihnen gibt es im Wesentlichen zwei Ansichten: die eine versichert, Schwefel und Quecksilber seien der Stoff der Metalle, die andre, deren Hauptvertreter der Mauretanier Gilgil ist, von Wasser feucht gemachte Asche. Albertus, der überzeugt ist, ölige Feuchtigkeit sei der Stoff der Erze, unterscheidet sich von dieser großen Partei der Chymisten nur in den Worten, nicht in der Sache.435

Agricola fährt fort: Diese Ansicht stützten sie [die Alchemisten] mit Proben ihrer Kunst, insofern sie diese beiden Stoffe, Schwefel nämlich und Quecksilber, kunstfertig mit Feuer und auf andere Art und Weise vorbereiten und auf die Metalle, die sie unvollkommen nennen, sobald sie auch vorbereitet sind, schütten und so ihre Farbe verändern und sie feuerfest machen. Und wir wollen ihnen zugestehen, dass sie das dank ihrer Kunst vermögen, wie wir auch durchaus nicht leugnen, dass sie etwas vermögen: aber weil vornehmlich mit diesen beiden Stoffen sie die Metalle benetzen und eine Färbung vornehmen, so folgt doch daraus noch nicht, dass die Natur aus denselben Stoffen Erze mache und herstelle. Denn die Kunst gibt auch anderen Gegenständen Farbe, die deswegen Ähnlich­keit mit und das Aussehen von Naturdingen aufweisen.436

Agricola kommt hier auf die Potenz menschlicher kunsttechnischer Verfahren zu sprechen, durch die Metalle verändert werden konnten, betont aber wie Albertus Magnus, dass es sich bei diesen Prozessen um Wandlungen in der Farbe und nicht in der Substanz handele. Die daran anschließende Überlegung ist bedeutsam, definiert sie doch deutlich den Status menschlich-kunstfertigen Vermögens als nachahmend:

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Denn nicht aus den gleichen Stoffen wie die Natur stellt die Kunst etwas her, und auch nicht auf die gleiche Weise, sondern meist eifert sie ihr nur nach, und bisweilen bringt sie auch etwas zustande.437

Agricola erteilt damit denjenigen Positionen eine klare Absage, die behaupten, dass menschliche Kunst in der Lage sei, durch die Ausführung gleicher (beziehungsweise vergleichbarer) Prozesse und unter Nutzung derselben Ausgangsmaterialien Produkte zu erschaffen, die den natürlichen Materialien entsprechen. Dennoch negiert er nicht vollständig die artifizielle Potenz des Menschen, wenn er zugesteht, dass die Kunst „bisweilen“ etwas zustande brächte. Sein Florentiner Zeitgenosse Benedetto Varchi beschreibt in seiner Questione sull’ alchimia (1544) hingegen einen Teil der Alchemie als ein die Natur verbesserndes, nicht allein nachahmendes künstlerisches Vermögen. Varchi erkennt an, dass die (göttliche) Natur der (menschlichen) Kunst überlegen sei, gesteht aber innerhalb seines dreiteiligen Systems der spezie dell’Archimia (in dem er die archimia vera von der falsa trennt und dazwischen die archimia sofistica ansiedelt) der wahren Alchemie die ­Fähigkeit zu, Metalle herzustellen: die sie allerdings nicht selbst schafft, sondern der Natur dabei hilft, diese zu generieren.438 Während die Vertreter der archimia falsa Scharlatane seien, ist der Bereich der archimia sofistica der der menschlichen Verfahren, mit denen naturähnliche Stoffe, wie beispielsweise das Glas, erschaffen oder das Aussehen von Edelsteinen, Perlen und Metallen künstlich nachgeahmt werden könne439 – anders als bei der wahren Alchemie wird dabei allerdings nicht die Substanz, sondern nur das Erscheinungsbild gewandelt.440 Gleichberechtigt mit der Schwefel-Quecksilber-Theorie werden Vorstellungen verhandelt, die die aristotelische prima materia als dem ersten stofflichen Substrat, das als Träger der Form Grundvoraussetzung für die Genese ist, aufgreift.441 Da es innerhalb dieses ­Systems keine formlose Substanz geben kann, ist die prima materia als Potenzialität der Formwerdung denkbar, aber nicht tatsächlich vorhanden – als Stadium vor der geformten Materie, der materia secunda, die im Falle der Metalle entweder das Metall selbst oder aber eine Vorstufe (Quecksilber/Merkur) sein kann.442 Innerhalb der Auseinandersetzung um ein ens primum bzw. eine materia prima, also eine mehr oder minder feste Urmaterie, wurde auch eine Art Metallsaft, ghur oder nobilis succus, diskutiert.443 Bei Mathesius ist dieser Metallsaft ein Produkt aus den verschiedenen Ausgangsmaterialien, die er in einer Reihe nennt: Solch metal / es seyn nun volkommen und gediegen / oder noch vorm schmeltzen unrein oder unvolkommen / ist ein irdischer leyb / wie ihn S. Paulus nennte 1. Corinth. 15. den unser Gott inn klüfften / gengen / fletzen und stöcken / schaffet oder wircket auß subtiler oder gedistelirter erde / unnd fetten dichten dünsten oder prodemen / die er durch natürliche hitz / auß erd und wasser zu samen zeucht / und temperirt und vermenget erd und wasser in einander / das ein ghur und schwebelichter und quecksilberichter same wirt / darauß allerley bergart und metal geziegelt /

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und von der kelte gestet / welches von tag zu tag wechset / und in besser metal verwandelt wirdt / biß es dicht und gediegen wirdt / und zu seinem vollstendigen wesen formiret / unnd gar reyn auf natürlicher wirckung / oder im schmeltz / treib und brenofen gemacht wirdt.444

Ghur wird hier als Flüssigkeit oder auch feuchter Dampf aus den Komponenten Queck­ silber und Schwefel gedacht, der in den Gängen und Klüften ablagert und verfestigt zu gediegenem Silber wachsen kann.445 Ulrich Rülein von Calw nennt in seinem Bergbüchlein zuerst die nur noch entfernt an Aristoteles erinnernden mineralischen Dämpfe, die als Ausdünstungen aus dem Boden aufsteigen und sich dann in den Gängen und Klüften als Erze abschlagen. Er folgt dann aber nicht weiter Aristoteles, sondern bindet diese exhalationes an alchemische Theorien zurück: Das unterworfene Ding, der gemeinsame Grundstoff aller Metalle sind nach Meinung und Glaube der Gelehrten Schwefel und Quecksilber. Etliche glauben, dass durch den Lauf und Einfluss des Himmels aus der Tiefe der Erde von Schwefel und Quecksilber Ausdünstungen oder Brodem – exhalationes minerales genannt – aufgezogen und während des Aufsteigens in Gängen und Klüften durch die Wirkung der Planeten vereinigt und zu einem Erz gemacht werden.446

Die frühneuzeitliche Breite der konkurrierenden Vorstellungen aber wird erneut deutlich, wenn Rülein von Calw schon im nächsten Satz Ghur als eine Art von „feuchtem, kaltem, schleimigem [...] Grundstoff“ gleichberechtigt einführt, der in der Vermischung mit Schwefel zu den Metallen transmutiert. Andere glauben nicht, dass die Metalle aus dem Quecksilber geschaffen werden, weil man an vielen Orten wohl Erz hat, aber kein Quecksilber daselbst findet. Sie setzten an die Stelle des Quecksilbers einen feuchten, kalten, schleimigen, durchaus schwefelfreien Grundstoff, der gewissermaßen als ihr Schweiß aus der Erde gezogen ist, und glauben, dass daraus durch die Vermischung mit Schwefel alle Metalle entstehen. Wie dem auch sei, nach gutem Verständnis und rechter Auslegung ist eines jeden Meinung recht. Jedenfalls entsteht das Erz oder Metall aus der fetten Feuchtigkeit der Erde als Grundstoff ersten Grades, und aus dem Dunst oder Brodem eines Teils davon als Grundstoff zweiten Grades; und beide werden hier Quecksilber genannt.

Die hier formulierten Theorien zur Metallogenese sind für das kunsttechnische Handeln mit Metallen prägend. Deutlich wird, dass eine Vielzahl von Verfahren, die mit dem Erkalten von Dämpfen und dem Erhärten von Flüssigkeiten, aber auch dem Aussintern und anderen Wandlungen – beispielsweise unter Zuführung von Hitze (Schmelzen und Legieren)  – operieren, innerhalb dieser Diskurse verortbar sind. Zugleich wird deutlich, wie stark das menschliche Handeln mit den Metallen die Theoriebildung über ihre Genese und ihre ­Varietäten beeinflusste – Vorstellungen, die wiederum auf die kunsttechnischen Verfahren rückwirkten. Rohmaterial und Kunstwerk sind innerhalb dieses Theoriemodells

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ebenso wenig voneinander zu trennen, wie die natürlichen von den artifiziellen Pro­ zessen. Neben den Stoffen, aus denen sich die Metalle generieren, wurden die Ursachen diskutiert, die formend die verschiedenen Metalle ausbildeten. Auch diese Vorstellung basiert auf Aristoteles, der seine Naturphilosophie auf einem System von vier verschiedenen Ursachen (αἴτιον, aition) aufbaut. Die Materialursache (causa materialis), die Wirkursache (causa efficiens), die Formursache (causa formalis) sowie die Zweckursache (causa finalis).447 Die schon genannten sieben Planeten als Wirker, von denen der Impuls zur Bildung der sieben Metalle ausgeht, sind dabei im 16. Jahrhundert die verbreitete Grundannahme. Deutlich formuliert Lazarus Ercker (1528–1594) im Großen Probierbuch448 in seiner Widmung an Maximilian II.: Nun haben die alten Philosophen und Naturkundigen sieben Metalle oder metallische Erze beschrieben und ein jedes von ihnen einem himmlischen Planeten untergeordnet und zugeeignet, durch dessen Einfluss ein solches Metall seine Eigenschaft und Wirkung habe und regiert werde, nämlich dem Golde die Sonne, dem Silber den Mond, dem Quecksilber den Merkur, dem Kupfer die Venus, dem Eisen den Mars, dem Zinn den Jupiter und dem Blei den Saturn, und solches aus Geheimnissen der Natur und Überlegungen, die in ihren Büchern enthalten sind. Und obwohl daneben noch andere mineralische Erze gefunden werden, die sich gießen und schmelzen lassen, wie Wismut, Schwefel, Spießglas und dergleichen, so sind doch oben genannte sieben als die vornehmsten und hauptsächlichsten allen anderen Metallen vorgesetzt und unter diesen sieben auch das allerbeste, würdigste, wichtigste, schönste und edelste Metall, das Gold.449

Innerhalb dieses Systems übertragen sich die Eigenschaften der Planeten direkt auf die ihnen entsprechenden Metalle, die Materialhierarchie verläuft dabei mit der Planetenhierarchie parallel: Gold ist der Sonne zugeordnet, Silber dem Mond, Kupfer der Venus usw. Allerdings wird schon bei Ercker die Krise des Systems angesprochen – verliert es doch durch die Entdeckung und Bestimmung neuer Metalle an Geschlossenheit. Lazarus Ercker ist – neben Agricola und Mathesius – der dritte maßgebende Gewährsmann für mineralogische Themen des 16. Jahrhunderts und kommt wie Vanoccio Biringuccio aus der Praxis, da er als Probierer und Münzmeister im Erzgebirge arbeitete.450 Wie eng das Netzwerk der Bergbautheoretiker und -praktiker war, zeigt sich darin, dass seine Empfehlung an den Dresdner Hof vom kurfürstlichen Leibarzt Johannes Neefe,451 jenem Naevis des Bermannus von Agricola, ausgesprochen wurde.452 Auch Mathesius ist die Planeten-Theorie bekannt, die von Agricola – mit Hinweis auf das Wismut als achtem Metall, dem kein Planet entsprechen würde – in Frage gestellt wurde. Mathesius ist daher wie Ercker darauf bedacht, sie einerseits zu nennen, aber gleichzeitig auch zu relativieren: Genug dißmals von mancherley art und eygenschafft der Bergart und ertz / darauß endtlich die hauptmetal / welcher etliche sechse / etliche siben / nach der zahl der Planeten / etlich enoch mer

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zelen. Als gold / goltig silber / silber / kupffer / eysen / stahel / bley / zihn / wißmut / quecksilber / spießglaß.453

Das „neue“ Metall Wismut, das Agricola als starkes Argument gegen die Planeten-Theorie ins Feld führt, tritt schon im Bermannus auf.454 Bermann zeigt dort den beiden Ärzten Naevius und Ancon eine Erzart, die zu den Metallen gehört, der Antike aber seiner Meinung nach unbekannt war – eben jenes Wismut: Naevius: Nach deiner Meinung soll es also mehr als die bisher allgemein bekannten 7 Metalle geben? Bermann: Ich glaube, es gibt mehr; denn was unsere Bergleute in ihrer Weise Wismut nennen, kann man zutreffend weder als Zinn noch als Blei bezeichnen. Es ist von beiden verschieden, und ist also ein drittes Element.455

Deutlich wird hier erneut die Arbeit mit dem tradierten Wissen, das in Abgleich mit der Erfahrung der Praktiker gebracht werden muss – und natürlich auch an die veränderten Lagerstätten angepasst wurde; vergleichbar dem gediegenen Silber, das den antiken Schriftstellern unbekannt war, wird Wismut als „neues“ Metall eingeführt und muss in den antiken Kanon integriert werden. Von dort wird es dann von Agricola zu einem Argument gegen die Sieben-Planeten-Theorie – die er später als Wahn von müßigen und verrückten Magiern abtun wird – ausgebaut.456 Wenngleich also in der Frühen Neuzeit die Vorstellung der „Erz-Bildner“ in die Krise geriet, da die Entdeckung eines neuen (achten) Metalls die Parallelisierung mit den sieben Planeten fraglich machte, transportiert sie doch weiterhin zwei für den künstlerischen Prozess aussagekräftige Motive: Die Verbindung der Metalle mit den Planeten und damit eben auch antiken Gottheiten ist allgemein bekannt – wie weit diese Materialbedeutungen von den ausführenden Goldschmieden auch für inhaltliche Aussagen genutzt wurden, ist bislang zu wenig von der Forschung analysiert worden. Zudem konnte die Vorstellung vom formgebenden Wirken der Planeten auf den menschlichen artifex übertragen werden, der vergleichbar auf die passive Materie einwirkte und seine Formvorstellungen in sie eindrückte. Ungeklärt war die Frage, ob Metalle vom Anfang der Schöpfung an in der Erde verborgen wurden, oder ob sie dort fortwährend entstehen. Diese Theorie vertritt Mathesius in seiner dritten Predigt (Von ursprung zu und abnehmen der metallen / unnd Minerischen Bergkarten und Ertzen): Es gibet tegliche erfarung neben der glerten zeugnuß / das unser Gott in der erden / allerley ubel und gemeine steine / neben mancherley köstlichen und heylsammen bergsafften / und mancherley bergarten / ertzen und reynen metallen teglich schaffe und wachsen lasse / damit man sein allmechtige güte und wunderbare weyßheit unnd reyche schetze / nicht allein unn den unsichtigen geysterlein / oder im fewer / lufft und wasser / und vornemlich ins menschen sinn und hertzen / sondern auch in und unter der erden / sehen / erkennen und preysen könne.457

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Mathesius offenbart sich damit als Vertreter der Wachstumstheorie der Metalle in der Erde, die er zugleich mit einer moralischen Ausdeutung – dem Hinweis auf die Möglichkeit der Gotterkenntnis durch die Dinge in der Erde – verbindet. Lazarus Ercker hingegen vertritt in der Vorrede seines Großen Probierbuchs die Gegenposition, der zufolge die Minerale einmalig von Gott bei der Erschaffung in die Erde gelegt wurden: Gott hat bei der Erschaffung der Welt die irdischen Körper von mancherlei Metall, von Erdgewächsen und Bergsäften ins Erdreich gelegt und in den Gewässern verborgen. Sie sollen vom Menschen gewonnen, zunutze gemacht und gebraucht werden.458 [...] Denn Gott, der allmächtige Schöpfer, der bei der Erschaffung der Welt neben anderen Kreaturen auch die Mineralien in die Gebirge, Klüfte und Gänge gelegt und hat wachsen lassen, der hat ihnen allen und jedem Mineral besonders seine äußere Gestalt und Farbe gegeben, wodurch man eines vom anderen zu unterscheiden und wohl zu erkennen vermag.459

Die Diskussion von einem fortwährenden oder einmaligen Entstehen von Mineralen in der Erde ist innerhalb des in sich geschlossenen logischen metallogenetischen Systems der Frühen Neuzeit nicht nur angemessen, sondern auch wesentlich: Denn eng damit ist die Frage nach der Möglichkeit einer menschlichen Nachahmbarkeit solcher Vorgänge verbunden – sowie die Überlegung, ob sie durch den menschlichen Forscher vollständig erkannt und wiederholt werden könnten.460 Dies bezweifelt Mathesius, wenn er sagt: Wie aber erd oder asche / und das fette und esere wasser zu einer guhr vermenget unnd temperirt werde / das weyß Gott allein sagt Panthel / unnd wir müssens wol noch zur zeyt unerforscht lassen / biß wir mit newen und gescheuerten augen hinein in die wesentliche gestalt der Creaturen / wie Adam vorm falle wider sehen werden.461

Aus seiner Aussage, die den Verlust der Erkenntnisfähigkeit des Menschen durch den Sündenfall betont, folgt, dass für den Menschen die natürlichen Vorgänge der Natur/Gottes bei der Schaffung von Metallen zwar in Teilen erkennbar, aber nicht zur Gänze entschlüsselbar sind, und somit auch die Erschaffung von Metallen nicht in der Kraft des Menschen liegt.462 Dies macht Mathesius sehr deutlich: Denn ob die Alchimisten gleych ire materialia / das ist / schwebel / quecksilber und Marchasit haben / und brauchen lufft und fewer / und ir elixir mit höchstem fleiß / wils ihn dennoch an Gottes hand unnd krafft feylen / der im diese Kunst allein vorbehalten [...]. Alchimisten können ir angeben nicht in die prob bringen / das ist war / dennoch gibet die erfarung / das fündig geng unnd reiche ertz / nicht one schwebel und quecksilber sein.463

Erneut wird hier deutlich, wie grundlegend die Frage war, ob und in wie weit die menschliche Fähigkeit der Imitation in der Lage sei, unter Verwendung der potentiellen Aus-

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gangsstoffe der Metallogenese die natürlichen Prozesse zu wiederholen. Innerhalb der frühneuzeitlichen Theorien zur Mineralogie ist diese Diskussion nicht allein zulässig, sondern auch logisch ableitbar, umfasst doch die (Al-)Chemie das gesamte theoretische wie auch Verfahrens-Wissen um natürliche Stoffe, die teilweise spekulativ, teilweise experimentell sind. Die Vorgabe, Gold machen zu können, ist dabei nur ein Aspekt, der als „Scharlatanerie“ von vielen Zeitgenossen tatsächlich negativ bewertet wurde, vor allem auch aus dem Bereich der Metallurgie im Umkreis der Montanindustrien; so äußert beispielsweise der Praktiker Biringuccio: Deshalb sollten sich alle, die nach Reichtum streben, schnellstens mit allem Eifer dem Bergbau zuwenden. Statt dessen aber gehen die Menschen dem beschwerlichen Kriegsdienst nach, oder sie widmen sich dem Handel, bei dem man die Welt durchmessen muss, oder anderen widerwärtigen Geschäften, die guten Menschen vielleicht nicht erlaubt sind, oder den langen beschwerlichen Reisen zu Lande und zu Wasser, die voll Entbehrungen und Mühseligkeiten sind und unter fremde, unbekannte und oft wilde Völker führen, oder jagen dem erlogenen Stein der Weisen nach, mit dem sich so viele in der Hoffnung befassen, den flüchtigen Knecht zu fangen, oder sie beschäftigen sich mit törichten Einfällen, spitzfindigen Tüfteleien und anderen eitlen und nichtigen Dingen.464

Auch der Probierer und Münzmeister Lazarus Ercker, der selbst vielfach öffentliche Probeschmelzungen durchführte, lehnt die Vorstellung, dass die natürliche Metallogenese durch Menschen erkannt und nachgeahmt werden könne, deutlich ab. Damit verbunden ist seine zurückhaltende Einstellung zu einem fortwährenden Entstehen von Mineralen in der Erde, sind ihm zufolge doch alle Ressourcen in einem einmaligen Schöpfungsakt am Anfang der Zeit entstanden, die dennoch weiterhin von Gott „vermehrt“ werden: Das, was die Philosophen und Naturkundigen über Erze und Metalle geschrieben und worüber sie viel disputiert haben, lasse ich samt ihren Regeln und ihrer Meinung im Werte deshalb bestehen, weil diese ihre Gedanken und Wahnvorstellungen nicht allein ungewiss und oftmals falsch sind, sondern sich auch häufig widersprechen. Ich will einfältig daran glauben, dass Gott, der allmächtige Schöpfer, diese Geheimnisse seiner Allmacht vorbehalten will und dass er Gold, Silber sowie alle Metalle durch ein Wort erschaffen hat, durch das ebenso Himmel und Erde und alles, was darauf und darinnen ist, ihren Ursprung haben. Durch seinen Willen erhält und vermehrt er auch solch alles zu seinem großen Lobe und lässt es ans helle Lichte und an den Tag kommen, für welche herrliche Gaben ein jeder billigerweise ihm von Herzen danken sollte.465

Auch in Bernard Palissys Discours admirables entgegnet die Praxis der Theorie innerhalb der Diskussion zu Grenzen und Möglichkeiten der Alchemie: Oder glaubst du, ich wäre so ungebildet, dass ich nicht genau wüsste, dass Gold und Silber und alle anderen Metalle göttliche Werke sind, und dass es ein verwegenes Unternehmen gegen Got-

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tes Ruhm ist, sich das aneignen zu wollen, was in seine Zuständigkeit fällt? Denn die ganze Macht, die den Menschen über die Metalle gegeben wurde, besteht darin, die Unreinheiten zu beseitigen, sie zu reinigen, zu analysieren und aus ihnen die Arten von Gefäßen oder Geld herzustellen, die ihm genehm sind, und dies ist mit dem Sammeln und Kultivieren von Saatgut vergleichbar. Denn es fällt dem Menschen allein zu, das Korn von der Spreu zu trennen, die Kleie vom Mehl und aus dem Mehl Brot zu backen, die Trauben zu pressen, um Wein zu gewinnen. Aber es ist Aufgabe Gottes sie wachsen zu lassen, ihnen Geschmack und Farbe zu geben. Ich behaupte, dass ebenso wenig wie der Mensch dies beeinflussen kann, er es auch bei den Metallen nicht vermag.466

Programmatisch ist es die Praxis, die die Möglichkeit der Imitation negiert. Hier wird die Position eines Künstlers erkennbar, der in seinem eigenen Tun durchaus und sehr selbstbewusst seine Schöpfungskraft betont und auch die Nähe seiner künstlerischen Praxis zur Naturerkenntnis hervorhebt. Er definiert die Erschaffung von Gold, von Silber und der anderen Metalle als göttliches Werk, das der Mensch nicht nachvollziehen kann. Palissy sieht durchaus, dass der Mensch Zugriffsmöglichkeiten auf die Ressourcen hat, dass diese sich aber auf den Abbau und die in der Verhüttung angewendeten Verfahren des Reinigens und Ausschmelzens begrenzen. Er glaubt zudem, dass der Mensch mit den Metallen arbeiten, sie erforschen und sie – zu Kunstwerken und zu Münzen – weiterverwenden, aber nicht, dass er sie selbst generieren kann.467 In einem abschließenden Zitat diskutiert Mathesius – im Umfeld von Künstlern, die mit Gold arbeiten – die Verbindung von Erkenntnis und künstlerischem Werkprozess.468 In seiner zehnten Hochzeitspredigt Von dem alten Goldarbeiter unnd Steinschneider Besaleel bewertet er das Verhältnis von menschlichem und göttlichem Schöpfer: In disen worten erkleret sich der Son Gottes selber, waserley Geyst oder gaben er seinen Großvätern geben habe und anderen Werckmeystern geben könnne. Nemlich einen solchen Geyst, der einem Künstler einen geschickten unnd geschwinden kopff mache, der nicht allein, was andere erfinden und angeben, bald fassen unnd nachmachen könne, sondern der selbs geschwinde ein und zufell habe, der etwas selbs außsinnen oder speculieren und erfinden kan, das vor nie gesehen oder im werck gewesen ist. Denn Gott ist aller künst Vatter, brunn unnd ursprung, er hat alle ding auß einem punct gezogen unnd zirckel und winckelrecht in guter proportion gemachet und hat darneben in Adams gehirn di gerecht und volkommene perspectif unnd alle proportiones gebildet das Adam ein lebendigen Euclidem und Vitruvium in seinem haubt gehabt.469

Die Nähe solcher Aussagen zu frühneuzeitlichen kunsttheoretischen Vorstellungen ist offensichtlich und in ihrem Gehalt überraschend. Mathesius betont in derselben Rede, dass alle Begabung von Gott kommt, wenn er von den Gaben des Heiligen Geistes spricht. Er erweckte Adam zum Leben, und erregte „sonderlichen Heldenmut und wunderbarlichen verstand“ auch bei ausgezeichneten Heiden, wie Alexander, Scipio, Pythagoras und ­Quidius:

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Darumb auch sie selbst bekennen, das kein Grosser oder Künstler nie gewesen, on sondere einraunen, anblasen, bewegung, oder Vorgöttung so von oben herab kommen muss. Hic afflatus, enthusiasmus, oder spiritus, wie Cicero und Ovidius sagen, venit sedibut æthereis.470

Mathesius ist mit der Vorstellung des göttlich inspirierten Künstlers vertraut; eng damit verbunden ist seine Aussage, dass ein Künstler nicht allein ein geschickter Werkmeister und Imitator vorhandener Werke sei, sondern jemand, der die Gabe der Schöpfung in sich trage, etwas „selbs außsinnen oder speculieren und erfinden kann, das vor nie gesehen oder im werck gewesen ist“ – also etwas Neues erschaffen könne. Von hier aus kommt Mathesius dann auf die Geometrie als Instrument des Kunstschaffens zu sprechen (vgl. Kapitel 2.6). Gott als ursprünglicher Schöpfer zieht die Welt aus einem Punkt. Er geht dabei regelgeleitet vor und folgt dem Normativ der guten Proportion und nutzt dazu Zirkel und Winkelmaß, vergleichbar dem Künstler, der sein Werk nach dem rechten Maße ausführt. Er erschuf Adam nach seinem Ab- und Ebenbild und bildete ihm die gerechte und vollkommene Perspektive und alle Proportionen (als Vorwissen und als Möglichkeit der Erkenntnis) ein. Und zwar solcher Art, dass jeder Mensch einen lebenden Euklid und Vitruv, und damit die aus der Antike tradierten Lehrmeister von Proportion und Geometrie, mit sich trage.471 Auch wieweit dieser künstlerische Akt zur Erkenntnis führen kann, diskutiert Mathesius – ist doch die menschliche Erkenntnisfähigkeit durch den Sündenfall getrübt, aber nicht gänzlich unmöglich geworden: Ob aber wol der Teuffel durch diese schöne Tafel auch einen strich gethan unnd den kunstspiegel inn unseren herzten verdunckelt hat wie durch die erkendtnuß von tugend unnd untugend. Dennoch hat Gott noch linien, circkel, winckelmaß, zal unnd proporcion in menschlichem hertzen erhalten und poliert solchen verplichnen spiegel wider durch seine gabe, gute anleiter und fleissige ubung, unnd erwecket offmals leut, die durch seine sondere kunstgaben den sachen subtil, scharpff, geschwind und wercklich nachforschen unnd nachkommen können, da sich ander leut darüber zuverwundern haben.472

Mathesius nennt Künstler, die durch ihre göttlichen Fähigkeiten in der Lage seien, Werke zu erschaffen, die andere Betrachter in Verwunderung bringen. Er betont dabei aber nicht ihre virtuose Kunstfertigkeit als besondere Fähigkeit, sondern vielmehr die Gabe „den sachen subtil, scharf, geschwind und werklich nachzuforschen“ und rückt so den künstlerisch-künstlichen Werkprozess in die Nähe von Erkenntnis. Dies wird noch deutlicher, wenn er von „Künstler-Weisheit“ spricht, die dazu führt, dass etwas erfunden und ersonnen werden kann: Das heyst nun künstler weyßheit da sie aus Gottes gaben selber on menschliche anleitung was erfinden und außsinnen können. Verstand, laut hie von der stellung unnd ordnung, das sie ihre ideas und schöne fantaseyen können fein zu marckt, und in gewisse unnd artige ordnung richten, ein proportionierte stellung machen, das eins aus dem andern fleust, und reimt sich auff einander,

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wie Kirchenzimmer. Kunst oder erkendtnuß, laut von der Practiken, wenn einer seine gefaste und geordnete gedancken kann ins werck bringen, unnd dasselbig rein und sauber außmachen, das es sihet als leibe und lebe es, und das es ihm von der hand fertig unnd schleunig abgehe, ehe ein ander den zeug zusammen suchet, unnd besinnet sich, was, unnd wie ers machen will, so stehet des andern werck schon da vor der hand. Diß sind des geystes Gottes gaben in grossen wunderleuten unnd künstlern die von Gott herkommen darinnen er will als ein weyser und künstlicher Gott durch grosser leut kunst erkandt unnd gepreyset werden [...].473

Deutlich trennt Mathesius hier „Verstand“ und „Kunst“ und weist dabei den ersten Begriff dem Bereich der Ordnung, den zweiten dem der Praktiken zu. Verstand und Kunst sind für Mathesius Teil des künstlerischen Werkprozesses, der sich wiederum in das Entstehen von Ideen (schöne fantaseyen) sowie dem „ins Werk bringen“ aufteilt – also auch hier Entwurf und Umsetzung als zwei voneinander geschiedene und doch kausal zusammenhängende Aspekte der Werkgenese begreift. Mathesius nutzt dabei sein kunsttheoretisches Wissen, um dem entstehenden Kunstwerk deutlich eine regelgeleitete, theoretische Komponente zu zuweisen und das menschliche Vermögen zur artifiziellen Hervorbringung als göttliche Gabe zu würdigen. Ein prominentes Motiv bei Mathesius ist das Bild von Gott als Handwerker, der in der Erde die Metalle erschafft. In seiner 15. Predigt über das Glas unterscheidet Mathesius zwei Arten von Glas, das göttliche Glas (Edelsteine) sowie das aus den gleichen Ausgangsstoffen und durch vergleichbare Verfahren geschaffene künstliche (= menschliche) Glas: GOTT hat sein laboratorium und werckstadt unter der erden / wie ir zu andern zeit gehöret / da wir vom ertzwachsen redeten / Denn da stehet im das fewer / lufft / wasser / so er in die erde verschlossen / zu gebot / und richten sein wort und befehl auß / Da zeucht unnd extrahiert GOTT auß den felsen und subtiler erden ein materien zusammen / und formiert und machet ein schönen cörper drauß / wie er will / sagt S. Paulus / da er von dem samen und den claren cörpern / so in der erde wachsen / 1. Cor. 15 redet474 / solche cörper bildet und schmücket er / sag ich / nach seinem gefallen / und gibt einem jeden seinen adel / durchleuchtigkeit / veste / farb / und tugend / wie er will / denn er hat sein tinctur und coloratur wie ein rechter Alchmist / und hat sein natürliche ritzkle und ultramarin, damit er auch seine gleser unter der erden ferbet / wie die künstler dem schmeltzglaß ein schön farb geben / damit man ringe und kleynot künstlich schmücket / wie er auch seinen schneidzeug / als ein rechter Bezaleel / unter der erden hat / daher man allerley farben natürlich edelgestein grebet / die fein/ glattirt / poliert / oder abgeeckt / zugespitzt / zugemügelt/ oder abgedrehet und außgehölert sein / wie die erfahrung zeuget.475

Für Mathesius und seine Zeitgenossen bezeichnend ist die Parallelisierung von natür­ lichem und menschlichem (Werk-)Prozess.476 Sie ist aber nicht allein als Gleichnis oder ­Metapher zu verstehen, sondern hat durchaus einen naturphilosophischen Anspruch: Die Erklärung von natürlichen Vorgängen gelingt durch den Vergleich mit den Werkstattprak-

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tiken der Kunsthandwerker; besonders eignet sich der Kunst-Stoff Glas dafür, da er  – ­entstanden durch die Vermischung von Sand und Farbmitteln und unter Nutzung ­von Feuer  – natürlichen Materialien ähnelt. Dieses Wissen um die Verfahren wird von ­Mathesius an unterschiedlichen Orten genutzt und macht deutlich, dass er nicht nur die Artefakte aufgrund ihrer Schönheit oder ihres Wertes schätzte  – wie gezeigt, kannte er den Goldschmied Caspar Ulich, nannte den Kelch, den Concz Welcz als Stiftung für seine Kirche geschaffen hatte und wusste, dass in den Werkstätten neue Verfahren ent­ wickelt wurden. Offenbar war er auch über die Bedingungen ihres Entstehens informiert und nutzte dieses Verfahrenswissen aus den Werkstätten der Goldschmiede und aus dem Hüttenwesen für die Erklärung und Ausdeutung naturphilosophischer Phänomene: Ich hab sichtig gold in einem eystenstein gesehen / wie auch in Steirmarck weiß gold bricht / welches in fewer sein natürliche farbe bekombt / so das quecksilber davon verrauchet / als wenn ein Goldschmid di silber geschirr vergüldet.477

Erneut sind es die zu beobachtenden Farbwechsel der Materialien und damit das vermeintliche „Verwandeln“ von einem Metall in ein anderes, die in den Blick geraten. Mathesius verbindet dieses Phänomen aber mit alltäglichen kunsttechnischen Verfahren aus der Werkstattpraxis von Goldschmieden und nimmt ihm damit die Aura einer wundersamen Substanzwandlung: Einerseits „verraucht“ Quecksilber (Mathesius beschreibt aus seiner Sicht einen Reinigungsprozess), andererseits bekommt ein silbernes Kunstwerk eine Feuervergoldung.478 Auch Albertus Magnus zog in vergleichbarem Maße kunsttechnische und kunsthandwerkliche Prozesse heran, um natürliche Prozesse zu erklären, wenn er als Fazit der Arbeit von Ziegelsteinherstellern und Töpfern bemerkt: Denn die Hersteller von Ziegelsteinen mischen zunächst Erde [...] Und die Töpfer tun dasselbe [...] Dann lassen sie die Feuchtigkeit darin eine Weile wirken, anschließend lassen sie die meiste Feuchte durch die Sonne austrocknen, schließlich werden die Gefäße durch Verzehren [des Feuchten] im Feuer gefestigt, was man Brennen [optesis] nennt. Folglich muss auch die Natur solche Methoden zum Mischen der Steine nutzen.479

Auch aus dieser Quelle wird deutlich, dass es sich bei diesen Parallelisierungen nicht allein um rein sprachliche Analogiesetzungen handelt, sondern dass die Theoriebildung tatsächlich in der Vergleichbarkeit der Verfahren gründete. Damit eng verbunden ist die Erkenntnis, dass kunsttechnische Verfahren durch experimentell-suchendes Arbeiten innerhalb der Werkstattpraxis entwickelt werden (können). Auch hier ist die Verbindung zur Natur und ihren Abläufen und die Grundannahme, ­natürlichen Prozessen nachahmend zu folgen, maßgeblich, betont Agricola doch in einer hierarchischen Abstufung, wie dieses Verhältnis von künstlerischer und natürlicher Schöpfung zu verstehen ist:

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Denn manchmal erfassen wir durch Beobachtung handwerklichen Könnens bis zu einem gewissen Grade das bewundernswerte Vorgehen der Natur. Öfter jedoch erzeugt Beobachtung der Natur umgekehrt handwerkliche Kunstgriffe.480

Der Wissenschaftshistoriker Cyril Stanley Smith wies darauf hin, dass vielfach bildende Künstler im Versuch, ihre Formvorstellungen in die Tat bzw. ins Werk umzusetzen, in enger Auseinandersetzung mit dem Material neue Verfahren entwickelten. Er betonte das innovative Potential, das dem materialnahen Handeln von Künstlern und Kunsthandwerkern innewohnt. Seinem Verständnis nach waren es weniger die Erfindungen aus dem Bereich der Naturwissenschaften, die auf Praktiken innerhalb der bildenden Künste rückwirkten – sondern vielmehr kunsttechnische Verfahren, die in den Werkstätten entwickelt und von dort in andere Bereiche übernommen wurden.481 Smith zufolge ist es ein genuin künstlerischer Zugriff, die Eigenschaften der Rohstoffe zu erforschen, um formale Vorstellungen umsetzen zu können. Es handelt sich dabei um eine Art des Experimentierens, bevor das wissenschaftliche Experiment als zielgerichtetes Verfahren in den Naturwissenschaften ab dem 17.  Jahrhundert zum Paradigma avancierte. 482 Auch in den metallurgischen Schriften finden sich vielfach Berichte über Verfahren und Materialien, die durch experimentell suchende, alchemisch tätige Fachleute entdeckt und entwickelt wurden. So berichtet Mathesius in der elften seiner Bergpredigten, in der er den Salpeter und andere Stoffe, wie Alaun und Schwefel, behandelt, zum Salpeter (sal petrae: Felsensalz, auch sal niter, Salitter): Bergkleut so sie bey grossen Herrn künstlen / und one pley ein ertzprob auffm Tische machen wöllen / brauchen sie auch des Salpeters / welches sehr lustig zu sehen ist. Heut bracht man Salitter am meysten zum Püchsenpulver / Welches Bertoldus Schwartz ein glerter Münch und guter Alchimist erfandt / da man zalt 1480. Denn da er nach der alten künsten Cabal / den Salitter gern figirt483 und dicht gemacht hette / Wie man nun das quecksilber fix unnd gantz machet / das man drauff pregen kan / und kundte den Saliter in keinem glaß im fewer behalten / hat er ihn endtlich inn ein wolvermacht eysen rohr ins fewer geleget / da hat er ihm den ofen zustossen / Drauff dencket der geschwinde Münch / wie man den Salitter leutern / unnd sein fettigkeyt nemmen / unnd mit Schwebel / Lindenen oder schießholz kolen / körnen unnd anzünden köndte. Also ist Pulver und Püchsen / und ander künste mit allerley lauffenden fewerwerck erfunden / darinn man die wunderbar natur unnd krafft des Salitters / unnd warumb im die alten Ertzväter vom springen seinen namen geben / erkennen kan.484

Dieser Bericht ist ungemein reich, weist er doch auf die Praxis der Schauvorführungen, die vielfach am Hof veranstaltet wurden, und die man sich sicherlich theatralisch inszeniert vorstellen muss. Der Verweis darauf, dass der Salpeter einen Effekt hervorruft, der „lustig zu sehen“ ist, betont den Charakter des Spektakels. In dem hier diskutierten Zusammenhang aber ist die Erzählung vom legendären „Erfinder“ des Schwarzpulvers, Bertold

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Schwarz im Jahr 1480, von Bedeutung. In der Zeit von Mathesius ist Salpeter ein wichtiger Bestandteil des Schießpulvers, davor aber gehörte er zu den Stoffen, mit denen Alchemisten arbeiteten. Mathesius’ Bericht betont die Zufälligkeit der Erfindung, die sich aus dem alltäglichen Handeln mit den Materialien und aus der Suche nach der Lösung eines Problems ergab: Schwarz gelang es nicht, den Salpeter in einem Glasgefäß zu verdichten, so dass er auf ein metallenes Gefäß auswich. Die darauf folgende Reaktion führte zur Erfindung (so die legendäre Erzählung) von Schießpulver und anderem Feuerwerk. Vergleichbar thematisiert Biringuccio in seiner De la Pirotechnia das Motiv der alchemischen (Zufalls-)Erfindungen, wenn er Messing (Bronze) als ein durch Kunst eingefärbtes Kupfer definiert und als eine schöne Erfindung der Alchemisten lobt; erneut mit dem Verweis, dass eine Farbveränderung (Kupfer wird Gelb) nicht als Substanzveränderung (Kupfer wird Gold) gedeutet werden darf.485 Das Motiv taucht erneut auf, wenn er berichtet, dass auch die Erfindung von Glas ein Zufallsprodukt der Alchemisten beim Versuch war, Edelsteine künstlich zu generieren: Zum Preise der Alchemisten bemerke ich zuerst, dass diese beim Versuch, Edelsteine herzustellen, wahrscheinlich fanden, dass sie ebenso wenig wie bei den Metallen zum Ziele kämen, und dann dieses schöne und liebliche Erzeugnis, das Glas gemachet. [...] Alchemisten haben die Kunst auf Grund vieler Versuche und absichtlicher Zusätze und Weglassen entwickelt.486

Das Ausprobieren und die Suche nach immer besseren Rezepturen wird hier als experimentelle Praxis aus den Laboratorien der alchemisch Forschenden definiert.487 Auch Benvenuto Cellini als weiterer Autor des 16. Jahrhunderts, der in seinem Werk Theorie und Praxis vereint, tradiert eine ähnliche Geschichte, wenn er in seinem Traktat zur Goldschmiedekunst im dritten Kapitel zu den Verfahren des Emaillierens (Dell’arte dello smaltare in Oro & in Argento & della natura d’alcuni Smalti) zum roten Emaille ausführt: Mit Sicherheit weiß man, dass die Alten jene feine Sorte des roten Emaille noch nicht kannten, sondern dass es von einem Alchimisten, der auch Goldschmied war, entdeckt worden ist. Es wird erzählt, dass dieser Alchimist beim Versuch, aus einer bestimmten Mischung Gold zu machen, als Ergebnis seiner Arbeit im Tiegel neben dem Metall eine herrliche rote Glasschlacke vorfand, so schön, wie es vorher noch nie ein Glas gegeben hatte, so dass er, im Ergebnis dieser Erfahrungen durch Mischen mit anderen Gläsern – und nach Überwindung großer Schwierigkeiten und nach vielen Versuchen – endlich die Methode zur Herstellung dieses Glases fand.488

Die hier versammelten Stellen betonen die innovative Kraft, die in der Werkstattpraxis der frühen Neuzeit lag – und dass die dort entwickelten Neuheiten und die Umstände ihrer Entdeckung durchaus von den Zeitgenossen wahrgenommen und wertgeschätzt wurden. Drei Motive fallen dabei besonders auf: erstens das aktive Ausprobieren und Weiterentwickeln von neuen Verfahren, das einem gezielt-suchenden Experimentieren entspricht und

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das auf der Materialkenntnis und den technischen Verfahren sowohl der Künstler als auch der Al-Chemiker basiert. Zweitens das Motiv des Zufalls, der immer wieder neuartige Stoffe und Verfahren entstehen lässt. Und drittens die enge Verbindung von menschlichem Handeln und natürlichen Vorgängen – die nicht auf eine Kunst beschränkt ist, die imitierend die Natur und ihre Produkte nachahmt.489 Sondern die vielmehr eine Kunst beschreibt, deren Verfahren dazu genutzt werden können, natürliche Abläufe und natürliche Ressourcen zu erklären und nutzbar zu machen.

1.8 Mineraliensammlungen Abschließend werden drei Mineraliensammlungen vorgestellt; die dort aufscheinenden Kategorien und Ordnungskriterien sowie die über das dort versammelte Material geführten Argumentationen helfen, auch das Phänomen der Handsteine noch genauer zu greifen. Ausgewählt wurden drei Sammler, die sich aus sehr unterschiedlichen Gründen mit Mineralen beschäftigen und somit die Breite des frühneuzeitlichen Interesses abbilden: Johannes Kentmann (1518–1574), Andreas Ryff (1550–1603) und Giovanni Maria Nosseni (1544–1620). Aus der Sammlung von Kentmann wird vor allem das Thema der Kategorisierung ersichtlich und die Frage, welche Probleme und Möglichkeiten sich sowohl räumlich als auch argumentativ innerhalb eines vom Material ausgehenden Wissensdiskurses ergeben. Prägnantes Merkmal der Sammlung von Ryff sind die Metalle in ihren unterschiedlichen Bearbeitungsstufen: Ryff versammelte Materialien, die durch ihre Reihung den Weg von der Ressource über den Werkstoff zum Werk erzählen. Seine Zusammenstellung von Proben zwischen Fund, Abbau, Verhüttungsprozess und Anwendung macht den langwierigen und kostspieligen metallurgischen Prozess über Objekte sichtbar. Die Sammlung von Nosseni hingegen wird durch das Thema des Territoriums bestimmt, das sich über die gezielte Translation von Bodenschätzen in einen Sammlungsraum abbilden kann: Ein erschlossenes Herrschaftsgebiet, das über die vorhandenen Bodenschätze in der Sammlung „kartographiert“ und reproduziert wurde. Mineraliensammlungen sind eine besondere und eindrucksvolle Form der Wissens­ organisation in der Frühen Neuzeit, werden in ihnen doch natürliche Objekte versammelt, die ihrem ursprünglichen Kontext entnommen, transloziert und in einer neuen Umgebung in neue Beziehungen gesetzt wurden.490 Indem ein Objekt bewusst neben ein anderes gelegt wird, bilden sich Ensemble, die einer inneren Logik folgen und eine Systematik behaupten (können). Ein wissenschaftlicher Text schreibt eine Ordnung und Gliederung fest, Objekte innerhalb einer Sammlung aber können immer wieder neu gruppiert und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Durch Veränderungen innerhalb der Sammlungsgruppen wird der wissenschaftliche Diskurs offengehalten und generiert fortwährend neue Sympathien und damit auch Ordnungskriterien. Texte nutzen Worte und Begriffe, also Bezeichnungen, die schon das Ergebnis einer Bewertung und Einordnung sind.

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Sammlungen hingegen können sich sowohl der Begriffe und Bezeichnungen – wie auch der Texte – bedienen, brauchen sie aber nicht grundsätzlich, um zu funktionieren; damit wohnt der Sammlung auch die Potenz inne, bestehende Theorien in Frage zu stellen. Eine Sammlung ist nicht statisch, sondern bleibt durch Neuzugänge, durch Um- und Neuordnungen flexibel. Zugleich verlangen die Objekte innerhalb einer Sammlung, da sie zueinander in räumliche Beziehung gesetzt werden müssen, die Entscheidung für eine Ordnung; sobald ein Objekt in eine Sammlung kommt, wird es vergleichbar und tritt in einen Austausch mit den es umgebenden anderen Dingen. Der artifizielle Raum der Sammlung also fordert immer zugleich auch eine Systematisierung heraus, verlangt, in Ordnung gebracht zu werden.491 Maßgebende Ordnungskriterien von Sammlungen sind Form, Farbe, Gewicht sowie der Geruch der Objekte – alles Kategorien, die vor allem über den visuellen Befund und die Handhabung zu erfahren und eng mit der Materialität der Objekte verbunden sind und die den Mineralen inhärente Eigenschaften nutzen. Durch den Sammler werden bestimmte Qualitäten wahrgenommen und betont und somit zur Kategorie erhoben, andere aber vernachlässigt.492 Dies geschieht jeweils vor dem Hintergrund des Stands der zeitgenössischen Forschung, durch den die Kategorien vorgegeben und damit bestimmte Eigenschaften als wesentlich definiert werden. Minerale in der Sammlung sind daher immer auch in den sie umgebenden Wissensdiskurs eingebettet. Zugleich können Sammlungen neue wissenschaftliche Ergebnisse erschaffen oder bislang unbeachtete Kategorien durch das  – in Teilen sehr persönliche  – Sammlungsinteresse und eine eigenständige Sammlungsintension vorschlagen. Die Objekte innerhalb einer Mineraliensammlung bleiben räumlich mit dem Ort ihrer Auffindung verbunden, da (im Idealfall) der Fundzusammenhang des Minerals protokolliert wurde bzw als Verweist mitzudenken ist. Dadurch entsteht ein räumliches Netzwerk, da das translozierte Ding seinen Bezug zum Ort der Herkunft behält. Zugleich erinnern die Objekte in den Sammlungen an die Mühsal des Aneignungsprozesses, gerade im Umfeld von Bergbau und Abbau von Mineralen.493 Daher beziehen sich Minerale innerhalb einer Sammlung immer auch auf einen Ort, aus dem die Stoffe entnommen und transloziert wurden. Sie können sich dabei auf unterschiedliche Raumformen beziehen, beispielsweise – Dresden und Ambras verdeutlichen dies – auf ein politisch konstituiertes Gebiet (ein Territorium) und es dabei abbilden, definieren und repräsentieren.494 Wie elementar das Sammeln von Mineralen für die Kultur der Kunstkammer war, zeigt sich über die große Anzahl der Bestände – kann aber auch aus den erhaltenen sammlungstheoretischen Schriften erschlossen werden.495 So nennt Gabriel Kaldemarck in seiner Anweisung, wie eine Kunstsammlung aufgebaut sein soll ausdrücklich unter den zu versammelnden Dingen: „Wunderbarliche In und auslendische Gewechse von Metallen, Stein, Holcz, Kreutern so uff der Erden, in der Erden, in Wassern und Meer gefunden wirdt.“496 Auch Samuel Quiccheberg (1529–1567) bestimmt in seiner Lehrschrift Inscriptiones vel t­ituli theatri amplissimi, dass Minerale in der Dritten Klasse (7. Überschrift) zu versammeln seien:

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Metalle und metallische Stoffe aus Bergwerken und dann die eigentlichen Urformen der Metalle, Mineralien, Zinkerz etc. Außerdem feste Röhren aus den reinsten Metallen. Schließlich alle Nachbildungen in der Form eines Kunstwerks: einerseits Metalle, die schrittweise das Feuer erprobt haben, und andere, die mehr oder weniger ausgekocht und getrennt worden sind.497

Quiccheberg fordert hier nicht allein die Versammlung aller natürlichen mineralischen ­Arten, sondern auch ihrer reinen Urformen und Proben des  – artifiziell erstellten  – gediegenen Metalls. Damit soll der Prozess der Verhüttung über einzelne Objekte nachvollziehbar werden, so dass (in modernen Kategorien gedacht) eine Sammlung sowohl der natürlichen Ressourcen als auch ihres Abbaus über die Produkte entsteht. Wenn­gleich Quiccheberg keine reale Sammlung beschreibt, sondern die Möglichkeit einer ­idealen Sammlung diskutiert und innerhalb dieses Konstrukts Kategorien entwirft, agiert er doch im Umfeld der Münchner Kunstkammer. Seine Vorstellungen eines allumfassenden ­Theaters, in dem die einzelnen Stoffe und Bilder in ihrer Gesamtheit ausgestellt werden, findet seine Entsprechung in den realen Archiven der Zeit, die kunstvolle und natürliche Dinge vereinen.498 Seine Aufstellung zeigt, dass im 16.  Jahrhundert keine eindeutige ­„Urform“ von Metallen gedacht wurde und die natürlichen Erzstufen oder verhüttete Endprodukte nur Stationen auf einer möglichen Skala markieren. Und dies bedeutet – für die künstlerisch überformten Handsteine – dass sie einen eigenen Platz innerhalb dieser Erzählung zugewiesen bekommen, da sie zwischen Natur und Kunst changieren. Die im siebten Kapitel vorgestellten Theorien zur Mineralogie und Metallurgie ­wurden in den Bergbaugebieten Europas in engem Kontakt und durch den Austausch mit erfahrenen Praktikern formuliert. Zugleich aber basierten sie auf Sammlungen, in denen das ­Material gesichtet, geordnet und kategorisiert wurde. Denn Georgius Agricola und Johannes Mathesius zogen ihr Wissen nicht nur aus dem Austausch mit Fachleuten der Montanwissenschaft, sondern auch aus der Anschauung, die sie über eigene Mineraliensammlungen erwarben.499 Die Praktiken des Sammelns thematisiert Mathesius an unterschiedlichen Stellen: Es hat mich auch ein gut freund von dem ort mit einer stuff verehret / daran vil zynstein und graupen bonen groß stehen / sein abgespitzet und polirt wie ein Demant / wie man auch damit in ein glaß schneyden kan / die zwintzern oder glintzern durch den weissen mißpickel sehr lüstig herfür / Und welches vor nie gesehen / gehöret / oder geschriben ist / so stehet weiß gedigen zyn mitten unter dem schwartzen gleissenden zwitter / darein man haken schneiden kan / wie in ein schwartz oder durchsichtig glaßertz / Auff der andern Seiten stehen schöne braune flöß / die man Behemische Ametisten nennet / und sehr werckliche kiß oder Markasith500 greuplein. Denn unser Got beweyset hiemit / das er in himel / lufft / wasser /erde und unter der erden mechtig und thetig ist / alß ein almechtiger Gott / der für und für / ordentlicher und ubernatürlicher weise wircke / und seine macht und reichthumb in Creaturen sehen lasse.501

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Aus diesem Zitat wird ein Netzwerk von Mineraliensammlern erkennbar – das sich über Geschenke und wohl auch Tausch mit besonderen Funden sowie den wissenschaftlichen Austausch konstituierte. Zugleich wird die Freude an der Schönheit des Materials, die Kenntnis von Fachworten, von Fundformen und Fundorten sowie die Zunahme von Wissen thematisiert: Bislang nicht Bekanntes wurde über das Material ergänzt und aktualisiert, bezeugt die Stufe, die Mathesius erhielt, doch das Vorhandensein von gediegenem Zinn. Die Verbreitung des neuen Wissens (vor nie gesehen, gehöret oder geschriben) wird von Mathesius ebenso benannt, wie seine Erprobung der Eigenschaften des Fundes – er probiert aus, dass ein Teil des Fundes so hart ist, dass man mit ihm Glas schneiden und dass das gediegene Zinn so weich ist, dass man in es hinein schneiden kann. Über den materiellen Befund kam es in der Sammlung zur Erweiterung des mineralogischen Wissens, die Sammlung erschloss zugleich systematisch Lagerstätten. Auch waren Fundorte ein viel beachtetes Thema, da Bodenschätze immer mit der Region und dem Territorium verbunden sind – wie Mathesius vor der eben zitierten Stelle ausführt: Was auff gengen und stöcken bricht / das bricht gemeinigklich innerhalb der Behemischen grenzt in einem sandstein / jenseyd in einem schiffer / bißweilen auch in einen grindstein / kiß / und ander metal / Zu Schlackawald bricht jetzt guter zwitter in einen schneweissen und hellen quartz / oder spat / wie ich ein stuff gesehen / die war durchsichtig wie ein Christal / oder lauterer weisser floß / darinn man zynstein sahe / unnd aussen schöne schwartze greuplein fein nach der zeil stunden / alß het sie ein Goldschmid drauff versetzet.502

Die Sprache und die verwendeten Bilder, mit denen die Minerale beschrieben wurden, sind erneut sehr aussagekräftig: Mathesius bemüht den Vergleich mit einer Uhr, die von einem Goldschmied erschaffen wurde. Hier – wie an vielen weiteren Orten – wird die Suche nach einer deutschen Fachsprache sichtbar, die beschreiben und damit fassbar machen konnte, was der visuelle Befund vorgab.503 Denn Mathesius sammelte nicht nur Minerale und besuchte Bergwerke, sondern strebte auch danach, die dortigen Eindrücke sprachlich zu fassen: „für meine person weil ich nun auch auff der gruben gehe / rede ich gerne von diser materia“.504 Versprachlichung und Beschreibung sind dabei – genauso wie die Systematisierung innerhalb der Sammlungen  – immer auch mit einer Theoriebildung ver­ bunden. Die drei vorgestellten Sammlungen beleuchten drei verschiedene Sammlertypen: Kentmann war der Arzt und Mineralienkundler, Ryff der sammelnde Kaufmann mit Anteilen an Bergwerken und Nosseni der Künstler und Höfling, der im Auftrag seines Landesherrn die Ressourcen des Territoriums systematisch erschloss. Leider ist keine dieser Sammlungen in ihrer materiellen Beschaffenheit erhalten, sie können aber über Quellen rekonstruiert werden.505 Johannes Kentmann ist ein bedeutender sächsischer Mineraliensammler und Naturforscher des 16. Jahrhunderts, bei dem wissenschaftliches Interesse und die kategorisierende Ordnung seiner gesammelten Objekte eng miteinander verbunden

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waren und sein methodisches Sammeln und Ordnen neue Erkenntnisse über Minerale ermöglichte.506 Wie viele seiner naturwissenschaftlich interessierten Zeitgenossen war er als Arzt in Meißen 1551–1554, danach bis zu seinem Tod 1574 als kursächsischer Leibarzt und Stadtarzt in Torgau tätig.507 1531–1533 besuchte er in der bedeutenden erzgebirgischen Bergstadt Annaberg die Schule, absolvierte ab 1536 sein Studium in Leipzig, Wittenberg und Nürnberg (1546 Magister); es folgte eine Studienreise nach Padua, Florenz, Venedig, Rom und Bologna, wo er 1549 zum Doktor der Medizin promoviert wurde. Wenngleich die Sammlung von Johannes Kentmann, wie so viele der frühneuzeitlichen Gelehrtensammlungen, nicht mehr erhalten ist, kann sie doch über den dazu erstellten Mineralienkatalog mit über 1600 Exponaten erschlossen werden. Er wurde durch Conrad Gessner (1515–1565) in seiner Kompilation De Omni Rerum Fossilium Genere, Gemmis, Lapidibus, Metallis veröffentlicht (erschienen in Zürich bei Jakob Gessner 1565).508 Beide Naturforscher waren persönlich bekannt, Kentmann hatte Gessner auf seiner Rückreise aus Italien nach Sachsen in Zürich besucht. Das hier publizierte Verzeichnis der Sammlung trägt den Titel Nomenclaturae rerum fossilium quae in Misnia praecipue et in aliis quoque regionibus inveniuntur und ist die erste erhaltene vollständige Darstellung einer Mineral- und Gesteinssammlung, mit Angabe der genauen Fundorte und unter Anführung sowohl der lateinischen als auch der deutschen Mineralienbezeichnungen. Kentmanns Proben stammen größtenteils aus Sachsen, aus Meißen und Umgebung, wie es der Titel nennt.509 Kentmann ist Zeitgenosse von Georgius Agricola, der in seiner 1546 erschienenen Steinkunde (De natura fossilium) tradierte Meinungen und Formate kritisch diskutiert und in Teilen auch korrigiert hatte. Ältere antike und mittelalterliche Ordnungsvorstellungen zu Mineralen fanden sich bei u. a. Plinius, Isidor, Avicenna510, Albertus Magnus511 und in den sehr heterogenen Texten der mittelalterlichen Lapidarien, die Steine mehrfach mit Bezug zu alttestamentlichen Vorbildern (Brustschild Aarons, die Steine an den Mauern des Himmlischen Jerusalems) ordneten und diskutierten.512 Kentmann war mit den älteren Schriften und den erneuerten Kategorien von Agricola vertraut und adaptierte sie auch in Teilen in seiner Sammlung. Da er aber nicht aus einem theoretischen Anspruch heraus arbeitete, sondern von seinem Sammlungsgut her, nimmt er auch einige Änderungen vor. Durch diese Praxis wird ersichtlich, wie stark Sammlungen durch die dort vorhandenen Objekte geprägt sind und wie sehr der Wissensdiskurs durch sie vorgegeben und normiert werden kann.513 Die Publikation des Mineralienkatalogs beginnt mit einer tafelartigen Tabelle, die in der durchgehenden oberen Zeile mit Arca Rerum fossilium Ioan. Kentmani beschrieben ist.514 Darunter folgen in dreizehn Zeilen – zweispaltig – die Nummern 1 bis 26. Damit ­bezeichnet sind beispielsweise in der ersten Zeile „1. Terrae / 2. Succi nativi“, in der zweiten Zeile „3. Efflorescentes / 4. Pingvens“, in der dritten Zeile „5. Lapides / 6. Lapides in Animalibus“ und so fort. In der zweiten Spalte der siebten Zeile beginnen dann die Metalle mit „14. Avrvm“, es folgt das Paar der achten Zeile „15. Argentvm / 16. Argentvm vivvm“, in der neunten Zeile „17. Aes sev Cvprvm“ und so fort in absteigender Materialhi-

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28  Zeichnung der Arca (Sammlungsschrank für Minerale) von Johannes Kentmann in Conrad Gesners De Omni Rerum Fossilium Genere, Gemmis, Lapidibus, Metallis. Zürich: Jakob Gessner, 1566, (6r, ohne Zählung).

erarchie bis „24. Ferrum“.515 Das dieser tabellarischen Auflistung von Mineralen und Erzen eine räum­liche Vorstellung zugrunde liegt, wird durch die Darstellung des Sammlungskastens (der Arca von Johannes Kentmann) auf der nachfolgenden Seite betont (Abb. 28) – ein hochrechteckiger Schrank mit dreizehn Schubfächern, die mit den Nummern 1 bis 26 bezeichnet sind.516 In der obersten Schublade links befanden sich die „Erden“, rechts daneben die „natürlichen Säfte“ und so fort; dass diese sechsundzwanzig Hauptabteilungen in diverse Untergruppen unterteilt waren – und dass dies der Ordnung innerhalb der Schubladen im Sammlungsschrank entsprach – erklärt sich durch die Inhaltsangabe des ­Catalogvs rervm fossilium Io. Kentmani. So gehören beispielsweise acht unterschiedliche Arten zur ersten Gruppe der Erden, es folgen die weiteren Hauptgruppen mit den dazugehörigen Unterteilungen.517 Dies ist umso interessanter, als sich die im Druck erscheinende Publikation räumlich von der Sammlung und ihren Objekten trennt – und auch der Titel mit dem Hinweis auf die Nomenclaturae anzeigt, dass es hier um einen anderen Wissensbestand, nämlich um die sprachliche Beschreibung und Fassung von Mineralen geht. Dennoch

Mineraliensammlungen I 139

bleibt der Bezug zur Sammlung und zum Sammler – möglicherweise auch, um die hier publizierten neuen Erkenntnisse zu autorisieren  – zumindest in der Fiktion für die Leser:innen bestehen. Die Goldproben (Aurum) werden ab fol. 58 verzeichnet, an vierzehnter Stelle folgt das Silber.518 Die Art der Kategorisierung ist bemerkenswert, ordnet Kentmann doch seine Silber­funde zuerst nach besonderen Formen; danach erst wählt er die Farbe als Kriterium.519 Ein Vergleich mit Mathesius zeigt, dass dies auch von diesem Mineralienkenner so gehandhabt worden ist; erst bespricht Mathesius die reinen und gediegenen Vorkommen, die sich durch besondere Formen unterscheiden, und kommt dann auf die Erze zu sprechen, „da nichts sichtiges oder kendtlichs von gediegem silber an ist.“520 Bei Johannes Kentmann werden im anschließenden Katalog die einzelnen Minerale und Erze – in lateinischen Einträgen, vielerorts aber auch mit einem Eintrag, ganz oder in Teilen, in deutscher Übersetzung – beschrieben.521 Erneut steigt die Sammlung hierarchisch von der Materialgüte ab, an erster Stelle steht das gediegene Silber (rude) in Kugelform (glebosum), von dem Kentmann zwei Funde besitzt: 1. Argentum rude candidum, glebosum, Schnebergium: quod cultello scindi, & tractari maleo potest. Paur ertz / schneeweiß gedigen silber / dicht silber 2. Annebergium candidum in marmore metallico candissimo. Ein Stüflein gedigen silber in weissem spadt.

Diese Funde aus Schneeberg und Annaberg bezeugen das Vorhandensein von gediegenem Silber aus zwei Hauptorten des Erzgebirges in der Kentmannschen Sammlung. Zum ersten Fund beschreibt Kentmann zudem noch die Materialeigenschaften, wenn er auf Latein ausführt, dass das Erz mit dem Messer zu schneiden und schlecht zu behandeln sei – eine Aussage, die im deutschen Text als „dicht silber“ ihre (verkürzte) Entsprechung fand. Beim zweiten Stück wird das besondere Aussehen, das mit dem Fundzusammenhang verbunden war, hervorgehoben, da das weiße, gediegene Silber aus Annaberg mit einem weißen Stück Gestein (marmore metallico candissimo) verwachsen war  – spadt in der deutschen Version.522 Diese Verwachsungen benennt und erklärt auch Agricola im 5. Buch seiner De Ortu et Causis subterraneorum von 1544: Mit Erzen oder verdichteten Flüssigkeiten vermischte Steine entstehen, wenn das Gemenge des Erzes oder der verdichteten Flüssigkeit in die Ritzen der Steine eindringt oder über die Steine wegfließt und die Kälte es erstarren lässt; dann bleibt nämlich das Erz oder die zähe Flüssigkeit an den Steinen hängen.523

Es folgen vierzehn Silberfunde, die gediegenes Silber in länglicher Drahtform (haarförmig: capillare /hericht (auch: häricht) benennt es Kentmann nach der Nomenklatur seiner Zeit) beschreibt.

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1. Annabergium candicum capillare. Weiß gedigen hericht silber.524 2.  Capillis multiplicibus condensatum in tricae modum. Gedingen hericht silber / buschelweise zusammen gewachsen.525 3.  Candidissimum, quod quasi glomus et filis argenteis minutissimis constat. Ein wimmer von härichtem silber.526 4.  Argento calamistrato simile, in terra friabili spadicei coloris. Einem kraußgesponnenen silber gleich.527 5. In terra flava lutosa. Häricht silber an einem gelben letten.528 6.  Marienbergium in cadmia metallica subcinerea fluida. In einem grawen flüssigen kobelt.529 7. In silice candidissimo. In einem weissen hornstein. fol. 59v. 8. in fluoribus rubeis quatuor angulorum pellucidis. In rothen viereckichten durchsichtigen flüssen. fol. 59v 9. Mariebergium in lapide cinereo duro fol. 59v 10. Annebergium in massa argenti plumbei coloris fol. 59v 11. Cum argento plumbei coloris in fluoribus candidis fol. 60r 12.  Capillare, cum argento plumbei coloris, Annebergium in marmore candidissimo, & pyrite aurei coloris. Weißhäricht silber / neben einem gedignen glaßertz in einem weissen spadt und gelben kupfferkieß. fol. 60r 13. Repertum in Valle Ioachimica in ligno abiegno. Auff S. Lorenz im Joachimsthal / in Thennen holz gewachsen. fol. 60r 14.  Annebergium candidum capillare, rude, rubrum, pellucidum iter rude plumbei coloris in vno lapide distincter coniunctum. Ein handstein darinn häricht silber / durchsichtig roth gulden ertz / und glaß ertz zu gleych underschiedlich. fol 60r

Mit Blick auf die Handsteine, die nicht nur Silbererzstufen als Ausgangsmaterial nutzen, um darein die Bildwerke zu formen, sondern bei denen die Bergwelten vielfach mit haarförmigem Silber bestanden waren, ist dieses Verzeichnis bemerkenswert. Zeigt es doch die Varianz der Silbervorkommen sowie die breite Kenntnis der Materialien von Kentmann und anderen Mineralogen seiner Zeit. Ein Wissen, über das möglicherweise auch die Betrachter:innen der Handsteine verfügten, so dass sie nicht nur das gediegene Silber erkannten, sondern auch die einzelnen Anwachsungen und Fundzusammenhänge entschlüsseln und wertschätzen konnten. Hier wird sichtbar, dass verschriftliches Wissen in der Form, wie es Kenntmann/Gessner mit dem Mineralienkatalog publizierte, sich mög­ licherweise nicht (allein) an Fachleute richtete, sondern auch ein größeres Publikum adressierte, das aus sehr unterschiedlichen Gründen Interesse an mineralogischen Fragestellungen hatte. Danach beginnt bei Kentmann die dritte Unterklasse des Silbers „in alias formas concretum“.530 Es folgen die Silberunterarten in absteigender Farbe von Weiß über Grau531 bis Kentmann auf fol. 64r zu den weiteren Silbervorkommen seiner Sammlung kommt. Dort werden aufgeführt 21: Geseigert Silber, 22: Gebrannt Silber, 23: Fein silber, 24: Gep-

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regt oder gemüntzt Silber, 25. vergült Silber, 26. Gesponnen silber, 27. geschlagen silber. Diese Stücke am Ende versammeln – vergleichbar der unten zu besprechenden Sammlung von Andreas Ryff – nicht mehr nur den in der Natur vorkommenden Fund, sondern verschiedene Verhüttungsstufen und damit durch menschliches Vermögen überformte natürliche Ressourcen.532 Es folgen die weiterverarbeiteten Objekte, die zeigen, in welche Produkte Silber transformiert werden konnte. Wie stark dabei das Streben nach Naturerkenntnis in einem religiösen Kontext verankert bleibt, bezeugen die Verse von Georg Fabricius (1516–1571), die Kentmann seinem Katalog voranstellte und die die Tätigkeit des Sammlers, das Forschen nach den Geheimnissen der Natur und die damit verbundene Möglichkeit der Erkenntnis Gottes in seiner Schöpfung verbinden: „Was die Erde im Busen und tiefsten Adern verborgen, Schätze der Erde sind’s, die dieses Schränkchen verdeckt. Groß ist der Ruhm, der Natur verschwiegene Kräfte zu finden, Größer der, in dem Geschenk, ihn zu erkennen, den Herrn“.533 Eine Silberart, von der Kentmann Proben besitzt, ist das Hornsilber (auch Hornerz, Silber­hornerz, die moderne Bezeichnung lautet Chlorargyrit, ein Silberchlorid), das von Agricola im Bermannus 1530 als Argentum rude purpureum/jecoris coloris erstmals genannt und von Mathesius 1562 in seiner Sarepta als leberfarb dicht silber ertz und hornfarb silber beschrieben wird.534 Innerhalb seiner Aufzählung von Fundorten von gediegen Silber schreibt Mathesius: Auffm Schneeberg hat ein leberfarb dicht silber ertz [Hornsilber/Chlorargyrit] gebrochen / drauß man bilde geschnitten / wie ich vom himelischen heer ein braun dicht Ertz gesehen / welche nachm schnit ist grün worden. Auffm Marienberg ist hornfarb silber [Hornsilber/Chlorargyrit] ­gebrochen / welches durchsichtig ist / vnnd schmiltzt vber eim liecht. Im fewer aber wirdt einerley weyß silber drauß / on das von einem gang geschmeydiger silber wirdt / denn vom andern.535

Und kommt erneut in seiner sechsten Predigt – über das Silber – auf die Fundorte zu sprechen: In vnsern gengen vnnd fletzen aber / bricht zweyerley silber ertz / Das eine ist gar sichtig / derb / gediegen oder lauter silber. Das ander bricht in allerley Bergkart / Angeschmeicht oder angeflogen glaßertz / oder weyß silber / ist kendtlich / Rotgülden euglein / vnd glasertz knosplen / vnd hericht oder wüschlicht silber ist auch zu kennen. Glaßertz lest sich auffm nagel streichen / oder untern zehnen fletzschen / oder gar hacken / drein schneyden wie inn ein pley. [...] Rotgüldig ertz / je durchsichtiger es ist / je minder gibt es silber / wird es braun dunckel / vnnd glasig / so helt es deste mehr / weiß glasertz / ob es wol springt / dennoch ists auch fromm. Glaßertz aber vnd gediegen weyß silber / vnd das was man newlicher zeyt auff Marienberg gehawen / ist durch sichtig wie ein horn in einer Latern [Hornsilber/Chlorargyrit] / vnd schmiltzt vberm liecht / das gibt was es geben sol.536

Als Fundorte nennt Mathesius also Marienberg und die bei Annaberg liegende Grube Himmlisch Heer; die damit die Orte der ersten wissenschaftlichen Beschreibung des Mine-

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rals (Typlokalität) sind.537 Auch Kentmann kennt das Hornsilber: Innerhalb der Silber flavi coloris nennt er „Cornu pellucido simile, Marienbergium: candelae admotum liquescit. Ein durchsichtig hornfarbs gediegen silber / das am lichte verschmiltzt.“ Die Nähe zur Beschreibung von Mathesius ist offensichtlich und speist sich entweder aus der gleichen Quelle oder dem zeithistorischen Diskurs und zeigt, nach welchen Kategorien damals die Metalle geordnet wurden. In der Meißnische Bergk Chronica beschreibt Petrus Albinus im 16. Kapitel Von den Metallen / so im Lande zu Meysen gefunden werden ebenfalls das Hornsilber: So kan ich doch nicht füglich gantz und gar unterlassen / allhie nur anzuzeigen / das man auff unsern Gebirgen etliche Species (welche zum wenigsten von der Farbe unterschiedlich gemacht werden / weil kein Metall Ertz / so vielfarbig befunden wird / das also die Natur sonderlich an denselben ire Kunst beweisen und ihren Lust haben wollen [...] das gediegen / weislich und gelblichts / oder bleiche Silber / so auffm Marienberg gebrochen / welches ein ansehen eins theils ­gehabt / wie das Horn aus einer Latern und uberm Licht geschmolzen / sonsten aber sehr viel Silber gegeben hat.538 [...] Nach diesem ist noch seltsamer das grüne Silber Ertz / wie es auffm Schneberg und auff S. Annaberg gebrochen. So schreibt auch Matthesius / er habe ein breunlicht Ertz von Himmlischen Heer gesehen / welches nach dem schnit allerst grün worden. Solches grünes Glaß Ertzes / wie es eins theils nennen / so auff S. Georgen auffm Schneberg gebrochen / hab ich auch ein Stufflein in zimlicher gröse eines Thalers breit / in einer grossen Schawstuffen auffm Schneberg gesehen. Wie auch sonsten daselbs ein derb Leberfarb Ertz gebrochen / daraus man Bilde geschnitten.539

Erneut taucht hier  – wie bei Mathesius  – der Hinweis auf, dass besonders aus diesem ­Material große Schaustufen – nicht zu klären ist wie so häufig, ob es sich um natürliche Formen oder die Sonderform der artifiziell überformten Handsteine handelt – gefertigt wurden. Sehr wahrscheinlich aber waren damit figürliche Erzstufen gemeint, so dass diese Quellen erneut bekunden, wie eng verbunden die Kenntnis von Mineralen und die Rezeption von Handsteinen waren. Auch Conrad Gessner kannte vergleichbare Handsteine, wie ein Brief aus dem Jahr 1554 belegt, den er an Georg Fabricius schrieb, der ebenfalls ein Mineraliensammler und Rektor der Meissner Schule sowie Verfasser der Verse vor Kentmanns Katalog war. Gessner berichtete darin, dass Valentin Gravius, zu dessen Historia Animalium er eine Widmung verfasst habe, ihm als Dank einen montem metallicum mit Mineralen und Fossilien übersandt hatte. Die Funde waren zu einem fast einen Fuß hohen Berg zusammengesetzt worden: Ein weiterer Beleg, dass diese artifiziell inszenierten ­Mineralienfunde auch innerhalb der Gelehrtennetzwerke kursierten.540 In der Universitätsbibliothek von Basel befindet sich eine Handschrift mit dem Titel Artlicher Bericht und augenschein: Wie unser Gott und Herr (dem Menschlichenn Geschlecht zu guttem) die grobe Erden, in dem verborgnen so herrlich begaabet, nit allein mit den ihenigen

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29  Bergbau- und Verhüttungsszenen mit Fortuna und dem Wappen von Andreas Ryff, in: Andreas Ryff, Münz- und Mineralienbuch, 1594, Doppelfolio F verso / G recto.

steinen, so wir menschen zur notturfft und der geziert brauchen, sondern auch mit den Erzten allerhandt Mettalen, derenn wir nit gemangeln köndten, durch mich Andream Ryffe zu Gottes Lob unnd Preiß zusammen coligiert worden

Diese Handschrift – auch bekannt als das Münzbüchlein oder Münz- und Mineralienbuch von Andreas Ryff – besteht aus zwei Teilen: einer Sammlungsbeschreibung und einer umfangreichen Einführung auf den fol. A-V, in der der Autor den Grund und Nutzen seiner Schrift ausführt. Im Jahr 1574 habe ihn „der liebe Gott [...] im andrits meines Ehestandes sonderlich zu den Berckwerke berüefft, und mich darinnen auch zeben und brauchen wöllen“.541 Andreas Ryff also verstand die Bergwerksanteile, die er durch Heirat erhalten hatte, als Auftrag Gottes, sich nun mit Mineralen und den Techniken der Verhüttung zu beschäftigen.542 Der Autor ist ein weitgereister Basler Kaufmann, geboren am 13. Februar 1550, der den Tuchhandel seines Vaters weiterführte.543 1574 heiratete er die verwitwete Margrit Brunner und bekam so Anteile an einer Silbergrube von Giromagny in den Vogesen.544 Er hat zudem „gespeürt unnd empfunden [...] das mir der lust und anmüts teglichs gewachsen und zugenomen hat“ – so dass Ryff eine Sammlung von Metallen anlegte und begann, diese Sammlung zu beschreiben.545 Ganz im Sinne seiner Zeit empfand Ryff die Beschäftigung mit den Schätzen der Natur, die durch den Bergbau aufgefunden und weiterverarbeitet werden, als ein Stück Gotteserkenntnis, die Minerale und Erze waren für

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ihn in gewissem Maße auch Offenbarung Gottes.546 Seine sammelnde und beschreibende Arbeit begriff Ryff als Verpflichtung – da Gott ihm „seine Wunderwerck“ zeigte, nahm Ryff sich vor „zum lob und danck seine herrlichen gaaben zu prysen und von der Nutz­ barkeit der Perckwercken zuschreiben.“547 Ryff verortete seine Schrift in einem Netzwerk von Bergbauliteratur und entschied sich dafür, die technisch-praktische Seite des Bergbaus auszusparen, da es viele Werke zur Verhüttungstechnik und zum Probierwesen gäbe und er sich daher ganz auf die ihn interessierenden Aspekte des Bergbaus konzentrieren könne.548 Auch Ryff war mit dem allgemeinen Stand des mineralogischen Wissens vertraut, beispielsweise wenn er als bekannte Metalle Gold, Silber, Kupfer, Zinn, Blei, Stahel, Eisen, Wismut, Galmei und Alaun aufzählt.549 Auffällig ist das Fehlen von Merkur/Quecksilber, aber auch, dass mit Stahl, Wismut, Galmei und Alaun vier Stoffe genannt werden, die für den Bergbau wie auch die wirtschaftliche Verhüttung, den Handel und die weitere Bearbeitung (Alaun beispielsweise für die Tuchherstellung) des 16. Jahrhunderts eine besondere Rolle spielten.550 Was das Entstehen der Metalle angeht, folgt Ryff den schon referierten zeitgenössischen Theorien: Diese Ertz aller sorten, ein jedes geschlecht nach seiner Art, die hatt Gott, der Herr, so wyszlich und fürstichtiglich, durch die gebürg und harten felsen, in ordentlichen klüfften und gängen, in irer Mutter, dem Spooth [Spat], mit vylerlei schönen lasuren und farben umgeben, ganz ordentlichn nach abtheil der stunden geordnet, erschaffen und gebouwenn.551

Ryff operiert also mit einem geschlechtlichen Dualismus, demzufolge Gott als formgebender Vater die Erze innerhalb einer aufnehmenden Matrix/Mutter geschaffen habe. Und auch Ryff empfindet die erschaffenen verschiedenen Farben und Oberflächen der Minerale als so schön, dass sie von einem Maler nicht nachgeahmt werden können: „Also, das einem Mahler unmüglich wehre, dasselbig flysziger, oder zierlicher uffzuryszen, zu verzeichnen, oder zu illuminiren.“552 Ryff gab seinem Text drei Abbildungen bei: Das Titelblatt Ar zeigt einen Blick in eine Bergbau-Landschaft mit acht Bergleuten in unterschiedlichen Arbeitsgängen beim Abbau.553 Durch die Beischrift von Ryff, der betont, dass er die Illustrationen zur Verdeut­ lichung und auch Erklärung seiner Ausführungen anfertigen ließ, wird der pädagogische Charakter dieser Bilder unterstrichen. Der Doppelfolio Fv/Gr öffnet auf der linken Seite erneut den Blick in eine weite Berglandschaft mit Bergknappen, rechts hingegen findet sich die detaillierte Schilderung der weiteren Verhüttungsprozesse mit Stampfwerk und einem Saigerofen (Abb. 29). Darüber schwebt die auf einer fliegenden Kugel stehende nackte Fortuna, die auf ihrem windgeblähten Segel die Aufschrift „Andreas Ryff Anno 1594“ neben dem Wappen von Ryff hält.554 Auf fol. Lv folgt erneut eine Darstellung des Hüttenwesens mit einem Probierer samt Pferdewagen, der die in den Bergen gewonnenen und weiterverarbeiteten Schätze in die in weiter Ferne erkennbare Stadt abtransportiert.

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Ryff beschreibt von fol. Mv an – und hier wird sein genuines Interesse als kaufmännisch Denkender besonders deutlich – die Berufe, die vom Bergwerk leben. Er beginnt mit den Goldschmieden und kommt dann unter anderem zu den Buchstabengießern (fol. Nr)555 und den Instrumentenherstellern (fol. Ov). Im Anschluss an diese Liste wird der enzyklopädische Anspruch der Ryffschen Sammlungstätigkeit sichtbar, führt er doch aus, dass er gerne von jedem der genannten Handwerke ein Beispiel hätte – das dies aber leider den Umfang seines „Kästchens“ sprengen würde. Er muss sich somit – wie er selbst auf fol. Pr ausführt – auf zwei Beispiele beschränken: auf das Goldschmiedehandwerk 556 als das eine, auf die Münzen als das zweite Sammlungsfeld. Aus diesem Anspruch geht hervor, dass Ryff keineswegs wie Kentmann antrat, die Rohformen der Minerale zusammenzutragen und auch nicht an einer metallurgisch-wissenschaftlichen Kategorisierung der natürlichen Materialien interessiert war, sondern auf die Produkte des menschlichen Zugriffs auf die Ressourcen fokussierte.557 Bei der erhaltenen Beschreibung handelt es sich um kein Arbeitsinventar, das der Sammler für den eigenen Gebrauch anlegte, um über seine Sammlung einen Überblick zu erhalten. Die Ausführung durch einen geübten Schreiber, der Goldschnitt sowie die bildliche Ausstattung zeigen einen hohen Ausstattungsanspruch, so dass die Vermutung nahe liegt, dieses Werk sei als Repräsentationsobjekt und zur Veröffentlichung geschaffen worden. Und auch, um die Sammlung zu beschreiben, auf die Ryff auf fol. Ir zu sprechen kommt: Da sich niemand dem Müßiggang ergeben soll, sei er angetreten Ein Kabinet oder Kästlin zumachen, darinen ich von allerhanddt sorten Erz als Golderz, Silber, Kupffer, Zinn, Bley, Stahel, Isen, Quecksilber, und in Summa llerhandt gattungen natürliche Erz, wie sie Gott erschaffen und in den gängen gesauet werden (soviel das Spatium erlauben mag) für augen zustellen, wie auff der Taffeln mit A signiert zuersehen ist. Volgendts sieht mannsauch uff der Tafel mit B signiert, den Spoots in welchem die Erz wachsen und ein Mutter der Erzen seindt, sampt allerley Kis und anders. Uff der Taflen No. C. sieht man alles Metall, wie sie uffeianander nach der Ordnung in ihrer halben und ganzen Substanz durch das feuwer getribenn biß sie volkommen und ganz werden nacheinander. Hierauf kann der Löser zimlichen bericht unnd verstandt fassen, was Pergwercks geschefft sey und uff im trage.

An diesen ersten Teil, der auf fol Vv endet, schließt sich auf fol. 1r das Inventar seiner Sammlung an (Nun folgt in dem Namen Gottes das Inventarium meines Kastens).558 Im Historischen Museum Basel wird noch der – möglicherweise von Israel Neubeck 1592 – gefertigte Sammlungsschrank aufbewahrt.559 In diesem Schrank mit 84 Schubladen (von Ryff als „Tafeln“ bezeichnet) werden drei im Inventar besonders hervorgehoben, da sie mit den Buchstaben A, B und C bezeichnet sind – in den restlichen 81 Schubladen befand sich die Münzsammlung Ryffs.560 Die drei besonderen Schubladen enthielten jene Erze, die mit der Metallgewinnung verbunden sind, sowie Proben aus den unterschiedlichen Stufen der Schmelz- und Verhüttungsvorgänge.561 So findet sich der Inhalt des „Lädlin im Helm mit No A signiert“ auf den foll. 1r bis 2v aufgelistet und enthält insgesamt 30 Positionen:

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Das sind nathürliche Ertz, wie dieselbigen onno Einnichen Zuosatz, Auß den kliften und gengen der gebirger herauß gehauwren und an Tag gebracht werdent: 1. Ist ein Isen Bone Ertz562 daß grabt man uf den Ackeren gibt geschlacht zäck und schweissig Ertzen. 2. Ist ein Isen Stuoff Ertz, daß hauwet man auß dem gebirg wie andere Ertz in gegen. ist hart sprissig isen. 3. Ist ein Bleiw Reich BleyErtz, wirt also aus gehauwen. 4. Ist Ein ander BleyErtz zimlich reich, daß wirt also in Kräcken der Gengen gefunden. 5. Ist auch Ein bleiw Ertz, etwas Erinnert ahn bley der No. 3; wirt also ausgehauwen. 6. Ist ein grien Blaiw Ertz, eines zimlichen gehaltß, ligt also kropf wyse in denn Kräcken der gengen dem gestein angewachsen. 7. Ist ein griene lasour mit angeflognem gedignem Silber, bricht auff Einem geschneittigen ­reichen Glasgang. 8. Ist Ein silber reich glaß Ertz, hgalt der zentnr uff 1 lott Silber, und etlich Kupffer. 9. Sind 2 Stachel Ertz563, daß ein auß Kernten, daß Ander auß Sarganser Land.564 [....]

In der Beschreibung von Tafel C folgen dann die Verhüttungsprodukte, so dass hier die materiellen Transformationen von der Ressource bis zum fertigen Produkt erfahrbar werden.565 Dieser Aspekt der Materialwahrnehmung ist nicht allein bei Ryff, sondern auch bei Quiccheberg und Kentmann erkennbar: In einem fertigen Produkt aus Metall wird in allen diesen Quellen zugleich der Rohstoff sowie dessen Abbau und Verhüttung mitgedacht – ein Befund, der für die Wahrnehmung von Goldschmiedewerken des 16. Jahrhunderts von großer Bedeutung ist, zeigt er doch an, dass die Betrachter:innen wussten, woher die Werkstoffe stammten und auch die logistischen und technologischen Voraussetzungen der Materialbeschaffung mitbedachten.566 Die Kunstsammlungen der sächsischen Kurfürsten in Dresden verweisen über vielfache Objekte auf den Rohstoffreichtum des Landes, beispielsweise, wenn bei der Aufzählung der erhaltenen Erzstufen explizit auf die heimische Herkunft verwiesen wurde: Weiter werden in einem Aufziehe-Schrancke und in einem andern Repositorio hochschätzbare Metalla gesehen / als pur gewachsen Silber aus hiesigen Land-Bergwercken / Gold / Zien und anders / wie ingleichen mitten in dieser Kammer vier grosse hohe Stuffen / so aus hiesigen Land-Ertz zusammen gesetzt.567

In diesem kurzen Auszug wird sowohl auf die „hiesigen Land-Bergwerke“ als auch auf das „hiesigen Land-Ertz“ verwiesen, also sowohl auf die Abbauorte als auch auf die ­Ressourcen. Zudem wird erneut das „pur gewachsene Silber“ genannt, das als Besonderheit des Erzgebirges immer wieder große Beachtung fand. Ein wichtiger Protagonist

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der Erschließung der Bodenschätze, der aufgrund seiner Stellung für den Hof eine Material­sammlung anlegte, war der italienische Bildhauer und Architekt Giovanni Maria ­Nosseni.568 Seit 1575 stand er im Dienst des sächsischen Kurfürstenhauses mit der Aufgabe, die im Kurfürstentum Sachsen vorhandenen edlen Steine zu erschließen.569 Am 26. April 1575 wurde ihm ein Privileg erteilt, das ihm erlaubte, nach Marmor im sächsischen Territorium zu suchen.570 Aus seiner Bestallurkunde vom 10. Juli 1575 geht hervor, dass er – neben seinen Aufgaben als Hofbildhauer und Hofmaler  – auch aus den neuentdeckten Vor­ kommen von Alabaster künstlerische Objekte fertigen sollte.571 Das Inventar der Kunstkammer von 1587 listet „in dem Gemach an der Bibliothek“ eine Zusammenstellung der Gesteinsstufen, die aus dem sächsischen Territorium stammen und von Giovanni Maria Nosseni gesammelt und untersucht worden sind, wie die rubrizierte Überschrift auf fol. 263r besagt: Ahn marmel, serpentin, jaspsis und amatisten stufen, welche in seiner churfürstlichen gnaden landen mehrenteils zubefinden und durch Johann Mariam Nossenum probirt und ubergeben ­worden.572

Der erschließende und die Ressourcen des Territoriums erprobende Charakter dieser Sammlung wird durch die im Inventar gegebenen Notate offenbar. Auch wenn Klaus Thalheim schreibt, dass heute nicht mehr zu rekonstruieren sei, ob den Proben – die wohl erst kurz nach 1732 in das Mineralienkabinett im Zwinger überführt worden waren und sich bis dahin in der Kunstkammer, ab 1640 im sogenannten Berggemach befanden – Sammlungszettel beigegeben worden waren, ist dies doch sehr wahrscheinlich.573 Denn die Texte aus dem Inventar wirken so, als würden sie – wenn nicht ganz, so doch in Teilen – Beischriften von Nosseni oder seinen Mitarbeitern überliefern. So beispielsweise, wenn dort als Position Nr. 21 aufgeführt wird: I Stufe stein, ligt viel wackenweise umb Schwarzenburgk, ist ein stucke ungefehr 2 ½ eln langk, I ½ eln breit gefunden worden. Zuvorhoffen, do er bereumet, das alda ein marmelbruch zu finden. No. 21.574

Wenngleich der erste Teil der Beschreibung den visuellen Befund betrifft und daher auch allein vom Verfasser des Inventars geschrieben worden sein könnte, liefert der zweite Teil des Eintrags doch zusätzliche Informationen, die es wahrscheinlich machen, dass hier eine Beischrift kopiert wurde, die auf zukünftig zu erwartende Funde von Marmorvorkommen hinweist. Mehrere vergleichbare Hinweise finden sich, die jeweils mit den aus dem Territorium entnommenen Proben die Hoffnung auf weitere Funde verbinden. Hier scheint die oben schon genannte Praxis auf, bei der Prospektion Proben (in Form von Handsteinen) zu entnehmen und diese zur weiteren Prüfung mitzunehmen. Die so gesammelten Proben scheinen den Grundstock der Sammlung in Dresden zu bilden:

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I Stufe stein, auch bei Zöblitz gebrochen, ist zu hoffen, do er bereumet, mit andern schönern ­farben zu bekhommen. No. 5 I Stufe roter marmerl mit weißen adern, bricht zu Willenfels, ist zu hoffen, do er bereumet, das große stucke zu bekhommen. No. 10 I Stufe gruner stein mit braunen tippichen, bricht bei Willenfels, ist zu hoffen, do er bereumet, das große zimbliche stucke zu bekommen. No. 15. I Stufe schwarzter marmel, bricht bey Waltheim, ist zu hoffen, weil ein ganzer bergk, das große stucke zu bekhommen. No. 16. I Stufe roter stein, bricht zu Salhausen umb Dreßden, ist im anbruch nicht groß. Weil aber der ganze bergk sich dieses steins erweiset, ist zu hoffen, do er bereumet wurde, das feine artige steine zu bekhommen. No. 27.575

Mit dem wiederkehrenden „ist zu hoffen“ ist zudem eine zukünftige Erwartung formuliert, die in dieser Form für den inventarisierenden Kunstkämmerer David Uslaub ungewöhnlich, aber sehr gut mit der Arbeit von Giovanni Maria Nosseni zu verbinden ist, der das Gebiet von Sachsen auf der Suche nach zukünftig verwertbaren Steinen durchmaß.576 Zudem findet sich in dem Inventar der Hinweis auf die Mengen, es wird von „großen Stücken“ geschrieben, deren Ausbeute zu hoffen sei, und davon, dass der ganze Berg aus dem Stein sein könnte. Auch diese Informationen weisen auf Nosseni hin, der für den Markt und mit dem Blick auf die Verwertbarkeit das Land und seine Bodenschätze erschließen sollte. Vergleichbare Hinweise finden sich in weiteren Notaten, in denen – offenbar erneut auf Grundlage der beiliegenden Beschreibungen von Nosseni, der laut Überschrift die Steine nicht nur gesammelt und der Kunstkammer übergeben, sondern sie auch „probiert“ hatte – die Bearbeitbarkeit des gefundenen Minerals beschrieben wird: I Stufe leibfarbener stein, bricht zu Plausnitz, ist sehr hart und nicht mit eisen zu arbeiten, aber mit schleifen wol zu zwingen. No. 6 I Stufe stein, bricht zu Ebersdorft bey Kemnitz schichtweise, zimblich große tafeln, leichtlich zu gewinnen, nicht sehr hart, doch zähe zuvorarbeiten. No. 17577

Nosseni reiste durch das Land, erschloss die Serpentinbestände und fand ebenso Alabaster­ vorkommen, die er in seiner Torgauer Werkstatt verarbeitete, 1596/97 richtete er in ­Dresden ein Polier- und Schleifwerk für kostbare Steine ein.578 Dabei griff er viele Male auf schon vorhandenes Wissen zurück, so dass er keine gänzlich neuen Abbaugebiete ­erschloss. Beispielsweise befindet sich unter den von Nosseni gefundenen edlen Steinen ein Amethyst, zu dem im Inventar von 1587 – sicherlich auf Grundlage der Fundbeschreibung von Nosseni – berichtet wird:

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30  Urban Schneeweiss, Drei Deckelgefäße aus Zöblitzer Granatserpentin, vor 1585. Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. V 386, V 397 und V 399.

I Stufen amatist, bricht bey den annebergischen warmen bade, ligt auch ahn bereumen, mochte etwas grosser brechen. No. 24579

Die Amethyst-Vorkommen in diesem Gebiet waren bekannt, schon Georgius Agricola berichtete 1546 von dem Stein, der „auch im Meißner Lande in Wolkenstein in einer Grube gegraben [wird], die vom Amethyst den Namen bekommen hat. Große Klumpen werden ausgegraben, deren Basen sechseckig und den Spitzen des Kristalls ähnlich sind.“580 Wolf Richter teilte dem sächsischen Kurfürsten Moritz davon mit („uff etlichen gengen vmb Wolkenstein schöne braune Fleße, daraus man Amethysten zu schneiden pflegt“) und bekam 1551 die Erlaubnis, diese abbauen zu dürfen.581 Nosseni systematisierte die Suche nach den Bodenschätzen und handelte im Auftrag bzw. mit Privileg des Landesherren. Seine Auffindungen und Erschließungen gaben zugleich Impulse für Innovationen auf dem Gebiet der künstlerischen Techniken, wie die im Zuge der Steinfunde von Nosseni erfolgten Gründungen von Werkstätten ebenso bezeugen, wie die noch heute im Grünen Gewölbe in Dresden verwahrten Artefakte. Zu ihnen zählen u. a. sechs Gefäße aus ­Granatserpentin, die vor 1585 in der Serpentindrechselei in Zöblitz geschaffen wurden (Abb. 30).582 Sie sind als Zusammenarbeit von Giovanni Nosseni mit dem Goldschmied Urban Schneeweiß (1536–1600) entstanden und befanden sich – wie auch die Handsteine – in der Schatzkammer und nicht der Kunstkammer des Dresdner Schlosses.583 Die bekann-

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ten Zöblitzer Serpentinvorkommen wurden gleich nach Amtsantritt 1575 von Nosseni aufgesucht und wiederbelebt.584 Schon 1577 wurde ein 30 Zentner Block gewonnen und 1578 ließ Nosseni zwei Fuder Serpentinstein aus Zöblitz in seine Torgauer Werkstatt überführen.585 Der Fund des Steins, sein Abbau, die Translozierung und die Überarbeitung also fallen in der Arbeit von Nosseni zusammen, auch wenn er wahrscheinlich nicht über die nötigen Kenntnisse verfügte, das harte Material selbst zu bearbeiten, sondern auf Fachleute aus Zöblitz zurückgreifen musste.586 Im Jahr 1619 bot Nosseni Kurfürst Johann ­Georg I. (1585–1656) seine Steinschneide- und Marmorschleifmühle zum Kauf an, die im Westen von Dresden vor dem Wilsdruffer Tor gelegen war. Ebenso wollte er zwei seiner Kunstwerke verkaufen, die thematisch eng mit dem Bergbau und den Ressourcen in Sachsen verbunden waren. Als erstes bot er eine Stufe an, die aus verschiedenen Erzsorten zusammengesetzt war, wahrscheinlich muss man sie sich als eine Art von Handstein vorstellen. An ihm wurden, laut Aussage von Nosseni, die astrologisch-kosmologischen Ursprünge der Metalle demonstriert. Was das bedeutet, ist schwer zu entscheiden, aber mit Blick auf das im Dresdner Inventar von 1595 genannte Artefakt auf fol. 302r (602), das die vier Elemente so wie die sieben Planeten darstellte, ist an eine vergleichbare Lösung zu denken.587 Als zweites Kunstwerk aus seiner Werkstatt nennt Nosseni eine von ihm gefertigte Statue aus dem Traum des Nebukadnezar. Laut Bericht des Propheten Daniel hatte die Statue einen goldenen Kopf, der Oberkörper und die Arme waren aus Silber, der ­Unterkörper aus Bronze gefertigt, die Beine bestanden aus Eisen. Ein herabfallender Stein zerschlug die Füße, die aus Eisen und aus Ton gefertigt waren. Der Prophet Daniel deutete die Statue aus den vier Metallen bekanntlich, basierend auf antiken Vorstellungen von den vier Weltzeiten als Metallzeiten, christianisiert als Sinnbild der vier Weltreiche (Daniel, 2, 31–44). Aufgrund dieser, auf einer weitverbreiteten Materialhierarchie basierenden Deutung galt Daniel als Metallkundiger und avancierte so zum Schutzpatron der Bergleute sowohl in Tirol als auch dem Erzgebirge.588 Aus Nossenis Bericht geht hervor, dass seine Daniel-Statue aus Holz geschnitzt und in den Farben Gold, Silber, Bronze und Eisen bemalt gewesen war; ihre Höhe wird mit sechs sächsischen Ellen (ca. 340 cm) angegeben. Nosseni vollendete dieses Werk im Jahr 1601, als Christian II. von Sachsen (1583–1611) die Regierungsverantwortung übernahm. Im Jahr 1602 widmete er seine gedruckte Erläuterung der Statue (ebenso wie den dazu erscheinenden, auch als Einzelblatt kursierenden Kupferstich) dem jungen Kurfürsten, in der er seine Verdienste um den Bergbau in Sachsen betonte.589 Diese Verdienste spiegeln sich in der Sammlung von Nosseni, die als eine der ersten systematischen Erschließungen von Lagerstätten innerhalb eines Herrschaftsgebiets gelten kann, die ein Künstler und Mineralienkundler im Auftrag des sein Land vermessenden und erschließenden Kurfürsten schuf.590 Hier schließt sich der letzte der Kreise, den dieser erste Teil um den Handstein gezogen hat – Teil 2 zur Turbanschneckenkanne und Teil 3 zum Globuspokal werden ebenfalls dem methodischen Weg der Umkreisung und damit einigen der diskursiven Bahnen folgen, die

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die ­Artefakte umgeben. Dabei wurden und werden sehr unterschiedliche Felder thematisiert, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben – die aber durch ihren ­Bezug zum Kunst-Werk untereinander verbunden sind. So skizzierte der das HandsteinKapitel abschließende Blick auf die Mineraliensammlungen (erneut) den gemeinsamen Vorstellungshorizont, den sehr unterschiedliche Akteur:innen der Frühen Neuzeit teilen. In den gewählten Sammlungsbereichen, den genutzten Ordnungssystemen sowie den Impulsen zur Anlage der Sammlungen wurde eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten sichtbar – die als weitere Facetten eines Materialien und Techniken verbindenden kulturellen Erfassens charakterisiert werden können. Dieses kulturelle Erfassen ist nicht allein auf einen Aspekt beschränkt, sondern beschreibt ein undefiniertes, zerstreutes, ausgedehntes Wissen über die Wertigkeit von Materialien, die verbindenden Vorstellungen über die Herkunft der Ressourcen, ein geteiltes Interesse am prozessualen Handeln mit Werkstoffen und deren Einbettung in übergreifende kulturelle Normen und Ordnungssysteme. Es geht dabei weit über den Begriff einer wenig spezifischen Materialsemantik hinaus, über ­Bedeutungen und Wertigkeiten, die ein Material innerhalb einer bestimmten kulturellen Gruppe und Zeit zugewiesen bekommt, da es – beispielsweise mit Blick auf Minerale – auch das Territorium als Lagerstätte, die Geschichtlichkeit kunsttechnischer Verfahren oder religiös normierende Erzählungen umfasst. Um dieses enge Ineinandergreifen zu verdeutlichen, wurde hier bewusst eine Quelle diskutiert, die in einen heute als christlich eingeschränkten Kontext verortet werden kann: Mathesius‘ Predigten zeigen programmatisch, wie eng verbunden religiöse und naturphilosophische Weltdeutungen in der Frühen Neuzeit waren und nicht allein über die Metapher eine gemeinsame Sprache entwickeln konnten. Kulturelles Erfassen offenbart sich somit als eine kollaborative Form, die wissenschaftliche, ästhetische, soziale, politische, kunsttechnische, ökonomische, technologische und theologische Bereiche vereint und als verbindende Basis zwischen ihnen Austausch und Verständigung ermöglicht. Wenngleich am Ende die Frage unbeantwortet bleibt, ob alle hier angesprochenen Aspekte explizit gelesen werden konnten, schufen doch die ­Belege aus sehr unterschiedlichen Bereichen ausreichende Sicherheit, dass es sich hier nicht um entlegene Spekulationen handelt, sondern um das, was man als den der Zeit gemäßen Diskursrahmen bezeichnen muss. Die Methode des Umkreisens wird auch in den beiden folgenden Teilen angewandt – um herauszuarbeiten, warum und welcher Art eine kunstwissenschaftliche Forschung, die sich mit Materialität, mit kunsttechnologischen Verfahren und ihrer Deutung sowie den zeitgenössischen Wissensdiskursen beschäftigt, die Artefakte in den Mittelpunkt stellen muss. Sie sind das Zentrum, das von vielgestaltigen Motiven aus sehr divergenten Bereichen umgeben ist – die sich in Teilen kreuzen, die in Teilen parallel nebeneinander laufen, die aber auch in Teilen allein über ihren Bezug zum Artefakt miteinander verbunden sind. Bis heute haben weder der Handstein, noch die Turbanschneckenkanne oder der Globuspokal eine hohe Sichtbarkeit in der kunstwissenschaftlichen Forschung. Dies entspricht

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ihrem Status im Wertigkeitssystem der Kunst, der trotz material turns und Hinwendung zu den Dingen immer noch gering ist. Weiterhin behindern Kategorien des 19. Jahrhunderts den Blick auf diese Werke, wurde ihnen doch im europäischen Kunstdiskurs ein (unangemessener) Platz zugewiesen, der ihre alten Bezugssysteme überschrieb und sie abwertete. Als Teil der decorative arts wurden und werden sie in den Bereich des Schmückenden, vermeintlich Oberflächlichen, Ornamentalen verwiesen – und auch wenn dem Ornament ebenso wie dem kunstvoll Gemachten in der Frühen Neuzeit eine nicht geringe Wertschätzung entgegen gebracht wurde, bleibt es als inhaltsleer, randständig und unwesentlich abgewertet. Als Produkte der arti minori gehören die drei Objekte zwar in den Bereich der Künste, werden aber auf eine Stufe unterhalb der kunsttheoretisch behaupteten ­hohen Trias von Malerei, Skulptur und Architektur gestellt. Der Begriff des Kunstgewerbes, der arts industriel verweist deutlich auf Arbeit und Gewerbliches, impliziert eine Ausrichtung auf einen Markt und Vermarktbarkeit, die Gestaltung von nutzbaren Gegenständen und transportiert damit innerhalb des Wertesystems einen dreifach negativ konnotierten Beiklang: Verkauf, Fleiß und die Gebundenheit an ein Gebrauchsobjekt. Die arti applicati / angewandte Kunst legt den Fokus auf die Tätigkeit, die künstlerische, kunsttechnische Handlung, wertet diese aber als dienende, an einen Zweck gebundene mindere Form einer zwingend als frei und rein imaginierten „wahren“ Kunst ab. Immer also sind die Artefakte von dem Verdacht umgeben, nur Ausdruck einer Kunst zweiten Ranges zu sein: Eine Zuschreibung – wie schon in der Einleitung angesprochen – die auf die Aufmerksamkeit zurückwirkt, die ihnen von Seiten der kunstwissenschaftlichen Forschung zugestanden wurde und wird. Dies spiegelt sich in den wissenschaftlichen Publikationen ebenso wider, wie in ihren musealen Präsentationen, wo sie selten singulär, traditionell zu Reihen verbunden, stehen: In aus dem 19. Jahrhundert stammenden Vorbild-Sammlungen zur Hebung des Gewerbefleißes, historisierend als Teil von rekonstruierten Kunstkammersammlungen, als schmückendes Beiwerk in period rooms – oder rezenter als beliebiges Versatzstück, das durch den Dialog mit zeitgenössischen Künstler:innen aufgewertet werden soll, dabei aber weiterhin entkontextualisiert und auf reine Äußerlichkeiten reduziert aufgegriffen und angeeignet wird. Diese Arbeit tritt nicht an, den Ruf des Kunstgewerbes zu revidieren – oder darauf zu verweisen, dass die drei Objekte „an sich“ ja gar keine angewandte Kunst seien, da die Handsteine als kleine Skulpturen, die Globuspokale als wissenschaftliche Instrumente zu klassifizieren seien und die Turbanschneckenkanne möglicherweise gar nicht „gebraucht“ wurde, sondern nur das Aussehen einer Kanne evoziere. Vielmehr betont sie das arte ­factum – das Gemachtsein der Kunstwerke – als Schnittstelle zwischen theoretischen und praktischen Feldern: Um exemplarisch neue Wege aufzuzeigen, wie die kunstwissenschaftliche Forschung zukünftig mit diesen Objekten arbeiten kann, sie an rezente wissenschaftliche Diskurse anzuschließen und ihren hohen Status innerhalb der frühneuzeitlichen Kunst- und Wissenssysteme (wieder) nachvollziehbar zu machen. Im Umkreisen, auf der Suche nach den sehr heterogenen Aspekten, die ihr kulturelles Erfassen ausmacht,

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wird zudem konkret, warum die Unterscheidung zwischen praktischen oder theoretischen Verfahren und damit zwischen manipulativen oder kontemplativen Zugängen zur Welt, die Aufteilung in zwei Formen des Wissens von know how und know why die Analyse dieser Artefakte erschwert. Die vermeintlich klaren Kategorien verunklären in ihrer ­Gegenüberstellung, wie abhängig beide Bereiche in der Frühen Neuzeit voneinander sind. Und wie fruchtbar es ist, ausgehend von expliziten Beispielen über Orte, an denen gemeinsam gehandelt und Felder, in denen gemeinsam gewusst wird, nachzudenken. Dabei offenbart sich eine artisanal epistemology als integraler Teil der frühneuzeitlichen Wissens­kulturen, nicht als Gegenentwurf zum theoretischen Wissen – wie auch die beiden folgenden beiden Diskussionen der Turbanschneckenkanne und des Globuspokals zeigen können. Alle drei Teile dieser Arbeit betonen zudem, wie explizit sich die ausführenden ­Künstler über ihre Werke an zeitgenössischen naturphilosophischen Diskursen beteiligten – und dass dabei teils das Transformieren von Werkstoffen, teils die Ableitung oder der Entwurf von (geometrischen) Formen, teils Fragen der Nachahmung und Naturnähe stärker in den Vordergrund treten. Auch hier erweist sich der Artefakt-Begriff als funktional, hebt er doch hervor, wie eng eine Theoriebildung mit dem Können und Machen, also mit dem künstlerischen Handeln und dem Formgebungsprozess verbunden ist. Dennoch bleibt fraglich, ob dem bildhaften – und wie die hier verhandelten Werke zeigen damit auch prächtigen, ästhetischen – Argument zukünftig eine höhere Glaubwürdigkeit zugestanden wird. Weiterhin wird dem Text, als Sonderform der Veröffentlichung, eine größere Evidenz zugesprochen – nicht, weil die Artefakte bedeutungslos, sondern weil heutige Betrachter:innen es kaum noch gewöhnt sind, einem objektbasierten Wissensdiskurs zu vertrauen und Wirksamkeit zuzusprechen. Somit möchte diese Arbeit auch dazu beitragen, den Dialog zwischen der Kunstwissenschaft und der Wissenschaftsgeschichte um die Artefakte zu ergänzen – auch wenn diese schön sind. Sie bilden die Verbindung zwischen Natur und Kunst, zwischen Ressource und Aneignung, Vermögen und Beherrschung, sie vergegenwärtigen die mit ihnen verbundenen Handlungen und stellen aus, dass sie Teil eines frühneuzeitlichen weltdeutenden religiösen Diskurses sind. Der hier gewählte interdisziplinäre Ansatz, der auf den Ergebnissen sehr unterschiedlicher Forschungsbereiche aufbaut, ist deshalb als anachronistisch zu bezeichnen, da für das Verständnis der Werke heute getrennte Themen wieder zu ihrer frühneuzeitlichen Analogie zurückfinden: In diesem Sinne stehen die (alten) Artefakte verbindend zwischen den (modernen) Disziplinen und zeigen ihre ehemalige Verbundenheit an.

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Anmerkungen   1 Mathesius (1562), fol. 41v sowie fol. 39r: „Ein stuff oder handstein / der schön ist doch one ertz / heisset ir Bergleut eygentlich ein berg oder metallische art / gold / silber / kupfer /eysen / zehn / bley / wißmat / quecksilber und spießglaß / pfleget ir metall zunennen.“  2 Zu den Handsteinen Distel (1882); von Schlosser (1908), S. 50–53 zu den Beständen der Ambraser Sammlung; Kris (1926), S. 167–173; Katz (1932), S. 11; Schiedlausky (1951); Schiedlausky (1952); Quellmalz (1969); Huber (1981); Meisterwerke (1990), S. 562–588; Storczer (1992); Huber (1994); Huber (1995); Huber (1997); Schein (1997), S. 122–135; Huber (2006); Hylla (2016), S. 40–58 und Hylla (2018).  3 von Philippovich (1966), S. 213: „Handsteine sind schöne Proben von Erzen, meist von Silberglanzerz, die, bearbeitet oder in künstlerischer From angeordnet, als Geschenke dienten. Sie sind in des Wortes wahrster Bedeutung reine Schaustücke.“  4 Distelberger (1985), S. 27; Huber (1995), S. 59 unterscheidet als vierte Gruppe (D) die „sogenannten Zylinderhandsteine“ mit Holzkern; Huber (1997), S. 100.   5 Rauch (2006), S. 157/158 und Rauch (2007), S. 26 betont (neben der Schönheit der Objekte und ihrem Wert) ihre wissenschaftliche Relevanz. Braungart (1989), S. 132; Kellenbenz (1991b), S. 48– 52 zu Innovationen im Bergbau (Wasserkünste, Erztransport, Aufbereitung, Verhüttung, Hammerarbeit); Suhling (2001) zum Fortschrittsbegriff bei Mathesius, S. 273; Leng (2002) fokussiert auf das Kriegswesen als zweiten wichtigen Innovationsbereich der Frühen Neuzeit, S. 85–92; Long (2011), S. 109.  6 Slotta (2008), Sp. 727/728.  7 Horchler (2005), S. 7 fordert die Unterscheidung von praktischer, theoretischer, mystischer, naturphilosophischer, medizinischer, synkretistischer usw. Alchemie; Newman (2004), S. XIII/XIV und S. 118 zur “alchemy as a body of technical processes“. Meller/Reichenberger/Wunderlich (2016), S. 7 betonen, dass das Bild des Alchemisten als Schwarzmagier, Goldmacher und Scharlatan im Wesentlichen im 18. und 19. Jahrhundert geschaffen wurde.  8 Holländer (2015), S. 54 betont den Verweischarakter eines Handsteins oder Schiffsmodells innerhalb der frühneuzeitlichen Sammlungen auf die Elemente Erde und Wasser, auf Meer und Land sowie auf die wirtschaftlich bedeutenden Bereiche Seefahrt und Bergbau, die mit technischen Entwicklungen und Erfindungen verbunden sind. Dormer (1994), S. 12/13 bezieht craft knowledge auf den Begriff local und betont die Wichtigkeit der Anwesenheit von Fachleuten („skilllike knowledge travels best (or only) through accomplished practitioners“).  9 Agricola (1530), Bermannus, S. 10; zur bildschaffenden Kraft der Natur in Steinen Baltrusaitis (1984), Kapitel: Bilder in Stein, S. 55–88. 10 Im Kontext von transformierten Materialien spricht Smith (2016b), S. 31 von einem material complex, in dem sich Materialien, Verfahren/Techniken und Ideen/Vorstellungen amalgamieren. 11 So wählte Edmund de Waal die Handsteine (zusammen mit weiteren Objekten) für seine Reflexion During the Night (Oktober 2016 bis Januar 2017) aus, die ausgehend von Dürers SintflutVision (Traumgesicht, im Kunstbuch, 1525) die Gefühle von Angst und Unruhe thematisierte. 12 Wien, KHM, Inv. Nr. KK_4157. Höhe des Handsteins 19,4 cm; Gesamthöhe 29,9 cm; bei Storczer (1992), S. 118–120. Abbildung bei Huber (1995), S. 60. Mit Bergknappen werden die im Bergbau unter Tage tätigen Arbeiter bezeichnet, das Ständebuch definiert, Ständebuch (1975): „Ich treib alles Ertz Knappenwerck / Im Thal vnd auff Sanct Annen Berg / Mit den Steigern / Knappen vnd Bubn In Stollen / Schacht vnd den Ertzgrubn / Wir graben / zimmern / böltzn vnd bauwn / Mit eynfahren / brechen vnd hauwn / Wird ich fündig vnd Silber bring / So ist der Bergherr guter ding.“ Die Nennung von „Thal“ und „Sanct Annen Berg“ verweist auf den erzgebirgischen Berg-

Anmerkungen I 155

bau: Sankt Joachimsthal (heute Jáchymov in Tschechien) im südlichen Teil und Annaberg im nördlichen, heute zu Sachsen gehörenden Teil. 13 Huber (2006), S. 26. 14 Dazu auch Hermann (2012), S. 12–47: Grubenbaue im Erzgebirge, Erzbergbau, Grubenausbau, Fördertechnik usw. 15 Strauss (1967), S. 205: In der Korrespondenz zwischen Herzog Ernst und dem Fronschmelzer von Ramingstein Maximilian Huber (zwischen 1542 und 1553) findet sich viermal der Begriff Handsteine als Bezeichnung von Erzfunden, die an den Herzog als Proben gesandt wurden und Schaustücke dazu dienten, den Metallgehalt einer Grube zu demonstrieren. 16 Kaiser (2014), S. 152–158. 17 Anders als bei den „miniaturisierte[n] Industrielandschaft[en]“ der Handstein-Bergwerke, die in der Mitte des 18. Jahrhunderts u. a. durch den Goldscheider Matthias Scarwuth (1722–1802) und Goldschmied Franz Xaver Glantz (gest. 1772/1774) geschaffen wurden. Das in Wien (KHM) erhaltene Exemplar (KK_4146) wurde als Geschenk der Stadt Kremnitz (Kremnica) an Joseph II. im Kontext seiner Reise zur niederungarischen (heute slowakischen) Bergregion 1764 überreicht. Dieser Handstein zeigt eine Vielzahl von unterschiedlichen Arbeiten, betont aber stärker als die Handsteine des 16.  Jahrhunderts die maschinell-technischen Aspekte. Zudem trägt das Werk kleine aufgeklebte Ziffern (1–25), die mit einer Beschreibung korrespondieren, die als Konzept im Staatsarchiv von Kremnitz erhalten ist und die die einzelnen montanindustriellen Aspekte erklärt, darunter (Nr. 8) „Die Feüer Maschin, mit welcher die in der Tiefe des Schachts zusitzende Wässer gehoben werden“, ein Modell der atmosphärischen Dampfmaschine von Isaac Potter (um 1690–1735), Balážová (2017), Abb. 4 (S. 24), S. 29 (Abb. 11) sowie Anhang, S. 38/39. 18 Heal (2014), S. 51 zur Bedeutung des Bergschöffenkreuz in Freiberg für das bergmännische Begräbniszeremoniell. 19 Weiner (1995), S. 14/15. 20 Zur Verbindung des roten Blutes und des Rotgültigerz, das mit der Farbe von Blut verglichen wurde, Hylla (2018), S. 135. 21 Weiner (1995), v. a. S. 13–15; besonders schön gewachsene Drahtsilberfunde aus Kongsberg bei Nordrum (1995), u. a. S. 35 die Drahtsilberstufe von 1777, die als „Monogramm des Königs“ an Christian VII. gesandt wurde. 22 Distelberger (1985), S. 274: „In den verschiedenen Realitätssphären auf einem Objekt drückt sich symbolisch das Verständnis aus, wie der Mensch sein Wirken in der Natur im Verhältnis zum Walten Gottes über ihr und über seinem Tun und Treiben sah. Die Erzstufe war ein Werk geheimer undurchschaubarer Kräfte, ein Geschenk aus der „Kunstkammer Gottes“. Sie wurde analog zum Mikrokosmos gestaltet, der das Leben des Bergmannes und seine letzte Bestimmung umschloss.“ 23 Wien, KHM, KK_4137, 2. Hälfte 16. Jahrhundert, Sankt Joachimsthal (?), Werkstatt Caspar Ulich (?). Höhe des Handsteins 14,8 cm; Gesamthöhe 20,8 cm; Storczer (1992), S. 74/75. 24 Wien, KHM, KK_4140, 2. Hälfte 16. Jahrhundert, Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich (?), Handstein aus reiner Silbererzstufe. Höhe des Handsteins 10,5, Gesamthöhe 16 cm. Storczer (1992), S. 81/82; Fürsterzbischof (1987), S. 422, Kat. Nr. 299. 25 Wien, KHM, KK_4144, Inventar von 1596, fol. 366v, Urkunden (1888), S. CCLXXXIV; 2. Hälfte 16. Jahrhundert (1578? auf der Rückseite der INRI Tafel); Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich oder Werkstatt (?), aus verschiedenen Materialien zusammengesetzt. Höhe des Handsteins 17, 3 cm; Gesamthöhe 28,7 cm. Christusfigur fehlt; Distelberger (1985), S. 274 und S. 294; Storczer (1992), S. 88–90. 26 Wien, KHM, KK_ 4149, 2. Hälfte 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich (?); Inventar von 1596, fol. 367r. Höhe des Handsteins 8,7 cm; Gesamthöhe 17,7 cm https://www.khm.at/de/

156 I Handsteine

object/caa9e0cd2c/ [aufgerufen 2. Januar 2020]. Primisser (1819), S.  174; Distelberger (1985), S. 394; Storczer (1992), S. 101–103; Hylla (2018), S. 133–135, mit Abb. 9. 27 Wien, KHM, KK_4151, 2. Hälfte 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich (?); Inventar von 1596, fol. 367v. Höhe des Handsteins 16,7 cm; Gesamthöhe 25,6 cm; Curiositäten (1978), S. 32; Storczer (1992), S. 105–107; Abbildung bei Huber (1995), S. 61. 28 Wien, KHM, KK_4153, 2. Hälfte 16. Jahrhundert, Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich (?). Höhe des Handsteins 21,6 cm; Gesamthöhe 31,4 cm. Faszination (1980), S. 42 und Abb. Nr. 22; Storczer (1992), S. 110–112. 29 Wien, KHM, KK_4155, 2. Hälfte 16. Jahrhundert, Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich (?); Inventar von 1596, fol. 366r. Höhe des Handsteins 15,5 cm; Gesamthöhe 23,8 cm, vgl. den Ölberghandstein in Dresden Abbildung bei Distelberger (1985), Farbtafel XXII; Storczer (1992), S. 114–116 https:// www.khm.at/de/object/5fd14fc7a8/ [aufgerufen 2. Januar 2020]. 30 Wien, KHM, KK_4156, 16. Jahrhundert, Tirol (?), anonym, Inventar von 1596, fol. 366v. Höhe des Handsteins 7,7 cm; Gesamthöhe 10,7 cm; Storczer (1992), S. 117. 31 Wien, KHM, KK_ 4159, 2. Hälfte 16. Jahrhundert, Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich (?). Höhe des Handsteins 15,6 cm; Gesamthöhe 24 cm; mit Bergwerkszenen, möglicherweise fehlt oben eine Kreuzigung. Storczer (1992), S. 121/122. 32 Wien, KHM, KK_4161, 2 Hälfte des 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich (?), Inventar von 1596, fol. 365v, dort ist ein dazugehöriges Becken erwähnt. Fußhöhe (= Höhe des Tischbrunnens) 26,2 cm, Höhe des Handsteins 33, 2 cm, Gesamthöhe 59,4 cm. Primisser (1819), S. 173/174; Leithe-Jasper/Distelberger (1982), Farbabbildung S. 100; Farbabbildung bei Distelberger (1985), Farbtafel XXII, dort S. 274; Storczer (1992), S. 124–127. Beitrag Paulus Rainer, in Kunstkammer (2012b), S. 186, Abb. S 187; Schlegel (2013), S. 75. 33 Wien, KHM, KK_4167, 2. Hälfte 16. Jahrhundert, Sankt Joachimsthal oder Tirol (?), Gesamthöhe 27,1 cm. Inventar von 1596, fol. 367r, Urkunden (1888), S. CCLXXXIV: „Mer ain ganzer von digen silber handstain, oben darauf ain silbern vergultes crucifix, darauf sein zwai artzgrueben, versilbert und vergult, sambt ainem haspl und ettlich füguren von knappen, steet auf aienm hülcen plau angstrichnen fuesz.“ Scheicher (1979), S. 98/99 und S. 96; Meisterwerke (1990), S. 562–566; Storczer (1992), S.  136/137; Entdeckung (2006), Kat.  Nr.  3.22 (Thomas Kuster), S.  181–183 mit Farbabbildung und großem Detail S. 156; Rauch (2007), S. 27 und Farbabbildung 3; Rauch, Margot: Kat. Nr. 2.48: Handstein von Berg Golgatha, in: Dresden & Ambras (2012), S. 168 mit Farbabbildung S. 169; Holländer (2015), Abbildung 3 auf S. 53, mit Text auf S. 54; Smith (2016b), S. 34; Noflatscher (2017), S. 33, mit Abb. 2 auf S. 35. 34 KHM Wien, KK_4168, Ambras, Inv. Nr. 28/PL/36, Salzburg, 2. Hälfte 16. Jahrhundert (?), vgl. Strieder (1967). Holz, verschiedene Minerale, Silberdraht, die Fassung vergoldet, die Figürchen Silber, z. T. emailliert, Gesamthöhe 24 cm. Kunstkammer (1977), Kat. Nr. 49, S. 40; Scheicher (1979), S. 96 und 98/99; Storczer (1992), S. 138/139. 35 Wien, KHM, KK_885/886. Gesamthöhe 47,6  cm. Bergbau (1958), Abb.  177; Fritz (1983), S.  98, Nr. 53; Storczer (1992), S. 68–71; Haug (2014), S. 91–97. 36 Zwei Handsteine, die am 30. Juni 2006 in München bei Hampel Fine Art Auctions (lot 783 und 785) versteigert wurden, bezeugen, dass weitere Objekte vorhanden sind. Das Auktionshaus konnte keine weiteren Auskünfte über Aussehen oder Verbleib der beiden Objekte geben. 37 Wien, KHM, KK_ 4136, 2. Viertel des 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal. Inventar von 1596, fol. 368v. Höhe des Handsteins 6,9 cm, Gesamthöhe 18,6 cm. Primisser (1819), S. 172; Braun (1917), S. 428, Nr. 174; Braun (1920); Katz (1932), S. 11; Abbildung Holzhausen (1958), S. 204, Abb. 150; Distelberger (1985), S. 272 und S. 394; Zauber (1987), S. 371, Kat. Nr. VIII/75; Meisterwerke (1990), S. 563; Storczer (1992), S. 72/73. Abbildung bei Huber (1995), S. 58.

Anmerkungen I 157

38 Wien, KHM, KK_4138, 2. Hälfte 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich (?). Inventar von 1596, fol. 366v. Höhe des Handsteins 9 cm, Gesamthöhe 14,6 cm; Fürsterzbischof (1987), S. 422, Kat. Nr. 298; Meisterwerke (1990), S. 576/577, Kat. Nr. 244b; Storczer (1992), S. 76/77. 39 Wien, KHM, KK_4139, 2. Hälfte 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal, mit Monogramm von Caspar Ulich. Höhe des Handsteins 14,5; Gesamthöhe 23,4cm. Inschrift Gloria in eccelsis. Primisser (1819), S. 171; Holzhausen (1958), S. 205, Abbildung 151 und 152; Gold (1961), S. 61, Kat. Nr. 79; Distelberger (1985), S. 273/274 und S. 394; Storczer (1992), S. 78–80; Alle (2001), Kat. Nr. 30, Farbtafel S. 56 und S. 60/6; https://www.khm.at/de/object/58f5fdc246/ [aufgerufen 18. November 2018]. 40 Wien, KHM, KK_4142, 2. Hälfte 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich (?). Handstein aus verschiedenen Materialien; bekrönt von einer reinen Silbererzstufe. Höhe des Handsteins 3,8 cm; Gesamthöhe 9,8 cm. Auf der Standfläche Mens immota manet ab 15 AB 63. Auf der Stufe die Aufschrift Abraham Iorger. Inventar von 1596, fol. 368v. Primisser (1819), S. 173; Storczer (1992), S. 83/84; Rauch (2007), S. 28, mit Farbabbildung 5: „Abraham Jörer war königlicher Kammerrat in Breslau und unterstand damit dem böhmischen Statthalter Erzherzog Ferdinand II., dem er den Handstein vermutlich geschenkt hatte.“ https://www.khm.at/de/object/fce1242173/ [aufgerufen 18. November 2018]. 41 Wien, KHM, KK_4143, 2. Hälfte 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich (?). Höhe des Handsteins 12,2  cm; Gesamthöhe 22,2  cm. Inventar von 1596, fol.  366v. Primisser (1819), S. 172; Gold (1961), S. 62, Kat. Nr. 81; Distelberger (1985), S. 274 und S. 394; Meisterwerke (1990), S. 577, Kat. Nr. 244c; Storczer (1992), S. 85–87; https://www.khm.at/de/object/2bd195bb78/ [auf­ gerufen 18. November 2018]. 42 Wien, KHM, KK_4145, 2. Hälfte 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich (?), aus verschiedenen Materialien zusammengesetzt. Höhe des Handsteins 9,2 cm; Gesamthöhe 16,7 cm. Gold (1961), S. 61/62, Kat. Nr. 80; Storczer (1992), S. 91–93. 43 Wien, KHM, KK_4147, 2. Hälfte 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich (?). Höhe des Handsteins 17,8 cm; Gesamthöhe 27,8 cm; Inventar von 1596, fol. 367r. Holzhausen (1958), S. 134 und Abb. 160/161; Leithe-Jasper/Distelberger (1982), Farbabbildung S. 101; Lugli (1983), S. 115; Distelberger (1985), S. 274; Storczer (1992), S. 94–96; Detailabbildung bei Huber (1995), S. 60; https://www.khm.at/de/object/2bfd7e361d/ [aufgerufen 18. November 2018]. 44 Wien, KHM, KK_4148, 2. Hälfte 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal, mit Monogramm von Caspar Ulich. Höhe des Handsteins 20,9 cm; Gesamthöhe 31,7 cm. Inventar von 1596, fol. 365v–366r, Urkunden (1888), S. CCLXXXIV: „Mer ain schener geschnitner Hanndstain wie ain Perg von Glasarzt, daran ain kaiserliche fügur mit seinem scepter und cron auf dem kopf, und ain kinigliche Person vor dem Kaiser kniendt, oben an dem perg daz kaiserliche wappen mit den zwo seilen, steet auf ainem silbern, ganz vergulten fuesz, daran das kaiserlich, Beheimisch, Vngrisch und Tirolisch wappen geschmelzt, auf der andern seiten die urstendt Christi, von geschnitnem glaszärzt.“ Die eine Seite zeigt die Auferstehung Christi nach dem Vorbild von Dürers Großer Passion; die andere Seite als zeitgenössische Szene die Unterwerfung des französischen König Franz I. nach der Schlacht von Pavia 1525 vor Kaiser Karl V. Dort findet sich auch die kaiserliche Devise Plus OVLTRA mit den Säulen des Herkules und das Distichon: Fata dabunt aquilam te gallum vincere posse Regnet avis Christi ne modo laedat oves (Das Schicksal gab, dass der (kaiserliche) Adler den (französische) Hahn besiegen konnte). Primisser (1819), S. 172; Braun (1917); Braun (1920); Katz (1932), S. 11; Holzhausen (1958), S. 134; Datierung bei Distelberger (1985), S. 273/274 auf 1563–1566 aus politischen Gründen (Wappen am Fuß); Distelberger (1994) S. 151, datiert auf 1556–1562; Storczer (1992), S. 97–100, mit Hinweis auf Mathesius, 1562, fol. 58v; Huber (1995), S. 58; Beitrag Paulus Rainer, in Kunstkammer (2012b), S. 186; Abbildung Kusukawa (2012), S. 172, als Teil von Kapitel 8: The Authority of Pictures. Gessner, Mattioli, and Jamnitzer.

158 I Handsteine

45 Wien, KHM, KK_4150, 2. Hälfte 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal oder Tirol (?), Caspar Ulich (?) oder anonym. Höhe des Handsteins 6,4 cm; Gesamthöhe 11,9 cm; gedrechselter Fuß, blattvergoldet. Inventar von 1596, fol. 369r. Storczer (1992), S. 104. 46 Wien, KHM, KK_4152, 2. Hälfte 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal, mit Monogramm von Caspar Ulich. Höhe des Handsteins 6 cm; Gesamthöhe 12 cm. Inventar von 1596, fol. 368r. Primisser (1819), S. 173, Nr. 177; Distelberger (1985), S. 273 und S. 394; Storczer (1992), S. 108/109. 47 Wien, KHM, KK_4154, 2. Hälfte 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich (?). Höhe des Handsteins 8,2 cm; Gesamthöhe13,3 cm. Storczer (1992), S. 113. 48 Wien, KHM, KK_4160, 2. Hälfte 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich (?). Höhe des Handsteins 11,2 cm; Gesamthöhe 20,4 cm. Inventar von 1596, fol. 368v. Storczer (1992), S. 123. 49 Wien, KHM, KK_4163, 2. Hälfte 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich (?). Höhe des Handsteins 13,4 cm; 21, 7 cm Gesamthöhe. Inschrift: Mir ist gebe aller Gewalt in Himmel und auf Erden. Inventar von 1596, fol. 369r. Storczer (1992), S. 129/130. 50 Wien, KHM, KK_4164, 2. Hälfte 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich (?). Höhe des Handsteins 4 cm; Gesamthöhe 9,7 cm. Im Inventar von 1596 finden sich zwei Einträge, Urkunden (1888), S. CCLXXV, auf fol. 368r „Mer ain clains handstaindl von glasärzt, darauf ist die histori vom Abraham, wie er seinen son Isac aufopfern will etc., alles von fügurn geschniten, steet auf ainem silber und vergulten füeszl“ und auf fol. 369v: „Mer ain handstain, herunden von ganz gedignem silberärzt auch rot gulden ärzt, oben darauf ist die histori Abraham, wie er seinen son aufopfern will, von glasärzt geschnitten, steet auf aim silbern fuesz mit vergulten raifen“; Storczer (1992), S. 131/132 51 Wien, KHM, KK_4166, 2. Hälfte 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich (?). Höhe des Handsteins 5,5 cm; Gesamthöhe 14 cm. Inventar von 1596, fol. 370r. Meisterwerke (1990), S. 576, Kat. Nr. 244a; Storczer (1992), S. 134/135; Agricola (1994), S. 166, Abb. 151. 52 Wien, KHM, KK_6488, 2. Hälfte 16. Jahrhundert, Tirol (?). Höhe des Handsteins 8,8 cm; Gesamthöhe 14,3 cm. Inventar von 1596, fol. 369r; Storczer (1992), S. 140. 53 Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. VI 8ff. 2. Hälfte 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal, mit Monogramm von Caspar Ulich, die Nähe zu Wien KK_4155 ist deutlich. Silbererzstufe, der Fuß vergoldetes Silber, Höhe 16,5 cm, Breite 9,5 cm. Inventar von 1640, fol. 405r: „Die fahnung des herrn Christi am Öhlbergk, auch wie demselben ein engel mit dem kelch in wolcken erscheinet. Von schwartzen ertz, stehet auf einem ablengichten silbern und vergüldten vier paßichten fuß.“ Abbildung bei Holzhausen (1958), S. 148/149; Quellmalz 1969, mit Abb. auf S. 14, S. 15 deutet das Monogramm (der damals herrschenden Lesart der Direktion des Grünen Gewölbes folgend) als CL und nimmt den 1583 gestorbenen Haller Meister Christoph Loch als ausführenden Künstler an; Distelberger (1985), S. 394; Abbildung Bräunlein (1994), Abb. 130 und S. 147; Abbildung in Kunstkammer (2012a), S. 262; Thalheim (2012a), S. 268; Kat. Nr. 2.47 (Ulrike Weinhold), in: Dresden & Ambras (2012), S. 165, Abb. S. 164. 54 Wien, KHM, KK_4162; 2. Hälfte 16. Jahrhunderts, Sankt Joachimsthal (?), Caspar Ulich (?). Die Höhe der Figur beträgt 11,5 cm bei einer Gesamthöhe von 20,5 cm, vgl. Storczer (1992), S. 128. Inventar von 1596, fol. 368v, Urkunden (1888), S. CCLXXXV. 55 Vgl. dazu Asmussen (2020). 56 Heilfurth (1967), S. 232–235. 57 Nürnberg, GNM, http://objektkatalog.gnm.de/objekt/HG10294 [aufgerufen 18. November 2018]; Troche (1950). 58 s. v. Stieber (Stuber, Styber), Martin, in: Künstlerlexikon (2007), S. 1491. 59 Mende (1981), S. 200. 60 Die Arbeit war mit einer Schlaguhr und einer Schublade versehen. Höhe 29,5 cm, Breite 35 cm, Tiefe 24 cm.

Anmerkungen I 159

61 Zum Silberfluss in einem globalen Kontext Flynn (2015), v. a. S. 226–233 zur Rolle von chinesischem und peruanischem Silber auf dem europäischen Markt der Frühen Neuzeit. 62 Luther geht u. a. scharf gegen die Anteilseigner und Spekulanten an Bergwerken vor (er stammt aus dem Montanrevier Mansfelder Land), vgl. Bingener/Bartels/Fessner (2012), S. 325 zu Luthers Kritik an den Spekulanten sowie Asmussen (2016a) und Asmussen (2016b). 63 Die Krise im mitteleuropäischen Bergbau wird ab den 1540er in allen Revieren spürbar; Bartels/ Bingener (2006), S. 745. 64 von Stromer (1986), S. 91–98; Bingener/Bartels/Fessner (2012), S. 317/318 und 331–354. 65 Bartels/Bingener (2015), S.  527: „Ihren Aufstieg zur Weltgeltung am Beginn der Neuzeit verdankte die habsburgische Monarchie nicht unwesentlich dem Bergbau auf kupfer- und silberhaltige Erze (sowie Eisenstein) in den Bergbaurevieren bei Schwaz im unteren Inntal.“ 66 Die Bedeutung von Schwaz wird auch im Tiroler Landreim (1558, verfasst von Georg Rösch von Geroldshausen, königlicher Rat) hervorgehoben. Dort heißt es Schwatz ist allr Perckwerch muter, Kirnbauer (1964), S. 7 und 382. 67 Bartels/Bingener (2006), S. 635; Palme (1998), S. 17–22, S. 61–65 und S. 120/122. 68 Bartels/Bingener (2006), S. 747. 69 Ludwig (1979), S. 2/3. 70 Nummedal (2017), S. 163. 71 Agricola (1956), S. 79. 72 Sandbichler (2015), S. 179; Hirn (1888), S. 438; Seelig (2008), S. 40. 73 von Schlosser (1908), S. 51/52. 74 Hausenblosová (2017), S. 27: „Obwohl sich in der Literatur gewöhnlich der Hinweis findet, dass Ferdinand I. seinen Zweitgeborenen 1547 zum Statthalter im Königreich Böhmen ernannt habe, fehlen dafür schriftliche Belege. Gegen diese Ansicht spricht auch, dass sich der Erzherzog bis 1564 nicht entsprechend tituliert und unterzeichnet. Faktisch war Erzherzog Ferdinand II. damit von 1547 bis 1564 in amtlichen und gesellschaftlichen Belangen Vertreter des Königs. [...] Die offizielle Ernennung zum „Verweser und Statthalter“ erfolgte allerdings wohl erst 1564, als Maximilian II. den böhmischen Thron bestieg.“ 75 Westermann (1986); Westermann (2003), S.  271–286. Allerdings weist Mutschlechner (1990), S. 231/232 daraufhin, dass viele der verschuldeten Landesfürsten die Erzproduktion zur Sicherung der ihnen gewährten Darlehen verpfänden mussten und so u. a. die Fugger und andere Augsburger Handelsherren die großen Gewinne abzogen. 76 Bei den erhaltenen Handsteinen (Kapitel 2) wurden die entsprechenden Stellen aus dem Ambraser Inventar von 1596 angegeben. 77 Vgl. zur Praxis der Inventarisierung und zur Nutzung von Inventaren zur Rekonstruktion frühneuzeitlicher Sammlungen Riello (2013). 78 von O’Byrn (1880), S. 19–23; Vötsch (2004), S. 94, Anmerkung 32. Zwischen 1543 und 1546 wurde ein Inventar der Silberkammer des sächsischen Herzogs Moritz geführt. Thalheim (2012a), S. 267 vermutet, dass sich in der Silberkammer „die frühesten Belege aus dem sächsischen Silberbergbau, so Erzstufen mit Glaserz (Akanthit/Argentit), Rotgültigerz (Proustit oder Pyrargyrit) und gediegenem Silber als auch in Glaserz geschnittene figürliche Darstellungen“ befanden, mit Hinweis auf fol. 6v-7r; Syndram (2004b), S. 3/4; Syndram (2004c), S. 61; Syndram (2012), S. 21. 79 Urkunden (1888), Nr. 5556, S. CCXXVI–CCCXIII, v. a. S. CCLXXIX–CCCXIII zum Inhalt der Kunstkammer (In der grossen kunstcammer, darinnen volgende achtzehen hohe underschidliche casten steen). 80 von O’Byrn (1880). 81 Syndram (2012), S. 32: StA-D, 10707 (Sächsisches Hauptstaatsarchiv), Nr. 406 Inventarivm Registratur vnd vorzeichnus aller Originall vorschreibungen vnd briefen, sambt anderer Fharnus so In der

160 I Handsteine

Churfurstlichen Sachsischen Silber Cammer zu Dreßden Im Ihare nach Christi vnsers Hern vnd Sehligmachers geburtt Ein Tausend Funf Hundert vnd Sechß vndt Achtzigk die Wochen Egidy befunden worden vnd Gregor Vnwirtdt der zeitt Cammermeyster In seinem Empfangk angenommen, fol. 42r-53r. 82 Kunstkammer (2012a), S. 40 (Anhang II: Die Anfänge der Dresdner Kunstkammer), StA-D, 10024 (Geheimer Rat), Loc. 8694/10 (Inventare über Schmuck und Silbergeschirr, 1541–1662), fol. 62r-91r. Undatiertes Konzept, mit Nachträgen, Korrekturen und Zusätzen. Ungedruckt. Ediert von Jochen Vötsch. 83 Syndram (2012), S. 32; Thalheim (2012a), S. 267–272. 84 Syndram (2012), S. 33. 85 Kunstkammer (2012a), S. 40 (Anhang II: Die Anfänge der Dresdner Kunstkammer), fol. 62r. 86 Asselborn (2005), Nr. 32: Stibnit, Antimonglanz, Grauspießglanz: Chemische Formel Sb2S3. Auch bekannt als Antimonit, Antimonglanz, Antimonium, Grauspießglanz oder Grauspießglas; gehört als Mineral zu den Sulfiden und Sulfosalzen. Brockhaus (1809), Band 5, S. 331/332: Spießglas, auch Spießglanz (Antimonium). 87 Kunstkammer (2012a), fol. 62r: „1 Ertz stufe mit einem vorgulden silbern fuß von roth gulden ertz und gedichen silber, unden mit der historien vom engelischen gruß und oben darauf der Samsohn mit dem thor von spießglaß.“ 88 fol. 62r: „1 Ertz stufe mit einem vorgulden silbern fuß von rotgulden und glaß ertz, oben mit einem geheuß von spießglaß, daran sitzet der konig Salamonis.“ 89 fol. 62r: „1 Ertz stufe mit einem vorgulden silbern fuß von rothgulden ertz und gedichen silber, daran die historien des leiden Christi, oben darauf die gerechtigkeit. Von spieß glaß, mit einer gulden wage und schwert.“ 90 fol. 62v: „1 Ertz stufe mit einem silbern vorgulden fuß, von roth gulden ertz und gedichen silber, mit der kreutzigung Christi, oben mit zwey vorgulden löwen.“ 91 fol. 62v: „1 Ertz stufe mit einem silbern vorgulden fuß, von roth gulden erz und gedichen silber, mit viel thurigen und berg gengen gemacht, oben mit der kreuzigung Christi, von silber gemacht und vergult.“ 92 fol. 62v: „1 Ertz stufe mit einem silbern vorgulden fuß, von roth gulden erz und gedichen silber. Mit der gerechtigkeit von spießglaß, daran viel kleine bergkmennischen gemacht.“ 93 fol. 62v: „1 Ertz stufe mit einem silbern vorgulten fuß, von roth gulden erz und gedichen silber 94 fol. 63r: „1 Ertz stufe mit einem silbern vorgulden fuß, von roth gulden ertz und gedichen silber, daran die geburt Christi. Oben mit einem engel, so ein zirchel in der handt, von spieß glas.“ 95 fol. 63r: „1 Ertz stufe mit einem silber vorgulden fußigen, von roth gulden ertz und gedichen silber. Daran das leiden Christi und oben darauf die auferstehung mit einem gulden kreutzichen.“ 96 fol. 63r: „1 Ertz stufe, so gar groß, mit einem viereckichten holzern blau gemalden fuß. Von vielerlei ertz zusammen gemacht.“ 97 fol. 63r: „4 Ertz stufen uf runden holtzern blau gemalden fußen, von roth gulden und andern ertz, auch von gedichen silber zusammen gemacht.“ 98 fol. 63v: „1 Ertz stufe mit einem silbern vorgulden baßigen fuß von roth gulden ertz und gedichen silber, daran bergkmennichen mit schubkarren, bergk trogen und heußichen, oben darauf die Geburt Christi in glaß ertz gemacht.“ 99 fol. 63v: „1 Ertz stufe mit einem silbern vorgulden fuß, von roth gulden ertz und gedichen silber, oben darauf die kreutzigung Christi von glaß ertz.“ 100 fol. 63v: „2 Ertz stufen mit runden silbern vorgulden fußen, von roth gulden und glaß ertz, auch gedichen silber zusammen gemacht.“

Anmerkungen I 161

101 fol. 63v: „1 Ertz stufe uf einem runden silbern fußichen, von roth gulden ertz und gedichen silber, daran der Goliat von spießglaß.“ 102 fol. 63v: „1 Kleine ertz stufe uf einem runden silbern fußichen, von roth gulden ertz und gedichten silber.“ 103 fol. 64r: „9 Ertz stufichen uf silbern vorgulden fußichen, von roth gulden und glaß ertz, auch gedichen silber zusamen gemacht.“ 104 fol. 64r: „1 Stufe mit einem runden silbern fuß, von silber und corallen zincken zusammen gemacht. Daran hangen etzliche notter zungen.“ 105 fol. 64r: „2 Stufe, daraus die roten corallen wachßen, darauf ein groß gewechße von corallen zincken, eine gros, die ander klein.“ 106 fol. 64r: „1 Ertz stuflein uf einem runden holtzern vorgulden und blauen fußlein, von roth gulden ertz und gedichen silber, obn mit einem gulden kreutzigen.“ 107 fol. 64r: „1 Ertz stuflein uf einem runden holtzern fuß mit laub wergk, von seiden gemacht und herumb gezieret. Das stuflein stehet uf 4 runden glaß knopfen.“ 108 fol. 64v: „1 Ertz stuflein, hat keinen fuß, von rot gulden ertz mit einem gulden kreutz, daran der nahme Jehsus“ 109 fol. 64v: „1 Berckheuer, von glaß ertz und gedichen silber zusammen gemacht. Stehet uf einem holtzern fußigen, hat ein schwert und ein lange barte in henden.“

Inventar von 1640, fol. 407r, vgl. dazu Thalheim (2012a), S. 267.

110 fol. 64v: „1 Klein gulden erzstufichen mit der kreuzigung Christi uf einem holtzern fußichen, so oben vorgult, daran auch eine perle.“ 111 fol. 64v: „1 Silbern baum, unden mit heidexen.“ 112 fol. 64v: „1 Gantzsilbern stuflein, ohne fuß, von gantzgedichen silber.“ 113 fol. 64v: „1 Klein silbern streußlein uf einem holtzern fußichen.“ 114 fol. 65r: „1 Holtzern kestlein mit 48 kleinen fachen, darinnen allerlei rot und glaß ertz, auch gedichen silber.“ 115 fol. 65r: „1 Hornen kestlein, mit silber beschlagen. Darinnen sin allerlei stuflein von guten ertz zubefinden.“ 116 fol. 65r: „1 Runde horne schachtel, darinnen allerlei klein ertz.“ 117 fol. 65r: „Sonst liegen in diesem schranck im undern fach allerlei handtstein und ertz stufen von rot gulden und glast ertz, auch viel gedichen silber.“ 118 fol. 65r: „Sechs gedichne goldt stuflein.“ 119 fol. 65r: „Ein stuflein, daran ein klein gulden bergkmennichen.“ 120 fol. 65r: „Ein großer kroten stein.“ Forbes (1972) und https://www.mittelalter-lexikon.de/wiki/ Krötenstein [aufgerufen 18. November 2018] zum Krötenstein (mhd. krotenstein; lat. lapis bufonis, bufonites; bei Albertus Magnus borax; bei Konrad vone Megenberg botrax, beides wohl zurückgehend auf batrachites = Frosch). 121 fol. 65r: „Ein viereckichter glatter stein von guter bergkart, darauf ein gebrech von einem thaler, mit churfurst Augusten contrafect geschlagen.“ Hainhofer (1901), S.  195, 242/243; Syndram (1999), S. 37/38, Anmerkung 6; Weinhold (2004), S. 206; Syndram (2004c), S. 61; vgl. Thalheim (2012a), S. 267 und 270: Chlorsilber mit Münzabdruck. 122 Syndram (2004c), S.  48: Kleiner Kalvarienberg. Goldstufe, Gold, Emaille, Ebenholz, Ende des 16. Jahrhunderts, Höhe 5 cm, Inv. Nr. VI 8dd (Abb. auf S. 49). 123 Silbernes Kreuz, gediegenes Silber in Kreuzform aus Schneeberg-Neustädtel, Bergkappe Fundgrube am Widdersberg, Erzgebirge. Senckenberg Naturhistorische Sammlungen Dresden (SNSD), Museum für Mineralogie, Inv.-Nr. Min 7657 Sa (MMG), Gediegen Silber, 17,5 x 7 x 16,5 cm. 1623 aus dem Nachlass von Kurfürstin Sophie in die Kunstkammer überwiesen. Thalheim (2014),

162 I Handsteine

S. 270/271. Die Kategorisierungsbemühungen der Moderne haben hier die ehemals gemeinsam verwahrten Objekte nach „Kunst“ und „Natur“ getrennt und dabei das gediegene Silberobjekt in die naturkundliche Sammlung verwiesen. 124 Kirchheimer (1972), S. 1425/1426; Hylla (2016), S. 22: „1508 wurde Herzog Heinrich von Sachsen bei einem Besuch in der Freiberger Münzstätte mit einer Art riesenhaftem Münzanhänger verehrt. Es ist eine einseitige, gehenkelte Silberplatte von etwa 8 cm Durchmesser, die mit den Abschlägen von Groschen- und Hellerstempeln, dem Namen des Herzogs und der Jahreszahl des Besuchs versehen wurde.“ 125 Syndram (2012), S.  15/16: Das Jahr 1560 wird 1671 durch den Kunstkämmerer Tobias Beutel überliefert, die erhaltenen Archivalien aber stützen dieses genaue Datum nicht; Sponsel (1925), S. 3. 126 Inventar (2010). 127 Auf fol. 17r findet sich der Eintrag: „Darzu ferner aufs New Hinzukommen. Uffn Reißtische stehendt: „2 Ertzstuffenn, eine von Rott guldenem Ertz, die ander von zihngraupen, uf sibern vorguldten fußlein, hat Daniell Fischer die stufen vorehret, die Fußlein aber hernach sonderlin doran gemacht worden, anno 88.“ Thalheim (2012a), S. 268 [Zwei Erzstufen, die im Reißgemach auf dem Reißtisch stehen]. 128 Das unpublizierte Verzeichnis wird im Sächsischen Staatsarchiv  – Hauptstaatsarchiv Dresden, 10009 Kunstkammer, Sammlungen und Galerien, Nr. 003 verwahrt. Die ab fol. 302r verzeichneten Erzstufen sind als Neuankäufe im Bezug auf das Inventar von 1587 ausgewiesen: „Ahn Ertzstuffen und allerley Ertzenn vorhanden, sinde uber vorig anno 1587 aufgericht Inventarium aufs New einkommen“ fol. 303v-305v: „3 Schrencke von eichen holz gemacht, dorinnen allerley ertz, anbruche und bergkarten zubefinden, stehen am hindersten fenster in diesem gemache.“ Menzhausen (1992); Syndram (2004b), S. 12; Thalheim (2012a), S. 268. 129 Thalheim (2012a), S. 268; Meisterwerke (1990), Kat. Nr. 244, 2441a-d (Rainer Slotta); Agricola (1994), Kat. Nr. 5.103 (Ulli Arnold), Kat. Nr. 6.191–6.193 (Rainer Slotta); Walz (2000), S. 110. 130 Adams (1934), S. 377–382. 131 Thalheim (2012a), S. 268 mit Hinweise auf das Inventar der Kunstkammer von 1595, fol. 302r, 303r; Hainhofer (1834), S. 134: Bergstufe mit 120 Proben Erz. 132 Inventar der Dresdner Kunstkammer von 1595, fol. 302v (603). 133 Inventar der Dresdner Kunstkammer von 1595, fol. 303r (604); Thalheim (2012a), S. 267, mit Hinweis auf Hammer (2005), S. 200, Anm. 1. 134 Niedermayr, Gerhard, Kat. Nr. 3.10, in: Entdeckung (2006), S. 166/167 und Niedermayr, Gerhard, Kat. Nr. 3.19, Entdeckung (2006), S. 177–179. Zwei Zinn-Stufen befinden sich heute in Wien, Naturhistorisches Museum, Mineralogisch-Petrographische Abteilung, Inv. Nr. C 1604 und Inv. Nr. C 1626. Es handelt sich dabei wohl um Geschenke der Bergverwaltung von Zinnwald und Schlaggenwald im Böhmischen Erzgebirge – dem wichtigsten Zinn-Lieferanten der Habsburger Monarchie. 135 Urkunden (1888), S. XCVI, Nr. 4793; Ferdinand I. hat durch Leopold Heyperger seinen Besitz inventarmäßig erfassen lassen. Heyperger war Kammerdiener von Ferdinand I., später Hofzahlmeister, Schatzmeister und Burggraf zu Wien, gestorben 1557. 136 Fol. 18v, 19r, 19v. 137 Urkunden (1888), die Handsteinbestände vor allem in der Kunstkammer, im dritten Schrank, S. CCLXXXIII–CCLXXXV, hier S. CCLXXXV: „Die folgende Rubrik: in der vierten stell, Fol. 370–371 enthält eine grössere Anzahl Stücke, silber-, zapfets, gefaszlets, greusts, hert digen und Spänisch silberärzt und aus den Vorlannden, dann glasz-, rot gulden, kupfer-, zin-, plei-, eisen-, cristall- und machütärz, endlich guet gold und allerlei edlgstain und anderer gatung in gestätelen.“

Anmerkungen I 163

138 Beßler (2009), S. 94/95; Rauch (2006), S. 158. 139 Urkunden (1888), S. CCXXXVII, fol. 64v; fol 66v; fol. 67r; fol. 68r; 107v, 108r uvm. Auch unter dem Dach in der „Rumpelkammer“ finden sich Handsteine „Under dem tach zue Ruelust ob des hausmaisters wohnung und daselbs gelegnen gepeien“ in der Rubrik „Allerlei andere gemaine sachen in gemelter krümpelcamer hin und wider“, fol. 103r (S. CCXLI): „1 schen zierlicher perg von allerlai handstain, darauf ain geschlosz und inwendig das kunstwerch in ergstolln.“ 140 Urkunden (1888), S. CCLXXXIII–CCLXXXV (Inventar fol. 363v-370r); Rauch (2006), S. 157/158 mit Hinweis auf das Inventar, fol. 363v bis 371r. 141 Urkunden (1888), S. CCLXXXIII/CCLXXXIV; Rauch (2007), S. 27. 142 Urkunden (1888), S. CCLXXXIV, beide Einträge fol. 365v. 143 Urkunden (1888), S. CCLXXXIV. 144 Urkunden (1888), S. CCLXXXIV. 145 Urkunden (1888), S. CCLXXXIV. 146 Urkunden (1888), S. CCLXXXV. 147 Urkunden (1888), S. CCLXXXV, fol. 369r/369v. 148 Urkunden (1888), S. CCLXXXV, fol. 369v. 149 Dazu Pilaski Kaliardos (2013), S. 28–30. 150 Seelig (2008), S. 1 und 2. 151 Fickler (2004), S. 48. 152 Fickler (2004), S. 48. 153 Fickler (2004), S. 49. 154 Als Handsteine bezeichnet finden sich zudem die Nummern 816, 969, 1371 – es handelt sich hier um besondere Mineralienfunde. So auch die Handsteine, die zusammen um den neununddreißigsten Tisch versammelt sind (Nummern 2023, 2024, 2025, 2026, 2027, 2032, 2033, 2034, 2035, 2036, 2037, 2038, 2039, 2040, 2043, 2044, 2045, 2047), sowie die Nr. 2048 (1950) „In der ersten No 6 welche 10 Schubladen hat, so mit eingelegtem hol gezieret, darinnen ligen zu obrist under dem luckh 4 handstain von silberberckhwerckh, so größer alß die andern.“ Ebenso die Nr. 2048 (1951) „Mehr 12 andere stücklen, auch von silberberckhwerckh mit sambt iren brobzettlen“ und die Nr. 2050 (1952) „Drey handstainl von goldärtz“ und die Nummern 2050, 2052, 2053, 2054, 2066, 2067, 2068. Zwischen den Tischen 38 und 39 befindet sich ein Tisch vermutlich aus pietra dura Arbeit, auf dem sich verschiedene Gesteinsproben befanden, vgl. Fickler (2004), S. 157, Nr. 2008 (1907). Auf dem 43. Tisch folgen die klar als artifiziell überformte Handsteine ausgewiesenen Objekte. 155 Fickler (2004), S. 126, Nr. 1390 (1283). 156 Fickler (2004), S. 157, Nr. 2010 (1909). 157 Fickler (2004), S. 158, Nr. 2012 (1911), 158 Kunstkammer (2008), Band 2, S. 621. 159 Fickler (2004), S. 160, sowie die Nummern 2070, 2072, 2073, 2074, 2076, 2082, 2085, 2087, 2088, 2089, 2091 und Nr. 2093 (1995): „In ainer gestattl klainer und großer rund schiferärz, so in deßen von Freybergs Eysenberckhwerckh nahet bey Aschaw gegen Marquartstein zu, gefunden worden“ – also erneut ein Mineral, das auf seinen Fundort (und damit auf die Ressourcen im bayerischen Herrschaftsgebiet) verweist. 160 Fickler (2004), S. 164; 2126 (2029). 161 Nummern 2122 (2025); 2123 (2026); 2125 (2028); 2127 (2030); 2128 (2031); 2129 (2032); 2130 (2033); 2132 (2035); 2133 (2036); 2134 (2037); 2135 (2038); 2136 (2039); 2137 (2040); 2138 (2041); 2139 (2042); 2140 (2043); 2141 (2044); 2142 (2045); 2143 (2046); 2145 (2048); 2146 (2049); 2147 (2050). 162 Fickler (2004), S. 163. Der Name „Erzherzog Carl von Österreich“ ist eine Korrektur aus „Herzog August Churfürst von Sachsen“.

164 I Handsteine

163 Fickler (2004), S. 163/164. 164 Fickler (2004), S. 164. 165 Enneper (2005), S. 57/58. 166 Für einen Handstein aus dem Besitzt von Erzherzog Albrecht VII. (1559–1621), dem fünften Sohn von Maximilian II. ist überliefert, dass er einen Handstein aus dem Nachlass seines Vaters erbte, vgl. Fischer (1971), S. 28, Anmerkung 9. 167 Die Anlage ist nicht erhalten, eine Beschreibung findet sich von Georg Hoefnagel im Städtebuch von 1581 vgl. Braun, Georg und Franz Hogenberg. Beschreibung und Contrafactur der vornembster Stät der Welt, Band 3, Köln 1581, Nr. 45. Diemer (1986), S. 174, Anmerkung 133 zitiert den lateinischen Text aus der Ausgabe von 1616 (Urbium praecipuarum totius mundi liber tertius). 168 Diemer (1986), S. 140 mit Verweis auf die bei Baader (1943) aufgeführten Dokumente (S. 300), weitere bei Diemer, Anmerkung 139. Tuffstein und Bims wurden in Florenz und Genua angekauft, Muscheln und Korallen in Venedig, Neapel und Amsterdam. Nach Diemer (1986), Anmerkung 139: Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Fürstensachen 426/I. 169 Nach Diemer (1986), Anmerkung 139: Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten Schwarz 14924. 170 Morel (1990), S. 152–166 zum (alchemisches) Wissen um die Genese von Steinen in der Erde, das in den Grotten (mit) ausgestellt wurde; zum Begriff der pétrification (Versteinerungen), S. 168– 179. 171 Maué (1995), S. 85: „Bei der Interpretation der in den Grotten durch die Mineralien vergegenwärtigten heimischen Schätze als Fürstenlob muß man daran erinnern, dass dem Betrachter früherer Jahrhunderte selbstverständlich bewusst war, dass sämtliche Mineralien und Schätze unter der Erde aufgrund des „Berg-Wercks oder Metallen Regals“ direkt dem Landesherren gehörten. Die Grotte als unterirdischer oder unterirdisch gedachter Raum stellte allein schon durch diese subterrane Position ein Abbild des fürstlichen Besitzes dar; ihre Ausstattung mit Mineralien in ihrer ganzen Varietät bezeugte den Vielfältigen Reichtum des Herrschers und war ein Spiegel seiner Macht.“ Franke (2000), S. 1078. 172 Distelberger (1985), S. 273 zitiert nach Hirn (1888), S. 438. 173 Friedrich III. von der Pfalz (1515–1576), Wittelsbacher, Pfalzgraf von Simmern-Sponheim und Kurfürst von der Pfalz (1559–1576). 174 Distelberger (1985) mit Verweis auf Urkunden (1891), L Rg. 8157. Aus dieser Quelle geht nicht eindeutig hervor, ob in die drei genannten Bergstädte gesandt werden soll, um besonders schöne Erzstufen im natürlichen Zustand zu bekommen, oder ob der Kaiser schon von Goldschmieden überarbeitete Werke im Blick hatte. 175 Vötsch (2004), S. 94. 176 Vötsch (2004), S. 96; von Seidlitz (1920), Zweites Buch 1541–1586, S. 156 (Erzstufe mit dem Bildnis Georgs des Bärtigen); Long (2001), S. 175. 177 Aschaffenburg, Bilderhandschrift der Reliquiensammlung des Stifts Halle (Hallesches Heiltum), Nr. 84, fol. 95v/96r, Heiltum (1931), S. 33 und Tafel 44; Heiltum (2002): „Bei dieser Erzstufe, auch als Handstein bezeichnet, handelt es sich (zusammen mit dem Beispiel fol. 281v) um das älteste bezeugte Exemplar dieser eigenwilligen Kunstgattung.“ Meisterwerke (1990), Kat. Nr. 20, S. 188. 178 Leitermann (1953), S. 62. 179 Fol. 281v/ 282r, Heiltum (1931), Tafel 123, S. 51, Nr. 218, fol. 281v. Ganzseitige Farbabbildung in Sol (1973), Abb.  3 im Kapitel „Das Material“ (o. S.); Meisterwerke (1990), Kat.  Nr.  20, S.  188. Heiltum (2002): „Auf dem Deckel Erzstufen und Erzarbeiter.“ 180 Zur Festkultur am Dresdner Hof Kroker (1978), S. 100; Bäumel (1990b); Watanabe-O’Kelly (1990) und Schlechte (1990).

Anmerkungen I 165

181 Bäumel (1990a), S. 215. 182 Christiani Hertzogens und Churfursten zue Sachssen Ringk-Rennen, welche S. Churf. G. an dero gelibten Jungen Tochter, Freulin Dorothenn, Furstlichen Tauffe zue Dressden auffn Schloshoff den 26. 27. 28. und 29. Jan. gehalten worden, Anno 1591. Dresden, SLUB, Mscr. Dresd. J.9. Bäumel (1990a), S. 215 und Abbildungen dort S. 182 und 183, sowie die Kat. Nr. 321 und 322. Kat. Nr. 322. 183 Bäumel (1990a), S. 214 mit Hinweis auf Sieber (1960), S. 57 und S. 127. 184 Einen Überblick über die Montanikonographien bietet Slotta (2008) mit den einschlägigen Beispielen. Holzhausen (1958), S. 136: „Der Handstein mündet im 18. Jahrhundert mit modellhafter Treue in die wissenschaftliche Darstellung.“ Der Zusammenhang zwischen Bergbaudarstellungen in der montanistischen Literatur und diesen Goldschmiedewerken, die das Wissen um die Bergbau-Prozesse aufgreift und in ein Kunstwerk transformiert, ist offensichtlich. Vgl. die Modelle von Bergwerken in: Agricola (1994), Kat. Nr. 6.85–6.91. 185 Georgii Agricolae, De re metallica libri XII. Quibus officia, instrumenta, machinae, ac omnia denique ad metallicam spectantia, non modo luculentissime describuntur, sed & per effigies, suis locis [...]. Basileae: Froben, 1556. Pieper (1944); Pieper (1955b); Metz (1974); Rauch, Margot: Kat. Nr. 3.16, in: Entdeckung (2006), S. 175/176; Hannaway (1997), v. a. S. 52–60. 186 „non modo luculentissime describuntur, sed et per effigies [...] ob oculos ponuntur, ut clarius tradi non possint: Nicht nur deutlich beschrieben, sondern durch Bilder vor Augen gestellt, dass sie nicht klarer übergeben werden können.“ 187 Cura (2010), S. 302: Auf die Druckstöcke übertragen wurden die Zeichnungen von Johann Rudolf Manuel Deutsch und Zacharias Specklin, ihre Signets (RMD 7 und ZS 1) finden sich auf einigen der Illustrationen. Specklins Familie ist mit der Illustration von naturwissenschaftlichen Werken verbunden, arbeitete doch Zacharias Vater Rudolf am berühmten Kräuterbuch von Leonhard Fuchs als Formschneider mit. Petrus Albinus berichtet 1590: „Es meldet aber Johan Mathesius / das ihm [dem Georgius Agricola] Basilius Wefring ein Bürger aus Joachimsthal viel Bericht dazu gegeben / und die Figuren dazu abreissen lassen.“ Albinus (1590), S. 141, 166, 167. 188 Naumann (2006) nennt 23 Abbildungen mit geometrische Figuren und Grundrisse, 28 Geräte und Instrumente; 32 lagerstättenkundliche Bilder; 47 Grubenbaue und Maschinen, 65 Aufbereitungsanlagen, 71 Hüttenanlagen und 26 die Gewinnung von Salz und Glasherstellung. 189 Marx (1990), S. 10. 190 Suhling (1994), S. 458, eine weitere deutsche Ausgabe 1580, eine lateinische 1561, eine italienische Ausgabe 1563. Der Bermannus erschien zwischen 1530 bis 1558 sechsmal (darunter 1550 in italienischer Übersetzung). Suhling nennt als Gründe für die geringe Verbreitung u. a. den Rückgang des Bergbaus, verweist aber zugleich auf die Konkurrenz von handschriftlich zirkulierenden Ab- und Weiterschriften, darunter schmelztechnische Sammelwerke und Kompendien, die Teile des Schwazer Bergbuchs, Probiervorschriften und chemisch-technische Rezepturen vereinen, darunter auch Abschriften des Speculum Metallorum. 191 Erschienen in Basel bei Heinrich Petri (1508–1579): Cosmographia. Beschreibung aller Lender durch Sebastianum Munsterum, 1544. Eine französische Ausgabe als La Cosmographie Vniverselle in Basel 1548. 192 Cosmographei oder beschreibung aller länder, herschafften, fürnemsten stetten, geschichten, gebreüche[n], hantierungen, Basel: Petri, 1550; Slotta (1994), S. 163. 193 Münster (1550), fol. 8/9. 194 Münster (1550), S. 8/9. Zu den erzgebirgischen Städten Bingener/Bartels/Fessner (2012), S. 361– 369. 195 Münster (1550), S. 11. Die Bilder haben keine Bildunterschrift.

166 I Handsteine

196 Bartels/Bingener (2006), Abb. 27 auf S. 785, nennt als weitere Beischriften einen Hauwer, einen Seuberer, einen Zersetzer und einen Hutman. 197 Überblickswerke zu bergbaulicher Kunst sind u. a. Bergbau (1958); Holzhausen (1958); Slotta (1988); Meisterwerke (1990); Slotta (1994); Schein (1997); Suhling (1997); Slotta (1999); Suhling (2005); Slotta (2012). 198 Slotta (1997), S. 203–206; Bonchino (2010) beginnt bei den frühen Beispiele in den Glasfenstern der Kathedrale von Freiburg im Breisgau und folgt den Bergbauikonographien bis zu den Bergaltären des 16. Jahrhunderts. 199 Slotta (1994), S. 161. 200 Zur mechanischen Uhr als Leitbild der frühneuzeitlichen Epoche Maurice (1976); Mayr (1980); Mayr (1986); Paulinyi/Troitzsch (1991); Fusenig (2000) . 201 Das Hausbuch befand sich seit dem 17. Jahrhundert auf Schloss Wolfegg, nach dem Verkauf 2008 ist sein momentaner Aufbewahrungsort ungeklärt, Hutchison (1985a), S. 11. Der anonyme „Meister des mittelalterlichen Hausbuchs“ und die Entstehung der Handschrift werden an den Mittelrhein oder fränkischen Oberrhein (Mainz) lokalisiert; es entstand ab 1470/1475 in mehreren Phasen, Waldburg Wolfegg (1997), S. 8–13; Moraw (1985); Meisterwerke (1990), S. 176–180. 202 Hausbuch (1997), Kommentarband, S. 42–47. Die Lage 5 beginnt mit fol. 33v (leer) und der Darstellung eines Spinnrads auf fol. 34r; es folgt das Wappen auf fol. 34v, dann die Zeichnung auf fol. 35r. Das vergleichbare Motive einen landesherrlichen Anspruch transportieren, wurde von Luisa Baumgartner für die Bergwerksdarstellungen von Herri met de Bles in ihrer Disseration „Molte belle et varie fantasie. Bergbau und Ruinen als zwei neue Sujets der niederländischen Landschaftsmalerei in italienischen Sammlungen des Cinquecento“ (Bern, 2018), herausgearbeitet, ich danke der Autorin für diesen Hinweis. 203 Waldburg Wolfegg (1997), S. 72–74. 204 Die Bergwerkzeichnungen finden sich im zweiten Teil und setzen nach den verlorenen Lagen 3 und 4 ein. Nach dem leeren fol. 39r/39v beginnt die 6. Lage (ehemals Lage 9) auf fol. 40r mit den Anleitungen aus dem Probierwesen und Hüttenwesen; die Namen der Metalle erscheinen als alchemistische Zeichen, Waldburg Wolfegg (1997), S. 17. 205 Waldburg Wolfegg (1997), S. 80/81. 206 Hausbuch (1997), Kommentarband, S. 42: 36v: Unterschlächtig wasserradgetriebenes Stampfwerk mit Einrichtungen für die Erzwäsche und einer Transmission; 37r: Gebläse an einer Antriebswelle mit einem Balken und aufgebundenen Gewichten; 37v: Gebläse an einer Antriebswelle mit auf Rollen laufenden Metallgewichten; 38r: Pochwerk oder Pumpanlage mit Antriebsrad und Nockenwelle; 38v: Höhenverstellbare Ramme. Lindgren (2000), S. 17, Abb. 5 und S. 16 („Utopien“): „Im Mittelalterlichen Hausbuch befindet sich eine Art Gebläse, das mit Kolben funktionieren sollte, wie sie von den Saug-Druck-Pumpen ja durchaus bekannt waren, als Gebläse aber dem klassischen Blasebalg weit unterlegen wäre, wenn nicht überhaupt als utopisch anzusehen sein dürfte.“ 207 Waldburg Wolfegg (1997), S. 83. 208 Suhling (1978), S. 135–137; Wilsdorf (1987b), S. 150/151; Stromer (1995), S. 189/190; Bartels (2010), S. 77. 209 Kellenbenz (1991b), S. 46; Hess (2004), S. 227 betont den Sonderstatus der Bergwerkszeichnungen; vgl. auch Robert Fuchs und Doris Oltrogge, in: Hausbuch (1997), Kommentarband, S. 61 zur abweichenden Kolorierung des Bergwerkbildes. Zur Datierung König, S. 190, der für eine spätere Ausmalung, nicht Zeichnung plädierte. 210 Hausbuch (1997), Kommentarband, S. 45. 211 Allgemein siehe Leng (2002), Band 1, Kapitel V.: Die kriegstechnischen Bilderhandschriften und Traktate im 15. Jahrhundert, S. 109–283. Zum Büchsenmeisterbuch, München, BSB, Cgm 600 Ber-

Anmerkungen I 167

ninger (2000), S. 62–64, zum Bellifortis Cermann (2013), S. 6. Faksimile: Kyeser (1967a) und (1967b); Zum Kontext der technischen Zeichnungen/Enzyklopädien Lindgren (2000); vgl. auch Berg/Friedrich (1994); Friedrich (1996); allgemein Göricke (2000), S. 255–295; Popplow (2001b); Bogen (2006). 212 Erhalten sind heute neun (meist Quaternionen) von ursprünglich zwölf Lagen (es fehlen Lage 3, 4 und 8): 63 von ursprünglich 96 Pergamentblätter, das erste Blatt fehlt, Waldburg Wolfegg (1997), S. 15/16. Hutchison (1985b), S. 205: „Mit Rezepten für diverse Liebestränke (fol. 31b) und der satirischen Zeichnung einer von mannstollen Frauen bewohnten Minneburg (fol. 23b-24a), einem pornographischen Liebesgarten (fol. 24b-25a), der sich an einen Stich des Meisters E.S. anlehnt, und einem Badehaus mit Besuchern beiderlei Geschlechts (fol. 18b-19a) geht die Handschrift über den Rahmen der üblichen Familienalmanache hinaus.“ 213 Die Bezeichnung als Hausbuch erhielt die Handschrift durch den ersten Bearbeiter von Retberg (1865). Es handelt sich dabei um spätmittelalterliche Textsammlungen, vgl. Meyer (2007); Hutchison (1985a), S 23. 214 Hausbuch (1997), Kommentarband, S. 24. 215 Lindgren (2000), S. 11 spricht von einem „Exaktheitseindruck“, der durch die technische Sachlichkeit, durch Verbesserung in der perspektivischen Darstellung sowie die durchgehende Verwendung von Lineal und Zirkel und über die Darstellung von Vierkanthölzern erzeugt wird. Suhling (1983), S. 148–157; Bartels (1990), S. 20; Kraschewski (1989), S. 41–57. Popplow (2001a), S. 57–61 zu den Erfinderprivilegien im Umfeld von Wasserhebewerken und Mühlwerken und den Begriff der Neuerung. 216 Hutchison (1985b), S. 205; Waldburg Wolfegg (1997), S. 77, Hausbuch (1997), Kommentarband, S. 29/30. 217 Leemans (2020), S. 36–38 betont die Vernetzbarkeit, Anschlussfähigkeit und Wechselbeziehungen unterschiedlicher frühneuzeitlichen Wissensbereiche, die vor allem in handschriftlichen Kompilationen, die sowohl persönliche Interessenfelder als auch die Verfügbarkeit von Texten protokollieren, sichtbar werden. 218 Schmidt (1922), S. XI/XII; Heller (2000). 219 Anders als beispielsweise im Großen Probierbuch von Lazarus Ercker von 1580, Ercker (1960), wo sich genaue Anweisungen beispielsweise zum Bau von Probieröfen (S. 49–53) sowie die detaillierte Schilderung aller weiteren Instrumente und Handlungsanleitungen zum Probieren von Erzen finden. 220 Waldburg Wolfegg (1997), S. 101 weist darauf hin, dass es auf den Blättern keinen Platz für einen erläuternden Text gab und das Verständnis der Zeichnungen erhebliches Vorwissen voraussetzt. 221 Waldburg Wolfegg (1997), S. 13 und S. 103–106. 222 Hess (2004), S. 228 nennt als möglichen Besitzer Martin Rosentalen, der „neben Büchsen und Salpeter auch Zinn, Messing sowie Luxusgegenstände (Pergamente, Gold „Tafeln“, Lasur) an den kaiserlichen Hof in Innsbruck lieferte.“ 223 Kuttenberger Graduale (Kuttenberg / Böhmen ca. 1490) (= das „Titelblatt“ bei Matejková), http:// cantica.kh.cz/grad/viden/viden_kh1_v.jpg [aufgerufen 25. November 2019]. Österreichische Nationalbibliothek, Mus. Hs. 15.501. Das Graduale (Antiphonarium missae, Meßgesänge) war für die Nutzung in der St. Jakobs-Kirche in Kutná Hora (Kuttenberg) bestimmt. Die Datierung erfolgt aufgrund der stilistischen Nähe zum 1490 datierten Smísek-Graduale, fol. 316r (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Suppl mus. 15.492 (Cod. Ser. n. 2657); Kunst (1975), S. 62; Meisterwerke (1990), S. 180–184; Slotta (1994), S. 162; Studnicková (2004), S. 125, Abb. 2, S. 126, zeigt fol. 150v, mit der G-Initiale, darin das Bildnis des Stifterehepaars mit Kindern und dem – bis heute nicht identifizierten – (Patrizier)-Wappen der Familie. In der Forschung wird zudem diskutiert, ob sie die dort sichtbaren Buchstaben W und L auf die Könige Wladislaw und Ludwig Jagiello beziehen

168 I Handsteine

lassen, vgl. Fritzsch (1960); Fritzsch (1967) v. a. S. 10–16 mit der Abbildung der Bergknappen in den Initialen; Richter (2002), S. 189–200; Bonchino (2010), S. 241–243; Matejková (2011). 224 Kuttenberger Antiphonale (Kuttenberg / Böhmen 1471), von Valentin Noh illuminiert, Prag, Národní knihova, XXIII A2. http://cantica.kh.cz/grad/antifonar/nknih2_v.jpg [aufgerufen 2. Januar 2020], vgl. Fritzsch (1967), S. 4–6, mit Hinweis darauf, dass bei allen drei Blättern „die Ordnung und zeitliche Reihung dem Betrachter überlassen bleibt“ – ein Merkmal vieler Bergwerksdarstellungen. 225 Studnicková (2004), S. 132/133. 226 Ludwig (1989), S. 133–136. 227 Le Graduel de Saint-Dié, 750 mm x 54 mm, 361 Blatt, zwischen 1505 und 1515. Auf fol. 338 findet sich die Darstellung eines Silberbergwerks. http://www1.arkhenum.fr/images/bm_saint_die_ms/ images/oeb/ms074/ [aufgerufen 18. November 2018]. Wilsdorf (1987a), Abb. 62, Ausschnitt aus fol. 103; Ronsin (1982); Bari (1982); Meisterwerke (1990), S. 184–188; Kat. Nr. 6.2. in: Agricola (1994), S. 275 mit Abb.; Francis (2008), S. 62–67. 228 Lehmann (2010), S. 44. Zur Bedeutung von Jean und Vautrin Lud u. a. beim Aufbau des Gymnasiusm Vosagense, eines Gelehrtenzirkels in St. Dié Lehmann (2010) S. 43–57. Hier arbeiteten Martin Waldseemüller und Matthias Ringmann an der Neuausgabe der Geographie von Ptolemaios, ­bevor sie 1507 als gemeinschaftliches Werk ihre Einführung in die Kartographie/Kosmographie zusammen mit der berühmten Weltkarte und dem Segmentglobus veröffentlichten; Vautrin Lud war an der Publikation beteiligt. 229 Save (1889), S. 264. 230 Terribilis est locus iste. Hic domus Dei est et porta caeli et vocabitur aula Dei (Genesis 28, 17) Quam dilecta tabernacula tua, Domine, virtutum! concupiscit et deficit anima mea in atria Domini (Psalm 83, Luther 84), sowie Locus iste a Deo factus est, inaestimabile sacramentum, irreprehensibilis est aus dem gregorianischen Choral-Repertoire. 231 Paris, École nationale des Beaux-Arts, ausführlich dazu Bergbuch (1962). 232 Residenz München, Schatzkammer, Inv.-Nr.  ResMüSch.0043, Rappoltsteiner Pokal von Georg ­Kobenhaupt (durch Beschauzeichen und Meistermarke); vergoldetes Silber, teilweise geschmelzt. Höhe 75 cm, Durchmesser 22,5 cm; Meisterwerke (1990), Kat. Nr. 229, S. 514–518 (Rainer Slotta); Müller-Schnepper (2014). 233 Slotta in Meisterwerke (1990), S. 514; Bergbuch (1962), S. 13. 234 Slotta (2008), Sp. 272 nennt als weitere Artefakte, die „aus Anlass bedeutender Metallfunde oder zur Repräsentation geschaffen wurden“ aus dem 16. Jahrhundert die Goslarer Bergkanne (1477), den Holzschuher-Pokal (vor 1540) und den Rappoltsteiner Pokal (1543); Meisterwerke (1990), S. 490–558. 235 Slotta in Meisterwerke (1990), S. 514. Zum Programm des Pokals gehören die Statuetten von Spes (Hoffnung), Fides (Glaube) und der Caritas (Liebe) in Nischen sowie sechs Reliefs mit Darstellungen altrömischer Helden, Müller-Schnepper (2014), S. 242/243. Am Deckel sechs runde Reliefs mit den Taten des Herkules, im Deckelknauf die Figur von König David; darüber ein Globus mit Tierkreiszeichen und reitender Fortuna. Die Fortuna weist im Umfeld des Bergbaus auf die Risiken und Gewinnaussichten, die die Anlage einer Grube umgeben, Asmussen (2016b). 236 Wie Haubensack in seinem Brief an Münster darlegt, ist er über seinen Freund, den Hüttenschreiber Jobst Heilmann, auf die Cosmographie aufmerksam gemacht worden und übersendet seinen Bericht über die Bergwerke – insbesondere den Abbau im Lebertal, Münster (1550), S. 527/528; Bergbuch (1962), S. 62–64. 237 Brunner (1970); Müller-Schnepper (2014) schlägt aufgrund der Abhängigkeit der Herkulestaten von einer Stichserie von Heinrich Aldegrever eine Datierung „nach 1550 bis 1563“ vor und vermu-

Anmerkungen I 169

tet als Auftraggeber Egenolph von Rappoltstein (1527–1585) – entgegen der bisherigen Datierung auf 1543, die als Entstehungsgrund die in diesem Jahr stattfindende Doppelhochzeit von Georg II. von Rappoltstein mit Elisabeth von Helfenstein und Johanna von Rappoltstein mit Georg IV. von Waldburg-Wolfegg vermutet. 238 Münster (1550), S. 529. 239 Münster (1550), S. 526: Von Bergwerck so in Teutscher nation und befunden im Elsaß zu unseren zeiten gefunden und was wunderbarliche ding darin gesehen werden. 240 Münster (1550), S. 529/530. 241 Westermann (2005), S. 48 mit Bezug auf die Goldene Bulle von 1356, in der das landesherrliche Bergregal definiert wurde; zum Lebertaler Revier S. 50. Zu einem Konflikt zwischen Rappoltstein und Habsburg 1549 Müller-Schnepper (2014), S. 238/239. 242 Müller-Schnepper (2014), S. 240/241 deutet die sechzehn Wappen in Hinterglasmalerei am Pokal als Visualisierung des Netzwerks der reformatorisch gesinnten Häuser in Opposition zum Haus Habsburg und datiert den Pokal auf 1562/1563. 243 Zeitz, Historischen Stiftsbibliothek, Hs mscr. qu. 79. 244 Rothe (1966), S. 210 und 265/266 sowie s/w Abbildung Tafel 111.

https://archive.thulb.uni-jena.de/korax/receive/Korax_cbu_00001315 [aufgerufen 2. Januar 2020]. Die Handschrift gelangte in die Büchersammlung des Naumburger Bischofs Julius Pflug (gest. 1564), der nach dem Tod von Georgius Agricola 1555 dessen Körper aus dem evangelischen Chemnitz nach Zeitz überführte, um den katholisch gebliebenen Bergbautheoretiker im dortigen Dom begraben zu lassen. Zu Albertus Magnus Riddle (1980) und Bartels (2002).

245 Ludwig (1992), S. 40–47 zum Erfahrungswissen von Albertus Magnus; Zimmermann (1995), S. 71– 73. Wie Albertus selbst bezeugt, hat er auf seinen Reisen vor 1245 Montanregionen besucht: „Für einige Zeit wurde ich ein Wanderer und machte lange Reisen zu Bergbaurevieren, so dass ich die Natur der Metalle aus eigener Erfahrung kennenlernen konnte.“ (Exul enim aliquando factus fui, longe vadens ad loca metallica ut experiri possim naturas metallorum), zitiert nach Bartels (2002), S. 27. Vermutlich erschloss er sich über Hildesheim den Harzer Bergbau im Rammelsberg bei Goslar, über Straßburg die Bergbaugebiete in den Vogesen und im Schwarzwald und über Köln die Bergbaugebiete im Siegerland und Bergischen Land; sollte er auch Freiberg besucht haben, hätte er auch die sächsischen Bergbaugebiete kennengelernt. Fries betont die weite Verbreitung von De Mineralibus, das in über 100 handschriftlichen Textzeugen überliefert ist, Albertus (1981), S. 257. 246 Die Handschrift war wohl Teil einer heute nicht mehr erhaltenen Kompilation von zwei oder mehreren Handschriften mit Texten des Albertus Magnus, https://archive.thulb.uni-jena.de/korax/ receive/Korax_cbu_00001315 [aufgerufen 28. Juni 2018]. 247 Rothe (1966), S. 265 nennt den Schlussvermerk auf fol. 219r: „Expliciunt libri mineralium Alberti Magni Christo propritio per me Michaelem Foresii anno 1484, 27. Juni. In Czabernia Alsacie ­Germanor(um) illustrisimo ac reverendissimo D. Alberto duci Bavarie et Argen(torati) E(pisco)po elsacie a lantgravio sexto pontificatus sui a(n)no favente cum gr(ati)a. 248 Slotta/Stewing (2007). 249 Edition und Bearbeitungen von Sisco/Smith (1949) und Wilsdorf (1954); Pieper (1955a); allgemeine Literatur zum Bergbuch/den Probierbüchern bei Darmstädter (1926); Baumgärtel (1965); Pforr (1996); Long (2001), S. 176–178; Guntau (2004); Hünecke (2014). 250 Im Buch finden sich zwei geometrische Figuren (Himmelsrichtungen sowie die Anleitung zur Nutzung einer Taschensonnenuhr als Bergkompass) und zehn Bilder „zur Erläuterung des Verhaltens von Berggängen“, Pieper (1955a), S. 195; Kellenbenz (1991b), S. 42; Suhling (1994) nimmt einige ungedruckte Schmelzbücher in den Blick.

170 I Handsteine

251 Loesche (1909), S. 68. 252 Daniel als Bergverständiger kommt als Gesprächspartner auch in Rülein von Calws Bergbüchlein (zuerst 1501, Leipzig) vor. Pieper (1955a), S. 183; Heilfurth (1953), S. 247–260. 253 Mathesius (1562), Vorrede, fol 3v (ohne Seitenzählung): „Nach dem aber bey ehrlichen Bergkleuten, ein alter, löblicher und zugelaßner brauch ist, da in Gott reich Ertz und schöne handtstein bescheret, dieselbigen frembden Herrn, Bergkleuten unnd iren gewercken fürzutragen, und sie mit schönen greuplein, mit vorwissen der vorgesatzten Amptleute oder gewercken, die zumal eygen zechen bawen, zuverehren, habe ich als ein Bergprediger auch hiemit etlich tröge meines Ertzes in dieser meiner Bergpostil, ehrlichen Bergherrn unnd Bergleuten fürtragen, unnd mit geschriebenen handsteinlein, stüflein und greuplein, günstiglich verehren und begaben wöllen [...].“ 254 Vogel (1959); Fischer (1969); Fischer (1970a); Fischer (1970b); Sturm (1973), S. 3–13; Dufek (2004); Dym (2006); Haug (2014). 255 Kaufhold (2004), S. VII zur Definition der Sonderform „Bergstadt“. 256 Bartels/Bingener (2006), S. 816/817. 257 Einen tabellarischen Überblick über die Entwicklung von Sankt Joachimsthal von 1516 bis 1601 (Einwohnerzahlen, Häuser, Gruben, Ausbeute in Silber und in Geldwert) bei Altmann (2006), S. 22/23. Knopf (1910), S. 14 gibt an, dass von 1516 bis 1617 die Ausbeute der Sankt Joachimsthaler Gruben zusammen 4 757 165 Taler betrug; allein im Jahr 1518 61 530 Gulden; Mathesius beziffert die Ausbeute zwischen 1515 bis 1560 auf 40 Tonnen Gold, was 4 049 568 Gulden entspricht. 258 Schmid (1806), S. 9/10 zitiert die Einleitung Agricolas zum Bermannus, in dem der Autor ausführt, dass es die medizinische Kenntnis der metallischen Substanzen war, die ihn bewog, sein Studium in diesem Bereich zu vertiefen: „Diese Lücke in der Heilkunst mit der Zeit vielleicht auszufüllen war vorzüglich ein Grund mit, welcher mich bewog einen Bergort zu meinem Aufenthalt zu wählen.“ 259 Mathesius (1562), fol. 164v bis 167r. 260 Kirnbauer (1954), S. 7 nennt ihn „Prediger-Ingenieur“ und „Pfarrherr des Bergbaus“. Mathesius veröffentlichte schon 1553 seine Predigt „Von den alten freyen Christlichen Bergleuten zu Philippi“ in Wittenberg, die den Nukleus seiner Texte bildet, die er zur „Sarepta oder Bergpostill“ ausbaute; nach der Erstausgabe Nürnberg 1562 erschienen weitere Auflagen 1564, 1565, 1571, 1587. 261 In der 15. Predigt behandelt er zudem das Glas und folgt dabei einer tradierten Ordnungsvorstellung, die diesen Kunst-Stoff als Varianz der Steine abhandelt. 262 Kirnbauer (1954), S. 8/9: „Mathesius war der erste, der technische Dinge, vor allem die bergbau­ liche Arbeitsweise, mit Dingen des religiösen Lebens in gedankliche Verbindung brachte [...].“ Weinreich (1932), S. 31; Zorach (1999), S. 125: „Indeed, precious metals are the very currency of metaphor in their protean potential to be „liquidated“ and remade into as many different shapes as the sophistication of techniques will allow.“ 263 Mathesius verfügte über umfassendes theologische Wissen, war ein profunder Kenner von Mineralen und den zeitgenössischen Theorien zur Entstehung der Metalle; zudem hatte er Einblick in die Verhüttungsprozesse, Suhling (1994), S. 456. 264 Boettcher (2000), S. 164. 265 Boettcher (2000), S.  166: Mathesius immatrikulierte sich dort mithilfe eines Stipendiums und hörte Luther, Melanchthon, Bugenhagen und Jonas; danach zog er nach Altenburg als Schuldiener, später Rektor. 266 Mathesius berichtet über seine Bergwerksanteile in der 11. Predigt, fol. 167r: „Mandelbaum, Eybenstocker, Brotesser, Ertzbrunne, Sanct Georg im glück [das sind Namen von Stollen im Revier von Sankt Joachimsthal] haben mich zu Wittenberg verlegt, unnd meine Lieberey anrichten helffen“ vgl. Sturm (1964), v. a. S. 5–11.

Anmerkungen I 171

267 Mathesius (1566), Die sechtzehend predig / von Doctor Lutheri seligen Berghistorien und sprüchen / zu ehren dem löblich bergwerck inn S. Jochimßthal; Volz (1930); Weinreich (1932); Wolf (1969); Boettcher (2000). 268 Mathesius (1566), fol. 222v. Auf fol. 220v berichtet Mathesius: „Ich hab auch den Doctor hören einer stuffe / oder schönes schifern gedencken / der zu Manßfeldt gebrochen / damit er verehret ward.“ Hylla (2016), S. 18. 269 Mathesius (1566), fol. 220v/221r berichtet von einem bei Eisleben brechenden schwarzen Schiefer, der Kupfer und Silber führt „unnd wie Gott unnd die natur ihr lustige kurtzweyl auch unter der erden haben / bilden sich allerley fischgestalt in die schifer.“ Es handelt sich hier um Versteinerungen, die Mathesius als Spielarten der Natur und Gott ausweist; sehr aussagekräftigt im Sinne einer antipäpstlichen Propaganda bringt er ein im Stein gefundenes Papstbildnis mit Martin Luther in Verbindung: „der Bapst / sagt er / sol offenbar werden / und solts durch ein bergman gesschehen von Manßfeld / [...] und sein thorheyt vollend aller welt fürstellen / das menniglich erkenne / er sey nicht von eben herab außm Himel / sondern von unten auff außm aller tieffsten herkommen.“ Es ist hier erneut Luther als Bergmann aus dem Manfelder Land, der die wahre Natur des Papstes in den unterirdischen Funden erkennen kann – und offenbart, dass der Papst nicht dem Himmel, sondern dem Reich des Teufels entstammt. 270 Lüschen (1968), S. 305: „Der Name umfasst zwei verschiedene, aber ähnlich aussehende und erst von der späteren Mineralogie genau unterschiedene gesuchte Silbererze, nicht die allerreichsten, aber immerhin solche, die über die Hälfte des Gewichts an Silber enthalten können. [...] Werner unterschiede Dunkles und Lichtes Rotgiltigerz. Das dunkle (die häufigere Antimonsilberblende, Ag3SbS3) wurde (1831) von Glockner Pyrargyrit genannt [...]. Das Lichte Rotgültig (die seltenere Arsensilberblende, Ag3AsS3) wurde (1832) von Beudant Proustit genannt nach dem französischen Chemiker J. L. Proust.“ 271 Mathesius (1562), 3. Predigt Von ursprung zu und abnehmen der Metallen, fol. 40v. 272 Agricola (1958), De natura fossilium (1546), Buch 10, S.  250–252 zu Glaserz, Bleierz bzw. Silberglanz und zu Rotgültigerz und seinen Formen im Kapitel zu den Gemischen und Verbindungen. 273 De Ortu et Causis Subterraneorum Libri V, Agricola (1956), Buch 5, S. 186; 1544, S. 81. „Gemisch“ definiert Agricola: „Ein Gemisch entsteht, wenn entweder ein Gemenge, aus dem irgendein einzelnes Erz erzeugt wird, oder eine zähflüssige feuchte Substanz mit einem anderen Gemenge, aus dem Stein entsteht, vermischt und ebenfalls durch Kälte zusammengewachsen sind, oder wenn einem metallischen Gemenge eine Erde beigemischt wird, die seine reine Masse mit einer Farbe tränkt.“ 274 Thalheim, Klaus: Kat. Nr. 2.50, Akanthit (Argentit, Silberglanz, Glaserz) Ag2S, in: Dresden & Ambras (2012), S. 173 mit Farbabbildung. Provenienz aus Schneeberg, Grube St. Georg, Silberfund von 1477 (Silberner Tisch), heute in Dresden, Senckenberg Naturhistorische Sammlungen, Museum für Mineralogie und Geologie, Mineralogische Sammlung, Inv. Nr. Min 4027 Sa. 275 Entdeckung (2006), Kat. Nr. 3.8 (Gerhard Niedermayr), S. 163/164, mit Farbabbildung – eine erhaltene Argentitstufe aus Sankt Joachimsthal aus dem Beständen der Kunstsammlung in Ambras, heute in Wien, Naturhistorisches Museum, Mineralogisch-Petrographische Abteilung, Inv. Nr. C 1623; diese Stufe wurde im Inventar der Ambraser Sammlung von 1596 als „Silber ärtz“ bzw. als „glas ärzt“ bezeichnet. 276 Lüschen (1968), S. 227/228: „Alter Bergwerksname, seit dem 16. Jahrhundert belegt, für das sehr gesuchte Schwefelsilber (Ag2S). [...] Ein anderer alter Bergmannsname ist Weichgewächs, bezüglich auf die außerordentliche Geschmeidigkeit und Schneidbarkeit ähnlich dem Blei.“ Kirchheimer (1972), S. 1423.

172 I Handsteine

277 In der mittleren der drei Teufzonen findet sich Speiskobalt, Rotnickelkeis, gediegen Wismut, Wismutglanz, Arsenkies, gediegen Arsen und Weißnickelkies (Kobalt-, Nickel-, Wismut- und Arsenzone). Die dritte Zone (Uranium Radium) war im 16.  Jahrhundert noch nicht aufgeschlossen, Prescher (1955), S. 9; Schreiter (1927), S. 64–66 zum Sankt Joachimsthaler Revier. Rauch (2007), S. 25 meint, dass mit den Begriffen silber ärzt und glas ärzt neben Argentit auch Stephanit bezeichnet wurde – eigentlich wurde dieses Mineral als Sprödglaserz und Röschgewächs bezeichnet, vgl. dazu Lüschen (1968), S. 326, Sprödglaserz/Röschgewächs Ag5SbS4: „Die beiden Namen sind nicht an sich einleuchtend, sondern nur im Vergleich mit dem geschmeidigeren Weichgewächs, dem Silberglanz. [...] Auch Schwarzgültigerz, Schwarzgülden, seltener Schwarzerz genannt, nach Analogie und zum Unterschied von Rotgülden, wegen der bleigrauen bis eisenschwarzen Farbe.“ 278 Huber (1995), S. 61. 279 Gstrein (1990b), S. 49 zur Lage der Schwazer Bergbaureviere. 280 Mutschlechner (1990), S. 242/243. 281 Gstrein (1990a), S. 56 zu gediegenem Silber (Ag): „Ältere Meldungen, die von reichen, reinen Silberfunden in den Bauen am Falkenstein berichten, müssen angezweifelt werden. Die Schwazer Fahlerze können jedoch bis 0,85 % Silber enthalten, und am Schwazer Eisenstein hat es ja wirklich reiche Silbererze gegeben – aber wohl nicht in Form von gediegenem Silber.“ 282 Gstrein (1990a), S. 56; Mutschlechner (1990), S. 239 zu den Revieren. 283 Gstrein (1990a), S. 58/59; zu Pyrargyrit bzw. Proustit (Rotgültiger Erz) Gstrein (1990a), S. 59: „Ein angebliches Auftreten in „lichten Dolomiten“ erscheint fraglich.“ Am Falkenstein findet sich hingegen weder Argentit noch Proustit, Mutschlechner (1990), S. 242: „Das im Falkensteiner Revier vorkommende Erz ist ein graues Fahlerz und ein Silber und Quecksilber enthaltendes Kupfer Antimon Fahlerz, das man auch Schwazit genannt hat.“ 284 Nöh (1951), S. 126–135. 285 Bartels/Bingener (2006), S. 621; Gstrein (1990a), S. 56: „Die Gruben um Schwaz waren nicht nur wegen ihres stellenweise enormen Fahlerzreichtums berühmt. Alte Mineraliensammlungen können auch seltene, prächtig ausgebildete Mineralstufen vorweisen. Zudem traten Malachit und Azurit in so großen Mengen auf, dass sie – fein aufgemahlen – der Zubereitung von Farben dienten, die bis Mittelitalien und in den nordbayerischen Raum verkauft wurden. Der Handel mit diesen „Lasursteinen“ war Monopol des Landesfürsten.“ 286 Mutschlechner (1990), S. 231. 287 Primisser (1819), S. 171/172 deutet die Handsteine „als sprechende Beweise von dem ehemaligen Reichthume der Silbergruben zu Schwaz in Tirol“ und weist daraufhin, dass „mehrere handschriftliche Nachrichten diese Handsteine ausdrücklich Schwazerisches Glaserz“ nennen. Planiscig/ Kris (1935), S. 40 vermuten die Herkunft der Wiener Handsteine im KHM aus sowohl Tiroler als auch Böhmischen Gruben, Quellmalz (1969), S. 14 nennt als mögliche Produktionsorte Schwaz in Tirol, Sankt Joachimsthal im böhmischen, die Bergstädte Schemnitz (Banská Štiavnica) und Kremnitz (Kremnica) im ungarischen (heute slowakischen) Erzgebirge oder auch (als Herkunftsort des Materials) die Silbergruben im sächsischen Schneeberg und damit alle bedeutenden frühneuzeitlichen Bergbauregionen. Die historisch ungarische, heute slowakische Bergbauregion umfasst die genannten beiden Städte Schemnitz/Banská Štiavnica und Kremnitz/ Kremnica sowie Neusohl/ Banská Bystrica, Königsberg/Nová Baňa, Pukanz/Pukanec, Dilln/Banská Belá und Libethen/ Ľubietová; sie wurde am 1. Juli 1548 der Verwaltung von Kaiser Ferdinand I. (1503–1564) unterstellt. Aus dieser Gegend aber sind keine frühneuzeitlichen Handsteine überliefert, die erhaltenen mehr als zwanzig Exemplare stammen aus dem 18. Jahrhundert und zeigen einen anderen Aufbau, Balážová (2017), S. 23.

Anmerkungen I 173

288 Huber (1995), S. 58 geht davon aus, dass die ersten Handsteine in Sankt Joachimsthal hergestellt worden sind. Auch Distelberger (1985), S. 273 vermutet, dass der Großteil der Sammlung von Ferdinand II. von dort stammt. 289 Agricola (1530), S. 15: „Tribuimus vero Bermannus metallici personam.“ 290 Agricola (1955), S. 114, Bermannus 1530, S. 69. 291 Agricola (1955), S. 114, Bermannus 1530, S. 69: „Denn ihr wisst ja, dass der Schmelzprozess dazu gehört, dass Silber die eigentliche Silberfarbe annimmt, und diese Silberfarbe spielt ins Weiße, was euch bekannt ist.“ Beretta (1993), S. 78–93, v. a. S. 88. 292 Agricola (1530), S. 70. 293 Hylla (2016), S. 16, Anmerkung 48 weist darauf hin, dass Agricola zwar das Erz genau beschreibt, ihm aber möglicherweise nicht bekannt ist, dass das Material unter Lichteinstrahlung seine rote Farbe verliert und gräulich wird: „Das blaue Anlaufen des Proustit und Pyrargyrit ist bereits die erste Phase dieser Umwandlung, denn Akanthit wächst auf den roten Kristallen. Viele Handsteine haben deshalb ihre ursprüngliche Färbung verloren.“ 294 Agricola (1955), S. 115/116, Bermannus 1530, S. 70/71 mit Anmerkung 24 zu Agricolas Wahrnehmung von Rotgültigerz; der letzte Abschnitt lautet im Original: „[...] videtur [...] mihi natura ipsa tantis operibus perficiendis quasi defessa, iucundissimis picturæ floribus se recreasse. Atque haud scio an ars summo etiam conatu eam pulchritudines assequi possit.“ 295 Agricola (1955), S.  118; Agricola (1530), S.  73; der letzte Teil des Absatzes lautet im Original: „Praæterea in modum virgulam excrescit, ac varias quasdam figuras mentitur. Vidimus apud Bartholomæum Bacchum ex fodina, cui Constantino nomen esse ante diximus, effossum, quod plane referebat ligonem & malleum, quæ instrumenta metallica funt. Crederes apud Fabrum argentarium ita conflata. Sic natura lusus suos exercere videtur, nisi quis istiusmodi fortuito fieri (S. 74) malit.“ 296 Biringuccio (1925), S. 17; zu Biringuccio im Kontext der Bergbauliteratur u. a. Long (2001), S. 178– 182. 297 Mathesius (1562), 3. Predigt Von ursprung zu und abnehmen der Metallen, fol. 46r. 298 Mathesius (1562), 11. Predigt, fol. 166r. 299 Agricola (1955), S. 122, Bermannus 1530, S. 78/79. 300 Mathesius (1562), 3. Predigt Von ursprung zu und abnehmen der Metallen, fol. 44v. 301 Zur Samen-Theorie, die auch Palissy diskutiert Adams (1934), S. 388–390. 302 Mathesius (1562), 3. Predigt Von ursprung zu und abnehmen der Metallen, fol. 44v. 303 Agricola (1955), S. 124/125, Bermannus 1530, S. 81/82. Naevius antwortet darauf: „Solche Kunstwerke der Natur können einen der Betrachtung der Welt hingegebenen Mann [philosophus] allerdings sehr ergötzen.“ 304 Bartels (2002), S. 39/40. Bartels zitiert die gedruckte Ausgabe De Mineralibus et Rebus Metallicis libri Quinque Auctore Alberto Magno summo Philosopho, Köln 1569 bei Johann Birckmann und Theodor Baum sowie Albertus (1967), S. 220/221: „Argentum autem quattuor modis invenimus generari, et forte pluribus generatur in terris aliis. Sed istos quattuor modos invenimus in terra Theuroniae: ego autem ipsum inveni in lapide, toti lapidi incorportatum, quod educetur per calcinationem molendini et ignem, sicut est dictum de auro lapidi incorporato. Inveni enim ipsum in venam quandam quae per lapidis substantiam pertendebatur et erat aliquantulum purius sed tamen aliquantulum de calce lapidis habuit admistum. Invenitur autem in terra, ut vena quaendam et purius quam aliquod iventum in lapide, invenitur enim in loco Theutoniae qui dictur Wriesberg quod sonat liber mons aliquando molle sicut pultes tenaces et es purissimum optimum genus argenti parvum habens de faece valde, ac si per inustriam naturae sit depuratum.” 305 Kessler (2011), S. 55.

174 I Handsteine

306 Zitiert nach Salerno (1963), S. 199/200: „Simil cose non son tutte della natura né tutte dell’arte, ma vi hanno ambedue parte, aiutandosi l’una l’altra, come per dare un esempio la natura da il suo diamante, o carbonchio o cristallo, et riunite altra materia rozza et informe, et l’arte gli pulisce, riquadra, intaglia atcetera“ (Vincenzo Borghini. Invenzione per Sua Altezza, stanzini). 307 Wien, KHM, Inv. Nr. KK_4148. 308 Mit Bezug zu Tizian Wagner (2019), S. 245 und 256. 309 Ernsting (1994b) zu Agricolas Blick auf die Natur als Künstlerin, S. 133: „Die Achate schließlich bieten dank ihrer oft schlierigen Farbstruktur die reichsten „Bildersammlungen“, von denen Agricola neben der antiken Überlieferung, darunter einer Darstellung der „neun Musen und Apollon mit der Zither, nicht künstlich, sondern von der Natur allein gebildet“, viele aus unmittelbarer Anschauung kannte.“ 310 Nordrum (1995) mit Abbildungen; zu den Formen von Silber Weiner (1995), der S. 14/ 15 auch Silberdrähte und Silberlocken im Wachstum erklärt; Hylla (2018), S. 131 nennt eine Medaille, auf die natürliche Silberlocken aufgelötet wurden. 311 Wien, KHM, KK_4136. Braun (1917), S. 428; Abbildung 6 bei Sturm (1933), im ND von 1965; Huber (1995), S. 58 mit Abbildung. 312 Wien, KHM, KK_4139. 313 Wien, KHM, KK_4148. 314 Wien, KHM, KK_4152. 315 Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. VI 8ff. Huber (1995), S. 59. 316 von Wurzbach (1866), S. 310–314. Der Sohn von Nikolaus II. von Hassenstein und Magdalena von Thörring, Jaroslaw II. (1483–1529), heiratete 1501 Margareta, Tochter von Heinrich, Burggraf zu Meissen. 317 Johannes Mathesius. Die zehende Hochzeytpredigt / von dem alten Goldarbeyter und Steinschneyder Bezaleel, in: Vom Ehestandt, Vnd Haußwesen, Fünfftzehen Hochzeytpredigten. M. Johannis Matthesij / Pfarrners in S. Joachimsthal, gedruckt bei Johann vom Berg und Ulrich Neuber in Nürnberg 1563 http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1–470694 [aufgerufen 2. Januar 2020]; ohne Seitenzahl, im Digitalisat [254–286], hier S. [278/279]. Weitere Auflagen erschienen in rascher Folge in den Jahren 1564, 1567, 1569, 1572, 1575; Mathesius (1897), Band 2, S. 185/186; Braun (1917), S. 425. 318 Das Titelblatt nennt den Berichtszeitraum: „vom XVI Jar an / biß zu ende des LXI. Jars“, also von 1516 bis 1561; Mathesius verstarb 1565, erst in der vierten Auflage von 1578 wird die Chronik weitergeführt. 319 Wien, Albertina, Inv. Nr. 5138; 27,4 x 14,3 cm. Schönbrunner/Meder (1896), Nr. 629; Braun (1917), S. 422–424, dort Abb. S. 423; Kris (1926), S. 177, Abb. 127; Katz (1932), Tafel XXVI, Abbildung; Albertina (1933), Nr. 354; 320 Distelberger (1985), S. 273. 321 Braun (1935), S. 54/55 mit Abbildung S. 58 und S. 59. Bock (1929), Nr. 358, S. 102, Abb. Tafel 128 lokalisiert den Entwurf – wohl auch aufgrund der montanistischen Thematik – nach Sachsen. 322 Zeichnen (2014), Kat. Nr. 28, Abb. S. 310, S. 26 mit Verweis auf Christoph II. Scheurl, der mit dem Bergbau und Sankt Joachimsthal in Verbindung und Baier in Kontakt stand [Eintrag von Manuel Teget-Welz]; Slotta (1985), S. 209; Meisterwerke (1990), S. 189/190, Kat. Nr. 21. 323 Bange (1936), Tafel bei S. 188; Thöne (1944), S. 43 mit Abbildung. 324 Aufgang (1952), Kat. Nr. T 14, S. 177. Inv. Nr. 16/348 und 16/349; die Darstellung der Bergwerksarbeiten hat die Maße 5,9 mal 10 cm, die des Alchemisten 5,8 mal 6,6 cm. Die Arbeiten werden aber auch dem Meister der Bergwerksdarstellungen (süddeutsch, um 1540) zugeschrieben. 325 Braun (1921), S. 129; Katz (1932), S. 29/30 zur vorherrschenden Technik der Prägung bei den erzgebirgischen Medaillen. Aufgrund einer Fehllesung des Monogramms kursiert in der älteren Litera-

Anmerkungen I 175

tur ein Meister G W, so beispielsweise bei Erman (1884), S. 45; vgl. auch Fiala (1889), S. 488–490, Nr. 4302–4322: Meister GW; im Anschluss dann CW (ligiert), S. 490/491, Nr. 4323–4329; Katz (1932), S. 113–140; Hylla (2016), S. 33–39 zur Jeremias-Medaille von Concz Welcz im Münzkabinett Dresden aus Glaserz. Katz (1932), S. 113–140 verzeichnet die gesamte Medaillenproduktion von Welcz. 326 Braun (1917) S. 426 mit Hinweis auf den „Kunst- und Medaillenkatalog“ von Dr. Eugen Merzbacher, München, 1900, Nr.  270; und Fiala (1889), Nr.  4310 [dort erneut als Meister G W]; Katz (1932), S. 128, Nr. 228 und 229. 327 Katz (1932), S. 129, Nr. 231. 328 Katz (1932), S. 129/130, Nr. 233. 329 Avers: Abendmahl mit dem Monogramm auf einer Tafel an einer Säule rechts, revers die Inschrift. Braun (1920), S. 212: erhalten in zwei Nachgüssen: Wien, Kunsthistorisches Museum (aus Ambras), Bleikopie; München, Münzkabinett, Bronzeabguss. 330 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, avers: Kinder- und Totenkopf mit der Inschrift VON ERDEN BIN ICH GEMACHT VND DIE WVRMER WERDEN MEIN FLEISCH ESSEN, revers: Putto, auf einen Himmelsglobus gestützt, darauf ein Stundenglas, NISCHT IST GEWISER DEN DER DODT NISCHT IST VNGEWISSER DEN DIE STVNDT; Braun (1920), S. 214. 331 Das Monogramm findet sich auf dem Sockel der Lukrezia-Szene, Braun (1917), S. 426. Fiala (1890), S. 262; Bernhart (1919), S. 24 vergleicht das im Coburger Museum verwahrte Brustbild von Kaiser Karl V. (datiert 1531) mit einer Medaille von 1537, die ebenfalls den Kaiser im dreiviertel Profil zeigt und mit CW signiert sei. 332 Vgl. Katz (1932), S. 172/173, Nr. 345–347. 333 Stredoslovenské múzeum, Banská Bystrica (Slowakei), Concz Welcz und Jamnitzer-Werkstatt, Medaille mit Lot und seinen Töchtern, eingesetzt in den Deckel des Planetenhumpens, um 1535 und 1570er-1580er Jahre, Silber, gegossen, ziseliert, vergoldet, Breite 47 mm, Balážová (2006), S. 131–140. 334 Verso die Schlacht von Pavia, Braun (1921), S. 132. Das Monogramm CW findet sich hier auf dem Dach des rechten vorderen Zeltes. Braun datiert auf nach 1547; Regling (1911), Nr. 642. 335 Sie wurden als Teil der Sammlung des Hofbuchdruckers Johann Ferdinand Ritter von Schoenfeld im Jahr 1860 bei Christies in London versteigert (Nr.  786 und 787). Braun (1921), S.  128/129 schreibt, dass sie sich in der Sammlung Thiers-Paris im Louvre befanden und das Relief mit der Darstellung von Karl V. noch vorhanden sei; die Reliefbildnisse seien anlässlich der Kaiserkrönung 1520 und Königskrönung 1531 entstanden. 336 Braun (1921), S. 132/133. 337 Regling (1930), S. 285 zu den Joachimsthaler Medaillen aus der Produktion der Goldschmiede Concz Welcz, Wolf Milicz, Nickel Milicz, Zacharias Kempf und der ehemals als Hieronymus Magdeburger, seit Erman (1884) und Fiala (1889) als Michael Hohenauer identifizierter Künstler. Fiala (1889) zu den Joachimsthaler Medaillen S.  482–508, darunter Ulrich (Utz ) Gebhart, S.  485, Nr. 4291–4293; David Enderlein/Michael Hohenauer, S. 486/487, Nr. 4296/4297; Ludwig Neufahrer, S. 487/488, Nr. 4298–4301; Meister GW/CW, S. 488–491, Nr. 4302–4329; Nickl Milic, S. 491/492, Nr. 4330–4332. 338 Fiala (1890), S. 247 („Die Schlick’schen Medailleure“, S. 246–264, zu Utz Gebhart, Meister Œ, Ludwig Neufahrer, Michael Hohenhauer, Meister GW und „Unbekannte Meister“). 339 Katz (1932), S. 13/14 verweist darauf, dass die Medaillen in unterschiedlichen Größen für unterschiedliche Käuferschichten gefertigt wurden und so auch für Bergleute erschwinglich waren. 340 Braun (1920), S. 215/216; Habich (1916), S. 124/125; Habich (1929), 1,1, Tafel 93 (XCIII). 341 Der Vergleich mit dem farbig gestalteten zweiten Wappen von Sankt Joachimsthal von 1546 macht deutlich, dass hier das rot-weiß-rote Bindenschildes (silberne Binde auf rotem Schild) der Habsburger als Herzöge von Österreich gemeint ist.

176 I Handsteine

342 Erhalten in einem Wachsabdruck des Kunstgewerbemuseums in Prag, Knopf (1910), S. 8, das dem zweiten Stadtwappen von Sankt Joachimsthal von 1546 entspricht (eingebunden zwischen S. 12 und 13); Melly (1846), S. 126, Nr. XVI (1545). 343 Auf Seite 17,1 der Abschrift des Trauungsbuchs von 1554–1573 von Sankt Joachimsthal findet sich – mit Aufgebot zum 6. Januar 1555 – der Eintrag von Caspar Ulich und Catharina, der Witwe (vidua) von Cuntz Wels, siehe: http://www.genealogienetz.de/reg/SUD/kb/joachimsthal-HB2index.pdf Band 3, [aufgerufen 29. Juni 2016]. 344 Mathesius (1578) ohne Seitenzahl, tabellarisch unter 1576 in der zweiten Spalte (Bergregiment) verzeichnet. 345 Neben den genannten Goldschmieden, die in Sankt Joachimsthal tätig waren (Concz Welcz, Caspar Ulich) ist in Annaberg Hieronymus Magdeburger (‚Vater’ der erzgebirgischen Medaille) als Meister zu nennen, Katz (1932), S. 18; auch Angehörige der Familie Milicz, darunter Wolf Milicz, Nickel Milicz und der Schwiegersohn Zacharias Kempf, arbeiten im Erzgebirge; der in Nürnberg tätige Goldschmied Hans Petzolt stammt, ebenso wie weitere Nürnberger Goldschmiede (z. B. Thomas Stoer), aus Sankt Joachimsthal. 346 Sturm (1933), S. 167; Distelberger (1985), S. 256. 347 Mathesius (1562), „Die ellffte Predigt / vom Salpeter / Boras / Alaun / Kupfferwasser / Schwebel / Saltz / und was dieser gelieferten oder gestandenen Bergksafften / so auß Minerischer art herkommen / inn der heyligen Schrifft gedacht wirdt / zu erklerung der schönen Sprüch / Proverbiorum 25. Jeremie 2. Malachie 3. Numberi 18. und andere mehr“ (fol. 164r–191v) hier fol. 170r. 348 Natriumborat. Mit diesem Begriff wurden verschiedene Materialien bezeichnet, so u. a. Salpeter, aber auch Malachit, das als Lötmittel von Metallen (bei den Griechen als chrysocollam) eingesetzt wurde, wie Mathesius in der Sarepta (fol. 169v, die Zahl LCXXI ist ein Druckfehler) überliefert (er nennt ebenso Niter und Salpeter und verweist auf Albertus Magnus, der Barauch für Salpeter verwendet) und Borras als Seife. Wie Mathesius ausführt, entstammt das Wort dem Arabischen (heute wird die Herkunft vom persischen Wort būrāh/būraq für Pottasche, Salpeter und andere Nitrate angenommen), vgl. Goltz (1972). 349 Mathesius (1562), 6. Predigt Vom Silber, fol. 88v; in der Ausgabe Mathesius (1578), fol. 83r; Huber (1997), S. 101 zitiert „wiewol man nun auch das glaßertz [Argentit] ohne verenderung seiner Farbe und halt schmeltzen und pregen kann welches ein Goldschmid allhie erfunden hat“. Er nutzt die Ausgabe von 1679, S. 247 und führt dabei die oben gebrachte Textstelle aus der ersten Auflage von 1562, sowie die am Rand stehende Kapitelbenennung „Wie das glaßertz zusammengeschweißet wird ohne abgang seiner farbe“ zusammen und paraphrasiert ein wenig. Huber (1995), S. 61: „Zur Bearbeitbarkeit des Silberglanzes sei auf Quellmalz (1969) verwiesen. Der Autor, dessen Veröffentlichung auf der Untersuchung eines Handsteins im Grünen Gewölbe zu Dresden basiert, nimmt an, dass das Silbererz vor der Bearbeitung zumindest oberflächlich angeschmolzen wurde, um eine homogenere und hohlraumfreie Schicht zu erhalten, die sich für den Schnitt eignet.“ 350 Agricola (1955), S. 117, Bermannus 1530, S. 73: „mit den Zähnen zusammengedrückt, weicht es in der Masse aus.“ 351 Mathesius (1562), 6. Predigt Vom Silber, fol. 88v. 352 Ich danke Dr. Paulus Rainer vom KHM in Wien für die mündliche Auskunft, dass Spuren einer schnitzenden Geste an den Handsteinen ablesbar seien. 353 Albinus (1590), S. 128, und fügt hinzu: „Es schreibt Fabricius von etlichen / da dieses seine Wort: Opera ex puro argento facta, vt passionis Christi historia, & duodecim Herculis labores delata sunt ad regem Ferdinandum, ex duobus potissimum generibus, argenti rudis plumbei coloris & argenti rudis rubri translucidi. Talia exteris etiam ostendit ex metallis a patre ditatus Israel Mincelius in Trebocis, vir honoratus.”

Anmerkungen I 177

354 Kirchheimer (1972), S. 1425 zu dem Artefakt aus der seit 1535 aktiven Grube Himlisch Heer in Annaberg, das seit 1808 im Münzkabinett verwahrt ist und Stempelabschläge verschiedener Münzen aus der Zeit des Kurfürsten August von Sachsen (1564–1586) trägt. Fischer (1939), S. 39 mit dem Inventareintrag von 1640: „Ein Gevierd Leberfarben stüfflein glas Erzt, darauf Churfürst Christiani Pimi zu Sachßen bildnus gepregt“. 355 Ich danke dem Kustos der Sammlungen des Geowissenschaftliches Museums am Geowissenschaftlichen Zentrum der Georg-August-Universität, Alexander Gehler, herzlich für seine Auskunft – er plant eine Veröffentlichung zu diesem Stück. 356 Nies (1893), S. 141, das Gegenstück ist nicht erhalten. 357 Kirchheimer (1972), S. 1426. 358 Dresden, Münzkabinett Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Inv. Nr. B2B5985, Durchmesser, 69,3 mm; vgl. Katz (1932) S. 177/178, Nr. 355 und Nr. 356, Kirchheimer (1972), S. 1426/1427; Hylla (2018), S. 129 bezweifelt diese Zuschreibung und weist die erhaltenen Medaillen in den Umkreis von Concz Welcz und Kaspar Ulich. 359 Dresden, Münzkabinett Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Inv.-Nr. 7622; Hylla (2016), S. 33– 39; Hylla (2018), S. 127–130, S. 128 Abb. 4a und 4b. 360 Mathesius (1562), 6. Predigt Vom Silber, fol. 88v. 361 Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. VI 8ff. 362 Thalheim, Klaus: Kat. Nr. 2.50, Akanthit (Argentit, Silberglanz, Glaserz) Ag2S, in: Dresden & Ambras (2012), S. 173 mit Farbabbildung. Provenienz aus Schneeberg, Grube St. Georg, Silberfund von 1477 (Silberner Tisch), heute in Dresden, Senckenberg Naturhistorische Sammlungen, Museum für Mineralogie und Geologie, Mineralogische Sammlung, Inv. Nr. Min 4027 Sa. Bäumel (1990a); Kugler (2005); Thalheim (2006); Thalheim (2012a), Thalheim (2012b). 363 Agricola (1955), S. 123/124, Bermannus 1530, S. 80/81; Kugler (2005), S. 47. 364 Quellmalz (1969), S. 15; er führte die Analyse mit einem Team weiterer Naturwissenschaftler durch. 365 Huber (1997), S. 100. 366 Quellmalz (1969), S. 15. 367 Quellmalz (1969), S. 16: „Im Gegensatz zum natürlichen Silberglanz erkennt man bei mikroskopischer Betrachtung der Handsteinprobe ein völlig anderes Gefüge. [...] S. 17: „Der „Silberglanz“ des Handsteins [...] ist also auch von der Mineralstruktur ungewöhnlich und eine direkte Beziehung des Minerals zu Fundpunkten des Erzgebirges oder anderen mitteleuropäischen Silbererzvorkommen besteht nicht.“ 368 Kirchheimer (1972), S. 1429. 369 Hylla (2016), S. 35; Hylla (2018), S. 128/129. 370 Ich danke Dr. Paulus Rainer vom KHM in Wien für die Auskunft, dass in den letzten Jahren keine materialtechnischen Untersuchungen an den Handsteinen durchgeführt wurden und dass die Frage, ob es sich um Güsse handeln könnte, momentan nicht geklärt ist; basierend auf Evidenz und bisherigen Untersuchungen geht Dr. Rainer davon aus, dass es sich um keine Güsse handelt. Bei den geplanten Untersuchungen wird es sich vor allem um eine Analyse der Oberflächenstrukturen handeln, da in das Material nicht eingegriffen werden kann, wie schon Kirchheimer (1972), S. 1429 schreibt: „Das angewandte Verfahren lässt sich im Einzelfall schwierig ergründen, da die große Seltenheit solcher Gepräge die nähere Untersuchung ihrer Substanz verbietet.“ 371 Mathesius (1563), 10. Hochzeitspredigt, S. [270, fol. 133r]. 372 Mathesius (1563), 10. Hochzeitspredigt, S. [274, fol. 135 r]: „Denn wunderköpffe haben off ir eygen und eben seltzamen sinn / so mißbraucht der Teuffel grosser künstler geschwindigkeit zu seinem vorteil / wider Gottes ehre und löbliche zucht [...]. 373 Mathesius (1563), 10. Hochzeitspredigt, S. [271, fol. 133v].

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374 So in der 11. Predigt von Mathesius (1562), fol. 164v: „[...] so will unser Gott uns Bergkleuten sein willen unnd wolgefallen und viel grosse geheimnus inn dem löblichen Bergkwerck auch fürhalten, damit er aller Welt darthue, er sey ein gerechter Gott, der yederman auß barmhertzigkeit gerne wölle selig machen, so fern wir seinen heimlichen raht und willen im außgesprochnen und offenbarten Evangelio und fürgestalten bildern und gleichnussen in Creaturen mit fleissiger nachforschung und willigen herzten erkennen, annemen und darby bis and ende beharren.“ 375 Fischer (1971), S. 2 zitiert nach Register 8183 und dem Verweis auf Registereintrag 11561 vom 21. September 1575, in dem Kaiser Maximilian II. den Hauptmann von Sankt Joachimsthal anweist, Caspar Ulich aus seinem Richteramt zu entbinden, da er für den Kaiser einen Handstein anfertigen soll. 376 Mathesius (1563), 10. Hochzeitspredigt, S. 255, fol. 125v]. 377 Mathesius (1563), 10. Hochzeitspredigt, S. [278/279, fol. 137r/v]; Mathesius (1897), S. 169–190, hier S. 186; Katz (1932), S. 14. Der Kontext ist interessant, diskutiert Mathesius doch den Anteil der Künstler am Götzendienst und damit die Frage, welche „Kunstwerke“ und Darstellungen erlaubt seien. Erneut ging der Publikation – wie auch bei den Bergpredigten – eine kurze Veröffent­ lichung voraus: Johannes Mathesius. Oeconomia oder bericht, wie sich ein Haußvatter halten sol, Nürnberg 1561 [VD16 M 1418 und 1419], die deutsche Version seiner vorher erschienen Schrift APHORISMOI GAMIKOI SEV Oeconomia MATHESII In gratiam noui mariti D.& amici sui [VD16 M 1415], die in den Ausgaben der Hochzeitspredigten als Anhang [Hauszhaltung OECONOMIA. Verteutscht durch Nicolaum Hermannum] publiziert sind. 378 In der Chronik der ersten Ausgabe der Sarepta von 1562 findet sich zum Jahr 1544 der Eintrag „Ruprecht puelacher und Georg Neuseffer / schenken zwen seiden teppich zum altar und predigstul.“ In der zweiten Ausgabe der Sarepta (Nürnberg, 1564) findet sich in der weitergeführten Chronik zum Jahr 1563 der Eintrag: „Ruprecht Pulacher / müntzmeyster im Herren verschiden, XI. junij.“ 379 Fiala (1890), S. 208: „Allem Anscheine nach war Ruprecht Puellacher eine Persönlichkeit, die das volle Vertrauen des Königs genoss; mit Resolution ddo. Regensburg 15. Juni 1546 wurde der böhmischen Kammer vom König aufgetragen, Puellacher einen Bestallbrief auszufertigen und in demselben ein halbjähriges Kündigungsrecht zuzugestehen, ferner zuzusichern, dass er nach vollendetem Probejahr nicht verpflichtet sei, noch weitere fünf Jahre den Münzmeister- und Einnehmerdienst zu versehen.“ 380 Archiv des Ministeriums des Inneren (heute Österreichisches Staatsarchiv), Kopialbuch 75, fol. 113–114, zitiert nach Katz (1932), S. 11, Anmerkung 2; Sturm (1933a), S. 169. 381 Katz (1932), S. 11, Anmerkung 2, zitiert aus Archiv des Ministeriums des Innern (heute Österreichisches Staatsarchiv), Kopialbuch 79, fol. 236–237 und fol. 52r/v; Distelberger (1985), S. 273. 382 Katz (1932), S.  12: Archiv des Ministeriums des Innern, Kop. 79, foll.  236–237 und ebenda foll. 52r/52v). Tobius Gebhart, Münzmeister bekommt für „fünf güldene Hansteine“, die er „an underschidlichen Orten zuwegen gebracht“ und dann „die drey von gedingenen Erzt“ 117 Taler ausgezahlt (17. Juli 1579 Prag, Archiv des Ministeriums des Innnern, Mont. 1/1 fas. 5. I)].“ 383 Mathesius (1562), 9. Predigt Zinn, Blei, Glet, Wismut und Spießglaß, fol. 134 r/v zur Geschichte, u. a. der Grafen Schlick/Schlik, fol. 135r. Die Schlick waren ein Patriziergeschlecht (Kaufmänner und Ratsherren) aus Eger (Cheb), die 1422 (Freiherr) / 1437 (Reichsgraf) in den Adelsstamm erhoben wurden (Kaspar Schlick, Graf von Passaun (Bassano) und Weißkirchen (Holíc)), 1433 Kanzler des Heiligen Römischen Reichs für Kaiser Sigismund, danach für Albrecht und Friedrich III.; in der Schedelschen Weltchronik von 1493 findet sich ein Bildnis mit der Unterschrift Caspar Slick cancellarius trium cesarum. Sankt Joachimsthal gehörte zwischen 1434 bis 1585 zur Schlickschen Herrschaft Schlackenwerth (Ostrov), Hermann (2013), S. 24/25; Fiala (1890), S. 166/167. 1528 wurde

Anmerkungen I 179

den Grafen Schlick das Münzrecht von Ferdinand  I. entzogen, Fiala (1890), S.  170–193, sowie S. 195/196; Tresp (2013), S. 210–227. 384 Hermann (2013), S. 101. 385 Raphael (2020) mit Fokus auf die Gründe zur Verschriftlichung metallurgischen Wissens. 386 Agricola (1958), De natura fossilium (1546), Buch 8, S. 213. 387 Leemans (2020), S. 34–38 zu den „shared bodies of knowledge“, Wissensbeständen, die in der Frühen Neuzeit von unterschiedlichen Akteuren geteilt wurden und miteinander verbunden waren (interconnectedness of knowledge). 388 Die Frage nach den Formen dieser Verschriftlichungen, ihrem Ziel und ihrem Nutzen ist nicht leicht zu beantworten – zumal die Motive variieren können. Antonella Capitanio verweist auf das Verständnis von Kunst (ars) im aristotelischen Sinne einer tekne – also als Wissen und Praktiken, die verschriftlich werden können (codificabile) und damit auch gelehrt und erlernbar (lehrbar) seien, Marini (2007), S. V. Capitanio betont, dass das Aufschreiben von Anweisungen ein Artikulieren von Wissen bedeutet, das Handlungen entstammt und somit der Übergang in die Schrift eine Entfernung von konkretem saper fare bedeutet. Sie verweist auf den kompilatorischen Charakter dieser Texte und spricht mit Blick auf den Tractato delle minere von Giovanni Piero da Pistoia von einem libro nato da libri, Marini (2007), S. VI. Als ein mögliches Motiv, handwerkliches Wissen zu verschriftlichen, benennt sie den sozialen Aufstiegs (Benvenuto Cellini und Vanoccio Biringuccio); damit verbunden ist das Motiv der Eigenwerbung, beispielsweise, um als Beamter im Dienst des Fürsten in der Montanindustrie aufsteigen zu können (vgl. die Albertus-Handschrift von Michael Foresius, Kapitel 1.4). Ein zweiter Traktat (Trattato dell’affinare l’oro e l’argento) hingegen scheint als memorandum und damit als Rezeptsammlung im Sinne einer Gedächtnisstütze konzipiert zu sein; vgl. Bernardoni (2009). 389 Majer (1994), S. 38. 390 Agricola (1955), S.  69, Bermannus 1530, S.  14. Bartholomäus Bach war Stadtschreiber, Lorenz Bermann Hüttenschreiber von Sankt Joachimsthal. 391 Prescher (1955), S. 1. 392 Prescher (1955), S. 6. 393 Beretta (1993), S. 78–93. 394 Bayer hielt zudem in Leipzig medizinische Vorlesungen und publizierte dort 1526 eine Schrift über Heilquellen, den Tractatus de thermis Caroli IV. imperatoris, sitis prope Elbogen et vallem s. Joachimi, Briefwechsel (2003), S. 127. 395 Morello (1994), S. 76. 396 Zu Form und Umfang von Predigten im Bereich der Montanindustrie fehlen bislang Untersuchungen; reformatorische und politische Predigten im 16.  Jahrhundert sowie der Anteil an natur­ philosophischem Wissen innerhalb dieser mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Texte thematisiert Breuer (1981); Marten (2010), v. a. S.  191–203 zur Gattung der Predigt, die gesprochen, geschrieben, gedruckt und gelesen wurde. Zu Predigten mit naturkundlichem Inhalt Meier (1978); Schinagl (2001), u. a. zu den Predigten von Meister Eckhart und Berthold von Regensburg. 397 Mathesius (1562), 6. Predigt Vom Silber, fol. 87r. Wolf (1969), S. 35 betont, dass Mathesius die bergmännische Fachterminologie einerseits dazu nutzt, die Angehörigen seiner Pfarrgemeinde in der ihnen vertrauten Sprache zu adressieren, anderseits aber auch, um sie theologisch zu deuten: „Mitunter findet man in seinen Werken sogar die umgekehrte Form der Übertragung: religiöse Darlegungen und Vorstellungen werden in bergmännische Verhältnisse umgesetzt  – ein Vorgang, der bereits Merkmale eines literarischen Säkularisierungsprozesses in sich trägt.“ 398 Mathesius (1562), 6. Predigt Vom Silber, fol. 87r. „Erfahrung“ bezeichnet hier erstens das eigene Wissen, das über Autopsie und langjähriges Handeln mit dem Material erlangt wurde, zweitens

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das Gespräch mit Fachleuten sowie drittens die Kenntnis der älteren Schriften. Zum Verhältnis von Autopsie und Evidenz Wimböck/Leonhard/Friedrich (2007), S. 12/13. 399 Mathesius thematisiert dies als Autor selbst in seiner 6. Predigt Vom Silber, Mathesius (1562), fol. 87r. 400 Lehmann (2013), S. 17 weist daraufhin, dass Materiabedeutungen immer diskursiv verhandelt werden: „... [materials] are imbedded in a web of language on a cultural level.“ 401 Kintzinger (1999), S.  172: „Von Bildhauern, Malern und gestaltenden Handwerkern weiß der Theologe Nikolaus von Kues im frühen 15. Jahrhundert zu sagen, dass sie ohne eine besondere mens artificis nicht tätig sein könnten. Die höchste solcher Künste ist die ars creativa und der höchste Künstler der Schöpfer selbst.“ Newman (2004), S. 122/123 zu Leonardos Kritik an alchemischen Verfahren. 402 Mathesius (1562), 6. Predigt Vom Silber, fol 87r/v. 403 Biringuccio (1925), S. 24: „Durch die Verbindung der gleich starken Stoffe entsteht eine innige und vollkommene Vermischung. Durch Gärung und Läuterung werden diese endlich fest und beständig und so innig miteinander vereinigt, dass sie fasst untrennbar sind. Durch die Kraft des Himmels oder der Zeit oder nur nach den Gesetzen der allweisen Natur oder aus allen Gründen zusammen verwandeln sich die Stoffe nun in das Metall, das wir Gold nennen.“ 404 Vanoccio Biringuccio war an der Eisenhütten von Boccheggiano bei Grossetto, als Leiter des Silberbergbaus am Monte Avanza (Karnische Alpen), als Zeugmeister in Siena, als Geschützgießer in Florenz und als Leiter der päpstlichen Gießerei in Rom tätig, Klemm (1979a), S. 103. Seine Schrift verhandelt alle Techniken, die mit Feuer arbeiten (chemische Technologie, Metallurgie, Kriegstechnik und ist mit Holzschnittillustrationen versehen. 405 Vergleichbar praxisorientiert äußert sich auch Lazarus Ercker im Jahr 1580, Ercker (1960), S. 28, wenn er bedauert, dass es zwar etliche Schriftsteller gebe, die sich über die Arten und Eigenschaften der Metalle geäußert hätten, dass aber etwas „Gründliches“ drüber fehle „wie man die Metalle [...] aufs bequemste und leichteste sowie richtig aus dem Erze bringen, wie man diese probieren, schmelzen und nützlich verarbeiten könnte. Das ist doch zu wissen am nötigsten, besonders bei den Bergwerken und an den Orten, wo man mit Erz und den metallischen Künsten umgeht und zu schaffen hat.“ 406 Mathesius (1562), 6. Predigt Vom Silber, fol. 87r. 407 Mathesius (1562), 3. Predigt Von ursprung zu und abnehmen der Metallen, fol. 43r. 408 Adams (1934), S. 376. 409 Flaschenecker (1994), S. 102, mit Verweis auf Agricola (1956), S. 75. 410 Auch von Aristoteles hält Agricola nicht viel, wenn er im gleichen Widmungsbrief ausführt: „Er [Aristoteles] hat jedoch die einen überhaupt nicht, die anderen nur obenhin berührt; die, denen er nachgegangen ist, hat er nicht alle richtig erfasst. Nichts nämlich hat er gesagt über die Entstehung der Gefäße, die die Stoffe aufnehmen, aus denen die Fossilien entstehen; auch die Ursachen der festen Gemenge hat er nicht alle aufgedeckt, und ganz und gar nicht ermittelt hat er den Ursprung der besonderen Erden und der Steine und Metalle, um jetzt nicht von anderen zu reden.“ Agricola (1956), Widmungsschreiben an Moritz von Sachsen in De ortu et causis subterraneorum, S. 75. 411 Agricola (1956), Widmungsschreiben an Moritz von Sachsen in De ortu et causis subterraneorum, S. 76. 412 Laut Agricola haben die Griechen kaum etwas über das Bergwesen geschrieben, allein Straton von Lampsakos verfasst De machinis metallis; Plinius überliefert nur wenige Arbeitsverfahren. Agricola (1955), S. 86, Bermannus 1530 S. 36, lässt Naevius äußern, er wünsche, dass das Buch von Straton über die Bergmaschinen erhalten wäre. 413 Aristotle (1952); Weisheipl (1982); Schummer (2001).

Anmerkungen I 181

414 Albertus (1967); eine deutsche Teilausgabe Albertus (1983); Riddle (1980). Thorndike (1923), Band II, S. 524 zur handschriftlichen Überlieferung; frühen Drucke von Johannes und Gregorius de Gregoriis in Venedig 1495 (De mineralibus) und von Jacob Köbel als Liber Mineralium in Oppenheim 1518; Naumann (2006), S. 16. 415 Bartels (2002), S. 34 vermutet, dass Albertus Magnus vor seinem Aufenthalt in Paris (zwischen 1243 und 1248) die drei Bergbaureviere besuchte, die er in De Mineralibus aufzählt: Freiberg, Goslar/Rammelsberg sowie die Goldbergwerke bei Korbach in Westfalen; möglicherweise bezeichnet er mit dem „Kupferberg“, den er ebenfalls besuchte, den gleichlautenden Berg bei Hettstedt im Mansfeld-Eislebener Revier. 416 Albertus (1967), Einleitung S. XXXI. 417 Albertus (1967), S. XXXII. 418 Buch 3, in: Agricola, De ortu et causis subterraneorum (1544), in: Agricola (1956), S. 139, in dem Agricola die Entstehung der „Gemenge“ diskutiert; erneut Agricola (1956), S. 174 (5. Buch von De ortu et causis subterraneorum), vgl. auch Guntau (2005), S. 16. Dennoch nutzt auch Agricola (im Bermannus) Autoren, die arabisches, alchemisches Wissen tradierten, darunter Avicenna und Serapio, Prescher (1955), S. 13 sowie Prescher/Quellmalz (1994), S. 125. 419 Bartels (2002), S. 48, zitiert den Kölner Druck von 1569, S. 351/352: „Hi autem, qui in curpo multum operantur in nostris partibus – Paris videlicet et Coloniae et in aliis locis in quibus fui, et vidi exeriri –, convertunt cuprum aurichalcum per pulverem lapidis, qui calaminaris vocatur, et cum evaporat lapis adhuc remanet splendor obscurus declinans aliquantulum ad auri speciem. Ut autem albus efficiatur et ita citrinitatis auris magis sit simile immescent aliquantulum de stanno, propter quod etiam aurichalcum multum de ductibilitate cupri amittit. […] Et ho efficitur ita rutilans et citrinum quod multi credunt ipsum esse aurum cum in veritate adhuc sit in specie aeris.” 420 Bartels (2002), S. 47–49 (Albertus (1967), S. 173–175) nach Köln 1569: „His autem contrarium esse videntur quia materia nulla ratione est in aliqua rerum naturalium permanente in natura, nisi sit completa per substantialem formam. Videmus autem argentum permanere et Stammum et similiter alia metalla, videbuntur igitur esse completa per substantiales formas. Amplus quorum proprietates, et passiones sunt diversae eiorum substantiam diversam esse necesse est, passiones autem metallorum in colore et odoere et sonorositate, sunt omnino diversae. Non enim potest dici haec accidentia ecce cummuniter accidentia, cum omnibus unius naturae metallis semper et ubique conveniant: oportet igitur substantias eorum esse diversas et species [...] Petet igitur ex hoc nullantensus coginos ad hoc, ut putemus unam tantum speciem esse omnum metallurum, quorum invenimus et loca generativa et principia, et passsiones esse valde differentes: quod autem de per accidens inductum, est non stis conventit, quia sicut iam diximus ista non sunt accidentia communiter, sed per se et indicantia differentias substantiales a quibus caussantur in materia metallorum.” 421 Mathesius (1562), 3. Predigt Von ursprung zu und abnehmen der Metallen, fol. 43v; Norris (2014). 422 Martin Oberndorffer: „den besten safft aus Herrn Lutheri vnd Melanchthonis Büchern / findet man in Herrn Mathesii Schrifften / wie in einer Preß zusammen gekeltert.“ vgl. Johannes Mathesius. Diluvium, das ist Historia von der Sündflut, dadurch Gott der Herr zum schrecklichen Exempel seines Zorns wider die Sünde zu Noah Zeiten die erste unbußfertige Welt erseufft und nicht allein die Menschen, sondern alles, was Odem gehabt, vertilget hat. Gepredigt in S. Joachimsthal Anno 57 u. 58, erschienen bei Gerlach in Nürnberg im Jahr 1587, mit einem Vorwort von Martin Oberndorffer, dort fol.  4r http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/ bsb10161506_00017.html [aufgerufen 18. Oktober 2018]. 423 Knopf (1910), S. 34 zur Schule von Sankt Joachimsthal. 424 Briefwechsel (1988), Brief 6155, S. 189.

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425 Briefwechsel (1988), Brief 6123, S.  176; in einem weiteren Brief vom 11. Juli 1551 regt Melanchthon an, die Bergwerkspredigt noch zu erweitern (Brief 6129, S. 179); die Sarepta wird erneut in Brief 6213, S. 212 vom 21. September 1551 erwähnt. In einem Brief aus Annaberg vom 16. März 1552 berichtet Melanchthon, dass er sein Gedicht „De venis metallicis“ durch Verse über Philippi und Sarepta erweitert hätte, Brief 6383, S. 281. 426 Gemeint ist das 1518 erschienen Probir büchlin/ vff Golt | Silber/ Kupfer/ Blei/ vñ allerley ertz | gemeyrtem nutz zu gut geordenet. Müntzmeys | stern/ Gwardeine/ Goltschmiden/ Golts | schlahern/ Müntzregirern/ Bergt | leutten/ vnd Probirern/ fast | dinstlich vnd nütz. | Erzlich bercknamc/ den newen anfangenden | berckleutedinstlich. Zu den Berg- und Probierbüchlein Wilsdorf (1956); Klein (1994), Kapitel IV. 1 und 2 „Die chemisch-technologische Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts, dort: 2.2. „Die Probierbüchlein und ihre Autoren“, S. 105–108. 427 Pieper (1955a), S. 139 kennt acht Auflagen im 16. Jahrhundert, so auch der VD 16; die Ausgabe von 1501 (Ein nutzlich bergbuchlẽy, VD16 R 3502) hat keinen Druckort, das Erscheinungsbild aber verweist auf Martin Landsberg, der in Leipzig zwischen 1492 und 1522 vorwiegend wissenschaftliche Werke druckte, Pieper (1955a), S. 140. Diese Ausgabe enthält 12 Holzschnitte sowie das Titelbild, das einen Bergknappen am Stollenmund mit Hammer und Eisen zeigt sowie zwei Bergknappen die über eine Haspel den Erzkübel hochziehen. Das Bergbüchlein hat zehn Kapitel, davon drei einleitende Kapitel zum Ursprung der Metalle, beginnend mit Silber, dann Gold, Zinn, Kupfer, Eisen, Blei und Quecksilber. Die Metalle entstehen Rülein zufolge aus einer Verbindung von Quecksilber und Schwefel, die durch den Einfluss der sieben Planten in verschiedenem Mischungsverhältnis die Metalle formieren; auch er kennt die exhalationes minerales und geht von einem Wirker und einem unterworfenen Stoff aus. 428 De re metallica, Agricola (1977), S. XVI. Eine leicht abweichende Fassung bring Naumann (2006), S. 15; er zitiert nach der Gedenkausgabe des Staatlichen Museums für Mineralogie und Geologie zu Dresden, Band IX, S. 467/468; Hünecke (2014), S. 170. 429 Pieper (1955a) in der neudeutschen Übertragung S. 115–138, im Faksimile ebenda S. 65–112. 430 Pieper (1955a), S. 115. 431 Prescher im Vorwort zum Bermannus, Agricola (1955), S. 15. Der Begriff „Chemikaster“ wird dort als Übersetzung verwendet (Agricola (1955), S. 121, Bermannus 1530, S. 77), wo Naevius Bermann fragte, wie viel Silber denn aus den silberhaltigen Erzen gewonnen werden könnte und – als er die große Menge erfuhr – scherzhaft ausruft: „Das ist ja ein ungeheurer Schatz. Da handhaben eure Leute das „Silbermachen“ (ajgjopoiia) glücklicher als diese ahnungslosen und tollpatschigen Chemikaster!“ 432 De Ortu et Causis Subterraneorum Libri V, Agricola (1956), Buch 5, S. 167; 1544, S. 66. 433 De Ortu et Causis Subterraneorum Libri V, Agricola (1956), Buch 5, S. 168; 1544, S. 67. 434 Mathesius (1562), 11. Predigt Von den Bergsafften, S. 174v/175r. 435 De Ortu et Causis Subterraneorum Libri V, Agricola (1956), Buch 5, S. 162; 1544, S. 64. 436 De Ortu et Causis Subterraneorum Libri V, Agricola (1956), Buch 5, S. 166; 1544, S. 65. 437 De Ortu et Causis Subterraneorum Libri V, Agricola (1956), Buch 5, S. 167; 1544, S. 66. 438 Newman (2004), S. 138–140; die „wahre“ 439 Varchi verweist allerdings deutlich auf das Motiv der Fälschung und bewertet in diesem Bereich die Fähigkeiten der nachahmenden Alchemie als Verbrechen. 440 Varchi (1827), S. 24: „La seconda spezie dell’Archimia, che si domanda Sofistica, cioè, appartente, ma non vera, è quela, la quale non muta veramente, e trasforma la sostanza, ma li accidenti soli, e cosino non fa i metalli veri, ma somiglianti [...].“ 441 Bostock (2001), S. 3–22; Charles (2004), S. 151–169. 442 Mittelstraß (2013), S. 253.

Anmerkungen I 183

443 Adams (1934), S. 382/383. 444 Mathesius (1562), 3. Predigt Von ursprung zu und abnehmen der Metallen, fol. 39r. 445 Lüschen (1968), S. 234 zu Gur, Gür, Gore, Göre: „[...] hängt zusammen mit gären und bezeichnet in der Bergmannsprache erdige, breiige, auch flüssige Massen von verschiedener Zusammensetzung.“ 446 Pieper (1955a), S. 117/118. 447 Hennig (2009). 448 Lazarus Ercker. Beschreibung Allerfürnemsten Mineralischen Erzt, vnnd Berckwercksarten, Prag 1573 bei Georg Schwarz; 34 Holzschnitte und 124 Blätter; bekannt als Das große Probierbuch. Lazarus Ercker verfasst zunächst für den Kurfürsten ein Kleines Probierbuch (1556), Dresden, Sächsische Landesbibliothek, Msc. J 343; Beierlein (1955), S. 56–68; Kubátová (1994), S. 25; zu seinen Schriften zählen zudem ein Münzbuch (1563), Goslar; überreicht an den Thronfolger, den späteren Herzog Julius von Braunschweig (1568–1589) sowie ein Bericht vom Rammelsberg. 449 Ercker (1960), S. 39. Ercker (1960), S. 37–273 bringt die fünf Bücher des Großen Probierbuchs von 1580 (Frankfurt) in der modernen Transkription. Long (2001), S. 188–190. 450 Zuerst als Probierer und Münzsachverständiger in Annaberg, ab 1555 dann als Probationsmeister in Dresden für Kurfürst August von Sachsen. Nach einem missglückten Probeschmelzen (der Bericht abgedruckt bei Kubátová (1994), S. 35) verlor Ercker das Wohlwollen des sächsischen Kurfürsten und ging nach Böhmen (u. a. Sankt Joachimsthal); ab 1569 arbeitet er dort an seiner Beschreibung der Sechs Metallischenn Erzt und Bergwerksarten wie dieselbigen vnd yede in sunderheit auff Silber, Kupfer, Bley, Zien, Quecksilber vnd Eysen sollen probiert werden (Prag, SUA, MM-Knihy, stara signatura RKp 3053, 119 Seite, mit Federzeichnungen von Probiergeräten, Hüttenanlagen usw.), die er Kaiser Maximilian II. widmete, Ercker (1960), S. 25; Beierlein (1955), S. 68–73; weitere Ausgaben Frankfurt 1580, Frankfurt 1598. Die Ausgabe Frankfurt 1672/73 erschien unter dem Titel Aula subterranea alias Probier Buch Hernn Lazari Erckers, Beierlein (1955), S. 77–83. Zwischen 1577 bis 1594 war Ercker als Oberstbergmeister in Böhmen, ab 1583 als Prager Münzmeister tätig, Bartels (2010), S. 89/90. 451 Neefe (1898). 452 Kubátova (1994), S. 22. 453 Mathesius (1562), 3. Predigt Von ursprung zu und abnehmen der Metallen, fol. 41v. 454 Agricola (1955), S. 119, Bermannus 1530, S. 75. 455 Agricola (1955), S. 120, Bermannus 1530, S. 75. 456 De Ortu et Causis Subterraneorum Libri V, Agricola (1956), Buch 5, S. 176; 1544, S. 73. 457 Mathesius (1562), 3. Predigt Von ursprung zu und abnehmen der Metallen, fol. 39r. 458 Ercker (1960), S. 37. 459 Ercker (1960), S. 43, im Kapitel: Was ein Probierer unbedingt wissen muss. 460 Mittelstraß (1981), S. 38: „Wenn wir sagen, dass Natur das ist, was wir nicht gemacht haben, so verträgt sich eine solche Feststellung schon bei Aristoteles durchaus mit der Vorstellung, dass Natur gerade dadurch begreifbar wird, dass sie selbst als ein System von Produktionsvorgängen, als ein poietischer Zusammenhang, angesehen werden kann.“ Newman (2004), S. 97–112. 461 Mathesius (1562), 3. Predigt Von ursprung zu und abnehmen der Metallen, fol. 42v. Whitney (1990); Bono (2008), S. 305/306; Nummedal (2002), S. 201 zu diesem Motiv im Umfeld der Alchemie. 462 Tayler (1964) S. 36; Kühlmann (1990), S. 34 zur frühneuzeitlichen Vorstellung, der Mensch könne sich durch die Kunst Mechanica dem Zustand der verlorenen Perfektion wieder nähern; Bredekamp (1993), S. 43; Bennett/Mandelbrote (1998), S. 8 und 45/46, zu den vier alttestamentlichen Erzählungen vom Garten Eden, der Arche Noah, dem Turmbau zu Babel und dem Tempel Salomos als metaphors of knowledge, mit denen in der frühen Neuzeit innerhalb einer Fortschrittserzählung ausgehandelt wurde, wie das durch den Sündenfall verlorene ursprüngliche Verständnis

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der (und damit verbunden die menschliche Herrschaft über die) Natur wieder erlangt werden könne. 463 Mathesius (1562), 3. Predigt Von ursprung zu und abnehmen der Metallen, fol. 43r/43v. 464 Biringuccio (1925), S. 19; Newman (2004), S. 128/129. 465 Ercker (1960), S. 273. 466 Bernard Palissy, Über die Metalle und die Alchemie, Dittmann (2016), S. 87. 467 In diesem Sinne auch Zorach (1999), S. 128: „Within contemporary ideas about gold, in particular, the notion of continuing creation served both as a theory of the natural production of the metal and as a description of its material destiny as artisanal substance.“ Newman (2004), S. 145–163. 468 Smith (2004), S. 142 betont die Bedeutung (al)chemischer Begriffe für den künstlerischen Werkprozess: „Throughout the early modern period alchemy seems to have provided a language for artisans who wanted to articulate their working processes, as well as for scholars who were trying to understand how artisans created things from matter.“ 469 Mathesius (1897), 10. Hochzeitspredigt, S. 177; Mathesius (1563), 10. Hochzeitspredigt, S. [268, fol. 132r]. 470 Mathesius (1563), 10. Hochzeitspredigt, S. 263, fol. 129 v]; das dies ebenso für die zeitgenössischen Künstler gilt, sagt Mathesius S. [265/266, fol. 130v/131r: „Josquin, Senffel, Dürer, Cronach, das wir der lebendigen geschweigen, wie hie auch Bezaleel, die haben neden den gaben des heiligen Geiste, das sie durch das gelesene und gehörte wort von Christo bekommen, auch sondere kunstgaben des Geistes Gottes, der ihre sinn unnd hertz scherpffet, ire hende leret reissen, possieren, entwerffen, stechen, graben, wie er Davidem und Scipionem kriegen lehret.“ Interessant ist, dass er zwei Musiker und zwei Maler nennt, vgl. dazu auch Brown (2017), S. 1081–1120. 471 Die Nähe zu Dürers Werk und Kunstverständnis ist offenbar, so u. a. wenn Dürer formuliert: „Es ist nit pös, daz der mensch vill lernt wy wol etlich grob darwider sind, dy do sagen, kunst mach hoffertig. Solt daz sein, so wer nymant hoffertiger dan got, der alle kunst beschaffen hat.“, Dürer, Entwurf Nr. 4, London 5230, fol. 28a, in: Dürer (1966), S. 106. 472 Mathesius (1563), 10. Hochzeitspredigt, S. 268/269, fol. 132r/v]. 473 Mathesius (1897), 10. Hochzeitspredigt, S. 177–179. 474 In Vers 35–41 diskutiert Paulus die Frage nach der leiblichen Auferstehung. Diese Stelle wird häufig von Mathesius genutzt, so erneut in der 3. Predigt Von ursprung zu und abnehmen der Metallen, Mathesius (1562), fol. 39r, sowie fol. 43r. 475 Mathesius (1562), 15. Predigt Vom Glasmachen, fol. 265v/266r. 476 Suhling (2001), S. 274: „Aber auch das Nachahmen der Werke Gottes und der Natur – z. B. in der Glasmacherei – gilt Mathesius als das Erfinden einer nützlichen Kunst, womit er im Grund das Finden oder Auffinden bestimmter Schmelzmischungen meint. Hier wie an mehreren anderen Stellen spielt die Vorstellung vom Wiederfinden in der Natur präfigurierter Ideen im platonischen Sinne unübersehbar eine Rolle.“ 477 Mathesius (1562), 3. Predigt Von ursprung zu und abnehmen der Metallen, fol. 40v. 478 Vgl. Smith (2004), S. 141/142 u. a. mit Bezug zu Paracelsus. 479 Zitiert nach Bartels (2002), S. 47, der den Druck Köln 1569 nutzt, S. 59/60: „Hi enim, qui lateres faciunt, primo quidum cum terra comiscent aliqua quae cohaerere faciunt partes, [...] Idem autem faciunt figuli [...] et tunc residere permittunt ad tempus in ea humidum, et superfluum humidum ad solem extrahunt et deinde coagulant vasa ad ignem digestione, quae vocatur optesis. Oportet igitur et naturam hunc habere modum in commistione lapidum.“ Albertus (1967), S. 3. 480 De Ortu et Causis Subterraneorum Libri V, Agricola (1956), Buch 3, S. 134. 481 Smith (1970), S. 498: „Over and over again scientifically important properties of matter and technologically important ways of making and using them have been discovered or developed in an

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environment which suggests the dominace of aesthetic motivation.“ Smith (1977); vgl. auch Gloy (2005) sowie die begriffliche Schärfung von „künstlerischem“ Experiment und naturwissenschaftlichem Experimentieren bei Berg (2009). 482 Lazarus Ercker schreibt 1590, Ercker (1960), S. 42: „Das Probieren ist eine gar herrliche, alte und nützliche Kunst, erfunden vor langen Zeiten wie auch alle anderen Feuerarbeiten von den Alchemisten. Es ist eine Kunst, durch die man nicht allein die Natur eines jeden Erzes und seiner Bergart [...] erlernen und erfahren kann, sondern sie lehr auch, ein jedes Metall in sich selbst zu erforschen [...].“ 483 Eine Flüssigkeit ver- oder eindicken. 484 Mathesius (1562), 11. Predigt Von den Bergsafften, fol. 171 [= fol. 169v: die Seitenzahl ist falsch gedruckt: CLXXI, nicht CLXIX]. 485 Biringuccio (1925), S. 80: „Wie der Stahl künstlich fast in eine andere Metallart umgewandeltes Eisen ist, so ist das Messing künstlich gefärbtes Kupfer. Sicherlich eine schöne Erfindung, für die man die Alchemisten loben muss, obgleich der Erfinder sich vielleicht getäuscht und geglaubt hat, er habe aus Kupfer Gold gemacht. Biringuccio (1977), Libro Primo, Capitolo Ottavo: Dela Prattica di fare l’ottone, S. 19v–21v, hier S. 19v. Vgl. auch Bernardoni (2008), S. 507; zum Handlungswissen von Biringuccio Bernardoni (2011), v. a. S. 29–69; Newman (2004), S. 127–132, S. 127 die Auflistung der „Erfindungen“, darunter auch des Mörtels. 486 Biringuccio (1925), S. 149 und 150. Ähnlich im Ständebuch des Christoph Weigel (1698): „Vermutlich hat selbiges seinen Ursprung von den Chymicis genommen / welche / da sie getrachtet / die natürlichen Edelgesteine durch Kunst nachzuäffen / an desselben Statt das Glaß gefunden / und also ihre Bemühung noch durch etwas belohnet worden“, zitiert nach Kühnert (1968), S. 217. 487 Smith (2004), S. 142 zu Biringuccios Bericht von der „Erfindung“ von Ziegelsteinen und Mörtel als alchemischer Prozess zur Imitation der Natur. 488 Traktate (2005), S. 54; Cellini (2002), S. 33: „[...] e per quello che noi passiamo ritrarre di vero, di quella sorte di smalto rosso trasparente gli antichi non avevano cognizione, e si dice che questo smalto fu trovato da uno archimista, il quale era orefice; e per quello poco che si ritrae, dicono che questo archimista aveva messo insieme una certa composizione cercando di fare oro, e quando gli ebbe finito di fare la sua opera, oltre alla materia del suo metallo restò in nel coreggiuolo una loppa di vetro rosso tanto bello, quanto ancor si vede; die modo che il detto orefice fece di esso sperienzia, accompagnandolo con gli altri smalti, e con grandissima difficultà e molto tempo al fine pure egli trovò il modo.“ 489 Newman (2004), S. 118 zur zeitgenössischen Kritik und Selbstbeschreibung der Alchemisten: „In order to highlight the distinction between perfective arts (like alchemy) and merely imitative ones, alchemical writers often used architecture, sculpture, and painting as paradigmatic examples of what alchemy was not.“ 490 Die enge Verbindung zum Laboratorium wird sichtbar, werden doch auch dort Objekte in neue Kontexte gesetzt. Hoffmann (2009), S. 112 versteht das Laboratorium als sowohl lokalen als auch epistemischen Raum. Beim Labor tritt hinzu, dass dort mit den Stoffen gehandelt wird, bzw. die Stoffe unterschiedlichen und bewusst herbeigeführten Bedingungen ausgesetzt werden. Priesner (2010), S. 305 bezeichnet die Alchemie als „älteste Experimentalwissenschaft der abendländischen Geschichte“, so auch Hartung (2006), S. 220. 491 Rauch (2007), S. 22. Zur Praxis des Mineraliensammelns liefert Wilson (1994) einen guten Überblick; für das 18. Jahrhundert Mariss (2015). 492 So auch Pye (1968), S. 47–49 mit Blick auf die künstlerische Entscheidung, aus der Vielzahl von Materialeigenschaften einige auszuwählen und als vermeintlich wesentlich zu betonen; Dipert (1993), S. 16 in seiner Handlungstheorie mit Bezug zu den veränderbaren Eigenschaften von Artefakten.

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493 Syndram/Achilles-Syndram (1991), S. 8. 494 Diese Verweisfunktion ist nicht auf die Frühe Neuzeit beschränkt: Die mineralogisch-geologische Sammlung des Deutschen Bergbaumuseums in Bochum (heute: Mineralogische Bergbausammlung) ging aus dem Geologischen Museum des Ruhrbergbaus hervor – dessen ursprüngliches Ziel es war, eine Regionalsammlung des nordwestdeutschen Steinkohlengebirges zu schaffen. Das Museum wurde von der Westfälische Berggewerkschaftskasse (WBK) im 19. Jahrhundert aus Beständen verschiedener Bergämter eingerichtet, dazu Hauptmann (1978), S. 16. Ziel war es, die Lagerstätten und die Rohstoffe der Region systematisch zu versammeln. 495 Rauch (2007) gibt einen guten Überblick über die Mineralienbestände, die sich in der Sammlung von Ferdinand  II. in Ambras befanden. Die ursprünglichen Sammlungszusammenhänge sind heute nur noch über die Inventare zu erschließen. 496 Gutfleisch/Menzhausen (1989), S. 11. 497 Anfang (2000), S. 58/59: „Classis Tertia, Inscriptio Septima: Metalla & metallicae fodinarum amteriae tum que verae radices metallorum, & minerae cadmiae’que etc. Item eodum modo solidae venae purissimorum metallorum. Denique artificio ista omnia imitata: & metalla ignem gradatim experta, alia’que plus, alia minus excocta segregataque.“ 498 Zum Theaterbegriff Schramm (1996), S. 51–54; Nelle (2006), S. 73. 499 Prescher (1994b), S. 129: Agricola sammelte auch – seine in Italien begonnene, in Sankt Joachimsthal fortgeführte und weiterhin gepflegte Sammlung lieferte das Anschauungsmaterial für seine mineralogischen Forschungen. 500 Asselborn (2005), Nr. 41: „vom alt-arabischen marchesita, das Pyrit und ähnliche Minerale bezeichnete.“ 501 Mathesius (1562), 9. Predigt Zinn, Blei, Glet, Wismut und Spießglaß, fol. 89v; vgl. auch Wrany (1896), S. 15/16. 502 Mathesius (1562), 9. Predigt Zinn, Blei, Glet, Wismut und Spießglaß, fol. 139v. 503 Die Divergenz zwischen lateinischer Nomenklatur und deutscher Fachsprache, die sich aus der Berg- und Hüttentradition der Bergknappen entwickelte und von dort  – über Autoren wie ­Mathesius – in Teilen Eingang in die Schriftsprache fand, benennt im 18. Jahrhundert der sächsische Bergrat Johann Friedrich Henkel in seiner Pyritologia, Oder: Kieß-Historie Als des vornehmsten Minerals, Nach dessen Nahmen, Arten, Lagerstätten, Ursprung, Eisen, Kupffer, unmetallischer Erde, Schwefel, Arsenic, Silber, Gold, einfachen Theilgen, Vitriol und Schmeltz-Nutzung, die 1725 in Leipzig bei Martini erschien, zum Ende seines zweiten Kapitels Von des Kieses Namen, S. 116/117: „Wenn man nun, mein lieber Leser, alles dieses, und noch ein mehrers, von Pyrite, Marcasita, Pyrimacho und Pyropo, Griechisch, Ebräisch, Sclawonisch und Runisch, ein langes und breites herschneiden und vorlegen kan, ist man nun nicht ein treflicher Kerl, ein hocherleuchteter Naturlehrer? Ja! es ist wahr, daß die guten Bergleute, wenn sie dieses hören, erstaunen und verstummen müssen: Aber wie klingts hingegen, wenn man zu ihnen in die Grube kömmt? Da ­haben die Lateinischen und Griechischen Schnitte ein Ende. Da siehet der gelehrte Herr Blende vor Glanz, Kiesel vor Kies, Mißpickel vor Silbererz, Kupferblumen vor Golderz an; da fragt man nur nach Guren; da will man sehen und hören, wie und woraus das Erz wächst, und kennet doch das Erz nicht, so gar überklug ist man in Gedanken, und albern in der Sache.“ 504 Mathesius (1562), 15. Predigt Vom Glasmachen, fol. CCLXIIIIv. 505 Prescher (1955), S. 10: „Agricola lässt mitten im Gespräch den Bermann plötzlich ein Mineral aus der Tasche holen, um es seinen beiden Begleitern zu zeigen. Dadurch dürfte wohl dokumentiert sein, dass Agricola sich eine Sammlung von Mineralien angelegt hatte.“ 506 Klemm (1838), S. 259/260; Murray (1904), S. 28/29 (IV: Early Museum Catalogues) kennt neben Samuel von Quiccheberg und John Kentmann noch Michele Mercato (1541–1593); Prescher (1989)

Anmerkungen I 187

nennt in seinem Überblick zu wichtigen Sammlern aus der Frühen Neuzeit neben dem hier behandelten Johannes Kentmann auch Georgius Agricola, Johannes Mathesius, Conrad Gessner, Ferdinand  II. von Tirol, Anselmus Boetius de Boodt sowie Giovanni Nosseni in Dresden; Helm (1971); Lugli (1983), S. 17 zum museo delle pietre von Kentmann. 507 Kenntmann publizierte dort u. a. ein Pestbuch sowie ein Kräuterbuch mit 600 selbstgemalten Bildern (Codex Kentmanus in der Anna Amalia Bibliothek, Weimar), dessen Nukleus auf die Bekanntschaft mit dem Leiter des Botanischen Gartens, Luigi Squalermo (1512–1579) in Padua zurückgeht, Kusukawa (2009), S. 449; Kräuterbuch (2004); Helm (1969). Ferner eine Liste der Elbvögel und der dortigen Fischfauna, Hackethal (1994), darin eine Beschreibung der Elbe, Helm (1970). Weiterhin eine medizinische Abhandlung über Steinleiden im menschlichen Körper, Keller (1963) – die Steine aus dem menschlichen Körper bilden daher eine eigene Kategorie innerhalb von Kentmanns Mineraliensammlung, was für die Frühe Neuzeit nicht ungewöhnlich ist. Zu den Fossilien Langer (1994), S. 128. Ein weiterer Arzt und Mineraliensammler ist Felix Platter (1536– 1614), der eine Mineraliensammlung nach „naturwissenschaftlichen Gesetzen“ anlegte, so ­Koprio (1960), S. 12, vgl. auch sein Herbarium: http://www.burgerbib.ch/platter-herbarium/, das in Bern verwahrt wird [aufgerufen 19. November 2018]. 508 De omni rerum fossilium genere, gemmis, lapidibus, metallis, et huiusmodi, libri aliquot, perique nun primi editi. Opera Conradi Gesneri, gedruckt in Zürich 1566; darin enthalten Io. Kentmani Dresdensis Medici Nomenclaturae Rerum fossilium, quae in Misnia praecipue & in aliis quoque regionibus inveniuntur auf den foll. 16–95v. Agricola (1994), S. 263. Zur Druckerei Gessners Leemann-van Elck (1939), Nr. 1, S. 1–7. 509 Kázmér (2002), S. 457: Die Sammlung umfasst 1608 Fundstücke aus 135 verschiedenen Fundorten; 472 der Exponate geben genaue Fundpunkte, die restlichen 1136 stammen größtenteils aus Sachsen; 35 Proben sammelte Kentmann eigenhändig bei einer Gesandtschaftsreise nach Ungarn in den Karpaten, Büttner (2004), S. 106. 510 Der mineralogische Teil der Kitab al-Schifa wurde um 1200 durch Alfred von Sareshel ins Lateinische übersetzt (De congelatione et conglutinatione lapidum). Darin werden Steine, Erze (schmelzbar), Schwefel (brennbar) und Salze (löslich) voneinander unterschieden. 511 In seinen De mineralibus liber V unterteilt Albertus die Fossilien in die drei Gattungen „Steine“ als einfache Gemische, „Metalle“ als Gemische aus Schwefel und Quecksilber sowie „Mittlere“ (dazu gehört Salz, Vitriol, Alaun, Realgar, Auripigment, Markasit, Pyrit, Salpeter, Hüttenrauch und Elektrum), vgl. Prescher/Quellmalz (1994), S. 125. 512 Adams (1938) [ND 1954], S. 155–159. Der Speculum Lapidarium des Arztes Camillo Leonardo (Venedig 1502) folgt noch diesen Vorbildern, die allerdings keine systematisierende Naturkunde vorlegten. 513 Büttner (2004), Kapitel 5: Sammeln ohne Bewertung? Anfänge naturgeschichtlicher Mineralogie, S. 97–123, hier S. 106. 514 Salerno (1963), S. 194 verweist zur Erklärung des Begriffs auf den Prototyp aller umfassenden Sammlungen – die arca di Noè als möglichen Namenspaten. 515 Laudan (1987), S. 22 zur bis zum 18. Jahrhundert gültigen Aufteilung der Minerale in die vier Klassen Metalle, Erden und Steine, Salze und Schwefel. 516 Der Sammelschrank von Kentmann auch bei Daston (2012), S. 175, Abb. 7. 517 Auf fol. 1r bis 4v sind eine große Varietät von insgesamt 50 Erdproben aufgeführt, die durch die Farbe, die Herkunft (10. Cinerea Hispanica, ex qua vasali quationis fiunt, admixtis testis vasorum fractorum. Spanisch erdtrich darauß die schmelztigel werden), die Beimischung und die Eigenschaften bzw. Verwendungszwecke (15. Cinerea dura & crustata ex qua in Italia lebetes & ahena consiciuntur. Graw hart Welch erdtrich / darauß man fischtigel / und kessel macht) beschrieben

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werden. Ab fol. 4v folgen vierzehn Proben von Tonerden (Argillae), auf fol. 5r zehn Proben von Mergel (Margae); dann (fol. 6r) die Untergruppe der „Marke“ (Medullae) mit dreizehn Vertretern; fol. 6r sechs Proben unterschiedlicher Bolusarten (Boli). Durch Verschiebungen wird Gold (Aurum) in diesem Verzeichnis zur dreizehnten Hauptgruppe, Silber (Argentum) Nummer 14 (anstelle der 15, wie in der Tabelle vermerkt), Quecksilber (Argentum vivum) Nummer 15 (anstatt 16); Bronze/Messing oder Kupfer (Aes seu cuprum) folgt an sechzehnter anstatt siebzehnter Stelle; danach gerät die in der Tabelle (und im Schrank) so vorbildlich veranschaulichte Ordnung vollkommen in Unordnung. 518 Prescher (1980), S. 23 weist daraufhin, dass für Kentmann die praktische Sammlungsarbeit an erster Stelle stand – im Gegensatz zu Agricola, der seine Einteilung aufgrund theoretischer Überlegungen entwarf: „Bei Kentmann machte sich das allen Museologen bekannte Bestreben bemerkbar, sein Material überschaubar zu haben. [...] Der Vergleich der beiden Systeme Agricolas und Kentmanns lässt also erkennen, dass letzterer selbstständige Wege suchte, dass die klare stoffliche Einteilung Kentmanns für den Sammler praktischer ist als die Agricolas, dessen wissenschaftsbegründetes Werk Beweise führen muss.“ 519 Rude glebosum, Capillare, In alias formas concretum, Candidum, Plumbei coloris, Cinerei coloris, Nigri coloris, Rubri coloris pellucidum, Rubris coloris non pellucidum, Flavi coloris, Coerulei coloris. 520 Mathesius (1562), 6. Predigt Vom Silber, fol. 89r. Siehe s. v. DRUSE, für ein durchlöchertes, verwittertes erz, hölungen in deren gemülme sich noch silber, erzsteine und krystalle befinden, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Bd. 2, Sp. 1461. 521 Müller (1999), S.  2398 betont Kentmanns und Agricolas Bedeutung für die Ausbildung einer deutschen Fachsprache; von Engelhardt (1992), S. 166/167; Hans Prescher: Geologisch-mineralogische Einführung, in: Agricola (1956), S. 3. Die Beschreibung der einzelnen Silberobjekte findet sich auf fol. 59r bis 64v, unterteilt in die oben genannten elf Untergruppen, die je nach Vorkommen von Proben in der Sammlung unterschiedlich viele Positionen aufweisen. 522 Spat bezeichnet helle Gangbegleiter (Kalkspat, Schwerspat, Eisenspat, Aragonit, Flußspat), vgl. unten bei Ryff, der aus diesem Grund Spat als die Mutter des Silbers bezeichnet. 523 De Ortu et Causis Subterraneorum Libri V, Agricola (1956), Buch 5, S. 187; 1544, S. 81. 524 Ein Silberfund aus Annaberg, fol. 59r 525 Hier fehlt der Fundort, fol. 59r/v. 526 Ein Knäuel als feinsten Silberfäden, ohne Fundortangabe, fol. 59v. 527 In einer leicht zerkrümelbaren Erde von rötlichbrauner Farbe, fol 59v. 528 In einem gelben Ton, fol. 59v. 529 Fol. 59v. 530 Fol. 60r/v: Quod in arbusculae figuram excrevit. Steht am stein wie ein dürres beumlien. Fol. 60v: Instar flammarum ignis concretum, cui quasi coni annati sunt massulae argenti plumbei coloris. Weiß silber wie feüwrflammen / darauff zu oberst stücklein von glaßertz gewachsen. 531 Argentum] candidum: Argenti candidi bracteolae in lapidi pingui. Gedingen angeflogen silber in einem seiffen gebirg. fol. 60v. / Bracteolae in saxo cinereo duro, Mariebergium. Weiß gedigen silber an einem grawen stein fol. 60v. / In pyrite ferri. Gedigen weiß fol. 60v / In chrysocolla dura, Suacij ex Alpibus. Ein rein angeflogen silber in einem harten berckgrün. // [Argentum] plumbei coloris usw. 532 Büttner (2004), S. 107. 533 „Quicquid terra finis, venusque reconditi imis, / Thesauros orbis haec brevis arca tegit. / Laus magna est tacitas naturae inquirere vires, / Maior in hoc ipsum munere nosse Deum. /Georg. Farbricius C.“ 534 http://tw.strahlen.org/typloc/chlorargyrit.html [aufgerufen 6. September 2018] sowie Lüschen (1968), 239, Chlorsiber, AgCl: „Benannt nach der Ähnlichkeit mit fettgetränktem und damit

Anmerkungen I 189

durchsichtig gewordenen Horn, wie man es zu Laternen benutzte“, mit Hinweis auf Mathesis (Auffm Marienberg ist hornfarb silber gebrochen) und auf Lazarus Ercker (Horn Ertz / daß ist durchsichtig wie Horn); Kirchheimer (1972), S. 1423. 535 Mathesius (1562), 3. Predigt Von ursprung zu und abnehmen der Metallen, fol. 40r. 536 Mathesius (1562), 6. Predigt Vom Silber, fol. 88v. 537 Allerdings beschreibt schon Agricola im Bermannus von 1530 und in De natura fossilium von 1546 Funde, die mit dem Hornsilber übereinstimmen könnten: Im Bermannus (S. 132) nennt er bei seiner Aufzählung von Silbererzen sechs verschiedene Vorkommen: Argentum rude / silber ertz; Argentum rude puniceum / rot gulden ertz; Argentum rude plumbei coloris / glasz ertz; Argentum rude nigrum / schwartz ertz; Argentum rude purpureum / brun ertz sowie Argentum rude cineraceum / grau ertz. Zu vermuten ist, dass hier das Argentum rude purpureum Hornsilber/ Chlorargyrit bezeichnet. In De natura fossillium (S. 364) Argentum rude purpureum und Argentum rude jecoris coloris. Agricola gibt an, dass man diese Art von Silber vor allem in Meißen und in Böhmen, dort vor allem in der Schönberger Zeche in Sankt Joachimsthal, findet. 538 Petrus Albinus weist auf den Mineralienkatalog von Georg Fabricius hin, der unter anderem den Fundort Sankt Joachimsthal nennt: „In valle Ioachimica argentum iecoris colore sinatrum in nostro corpore metallico apparet.“ 539 Albinus (1590), Kapitel 16 (Von den Metalle / so im Lande zu Meysen gefunden werden), S. 127/128. 540 Zudem übersandte ihm Gravius noch die bemalten Silberfiguren eines Grasshüpfers und einer Spinne in einem natürlichen Umfeld, Kusukawa (2012), S. 171. 541 Zu Ryff, seinem Leben und seinen Tätigkeiten Hauser (1992), S. 177–189; Liebendörfer (2002); Matzke (2011), S.  114/115 zur Stellung Ryffs innerhalb der Basler Münzsammlungen; Beuing (2011a), S. 63–66 zu Ryff als Sammler. 542 Fol. Cv. Vergleichbar ist die Sammlung von alchemischer Literatur durch Bartholomäus Schobinger (1500–1585) aus St. Gallen, der im Eisen- und Textilhandel und im Bergbau tätig war. Vergleichbar Ryfss war er aus beruflichen Gründen – wie wohl auch aufgrund von Neigung – an chemischen Fragen zur Metallogenese und (Al-)Chemie interessiert. Seine Sammlung befindet sich heute in der Kantonsbibliothek von St. Gallen, vgl. Gantenbein (2000), S. 32. 543 Baumann (1990), S. 317–326; Reisebüchlein (1972), S. 7. Ryff erhielt 1603 einen Ehrenbecher (Basel, Historisches Museum, Inv. Nr. 1999.222) als Anerkennung seiner Dienste für die fünf protestan­ tischen Städte der Schweiz (Zürich, Bern, Basel, Schaffhausen und St. Gallen), die er bei Verhandlungen mit dem französischen König Heinrich IV. über die Rückzahlung des im Jahr 1591 gewährten Darlehens vertrag, Burckhardt/Lanz (1952); Häberli (2000) https://www.hmb.ch/museen/ sammlungsobjekte/einzelansicht/s/ehrenbecher-des-andreas-ryff/ [aufgerufen 1. März 2020]. 544 Reisebüchlein (1972), S. 7. 545 Fol. Dr; Beuing (2011a) zum „sammelnden Kaufmann“ Andreas Ryff, dort auch S. 67, Abb. 9 eine Abbildung des erhaltenen Münzkastens, auch Kat. Nr. 3, S. 158–160, heute Basel, Historisches Museum, Inv. Nr. 1906.1120 546 fol. Dr: „Nuhn habe ich zwar nit sehr grosse kunst erlernet, noch grossen nutz geschaffet, doch freüwet es mich sehr wol, daß mir der liebe Gott seine unaußsprechlichen großen wunderwerckh, die geheimnussen, so Er der Erden, ja den allerhöchsten und größten bergen, den unermeßlichen grossen und starcken felsen, hatt in gepflanzet auch hat sehen und erfahren lassen.“ 547 Fol. Er. 548 Fol. Er. 549 Fol. Ev; Koprio (1960), S. 9: „An anderer Stelle führt er Wismut und Galmei mit Spießglanz und Zinnober zusammen als nicht metallhaltige Gesteine auf.“

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550 Grab-Kempf (2003), schon Ein nützlich Bergbüchlin nennt Bismut [wißmad ärcz] als Begleiter von Silbererz, S. 109. 551 Fol. Ev. 552 Fol. Fv. 553 Die Abbildungen stammen von Hieronymus Vischer, der auch für die anderen Schriften von Ryff als Illustrator tätig war, Elisabeth Landolt: Die Illustrationen, in: Reisebüchlein (1972), S. 16–20, hier S. 16, Jugendgeschichte (Autobiographie) von 1592; Das Buch der Gesandtschaften (Liber Legatorum) von 1593; das Aemterbuch von 1594; die Schilderung des Rappenkriegs, ebenfalls von 1594. Der Zirckel der Eidgenossenschaft von 1597 ist – wie die Schilderung des Rappenkrieges – ein historisches Werk, das er aus unterschiedlichen Texten über die Geschichte der Schweiz kompiliert. Darin findet sich Der Stadt Basel Regimente und Ordnung, Wackernagel (1893). Das Reisebüchlein (1600) ist eine Schilderung der Reisen von Ryff. 554 Mit der Fortuna-Ikonographie, die sich auch auf einem Bildnis von Matthäus Gundelach (1566– 1663) im Dortmunder Museum für Kunst und Kultur findet, wird auf die großen Gewinnmöglichkeiten im Bergbau verwiesen, die – aufgrund der hohen Investitionen – auch zu hohen finanziellen Verlusten führen können, wenn die Gänge kein Erz tragen, Asmussen (2016b). 555 Hans Sachs betont den Bezug zum Metall: „ich geuß die Schrifft zu der Druckerey, / gemacht auß Wißmat, Zin vnd Bley, / die kann ich auch gerecht justiern, / die Buchstaben zusammn ordniern / Lateinisch vnd Teutscher Geschrifft, / was auch die Griechisch Sprach antrifft / mit Versalen, Puncten vnd Zügn, / Daß sie zu der Truckrey sich fügen“, zitiert nach Elkar (1997), S. 276. 556 Vergleichbar dem Interesse Basilius Amerbachs (1533–1591), der in den 1570er und 1580er Jahren die Ausstattung von mindestens zwei vollständigen Goldschmiedewerkstätten ankaufte und sich für die Werkzeuge und die Materialien wie auch für den Werkprozess interessierte, Landolt/Ackermann (1991); Abbildungen der Objekte in Kunstkammer (2011). 557 Es wäre interessant zu untersuchen, in welchen Kontexten und mit welchen unterschiedlichen Zielen Münzsammlung im 16. Jahrhundert zusammengetragen wurden, Panofsky (1978), S. 296: „Von Dürers bestem Freund, Pirckheimer, wissen wir, dass er einen namhaften Schatz griechischer und römischer Münzen besaß, aber wozu er ihn nutzt, ist eine Abhandlung über den Kaufwert des antiken Geldes im Verhältnis zum Nürnbergischen.“ 558 Universitätsbibliothek Basel, A lambda II 46a. Dort wird auch der Liber Legationum von Ryff verwahrt, sowie das Reisebüchlein (Reiß-Biechlin), mit der Signatur A Lambda II 44a. Beide Bücher stammen aus dem Nachlass von Daniel Albert Fechter und kamen 1876 an die Öffentliche Bibliothek der Universität Basel. http://www.e-manuscripta.ch/bau/content/titleinfo/767359 [aufgerufen 18. November 2018]. 559 Basel, Historisches Museum, Inv. Nr. 1906.1120 und Inv. Nr. 1887.160, Kat. Nr. 3 (mit Abbildung), in: Beuing (2011b), S. 158; Werke (2014), S. 26/27, Abb. 15. 560 Zur Münzsammlung vor allem Koprio (1960), S. 7: daneben befanden sich Edelsteine, Halbedelsteine, Bleipatronen, Medaillons, Schaumünzen, Figürchen und Schmuckstücke, ebenso Meer-, Land- und Bergkompasse, Uhren, Brillen, Zirkel und andere Zeichengeräte sowie geeichte ­Gewichte, Waagen und andere Geräte aus der Werkstatt des Münzmeisters. Ryff sammelt zu­dem in- und ausländische Holzsorten, aber auch Steine und Muscheln, Schnecken, Perlen und Korallen. 561 Verwiesen sei an dieser Stelle erneut auf Quiccheberg, Anfang (2000),S. 59: Dritte Klasse, siebte Überschrift „Metall [...] schrittweise im Feuer erprobt haben“ sowie auf Kentmann, der ebenfalls diese Zwischenprodukte versammelt. 562 Eisen-Bohnerz (Bohnerz, Linsenerz), https://www.spektrum.de/lexikon/geowissenschaften/ bohnerz/2178 [aufgerufen 18. November 2018].

Anmerkungen I 191

563 Stahlerz (heute Siderit), eine ältere bergmännische Bezeichnung für ein Mineral aus der Klasse der Sulfide, zu denen u. a. Zinnober, Antimonsilber oder auch Kobaltglanz zählen. 564 Eidgenössische Landvogtei Sargans. 565 Prescher (1994a), S. 98 zu Georgius Agricolas Münztraktat De precio metallorum et monetis. Ernsting (1994a), S. 112/113 betont, dass auch Agricola an der Verwendbarkeit der Ressourcen interessiert ist. 566 Lehmann (2013), S. 18 weist darauf hin, dass Gesellschaften und/odr kulturelle Gruppen die verwendeten Materialien mit Bedeutung aufladen, die ihnen attributiv zugeordnet werden (material attributions); diese Zuschreibungen „arise from purposeful association and ideological intention and often imply a hierarchical ranking of materials.“ 567 Mathé, Gerhard: Mineralogische und geologische Sammlungen, in: Boden (1990), S. 457; Marx (1990), S. 12; Thalheim (1996). 568 Zu Nossenis Wirken am Dresdner Hof Meine-Schawe (1989); Müller (2004); Marx (2007a); Marx (2007b). 569 Bräunlein (1994), S. 146; Quellmalz (1990). Italienische „Erfinder“ offerierten in vielen Bereichen ihre Dienste am sächsischen Hof, siehe Marx (2000a), S. 8; Marx (2000b). 570 Kappel (1998b), S. 59; Thalheim (2012a), S. 263: „Das Privileg, wonach nur er und seine Beauftragten im Kurfürstentum nach Marmor, Alabaster (Gips), Serpentin (Serpentinit), Kristallen (Quarz, Varietät Bergkristall) und Amethysten (Quarz, Varietät Amethyst) suchen und diese gewinnen durften, wurde 1590 erneuert und 1609 auf Lebenszeit verlängert.“ Ein erstes Privileg zur systematischen Suche nach Bodenschätzen und edlen Steinen wurde Lorenz Hofmann durch Kurfürst Friedrich II. im Jahr 1445 erteilt; Quellmalz (1990), S. 189; Beierlein (1963), S. 165–176; Fischer (1939), S. 31–37. 571 Mackowsky (1904), S. 21–30. 572 Inventar (2010), fol. 263r–266v; ebenso abgedruckt und kommentiert bei Thalheim (2012a), als Anhang, Tabelle I: Sammlung an Gesteinen und Mineralen von Giovanni Maria Nosseni aus dem Inventar der Kunstkammer von 1587, S. 278/279. 573 Thalheim (2012a), S. 264. 574 Thalheim (2012a), S. 279; Beierlein (1963), S. 167 und 173/174; Hoth/Hoffmann (2010), S. 10 und 52–55. 575 Thalheim (2012a), S. 278 und (Nr. 21 und 27), S. 279. 576 Am 19. März 1572 wurde David Uslaub zum Kunstkämmerer in Dresden ernannt, Syndram (2012), S. 23. 577 Thalheim (2012a), S. 278. 578 Thalheim (1998), S. 13; Kappel (1998b), S. 60; Fischer (1939), S. 31; Beeger (1988), S. 12. 579 Thalheim (2012a), S. 279: Wiesenbad bei Annaberg-Buchholz, Erzgebirge. 580 Zitiert nach Thalheim (1998), S. 14/15 mit Hinweis auf Agricola (1958), De natura fossilium (1546), S. 293 und Quellmalz (1990), S. 30. 581 Swanton (2005), S. 30/31, zitiert Blatt 58, Oberbergamt-Pertinenz II/12. 582 Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nrn. V 380, 386, 389, 390, 397, 399; Kappel (1998a); Magnificenza (1997), Kat. Nr. 127; Hoyer (1995), Kat. Nr. 5 und S. 62; Syndram (1991b); Quellmalz (1990), S. 27–32. 583 Kappel (1998a) verweist auf das Inventar der Geheimen Verwahrung, fol. 89. Kat. Nr. 1, sowie 4/5, 6/7 und 8/9 in Steinschneidekunst (1998), S.  102–106; Syndram (1998), S.  45; Hoyer (1995), Kat. Nr. 5–7, S. 212/213. 584 Zöblitz stieg im 16. Jahrhundert zum führenden Zentrum der europäischen Serpentinverarbeitung auf, Hoyer (1995), S. 19/20. Der Fundort wurde namensgeben, Agricola spricht in seinem De natura fossilium von 1546 „Zeblicio serpentarium“, Hoyer (1995), S.  20. Johannes Kentmann ­vermerkt in seinem Sammlungskatalog unter den Cinerea (dem grauen, bzw. aschenfarbenene

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Marmor), als Position 2 auf fol. 53r: „Zeblicium, quod incolae serpentinum nominant, cum venis & punctis candidis, flavis & nigris. Serpentin.“ Position 3 auf fol. 53r: „Zeblicium, cui innati carbunculi, & in polito marmore miram speciem & aspectu icundum faciunt.“ Kentmanns Rezeption von Agricola wird ersichtlich, wenn er unter Nigra (schwarzer Marmorn) bei Posten 7, fol 53v, ausführt: „Stolpente, ferreo colore & duricie. Hoc basalten nominat Agricola: nos Basalten Stolpischer Stein.“ 585 Bräunlein (1994), S. 146. 586 Dazu Hoyer (1995), S. 86–91, v. a. S. 88. In diese Richtung deutet auch das Empfehlungsschreiben von Graf Sprintzenstein vom 4. November 1574 für Nosseni: „Und ob er wohl mit seiner aigenen Hanndt das Träen nit erfarn, so erpeutt er sich doch, [...] denn Alabaster auf allerlei werck zu Enngen und Weitten Gefäß, wie die begehrt werden möchten, durch einen träer abträen zu lassen, unnd als dann mit seiner Händt also zu Polliern und mit Schlachten, Historien, Figuren, Früchten und dergleichen also zu zyern“, zitiert nach Mackowsky (1904), S. 20. 587 Thalheim (2012a), S.  268 mit Verweis auf das Inventar der Kunstkammer von 1640, fol.  411r: „Große ertzstufe von allerley schönen ertzten [...] vier geschnittene höltzerne bildnuß, bedeuten die 4 element sambt andern, zum bergwerke gehörigen wergken und derselben befehlenden bergk beamten und arbeitern. Desgleich auf dieser stufen die 7 planeten mit eines jeden metalls bedeutungen, oben auf der name Jehovae als erschaffer aller gewechße sambt einem gemahleten geheuse. Hat Daniel Fischer machen laßen.“ 588 Pieper (1955a), S. 183 weist darauf hin, dass auch Daniels wundersame Rettung aus der Gefahr der Löwen-Grube im bergmännischen Sinn als Rettung vor den Gefahren unter Tage gedeutet werden konnte. 589 Irmscher (1995), 96/97: Die Publikation mit dem Titel Zeit Register Auff die Statvam Nabvchodonosoris erschien 1602 bei Schütz in Dresden. Vorrede 3r/v: „Sintemal ich verruckter Zeit dem hochlöblichen Hause Sachssen [...] mit erfindung vieler und macherley farbe der Marmor, Alabaster und anderen Steine, welche zuvor verborgen gewsen, und aus Gottes sonderlichen segen durch mich unwirdigen in diesen Landen an Tag gebracht worden, gedienet [...].“ Marx (2006), S. 61. 590 Thalheim (1998), S. 12.

Anmerkungen I 193

31  Niclaus Schmidt, Turbanschneckenkanne, Ende 16. Jahrhundert, Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. IV 157.

2 Turbanschneckenkannen Einleitung Die Häuser imposanter Meerschnecken wurden in der Frühen Neuzeit von Goldschmieden verarbeitet, ihre wundersamen Kunstwerke standen in großer Zahl in den Sammlungen, auf den Tafeln und in den Silberkammern der Städte und des Adels.1 Die Künstler verarbeiteten für ihre Artefakte vor allem die rechtsgewundenen Schalen der Turbanschnecken (turbinidae), die zur Familie der meeresbewohnenden Trochoidae (Kreiselschnecken) zählen.2 Diese Häuser konnten entweder ganz in ein Werk integriert werden oder aber wurden zu kleinen gleichmäßigen Plättchen oder anderen Formen zersägt, um damit Trägerkerne zu bedecken.3 In beiden Fällen wurde Perlmutt verarbeitet, ein im Spätmittelalter als Lehnwort aus dem mittellateinischen mater perlarum – Mutter der Perle – übernommener Begriff. Vom lateinischen Wort leiten sich die Bezeichnungen perlînmuoter im Deutschen, das Englische mother of pearl und das Italienische madreperla ab.4 Das begriffliche Feld zeigt an, dass hier ursprünglich das Innere von Muscheln bezeichnet wurde, in denen Perlen wuchsen.5 Da aber das Material von Meerschneckenhäusern dem Inneren von Muscheln vergleichbar ist, findet die Bezeichnung Perlmutt auch hier Verwendung.6 Für die Goldschmiedewerke wurden häufig die Vertreter der Großen grünen Turbanschnecke genutzt, vor allem der Turbo marmoratus, der eine maximale Gehäusegröße von 22 cm Durchmesser erreichen kann.7 Diese Meerschnecken kamen im 16. Jahrhundert als Raritäten aus dem Indischen Ozean und wurden in Europa aufgrund ihrer Formen und ihres kostbaren Materials hoch geschätzt.8 Zwei Themen sind mit der Verarbeitung dieser Meerschnecken verbunden, die ausgehend von einer Turbanschneckenkanne von Niclaus Schmidt (ca. 1550–1609) diskutiert werden: Erstens die Zugriffsmöglichkeiten auf das Material durch den globalen Handel und zweitens die Erforschung der Natur, sind die in sich gedrehten Schneckenhäuser doch in der Form einer logarithmischen Spirale gewachsen und laden so den frühneuzeitlichen Künstler zu einer Auseinandersetzung mit der Geometrie und den formgebenden Kräften der Schöpfung ein.9 Nach einer Vorstellung des Œuvres von Niclaus Schmidt, der auf vielfältige Weise Perlmutt in seine Werke integrierte (Kapitel 2.1), werden weitere Positionen von Künstlern aus seinem Umkreis analysiert, die ebenfalls mit diesem Material arbeiteten (Kapitel 2.2). Anschließend werden im dritten Kapitel Meerschnecken als Ausdruck des Fernhandels diskutiert, im vierten Kapitel geht es um die formalen Lösungen der Goldschmiedearbeiten im Kontext von Antikenkenntnis und Antikenevokation sowie im fünften Kapitel um das Verhältnis von Ornament und Körper. Abschließend folgt das Kapitel 2.6 zur praktischen Geometrie und den künstlerischen Versuchen in der Frühen Neuzeit, natürliche Formen über geometrische Abstraktion zu beschreiben und sie für eine künstlerische Weiternutzung bereit zu stellen.

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32  Hendrick Goltzius, Porträt des Haarlemer Muschelsammlers Jan Govertszen van der Aar, 1603. Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen.

Hendrick Goltzius (1558–1617) porträtierte im Jahr 1603 den Haarlemer Muschelsammler Jan Govertszen van der Aar (1544/45–1612, Abb. 32).10 Van der Aar sitzt an einem Tisch, auf dem neun Stücke seiner wertvollen Sammlung ausgebreitet sind; in seiner linken Hand hält er das geschliffene Haus einer großen grünen Turbanschnecke und präsentiert sie den Betrachter:innen so, dass die schimmernde Perlmuttschicht nicht nur außen, sondern auch im Innern des Schneckenhauses erkennbar wird. Dieses Porträt ist Zeugnis der Muschel­ begeisterung und spiegelt das naturforschende Interesse wider, das immer breitere Kreise der Bevölkerung erfasste.11 Zugleich werden die Niederlande als neue, aufstrebende Welthandelsmacht sichtbar, die zunehmend die Wege in den asiatischen Raum dominierte. Das Sammeln von Muscheln ist als Ergebnis von diesem Fernhandel und den damit verbundenen Reichtümern zu lesen – und zugleich Zeugnis der Zugriffsrechte auf die Märkte im Kontext des frühen Kolonialismus im Indischen Ozean.12 Entsprechende Verweisfunk­ tionen sind auch für die Meerschnecken-Pokale anzunehmen, verliehen sie doch dem Reichtum ihrer Besitzer, der auf der weltumspannenden Macht ihrer Handelsbeziehungen fußte, materiellen Ausdruck.13

196 I Turbanschneckenkannen

Für die Goldschmiede hingegen, die mit dem Material arbeiteten, mögen andere ­Bezugssysteme von größerer Bedeutung gewesen sein. Sicherlich bedienten sie das ­Bedürfnis nach großer Prachtentfaltung und überraschenden formalen Lösungen auf ­Käuferseite.14 Konchylien jeglicher Form stillten dieses Verlangen, denn sie sind als natürliches Material fremd und wertvoll. Darüber hinaus aber konnten die Goldschmiede mit dem Material in ­einen Dialog als formschaffende Künstler eintreten, konnten in der direkten Auseinandersetzung mit der göttlichen Schöpfung ihre eigenen Entwürfe erarbeiten.15 Denn das M ­ aterial der Meerschnecke zeigt sich als eine ambivalente natürliche Ressource: Das Perlmutt ist weder ein harter Stein, dem eine Form aufgezwungen werden muss, noch ein weicher Ton, der geformt werden kann. Um das weiße Perlmutt sichtbar zu machen wurden bei den Häusern der Meerschnecken die oberen Schichten durch Ätzung und Schliff abgetragen, ein Arbeitsschritt, der meist schon am Herkunftsort geschah, so dass die fertigen „Rohlinge“ im poliertschimmernden Zustand in Europa eintrafen. Z ­ ugleich aber waren auch natürliche Muscheln und Schnecken in Europa sichtbar, wie das Bildnis des Sammlers Jan Govertszen van der Aar bezeugt. Ihr Material ist nicht variabel, bot aber im intakten Haus eine ornamentale Lösung an. Zudem ist das freigelegte Perlmutt wunderschön schimmernd und glatt und muss nicht – beispielsweise wie die Schale einer Kokosnuss oder das Horn eines Rhinozerosses – erst durch die Überarbeitung des Goldschmieds veredelt werden.16 In seinem 1611 in Amsterdam publizierten Gedicht Strande, oft Ghedichte van de schelpen, kinck hornen, ende andere wonderlicke Zee-schepselen tot lof Van den Schepper aller dingen entwirft Philibert van Borsselen (1570/75–1627) eine Kultur- und Natur­ geschichte der Muscheln und Schneckenhäuser.17 Hier preist er die Schöpfung Gottes in den Formen und Farben der Meerschnecken und weist auf die formschaffende Potenz von Meer und vrou Natur, die mit ihren Kräften zum Vorbild des künstlerisch handelnden Menschen werden. Direkt spricht der Dichter die Maler an, die die Schönheit der natür­ lichen Häuser nicht abzubilden vermögen: Wer sah je solchen Schmuck, wer sah je solche Koralle, solchen Marmor, solchen Achat? Dieses Rot, dieses Blau übertrifft Deine Kunst, oh Maler, sinnenreich, Deine hoch gelobte Hand kommt hier zu kurz, Deine Farben und Dein Pinsel werden diesen schönen Glanz nicht in kleinstem Anteil treffen.18

Die Pracht der natürlichen Dinge überbietet die menschliche Kunstfertigkeit, der Pinsel und die Farben des Malers werden vom schimmernden Glanz des Perlmutts besiegt, der farbenreicher ist als Korallen, als Marmor oder Achat, als Hyazinthen, Rosen, Lilien, ­Veilchen – und selbst die Tulpe ist nicht mit der Schönheit der Muschelschalen zu vergleichen.19 Aber nicht allein die Farbvielfalt sowie das changierende Schimmern der Ober­ fläche, sondern auch die Formen der Muscheln erwecken die Begeisterung des Dichters: Die feine Hand des Drechslers mit seiner runden Drehscheibe und scharfkantigem Stahl, oftmals durch seine hölzerne Brille, arbeitet kunstvoll einmal rund, einmal viereckig, einmal oval. Aber

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hier ist alles in einem schon hunderte Male von der klugen Hand der Natur in Groß und Klein geschaffen. [...] So will der große Gott durch seine verschiedenen Werke, dass jeder seine Weisheit und seine Allmacht erkennt.20

Hier ist es die kluge Hand der Natur, die – der Metapher van Borssellens zufolge – wie ein Drechsler arbeitet, um die komplexen geometrischen Formen der Muschelschalen (und Meerschneckenhäuser) zu erschaffen. Philibert van Borsselen charakterisiert danach die einzelnen ihm bekannten Muschelarten – die er über Marginalglossen mit ihren damals gebräuchlichen lateinischen Namen benennt (witte Horenken / Cochlea Multipars et al.), sie kulturell und räumlich einordnet und ihre unterschiedlichen Gebrauchsarten ­beschreibt. Die silver-witte Schelp  – mit dem lateinischen Namen Concha Bacchi  – beispielsweise verortet er nach „China“, was sicherlich als Sammelbegriff für eine Herkunft aus einem als fern wahrgenommenen östlichen Bereich gewertet werden muss: Die silbrig-weiße Muschel wird zu einem Trinkbecher geschliffen im reichen chinesischen Land, und uns zur Hand gebracht, mit Gold künstlich/kunstvoll gefeiert, mit Laubwerk hübsch bearbeitet, um den süßen Trank mit Freude (daraus) zu trinken.21

Die Schalen von Muscheln und die Häuser von Nautilussen und Turbanschnecken sind van Borsselen demnach als natürliche Materialien bekannt, die nicht nur in ihrer Naturform, sondern schon geschliffen, mit Blättern und anderen Ornamenten graviert und zu Trinkbechern umgeformt als Handelsware nach Europa verschifft werden. Auch die Concha Murrha, die er als La grosse Porcelaine charakterisiert, kennt van Borsselen in der Weiterverarbeitung zu einem Pokal: Hier folgt der silberne Hulck, der Muschel Perle Netz, der auf einem goldenen  Fuß  auf den Tisch gesetzt wird, um aus seinem reinen Roof (Deckshaus) das heitere Nass zu trinken [...] Ein Pokal aus reinem Gold mit reichen Steinen geehrt, das edle Porzellan mit Bildern hübsch verzieret und das klare durchsichtige Glas aus Kristall, sie können nicht schöner oder reiner sein. Sein glitzernder Anblick und sein Lüster hoch berühmt beschämt den schönsten Glanz der Perlen. Sein abgerundeter Rücken ist mit einer rötlichen  Farbe  gefleckt und von der wilden See mit einer Kruste bedeckt, der aber  einfach  durch kleine Kunst verschwindet, so dass er als ein silbernes Schiff erscheint.22

Das Haus aus Perlmutt hält dem Vergleich mit anderen wertvollen Materialien stand, aus denen Trinkgefäße geschaffen werden – es übertrifft Pokale aus Gold, aus Porzellan sowie aus Kristallglas. Erneut wird der Glanz des Materials, der Lüster, als bewundernswürdige Besonderheit hervorgehoben – und erneut wird deutlich, dass dem niederländischen Dichter bekannt ist, dass Muscheln und Meerschneckenhäuser in ihrer natürlichen Umgebung mit einer Kruste überzogen sind und das Perlmutt erst nach der Aneignung durch den

198 I Turbanschneckenkannen

Menschen und durch eine artifizielle Aufarbeitung freigelegt worden war. Muscheln und Meerschnecken boten die Möglichkeit einer künstlerisch-forschenden Hinwendung zur natürlichen Welt und ihren mannigfaltigen Formen, die über den Begriff der Aneignung eine deutlich ökonomisch ausgerichtete Perspektive erhält, die mit realen politischen Machtverhältnissen verbunden war. Daneben wurden Muscheln als Verweis auf Gottes Allmacht gelesen: In der Schönheit seiner Werke (van yder wonder-werc des grooten werck-mans eer) – und nicht zuletzt in der schimmernden Oberfläche des Perlmutts – ist die Schönheit des unsichtbaren Gottes erahnbar, wie auch van Borsellen in seinem Gedicht Strande, oft ghedichte van de schelpen immer wieder betont.23 Es sind die materialimmanenten Qualitäten des Schimmerns und der Lichtreflexion der polierten Oberflächen, die die Parallelisierung mit dem göttlichen Schein ermöglichten – und die vom Autoren mit einer Preisung der Schönheit der göttlichen Schöpfung verbunden wurde, die sichtbaren Ausdruck in den Häusern der Meeresschnecken fand. Innerhalb der kunsthistorischen Forschung zu den Turbanschneckenpokalen aber schwanken die Einschätzungen zwischen eher pragmatischen Beurteilungen und stärker formalen Begründungen, die eine Wechselwirkung zwischen natürlicher und künstlicher Form betonen. Sicherlich boten die Meerschneckenhäuser den Künstlern die Möglichkeit, Silber als Material bei der Produktion von Krügen und Pokalen einzusparen.24 Dennoch scheint es – auch angesichts des Werts der exotischen Schnecken – unwahrscheinlich, dass dies der ausschließliche Grund für ihre Verwendung war: Die Faszination, die von dem Material und der Form des gedrehten Hauses ausging, hat die künstlerische Auseinandersetzung mit den Turbanschnecken begünstigt.25 Vielfach sind Impulse für die formalen Lösungen der Goldschmiedewerke – sei es im kleinteiligen Ornament, sei es im gestalteten Detail oder in der Gesamtwirkung des Kunstwerks  – von den Schneckenhäusern ausgegangen. Denn ihre eigentliche Gestalt ist so auffällig, ihre Materialität so zwingend, dass die Künstler auf sie reagieren mussten. Motive und Formen entstehen dabei in der direkten Auseinandersetzung, so dass gerade im Bereich der Turbanschnecken-Objekte die offenkundige Inszenierung der natürlichen Formen zum Hauptmotiv des Werkes werden konnte.26 Die Turbanschnecken bieten geometrische Klarheit im Motiv der logarithmischen Spirale an, aber sind zugleich asymmetrisch, da sich ihr Haus – anders als bei Nautilussen (Perlbooten) – nach außen dreht und dabei verjüngt. Die Künstler, die mit diesem Material arbeiteten, mussten bei jedem Werk erneut das Spannungsverhältnis zwischen diesen beiden Polen aushandeln.27 Vergleichbar den Handsteinen stehen auch diese Artefakte zwischen (kunst)-technischen Verfahren und natürlichen formgebenden Prozessen, eine Grenze, die die Goldschmiede im 16. Jahrhundert auf vielfältigen Ebenen sichtbar machten und ausloteten.28 Ob auch diätische Aspekte die Verarbeitung von Turbanschnecken zu Pokalen und Krügen in der Frühen Neuzeit begünstigten, ist nicht eindeutig zu entscheiden. Vielen Materialien wurden im Bereich des Ess- und Trinkgeschirrs eine vor Giften warnende oder Vergiftungen entgegenwirkende Qualität zugesprochen. Die Hörner von Rhinozerossen, Seychellennüsse, Korallen oder auch Bezoare sind für ihre magische Wirkung bekannt.29

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Vergleichbar heilende oder unheilabwendende Narrative sind in Teilen auch für Perlen und Perlmutt überliefert.30 Das Material stand im Ruf, giftabweisend zu sein, so dass seine Integration in Trinkgeschirre nicht nur schön, sondern auch nützlich sein konnte. Der Vergleich von Perlmutt und Porzellan findet sich mehrfach im Gedicht von van Borsselen, bei der Beschreibung der Schale der Concha Veneris auch verbunden mit der Vorstellung, dass das Material (als Geschenk der Natur an den Menschen) vor Giften schützen kann: es gleicht dem Porzellan,  das  weder mit Händen noch Kunst  verputzt noch geformt, sondern durch die Gunst der Natur den Menschen zugeschickt und zum Nutzen mitgeteilt, weil der davon bereitete Stoff viele furchtbare Qualen heilt.31

Einige Anwendungsbereiche beziehen sich zwar auf das Material, jedoch nicht in der intakten Form, sondern auf zerriebene Perlen oder Perlmutt, die in Flüssigkeit gelöst und getrunken werden konnten.32 Dieses aqua perlata wurde aus dem Pulver von Perlen, aus einer sauren Flüssigkeit (Zitronensaft oder Essig) und verschiedenen Gewürzen bereitet, und auch van Borsselen scheint dies zu bedeuten.33 Eine weitere Überlieferung schreibt dem Perlmutt bzw. den Perlen – aufgrund materieller Eigenschaften wie der hellen, schimmernden Farbe, ihrer glatten Oberfläche und runden Formen – sowohl reinigende als auch aphrodisierende Wirkungen zu.34 Dennoch scheint es vor allem die Schönheit von Material und Form gewesen zu sein, die den Ausschlag für die besondere Wertschätzung von Meerschneckenhäusern und ihre Fassung in Gold und Silber gaben – verbunden mit dem Verweis auf ihre ferne Herkunft und damit dem weitgespannten Interessenhorizont ihrer Besitzer. Bedenkt man die immensen Verluste von Goldschmiedewerken aus dem 16. Jahrhundert, sind erstaunlich viele Objekte aus dem Umfeld der frühneuzeitlichen Kunstkammern erhalten, die exotische Naturmaterialien mit der Kunstfertigkeit zeitgenössischer Goldschmiede kombinieren. In vielen Sammlungen finden sich heute noch Artefakte, die die Häuser von Turbanschnecken integrieren.35 Sie sind dort mit Werken versammelt, die andere exotische Materialien artifiziell überformten, wie Straußeneier, die Hörner von Rhinozerossen, Kokosnüssen oder auch die Häuser von Perlbooten, sogenannten Nautilussen.36 Mit letzteren wurden und werden die Häuser von Meerschnecken häufig verwechselt, das Material ist gleich, die Spiraldrehung der Häuser aber deutlich verschieden. Viele der Pokale und Schalen mit Nautilussen und Turbanschnecken folgen eher einem gängigen Schema, bei dem die im fernöstlichen Raum freigelegte und polierte, teilweise schon gravierte Schale (auch mit Verzierungen in Ritztechnik) auf einen Sockel montiert wurde.37 Von dieser Masse aber lassen sich einige sehr elaborierte Werke scheiden, die eine breite Varianz an künstlerischem Schmuck und anspruchsvolle Ikonographien zeigen. Diese Werke stammen aus dem Umfeld der beiden süddeutschen Goldschmiedezentren Augsburg und vor allem Nürnberg; die ausführenden Künstler stehen häufig in einem engen Austausch oder Werkstattverhältnis und sind in Teilen über ein Lehrer/Schüler-Verhältnis verbunden.38 Um die Gruppe dieser Werke soll es im Folgenden gehen.

200 I Turbanschneckenkannen

2.1 Die Turbanschneckenkanne Im Neuen Grünen Gewölbe in Dresden wird eine Kanne aufbewahrt, deren Körper aus drei Häusern von Meerschnecken gebildet ist; zu ihr gehört ein ebenfalls erhaltenes Wasser­becken (Abb. 33).39 Diese Lavabo-Garnitur ist eine Arbeit des in Nürnberg tätigen Goldschmieds Niclaus Schmidt, die Kanne stellt einen Drachen dar, dessen Körper aus drei Turbanschneckenhäusern zusammengesetzt ist, Hals und Kopf des Drachens sind aus vergoldetem Silber geformt und dienen zugleich als Ausguss der Kanne (Abb. 34). Der Henkel schließt an den Schwanz an und läuft im Bogen über den Körper des Wesens (Abb. 35), der auf zwei gebeugten Beinen ruht, als habe sich das Tier auf dem Fuß der Kanne niedergelassen. Der Schaft mit Nodus ist mit geflügelten Engelsköpfen und Vasen geschmückt, der dreipassförmige Fuß zeigt Buckel aus Perlmutt, die das Material der Schneckenhäuser am Kannenkörper aufgreifen. Auf dem Fuß befinden sich kleine gegossene Frösche. Das

33  Niclaus Schmidt / anonymer Meister aus der Region Gujarat, Lavabo-Garnitur, Ende 16. Jahrhundert. Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. IV 157 und IV 248.

Die Turbanschneckenkanne I 201

34  Niclaus Schmidt, Turbanschneckenkanne. Ansicht von vorne, Ende 16. Jahrhundert. Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. IV 157.

35  Niclaus Schmidt, Turbanschneckenkanne. Ansicht von hinten, Ende 16. Jahrhundert. Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. IV 157.

zur Kanne gehörende Becken ist aus vergoldetem Silber gearbeitet, verziert ist es mit ­silbernen Figuren und Perlmutteinlagen.40 Im Becken befindet sich ein gerahmtes Dreipassfeld, das für die Standfläche der Kanne gearbeitet wurde. Die Dreizahl der Perlmuttein­lagen am Fuß der Kanne, die mit den drei Meerschneckenhäusern des Körpers korrespondiert, wird im Becken verdoppelt: An seinem Rand befinden sich sechs große ovale Perlmuttstücke zwischen den genannten vollplastisch gearbeiteten Figuren von Nymphen und Flussgöttern, die auf Amphoren lagern (Abb. 36). Hinzu kommen innerhalb des Dreipassrahmens des Beckens drei kleine Abgüsse von Echsen, die wiederum den Abgüssen der drei Frösche auf dem Fuß der Kanne entsprechen. Im Kunstkammer-Inventar von 1619 wird von „eingeschmelzten farbenn“ gesprochen, also von einer ehemaligen Farbfassung, die allerdings, wie eine spätere Notiz vermerkt, „in abbeizen weggangen“ sei.41

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36  Niclaus Schmidt / anonymer Meister aus der Region Gujarat, Wasserbecken, Ende 16. Jahrhundert. Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. IV 248.

Das Innere des Beckens ist mit kleinteiligen Perlmuttblättchen ausgelegt, eine Arbeit, die nicht in Europa, sondern von Künstlern in Indien ausgeführt wurde. Dort wurden auch die Schneckenhäuser vor dem Transport von ihrer äußeren harten Schale befreit. Sie wurden mit Säure behandelt, geschliffen und poliert, teilweise auch schon graviert und dann in Europa gefasst, seltener von niederländischen Goldschmieden, vor allem von süddeutschen Meistern in Augsburg und Nürnberg.42 Becken und Kanne entstanden als eine ortsverteilte Kooperation des anonym bleibenden indischen Künstlers aus der Region Gujarat und des Nürnberger Meisters Niclaus Schmidt. Sie sind Produkt des in der frühen Neuzeit entstehenden globalen Handelsnetzes, das durch portugiesische und spanische Händler, aber auch durch die in Augsburg ansässigen Handels-Kompanien der Welser und der Fugger organisiert wurde.43 Zugleich zeigen sie das Interesse und das Wissen um die Materialien an, die über diese Handelswege in neuem Maße in Europa verfügbar wurden, sie sind

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37  Rosenwasserbecken und Kanne, Gujarat und Nürnberg, um 1540.

„objects of global knowledge“ und „objects of global connection“, um zwei Begriffe von Anne Gerritsen und Giorgio Riello zu verwenden.44 Das westindische Sultanat Gujarat war für die Verarbeitung von Perlmuttobjekten aus den zersägten Häusern von Turban- und anderen Meerschnecken berühmt.45 Die dort ansässigen Künstler arbeiteten teilweise nach europäischen Gefäßformen, ihre Produktion war für den Export bestimmt.46 Vor allem belegten sie Holzkerne mit Perlmutt aus den Häusern der großen grünen Turbanschnecken.47 Der Nürnberger Goldschmied Niclaus Schmidt nutzte die schon vorgearbeiteten Schneckenhäuser für seine Drachenkanne und verwendete zudem das westindische Becken, dessen Kern mit feinen Perlmuttblättern belegt war, als Basis für seinen weiterführenden Entwurf. Dabei suchte er über die Drei- und Sechszahl sowie über die Abgüsse von Fröschen und Eidechsen, die zwar über das gemeinsame Material Perlmutt verbundenen, aber in der formalen Lösung doch sehr divergierenden beiden Teile des Werks  – Kanne und Becken – miteinander zu verbinden. Im Grünen Gewölbe in Dresden hat sich die Garnitur eines Rosenwasserbeckens mit Kanne erhalten, die auf 1540 datiert ist und bei der sowohl die Kanne als auch das Becken aus nordwest-indischer Produktion stammen (Abb. 37), so dass beide Stücke ein sehr ähnliches Dekor zeigen: Bei der Kanne umhüllen Perlmuttschuppen einen Träger aus Kupfer, das Becken besteht aus einer ­asiatischen

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Holzarbeit, die mit Perlmuttblättern belegt wurde. Der deutsche Goldschmied, der diese beiden Vorarbeiten aufgriff und weiternutzte, ergänzte die getriebenen Silberbleche am Rand des Beckens und fügte zudem Tülle, Fuß und Henkel an den Krug an.48 Kanne und Becken sind durch den Perlmuttdekor verbunden, so dass der Eingriff des europäischen Meisters in das vorhandene Material weniger deutlich hervortritt, als bei den Arbeiten von Niclaus Schmidt. Beide Lavabo-Garnituren zeigen die Aushandlung einer Sichtbarhaltung der fremden Herkunft bei gleichzeitiger künstlerischer Aneignung, die sich sowohl auf der Ebene der formalen Lösungen, als auch auf der Ebene des Materials entspann. Über den ausführenden Meister der Dresdner Drachenkanne samt Lavabo, den Nürnberger Goldschmied Niclaus Schmidt, ist wenig bekannt. Er arbeitete möglicherweise als Geselle oder Werkstattmitarbeiter bei den beiden führenden und formal innovativsten Meistern in Nürnberg, Elias Lencker (gestorben 1591) und Wenzel Jamnitzer (1508–1585).49 Der aus Greifswald stammende Schmidt erhielt am 7. Oktober 1581 durch Ratserlass das Nürnberger Bürgerrecht zu einem Zeitpunkt, als er schon ein ausgebildeter Goldschmied war: Niclassen Schmidt von Gripßwalden, silberarbaitern, soll man von wegen seiner kunst und geschickligkait zu bürger annemen und mit vorwissen der geschwornen alspalden in die maisterstück einsitzen lassen, doch iren gesetz und ordnungen sonsten in ander weg on schaden.50

Kurze Zeit später, am 14. Januar 1582, legte er die Meisterprüfung ab. Leider haben sich keine Verträge oder weitere Mitteilungen über Aufträge erhalten, die überlieferten Werke und die Orte ihrer Verwahrung weisen jedoch darauf hin, dass er für sehr hochgestellte Auftraggeber arbeitete. Die Gießgarnitur aus Kanne mit den drei Turbanschneckenhäusern und Becken wurde vor 1595 gefertigt, denn sie stand in der Dresdner Kunstkammer  – rekonstruierbar über das Inventar aus diesem Jahr  – auf einem Tisch mit weiteren Perlmutt-Arbeiten, darunter einer Prunkkassette des Goldschmieds Elias Geyer (um 1560–1634).51 Zudem ist überliefert, dass Niclaus Schmidt im Jahr 1597 zusammen mit dem Nürnberger Goldschmied und Händler Martin Rehlein der Alchemie angeklagt wurde und eine Strafe von 50 fl. zu zahlen hatte (die auf die Hälfte reduziert wurde). Was damit genau gemeint war, lässt sich nicht genauer konkretisieren – möglicherweise handelte es sich um einen reinen Betrugsversuch, da Rehlein durch Raub in finanzielle Schwierigkeiten geraten war.52 Für das Jahr 1609 ist das Begräbnis von Niclaus Schmidt in Nürnberg überliefert. Die sächsischen Kurfürsten hatten großes Interesse am Material Perlmutt und schätzten offensichtlich die Arbeiten des Meisters sehr. Zu seinen erhaltenen Werken in Dresden gehört ein Kästchen, das mit Perlmuttplattierung beschlagen ist (Abb. 38).53 Es besteht aus farbig gefasstem Holz, auch hier stammt der mit Perlmutt-Blättchen ummantelte Kern aus Gujarat, der von Niclaus Schmidt weiterverarbeitet wurde.54 Die Ecken mit den figürlichen Hermen, die Schneckenfüße sowie die Borten – alles Arbeiten aus vergoldetem Silber –

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38  Niclaus Schmidt / anonymer Meister aus der Region Gujarat, Kästchen mit Perlmuttplattierung, Ende 16. Jahrhundert. Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. III 244.

stammen von ihm. Der Nürnberger Meister hat somit mehrfach mit Perlmutt gearbeitet, ein Hinweis darauf, dass er regelmäßig Zugriff auf dieses aus Indien importierte Material hatte.55 In Dresden befindet sich noch ein viertes Werk von Niclaus Schmidt, auch hier handelt es sich um eine Prunkkassette56 Sie entstand vor 1588, da der sächsische Kurfürst Christian I. sie seiner Gemahlin Sophie von Brandenburg in diesem Jahr zum Weihnachtsfest schenkte.57 Diese Prunkkassette befand sich, dem Inventar von 1595 zufolge, im hinteren großen Gemach und stand dort gemeinsam mit einer weiteren Prunkkassette, die Christian  I. als Geschenk von Elisabeth von Anhalt (1563–1607), der Stiefmutter seiner Frau, zum Neujahr 1590 erhalten hatte.58 Wenngleich die Kassette die Meistermarke von Niclaus Schmidt trägt, wurde aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit anderen Werken aus der Werkstatt von Wenzel Jamnitzer vorgeschlagen, dass sie noch von Jamnitzer begonnen und dann von Schmidt vollendet worden sei. Ebenso wurde diskutiert, dass Schmidt sie nach einem Entwurf von Jamnitzer schuf. Die Nähe zu den Werken aus der JamnitzerWerkstatt ist evident, vielfach finden sich dort Elemente wieder, die auch bei späteren Werken von Schmidt Verwendung fanden. So verweisen vor allem die vielfach e ­ ingesetzten

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39  Niclaus Schmidt / anonymer Meister aus der Region Gujarat, Prunkkassette aus Perlmutt, Ende 16. Jahrhundert. Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. III 55.

Naturabgüsse auf den Jamnitzer-Umkreis.59 Auch an dieser Prunkkassette wurde Perlmutt verarbeitet, aber in gänzlich anderer Technik und formalen Lösungen, als bei den Werken, die Vorarbeiten aus Indien integrieren: Das Perlmutt füllt als viereckig geschnittene Platten die architektonisch gegliederten Felder unter den Nischen, in denen alternierend die Figuren von Königen in Silberrelief und weiblichen Tugenden als vergoldete Statuetten stehen.60 Und noch eine dritte Kassette von Niclaus Schmidt ist in Dresden erhalten (Abb. 39), ein Artefakt, dass sich erneut als Auseinandersetzung mit aus Gujarat importierten, vorgefertigten Formen präsentiert: Hier ist der Körper der Kassette vollkommen von einem Schuppenpanzer aus Perlmuttplättchen überzogen – die Eingriffe von Schmidt bestehen aus Füßen, die aus Meerfrauen mit eingedrehtem Fischschwanz gebildet wurden; auf dem Deckel des Kastens sitzt der Naturabguss eines Frosches.61 An den Ecken des Deckels sind Jakobsmuscheln aufgesetzt und die Ecken des Kastens selbst werden durch Dreiviertelsäulen eingefasst, die mittig fratzenhafte Masken tragen. Der Jupiter-Pokal (Abb. 40) in London ist eine weitere Arbeit von Schmidt, der hier das Haus eines Perlbootes (Nautilus) verwendet.62 Wie bei vielen anderen Werken nutzt der

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40  Niclaus Schmidt, Jupiter Pokal, um 1600. London, Lantern Lobby, Windsor Castle, Inv. Nr. RCIN 50603.

Künstler auch bei dieser Arbeit bewusst die unterschiedliche Farbigkeit und Oberflächenstruktur der verwendeten Materialien: Fuß und Schaft des Pokals bestehen aus Silber und vergoldetem Silber, beide Materialien erzeugen deutliche Farbkontraste, die die Lektüre des Objekts erleichtern.63 Die Körper der vier den Fuß tragenden, Musikinstrumente spielenden Meerfrauen und des Neptuns sind in Silber gearbeitet; die Fischschwänze der Meerfrauen sowie das See-Pferd (Hippocampus), auf dem der Meergott reitet, sind vergoldet. Dieser farbliche Kontrast wird noch dadurch verstärkt, dass die Schwänze wie auch das Fell und die Flossen des Pferdes durch ein schuppenartiges Ornament aufgeraut wurden, so dass das Gold matt, das Silber strahlend poliert wirkt. Zwischen den Meerfrauen befinden sich vier goldene Muscheln, in deren inneren Rippen ein silbernes Perlenband liegt; dieses Band umläuft den Pokal an der Bodenplatte, am Rand des Nautilus und auf dem Deckel und umrahmt das auf Neptuns Schultern lagernde Perlboot als einigendes Element, das die unterschiedlichen Bereiche des Werks zusammenfasst. Die Öffnung des Nautilus ist mit einem Deckel verschlossen, auf dessen Rand weibliche Figuren mit zwei-

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41  Niclaus Schmidt, Lavabo-Garnitur, Ende 16. Jahrhundert. Wien, KHM, KK_1124.

schweifigem Volutenschwanz und Fledermausflügeln hocken. Darüber reitet Jupiter (mit in Silber gearbeitetem Körper) auf einem goldenen Adler, dessen Oberfläche ebenfalls durch die eingravierten Federn belebt ist.64 Innerhalb des Pokals also werden natürliche Formen aus dem Reich des Wassers und der Luft mit antiken Themen, exotischem Material und moderner italienischer Renaissance-Ornamentik verbunden.65 Der Jupiter-Pokal ist, vergleichbar der Drachen-Gießgarnitur aus Dresden, ein singuläres Werk und sowohl vom Entwurf als auch aufgrund der Ausführung meisterhaft – und wurde (deshalb) über viele Jahre hinweg Benvenuto Cellini zugeschrieben.66 Eine weitere Variante, das Material Perlmutt zu verarbeiten, präsentiert Niclaus Schmidt in seiner zweiten Lavabo-Garnitur (Abb. 41).67 Kanne und Becken befinden sich in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien und sind über eine Hofzahlamtsrechnung von 1592 direkt mit dem kaiserlichen Hof und der Sammlung von Rudolph II. zu verbinden.68 Erneut betonte die Forschung die Nähe zu Werken führender Nürnberger Goldschmiedemeister, wie Wenzel Jamnitzer, Hans Petzolt oder Elias Lencker.69

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Wie beim Jupiter-Pokal ist auch bei dieser Garnitur die Übernahme und Weiterentwicklung von modernen, aus Italien nach ganz Europa wirkenden Renaissance-Motiven sowohl in der Ikonographie als auch in den ornamentalen Formen deutlich zu erkennen (vgl. Kapitel  2.4). Der eiförmige Kannenkörper mit deutlich emporschwingender Handhabe ist von einem engen Netz von Ornamenten überzogen, einziges plastisches Beiwerk ist die Neiride unterhalb der Ausgusstülle, deren Oberkörper sich vom Kannenkörper plastisch erhebt und deren spiralförmig eingerollte Hinterbeine auf ihm aufliegen.70 Der Körper der Meerfrau ist in Silber, die Fischschwänze wie auch der ihren Hals und ihre Brüste umfangende Schmuck vergoldet gebildet. Auf ihren geschwungenen Schwänzen sitzen Perlmuttkreise, und ebenso trägt die Cuppa Perlmutt-Teile, die mit den Schuppen im Becken korrespondieren. Das Becken gilt nicht als Arbeit aus Gujarat, sondern als Nachahmung, Evokation oder auch Rezeption dortiger Werke durch einen europäischen Goldschmied.71 Bemerkenswert ist, wie Schmidt hier durch die Auflage eines extrem breiten Randes am, sowie eines zweiten breiten Rings im, Becken die darin im Stil indischer Arbeiten mit Nägeln befestigten Perlmuttblättchen sichtbar überformt hat und so das Becken für den Grundgedanken des Kannenentwurfs adaptieren konnte. Zugleich aber bleibt die spannungsvolle Differenz zwischen einem „europäischen“ Einsatz von Perlmutt (additiv als runde Formen an Kanne und Becken) und dem „indischen“ Werk (als Perlmuttschuppen, die einen Kern vollständig umfangen) erkennbar, so dass das Werk beide Welten evoziert. Innerhalb des Schaffens von Niclaus Schmidt verbinden sich die bewusste Integration fremder Materialien und deutliche Orientierung an modernsten formalen Lösungen zu einer eigenen künstlerischen Sprache. Der Nürnberger Meister war auf die Verarbeitung von Perlmutt spezialisiert. Er verwendete dabei Perlmuttplatten als Medaillons in seiner Drachen-Garnitur oder an der Prunkkassette, nutzte aber zugleich auch aus Indien importierte, vorgefertigte Teile, wenngleich diese eine gänzlich andere Materialbehandlung und Formensprache zeigten. In beiden Lavabo-Garnituren wird erkennbar, wie sich der Künstler bei der Übernahme von vorgefertigten Teilen auf unterschiedlichen Ebenen darum bemühte, die deutlich sichtbaren Divergenzen ihrer Erscheinung miteinander zu versöhnen, in dem er beispielsweise über Hinzufügung von Rahmungen, die Anzahl von Schmuckelementen und über den Einsatz von Naturabgüssen visuelle Bezüge herstellte und so Kanne und Becken stärker miteinander verschränkte.

2.2 W eitere Arbeiten aus Perlmutt und Turbanschneckenhäusern Die Dresdner Lavabo-Garnitur von Niclaus Schmidt ist ein einzigartiges Kunstwerk, das aus fremdartigen und faszinierenden Tieren neue Wunder erschafft. Zugleich ist Schmidt Teil einer Gruppe von Nürnberger Goldschmieden, die in vergleichbarer Weise modernste Werke der Goldschmiedekunst schufen und ebenfalls die wertvollen Häuser von großen

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Meerschnecken verarbeiteten. Zu nennen ist hier an erster Stelle Wenzel Jamnitzer, der eine Turbanschnecken-Kanne schuf, die in der Schatzkammer der Münchner Residenz aufbewahrt wird (Abb. 42).72 Sie ist mit der Arbeit von Schmidt über das Material Perlmutt, über die Nutzung von Naturabgüssen und die Rezeption von italienischen Renaissanceformen verbunden, doch wurden in Jamnitzers Entwurf die Häuser von zwei Turbanschnecken so zersägt und aneinandergelegt, dass sie die beiden Hälften eines gleichmäßigen Körpers bilden.73 Dadurch gelang es dem Meister, eine Symmetrie zu erschaffen, die den Turbanschneckenhäusern gegenläufig ist (Abb. 43).74 Der Fuß der Kanne besteht aus sechs Naturabgüssen von Schlangen, die der Goldschmied in unterschiedlichen Formen gerollt der gesamten Kanne zugrunde legt (Abb. 44). Darüber kriecht eine Schnecke, auf der sich ein gegossener Adler niederlässt, auf seinen ausgebreiteten Schwingen liegt der Corpus der Kanne auf.75 Die zusammengelegten Häuser der Turbanschnecke werden von Spangen in Form von Füllhörnern gehalten. Sie sind mit emaillierten Ornamenten geschmückt, die oben aus den Hörnern quellenden Blumen wurden mit Emaillefarben angemalt (Abb. 45). Oberhalb der Schneckenhäuser sind Ausguss und Griff der Kanne angebracht: Eine­

42  Wenzel Jamnitzer, Turbanschneckenkanne, Nürnberg, um 1570. Residenz München, Schatz­ kammer, Inv. Nr. Kat. ResMüSch. 567.

Weitere Arbeiten aus Perlmutt und Turbanschneckenhäusern I 211

43  Wenzel Jamnitzer, Turbanschneckenkanne. Ansicht von vorne, Nürnberg, um 1570. Residenz München, Schatzkammer, Inv. Nr. Kat. ResMüSch. 567.

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44  Wenzel Jamnitzer, Turbanschneckenkanne. Detail des Fußes, Nürnberg, um 1570. Residenz München, Schatzkammer, Inv. Nr. Kat. ResMüSch. 567.

weibliche Figur mit spiralförmigen Armstümpfen und nach hinten auslaufenden gerollten Tentakeln. Der Korb auf ihrem Haupt dient als Tülle, ihr nach hinten reichendes Kopftuch bildet die Verbindung zur Handhabe.76 Durch den Einsatz von Emaille – als Ornament auf den Spangen und als Farbe in den Füllhörnern – reicherte Jamnitzer seine Goldschmiedearbeit noch zusätzlich um die Farben rot, grün und blau an.77 Eine vergleichbare farbige Gestaltung ist auch für das Becken von Niclaus Schmidt über den Inventareintrag von 1611 zu rekonstruieren, wenngleich sich hier keinerlei Farbspuren erhalten haben. Hinzu tritt das schimmernde Material des Perlmutts, das den allgemeinen Eindruck des Werks dominiert. Zur Kanne hat sich kein Becken erhalten; da aber mit dem Namen Jamnitzers die frühe nordalpine Rezeption dieses als Antikenadaption aus Italien kommenden Ensembles verbunden ist, kann auch hier eine Lavabo-Garnitur angenommen werden.78 Schmidts und Jamnitzers Werke inszenieren technisches Vermögen und Zugriffsmöglichkeit auf seltene Materialien – eine Zurschaustellung, die nur dort sinnvoll erscheint, wo sie auf Rezipient:innen trifft, die diese visuellen Angebote entschlüsseln konnten. Dies galt für die Handsteine aus dem Erzgebirge, deren ganze Wirkung sich nur dort entfalten

Weitere Arbeiten aus Perlmutt und Turbanschneckenhäusern I 213

45  Wenzel Jamnitzer, Turbanschneckenkanne. Detail der Cuppa mit emaillierten Füllhörnern, Nürnberg, um 1570. Residenz München, Schatzkammer, Inv. Nr. Kat. ResMüSch. 567.

konnte, wo Betrachter:innen in dem an sich unscheinbaren Stein die Ressource Silbererz erkannten. In vergleichbarem Maße gilt dies für die Werke von Schmidt und Jamnitzer, bei denen sich die Bedeutungsebenen allein denjenigen erschlossen, die die eingesetzten ­Materialien und Techniken bis zu einem gewissen Maße unterscheiden konnten. In einem ersten Rezeptionsschritt nahmen die Betrachter:innen die unterschiedlichen Oberflächen wahr. Wie beim Jupiter-Pokal beschrieben, nutzte Schmidt die Möglichkeiten, über unterschiedliche technische Bearbeitungen verschiedenartige Qualitäten hervorzurufen. Sie sind mit dem Auge wahrzunehmen, doch die heutige museale Präsentationsform, die die Objekte der Handhabung entzieht, lässt vergessen, dass dies nicht dem Umgang des 16. Jahrhunderts entsprach. Selbst wenn weder die Kanne von Schmidt noch die Kanne von Jamnitzer für einen tatsächlichen Gebrauch bestimmt waren, so konnten ihre Besitzer:innen diese Werke dennoch in die Hand nehmen und dabei die Schwere und die Temperatur der Objekte erfahren, wie auch die unterschiedlichen Oberflächen ertasten.

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Bei dieser Handhabung teilten sich unmittelbar die Vielzahl der verwendeten Materialien mit, aber auch die unterschiedlichen Verfahren, die der Künstler für die Schaffung der Form anwandte. Die plastische Formgebung erfolgte durch Guss oder durch Treiben, bei dem das Silberblech sowohl frei, als auch über einem Modell geformt werden konnte; es schlossen sich weitere Arbeitsschritte an. Selbst dort, wo die Betrachter:innen über keine spezifischen Vorstellungen von den Techniken des Ziselierens und Punzierens, von der Gravur oder dem Ätzen verfügten, hinterließen diese Verfahren doch Spuren, die sich in der Tiefe der Rillen, in der Schärfe der Grate, in der Störung der polierten Oberfläche den Sinnen mitteilten.79 Andere Techniken – beispielsweise das Vergolden – sind vor allem dort durch das Auge erfahrbar, wo silberne und goldene Flächen nebeneinander stehen. Das Niello hingegen, bei dem gegrabene Rillen mit dunkler Paste ausgefüllt werden, teilt sich sowohl dem Seh- als auch dem Tastsinn mit.80 Emaille und die Applikation von Edelsteinen wiederum bieten Farbigkeit aber auch deutlich veränderte Oberflächen und Materialien mit divergierenden Temperaturen an.81 Somit ermöglichten beide Kannen allein über die angewandten Techniken eine große Bandbreite von Erfahrungen – und integrierten zudem noch die fantastischen Häuser von Meerschnecken. Deren mattschimmernde Perlmuttoberflächen stehen dabei im Kontrast zu den metallenen Teilen, sowohl über die Farbe, als auch über die Oberflächenstruktur und Temperatur.82 Beide Künstler reagierten in unterschiedlicher Weise auf die Turbanschneckenhäuser: Wenzel Jamnitzer übernahm ihre natürlich gewachsene Form, veränderte sie aber insoweit, als dass er durch das Auseinandersägen und Wiederzusammensetzen von zwei Häusern diese in ein symmetrisches Verhältnis brachte. Schmidt hingegen verwendete die drei sich nach oben verjüngenden Häuser bewusst, in dem er ihre nach außen schwingenden Formen für die Gestaltung des Fabeltiers einsetzte. Wenzel Jamnitzer wies der den beiden Schneckenhäusern inhärenten Spirale die Rolle eines Leitmotivs zu, das er in Variationen über die gesamte Kanne führte: Es findet sich in den Füllhörnern ebenso, wie in den Armstümpfen der weiblichen Ausgussfigur und ihren nach hinten schwingenden Beinen, so dass die Betrachter:innen der Spirale sowohl in ihrer natürlich gewachsenen Form als auch in ihrer Übernahme durch den Goldschmied folgen konnten. Schmidt hingegen fokussierte ganz auf die Volumina und auf die Besonderheit der glatten und schimmernden Oberfläche der Schnecke. Dazu überzog er den Fuß und den vasenförmigen Schaft der Kanne mit einem kleinteiligen Dekor. Dieses Vorgehen änderte sich gänzlich am Kannenkörper, wo das reine Perlmutt der Schneckenhäuser auf zurückgenommene Formen der Goldschmiedekunst trifft. Sowohl die Binnenstrukturen der muskulösen Beine des Drachens als auch sein geschwungener Hals, der in einem kleinen Kopf mit Ausgusstülle endet, sind kaum mit weiteren Ornamenten geschmückt – und dort, wo sie eingesetzt wurden, wirken sie wie Weiterführungen der natürlichen Formen. Auch die Verwendung der Naturabgüsse in beiden Werken ist spannungsvoll, denn Jamnitzer setzte dem natürlich gewachsenen Schneckenhaus und den Goldschmiedepartien, in denen er das Spiralmotiv in verschiedenen Varianten und Techniken thematisierte, im unteren

Weitere Arbeiten aus Perlmutt und Turbanschneckenhäusern I 215

46  Elias Geyer, Basilisk, um 1600. Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. IV 158.

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Bereich die aus der Natur abgegossenen Formen entgegen. Bei Schmidt hingegen finden sich drei kleine Frösche als Naturabgüsse an der Kanne, die erneut als additive Ornamente im Innern der Schale auftauchen. Beide Artefakte arbeiten also auf unterschiedlichen Ebenen mit der aus der Natur übernommenen Form, die gänzlich ins abstrakte Ornament überführt, aber auch in ihrer ornamentalen Eigenständigkeit betont werden konnte. Den Künstlern kam dabei die Aufgabe zu, diese Schönformigkeit und Regelmäßigkeit herauszuarbeiten und zu variieren und damit noch stärker erfahrbar zu machen. In beiden Werken ist die varietas als Hauptthema im Einsatz von Material, von Technik und innerhalb der Motivik zu beschreiben – ebenso wie ein auf unterschiedlichen Ebenen ausgehandeltes Verhältnis von Natur und Kunst. Neben Niclaus Schmidt und Wenzel Jamnitzer verarbeitete auch der Leipziger Goldschmied Elias Geyer Perlmutt und die Gehäuse von Meerschnecken. In Dresden haben sich eine große Zahl seiner Werke erhalten, weitere Arbeiten finden sich in Brüssel, Budapest oder Leipzig.83 Bei Geyer tritt die bei Schmidt und Jamnitzer in Teilen anklingende Meeresthematik sehr deutlich und in enger Verbindung mit den Turbanschneckenhäusern hervor, da er das natürlich gewachsene Haus als Ausgangspunkt für die Schöpfung von phantastischen Meereswesen einsetzte. Im Grünen Gewölbe in Dresden werden von Geyer ein Triton und eine Neiride, ein Basilisk (Abb. 46) sowie ein Einhorn und fünf Seepferde mit reitendem Neptun mit Dreizack aufbewahrt, polierte Häuser von Meerschnecken bilden die Körper dieser Fabelwesen.84 Sehr wahrscheinlich stammen einige dieser Stücke aus dem Ankauf von „fünff allerley dergleichen Tringkgeschirr“, den Christian II. im Jahr 1602 beim Leipziger Händler Veit Böttiger tätigte.85 Heute findet sich zudem noch ein Paar Greifen mit Hellebarden in den Dresdner Sammlungen, die wahrscheinlich 1609 als Geschenk von Herzog Johann Georg an seinen Bruder Kurfürst Christian II. in die Sammlung kam.86 Ebenfalls von Geyer wurden zwei Seepferde im Budapester Museum der Angewandten Kunst (MAAB, Iparművészeti Múzeum) gefertigt, die in die 1590er Jahre datiert werden.87 Geyer arbeitete für einen Markt, der an seinen fantastischen Kreaturen aus großen exotischen Meerschnecken interessiert war und variierte dabei die Themen, wobei das Schneckenhaus stets den Ausgangspunkt des Entwurfs bildete.88 Bemerkenswert ist, dass bei einem der für einen Hypokampen (Inv. Nr. IV 6) verwendeten Haus die Perlmuttschicht nicht gänzlich abgetragen wurde, so dass eine Seite noch die grünliche Kruste der natürlich vorkommenden Schnecke zeigt.89 Zu fragen bleibt, ob die behandelte Schnecke so nach Europa verkauft wurde und die vor Ort ansässigen Goldschmiede nicht in der Lage waren, diesen (vermeintlichen ?) Materialfehler auszugleichen, weil sie nicht über das dazu nötige technische Wissen verfügten, oder aber, ob Geyer bewusst mit den verschiedenen Ansichten und Materialitäten spielte. Seine Werke sind von so einer hohen Qualität, dass zu betonen ist, dass Geyer seine Werkstatt in Leipzig unterhielt – und damit fern von den Goldschmiedezentren Nürnberg und Augsburg arbeitete. 90 Wahrscheinlich konnte Geyer die benötigten Rohmaterialien über die Leipziger Messe direkt beziehen – wo nicht allein bearbeitete Schneckenhäuser und Perlmutt angeboten wurden, sondern

Weitere Arbeiten aus Perlmutt und Turbanschneckenhäusern I 217

wohl auch schon verarbeitete Perlmuttobjekte.91 Wenngleich viele von Geyers Werken in der Dresdner Kunstkammer zu finden sind, scheint er nicht als Hofkünstler gearbeitet, sondern seine Werke über Silberhändler (wie über den genannten Veit Böttiger, der zwischen 1601 und 1605 mehrfach Werke von Geyer vermittelte) verkauft zu haben.92 Ob er im Umfeld des Dresdner Hofs arbeitete und möglicherweise dort vorhandene Werke als Vorbild nutzen konnte, ist nicht zu klären; es wäre ebenso möglich, dass der Künstler dort nicht bekannt war.93 Zu den weiteren Werken von Elias Geyer zählt eine Reisekassette mit Perlmuttplattierung aus Gujarat, für die der Meister die vergoldeten Silberfassungen und die darin verwahrten Objekte fertigte (Abb. 47).94 Die Reisekassette ruht auf vier silbernen gegossenen Löwen, ihre Seiten sind aus Holz gefertigt, auf die kleine Plättchen aus Perlmutt aufgeleimt wurden. Durch den Einsatz von schwarzem Lack entstand so eine mit starken helldunkel Kontrasten arbeitende Ornamentfläche, die Knoten- und Kreismotive vor einem Rankenornament aufscheinen lässt.95 Eine kleine Eidechse (ein Naturabguss) fungiert als Hüterin des Schlüsselloches, vergleichbar dem gegossenen Frosch auf der Perlmuttkassette von Niclaus Schmidt in Dresden. Zur Ausstattung der Geyerschen Reisekassette gehören 36 Stücke, darunter eine Bergkristallkugel, ein Kokosnusspokal, Besteck, Trinkschalen und Flakons aus Perlmutt sowie ein nur wenig gefasstes Schneckenhaus. Diese Reisekassette wurde durch den sächsischen Kurfürsten Christian II. auf der Leipziger Ostermesse von dem schon genannten Zwischenhändler Veit Böttiger angekauft, der auf den Handel mit exotischen Materialien spezialisiert war.96 Von Elias Geyer ist auch eine Lavabo-Garnitur erhalten, eine Kanne mit einem dazugehörigen Becken mit Perlmuttverzierungen, das wiederum aus Gurajat stammt (Abb. 48).97 Dessen Einlegearbeit besteht aus kleinen Perlmuttplättchen, die in regelmäßig angeordnete Ranken gelegt wurden, die konzentrisch angeordnete Felder umlaufen, also erneut eine gänzlich andere formale Lösung präsentieren, als das Becken von Niclaus Schmidts Lavabo-Garnitur in Dresden.98 Die Felder bei dem von Geyer genutzten Becken sind mit geometrischen Ornamenten gefüllt; die Arbeit lebt von den starken hell-dunkel Kontrasten, bei denen sich die Perlmuttstellen sehr deutlich von dem dunkel lackierten Untergrund absetzen. Der Goldschmied griff in dieses Kunstwerk ein, indem er in die Felder Silberabgüsse von Eidechsen und Fröschen setzte und zudem drei Reifen aus vergoldetem Silber im Becken umlaufen lies. Mit Bezug zum Perlmutt, das dem Meer entstammt, sind auf der Rückseite vier Meeresgötter und Meerwesen zwischen grünen Ranken aufgemalt. Zwar legten die Meister in Gujarat die kleinen Perlmuttblättchen auf den hölzernen Trägerkörper, aber in viel filigraneren Formen als bei dem von Schmidt genutzten Becken: Nicht als Plättchen, die in einer Art von Schuppenkleid den gesamten Körper umhüllen, sondern als kleine blattförmige Ornamente, deren Zwischenräume mit dunklem Lack oder Mastix ausgefüllt wurden. Die von Elias Geyer dazu angefertigte (gegossene) Silberkanne ist in einem gänzlich anderen Stil gearbeitet als das aus Indien importierte Kunstwerk und zeigt Renaissancemotive. Aber wie Schmidt bemühte sich auch Geyer, die beiden Werke

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47  Elias Geyer, Reisekassette, um 1600. Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. III 247.

48  Elias Geyer / anonymer Meister aus der Region Gujarat, Lavabo-Garnitur, um 1600. Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. IV 189 und Inv. Nr. IV 287.

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miteinander zu verbinden, indem er auf der Wandung der Kanne sechs ovale Medaillons aus Perlmutt anbrachte und ebenso sechs kleinere Felder auf den Schultern der Kanne. Diese Motive korrespondieren mit den sechs mit Perlmuttornamenten ausgelegten Feldern des Beckens. Auf dem Henkel der Kanne – oberhalb einer Herme – reitet ein Neptun auf einem Delphin und greift somit die Meeresthematik des Beckens erneut auf.99 Als weiteres Werk ist ein Pokal mit Perlmuttmosaik zu nennen, der von einem Triton getragen wird.100 Doch Geyer arbeitete nicht nur mit dem Werkstoff Perlmutt und den Häusern von Meerschnecken, sondern schuf auch aus anderen fremden und kostbaren Materialien seine Kunstwerke: Eine Kokosnuss wurde oben schon als Ausstattung der Reisekassette erwähnt. In Dresden erhalten sind zudem zwei Nautiluspokale, vier dreiseitige Nephrit-Pokale sowie fünf Pokale, die Straußeneier integrieren (Abb. 49).101 Auffällig ist, dass Geyer beim Einsatz dieser Materialien darum bemüht war, entsprechende Ikonographien zu entwerfen: Die Straußeneier werden von ihm dazu verwendet, die Körper des afrikanischen Vogels zu bilden, vergleichbar den Schneckenhäusern, die zu Körpern von Meerwesen geformt wurden. Auch bei den Figuren, die nicht direkt mit dem Meer verbunden sind (wie der Basilisk oder die Greifen), wird ein Bezug zum Meer darüber hergestellt, dass sich auf dem Rücken der Wunderwesen ein hornblasender kleiner Meermann als Reiter befindet.102 Geyer muss sich also der Herkunft dieser Objekte bewusst gewesen sein – und auch Kenntnisse vom Aussehen der Strauße besessen haben, zeigen seine Objekte doch recht genaue Nachbildungen der großen Laufvögel. Daher ist bemerkenswert, dass er die Schneckenhäuser nicht auch für die Nachbildung von großen Meerschnecken nutzte: So viel „Natürlichkeit“ scheint für ihn wie auch die zeitgenössischen Käufer:innen wenig Reiz besessen zu haben. Den Vogel aus seinem Ei künstlich wiedererstehen zu lassen, war ein Witz und zugleich ein gewitzter Verweis; das wundersame Tier aus dem Meer als Ausgangspunkt für weitere Wundertiere zu verwenden, scheint einem vergleichbaren Geist entsprungen zu sein. Hans Petzolt (Pezolt, Petzold, um 1551–1633) gehört ebenfalls zu den führenden Goldschmieden Nürnbergs der Generation nach Wenzel Jamnitzer, nach Hans und Elias ­Lencker.103 Wie bei Schmidt und Geyer wurde auch für Petzolt vorgeschlagen, dass er bei Jamnitzer lernte oder in der Werkstatt mitgearbeitet habe, da in seinem Werk geprägte Streifen und geätzte Friese Verwendung fanden, die als ein Spezifikum der JamnitzerWerkstatt gelten. Zudem ist durch Quellen überliefert, dass Petzolt 1605 in Prag den Auftrag erhielt, „seinen“ Brunnen zu renovieren – da ein solches Werk nicht bekannt ist, aber die Jamnitzer-Werkstatt einen großen Brunnen ab 1578 für Kaiser Rudolph II. gearbeitet hatte, ist wahrscheinlich, dass diese Formulierung auf eine Beteiligung von Petzolt an diesem Auftrag als Werkstattmitglied weist.104 Petzolt stammt aus der böhmischen Erz­ gebirgsstadt Sankt Joachimsthal, legte die Meisterprüfung 1578 in Nürnberg ab und wurde 1579 ins Bürgerbuch der Stadt eingetragen. Der bayerische Herzog Wilhelm V. und Kaiser Rudolf II. (1552–1612) in Prag gehörten zu seinen Kunden und für das Jahr 1632 ist überliefert, dass der Rat der Stadt Nürnberg bei ihm einen „schön silbern verguld Pocal als ein Meerschnecken“ ankaufte.105

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49  Elias Geyer, Drei Straußeneipokale in Form des Vogel Strauß, um 1600. Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. III 115, III 227 und III 228.

Von Petzolt sind drei Turbanschneckenpokale erhalten, zwei davon befinden sich im Württembergischen Landesmuseum in Stuttgart in der Kunstkammer der Herzöge von Württemberg (Abb.  50).106 Sie stammen aus dem Nachlass von Herzogin Sybilla von Anhalt (1564–1614), deren Kunstbesitz sich in ihrem Witwenschloss Leonberg befand. In einem Inventar von 1665 werden sie als „Zween große Schnecken von Perlmutter in Gold gefaßt“ beschrieben: Bei beiden Pokalen wird jeweils das Haus einer Turbanschnecke von einem auf einem Delphin reitenden Tritonen getragen, die Deckel sind als halbfigurige Prudentia gearbeitet.107 Ein dritter Pokal mit Turbanschnecke wird im Kunstgewerbemuseum in ­Budapest aufbewahrt, der einstmals zum Besitz der Fürsten Esterhazy gehörte. Ab 1609 ist dieser Pokal in der Sammlung von Rudolf  II. in Prag dokumentiert und gelangte nach dessen Tod in die Schatzkammer der böhmischen Könige.108 Auch hier wird die Cuppa des Pokals von einem auf einem Fisch reitenden Triton getragen, der in eine Muschel bläst; somit zeigen auch die Werke von Petzolt, vergleichbar den Arbeiten von Elias Geyer, einen klaren Bezug zu der Welt, aus der die Schneckenhäuser stammen. 109

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50  Hans Petzolt, Zwei Turbanschneckenpokale mit der Figur der Prudentia, 1603–1609. Stuttgart, Landesmuseum Württemberg, Inv. Nr. KK hellblau 9 und 17.

Als letzter der Meister, die Turbanschneckenhäuser mit besonderem Anspruch und künstlerischer Vollendung in ihr Werk integrierten, sei Friedrich Hillebrand (auch Hillebrandt, 1565– 1608) genannt, der ebenfalls als Goldschmied in Nürnberg arbeitete.110 Im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg wird von ihm ein Turbanschneckenpokal verwahrt (Abb. 51).111 Zwei Wappen – von den Nürnberger Familien der Schüsselfelder und der Löffel­holz – sind in die Innenseite des Deckels geätzt, dort findet sich auch die Jahreszahl 1595. Eine kniende Herkules- oder Atlasfigur trägt hier die durch Bänder gehaltene Turbanschnecke mit hohem Rand, auf dem Deckel steht Neptun, der die Zügel von drei Seepferden hält, an denen zu-

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51  Friedrich Hillebrand, Turbanschneckenpokal, 1595. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv. Nr. HG 2147.

sätzlich kleine Perlen baumeln.112 Ein zweiter Turbanschnecken- Pokal von ihm befindet sich im Musée National de la Renaissance in Écouen (um 1580/1591).113 Bei diesem Stück trägt ein kniender Triton mit erhobenen Armen das durch drei Bänder, die durch weibliche Hermen geschmückt sind, gehaltene Haus. Ein vergleichbarer Träger findet sich bei einem der beiden Nautiluspokale von Bartel Jamnitzer (1548–1596, tätig in Nürnberg) in den Staatlichen Museen Kassel, die auf 1588 datiert sind.114 Beim Nürnberger Pokal von Hillebrand wird die Mündung des Schneckenhauses mit hohen Lippenrändern aus vergoldetem Silber gefasst, die mit geätztem Maureskendekor und Kartuschen verziert sind. Auf dem Deckel wenden

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sich vier Seepferde nach außen, zwischen ihnen sind Medaillons mit bildlichen Verweisen auf die vier Elemente angebracht: Fische für das Wasser, ein Hirsch für die Erde, ein Vogel für die Luft sowie ein Kohlebecken als Sinnbild des Feuers.115 Die hier vorgestellten Werke zeigen, dass ab der Mitte des 16. Jahrhunderts im Umfeld von Wenzel Jamnitzer und in den beiden Generationen nach ihm – im Werk von Niclaus Schmidt, von Hans Petzolt, von Elias Geyer und Friedrich Hillebrand  – Meerschnecken wichtige Impulse auf die künstlerische Arbeit gaben: Auf formaler Ebene dort, wo die Goldschmiede die intakten Häuser in ihre Werke übernahmen und die natürlich gewachsene Spiralform weiterentwickelten, verfremdeten und damit deutlicher sichtbar machten. Und auf thematischer beziehungsweise ikonographischer Ebene, wo die Goldschmiede auf diese mirabilia reagierten, in dem sie aus ihnen wundersame Kreaturen schufen, die dem Reich der Meere entstammen.116

2.3 Meerschnecken als Zeichen des Fernhandels In Bernard Palissys Discours Admirables hat sich innerhalb des Streitgesprächs, das Praxis und Theorie über das Entstehen der Metalle führen, eine bemerkenswerte Aussage über die Wahrnehmung von Perlmutt in der zweiten Hälfte des 16.  Jahrhunderts erhalten. ­Praxis (als alter ego des Keramikkünstlers Palissy im Gespräch mit Theorie) führt als Kritik an den Alchemisten und deren Anspruch, die Werke der Natur nachzuahmen, aus: Als ich über die vielfältigen Werke und die gute Ordnung nachdachte, die Gott der Welt zu Grunde gelegt hatte, war ich über die Vermessenheit der Menschen sehr verwundert. Denn ich sehe, dass es verschiedene Schalen von Fischen [Palissy verwendet „coquilles de poissons“, also eigentlich „Muschelschalen der Fische“; im Folgenden wird ersichtlich, dass er von den Häusern von Meerschnecken spricht] gibt, die einen so wunderschönen Glanz haben, wie keine noch so schöne Perle auf der Welt. Unter vielen gibt es eine Sammlung im Kabinett des Herrn Rasce, die einen so enormen Glanz besitzt, dass sie wegen ihrer schönen Politur wie ein Karfunkel aussieht. Wenn ich das sehe, sage ich zu mir selbst, warum pulverisieren die, die behaupten zu wissen wie man Gold macht, nicht eine Anzahl von diesen Schalen und stellen aus ihnen eine Paste her, um damit einen schönen Pokal zu formen. Ich bin sicher, dass eine mit diesem Material gut aus­ geführte Schale teurer und kostbarer als Gold wäre. Oder aber liegt es daran, dass sie nicht unter­ suchen, woraus der Fisch sein schönes Haus geformt hat und keine vergleichbaren Werkstoffe verwenden, um daraus ein schönes Gefäß zu schaffen? Der Fisch, der dieses Gehäuse baut, ist nicht so glorieux [übersetzbar mit glorreich, aber auch mit ruhmsüchtig oder des Ruhmes würdig] wie der Mensch, er ist ein Tier, das wirklich wenig Gestalt besitzt, und trotzdem weiß er etwas zu erschaffen, was der Mensch nicht erschaffen könnte. In irgendeinem Teil des Ozeanischen Meeres lebt eine große Zahl von Fischen, die alle ein Gehäuse auf dem Rücken tragen, diese halten sich an den Felsen fest. [...] Die größte dieser Muscheln ist nicht größer als die Hand eines Menschen. Das

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Innere der Muschelschale hat die Farbe einer Perle und ist viel schöner, denn sie nimmt die Farben des Regenbogens an, wie der Stein den man Opal nennt. Das Äußere dieser Muschelschale ist wegen des Meerwassers, welches es umgibt, ziemlich rau und ungefällig. Aber wenn die Kruste entfernt wurde, ist die Außenseite dieser Muschel genauso schön wie die Innenseite. Dieser Fisch ist formlos und trotzdem kann er etwas, was die Alchemisten nicht machen können.117

Aus dieser Quelle spricht die Bewunderung für das Material Perlmutt, bei dem der Glanz (die irisierende Oberfläche / Lüster) zweimal betont und die Nähe zu Perlen hervorgehoben wird.118 Interessant ist Palissys Überlegung, warum keine Gefäße aus dem Material an sich geformt werden. Erstaunlich ist, dass Palissy den Bezug zum Porzellan nicht explizit zieht, gibt es doch vielfältige Quellen aus dem 16. Jahrhundert, die die Oberflächenqualitäten von Perlmutt und von Porzellan miteinander in Beziehung setzen.119 Dabei denkt Palissy als Keramiker ganz von einem plastisch formbaren Werkstoff aus, wenn er überlegt, dass man die Häuser der Schnecken zermahlen, pulverisieren und dann als Paste wieder in eine Form rücküberführen könnte. Entweder kannte er keine Gefäße, die die ganzen Häuser integrierten, wahrscheinlicher aber ist, dass er sie bewusst verschwieg, da sie nicht in seine Argumentation passten.120 Möglicherweise entbehren diese Objekte – in Palissys Sicht – an Künstlichkeit im positiven Sinne, tritt er doch mit dem Ziel an, Werke zu erschaffen, die von der Form nicht wie Produkte der Bildhauerkunst, nicht wie Arbeiten von Menschenhand wirken. 121 Palissy geht es in seinem keramischen Werk vor allem darum, die natürlichen Hervorbringungsprozesse zu imitieren und dabei zu ähnlichen formalen Lösungen zu kommen, und weniger um einen direkten Dialog zwischen natürlichen Formen und künstlerischen Adaptionen.122 Palissy ist sich der ozeanischen Herkunft der Schneckenhäuser bewusst, seine Verortung ist zutreffend, kommen doch die Häuser der Turbanschnecken aus dem fernen Osten. Beispielsweise leben die Vertreter des Turbo marmoratus im Indischen Ozean sowie im tropischen westlichen Pazifik und wurden von dort nach Europa importiert. Noch heute befindet sich im Grünen Gewölbe in Dresden das ungefasste Exemplar einer solchen Turbanschnecke, die vielleicht schon im Inventar von 1587 nachweisbar ist, da dort im Reißkabinett – wo auch ein Paradiesvogel verwahrt wurde – verschiedene Schnecken und Muscheln genannt werden, darunter zwei große marbelschnecken.123 Im Verzeichnis der Schatzkammer finden sich insgesamt sieben Perlen Mutter Schneckenhäuser. Das Inventar der Dresdner Kunstkammer von 1595 nennt im zweiten Schrank der Kammer, in dem sich das Silbergeschirr befindet, einige mörschneggen.124 Das Kunstkammerinventar, das Fickler 1598 von den Beständen in München erstellte, listet ebenfalls Meerschnecken auf, sowohl in gefasster als auch ungefasster Form, sowie einige sehr interessante Schaukästen mit mythologischen Szenen, in die Schneckenhäuser integriert waren: −

1994 (1895): Volget die Tafel No 38 Welche uberlegt mit allerlay selzamen gewechßen von stainwerckh, und Miraculis Naturae, alß schneggen clain und groß, kreps, muscheln, visch, holz, so zu stain geworden, und dergleichen mehr.

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339 (237w): Ain großer Schneckh von Berlmueter, mit verguldtem silber verfaßt, ainer Gießkanten gleich.



352 (250w): Nach diser Tafl No 6 ein viereckheter Tisch darauf Ein verglaßter Casten inwenig mit einer Quadratur, von ainem holen Gepürg, mit corallzinggen und bildern, hunden, Lewen, und andern Thieren geziert, am poden ein Seewaßer, darauf ein langleter Berlmueter schneckh, einem schiff gleich, darinn der Neptunus mit seiner dreyfachen verguldten Gabl etc.125



387 (284): Nach diser Tafl No 7 volgt abermal ein viereckheter Tisch. Darauf auch ein viereck­ heter verglaßter Castn, in dem ain Seewaßer, so am poden, auch umb und umb mit allerlay Meerschnegglen und Bergckstainen gesetzt, mit 3 großen und andern clainen corallzinggen besteckht, auf dem See in der mitt ein Perlmuetern Schneckh, an aines schifs stat, darauf sitzt der Neptunus, und Triton, sambt andern umbstehenden coralln bildlen. Umb diß schiff schwimmen 10 Delphin, drauf nackhende Knablin reutten, alles von corall.126



404 (301w): Ein weißer schneckhen, außwenidg paliert und geschnitten, auf einem silbern fueß, umb den schneckhen schlingen sich 3 Silberine Natern.127



405 (302w): Ein anderer zingcketer Möhrschneckh, mit einem dreyfachn fueß, auch von schneckhen gemacht, ist geformbt wie ein Trinkgeschirr.128



1223 (1114): Volgt die Tafl No 18 Welche mit allerlay clainen und großen Möhrschneggen, und Muscheln uberlegt und bedeckht, darunder ein großer Schnegck von Berlmueter, mit clainen Gränätlein und Türckheßlen versetzt.129



1673 (1565): Ein Berlmueter Schneckh, außwenig von außgeschnittner arbeit.130



1677 (1569): Ein großer Berlmueter schnegckh, außwenidg von geflügl und laubwerckh ­geschnitner arbeit.131

Der erste zitierte Eintrag mit der Nummer 1994 benennt die Schneckenhäuser als Naturwunder, als miraculis naturae und umreißt damit den Kontext, in dem sie betrachtet, ­gesammelt und bewundert wurden. Die Nummer 339 ist der Eintrag zu Wenzel Jamnitzers Turbanschneckenkanne  – die ohne den Meisternamen allein über den Verweis auf die große Schneckh von Berlmueter beschrieben wird.132 Die beiden Nummern 352 und 387 verzeichnen gläserne Schaukästen, in denen verschiedene natürliche Kostbarkeiten versammelt und zu kleinen Landschaften in Form von Panoramen zusammengesetzt worden waren. Darin kam den Schneckenhäusern (wobei nicht zu unterscheiden ist, ob es sich um Nautilusse oder Turbanschnecken oder andere Häuser handelt) die Aufgabe zu, als pittoreske Boote für Neptun und andere Meerwesen zu dienen. Die Inventarnummer 404 nennt ein Schneckenhaus, das sowohl poliert als auch mit weiteren Bildwerken verziert wurde; zudem war es auf einem Fuß montiert und mit Naturabgüssen – wie bei Schmidt und bei Jamnitzer – kombiniert: hier sind es drei silberne Schlangen, die sich um das Objekt schlingen. Zugleich sind mit den Nummern 1673 und 1677 zwei Schneckenhäuser genannt, die offenbar nicht weiter gefasst waren, aber deren Perlmuttoberfläche mit eingeschnittenen oder geätzten Bildern geschmückt war. Im Historischen Museum in Amsterdam

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52  Poliertes Turbanschneckenhaus mit Tiergravuren, 17. Jahrhundert. Amsterdam, Historisches Museum, Inv. Nr. OKA 18812

wird das große Haus einer Turbanschnecke aus dem 17.  Jahrhundert aufbewahrt (Abb. 52).133 Dieses Schneckenhaus mit einem Durchmesser von 15 cm ist poliert und trägt auf der schimmernden Außenhaut Gravuren, die alternierend mit schwarzer Farbe ausgefüllt und ohne Füllung belassen wurden. Eingraviert wurden eine Vielzahl von exotischen Tieren, darunter ein Gürteltier, eine große Schildkröte, eine gewaltige Schlange, verschiedene Muscheln und Schnecken sowie ein Seemonster. Durch diese bildliche Anreicherung, die zudem durch die unterschiedliche Ausführung der teils gefüllten, teils ungefüllten Gravurlinien die an sich schon bewegte Oberfläche des Materials noch stärker aktiviert, wird das fremde Tier zum Bildträger weiterer Wunder aus der Ferne. Die kostbaren Trinkgefäße aus Turbanschneckenhäusern befanden sich in den frühneuzeitlichen Kunstkammern im gleichen Sammlungskontext wie die ungefassten Naturformen, mit denen sie – selbst wenn sie nicht im selben Raum/auf dem selben Tisch/innerhalb derselben Vitrine präsentiert wurden – über das Material und über die ihm inhärenten Formen verbunden waren.134

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Turbanschneckenpokale sind typisch neuzeitliche Objekte, die vor der Erschließung der Seehandelswege nach Indien nur in geringer Zahl in Europa vorhanden waren. Bis ins 15. Jahrhundert gab es andere, meist kleinere Muscheln und Schneckenhäuser – und auch in geringerem Maße Perlmuttarbeiten.135 Diese Modernität des Materials muss sowohl den Käufer:innen als auch den Goldschmieden im 16.  Jahrhundert sehr bewusst gewesen sein.136 Kamen Waren aus dem Osten traditionell über arabische Zwischenhändler und über den Landweg (unter anderem die Seidenstraße) in den Mittelmeerraum und wurden vor allem durch Venedig als wichtigem Umschlagplatz nach Europa vermittelt, so änderte sich dies seit der erfolgreichen Umrundung des Kaps der Guten Hoffnung.137 Seitdem ­traten portugiesische Schiffe, die im Auftrag der Krone (aber auch finanziert durch unterschiedliche europäische Händlerkonsortien) den Weg nach Indien an, brachten Waren nach Lissabon, das in kurzer Zeit zum Hauptumschlagplatz für Exotica avancierte.138 So wie das Silbererz der Handsteine die Herrschaft über und damit den Zugriff auf die Ressourcen im Harz, im Erzgebirge und in Tirol anzeigte und dabei zugleich eine Geschichte von technischem Fortschritt, Materialbeherrschung und Reichtum transportierte, so visualisierten die Meerschnecken die Potenz der europäischen Händlerflotte.139 In der Folge veränderte sich ab 1500 die materielle Kultur Europas stark und der Konsum von Luxusgütern ­erreichte neue Formen.140 Dies ist einerseits der neuen Lust am Silber – und der neuen Verfügbarkeit dieses Metalls – geschuldet, wie in Teil 1 zu den Handsteinen dargelegt wurde. Zugleich aber machte der Seeweg nach Indien neue Materialien und Waren in veränderter Quantität verfügbar.141 Die relevanten Daten hierbei sind die Umsegelung der Südspitze Afrikas durch Bartolomeu Diaz (um 1450–1500), der 1487 Lissabon verlassen hatte und auf seinem Rückweg 1488 erkannte, dass ihm die Umschiffung des Kaps der Guten Hoffnung gelungen war. 1497–1499 folgte die erste Indienfahrt von Vasco da Gama (um 1469–1524), mit der Calicut als das Handels- und Gewürzzentrum an der Malabarküste und bedeutendem Stapelplatz für Waren aus unterschiedlichen indischen Regionen erschlossen wurde.142 Hier wurden Gewürze aus Malakka143 und Edelsteine aus Ceylon über arabische Händler nach Europa gehandelt – Märkte, die die christlich-europäischen Händler in der Folgezeit für sich gewaltsam beanspruchten.144 Dies ermöglichte den Aufstieg von Portugal und später auch der niederländischen Handelsstädte und eine Verschiebung der Fernhandelsrouten, die in Teilen mit einem tatsächlichen, aber auch durch die Historiographie erzählten Bedeutungsverlust von Venedig und dem Mittelmeerraum einher gingen.145 In einem Brief von König Manuel I. von Portugal (1469–1523) an Maximilian I. (1486 römisch-deutscher König, 1508 Kaiser) vom 26. August 1499 berichtet dieser von der ersten Expedition des Vasco da Gama.146 Darin thematisiert der portugiesische Herrscher auch die dortigen Reichtümer, die nun über neue Wege nach Europa gelangten und was von den indischen Märkten an orientalischen Waren, die in aller Welt verbreitet sind, in großer Menge mitgebracht wurde: „Zimt, Gewürznelken, Pfeffer, Ingwer, Muskatnuss, Moschus, Benzoeharz, Weihrauch, alle Arten von Spezereien und Wohlgerüchen, Edelsteine, Perlen.“147

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Ein generelles Interesse an den Handelsreisen und an den für die Europäer zugäng­ lichen Märkten und Waren wird hier ersichtlich: ein Wissen, das sich über Adels- und Handelsnetzwerke, über mündliche und schriftliche Berichte, über gezeichnete Karten, aber auch über die neuen Materialien schnell verbreitete und dabei eine sehr hohe Sichtbarkeit entwickelte.148 Zu den Waren und Objekten, die über den Seeweg von Indien nach Europa gelangten, zählten dabei natürlich vor allem Gewürze, Stoffe und andere Luxuswaren, aber eben auch die großen Perlmuttschnecken. Das Hauptquartier der Portugiesen befand sich ab 1510 (Eroberung der Städte Panaji und Velha Goa) in Goa an der Westküste Indiens. Lissabon entsprach diesem Handelszentrum in Europa, von dem ausgehend die Luxusgüter weiter verteilt wurden.149 Der Warenfluss erfolgte über regelmäßige Flotten auf der Carreira da Índia oder Kaproute (Rota do Cabo), die im März oder April in Lissabon starteten und im September/Oktober im portugiesisch-indischen Vizekönigtum Goa anlandeten; sie transportierten u. a. Kupfer in den Osten. Zurück kamen die Schiffe – die im Dezember Richtung Europa aufbrachen – mit Edelsteinen, Gewürzen wie Nelken und Zimt, Muskat und Pfeffer. Aus der nordwestindischen Region Gujarat kamen Seidenstoffe aus Ahmedabad, sowie Perlmutt und Perlmuttarbeiten; ebenso luden die Schiffe Porzellan und Kunstwerke aus Lack.150 Die Turbanschneckenpokale in den Kunst- und Silberkammern standen daher nicht allein in Bezug zu den ungefassten Exemplaren und ließen einen Diskurs über die Wunderwerke der Natur und der Kunst zu. Sie sind zudem im Kontext der Reiseberichte zu verorten, die über die neuen Welten und die dort vorhandenen Waren berichteten.151 Sie sind Teil eines Luxus- und Neuheitendiskurses: Zu ihrer Rezeption gehörte, dass die Sammler wussten, über welche Wege und aus welchen Regionen diese Objekte nach Europa kamen. Im dritten Teil dieses Buches (Globuspokale) werden Artefakte diskutiert, die das Anwachsen des geographischen Wissens und die Produktion von Karten und Globen auf neuartige Weise sichtbar machen. Eine veränderte Lust an der Beschreibung der Welt äußerte sich in diesen Objekten ebenso, wie in den schon genannten Reiseberichten, die sich von Hof zu Hof verbreiteten, von Händler zu Händler weitergegeben wurden und – wie die Schilderungen von Vasco da Gama, Amerigo Vespucci (1454–1512) und anderen – in rascher Folge auch im Druck erschienen.152 Ein handschriftlicher Reisebericht, der heute in der Österreichischen Nationalbibliothek verwahrt wird, stammt nachweislich aus Schloss Ambras und wurde 1665 in die kaiserliche Bibliothek nach Wien verbracht. Der Codex enthält die anonyme deutsche und portugiesische Beschreibung der zweiten Expedition von Vasco da Gama aus dem Jahr 1502. Mit hoher Wahrscheinlichkeit entstammt er dem Besitz der Philippine Welser (1527–1580) und wurde von einem nicht näher zu identifizierenden Handelsagenten aus dem bayrisch-schwäbischen Bereich verfasst.153 Philippine Welser war die Ehefrau von Erzherzog Ferdinand  II. von Tirol (dem Bruder von Kaiser ­Maximilian II.), der so direkt mit dem bedeutenden Augsburger Handelshaus verbunden war, über deren Netzwerke die Abschrift des Berichts wahrscheinlich nach Ambras gelangte.154 Es sind dieselben Netzwerke der Fugger und Welser, die nicht allein Edelsteine,

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­Perlen, Gewürze, Seiden und Porzellan – sowie die Turbanschnecken und andere Perlmutt­ objekte – in Europa verbreiteten, sondern auch das Wissen um diese Märkte und Länder.155 Darüber hinaus waren in den Handel involvierte Akteure wie Hans Jakob Fugger (1516– 1575) nicht allein als Handelsherren, sondern auch als Kunstagenten tätig – und damit an dem Aufbau und der Ausstattung von frühneuzeitlichen Sammlungen als Berater aktiv beteiligt.156 Der Kunsthändler und Sammler Philipp Hainhofer (1578–1647), der in Augsburg schon fertig bestückte Kunstkammerschränke anfertigen ließ, importierte möglicherweise selbst wertvolle Mollusken.157 In einem Brief an Herzog Philipp II. von Pommern (1573–1618) führt er aus: Ich habe allersort schneggen (indianische schneggen) [...] und da E. Fr. G. auch zu schneggen lust haben, umb selbe zur zier und schöne auf ein tafel und in schubladen zu legen, auch aine grotten darmit zu zieren, alss wie der Hertzog in Bayrn hat, so will Ich auf dero gnediges begeren, gern meinen factorn und amicis hin und wider darumben zu schreiben, oder E. Fr. G. alles, wass Ich von schneggen und corallen habe, gehorsamlich volgen lassen.158

Hainhofer hatte also in beide Richtungen gute Verbindungen: zu seinen Zwischenhändlern (und amicis), die in den Faktoreien direkt den Import und Export steuern und überwachen konnten  – und zu den Abnehmern, die für hohe Summen die fremdartigen und wertvollen Waren kauften. Er verfügte über das Wissen, was an den Höfen Europas wertgeschätzt, gesammelt und gebaut wurde – und konnte daher seine fürstlichen Auftrag­ geber beraten, wenn diese sich beispielsweise eine Grotte mit Korallen und Meerschnecken in einer Gartenanlage nach dem Vorbild eines anderen gerade entstehenden Baus anlegen lassen wollten. Händler und Kunstverständige wie Fugger und Hainhofer steuerten damit sowohl das Angebot und die Nachfrage und vermittelten zudem noch den Wert und die möglichen Orte und Formate der Inszenierung der kostbaren Meerschnecken – was zugleich Rückwirkungen auf die Rezeption und Wahrnehmung dieser Objekte hatte. So spiegelt sich die schneggen lust, die als ein Aspekt exemplarisch für die Verfügbarkeit von neuartigen Materialien und Formen stehen soll, in den Kunstsammlungen der europäischen Adelshäuser wider.159 Die großen Turbanschnecken aber waren keine Massenware: die Fugger transportierten diese Objekte und andere Exotica nicht als Händler für einen großen Markt und mit der Aussicht auf kommerziellen Gewinn; sie überbrachten diese Objekte als Agenten, als Vermittler und im Rahmen von diplomatischen Gesandtschaften.160 Betrachtet man unter diesem Aspekt die Materialsemantiken des Perlmutt – vor allem auch in der Form der unzerteilten großen Turbanschnecken – werden die Motive der Rarität, des Welthandels und der Luxusgüter sichtbar.161 Die Turbanschneckenkannen verweisen auf drei Aspekte: Erstens auf die vorhandenen Handelswege in den Indischen Ozean sowie die Handelshäuser, die in der Lage waren, diesen Handel zu organisieren. Zweitens darauf, dass es in den Goldschmiedemetropolen Zwischenhändler gegeben haben muss, die Meerschnecken als Rohmaterial an Gold-

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schmiede zur Weiterverarbeitung leiteten und die – wie der schon mehrmals genannte Veit Böttiger  – deren fertige Arbeiten an die Fürstenhäuser und andere interessierte Sammler vermittelten. Und drittens, dass in Nürnberg, wo Niclaus Schmidt und Wenzel Jamnitzer im 16. Jahrhundert mit Turbanschneckenhäusern arbeiteten, solche Rohlinge in ausreichendem Maße verfügbar gewesen sein müssen. Es verwundert nicht, dass in der Münchner Kunstkammer – aber auch in Ambras oder Dresden – diese Artefakte in hoher Zahl ausgestellt waren: Wie bei den Erzstufen ist dabei anzunehmen, dass viele dieser Stücke innerhalb des frühneuzeitlichen Gabentausches als diplomatische Geschenke, als Hochzeitsgaben oder als Willkommensgeschenke zirkulierten.162 Innerhalb der dynastischen Beziehungen spielten Perlmutt-Objekte eine wichtige Rolle; Katharina von Kastilien (1507–1578) beispielsweise verfügte als Schwester von Kaiser Karl  V. und Ehefrau des ­portugiesischen Königs Johann III. (1502–1557, Dom João III) über einen direkten Zugang zu den neuen Märkten und konnte so aus Portugal fremde Objekte an die anderen europäischen Fürstenhäuser verschenken.163 Doch auch der Warenfluss in die andere Richtung ist belegt, wird doch eine berühmte Prunkkassette von Wenzel Jamnitzer im 1559 gegründeten Kloster de las Descalzas Reales in Madrid aufbewahrt, in einem Sammlungskontext, der auch viele Kästchen aus Japan und Indien als Reliquienbehälter umfasst.164 Die Objekte stammen mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Sammlung von Maria von Spanien (1528– 1603), der Tochter von Kaiser Karls  V. und seit 1548 Ehefrau von Kaiser Maximilian  II.. Diese Verbindungen vor allem der Habsburger nach Spanien und nach Portugal wurden zudem von ihnen nahestehenden Herrscherhäusern, beispielsweise den Wittelsbachern in München, genutzt, um ihre Sammlungen zu erweitern.165 Jedoch beweist die Figur des Kunsthändlers Veit Böttiger, das solche Artefakte nicht ausschließlich über dynastische Verbindungen zu Spanien oder Portugal zu erwerben ­waren, sondern auch auf einem freien Kunstmarkt gekauft werden konnten, da sie durch die Augsburger und Nürnberger Handelskonsortien importiert wurden, die ihre Waren in verschiedene Bereiche verteilten.166 Diese besondere Rolle der süddeutschen Handels­ häuser resultiert aus den Handelsrechten, die die portugiesische Krone schon früh an die Fugger, die Welser und deren Kompagnons verpachtete, die eigene Schiffe ausstatteten, um innerhalb der Frühjahrsflotte mitzufahren und die in Lissabon eine Faktorei unterhalten konnten.167 Es waren vor allem Pfeffer, aber auch Edelsteine und Perlen, die gewinnbringend gehandelt wurden, Perlmuttobjekte tauchen in den Quellen nicht gesondert auf. Ihr Vorhandensein in Europa aber bezeugt ihren Import: Die Forschung schlug vor, dass einige der mit Perlmutt beschlagenen Kästchen eher zufällig, als „Verpackung“ der gehandelten Perlen und Edelsteine, ihren Weg nach Europa fanden. Die direkt für den Export gefertigten Perlmuttkunstwerke aus Gujarat aber müssen in größerem Umfang transportiert worden sein.168 Wohin diese Objekte verortet wurden, ist schwer zu greifen. In den Inventaren wird häufig(er) das Material bzw. das Tier benannt, wenn die Artefakte als „Ein anderer zingcketer Möhrschneckh, mit einem dreyfachn fueß, auch von ­schneckhen gemacht, ist geformbt wie ein Trinkgeschirr“ bezeichnet, als marbelschnecke,

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Perlen Mutter Schnecken­häuser, mörschneggen oder Schneckh von Berlmueter beschrieben werden. Ihre ferne Herkunft scheint nicht die Wahrnehmung dominiert zu haben, sie wurden weder als „indisch“ (in der frühneuzeitlichen, weiten Bedeutung des Wortes) noch als „chinesisch“ ausgewiesen.169 Das diese kulturelle und geographische Unbestimmtheit programmatisch sei, vermutet Daniela Bleichmar in ihrer Untersuchung der Inventareinträge zu nicht-europäischen Objekten: Sie fand die Kategorien von inhaltsleeren, ­inkorrekten, unsicheren sowie nicht vorhandenen Zuschreibungen und argumentierte, dass diese Sammlungspraxis fremder und wunderbarer Dinge in der Frühen Neuzeit ­weniger als ein Versuch des Verstehens, sondern als Geste der Aneignung fremder Kulturen (worldmaking) zu verstehen sei. Die Turbanschneckenpokale und Becken bestätigen die Faszination an fremden Materialien und ihren Produkten, und zeigen zugleich in ihrer Weiterverarbeitung den europäischen Zugriff und damit die Integration in ein vertrautes System von Wert, Form und Zweck an. Sie sind Zeugen des Kontakts unterschiedlicher Kulturen, aber kein Zeichen kulturellen Austauschs, eher von gegenseitigen Abhängig­ keiten und einer wachsenden Vernetzung der Märkte und zeigen exemplarisch die Komplexität transkultureller Handelsbeziehungen.170 Denn sie sind nicht das Produkt eines einseitig verlaufenden Warentausches, da ohne die Metallressourcen oberdeutscher ­Handelsfirmen und den daraus erzeugten ­Kupfer-, Bronze- und Messingwaren weder der Handel entlang der afrikanischen Westküste noch der nach Indien hätte aufgebaut ­werden können.171 Dies bedeutet, dass die Turbanschnecken nicht nur zufällig in den gleichen Sammlungen standen, wie die Handsteine, sondern dass sie über ein auf den ersten Blick nicht erkennbares Material- und Handelsnetzwerk miteinander verbunden sind. 172 Sie sind dabei mehrfach unbestimmt – als Artefakte, die auf natürlichen Formen basieren, als Werke deutscher und indischer Kunsthandwerker, als Objekte der Gegenwart und der Vergangenheit, da sie – all’antica – auf die Antike verwiesen und zugleich die Virtuosität zeitgenössischen Kunstschaffens dokumentierten (vgl. Kapitel 2.4). Neben sie treten die im dritten Teil dieser Arbeit untersuchten Globuspokale – die eine weitere Form der Welterschaffung und Weltaneignung, basierend auf einer präzise vermessenden, dokumentierenden Methode, vorstellen. Die neue Vielzahl an exotischen Muscheln, die ab dem 16.  Jahrhundert in Europa vorhanden war, wird aus den Gemälden von Balthasar van der Ast (1593/1594–1657) ­ersichtlich.173 Sein Stillleben mit Schneckenhäusern, Früchten und Eidechse in Dresden ­versammelt zehn außergewöhnlich schöne Exemplare dieser begehrten und teuren indopazifischen Schätze. Um einen in der Mitte liegenden großen Turbo marmoratus sind neun weitere Muschelarten gruppiert, die die unterschiedlichen Musterungen, die Varianten in der Oberflächenbeschaffenheit und die verschiedenen Formungen der Häuser ­vorführen; dazu treten Blätter, Blüten und Früchte sowie eine Eidechse, ein Schmetterling und zwei Spinnen mit ihrem Netz, die ebenfalls die Schönheit, Regelmäßigkeit und Kunstfertigkeit der schöpferischen Natur betonen (Abb. 53).174 Vergleichbare Muschelsamm­ lungen gab es schon im 16. Jahrhundert – die dort versammelten Muscheln und Meer-

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schnecken waren so wertvoll, dass sie als Geldanlage dienten, besondere Stücke konnten dabei mehrere tausend Gulden kosten.175 Ein spätes Beispiel aus dem 18.  Jahrhundert veranschaulicht dies im Vergleich mit einem heute deutlich höher geschätzten Kunstwerk: Als nach dem Tod von Pierre Lyonnet (1706–1789) seine Sammlung in Den Haag verkauft wurde, erzielte ein Kegelschneckenhaus (Conus cedonulli) sechsmal so viel, wie Vermeers Briefleserin in Blau, ein Gemälde, das heute zu den berühmtesten Kunstwerken im Amsterdamer Rijksmuseum zählt.176 Die Muschelbegeisterung ist dabei der Tulpenmanie vergleichbar, in beiden Fällen avancierten aus der Ferne importierte Luxusgegenstände zu Spekulations- und Sammlungsstücken. Über diese östlichen Luxusgüter und ihre Aufnahme in Kunstwerke (seien es Bilder, die sie repräsentieren, seien es Turbanschnecken­ pokale, die sie integrieren) kann der Weg des Handels ebenso nachvollzogen werden wie die Verlagerung der Handelsnetzwerke von Venedig nach Lissabon und nach Antwerpen und Amsterdam.177

53  Balthasar van der Ast, Stillleben mit Meerschnecken, Früchten und Eidechse, um 1635. Dresden, SKD, Gemäldegalerie Alte Meister, Gal. Nr. 1257.

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2.4 Antikenkenntnis und Antikenevokation Die Werke von Niclaus Schmidt, von Wenzel Jamnitzer, Hans Petzolt, Elias Geyer und Friedrich Hillebrand zeigen eine intensive Auseinandersetzung mit dem neuen Material der Meerschnecken und mit den formalen Angeboten, die diese fremden und faszinierenden Objekte machten. Zugleich aber sind die Werke eng in der Nürnberger Handwerkstradition verwurzelt, die von den Meistern angewendeten technischen Verfahren sind Ausweis des im 16. Jahrhundert zur vollen Blüte gelangenden Vermögens und Könnens der dort arbeitenden Künstler. Die Reformation bedeutete keine Zäsur in der künstlerischen Produktion, wie sie beispielsweise die Maler religiöser Bilder hinnehmen mussten, denen in den reformierten Regionen die Märkte und Aufgaben wegbrachen. Die Nürnberger Goldschmiede arbeiteten kontinuierlich weiter und fertigten (wenngleich in geringerem Maße) für den kirchlichen Bereich Pokale und andere Objekte an, die im liturgischen Dienst gebraucht wurden. Der bedeutendere Teil der hochrangigen Werke aber wurde für den profanen Bereich geschaffen, für einen Markt, der das Repräsentationsbedürfnis und die Freude am Luxus von Adligen und reichen Bürgern bediente.178 Die innovative Nürnberger Goldschmiedekunst des 16. Jahrhunderts speiste sich aus der gotischen Tradition, zugleich aber erhielt sie neue Impulse aus Italien. Die dort entwickelten formalen Vorstellungen und Ornamentformen kamen über importierte Werke nach Nürnberg; auch Reisen nordalpiner Künstler in die Zentren italienischen Kunstschaffens sind anzunehmen, beides aber waren sicherlich nicht die hauptsächlichen Vermittlungswege. Diese sind ­vielmehr in graphischen Vorlagen in Form von Stichserien und gezeichneten Vorlage­ blättern zu s­ uchen, die die in Italien entwickelten Formen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts schnell in ganz Europa publizierten. Sie stießen in den Goldschmiedezentren von Nürnberg und Augsburg auf hohes Interesse und wurden von den dort arbeitenden ­Meistern mit großer Bereitschaft für die eigenen Werke adaptiert. Schon Alfred Lichtwark sprach 1888 von einem „wahren Urwald neuer Formen“, der Mitte des 16. Jahrhunderts zu ­wuchern begann.179 Er bezeichnete damit die allgemein sichtbare Hinwendung zu ­einem antik-klassischen Formvokabular, die aus der verstärkt einsetzenden Vitruv-Rezeption sowie einer rasanten Verbreitung der neu entwickelten Groteske resultierte. Diese ­moderne ornamentale Formensprache traf im nordalpinen Bereich auf die tradierten ­Ornamente, beide verschmolzen dabei zu einem spannungsvollen neuen Ergebnis.180 Die Aneignung dieser Formen wird in allen den genannten Goldschmiedeobjekten sichtbar, besonders deutlich in Niclaus Schmidts Wiener Lavabo-Garnitur, wo die Perlmutt-Elemente den Renaissance-Formen, die den Kannenkörper überziehen, untergeordnet sind (Abb. 54). Das Material taucht hier als Teil eines umfassenden Dekorationssystems auf, das den Kannenkörper und auch das Becken umfängt. Dabei verweisen sowohl die gesamte Anlage der Kanne als auch die Einzelformen wie der Ausguss, die davor aufgestützte weibliche Figur oder die Bildung des Henkels deutlich auf Vorbilder aus dem italienischen Umfeld.

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54  Niclaus Schmidt, Turbanschneckenkanne. Detail, Ende 16. Jahrhundert. Wien, KHM, KK_1124.

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55 Goldschmiedezeichnung, nach Giulio Romano, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Berlin, Kunstbibliothek, HZ 4503.

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Die genauen Wege der Ausbreitung des neuartigen Designs nachzuzeichnen, ist aufgrund der Fülle der Werke, der Vielzahl der angebotenen Lösungen und der raschen Folge, in der an unterschiedlichen Orten Vorlagenblätter und Entwürfe für Goldschmiedewerke erschienen, nicht möglich. Aber einige interessante Beobachtungen können – mit direktem Bezug zu den Nürnberger Goldschmieden und ihren Turbanschneckenkannen  – formuliert werden: In der Berliner Kunstbibliothek werden 24 Blätter mit Zeichnungen nach antiken Vasen aus dem 16. Jahrhundert verwahrt. Sie sind Teil eines ehemals größeren Codex, wie Hayward anhand der Foliierung der heute getrennt aufbewahrten Blätter ­erschließen konnte.181 Das dreizehnte Blatt der losen Zeichnungssammlung zeigt eine Vase (Amphore), deren Corpus gänzlich mit Rankenwerk überzogen ist (Abb. 55). In den sich so bildenden Feldern wird in der Mitte ein Eber erkennbar, der von herbeieilenden jagenden Eroten mit einem Strick an die Ranke gefesselt wurde. In dem Feld darüber erkennt man Venus, die sich trauernd über den sterbenden, von zwei Eroten gestützten Adonis beugt. Der Hals der Amphore ist als geflochtener Korb gestaltet, je ein Schlangenpaar bildet rechts und links geschwungene Henkel aus, darunter liegen zwei groteske Masken auf dem Gefäßkörper auf. Das Blatt trägt unten links auf Höhe des Fußes die Aufschrift U[n] tal vaso come questo fu trovato nel foro di traiano & era doro [h ? ausradiert] opera no[n] mai più vista al n[ost]ro seculo ep[er] il sacho di roma fu guasto.182

Das folgende vierzehnte Blatt nimmt den Entwurf in vereinfachter Form auf: die beiden erzählenden Szenen mit der Eberjagd und dem sterbenden Adonis fehlen, aber die Grundidee wird als Kühlbecken für die auf dem vorherigen Blatt gezeigte Weinamphore wiederholt (Abb. 56). Die Aufschrift links unten bestätigt die Zusammengehörigkeit der Blätter: mie parso di fare u[n] rinfescatore p[er] il vaso passato p[er] esser di molta importanza.183

„Ich überlegte, einen Weinkühler für die vorherige Amphore zu schaffen, da sie von ­großer Bedeutung ist“ steht auf dem Blatt. Die beiden Blätter sind – wie auch die rest­ lichen 22 Beispiele, die ebenfalls Zeichnungen von antiken Amphoren, Becken oder auch Öllampen tragen – als lavierte Federzeichnungen angelegt, die über die Größe, die Feinheit und die Eleganz der Ausführung anzeigen, dass sie nicht als bloße Vorlagenblätter für den Werkstattgebrauch erstellt worden waren. Der hervorragende Erhaltungszustand unterstreicht, dass sie nicht genutzt, sondern sehr wahrscheinlich als Teil einer graphischen Sammlung aufbewahrt wurden. Die Aufschriften unterstützen die Vermutung, dass diese Zeichnungen in einen gelehrten Kontext von künstlerischen Entwurfszeichnungen und dem Interesse an Antiken anzusiedeln sind und damit in den Bereich der frühneuzeitlichen Kunstkammern gehören. Die Aufschriften der beiden Zeichnungen sind dabei von großer Relevanz: Protokolliert die Beschriftung bei der Vase doch den Fundort des Stückes – in Rom, an einem bedeutenden antiken Ort, dem Trajans-Forum, das durch seine

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56 Goldschmiedezeichnung, nach Giulio Romano, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Berlin, Kunstbibliothek, HZ 4504.

Strahlkraft auch denjenigen bekannt war, die nicht die Ewige Stadt bereist hatten. Die Aufschrift nennt zudem das Material – es handelt sich um ein Stück aus Gold, das hier in der Zeichnung reproduziert wurde. Die dritte Aussage „non mai piu vista al nostro seculo“ nimmt eine qualitative Wertung vor und ruft dazu den Topos der Vorbildhaftigkeit ­antiker Werke auf, deren Kunstfertigkeit und Schönheit in der Gegenwart nicht mehr zu erreichen sei. Und schreibt das Stück in die Geschichte des 16. Jahrhunderts ein, wenn das Blatt sich selbst als Relikt präsentiert, als zeichnerischer Überrest eines antiken Artefakts, das während der Plünderung Roms durch das Heer Kaiser Karls V., den Sacco di Roma im Jahr 1527, zerstört worden ist. Die Aufschrift richtet sich also an Betrachter:innen und Leser:innen, für die diese Dinge von Wert und Interesse sind. Auch weitere Aufschriften auf den anderen Blättern des ehemaligen Codex weisen in dieselbe Richtung: So steht auf dem siebten Blatt der Sammlung, dass die dort gezeigte silberne Vase außerhalb Neapels in einem Weinberg gefunden und in die römische Sammlung des Kardinals della Valle transloziert worden war.184 Diese berühmte Antikensammlung des Palazzo della Valle (heute Palazzo Capranica), angelegt durch Kardinal Andrea della Valle (1463–1534), ist

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über einen Stich von Hieronymus Cock – wohl nach einer Zeichnung von Maarten van Heemskerck um 1553 – überliefert. Durch die Beischrift auf der Goldschmiedezeichnung werden erneut nicht nur das Material und der Fundort benannt, sondern zugleich das Werk in eine der wichtigsten Sammlungen antiker Kunst des 16. Jahrhunderts verortet, die von an der Antike interessierten Gelehrten besucht werden konnte. Vor diesem Hinter­ grund ist die schon zitierte Aufschrift auf Blatt 14 bedeutungsvoll, durchbricht sie doch den gelehrten Antikendiskurs deutlich: Denn der Schreiber, der die Aufschrift verfasste, gab sich als Goldschmied zu erkennen, der in Auseinandersetzung mit den antiken Werken erstens einen eigenen Entwurf lieferte und zugleich seine Kunstfertigkeit mit dem Vorbild gleich setzte, wenn er sagt, dass er es sich prospektiv vorstellen könnte  – und demnach auch zutrauen würde – für die vorher gezeichnete antike Vase (die laut Aufschrift zerstört wurde) ein Kühlbecken zu entwerfen. Bei dem Becken handelt es sich somit nicht um ein römisches Artefakt, sondern um eine fiktive Entwurfszeichnung für ein eventuell zukünftig zu schaffendes Objekt, dass sich auf vielen Ebenen in einen gelehrten Diskurs über antike Werke der Goldschmiedekunst einschreibt. Ein vergleichbares Motiv findet sich auch auf dem zwanzigsten Blatt der Sammlung, der Zeichnung einer breiten Vase (Abb. 57), die unten rechts die Aufschrift trägt: „un tal vaso enel la vigna de la valle for di roma.“185 Die Zeichnung ist nicht ganz symmetrisch, links wird als Henkel ein Löwenkopf mit einem Oberkörper gezeigt, der mit den Reihen von Brüsten an die als Natura gedeutete Statue der Diana von Ephesos erinnert, rechts hingegen ein Greif mit schild­ artiger Rüstung dargestellt. Es scheint fast so, als habe hier der zeichnende Entwerfer zwei unterschiedliche Möglichkeiten der Ausführung vorgeschlagen – eine Praxis, die bei zeitgenössischen Entwurfszeichnungen, die für die Publikation bestimmt waren, häufiger auftritt, da so dem Käufer, platzsparend auf einem Blatt vereint, gleich mehrere Ausführungsmöglichkeiten zur Verfügung standen. Erneut passt dies nicht mit der Aufschrift des Blattes zusammen, die vorgibt, dass solch eine antike Vase in einem Weinberg außerhalb Roms aufgefunden worden war. Dass es sich bei den Berliner Zeichnungen um Antiken-Fiktionen bzw. elaborierte Evokationen und keineswegs  – wie die Aufschriften behaupten  – um tatsächliche Bodenfunde, die in Teilen sogar ihren Weg in berühmte Antikensammlungen gefunden hatten, handelt, ist auch aus weiteren Gründen wahrscheinlich: Sind doch die Zeichnungen keines­ wegs Unikate, sondern tauchen in unterschiedlichen Kontexten immer wieder auf. So findet sich die eben schon genannte siebte Zeichnung aus Berlin (HZ 4497), die einen Krug zeigt, dessen Körper mit Ranken und grotesken Masken überspannt ist, in einem Codex aus der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien (Abb. 58).186 Dieser Wiener Codex min. 21/3 aus der Österreichischen Nationalbibliothek enthält den dritten Teil der Zeichnungssammlung von Jacopo Strada (1507–1588), sein sogenanntes Musaeum.187 In diesem Wiener Album ist sehr heterogenes Material enthalten, darunter mythologische Szenen, Entwürfe für Kostüme und ­antike Büsten; teilweise sind Sujets doppelt vertreten, so dass ersichtlich wird, wie vorhandenes Material thematisch neu geordnet und kategorisiert

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57 Goldschmiedezeichnung, nach Giulio Romano, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Berlin, Kunstbibliothek, HZ 4510.

wurde.188 Auf den foll. 78–172 befinden sich Zeichnungen von Vasen, Kannen, Schalen und anderen Gefäßen, dahinter folgen, auf foll.  173–190, Darstellungen von Kerzenleuchtern.189 Innerhalb dieser Blätter können dreizehn Entwürfe identifiziert werden, die denen der Berliner Zeichnungen entsprechen.190 Aber im Gegensatz zu den Berliner Zeichnungen, die alle das gleiche Format haben, in derselben Technik ausgeführt sind und jeweils auf der linken Seite einen Räumlichkeit erzeugenden Schatten aufweisen, variieren die in dem Wiener Codex versammelten Blätter sehr stark: Zu finden sind Zeichnungen mit Braunlavierungen, mit gelber Farbe oder sehr starken Konturen; auch die Formate sind sehr unterschiedlich, ebenso die Art der Darstellung, die Vasen sind teilweise in Untersicht gegeben, als seien sie aus einem Fresko abgezeichnet worden; andere wirken wie Entwurfszeichnungen oder Vorlageblätter. Dieser Befund weist darauf hin, dass es sich hier um eine Kompilation handelt, die ­Jacopo Strada aus unterschiedlichen Vorlagen zusammenstellte. Er macht zudem deutlich, dass die Berliner Zeichnungen auf die gleichen Vorlagen zurückgehen, aber für einen veränderten Kontext kopiert und einander angeglichen wurden, um einen in sich geschlossenen Corpus zu präsentieren: Die Zeichnungen in Berlin wirken wie ein einheitliches Kon-

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58  Entwurf eines Kruges nach Giulio Romano und Entwurf eines Kruges von Jacopo Strada. 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Berlin, Kunstbibliothek, HZ 4497 und Wien, ÖNB, Codex min. 21/3, fol. 138.

volut für einen an antiken Vasen interessierten gelehrten Sammler. In Wien befinden sich die Berliner Antikenzeichnungen in einem gänzlich anderen Kontext: sie sind die private Bildersammlung des Kunstkenners und Antiquars Jacopo Strada; ihre Herkunft aus unterschiedlichen Quellen wird nicht verschwiegen, der kompilatorische Charakter der Sammlung bleibt offensichtlich. Die Berliner Zeichnungen hingegen verschleiern diese Herkunft und bieten durch die Beischriften weiterführende Bedeutungsebenen, die in Jacopo ­Stradas Musaeum in Wien vollständig fehlen. Interessanterweise lassen sich weitere Zeichnungen des Wiener Codex in anderen Zeichnungsalben finden, die ebenfalls Entwürfe für oder auch Nachzeichnungen von Goldschmiedewerken versammeln. Einige Zeichnungen beispielsweise sind in einem Codex nachzuweisen, der heute im Museo Galilei in Florenz verwahrt wird. Mindestens fünf Entwürfe aus der Wiener Zeichnungssammlung von Jacopo Strada sind auch in diesem Werk vertreten.191 Das Titelblatt der Sammlung ist in Latein verfasst und lautet: Liber in quo varia ac diversa tam moderna quam antiqua vasorum delinemaneta continentur. Principum Regum et Imperatoru[m] usui servientia, ab Octavio Strada Rodulphi II. Imperatoris

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­Invietissimi Nobili Aulico, in lucem aedita ad Ilustrissimum et eccelentissimum Principem et Dominum Dnm: Ioannem Medicem, S. C. M. Generalem per Regnum Hungariam super Bombardias ­Instrumenta. Dominum meum Clementissimum192

Laut dieses Titelblatts handelt es sich bei der Sammlung um ein Werk, das durch den Sohn von Jacopo Strada, Ottavio Strada (1550–1607), geschaffen wurde, der sich auf dem Titelblatt nennt und dort zudem den Empfänger des Bandes, Don Giovanni de’ Medici (1567– 1621), aufführt.193 In diesem Codex sind Zeichnungen nach antiken, aber auch von zeit­ genössischen Gefäßen versammelt. Ottavio Strada nennt sich nicht als direkter Urheber der Zeichnungen, sondern vor allem als Herausgeber. Ein Vergleich der Berliner, der ­Wiener und der Florentiner Zeichnungen ist höchst aufschlussreich: zwar tauchen vergleichbare, wenn nicht gar dieselben Entwürfe in allen drei Sammlungen auf, aber die Art der Zeichnungen, die Sorgfalt der Zusammenstellung wie auch der gesamte Charakter und Anspruch variieren erneut sehr stark. Die Berliner Zeichnungen, in Feder und laviert, präsentieren – wie oben schon gesagt – die Werke einzeln und in einer starken Körperlich-

59 Goldschmiedezeichnung, nach Giulio Romano, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Florenz, Museo Galileo, Coll. MED 2172/01, fol. 5r.

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keit, als würde es sich tatsächlich um Reproduktionen von Antiken handeln. Die Wiener Sammlung ist äußerst heterogen und von deutlich niedrigerem Anspruchsniveau – und die Floren­tiner Sammlung wiederum ist sehr uniform, aber dennoch gänzlich anders als die Berliner Werke. Die hier versammelten Zeichnungen sind reine Umrisszeichnungen, die jegliche Körperlichkeit der Gefäße negieren (Abb. 59). In ihrer Beschränkung auf die Linie sind sie reduzierter als die Berliner Zeichnungen ausgeführt, verfügen aber dennoch über ein vergleichbar hohes Anspruchsniveau, da es sich um großformatige Blätter handelt, auf denen die Vasen einzeln freigestellt sind. An drei weiteren Orten werden Zeichnungscodices verwahrt, die alle ähnliches Material reproduzieren: in Brno (Brünn), in Prag und in Cambridge. Der Codex aus der Mährischen Landesbibliothek in Brno enthält 82 Zeichnungen, ist auf das Jahr 1597 datiert und trägt in italienischer Sprache den Titel:194 Zeichnungsbuch um Vasen aus Silber und aus Gold herzustellen, um an der Kredenz und an der Tafel eines großen Principe zu dienen, gänzlich al modo antico ausgeführt, und so wie man sie auch heute in Rom benutzt. Gezeichnet mit eigener Hand von Ottavio Strada, römischer Bürger und Edelmann des Hauses von Kaiser Rudolf II 1597.195

In diesem Codex also werden die Zeichnungen von Goldschmiedewerken als al modo antico ausgewiesen, somit als zeitgenössische Produkte deklariert, die aber in dem modernen antikisierenden Stil gehalten sind. Erneut nennt sich Ottavio Strada, der vorgibt, die Zeichnungen di mano propria gezeichnet zu haben.196 Ob hier nur die eigenhändige Kopiertätigkeit gemeint ist oder der Anschein erweckt werden soll, die Entwürfe würden auf Strada zurückgehen, ist nicht endgültig zu entscheiden. Der Einband trägt das kaiserliche Wappen, der Band gehörte also ehemals zur Sammlung von Kaiser Rudolf II. in Prag.197 Der Prager Codex wird heute in den Beständen der Bibliothek des Strahov Klosters ­bewahrt.198 Auf dem Titelblatt steht SELECTARVM INVENTIONVM COLLECTANEVM ex ­DIVERSIS AVCTORIBVS, das Werk trägt das Exlibris von Jacopo Strada.199 Laut Titel handelt es sich um eine ausgewählte Sammlung von (265 Goldschmiede-)Entwürfen, die in diesem Klebeband versammelt wurden – von unterschiedlichen Autoren, wie der Titel hervorhebt. Einige Zeichnungen aus dem Prager Codex sind identisch mit dem Material aus Wien, vielfach gibt es ähnliche Entwürfe und damit Bezüge zu den anderen Codices.200 Auf dem Frontispiz ist das Wappen von Kaiser Karl V., auf der Rückseite das des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich I. (1503–1554) angebracht, so dass auch für diesen Band ein fürst­ liches Sammlerumfeld angenommen werden kann.201 Die Zeichnungen aus diesem Band wurden nicht – wie die Exemplare in Berlin oder in Cambridge – in eine einheitliche Form gebracht und auf gleichmäßig große Blätter in einem uniformen Stil kopiert (Abb. 60). Es sind vielmehr anspruchsvoll lavierte Federzeichnungen, die Körperlichkeit und Raum evozieren und die aufgeklebt in Codex-Form gebracht wurden, aber ihren kompilatorischen Charakter nicht verleugnen.202

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60 Goldschmiedezeichnung nach Giulio Romano, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Prag, Strahov Bibliothek / Königliches Kanonikat der Prämonstratenser, Sign. DL III 3, S. 100, Nr. 182.

Der Codex aus Cambridge mit seinem verschwenderischen Luxus an freigelassener Papierfläche und der farbigen Fassung zeugt erneut von einem hohen Anspruch; er wird in die 1570er Jahre datiert und als Kopist wird Jacopo Strada vermutet.203 Auf dem Titelblatt findet sich die Aufschrift: Libro de dissegni per fare Vasella di Argento et Oro per servitio della Credenza e tavola per un gran Principe fatte tutte al modo antico, et come anche oggi usano in Roma per la Tavola de Papa et Cardinali et altri gran signori, li quali dissegni sono poste per ordine, come sotto sonno nominate, nel modo come in Roma se apparecchiano le credenze et tavole su nominate204

Darunter werden die im Codex enthaltenen Entwürfe geordnet nach ihrem Zweck auf­ gelistet, erhalten damit einer Erklärung und werden zudem in einen möglichen Funktions­ zusammenhang gestellt.205 Salliere grande per la Credenza (5 Zeichnungen) Salliere mezzane per la Tavola longa quando un Principe fa banchetto (7 Zeichnungen)

244 I Turbanschneckenkannen

Salliere picole quando il principe magna solo (8 Zeichnungen)206 Due peparole per tenere il pepe sopra la tavola del Principe (2 Zeichnungen) Tazza grande con il coperto con sopra una figura et con dui manichi questa si tiene sopra alla credenza (1 Zeichnung) Tazze varie per ber uino (12 Zeichnungen) Tazze alte, et bichieri per ber aqua (13 Tassen, 5 Becher) Caraffe di vetro (2 Zeichnungen) Due vasi bassi con manichi per ber acqua (2 Zeichnungen)207 Sechielli per ber aqua (4 Zeichnungen)208 Candellieri in varij modi cioè alte et bassi parte per la credenza et parte per al tavola del principe (19 Zeichnungen) Bochali per dar aqua alle mani con li suoi Bacilli (16 Krüge, 4 Schalen).

Die großen Blätter, die jeweils recto nur eine Zeichnung in der Mitte tragen, wurden für diesen Codex erstellt (Abb. 61); durch ihre Farbigkeit unterscheiden sie sich deutlich ­sowohl von den reinen Umrisszeichnungen in Florenz als auch von den lavierten, doch monochromen Federzeichnungen in Berlin. Sie sind alle durchgehend in Weiß und Gelb gestaltet, so dass ein intendiertes Material – die Ausführung in Silber und in Gold – beim Betrachten mitgedacht werden kann.209 Die Zeichnungen in Brno zeigen im Vergleich zu denen aus Prag oder aus Berlin keine Binnenschattierungen, keine Schatten, die eine ­Körperlichkeit der Objekte evozieren würden oder die Richtung des Lichteinfalls; die Entwürfe schweben vor dem Blatt. Der Charakter der Zeichnungen aus Florenz ist denen in Brno verwandt, hier wie dort finden sich rein linear gedachte Reinzeichnungen, die kaum noch an die lavierten und körperhaften Federzeichnungen mit brauner Tinte beispielsweise in Prag oder auch in Berlin erinnern. Der Cambridger Codex mit seiner farbigen Ausführung stellt eine dritte Möglichkeit der Nutzung des bekannten graphischen Materials vor. Der kompilatorische Charakter der vorgestellten Zeichnungsmappen und gebundenen Codices, der mit Kopien und Umdeutungen spielt, wird erneut dort erkennbar, wo auf einem Blatt in Wien Zeichnungen vorkommen, die in Florenz oder in Prag ebenso vorhanden sind.210 Die hier vorgestellten Blätter zeigen nicht nur eine Vielzahl von hochwertigen Goldschmiedeentwürfen, ihre unterschiedlichen Ausführungen und Zusammenstellungen führen gänzlich unterschiedliche Ansprüche und Verwendungskontexte vor. Sie können als Vorlage und als Ideensammlung dienen, sind aber zugleich als Graphikmappen angelegt, die (und dies führt zum Berliner Ausgangskonvolut zurück) in einem gelehrten Antikendiskurs zu verorten sind. Eine Verbindung dieser Zeichnungen zu den Turbanschneckenarbeiten von Niclaus Schmidt, von Petzolt, Geyer und Jamnitzer ist über die Person von ­Jacopo Strada herzustellen, der (wahrscheinlich) 1515 in Mantua geboren wurde.211 Strada erhielt in Mantua sehr wahrscheinlich eine Ausbildung in den studia humanitatis und studierte möglicherweise in den 1530er Jahren in Bologna oder Padua, wenngleich es ­dafür keine Belege gibt.212 Zugleich muss er eine künstlerische Ausbildung erhalten haben, da er

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61  Goldschmiedezeichnung, nach Giulio Romano, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Cambridge, Fitzwilliam Museum, PD.6-1948.f.88

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in Nürnberger Dokumenten der 1540er Jahre als „Maler“ benannt wird und da sein Werk zugleich bezeugt, dass er eine Ausbildung als Zeichner erhalten hat.213 Dass er eine Lehre, möglicherweise sogar als Goldschmied, im Umfeld von Giulio Romano (1499–1546) absolviert hat, ist nicht nachweisbar; Strada selbst erklärt in einem Brief aus dem Jahr 1559 an Maximilian II., er habe die Goldschmiedekunst als Kind erlernt, um mit der Zeit zu einem besseren Verständnis dessen zu gelangen, was er durch Gottes Gnade und große Mühen und Kosten erworben habe, den Bereich der antiken Marmorwerke und Medaillen.214 ­Daher wird in der Forschungsliteratur eine Nähe zu Giulio Romano vermutet, sogar, dass er für den Hof der Gonzaga einige der Entwürfe des Meisters umsetzte.215 Dirk Jacob ­Jansen aber schlägt vor, dass Strada aufgrund seines Standes eine Ausbildung der artes­ ­liberales erhalten hatte und seine künstlerische Ausbildung (möglicherweise tatsächlich in der Werkstatt Giulio Romanos) der eines dilettante entsprach, also eines Edelmannes, der künstlerische Fähigkeiten und nicht den Beruf eines Künstlers erwarb.216 Sicher aber ist, dass Strada sich jeweils seinem Umfeld anpasste und in unterschiedlichem Maße seine künstlerischen Kompetenzen betonte oder verschwieg. In den 1530er Jahren verließ ­Jacopo Strada Mantua und reiste nach eigenen Angaben nach Rom, nach Neapel und ­Venedig, möglicherweise damals schon als Antiquar arbeitend und numismatische Studien treibend.217 Er war unter anderem für Hans Jakob Fugger tätig, der seine Arbeit förderte – in Lyon 1553 erschien ein erstes Werk von Strada, die Epitome thesauri antiquitatum, mit Widmung an Fugger.218 Aus Italien aus dem Umkreis von Giulio Romano, einem der bedeutendsten Raffael-Schüler und Protagonisten italienischen Kunstschaffens der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam Strada also in den Norden.219 Er führte das Wissen um die zu diesem Zeitpunkt verhandelte Kunsttheorie und antiquarische Kenntnisse ebenso mit sich, wie zeichnerisches Vermögen und Vorlagenblätter: Schon zu diesem frühen Zeitpunkt scheint Strada systematisch vorbildliche Kunst (und auch Antiken) abgezeichnet zu haben. Zudem beauftragte er Künstler (darunter Armenini) mit der zeichnerischen Erfassung von Raffaels Loggia im Vatikan – und 1567 Ippolito Andreasi mit Studien des Palazzo del Te in Mantua.220 Zu den von Strada gesammelten Blättern gehörten auch – nicht zuletzt der dritte Band seines Musaeums in Wien bezeugt es  – Zeichnungen von Goldschmiede­ werken. Wer der Schöpfer dieser Werke ist, scheint heute geklärt: Giulio Romano. Ob Strada schon 1546 bei seinem Weggang aus Mantua nach dem Tod Giulio Romanos oder erst später die Zeichnungen des Meisters ankaufte, ist nicht eindeutig zu klären.221 Jacopo Strada scheint kontinuierlich und mit dem Ziel gesammelt zu haben, sich einen großen Corpus von Zeichnungen wichtiger Künstler und wichtiger Kunstwerke zu erschaffen, die er dann in seinem späteren Leben als Kunstagent und Antikenkenner nutzen und vermarkten sollte. In Lyon hatte er 1550 den graphischen Nachlass von Sebastiano Serlio (1475–um 1554) aufgekauft, danach in Rom den Zeichnungsnachlass von Perino del Vaga (1501–1547), der möglicherweise auch den Großteil der Zeichnungen Raffaels (1483–1520) umfasste.222 Im Settimo libro d’architettura di Sebastiano Serlio Bolognese, das Strada aus seinem Musaeum 1575 in Frankfurt publizierte, berichtet er:

Antikenkenntnis und Antikenevokation I 247

Danach verließ ich Rom um nach Deutschland zurück zu kehren und reiste [1555/56] durch Mantua und ging Raffael wieder zu sehen, den Sohn von Giulio Romano. Dieser, wenngleich er von den Gütern des Schicksals reich vom Vater begabt worden war, erfreute sich wenig an der Kunst der Zeichnung, sondern vor allem an Liebschaften und war dazu geneigt, sich eine gute Zeit zu machen. Und aus diesem Grund besaß er, jenseits der Dinge, die er von seinem Vater geerbt hatte, nichts Gutes [...] daher war es für mich nicht schwer, mich aller Zeichnungen zu bemächtigen, die seinem Vater gehörten, die dieser ihm hinterlassen hatte. Dort waren die schönsten Dinge des Raffael von Urbino versammelt, der einstmals sein Meister gewesen war. Vor allem Architekturzeichnungen, sowohl antik als auch modern. Und einen günstigen Preis zahlte ich ihm.223

Der ursprüngliche Umfang der von Giulio Romano gezeichneten Goldschmiedeobjekte im Besitz von Jacopo Strada ist nicht mehr zu rekonstruieren. Einige der Zeichnungen aus dem Prager Codex gelten als eigenhändige Werke des Meisters, andere wiederum als Werkstattarbeiten oder Kopien, hinzu treten noch Einzelblätter in verschiedenen Sammlungen.224 Wer die Berliner Zeichnungen ausgeführt hat, ist nicht geklärt, relativ sicher aber ist, dass es sich auch hier um Kopien nach Zeichnungen von Giulio Romano handelt.225 Ob Jacopo Strada die Zeichnungen anfänglich nur mit dem Ziel sammelte, einen reichen Motivschatz zur Verfügung zu haben, oder ob er schon früh plante, die Zeichnungen zu publizieren – für den Prager Codex wurde vermutet, dass es sich hier um Vorarbeiten für eine Überführung in den Kupferstich handeln könnte – ist nicht zu klären. Auch nicht, ab wann er anfing, die Zeichnungen in die vorgestellten Corpuswerke zu überführen und sie durch Beischriften bzw. variierende formale Ausführungen mit unterschiedlichen Bedeutungsebenen anzureichern. Strada ist seit 1558 im Umfeld der Habsburger als Kunstsachverständiger und Antiquar tätig, arbeitet sowohl für Kaiser Ferdinand I. sowie dessen Nachfolger, Maximilian II. und Rudolph II. bis zu seinem Tod 1588.226 Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist anzunehmen, dass er seinen Bestand an Zeichnungen für die unterschiedlichen Kontexte variierte und kompilierte. 1556 hatte Erzherzog Ferdinand II. von Tirol bei Wenzel Jamnitzer einen Tafelaufsatz mit der Schaffung von Adam und Eva bestellt; da Jamnitzer mit Aufträgen für dessen Bruder Maximilian beschäftigt war, schlug er einen kunstlichen Maler vor, der Entwürfe für solch ein Projekt erstellen könne – Jacopo Strada, der von seiner Reise nach Lyon und Rom nach Nürnberg zurückgekehrt war.227 Um sich für das Projekt zu empfehlen, schrieb Strada in einem Brief an Ferdinand II., er sei im Besitz eines Buches mit vielen schönen farbig gestalteten Tieren und seltenen Fischen, die nutzbringend für den Entwurf einsetzbar wären – nutzte also schon hier seinen Zeichnungsschatz, um sich als Künstler und Kunstsachverständiger auszuweisen.228 Interessant ist die Stellung der Zeichnungen zur Antike – nicht erst, seitdem sie durch Jacopo Strada und seinen Sohn Ottavio innerhalb dieses Kontexts reaktiviert wurden: Giulios Lehrzeit bei Raffael fiel in die Jahre, in denen sich dieser intensiv dem Studium der Antike und besonders des antiken Reliefs zuwandte.229 Über Giulio Romano also ist Jacopo Strada mit diesem Kreis verbunden; seine spätere Karriere als Antiquar und Kunstkenner

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basiert auf diesen Kontakten.230 Da die Zeichnungen im Berliner Codex größtenteils als Nachzeichnungen von „echten“ Antiken ausgewiesen wurden liegt die Vermutung nahe, dass Jacopo Strada dies veranlasste oder eigenhändig ausführte. Offenbleiben muss, ob er dabei auf die Leichtgläubigkeit eines wenig gebildeten, nordalpinen Publikums bauen konnte, oder ob die Entwürfe von Giulio Romano tatsächlich als antik galten  – beziehungsweise wie sehr sie der Ausweis al modo antico innerhalb eines gelehrten Antikendiskurses verortete. Schließlich spielt Giulio Romano in vielen seiner Werke – vor allem auch in der Architektur des Palazzo del Te im Mantua – mit den Antikenkenntnissen und den damit verbundenen Erwartungen seines Publikums. Seine Variationen des antiken Kanons entfalteten dort ihre Wirksamkeit, wo sie auf einen hohen Grad an Bildung trafen, wo das Spiel mit den Konventionen erkannt und die Störung der Sehgewohnheiten als geistreicher Scherz wertgeschätzt werden konnte.231 In solch einen Kontext gehören auch die Entwürfe von Goldschmiedezeichnungen: Sie entstanden in einem Umfeld, das antike und antikisierende Vasenabbildungen kannte, beispielsweise die frühe Stichserie von Agostino de’Musi (Agostino Veneziano) 1530/31 (und damit aus dem engsten Kreis um Raffael), die  – laut immer gleichbleibender Aufschrift  – (vermeintliche) Nachzeichnungen von

62  Agostino dei Musi (Veneziano), Vasenentwurf aus der Stichserie Sic Romae Antiqui Sculptores ex Aere et Marmore faciebant, 1530

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­Vasen antik-römischer Bildhauer reproduzierte: Sic Romae Antiqui Sculptores ex Aere et Marmore faciebant.232 Diese Aufschriften zeigen an, dass es sich bei den reproduzierten Vasen um Bronze und Marmorwerke und keineswegs um Objekte der Goldschmiedekunst handelte (Abb. 62).233 Zu den ebenfalls in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erschienenen Publikationen von antiken Vasenformen zählt der Titel Ex Romanis antiquitatibus von Leonardo da Udine (zwischen 1542 und 1544), sowie die berühmte Stichserie mit der Beischrift Romae ab antiquo repertum von Enea Vico (1543), auch dies beides Publikationen, die mit dem Kreis um Raffael in enger Verbindung stehen.234 Für den hier diskutierten Zusammenhang relevant ist, dass die zwölfteilige Serie antiker Vasen von 1530/31 von Agostino Veneziano (wie Arnold Nesselrath herausgearbeitet hat) keineswegs Kopien nach antiken bronzenen und marmornen Bodenfunden reproduziert, sondern Ableitungen von Entwürfen aus dem Umfeld von Raffael und seinem Mitarbeiter Giulio Romano.235 Daraus folgt, dass – wenngleich es durchaus einige aus der Antike erhaltene Gefäße gab – der Großteil der im 16. Jahrhundert kursierenden Reproduktionen von „antiken“ Vasen und anderen Goldschmiedewerken vielmehr Nachschöpfungen im Geist der Antike waren und sich somit in den Vasendesigns antike und antike evozierende Formen vermischten. Es scheint vor allem der Kreis um Raffael und Giulio Romano gewesen zu sein, die an der graphischen Sicherung beziehungsweise Neuschöpfung des antiken Formenschatzes beteiligt waren; von hier gingen die Impulse aus, die in ganz Europa aufgenommen und weitergedacht wurden. Medien der Verbreitung dieser Formen waren dabei die genannten Stichserien aus Raffaels direktem römischen Umfeld, aber auch – wie gezeigt – der Zeichnungsschatz, den Jacopo Strada mit in den Norden nahm, als er Mantua verließ und nach Nürnberg weiterzog. Weitere Verbreitungswege lassen sich über Künstler nachzeichnen, die aus dem nordalpinen Bereich nach Italien kamen: Beispielsweise Cornelis Floris (1514–1575), der nach seiner Rückkehr in die Niederlande zwischen 1545 und 1548 fantastische Entwürfe für Goldschmiedeobjekte publizierte, die vielfach rezipiert wurden (Abb. 63).236 Ebenso trugen diejenigen Künstler, die nach dem Sacco di Roma 1527 die Stadt verließen und unter anderem nach Frankreich gingen, zur Ausbreitung der neuartigen Formensprache bei: Im Umfeld der Schule von Fontainebleau beispielsweise war Léonard Thiry tätig, von dem ebenfalls vielfache Vorbildserien für Kunsthandwerker im Stil der Antike überliefert sind.237 Die genannten Künstler und Wege sollen hier vor allem exemplarisch für die vielfältigen Vermittlungswege stehen, auf denen die Renaissanceformen den Weg in den Norden fanden – sie sind wichtige Vertreter, aber keineswegs die einzigen Quellen, über die das Material transportiert wurde.238 Für den hier diskutierten Zusammenhang ist festzuhalten, wie wenig deutlich innerhalb der graphischen Vorlagen die Grenzen zwischen Nachzeichnungen von originalen Antiken und Neuschöpfungen des 16. Jahrhunderts im Geist der Antike zu erkennen ist – und sicherlich auch für die Zeitgenossen nicht zu erkennen war. Das Beispiel Jacopo Stradas zeigt darüber hinaus, dass Protagonisten der antiken Gelehrsamkeit (wissentlich oder unwissentlich) diese Grenzen verwischten und über ihre Arbeiten antike und antikenevozierende

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63  Cornelis Floris, Entwurf eines Goldschmiedeobjekts aus der 21 Platten umfassenden Stichserie von 1548, Antwerpen.

Entwürfe verbreiteten. Diese Zeichnungen und graphischen Vorlagen wurden nicht nur in den Werkstätten von Goldschmieden für die praktische Umsetzung genutzt, sondern gehörten ebenso sehr in einen gelehrten Sammlungskontext, in dem Antikenkenntnis und die Wertschätzung von geistreichen formalen Lösungen in eins fallen. Deutlich sichtbar wurden die Neukontextualisierungen, die die Goldschmiedezeichnungen von Giulio ­Romano durch Jacopo Strada erfuhren: Bei ihrer Übertragung in den Norden konnten sie sowohl zu Antiken (antica) als auch zu zeitgenössischen Antiken-VARIATIONEN (all’antica) erklärt werden. Ob eine bewusste Fälschungsabsicht dabei zu erkennen ist, bleibt offen: John Forrest Hayward hatte vermutet, dass die (fälschenden) Antikenbezüge Jacopo Strada aufgrund eines disreputable motive geschahen, da er als aktiver Kunstagent für den Ankauf/Handel von und mit antiken Stücken betraut war.239 Dies ist möglich, ebenso gut kann es aber auch sein, dass ein Fälschungsmotiv hier nicht vordergründig vorlag, sondern die Zeichnungen in einem Umfeld von Antikendiskursen zu verorten sind, die mit Kenntnis, aber auch mit Aneignung und Reaktivierung argumentierten. Neben den graphischen Entwürfen gehören auch die ausgeführten Goldschmiedeobjekte in einen vergleichbaren Kontext. Die Arbeiten von Niclaus Schmidt und

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64  Erasmus Hornick, Entwürfe für Prunk­ gefäße in Silber mit Gold. Augsburg oder Nürnberg, 1560/1565. München, BSB, Cod. icon. 199, fol. 46.

den anderen genannten Goldschmieden stehen innerhalb eines mehrdeutigen Ordnungssystems. Mit dem Wissen um die graphische Produktion der Zeit wird deutlich, wie sehr sie sich ebenfalls als antica bzw. all’antica positionierten und in diesem Umfeld Antiken­ gelehrsamkeit ausstellten und das Vermögen der zeitgenössischen Goldschmiede betonten, gegenwärtige Werke zu erschaffen, die die Antike imitierten und in Teilen auch übertrafen. Die Beischriften bei Agostino de’Musis Serie wurden wohl  – wie auch bei den Berliner Zeichnungen von Giulio Romano – hinzugegeben, um Sammler anzusprechen, die Graphik nach Antiken suchten.240 Dieser kreative und zugleich nachahmend-fälschende Umgang findet sich auch an anderen aussagekräftigen Stellen. So berichtet Benvenuto Cellini, dass er „certi disegni“ anfertigte, „in frà quali era parecchi bizzarri vasetti [...] molto diversi e varii da tutti quelli che mai s’erano veduto insino a quell’età“, die dann in Silber ausgeführt und als ‚echte‘ Antiken verkauft wurden – bis nach Ferrara.241 In dieser Schilderung des Goldschmieds, der Kraft seiner Kenntnisse so wunderbare Entwürfe all’antica fertigte, dass die fertigen Goldschmiedeobjekte als tatsächliche Funde gelten konnten, ist sicherlich auch das (topische) Vorbild von Michelangelo enthalten, der – so

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berichtet es jedenfalls Vasari – in jungen Jahren ein eigenes Werk als antiken Bodenfund inszenierte. Nicht mit kriminellen Absichten, sondern als Ausweis seines hohen künstlerischen Vermögens, das ihn befähigte, die bewunderten Werke der Antike (täuschend echt) nachzuahmen. Das Motiv klingt auch bei Cellini an, wenn er (che mai s’erano veduto insino a quell’età) topisch darauf hinweist (wie auch die schon zitierte Zeichnung aus Berlin), dass solcher Art hervorragende Arbeiten „bis zum heutigen Tag nicht mehr gesehen worden sind.“ Weitere Goldschmiedezeichnungen, die im Umfeld von Jacopo Strada als Antiken angesehen oder ausgegeben wurden, sind in einem Codex aus der Bayerischen Staatsbibliothek in München erhalten.242 Dieser Codex wird im Standortkatalog der lateinischen und deutschen Handschriften der Hofbibliothek München von 1582 von Albrecht V. als Vascula antiqua von Jc. da Strada abgerissen verzeichnet. Wie Hayward herausarbeiten konnte, handelt es sich auch hier weder um antike Vasen, noch um Zeichnungen von der Hand des Hofantiquars von Rudolf II., Jacopo Strada.243 Vielmehr sind es zeitgenössische Vasenentwürfe des Kammergoldschmieds von Rudolf II. in Prag, Erasmus Hornick, der eine Zeitlang in Nürnberg tätig war (Abb. 64).244 Die Zeichnungen entstanden in einer Zeit, in der Jacopos Sohn Ottavio Strada als Hofantiquar in Prag tätig war – so dass die Entwürfe Hornicks möglicherweise von dem Zeichnungsschatz der Strada beeinflusst waren.245 In dieser Zeit fertigte Niclaus Schmidt seine heute in Wien verwahrte Lavabo-Garnitur für den Hof von Rudolf II. – so dass nicht nur direkte Verbindungen von Jacopo Strada und Wenzel Jamnitzer, sondern auch von Niclaus Schmidt und Ottavio Strada nachzuweisen sind. Für die beiden Zeichnungscodices in Florenz und in Brno, die beide mit Ottavio Stradas Namen verbunden sind, muss offen bleiben, warum er die dort reproduzierten Werke nicht klarer definierte, sondern in einem Zwischenzustand beließ. Hätte er sie doch entweder als Antiken oder als Werke aus dem Raffael-Umkreis ausweisen können, beides waren bedeutende Provenienzen, die das Ansehen der Entwürfe noch gesteigert hätten. Der Wert, den die Sammlung von Zeichnungen hatte, wird erneut im Testament von Jacopo Strada hervorgehoben.246 In diesem enterbt er seinen Sohn Ottavio wegen unterschiedlicher gravierender Straftaten (bis auf ein Legat von 50 rheinischen Gulden) und nutzt zudem das Schriftstück, um diese Verbrechen gegen ihn selbst (gegen mier füergenomene Verbrechen, unzalig) zu protokollieren. Jacopo Strada betont in seiner Auflistung der Vergehen an siebenter Stelle, dass sein missratener Sohn nicht allein die Sammlung antiker Münzen verscherbelt, sondern dass dieser ebenso seine wertvolle, seit Jugendtagen aufgebaute Zeichnungssammlung gestohlen habe.247 Also scheint sich Ottavio schon vor dem Tod des Vaters – auf illegalem Wege – diesen wichtigen Bereich des väterlichen Besitzes gesichert zu haben; auch mit dem Ziel, ihn zu Geld zu machen. Schon wenige Tage nach dem Tod seines Vater schreibt er am 6. Dezember 1588 an den Sekretär von Ferdinando I. de‘ Medici (1549–1609), Belisario Vinta, dass er nicht nur Medaillen zum Verkauf anbiete, sondern auch über Zeichnungen von Michelangelo, Raffael, Perino del Vaga, Parmigianino und Giulio Romano verfüge. Und fügt hinzu, dass sein Vater diese als

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seinen größten Schatz (thesoro) betrachtet hätte, den er zu einer Zeit habe ankaufen können, als die genannten Maler, valenthuomini, noch lebten.248 Ottavio also wusste um die Herkunft des väterlichen Musaeums, erneut schrieb er am 15. Januar 1590 an den toskanischen Großherzog, er habe „un libro di mano di Julio Romano, dove in esso non c’è altro, solum inventioni stravaganti per fa una credenza di un gran Principe, cosa molto bella di vedere“.249 In den italienischen Kontexten also weist er bewusst die Zeichnungen aus seinem Besitz als Werke des berühmten Raffael-Schülers Giulio Romano aus – und schreibt dazu im Brief von 1588 „et a noi non serve niente, et costì sarebbano in stimatione“, dass diese also in Florenz (anders?) wertgeschätzt würden. Möglicherweise liegt die Antwort auf die Frage, warum Ottavio einmal die Autorschaft betonte, einmal verschwieg, in den unterschiedlichen Bereichen, in denen sich Jacopo und Ottavio Strada bewegten und in denen sie eine große Anzahl unterschiedlicher Interessen bedienten. Als Kunst­ sachverständige berieten sie Fürsten beim Aufbau ihrer Sammlungen und beim Ankauf von Kunst und scheinen auch künstlerische Vorlagen geliefert zu haben. Für diesen B ­ ereich konnten sie den Zeichnungsschatz nutzen, um „eigene“ Inventionen vorzustellen. Sie traten zudem als gelehrte Antiquare für gelehrte Sammler mit Publikationen nach Antiken auf – in diesem Bereich scheinen die „antiken“ Goldschmiedewerke angesiedelt zu sein. Zugleich war Jacopo Strada ein Verbindungsglied zu Giulio Romano und damit auch zu Raffael – ein Aspekt, der im italienischen Umfeld mehr Wert haben konnte, als im nordalpinen Bereich, so dass er (wie auch sein Sohn Ottavio) dieses Wissen dort aktivierte, wo es nutzbar war.250 In allen diesen Kontexten fanden die Zeichnungen Giulios Verwendung, ein Vorlagenschatz, der die Vorstellung des 16. Jahrhunderts vom Aussehen antiker Goldschmiedeobjekte sowohl im ornamentalen Detail als auch in der gesamten Form maß­ gebend prägte, bezeichnete Pietro Aretino doch den Stil Giulios 1542 als anticamente moderno e modernamente anticho.251

2.5 Ornament / Form / Naturabguss Zwei Zeichnungen aus dem Cambridger Codex sind in der Farbgebung den silbernen und vergoldeten Goldschmiedeobjekten auf den anderen Blättern angeglichen, unterscheiden sich von diesen jedoch deutlich in den Formen. Dass es sich um Gefäße aus Glas handelt, wird durch die dem Codex beigegebene Liste bestätigt, die sie als Caraffe di vetro ausweist.252 Die Darstellung einer Vase mit Schlangenhals (Abb. 65) sowie die zweite Zeichnung eines Gefäßes mit sich nach oben verjüngendem, geschraubtem Hals sind freie Variationen traditioneller Formen, gibt es doch erhaltene Objekte, die anzeigen, welche Ideen hier aufgegriffen und auf dem Papier – und damit als potentielle Werke – weiter gedacht wurden (Abb. 66).253 Im Vergleich mit den anderen Goldschmiedewerken treten bei diesen beiden Gefäßen die veränderten formalen Optionen hervor, die sich durch ein verändertes Material ergeben: Beide Gefäße erhielten ihre Form über die Technik des Glasblasens, bei

254 I Turbanschneckenkannen

65  Zeichnung einer Glasvase, nach Giulio Romano, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Cambridge, Fitzwilliam Museum, PD.6-1948.f.55.

Ornament / Form / Naturabguss I 255

66 Kuttrolf, Venedig (?), um 1600. The Corning Museum of Glass, Inv. Nr. 79.3.210.

der ein treibender Impuls aus dem Inneren heraus auf das heiße, weiche Material wirkt. Auch in der Spirale des Halses des schlangenförmigen Gefäßes scheint noch die Hand des Glas­ bläsers erahnbar, der mit einer Drehbewegung den Formgebungsprozess der erkaltenden aber immer noch modellierbaren Glasmasse abschloss. Hier wird ersichtlich, wie kraftvoll ­bestimmte Charakteristika des Materials und die ihnen entsprechenden kunsttechnischen Verfahren den Körper eines Gefäßes mitformen können. Diese dem Form­gebungsprozess inhärenten Aspekte zu negieren oder offenzulegen ist (in Teilen) immer auch eine künstlerische Entscheidung. Basierend auf Überlegungen von David Pye diskutiert unter anderem Tim Ingold den Dialog zwischen Material und Materialität: Materialien im Sinne von künstlerischen Werkstoffen verfügen über eine Vielzahl von Material-Eigenschaften (material properties) sowie den davon zu trennenden Material-Werten (material qualities).254 Pye diskutiert in seinem Kapitel zur equivocality (Mehr-Deutigkeit, Un-Eindeutigkeit) die Definition vermeintlicher Material-Eigenschaften im Kontext von „ideas of truth to material“. Sein Ausgangspunkt ist die Vorannahme, ein Material weise ihm inhärente Eigenschaften auf, die seinen Charakter bestimmen sowie die daraus ab­geleitete Forderung, diese im Werkprozess heraus-

256 I Turbanschneckenkannen

zuarbeiten oder betonen zu können. Pye aber weist darauf hin, dass innerhalb dieser Vorstellung nur einige Material-Eigenschaften – beispielsweise die Härte von Stein oder die Biegsamkeit von Metall – Aufmerksamkeit finden (to be expressed or at least hinted at artistically), die Vielzahl der tatsächlichen in einem Material vorhandenen Eigenschaften (niedriger Schmelzpunkt, hohes Gewicht, Giftigkeit) aber zumeist keine Rolle im künstlerischen Entwurf spielen (wenngleich sie für den ausführenden Handwerker möglicherweise von großer Bedeutung sind).255 Das mache deutlich, wie willkürlich die Auswahl sei, welche Material-­ Eigenschaften hervorgehoben und welche ignoriert würden, und dass der handwerklich ­arbeitende Ausführende im Werkprozess häufig mit einer Vielzahl sich wandelnder Materialeigenschaften konfrontiert wird, die er nicht alle sichtbar halten kann. Oder aber, wie im Fall der Glasgefäße: die sichtbar gehalten werden, obgleich/weil das Material im Erkalten seine Eigenschaft der Biegsamkeit verlor. Vielfach seien es genau solche Phänomene – beispielsweise in harten Materialien Biegsamkeit oder Weichheit zu evozieren – die ihren besonderen, auch ästhetischen, Reiz ausmachten.256 Die Wahrnehmung der Material-Eigenschaften und der Material-Werte ist von zeitlich und regional variablen Wertsystemen abhängig. ­Zudem können Künstler aus den vielen möglichen Angeboten, die ein Werkstoff macht, auswählen und bestimmte Aspekte durch technische Verfahren und Handlungen betonen oder sich von ihnen absetzen, mit ihnen arbeiten oder sie verwerfen: „To describe the properties of materials is to tell the stories of what happens to them as they flow, mix and mutate.“257 Der in den beiden Glasgefäßen sichtbar werdende Duktus unterscheidet beide Entwürfe deutlich von den anderen Zeichnungen im Codex, bei denen die Gefäßform tradierten Vorbildern der Goldschmiedekunst folgt, auf die einzelne – kanonische – Ornamente appliziert wurden. Viele dieser Antike evozierenden Entwürfe zeigen sehr schlichte Formen, die klaren Proportionsgesetzen folgen und vertraute Typen wie Amphoren, Kannen, Schalen und Pokale variieren (gelängt, gestaucht, tailliert). Die darauf aufliegenden, dem Geschmack der Zeit häufig horizontal gestaffelten Ornamentbänder umlaufen als additive Komponente den Körper; Ornament und Gefäß stehen in keiner direkten Beziehung zueinander. Bei diesen Renaissance-Gefäßen sollten augenscheinlich weder Material noch Technik maßgebliche Impulse für die formale Lösung beitragen: Die Goldschmiede arbeiteten den Trägerkörper in kanonischen Formen, die nicht auf die zu ihrem Entstehen erforderlichen Verfahren – beispielsweise das Treiben – verwiesen oder durch sie motiviert waren.258 Über diesen Trägerkörper wurden dann die möglichen (gegossenen, geprägten, getriebenen, ziselierten, gravierten) Ornamentteile gelegt, die vergleichbar einer zweiten Schicht in keinem unmittelbaren Bezug zum Volumen des Gefäßes stehen. Ein Beispiel aus dem Berliner Zeichnungscodex, das diese Auffassung in Reinform vorführt, ist die heute achtzehnte Zeichnung (Abb. 67) mit der Aufschrift unten links: „Noi troviamo ancor li antichi anersi serviti de fiaschi per u(n) tal dargento ne fu trovato a capo de boni for di Roma.“259 Bei dieser Flasche (einem Dekanter) erscheinen der Gefäßkörper und das aufliegende ­Ornament als beliebige Kombination einzelner Versatzstücke, die zu dieser oder auch zu anderen Lösungen zusammengestellt werden konnten.

Ornament / Form / Naturabguss I 257

67 Goldschmiedezeichnung, nach Giulio Romano, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Berlin, Kunstbibliothek HZ 4505.

Die häufig in Goldschmiedeentwürfen dieser Zeit anzutreffende mittlere Teilung eines Vasenentwurfs, bei dem der linke und der rechte Abschnitt unterschiedliche Optionen anbieten, unterstreicht dieses Verständnis: Form und Ornament sind Ergebnis von einer möglichen Verbindung. Im Berliner Codex kann dieses Verfahren bei der in Kapitel 2.4 behandelten Vase beobachtet werden.260 Hier variieren die Hermen unterhalb der Henkel und zeigen links einen Löwenkopf und rechts einen Greif mit schildartiger Rüstung. Diese Variabilität ist als Vorschlag im Vorlagenblatt gezeichnet und ebenfalls optional in der Ausführung möglich, da die Figuren auf den Körper der Vase aufgesetzt und nicht mit ihm durch den Fertigungsprozess verbunden scheinen. Das hier beschriebene formale Spezifikum vieler Objekte der Goldschmiedekunst aus dem 16. Jahrhundert, die im Stil den sich damals aus Italien rasant verbreitenden Vorlagen folgen, tritt im Vergleich mit anderen Lösungen besonders deutlich hervor: Gebuckelte Becher beispielsweise erhalten ihre Form durch den Treibprozess, der im Werk selbst durch die von innen nach außen sich wölbenden Buckel ablesbar wird, so dass Werkgenese und Form konzeptionell miteinander verbunden sind (Abb. 68).261 Erik Forssman beschrieb den

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68  Hinrich Grabow, Kleiner Buckelpokal mit Eichel aus dem Lüneburger Ratssilber. Lüneburg, 1523, Berlin, Kunstgewerbe­ museum Inv. Nr. 1874,375.

Eindruck, den diese Pokale erwecken, als organisches Gebilde, „das noch weiter über sich hinaus wachsen könnte“.262 Das hier aufscheinende Motiv des Wachstums ist vielen dieser Werke wesenhaft, zwischen 1480 und 1530 erlebten die gebuckelten Gefäße, die ihr ­Entstehen aus dem Inneren heraus so deutlich vorführen, ihre fruchtbarste Periode. An ihnen ist ablesbar, wie der Goldschmied arbeitete und wie gegensätzlich das Verhältnis von Form und von Technik gedacht werden kann.263 Die Pokale all’antica begreifen den Körper als Träger und Untergrund einer Vielzahl von (unwesentlichen, scheinbar variabel aufsetzbaren, additiven) Versatzstücken, die verwendeten Ornamente entstammen in ­Teilen gesonderten Arbeitsschritten. Die getriebenen gebuckelten Becher hingegen sehen den Körper als Form und ornamentales Volumen, das ohne hinzutretende Akzidenzien im Wesentlichen aus der Cuppa besteht. Die besondere Meisterschaft wird darin sichtbar, dass die Glattheit der Oberfläche der gewölbten Buckel die treibenden Hammerschläge negiert.264 Helga Müller beschrieb 1978 die hier zu beobachtende Auflösung der Pokalwand durch das Treiben der Buckel, die als Ornamente zugleich die Form konstitu­ ieren:

Ornament / Form / Naturabguss I 259

Buckel als Ornament werden aus dem Verhältnis von Muster und Grund bestimmt, in dem sie das Muster bilden, weshalb sie in ihrer spezifischen Ausformung als plastisches Muster des glatten Grundes bedürfen. Die gattungsmäßige Beziehung von Muster und Grund wird nämlich in der Weise modifiziert, daß nicht zwei Ebenen, sondern verschiedene Grade der plastischen Dynamisierung aufeinander bezogen werden, wobei der Grund als Wandung eines Hohlgefäßes die plastische Dynamisierung nur potentiell enthält, während sie in den Buckeln konkretisiert wird. Wenn nun aber der Grund selbst, eben die Gefäßform, wegen der vertikalen Durchstrukturierung plastische Dynamik besitzt, dann verliert der Buckel seinen Charakter als Ornament. Er ist nicht mehr Muster, denn er hat keinen Grund mehr.265

Bei den Gefäßen, die aus einer Vielzahl von getriebenen Teilen gebildet werden, fallen damit die Dekorations- mit den Konstruktionselementen zusammen.266 Bei einigen herausragenden Pokalen werden diese konstituierenden Elemente, die Buckel, als Einzelform betont und als Birne, Traube oder Rübe ausgeführt, die in umlaufenden, manchmal ­schrägen, Bändern übereinander liegen.267 Das Muster löst den Grund auf bzw. integriert den Grund in seine Form; der Buckel transformiert sich in ein eigenständiges plastisches E ­ lement, das in einem zweiten Schritt freigesetzt wird, um Naturformen nachzubilden. Bemerkenswert dabei ist das Changieren zwischen der ins Plastische getriebenen W ­ andung der Cuppa – und dem Zurückholen des Buckels ins Ornament, das als Naturform auf der Wand aufliegt.268 In dem Konvolut von Zeichnungen nach Giulio Romano in der Berliner Kunstbibliothek sind keine Entwürfe von Buckelpokalen enthalten, die dort versammelten Blätter zeigen ausschließlich das an der Antike orientierte Formvokabular der Renaissance. Dennoch sind auch hier die beiden gegensätzlichen Auffassungen von Körper und Ornament zu beschreiben: In der Überzahl sind Zeichnungen, die klassische Gefäßformen mit aufgesetzten Ornamenten zeigen. Aber es gibt auch Gefäße, die keineswegs den Körper hinter einer Wand von ornamentalen Streifen verschwinden lassen, sondern die Cuppa selbst und ihre Form als wesentlich betonen.269 Diese kleinere Gruppe ist wiederum zu unterteilen: Zur ersten Gruppe zählen drei Werke, darunter der Frauen- und der Faunkopf auf der ersten und der zweiten Zeichnung (Abb. 69).270 Beide Krüge – laut Beischrift im Fundkontext eines Bacchus Heiligtums entdeckt – erinnern an etruskische Bronzekopf-Gefäße und haben einen ausdrücklichen Antikenbezug, ebenso wie die dritte Zeichnung mit der Aufschrift: „Questa scarpa serve p(er) bocale et il suo bacile sie della forma dil passato“ in Form eines Schuhs.271 Auch für diesen Entwurf finden sich antike Vorbilder, so beispielsweise Tintenfässchen, die in Fuß- oder Schuhform erhalten sind.272 Diese drei Zeichnungen erscheinen als merkwürdige Fremdkörper innerhalb des Zeichnungskonvoluts, bestimmen doch bei ihnen die plastischen Volumina des Gefäßes den Gesamteindruck, der ohne aufgesetzte ornamentale Partien auskommt. Anders bei den Werken der nordalpinen Goldschmiedekunst am Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts: Hier treten neben die tradierten Formen vermehrt Variationen von natürlichen Vorbildern, die sich durch die Akzentuierung ihrer Schönlinigkeit und ihrer ornamentalen Qualitäten als Werke z­ wischen

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69 Goldschmiedezeichnung, nach Giulio Romano, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Berlin, Kunst­ bibliothek HZ 4489.

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Natur und Kunst positionieren. Deutlich sichtbar wird dies bei einigen Goldschmiedeobjekten aus dem Nürnberger Kreis um Albrecht Dürer (1471–1528): In der Anbetung der Könige von 1504 in den Uffizien in Florenz überreichen die drei Weisen dem Kind ihre Gaben in reichverzierten Goldschmiedeobjekten. Caspar, als Greis mit grauem Bart und schütterem Haar, trägt eine Schatulle, die an einen (mittelalterlichen) Hausschrein erinnert; der Jüngling Melchior einen zeitgenössischen Buckel-Pokal und Balthasar ein äußerst modernes Gefäß in Form eines Apfels.273 Auf dem Deckel sitzt anstelle des Knaufs eine Schlange, deren Körper einen Kreis bildet und die sich selbst in den Schwanz beißt. Der Schaft ist als Baumstamm mit gebuckeltem, vierfachen Nodus geformt, vier Blätter leiten zur Cuppa über. Einen vergleichbaren Entwurf bringt Dürer auf seinem berühmten Blatt mit sechs Pokalentwürfen im sogenannten Dresdner Skizzenbuch, datiert auf 1507 (Abb. 70).274 Auf fol. 193r sind die Zeichnungen von vier gebuckelten Doppelscheuern, ­einem gebuckelten Deckelpokal und einem Apfelbecher versammelt.275 Bei diesem Objekt fehlt der Schaft aus dem Florentiner Gemälde, die apfelförmige Cuppa liegt direkt auf dem Astgewirr des ­Fußes auf; anstelle des Schlangenknaufs lässt sich der Deckel am Stil des Apfels greifen – aber die Schlange fehlt auch hier nicht, sondern findet sich als Henkel rechts am Objekt. Als drittes wurde in Dürers Umkreis ein Apfelpokal ausgeführt, der heute im Nürnberger Germanischen Nationalmuseum ausgestellt ist.276 Dieser Pokal besteht aus einer glattwandigen Cuppa in Apfelform, die sich auf einem astförmigen Schaft von einem dreipassigen, mit Blattwerk bedeckten Fuß erhebt. Als Henkel dient ­erneut die Schlange, so dass auch dieses Werk als Allusion auf den Sündenfall gelesen werden kann.277

70 Albrecht Dürer, Entwürfe für sechs Pokale, 1507. Dresden, SLUB, Dresdner Skizzenbuch, Msc. Dresd. R 147 f, fol. 193r.

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71  Maximilianpokal mit Buckeln in Birnenform. Nürnberg, um 1510. Wien, KHM, KK_110.

Ornament / Form / Naturabguss I 263

Beide geschilderten formalen Entwicklungen sind mit Blick auf die Turbanschnecken­ kannen von Bedeutung: Die stark stilisierten Buckel konnten mimetisch den in der Natur vorkommenden Formen angeglichen werden, die in gleichmäßigen Bändern auftraten. Dabei zwang sie der menschliche Zugriff in eine nicht naturgemäße Ordnung, beispielsweise bei Gefäßen, die Buckel zu Birnen oder Rüben umgestalteten:278 Ausgeführt findet man diese Idee beim Maximilianpokal (Abb.  71), der zwei Bänder von Birnen auf der Cuppa und ein Band von Birnen jeweils auf Fuß und Deckel umlaufen lässt.279 Die aus der Natur übernommene Form konnte aber auch als Ornament zurücktreten und gänzlich zur Gefäßform werden, die Cuppa selbst verwandelte sich in einen Apfel.280 Vergleichbares geschieht beim Birnenpokal im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (Praunsche Birne, 1576), bei dem die birnenförmige Cuppa vollständig mit einem kunstvollen NielloNetz von Arabesken überzogen ist, das Ornament dennoch deutlich hinter die Form ­zurücktritt (Abb.  72).281 Die genannten Werke überführen natürliche Formen in Gold­ schmiede­kunst, dies verbindet sie mit den drei Entwürfen aus der Berliner Zeichnungsmappe von Giulio Romano, bei denen Köpfe oder ein Schuh als Vorlage für die fantas­

72  Birnenpokal, sog. Praunsche Birne, 1576. Nürnberg, GMN, Inv. Nr. HG 4062_1.

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tischen formalen Lösungen dienten. Allen diesen Werken ist gemein, dass sie mit der Wiedererkennbarkeit des natürlichen Vorbildes und der Abstraktion der vorgefundenen Formen operieren und dieses Spannungsverhältnis ausloten, das sich durch die unterschiedlichen Grade einer un/natürlichen Regelmäßigkeit beschreiben lässt. Die zweite Gruppe der Berliner Zeichnungen, die ebenso wenig wie die eben diskutierte das additive Verhältnis von Gefäßkörper und aufgesetzten Ornamentstreifen umsetzt, umfasst nur einen Entwurf – einen niedrigen Krug, der das Haus eines Nautilus in seiner natürlich gewachsenen Form integriert (Abb. 73).282 Diese vorgefundene, nicht im Werkprozess entwickelte oder nachgeahmte Form gibt die Volumina vor und legt damit das Aussehen des Gefäßes fest. Vergleichbares zeigen die Turbanschneckenpokale von Schmidt, Jamnitzer und anderen Meistern – sie folgen in ihren fantastischen Entwürfen der natürlichen, aus sich selbst gewachsenen Form der Schneckenhäuser. Auffällig ist (erstens), dass sie vom Formgedanken her sehr viel mehr Gemeinsamkeiten mit den getriebenen Buckelpokalen und den Gefäßen in Apfel- oder Birnenform haben, als mit den Renaissance-Entwürfen. Denn in allen diesen Lösungen wird eine von innen heraus wirkende Kraft als formgebender Impuls

73 Goldschmiedezeichnung, nach Giulio Romano, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Berlin, Kunstbibliothek HZ 4508.

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sichtbar und im Werk betont. Zugleich werden (zweitens) die so entstehenden Formen als wesentlich hervorgehoben und nicht zum Träger von hinzugefügten Ornamenten, die sie wie eine zweite Haut umfangen. Selbst dort, wo Ornamente oberflächlich hinzugefügt wurden – sei es als Niello-Dekor auf dem Birnenpokal, sei es als Ätzdekor auf der Oberfläche von Schneckenhäusern – bleiben diese akzidentiell. Die Natur wird (drittens) als Leitbild in all diesen Gefäßen sichtbar – als Buckelform, als Vorbild für die Cuppa oder als tatsächliches Objekt, das montiert wurde. Nautilus und Meerschneckenhäuser bringen eine Qualität mit, die auch in den beiden anderen Varianten von Naturadaptionen in der Goldschmiedekunst des 16. Jahrhunderts deutlich hervortrat: Sie sind gewachsene Körper und zugleich regelmäßige geometrische Formen, die somit in die menschliche Kategorie des Ornamentalen Eingang finden konnten. Bei allen diesen Beobachtungen muss letztlich offenbleiben, wie bewusst die Goldschmiede bei ihrer Arbeit die Parallele zwischen einem natürlichen Wachstumsprozess und dem künstlerischen Treibprozess reflektierten.283 Im Kontext von Traktaten der Glasbläserkunst scheint diese Analogiesetzung auf, wenn betont wird, dass Gott Adam formte und ihm den Odem einblies – so wie der Glasbläser der heißen Masse Form einbläst.284 Die aus dem Inneren heraus formgebende Technik des Treibens würde eine vergleichbare Parallelisierung zulassen – die in schriftlicher Form nicht greifbar ist, aber auf vielfältige Weise an den erhaltenen Werken ablesbar wird.

74  Umfeld von Andrea Riccio, Becken mit Schlangen. Padua, um 1520/30. Wien, KHM, Inv. Nr. KK_5501.

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Eine interessante Zwischenform bilden diejenigen Objekte, die klassische Gefäßformen mit additiven Ornamenten zeigen und zugleich natürliche Formen integrieren – und zwar über den Naturabguss.285 Die oben schon genannte Vase auf der sechzehnten Zeichnung des ­Berliner Zeichnungscorpus’ bietet ein gutes Beispiel mit ihren Griffen, die aus vier Natur­ abgüssen von Schlangen gebildet zu sein scheinen.286 Die Schlangen kriechen in schön schwingenden Formen von den Schultern der Vase aus seitlich in das Korbgeflecht, das den Hals des Gefäßes bildet, durchbrechen ihn noch einmal, um oben aus dem Ausguss paarweise ihre Köpfe nach außen und innen zu richten. Aus dem 16. Jahrhundert haben sich viele Werke erhalten, die vergleichbare Motive umsetzen, wie beispielsweise ein Bronze­ becken aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien (Abb. 74). Es entstand um 1520 im Umfeld der Paduaner Schule, zu der Bartolomeo Bellano (um 1435–um 1497), sein Schüler Andrea Riccio (1470–1532) und Severo da Ravenna (gestorben um 1543) gehören.287 In diesen Werken werden Abgüsse von der Natur (oder auch Abgüsse evozierende Nachbildungen) als Henkel oder anderes Beiwerk an den Kannenkörper angelagert. Vergleichbar den zuvor besprochenen Werken wird in diesen Arbeiten das natürliche Vorbild ins Ornamentale überführt, auch hier geht es im künstlerischen Prozess um eine Zähmung der natürlichen Form im Muster. Eingebunden wird dieses Element in der Berliner Zeichnung und im Bronzebecken aus Wien in einen antikisierenden Entwurf, wobei beide Varianten mit dem Schauder der zeitgenössischen Besitzer:innen spielen, die Schlangen anfassen zu müssen, wenn sie das Objekt nutzen wollten. Diese sich in Florenz und Padua entwickelnde Mode und Technik der Naturabgüsse wurde im nordalpinen Bereich – vor allem in Nürnberg – schnell rezipiert. Vermutlich brachte Peter Vischer der Jüngere (1487–1528) aus Venedig technische Anregungen – und sicherlich auch moderne formale Vorstellungen – mit.288 Ebenso scheint Peter Flötner (um 1490–1546) bei seiner zweiten Italienreise 1531/1532 mit dem Naturabguss in Berührung gekommen zu sein, denn danach finden sich Eidechsen und Schnecken auf dem Apollobrunnen, den Pankratz Labenwolf (1492–1563) goss.289 Sowohl beim Sebaldus-Grab der Vischer-Werkstatt, als auch beim Flötner/Labenwolf-Brunnen ist auffällig, dass die ­Naturform vorkommt – allerdings nur als Nachmodellierung, was vor allem der Größe der benötigten Formen geschuldet zu sein scheint. Denn wenig später wird das Abgussver­ fahren in Walther Ryffs Architectura genannt, die 1548 in Nürnberg publiziert wurde: Wie aber ein solcher Thaen [Lehmlösung] zum Anstreichen der Schlenglin, Edexen, Heuschreucken und dergleichen Gewürm, wie auch der Blümlein, früchtlein und dergleichen zu mancherley zier der Festinen zu bereiten, überlegen und in den Formen auszuglühen, die Aschen mit einem warmen Öl auszusaubern und dergleichen, haben wir an einem anderen bequemeren Ort weitläufig gehandelt, wie auch solches vor gegenwärtiger viel leichtlicher zuvernehmen, dann aus schriftlicher anzeigung.290

Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts avancierten höchst feinteilige und filigrane Natur­abgüsse zu einem Markenzeichen der Goldschmiedewerkstatt von Wenzel Jamnitzer – viele Werke bezeugen dies ebenso wie der Nürnberger Schreib- und Rechenmeister J­ ohann Neudörffer

Ornament / Form / Naturabguss I 267

(1497–1563), der in seinen 1547 verfassten Nachrichten von Künstlern und Werkleuten die Arbeit des Nürnberger Goldschmieds und seines Bruders Albrecht Jamnitzer beschreibt:291 Sie arbeiten beide von Silber und Gold, haben in der Perspektiv und Messwerk einen großen Verstand, schneiden beide Wappen und Siegel in Silber, Stein und Eisen. Sie schmelzen die schönsten Farben von Glas, und haben das Silberätzen am höchsten gebracht, was sie aber von Thierlein, Würmlein, Kräutlein und Schnecken von Silber gießen, und die silbernen Gefäße damit zieren, das ist vorhin nicht erhöret worden.292

Johann Neudörffer weist die Brüder als Feinschmiede aus, die die vielen verschiedenen Bereiche ihres Faches meisterhaft beherrschen: sie arbeiten mit den wertvollen Fein­ metallen Gold und Silber und damit für einen an Luxusgütern interessierten Markt, sind aber auch in der Lage, in Stein und Eisen zu schneiden; sie sind im Handwerk des Glasschmelzens bewandert und beherrschen zudem das Silberätzverfahren; zudem haben sie es im Feld filigraner Naturabgüsse zu höchster Meisterschaft gebracht. Viele Werke von ­Jamnitzer zeigen solche Abgüsse, beispielsweise der Merkelsche Tafelaufsatz, aber auch sein schon besprochener Turbanschneckenpokal in München. Hier wurde der Fuß aus sechs Naturabgüssen von Schlangen gebildet, die der Meister in unterschiedlichen Formen gerollt der gesamten Kanne zugrunde legte.293 Darüber kriecht eine Schnecke, deren Haus  – und möglicherweise auch der Körper  – von natürlichen Vorbildern direkt ab­ geformt und gegossen wurde oder zumindest diesen Anschein erweckt. Entscheidend ist, dass Jamnitzer und die in seiner Nachfolge arbeitenden Goldschmiede die Möglichkeiten des Naturabgusses ausloteten  – dieselben Künstler, die vielfach mit den Häusern von ­Turbanschnecken arbeiteten. Bei diesen Künstlern dominierten die Schneckenhäuser den Gesamtentwurf, sie nutzten die starken formalen Vorgaben, die von den Meeresschneckenhäusern ausgehen.294 Sie verunklärten die angebotenen Formen nicht durch eine überdeckende Schicht von aufgesetzten Ornamenten, sondern rahmten sie vielmehr mit untergeordneten Elementen oder stellten ihnen Träger- und Deckelfiguren zur Seite, die in Teilen als Naturabgüsse geschaffen wurden. Drei künstlerisch-technische Aspekte sind es, die in den hier diskutierten Artefakten sichtbaren Ausdruck fanden: Erstens das ­Verfahren des Treibens, das als formgebende Kraft die Werkgenese maßgeblich beeinflusste. Zweitens die Technik des Naturabgusses, durch die in der Natur vorgefundene Formen in dauerhafte Materialien wie Bronze und Silber überführt werden können. Und drittens die Übernahme von natürlich gewachsenen Schneckenhäuser in Werke der Goldschmiedekunst.295 Alle drei Aspekte zeigen unterschiedliche Qualitäten des Handelns mit der Natur – jenseits der Behauptung, die Natur in der mimetischen Wiederholung eines doch oberflächlich bleibenden Eindrucks repräsentieren zu können. In den hier vorgestellten Goldschmiedewerken findet sich vielmehr ein erkundender Umgang, der die natürlich-generativen Prozesse und die daraus ergebenden Naturformen reflektiert, indem er sie in ihrer Regelhaftigkeit und harmonischen Schönheit betont.296

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2.6 Die logarithmische Spirale Die aus dem Schneckenhaus zu abstrahierende Linie entspricht den Regeln des Goldenen Schnitts und zeigt dabei die vielfach in der Natur zu beobachtende Wachstumskurve der Fibonacci-Folge.297 Die Zahlen dieser Reihe lauten 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34 [...] und ent­ stehen, indem die vorherige mit der nachfolgenden Zahl addiert wird. Werden diese Z ­ ahlen als Quadrate mit jeweils entsprechenden Kantenlängen in die Fläche gebracht und verbindet man die so entstehenden Eckpunkte, erscheint annähernd eine logarithmische Spirale.298 Solcherart natürlich gewachsene Spiralformen finden sich nicht nur in den ­Häusern von Schnecken, sondern beispielsweise auch in der Anordnung der Kerne von Sonnenblumen.299 Die künstlerische Beschäftigung mit dieser erstaunlich gleichmäßigen Form verweist in den Bereich der Naturforschung.300 Durch ihre Schneckenlinie – wie Dürer sie in seiner Underweysung der messung mit dem zirckel und richtscheyt in Linien ebenen und gantzen corporen von 1525 benennt – fanden die Schneckenhäuser bei Forschern und Künstlern Beachtung, die sich theoretisch und praktisch mit geometrischen Formen b ­ eschäftigten.301 Die Häuser der Turbanschnecken sind aber nicht nur Linie, sondern räumliche Gebilde, deren Windungsumgänge sich zu einem Kern hin verjüngen. Für Goldschmiede, Bildhauer und andere Künstler und Kunsthandwerker, die im Bereich der praktischen Geometrie arbeiteten, boten die Häuser somit komplexe Volumina, die studiert, nachgeahmt, vermessen und gezeichnet werden konnten. Vielfach findet die logarithmische Spirale in der Kunst der Frühen Neuzeit Verwendung, so beispielsweise auch in den in sich gedrehten und nach oben strebenden Formen, die in der figura serpentinata in vielen Varianten auftritt.302 Auch in Perspektivtraktaten – und damit in Publikationen, die sich mit Proportionen und der mathematisch korrekten Darstellung von Körpern und Räumen beschäftigen – tritt die Form der Schneckenhäuser auf. Diese Texte, Bilder oder auch Bild-Text-Verbünde markieren die Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Naturbeschäftigung, künstlerischem Entwurf und Theoriebildung und erschienen im 16. Jahrhundert in zahlreichen Variationen.303 Sie sind Handbuch, Vorlage, Traktat und Lehrbuch zugleich und zudem der Ort (wie Birgit Seidenfuß betont) in dem im nordalpinen Bereich kunsttheoretische Positionen von Goldschmieden und Malern, von Instrumentenmachern und Rechenmeistern verhandelt wurden – der Berufsgruppen, die innerhalb ihrer täglichen Praxis mit Problemen der praktischen Geometrie befasst waren.304 Die in einer natürlichen Spirale wachsenden Schneckenhäuser formulierten ein überreiches Angebot für die Betrachter:innen der Frühen Neuzeit: Im Jahr 1557 entwarf Hans (Johannes) Lencker (1523–1585) die Zeichnungen zu seiner Perspectiva Literaria, die 1567 von Matthias Zündt (1498–1572) in Kupferstichen in Nürnberg publiziert wurden.305 Lencker zählt zu den führenden Goldschmieden in Nürnberg, sein Bruder ist der schon genannte Elias Lencker, bei dem Niclaus Schmidt möglicherweise in die Lehre ging. 306 Hans Lencker befasste sich – wie Wenzel Jamnitzer und viele bedeutende Künstler im 16. Jahrhundert – mit perspektivischen Studien, der Titel seiner Schrift lautet:

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Perspectiva Literaria: Das ist ein clerliche fürreyssung / Wie man alle Buchstaben des gantzen ­Alphabets / Antiquitetischer oder Römischer Schrifften / auff mancherley art vnd stellung / durch sondere kunstliche behende weys vnd weg / so bißhero nit ans liecht kommen / in die Perspectif einer flachen ebnen bringen mag.

In dieser Veröffentlichung entwarf Hans Lencker auf zwölf Blättern die Buchstaben des Alphabets in perspektivischer Darstellung.307 Eine praktische Anwendung für diese Art von Graphiken (wollte man sie als Vorlagensammlung ansprechen) ist schwer zu imaginieren, so dass hier eher der Ausweis von Vermögen als Grund der Zeichnungen anzunehmen ist. Die regelgemäße Konstruktion von Buchstaben ist eine bekannte, fast traditionell zu nennende Aufgabe, nicht zuletzt Dürer führt sie in seiner Underweysung der messung vor. In Dürers Traktat weist, Euklids Geometrie folgend, der Weg vom Punkt über die Linie und die Fläche hin zum Körper und von dort in die künstlerische Anwendung; die Konstruktion von zwei- und dreidimensionalen Formen wird von Dürer diskutiert und zeichnerisch vorgeführt, um dann im dritten Buch architektonische, ornamentale und eben auch typographische Probleme zu entwickeln.308 Dürer demonstriert hier die korrekte und in sich ­geschlossene Konstruktion einer „antiken“ und einer „gotischen“ Schrifttype, wobei er die Buchstaben jeweils in ein modularisiertes Raster einspannte.309 Sowohl im Umfeld von Formschneidern, die für den Buchdruck Typensätze schufen, als auch innerhalb der Schreibmeister-Tradition ist der Ausweis von Meisterschaft in den Alphabeten, das regelgerechte Konstruieren von Buchstaben – gerade auch der Capitalis monumentalis und quadrata und der davon abhängigen Antiqua-Schriften – als Teil eines gelehrten Antikendiskurses, sowie die Kenntnis der den Typographien angemessenen Proportionen verbreitet und wird in Nürnberg und anderen Städten auf hohem Niveau praktiziert. Was ­Lencker in seinem Perspektivtraktat vorführt, ist daher als Übertreffensgestus zu interpretieren: Nicht nur ist er in der Lage, das Alphabet – die Buchstaben Antiquitetischer oder Römischer Schrifften – fehlerfrei zu konstruieren, er kann sie zudem mathematisch korrekt in die Fläche projizieren. In seinen Blättern geht es mithin um Meisterschaft und um den Ausweis umfassender Kenntnisse der perspektivischen und proportionalen Grundregeln sowie deren Anwendung in einem bislang noch nicht gezeigten Feld. Hinzu kommt, dass Lencker mit den Buchstaben auf die Grundeinheiten von Sprache und Text verweist und damit eine vergleichbare Rückführung auf natürlich-göttliche Ur-Formen vornimmt, wie sie andere Künstler über die geometrischen Konstruktionen vorführen.310 Doch damit nicht genug: Lencker fügt seinen Buchstabenentwürfen neun Blätter mit hochkomplexen geometrischen Körpern hinzu. Bewusst übertrifft er damit erneut den Kanon der bekannten platonischen oder archimedischen Körper, und führt – vergleichbar seiner Buchstabenspielerei – deren Steigerung vor: Hier findet sich das berühmte Bild der perspektivisch korrekten Darstellung eines großen Schneckenhauses (Abb.  75), das auf einer spitzen ­Pyramide balanciert. Die Schnecke ist zwar nur ein Bild unter neun – aber als Körper von so großer Komplexität und Regelmäßigkeit, dass in ihrer Darstellung die Kunst der

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75  Hans Lencker, Perspectiva Literaria, Nürnberg: Ulrich Neuber, 1567, Blatt 51.

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Perspektive zu gipfeln scheint.311 Meisterhaft ist auch die von Lencker bewusst ausgewählte Ansicht, sehen doch die Betrachter:innen nicht auf das Schneckenhaus, sondern blicken in die Mündung der Schnecke hinein, so dass Lencker sich die Aufgabe stellte, den Verlauf der äußeren Linien, wie auch die Verjüngung innerhalb der raumhaltigen Figur vorführen zu müssen und dies auf höchstem Niveau meisterte. Die an der Entstehung des Perspektivtraktats beteiligten Personen sind größtenteils Goldschmiede, die einerseits dreidimensionale Werke aus Silber erschufen, die aber zugleich die Volumina der Körper und deren präzise mathematische Vermessung in der Zeichnung erforschten. Zündt, der die Zeichnungen Lenckers für den Druck bereitete, entwarf ebenfalls wundersame Goldschmiedewerke und publizierte sie in seiner Insignae ac plane novum opus crater graphicum im Jahr 1551 als Vorlage. Die von Lencker entworfene und von Zündt gestochene Perspektivserie nun bezeugt, dass beide Künstler die „Grundbausteine“ jeglichen Entwerfens und künstlerischen Arbeitens reflektierten und auch diesen Bereich auf hohem ­Niveau beherrschten.312 Lenckers Publikation ist zudem die erste, in der stereometrische Körper mit einem Perspektivapparat konstruiert wurden. Lencker führte damit – neben der Meisterschaft seiner Hand und seinen theoretischen Kenntnissen der Geometrie – vor, dass er in der Lage war, sein Wissen in ein Werkzeug zu übertragen. Dies ist keine Geste der Delegation, kein Behelf, wie es in Teilen in der älteren kunsthistorischen Forschung gedeutet wurde: Geht es doch nicht vorrangig darum, dass das Instrument dem Künstler entwerfende Arbeitsschritte „erleichtert“, sondern vielmehr darum, dass der Künstler ein nach Regeln funktionierendes Gerät konstruieren konnte.313 Damit bezeugte er, wie tiefgreifend er die Prinzipien seiner Kunst intellektuell durchdrungen hatte  – und erhöhte somit seine Meisterschaft. Lenckers Anspruch wird auch in seinem zweiten Werk, der Perspectiva corporum, sichtbar, das im Jahr 1571 folgte (Abb. 76): Perspectiva Hierinnen auffs kürtzte beschrieben, mit exempeln eröffnet vnd an tag gegeben wird, ein newer besonder kurtzer, doch gerechter vnnd sehr leichter weg, wie allerley ding, es seyen Corpora, Gebew, oder was möglich zuerdencken vnd in grund zulegen ist, verruckt oder vnuerruckt, ferner in die Perspectyf gebracht werden mag [...] dergleichen weg bißhero noch nit bekant gewesen, Durch Hansen Lencker Burger zu Nürmberg, allen liebhabern guter künsten zu ehren vnd gefallen publicirt.314

In dieser Anleitung stellte er nicht allein sein Können in bildlicher Fassung vor Augen, sondern vertextlichte sein Wissen in Form einer Anleitung und bot eine umfassende Einführung in seine künstlerische Methode.315 Der – fast topisch zu nennende – Hinweis in der Überschrift, der in Varianten bei fast allen Perspektivtraktaten zu finden ist, hier würde ein newer besonder kurtzer, doch gerechter vnnd sehr leichter weg gewiesen, bedeutete dabei nicht die Banalisierung der perspektivischen Meisterschaft.316 Er verwies vielmehr auf die Brillanz des beschreibenden, erklärenden, ausführenden Perspektivmeisters, der in

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76  Hans Lencker, Perspectiva, Nürnberg: Dietrich Gerlach, 1571, Titelblatt.

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der Verschriftlichung (ebenso wie in der Erschaffung eines Perspektivapparats) sein Vermögen unter Beweis stellte und damit auch (vermeintlich) vermittelbar machte.317 Denn der Weg, den Lencker bereitete, sollte die Leser dahin führen, ebenso mühelos auch perspektivische Zeichnungen erstellen zu können: „one alle kunst / sondern es bedarff nur allein wissens mit geringer mühe.“318 Was Lencker hier als Kunst bezeichnete, ohne die es gelingen sollte, die von ihm vorgestellten Arbeitsschritte nachzuvollziehen, ist dabei schwer greifbar. Denn es steht außer Frage, dass im Werturteil der Zeitgenossen die korrekte perspektivische Konstruktion eine sehr hohe Kunst war – ein Zusammengehen von theoretisch-mathematischem Wissen und handwerklichem Vermögen. Lencker selbst muss bewusst gewesen sein, dass die handwerklich ausführende Seite der Kunst nur durch langjährige Übung erreicht werden konnte; daher ist anzunehmen, dass er die theoretischen Überlegungen, die er in seinem Buch offenlegte und damit den Leser:innen zur Verfügung stellte, als diejenige Seite der Kunst ansprach, die nicht mehr mühevoll erworben werden musste.319 Bei seiner Publikation handelte es sich also um ein Buch, das in deutscher Sprache Handlungsanweisungen formulierte und zugleich über graphische Marker erklärte, wie man perspektivisch korrekte Konstruktionen erstellen könne.320 Der menschliche Erfindungsgeist wurde dort betont, wo Lencker formulierte, dass er auf die praktische Anwendung in der Konstruktion von Körpern, von Gebäuden oder was möglich zuerdencken vnd in grund zulegen ist ziele – und dabei eben alle vom menschlichen Künstler imaginierbaren Gebilde einbezog. Seine Anleitung widmete Lencker dem Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz (1515–1576); Wenzel Jamnitzer hingegen neigte seine Schrift dem Kaiser Maximilian  II. zu, dessen „hocherleuchter verstand, lieb und neigung“ zu ­„allerhandt löblichen guten Inventionen und Künsten“ er hervorhob.321 Lenckers Schrift erschien nicht ohne Vorläufer, vor allem Nürnberg avancierte im ­späten 15. und 16. Jahrhundert zu einem Zentrum von geometrischen Studien. Albrecht Dürer brachte von seiner Venedigreise Euclid: Elementorum libros mit, herausgegeben und übersetzt durch Bartolomeo Zamberto Veneto interprete, die im Jahr 1505 in Venedig bei Giovanni Tacuino erschienen war. Der Herausgeber, der venezianische Humanist Bartolomeo Zamberti (1473–nach 1539), gab in dieser Sammelausgabe neben den Elementen auch noch weitere Schriften Euklids, darunter die Optica (Perspectiva), in den Druck. Dieser Neudruck basierte nicht – wie die 1482 bei Erhard Ratdolt (1447–1528) in Augsburg erschienene Euklid-Edition – auf der lateinischen Übersetzung der Elemente von Giovanni Campano um 1260, sondern war eine direkte Neuübersetzung aus dem Griechischen, was ihren besonderen Wert ausmachte. Dürer kaufte diesen Druck wohl 1507 kurz vor seiner Rückkehr nach Nürnberg, wie er auf der Titelseite vermerkt: A.D. | Dz puch hab Ich | zw Venedich vm | ein Dugatn kawft | Im 1507 jor | albrecht Dürer.322 Mit diesem Kauf verbinden sich viele Motive des künstlerischen Schaffens Dürers: seine Hinwendung zu den ­modernen künstlerischen Positionen Italiens, seine Anteilnahme an den humanistischen Studien sowie sein mit dem forschenden Zeichnen verbundenes Studium der Geometrie als Grundlage und Ausdruck seines Interesses an einer mathematischen Durchdringung

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der Malerei.323 Dürer verarbeitete Impulse aus der italienischen Kunsttheorie, wenn er ­antrat, über geometrische Maßverhältnisse künstlerische Schönheit zu erforschen, zu beschreiben und damit für eine prospektive Re-Konstruktion verfügbar zu machen.324 So wies beispielsweise James S. Ackerman darauf hin, dass Naturwissenschaft (science) und Kunst (art) für Leonardo vergleichbar beziehungsweise eins seien, da beide Bereiche darauf zielten, Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten (aus der Natur) abzuleiten, die auf Experiment beruhen und durch Experiment bewiesen werden könnten und in der Sprache der Mathematik ausdrückbar seien.325 Somit wäre die Geometrie auch die Sprache der Malerei (und der Kunst an sich), da diese die von Euklid formulierten Ausgangselemente, der Punkt, die Linie, die Fläche und die Körper, bereitstelle.326 Diese Mathematisierung der Kunst durchdringt auch Dürers Schaffen und führt über sein künstlerisches Werk zur immer stärker werdenden Abstraktion.327 Wenngleich Dürer aus dem italienischen Umfeld diese theoretischen Begründungen seines Handwerks als Freier Kunst rezipierte, so lebte und arbeitete er in Nürnberg doch ebenfalls in einem Umfeld, das mathematischen Kenntnissen einen hohen Status und Wert zuwies. Im Jahr 1472 war der Mathematiker Johannes Regiomontanus (1436–1476) nach Nürnberg gezogen. Dort versprach er sich ein Umfeld, das seine Studien in verschiedenen Bereichen unterstützen konnte.328 In Nürnberg, wo Regiomontanus eine Druckerei einrichtete um seine Schriften zu publizieren, fand er Goldschmiede und Instrumentenmacher vor, die in der Lage waren, für ihn wissenschaft­ liche Instrumente für die Vermessung und astronomische Studien anzufertigen. Somit war die Feinschmiedekunst nicht allein handwerklich auf einem sehr hohen Niveau: Die Nürnberger Handwerker müssen auch theoretisch in der Lage gewesen sein, die benötigten Präzisionsinstrumente herzustellen. Wie wenig die Geometrie in dieser Zeit abstrakte ­Wissenschaft war und wie sehr sie anwendungsorientiert wirkte, ist an vielen Stellen zu zeigen: Sie findet sich in allen Bereichen der frühneuzeitlichen Messtechnik, sei es im Markscheidewesen, das die vermessenden Tätigkeiten im Bergbau umfasste, sei es in der Astronomie, der Geographie und Landesaufnahme. Johannes Regiomontanus scheint schon 1459 in Wien über die erst seit kurzer Zeit im lateinischen Westen bekannte Geographie des Ptolemäus doziert zu haben. Hier – wie in allen anderen Bereichen der Vermessung von Höhen und Entfernungen – spielten die Kenntnisse der praktischen Geometrie eine elementare Rolle.329 Zeitgleich mit Regiomontanus waren in Nürnberg der Verfasser der berühmten Weltchronik Hartmann Schedel (1440–1514) sowie weitere Geographen und Globenbauer tätig, darunter Hieronymus Münzer (1447–1508), Erhard Etzlaub (1460– 1532) und Martin Behaim (1459–1507).330 Auch viele der in Italien formulierten kunsttheoretischen Positionen basierten auf geometrischen Prinzipien und gingen von einer Natur aus, die grundsätzlichen mathematischen Ordnungssystemen folgt.331 Albrecht Dürer und andere Künstler seiner Zeit lernten diese Positionen sicherlich durch direkten Austausch und auf ihren Reisen nach Italien kennen. Zugleich aber kamen auch die Schriften nach Nürnberg: Als sich Dürer zu Beginn des 16. Jahrhunderts immer stärker den Perspektivund Proportionsstudien zuwandte, tat er dies somit in einer Stadt, in der die mathema­

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tischen Studien gepflegt wurden und wo in der Bibliothek unter anderem von Regiomontanus viele der damals neu erschienenen Bücher zur Mathematik, Geometrie und Messkunst zur Verfügung standen.332 Nach dem Tod von Regiomontanus ging dessen ­Bibliothek in den Besitz von Bernhard Walthers (ca. 1430–1504) über, der seine Studien fortführte.333 Von dort gelangten die Bücher in verschiedene Hände, Johannes Werner (1468–1522) erbte beispielsweise einige der Werke und damit der Mathematiker, der die Elemente von Euklid ins Deutsche übersetzte. Über eine Notiz auf fol. 169 des Dresdner Skizzenbuches ist die Zusammenarbeit von Albrecht Dürer und Johannes Werner bezeugt.334 Anhand der von Willibald Pirckheimer (1470–1530) erstellten Verzeichnisse der Nürnberger Bibliothek aus dem Nachlass Regiomontanus/Walther konnte Rupprich nachweisen, dass sich spätestens 1512 ein Exemplar von Albertis De Pictura in Nürnberg befand, das wohl ebenfalls aus dem Besitz von Regiomontanus stammte.335 Der Nürnberger Kreis diskutierte diese mathematischen Grundlagen im Umfeld von Visualisierungen, sowohl in den kartographischen Studien, als auch bei der Erstellung des ersten erhaltenen Globus. Sie fanden Eingang in die Darstellung von Landschaft und von Welt und eben auch in die zahlreichen Perspektivstudien, die im engen Zusammenhang mit der Euklid-Rezeption stehen. Schon Erhard Ratdolt reflektierte im Vorwort seiner Euklid-Edition (Preclarissimus liber elementorum Euclidis perspicacissimi) von 1482 über den Zusammenhang von Geometrie und Abbildung der Körper: Sie [die Drucker] hatten sich bislang nämlich noch nicht ausgedacht, auf welche Weise die geometrischen Figuren, welche die mathematischen Bücher zur Schau tragen, und ohne die in diesen Wissenschaften so gut wie nichts recht verstanden werden kann, wiedergegeben werden könnten. Daher habe ich, da nurmehr dieses Problem dem gemeinsamen Nutzen aller, welcher aus diesen erwächst, im Wege stand, es durch meinen Fleiß und nicht ohne größte Mühe zuwege gebracht, dass mit der gleichen Leichtigkeit, mit der die einzelnen Lettern abgedruckt werden, auch geometrische Figuren hergestellt werden können. Aus diesem Grund werden, wie ich hoffe, mit Hilfe dieser unserer Erfindung auch jene Wissenschaften, welche die Griechen die mathematischen nenne, binnen kurzem in der gleichen Masse von Büchern erläutert werden wie die restlichen Wissenschaften.336

Diese Aussage ist einerseits in Hinblick auf die Entwicklung des Buchdrucks von hoher ­Relevanz – scheiterte doch im gleichen Jahr in Florenz die geplante Ausgabe von Dantes Komödie mit Landino-Kommentar und den auf Vorlagen Botticellis basierenden Bildern; zugleich wird das Problem an den Figuren ablesbar, die der Erstausgabe beigegeben wurden und die bezeugen, dass nicht allein die technische Realisierung, sondern auch die geometrischen Darstellungen nicht umgesetzt werden konnten. Um dieses Problem zu meistern, wurden schon sehr früh namhafte Künstler hinzugezogen, um dem Text die korrekten Illustrationen beizufügen. So wird vermutet, dass Leonardo da Vinci (1492– 1519) die Körper für die Ausgabe von Luca Paciolis De divina Proportione von 1509

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­lieferte, ein weiteres Beispiel einer Kooperation zwischen Mathematikern und praktisch arbeitenden Künstlern, die aus der eigenen Praxis an geometrischen Fragen interessiert waren.337 Ein Ziel von Dürers kunsttheoretischen Betrachtungen war es, die mit den Sinnen wahrnehmbare Umwelt zu beobachten, in ihrer Vielheit zeichnerisch zu erfassen und ­innerhalb dieses künstlerischen Prozesses mit Hilfe von geometrischen Körpern zu beschreiben. Von diesen Verfahren der Vermessung und Rückführung auf regelmäßige und konstruierbare mathematische Formen versprach sich Dürer eine allgemeine, auf Regeln gegründete, beschreibbare, kategorisierbare und auch re-konstruierbare, vermittelbare Kunst.338 Berühmt ist Dürers Ausspruch, in dem er programmatisch das Naturstudium und die Orientierung jeglicher künstlicher Äußerung an der Natur fordert: Aber daz leben in der natur gibt zu erkennen die warheyt diser ding. Darumb sich sie fleysig an, richt dich darnach und gee nit von der natur in dein gut gedunken, daß du wöllest meyenen das besser von dir selbs zu finden; dann du wirdest verfürt. Dann warhafftig steckt die kunst inn der natur, wer sie herauß kann reyssenn [zeichnerisch aus der Natur ableiten kann], der hat sie, uberkumbstu [beherrscht du] sie, so wirdet sie dir viel fels [Fehler] nehmen in deinem Werk und durch die Geometrie magstu deins wercks vil beweyssen.339

Aus dieser Aussage wird ersichtlich, dass es bei der Mathematisierung der Kunst nicht um die rein mimetische Nachahmung einer minutiös beobachteten Natur geht, sondern um ein inneres Verständnis von den natürlichen Vorgängen, den Ursachen und Grundlagen, die hinter dem veränderlichen Werden und Vergehen liegen, mit dem Ziel, die ihnen ­zugrundeliegenden Urformen zu erreichen. Dieser hier aufscheinende Versuch einer Rückführung und Reduktion komplexer Körper auf ihre geometrischen Grundformen – der nicht nur bei Dürer zu beobachten ist – gehört damit methodisch in den Bereich früh­ neuzeitlicher Naturbetrachtung.340 Das beschriebene Zusammengehen von künstlerischem Vermögen und theoretischer Reflexion wird von Dürer mit den Begriffen Kunst und Brauch bezeichnet, Kunst verstanden im Sinne einer Theorie, da es um das intellektuelle Verständnis geht, und Brauch als Praxis, die den komplexen Bereich des praktischen Handelns umfasst. 341 In seinen Schriften trat Albrecht Dürer an – wie er programmatisch im Widmungstext zu seinem Lehrbuch der Malerei formuliert hatte  – allen Kunstliebhabenden und Lernbegierigen aufzuzeigen, wie man die Kunst [der Malerei] in ihrer Vollkommenheit erlangen könnte.342 Wichtig sei vor allem die Beherrschung der Proportion, die eng mit der Kenntnis der geometrischen Körper und deren perspektivisch korrekter Darstellung verbunden ist, denn „an [ohne] rechte proportion kann ye kein bild volkommen sein“.343 Dürer bezeichnet den schöpferischen Menschen als Abbild Gottes, der zwar nicht in der Lage wäre, alles zu erkennen, aber dennoch in der Lage sei, einige Weisheit zu erlangen, indem er durch Lernen die Vernunft schärfte:

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Etwas künen ist fast gut. Dan dardruch werd wyr destmer vergleicht der pildnus gottes, der alle ding kann. Wir kunten gern fill. Dan es ist vns van natur ein gossen, daz wir geren vill westen, dordurch zw erkenen ein rechte wahrheit aller dyng. Aber vnser blötz gemüt kann zw solicher volkumenheit aller künsten, warheit vnd weisheit nit kumen. Doch sind wir nit gar awss geschlossen van aller weissenheit. Woll wir durch lernung vnser vernunft scherbffen vnd vns dos ein vben, so mügen wir woll etlich wahrheit durch recht weg suchen, lernen, erkennen, erlangen vnd dartzw kumen.344

Das Zusammengehen von Handlungswissen des Künstlers und der theoretischen Reflexion des eigenen Tuns fordert Dürer deutlich, wenn er ausführt: Aber so du kein rechten grund hast, so ist es nit müglich, das du etwas gerechtz vnnd gutz machst, vnd ob du gleych den grösten gebrauch der welt hettest in freyheyt der hand. Dann es ist mehr ein gefencknus, so sie dich verfürt. Darumb sol kein freyheit on kunst, so ist die kunst verborgen on den gebrauch. Darumb muß es bey einander sein, wie oben gesagt. Darumb ist von nötten, das man recht künstlich messen lern. Wer das wol kann, der macht wunderperlich ding.345

Der „rechte Grund“ der Kunst, den Dürer hier beschreibt, ist die schon genannte theoretische Grundlage, die jegliches künstlerisches Können (Brauch), so groß es auch sein mag, benötigt, um „gerechte“ Dinge zu erschaffen. Dürer will damit keineswegs aussagen, dass alle Kunstwerke reine Maß-Werke sein sollten, die geometrischen Regeln sklavisch folgten. Sagt er doch selbst, dass in der künstlerischen Ausbildung das Erlernen des richtigen Maßes darauf ziele, als fertiger Künstler über das nötige „Augenmaß“ zu verfügen, um frei zu gestalten: Aber so du wol messen hast gelernt, vnd den verstandt mit sambt dem brauch vber kumen, also das due in ding auß freyer gewißheyt kanst machen vnd weyst einem yetlichen ding recht zu thon, als dann ist nit alweg not, ein ydlich ding alweg zu messen, dan dein vberkumme kunst macht dir ein gute augen maß, als dann ist die geübt hand gehorsam. Dann so vertreybt der gewalt der kunst den yrtumb von deinem werck vnnd weret dir di falscheit zu machen. Dann du kanst sie vnd würdest durch dein wissen vnuerzagt vnd gantz fertig deines wercks, also das du keinen vergeben strich oder schlag thust. Vnnd dise behendigkeyt macht, das du dich nit lang bedencken darffst, so dir der kopff vol kunst steckt. Vnd durch solichs erscheyndt dein werck künstlich, lieblich, gewaltig, frey vnnd gut, wirdet löblich von meniglich, dann die gerechtigkeyt ist mit eingemischt.346

Der Weg zur angestrebten „Behändigkeit“ führt bei Dürer über die Übung, sowohl der handwerklichen als auch der geometrisch-messenden Seite der Kunst. Er behandelt – wie oben schon angesprochen – in seiner 1525 publizierten Underweysung der Messung auch die von ihm so bezeichneten Schneckenlinien, nach heutigem Verständnis also die Spiralen.347 Nachdem er in der Nachfolge Euklids die Linie definierte, die Breite, die Ebene und

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den Corpus, kommt er zu den gemessenen Linien „die dann in etlichen wercken dinstlich zu brauchen sind“. Innerhalb dieses Abschnitts stellt er verschiedene Varianten von Schneckenlinien vor: Als erstes beschäftigt er sich mit der archimedischen Spirale, deren Konstruktion er in verschiedenen Varianten vorführt und deren Anwendungsbereiche er skizziert. Es folgen räumliche Spiralen, darunter die konische Spirale (die von einer logarithmischen Spirale ausgeht) und die Schraubenlinie (die von einem in zwölf Teile geteilten Kreis ausgeht). Als letztes zeichnet er die logarithmische Spirale, die er als „ewige lini“ benennt (fol. 30, Abb. 77).348 Es mag ein ewige lini erdacht werden / die da stettiglich zu eim Zentrum eynwartz / auch an dem andern teyl in die weyten uber einander laufft / un nymer mehr zu keym end kombt / Dise lini kan man mit der hand der unentlichen grösse und kleine halben nit machen / Dann ir anfang und end so sie nit sind / ist es nit zu finden / das fast allein der verstand / Aber ich will sie unden mit eim anfang un end / so vil dan müglich ist antzeige. Ich heb an bey eim punckten .a. un zeuch dise lini zirckelsweis hynein / als solt sie zu eim Centru lauffen / un so offt sie in eynander laufft / brich ich der weiten zwische der lini ein halbteil ab / des gleiche thu ich / so ich mit der lini vom .a. herauß lauff / so offt ich mit ir uber eynander lauff/so offt gib ich der lini eyn halbteyl zu / von der weyten / Also laufft dise lini ye lenger ye enger hynein / und lenger ye weyter herauß / unnd kumbt doch nymer meer zu keim ende / weder hynein noch herauß wie ich das zuverstehen hie unden hab auffgeriessen.

Dürer definiert hier die Schneckenlinie als eine Form, die ye lenger ye enger hynein / und lenger ye weyter herauß verläuft, und beschreibt damit anschaulich das Phänomen des Schneckenhauses. Für ihn handelt es sich dabei um eine ewige Linie, da er sie mathematisch denkt  – die zwar stetig zu einem Zentrum hinläuft, aber (in immer kleinere Abschnitte hinabgebrochen) dieses niemals erreichen wird. Interessant ist sein Schluss, in dem er vermerkt, dass er eine Zeichnung angefertigt habe, um das Gesagte verständlich zu machen: wie ich das zuverstehen hie unden hab auffgeriessen. Das es sich bei der Zeichnung um eine Konstruktion handelt, macht er zweifach deutlich, in dem er betont, dass es nicht möglich wäre, solch eine Linie aufgrund ihrer Unendlichkeit mit der freien Hand zu reißen (Dise lini kan man mit der hand der unentlichen grösse und kleine halben nit machen) und dann sehr detailliert beschreibt, wie man sie mit Hilfe des Zirkels, mit Hilfspunkten und Hilfslinien doch in mehreren Arbeitsschritten aufs Papier bringen kann. Dürer entwirft auf seinem Blatt somit die logarithmische Spirale zeichnerisch, innerhalb des Berliner Skizzenbuchs finden sich Vorstudien zu diesem Blatt; die mathematische Darstellung des Phänomens aber gelingt erst späteren Generationen.349 In der Nachfolge Dürers erschienen in Nürnberg weitere Traktate, die sich den Fragen der Geometrie und der korrekten perspektivischen Darstellung von Körpern widmeten.350 Hervorzuheben ist dabei die häufig im Titel oder Vorwort geäußerte Absicht, den Kunsthandwerkern und Künstlern nützlich zu sein. Diese Bücher richteten sich an Anwender

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77  Albrecht Dürer, Diß ist der schnech auß dem grund auf getzogen mit allen ­nottuerfftigen linien darauß er gemacht wirdet, in: Albrecht Dürer, Underweysung der Messung, Nürnberg: Andreae, 1525, S. 18 ohne Zählung.

und zeigen, wie eng Geometrie und künstlerische Praxis im Denken des 16. Jahrhunderts miteinander verbunden waren; dennoch werden inhaltliche Ausrichtungen erkennbar, die anhand von drei Publikationen beschrieben werden können: Bei Johannes Petreius (um 1497–1550) erschien in Nürnberg im Jahr 1539 Das erste buch der Geometria, veröffentlich durch den Bamberger Rechenmeister Wolfgang Schmid.351 Gewidmet war es dem Rechenund Schreibmeister Johannes Neudörffer sowie dem Buchdrucker Johannes Petreius – und damit Vertretern der beiden Berufsgruppen, deren Vermittlungsarbeit den allgemeinen kulturellen Aufschwung in Nürnberg begünstigte.352 Mit diesem Geometriebuch veröffentlichte ein Mathematiker eine Anleitung, die sich auf die praktische Geometrie mit Circkel vnd Richtscheydt bezog und beschrieb, wie man Linien, Flächen und Körper in richtigen Proportionen erstellen konnte. Und die diese Grundlagen der „Freien Kunst“, wie es im Titel heißt, nicht nur den Liebhabern sondern eben auch den Künstlichen Wercklewten (also den Künstlern und Kunsthandwerkern) zur Anleitung gab. Im Vorwort verstärkte Schmidt das Motiv noch, waren doch viele schöne und nützliche Künste seit langer Zeit vergessen und untertruckt gewesen – und Wenige hätten über die nützliche und freie Kunst der Geometrie in deutscher Sprache publiziert. Die Kenntnis der Geometrie aber sei von großem Nutzen:

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Dieweyl alle begweglich vnd vnbeweglich cörper, durch ir hilff, abgemessen und außgetheylet werden möden. Dann kein handtwerck so schlecht oder künstlich ist, das tut sein ordentlich aufgetheitl maßwerck haben [1v] muss, welchs alle künstliche werckleut, als Steinmetzen, Maler, Bildhawer, Schreiner, und der gleichen künstner bekennen müssen, angesehen, das alle ding in zal, mas und gewicht von dem almechtigen Got geschaffen seind.

In diesem Zitat taucht das Motiv der Schöpfung Gottes auf, die nach Maß, Zahl und Gewicht erschaffen wurde (sed omnia in mensura, et numero, et pondere disposuisti); und wurde – den zeitgenössischen kunsttheoretischen Positionen gemäß – mit der Vorstellung eines jeglichen Handwerks als Regel- und Maßwerk verbunden, um über das mathe­ matisch-geometrische Verhältnis eine Verbindung zwischen der göttlichen Schöpfung und ihrer artifiziellen Nachahmung herzustellen.353 Lorenz Stoer (vor 1555–nach 1599) ist ein weiterer Nürnberger Künstler, der in der Mitte des 16.  Jahrhunderts durch Perspektiv­ studien und Vorlagenbücher hervortrat; seine Geometria et Perspectiva, eine Holzschnittfolge von 12 Blättern, erschien 1567 in Augsburg.354 Geometria et Perspectiva. HierInn Etliche / Zerbrochne Gebew den Schreiner / In eingelegter Arbait dienstlich auch / vil andern Liebhabern Zu sonder / gefallen geordnet unnd / gestelt Durch / Lorenz Stör / Maller Bürger Inn / Augspurg / LS / Mit Rö Kay May aller genedigiste / privilegio nit nachzedruckhen. 1567

In dieser Publikation bilden die verschiedenen geometrischen Konstruktionen eine Ruinenlandschaft, in denen im Vordergrund zentral ein geometrischer Körper steht. Er wird von Beschlagwerk hinterfangen, das in eine weitere Ruinenlandschaft mit Architektur­ elementen übergeht. Stoer spielte hier durch, wie sich die reine Form ins Ornament und dann in die reale Darstellung überleiten ließ und fügte seiner Publikation keinen Text bei; sie erschien als graphische Serie, die dem Betrachter fantastische Perspektivstudien anschaulich darbot und als potentielle Vorlage für Einlegearbeiten ausgewiesen war.355 Und 1564 publizierte der Frankfurter Goldschmied und Graphiker Heinrich Lautensack (1522– 1568) seine Unterweisung in die Perspektive: Deß Circkelß vnnd Richtscheyts, auch der Perspectiva, vnd Proportion der Menschen vnd Rosse, kurtze, doch gründtliche vnderweisung, deß rechten gebrauchs Mit viel schönen Figuren, aller anfahenden Jugendt, vnnd andern liebhabern dieser Kunst, als Goldschmiden, Malern, Bildhauwern, Steinmetzen, Schreinern, [et]c. eigentlich fürgebildet.356

Diese Publikation ist als Lehrbuch angelegt, in dem ausführlich die geometrischen Grund­ lagen erläutert werden; der graphische Apparat ist dem Text untergeordnet und dient allein zur Verdeutlichung des Texts.357 Die hier vorgestellte Auswahl von Perspektivtraktaten zeigt, welche Bandbreite die Publikationen im 16. Jahrhundert abdeckten. Unter den in

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Nürnberg in diesem Jahrhundert erschienenen Perspektivtraktaten ist sicher die von ­Jamnitzer 1568 veröffentlichte, Kaiser Maximilian II. gewidmete Perspectiva Corporum Regularium, die (heute) bekannteste.358 Jamnitzer versammelte darin die fünf regulären Körper in mannigfachen Variationen auf zwanzig Tafeln, die Zeichnungen stammten von ihm selbst, die Kupferstiche führte der Kupferstecher Jost Amman (1539–1591) aus. Jeder der fünf Körper füllt mit seinen Variationen vier Tafeln, das einigende Element sind die Hintergründe: halbrunde Räume, in denen die Körper schweben, die von einem umlaufenden, endlosen Band umschlossen werden (Abb. 78).359 Dieses graphische Werk ist sicherlich ebenso wenig – wie einige der bislang genannten Publikationen – für die direkte Anwendung in den Werkstätten intendiert gewesen, auch wenn eine Übernahme von Motiven in Teilen nachweisbar ist und auch wenn die Künstler im Titel direkt angesprochen werden. Vielmehr erscheinen diese Publikationen (auch) für ein Publikum, das an mathematischen sowie künstlerisch-kunsttheoretischen Fragestellungen interessiert war und ein gemein­sames Verständnis von Kunst auf geometrisch-mathematischen Grund­ lagen teilte, die Widmung an den Kaiser verstärkt diese Vermutung. Denn Jamnitzer zeigte in seiner Perspectiva Corporum Regularium nicht die Konstruktion, er führte – wie beispielsweise auch Lencker und Stoer – allein sein Können vor. Stärker als in allen bisher besprochenen Werken behauptete er zudem ein System, innerhalb dessen er die fünf

78  Variationen des Tetraedron (A. Ignis. Feuer). Wenzel Jamnitzer, Perspectiva corporum regularium, Nürnberg: Heußler, 1568, S. 15 ohne Zählung, Blatt A II.

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­platonischen Körper verortete: er wies sie den Vokalen (A, E, I, O und U) und den Elementen (Erde, Wasser, Luft und Feuer plus Äther) zu und führte von den Grundkörpern aus­ gehend diese in immer stärker durchbrochene und verfremdete Variationen über. Dabei wurden der Tetraeder, der Oktaeder, der Kubus, der Ikosaeder und der Dodekaeder im Sinne eines weltbeschreibenden Alphabets als Grundformen der Schöpfung definiert. 360 Eine interessante Parallele findet sich beim Schreib- und Rechenmeister Johann Neudörffer, der zeitgleich in Nürnberg arbeitete. In seinem 1538 erschienenen Traktat Ein gute Ordnung und kurzer Unterricht361 (auch Anweysung einer gemeinen hanndschrift) führte er das Prinzip der „Veränderungen“ und „Verwandlungen“ von feststehenden Grund­ formen vor – bei Jamnitzer die fünf platonischen Körper, bei Neudörffer die Buchstaben des Alphabets. Er entwickelte sie aus den geometrischen Grundformen von Kreis, Quadraten und Rechtecken und variierte seine Buchstabenerfindungen aus diesem Grund­ bestand.362 Neudörffer scheint hier ein vergleichbares Prinzip der künstlerischen Entwicklung der Formen aus den Grundlagen vorzuführen, wie es Jamnitzer und die genannten Perspektivkünstler im Bereich der (Goldschmiede-)Kunst vorschlugen.363 Mit dem auf dem Titelblatt genannten Timaios verwies Wenzel Jamnitzer zudem explizit auf Platons Vorstellung eines Demiurgen, auf eine Vorstellung von Gott als Werkmeister und opifex, der das Chaos in die Taxis mit Hilfe der geometrischen Körper überführt hatte.364 Jamnitzer beginnt seine Vorrede mit der Schöpfung der Welt, durch deren Betrachtung der Mensch Gott erkennen und preisen soll: Gott erschuff auch den Menschen nach seinem ebenbildt / und begabt ihn / mit einem herrlichen liecht / inn seiner Seel und hertzen / damit zu contempliren und zuerfüllen seinen ewigen göttlichen willen / Er zieret ihn auch an seinem Leyb / mit zweyen schönen liechtern / damit an zuschawen / die himlischen Cörper und geschöpff und zuerkennen / das Gott genedig sey / und sein gütigkeit für und für weret.365

Gott habe die Elemente bei seiner Schöpfungstat geordnet und aus ihnen alle irdischen Körper erschaffen – wie auch den Menschen selbst. Zudem ermächtigte er den Menschen dazu, selbst schöpfen zu können also sollen wir auch werckhen.366 Jamnitzer sah darin nicht allein eine Parallele zwischen Schöpfergott und schöpferischem Menschen, sondern benannte über seine Publikation zudem die geometrischen Körper als tertium comparationis, mit deren Hilfe Gottes Werk auf die Körper zurückführbar – und durch den Menschen nachschöpfbar – würde: Damit ich nun den begirigen diser Kunst / hierin dien möchte / habe ich mir fürgenumen / die funff Corpora Regularia, davon Euclides in seinem 13. buch Elementorum handtlet / deßgleichen der hochberümbte Griegisch lehrer Plato in Timæo dieselben fünf Cörper mit grosser verwunderung beschreybt / und daneben anzeigt / so wenig müglich sey / das uber die vier natürliche Element / und derselben funfte wesenheyt / noch andere mehr Elementa in der natur sindt / so wenig

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können auch andere mehr Corpora regularia [...] gemacht werden / dazu so vergleicht er noch dieselben fünff Cörper den Elementen der natur selbst [...] und wie alle andere irdische Cörper / von disen vier Elementen der Natur zusamen gesetzt und miscirt werden / in den lebendigen Creaturen / als menschen und vieh / sowohl / als in den Vegitatilibus, Nemblich laub und graß / sowol werden auch ander Geometrica Corpora auß diesen fünf Corporibus ohn endtlich miscirt und zusamen gesetzt / wie in disem meinem vorhabenden werckh / in die 140. unterschiediche Cörper gesehen werden / gantz und durchsichtig.367

Basierend auf der Autorität von Platon, der die vier Elemente (und die fünfte Wesenheit) sowie die fünf regulären Körper als absolute Komponenten der Welt definierte, führt Jamnitzer durch seine eigene Kunstfertigkeit vor, wie man in der unendlichen Mischung dieser Formen alle Dinge entfalten könne. Jamnitzers Publikation – die sich topisch erneut an die jungen Künstler wendet, die es anzuleiten und zu raitzen gilt – sowie die anderen Perspektivtraktate zeigen die Kontexte an, in denen die besprochenen Werke der Goldschmiedekunst zu verorten sind. Es bestehen formale Bezüge, sind die Goldschmiedewerke doch räumliche Körper, die – wenngleich sie komplexe Formen zeigen – sich im Kern aus den geometrischen Grundformen ausbilden. Die Betonung der Schneckenlinie in der Natur und in der künstlerischen Aneignung verweist dabei auf die mathematischen Grundlagen schöpferischer Handlungen.368 Das dies kein exklusiver Diskurs war, der in Nürnberger Künstlerkreisen oder von interessierten Mathematikern als Selbstgespräch geführt wurde, wird über die Widmungen der Traktate von Jamnitzer und von Lencker an Fürsten ebenso sichtbar wie in einem im Kupferstichkabinett Dresden verwahrten Zeichnungsband.369 Er enthält Perspektivstudien des jungen Herzogs Christian I. von Sachsen, die er zusammen mit seinem Lehrer, dem schon genannten Goldschmied und Perspektivisten Hans Lencker, im Jahr 1576 anlegte (Abb. 79).370 Denn es gehörte zur zeitgemäßen Prinzenerziehung, geometrische Grundlagen über die Zeichnung und damit über Perspektivstudien zu erlangen. Sicherlich nutzte Lencker seine – wie auch andere – Publikationen zur Unterrichtung. Wie sehr diese Studien innerhalb des adligen Kontexts auch in die künstlerische Praxis überführt wurden, ist bekannt: wenngleich keiner der frühneuzeitlichen Fürsten als Goldschmied tätig war, gehörte doch das Erlernen des Drechselhandwerks zum Kanon. Für den sächsischen Hof ist überliefert, dass Kurfürst August selbst drechselte und auch seinen Sohn, der genannte Christian  I., diese Kunst erlernen ließ: Drechselarbeiten, die das ins Werk setzten, was Jamnitzer, Lencker und Stoer im Bild vorführten. 371 In diesem Handwerk liefen die Beherrschung von komplizierten Drehbänken, die Kenntnis geometrischer Formen sowie die Fähigkeit ihrer Konstruktion zusammen und machten es damit auch für adlige Personen zu einer angemessenen – freien – Beschäftigung.372 Diese Tätigkeit war dabei keine Spielerei, sondern vermittelte wichtige Kenntnisse, konnten doch die hier angewendeten geometrischen Grundlagen ebenso zum Verständnis der territorialen Erfassung durch Geodäsie und Kartographie genutzt werden, zur Zeitberechnung sowie zur Vermessung von Abbaugebieten – der Markscheidekunst.

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79  Christian von Sachsen, Zwei stereometrische Kompositionsgebilde mit quadratischem Grundriss und ein Hausmodell, in: Perspectief Buch von Christian I. von Sachsen und seinem Zeichenlehrer Hans Lencker, 1576, fol. 12r. Dresden, SKD, Kupferstich-Kabinett, Inv. Nr. Ca 61.

Daraus folgt, dass die Auftraggeber:innen, Besitzer:innen und Betrachter:innen von kompliziert geformten Goldschmiedewerken im 16. Jahrhundert über grundlegende geometrische Kenntnisse verfügten; dass sie in Teilen in der Lage waren, solche anspruchsvollen Körper selbst zu drechseln und sie zeichnerisch zu konstruieren – dies alles erlernten sie im Austausch mit Künstlern, die solcherart Objekte herstellten und die aus ihrer Werkstattpraxis und ihrem Studium heraus Perspektivtraktate publizierten. Interessanterweise spricht Hans Holländer von einer „Wahlverwandtschaft zwischen der Drechslerkunst und den Konchylien“, da die von den Schnecken gebildeten Gehäuse ebenso erfindungsreiche Werke erschufen, wie die „drechselnden Souveräne“.373 Durch die Integration des Schneckenhauses und durch die Fassung in Goldschmiedewerke, die zudem noch die natürlich vorgefundenen Formen aufgriffen, variierten und transformierten, traten die Goldschmiede daher nicht allein in einen Wettstreit mit der Natur, sondern zeigten – über die Beschäftigung mit geometrischen Körpern – zugleich, dass sie über die Prinzipien dieser natürlichen Formen nachdachten.374 Die Aufmerksamkeit, die solchen Objekten entgegengebracht wurde, ist mit Augenlust und mit Wissenslust ebenso zu beschreiben, wie mit dem Staunen über vielfache Vermögen und Möglichkeiten: Zugriff auf

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Märkte ebenso wie kunsttechnische Verfahren und eine allgemeine Zugewandheit zu den Wundern der Natur, die ebenso bewundernswert sind, wie das menschlich-künstlich/künstlerische Handeln in der Welt.375 In Nürnberg laufen weitere Stränge zusammen, die verdeutlichen, das die kunst­ theoretischen Argumentationen im nord- und südalpinen Raum im 16. Jahrhundert parallel verliefen. Walther Ryff/Rivius (um 1500–1548) publizierte im Jahr 1547 in Nürnberg bei Johannes Petreius:376 Der furnembsten / notwendigsten / der gantzen Architectur angehörigen Mathemathischen vnd Mechanischen künst / eygentlicher bericht / vnd vast klare / verstandliche vnterrichtung / zu rechtem verstandt der lehr Vitruuij / in drey furneme Bücher abgetheilet. Als Der newen Perspectiua das I. buch [...] Weiteren inhalt des II. vnd III. Buchs der Geometrischen Büxenmeisterey / vnd Geometrischen Messung

80  Walther Hermann Ryff, Der furnembsten, notwendigsten, der gantzen Architectur angehörigen Mathemathischen vnd Mechanischen künst eygentlicher bericht, Nürnberg: Petreius, 1547, fol. 1v.

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In dieser Publikation findet sich auf dem der Titelseite folgenden Blatt (1v) die Darstellung eines Knaben, dessen linke Hand mit einem Stein zu Boden gezogen, die rechte aber von einem Flügelpaar emporgetragen wird (Abb. 80). Die Beischriften lauten „Vivitur ingenio, caetera mortis erunt“ (Man lebt durch den Geist, das übrige ist des Todes) und „Aurum probatur igni, ingenium vero Mathematicis“ (Gold wird durch Feuer erprobt, der Geist durch die Mathematik).377 Sie betonen die Wertschätzung der menschlichen Erfindungskraft, deren Werke den Tod überdauern – und loben zugleich die mathematische Wissenschaft, die den Geist reinige und erprobe.378 Bemerkenswerterweise ist der Knabe nicht von Attributen der klassischen (Buch)-Gelehrsamkeit, sondern von Arbeitsgeräten, von Instrumenten, Messwerkzeugen und einem Perspektiv- bzw. Messtraktat umgeben.379 Diese Beigaben verschieben die Aussage des Bildes – nicht die dichterischen Werke sind es, die den Tod überdauern, sondern die Werke der Hände; die, das verdeutlicht die zweite Inschrift, durchaus geistige Werke sind, da sie auf mathematischen Regeln basieren. Diese Deutung wird durch den Inhalt von Ryffs Werk bestätigt, bei der es sich um eine Kompilation der kunsttheoretischen Schriften von Leon Battista Albertis (1404–1472) De Pictura und De Statua, verbunden mit Auszügen aus Pomponius Gauricus’ (um 1482–um 1530) Traktat über die Skulptur und Serlios theoretischen Schriften, handelt.380 Wie die Überschrift angibt, bietet die Schrift eine Einführung in die Geometrie und Perspektive, quasi als ein Prolog zum Vitruvschen Architekturtraktat, der im Jahr 1548 von Ryff in deutscher Übersetzung folgen sollte. Die Rezeptionsgeschichte des Werkes ist von großer Bedeutung, da über das Pirckheimersche Verzeichnis der Bücher aus dem Besitz von Regiomontanus und dessen Schüler Bernhard Walther rekonstruierbar ist, dass eine Abschrift von Albertis De Pictura spätestens schon 1512 in Nürnberg vorhanden war. Wahrscheinblich ist, dass das Manuskript schon nach der Mitte des 15. Jahrhunderts nach Nürnberg gelangte, da sich Regiomontanus auf Einladung von Kardinal Bessarion in den Jahren 1461–1465 in Italien aufhielt und mit Alberti bekannt war; möglicherweise gehörte seine Abschrift zu den zehn Büchern, die Dürer 1523 aus dem Nachlass von Regiomontanus und Walther ankaufte.381 Im Jahr 1540 erschien in Basel die Erstausgabe von De Pictura – heraus­gegeben durch Thomas Venatorius (1488–1551), der mit Dürer und Pirckheimer bekannt war und wahrscheinlich über sie das Manuskript der Schrift Albertis erhalten hatte.382 Damit kursierte schon vor der deutschen Übersetzung durch Ryff im Jahr 1547 Albertis Schrift in humanistischen Gelehrten- und Künstlerkreisen und gehörte sogar zum direkten Buchbesitz im Umfeld von Dürer.383 Nach Alberti ist die Bildhauerei sogar die älteste aller freien Künste, die von Anfang an mit der Mathematik verbunden war.384 In Ryffs Publikation der Texte von Alberti/Gauricus werden die große Bandbreite der bildhauerisch tätigen Berufe angesprochen (VI. Teil der Abhandlung) und Vorstellungen formuliert, die die Basis für jegliche Anwendung in den unterschiedlichen, plastisch arbeitenden Berufen bilden. Erneut sind es geometrische Grundlagen, die sich auch in den Perspektivtraktaten finden: Von der Sculptur oder künstlicher bildung / aus rechtem grund / proportion und Simmetria / ein jedes ding / welcher gestalt es sey / artlichen und gerecht zu formieren / und bilden durch Schnitzen /

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Hawen / Graben / Etzen / Stechen / Abformen / Possieren / Abgiessen / und Abtrucken / in allerhandt Zeug / unnd darzu dienstliche materi / als von mancherley art und geschlecht des Holtzes/ Stein / Marbel / Metal /Helffenbein / Gyps / Wax / Leimen oder Letten / künstlich Gießsandt / und dergleichen. Mit gnugsamer unterrichtung / alles des so zu solcher vilfeltigen künstlichen arbeit / des Bildens und Sculptur von nöten / Mit sonderlicher beschreibung und augenscheinlicher anzeigung / der rechten proportion unnd eygentlicher Simmetria Menschlichs Corpers und aller glidmassen.

In diesem Traktat wird ein umfassender Bildhauereibegriff genutzt, der nicht nur Marmor­ skulptur und bronzene Großplastiken umfasst, sondern jegliches Arbeiten in der Materie (allerhandt materi) einbezieht.385 Dies ist bedeutungsvoll, da sie die in Deutschland herausgearbeitete grundlegende Verbindung von geometrischer Reflexion und der auf höchstem künstlerischen Niveau arbeitenden Goldschmiedekunst betont – gehören doch alle plastisch arbeitenden Künste zu den „andren fryen Mathematischen künsten“. Der Blick der Mathematiker auf das künstlerische Tun in der Frühen Neuzeit soll in ­einem abschließenden Beispiel kurz beschrieben werden. Der berühmte französische ­Gelehrte Pierre de la Ramée (Petrus Ramus, 1515–1572) preist in seinen Scholae mathematicae Libri XXXI, die 1569 in Basel bei Episcopius erschienen, die Stadt Nürnberg, die mit öffentlichen Geldern Professoren der Mathematik bezahle, damit sie nicht nur den ­Gelehrten, sondern auch den des Latein und des Griechisch unkundigen Künstlern Unterricht erteilten.386 Petrus Ramus war es auch, der zusammen mit Friedrich Risner (um 1533– 1580) nach Nürnberg reiste, um dort einige Künstler aufzusuchen. Hans Lencker berichtet von diesem Besuch im Vorwort seines Perspektivtraktats von 1571: So bin ich entlich auff anregen viler fürnemer und kunstliebender personen / und besonders des hochberhümbten unnd hochgelerten Herrn P. Ramus Königlicher Maiester zu Franckreich Ordinarii Professoris in der weitberümbten Universitet zu Paris / der mich selbs eigner person (unnd neben ihm Er Friedrich Reisener Matemarischer Kunst liebhaber und förderer) zu hauß ersucht / unnd darumb gebeten hat / dahin bewegt worden / zu bewilligen / solch mein (von Gott verliehen) geringes pfündlein zu publicirn [...].387

Lenckers Bericht zufolge war es der französische Mathematiker, der ihn bei seinem Besuch in seiner Werkstatt dazu bewegte, seine Perspektivstudien zu publizieren. Er tat dies sicherlich während seines viertägigen Aufenthalts in Nürnberg im Jahr 1568, den Ramus zum Austausch mit Künstlern vor Ort nutzte, denn ihn interessierten die Nürnberger Spielarten der angewandten Geometrie, war er doch der Meinung, dass man Theorie und Praxis vereinen könnte. Ramus bezog sich dabei auf die Verbindung von praktischer Mathematik und künstlerischer Tätigkeit, für die ihm die Produktion in Nürnberg vorbildlich erschien.388 Sein Interesse galt dabei besonders den dort konstruierten und genutzten Perspektivtischen.389 Das Aussehen solch eines Apparats überliefert Hans Lencker in seinem Perspektivtraktat von 1571:

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Wer aber nun solche Kugel oder andere Corpora in grund zu legen den unkosten nicht achten / und ein solch oder der gleichen Instrument (wie hier mit G bezeichnet) machen wölte / der möcht als dann gar leichtlich / und mit wenig mühe / von Kugeln oder andern natürlichen Cörpern / allerley gründe / durchsichtig und gantz abtragen.390

Viele der Nürnberger Künstler nutzten nicht nur selbst vergleichbare Apparate für ihre graphischen Konstruktionen: Sowohl Lencker als auch Jamnitzer und Dürer sind für die Entwicklung und Verbesserung vorhandener Tische bekannt. Das Aussehen dieser Tische ist über ein Traktat des Nürnberger Patriziers und Kartographen Paulus Pfinzing (1554– 1599) überliefert.391 Sein Bericht von den Perspektivtischen setzt nach einer kurzen historischen Abhandlung über die Studien der Perspektive seit Euklid mit Albrecht Dürer ein, gefolgt von Wenzel Jamnitzer und dem Musicus Hans Heyden (Haiden, 1556–1613, Kaufmann, Organist, Musikinstrumentenbauer in Nürnberg), der sich für Optik und Perspektive interessierte und der den Perspektivtisch von Dürer weiterentwickelte.392 Alle die von Pfinzing genannten Tische sind in einer Zeichnung wiedergegeben, so auch der Tisch von Wenzel Jamnitzer (Abb. 81). Auch Albrecht Dürer publizierte in seiner 1525 erschienenen Underweysung der Messung verschiedene Perspektivtische und beschrieb die Verfahren dazu.393 Von Jamnitzer selbst gibt es keine eigene Beschreibung seiner Zeichenapparatur, genannt wird sie aber implizit im Titel seiner Perspectiva als „einen sonderlichen newen, besonder vnd gerechtes Weg, der vor nie im gebrauch ist gesehen worden“. Ihr Aussehen ist zudem durch einen Stich von Jost Amman überliefert, der Jamnitzer am Tisch zeigt, wie er seine Perspektivmaschine anwendet.394 Der französische Hof-Mathematiker Petrus Ramus versuchte bei seinem Aufenthalt in Nürnberg, bei Wenzel Jamnitzer und Hans Lencker Anleitungen und Auskünfte über deren Studien zu erhalten. Johann Gabriel Doppelmayr (1677–1750) berichtet darüber: Ob nun aber wohl unser Jamnitzer dadurch was Gutes effektuieret, so war jedoch bey der Edition seines Werckes auch dieses absonderlich dabey zu desideriren, dass er, wie Anfangs Lencker, das Fundament, wie er eigentlich die obbemeldete Corpora perspectivisch ausgefunden, gänzlich verschwiegen, und nichts davon gemeldet, deswegen auch Petrus Ramus, da er ihn, wie Lenckern, mit Friderich Reisnern, einem besonderen Liebhaber der Optic, bey seiner Durchreise A. 1570 besuchte, und seine optische Sachen auch mit Vergnügen ansahe, bei ihme anhielte, dass er den rechten Grund entdecken mögte, in welchem Begehren aber unser Künstler dem Ramo nicht gratificieret, da er auch sonsten nichts weiters, ungeachtet er noch den zweyten Theil von seinem Werck zu edieren versprochen, mehr zum Vorschein gebracht.395

Der Mathematiker also suchte die Künstler auf, weil er mehr über ihre Werke und über ihre Perspektivtische erfahren wollte, allerdings ohne Erfolg: das berühmte Gerät wurde ihm nicht gezeigt.

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81  Der Perspektivtisch von Wenzel Jamnitzer, in: Paul Pfinzing, Ein schöner kurtzer Extract der Geometriae vnnd Perspectiuae wie die Perspectiua ohne Geometria nicht sein kan, Hernacher wie die Perspectiua in ihren Wercken auff drey Weg zuuerstehen, Nürnberg: Fuhrmann, 1599, Doppelseite 9.

Die Komplexität der vorgestellten Turbanschneckenkanne von Niclaus Schmidt wird hier schließlich erkennbar: Nürnberger Goldschmiede arbeiteten ihre Werke für ein Publikum, das die Schönheit des Materials sowie die daraus gearbeiteten Formen wertschätzen konnte. Die verarbeiteten Häuser großer Meerschnecken verwiesen auf das Handelsnetzwerk, das es ermöglichte, solche Objekte aus weiter Ferne nach Europa zu importieren. Die Goldschmiede fügten den dort angebotenen natürlichen Formen moderne Ornamente hinzu, die als Teil eines gelehrten Antikendiskurses verstanden werden können. Und sie arbeiteten in einem Umfeld, das geometrische Studien betrieb und dabei über die Grundformen reflektierte, aus denen sich die Welt und (in Ableitung) die menschlichen Kunstwerke konstituierten – und traten in Teilen selbst als Autoren von geometrischen Perspektivtraktaten hervor, die einen hohen wissenschaftlichen Anspruch erkennen und sich innerhalb der mathematischen Studien der Zeit verorten lassen.

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Anmerkungen   1 Woldbye (1985), S. 5.   2 Fischer (1887), S. 817 mit Verweis auf Le Livre Seconde des Poissons von Guilaume Rondelet, Lyon, 1558, S. 48–61, alle Kapitel mit Abbildung; Godan (1996), S. 30.   3 Pazaurek (1937), S. 40–51; Faszination (1992), S. 45–49 und S. 243, Kat. Nr. XLIII; S. 45: „Wichtigste Perlmutterlieferanten sind die Perlmuscheln, Seeohren (Haliotis), Kreiselschnecken (Trochus, Turbo) und Perlboote (Nautlius).“ Godan (1996), S. 30: „Die Molluskenschale besteht aus drei Schichten: 1. der leicht entfernbaren hornartigen Oberhaut, 2. der mittleren Kall- oder Porzellanschicht und 3. der inneren Perlmutterschicht. Nur diese ist für die als Schmuck verarbeitenden Meeresschnecken von Bedeutung.“ Büttner (2000a), S. 11/12.   4 von Philippovich (1966), S. 451; Husemann (1999), S. 33; Schimmern (2013), S. 14/15: mother of pearl, madreperla, perlemor (dänisch) und parelmor (niederländisch); Syndram (1991a).   5 Godan (1996), S. 73.   6 Das Material besteht vor allem aus den Calciumcarbonaten Aragonit und Calcit (CaCO3), Geyssant (2001), S. 9–15 und 17/18; Renner (2004).   7 Weitere Synonyme lauten Rundmundschnecke, lateinisch auch Turbo cochlus (Johann Friedrich Gmelin, 1791) und Turbo olearius (Carl Linnaeus, 1758) http://www.schnecken-und-muscheln.de/ galerie/galerie_turbinidae.htm [aufgerufen 19. September 2016. Vgl. auch Georg Rumphius in seiner Amboinische Raritäten-Kammer oder Abhandlung von den steinschaalichten Thieren ­welche man von Schnecken und Muscheln nennet, S.  27: „Das zehnte Capitel. Trochus, Bia ­Cucussan. Oder von den Kräusel-Schnecken: Trochus, oder Kräusel, werden alle solchen Schnecken genennet, welche die Gestalt einer Kräusel, womit die Kinder spielen, oder eines um­ gestürzten Trichters haben.“ Die irrtümliche Vermischung von lateinischer und deutscher Bezeichnung (Turbo marmoratus bzw. Marmorierte oder Große grüne Turbanschnecke) führte dazu, dass diese Artefakte in der Forschung – so sie überhaupt von den viel verbreiteteren Nautilussen unterschieden werden – häufig als Turboschnecken-Objekte bezeichnet werden; diese Arbeit aber verwendet den im Deutschen richtigen Begriff des „Turban“, so auch Schimmern (2013), Kat. Nr. 103 (Annette Möller), S. 152, Anmerkung 1. Zum Rumphius Schmidt (2015), S. 135–139.   8 Gorgas (1997), S. 217/218; Woldbye (1985), S. 6: Ein Handelsschiff der niederländischen OstindienKompanie (De Witte Leeuw) war 1613 vor St. Helena gekentert; bei seiner Bergung 1976 fand man neben Kraak-Porzellan auch eine große Anzahl von Konchylien. Sténuit (1977), Abb. 11, mit der dort gefundenen Muschelsammlung. Die aus dem Wrack geborgenen Muscheln werden im Rijksmuseum in Amsterdam verwahrt, darunter ein turbo marmoratus mit der Inv. Nr. 77–237-W, Kat. Nr. 61, in: Wereld (1992), S. 45/46; Exotica (2000), S. 149–170 zu den Perlmuttarbeiten aus Indien; Koeppe (2004).   9 Gerritsen/Riello (2016), S. 6. 10 Rotterdam Museum Boijmans Van Beuningen, Inv. Nr. Br. P 1, als Leihgabe der Privatsammlung der Stiftung P. und N. de Boer, Maße 107,5 x 82,7 cm. Segal (1989), S. 77–92 zu „Shell Still Lifes“, hier Abb. S. 79; Wereld (1992), Kat. Nr. 62, S. 46; Dawn (1993), Kat. Nr. 256 (P. v. Th), S. 584/585; Schimmern (2013), S. 94 (Annette Möller); Pijzel-Dommisse (2015) mit Abb. S. 211. Roelofs (2015), S. 232–235, Abb. 5 zu einem Gemälde von Cornelis Cornelisz. van Haarlem (1562–1638) von Neptun und Amphitrite, in dem der Meergott in vergleichbarer Pose eine Turbanschnecke präsentiert. Zur Bedeutung des Muschelsammelns als religiöser Praxis im Kontext der Auseinandersetzungen zwischen nördlichen und südlichen Niederlande van Hogendorp Prosperetti (2006). 11 Gormans (2016), S. 167 und S. 168, Abb. 1. Zur Muschelsammlung im 17. Jahrhundert allgemein Leonhard (2007b).

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12 Schroder (2007b), S. 34. 13 Segal (1989), S. 77: „Althought shell beakers could be used as drinking cups, they were not primarily made for that purpose: they served as rich display object.“ Häberlein (2016), S.152/153. 14 Woldbye (1985), S.  5/6: „In den Werkstätten der süddeutschen und flämischen Goldschmiede nahm die manieristische Virtuosität bisweilen nahezu surrealistische Züge an. Den Ausschlag ­dafür gab das Streben nach einem antiklassischen, grotesken Stil, der der unbändigen Prachtentfaltung der Fürsten und ihrem Verlangen nach ausgefallenen Ideen, in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, entgegenkam. Für diese Zwecke eigneten sich Konchylien, vor allem die Triton- und Trochusschnecken sowie die Schalen des Nautilus ganz vorzüglich. 15 Woldbye (1985), S. 5/6, betont erneut, dass vor allem die künstlerische Auseinandersetzung mit den fantastischen natürlichen Formen im Vordergrund stand, weniger die Möglichkeit, diese ­Objekte tatsächlich zu gebrauchen. 16 von Philippovich (1966), S. 457; Witting (2015), S. 30; Kappel (2011), S. 167–173. 17 Ich danke Piet van der Waals sehr für seine Expertise und Hilfe bei der Übersetzung der niederländischen Passagen, ebenso Uwe Lüdemann für seine Unterstützung und Vermittlung. 18 Muller (1937), S. 20 (Strande, Ausgabe 1614, S. 8): „wie sagh oyt sulck cieraet, Wie sagh oyt sulck Corael, sulck Marmer, sulck Agaet? Dit purpur, dit asuer gaen verr‘ dijn konst te boven, O Schilder sinnen-rijck, dijn hand so hoogh te loven, Comt hier al veel te cort, dijn verwen noch pinceel, Sal desen schoonen glants niet treffen t‘minste deel“. Segal (1989), S. 79: „He [Philibert van Borsselen] feels that an artist cannot do justice to Nature when he tries to express the beauty of shells.“ 19 Muller (1937), S. 19/20 (Strande, Ausgabe 1614, S. 7/8): „De Zee heeft s’menschs vernuft een claer voorbeeld verleent, Daer hy naeld spelle priem end spit van heeft ontleent: Een beytel, hamer, saegh, end nijptangh leeren maken. Hier canmen aen een mes, aen pen end inckt gheraken oor gift van eenen Visch ... Ia selfs de rijcke Zee veel schooner vruchten baert Dan t‘fraey gemaelde land, end grooter yder aert“ (Das Meer hat der menschlichen Vernunft ein klares Vorbild gegeben, von dort hat er sich Nadel, Stecknadel, Ahle und Spieß entlehnt, und gelernt, wie man Hammer, Säge und eine Zange macht. Hier kann man Messer, Feder und Tinte als Geschenk von einem Fisch erhalten). Kuechen (1979), S. 497: „Unter diesem Aspekt, die Natur als Lehrmeisterin der Kunst anzusehen, wird verständlich, wenn der Maler Hendrik Goltzius in einem Bilds der ­Allegorie der Pictura (nach 1600) den polierten Nautilus als wichtigste Attribut neben dem traditionellen Pinsel in die Hand gibt.“ Sangl (2001), S. 263; Muller (1937), S. 20/21 (Strande, Ausgabe 1614, S.  8/9): „De Lelie snee wit de goud-bloem schoon end blijd, Den blauwen hyacint de ­lij‘-verw van de Rosen, Het lieflick purpur-rood daer mede d‘Aengere blosen, De Lisch van over zee, die s‘Hemels boogh afmaelt, De geele Violet wel grooten prijs behaelt, Maer moeten al te gaer der Schelpen schoonheydt wijcken, Geen Tulipa sagh m‘oyt hier by te vergelijcken.“ 20 Muller (1937), S. 21 (Stande Ausgabe 1614, S. 9): „En draeyers fraye hand met sijne ronde spille / End scherp-geslepen stael, oft door sijn houten brille / Werckt konstelick nu t‘rond, nu viercant nu t‘ovael: /Maer hier ist al in een ja schoonder hondert mael / Door s‘Natuers cloecke hand int groot end cleyn geschapen./ [...] Soo wil de groote God door sijn verscheyden werck Dat elck sijn ­wijsheyd, end almogendheyd aenmerck.“ 21 Muller (1937), S. 23 (Strande, Ausgabe 1614, S. 11): „Die siluer-witte Schelp wordt tot een kroes ghesleten. / hIn t’rijck Chynasche Land, end ons ter hand ghebrocht, / Met goud constigh geviert, met loof-werck fraey bewrocht, / Om haren soeten dranck met vrolickheyd te drincken.“ 22 Muller (1937), S. 53 (Strande, Ausgabe 1614, S. 41, Ausgabe 1611 fol C6v): „Volgt hier de silver Hulck, der Schelpen Perle net, / Die op een gulden voedt ter Tafel wordt gheset / Om wt haer reynen roef het vrolijck nat te drincken. [...] Een Cop van louter Goud met rijck ghesteent gevieret, / Het edel Porceleyn met beelden fraey vercieret, / End t‘claer-doorschynigh glas van synen

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Cristalijn / En kan niet schooner oft niet suyverlijcker zijn. / Sijn glinsterigh gheblick end luyster hoogh-befamet / Den aller-schoonsten glants der Perlen verr‘ beschamet: / Sijn ronden rugh is met een roode verw ghepleckt, / End van de wilde Zee met eenen korst bedeckt, / De welcke lichtelijck door cleyne kunst verdwynet / So dat sy heel end al een silver Schipken schynet [...].“ 23 Muller (1937), S. 38 (Strande, Ausgabe 1614, S. 26): „Wie heeft doch oyt te recht dees wonderen verstaen, / End‘ al t‘verburgen werck des natuers ondergaen? / Wie isser van verstand so waen wijs, so vermeten / Die Gods werck sonder God ten vollen af wil meten? / Wat denckstu sotte mensch met dyner zinnen boor / Des hooghsten daden al te gronden door end door?“ (Wer hat diese Wunder richtig verstanden und all die verborgenen Werke der Natur erfahren? Wer ist vom Verstand so  eigensinnig, so vermessen, um  Gottes Werk ohne Gott  vollständig ermessen  zu ­wollen? Was denkst Du, dummer Mensch mit deinen  forschenden  Sinnen, Des Höchsten ­Taten durch und durch zu ergründen?). 24 Essenwein (1887), S. 43. 25 Natura (1993), S. 10. 26 Sponsel (1925), S. 24/25. 27 Schroder (1988), S. 514–517. 28 Kemp (1995a), S. 181: „They [die Objekte] effect transformations between artist, artisan, technologist, engineer, scientist, philosopher, and magician in varied compounds. [...] The motive power behind these plural migrations is the conscious and continual redrawing of the boundaries ­between the artifice of nature and the artifice of the human agent.“ 29 Hansmann/Kriss-Rettenbeck (1966), S.  41/42 zur Koralle; S.  83–92 zum Horn, zum Bezoar, S. 106/107 und S. 113/114, dort auch zum Rhinozeros; Stark (2003), S. 91: „At the confluence of contemporary firsthand accounts, classical sources, and Eastern and Western magico-medicinal beliefs, the adornment of these materials frequently reflects the perceived intrinsic nature of these exotic „magical“ objects and may even have enhanced their supposed powers at the time. Connecting the elite with distand lands, these items also underscored the collector’s own status, wealth, and erudition.“ Borschberg (2010), S. 29 zitiert Christoffs Hyebeles Rat an Philip Eduard Fugger aus dem Jahr 1598, mit dem er dem reichen Kaufmann rät, immer – ungeachtet der Kosten – einen Bezoar gegen Vergiftungsversuche bei sich zu tragen. 30 Godan (1996), S. 81/82 zu den Schutzfunktionen von Mollusken allgemein. Zur Geburt der Perle aus Tautropfen bei Plinius (als Hochzeit des Himmels und der Erde) oder dem Blitz bis ins 18. Jahrhundert und den sich daraus ergebenden (Be-)Deutungen Ohly (1973) und Ohly (1974); Ohly (2002); Fricke (2012). 31 Muller (1937), S. 35 (Strande, Ausgabe 1614, S. 23): „Is t‘Porceleyn ghelijck, door ghener handen den konste / Geplaestert noch gevormt, maer wt s‘Naturen gonste / Den menschen toegheschickt end tot nut med-ghedeelt / Want t‘stof daer van bereyt veel boose qualen heelt.“ 32 Godan (1996), 5.2. Heilmittel, S. 84–86. Büttner (2000a), S. 18–20 (Die Perle als Heilmittel). 33 Schimmern (2013) S. 15 (Annette Möller); Mette (1995), S. 73; Schlüter/Rätsch (1999), S. 126–141. 34 Hansmann/Kriss-Rettenbeck (1966), S. 109: „Das Meer, dessen Stimme den Konchylien eingeboren scheint (Rauschen, Muschelhörner), ergibt noch andere Zuordnungen, zu denen die reinigenden und heilenden Kräfte des Wassers und des Salzes gehören.“ Müller (1986), S. 166; Godan (1996), S. 82/83; Grasskamp (2017) untersucht „breasted and breast-like vessels“. Ihr zufolge verglichen die Nürnberger Goldschmiede die großen Meerschneckenhäusern mit weiblichen Brüsten (S. 146) – eine Deutung, die nicht gänzlich überzeugt, da zeitgenössische Quellen diese Lesart nicht unterstützen. 35 Ungleich mehr Nautilus-Objekte als Turboschnecken sind erhalten; Mette (1995) gibt einen umfassenden Überblick, dazu die Besprechung Holländer (1995); Nautilus (1996) zu den 13 silber­

Anmerkungen I 293

gefassten Nautiluspokalen aus der Kunstkammer des Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen-Kassel und seiner Nachfolger. 36 Diese Materialien waren zwar kostbar, ließen sich aber nicht einschmelzen und damit zu Geld ummünzen oder in modernen Gefäßformen wiederverwenden – mit einer der Gründe, warum vergleichbar viele Werke aus dieser Gruppe erhalten sind. 37 Einige Beispiele bei Thomas (2007), S. 36/37. 38 Pazaurek (1937), S. 41: „Außer Augsburg sind von deutschen Städten an den Nautilus- und Turbofassungen mit besonders gelungenen Stücken u. a. beteiligt: Basel, Bautzen, Berlin, Breslau, ­Danzig, Dresden, Kopenhagen, Leipzig, Torgau, Wien und Zürich, weitaus am meisten Nürnberg, wo neben verschiedenen Mitgliedern der Jamnitzer-Familie namentlich die Goldschmiede J. Claus, P. Dulner, F. Hillebrand, H. Jonas, H. Keller, H. A. Lind, H. Petzold, C. Ritter, N. Schmidt, J. Wolff gerad in diesen Arbeiten miteinander wetteiferten.“ Lipinsky (1977), S. 4; Meinz (1964), S.  22; Witting (2015), S.  27; Corradini (1993), S.  88. In Italien wurden kaum Nautilusse oder ­Turbanschnecken von Goldschmieden verarbeitet, Mosco (2000), S. 42. In mittelalterlichen Sammlungen kamen vereinzelt Nautilusse und Seeschnecken vor, Leitermann (1953), S. 62; Schroder (2007b), S.  33; Tax (1997), S.  375, Abb.  63; Nautilus (1996), S.  22, kennt Beispiele bis ins aus­ gehende 17. Jahrhundert. 39 Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. IV 157 (Kanne) und IV 248 (Becken): Perlmuttergarnitur, Perlmutterarbeit: Gujarat (Indien), vor 1592, Goldschmiedearbeit: Niclaus Schmidt, Nürnberg, um 1592/94, Durchmesser des Beckens 56 cm, Höhe der Kanne 40 cm. Das Becken trägt das Meisterzeichen von Niclaus Schmidt, die Kanne ist unbezeichnet. R3 4030fg; Sponsel (1925), S. 51/52 und Kanne S. 138, Tafel 32, Becken S. 136, Tafel 31; Pazaurek (1937), S. 42; Hayward (1976), S. 383, Abb. 476 und 477; Lipinsky (1977), S. 5; Schroder (1988), S. 518; Sangl (2001), S. 267/277; Syndram (2004a), S. 52/53; Kunstkammer (2012a), S. 252; Sangl (2007), S. 260/261. 40 Rosenberg (1922/1925), 4030 f, Sponsel (1925), Tafel 31. 41 https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/117910 [aufgerufen 1. März 2020]. In ihrer Untersuchung zur Polychromie von Goldschmiedeobjekten weisen Richter/Weinhold/Witting (2018), S. 18 auf die Garnitur als ein Beispiel für eine falsche Bezeichnung in den Inventaren hin; dort wir das Lavabo genannt, dessen „eingeschmelzte(n) farbenn“ sich bei der Reinigung als „gemahlte lasur farben“ herausstellt hatten, Abb. 1, S. 19. 42 Weihrauch (1976), S.  106. Das Ätzverfahren beschreibt der holländische Verwaltungsbeamte, ­Botaniker, Sammler und Naturforscher Georg Eberhard Rumpf (1627–1702) in seiner Amboinische Raritäten-Kammer oder Abhandlung von den steinschaalichten Thieren welche man von Schnecken und Muscheln nennet. Rumpf lebte auf der Inselgruppe der Mollukken (auf Ambon) und kannte das Verfahren offenbar durch eigene Anschauung, Sarton (1937), Nr. 2, S. 242–257. Sein in Holländisch verfasster Text erschien 1705, eine deutsche Übersetzung wurde durch den Wiener Buchhändler Johann Paul Krauß (Druckort Nürnberg bei Fleischmann, 1766) beauftragt. Im zweiten Kapitel (Von dem grossen oder dicken Schifskuttel. Nautilus major sive crassus) beschreibt Rumpf das Verfahren ausführlich, S. 9. 43 Mathew (1997), S. 151–194. 44 Gerritsen/Riello (2016), S. 14–19. 45 Meilink-Roelofsz (1962), S. 62 zu Gujarat als Handelsplatz vor 1500. 46 Wiesner (1992), S. 395–406; Sangl (2001), S. 263: „In Indien und den anderen Herkunftsländern des exotischen Materials bestand zur Zeit der portugiesischen Entdeckungen Anfang des 16. Jahrhunderts bereits eine jahrhundertealte Tradition der kunstvollen Verwendung von Perlmutt, deren Produktion durch die Wünsche der europäischen Sammler in großem Ausmaß angeregt wurde. Diese importieren Objekte – zumeist Schalen, Spielbretter, mit Perlmuttplättchen belegte

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Kästchen – sind wie kaum andere geeignet, die so überraschend schnell stattfindende wechsel­ seitige Beeinflussung westlicher und orientalischer Dekoelement im 16. Jahrhundert zu verdeutlichen.“ 47 Felgueiras (1996); Thornton (2015), S.  292: „Turban shells were especially prized for making ­display pieces for Kunstkammern, using either whole shells or plaques of mother-of-pearl. By 1600 Western merchants commissioned sets of mother-of-pearl vessels from Gujarati craftsmen in Western forms.“ Jordan Geschwend (2004) und Jordan Gschwend (2015) mit dem Hinweis, dass der französische König Franz I. im Jahr 1529 das erste dokumentierte Perlmut-Objekt aus Gujarat von einem in Lissabon ansässigen Händler ankaufte. 48 Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. IV 181 und IV. 256; Exotica (2000), Kat. Nr. 67 [SS], S. 160– 162; Sangl (2001), S. 267, dort mit Abb. 5. 49 Rosenberg nennt Elias Lencker und Wenzel Jamnitzer als Lehrmeister; Kris (1932a), Kat. Nr. 50 und 51, S. 34–36 und Tafel 36–39 sieht die Beziehung zu Jamnitzer durch die Prunkkassette in Dresden belegt; Bachtler (1978), S. 76: „Am 24. Oktober 1581: Jakob Pane von Antorf, Nicklas Schmidtt von Greifswaltt aus Pommern hatt sein zeitt bey Elias Lencker vnd Wenzel Jamnitzer gearbeytt, und bringtt bey einem Erbarn Radtt mitt einem supplicacionem zu wegen durch vorbitt Wenzel Jamnitzer, das er newen ein andermn in die meysterstück einsitzen soll...“; Künstlerlexikon (2007), S. 909/910. 50 Hampe (1904), Nr. 560, S. 92/93. 51 Syndram (2004a), S. 52/53. 52 Künstlerlexikon (2007), s. v. Rehlein. 53 Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. III 244, Maße 23,0 x 36,0 x 22,5 cm, https://skd-onlinecollection.skd.museum/Details/Index/117556 [aufgerufen 18. November 2018]. 54 Vgl. ein mit Perlmutt verkleidetes Kästchen aus Ambras (heute im KHM in Wien), das aus Teakholz besteht und ebenfalls mit Perlmuttplättchen belegt ist und den „Prototyp“ dieser indischen Werke ohne europäische Weiterverarbeitung darstellen soll, Wien, KHM, Inv. Nr. PA 861, in: Alle (2001), Kat. Nr. 65, S. 114, mit Abb. S. 104. 55 Künstlerlexikon (2007), S. 1352; Sponsel (1925), S. 40: „Es scheint, Peter Flötner ist der erste gewesen, der den hohen ästhetischen Wert der in allen Farben schillerndes Perlmutterplättchen erkannt hat und der diesem heute durch unkünstlerische Behandlung entwerteten Material neben der kunstvollsten Bearbeitung von Gold und Silber diesem gleiche Bedeutung verschafft hat.“ 56 Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. IV 115, Maße 50 x 57 x 39 cm. Sponsel (1925), S. 47 geht davon aus, dass Niclaus Schmidt (Meister 1582) als Mitarbeiter von Jamnitzer den Kasten arbeitete, der innere Metallrand des Kastens trägt sein Markenzeichen. Heute wird sie auf 1588 datiert und gilt als Entwurf Jamnitzers, nach dem Schmidt arbeitete; Rosenberg (1922/1925), 4030c; Syndram (2004a), S. 38/39. 57 Witting (2020), S. 54–57. 58 Syndram (2012), S. 36, Inventar der Kunstkammer 1595, fol. 168v-169r, 167v-168r (Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. IV 145). 59 https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/118375 [aufgerufen 12. September 2017]; im Deckel befand sich eine heute nur noch fragmentarisch erhaltene Uhr. 60 Die Darstellungen der Könige basieren auf Entwürfen des Nürnberg Goldschmieds Peter Flötner, der vielfältige Vorlagen entwarf. 61 https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/117577 [aufgerufen 12. September 2017]. 62 London, ehemals Lantern Lobby, Windsor Castle, nun The Queen’s Gallery, Buckingham Palace, Inv. Nr. RCIN 50603; Höhe 50,8. Der Pokal trägt das Beschauzeichen Nürnbergs sowie die Meistermarke von Niclaus Schmidt. Er wurde 1822 in Wanstead House, Essex versteigert und für die

Anmerkungen I 295

Sammlung im Jahr 1823 durch George IV. angekauft, die weitere Provenienz ist unbekannt, ­Treasures (2002), S. 19 und Kat. Nr. 196, 274–276; Hayward (1976), S. 382/383, Abb. 473. Im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg ist eine Zeichnung des Pokals erhalten; sie ist auf der Rückseite auf 1610 datiert, die Beischrift besagt, dass der Pokal ein Geschenk war, das dem Schreiber für sein neues Haus überreicht worden war, Pechstein (1981), S. 57. Möglicherweise gehörte der Pokal der Familie Peller, deren Haus 1610 erbaut worden war, und das in der Giebeldekoration einen Jupiter zeigte, Schürer (2001), S. 236–238. 63 Witting (2018), S. 103. 64 Lipinsky (1977), S. 8. 65 Witting (2015), S. 27: „Neben dem Motivspektrum der sonst üblichen Trinkgefäßausformungen wie männlichen und weiblichen Gestalten ohne Identität, mythologisch-allegorische Figuren oder eben nicht-figurale Schäfte sind besonders bei den Nautilus- und Schneckenpokalen drei Themengruppen vorherrschend: das mittelalterliche Formenrepertoire, die Vertreter fremder Völker und maritime Motive.“ 66 Eser (2007), S. 13; die Kanne in Dresden wird allerdings von der Forschung in Teilen nicht gut bewertet, so Lipinsky (1977), S. 5: „So gut dieser [der Jupiter-Pokal] gegliedert und aufgebaut ist, so erscheint die „Drei-Trochus“ Kanne schwach und ist vielleicht als ein Jugendwerk zu bewerten.“ 67 www.khm.at/de/object/6ffc79f9de/ und www.khm.at/de/object/874e89c155/ [aufgerufen 17. September 2017]. Zu dieser Kanne auch Paulus Rainer, Kat. Nr. III.16, in: Sammeln (2012), S. 164 und Abb. 165; Kris (1932a), Kat. Nr. 50 und 51, S. 34–36 und Tafel 36–39; Sangl (2001), S. 267. Schürer (2002), S. 191–194 mit dem Hinweis auf die Änderungen im Einsatz von Perlmutt, die Schmidt einführte und die auch bei seinen Zeitgenossen Christoph Jamnitzer, Urban Wolff und Friedrich Hillebrandt zu beobachten ist – und die auf orientalische Vorbilder rückführbar ist. 68 Wien, Kunsthistorisches Museum, KK_1124. 54 x 22 x 17,5 cm; Meistermarke MZ 0809 und Nürnberger Beschauzeichen BZ 09, vgl. Paulus Rainer: Kat. Nr. III.16, Kanne einer Lavabo Garnitur, in: Sammeln (2012), S. 164, Abb. 165; Exotica (2000), S. 295, Kat. Nr. 229 [HT], Abb. S. 297; Kunstwerke (1871), S. 12, mit Abbildungen auf zwei Tafeln [nicht nummeriert, aber Tafel 47 und 48] in der 5. und 6. Lieferung. 69 Kris (1932a), S. 35/36 weist für den Kannenentwurf auf Vorbilder von Wenzel Jamnitzer hin, genauer auf die Kannen in Ragusa und Mailand (Jamnitzer (1920), Tafel 25 und 34); die „Pfeifen“ der Kanne sieht er mit Werken Hans Petzolt verbunden. 70 Grasskamp (2017), S. 147, Abb. S. 149 sieht in der Verbindung der beiden weiblichen Figuren an Ausguss und Handhabe mit ihrem bloßen Oberkörpern und den Perlmuttscheiben eine direkte Anspielung auf weibliche Brüste. 71 Exotica (2000), Kat. Nr. 229 [HT], S. 295: „Die Nürnberger Vorliebe für Perlmutt-Einlegearbeiten könnte auf bewusste Nachahmung orientalischer Techniken zurückgehen.“ 72 Residenz München, Schatzkammer, Kat. ResMüSch. 567, Zierkanne, 32,5 x 13,2 x 9,6 cm; vergol­ detem Silber und Emaille, Turbanschneckenhäuser; Lipinsky (1977), S. 4; Schatzkammer (1964), S. 233, Kat. Nr. 567, Abb. 37 und S. 12; Leitermann (1953), S. 69. In einigen Überblickswerken zur Goldschmiedekunst ist die Kanne vertreten, vgl. Kohlhaussen (1955), S. 303, Abb. 266; Hernmarck (1978), Kat. Nr. 158. Die Kanne wird zudem häufig als „typisches“ Werk von Jamnitzer abgebildet, so auch 2008 auf einer Briefmarke zum 500. Geburtstag des Künstlers zusammen mit zwei geometrischen Körpern aus der Perspectiva corporum regularium; die Kanne erscheint als exemplarisches Beispiel der Goldschmiedekunst des 16.  Jahrhunderts in Aufgang (1952), S.  113, Kat. Nr. M (Fürstliche Lebenshaltung) 33, Abb. S. 71; Triomfe (1955), Nr. 425, mit s/w Abb. Nr. 87; Chastel (1968), S. 168, im Kapitel IV. Fest und höfische Kunst, Das Wunderbare, 6. Belebte Strukturen; Brunner (1977), S. 157 mit Farbabbildung 152; Schroder (1988) bringt die Kanne S. 518 mit

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Abb. 118 (s/w) als Vergleichsbeispiel für eine weitere Turbanschneckenkanne. Ebenso wird die Kanne in Arbeiten zum Material (Perlmutt bzw. Turbanschnecken) erwähnt: Pazaurek (1937), S. 40; Lipinsky (1977), S. 4 und 12; Woldbye (1983), S. 25. 73 Münchner Schatzkammer-Inventar von 1747 (laut Schatzkammer (1958), S. 210 und Schatz­kammer (1964), S.  234). In Schatzkammer (1964) listet Thoma ein umfassendes Quellenverzeichnis, darunter das Hausschatzinventar von 1707, das Schatzkammerinventar von 1730, von 1745 und 1747, von 1752, 1774, 1783, 1785. Die Beschreibung der Schatzkammer von 1778 Albert Friedrich Bartholomäi (erschienen in Augsburg) bietet ein kurzes Verzeichnis der Gegenstände ohne weitere Angaben. In dem von Emil von Schauss vorgelegten Historischen und beschreibenden ­Catalog der königlich bayerischen Schatzkammer zu München von 1879 wird die Kanne im zweiten Sammlungskasten beschrieben, von Schauss (1879), S. 143/144, Schrein B, mit der Nummer ­B. 75; Schatzkammer (1931): Die Jamnitzer-Kanne befindet sich in Vitrine III (Nr. 106–191: Goldschmiede­ arbeiten und geschnittene Steingeschirre des 16. und frühen 17. Jahrhundert; Limousiner Arbeiten); S. 42, Nr. 140: Zierkanne, mit Abb. 24; Meisterwerke (1954), 60; Thoma (1955), Nr. 50: s/w Abbildung und S. 14; Schatzkammer (1958), S. 210/211; Schatzkammer (1964), S. 233/234, mit Nr.  567 die Zierkanne von Wenzel Jamnitzer (Abb.  37); Schatzkammer (1970), S.  240/241, Kat. Nr. 567 mit s/w Abb. 49. 74 Die Kanne trägt das Beschauzeichen von Nürnberg sowie die Meistermarke Jamnitzers. Beschauzeichen Rosenberg (1922/25), Nr. 3758; Meistermarke Rosenberg (1922/25), Nr. 3832t. 75 Ein vergleichbarer Entwurf findet sich auf einem Blatt der einundzwanzigteiligen Stichserie von Cornelis Floris von 1548. Das Gefäß zeigt ebenfalls kleine Schlangen, über die eine Schnecke kriecht – nur erheben sich von dort zwei Meerwesen mit verschlungenen Fischleibern als Trägerfiguren einer Muschel, Mette (1995), S. 150–157 zu Goldschmiedeentwürfen mit Nautilus und Schnecken am Fuß oder Schaft platzieren, S. 154 zur Entwurfsserie von Floris. 76 Lipinsky (1977), S. 4. 77 Ein vergleichbares Nebeneinander unterschiedlicher Farbwerte, Techniken und Materialien zeigt Jamnitzer auch am Merkelschen Tafelaufsatz; bei beiden Werken treten die Techniken additiv und auf eine bestimmte Stelle beschränkt auf. 78 Hayward (1967), S. 154; Wenzel Jamnitzers Kanne aus Berlin, Kunstgewerbemuseum, Inv. Nr. O 1989, wurde als erste nordalpine Ausführung dieses Typus vorgeschlagen, Eser (2007), S. 16, mit Abb. 7, der eine Datierung 1541/49 vorschlägt. 79 Weinhold (2011b), S. 146/147. Zu den gravierten Nautilussen in den Wiener Beständen unter dem Begriff der „ungedruckten Stiche“ Weixlgrätner (1911), S. 335–337. 80 Zur Technik der Feuervergoldung Clasen (1975), S. 25. 81 Weinhold (2011a). 82 Lipinsky (1977), S. 13. 83 Geyer zieht 1572 von Halle nach Leipzig und tritt bei Adrian Schmal in die Lehre; 1577–1579 ist er als Geselle bei Simon Kitzinger nachweisbar, bis 1589 ist sein weitere Weg nicht bekannt; Menzhausen (1963), S. 7/8 vermutet aufgrund von formalen Lösungen seiner Werke einen Aufenthalt in Nürnberg oder die Kenntnis von Werken von dort. Am 10. Juli 1589 wird Geyer Goldschmiedemeister in Leipzig und erwirbt am 1. August 1589 das Bürgerrecht. Als bedeutender Meister erhält er wichtige öffentliche Aufträge und Ämter: 1597 arbeitet er zusammen mit Hans Reinhart d. J. den Einband der Eidbibel des Leipziger Rates, 1605 allein den zweiten Einband; er ist Schaumeister (und Obermeister) von Leipzig 1601–1603 sowie 1616–1618; Geyer stirbt im Januar 1634. 84 Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Triton, Inv. Nr. IV 118; Neiride, Inv. Nr. IV 116; Basilisk, Inv. Nr. IV 158; Einhorn, Inv. Nr. IV 133 und fünf Hippokampen, Inv. Nr. IV 4; IV 6; IV 126; IV 289 und IV 295. Zum Triton Menzhausen (1963), Kat. Nr. 17, S. 54/55. Der Triton trägt weder Meisterzeichen noch

Anmerkungen I 297

Beschaumarke und ist im Kunstkammerinventar von 1610 erstmalig erwähnt; Menzhausen (1963), S. 55/56, Nr. 19; Glanz (2004), S. 227, Kat. Nr. 110; Syndram (2007), S. 73–87. Willert/Herm/Hoblyn/ Richter (2018), S. 52, Abb. 9 (Farbabbildung mit der farbigen Fassung): Der Kamm des Basilisken ist mit einem lasierenden Farblack über einer opaken Farbschicht aus Zinnober und Mennige bemalt. Eine Abbildung aller fünf Seepferde mit Reiter bei Weinhold (2018b), S. 119. 85 Diese Annahme wird durch die Beschreibungen in den Kunstkammerinventaren von 1610 und 1619 gestützt. 86 Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. IV 127 und IV 132, Syndram (2004a), S. 50/51 (dort zusammen mit dem Kentaurenautomaten, Inv.  Nr.  IV 50). Genannt werden „1 Meerlewe mit einer ­Hellebarten“, „1 Greiff mit einer Hellebarten“ und „1 Meerpferdt mit dem Neptuno“, Menzhausen (1963), S. 6; Witting 2020), S. 24. 87 Budapest, Museum der Angewandten Kunst, Inv. Nr. I8 899; Das Werk trägt eine Meistermarke; András Szilágyi: Kat.  Nr.  314, in: Renaissance (1988), Abb.  S.  102. http://gyujtemeny.imm.hu/ gyujtemeny/asztaldisz-tengericsiko-par/1365 [aufgerufen 19. September 2016. 88 Ebert-Schifferer, Sabine: Kat. Nr. 177: Tafelaufsatz. Seepferd mit Neptun, in: Faszination (1992), S. 245 verweist auf die „Quos ego“ Episode aus Vergils Aeneis (Buch 1, 124–153), in der Neptun die entfesselten Fluten (= die Aufruhr des Pöbels) bändigt, so dass über seine Figur ein Bezug zum besonnenen und friedenstiftenden Herrscher hergestellt wird. 89 Scherner, Antje: Kat. Nr. 2/21; in: Vielfalt (2005), S, S. 90. 90 Eine Lehrzeit Geyers in Nürnberg wird für möglich gehalten; zudem verweist Menzhausen (1963), S.  11/12 auf einen im Dresdner Grünen Gewölbe aufbewahrten Straußeneipokal von Niclaus Schmidt, bei dem die Gußstücke zum Verbinden von Lippenrand und Fuß von Nautilus-, Kokosnuss-, oder Straußeneipokalen denjenigen stark ähneln, die auch Geyer verwendete, so dass er einen gemeinsamen Werkstattzusammenhang vermutet. 91 Sangl (2001), S.  271: „Die Fugger kauften in großem Maßstab vor Ort beziehungsweise in Portugal und vermittelten diese Importe sowohl zu den Werkstätten der Augsburger und Nürnberger Pretiosenhändler als auch direkt zu den großen Messen in Leipzig und Frankfurt am Main.“ 92 Syndram (2004a), S. 50. 93 Menzhausen (1963), S. 8. Rainer Rückert sieht eine direkte Rezeption von Werken Nürnberger Goldschmieden durch Geyer, der deren Werke in der Dresdner Kunstkammer rezipieren konnte, Rückert (1964), S. 357. 94 Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. III 247, 26,8 x 43,5 x 28 cm; vgl. auch die Perlmuttgarnitur aus London, British Museum: zwei Kerzenleuchter (Inv.  Nr.  OA+2643.1–2), zwei Krüge (Inv. Nr. OA+2645.1–2), eine Schale (Inv. Nr. OA+2644) und einem Flakon (Inv. Nr. OA+2642), der aus einer Turboschnecke gearbeitet ist. Gujarat, Indien, frühes 17. Jahrhundert; Thornton (2015), Abb. 4 auf S. 292; S. 114: „The Portuguese exported these luxury caskets form India to Europe as princely treasures for Kunstkammern. Already by 1529, Francis I had a Gujarat chalice, while the 1537 inventory of his treasury at the Palais du Louvre mentiones objects with mother-of-pearl scalework (enrichiz de camayeulx de porcelaine).“ Encounters (2004), S. 252–253, Abb. 19.1; Wills (2007), S. 1–8; Sangl (2007), Abb. 4: Reisekästchen, Elias Geyer (1589–1592). 95 Sangl (2001), S. 273–277 unterscheidet die beiden Techniken: Bei Geyers Kassette wie auch in vielen anderen Objekten wurden „zahllose, stark farbig schillernde Perlmutt-Plättchen in relativ einheitlichen Formen auf einen hölzernen Trägergrund aufgeleimt [...]. Die Zwischenräume wurden mit dunkel kontrastierendem Lack oder Mastix ausgefüllt [...]. Neben einfacheren Beispielen stellt jenes Kästchen im Grünen Gewölbe, das zwischen 1589 und 1592 von Elia Geyer gefasst wurde, eines der kostbarsten Exemplare dar. [...] Die zweite Dekorationsvariante bestand darin,

298 I Turbanschneckenkanne

eckig oder lanzettförmig geschnittene Perlmuttplättchen fugenlos aneinander zu setzen und ­deren Haftung auf dem Untergrund mit mittigen Metallstiften zu erhöhen.“ 96 Vielfach erfolgte der Ankauf über Zwischenhändler, Syndram (2012); zur Rolle von Veit Böttiger Menzhausen (1963), S. 6 und Weinhold (2006), S. 447. 97 Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. IV 189 und Inv. Nr. IV 287, Gujarat und Leipzig, Elias Geyer (um 1560–1634). Durchmesser des Beckens 60,1 cm; Höhe der Kanne 35,2 cm. 98 Sponsel (1925), S. 51: Kat. Nr. VIII.17, a+b. 99 Mundos (2007), S. S. 490/491, Abb. S. 256; Glanz (2004), Kat. Nr. 100. 100 Sangl (2001), Abb. 281; Mundos (2007), Kat. Nr. VIII.18 (Jan Werquet); Elias Geyer, Leipzig um 1613–1615, Dresden, SKD, Grünes Gewölbe (SKD), Inv. Nr. III 207 in: Glanz (2004), Abb. S. 265; Exotica (2000), S. 164–168. 101 Ein Nautiluspokal, Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. III 160; die Nephritpokale Inv. Nr. IV 196, IV 199, IV 259 und IV 262; vier Straußeneipokale: Inv. Nr. III 115, III 128, III 227, III 228. Im Kunstkammerinventar werden sieben Straußeneipokale erwähnt. Am 4. Dezember 1605 kaufte Christian II. von Veit Böttiger insgesamt 5 „Tringkgeschirre als Triangel von Lapide Nefritico in vorguldt Silber gefast“. Menzhausen (1963), S. 5/6 zitiert das Inventarium über die churfürstliche sächsische Kunstkammern im Schloß und Vestung Dreßden vom 1. August 1610, dort werden als weitere Werke des Meisters gelistet: „7 Straußen Eier in silber gefast, Possirt wie ein Strauß, darunter 4 vergüldet; 5 Trinckgeschirr von silber vergüldt und mit Perlenmutter, als: 1 Basiliscus von Perlenmutter und silbern vergüldten beschlag hindenn mitt einem Mänlein, so das Horn bläset; 1 Einhorn von Perlenmutter und silbern vergüldten Beschlag, sambt einem Mänlein; 1 Meerpferdt von Perlenmutter silbern und vergüldten beschlag, sambt dem Neptuno mit einem silbernn Ziegell; 1 Meermänlein von Perlenmutter mit einem Schildt und Dissagken [Degen] mit silbern und vergüldtenn beschlag; 1 Meerweibesbildt von Perlenmutter mit einem Pflizbogenn, auch mit silbern vergüldtenn beschlag; 1 Kästlein auff vier silbern vergüldtenn Lewen stehend, mit silber beschlagenn, und Perlenmutter eingelegt, mit No 1. gezeichnet [es folgt die Beschreibung des Inhalts].“ 102 Da aber diese Bezeichnung aus der Kunstkammerinventar von 1610 stammt, ist zu fragen, ob es sich tatsächlich um einen Basilisken oder um ein anderes Fabelwesen, beispielsweise einen Drachen handeln soll: Denn ein sogenannter Drachenpokal befindet sich in Schwerin, Staatliches Museum – Kunstsammlungen, Schlösser und Gärten (Turbanschneckenpokal, Inv. Nr. KH 887), aus herzoglichem Besitz; Nürnberg (?) um 1600, der Fuß von Johann Joachim Busch (Schwerin 1720– 1902 Plau), Schwerin 1752. Däberitz, Ute: Kat. Nr. 2/28 Turboschneckenpokal, in: Vielfalt (2005), S. 95; Schimmern (2013), Kat. Nr. 165 (Annette Möller), S. 248–251 mit Abbildung S. 249: Der Drachenleib wird aus dem Gehäuse des turbo marmoratus gebildet, der Deckel ist als geschuppter Kopf getrieben, darunter tragen zwei gegossene Krallen mit kurzen Beinen das Schneckenhaus. 103 von Falke (1918), S. 75–92 beschreibt Hans Petzolt als den Erneuerer des gotischen Buckelpokals um 1600; Böhm (1939); Hayward (1967), darin: Part 4: The Followers of Wenzel Jamnitzer, S. S. 162–167; Schürer (1984), S. 175; Pechstein (1985), S. 34. Rieß (2017b) zitiert einen Brief aus Prag an den Goldschmied Hans Petzolt, in dem sich der unbekannte Absender erkundigt, ob eine übersandte Meerschnecke heil in der Nürnberger Werkstatt ankam. 104 Hampe (1904), Nr. 2032: Ratsbeschluss zum 11. Oktober 1605. 105 Künstlerlexikon (2007), S. 1131. 106 Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum, Inv. Nr. KK hellblau 9 und KK hellblau. Der Pokal wurde von Hayward (1976), Tafel 476  – wahrscheinlich irrtümlich  – in Budapest lokalisiert. Lipinsky (1977), S. 4, Anmerkung 11, und Schroder (1988), S. 518, folgten ihm. Fleischhauer (1976),

Anmerkungen I 299

S. 5/6 sowie Hernmarck (1978), Kat. Nr. 159 hingegen nennen aus dem Nachlass von Herzogin ­Sibylla die zwei Pokale, die Schnecken integrieren; so auch Böhm (1939), Nr. 28, Tafel VI; Jamnitzer (1985), Kat. Nr. 67. Sehr gute Farbabbildung in Schätze (2016), S. 78. http://www.museumdigital.de/bawue/index.php?t=objekt&oges=4732 [aufgerufen 19. Dezember 2019] 107 Fleischhauer (1976), Abb. 29, S. 5/6 (Die Kunstkammer Herzog Friedrichs I. (1557–1608, reg. ab 1593. Kapitel 2: Der Kunstbesitz der Herzogin Sibylla), dort S. 62 das Inventar der Kunstkammer (HStASt A 202, Bü 2394, A 248 Bü 7): „ein Meerschneck von der Art Coelestinae mit einem Silber und verguldten Deckel auf dergleichen Fuß in Form eines Trinkgeschirrs darauf Fortuna stehet.“ 108 Esterházy (2006), Kat. Nr. 13, zum Prunkpokal mit der Prudentia (Inv. Nr. E 60.15), S. 70, Abb. S. 71 gesamt und S. 72 der Prudentia. 109 Esterházy (2006), S. 70 schlägt vor, die Trägerfigur als „Nereus, der nach archaischen mythischen Vorstellungen vor Poseidon die Meere beherrscht hat“ zu deuten. Scalini (1993), S. 57 nennt den Pokal von Petzolt in Budapest als eines der Beispiele, bei dem der Fuß einen thematischen Bezug zur Konchylie hat. 110 Schürer (2002), S. 191. 111 Nürnberg, GMN, Inv. Nr. HG2147. http://objektkatalog.gnm.de/objekt/HG2147 [aufgerufen 9. September 2017]. Leihgabe der Johann Carl von Schlüsselfelder‘schen Familienstiftung- Pechstein (1987), S. 23 (im Unterkapitel „Wunderliches Trinkgerät“); Rieß (2017a). 112 Essenwein (1887), S. 41: „Die Höhe des ganzen Gefäßes mit Deckel beträgt 38,5 cm, sein Gewicht 1253 Gramm. Das Werk zeigt das nürnbergische Beschauzeichen, sowie einen Stempel mit den Buchstaben F. H., welcher dem nürnbergischen Meister F. Hillebrand angehört, der um die Wende des 16. und 17. Jahrhunderts lebte und gerne Muscheln und ähnliches Material verwendete. Im Innern des Deckels auf einem gravierten Plättchen das Allianzwappen der Schlüsselfelder und Löffelholz und die Jahreszahl 1595.“ Abb. 10; Monster (2015), S. 110 und Kat. Nr. I.39. 113 Bimbenet-Privat/Kugel (2017), Kat. Nr. 14, S. 108, Abb. S. 109. Er ist mit dem Beschauzeichen von Nürnberg (N) sowie dem Meisterzeichen FH bezeichnet. Höhe 33,5 cm, Fußplattendurchmesser 10,9 cm, Durchmesser der Cuppa 12,2 cm. Ehemals aus der Sammlung Mayer Carl de Rothild, durch Salomon de Rothschild 1922 an das Museum Cluny; Meister (2007), Nr. 357/03; Rosenberg Nr. 4017b; Kjellberg (2000), S. 16 (Abb.). 114 Kassel, Staatliche Museen, Inv. Nr. BII, 72: Höhe mit Deckel 43 cm; Durchmesser des Fußes 11,8 cm, Gewicht 1131,5 Gramm; Beschauzeichen: N für Nürnberg. Meisterzeichen: Fünfblättrige Blüte in herzförmigem Feld für Bartel Jamnitzer. von Drach (1888), S. 14; Rosenberg (1920), Nr. 20, Tafel 20; Pazaurek (1937), S. 42/43; Link (1975), Abb. 18; Weihrauch (1976), S. 105; Jamnitzer (1985), Kat. Nr. 59; Tait (1991), S. 79/80 und S. 86; Mette (1995), Nr. 257, 258; Nautilus (1996), Kat. Nr. 10, S.  48/49; Kümmel (1997); Schmidberger/Richter (2001), S.  154/155, Nr.  56; Schütte (2003), Kat. Nr. 21, S. 122–125. 115 In der Dresdener Sammlung finden sich weitere von ihm gearbeitete Objekte, die Nautilusse und die Häuser von Turbanschnecken integrieren, Sponsel (1925), S. 52/53 kennt einen Papagei und einen Falken, deren Köper aus Silber mit aufgelegten Perlmuttplättchen bestehen, Dresden, Grünes Gewöbe Inv Nr.  III 150, https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/117195 [aufgerufen 20. November 2018]; ein Trinkspiel in Gestalt eine Rebhuhns (Inv. Nr. III 150) – belegt mit Perlmuttplättchen (Abbildung Weinhold (2018a), S.  76). Zu den Vögeln zählen ein Hahn (Inv. Nr. III 156) und eine Henne (Inv. Nr. III 193) sowie ein Schwan (Inv. Nr. III 143), bei denen der Körper aus Nautilussen gebildet wurde. Inv. Nr. III 156: https://skd-online-collection.skd.museum/ Details/Index/117194 [aufgerufen 20. November 2018], ferner ein Trinkspiel in Gestalt eines Hahnes mit Nautilus (Inv. Nr. III 193) https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/117193 [aufgerufen 20. November 2018] sowie ein Trinkspiel in Gestalt einer Henne mit Nautilus; die

300 I Turbanschneckenkanne

Abbildung des Schwans bei Weinhold/Witting (2018), S. 84. Auffällig ist, dass die Nautilusse von Hahn und Henne schon vor ihrem Transport nach Europa mit Figuren graviert wurden, so dass auch hier zwei Objekte zwischen den Welten entstanden. Vgl. zudem Dresden, SKD, Grünes ­Gewölbe, Inv. Nr. III 143; Inv. Nr. III 147; Inv. Nr. III 179, sowie Inv. Nr. III 184: https://skd-onlinecollection.skd.museum/Details/Index/117890 [aufgerufen 20. November 2018]: Jungfrauenpokal mit Turbanschnecke. 116 Witting (2015), S. 30. 117 Dittmann (2016), S. 91/92, Palissy Über die Metalle und die Alchemie, S. 106. 118 Büttner (2000a), S. 11: „Die besondere Materialwirkung des Perlmutts, der sogenannte Lüster, auch als Orient und Schmelz bezeichnet, entsteht durch das Zusammenwirken des Conchin-Farbtons, der Brechung des einfallenden Lichts durch die Aragonit-Kristalle in die Regenbogenfarben (Interferenz-Effekt) und einer „gewissen Durchsichtigkeit der obersten“ Kristallschichten.“ 119 Grasskamp (2017), S.  146 mit Verweis auf Julius Caesar Scaliger Exotericarum exercitationum (1557), fol. 136r, die Übersetzung bei Lightbown (1969), S. 231: „They are made in this fashion. Eggshells and the shells of umbilical shell-fish (named porcelains, whence the name) are pounded into dust, which is then mingled with water and shaped into vases.“ Scaliger vermutet, dass Porzellan aus den zerriebenen Schalen von Meeresmuscheln (marinorum conchas) geschaffen und dann für hundert Jahre vergraben wurde. 120 Newman (2004), S. 121 verweist auf Rezepte zur Herstellung von künstlichen Perlen, bei denen natürliche Perlen in Zitronenwasser gelöst und zu einer Masse verbunden werden, die schon im Stockholm Papyrus vorkommen. 121 Kemp (1995a), S. 191: „do not appear to involve any appearance or form of the art of sculpture, nor any labor of the hand of man“, zitiert nach Bernard Palissys Recepte Veritable, Palissy (1988), S. 133: „... ne tenant aucune apparence ni forme d’art d’insculpture, ni labeur de main d’homme.“ 122 Kemp (1995a), S. 191 verweist auf Ovids Beschreibung der Grotte von Diana (Metamorphosen 3, 157–162), die so erschaffen wurde, dass nicht mehr erkennbar ist, wo die Menschenhand arbeitete oder wo die Natur die „Menschenhand“ nachahmte: „wrought by no artist’s hand, but nature by cunning hand hat imitated art, for she had shaped a native arch of the living rock and soft tufa.“ Kemp (1999), S. 77. 123 Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. III 134, Turbanschneckenhaus, https://skd-online-collection. skd.museum/Home/Index?page=1&q=Turboschneckengehäuse [aufgerufen 20. November 2018]; Dolz, Wolfram: Kat. Nr. 2.53: Turboschneckengehäuse, in: Dresden & Ambras (2012), S. 178 mit Farbabbildung. 124 Inventar (2010): Inventar der Dresdener Kunstkammer von 1595, dort, fol. 76r/76v: Schneckenhäuser: Im 1. Zimmer, der „reiß cammer“. Pazaurek (1937), S. 40 zur Bezeichnung als Perlmutter, als Meerschnöggen oder auch indianischen Schneggen. 125 Fickler (2004), S. 61. 126 Fickler (2004), S. 64. 127 Fickler (2004), S. 65. 128 Fickler (2004), S. 65. 129 Fickler (2004), S. 118. 130 Fickler (2004), S. 139. 131 Fickler (2004), S. 140. 132 Fickler (2004), S. 61. 133 Amsterdam, Historisches Museum, Inv. Nr. OKA 18812; Wereld (1992), Kat. Nr. 64, S. 47, Maße: 9,5 x 15,5 x 13 cm, 134 Naturschätze (1991), S. 64–67.

Anmerkungen I 301

135 Rasmussen (1983) mit literarischen Quellen bis ins späte 13. Jahrhundert und dem sehr frühen Entwurf eines Hahnenpokals mit Nautilus (um 1360) in Regensburg (Abb. 3), zwei Zeichnungen aus dem Wittenbergischen Heiltum (Abb. 4/5), sowie den drei bekannten Beispielen aus dem Halleschen Heiltum (Abb. 6, 10 und 11) sowie drei erhaltenen Nefs. Spieß (2010) diskutiert die asiatischen Handelsbeziehungen im Mittelalter vor 1498, allerdings mit starkem Fokus auf den Edelsteinhandel (S. 18), S. 23–25 zu Nautilussen; Spufford (2010), S. 316–318 zum mittelalterlichen Perlen- und Edelsteinhandel aus Indien. 136 Sangl (2007), S. 257 und 259: „Vor der Eröffnung der Handelswege nach Indien im 16. Jahrhunderts infolge der Expansion der portugiesischen Seefahrer mussten sich die Künstler mit den kleinen Exemplaren der Seeschnecken des Mittelmeeres (Haliotidae) und aus dem Meer um die ­Kanalinseln vor den britischen Küsten (Haliotis Turberculata L.) begnügen. Selten gelangten Seeperlmuscheln (Meleagrina margaritifera L.) und Meeresschneckenmuscheln (Turbo marmoratus) in die Faktoreien jener Handelshäuser, die sich in Venedig – dem Haupthandelsplatz für Waren aus dem Orient und aus Afrika – niedergelassen hatten. [...] Die für größere Objekte geeigneten Muscheln, das heißt zoologisch korrekt die Gehäuse der Mollusken, also dem Tintenfisch im Nautilus-Gehäuse, und dem Gastropoden, der Meeresschnecke im Turbo marmoratus, mussten aus subtropischen und tropischen Gewässern, von der Malabar-Küste, dem Meer um Ceylon und von den Philippinen importiert werden.“ 137 Büttner (2000a), S. 21/22. 138 Malekandathil (1999), S.  2–22 zur Geschichte des Indienhandels im Mittelalter und der Rolle jüdischer Handelsverbünde u. a. über Fustat/Kairo und Alexandria nach Venedig; Jordan ­ Gschwend/Pérez de Tudela (2001); Moura Carvalho (2008), S. 2–5. 139 Kölmel (2019), S. 49 weist auf die „dingliche Dimension“ der Handelsnetze und das „mit Pfeffer gewürzte Speisen, in Maroquinleder gebundene Bücher oder auf dem Markt erworbene Baumwollstoffe Vorstellungen venezianischer Handelsgröße“ artikulierten; Schmidt (2015), S. 229 in vergleichbarem Sinn zur Verbindung von Karten und Waren: „Sources of early modern geography possessed a quality of “objectness,” or materiality, that allowed them to be readily rendered into consumable forms of material arts, and the material arts of this period, likewise, borrowed in all sorts of ways from forms (in this case) of print geography. Two-dimensional sources gesture in this way toward three-dimensional ones, and the reverse pertains as well.“ 140 Bouchon (1999), S. 48 zu den arabischen Handelskonsortien, die im Indischen Ozean am Ende des 15.  Jahrhundert entstanden und den verstärkten portugiesischen Einfluss; Siebenhüner (2011), S. 237 zu den globalen Waren, die seit 1500 verstärkt zirkulierten, darunter Zucker, Tabak, Kakao, Gewürze, Kattun, Chintz und Seide, Porzellan, Lacke, Edelhölzer, sowie Diamanten, Edelsteine (aber auch Muscheln und Seeschnecken), die über die Landroute und Venedig oder über die Seeroute um das Kap und die Handelsstädte Lissabon und Antwerpen auf die europäischen Märkte gelangten. 141 Behringer (2017), 5. Entwicklung in der Frühen Neuzeit. 142 Zum portugiesischen Einfluss in Malabar Malekandathil (2001). 143 Meilink-Roelofsz (1962), S.  13–26 zum prä-portugiesischen Handel im indischen Ozean und S. 136–172 zur Übernahme des Handels in Malakka durch die Portugiesen; Bouchon (1999), S. 36; Siebenhüner (2011), S. 240. 144 Zum Edelsteinhandel Teles e Cunha (2001), zum Händlernetzwerk S. 278–283. 145 Kellenbenz (1977), S. 281–305; Kölmel (2019), S. 56–60. 146 Mathew (1997), S. 154; Moura Carvalho (2008), S. 1. 147 Krendl (1980), S. 7; Kellenbenz (1991a), S. 85. 148 Walter (2014), v. a. S. 58–64 zu den Unternehmensstrategien der Welser und ihrem Handelsnetz; Huigen (2010), S. 3–5.

302 I Turbanschneckenkanne

149 Jordan Gschwend (2012), S. 11/12 zur Rua Nova in Lissabon mit den dort ansässigen Läden von Buchhändlern, Apothekern, Porzellanhändlern und anderen Verkaufsstätten für die importierten Luxusgüter aus Asien und Amerika; Jordan Gschwend/Pérez de Tudela (2001). 150 Sangl (2007), S. 259: Systematisch hatte die portugiesische Krone ihre Handelsstützpunkte aus­ gebaut. Alfonso de Alburquerque hatte 1510 die spätere Hauptstadt Goa erobert, 1511 das strategisch wichtige Malakka, 1515 Hormuz, den wichtigen Stützpunkt der moslemischen Händler. Damit eröffnet sich den Europäern der Markt bis hin zu den Inseln Australasiens bis Java, den Molukken und schließlich auch China und Japan. 151 So Gerritsen/Riello (2016), S. 8 mit Blick auf Objekte aus Porzellan. 152 Knowledge (2001), S. 132 und 149/150. 153 Kellenbenz (1991a), S. 82; Mathew (1997), S. 154/155; von Rohr (1939), S. 8–41 und S. 42–51. 154 Dieses enge Netz von Beziehungen ist an vielen Orten nachzuzeichnen: Konrad Peutinger war durch die Hochzeit mit Margarete Welser (Tochter von Anton I. Welser) mit dem führenden Handelshaus ebenso wie mit Lukas Rem (ein Sohn von Magdalena Welser, der Schwester von Anton I. Welser, vgl. dazu Kapitel 3.5) verwandtschaftlich verbunden; in seinem Besitz befanden sich viele Reiseberichte zur Neuen Welt, darunter der Kurze Berichtt aus der neuen Welt (1501) von Amerigo Vespucci, der Reisebericht von Vasco da Gama, der Bericht über die Fahrt von Petrus Alvarez Cabral, Vasco da Gamas zweiter Reise nach Indien sowie weitere, teils eigenhändig von Peutinger verfasste Briefe, Briefe (1861). Pieper (2000), S. 126–138 zur Verbreitung der frühen Entdeckungsreisen, zum Wissen über die Metalle in Amerika und zum iberischen „Informationsmonopol“, S. 211–244. 155 Gorgas (1997), S. 217/218. 156 Roeck (1992), u. a. S. 29 zu den Verkaufsstrategien von Hainhofer; Meadow (2002); Häberlein (2016), S.152/153 zu den Handelsnetzen der Fugger und Welser, zu den auf bestimmte Waren spezialisierten oberdeutschen Kaufleuten sowie zu Hans Jakob Fugger nicht nur als „Lieferanten, sondern auch als Berater beim Aufbau und der Ausgestaltung von Kunstkammern.“ Seibold (2014), S. 55–60 zu den Sammlern, die Hainhofer beriet; Jansen (2019), S. 133 und S. 245/246 zu Jacopo Strada und Hans Jakob Fugger, die Albrecht V. von Bayern beim Aufbau seiner Kunstkamme unterstützten. 157 Büttner (2000a), S. 79–82 zu Hainhofers Conchylien-Sammlung, die er hauptsächlich über den aus Amsterdam stammende Händler Peter Ludwig bezog; van Hogendorp Prosperetti (2006), S. 391; van der Veen (2015), mit Abb. 1. 158 Zitiert nach Woldbye (1985), S. 5. 159 Büttner (2000a), S. 111–116 zu „Conchylien in ausgewählten sammlungstheoretischen Schriften“, allerdings im 17. Jahrhundert. 160 Pieper (1999) zur Rolle von Gesandten im Tausch von Exotica; Malekandathil (1999), S. 61–74 zum deutschen Handel von Diamanten, Perlen und Edelsteinen aus Indien; Sangl (2001), S. 269 betont, dass der „Hauptteil der indischen wie auch der anderen asiatischen Kunstgegenstände als Beiladung zu den ökonomisch wesentlich wichtigeren Gewürzsendungen“ nach Europa gelangt. 161 Häberlein (2016), S. 163: „Exklusive Objekte, mit denen Renaissance-Fürsten ihre Kunstkammern bestückten, waren keine Handelsgüter im eigentlichen Sinne, da wichtige Kennzeichen eines Marktes, insbesondere ein größerer Interessenkreis und Mechanismen der Preisbildung, fehlten. Die Fugger und Anton Meuting waren daher keine „Händler“ mit Exotica und Kunstkammer­ objekten, sondern Agenten und Vermittler, die diese Güter als Gefälligkeiten oder im Rahmen diplomatischer Aufträge vom Sender an den Empfänger transferierten. Diese Objekte versprechen keinen bzw. nur einen geringen kommerziellen Gewinn; viel wichtiger war das Prestige, das mit ihrer Übermittlung verbunden war.“

Anmerkungen I 303

162 Weitere Perlmutt-Objekte finden sich in Dresden, SKD, Grünes Gewölbe: Sechs Trinkschalen aus Perlmutt und Silber, (Inv. Nr. III 31 KK1–4, III 31 II 1–2), Ende des 16. Jahrhunderts; abgebildet in Bujok (2007), Abb. 8, S. 246 und Kat. Nr. VIII.15A-F in Mundos (2007), S. 490 (Jan Werquet). Eine weitere Schale in Porto, Távora Sequeira Pinto Collection (1568); ein großes Perlmuttbecken in Wien, KHM, Kunstkammer, Inv.  Nr.  4095; ein weiteres in Kopenhagen, Nationalmuseet, Inv. Nr. EBC68, aus der königlichen Kunstkammer. Die Angaben nach Kat. Nr. 40 (Schale aus Perlmutt, Gujarat, um 1565, turbo marmoratus, Silber, Holz), in: Exotica (2012), S. 238/239. 163 Vötsch (2004), S. 97. 164 Sangl (2007), S. 261. 165 Sangl (2007), S. 261. 166 Häberlein (2016), S. 161; Sangl (2001), S. 270. 167 Mathew (1997), S. 7– 9 zum Privileg vom 13. Februar 1503, das der portugiesische König Manuel I. den deutschen Händlern (darunter Anton Welser und Konrad Vöhlin) ausstellte, dort abgedruckt als Appendix I, S. 239–244. 168 Sangl (2007), S. 262. 169 Bleichmar (2021), S. 3: „As Jessica Keatin and Lia Markey have documented, German und Italian inventories of the period attached variants of the adjective „Indian“ to objects that originated in the Americas, India, Africa, China, Japan and the Levant.“ 170 Vgl. dazu die Beiträge aus dem Band „The Global Lives of Things“, die von Forscher:innen aus dem Umfeld der Globalgeschichte/material culture verfasst wurden, und die sich u. a. mit Exotica (Federkunst, Korallen) befassen; u. a. Gerritsen/Riello (2016), S. 3 zu den „zones of interaction“, die schon im 13. Jahrhundert von Beijing bis zum Südchinesischen Meer reichten und damit Südasien mit den Machtbereichen von China, Japan und Korea verbanden; vergleichbare Kontaktzonen sind der Indische Ozean oder die durch die Seidenstraße verbundenen Gebiete. 171 Malekandathil (1999), S. 54–60. 172 Westermann (2001), S. 40. 173 Trümper (2016) S. 45/46 sieht die Bereiche „Welthandel“ und „Wissenschaft“ in den Bildern van der Asts präsentiert; Abbildungen mit Bezug zu den Muscheln: https://www.schnecken-undmuscheln.de/galerie/galerie_cassidae.htm und https://www.schnecken-und-muscheln.de/galerie/ galerie_turbinidae.htm [aufgerufen 2. Januar 2020]; van Hogendorp Prosperetti (2006), S. 402. 174 Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Gal.-Nr. 1257, Öl auf Eichenholz, 29 x 37 cm. Segal (1989), Farbtafel 14, S.  88 identifiziert die abgebildeten Häuser als Conus ermineus (Karibik), Murex ­Pomum (Karibik), Conus marmoreus (Indischer Pazifik), Murex sec. Turbo marmoratus, poliert (Indo-Pazifik), Melongena morio (Karibik), Cypraea tigris (Indo Pazific), Cittarium pica (Karibik), Murex brunnens (Indo Pazifik) und harpa harpa (Indo Pazifik); Lokin (2016), Abb. 12, S. 64. 175 Cameron (1961), S. 25/26; Segal (1989), S. 77. 176 Dance (1985), S. 15. 177 Schimmern (2013), S. 148 (Annette Möller). 178 Schürer (1992), S. 85–88. 179 Lichtwark (1888), S. 91. 180 Forssman (1956), S. 129: „Mit der Aneignung der Formeln [Vitruv und die Grotteske] vollzog sich schon ein schöpferischer Prozess, und je souveräner man die Formeln zu gebrauchen wusste, desto mehr konnte man sie sich von innen heraus anverwandeln.“ 181 Die Vorlagensammlung war als Lehrsammlung Teil des Deutschen Gewerbe-Museums zu Berlin, Disegno (1997), S. VII. 182 Kunstbibliothek Berlin, HZ 4503 (ehemalige Position im Codex 34, Nummer lesbar): „Eine vergleichbare Vase wurde im Trajansforum gefunden, und sie war aus Gold, ein Werk das niemals

304 I Turbanschneckenkanne

mehr in unserer Zeit gesehen worden war und sie wurde beim Sacco di Roma (1527) zerstört.“ Hayward (1972), S. 382. 183 Kunstbibliothek Berlin, HZ 4504 (ehemalige Position im Codex 35, Nummer nicht sichtbar) Hayward (1972), S. 382, Abb. Nr. 45. 184 Berlin, Kunstbibliothek, HZ 4497 (ehemalige Position im Codex 12, keine Tintennummer, eine ausradiertes Bleistift 2 ist zu erahnen). Aufschrift links: „un tal bocale fue trovato for di napoli in una vigna et era dargento et fu portato a Roma al Cardinal de la Valle.“ Hayward (1972), S. 381, Abb. Nr. 37. Hayward (1972), S. 385 identifiziert den Genannten mit Andrea della Valle, Bischof von Malta, der durch Leo X. 1517 zum Kardinal erhoben wurde (gestorben 1534). 185 Berlin, Kunstbibliothek, HZ 4510 (ehemalige Position im Codex 29–33, keine Nummer lesbar). Hayward (1972), S. 382. 186 Wien, ÖNB, Codex min. 21/3, Nr. 138 (= 178): Krug, wie Berlin 4497. 187 Wien, ÖNB, Cod. Min 21/3, Sammlung von Handschriften und alten Drucken, 410 x 270 mm, vor 1571. Angekauft aus der Sammlung von Joseph Freiherr von Wiesendal Stauff, Unterkircher (1959), S. 128. Jansen (1991), S. 59: Jacopo Strada arbeitete als Antiquario Della Sacra Cesarea Maesta für die Kaiser Ferdinand I., Maximilian II. und Rudolph II; Taylor (2007), S. 195, Anmerkung 59. 188 Zu den ebenfalls im Codex aufbewahrten Kostümzeichnungen für Umzüge siehe DaCosta Kaufmann (1978), S. 61–64) sowie DaCosta Kaufmann (2010). 189 Bukovinská/Fučíková/Konecny (1984), S. 66. 190 Wien, ÖNB, Codex min. 21/3, 119r (= 158): Schale, wie Berlin Zeichnung 4500; 120r (= 159): Flakon, wie Berlin Zeichnung 4507; 112r (= 160): Krug, wie Berlin, Zeichnung 4510; 124 (= 163): Krug, wie Berlin, Zeichnung 6823; 125 (= 165sic): die Schale zum Krug von 6823 (hier 124), die in Berlin fehlt; 128r (= 168): Krug, wie Berlin Zeichnung 5599; 132 (= 172): Krug, wie Berlin 4498, hell ­laviert, bräunlich; 133 (= 173): dazu gehörige Schale, die in Berlin fehlt; 140 (= 180): Krug, wie Berlin 4496; 141 (= 181): dazu gehörende Schale; 142 (= 182): Nautilus, wie Berlin 4508; 185r: Schuh, wie Berlin 4490, verbunden mit der Darstellung einer Sandale auf 186r, die der Darstellung im Florentiner Codex auf fol. 10r oben entspricht. 191 Wien, ÖNB, Codex min. 21/3, Nr. 143 (= 183): Vase mit Asthenkel, wie Florenz, 45r; Nr. 144 (= 184): Flasche mit Henkel und Ziegenköpfen, wie Florenz, 46r; Nr. 145 (= 185): Schale mit Henkel, wie Florenz 41r; Nr. 146 (= 186): Schale, wie Florenz 44r; Nr. 147r (= 187): Bachuskrug, wie Florenz 14r 192 Florenz, Museo Galilei, Signatur MED 2172/ 01. Das Digitalisat https://bibdig.museogalileo.it/Teca/ Viewer?an=302481 [aufgerufen 11. Januar 2021], Titelblatt fol. 3r. 193 Bukovinská/Fučíková/Konecny (1984), S. 66. 194 Brno, Mährische Landesbibliothek, Sign. Mk 4 (I.214), 26 x 35 cm. Der Band wurde 1869 unter dem Titel Entwürfe für Prachtgefäße in Silber und Gold entworfen und gezeichnet für den Kaiser Rudolf II. von Ottavio Strada vom Österreichischen Museum für Kunst und Industrie in Wien herausgegeben, Entwürfe (1869). Bukovinská/Fučíková/Konecny (1984), S. 65 erklärt die Provenienz des Bandes über das Exlibri des Barons Ferdinand Hoffmann von Grünpüchl (Grünbüchel) und Strechau (1540–1607) auf dem Vorsatz. Die Sammlung dieses Hofkammerpräsidenten ging über eine Familie Hoffmann in den Besitz der Familie Dietrichstein in Nikolsburg; von dort dann im Jahr 1944 in die Universitätsbibliothek in Brünn; Evans (1973), S. 153/154; Hayward (1970), S. 10; Taylor (2007), S. 195, Anmerkung 59. 195 Der italienische Titel lautet: Libro de dissegni per far Vasella da Argento et Oro per servitio della Credenza e tavola per un gran Principe fatte tutte al modo antico, et come anche hoggi si usano in Roma. Dissegnati di ma° propria di Ottavio Strada, Cittadino Romano et Gentilhuomo della Casa di Rodulpho II. Imp. 1597.

Anmerkungen I 305

196 Zum Verhältnis der Codices in Brünn und Cambridge schreibt John Forrest Hayward (1970), S. 13, dass von den 182 in beiden Sammlungen bewahrten Zeichen 33 in beiden Konvoluten vorkommen; die im Brünner Codex (= Dietrichstein Codex) sind Hayward zufolge so einheitlich, dass sie aus einer Quelle zu stammen scheinen; beide Codices scheinen um 1597 entstanden zu sein und gehen (falls nicht der eine den anderen kopiert) auf eine gemeinsame Quelle zurück. 197 Entwürfe (1869), Vorwort, S. 2 bemerkt, dass zwar im Titel auf eine Ausführung der Entwürfe in Gold und Silber verwiesen wird, die Formen und auch erhaltene ähnlichen Artefakte aber zeigen, dass einige der Gefäße als Arbeiten aus Halbedelsteinen (Achate, Jaspsis, Lapis Lazuli usw.) gedacht scheinen: „sie bieten daher nicht bloß für den Goldschmied allein, sondern auch für den Krystall- und Edelstein-Schleifer ein Interesse dar. Ob diese Entwürfe aber jemals in Wirklichkeit ausgeführt worden sind, vermögen wir nicht zu sagen; die Vorliebe, welche Kaiser Rudolf für solche Arbeiten hatte, macht es allerdings wahrscheinlich.“ 198 1915 bei der Katalogisierung der Bestände der Bibliothek des Prämonstratenser-Klosters Strahov in Prag entdeckt. 199 Prag, Památník národního písemnctví, Strahovská knihovna, Sign. DL  III 3, nach Bukovinská/ Fučíková/Konecny (1984), S. 63; Papier, Blattgröße 31,3 x 20,3 cm; Oberhuber (1972); von Busch (1973), S. 193, 199 und 216–127. 200 So beispielsweise auf fol. 160r, eine Schale mit Greifenfüßen, die ihre Entsprechung in Prag 142P oben findet; Totenkopflampe: Prag 142P unten; geflochtener Korb: Prag 80P Mitte. 201 Bazzotti (1991), S. 455/456 vermutet hier originale Zeichnungen von Giulio Romano. Die Entstehung des Codex wird auf 1550–1553 geschätzt; er wäre somit vor dem Kauf aus den Jahren 1555/1556 im Besitz von Jacopo Strada gewesen. Jacopo Strada hielt sich in dieser Zeit in Lyon auf und das Papier trägt ein französisches Wasserzeichen (Kat. Nr. 140/276: Briquet 7303, aus dem Jahr 1546). 202 Bukovinská/Fučíková/Konecny (1984), S. 65 stellt durch das Fehlen von Durchstichen oder Anzeichen einer Durchzeichnung fest, dass die Zeichnungen nicht vervielfältigt wurden und überlegt, ob es sich um eine Vorlage für eine niemals verwirklichte druckgraphische (?) Publikation handeln könnte. 203 Codex Cambridge, Fitzwilliam Museum, Inv. Nr. PD 6–1948; Pouncey/Gere (1962), S. 71 identifizierten die Entwürfe als Kopien nach Zeichnungen Giulio Romanos, von denen acht im British ­Museum verwahrt sind; Bukovinská/Fučíková/Konecny (1984), S. 65 schrieb die Kopien aufgrund des Wasserzeichens Jacopo Strada zu. Possessions (2015), fig. 214 bringt den Entwurf eines Salzfasses aus dem Codex, vgl. das dortige Kapitel Salt, S. 196; Scrase (2011), Kat. Nr. 293, S. 301–302. 204 Hayward (1970), S. 13; Taylor (2007), Anmerkung 60. 205 Hayward (1972), S. 381. 206 Zu der Identifikation schreibt Hayward (1970), S 13, dass sie offenbar nachträglich angebracht worden waren, da sie einige Fehler enthalten. Seiner Meinung nach zeigt Zeichnung Nr. 8 eine Terrine, kein Salzgefäß; Nr. 12 sei eher ein Pfeffergefäß und Nr. 14 und 17 müssten als Essig und Öl Behälter identifiziert werden. 207 Hayward (1970), S. 13 erkennt in den Zeichnungen Nr. 57 und 58 eher Saucieren. 208 Hayward (1970), S. 13 identifiziert einen dieser Eimer aufgrund der beiden Handgriffe als Tasse. 209 Holman (2000), S. 58; Taylor (2007), S. 188. 210 Beispielsweise auf fol. 158r (= 198): gefaltete Schale: Florenz 19r unten; verschlungene Schale mit Fischen: Florenz 19r oben; Venus auf Podest: Prag 96P oben. Auch der Cambridger Zeichnungscodex ist mit Wien verbunden, vgl. Blatt 161r: Schale: Cambridge 36r; Schale: Florenz 11r unten. Auf 148r (= 188) findet sich ein Entwurf, der mit dem Fischkrug (Salzburg) im Museo degli Argenti, Florenz (13r) in Verbindung steht. Neben die in Sammlungskonvoluten gebündelten und gebun-

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denen Arbeiten treten zudem noch Zeichnungen, die als Einzelblätter in verschiedenen Sammlungen zu finden sind, beispielsweise ein Einzelblatt im Victoria and Albert Museum in London (No. 5338). 211 Jansen (2019), S. 48. 212 Jansen (2019), S. 54 und 56. 213 Jansen (2019), S. 57. 214 Zitiert bei Jansen (2019), S. 63: „[l’] arte ch’io ho da putto imparato, per meglio poter poi col tempo venir ad apprendere quello che per gratia di dio ho con gran fattica et spesa apresso, in

parte dal[l]’ antichità de marmi et medaglie [...].“

215 Hayward (1972), S. 385; von Busch (1973), S. 193–219; Jansen (1991), S. 59; Burckhardt (1994), S. 51–53. 216 Jansen (2019), S. 60 und S. 64 vermutet, dass er möglicherweise bei dem Goldschmied Niccolò de’ Possevini (Niccolò da Milano) lernte. 217 Jansen (1991), S.  59 weist darauf hin, dass Strada nicht zu den einschlägigen Antiquaren gehörte – Rom als Hauptstadt antiquarischer Studien war nicht sein Lebensmittelpunkt, da er die letzten 30 Jahre seines Lebens (gestorben 1588) am kaiserlichen Hof in Wien verbrachte. Jansen vermutet, dass er – möglicherweise in der Werkstatt von Perino del Vaga – einige Zeit in seiner Jugend in Rom verbracht hatte; erneut 1554–1556 und noch einmal 1566, als er Antiken für Herzog Albrecht V. von Bayern ankaufte. 218 Jansen (1991), S. 59 mit Holzschnitten von Bernard Salomon nach Zeichnungen Stradas; Andreas Gessner druckte das Werk auf Latein und auf Deutsch 1557 nach; Jansen (2019), S. 125–128. 219 Jansen (2019), S. 70/71. 220 Jansen (1991), S. 60; Jansen (2019), S. 631. 221 Zu den für den Gonzaga ausgeführten Werken siehe Taylor (2014), S. 137. 222 Bukovinská/Fučíková/Konecny (1984), S. 63; von Busch (1973), S. 199. Zudem ließ Strada durch jüngere Künstler Zeichnungen von wichtigen zeitgenössischen Werken anfertigen, so unter anderem durch Ippolito Andreasi, der den Auftrag erhielt, den Palazzo del Te zeichnerisch zu dokumentieren; Jansen (2019), S. 149–156, 179–183, S. 631–633. 223 Il settimo libro d’architettura di Sebastiano Serlio Bolognese, Francofurti Ad Moenum. Ex officina typographica Andreæ Wecheli, MDLXXV (1575), italienisches Vorwort von Jacopo Strada, fol. aiiijr: „Hor partendomi di Roma per ritornarmene in Alemagna, passai per Mantova, & andai à riveder Raffaello, che fú figliolo di Giulio Romano: il quale, per esser egli de beni della fortuna stato lassato riccho dal padre, poco si dilettava dell’arte del disegno: ma piu tosto agli amori, & adarsi bel tempo era inclinato. E per tanto, oltre alla robba ch’egli redo da suo padre, altro non hebbe di buono ...] e per tanto non mi fú molto difficile l’impatronirmi di tutti li disegni che furono di suo padre, alui stati lassati: dove erano raccolte le più belle cose que havesse Raffael d’Urbino già stato suo maestro: oltre poi a quelle di sua mano: e maßime di cose d’Architetura, tanto antiche quanto moderne. E convenuti del prezzo glie le pagai.“ 224 Der in der Bibliothek des Strahov Klosters in Prag verwahrte Codex trägt auf dem Titelblatt die Aufschrift SELECTARVM INVENTIONVM COLLECTANEVM ex DIVERSIS AVCTORIBVS.

Prag, Památník národního písemnctví, Strahovská knihovna, Inv. Nr. DL III 3. Es handelt sich um einen Klebeband mit Renaissanceeinband, der durch ein Exlibris als Besitz von Jacopo Strada ausgewiesen ist, 265 Zeichnungen auf Papier, Blattgröße 31,3 x 20,3 cm. Bukovinská/Fučíková/ Konecny (1984), S. 61–186 mit den Zuschreibungen zu den identifizierten Zeichnungsgruppen; Fučíková (1987), S. 217–228; Bazzotti (1991), S. 455/456. Zu einer Zeichnung (San Biagio, Privatsammlung) schreibt Cox-Rearick (2000), S. 12/13, sie sei in brauner Tinte mit braunen Lavierungen

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ausgeführt, eine Technik, die sehr häufig bei originalen Zeichnungen von Giulio Romano zu finden sei. 225 Hayward (1972), S. 385; Taylor (2007), S. 174 spricht von einem very distinctive visual style. 226 Jansen (2019), S. 210–216. 227 Jansen (2019), S. 95. 228 Zitiert bei Jansen (2019), S. 194: „Et anchora mi truova di molte belle cose che per essa servirebbe, e massime un libro de animali colorito belissimo; ancora li trovaria di molti pessi rari, che ­servirebbe per li fiumi [...]. 229 Taylor (2007), S.  174: Papst Leo X. ernannte Raffael 1515 zum Superintendent der römischen ­Altertümer; in dieser Zeit arbeitet Giulio Romano bei ihm. Burckhardt (1994), S. 22 weist darauf hin, dass ab 1516 Raffael die Rekonstruktion der Roma antiqua in ihrer zeichnerische Erfassung vorantrieb; Nesselrath (1984), S. 405; Günther (1988), S. 60. 230 Zu Stradas antiquarischem Wissen und seinem Status als Antiquar Heenes (2010). 231 Taylor (2007), S. 175: „His entertaining variations on recognizably classical motifs appealed both to his patrons, who valued the erudition embedded in his style, and to other artists, who successfully incorporated his concepts into their own design vocabulary.“ 232 Raimondi (1978), Nr. 541–552 auf Grundlage der Bestände des British Museums, (Marcantonio Raimondi). Agostino Veneziano (de’ Musi, 1490? – 1540?) arbeitete zusammen mit Marco Dente da Ravenna im Umfeld von Marcantonio Raimondi, als dieser mit/für Raffael stach – zudem Il Baviera (Baverio dei Carocci), der um 1514 zu Raffael stieß und „verlegerische Subfunktionen“ ausübte. Gramaccini (2009), S. 35 „Die Kerngruppe war ausschließlich für den Meister tätig. So lange dieser lebte, hat Raimondi mit der einzigen Ausnahme Dürers, dem als Ausländer eine Sonderrolle zukam, für niemand anderen gearbeitet.“ 233 Hayward (1972), S. 378. 234 Eine Kompilation dieser Blätter erhalten in Berlin (Kunstbibliothek, Ornamentstichsammlung, OS 1125 mtl.). Auch hier steht als Beischrift der Titel auf dem Blatt (auf der Standfläche unter der Vase). 235 Nesselrath (1986), S. 87–147; Nesselrath (1993), v. a. S. 26–30, geht davon aus, dass auch der anonyme Kopist des Fossombroner Skizzenbuches Zugang zur Raffael-Werkstatt hatte und dort Werke direkt kopieren konnte. Zur Antikenimitation im Medium der Druckgraphik im Umfeld von Raffael Viljoen (2004), u. a. zur Rolle, die Raimondi und andere Reproduktionsgraphiker (darunter Agostino dei Musi) in der „creation of made-up antiquities“ spielte. Dies kann an dem Entwurf einer Kanne aus der Stichserie von 1531 deutlich gezeigt werden, Thornton (1998), S. 24, Abb. 32. Ich danke Angelika Marinovic, die an der Universität Wien eine Dissertation zu den Kupferstichen von Agostino Veneziano verfasst, sehr für die Bestätigung der Theorie, dass die Goldschmiede-Entwürfe von Raffael bzw. seiner Werkstatt und von Giulio Romano die wesentliche Grundlage für die Vasenserie bilden. 236 Hayward (1964), S. 93. 237 Gasnault (2012a), S. 12–20; Gasnault (2012b); Wood (2003), S. 247/248. 238 Hayward (1964), S. 92/93: „The Mannerist style peculiar to the Antwerp goldsmiths drew both directly upon Rome and also indirectly on Italian sources through the Flemish artists who were engaged under Rosso and Primaticcio on the decoration of Francis I’s palace at Fontainebleau.“ 239 Hayward (1972), S. 386. Bukovinská/Fučíková/Konecny (1984), S. 66. 240 Der studioso als Amateur und Antikenkenner wird über die Fundorte und die Sammlungs­ kontexte (im Berliner Codex) angesprochen, vgl. dazu Nesselrath (1993), S. 26–28. 241 Bazzotti (1991), S. 456. 242 München, Bayerische Staatsbibliothek, Cod. icon. 199, 60 Blätter mit Zeichnungen von Goldschmiedeobjekten.

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243 Hayward (1968a); Hayward (1972), S. 378. 244 Reiter (2012), S. 81–83. Hayward (1970), S. 10: „ [...] the traditional attribution [des Müncher ­Codex] was due either to a mistake made by a sixteenth-century inventory clerk or to a deliberate fraud by da Strada.“ 245 Hayward (1970), S. 10; Taylor (2007), S. 187. 246 Das Testament vom 1. Juli 1584 ist transkribiert bei Jansen (2019), S.  894–899 [Wien, HHStA, Nieder­österreichisches Landmarschallamt, Testamente, Karton 33, s. v. Strada]. 247 „Zum sibenden, hat er mein beste heidnische [Pfennig], die Medaij genandt, und andere Medaij die besten, so ad Series Imperator gehörig; darzue meine liebste und schönste Contrafectur von Händen gerissen, auch die ich von meiner Jugend bissher zusamen bracht, und vill Gelt cost haben, und ander Dings mehr, hinweckg gestollen, und schandlich verpartiert“, Jansen (2019), S. 897. 248 Jasper (2019), S. 635/636: „‘ce ne ritroviamo ancora de belissimi disegni fatti

a mano d’ Michel Angelo, Rafael Urbino, Pirin del Vaga, Francesco Parmesano, Julio Ro- mano etc., che mio padre [ebbe?] per il suo Thesoro; et a noi non serve niente, et costì sarebbano in stimatione; et mio padre hebbe commodità a comprarli, trovandosi in quelli tempi in Italia, quando vivevano tali valenthuomini.“

249 Florenz, ASF, Med. 813, fol. 100, zitiert nach Bukovinská/Fučíková/Konecny (1984), S. 66. 250 Reiter (2012), S.  238 nennt neben 1. dem Codex in Brno/Brünn, Mährische Landesbibliothek, 2. dem Cambridger Codex aus dem Fitzwilliam Museum, 3. dem Zeichnungsband aus Florenz, Museo Galileo / delle Scienze, 4. dem Strahov-Codex aus Prag sowie 5. dem Codex aus Wien, Österreichisches Museum, noch einen 6. Codex, der auf dem Kunstmarkt auftauchte, Strada (2007). Hinzu kommen eine große Anzahl von Einzelblätter in den Sammlungen von London (Victoria & Albert Museum und British Museum), von Amsterdam (Rijksmuseum), sowie in Wien (Liechtenstein Collection). Hartt (1958), Band 2, Abb. Nr. 130–147 bringt einige der originalen Goldschmiedezeichnungen von Giulio Romano. 251 Taylor (2007), S. 175 mit Hinweis auf Gombrich (1966), S. 122–128; Schlitt (2004) geht den Implikationen dieser Überblendung von Vergangenheit und Gegenwart in weiteren kunsttheoretischen Quellen der frühen Neuzeit nach; Pochat (2000), S. 29–32 betont, dass mit der Antikenrezeption und dem Studium der Natur zwei Varianten der imitatio unterschieden wurden und einer Nachahmung „im Stile von“ (sichtbar u. a. im Streit zwischen den antichi und moderni oder auch ­innerhalb Vasaris Definition der terza maniera) durchaus die Fähigkeit zur Schöpfung von Neuem zugestanden wurde; Buck (1958), S. 530 zur Figur des Neuen „auf dem Boden des Alten“. 252 Codex Cambridge, Fitzwilliam Museum, Inv. Nr. PD 6–1948, fol. 55 und fol. 56. Beide Karaffen finden sich ebenfalls im Prager Codex (Strahov Bibliothek) auf S. 71, Nr. 116 und S. 90, Nr. 170. Heikamp (1986), S. 20 erwägt die Möglichkeit, dass auch Giulio Romano auch Glasentwürfe für den Hof der Gonzaga geliefert habe. 253 In den beiden Entwürfe scheinen verschiedene Gefäßtypen miteinander verbunden worden zu sein, so beispielsweise eine „Linsenflaschen“ (lentil flask), mit breitenmflachen Körper und einem langen Halse, der auch gedreht auftritt, Theuerkauff-Liederwald (1994), S. 441–448. Tait (1979) zeigt auf S. 100/101, Kat. Nr. 157 eine vetro a retortoli Glasflasche aus dem späten 16. Jahrhundert mit umlaufenden durchsichtigen und weißen Glasbändern; der Körper trägt im Relief Löwen und Adler und der längliche Hals schraubt sich – wenngleich nicht so gewagt wie in der Zeichnung auf fol. 55 – nach oben. Auch Kat. Nr. 158 und 159 sind vetri a retortoli, allerdings in der Form klassisch-antiker Kleeblatt-Kannen (Oinochoe). Zugleich erinnert die Flasche auf fol. 55 an einen Kuttrolf/Guttrolf, ein Scherzgefäß mit einem in sich gedrehten Hals, der aber (anders als bei der Zeichnung) aus mehreren Läufen besteht; es handelt sich dabei um eine Form, die seit der

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Antike bekannt ist, Löber (1966); Theuerkauff-Liederwald (1994), S.450–454; dort Kat.  Nr.  22 (Inv. Nr. HA 502), Venedig, 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, erinnert stark an den Entwurf (dort auch der Hinweis auf vergleichbare Werke). Ebenso Anni (1982), Kat. Nr. 235–240 sowie S. 25 zu den vetri a retortoli. Tait (1979), Kat. Nr. 134, 135 und 136 zeigt Pokale, deren Schaft als verschlungene Schlangen (mit Schlangenkopf) geformt sind. Der Entwurf einer Tazza in Schlangenstil findet sich in der Bicherografia von Giovanni Maggi (1604), Band 2, S. 388 (Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe), abgebildet in Theuerkauff-Liederwald (1994), S. 333 mit weiteren Beispielen, Kat. Nr. 331–351. Vgl. auch die Homepage des Corning Museums of Glass: https://www.cmog.org/ glass-dictionary/vetro-retorti [aufgerufen 2. Januar 2020] und des Museo del Vetro http:// museovetro.visitmuve.it/it/il-museo/percorsi-e-collezioni/approfondimenti/tipi-di-vetro-e-tecnichevetrarie-nel-xix-secolo/ [aufgerufen 7. September 2018]. 254 Ingold (2007), S. 13. 255 Vgl. in diesem Sinne auch Dipert (1993), S. 16. 256 Pye (1968), S. 46/47. 257 Ingold (2007), S. 14. 258 Bursche (2001), S. 347: „Die Form, verstanden als funktionsbedingter Typus eines Gegenstandes, wird allgemein als Träger von Ornament, das ihm appliziert und untergeordnet ist, angesehen. Doch häufig ist dieses auch in die Form einbezogen und gewinnt in einem Vorgang gegenseitiger Anverwandlung eine eigene Qualität.“ Irmscher (1984), S. 11 und S. 253–263; Angerer (1987), S. 58. 259 Berlin, Kunstbibliothek, HZ 4505 (ehemalige Position im Codex 38, Numer lesbar); Hayward (1972), S. 382, Abb. Nr. 47. 260 Berlin, Kunstbibliothek, HZ 4510 (ehemalige Position im Codex 29–33, keine Nummer lesbar); Hayward (1972), S. 382. 261 Müller (1978), S. 80 betont, dass erst im Buckelpokal der deutschen Spätgotik die Buckel nicht allein mehr Dekorationselemente seien, sondern ihnen als Konstruktionselemente eine strukturelle Bedeutung zugemessen wurde. 262 Forssman (1992), S. 23. 263 Müller (1978), S. 50: „Ein Gefäß in Pokalform, das sich gänzlich aus Buckeln konstituiert, bildet eine Sonderform, die im Zusammenhang mit der stilistischen Entwicklung innerhalb der Spät­ gotik betrachtet werden muss, mit Buckeln verzierte Gefäße oder Buckelgefäße als solche aber stehen in einem zeitlich und räumlich viel weiter gesteckten Rahmen.“ Kohlhaussen, Heinrich: Das gebuckelte Gefäß, in: Kohlhaussen (1968), S. 296–350, hier S. 296. 264 Eser (2007), S. 10 bezeichnet den Buckelpokal als „primär ein technisches Gebilde“, das durch Hammerschläge und Drehungen über einem Amboss getrieben wird, in der fertigen Form aber glatt gewölbte Oberflächen zwischen scharfen Grate zeigt. 265 Müller (1978), S. 81. 266 Müller (1978), S. 62; Kohlhaussen (1968), S. 299 beobachtet in der Goldschmiedekunst des frühen 16. Jahrhunderts die Verdrängung des Dekors bei gleichzeitiger Betonung plastischer Formen sowie (in der Nürnberger Werkstatt von Krug) die Gestaltung von naturalistischen Schäften. 267 Müller (1978), S. 99/100 und108: „Morphologisch betrachtet gliedert sich die Entwicklung des Buckelpokals in zwei Phasen: Bis zum Höhepunkt um 1480/1490 wird die Struktur des Pokals, getragen von den Buckeln als Konstruktionselement, von einer zunehmenden Plastifzierung geprägt. Deren vollendete Form sind die gedrehten Buckel. Nach 1500 teilt sich die Entwicklung in zwei Richtungen: Den Endpunkt der einen bezeichnet das Scherzgefäß als Darstellung eines vollplastischen, figürlichen Objektes. Die andere, innerhalb der Kategorie des Gerätes verbleibende, führt zur Ausbildung des Renaissancepokals. In der flächenhaften Ornamentalisierung sich vor-

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breitend, werden die Buckeln wieder zum Dekorationselement.“ Kitzlinger (2011) zu den Naturformen bei den Trauben-, Akelei- und Tulpenpokalen, u. a. S. 203: „Der Gedanke der imitatio der Natur bot den Anreiz zu Perfektion und Kunstfertigkeit.“ Kris (1926), S. 160. 268 Bursche (2001), S. 353 spricht daher von einem „Formornament“ als Ausdruck einer Verräum­ lichung und Autonomisierung des Ornaments und unterscheidet dabei erstens „das Ornament als additiver, untergeordneter Zierrat“, zweitens „als gleichgeordnet“ und drittens „als übergeordnet“ im Verhältnis zur (Gefäß)-Form. 269 Bursche (2001), S. 349 zur Vorbildwirkung der Kunst von Giulio Romano. 270 Berlin, Kunstbibliothek, HZ 4488 (ehemalige Position im Codex 6–12, keine Nummer); Hayward (1972), S. 381, Abb. Nr. 35 und Berlin, Kunstbibliothek, HZ 4489 (ehemalige Position im Codex 6–12, keine Nummer); Hayward (1972), S. 381, Abb. Nr. 36. Sie tragen die Aufschriften: „Questo bocale fue trovato in compagnia del seguente apreßo al tempio di bacho e certo mi penso fußino p(er) suoi sacrifitij“ sowie „bocal trovato a preßo al tempio di bacho in compagnia dil paßato & certo erano p(er) suoi sacrifitij.“ 271 Berlin, Kunstbibliothek 4490 (ehemalige Position im Codex 6­–12, keine Nummer); Hayward (1972), S. 381. 272 Natur (1986), Kat. Nr. 201–533, S. 494–533, Kapitel: Antikisches Gebrauchsgerät; darunter u. a. 208: Tintenfass in Gestalt eines Fußes, Oberitalien, Anfang 16. Jahrhunderts; Gerät, Bronze, vergoldet, Höhe 8cm, Länge 16cm; Paris, Musée National du Louvre, Dép. des Objets d’Art Inv. Nr. OA 2790. 273 Scheffler (1985), S. 222–228; Kohlhaussen (1968), v. a. Kapitel Dürer und die Tischbrunnen, S. 255– 265 und Der Einbruch der Naturformen. Dürer und die Krug-Werkstatt, S. 351–436;

Schiedlausky (1971), Das Werk, Dürer als Entwerfer für Goldschmiedekunst, S. 364–378.

274 Dresden, SLUB, Msc. Dresd. R. 147f, Skizzenbuch (1905) und Justi (1905). Enthalten sind 105 Blätter, auf denen sich teilweise recto und verso Zeichnungen befinden; das Skizzenbuch ist mit einem Manuskript des ersten Buches der Dürerschen Proportionslehre zusammengebunden; Scheffler (1985), S. 225. 275 Skizzenbuch (1905), S. 26, Tafel 156 (193): „Sechs Zeichnungen von Pokalen für Goldschmiede­ arbeit. Fünf gebuckelte Doppelpokale und einer einen Apfel darstellend mit einer sich windenden Schlange als Henkel. Rechts unten die Notiz: morgen willich Ir mer machen.“ 276 Nürnberg, GMN, Inv. Nr. HG 8399; Jamnitzer (1985), Kat. Nr. 4, S. 211 (Günther Schiedlausky): Unbekannter Nürnberger Goldschmied. Nürnberg, um 1510–15, ohne Meisterzeichen, Beschauzeichen N für Nürnberg; Hernmarck (1978), S. 85, Abb. 76; Schätze (1992), Kat. Nr. 17. 277 Goldschmiedekunst (1987), Kat. Nr. 2, Abb. S. 95, Text S. 96–98; von Falke (1933). 278 London, British Museum, Inv. Nr. SL,5218.77: anonyme Zeichnung aus dem Dürer-Umfeld eines Pokals, dessen Cuppa aus ineinander verschlungenen Rüben/Wurzeln gebildet ist, Kohlhaussen (1968), S. 351/352, Tafel 513; Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett, Amerbach-Kabinett 1662; Inv. 1662.165.103: Deckelbecher mit Buckeln in der Form von Granatäpfeln und Inv. U.XII.82 (Deckelpokal mit Granatäpfeln), Goldschmiederisse (1979), Tafel 116, Nr. 535. 279 Wien, KHM, Inv. Nr. KK_110, Nürnberg, um 1510; Kohlhaussen (1968), S. 351; Hernmarck (1978), Kat. Nr. 70: Maximilians-Pokal; vgl. dort auch Kat. Nr. 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80 81. Scheffler (1985), Abb. 55 und 56, S. 64–69; Alle (2001), Kat. Nr. 25, S. 51/52. 280 Kohlhaussen (1968), S. 353: „Es verstand sich für Dürer, wie auch die ausführenden Goldschmiede, dem Apfel eine angemessene, also winzige Schlange anzufügen. Als Jahrzehnte später 1545 die Äbtissin von Stift Obermünster in Regensburg, Wandula von Schaumburg von dem jungen Goldschmied Wenzel Jamnitzer ein Apfel- oder Birnengefäß mit Schlange – das Ganze von einem Bäulerein getragen – angefertigt haben wollte, erhob er Einwände, da er, der Meister der Natur-

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abgüsse, nur an solche dachte: „vnd würdt schwer werden, wann es mußt nach einer rechten Schlange gegossen werden“. Dem Reiz der bedingten Naturnähe, wie sie in Dürers Umkreis Gestalt gewann, konnte und wollte er nichts abgewinnen.“ 281 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum Inv. Nr. HG4062_1, Birnenpokal, Praun’sche Stiftung, 1576; Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett, Amerbach-Kabinett 1662; Inv. U.XII.55: Kürbis­ förmiger Deckelpokal. 282 Berlin, Kunstbibliothek,HZ 4508, heutige Position 18, ehemalige Position im Codex 6. Aufschrift unterhalb der Sauciere (?): „Una tazza tale fu trovata a ostia for di roma.“ Hayward (1972), S. 381, Abb. Nr. 34; Weihrauch (1976), S. 105. 283 Müller (1978), S. 27 erklärt die Genese der Buckelpokale aus der Übertragung von (geschweiften) Glasformen auf die Goldschmiedekunst, so dass auch hier die Idee des formgebenden Impuls von Innenheraus zu sehen ist: „Gläser prägten den formalen Fundus, ihre Gestalt wurde verbindlich, ihre Form zum Inbegriff des Trinkgefäßes schlechthin, dessen Material aber sehr wohl variieren konnte.“ 284 Mathesius, 15. Predigt Vom Glasmachen, fol. 285r: „Die kunst ist je werklich, der töpffer hat seine scheybe, der drechsler brauchet sich auch des motus circularis, wenn er sein geschirr so dünne auß und abdrehet, wie ein mahnbletlein, wie der steinschneyder sein schneidzeug unnd redlein hat. Aber der glaser muß zu seinem werck das drehwerck und schwanck haben und arbeit darneben mit seinem odem, bleset form und gestalt in einen irdischen fasst, wie der ewig Son Gottes auß staub und mölber oder mölbichter der, ein menschen formiret und bleset in inen zweierley leben.“ ebenda, fol. 289v: „Vergesset nicht das man auß saltz unnd asche glaß schmeltzt, und formiret geschirr drauß mit blasen und schwencken, und schmücket es mit allerley farben. Nun ist Adam auch auß staub und mollichter erde gemacht, da Gott in zu einem vernünfftigen menschen formiret, und bildet sich selber darain, da er sein weißheyt, gerechtigkeyt, neben himlischer freude und wolgefallen, und ein zeytlichs und ewiges leben, durch seines ewigen Sones Geyste in ihn bliese, unnd schmückete und malete diß edel geschirr, mit allerley wunder schönen genaden unnd gaben, das auff diesem erdbodem schöner Creatur nicht gestanden ist (den Son Marie allein außgenommen) denn Adam war, da er seine erbgerechtigkeyt noch volkömlich hatte. Das ist nu das schöne geschirr oder gefesse, das die heylige Dreyfaltigkeyt auß staub und sande durchs blasen formiret unnd bereytet hat [...].“ 285 Zu den Naturabgüssen allg. Lein (2006) und Lein (2007). Schon Cennini beschreibt das Verfahren im Libro dell’arte, Cennino (1871), S. 130–137; Gramaccini (1985b), S. 203 geht davon aus, dass Cennini in Padua Abgüsse sah, bzw. selbst am Abguss beteiligt war. Gramaccini (1985a), S. 207– 209 zu Ghiberti, vgl. auch Knapp Fengler (1974), S. 66; Klier (2004), S. 58–66 betont die Belebung der Tiere als künstlerische Position; Smith (2004), S. 74–79; Felfe (2015a), S. 53–77 mit Bezug zu frühneuzeitlichen Theorien zur Spontanzeugung und damit erneut in der Parallelisierung generativer Prozesse. 286 Berlin, Kunstbibliothek, HZ4503 (ehemalige Position im Codex 34, Nummer lesbar). Aufschrift unten links auf Höhe des Fußes, Hayward (1972), S. 382, Abb. Nr. 44. 287 Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv. Nr. KK_5501. www.khm.at/de/object/3c36435a56/, bei Kris (1926), S.  137 „Werkstatt des Andrea Riccio“; Natur (1986), Kat.  Nr.  258, S.  534/535; Avery/ Radcliffe (1983): Seemonster-Tintengefäßen von Severo da Ravenna, knienden Satyr, der in manchen Versionen eine gegossene Muschel bei sich hat (Abb. 9, 10). 288 Diemer (1996) betont die Rolle der Vischer-Werkstatt für den Transfer der Technik des Natur­ abgusses aus Italien. 289 Natur (1986); Klier (2004), S. 66. 290 Ryff/Rivius Architectura, S. 95, zitiert nach Kris (1926), S. 141.

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291 s. v. Albrecht Jamnitzer, in: Künstlerlexikon (2007), S. 728, gestorben 1555. Meurer (2014), S. 61. 292 Neudörffer (1875), S. 126; Wesenberg (1991), S. 194. 293 Lewis (1986), S. 20: „The sensuous curvilinear beauty of elegantly knotted bronze snakes [...] might evoke for a bemused observer the aethetic possibilities asleep in unseen spaces beneath the earth; while the fantastical creatures with which Renaissance bronzisti figuratively populated the realm of Neptune perhaps best demonstrate the Protean inventiveness so essential even to this „reproductive“ genre of bronzes as „specimens“ in cabinets of curiosities.” Weitere Werken bei Spenlé (2014), S. 37–56. 294 Hansmann/Kriss-Rettenbeck (1966), S. 109 zu den „die rhythmischen Impulse des Wachstums“ der Schneckenhäuser „als Prototypen von Trinkschale, Schraube, Spindel und Spirale“. 295 Eine Kombination von Schneckenhaus und dem Abguss einer Adlerklaue findet sich bei einem Nautiluspokal aus dem Waddesdon Bequest, British Museum, Tait (1991), Kat. Nr. 6. Vergleichbare Klauen in München, Bayerisches Nationalmuseum, Weihrauch (1956), S.  70/71; Berlin, Kunst­ gewerbemuseum, drei Stück, mit Nereiden, Bronzen (1968), Kat. Nr. 72, 78 und 80; Wien, KHM, Inv. Nr. 5935, Zauber (1987), S. 357, Nr. 36. Cleveland Museum of Art, Inv. Nr. 54.798, Tait (1991), S. 74, Abb. 78. 296 Smith (2016a), S. 38/39 sieht in den Naturabgüssen Jamnitzers für die Münchner Kanne bestätigt, dass „practice (and craft knowledge more generally) was not just productive, but also investigative and philosophical [...].“ 297 Fibonacci (Leonardo von Pisa) wurde um 1170/1180 geboren und veröffentliche 1202 seinen Liber Abaci. Zur nach ihm benannten Fibonacci-Reihe Walser (2012), S. 18; Beutelspacher/Petri (1995), Kapitel 4: Die goldene Spirale und die spira mirabilis, S. 57–66; Thompson (1917), S. 771–806 [in der 2. Auflage von 1942], zu den Spiralformen in Schneckenhäusern. 298 Fellmann (1985), S. 25; Lausch (2009), S. 133–138; Holländer (2015), S. 69 betont in der natürlich gewachsenen Form des Nautilus die Annäherung an den Goldenen Schnitt sowie die Nutzung dieser Formen u. a. in Drechselarbeiten. 299 Spiralformen in der Natur und Kunst wurden von Cook (1914), v. a. S. 151–169 und

Thompson (1917) untersucht, Hottinger (1985); Kemp (1995b), S. 42 (dort, S. 43, auch eine Abbildung des Wachstumsmusters von Sonnenblumenkernen), mit Bezug auf Henry Moseleys On the Geometrical Forms of Turbinated and Discoid Shells (1838 in den Philosophical Transactions fo the Royal Society) und dem Hinweis (S. 42), dass Thompson sein berühmtes Zitat von Moseley „God hath bestowed upon this humble architect [the mollusc] the practical skill of a learned geometrician“ übernimmt; das Zitat bei Thompson (1917), [nach der 2. Auflage von 1942], S. 777; Pickover (1988), S. 176.

300 Kemp (1995b), S. 37; Groh (1991), S. 21/22: „[Platon] begründet die Annahme, die Genese der Welt verdanke sich dem herstellenden Handeln einer höheren Instanz; Ordnung und Schönheit des „Weltgebäudes“ verwiesen auf die Vernunft eines „höchsten Architekten“, die Zweckmäßigkeit der Einrichtung von Makrokosmos und Mikrokosmos sowie die Zielgerichtetheit von Naturprozessen auf eine diese Teleologie bewirkende Weisheit und Vorsehung, das harmonische Zusammenwirken der Elemente – der Teile des Weltganzen – auf die wachsame Allgegenwart eines gütigen Weltenlenkers.“ Leonhard (2014a), S. 319–323 zur „Muschel als symbolischer Form“. 301 Beech (1990); Behling (1975), zur „Spiraltendenz der Gotik“ v. a. S. 20–25; Kemp (1995b), S. 48–50. 302 Cook (1913), S. 10 untersucht – ausgehend vom in sich verschränkten Treppenhaus des Schlosses von Blois (das mit Leonardo da Vinci in Verbindung gebracht wird), das Spiralmotiv in der Architektur und zieht hier direkte Verbindungen zu den in sich gedrehten Formen von Meerschnecken;

Maurer (2001), S. 21 zum Gestaltideal nach Lomazzo, das drei Qualitäten vereinigt: die Pyramidenform, die serpentinata-Bewegung sowie die numerische Proportion; Kemp (1995b), S. 44.

Anmerkungen I 313

303 Seidenfuß (2006), S. 13 nennt die Traktate von naturwissenschaftlich orientierten Theoretikern „Grenzgänger zwischen den Disziplinen Kunsttheorie und Naturwissenschaft“; Rainer (2016), S. 126/127 zu den stereometrischen Körpern als eigenständigem künstlerischen Motiv bei Paolo Uccello, Piero della Francesca und Leonardo da Vinci. 304 Seidenfuß (2006), S. 15 betont den Unterschied zwischen dem nord- und dem südalpinen Raum: in Italien wurden Konstruktions- und Perspektivtraktate vor allem von Theoretikern und gebildeten Künstlern veröffentlich, im deutschsprachigen Raum hingegen von Handwerkern: „Sie sahen in diesen wissenschaftlichen Schriften die einzigartige Möglichkeit, sich zu nobilitieren und An­ erkennung sowohl innerhalb der zünftigen Strukturen als auch über den Handwerkerstand hinaus zu erwerben. Es traten Maler, Goldschmiede, Instrumentenmacher und Rechenmeister – sowie daneben nur vereinzelte Gelehrte – mit Traktaten hervor.“ Knobloch (1989), S. 126/127 zählt als Bereiche der praktischen Geometrie die Visierkunst (Stereometrie), die Perspektive (praktische Geometrie auf dem Papier), die Baukunst sowie die Instrumentenkunde auf. Witting (2018). 305 Leitermann (1953), S. 71/72; Zauber (1987), Kat. Nr. VII.42, S. 330 [R.K.]: „Die Wahl der Buchstaben für seine szenischen Darstellungen sieht Lencker in der elementaren Bedeutung des Buchstabens, da er den Beginn der Kommunikation und Wissensvermittlung darstellt. Der Buchstabe bildet die formale Voraussetzung für das geschriebene Wort wie der Disegno in seiner praktischen Bedeutung die Grundlage für jede künstlerische Darstellung ist.“ 306 Bachtler (1978), S.  74: 1550 „Der Rat der Stadt Nürnberg beschließt, Hans Lencker als Bürger aufzunehmen: Hanns Lencker, goldtschmidt, new Bürger anno 1550 Quarta [...] aprilis. Eintragung ins Meisterbuch: am 6 tag septembers im 1550 ior hat hans lencker sein maisterstuck gzeigt und ist bestanden, und hatt denn Herren daß gelt in d[ie] Losun[g] stuben zaltt.“ s. v. Elias ­Lencker, in: Künstlerlexikon (2007), S. 910/911; Kühne (2008), S. 126/127. 307 Seidenfuß (2006), S. 173–201. Die Publikation besteht aus 21 Kupferstichen und nur zweieinhalb Seiten Einführungstext. 308 Felfe (2015a), S. 168/169. 309 Funke (1955), S. 263 und 264: Von Johann Neudörffer erschien 1519 die Schrift Fundament – es handelt sich dabei um eine kurze Anweisung für seine Schüler mit Holzschnittbeispielen, die darin gezeigten Schriften sind die Fraktur, die Kanzlei und die Kurrent; 1538 folgt Neudörffers Hauptwerk, die Anweysung einer gemeinen hanndschrift – das erste in Kupferstichtechnik ausgeführte Schreibbuch; hier findet die Antiqua erstmalig Verwendung. Wendland (2001), S. 9/10 zu Neudörffers Publikationen von 1519 und 1538, sowie zur Schrift seines Schülers Wolfgang Fugger von 1553. 310 Seidenfuß (2006), S. 175: „Dass Lencker zur Demonstration der Perspektivkonstruktion von Körpern gerade Buchstaben verwendet, begründet er dabei mit einem durchaus weitreichenden Argument: Die Buchstaben seien die geeigneten Exempel für die perspektivische Darstellung, da sie (bzw. die von ihnen gebildete Schrift), die Grundlage aller Vermittlung von Wissen über die Kunst seien.“ 311 Felfe (2015a), S. 221/222: „Am anderen Ende des Spektrums nähert sich die Geometrie der Polyeder einer Naturform, indem sie das gewundene Gehäuse einer Schnecke zu erfassen versucht und diese natürliche Form im Gegenzug mit einer Serie von Pyramiden besetzt.“ 312 Cook (1903) verweist in seiner Studie zu Spirals in Natura and Art auf ein vergleichbares Motiv der Abstraktion bei Ruskin, S. 121: „It is better to take the line and leave the shell“, said Ruskin, forbidding his pupils to admire or use as ornament the „moulds or coats of organism“.“ 313 Seidenfuß (2006), S. 229 zur zeitgenössischen Begeisterung für diese Instrumente: „Das richtige Gerät eröffnete den Weg zu Verständnis und Gestaltung der „Wirklichkeit“, in der Astronomie nicht anders als in Seefahrt und der Landvermessung – oder eben beim perspektivischen Zeichnen.“

314 I Turbanschneckenkanne

314 Zauber (1987), Kat. Nr. VII.41, S. 330 [R.K.], gewidmet dem Pfalzgrafen Friedrich vom Rhein, der selbst als Autor eines kurzen Perspektivtraktats genannt wird. Erschienen in Nürnberg bei Gerlatz 1571. Gluch (2008), S. 381 mit dem Hinweis, dass Lencker in seiner Publikation von 1567 die Konstruktionsmethode seiner geometrischen Körper nicht offenbart, sondern diese erst 1571 darlegt – wohl auch durch die Anregung der nach Nürnberg reisenden Mathematiker Petrus Ramus’ und Friedrich Reisners. 315 Seidenfuß (2006), S. 179. 316 So auch noch die Beurteilung von Gluch (2008), S. 379. 317 Münkner (2011) betont mit Bezug auf Dürers Befestigungslehre sowohl die eigenständige visuelle Argumentationslogik der Graphiken, also auch die ihr eigene künstlerische Ästhetik; S. 239 weist er zudem auf die Evokation von Räumlichkeit, die Dürer beim Rezipienten anstrebt und dass die „Einbildungs- und Vorstellungskraft“ der Leser:innen anregen soll. Vergleichbare Motive des imaginären „Sich-Hineinversetzens“ scheinen auch den hier diskutierten Schriften mitzuschwingen. 318 Lencker 1571, fol. E IIV, nach Gluch (2008), S. 386. 319 Gluch (2008), S. 387/388. 320 Inwieweit es sich hier um ein Konstrukt handelt und eine direkte Anwendbarkeit zwar behauptet aber nicht eingelöst wurde, diskutiert Christina Lechtermann u. a. in ihrem DFG Forschungsprojekt „Geometria Deutsch. Druckwerke der praktischen Geometrie bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts“. 321 Wenzel Jamnitzer, Perspectiva Corporum Regularium, 1568. Widmung an den Kaiser, fol. a iir. Die Ankündigung des zweiten Teils in der Vorrede, auf fol. a ivr: „Dann ob ich wol gewilt gewesen / das gantze werckh mit einander getrewlich an tag zubringen / und trucken zulassen / so hat es doch anderer meiner obligender geschefft / und arbeit halber dißmals nit alles zugleych disponirt und ins Kupffer zusammen geordnet werden mügen / es soll aber doch / der bemelt ander theil / durch mittel gottlicher gnad aufs fürderlichst auch dem gemainen nutz zu gut ans liecht gelangen.“ 322 Der von Dürer in Venedig erstandene Band wird in Wolfenbüttel in der Herzog August Bibliothek (Sig. 22.5 Geom 2°) verwahrt, Schauerte (2003), Kat. Nr. 130, S. 201; Fara (2015); Fara (2016);

Gluch (2009), S. 105–114.

323 Peiffer (1997), S. 90; zu Dürers Rezeption der Schriften von Leon Battista Alberti, von Nikolaus von Kues sowie von Platons Timaios Filippi (2008), S. 160. 324 Kemp (1991); Barone (2011); Saxl (1957), S. 111–118, in den Bereichen der Perspektive, der Proportion sowie des Natur- und Anatomiestudiums; Rossi (1997), S. 58; Eusterschulte (1997), S. 36. 325 Ackerman (1985), S. 96–98; Fehrenbach (1997), S. 77/78 und S. 33/34: „Der Nachweis der Wissenschaftlichkeit der Malerei erfolgt bezeichnenderweise zunächst nicht durch das Argument ihres sinnlichen Erfahrungsgehalts bzw. ihrer Imitationsfähigkeit. Stattdessen betont Leonardo ihre theoretische Transparenz, die sich mit dem durch Euklid vermittelten Vorbild der Mathematik messen kann. Wie die Geometrie sei die Malerei auf ein letztes Element gebaut, hinter das nicht zurückgegangen werden könne. Es handelt sich um den Punkt, dem als ausdehnungslose Entität lediglich geistige Existenz zukomme (non è della materia di essa superfitie).“ 326 Olschki (1930) S. 521 zum „Geist des geometrischen Weltbilds“. 327 Anzelewsky (1983), S. 12; Knobloch (1989), u. a. zu den Werken von Alberti (Kat. Nr. 6.1), Dürer (Kat. Nr. 6.3), Lautensack (Kat. Nr. 6.8) und Ryff (Kat. Nr. 6.17a); Anzelewsky (1995). 328 Tacke (2002), S. 112; Curtze (1902), S. 324–336; Hauschke (2002) zu den Instrumentenbauern in Nürnberg. 329 Zinner (1968), S. 54, S. 68, S. 224: Das von Regiomontanus mit handschriftlichen Anmerkungen versehene Exemplar findet sich in Niederösterreich, Benediktinerstift Seitenstetten, Cod. 2° 56;

Anmerkungen I 315

eine weitere Kopie von der Hand Regiomontanus’, die er auf seiner Italienreise mit griechischen Handschriften abgeglichen hatte in Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent V 55. 330 Müller (2002), S. 140; Böckem (2016), S. 108–132 zu Jacopo de’ Barbaris Aufenthalt in Nürnberg und seine Zusammenarbeit mit Schedel und Kontakte zu Dürer. 331 Fehrenbach (1997), S. 34. 332 Dürer (1966), S. 75/76 nennt als Werke, die sich in der Bibliothek von Regiomontanus (später Walther) befanden „die Optik und Spiegellehre des Euklid ( in verschiedenen Handschriften, Übersetzungen und Kommentierungen), die Optik des Alhacen (Ibn al-Haitham), die Optik des Witelo, die Optik und Spiegellehre des Roger Bacon, die Perspectiva communis des Johannes Pisanus, die Perspectiva communis des Cardanus Facius, eine Perspectiva valde bona.“ Zudem konnte Dürer auf das Wissen von Konrad Celtis, Bernhard Walthers, Johannes Werner, Johannes Tschertte oder auch Willibald Pirckheimer zurückgreifen. 333 Dürer (1966), S. 9 [Einleitung von Rupprich zu den Mathematikern und Geographen, die die Bibliothek nutzten], darunter Konrad Heinfogel; Jakob Ziegler, Johannes Werner, Pirckheimer, ­Johannes Stabius (+ 1522), Johannes Schöner (1477–1547), Schüler von Bernhard Walthers, seit 1526 in Nürnberg; Georg Hartmann (1489–1564), Joachim Camerarius [Übersetzer der drei Bücher von Dürer ins Lateinische], Joachim Heller, Thomas Venatorius. 334 Hofmann (1971) zum Kreis der Mathematiker in Nürnberg, S. 134–137. 335 Patz/Müller-Hofstede (2000), S. 812; Seidenfuß (2006), S. 84/85. Über den Regiomontanusschüler Bernhard Walther (1430–1504) gelangt dieser Nachlass an Willibald Pirckheimer. 336 Euklid, Elemente, Venedig 1482, Vorwort von Erhard Ratdolt, fol. 1v: „non enim adhuc quo pacto schemata geometrica: quibus mathematica volumina lactent: ac sine quibus nihil his disciplinis fere intelligi optime potest [...] excogitaverant. Itaque cum hoc ipsum tantumodo comuni omnium utilitati que ex his percipitur. obstaret mea industria non sine maximo labore effeci. ut qua facilitate litterarum elementa imprimuntur. ea etiam geometrice figure cinficerentur. Quamobrem ut spero hoc nostro invento de discipline quas mathemata grece appelant voluminum copia sicut reliquie scientie brevi illustrabuntur.“ Übersetzung nach Frieß (1993), S. 69. 337 Im Vorwort seiner Summa von 1494 nennt Pacioli die beiden Maler Gentile und Giovanni Bellini, bei denen er in Venedig die Kunst der perspektivischen Darstellung studiert hatte; er kannte Botticelli und Ghirlandaio aus Florenz, Perugino aus Perugia, Signorelli aus Cortona, Mantegna aus Padua und Parmigianino aus Forli. Piero della Francesco bezeichnet er als „il monarco alli tempi nostri della pictura“, vgl. Veltman (1986), S. 170 und S. 447, sowie Argante Ciocci (2003). Das Manuskript der De divina proportione (1496/1498) mit den Zeichnungen, die Leonardo da Vinci zugeschrieben werden, befindet sich in Genf, Bibliothèque Universitaire, MS l. e. 210. 338 Filippi (2013), v. a. Kapitel 5: docta manus – Albrecht Dürers denkende Hände. Die künstlerische Tätigkeit als proprium humanitatis; Seidenfuß (2006), S. 92–124; Parshall (2013) zu Dürers Naturstudium und der damit verbundenen mathematischen Abstraktion; allg. Bach (1996). 339 Strieder (2012), S. 38. 340 Folkerts/Knobloch/Reich (1989), S. 11 zum Motiv der „Mathematik als Schlüssel zum Weltverständnis“ seit dem 16. und 17. Jahrhundert (Galilei und Kepler); Strieder (2012), S. 38; Ohly (1982), S. 14–21. 341 Filippi (2009); Smith (2004), S. 72. 342 Zu Dürers Autorschaft im Kontext der Verschriftlichung von Handlungswissen Long (2001), S. 218–221; vgl. Dürers Underweysung im Spiegel des allgemeinen Wissensstandes zur Zeit der Renaissance, in: Schröder (1980), S. 13–35; Schauerte (2003), Kat. Nr. 26, S. 53/54: Dürer (1969); Dürer (1996); Böckem (2016), S. 123/124. 343 Hoffmann (2014), S. 81 nach Dürer (1956), S. 126. Dürer spricht mit seiner Publikation nicht allein die Maler an, sondern nennt in seinen Notizen zum Lehrbuch der Malerei ebenso Holz- und

316 I Turbanschneckenkanne

Steinbildhauer, Steinmetze, Metallgießer, Tonbildner, Schreiner, Goldschmiede und Seidensticker; Dürer (1966), S. 145/146 und S. 148. 344 Hoffmann (2014), S.  79: „Auch wenn der hier zitiert Passus einem Manuskript (aus der Zeit 1511/1513) entnommen ist, das von Dürer „wieder verworfen wurde“, so findet sich doch eine ganz ähnliche Textstelle in einer „sorgfältig geschriebene(n)“ und „von ihm nicht mehr durchgestrichen(en) Fassung mit einem Monogramm und Jahreszahl versehenen Niederschrift aus dem Jahr 1513.“ 345 Hoffmann (2014), S. 84 mit Verweis auf Panofsky (1915), S. 168. 346 Hoffmann (2014), S. 86: „Wenn du jedoch wohl zu messen gelernt und den Verstand mitsamt dem Können erworben hast, dass du ein Ding frei und sicher verfertigen kannst und jeder Anforderung gerecht wirst, dann ist es nicht durchweg nötig, jegliches Ding zu messen. Denn deine erworbene Kunstfertigkeit verschafft dir ein gutes Augenmaß, und dann ist die geübte Hand gehorsam. Sodann vertreibt die Gewalt des künstlerischen Könnens den Irrtum aus deinem Werk und hindert dich, Falsches zu machen. Dann beherrscht du sie, wirst durch dein Wissen unverzagt und vollendest dein Werk, ohne einen Strich oder Schlag vergebens zu tun. Diese Behendigkeit macht, dass du dich nicht lange bedenken musst, wenn dir der Kopf voller Kunst steckt. Und infolge solcher Fähigkeit erscheint dein Werk kunstvoll, lieblich, gewaltig, frei und gut, wird von allen gelobt; denn es waltet in ihm die Richtigkeit.“ 347 Peiffer (1997), S. 92–95 zur Muschellinie und Dürers Geometrie; Smith (2004), S. 72/73: „Through this book, Dürer wished to convey the methods of perspective construction and the idea of demonstrative knowledge in geometry to his fellow German artisans, but he did not hesitate to note that some practices, such as that of constructing nine-, eleven-, and thirteen-sided figures, could not be accomplished geometrically, but could only be undertaken as builders had traditionally carried them out mechanicae (by practice).“ 348 Zur Spirale der Schneckenhäuser Leonhard (2007a); Fonseca (1993); Beech (1990). 349 Skizzenbuch (1905), Tafel 133 (171). Cook (1913), S. 121–124. Beutelspacher/Petri (1995), S. 63/64: „Diese Kurven [goldene Spirale, spira mirabilis, logarithmische Spirale] wurden zuerst von Decartes (1595–1650) mathematisch beschrieben und 1648 in seinen Briefen an Mersenne (1588–1648) besprochen.“ 350 Knobloch (1989), S. 127 betont die darin ablesbare „Mathematisierung handwerklicher Tätig­ keiten“. 351 Das erst buch der Geometria. Ein kurtze vnterweisung, was vn[d] warauff Geometria gegründet sey, vnd wie man nach anweysung der selben mit dem Circkel vnd Richtscheydt allerley Lini, Flech vnd Cörper außtheylen vnd in fürgegebner proportion machen soll; aus bewerten leren gemelter freyen kunst allen liebhabern der selben zu einem eingang vnd allen künstlichen wercklewten zu sonderm nutz vnd vorteyl, Nürnberg: Petreius, 1539. 352 Kaunzner (2004), S. 163. Die beiden sind Schwager, bei Petreius erschienen Neudörffers Schriften. 353 Interessant ist, dass Kühne (1998), S. 75 eine Verbindung zwischen dem theoretischen Interesse der Goldschmiede an geometrischen Körpern und den gleichzeitigen „Keimformen der Kristallographie“ im 16. Jahrhundert vermutet, wenngleich erst mit Johannes Keplers Untersuchung zur hexagonalen Form von Schneeflocken (Strena seu de Nive sezangula, 1610/1611) der eigentliche Beginn der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Kristallformen angesetzt wird. 354 Konstruktivisten (1969); Pfaff (1996), v.a. S. 11–14 und 58–65; Wood (2003); Seidenfuß (2006), S. 129. Zu Lorenz Stoer auch Kat. Nr. 660 und 661 [R. B.], in: Welt (1980), S. 274–276: Kat. Nr. 660, S. 274; Felfe (2015a), S. 216–219. 355 Die Nähe seiner Entwürfe u. a. zum Wrangelschrank von 1566 wurde immer wieder betont, wenngleich keine direkte Übernahme vorliegt, Möller (1956), S. 67.

Anmerkungen I 317

356 http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ihd/content/pageview/3887622 [aufgerufen 21. November 2018]. 1552 veröffentlich Hanns Lautensack (der Bruder von Heinrich) eine Ansicht von Nürnberg „Wahrhafftige Contrafactur der Löblichen Reychstand Norembeg gegen dem Nider“, Kühne (2005). 357 Seidenfuß (2006), S. 163–172. 358 Konstruktivisten (1969); O’Dell-Franke (1972) zu Vorzeichnungen in der Herzog August Bibliothek Wolfbüttel; Flocon (1964), bes. S. 16–32; Zauber (1987), Kat. Nr. VII.47, S. 332 [R.K.]; Richter (1995), S.  80–82, Abb.  63–54; Kayser (2006); Seidenfuß (2006), S.  213–224; Felfe (2015a), S.  181–194; Witting (2018), S. 100.

Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Sig. 10 Geom. 2° enthält Zeichnungen von Wenzel Jamnitzers Perspectiva Corporum Regularium.

359 Gormans (1999), S. 50: „Jamnitzers Perspectiva corporum regularium wird somit zur stereometrisch kodierten Vorstellung von der Einheit eines geordneten Kosmos und dem Aufbau der ­Materie im Sinne der platonischen Kosmologie; bedenkt man seinen ursprünglich intendierten Aufbewahrungsort, so ist die Perspectiva nicht zuletzt eine in der Sprache der Geometrie verfasste mikrokosmische Repräsentation des Makrokosmos.“ Klemm (1979b), S. 160, weist darauf hin, dass die Perspectiva dem Kaiser gewidmet ist und mit den fünf Vokalen auf ein Motto der Habsburger rekurriert, das u. a. als Aller Erdkreis Ist Österreich Untertan oder auch als Austria Erit In Orbe Ultima aufgelöst werden konnte: „Indem nun diese Vokale auf den Labyrinthbändern, die die einzelnen Darstellungen jeder Seite zusammenbinden [...], erscheinen, wird das Herrscherhaus mit der Vincula Rerum oder Aurea Catena Homeri in eins gesetzt, die den Kosmos in seiner hierarchischen Seinsordnung zusammenhält.“ 360 Zauber (1987), S. 305 (Kapitel VII: Ruhm der Künste); Smith (2004), S. 79/80; Felfe (2015a), S. 213– 215 zu Hirschvogel. 361 Ein gute Ordnung, vnd kurtze vnterricht, der fürnemsten grunde aus denen die Jungen, Zierlichs schreybens begirlich, mit besonderer kunst vnd behendigkeyt vnterricht vnd geübt möge[n] werden, 1538, http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0006/bsb00065307/images [aufgerufen 15. November 2018]. 362 Neudörffer wies dabei auf ein Büchlein hin, in dem er „ainundzwaintzig verenderungen einer gemeinen Handtschrift [...] beschriben unnd gemacht“ habe, um die „gratia oder holdseligkeit in den buchstaben zusuchen“, Doede (1988), S. 24. 363 Funke (1955), S. 263 und 264: In seinem Fundament von 1519, einer kurzen Anweisung für seine Schüler mit Holzschnittbeispielen, lehrt Neudörffer die Zerteilung, d. h. Zerlegung der Buch­ staben in ihre Bestandteile – später auch Zerstreuung genannt. Flasch (1965), S 284, verweist auf die Analogiesetzung bei Cusanus, nach der die menschliche Sprache mit ihren Elementen, Silben, Wörtern, Sätzen ähnlich additiv agiert, wie die (göttliche) Natur beim Zusammensetzen der Elemente. Baxandall (1980), S.  148–152 nutzte Neudörffers Reflexionen für sein 6. Kapitel zum ­Period Eye, in dem er zeitgenössische Kategorien der visuellen Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit versammelt. 364 Mittelstraß (1981), S. 41: „Der ordo naturae verdankt sich der andauernden potentia fabricatoria (dem bildenden Vermögen) Gottes.“ Groh (1991), S. 19: „Platon treibt die Analogie von Kunstdingen und Naturdingen noch einen Schritt weiter. Er begnügt sich nicht damit, dass beide poetische Struktur besitzen, sondern nimmt an, dass alles, was in der Ordnung von Mittel und Zweck gebildet ist, also die natürlichen Dinge ebenso wie die Kunstdinge, von einem Werkmeister geschaffen wurde.“ 365 Jamnitzer, Perspectiva Corporum Regularium, Vorrede, aIIIr. 366 Gloy (1996), S. 31/32 weist auf das von Platon entwickelte ontologische Modell hin, demzufolge sich der Prozess der Naturerkenntnis (als Erkennen ihrer strukturellen Eigenschaften, Prozesse

318 I Turbanschneckenkanne

und Gesetze) am Schaffensprozess des Künstlers orientiert: „Wie der Handwerker oder Künstler im Blick auf vorgegebene Ideen das vorfindliche Material ordnet und formt, so hat auch der göttliche Demiurg im Blick auf den vorgegebenen archetypischen Ideenkosmos die Welt geformt. [...] Der Nachvollzug des ursprünglichen Schaffensprozess im rekonstruierenden Intellekt ermöglicht dem menschlichen Erkenntnissubjekt Einsicht in die Aufbaugesetzte und Strukturen der Natur. Naturverstehen ist intellektuelle Rekonstruktion.“ 367 Jamnitzer, Perspectiva Corporum Regularium, Vorrede, fol. a IVr. 368 Felfe (2015a), S. 14: „Ausgerechnet dort, wo sich die Praxis des Zeichnens aufgrund enger Bindungen an die Geometrie eigentlich einer Sphäre der reinen Vorstellung hätte verpflichtet fühlen müssen, artikuliert sie sich selbstbewusst als erfindungsreiche Formgebung inmitten der physischen Welt.“ 369 Dresden, Kupferstichkabinett, Inv.  Nr.  Ca 61. 55 Blätter, 41,7  x  28  cm, Gutfleisch/Menzhausen (1989), S. 3. 370 Perspectief Buch. Darinnen ordentlich zubefindenn die Stück welche der Durchlauchtige Hoch­ geborne Furst unndt Herr Herr Christianus, Hertzogk zu Sachsenn Landttgraff inn Dhuringen Margraff zu Meissen etc. auf Hannsenn Lenckers Burgers zu Nurnbergk unterthenige unterweisung vonn dem letzen tagk February dess 1576. Jahrs ahn vor sich mitt eigener Handt gerissen Hatt; Abbildung bei Melzer (2012), S. 333. 371 Spitzer, Gerd: Elfenbeinkunststücke, in: Boden (1990), S.  245/246; Maurice (1985a), S.  56–58; ­Zauber (1987), Kat. Nr. VIII.59, S. 369 [S. S.]; Holländer (2015), S. 58. In diesen Kontext gehören auch die Überlegungen von Moran (1981) über die Prince-Practitioners, die an ihre Höfen hochgradig spezialisierte Instrumentenbauer und Uhrmacher zogen, um mit ihnen im Verbund an Problemen der Landesvermessung, der Zeitberechnung und Sternenbestimmung zu arbeiten; vgl. Maurice (1985b). 372 Holländer (2015), S. 57 zu den Drechselbänken als Ausdruck der Maschinen- und Instrumenten­ begeisterung der Epoche und mit Bezug auf Uhrwerken; zum mathematischen Allgemeinwissen für die Zeit „um 1500“ – mit Blick auf die Wertschätzung künstlerischer Formen – schreibt Baxandall (1980), S. 146: „The High German culture of 1500 was mathematically opaque: it hat its formulas and techniques which met practical needs quite well, but it lacked analytical attack of a generalizable kind that might penetrate into either the making or seeing of artistic forms.“ 373 Holländer (2015), S. 68. 374 Holländer (2015), S. 68. 375 Holländer (2015), S. 72 zu den „serpentinata-Strukturen“, die bei Kleinplastiken ebenso zu finden sind, wie bei Konchylien oder gedrechselten Elfenbeinarbeiten. 376 Patz/Müller-Hofstede (2000), S. 812; Steinmann (1979), S. 81–89. 377 Das erste Motto (vivitur ingenio) entstammt der Elegie in Maecenatem und findet sich auf dem Kupferstichporträt Pirckheimers von Dürer aus dem Jahr 1524; das zweite Motto (aurum probatur igni) entstammt der zweiten Auflage der Nova Scientia von Nicolò Tartaglia (1500–1557) aus dem Jahr 1558. 378 Wobei über die ursprüngliche griechische Bedeutung von mathēsis als umfassender Wissenschaft und/oder Kenntnis auch das weitere semantische Feld mitbedeutet ist. 379 Knobloch (1989), Kat. Nr. 6.17a, S. 146–148. 380 Patz/Müller-Hofstede (2000), S. 814: „Albertis De Pictura wird somit kommentiert und aktualisiert, De Statua in Verbindung mit Gauricus’ De Sculptura zu einem vollständigen Traktat erweitert und abgeschlossen. Ohne Zweifel war es Rivius Anliegen, eine gleichermaßen aktuelle wie universale Kunstlehre für jede der Kunstgattungen zur Verfügung zu stellen.“; Patz/MüllerHofstede (2000), S. 816 vermuten, dass Rivius De Sculptura von Pomponius Gauricus über die

Anmerkungen I 319

Nürnberger Edition von 1542 kannte und betonen die Synthese mit Albertis De Statua als eine „singuläre Leistung“ von Rivius. 381 Patz/Müller-Hofstede (2000), S. 812/813. 382 De Pictura praestantissima et nunquam satis laudata arte libri tres absolutissimi, Leonis Baptistae de Albertis viri in omni scientiarum genere et praecipue mathematicarum disciplinarum doctissimi. Iam primum in lucem editi, Basileae 1540. 383 Zudem erfolgte die Editio Princeps in Nürnberg, nicht in Italien – dort erschien 1547 eine italienische Übersetzung von Ludovico Domenichi mit dem Titel La Pittura di Leon Battista Alberti tradotta per M. Lodovico Domenichi, Vinegia, appresso Gabriel Gilito de’ Ferrari, 1547; Smith (2004), S. 69–74. 384 Ryff (1547), S.  XVIIr; Patz/Müller-Hofstede (2000), S.  817: „Beleg hierfür ist der Umstand, dass Skulptur ohne Bindung an die Materie numerisch abbildbar ist und als „reine“ From gedacht werden kann. Darauf gründet sich die These, dass Skulptur anhand der schriftlich fest­ gehaltenen Zahlen jederzeit und an jedem Ort wiederherstellbar bzw. reproduzierbar ist“; Jachmann (2006). 385 Ryff (1547), S. XXIIr: „ Also haben bey den alten yede so diser kunst sich gebraucht haben / nach irem thun von welcher arbeit ire sonderliche vnterschiedliche namen gehabt / Welche wir doch alle samen in disem unserm schreiben vnter dem wörtlein Bildner oder Sculptor begriffen haben wöllen / vnd mag solches bilden in mancherley gestalt geschehen / als so wir von Holz oder Helffenbein bildnis schneiden / von leimen oder letten (wie die Haffner) abtrucken oder possieren / vo Gyps und Wax giessen / vnd in Stein / Stahel vnd andre Metal stechen und etzen / oder haen / vnd auch von ertz vnd Metal vnd mancherley zeug giessen. Es sindt aber all diese manieren dermassen ineinander verhafft und also wunderbarlich verschrencket vnd verknupfft / das sie nit wol von einander getrennet werden / also das der so eine weiß / der andren allen nit vnerfaren sein kann.“ 386 Ramus Scholae, S. 65/66: „Stipendium dare de publico mathematum professori non ci solum qui doctis & eruditis praelegat, sed ci quoque, qui vernacula lingua latine graeceque ignaros opifices erudiat: hinc etiam nobiles sine literis artifices: imo mathematicae disciplinae etiam apud ­posteros doctores. Duerus [Dürer] enim pictor hanc Noribergensibus laudem tribuet. 387 Lencker 1571, fol. 3v. Will (1764), bringt aus Johannes Thomas Freigius Lebensbeschreibung des Petrus Ramus die betreffende Stelle, S. 295: „Daß P. Ramus Lenkern williger funden habe, als Jamnitzern, haben wir erst gelesen. Wie viel und was aber Lenker eigentlich geoffenbahret, ­wissen wir nicht: doch hat er sich vom Ramo bewegen lassen, in einem unter dem Titel Perspectiva etc. 1571 herausgegebenen Werke den Grund von seinen bisherigen perspectivischen Ausübungen gemein zu machen.“ 388 Smith (2004), S. 66; O’Dell-Franke (1972), S. 166 zu Jamnitzer als Mathematiker. 389 Chichester (2014), Kapitel  2: Mit Schablonen jonglieren: Perspektivinstrumente in Nürnberg, S. 45–50. 390 Die Abbildung auf S. XXIIr, mit G bezeichnet, der Text folgend auf S. XXIIv. 391 Ein schöner kurtzer Extract der Geometriae vnnd Perspectiuae wie die Perspectiua ohne Geo­ metria nicht sein kan, Hernacher wie die Perspectiua in ihren Wercken auff drey Weg zuuerstehen, Nürnberg: Fuhrmann, 1599. Seidenfuß (2006), S.  292–300; Hauschke (2009), S.  177: „Die ­Bedeutung des Extracts darf man aber nicht hoch genug einschätzen, gibt er doch erstmals einen illustren Überblick über die bis dahin entwickelten Perspektivapparate. Ein solches Unterfangen stellte ein großes Novum dar, denn bis zum ausgehenden 16. Jahrhundert waren die Theoretiker, die sich mit Geometrie und Perspektive beschäftigten, sehr verschwiegen, wie das Verhältnis von Jacopo de’ Barbari zu Dürer zeigt.“

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392 Künstlerlexikon (2007), S. 555; Jamnitzer (1985), S. 163; zum Status der Perspektivtische im Kontext von Zeichen-Apparaturen (vor allem der camera obscura) im 16.  Jahrhundert Camerota (2005), S. 267. 393 Skizzenbuch (1905), die Perspektivtischblätter (Tafel 135,136,137), dort, fol. 179r: der Perspektivzeichner mit einer Vase. 394 Zauber (1987), Kat. Nr. VII.20 [E.H.], S. 317; Seidenfuß (2006), S. 222/223. 395 Doppelmayr (1730), S. 160–160; Hauschke (2009), S. 177.

Anmerkungen I 321

82  Jakob Stampfer, Globuspokal, um 1550. Historisches Museum, Inv. Nr. 1882.103.

3 Globuspokale Einleitung Lange bevor William Anders, Frank Borman und Jim Lovell am 24. Dezember 1968 von Bord der Apollo 8 das Foto Earthrise auf die Erde übertrugen – das erste, vermeintlich objektiv-photographische „Weltbild“ – gab es visuelle Darstellungen der Erde.1 Diese artifiziellen Nachschöpfungen wurden seit dem Ende des 15. Jahrhunderts in immer exakteren Versionen erdacht, erstellt als Weltkarten und als Globen.2 Auch wenn niemand damals das Urbild betrachten konnte (und auch bis heute nur sehr wenige Menschen die Erde sahen), wurden diese konstruierten Welten als naturgetreue Abbilder akzeptiert und prägen bis heute unsere Vorstellung davon, wie die Erde aussieht.3 In dem Artikel „Ist die Erde doch eine Scheibe? „Flacherdler“ glauben das. Warum nur?“ von Friedemann Karig, der im Jetzt-Magazin der Süddeutschen Zeitung am 17. November 2016 erschien, wird dieses Paradox thematisiert. Der Artikel beginnt mit der Aussage des Flatearthers Cae_sar, der die Beziehung zwischen unsichtbarem Urbild und seinen Modellen anspricht: „Das fängt ja im Kindergarten schon an – dass einem die Eltern einen Globus vorhalten. Und man daran glauben muss.“4 Diese Aussage bringt das Phänomen Globus auf den Punkt: Wenngleich die Weltumsegelung von Ferdinand Magellan (vor 1485–1521) zwischen 1519 und 1522 bewiesen hatte, dass die Erde rund und die Weltmeere miteinander verbunden sind, so entstanden doch weder durch die Tat, den mündlichen, wenig später schriftlich fixierten und publizierten Bericht und die auf den Fahrten gesammelten umfangreichen Messdaten tatsächliche „Bilder“ der Erde.5 Diese mussten von Künstlern erschaffen werden, Erd-Modelle, die im Artefakt das vor Augen stellen und dabei erklär- und verhandelbar machen, was man nicht sieht.6 Diese Modelle sind Stellvertreter, die das Aussehen der Welt bzw. die Vorstellung vom Aussehen der Welt in zweidimensionaler Form (als Karte) oder auch in dreidimensionaler Form (als Globus) entwerfen. In diesen Weltmodellbildern werden nicht allein die Formen der Landmassen in ihrem Verhältnis zur tragenden Kugel und zu den Wassermassen beschrieben, sondern auch Länder – Grenzen – eingezeichnet und damit politisch-kulturelle Gebiete definiert, die einer eigenen Zeitlichkeit unterworfen sind.7 Diese doppelte Beschreibung von Land als Raum, mit einer geologischen sowie einer territorialen Konnotation und einer Wandlungen unterworfenen Geschichtlichkeit, gehört zu den großen Neuerungen, die ab 1500 die Bilder und die Wahrnehmung von Landschaft radikal veränderten.8 Im Zentrum dieses dritten Teils steht ein Globuspokal (Kapitel 3.1), der zu einer Gruppe von weiteren Goldschmiedekunstwerken zählt, die in handlicher Form die Welt in einem dreidimensionalen Modell präsentieren und zugleich zum Trinken von Wein genutzt werden konnten. Die in diesen Artefakten transportierte Geschichte des Raumes und des

Einleitung I 323

räumlichen Denkens erweist sich als eine Mediengeschichte, wirkt doch die Darstellung von Raum auf die Wahrnehmung von Raum (und umgekehrt) ein.9 Im zweiten Kapitel werden die erhaltenen Globuspokale vorgestellt; darauf folgt ein kurzer Abriss über die Kartographie-Geschichte (Kapitel 3.3) und die frühen Weltmodelle (Kapitel 3.4), um das sowohl wissenschaftliche als auch künstlerische Umfeld, in dem der Globuspokal entstand, zu skizzieren. Vergleichbar der Struktur „Zeit“ ist auch „Raum“ ein von Menschen geschaffenes Bezugssystem, um die unübersichtliche Umwelt zu erfassen; das den Globus überziehende Gradnetz ist das sichtbare Zeichen dieser Aneignung und wurde entwickelt, um auf der Erde Lagebeziehungen darzustellen.10 In Kapitel 3.5 (Die Welt als Artefakt) wird daher gezeigt, wie die vermehrt vorhandenen artifiziellen Welten tradierte Ikonographien veränderten und wie häufig solche Darstellungen im Umfeld von Fernhändlern mit präzisen Aussagen eingesetzt werden konnten. Das sechste Kapitel wendet sich den Gelehrten zu, die im Vorwort der beschreibenden Handschrift von Jakob Stampfers Globus­pokal als relevante Vorläufer ausgewiesen werden. Die Genannten sind mit der Verbreitung von geographischem Wissen, den europäischen „Entdeckungen“ und der ­Erschaffung von Weltbildern befasst. Als praktisch arbeitende Theoretiker, die sich um die Visualisierung der Welt bemühen, reflektieren sie ihr Tun in Selbstzeugnissen und Traktaten. Abschließend gerät das Motiv der menschlichen Hybris, die Vermessenheit, im siebten Kapitel in den Blick, die im 16. Jahrhundert in enger Verbindung mit der Vermessung und vermeintlichen Entschlüsselung der Welt verhandelt wurde. Darin spiegelt sich die Diskussion um die Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit und führt zu der Frage zurück, inwieweit der Mensch die Welt und damit Gott in seiner Schöpfung erkennen kann. Eine Karte ist immer auch ein Diagramm, ein Diagramm ist eine Abstraktion im Sinne einer graphischen Konzentration auf das, was ausgesagt werden soll.11 Innerhalb der ­Kartographie ist die Auswahl und damit die Vereinfachung ein wichtiges Instrument, da Karten keine detailgetreuen Modelle der Welt sein können, sondern geometrisch-abstrahierende Abbilder von ihr darstellen.12 Die Entwicklung der Zentralperspektive durch die Generation um Filippo Brunelleschi (1377–1446) und Leon Battista Alberti hatte die künstlerischen Voraussetzungen für die Umformung der Umwelt in einen systematisch organisierten Raum geschaffen und damit nicht allein ihre Darstellung, sondern auch die räumliche Wahrnehmung des Menschen und seine Positionierung im Raum grundsätzlich verändert.13 Künstler arbeiteten systematisch an der mathematisch korrekten Übertragung der sichtbaren Welt in ein Bild – und zeitgleich überführten Geographen ihre Vermessungsdaten in immer präzisere Karten. Die Frühe Neuzeit ist damit die Epoche der Rationalisierung des Raums auf vielfältigen Ebenen: In der mathematischen Vermessung, in der kartographischen Rekonstruktion, in der politisch-territorialen Organisation. Allen diesen Praktiken liegen Gesten der Aneignung zu Grunde und ein für die Frühe Neuzeit fundamentales Thema, die europäische Expansion, gerät in den Blick, das eng mit dem Ausgreifen der portugiesischen Seefahrt in die Weltmeere und auf die Märkte und Länder im fernen Osten und Westen verbunden ist. Nach der gelungenen Umrundung des

324 I Globuspokale

Kaps der Guten Hoffnung 1488 stand den Europäern der Seeweg nach Indien offen und Columbus’ „Entdeckung“ des amerikanischen Kontinents im Jahr 1492 öffnete den Weg in den Westen. Das Ausgreifen der Neuankömmlinge auf die „neuen“ Länder und auf die dortigen Märkte wurde durch kartographisches Material begleitet – das als Instrument der Seefahrt die Fahrten ermöglichte und das zugleich als Modell der Welt diese Fahrten und die europäische Erschließung der Welt bildhaft protokollierte.14 Diese Hinwendung zur Welt, die gewaltsam und forschend, beschreibend und unterwerfend zugleich ist – und die auch in den Teilen 1 und 2 zu den Handsteinen und den Turbanschnecken als Motiv verhandelt wurde  – ist für die Frühe Neuzeit konstitutiv. Bemerkenswerterweise sieht Martin Heidegger (1938) vor allem im Erschaffen von Welt-Bildern, genauer: in der Figur der Welt als bildliche Vorstellung des Menschen, die prinzipielle Aussage dieser Zeit enthalten: Weltbild, wesentlich verstanden, meint daher nicht ein Bild von der Welt, sondern die Welt als Bild begriffen. Das Seiende im Ganzen wird jetzt so genommen, dass es erst und nur seiend ist, sofern es durch den vorstellend-herstellenden Menschen gestellt ist [...] Das Weltbild wird nicht von einem vormals mittelalterlichen zu einem neuzeitlichen, sondern dies, dass überhaupt die Welt zum Bild wird, zeichnet das Wesen der Neuzeit aus.15

Die von Heidegger nicht gemeinten aber dennoch mitbezeichneten konkreten Weltbilder wurden von Künstlern erschaffen, die mit Hilfe der perspektivischen Darstellung und auf Vermessung basierend schöpferisch tätig waren. Albrecht Dürer weist in seiner Unter­ weisung der Lehrjungen in der Malerei / Speis der Malerknaben der Malerei als Aufgabe (neben dem Porträt sowie der Darstellung der religiösen Historien) genau diese Visualisierung von Messdaten zu: Dy messung des ertrichs, wasser vnd der stern ist verstendtlich worden durch antzeigung der ­gemell vnd würt noch menchen vill kunst durch antzeigung der gemell.16

Für Dürer ist offen ersichtlich, dass durch die Malerei die Vermessung von Himmel und Erde „verständlich“ werden kann, denn wenngleich die Vermessung die Grundlage jeder frühneuzeitlichen Kartographie bildet, ist sie doch nicht visuell erfahrbar. Die einzelnen Entfernungen, Höhen und sonstigen Koordinaten, die gesammelt und verzeichnet wurden, sind ohne die künstlerische Tat der Welt-Reproduktion kaum vermittelbar. Karten und Globen erweisen sich damit als zweifache Verfahren einer künstlerischen Abstraktion, die aus der Natur die Daten ableitet, um sie dann in die Fläche oder auf eine Kugel zu projizieren. Peter Apian (1495–1552), Professor für Mathematik an der Universität Ingolstadt, daneben als Astronom, Geograph und Kartograph tätig und als Drucker und Herausgeber für berühmte Publikationen wie das Astronomicum Caesaraeum mit seinen drehbaren

Einleitung I 325

Himmelsscheiben verantwortlich, definiert in der Einleitung zu seinem 1524 erschienenen Cosmographicus Liber, was Geographie sei. Er folgt dabei der berühmten Stelle von ­Claudius Ptolemaios (um 100-nach 160), der in Buch 1 (Kapitel 1, 1–3) ausführt:17 Die Geographie ist die auf einem Abbildungsverfahren [dia graphes] beruhende Nachbildung des gesamten bekannten Teils der Erde, samt dem, was allgemein damit im Zusammenhang steht. Sie unterscheidet sich von der Chorographie, da diese die einzelnen Teilgebiete getrennt voneinander darstellt und dabei beinahe alle kleinsten Einzelheiten der erfassten Teile verzeichnet [...]. Das Besondere der Geographie aber besteht darin, dass sie ein zusammenhängendes Gesamtbild der bekannten Erde bezüglich ihrer Beschaffenheit und Lage gibt [...] Das Ziel der Chorographie da­ gegen ist auf die Darstellung des Einzelnen ausgerichtet, wie wenn etwa jemand nur ein Ohr oder ein Auge abbilden wollte, während das Ziel der Geographie auf die Gesamtbetrachtung ausgerichtet ist, gleich wie wenn jemand den ganzen Kopf abzeichnet.18

Durch die Verwendung des Begriffs der geographia verweist Ptolemaios erstens bewusst auf eine „darstellende Erdkunde“, die sowohl verbal/textlich als auch graphisch beschreibend ist und auf Messungen beruht.19 Zweitens nennt er als Methode bzw. Instrument der Darstellung dia graphes, also ein Verfahren der Abbildung, das auf theoretischem Wissen basiert, wohingegen er den Begriff katagraphe dort verwendet, wo er den (technischen) Akt des Kartenzeichnens meint.20 Ptolemaios betont dies erneut, wenn er formuliert, dass die Chorographie – bei der Erstellung von Landkarten – keine mathematisch astronomischen Methoden bräuchte, „während in der Geographie diese Disziplin eine hervorragende Bedeutung hat.“21 Petrus Apian nun folgt in seiner Ausgabe Ptolemaios und definiert die Geographie als die Betrachtung und die Kenntnis der Teile der Erde, deren Aufgabe es sei, den Anblick des gesamten Erdkreises durch die Nachahmung durch Malerei zu ermöglichen – so wie zuverlässige Bilder die gesamte Ähnlichkeit des Kopfes darstellen. Apian stellt in seinem Vorwort eine Analogie zwischen der Tätigkeit des Porträtisten und des Kartographen her und behauptet dabei, dass beide nach einem Urbild ein Abbild erarbeiten. Auf fol. 2r des genannten Apianschen Cosmographicus Liber findet sich zudem die Festlegung, dass die Geographia den ganzen Menschen, die Chorographia hingegen seine einzelnen Teile in der Nahsicht abbilde, als würde ein Maler Augen und Ohren darstellen.22 Die diesem Text beigegebenen Darstellungen illustrieren das Gesagte: Die Geographie befasst sich mit der Wiedergabe der gesamten Erde, wobei zwischen dem Bild der Erde und dem tatsächlichen Ort Erde eine Beziehung bestehe, die sich durch Ähnlichkeit (similitudo) beschreiben ließe. Mit diesem Begriff verweist Apian auf den Bereich der durch die Sinne wahrnehmbaren Übereinkunft von Urbild und Abbild, die im menschlichen Vermögen begründet liegt, ­zwischen einem Ding und einem anderen Ding eben die genannte Ähnlichkeit, die durch artifizielle Wiederholung bestimmter Charakteristika erzeugt wird, zu erkennen. Diese Ähnlichkeit ist es, die zwischen einem Menschen und seinem neuzeitlichen Porträt ­besteht, in dem durch einen Künstler bestimmte äußerliche Eigenschaften mimetisch wiederholt

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werden. Der Vergleich mit dem Porträt ist anschaulich und doch vollkommen irreführend: Sieht doch der Porträtist sein Modell im Ganzen und die Betrachter:innen seines Werks vergleichen dieses mit einem menschlichen Vorbild, das sie sehen können/könnten. Das aber trifft auf Globen nicht zu: Kaum ein Mensch hat die Erde tatsächlich gesehen, aber dennoch vermeinen (fast) alle Menschen, das Bild der Erde als solches erkennen zu können. Wichtig ist zu fragen, in welchen Netzwerken visuelle Darstellungen der Welt entstanden, wer wo und aus welchen Motiven daran arbeitete, die Welt zu visualisieren und welche Wirkung dies hatte: Bruno Latour schreibt über Karten, sie seien Papier und Zeichen, die in den Händen von Kolonialmächten dazu dienten, ganze Länder zu besetzen und zu unterwerfen.23 Diese Weltaneignung findet in den hier diskutierten Globus­ pokalen, die in den Händen reicher Händler lagen, ihre künstlerische Entsprechung.24 Es sind Europäer, die diese Weltbilder schufen, aus ihrem Blickpunkt und mit ihrer Agenda; wie stark die im 16. Jahrhundert getroffenen Entscheidungen, wie die Welt darzustellen sei, nachwirken, kann man an der heutigen – postkolonialen – Diskussion über die uns so sehr vertrauten „Weltbilder“ ablesen: Das damals entworfene Formular stellt Europa in die Mitte, so dass rechts davon der Nahe und der Ferne Osten (der „Orient“), im Westen hingegen der – einstmals „wilde“ – Westen liegen. So wird über ein Bild die Geschichte von Mitte und Rändern, von Ost und West und damit von „Ferne“ zu einer kulturell, wirtschaftlich, gesellschaftlich gesetzten, normierenden Hauptzivilisation erzählt, zugleich Peripherie und Zentrum definiert. Diese Erzählungen transportieren weitere Sinnangebote, erklären über das kanonische Bildformular Kultur und Nicht-Kultur und begründen vermeintliche Fremdartigkeit, die mit Abwertung und mit Ängsten belegt ist. Eine Weltkarte, die Amerika in die Mitte rückt – und damit dann auch Asien „auseinanderschneiden“ würde  – ist europäisch/eurozentristischen Augen genauso fremd wie Karten, die beispielsweise Indien oder Japan als zentral ansehen würden. Solche „verrückten“ Karten wirken auf den ersten Blick als nicht richtig  – sind aber nur Abweichungen von einer Norm, die im 16. Jahrhundert in Europa entwickelt und seither fortgeschrieben wird. Erst in jüngerer Zeit wird vermehrt darauf hingewiesen, dass durch die gewählte Projektion (vielfach die Mercator-Projektion von 1569)25 nicht die tatsächlichen Größenverhältnisse der Kontinente auf den Karten verzeichnet sind, sondern Europa und die USA im V ­ ergleich beispielsweise mit Afrika sehr viel größer erscheinen. Eine Karte, die die tatsächlichen Maße abbildete, würde sehr deutlich machen, wie klein (und damit auch unbedeutend?) Europa im Verhältnis zu Asien, Afrika oder auch Südamerika ist (Abb. 83).26 Es ist wiederum ein Zeichen unserer Zeit, dass begonnen wird, über kartographische Darstellungen und die darüber transportierten Sinnzuschreibungen und Wertesysteme nachzudenken. Einen Globuspokal in den Mittelpunkt zu stellen liegt auch in der Bedeutung begründet, die Trinkgefäßen in der Frühen Neuzeit zukam. Denn nicht zuletzt ist das 16. Jahrhundert das Zeitalter einer exzessiven Trinkkultur, in der außergewöhnliche Gefäße weit verbreitet und das Publikum daran gewöhnt waren, ihre komplexen Ikonographien zu betrachten und zu entschlüsseln.27 Pokale waren einflussreiche Medien, die zu unter-

Einleitung I 327

83  Hajime Narukawa, AuthaGraph World Map. narukawa lab, Theory of Earth System Design 2015.

schiedlichen Anlässen öffentlich überreicht, ausgestellt, gesammelt und genutzt wurden.28 Zunftpokale, Willkommen, Witzgefäße, bei denen dem Trinker der Wein ins Gesicht schwappte – oder auch sexuell anzüglichere Motive, wie das Trinken aus dem Rock einer Dame bei Hochzeiten – gehörten zum verbreiteten Repertoire. Getrunken wurde auch im privaten Kreis, doch ist das öffentliche, rituelle Trinken für die Kultur des 16. Jahrhunderts fundamental. Innerhalb der gemeinschaftsstiftenden Trinkrituale waren Pokale wert­ geschätzte Objekte, die fortwährend im Mittelpunkt, in aller Hände und vor aller Augen standen. 1541 beklagte Martin Luther den Saufteufel: „Es ist leider [...] ganzt Deutdschland mit dem Sauffen laster geplagt. Wir predigen, schreiben und predigen da wider. Es hillft leider wenig.“29 Dem rituellen Trinken innerhalb der Zünfte und anderen Formen des organisierten geselligen Zusammenseins oblag ein Trinkzwang.30 Wurde jemand durch Zutrinken aufgefordert, musste er sein Glas in einem Zug leeren – wenn dies nicht gelang oder wenn der Aufgeforderte nicht trank, galt dies als Beleidigung.31 1589 heißt es: Uns Teutschen kann man die Trinkgeschirr nicht gross genug, sondern auch nicht schön und seltsam genug machen. Man trinkt aus Affen und Pfaffen, Mönch und Nonnen, ­Löwen und Bären, Straußen und Käuzen und aus dem Teufel selbst. [...] Ich will und mag nichts sagen von den unflätigen Weinzapfen, die aus Kannen, Schüsseln, Häfen, Hüten, Schuhen, Stiefeln, Handbecken und gar auf ein sybaritische Weis aus den Matulis [Nachtgeschirr] und Harnkachel einander zutrinken.32

328 I Globuspokale

Detlef Heikamp verweist darauf, dass „das Zechen aus diesen vielgestaltigen Geräten [...] zu einem magischen Prozess der Weltaneignung bzw. der Einverleibung“ wurde.33 Zugleich arbeitet er heraus, dass das Trinken aus diesen Gefäßen von den Zeitgenossen nicht als ein rein geschmack­liches, sondern als multisensorisches Ereignis erlebt wurde – ein Aspekt, der nicht nur für die Globuspokale, sondern auch und in besonderem Maße für die Turbanschneckenkannen von großer Bedeutung ist: wurden ihre komplexen Volumina mit Flüssigkeiten gefüllt, konnte man möglicherweise durch Gewichtsverlagerungen das langsame Durchfließen der unterschiedlichen Kammern erfahren. Hörbar waren interessante Geräusche, die die Getränke sowohl beim Eingießen als auch beim Austrinken erzeugten, so beschreibt beispielsweise Johannes Matthesius in seiner Predigt vom Glasmachen im Kontext der Mannalese (2. Moses 16) einen gläsernen Kuttrolf, wie er in Kapitel 2.5, Abbildungen 65 und 66 besprochen wird: „die do kuttern, klunkern oder wie ein Storch schnattern, wenn man daruss trinket“.34 Fühlbar veränderten sich die Temperaturen in u ­ nterschiedlichen Graden entsprechend den unterschiedlichen Materialien. Der Sekretär der Accademia del Cimento, Lorenzo Magalotti (1637–1712) feiert eine Trinkerfahrung als Genuss der Sinne: „Und es ist gut, dass durch den Geschmack, durch die Farbe und durch den Geruch die Zunge und das Auge und die Nase Vergnügen haben, so dass der eine Sinn den anderen nicht beneidet.“35 Neben den wilden Formen existieren eine große Anzahl von edlen Trinkgefäßen, die als Geschenke überreicht wurden. Ein bekanntes Beispiel ist der in Berlin im Kunstgewerbe­ museum verwahrte Kaiserpokal, der als Huldigungsgeschenk des Landsberger Bundes an Kaiser Maximilian II. gegeben wurde. Sein elaboriertes und komplexes Programm macht exemplarisch deutlich, dass Schenkende wie Beschenkte diese Stücke sehr genau betrachteten und die dort versteckt oder offen angebrachten Symboliken zu entschlüsseln wussten.36 In Teil 3.2 werden die erhaltenen Globuspokale vorgestellt, für die in einigen Fällen dokumentiert ist, dass sie in Zeremonien inszeniert, als Geschenke überreicht oder gestiftet wurden; sie halten eine Vielzahl von Anspielungen, Verweisen und sonstigen Angeboten zur Kommunikation bereit, die in unterschiedlichen Ebenen von den zeitgenössischen Betrachter:innen gelesen werden konnten. 37

3.1 Der Globuspokal Das früheste erhaltene Exemplar eines Globuspokals stammt von der Hand des Zürcher Goldschmieds Jakob Stampfer (um 1505/06–1579) und befindet sich im Historischen M ­ useum in Basel.38 Dieser Globuspokal besteht aus einer in der Mitte teilbaren Kugel (dem eigentlichen Globus) auf rundem Fuß und birnenförmigem Schaft.39 Diese Cuppa des P ­ okals ist aus Silber gegossen und in Teilen getrieben, auf der Oberfläche sind die Lage der Erdteile sowie einige Sterne eingraviert – es handelt sich also um ein „kosmographisches“ Modell der Welt, das die beiden Bereiche (Himmel und Erde) der Schöpfung ­vereint.40 Die Wassermassen sind in Silber belassen und mit feinen und gleichmäßigen ­Wellenlinien markiert, die Landmassen vergol-

Der Globuspokal I 329

det.41 Der Globus ist nicht fest auf dem Schaft montiert, sondern innerhalb eines Horizontrings, in dem ein Meridianring senkrecht steht, flexibel eingelassen. In dieser Halterung kann der Globus sowohl um die eigene Achse gedreht, als auch durch Bewegung der auf dem Meridianring laufenden P ­ olachse gekippt werden. Ein halber Ring zeigt den nördlichen Polar­kreis sowie die Stundeneinteilung 1 bis 12 an. Auf der nördlichen Polscheibe steht in einer Halterung eine Armillarsphäre, ein kugelförmiges System von Reifen, die die Hauptkreise von Äquator und Ekliptik, von Wendekreisen und Polarkreisen visualisieren (Abb. 84).42 Das Modell zeigt so die vermeintlichen Planetenlaufbahnen um die (bei diesem Objekt nicht ­figurierte) Erde in der Mitte der Sphäre in umlaufenden Ringen an. Der Globus selbst wird durch den umlaufenden Meridian in seinem Gestell gehalten, zudem sind zwei weitere Meridiane mit Gradangaben auf den Globus graviert. Der Nullmeridian verläuft vor der Westküste Afrikas und in der iberischen Halb­insel. Der Äquator ist mit CIRCVLVS Æ ­ QVINOCTIALIS beschrieben; die Wendekreise von Krebs (TROPICVS CANCRI) und Steinbock (TROPICVS CAPRICORNI) sind als schmale Linien eingetragen, die Ekliptik ist breiter dargestellt. Der Horizont­ring, der den Globus hält, ist auf seiner Oberseite im Innern mit den Namen der Tierkreis­zeichen, nach außen fortgesetzt mit den wichtigsten Heiligenfesten, den vier Himmels­richtungen sowie den Monatsnamen in Latein beschrieben. Entsprechend befinden sich auf dem Horizontring, der die Armillarsphäre trägt, die Bezeichnungen der Himmels­ richtungen in deutscher Sprache („Uffgang“, „Mitternacht“, „Nidergang“ und „Mittag“). Sowohl der Globus als auch die Armillarsphäre sind abnehmbar, der Globus ist längs des Äquators teilbar, so dass zwei Halbkugelschalen als Pokale entstehen, die als Trinkschalen für Wein genutzt werden können (Abb. 85). Für die obere Hemisphäre dient das Gestell der Armillarsphäre als Fuß. Neben der detaillierten und geographisch korrekten Darstellung der bis dahin entdeckten Erdteile kann der Pokal zugleich als Sonnenuhr genutzt werden und auf dem Fuß ist ein ewiger Julianischer Kalender graviert.43 Ehemals gehörten noch weitere Objekte zu dem Pokal, die in zwei Haken befestigt werden konnten, die bei den zwei Löwenköpfen angebracht sind, wo der umlaufende Meridian im Horizontring steckt (entsprechend befinden sich Engelsköpfe dort, wo die zwei Viertelkreise ausgehend vom Schaft den Horizontring stützen): Wahrscheinlich ein noch heute im Basler Historischen Museum verwahrter, inschriftlich 1552 datierter Doppelquadrant (Abb. 86); was als zweites Instrument am Pokal hing, ist nicht mehr zu ermitteln.44 Diese Anreicherung von Weltmodellen und/oder kartographischem Material mit Messinstrumenten und weiterführenden Informationen ist dabei nicht ungewöhnlich. Schon 1507 publizierten Martin Waldseemüller (um 1472–1520) und Matthias Ringmann eine kosmographische Einführung zusammen mit einer Weltkarte und einer Segmentkarte, die zu einem Globus geformt werden konnte, und schrieben dazu: Außerdem werden wir eine Beschreibung eines Quadranten, eines für den Kosmographen nütz­ lichen Instrumentes, und an letzter Stelle die vier Entdeckungsfahrten des Amerigo Vespucci hinzufügen. Und wir werden die Kosmographie sowohl in Gestalt eines Globus als auch in der einer Karte beschreiben.45

330 I Globuspokale

84  Jakob Stampfer, Armillarsphäre des Globuspokals, um 1550. Historisches Museum, Inv. Nr. 1882.103.

Der Globuspokal I 331

85  Jakob Stampfer, Globuspokal, geteilt, um 1550. Historisches Museum, Inv. Nr. 1882.103.

Karte und Globus wurden also gemeinsam mit der Beschreibung eines Messinstruments veröffentlicht, verbunden mit einer Einführung in die Weltvermessung und einer ­Geschichte der wichtigsten Entdeckungsfahrten der Frühen Neuzeit – eine Kompilation verschiedener Medien der Weltbeschreibung, die als paradigmatisch für die frühneuzeit­ liche Beschäftigung mit kartographischem Material gelten kann. Wann der Basler Globuspokal geschaffen wurde, ist nicht genau geklärt: Erhalten hat sich ein Brief vom 1. Oktober 1554, den Thomas Blarer (Blaurer) (1499–1567), der zu dem Zeitpunkt Besitzer des Globuspokals war, an Bonifacius Amerbach sandte und in dem er ihm vorschlug, den Pokal zu kaufen.46 Blarer hatte Rechtswissenschaft in Freiburg 1514–1519 und 1520–1523 in Wittenberg Theologie und Hebräisch studiert.47 Als Anhänger der Reformation war er 1520 anwesend, als Luther die Bulle mit der Bannandrohung verbrannte und begleitete ihn 1521 auf seiner Fahrt zum Reichstag nach Worms; sein Bruder Ambrosius Blarer (1492–1564) ist ein bedeutender Reformator in Süddeutschland.48 ­Thomas Blarer kehrte 1523 in seine Geburtsstadt Konstanz zurück, wo er ab 1525 Mitglied des Stadtrats wurde und zwischen 1536 und 1548 abwechselnd als Bürgermeister und Reichsvogt tätig war. 1548 vertrat er die Stadt bei den Friedensverhandlungen mit Karl V. in Augsburg und wurde – zusam-

332 I Globuspokale

86  Jakob Stampfer, Quadrant vom Globuspokal, um 1550. Historisches Museum, Inv. Nr. 1882.103.

men mit seinem Bruder – verbannt, als Konstanz die Reichsfreiheit verlor und rekatholisiert wurde.49 Auf dem Globuspokal selbst sind drei Daten eingraviert, und zwar die Jahreszahlen 1539, 1552 und 1557.50 Die ersten beiden Jahreszahlen sind am Rand des auf dem Fuß ein­ gravierten ewigen Kalenders zu lesen und stehen mit diesem in Verbindung; ebenso findet sich die 1552 auf dem beigefügten Quadranten.51 1557 wiederum steht als Jahresangabe neben dem Wappen von Bonifacius Amerbach im Innern des Pokals  – und ist damit ein ­Verweis auf das Jahr, in dem der Basler Humanist den Globuspokal vom Vorbesitzer übernahm. In der Forschung wird daher vorgeschlagen, dass Thomas Blarer (als mutmaßlich erster Besitzer) den Auftrag an den Goldschmied Jakob Stampfer um 1550/1552 vergab.52 Diese Datierung scheint aber aufgrund der Lebensumstände des ab 1548 exilierten Auftraggebers problematisch, so dass eher ein Datum ante quem nachvollziehbar wäre – wenn Blarer tatsächlich als Auftraggeber anzusehen ist. Der Brief von 1. Oktober 1554 macht die finanziellen Schwierig­keiten sichtbar, in die Blarer nach seiner Exilierung geraten war.53 Blarer hatte zuvor versucht, den Pokal mitsamt einiger Ringe an einen namentlich nicht genannten ­„burgundischen Herren“ zu verkaufen; zusammen wollte er 250 Gulden dafür haben. Da der Käufer aber schwer erkrankte, wandte sich Blarer an Amerbach mit der Verkaufsanfrage:

Der Globuspokal I 333

Indem ist mir zugefallen, diewyl das sylbergschirli durch ainenn goldschmid zu Zurch mitt hilff ains gelerten mathematici mitt sonderm grossen vlyß und arbait gemacht ist, es solte euch mittsampt den ringen umb ain solch gelt nitt unangenäm syn; dann so es mins vermogens were, welte ichs nitt vn handen lassen; nachdem ichs aber an ainer schuld hab genomen, bin ich des gelts nottürftiger dann der clainot. [...] Es hat ouch der mathematicus einen indicem dazu gemacht, wie das gschirr uffzusetzen, die sunnen ur zerichten und die elevatio poli, gantz kunstlich gestellt. Das hab ich itz nitt by handen; so ich aber nach herpstzyt widrumb anhaimschs wurd, will ichs euch oder dem Sylberberg ouch zuschicken.54

Thomas Blarer wusste diesem Schreiben zufolge, dass das Werk durch einen Zürcher Goldschmied geschaffen worden war. Zugleich schreibt er, dass nicht er der Auftraggeber des Werkes gewesen sei, sondern dass er das Werk (wohl als Pfand) anstelle einer Schuld übernahm. Aus Geldnot habe er sich nun entschlossen, das Werk zu verkaufen. Zudem nennt Blarer das – heute noch erhaltene – beschreibende Handbuch, das ein namentlich schon ihm nicht mehr bekannter Mathematiker zu dem Globuspokal verfasst hatte, um den ­Gebrauch des Objekts zu erklären (vgl. Kapitel 3.6). In einem weiteren Brief vom 26. Oktober 1554 betont Blarer noch einmal den Verkaufswunsch – verbunden mit dem Hinweis, dass er das Stück deshalb an den gelehrten Humanisten Amerbach verkaufen wollte, ­damit es nicht an Leute geriete, die das Artefakt nicht zu würdigen vermögen.55 Aus diesem Schreiben wird ersichtlich, dass der Globuspokal nicht allein als herausragendes Trinkgefäß und Werk der zeitgenössischen Goldschmiedekunst wahrgenommen, sondern als Wissensobjekt innerhalb eines gelehrten Kontexts wertgeschätzt wurde. Vom 15. November des Jahres 1554 hat sich ein Antwortbrief von Bonifacius Amerbach an Thomas Blarer erhalten: Als ich die nicht verschnürte Büchse heute in Gegenwart des Goldschmieds öffnete sah ich gleich, dass der Becher betastet worden war; das Kästchen öffnete ich mit dem früher übersandten Schlüssel. Da Du schreibst, der Schmuck sei für 250 Goldgulden käuflich, erkläre ich offen, dass ich den Becher bewundere, dagegen die Ringe mir nicht dienen, da ich dergleichen habe und mich auf den Verkauf nicht verstehe. Ich wünsche auch zu wissen, ob die Sachen auch einzeln verkäuflich sind, wie teuer der Becher allein, und ob ich die Sachen ausgewählten Freunden als verkäuflich zeigen darf. Deine Aufträge werde ich gern ausführen; ob meine Verhältnisse die Erwerbung solcher Dinge erlauben, weiß ich nicht, da ich einer jüngst verheirateten Tochter die Mitgift auszahlen muss, einen Sohn mit großen Kosten in Padua unterhalte und mein Haushalt kostspielig ist.56

Bonifacius Amerbach also zeigt  – verhaltenes  – Interesse an dem Globuspokal, weist aber zugleich  – ganz Kaufmann  – auf eigene Geldschwierigkeiten hin. Am 22. Januar 1555 schreibt Thomas Blarer erneut an Bonifacius Amerbach und führt zum Globuspokal aus:

334 I Globuspokale

Der Becher bedarf eines Käufers, der weniger dem Merkur, als der Pallas ergeben ist; denn die darauf verwandte Arbeit lässt sich kaum schätzen, wie Du deutlich erkennen wirst nach Empfang der beiliegenden, vom Künstler selbst verfassten Anweisung (index), aus der sich der Aufbau und der Gebrauch des Ganzen (simpliciter et compendiose quidem, sed cum processu totius propemodum cosmographie) ergibt. Ich dachte deshalb, es könnte dies eine Zierde Deines trefflichen ­Silberschatzes werden, und bot Dir darum beides an, die Ringe in der Meinung, dass sie leicht bei Gelegenheit zu vertauschen oder verkaufen wären. Ist aber etwa ein Liebhaber für die Ringe um 125 Goldgulden da und wolltest Du nur den Becher zum gleichen Preis übernehmen, so gilt mir das gleich; nur wünschte ich, das das Opus sphericum zu Deinen literarischen Monimenta käme; denn bei Deinen Vermögen hege ich keine Sorge, dass Dein Sohn oder Deine Tochter darunter leiden müsste, der ich zur Heirat alles Glück wünsche.57

Er weist den Pokal also erneut als Sammlungsstück für einen gelehrten, der Wissenschaft (Pallas Athene) und nicht dem Handel (Merkur) zugewandten Mann aus. Es verwundert, dass er nun die Beschreibung nicht mehr als Werk eines ihm nicht bekannten Mathematikers, sondern als vom Künstler (dem Goldschmied) selbst verfasst bezeichnet. Hatte er doch im Brief vom 1. Oktober noch geschrieben, der Pokal sei „durch ainenn goldschmid zu Zurch mitt hilff ains gelerten mathematici mitt sonderm grossen vlyß und arbait gemacht“ und damit bedeutet, dass es sich bei dem Werk um ein Zusammengehen von praktischem und theoretischem Wissen handeln würde. Zudem hatte Blarer im selben Brief betont, dass die begleitende Handschrift durch den Mathematiker verfasst worden war (es hat ouch der mathematicus einen indicem dazu gemacht). Interessanterweise steht im Vorwort der Handschrift zum Pokal, dass „dieses Instrument ohne eine beschreibende Vorlage erdacht und zusammengebaut worden ist“ (vgl. dazu Kapitel 3.6).58 Ob dies bedeutet, dass der Goldschmied Stampfer um ausreichendes astronomisch-geographisches Wissen verfügt hatte, um den Globuspokal tatsächlich alleine zu erschaffen und zudem noch eine sowohl in deutscher als auch lateinischer Sprache vorliegende Beschreibung abfassen konnte – oder dabei von einem Mathematiker beraten wurde, der auch die Beschreibung schuf – ist nicht gänzlich zu klären. Blarer ist zudem mit der berühmten Sammlung von Kunstwerken von Bonifacius Amerbach in Basel vertraut und benennt sie als den Ort, an dem er den Globuspokal aus seinem Besitz gerne zukünftig sehen würde. Für die frühneuzeitliche Sammlungskultur bedeutsam ist, dass er kurz danach präzisiert: „nur wünschte ich, das das Opus sphericum zu Deinen literarischen Monimenta käme“ – und damit den Globuspokal im Bereich der Bibliothek von Amerbach verortet. Die Verkaufsverhandlungen ziehen sich noch einige Briefwechsel hin, aus denen nicht eindeutig hervorgeht, ob Bonifacius Amerbach den Pokal kaufen möchte, aus freundschaftlicher Zuneigung zu Blarer anbietet, das Artefakt als Pfand anzunehmen oder eher versucht, durch diese Ausflucht aus dem an ihn herangetragenen Kauf heraus zu ­kommen.59 In einem Brief vom 20. Februar 1555 schlägt Blarer Amerbach vor:

Der Globuspokal I 335

Doch mache ich der Kürze der Zeit wegen Dir den Vorschlag, den Becher (Dedalium opus) Deinem Bücherschatz (grammatophylacio) einzuverleiben um den Preis von 125 Goldgulden (weniger ist unmöglich) und diese Herbrots Teilhabern in Frankfurt zu zahlen, die ich durch beiliegenden Brief davon unterrichte, zugleich aber ihnen das Kästchen mit den Ringen samt meinem Brief zu schicken.60

Blarer verknüpft hier den Globuspokal mit dem Namen des antiken Künstlers Dädalus, der sich vom Griechischen „kunstvoll arbeiten“ ableitet.61 Erneut schlägt er vor, den Pokal in den Bücherschatz – also die Bibliothek – von Amerbach aufzunehmen; offenbar wurde das Artefakt im Verbund mit dem beschreibenden Handbuch als Objekt des Wissensdiskurses und der Wissensvermittlung angesehen. Am 10. März 1555 wird aus einem Brief von Amerbach an Blarer ersichtlich, dass er die beschreibende Handschrift erhalten hatte (da er den Titel zitiert) – und sich ernsthaft mit dem Artefakt beschäftigte: Deinen Brief vom 20. Februar habe ich zu spät erhalten. Du gestattest mir, dass Poculum cosmographicum et horlogiographicum für sich zu kaufen und wünschtest, dass ich den Preis von 125 unserer Goldgulden bar an Jakob Herbrot oder die Seinen in Frankfurt zahlen und Deine Ringschachtel (dactylotheca)62 worin 24 Ringe, an den gleichen senden lasse; doch da ich vermute, dass Du nur ungern wegen des bevorstehenden Marktes Dich dazu entschlossen hast, und Dir als Freund in Geldnot beistehen und Dich nicht des kunstreichen Bechers berauben möchte, so leihe ich Dir 125 Gulden auf den Becher und lasse sie durch den hiesigen Buchhändler Michael Isingrinius in Frankfurt mit der versiegelten Ringschachtel Deinem Gläubiger Jakob übergeben. [...] Wegen des Geschirrs bitte ich um Angabe, wie zwei Schalen daraus zu machen sind; denn Dr. Wolf, ein erfahrener Mathematiker, ein Goldschmied und ich haben es zerlegt, aber nur eine Schale machen können; wenn nämlich der eine Teil des Globus auf den Fuß geschraubt wird, gibt es eine Schale; worauf aber der andere zu schrauben ist, dass es auch eine Schale gibt und steht, können wir nicht finden.63

Amerbachs Schilderung zeigt, dass die Handhabung des Objekts nicht ganz einfach gewesen sein muss: Ihm gelang es zwar, das Objekt in zwei Trinkschalen zu zerlegen; danach aber scheint sich ihm nicht erschlossen zu haben, dass die Halterung der Armillarsphäre als zweiter Schaft dienen soll. Interessant ist, dass hier gleich mehrere Akteure, die mit dem Globuspokal umgehen, greifbar werden. Gemeinsam mit dem Mathematiker Wolf und einem namentlich nicht genannten Goldschmied öffnet Amerbach den Pokal, was erstens als Zeugnis für die Bedeutung und hohe Sichtbarkeit dieses Kunstwerks gelten kann, zweitens aber verdeutlicht, dass die Beschäftigung mit solcherart Objekten als gemeinschaftliche Tätigkeit vorzustellen ist, zu der weitere Gelehrte und Interessierte geladen wurden. Thomas Blarer, der in großer Geldnot gewesen sein muss, nimmt das Angebot von Amerbach, den Globuspokal zu verpfänden und später wieder auszulösen, nicht an und

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insistiert auf dem Verkauf.64 Zu einem Abschluss scheinen die Verhandlungen im Herbst 1555 gekommen zu sein, wenn Blarer an Amerbach schreibt: Wegen des Bechers ist es gut, dass dies Andenken an mich als früheren Besitzer bei Dir liegt. Wäre mein Vermögen durch die Bußen und die Verbannung nicht so arg geschmälert, so hättest Du diese Darstellung von Himmel und Erde (totum hunc cœli et telluris mundum) von mir umsonst erhalten; denn ich schulde Dir Größeres wegen Deiner Liebe zu mir und den Meinigen.65

Dem Decorum entsprechend – als Teil eines Gelehrtennetzwerks – weist Blarer darauf hin, dass er an sich das wertvolle Wissensobjekt an Amerbach hätte schenken müssen, dies aber aufgrund seiner finanziellen Notlage nicht habe tun können. Interessant ist der Hinweis, dass das Objekt als Träger der Erinnerung an ihn, den früheren Besitzer, bei ­Amerbach verweilen soll. Dies scheint ein weiterer Hinweis darauf, dass Blarer nicht der Auftraggeber war, zumal er sicher betonen würde, hätte er den Auftrag für den Becher gegeben. In diesem Fall wäre außerdem anzunehmen, dass er nicht nur den Namen des „Zürcher Goldschmieds“, sondern auch den des beschreibenden Mathematikers, mög­ licher Verfasser des erklärenden Handbuchs, kennen würde. Der erhaltene Briefwechsel erlaubt einen guten Einblick in die Geschichte des Globuspokals und selbst wenn nicht eindeutig zu klären ist, wer der Auftraggeber und mögliche Vorbesitzer des Pokals war, ist sicherlich das Umfeld der Fernhandel treibenden Händler aus dem süddeutschen (oberschwäbisch-schweizerischen) Raum in Betracht zu ziehen: Ein Kaufmann aus dem Umfeld des Welthandels in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, der über ein weitgespanntes Netzwerk verfügte und sich innerhalb humanistischer Gelehrsamkeit und frühneuzeitlicher Kartographie und Globenkunde bewegte. Der Basler Pokal vereint mannigfaltige wissenschaftliche Verwendungszwecke der Chronographie und Kosmographie in einem spielerischen Kunstkammerobjekt. Er zeigt (jenseits vom handwerklich-technischen Vermögen) in der Darstellung der Welt viele unterschiedliche Lagen von Wissen, die nur in der Begegnung beziehungsweise in der Verschränkung der artes mechanicae und artes liberales umgesetzt werden konnten. Vielfach finden sich in der frühen Neuzeit  – gerade im Bereich von mathematischen Instrumenten und Modellen – Kollaborationen von Praktikern und Theoretikern, aber zugleich gab es auch Fachleute (wie in Kapitel 3.6 zum Gelehrtennetzwerk dargelegt wird), die beide Bereiche abdecken konnten. Vor allem im Kontext der Globenhersteller scheinen sowohl handwerkliches Vermögen als auch das theoretisch-wissenschaftliche Können zusammenzufallen, so dass die Vorstellung, Jakob Stampfer habe den Globuspokal alleine geschaffen, nicht gänzlich unmöglich erscheint.66 Stampfer war Sohn des aus Konstanz nach Z ­ ürich übersiedelten Goldschmieds Hans Ulrich Stampfer (1476–um 1544).67 Er erhielt seine Ausbildung in der väterlichen Werkstatt und wahrscheinlich in Lehrjahren (1526–1530) in Augsburg oder Nürnberg.68 1530 kehrte er nach Zürich zurück, wo er 1533 Meister wurde und in der Folge wichtige politische Ämter inne hatte, so unter anderem als Zwölfer der Zunft zum Kämbel

Der Globuspokal I 337

(1544) und damit als Mitglied des Großen Rats, sowie 1555 als Zunftmeister.69 Stampfer war ab 1539 der Münzwardein von Zürich (vorher schon als Stempelschneider tätig), hielt 1561 bis 1565 das Amt des Münzmeisters und kontrollierte zudem (spätestens ab 1550) den Edelmetallgehalt der Goldschmiedewerke in der Stadt und der umliegenden Gegend.70 Nur wenige Werke sind von ihm erhalten, neben dem Globus­pokal im Basler Historischen ­Museum gibt es einen silbervergoldeten Deckelpokal mit der Darstellung der Sieben Freien Künste nach Vorlage von Peter Flötner, den er 1545 für die Konstanzer Domherren schuf.71 Nimmt man weiterhin den Konstanzer Bürgermeister B ­ larer als Auftraggeber an, so könnten Kontakte im Umfeld dieses Auftrags zustande g ­ ekommen sein.72 Zu seinen weiteren Werken zählen zwei sehr schlichte vergoldete Deckelpokale in Le Landeron (Musée de l’Hotel de Ville) und im Dominikanerinnenkloster Weesen.73 Zudem befindet sich eine Doppelscheuer aus Maserholz mit Silberverzierungen von 1531 in Zürich (Schweizerisches Landesmuseum, Inv.  Nr.  IN 7014), bei der eine Medaille von Jakob ­Stampfer von 1531 auf Ulrich Zwingli als Schmuck Verwendung fand.74 Medaillen sind von großer Bedeutung für das Werk Stampfers, der sie ab 1531 schuf; seine Produktion machte diese Gattung in Zürich und der Schweiz bekannt.75 Jakob Stampfer bewegte sich mithin in einem städtischen, reformierten und gebildeten Umkreis und war mit wichtigen politischen Ämtern betraut. Sein Netzwerk spiegelt sich in seiner Medaillenproduktion, porträtierte er doch neben Ulrich Zwingli (1484–1531, Abb. 87)76 auch den Historiker Hans Füssli, den Humanisten und Theologen Simon Grynaeus (1493–1541) und den Maler Hans Asper (1499–1571), der wiederum ein Bildnis von Stampfers Vater als Münzprobierer und Zeugmeister im Jahr 1540 geschaffen hatte.77 Jakob Stampfer schuf zudem 1540 eine Medaille von Johannes Fries (1505–1565).78 Eine aussagekräftige Quelle zum zeitgenössischen Kunstverständnis sind die erhaltenen drei Briefe von Fries an Franciscus Dryander (1518–1552), in denen unter anderem über Goldschmiedewerke von Stampfer gehandelt wird. Im ersten Brief vom 28. Juli 1550 übersandte Johannes Fries an Dryander nach Straßburg zwei Medaillen mit dessen Bildnis, die Dryander wohl zuvor bei Stampfer in Auftrag gegeben hatte. Eine dritte Medaille hatte Fries (ganz im Sinne des humanistischen Gelehrtennetzwerks) als Andenken an den Freund behalten.79 Von Interesse sind hier unter anderem die Zahlungsmodalitäten, hatte doch Stampfer den Materialwert des Silbers angegeben, den „Kunst“-Wert seiner Arbeit aber zur Entlohnung offengelassen: Den eigentlichen Silberwert kannst du aus der beiliegenden Rechnung ersehen; denn außer dem Silber hat er [Stampfer] nichts berechnet, während doch die Herstellungskosten für diese drei Münzen sich auf etwa einen Gulden belaufen. Ferner hat er für die eigentliche künstlerische Leistung überhaupt nichts berechnet, sondern er wollte auf deine Freigebigkeit (da es doch eine freie Kunst sei) abstellen. Um keinen Preis nämlich, sagte er, hätte er sich zu dieser Arbeit bewegen lassen, wenn er nicht deine freigebige Gesinnung gekannt hätte. Unter diesen Umständen wirst du leicht entscheiden können, was jenem zu geben ist.80

338 I Globuspokale

87  Jakob Stampfer, Porträtmedaille von Ulrich Zwingli, 1. Hälfte 16. Jahrhundert.

Fries (und wohl auch Stampfer) operieren einerseits mit dem antiken Topos einer Unbezahlbarkeit von Kunst und andererseits mit der Vorstellung, dass Kunst keine handwerk­ liche Lohnarbeit sei – die liberalitas des Auftraggebers mit seinem ingenium liberum entscheidet somit über den Wert der ars libera: Freigiebigkeit, freier Geist und freie Kunst entsprechen einander. Kunsttheoretische Reflexion wird dort deutlich, wo Fries/Stampfer drei Dinge klar voneinander scheiden: erstens den Materialwert des Silbers (valorem argenti), zweitens die Arbeitszeit, die zur Herstellung der Münzen notwendig war (facturae horum, die Arbeits-/Handwerksstunden) und drittens die Einschätzung von Bildhauerei als freier Kunst – wohl in dem Sinne, wie der Übersetzer Boesch ipsa sculptura nicht wörtlich, aber dem Sinn nach richtig als „künstlerische Leistung“ wiedergibt, deren angemessene Entlohnung der Künstler dem gebildeten iudicium des Auftrag gebenden Dryander überlässt. Wie eng Stampfer in das Netzwerk der Humanisten und Reformatoren seiner Zeit integriert war, verdeutlicht ein weiterer Brief, den Rudolph Gwalther (1519–1586) an Heinrich Bullinger (1504–1575) am 13. November 1540 aus Marburg sandte:

Der Globuspokal I 339

Außerdem bitte ich dich, dass du entweder jetzt oder an der nächsten Messe [die Frankfurter Messe zu Ostern und im Herbst] mir zwei Silbermünzen mit dem Bilde H. Zwinglis schickst zu ­einem möglichst niedrigen Preis. Ich möchte nämlich das eine Bild dem Herrn Mag. Lonicerus, meinem hauptsächlichsten Lehrer, schenken, das andere Chaspar Rudolf, dem Professor für Dialektik, Männern, die mir sehr gewogen sind, und eifrigen Anhängern unserer Religion. Bitte auch Stampfer, dass er das gleiche Bild mit der Feder zu zeichnen geruhe Daß er sy klein mitt der fäderen risse in vier eggachtiger form und es by dem Froschouer gan frankfurt schike, dann der buochbinder zu Marpurg wolt es darnach laßen in kupfer stächen das mans konnte mitt gold vff die bücher truken. Das halb möge er das Bild in dem Format zeichnen, dass es auf kleinere Psalm­ bücher gedruckt werden kann. Besorge das bitte entsprechend deiner [Bullingers] Verehrung, die du für diesen Mann [Stampfer] hast.81

Dieser Brief erhellt, wie verbreitet und wertgeschätzt die Zwingli-Medaille von Stampfer in dem schweizerisch-süddeutschen Gelehrtenumfeld war  – und wie dieses Bildnis als Freundschaftsgabe eingesetzt wurde, um Lehrer-Schüler-Verhältnisse und anderen Verbundenheiten sichtbaren Ausdruck zu verleihen.82 Ebenso wird erkennbar, wie die Medaille als mobiles, vervielfältigbares Bildnis in einem Kontext mit Zeichnungen und mit deren graphischen Reproduktionen verortet wurde; und wie solche Bilder als Schmuck auf Buchdeckel geprägt sowie als zusätzliches (Autoren- und Gelehrten-)Bildnis in Bücher eingelegt werden konnten. Im letzten Satz des Briefes an Dryander weist Fries zudem auf einen Pokal (poculum) hin, der wohl auch bei Stampfer zu bestellen ist, und über dessen geplantes Aussehen er nähere Informationen erbittet.83 Im zweiten Brief von Fries an Dryander wird dieser Pokal noch einmal aufgegriffen: Wegen des Bechers habe ich mit unserem Künstler gesprochen. Er hat versprochen, ihn hervor­ ragend schön und kunstreich zu verfertigen, zumal wenn die Geschichte von Isaac drauf kommt; denn diese, so versichert er selber, werde von allen Geschichten am schönsten herauskommen bei dieser Kunst des Treibens, wie sie es nennen. Aber man muss ihm die nötige Zeit geben, um dieses Kunstwerk zu vollenden. Ich habe ihm den Betrag, den du hierfür aufwenden willst, angegeben. Er wünscht aber zu wissen, welche Form der Becher haben soll. Schreibe du ihm die eine oder ­andere Form vor, oder (was mir persönlich besser gefällt) überlass es seinem Urteil.84

Angesprochen ist hier der Prozess der formalen Findung des Werkes – bei dem der Auftraggeber bei der Auswahl der darzustellenden Geschichte beteiligt war. Er bestimmte zudem die Form bzw. Gattung – wobei aber Fries auf das Geschmacksurteil des Meisters verweist und rät, auf dieses zu vertrauen. Leider ist über die Herstellung des Globuspokals von Stampfer keine schriftliche Quelle erhalten; interessant aber ist, dass Stampfer sich als Vertreter einer „Freien Kunst“ begreift – und dass er offenbar (so jedenfalls in der Ausführung für Dryander) selbst Entwürfe vorlegte bzw. ihm ausreichendes (Kunst-)Urteil von

340 I Globuspokale

Seiten der humanistischen Auftraggeber zugesprochen wurde, eigene Entwürfe als ­Vorschläge zu unterbreiten. Zu dem Basler Globuspokal hat sich – wie aus dem Briefwechsel von Blarer und Amerbach hervorging – eine umfangreiche Beschreibung erhalten, die in lateinischer und deutscher Sprache die Verwendungsmöglichkeiten des Artefakts erläutert. Der Titel der Anleitung lautet POCULUM COSMOGRAPHICUM ET HOROLOGIOGRAPHICUM UNIVERSALE sowie Erklerung eyns trinckgschirs daran man die allgmein bschribung der welt unnd den grunndt aller sunnen uhren erlernen mag.85 Der deutsche Text ist keine wörtliche Übersetzung der lateinischen Version; die Vorrede gibt es nur in Latein (fol. 2r–3v), am Ende von dieser steht „Anno 1554“, so dass eine weitere Jahreszahl der Datierung ante quem in die Diskussion eintritt. Der nicht genannte Verfasser beschreibt in dieser Gebrauchsanweisung, welche Möglichkeiten das Instrument bietet.86 In dem Text werden zudem die auf dem Erdglobus eingravierten Sterne genannt,87 ebenso die zusätzlichen Messinstrumente, die an den Haken des Horizontrings ehemals angebracht waren.88 Darüber hinaus enthält die Beschreibung eine Erklärung, wie der ewige Kalender ­genutzt werden kann, der am Fuß des Pokals eingraviert ist und wie mit Hilfe der sogenannten Goldenen Zahl die Daten der Mondphasen zu ermitteln sind. Drittens ist die Illustration einer Armillarsphäre eingebunden, in die Buchstaben eingetragen wurden, die mit einer danebenstehenden Liste korrespondieren und die einzelnen Teile des Instruments erklären (Abb.  88). Der anonyme mathematisch-naturwissenschaftlich ausgebildete ­Verfasser beschreibt ausführlich die unterschiedlichen Berechnungen, die man mit Hilfe dieses vollfunktionalen Gerätes durchführen konnte. Er preist im Vorwort seiner Beschreibung das Instrument und zieht als wichtige antike Referenz Diogenes heran.89 Der Philosoph hätte zwar einen ihm angebotenen Becher als Luxus zurückgewiesen und g ­ emeint, dass seine hohle Hand zum Trinken ausreichen würde. Aber den Basler Becher hätte er nicht verschmäht, da er einen so vielfältigen wissenschaftlichen Nutzen hätte. Dann sagt er weiter: Wenn einst das dichterische Werk Homers, das auf einem so dünnen Pergament enthalten war, dass man es in eine Nussschale hätte einschließen können, von vielen als eine Sache von größtem Wert gepriesen wurde, um wieviel hervorragender wird aber dieses Instrument sein, dessen ­Nutzen so verschiedenartig ist, dass er kaum in vielen Büchern erfasst werden kann, weil mit ­diesem Instrument der größte Teil der Kosmographie und der Zeitmessung behandelt und ­demonstriert wird.90

Der Pokal wird in den Kontext von staunenswerten Kunstwerken gestellt, über den Hinweis auf Homer mit großartigen kulturellen Leistungen der Antike verbunden und zudem erneut als Instrument des Wissens und der Wissensgenerierung beschrieben. Zugleich aber findet sich der Hinweis auf die Dummköpfe, die ebenfalls an diesem wissenschaftlichen

Der Globuspokal I 341

88  Abbildung der Armillarsphäre aus der Erklerung eyns trinckgschirs (Handbuch zum Globuspokal). Basel, Universitäts­ bibliothek, Sig. F IX 26, eingebunden zwischen foll. 43v und 44r.

Meisterwerk teilhaben könnten. Meist wird in wissenschaftlichen Publikationen die Leichtigkeit der Verfahren und die Güte der (wissenschaftlichen) Erklärungen angepriesen, die es ermöglichten, die Dummheit zu belehren – hier aber offeriert der Verfasser eine andere Möglichkeit der Partizipation, wenn er ausführt: Darüber hinaus [beachte man] auch dies, nämlich den derart kompakten Aufbau, dass (nach Wegnahme einiger Zusätze) aus der Zerlegung des Globus zwei glänzende Pokale entstehen, aus denen auch amusisch und (geistig) träge Menschen ein nicht geringes Vergnügen schöpfen können. Dennoch glaube ich nicht, dass es irgendeinen [Menschen] von so vermessenem Geist gibt, der daraus nicht irgendeine bedeutendere Frucht pflücken könnte.91

Gemeint ist die Verwendung als Pokal  – dessen tatsächliche Nutzung indirekt darüber bezeugt ist, dass Amerbach im oben zitierten Brief vom 10. März 1555 bei Blarer anfragte, wie man denn zwei Schalen aus dem Globus machen könne, da es ihm zwar gelungen war, die Kugel zu öffnen, sich ihm aber nicht erschloss, dass die Halterung der Armillarsphäre

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als Fuß genutzt werden soll.92 Zudem ist für 1579 überliefert, dass Basilius Amerbach (1533–1591) (Sohn und Erbe von Bonifacius) ihn als Pokal nutzte: In diesem Jahr berichtet der französische Historiker und Staatsmann Jacques-Auguste de Thou (1563–1617), Amerbach hätte ihm anlässlich seines Besuchs in der Stadt daraus zugetrunken.93 Ein letzter relevanter Aspekt trägt ebenfalls zur Datierung bei, die auf dem Globus eingravierte Karte. Das genaue Vorbild ist – wie auch bei den späteren Globuspokalen – nicht zu ermitteln, es scheint aber, als hätten die Goldschmiede oder Graveure, die die Länder, Meere, Städte und Flüsse auftrugen, innerhalb eines kartographisch interessierten Netzwerks gearbeitet und sowohl gedrucktes Material als auch unpublizierte Quellen nutzen können. Die auf dem Globus verwendete Weltkarte deutet auf die Zeit „um 1550“ hin (Kapitel 3.3). Eindrucksvoll offenbart sich die Scharnierfunktion von diesen, das kartographische Wissen in der Gegenwart manifestierenden Objekten, wenn auf dem Globuspokal mit der Aufschrift terra australis recenter inventa sed nondum plene cognita die zukünftige Möglichkeit und Erwartung weiterer Entdeckungen der Welt vermerkt wird. Direkt daneben, in der Aufschrift Riesenland im südamerikanischen Kontinent, scheinen zugleich noch ältere Vorstellungen mit den die Ränder der Erde bewohnenden Antipoden auf und bezeugen so erneut und eindrucksvoll die große Aufgabe der Naturforscher des 16. Jahrhunderts, tradiertes Wissen vom Aufbau der Welt mit den wachsenden empirischen Daten abzugleichen.94

3.2 G  lobuspokale von Abraham Gessner und anderen Künstlern Der Globuspokal von Jakob Stampfer gehörte zum Besitz von humanistisch gebildeten Händlern, wurde von ihnen betrachtet und benutzt – zum Trinken und zur Reflexion über das Aussehen der Welt. Der Globuspokal ist dabei weder ganz dem Tischsilber, noch den Vermessungsinstrumenten allein zuzuordnen, sondern gehört in beide Bereiche und ­zudem als Modell und Anschauungsobjekt in das Umfeld der frühneuzeitlichen Sammlungen.95 Stampfers Werk ist das erste erhaltene seiner Art, in seiner Nachfolge entstanden weitere Artefakte, die das Interesse des 16. Jahrhunderts an den Entdeckungen der europäischen Seefahrer in Form dieser multifunktionalen Objekte spiegelten: Die Fahrten von Christoph Columbus (um 1451–1506) und seiner Nachfolger nach Amerika, die Vermessungen der Portugiesen entlang der Küste Afrikas und auf dem Weg nach Asien, sowie die Weltumsegelung von Magellan. Die Globuspokale machen die damit einhergehende ­Vermessung der Welt in einer hochelaborierten Form begreifbar und nutzen dabei sehr unterschiedliche Bereiche von Wissen und Vermögen: Erstens sind sie durch Goldschmiede kunstvoll geschaffene Artefakte, aus denen man trinken kann. Zweitens wurden auf sie Weltkarten graviert, die Kartographen entworfen hatten, die dabei drittens auf Mess­ daten zurückgriffen, die auf Entdeckungsfahrten gesammelt und mit Hilfe von präzisen Messinstrumenten erhoben wurden.

Globuspokale von Abraham Gessner und anderen Künstlern I 343

Die meisten dieser Globuspokale sind mit dem Namen von Abraham Gessner (1552–1613) verbunden, der seit 1571 als Meister in Zürich arbeitete.96 Gessner und seiner Werkstatt werden fünfzehn Globuspokale zugeschrieben, die zwischen 1580 und 1600 entstanden; sieben von ihnen tragen sein Meisterzeichen.97 Der Großvater von Abraham Gessner ist der Nürnberger Goldschmied Hans Gessner (Gesner, Geßner, gestorben 1490/91). Er wanderte in die Schweiz aus und wurde 1480 in Solothurn eingebürgert; sein Sohn Andreas Gessner der Ältere (1482–1568), der Vater von Abraham Gessner, hatte zwei weitere Söhne, Andreas der Jüngere (1513–1559) und Jakob (1527–nach 1573), die in Zürich die Gessnersche Druckerei gründeten. Hans Gessners zweiter Sohn ist Urs(us) Gessner (gestorben 1531), der Vater des berühmten Naturforschers Conrad Gessner. Zudem ist Abraham Gessner mit Jost Amman verwandt, da dessen Bruder, der Goldschmied Josua Amman (1531–1564) aus Zürich, mit Gessners Schwester Katharina verheiratet war.98 Über familiäre Bande also ist Abraham Gessner sowohl eng mit den führenden Nürnberger Künstlerkreisen als auch mit dem Züricher Gelehrtenzirkel verbunden.99 Nach einer ersten Ausbildung in Ulm bei seinem Onkel, dem Goldschmied Bartholomäus Müller, wird – wie bei so vielen hochrangigen Goldschmieden des 16. Jahrhunderts – eine Lehrzeit in Nürnberg vermutet.100 Mehrere Schalen mit anspruchs­ voller Treibarbeit sind von ihm erhalten, daneben war er auch als Maler tätig.101 Die mit Gessner und seiner Werkstatt verbundenen Globuspokale zeigen einen ähnlichen Aufbau: Die in der Mitte quer teilbare Cuppa (auf die eine Weltkarte graviert ist) erhebt sich über Fuß und Schacht; darüber befindet sich (meist) das Gestell für eine Armillarsphäre (bei den früheren Werken) oder ein Himmelsglobus (bei den späteren Globuspokalen). Dieses Gestell dient – wie auch schon bei Stampfers „Prototyp“ – als Schaft für die zweite Trinkschale, nachdem die Globuskugel am Äquator geteilt wurde. Die Füße sind in Teilen mit Darstellungen der vier Erdteile oder Elemente, Jahreszeiten oder Winde geschmückt.102 Die Schäfte sind teilweise figural als Herkules oder Atlas gestaltet, es gibt aber auch Pokale mit rein ornamentalem Baluster und ein Exemplar, bei dem der Schaft als nackter Mann mit einem großen Zirkel gebildet ist.103 Auf die silberne Cuppa sind die Linien der Weltkarte eingraviert und die Landmassen anschließend vergoldet, so dass das ganze Werk zweifarbig erscheint; bei einigen Werken sind zudem die Wassermassen durch blaues Emaille betont. Die Forschung ordnet die Pokale aus der Gessnerschen Werkstatt in fünf verschiedene Gruppen ein – abhängig jeweils von der auf dem Globus verwendeten Weltkarte, die sich dreimal aktualisiert.104 Die erste Gruppe besteht aus zwei Globuspokalen in Nancy (Gessner 1) und London (Gessner 2), die eine Weltkarte zeigen, die bislang nicht eindeutig identifiziert werden konnte: Die ältere Forschung ging davon aus, dass die doppelherz­ förmige Weltkarte von Oronce Fine (1494–1555) aus dem Jahr 1531 (Nova, et integra ­vniversi orbis descriptio) die Vorlage für die Gravur bildete.105 Rezentere Forschungen ­sehen jedoch größere Übereinstimmungen mit der Weltkarte, die Caspar Vopelius (1511– 1561) im Jahr 1545 publizierte (Nova et integra universalisque orbis totius iuxta germanam neotericorum traditionem descriptio), die nicht im Original, sondern allein in

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Adaptionen von Giovanni Andrea Vavassore (Venedig 1558) und von Bernaard van den Putte (Antwerpen 1570) erhalten ist.106 Der in Nancy aufbewahrte Globuspokal ist in der älteren Forschung als „Nancy-Globus“ bekannt und wurde lange Zeit nicht mit Gessner in Verbindung gebracht.107 Er kam im Jahr 1663 als Stiftung von Herzog Karl  IV. von ­Lothringen (1604–1675) an das Franziskaner-Kloster Sion bei Nancy, wo es als Ziborium diente; in der Französischen Revolution wurde der Pokal zum bewahrenswerten Kunstwerk erklärt und durch die Stadt erworben.108 Der Schaft des Pokals wird von einer muskulösen männlichen Figur gebildet, wahrscheinlich ein nackter, bärtiger Herkules. Er stützt mit der linken Hand die Biegung eines schlanken, geschlungenen Füllhorns, mit der rechten Hand greift er in die daraus hervorquellenden Früchte und Blüten, auf denen der Globus aufliegt. Aufgrund der vermeintlichen Nähe zur Karte von Oronce Fine wurde der Globuspokal sehr früh, auf „kurz nach 1531“ datiert, aber sowohl seine Nähe zum ­Londoner Pokal von 1569 als auch die neuerdings diskutierte Vopelius-Karte machen es wahrscheinlich, dass auch er in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts geschaffen wurde.109 Im Gegensatz zum Globuspokal von Jakob Stampfer in Basel sind alle Gessnerschen Pokale einfach zu teilen, da die Weltkugel nicht mehr beweglich in die Schienen vom Meridianund Horizontring eingespannt, sondern fest auf dem Fuß montiert ist. Der zweite Pokal der Gruppe befindet sich heute im British Museum in London und trägt an der Unterseite des Fußes ein Medaillon, dass die drei Sybillen mit der Beischrift AGRIPPA, LIBICA und DELPHIA sowie darüber die schon genannte Jahreszahl 1569 trägt (Abb. 89).110 Auch am Globuspokal im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich (Gessner 15) befindet sich ein vergleichbares Medaillon mit der Jahreszahl 1562 und dem Meisterzeichen Gessners.

89  Medaillon der drei Sybillen. Detail des Globuspokals von Abraham Gessner, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. London, British Museum, AF 30603.

Globuspokale von Abraham Gessner und anderen Künstlern I 345

Weder der Pokal in Nancy noch der in London tragen ein Meister- oder ein Beschau­ zeichen; dies spricht aber nicht gegen Gessner als ausführenden Künstler, da dieser erst 1571 Meister in Zürich wurde und erst ab diesem Zeitpunkt seine Werke hätte zeichnen können. Sollte es sich bei den Pokalen in Nancy und London um Werke aus seiner Gesellenzeit handeln, die in die 1560er Jahre zu datieren sind, ist bemerkenswert, dass er mit der ­Vopelius-Karte von 1545 ein zu diesem Zeitpunkt schon recht altes Kartenmaterial verwendete. Bei seinen späteren Pokalen kann eine direkte vorbildliche Karte nur schwer identifiziert werden, da Gessner durch sein Umfeld Zugriff auf modernes Kartenmaterial hatte und verschiedene Versionen kombinierte, beziehungsweise veraltete graphische Vorlagen mit neueren Erkenntnissen aktualisierte.111 Entweder lagen ihm für die Globen in Nancy und London keine aktuelleren Karten vor – oder aber war ihm zu diesem frühen Zeitpunkt nicht bewusst, dass potentielle Käufer hohen Wert auf moderne Kartenbilder legen würden. Die zweite Gruppe wird durch vier Globen gebildet, die ein Weltbild tragen, das in Verbindung mit Abraham Ortelius’ (1527–1598) Publikation des Theatrum Orbis Terrarum steht.112 Diese erste Sammlung von vereinheitlichten Karten in Buchform erschien in Antwerpen im Jahr 1570, die vier Globen jedoch bringen Informationen, die sich erst in späteren Auflagen finden.113 Die genannte erste Auflage von 1570 enthielt eine Weltkarte, die bis 1584 genutzt wurde (Ort 1).114 Eine aktualisierte Fassung (Ort 2) wurde in den Auflagen von 1587 bis 1589 verwendet115 und eine dritte Neufassung (Ort 3) erschien in den Theatrum-Ausgaben zwischen 1592 und 1641.116 Daneben enthielt Ortelius’ Sammlung Karten des amerikanischen Kontinents; die erste Amerika-Karte (Ort 9) wurde in den Ausgaben zwischen 1570 und 1575 verwendet,117 eine erste Aktualisierung (Ort 10) war zwischen 1579 und 1587 in Gebrauch118 und eine dritte Neufassung wurde zwischen 1587 und 1641 gedruckt.119 Die Datierungsvorschläge für die zweite Gruppe der Globuspokale basieren nicht auf den aktualisierten Weltkarten-Versionen, sondern auf den erneuerten AmerikaKarten in den verschiedenen Ausgaben von Ortelius’ Theatrum. Denn in der zweiten Amerika-Karte (Ort 10) sind die Veränderungen durch die fortlaufenden Fortschritte in der Landerschließung und Landvermessung in Amerika verzeichnet, die auf den Globuspokalen von Gessner vermerkt wurden.120 Die Suche nach den verwendeten Vorbildern wird noch dadurch erschwert, dass von der dritten Weltkarte des Theatrums zwei Versionen erhalten sind: eine erste Karte von 1587, die Feuerland noch in Verbindung mit der südamerikanischen Landmasse zeigt, sowie eine aktualisierte Version, die nach dem ­Erscheinen der Weltkarte von Petrus Plancius (1552–1622) im Jahr 1592 bei Jan Baptist Vrients geschaffen worden sein muss.121 Als terminus ante quem dient die Auflage des Theatrum von Ortelius von 1587, zeigt sie doch Neuerungen, die noch nicht auf dem Globus in Boston (Gessner 3) zu finden sind.122 Daher ist es wahrscheinlich, dass Gessner die vier Globen in der Zeit zwischen 1579 und 1587 schuf – oder aber die Auflage von 1587 nicht vorliegen hatte. Die Gruppe besteht aus den Pokalen in Boston (Gessner 3), Wien (Gessner 4), Kopenhagen (Gessner 5) und in Genf (Gessner 6). 123

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90  Abraham Gessner, Globuspokal, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Boston, Museum of Fine Arts, Inv. Nr. 2006.1178.

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Wie bei den meisten der Gessnerschen Globuspokale zeigt auch das Exemplar in ­Boston (Gessner 3) die Meere mit eingravierten Wellenlinien in Silber und die Landmassen in Gold (Abb. 90).124 Die Namen der Kontinente sind in großer römischer Kapitalis, die der Länder in kleiner römischer Kapitalis und viele der Städtenamen in Kursive eingetragen; zudem sind Flüsse, Seen und Bergketten eingraviert. Im Wasser sind die Namen in vergoldeten Silberkartuschen vermerkt, um sie von den Wellenlinien abzugrenzen, die durch Schiffe, Seemonster, Sirenen und Fische belebt sind.125 Eine Armillarsphäre ruht oben auf der K ­ ugel in einer Halterung, die nach dem Öffnen der beiden Schalenhälften zum Fuß des zweiten Kelchs wird, so dass ein Doppelpokal entsteht, aus dem man Wein trinken kann. Auf dem Globus finden sich Aufschriften, wie beispielsweise AMERICA SIVE INDIA NOVA anno 1492 a Christophoro Columbo nomine regis Castellae primum dedecta. Mit solchen Hinweisen auf die „Entdeckungstat“ von Christoph Columbus im Jahr 1492 wird die Weltkarte historisiert, der Name des europäischen Seefahrers erinnert und zugleich der politische Anspruch der Krone Kastiliens vermerkt.126 Weiter südlich findet sich die Aufschrift Nova Guinea nuper inventa que ansit insula an pars Continentis Australis, die neue ­Erkenntnisse über die geographische Ausdehnung vermerkt; um den australischen Kontinent hingegen wird mit der Aufschrift hanc continentem Australem nonnulli M ­ agellanicam regionem ab cuis inventore nuncupant / LVCACH MALETVR vastissimvs hic esse regiones ex M Paoli Veneti & et Ludovici Vartomanni scriptis per Peregrinationibus liguido constat einerseits auf Magellan und seine Weltumseglung verwiesen, wie auch die Kenntnis der ­älteren Reiseberichte von Marco Polo (1254–1324) und Ludovico de Varthema (um 1470– 1517) angezeigt.127 Eine interessante Verbindung findet sich in der Inschrift P ­ sitacorum Regio sic a lusitannis apelata hob incredibile carum avium ibidem magnetudinem: einerseits wird mit der Benennung der Region in portugiesischer Sprache erneut die europäische Expansion protokolliert, zugleich aber durch den Hinweis auf den Vogelreichtum sowie die unglaubliche Größe der Tiere das Staunen über die wunderbaren Dinge der neuen Welten offenbar. Südlich von Madagaskar ist zu lesen: Inter S Laurentij & los Romeros insulas vehemens ædmodú est versus ortum & ocasum fluxus & reflexus maris – so dass der Globus (möglicherweise zum besseren Nachvollzug der hier angesprochenen Reisen) auch auf die schwere Schiffbarkeit der Region verweist und damit erneut zusätzliches Wissen an das Objekt lagert. Da die Globuspokale keinen praktischen Nutzen für die Seefahrt hatten, scheint hier diese Nachricht aufgeführt worden zu sein, um den Betrachter:innen den Nachvollzug der Strapazen zu ermöglichen und die Schwierigkeit der Kapumsegelung und des Seewegs nach Indien in Erinnerung zu rufen; mit Promontorium Terre Australis distans 450 leucas a Capoite Bonespei & 600 apromontorio S Augustini gibt es eine Längen­angabe, die es ermöglicht, die Größe der Entfernung (die auf dem handlichen Globus­pokal nicht erfahrbar ist) zu imaginieren. Der Bostoner Globuspokal zeigt im Innern der beiden Schalen je ein getriebenes medaillenförmiges Relief: In der südlichen Hemisphäre findet sich die Darstellung der vier Jahreszeiten mit Figuren in Silber vor vergoldetem Hintergrund. Der Frühling ist ein Landwirt, der sein Feld bestellt, der Sommer zeigt Bauern, die das Korn ernten; im Herbst lesen fünf Menschen Wein, der Winter wird durch einen Jäger zu Pferde dargestellt.128 In der

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oberen, nördlichen Hemisphäre befindet sich ein Relief mit einer weitläufigen Insellandschaft mit Schiffen und Städten die als Ansicht von Alexandria mit der berühmten Bibliothek gedeutet wurde.129 Der Schaft besteht aus einem Baluster in Vasenform mit Früchten und Blumen (vergleichbar dem Pokal Gessner 5 in Rosenborg) auf einem breiteren runden Sockel, der groteske Masken zeigt. Auf dem runden Fuß findet sich ein breites Band mit abwechselnd sechs runden und ovalen Rahmen, die Maureskendekor und exotische Tiere (Elefant, Kamel, Nashorn, Delfin, Wal und Seemonster) zeigen.130 Der Globuspokal im Kunsthistorischen Museum in Wien (Gessner 4) ist – wie alle der Gesschnerschen Pokale – ähnlich aufgebaut.131 Als Bekrönung trägt er eine Armillarsphäre mit einer kleinen Erddarstellung in der Mitte. Bunte, emaillierte Scheiben mit Tierdarstellungen finden sich in den Innenschalen des Globus; eine weitere Platte mit Resten von Emaille auf der Unterseite des Fußes. Die Trägerfigur ist ein nackter, bärtiger Mann (wohl Herkules), der mit dem rechten Bein ausschreitet. Dieser Pokal wurde wahrscheinlich von Erzherzog Ferdinand II. von Tirol erworben, da er im Inventar von Schloss Ambras von 1596 vermerkt ist.132 Der Globuspokal in Kopenhagen im Schloss Rosenborg (Gessner 5) befindet sich seit 1749 im Besitz der dänischen Krone.133 Ein Inventar berichtet über den Schenkungsakt, bei dem die jüdische Bevölkerung von Altona dem dänischen König Friedrich V. (1723–1766) den mit Münzen gefüllten Pokal schenkte. Altona stand damals unter dänischer Herrschaft, so dass hier die jüdische Bevölkerung ihrem Landesherren huldigt beziehungsweise die geforderten Tributzahlungen ableistete. 134 Der vierte Globuspokal dieser Gruppe befindet sich in Genf im Musée d’art et d’histoire (Gessner 6).135 Die dritte Gruppe wird durch zwei Pokale in Ribeauvillé (Gessner 7) und in Basel (Gessner 8) gebildet. Ihr Weltbild entspricht in großen Teilen der Karte, die Rumold Mercator (1541– 1599) in seiner Orbis Terrae Compendiosa Descriptio (1587) veröffentlichte.136 Beide Globuspokale stehen auf einem Glockenfuß, auf dem die vier Winde abgebildet sind und tragen Armillarsphären. Bemerkenswert am Globuspokal in Ribeauvillé (Rappoltsweiler), Hotel de Ville, ist die Schaftfigur (Abb. 91).137 Sie zeigt eine interessante Variation der anderen Gessnerschen Pokale, die häufig einen Herkules oder Atlas verwenden, da hier die Figur (mög­ licherweise ein Ptolemaios?) in der erhobenen rechten Hand einen enormen Zirkel als Symbol der Weltvermessung und der Kartographen trägt.138 Auf dem Fuß werden die vier Winde als vier Jahreszeiten durch muskulöse bärtige Männer dargestellt (die Körper der blasenden Allegorien heben sich in Silber vor dem goldenen Hintergrund ab).139 Bei diesem Objekt handelt es sich vermutlich um den Globuspokal, den Gessner nach seiner Flucht aus Zürich dem Rat von Straßburg als Zeugnis seiner Kunstfertigkeit vorlegte: als Anhänger der Täuferbewegung musste Gessner im Jahr 1588 emigrieren.140 Auf dem Pokal wurde inschriftlich die Schenkung durch den Grafen Eberhard von Rappoltstein (1570–1637) an die Stadt Rappoltsweiler dokumentiert: „EBERHARD HERR ZU RAPPOLSTEIN HOHENNACH UND GEROLTSECK AM WASSICHIN VEREHRT DIS ZU EWIGER GEDECHTNUS UF DIE RAHTSUBEN ZU RAPPOLSWEILER A 1628.“ Der Globuspokal gehört heute noch zum Schatz der Stadt. Der zweite Globuspokal dieser Gruppe wird im Historischen Museum in Basel verwahrt (Inv. Nr. 1882.102).141

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91  Abraham Gessner, Globuspokal. 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Ribeauvillé (Rappoltsweiler), Hotel de Ville.

Sieben Globuspokale mit Kartenbildern, die mit dem kartographischen Material aus dem Atlas minor von 1609 in Verbindung stehen, bilden die vierte Gruppe.142 Der Globuspokal aus dem City Museum and Art Gallery in Plymouth (Gessner 9) ist legendär mit dem Namen des englischen Entdeckers und Seefahrers Sir Francis Drake (um 1540–1596) verbunden (Abb. 92).143 Königin Elisabeth I. (1533–1603) soll ihn im Jahr 1579 an Francis Drake überreicht haben, als dieser von seiner (der ersten englischen) Weltumseglung zurückkehrte.144 Das Exemplar im Historischen Museum in Basel (Gessner 10) zeigt am runden Fuß vier Erdteile und Jahreszeiten.145 In der Cuppa sind die Tugenden Temperantia und Prudentia sowie Tiere in Tiefschnittemaille dargestellt. Der Globuspokal in Zürich im Schweizerischen Landesmuseum (Gessner 11) trägt einen Himmelsglobus, seit 1673 befand er sich im Besitz der Chorherrenstube des Grossmünsters.146 Auf seiner Weltkugel ist die chinesische Mauer mit der Angabe murus 400 leucarum longitudine eingraviert.147 Über

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92  Abraham Gessner, sog. „Drake-Cup“, Globuspokal, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Plymouth, City Museum and Art Gallery, Inv. Nr. 1942.65(2).

dem runden Fuß mit Wulst, auf dem hohen eingezogenen Sockel, durch vier Spangen getrennt, befinden sich die Darstellungen der vier Elemente, die zugleich die vier Erdteile bezeichnen: Die Erde wird durch den Elefanten, die Luft durch den Adler, das Wasser durch den Delphin und das Feuer durch einen Salamander versinnbildlicht. Am Globus­ pokal aus der Sammlung Waldburg-Wolfegg (Gessner 12) ist der Fundkontext interessant: Joseph Fischer beschrieb den Pokal 1911, der gleiche Forscher, der in Wolfegg auch die einzig erhaltene (heute in Washington verwahrte) Karte von Waldseemüller von 1507 im sogenannten „Schöner Sammelband“ auffand, die erstmals den Namen Amerika verzeichnete.148 Auch der Globuspokal im Los Angeles County Museum (LACMA) (Gessner 13) trägt einen Himmelsglobus, auf dem Fuß sind die vier Kontinente eingraviert (Abb. 93).149 Der Globuspokal aus dem Historischen Museum in Basel (Gessner 14) hat ein leeres Wappenschild auf dem Himmelsglobus.150 Auch der Globuspokal im Schweizerischen Landes-

Globuspokale von Abraham Gessner und anderen Künstlern I 351

93  Abraham Gessner, Globuspokal, Los Angeles LACMA, William Randolph Hearst Collection, Inv. Nr. 51.13.9a und b.

museum in Zürich (Gessner 15) trägt einen Himmelsglobus mit einem leeren Wappenschild.151 Er wurde durch den Rat der Stadt Zürich, laut einem Dokument aus den Seckelamtsrechnungen, als worttzeichen unnd gedechtnuß an den französischen Diplomaten Jeannin de Castellig am 13. Januar 1614 geschenkt.152 Von diesen fünfzehn erhaltenen Globuspokalen aus der Werkstatt von Abraham Gessner sind zwei auf einen Baluster montiert, die restlichen Arbeiten zeigen alle eine männ­ liche Trägerfigur, die als Atlas oder wahrscheinlicher als Herkules (einmal als Ptolemaios) zu deuten ist. Der Zürcher Globuspokal (Gessner 11) ruht auf einem knienden Träger, der aber offenbar eine spätere Ergänzung ist.153 Wahrscheinlich wurden die Globuspokale ­seriell und nicht für spezifische Auftraggeber gefertigt; dafür sprechen die Gleichförmigkeit der Entwürfe, die große Anzahl der erhaltenen Exemplare sowie die in Basel (Gessner 14) und in Zürich (Gessner 15) freigelassenen Kartuschen, in die man den Besitzernamen nachträglich hätte eingravieren können.154 Sehr erhellend sind die Informationen über

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den Umgang und die Nutzungszusammenhänge einiger der genannten Werke: So wurde der Pokal in Nancy (Gessner 1) noch im Jahr 1663 als so wertvoll und schön angesehen, dass er als Geschenk des lothringischen Herzogs an ein Kloster genutzt werden konnte – und war noch einmal 130 Jahre später „weltlich“ genug, um den Zerstörungen der Revolution zu entgehen; bemerkenswert ist, dass schon zu diesem Zeitpunkt sein künstlerischer Wert und damit auch seine Besonderheit erkannt und er in einem Museum für die Nachwelt erhalten wurde. Die Verbindung des heute in Wien verwahrten Globuspokals (Gessner 4) zur Ambraser Kunstkammer von Ferdinand II. von Tirol macht deutlich, dass diese Artefakte nicht allein in einem an Fernhandel beteiligten Umfeld kursierten, sondern auch Eingang in die Sammlungen des Adels fanden – eine Verbindung bzw. Nähe zu den Augsburger Patriziern, die auch über die Ehefrau von Ferdinand II., Philippine Welser (verheiratet seit 1557) bezeugt ist. Mit dem Pokal in Kopenhagen (Gessner 5) und in Ribeauvillé (Gessner 7) wird erneut der Brauch sichtbar, Pokale (meist noch mit Geld gefüllt) als Huldigungsgeschenke zu übergeben. Dabei achteten die Schenker wie auch die Beschenkten sehr deutlich auf die über die Pokale transportierten Botschaften – die im Fall der Globuspokale zwischen Gelehrsamkeit und Herrschaft lagen. Waren es im Fall des Rosenborger Stücks Untertanen, die ihrem Landesherren huldigen mussten, so nutzt in Ribeauvillé erneut ein hochstehender Adliger, der Herr von Rappoltstein, den Pokal, um die Ratsherren der Stadt Rappolsweiler zu beschenken – und verewigt diese Stiftungstat schriftlich auf dem Pokalkörper. Andere Formen der Anlagerung von Erinnerung finden sich bei dem Globuspokal in Plymouth (Gessner 9), der mit dem Namen des berühmten Seefahrers Drake verbunden ist. Sein Bildnis in der National Portrait Gallery in London zeigt den Seefahrer stehend, seine rechte Hand liegt besitzergreifend auf einer Globuskugel: Dieses ikonographische Formular bezeugt erneut, wie eng das Thema der Weltentdeckung und Weltaneignung mit frühneuzeitlichen Artefakten verbunden ist und gibt einen Eindruck davon, welchen Eindruck das Halten eines Globuspokals bei den Zeitgenossen hinterlassen haben mag.155 Es ist anzunehmen, dass viele dieser Artefakte von vielfältigen historischen Anlagerungen umgeben waren, wurde doch auch das Exemplar aus Zürich (Gessner 15) bewusst als worttzeichen unnd gedechtnuß an einen französischen Diplomaten geschenkt und bezeugt erneut, dass diese wertvollen und inhaltsreichen Kunstwerke als Träger von Erinnerungen eingesetzt wurden. Neben dem Basler Globuspokal von Jakob Stampfer und den fünfzehn mit Abraham Gessner in Verbindung stehenden Globuspokalen gibt es noch (mindestens) sieben weitere erhaltene Artefakte; wie viele Globuspokale es einstmals gab, ist nicht zu erschließen. Im British Museum in London wird der sogenannte Starkie Bence Globuspokal verwahrt, der Airthrey Gold Globuspokal ist verschollen, aber über Quelle zu erschließen.156 In Stuttgart im Württembergischen Landesmuseum befindet sich ein Globuspokal aus der Hand des Goldschmieds Hans Jakob I. Bair (1574–1628), der auf 1604 datiert ist (Abb. 94).157 Sein Schaft ist durch die Figur des heiligen Christophorus gebildet, der eine große Erdkugel trägt, auf der die kleine Figur von Christus als Weltenherrscher thront. Der Stecher der

Globuspokale von Abraham Gessner und anderen Künstlern I 353

94  Hans Jakob Bair, Christopherus Pokal, 1604. Stuttgart, Landesmuseum Württemberg, Inv. Nr. KK hellblau 154.

Karte, Alexander Mair, signierte den Globus. Neben lateinischen Inschriften fügte er auch zwei griechische Distichen des Epigrammatikers Antipatros von Thessalonike in einer Tafel in der Südsee hinzu: Zu zweit sind wir aus einem Globus geschnitten und der / eine Teil von uns umfasst die Menschen im Süden, der andere / die Völker im Norden. Aber du, sieh’ nicht länger auf den / Norden: wenn du zwei Maß in beiden trinkest, wirst / du alles sehen, und zwar auch die Antipoden.158

Hinzu kommen zwei Globuspokal-Paare, die jeweils einen Himmels- und einen Erdglobus kombinieren: In der Schwedischen Schatzkammer in Stockholm befindet sich eines der Paare, das von Christopher Jamnitzer geschaffen wurde und bei dem die Schaftfigur des Herkules eine Erdkugel, sein Pendant Atlas die Himmelskugel trägt (Abb. 95).159 Die Erd­ kugel (mit einem Durchmesser von 18  cm) ist von einer weit ausschreitenden Fama ­bekrönt, die Himmelskugel von einer Minerva. Die Pokale sind, wie auch bei Bair, nicht

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95  Christopher Jamnitzer, Globuspokalpaar (Erde/Christophorus, Himmel/Atlas), vor 1620, Stockholm, Königliche Schatzkammer, Inv. Nr. HGK SS 10 und SS 11.

mehr mittig am Äquator in zwei gleichgroße Hemisphären zu teilen, sondern bilden zwei Trinkgefäße mit einem Deckel.160 Beide Pokale sind eine Bestellung der Stadt Nürnberg an Christopher Jamnitzer (1563–1618). Der Auftrag an Jamnitzer erfolgte wohl kurz vor seinem Tod, Jeremias Ritter vollendete die Pokale und Johann Hauer gravierte die Karten auf den beiden Cuppae von Erd- und Himmelsglobus (IONN HAUER globum hunc terrestrem in celeberrima urbe, quae est Norimberga Caelavit Anno [...] 1620).161 Beide Werke wurden im Jahr 1632 aus Anlass des Einzugs von König Gustav II. Adolf von Schweden (1594– 1632) in die Reichsstadt durch den Rat von Nürnberg als Geschenk überreicht.162 Im Grünen Gewölbe in Dresden wird von Elias Lencker ein Globuspokalpaar verwahrt, das Christophorus mit Himmelsglobus und Herkules (oder Atlas) mit dem Erdglobus zeigt; beide Pokale werden zwischen 1626 und 1629 datiert (Abb. 96).163 Auf den Globen befinden sich bei Christophorus ein Christuskind, bei Herkules ein Adler als Sinnbild von Zeus. Der Graveur der Karte ist der Augsburger Silberstecher Johannes Schmidt (1608–1647), der inschriftlich vermerkt ist (Johannes Schmidt Scalpsit).164 Die beiden Globuspokale verfügen

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96  Elias Lencker, Globuspokalpaar, zwischen 1626/1629. Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. IV 290 (Christophorus) und IV 294 (Herkules).

innen über eine mechanische Vorrichtung, mit deren Hilfe sie über die Tafel fahren konnten; wie bei den berühmten Diana-Trinkspielen musste derjenige, vor dem das Objekt zu stehen kam, aus ihm trinken.165 Die besprochenen Globuspokale des 16. Jahrhunderts sind Weltmodell und Trink­gefäß, können zum geselligen Beisammensein genutzt werden und verweisen auf den Welt­ handel, die Weltbeherrschung, die Vermessung und Visualisierung.166 Die bedeutenden Augsburger und Nürnberger Handelshäuser förderten und handelten Silber und Kupfer aus den Revieren Tirols, Mansfelds, Neusohls und dem Erzgebirge und waren in Antwerpen und in Spanien mit Handelsvertretungen ebenso präsent wie auf den weit entfernt liegenden Märkten in Asien. Diesen Händlern ist die gegenseitige Bedingtheit von Welt­ erfassung und Edelmetallen deutlich bewusst und sie halten sie  – versinnbildlicht im Globus­pokal als Weltbilder aus wertvollen Metallen – in den Händen.167

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3.3 Weltbilder: Ptolemaios und die Folgen Der Goldschmied Abraham Gessner legte großen Wert darauf, aktuelle Kartenbilder für seine späteren Globuspokale zu verwenden: insgesamt dreimal übernahm er neue Vorbilder als Grundlage für die Gravur. Wenngleich bei keinem der Pokale eine Weltkarte identifiziert werden konnte, die eins zu eins übernommen zu sein scheint, so können doch drei Ausgangskarten für die Gessnersche Globenproduktion benannt werden, nach denen der Graveur die verschiedenen Globuspokal-Gruppen arbeitete: Die in Kapitel 3.2 genannten Karten von Caspar Vopelius, von Abraham Ortelius sowie die Karte von Rumold Mercator. Für den Basler Globuspokal von Jakob Stampfer hingegen werden in der Forschung drei mögliche Vorbilder diskutiert: eine Karte von Michele Tramezzino (Venedig 1554), ein Weltbild des Kartographen Giacomo Gastaldi (1546), sowie eine Weltkarte von Antonius Florianus (1555 oder 1545–1550). Es ist mit Blick auf die Datierungsfrage bemerkenswert, das eine oder gar zwei der drei Karten nach 1548 erschienen und damit nach dem Datum des Exils von Thomas Blarer – und die Kaufverhandlungen mit Amerbach im Jahr 1555 begannen. Der Vergleich des Kartenmaterials, das in die beiliegende Erklärung eingebunden ist und der Weltkarte, die als Vorlage für die Gravur des Pokals genutzt wurde, zeigt, dass beim Globus ein sehr viel aktuelleres Vorbild Verwendung fand. Es war also auch dem Hersteller und/oder Käufer des Basler Globuspokals sehr wichtig, den neuesten Stand der Welt verbildlicht zu sehen. Dies bezeugt erneut, dass die Globuspokale keineswegs manieristische Spielereien waren, die nur den Anschein eines Globus erwecken sollten, sondern dass sie als moderne Weltmodelle gefertigt und betrachtet wurden. Sie stellen eine Spielart des wissenschaftlichen Instruments dar, das zugleich repräsentatives Schauobjekt, geistreicher Weinpokal und präzises Welt-Bild war; diese Verbindung von heute als getrennt wahrgenommenen Bereichen macht sie in der Gegenwart schwer lesbar. Als Weltdarstellungen sind sie Teil eines der wichtigsten Innovationsbereiche der Frühen Neuzeit, dem der Landvermessung und kartographischen Darstellung. Die Globuspokale stellen ein Paradoxon eindrucksvoll vor Augen, da in der Frühen Neuzeit die Erschaffung eines Weltbildes zugleich bedeutete, ein Werk zu erstellen, das veraltet ist, da fortwährend neue Daten und damit neue Erkenntnisse über den Verlauf von Küstenlinien, über Flüsse und die Lage von Orten nach Europa gelangten, die aktualisierte Karten erforderten. Schon das 15. Jahrhundert war geprägt von einer rasanten Entwicklung innerhalb der Darstellung von Land und Welt, die eng mit der Rezeption von antikem kartographischem Wissen verbunden ist: mit der geographischen Schrift von Ptolemaios. Mittelalterliche Weltkarten visualisieren vielfach als mappae mundi die christliche Heilsgeschichte in einer räumlichen Synthese, die Orte und Erzählungen in einer diagrammatischen Argumentation verknüpft; die Seefahrt im Mittelmeerraum hingegen entwickelte nautische Karten in Form der Portolane, die vor allem die Küstenverläufe protokollierten. Dies beides sind (vereinfacht) die Grundlagen, aus denen sich die frühneuzeitliche Landesdarstellung in

Weltbilder: Ptolemaios und die Folgen I 357

Europa entwickelte, die entscheidende Impulse durch die „Wiederentdeckung“ der Geographie/Kosmographie von Ptolemaios bekam.168 Claudius Ptolemaios hatte um 150 n. Chr. die Geographike Hyphegesis verfasst – eine Einführung in die (darstellende) Erdkunde (geografische Anleitung / Handbuch der Geographie).169 In diesem Text, der in den ­Büchern Zwei bis Sechs die Lage der 8100 wichtigsten Orte der bekannten Welt mit ihren Längenund Breitengraden auflistet (und zudem die Mündungen von Flüssen und Gebirgszüge als Orientierungspunkte nennt), gibt der Autor im ersten Buch Handreichungen zur praktischen Erstellung von Karten auf Grundlage dieser Messdaten. Ptolemaios geht von der Kugelgestalt der Erde aus und kennt die Erdumfangsberechnung von Eratosthenes (276– 195 v. Chr.) und Poseidonios (135–51 v. Chr.) – und folgt dabei den weniger genauen Ergebnissen des Letzteren. In Ptolemaios’ Weltbild ist Afrika mit einem südlichen Kontinent – der terra australis – als Landmasse verbunden und umschließt so den Indischen Ozean vollständig. Die Wirkmacht dieser Vorstellung der terra australis, die von den Schriften Ptolemaios aus ins Europa der Frühen Neuzeit tradiert wurde, ist an allen der erhaltenen Globuspokalen (und damit natürlich den frühneuzeitlichen Kartenbildern per se) ablesbar. Beide Vorstellungen – der geringere Weltumfang und die Landmasse – spielten bei der europäischen Expansion eine wichtige Rolle, bildeten den Grundstock des Weltwissens, mit dem gehandelt wurde und unterliefen dabei grundlegenden Neuformulierungen, die sich in immer neuen Darstellungsmodi äußerten: Columbus’ Fahrt in den Westen und sein vermeintliches Auffinden von „Indien“ machte deutlich, wie viel größer die Welt war (und dass Eratosthenes annähernd richtig gelegen hatte); die Umrundung des Kaps der Guten Hoffnung veränderte das Afrikabild nachhaltig und eröffnete den Seeweg nach Indien. Bedeutsam für den hier diskutierten Zusammenhang ist, dass Ptolemaios in seiner Schrift zwei Verfahren der Projektion der Erdoberfläche auf einen zweidimensionalen ­Träger vorstellte und damit die Anleitung lieferte, wie man die ermessenen Positionen verschiedener Orte innerhalb eines theoretischen Systems auf eine plane Fläche überführen konnte (Buch 1, Kapitel 18, 2).170 Zugleich diskutierte er die Möglichkeit, die Welt in verkleinerter Kugelgestalt – in Form eines Globus’ – darzustellen und definierte auch hier wichtige Grundlagen, so beispielsweise, auf die Kugel ein Gitternetz von Orientierungs­ linien in Form von Längen- und Breitenkreisen zu legen.171 Mit der verstärkten Rezeption von Ptolemaios zu Beginn des 15. Jahrhunderts setzt dann die neuzeitliche Kartographie ein: Die Geographike Hyphegesis wurde ab 1397 in Florenz aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt.172 Dem Bericht Vespasiano da Bisticcis (1421–1498) zufolge hatte sich Palla di Noferi Strozzi (ca. 1372–1462) darum bemüht, Manuele Chrysoloras (ca. 1350– 1415) als Griechisch-Lehrer für Florenz zu gewinnen.173 Strozzi finanzierte nicht nur die Überfahrt des Gelehrten aus Byzanz, sondern sorgte auch dafür, dass bislang unbekannte griechische Manuskripte in die Stadt am Arno verbracht wurden. Zu den aus Griechenland nach Florenz überführten Büchern zählten neben der „Kosmographie“ von Ptolemaios – offenbar in einem mit Abbildungen versehenen Manuskript174– weitere Codices, die für

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die abendländische Entwicklung von höchster Bedeutung waren, darunter Texte von Plutarch, Platon und die Politik von Aristoteles.175 Die Übersetzung von Ptolemaios Text wurde 1397 durch Chrysolaros begonnen, nach dessen Tod übernahm Jacobus Angelus (1360–1411) die Arbeit und vollendete die Übersetzung im Jahr 1406.176 Die Wirkungsgeschichte der Geographie läuft nach vertrauten Mustern, die auch schon im Teil 1 (Handsteine) aufgezeigt wurden: Die „Auffindung“ des griechisch-antiken Textes, seine Übersetzung ins Lateinische  – und damit Nutzbarmachung für das lateinisch-christliche Abendland. Daran schließt das Studium des Textes, die kritische Prüfung der dort vorhandenen Informationen und die Adaption für nord-westeuropäische Verhältnisse an – als Ergänzung, Aktualisierung und in Teilen auch Berichtigung der älteren Quelle.177 Diese Aneignung ist dabei – dies konnte ebenso im Bereich der metallogenetischen Literatur gezeigt werden – keine eindimensionale „Wiedergewinnung antiken Wissens“, sondern umfasst neben der Anwendung immer auch die Überprüfung und Anreicherung – wobei die dabei vorgenommenen Modifizierungen ein genuiner Aspekt der Textarbeit sind, die mit der Infragestellung und damit Verfahren des Erneuerns und Neuschreibens einher­ gehen. Die Verbreitung der Geographie/Kosmographie lief über das Pisaner (1409) und das Konstanzer Konzil (1414–1418), wo der neue Text einer Vielzahl interessierter Gelehrter bekannt und offenbar auch zugänglich gemacht wurde.178 Eine vergleichbare Rolle für die Distribution des neuen Wissens spielten die Universität von Padua sowie die direkten Kontakte zwischen den Handelsstädten Florenz und Nürnberg. Über Padua kam Nikolaus von Kues (1401–1464) mit der Handschrift in Kontakt, der wichtige Impulse für die Rezeption im nordalpinen Bereich gab.179 Regiomontanus lernte entweder in den 1450er Jahren in Wien oder in den 1460er Jahren bei seinem Italienaufenthalt den Text kennen und brachte das Wissen nach Nürnberg.180 Ein mit seinen handschriftlichen Anmerkungen versehenes Exemplar findet sich im Benediktinerstift Seitenstetten,181 eine weitere Kopie von der Hand Regiomontanus, die er auf seiner Italienreise mit griechischen Handschriften abgeglichen hatte, in Nürnberg.182 Ein drittes Exemplar, das von Regiomontanus in Italien erstellt und überarbeitet wurde, diente Willibald Pirckheimer als Arbeitsgrundlage, es befindet sich heute in der Bibliothek der Akademie der Wissenschaften in Moskau. Von dem begehrten Text erfolgte schon 1475 die Editio Princeps in Vicenza, es folgten Nachdrucke in Bologna (1477), Ulm (1480–1482) und Rom (1490). Regiomontanus hatte an einer neuen Übersetzung der schwer verständlichen und in Teilen fehlerhaften Version von Jacobus Angelus gearbeitet, verstarb aber vor der Veröffentlichung; seine Vorarbeiten wurden von zwei Nürnberger Gelehrten fortgesetzt: ­Johannes Werner veröffentlichte das erste Buch, in dem Ptolemäus die theoretischen Grundlagen der Kartographie erläutert (1514 in Nürnberg bei Johann Stuchs) in einer Neuübersetzung und erarbeitete zusammen mit Johannes Stabius (vor 1486–1522) einen Projektionsvorschlag (Stabius-Werner-Projektion).183 Eine weitere Textversion legte der schon genannte Willibald Pirckheimer vor, der über den Regiomontanusschüler Bernhard Walther an den Nachlass gelangt war.184 Pirckheimer setzte sich spätestens seit 1511/1512

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intensiv mit der Geographie des Ptolemaios auseinander, sein Werk erschien 1524/1525 bei Johann Grüninger (um 1444–um 1532). Deutlich wird, wie stark die beiden Städte Florenz und Nürnberg, Zentren sowohl der Entwicklung der Landschaftsmalerei als auch der Darstellung von Land und von Welt in der Kartographie, durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Text von Ptolemaios geprägt sind.185 Die rasante Ausbreitung des Textes sowie das Interesse auch von nicht lateinkundigen Fachleuten zeigt sich darin, dass in schneller Folge weitere Ausgaben sowie 1548 eine volgare-Version erschienen.186 Wie schon in Teil 2 zu den Turbanschneckenpokalen dargelegt, arbeitete in Nürnberg ein ­enger Kreis von Akteuren, die ein großes Interesse an geometrisch-mathematischen Schriften verband. Sie diskutierten Probleme einer perspektivisch korrekten Darstellung der Welt, ihre Gruppe umfasste keineswegs nur Buchgelehrte und Maler, sondern auch Landvermesser, Kartographen, Instrumentenbauer sowie Goldschmiede (häufig in Personalunion).187 Dass Nürnberg zu einem Zentrum des geographisch-kartographischen Wissens um 1500 avancierte, basierte dabei auf mehreren Komponenten: die Stadt verfügte über hervorragende Handwerker, die in der Lage waren, präzise Messinstrumente zu entwickeln; zugleich wurden mathematisch-astronomische Studien betrieben, die eng mit dem Aufenthalt von Johannes Regiomontanus in Nürnberg verbunden sind und in nächster Generation die Mathematiker und Astronomen Johannes Werner und Bernhard Walther, aber auch Willibald Pirckheimer umfasste; hinzu trat das florierende Druck- und Verlagswesen um Anton Koberger (um 1440–1513).188 Die Rezeption des Textes umfasst auch die künstlerisch-wissenschaftliche Anwendung und Fortentwicklung des hier vorliegenden Wissens. Verliefen doch die Veränderungen innerhalb der Kartographie parallel zur Textrezeption, erhielten aber zudem entscheidende Impulse durch die neuen Messdaten, die vor allem durch portugiesische Schiffe entlang der afrikanischen Westküste gesammelt wurden. Ein interessantes Schwellen­ phänomen bildet dabei die Mappamundo von Fra Mauro (um 1385–1459) von 1444/1459, die (als „letzte Radkarte“ von der Forschung tituliert) das Ende der christlichen Karten der mittelalterlichen Tradition markiert, die in einer Synopse Heilsgeschichte und Weltsicht kombinieren und dabei nicht auf eine „geographische Genauigkeit“ im neuzeitlichen Sinne zielen. Fra Mauro erstellte zwei Versionen dieser Karte: Um 1448–1453 eine Karte für die Signoria von Venedig und 1457–1459 eine zweite im Auftrag des portugiesischen Königs Alfons V. (1432–1481).189 Beide Originale sind nicht erhalten, von dem venezianischen Exemplar hat sich eine  – wahrscheinlich für Andrea Bianco 1460 angefertigte ­Kopie – in der Biblioteca Marciana in Venedig erhalten (Abb. 97).190 Wenngleich sie den tradierten Formen folgt, dokumentiert die Karte von Fra Mauro die enormen Veränderungen, die zum Leitthema der Kartographie im 16.  Jahrhundert werden: Er entwarf die ­Geschichte der christlichen Ökumene, reicherte sie mit Reiseberichten an – so unter anderem von Marco Polo – und nahm in seine kompilatorische Arbeit sowohl die neu vorliegenden antiken Überlegungen von Ptolemäus als auch die ihm widersprechenden bzw. korrigierenden Berichte der portugiesischen Seefahrer entlang der westafrikanischen

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Küste auf. Dies kulminiert an der Südspitze Afrikas – die vom südlichen Kontinent ­getrennt und damit als umschiffbar dargestellt wird.191 Wenngleich die tatsächliche Umrundung des Kaps der Guten Hoffnung erst knapp fünfzig Jahre nach Fra Mauros Karte gelingen sollte, zeigt die Karte dennoch schon in dem Zusammengehen von Altem und von Neuem das Potential, das in Weltkarten vorhanden ist. Das Ausgreifen in die Welt als ein Ergebnis der Ptolemaiosrezeption, der Seefahrt und der bildlichen Darstellung reflektiert Fra Mauro selbst deutlich in seinem Text: Unde se algun contradirà a questa [die Umschiffung Afrikas] perché non ho seguito Claudio ­Tolomeo, sì ne la forma come etiam ne le sue mesure per longeça e perlargeça, non vogli più curiosamente defenderlo de quel che lui proprio non se defende, el qual nel secondo libro capitulo primo dice che quele parte de la qual se ne ha continua practica se ne può parlar corretamente, ma de quele che non sono cusì frequentade non pensi algun se ne pssi parlar cussì correctamente. Però intendando che lui non haver possudo in tuto verificar la sua cosmographia, sì per la cossa longe e difficile e per la vita brieve e l’experimento fallace, resta che’l conciede che cum longença de tempo tal opera si possi meglio descriver over hauerne più certa noticia de qual habuto lui. Per tanto dico che io nel tempo mio ho solicitado uerificar la scriptura cum la experientia, inuesti-

97  Kopie der Mappa Mundi von Fra Mauro, 1460. Venedig, Biblioteca Nazionale Marciana, Inv. Nr. 106173.

Weltbilder: Ptolemaios und die Folgen I 361

gando per molit anni e practicando cum persone degne de fede, le qual hano veduto ad ochio quelo che qui suso fedelmente demostro.192

Der Autor fühlt das Bedürfnis, sich dafür zu rechtfertigen, dass er Ptolemaios bei der Frage nach der Umschiffbarkeit von Afrika im Süden nicht folgte – verweist aber auf dessen ­eigene Worte (2. Buch, Kapitel 1), die darlegen, dass von den Gegenden, von denen kein sicheres Wissen, keine continua practia, vorliege, der Geograph nicht mit Sicherheit sprechen dürfe. Die Geographie sei eine schwierige und langwierige Angelegenheit, das ­Leben kurz und die Erfahrung trügerisch; so bleibt Fra Mauro nur, dem verehrten antiken Autoren zuzugestehen, dass mit dem Verlauf der Zeit ein Werk wie die Weltbeschreibung besser zu fassen und mehr Informationen zu sammeln seien. Fra Mauro sah seine Aufgabe darin, die antike Schrift mit der Erfahrung abzugleichen (verificar la scriptura cum la experientia) – indem er mit den Menschen sprach, die mit eigenen Augen das sahen, was er getreu wiedergab. In Fra Mauros Aussage ist zusammengezogen, was die frühneuzeitliche Kartographie so dynamisch und innovativ macht: Die intensive Auseinandersetzung um die Darstellung der Welt, die immer wieder durch neue Augenzeugenberichte und Daten aktualisiert werden konnte – und die von Künstlern umgesetzt wurde, die den münd­ lichen Bericht und die Zahlen in eine visuelle Form übersetzten. Die Arbeit an den Land- und Weltkarten begleitet in der Frühen Neuzeit die Rezeption des antiken Textes: Eine frühe Version des lateinischen Ptolemaios aus der Werkstatt des in Florenz tätigen deutschen Kartographen Nicolaus Germanus (1420–1480) wird in der polnischen Nationalbibliothek verwahrt, sie ist auf 1467 datiert und Papst Paul II. (1417–1471) gewidmet. Dieser Kosmograf und Kartograf schuf zehn Jahre später (1477) einen ­Himmelsund Erdglobus für den Vatikan, die beim Sacco di Roma im Jahr 1527 verloren gingen und zu den sehr frühen dreidimensionalen Weltdarstellungen zählen.193 Auf der Karte von ­Nicolas Germanus ist auf der linken Seite das Mittelmeer erkennbar, das im Norden von Europa, im Süden von Afrika umschlossen wird. Afrika geht (anders als bei der älteren Fra Mauro-Karte) noch in den nicht näher bezeichneten Südkontinent (die terra australis) über, eine riesige Landmasse, die den indischen Ozean nach unten abschließt, Amerika fehlt in diesem Weltbild. Diese Karte, die dem Text folgt und neuere Erkenntnisse ausblendet, liegt auch dem Holzschnitt zugrunde, der für den ersten nordalpinen Druck des Textes, erschienen 1482 in Ulm bei Lienhart Holl, als Illustration verwendet wurde; es handelt sich hier zugleich um die erste gedruckte deutsche Weltkarte (Abb. 98).194 Das Motiv der fortwährenden Aktualisierung wird aus der Karte von Henricus Martellus Germanus von 1489 ersichtlich (British Library, London), die ‚neue‘ Entdeckungen, wie beispielsweise das Wissen um den Küstenverlauf von Afrika und die erfolgreiche Umrundung des Kaps der Guten Hoffnung durch Bartolomeu Diaz 1487/1488, in das tradierte Bildformular integrierte (Abb. 99).195 Die Übernahme, die innerhalb eines Jahres erfolgte, bezeugt zudem die Schnelligkeit, mit der in der damaligen Zeit nicht allein das Wissen um die Geographie zunahm, sondern zugleich in eine graphische Form übersetzt und damit

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98  Nicolaus Germanus, Weltkarte, in: Claudius Ptolemaeus. Cosmographia, Ulm: Lienhart Holl, 16. Juli 1482, fol. 147 und 148.

99  Henricus Martellus, Weltkarte, nach 1487/88, in: INSULARIUM illustratum Henrici Martelli Germani, British Library, Add MS 15760, fol. 68v/69r.

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publiziert werden konnte. Das Kartenbild von Henricus Martellus kann deutlicher nicht demonstrieren, wie der bisherige Rahmen durch die neuen Erkenntnisse gesprengt wurde.196 Die Darstellung ist zweifach überwältigend: zeigt sie doch das tradierte Weltbild gerahmt – nur dort, wo die Umrundung des Kaps der Guten Hoffnung gelang, muss der Maler über den Rahmen malen. Diese Bildlösung ist überraschend und verstörend, hätte Henricus Martellus doch nur den Rahmen um wenige Zentimeter nach Süden verrücken müssen, um die neue Welt zu umfassen und damit ganz wörtlich ins Bild zu setzten. Er aber entschied sich, das neue Wissen als ein Aufbrechen von bisherigen kartographischen Konventionen zu inszenieren. Die nächsten Impulse, die verarbeitet und in eine Karte umgewandelt werden mussten, kamen aus dem Westen: Die Nachricht, dass dort den Europäern bislang nicht bekanntes Land läge, forderte zugleich neue Kartenbilder, die europäische „Entdeckung“ von Amerika veränderte erneut das von Ptolemaios tradierte ikonographische Formular. Wieweit Veröffentlichung und Geheimhaltung in der Kartographie zusammenfallen, lässt sich an einem Beispiel beschreiben: Die berühmte Cantino-Karte von 1502 zeigt neben der „alten Welt“ mit Afrika und Indien auch Amerika. Ihren Namen erhielt diese berühmte Quelle von Alberto Cantino, der im Auftrag des Herzogs von Ferrara in Lissabon die Kopie einer Karte erstand. Das Original lag geschützt in den Armazéns da India, einem dem ­Königspalast angegliederten Bereich, der nur den offiziellen Kartografen im Auftrag der portugiesischen Krone sowie dem König Manuel I. und seinem engsten Kreis zugänglich war. Durch Cantino bestochene Kartographen fertigten diese Karte an, die Afrika mit der detaillierten Umrisslinie als Ergebnis der portugiesischen Entdeckungsfahrten entwarf und (Süd-)Amerika im Umriss der Ostküste darstellte; der asiatische Raum entspricht dem tradierten ptolemäischen Formular.197 Kartographie erweist sich hier also als der Versuch, neues geographisches Wissen durch Künstler in ein visuelles Formular zu übersetzen; die Karte selbst veröffentlichte das neue Wissen, machte es damit bekannt, aber auch durch Händler oder politische Mächte nutzbar. Über Karten konnten Herrschaftsgebiete sichtbar gemacht und damit auch beschrieben und gesichert werden – auf der anderen Seite aber hatte gerade in der Frühzeit die Krone von Portugal großes Interesse daran, das genaue Wissen um die Ausdehnung Amerikas geheim zu halten. Dennoch verbreitete sich das Wissen in rasanter Geschwindigkeit: Der Humanist ­Martin Waldseemüller veröffentlichte 1507 – zusammen mit Matthias Ringmann – eine Karte, auf der erstmalig der Name America für die neuentdeckten Gebiete im Westen verwandt wurde (Abb. 100).198 Namengebend war der Seefahrer Amerigo Vespucci, der durch B ­ erichte seiner Fahrten das neue Wissen verbreitete, beispielsweise mit dem Brief Novus Mundus von 1502 an

Lorenzo

di

Pierfrancesco

de’

Medici

(1463–1503),

dessen

Inhalt­

ab 1503 in Form einer lateinischen Flugschrift, in der Folge dann auch auf Deutsch, ­Französisch, Niederländisch und Italienisch, publiziert wurde. Der Titel der Karte lautet Universalis cosmographia secundum Ptholomaei traditionem et Americi Vespucii a ­ liorumque lustrationes – also die „umfassende Darstellung der Welt nach der Überlieferung des Ptole-

364 I Globuspokale

100  Martin Waldseemüller, Universalis cosmographia secundum Ptholomaei traditionem et Americi Vespucii alioru[m]que lustrationes, St. Dié (?) 1507.

mäus und der Reise/der Betrachtung des Amerigo Vespucci und anderer“ und verweist damit sowohl auf die Bedeutung der antiken Quelle als auch auf deren zeit­genössische Aktualisierungen.199 Ebenfalls von Vespucci stammt der Bericht über die Vier Reisen, der der schon genannten Cosmographiae Introductio von Matthias Ringmann und Martin Waldseemüller beigebunden wurde.200 In ihrer Erläuterung der für die Kartographie notwen­digen astronomischen und geometrischen Grundlagen, die zusammen mit der Karte erschien, ging Matthias Ringmann im neunten Kapitel auf die Herrschaftsgebiete ein und erklärte, dass der römische Adler im Zentrum Europas auf die Herrschaft der K ­ önige und die Schlüssel des Papstes auf die römische Kirche verwiesen; dass Afrika und Teile Asiens den Halbmond als Emblem des Sultans von Babylon trügen, andere Teile aber mit dem safran­gelben Kreuz des türkischen Sultans oder den Ankern als Herrschafts­zeichen (insignia) der Tartaren gekennzeichnet seien. Ost- und Südindien wären mit dem roten Kreuz des (legendären) Priester­ königs Johannes bezeichnet, „und zuletzt haben wir im vierten, von den Königen Kastiliens und Portugals entdeckten Teil der Welt, deren Embleme eingezeichnet.“201 Deutlicher kann Kartographie als Mittel der Herrschaftsbeschreibung die „neue“ Welt als Eigentum ihrer „Entdecker“ nicht ausweisen. Im selben Kapitel erklären Waldseemüller und Ringmann auch die Gründe für die Namenswahl für dieses neue Gebiet: [...] auch der andere, vierte Teil ist vor kurzem von Amerigo Vespucci entdeckt worden (wie im Folgenden zu hören sein wird). Ich sehe nicht, warum jemand mit Recht verbieten sollte, diesen vierten Kontinent nach seinem Entdecker Americus, einem überaus klugen Mann, Amerige, also

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das Lande des Americus oder einfach Amerika zu nennen, weil auch Europa und Asien nach Frauen benannt wurden. Dessen Lage und die Sitten seiner Bewohner wird man anhand der vier Reisen des Americus, die im Anschluss an die Kosmographie folgen, genau verstehen können.202

Erneut betonen Waldseemüller und Ringmann in ihrer Widmung an Kaiser Maximilian I. das Motiv der Aktualisierung des kartographischen Wissens, wenn sie sagen, dass sie nicht nur die Bücher des Ptolemaios in Form einer griechischen Handschrift geprüft, sondern diesem alten als neu zugängliches Wissen die vier Berichte über die Entdeckungsfahrten von Vespucci beigefügt hätten.203 Von der monumentalen, in zwölf Teilen gedruckten Weltkarte (jedes Teil ist 43 x 58 cm groß, insgesamt ergibt sich eine Größe von 129 x 232 cm) wurden um die 1000 Stück gedruckt, erhalten aber ist nur noch ein Exemplar aus dem Besitz von Johannes Schöner (1477–1547), das heute in der Kongressbibliothek von Washington verwahrt wird.204 Nicht nur der Name, sondern auch das Bild Amerikas ist als Landmasse eingezeichnet, eine Form, die Waldseemüller allerdings nicht selbst erdachte, sondern von der Karte des Genuesen Nicolò de Caveri übernahm, die wiederum auf der Cantino-Karte basierte.205 Über eine Legende wird die Entdeckungsgeschichte Amerikas erzählt und der Ressourcenreichtum des neuen Landes besonders hervorgehoben: Die Legende endet mit den Worten „Man hat in Erfahrung gebracht, dass es in diesem Land mehr Gold gibt als irgendein anderes Metall.“206 Doch die Karte thematisiert nicht allein die ökonomischen Interessen und den politischen Herrschaftsanspruch, sondern nimmt zugleich eine Historisierung der Kartographie vor, da im oberen Rand die Bilder von Ptolemaios mit „seinem“ Weltbild und Amerigo Vespucci mit dem „neuen“ Land integriert sind.207 Dieses Motiv wird erneut auf der Legende der Karte hervorge­ hoben: Mögen die meisten der alten Autoren auch ein großes Interesse an der Beschreibung des Erd­ kreises gehabt haben, so blieb doch gerade diesen nicht weniges verborgen, so wie im Westen Amerika, dessen Name von seinem Entdecker stammt und das für den vierten Kontinent gehalten werden muss. Ebenso verhält es sich mit dem südlichen Teil Afrikas, der sich, beginnend bei ungefähr sieben Grad diesseits des südlichen Wendekreises, weithin über die trockene Zone und den südlichen Wendekreis hinaus nach Süden erstreckt. Genauso verhält es sich in östlicher Richtung mit dem Gebiet von Cataia und der India Meriodionalis jenseits des 180. Längengrades. Dies alles haben wir den früheren Karten hinzugefügt, damit die Liebhaber derartiger Neuigkeiten, soweit sie uns zum heutigen Zeitpunkt vorliegen, diese mit eigenen Augen betrachten und unsere sorgfältige Arbeit auf die Probe stellen können [...].208

In dieser Aussage verschmelzen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Karto­ graphie, weist doch Waldseemüller deutlich mit dem Zusatz „soweit sie uns zum heutigen Zeitpunkt vorliegen“ auf die fortwährende Aktualisierung des Wissens hin – und nennt zudem die „sorgfältige Arbeit“ der Kartographen abschließend als Instrument und Werk-

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101  Segmentkarte von Martin Waldseemüller von 1507, München, BSB, Cim. 107#2 (= 2 Math. 499#2).

zeug: Bewusst zelebriert dabei die Waldseemüller-Karte von 1507 die „Sprengung“ des alten Weltbildes, indem auch hier die Südspitze des afrikanischen Kontinents über die Rahmung hinaus ragt – und die mit „eigenen Augen“ betrachtet werden könne. Neben der Karte und dem beschreibenden Buch schuf Waldseemüller einen kleinen Globus mit dem Durchmesser von 12 cm – der als erster Globus in Segmenten gedruckt und ebenfalls 1507 publiziert worden war (Abb. 101).209 Das Kartenmaterial, das in die Erklerung eyns trinckgschirs (der Beschreibung des ­Basler Globuspokals) eingebunden ist, rezipiert die Karte von Waldseemüller von 1507: Insgesamt dreizehn Holzschnittkarten sind nach dem letzten Blatt in das Manuskript des anonymen Mathematikers eingebunden, die eine Darstellung der Welt (Abb. 102) sowie in Einzelansichten die verschiedenen Länder und Regionen Europas zeigen. Dieses Material wurde nicht extra für die Beschreibung angefertigt, sondern entstammt den ­Rudimenta cosmographica, den „Grundzügen der Weltbeschreibung“ des Kronstädter Ratsherren Johannes Honters (Honterus, um 1498–1549).210 Honter zählt zu den bedeutendsten humanistischen Gelehrten Siebenbürgens und ist einer der Protagonisten frühneuzeit­licher Landesaufnahme und Kartographie; schon 1532 publizierte er zwei Sternkarten und die erste Karte Siebenbürgens in Basel.211 Er reagierte damit – wie viele

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102  Weltkarte aus der Erklerung eyns trinckgschirs (Handbuch zum Globuspokal) nach Johannes Honter, Rudimenta cosmographica, Kronstadt: Honter, 1542. Basel, Universitätsbibliothek, Sig. F IX 26, eingebunden zwischen foll. 79v und 80r.

seiner Zeitgenossen – auf die 1528 von Sebastian Münster in Oppenheim bei Jacob Köbel (um 1462–1533) publizierte Vermanung Sebastiani Münnster an alle liebhaber der künstenn, im hilff zuo thun zuo warer unnd rechter beschreybung Teütscher Nation.212 Dieser Appell an das G ­ elehrtennetzwerk, sich an der Schaffung einer Beschreibung Deutschlands zu beteiligen, bildete die Grundlage für Münsters Kosmographie, die in Basel 1544 erschien und für die Honter 1548 ergänzend die Beschreibung Siebenbürgens lieferte.213 Von besonderer ­Bedeutung – auch für den hier analysierten Zusammenhang – aber sind Honters kosmographische Abhandlungen, die Rudimenta cosmographica, die zuerst 1530 in Krakau, erneut 1534 und 1535 in Basel erschienen. 1542 veröffentlichte er eine in Versen gefasste Version dieser Weltbeschreibung in Kronstadt, zu der Holzschnitte gehörten.214 Über Heinrich Bullinger gelangte ein Exemplar dieser Ausgabe in den Besitz des Zürcher Druckers Christoph Froschauer (1490–1564), der sie 1546 nachdruckte. Für die Kopie der in Honters Schrift verwendeten Karten wurde Heinrich Vogtherr der Ältere (1490–1556) gewonnen, er signierte auch die Weltkarte (VNIVERSALIS COSMOGRAPHIA) mit TIGURI HVE und vermerkte die Jahreszahl MDXLVI.215 Die große Verbreitung und Beliebtheit dieser

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Schrift zeigt sich unter anderem in den sechzehn Auflagen in Zürich bis zum Jahr 1602 und der vielfachen Weiterverwendung der Kartenbilder von Vogtherr. In die Beschreibung des Globuspokals ist zudem die Illustration einer Armillarsphäre eingebunden, die ebenfalls den Rudimenta cosmographica von Johannes Honter entstammt. So erklärt das Manuskript also nicht allein die Anwendungsmöglichkeiten des Globuspokals als Messinstrument für Sternpositionen oder für die Kalender- und Uhrzeitbestimmung, sondern liefert noch zusätzliches geographisches Material aus einer anderen Publikation. Dabei sind die Abbildung der Armillarsphäre, die Weltkarte sowie die zwölf Landkarten aus der Globusbecher-Beschreibung zwar identisch mit den Druckstöcken, die in Froschauers Druckerei für den Nachdruck von Honters Rudimenta Cosmographica verwendet wurden.216 Sie können aber nicht aus dieser Publikation stammen, da hier die Karten jeweils die Rückseite des vorherigen Blattes nutzen, die in die Beschreibung eingebundenen Karten hingegen nur einseitig bedruckt sind. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Karten auch als separate Abzüge für den Kauf angeboten wurden. Wer den Impuls dafür gab, das Kartenmaterial Honters für die handschriftliche Beschreibung des Globuspokals zu nutzen, ist nicht mehr zu klären, interessant aber ist, dass Honter mit Bonifatius Amerbach in Verbindung stand, in Ingolstadt in der Druckerei von Petrus Apian bei dessen Bruder Georg Bienewitz den kartographischen Holzschnitt erlernte und zwischen 1530 und 1533 in Basel unter anderem bei Johannes Oekolampad (1482–1531) studierte, was Sebastian Münster überliefert – und somit engste Verbindungen zu den an Landeserfassung interessierten humanistischen Kreisen unterhielt.217 Das Kartenmaterial Honters liefert für die Datierung des Globuspokals einen weiteren terminus post quem: Nach 1546 konnte der beschreibende Mathematiker auf dem Markt diese Karten für seinen Bedarf kaufen und in seine Konzeption einbauen: So verwies er beispielsweise auf fol.  43v, wo er die einzelnen Teile der Armillarsphäre mit den Buch­staben A bis N aufzählt, auf die folgende Abbildung, in die wiederum die Buchstaben erläuternd eingetragen wurden, arbeitete also schon beim Schreiben mit der Illustration.218 Auf dem Globuspokal ist die bekannte und vermessene Landmasse Nordamerikas deutlich vergrößert und zeigt – im Vergleich zu Honters Amerikabild – eine aktualisierte Fassung der Weltkenntnis. Interessant ist dabei zweierlei: Erstens, dass sich Honter bei seiner Publikation nicht auf rezente Karten bezog, sondern auf eine sehr viel ältere Vorlage zurückgriff. Für Honter – wie auch für den anonymen Mathematiker – schien es somit wenig relevant gewesen zu sein, die rasante Entwicklung innerhalb der Weltdarstellungen zu rezipieren. Zweitens fand die eingebundene Karte nicht als Vorlage für den Globus­ pokal Verwendung; für das wertvolle dreidimensionale Silberobjekt wurde eine viel aktuellere Karte ausgewählt. Das bedeutet, dass die zeitgenössischen Betrachter:innen nicht allein über die unterschiedlichen Qualitäten und Möglichkeiten reflektieren konnten, die eine zweidimensionale Weltkarte und ein dreidimensionaler Globus für die Sicht auf die Welt anboten. Über die beiden miteinander verbundenen Formate eröffnete sich ein

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­Innovationsdiskurs, da die Erzählung von der fortschreitenden „Entdeckung“ der Welt im Zusammenspiel von Globuspokal und von Handbuch ersichtlich wurde. Zugleich wurden unterschiedliche Abstraktionsleistungen gefordert, da das „alte“ Europa sehr detailliert und genau abgebildet ist. Amerika hingegen blieb ein noch zu füllender Imaginationsraum; und im Osten tauchen – sowohl in den Karten, als auch auf dem Globus – Wundervölker mit fremden Sitten auf, so dass mit dem Globus und dem Handbuch in der Hand am heimischen Schreibtisch die „Fremde“ zumindest intellektuell erfahrbar wurde. Die Frage, welche Karte direkt als Vorlage für den Graveur des Basler Globuspokal diente, ist bislang nicht beantwortet und eventuell auch nicht gänzlich zu klären. Auf dem Pokal sieht man eine interessante Gestaltung von Nordamerika, der Kontinent erscheint dort mit Südamerika über Cvba verbunden, die Terra florida ist – wenngleich nicht deutlich ausgebildet – als nord-östliche Begrenzung des Golfs von Mexiko vermerkt.219 Ein Breitengrad verläuft durch den Kontinent, der mit HISPANIA MAIOR und im Norden mit ­BACAIEAR REGIO bezeichnet ist; auffällig ist der östliche Küstenverlauf sowie die deutliche Trennung von Asien. Zwischen Amerika und Asien ist der OCCEANVS ORIENTALIS ­eingezeichnet, die Insel Sipango (Japan) liegt zwischen den beiden Landmassen. Die Westküste bzw. der gesamte westliche Teil Amerikas aber ist noch nicht erschlossen.220 George Kish zufolge rücken sowohl die Form von Nordamerika als auch die Trennung von Amerika und Asien die Weltdarstellung des Globuspokals in die Nähe einer Gruppe, die den Globus auf dem Gemälde der Gesandten von Holbein in der National Gallery in London von 1533, Gemma Frisius’ Globus (um 1535), Mercators doppelherzförmige Weltkarte (1538), die Weltkarte von Frisius’ in Apians Cosmographei (1550), die Globussegmente von Alonso de Santa Cruz (1542) und den Globus von François Demongenet (1552) umfasst.221 Die hier aufgezählten Artefakte gehören mit zu den bekanntesten Globen und Karten der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, ihre Auswahl (wie auch der große Zeitraum, den sie umspannen) ist daher wenig aussagekräftig. Kish scheint vor allem die Weltkarte auf zwei Hemisphären, die bei Michele Tramezzino (1526–1571) in Venedig im Jahr 1554 publiziert wurde, sowohl für die Inschriften auf Stampfers Globus als auch für die Umrisse Nord­ amerikas am ehesten in Frage zu kommen (Abb. 103).222 Zudem sieht er eine große Nähe zu der Weltkarte von Antonius Florianus (1522–1585), die dieser auf zwei Hemisphären und aufgeteilt in sechsunddreißig strahlenförmige Steifen entwarf.223 Die Karte wurde mit ­einem Privileg des Venezianischen Senats an Florianus aus dem Jahr 1555 in Verbindung gebracht, jedoch kann sich dies auch auf eine weitere Karte beziehen, so dass die Weltkarte zwischen 1545 und 1550 entstand.224 Es handelt sich um eine Adaption der Weltkarte von Mercator von 1538, Florianus aber gelang es durch die strahlenartige Auffächerung, die Verzerrungen innerhalb der Projektion zu verringern; zudem spielt diese Form der Segmentierung mit der Möglichkeit, aus der Karte einen Globus zu bilden, indem die einzelnen Streifen ausgeschnitten und um einen kugelförmigen Kern geordnet würden. Als drittes wurde die Karte eines der berühmtesten Kartographen des 16.  Jahrhunderts, ­Giacomo Gastaldi (um 1500–1566), mit dem Basler Globuspokal in Verbindung gebracht.

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Seine Weltkarte (Universale) erschien 1546 und erneut 1548 unter dem Titel Universale Novo als Teil der volkssprachlichen Neuübersetzung des Ptolemaios durch Pietro Andrea Mattioli in Venedig.225 Zum dritten Mal publiziert als Dell’Universale von Matteo Pagano um 1550, sowie als großformatige Cosmographia Vniversalis von 1561.226 Im Jahr 1556 war sie zudem unter dem Titel Universale Della Nuovamente Parte del Mondo Ritrovata Teil des bei Giunti in Venedig durch den Historiker und Geographen Giovanni Battista Ramusio (1485–1557) herausgegebenen Delle Navigationi et Viaggi und diente als Vorbild für den Graveur des Reichsapfels des schwedischen Königs Erik XIV. von 1561 (vgl. Kapitel 3.5) (Abb.  104).227 In seiner Publikation von 1556 versammelte Ramusio bedeutende Reise­ berichte, der erste Band zu Afrika erschien 1550, 1556 folgten die Berichte zu Amerika, postum 1559 erschien der Band zu Asien.228 Auch in Gastaldis Karte ist der obere nördliche Teil Amerikas noch nicht vollständig erforscht, wird aber nicht mehr als fantastisches Gebilde, sondern als Leerstelle, als berühmter weißer Fleck auf der Landkarte, visualisiert. Diese Darstellungsart betont, dass hier etwas sein muss, was noch nicht kartographisch erfasst und vermessen wurde  – entspricht aber nicht dem Aussehen Nordamerikas auf dem Basler Globuspokal. Hervorzuheben ist auf Gastaldis Karte die Genauigkeit im Südwesten Amerikas, die durch die Reisen von Francisco Vasques Coronado (1510–1554) sowie durch die Erforschung der Küstenlinie Kaliforniens durch Juan Rodríguez Cabrillo (um 1499–1543) im Jahr 1542 herrührt. Der Vergleich mit dem Globuspokal legt auf jeden Fall die Möglichkeit nahe, dass diese oder aber auch die Florianus-Karte als Vorbild für Stampfer diente, er also auf das aktuellste Kartenmaterial zurückgriff.229 Die späte Publikation von zwei der Karten birgt allerdings die schon genannten Probleme für die Datierung des Werkes, da es nach 1548 (Exil Blarers) unwahrscheinlich ist, dass er in dieser (auch finanziell) angespannten Zeit den Auftrag erteilt hätte – wenn er denn überhaupt der Auftraggeber war. Möglicherweise nutzte der Graveur aber auch vorhandenes kartographisches Wissen, das vor der Publikation im Druck in gelehrten Kreisen kursierte, wie es ja auch für die Gessnerschen Globuspokale angenommen wurde. Ein weiteres Vorbild für den ­Graveur kann über die Aufschrift am unteren Kreis des antarktischen Kontinents erschlossen werden: Terra australis recenter inventa sed nondum plene cognita, also „Südliches Land, das kürzlich entdeckt wurde aber noch nicht vollständig bekannt ist.“230 Der Begriff terra australis für den Südkontinent erinnert an das seit der Antike bekannte und über Ptolemaios tradierte Wissen, bezieht sich aber nun auf einen tatsächlich neuen südlichen Kontinent. Erneut wird durch die Aufschrift der fortwährende Prozess der Entdeckungen betont, der allein zulässt, auf Karten einen momentanen Istzustand zu vermerken, der immer zugleich auch die Möglichkeit des Veraltens und des durch neue Auffindungen zu Aktualisierenden in sich trägt. Ein Vergleich mit der berühmten Weltkarte des französischen Kartographen Oronce Fine in Doppelherzform aus dem Jahr 1531 (Abb.  105) mit dem Titel Nova et ­Integra Universi Orbis Descriptio zeigt, was die Quelle für diesen Teil des Globuspokals gewesen sein kann, verzeichnet Fine doch im südlichen Polarkreis jene Terra Australis ­rercenter inventa, sed nondu(m) plene cognita.231

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103  Weltkarte. Hemisphäre mit der Ansicht von Amerika und Asien, gedruckt von Michele Tramezzino, Venedig 1554.

104  Giacomo Gastaldi, Universale Della Nuovamente Parte del Mondo Ritrovata, in Giovanni Battista Ramusio, Delle Navigationi et Viaggi.

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105  Oronce Fine, Noua, Et Integra Uniuersi Orbis Descriptio, Paris 1531.

Der Globuspokal repräsentiert als elaboriertes Kunstkammerobjekt ein theoretisches ­Gebilde, dessen Präsenz zwar annehmbar, aber nicht sinnlich nachvollziehbar ist. Schon 1507 betonten Martin Waldseemüller und Matthias Ringmann in ihrer Cosmographiae Introductio, dass es erfreulich und nützlich sei, die Lage der Regionen und Städte sowie ihre Bewohner aus den Büchern kennenlernen zu können (regionem atque urbium situs et externorum hominum [...] illorum omnium ritus ac mores ex libris cognoscere iucundum ac utile esse).232 Nils Büttner hat auf die hier aufscheinende Praxis des „Reisens im Lehnstuhl“ hingewiesen, das mit Hilfe von kartographischen Werken, sei es in Form von Land- oder Weltkarten, in Form von Kartensammelwerken oder eben auch mit Hilfe von Globen in der Imagination verläuft. Es ist also immer ein Artefakt, das diese Reisen unterstützt, das einen Raum entworfen hat, in dem die Gedanken reisen können. Die handlichen Globuspokale kommen dieser Form des Gedankenreisens entgegen. Das eingezeichnete Gitternetz hilft zur Verortung und zur Vergleichbarkeit und die unterschiedlichen Aufschriften regen die Phantasie an.233 Der Nutzer mag sich als Herkules oder Atlas in der Rolle des Weltenträgers imaginieren – aber er kann auch mit dem Finger auf der Oberfläche, die durch die Gravuren unterschiedliche haptische Erfahrungen ermöglicht, die Länder und Meere bereisen.

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3.4 Die Welt als Kugel: Kurze Geschichte der Globen In seiner Geographica (Buch II, 5, 10) erklärt Strabon (ca. 63 v. Chr.–23. n. Chr.), wie man einen Globus mit Hilfe einer Weltkarte herstellen kann: Bisher haben wir den Raum in dem nach uns die bewohnte Welt liegt auf eine Kugeloberfläche gezeichnet; und wer die Wirklichkeit so annähernd wie möglich mit Handgemachtem nachbilden will, muss in der Tat die Erde als eine Kugel bilden, wie die des Krates, darauf das Viereck abteilen und innerhalb davon die geographische Karte anbringen. Da es jedoch einer großen Kugel bedarf – damit besagter Ausschnitt, der nur einen Bruchteil von ihr ausmacht, groß genug ist um deutlich die der bewohnten Welt zugehörigen Teile aufzunehmen und den Betrachtern ein angemessenes Bild zu bieten –, ist es zwar besser so zu verfahren für den der imstande ist sie so groß zu bilden (sie sollte einen Durchmesser von nicht weniger als zehn Fuß haben), wer sie aber nicht so groß oder nicht viel kleiner bilden kann, der muss sie auf eine ebene, mindestens sieben Fuß große Tafel zeichnen.234

Durch diese Quelle ist überliefert, dass die antike Welt spätestens seit Krates von Mallos (gestorben um 145 v. Chr.) Globen kannte und dass Abbilder der Erde in Kugelgestalt als den Karten an Genauigkeit überlegen galten.235 Zugleich wird ersichtlich, dass die Übertragung der Karte auf die Kugel ein (kunst-)technisches und auch ganz explizit ein handwerkliches Problem darstellte (wer die Wirklichkeit so annähernd wie möglich mit Handgemachtem nachbilden will). Claudius Ptolemaios riet in seiner Geographike Hyphegesis, dass man sich bei der Konstruktion von Globen eines Gitternetzes aus Längen- und Breiten­graden bedienen solle; zugleich diskutierte er die positiven und negativen Aspekte des Globus’ im Vergleich mit zweidimensionalen kartographischen Darstellungen.236 Visualisierungen in Kugelgestalt gab es aber sicherlich schon vorher, erklärt doch schon Platon im Timaios, dass man sich einer Nachbildung des Himmels bedienen solle, um den Sphärenlauf zu verstehen.237 Auch Ptolemaios greift (in Buch I, 1. 9) das Motiv auf, dass die ­Visualisierung der Erde – in Parallele zur Himmelsdarstellung – der Erkenntnis dient: Alle diese Dinge sind Gegenstand der höchsten und schönsten geistigen Schau; denn diese zeigt mit mathematischen Mitteln dem menschlichen Verstand den Himmel unmittelbar, wie beschaffen er ist, weil er sich uns zeigen kann, wenn er sich um uns dreht. Die Erde jedoch lässt sich nur durch ein Abbild erkennen; denn die wirkliche Erde, die riesig groß ist und sich nicht [wie der Himmel] um uns dreht, kann weder in ihrer Gänze noch in ihren Teilen von ein und demselben Menschen bereist werden.238

Die Mathematik wird hier als das Instrument der Erkenntnis angesprochen – durch die Regelhaftigkeit des Sternenverlaufs, die durch die Menschen beobachtet werden kann, offenbart sich der Himmel unmittelbar. Die Erde hingegen – die nicht gesehen werden kann – muss durch die Reproduktion vermittelt werden.

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106  Hermes Trismegistos und Ptolemaios, Schale des 5. oder 6. Jahrhunderts, Los Angeles, J. Paul Getty Museum, Inv. Nr. 83.AM.342.

Trotz der sicherlich vorhandenen Erdgloben haben sich aber aus der Antike keine O ­ bjekte erhalten, allein durch bildliche Quellen, beispielsweise Münzen, sind sie zu erschließen.239 Auf einer Bronzemünze aus der Zeit Marc Aurels (155/160 n. Chr.) zeigt die stehende ­Victoria auf eine Kugel zu ihren Füßen  – die sehr wahrscheinlich einen viergeteilten Globus reproduziert.240 Und auf einer Schale aus dem 5. Jahrhundert n. Chr. steht zwischen Hermes Trismegistos und Ptolemaios in der Mitte ein Globus, deutlich erkennbar drehbar in seinem Gestell (Abb. 106).241 Beide Beispiele umreißen die Kontexte, in denen Globen

Die Welt als Kugel: Kurze Geschichte der Globen I 375

Verwendung fanden: als Symbole der Herrschaft und als Artefakte innerhalb eines wissenschaftlichen Diskurses. Im Gegensatz zu Erdgloben aber sind drei antike Himmelsgloben erhalten.242 Für den hier diskutierten Zusammenhang sicher das ikonographisch aufschlussreichste Werk befindet sich heute im Museo Archeologico Nazionale in Neapel: Der Atlas Farnese  – die Figur eines Mannes, der gebeugt die Himmelskugel trägt.243 Die Figur wurde in stark fragmentiertem Zustand in Rom aufgefunden; eine Zeichnung im Codex Coburgensis  – die zwischen 1550 und 1555 entstand  – überliefert den Torso ohne Beine und Arme sowie mit stark beschlagenem Gesicht.244 Möglicherweise befand sich die Figur schon um 1500 in der Antikensammlung der Familie Del Bufalo, da ein Bericht von Petrus Sabinus aus dieser Zeit überliefert: in domo Angeli Bubali, ubi est statua Herculis et multum deorum in ciclo. Henning Wrede hat diese Stelle mit dem als Herkules verstandenen Atlas in Beziehung gesetzt, da Stephanus Pighius bei seinem Rombesuch 1550 über die Auffindung der Figur im Weinberg der Del Bufalo berichtet.245 Die Figur bezeugt, wie früh in die Atlas- und Herkulesikonographie kartographisches Material inseriert wurde, das durchaus den Anspruch auf wissenschaftliche Exaktheit hatte; und umgekehrt, dass wissenschaftliche Instrumente und Modelle mit den Figuren der berühmten Weltenträger verbunden werden konnten.246 Sicherlich hat das Wissen um diese in Rom verwahrte berühmte Antike auch die Ikonographie der Gessnerschen Globuspokale mit ihren Schaft­figuren beeinflusst. Die zwei weiteren aus der Antike überlieferten Artefakte hingegen bezeugen die lange Tradition von Metall als Material der Globenherstellung. Der heute im Römisch-Germanischen Nationalmuseum in Mainz aufbewahrte Globus (mit einem Durchmesser von 11 cm) zeigt Sterne und Sternbilder und besteht aus Messing.247 In Paris befindet sich ein zweiter antiker Himmelsglobus in der Sammlung Galerie Kugel mit einem Durchmesser von 6,3 cm, der aus Silber besteht und damit aus dem gleichen Material, wie die Globuspokale von Stampfer und Gessner.248 Figürliche Trägerfiguren sowie kleine metallene Objekte überdauern also als antike Tradition bis in die frühe Neuzeit und geben dort wichtige Impulse für die Rezeption der Globuspokale. Auch das Mittelalter verbindet Globen sowohl mit der Visualisierung von astronomisch-kartographischem Wissen als auch mit der Ausstellung von (symbolischer) Macht und Herrschaft.249 So werden im arabischen Raum weiterhin Himmelsgloben aus Metall gefertigt, zwei sehr frühe Exemplare haben sich in Paris (1080) und Florenz (1085) erhalten.250 Nicht zuletzt über den sizilianischen Hof wurde dieses Wissen (und Können) in den lateinisch-europäischen Raum vermittelt:251 Der arabische Geograph Idirisi (1110–1164) schuf für den sizilianischen König Roger II. (1095–1154) sowohl einen Himmelsglobus als auch eine Karte der Erde aus Silber.252 Aus dem 13.  Jahrhundert ist eine vergleichbare Nachricht über einen Himmelsglobus aus Gold und Perlen erhalten, den Kaiser Friedrich II. (1194–1250) durch arabische Gelehrte bauen ließ.253 Im lateinisch-christlichen Bereich wurde das antike Weltbild in Form von Herrschaftszeichen – beispielsweise der Sphaira oder dem Reichsapfel – tradiert.254 Wenngleich hier das Weltbild zu einem Herrschafts­

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zeichen wurde, ging das Wissen von der Kugelgestalt der Erde auch im wissenschaftlichen Diskurs keinesfalls verloren, wie das 19. Jahrhundert in Teilen behauptete. Ein wichtiger Zeuge hierfür ist Johannes de Sacrobosco (um 1195–1226), der um 1220 im Tractatus de Sphaera verschiedene Beweise der Kugelgestalt versammelte.255 Dass auch die Idee von Globenpaaren (Himmels- und Erdglobus) erhalten blieb, wird unter anderem durch ­Martianus Capella bezeugt. Bei ihm hält Jupiter zwei globosos orbes, den einen aus Gold, den anderen aus Elektron.256 Diese Unterscheidung in den Metallen ist sicherlich bedeutungsvoll, gilt Elektron doch durch seine Silber-Gold-Mischung als Symbol der Doppel­ natur Christi; möglicherweise ist hier also mit der Legierung die Erde bezeichnet, die damit sowohl als göttliche Schöpfung als auch als erschaffende Natur definiert wird. Zudem bleibt das in der Hand gehaltene Erdmodell im Bewusstsein und weist den mit ihm ­Handelnden als Herrschenden aus. Neben den genannten semantischen Bedeutungen und Verweisen auf Herrschaft aber bleibt die Herstellung von artifiziellen Welten immer auch ein handwerkliches Problem. Eine frühe und interessante Quelle dafür ist der Libros del Saber de Astronomia, entstanden im Auftrag von Alfons X. von Kastilien (1221–1284). Durch die Übersetzerschule war Toledo ein Zentrum der Vermittlung von arabisch-jüdischem Wissen in das lateinische Europa: Alfons X. bemühte sich sehr um die Astronomie und ließ beispielsweise die auf Ptolemaios basierenden Planetentafeln überarbeiten ­(Alfonsinische Tafeln). Im Libros del Saber de Astronomia werden unter anderem die Trägermaterialien zur Globenherstellung aufgeführt: Blei und Bronze, Eisen, Erde, Gold, Holz, Kupfer, Leder, Silber, Stein und Zinn.257 Auffällig sind erneut die vielfachen Nennungen der unterschiedlichen Metalle, die in der Globenherstellung Anwendung fanden. ­Sicherlich sind der Wert und die Dauerhaftigkeit dieser Materialien Gründe dafür – aber auch die Möglichkeit, in Metalle zu gravieren und so die Lagen von Sternen oder Orten einzutragen. Dies bedeutet, dass die frühneuzeitlichen Globen nicht ohne Vorgänger ­waren, sondern auf vielfachen theoretischen Überlegungen, praktischem Wissen sowie kulturellen Verortungen aus Antike und dem islamischen und christlichen Mittelalter aufbauen konnten; auch die Globen der frühen Neuzeit treten an, Gedachtes und Gewusstes zu visualisieren.258 Zugleich passiert etwas Neues: Die Erde wird im Globus zum Bild – zeitgleich mit der Genese des autonomen Porträts und der Landschaft in der Kunst des 15. Jahrhunderts. In (fast) allen Geschichten zur Globenkunde steht am Beginn das erste erhaltene Artefakt: Der berühmte Globus, der unter Mitwirkung von Martin Behaim in Nürnberg geschaffen wurde. Aber es gibt durchaus Informationen über Globen aus der Zeit davor. So soll Columbus selbst einen Globus mit sich geführt haben – der allerdings auf der ­Annahme eines zu geringen Erdumfangs basierte. Ebenso ist schriftlich überliefert, dass der schon in Kapitel 3.3 genannte Nicolaus Germanus für Papst Sixtus  IV. (1414–1484) im Jahr 1477 ­einen Globus (bzw. ein Globenpaar) anfertigte. Von ihm stammt die genannte Illustration zum Ptolemaios-Text, zugleich arbeitete er an der Trapezprojektion, um die kartographischen Daten korrekt auf die gekrümmte Oberfläche einer Kugel übertragen zu können.259

Die Welt als Kugel: Kurze Geschichte der Globen I 377

Ebenso ist über Quellen überliefert, dass für Philipp den Guten (1396–1467) von Burgund ein Erdglobus zwischen 1440 und 1444 geschaffen wurde.260 Und auch für Florenz ist für die Mitte des 15. Jahrhunderts ein handgemaltes Globenpaar (Erd- und Himmelsglobus) über Quellen zu erschließen.261 Wie genau aber diese Objekte am Hof von Burgund, im Vatikan und in Florenz aussahen, ist nicht zu klären. Möglicherweise hatten sie keinen praktischen Nutzen, sondern einen repräsentativen Charakter und sollten Weltbeherrschung sowie wirtschaftliche „Globalität“ bezeichnen. Im Fall von Columbus’ Globus ist zu fragen, ob er einen praktischen Nutzen (zur Navigation) hatte – oder nicht viel eher, vergleichbar dem Erdapfel von Behaim – als Objekt diente, um die Machbarkeit der zu finanzierenden Entdeckungsreise anschaulich vor Augen zu stellen und damit potentielle Geldgeber zu überzeugen. Den Kontext, in dem solche Globen – jenseits der Gelehrtenstuben – gezeigt wurden, erhellt ein über textliche und bildliche Quellen zu erschließendes Beispiel: Alfons von Aragon (1396–1458) zog am 26. Februar 1443 in Neapel ein, nachdem er René von Anjou (1409–1480) vertrieben hatte. Bei seiner Krönung führten in Neapel ansässige Florentiner Kaufleute auf einer Prozession eine Fortuna/Occasio mit sich, ihr folgten die sieben Tugenden und am Ende Caesar auf einer sich drehenden Erdkugel.262 Wer diesen ephemeren Triumphzug schuf, ist nicht überliefert, möglicherweise handelte es sich um eine Zusammenarbeit von Filippo Brunelleschi mit dem Arzt, Mathematiker und Astrologen Paolo dal Pozzo Toscanelli (1397–1482).263 Eine Karte aus seiner Hand sowie seine Berechnungen sollen Columbus geleitet haben, seine Familie war im Gewürzhandel tätig: Somit entstammt Toscanelli genau dem städtischen Händlerumfeld, das sowohl wissenschaftliches als auch wirtschaftliches Interesse an der kartographisch genauen Erschließung der Welt für die Seefahrt hatte.264 Toscanelli unterrichtete Brunelleschi in Mathematik und half ihm bei der Berechnung der Domkuppel.265 In dieser hypothetischen Zusammenarbeit fallen vier wichtige Aspekte zusammen: Erstens Florenz als der Ort, in dem aktiv das antike Wissen durch Übersetzung und Bearbeitung reaktiviert wurde. Zweitens die Schicht der Händler, die an verlässlichen Karten für den Aufbau eines globalen Netzwerkes interessiert waren. Drittens die Sichtbarmachung des Anspruchs auf (weltweite) Dominanz innerhalb eines herrscherlichen Kontexts. Und viertens Kartographen und Mathematiker sowie Künstler, die ihre Kenntnisse der praktischen Geometrie in Artefakte umsetzen konnten. In einer weiteren aussagekräftigen Quelle ist die Darstellung eines frühen Himmelsund eines Erdglobus’ erhalten. Francesco Berlinghieri (1440–1501) verfasste seine Le septe giornate della geographia (Die sieben Tage der Geographie, eine italienische Redaktion der Geographie von Ptolemaios in terza rima) zwischen 1465 und 1479.266 Sie erschien 1482 in Florenz im Druck, von der Schrift existieren zudem zwei handschriftliche Exemplare, das eine für Lorenzo de’ Medici (1449–1492) (Mailand, Biblioteca Braidense AX XIV 44) und das andere für Federico da Montefeltro (1422–1482) (heute in Rom, Vatikanische Bibliothek, Urb. lat. 273) (Abb. 107).267 Beide Handschriften wurden 1482 fertiggestellt, für Lorenzo de’ Medici wohl von Attavante Attavanti (1452–1520), für Federico da ­Montefeltro

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107  Attavante Attavanti, Geographia di Franciesco Berlingieri, in: Francesco Berlinghieri, Le septe giornate della geographia. Biblioteca Apostolica Vaticana, Urb Lat 273, fol. 4r.

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vom Meister des Hamilton-Xenophons.268 Der zweispaltig gestaltete Textspiegel in der Version von Attavanti ist von sechs Medaillons in den Randstreifen umgeben (fol. 4r). Auf der linken Seite, im ersten und zweiten Medaillon von oben, wird der Autor Berlinghieri als Kartograph ausgewiesen, im ersten Medaillon durch einen Himmelsglobus, im zweiten durch einen Erdglobus, auf dem Europa, Asien und Afrika zu erkennen sind; sein Zeit­ genosse Ugolino di Vieri (1438–1516) preist ihn als Maler der Welt (pinxit Berlingherius orbem).269 Sichtbar wird ein Geograph, umgeben von seinen Instrumenten und Welt­ modellen – zu denen schon am Ende des 15. Jahrhunderts die dreidimensionale Darstellung von Himmel und Erde gehörte. Erneut sind die persönlichen Verbindungen der Akteure von Bedeutung, ist doch der Name des Malers Attavanti mit dem oben genannten frühen Florentiner Globus verbunden. Berlinghieri machte zudem Ptolemaios’ Geographie 1482 durch seine Übersetzung ins volgare sowie durch die Verbreitung im Druck (mit beigefügtem Kartenmaterial) neuen Rezipientenschichten zugänglich: ein Netzwerk von unterschiedlichen Akteuren aus diversen Wissensgebieten, die gleichzeitig an der Erschaffung von artifiziellen Welten arbeiteten.270 Handel und Herrschaft sind auch mit der Entstehung des ältesten erhaltenen Globus’ – dem schon genannten berühmten Erdapfel von Martin Behaim – verbunden.271 Behaim war ein Nürnberger Bürger, der im Umkreis der portugiesischen Expeditionen entlang der Westküste Afrikas kartographisches Wissen erwarb.272 Er kehrte – zur Regelung von Erbschaftsangelegenheiten – im Jahr 1490 in seine Heimatstadt zurück und schuf mit Hilfe von unterschiedlichen Künstlern im Auftrag des Rats ab 1492 den heute noch erhaltenen ältesten Globus.273 Die Abrechnung über die Kosten des Artefakts, aufgestellt durch den Nürnberger Ratsherren Georg Holzschuher am 26. August 1494, haben sich erhalten.274 Aus dieser Rechnung geht hervor, dass der Lieferant einer Lehmform (wahrscheinlich Hans Glockengießer, ein Glocken- und Geschützgießer), Ruprecht Kolberger als Hersteller der Kugel sowie der Buchmaler Georg Glockendon (der den Behaim-Globus bemalte und als Herausgeber für die deutsche Übersetzung Von der Kunst Perspektiva (De artificialia perspectiva) von Jean Pélerin gen. Viator von 1505 verantwortlich war), der Maler Hans Storch und der Schreiber Petrus Gagenhart für Arbeiten entlohnt wurden.275 Überliefert ist zudem, dass der Nürnberger Rat von Martin Behaim eine gedruckte Karte angekauft hatte, „ein getruckte mapa mundy da die gantz welt ina welt wegriffen ist, di eda wol dint zu dem apffel“ – und die, wie zu vermuten ist, in Segmenten aufgeteilt war, um sie dann auf die Kugel aufzubringen.276 In der Abrechnung von Holzschuher findet sich noch der Hinweis, dass Ruprecht Kolberger wohl plante, mehrere Globen in Serienproduktion anzufertigen und deshalb von Behaim Informationen über die Segmentierung der Weltkarten erhoffte.277 Dieser Globus zeigt noch nicht Amerika, denn zeitgleich war Christoph Columbus auf der Suche nach dem Seeweg nach Indien. Wie oben dargelegt, hatte Columbus einen Globus bei sich, der die Möglichkeit einer Weltumseglung und damit das Erreichen Indiens nicht durch die Umrundung Afrikas gen Osten sondern über die Westroute visualisierte. Es

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ist sehr wahrscheinlich, dass auch der Globus von Behaim mit dem Ziel erschaffen wurde, die globalen Möglichkeiten des Handels für potentielle Geldgeber über ein artifizielles Objekt erfahrbarer zu machen. Aber der Behaim-Globus bietet noch mehr – protokollieren doch an die 200 Miniaturen von Herrschern, Städten, Tieren und Gebieten eindrucksvoll die damalige Sicht auf die Welt. Auffällig ist der detailliert wiedergegebene Verlauf der afrikanischen Westküste, an der die portugiesischen Wappenbanner den frühen Kolonialismus ebenso dokumentieren, wie den Aufstieg Portugals zur Weltmacht (Abb. 108).278 Die Darstellung von Schiffen, die durch Vermessung neue Küsten und Länder erschließen, trägt dazu bei, dass Erinnerung an vorgängiges Wissen, Gegenwart des Wissens und ­Erwartung von zukünftigem Wissen in diesem Objekt zusammen fallen. Legenden informieren über den Handel, wobei Perlen und Edelsteine sowie edle Hölzer und Zimt, Pfeffer oder Muskatnuss – als teure Gewürze und als Anreiz zur Investition in den Fernhandel – genannt werden. Wenngleich der Behaim-Globus aus Holz gefertigt wurde, bezeugen andere frühe ­Globen, wie weit verbreitet Metalle als Material auch in der Frühen Neuzeit waren.279 In Verbindung mit den aus der Antike und dem Mittelalter überlieferten Objekten zeigen sie die lange Tradition der aus getriebenem Silber gefertigten Globuspokale, die zwar als Trinkgefäße eine Zusatzfunktion hatten, sich aber ansonsten problemlos in die Reihe hochwertiger Weltbilder des 16. Jahrhunderts einfügen. Den hohen Anspruch, den diese

108  Behaim Globus. Detail der Ostküstenregion Afrikas mit dem Kap der Guten Hoffnung, einem portugiesischen Schiff sowie Fahnen und Beschriftungen. 1492/1403, Nürnberg, GMN, Inv. Nr. WI1826.

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wertvollen Goldschmiedewerke hatten, überliefert Girolamo Ruscelli (um 1518–1566), der in seiner italienischen Übersetzung von Ptolemaios Geographie/Kosmographie von 1561 ausführlich die möglichen Materialien in seinem zweiten Kapitel „Del modo di fabricar la palla materiale, per potervi segnar sopra i circoli, et scrivere i nomi et l’altre cose, che vi convengono“ diskutiert. Hier betont er, dass Kupfer das traditionelle Material sei, und dass metallene Globen haltbarer und kostbarer – allerdings auch im Format auf kleinere Größen beschränkt – wären: Wer größere Globen schaffen wolle (die zudem preiswerter seien), müsse auf Holz zurückgreifen. Mit Blick auf reiche und hochstehende Auftrag­ geber mit verfeinertem Geschmack und hohem repräsentativen Anspruch führt er zu den metallenen Globen aus: Ma io tuttavia per sotisfare anco in questo à qualche gran Principe, ò altro nobil’animo, che pur volesse farne grandissime di rame, ò ottone, ò ancora d’argento, che molto più saria nobile, più bella, & meno esposta lla corrosione, non voglio restar di mostrar brevemente il modo da poterle fare comodissimamente ancor di cotai metalli, & ancor d’oro, chi pur volesse.280

Diesen einführenden Worten folgt dann eine ausführliche Schilderung, wie ein Globus in Metall zu gießen sei, die mit dem Hinweis endet, dass diese „balle di rame, ò d’ottone, ò d’argento, che pur volesse tenere qualche Principe, converrebbono à volerle belle, & durabili, & rare“ – also diese Kugeln aus Kupfer, Messing oder Silber, die Fürsten zu besitzen wünschten und die schön, haltbar und selten seien, am Gitternetz und bei den Namen der Städte und Länder noch vergoldet werden könnten. Diese Quelle überliefert, wie hoch geachtet metallene Globen im 16. Jahrhundert waren, die erhaltenen Objekte bezeugen sowohl den Materialwert als auch die Kunstfertigkeit, mit der sie geschaffen wurden. Der nach seinem Fundort benannte Laon-Globus ist eine vergoldete Kupferkugel mit 17 cm Durchmesser, die heute im Marine-Museum in Paris aufbewahrt wird.281 Die Forschung vermutet, dass das Objekt Teil und Überrest einer astronomischen Uhr war – eines von mehreren frühen Beispielen, die zeigen, für welche Kontexte diese Artefakte entstanden.282 Dieser Globus wurde im Jahr 1860 durch Léon Leroux bei einem Antiquar in Laon aufgefunden – seine Legende weist die Jahreszahl 1493 auf, die aber heute nicht mehr als Jahr der Entstehung des Artefakts gilt, das zwischen 1500 und 1510 datiert wird.283 Eventuell noch früher entstanden ist der 2012 auf dem Londoner Kunstmarkt auf­ getauchte sehr enigmatische kleine Straußenei-Globus, der aufgrund naturwissenschaft­ licher Untersuchungen der Schalendicke ins späte 15. oder frühe 16. Jahrhundert datiert wird und auf dem sich die erste Darstellung Amerikas befindet (Abb.  109).284 Die dort verzeichneten Länder sind als TERRA DE BRAZIL, als MVNDVS NOVVS und als TERRAE SANCTAE CRVCIS bezeichnet und reflektieren so die Reisen von Pedro Alvares Cabral, der im Jahr 1500 Brasilien erreichte; darüber sind ISABEL (Cuba) sowie die Insel SPAGNOLLA (Santo Domingo/Haiti) zu erkennen  – und natürlich fehlt auch der obligatorische Ent­ deckungsfahrer nicht.285 Der Besitzer, Stefaan Missinne, schlug vor, dass das Ei, das aus

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109 Straußeneiglobus, frühes 16. Jahrhundert, Besitz Stefaan Missinne.

zwei Teilen besteht und mit Schellack zusammengeklebt wurde, die Urform des berühmten Hunt-Lenox-Globus’, bzw. dieser ein Abguss des Eies sei.286 Er vermutet zudem, dass dieses Objekt in Florenz entstand und mit dem Umkreis von Leonardo da Vinci verbunden ist, daher auch die Bezeichnung als Da Vinci Globe und die Datierung auf 1504.287 Auch für den Hunt-Lennox Globus wird angenommen, dass er Teil einer astronomischen Uhr war.288 Er besitzt einen Durchmesser von 12,7 cm, wird zwischen 1506 und 1511 datiert und ist nach seinem ehemaligen Besitzer James Lenox benannt.289 Auch auf ihm sind auf dem südamerikanischen Kontinent die Aufschriften Terra de Brazil, Mondus Novus und Terra Sanctae Crucis (wie beim Straußenei-Globus) zu lesen und ebenso fehlt hier die Bezeichnung „America“; vorgeschlagen wurde, dass er ein Werk des französischen Geographen und Astronomen Louis Boulengier sei.290 In der Bibliothèque Nationale in Paris wird der

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Grüne Globus aufbewahrt, eine Rosenholz-Kugel, auf die handgezeichnete Segmente aufgeklebt wurden, die eine starke Abhängigkeit von der Karte von Waldseemüller von 1507 zeigen; er wurde in den 1510er Jahren zusammengesetzt (Abb. 110).291 Ein weiteres sehr frühes Weltbild ist der Jagiellonische Goldglobus, der an den Anfang des 16. Jahrhunderts (um 1510/20) datiert wird und aus vergoldetem Kupfer besteht.292 Auch dieser Globus war Teil einer mechanischen Uhr; es handelt sich hier allerdings um eine Umnutzung, wurde er doch in eine ältere Armillarsphäre (aus dem 15.  Jahrhundert) eingesetzt und dann im 17. Jahrhundert in eine Uhr verwandelt.293 Hier findet sich die Aufschrift America Noviter Reperta; Übereinstimmungen mit dem Hunt-Lenox-Globus führten zur Hypothese, dass auch der Jagiellonische Goldglobus von Louis Boulengier stammen und zwischen 1514– 1518 entstanden sein könnte. Ein dritter Globus, der aus zwei zusammengesteckten, vergoldeten Kupferhalbkugeln gebildet wird, befindet sich in der Bibliothéque Nationale in Paris und trägt den Namen des früheren Besitzers De Bure (auch Paris Gilt Globe) (Abb. 111).294 Dieser Globus wird um 1527 datiert, sein Durchmesser beträgt 23 cm und auf ihm ist der Verlauf der Magellanschen Weltumrundung – wie auf dem Globus von Johannes Schöner von 1523 – mit der Beischrift „lla linea ex Sibilla dvcia hispanorvm navigationem astvndit“ eingraviert (vgl. dazu Kapitel 3.6).295 In der Pierpont Morgan Library befindet sich ein inschriftlich auf 1530 datierter und von Robertus de Bailly signierter Globus.296 Auch er besteht aus vergoldetem Kupfer und hat einen Durchmesser von 13,3 cm; geschaffen wurde er nach dem Vorbild der Karte von Girolamo de Verrazano. In Greenwich, im dortigen National Maritime Museum, wird ein vor 1533 datierter Holzglobus verwahrt, der ebenfalls auf der 1507 durch Waldseemüller publizierten Segmentkarte basiert.297 Ein großer Erdglobus mit einem Durchmesser von 37 cm befindet sich im Globusmuseum in Wien; geschaffen wurde er 1535 von Gemma Frisius (1508–1555) unter Mitarbeit des jungen Gerhard Mercator (1512–1594) und Gaspar a Myrica (um 1496–um 1549) (vgl. dazu Kapitel 3.6).298 Zur gleichen Zeit wurde der sogenannte Pariser Holzglobus als Kopie des de Bure/Gilt-Globus produziert. Sein Körper besteht aus Holz und hat einen Durchmesser von 20 cm; aufgefunden wurde er 1885 in Italien, heute gehört er zu den Beständen der Pariser Nationalbibliothek. Auf ihm wird das Land südlich des Fretum Magellanicum als Terra australis recenter invento anno 1499 bezeichnet.299 Ins Jahr 1535 wird der in Paris aufbewahrte Welser-Globus datiert (auch Globus von Chadenat nach der Sammlung) (Abb. 112). Diese von Christoff Schniepp gravierte Kupferkugel erhielt ihren Namen aufgrund des Welser-Wappens, das sich dort findet und somit ein frühes Werk der Globenkunst im Besitz der bedeutenden Augsburger Patrizierfamilie mit globalem Handelsnetzwerk verortet.300 Ein kleiner Silberglobus aus den Beständen des National Maritime Museum in Greenwich besteht aus zwei Hemisphären, die am Äquator zusammengesteckt und durch drei Bajonettverschlüsse festgestellt werden können.301 Außen befindet sich eine Weltkarte, im Inneren ist – durch in die Globushaut gebohrte Löcher, so dass man den Globus bei geöffneter Kugel gegen das Licht halten konnte – eine Sternenkarte zu sehen. Die Erd- als auch die Himmelskarte sollen nach dem Globuspaar von Gerhard Mercator von

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1541 und 1551 geschaffen sein; der Greenwicher Globus wird deshalb in die Zeit der Herrschaft von Elizabeth I. zwischen 1558 und 1603 datiert.302 Mit dem Namen von Gerhard Mercator ist ein weiteres spektakuläres Objekt verbunden: nachdem der Astronom und Kartograph im Jahr 1554 eine Karte Europas veröffentlicht hatte, wurde er von Kaiser Karl V. an dessen Hof gerufen. Als Geschenk, das Auskunft über sein Vermögen geben sollte, überbrachte er dabei ein – leider nicht erhaltenes – Paar Globen aus dem sehr ungewöhnlichen Material Glas.303

110  Grüner Globus / Quirini Globus. Frühes 16. Jahrhundert. Paris, BnF, Département Cartes et plans, Inv. Nr. Ge A-335 (RES).

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111  DeBure I Paris Gild Globe. Frühes 16. Jahrhundert. Paris, BnF, Département des Cartes et Plans, Inv. Nr. Ge A 333 Rés.

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112  Welser Globus / Globus von Chadenat, 1535. Paris, BnF, Département des Cartes et Plans, Inv. Nr. Ge A 397.

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Aus dieser kurzen Auflistung der wichtigsten frühen Globen wird ersichtlich, dass Metall als Material sowie das kleine handliche Format weit verbreitet waren. Die Entdeckungsfahrten verlangten und ermöglichten dabei nicht allein die Produktion von Karten und Globen – sie wurden zudem als Thema selbst in diese Objekte auf vielfachen Ebenen integriert: Schon auf dem Erdapfel von Behaim zeigen Schiffe die Expansion des portugiesischen Herrschafts­ gebiets an, folgen dem immer genauer bekannten Verlauf der afrikanischen Küste. Auf dem Hunt-Lenox Globus von 1510 weisen die Aufschriften Terra de Brazil und Mundus Novus auf die Entdeckungsreisen des Pedro Alvares Cabral, der 1500 Brasilien „auffand“. Hier sind es keine Fahnen, die die politische Inbesitznahme dokumentieren und auch keine Schiffe, die die Entdeckungsfahrten ins Bild setzen – sondern allein die Ortsbezeichnungen, die auf die neuen Besitzverhältnisse verweisen. Ebenso fanden die „Entdeckungen“ von Francisco ­Pizarro (1476–1541), der das Reich der Inka eroberte, Eingang in den Erdglobus von Frisius von 1535.304 Gemein ist allen diesen Artefakten, dass sie über die Schiffe und über die ­Bezeichnungen  – sowie teilweise auch über lange Legenden  – die „Weltentdeckung“ im 16. Jahrhundert mit erzählen. Die zeitgenössischen Betrachter:innen sahen daher nicht nur ein Weltbild, sondern zugleich das Ausgreifen Europas in die Welt.305 Wie umfassend diese Expansion war, sieht man daran, dass die Mehrzahl der außereuropäischen Räume ab 1500 unter die Kontrolle der Europäer geriet.306 In der Zeit, in der die Globuspokale geschaffen wurden, baute Europa ein Kolonialsystem in Amerika mit den spanischen Eroberungen des Aztekenreichs 1521 und des Inkareichs 1533, früher schon die Portugiesen entlang der afrikanischen Küste, auf. Zugleich wurden die Märkte und in Teilen auch die Herrschaftsgebiete im Osten dem europäischen Einfluss unterworfen.307 Die Globen sind Instrumente der Sichtbarmachung dieser Weltübernahme durch Europa und visualisieren wissenschaftlichen Fortschritt mit den Mitteln der kartographischen Weltbeschreibung, die niemals rein objektiv ist.308

3.5 D  ie Welt als Artefakt: Bilder, die die Erde als Kunstwerk darstellen Anlässlich der Krönung von Erik XIV. (1533–1577) zum König von Schweden im Jahr 1561 fertigte der flämische Goldschmied Cornelis ver Weiden einen Reichsapfel, der dem Aussehen nach einem modernen Globus entspricht (Abb. 113).309 Als Vorbild für die dort verwendete Karte gilt das Weltbild, das Jacopo Gastaldi 1546 erschaffen hatte und das u. a. von Giovanni Battista Ramusio 1556 unter dem Titel Universale Della Nuovamente Parte del Mondo Ritrovata in Venedig veröffentlicht worden war – dieselbe Karte, die auch in Verbindung mit dem Basler Globuspokal diskutiert wurde.310 Dieses Objekt aktualisiert das tradierte Herrschaftssymbol mithilfe eines aktuellen kartographischen Modells und bezeugt, wie wirkmächtig die in immer größerer Zahl sichtbaren Weltbilder ab der Mitte des 16. Jahrhunderts wurden. Die Karten und Globen trugen nicht nur dazu bei, in schneller Folge wissenschaftliche Kenntnisse zu verbreiten, sondern popularisierten sie zugleich, so

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113  Cornelis ver Weiden, Reichsapfel zur Krönung König Erik XIV., 1561. Stockholm, Schatzkammer des Königspalastes.

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dass Globen in unterschiedlichen Ebenen Eingang in bildliche Darstellungen fanden. Beispielsweise wurden auf den Korbstreben des von Tilemann Stella (1525–1589)311 geschaffenen St. Galler Globus’ Bilder angebracht, die wichtige Protagonisten aus der Karto­graphieund Vermessungsgeschichte zeigen.312 In Pergament aufgeklebt sind die Bildnisse von Nicophorus, Euklid, Platon und Gerhard Mercator313 sowie David Chytareus (1530–1600).314 Auch das Porträt des Sohnes des Auftraggebers, Johann VII. von Mecklenburg (regierte 1576–1592), findet sich dort, der Herzog ist dargestellt, wie er einen der Globuspokale von Abraham Gessner abmalt (Abb. 114).315 Das schwedische und das mecklenburgische Beispiel bezeugen die Verbreitung und die Einsatzmöglichkeiten von handlichen metallischen Weltmodellen, die als Attribut im Umfeld von Gelehrten und Landesherren auf den Anspruch der Herrschaft, Welterfassung und Welterkenntnis, (territorialer) Erschließung, Vermessung und Handelsbeziehungen verweisen konnten.316 Die Überblendung von Vermessung der Welt und Erschaffung der Welt (von Erde und Artefakt) wird im Atlas sive Cosmographicae Meditationes de Fabrica Mundi et Fabricati Figura von Gerhard Mercator, der 1595 postum erschien, thematisiert.317 Auf dem Titelblatt hat der namengebende Titan Atlas die Erdkugel zur Seite gelegt und gräbt mit ­einem ­Stichel auf dem dreidimensionalen Abbild der Welt das zur Vermessung und Orientierung erschaffene Liniennetz der Längen- und Breitengrade ein.318 Auf der folgenden Seite findet sich das Autorenbildnis von Gerhard Mercator, der als Geograf, Kartograf und Globen­ hersteller mit dem Attribut des Zirkels auftritt (Abb. 115).319 Sein Bildnis wurde 1574 durch Frans Hogenberg (1535–1590) geschaffen, ein Künstler, der selbst als Kartograph tätig war und Stadtansichten anfertigte; das Porträt entstand auf Bitten von Abraham Ortelius (1527–1598) für sein Album Amicorum. Dieser Vorlage folgt das Bildnis, das 1584 in Mercators Ausgabe der ptolemäischen Geografie abgedruckt wurde; 1595 fand derselbe Porträttyp in der genannten Atlas-Publikation Verwendung.320 Wie Atlas hält auch Mercator einen Globus in der Hand, ein Modell, wie er es 1541 selbst angefertigt hatte, auf dem er den Zirkel im polus magnetis – und damit an einer damals stark diskutierten Stelle – ansetzt. Mercator war in allen Bereichen frühneuzeitlicher Messungen ­tätig, so dass seine Überblendung mit dem Weltenträger Atlas passend und folgerichtig ist.321 Titan und Kartograph bearbeiten ein Weltmodell, dessen Artifizialität durch das ­Liniennetz noch besonders hervorgehoben wird. Die Wahrnehmung dieser Hilfslinien und das Wissen um ihren wissenschaftlichen Charakter wird immer wieder thematisiert, so unter anderem von Matthias Ringmann und Martin Waldseemüller in ihrer Cosmographiae Introductio von 1507: Zwei Arten von Kreisen gibt es, die von den Schriftstellern auch segmina genannt werden und auf der Himmelskugel und am Erdenhimmel natürlich nicht wirklich vorhanden sind, sondern nur in der Vorstellung existieren: dabei handelt es sich um Großkreise und um Kleinkreise. Ein Großkreis ist derjenige, der auf die gewölbte Oberfläche der Himmelskugel geschrieben die Himmelskugel selbst in zwei gleich große Teile teilt. Von diesen gibt es insgesamt sechs: den Äquator natürlich, den Zodiak, die Äquinoktialkolure, die Solstitialkolure, den Meridiankreis und den Horizontkreis.322

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114  Übermaltes Porträt von Herzog Johann VII. von Mecklenburg, der einen Globuspokal von Abraham Gessner malt, nach 1576. St. Galler Globus von Tilemann Stella. Zürich, Schweizerisches Landesmuseum, Inv. Nr. Dep. 845.

Die durch Kartographie und vor allem durch Globen erschaffenen artifiziellen Welt­bilder wirken auf bildliche Darstellungen der Welt zurück und werden in tradierte ikonographische Formulare übernommen. Bei den Globuspokalen changiert das Zusammengehen von Vor- und Abbildung: Bei Stampfers Werk handelt es sich um ein reines Erdmodell, das zudem noch durch Messinstrumente begleitet wurde. Bei den Globuspokalen von Gessner, Jamnitzer und Lencker aber werden die Weltmodelle durch die Trägerfiguren von Atlas, von Herkules oder Christophorus zu Weltkugeln. Da sowohl Trägerfiguren als auch die Globen selbst aus Silber geschaffen wurden, ist das Paradox der Darstellung nicht sofort sichtbar: tragen die Welten doch durch das Liniennetz, mit dem sie überzogen sind, die Spuren der menschlichen Erfassung des natürlichen Raums und offenbaren damit ihre Künstlichkeit.

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115  Frans Hogenberg, Porträt von Gerhard Mercator, 1574, aus dem Atlas sive Cosmographicae Meditationes de Fabrica Mundi et Fabricati Figura, 1595.

In zwei Darstellungen des Heiligen Christophorus wird die Artifizialität dieser Welt­bilder bewusst betont.323 Die eine befindet sich im Koninklijk Museum voor Schone Kunsten in Antwerpen; das Bild stammt von Jan van Amstel (um 1500–um 1542).324 In einer weiten, an Patinier erinnernden Landschaft steht links im Wasser eines breiten Stroms Christophorus, der einen sehr großen Weltball trägt, auf dem ein kleines Christuskind thront (Abb. 116). Der Legenda Aurea zufolge ist Christophorus ein Riese, dessen Name sich etymologisch durch sein Tragen von Christus herleitet.325 Sein Wunsch war es, dem mächtigsten Herr-

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scher zu dienen – nach einer Zeit bei einem großen König (der Satan fürchtete) und bei Satan (der das Kreuz fürchtete) machte er sich auf die Suche nach dem Herrn des Kreuzes. Ein Einsiedler empfahl dem Riesen, an einem reißenden Fluss den ­Reisenden bei der Überquerung zu helfen und durch diese Rettungstat Christus zu dienen. Eines Tages trug er ein kleines Kind – und das Wasser stieg immer höher und die Last wurde immer schwerer.326 Der Riese erreichte nur mit Mühe das andere Ufer und sprach: „Du hast mich in große Fährlichkeit bracht, Kind, und bist auf meinen Schultern so schwer gewesen: hätte ich alle diese Welt auf mir gehabt, es wäre nicht schwerer gewesen.“ Das Kind antwortete darauf hin: „Des solltest du dich nicht verwundern, Christophore; du hast nicht allein alle Welt auf deinen Schultern getragen, sondern auch den, der die Welt erschaffen hat.“327 Jan van Amstel ließ in seinem Gemälde den Welterschaffer Christus auf seiner Schöpfung sitzen, eine ikonographische Besonderheit, trägt der Riese doch meist das Christuskind, das ein aufgeschlagenes Buch oder eine Sphaira bzw. den Reichsapfel mit Kreuz (globus cruciger) halten kann.328 Doch damit nicht genug: Die Welt in van Amstels Bild wird als ein Globus dargestellt, der durch einen menschlichen Instrumentenbauer bzw. Globenhersteller gefertigt worden war. Deutlich wird dies an den eingetragenen Vermessungslinien der Ekliptik, die den Lauf der Sonne verzeichnet, am Äquator, den Wendekreisen und Meridianen.329 Eine interessante Variante des Bildthemas findet sich in einem Kupferstich nach einem Gemälde des Jan de Cock (um 1520), auf dem sich Christophorus durch einen stürmischen Fluss kämpft und dabei einen riesigen, durchscheinenden Reichsapfel trägt, auf den das von mittelalterlichen Karten vertraute T-O-Schema aufgetragen

116  Anonym (Jan van Amstel ?), Heiliger Christophorus, Niederlande, um 1530 (?) oder 3.Viertel 16. Jahrhunderts. Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Inv. Nr. 849.

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ist und der von einem Kreuz mit Siegesfahne bekrönt wird.330 Auf ihm sitzt das Christuskind und hält sich mit dem rechten Arm am Kreuzesstamm fest.331 Auch hier ist ein ­Artefakt intendiert, aber kein moderner Globus, sondern eine kristallene Sphaira, wie sie der Christus auf den Schultern von Christophorus auf dem Gemälde von Joachim Patinir (1475/1480–1524) im Escorial in Madrid in der Hand trägt – beide Male als Zeichen für den Anspruch auf die Herrschaft der Welt, aber in vertauschten Größenverhältnissen.332 Christophorus zählt zu den Vierzehn Nothelfern und ist der Patron der Reisenden und damit auch der Seeleute. Das Bildnis entstand wahrscheinlich in der Handelsmetropole Antwerpen im Auftrag eines Fernhändlers, der nicht allein den Schutz des Heiligen für seine überseeischen Geschäfte erbat, sondern in dessen Umfeld Globen und Weltkarten kursierten.333 Sind bei dem Antwerpener Gemälde die Allusionen auf ein Weltmodell nur bei genauem Hinsehen entschlüsselbar, so gibt es im Kunstmuseum Basel eine weitere Darstellung des Heiligen, die sehr deutlich ein artifizielles Weltbild zeigt (Abb. 117).334 Das Gemälde wird dem Meister des Basler Christophorus zugeschrieben und auf 1560 datiert.335 Hier trägt der Riese keinen Globus, sondern eine Armillarsphäre – aus der Christus herausgreift, um sich an einer Haarlocke von Christophorus festzuhalten.336 Die Umlaufbahnen der Sterne sind als Reifen dargestellt und bedeuten die Vermessung des Kosmos in Form eines aus Metall gefertigten Instruments, das zur modellhaften Darstellung seiner harmonischen Bewegungen genutzt werden konnte.337 Beide Bildnisse zeigen Welt-Bilder und weisen somit auf den Welt-Bildner zurück – vergleichbar formuliert es Hans Holbein der Jüngere (1497–1543) in der Darstellung des Jüngsten Gerichts in seiner Holzschnittfolge zum ­Totentanz: auch hier thront der Weltenherrscher auf einer Armillarsphäre, in deren Inneren eine Weltkugel schwebt.338 Auch in anderen Kontexten werden Globen abgebildet; so befindet sich in der Alten Pinakothek in München ein Triptychon von Quentin Massys (um 1466–1530), das 1519 in Antwerpen gemalt wurde (Abb. 118).339 Auf dem Mittelfeld stehen die Heilige Dreifaltigkeit und Maria mit dem Kind (als Mondsichel-Madonna) nebeneinander, die Seitentafeln zeigen die Heiligen Rochus (rechts) und Sebastian (links). Maria steht auf einem gemalten und steinsichtigen verschlungenen Rankenkapitel auf einer Säule – die Allusion auf die Dornenkrone ist hier intendiert. Gottvater steht auf einer Weltkugel, die Ähnlichkeit zum Globus von Johannes Schöner von 1515 aufweist.340 Ein Blick auf den Auftraggeber – Lukas Rem (1481–1541) – erklärt diese bemerkenswerte ikonographische Lösung: Rem absolvierte zwischen 1494 bis 1498 eine kaufmännische Lehre in Venedig am Fondaco dei ­Tedeschi und trat dann in den Dienst seines Onkels Anton I. Welser (1451–1518) ein.341 Zwischen 1499 und 1517 arbeitete er als Faktor der Welser-Vöhlin-Gesellschaft, war ­zwischen 1503 und 1510 in Lissabon für den Handel mit Indien, Afrika, den Kapverdischen und Atlantischen Inseln verantwortlich und ab 1511 in Antwerpen tätig.342 Die Handels­ gesellschaft Welser-Vöhlin-Fugger-Höchstetter-Gossembrot-Imhoff-Hirschvogel rüstete 1505/06 drei Schiffe der portugiesischen, insgesamt 30 Schiffe umfassenden Handelsflotte aus  – die erste Fahrt oberdeutscher Kaufleute nach Indien, um am überseeischen

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117  Meister des Basler Christophorus, Christophorus mit Christuskind und Himmelsglobus, um 1560. Kunstmuseum Basel, Depositum des Freiwilligen Museumsvereins 1935, Inv. Nr. 1652.

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118  Quentin Massys, Triptychon mit Dreifaltigkeit und Maria, gestiftet von Lukas Rem, vor 1505. München, Alte Pinakothek, Inv. Nr. 35.

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Gewürzhandel beteiligt zu sein.343 Lukas Rem war an der Organisation dieser Fahrt beteiligt: „Primo Augusto tat wir den vertrag mit portugal king der armazion 3 schiff, per Indiam. Fuorn adj 25 Marzo 1504 aus“ berichtet Rem in dem von ihm seit seiner Lehrzeit geführten Tagebuch, das zu den einschlägigen Selbstzeugnissen eines Handelsherren der frühen Neuzeit zählt.344 Auffällig ist, dass Gottvater, der auf dem künstlichen Weltbild steht und vor sich Christus am Kreuz hält, mit dem Fuß des Kreuzes direkt auf Indien deutet. Percy Ernst Schramm weist darauf hin, dass die auf dem Globus gezeichneten Umrisse noch nicht die neuesten Entdeckungen und damit Messergebnisse nach der Indienreise von 1505/06 berücksichtigen und kommt zu dem Schluss, dass „Lukas Rem auf dem für ihn gemachten Bilde einen Globus festhalten ließ, den er sich um 1503 für die Vorbereitung der Indienfahrt hatte anfertigen lassen.“345 Beide Gemälde (der Christophorus von Jan van Amstel in Antwerpen sowie der Gottvater auf dem Globus von Quentin Massys in München) betonen Handelsaspekte, indem beide Weltdarstellungen den Indischen Ozean und die angrenzenden Länder zeigen und damit die Gegenden ins Bild setzen, die für den Fernhandel von großer Bedeutung waren.346 Diese Bilder veranschaulichen, wie sich frühneuzeitliche Handelsherren durch Globen verorteten, sie zur Selbstbeschreibung nutzten und als Verweise, quasi als Attribut, in ihrem Umfeld inszenierten. Dem ikonographischen Formular des Münchner Bildes von Quentin Massys vergleichbar ist das Epitaph für die Familie der Ritter von Bubenhofen, ein Werk des Meisters von Meßkirch, das auch im Zusammenhang mit dem Basler Christophorus diskutiert wurde (Abb. 119).347 Die Tafel wird auf kurz vor 1523 datiert und befindet sich in der Gemälde­ galerie in Kassel.348 Hier schwebt die Dreieinigkeit zwischen Engeln mit den Arma Christi, dem Heiligen Andreas, Johannes und Sebastian sowie Maria und dem Seelenwäger ­Michael in einem hellen Wolkenband. Darunter knien Mitglieder der Familie Bubenhofen, die durch ein Schriftband bezeichnet werden. Gottvater hält schräg den Kruzifix vor sich und sowohl der Kreuzesstamm als auch seine Füße ruhen auf einem Erdglobus. Auch dieser gibt sich als Artefakt zu erkennen, erscheint als durchsichtige Glaskugel, auf der das Gradnetz und die Ekliptik zu erahnen sind; im Innern der Kugel sieht man eine Weltlandschaft.349 Der Bildaufbau zeigt eine deutliche Nähe zu Dürers Holzschnitt der Heiligen Dreifaltigkeit, allerdings findet sich dort kein Globus, der eine Zugabe des Meisters von Meßkirch ist. Im Gebetbuch von Kurfürst Maximilian I. von Bayern wird auf fol. 54/55 Jesus als Erlöser dargestellt, der auf einer Erdkugel steht und den Nacken einer Schlange niedertritt.350 Auch hier zeigt die Erdkugel Umrisse von Europa, Asien und Afrika, im südlichen Teil (dort, wo Australien liegen müsste) findet sich die Aufschrift Rorate Coeli; diese formale Lösung wurde von der Forschung mit dem Globusbecher von Gessner auf Schloss Wolfegg in Verbindung gesetzt, von dem der Künstler Impulse für sein Weltbild empfangen haben soll.351 In der Ausstellung „Archäologie des Heils. Das Christusbild im 15. und 16. Jahrhundert“, die 2016/2017 im Kunstmuseum in Basel stattfand, wurde dem Basler Christophorus ein Bild zur Seite gestellt, das ebenfalls ein Artefakt integriert: Die Darstellung von Maria

Die Welt als Artefakt: Bilder, die die Erde als Kunstwerk darstellen I 397

119  Meister von Meßkirch, Epitaph der Familie der Ritter von Bubenhofen, vor 1523. Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv. Nr. GK 8.

mit Christus als Salvator Mundi. Christus hält eine Erdkugel in der Hand – die sich erneut als künstlich geschaffenes Weltbild zu erkennen gibt, auf das deutlich ASIA und EVROPA aufgeschrieben wurden. Das Bild wird in den süddeutschen oder schweizerischen Raum lokalisiert und um 1500 datiert – die Materialität des Globus ist schwer zu erkennen, es könnte sich um ein Papier-Leder-Modell oder auch um eine polierte (?) Steinkugel handeln, auf die die (nicht sehr deutlichen) Umrisse der Kontinente aufgetragen wurden.352

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120  Salvator Mundi, 1537/1545. Berlin, DHM, Inv. Nr. Gm 93/24.

Ein weiteres Gemälde im Augustinermuseum in Freiburg zeigt zu Füßen eines Gekreuzigten einen Totenschädel mit Schlange, die sich um einen Knochen windet sowie – ungewöhnlich und ins Auge springend – die vergoldete Silberkugel eines Himmelsglobus’. Es handelt sich um die Mitteltafel eines Flügelaltars vom Oberrhein (Freiburg?), die auf 1572 datiert ist (Inv. Nr. 11505), und die ehemals an der Innenseite der Flügel Petrus und Paulus, an den Außenseiten Matthäus und Johannes zeigte. Sowohl die Freiburger Kreuzigung als

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auch der Basler Salvator Mundi weisen im religiösen Kontext auf den Weltherrschafts­ anspruch Gottes mit Hilfe eines künstlerisch geschaffenen Objekts. Ein vergleichbares Motiv findet sich bei der niederrheinischen Salvator Mundi Darstellung in Berlin, die einen Christus mit Weltkugel zeigt, datiert in die 1540er Jahre (Abb. 120).353 Auch hier erweist sich die Weltkugel als ein Globus, der zudem inschriftlich – und bemerkenswerterweise – als Kopie eines durch den Kölner Instrumentenbauer, Kartographen und Drucker Caspar Vopelius im Jahr 1537 geschaffenen Weltmodells ausgewiesen wird.354 Die Kugel trägt den Titel RECENS ET INTEGRA / DESCRIPTIO [...] sowie die Herstellerlegende CASPAR VOPELL / MEDEBACH HANC GEOGRAPHIZAM / FACIEBAT SPACERAM KALENDAR / AVGVSTI CALONIAE 1537.355 Es ist anzunehmen, dass hier ein nicht lesekundiger Maler die Schrift nachahmte oder aber aus der Erinnerung reproduzierte – zeigt doch der im Kölner Stadtmuseum verwahrte Erdglobus von Vopelius aus dem Jahr 1542 die ähnliche Legende: CASPO VO/PELLEUS. MEDEBACH[ensis] / GÆOGRAPHICAM SPHÆ/RAM HANG FACIEBAT / COLONIÆ A. 1542“ (Abb. 121), allerdings bekrönt von einem Kölner Stadtwappen.356 Diese Legende befindet sich – wie auf dem Exemplar vom Berliner Bild – rechts (nord-östlich) von Südamerika. In der Kölner, auf Ferdinand Franz Wallraf zurückgehenden, Sammlung finden sich drei von Vopelius geschaffene Globen: der schon genannte von 1542, sowie zwei Himmelsgloben von 1532 und 1536.357 Ein Erdglobus von 1537 ist nicht erhalten, jedoch ist anzunehmen, dass es sich bei dem 1536 ­geschaffenen Himmelsglobus um das Fragment eines Globenpaares handelte, also zu ihm noch ein Erdglobus als Pendant gehörte.358 Der Globus von 1542 besteht aus einer Papp­ kugel mit Gipskreidegrund, auf die zwölf kolorierte Holzschnitt-Segmente aufgebracht wurden. Der gedrechselte Ständer wurde erst im 18. Jahrhundert angebracht, so dass der Christus auf dem Berliner Bild wahrscheinlich die ursprüngliche Art der Handhabung dieses Objekts tradiert.359 Auch aus dem südalpinen Bereich haben sich Beispiele erhalten, bei denen Globen sowohl in religiöse als auch profane Ikonographien integriert wurden – so die Madonna mit der Rose von Parmigianino (1503–1540) in Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, von 1529/30.360 Hier stützt sich das Christuskind auf eine große Weltkugel, die wie ein Globus anmutet, allerdings nicht mit dem künstlichen Liniennetz überzogen ist. Das Gemälde wurde Giorgio Vasari (1511–1574) zufolge zunächst für Pietro Aretino gemalt, ging aber dann als Geschenk des Künstlers an Papst Clemens VII. (1478–1534), als dieser zur Krönung von Karl V. in Bologna weilte.361 1530 schuf Parmigianino ein Porträt von Karl V., auf dem ein Globus mit deutlich sichtbarem Amerika zu sehen ist, der den Weltherrschaftsanspruch des Kaisers verdeutlicht.362 Dieser wird dadurch verstärkt, dass ihm der Globus durch den Weltenträger Herkules überreicht wird – die Devise des plus ultra hier also bildlichen Ausdruck findet.363 Ein vergleichbarer Herrschaftsanspruch wird auf der Tapisserie Jupiter und Juno beschützen die Erde im Escorial in Madrid mithilfe eines Globus betont. Dieser aus Wolle, Seide sowie Gold und Silberfäden gefertigte Wandteppich wurde um 1530 nach einem Entwurf von Bernart van Orley (1491/1492–1542) in einer Brüsseler Manufaktur

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121  Caspar Vopelius von Medebach, Erdglobus. Köln, 1542. Sammlung Ferdinand Franz Wallraf, Kölnisches Stadtmuseum, Inv. Nr. KSM 1983/449.

Die Welt als Artefakt: Bilder, die die Erde als Kunstwerk darstellen I 401

erschaffen.364 Die Darstellung gehört in eine Folge von ehemals fünf Wirkteppichen, von denen noch Atlas trägt die Armillarsphäre und Herkules trägt die Himmelsphäre erhalten sind. Die Forschung vermutet, dass sich die Auftraggeber der Serie, Johann III. von Portugal und seine Gemahlin Katharina von Kastilien in den Personen von Jupiter und Juno porträtieren ließen. Beide Götter flankieren eine Weltkugel, die von einem Gitternetz überzogen ist – abgebildet also wird kein Goldschmiedeobjekt, sondern ein menschlich überformtes Naturbild. Jupiter/Johannes III. deutet mit seinem Zepter auf Portugal, der durch portugiesische Seefahrer an der Küste erschlossene afrikanische Kontinent sowie die portugiesischen Handelsgebiete im Indischen Ozean sind deutlich erkennbar. Die genannten Beispiele zeigen eindrucksvoll, wie stark die Entwicklung der artifiziellen Weltbilder im 16. Jahrhundert auf andere ikonographische Formulare rückwirkte. Die dargestellten Globen können dabei von Auftraggebern aus der Schicht der Fernhändler genutzt werden, um auf ihre Profession und die weit entfernten Geschäftsinteressen in Indien zu verweisen. Doch die Wirkmacht der neuen Weltbilder war offenbar so groß, dass sie auch ohne direkten persönlichen Bezug in religiösen Ikonographien Aufnahme fanden. Drittens wurden Globen im Umfeld von Herrschern inszeniert, die ihren Anspruch auf Weltherrschaft bzw. ihre Rechte an fernen Kolonien und Handelsplätzen unterstreichen wollten. Ein weiteres Beispiel für die prägende ikonographische Macht dieser artifiziellen Weltbilder findet sich in einem frühen Holzschnittzyklus zu den Taten des Herkules, der 1506 beim Verleger und Drucker Giovanni Andrea Vavassore (aktiv in Venedig zwischen 1518 und 1566/1572) erschien.365 Dürer rezipierte diese Vorlage 1511; seine zwölf Rundbilder von jeweils 9,5 cm Durchmesser auf blaugrundiertem Papier gehören zu den Kriegsverlusten der Bremer Kunsthalle und befinden sich heute in St. Petersburg und Moskau.366 Das zehnte Blatt zeigt Herkules, der tief gebeugt den Himmelsglobus auf dem Rücken trägt. Dürer bildete, der graphischen Vorlage folgend, den Kosmos nicht allein einem Goldschmiedeobjekt nach, sondern platziert zudem neben Herkules Atlas in der Rolle des gelehrten Astronomen, der mit einem Zeigestab in der Hand erläuternd auf den dort umlaufenden Zodiakus weist (Abb. 122). Max J. Friedländer publizierte 1913 einen spätgotischen Pokal aus der Sammlung von Schloss Raudnitz (heute Roudnice, Böhmen), dem Stammsitz der Familie Lobkowitz, der geschnitzte Perlmuttmedaillons nach dem Vorbild dieser Herkulesdarstellungen trägt; die Szene des weltkugeltragenden Herkules ist eines der sechs Reliefs des Deckels.367 Die zwölf Szenen des Holzschnittzyklus fanden weite Verbreitung und dienten als Vorlage für die monochrome Ausmalung eines monumentalen Raumes im Schloss von Rochechouart368 sowie für einen geschnitzten Fries aus Kieferholz (1510/1520) in der Burg Vélez Blanco (Andalusien), der sich heute im Musée des Arts Décoratifs in Paris befindet.369 Leicht abgewandelt findet sich das Motiv im Italienischen Saal der Landshuter Stadtresidenz, in dem die Taten des Herkules auf zwölf Rundreliefs aus Solnhofer Kalkstein erscheinen.370 Hier kniet Herkules unter dem Gewicht der Himmelskugel, die sich erneut über das Netz der umlaufenden Grade sowie des Zodiakusreif als Artefakt zu erkennen gibt, während Atlas von der Seite die Kugel umfasst.

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122  Albrecht Dürer, Die zwölf Taten des Herkules. Szene 10: Herkules nimmt Atlas das Himmelsgewölbe ab. 1511, Feder- und Pinselzeichnung auf blaugrün grundiertem Papier, ehemals Kunsthalle Bremen, Inv. Nr. Kl 287.

Anders als bei den Christophorus- und Christus-Darstellungen tritt hier nicht das artifizielle Weltbild an die Stelle älterer ikonographischer Formulare; die Bilder zu den Taten von Herkules sind Neuschöpfungen der Renaissance – und es ist bezeichnend, dass die Ent­ werfer auf ein zu diesem Zeitpunkt offenbar schon vertrautes Welt-Bild zurückgriffen. ­Einen weiteren Schritt geht dann der Globus aus pietra paesina, der sich in der Kunstkammer von Ole Worms (1588–1654) befand. Um in dieser geschliffenen Steinkugel die Welt erkennen zu können, mussten die Betrachter:innen eine Vorstellung der artifiziellen Weltbilder haben: Denn das Artefakt funktioniert nur dort, wo es auf Seherfahrungen zurückgreifen konnte, die an künstlichen Modellen erworben wurden, wie Lisbet Tarp betont: „Furthermore, it represents a map, which itself is an imitation and, in this way, it can be interpreted as a meta-comment on the production of images.“371

Die Welt als Artefakt: Bilder, die die Erde als Kunstwerk darstellen I 403

3.6 Das Gelehrtennetzwerk In der Erklerung eyns trinckgschirs, die den Globuspokal von Jakob Stampfer begleitet, werden im Vorwort auf fol. 3r die Namen von Gelehrten genannt, in deren Kontext sich der Autor verortet: Obwohl aber dieses Instrument ohne eine beschreibende Vorlage erdacht und zusammengebaut worden ist, so haben dennoch die Schriften von in den mathematischen Wissenschaften gelehrten Männern unseres Jahrhunderts, wie z. B. Schöner, Gemma, Dryander, Apian, Orontius, Glarean, Münster etc. nicht wenig zur Unterstützung beigetragen.372

Der beschreibende Mathematiker führt aus, dass er erst in einem zweiten Schritt an dem Objekt beteiligt war und betont, dass das Artefakt ohne seine Mitarbeit erdacht (excogitatum) und zusammengebaut (compositum) worden ist. Und verweist zugleich auf diejenigen Vorläufer, die seine Erschaffung ermöglichten. Genannt werden einige der bekanntesten Mathematiker und Landvermesser, Drucker und Verleger, Globen- und Instrumentenmacher der frühneuzeitlichen Kartographie: Johannes Schöner, Gemma R. Frisius (Jemme Reinersz), Johannes Dryander, Peter Apian, Oronce Fine (Orontius Finaeus), Heinrich Loriti (Glareanus) und Sebastian Münster. Diese sieben Gelehrten beschäftigten sich mit Verbesserungen in der Vermessungstechnik, mit den Möglichkeiten kartographischer Darstellungen, der Erschaffung von Globen und mit der Rezeption der Entdeckungsreisen. Der in der Liste zuerst genannte Johannes Schöner (1477–1547) ist durch die Arbeiten des Kartographen Martin Waldseemüller und des Nürnberger Astronomen und Mathematikers Bernhard Walther geprägt. Zunächst als Geistlicher tätig und der protestantischen Lehre zugeneigt, wurde er 1526 – durch Vermittlung von Pirckheimer – Lehrer für Mathematik am Aegidianum in Nürnberg und mit der Neuvermessung des Nürnberger Territoriums betraut.373 Schon vorher beschäftigte sich Schöner mit der Herstellung von Erd- und Himmelsgloben (nach dem Erdapfel von Martin Behaim gehören sie zu den ältesten erhaltenen Exemplaren) und schuf vier verschiedene Typen.374 Begleitend erschienen erklärende Schriften, so zum ersten Globus von 1515 die Luculentissima quaedam terra totius descriptio [...] cum globis cosmographicis bei Johann Stuchs in Nürnberg. Darin beschreibt ­Schöner sowohl mathematische Grundlagen als auch die Geographie, Topographie sowie Bewohner der Kontinente und führt in die Nutzung eines Globus ein.375 Der dazu gehörende Erd-Globus (Teil eines Globenpaares, mit einem Durchmesser von 27 cm) besteht aus einer in Serie gedruckten Segmentkarte, die auf eine Kugelform aufgebracht werden musste, vergleichbar der Segmentkarte, die Martin Waldseemüller 1507 veröffentlicht hatte (und die Ruprecht Kolberger in Nürnberg im Anschluss an die Produktion des ­Behaimer Globus zu produzieren plante). Zwei Globen aus diesen aufgeklebten Segmentstreifen haben sich in Frankfurt und in Weimar erhalten.376 Der zweite Globus von 1520

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hingegen ist ein handgezeichnetes Unikat für den Bamberger Ratsherren und Bürgermeister Johannes Seiler, der nach dessen Tod 1531 als Geschenk an den Rat der Stadt Nürnberg ging.377 Er hat den beeindruckenden Durchmesser von 89,7  cm (Umfang am Äquator 282 cm) und ist somit der größte Globus aus der Schöner-Werkstatt. In einem Gestell aus Fichten- und Lindenholz sitzt die Globuskugel aus Holz, die bemalt ist und in der Nähe des Südpols eine lateinische Inschrift trägt.378 In dieser wird die Kugel (globus) mit der Welt (orbs) über das Wort immensus – nicht messbar, unermesslich – verbunden, was einerseits auf die Größe der Welt verweist, aber auch die Größe des artifiziellen Erdbildes betont. Der Globus wird als Abbild (typus terrestris) verstanden und seine Künstlichkeit/Kunstfertigkeit über das Bild des geglätteten Körpers (copore sinuoso) hervorgehoben. Bemerkenswert ist, dass Johannes Schöner als der handwerkliche Schöpfer des Weltbildes genannt wird – der der Masse eine runde Form (molem compegerat rotundam) gab und ihr die Figuren aufdrückte (supra impressis figuris), Formulierungen, die die Vermutung zulassen, hier wäre die Allusion auf eine welterschaffende Schöpfungstat intendiert. Auch bei diesem Globus ist die Abhängigkeit von der Weltkarte Waldseemüller von 1507 noch deutlich erkennbar, ebenso wie die Rezeption von dessen Carta Marina Navigatoria aus dem Jahr 1516.379 1533 fertigte er ein Globenpaar für den Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen, das 1534 in eine gegossene Messinghalterung eingelassen wurde; auch hier erschien ein begleitender Text. Von besonderer Bedeutung aber ist Schöners dritter Globus von 1523, eine Kugel mit 54 cm Durchmesser, auf dem mit einer Linie der Verlauf der Magellanschen W ­ eltumseglung vermerkt ist.380 Schöner hatte schon bei seinen früheren Globen auf aktuelle Reiseberichte zurückgegriffen; so nutzt er beispielsweise die 1507 durch Amerigo Vespucci veröffentlichte Beschreibung der paesi novamente retrovati in der deutschen Übersetzung von Jobst Ruchamer „Newe unbekanthe landte, Und ein newe weldte in kurtz verganger ­zeythe erfunden“ (1508) für die inschriftliche „Beschreibung“ des südamerikanischen Kontinents auf seinem Globus von 1520.381 Zu dem Globus von 1523 (der in Paris verwahrte De Bure-Globus (Paris Gilt Globe) scheint ein Werkstattnachbau zu sein) gehört ein Bericht in Briefform, den Johannes Schöner im selben Jahr u. a. über die Expedition des Portugiesen Ferdinand Magellan verfasst hatte.382 Dieser in Bamberg gedruckte Text ist der zweite öffentlich gewordene Bericht über die erste erfolgreiche Weltumseglung.383 Schöner schreibt über diese Fahrt, die 1519 im Auftrag von Karl V. begann und die nach dem Tod von Magellan (1521) durch Juan Sebastian Elcano – der in Schöners Bericht anonym bleibt – im Jahr 1522 vollendet wurde: Wie oft er aber dabei von Gefahren umdrängt war, wie viele Unbilden er erlebt hat, mögt Ihr Euch besser in Eurer Phantasie ausmalen, als ich mit meiner Feder wortreich beschreiben könnte. Nachdem er also alles durchfahren hatte, sodass kein Ort übrig ist, den er unberührt gelassen hätte, segelte er nach Kastilien zurück. Dort landete er am 6. Dezember im Jahr des Herren 1522 mit nur einem Schiff, auf dem er 18 Soldaten untergebracht hatte – alle anderen hatte die Gewalt des

Das Gelehrtennetzwerk I 405

Meeres dahingerafft. Was für wundersame Abenteuer, was für unheimliche Arten von Menschen und Tieren diese Männer kennengelernt haben, wird Eure Exzellenz aus dem Schreiben mit dem Titel Die Molukken entnehmen, das Maximilianus Transylvanus an den hochwürdigen Kardinal von Salzburg gerichtet hat.384

Schöner endet den Bericht mit den Worten: Da ich meinerseits dieser erstaunlichen Umrundung der Welt noch etwas hinzufügen wollte, ­wodurch die Nachricht, die unglaublich zu lesen ist, durch konkrete Anschauung besser nachvollziehbar würde, habe ich versucht, den beiliegenden Globus mit dem eingezeichneten Kurs der Umrundung der Welt zu gestalten. Ich folgte hierbei einer Vorlage von iberischer Kunstfertigkeit, die man einer hochgestellten Persönlichkeit übersandt hatte. Dennoch wollte ich darum den ­Globus, den ich zuvor gebaut hatte, nicht völlig verwerfen, da dieser ausführlich wiedergab, was die Menschen zu jener Zeit über die unbekannten Regionen der Welt erfahren konnte – freilich nur insoweit die beiden Globen miteinander harmonieren, so dass noch zu Erforschendes mit indessen Erforschtem nicht in Widerspruch stehe.385

Der Globenbauer verweist explizit auf einen schriftlich publizierten Bericht über die Weltumseglung, über den die Tat in Europa bekannt und rezipierbar wurde. Er nennt die Imagination als wichtiges Instrument, um die Reise im Geist nachzuvollziehen, kommt dann aber sehr konkret darauf zu sprechen, was er als Künstler zum besseren Verständnis dem Bericht noch hinzufügen kann: Es ist die konkrete Anschauung des Weltbildes mit der eingravierten Reiseroute, die die Wunder des Berichts noch glaubwürdiger macht. S­ chöner ist sich deutlich bewusst, wie neue Forschungsreisen zugleich auch neue Entdeckungen und Erkenntnisse erbringen – und dass sein „neuer“ Globus aktuelle Erkenntnisse verarbeitet. Er stellt dabei seinen Globus nicht allein in eine Reihe mit seiner bisherigen Produktion, sondern legte zudem offen, dass es eine Vorlage für seine Arbeit gab, die er nutzte und die dem spanisch-portugiesischen Raum entstammte: Dem Ort, von dem die bedeutenden „Entdecker“ aufbrachen, wo die neuesten Daten und Berichte als erstes in Westeuropa anlandeten und wo auch die aktuellsten Visualisierungen geschaffen wurden. Von hoher Bedeutung ist zudem die Einschätzung der Stellung seines dritten Globus’ im Vergleich mit den früheren Werken – die Schöner zwar als überkommen ansieht, aber zugleich in eine Geschichte der Globen einbaut und ihnen als historische Zeugnisse eines früheren Wissensstandes durchaus einen eigenen Wert zugesteht.386 Der zweite Forscher, der im Vorwort der Globuspokalbeschreibung genannt wird, ist Rainer Gemma Frisius (1508–1555).387 Ein Stich von Jan van Stalburch von 1557 zeigt ihn als Mediziner und Gelehrten, der – wie so viele Geographen seiner Zeit – von den Produkten der Instrumentenmacher und Kunst-Handwerker umgeben ist, die aufgrund ihres Vermögens in der Lage waren, hochkomplexe wissenschaftliche Instrumente und Weltmodelle nicht allein zu entwerfen, sondern auch umzusetzen (Abb. 123).388 Globen, Sphären und

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123  Jan van Stalburch, Porträt von Gemma Frisius, 1557.

Armillarsphären tauchen vielfach ab dem 16. Jahrhundert in Gelehrtenbildnissen auf – so auch im Bildnis von Johann Schöner von 1528, das Hans Springingklee zugeschrieben wird, in dem Schöner einen Himmelsglobus hält, ein eigenes Produkt.389 Die Aufschrift in der mit Rollwerk verzierten Kartusche in der oberen rechten Ecke des Bildfeldes feiert Frisius als

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gelehrten Astronomen und Arzt: „Qui varium coeli morem penitusque remoti / Mortales docuit ætheris ire vias: Quique novos Medicis meditando repperit usus, haec Gemaæ effigies hic fuit oris honos.“390 Hier, wie auch über die Beigaben im Bild, werden die Tätig­ keiten des Astronomen und Vermessers beschrieben, veröffentlichte Frisius doch 1530 seine Abhandlung De principiis Astronomiae et Cosmographiae in Antwerpen bei Gregorius de Bonte und in Leuven bei Servatius Sassenus.391 Darin erklärt er die Konstruktionsmethode von einem Globus, den er geschaffen hatte. Buch und Weltkugel konnten ­gemeinsam gekauft werden, bedauerlicherweise aber ist kein Exemplar davon erhalten. Als Mitarbeiter für sein Werk konnte er den um 1496 geborenen Goldschmied und ­Graveur Gaspar a Myrica/Amyriicius (van der Heyden) gewinnen, der zuvor schon Weltbilder ­geschaffen hatte. Wie Jakob Stampfer scheint sich auch Gaspar a Myrica als Goldschmied im Umfeld von Humanisten bewegt zu haben.392 Sein hoher Status wird durch das ­Compendious Rehearsal bezeugt, in dem der englische Mathematiker und Geograph John Dee (1527–1608/09) im Jahr 1592 über seinen Aufenthalt in Leuven berichtet: I went beyond the sea (Anno 1547 in May) to speak and confer with some learned men, and chiefly Mathematicians as Gemma Phrysius, Gerardus Mercator, Gaspar à Mirica, Antonius Gogava etc. And after some months so spent a about the Low Countries, I returned home and brougth with me the first Astronomers staff in brass, that was made of Gemma Frisius devising, the two great Globus of Gerardus Mercator’s making, and the Astronomer’s ring of brass, as Gemma Frisius had newly framed it: and they were afterwards by me left to the use of the Fellows and Scholars of Trinity College.393

John Dee also nennt Gemma Frisius, Gerhard Mercator und Gaspar a Myrica gemeinsam als Kreis von Mathematikern, die er aufsuchte – und unternimmt dabei keine Unterscheidung zwischen Gelehrten, die ihr Wissen als gedruckten Text oder in Form von Instrumenten publizierten. Ab 1529 arbeiteten Gemma Frisius und Gaspar a Myrica an ihrem ersten Globus, dessen Aussehen auf der Titelseite von De Principiis Astronomiae et Cosmographiae über­ liefert ist. In einem Privileg vom 24. Mai 1531 von Karl V. wird der Goldschmied Gaspar van der Heyden als Mitarbeiter von Gemma genannt; zudem wird ersichtlich, dass er in Leuven als Globenbauer bekannt war.394 Mit Blick auf Stampfers Globuspokal in Basel ist hervorzuheben, dass der Goldschmied hier sowohl als entwerfender Wissenschaftler als auch als ausführender Künstler auftritt.395 An einem zweiten, verbesserten Globus arbeiteten F­risius und Myrica ab 1535 – unter Mitarbeit von Gerhard Mercator, der dort das Gravieren erlernte.396 Dieser Globus ist (siehe oben) im Globusmuseum in Wien erhalten, seine ­Vignette nennt die drei Gelehrten.397 Gemma Frisius überarbeitete zudem den Cosmographicus liber von Peter Apian (der 1524 in Landshut erschienen war),398 zu seinen weiteren Schriften zählt De usu globi (Antwerpen, 1530).399 Darin preist er den Globus als univer­ sales Instrument, das Nützlichkeit und Freude verbindet.400 Sein Libellus de locorum

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­describendorum ratione (1533) ist mit Holzschnitten illustriert. In diesem Kleinen Buch über die Methode der Ortsbeschreibung beschreibt er die Grundlagen der für die Feldmesskunst wichtigen Triangulation.401 Gemma Frisius ist es auch, der – neben Mercator – einen kosmographischen Erd-und Himmelsglobus erstellte, wie er auch im Basler Globuspokal erhalten ist.402

124  Titelbild mit Kannibalen, in: Hans Staden, Warhaftige Historia und beschreibung eyner Landtschafft der wilden, nacketen, grimmigen Menschfresser Leuthen in der Newenwelt America gelegen, Marburg: Andreas Kolbe, 1557.

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Der dritte genannte Gelehrte im Vorwort zum Basler Globuspokal ist Johannes Dryander (Eichmann) (1500–1560), der in Erfurt Medizin und Mathematik studierte, 1533 in Mainz zum Doktor der Medizin promoviert wurde und als Leibarzt des Erzbischofs von Koblenz und Trier tätig war. Ab 1535 hatte er an der Universität Marburg die Lehrstühle für Medizin und Mathematik inne.403 Dryander arbeitete im Bereich der Anatomie; darüber hinaus publizierte er auch in der Mathematik und Astronomie. Er setzte sich 1557 für den Druck der Reisebeschreibung Warhaftige[n] Historia und beschreibung eyner Landtschafft der wilden, nacketen, grimmigen Menschfresser Leuthen in der Newenwelt America gelegen des Brasilienreisenden Hans Staden (um 1525–1576) ein (Abb.  124).404 Der Autor hatte 1548 auf einem portugiesischen Schiff als Büchsenschütze erstmalig Brasilien erreicht; 1550 erneut auf einem spanischen Schiff, das kenterte. Staden überlebte und trat in portugiesischen Dienst ein, kam aber 1554 in indianische Gefangenschaft  – wo er neun ­Monate bei den Tupnambá lebte, bis er freigekauft wurde und nach Deutschland zurückkehrte. 1557 erschien in Marburg sein Augenzeugenbericht über Fauna und Flora und die Riten der Bevölkerung.405 Ganz im Stil der damaligen Amerika-Berichte, die vor allem für das europäische Publikum auf den vermeintlichen Kannibalismus der dortigen Ethnien fokussierte, schildert auch Staden diesen Aspekt besonders ausführlich.406 Ab 1592/93 nahm Theodor de Bry (1528–1598) Stadens Buch in seine Kompilation von Reiseberichten auf – die für diesen Druck angefertigten Kupferstiche prägten maßgeblich das europäische Bild „brasilianischer Menschenfresser“.407 Stadens Text basiert unter anderem auf Vespuccis Mundus Novus-Brief und seinen Bericht über die vier Amerikafahrten: Die Relevanz für die Karten- und Globenproduktion ergibt sich, da aus der Literatur die Berichte über die Kannibalen übernommen wurden, die in zahlreichen Schilderungen und krassen bildlichen Neufindungen dem europäischen Publikum als merkwürdig und abstoßend präsentiert werden.408 Dabei ist auch dies nicht neu, aber die immer stärkere Identifizierung mit Südamerika als dem Ort, wo die aus der Antike tradierten „Menschenfresser“ tatsächlich lebten, ist für die Frühe Neuzeit bezeichnend. Auf den dem beschreibenden Handbuch des Globuspokals in Basel beigebundenen Karten von Honter finden sich vielfach Hinweise auf die divergierenden Essgebräuche der Völker. In der Karte Indiens und Asiens beispielsweise, im äußersten nord-östlichen Rand, jenseits von Tartaria und Scythia, ist die Aufschrift Antropophagi  – Menschenfresser zu lesen. Auf gleicher Höhe westlich die ­Hippophagi, als die Völker, die sich von Pferdefleisch ernähren. In Indien selbst werden mit Aufschriften die Bracmanes, darüber die indischen Asketen, die Gymnosophistae, verortet. Ebenso tauchen die Schildkrötenesser, die Chelonophagi auf; auf der anschließenden Karte vom nördlichen Afrika dann im Südwesten erneut Antropophagi auf Höhe der Nilquelle. Darüber dann die Troglodyten409, die Höhlenbewohner; im Osten die Ichtyophagi, die Fischesser.410 Die Vorstellung von Menschenfressern war keine Neuschöpfung der ­frühen Neuzeit – ihre Existenz erhielt aber durch die Publikation der Reiseberichte neue Plausibilität, da viele Schriftsteller bereitwillig den sensationslüsternen Markt bedienten. Dazu zählt der bekannte Bericht von Amerigo Vespucci der mit dem Titel Insulen unnd ein

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Neuwe Welt von wilden nackenden Leüten vormals unbekant auf Deutsch 1509 erschien; Martin Waldseemüller brachte 1516 die Carta Marina Navigatoria Portugallen Navigationes heraus, in der die Bezeichnung der Terra Canibalorum mit grillenden Kannibalen im Bild betont wird.411 Die Peripherie ist bei all diesen Vorstellungen der Ort der Wunder­ völker, ein Motiv, das schon Plinius in seiner Naturalis Historia, 7 § 6 (6–32) verarbeitet hatte. Dort beschrieb er drei Bereiche der Normabweichung, die körperliche Deformation, sowie abnorme Ess- und Lebensgewohnheiten. Bei den abweichenden Essgewohnheiten kennt Plinius u. a. die Anthropophagen (Menschenfresser), die Trogodyten (Schlangenfresser) und die Astomi, mundlose Wesen, die sich von Gerüchen ernähren.412 Indien und Afrika sind als Ränder der damaligen Welt der Lebensraum der Abnormen. Dies änderte sich, als die Welt zugleich größer und kleiner wurde, als Indien und Afrika mit den dortigen Völkern durch den Fernhandel vertraut war, aber zugleich mit der „Neuen Welt“ neue Wundervölker auftauchten. Die fremden Welten dienten als Projektionsfläche für Ängste aber auch für Hoffnungen; die europäischen Entdecker wie auch das Publikum ihrer Reiseberichte versuchten, in ihren Wissenshorizont das Neue einzuordnen, mit den eigenen Begriffen zu fassen und zu beschreiben. Sebastian Münster behandelt in seiner universellen Abhandlung über Geographie und Geschichte im 2. bis 4. Buch Europa, in Buch 5 und Buch 6 Asien (mit der neuen Welt) und Afrika.413 Für Europa nutzte Münster vor allem zeitgenössisches Material, für Asien und Afrika kompilierte er antike Quellen, so dass sich dort auch die bekannten Wundervölker finden, die mit drei Holzschnitten illustriert wurden. Dennoch glaubte Münster dieser Überlieferung selbst nicht mehr vorbehaltlos, schrieb er doch, dass von den „in dem Land India“ berichteten „monstra oder wunder“ niemand „hier aussen“ sie gesehen hätte.414 Zugleich nutzte Münster für seine Beschreibung der neuen Insel im Westen – Amerika – die vorliegenden Reisebeschreibungen, die von den dort lebenden wilden Menschenfressern berichteten. Das diesen Bericht begleitende Bild zeigt die in der Nachfolge topisch werdende Darstellung von einem nackten Paar, das mit weitausholenden Schlägen einen Mann auf einem Tisch mit einem Beil zerteilt um ihn anschließend zu verspeisen (Abb. 125). Das Formular findet sich schon in dem 1509 in Straßburg publizierten Bericht von Amerigo Vespucci und trat von dort aus seinen Siegeszug an: die Kannibalen wurden zum Kürzel für die Bevölkerung (Süd-)Amerikas. Erstaunlicherweise aber findet sich auf dem Basler Globuspokal von Stampfer die Verortung der Lüttfresser noch in Asien – Südamerika hingegen ist bei ihm zum Land der Riesen geworden.415 Der Anonymus nennt als vierten Protagonisten Peter Apian, der als Mathematiker, Astronom und Kartograph tätig war und seit 1527 als Professor für Mathematik an der Universität Ingolstadt lehrte. Er hatte 1524 sein Cosmographicus Liber publiziert, als praktische Einführung in die Kosmographie. In Ingolstadt erschien 1533 sein Instrument Buch durch Petrum Apianum erst von new Beschriben. Das Buch wendete sich an Landvermesser und Ingenieure im militärischen wie auch zivilen Dienst und vermittelte die Verfahren der Messung von Höhen und Entfernungen.416 Apian schrieb in der Volkssprache und

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125  Kannibalen. Das fünfft buch von den lendern Asie, Von der Insel Giava, in: Sebastian Münster, Cosmographei, Basel: Petri, 1550, S. 1179.

­reflektierte diesen Schritt, hatte er doch zuvor in Latein veröffentlicht und dann die Übersetzung vorgenommen: den liebhabern der Mathematischen künste / so das Latein nicht verstehen / der da vil sint. Dann als ich gespört habe / so sindt mer subtiller und spitzfündiger köpffe in diser kunst bey den Layen / dann bey den schrifftgelerten / wann sie allein der anfäng, darauff dise kunst gegründt wirt, nicht beraubt wären.417

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Hier werden die Laien als Praktiker charakterisiert, die feiner, verfeinerter, feinteiliger (subtiler)418 sowie hervorragender, tüftelnder, geschwinder und listiger als die buchgelehrten Humanisten in großer Zahl in den mathematischen Künsten aktiv sind. In Kapitel 2.6 wurde auf den Bereich der praktischen Geometrie verwiesen, in dem sich vor allem Künstler durch hervorragendes Wissen in der Anwendung hervortaten. Apian aber betont – im folgenden Satz darauf – wie schwer ihm die sprachliche Übertragung fiel und spricht damit erneut die Vermittlung zwischen den beiden Wissensbereichen an. Zugleich stellte sein Instrument Buch preiswerte Messinstrumente zur Verfügung, finden sich dort doch gedruckte Vorlagen, die ausgeschnitten und auf Holz aufgeklebt zur Vermessung genutzt werden können – vergleichbar den Globussegmentkarten, die die Globenproduktion stark veränderten. An fünfter Stelle ist Oronce Fine (Orontius Finaeus) genannt, ein französischer Mathematiker und Kartograph, Kupferstecher und Instrumentenbauer, dessen Karte von 1531 mit der Inschrift zur terra australis möglicherweise eine der Vorlagen des Graveurs der Weltkarte auf dem Globuspokal von Stampfer war und die ebenso als Vorlage für die beiden erhaltenen frühen Gessnerschen Pokale in Nancy und in London diskutiert wurde.419 Fine, der als erster Lecteur Mathematicien du Roy en l’Université de Paris lehrte, gab ab etwa 1515 mathematische und astronomische Werke für einen Pariser Drucker heraus, darunter Johannes de Sacroboscos Tractatus de Sphaera, das grundlegende astronomische Handbuch des 13. Jahrhunderts, und Georg Peuerbachs Theoricae novae planetarum. 420 Er veröffentlichte auch viele eigene Schriften in der Mathematik, Astronomie (darunter De mundi sphaera 1542, ein populärwissenschaftliches Werk über Astronomie), über Instrumentenkunde (zum Beispiel sein erstes Buch 1526 über das Äquatorium sowie über den Quadranten, das Astrolabium und den Gnomon) und Optik (De speculo ustorio, 1551).421 1532 erschien seine Protomathesis in mehreren Bänden, ein Lehrbuch, in dem Arithmetik, Geometrie und im dritten und vierten Teil Astronomie und astronomische Instrumente behandelt werden. Eine Sonnenuhr aus Elfenbein aus dem Jahr 1524 ist das einzige erhaltene Instrument, das ihm direkt zugeschrieben werden kann. Zugleich war er als Landvermesser tätig und erstellte regionale Karten, darunter 1525 eine Karte von Frankreich sowie Karten des Heiligen Landes – in die er die Reisewege des Apostels Paulus eintrug. Sicherlich sind es aber vor allem die anwendungsbezogenen Anweisungen zur praktischen Geometrie, die er u. a. in seinen Geometria libri duo veröffentlichte, die für den hier diskutierten Zusammenhang die größte Relevanz haben. Führt er damit dort doch nicht allein in die Disziplin ein, sondern erklärt zu dem detailliert und anschaulich den Bau von Messinstrumenten, wobei er sogar auf das zu verwendende Material eingeht.422 Bei Finaeus fallen mathematisches Wissen, die Arbeit als Kupferstecher und Illustrator von wissenschaftlichen Werken und eine breite, in Teilen kompilierende Publikationstätigkeit zusammen.423 Sein Werk zeigt erneut, wie vielfältig das Betätigungsfeld der Praktiker und Theoretiker in der Frühen Neuzeit gewesen sein konnte und wie sehr darin handwerkliches Vermögen und theoretische Reflexion ineinander greifen.

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An sechster Stelle steht Heinrich Glareanus (1488–1563, Heinrich Loritis), ein Schweizer Musiker und Musiktheoretiker aber auch Historiker und Geograph, der unter anderem 1515 in Basel die Helvetiae descriptio und im Jahr 1527 den De geographia liber unus (bei Faber) veröffentlichte.424 Glareanus lehrte in Freiburg Poetik, Geschichte und Geographie und zeichnete 1510 die Waldseemüllerkarte von 1507 ab; sein Name wird auch im Zusammenhang mit dem 1509 erschienenen Flugblatt Der welt kugel. Beschrybung der welt und deß gantzen Ertreichs, die in Straßburg bei Johannes Grüninger verlegte deutsche Übersetzung des Globus Mundi, diskutiert.425 Glareanus gilt als der Erste, der die geographische Miss­ weisung (Deklination) der Kompassnadel beschrieb, die sich aufgrund der Abweichung des geographischen Nordpols vom Magnetpol ergibt – ein Phänomen, das Gerhard Mercator ebenfalls erforschen sollte (und das in seinem schon genannten Bildnis verhandelt wird, bei dem er den Zirkel in den Pol einsticht).426 Zugleich beschäftigte Glareanus sich mit dem sehr praktischen Problem, wie papierne Zweiecke auf eine Globuskugel aufgeklebt werden könnten: In seiner Veröffentlichung einer Einführung in die Geographie für Studierende der artes liberales schildert er im 19. Kapitel (De inducendo papyro in globo, 1527) die einzelnen Arbeitsschritte, um die zwölf Teile der Globussegmentkarte aus dem eindimensionalen Druck in die dreidimensionale Kugel zu übertragen (Abb. 126).427 Durch die Nutzung des Druckverfahrens hatte sich die Globenherstellung vereinfacht und wurde preiswerter – zudem konnten seriell erstellte Globussegmentkarten schnell vervielfältigt und damit für ein breites Publikum nutzbar gemacht werden.428 Dazu brauchte es aber ein leicht vermittel­ bares Verfahren, das erklärte, wie mit Hilfe von – meist zwölf – Meridianstreifen das in Teile zerlegte Erdbild wieder auf den Trägerkörper des Globus (meist eine Kugel aus Papiermaché oder aus Holz) aufgetragen werden konnte. Dieses Verfahren stellt Glarean in seiner Schrift ausführlich und mit einer Illustration versehen vor, was umso bemerkenswerter ist, da er hier direkte Handlungsanweisungen formuliert. Die Nähe zu zeitgenössischen weiteren ­Publikationen von Globussegmenten ist evident, ebenso zu künstlerisch-geometrischen Überlegungen, wie sie Dürer mit einer Kugel mit Breiten- und Längengraden in seiner ­Underweysung der Messung publizierte; dort findet sich ebenso eine Segmentkarte.429 Am Ende der Reihe steht als siebter Gelehrter Sebastian Münster, der als wichtige Bezugsgröße der frühneuzeitlichen Weltbeschreibung nicht fehlen darf, hatte er doch eine Ausgabe der Geographie des Ptolemaios besorgt.430 Er bemerkte dazu: In den neuesten Zeiten haben den Ptolemaios zwei Männer in die lateinische Sprache zu übersetzen versucht, nämlich Jacobus Angelus von Florenz und Johannes Werner von Nürnberg, von denen der Erstere der Mathematik, der Letztere der griechischen Sprache zu wenig kundig war; dagegen vereinigte beides in sich Willibald Pirckheimer von Nürnberg, welcher den Autor seiner Quelle selber anfasste, so treu als möglich übersetzte und uns klarer überlieferte. Doch ist ihm noch Vieles entgangen, was nachher Michael Villanovanus, welcher zur Verbesserung und Erklärung des Ptolemaios Bemerkenswertes geleistet, gefunden hat. Ich bin diesen beiden gefolgt, indem ich Pirckheimers Übersetzung aufgenommen, und Michaels Erläuterungen und Anmerkungen nicht verschmäht habe.431

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126  Segmentkarte. Kapitel 19 De inducendo papyro in globo, in: Heinrich Glareanus, De geographia liber unus, Basel: Faber, 1527, fol. 23v.

Münster historisierte damit früh die Rezeptionsgeschichte des Ptolemaios in Europa und machte zudem den Text erneut in einer verbesserten lateinischen Version zugänglich. Aber noch bedeutender als die Geographia universalis wurde Münsters schon mehrfach genannte Cosmographia, die im Jahr 1544 durch Münsters Stiefsohn Heinrich Petri (1508– 1579) in Basel gedruckt wurde. Dieses Werk der beschreibenden Kosmographie zeigt nicht nur eingangs 24 Karten, sondern erfasst die Welt, ihre Teile, die Bevölkerungen und Wirtschaftszweige über die Beschreibung und versammelte so als umfassende Enzyklopädie das Wissen der Frühen Neuzeit.432 Dazu hatte er 1528 eine Aufforderung an die deutschen Humanisten versandt, ihre eigene Heimat zu beschreiben und diese Beschreibung – zusammen mit von ihnen erschaffenen Landkarten – an ihn zu senden. Damit verbunden veröffentlichte er eine Anleitung eines Messverfahrens, um die Anfertigung der regionalen

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Karten zu ermöglichen, die Erklerung des newen Jnstruments der Suonnen, nach allen seinen Scheyben und Circkeln. Jtem eyn vermanung Sebastiani Münnster an alle liebhaber der künstenn, im hilff zuo thun zuo warer unnd rechter beschreybung Teütscher Nation. Die im Vorwort der Erklerung eyns trinckgschirs für den Basler Globuspokal genannten sieben Gelehrten decken mit ihrem Schaffen die gesamte Bandbreite frühneuzeitlicher Welterfassung und Weltdarstellung ab. Aus ihren Arbeiten und Interessengebieten wurde ersichtlich, wie vielschichtig die Bemühungen waren – die sowohl mit der Publikation von Reiseberichten, der Visualisierung dieser Reisen, aber auch sehr pragmatischen Problemen der Globenherstellung verbunden sind. Wichtig aber wurde vor allem das Motiv des Ineinandergreifens von unterschiedlichen Wissensgebieten und die enge Verbindung von theoretischer Reflexion und handwerklichem Vermögen, das an vielen Stellen sichtbar wurde. Abschließend soll ein weiterer Gelehrter vorgestellt werden, auch wenn er nicht im Vorwort der Erklerung eyns trinckgschirs Erwähnung fand: Johannes Kepler (1571–1630) ist für die hier diskutierte Frage nach dem Status von Goldschmiedeobjekten innerhalb der Wissenskulturen der Frühen Neuzeit deshalb von so großer Bedeutung, da er sich viele Jahre darum bemühte, zur Visualisierung seiner Kosmos-Vorstellung  – die er 1596 im ­Mysterium Cosmographicum dargelegt hatte  – ein artifizielles Weltmodell bauen zu ­lassen.433 Bei dem von ihm imaginierten Artefakt fallen ästhetisches Vergnügen, Staunen über das künstlerische Vermögen und die virtuose Ausführung sowie der Nutzen der Anschaulichkeit der ins Werk gesetzten wissenschaftlichen Theorie in eins.434 Den Status, den Objekte innerhalb der Wissenskulturen der Frühen Neuzeit einnehmen konnten, geht deutlich aus Keplers Bemühungen hervor. In seinem Mysterium Cosmographicum findet sich als dritte Tafel die ORBIUM PLANETARUM DIMENSIONES, ET DISTANTIAS PER ­QUINQUE REGULARIA CORPORA GEOMETRICA EXHIBENS.435 Auf diesem Kupferstich ist die Illustration des kosmographischen Theoriemodells dargestellt (Abb. 127), das Kepler im Text, der laut Titel als „Vorbote einer umfassenden Kosmologie“ auftritt, entwirft: Der Kosmos – bzw. die bewundernswerte proportione orbium coelestium – besteht aus fünf Planetensphären, die harmonisch und nach dem Verhältnis der fünf platonischen Körper zueinander angeordnet sind. Der Größe der Planetenumläufe liegt somit ein geometrisches Prinzip zugrunde, das  – wie aus der Illustration deutlich hervorgeht  – durch die ­hierarchische Ineinanderschachtelung der Körper dargestellt werden kann. Nach Keplers Vorstellung ist Gott somit als Geometer tätig, der seine Welt auf der Grundlage von ­mathematischen Prinzipien anlegte.436 Michael Mästlin (1550–1631), Keplers Lehrer an der Universität Tübingen, bei dem er astronomische Vorlesungen zu Kopernikus’ Lehre hörte, schrieb in einem Brief vom 9. März 1597 an Kepler „das Kupferstick hat der universitet Mahler gerissen und geetzt“ und bezeugt so, dass die wissenschaftliche Illustration durch einen Künstler ausgeführt wurde, der für die Universität Tübingen (möglicherweise häufiger) arbeitete.437 Die Illustration aber zeigt nicht allein die ineinander gesetzten fünf Körper, sondern ist zugleich der Entwurf

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eines Werks der zeitgenössischen Goldschmiedekunst, sein „neu erfundene imaginem caelorum“, wie Kepler es selbst benennt.438 Die Illustration präsentiert damit ein Werk, das Kepler gerne hätte erschaffen lassen, an dessen Realisierung er aber scheiterte.439 In mehreren Briefen thematisiert Kepler die Motive und die Mühen, seine erdachte und beschriebene Welt zur besseren Anschauung als Goldschmiedeobjekt entwickeln zu lassen.440 Kepler dachte, das Weltgeheimnis entschlüsselt zu haben: Er ging von einem harmonischen – also regelmäßigen und regelgeleiteten – Planetenlauf aus und erklärte, dass die fünf platonischen Körper genau die Räume zwischen den sechs bekannten Planeten (in ihrer Umlaufbahn um die Erde) ausfüllten. In seiner Widmung schreibt er:

127  Orbium planetarum dimensiones, et distantias per quinque regularia corpora geometrica exhibens, in: Johannes Kepler, Mysterium Cosmographicum, Tübingen: Georg Gruppenbach, 1596, Tabula III.

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Wir sehen hier, wie Gott gleich einem menschlichen Baumeister (architectus), der Ordnung und Regel gemäß, an die Grundlegung der Welt herangetreten ist und jegliches so ausgemessen hat, dass man meinen könnte, nicht die Kunst nehme sich die Natur zum Vorbild (non ars natura imitaretur), sondern Gott selbst habe bei der Schöpfung auf die Bauweise der kommenden Menschen (ad hominis futuris morem aedificandi) geschaut.441

In seinem theoretischen Modell entspricht der Würfel, der Tetraeder, der Dodekader, der Ikosaeder und der Oktaeder (annähernd) den von Nikolaus Kopernikus (1473–1543) ermittelten Abständen der Planetensphären.442 Mit dieser Weiterentwicklung des heliozen­ trischen Weltbildes war Keplers Wunsch verbunden, sein Gedankengebilde in ein tatsächliches Modell überführen zu lassen – und zwar nicht aus preiswertem Material, sondern aus Silber und Gold und mit Edelsteinen besetzt. Diese machina mundi artificialis sollte als curiosum in einer camera raritatis stehen, nur leider fehlte zur Umsetzung ein fähiger Goldschmied. Das Objekt war für die Kunstkammer des Herzogs Friedrich von Württemberg (1557–1608) geplant, wie Kepler in einem Brief vom 17. Februar 1596 formulierte:443 Demnach der Allmechtig verschinen Sommer nach langwüriger ungesparter mühe und vleiß mir ein Hauptinventum in der Astronomia geoffenbaret: Wie solliches ich in eim besondern Tractätl außgeführt [Mysterium Cosmographicum], und allberaitt zupublicirn in willens: Auch das gantze Werck und die Demonstration des fürnehmisten intentj füeglich und zierlich in einen Credentz­ becher, dessen diameter einen werckhschuch hieltte, möchte gebracht werden: Wölliches dan ein recht eigentlich Ebenbild der Weltt, und Muster der Erschaffung, so weitt Menschliche Vernunfft reichen mag, und dergleichen zuvor nie von kheinem menschen gesehen noch gehörtt worden, sein und heissen möchte.444

Kepler kündigt in diesem Brief an, dass er nicht nur eine große neue Entdeckung in der Sternkunde gemacht und darüber publiziert habe, sondern dass er zu Demonstrationszwecken die Theorie in ein anschauliches Modell überführen möchte, das nicht nur ein Ebenbild der Welt, sondern gar ein Muster ihrer Erschaffung vor Augen stellen könne. Er habe zudem darüber nachgedacht, seine Theorie als Bild auszuführen oder als dreidimensionales Modell aus Holz, aus Kupfer oder aus Papier zu bauen, damit der Fürst es sich anschauen könne.445 Er sei aber zu dem Schluss gelangt, dass seine künstlerischen Fähigkeiten nicht ausreichten und dass es zudem besser wäre, das Werk als Objekt der Goldschmiedekunst – mit fürstlich-finanzieller Unterstützung – ausführen zu lassen. Der Herzog schrieb dazu an den Rand, dass erst ein kupfernes Model erstellt werden solle, welches nach erfolgreicher Prüfung in Silber ausgeführt werden könne.446 Keplers Brief an dem Herzog war eine Beschreibung beigelegt, wie der Planetenbecher beschaffen sein sollte: Da aber ire F. G. das Werckh eines größeren costen würdigeten, möchten die Planeten stern auß Edelgsteinen geschnitten werden, als Saturnus auß einem Adamant [Diamant], Jupiter ein Hya-

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cinth, Mars ein Rubin oder Balagius, die erd ein Türkis oder Magnet, Venus ein Augstein [Bernstein] gelber farb oder dergleichen, Mercurius ein Crystall, Sol ein Garfunckel, der Mond ein Perlstein. [...] Ob auch die Corpora von geschmeltzer, und die orbes von gegrabner Arbeitt, eines jeden Planeten eygenschafft inhalttend, zugericht sollen werden, stehtt neben erwegung des costens zur ihr F. G. wolgefallen.447

Das geplante Kunstkammerstück – von der Aura des Wunderbaren umgeben – sollte nicht nur die Theorie Keplers veranschaulichen, sondern auch dem Repräsentationsbedürfnis des Landesherren entsprechen. Deshalb schlug Kepler vor, die Planeten durch Edelsteine nachzubilden und über weitere Ornamente die himmlischen Körper und ihre Umlauf­ bahnen zu visualisieren.448 Darüber hinaus plante er, das Kosmos-Modell auch als Trink­ geschirr zu nutzen, da die die Planetenbahnen begrenzenden Halbschalen unterschied­ liche, meist alkoholische Getränke enthalten sollten: Item weil es ja ein Becher und Scyphus Nestoris sein solle, möchte darinnen eine ergetzlicheitt im Trincken gesuecht und gar wol also zugericht werden das im eüsseristen rand siben zapffen, mitt der siben Planeten bildnussen verdecket würden daraussen sibenerley underschidliche getränck gesogen, und einem unwissenden ein schimpff zugericht würde: Wüste ich schon durch die hole Latera und centra corporum die inneriste humores durch alle becher herauß zu ihrm Planeten und zapffen zuleitten. Allein di fünff inneriste gefeß und sonderlich die zwey, coelum Mercurij und corpus Solis würden sehr wenig haltten: Wie ungevahrlich in beygelegtem beyläuffigem Abriß zusehen, wöllicher soll des volleingeschenckhten Bechers planum repraesentim.449

Mit Verweis auf den legendären Becher von Nestor plante Kepler demnach, dass man aus seinem Planetenmodell auch trinken könne und hatte sich weitreichende Gedanken darüber gemacht, wie über ein im Innern liegendes System die Schalen befüllt werden könnten.450 Kepler verwies auf den gezeichneten Entwurf, den er seinem Bericht an den Herzog beigelegt hatte und aus dem hervorgeht, dass die Mondschale Wasser enthalten sollte, der Saturn alten, schlechten Wein (oder Bier), der Jupiter guten Wein, der Mars Wermut, die Sonne „ein cöstlich aqua vitae mitten auß dem becher herauß, nemblich auß dem solarj corpore, so in centro schwebbt“, die Venus Honigwein (Met) und der Merkur Branntwein.451 Schon im Timaios von Platon wurden die vier Körper den Elementen Feuer, Luft, Erde und Wasser zugeordnet, der Dodekader als fünfter Körper umschloss alles als Äther.452 Diese bekannte Zuordnung wurde beispielsweise bei Jamnitzers Perspektiv­ studien (Kapitel 1.6) genutzt, der darüber hinaus die Vokale A, E, I, O und U den Körpern zuordnete. Bei Kepler entspricht die Sonne dem aqua vitae, das mit ihrer lebensspendenden Kraft zu korrespondieren scheint; Saturn, den Gott der Zeit, mit altem Wein zu verbinden, ist ebenso sinnvoll, wie die Gleichsetzung des süßen Honigweins mit der Göttin der Liebe. Dem Wasser/Mond-Paar könnte der Gedanke zu Grunde liegen, dass der Mond über die Gezeiten die „Wasser“ regiere oder die jungfräuliche Mondgöttin rein (wie Was-

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ser) sei, wahrscheinlicher aber ist, dass Kepler – die Verwendung des Begriffs der humores macht dies deutlich – auch über die medizinische Verwendung und heilsame Wirkung der Getränke auf unterschiedliche Körperteile bzw. Krankheiten nachdachte und diesen ­Aspekt ebenfalls in sein allumfassendes harmonisches Weltsystem integrierte. Über vier Jahre hinweg zog sich die Korrespondenz zu diesem Objekt, aus der sowohl die Schwierigkeiten als auch die Persistenz, mit der Kepler sein Vorhaben verfolgte, eindrücklich hervorgehen. Der Herzog hatte von ihm ein Modell verlangt, das Kepler selbst aus Papier bauen musste, da: kein Buchbinder zu dieser unbekandten Arbait zu bereden geweßt: Hab ich es gleich miessen an die Hand nehmen, mit wöllichem vor einem Fürsten zu erscheinen ich mich anfangs geschämet. Nämlich mit meiner zuvor unversuchten Hand, doch anwendung müglichstes Fleiß, diese acht tag uber ein Muster in Papeyr und gegenwürtige form gebracht, dessen Inhalt ist wie folgt.453

Kepler mühte sich acht Tage lang, zur Veranschaulichung seiner Theorie ein Papiermodell zu erstellen, das die von Kopernikus vorgeschlagene Weltordnung mit der Sonne im Zentrum des Kosmos visualisierte, die von den Planeten umlaufen wird, deren Umlaufbahnen allerdings in der Breite variieren – ein Problem, das Kepler mit seiner Theorie gelöst zu haben wähnte.454 Kepler verfolgte zwei wichtige Ziele mit dem Werk, das er im gleichen Brief als gegenwertiges Muster, ehegemeltes Ebendbild der Erschaffung bezeichnete – und das er un­ bedingt als kunststuck, oder als werck in einer köstlichern Materj, und mehr wehrhafften form, als das papier ist, ausgeführt sehen möchte. Erstens soll es die Betrachter vom heliozentrischen Weltbild überzeugen, eine Theorie, die zwar schon 1543 durch Kopernikus in seinem De revolutionibus orbium coelestium publiziert worden war, sich aber immer noch nicht durchgesetzt hatte. Zweitens hoffte er, dass sein Werk zugleich als Lehrobjekt, zur Unterweisung in die allgemeine Sternkunde genutzt werden könne. Ihm war dabei bewusst, dass in den Kunstkammern Modelle der fünf platonischen Körper in großer Anzahl gesammelt wurden – so dass er fürchtete, dass ohne den von ihm geplanten Zusatz der umlaufenden Himmelsglobuskugel mit den Sternbildern die Singularität seines „Kunststücks“ nicht erkennbar sein werde. Interessant ist nicht nur dieser Verweis auf andere Kunstkammerwerke, die geometrische Körper verwenden, sondern auch Keplers Wissen um mechanische Uhren, die den Planetenlauf anzeigen: „Zu unserer zeitt seind sollicher Uhren etliche zuegericht worden.“455 Kepler beruft sich dabei auf Petrus Ramus, der von mechanischen Uhren in Paris, auf Sizilien und in Deutschland berichtet hatte: Landgraff Willhelm soll auch ein sollich Werckh gehabt haben, das Ramus ein automaton astrarium [also ein mechanisch betriebenes Sternenmodell] nennet: Der auch Herzogen Augusten in Saxen noch ein schöners solle zuegrichtet haben. Wie dan der Uhrmacher alhie meldet, das er zu Dresden gesehen habe ein sollichs zuerüsten: aber allem seinem anzeigen nach nicht mehr dan

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motus planetarum medios, in sich gehalten hatt. Wie nicht weniger auch das weitberhuembte strassburgische Werckh im Münster456, als ich berichtet werde, nicht mehr dan motus medios, et quidem, ab invicem seperatos, anzeigen solle, das aber mit sonst allerlay wunderlichen parergis dem gmeinen man die augen zu füllen, gezieret ist.457

Kepler lehnt diese Modelle aber ab, da sie sich eines (abstrahierenden) Zeigers bedienten, er aber ein unmittelbares verkleinertes Abbild des Kosmos erschaffen wollte: Da nun dem also, ist darauß abzunemen, da biß zu derselben Zeitt noch khein sollich Werckh zugerichtet worden, darinnen aller planeten rechte eigentliche und sichtbarliche läuff under einem einzigen Zirckel (inmassen alle planeten an einem himmel gesehen werden) reprasentirt worden wären. Und mueß ich vermuetten, das der mehrertheil sollicher Uhren (als auch Christianus König in Dennemarckh eine in die Moscaw geschicket) nur allein motus medios haben, wie dan die gewohnliche, und zu Nürenberg und Augspurg hauffenweiß zugerichtete Astrolabia, motum Solis, Lunae, et Capitis medium zeigen.458

Gemeint sind hier die berühmten Planetenuhren, wie sie beispielsweise noch heute im Mathematisch-Physikalischen Salon in Dresden zu besichtigen sind; wie in Kapitel 3.4 ­gezeigt, entstammen einige der frühen erhaltenen Metallgloben genau solchen Kontexten. Diese Planetenuhren ermöglichten das, was auch Kepler für sein Modell erhoffte, sie stellten in einem Modell den jährlichen Umlauf der Planeten in verkürzter Zeit vor Augen: Was dan nun meine fürhabende Motus betrifft, gleich wie ich die eigentliche proportz der himmel begehr in das Werckh einzuführen, also wollte ich auch mit den motibus thuen, und sovil müglich die natur selbsten repraesentiren. Derowegen dan khein Zeiger drinnen wäre, also das von eim jeden planeten ein Zeiger hinauß in den Zodiacum geführt müeste werden, da man gleich mit Händen und zugeschlossenen augen khöndte greiffen, wa ein jeder planet stehe, inmassen solliches in den gewohnliche Uhrwerckhen pflegt zugeschehen, sondern man müeste sich in erlernung eins jeden planeten standts unter den zwölff Zeichen, auff Archimedische art, des Augenmasses behelffen, und sollte ein jeder im ersten anblick ungefahrlich sehen khönden in wöllichem grad beyläuffig ein jeder planet schwebet. [...] Mehr soll ich vermelden, das ich das Werckh also zurüsten wolte, das mans treiben khöndte, und in eim augenblickh ein Jahr herumbziehen möchte, da man dan sehen khöndte, wie sich alle planeten die schnelheitt betreffend, gegen einander ver­glichen.459

Geplant war also ein Werk aus Silber, das die fünf regulären Körper nicht nur vorstellte, sondern so ineinander schachtelte, dass die eingeschriebenen Schalen im Verhältnis den Umlaufbahnen der sechs Planeten entsprachen. Diese Planeten sind auf die Schalen geheftet, die Schalen sind ineinander beweglich und werden – auch das der Plan Keplers – von einem mechanischen Uhrwerk angetrieben.460 Der Kosmos also wird hier – ganz dem Usus der Zeit entsprechend – als präzises Uhrwerk (wie Kepler selbst sagt coelestem machinam

Das Gelehrtennetzwerk I 421

dicam non esse instar divinj animalis, sed instar horologii) imaginiert – mit Gott als Uhrmacher.461 Sein Wunsch nach Anschaulichkeit wird fortwährend von Kepler betont: Ist also diß das fürnämiste stuckh meines fürhabens Naturam imitarj, quantum sufficit, und nicht die Händ durch die Zeiger am Zodiaco, wie andere künstler, sondern die augen durch polum ­Zodiacj Terrae objectum zulaitten, und das halbe Werckh allerdings durchsichtig zu machen.462

Die Kunstkammer ist dabei der angemessene Ort für solch ein künstliches Produkt einer neuen wissenschaftlichen Theorie – die evident ist: Immer wieder betont Kepler, dass sein Modell über den Augenschein vermitteln würde. Es ist ebenso bezeichnend für die Kultur der Frühen Neuzeit, dass dabei kostbare Edelmetalle und Edelsteine ebenso einen Platz innerhalb dieses wissenschaftlichen Modells zugewiesen bekommen wie alkoholische Getränke, die zur Unterhaltung und zum Vergnügen getrunken werden können.463 Interessant ist dabei die Unterscheidung im Status, die Kepler vornimmt, scheidet er doch deutlich sein Kunstwerk von einem wissenschaftlichen Instrument (automata): von einem Kunstwerk erwartete er nicht, dass man es für Messungen nutzen könne – es müsste daher nicht so präzise sein. Die Aufgabe des von ihm intendierten Kunstwerks läge vielmehr in der Visualisierung seines neuentworfenen Weltbildes.464 Das ehrgeizige Projekt scheiterte, da Kepler keine Feinschmiede und Instrumentenbauer fand, die seine Vorstellungen umsetzen konnten. Hans Holländer aber wies darauf hin, dass die Kunstkammern – wie auch schon bei den Goldschmiedezeichnungen (Kapitel 2.4) diskutiert – nicht allein der Ort der realisierten Objekte gewesen sei – sondern auch ein Ort der imaginierten Objekte, der potentiellen Objekte und der geplanten Objekte.465

3.7 Vermessenheit Abraham Ortelius zählt zu den bedeutenden Kartographen des 16. Jahrhunderts, der in seinem 1570 erschienenen Theatrum Orbis Terrarum eine großformatige Sammlung von Welt- und Landkarten publizierte. Er ist ein Forscher, der sich in seinem Schaffen um die exakte Reproduktion der diesseitigen, sichtbaren Welt bemühte. Joris Hoefnagel (1542– 1600) thematisierte dies in einer Allegorie, die er im Jahr 1593 für Ortelius entwarf und ihm als Zeichen der Freundschaft zueignete. In seinem Bild sitzt eine Eule als Zeichen der Weisheit auf einer Weltkugel, die auf einem Buch und auf Messinstrumenten und Zeichen­ werkzeug – den Arbeitsmitteln des Kartographen – aufliegt.466 Die persönliche Imprese des gelehrten Kartographen hingegen zeigt eine sich zwischen Büchern hindurchschlängelnde Schlange, die die Weltkugel auf dem Kopf balanciert, begleitet von dem griechischen Motto „Die Wissenschaft des Menschen, der Bücher beherrscht und die Erde ­erforscht hat, ist vor Gott nichts als Torheit“.467 In dieser Imprese wird die Einsicht in die Unmöglichkeit der Erkenntnis als Grundmotiv frühneuzeitlichen Forschens thematisiert:

422 I Globuspokale

Zwischen diesen beiden Polen – zwischen der Möglichkeit und der Unmöglichkeit eines Verstehens, das niemals allein auf die sichtbare Welt, sondern immer auch auf ihren unsichtbaren Schöpfer ausgerichtet war – ist das vermessene Tun des Menschen angesiedelt. Zu den wichtigsten Arbeitsgeräten der Kartographen und Landvermesser gehört der Zirkel; er tritt als Attribut von vielen Gelehrten in der Frühen Neuzeit in Porträts auf, als Verweis auf alle Arten von praktischem und theoretischem geometrischen Wissen. Der Zirkel erweist sich dabei als ein Messinstrument in zwei Richtungen: zum Erkennen, zum Ableiten und Regeldefinieren, aber auch zum Entwerfen und Neuschöpfen. Der Zirkel ist zugleich welterforschendes und welterschaffendes Instrument, kann dazu genutzt werden, die Schöpfung zu erkennen, aber auch sie nachzubilden.468 Diesen Anwendungsmöglichkeiten des Zirkels liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Welt messbar und in der gemessenen Regelmäßigkeit – im Erkennen der den Messergebnissen zugrundeliegenden Regeln – auch begreifbar sei. Sichtbaren Ausdruck findet diese Vorstellung in einem Bild der Wiener Bible Moralisée (ÖNB, Codex Vindobonensis 2554) von 1250, das dem weltschöpfenden Gott den Zirkel in die Hand legt, mit dem er den Kosmos nach Maß, Zahl und Gewicht ordnet, wie es im Buch der Weisheit formuliert ist (Sap. 11, 21). Diese Vorstellung findet sich auch in dem platonischen Modell des Demiurgen, des schöpfenden Gottes, der im Timaios das Chaos mithilfe der regelmäßigen Körper in die Taxis überführte und damit den Kosmos als regelgeleitetes Ganzes erschuf.469 Mathematik und Geometrie halfen dabei, die unüberschaubare Vielzahl der natürlichen Einzelphänomene in die vom Schöpfer intendierte Einheitlichkeit und Regelhaftigkeit zu überführen. Für diese grundsätzliche Auffassung menschlicher artes findet sich ein weiteres Bild im ersten Band von Robert Fludds (1574–1637) Utriusque cosmi majoris scilicet et minoris metaphysica, physica atque technica historia als „Integrae Naturae speculum Artisque imago“ (1617): Hier hält die von Gott geschaffene Natur, seine Wirkerin auf Erden, den Affen als Sinnbild menschlicher Kunstfertigkeiten an einer Kette, der mit seinem Zirkel das Weltmodell vermisst – ein Mikrokosmos, der in seiner abstrahierenden Rasterung dem geordneten Makrokosmos der Welt entspricht, auf der die Szene stattfindet (Abb. 128).470 Das Nachäffen der göttlichen Schöpfung durch den Menschen als simia naturae liegt diesem Bildgedanken ebenso zugrunde wie die Betonung der zwei Wirkmächte in der Welt, die sich von Gott herleiten – die Natur und der Artifex (Natura scilicet, & ejus Simia, quam Artem appellamus).471 Als wie vermessen aber das menschliche Streben nach Erkenntnis der Natur und ihrer vollständigen kartographischen Erfassung verurteilt werden konnte, zeigt sich am frühneuzeitlichen Motiv des Narren. Als Schlüsselfigur taucht er im Narrenschiff (1494) von Sebastian Brant (1457–1521) auf.472 Der Narr ist hier Symbol einer sündigen Menschheit, an seiner Person und seinen Handlungen werden die Fehler und die Laster der Menschen vorgeführt und kritisiert, wird die Narrheit des alltäglichen Tuns demaskiert.473 Dazu zählen die Betrügereien und die fleischlichen Verfehlungen, aber eben auch das vermeintlich unfruchtbare und vergebliche Streben nach Erkenntnis.474 Dies wird im Narrenschiff im 65. Kapitel (fol. 83v) auf die eindrückliche Formel des Narren mit dem Zirkel in der Hand gebracht (Abb. 129). Die Überschrift des Bildes besagt:

Vermessenheit I 423

Wer vß mißt hymel / erd / vnd mer Vnd dar inn sücht lust / freüd / vnd ler Der lüg / das er dem narren wer

Unterhalb des Bildes wird der Gedanke weitergeführt: Von erfarung aller land Ich halt den ouch nit jtel wiß Der all syn synn leit / und syn fliß wie er erkund all stett / vnd landt Vnd nymbt den zyrckel jn die handt

Die frühneuzeitliche Lust an der Vermessung der Länder, Meere und des Himmels wird als Vermessenheit enttarnt, und die Eitelkeit der Kartierungen der Astronomen und Kosmo-

128  Integrae Naturae speculum Artisque imago, in: Robert Fludd, Utriusque cosmi majoris scilicet et minoris metaphysica, physica atque technica historia, Band 1: De Metaphysico Macrocosmi et creaturaru[m] illius ortu, Oppenheim: Johann Theodor de Bry, 1617, S. 5.

424 I Globuspokale

grafen auch im Bild angeprangert, hält doch dort ein Narr den übergroßen Zirkel in der Hand, den er (ver-)messend an ein kosmografisches Modell angelegt hat, das vor ihm schwebt. Die geometrischen Grundlagen seines Tuns werden durch das vor dem Narren auf dem Boden liegende Dreieck verdeutlicht. Auf den folgenden Seiten wird dann – unter Nennung wichtiger antiker Vermessungsautoritäten wie Archimedes, Dikaiarchos und Ptolemäus – der menschliche Drang, die Welt vermessen zu wollen, als eitel und unergiebig kritisiert, da er weder zur Selbst- noch zur Gotterkenntnis führen kann. Es folgt eine allgemeine Kritik an den Gelehrten mit ihrem Zirkel als Messinstrument.475 Hier schließt sich der Kreis: Der Globus wie auch der Zirkel als Attribut der Gelehrten erinnerten den frühneuzeitlichen Leser an die Vermessung, die Erkundung, Entdeckung und Repräsentation der Welt durch einen Künstler. Die Bildgeschichte reicht dabei von Gott als Zirkel­ halter, über den die Schöpfung nachäffenden Menschen, der die Grundzüge des regel­ gerecht geschaffenen Kosmos ableitend erkennen kann, bis hin zum Narren, der trotz aller Vermessung niemals Erkenntnis erlangen wird: Alle diese Bedeutungsebenen sind dem Globus ebenso wie dem Zirkel angelagert, zeigen die Tätigkeit der Weltvermesser ebenso an, wie sie zugleich eine Gottebenbildlichkeit implizieren und moralisch vor dem vergeb­lichen menschlichen Streben nach vollständiger Erkenntnis warnen.

129  Der LXV Narr (Vermessenheit), in: Sebastian Brant, Narrenschiff, Basel: Nicolaus Lamparter, 1509, fol. 83v.

Vermessenheit I 425

Anmerkungen   1 Zum Foto und dem zeithistorischen Kontext Gehring (2010a), S. 31; Lazier (2011). Die kultur­ historische Ausstellung The Whole Earth. Kalifornien und das Verschwinden des Außen widmete sich 2013 im Haus der Kulturen der Welt den alternativen Kontexten, in denen das Bild Wirksamkeit entfaltete, darunter die Umweltschutzbewegung; sie bildete den Auftakt der Reihe zum Anthropozän. Eyres (2017), S. 44–46, der allerdings kaum auf die Bedeutung der Visualisierung in Form von Globen und der Kartographie eingeht. Vier Jahre später folgte dann das nicht minder ikonische Foto AS 17–2272 Blue Marble, aufgenommen von Harrison Smitt am 7. Dezember 1972 von der Apollo 17, Cosgrove (2004), S. 254–267; Bredekamp (2011).  2 Muris (1955), S. 31; Gehring (2010a), S. 17 zum Sonderstatus der Weltbilder, die „ein „totales“, vom Auge des Betrachters so nicht erkennbares Bild vom Ganzen entwerfen.“  3 Gehring (2010b), S. 7 spricht davon, wie die Weltbilder „auf der Grundlage sich stets verändernder wissenschaftlicher Erkenntnisse ein übergreifendes Bild der Welt entwerfen und dem in seiner Ganzheit Ungesehenen eine visuelle Gestalt verleihen.“  4 www.jetzt.de/verschwoerungstheorien/ist-die-erde-doch-flach [aufgerufen 11. August 2018].  5 Muris (1955), S. 31; Eser (2010), S. 41.  6 Kugel (2002), S. 7.  7 Foucault (1991), S. 66; De Certeau (2006), S. 345; Scheiding (2008), S. 39.  8 Edgerton (1987) zum Zusammenhang zwischen dem dritten Projektionsvorschlag von Ptolemaios und der Entwicklung der Zentralperspektive; Büttner (2006), S. 20; Büttner (2007), S. 281.  9 Dünne (2011), S. 11; Brotton (1999), S. 87. 10 Schmidt (2007), S. 34. 11 Harley (1988) zu kartographischen Darstellungen als „manipulated form of knowledge“. 12 Gehring (2010b), S. 14: „Nicht allein das Bild ist für den Erkenntnisgewinn bedeutsam, sondern auch der dem Visualisierungsprozess eingeschriebene Abstraktionsvorgang.“ 13 Büttner (1998); Federzoni (2009); Michalsky (2011); Edgerton (1976), S. 106–123. 14 Brotton (1999), S. 87; Michalsky (2005), S. 209. 15 Heidegger (1950b), S. 82/83. 16 Albrecht Dürer, Speis der Malerknaben (1513), in: Dürer (1966), S. 133; Büttner (2000b), S. 73;

Gluch (2009), S.  111, nach Dürer (1966), S.  113; Chastel/Klein (1963), S.  90–92; Nissen (1950), S. 18–42; Wolf (1997); Skizzenbuch (1905), Dürer: 174r (Tafel 145) zeigt den Entwurf einer Weltkugel.

17 Dünne (2011), S. 73; Robert (2012), S. 74, Anmerkung 76. 18 Ptolemaios (2006), Band 1, S. 53. 19 Dies ist seit dem Werk von Eratosthenes üblich, vgl. den Kommentar Anmerkung 1 in Ptolemaios (2006), Band 1, S. 53. 20 Nuti (1999), S.  90 zur Fehllesung der Stelle und den daraus abgeleiteten Vorstellungen im 16. Jahrhundert; Török (2017), S. 42. 21 Ptolemaios (2006), S. 55. 22 Lindgren (1995), S. 158–160; Kemp (1996), S. 60; Ramachandran (2015), S. 30/31. 23 Latour (1985), S. 29. 24 Bei Bogen/Thürlemann (2003), S. 11 der Hinweis auf den „idealen Blick des Eroberers, der von oben auf ein eingenommenes Gebiet schaut. Es ist der Blick, der nicht nur in der Schau sein Ziel findet, sondern im souveränen Zugriff: das eroberte Gebiet ist wie die am Anfang leere Fläche des Papiers dazu da, systematisch markiert zu werden.“ 25 Mercator (2012); Schlottmann/Wintzer (2019), S. 337–340.

426 I Globuspokale

26 Hajime Narukawa bildet mit seiner AuthaGraph World Map die Proportionen korrekt ab und erhielt dafür am 1. November 2016 den „Good Design Grand Award“ http://www.authagraph.com/ top/?lang=en [aufgerufen 2. Januar 2020], Schlottmann/Wintzer (2019), S. 329/330. Am 15. Februar 2021 veröffentlichten Richard Gott, David Goldberg und Robert Vanderbei ihre Unter­ suchungen zur Verzerrung von Landkarten: „Flat Maps that improve on the Winkel Tripel“, in der sie einen neuen kartographischen Entwurf (Double-Sided Gott Equidistant projection) präsentierten: https://arxiv.org/pdf/2102.08176v1.pdf [aufgerufen 29. März 2021], 27 Spode (2008), S. 24–26; Spode (2010), 700 Jahre Gold und Silberschmiedekunst in der Schweiz, in: Silberschatz (2004), S. 11–31, hier S. 22/23, verwendet das Bild der festlichen Tafel als Bühne für die vielfältigen repräsentativen Trink- oder Schenkgefäße. 28 Lehmann (1929), S. 6 zum Brauch der Schenkung von Trinkgeschirr als Ehrengabe. 29 Zitiert nach Scherner, Antje: Kat. Nr. 28: Windmühlenbecher von Georg Christoph I. Erhardt, in: Schatzkammer (2016), S. 74. 30 Furrer (2006). 31 Schatzkammer (2016), S.  74; Scherner (2011), S.  91–99; Scherner (2015), S.  145–162; Heikamp (1986), S. 26–33 mit vielen Belegen. 32 Zitiert nach Menzhausen (1963), S. 9; Lanmon (1993), S. 149: Moses Pflacher. Weinthewre oder Bericht aus Gottes Wort, woher und auss was Ursachen dise jetzige Weinthewrung entstanden, auch wie dieselbige abzustellen, Tübingen: Gruppenbach, 1589. 33 Heikamp (1986), S. 36. 34 Mathesius (1562), 16. Predigt Vom Glasmachen, fol. 268v/269r. 35 Zitiert nach Heikamp (1986), S. 36: „E torna assai bene, che dal sapore, dal colore, e dall’odore e la lingua, e l’occhio, e l’odortao, ciascuno tragga sua dilettanza, e sì l’un senso all’altro non porta invidia.“ 36 Ottomeyer (1997), S. 168/169 zu den landesherrlichen Schaubuffets als Instrumente des Macht­ anspruchs und der Identitätsstiftung. 37 Zum Kaiserpokal Czogalla (2007). 38 Basel, Historisches Museum, Inv. Nr. 1882.103. Meisterzeichen von Jakob Stampfer [IS], Beschauzeichen von Zürich. Zeller-Werdemüller (1898), S. 227; Lehmann (1908), S. 233; Rosenberg (1911), S. 940: Jakob Stampfer (Nr. 5752 b); Hahn (1915); Rosenberg (1928), Nr. 9035(6?) (Jakob Stampfer), Beschauzeichen „Z“; Wüthrich (1959), S. 65/66; Kish (1969), S. 75, datiert 1557 bis 1562, da er Amerbach als den Auftraggeber ansieht; Instrumente (1978); S. 11/12, Nr. 12; Lösel (1983), S. 295, Kat. Nr. 523e, Abb. 35 und 35a (Detail); Landolt/Ackermann (1991), S. 32; Nagel (1995), S. 84; Jenny (1995); Nagel (1996); Seidner (2006); Dekker (2007), S. 155 und Nr. 55; Horst (2007) datiert den Basler Pokal auf 1539; Nagel (2011); Nagel (2012); Haug (2016).

http://www.hmb.ch/sammlung/object/globuspokal.html [aufgerufen 26. November 2018].

39 Die Gesamthöhe des Artefakts beträgt 38 cm, der Durchmesser der Globuskugel 13,5. 40 Zum Begriff Dekker (2007), S. 147/148 mit Hinweis auf den Basler Globuspokal. Es gibt im 16. Jahrhundert insgesamt wenig kombinierte Erd- und Himmelsgloben (kosmographische Globen), zu nennen sind die Beispiel von Gemma Frisius (1508–1555) und Gerhard Mercator (1512–1594); der Globuspokal folgt dem Modell von Frisius. 41 Eingraviert sind die Ekliptik mit den Symbolen des Zodiakus und auf dem Globus selbst einige Sternpositionen, so beispielsweise über Südamerika die stella pegasus mit einfachem eingra­ viertem Sternsymbol, sowie der Polarstern, der große Bär, der Orion oder die Pleiaden, Nagel (1995), S. 84. 42 Kish (1969), S. 74; Nagel (1995), S. 83. 43 Nagel (2011), S. 196.

Anmerkungen I 427

44 Basel, Historisches Museum, Inv. Nr. 1905–364. Abbildung bei Nagel (2011), S. 196.

Gutmann, Veronika: Kat. Nr. 300, in: Führer (1994), S. S. 196. Nagel (2011), S. 195; Nagel (2012), S. 131.

45 Lehmann (2010), S.  268: „Addetur etiam quadrans cosmographo utilis. Ultimo loco quaturo ­Americi Vespucii subiungentur profectiones. Et cosmographiam tam solidam quam planam d­escribemus.“ In Minnesota befindet sich eine der Segmentkarten von 1507, Sumira (2014), Kat. Nr. 2, mit Abbildung sowie einem von ihr 2007 geschaffenen Faksimile-Globus, der die Segmente verwendet. Die UB München besitzt ein Exemplar der Cosmographiae Introductio und eine der Segmentkarten, Abb. in Weltvermesser (2015), Kat. Nr. 52, S. 239. Ein weiteres Exemplar entpuppte sich als Fälschung aus den 1960er Jahren https://epub.ub.uni-muenchen.de/13138/ [aufgerufen 17. November 2017: Die Segmentkarte]. 46 Bautz (1990), Sp. 615–616; Feger (1955), S. 288. Briefwechsel (1912), S. XVIII/XIX: Blarer verliert nicht nur sein Amt und geht ins Exil, sondern muss zudem noch 1000 Gulden Strafe zahlen. 47 Briefwechsel (1912), S. XVII. 48 Ambrosius Blarer wurde durch seinen Bruder Thomas Blarer angeregt, sich mit Luthers Lehre auseinanderzusetzen und kehrte 1522 nach Konstanz zurück, wo er ab 1525 öffentlich predigte; ab 1534 führte er im Auftrag von Herzog Ulrich in Württemberg die Reformation ein, Stupperich (1984), S. 39; Moeller (1964), S. 12. Zu Ambrosius Blarers Position zur Bildfrage in den schwäbischen Reichsstädten (er veröffentlicht u. a. 1523 die Bilderstreit-Schrift Wahrhafft verantwortung) Litz (2007), v. a. S. 41–56. 49 Feger (1955); Bautz (1990); er ging zusammen mit seinem Bruder Ambrosius auf die Besitzung seiner Schwester Barbara von Ulm in Grießenberg, vgl. dazu Briefwechsel (1912), S. VIII. 50 Die Unsicherheit kommt vor allem durch die eingravierten Jahreszahlen 1539 und 1552 im ewigen Kalender sowie die mit dem Wappen Amerbachs verbundene Jahreszahl 1557, Kish (1969), S. 74/75; Horst (2007) datiert auf 1539 nach dem Nancy Globus als noch früheren Gobuskelch (die ältere Forschung datiert den Nancy-Globus auf 1530/1540, heute wird er Abraham Gessner zugeschrieben und auf „nach 1569“ datiert, siehe Kapitel 3.2). Auch Geiger (1981), S. 28 datiert auf 1539; Lösel (1983), S. 295 vermutete noch Bonifacius Amerbach als Auftraggeber mit dem Jahr 1557. 51 Jenny (1995); Nagel (1995), S. 85: „1539 ist das erste Jahr eines neunzehnjährigen Mondzyklus im julianischen Kalender (ein Jahr also, da die goldene Zahl 1 hat), und 1552 ist eines der fünf Schaltjahre in diesem Zyklus. Es ist also anzunehmen, dass der Kalender auf dem Fuß des Globuspokals für den Gebrauch im Mondzyklus von 1539 bis 1558 entworfen wurde und – noch präziser – dass er für die Jahre kurz vor oder nach 1552 gedacht wurde. Diese Hypothese wird durch die An­ gaben im Index bestätigt. Dort dienen die Jahre 1539 und 1552 als Exempla, an denen der Benutzer seine Fertigkeiten zum Kalendermachen üben kann.“ 52 Nagel (1995), S.  86; Nagel (1996), S.  28–31; Nagel (2012), S.  131: 1552; Egger (2014), S.  11: 1550/1552. 53 Basel, Universitätsbibliothek, G II, 15, 246, abgedruckt in Briefwechsel (1912), Nr. 1941, S. 266/267. 54 Briefwechsel (1912), S. 266, Nr. 1941. Im Auszug zitiert bei Nagel (2011), S. 194, nach der Amerbachkorrespondenz, Band IX, 2, 1983, S. 399, Nr. 3805. 55 Briefwechsel (1912), S. 268 (Basel, Universitätsbibliothek, G II 15, 247): Nr. 1943, Thomas Blaurer schreibt an Bonifacius Amerbach am 26. Oktober 1554. Briefwechsel (1912), S. 268, Nr. 1944, vom 26. Oktober 1554, Brief von Johannes Jung an Ambrosius Blaurer. 56 Briefwechsel (1912), S. 274/275, Nr. 1951: Briefwechsel (1912), S. 274/275, Nr. 1951, Brief von Bonifacius Amerbach an Thomas Blarer vom 15. November 1554. 57 Briefwechsel (1912), S. 280/281, Nr. 1959, Briefwechsel (1912), S. 280/281, Nr. 1959, Brief von Thomas Blarer an Bonifacius Amerbach vom 22. Januar 1555 (Basel, Universitätsbibliothek, GII 15, 248).

428 I Globuspokale

58 Universitätsbibliothek Basel, F. IX. 26, http://doi.org/10.7891/e-manuscripta-15685 [aufgerufen 20. Dezember 2019], fol. 3r. 59 Briefwechsel (1912), S. 289, Nr. 1968, Basel, Universitätsbibliothek, GII 15, 244, Thomas Blarer an Bonifacius Amerbach am 14. Februar 1555. 60 Briefwechsel (1912), S. 289, Nr. 1969. Briefwechsel (1912), S. 289, Nr. 1969, Basel, Universitäts­ bibliothek, GII 15, 249, Thomas Blarer an Bonifacius Amerbach, 20. Februar 1555. 61 Δαίδαλος von δαιδάλλειν, daidallein, „kunstvoll arbeiten“. 62 Salerno (1963), S.  195 zu den frühneuzeitlichen Sammlungsbezeichnungen von Gemmen mit ­Bezug zu Plinius. 63 Briefwechsel (1912), S. 294/295, Nr. 1973; Briefwechsel (1912), S. 294/295, Nr. 1973, Bonifacius Amerbach an Thomas Blarer, 10. März 1555. 64 Briefwechsel (1912), S. 300, Nr. 1981: Brief von Bonifacius Amerbach an Thomas Blarer, 23. April 1555; Briefwechsel (1912), S. 309/319, Nr. 1990: Thomas Blarer an Bonifacius Amerbach, 28. Mai 1555 (Basel, Universitätsbibliothek GII 15, 251); Briefwechsel (1912), S. 333/334, Nr. 2011, Bonifacius Amerbach an Thomas Blarer, 20. August 1555; Briefwechsel (1912), S. 342/343, Nr. 2018 (Basel, Universitätsbibliothek, GII 15, 253), Thomas Blarer an Bonifacius Amerbach, 27. Oktober 1555: „Du überlässt mir die Wahl, ob Du den Becher mir zurücksenden oder behalten sollst; doch habe ich Dir schon angezeigt, dass Du mir durch den Kauf einen großen Gefallen erweisen könntest, und bleibe dabei, indem ich mich freue, dass er zum Hausrat eines so reichen und gelehrten Mannes gehört. Ich sende Dir also den Rest der Summe, 2 Goldgulden, gemäß unserer Abmachung.“ 65 Briefwechsel (1912), S.  343, Nr.  2029, Brief von Thomas Blarer an Bonifacius Amerbach, Basel Universitätsbibliothek GII 15, 254. Nagel (2012), S. 132/133, über Erbschaft kam er an dessen Sohn Basilius und dann an Faustina Iselin Amerbach. Durch den Ankauf der Amerbachschen Kunstsammlung im Jahr 1661 durch die Stadt Basel im Jahr 1661 ans Historische Museum. 66 Gessner (2015), S. 75/76 betont, dass die Zusammenarbeiten zwischen Gelehrten und Künstlern/ Kunsthandwerkern bei der Erschaffung von mathematischen Instrumenten und Modellen keineswegs ungewöhnlich war – und verweist auf die Bedeutung dieser Kooperationen für die Entwicklung des frühneuzeitlichen Wissenschaftsverständnis. 67 Lösel (1983), S. 42–44; Schwarz (1983), S. 92: ab 1502 in Zürich, dort auch tätig als Rat und Zeugherr, seit 1524 als Münzwardein. 68 Kunst (1981), S. 189; Schwarz (1983), S. 92/93. 69 Lassner, Martin: s. v. Stampfer, Jakob, in: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhs-dss. ch/textes/d/D18195.php [aufgerufen 8. Oktober 2015]; Lehmann (1908), v. a. S. 227–229 zu den Lebensdaten, S. 230/231 zu den Porträtmedaillen. 70 Geiger (1981), S. 28: Zürich, Basel und Bern waren die wichtigsten Münzorte innerhalb der Alten Eidgenossenschaft; Bern übernahm die Prägung von Großsilbermünzen aus Oberitalien und Tirol, Zürich folgte, ab 1500 prägten Ludwig Gesell und Ulrich Trinkler, ab 1504 wurde ein Goldgulden geschlagen (Privileg zur Goldprägung 1521 durch Karl V.). 71 Straßburg, Musée de l’œuvre Notre Dame, Inv. Nr. 1–8998; Hahn (1915), S. 15–17 und S. 79/80; Hayward (1976), S. 104, 364 und Abb. 287; Kunst (1981), Kat. Nr. 265, S. 212, Abb. 213; Lösel (1983), S. 43 und S. 294 mit Kat. Nr. 523b und Abb. 34–34c. 72 Jakob Stampfer schuf im Jahr 1539 auch von Ambrosius Blarer eine Medaille – so dass erneut die Nähe zu Thomas Stampfer nachweisbar ist, Schwarz (1983), S. 93; Egger (2014), S. 11. Ein Exemplar davon befindet sich im Landesmuseum Württemberg, Münzkabinett Kunst- und Kulturgeschichtliche Sammlungen, Inv. Nr. MK 4565; Moeller (1964), Abb. 1. b, in München, Staatliche Münzsammlung. Klein/Raff (1997), S. 182, Nr. 26. Klein/und Raff (1997), Reformationsmedaillen, S. 184/185, Nr. 27; weitere Versionen der Medaille dort Nr. 28 (S. 185), Nr. 29 und Nr. 30 (S. 186).

Anmerkungen I 429

73 Lösel (1983), Kat. Nr. 523c und 523 d, S. 294 und Abb. 36 und 37. 74 Lösel (1983), S. 42 und S. 294 mit Kat. Nr. 523 a und Abb. 33. Lösel vermutet, das Werk sei in der väterlichen Werkstatt als Gesellenstück entstanden. 75 Habich (1929), Abbildungen auf Tafel 106–108 (CVI-CVIII); Geiger (1981), S. 27/28 nimmt an, dass Stampfer die Medaillenkunst während seiner Wanderzeit bei Ludwig Krug oder Friedrich ­Hagnauer gelernt habe. Kunst (1981), S. 189 und Kat. Nr. 220, 221 und 222; dort weitere Medaillen, Kat. Nr. 223–233; allegorische Medaillen Kat. Nr. 234–239; religiöse Thematik Kat. Nr. 240– 248; Medaillen mit historischem Inhalt Kat. Nr. 249 (1547 Taufmedaille für Prinzessin Claudia von Frankreich), 250 (Rütlischwur), 251 (Gotteshausbund); Schwarz (1983), S.  92–94; Winterstein (2012), Kat. Nr. 6 (Medaille 1531 auf den Tod von Johannes Oekolampad und Ulrich Zwingli; 6a: in Silber gegossen, 6b: in Blei gegossen); Kat. Nr. 8 (Medaille 1540 auf Johannes Fries); Kat. Nr. 9 (Einseitige Medaille o. J. (um 1540) auf Johannes Fries); Kat. Nr. 10 (Medaille 1541 auf den Tod von Simon Grynaeus). 76 Schwarz (1983), S. 93: „Ich glaube nachgewiesen zu haben, dass er Zwingli bei Lebzeiten – ad vivum – porträtierte, und dass alle späteren gemalten und plastischen Bildnisse Zwinglis auf diese Stampfer-Medaille zurückgehen.“ 77 Kunst (1981), S. 56/57, Kat. Nr. 16, heute verwahrt im Depot der Zentralbibliothek des Kunst­ hauses Zürich, Inv. Nr. 1835: Das Porträt zeigt den aus Konstanz zugewanderten Goldschmied, Münzprobierer und Zeugmeister Hans Ulrich I Stampfer mit der Aufschrift IMAGO IOHANNIS HVLDRICHI STAMPF ANNO AETATIS SVAE 64 / 1540 und dem Monogramm HA. 78 Ein vergoldeter Silberguss der Medaille im Historischen Museum Basel (Inv. Nr. 1960.293), Abbildung bei Egger (2014), S. 7 und Winterstein (2012), Kat. Nr. 8a; das Schweizerische Landes­museum in Zürich besitzt einen Bleiguss der Medaille sowie das Modell aus Jurakalk (quadratische Platte mit einer Höhe von 38 mm), Winterstein (2012), Kat. Nr. 8b für die in Blei gegossene Version (Zürich, Landesmuseum, 12) und Kat.  Nr.  9 für die einseitig in Blei gegossene Probe (Zürich, Landes­museum, 2276); Abbildung bei Boesch (1948), Tafel 41, Nr. 2; dort auch die Medaille auf Johannes Oekolampad und auf Huldrych Zwingli mit Vorder- und Rückseite aus dem Schweizerischen Landesmuseum; Winterstein (2012), Kat. Nr. 6 mit Abbildungen der Medaillenversionen aus Basel, Historisches Museum, Inv. Nr. 1905.955 und 1905.1868. 79 Die Kopie des Briefes befindet sich in der Zentralbibliothek Zürich ms S 73.26 ex autogr. in Msc. To. III no. 369 scriniii Eccl. Argenti, das Original im Stadtarchiv von Straßburg, zitiert nach Boesch (1948), S. 65/66. Keine der drei genannten Medaillen mit dem Bildnis von Dryander ist erhalten. 80 Boesch (1948), S. 65/66: „Valorem ipsius argenti ex ipsius chirographo cognosces; nam praeter argentum nihil computavit, cum tamen horum trium Nummorum facturae pretium fere ad 1 fl. ascendat. Deinde pro ipsa sculptura plane nihil petiit, sed tuam liberalitatem (cum sit ars libera) expectare voluit; nullo enim, inquit, pretio potuisset adduci ad hunc laborem subeundum, si non ingenium tuum liberum agnovisset. Quare cum ita sit, facile erit iudicare, quid illi sit dandum.“ 81 Boesch (1948), S. 67: „Praeterea rogo te, ut aut nunc aut proximis nundinis ad me mittas duas H. Zwinglii imagines argenteas minimi quo inveniuntur pretii. Velim enim alteram D. M. Lonicero praeceptori meo primato, alteram Chasparo Rodolpho Dialectis professori, viris optime mihi faventibus et nostrae religionis amatoribus summis, dono dare. Orabis quoque Stampferum, ut eandem imaginem calamo depingere dignetur. [...] Quare ea forma eam fieri velit, ut etiam psalteriis minoribus imprimi possit. Tu quaseo haec, quae tua est erga hung virum reverentia, haec curare velis.“ 82 Ein weiterer Brief von Bullinger (an Wolfgang Weidner in Worms) bezieht sich erneut auf ­Stampfer und zeigt die hohe Achtung, die dieser Meister genoss, Lehmann (1908), S. 234/235. 83 Boesch (1948), S. 65: „de Poculo nobis aliquid certi scribe.“

430 I Globuspokale

84 Boesch (1948), S. 66: „Artificem nostrum de Poculo conveni. Is se facturum insigne et mirabili ­artificio, praesertim si historia Jsaaci huic inseritur, poliicitus est, nam hanc ex omnibus pulcherrimam futuram in hac arte punctandi, ut vocant, ipse affirmat. Sed tempus illi est tribuendum ad hoc opus absolvendum idoneum. Ad haec sumptum, quem in hoc expendere velis, ei indicavi. Cupit scire, quam formam habere depeat. Tu illi unam et alteram praescribe, vel ipsius iudicio (quod mihi magis placet) committe.“ Auch diese Briefkopie in der Zentralbibliothek Zürich, ms S73.81 ex autogr. in Msc. vol IV no. 73 scrinii Eccl. Argent. 85 Universitätsbibliothek Basel, F. IX. 26, Digitalisat http://doi.org/10.7891/e-manuscripta-15685 [aufgerufen 12. Dezember 2019]. Pergamentumschlag mit Ledernesteln zum Zubinden, ca. 10 x 15 cm. Der Band ist durchgehend foliiert (Titelblatt fol. 1 bis 78), Jenny (1995), S. 86. Die beigebundenen dreizehn Holzschnittkarten auf fol. 79–91; Seidner (2006), S. 229. 86 Nagel (1995), S.  85: „Der Index bestätigt, was die wissenschaftliche Untersuchung des Pokals zeigte: Sphäre und Globus sind nicht nur zur Betrachtung, sondern zur vielfältigen praktischen Anwendung gedacht. Zum Beispiel lassen sich mit ihnen Tages- und Nachtstunden, Gestirnhöhen und -abstände messen, Auf- und Untergangszeiten der Sonne sowie die Tageslängen berechnen, oder es kann das Datum des Osterfestes und damit der gesamte Festkalender für jedes julianische Jahr bestimmt werden.“ 87 Nagel (1996), S. 24/25 mit Abbildung von fol. 45r. 88 Nagel (1995), S. 85; Nagel (1996), S. 24. 89 Universitätsbibliothek Basel, F. IX. 26, fol. 2v: „Ut sine dubio Diogenes ille, poculum suum non abyecisset, si tam multis usibus aptum fuisset“. Ich danke Fritz Nagel für die Überlassung der Transkription. 90 Universitätsbibliothek Basel, F. IX. 26, fol. 2v, mit herzlichen Dank an Fritz Nagel für die Übersetzung. 91 Universitätsbibliothek Basel, F. IX, 26, fol. 3r; ich danke Fritz Nagel für die Übersetzung. 92 Briefwechsel (1912), S. 294/295, Nr. 1973. Hinweis auch bei Nagel (2011), S. 196. 93 Nagel (2011), S. 196 zitiert die Stelle: „Dans le tems que de Thou le regardoit avec attention, il s’ouvrit par le milieu, et l’on remplit les deux moitiés de vin, dont on bût à la santé de M. de Thou, suivant l’usage du pais.“ 94 Simek (1992), S. 66–73 zur mittelalterlichen Vorstellung der terra australis incognita und den dort lebenden „Antipoden“; Große (2015). 95 Dies wird auch aus dem Briefwechsel zwischen Stampfer und Amerbach ersichtlich, in dem Stampfer betont, dass er den Pokal gerne innerhalb der Sammlung des Basler Humanisten sehen würde. von Philippovich (1961), S. 25 unterscheidet metallene Globen (weniger nachvollziehbar) nach drei Kategorien: „1. Globen, die als Instrumente zu betrachten, jedoch nicht für andere Funktionen verwendbar sind. 2. Globen, die als Globusbecher verwendet werden können. 3. Globen, die sich als Kerzenleuchter gebrauchen lassen.“ 96 von Philippovich (1962), S. 144; Lösel (1983), S. 44/45. Gessner schrieb sich zunächst – wie sein Vater und Großvater – in die Krämerzunft Zur Saffran ein, wechselte dann aber in die Zunft zur Meisen (1579, Weinschenke und Maler). Für diese Zunft fertigte er einen nicht erhaltenen Pokal in Form einer Meise an, Silberschatz (2004), Kat. Nr. 30; 40 und Kat Nr. 44. 97 Rosenberg (1911), S.  941 nennt drei Globuspokale mit dem Gessnerschen Meisterzeichen: Nr.  5755: Kat.  Nr.  15 (Zürich), mit einem Rosenberg damals nicht bekannten Beschauzeichen; Kat. Nr. 7 (Ribeauville), ohne Beschauzeichen und Kat. Nr. 13 (Los Angeles), mit dem Beschauzeichen Nr. 5743 (Zürich); Rosenberg (1928) kennt vier Globusbecher: Nr. 9037k (Kat. Nr. 7/Ribeauville), Nr. 9037l (Kat. Nr. 14/Los Angeles), Nr. 9037m (Kat. Nr. 15/Zürich) und Nr. 9037n (Kat. Nr. 12/ Waldburg-Wolfegg).

Anmerkungen I 431

98 Lösel (1983), S. 40. Auch Jost Amman ist gebürtiger Zürcher, der 1561 nach Nürnberg übersiedelte um bei Virgil Solis zu lernen; später lieferte er Entwürfe für Abraham Gessner, O’Dell-Franke/ Szilágyi (1983); O’Dell-Franke (2009). 99 Er wohnte zudem in direkter Nachbarschaft zur Froschauerschen und Gessnerschen Druckerei, Lösel (1983), S. 44. 100 Lösel (1983), S. 44. 101 Lösel (1983), S. 45–49 und S. 194–198, Kat. Nr. 180a (Fußschale von 1576, Hirsebreifahrtschale), Abb. 48, 48a, 48b, S. 361; Kat. Nr. 180b (Fußschale von 1570/80, Darstellung der Verkehrten Welt, Zunft zum Widder), Abb.  49, 49a, 49b, 49c, S.  362; Kat.  Nr.  180c (Sinnbilder-Schale/Wucher), Abb. 50, S. 362; Kat. Nr. 180d (Untergang der Niobiden), Abb. 51, 51 a, S. 363; Kat. Nr. 180e-l (Schalenböden aus einem Monats- und Planetenzyklus, Lösel (1983), S. 48/49). Silberschatz (2004), S. 65, Kat. Nr. 30: Fußschale für die Zürcher Zunft zum Widder (Metzger) mit der Darstellung der verkehrten Welt; S. 76, Kat. Nr. 40: Fußschale von 1576, für das Schützenfest in Straßburg. 102 Lösel (1983), S. 50. 103 Dekker (2007), S. 155/156. 104 Eva-Marie Lösel unterschied drei Gruppen, unterteilte die dritte Gruppe aber noch in drei Untergruppen, Lösel (1983), S. 50; Alexis Kugel übernahm in Teilen dieses Schema und unterteilte die Globuspokal von Gessner und seiner Werkstatt in fünf Gruppen (Gruppe 3, 4 und 5 sind die ­Untergruppen von Lösels dritter Gruppe), Kugel (2002), S. 72. 105 Noch Lösel (1983) und Kugel (2002) folgen dieser Ansicht; zu den Karten von Fine und seiner herzförmigen Projektion Karrow (1993), S. 179, Nr. 27/4; Pelletier (1995); Briost (2009); Mosley (2009). 106 Monde (2013), S. 212: Dazu zählen beispielsweise die Verbindung von Amerika und Asien im nord-östlichen Bereich. Dekker (2010), S. 169 zur Weltkarte von Vopelius von 1545, die in zweiter Auflage 1549 erschien; Meurer (2007), S.  1220, Anmerkung 312. Die Weltkarte von Giovanni ­Andrea Vavassore von 1558 ist ein Kopie der Karte, Shirley (1983), Kat. Nr. 102, S. 115, ebenso die Weltkarte von Bernaard van den Putte von 1570, Shirley (1983), Kat. Nr. 123, S. 146 und S. 148/149, Tafel 106; vgl. Dekker (2010), S. 181–184. Vopelius selbst vermerkt auf seiner Europakarte von 1566, dass der venezianische Drucker und Kartograph Vavassore seine Weltkarte nachgedruckt habe, Koch (1937), S. 22. 107 Kish (1969), S. 77; De Costa (1881), S. 183–187 und Harisse (1892), Nr. 223; Lösel (1983), S. 198, Kat. Nr. 180z. Inv. Nr. 95–974; Dekker (2007), S. 112; Monde (2013), Kat. Nr. 9, S. 212/213. Vgl. Batême (2007), S. 71. 108 Monde (2013), Kat Nr.  9, S.  212. Aus dem Couvent des Tiercelins in Saxon-Sion (Meurthe-etMoselle) kam er in die Bibliothèque Municipale von Nancy, 1878 ins Musée Lorrain, Inv. Nr. D.95.974., Höhe 46 cm; der Pokal wird von einer Armillarsphäre bekrönt, der Fuß ist von einer buntemaillierten Platte verschlossen, die Paradiesvögel um eine Eule in Rankenwerkt zeigt. 109 Dieses spätere Datum wird auch wahrscheinlich, da auf dem Globuspokal in Nancy der Amazonas eingezeichnet ist, der 1539 erforscht wurde – dort allerdings nicht namentlich bezeichnet ist, anders als der zweite große südamerikanische Strom La Plata, der sich ebenfalls auf den Pokalen findet. 110 The British Museum, London, Franks Bequest, Nr.  70; AF 3060, aus der Sammlung des Earl of ­Carlisle, Durchmesser 15  cm, Gesamthöhe beträgt 34,3  cm. http://www.britishmuseum.org/ research/collection_online/collection_object_details.aspx?objectId=38780&partId=1&searchText= globe+cup&page=1 [aufgerufen 8. September 2018]. Read/Tonnochy (1928), S. S.  25–27, Kat. Nr. 70 und Tafeln 34/35 (lokalisieren nach Frankreich); Hernmarck (1978), S. 112; Lösel (1983), S. 198, Kat. Nr. 180a1; Kugel (2002), S. 70, Nr. 2; Dekker (2007), Nr. 113.

432 I Globuspokale

111 Monde (2013), S. 212. 112 van den Broecke (2011), S. 15 zur ersten Kartensammlung (mit 38 Exemplaren), die Ortelius auf Anregung des Kaufmanns Aegigius Hooftman zusammenstellte. Zum Austausch innerhalb des Gelehrtennetzwerk von Ortelius, zu dem auch Künstler wie Hoefnagel und Breughel zählten Meganck (2017), S. 15–35. 113 van den Broecke (2009), S. 15: Das Theatrum Orbis Terrarum zählt nicht allein zu den teuersten jemals hergestellten Büchern, sondern erschien auch in 35 Auflagen, davon dreizehn in Latein, fünf in Deutsch, fünf in Französisch, fünf in Spanisch, vier in Niederländisch, zwei in italienischer Sprache und eine in Englisch. Die erste Auflage enthielt 53 Kartenseiten, die späteren Ausgaben haben 166 Kartenseiten; S. 16: Ortelius nennt in der Auflage von 1570 die Namen von 87 Kartographen, deren Vorbilder er nutzte (Catalogus Auctorum), 1601 ist die Zahl auf 183 Namen gewachsen; S. 28/29 listet in tabellarischer Form alle Auflagen mit den dort vorhandenen Karten, vgl. van den Broecke (2011), S. 23–28; Monde (2013), S. 212. 114 van den Broecke (2011), S. 69–72; Shirley (1998), S. 175– 177 weist darauf hin, dass diese Karte auf Mercators Weltkarte von 1569 basiert. 115 van den Broecke (2011), S. 73/74. 116 van den Broecke (2011), S. 75–77.

http://www.orteliusmaps.com/ortindexnumber.html [aufgerufen 10. Oktober 2018] schlägt basierend auf Koeman/Meuer und auf Krogt eine andere Datierung vor: Erste Weltkarte, 1570 bis 1584; Zweite Weltkarte, 1588 und Dritte Weltkarte, 1587 bis 1612; Shirley (1998), S. 180, schreibt, dass die dritte Weltkarte zwar 1587 datiert ist, aber nicht vor 1592 erschien.

117 van den Broecke (2011), S. 91–93. 118 van den Broecke (2011), S. 94/95. Erneut variiert die Datierung von http://www.orteliusmaps.com/ ortindexnumber.html [aufgerufen 10. Oktober 2018]: 1. Amerika-Karte Ort9 (Americae): 1570– 1575; 2. Version, Ort 10 (Americae): 1579–1584 und 3. Version, Ort 11 (America): 1587/1592–1612 119 van den Broecke (2011), S. 29. 120 van den Broecke (2011), S. 93 schreibt, dass zwischen Ort9 und Ort10 keine Aktualisierung stattfand. Zur Ort11 bemerkt van den Broecke (2011), S. 98: „This plate without a bulge in the west coast of South America is the successor of plate Ort10, which still has the bulge in the coast of South America. In this plate, there is also additional information on Terra Australis, Solomon ­Islands (discovered in 1568 by Pedro Samiento and Alvaro de Mendana) and added locations and notes on the west coasts of North and South America, possibly after Hakluyt. New cartouche in North America. Quite a few of the new place names apperaring along the North Amercan west coast were provided to Ortelius by Hakluyt on the basis of recent explorations, which were not published for political reasons.” Zu den Karten und den einzelnen Auflagen siehe Van der Krogt, die Bearbeitung in Koeman’s Atlantes Neerlandici, S. 33–252, 2003 und van den Brocke (2011), tabellarische Übersicht S. 23–26. 121 Shirley (1998), S. 181, Abb. 7 bringt beide Versionen nebeneinander, in der zweiten Version ist die Terra del Fuego als Insel eingezeichnet. 122 Dazu zählt der nordöstliche Küstenverlauf von Nordamerika um das dort eingezeichnete Estotiland. 123 Kugel (2002), S. 70, Nr. 3 und S. 72, Nr. 3, 4 und 5. Kugel (2002), S. 72 zum von ihm neu hinzu­ gefügten Genfer Globuspokal. 124 Boston, Museum of Fine Art, Inv. Nr. 2006.1178. Gute Detailaufnahmen finden sich auf der Homepage des Museums [https://collections.mfa.org/objects/481293, aufgerufen 8. Februar 2020]. ­Kugel (2002), S. 68–70 datiert den Pokal auf um 1595, Silber und vergoldetes Silber, Höhe 490 mm und Durchmesser 138; seiner Meinung trägt der Globus eine Karte, die nach Gérarde de Jodes

Anmerkungen I 433

Speculum Orbis Terrarum (Ausgabe 1593) und der Weltkarte von Petrus Plancius, die 1594 in Amsterdam veröffentlicht wurde, gestaltet ist. 125 Durchmesser von 16,8  cm Höhe 50,5  cm. https://www.mfa.org/collections/object/covered-cupglobuspokal-481293 [aufgerufen 8. Oktober 2018]. Lösel (1983), S. 196/197, Kat. Nr. 180p; Kugel (2002), S. 60–67 mit guten Abbildungen; Michie (2014), S. 16/17. Seit 1952 im Besitz von Kugel, der den Pokal von Botho Seutter von Loetzen ankaufte, einem Nachfahren von Matthäus Seutter (1678–1756), einem Globenbauer und Kartographen in Augsburg, dem der Pokal gehörte. Der Globuspokal wurde 2006 aus der Sammlung Alexis Kugel für das Museum of Fine Arts in Boston angekauft. 126 Kugel (2002), S. 62. 127 Der in Bologna geborene Autor (Ludwig Vartomann, Barteme Ludovico oder Vartomanus) reiste zwischen 1501 und 1507 in Asien. Seine Reise schilderte er in einem Bericht, der unter dem Titel Itinerario 1510 erstmals auf Italienisch erschien und bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts viele Übersetzungen und Auflagen erhielt, Varthema (1996). Van Duzer (2010), S. 70 schlägt vor, dass ­Johann Schöner für seinen ersten Globus von 1515 den Reisebericht Varthemas rezipiert und von dort die Bezeichnung Goa übernimmt (in dem Bericht allerdings als Goga verzeichnet). Die Weltkarte von 1532 (Typus Cosmographicus Universalis) von Sebastian Münster bringt ein Bild von Vartomanus als Wanderer auf der unteren Randleiste. 128 Abb. bei Kugel (2002), S. 63. 129 Abb. bei Kugel (2002), S. 62; Michie (2014), S. 61. 130 50,5 x 16,8 cm; Inv. Nr. 2006.1178; Schweiz (Zürich), um 1580–1590, Abraham Gessner (1552–1613) zugeschrieben; Michie (2014), S. 61. 131 Wien, KHM, Inv. Nr. KK_1182: http://www.khm.at/objektdb/detail/87381/?offset=0&lv=list [aufgerufen 2. Dezember 2018]. Höhe 54 cm; Silber, vergoldet; Höhe der Statuette 16 cm. Kris (1932a), Kat. Nr. 67, Tafel 20 und 82, S. 43; Planiscig/Kris (1935), Saal XII, Vitrine Goldschmiedearbeiten, Nr. 23; Liste (1954), S. 19, Nr. 143 und S. 29; Lösel (1983), S. 196, Kat. Nr. 180n; Mokre (1997), S. 72; Modelle (1997), S. 335; Kugel (2002), S. 72, Nr. 5; Dekker (2007), S. 156, Abb. 6.12, bringt den Globuspokal mit der Datierung auf 1587. 132 Ambras, Inventar von 1596, fol. 62. 133 Schloss Rosenborg, Inv.  Nr.  7–116, Durchmesser von 18,5  cm, Höhe 53,5  cm; von Philippovich (1958); von Philippovich (1961), S. 25/26 und Abb. 1; Hernmarck (1978), S. 112 (ohne Abbildung); Lösel (1983), S. 196, Kat. Nr. 180o; Kejlbo (1995), S. 103, 105–108, 188/189; Kugel (2002), S. 72, Nr. 4. 134 Zitiert nach von Philippovich (1958), S. 85: „Den 14. [September 1749]. Einen grossen Pocal von Silber und vergoldet den Globus Terestris vorstellend, oben ist eine Sphaera und ist solcher den allergn. König F5 von armen Juden in Aldona übergeben worden, angefüllt mit Dukaten [...], aus: Einnahme wass auf der Königlichen Kunst und Rariteten Kammer auf allergnädigsten Befehle zu verwahren erhalten und nicht in dem Inventario enthalten. Anno 1737, den 17. Decber Johann Salomon Wahl königl. Majest. bestlder Kunst-Kämmerer.“ 135 Genf, Musée d’Art et d’Histoire, AD 17075; Kugel (2002), S. 72; Dekker (2007), Nr. 114; Terre & Soleil, Ausst. Kat. Genf, 2015/2016. Durchmesser 17 cm. 136 Monde (2013), S. 212; Bimbenet-Privat/Kugel (2017), Kat. Nr. 85, S. 265 vermuten, dass Gessner über gute Kontakt zu Kartographen in Antwerpen und Amsterdam verfügte und daher der Pokal aus Ribeauvillé schon 1588 hergestellt wurde und dennoch kartographische Details enthalten kann, die Plancius erst 1590 publizierte. 137 Ribeauvillé (Rappoltsweiler), Hotel de Ville, um 1590, Silber; Höhe 46 cm, gestempelt mit dem Meisterzeichen (G), aber ohne Beschauzeichen; Zeller-Werdemüller (1898); S. 229/230; Rosenberg

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(1911), Nr. 5755f; Rosenberg (1928), Nr. 9037k; Usteri (1948), S. 205, Nr. III; Zinner (1967), S. 321; Lösel (1983), S. 197, Kat. Nr. 180q; Bimbenet-Privat/Kugel (2017), Kat. Nr. 85, S. 265. 138 Die erstaunliche Größe des Zirkels lässt vermuten, dass er eine spätere Hinzufügung ist, ­Bimbenet-Privat/Kugel (2017), S. 262: Die dort vorgeschlagene Deutung der Figur als Allegorie der Astronomie ist möglich, aber nicht zwingend. 139 Bimbenet-Privat/Kugel (2017), Kat. Nr. 85, S. 262. 140 Lösel (1983), S. 45, Kat. Nr. 180q; Kugel (2002), S. 60. Nach Aufenthalt im Württembergischen verstarb er 1513 in Stühlingen in Baden; Täufer (2007), S. 145–147. 141 Lösel (1983), S. 197, Kat. Nr. 180r, Inv. Nr. 1882.102 142 Lösel (1983), S. 50/51; Kugel (2002), S. 72. 143 Hayward (1976), S.  392, Abb.  556; Hernmarck (1978), Abb.  194 (sw) und S.  112; Lösel (1983), S. 197, Kat. Nr. 180s; Kugel (2002), S. 72, Nr. 9; Dekker (2007), Nr. 153. 144 Einer weiteren Version zufolge schenkte Drake den Pokal an die Königin im Jahr 1582. 145 Basel, Historisches Museum, Inv.  Nr.  1882.101; Major (1930), Tafel  XII; Lösel (1983), S.  197, Kat. Nr. 180t. 146 Zürich, Inv. Nr. Dep. 386, Depositum der Zentralbibliothek, Beschau: Zürich 361. Lehmann (1929), Tafel XVIII; Usteri (1948), S. 205: Nr. I.; Gruber (1977), Kat. Nr. 245, mit Farbabbildung auf S. 163; Lösel (1983), S. 197, Kat. Nr. 180u; Silberschatz (2004), S. 80, Kat. Nr. 44. Usteri (1948), S. 205 diskutiert diesen und drei weitere Becher; Silberschatz (2004), S. 80, Kat. Nr. 44: „1673 angeschafft, diente dieses Gefäß, dessen Weltkarte dem um 1600 modernsten Stand der Wissenschaften entsprach, beim geselligen Zusammentreffen dem Diskurs der gelehrten Mitglieder der Gesellschaft der Chorherren wie dem Trinkgenuss.“ Lösel (1983), S. 197; Kugel (2002), S. 72. 147 leuga ist die gallische Meile, also ca. 2,25 km 148 Fischer (1911) und Fischer (1903) zu seiner Entdeckung im Jahr 1901 der Amerika-Karte im sogenannten Schöner-Sammelband, eine Zusammenstellung von kartographischem Material um 1516 in der Bibliothek von Johannes Waldburg-Wolfegg; Globusbecher von Abraham Geßner, ­Wolfegg, Fürstlich Waldburg-Wolfeggsche Bibliothek, Höhe 58 cm, 1779 im Testament des Grafen Ferdinand von Waldburg-Wolfegg genannt. Fauser (1967), S. 116–119 mit Farbabbildung S. 117; Fischer (1911), S. 111–114; Rosenberg (1928), Nr. 9037n; Usteri (1948), S. 205, Nr. IV: Globusbecher beim Fürsten von Waldburg-Wolfegg; Zinner (1967), S. 321; Lösel (1983), S. 197, Kat. Nr. 180v; Kugel (2002), S. 72, Nr. 12. 149 LACM, William Randolph Hearst Collection, Inv. Nr. 51.13.9a und b, aus der Sammlung Rothschild 1937 durch William Randolph Hearst angekauft. https://collections.lacma.org/node/230090 [aufgerufen 2. Dezember 2018]. Abraham Gessner (1552–1613), um 1600; keine Marke, Höhe 59,7 cm; Rosenberg (1911), Nr. 5755g, mit dem Meisterzeichen von Abraham Gessner und dem Zürcher Beschauzeichen; Rosenberg (1928), Nr. 9037l; Catalogue (1937), Lot 272; Lösel (1983), 180w gibt den Pokal seit der Versteigerung 1937 der Sammlung Rothschild als verschollen an und nennt die auf dem Fuß (silbergetriebene) Darstellung der vier Winde; Kugel (2002), S. 72, Nr. 13; Hearst (2008), Kat. Nr. 50 (Thomas Michie), S. 180/181; Keene (2019), S. 105 und 106, Abb. II.2. 150 Basel, Historisches Museum, Inv. Nr. 1966.1; Lösel (1983), S. 198, Kat. Nr. 180x. 151 Zürich, Schweizer Landesmuseum, Inv.  Nr.  LM 6057. Beschauzeichen von Zürich (361), kein ­Meisterzeichen, datiert auf 1602, Höhe 63,5 cm. Rosenberg (1911), Nr. 5755e, S. 941; Rosenberg (1928), Nr. 9037m; von Philippovich (1958); Wüthrich (1959); Gruber (1977), S. 162, Kat. Nr. 244, mit Farbabbildung S. 163; Hernmarck (1978), Abb. Nr. 195; Lösel (1983), S. 198, Kat. Nr. 180y; Kugel (2002), S. 72, Nr. 15; Usteri (1948), S. 205: Nr. II. Globusbecher aus Paris (Le Prévost de Launay). 152 Usteri (1948), S. 203: Pokal II (= Nr. 15)]; Usteri (1948), S. 205; Kugel (2002). In den Besitz des Rates gelangte der Pokal aus der Erbmasse des Pannherrn Lochmann, dieser hatte den Pokal – so jeden-

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falls die Vermutung – wohl direkt bei Abraham Gessner (1552–1613) gekauft. Das Dokument im Staatsarchiv Zürich, Seckelamtsrechnungen FIII 32, Jahrg. 1613/1614, Ausgaben, S. 135, zitiert nach Usteri (1948), S. 203. 153 Lösel (1983), S. 51. Möglicherweise eine Modernisierung durch den Zürcher Goldschmied Hans Heinrich Denzler, der das Gefäß 1673 an die Chorherrenstube verkaufte. Ehemals befand sich hier wohl ebenfalls ein stehender Atlas oder Herkules. 154 Lösel (1983), S. 51: „Die Vermutung Joseph Fischers [Fischer (1911), S. 112], Gessner habe seine Globuspokal ohne vorhergehende Bestellungen gewerbsmäßig angefertigt, da er in einer Zeit regen Interesses an der Erdkunde auf Absatz rechnen durfte, lässt sich auch noch durch folgende Beobachtung stützen: Auf mindestens zwei der Himmelsgloben – ich habe leider nicht bei allen das Augenmerk darauf gelenkt – nämlich denen von Kat 180x [Nr. 15] in Basel und Kat. 180y [Nr. 16] in Zürich, sind leergebliebene Kartuschen eingraviert, die offenbar nach dem Verkauf ein Besitzerwappen oder eine Inschrift aufnehmen sollten.“ 155 Der Pokal wurde 1942 durch den Art Fund angekauft, eine Inschrift „IN RECOGNITION OF THE COURAGE AND FORTITUDE SHOWN BY THE CITIZENS DURING ENEMY ACTION BY AIR-RAIDS, AND IN VIEW OF SIR FRANCIS DRAKE’S CLOSE ASSOCITION WITH THE CITY” verweist darauf. 156 http://www.britishmuseum.org/research/collection_online/collection_object_details.aspx?objectId =68693&partId=1&searchText=globe+cup&page=1 [aufgerufen 2. Dezember 2018]. Carter (1937), No. 411, Constable Number, S. XXIV–XXVI, Tafel eingebunden zwischen S. XXV und XXVI. Der Verbleib dieses um 1560 (?) datierten Globuspokal, der bei Sotheby’s versteigert wurde („rivaling the famous example in the Pierpont Morgan collection“) ist leider unbekannt. 157 Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum, Inv.  Nr.  KK hellblau 154 http://www.museumdigital.de/bawue/singleimage.php?objektnum=4724&imagenr=16640 [aufgerufen 2. Dezember 2018]; Schätze (2016), S. 5 (Abbildung). 158 Kat. Nr. 677, in: Welt (1980), S. 290 (s/w Abbildung auf S. 291); Fleischhauer (1976), S. 98. 159 Stockholm, Kungl. Husgeradskammaren, Inv. Nr. HGK SS 10 (Herkules mit Erdglobus) und HGK SS 11 (Atlas mit Himmelsglobus); Jamnitzer (1920), Nr. 85; Rosenberg (1922/25), Nr. 3839 bb, mit Abb. S. 68 und 3883f.; Fogelmarck (1968), S. 93, Abb. 2; Forssman (1992), S. 18/19 und Abb. 8; Timann (2002), S. 225–227 mit Kat. Nr. 69 160 Weihrauch (1965), mit Abb.  7; Forssman (1985), S.  10; Christopher Jamnitzer scheint für die ­Trägerfigur des Herkules die Bronzestatuette eines bärtigen und gebückt gehenden Mannes zu rezipieren, die der der italienischer Kleinplastik aus dem florentinischen Umfeld angehört und von Jacopo Sansovino in den 1540er Jahren entworfen worden war. 161 von Philippovich (1962), S. 144; Jamnitzer (1985), S. 267; Anonym (1911), S. 247 nennt das Nürnberger Beschauzeichen und das Meisterzeichen von Jeremias Ritter. 162 Anonym (1911), S. 246–248, Abb. zwischen S. 246 und 247; von Philippovich (1962), S. 144, zitiert den Eintrag von 21. März 1632 aus dem Schenkbuch der Stadt Nürnberg, Kreisarchiv MS. 488, Bl. 41: „Item 2 Pocal silber verguldt als 2 globi, deren einer caelestis, der andere terrestris, künstlich von Christoff Jamnitzer angefangen und vom Jeremias Ritter ausgemacht, haben in allem gewogen 19 M 15 L und gecos(t) f 1479 [...]“; Kish (1969), S. 74; Pechstein (1977), S. 96; Hernmarck (1978), S.  111/112 und Abb.  192 (Herkules mit Erdglobus) und Abb.  193 (Atlas mit Himmels­ globus); Jamnitzer (1985), S. 266/267, Kat. Nr. 92; Forssman (1992), S. 18, Abb. 8, und S. 19; Pechstein (1968), S. 318, Abb. 3; Hayward (1976), S. 65. Zu dem Globuspokal hat sich eine Vorzeichnung im Berliner Skizzenbuch von Christopher Jamnitzer erhalten, Jamnitzer (1985), S.  358, Kat. Nr. 329, signiert mit „Christoffero Jamnizer Orefice“, Berlin, Kunstbibliothek, Inv. Nr. HdZ 4830: „Die Rückseite der Zeichnung enthält eine noch nicht näher interpretierte Widmung an einen Herrn Richio, unterschrieben Christoffero Jamnizer Orefice“, Pechstein (1984).

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163 Dresden, SKD, Grünes Gewölbe, Inv. Nr. IV 290 (Christophorus) und IV 294 (Herkules). Höhe 64 cm; mit Augsburger Beschauzeichen und einer noch nicht gedeuteten Meistermarke L (Rosenberg 547); Sponsel (1928), Tafel 32; Menzhausen (1968), Kat. Nr. 82, S. 86 vermutet einen Goldschmied aus der Familie Lencker; Hernmarck (1978), S. 112, Abb. 198 und 199; Ulli Arnold, in: Silber (1994), Kat. Nr. 13 und Kat. 14, S. 163/163; Syndram (2004c), S. 68/69; van Hout (2007), S. 49; Dolz (2011) zu den kartographischen Vorlagen (Globen-Paar von Isaak Habrecht II.). 164 Abbildung bei Dolz (2011), S. 31; Weinhold (2011b), S. 146: „Gesicherte Arbeiten solcher Spezialisten [Silberstecher in Augsburg] finden sich im Bereich der Globuspokal, deren Gravuren häufig signiert sind. Wie etwa die beiden zwischen 1624 und 1629 entstandenen Augsburger Trinkspiele mit Herkules und Christophorus im Grünen Gewölbe zeigen [...], schuf der Silberstecher Johannes Schmidt die subtil gravierten und fein punzierten Darstellungen auf dem Erd- und Himmels­ globus in Kenntnis der gerade aktuellen Kupferstiche des Straßburger Kartographen Isaak  II ­Habrecht von 1621. Im Falle der Globen ging es um eine möglichst präzise Wiedergabe der vorliegenden kartographischen Werke, nicht jedoch um den interpretierenden, künstlerisch selbstständigen Umgang mit einer Vorlage.“ 165 Weinhold (2011c), S. 128, Abb. 3 zeigt das Innere des Automaten mit dem Laufwerk. 166 Wüthrich (1959), S. 65/66. 167 Westermann (2001), S. 39: „Die bedeutendsten Silber- und Kupferhandelsfirmen aus Augsburg waren Anfang des 16. Jahrhunderts sofort in Lissabon präsent, als es um das künftige Indien­ geschäft ging. Ihre Engagements im Silber- und Kupfergeschäft blieben für die folgenden Jahrzehnte unverzichtbarer Bestandteil bei Auf- und Ausbau sowie Erhaltung der portugiesischen Weltmacht im asiatischen Raum. Ohne den Bau nautischer Instrumente aus Messing und den Guß von Kanonen aus Bronze wäre diese Stellung nicht zu erreichen und zu verteidigen gewesen.“ Eser (2010), S. 33. 168 Helas (2010), S. 50. 169 Ptolemaios (2006), Band 1, S. 11–13; Szabó (2010), S. 595. 170 Ptolemaios (2006), Band  1, S.  105, sowie Abbildungen zur gradlinigen und zur modifizierten ­Kegelprojektion, S. 123 und 135. Zu den verschiedenen Kartenprojektionstypen, die im 16. Jahrhundert ausgehend von Ptolemaios erarbeitet und entwickelt wurden Keuning (1955). 171 Bonacker (1960), S. 15. 172 Szabó (2010), S. 595. 173 Manuel Chrysoloras ist einer der ersten Gelehrten, die aus Byzanz in den Westen kamen, seine Ankunft in Florenz hat die dortige Wissenskultur nachhaltig verändert, Brown (2001b), S. 37; Edgerton (1976), S. 97–99. 174 Helas (2010), S. 51; Firenze (1992), S. 78–80, Kat. Nr. 38 und S. 281/282, Kat. Nr. 47. 175 Szabó (2010), S. 607. 176 Thorn-Wickert (2006), S. 57; Gautier Dalché (2007), S. 291; Federzoni (2009). Sehr wahrscheinlich ist das Exemplar, das Chrysoloras mitbrachte und von dem alle andere Texte abhängen, das ­Manuskript Cod. Vaticanus Urbinas Graecus 82, dort eine Weltkarte, gefolgt von den 26 Länderkarten, Szabó (2010), S. 608. Laut Palla Strozzis Testament sei dies das „erste Exemplar gewesen, das (von drüben) herüberkam. (Chrysoloras) habe es ihm hinterlassen, und er habe es (bis jetzt) bewahrt. Von diesem Exemplar stammten alle anderen ab, die sich jetzt in Italien fänden, und auch nach außerhalb von Italien seien einige (Kopien) davon gegangen.“ 177 Szabó (2010), S. 611. 178 Gautier Dalché (2007): Die Rezeption des Textes erfolgte nach über den Bischof von Cambrai, Pierre d’Ailly nach Frankreich, der das Werk entweder im Kontext des Pisaner Konzils von 1409 oder auf dem Konstanzer Konzil (1414–1418) kennengelernt; Kardinal Guillaume Fillastre (Kon-

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stanzer Konzilsteilnehmer) versandte 1418 eine Kopie des Werkes nach Reims, allerdings ohne Karten, in deren Besitz er erst 1427 in gelangt; der Instrumentenbauer Jean Fusoris erwähnt den Ptolemaios-Text in seinem Traktat von 1432. 179 Szabó (2010), S. 613. Zu den wissenschaftlichen Instrumenten, die Nikolaus von Kues bei einem Besuch in Nürnberg 1444 kaufte Hartmann (1919), S.  8–12, zu denen ein hölzerner Himmels­ globus (S. 28), ein Astrolabium (S. 40) und ein Torquetum (S. 17) zählte. 180 Szabó (2010), S. 615/616 nennt den ersten Aufenthalt in Italien 1461–1465 als wahrscheinlich, auch Zinner (1968), S. 91–93 vermutet Italien 1461–1465, Iwanczak (2009), S. 106, nimmt Wien 1459 an. 181 Bibliothek des Benediktinerstift Seitenstetten, Cod. 2° 56. 182 Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent V 55. Zinner (1968), S. 54, S. 68, S. 224. 183 Novi translatio primi libri geographieae Cl. Ptolemaei qua quidem translation verbum habet e verbo fideliter, expressum Joanne Vernero interprete, Nurenbergae 1514. Bach-Damaskinos (2007), S. 92; Szabó (2010), S. 617. 184 Bernhard Walter arbeitete als Faktor für die Welser; er reiste 1482 mit Martin Behaim zur Herbstmesse nach Frankfurt und hatte somit sowohl Verbindungen zum Globenbauer und Fernfahrer Behaim als auch zum Handelshaus der Welser. 185 Edgerton (1974), S. 278–281. 186 In Großfolio mit 49 Karten, Szabó (2010), S. 618. 187 Müller (2002), S. 140 zu Nürnberg als Zentrum der Geographie. 188 Machilek (1983), S. 1. 189 Egel (2014); Falchetta (2006); Woodward (1987), S. 314. 190 Venedig, Biblioteca Nazionale Marciana, Inv. Nr. 106173. 191 Helas (2010), S. 61/62. 192 Falchetta (2006), S. 699, Nr. 2834. 193 Babicz (1987), S. 155–168. 194 Signiert von Meister Johannes Schnitzer, Geographia (1982), S. 13 und 52; Weltbild (2006), S. 63– 65. 195 Knefelkamp (2000), S. 214/215 zum „Kap-Springen“ an der afrikanischen Westküste bei der Suche eines Seeweges nach Indien: 1461/62: Pedro de Sintra erreicht Sierra Leone , 1470: portugiesische Schiffe erreichen die ‚Goldküste’, 1482: Aufbau des Fort Sao Jorge da Mina, 1484: Diego Cao ­erreicht Kongo, 1485: Diego Cao erreicht Namibia; Horst (2007), S. 23. 196 Domingues (2007), S. 68, dort auch Abbildung der Karte, S. 69. 197 Hier ist erstmals die vom Äquator ausgehende Breitengradskala eingezeichnet, mit der das Problem der Abweichung zwischen geographischem und magnetischem Nordpol gelöst werden konnte, Domingues (2007), S. 66. In der Waldseemüllerkarte, die auf den Daten von Vespucci beruhen, finden sich detailliertere Informationen, als in der Publikation von der dritten Reise (Mundus Novus, 1504). Omodeo (2014), spricht deswegen von einer „policy of secrecy imposed by the rey of Portugal“. 198 Studium in Freiburg (eventuell bei Gregor Reisch), 1505 nach St. Dié durch Herzog René II. von Lothringen in das sogenannte Gymnasium Vosagense berufen. Die dortige Druckerei publizierte 1507 die Introductio Cosmographiae zusammen mit der Weltkarte. Ringmann und Waldseemüller waren mit einer Neuausgabe der Geographie des Ptolemaios beschäftigt, als sie durch die neu erscheinenden Entdeckungsberichte u. a. von Amerigo Vespucci zu ihrem Kartographie-Projekt veranlasst wurden, Lehmann (2010), S. 15. 199 Hier taucht erneut das Motiv der Mediengeschichte auf  – denn der Brief über die Reise, den Vespucci nach der Rückkehr von seiner dritten Atlantiküberquerung verfasste und an Lorenzo di

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Pierfrancesco de’ Medici sandte, berichtete nicht nur anschaulich von der Entdeckung einer Neuen Welt, sondern wurde auch schnell im Druck verbreitet, avancierte zum Beststeller und erreichte so eine weitere Verbreitung und Bekanntheit innerhalb der frühneuzeitlichen Gelehrtenwelt. Wallisch (2002), S. 104 spricht von ihm als einem der folgenreichsten offenen Briefe der Geschichte. 200 Der genaue Titel der Einführung in die Kosmographie von 1507 lautet Cosmopgraphiae Introductio cum quibus dam Geometriae ac Astronomiae principiis ad eam rem necessariis. Insuper quatuor Americi Vepucii navigationes. Universalis cosmographiae descritpio tam in solido quam plano eis etiam insertis, quae Ptholomaeo ignota a nuperis reperta sunt. Lehmann (2010) mit der Transkription und Übersetzung des Textes S. 262–327. 201 Lehmann (2010), S. 308: „Denique in quartam terrae per inclytos Castiliae et Lusitaniae reges ­repertam eorundem ipsorum insignia posuimus.” 202 Lehmann (2010), S. 310: „[..] et alia, quarta pars per Americum Vesputium (ut in sequentibus ­audietur) inventa est, quam non video, cur quis iure vetet ab Americo inventore, sagacis ingenii viro, Amerigem quasi Americi terram sive Americam dicendam, cum et Europa et Aisa a mulieribus sua sortita sint nomina.“ 203 Lehmann (2010), S. 266: „Hinc factum est, ut me libros Ptholomaei ad exeplar Graecum quorundam ope pro virili recognoscente et quaturo Americi Vespucii navigationum lustrationes adiiciente, totius orbis typum tam in soldido quam plano (velut praeviam quandam ysagogen) pro communi studiosorum utilitate paraverim.“ Erneut ist die Begrifflichkeit bedeutsam, bezeichnen doch Ringmann und Waldseemüller ihre Arbeit als einen Typus der ganzen Welt in massiver und in flacher Form – also um die Figur der Welt als Globus und als Karte. 204 Das Exemplar stammt aus der Sammlung von Schloss Wolfegg, Fischer (1903) und war in den Wolfegg Codex eingebunden, auch bekannt als Schöner-Sammelband, da er von Johannes ­Schöner um 1530 kompiliert wurde. 205 Die Karte wurde zwischen 1503 und 1505 von Nicolo de Caveri (Nicolo Canerio) in Lissabon oder Genua gezeichnet und befindet sich heute in der Pariser Bibliothèque Nationale; ein Faksimile bei Stevenson (1908); Brotton (1997), S. 76; Lehmann (2010), S. 210. 206 Lehmann (2010), S. 208: „In qua quidem magis auri quam alterius cuiusvis metalli esse compertum est.“ 207 Hessler/van Duzer (2012). 208 Zitiert nach Lehmann (2010), S.  170: „Licet plaerique veterum describendi terrarum orbis ­­studiossisimi fuerint, non tamen parum ipsis eisdem incognita manserunt, sicut est in occasu Americae, ab eius nominis inventore dicta, que orbis quarta pars putanda est, sicut et versus meridiem Aphrice pars, quae septem pene gradibus citra capricornum incipiens ultra torridam zonam et egoceri tropicam ad Austrum latrissime protenditur. Sictu quoque in tractu orientali regio Cataiae et quicquid Indiae Meriodionalis ultra centesimum et octogesimum longitudinis gradum est ­situm. Quae nos prioribus omnia adiunximus, ut istiuscemodi rerum amatores, quaecunque sub hanc diem nobis patent, oculis intuentes diligentiam nostram probent.” 209 Der Globus ist 18 x 35 cm groß und steht sich aus zwölf Segmenten zusammen. Das Werk besteht also aus vier Teilen: Der Beschreibung der kartographischen Grundlagen basierend auf Ptolemaios, den Neuerungen durch Amerigo Vespucci, der Visualisierung in Form der riesigen Weltkarte sowie der Darstellung in Globusform, America (1992). 210 Honterus (2017), S.  223–263 (die deutsche Übersetzung des Textes der Rudimenta Cosmographica), die Karten S. 198—222 (ohne Seitenzahlen). 211 Zur sog. „Sachsenlandkarte“, Chorographia Transylvaniae Sybembürgen, vgl. Klein (1960); zu Honters Biographie Wien (2017), S. 20–27.

Anmerkungen I 439

212 Vergleichbar den Bemühungen von Conrad Celtis in Nürnberg für eine Germania Illustrata, Robert (2002), S. 10; zur Ptolemaios-Rezeption Wiener (2002), S. 97; Müller (2002), S. 137. 213 Burmeister (1969), S. 73, Münster sandte seinen Aufruf direkt an Landvermesser, darunter Aegidius Tschudi (Rhaetia 1538); Kaspar Brusch (Beschreibung von Egerland 1542) und Achilles Gasser (Karte des Allgäu 1534); zu frühneuzeitlichen Modellen kollektiver Autorschaft, allerdings vor allem mit Blick auf die Zusammenarbeit von Naturforschern und Illustratoren, Daston (2014), S. 72. 214 Shirley (1983), Kat. Nr. 65, S. 70, Tafel 59 datiert eine erste Weltkarte auf 1530; Kat. Nr. 79, S. 91, auf 1542 mit neuem Holzblock für die Weltkarte der zweiten Edition; Kat. Nr. 86, S. 97 für die Zürcher Edition von 1546. 215 Kunst (1981), S. 158, Kat. Nr. 167; Mette (1995), S. 150, Abb. 122 weist auf die Zeichnung eines fantasievollen Nautiluspokal von Vogtherr im Kupferstichkabinett Berlin sowie ein Vorlagenbuch des gleichen Meisters mit dem Titel Ein fremdes und wunderbares Kunstbüchlein allen Malern, Bildschnitzern, Goldschmieden, Steinmetzen, Schreinern, Plattnern, Waffen- und Messerschmieden hochnützlich zu gebrauchen (Straßburg 1537) hin. 216 Kunst (1981), Kat. Nr. 166, S. 157, zeigt die EPITOME // TRIVM TERRAE PARTIVM, ASIAE, // AFRICAE ET EVROPAE COMENDIARIAM LO=corum descriptionem continens, die bei Christoph Froschauer d. Ä. 1534 in Zürich von Joachim von Watt (Vadian) gedruckt wurde; darin findet sich die doppelseitige Weltkarte vor der ersten Seite. 217 Honterus (2017), S. 21/22; Török (2017), S. 48/49. 218 Jenny (1995), S. 87; Seidner (2006), S. 228. 219 Zur Entdeckungsgeschichte Floridas Harisse (1892), S. 134–141. 220 Kish (1969), S. 74 nimmt an, dass die Graveure des Pokals konservativ eingestellt waren und eher etablierten Autoritäten als Neuerungen folgten; er schlägt zudem vor, dass die Auftraggeber das Kartenmaterial zur Verfügung stellten – was aber für die Gessner-Globen sicherlich nicht zutritt. 221 Kish (1969), S. 75, wohl basierend auf einem Gespräch mit Wallis; vgl. auch Wallis (1962), S. 267– 279. 222 Shirley (1983), Kat. Nr. 97, S. 109 sowie Tafel 83 auf S. 110/111. Die Karten wurden von Giulio De Musi gestochen. Exemplare der Karte haben sich in der Universitätsbibliothek von Leyden, im Staatsarchiv von Turin, im British Museum und in der John Carter Brown Library erhalten. 223 Kish (1969), S. 76 nennt zudem einen kleinen Elfenbein-Globus aus der Schatzkammer in München aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. 224 Shirley (1983), Kat.  Nr.  99, S.  112 und S.  113, Tafel 85; https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/ btv1b53093421t [aufgerufen 7. Dezember 2020]. 225 Shirley (1983), Kat. Nr. 85 (S. 96), Tafel 72 und Kat. Nr. 87, S. 99, Tafel 74; Karrow (1993), S. 218, Nr. 30/3 (1546), S. 220, Nr. 30/63 (1548). 226 Shirley (1983), Kat. Nr. 89, S. 100/101, Tafel 76 und Kat. Nr. 107, S. 122 und S. 124/125, Tafel 92; Karrow (1993), S. 223, Nr. 30/65 (1550?) und S. 240, Nr. 30/93. 227 Horodowich (2018), S. 129, Abb. 46; Woodward (2007), S. 781–787; Karrow (1993), S. 229, Nr. 39/78 (1556). 228 Lejosne (2017); Romanini (2007), v. a. S. 34–40. 229 Lösel (1983), S. 44: „Als Vorlage diente Stampfer möglicherweise ein Globus seiner Zeit, vielleicht der des Nürnberger Mathematikers Johannes Schöner von 1544 oder, wie die neuere kartographische Forschung vermutete, italienische Karten, etwa die des Michele Tramezzino von 1533 bzw. die des Antonius Florianus von 1555.“ 230 Kapitel 8 (Still Unexplored. Terra Australis Incognita 1531–1610), in: Hiatt (2008). 231 Shirley (1983), Kat. Nr. 66, S. 73, Tafel 60.

440 I Globuspokale

232 Lehmann (2010), S. 266/267: Widmung an Kaiser Maximilian I. (1459–1519). 233 Büttner (2000b), S. 166–172; Dünne (2011), S. 55. 234 Geographika (2002), S. 283; Richter (1992), S. 125/126. 235 Wawrik (1997), S. 49/50. Wie genau dieser Globus des Krates aussah, ist nicht überliefert. Die Forschung aber nimmt an, dass es sich um ein abstrahierendes Bild der bekannten Ökumene handelt: die drei damals bekannten Erdteile Europa, Asien und Afrika, die in die für bewohnbar gehaltenen Klimazonen und die von den nicht für Menschen bewohnbaren Klimazonen (die südliche und die nördliche Polarzone sowie die Gegenden um den Äquator) unterteilt waren. Strabon überliefert dies (Buch I, 2, 24), Geographika (2002), S. 75: „Der eine nämlich [Krates von Mallos] sagt, indem er der Erklärungsweise folgt die er für naturwissenschaftlich hält, die verbrannte Zone werde vom Ozean eingenommen und zu ihren beiden Seiten liege die gemäßigte, einmal die bei uns, zum anderen die auf der anderen Seite. Wie nun als die Äthiopien bei uns die Menschen bezeichnet werden die gen Süden entlang der ganzen bewohnten Welt als äußerste von Allen am Ozean wohnen, so meint er müsse man sich auch auf der anderen Seite des Ozeans Äthiopien denken, die als äußerste von Allen in der anderen gemäßigten Zone an diesem selben Ozean wohnen; zu zwei verschiedenen Völkern und ‚zwiefach geteilt‘ würden sie durch Ozean.“ 236 Ptolemaios (2006), Buch 1, S. 109. 237 Platon (1992), S. 55, 40d, schildert die Erschaffung der vier den cosmos bevölkernden Geschlechter, die Götter, die Wesen im Wasser, in der Luft und auf dem Land und beschreibt dann den „Reigentanz“ und die „Aufkreisungen der Bahnkreise“ der Planeten, um an Ende zu bemerken: „darüber zu reden ohne Nachbildungen davon für das Auge, das wäre vergebliche Mühe.“ Leider verzichtet Platon auf konkrete Hinweis, wie dieses Nachbildungen für das Auge aussehen soll, Obrist (2004), S. 95–103. 238 Ptolemaios (2006), Buch 1, S. 55. 239 Schmidt (2007), S. 14. 240 Abbildung bei Schmidt (2007), S. 16; Modelle (1997), S. 13 zu einem Denar, auf dem Urania auf einen Himmelsglobus in einem Gestell deutet. 241 Los Angeles, J. Paul Getty Museum, Inv. Nr. 83.AM.342, Maße: 45 × 28 cm. 242 Dekker (2009), S.  155 nennt den Farnese, den Mainzer- und den Paris-Kugel-Globus; Dekker (2013), S. 57–69 zum Pariser Globus von Kugel; S. 69–80 zum Mainzer Globus und S. 84–102 zum Farnese Globus. 243 Neapel, Museo Archeologico Nazionale, Inv. Nr. 6374. Sternbilder werden auf dem Globus des Atlas gezeigt, sowie der Äquator, die Ekliptik (= Sonnenbahn im Jahresverlauf), der Wendekreis und der Polarkreis, Dekker (1992); Schmidt (2007), S. 14. 244 Dekker (2013), S. 85 mit Abbildung; Codex (1986), S. 97–124. 245 Wrede (1982), S. 14 mit Anmerkung 147: „Vidisse me memini Herculis statuam Romae in vinea Stephani Bubalii repertam; qui non horographicum sciotericon, sive vas horoscopium cervice, sed caelisphaeram ingentem Zodiaci, atque fixarum stellarum imagibus pulcherime sculptis ­exornatam gestabat.“ 246 Weinhold (2011c) zum Tragemotiv mit Bezug auf das Augsburger Globenpokal-Paar in Dresden von Elias Lencker mit Herkules und Christophorus, zum Atlas Farnese S. 129/130. 247 Modelle (1997), S. 12; Künzel (2002); Obrist (2004), Abb. 75. 248 Kugel (2002), S.  22–26; Dekker (2009), S.  139 mit Abbildung 8 auf S.  157 und Dekker (2013), S. 57–70. 249 Lindgren (1992). 250 Bonacker (1960), S. 16; Bernleithner (1961), S. 40: Tabelle der islamischen Globen, darunter Globus von 1080, Messing, Durchmesser 18,3  cm, Paris, Bibliothèque Nationale; Globus von 1085,

Anmerkungen I 441

­Messing, von Ibrâhîm ibn Sa‘îd al-Sahlî al-Wazzân, Durchmesser 22 cm, hergestellt in Valencia, heute in Florenz, Museo Galileo, Istituto e Museo di Storia della Scienza (Inv. Nr. 2712); Globus von 1144, Messing, Yunus Ibn al-Husain al Astur, 17,5 cm, Paris, Louvre; Globus von 1225, Messing, Caissar Ben Abul Casens, 22 cm, hergestellt in Kairo, Neapel, Museo Nazionale di Capodimonte (Inv. Nr. A.M. 112091); Globus von 1275, Messing, Mohammed ben Hilal, 24 cm, heute in London, British Museum; Globus von 1284, Messing, Mohammed ben Muwajed al Ordhi, 13 cm, Paris, Louvre. 251 Haase (2006), S. 86–87. 252 Bernleithner (1961), S. 39. 253 Bonacker (1960), S. 17; Bernleithner (1961), S. 39. 254 Schramm (1958), S.  13 zum Münzformular des Herrscher mit einen Zepter, auf dem sich eine ­Kugel und ein Kreuz befinden; Lippincott (2002), S. 130–132. 255 Schramm (1958), S. 55; Helas (2010), S. 44. 256 Martianus (1925), S. 30, Liber 1: Duos globosos orbes, quorum unus auro, electro alius praenitebat, dextera porrectione corripuit. 257 Bonacker (1960), S. 27. 258 Schramm (1958), S. 10; Simek (1992), S. 37–54 zur Kugelform der Erde und der Frage nach der Umrundbarkeit; Dahl (2000); Jacob (2001), S. 10: „Es erfordert Übung, den Übergang von der flachen Projektion zur dreidimensionalen Gestalt der Kugel zu vollziehen: der Erdglobus existiert nur in der Phantasie des mit den visuellen Codes der Karte vertrauten Betrachters.“ Alexander (2002), S. 70 zum Zusammenhang von Mathematik und Entdeckernarrativ. 259 Sein Globus ist 1505 in der vatikanischen Bibliothek bezeugt, Babicz (1987), S. 157. 260 Wawrik (1997), S. 53; Dekker (2007), S. 139 zitiert das Inventar von 1467: „[...] a round globe in the form of an apple and a black leather case and a paper book with a vellum binding titled: ­Explanation of the Globe, in French, beginning on the second leaf with the meridians, and on the last, the sea to the East.“ Der Globus wurde zwischen 1440 und 1444 durch den Hofastronomen Guillaume Hobit gebaut; Helas (2010), S. 56; Paviot (1995), S. 22 zum erhaltenen Vertrag. Das Traktat Regionum sive civitatum distantiae beschreibt die Konstruktion von Erdgloben und stammt möglicherweise schon von 1430–1435, Durand (1952), hier S. 164–179. 261 Helas (2002), S. 292: „Bisher in diesem Zusammenhang unbeachtet geblieben ist, dass die Medici zwei Erdgloben besaßen, die sich in der privaten Bibliothek im Palazzo Medici befanden, wie aus einem Vermerk über den Verleih eines dieser Globen an Angelo Poliziano im Jahr 1493 hervorgeht.“ Francesco Albertini nennt die Globen seiner Beschreibung der Sehenswürdigkeiten von Florenz aus dem Jahr 1510 im Palazzo Veccio (Francesco Albertini: Memoriale di molte statue et picture sono nella inclyta Cipta di Florentia. Per mano di Sculptori & Pictori excellenti Moderni & Antiqui, Florenz 1510, fol. 61); Schmidt (2007), S. 48. 262 Helas (2010), S. 57. 263 Das Relief von Domenico Gagini (eine Supraporte) befand sich bis zu seiner Zerstörung bei einem Brand im Jahr 1919 im Castel Nuovo; das Aussehen des Artefakts ist durch ein Foto überliefert, Helas (1999), S. 61–88 zum Triumph von Alfonso d’Aragno 1443. Zu Toscanellis new cartographic thinking im Florentiner Kontext Edgerton (1974). 264 Woodward (1991), S. 86. 265 Rombai (1993), S. 149–154. 266 Berlinghieri (2006); Roberts (2011). 267 Firenze (1992), S. 229–234; Vedere (1996), S. 458–460: Kat. Nr. 131 [Alberto Bartòla]: Tolomeo, Geographia (redazione A: versione italiana di Francesco Berlinghieri). 268 Beide sind Schüler von Francesco di Antonio del Chierico.

442 I Globuspokale

269 Roberts (2010), S. 144 und 155, Anmerkung 1; Abb. bei Helas (2010), S. 68 (Abb. 18 und 19); Helas (2002), S. 75 mit Detailansichten. 270 Zur Verbreitung und Bedeutung des Drucks, der u. a. auch zum Besitz des Bāyezīd II. gehörte und der dessen Vorgänger, Sultan Mehmed II., gewidmet war Brotton (1997), S. 87–98. 271 Behaim Globus, Nürnberg, GMN, Inv. Nr. WI1826, 1491–1494, Höhe 133 cm, Durchmesser 51 cm. 272 Malekandathil (1999), S. 26–28. 273 Behaim (1957); Willers (1980); Pförtner (1982); Focus (1992); Knefelkamp (1992), S. 87–95; Schmidt (2007), S. 70; Knefelkamp (2007). 274 Nürnberg, Stadtarchiv, Losungsamt B 35, Nr. A 691, veröffentlich bei Petz (1886), die Abrechnung auf S. 168–170. 275 Timann (2007), S. 59. 276 Timann (2007), S. 59. 277 Timann (2007), S. 62 zitiert aus der Abrechnung: „auch sagt er her Merten zu er solt in die Kunst kosmografia lerna oder dass austeiln der kugel, so wolt er die weil ander kugel machen.“ 278 Knefelkamp (2000), S. 215; Knefelkamp (1992) zur Frage, über welches (portugiesische?) Kartenwissen Behaim verfügte. 279 Dekker (2007), S. 141: „Traditionally, globes were made of either brass, silver or wood, as is exemplified by the surviving globes […]. The situation completely changed at the turn of the fiftheenth century, when the idea of printing segments of paper to be pasted on a sphere was born. Printed globes form part of a much larger group of printed instruments made by pasting prefabricated paper scales on wood.“ 280 Espositione & introduttioni universali di Girolamo Ruscelli sopra tutta la Geografia di Tolomeo, ohne Seitenzahl, Kapitel 2, hier S. 6 unten bis S. 7 oben. 281 Stevenson (1921), S 51; Muris/Saarmann (1961), Kapitel 5: Martin Behaims sprechender Globus und der Laonglobus als Ausdruck des vorkolumbianischen Weltbilds; Hervé (1969), S. 51. 282 Knefelkamp (2000), S. 215/216. 283 Muris (1955), S. 32; Bonacker (1960), S. 19. 284 Die Provenienz dieses Globus ist unklar; der belgische Globussammler Stefaan Missinne machte ihn publik https://www.sueddeutsche.de/wissen/kartografie-globus-der-traeume-1.2126609 [aufgerufen 12. Dezember 2018] vgl. den Artikel von Sarah Pruitt https://www.history.com/news/ ostrich-egg-globe-may-be-oldest-to-depict-new-world [aufgerufen 25. März 2020]: nicht end­ gültig geklärt ist, ob Missinne den Globus 2012 in London ankaufte oder ob der Globus aus seiner eigenen Sammlung stammt; http://www.thehistoryblog.com/archives/26763 zur Datierungs­ methode [aufgerufen 25. März 2020]. Zur Datierung Missinne (2018), S. 37. 285 Schreiben (2001), S. 12–15 zur Fahrt von Cabral und dem Bericht (Übersetzung S. 19–48); Missinne (2018), S. 62–67 zu den 73 Namen, die auf dem Globus eingraviert sind; S. 71 zum einzigen Satz, der auf dem Globus verzeichnet ist: HC SVNT DRACONES, mit Abb. S. 74. 286 Missinne (2013); Missinne (2018), S. 51. 287 Missinne (2018), S. 61–89 auf Basis der Inschriften und weiterer Vergleiche für eine direkte Autorschaft von Leonardo da Vinci als Schöpfer des Globus. 288 De Costa (1879); Horst (2007), S. 25: „Konkretere Hinweise auf Entdeckungsreisen sind jedoch erst auf dem nach seinen früheren Besitzern benannten Hunt-Lenox-Globus von ca. 1510 vorhanden.“ 289 Bonacker (1960), S. 19. 290 Cabayé (2001); King (2014). 291 Paris, BnF, Département Cartes et plans, Inv. Nr. Ge A-335 (RES). Durchmesser 24 cm, Stevenson (1921), S. 76/77, datiert 1513/1515, Bernleithner (1961), S. 42. http://www.bnf.fr/documents/cp_ mecenat_globes_dnp.pdf [aufgerufen 18. November 2018].

Anmerkungen I 443

292 Krakau, Museum der Jagiellonischen Universität, Inv. Nr. 4110–110/V. Der Globus wurde durch Johann Broszek (Broscius, 1585–1652), Professor an der Jagiellonen-Universität, gestiftet. Stevenson (1921), S. 74/75; Muris/Saarmann (1961); Babicz (1969); Fauser (1967), S. 52–55 mit Farbabbildung S. 53; King (2009). 293 Durch eine Mechanik im Innern des Globus wird der Äquator bewegt, der die 24-teilige Stundeneinteilung (zweimal die Ziffern I-XII) trägt; eine kleine Sonne zeigt die Zeit an, zudem werden die Planetenringe bewegt. 294 Paris, BnF, Département des Cartes et Plans, Inv. Nr. Ge A 333 Rés. Hervé (1969), S. 50: Goldener Globus, stammt vermutlich von 1524–1528 (von Schöner ?) und ist eine Kupfer gravierte Kugel; Fauser (1967), S. 64–67 mit Farbabbildung S. 65, S. 67; Horst (2007), S. 31; mit Verweis auf Harisse (1892), Nr. 181. Vgl. die Informationen auf der von Jim Siebold betriebenen Seite http://www. myoldmaps.com zu #344: http://www.myoldmaps.com/renaissance-maps-1490–1800/344-theparis-gilt-or-de/344-gilt-globe.pdf [aufgerufen 7. März 2020]. 295 http://www.bnf.fr/documents/cp_mecenat_globes_dnp.pdf [aufgerufen 3. Dezember 2018]. Hervé (1969); Horst (2007), S. 31/32, weist darauf hin, dass sich die Aufschrift „Terra francesca nuper lustrata“ auf die Reise von Giovanni da Verrazzano von 1524 bezieht, die dieser im Auftrag des französischen Königs Franz I. unternahm – somit die Schöner-Vorlage aktualisiert wurde. 296 New York, Pierpont Morgan Library, Inv.  Nr.  AZ 118 https://www.themorgan.org/objects/ item/214052 [aufgerufen 3. Dezember 2018];

Bernleithner (1961), S. 43 [zu Kapitel 9 von Muris/Saarmann: Die Renaissancegloben in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts].

297 Hill (1955), S. 11 scheint nicht den Grünen Globus aus Paris zu kennen, da er schreibt, es handele sich hier um das „einzige Exemplar, auf welches die Streifen aufgezogen sind. Er ist ähnlich (aber nicht gleich) dem Globus in Holbeins Gemälde „Die Botschafter“ aus dem Jahre 1533.“ 298 Bernleithner (1961), S.  42; Wawrik (1997), S.  57/58; eine Abbildung des Wiener Globus von Gemma Frisius (Wien, Globusmuseum, als Leihgabe aus Privatbesitz) von 1536 bei Sumira (2014), Kat. Nr. 4, S. 50/51. 299 Horst (2007), S. 33. 300 Paris, BnF, Département des Cartes et Plans, Inv. Nr. Ge A 397. Hervé (1969), S. 51; Fauser (1967), S. 68–71 mit Farbabbildung S. 69, S. 71: „Nach dem vorliegenden Erdbild wird angenommen, dass der Globus um 1530 entstanden ist, also zur Zeit von Bartholomäus V..“ 301 Ehemals Bonnefoy Sammlung, ausgestellt 1936 im Musée des Arts Décoratifs, Palais du Louvre, Paris. Welt (1980), dort der Globus aus Greenwich (National Maritime Museum, Inv. Nr. G 21) , Kat. Nr. 852. 302 Dekker/Turner (1997), S. 394–396. 303 Kern (2010), S. 337/338. 304 Horst (2007), S. 34/35; Dörflinger (1972), S. 92/93 zur Darstellung von Nordamerika. 305 Muris (1955), S. 32: „Ihr [der Globen] Charakteristikum jedoch besteht darin, dass sie ähnlich wie heutigen Tages die Zeitungen den Leser über den neuesten Stand der Entdeckungen in oft langatmigen Legenden orientieren. [...]. Deshalb nennt man sie ‚sprechende’ Globen. Sie sind also Informationsmittel und sind somit nicht nur ein geographisches Anschauungsmittel, sondern auch geschichtliche Urkunden. Ihre Darstellungsform ist voller Bewegtheit und zeitbedingter ­Dynamik. Das geographische Erdbild ist erfüllt von dem geschichtlichen Ablauf der Ereignisse.“ 306 Osterhammel/Jansen (2017), S. 8. 307 Osterhammel/Jansen (2017), S. 34. 308 Dekker (2007), S. 157 verweist auf den weiterverbreiten Gebrauch von Globen in der Kunst als Symbol für Macht, für Bildung/Wissenschaft und Seefahrt (Globes as Symbols).

444 I Globuspokale

309 Der Reichsapfel wird heute, zusammen mit den gleichzeitig gefertigtem Schwert, der Krone und dem Schlüssel, als Regalien von König Erik XIV. in der Schatzkammer des Königspalastes in Stockholm aufbewahrt. 310 Schramm (1958), S. 145, Abb. 121a. 311 Der Geograf und Globenhersteller studierte in Wittenberg ab 1542 und hielt Verbindungen zu Luther, Melanchthon sowie Camerarius und Bugenhagen, die ihn dazu aufforderten, für theo­ logische Lehrzwecke Karten von Palästina zu erstellen, Cordshagen (1986); Pápay (1985). 312 Fauser (1967), S. 96–99 mit Farbabbildung S. 97; Schmid (2017), S. 145. Das Original befindet sich in Zürich, Schweizerisches Landesmuseum, Inv. Nr. Dep. 845, eine Kopie steht in der Stiftsbibliothek in St. Gallen. Der Globus verschränkt die Weltkarte von Gerhard Mercator von 1569 und die Himmelskarten von Albrecht Dürer von 1515, Schmid-Lanter (2018), S. 35 und S. 38. 313 Heute mit einem Messinstrument in Kreuzform übermalt. 314 Schmid (2017), S. 147: 1595 umgedeutet in Archimedes. 315 Das Bildnis wurde nachträglich übermalt und zeigt heute den St. Galler Mönch Iso (+ 871), ist aber in der Infrarotreflektographie gut als Bildnis des Herzogs zu erkennen, Schmid-Lanter (2018), S.  37; Stercken (2011), S.  37–52; Schmid (2017), S.  148–152. Die Untersuchung führte T ­ homas Becker (https://www.artconservation.ch/) durch, eine radiographische Aufnahme in Schmid-Lanter (2019), S. 155. Für diesen Hinweis danke ich Remo Sidler vom Landesmuseum Zürich. 316 Harley (1988), S. 295/296 zu „maps in paintings“. 317 Mercator (1994); Horst (2012); Ramachandran (2015), S. 22–68. 318 Wyssenbach (2016), S. 87–92; Hofmann (2001); Bischoff (2015), S. 20/21 weist darauf hin, dass Mercator in der Vorrede den Titanen Atlas euhemeristisch, basierend auf Diodor, als sternkun­ digen Menschen bezeichnet: „Vom Lauf der Gestirne hatte er genaue Kenntnisse; er war der ­Erste, welcher die Menschen den Himmel als eine Kugel betrachten lehrte. Darum hieß es, die ganze Welt ruhe auf den Schultern des Atlas.“ 319 Zum Zirkel als Attribut in der Frühen Neuzeit Haug (2018). 320 Crane (2002); Harris (2005). Seine Entstehung verdankt sich also einem gelehrten Netzwerk, ­innerhalb dessen dem Freundschaftsbildnis eine zentrale Rolle zukam. 321 Sein Porträt ist von einem ovalen Medaillonrahmen umgeben, auf dem die Inschrift steht: ­„Großen Dank schuldet man den Schriften derer aus Peliusium [gemeint sind die ägyptischen Cosmographen, allen voran Ptolemäus], großen Dank aber auch dir, Mercator, dass du die ehrwürdige Arbeit übertroffen hast, dass du neue Gegenden des Landes und des Meeres gezeigt hast und dazu den großen Himmel, der alles umfasst“ (Magna Pelusiacis debetur gratia chartis, magni tibi priscum tandem superasse laborem, Mercator, tractusque novos terræque marisque monstrasse et magnum quod continent omnia cælum), zitiert nach De Waele (1962), S. 248. 322 Lehmann (2010), S. 274: „Duplices sund circuli, qui et segmina ab auctoribus discuntur, in sprea et coelo non revera quidem existentes, sed imaginabiles: maiores sicilet et minores. Maior circulus is est, qui in convexa superficie spherae descriptus ipsam in duo aequa dividit. Horum sunt sex: Aequator, scilicet Zodiacus, Colorus aequinoctiorum, Colorus solsticiorum, Meridianus et Horizon […].” 323 Christophorus erhält im 16. Jahrhundert neue Aufmerksamkeit – u. a. durch Columbus, der als „Christusträger“ den Glauben in die Neue Welt brachte, Benker (1975), S. 137; van Hout (2007), S. 47; Hiatt (2008), S. 199 weist auf die Weltkarte des spanischen Seefahrers Juan de la Cosa von 1500 hin. Diese Karte wurde nach der Rückkehr von Alonzo de Hojeda 1499–1500 nach Amerika entworfen, Madrid, Museo Naval. Auf der Karte eingezeichnet ist die Demarkationslinie ­zwischen den portugiesischen und spanischen Besitzungen in der Neuen Welt; in der in Grün ausgeführten Terra Incognita findet sich Christophorus mit dem Kind, der als Verweis aus Columbus gedeutet werden kann.

Anmerkungen I 445

324 Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Inv. Nr. 849, 69 x 118 cm, aus einer alten Antwerpener Sammlung, van Hout (2007), S. 45. 325 Voragine (1925), S. 498. 326 Rosenfeld (1937), v. a. Kapitel 4: Die Entstehung der Christus-Trägerlegende und die ältere Ikonographie des Heiligen Christophorus, S. 367–445, hier S. 367; sowie S. 446–472 mit einem Katalog der vorhandenen Bilder (ohne die Bilder in Basel und Antwerpen). 327 Voragine (1925), S. 500. 328 Vgl. die Beispiele bei Benker (1975), S. 52 und 53, S. 59, 61, 63, 64 oder 74 und S. 86. 329 van Hout (2007), S. 47/48. 330 Weitere Motive bei Weinhold (2011c), S. 134–139. 331 Abbildung bei Benker (1975), Nr. 102, S. 86. 332 Benker (1975), Abb. Nr. 124, S. 99. 333 van Hout (2007), S. 49. 334 Benker (1975), Abb. 105, S. 89. 335 Kunstmuseum Basel, Inv. Nr. 1652 (Depositum des Freiwilligen Museumsvereins, angekauft 1935). Bis zur Restaurierung im Jahr 1993 stand unten rechts auf der Tafel das nicht originale Datum 1562. Christian Salm sonderte 1950 das früher dem Meister von Meßkirch zugeschriebene ­Gemälde aus dessen Œuvre aus und datierte das Werk ins dritte Viertel des 16. Jahrhunderts. Moraht-Fromm/ Westhoff (1997), S. 252 schreiben das Werk dem „Meister des Basler Christophorus (süddeutsch)“ zu und datieren um 1580; Hagen (2006) datieren um 1530/1550 mit Verweis auf die Streichung des Heiligen aus dem deutschen liturgischen Festkalender 1568. Nach Kemperdick (2007), S. 30 und 59, 60, Nr. 13, Abb. 44 gehört der Maler des Basler Heiligen Christophorus aufgrund von zahlreichen Gemeinsamkeiten in den Umkreis des Meisters von Meßkirch; Schramm (1958), S. 107. 336 „Ein Gerät als Bild der Welt“ – so nennt Stephan Kemperdick ein Kapitel seines Katalogs Kreis und Cosmos. Ein restauriertes Tafelbild des 15.  Jahrhunderts aus dem Kunstmuseum Basel, ­Kemperdick (2007), S. 40. 337 Schramm (1958), S. 107. 338 Vgl. Katz (1932), S. 173, der auf den Holzschnitt als Vorlage einer erzgebirgischen Prägemedaille von 1546 verweist. 339 Schramm (1958), S. 113. 340 Eine Detailansicht des Globus bei van Hout (2007), S. 47; van Hout (2007), S. 48. 341 Anton  I. Welser hatte die Gesellschaft 1498 zusammen mit dem Handelshaus Vöhling aus ­Memmingen gegründet, das im Tiroler Silberhandel aktiv war. Zu Rem Denzer (2005), S. 46 und S. 61 zur Rolle Rems in der Faktorei Saragossa und Lissabon; Großhaupt (1991), S. 130/131. 342 Mathew (1997), S.  155–162. 1518 wurde Lukas nach Streitigkeiten von Diensteid der Welser ­entbunden und gründete eigene Faktoreien in Köln und Antwerpen; Walter (2014), S. 64–66 zu Lukas Rem in Lissabon. 343 Malekandathil (1999), S.  42–54; Michaelsen (2001), S.  97/98 nennt die Namen der beteiligten Schiffe, Kapitäne sowie die Zusammensetzung der Händler. 344 Rem (1861), S. 8; vgl. auch http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/jancke-quellenkunde/verzeichnis/r/ rem/ [aufgerufen 3. Dezember 2018]. Rem (1861), S. 84/85. 345 Schramm (1958), S. 113; Horst (2007), S. 28; von Welser (1958). 346 van Hout (2007), S. 48. 347 Moraht-Fromm/Westhoff (1997), Kat. Nr. III.3, S. 43–48 mit Farbabbildung auf S. 42. 348 Kassel, Gemäldegalerie, Inv. Nr. 1084, GK 8. 349 Zum Holzschnitt Moraht-Fromm/Westhoff (1997), S. 47; Anmerkung 27: „Möglicherweise ist die gläserne Kugel auch als Vanitas-Symbol zu sehen. Erste Beispiele dieser Deutung kennt bereits

446 I Globuspokale

das frühe 16. Jahrhundert. Im Museo Bandini in Fiesole befinden sich vier Cassone-Tafeln von Jacopo da Sellaio (1441/1442–1493) mit der Darstellung der Trionfi von Petrarca; bemerkenswert ist, dass Saturn im Triumph der Zeit eine zeitgenössische Uhr hält – und die Füße von Christus als Weltenherrschers im nachfolgenden Triumph der Ewigkeit auf einer Armillarsphäre ruhen, ­Barriault (1994), Abb. 7.1–4. 350 München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 23640. 351 Killermann (1911), S. 14/15, wenngleich die These weniger glaubwürdig ist. 352 Kunstmuseum Basel (Geschenk des Bürgermeisters Felix Sarasin 1849), Süddeutschland/Schweiz, um 1500. Auf der Rückseite befindet sich in graugrün monochromer Malerei ein Wappen. 353 Berlin, DHM, Inv. Nr. Gm 93/24, Salvator Mundi / Christus mit der Weltkugel, Niederrhein, Öl auf Leinwand, 63 x 54,6 cm. Meier (2007), Abbildung S. 286 und Kaiser/Vorsteher (2007), S. 457. Das Bild ist in einer Kopie im Schifffahrtsmuseum Amsterdam erhalten. Bilder (1995), S. 74. 354 Dekker (2010), S. 161: Durch seine Heirat mit Enge van Aich bekam er Zugang zum Umfeld der Druckerwerkstatt ihres Vaters Arnt van Aich; Karrow (1993), S. 558/559. 355 Dolz (2018), in Übersetzung „ [...] für den Erdkreis / neue und vollständige Beschreibung [....] Caspar Vopell aus Medebach fertigte diese [ausgedehnte?] Erdbeschreibung an, 1. August, Köln 1537.“ 356 Köln, Sammlung Ferdinand Franz Wallraf, KSM 1984/449; Caspar Vopelius von Medebach: Erd­ globus, Köln, 1542, Koch (1937), S. 10; Müller (1986). Die Ergebnisse der von der DFG geförderten „Erarbeitung eines annotierten Werkkatalogs (mit Kartenedition) des Kölner Kartographen, Instrumentenbauers und Verlegers Caspar Vopelius (1511–1561)“ (2008–2011) von Peter H. Meurer (gest. März 2020) sind leider nicht publiziert. 357 Noch genauer stimmt die Inschrift des Bildes mit der Aufschrift des Himmels-Globus’ von Vopelius von 1536 überein, der ebenfalls aus gedruckten Holzschnitt-Segmentstücken zusammengesetzt ist (auch dieser im Stadtmuseum Köln): „CASPAR.VO / PEL. MEDEBACH / HANC. COSMOGRA / faciebat sphaeram. / Coloniæ A° 1536“, Abb. Dekker (2010), S. 167 und 179/180; Koch (1937), S. 10, zum ersten Himmelsglobus von Vopelius von 1532, der aus einer mit einem dünnen Kreidegrund überzogene, handbemalten Pappkugel besteht („Gaspar Medebach opus hoc astrono­ micum fecit 1532 Martii“). Zum gedruckten Himmelsglobus aus Segmentstücken von Vopelius von 1536 sowie dessen Reproduktion durch Christopher Schissler von 1575 Gessner (2015), mit Abb. S. 78 und 79. 358 Karrow (1993), S.  559; Shirley (1983), Kat.  Nr.  73, S.  82. Ich danke der Kunsthistorikerin und Globen­forscherin Teresa Krah für diese Einschätzung; sie bearbeitete u. a. auch das in der Regensburger Sammlung Thurn und Taxis aufbewahrte Globenpaar von Vopelius, das allerdings eine spätere Produktionen des Kölner Druckers Wilhelm Lützenkirchen (1586–1633) ist, der die Druckstöcke aufgekauft hatte. Teresa Krah wies mich zudem darauf hin, dass die Jahreszahlen sowohl auf dem Kölner Erdglobus als auch auf dem Exemplar im Stadtmuseum Salzburg (1542 und 1545) jeweils mit der Hand nachträglich über die ursprüngliche (abgeriebene) Datierung geschrieben wurden. 359 Ein weiterer Erdglobus von Vopelius aus den 1550er Jahren wird in der Bibliothek der Universität Tenri (Japan) aufbewahrt, auch hier danke ich Teresa Krah für die freundliche Mitteilung. 360 Dresden, Alte Meister, Gal.-Nr. 161, Öl auf Pappelholz, 109 x 88,5 cm. 361 https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/365254 [aufgerufen 3. Dezember 2018]. 362 Lippincott (2002), S. 129; zu den „mondialen Ermächtigungsstrategien“ Oster (2014), S. 536/537. 363 Oy-Marra (2013), S. 282. 364 Werquet (2007), S. 518, Abbildung auf S. 519. Cosgrove (2004), Abb. 5.2. und S. 114. 365 Bulst (1975), S. 138, Abb. 19: Venedig, um 1500, Hercules und Atlas, Holzschnitt.

Anmerkungen I 447

366 Ehemals Bremen, Kunsthalle, Inv. Nr. Kl 281–292, heute sind sechs der Zeichnungen in der Eremitage in St. Petersburg, sechs in der Baldin-Sammlung in Moskau. 1511, Feder- und Pinsel­ zeichnung, weiß gehöht, schwarz laviert, aus der Sammlung Klugkist. Winkler (1937), Band 2, Taten des Herkules, Nr. 490–501, hier Nr. 499: Herkules und Atlas; Dürer-Zeit (2012), Kat. Nr. 33, S. 116–125 mit Abb. 33.20, S. 121. 367 Friedländer (1913), S. 170, Abb. 84: vier Herkulesszenen und das Familienwappen auf dem Deckel (ehemals befand sich hier die zwölfte Szene mit der Befreiung Deianeiras) und eine Geburt ­Christi auf dem Knauf; auch der schlechte Erhaltungszustand deutet auf eine Werkstattnutzung der Zeichnungen (Werkstatt Ludwig Krug?) hin, Dürer-Zeit (2012), S. 120; der Pokal ist seit einem Diebstahl 1922 verschwunden. 368 https://www.pop.culture.gouv.fr/notice/palissy/PM87000437 [abgerufen 7. Februar 2021]. 369 Paris, Musée des Arts Décoratifs, Inv. Nr. PE 1812 A: Zehn Kiefernholzreliefs, sechs mit der Darstellung des Triumphs des Caesar (nach Andrea Mantegna), vier mit Szenen aus dem Leben von Herkules, jeweils 500–600 cm lang und 80 cm hoch. Die Szene mit Atlas ist nicht erhalten, Scaglia (2000). 370 Bulst (1975), S. 125, Abb. 2: Gesamtansicht des Italienischen Saals; S. 135, Abb. 13: Medaillon: Herkules stützt das Himmelsgewölbe – erneut ein Werk der Goldschmiedekunst oder zumindest ein artifizieller Globus mit Längengraden. Abbildung in Ewig (2009), S. 14; dort auch Kat. Nr. 10.9 mit allen 12 Tondi zu den Herkulestaten. Atlas kniet, auf seinen Schultern ruht ein mit Längengraden und Sternbildern überzogener Himmelsglobus, der mit einem Reif umspannt ist, der die Tierkreiszeichen trägt. 371 Tarp (2013), S. 17; Horn (1962). 372 Ich danke Dr. Fritz Nagel sehr dafür, dass er mir seine Übersetzung des lateinischen Textes überlassen hat: „Quamvis vero hoc instrumentum absque exemplari demonstratione excogitatum et compositum sit, non tamen parum adiumenti attulere, scripta doctorum virorum, nostri seculi in Mathematicis, utpote, Schoneri, Gemmae, Dryanderij, Appiani, Orontij, Glareani, Munsteri etc.“ 373 Holst (1999), S.  57–63; Hessler (2009); Maruska (2000), S.  156/157; Berger (2013a), S.  13 kann ­zwischen 1517 und 1526 mehr als 30 Globen über schriftliche Quellen und erhaltene Exemplare rekonstruieren. 374 Bonacker (1962); Babicz (1990); Hauschke (2002), S. 365–367, u. a. zum Porträt von Schöner mit einem Globus in der Hand, Kat. 134 [Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum, ehem. Meister der Neudörffer-Bildnisse], S. 365; Christoph (2016). Zudem haben sich 14 Steifen im Einband des Schöner Sammelbandes erhalten, Hessler (2013). 375 Horst (2007), S. 26; Van Duzer (2010), S. 7; Mokre (2015), Abb. 1, S. 112 zum Exemplar des Erd­ globus von 1515 im Historischen Museum in Frankfurt/Main, Inv. Nr. hmf.X14610, Berger (2013b); ein zweites Exemplar findet sich in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar, Inv. Nr. E I 125, Christoph (2013). 376 Frankfurt, Historisches Museum, Inv. Nr. X 14610 und Weimar. Anna Amalia Bibliothek, Inv. Nr. E I 125. Van Duzer (2010), S. 5–6; Horst (2007), S. 26; Himmelsgloben (1994), S. 10–13. Ein fragmentiertes Exemplar der Segementkarte befindet sich in der Library of Congress, Washington. Es fand sich im Einband des Schöner Sammelbandes, Abb. bei Van Duzer (2010), S. 158/159. 377 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv.  Nr.  WI 1. Eser (2013), S.  78 zum Verdienst des ­Finanziers Johannes Seiler, der diesen „ältesten erhaltenen Prunkglobus“ in Auftrag gab. Der Globus wurde 1725 „umfassend restauriert“, Eser (2013), S. 79 deutet die Möglichkeit einer Neuschöpfung zu diesem Zeitpunkt an. 378 Zitiert nach Bonacker (1962), S. 441 und Eser (2013), S. 78: „Hic globum immensum complectens partibus orbem / Atque typum terrestris sinuoso corpore mundi / Est studio vigil glomeratus certe

448 I Globuspokale

duorum / Unius impensis: tribuit nam cuncta Ioannes / Seyler ad illius que commode censuit usus. / Alter Ioannes Schöner multacatus arte / In spiram hanc molem compegerat apte rotundam / Et supra impressis signavit ubique figuris / Quando salutiferi partus numeravimus annos / Mille et quingentos et quattuor addita lustra.“ (Siehe hier, diese Kugel, umspannend auf geglättetem Körper den unermesslichen Erdkreis und das Abbild der vielgestalteten Erde; zwei Männer haben sie mit ihrem unermüdlichen Eifer zuwege gebracht: Johann Seiler, der die Kosten alle trug, und Johann Schöner, der, in vieler Kunst erfahren, der Masse die runde Form gab und ihr die Figuren aufdrückte, alles in dem Jahre, als man 1520 zählte). 379 Knefelkamp (2007), S. 83; Wallisch (2009): „Auf seinen Arbeiten von 1515 und 1520 erscheint Brasilien durch eine Wasserstraße von Südamerika getrennt. Dies entspricht einer frühen portugiesischen Vorstellung, die – mehr politisch als geographisch motiviert – die Unabhängigkeit des portugiesischen Gebietes vom spanischen Einflussbereich in Amerika betonte.“ 380 Horst (2007), S. 30. 381 von Wieser (1881), S. 16–18. Mit Ruchamer stand Schöner in Verbindung, er war es auch, der für die Luculentissima quaedam terrae totius descriptio von 1515 eine Widmung an Willibald Pirckheimer verfasste. 382 Schöner schreibt aus Kirchehrenbauch, wohin er strafversetzt worden war. Mit dem Brief hoffte er, den Generalvikar von Bamberg, Reimar von Streitberg, wieder zu versöhnen. Horst (2007), S. 30; Bonacker (1960), S. 20: „Von der dritten Ausführung aus dem Jahr 1523 hat sich nur ein Druck der in Holz geschnittenen sphärischen Zweiecke erhalten, aus denen sich ein Durchmesser von 54 cm errechnet.“ 383 von Wiener (1881), Anhang III: Johannes Schöner: De nuper sub Castiliae ac Portugaliae regibus serenissimis repertis insulis ac regionibus, S. 116–122. Wallisch (2009), S. 90: „In seinem, in klassischem Humanistenlatein verfassten Text erklärt Schöner die Magellan-Expedition als konsequente Weiterentwicklung der frühen Entdeckungsgeschichte. Aus seiner größeren Distanz zu den iberischen Seefahrernationen übersieht Schöner die politischen und wirtschaftlichen Hauptmotive für deren Entdeckungsreisen und unterstellt vorzüglich wissenschaftliche Beweggründe.“ 384 Wallisch (2009), S. 191. 385 von Wiener (1881), S. 75; Wallisch (2009), S. 103: „Ego tam mirificae orbis pervagationi non nihil volens adjicere, ut, quae lectur videantur mirabilia, aspectu credantur probabiliora, globum hunc in orbis modum effingere studui exemplar haud fallibile aemulatus, quod Hispaniarum solertia cuidam viro nonore conspicuo transmisit.“ Harisse (1892), S. 519. 386 Ein Schöner-Globus wird als Vorbild für den Erdglobus beim Holbeins Gesandten in London ­diskutiert, Dekker/Lippincott (1999), S. 93–98; Dekker (1999). 387 Karrow (1993), S. 205–215. 388 Zinner (1967), S.  604; Im Museum Boijmans van Beuningen wird das Porträt des Mediziners, ­Mathematikers und Kartografen von Marten van Heemskerck (1543) aufbewahrt, Eyck (1994), Kat. Nr. 83, S. 357–359 (Jeroen Giltaij). 389 Hannover, Kestner-Museum, Inventar-Nr. KM 24; Schramm (1958), S. 103. 390 „Er, der die unterschiedlichen Himmelszeichen und den weit entfernten Sterblichen die Abläufe des Äthers lehrte, er der über die neuen Anwendungen der Heilmittel nachdachte, solcher Art war das Antlitz des Gemma, so war Ehre seines Gesichts.“ 391 DeSmet (1966), S. 226. 392 DeSmet (1964), S. 32/33 und DeSmet (1966), S. 227–229. 393 The Compendious rehearsal, zitiert nach Turner (2003), S.  64; Turner (S.  63) beton, dass die ­Studien von John Dee im Jahr 1547 in Löwen sowie der Import dortiger Globen und Messgeräten nach England für die Geschichte des englischen Instrumentenbaus von größter Wichtigkeit

Anmerkungen I 449

­waren; bezeichnender Weise fokussiert die Forschung vor allem auf Frisius und Mercator und nennt die Mitarbeit von Myrica kaum; Karrow (1993), S. 214. 394 DeSmet (1964), S. 35. 395 Dekker (2007), S.  155: Many of goldsmith can also be found among the makers of precious globes. Particularly precious are the so called chalices or drinking globe-cups made by Stampfer in Basel and Abraham Gessner in Zurich.” 396 Bernleithner (1962), S. 113–121. 397 Bernleithner (1962), S. 114. 398 Kern (2010), S.  316/317: Frisius überarbeitet die Cosmographia (1533) von Peter Apian; Timm (2007). 399 De Principiis Astronomiae & Cosmographiae, Deque usu Globi ab eodem ed.  : Item de orbis ­divisione, & Insulis, rebusque nuper inventis, Antverpiae: Bontius, 1530 400 Buch 2, Kapitel 2, De usu globi generali: „Quantum utilitatis, quantum delitiarum ac iucunditatis adferat Globus hunc in modum instructus, difficile fuerit credere inexperto: Nam super alia quævis instrumenta facilem usum erumque amplu præpat Astronomis, Geographis, Historiographis, Legumperitis, Grammaticis, Naucleris, & cuiuis hominem generi utilis & præter hæc grtissimus sua forma existit“, vgl. die englische Übersetzung bei Brotton (1999), S. 86„The utility, the enjoyment and the pleasure of the mounted globe, which is composed with such skill, are hard to believe if one has not tasted the sweetness of the experience. For, certainly, this is the only one of all instruments whose frequent usage delights astronomers, leads geographers, confirms historians, enriches and improves legists (les legistes), is admired by grammarians, guides pilost, in short, aside from its beauty, its form is indescribably useful and necessary for everyone.“ 401 Reich (2005); Kern (2010), S. 337. 402 Dekker (2007), S. 147/148. 403 Kern (2010), S. 315/316. 404 Kraus (2007b), erschienen 1557 in Marburg bei Andreas Kolbe. 405 Menninger (1995); Münzel (2006); Obermeier (2006); Wolf (1992); Wittkower (1984). 406 Kraus (2007b), S. 567: „Umstritten sind teilweise die Passagen über den rituellen Kannibalismus der Tupinambá, der auch von Staden ausführlich geschildert wurde.“ 407 Menninger (1995): Hans Stadens Warhaftige Historia. Der gemachte Bestseller, S. 165–190. 408 Kiening (2002); Dos Santos Lopes (2007). 409 Lassere (1975), Sp. 977. 410 Bloch (1998), S. 883. 411 Knefelkamp (2007), S. 82. 412 Große (2015), S. 227: Plinius stützt seine Aussagen u. a. auf zwei Indienberichte von Ktesias von Knidos (spätes 5./frühes 4. Jahrhundert) und Megasthenes (um 350-um 290 v.Chr.). 413 McLean (2007), S. 191–279. 414 Große (2015), S. 238. 415 Große (2015), S. 238. Münster, Ausgabe 1572, S. 904 und Simek (1992), S. 105. Es gibt ein Flugblatt von 1505 (erschienen bei Johann Froschauer in Augsburg) mit Indianer-Darstellungen nach den Angaben von Amerigo Vespucci, Kraus (2007a) und Abb. S. 117, München, Bayerische Staats­ bibliothek, Sign. Einbl. V, 2. 416 Hamel (2007), S. 369: „Weithin einmalig ist seine Idee, dem Käufer des Buches auf einem angehängten Druckbogen einige der im Text abgehandelten Instrumente noch einmal zu präsentieren, diesmal auf einseitig bedrucktem Papier zum Ausschneiden und Aufkleben auf Holz. Auch wer nicht über die erforderlichen Geldmittel verfügte, sich ein fertiges Instrument anschaffen zu können, sollte nicht der instrumentellen Hilfsmittel beraubt sein, Vermessungsarbeiten auszuführen.“

450 I Globuspokale

417 Apian Instrument Buch (1533), Abteilung A, fol. 1v. 418 Baxandall (1980), S.  145 entnimmt das Wort dem 1500 abgefassten Vertrag des Strassburger Schnitzers Veit Wagner: „In particular, zierlich relates most to ornamentation, and subtil to ­physical delicacy and refinement; the typicaly subtil activity is needlework or tapestry“, a contrary of the grob or peasant crudity.“ 419 Karrow (1993), S. 168–190; Besse (2009); Karrow (1993), S. 559 betont die Ähnlichkeiten zwischen Caspar Vopelius’ Globus von 1542, der Karte von Fine von 1531 und drei erhaltenen Globen (Paris Gilt Globe, Pariser Holzglobus sowie der Globuspokal von Gessner aus Nancy). 420 Pantin (2009), S. 16/17 und 20. 421 Dupré (2009), S. 82 bezeichnet Fine als „mathematical practitioner“. 422 Brioist (2009), S. 57. 423 Karrow (1993), S. 190. 424 Dürst (1983), S. 119–122 (Helvatiae Descriptio) und S. 122–129 (De Geographie Liber unus); Aschmann (1983) zu Glareans musiktheoretischen Arbeiten, vor allem die Isagoge in Musicen ( Basel bei Froben 1516) sowie sein Dodekachardon (1547 bei Heinrich Petri, Basel). Eine negative Beurteilung der Arbeit von Glarean liefert Mack (1992), S. 271/272. 425 Knefelkamp (2007), S. 83; Horst (2007), S. 25. 426 Mack (1992), S. 271. 427 De Geographia Liber Unus, Darin S.  23, Kapitel 18: De Pictura globi; S.  23: Kapitel 19: De ­inducendo papyri in globum; S. 23v: auf dem Seitenrand eine diagrammartige Zeichnung, die die lanzettförmigen Segmentbögen zeigt. Diese Abbildung auch bei Dürst (1983), S. 127. http://doi. org/10.3931/e-rara-8955 [aufgerufen 17. November 2018]. 428 Oestmann (1995). 429 Bonacker (1960), S. 28 und Dürst (1983), S. 126 weisen darauf hin, dass die ältere Forschung in Glarean den „Erfinder“ erkennen wollten, der das „das Problem des Erdbildes auf der Globus­ kugel mittels Aufklebens von Papierzweiecken als erster gelöst“ habe. Dies ist heute wiederlegt, da beispielsweise schon Dürer zwei Jahre vorher (Underweysung der messung, 1525) darüber schrieb – allerdings unter rein geometrischer Problemstellung. Die praktische Anwendung, die Glarean vorstellt, interessierte ihn weniger, Oestmann (1995), S. 121/122. Schon 1507 war die Segmentkarte von Waldseemüller erschienen. 430 Kern (2010), S. 320: „Nachdem Johannes Stöffler die Grundlagen zur Ausbreitung der Geographie in Deutschland geschaffen hatte, brachte Sebastian Münster seine geographische Hinterlassenschaft in Ordnung.“ Schicksalsdeutung (1993), Kat. Nr. 11, S. 37–39: München, Bayerische Staatsbibliothek, Sig. Clm 10691, Kollegienbuch von Sebastian Münster, Tübingen 1515–1518. 431 Zitiert nach Kern (2010), S. 308. 432 Kern (2010), S. 308/309. 433 Diederich (2014) zu Keplers Leben und zu seinem Frühwerk v. a. S. 35–47; Bredekamp (1993), S. 41–43; Kemp (1996), S. 75–80; Mittelstraß (2014), S. 87/88. 434 Mokre (2002), S. 151 zum Globus als spezieller kartographischer Ausdrucksform, wissenschaft­ lichem Instrument und künstlerisch sowie ästhetisch anspruchsvollem Objekt. 435 Weltgeheimnis (1936); Field (1988), S. 30–72, mit Abbildung S. 39. Bevor Kepler Mitarbeiter von Tycho Brahe und zum Hofmathematiker am Prager Hof ernannt wurde, arbeitete er in Graz als Lehrer der Mathematik an der evangelischen Stiftskirche und entwickelte dort seine kosmologische Theorie – und veröffentlichte 1596 sein Mysterium Cosmographicum. Gessner (2014) zum Abdruck, eingebunden nach der 24. Seite; http://www.e-rara.ch/doi/10.3931/e-rara-445 [aufgerufen 30. November 2018]; Rainer (2015), S. 88, Abb. 7: Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Sig. Cod. hist qt. 203, S. 20: Wilhelm Schickard, Skizze für eine mechanische Ausführung des

Anmerkungen I 451

Kredenzbechers Johannes Keplers [http://digital.wlb-stuttgart.de/purl/bsz411134515/page/1, S. 20, aufgerufen 2. März 2020]. 436 Ohly (1982), S. 14–17; Kemp (1996), S. 62 zum Motiv „Gott als opifex“ bei Kopernikus; Diederich (2014), S. 39; Nobis (2009), S. 47 zu Gott als deus architectus, der als Protogeometer die Welt als mundus archetypus entwarf und als Protomechaniker auch herstellte, mit Verweis auf den TimaiosKommentar von Marsilius Ficinus (1433–1493). 437 Briefe (1945), Brief Nr. 63 (Michael Mästlin an Kepler in Graz), Tübingen, 9. März 1597, S. 108–112, hier S. 109; in dem Brief beschreibt Mästlin allgemein die Durchsicht und Drucklegung des ­Werkes und führt zu den beigegebenen Illustrationen insgesamt aus, S.  109: „Scripturam tamen hat ­Dominus Leibfridius gerißen und geetzt. Apposuit is in tui honorem carmina quaedam, quae vt prohibere non potui (tibi enim gratificari cupiuit) ita spero tibi ingrata non fore. Es hatts gedachter Mahler Domino Gruppenbachio also fürgegeben, et persuasit, quasi minori sumptu in cupro, quam in ligno exculpi possit, aber euentu docente, es kostet in fast noch so vil, und seind die ­exemplaria erst dis wochen vollend gefertigt worden.“ 438 In einem Brief an der Herzog Friedrich von Württemberg vom 29. Februar 1596, Briefe (1945), Nr. 30, S. 65–67; Rainer (2016), S. 127–130. 439 Die Vorstellung der Welt als machina mundi liegt diesem Bemühen zugrunde  – als in sich ­geschlossenes System, das durch den Weltenbauer, den Demiurgen Platons aus dem Timaios, ­erschaffen wurde, vgl. Mittelstraß (1981), S. 56 und zu Kepler S. 58: „[Kepler] ersetzt den Begriff der Seele (in dynamischen Zusammenhängen) durch den Begriff der Kraft und eliminiert die Vorstellung der machina mundi als eines sichtbaren Gottes.“ 440 Briefe (1945), S. 154, Nr. 82. Rainer (2015), S. 87 zu Kepler, der als Nachfolger Brahes am rudolfinischen Hof arbeitete. 441 Zitiert nach Mittelstraß (1981), S. 59. 442 Briefe (1945), Nr. 26, 48/49: Brief von Kepler an Raimarus Ursus in Prag, Graz, 15. November 1595: „Nam inter Saturnum et Iovem est Cubus, sit ut ima Saturni periodus, sit Orbis circumscriptus, summa Iovis inscritpus, inter Iovem et Martem Tetraedron, inter Martem et Terram Dodecaedron, inter Terram et Venerem Icosaedron, inter Venerem et Mercurium Octaedron. Ordinem hunc corporum neque Metaphysici, neque Mathematici cum ratione immutaverint.“ Aigner (1975), S. 41. So auch in der Vorrede zum Werk, Weltgeheimnis (1936), S. 24. 443 Briefe (1945), Nr. 28 (Kepler an Herzog Friedrich von Württemberg, Stuttgart, 17. Februar 1596), S. 50–54. 444 Briefe (1945), S. 50; Rainer (2015), S. 87. 445 Briefe (1945), S. 50: „Nu woltt ich gern einen abriß in plano, oder aber ein hülzen kupfferen oder papüren corpus E. F. G. sich darinnen zuersehen, zugerichtet haben.“ 446 Briefe (1945), S. 51: „Die prob sol zuvor auß Kupfer gemacht werden und wann wir darnach die prob ersehen und befinden daß solches werdt in silber zu fassen, sol es hernacher khein Not ­haben.“ 447 Briefe (1945), S. 52. 448 Chojecka (1967), S. 56. 449 Briefe (1945), S. 52. 450 Ich danke Sabine Schlegelmilch für ihren Hinweis auf ein Epigramm des Antipater von Thessalonike, das zwei Gefäße nennt, die aus Halbkugel bestehen, die zusammengesetzt eine Sphaira bilden und im Innern den Sternenhimmel zeigen, der beim Austrinken sichtbar wird (= aufgeht); das Epigramm findet sich in der Erstausgabe der Anthologia Graeca, Florenz 1494, Schlegelmilch (2008), S. 33. Es bezieht sich auf die mögliche Nennung eines Sphärenbechers bei Vergil, 3. Ekloge, 104/105: „Dic quibus in terris – et eris mihi magnus Apollo – tris pateat caeli spatium non

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amplius ulnas“ (Sage mir, wo zu Land – und du sollst mir ein großer Apoll sein – Sich nicht weiter erstreckt als um drei Ellen der Himmel?). 451 Krifka (2000), S. 425; Rainer (2015), S. 87. 452 Platon (1992), S. 91–93, 55a-d. 453 Briefe (1945), Nr. 30, S. 66. 454 Briefe (1945), Nr. 30, S. 66. 455 Briefe (1945), Nr. 99, S. 221. 456 Zur Straßburger Münsteruhr Oestmann (1993). 457 Briefe (1945), Nr. 99. S. 221. 458 Briefe (1945), Nr. 99. S. 221. 459 Briefe (1945), Nr. 99, S. 223 und 224. 460 Holländer (2015), S. 59. 461 Chojecka (1967), S. 56; Groh (1991), S. 26; Kemp (1996), S. 79. Zur Mechanisierung des Weltbildes Dijksterhuis (1956); Mayr (1980); Paulinyi/Troitzsch (1991); Eusterschulte (2002); Korey (2007). Am Ende des 16. Jahrhundert spricht der Mathematiker Henri de Monantheuil von Gott als einem mechanikos bzw. mechanapoios – dem mächtigsten Mechaniker, Bredekamp (1993), ND 2000, S. 41; Hooykaas (1963), S. 11–16 und Dijksterhuis (1956). Nobis (2009), S. 44: „Die erkenntnistheoretische Voraussetzung zur Legitimierung der Artefakte [im Sinne von Instrumenten und Modellen] war jedoch die Aufhebung des Gegensatzes von ars und scientia, und dafür war der theologische und philosophische Horizont teilweise durch jene Leitidee eröffnet, die auch hinter den eben dargelegten mittelalterlichen Gedanken über die Wahrheitserkenntnis stand, die Vorstellung nämlich, dass Gott der architectus divinus und die Welt eine große Maschine [...] sei.“ 462 Briefe (1945), Nr. 99. S. 225. 463 Chojecka (1967), S. 58: „Keplers Bemühungen, ein „wissenschaftliches“ Kunstwerk zu schaffen, obwohl nur in Form eines bescheidenen Kupferstichs erhalten, geben Anlass zur Formulierung seiner theoretischen Bewertung des Kunstwerks im Bereich der ihn interessierenden Naturwissenschaften. Hierbei scheinen zwei Elemente grundsätzlich Bedeutung zu erlangen: erstens das Hervorheben der ästhetischen Werte der Natur, die als Kunstwerk sui generis angesehen wird und worin ein den Neoplatonikern der Renaissance verwandter Gedanke zu erkennen ist und zweitens die hohe Würdigung des visuellen Faktors im Prozess wissenschaftlicher Erkenntnis.“ 464 Auch der Schmuckcharakter wird unterschieden: bei der machina artificialis wäre er angemessen, bei den automata nicht, diese sollten weder ornamentale noch allegorische Verzierungen zeigen. Hocke (1957), S. 118–123 zu den mechanischen Automata, als ‚Verneinung’ der Natur; Chojecka (1967), S. 58, meint, dass Kepler im automaton die programmmäßige Nachahmung der Natur sieht: „Der manieristische Dualismus wird dadurch aufgehoben, dass Kunst und Natur als durch dasselbe mathematische Gesetzt bedingt verstanden wurden.“ 465 Holländer (2015), S. 59: „Man kann dieses nicht realisierte, vielleicht aber noch realisierbare Projekt an der Grenze des damals Möglichen auch als Hinweis darauf betrachten, dass man sich um die Sammlungen herum einen ganzen Hof von unerfüllbaren Wünschen, von Gedankenspielen und unvollendbaren Vorhaben vorstellen kann, der nicht weniger zur Sache gehört als das, was man tatsächlich damals zu sehen bekam.“ Salerno (1963), S. 205: „Poiché, se la fine della pittura è una artificiosa imitazione della naturale il cui principio è il disegno, l’artefice esprime la propria idea imitando sia il naturale sia l’artificiale, sia ciò che è, sia ciò che potrebbe essere.“ 466 Joris Hoefnagel: Allegorie für Abraham Ortelius, 1593, in: Vignau-Wilberg (2017), Kat. Nr. C 16, S. 175/176. Antwerpen, Museum Plantin-Moretus, Prentenkabinet, Inv. Nr. 535 (OT 535; A 01.03.b). Inschrift: Ars neminem habe osor(m) / nisi ingora(n)tem (Niemand hasst die Kunst ausser dem, der sie nicht kennt); Zauber (1987), Kat. Nr. VIII.19, S. 351 [M.P.].

Anmerkungen I 453

467 Eine Variante seiner Imprese ist die Weltkugel mit dem Motto „Contemno et orno, mente manu“ (Ich verachte sie und schmücke sie, mit meinem Geist und mit der Hand). 468 Felfe (2015a), S. 246–258, zur Sonderform des Proportionalzirkels/Reduktionszirkels, S. 257: „Auch wenn sich die Transformationen, die dieses Instrument möglich macht, nicht unmittelbar auf alle Naturdinge und menschlichen Artefakte anwenden lässt, so werden gleichwohl die idealen ­Verkörperungen unveränderlich harmonischer Verhältnisse als operationale Ebene einer universellen Wandelbarkeit bestätigt.“ 469 Curtius (1948), S. 529: Der Demiurg als Werkmeister wurde von Cicero als fabricator und aedificator übersetzt, von dem bekannten und im Mittelalter viel gelesenen Kommentator Chalcidius als opifex, genitor und fabricator 470 Salerno (1963), S. 195/196. 471 Tayler (1964), S. 2 mit dem Zitat von Fludd: „natürlich die Natur und ihren Affen, den wir die Künste nennen“; von Greyerz (2009), S.  49/50; Rösche (2008); Curtius (1948) „Der Affe als ­Metapher“, S. 524/525; Janson (1952); Rainer (2015), S. 83 mit Verweis auf das Schriftmusterbuch von Kaiser Rudolf II, angelegt von Georg Bocskay (Schreiber) 1571–1573 und von Georg ­Hoefnagel 1591–1594 Wien, KHM, Inv. Nr. KK 975. Dort fol. 76r u. a. zwei Affen: „Der zweite Affe trägt jedoch Kleider und ist somit noch stärker als menschenähnlich gekennzeichnet; er vermisst mit seinem Zirkel eine künstliche Welt, einen modellhaften Sternenglobus. [...] Dieser Affe, mit dem ja die Nachahmung gemeint ist, lotet also eine ebenfalls nachgeahmte und künstliche Natur aus und gelangt trotzdem oder deshalb zur Erkenntnis. Im Sinne Robert Fludds kann diese Illustration also als das Erlangen von Erkenntnisgewinn durch den Akt des Nachvollziehens, Nachahmens und Nachschöpfens sowie durch Wissenschaft und Kunst verstanden werden.“ 472 Müller (1980); Mezger (2006), S. 196–219; Schuster (1981), S. 186. 473 Kiening (2007), S. 225–227. 474 Könneker (1966), S. 2. 475 Aber auch der ältere Typus des Gelehrten, der Büchernarr, der zu Beginn des Narrenschiffs im Typus des antiken Autorenbildes von Büchern umgeben in seinem Gehäuse sitzt, wird als Ignorant und Aufschneider, gar Scharlatan, entlarvt, dazu Christadler (2011), S. 246–248.

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Dank Dieses Buch ist über viele Jahre entstanden und hat von vielen Menschen und ihren ­Fragen, ihrem Wissen, ihrer Kritik und ihren Forschungen profitiert. Danken möchte ich Magdalena Bushart, mit der ich erste Überlegungen entwickeln und die Fragestellung in unterschiedlichen Aspekten im Projekt Interdependenzen. Künste und künstlerische Techniken weiterverfolgen und immer wieder überdenken konnte. Danken möchte ich AnnSophie Lehmann und Doris Oltrogge, mit denen ich in unterschiedlichen Kontexten über künstlerische Techniken und Material reden durfte und die mich freigiebig an ihrem ­großen Wissen teilhaben ließen. Danken möchte ich den Kolleg:innen aus dem DFG Netzwerk Zwischen Präsenz und Evokation. Fingierte Materialien und Techniken im frühen und hohen Mittelalter für wichtige Diskussionen und kritische Fragen zu Materialbeschreibung und Materialwahrnehmungen – Britta Dümpelmann, Rebecca Müller, Beate Fricke, Patricia Blessing, Joanna Olchawa, Kristin Böse, Beatrice Kitzinger, Bruno Reudenbach, Carsten Juwig, Gerhard Lutz, Ittai Weinryb, Vera-Simone Schulz und Wolf-Dietrich Löhr. Danken möchte ich Sven Dupré für Gespräche und die Einladung, zu seinem Band Laboratories of Art beizutragen und William Royal Newman, der freundlicherweise meine alchemischen Überlegungen zu den Handsteinen nicht vollkommen abwegig fand. Herzlich danke ich Franca Mader und Anne Krauter für die Einladung zu ihrer anregenden Konferenz WerkStattWissen – Materialtechnologie in Quellenschriften und Werkstattpraxis und der Möglichkeit, vom dort versammelten Wissen zu profitieren. Danken möchte ich ­Pamela H. Smith und Pamela O. Long für ihr Interesse an meiner Arbeit, ebenso wie Lisbet Tarp, mit der ich endlich einmal ein Projekt realisieren möchte. Mit Tina Asmussen verbindet mich die Freude an montanwissenschaftlichen Themen – ihr danke ich herzlich für die Anregung, eine Sektion auf dem RSA zu diesem Thema gemeinsam zu gestalten. Ein ­großer Dank geht an das Ehepaar Dr. Kai und Rosemarie Werner, die mir durch die großzügige Unterstützung des Jens-Peter-Haeusgen-Stipendiums einen Forschungsaufenthalt am Kunsthistorischen Institut in Florenz (MPI) und damit den Abschluss des zweiten Kapitels dieser Arbeit ermöglichten. Danken möchte ich Alessandro Nova für die Gewährung eines zweijährigen Stipendiums am Florentiner Institut und ihm und Daniela Bohde für die Möglichkeit, meine Überlegungen im Rahmen der Tagung Jenseits des disegno zur Diskussion stellen zu können. Ein großer Dank geht an Fritz Nagel, der mich so freundlich an seinem Wissen über den Basler Globuspokal teilnehmen ließ und Andreas Christoph für die Aufnahme meiner Überlegungen in den Globusfreund. Theresa Fesl danke ich dafür, dass sie mir ihr Wissen über die Kölner Globen schenkte – und Fritz Thalheim und Paulus Rainer für Gespräche über die mögliche Zusammensetzung der Handsteine. Ich danke den Kolleg:innen, mit denen ich gemeinsam den Antrag für die DFG Forschungsgruppe Dimensionen der Techne in den Künsten. Erscheinungsweisen, Ordnungen, Narrative geschrie-

Dank I 455

ben habe, ein Prozess, der an vielen Stellen wichtige Impulse für diese Arbeit gab – Christina Lechterman, Karin Leonhard, Bettina Uppenkamp, Friedrich Steinle, Robert Felfe, erneut Magdalena Bushart und Wolf-Dietrich Löhr. Ein sehr großer Dank geht an Ingrid Haug, die das Manuskript Korrektur gelesen hat – und an Mahalia Matheja und Adeline Schwabauer, denen ich die sorgfältige Durchsicht der Bibliographie verdanke. Die Drucklegung dieser Arbeit wurde durch die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften großzügig gefördert, der ich dafür herzlich danke. Und immer danke ich Tim Urban, der meist ohne großes Murren mit mir Kunstkammern und Planetarien besuchte, über die Jahre viele Meerschnecken und Minerale besehen hat und mehr über das Erzgebirge und seine Kultur weiß, als ich.

456 I Dank

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534 I Bildnachweise

43 © Bayerische Schlösserverwaltung, Maria Scherf / Rainer Herrmann, München 44 © Bayerische Schlösserverwaltung, Maria Scherf / Rainer Herrmann, München 45 © Bayerische Schlösserverwaltung, Maria Scherf / Rainer Herrmann, München 46 © Grünes Gewölbe, Staatliche Kunstsammlungen Dresden 47 © Grünes Gewölbe, Staatliche Kunstsammlungen Dresden 48 © Grünes Gewölbe, Staatliche Kunstsammlungen Dresden 49 © Grünes Gewölbe, Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Foto: Jürgen Karpinski 50 © Stuttgart Landesmuseum Württemberg. Foto: Hendrik Zwietasch 51 © Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum. Leihgabe der Johann Carl von Schlüsselfelder’schen Familienstiftung 52 in: Naturschätze (1991), S. 165. 53 © Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden 54 © Wien, KHM 55 © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek. Foto: Dietmar Katz 56 © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek. Foto: Dietmar Katz 57 © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek. Foto: Dietmar Katz 58 © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek. Foto: Dietmar Katz; © Wien, Österreichische Nationalbibliothek 59 © Florenz, Biblioteca del Museo Galileo. 60 © Prag, Strahov Bibliothek / Königliches Kanonikat der Prämonstratenser 61 © The Fitzwilliam Museum, Cambridge. Inv. Nr. PD.6-1948.f.88 62 © Victoria and Albert Museum, London, Inv. Nr. 16842 63 © Victoria and Albert Museum, London, Inv. Nr. 27699:2 64 © Bayerische Staatsbibliothek München, Cod.icon. 199 [urn:nbn:de:bvb:12-bsb00012873-3] 65 © The Fitzwilliam Museum, Cambridge. Inv. Nr. PD.6-1948.f.55 66 © The Corning Museum of Glass, Corning, NY (Bequest of Jerome Strauss) 67 © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek. Foto: Dietmar Katz 68 © Kunstgewerbemuseum, Staatliche Museen zu Berlin. Foto: Karen Bartsch. 69 © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek. Foto: Dietmar Katz 70 © in: Skizzenbuch (1905), Tafel 156. 71 © Wien, KHM 72 © Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg. Foto: Georg Janßen. 73 © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek. Foto: Dietmar Katz 74 © Wien, KHM 75 © Bayerische Staatsbibliothek München, Rar. 2246#Beibd.2 [urn:nbn:de:bvb:12-bsb00084127-7] 76 © Bayerische Staatsbibliothek München, Rar. 2246#Beibd.1 [urn:nbn:de:bvb:12-bsb00084126-2]. 77 © Dresden, SLUB, S.B.616 [http://digital.slub-dresden.de/id27778509X/18] 78 © Dresden, SLUB, Optica.21 [http://digital.slub-dresden.de/id271702370/1] 79 © Dresden, Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen. Foto: Herbert Boswank 80 © Dresden SLUB, Optica.31 [http://digital.slub-dresden.de/id263566811/6]. 81 © Staatsbibliothek Bamberg, Signatur JH.Ma.f.5 [https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bvb:22dtl-0000000103] 82 © Basel, Historisches Museum. Foto: P. Portner 83 © AuthaGraph Co., Ltd. 84 © Basel Historisches Museum. Foto: P. Portner 85 © Basel, Historisches Museum. Foto: P. Portner 86 © Basel, Historisches Museum. Foto: P. Portner

Bildnachweise I 535

  87 © Wikimedia Commons   88 © Basel, Universitätsbibliothek, F IX 26 [http://doi.org/10.7891/e-manuscripta-15685]   89 © London, British Museum https://www.britishmuseum.org/collection/object/H_AF-3060   90 © Boston, Museum of Fine Arts   91 in: Bimbenet-Privat/Kugel (2017), Kat. Nr. 85, S. 263   92 © The Box, Plymouth.   93 © Los Angeles, LACMA   94 © Stuttgart, Landesmuseum Württemberg. Foto: Hendrik Zwietasch   95 © The Royal Court, Sweden. Foto: Lisa Raihle Rehbäck   96 © Dresden, Grünes Gewölbe, Staatliche Kunstsammlungen   97 © Wikimedia Commons   98 © Darmstadt, Universitäts- und Landesbibliothek [urn:nbn:de:tuda-tudigit-24313), Inv. Nr. Inc V 27   99 © London, British Library 100 © Washington, Library of Congress, Geography and Map Division (G3200 1507 .W3) 101 © München, Bayerische Staatsbibliothek, Sig. Cim. 107#2 (= 2 Math. 499#2) 102 © Basel, Universitätsbibliothek, F IX 26 [http://doi.org/10.7891/e-manuscripta-15685] 103 © Image Collection The John Carter Brown Library (Accession Number: 31959) 104 © Washington, Library of Congress, Geography and Map Division (control number 84696978) 105 © Washington, Library of Congress, Geography and Map Division. 106 © Los Angeles, J. Paul Getty Museum, Inv. Nr. 83.AM.342. 107 © Wikimedia Commons 108 © Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv. Nr. WI1826. 109 © Wikimedia Commons 110 © Paris, BnF, Département Cartes et plans, Inv. Nr. Ge A-335 (RES) 111 © Paris, BnF, Département des Cartes et Plans, Inv. Nr. Ge A 333 Rés 112 © Paris, BnF, Département des Cartes et Plans, Inv. Nr. Ge A 397 113 © The Royal Court, Sweden. Foto: Alexis Daflos 114 © Zürich, Schweizerisches Landesmuseum 115 © Wikimedia Commons 116 © Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten. Collection KMSKA, Photo: Hugo Maertens. 117 © Basel, Historisches Museum 118 © bpk | Bayerische Staatsgemäldesammlungen 119 © Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister. Foto: Ute Brunzel 120 © Berlin, DHM 121 © Rheinisches Bildarchiv Köln. Foto: R. Wolfgang F. Meier, rba_d022264_01 122 © Dürer-Zeit (2012), Abb. 33.10, S. 121 123 © Amsterdam, Rijksmuseum 124 © München, Bayerische Staatsbibliothek, Sig. Rar. 1777#Beibd.1 125 © Bayerische Staatsbibliothek München, Sig. Res/2 Geo.u. 48 126 © Zürich, ETH-Bibliothek, Sig.Rar 2891 127 © Zürich, ETH-Bibliothek, Sig. RAR 1367: 1 128 © Dresden, SLUB, Sig. 1.B.3237-1 129 © München, Bayerische Staatsbibliothek München, Sig. Rar 1464

536 I Bildnachweise

Register

Personenregister Agricola, Georgius 42, 58, 75, 78, 88, 90–91, 93–

Bacon, Francis 12–15, 25

95, 97, 106, 108, 113–115, 117–118, 120–

Bair, Hans Jakob I. 353–354

122, 124–125, 131, 136, 138, 140, 142, 150

Basilius von Caesarea 23

Ainvaux, Georges 85

Bayer, Wenzeslaus 115

Alberti, Leon Battista 276, 287, 324

Behaim, Martin 275, 377, 380, 404

Albertus Magnus 88, 97, 117–118, 121, 131, 138

Bellano, Bartolomeo 267

Albinus, Petrus 106, 143

Berlinghieri, Francesco 378, 380

Albrecht V., Herzog von Bayern 67, 75, 253

Bermann/Wermann (Bermannus), Lorenz 93–94,

Albrecht von Brandenburg (Kardinal) 72

96, 106, 108, 114, 125

Albrecht, Pfalzgraf von Pfalz-Mosbach 88

Bessarion (Kardinal) 287

Alfons V., König von Aragon 378

Bezalel 95, 111

Alfons V., König von Portugal 360

Bianco, Andrea 360

Alfons X., König von Kastilien 377

Bienewitz, Georg 369

Amerbach, Basilius 343

Biringuccio, Vanoccio 95, 115–117, 120, 124,

Amerbach, Bonifacius 7, 332–337, 341–342, 357, 369 Amman, Jost 282, 289, 344

127, 133 Blarer (Blaurer), Thomas 332–338, 341–342, 357, 371

Amman, Josua 344

Blarer von Giersberg (Blaurer), Ambrosius 332

Ancon, siehe Bayer, Wenzeslaus 96, 114, 125

Borghini, Vincenzo 98

Anders, William 323

Borman, Frank 323

Andrea della Valle (Kardinal) 238

Botticelli, Sandro (Alessandro di Mariano

Andreae, Johann Valentin 15–16

Filipepi) 276

Angelus, Jacobus (Giacomo d’Angelo) 359, 414

Böttiger, Veit 217–218, 231

Antipatros von Thessalonike 354

Boulengier, Louis 383–384

Anton II., Herzog von Lothringen 85

Brant, Sebastian 423

Apian, Peter (Bienewitz) 325, 326, 369, 404, 408,

Bretschneider, Daniel d. Ä. 73

411

Brunelleschi, Filippo 324, 378

Archimedes 425

Bullinger, Heinrich 339–340, 368

Aristoteles 20, 22–23, 117–118, 121, 123–124, 359

Cabral, Pedro Alvares 382, 388

Asolanus, Andreas 114

Cabrillo, Juan Rodríguez 371

Asper, Hans 338

Campano, Giovanni 274

Attavanti, Attavante (degli) 378, 380

Cantino, Alberto 364

August, Kurfürst von Sachsen 12, 58–59, 61, 63,

Cellini, Benvenuto 65, 133, 209, 252–253

70–71, 73, 75, 107, 284, 420 Augustinus 23 Avicenna (Abū Alī al-Husain ibn Abd Allāh ibn Sīnā) 118, 138 Bach, Bartholomäus 94, 114

Christian I., Kurfürst von Sachsen 59, 63–64, 71, 73, 108, 206, 284 Christian II., Kurfürst von Sachsen 151, 217–218 Christian IV., König von Dänemark-Norwegen 99, 421

Personenregister I 537

Christian von Anhalt 73 Chytareus, David 390 Clemens VII. (Papst) 400 Cock, Hieronymus 239 Columbus, Christoph 325, 343, 348, 358, 377– 378, 380

Ferdinand I. (1503-1564), König von Ungarn und Böhmen und Erzherzog von Österreich 59, 87, 104, 248 Ferdinand II. von Tirol, Erzherzog 59, 65, 71, 112–113, 229, 248, 349, 353 Ferdinand von Bayern 68

Cranach, Lucas 112

Fibonacci (Leonardo da Pisa) 269

da Gama, Vasco 228–229

Fickler, Johann Baptist 59, 67, 225

Dante Alighieri 276

Fine (Finaeus), Oronce 344–345, 371, 404, 413

de Bailly, Robertus 384

Florianus, Antonius 357, 370

de Bonte, Gregorius 408

Floris, Cornelis 250

de Boodt, Anselmus 70

Flötner, Peter 267, 338

de Bry, Theodor 410

Fludd, Robert 423

de Castellig, Jeannin 352

Foresius, Michael 88

de Caveri, Nicolò 366

Fra Mauro 360–362

de Cock, Jan 393

Friedrich I., Herzog von Württemberg 418

de la Ramée, Pierre (Petrus Ramus) 288

Friedrich II. (Kaiser) 376

de Santa Cruz, Alonso 370

Friedrich III. (Kaiser) 108

de Thou, Jacques-Auguste 343

Friedrich III., Kurfürst von der Pfalz 274

de Varthema, Ludovico 348

Friedrich V., König von Dänemark 349

de‘ Medici, Don Giovanni 242

Fries, Johannes 338–340

de‘ Medici, Ferdinando I. 253

Frisius, Gemma (Jemme Reinersz) 384, 404, 406–

de‘ Medici, Lorenzo 378

409

de’ Medici, Lorenzo di Pierfrancesco 364

Froben, Hieronymus 93, 114

de’ Musi, Agostino (Agostino Veneziano) 249

Froschauer, Christoph 368, 369

Dee, John 408

Fugger, Hans Jakob 230–231, 247

Demongenet, François 370

Füssli, Hans 338

Diaz, Bartolomeu 228, 362

Gagenhart, Petrus 380

Dikaiarchos 425

Galen (Galenos von Pergamon) 114, 116

Diogenes 341

Galilei, Galileo 24

Doppelmayr (Doppelmeier), Johann Gabriel 289

Gastaldi, Giacomo 357, 370, 388

Doria, Andrea 73

Gauricus, Pomponius 287

Drake, Francis 350, 353

Georg der Bärtige, Herzog von Sachsen 71

Dryander (Eichmann), Johannes 404, 410

Germanus, Nicolaus 362, 377

Dryander, Franciscus (Francisco de Enzinas) 338–

Gessner, Abraham 344–346, 349, 352–353, 357,

340 Dürer, Albrecht 112, 262, 269–270, 274–279, 287, 289, 325, 402, 414

390 Gessner, Andreas d. Ä. 344 Gessner, Andreas, d. J. 344

Elcano, Juan Sebastian 405

Gessner, Conrad 138, 141, 143, 344

Elisabeth I. Königin von England 350

Gessner, Hans 344

Elisabeth von Anhalt 206

Gessner, Jakob 138

Eratosthenes 358

Gessner, Katharina 344

Ercker, Lazarus 116, 124, 126–127

Geyer, Elias 205, 217–218, 220–221, 224, 234,

Erik XIV., König von Schweden 371, 388 Etzlaub, Erhard 375 Euklid 129, 270, 274–276, 278, 289, 390

245 Giulio Romano (Giulio di Pietro Gianuzzi) 247– 254, 260, 264

Fabricius, Georg 142–143

Glockendon, Georg 380

Federico da Montefeltro 378

Gogava, Antonius 408

538 I Register

Goltzius, Hendrick 196

Kentmann, Johannes 134, 137–143, 146–147

Govertszen van der Aar, Jan 196–197

Kepler, Johannes 416–422

Gravius, Valentin 143

Köbel, Jacob 368

Gross, Heinrich 85

Kobenhaupt, Georg 85

Grüninger, Johann 360, 414

Koberger, Anton 360

Grynaeus, Simon 338

Kolberger, Ruprecht 380, 404

Gustav II. Adolf, König von Schweden 355

Kopernikus, Nikolaus 416, 418, 420

Gwalther, Rudolph 339

Krates von Mallos 374

Hainhofer, Philipp 230

Labenwolf, Pankratz 267

Hanschmann, Bruno Alexander 12–13, 25

Lautensack, Heinrich 281

Haubensack, Johann 86–87

Lencker, Elias 205, 209, 220, 269, 355

Hauer, Johann 355

Lencker, Hans (Johannes) 220, 269–270, 272,

Heidenreich von Pidenegg, Cyriach 70 Heinrich von Schönberg, Oberhauptmann der Erzgebirge 73

274, 282, 284, 288–289 Leonardo da Udine 250 Leonardo da Vinci 275, 276, 383

Hermes Trismegistos 375

Lichtwark, Alfred 234

Herwart, Paulus 71

Loriti, Heinrich (Glareanus) 404, 414

Heyden/Haiden, Hans 289

Lovell, Jim 323

Heyperger, Leopold 65

Lud, Vautrin 84

Hillebrand, Friedrich 222, 224, 234

Luther, Martin 90–91, 104, 115, 119, 328, 332

Hoefnagel, Joris 422

Lyonnet, Pierre 233

Hogenberg, Frans 390

Magalotti, Lorenzo 329

Holbein, Hans d. J. 370, 394

Magellan, Ferdinand (Fernão de Magalhães)

Holl, Lienhart 362

323, 343, 348, 384, 405

Holzschuher, Georg 380

Manuel I. König von Portugal 228, 364

Honterus (Honter), Johannes 367–368, 369

Manuele Chrysoloras 358

Hornick, Erasmus 253

Margarethe von Hassenstein und Lobkowitz 101

Idirisi 376

Maria von Spanien 231

Isidor von Sevilla 138

Martellus Germanus, Henricus 362, 364

Jamnitzer, Bartel 223

Martianus Capella 377

Jamnitzer, Christopher 354–355, 419

Massys, Quentin 394, 397

Jamnitzer, Wenzel 62, 104, 205–207, 209, 211,

Mästlin, Michael 416

213–215, 217, 220, 224, 226, 231, 234, 245, 248, 253, 265, 267–269, 274, 282–284, 289 Johann Friedrich I., Kurfürst von Sachsen 243, 405

Mathesius, Johannes 24, 41, 75, 89–91, 95–97, 101–102, 104–108, 110–117, 119–122, 124– 126, 128–133, 136–137, 140, 142–143, 152 Mattioli, Pietro Andrea 371

Johann Georg I., Kurfürst von Sachsen 151, 217

Maximilian I. (Kaiser 57, 228, 366

Johann Georg von Osterhausen 73

Maximilian I., Herzog von Bayern 59, 67, 397

Johann Georg, Kurfürst von Brandenburg 12

Maximilian II. (Kaiser) 59, 70–71, 111–113, 124,

Johann III., König von Portugal 231, 402

229, 231, 247–248, 274, 282, 329

Johann VII., Herzog zu Mecklenburg 390

Maximilianus Transylvanus  406

Johannes de Sacrobosco 377, 413

Meister des Basler Christophorus 394

Julius von Pflug (Bischof) 88

Meister des Hamilton-Xenophons 380

Kaldemarck, Gabriel 135

Meister von Meßkirch 397

Karl IV., Herzog von Lothringen 345

Melanchthon, Philipp 90, 119

Karl V. (Kaiser) 71, 104, 231, 238, 243, 332, 385,

Mercator, Gerhard 370, 384–385, 390, 408–409,

400, 405, 408 Katharina von Kastilien 231, 402

414 Mercator, Rumold 349, 357

Personenregister I 539

Milich, Jakob 119

Ramusio, Giovanni Battista 371, 388

Milicz, Nickel 107

Ratdolt, Erhard 274, 276

Moritz, Herzog von Sachsen 71, 150

Regiomontanus, Johannes 275, 360

Müller, Bartholomäus 344

Rehlein, Martin 205

Münster, Sebastian 75–76, 78, 86, 368–369, 404,

Rem, Lukas 394, 397

411, 414–415

René II., Herzog von Lothringen 83

Münzer, Hieronymus 275

René von Anjou 378

Naevius, siehe Neefe, Johannes

Riccio, Andrea 267

Nebukadnezar 151

Ringwald, Matthias 330, 365–366, 373, 390

Neefe, Johannes 93, 96, 108, 114, 124–125

Risner, Friedrich 288

Nestor 419

Roger II., König von Sizilien 376

Neubeck, Israel 146

Rudolf II. (Kaiser) 104, 109, 220–221, 243, 253

Neudörffer, Johann 267–268, 280, 283

Rülein von Calw, Ulrich 88, 120, 123

Nicophorus 390

Ruscelli, Girolamo 382

Nosseni, Giovanni Maria 134, 148–149

Ryff (Rivius), Walther 267, 286–287

Oekolampad, Johannes 369

Ryff, Andreas 134, 137, 142, 144–146

Ortelius, Abraham 346, 357, 390, 422

Sabinus, Petrus 376

Pacioli, Luca 276

Sassenus, Servatius 408

Pagano, Matteo 371

Sax, Matthes 90

Palissy, Bernard 12–13, 15, 17, 127–128, 224–225

Schedel, Hartmann 275

Paolo dal Pozzo Toscanelli 378

Scheurl, Christoph II. 57

Parmigianino 253, 400

Scheurl, Christoph III. 57

Patinir, Joachim 394

Schlick (Graf) 90, 113, 115

Paul II. (Papst) 362

Schmid, Wolfgang 280

Paulus (Apostel) 22, 122, 130, 399, 413

Schmidt, Johannes 355

Pélerin, Jean gen. Viator 380

Schmidt, Niclaus 195, 201, 203–207, 209–211,

Perino del Vaga 347, 253 Petreius, Johannes 280, 286

213–215, 217–218, 220, 224, 226, 231, 234, 245, 251, 253, 265, 269, 280, 290

Petri, Heinrich 415

Schneeweiß, Urban 150

Petzolt, Hans 209, 220–221, 224, 234, 245

Schniepp, Christoff 384

Peuerbach, Georg 413

Schöner, Johannes 366, 384, 394, 404–407

Pfinzing, Paulus 289

Schwarz, Bertold 132–133

Philipp der Gute, Herzog von Burgund 378

Seiler, Johannes 405

Philipp II., Herzog von Pommern 230

Serlio, Sebastiano 247, 287

Pietro Aretino 254, 400

Severo da Ravenna 267

Pighius, Stephanus 376

Sixtus IV. (Papst) 377

Pirckheimer, Willibald 276, 287, 359–360, 404, 414

Sophie von Brandenburg 108, 206

Pizarro, Francisco 388

Stabius, Johannes 359

Plancius, Petrus 346

Staden, Hans 410

Platon 24, 117, 283–284, 359, 374, 390, 419

Stampfer, Jakob 324, 329, 333, 335, 337–

Plinius d. Ä. 96, 138, 411 Polo, Marco 348, 360

340, 343–345, 353, 357, 371, 376, 391, 404, 408

Poseidonios 358

Stella, Tilemann 390

Ptolemaios, Claudius 326, 349, 352, 357–362,

Stellanus von Holtzendorf 73

364, 366, 371, 374, 375, 377–378, 380, 382,

Stieber, Martin 57

414–415

Stoer, Lorenz 281–282, 284

Puellacher, Ruprecht 112–113

Storch, Hans 380

Quiccheberg, Samuel 135–136, 147

Strabon 374

540 I Register

Strada, Jacopo 239–245, 247–251, 253–254 Strada, Ottavio 242–243, 253–254

Vespucci, Amerigo 229, 330, 364–366, 405, 410– 411

Strozzi, Palla di Noferi 358

Vico, Enea 250

Stuchs, Johann 359, 404

Vinta, Belisario 253

Tacuino, Giovanni 274

Vischer, Peter d. J. 267

Thiry, Léonard 250

Vitruv 128–129, 234

Thomas von Aquin 22

Vogtherr, Heinrich d. Ä. 368–369

Tramezzino, Michele 357, 370

vom Berg, Johann 90

Ugolino di Vieri 380

von Kues, Nikolaus 359

Ulich, Caspar 56, 92, 99, 105, 108, 110–113, 131

von Rappoltstein (Graf) 85, 87, 353

Ulrich Stampfer, Hans 337

von Rappoltstein, Eberhard 349

Urs(us) Gessner 344

von Schönberg, Christoph 73

Uslaub, David 149

Vopelius, Caspar 344, 357, 400

van Amstel, Jan 392–393, 397

Vrients, Jan Baptist 346

van Borsselen, Philibert 197–198, 200

Waldseemüller, Martin 330, 364–367, 373, 384,

van den Putte, Bernaard 345

390, 404, 411

van der Ast, Balthasar 232

Walther, Bernhard 276, 287, 359–360, 404

van der Heyden, Gaspar (a Myrica Amyriicius)

Wefring, Basilius 75

384, 408

Welcz, Concz 54, 92, 99, 101–105, 107, 110, 113, 131

van Heemskerck, Maarten 239

Welser, Anton I. 394

van Orley, Bernart 400

Welser, Philippine 229, 353

van Stalburch, Jan 406

Werner, Johannes 276, 359–360, 414

Varchi, Benedetto 21, 122

Wilhelm IV., Landgraf von Hessen-Kassel 12

Vasari, Giorgio 253, 400

Wilhelm V., Herzog Bayern 67, 70–71, 220

Vasques Coronado, Francisco 371

Wilhelm von Rosenberg 70

Vavassore, Giovanni Andrea 345, 402

Worms, Ole 403

Venatorius, Thomas 287

Zamberti, Bartolomeo 274

ver Weiden, Cornelis 388

Zündt, Matthias 269, 272

Vespasiano da Bisticci 358

Zwingli, Ulrich 338, 340

Ortsregister Afrika 330, 343, 351, 358, 361, 362, 364, 365– 367, 371, 380, 381, 388, 394, 397, 380, 402, 410, 411

Amsterdam, Rijksmuseum 233 Annaberg/St. Annaberg 57, 63, 75–76, 106, 138, 140–143

Ahmedabad 229

Antarktis 371

Alexandria, Bibliothek 349

Antwerpen 233, 345–346, 356, 394, 408

Altona 379 Ambras, Kunstkammer 7, 11, 56, 59, 65, 70–72, 135, 229, 231, 349, 353 Amerika

325, 327, 343, 346, 348, 364, 366,

369–371, 382, 383, 384, 388, 400, 405, 410– 411 Amsterdam 197, 233 Amsterdam, Historisches Museum 226

Antwerpen, Koniklijk Museum voor Schone Kunsten 392 Aschaffenburg 72 Asien 327, 343, 365, 366, 370, 371, 380, 397, 398, 410 Augsburg 57, 71, 105, 200, 203, 217, 230–231, 234, 274, 281, 332, 337, 353, 421 Bamberg 405

Ortsregister I 541

Basel 114, 143–144, 287–288, 335, 349, 367–369,

Europa 8,12, 57, 113, 136, 195, 197–198, 203,

414–415

210, 217, 225, 228, 229–232, 234, 250, 327,

Basel, Historisches Museum 7, 146,

357–358, 362, 365, 366, 367, 370, 377, 380,

329–330, 349–350–351 Basel, Kunstmuseum 394, 397 Berlin 103, 400 Berlin, Kunstbibliothek 237

388, 397, 398, 406, 415 Ferrara 252 Fichtelberg 78 Florenz 138, 254, 267, 276, 358–360, 376, 378,

Böhmen 59, 76, 78, 83, 90, 105, 113, 137, 402

383, 414

Bologna 114–115, 138, 245, 359, 400

Florenz, Museo Galilei 241

Boston 346

Florenz, Uffizien 262

Bremen, Kunsthalle 402

Fontainebleau 250

Brünn, Mährische Landesbibliothek 243

Frankfurt 247, 336, 340, 404

Brüssel 217, 400

Freiberg 75, 97, 98, 113

Budapest 217

Freiburg 332, 414

Budapest, Museum der Angewandten Kunst 217, 221

Freiburg, Augustinermuseum 399 Salzburger Land 58

Byzanz 358

Genf 346

Cambridge 243

Goslar, Rammelsberg 58, 88

Cambridge, Whipple Museum of the

Greenwich, National Maritime Museum,

History of Science 27

Greenwich 384

Cataia 366

Greifswald 205

Ceylon 228

Gujarat 7, 203–204, 207, 210, 218, 229, 231

Chemnitz, Ebersdorf 149

Hall 95

Dresden 59, 63, 135, 147, 149, 151, 217, 220,

Halle 72–73

232, 420

Harz 228

Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister

Ingolstadt 90, 325, 369, 411

Dresden, Grünes Gewölbe 150, 204,

Innsbruck 70–71, 95

206–207, 217–218, 225, 355

Jerusalem 48, 50, 61, 80, 138

Dresden, Kunstkammer 7, 11, 27, 56,

Kap der Guten Hoffnung 228, 325, 358,

59–60, 63–64, 71–72, 107–108, 148–150,

361–362, 364

205, 218, 220, 225, 231

Kassel, Gemäldegalerie 397

Dresden, Kupferstichkabinett 284

Kassel, Kunstkammer 27

Dresden, Mathematisch-Physikalischer

Kassel, Staatliche Museen 223

Salon 421

Kastilien 405

Dresden, Münzkabinett 107

Köln 88, 119

Dresden, Neues Grünes Gewölbe 201

Köln, Stadtmuseum 400

Dresden, Schloss, Schatzkammer 150, 225

Kongsberg 99

Dresden, Senckenberg Naturhistorische

Konstanz 332–333, 337

Sammlungen, Museum für Mineralogie

Kopenhagen 346

und Geologie, 62, 99 Dresden, Zwinger, Mineralienkabinett 148

Kopenhagen, Schloss Rosenborg 349 Kremnitz 58

Écouen, Musée National de la Renaissance 223

Kronstadt 368

Elsass 77

Kuttenberg 71, 83, 116

Erfurt 410

La-Croix-aux-Mines 85

Erlangen, Universitätsbibliothek 103

Landshut 71, 408

Erzgebirge 7, 24, 48–49, 53, 57–59, 67, 70–71,

Landshut, Stadtresidenz, Italienischer Saal 402

90, 92–93, 96, 99, 104, 106, 113–114, 116,

Laon 382

119, 124, 140, 147, 151, 213, 228, 356

Lebertal, Val d’Argent 58, 76, 83, 85, 86

542 I Register

Leipzig 138, 217–218

Nürnberg, Bibliothek 176

Le Landeron, Musée de l’Hotel de Ville 338

Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum 57,

Leonberg, Schloss, Leonberg 221 Leuven 408 Lissabon 228–229, 231, 233, 364, 394 London 344, 382 London, British Library 362

222, 262, 264 Padua 118, 138, 245, 267, 334, 359 Padua, Universität 359 Panaji 229 Paris 12–13, 88, 119, 376, 384, 420

London, British Museum 345, 353

Paris, Bibliothèque Nationale 383–384

London, National Gallery 370

Paris, Galerie Kugel 376

London, National Portrait Gallery 353

Paris, Marine-Museum 382

Los Angeles, County Museum, Los Angeles (LACMA) 351

Paris, Musée des Art Décoratifs 402 Paris, Universität 288, 413

Lyon 247

Pavia 65, 99

Madrid, Escorial 394

Plymouth, City Museum and Art Gallery 350

Madrid, Kloster de las Descalzas Reales 231

Potosí 113

Mailand, Biblioteca Braidense 378

Prag 90, 220, 243, 253

Mainz 410

Prag, Bibliothek des Strahov Klosters 243

Mainz, Römisch-Germanisches National­

Ribeauvillé/Rappoltsweiler 349, 353

museum 376

Rauris 58

Malakka 228

Regensburg 71

Mansfeld 58, 356

Rochechouart, Schloss, Rochechouart 402

Mantua 245, 247–248, 250

Rom 138, 239, 243–244, 247–248, 250, 257, 359,

Mantua, Palazzo del Te 247, 249

376

Marburg 339–340, 410

Rom, Trajans-Forum 237

Marburg, Universität 410

Rom, Vatikanische Bibliothek 378

Marienberg 141–143

Roudnice (Raudnitz), Schloss Raudnitz 402

Meißen 76, 78, 138, 143, 150

Saint-Dié-des-Vosges 83-84

Moskau 402, 421

Salzburg 58

Moskau, Bibliothek der Akademie der Wissenschaften 359 München 59, 70, 225, 231

Sankt Joachimsthal 57, 67, 71, 75–76, 78, 86, 89–93, 95, 99, 102–103 105, 107, 111–115, 141, 220

München, Alte Pinakothek 394

Santo Domingo/Haiti 382

München, Bayerisches Nationalmuseum 103

Schlaggenwald 57, 71, 137

München, Bayerische Staatsbibliothek 253

Schneeberg 76, 108, 140, 142–143

München, Hofbibliothek 253

Schemnitz 58

München, Kunstkammer 56, 67, 71–72, 85,

Schwaz 58–59, 67, 70, 78, 92–93

136, 231

Seitenstetten 359

Nancy 344, 345,

Siebenbürgen 367–368

Neapel 238, 247, 378

Siegen 83

Neapel, Museo Archeologico Nazionale 376

Sizilien 420

Neusohl 58, 356

Solothurn 344

New York, Pierpont Morgan Library 384

Solnhofen 402

Nürnberg 57, 62, 83, 90, 104, 105, 138, 200–201,

Stockholm, Schwedische Schatzkammer, Stock-

203, 205, 210, 217, 220, 222–223, 231, 234,

holm: 354

237, 247–248, 250, 253, 262, 267, 269, 272,

St. Petersburg 402

274–276, 279–284, 286–290, 337, 344, 355,

Straßburg 85, 87–88, 338, 349, 414

356, 359–360, 377, 380, 404–405, 414, 421

Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum,

Nürnberg, Aegidianum 404

Stuttgart 221, 353

Ortsregister I 543

Torgau 138, 149

Wien, Fasanengarten 70

Tübingen 416

Wien, Globusmuseum 384, 408

Ulm 344, 359, 362

Wien, Kaiserliche Bibliothek 229

Vatikan 247, 362, 378

Wien, Kunsthistorisches Museum 7, 11, 42,

Vélez Blanco 402

50–51, 65, 99, 110, 209, 267, 349

Velha Goa 229

Wien, Österreichische Nationalbibliothe

Venedig 114, 138, 228, 233, 247, 267, 274, 357,

229, 239

370–371, 402

München, Residenz, Schatzkammer 211

Venedig, Biblioteca Marciana 360

Wittenberg 90–91, 119, 138, 332

Venedig, Fondaco die Tedeschi 394

Wolfegg 103, 351

Vicenza 359

Wolkenstein 150

Vogesen 58, 83, 87–88, 144

Worms 332

Warschau, Polnische Nationalbibliothek 362

Zabern 88

Washington 351, 366

Zöblitz 151

Weesen, Dominikanerkloster 338

Zürich 138, 334–335, 337–338, 344, 346, 349,

Weimar 404

352, 369

Wien 54, 65, 275, 346, 359

Zürich, Schweizerisches Landesmuseum

Wien, Albertina 102

338, 345, 350–352

Sachregister Abbau

41, 44, 48, 49, 50, 58, 73, 75–78, 83, 84, 86–89,

(Abbau von Edelmetallen, Abbau von Silber­

92, 113, 121, 128, 134–136, 145, 147, 149, 150,

erzen, Abbaugebiet, Abbauorte, Erzabbau,

151, 284

Kupferabbau, Silberabbau) Abstraktion

7, 195, 217, 265, 275, 324, 325, 370

(abstrakte Daten, Abstraktionsleistung, geometrische Abstraktion) Adam und Eva

51–53, 99, 126, 128, 129, 248, 266

Affe der Natur

16, 423, 425

(simia natura) Ähnlichkeit

8, 134, 326

(similitudo, Sympathie) Akzidenzien

21, 110, 259, 266

(accidentia) Alabaster

148, 149

Alaun

90, 105, 120, 132, 145, 148

Alchemie

13, 14, 17, 21, 42, 70, 116, 118, 119, 120, 122,

(alchemische Praktiken, alchemisches Wissen,

123, 127, 132, 133, 134, 205, 224, 225

Alchemist, Chemie) Amethyst

149, 150

Aneignung

7, 9, 18, 28, 42, 135, 154, 198, 199, 205, 232,

(Aneignungsprozess, Weltaneignung)

544 I Register

234, 251, 284, 324, 327, 329, 353, 359

Antikenadaption

10, 28, 41, 64, 88, 93, 96, 114, 117, 125, 129,

(al modo antico, all‘antica, Antikendiskurs,

138, 151, 195, 209, 213, 232, 234, 237–239, 245,

Antikenevokation, Antikenkenntnis,

247–254, 260, 267, 270, 290, 336, 339, 341, 357,

Antikenrezeption)

359, 360, 362, 365, 371, 374–378, 381, 410, 411, 425

Antikensammlung

238, 239, 376,

Antikenzeichnungen

241, 242, 243, 248, 249, 250, 257, 267

Antipoden

343, 354

Antiquar

241, 247, 248, 253, 254

Anweisung, wie eine Kunstsammlung aufgebaut

135

sein soll (Gabriel Kaldemarck) Apfel

262, 264, 265,

aqua perlata

200

Aqua vitae

419

Aragonit

92

Argentit

51, 56, 60, 61, 65, 67, 86, 91, 92, 93, 94, 105,

(Akanthit, Glaßertz glaß ertz, Glaserz,

106, 107, 108, 136, 141, 142, 143, 147

glaszärz, Silberglanz) Armazéns da India

364

Armillarsphäre

330, 336, 341, 342, 344, 348, 349, 369, 384, 394, 402, 407

Arsen

119

Artefakt

12, 17, 19, 20, 25–29, 41, 44, 45, 50, 51, 54, 56,

(arte factum, Gemachtsein)

57, 69, 94, 96, 104, 111, 131, 150, 152, 153, 154,195, 199, 200, 207, 217, 229, 231, 232, 238, 239, 268, 323, 324, 334–336, 341, 343, 351, 353, 370, 373, 376, 377, 378, 380, 382, 388, 390, 394, 397, 402, 403, 404, 416

artes liberales

247, 275, 280, 337, 338, 339, 414

(Freie Künste) artes mechanicae

14, 15, 286, 337

artifex

7, 99, 111, 125, 423

Arzneikunde

114

Arzt

88, 93, 114, 115, 120, 124, 125, 137, 138, 378, 408, 410

Astronomicum Caesaraeum (Petrus Appian)

325

Astronomie

14, 275, 377, 410, 413

Atlas (Kartensammelwerk)

350

Atlas (Titan)

222, 344, 349, 352, 354, 355, 373, 376, 390, 391, 402

Atlas Farnese

376

Atlas sive Cosmographicae Meditationes de Fabrica

390

Mundi et Fabricati Figura (Gerhard Mercator) Aufbereitung (Silber, Metalle)

42, 58, 59, 75, 84, 86, 105,

Auferstehung Christi

51, 56, 60, 66, 67, 69, 98, 99, 108, 110

Ausbeute

49, 84, 149

Ausbeutemünzen

107

Azurit

92

Sachregister I 545

Basilisk

217, 220

Behaim-Globus

377, 378, 380, 381, 388, 404

(Erdapfel) Bellifortis (Konrad Kyeser)

81

Bergbauikonographie

75, 88, 89

Bergbaupraktiker

86, 88, 90, 93, 94, 114, 116, 120

Bergbüchlein (Ulrich Rülein von Calw)

88, 120, 123

Berggeschrei

78, 90, 92,

Bergparade

73

Bergpredigt

90, 105, 115, 120, 132

Bergregal

73, 87

(Berg- und Münzregal) bergsafften

90, 105, 116, 125, 126

(Bergsäfte) Bergstadt

56, 64, 75, 90, 92, 105, 112, 114, 138

Bericht über die vier Reisen (Vespucci)

365, 366

Bermannus sive de re metallica (Georgius Agricola)

42, 93, 94, 96, 108, 114, 124, 125, 142

Bernstein

59, 419

Bezalel

95, 110, 112, 128, 130

(Besaleel) Bezoar

199

Bibliothek

26, 72, 88, 103, 143, 148, 229, 237, 239, 243, 253, 260, 276, 335, 336, 349, 359, 362, 366, 378, 384

Bier

419

Birnenpokal

264, 265, 266

Blei

80, 81, 106, 124, 125, 145, 147, 377

Bleiglanz

86, 92

Blicksilber/Blickkupfer

73

Bodenschatz

42, 58, 73, 78, 83, 134, 137, 148, 149, 150

Borax

105

Branntwein

419

Breitengrad

358, 370, 390

Bronze

21, 95, 111, 118, 119, 133, 151, 232, 250, 260, 267, 268, 288, 375, 377

Brustschild Aarons

138

Buch der Natur

13, 22, 24

Buchdruck

78, 270, 276, 280

Buchstaben

24, 26, 146, 270, 283, 419

(Alphabet, Vokal) Buckel

44, 72, 201, 258, 259, 260, 262, 264, 265, 266

(gebuckelt) Bundeslade

111

Cantino-Karte

364, 366

Caritas

54, 56, 99, 101, 103

causa

20, 58, 64, 116, 118, 124, 277

(causa efficiens/Wirkursache, causa finalis/ Zweckursache, causa formalis/Formursache, causa materialis/Materialursache, Ursache)

546 I Register

Chaos

24, 283, 423

China

198, 232, 350

Chlorargyrit

63, 93, 142,143

(Chlorsilber, Hornsilber) Chorographie

326

Christianopolis (Johann Valentin Andreae)

15

Christophorus, Heiliger

353, 355, 391, 392, 393, 394, 397, 403

Christus am Ölberg

51, 56, 60, 99, 108, 109

Compendious Rehearsel (John Dee)

408

Cosmographiae introductio (Martin Waldseemüller

365, 373, 390

und Matthias Ringwald) Cosmographicus Liber (Petrus Appian)

408, 411

Dädalus

336

Daniel, Heiliger (Prophet)

90, 120, 151

Das erste Buch der Geometria (Wolfgang Schmid)

280

David und Bathseba

51

David und Goliath

51

De artificialia perspectiva/Kunst Perspektiva (Jean

380

Pélerin gen. Viator) De Bure Globus (Paris Gilt Globe)

384, 405

De divina proportione (Luca Pacioli)

276

De generatione et corruptione (Aristoteles)

117

De geographia liber unus (Heinrich Glareanus)

414

De la pirotechnia (Vanoccio Biringuccio)

95, 116, 127

De meteoris Libri IV (Albertus Magnus)

88

De mineralibus et rebus metallicis Libri V (Albertus

88, 118

Magnus) De natura fossilium (Georgius Agricola)

113, 138

De omni rerum fossilium genere, gemmis, lapidibus,

138

metallis (Conrad Gessner) De ortu et causis subterraneorum (Georgius

58, 91, 117, 140

Agricola) De pictura (Leon Battista Alberti)

276, 287

De principiis astronomiae et cosmographiae

408

(Gemma Frisius) De re metallica libri XII (Georgius Agricola)

75

De sculptura (Pomponius Gauricus)

287

De statua (Leon Battista Alberti)

287

Deckelpokal

102, 103, 262, 338

Delle Navigationi et Viaggi (Giovanni Battista

371

Ramusio) Demiurg

24, 283, 423

Der furnembsten/notwendigsten/der gantzen

286

Architectur angehörigen Mathematischen und Mechanischen künst/eygentlicher bericht (Walter Ryff) Deß circkelß vnnd Richtscheyts, auch der Perspectiva 281 vnd Proportion (Heinrich Lautensack)

Sachregister I 547

Discours Admirables (Bernard Palissy)

127, 224

Dodekaeder

418, 419

Doppelscheuer

51, 54, 56, 262, 338

Drache

201, 204, 205, 209, 210, 215

Drahtsilber

49, 92

Drechselkunst

94, 97, 150, 197, 198, 284, 285, 400

Dresdner Skizzenbuch (Albrecht Dürer)

262, 276

Druckerei

275, 276, 280, 325, 344, 360, 368, 369, 400,

(Buchdrucker, Druck- und Verlagswesen)

402, 404, 413

Duktilität (Geschmeidigkeit, Dehnbarkeit)

106, 109

Earthrise

323

Eidechse

61, 62, 204, 218, 232, 267

Ein gute Ordnung und kurzer Unterricht/Anweysung 283 einer gemeinen hanndschrift (Johann Neudörffer) Eingeweide der Natur

16

Einhorn

217

Elektron

90, 377

Elemente (Euklid)

274, 276

Elemente, vier/fünf

64, 68, 118, 151, 224, 283, 284, 344, 351, 419

Emaille

44, 52, 57, 61, 110, 133, 211, 213, 215, 344, 349, 350

Emmausmahl

56

ens primum

64, 122

Entdeckungsreise

124, 125, 133, 324, 325, 330, 332, 343, 348, 350, 353, 358, 362, 364, 365, 366, 370, 371, 378, 382, 388, 397, 404, 406, 411, 418, 425

Erdapfel (Martin Behaim)

378, 380, 388, 404

Erfahrung

9, 13, 14, 20, 23, 25, 27, 28, 42, 78, 88, 92, 96,

(Anschauung, Augenschein, Autopsie, Empirie)

97, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 125, 126, 130, 133, 136, 143, 215, 329, 343, 362, 366, 373, 403, 406, 417, 422

Erfinder/Erfindung

8, 10, 12, 13, 27, 41, 58, 73, 81, 82, 83, 104,

(Erfindungskraft, Innovation, innovatives,

105, 106, 107, 108, 111, 132, 133, 150, 205,

Potential)

234, 274, 276, 283, 285, 287, 357, 362, 370

Erkenntnisfähigkeit

21, 126, 128, 129, 142, 144, 324, 423, 425

(Erkenntnis Gottes) Erklerung eyns trinckgschirs daran man die allgmein 336, 341, 367, 416, beschribung der welt unnd den brunddt aller sunnen uhren erlernen mag/Poculum cosmographicum et horolographicum universale Erzvorkommen

49, 95

exhalationes (minerales)

116, 117, 118, 121, 122, 123

(Ausdünstung, Dünste, feuchter Dampf, Feuchtigkeiten) Expansion

324, 348, 358, 388,

Experiment

8, 9, 10, 13, 14, 15, 16, 17, 23, 28, 42, 88, 116,

(experimentum, experiri, Experte, Expertise, in arte peritus)

548 I Register

119, 120, 127, 131, 132, 133, 275, 361, 362,

Fachsprache

137

Fahlerz

14, 92, 93, 119, 121, 131, 133,

Farbveränderung

107, 109, 133

Federzeichnung

72, 85, 102, 237, 243, 245

Fernhandel

8, 11,12, 57, 58, 195, 196, 203, 228, 230, 324,

(globales Handelsnetzwerk, Welthandel)

337, 353, 356, 378, 381, 384, 394, 397, 402, 411

Fibonacci-Folge

269

figura serpentinata

269

Fortuna

145, 378

(Occasio) Frosch

201, 202, 204, 207, 217, 218

Fugger

203, 229, 230, 231, 247, 394

Fundort (Mineral)

113, 115, 137, 138, 142

Gabe

12, 48, 64, 65, 69, 70, 71, 83, 84, 88, 89, 90, 91,

(Gabe Gottes, Geschenk)

111, 127, 128, 129, 130, 137, 142, 206, 217, 231, 262, 329, 340, 352, 353, 355, 385, 400, 405

Galmei

119, 145

Gebetbuch von Kurfürst Maximilian I. von Bayern

397

gediegen Silber

49, 54, 56, 60, 61, 62, 67, 71, 73, 76, 86, 92, 93,

(argentum rude, gewachsenes Silber, Rohsilber) 96, 97, 106, 109, 123, 125, 140, 141, 142, 143, 147 Geheimnisse der Natur

15, 16, 84, 124, 127, 142

Gelehrtennetzwerk

11, 17, 83, 104, 114, 119, 120, 123, 138, 143, 237, 239, 241, 245, 249, 251, 254, 270, 287, 288, 290, 324, 334, 335, 336, 337, 338, 340, 344, 358, 359, 360, 367, 368, 371, 376, 378, 390, 402, 404, 408, 413, 416, 422, 425

Geographica (Strabon)

374

Geographie

229, 232, 275, 324, 325, 326, 330, 335, 348, 358, 360, 362, 364, 369, 371, 374, 376, 378, 380, 382, 383, 400, 404, 406, 408 411, 414

Geographike Hyphegesis/Geographie (Claudius

275, 326, 357, 358, 359, 360, 374, 378, 380

Ptolemaios) Geometria et Perspectiva (Lorenz Stoer)

281

Geometria libri duo (Oronce Fine)

413

Geometrie

14, 24, 75, 129, 154, 195, 198, 199, 218, 266,

(geometrische Abstraktion, geometrische

269, 270, 272, 274–288, 290, 324, 360, 365, 378,

Formen)

413, 414, 416, 420, 423, 425

Geometrie (Euklid)

269, 270, 274, 276,

Georg, Heiliger

104

Gewerke

58, 90

Gewürze/Gewürzhandel

200, 228, 229, 230, 378, 381, 397

Ghur

64, 122, 123, 126

Gift

199, 200, 257

Glas

13, 14, 21, 51, 61, 100, 122, 130, 131, 133, 137, (Glasbläser, Glaskunst, Glasmacher, Glasmasse,

198, 226, 254, 256, 257, 266, 268, 328, 329,

Glasschmelzen)

385, 397

Sachregister I 549

Globenbauer

275, 337, 376, 377, 390, 393, 404, 406, 408, 414

(Globen- und Instrumentenmacher, Globen­ herstellung) Globus

7, 8, 9, 10, 11, 18, 19, 20, 28, 151–154, 229, 232,

(Erd- und Himmelsglobus, Glas (Globus),

276, 323, 324, 327, 329, 330, 332, 333–358, 362,

Globuspokal)

367, 369–371, 373–378, 380–385, 388, 390, 391, 393, 394, 397–400, 402–411, 413, 414, 416, 420, 425

Goldschmiedekunst

9–11, 16, 17, 19, 25, 28, 41, 42, 44, 48, 50, 57,

(Goldschmiedeentwürfe, Goldschmiedewerk-

62, 63, 81, 87, 97, 99, 102–107, 111–113, 121,

statt, Goldschmiedezeichnung)

125, 131, 133, 137, 146, 147, 150, 195, 197, 199–202, 204, 205, 209, 210, 211, 213, 215, 217, 218, 220, 222, 224, 228, 230, 234, 237, 239, 241, 243, 245, 247, 248–254, 257–260, 262, 264, 266–269, 272, 275, 281, 283, 284, 285, 288, 290, 323, 329, 333–338, 343, 344, 353, 357, 360, 382, 388, 402, 408, 416, 417, 418, 422

Golgatha

48, 50, 61, 80

Göpelhaus

46, 47, 48, 105

Gott als Handwerker/Werkmeister

23, 110, 121, 129, 130, 145, 283, 425

Gott als Uhrmacher

422

Gottebenbildlichkeit

111, 425

Graduale

83, 84

Greif

217, 220

Großes Probierbuch (Lazarus Erckner)

124, 126

Grotte

71, 230

Grundstoff

118, 123

Grüner Globus

384

Haarsilber

49, 56, 62, 73, 97, 140, 141

(haarförmigem Silber, haarig gewachsenes Silber, häricht) Hämatit

92

Hausbuch

80, 81, 82, 83

Heiltum, Hallesches

72

Herkules

73, 222, 344, 345, 349, 352, 355, 372, 376, 391, 400, 402, 403

Herrschaftsgebiet (Herrschaftsbereich, Herrschaftsbeschreibung,

58, 64, 70, 71, 134, 135, 137, 148, 151, 152, 284, 323, 324, 364, 365, 366, 388, 390, 404

Territorium) Hieronymus, Heiliger

56

Himmlisches Jerusalem

138

Historia Animalium (Valentin Gravius)

143

Hochzeitspredigt

110, 112, 128

Honigwein (Met)

419

Hunt-Lenox-Globus

383, 384, 388

Hüttenschreiber

114

550 I Register

Hüttenwesen (Verhüttung, Verhüttungsanlage, Verhüttungs-

41, 42, 44, 46, 48, 50, 51, 56, 57, 58, 63, 73, 75, 80, 81, 84, 85, 98, 106, 114, 128, 131, 134, 136,

prozess, Verhüttungstechnik, Verhüttungs­wesen) 142, 144, 145, 146, 147 Ikosaeder

283, 418

Induktion

12, 13

Industriedarstellung

57, 75, 80

(Industrielandschaft) Inscriptiones vel tituli theatri amplissimi (Samuel

135

Quiccheberg) Insignae ac plane novum opus crater graphicum

272

(Matthias Zündt) Instrument (Messinstrument)

10, 11, 12, 15, 16, 21, 28, 44, 48, 75, 77, 80, 95, 121, 153, 272, 275, 287, 289, 325, 330, 332, 335, 337, 341, 343, 357, 360, 369, 376, 380, 388, 391, 394, 404, 406, 408, 411, 413, 422, 423, 425

Instrument Buch durch Petrum Apianum erst von

411, 413

new Beschriben Instrumentenbauer (Instrumentenmacher)

12, 17, 146, 275, 360, 393, 400, 404, 406, 413, 422

Insulen unnd ein Neuwe Welt von wilden nackenden 410 Leüten vormals unbekant (Amerigo Vespucci) Integra Naturae speculum Artisque imago

423

(Robert Fludd) Inventar

51, 56, 59, 61, 63, 64, 65, 66, 67, 70, 89, 91, 92, 107, 109, 146, 148, 149, 151, 202, 205, 206, 213, 221, 225, 231, 232, 349

Jagiellonische Goldglobus

384

Jeremias (Prophet)

107

Joachimsthaler (Münze)

90

Jupiter

124, 207, 209, 210, 214, 377, 402, 418, 419

Justitia

60

Kaiserpokal

329

Kalender

330, 331, 341, 369,

Kannibalen

410, 411

(Lüttfresser, Menschenfresser) Kap der Guten Hoffnung

228, 348

Kapitalismus/Frühkapitalismus

8, 12, 16, 58

Kartenbild

346, 350, 357, 358, 364, 369

(Kartenmaterial) Kartographie

11, 134, 276, 284, 289, 324–327, 330, 332, 337,

(kartographische Erfassung, kartographisches

343, 349, 350, 357–360, 362, 364–367, 369, 370,

Material)

371, 373, 374, 376, 377, 378, 380, 385, 388, 390, 391, 400, 404, 411, 413, 422, 423

katagraphe

326

Kategorisierung

7, 8, 9, 23, 26, 27, 28, 42, 50, 134, 135, 136, 137, 138, 140, 143, 146, 153, 154, 239, 266, 277

Sachregister I 551

Klüfte

96, 121, 123, 126,

Kokosnuss

51, 54, 56, 60, 197, 200, 218, 220

Kolonialismus

196, 327, 381, 388

(Kolonialmächte) Kompass

17, 121, 414

Konkurrenz

12, 16, 27, 98

Konstanzer Konzil

359

Konsum

9, 12, 57, 228

Koralle

57, 61, 197, 199, 230

Körper, geometrische, platonische, reguläre

24, 270, 272, 274–277, 279–285, 416, 417, 419, 420, 421, 423

Kosmographie (Sebastian Münster)

75, 76, 78, 86, 368,

(Cosmographei, Cosmographia) Kosmos

23, 25, 394, 402, 416, 419, 420, 421, 423, 425

(cosmos) Kreuzigung

7, 44, 45, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 56, 60, 61, 80, 399

Krötenstein

61

Kugelgestalt

358, 374, 377

Kunstagent

230, 247, 251

Kunstgewerbe

10, 153

Kunstkammer

7, 16, 25, 26, 28, 42, 59, 61–64, 67, 104, 108,

(camera raritatis, Kunst- und Silberkammer)

109, 135, 136, 148, 149, 150, 195, 202, 205, 209, 218, 221, 225, 229–231, 353, 403, 418, 422

Künstler-Ingenieure

17

Kupfer

58, 73, 76, 80, 81, 83, 86, 88, 92, 95, 116, 119,

(Kupferbergwerk)

124, 133, 145, 204, 229, 232, 356, 377, 382, 384, 418

Kuxe

58, 90, 119

(Bergewerksanteile) Laboratorium

10, 14, 16, 26, 111, 120, 121, 130, 133

(laboratorio) Lagerstätten

49, 58, 59, 76, 92, 93, 95, 113, 114, 115, 120, 121, 125, 137, 151, 152

Landesaufnahme

12, 285, 367

Landkarten

326, 369, 371, 415, 422

Landschaftsmalerei

360

Landvermesser

346, 357, 360, 404, 411, 413, 423

Längen- und Breitengrad

324, 358, 366, 370, 373, 374, 383, 390, 391,

(Gitternetz, Gradnetz, Liniennetz)

397, 400, 402, 414

Laon-Globus

382

Lapidarium

138

Lavabo/Lavabogarnitur

7, 201, 205, 209, 210, 213, 218, 234, 253

Le septe giornate della geographie (Francesco

378

Berlinghieri) Legenda Aurea

392

Legierung

76, 109, 118, 119, 377

552 I Register

Liber Sapientiae

24

liberalitas

339

Libros del Sabrer de Astronomia (Alfons X. von

377

Kastilien) Liebesgarten

82

Lockensilber

49, 62, 67, 92, 109

Lockensilber (Locken (Silber)) Lot und seine Töchter

104

Lukrezia

56, 104

Lüster

197, 198, 225,

Luxusgüter

9, 12, 57, 228, 229, 230, 233, 234, 268

(Luxuswaren) machina mundi

418, 421

Malachit

92

mappa mundi

357, 360, 380

(mapa mundy, mappae mundi, Mappamundo) Maria Magdalena

56, 68

Markasit

92, 136

Markscheidewesen

275

Marmor

48, 140, 141,148, 197, 250, 288

Mars

73, 124, 419

Materialeigenschaft

10, 11, 15, 16, 17, 28, 94, 106, 110, 114, 115, 117, 124, 132, 135, 137, 140, 200, 256, 257

Materialhierarchie

50, 90, 116, 124, 140, 151

Materialsemantik

9, 26, 152, 230

Materialwahrnehmung

90, 115, 147

Mathematisierung

13, 275, 277

matrix

145

Medaille

91, 103, 104, 105, 107, 109, 112, 247, 253, 285,

(Bildnismedaille, Prägemedaille, Schau­

338, 339, 340, 348

groschen) Meerschnecken (Konchylien, Kreiselschnecken, Trochoidae)

195–202, 204, 211, 215, 217, 220, 224, 225, 226, 228, 230, 234, 266, 290

Meißnische Bergk Chronica (Petrus Albinus)

106, 108, 143,

Meridian

104, 330, 345, 390, 393, 414

Merkur

73, 74, 122, 124, 145, 335, 419

Merkur-Invention

73

Messe, Frankfurt/Leipzig

217, 218, 340

Messing

68, 119, 133, 232, 376, 382, 405

Metallogenese

9, 41, 50, 58, 64, 68, 90, 115, 116, 119, 123,

(Entstehung der Metalle)

126, 127, 359

Mineralien

16, 92, 126, 136

Mineralienkatalog

138

Mineralienkunde

41, 137, 140, 151

Mineraliensammlung

27, 94, 134, 135, 136, 137, 143, 148, 152

(Mineralienkabinett, Mineraliensammler) miraculum naturae

68

Sachregister I 553

Modell

215, 323–325, 327, 329, 330, 337, 343, 356, 357,

(Erdmodell, Papiermodell, Weltmodell)

376, 377, 380, 388, 390, 391, 394, 398, 400, 403, 406, 416, 418, 419, 420, 421, 422, 423, 425

Mondsichel-Madonna

394

Montanregion

12, 41, 42, 47, 52, 53, 57, 58, 67, 68, 71, 73, 75,

(Montanindustrie, Montanlandschaft,

76, 78, 80–83, 86, 88, 90, 92, 102, 114, 120, 127,

Montanrevier, Montanwirtschaft, Montan­

136

wissenschaften montem metallicum

143

Moossilber

109

Mundus Novus (Amerigo Vespucci)

364, 410

Münz- und Mineralienbuch (Andreas Ryff)

144

Münzmeister

81, 93, 112, 114, 124, 127, 338

Münzsammlung

146

Musaeum (Jacopo Strada)

239, 241, 247, 254

Muschelbegeisterung

196, 233

Muschelsammler/Muschelsammlung

196, 232

Muskat

228, 229, 381

Mysterium Cosmographicum (Johannes Kepler)

416, 418

Narrenschiff (Sebastian Brant)

423

Natterzungen

61

natura naturans/natura naturata

21

Naturabguss

62, 202, 204, 207, 210, 211, 215, 217, 218, 226, 254, 267, 268, 383

Naturalis Historia (Plinius)

96, 138, 411

Naturerkenntnis

24, 128, 142

Naturnachahmung

7, 21, 111, 126, 128, 403

(imitatio naturae) Nautilus

198, 199, 200, 207, 208, 220, 223, 226, 265, 266

Nebukadnezar

151

Neiride

210, 217

Neptun

73, 208, 217, 220, 222, 226

Niello

215, 264, 266

nobilis succus

64, 122

Nomenclaturae rerum fossilium quae in Misnia

138, 139

praecipue et in aliis quoque regionibus inventiuntur (Johannes Kentmann) Nova et Integra Universi Orbis Descriptio (Orone

344, 371

Fine) Offenbarung

22, 24, 111, 145,

Oktaeder

283, 418

Ölberg

51, 56, 60, 99, 108, 109

opifex

283

Optik

14, 289, 413

Ornament

153, 195, 198, 199, 208, 209, 210, 211, 213, 215, 217, 218, 234, 254, 257–260, 264, 265, 266, 267, 268, 281, 290, 419

554 I Register

Pallas Athene

335

Paradies

48, 52, 53, 107,

Parallelisierung menschlicher/göttlicher, natürlicher/

22, 97, 130,

artifizieller Werkprozesse Pariser Holzglobus

384

Passion Christi

50, 60, 112

Perlmutt

7, 19, 57, 195, 197–207, 209–211, 213, 215, 217,

(Berlmueter schnegckh, perlînmuoter)

218, 220, 221, 224, 225, 226, 228, 229, 230, 231, 234, 402

Perspectiva corporum (Hans Lencker)

272

Perspectiva Corporum Regularium (Wenzel Jamnitzer) 282, 419 Perspectiva Literaria (Hans Lencker)

269

Perspektivtisch

272, 288, 289

(Perspektivapparat) Perspektivtraktat

269, 270, 272, 279, 281–285, 287, 288, 289, 290, 324

Pfeffer

228, 229, 231, 381

pietra paesina

403

Planeten

64, 68, 104, 117, 123, 124, 125, 151, 419

(Planeten-Theorie, Planetenhierarchie, Sieben Planeten, Sieben-Planeten-Theorie) Planetenbahnen

330, 416, 417, 418, 419, 420, 421

(Planetensphären, Planetenumläufe) Planetenbecher

418

Planetentafeln (Alfonsinische Tafeln)

377

Planetenuhren

421

polus Magnetis

390

Portolan

357

Porzellan

198, 200, 225, 229, 230

Prägefähigkeit (Silbererz)

63, 106, 107

Priesterkönig Johannes

365

prima materia

64, 122

Prinzenerziehung

284

Probierwesen

13, 14, 114, 121, 124, 127, 133, 136, 137, 145,

(Erzprobe, Probeschmelzung, Probierer)

148, 149, 287, 338

Projektion (Karten)

327, 358, 359, 370, 377

Prunkkassette

205, 206, 207, 210, 218, 220, 231

Pyrargyrit

60, 61, 91–95, 109 142

(Proustit, rotgülden Ertz, rotguldenerz, Rotgültigerz, Rotgültigerz, roth gulden ertz) Quecksilber

76, 91, 116, 118–126, 131, 132, 145, 146

Questione sull’alchimia (Bendetto Varchi)

21, 122

Radkarte

360

Rappoltsteiner Pokal

85, 86, 87

Rationalisierung des Raums

324

Rechenmeister

267, 269, 280, 283

Reformation

234, 332

Reformator

91, 119, 332, 339

Sachregister I 555

Regelhaftigkeit (regelgerecht, Regelmäßigkeit)

20, 21, 25, 217, 232, 265, 266, 268, 270, 277, 374, 417, 423, 425

Reichsapfel

371, 376, 388, 393

Reifungsprozess (Metalle)

116

Reinigungsprozess

131

Reisebericht

229, 348, 360, 371, 405, 410, 411, 416

Ressource

9, 10, 15, 19, 20, 26, 28, 42, 44, 48–51, 53, 54, 58, 73, 75, 78, 81, 83, 84, 86, 86, 88, 94, 96, 97, 104, 110, 127, 128, 134, 136, 137, 142, 146–148, 151, 152, 154, 197, 214, 228, 232, 366

Rhinozeros

197, 199, 200

Riesenland

343

Rochus, Heiliger

394

Rohmaterial

95, 99, 123, 217, 230

Rohstoffreichtum

42, 73, 147

Rudimenta cosmographica (Johannes Honter)

367, 368, 369

Sacco di Roma

238, 250

Saigerverfahren

58, 80, 81, 82, 145, 141

(geseigert Silber, saigern, Saigerofen) Salmiak

105

Salomon

24, 60

Salpeter

90, 105, 120, 132, 133

Salvator Mundi

398, 399, 400

Sammelband (Schöner)

351

Sammler

11, 41, 50, 59, 94, 104, 134, 135, 137, 140, 143, 146, 196, 197, 229, 230, 231, 241, 243, 251, 254

Sammlungsschrank

139, 146

(arca, Kabinett, Sammlungskasten) Samson

60

Sarepta

90, 91, 115, 142

Saturn

124, 418, 419

Saufteufel

328

Scharlatanerie

16, 118, 122, 127, 205

(Betrug) Schatzkammer

16, 59, 85, 107, 150, 211, 221, 225, 354

Schaubergwerk

73

schawgroschen

91, 107, 112

Schawstuff

106, 143

Schießpulver

133

Schlacht von Mühlberg

104

Schlacht von Pavia

56, 65, 99, 108

Schlange

52, 54, 211, 226, 227, 237, 254, 256 262, 267, 268, 397, 399, 411, 422

Schneckenlinie

269, 278, 279, 284

Scholae mathematicae Libri XXXI (Petrus Ramus)

288

Schreibmeister

270, 280

Schule von Fontainebleau

250

Schwarzpulver

132

556 I Register

Schwefel-Quecksilber-Theorie

116, 118–121

Sebaldus-Grab (Vischer)

267

Segmentkarte

330, 367, 370, 380, 384, 404, 413, 414

Serpentin

148–151

Settimo libro d’architettura (Sebastiano Serlio)

247

Silberfund (Sankt Georgs Grube)

108

Silbergehalt

48, 91

Silbergrube

58, 114

Sonnenuhr

330, 413

Spat (Spooth)

137, 145

Sphaira

376, 393, 394

Spirale, logarithmische Spirale

195, 199, 200, 201, 213, 215, 224, 256, 269, 278, 279

St. Galler Globus (Tilemann Stella)

390

Stahl, Stahel

125, 145

Stampfwerk

80, 145

Stempelschneider

107, 338

Stibnit

60, 61, 124

(Spießglas) Stifter/Stifterin

56, 83

Strande, oft Ghedichte van de schelpen, kinck hornen, 197, 199 ende andere wonderlicke Zee-schepslen tot lof Van den Schepper aller dingen (Philibert van Borsselen) Straußenei

60, 200, 220, 382, 383

Stufe

7, 19, 41, 42, 44, 45, 48, 51, 54, 56, 57, 59, 60,

(Erzstufe, Handstein, lapides manuales,

61, 63, 64, 67–71, 73, 75, 78, 85–87, 89, 90, 91,

Schaustufen, Silbererzstufen, Silberstufe)

94, 95 96, 99, 104, 105, 108, 110, 112, 113, 120, 122, 136, 137, 141, 143, 146, 147, 148, 149, 151, 231

Sündenfall

52, 53, 107, 126, 129, 184, 262

Systematisierung

23, 42, 134, 135, 137, 150, 151

Tartaren

365

Taufe Christi

56

Täuferbewegung

349

terra australis

358, 362, 371, 384, 413

Tetraeder

283, 418

Theatrum Orbis Terrarum (Abraham Ortelius)

346, 422

Timaios (Platon)

24, 283, 374, 419, 423

Tischbrunnen

51, 65

Töpfer

13, 131

Tractatus de Sphaera (Johannes de Sacrobosco)

377, 413

Traktat zur Goldschmiedekunst (Benvenuto Cellini)

133

Translation

26, 42, 134, 135, 151

Transmutation

107, 118, 119, 123, 131, 133

(Substanzveränderung, Substanzwandlung, Verwandlung) Treiben, Verfahren des Treibens

257, 259, 266, 268

Sachregister I 557

Trinkkultur

327

Triton

217, 220, 221, 223, 226

Tulpen

197, 233

Turbanschnecke

7–11, 18, 19, 20, 28, 151–154, 195, 196,

(turbinidae, Turbo marmoratus)

198–201, 204, 205, 211, 215, 217, 221–233, 237, 245, 264, 265, 268, 269, 290, 325, 329, 360

Typlokalität

143

Underweysung der messung (Dürer)

269, 270, 278, 289, 414

Universale della Nuovamente Parte del Mondo

371, 388

Ritrovata (Jacopo Gastaldi, Giovanni Battista Ramusio) Universale Novo (Giacomo Gastaldi)

371

Universalis cosmographia secundum Ptholomaei

364

traditionem et Americi Vespucii aliorumque lustrations (Martin Waldseemüller und Matthias Ringmann) Unterweisung der Lehrjungen in die Malerei/Speis

325

der Malerknaben (Albrecht Dürer) Urform/Naturform

7, 136, 198, 227, 260, 267, 268, 277

Venus

124, 237, 419

Vermessenheit

224, 324, 424

Wahrhaftige Historia und beschreibung eyner

410

Landstschafft der wildne, nacketen, grimmigen Menschenfresser Leuthen in der Newenwelt America gelegen (Hans Staden) Wein

7, 128, 237, 323, 328, 330, 348, 357, 419

Welser

203, 229, 231, 353, 384, 394

Welser-Globus

384

Weltaneignung

232, 327, 329, 353,

Weltbeschreibung

75, 332, 362, 367, 368, 388, 414

Weltbild

104, 323, 324, 325, 327, 346, 349, 356, 357, 362,

(Weltdarstellung)

364, 366, 374, 376, 381, 384, 388, 394, 397, 398, 402, 403, 405, 406, 408, 416, 418, 420, 422

Weltchronik (Hartmann Schedel)

275

Weltkarte

323, 327, 339, 343, 344, 346, 348, 357, 361, 362, 366, 368, 369, 370, 371, 373, 374, 380, 384, 394, 405, 413

Weltumsegelung

323, 343, 348, 350, 380, 405, 406

Weltvermessung

332, 349, 425

Weltzeiten (Metallzeiten)

151

Werkmeister (Gott als)

23, 121, 129, 283

Werkprozess

9, 16, 17, 22, 28, 41, 110, 128, 129, 130, 256, 257, 265

Werkstattpraxis

15, 16, 28, 130, 131, 133, 285

Werkstoff

9, 10, 20, 26, 27, 28, 42, 48, 51, 85, 134, 147, 152, 154, 220, 224, 225, 256, 257

Wermut

558 I Register

419

Wilder Mann

56

Wismut

116, 124, 125, 145

Wissen

11, 12, 14, 17, 19, 24, 25, 26, 27, 28, 41, 50, 80,

(Wissensdiskurs, Wissensgenerierung, Wissens-

83, 88, 93, 114, 115, 116, 117, 118, 120, 127,

kanon, Wissenskultur, Wissensobjekt, Wissens-

130, 131, 134–139, 141, 145, 149, 152, 153, 154,

vermittlung)

203, 217, 229, 229, 230, 247, 254, 272, 274, 278, 285, 324, 326, 334–337, 341, 343, 348, 357–360, 362, 364, 366, 371, 376, 377, 380, 381, 390, 406, 408, 411, 413, 415, 416, 420, 423

wissenschaftliche Revolution

9, 12, 16, 17, 23

(nova scientia) working knowledge

11

Wundervölker

370, 411

Wünschelrutengänger

44, 77, 86

Zeichnungssammlung

237, 239, 241, 248, 250, 253, 254

(Zeichnungsbuch, Zeichnungscodex) Zeitmessung

7, 12, 341

Zentralperspektive

324

Zilsel-These

16, 17

Zinn

119, 124, 125, 137, 145, 146, 377,

Zirkel

60, 129, 279, 344, 349, 390, 414, 423, 425

Zugriffsmöglichkeit

15, 19, 26, 42, 58, 59, 71, 83, 86, 87, 88, 98,

(Zugriffsrecht)

128, 132, 146, 195, 196, 206, 213, 228, 232, 264, 285, 346

Zunftpokal

328

Zwischenhändler

218, 228, 230

Sachregister I 559