Hype um Hybridität: Kultureller Differenzkonsum und postmoderne Verwertungstechniken im Spätkapitalismus [1. Aufl.] 9783839403099

Kien Nghi Ha analysiert den aktuellen Diskurs über Hybridität von zwei Seiten her: Einerseits werden die historischen Be

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German Pages 132 Year 2015

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort/Making of
Einleitung
Konjunkturen und Leerstellen: Kulturgeschichtliche Diskursrekonstruktionen über das Hybride
Vermischung als Symptom von Kulturverfall und Gesellschaftskrise
Hybride Revolution: Das postmoderne Versprechen einer unentdeckten Terra Nova
Hybridität als kulturelle Dominante im postmodernen Spätkapitalismus
Popkulturelle Verwertungen und die Warenförmigkeit von Otherness
Kulturelle Hybridität in der deutschen Rezeption
Umkämpfte Hybridisierungen
Literatur
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Hype um Hybridität: Kultureller Differenzkonsum und postmoderne Verwertungstechniken im Spätkapitalismus [1. Aufl.]
 9783839403099

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Kien Nghi Ha Hype um Hybridität

CULTURAL STUDIES • HERAUSGEGEBEN VON RAINER WINTER • BAND 11

2005-08-05 14-01-36 --- Projekt: T309.cult.ha.hype / Dokument: FAX ID 01ff91244099942|(S.

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) T00_01 schmutztitel.p 91244099948

Kien Nghi Ha ist Politikwissenschaftler und hat zahlreiche Aufsätze publiziert. Er ist Autor des viel beachteten Buches »Ethnizität und Migration Reloaded. Kulturelle Identität, Differenz und Hybridität im postkolonialen Diskurs« (1999/2004); im Herbst 2005 erscheint »Vietnam Revisited. Demokratisierung, nationale Identität und adoleszente Arbeitsmigration«. Kontakt: [email protected]

2005-08-05 14-01-37 --- Projekt: T309.cult.ha.hype / Dokument: FAX ID 01ff91244099942|(S.

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) T00_02 autor.p 91244100020

Kien Nghi Ha

Hype um Hybridität Kultureller Differenzkonsum und postmoderne Verwertungstechniken im Spätkapitalismus

CULTURAL STUDIES

2005-08-05 14-01-39 --- Projekt: T309.cult.ha.hype / Dokument: FAX ID 01ff91244099942|(S.

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) T00_03 titel.p 91244100108

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2005 transcript Verlag, Bielefeld Umschlaggestaltung & Innenlayout: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Projektmanagement: Andreas Hüllinghorst, Bielefeld Lektorat: Kai Reinhardt, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 3-89942-309-7 Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

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) T00_04 impressum.p 91244100188

Inhalt Vorwort/Making of | 7 Einleitung | 11 Konjunkturen und Leerstellen: Kulturgeschichtliche Diskursrekonstruktionen über das Hybride | 17 Vermischung als Symptom von Kulturverfall und Gesellschaftskrise | 23 Hybride Revolution: Das postmoderne Versprechen einer unentdeckten Terra Nova | 39 Hybridität als kulturelle Dominante im postmodernen Spätkapitalismus | 55 Popkulturelle Verwertungen und die Warenförmigkeit von Otherness | 71 Kulturelle Hybridität in der deutschen Rezeption | 85 Umkämpfte Hybridisierungen | 101 Literatur | 117

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) T00_05 inhalt.p 91244100300

Für meine Soulmates

Hito Steyerl Nicola Lauré al-Samarai Mariam Popal noa k. heymann Makoto Takeda Markus Schmitz

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) T00_05 widmung.p 91244100436

Vorwort/Making of | 7

Vorwort/Making of

Wenn ich mich recht erinnere – und ich neige dazu, selbst meine eigenen Erinnerungen und Wissenskonstruktionen zu hinterfragen –, lassen sich die Anfänge meiner eigenen Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex »kulturelle Hybridität« auf das Jahr 1996 zurückverfolgen. Nachdem ich mich durch Stuart Halls differenzierte Analyse in »Rassismus und kulturelle Identität« (1994) und durch Frantz Fanons antikoloniales Manifest »Die Verdammten dieser Erde« (1961) den politischen wie erkenntnistheoretischen Grundlagen postkolonialer Kritik bereits angenähert hatte, stieß ich im Rahmen der Recherche für meine politikwissenschaftliche Diplomarbeit unweigerlich auch auf »The Location of Culture« (1994) von Homi K. Bhabha. Diese anspruchsvolle Lektüre war für mich sprachlich herausfordernd wie faszinierend zugleich und zudem intellektuell überaus aufregend. Im Gegensatz zum hier konstatierten »Hype um Hybridität« resultierte mein erster Enthusiasmus nicht aus der Überzeugungskraft kultureller Vermischungen, sondern aus der Möglichkeit, Hybridität in ihrer uneindeutigen Ambivalenz als eine kulturelle Widerstandspraxis in post-/kolonialen Diskursen zu begreifen. Während mein erstes Buch »Ethnizität und Migration« (1999) in einer impulsiven Reaktion noch eindeutig von der politischen Wirksamkeit kultureller Subversionen ausging, werden die gesellschaftlichen Potenziale von Hybridität und Mimikry bei der Überarbeitung »Ethnizität und Migration Reloaded« (2004) von mir inzwischen skeptischer und widersprüchlicher diskutiert. Während meine Vorarbeiten sich stark auf die kulturellen Artikulations- und politischen Handlungsmöglichkeiten von marginalisierten Subjekten konzentrierten, richtet sich mein Fokus in der nun vorliegenden Analyse auf postmoderne Verwertungsprozesse spätkapitalistischer Kulturindustrien, die in der wissenschaftlichen Aufarbeitung bisher weitgehend unterbelichtet gebliebenen sind. Das zunehmende Verlangen nach Andersheit in der medialen Zirkulation und das Florieren von hybriden United Colors-Ästhetiken kann als ein Ausdruck eines umfassenderen Paradigmenwechsels kontextualisiert

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werden, in welcher der Niedergang von Homogenitäts- und Reinheitskonzeptionen vielfältige Neuerungen und Modernisierungsprozesse ermöglicht, die von technologischen Revolutionsversprechungen bis zum Aufstieg interkultureller Nationen reichen. Welche kulturelle Verwertungsvorteile das Zauberwort »Hybridität« inzwischen ermöglicht, zeigt sich nicht zuletzt in der Aporie, diesen Diskurs kritisch aufzuarbeiten, ohne vom allgegenwärtigen Hype zu profitieren. Mein Unterfangen, dieses Thema zur Arbeitsgrundlage einer diskursanalytischen und kulturwissenschaftlichen Untersuchung zu machen, kann sich diesem Widerspruch weder entziehen geschweige denn ihn auflösen. Die hier formulierte Kritik kann daher nur versuchen, diesen inhärenten Widerspruch transparent zu gestalten und auf die eigenen Voraussetzungen und Involvierungen hinzuweisen, deren wiederkehrende Reflektion mir für einen kritischen Zugang wichtig erscheint. Bücher sind als diskursive Erzählungen ein kulturelles Gebilde, das nicht ohne Referenzen und Vorgeschichte auskommt. Texte sind nie monadisch in sich abgeschlossen, und wie jede andere Narration haben sie ihre eigenen sozialen, kulturellen und zeitlichen Kontexte sowie spezifischen Produktionsbedingungen, die auf die Welt außerhalb der textuellen Begrenzungen verweisen. Ohne es zu wissen, fing die Arbeit zu diesem Buch bereits Februar 2002 an, als ich einen Vortrag unter dem Titel »Postkoloniale Migration, Rassismus und die Frage der Hybridität« im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Postkoloniale Kritik« von interflugs (Universität der Künste) in der »Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst« (Berlin) ausarbeitete. Die in diesem Vortrag entwickelten Gedanken mündeten schließlich in drei umfangreiche Aufsätze: »Hybride Bastarde – Identitätskonstruktionen in kolonial-rassistischen Wissenschaftskontexten« (2003a), »Die kolonialen Muster deutscher Arbeitsmigrationspolitik« (2003b), und »Die schöne neue Welt der Hybridität« (2004b). Dieses Buch profitiert auf unterschiedliche Weise von diesen und anderen Vorarbeiten, sodass ich an dieser Stelle die Chance nutzen möchte, Encarnación Gutiérrez Rodríguez, Hito Steyerl, Marion von Osten, Eva Kimminich, Cornelia Kogoj, Julia Reuter, Astrid Messerschmidt, Daniela Koweindl, Ula Schneider, Ljubomir Bratic, Hakan Gürses, Christian Kravagna, Karl Hörning und Gerhard Wagner für die fruchtbare Kooperation zu danken. Ohne das große inhaltliche Interesse sowie die außerordentliche Unterstützung durch den transcript Verlag wäre dieses Buch nicht in dieser Form realisiert worden. Der Verlag hat durch seine Ermutigungen und das praktische Entgegenkommen den produktiven Abschluss dieses Buchprojektes erheblich erleichtert. Für dieses Verständnis bedanke ich mich sehr bei Karin Werner. Obwohl ich meine Deadlines infolge meiner überraschenden Vaterschaft immer wieder verschieben musste, hat sich Andreas Hüllinghorst als geduldiger und

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Vorwort/Making of | 9 stets freundlicher Projektmanager nicht irritieren lassen, wodurch er mir sehr geholfen hat. Kai Reinhardt danke ich für sein gewissenhaftes Korrektorat. Meine Gedanken sind bei unserem Sohn Lou King. Berlin, den 19. Juni 2005

Kien Nghi Ha – Hà Kiên Nghi. –

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9) T00_06 vorwort.p 91244100590

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) vakat 010.p 91244100620

Einleitung | 11

Einleitung

»Von Soma betäubt, erschöpft von einer langen Raserei der Sinnlichkeit, lag der Wilde im Heidekraut und schlief. […] Dann erinnerte er sich plötzlich – an alles« (Aldous Huxley). Ein Mensch, der heute nach einem Jahrzehnt aus dem Komazustand erwacht und beginnt, die entgangenen Zeitungsartikel blitzlichtartig Revue passieren zu lassen, würde sich über die verlockenden Rufe nach einer schönen hybriden Welt wundern. Denn dieser Mensch hätte sehr bald den unwillkürlichen Eindruck, eine überaus bedeutsame und wichtige Entwicklung in den letzten Jahren buchstäblich verschlafen zu haben. Sicherlich würde sie oder er zunächst vor allem mit Schlagzeilen konfrontiert, die auf weltpolitische Ereignisse und global ausstrahlende Tragödien hinweisen: Kriege, Flüchtlingsdramen, Terrorangriffe, wirtschaftliche Krisen sowie andere sozial-historisch verankerte und unkalkulierbare Unwägbarkeiten, die auf menschliches Handeln und Naturkatastrophen zurückzuführen sind. Dem aufmerksamen Beobachter oder der interessierten Leserin würde es jedoch auch auffallen, wie der Begriff »hybrid*« in relativ kurzer Zeit mehr und mehr ins Rampenlicht des populären Sprachgebrauchs rückt und immer größere Kreise zieht. Er oder sie dürfte sich fragen, was es mit dem Begriff des Hybriden auf sich hat, das anscheinend schlagartig in den Bildungssprachschatz vieler meinungsbildender Öffentlichkeitsarbeiter/-innen eingeflossen ist und mittlerweile in vielen unterschiedlichen Kontexten im Zentrum öffentlicher Diskussionen steht. Eine weltweite Internetrecherche für »hybrid*« via Google ergibt eine unüberschaubare Anzahl von 23.700.000 Treffern (8.5.2005). Zehn Wochen später ergibt die gleiche Recherche bereits 24.800.000 Fundstellen – was auf einen sehr dynamischen Diskurs schließen lässt. Spätestens in diesem Jahr dürfte dieses vielseitig verwendbare Wort seinen allgemeinen Durchbruch feiern, da er über eine Reihe technischer Neuerungen auf den Massenmarkt – etwa im

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Auto- und Computerbereich – auch im allgemeinen Sprachgebrauch durchschnittlich gebildeter Menschen einen festen Platz erhalten wird. Kaum ein Begriff hat in jüngster Zeit in der intellektuell-akademischen Öffentlichkeit wie in der Tagespresse für so viel Furore gesorgt und dabei so viel Unklarheit hinterlassen. Besonders in Form des scheinbar universell ›andockbaren‹ Adjektivs »hybrid« referiert er auf diversen Themenfelder auf sehr unterschiedliche Formen der Hybridisierung, Vermischung und (Re-)Kombinierung. In unserer Nachrichtenwelt, im Feuilleton, im Wissenschaftsdiskurs wie auch im Alltag ist »hybrid« zu einem modischen Reiz- und Schlagwort der Innovation geworden: Zum Beispiel wird der Automarkt neuerdings von Fahrzeugen mit einem Hybridantrieb revolutioniert; OutdoorFans sind dagegen von der überlegenen Funktionalität von Hybridmaterialien in ihren Textilien und Ausrüstungsgegenständen begeistert; Ende April 2005 haben Microsoft und Samsung die Einführung einer fortschrittlicheren Hybrid-Festplatten-Technologie im nächsten Jahr angekündigt; in der Hoffnung, sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten für das therapeutische Klonen zu finden, wird in den geheimen Biotechnik-Labors unentwegt mit genetischen Hybridisierungen experimentiert, um die Erbanlagen von unterschiedlichen Lebewesen miteinander zu kombinieren – die Chimären lassen bisher eher zweifelhafte bis obskure Ergebnisse befürchten; Soziologinnen wie Politikwissenschafter rätseln derweil über den »hybriden Konsumenten« und »hybriden Wähler«, der inzwischen zwischen seinen politischen Entscheidungen und sonstigen Gewohnheiten so radikal ›switcht‹, dass das wechselhafte bis scheinbar widersprüchliche Verhalten zur einzigen von außen erkennbaren Regelhaftigkeit wird. Natürlich sind diese Trends nicht spurlos an den Kulturwissenschaften vorübergegangen, wo theoretische Ansätze über hybride Kulturen – gemessen an anderen Wissenstransferprozessen – praktisch über Nacht zum neuen Paradigma avancierten. Im Jahre 2000 ist schließlich die internationale wissenschaftliche Zeitschrift »Hybridity: Journal of Cultures, Texts and Identities« an der National University of Singapore gegründet worden.1 »Hybridität ist das Wort der Stunde in der Kulturtheorie« (Misik 2005: 16), weiß dann auch »die tageszeitung« in einer Kolumne über den aktuellen Stand der Dinge 1 | »Hybridity is a multidisciplinary and internationally-refereed journal housed in the Department of English Language and Literature of the National University of Singapore, and published by Oxford University Press Singapore. Hybridity focuses on multi-disciplinary analyses of conditions and sites of cultural hybridity, split, tension, anxiety, and their negotiation in a variety of social discourses and signs« (http://courses.nus.edu.sg/course/ellgohbh/hybridi ty.html, gesehen am 22.5.2005).

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Einleitung | 13 in Theorie und Technik zu berichten. Und Bice Curriger, die Kuratorin der Ausstellung über die jüngste Schweizer Kunst im Kunsthaus Zürich, gab schon vor fast zehn Jahren die neue Marschrichtung vor als sie die Parole ausrief: »Hybrid sein heißt die Losung« (Kipphoff 1998: 41). Wie ein Echo auf diese Direktive wirkt die Überschrift eines Online-Forums des Nachrichtenmagazins »Der Spiegel«, der mit seiner Leser/-innenschaft kürzlich über das Zeitungssterben debattierte und diese Allzweckempfehlung als Fazit für ein erfolgreiches Geschäftsmodell zog: »Werden Sie hybrid!« (15.4.2005).2 Bereits dieser schlaglichtartige Einblick in die aktuelle Diskussion verdeutlicht, dass Hybridität als Schlagwort eine rasante Performance im gesellschaftlichen Diskurs erreicht hat. Ihre Laufbahn als aufgehender Stern am kulturellen Firmament ähnelt dem eines kulturindustriell protegierten Popstars. Die Frage ist nur, ob sie als Sternschnuppe verglühen wird oder tatsächlich im Begriff ist, ihr Innovationsversprechen einzulösen und die jetzige Welt nachhaltig zu postmodernisieren. Wie ich später detaillierter darstellen werde, sind die technischen und kulturellen Innovationspotentiale durch effiziente und attraktive Hybridisierungstechniken überaus beträchtlich. Selbst wenn sich nicht alle Verheißungen erfüllen sollten, ist mit einem fundamentalen Gesellschaftswandel zu rechnen. Auch wenn das gesamte Ausmaß schwer abzuschätzen ist, scheint es doch möglich, dass die Veränderungen weitreichend und vielfältig ausfallen werden. Damit stellt sich auch die Frage, ob wir uns nach der industriellen und mikroelektronischen nun am Anfang einer hybriden Revolution befinden. Kann diese Umwälzung als eine eigenständige Zeitepoche des postmodernen Spätkapitalismus analysiert werden, die auch mit der Ausbildung von entsprechend heterogenen, ›unreinen‹ bzw. bunt gemischten Kulturformen einhergeht? Ermöglicht der postmoderne Hype um Hybridität auch eine fortschreitende Kommodifizierung kultureller Identitäten und Alteritäten, die als konsumierbarer Warenfetisch nicht nur unbekannte Arten der ästhetischen Differenzproduktion generieren, sondern auch tradierte Machtverhältnisse und Arbeitsverteilungssysteme in der Gesellschaft erneuern? Neben »Hybridität« (Bhabha 2000) werden gegenwärtig auch Alternativtermini wie »Kreolisierung« (Hannerz 1987), »Bastardisierung« (Rushdie 1992), »Melange« (Nederveen Pieterse 1998, Nederveen Pieterse 2004), »Transkulturation« (Pratt 1992), »Transdifferenz« (Lösch 2004) und »Interkultur« (Auernheimer 2003) theoretisiert, um die Arbeitsweise und Entstehung von Kulturpraktiken sowie mögliche Reibungsflächen und Überlappungen im Prozess ihrer eth2 | Das Forum »Unter Druck« kann unter diesem Link erreicht werden: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,351289,00.html (gesehen am 22.5.2005).

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nisch-religiösen Differenzierung zu verstehen. Wenn der Eindruck nicht täuscht, besteht auch ein großes Interesse, die endlosen Kombinations- und Rekombinationsmöglichkeiten kultureller Elemente und Praktiken positiv hervorzuheben. Kulturelle Vermischung wird häufig in der bekannten Metapher von Bhabha als »third space«, als unerforschter »dritter Raum« gedacht, in der hybride Existenzweisen fruchtbare Ressourcen, Kreativität und andere Formen der kulturellen Bereicherung hervorbringen. Manchmal entsteht der Verdacht, dass die wissenschaftliche Aufgabe sich dann darin erschöpft, diese kulturellen Zwischenräume zu vermessen und zu erschließen. Angesichts dieser verlockenden Aussichten ist das Interesse an der Anziehungskraft von hybriden Kulturen und Produktformen allzu verständlich, aber gerade deswegen auch zu hinterfragen, weil Hybridität zunehmend als wachstumsfördernder Konsumtiv- und Produktivfaktor industriell und politisch verwertet wird. Hybridität ist daher nicht nur als kulturelle Logik oder neue Technik zu verstehen, sondern auch als eine Warenform, deren Kommodifikation voranschreitet. Dieses konventionelle Produktivitätsverständnis hat Zelebrierungen im Namen der Vermischung hervorgebracht, die sich in einem spannungsgeladenen Kontrast zur bisherigen Begriffs- und Ideengeschichte des Hybriden befinden. Problematisch ist das Lob der kulturellen Melange, weil es nicht zuletzt in einem verdrängten und unaufgearbeiteten Widerspruch zur europäischen Kulturgeschichte der kolonialen Hybridität steht und dadurch ahistorisch und merkwürdig deplatziert wirkt. Wer sich der Mühe unterzieht, ihre Begriffsgeschichte zurückzuverfolgen, wird »Hybridität als Signatur der Zeit« (Schneider 2000) bzw. genauer gesagt: als Signatur ihrer jeweiligen Zeit begreifen. Von dieser Gegenwartsdiagnose ausgehend werde ich daher im Folgenden versuchen, die sich wandelnden Vorstellungen über das Hybride in einem kulturhistorischen Prozess zu rekonstruieren. Dieser Sinngebungsprozess erstreckt sich dabei über einen Zeitrahmen, der von der europäischen Genese des Hybridverständnisses in der griechischen Antike bis zu den heutigen Diskursen über die produktive Potenz und Zukunftsfähigkeit von Hybridität erstreckt. In diesem historischen Längsschnitt werden nicht nur der dramatische Wertewandel, sondern auch die disparaten Bedeutungsaufladungen, Konjunkturen und Leerstellen in den unterschiedlichen Phasen des Denkens über Hybridisierung in der europäischen Kulturgeschichte sichtbar. Hybridität als Allegorie der sozialen Grenzüberschreitung und kulturellen – oftmals auch »rassischen« – Vermischung war immer mit obsessiven Phantasien besetzt. Der Umschlag von einem negativen Sinnbild zu einem faszinierenden catch word mit einem produktiven Image, der seine unheimliche Seite verdrängt, ist jedoch erst in jüngster Zeit zu beobachten. Nach seiner Entstehung in der Antike ist der Hybridbegriff erst wieder im Fin de Siècle des 19. Jahrhunderts

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Einleitung | 15 wiederentdeckt worden, nachdem er in der dazwischenliegenden Zeit in der europäischen Geistesgeschichte – zumindest in der deutschen Schriftsprache – weitgehend abwesend war. Zwar spielte die Frage der biologischen und sozio-kulturellen Vermischung im feudalen und kolonialen Kontext eine gewichtige Rolle. Jedoch griffen die Diskurse über die Aufrechterhaltung der »Blutreinheit« des Adels sowie der Homogenität der »weißen Rasse«3 zunächst in erster Linie auf das Bild des »Bastards« zurück, um biologische Inkompatibilität und kulturelle Minderwertigkeit auszudrücken. Erst im 19. Jahrhundert erlebte der Hybridbegriff – interessanterweise ausgerechnet mit der zunehmenden Rationalisierung und Verwissenschaftlichung des Sozialen – seine diskursive ›Wiedergeburt‹ in der aufkommenden Evolutionsbiologie und kolonialrassistischen Anthropologie. Diese Zeit zur Jahrhundertwende stellt eine wichtige ideengeschichtliche Schnittstelle dar, die durch die Person von Friedrich Nietzsche symbolisiert wird. Einige seiner Schriften belegen, dass er einerseits als Zeitzeuge und Kommentator in den zeitgenössischen Debatten des kolonialen Rassismus involviert war. Andererseits gilt er aufgrund seines fragmentarischen Denkens und seiner grundsätzlichen philosophischen Skepsis gegenüber den Werten der Moderne als ein wichtiger Urvater des postmodernen Denkens. Gegenwärtig findet in der Diskussion über die Chancen und Potentiale der globalen Postmoderne eine epistemologische Umdeutung statt, in der Hybridität eine sehr positive Wertschätzung und Anerkennung erfährt. Dieser radikale Wertewandel macht eine Analyse unumgänglich, in der 3 | Obwohl es keine »Rassen« gibt und Wir-Gruppen immer Ergebnis sozialer Konstruktionsprozesse sind, ist es doch sinnvoll, von kollektiven Identitätsprozessen auszugehen und diese als unterschiedlich zu markieren. Dadurch kann eine Aussage über die fortwährende Präsenz jener historischen Machtverhältnisse getroffen werden, die über sozio-ökonomische Ausschlüsse und Praktiken kultureller Stereotypisierung rassifizierte Körper und Identitäten wahr machte. »Schwarze« und »Weiße« bezeichnen entgegen dem landläufigen Verständnis keine natürlichen Unterschiede oder physiognomischen Eigenschaften, sondern moderne Machtkonfigurationen, die vor allem durch die Überschneidungen sozialer, ethnisierender, geschlechtsbildender und sexueller Kategorien bestimmt werden. Um diese Machteinschreibung sichtbar zu machen, werden sie wie die »Anderen« groß geschrieben. In diesem Sinne werden auch eindeutig kontextualisierte Begriffe wie »Mischling« hier verwendet, die erst durch dominante Diskurse und Wahrheitsregime realitätsmächtig geworden sind. Obwohl diese Begriffe als soziale Konstrukte zu hinterfragen sind, werden sie in ihrer substantivierten Form nicht in Anführungszeichen gesetzt, um den Lesefluss nicht übermäßig zu beeinträchtigen. Bei Termini wie »Bastard« und »Rasse« muss hingegen diese Einschränkung in Kauf genommen werden.

2005-08-05 14-01-41 --- Projekt: T309.cult.ha.hype / Dokument: FAX ID 01ff91244099942|(S.

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Fragen nach kulturindustriellen Verwertungsinteressen in der spätkapitalistischen Produktionsweise und ihr Bedürfnis nach permanenten Innovationen, konsumtiven Differenzen und uneingrenzbarer Vielfalt als Motor für technische Entwicklung und gesellschaftlichen Fortschritt in den Vordergrund gestellt werden. Daran anschließend diskutiere ich im nächsten Schritt am Beispiel der deutschsprachigen Rezeption von Hybridität einige problematische Aspekte. So zeigt sich, dass sich mit der Popularisierung und Integration dieses Begriffs im sozial- und kulturwissenschaftlichen Diskurs ein Verständnis eingebürgert hat, in der Hybridität aufgrund einer verkürzten und instrumentalisierenden Rezeptionsweise oftmals als postmoderne Theorie der Vermischung der Kulturen angesehen wird, die mit zweifelhaften Implikationen einhergeht. Beispielsweise ist die politische Interventionskraft des postkolonialen Diskurses durch wissenschaftliche Übersetzungs- und Aneignungsprozesse im deutschsprachigen Raum nicht unbedingt größer geworden – wie ich später noch ausführlicher darlegen werde. Die Hoffnung, durch nicht festlegbare in between-Kategorien hegemoniale Konzepte und gesellschaftliche Machtverhältnisse zu hinterfragen und zu destabilisieren, erweist sich in ihrer gesellschaftlichen Modernisierungswirkung als durchaus inkorporierbar. Nicht zuletzt können die transformativen Effekte der Hybridisierung affirmativ im Rahmen des Bestehenden verbleiben und müssen nicht notwendigerweise die Grenzen zwischen Dominanzen und Marginalitäten überschreiten. Diese These werde ich am Beispiel des Berliner »Karnevals der Kulturen der Welt« und der Repräsentation des Anderen im Rahmen der nationalen »Germany 12 Points!«-Vorausscheidung zum »Eurovision Song Contest 2004« ausführen. Obwohl kulturelle Hybridisierung warenförmig sein und politisch durch die Dominanzgesellschaft vereinnahmt werden kann, ist dieser uneindeutige Raum der kulturellen Ambivalenz auch prinzipiell unabschließbar und umkämpft. Er bietet immer noch Platz für subversive Praktiken, die etwa mit den Strategien der Adbuster und Culture Jammer operieren. Als Kommunikationsguerilla zielen solche kulturpolitischen Taktiken auf ironische Verfremdungen und Umkehrungen von dominanten Zeichen und Symbole im Diskurs marginalisierter Akteure. Ihre Entstellungen kritisieren dominante Machtverhältnisse, indem sie eine unsichtbar gemachte Realität offen legen und sich Räume, Artikulationsmöglichkeiten und Identitäten aneignen, auf die marginalisierte Akteure ohne diese Brechungen ansonsten keinen Zugriff hätten. Daher nutzen sowohl globalisierungskritische Aktionsformen als auch die migrantischen Taktiken der Selbst-Kanakisierung subversive Techniken der kulturellen Hybridisierung. Obwohl die fundamentalen Machtverhältnisse ungleich verteilt sind, bleibt das Rennen um eine alternative Zukunft wie bisher grundsätzlich offen.

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Konjunkturen und Leerstellen | 17

Konjunkturen und Leerstellen: Kulturgeschichtliche Diskursrekonstruktionen über das Hybride

Die derzeitige Popularität sowie die Auf- und Umwertung von Hybridität ist ein Vorgang, der in einem eigentümlichen Gegensatz zu ihrer bisherigen Kulturgeschichte steht. Bevor der Begriff »hybrid« Mitte des 19. Jahrhunderts in die moderne Fachterminologie einer sich als aufgeklärt und naturwissenschaftlich definierenden Biologie aufgenommen wurde, war er bis auf seltene Reminiszenzen scheinbar aus dem kulturellen Gedächtnis verschwunden. Dabei ist das Wort »hybrid« keine sprachliche Neuschöpfung der Moderne, sondern weist eine etymologische Verwandtschaft zur griechischen »hy’bris« auf. Die Hybris bezeichnet Frevel, Verblendung bzw. Schändung und bedeutete wörtlich »frevelhafte Vermessenheit gegenüber den Göttern« (Kluge 1989: 322f.). Im Gegensatz zu den äußeren Gefahren der Natur symbolisiert sie als Sinnbild die selbstverschuldete Gefährdung des Menschen durch seine innere Natur, die sich selbst existentiell bedroht, indem sie metaphysische Ordnungen in Frage stellt. Als Ursünde, die »alle weiteren Sünden erzeugt und so ins unvermeidliche Verderben führt« (Walton 1956-1965: 498), war die Idee der Hybris ein zentrales Thema in der kulturellen Auseinandersetzung der griechischen Zivilisation mit ihrem eigenem Selbstbild und den Grenzen des Menschseins. Diese ursprüngliche Bedeutung hat sich in der bildungsbürgerlichen Sprache bis in die Gegenwart hinein erhalten, in der die Hybris gleichbedeutend mit »Hochmut« und »Vermessenheit« ist. Seit der Antike repräsentiert die Hybris die anmaßende Selbstüberschätzung des Menschen, dessen Strafvergehen im »Überschreiten der von den Göttern den Menschen gesetzten Grenzen« (Lexikographisches Institut München 1995: 4487) liegt. Wer sich gegen die göttliche Bestimmung oder gegen eine höhere Macht stellte, schwor das Desaster seines eigenen Untergangs herauf. Entsprechend dieser

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Überzeugung prägte Aristoteles die Hybris als Kennzeichen des überheblichen und tragischen Helden, dessen übersteigerter Stolz dem sprichwörtlichen Fall vorausgeht. Der schicksalhafte Sturz des Prinzen Bellerophon von Korinth, der beflügelt von seinen Heldentaten auf dem Rücken von Pegasus den göttlichen Olymp zu erstürmen versucht, ist nur eine besonders illustrative Warnung vor Grenzaufhebung und Selbstüberschätzung. Auf diesem Motiv basieren zahlreiche klassische Tragödien der Antike wie »König Ödipus« von Sophokles, in der die Hybris mit Demütigung und Untergang des Helden einhergeht. In einer anderen Version dieses Sujets verwandte Aischylos die Hybris des Agamemnon als Zeichen der nahenden Katastrophe, die sein blinder Stolz nicht zu erkennen vermag (vgl. The American Peoples Encyclopedia 1968: 84; Irmscher 1990: 21; Becher 1990a: 257; Becher 1990b: 552). Da die Hybris eine Form der Regel- und Grenzüberschreitung beschreibt, welche die bestehende Ordnung transzendiert, werden Halbgötter und Mischlingswesen als Hybride vorgestellt. Entsprechend leitet sich die lateinische Bezeichnung »hybrida« (Mischling, von zweierlei Herkunft) aus der griechischen »hy’bris« ab (vgl. Deutsches Universalwörterbuch 2001: 810f.; Schaeder 2000: 282). Sowohl die Hybris, verstanden als religiöses Delikt (Beleidigung der Götter), das durch die Nemesis (gerechter Unwille) bestraft wird (Walton 19561965: 498), als auch der Mischling, der oft in Form von Missgestalten (Sphinx, Chimären, Gorgonen) auftritt, sind in ihren Bedeutungen oft mit Angst und Bedrohung konnotiert. In der antiken griechischen Mythologie und Literatur wie der »Odyssee« von Homer treten Mischwesen oft als furchterregende Dämonen und menschenähnliche Kreaturen auf, die wie die wilden Zentauren mit menschlichem Oberkörper und Pferderumpf Schrecken verbreiteten, als betörende Sirenen (Musen mit Fischschwänzen) ihre Opfer ins Verderben locken oder als hässliche Harpyien (Raubvögel mit Mädchengesichtern) göttliche Strafen überbringen (Vollmer 2000: 127, 229, 425). Waren Chimären in der Antike noch diskursive Gestalten, werden heute mit zunehmenden Erfolg durch genetische Hybridisierungen immer mehr Mischwesen im Reagenzglas kreiert. Die kulturgeschichtliche Aufarbeitung offenbart in diesen Fällen Aktualitätsbezüge, die auf dem ersten Blick eher an Science-Fiction erinnert, aber nichtsdestotrotz auf reale Entwicklungen in der Gegenwartsgesellschaft hinweist. Obwohl der antike Hybrisdiskurs und seine Mischlingsmetapher für die diesbezüglichen Vorstellungen in der europäischen Neuzeit einen wichtigen Bedeutungs- und Referenzrahmen bilden, lässt sich zunächst feststellen, dass diese Begriffe selbst nur äußerst selten Eingang in die kanonische Schriftkultur und intellektuelle Textproduktion fanden. Wie meine eigenen Recherchen ergeben, sind diese Begriffe sowohl in den klassischen Texten der deutschen Literatur als

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Konjunkturen und Leerstellen | 19 auch im Textkanon der europäischen Philosophie bis Mitte des 19. Jahrhunderts weitgehend absent. Ebenso wenig sind diese Begriffe in den frühen deutschen Wörterbüchern als eigenständige Schlagwörter bekannt.1 Lediglich an einigen verstreut liegenden Fundstellen wie der Abhandlung »Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren« (1762) von Immanuel Kant wird der »vermengte Vernunftschluß« als »ratiocinium hybridum« angegeben (Kant 1977a: 602605). In ähnlicher Weise stellt Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) sein Latein als Zeichen seiner Gelehrsamkeit zur Schau, wenn er den »gemischten Schluß« als »hybrida conclusio« bezeichnet (Leibniz 1904: 46). Angesichts ihres Seltenheitswertes gelten diese Termini nicht nur als bildungs-, sondern auch als »sondersprachlich« (Kluge 1989: 322).2 Im Unterschied zur Antike, in der die nachhaltige Auseinandersetzung mit der Denkfigur der Hybris als Grundübel der menschlichen Existenz kulturbildend war, ist ein weitgehender Bedeutungsverlust dieses Wortstamms im weiteren Geschichtsverlauf zumindest in der schriftlich fixierten Hochkultur Europas mehr als wahrscheinlich – obgleich die mit ihr einhergehenden assoziativen

1 | Meine Recherche in den Volltextdatenbanken der »Digitalen Bibliothek« wie der umfangreichen »Studienbibliothek der deutschen Literatur von Lessing bis Kafka« (Bertram 2000), die ihrem Anspruch nach eine repräsentative Auswahl von 108 deutschsprachigen Autoren und Autorinnen auf ca. 170.000 Seiten darstellt, ergibt lediglich vier Fundstellen für »hybrid*« und sechs für »Hybris«. Außer Hugo von Hofmannsthal mit vier Treffern, der ein Schriftsteller des beginnenden 20. Jahrhunderts war, ist nur noch in den »Apokryphen« (1869 [1811]) von Johann Gottfried Seume warnend von »Schurken und Hybristen« die Rede. Wie im Literaturdiskurs bestätigt auch das Suchergebnis für die Volltextsammlung »Philosophie von Platon bis Nietzsche« (Hansen 1998), die eine »digitale Sammlung philosophischer Schlüsselwerke aus 2.500 Jahren europäischer Geistesgeschichte« darstellt, mit sechs Fundstellen für »Hybris« seine geringe Verbreitung in der überlieferten Schriftkultur. Vier der sechs Fundstellen beziehen sich auf Friedrich Nietzsches Werk »Zur Genealogie der Moral« (1887) und eins auf Paul Natorps »Platos Ideenlehre« (1903). Der Hybridbegriff ist mit 16 Fundstellen stärker vertreten, wobei sich acht Treffer auf Charles Darwins »Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um’s Dasein« (1859) beziehen. Insgesamt sieben Fundstellen verweisen auf Kant und zwei auf Nietzsche. Als Stichwörter sind »Hybris« und »hybrid« weder im ersten bedeutenden Deutschwörterbuch (1793-1801) von Johann Christoph Adelung noch im 16-bändigen »Deutschen Wörterbuch« (1852ff.) der Gebrüder Grimm indexiert. 2 | Eine Negativprobe im »Wörterbuch der deutschen Umgangssprache« (Küpper 1997) unterstützt dieses Ergebnis.

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Bedeutungen bis zur ihrer Wiederkehr im Fin de Siècle weiter tradiert wurden. An die Stelle von »hy’bris« und »hybrida« trat im okzidentalen Mittelalter zunächst der Begriff des »Bastards«, der soziale Grenzüberschreitungen als Folge zwischenmenschlicher Vermischungen benennt. Zu seiner Etymologie gibt es unterschiedliche Deutungen, wobei die heutigen Wörterbücher übereinstimmend von einer französischen Herkunft ausgehen. Während das erste bedeutende Deutschwörterbuch von Johann Christoph Adelung (1793-1801) die »erste Hälfte dieses Wortes unstreitig [auf] das Französische bas«3 für niedrig und untergeordnet zurückführt, bietet der Brockhaus als Wortstamm das altfranzösische »bast« für Packsattel an (Der Große Brockhaus 1929: Bd. 2, 359), der auf dem fremden oder unbekannten Erzeuger deuten könnte. Im ersten deutschsprachigen Universallexikon der Sittengeschichte und Sexualwissenschaft (1928-1932) wird hingegen auf das mittellateinische »bastum« für Packesel hingewiesen, »also der auf dem Sattel, d. i. außer der gesetzmäßigen Ehe Erzeugte« (Bilder-Lexikon der Erotik 1999: Bd. 1, 120). Wie die Kolonialgeschichte offenbart, sollten diese Bedeutungskontexte im Verlauf der europäischen Expansions- und Eroberungsgeschichte eine wichtige Rolle spielen. In seiner frühesten Bedeutung bezog der »Bastard« sich ursprünglich auf den anerkannten, aus einer ehelichen Verbindung stammenden Nachwuchs eines Adligen mit einer sozial niedriger stehenden Frau. Erst in der späteren Sprachentwicklung bezeichnete dieses Begriff unstandesgemäße Kinder, die aus einer unehelichen Verbindung kamen und deswegen abgewertet wurden (Adelung 2001: Bd. 1, 745f.). Die Anerkennung war jedoch begrenzt und ging oft mit Misstrauen und Herabsetzung einher. Durch die Institutionalisierung des sog. Bastardfadens, dessen diagonaler Verlauf wie eine Trennungslinie durch das Wappenbild lief, wurde ein visuelles Zeichen etabliert, das die Differenz des adligen »Bastards« kennzeichnete. Seine Exklusion steigerte sich mit einer Wahrnehmung, in der er zunehmend eine unzulässige soziale Grenzüberschreitung verkörperte, bis er als illegitimer »sohn, dem erbe und stand des vaters entzogen werden«, stigmatisiert wurde und »zur bezeichnung des schlechten, unechten diente« (Grimm/Grimm 1854: Bd. 1, 1151). Indem die vermischte Herkunft sowohl den absolutistischen Glauben an die göttlich gegebene Überlegenheit der zum Herrschen Geborenen als unhinterfragbare Machtlegitimation diskreditierte, als auch die Ideologie der Blutreinheit des Adels kontaminierte (Guillaumin 1992: 81f.), wurde der »Bastard« zunehmend zum Gegenstand 3 | Adelung 2001: Bd. 1, 745f. Der Hinweis auf den französischen Begriff »bas« findet sich auch bei Jacob und Wilhelm Grimm 1854: Bd. 1, 1150.

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Konjunkturen und Leerstellen | 21 der Ausgrenzung. Da seine außereheliche Zeugung auch gegen die christliche Sexualmoral verstieß, personifizierte der »Bastard« die Untugenden der Schande und Sünde. Die Ablehnung wuchs umso stärker, je mehr die äußeren Begleitumstände seiner Zeugung in sein Inneres verlagert und zu persönlichen Merkmalen erklärt wurden. Auch die Aufklärung distanzierte sich nicht von diesem traditionellen Sittengemälde. Der Moralkodex des aufkommenden Bürgertums wie der christlichen Kirche setzte die Ehebindung als sozialen Kern einer stabilen Gesellschaft voraus. Uneheliche Nachkommen wurden nicht nur als moralische Verfehlung, sondern auch als gesellschaftlich dysfunktional und gefährlich angesehen. Mit der Bedeutungsausweitung, die nun jede uneheliche Nachkommenschaft unabhängig von der sozialen Herkunft der Eltern zum »Bastard« erklärte, wurde die gesellschaftliche und juristische Diskriminierung verallgemeinert. Die »Bastardisierung« verfestigte sich zu einem Prinzip der sozialen Differenzierung, die den »Bastard« in die Reihe der unerwünschten Vexierbilder an die Seite von »Hexen« und »Krüppeln« stellte. Der »Bastard« ist bis heute ein pejoratives Sinnbild geblieben, das als Projektion des »minderwertigen« und »nichtswürdigen« (Wahrig 1981: Bd. 1., 526; Großes Wörterbuch Fremdwörter 1991: 68). Menschen negative Affekte wie Misstrauen und Abneigung auf sich zieht. Im Repertoire der Literaturgeschichte und Alltagssprache findet sich eine lange Liste von Hasstiraden und Anfeindungen, die mit dem Topos der bösen Minderwertigkeit und Illegitimität operieren.4 Die4 | Berühmte Beispiele finden sich in der Hochkultur etwa in den Dramen »Maria Stuart« (1800) und »Die Jungfrau von Orleans« (1801) von Friedrich Schiller. Im Traktat »Laokoon« (1766) vergleicht Gotthold Ephraim Lessing das Vexierspiel der Bastardfiguren in »König Richard III« (1592) und »König Lear« (1604/5) von William Shakespeare, die – obwohl sie allesamt »häßliche Bösewichte« seien – sowohl in Gestalt des Teufels als auch als Engel auftreten könnten (Lessing 1970: 151f.). Symptomatisch für die Abwertung in der intellektuellen Produktion ist die Institutionalisierung des »Bastardtitels« als Synonym für den Begriff »Schmutztitel« (Deckblatt) beim Buchdruck. Selbst in der philosophischen Auseinandersetzung war die Bastardbeschimpfung als Mittel der emotionalen Ansprache wirksam. Eugen Dühring, der für seinen Antisemitismus berüchtigt war, setzte eine interessante Assoziationskette ein, um Karl Marx zu diffamieren: »Unförmlichkeit der Gedanken und des Stils, würdelose Allüren der Sprache […], englisierte Eitelkeit […], Düpierung […], wüste Konzeptionen, die in der Tat nur Bastarde historischer und logischer Phantastik sind […], trügerische Wendung […], persönliche Eitelkeit […], schnöde Manierchen […], schnoddrig […], schöngeistige Plätzchen und Mätzchen […], Chinesengelehrsamkeit […], philosophische und wissenschaftliche Rückständigkeit« (Engels 1956: 30). Wie ungeheuerlich Dührings BastardVorwurf empfunden wurde, lässt sich nachverfolgen, da Friedrich Engels in

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ses Stereotyp schlug sich auch als begriffsbildendes Denkschema in der Philosophie nieder. Kant erkannte etwa im »Bastard« die figurative Repräsentation einer heimtückischen Gefahr, die sich aus dem Verwechslungsspiel von Sein und Schein ergeben würde: »Wider diese Nachlässigkeit oder gar niedrige Denkungsart […] kann man auch nicht zu viel und zu oft Warnungen ergehen lassen, indem die menschliche Vernunft in ihrer Ermüdung gern auf diesem Polster ausruht, und in dem Träume süßer Vorspiegelungen […] der Sittlichkeit einen aus Gliedern ganz verschiedener Abstammung zusammengeflickten Bastard unterschiebt, der allem ähnlich sieht, was man daran sehen will, nur der Tugend nicht, für den, der sie einmal in ihrer wahren Gestalt erblickt hat« (Kant 1977b: 57). Folglich wurde der »Bastard« immer stärker als personelle wie symbolische Kulmination sozialer und kultureller Vermischungen verachtet. Während »Bastarde« als unsittliche Vermischungen abgelehnt wurden, symbolisierte Reinheit das Gute und Unschuldige, aber auch die Sehnsucht nach Schönheit und Erhabenheit. Im Zuge dieser Abwertung und Dämonisierung erweiterte sich das Verständnis des lateinischen »hybrida«, das nicht nur gleichbedeutend mit »Mischling«, sondern auch mit »Bastard« wurde. Auf diese Sinn- und Wertungszusammenhänge verweisend, prägte Kant in einer späteren Abhandlung über die Sittlichkeit seine Formel für das Unwahre und (Be-)Trügerische und nannte sie die »Bastarderklärung (definitio hybrida), welche den Begriff im falschen Lichte darstellt« (Kant 1977c: 333). Die Synonymik dieser Begriffstriade findet sich heute sowohl in den unterschiedlichen Dudenausgaben als auch in medizinischen Lexika wie dem »Pschyrembel« (1998) wieder.

seiner Verteidigungsschrift »Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft« (1878) an nicht weniger als acht Stellen diese Polemik scharf kritisierte (ebd.: 187, 191, 193, 194, 196, 204, 265).

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Vermischung als Symptom von Kulturverfall und Gesellschaftskrise

Das Misstrauen, welches Kant den Hybridformen entgegenbrachte, knüpfte an einer kulturellen Sitten- und Verfallsgeschichte des »Bastards« (griechisch: nothos, lateinisch: nothi) an, die bereits in der Antike ausgeprägt war.1 Als einer der philosophischen Gründungsväter, die die europäische Neuzeit zu ihrem eigenen imaginären Ursprung auserkoren hat, gilt Platon (427-348/7 v.u.Z.). Bereits bei ihm manifestierte sich eine Weltanschauung, in der der hybride »Bastard« als abgewerteter Mischling den Gegensatz zum Streben nach dem Schönen, Guten und Wahren repräsentiert. In seinem ideengeschichtlich überaus bedeutenden Hauptwerk »Der Staat« beklagte er in einem kulturpessimistisch angelegten Verfallsszenario die Degression der reinen Wissenschaft durch soziale und kulturelle Entgrenzung, die sich gegen die natürliche Ordnung der hierarchisch gegliederten Gesellschaftsstände richten würde. Diese unheilvolle Vermischung der Sphären trat für ihn am augenfälligsten im Eintritt von Angehörigen der unteren Gesellschaftsschichten in die Akademie zur Tage. In diesem Kontext setzte Platon wiederholt die rhetorische Figur des »Bastards« als Signifikant der kulturellen und biologischen Minderwertigkeit ein. Die hohe Kunst der Wissenschaft sei durch ungebildete Alltagsberufler gefährdet, die von der Gier nach ehrenhaften Titeln und sozialem Ansehen angetrieben »wie die Zuchthäusler in die heiligen Freistätten entlaufen […] obgleich sie erstlich schon von Natur unvollkommene Anlagen haben und dann auch unter dem Drucke ihrer Berufe und Handwerke infolge der Stubenhockereien ebenso hinsichtlich ihrer Seelen zu1 | Hier könnte man exemplarisch die athenische Narration des persischen Großkönigs Dareios II im Peloponnesischen Krieg (431-404 v.Chr.) anführen, den die unterlegenen Athener den Beinamen »Nothos« gaben. Vgl. Ha 2003a: 123f.

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sammengeschrumpft und ausgemergelt sind, wie sie auch schon am Körper die Zeichen der Verkrüppelung tragen« (Platon 1940: 223).2 Um den kulturellen Niedergang des Hochstehenden durch die Vereinigung mit dem Niedrigstehenden zu illustrieren, konstruierte Platon den Fall eines freigelassenen Sklaven, der als wohlhabender Mann die verarmte Tochter seines ehemaligen Herrn zur Frau nahm. Eine Konstellation, die auf der Umkehrung der bestehenden Gesellschaftsverhältnisse und der Verletzung der sozialen Normen beruhte, konnte bei Platon nur als Zeichen einer tiefgreifenden Gesellschaftskrise interpretiert werden. Für Platon fand der konstatierte Kultur- und Werteverfall auch eine biologische Entsprechung, die er in der sexuellen Vereinigung ungleich Geborener sah. Ihre Nachkommen würden als Mischlinge an Unterentwicklung und intellektueller Minderbegabung leiden: »Was für Geburten müssen nun solche Leute hervorbringen? Nicht bastardartiges und schlechtes Zeug? Ganz notwendig. Nun hiervon die Anwendung: Wenn Leute, die für eine höhere Bildung gar keine Fähigkeiten haben, ohne die gehörige Ebenbürtigkeit sich mit dieser verehelichen, – was für Hirngeburten und Ansichten müssen diese dann erzeugen? Nicht wohl solche, die in Wahrheit den Namen Sophistereien verdienen, und was gar keine Spur eines edlen Ursprungs und auch nicht den Wert eines gründlichen Nachdenkens an sich trägt?« (ebd.: 224f.). Dazu würden sich moralisch-seelische und sexuell-körperliche Deformationen gesellen, die nicht nur über das private Schicksal des Einzelnen entschieden, sondern aufgrund ihres großen Gefahrenpotentials eine öffentliche Aufgabe staatlicher Politik seien. 2 | Angesichts der nationalsozialistischen Herrschaft musste diese Berliner Platon-Ausgabe von dem jüdischen Gelehrten Erich Loewenthal († 1943 in Auschwitz) 1940 unter konspirativen Bedingungen anonym herausgegeben werden. Die darin enthaltene Politeia (Der Staat) folgt der klassischen Übersetzung von Wilhelm Siegmund Teuffel (Buch I-V) und Wilhelm Wiegand (Buch VI-X) aus dem Jahre 1855/56 und wurde von Loewenthal behutsam modernisiert. Im Nachkriegsdeutschland wurde diese Arbeit von Heidelberg aus weiter verlegt und ist in wissenschaftlichen Bibliotheken weit verbreitet. Unter den insgesamt zehn deutschsprachigen Gesamtausgaben gilt die Berliner-Edition nach wie vor als »die vollständigste Platon-Ausgabe in deutscher Sprache« (Verlagswerbung) und wurde 1998 in der Digitalen Bibliothek Band 2 »Philosophie von Platon bis Nietzsche«, ausgewählt und eingeleitet von Frank-Peter Hansen, neu herausgegeben. Keinesfalls ist sie mit der »Blut-und-Boden-Übersetzung« (1973) von August Horneffer aus den 1920er Jahren zu verwechseln. Vgl. auch http://www.information-philosophie.de/philosophie/platonlesen. html, gesehen am 27.7.2005.

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Vermischung als Symptom von Kulturverfall und Gesellschaftskrise | 25 Denn »der jetzige Verfall, fuhr ich fort, und die jetzige Unehre, worin wahre Wissenschaft geraten ist, ja gewiß, sie rühren von keinen andern Ursachen als davon, weil sie […] nicht mit den gehörigen Eigenschaften ausgerüstet sich mit ihr befassen: denn nicht Bastardseelen dürfen sich mit ihr befassen, sondern nur echte, edelgeborene […] Auch in bezug auf besonnene Mäßigung der Begierden, fuhr ich fort, mannhafte Tapferkeit, Hochherzigkeit und überhaupt in allen Teilen der Tugend ist vorzüglich darauf zu achten, was eine Bastardseele und was eine edelgeborene ist: Denn wenn einer, sei es ein einzelner Mann oder ein Staat, für solche Eigenschaften keinen Blick hat, so hat er dann an ihnen Krüppel und Bastarde« (ebd.: 281). Hatte Kant die gedankliche Verbindung zwischen dem hybriden Mischling und dem »Bastard« in eine begriffliche überführt, so sollte Platons Befürchtung gegen die Vermischung von sozial Ungleichen und kulturell »Ungleichwertigen« in der europäischen Neuzeit, die mit ihrer kolonialen Expansion in die »Neue Welt« eingeleitet wurde, eine moderne rassistische Dimension erhalten. Während »hy’bris« und »hybrida« in der Antike noch Teil einer göttlichen Ordnung waren, wurde mit der zunehmenden Säkularisierung, Rationalisierung und Verwissenschaftlichung der Welt diese zu einer natürlichen bzw. biologischen Ordnung transformiert, deren festgefügten Asymmetrien und Ordnungskategorien nicht überbrückt werden sollten. Im Gegensatz zur Antike, wo noch das ungleiche Verhältnis zwischen Menschen und Göttern den Ausgangspunkt bildete, stilisierte sich die europäische Elite nach 1492 in den Kolonialreichen bis Mitte des 20. Jahrhunderts immer ungenierter als moderne Götter in Weiß.3 Währenddessen wurden die außereuropäischen Anderen spiegelbildlich zur Globalisierung Europas als Unterlegene angesehen, die allenfalls als »gute Wilde« tragische Helden sein durften. Die in der Antike und im Mittelalter gepflegten Ängste vor Inferiorität und Dysfunktionalität, aber auch der vermutete Verlust von Authentizität und Wahrhaftigkeit, Anstand und Sitte erfuhren im Bild des rassifizierten »Bastards«, der durch die einsetzenden Kolonialrassendiskurse von europäischen Intellektuellen ab dem 16. Jahrhundert als narrative Figur kreiert wurde, eine epistemologische Aktualisierung und Verschärfung (vgl. Young 1995; Stoler 1995). Nun tauchte 3 | Die Kolonialisierung weist deutliche Formen der Hybris auf. Durch die Überzeugung, dass der europäischen Zivilisationsform die globale Machtdominanz aufgrund ihrer beispiellosen Qualität legitimerweise zusteht und durch ihre göttliche Zivilisierungsmission der gesamten Menschheit dient, wurde der unübersehbare Kolonialterror zu einer pädagogischen Tugend uminterpretiert. Erst die Erziehung zur Arbeit würde die außereuropäischen »Wilden« als gottesfürchtige Geschöpfe und damit überhaupt als Menschen erschaffen.

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die kulturell-religiös und sozial codierte »Bastardisierung« in Form des abgewerteten und gleichzeitig so begehrenswerten »rassisch« Anderen aus der Versenkung des kollektiven Kulturgedächtnis Europas im Zuge seiner kolonialen Globalisierung wieder auf. Mit der Erfindung von Rassenkategorien für Menschen unterschiedlicher Hautschattierungen und geographischer wie kultureller Herkünfte wurde die biologische »Rassenvermischung« als regressiver »Bastardisierungsprozess« begriffen. Der Mischling, seine unreine Hybridität, die sich dem kategorischen Imperativ der »Rassengrenze« zu entziehen droht, sie als strukturierendes Machtelement gleichzeitig unterhöhlt und überschreitet, wird daher zur Allegorie des Bösen. Im Gegensatz zur Erscheinung des ungebändigten Antichristen, der im Kolonialdiskurs seine Auferstehung erlebt, um ihn durch kirchliche Missionierung und notfalls gewaltsame Zivilisierung zu retten, war der hybride »Rassenmischling« ein innerer Intimfeind, der nicht in äußerlicher Opposition zum Kolonialherrn und seiner Kultur gedacht werden kann. Paradoxerweise ist es daher nicht – wie sonst im Rassismus üblich – die Andersartigkeit, sondern die kulturelle und physische Ähnlichkeit des Hybriden, die zu seiner Pathologisierung im Kolonialdiskurs führt. Genau diese Verwechselbarkeit des Kolonialisierten mit dem Kolonialisator, die in der afroamerikanischen Literaturtheorie als passing bezeichnet wird (vgl. Ha 1999: 140-144), ist für die abgründige Gefährlichkeit des Mischlings verantwortlich. Obwohl die rassistische Doppelmoral die »Rassenvermischung« bis zur jüngsten Vergangenheit als eine ›Schandtat‹ gegen die vermeintliche menschliche Natur betrachtet,4 in der das ›Niederträchtige‹ die 4 | In einigen Südstaaten der USA sind die gesetzlichen Verbote von Mischehen erst im Jahre 2000 abgeschafft worden. Bei der Volksabstimmung in Alabama, die parallel zur US-Präsidentschaftswahl stattfand, stimmten immer noch rund 40 Prozent, d.h. 544.000 vorwiegend »weiße« Wähler und Wählerinnen für die Beibehaltung des Apartheid-Gesetzes aus dem Jahre 1901 (Hahn 2000). Auch in der BRD sind aufgeheizte Kontroversen um vermeintliche »Rassenvermischungen« im politischen Tagesgeschäft virulent. So warnte Edmund Stoiber 1988 – der damals bayerischer Innenminister war und später zum Ministerpräsidenten sowie Kanzlerkandidaten aufstieg – das deutsche Volk vor dieser kollektiven Bedrohung, denn Oskar Lafontaine wolle eine »multinationale Gesellschaft auf deutschem Boden, durchmischt und durchrasst« (Hillenbrand 1988: 4). Seitdem ist die »durchrasste Gesellschaft« zu einem geflügelten Wort geworden. Bei der Wahl der Gesellschaft für deutsche Sprache zum »Unwort des Jahres« 1991 wurde Stoiber explizit als geistiger Urheber identifiziert. Seine Wortschöpfung landete hinter dem Begriff »ausländerfrei«, der während des rassistischen Pogroms in Hoyerswerda erfunden wurde, auf einem respektablen zweiten Platz (http://www.gfds.de/woerter2. html; http://www.unwortdesjahres.org/unwort_g.html, gesehen am 27.7.

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Vermischung als Symptom von Kulturverfall und Gesellschaftskrise | 27 Grenze zum göttlich oder natürlich ›Erhabenen‹ überschreitet, war die gewalttätige Lust an der sexuellen Verfügbarkeit von women of color im Kolonialkontext immer präsent. Diese Ökonomie des Begehrens vereinigte sich mit der Angst, »weiße« Interessen zu unterminieren. Die Furcht vor einer Zersetzung christlicher Symbole, kolonialer Kulturpraktiken und europäischer Machtinsignien mit lokalen indigenen Elementen löste sozialpathologische Ängste vor Identitätsverlust und Phantasien über Verfälschung und Verschmutzung der europäischen »Mutterkultur« aus, die in ihrer Überlegenheit als bedroht angesehen wurde (Bhabha 2000: 125-136). Die Befürchtungen beruhten auf dem Grundsatz, dass die Stärke und Güte der europäischen Kultur und der »weißen Rasse« von ihrer Reinheit abhinge. Im Zuge der historischen Entwicklung der kolonialen Moderne wurde diese essentialistische Annahme immer mehr zu einem unhintergehbaren Dogma, das sich spätestens im langen 19. Jahrhundert durch das Aufkommen nationalistischer Ideologien und einer rassistisch ausgerichteten Anthropologie zu einem politischen und wissenschaftlichen Paradigma verfestigte.5 Wie stark das moderne Verständnis von Hybridisierung als biologische Kreuzung von Anfang an von einer ›widernatürlichen Degenerationserscheinung‹ ausging und ihre philosophisch-naturwissenschaftlichen Diskurse durch die Verquickung von Biologismus, Dämonisierungsängste und antiken Mythologien geprägt wurde, lässt sich etwa im ideengeschichtlich überaus einflussreichen Hauptwerk von Johann Gottfried Herder (1744-1803) in Erfahrung bringen: »Im wilden Zustande paaret sich kein Tier mit einer fremden Gattung, und wenn die zwingende Kunst der Menschen oder der üppige Müßiggang, an dem die gemästeten Tiere teilnehmen, auch ihren sonst sichern Trieb verwildern, so läßt doch in ihren unwandelbaren Gesetzen die Natur von der üppigen Kunst sich nicht überwinden. Entweder ist die Vermischung ohne Frucht, oder die erzwungene Bastardart pflanzt sich nur unter den nächsten Gattungen weiter. Ja bei diesen Bastardarten selbst sehen wir die Abweichung 2005). Nachdem die stoibersche Weltsicht unlängst von Norbert Geis, rechtspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, in der Fernsehsendung »Vorsicht Friedmann« (6.2.2002) mit der Äußerung »Warum lasst ihr nicht Deutschland den Deutschen?« verteidigte (Feddersen 2002: 13; Arning 2002), bezweifelte ausgerechnet die Süddeutsche Zeitung in einer Glosse im Lokalteil die Herkunft dieses Zitats (Stiller 2002). Wie eine Gegendarstellung aufzeigt, erscheint diese vermeintliche Aufklärung jedoch nicht besonders glaubwürdig, da ein SZ-Redakteur als Augenzeuge 1988 über das berüchtigte Zitat aus erster Hand berichtet hat und die SZ in unzähligen Berichten und Kommentaren die Richtigkeit ihrer Darstellung bekräftigt hat – zuletzt anlässlich der Entgleisung von Geis (Gockel 2002). 5 | Ausführlich in Ha 2003a: 107-160.

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nirgends als an den äußersten Enden des Reichs der Bildung, genau wie wir sie bei der Verartung des Menschengeschlechts beschrieben haben; hätte der innere, wesentliche Typus der Bildung Mißgestalt bekommen müssen, so wäre kein lebendiges Geschöpf subsistent worden. Weder ein Centaur also noch ein Satyr, weder die Scylla noch die Meduse kann nach den innern Gesetzen der schaffenden Natur und des genetischen wesentlichen Typus jeder Gattung sich erzeugen« (Herder 1965: 274f.). Herders Überzeugung entsprach einer zeitgenössischen Evidenz, die ihre Wissensproduktion und Autorität durch interessensgeleitete Definitionsmacht im Zuge der Kolonialisierung erlangte. Nach der Zerstörung indigener Gesellschaften und der Eroberung außereuropäischer Kolonialreiche begann vor allem auf den amerikanischen Kontinenten durch den transatlantischen Sklavereihandel ein millionenfacher Bevölkerungstransfer. Dieser setzte ein anhaltend gewalttätiges und traumatisches Dreiecksverhältnis zwischen Europa, Afrika und Amerika in Gang, in der nicht zuletzt durch sexuelle Gewalt und koloniale Herrschaft hybridisierte Bevölkerungsgruppen entstanden. Diese Ausgangskonstellation wurde später durch die Migration asiatischer Kontraktarbeiter und »Kulis« erweitert, die die hierarchisch stratifizierte »Rassenpyramide« verlängerte und wie in Brasilien über 100 gemischte »Rassentypen« entstehen ließ. Zu den bekanntesten Kolonialbezeichnungen zählen »Mestizen« mit einer europäisch-indigenen Herkunft und »Mulatten« mit afrikanisch-europäischen Elternteilen. Letzteres ist eine Übersetzung von »mulato« aus dem Spanischen und Portugiesischen und leitet sich von »mulo« (spanisch) ab. Wie das »mule« im Englischen steht »mulo« für die Doppelbedeutung von Maulesel und »Bastard« (Poliakov et al. 1979: 65-90; Geiss 1988: 121-127). Diese abwertende Bedeutung spielt zum einem auf den Status des Maulesels als dummes, störrisches Arbeitstier an, das oft nur auf gewaltsame Befehle reagiert, zum anderen auf seine sprichwörtliche Fortpflanzungsunfähigkeit. Entgegen der wahrnehmbaren Erfahrung blieb der moderne Mythos des sterilen und pathologischen »Rassenbastards« bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ein Thema wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Kontroversen.6 Zu den immer wieder angeführten Unterstellungen zählte neben der Sterilität, welche die unnatürliche Dysfunktionalität und Überlebensunfähigkeit des Mischlings suggerieren sollte, auch der angebliche Hang zur körperlicher Anfälligkeit, verminderter Intel6 | So wurde in den antifeministischen Diskursen, deren Stimmen nicht eindeutig entlang biologischer Geschlechtergrenzen bestimmt werden kann, das antifeministische Feindbild des Hermaphroditen durch die Übertragung kolonialrassistischer Stereotypen verstärkt: »Das beste Weibmaterial hat den unheimlichen Drang nach Halbmannhaftigkeit, einen Trieb zu hybrider Sterilität« (Laura Marholm zit. nach Dohm 1902: 93).

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Vermischung als Symptom von Kulturverfall und Gesellschaftskrise | 29 ligenz, krimineller Asozialität, psychischen Defekten und charakterlichen Schwächen. In diesen Diskursen wurde der »Rassenmischling« als Träger von Kulturverfall und Amoralität bezeichnet. Die Willkürlichkeit dieser Diagnosen offenbarte sich nach dem Zweiten Weltkrieg auch in der Rassenanthropologie, als sie die Effekte der Heterosis (»Bastardwüchsigkeit«) anerkannte. Obwohl die Heterosis produktive Potentiale verspricht und in der Agrarzüchtung positiv konnotiert ist (Grant 2000: 629f.), wurden diese Effekte gegen die Mischlinge gewendet. Nun wurde ihnen nicht wie ehemals ein Mangel, sondern ein Exzess in Form abnormalen Wachstums, körperlicher Disproportionen und übersteigerter Sexualität vorgeworfen (Ha 2003a: 126-131). Durch die spätestens mit Charles Darwin einsetzende naturwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Phänomen der biologischen Vermischung erfuhr der Hybriddiskurs einen starken Popularisierungsschub, der ihn über die Fachgrenze der Botanik und Zoologie hinaus bekannt machte.7 Darwin fand dieses Thema so wichtig, dass er in seinem internationalen Bestseller »Über die Entstehung der Arten« [1859] eigens ein Kapitel der »Bastardbildung« widmete und darin immer wieder das Thema der Unfruchtbarkeit aufgriff (Darwin 1899: 319-356).8 Langfristig dürften jedoch die um 1900 von verschiedenen Vererbungsforschern wiederentdeckte Arbeit »Versuche über Pflanzenhybride« (1866) von Gregor Mendel und die Techniken, die auf den sog. Mendel’schen Gesetzen basieren, nicht nur für die Verbreitung und das Verständnis des Hybriden, sondern vor allem gesellschaftlich direktere Folgen haben. Durch diese Arbeiten geriert Hybridisierung zum zentralen Begriff im biologischen Sprachgebrauch und wurde als 7 | Schon bevor die Biologie sich der »Bastardierung« annahm, bestand in der Praxis bereits diese Konvention: »Das Geringere, Schlechtere, Untaugliche in seiner Art, so nennen die Gärtner oft alle Auswüchse und untaugliche Sprößlinge, Bastarde« (Adelung 2001: Bd. 1, 746). Als wichtigster Vorläufer von Mendel und Darwin im Bereich der biologischen Hybridisierung gilt der Botaniker Joseph Gottlieb Koelreuter (1733-1806), der seit 1759 wiederholt Bastardisierungsexperimente unternahm, um die Sexualität der Pflanzen nachzuweisen (Bäumer 1988: 424f.). In der Nachfolge von Darwin wurde auch in einflussreichen Beiträgen zur deutschen Philosophie, etwa in Friedrich Albert Langes »Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart« (1974 [1866]: Bd. 2, 686f.) und in Eduard von Hartmanns »Philosophie des Unbewußten« (1869: 229-232), über die Bedeutung von »Bastarden« spekuliert. 8 | In geisteswissenschaftlichen Wörterbüchern gingen sowohl die philosophischen Bedeutungskontexte bei Immanuel Kant als auch die biologischen bei Charles Darwin ein: »Hybride Begriffe: leere, unfruchtbare Begriffe, Scheinbegriffe« (Eisler 1904: Bd. 1, 440).

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Kreuzung bzw. »Bastardierung« von Lebewesen mit unterschiedlichen Herkünften definiert (Grant 2000). Als Beleg für die Verwissenschaftlichung, weitgehende Verzahnung und Gleichsetzung der Begriffe »hybrid« und »Bastard« kann etwa auf die große Anzahl von Pflanzenarten hingewiesen werden, deren Variationen mit Namen wie »Bastardklee« (Trifolium hybridum) oder »Bastardmohn« (Papaver hybridum) bedacht wurden. Auch heute stehen die meisten lexikalischen Begriffe wie Hybridenfleisch, Hybridenwein, Hybridhuhn, Hybridmais, Hybridschwein, Hybridzüchtung etc. (Wahrig 1981: Bd. 3, 682f.) mit biologischen Themen in Verbindung: Aufgrund dieser disziplinären Verortung in der Wissenschaftsgeschichte kann es nicht überraschen, wenn heute in gentechnischen, biochemischen und biologischen Diskursen der Begriff »hybrid« mit Abstand am häufigsten fällt. Anders als der Fortschrittsglauben es nahe legt, wurde mit der Verwissenschaftlichung die angstbesetzte Negativbedeutung des Hybriden in religiösen und »rassischen« Kontexten nicht korrigiert, sondern verstärkt auf wissenschaftliche und kulturelle Diskurse übertragen. Diese Abwertung wurde in dem Maße vertieft, wie die Vorstellung einer negativen biologischen Hybridisierung von »Menschenrassen« und Kulturen gesellschaftlich dominant blieb. Gerade die melancholische Untergangsstimmung des Fin de Siècle war empfänglich für Hybridisierungsszenarien, die an das antike Verständnis anknüpften und diese mit den Bastardisierungsdiskursen der modernen Biowissenschaften verbanden. Eine kulturpessimistische Strömung vertrat Hugo von Hofmannsthal (1874-1929), der neben seiner schriftstellerischen Arbeit auch kulturpolitische Ämter in Österreich bekleidete. Als Intellektueller im zeitweiligen Dunstkreis der »konservativen Revolution« hielt er 1927 an der Universität München eine vielbeachtete Rede über »das Schrifttum als geistige[n] Raum der Nation« (Koch 1988: 427-431). Darin warnte er vor dem altbekannten Schreckbild der »gefährlichen hybriden Natur«, die aus der Ambivalenz der Vermischung hervorginge.9 Wie Leibniz und Kant zuvor, setzte auch er die »reine Leidenschaft des Verstehens« von den »zweideutigen Elementen eines geheimnisvollen hybriden Organs« (Hofmannsthal 1979a: 33) ab. Die Ablehnung des 9 | In dieser Rede beschrieb Hugo von Hofmannsthal den »Prophet als Dichter, vielleicht ist er ein erotischer Träumer – er ist eine gefährliche hybride Natur, Liebender und Hassender und Lehrer und Verführer zugleich« (Hofmannsthal 1979c: 32). In scheinbarer Vorahnung der kommenden Jahre charakterisierte er diesen »mit dem Anspruch auf Lehrerschaft und Führerschaft« ausgestatteten Propheten »als einem wahren Deutschen«, »der nun für seinen Kriegszug Gefährten wirbt« und daher »mit dem Stigma des Usurpators« belegt sei (ebd.).

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Vermischung als Symptom von Kulturverfall und Gesellschaftskrise | 31 Unreinen, des als minderwertig Gedachten, bezog sich offenbar auch auf Fragen der kulturellen und »rassischen« Vermischung, die als Zerfallserscheinung imaginiert wurde. »Sie haben das unverwesliche Wort Humanismus auf Ihrem Banner, während rings in Europa und in jenem hybriden Neu-Europa jenseits des Ozeans der vollständigste, tiefstgreifende Prozeß der Deshumanisation, der je geträumt werden konnte, im Gange ist« (Hofmannsthal 1979b: 14). Gegen die ungewissen Bedrohungen und Auflösungserscheinungen aus den amerikanischen Welten wurde als geistiges Bollwerk ein glorifiziertes Bild der Antike gesetzt, welche die Unverfälschtheit des europäischen Kulturerbes begründen sollte. Wie Hofmannsthal, der viele große griechische Dramen adaptierte, besaß auch Friedrich Nietzsche (1844-1900) als Dozent für klassische Philologie einschlägige Kenntnisse. In seinen Schriften gebraucht er den Begriff »hybrid« als wiederkehrende Metapher für dunkle und unheilvolle Vermischungsformen. Analog zu Hofmannsthal wird sie bei ihm als bedrohliche Verfallserscheinung begriffen, die dem aufklärerischen Idealbild des Verstandes entgegengesetzt wird – also jener vernunftsbegabten Lichtgestalt, die in der Konstruktion der europäischen Geistesgeschichte die Zivilisationsgrenze zur Barbarei und Unterentwicklung bildet. In Nietzsches Sprache spiegelten sich offensichtlich die mythischen Bilderwelten der Antike wieder. Entsprechend war das Hybride für ihn die Folge einer unsäglichen Tragödie, die im Katastrophalen enden würde und zum Untergang verurteilt sei. Voller Abscheu sprach Nietzsche vom »Hohn und Haß gegen so hybride Begriffs-Ungeheuer« (Nietzsche 1999a: 69) und den »widerlichsten Ausgeburten des antiken Hybridismus« (1954a: Aphor. 239, 640). Ebenso lehnte er das »hybride Verfalls-Gebilde aus Null, Begriff und Widerspruch, in dem alle décadence-Instinkte, alle Feigheiten und Müdigkeiten der Seele ihre Sanktion haben« (1999d: Aphor. 19, 186), ab. Die rettende Vision sah Nietzsche im vollkommenen Übermenschen, der – vom lebensdurstigen »Willen zur Macht« getrieben – die gesetzten Grenzen durch eine höhere »Herrenmoral« überwinden würde. Im Sinne einer ungezügelten Entfaltung der Lebenskraft begrüßte Nietzsche die biologistische Herrschaft des Schönen und Vornehmen über die Niedrigen und Degenerierten, die als Sklaven und Sklavinnen dienen sollten oder ausgelöscht gehörten.10 Seine Verachtung der Schwachen und Kranken korrelierte mit einer Bewunderung 10 | »Die Schwachen und Mißratenen sollen zugrunde gehn: erster Satz unsrer Menschenliebe. Und man soll ihnen noch dazu helfen« (Nietzsche 1999d: Aphor. 2, 179).

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für geniale »Raubmenschen« wie Cesare Borgia und Napoleon, die er als »Synthesis von Unmensch und Übermensch« (1999c: Aphor. 16, 115) glorifizierte. In solchen überragenden Individuen sah er die Keime einer überlegenen »Rasse«. Beide Formen des Übermenschen scheinen sich für Nietzsche – der sich gänzlich als Europäer verstand – im Bild der »blonden Bestie« zu vereinen, die den wahren Daseinsgrund oder die gesunde menschliche Natur darstellt. In einer akzentuierten Beschreibung des kollektiven Übermenschen verherrlichte Nietzsche ihn als »eine Rasse mit eigener Lebenssphäre, mit einem Überschuß von Kraft für Schönheit, Tapferkeit, Kultur, Manier bis ins Geistigste« (1954a: Aphor. 898, 522). So eindeutig diese rassenfixierten Vorstellungen in die virulenten sozialdarwinistischen und eugenischen Diskurse seiner Zeit eingebunden waren,11 so unzweifelhaft ist es auch, dass Nietzsches vielfach gebrochenes Weltbild zerstreuter ist, als diese Auszüge es vermuten lassen. Da eine umfassende Werksexegese unseren Rahmen sprengen würde, möchte ich die nietzscheanische Zwiespältigkeit nur in Bezug auf Vermischungslogik und postmoderne Kultur aufzeigen. Für den hier diskutierten Kontext ist es bedeutsam, dass Nietzsche einerseits die Tradition der Dämonisierung des Hybriden fortsetzte und geläufige Binäroppositionen der europäischen Philosophie verfestigte, andererseits eben diese Zusammenhänge in anderen Momenten durch die antipodische »Umwertung aller Werte« zu untergraben gedachte. Indem die Metaphysik zum Ausgangspunkt ihrer eigenen »Verwindung« (Heidegger) wurde, wurde eine multiple Denkweise ermöglicht, die die ambivalenten Überschneidungen von Vielfalt zulässt. In Nietzsches Betrachtungen zur Kunst wurde bereits eine postmoderne Kondition antizipiert, wie sie sich gegenwärtig in der Entwicklung vom statischen Multikulturalismus zu einer hybriden Kulturdynamik 11 | Nietzsche hatte neben Platon und Charles Darwin u.a. auch Francis Galton, Arthur Gobineau, Ernst Häckel, Paul de Lagarde und Eugen Dühring gelesen, die ihm wichtige rassentheoretische Impulse lieferten. Vgl. Janz 1993: 404-441. Allerdings war Nietzsche in seiner facettenreichen Widersprüchlichkeit nicht durchgängig der fanatische Präfaschist, zu dem er erst durch Werkmanipulationen und nationalsozialistische Vereinnahmung posthum wurde. Das Eigentümliche an ihm war vielmehr sein wandlungsfähiger Binnenpluralismus, seine postmoderne Vielgestaltigkeit, die es ihm ermöglichte, ein Spektrum von konträren, aber miteinander verbundenen Positionen einzunehmen, die bis zur Vorstellung einer »arischen Eroberer- und Herren-Rasse« reichten (Nietzsche 1999c: Aphor. 5, 101). Allen Wandlungen und Diskontinuitäten zum Trotz scheint diese Ausformulierung eines essentialistischen Postmodernismus bei Nietzsche als ideengeschichtlicher Zusammenhang auch in heutigen Diskussionen über Hybridisierung und ethnisch-kulturellen Fetischismus eine Rolle zu spielen.

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Vermischung als Symptom von Kulturverfall und Gesellschaftskrise | 33 abzeichnet. Unter dem programmatischen Titel »Die Revolution in der Poesie« beschrieb er zunächst eine nutzbringende Öffnung, die sich an der exotischen Authentizität kultureller Differenzen erfreut: »Zwar genießen wir durch jene Entfesselung eine Zeitlang die Poesien aller Völker, alles an verborgenen Stellen Aufgewachsene, Urwüchsige, Wildblühende, Wunderlich-Schöne und Riesenhaft-Unregelmäßige, vom Volksliede an bis zum ›großen Barbaren‹ Shakespeare hinauf; wir schmecken die Freuden der Lokalfarbe und des Zeitkostüms, die allen künstlerischen Völkern bisher fremd waren; wir benutzen reichlich die ›barbarischen Avantagen‹ unserer Zeit« (Nietzsche 1999b: Aphor. 221, 74). Diese Situation wird jedoch nur als ein vorübergehender Zustand angesehen, der durch eine Entwicklung aufgehoben wird, die wir heute als Globalisierung bezeichnen. Sie forciert eine Tendenz in der Moderne, die sich im dekonstruktiven Spiel mit historischen Dekorationen und kulturellen Zitaten ausdrückt. Trotz der universalen Rhetorik hatte Nietzsche, wie die meisten der ihm nachfolgenden Theoretiker der Postmoderne, nur europäische Kulturen und Künstler im Blick: »Die hereinbrechende Flut von Poesien aller Stile aller Völker muß ja allmählich das Erdreich hinwegschwemmen, auf dem ein stilles verborgenes Wachstum noch möglich gewesen wäre; alle Dichter müssen ja experimentierende Nachahmer, waghalsige Kopisten werden, mag ihre Kraft von Anbeginn noch so groß sein« (ebd.: Aphor. 221, 74f.).12 Angefangen vom immer wieder vorgebrachten Nihilismus-Vorwurf, 12 | An anderen Stellen deutet Nietzsche an, dass man auch als ironischer Kulturdekonstruktivist einer karnevalesken Hybridität (post-)modern, eklektisch, selbstverliebt und eurozentriert zugleich sein kann: »Der europäische Mischmensch […] braucht schlechterdings ein Kostüm: er hat die Historie nötig als die Vorratskammer der Kostüme. Freilich bemerkt er dabei, daß ihm keines recht auf den Leib paßt – er wechselt und wechselt. Man sehe sich das neunzehnte Jahrhundert auf diese schnellen Vorlieben und Wechsel der StilMaskeraden an; auch auf die Augenblicke der Verzweiflung darüber, daß uns ›nichts steht‹ –. Unnütz, sich romantisch oder klassisch oder christlich oder florentinisch oder barokko oder ›national‹ vorzuführen, in moribus et artibus: es ›kleidet nicht‹! […] [W]ir sind das erste studierte Zeitalter in puncto der ›Kostüme‹, ich meine der Moralen, Glaubensartikel, Kunstgeschmäcker und Religionen, vorbereitet, wie noch keine Zeit es war, zum Karneval großen Stils, zum geistigsten Faschingsgelächter und Übermut, zur transzendentalen Höhe des höchsten Blödsinns und der aristophanischen Welt-Verspottung. Vielleicht, daß wir hier gerade das Reich unserer Erfindung noch entdecken, jenes Reich, wo auch wir noch original sein können, etwa als Parodisten der Weltgeschichte und Hanswürste Gottes« (Nietzsche 1954b: Aphor. 223, 686).

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über die Auflösung von historischen Logiken wie Wahrheit, Subjekt und Totalität, zur Unmöglichkeit gesellschaftlicher Teleologie und Homogenität bis hin zur Aufwertung von Differenz, Pluralität und Unreinheit sind die genealogischen Verbindungen zwischen Nietzsche und postmodernen bzw. poststrukturalistischen Theorien so innig, dass seine Nachfolger ihn als Gründungsgroßvater adoptiert haben. Ein stattliche Reihe ›postmoderner‹ Philosophen wie Deleuze, Derrida, Lyotard, Rorty und Vattimo gelten als »Nietzsches Erben«, und Foucault geht sogar als sein »Doppelgänger« durch (vgl. Zima 1997: 114-145).13 Wie ich zu zeigen versucht habe, ist bei Nietzsche, der als Grenzgänger an der ambivalenten Schnittstelle zwischen europäischer Tradition und philosophischer Postmoderne pendelt, die Frage der Vermischung zweifach beantwortet worden: kultur-dekonstruktivistisch und biologistisch/essentialistisch. Während sich dieser Konnex bei Nietzsche noch offen abbildete, tritt er in der aktuellen Diskussion postmoderner Hybriditätskonzepte meist in Form verdeckter Blindstellen und verleugneter Präsenzen auf. Das Verschwiegene kehrt in der heutigen Konstruktion kultureller Hybridisierungen als unausgesprochene Essenz der Moderne wieder ins Spiel der Signifikanten zurück. Sie setzt sich fort und übersetzt sich dabei durch die Anrufung von Authentizität, Ethnisierung und Identität in eine profitable Ökonomie der Exotisierung, Verführung und Sinnlichkeit, die die populären Kulturcodes der spätkapitalistischen Postmoderne darstellen – wie ich im nächsten Kapitel ausführlicher problematisieren werde. Nur wenn wir auch diese Grundlagen der Hybridität in den Blick nehmen, können wir Hinweise auf ihre strukturellen Defizite und ideologischen Querverbindungen erhalten. Spätestens vor diesem ideengeschichtlichen Hintergrund gewinnt die Auseinandersetzung mit Nietzsches langem Atem an Aktualität. Kongruent zur Rezeption Nietzsches, die im Gleichklang mit der Zeitgeschichte vom Faschismus zur Postmoderne schreitet, verlagert sich auch die Diskussion über Vermischungsfragen vom Biologismus zum Kulturkonstruktivismus. Parallel zur Nietzsches übermenschlicher Präsenz in der Gegenwartsphilosophie dehnt sich auch der lange Schatten des 19. Jahrhundert weit über seine zeitliche Begrenzung hinaus aus. Entsprechend wurden bis zu den kulturellen Anfängen der Postmoderne Mitte des 20. Jahrhunderts Hybridisierungsdiskurse uneingeschränkt von soziobiologistischen Ideologemen beherrscht. Nietzsche selbst sah in den Ideen der Menschenzüchtung und »Rassenvermischung« einen gangbaren Weg, um zum Idealbild des

13 | Aus der umfangreichen Literatur siehe auch Gedö 1990 sowie Koelb 1990.

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Vermischung als Symptom von Kulturverfall und Gesellschaftskrise | 35 Übermenschen zu gelangen.14 Diese Überzeugung folgt der kulturgeschichtlichen Idee des Übermenschen, dessen Konzept offensichtlich transgressiv angelegt ist.15 Die Idee der Menschenzüchtung ist nicht so neu und radikal, wie man meinen könnte, sondern wurde – wenn auch ohne den modernen rassistischen Überbau, allerdings bereits mit xenophobischen Anklängen – bereits von Platon in »Der Staat« (Fünftes Buch) durchdacht. Platons Schriften hatten weitreichenden Einfluss auf die europäische Geistesgeschichte, weil sie anscheinend einige der für die europäische Entwicklung wesentlichen Wünsche und Ängste artikulierten. So fand seine berühmte Staatskonzeption u.a. auch bei frühen Sozialutopisten wie Thomas Morus (1478-1535) und Tommaso Campanella (1568-1639) Eingang. Letzterer griff auch Platons Vorschlag für eine gesetzliche Auswahl der menschlichen Bio-Reproduktion auf, um die Bevölkerung durch zielgerichtete Züchtung zu optimieren.16 Bei Platon wie bei Nietzsche ist das Wertvolle am Menschen durch eine klassisch anmutende Ästhetisierung überlegener Männlichkeit und Weisheit gekennzeichnet, die kultisch überhöht wird. Wie der nietzscheanische Übermensch baut Platons elitäre Konzeption auf 14 | In einer Vision, die sich zuweilen an gängigen Stereotypen orientierte, glaubte Nietzsche eine »heitere Deutschtümelei« erschaffen zu können, wenn sich dem »adligen Offizier aus der Mark« mit seiner »erblichen Kunst des Befehlens und Gehorchens« noch das jüdische »Genie des Geldes und der Geduld (und vor allem etwas Geistigkeit) […] hinzuzüchten ließe« (Nietzsche 1954b: Aphor. 251, 718). 15 | Vor Nietzsche fand sich die zutiefst menschliche Idee des gottgleichen Übermenschen bereits bei Herder und Goethe (»Prometheus«, »Faust«). Sie wurden durch Lessings Übertragung des Ausdrucks »more than human« ins Deutsche inspiriert, der in der englischen Literatursprache den dichterischen Genius umschrieb (vgl. Eisler 1912: Bd. 2, 540; Mauthner 1923: 144f.). Grenzüberschreitung als schöpferisches Streben nach Einzigartigkeit und Produktivität spielt bis heute für die Faszination von Hybridität eine entscheidende Rolle. 16 | Im Unterschied zu »Utopia« (1516) von Thomas Morus, der im Kapitel »Vom gegenseitigen Verkehre« die expansive Bevölkerungsdynamik durch Koloniebildung kanalisieren will, ordnet Tommaso Campanella die biologische Reproduktion als selektiven Vorgang den Staatsdiensten unter. Durch ein »Gesetz der Zuchtauswahl« soll die menschliche Zeugung zur Wahrung des Imperativs der »Rassenverbesserung« öffentlicher Kontrolle unterliegen: »Große und schöne Frauen werden nur mit großen, wohlgebauten Männern gepaart; die beleibten Frauen mit mageren Männern; umgekehrt werden schlanke Frauen für starkleibige Männer aufbewahrt, damit aus der Mischung ihrer Temperamente eine vortrefflich geartete Rasse hervorgehe« (Campanella 1900: 25).

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eine Herrschaft der Besten. Dem »Bastard« diametral entgegengesetzt steht im platonischen Denken das Idealbild der Philosophenkönige. Diese personifizieren eine organisch-intellektuelle Perfektion, die die Einheit von athletischem Körper und erhabenem Geist propagiert, welches aus der Symbiose des Kriegers mit dem Philosophen, des Naturwissenschaftlers mit dem Künstler geboren wird (Hirschberger 1980: Bd. 1, 131-134). Daher forderte Platon eine Bevölkerungspolitik, die sich auf Elemente der ›positiven‹ und negativen Eugenik stützt: »Es müssen […] die besten Männer den besten Weibern möglichst oft beiwohnen, und die schlechtesten Männer den schlechtesten Weibern möglichst selten, und die Kinder der einen muß man aufziehen, die der andern aber nicht, wenn die Herde möglichst vorzüglich sein soll.«17 Was als gesellschaftlicher Wertediskurs und ›ästhetische‹ Frage anfing, fand schließlich als eugenische Selektionspolitik eine Konsequenz, die konkret auch die Vernichtung des »unwerten Lebens« mit einschloss: »Mißgestaltete Kinder sind auszusetzen. Der seelisch Unheilbare und von Natur aus Schlechte, das heißt sittlich total Verdorbene, ist zu töten« (Hirschberger 1980: Bd. 1, 132). Platons Ansicht, dass Vermischung und Unreinheit zwangsläufig zur kultureller und biologischer Herabsetzung des Hochstehenden führt, und sein radikaler ›Lösungsansatz‹ sollten in der Neuzeit durch das Zusammenwirken vom modernen Rassismus und Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert eine ungeheuere Reaktualisierung erfahren. Mit der Publizität, die die ›Wiederentdeckung‹ des Hybriden als biologischen »Rassenbastard« erfuhr, wurde auch die Rassenanthropologie und sozialdarwinistische Eugenik aufgewertet. Diese international bis Mitte des 20. Jahrhunderts angesehenen Wissenschaftsbewegungen sahen darin eine naturwissenschaftliche Fundierung ihrer rassistischen Positionen (Kühl 1997). Im Zeitalter des Imperialismus konnten sich kolonialrassistische Denkmuster auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens berufen, der oftmals zur Grundlage staatlicher Praxis wurde. Überzeugungen, die wie selbstverständlich von der Überlegenheit der »weißen Rasse« ausgingen und vor den vielfältigen Gefahren der »Rassenschande« warnten, galten zu dieser Zeit als gesichertes Wissen. In Deutschland fand die rassistische Eugenik um die Jahrhundertwende besonders viele Anhänger, die oft gesellschaftlichen Eliten angehörten. 17 | Platon 1940: Bd. 2, 175. Zu Lebzeiten Platons wurde in seiner Athener Polis unter Perikles 457 v.Chr. ein sog. »Bastardgesetz« erlassen, das die Eheschließung zwischen athenischen Bürgern und fremden Frauen verbat und Kinder aus solchen Beziehungskonstellationen nicht anerkannte (Heuss 1991: 278).

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Vermischung als Symptom von Kulturverfall und Gesellschaftskrise | 37 Eine herausragende Figur im rassenbiologistischen Diskurs war Eugen Fischer, der die Ergebnisse seiner ›wissenschaftlichen‹ Feldexpedition im kolonialen »Deutsch-Südwestafrika« unter dem Titel »Die Rehobother Bastards und das Bastardisierungsproblem beim Menschen« (1913) veröffentlichte. Unter den damaligen Bedingungen wurde dieses Buch rasch zu einem Standardwerk, und sein Autor stieg zu einem international geachteten Gelehrten auf. Fischers zeitgenössischer Ruhm resultierte vor allem daraus, dass er die Ergebnisse der Mendel’schen Regeln, die bis dahin nur für Kreuzungen mit Pflanzenund Tierarten als bestätigt galten, auch auf die menschliche Spezies übertrug. Trotz konträrer Ergebnisse wollte Fischer die weitverbreiteten Behauptungen über die nachteiligen bis gefährlichen Auswirkungen der »rassischen« und kulturellen Vermischung beim Menschen bestätigen. Fischer ist nur ein Beispiel dafür wie biologistischer Rassismus in Deutschland verwissenschaftlicht wurde und aufgrund der gesellschaftlichen Nachfrage akademische Karrieren nicht nur während der NS-Zeit ermöglichte. In Deutschland formierte sich bereits in der Weimarer Republik eine aggressive »Rassenbiologie und -hygiene« als politische Wissenschaft. Ihre universitären Vertreter beteiligten sich später aktiv an der nationalsozialistischen Selektions-, Vertreibungsund Vernichtungspolitik und waren – wie Otto Reche – häufig bekennende Nationalsozialisten (Ha 2003a: 136-157). Erst die Nachbeben des Holocaust konnten diese etablierten rassistischen Diskurse für eine breitere Öffentlichkeit diskreditieren, wobei in einigen Fächern – wie etwa der Anthropologie und Ethnologie – erst Ende der 1960er Jahre ein nennenswerter Bruch mit biologistischen und kolonialen Wissenschaftstraditionen erfolgte (Lüddecke 2000). Im Nachkriegsdeutschland wurden Berufserfahrungen als »Rassenhygieniker« nicht notwendigerweise als wissenschaftliche Disqualifizierung gewertet.

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Hybride Revolution: Das postmoderne Versprechen einer unentdeckten Terra Nova

Betrachten wir heutige Hybriditätsdiskurse, dann lassen sich nicht nur im Journalismus, sondern auch im sozial- und kulturwissenschaftlichen Bereich Tendenzen beobachten, die zwischen Geschichtsvergessenheit und Geschichtsrevisionismus changieren. Statt historischen Kontextualisierungen, Problematisierungen oder Fragen nach emanzipativen Gehalten herrscht häufig eine Orientierung vor, die sehr stark auf Zukunftspotentiale, Fortschritt und Produktivität ausgerichtet ist. Ikonographisch wird diese Entwicklung etwa auf dem Titelcover der symbolträchtigen Millenniumsausgabe des Duden-Fremdwörterbuchs (2000) abgebildet. Von anderen Novitäten wie »Incentive« und zirkulierenden Modewörtern wie »Migration« hebt sich der Begriff »hybrid« visuell durch eine überdimensionale Präsentation und eine bildbeherrschende Stellung in der Bildmitte ab, wodurch er zur Hauptattraktion stilisiert wird. Allen Anschein nach schlägt die in allen sprachlichen Zweifelsfällen maßgebliche Duden-Redaktion, die sich in den letzten Jahren besonders um aktuelle Trends bemüht, Hybridität als herausragenden Schlüsselterminus für das angehende Jahrtausend vor. Warum wird Hybridität als das Novum schlechthin verkauft, obwohl sie ganz offensichtlich über eine lange, wenn auch verschüttete Kulturgeschichte verfügt? Und warum ist ausgerechnet dieser Begriff gegenwärtig so dominant und sexy, obwohl er bis vor wenigen Jahren nur ein angestaubter Fachterminus in der Biologie war? Während das Hybride in seiner Kulturgeschichte ausschließlich negativ assoziiert wurde, wird es in Gegenwartsdiskursen einhellig positiv wahrgenommen. Um diesen diametralen Wertewandel und epistemologischen Bruch nachzuvollziehen, ist es unerlässlich, Hybridität auch als technischen Terminus zu untersuchen. Die generelle Bedingtheit von

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Kultur und Technik, deren Gebiete miteinander verwoben sind und sich gegenseitig konstituieren, zeigt sich hier explizit. Durch das Einbeziehen naturwissenschaftlicher Diskurse können interdiskursive Interferenzen und wechselseitige Verschränkungen zwischen Technik und Kultur sowie zwischen Weltanschauung und Gesellschaft verfolgt werden (für einen Überblick siehe Böhme et al. 2000: 104-202). Dabei geht es mir nicht darum, die Potentiale von Hybridtechnologien auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht vielmehr die Frage, welche Art von Diskurs ein postmodern aufgeladener Hybridbegriff entfaltet und fördert. Anschließend wird thematisiert, ob das dadurch produzierte Image von Hybridität als kulturalistisches Überbauphänomen bzw. als Idiom spätkapitalistischer Produktions- und Verwertungszusammenhänge den Stellenwert einer postmodernen Metanarration einnimmt. Als technisch-naturwissenschaftlicher Terminus bezeichnet »hybrid« meist Prinzipien oder Modelle, in denen mindestens zwei verschiedene, vormals voneinander getrennte Systeme, Organismen, Bereiche oder Entitäten miteinander kombiniert oder gemischt werden, die dann ein neues, in sich differenziertes Ganzes ergeben. Durch diese Vorgehensweise können dynamische Strukturen und nicht festgelegte Formen des Uneinheitlichen konstruiert werden, die sich aus unterschiedlichen Anteilen zusammensetzen und immer wieder neu rekonfiguriert werden können. Angesichts der immensen Nachfrage nach Hybridmodellen und -technologien, die auf einen expandierenden Metadiskurs deuten, kann angenommen werden, dass die gegenwärtigen Erscheinungen weniger die Amplitude als die Vorboten einer extensiven Hybridkultur darstellen. Es scheint, dass Hybridisierung zu einem allgemeinen Entwicklungstrend wird, der zunehmend weitere Bereiche erfasst und sich universalisiert. In diesen Kontexten wird Hybridisierung zum Code erfolgversprechender Modelle und Technologien stilisiert und als Hoffnungsträger des technisch-zivilisatorischen Fortschritts gehandelt. Solche Diskurse vermitteln den Eindruck, dass nicht nur Menschen und Kulturen, sondern vor allem auch Technologien – oder allgemeiner ausgedrückt: umfassende Bereiche der Welt und des gesellschaftlichen Lebens – sich unaufhaltsam mit zunehmender Geschwindigkeit hybridisieren. Die Hybridisierung selbst wird zum Synonym für das Bahnbrechende und Revolutionäre. Auch wenn in den Geisteswissenschaften Hybridität seit kurzem als neues grenzenloses Kulturmodell einen ungebremsten Aufstieg feiert, ist ihr historischer Ausgangspunkt in der Moderne doch in den Naturwissenschaften und ihren Anwendungsgebieten zu verorten. Entsprechend dieser Begriffsgeschichte und den daraus erwachsenden Tradierungen haben Diskurse über Hybridbildungen und -formen in den unterschiedlichen naturwissenschaftlichen, vor allem biowissen-

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Hybride Revolution | 41 schaftlichen Disziplinen bisher einen weitaus höheren Verbreitungsgrad erreicht.1 Ausgangspunkt war zunächst die klassische Biologie, es folgten Chemie und Biochemie, und mit entsprechendem technischem Know-how setzte dann verstärkt die Hybridforschung in der Mikrobiologie sowie in der Molekular- und Gentechnologie ein. Obwohl die interdiskursiven Bezüge in sozialwissenschaftlichen, medienwissenschaftlichen und kulturtheoretischen Erörterungen meist ausgeklammert bleiben, spielen die naturwissenschaftlichen Wahrnehmungen subtil oder offenkundig eine bedeutungsbildende Rolle für den Gesamtdiskurs. Die Fundamente des geltenden Weltbildes werden in dem Maße durch naturwissenschaftliche Befunde geformt, wie es ihnen gelingt, gesellschaftlich anerkanntes Wissen zu konstituieren. Durch die naturwissenschaftliche Brille lernt die Gesellschaft den abstrakten Begriff »hybrid« als ahistorisches Gebilde mit technologischen Sinnbezügen kennen. Mittels der vermittelten Inhalte und Bilder werden positive Assoziationsketten aufgebaut, die dem Hybridbegriff ein bestimmtes Bedeutungsprofil oder Image verleihen. Diese boomende Hybridwelt lädt zu einem skizzenhaften Streifzug ein, der schon aufgrund seines exkursiven Charakters nicht systematisch und vollständig sein kann, aber interdiskursive Zusammenhänge freilegen will, um Ausmaß und Spektrum des diskutierten Gegenstandes zu kennzeichnen. Einblicke in unterschiedliche Forschungssegmente der Bio-, Computer-, Energie- und Mobilitätstechnologien, die allesamt als gesellschaftliche Schlüsselindustrien mit hohem Zukunfts- und Transformationspotential gelten, verdeutlichen den Stellenwert von Hybridität als universell verwertbares Innovationskonzept in Gegenwartsdiskursen. Das älteste in der modernen Wissenschaft verwandte Konzept der Hybridisierung ist biologischer Natur. Spätestens mit der nachträglichen Anerkennung der Mendel’schen »Versuche über Pflanzenhybri1 | Um einen quantitativen Eindruck von den Relationen zu vermitteln: Während die elektronische Datenbank »The Philosopher’s Index« für den Zeitraum von 1940 bis Juni 2002 insgesamt 172 Einträge mit den Suchbegriff »hybrid« anzeigt, führt die gleiche Suche in den »Biological Abstracts« allein für das erste Halbjahr 2002 zu 5509 Fundstellen. Betrachtet man außerdem die zeitliche Verteilung, so deutet alles – selbst wenn wir die erleichterte Informationserfassung durch elektronische Datenverarbeitungssysteme berücksichtigen – auf einen explosionsartigen Anstieg von Hybriddiskursen in der letzten Dekade hin. So wurden rund drei Viertel der erfassten philosophischen Arbeiten seit 1990 publiziert, obwohl diese Periode nur einen Bruchteil des Gesamtzeitraums umfasst. Trotz des hohen Ausgangsniveaus weist ein Vergleich der »Biological Abstracts« mit ihrer CD-ROM-Ausgabe für das erste Halbjahr 1993 mit 4519 Treffern eine beträchtliche Zunahme von ca. 20 Prozent auf.

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de« (1866) wurde ein bis heute gültiges Wissenschaftsparadigma begründet,2 das als Gründungsurkunde der Genetik und Molekularbiologie die Arbeitsgrundlage der Biotechnologien bildet. Die gesellschaftliche Bedeutung der Bio- und Lebenswissenschaften kann kaum überschätzt werden. Ihre Erfolgsgeschichte in der praktischen Anwendung begann um 1920, als sich die Hybridzüchtung in der Botanik und im Agrarbereich gegen die klassische Auslesezüchtung durchsetzte. Da »die Hybridisierung sich weltweit zum Paradigma der agrarwissenschaftlichen Forschung entwickelte« (Berlan/Lewontin 1998: 1), sind die meisten heute kultivierten Nutzpflanzen und -tiere durch künstliche Kreuzung homozygoter (reinerbiger) Eltern entstanden.3 Die Vorteile des Heterosis-Effektes sollen den Hybriden ein ertragreicheres und widerstandsfähigeres, aber auch ein schnelleres Wachstum ermöglichen. Fortgeschrittene Produkte wie das Hochleistungshybridsaatgut und ihre tierischen Pendants sollen die betriebswirtschaftliche und nationalökonomische Rentabilität erheblich verbessern. Obwohl die Segnungen der seit den 1960er Jahren prophezeiten »Grünen Revolution« weitgehend ausgeblieben sind, halten Saatgutindustrie, kooperierende Wissenschaftler/-innen und interessierte Regierungen nach wie vor die weitverbreitete Hoffnung aufrecht, Hunger und andere soziale Armutskrankheiten – auch ohne strukturelle Reformen der existierenden Weltwirtschaftsordnung und globale Umverteilung des Zugangs zu Ressourcen – einfach durch noch leistungsfähigere Zuchtsorten in Verbindung mit anderen technischen Maßnahmen wirksam bekämpfen zu können. Obwohl diese Entwicklung oft wenig zur Lösung beiträgt, aber bestehende Konflikte intensivieren und neue Probleme hervorbringen kann,4 hat der von den 2 | Mendels eigene Versuche, mit dieser Publikation wissenschaftliche Anerkennung zu erlangen, scheiterten jedoch. Von 30 wissenschaftlichen Gutachtern nahm nur Carl Wilhelm von Nägeli seine Arbeit ernst. Erst nach Mendels Ableben wurde um 1900 seine Schrift von den Vererbungsbiologen William Bateson, Carl Correns, Hugo de Vries und Erich von Tschermak wiederentdeckt, die unabhängig voneinander die grundlegende Bedeutung der Mendel’schen Regeln für die Genetik erkannten (Mocek 1999: 488f.). 3 | Weil das Hybride im industriellen Sinne seine funktionelle und ästhetische Überlegenheit gegenüber den Ursprungsformen behauptet, hat diese Substitution den seltsamen Effekt, dass das Artifizielle von vielen als natürlich erlebt wird. Von diesem Paradox lebt etwa der Handel mit Orchideen, die fast ausschließlich in ihren Hybridformen auf den Markt kommen (http:// de. wikipedia.org/wiki/Orchidee, gesehen am 27.7.2005). 4 | Durch das sterile, patentrechtlich geschützte und nur von wenigen internationalen Konzernen kommerziell vertriebene Hybridsaatgut entstehen neue Abhängigkeiten und Zugangsbeschränkungen. Darauf beruhende Un-

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Hybride Revolution | 43 »Helden der Wissenschaft« (Berlan/Lewontin 1998) geförderte Glaube, diese Geiseln der Menschheitsgeschichte mit einer technologischen »Wunderwaffe« besiegen zu können,5 durch neuere Hybridisationsmöglichkeiten des »bio-genetic engineering« an Zulauf gewonnen. Im Gegensatz zur Hybridzüchtung ermöglichen unterschiedliche Verfahren der Gentechnologie Hybridbildung auch über biologische Stammes-, Klassen- oder Ordnungsgrenzen hinweg, indem sie Manipulationen in der Keimbahn vornehmen und andere grenzenlose Vorteile versprechen.6 Als Erfolgsbeispiel der Gentechnik wird oft die Produktion menschlichen Insulins durch manipulierte Mikroorganismen angeführt. Andere Projekte wie die »Tomoffel«, die durch Genfusion von Tomaten und Kartoffeln kreiert wurde, sind dagegen noch nicht marktreif (Bick/Schug 1992: 36ff.). Aufgrund ihrer unabsehbaren Auswirkungen auf das Ökosystem und den menschlichen Organismus ist insbesondere die unkontrollierte Genübertragung Gegenstand öffentlicher Sorgen. Ein bekanntes Beispiel für ein nicht beherrschbares Feldexperiment war die Freisetzung von 30.000 gentechnisch veränderten Petunien in Köln, die sich nicht wie vorhergesagt entwickelten (die tageszeitung vom 13.8.1990: 6). Neben der Agrar- und Nahrungsmittelindustrie werden vor allem in der Medizin enorme Erwartungen in die genetische Hybridisation gesetzt, so z.B. in die Hybridomtechnik, die geeignet erscheint, lebende Hybridzellen (Hybridome) zu erzeugen. Den Molekular- und Genbiologen Georges Köhler, Niels Kaj Jerne und Cesar Milstein gelang es 1975 erstmals, monoklonale Antikörper herzustellen, die außerhalb des menschlichen Körpers überleben konnten. Indem sie Milz- und Krebszellen zu einer neuen organischen Einheit verschmolzen, die die unaufhörlichen Zellteilungs- und Wachstumseigenschaften der Tumorzellen (Myelom) mit der Fähigkeit der Milzzellen (Lymphozyten) zur Reaktion mit Antigenen verband, konnten sie aus den so gezeuggleichheiten und Machtverhältnisse im Nord-Süd-Gefälle wie auch im Verhältnis zwischen Saatgutherstellern, Bäuerinnen und Konsumenten werden durch Fragen des Schutzes vor Genmanipulation und der Bewahrung der natürlichen Biodiversität weiter verschärft. Vgl. Lipton/Longhurst 1989. 5 | Welche symbiotische Beziehung soziale Utopien und technischer Fortschrittsglauben eingehen können, illustrierte 1970 die Verleihung des Friedensnobelpreis an den Saatgutzüchter Norman Borlaug für die Erfindung des »mexikanischen Wunderweizens« (Zurek 1992: 62). 6 | Die zuständige Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags definiert die Gentechnologie als »die Gesamtheit der Methoden zur Charakterisierung und Isolierung von genetischem Material, zur Bildung neuer Kombinationen genetischen Materials sowie zur Wiedereinführung und Vermehrung des neukombinierten Erbmaterials in anderer biologischer Umgebung« (Catenhusen/Neumeister 1990: 7).

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ten Hybridzellen-Klonen im großen Maßstab lebensfähige Antikörper produzieren. Da die Bedeutung dieser Leistung für die Biologie mit der bahnbrechenden Entdeckung der Spaltbarkeit von Atomen in der Physik verglichen wird,7 erhielten die Forscher bereits 1984 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Die Hybridomtechnik spielt heute u.a. bei der Krebsdiagnose, in der Immunisierungsforschung, bei Organtransplantationen und als Medikamententräger mit zielgenauer Wirksamkeit eine wichtige Rolle. Es ist davon auszugehen, dass diese Anwendungsgebiete nur den Anfang einer Entwicklung markieren, in der diese Biotechnik vermehrt Bedeutung erlangen wird. In der Molekulargenetik wird der dem Hybridom zugrunde liegende Gentransfer als Hybridisierung bezeichnet, bei der fremde Gene in ein Chromosom übertragen werden, wodurch transgene Hybridzellen entstehen. Die Relevanz dieses Themas ist schon lange anerkannt und wurde 1980 durch einen Nobelpreis an den US-amerikanischen Molekularchemiker Paul Berg für grundlegende Forschungen an der Hybrid-DNS bestärkt. Da der Diskurs über Möglichkeiten, Grenzen und Folgen gentechnologischer Anwendungen als Reproduktionstechnologie, Diagnosemittel und therapeutisches Klonen ausufernd ist, beschränke ich mich auf folgenden Hinweis: Hybridisierung als ein Kernverfahren der Gentechnik hat zu sozialtechnischen Allmachtsphantasien angeregt. In ihren populistischen Formen wird der Gentechniker als Schöpfer von neuen Lebensformen in eine Position versetzt, die bisher ausschließlich der Natur oder göttlichen Wesen vorbehalten war (vgl. Rifkin 1986). Über die zukünftigen Chancen und Risiken von Hybridisierungsmethoden in den Life Sciences, die unter den Bezeichnungen »Gentherapien« und »genetische Eingriffe« geläufig sind, wird bekanntermaßen eine erbitterte Kontroverse geführt.8 Nicht nur angesichts anhaltender Berichte, wonach Geningenieure an einem Eintritt ins posthumane Zeitalter arbeiten,9 sind 7 | Art. »Köhler, Georges J.F.«, in: Das große Data Becker Lexikon 2001 (CD-ROM); Art. »Köhler, Georges«, Brockhaus multimedial 2000 (CD-ROM), Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 1999. 8 | Im deutschen Kontext ist neben unzähligen Neuerscheinungen wie Lemke (2004) und die Auseinandersetzungen im Rahmen der hitzigen Sloterdijk-Habermas-Kontroverse (1999) um den »Menschenpark« auch auf die Diskussionen um das Embryonenschutzgesetz zu verweisen. Einen guten Überblick bietet: literaturkritik.de 10. Oktober 1999, Debatte: Sloterdijk, http:// www.literaturkritik.de/public/inhalt.php?ausgabe=199910#toc_nr392. 9 | Inzwischen sind gentechnische Experimente an Menschen-AffenChimären bekannt geworden. Unter der Schlagzeile »Forscher wollen Mischwesen aus Mensch und Tier züchten« (Berliner Morgenpost vom 1.5.2005: 1) wurde über Versuche am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie berichtet, bei der – trotz scharfer Proteste des deutschen Ethikrates – menschliche

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Hybride Revolution | 45 viele Menschen über die gewaltige gesellschaftliche Sprengkraft genetischer Hybridisierungstechniken tief besorgt. Ob ihre Bedenken gegen die Macht des »genetisch-industriellen Komplexes« (Berlan/ Lewontin 1998) ankommen, bleibt fraglich. Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass sich mit dem Fortschreiten der technischen Möglichkeiten auch die Grenzen des gesellschaftlich Erlaubten und Erwünschten (Handelns) verschieben. Was heute im Bereich der Gentechnik bereits Realität geworden ist, war vor wenigen Jahren noch undenkbar. Diese sozialtechnische Dynamik macht genetische Hybridisierung, in welcher Form auch immer, zu einem langfristigen Zukunftstrend. So wie der genetische Code des Lebens als vermischbar angesehen wird, so entwickelte ein anderer Nobelpreisträger, nämlich Linus C. Pauling,10 einen chemischen Hybridisierungsansatz für die kleinsten Bestandteile der Materie, der einen quantenmechanischen Vorgang im Atomkern beschreibt. Dabei ergeben sich durch Umstellung der Elektronenlaufbahn Hybridorbitale, die eine günstigere räumliche Embryonalzellen in das Gehirn von Affen gespritzt wurden. Begründet wurden diese Experimente mit dem Forschungsinteresse, Therapien gegen Alzheimer und die Parkinson’sche Krankheit zu entwickeln. Auch andere Forschungsinstitute haben bereits ihr Interesse an ähnlich gelagerten Experimente bekundet. Diese Praktiken setzen damit eine Forschungsreihe fort, die bereits über eine längere Geschichte verfügt. Schon vor Jahren wurde berichtet, dass Forscher von Stena Cell Sciences im australischen Melbourne »Gene aus fötalen Menschenzellen in entkernte Zellen von Schweinen [injiziert haben]. Prompt wuchs, was scheinbar nicht zusammengehört, zusammen: zu Chimären-Embryonen aus Schwein und Mensch« (Blech et al. 2001: 214). In die gleiche Richtung experimentierte zuvor Jose Gibelli von der US-amerikanischen Firma Advanced Cell Technology, der im Selbstversuch eine eigene Schleimhautzelle mit einer Kuh-Eizelle zum einem »Kuh-Mensch-Hybrid« (ebd., vgl. auch die Meldung in die tageszeitung vom 13.11.1998: 9) verschmolz, das sich daraufhin fünfmal teilte bevor es abstarb. Die Pionierarbeit leisteten laut einer dpa-Meldung japanische Wissenschaftler, als es ihnen gelang komplette Chromosomen des Menschen in embryonale Mäusezellen zu übertragen, was »von US-Experten als Meilenstein der Genforschung beurteilt« wurde (die tageszeitung vom 2.6.1997: 13). 10 | Pauling erhielt für Forschungen zur Molekülstruktur von Proteinen 1954 den Nobelpreis für Chemie. Durch den Friedensnobelpreis 1962 wurde sein Engagement für atomare Abrüstung rehabilitiert. Während der McCarthyÄra wurde er für diesen Einsatz in den USA noch wegen »kommunistischer Umtriebe« verfolgt. In den 1970er Jahren erregte er nochmals mit der noch heute umstrittenen These, Vitamin C wäre in der Krebstherapie wirksam, großes Aufsehen. Vgl. http://www.chemie.fu-berlin.de/chemistry/people/pauling. html (gesehen am 22.5.2005).

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Ausrichtung der Atombindungen ermöglichen.11 Darüber hinaus kann die Chemie selbst als ein Forschungsgebiet ansehen werden, das die Hybridisierung von Molekülen erforscht. Moleküle haben je nach Umweltbedingungen durch Abspaltung, Auflösung und Neuverbindung die Fähigkeit, ihre Struktur, ihre stoffliche Identität und ihre Eigenschaften vorübergehend oder dauerhaft zu verändern. Diese Modifikationen sind dynamische, nie abgeschlossene Prozesse des Übergangs, in der durch Rekombinationen und Umstellungen von Atomkonstellationen neue Verbindungen und Entitäten entstehen. Es ist nicht verwunderlich, dass sich an der Schnittstelle biologischer und chemischer Disziplinen aufstrebende Grenzgebiete herausgebildet haben. Neben der Gentechnik werden auch in der Mikrobiologie und Biochemie durch vielfältige Forschungen an Hybridformen neues Wissen und neue Technologien produziert. In anwendungsorientierten Forschungsbereichen werden neu entwickelte High Tech-Materialien oft mit dem Qualitätsmerkmal »hybrid« versehen. Als hybrid gelten diese Stoffe, weil sie sich aus unterschiedlichen Materialverbindungen bzw. -schichten zusammensetzen oder gegensätzliche bzw. nach den jeweils geltenden Bedingungen wechselnde Eigenschaften besitzen. Solchen Hybridmaterialien werden neben möglichen Kosten- und Produktionsvorteilen neubzw. einzigartige sowie oft auch überlegene Eigenschaften zugesprochen, die nicht nur in technischer Hinsicht revolutionär wirken. Sie stehen daher im Ruf, das Nonplusultra wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit zu repräsentieren. Hybridmaterialien erscheinen nicht selten paradox, da sie bis dato unbekannte Merkmale haben oder mit Eigenschaften ausgestattet sind, die bislang als miteinander unvereinbar gelten. Schon deshalb strahlen Hybridtechnologien eine Faszination aus, die ohne viel Phantasie zu Spekulationen über ihre ungeahnten Möglichkeiten einlädt. Ihre tatsächlichen gesellschaftlichen und kulturellen Folgen sind aber zur Zeit in ihrer vollen Tragweite kaum absehbar. Gerade weil das Feld offen und undefiniert erscheint, ist das Spiel mit den phänomenalen Potentialen der Hybridität ein wiederkehrendes Strukturelement dieses Diskurses. Exemplarisch kann eine Meldung der Forschungsgruppe um Ulrich Wiesner von der Cornell Universität herausgegriffen werden, der im März 2002 bekannt gab: »US-Forschern ist es mit Hilfe der Nanochemie gelungen, eine Keramik mit gummiähnlichen Eigenschaften zu entwickeln. Das neuartige Material ist transparent, flexibel und gleichzeitig sehr belastbar und nicht zerbrechlich. Seine Eigenschaften verdankt das neue Material einer Mischung aus Polymeren und keramischen Substanzen. […] Dadurch ver11 | Zur Bedeutung von Paulings Hybridmodell siehe die Beiträge in Maksic 1988.

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Hybride Revolution | 47 spricht es eine Vielfalt von Anwendungsmöglichkeiten: als flexibles Trägermaterial ebenso wie als hocheffiziente Batterie-Elektrolyten, als Trennsystem für Proteine und andere Makromoleküle, oder für die Mikroelektronik. ›Das Material hat Eigenschaften, die nicht einfach die Summe von Polymer plus Keramik sind, sondern vielleicht etwas sehr Neues‹, so Ulrich Wiesner« (http://www.wissenschaft.de/sixcms/detail.php?id=150166, gesehen am 29.7.2005).12 Da das Hybridkonzept vom Prinzip her unbegrenzte Kombinationen und Mischungsverhältnisse zulässt, die unendlich variiert werden können, ist es ein offener Ansatz, der vermeintlich keinen Ausschluss, kein Außen, keine Grenzen kennt. Im Gegensatz zum Reinheitsgebot soll im Hybridkonzept die universelle Vermischung einen entscheidenden Fortschritt ermöglichen, der gerade aus der Verbindung struktureller Unterschiede großen Nutzen ziehen will. Konträr zur vorherrschenden Auffassung wird im Hybriddiskurs die Vereinigung von Gegensätzen und Differenzen nicht negiert oder nur als theoretische Option erachtet, sondern experimentell erprobt und normativ fundiert. Während das Ideal der harmonisierenden Fusion in politökonomischen und soziokulturellen Sphären bestenfalls utopisch wirkt, strahlen technologische Hybridlösungen inzwischen Realitätsnähe aus. Disparates kann etwa auf biochemischer Basis durch die Vereinigung von organischen und anorganischen Materialien bereits zu einem unbekannten Dritten, zu einer neuen Kategorie von Materialität generiert werden. Zweifellos hofft man, durch die phänomenalen Effekte von Hybridisierungsstrategien bahnbrechende Werkstoffe und handfeste Vorteile zu erhalten: »Hybrid materials lie at the interface of the organic and inorganic realms. These materials offer exceptional opportunities to not only combine the important properties from both worlds, but to create entirely new compositions with truly unique properties.«13 Obwohl die Innovationsfähigkeit der Raum- und Luftfahrt von der Entwicklung neuartiger Werksmaterialien abhängt, spielen zukunfts12 | Vgl. auch die Meldung »New Class Of Materials Developed: Flexible Ceramics« (http://unisci.com/stories/20021/0321026.htm, gesehen am 22.5. 2005). Entsprechend seines Innovationspotentials sind in den letzten Jahren auch in Deutschland aktuelle Forschungsarbeiten entstanden, die sich mit der Entwicklung und Anwendung neuer Hybridmaterialien beschäftigen (Fischer 2004). 13 | http://www.chem.uci.edu/~kjshea/res_file/Hybrid1.html (gesehen am 22.5.2005). Mit »Ormocer« hat die Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung (München) bereits ein organisch-anorganisches Produkt entwickelt, das markenrechtlich geschützt ist und über vielversprechende Hybrideigenschaften verfügen soll. Vgl. http://www.isc.fhg.de/alteseiten/ ormocere/index_00.html (gesehen am 22.5.2005).

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orientierte Technikkonzepte eine ebenso wichtige Rolle. Einige Hybridtechnologien sind in diesem Bereich bereits etabliert: So verwendet der Hybridraketenantrieb einen Treibstoff aus flüssigen und festen Komponenten, während Hybridflügelkonstruktionen bei militärischen High End-Jets die Vorteile eines schwach gepfeilten Flügels im Unterschall- und die Vorzüge von Deltaflügeln im Überschallbereich nutzen. Noch im Forschungsstadium befinden sich dagegen Projekte zur Entwicklung von Hybridflugzeugen. Diese vereinen die Tragflächentechnik konventioneller Flugzeuge mit Elementen des Luftschiffes, indem sie z.B. eine mit Helium gefüllte Innenraumkammer einsetzen. Zu Start und Landung werden wie beim Helikopter Rotoren eingesetzt, die auf Flughöhe die Funktion von Propellern übernehmen. Solche Flugzeuge sollen eine weit höhere Ladung als Hubschrauber transportieren können und eine erheblich günstigere Ökobilanz als heutige Düsenjets aufweisen, da ihr Treibstoffverbrauch relativ gering ist und eine kostenintensive Infrastruktur mit raumgreifenden Start- und Landebahnen entfällt.14 Wie in der Luft- und Raumfahrt- wird auch in der Automobilindustrie intensiv nach hybriden Material- und Konstruktionskonzepten geforscht. So finanzieren Rover und British Steel das Projekt »Structural Analysis of Hybrid Material Concepts for Lightweight Vehicles« an der Universität Warwick. Das Ziel lautet: »The next generation of vehicles will be radically different from their predecessors. Lighter, more energy-efficient, environmentally-friendly vehicles will use new construction methods and material combinations.«15 Eine Möglichkeit stellt die Kunststoff-Metall-Hybridtechnik dar, an der auch die Zulieferer von Ford arbeiten: »Die Entwicklung tragender, multifunktionaler Kunststoff-Metall-Hybridstrukturen eröffnet dem Leichtbau neue konstruktive Gestaltungsmöglichkeiten […]. Während sich Metalle und Kunststoffe in der traditionellen Konstruktionspraxis häufig in einer Wettbewerbssituation befinden, kombiniert die Hybridtechnik die Vorteile beider Werkstoffe mit der zugehörigen Ver- und Bearbeitungstechnik […]. So ermöglichen Hybridstrukturen durch Syner-

14 | Neben dem beschriebenen Konstruktionsprinzip werden auch andere Modelle mit anderen Eigenschaften als Hybridflugzeuge bezeichnet. Während die US-Luftwaffe an militärischen Versionen wie der »V-22 Osprey« forscht, glauben Firmen wie Advanced Hybrid Aircraft (http://www.ahausa.com, gesehen am 27.7.2005) und AeroVehicles (http://www.aerocat.us), mit dieser Technik den zivilen Lufttransport des 21. Jahrhunderts nachhaltig bereichern zu können. So stelle das Hybridflugzeug Aerocat »the first major transportation revolution in more than 40 years« dar. 15 | http://www.foresightvehicle.org.uk/dispproj1.asp?wg_id=1026, gesehen am 29.7.2005.

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Hybride Revolution | 49 gieeffekte ein besseres Leichtbaupotential als es jeder Werkstoff für sich alleine ermöglichen würde. Kunststoff-Metall-Hybridteile bieten gegenüber gleich starken, reinen Metallkonstruktionen deutliche Kosten- und Gewichtsvorteile. Diese Vorteile fallen umso größer aus, je höher der Grad der Integration von zusätzlichen Funktionen in das Hybrid-Bauteil ist.«16 Eine andere Möglichkeit ist Hybridgewebe, z.B. aus Aramid-Kohlenstoff-Fasern.17 Solche Technologien werden zur Zeit nur bei extrem kostspieligen Automobilen wie dem 135.000 Euro teuerem »Corvette Callaway« eingesetzt, dessen Karosserie aus einem Kevlar-Hybrid besteht.18 Im Motorbereich scheint dagegen der große Durchbruch von Hybridtechnologien auf dem Massenmarkt bereits eingetreten zu sein. Das Hybridauto verspricht, ökologische Belastungen zu reduzieren und Ressourcen zu schonen, indem es sparsam verschiedene Energiequellen und -formen miteinander kombiniert und, an die jeweilige Verkehrssituation angepasst, simultan oder einzeln verarbeitet. Die Integration einer Hybridmaschine in das Herz des ›Lieblingskindes‹ der Industriegesellschaft kann auf eine breite Zielgruppe hoffen.19 Schließlich symbolisiert ein zukunftsverträgliches Auto wie

16 | http://www.nmfgmbh.de/deutsch/projekte/kmh.htm (gesehen am 22.5.2005). 17 | »Je nach Verwendung ist die Zusammensetzung der beiden Faseranteile unterschiedlich. Kohlefaser ist superleicht, hochzugfest und besitzt eine hohe Steifigkeit, hat aber eine geringe Bruchdehnung und ist spröde. Dieses Manko fängt des Aramidgewebe auf, es ist schlagzäh und schleiffest. Bauteile aus Hybrid-Gewebe sind paßgenau und stabil. Durch die hochwertigen Eigenschaften des Materials sind weniger Lagen erforderlich« (http://www.classicmotorrad.de/winni_2002/kunststoff/kunststoff.htm, gesehen am 22.5.2005). 18 | Die extremem Eigenschaften dieses Hybridgewebes werden bei Körperkarosserien dagegen bereits häufiger in Serie gefertigt. Auch in der nicht auf schusssichere Westen spezialisierten Textilindustrie setzt man auf die prinzipiellen Vorteile, die zusammengesetzte Hochleistungsgarne wie »CoolMax« oder »Gore-Tex« im stark wachsenden Outdoorbereich bieten. 19 | Laut einer Marketingstudie von J.D. Power and Associates (März 2002) für den US-Automarkt ist das Interesse von potentiellen Käufern hoch. In Erwartung eines rapide wachsenden Marktes wird bereits für 2005 ein jährlicher Absatz von mehr als einer halben Million Hybridautos prognostiziert (http://www.jdpa.com/studies_jdpower/pressrelease.asp?StudyID=611, gesehen am 22.5.2005). Aufgrund positiver Marktaussichten und verschärften Emissionsgesetzen – etwa in Kalifornien – haben inzwischen außer Honda und Toyota auch namhafte US-Hersteller wie Chrysler und Ford Automodelle mit Hybridantrieb entwickelt. Auch auf staatlicher Seite wird diese aufkom-

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kein anderes identitätsstiftendes Massenprodukt die Sicherung von Individualität und Mobilität für das 21. Jahrhundert. Zwar befindet sich die Alltagstauglichkeitsprüfung des Hybridantriebs20 im Privatautomobil noch in der fortgeschrittenen Erprobungsphase; doch die Serienproduktion ist für die nächsten Jahre fest eingeplant bzw. bei einigen Herstellern bereits angelaufen. Trotz fehlender Langzeiterfahrung wird das Hybridauto unisono als »revolutionäre Kombination aus Verbrennungsmotor und Elektroantrieb« und »neue Schlüsseltechnik« präsentiert (Wüst 2001: 210). Durch optimistische Leistungsdaten erhalten euphorische Erwartungen weiteren Auftrieb.21 Es verwundert nicht, dass das Hybridkonzept auch in den Zukunftsentwürfen für eine dezentrale Energieversorgung großen Anklang findet. Wie in anderen Schlüsseltechnologien werden dabei unterschiedliche Methoden der Energieerzeugung zu einer aufeinander abgestimmten Einheit integriert und an die lokalen Voraussetzungen adaptiert. Auf der Insel Pellworm wurde Europas größte regenerative Hybridanlage realisiert, die aus Windkraft und Sonnenlicht Strom gewinnt. Durch die sich ergänzenden Elemente können systemische Nachteile einer Energieerzeugungsart durch die Vorteile einer anderen ersetzt werden. Neben der Diversifizierung der Energieproduktion mende Technik durch ein »Hybrid Electric Vehicle Program« des US-Energieministeriums gefördert (http://www.nrel.gov/vehiclesandfuels/hev, gesehen am 22.5.2005). 20 | Toyota nennt sein Antriebssystem »Hybrid Synergy Drive« und wirbt seit 2004 dafür mit dem Spruch »The power to move forward«. Der Hybridantrieb ist vom Hybridmotor zu unterscheiden, der bislang einen Verbrennungsmotor bezeichnet, der sowohl über Merkmale des Otto- als auch des Dieselmotors verfügt. Diese Technik konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Als Idee stellt der Hybridantrieb keine Innovation dar, sondern ist etwa im Lokomotivbereich seit langem bekannt. Um z.B. Strecken ohne funktionierende Stromversorgung befahren zu können, sind Hybrid- bzw. Zweikraftlokomotiven zusätzlich mit Akkumulatoren oder Dieselmotoren ausgestattet. 21 | Auf der Tokio Motor Show 2001 wurde der »Honda Civic Hybrid« mit einem Verbrauch von 3,4 Liter auf 100 km als weltweit sparsamster Fünfsitzer vorgestellt. Mittlerweile wurde der auf Hybridtechnik basierende »Toyota Prius« zum »Auto des Jahres 2005« gewählt. Auf der Chicago Auto Show und dem Genfer Autosalon 2005 standen die Hybrid-Fahrzeuge so sehr im Rampenlicht führender Autoproduzenten, dass der Chrysler-Präsident Dieter Zetsche von einer regelrechten »Hybrid-Hysterie« in der breiten Öffentlichkeit sprach. Nun wollen auch Nachzügler wie Volkswagen auf jeden Fall Hybridmodelle anbieten. In Deutschland schlägt sich diese Euphorie für die neue Technik auch in aktuellen Forschungsarbeiten nieder, wobei gerade junge Nachwuchswissenschaftler hier gute Möglichkeiten sehen, sich mit innovationsfreudigen Untersuchungen zu profilieren (vgl. Kozlowski 2004; Winger 2004).

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Hybride Revolution | 51 durch parallele Systeme erlaubt die Hybridisierung auch hochintegrierte Anlagen, deren Komponenten aufeinander aufbauen. Im optimalen Fall wird ein ineinandergreifender Energiekreislauf mit mehreren Verwertungszyklen ermöglicht, wodurch die Subsysteme gegenseitig voneinander profitieren. Solche hybriden Synergie-Effekte sollen die Störanfälligkeit und Abhängigkeit des Gesamtsystems reduzieren und seine Flexibilität und Funktionalität erhöhen, die zu einer wesentlich verbesserten Leistungsfähigkeit beitragen. So wie in der menschlichen Geschichte der Einsatz von bestimmten Energieformen und die Neuentwicklung von Schlüsseltechniken Gesellschaftsformen prägten oder sogar zu einer neuen Entwicklungsstufe führten, so scheint auch das Hybridkonzept als allgemeines Sinnbild in der postmodernisierten Moderne für das Herannahen einer neuen Epoche zu stehen. Ohne Zweifel sind Biotechnologie, Mobilität, Energie und Ökologie existentielle Politikfelder, die das Aussehen und die Struktur zukünftiger Gesellschaftsformen in ihren globalen Dimensionen maßgeblich beeinflussen. Neben den genannten Schlüsselsektoren gilt auch die Mikroelektronik als Zukunftstechnologie für Wirtschaft und Gesellschaft. Darüber hinaus verfügt sie über erhebliche geopolitische und kulturelle Bedeutungen. Besonders in den Ingenieurwissenschaften, im Maschinenbau, in der Kybernetik und Informatik, aber auch in der alltäglichen Lebenswelt tritt der Hybriddiskurs immer häufiger als innovative Technologieform in Erscheinung. So sorgte die »fuzzy logic« bereits Anfang der 1990er Jahre für Furore. Viele Konsumenten und Konsumentinnen kamen dadurch in ihrem Alltag – oft ohne es zu wissen – mit einer Technik in Berührung, die auf einer hybriden Arbeitsweise beruht. »Fuzzy logic« bleibt im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden nicht mehr auf binäre Systeme mit der einzigen Unterscheidungsmöglichkeit zwischen »0« oder »1«, »wahr« oder »unwahr« bzw. »an« oder »aus« beschränkt. Vielmehr operiert sie innerhalb nicht absolut gesetzter Zustände. So wie andere Ansätze, Fragen der Unbestimmtheit und Unabgeschlossenheit als hermeneutische Ausgangspunkte nehmen, geht auch die »fuzzy logic« auf einen Intellektuellen zurück, der – selbst vom Rand kommend – eine »Theorie der unscharfen Mengen [entwarf], die Randexistenzen zulassen« (Lessmöllmann 2000: 36). In den 1960er Jahren entwickelte der in Aserbaidschan geborene Lofti Zadeh an der Universität Berkeley eine Steuerungsmethode, die »fuzzy logic« genannt wurde, was im Englischen soviel wie »unscharf« oder »verschwommen« bedeutet. Damit wird die Haupteigenschaft dieses Verfahrens, mit Zwischenständen und nicht eindeutig definierten Werten zu operieren, beschrieben. Auch wenn es auf den ersten Blick paradox klingt, wurde diese Regulierungstechnik auf dem Massenkonsummarkt zuerst für die Autofokusfunktion bei Fotoapparaten und Video-

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Camcordern eingesetzt (Blum 1991: 19). Die Euphorie war so groß, dass »fuzzy« 1991 in Japan zum Wort des Jahres gekürt wurde und auch in der BRD ein breites Interesse einsetzte (vgl. Kosko 1993; Spies 1993). Überall dort, wo Technik mit unvorhersehbaren und dynamischen Situationen konfrontiert ist – so auch bei der Unwucht- und Schaumkontrolle in Waschmaschinen –, gilt »fuzzy logic« gegenüber konventionellen Kalkulationsmethoden, die mit endlichen Zahlen rechnen, als überlegen. Gerade weil diese mit eindeutigen Zuständen operieren, können sie sich mit ihrer scheinbar objektiven Methode der unbegrenzten Komplexität der Realität nur unzureichend annähern. Dagegen funktioniert »fuzzy logic« stufenlos und verzichtet auf exakte Regulierungsschritte, die auf vordefinierte Einstellungen rekurrieren. Durch ›softe‹ Algorithmen, die sich auf undefinierte Situationen einstellen und dadurch selbständig weiterentwickeln können, wird »fuzzy logic« besonders in der Künstlichen Intelligenz und der Biometrie (z.B. für Handschriften- und Gesichtserkennung) als zukunftsträchtig erachtet (vgl. Scharl 1999, Neagu et al. 2005; Melin/Castillo 2005). In ähnlicher Weise profitiert auch die Hybrid-CD-ROM von ihren grenzüberschreitenden Eigenschaften, da sie als systemübergreifender Standard im Bereich der digitalen Speichermedien zwischen konfligierenden Konfigurationen vermittelt. Als Intermedium stellt die Hybrid-CD zwischen den einander sich ausschließenden Betriebsystemen von Microsoft und Apple Kompatibilität her, in dem sie einen Datenaustausch ermöglicht und als Wechselmedium die systemimmanenten Grenzen überbrückt. Hybrid-CDs bilden ein Interface zwischen konkurrierenden Computerstandards, wodurch die kooperative Nutzung von gemeinsamen Ressourcen ermöglicht wird. Fragen der Interkonnektivität sind im Internet-Zeitalter unausweichlich und spielen gerade bei der Architektur von computerbasierten Netzwerken eine grundlegende Rolle für die globale Informationsund Kommunikationsinfrastruktur. Auch in diesem Rahmen sind Hybridkonzepte präsent, indem sie je nach Anforderungsprofil und Einsatzzweck Bus-, Stern- und Ringanlagen, die die Grundmuster lokaler Netzwerktopologien bilden, miteinander kombinieren. Wie bei anderen Mischformen sollen durch variable Anordnung die Stärken spezialisierter Strukturen für die Erfordernisse der jeweiligen Teilbereiche genutzt werden. Die Addition der Einzelteile verspricht für die Gesamtanlage ein an den gegebenen Bedingungen optimal angepasstes System mit größtmöglicher Performance und Zuverlässigkeit. Im Computerbereich galten früher Systeme als hybrid, die z.B. die Arbeitsweisen analoger Elektronenröhren- und digitaler Transistorentechnik miteinander verbanden. Solche wissenschaftlichen Hybridrechner sind inzwischen weitgehend verdrängt worden und werden nur noch zur Berechnung spezifischer mathematischer Aufgaben

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Hybride Revolution | 53 (z.B. partielle Differenzialgleichungen) oder zur Simulation komplexer dynamischer Systeme (z.B. Gas- und Stromnetze) verwendet. Doch das Prinzip, unterschiedliche Technologien und Logiken zusammenzuführen, um Synergien auszunutzen, ist aktuell geblieben. In diesem Zusammenhang erhält auch die lexikalische Bedeutung des Begriffs »Hybridrechner« eine Aktualisierung. Er bezeichnet zunehmend eine noch zu realisierende Recheneinheit, die Digital- mit Quantentechnik kombiniert. Letzteres befindet sich jedoch noch in der Phase ihrer theoretischen Exploration. Die angestrebte Miniaturisierung und erwartete Leistungssteigerung wird bereits als ›dritte technische Revolution‹ vorgestellt, die die Computertechnik bis zur subatomaren Ebene vorantreiben soll (Löhr 1998: 8).22 Ein Ausdruck dieses technologischen Aufschwungs findet sich in der seit 1998 jährlich an internationalen Spitzenuniversitäten wie Berkeley, Stanford und zuletzt im März 2005 an der ETH Zürich durchgeführten Symposienreihe »Hybrid Systems: Computation and Control«, die nicht zuletzt die Kooperation zwischen akademischer Forschung und industriellen Anwendungen intensivieren will (Morari/Thiele 2005). Ähnliche Ziele verfolgt das Konzept hybrider Mikrosysteme, das in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Diese hochintegrierte Technologie setzt sich aus mikroelektronischen, mikrooptischen, mikromechanischen oder mikrofluiden Einzelkomponenten zusammen und soll multiple Funktionen übernehmen. Die Kostenvorteile der Miniaturisierung – besonders im Massenfertigungsverfahren –, die sich u.a. aus Materialeinsparung, Volumen- und Gewichtsreduktion, geringerer thermischer Trägheit und verbesserter Transportfähigkeit ergeben, sollen enorm sein. Sie können durch funktionelle Hybridisierung sogar um eine erhöhte Einsatzflexibilität ergänzt werden. Solche Fähigkeiten sind z.B. in der Sensor- und Messtechnik zur Überwachung von Parametern wie Temperatur, Druck, Feuchtigkeit etc. vom großem Vorteil. Wegen ihren universellen Einsatzmöglichkeiten gelten hybride Mikrosystemtechniken als eine der zukunftsträchtigsten Basistechnologien (Klose 1994; Savkin/Evans 2002). 22 | Wie hoch die Erwartungen an Hybridtechnologien sogar bei herkömmlichen Computerprozessoren sind, zeigt bspw. die NASA-Studie »Hybrid Technology Multi-Threaded Architecture«, die im Rahmen des »High Performance Computing and Communications Program« entstanden ist: »The hybrid technology approach exploits critical opportunities enabled by key emerging devices. Specifically, computational performance can be dramatically improved through recent advances in Superconducting Rapid Single Flux Quantum logic which will make 100 GHz clock rates feasible in the next two years« (http://www.hq.nasa.gov/hpcc/petaflops/paws.96/htmt/htmt.html, gesehen am 22.5.2005).

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Wie diese kurze Revue wichtiger Schlüsselindustrien zeigt, erlebt Hybridität als funktionales Kernprinzip in diversen Bereichen der Hochtechnologie eine bemerkenswerte Konjunktur, da sie sich als äußerst vielseitiges Anwendungskonzept erweist. Dieser Effekt wird durch die definitorische Offenheit bzw. die unscharfen Bedeutungen des Hybridbegriffs verstärkt, der so frei schwebend, multikontextual und unbestimmt wirkt, dass er im Zweifelsfall immer passt. Des Weiteren wird die universelle Verwendbarkeit dieses Begriffs durch seine charismatische Ausstrahlung potenziert, die ihm – einer Popkultur-Ikone gleich – schillernden Glanz und Anziehungskraft verleiht. Kurz gesagt: Hybridität ist gut verkäuflich, weil sexy und vice versa. Der erstaunlichen Breite und Dynamik von technologischen Hybriddiskursen nach zu urteilen, deren Erweiterungsmöglichkeiten bisher unbegrenzt erscheinen, befinden wir uns am Anfang einer Ökonomie, die auf der Industrialisierung von Hybridmodellen basiert. Ihr angestrebtes revolutionäres Potential beruht auf eine Arbeitsweise, die die Überwindung struktureller Grenzen und Barrieren für sich reklamiert, um durch Innovation und verbesserte Anpassung gesteigerte funktionale Effizienz und/oder ästhetische Gewinne zu erzielen. Als Methode erscheint diese kreative, auf Offenheit und Transgression ausgerichtete Arbeitsweise für die Erfindung von Zukunftstechnologien und zur Generierung von Neuem prädestiniert. Daraus wird ein faszinierendes Image des Hybriden gewonnen, das immer mehr Bereiche der Gesellschaft und Kultur in seinen Bann zieht und sich für die industrielle und kommerzielle Verwertung als äußerst attraktiv darstellt. In extremer Verkürzung kann gesagt werden, dass Hybridität dann besteht, wenn es nicht mit sich selbst identisch ist und sich immer neu erfindet. Um es plastischer auszudrücken: Eben diese extreme Wandlungsfähigkeit macht Madonna zu einem hybriden und dadurch auch in der Langzeitperspektive äußerst erfolgreichen Popstars. Sie ist so gesehen die popkulturelle Verkörperung eines hybriden Feminismus. Diese ›definitive‹ Aufwertung von Differenz ist eine gute Grundlage, um nun das Verhältnis von subversiver Politik zu einem spielerischen wie verwertungstechnisch höchst effizienten Umgang mit kulturellen Produktionen zu diskutieren.

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Hybridität als kulturelle Dominante im postmodernen Spätkapitalismus

Wir leben in Gesellschaften, in der die kulturelle Sphäre eine besondere Bedeutung hat. Diese Entwicklung drückt sich nicht zuletzt im »linguistic turn« der Geisteswissenschaften und im »cultural turn« der Sozialwissenschaften aus. Beide wissenschaftliche Wendungen verbindet das Plädoyer für einen dynamischen, interaktiven, pluralen, stets wandelbaren Kulturbegriff. Zusammenfassend lässt sich dieser kulturwissenschaftliche Paradigmen- und Perspektivenwechsel auch als »postmodern turn« bezeichnen, der nicht zuletzt die Suche nach hybriden Ausdrucksweisen der Intermedialität und Transkulturalität popularisiert hat (Best/Kellner 1991: 25-28). Als grobe Orientierung bietet sich diese Arbeitsdefinition von kultureller Hybridität in der Postmoderne an: »Hybridisierung soll Entwicklungen bezeichnen, in denen sich Formen kombinieren, die sich in unterschiedlichen Zeitdimensionen entwickelt haben« (Schneider 1997: 14). Obwohl Crossover, Patchwork und organische Hybridisierung immanenter Bestandteil jeder Kulturentwicklung sind (Bachtin 1979), ist die normative Aufwertung, die die Hybridisierung gegenwärtig genießt, eine einzigartige Erfahrung in der europäischen Moderne. Hinter der Wertschätzung von Hybridkonzepten verbirgt sich eine weitreichende, keine zwangsläufig nur instrumentelle Neuorientierung westlicher Kognitions- und Wahrnehmungsmuster. Galt die binäre Logik des Entweder-oder in der Moderne unangefochten, entsteht mit dem hybriden Prinzip des Sowohl-als-auch eine nachmoderne Weltsicht, die längerfristig andere Formen der (Wissens-)Produktion hervorbringen und somit auch neue Arten des Wissens freisetzen könnte.1

1 | Infolge dieses Wertewandels besteht auch die Gefahr, dass Hybridität zur neuen Norm erstarrt, die aufgrund ihrer Festlegung selbst nicht weniger autoritär und ausschließlich als frühere Modelle wirkt. Sollte diese parado-

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Ein solcher Ansatz, der das Homogenitätsstreben in der Moderne unterbricht, könnte ein anderes Verhältnis zur Differenz entwickeln. Hybridisierung verweist auf ein Weltbild, das auf »unreines Denken« und indefinitive Mischkategorien beruht. Dabei fungiert Hybridisierung als vielschichtiges Denkgebäude für ein postmodernes Bedeutungsensemble. Alternativ zu den tradierten Ideen der europäisch geprägten Moderne baut Hybridisierung nicht auf ausschließliche Prinzipien wie Singularität und Totalität auf, sondern geht von einer irreduziblen Differenz und Uneinheitlichkeit aus. Statt mit ausschließenden Gegensatzpaaren und binären Mustern zu operieren, werden liminale Konzepte der Grenzauflösung und third spaces favorisiert. Mit dem Wandel der Wahrnehmungsweise ist eine Neuorientierung verbunden, die statt von der fiktiven Bewahrung imaginärer Einheit und Authentizität nun von der Dynamik der Vermischung ausgeht. Dieses veränderte Verhältnis zur Differenz, das den Anderen nicht mehr per se außerhalb des Selbst verortet und ausgrenzt, könnte weitreichende und widersprüchliche Folgewirkungen auslösen. Es ist eine entscheidende Frage, inwieweit diese kulturphilosophische Neuorientierung die epistemologischen Grundlagen der westlichen Moderne tangiert, ob sie als Bruch oder als (Post-)Modernisierung zu analysieren ist. Anzeichen, die auf komplexe Verschiebungen in den vielschichtigen Verflechtungen bestehender Machtverhältnisse, aber weniger auf ihre Aufhebung hindeuten, sprechen für die Modernisierungsthese. Bisher ist die Geschichte der Wissensproduktion auch immer eine Geschichte von Machtbeziehungen und ihren sich verändernden Kräfteverhältnissen. Zwar ist es richtig anzunehmen, dass ein epistemologischer Wandel in der Konstruktion des Anderen nicht ohne Auswirkungen auf die bisher dominante Art zu denken und die Welt aufzuteilen bleibt. Aber eine realistische Betrachtungsweise muss ebenso davon ausgehen, dass Hybridität in ihren kulturindustriellen Versionen – ohne einschneidende Interventionen und Umcodierungen – moderne Machtformen lediglich neu konfiguriert, aber wenig dazu beiträgt, sie zu schwächen. Vergessen wir nicht, »das Hybride bildet nicht den Gegenbegriff zum Hierarchischen und Hegemonialen, sondern zum Binären und Dichotomischen« (Schneider 1997: 43). Grundsätzlich kann Hybridisierung durch seine vielgestaltigen Optionen sowohl die Basis für den kulturell-technologischen Umbau spätkapitalistischer Erlebnisgesellschaften stellen als auch die kulturpolitische Repräsentation des Nicht-Repräsentierten ermöglichen.2 xe Entwicklung eintreten, könnten wir den Hybriddiskurs als eine Selbstparodie betrachten, die sich letzten Endes selbst ad absurdum führt. 2 | Zur ausführlichen Diskussion subversiver Potentiale von Hybridisierung vgl. Ha 1999: 118-168.

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Hybridität als kulturelle Dominante im postmodernen Spätkapitalismus | 57 »The forms of hybrid culture and identities described by postmodern cultural studies correspond to a globalized capitalism with an intense flow of products, culture, people and identities with new configurations of the global and the local and new forms of struggle and resistance« (Kellner 1997: 23). Angesichts der geläufigen Lobpreisungen der Segnungen der Hybridität (kritisch: Steyerl 2005) werden in der folgenden Analyse zunächst nicht ihre befreienden oder widerständigen Potentiale herausgestellt. Der strategische Fokus konzentriert sich stattdessen auf die häufig übergangenen Probleme kultureller Vermischungskonzeptionen im Spätkapitalismus. Die instrumentellen Funktionalisierungen von Hybridität sind dabei keinesfalls nur technischer Natur. Vielmehr zeigen sie einen ernst zu nehmenden Wertewandel der Kultur in der westlichen Moderne an. Anstatt diesen Wandel lediglich als überfälligen Bruch mit der europäischen Metaphysik der Moderne zu begrüßen, kann auch die Frage aufgeworfen werden, inwieweit Hybridität als Zeichen einer postmodernen Ästhetik und Konzeption von Kultur und Gesellschaft mit einer spätkapitalistischen Verwertungslogik verbunden ist, die neben Effizienz, Faszination, Innovation und Aneignung auch neue Formen von Geschmackshierarchien und Ausgrenzungen produziert. Es stellen sich also viele offene Fragen: Greift Hybridität innerhalb des umkämpften historischen Prozesses jene Machtkategorien an, welche die Welt als einheitlich und unveränderlich zugleich konstruieren, oder ist sie eher als eine Bewegung anzusehen, die eine Erneuerung des Bestehenden ermöglicht? Statt der Bewahrung von Kontinuität und Reinheit ist vielfach die positive Anerkennung von Differenz und Vermischung zur Leitmaxime des Zeitgeistes aufgestiegen. Aber weist diese Entwicklung auf transgressiv-emanzipatorische Momente hin, die an die Stelle ausgrenzender Ideologien treten? Oder sind sie nicht auch Modernisierungseffekte eines sich neu konfigurierenden Machtdiskurses, der inzwischen gelernt hat, sich in bestimmten Kontexten die Vorteile von Diversität und porösen Grenzen zu sichern? Trägt Hybridisierung nicht zu einer weiteren Privilegierung ›softer‹ Fragen über Formen und Oberflächen bei, während ›harte‹ Interessenskonflikte, die sich mit Zugangsfragen, Entscheidungsmacht und Inhalten auseinander setzen, nicht zur Sprache kommen? Kann der Trend zur interkulturellen Event- und Erlebniskultur als eine ästhetische Übersteigerung struktureller Ressourcenentzüge und normalisierter Gewalt in den globalen wie lokalen Zusammenhängen verstanden werden, die einen idyllisch-harmonischen Anstrich erhalten? Ist die Entdeckung des Hybriden nur ein kurzlebiger Hype, wie einige Kritiker/-innen vermuten, oder verbirgt sich dahinter eine kulturelle Wende, die Teil eines gesellschaftlichen Transformationsprozesses ist? Inwieweit ist diese Transformation wiederum als Teil eines umfassenderen Projektes des

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global vernetzten postmodernen Kapitalismus zu verstehen? Angesichts dieser offenen Fragen besteht Anlass, die um sich greifende Euphorie um Hybridität zu hinterfragen und Ansatzpunkte für eine kritische Wahrnehmung zu entwickeln.3 Hybridität verleiht den spezifischen Konditionen der kulturindustriellen Produktionsweise des postmodernen Globalismus einen Namen. Im Unterschied zur Globalisierung, welche die Welt durch transnationale und suprastaatliche Prozesse miteinander verbindet, und Globalität, welche die soziale Entität der Weltgesellschaft bezeichnet, ist der Globalismus nach dem Soziologen Ulrich Beck durch folgende Merkmale gekennzeichnet: »Mit Globalismus bezeichne ich die Auffassung, dass der Weltmarkt politisches Handeln verdrängt oder ersetzt, das heißt die Ideologie der Weltmarktherrschaft, die Ideologie des Neoliberalismus. Sie verfährt monokausal, ökonomistisch, verkürzt die Vieldimensionalität der Globalisierung auf eine, die wirtschaftliche Dimension, die auch noch linear gedacht wird, und bringt alle anderen Dimensionen – ökologische, kulturelle, politische, zivilgesellschaftliche Globalisierung – wenn überhaupt, nur in der Dominanz des Weltmarktsystems zur Sprache« (Beck 1997: 26). Auch wenn der ökonomistisch geprägte Globalismus nicht eindimensional gedacht werden kann und seine Dominanz nicht uneingeschränkt ist, zeigt diese analytische Perspektive doch bedeutsame Entwicklungstendenzen auf, die es zu berücksichtigen gilt. In einer globalen Ökonomie, in der auf innovatives Design spezialisierte Global Player wie Apple (»think different«, 1997) und Braun (»Designed to make a difference«, 2003) mit ›difference sells-slogans‹4 die jung3 | Um es vorwegzunehmen: Ich werde die aufgeworfenen Fragen nicht endgültig beantworten können, sondern versuchen, mögliche Analysewege auszuloten. Viel wäre bereits gewonnen, wenn wir in der Lage wären, wichtige Fragen zu stellen, die die Gesellschaft bewegt. 4 | Die Liste der kostspieligen Imagekampagnen, die auf die Überzeugungs- und Verführungskraft von Unterschieden setzen, gibt einen Vorgeschmack auf eine Ökonomie des Begehrens, die auf der Aneignung von Differenz beruht: Mobil 1 (Energie): »Feel the difference«, 1998; CAB (Getränke): »Refreshing different«, 2002; DuPont Lycra (Textilien): »Enjoy the difference«, 2002; Olympus (Photo): »The visible difference«, 1999 und Rado (Schmuck): »A different world«, 1995. Wie die neusten Werbekampagnen zeigen, ist die Vermarktung von Differenz wichtiger denn je – oder um es mit dem Slogan der Marketingagentur Dorland zu sagen: »Selling the difference«, 2004. Weitere Beispiele sind Loewe (Elektronik): »Be different«, 2003; Oregon (Touristik): »Things look different here«, 2003; Alfex (Schmuck) »Dare to be different«, 2004; Arai (Verkehrsmittel): »There is a difference«, 2004; Betty Barclay Woman (Kosmetik): »The beauty of difference«, 2004; Kinoton (Medien): »See the

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Hybridität als kulturelle Dominante im postmodernen Spätkapitalismus | 59 dynamischen, höher gebildeten und besser verdienenden ›Leistungsträger‹ der Gesellschaft mobilisieren, wird Differenz nun nicht mehr – wie seine Geschichte es nahe legt – als Hort von Marginalität und Ausschließung betrachtet. Stattdessen wird Differenz als Produktivitätsressource und durchdesigntes Lifestyle- und Konsummodell auf dem Markt der (Un-)Möglichkeiten hergestellt und angeboten (Featherstone 1991; Jain 2004). Die gleichermaßen einfache wie überzeugende Botschaft lautet: Anders-Sein lohnt sich, weil es erstens die heutige Signatur für Kreativität darstellt und zweitens das Potential zur sozialen (vertikalen) und kulturellen (horizontalen) Mobilität hat. Funktionierende Werbebotschaften beeinflussen als kommerzielle Propaganda zur Konsumentenerziehung einerseits den gegenwärtigen Zeitgeist im Mainstream. In ihrer Funktion als Trendsetter müssen sie andererseits auch ein feines Gespür für jene zukünftigen Entwicklungen haben, die bereits heute in Minderheitenkulturen ihren Ausgang nehmen (Holert/Terkessidis 1996). Um heute am Puls der Zeit zu sein, müsste der programmatische Slogan ›just be hybrid‹ lauten, um die Zukunftserwartung radikal auf ihr Kernversprechen zu reduzieren. Zu diesem Schluss müssen zumindest die Leser/-innen des Buches von Pascal Zachary kommen, der als Redakteur des »Wall Street Journal« die wirtschaftlichen Nutzeffekte von »rassischer Bastardisierung« und kultureller Vermischung propagiert. Silicon Valley und die offene Unternehmenskultur im »multiethnischen« Kalifornien würden zeigen, dass Migration und Hybridisierung »natürlicherweise« zu kultureller Überlegenheit und ökonomischen Konkurrenzvorteilen führen würden. In seiner Rassenvermischungstheorie geht Zachary davon aus, dass sich gesellschaftliche Kreativität und Innovation durch ethnische und kulturelle Vermischung steigern ließen (Zachary 2000). So wird die gestrige Forderung nach der Bewahrung von (absoluten) Differenzen im Multikulturalismus durch ein re-integrierendes Gesellschaftsmodell abgelöst, das die Vorstellung von Hybridität als Politik der Entdifferenzierung und Transkulturalität in den Mittelpunkt stellt. Anstatt das differente Andere wie früher als abzulehnende Konkurrenz oder fremdartige Bedrohung anzusehen, ermöglicht Differenz nun das neue Ideal der endlosen Pluralisierung und Grenzüberschreitung kultureller Sphädifference«, 2004; Kuoni (Touristik): »A world of difference«, 2004; Oehlbach (Elektronik): »The pure difference«, 2004; Pulsar (Schmuck): »The difference is in the detail«, 2004; ViewSonic (Computer): See the difference, 2004; Cassiopeia (Computer): »Empowering people to make the difference«, 2004; Geldermann (Getränke): Vive la diffrence, 2004; Australia (Touristik): »A different light«, 2004; DGB-Jugend (Politik): »Think different«, 2004; Think! (Bekleidung): »Walk different!«, 2004; Viatel (Kommunikation): »Simply different«, 2005; Fanta (Getränke): »Drink different«, 2005.

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ren. Ethnische und kulturelle Durchmischungen sollen unerwartete und begehrenswerte Resultate produzieren und Möglichkeiten zur Erweiterung des dominanten Selbst durch die Aneignung des marginalisierten Anderen schaffen. Entsprechend wird die ›Entdeckung‹ von produktiven Differenzen in der gegenwärtigen Aufbruchsstimmung als Eintrittsportal zu einer aufregenden Welt der Hybridität betrachtet, die es zu kultivieren und nutzbar zu machen gilt. In einer Zeit, in der Multifunktionsgeräte (bspw. Drucker-FaxModem-Scanner-Kombis) im Alltag neue Begehrlichkeiten erzeugen und multiple Identitätsmodelle und kulturelle Kreolisierung im Kulturbetrieb5 immer häufiger präsentiert werden, scheint Hybridisierung der Trend zu sein, der den Zusammenhang zwischen solch scheinbar fern liegenden Phänomenen benennt. Sowohl die Massenkonsum- als auch die gehobenen Kulturmärkte teilen die Faszination für eine gebrochene Gleichzeitigkeit, die aus der Auflösung und Vereinigung von Differenzen entlang brüchiger Genregrenzen entstehen. Ihre liminale Durchlässigkeit führt oft zur einer Synthese oder Rekonfiguration ambivalenter Differenzen, die durch Integration oder Amalgamierung überbrückt werden und dadurch veränderte Formen und Bedeutungen annehmen. Während gegen-autoritäre Bedeutungsverschiebungen in Formen der Parodie, Mimikry und Karnevalisierung destabilisierend wirken können (Bhabha 2000: 97-207), führt die Tendenz, Hybridität als catch-all-word, als eine Spielform des postmodernen anything goes zu gebrauchen, dazu, dass sie als eine technologische ›all in one-solution‹6 zum Inbegriff unbegrenzter 5 | Ein- und Überblicke zum künstlerischen Zugang mit Themenfelder Migration und Hybridkultur geben Weibel (1997) und Schneider/Thomsen (1997). 6 | Das Paradebeispiel für eine universelle Hybridmaschine ist das »Personal Handy«, das zukünftig nicht nur als mobile Kommunikations- und Entertainmentzentrale dient (Drösser 1999: 39; Mattern 2002). Ob das Handy zugleich als unveräußerliches Identitätszertifikat und als Transmitter frei flottierender Zahlungsmittel funktionieren wird, ist weniger eine Frage der technischen Machbarkeit als eine der politischen Durchsetzbarkeit. Wenn das »Personal Handy« die Identität und gesellschaftliche Existenz des Menschen repräsentiert und seinen Körper biotechnisch und sozial erweitert, dann findet durch die Umstellung von einem analogen zu einem digitalen Identitätsmedium auch eine weitere Verdichtung von Mensch und Technik statt. Bilder von biotechnischen Cyborgs mögen sich in naher Zukunft nicht erfüllen, aber das Handy als Vorläufermedium digitaler Identitätszertifikate, die zentraler Kontrolle ausgesetzt sind, lässt die Pflicht zur Implementierung eines HandyChips ebenso wenig undenkbar erscheinen wie ein bereits eingeführter Impfzwang, der dem Individuum zugunsten vermeintlich vorrangiger Interessen der Gemeinschaft (z.B. kollektive Gefahrenabwehr) keine Wahlfreiheit lässt.

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Hybridität als kulturelle Dominante im postmodernen Spätkapitalismus | 61 Flexibilität, Innovations- und Wandlungsfähigkeit stilisiert wird. In der Postmoderne wird Hybridität so zum Leit- und Strukturprinzip urbaner Industriegesellschaften in der Ära der Globalisierung erhoben, in der sich die etablierten Grenzziehungen als porös oder unhaltbar erweisen. »Global culture is often seen as postmodern: fastchanging, fragmented, pluralist, hybrid and syncretic« (Nash 2000: 71). Je mehr die Hybridität wesentliche Modernisierungsfunktionen für die Gesellschaft übernimmt, desto stärker wird die Hybrideigenschaft zum populären Synonym für eine universelle Lösungsformel. Ihr Image, disparate Probleme und Dysfunktionalitäten der Gegenwart auflösen zu können, gleicht einem postmodernen Gegenmythos, der selbst in seiner normativen Umkehrung des kolonialen Klischees vom ›pathologischem Rassenhybrid‹ ideologisch fixiert bleibt. Gerade indem ihre historischen Konnotationen getilgt, ihre Negativität klinisch gesäubert und sie als harmlos-spielerische Kondition der Postmoderne eine positive Umdeutung erfährt, wird sie als kulturelle Konfiguration für unterhaltsame Identifikationen und konsumtive Erheiterungen interessant. In der kulturindustriellen Domestizierung und Konservierung von Hybridität vollzieht sich ein entscheidender Umschlag: Das ehemals ungesicherte Diskursumfeld, das noch Spontanes, Unpassendes, Unkontrollierbares, Störendes und auch Monströses bereithielt, wird nach seiner Desinfektion weitgehend in eine affirmative Akzeleration des Bestehenden transformiert. Diese Domestizierung raubt der hybriden Transgressivität ihre unberechenbaren, d.h. lebendigen und gefährlichen Momente, die erst einen – oftmals nur temporären – Ausbruch aus den bestehenden Ordnungsvorstellungen ermöglicht. Wie beim Begriff der Postmoderne wurde die normative Umpolung des Hybriden durch seine Enthistorisierung und gleichzeitige Universalisierung ermöglicht.7 So wird das Hybride nach seiner Umwertung zu einer Chiffre, die Angesichts des forcierten Abbaus individueller Grund- und Freiheitsrechte im Rahmen der sog. Terrorbekämpfung, die nach der Maxime ›mehr Kontrolle gleich mehr Sicherheit‹ verfährt, hat der Auf- und Ausbau biometrischer und elektronischer Überwachungsmöglichkeiten Priorität. Auf diesem Wege könnte die Mensch-Maschinen-Verkoppelung vorangetrieben werden, wodurch die öffentliche Existenz des Individuums durch seine digitale Repräsentation autorisiert wird. 7 | Vgl. zur Genese und Deutungsverlauf des Postmoderne-Begriffs Zima (1997: 1-18) und Welsch (1991: 9-85). So wie die Anfänge der Postmoderne nach Lyotard bis zu Aristoteles zurückreichen sollen (ebd.: 10), so ist es inzwischen üblich, unter Verweis auf Bachtins Begriff der »organischen Hybridisierung« zu betonen, dass Kulturen nie rein und ursprünglich sein konnten, weil ihre Arbeitsweise nicht ohne Internalisierung und Adaption externer Einflüsse auskommt.

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ihrem state of the art-Image nach den bestimmenden Zukunftstrend symbolisiert. Als formelhafter Topos der Grenzüberschreitung verspricht Hybridisierung vorherige Beschränkungen durch die Eröffnung ungeahnter Horizonte zu überwinden. Durch ihre immanente Expansions- und Bereicherungslogik reproduziert sie eine Perspektive, die ein wesentlicher Antriebsmotor für die europäische Kolonialisierung der Welt war. Es verwundert daher nicht, wenn die Orientierung auf Hybrides mit einer Erwartung einhergeht, in der die gelungene Vermischung von Differenzen Räume entstehen lässt und Optionen zugänglich macht, die erhebliche ökonomische, kulturelle und ästhetische Anreize darstellen. Nicht zuletzt können auf diese Weise neue Anwendungs- und Wachstumsmöglichkeiten erschlossen werden. Die gegenwärtige Euphorie um Hybridität ist also keine ausschließliche Folge wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts oder eines kritischgrenzüberschreitenden Bewusstseins, sondern wird zunehmend von handfesten Vorteilsannahmen und Verwertungsinteressen geleitet. Inzwischen werden neben elektronischen Systemen und kulturellen Waren auch bestimmte Management- und Wirtschaftsmodelle als hybrid bezeichnet, da sie einen »Dritten Weg« jenseits rein kapitalistischer und sozialistischer Doktrinen, d.h. eine Mischökonomie mit wirtschaftsliberalen und wohlfahrtsstaatlichen Elementen vorschlagen.8 Das am Institut für Wirtschaftsinformatik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster angegliederte und erst im Jahre 2004 gegründete Kompetenzzentrum Internetökonomie und Hybridität Münster erklärt seine Aufgabe wie folgt: »Hybridität thematisiert Probleme und Chancen des Neben- und Miteinanders dialektischer Systeme, wie z.B. Old versus New Economy oder private Selbstregulierung versus staatliche Regulierung. Hybride Systeme zeichnen sich durch Flexibilität bei gleichzeitiger Stabilität aus. Angesichts rascher Entwicklungen in der Internetökonomie kommt ihnen eine wachsende Bedeutung zu. Zielsetzung des Kompetenzzentrums ist es daher, vertiefte Erkenntnisse über die Nutzung und Gestaltung hybrider Strukturen zu gewinnen und diese Entscheidungsträgern in der Wirtschaft und in der Politik zur Verfügung zu stellen.«9 8 | Ein einflussreicher Vertreter ist Anthony Giddens, der in Büchern wie »Jenseits von Links und Rechts« (1997) einen »Dritten Weg« (1999) zur hybriden »New Economy« (Elsner 2003) vorschlägt. 9 | http://hybride-systeme.uni-muenster.de (gesehen am 22.5.2005). Dieses Forschungsprojekt versteht sich als »hybride Wissensplattform«, die zwischen »technisch-organisatorischen Hybridformen«, »privaten Hybridformen« und »öffentlich-privaten Hybridformen« vermittelt und produktive Ergebnisse in den Teilbereichen »Modellierung hybrider Informationssysteme«, »Web-Evaluation« und »Netzwerke«, »Marken und Markenrecht«, »hybride Bankleistungen«, »Wettbewerbsrecht und -politik« sowie »Konvergenz der Medien« anbieten möchte.

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Hybridität als kulturelle Dominante im postmodernen Spätkapitalismus | 63 Statt eines einheitlichen Lenkungs- und Verteilungsprinzips setzen hybride Modelle in den verschiedenen ökonomischen Sphären auf unterschiedliche Steuerungsmechanismen, die je nach Erfordernis parallel zueinander arbeiten oder als Anreiz- und Ausgleichsfaktoren auch miteinander kombiniert werden können. Gegensätzliche, früher als unvereinbar gedachte Prinzipien sollen einander ergänzen und ihre jeweiligen Defizite kompensieren, um mehr Effektivität zu erreichen. Kurz gefasst lautet die strukturelle Frage daher: »Is capitalism hybrid now?« (Hutnyk 1997: 128). In »Empire« wird diese Frage eindeutig beantwortet: »Hybridisierung wird zum zentralen Merkmal und zur Bedingung für den Kreislauf von Produktion und Zirkulation« (Hardt/Negri 2002: 328), wobei die ökonomische Hybridisierung nur Bestandteil eines umfassenderen gesellschaftlichen Prozesses ist. Wenn Hybridisierung vielfältige gesellschaftliche Umwälzungen auslöst, dann kann sie als eine technisch-kulturelle Revolution theoretisiert werden. Hybridität kann über ihre diskursive Funktion als modisches Schlagwort hinaus als verallgemeinerbares Konstruktions- und Verwertungskonzept im Spätkapitalismus analysiert werden. Als Effekt dominanter Bewegungskräfte »ist Technologie nicht prima causa, sondern selbst Resultat von Kapitalentwicklung« (Jameson 1986: 78).10 In der Fortführung neo-marxistischer Ansätze hat Frederic Jameson ein Periodisierungsmodell zur Analyse kapitalistischer Kulturdynamiken vorgeschlagen, in der das kulturelle Feld nicht statisch oder holistisch begriffen wird.11 Entscheidend an einem solchen Analysemodell ist die Frage nach der Einbettung von technischen und kulturellen Phänomenen in globalgesellschaftliche Gesamtzusammenhänge. Dieser Ansatz hinterfragt gängige Annahmen und Prognosen zur Globalisierung: »As it is understood in the sociological literature on global culture, which is itself part of the ›postmodern turn‹, the problematization of liberal humanism, the flourishing of diaspora and hybrid identities, and the ›glocalization‹ of consumer culture all signal the postmodern ›end of meta-narratives‹« (Nash 2000: 48).

10 | Ausführlicher hat Jameson diese Analyse in »Postmodernism, or, The Cultural Logic of Late Capitalism« (1991) ausgeführt. 11 | Jamesons neo-marxistische Perspektive wurde maßgeblich durch Ernest Mandels Buch »Spätkapitalismus« (1972) beeinflusst. Während Mandel den unterschiedlichen kapitalistischen Entwicklungsstadien prägende technische Erfindungen zuordnet, erweitert Jameson diesen Ansatz um die kulturelle Dimension. Danach stellen Realismus, Moderne und die gegenwärtige Postmoderne die kulturelle Entsprechung zu den jeweiligen kapitalistischen Stadien dar (Jameson 1986: 78f.).

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Abgesehen von der Tatsache, dass die großen imperialen Meta-Erzählungen wie die Pax Americana, der Eurozentrismus oder auch der militante Glauben an die Segnungen des Kapitalismus eine dramatische Vitalisierung erfahren haben und z.T. durch strukturelle Machtverhältnisse in globalen Institutionen (GATS, IWF, MAI, WTO, UN etc.) zementiert werden, sind auch Ideologien wie Nationalismus, Rassismus und die Ethnisierung des Sozialen nach wie vor als gesellschaftliche Praktiken weltweit wirksam. Selbst wenn diese Machtverhältnisse durch Migration und transnationale Bewegungen fragmentiert werden könnten, bleibt doch eine Aporie der Postmoderne bestehen: Der Tod alter Paradigmen hat die Geburt einer neuen Meta-Narration im Namen der Unreinheit und Vermischung zur Folge. Als Gegenentwurf zu den Hegemonien in der realen Welt ist die Postmoderne ihrem Selbstbild nach hybrid strukturiert: »Wenn es um Analysen der postmodernen Gesellschaft geht, dann gehört das Hybride zu den charakterisierenden Merkmalen« (Schneider 1997: 13). Falls, wie Jameson behauptet, auch eine genealogische Beziehung zwischen Spätkapitalismus und Postmoderne besteht, dann kann Hybridität als die bisher fortgeschrittenste Ausformulierung der postmodernen Kondition unter den Bedingungen der Globalisierung analysiert werden. Nicht zufällig fällt Hybridisierung als universelle Kulturerscheinung mit einer global agierenden Verwertungslogik zusammen, die Jameson als »multinationaler oder Konsumkapitalismus« bezeichnet. Zusammengefasst ist zu fragen, wie kulturalistische Hybriditätsdiskurse eine kulturelle Dominante erzeugen, welche die »konstitutiven Merkmale der Postmoderne aufgreifen: eine neue Oberflächlichkeit (nach dem Verlust der ›Tiefendimension‹), die sich sowohl auf die zeitgenössische Theorie als auch auf die gesamte neue Kultur des Bildes oder des Simulakrums erstreckt; der daraus resultierende Verlust von Historizität […] (seine ›schizophrene‹ Struktur gibt […] neue Muster syntaktischer und syntagmatischer Beziehungen in den vornehmlich temporal operierende Künsten vor); weiterhin: eine völlig neue, emotionale Grundstimmung […]; eine fundamentale Abhängigkeit der genannten Phänomene von einer völlig neuen Technologie, die ihrerseits für ein neues Weltwirtschaftssystem steht« (Jameson 1986: 50). Angesichts der verfügbaren Literatur erscheint es in diesem Zusammenhang überflüssig, die deskriptiven Kennzeichen von Postmoderne und Globalisierung zu rekapitulieren. Hingegen ist es sinnvoll, Spätkapitalismus als eine profitabhängige Produktions- und Distributionsweise zu charakterisieren, die unter den transnationalen Marktund Machtbedingungen grenzüberschreitender Technologien und Bewegungen operiert. War die Kolonisierung der Lebenswelt durch die Ausbeutung der Natur und die Eroberung geographischer Räume für das Wachstum früherer Formen des Kapitalismus entscheidend, wird nun die Warenwerdung kultureller Expressionen immer wichti-

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Hybridität als kulturelle Dominante im postmodernen Spätkapitalismus | 65 ger. In der symbolischen Ökonomie virtueller Zeichen und Ressourcen hat sich der Warencharakter selbst verändert. Die Ware ist nicht mehr nur über ihre ehemalige Primärfunktion als materieller Gebrauchsgegenstand zugänglich, sondern wird immer stärker als Träger von Bedeutungen gebraucht und benutzt. Zumindest in diesem Punkt stimmen Kritische Theorie, neo-marxistische Ansätze à la Jameson, aber auch postmodernistische Ansätze von Baudrillard bis Lyotard bei unterschiedlichen Akzentsetzungen und Bewertungen in ihren Diagnosen überein (Hoppmann 2000: 20-23). Pointierter ausgedrückt: Spätkapitalistische Massenkultur geht in ihrer konsumtiven Verobjektivierung auf. Sie wird zur totalen Ware: »Geistige Gebilde kulturindustriellen Stils sind nicht länger auch Waren, sondern sind es durch und durch. Diese quantitative Verschiebung ist so groß, daß sie ganz neue Phänomene zeitigt« (Adorno 2003: 338f.). Dabei ist die »Transformation des ›Realen‹ in eine Vielzahl von Pseudoereignissen« (Jameson 1986: 93) – wie die Medialisierung und Digitalisierung zeigen – als Ausdruck eines gesellschaftlichen Verhältnisses zu begreifen, in der alles zur ›Kultur‹ geworden ist. Genauer gesagt: Jedes soziale Verhältnis lässt sich in einen kulturellen Ausdruck übersetzen. Angesichts der Entgrenzung des Kulturellen muss die moderne Überzeugung von der relativen Autonomie der Kultur überdacht werden. Globalisierte Kulturprozesse sind nicht im klassisch marxistischen Sinne eingleisig als reine Überbauphänomene der ökonomischen Basis zu fassen. Der radikale Funktionswandel von Globalkultur im Spätkapitalismus übersteigt in seiner Komplexität und Ambiguität jede dualistische Analyse, da die reziproken Abhängigkeiten und Kräfteverhältnisse zwischen den überlappenden ökonomischen, technologischen, ethnisierten, ideologischen und medialen Netzwerklandschaften (scapes) sich ständig verschieben (Appadurai 1990: 295-310). Tatsächlich ist der globalisierte cultural flow trotz kulturimperialistischer Einflüsse auch wesentlich ambivalenter, d.h. unberechenbarer und situativer zu denken, als die Kulturindustrie es planen kann und Adorno dachte. Die Ambivalenz und Vieldeutigkeit kultureller Praktiken ist dabei ein wichtiges Moment, weil sie immer Ausdruck von dissidenten und hegemonialen Artikulationen zugleich sein können. Ebenso wie unterschiedliche Lesarten entfalten auch interne Verschiebungen innerhalb kultureller Zeichensysteme durchaus unerwartete Wirkungen. In solchen Situationen haben wir es mit umkämpften Hybridisierungen zu tun. Wer die subversiven Potentiale kultureller Praktiken betont, geht implizit davon aus, dass Entwicklungen wie der Bedeutungszuwachs weltweiter Kommunikations- und Mediennetzwerke, die Ausweitung kulturalistischer Werbe- und Bewusstseinsindustrien oder die Beschleunigung zirkulierender Kapital- und Warenströme prägende Merkmale des Spätkapitalismus geworden sind. »Late capitalism extends commodification dynamics to virtually all

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realms of social and personal life, penetrating all spheres of knowledge, information, and the unconscious itself« (Best/Kellner 1991: 185). Hybridität als spätmodernes Update des Postmodernismus, der das unvollendete Projekt der Moderne entgegen seiner (uneinheitlichen) theoretischen Prämissen in vielen Bereichen nicht frei-, sondern ambitionierter fortsetzt (Welsch 1988: 1-43; 1991), re-aktualisiert die Haupteigenschaften der Postmoderne in Zeiten der kulturellen Globalisierung. Statt als Wiederkehr des Alten im frischem Gewand ist dieser Prozess der kulturellen Erneuerung adäquater in seiner Dialektik von Kontinuität und Diskontinuität zu verstehen. Das heißt, je weniger die Postmoderne einen Bruch der Moderne darstellt, desto mehr kann Hybridität als spätmoderne Logik angesehen werden, die die flexible Postmodernisierung des Kapitalismus durch Raum-ZeitVerdichtungen antreibt (Harvey 1989: 39-349). Die enge figurative Verzahnung von Hybridität und Postmoderne spiegelt sich nicht zuletzt in einer ähnlichen Diskursstruktur und -historie wider. Trotz einer Ausgangskonstellation, in der der Begriff »postmodern« – wie der heutige Schlüsselterminus »hybrid« – zunächst negativ besetzt war, konnte er in den USA in den turbulenten 1960er Jahren (Huyssen 1986a: 13-22) erst nach einer normativen Wende als »potentially avantgardist cultural configuration« (Smart 1993: 19) zum weltweiten Siegeszug durch das Kulturleben starten. Obwohl die Postmoderne eine Fragmentierung von meta-narrativen Kulturemblemen anstrebt, stimmen die meisten Analysen hinsichtlich ihrer Kernmerkmale mit Charakterisierungen wie dieser überein: »(i) future oriented, innovative temporal imagination; (ii) iconoclastic attack on the institution, organisation and ideology of art; (iii) technological optimism, bordering at times on euphoria; and (iv) promotion of ›popular culture‹ as a challenge to ›high art‹« (ebd.; vgl. auch Huyssen 1986a: 18-22). Postmoderne und Hybridität propagieren Fortschrittsoptimismus, Technikbegeisterung, Wertewandel und eine grenzenlose Populärkultur (vgl. auch Schneider 1997: 18f., 42-47, 56-58), die sich mit einer Attitüde gegen das Etablierte und Statische verbindet. In der bekannten Metapher »after the great divide« (Huyssen 1986b: VIII) kumuliert diese Positionierung zu einer revolutionären Geste der Überwindung, deren epochaler Anspruch sich durchaus auch in der Namensgebung ablesen lässt.12 12 | Entgegen anders lautender Einschätzungen wie etwa bei Wolfgang Welsch, der sich allerdings auf einen »präzisen Postmodernismus« (Welsch 1991: 2) bezieht und sich strikt von der »feuilletonistischen Postmoderne«

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Hybridität als kulturelle Dominante im postmodernen Spätkapitalismus | 67 Während die Moderne in ihrem obsessiven Streben nach totaler Homogenität und Ganzheit durch eine »anxiety of contamination« (ebd.: IX) geprägt ist, versucht die Postmodernität der »Sehnsucht nach dem Unmöglichen, […] [der] Suche nach neuen Darstellungen« (Lyotard 1988: 202) Geltung zu verschaffen, die in einem Verlangen nach der unaufhörlichen »Erzeugung von Vielheit« (Rademacher 1997: 143) einmündet. In kritischen Versionen wird der utopischemanzipatorische Gehalt dieser Forderung in seiner Funktion als mahnende Erinnerung an die Präsenz des Abwesenden oder Ausgeschlossenen artikuliert. Statt tagespolitischer Instrumentalisierung oder kultureller Funktionalisierung versucht Lyotard im Rückgriff auf die avantgardistische Moderne »das Gefühl dafür zu schärfen, daß es ein Undarstellbares gibt« (Lyotard 1988: 202). Die Notwendigkeit zur Klarstellung von ›Missverständnissen‹ und Okkupationen bezeugt auf der anderen Seite den Hang postmoderner Diskurse zum unkritischem Mischmasch (Welsch 1988: 30-32). Besonders Lyotard intervenierte gegen einen »zynischen Eklektizismus« der Kulturindustrie, in der Kultur sich der Logik des Kapitals sowohl freiwillig unterwirft als auch unfreiwillig unterworfen wird. Nach der Niederlage aufklärerischen Denkens ist »das Neue als Verkleidung des Immergleichen« (Adorno 1967: 62, zit. nach Rademacher 1997: 144) nur noch instrumentelles Stil- und Produktionsmittel, um die Eintönigkeit industrialisierter Kultur zumindest an ihren Fassaden durch kaleidoskopische Vielfalt aufzuheitern. Im postmodernen Diskurs sind kritische Stimmen gegen solche kolonialisierenden Formen der instrumentellen Vernunft eher in der Minderheit. Zu den wenigen zählt Lyotard, der den neuen Mischungen misstraut, weil sie im marktschreierischen Gewand der Innovation auftreten. Seiner Ansicht nach »fügt sich [das Innovative] nahtlos in die kapitalistische Reproduktionsordnung ein, bedient die Sucht des Marktes nach immer Neuem, kurzlebig Konsumierbaren. Die Innovation ist das Profitvehikel der kapitalistischen Marktreproduktion« (Lyotard 1987: 267, zit. nach Rademacher 1997: 145). Konditionierte Kulturbetriebe und kalkulierte Inszenierungen können kaum als Spielräume angesehen werden, die Widerstreit, Inkommensurabilität oder andere ästhetische Befreiungsverheißungen der Postmoderne zulassen. Seit ihren Anfängen ist die Postmoderne von der hybriden Idee der sozialen Grenzüberschreitungen und kulturellen Genrevermi(ebd.: 3) abgrenzt, ist der diffuse Diskurs um Postmoderne von Anfang an eng mit Diagnosen, Prognosen und Hoffnungen auf das Anbrechen einer »neuen Zeit« verzahnt. Bereits Lyotard eröffnete die Diskussion in »Das postmoderne Wissen« (1979) mit einer Perspektive, die im kulturellen Bereich von einem postmodernen Zeitalter ausging (Smart 1993: 32f.).

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schungen fasziniert (Docker 1994: 82-165). Ein aufdringliches Beispiel für die Suche nach neuen Spielmöglichkeiten und popkulturellen Kombinationen ist Leslie Fiedlers Aufsatz »Cross the Border – Close the Gap« (Fiedler 1988), der als theoretischer Gründungstext der literarischen Postmoderne erstmals 1969 im »Playboy« erschien. Ausgehend von solchen Kontexten wurde nicht zuletzt der Boden für heutige Diskurse über Kulturmischungen mental vorbereitet. In keiner anderen Disziplin ist die Postmoderne so unübersehbar wie in der Architektur, die ich aufgrund ihrer herausragenden gesellschaftlichen Relevanz herausgreife. Als eine visuelle Machtsprache und angewandte Massenkunst, die sowohl ganze Stadtquartiere einebnen als auch urbane Landschaften generieren kann, nimmt sie schon allein aufgrund ihrer omnipräsenten Wirkungen eine Sonderstellung ein. Der Architektur als Kunst der Raumgestaltung und -kontrolle kann sich keine menschliche Existenzweise in einer zivilisierten Welt entziehen. Sie strukturiert die soziokulturellen Räume unserer Alltagserfahrungen, und wie keine andere Kunstform wird ihre Realisierung durch Funktionalität und Kapitalabhängigkeit definiert (Jameson 1986: 49; Welsch 1988: 22). Trotz dieses Zugriffs definiert sich die Architektur auf der anderen Seite als eine hybride Kunst-Wissenschaft. Sie verfügt über eine unverzichtbare transdisziplinäre Ausrichtung, die einerseits offen für vielfältige Einflüsse aus allen Kunst- und Wissenschaftsbereichen ist und andererseits als Brückenkopf zwischen Kultur-, Human- und Naturwissenschaften fungiert. Diese Bedingungen waren wichtige Ausgangspunkte für die Etablierung »historizistischer« Pastichetechniken in der postmodernen Architektur.13 Infolge dieser Überlagerungen tritt die Semantik postmoderner Konstruktionen oft als spektakuläres Simulakrum auf, das eine »Kopie von etwas [darstellt], dessen Original nie existiert hat« (Jameson 1986: 63). Durch den Einsatz von beliebigen Oberflächenmixturen werden Vervielfältigungseffekte erzielt, die mit symbolischen Zitatelementen, Nachbildungen und Dekorationen aus unterschiedlichen Zeitepochen, Kultursprachen und Stilen angereichert werden (Welsch 1991: 14-25).14 Die kompositorischen Verdichtungen solch zusammengewürfelter Querverbindungen kreieren artifizielle Kulturzeichen und -räume, deren Codes und Texturen sich zu Landschaften postmoderner Urbanität materialisieren. Der Hang zur Beliebigkeit und Oberflächlichkeit, der Strukturfragen 13 | »Mit dem Begriff ›Pastiche‹ wird in der Postmoderne die Weiterentwicklung von Differenzierung und Entdifferenzierung in Formen von Hybridkreuzungen, Reintegrationen und Rekombinationen bezeichnet« (Hoppmann 2000: 29). 14 | Vgl. auch die Beiträge von Robert Venturi, Charles Jencks, Heinrich Klotz und Jürgen Habermas in Welsch 1988: 79-120.

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Hybridität als kulturelle Dominante im postmodernen Spätkapitalismus | 69 unberührt lässt, spiegelt sich nicht zuletzt im »(selbst)gefälligen Eklektizismus der postmodernen Architektur, die willkürlich und prinzipienlos, aber mit Gusto die architektonischen Stilrichtungen der Vergangenheit ausschlachtet und sie zu überstimulierten Formkompositionen zusammenfügt« (Jameson 1986: 64). Selbst bekennende Sympathisanten der Postmoderne sehen in solchen Konstellationen eine »omnipräsente Gefahr […] [des] oberflächliche[n] Eklektizismus. Potpourri und Disneyland sind die naheliegenden Verfehlungen der angestrebten Vielfältigkeit« (Welsch 1991: 23). Es ist symptomatisch, dass in sozial befriedeten Freizeitparks wie dem postmodernen Casino-Eldorado Las Vegas15 durch hybride Repräsentationen an der architektonischen Fassade ein Denkmal des Glamour-Kapitalismus erschaffen wurde, der die Illusionen des amerikanischen Traums gerade in den Augen der Ausgeschlossenen glorifiziert und überhöht. Zu diesem Kollektivtraum(a), der keine gesellschaftliche Entsprechung findet, gehört die trügerische Vorstellung von Offenheit, Unbegrenztheit und Leistungsfähigkeit. Es bleibt zu fragen, inwieweit die Privilegierung von Oberflächen und Ornamenten gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse stabilisiert, indem sie zur Verdrängung von Strukturfragen nach Zugängen, Bewegungsfreiheit und Kontrolle beitragen. Postmoderne Gebäudeensembles, die überdimensionierte Ausdrücke populärer Vorstellungen von Hybridkulturen als beliebigen Kulturenmix und Pastiche darstellen, dürften einen nicht zu unterschätzenden Langzeiteinfluss auf unsere Wahrnehmungsweise der sozialen Welt haben. Schließlich gehört die Architektur wie das Kino zu jenem Bereich der Bildproduktion, deren Images in der globalisierten Medienwelt nicht nur zur sekundären Realität geworden sind, sondern als Simulakrum die gelebte Welt immer mehr zu überblenden droht.

15 | So wenig es ein Zufall ist, dass die sozio-ökonomische Funktion sich in der postmodernen Architektur von Las Vegas widerspiegelt, so wenig kommt es von ungefähr, dass die Ära des urbanen Postmodernismus mit dem Manifest »Learning from Las Vegas« (1972) von Robert Venturi, Denise Scott Brown und Steven Izenour eingeleitet wurde (Docker 1994: 82-89).

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Popkulturelle Verwertungen und die Warenförmigkeit von Otherness

Viele gegenwärtig kursierenden Kulturvermischungsmodelle, die unter den unterschiedlichsten Labels um Marktanteile konkurrieren, greifen hybride Tendenzen der Postmoderne auf und erweitern ihr buntes Angebotsrepertoire durch die Einbindung migrantischer und außereuropäischer Kulturen. Während sich die erschöpfte Postmoderne auf die Synthese soziokultureller Klassengrenzen innerhalb »weißer« Gesellschaften beschränkte und letztlich eurozentriert blieb (Docker 1994: Kap. 2; Huyssen 1986a), ist die spätkapitalistische Kulturindustrie heute zur verschärften Integration von Blackness und anderen konstruierten Formen ethnisierter Andersheit (Othering) in die transnationale Ökonomie übergegangen. Dabei besteht die Gefahr, dass die Bedeutung von Kultur zu einer manipulativen »bricolage of artificially designed capitalist consumer objects – a feature of late capitalism« (Werbner 1997: 4) – reduziert wird. Solche Tendenzen haben sich durch die Globalisierungsschübe in den letzten Jahrzehnten sichtbar verstärkt (Nederveen Pieterse 1998). Exemplarisch können diese Verschiebungen auf der Ebene der filmischen Science-Fiction-Epen visualisiert werden, die in der kommerziellen Populärkultur den Status von Meta-Narrationen haben. Als phantastisches Genre bringen ihre Szenarien Ängste und Sehnsüchte der westlichen Gegenwartskultur als Zukunftsprojektionen zum Ausdruck. Einer der prägendsten Kinomythen wurde durch George Lucas’ religiös ausgeschmückte »Star Wars«-Trilogie (1977) geschaffen, deren Skript Ende der 1960er Jahre in den Anfängen der literarischen Postmoderne entstand. Nicht nur vom Format und Design her repräsentiert diese Filmserie ein postmodernes Weltraum-Rittermärchen »mit Stilelementen des Western, des Abenteuerfilms und der Komödie […] [, das] populäre Erzählmuster der Trivialkultur und des Comic

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Strips mit revolutionärer Trickfilmtechnik [verbindet]«.1 Ebenso typisch für den Mainstream in der postmodernen Kultur ist auch die Thematisierung von mannigfachen Grenzüberschreitungen bei Beibehaltung einer eurozentrierten Perspektive. Wie so oft erscheinen nur Weiße als Subjekte, während Nicht-Weiße in der Zukunft entbehrlich zu sein scheinen, da ihre gesellschaftlichen Funktionen und ihre kulturelle Stereotypisierung auf Roboter und Außerirdische übertragen werden.2 Im Vergleich dazu sind die heutigen Erfolgskonzepte mit ihrem kalkulierten Mix aus mythischen, multireligiösen und transkulturellen Bezügen so weit optimiert, um als global seller ein heterogenes Publikum anzusprechen. Der »Postmoderne-Fetisch der achtziger Jahre« (Huyssen 1986a: 13) ist anscheinend durch eine »current fascination with cultural hybridity« (Werbner 1997: 1) abgelöst worden. Das weitgehend digital generierte »Matrix«-Universum ist ein Beispiel dafür. Die Matrix ist ein verwobenes Macht- und Versorgungsnetz. Wie ihr Name besagt, ist sie einerseits ein errechnetes Ordnungsmodell, andererseits definiert sie sich aber auch als ein Hybridmodell, das eine »Grundsubstanz [darstellt], in die ein anderer Stoff eingebettet ist« (Bertelsmann 1996: 636f.). Sie scheint in mehrfacher Hinsicht eine Metapher für eine spätkapitalistische Hybridität zu sein. Die »Matrix« (1999) wurde von ihren Schöpfern Andy und Larry Wachowski so überreichlich mit multikulturellen Staffagen und Randfiguren ausgestattet, dass dieses Film-Setting einer Zitatensammlung aus dem 1 | Lexikon des internationalen Films 2000/2001 (CD-ROM), Art. »Krieg der Sterne«. 2 | Mit Ausnahme des »schwarzen« Darth Vader (Dark Invader), der das absolute Böse personifiziert, werden in »Star Wars« Nicht-Weiße nur indirekt über stereotypische Rollen repräsentiert. So stehen außerirdische Charakteren wie der Orang-Utan-ähnliche Chewbacca für den primitiv-aggressiven Schwarzen, der unfähig ist, sich zu verständigen. Der Zwerg Yoda verkörpert dagegen den todkranken Tao-Meister, dessen Stärke und Macht der Vergangenheit angehören und dessen Schicksal sich erfüllt, sobald er sein Wissen an den »weißen« Nachfolger übergeben hat. Die Roboter übernehmen indessen die typischen Rollen von komischen oder untergebenen Schwarzen in Hollywood-Filmen. Während C-3PO im Stil von Eddie Murphy oder Chris Tucker den gerissenen, linkischen, zuweilen auch feigen Dauerredner mimt, tritt R2D2 als loyaler und aufopferungsvoller Sklave ohne Ich-Bewusstsein auf, dessen Lebensziel sich darin erschöpft, Master Luke zu dienen. Respektable Figuren wie Obi-Wan Kenobi oder Qui-Gon Jinn sind zwar japanisch bzw. chinesisch assoziiert, werden aber mit »weißen« Schauspielern besetzt. Der fernöstliche Flair verleiht der dem Yin-Yang-Prinzip entlehnten Machtphilosophie der Jedi-Ritter Mystik und Authentizität und erinnert daran, dass »Star Wars« nur ein Remake von Akira Kurosawas Klassiker »Die verborgene Festung« (1958) ist.

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Popkulturelle Verwertungen und die Warenförmigkeit von Otherness | 73 Kulturschatz der Weltgeschichte gleichkommt. Solche Konglomerate haben museale Vorläufer, die meist in kolonialen Raubzügen erbeutet oder durch Kapitaltransfer in berauschenden Einkaufsorgien akkumuliert wurden. Das transkulturelle Portfolio von »Matrix Reloaded« (2003) soll über 400 Verweise enthalten. In dieser Zitatenkaskade zählen neben britischen, US-amerikanischen, postmodernen, popkulturellen und futuristischen vor allem alt-orientalische, alt-ägyptische, antike, christliche, jüdische, buddhistische und afro-amerikanische Figurationen zu den auffälligsten Anspielungen. Durch die Akquisition fernöstlicher Kampfchoreographien und die bildästhetische Integration japanischer Anime-Elemente konnten die technischen Filminnovationen des Digitalkinos noch effektvoller umgesetzt werden.3 Als ansprechendes High-Tech-Hochglanzprodukt kann es unerreichte technische Maßstäbe mit ästhetischen Akzenten kombinieren, die spektakuläre Bilder in Szene setzen. Zugleich wird eine gesellschaftskritische Attitüde mit einem komplexen Science-Fiction-Design verwoben, dessen Schnittmenge einen Mehrwert ergibt, der weltweit sowohl intellektuell Interessierte als auch das Actionpublikum unter den Zahlungskräftigen anspricht. Diese unterschiedlichen Mischungen haben »Matrix« zu einem der kommerziell erfolgreichsten Unterhaltungsshows in der Geschichte Hollywoods gemacht. Aufgrund des intermedialen und transkulturellen Produktdesigns wurden sowohl die bisherigen Dimensionen in der internationalen Zusammenarbeit erweitert, als auch unerprobte Wege beim parallelen Cross-Marketing und Produkt-Placement beschritten. Auch wenn der abschließende dritte Teil »Matrix Revolution« nicht wie ursprünglich geplant bereits nach vier Wochen, sondern ›erst‹ sechs Monate nach dem Start des zweiten Teils anlief, ist diese serielle Verdichtung der Produktionszyklen in der kommerziellen Kinogeschichte bisher beispiellos. Trotz des Anscheins kultureller Dezentrierungen und der gleichberechtigten Einbeziehung des Anderen – symbolisiert durch ein »rassisch« uneinheitliches Führungsduo (Laurence Fishburne als »schwarzer« Morpheus und Keanu Reeves als Erlöser Neo) – findet tatsächlich eine zweifache Selbstaufwertung des gesellschaftlich Dominanten statt. Zum einen wertet die Integration von multikulturellen Attributen und Hintergründen das damit beworbene Produkt als tolerant, progressiv und kulturell diversifiziert auf. Zum anderen privilegiert »Matrix« in einer Kontinuität zu Serien wie »Stars Wars«, »Star Trek«, »Perry Rhodan« und »Kampfstern Galactica« letztlich die Identität »weißer« Männer.4 Sie werden einmal mehr als sympathische 3 | Ein anderes ›Filmgenie‹ des postmodernen Kinos ist Quentin Tarantino, dessen Obsessionen für Gangsterfilme aus Hong Kong und das Samurai-Genre sich übersehbar in »Pulp Fiction« und »Kill Bill« wiederfinden. 4 | Wie in »Star Trek« wird auch in »Matrix« die männliche Dominanz

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und selbstlose Helden mit überlegenen Fähigkeiten präsentiert, die die Welt befreien oder retten. In einer geschichtsklitternden Perspektive wird suggeriert, dass »weiße« Männer als »Auserwählte« das historische und moralische Recht haben, sich die Geheimnisse außereuropäischer Kulturen anzueignen, da ihr Vorteil der Vorteil aller Menschen sei. Verglichen mit dieser ausgeklügelten Filmphilosophie wirken Konzepte, die wie »Men in Black« (Will Smith/Tommy Lee Jones) oder »Rush Hour« (Jackie Chan/Chris Tucker) lediglich »rassisch« gemischte Heldenduos präsentieren, altbacken und unterkomplex. Nichtsdestotrotz sind auch diese Modifikationen erfolgreich, um durch diversifizierte Identifikationsmöglichkeiten unterschiedliche Publikumspräferenzen in gespaltenen Märkten besser auszuschöpfen. Oft wird diese Multiethnizität gerade durch ethnische Stereotypisierungen und geschlechtsspezifische Rollenklischees erreicht, da von dieser tradiertem Basis aus »Witze« und Wiedererkennungseffekte als orientierende Parameter der Unterhaltung leichter hervorgerufen werden können (Raeithel 1996). Künstlerisch interessanter sind die Experimente der Hollywood-Industrie etwa mit Ang Lee, der sich am Anfang seiner Karriere durch Spartenfilme über chinesisch-amerikanische Migranten und Migrantinnen wie »Pushing Hands« (1991) oder »Das Hochzeitsbankett« (1992) einen ausgezeichneten Ruf erwarb. Neben seinen künstlerischen Fähigkeiten und handwerklichen Kompetenzen ist es auch der unübliche, befremdende wie spannende Blick des Migranten, der zu den Erfolgen seiner Hollywood-Produktionen beiträgt, die bis dato als heilige Domäne »weißer« Filmemacher galten. So gelungen Filme wie »Der Eissturm« (1997) über die Krise der westlichen Mittelstandsfamilie oder die Verfilmung des viktorianischen Jane Austen-Romans »Sinn und Sinnlichkeit« (1995) auch sind, über Auftragsvergabe und Erfolg entscheiden letztlich immer noch Produktionsfirmen, Verleiher und Kritiker, in der vorwiegend einflussreiche »weiße« Männer eine dominierende Stellung einnehmen. Die Ungleichzeitigkeiten und Widersprüche im Spätkapitalismus generieren durch Ungleichheiten und Ausschlüsse privilegierte Räume, in denen produktive Zugänge zur postmodernen Konsumkultur eröffnet werden. Dabei ist es »wichtig, ›Postmoderne‹ nicht als Stilin der »weißen Präsenz« durch multikulturelle Beigaben angereichert. Interessant ist jedoch, dass Thomas Anderson/Neo vom Publikum meist als »weiß« identifiziert wird, obwohl Darsteller Keanu Reeves über einen gemischten Background verfügt. Seine Otherness geht anscheinend als Whiteness mit einer anregenden, d.h. tolerablen Nuance von Otherness durch, so dass seine kulturelle Diversität letztlich dazu dient, die »weiße« Repräsentation der Zentralfigur aufzuwerten. Daher können weder Laurence Fishburne (zu schwarz) noch Anthony Wong (zu asiatisch) Neo (›Der Neue‹) repräsentieren.

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Popkulturelle Verwertungen und die Warenförmigkeit von Otherness | 75 richtung, sondern als kulturelle Dominante zu begreifen: eine Konzeption, die es ermöglicht, die Präsenz und Koexistenz eines Spektrums ganz verschiedener, jedoch einer bestimmten Dominanz untergeordneter Elemente zu erfassen« (Jameson 1986: 48). Während Dominanz in der Moderne von allem in Form repressiver Machtartikulationen erfahrbar war, betonen Machtverhältnisse in der Postmoderne – besonders wenn sie künstlerisch oder kulturell argumentieren – die kreativen Aspekte der Produktivität und Unabschließbarkeit (Foucault 1997), die durch die Anerkennung des Anderen und polysynthetische Melange ermöglicht werden. Eben diese postmoderne Form der Dominanz charakterisiert das kontemporäre Hybrid-Mainstreaming, in der Kreolisierung vermischt mit Exotisierung längst als Formensprache der Pop- und Konsumkultur in den Zentren angekommen ist (vgl. die Beiträge in Mayer/Terkessidis 1998). Der Übergang dieser Entwicklung zu einer Rekolonialisierung der gesellschaftlichen Ränder ist als Gefahr evident, da die ethnisierte Marginalität auch nach ihrer ästhetischen Aufwertung oftmals nur als migrantische Ressource, als Rohstofflager und Impulsgeber dient. Das imposante Absorptionspotential der transglobalen Kulturökonomie zur Flexibilisierung tradierter Dominanzverhältnisse zeigt sich besonders eindringlich im Musikgeschäft. Seit Jahrzehnten ist ein anhaltender, in den letzen Jahren kaum überschaubarer Trend zur Hybridisierung von Musikerzeugnissen in allen Sparten der populären als auch der ›ernsthaften‹ Unterhaltung zu verzeichnen. Durch Mixing, Remix, Sampling, Blending, Scratching sowie vielen anderen Verfremdungs- und Überlagerungstechniken werden heute die verschiedensten auditiven Stilmischungen aus den unterschiedlichsten kulturellen Räumen zusammengeführt. Nicht nur subkulturelle Strömungen und Club-Szenen, auch die Trends der Mainstream- und Popkultur werden heute wesentlich durch HipHop, Black Music, Reggae, Weltmusik, Ethnopop, Crossover und vielen sich saisonal abwechselnden Modeerscheinungen wie Bhangra-Sounds, Son, Calypso oder Oriental-House beeinflusst, die sich allesamt aus unterschiedlichen musikalischen Stilrichtungen zusammensetzen. Wenn es ein postmodernes anything goes gibt, dann trifft es am ehesten auf die Grenzenlosigkeit musikalischer Elaborate zu. In keiner anderen Industrie ist die Hybridisierung von Sounds und Rhythmen so sehr zur kulturellen Dominante mutiert, so dass sie als Standardverfahren paradoxerweise zu einer normierten Diversifizierung zu werden droht (Hutnyk 2000). Die moderne Reinheit des Erhabenen, das früher als authentischer Ausdruck des einsamen Genies galt, könnte dann vom Zwang zur interkulturellen Mischung abgelöst werden. Diese industrialisierte Pluralität ist gezwungenermaßen begrenzt, da sie andere Formen außerhalb des dann zulässigen Spektrums ausgrenzt. Auf der Suche nach neuen Perspektiven und Innovationen im

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globalisierten Kapitalismus wird der Hybridfaktor zunehmend als viel versprechendes Schlüsselelement zur Herstellung und Veredelung von kulturellen Konsumprodukten entdeckt. Geschmacksverfeinerungen, Abwandlungen und Variationen sind wirksame Möglichkeiten, bestehende Märkte auszuweiten und neue zu generieren (Crook et al. 1992: 52-55). Durch Hybridisierung kann die Sättigungsgrenze von Märkten immer von neuem durchbrochen werden. Der fein dosierte Einsatz flexibler Mischungsverhältnisse kreiert neue Warenarten und Medien, deren Produktattraktionen und Marktnischen neue Produktions- und Konsumtionszyklen in immer schnellerer Abfolge stimulieren (Nash 2000: 60; Harvey 1989: Kap. 3.). Für die Kulturindustrie könnte Hybridität durchaus ein geeignetes Mittel sein, um sich dem ultimativen Ziel einer endlos profitablen Verwertungsmaschine anzunähern. Im Kontext einer Postmoderne, in der die kulturelle Produktion virtueller Güter im Verhältnis zur Herstellung materieller Waren erheblich an Bedeutung gewinnt, stellt Hybridisierung ein wichtiges Mittel der Produktdiversifizierung und Marktausweitung dar. Gerade die ›rebellische‹ Popkultur ist ein Paradebeispiel für einen spätkapitalistischen Marktzyklus und eine Produktionsweise, deren sich beständig verkürzende Produktions- und Konsumtionsschleifen zu einer beschleunigten Akkumulation von Verwertungsprozessen führen. Die popkulturelle Ökonomie gleicht dabei einem sich fortlaufend neu erschaffenden und sich dabei permanent reproduzierenden Perpetuum mobile, das in seinem Geschwindigkeitsrausch heiß gelaufen ist und mit wachsender Rotation steigende Verkaufsrekorde erzielt. Auch wenn kulturelle Hybridisierung als Verwertungstechnik an der Hoffnung auf einen nimmermüden Goldesel scheitern sollte, ist seine Innovationskraft für die kulturindustrielle Warenwerdung nicht zu unterschätzen. In der Musikproduktion nutzen Techniken des Sampling, Cut’n’Mix und des Remix altes Archivmaterial als Grundlage für Abwandlung und Vermischung.5 Solche Produktionsverfahren 5 | Hybridmusik kann im Pop sehr viele unterschiedliche Zutaten, Ausrichtungen und Arbeitstechniken beinhalten – wie diese exemplarische Zugänge verdeutlichen. Zu den Trendsettern im Pop-Diskurs zählten in den letzten Jahren Künstler/-innen wie die kalifornische Crossover-Band »Linkin Park«, die bei ihrer Gründung noch »Hybrid Theory« hieß. Um Rechtsstreitigkeiten und Verwechslungen mit einer gleichnamigen Band zu vermeiden, benannten sie sich um und tauften stattdessen ihr 14-millionenfach verkauftes Debütalbum programmatisch auf den Namen der abgelegten Gruppenidentität. Nach »Hybrid Theory« (2000) folgte »Meteora« (2003), dass den »Grenzgang zwischen Metal, HipHop und Elektronika eine Spur weiter [führt] – mit wuchtigen Stakkato-Gitarren, hypnotischen Beats und stimmungsvoller Schwarzmalerei. Ein Bastard aus Härte und Melodie, zügelloser Power und atmosphärischer Pop Noir« (World of Music Journal 4/2003: 17).

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Popkulturelle Verwertungen und die Warenförmigkeit von Otherness | 77 und Mehrfachverwertungen senken die Produktionskosten und erhöhen die Gewinnpotentiale erheblich. Indem neue Techniken neue ästhetische Vorstellungen und Stile hervorbringen, werden gleichzeitig neue Begehrlichkeiten und Konsummöglichkeiten produziert. Wie Scott Lash und John Urry in »Economies of Signs und Space« (1994) betonen, hat der postmoderne Kapitalismus die Ökonomie kulturalisiert. Ihr Fokus »leads them to place culture and symbolic value at the center of their analysis. In their view, economy is now based primarily on the circulation of signs: the cognitive signs that are informational goods and the aetheticized signs of what they call postmodern goods such as media producers, leisure services, and designer products« (Nash 2000: 62). Aus dieser Perspektive kann Hybridisierung nicht nur als postmodernes Sinnbild der ›gelungenen‹ Integration von Differenz, sondern auch als fortgeschrittenes Instrument der Warenwerdung kultureller Differenzen begriffen werden. Der symbolische Wert von Hybridität bemisst sich an seiner Fähigkeit, Vermischungseffekte positiv aufzuladen und als wirksame Werbebotschaft einzusetzen, so dass sein Image von einer Aura des Phantastischen umhüllt wird. Für die kommerzielle Vermarktung ist ein innovatives Image äußerst wertvoll, so das dieses positive Label bei der Markteinführung von kapitalintensiven Produkten nochmals gesteigert wird. In der um AufmerksamEine andere Vorstellung musikalischer Hybridisierung verwirklichte Manu Chao, der als Sänger der Formation »Mano Negra« bekannt wurde, auf dem Album »Clandestino« (1998). Im CD-Booklet wird sein Musikstil beschrieben als »a hybrid mixture of the Spanish, English and French languages that contains refreshing and infectious rhythms«. Zum Konzept des Hybridpop heißt es dort weiter: »It is a record in transit and also much more. Clandestino’s pop sensibilities combined with a distinct political flavor create a sharp, subversive musical landscape that will leave the listener discovering more with each play.« In dieser Vorstellung ist nicht nur die Verschiebung und Neuzusammensetzung linguistischer und musikalischer Kompositionen jenseits abgeschlossener Sprach- und Kulturräume hybrid, sondern auch das Aufbrechen der gewohnten Trennung zwischen Konsum und Politik. Daneben hat sich im Bereich der elektronischen Musik mit »Hybrid« ein Netzwerk von Remixern und DJs etabliert. Ihr Kult-Status ermöglicht es ihnen, mit so bekannten Musikern und Musikerinnen wie Moby und Alanis Morissette zusammenzuarbeiten, um durch Recycling neue Klangcollagen zu erzeugen. Ein weiterer Trend bei der Hybridisierung der Popmusik ist der sog. Bastard-Pop, bei dem Fragmente aus unterschiedlichen Liedern, die oft vollkommen verschiedenen Musikrichtungen angehören, durch Techniken der Überlagerung, des Loopings und des Cut’n’Mix zu einem neuen Stück arrangiert werden.

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keit ringenden Sprache der Marketing- und Werbestrategen wird dazu auf einen Pool von Superlativen rekurriert, um Hybridmerkmale zur Geltung zu bringen. Die Beschwörung der visionären Innovationskraft des Hybriden, das noch nie Dagewesenes repräsentiert, trägt durchaus die quasi-religiösen Züge des naturwissenschaftlichen Fortschrittsglaubens und der Heiligenverehrung in sich. Diese kulturellen Aufladungen maximieren sowohl den Tauschwert als auch den Fetischcharakter der Ware. »The metaphysical significance of the commodity lies in the fact that it externalizes the products of human labour from the labourer […] As [the commodities] become objects external so the self, commodities receive a significance previously given only to religious objects […]. Modern culture is […] afflicted by commodity fetishism« (Crook et al. 1992: 8). Der Fetischcharakter intensiviert sich im transnationalen Kapitalismus, da Hybridkulturwaren nicht nur Produkte der materiellen, sondern auch der kulturellen Fremdaneignung symbolisieren. In dem Maße, in dem Hybridität die Aneignungsmöglichkeiten des Kapitals und des dominanten Mainstreams vom materiellem Feld des Gebrauchswerts auf das imaginative Feld des Tauschwerts überträgt und die Möglichkeiten des symbolischen Konsums ausweitet, wird sie zu einem magischen Codewort stilisiert. Sie wird zur Metapher des Allmachbaren, zur halluzinatorischen Soma der Postmoderne erhoben, in der die bisherigen Beschränkungen durch einen Vorstoß in neue unentdeckte Dimensionen aufgebrochen werden. Hybridität stellt ein postmodernes Versprechen dar, das den imperialen Glauben an eine Welt der unbegrenzten Möglichkeiten auf eine paradoxe Art reanimiert. Ein Blick auf die eurozentrierte Geschichte der USA zeigt, dass ihr Aufstieg von einer englischen Kolonialprovinz zum vermeintlichen Weltzentrum menschlichen Fortschritts schwerlich ohne die Ideologie des amerikanischen Traums als kapitalistischen Urmythos und multikulturellen Transmissionsriemens zur ungehemmten Entfaltung aller Produktivkräfte möglich gewesen wäre (Leggewie 2000: 886).6 Expansives Wachstum gilt nach wie vor als beste Krisenvorsorge für die kapitalistische Weltwirtschaft unter westlicher Führung. In diesem Rahmen kann Hybridisierung durchaus einen bedeutsamen Beitrag leisten, um die Grenzen des Wachstums weltanschaulich und produktionstechnisch durch ungebremsten Fort6 | Diesen Sachverhalt schien die kürzlich verstorbene Susan Sontag bei ihrer Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels anzusprechen: »Es gehört zum Genius der Vereinigten Staaten, […] dass sie eine Form von konservativem Denken entwickelt haben, die das Neue und nicht etwa das Alte feiert« (zit. nach Jähner 2003: 11).

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Popkulturelle Verwertungen und die Warenförmigkeit von Otherness | 79 schrittsoptimismus und grenzenlose Aneignung kultureller Differenzen zu kompensieren. »Ästhetische Produktion ist integraler Bestandteil der allgemeinen Warenproduktion geworden. Der ungeheure ökonomische Druck, immer neue Schübe neuer Waren […] mit steigenden Absatzraten zu produzieren, weist den ästhetischen Innovationen eine immer wichtiger werdende ›strukturelle‹ Aufgabe und Funktion zu« (Jameson 1986: 48f.). In diesem Zusammenhang können hybride Kulturprodukte als ökonomischer Reflex auf die fortschreitende Transnationalisierung und Flexibilisierung eines glokalisierten Kapitalismus gesehen werden, der aus dem Zusammentreffen von lokalen und globalen Kontexten Neues generiert. Neben den bedeutenden Vermarktungsvorteilen und Innovationspotentialen kann die Entdeckung und Aneignung des hybriden Anderen auch als Marktreaktion auf einen populistischen Multikulturalismus gewertet werden, der eine exotisierende Konsumkultur propagiert. Im Gegensatz zu den Jahrzehnten, in denen die kulturellen Einflüsse von 1968 noch nachwirkten, laden die Anreize kultureller Hybridwelten heute zum erstrebenswerten Konsum ein. Konsum wird mittlerweile durchgängig mit Genuss und Inklusion gleichgesetzt und ist nicht mehr mit dem Makel der bornierten Abstumpfung und Spießigkeit behaftet. Durch Konsumtion zeigen Individuen an, dass sie dazugehören und auch zeitgemäß, jung, aktiv und kosmopolitisch leben. Hybridkonzepte werden zunehmend als integraler Bestandteil postmoderner Lebensräume entworfen, in der die moderne Wertigkeit, die in der klassischen Trennung zwischen seriöser Hoch- und unterhaltsamer Massenkultur lag, aufgehoben ist (Featherstone 1991: 84-94). Ob in Form aufregender Mixkulturen und lustgewinnender Lebensstile oder schicker Produkte – zur Hybridität verschmolzene Differenz tritt heutzutage als verkäufliches Kulturprodukt und aneigenbare Lifestyletechnik in einer transkulturellen Konsumwelt auf, in der sie als ebenso fortschrittlich wie als exotisch bereichernd empfunden wird (vgl. die Beiträge in Howes 1996). Dies trifft nicht nur auf kulturelle Repräsentationen, sondern auf alle Produkte zu, die Imaginationen verkaufen. Das Repertoire kann von Fernreisen, gastronomischen Erlebnissen, sexuellen Dienstleistungen, Parfüm, Kleidung, Genussmitteln bis zu so banalen Dingen wie Schokoriegeln reichen. Dadurch wird exotisierte Hybridität im Alltag in erste Linie als ästhetisierende Kulturtechnik zur Erweiterung jenes Selbst eingesetzt, das seine dominante Position durch eine selektive und kontrollierte Aneignung des Anderen aufwerten kann. Durch ökonomische Integration und kulturellen Anschluss migrantischer Ressourcen erhalten dominante Identitätsformen mehr Verfügungsoptionen und Spielräume, wodurch sie sich – kollektiv wie

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individuell – umso leichter als offenes Gesamtkunstwerk imaginieren können.7 In einem Mix aus fröhlichem Hedonismus und ästhetischer Produktivität rufen hybride Kulturformen in seltener Einmütigkeit sowohl bei gesellschaftlichen Eliten als auch beim Massenpublikum meist wohlwollendes Interesse bis begeisterte Reaktionen hervor. Für den »hybriden Konsumenten«, der sich über ein größeres Angebot freut, wie für die daran beteiligten Industrien bedeuten diese Novitäten kulturelle Bereicherung und Steigerung des eigenen Hipnessfaktors gepaart mit ökonomischer und symbolischer Profitabilität. Florierende Schlagwörter wie »Ethno-Look«, »ethnisches Marketing« oder »interkulturelles Management« zeigen in den letzten Jahren eine wachsende Ökonomie der Ethnisierung an. Das Interesse am ethnisch Anderen hat ausgehend von alternativen Minderheiten längst den gesellschaftlichen Mainstream erreicht. Kulturell-religiöse Zeichen und ethnisch-nationale Symbole werden immer stärker als bedeutungsvolle Kategorien erachtet, die über wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Lange wurden Migranten und Migrantinnen – entsprechend ihrer sozialen Stellung – nicht beachtet. Inzwischen wird ihr Wirtschaftspotential anerkannt, und einige Telekommunikations- sowie Pharmaunternehmen versuchen, sie als Zielgruppen in spezialisierten Märkten anzusprechen. Noch wichtiger ist es aber, Produkte für den »weißen« Mainstream mit einem kulturellen Mehrwert auszustatten. Die dadurch ermöglichte Konsumbefriedigung geht über funktionale Aspekte hinaus und umfasst auch die imaginativen und emotionalen Bedeutungsaufladungen des gewünschten Produkts, das die Verfügbarkeit von Vergnügen und die Erfahrbarkeit von Verlangen verspricht (Featherstone 1991: 13-16). Transglobale Hybridkulturen, die urbane Multikulti-Mischungen im zugänglichen Lokalkolorit servieren, werden dann als chic und erregend erlebt, wenn sie erheiternde »multirassische« Ethno-Komödien à la »Erkan & Stefan« oder bunte Partyshows mit Musik- und Tanzeinlagen – etwa im Stil der diversen Popstars-Castingserien – darbieten. Diese Instrumentalisierung des Anderen reduziert ihn zu einem Bedeutungsträger, der die Geschmacksnoten ›funky-fresh‹ oder ›exotisch-erotisch‹ bedienen muss, um im Geschäft zu bleiben. Der Vermischungsdiskurs kann ethnische Stereotypen verstärken, die an der kulturellen Konsumtion der zugeschriebenen Authentizität des 7 | Diese Ungleichzeitigkeit zwischen Inklusion und Exklusion besteht auch in der Public Relations-Kampagne »Marke Deutschland«, die vom GoetheInstitut mit einigen Werbeagenturen initiiert wurde, um ein modernes, offenes, vor allem global konkurrenzfähiges Deutschland zu präsentieren. Noch deutlicher tritt die Missrepräsentation des Anderen beim Berliner »Karneval der Kulturen der Welt« auf. Ausführlicher im Kapitel »Umkämpfte Hybridisierungen«.

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Popkulturelle Verwertungen und die Warenförmigkeit von Otherness | 81 Anderen gebunden sind. Skeptische Positionen verweisen darauf, dass ethnisch-kulturelle Festschreibungen und Fetischisierungen durch den Hybriditätsdiskurs nicht unterlaufen oder abgeschwächt werden (Friedman 1997: 78f.). Im Zentrum der Popkultur steht ein Begehren nach »Fun«, »wilde[r] Kreativität«, »radical chic«, »geheimnisvolle[r] Exotik« (Hutnyk 1997: 117-120) und das ambivalente Ideal der »gemischt rassischen Schönheit« (Holert 1998). Solche Imagewerte und Wünsche sind nicht überraschend. Schließlich bildet die Konstruktion von nationalen Kulturen und Ethnien die Voraussetzung für einen Diskurs der grenzauflösenden Fusionen. Während Negativbilder der diskursiven Abgrenzung dienen, werden positive Kulturbezüge als Quelle für die bereichernde Harmonierung kultureller Differenzen benötigt. Mit der Ethnisierung und Exotisierung steigt das Bedürfnis nach authentischen Repräsentanten der Hybridisierung. Dieser Effekt hat zur neuen Sichtbarkeit von Migrantinnen beigetragen, da dadurch gesellschaftliche Bedürfnisse befriedigt wurden. Migrantische Akteure und Akteurinnen können zwar ihre Ideen, Perspektiven und Erfahrungen limitiert in den hochselektiven Diskurs- und Produktionsprozess einbringen. Aber sie sind nicht diejenigen, die die Entscheidungsmacht über Zugang, Auswahl oder die Definition von Qualitätskriterien haben. Ihre bereichernde Präsenz auf der massenmedialen Repräsentationsebene beschränkt sich vornehmlich auf die Darstellung von Formenvielfalt, trifft aber nur in begrenztem Maße auf die Festlegung und Vermittlung von Inhalten und Perspektiven zu. Noch seltener führt die Repräsentation des Anderen in solchen Kontexten zur Sichtbarmachung von Macht- und Verteilungsfragen. Erschwert wird dieses Problem dadurch, dass Einfallsreichtum und Kreativität im massenmedialen Kulturbetrieb nicht selten als instrumentelle Freiheit zur Erzeugung von ästhetischen Genüssen verstanden wird. Ein solches künstlerisches Selbstverständnis bedient die Interessen der Kulturindustrie nach Erzeugung von Gefälligem. Kritische Perspektiven können in einem System, das von verwertbarer Unterhaltung abhängt, oft nur als Alibi-Nischenprodukte überleben – oder sie werden durch marktförmige Anpassung und Vermarktung von revolutionären Gesten pazifiziert.8 Dieses strukturelle Problem findet sich in unterschiedlichen Ausformungen in allen Bereichen der Kulturindustrie wieder. Marginalisierte Kulturarbeiter/ -innen sind unter den ungleichen Verhandlungsbedingungen oft dazu gezwungen ihre Begabungen und ihr intellektuelles Kapital billig zu verkaufen, haben aber – von irregulären Ausnahmefällen abgesehen – keine institutionalisierte Entscheidungsmacht, um selbst über Zugän8 | Siehe etwa die sinnentleerte Ikonisierung von Malcolm X und Che Guevara als Popstars, den umsatzsteigernden Revolutionspathos bei Nike oder die Kollektion »Ulrike Meinhof« beim Modehaus Prada als Marketing-Event.

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ge zu relevanten Produktionsmitteln, Marketingstrukturen und Medien zu bestimmen. In diesen Sphären verfügen sie nicht einmal über eine Kontrolle über jene medialen Images, die sie selbst produziert haben. Solange die Produktionsbedingungen strukturell unverändert bleiben, können selbst Verschiebungen auf der Ebene der kulturellen Repräsentationen nicht zu Übersetzungsprozessen beitragen, die politische und ökonomische Strukturen tangieren. In den öffentlichen Programmen staatlicher Institutionen und multinationaler Konzerne werden vermehrt die interkulturellen Segnungen der »global villages« gepriesen. Diese Einbindung entwickelt eine Eigendynamik zur legitimatorischen Selbstaufwertung. Sie führt dazu, dass migrantische wie nicht-migrantische Kulturarbeiter/-innen und Intellektuelle in der Reproduktion hegemonialer Integrationsdiskurse ein Ticket zur sozialen und kulturellen Aufwärtsmobilität sehen. Während erstere unter Umständen die Fremderwartungen der Dominanzgesellschaft erfüllen, indem sie ihre eigene authentische Hybridität konstruieren und promoten,9 versuchen Mehrheitsangehörige, ihre Partizipation zu sichern, indem sie Hybridität als universelle Eigenschaft definieren und sich als Fürsprecher einer hoffnungsvollen Vision kultureller Vergesellschaftung ins Spiel bringen. Durch die Ästhetisierung von Marginalität und Diskriminierung wird ein Kunst-Raum eröffnet, den transnationale Kosmopoliten und Advokaten des interkulturellen Dialogs nutzen können, um öffentliche Förderung und Anerkennung zu erhalten.10 »Cosmopolitans […] are multi9 | Beispielsweise wird vielen postkolonialen Autoren und Autorinnen – darunter so prominente Stimmen wie Salman Rushdie, V.S. Naipaul oder Hanif Kureishi – ethnographischer Exotismus vorgeworfen, da ihre literarischen Inszenierungen die Bedürfnisse und Wünsche »weißer« Leser/-innen bedienen würden (Huggan 2001: 83:-104). 10 | Vgl. auch Jonathan Friedmans (1997) Kritik an führenden postkolonialen Intellektuellen wie Gloria Anzaldúa, Homi Bhabha, Paul Gilroy und Stuart Hall. Er unterstellt, dass postkoloniale Intellektuelle ihre theoretischen Positionierungen lediglich als eine selbstermächtigende (sprich: sich selbst privilegierende) Politik benutzen, in der sich vor allem die eigene metropolitane Subjektivität abbilden würde. Die Reduktion auf persönliche Interessen läuft Gefahr, durch Personalisierung theoretische Ansätze zu diskreditieren, anstatt die inhaltliche Auseinandersetzung zu suchen, und geht zudem implizit davon aus, dass tradierte (sprich: »weiße«) Wissenschaftsformen interessensfrei wären. Auch ist es nicht unproblematisch aus der Position eines »weißen« Europäers heraus, sich zum mitfühlenden Fürsprecher der realen Alltagsprobleme rassistisch Unterdrückter zu stilisieren. So berechtigt die Problematisierung metropolitaner Subjektivität bei migrantischen Repräsentanten und Repräsentantinnen ist, so schwierig ist die Trennung dieser Kritik von einem Abwehrreflex, der die Dezentrierung »weißer« Dominanz durch die Aufwertung migran-

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Popkulturelle Verwertungen und die Warenförmigkeit von Otherness | 83 lingual gourmet tasters who travel among global cultures, savouring cultural differences as they flit with consummate ease between social worlds« (Werbner 1997: 11f.). Diese Polemik ist insoweit überlegenswert, als sie auf eine bedeutungsvolle Differenz zwischen transnationalen Eliten und unterprivilegierten Migranten sowie Migrantinnen aufmerksam macht, die es zu berücksichtigen gilt. Denn die neue Sichtbarkeit des etablierten Anderen ist mit einer Unsichtbarmachung marginalisierter Otherness verknüpft, die nicht in das Image der schönen Welt der hippen Vermischungen hineinpassen und weiterhin unrepräsentierbar bleiben. Gayatri Spivak hat darauf hingewiesen, dass die Zelebrierung von Hybridität zu einem Verschweigen von rassistischer Gewalt und Ausgrenzung führen kann (Hutnyk 1997: 121f.). Eine weitergehende Kritik sieht im kulturalistischen Faible für Hybridität und im Vorzug textueller Dekonstruktion einen Rückzug der inzwischen gesättigten und etablierten Stimmen aus den Niederungen anti-rassistischer und anti-kolonialer Kämpfe und wirft ihnen politische Ignoranz vor: »Theorising hybridity becomes, in some case, an excuse for ignoring sharp organisational questions, enabling a passive and comfortable – if linguistically sophisticated – intellectual quietism« (ebd.: 122).11 Auch Diskurse wie die postkoloniale Kritik, die die Dekonstruktion kolonialer Hegemonie und die Aufdeckung von eurozentrierten Blindstellen zu ihren Ausgangspunkten bestimmt hat, können kapitalistischer Funktionalisierung und entfremdender Missrepräsentationen anheimfallen (vgl. Castro Varela/Dhawan 2005). Die Folgen wären Kulturpraxen, deren Ausstellung die verobjektivierte und fremdbestimmte Präsenz des Anderen forciert. Wie die Geschichte des einstmals als unkonsumierbar geltenden Punks lehrt, ist es vielleicht unmöglich, eine kulturelle Ausdrucksform zu finden, die der kulturindustriellen Vereinnahmung und Ausbeutung dauerhaft widersteht. Vor diesem Hintergrund besteht für marginalisierte Kulturproduzentinnen und -produzenten die Notwendigkeit, ein politisches Bewusstsein zur Sicherstellung einer fortwährenden Kritikfähigkeit ihrer Artikulationen zu entwickeln. Kulturvermischung wie die statische Anerkennung von Differenz bieten als politische Konzepte keine ausreichende Getischer Stimmen mit Unbehagen und Sorge vor eigenem Einflussverlust verfolgt. 11 | »Bhabha celebrates a hybridity that seems to miss all essential political points« (Friedman 1997: 79). Obwohl Bhabhas Hybriditätsansatz zweifellos kritisch beleuchtet werden kann, gewinnt er seinen Hybriditätsbegriff aus der Analyse kolonialer Diskurse und verknüpft ihn mit politischen Strategien der kulturellen Subversion. Wie mir scheint, ist die an Bhabha gerichtete Kritik verfehlt, weil sie viel stärker den Rezeptionsprozess betrifft wie ich im nächsten Kapitel am deutschen Beispiel aufzeigen werde.

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währ, um diesen situativen Überschuss, der sich in einer permanenten Brechung seiner gesellschaftlichen Angepasstheit und Befried(ig)ung zeigt, einzufordern. Wie kritische Stimmen in postkolonialen Diskursen einfordern, können die Grundlagen von Kritikfähigkeit erneuert werden, wenn sozio-ökonomische Fragen, soziale Klassenkategorien und die Auseinandersetzung mit kultureller Verwertung einen höheren Stellenwert erhalten (Ahmad 1994; Dirlik 1997). Im Hinblick auf die Theoretisierung und Einordnung von Hybridität wäre es wichtig, dabei innerhalb einer Dialektik der Ambivalenz zu denken. »In einer der bekanntesten Passagen spricht Marx von der Notwendigkeit, das Unmögliche zu tun, nämlich diese Entwicklung positiv und negativ zu denken, zu einem Denken zu gelangen, das gleichzeitig die nachweisbar unheilvollen Elemente des Kapitalismus und seine außerordentliche und befreiende Dynamik erfaßt« (Jameson 1986: 92). In diesem Sinne versteht sich meine Analyse als ein Beitrag, der den modischen Hybriditätskult um eine – gerade im lokalen Kontext – häufig verleugnete Perspektive erweitern will. Der erste Schritt zur Rückgewinnung von Kritikfähigkeit und Differenzierung besteht darin, die harmonisierenden und integrativen Aspekte einer ästhetischen Hybridisierung zu hinterfragen und ihre hegemonialen Beziehungen zur kulturindustriellen Logik der Fetischisierung und Authentifizierung als neue Formen der Aneignung und Autorisierung des Anderen offen zu legen. Darüber hinaus kann Hybridität auch eine repressive Identitätspolitik der Selbstethnisierung sein.12 Diese Widersprüche legen es nahe, die selbstverständlich angenommene Verbindung zwischen Hybridität und kultureller Öffnung kritischer zu bewerten und die unterstellten Potentiale für kulturelle Subversion und politische Emanzipation zu überprüfen.

12 | In lateinamerikanischen Gesellschaften werten kreolische Mittelstandsschichten und Mestizen ihren ›unreinen‹ Ursprung auf, um diese Ressource als Fortschrittsideologie und als Machtmittel gegen marginalisierte Indigene zu instrumentalisieren. Indigene Positionen werden dadurch delegitimiert und entwertet, weil sie ›nur‹ das Rückständige und Reine repräsentieren würden (Friedman 1997: 81f.). Ähnliche Konflikte prägen seit der Repatriierung freigelassener Sklaven und Sklavinnen aus den USA auch Liberia und Sierra Leone. Dabei artikuliert sich koloniale Hybridisierung als eine internalisierte Machtsprache des Rassismus, in der Schwarze die koloniale Identität ihrer ehemaligen Herrschaften annehmen und gegen andere Schwarze anwenden (Ha 2003a: 132f.).

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Kulturelle Hybridität in der deutschen Rezeption

Wie rasant der Aufstieg des Hybridbegriffs verlaufen ist, lässt sich gut an der Entwicklung seiner wissenschaftlichen Begriffskarriere vergegenwärtigen. Seit Ende der 1990er Jahre sind Cultural und Postcolonial Studies vornehmlich in ihrer anglo-amerikanischen Ausformung im deutschsprachigen Raum auch über die »angestammten« Fachgrenzen hinaus bekannt und im Zuge dessen verstärkt aufgegriffen worden. Dieser Aufschwung ist umso eindruckvoller, wenn wir uns vor Augen halten, dass Hybridität noch am Anfang derselben Dekade als Fachterminus in den Sozial- und Geisteswissenschaften nicht nur absolut ungebräuchlich, sondern auch nahezu unbekannt war. Heute ist dagegen die Vorstellung, dass wir in einer hybriden Kulturlandschaft der Überlappungen und Vermischungen leben, deren instabilen Grenzziehungen kreuz und quer zu geschlechtlich, national, ethnisch, religiös oder sozial konstruierten Differenzierungen verlaufen, ein Ansatz, der infolge wachsender Zustimmung und inflationärer Wiederholungen fast schon ein akademischer Gemeinplatz ist. Nach einer rasanten Popularisierungsphase sind zentrale Termini aus den Cultural und Postcolonial Studies im heutigen akademischen Diskursfeld über Migration, Globalisierung, interkulturelle Kommunikation, Ethnizität und kulturelle Identität kaum mehr wegzudenken. Vor allem die Idee der Hybridität ist im Rahmen des Trends zur Neuausrichtung der Geistes- und Sozialwissenschaften, dem »cultural turn«, auch im deutschsprachigen Raum zum neuen Schlüssel- und Modebegriff avanciert. »Innerhalb philosophischer, soziologischer, medien- und auch kunstwissenschaftlicher Diskurse wird zunehmend von Prozessen der Hybridisierung gesprochen. Hybridisierung kann sich dabei auf Materialien und Medien, Symbolsysteme und Codes, Lebensstile und Wertsysteme beziehen. Auffallend ist: Nicht trennscharfe Distinktionen und Definitionen sind derzeit entscheidend, sondern Vermischungen[, die die] Hybridisierung als Signatur der Zeit [erscheinen lassen]« (Schneider 2000: 175).

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Auch auf der alltagsweltlichen Ebene hat ein universalisiertes Verständnis von Hybridität eine bemerkenswerte Begriffskarriere ermöglicht: Während der Begriff »hybrid« – der außerhalb der Biologie bis dato extrem ungebräuchlich war – heute als Schlagwort im Feuilleton fungiert, bedient sich die Marketingsprache seiner, um Produkte wie das zukunftsfähige Hybridauto, grenzenlose Cross-over-Musik, genetische Hybridisierung etc. mit einem kulturellen Mehrwert und innovativen Image aufzuladen: »Hybrid meint: ein Produkt ist effizienter, schneller und multifunktionaler verwendbar. Hybrid referiert auf ökonomische Sachverhalte, codiert Marktchancen« (ebd.). Analoge Tendenzen sind auch in der sozialwissenschaftlichen Rezeption von Hybridität im deutschsprachigen Raum feststellbar. Ausgehend von der Beobachtung, dass Hybridität nicht selten ohne ihre grundlegenden historischen und politischen Kontexte als Modell »kultureller Vermischung« vorgestellt und euphorisch als neuartiger Vergesellschaftungsmodus zelebriert wird, wird hier die These vertreten, dass diese Konzeption von Hybridität den zugrunde liegenden Problemstellungen und Intentionen des postkolonialen Diskurses zuwiderläuft. Bei dieser Bedeutungsverschiebung postkolonialer Terminologien handelt es sich weniger um ein Phänomen des »lost in translation«, das immer dann auftreten kann, wenn ein Diskurs in einen anderen übersetzt wird. Vielmehr ist von einer Missrepräsentation bei dieser Form der Aneignung postkolonialer Kritik auszugehen. Durch die diskursive Einverleibung des »Anderen« drohen historische Kontexte und politische Positionierungen verloren zu gehen, die für das kritische Potential des postkolonialen Diskurses wesentlich sind. Nicht zuletzt verweist die einseitige Rezeptionsweise auch auf bestehende Machtverhältnisse und Zugangsbeschränkungen für Marginalisierte, deren Perspektiven in den dominanten Diskursen wie in der Gesellschaft wenig Geltung besitzen. Angesichts dieser konstatierten Situation erscheint es sinnvoll, den Hybriditätsbegriff kritisch zu durchleuchten und lokale Übertragungen im Hinblick auf problematische Verkürzungen, Auslassungen und Funktionalisierungen zu diskutieren. Im internationalen wie im deutschen Kontext ist der Begriff der Hybridität vor allem durch die Arbeiten von Homi Bhabha (2000 [1994]) in die Sozial- und Kulturwissenschaften eingeführt worden. Bei Bhabha finden sich zwei Bedeutungsebenen dieses Begriffes wieder: 1. Hybridität als eine Praxis der kulturellen Subversion im kolonialen Diskurs; 2. Hybridität als Bestandteil einer postkolonialen Kulturtheorie.1 Bei der Analyse kolonialer Diskurse sind zwei An1 | In »Die Verortung der Kultur« (Bhabha 2000) wird der historischpolitische Bedeutungskontext in Aufsätzen wie »Die Frage des Anderen: Stereotyp, Diskriminierung und der Diskurs des Kolonialismus« und »Von Mimi-

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Kulturelle Hybridität in der deutschen Rezeption | 87 nahmen für Bhabha entscheidend: Erstens geht er von einer grundsätzlichen Ambivalenz kolonialer Diskurse aus; zweitens behauptet Bhabha, dass der Kolonialismus keine totale Machtasymmetrie durchsetzen konnte (vgl. Ha 2004a: 139-152). Die Ambivalenz kolonialer Autorität produziert vielmehr eine kulturelle Hybridität, in der das Doppel aus Abspaltung und Identifikation auf beiden Seiten der undefinierbaren und instabilen Grenzlinie eingeschrieben ist. Das paradoxe Ergebnis ist, dass der koloniale Diskurs sich selbst in Frage stellt, indem er ›unreine Vermischungen‹ erschafft, die zwar nicht mit der Kolonialmacht identisch, aber ihr zum Verwechseln ähnlich sind (vgl. Bhabha 2000: 159-171). »Wenn wir ein derartiges ›Überschreiten‹ aufzeigen, so geschieht dies nicht nur, um die fröhliche Macht des Signifikanten zu feiern. Hybridität ist das Zeichen der Produktivität der kolonialen Macht, ihrer flottierenden Kräfte und Fixpunkte […]. Hybridität ist die Umwertung des Ausgangspunktes kolonialer Identitätsstiftung durch Wiederholung der diskriminatorischen Identitätseffekte […]. Sie entthront die mimetischen oder narzißtischen Forderungen der kolonialen Macht, führt ihre Identifikationen aber in Strategien der Subversion wieder ein, die den Blick des Diskriminierten zurück auf das Auge der Macht richten« (ebd.: 165). Diskursive Ähnlichkeit entsteht durch Verschiebung, Dezentrierung, Umkehrung oder auch nur unpassenden Gebrauch dominanter Symbole und Repräsentationen im Diskurs der Marginalisierten. In dieser Wiederholung und gleichzeitigen Entstellung dominanter Diskurse entsteht eine subversive Differenz, in der hegemoniale Zeichen und Bedeutungen umgedeutet, verunreinigt, hybridisiert werden. Bhabhas historische Beispiele für widerspenstige Vereinnahmungen und Missbrauch dominanter Diskurse durch kolonialisierte Akteure beziehen sich etwa auf christliche Missionierungspraktiken in Indien, die lokal durchaus unerwünschte und unvorhersehbare Folgen für die koloniale Autorität hatten. Ein Problem war, dass die lokale Bevölkerung koloniale Zeichen indigenisierte und der europäischen Kultur entwendete. Strategien der Entstellung dominanter Symbole und Bilder erhalten ihre subversive Kraft, indem sie koloniale Diskurse in marginalisierte Kontexte übersetzen und dabei verfremden. Hybridisierung wird bei Bhabha nicht als harmonische und ästhetische Form »kultureller Vermischung« gedacht, sondern bezeichnet eine Möglichkeit, das kulturelle Feld gegen hegemoniale Kräfte für Marginalisierte zu instrumentalisieren, wodurch der koloniale Rahmen kry und Menschen: Die Ambivalenz des kolonialen Diskurses« erörtert, während Arbeiten wie »Wie das Neue in die Welt kommt: Postmoderner Raum, postkoloniale Zeiten und die Prozesse kultureller Übersetzung« stärker kulturtheoretisch orientiert sind.

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überschritten und neue Assoziationen und Bedeutungen geschaffen werden, die Eindeutigkeit in Zwiespalt verwandelt. Ein klassisches Beispiel ist Shakespeares »Der Sturm« (1611). Prospero als Kolonialherr und Caliban als kolonialisierter Knecht tragen hier stellvertretend den kolonialen Diskurs aus. Caliban sagt (genauer: Shakespeare als personifizierte Kolonialkultur lässt den Kolonialisierten sagen): »Ihr lehrtet Sprache mir, und mein Gewinn ist, daß ich weiß zu fluchen. Hol’ die Pest Euch fürs Lehren Eurer Sprache« (Shakespeare 1975: 611). Diese Beschreibung der kolonialen Situation hat wie keine andere Meistererzählung zu unzähligen Adaptionen und postkolonialen Gegen-Narrationen inspiriert. Hybridität ist nach Bhabha ein Prozess, der dualistische wie statische Unterscheidungen wie das Eigene/das Andere, innen/außen, hoch/niedrig etc. unterläuft und ihre Konstrukthaftigkeit bloßlegt. »Meine Auffassung, wie ich sie in meinen Schriften zum postkolonialen Diskurs an Begriffen wie Nachahmung, Hybridität und falsche Höflichkeit dargelegt habe, ist, daß dieser Schwellen-Moment der Identifikation eine subversive Strategie subalternen Handlungsspielraums hervorbringt, der seine Autorität schafft, durch wiederholtes ›Auftrennen‹ und aufrührerisches Neuverknüpfen« (Bhabha 1996a: 353). Die Existenz eines subalternen Handlungsraums, der nicht als authentisch begriffen wird, setzt bei Bhabha die Unmöglichkeit totaler Herrschaft voraus. Selbst im Kolonialismus mit seiner offenen und brutalen Unterdrückung konnte der Kolonisierende den Kolonisierten nie gänzlich besitzen, beherrschen oder zum Schweigen bringen. Es gab immer Momente von Eigensinn und Widerstand kolonisierter Subjekte, die sich artikulierten und nicht durch die dominante Macht gebrochen werden konnten. Folgt man dem Ansatz einer kulturellen Selbstermächtigungspraxis, ergibt sich eine zusätzliche Lesart für Frantz Fanons berühmte Allegorie »schwarze Haut, weiße Masken« (Fanon 1980). Dieses koloniale Phänomen ist ein hybrides Zeichen, das nicht mehr zwangsläufig als internalisierter Rassismus interpretiert werden muss. Hybride »Kultur als Überlebensstrategie« (Bhabha 1996a: 346) öffnet neue Räume und Möglichkeiten der Aneignung, in denen Camouflage und Mimikry als kultureller Widerstand für Unterlegene verfügbar sind. »Wenn wir die Wirkung der kolonialer Macht in der P r o d u k t i o n von Hybridisierung sehen statt in der lautstarken Ausübung der kolonialistischen Autorität oder der stillschweigenden Unterdrückung einheimischer Traditionen, so hat das eine wichtige Veränderung der Perspektive zur Folge. Die Ambivalenz am Ursprung der traditionellen Diskurse über Autorität ermöglicht eine Form der Subversion, die auf der Unentscheidbarkeit beruht, die die diskursiven Bedingungen der Beherrschung in die Ausgangsbasis der Intervention verwandelt« (Bhabha 2000: 166; Hervorhebung i.O.).

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Kulturelle Hybridität in der deutschen Rezeption | 89 Für Bhabha ist Widerstand nicht notwendigerweise ein Akt, der sich außerhalb kolonialer Diskurse abspielt. Widerstand kann auch daraus entstehen, dass die koloniale Autorität durch ihren Überschuss, der in eine unheimliche Ähnlichkeit des Kolonisierten mit dem Kolonisierenden einmündet, erschüttert wird. In diesem Sinne ist kulturelle Hybridität bei Bhabha ein diskursiver Machteffekt, bei dem das Minoritäre erst durch die Anwesenheit des Dominanten erzeugt wird. Bhabha konzipiert kulturelle Hybridität als Modus politischer Artikulation, deren verstörende Effekte durch koloniale Ambivalenz hervorgebracht werden. »In my own work I have developed the concept of hybridity to describe the construction of cultural authority within conditions of political antagonism or inequity. Strategies of hybridization reveal an estranging movement in the ›authoritative‹, even authoritarian inscriptions of the cultural sign. At the point at which the precept attempts to objectify itself as a generalized knowledge or a normalizing, hegemonic practice, the hybrid strategy or discourse opens up a space of negotiation where power is unequal but its articulation may be equivocal« (Bhabha 1996b: 58). Hybridität als jene unheimliche Ähnlichkeit, die im kolonialen Diskurs als Überlagerungsphänomen kultureller Differenzen entsteht, konfrontiert den dominanten Diskurs mit seiner Gegenstimme, die nicht mit eindeutiger Sicherheit als die authentische Stimme des fremden, unterlegenen Anderen identifiziert werden kann. Diese Uneindeutigkeit verweist auf die grundlegende Arbeitsweise von Kultur, die jede Vorstellung von Homogenität, Authentizität und Essentialismus als unmöglich zurückweist. Der Nimbus kultureller Abgeschlossenheit und Überlegenheit hat daher außer der ideologischen keine weiteren Grundlagen. Obwohl Bhabha in seinem einflussreichen Buch »The Location of Culture« (1994) seine Theorie der Hybridität im Rahmen (post-)kolonialer Diskurse und Praktiken situiert, wird dieser vielschichtig angelegte Hybriditätsbegriff in einem beachtenswerten Teil der deutschsprachigen Rezeption mit Vorliebe zu einem postmodernen third space-Ansatz verkürzt. Bereits zum Auftakt wurde diese Richtung in der Einleitung des weitverbreiteten Sammelbandes »Hybride Kulturen« eingeschlagen, der laut Rückcover »erstmals Texte der maßgeblichen anglo-amerikanischen Theoretiker in deutscher Sprache« vorlegte und daher einen besonderen Status genießt. Anstatt postkoloniale Kritik als Anstoß für die Revision kolonialer Geschichtsbilder zunehmen, die sich nicht zuletzt der Mittel der Verharmlosung und Relativierung bedienen,2 bestätigen die Herausgeber dominante Geschichtsrituale

2 | Vgl. exemplarisch für eine eurozentristische und bagatellisierende

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durch die Behauptung: »Eine koloniale Vergangenheit im großen Stil hatte Deutschland nicht gehabt« (Bronfen/Marius 1997: 8). Obwohl diese enthistorisierende Perspektive die Irrelevanz kolonialer Verhältnisse in Form einer Tatsachenbeschreibung attestiert, ist sie doch strategisch motiviert, um den postkolonialen Blick auf die hierzulande wirklich interessierenden Themenfelder umzulenken: »Erst in dieser Rekonfiguration wird die Debatte für den deutschen Sprachraum wirklich interessant, weil sie nun die genannten realgeschichtlichen Phänomene der postmodernen Welt – Massenmigration, globale Zirkulation von Waren, Dienstleistungen, Zeichen und Informationen – soziologisch und kulturtheoretisch untersucht« (ebd.: 9). Die damit verbundene Privilegierung der postmodernen Kondition und die Entthematisierung kolonialer Beziehungen entspricht dabei durchaus den gesellschaftlich dominanten Koordinaten – obwohl die koloniale Präsenz etwa in der deutschen Arbeitsmigrationspolitik gesellschaftliche Praxis geblieben ist (vgl. Ha 2003b). Durch diese entproblematisierende Geschichtsnarration wird »die eigene koloniale Geschichte mit einem Satz fortgewischt« (Terkessidis 1997: 55). Diese Adaption muss umso mehr überraschen, als darin eine Negation zum Ausdruck kommt, die die Beweggründe des postkolonialen Projektes in einem entscheidenden Punkt umkehren. Denn der Begriff »›Post‹kolonial bezieht sich weder auf eine vergangene historische Periode, noch beinhaltet der Begriff eine regionale ›Dritte-Welt‹-Beschränkung; vielmehr wird zum Ausgangspunkt von Kritik eine historische Erfahrung – die des Kolonialismus –, deren Fortwirken sich in der Auseinandersetzung um westlich geprägte sozio-kulturelle Hegemonie und Interpretationsmuster niederschlägt« (Küster 1998: 179; vgl. auch Ha 2004a: 95f.). Daher ist es problematisch, die Bedeutung kolonialer Dominanz wie üblich anhand von scheinbar objektiven ökonomischen, demographischen und geopolitischen Kennziffern zu messen. Solche Vorgehensweisen lassen die Wirkungsmächtigkeit und die Nachhaltigkeit kolonialer Denkweisen im ideologischen und kulturellen Bereich außer Acht.3 Zudem reproduziert dieser Reduktionismus eine Machtstruktur, die auf den Ausschluss subalterner Subjekte und ihrer PerspektiHistoriographie deutscher Kolonialgeschichte Görtemaker 1989: 345-358. Zur Kritik siehe Ha 2003b: 97f. 3 | Wenn wir etwa der Auffassung von Wehler (1985) folgen, der die Idee der Kolonialisierung als »ideologischen Konsensus« (112-155) in der deutschen Gesellschaft beschreibt und den »Kolonialrausch« (464-485) als massenwirksame Sozialpathologie klassifiziert, dann ergeben sich ganz andere Geschichtszugänge.

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Kulturelle Hybridität in der deutschen Rezeption | 91 ven aus der Wissensproduktion hinausläuft. Dass der deutsche Kolonialismus in der BRD als unbedeutende Randfrage behandelt wird, während er etwa für die Herero eine axiomatische Erfahrung war, liegt nicht in der Ereignisgeschichte begründet. Vielmehr spiegeln Diskursformationen die Durchsetzungsmöglichkeiten unterschiedlicher Betroffenheiten und Interessen und das heißt auch immer Machtfragen wieder, die nicht über den Dingen stehen, sondern im sozialen und historischen Prozess verortet sind. Wie stark kulturelle Positionierungen in der lokalen Kontextualisierung postkolonialer Kritik eingeschrieben sind, lässt sich exemplarisch im Werbetext auf dem Buchrücken von »Hybride Kulturen« ablesen: »Deutschland hatte kaum Kolonien, die heute das öffentliche Klima mitbeeinflussen und beleben könnten.« In dieser Formulierung klingt zum einem so etwas wie ein Bedauern an, dass koloniale Ressourcen nicht zur gesellschaftlichen Belebung zur Verfügung stehen; zum anderen wird im Werbetext auch der Wunsch artikuliert, Kolonien als Quelle von Produktivität und »die Fremden« als »Chance« nutzen zu wollen. Auch als kulturelles ›Missverständnis‹ sind solche Formulierungen signifikant und keineswegs beliebig. Ob »die Fremden« sich als Fremde begreifen und als Chance für die deutsche Gesellschaft instrumentalisiert werden wollen, bleibt zudem dahingestellt. Eine andere eurozentrierte Perspektive findet sich bei Claus Leggewie, der den »Grund für die Überzeugungskraft des amerikanischen Traums […] [in seiner] hybride[n] Mischung aus allen möglichen Kulturen der Welt« sieht: »Faktisch zeichnete eher Kreolisierung, verstanden als kulturelle Überlappung und Vermischung, die Amerikanisierung aus, und eben diese spezifische Genese der ›ersten neuen Nation‹ (Seymour M. Lipset) erklärt die stupende weltweite Anschlußfähigkeit […] in anderen Gesellschaften, die historisch gesehen allesamt Herkunftsnationen der Vereinigten Staaten von Amerika sind« (Leggewie 2000: 886). Dieses Bild funktioniert allerdings nur, wenn man das prä-europäische Amerika als ›menschenleeres Land‹ konstruiert sowie die Genozide, die Zwangsmigrationen und die rassistische Ausschließung asiatischer Einwander/-innen als nicht wesentlich einschätzt. Die von Bronfen und Marius gewählte Rezeptionsstrategie der Rekonfiguration ist kein Einzelfall. Obwohl der postkoloniale Diskurs sich grundlegend auf koloniale Verhältnisse bezieht und koloniale Präsenzen in der Gegenwart untersucht, wird diese Fragestellung zum Teil vollständig ausgeblendet. Dieses zentrale Machtaxiom der Moderne ist beispielsweise auch beim Leiter des Instituts für Kulturpolitik der »Kulturpolitischen Gesellschaft« kein Thema. Zwar interessiert sich Bernd Wagner (2001) in seinem Text über Globalisierung und Hybridisierung für Kreolisierungsprozesse in der Karibik, verliert aber

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in seiner betont kulturalistischen und ästhetisierenden Deutung, die politische und ökonomische Machtverhältnisse weitgehend ausblendet, kein Wort über ihre Kolonialgeschichte. Der immanente Kontext von Deportation, Ausbeutung und Gewalt gegen »schwarze« und indigene Menschen, die der Kreolisierung vorausgingen und sie prägten, bleibt verborgen. Infolge der Enthistorisierung und Postmodernisierung des Hybriditätskonzeptes werden zentrale Begrifflichkeiten wie »Kreolisierung« oder »Bastardisierung« viel zu selten im Rahmen kolonialer Prozesse und rassentheoretischer Diskurse aufgearbeitet. Dieses Defizit wiegt umso schwerer, als die Hybridisierung ihrem historischen Ausgangspunkt nach zunächst als »rassische Bastardisierung« in Erscheinung trat. Gerade in Deutschland konnten die sozialdarwinistischen Rassenhygieniker mit ihren Pathologisierungsdiskursen gegen »Rassenmischlinge und -bastarde« insbesondere während des Nationalsozialismus eine bisher unerreichte Gestaltungsmacht erlangen.4 Da diese Kontexte wenig interessieren, wird Kreolisierung oft als harmonische kulturelle Begegnung konstruiert, die als »Metapher für Mischung afrikanischer und europäischer Sprache, Abstammung und kulturellen Gebräuchen« (Wagner 2001: 18) steht. Entsprechend fällt Wagners Definition aus: »Hybridisierung meint die Vermischung verschiedener kultureller Stile, Formen und Traditionen, aus der etwas Neues entsteht, eine ›globale Melange‹« (ebd.: 17). Angesichts der historischen Kontexte wäre es aber sinnvoller, Hybridität nicht als normativen, sondern als kritisch-analytischen Begriff zu verwenden. Da Hybridität im Anschluss an Bhabhas einflussreiche third space-Metapher primär als Raum zwischen den Kulturen rezipiert wird, wird der offene und dialogische Kulturaustausch sowie seine Dynamik in der globalisierten Weltgesellschaft betont. Kulturentwicklung scheint in eine postmoderne Konstellation eingetreten zu sein, in der das herrschaftslose Cross-over zum Strukturprinzip gehört. Begriffe wie transnationale Grenzüberschreitung, kulturelle Grenz- und Zwischenräume, Deterritorialisierung, Synkretismus, multiple Identitäten, Inter- und Transkulturalität bilden in diesem Kontext nur die geläufigsten Stichwörter bzw. Denkmodelle, die mittlerweile auch im deutschsprachigen Wissenschaftsdiskurs Einzug gehalten haben. Im

4 | Ausführlich Ha 2003a. Da das Hybride in kolonialen Diskursen als »Rassenvermischung« vorgestellt wurde, ist es fragwürdig ausgerechnet das Kriterium der »›Mischehen‹ jeder Art … [zur] Gretchenfrage des Multikulturalismus« (Leggewie 2000: 888) zu erheben – zumal diese Thematik auch mit Problemen globaler Ungleichheiten, mit Verfügungsmöglichkeiten über weibliche Sexualität aus Trikontgesellschaften und exotisierenden Differenzkonsum verbunden ist.

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Kulturelle Hybridität in der deutschen Rezeption | 93 Kontrast zur fortgeschrittenen Terminologie wirken konkrete Beschreibungen von Hybridkulturen zuweilen recht banal. Zu den üblichen Verdächtigen gehört Salman Rushdie, der für viele den »hybriden, postkolonialen Künstler zwischen verschiedenen Kulturen« (ebd.: 21) verkörpert und dessen Romane oft als grenzüberschreitende Visionen gelesen werden (Wicker 2000: 206f., 213). Sein »Liebeslieb für Bastarde« (Rushdie 1992: 459) gehört zu den am häufigsten zitierten Beschreibungen kultureller Hybridität. Es ist signifikant, dass Wagner ausgerechnet jene Passagen aus Rushdies Roman »Der Boden unter den Füßen« (1999) als kulturelle Hybridisierung vorstellt, die eher an eine Aneinanderreihung multikultureller Stereotypen erinnern. Hybridisierung entsteht anscheinend, wenn ›ethnisch-nationale Eigenschaften‹ sich eklektisch verbinden, wenn in Rushdies Worten »die Trommeln Afrikas[,] […] [d]ie polnischen Tänze, die italienischen Hochzeiten, die Sorbas-zithernden Griechen[,] [d]ie trunkenen Rhythmen der Salsa-Heiligen[,] […] die Sexyneß der kubanischen Blechbläser, die faszinierenden Rhythmen der brasilianischen Trommeln« (zit. nach Wagner 2001: 21) miteinander verschmelzen. In anderen Diskursen wurden Rushdie und weitere postkoloniale Metropolen-Intellektuelle mit dem Vorwurf konfrontiert, die Bedürfnisse eines ethnographischen Tourismus zu bedienen (SchmidtHaberkamp 2000: 301-311). Wenn solche Klischees als Grundlage für die neuen hybriden Vermischungen genommen werden, dann wirken sie nicht hybrid, sondern allenfalls ethnisierend und exotisierend. Offensichtlich greifen solche Wahrnehmungen, der modernisierten Terminologie zum Trotz, immer noch auf ein Denken zurück, in der multikulturelle Pluralität als ethnisch-kulturelles Abgrenzungsmodell funktioniert. Denn die Vermischung setzt – wie nicht nur Wagner meint5 – die »Betonung des Eigenen und Originären« (Wagner 2001: 23) voraus. Eine solche Wahrnehmungsweise kann binäre Kultur- und Identitätsschemata verfestigen, da die Kategorien des »Eigenen« und des »Anderen« nicht hinterfragt werden. In einem solchen Modell wird kulturelle Differenz nicht im Selbst lokalisiert, sondern als äußerliche Differenz angesehen, die sich an ethnischen, nationalen und religiösen Grenzziehungen orientiert. Die Betonung von Authentizität und ethnisch-national aufgeladenen Kultureigenheiten als Voraussetzung für Hybridisierung führt zu einem modernisierten Multikulturalismus. Der Fokus ist dann nicht mehr auf das Nebeneinander, sondern auf die gegenseitige Befruchtung homogener Kultureinheiten gerichtet. Diese Sichtweise setzt allerdings statische und

5 | Vgl. zur Konzeption von Hybridität als Bikulturalität etwa Robertson 2000: 370f. Tradierte Kulturmodelle sind auch im Diskurs über Interkulturalität häufig präsent: etwa Schoen 1999.

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abgrenzbare Kulturen voraus. So glaubt Peter Stachel von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Hybridität folgendermaßen charakterisieren zu können: »Positiv besetzt sei in Zusammenhang mit der postkolonialen Theorie hingegen der Schlüsselbegriff der Hybridität. Nicht Abgrenzung, nicht Assimilation, sondern eine wechselseitige Durchdringung unterschiedlicher Kulturen sei damit angesprochen, vorausgesetzt sei allerdings die Existenz mehr oder weniger stabiler Kulturen« (zit. nach Ernst 2001: 2). Wenn Hybridität als reine Vermischung ganzer Kulturen gedacht wird, dann missdeutet man Bhabha gründlich, der sich oft vehement gegen essentialistische Modelle kultureller Diversität und multikulturellen Exotismus ausgesprochen hat. Sein third space thematisiert eine Perspektive, die »den Weg zur Konzeptualisierung einer i n t e rnationalen Kultur weisen könnte, die nicht auf die Exotik des Multikulturalismus oder der D i v e r s i t ä t der Kulturen, sondern auf der Einschreibung und Artikulation der H y b r i d i t ä t von Kultur beruht. Dabei sollten wir immer daran denken, daß es das ›inter‹ – das Entscheidende am Übersetzen und Verhandeln, am Raum d a - z w i s c h e n – ist, das den Hauptteil kultureller Bedeutung in sich trägt. Dadurch wird es uns möglich, Schritt für Schritt nationale, anti-nationale Geschichten des ›Volkes‹ ins Auge zu fassen. Und indem wir diesen Dritten Raum erkunden, können wir der Politik der Polarität entkommen und zu den anderen unserer selbst werden« (Bhabha 2000: 58; Hervorhebung i.O.). Nichtsdestotrotz ist im deutschen Kontext ein Hybriditätsverständnis populär, welches das Lob der kulturellen Vermischung in den Mittelpunkt stellt. Dabei kommt es zu einer Entthematisierung gesellschaftlicher Machtverhältnisse, die durch die Betonung der ästhetischen und konsumtiven Aspekte kultureller Hybridisierung ersetzt werden (vgl. Terkessidis 1999; Steyerl 2000). So wird im gesamten Text von Wagner nur einmal im Nebensatz die Ausgrenzung und Diskriminierung von Migranten und Migrantinnen angedeutet, obwohl diese Erfahrungen für die Betroffenen elementar sind. Stattdessen konzentriert sich sein Interesse auf den Spaßfaktor migrantischer HipHop-Subkulturen, die als die »heutigen Zentren der Hybridisierung« (Wagner 2001: 19) angesehen werden. »Die Volkskultur der Vorstädte holt sich aus der Massenkultur, was ihr gefällt, setzt diese Elemente anders zusammen und gibt sie in Gestalt von trickreichen Kombinationen und witzigen Einfällen an die riesige Maschine unserer gemeinsamen populären Kultur zurück« (Heinz Bude zit. nach Wagner 2001: 19). Die Inszenierung von Hybridität im Bild eines bunten Völkerfestes und lustigen Kulturkonsumbetriebs, in dem sich jeder frei und kreativ im Rahmen seiner ethnisch-kulturellen Ressourcen, Grenzen und Kompetenzen einbringt, erinnert an jene grenzenlose Party, die eine

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Kulturelle Hybridität in der deutschen Rezeption | 95 »Utopie in Metaphern des Feierns Ausdruck verleihen [soll]. […] [I]ch würde hier nicht so sehr an das Modell ›Multikulti-Gartenfest‹ denken, auf dem Folklore dargeboten wird und in der das politische Subjekt durch den Anderen seine Korrektheit genießen kann, sondern eher an eine Club-Nacht, in der nationale und (sub-)kulturelle Differenzen […] produktiv eingesetzt werden« (Bronfen/Marius 1997: 12). Wir lernen, dass Hybridität uns zwar bereichert und anregt, aber uns nicht in unserer Substanz bedroht. Das Interesse an den neuen Migrationskulturen beruht auf einem klassischen Missverständnis, denn es unterstellt, dass die junge Migranten und Migrantinnen sowie »andere« Deutsche »Rückhalt in einer Herkunft und Spaß am Konsum« (Heinz Bude zit. nach Wagner 2001: 19) suchen, obwohl gerade migrantische Kulturschaffende der zweiten und dritten Generation sich explizit gegen ethnisierende Zuschreibungen wehren und durchaus politische Ansprüche erheben (vgl. etwa Ayata 1999; Güngör/Loh 2002). Es stellt sich daher die grundsätzliche Frage, warum die Perspektiven der Betroffenen ignoriert und sie zu unterhaltsamen Exoten reduziert werden. Offensichtlich wird Hybridität zunehmend als eine begehrenswerte Ressource konstruiert, die nicht den Marginalisierten alleine überlassen werden kann. Rekurrierend auf Rushdies »Mischmasch, ein bißchen von diesem und ein bißchen von jenem« (Rushdie 1992: 458) wird Hybridität gern als »Auflösung und Zerstörung von Tradition beschrieben, die permanente Mischung und Verbindung, die kreative Praxis von Fusion und Collage, und in Operationen wie diesen überträgt sich die einst ganz marginale Erfahrung von Migranten in eine universale Standarderfahrung« (Leggewie 2000: 885). Diese Universalisierung hat Helga Bilden, die sich selbst als feministische Sozialwissenschaftlerin versteht, folgendermaßen am eigenen Beispiel lokalisiert: »Vielleicht gefällt mir das Konzept der Hybridität so gut, weil es meine eigene bürgerlich-kleinbäuerlich gemischte Herkunft und meine gemischte Geschlechtsidentität positiv aufnimmt? Heute […] fühle ich mich nicht ›identitätsgestört‹, sondern ›richtig‹, in meiner Nichtübereinstimmung bekräftigt, theoretisch legitimiert – und schadenfreudig. Es geht mir wie Stuart Hall, dem schwarzen britischen Soziologen karibischer Herkunft« (Bilden 1999: 9). Hybridität scheint somit für Weiße auch ein Mittel zu sein, die eigenen Herkünfte aufzuwerten und sich selbst in »schwarzen« Positionen zu verorten, um durch aneigenbare Differenzen die Möglichkeiten und Grenzen der Selbstdefinition zu erweitern. Der Wunsch, sich selbst als hybrid zu entdecken und in hybriden Kulturen zu leben, geht mit einem Verständnis beliebiger Differenzen und positiven Selbstinszenierungen einher, denen die Gefahren der Überidentifika-

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tion und Vereinnahmung des Anderen immanent sind. Im Gegensatz zur Position von rassistisch Marginalisierten stellen universale Hybriditätsformen einen wähl- wie abwählbaren Lebensstil dar, der auf der Entscheidungsfreiheit basiert, die Differenz oder die Identität zur Dominanzkultur (Rommelspacher 1995) zu betonen. Karnevaleske Identitätsspiele beruhen auf einer Rhetorik maskenhafter Blackness, die nicht die realen Folgen »schwarzer« Gesellschaftspositionen zu ertragen braucht. Für Mitglieder der Dominanzgesellschaft hat die Entdeckung der eigenen Hybridität neben spielerischen auch entlastende Funktionen. Der Verweis auf die eigene Hybridität hat den angenehmen Effekt, sich als authentisches Subjekt des Zeitgeists zu erfahren und die gesellschaftlich zugeschriebene Whiteness (Frankenberg 1993) zu verleugnen, die auch ungewollt Privilegien ermöglicht. Wenn wir heute alle so hybrid sind, wer ist dann noch »weiß«, wer »schwarz«, wer rassistisch unterdrückt und wer nicht? Daher kommt es darauf an, den Blick auf jene Subjekte zu richten, »die als ›Mischlinge‹ stigmatisiert und zu den Clubnächten und Hybriditätsfeiern gar nicht erst eingeladen werden, weil ihre Erzählungen den unbekümmert metaphorisierenden Gebrauch des Begriffs ›Mischling‹ unterbrechen, indem sie auf seine Gewalttätigkeit und die Gewaltstrukturen hinweisen, innerhalb derer er erschaffen wurde« (Wollrad 2002: 22). Eine Umgangsweise, die eher den gesellschaftlichen Prioritäten gerecht wird, hat Wolfgang Riedel vorgeschlagen: Statt Hybriditätsdiskurse zu entwerfen, sollten Mitglieder der Dominanzgesellschaft sich vorrangig mit institutionalisierten Diskriminierungen auseinander setzen (Riedel 2002: 249). In der kulturalistischen Perspektive werden individualistische Handlungsräume stark betont und positiv konnotiert. Anscheinend lösen Hybriditätskonzepte, die mit grenzenlosen Identitätsspielräumen für das Individuum und offener Kulturentwicklung für die Gesellschaft assoziiert werden, eine große Faszination aus. Selbst eine ansonsten kritische Sozialwissenschaftlerin wie Helga Bilden greift die Idee der Identitätsdiffusion nahezu obsessiv auf. In einem einzigen Absatz betont sie die Vision, statische Identitäten aufzulösen, insgesamt 19-mal mit den Adjektiven »lustvoll«, »spielerisch« und »kreativ« (Bilden 1999: 6f.). Identitätsprozesse per se zu einem postmodernen Gesamtkunstwerk zu erklären, macht misstrauisch, wenn Macht, Marginalisierung und Dominanz nicht länger als präsent oder beschränkend erachtet werden. Merkwürdig ausgeblendet bleibt bei dieser Euphorie die Frage, wer überhaupt die Möglichkeit für anerkannte Identitätsinszenierungen hat und welche Bedeutungen und Kontexte sie für die jeweiligen Akteure haben. Während Identitätsspiele für Mitglieder der Dominanzgesellschaft eher den Charakter lustgewinnender Experimente annehmen, werden sie von Marginalisier-

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Kulturelle Hybridität in der deutschen Rezeption | 97 ten erheblich ambivalenter und riskanter erlebt. Hybridisierung kann wie jede kulturelle Identitätsentwicklung auch eine schmerzliche Erfahrung sein, die aus der Notwendigkeit entstanden ist, in deklassierten Gesellschaftspositionen zu überleben und Strategien im Umgang mit Ausgrenzungen zu entwickeln. Ob hybride Identitäten eher in ihren zwanghaften und/oder befreienden Momenten erlebt werden, hängt wesentlich von der Subjektposition in den Gesellschaftsstrukturen ab, deren Zugänge und Ausschließungen durch die Überschneidungen von Gender, Ethnizität und Klasse permanent neu konstituiert werden (Bromley 2000: 194-197). Sicherlich hängen die Rezeptionsprobleme in Deutschland nicht nur mit lokalen Bedingungen zusammen. Zwar ist es kein Zufall, dass im hiesigen Kontext ein Trend existiert, der bevorzugt jene Aspekte der Hybridität betont, die innerhalb des postkolonialen Diskurses Gegenstand der Kritik sind.6 Aber auch im postkolonialen Diskurs wird der Hybriditätsbegriff teilweise in einer »affirmativen und unkritischen Weise verwendet« (ebd.: 194), in der sich die Differenz zwischen marginalisierten Subjekten und postkolonialen Metropolen-Intellektuellen reproduziert. So fühlen sich viele nicht repräsentiert, als sich der leider verstorbene Edward Said von seiner Position aus für einen fröhlichen Identitätswechsel aussprach: »Die Funktion von Menschen wie mir, die tatsächlich vielen Kulturen angehören, muß sein, immer wieder zu betonen, daß es keine Notwendigkeit gibt, sich für die eine oder andere Kultur zu entscheiden. Ich bezeichne mich weder als Araber oder Orientalen, noch als Westler oder Amerikaner. Anstelle des ›oder‹ setze ich das ›und‹ […]. [W]ir müssen eine neue Art Begeisterung erzeugen, die einen Identitätswechsel zur Sehnsucht und nicht zu einer dramatischen Erfahrung macht« (Said 1999: 40f.). Postkoloniale Kritiker/-innen des postkolonialen Diskurses problematisieren solche Positionen als elitären Kosmopolitismus, der aus einer privilegierten Position heraus die Notwendigkeit von Empowerment durch Identitätspolitik negiert. Sie weisen darauf hin, dass bestimmte soziale und kulturelle Voraussetzungen vorliegen müssen, um Identität nicht als letztes Mittel zur Verteidigung der persönlichen Integrität nutzen zu müssen. Obwohl Said Bindestrich-Identitäten befürwortet, was eine harmonisierende und essentialistische Position sein kann, haben Migrierte – je stärker sie rassistisch marginalisiert werden – nicht die Möglichkeit, sich mit Dominanzkulturen zu identifizieren. Statt Fragen der kulturellen Zugehörigkeit fordern marxistische Kritiker wie Aijaz Ahmad (1994) und Arif Dirlik (1997), die drängenden materiellen Probleme generell stärker zu berücksichtigen. Im Unterschied zu Beobachtern, die den mangelhaften »gesell6 | Vgl. etwa die kritischen Beiträge in Werbner/Modood 1997.

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schaftskritischen Impetus« und die »difference sells«-Haltung beim Theorieimport der Cultural Studies monieren (Löchel 1999), wäre es sicherlich irreführend, die hier diskutierte Rezeptionstendenz von Hybridität als entpolitisierend zu bezeichnen. Zum einen ist auch die vermeintliche ›Entpolitisierung‹ höchst politisch, zum anderen enthalten die vorgestellten Rezeptionsansätze explizit oder implizit politische Zielvorstellungen. Nur unterscheiden sich diese von den zentralen Forderungen postkolonialer Kritik. Vielleicht erinnerte Robert Young gerade deshalb auf dem deutschen Anglistentag eindringlich an die politischen Verpflichtungen postkolonialer Diskurse. Young, der als Referenzautor und als Herausgeber des »Oxford Literary Review« und der »Interventions« nicht ohne weiteres ignoriert werden kann, sprach in einer für den deutschen Wissenschaftsdiskurs ungewohnten Deutlichkeit: »Postcolonial critique is therefore a form of activist writing that looks back to the political commitment of the anti-colonial liberation movements and draws its inspiration from them whilst recognizing that they often operated under conditions very different from those that exist in the present. Its orientation will change according to the political priorities of the moment, but its source in the revolutionary activism of the past gives it a constant basis and inspiration: it too is dedicated to changing those who were formerly the object of history into history’s new subjects. Postcolonial critique focuses on forces of oppression and coercive domination that operate in the contemporary world: the politics of anti-colonialism and neo-colonialism, race, gender, nationalisms, class and ethnicities define its terrain« (Young 2000: 241). Auch wenn anti-koloniale Bewegungen und gegen-hegemoniale Aktivitäten hinsichtlich ihrer Fehler und repressiven Auswirkungen selbstkritisch zu hinterfragen sind, bleibt festzuhalten, dass der postkoloniale Diskurs ein politisches Projekt ist, der nicht ohne die selbstreflexive Auseinandersetzung mit den multiplen Facetten gegenwärtiger Machtdimensionen gedacht werden kann. Auch können kulturelle Hybridisierungen je nach gesellschaftlichen Kontext sehr unterschiedliche Ausdrucksformen und repräsentative Funktionen annehmen. Die weitverbreitete Sichtweise, dass Hybridität als selbstreflexive Kulturform die Entgrenzungen des alltäglichen (Er-)Lebens in glokalisierten Einwanderungsgesellschaften von ›unten‹ artikuliert und sie dadurch per se progressiv und ›authentisch‹ ist, hält einer genaueren Betrachtung nicht unbedingt stand. Vielmehr ist ein Trend erkennbar, in der Hybridität als Technik zur Inszenierung kultureller Vielfalt in unterschiedlichen diskursiven Kontexten und gegenläufigen politischen Projekten in Szene gesetzt wird. Da sie als kulturelle Form von unterschiedlichen Akteuren bemächtigt wird, kann sie gegensätzliche Botschaften und Inhalte transportieren. Als uneindeutiges, umstrittenes Terrain der Bedeutungskonstitution steht sie sowohl der Deu-

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Kulturelle Hybridität in der deutschen Rezeption | 99 tungsmacht dominanter Diskurse als auch subversiven Praktiken offen. Im letzten Kapitel diskutiere ich daher die Frage der politischen Verortung von umkämpften Hybridisierungen.

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) vakat 100.p 91244101380

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Umkämpfte Hybridisierungen

Seit dem Machtwechsel 1998 ist die rot-grüne Regierungsführung mit wechselndem Erfolg bemüht, die Potentiale einer wünschenswerten Zuwanderung auf die politische Agenda zu setzen. Dieses migrationspolitische Agenda-Setting hat seitdem eine Reihe von gesellschaftlich bedeutsamen Kontroversen etwa um die doppelte Staatsbürgerschaft, um die Green Card-Regelung für die Informationstechnik oder auch um das Konzept der Unabhängigen Kommission »Zuwanderung« (2000) unter dem Vorsitz von Rita Süssmuth ausgelöst. Letzter manifester Ausdruck im parlamentarischen Prozess der politischen Willensbildung ist das seit Januar 2005 in Kraft getretene »Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern« (Zuwanderungsgesetz). Die Offenheit und Durchlässigkeit der hierzulande zur Diskussion stehenden Migrationspolitik ist sowohl durch die sicherheitspolitischen Prioritäten bei der Überwachung der EUAußengrenzen gegen unerwünschte Migrations- und Flüchtlingsbewegungen als auch durch den sozioökonomischen Verwertungsdruck auf Einwanderungswillige eng begrenzt. Um die erwarteten Migrationsbewegungen effektiv kontrollieren und selektiv auswerten zu können, wird das bestehende Grenzregime technisch wie institutionell weiter ausgebaut. Im Zentrum der Zuwanderungssteuerung stehen die wohlverstandenen deutschen Eigeninteressen. Sie strukturieren eine restriktive Politik, die auf eine flexible und zielgruppenorientierte Politik der Abweisung und Zulassung basiert. Allen Anschein nach stellt die Gleichzeitigkeit des Ein- und Ausschlusses die entscheidende Weichenstellung im nationalstaatlich, aber zunehmend auch EU-weit regulierten Zuwanderungskonzept dar. Im Verlauf der Debatten über die Notwendigkeit oder Vermeidbarkeit von Einwanderung sind in den vergangenen Jahren vielfach ideologisch motivierte Abwehrbewegungen mit völkisch-rassistischen Verkrustungen zu Tage getreten. So verdeutlicht die Forderung nach einer »deutschen Leitkultur«, dass Deutschland eine in Einwande-

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rungsfragen bislang stark strukturkonservative Gesellschaft ist. Seit dem Zuwanderungsstopp im Jahre 1973 ist das prekäre Thema »Arbeitsmigration« in der deutschen Mehrheitsgesellschaft von einer einseitigen Problemwahrnehmung geprägt und wird oft als gesellschaftliche Belastung abgelehnt. Auf diese weitverbreiteten ›Ängste‹ wird im Rahmen des neuen Zuwanderungsdiskurses mit einer Perspektive geantwortet, in der die Chancen und Risiken von Einwanderung für die »Deutschland AG« modernisierungsbewusst sondiert und als bereicherndes Instrument zur langfristigen Erhaltung der eigenen nationalen Zukunftsfähigkeit schmackhaft gemacht werden. Neben dem Interesse nach nationalökonomischer Verwertung wird in den deutschen Migrationsdebatten auch die Verjüngung der gesellschaftlichen Alterspyramide durch die bedarfsabhängige Zuführung ›hochwertiger Humanressourcen‹ aus der Peripherie als wiederkehrendes Motiv kommuniziert. Durch Vergesellschaftlichung junger und möglichst hochqualifizierter Produktivkräfte aus Osteuropa und dem südlichen Trikont soll die intergenerative Sozialsicherung in einer von Überalterung und ökonomischen Niedergang bedrohten Nation in den nächsten Jahrzehnten aufrechterhalten werden. Angesichts ihrer negativen Bevölkerungsentwicklung sehen sich viele westliche Metropolengesellschaften langfristig gezwungen, ihre demographische Produktionsbasis durch ein auch biopolitisch motiviertes Zulassungsverfahren im Einwanderungsrecht so weit zu modernisieren, dass die daraus resultierenden Standortvorteile genügen, um in den globalen Konkurrenzkämpfen der Zukunft zu bestehen (Ha 2003b: 91-95). Neben der sozio-ökonomischen Funktionalität hochqualifizierter Einwanderer und Einwanderinnen spielt in der gegenwärtigen Diskussion der Aspekt der kulturellen Bereicherung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Obwohl die staatliche Migrationspolitik durch die Imperative der flexiblen Begrenzung und Abschottung bestimmt ist, geht sie paradoxerweise auch mit einem lustvollen Verlangen einher, (post-)koloniale VIP-Migranten und -Migrantinnen sowie ihre hybriden Diasporakulturen zu akkumulieren. Innerhalb einer globalisierten Ökonomie, in der die kulturelle Produktion deutlich an wirtschaftlicher und symbolpolitischer Relevanz gewonnen hat und der nationalökonomische Standortwettbewerb mit zunehmender Schärfe auch zu einem Wettkampf zwischen den urbanen Metropolen führt, repräsentieren begehrenswerte migrantische Ressourcen nicht nur ein ökonomisches, sondern auch ein kulturelles »Humankapital«. Migrationspolitik fungiert in diesem Kontext als nationalstaatliches Instrument zur Akquirierung von ökonomisch und kulturell attraktiven Quellen, die der gesellschaftlichen Selbstaufwertung dienen. Als Bereicherungsaspekt ist die Frage der kulturellen Diversität in den deutschen Vorstellungen zur multikulturellen Gesellschaft bereits

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Umkämpfte Hybridisierungen | 103 häufig formuliert worden. So sind die ethnischen Infrastrukturen der migrantischen Communities immer dann willkommen, wenn sie mit ihren kulinarischen und kulturellen Angeboten als bunte Farbtupfer die Tristesse deutscher Innenstädte beleben. Die Zuweisung solcher Dienstleistungen läuft Gefahr, dass diese Funktionalisierung exotisierende Fremdzuschreibungen bestärkt. Das offensichtlichste Beispiel für eine exotistische Arbeitsteilung innerhalb eines Kulturraums, in dem sowohl Vorstellungen von Kulturdiffusion (»Schmelztiegel der Kulturen«) als auch ethnisierende Stereotype (»Samba-Tänzer, Voodoo-Priester und Feuerdrachen«, Berliner Morgenpost vom 13.5.2005: 13) gefeiert werden, kann sicherlich im Berliner »Karneval der Kulturen der Welt« gesehen werden (Frei 2003). Dieses multikulturelle Massenspektakel ist mit einer urbanen Eventökonomie und medialen Repräsentation verwoben, in der die Anderen verobjektiviert und mit Vorliebe auf eine Aneinanderreihung ethnisch-nationaler Stereotypen reduziert werden. »Vorgeführt wird ein Maximum an Buntheit und Exotik« (Knecht 2005: 23). Es dürfte kaum ein Zufall sein, dass neben Folklore und Volkstrachten vor allem leichtbekleidete brasilianische Sambatänzerinnen in etlichen Massenmedien das beliebteste Motiv des journalistischen Voyeurismus darstellen.1 Im Fokus der Begehrlichkeiten stehen Spaß- und Partyeffekte für die deutsche Bevölkerung sowie der touristische Imagegewinn für Berlin (Knecht/Soysal 2005: 19). Im Gegensatz zu den Verpflichtungen eines anti-rassistischen Engagements ist der Karneval in erster Linie eine einträgliche Werbeund lustige Konsumplattform, da er als fröhlicher Markt der Möglichkeiten gerade für das deutsche Publikum voraussetzungslos erscheint und das offizielle Selbstbild des toleranten und kosmopolitischen Berlins bedient. Außer sozio-ökonomischen Nutzeffekten wird durch die Einbindung von Migranten und Migrantinnen sowie People of Color auch eine kulturelle Repräsentation ermöglicht, die den Stadtraum theatralisiert und zu einer unwirklichen Welt des interkulturellen Happenings umwandelt. Seinen Reiz bezieht der Karneval durch die Exotisierung und Festivalisierung, die die deutsche Hauptstadt als Weltbühne bejubelt und durch die Inszenierung migrantischer Vielfalt als eine temporäre Zone der Kulturvermischung aufwertet. Neben der theatralischen Performierung hybrider Stadträume profitieren auch populäre Formen der nationalen Repräsentation von der Integration migrantischer Präsenzen. Angespornt durch die kulturelle Produktivität und den weltweiten Erfolg bekennender Einwanderungsgesellschaften scheint auch Deutschland seine nationale Modernisierung und Erneuerung in der Sichtbarmachung kultureller Pluralität zu suchen. Als im Kampf der Fußball-Großmächte und National1 | Vgl. bspw. die Reihe von Vorankündigungen und Berichte der Berliner Morgenpost vom 11. bis 17. Mai 2005.

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konzepte die kulturell gemischte und republikanisch organisierte »Multi-Kulti-Truppe« Frankreichs 1998 bei der Weltmeisterschaft siegte und das völkische Reinheitsgebot der DFB-Auswahl eine blamable Niederlage erlitt, entdeckten deutsche Massenmedien in der Stunde des patriotischen Notstands die »Integration des Anderen« als Potenzmittel für die ›schwächelnde‹ Nation. Ähnliche Reaktionen riefen die Erfolge der in Deutschland geborenen oder aufgewachsenen Alamanci in der türkischen Nationalmannschaft bei der FußballWeltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea hervor. Erst nachdem die Kosten dysfunktionaler Ausschlüsse einen nicht mehr verdrängbaren Problemdruck erzeugte, werden »andere« Deutsche zögerlich zugelassen. Bisher werden nur wenige Spieler wie Gerald Asamoah oder Kevin Kuranyi mit einem nicht mehrheitsdeutschen Hintergrund mehr oder weniger sporadisch einbezogen. Etwas besser ergeht es Steffi Jones, die sich im Frauenbereich einen Stammplatz erkämpfen konnte. Die Definition der Nationalelf spielt sich auf einen sensiblen Feld der kollektiven Identifikationssymbole ab und ist mit rassistischen Dynamiken verknüpft, die zwischen irrationaler Ablehnung und instrumenteller Funktionalisierung changiert. Obwohl Deutschland bisher vor allem durch seine chronische Unfähigkeit aufgefallen ist, die seit Jahrzehnten bestehende gesellschaftliche Transformation zu einer modernen Einwanderungsgesellschaft ideologisch zu verarbeiten, sind einige Bereiche bereits von einer Obsession zur transkulturellen Öffnung ergriffen. So wie diversity management in wachstumsorientierten Wirtschaftsunternehmen zu einem Leitmotiv für Innovation und Zukunftsfähigkeit geworden ist, so fungiert zugeschriebene Fremdheit und Authentizität im kulturellen Feld als exotisierende »Differenzkonsummaschine« (Terkessidis 2002). Um unverbrauchte Vitalitätsreserven und neues Kreativpotential unter dem Vorzeichen nationaler Zielsetzungen zu erschließen, werden migrantische Newcomer/-innen inzwischen vermehrt in ganz spezifischen Kontexten zugelassen. In diesen Kontexten kann Integration als Missrepräsentation und diskursive Einverleibung von People of Color und Eingewanderten in nationalen Medieninszenierungen enden. Verglichen mit politischen und ökonomischen Bereichen sind die Vereinnahmungsbemühungen im deutschen Kulturbetrieb relativ fortgeschritten (Steyerl 2005). Im deutschen Feuilleton ist der Triumph des Filmemachers Fatih Akin bei der »Berlinale 2004« nicht selten deutsch eingerahmt und in den Dienst der Nationalkultur gestellt worden. Statt wie bei anderen Preisträgern die individuellen Leistungen zu betonen, entwickelt sich ein merkwürdiger Diskurs, der die kulturelle Zwischenstellung der Filme von Fatih Akin nicht zuletzt als Nachweis für die Leistungsfähigkeit und internationale Konkurrenzfähigkeit des »deutschen Kinos« und der deutschen Förderungspolitik anführt. Zu den wiederkehrenden Bildern in der medialen

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Umkämpfte Hybridisierungen | 105 Inszenierung junger, moderner und erfolgreicher Migranten und Migrantinnen gehört der individuelle Aufstieg, der manchmal auch als Teil der nationalen Erfolgsgeschichte Deutschlands erzählt wird. Unter diesen Umständen schlägt die frühere Abwertung in eine selektive Integration in die Nation um, die sich die hybriden Potentiale des Anderen einverleibt. Dieser Trend ist auch bei der nationalen Vorauswahl für den deutschen Beitrag im europäischen Schlagerwettbewerb »Eurovision Song Contest 2004« deutlich geworden. Die massenmedial mit großer Spannung erwartete Sendung wurde am 19. März unter dem unmissverständlichen Motto »Germany 12 Points!« bundesweit ausgestrahlt. Sie ist ein augenfälliges Fallbeispiel dafür, wie die populärkulturellen Ressourcen der Andersheit für nationale Zwecke nutzbar gemacht werden. Offensichtlich ist die Beteiligung von Migrierten und »anderen« Deutschen immer dann willkommen, wenn sie dazu beitragen, den Spitzenplatz für Deutschland zu sichern. Nach einer selektiven Prozedur werden bestimmte People of Color, die in die vorgeschriebenen Definitionen von Schönheit und Attraktivität passen, als repräsentativ, begehrenswert und unterhaltsam zugelassen. Noch stärker als in den letzten Jahren wurden bei dieser nationalen Vorausscheidung überdurchschnittlich viele Sänger/-innen mit Migrationshintergrund präsentiert. Betrachten wir die offizielle NDR-Website zur ARD-Sendung,2 dann fällt zunächst das numerische Verhältnis auf. Unter den acht Acts befinden sich nicht weniger als vier, die ausschließlich oder wenigstens zur Hälfte migrantisch bzw. »schwarz« besetzt sind. Bis auf das deutsch-afroamerikanische Techno-Duo Westbam/Afrika Islam, die ihre Performance mit einem Hauch von Underground versehen und darin das Verhältnis von Subkultur und Polizeigewalt ansprechen, beschränkt sich die Präsenz des Anderen darauf, emotionale Leerstellen und nationale Sehnsüchte des deutschen Publikums auszufüllen. Wie immigrant mainstreaming oder diversity management im Popdiskurs aussehen kann und mit welchen Funktionalisierungen es verbunden ist, zeigt die Vorstellung der drei Top-Acts mit ›farbigen‹ Stimmen auf der NDR-Website: Fangen wir mit Laith Al-Deen an. Er wird einerseits als Überbringer »melancholischer Songs über Sehnsucht, Liebe und Begierde« orientalisiert und andererseits als »Samt-Stimme aus Mannheim« mit vertrauenserweckenden Lokalkolorit versehen. Seine Version der gelungenen Integrationsgeschichte lautet: »Ich singe deutsch, ich schreibe deutsch, ich empfinde deutsch. Eigentlich bin ich Volksmusiker im Bereich Pop, aber diese Kategorie ist in Deutschland ja schon besetzt.« Obwohl Laith Al-Deen durch und durch assimiliert ist, wird 2 | Alle Zitate sind der offiziellen Website zur Sendung entnommen: http://www.ndrtv.de/grandprix/teilnehmer/national (gesehen am 22.5.2005).

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auch er durch eine grundsätzliche, letztlich biologistisch bzw. ethnisch determinierte Nicht-Zugehörigkeit als »Halb-Iraker« markiert. Neben der Konstruktion ethnischer Differenzen und der damit einhergehenden emotionalen Mobilmachung dient das Othering in diesem Fall auch dazu, um mit der Stimme des Anderen die deutsch-konservative »Abneigung gegen amerikanische Musikkategorien« in Stellung zu bringen. Indem man sich seiner unverdächtigen Zwischenposition bedient, kann umso unverblümter nationalistisch interveniert werden. Wenn sogar ein »Halb-Iraker« die Diskriminierung deutscher Gruppen in den Medien beklagt und sich als leidenschaftlicher Liebhaber der kulturbildenden deutschen »Muttersprache« für die Kategorie der »National Acts« im Musikbusiness einsetzt, ist es dann nicht vollkommen legitim, »Kämpfer für die deutsche Popmusik« zu sein? Bei Sabrina Setlur werden dagegen vor allem die Vorzüge ihres femininen und verletzlich wirkenden Körpers betont. Als Blickfang präsentiert die NDR-Online-Redaktion eine erotisierende Nahaufnahme, in der alle abgebildeten Körperpartien unverhüllt sind. Mit dieser Darstellungsweise wird der Betrachter, der von oben auf sie hinabschaut, angeregt, das unvollständig erscheinende Bild imaginär weiterzudenken. Durch diesen wohl kalkulierten Bildausschnitt werden Voyeurismus und Verfügungsphantasien beflügelt. Die Bemächtigung ihrer Persönlichkeit und Intimität wird durch den redaktionellen Begleittext noch weiter verstärkt. Vor dem Hintergrund ihres aufsehenerregenden Privatlebens, das aus der »kurzen Beziehung mit Boris Becker, der Wahl zur erotischsten Frau Deutschlands, dem Führerscheinentzug wegen Trunkenheit am Steuer und einem Rechtsstreit um eine in der Zeitschrift ›Max‹ abgedruckten Fotostrecke« zu bestehen scheint, werden »schonungslose Worte einer schönen Sängerin« angekündigt. Wie der Erklärungszwang der Eingewanderten im Integrationsdiskurs3 werden auch ihre Texte als persönliche Offenlegung interpretiert, die als Chance zur Heilung der pathologisierten Existenz verstanden werden. »Das Schreiben ist mein Ventil, mich zu therapieren. Andere Menschen töpfern, ich schreibe. Und je ehrlicher ich bin, desto besser und freier fühle ich mich anschließend auch«, erzählt sie. Da die Wut des »Riot Girl der deutschen Musikszene« vor allem zur emotionalen Teilhabe einlädt, wird die unverfälschte Gefühlsechtheit ihrer Songtexte betont, denn »es gab so viele Gefühle in mir, die raus mussten«. Entsprechend heißt ihr harmoniebedürftiges Lied »Liebe«. Mit »Overground – Herzensbrecher vor dem Herrn« trat auch eine »multirassische« Boy-Group an, die für Teenies kreiert wurde. Neben der richtigen Mischung sei vor allem »gutes Aussehen, rhyth3 | Neben der Herkunftsfrage »Woher kommst du?« wird vor allem der Einreisegrund mit der Frage »Warum bist du hier?« überprüft.

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Umkämpfte Hybridisierungen | 107 mische Tanzeinlagen und mehrstimmiger Gesang« für ihren Erfolg entscheidend. Welche Marktdimensionen und Konsumbedürfnisse dieses Gruppenimage zu befriedigen vermag, zeigt ihre Single »I Wanna Sex You Up«, die sich in kurzer Zeit über eine Million Mal verkaufte. »Overground« wurde aus 10.861 Mitbewerbern in einer TV-Castingshow fabriziert, die von einem der großen Unterhaltungskonzerne gesponsert wurde. Gemeinsam mit anderen Retortenbands wie »Become One« oder der Girl-Group »Preluders« wurden sie November 2003 ins Leben gerufen. Diese Gruppen stellen musikindustrielle Weiterentwicklungen einer extrem erfolgreichen Produktlinie dar, die mit den »No Angels« (2000) und »Bro’Sis« (2001) begann. Alle diese industriell komponierten Bands teilen in unterschiedlichen Farbschattierungen ein Bestreben, multiethnisch und sexy auszusehen. Die »Preluders«, deren Name offensichtlich von den Assoziationen mit sexueller Verfügbarkeit und Stimulation handelt, setzen diese Strategie besonders konsequent um: Sie repräsentieren eine weibliche Mixtur mit albanisch-deutsch-italienisch-südafrikanisch-vietnamesischen ›Ausstattungsmerkmalen‹. Diese Form der Zurschaustellung hybrider Andersheit in kulturindustriell definierten Modellrollen ist reduktiv und verstärkt sexistische wie rassistische Stereotypen. Obwohl meine Darstellung nur exemplarisch sein kann, verweist sie auf einen gesellschaftlichen Trend, in der die inszenierte Einbeziehung kultureller Diversität problematische Effekte aufwirft. Die Forderung »Germany 12 Points!« kann als eine Allegorie gelesen werden. In diesen Kontext dient die Repräsentation von Künstlern und Künstlerinnen mit Migrationshintergrund vornehmlich dem Zweck, die deutsche Nation inmitten einer bunten Andersheit zu platzieren, um das dominante Selbst innerhalb der globalen Ökonomie und einer durch metropolitane Konkurrenz dominierten Medienkulturlandschaft aufzuwerten. Während sich die »weiße« Mehrheitsgesellschaft die Anderen als Objekte des eigenen Begehrens aneignet, werden sie gleichzeitig auf einen Fetisch reduziert. Damit vollzieht sich ein wichtiger kultureller Wandel in Zeiten der Globalisierung: Wurden die kulturellen Ressourcen insbesondere von nicht-europäischen Gemeinschaften früher regelmäßig abgewertet und abgelehnt, werden heute ausgewählte Elemente migrantischer Diasporakulturen in offiziellen Repräsentationen als produktive Zutaten und exotische Ornamente begehrt. Diese instrumentelle Integration von Andersheit wird gerade bei massenwirksamen Events zunehmend zur Zelebrierung der kosmopolitischen und leistungsfähigen Nationalkultur eingesetzt. Indem diese Aneignungspolitik nur bestimmte Versionen der Andersheit wertschätzt, kreiert sie neue Formen der kulturellen Unsichtbarkeit und Hierarchie. Insbesondere schließt sie diejenigen aus, die nicht als hip und dynamisch gelten, sondern als ›traditionell‹ orientiert gebrandmarkt werden.

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Allerdings ist die Bemächtigung kultureller Hybridität im Namen einer nationalen Agenda im politischen Raum nicht unumstritten und alternativlos. Die Versuche, Hybridisierungsstrategien politisch subversiv einzusetzen, möchte ich zunächst anhand eines Beispiels aus dem globalisierungskritischen Kontext entwickeln, um anschließend zur deutschen Migrationssituation zurückzukommen. Vor dem Hintergrund einer spätkapitalistischen Aufwertung und Vereinnahmung des Kulturellen gewinnen kulturpolitische Bewegungen, Online-Aktivismus und entstellende Ironisierungen durch semantische wie semiotische De- und Rekodierungen von Adbusters und Culture Jammers auf der Sprach- und Bildebene verstärkt an Bedeutung.4 In einer Ökonomie, in der ›das Image alles ist‹ (Canon),5 sind Namensrechte, Copyright und Firmenimage als kulturelles Kapital besonders für weltweit agierende Unternehmen substanziell. Die grundlegende Aufwertung immaterieller Besitztümer im Spätkapitalismus schränkt nicht nur die Bedeutung materiell gebundener Besitzrechte an traditionellen Produktionsmitteln wie Fabriken und Boden ein. Sie ermöglichen auch neue Felder der politischen Auseinandersetzung. So setzen nicht zuletzt die offensiven Kampagnen sozialkritischer Bewegungen gegen die neoliberale Wendung der Globalisierung den milliardenschweren Globetrotter Nike unter Druck, indem sie auf der strategisch-symbolischen Ebene intervenieren.6 Nike ge4 | Siehe auch Klein 2002: 289-319 und Lasn 2005. Gegenwärtig werden unter http://www.adbusters.org politische Strategien zum massenhaften Konsumboykott diskutiert und Erfahrungen mit flächendeckenden Techniken zum Ausschalten der allgegenwärtigen Fernsehwelten ausgetauscht. 5 | Unter dem vieldeutigen Motto »Image is everything« startete der japanische Produzent für Fotooptik 1992 mit dem schillernden Tennisprofi Andre Agassi eine interessante Werbekampagne. Während in den 1970er Jahren Punkästhetik noch als anti-bürgerlich und unkonsumierbar galt, werden keine 20 Jahre später gerade die vermeintlich rebellischen Ausläufer der Jugend- und Popkultur auf der telegenen Repräsentationsebene für ein breites Publikum kultiviert. Nicht trotz, sondern aufgrund seines Rufes als ›Tennispunk des weißen Sports‹ erscheint Agassi nun attraktiv, um als familienfreundlicher Sympathieträger zu fungieren. Die innovative Vereinnahmung und Verwertung von kulturellen Widersprüchen ist längst zu einem Motor der Werbeindustrie geworden. 6 | Allerdings sind globale Player wie Nike solchen Unterwanderungsversuchen keinesfalls hilflos ausgeliefert. Als kreative think tank-Fabriken, kulturelle Produzenten und politisch handelnde Akteure mit millionenschwerem Werbeetat sind sie in der Lage sich die zeichen- und raumpolitischen Subversionstaktiken ihrer Gegner zu bemächtigen, um sie wiederum etwa als selbstironisierende Marketing- und Camouflagestrategien in ihrem Sinne einzusetzen. Wie dieser »Corporate Situationism« funktioniert, lässt sich anschaulich

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Umkämpfte Hybridisierungen | 109 hört zu den Vorreitern, die durch Outsourcing versuchen, sich ihrer sozialen Verantwortung für die Produktionsbedingungen in den Sweatshops zu entledigen. Um dieses Problem zu thematisieren, konfrontieren Culture Jammer das in langjährigen und kostenintensiven Public-Relations-Kampagnen mühsam aufgebaute Firmenimage mit den tatsächlichen Auswirkungen der eigenen Unternehmenspolitik. Statt wie in der »Just do it«-Werbung das Versprechen nach Freiheit und Selbstverwirklichung umzusetzen,7 enthüllt eine kritische Bestandsaufnahme der profitablen Outsourcing-Politik von Nike, dass dieser Konzern wie andere Global Player seine Produkte vielfach mit Hilfe von Subunternehmen in Länder der Dritten Welt unter sozialen und ökologischen Arbeitsbedingungen herstellen lässt, die auf die Einhaltung internationaler Mindeststandards wenig Rücksicht nehmen.8 Konzerne, die wie Nike letztlich Lifestyle verkaufen, sind jedoch in besonderer Weise auf ein positives, lebensbejahendes Image angewiesen. Sie reagieren empfindlich, wenn die eigenen Konsumprodukte nicht mit Erfolg oder cooler Hipness, sondern nachhaltig mit Kinderarbeit und frühkapitalistischen Ausbeutungsbedingungen assoziiert werden. Solche Arbeitsformen werden nicht nur in linksliberalen Kreisen, sondern auch in der breiten Bevölkerung als menschenunwürdig empfunden, so dass ihre Thematisierung von den betreffenden Unternehmen als geschäftsschädigend angesehen wird. Vor diesem Hintergrund bietet es sich für Adbusters und Aktivisten der am Fallbeispiel »Niketown Berlin« aufzeigen, wo Nike seit Mitte der 1990er Jahre ›coole‹ Szeneclubs, Kunsthappenings, Sportevents, Brachflächen, Konsumtempeln etc. bespielt und durch solche z.T. nur temporäre Inszenierungen den urbanen Raum sein Markenzeichen aufstempelt. Mittels Branding schreibt Nike sich in die Stadt ein und eignet sie sich an. Die Stadt als konzerneigener Showroom wird so zur Beute (Borries 2005). 7 | Die »Just do it«-Devise birgt aus der Perspektive von entrechteten Arbeitern und Arbeiterinnen, die im Just-in-Time-Modus für einen Hungerlohn Nike-Produkte herstellen, eine weit bedrohlichere Bedeutung als Arbeitsbefehl. Da die offiziellen Lesarten nicht notwendigerweise wahr sind, besteht die kritische Aufgabe darin ihre Dominanz durch alternative Erzählungen bzw. marginalisierte Realitäten zu hinterfragen und zu destabilisieren. »Just« bedeutet schließlich auch gerecht. 8 | In »No Logo!« (2002) legt Naomi Klein nicht nur die soziale Folgen der Unternehmenspolitik von Nike dar (ebd.: 205-208, 239-241, 490-494). Sie sieht Nike vor allem als einen Trendsetter an, der sich mit seiner hochprofitablen new economy darauf konzentriert, mittels finanz- und medienintensiver Marketing- und Brandingtechniken einen kulturellen Mehrwert im Bewusstsein der Käufer/-innen zu erzeugen. Kaufentscheidend ist dann weniger die Funktionalität oder der Gebrauchswert eines Produkts, sondern sein Imagewert.

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Kommunikationsguerilla an, diesen Widerspruch zwischen Schein und Sein etwa durch visuelle Eingriffe auf der Symbolebene zu bearbeiten. Durch solche Störungen versuchen sie einerseits, das Verborgene in den dominanten Zeichen und Botschaften sichtbar zu machen. Andererseits greifen solche subversiven Kommunikationsformen auf jene kommerziellen Ressourcen zurück, die das dominante Zeichen überhaupt erst als Emblem mit weltweiter Bedeutung konstituiert haben, um sie gegen die ursprünglichen Intentionen des Urhebers oder Investors einzusetzen. Indem Adbusters das weltberühmte »Swoosh«-Firmenlogo von Nike in Form einer geschwungenen Sichel aus seinem bisherigen Bedeutungszusammenhang entführen und unter dem verstörenden Slogan »SlaVery« neu kontextualisieren, tragen solche Ironisierungen dezidierte politische Botschaften. Die Technik, bedeutungsmächtige Zeichen zu verfremden, läuft auf eine Form der kulturellen Hybridisierung hinaus, bei der die dominanten Symbole durch ihre verdrehte Wiederholung im minoritären Diskurs nur fast mit sich identisch sein können. Die »SlaVery«-Kritik greift nicht nur den Sportgiganten Nike, der nach der antiken griechischen Göttin des Sieges benannt ist,9 frontal an. Sie erinnert mit dieser Anspielung auch an die andere Seite der eurozentrierten Entwicklung, deren Geschichte in den letzten 500 Jahren nicht ohne koloniale Ausbeutung und rassistische Unterdrückung gedacht werden kann. Neben der Bildung sozialer Bewegungen im virtuellen Raum hat auch die Aneignung und politische Rekonfiguration öffentlicher Orte an Bedeutung gewonnen. In Anlehnung an die Ideen der Situationistischen Internationale und Guy Debords (1978) theoretischem Ansatz, der in den 1960er Jahren entwickelt wurde, finden verstärkt Versuche statt, Gegenöffentlichkeiten im urbanen Raum als globales Ereignis zu inszenieren (Baumeister/Negator 2005). Die Effekte einer massenmedial vernetzten Kultur werden zur Artikulation politischer Alternativbotschaften genutzt.10 In den letzten Jahren fanden rund um den Globus spektakulär aufgemachte Aktionen statt, deren kulturelle Attraktivität auch politisch massenwirksam geworden ist. Der »People’s Global Action Day« am 1. Mai und in einem noch größeren Maße der weltweite Aktionstag am 15. Februar 2003 gegen den jüngsten Irakkrieg veranschaulichen in diesem Zusammenhang die politischen Potentiale einer weltweiten Vernetzung zivilgesellschaftlicher Akteure. Vor allem globalisierungskritische Zusammenhänge, die das Weltsozi9 | Nikes »Swoosh« ähnelt einem »V« und kann daher auch als Akronym für »Victory« gelesen werden. 10 | Es ist sicherlich kein Zufall, dass attac als einer der medial erfolgreichsten Massenorganisationen im globalisierungskritischen Kontext nicht nur in Deutschland, sondern weltweit mit der permanenten Wiederholung dieser fundamentalen Werbebotschaft arbeitet: »Eine andere Welt ist möglich.«

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Umkämpfte Hybridisierungen | 111 alforum und seine Regionaltreffen als gemeinsame Plattform nutzen, haben seit Ende der 1990er Jahre zur Entwicklung von neuen kreativen Aktionsformen beigetragen. Von den USA und England ausgehend sind karnevaleske Umzüge, »Reclaim The Streets«-Partys, Lachparaden, »Street Art«-Aktionen mit Straßentheater, Graffiti, Großpuppen, »Radical Cheerleading«, Samba-Gruppen, Demo-Marschkapellen, »Critical Mass«-Fahrradtouren etc. inzwischen auch in Deutschland als politische Artikulationsformen nicht mehr unbekannt (Amann 2005). Solche Ansätze bezeichnen Hardt und Negri (2002) als »Autonomie der Multitude«, in der sich die lebendige und schöpferische Vielheit der Massen ausdrückt. Kulturelle Zeichen und Symbole sind Träger von Bedeutungszuweisungen, deren Inhalte im Kampf um kulturelle Hegemonie und Deutungsmacht umstritten sind. Um Situationen herzustellen, in denen der gewohnte Deutungsrahmen überschritten wird, machen politisch Aktive sich die irritierenden Effekte der subversiven Verfremdung kultureller Icons, kapitalistischer Geschäftsmodelle und politischer Regime zunutze. Der Entstehungskontext und das Arbeitskonzept der Kampagne »Kein Mensch ist illegal – Netzwerk gegen Abschiebung und Ausgrenzung« (KMII) kann als exemplarisch für einen solchen kulturalistischen Politikansatz gelten. Am Anfang ihrer politischen Arbeit stand die künstlerische und alltagspraktische Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex »cross the border«. Entstanden ist diese Kampagne im Sommer 1997 aus einem zunächst internet-basierten »Hybrid WorkSpace« der Documenta X, in der ein lose und dezentral organisiertes Netzwerk von politisch und künstlerisch Aktiven mit Hilfe audio-visueller Medien und Online-Kommunikationsmitteln das namensgebende Manifest erarbeitete.11 »die telefone sind mobil, die computer tragbar und die datenströme schnell und unsichtbar. doch je müheloser die geld- und warenströme die nationalstaatlichen territorien durchqueren, desto mehr schotten sich die reichen metropolen gegen die weltweiten migrationsbewegungen ab. ›wir nehmen euch alles, aber euch nehmen wir nicht‹ – so muss das postkoloniale ausbeutungsverhältnis umschrieben werden. menschen, die versuchen, sich in sicherheit zu bringen – sei es auf der flucht vor verfolgung oder einfach auf der suche nach glück – haben heute kaum eine möglichkeit mehr, legal in ein land westeuropas oder nordamerikas einzureisen. eine der zentralen politischen herausforderungen der nächsten zeit ist es, das herrschende grenz- und migrationsregime praktisch und politisch anzugreifen und flüchtlinge mit und ohne papiere zu unterstützen im kampf um das recht 11 | Das hybride Arbeitsräume gerade für alternative Medienprojekte und Organisationen attraktiv ist, zeigt sich auch an diesem Beispiel: »hybrid video tracks ist ein Zusammenschluss Berliner MedienaktivistInnen und -künstlerInnen. hybrid video tracks produziert Ausstellungen, Videos, Texte, Installationen« (http://www.hybridvideotracks.org, gesehen am 22.5.2005).

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zu leben, wo sie wollen und wie sie wollen. denn: kein mensch ist illegal« (http://www. contrast.org/borders/abstract.html, gesehen am 22.5.2005; Übersetzung: http://www.jung demokraten.de/aktuell/aktion/kmii05.htm, gesehen am 22.5.2005). Während der »Documenta X« wurde das virtuelle Forum dann als reales Kunstprojekt in eine gesellschaftliche Laborsituation überführt und durch ein umfangreiches »100 Tage – 100 Gäste«-Begleitprogramm ergänzt. Danach verselbständigte sich diese Aktionsplattform aufgrund der großen Unterstützung zu einem bundesweiten Netzwerk mit Arbeitsgruppen in mehr als 40 Städten. Es ist weltweit mit anderen Organisationen vernetzt. Neben vielen anderen Projekten unterstützt KMII auch die Selbsthilfeorganisation Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen. In diesem Fall fand die kulturelle Hybridisierung eine Entsprechung in der Hybridisierung der Multitude, die sich auch in den praktischen Kämpfen um die Freiheit der Migration auswirkt. Um gegen die Errichtung von Grenzregime zu protestieren, wurde der Passagierstatus »deportation class« im deutschen Fluggeschäft eingeführt, um erzwungene Formen der Ausreise zu benennen. Mit ihren oftmals im Grenzbereich zwischen künstlerischen und politischen Praxen situierten Operationen versucht KMII, den Zusammenhang zwischen staatlicher Abschiebepolitik und der Durchführung durch Airlines wie die Lufthansa zu kritisieren. Mittels vielfältiger, oftmals auch kreativer Aktionsformen, die von Online-Demonstrationen über öffentlichkeitswirksame Culture Jamming-Plakatwettbewerbe mit abgewandelten Lufthansa-Hybridsymbolen bis zur praktischen Aufklärungs- und Unterstützungsarbeit im Flughafenterminal reichen,12 konnte der Rückzug von Lufthansa aus dem Abschiebungsgeschäft durchgesetzt werden. Ausschlaggebend war letztlich der hohe Imageschaden, dem kein adäquater wirtschaftlicher Gewinn entgegenstand. Die Folge ist allerdings, dass die Abschiebungspolitik nun vorwiegend von ausländischen und weniger renommierten Airlines abgewickelt wird. Neben der Problemverschiebung hat hier auch ein dynamischer Lernprozess stattgefunden, in der die kritisierten Praktiken zunehmend von Unternehmen ausgeführt werden, die kaum noch durch negative Imagepolitik angegriffen werden können, so dass auf der Seite der Aktivisten und Aktivistinnen neue politische Konzepte notwendig werden, um diese institutionelle Resistenzbildungen herauszufordern. Andere anti-rassistischen Ansätze operieren mit einer hybridisier12 | Hintergrundinformationen und Anschauungsmaterial zu der politischen Arbeit von »Kein Mensch ist illegal« sind dezentral unter http:// www. contrast.org/borders; http://www.kmii-koeln.de/pre2005/frame/dc.htm; http: //www.deportation-class.com und http://www.aktivgegenabschiebung.de abrufbar (gesehen am 22.5.2005).

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Umkämpfte Hybridisierungen | 113 ten Identitätspolitik der Selbst-Kanakisierung, die über historische Vorläufer verfügt. In der Geschichte kanakischer Identitätskonstruktionen vermischt sich die Globalisierungsgeschichte der Kolonialisierung mit den Geschichten widerständiger Selbstinszenierungen. Es ist diese uneindeutige Doppelbewegung in der historischen Dynamik identitärer Fremd- und Selbstzuschreibungen, durch die Benennungen sowohl als Praktiken der kolonialrassistischen Herrschaft als auch der Selbst-Ermächtigung fungieren können. Eine Reihe historischer Entwicklungen weisen darauf hin, dass das umkämpfte Terrain der Identität nicht nur das Ziel, sondern auch die gemeinsame Ausgangsbasis für politischen Aktivismus von People of Color darstellt. Durch anti-rassistische Bewegungen wie das Black Power Movement in den USA der 1960er Jahre konnte erstmals massenhaft ein positiver Bezug zur »schwarzen« Identität gebildet werden (Demny 2004). »Schwarz« dient durch diese Brechung nicht mehr länger wie im Rassismus als negatives Symbol. Dieser politischer Bewusstwerdungsprozess wurde durch ein populärkulturelles Umfeld verstärkt, das sich am deutlichsten in Slogans wie »Black is beautiful« und »I’m black and I’m proud« abbildet. Aus dieser Um- und Aufwertung von Blackness ging eine radikale Positionierung hervor, deren identitätspolitische Selbstaneignung als gesellschaftlich transformierende Kraft sowohl für die »schwarze« Diaspora in Europa als auch für andere ehemals kolonialisierte Communities bedeutsam ist. Es ist daher kein historischer Zufall, dass die indigenen Bewohner/-innen der französischen Überseekolonie Neukaledonien in den rebellischen 1970er Jahren begannen, sich die abwertende Kolonialbezeichnung »Kanak« anzueignen. Stand diese Identitätsposition bis zu diesem Zeitpunkt für ein durch »Blackbirders« (europäische Menschenjäger) und die Kolonialadministration auferzwungenes Trauma der Deportation und Zwangsarbeit, so verkehrte sich mit der aktivistischen Übernahme und Neusetzung dieser historisch aufoktroyierten Identitätszuschreibung auch ihre politische und gesellschaftliche Funktion. Aus kolonialen Objekten wurden durch Prozesse der Selbstaneignung postkoloniale Subjekte, die selbstbewusst für die unabhängige Entwicklung ihrer Gesellschaft kämpfen und auf diese Weise versuchten, ihre Geschichte neu zu schreiben (Valjavec 1995: 38, 62). Kanakische Identitätspolitik als Widerstandsperspektive versucht, sich der Macht der Kolonialsprache zu entziehen, indem sich die Kolonialisierten in Sprechakten selbst definieren und damit diskursiv aus ihrem Objektstatus heraustreten. Widerstand wird nicht erst dann praktiziert, wenn explizit Gegenmodelle vertreten werden. Je nachdem, wie die gesellschaftlichen Kräftekonstellationen aussehen, welche strategische Optionen wirkungsvoll erscheinen und welche kulturellen Praktiken zur Verfügung stehen, können die Kolonialisierten

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sich auch tarnen und die koloniale Anrufung durch Praktiken der Selbstbenennung umkehren. Solche identitätspolitischen Interventionen reflektieren und überschreiten zugleich die geschichtlich auferzwungenen kolonialen Einschreibungen. Auf Eindeutigkeit basierende, rassistische Identitätsmodelle können durch verwirrende Störungen, Bedeutungsverschiebungen und Überschreibungen in Zweifel gezogen und dekolonialisiert werden. Indem diese subalternen Subjekte die Mittel ihrer Unterdrückung und Abwertung der kolonialen Autorität entwenden, verwandeln sich diese hochherrschaftlichen Zeichen europäischer Definitionsmacht in identitätspolitische Instrumente des Selbst-Empowerments. Aus dienenden werden revoltierende Subjekte. Wie Homi Bhabha (2000) in seiner Analyse des Kolonialdiskurses hingewiesen hat, machen sich Mimikry und Hybridisierung als Widerstandsstrategien die Ambivalenz kolonialer Diskurse zunutze. Obwohl koloniale Regime durch territoriale Aufteilungen, gesellschaftliche Herrschaftsanordnungen und Rassenerfindungen faktisch neue soziale, kulturelle und biopolitische Grenzen etablierten, wirkten sich vieler dieser Praktiken auf der anderen Seite als Entgrenzung von Räumen und Identitäten auch zwiespältig aus. So entstand mit der Durchsetzung kolonialer Beziehungen ein voneinander abhängiges Referenzsystem von Bedeutungszuweisungen und gesellschaftlichen Hierarchien, in dem die aufeinander verweisenden Fremd- und Selbstbildern eine ungleiche Beziehung eingingen: Europa und »seine« Anderen, Whiteness und Blackness, Zentrum und Peripherie, nationale Dominanzkultur und »Minderheiten«. In diesen Identitätsbildern und Privilegienverteilungen kommt eine gesellschaftliche Konfiguration zum Ausdruck, die sich einerseits durch Machtartikulation und polare Setzung formiert; andererseits auch von einer unvermeidlichen Einbeziehung des Anderen abhängt. Erst durch die Konstruktion des unterlegenen Anderen war es überhaupt möglich, dominante und marginale Positionen gesellschaftlich zu produzieren. In der rassistischen Identitätspolitik kommt daher die europäische Definitionsmacht zur Sprache, die durch »weiße« Phantasmagorien und Bedürfnisse ins Leben gerufen wurde. Für den Rassismus ist es konstitutiv, dass er in einem gegensätzlichen Verhältnis von Abspaltung und Identifikation zum Anderen steht. Daher gehen gewalttätige Diskurse der Vernichtung und Eindämmung immer mit Vereinigungswünschen und Projektionen Hand in Hand – etwa über den »guten Wilden« oder der »armen Migrantin«, die man retten muss. Aus dieser widersprüchlichen Funktionsweise des Rassismus ergibt sich, dass die kolonialrassistische Ausgrenzung wie die damit einhergehende Kontrollmacht niemals total sein können. Das bedeutet auch, dass marginalisierte Subjekte handlungsmächtig sind und die Möglichkeit haben, dominante Narrationen diskursiv zu unterbre-

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Umkämpfte Hybridisierungen | 115 chen. Dadurch ist in der gewaltvollen Dynamik der kolonialen Moderne ein Prozess in Gang gekommen, der als hybride Praxis der Grenzüberschreitung in Erscheinung tritt. Diese vieldeutige Praxis ist mit einer Verdoppelung und Fragmentierung von Identitäten verbunden, in der die koloniale Autorität mit ihrem unterdrückten Doppelgänger auf der anderen Seite der Geschichte konfrontiert wird. Diese umkämpfte und niemals eindeutige Identität können wir mit dem afroamerikanischen Soziologen W.E.B. DuBois (2003) als eine Form der »double consciousness« bezeichnen. Kanakische Identität speist sich aus diesem grenzwertigen Bewusstsein, weil es einerseits um die kolonialisierende Wirkung seiner Benennungen weiß und andererseits gerade aus dieser intimen Einsicht heraus die Notwendigkeit erkennt, kolonialrassistische Modelle durch Mimikry und Hybridisierung zu verunreinigen und zu verunsichern (Ha 2004a: 128-152). Alle diese Kontexte sind im neorassistischen Alltagsdeutsch in Begriffen wie »Bimbo«, »Fidschi« und »Kanake« präsent. Diese Synonyme figurieren als volkstümliche Chiffre für den biologisch und zivilisatorisch minderwertigen Anderen. Der Begriff »Kanake« entstand etwa, als sich der in Deutschland tiefverwurzelte Anti-Slawismus gegenüber »Kosaken« und »Polacken« mit dem seit der deutschen Kolonialexpansion in den pazifischen Raum gepflegten Mythos des monströsen »Kannibalen« zu einem neuen rassistischen Feindbild verband (Gerhard/Link 1991: 147). Selbst-Kanakisierung als strategische Diskurspolitik geht von der zentralen Einsicht aus, dass rassistisch Marginalisierte von der Dominanzkultur als »Kanaken« mit all seinen negativen Abwertungen konstruiert werden. Das heißt, ob sie sich selbst als »Kanaken« bezeichnen oder nicht, ist letztlich unerheblich – für die deutsche Mehrheitsgesellschaft bleiben sie immer »Kanaken«. Bei der Aneignung und Umkehrung des Kanakendiskurses geht es daher gerade nicht um eine freie Identitätswahl, sondern darum, ein aufgezwungenes Selbstbild zu unterlaufen.13 Da Marginalisierte nicht über die Macht verfügen, den fremdbestimmten »Kanaken«-Diskurs zu beenden, versuchen sie, innerhalb der rassistischen Diskurse zu intervenieren. Gerade in seinen Anfängen konnte die offensive Übernahme der Selbstdefinitionsmacht für Überraschungseffekte sorgen und zur diskursiven Entschleierung beitragen. In diesen Situationen werden die Machtansprüche des liberalen Diskurses und die etablierten rassistischen Konventionen mit einer Präsenz konfrontiert, die sich weigert, den ihr zugewiesenen Platz einzunehmen. Indem das kanakische Sprechen über ethnisch-nationale Begrenzungen hinweggeht und identitätspo13 | Vgl. für eine ausführlichere Diskussion über die politische und diskursive Verwendung des Begriffs »Kanake« und seiner Derivate im migrantischen HipHop und beim Netzwerk »Kanak Attak« Güngör/Loh 2002: 19-40.

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litische Verbote ignoriert, wird es für die bestehenden Ordnungsmuster der deutschen Gesellschaft gefährlich fremd.14 Entgegen dem kosmopolitischen Selbstbild achten die weisungsberechtigten Instanzen und deutschen Alltagsregulationen sehr sorgfältig auf die Zuschreibung und Bewahrung ethnisierender Differenzierungen. Schließlich bildet die Wiedererkennbarkeit nationalstaatlich produzierter Identitätspositionen die politische Geschäftsgrundlage der westlichen Moderne. Vor dem Hintergrund dieses Ordnungsgefüges lösten die kanakischen Grenzverletzungen des deutschen ›Reinheitsgebots‹ zuweilen auch aggressive Reaktionen auf deutscher Seite aus, die um Fassung und Kontrolle ringen. Diese unangepassten Identitätsverschiebungen versuchen, mit ihrer Uneindeutigkeit eine neue Unübersichtlichkeit in der Kartographie identitärer Geopolitik ins Leben zu rufen und die durchorganisierte Verwaltung nationaler Zugehörigkeiten zu verunsichern. Dadurch konnten sie für kurze Augenblicke den allgegenwärtigen, sich liberal und staatstragend gebenden Rassismus zum Vorschein bringen. Wie provokant kanakische Selbstinszenierungen in ihren besten Momenten sein können, lässt sich erahnen, wenn wir den Schlagabtausch zwischen Feridun Zaimoglu und Heide Simonis, Norbert Blüm sowie Wolf Biermann in einer Fernsehtalkshow von Radio Bremen am 8.5.1998 verfolgen. Als Selbst-Repräsentationspolitik wirkt(e) sie verstörend, weil die kanakische Selbstbenennungspraxis die Grenzen zwischen dem Eigenen und Fremden hinterfragt und die eingefleischten Muster der Subordination konterkariert. In diesen seltenen Momenten der geglückten Subversion werden aus Sprechakten tatsächlich gesellschaftlich relevante »SprachAttakken«.15 »An diesem imperialen Nicht-Ort, im hybriden Raum, den der Konstitutionsprozess geschaffen hat, sind die Bewegungen der Subjekte immer schon präsent, kontinuierlich und ununterdrückbar« (Michael Hardt/Toni Negri).

14 | Unter dieser Schlagzeile zeigte der Aufmacher auf dem Cover des Spiegels vom 14.4.1997 eine wütende junge Frau mit türkischer Flagge, um das »Scheitern der multikulturellen Gesellschaft« zu illustrieren. Im Heft folgte ein kollektiver Beitrag der Spiegel-Redaktion unter dem Titel »Zeitbomben in den Vorstädten«. 15 | Diese Fernseh-Talkshow ist in Ha (2003c) dokumentiert und analysiert worden.

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124 | Hype um Hybridität

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Die Titel dieser Reihe:

Ruth Mayer Diaspora Eine kritische Begriffsbestimmung Dezember 2005, ca. 200 Seiten, kart., ca. 19,80 €, ISBN: 3-89942-311-9

Tanja Thomas, Fabian Virchow (Hg.) Banal Militarism Zur Veralltäglichung des Militärischen im Zivilen Oktober 2005, ca. 330 Seiten, kart., ca. 27,80 €, ISBN: 3-89942-356-9

María do Mar Castro Varela, Nikita Dhawan Postkoloniale Theorie Eine kritische Einführung September 2005, ca. 150 Seiten, kart., ca. 15,80 €, ISBN: 3-89942-337-2

Kien Nghi Ha Hype um Hybridität Kultureller Differenzkonsum und postmoderne Verwertungstechniken im Spätkapitalismus August 2005, 132 Seiten, kart., 15,80 €, ISBN: 3-89942-309-7

Johanna Mutzl »Die Macht von dreien ...« Medienhexen und moderne Fangemeinschaften. Bedeutungskonstruktionen im Internet August 2005, 194 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN: 3-89942-374-7

Gerhard Schweppenhäuser »Naddel« gegen ihre Liebhaber verteidigt Ästhetik und Kommunikation in der Massenkultur 2004, 192 Seiten, kart., 23,80 €, ISBN: 3-89942-250-3

Christoph Jacke Medien(sub)kultur Geschichten – Diskurse – Entwürfe 2004, 354 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN: 3-89942-275-9

Brigitte Hipfl, Elisabeth Klaus, Uta Scheer (Hg.) Identitätsräume Nation, Körper und Geschlecht in den Medien. Eine Topografie 2004, 372 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN: 3-89942-194-9

Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de

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Die Titel dieser Reihe: Birgit Richard Sheroes Genderspiele im virtuellen Raum

Jannis Androutsopoulos (Hg.) HipHop Globale Kultur – lokale Praktiken

2004, 124 Seiten, kart., 15,00 €, ISBN: 3-89942-231-7

2003, 338 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN: 3-89942-114-0

Kerstin Goldbeck Gute Unterhaltung, schlechte Unterhaltung Die Fernsehkritik und das Populäre

Udo Göttlich, Lothar Mikos, Rainer Winter (Hg.) Die Werkzeugkiste der Cultural Studies Perspektiven, Anschlüsse und Interventionen

2004, 362 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN: 3-89942-233-3

Ruth Mayer, Brigitte Weingart (Hg.) VIRUS! Mutationen einer Metapher 2004, 318 Seiten, kart., 26,00 €, ISBN: 3-89942-193-0

Ulrich Beck, Natan Sznaider, Rainer Winter (Hg.) Globales Amerika? Die kulturellen Folgen der Globalisierung Übersetzt von Henning Thies

2002, 348 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN: 3-933127-66-1

Rainer Winter, Lothar Mikos (Hg.) Die Fabrikation des Populären Der John Fiske-Reader 2002, 374 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN: 3-933127-65-3

2003, 344 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN: 3-89942-172-8

Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de

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