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German Pages 154 [160] Year 1938
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D r e i t u r m b ü c h e r e i
Bestell-Nr. 5162
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O d y s s e u s u n t e r dem W i d d e r
Ιΐ o m. - Glaseo di Villa Giuli«.
HOMER
ODYSSEE IN
AUSWAHL
Ü b e r s e t z t und a u s g e w ä h l t von
T H A S S I L O VON S C H E F F E R
3. Auflage
Iii ü MÜNCHEN DRUCK
UND
UND VERLAG
BERLIN
1938
V O N R. O L D E N B O U R G
VORWORT. Wer die beiden großen Epen Homers, jene fast dreitausend Jahre alten und doch ewigjungen Dichtungen, in ihrer ganzen Fülle genießen will, muß sich natürlich an das Original oder dessen vollständige Ubersetzung halten. Da aber nicht jeder genügend Muße und Ausdauer dazu hat und da unleugbar für den Laien oder den Schüler lange Strecken der Dichtungen ohne sonderliche Schädigung des großen Gesamteindruckes übergangen werden können, empfahl es sich, eine gekürzte Ausgabe meiner Übersetzung (vollständig im Propvläen-Verlag, Berlin) zu veranstalten, die für die breite Masse der nicht rein sachlich eingestellten Leser völlig genügt, und die daneben der Jugend unserer Lehranstalten alles das vermittelt, was ihnen der große Epiker zu sagen hat. Eine Auswahl schöner und hervorragender Stellen allein hätte aber diesen Zweck nicht erfüllt, da das Fragmentarische einer solchen Zusammenstellung niemals den großen, geschlossenen Gesamteindruck hervorrufen kann, der nun einmal in seiner dramatischen Straffheit ein Hauptvorzug der zwei großen Dichtungen ist. Die Auswahl, die sich auf ungefähr ein Drittel des originalen Umfanges beschränken sollte, ging daher von der Absicht aus, alles Unwesentliche oder nur breiter Ausschmückende auszulassen und den Kern der episch fortlaufenden Handlung derart herauszuschälen, daß die Dichtungen scheinbar lückenlos fortlaufen und nur dem genauen Kenner der Wegfall einzelner Verse oder größerer Stücke fühlbar wird. Ohne ein Mindestmaß manch schmerzlicher Opfer ließ sich natürlich eine solche Kürzung nicht erreichen, wofür aber die nun gewonnene größere Straffheit und Geschlossenheit der Komposition alle jene entschädigt, die zu dem lückenlosen Überreiclitum des umfangreichen Originals kein Verhältnis finden konnten oder durften. Der Aneinanderschluß der einzelnen Stellen erforderte natürlich zuweilen leise Verschleifungen, die sich aber in jedem Fall nur auf wenige Worte oder Umstellungen beschränken. S
Ein Apparat am Schluß jedes Bandes gibt zahlenmäßige Rechenschaft über die Auswahl der Verse aus dem Original, sodaß jederzeit leicht die neuen Verszahlen mit den ursprünglichen zu vergleichen sind. Größere Abschnitte, die ganz in Wegfall kommen mußten, sind in der Ilias das VII., Χ., XII., XIII., XIV. Buch und das XX. zum größten Teil. Es handelt sich hier durchweg um breiter ausgemalte Kampfszenen. Bei der Odyssee mußte man auf die beginnende „Telemachie"und späten Schluß verzichten. Daher fielen die Bücher II, III, IV, X X I V völlig aus und die Bücher I, X V , X X lieferten nur wenige Verse. Der Auswahl zugrunde gelegt wurde die zweite Auflage meiner Übersetzung der Ilias und Odyssee im Propyläen-Verlag in Berlin. Da diese Auswahlbände der homerischen Epen neben einem breiteren Lesepublikum auch zum Gebrauch in den Lehranstalten berechnet sind, half mir hierfür die unterstützende Beratung von Herrn D r . O t t o G r ü t e r s , Studienrat am Städtischen Gymnasium und Realgymnasium Hindenburgschule zu Düsseldorf, dem hierfür für seine Bemühungen der gebührende Dank ausgesprochen sein soll. M ü n c h e n , Herbst 1925. Thassilo von Scheffer, Dr, phil.
Inhaltsverzeichnis. Seite
Vírwort I. Von Ogygia bis Scberia II. Nausikaa III. Odysseus bei Alkinoos IV. Odysseus bei den Phaiaken . . . . . V. Die Abenteuer VI. Die Heimkehr VII. Odysseus bei Eumaios VIII. Telemachos IX. Odysseus und die Freier X. Der Bettlerkampf XI. Penelopeia. Die Fußwaschung . . . . XII. Die Bogenprobe XIII. Der Freiermord XIV. Die Wiedervereinigung
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I. Von Ogygia bis Scheria. Nenne mir, Muse, den Mann, den vielgewandten, der vielfach i· Irrte umher, nachdem er die heilige Troia zerstörte. Vieler Menschen Städte und Wesen schaute sein Auge, Vielerlei Leiden ertrug sein Herz auf den Fluten des Meeres, 6 Ringend ums eigene Leben und um die Heimkehr der Freunde. Aber er konnte die Freunde trotz aller Mühe nicht retten ; Gingen sie doch zugrunde durch ihre eigenen Frevel, Da sie verblendet des Helios Rinder, des Hyperionen, Schlachteten ; ihnen versagte der Gott die Stunde der Heimkehr. 10 Davon erzähle ein Teil auch uns, o Tochter Kronions. Damals saßen, soviele dem jähen Verderben entkommen, Alle glücklich daheim, dem Krieg und den Fluten entronnen. Ihn nur, der nach Weib und Heimat sehnend verlangte, Hielt Kalypso zurück, die hehre, göttliche Nymphe, 15 In gewölbter Grotte und wollte zum Gatten ihn küren. Als nun das Jahr im kreisenden Wechsel der Zeiten gekommen, Da ihm die Götter gesponnen, zurückzukehren zur Heimat Heim nach Ithaka, drohten ihm dort inmitten der Seinen Auch noch weitere Kämpfe. Nun faßte Erbarmen die Götter » Alle außer Poseidon, da er dem erlauchten Odysseus Unablässig zürnte, eh dieser die Heimat erreichte. Aber Poseidon besuchte gerad die entlegen behausten Aithiopen, die zwiefach geteilten, entferntesten Völker, Die da wohnen, wo Hyperion nieder- und aufgeht, 25 Um ein Opfer von Stieren und Widdern entgegenzunehmen. Froh auf seinem Sitz genoß er des Mahles. Die andern Waren in dem Palast des olympischen Vaters versammelt. Und zu ihnen begann der Vater der Götter und Menschen, Denn sein Sinn gedachte gerade des hehren Aigisthos, 9
so Den der berühmte Orestes, der Sohn Agamemnons, erschlagen. Dessen gedachte ergrad,und zu den Unsterblichen sprach er: „Seltsam, wie halten die Menschen doch nur die Götter für schuldig! Sagen sie doch, von uns käm alles Uebel, doch tragen Leiden sie selbst wider das Schicksal durch eigene Frevel ; 38 Wie nun Aigisthos auch wider das Schicksal die ehliche Gattin Agamemnons gefreit und ihn bei der Heimkehr erschlagen. Wußte er doch sein jähes Verderben; wir hatten ja vorher Ihm den leuchtenden Boten Hermeias zur Warnung gesendet, Jenen nicht zu töten, noch seine Gattin zu freien. *o Käme doch einst Orestes, den Mord des Atriden zu rächen, Wann er, zum Jüngling erblüht, nach seiner Heimat sich sehnte. So verkündete Hermes, und doch, so gut er es meinte, Folgte Aigisthos ihm nicht. Nun büßte er alles auf einmal." Ihm erwiderte drauf mit leuchtenden Augen Athene : «α „O, unser Vater Kronion, du höchster, herrlichster Herrscher I Freilich ist Aigisthos verdientem Verderben erlegen, Wie es ein jeder erleide, der so wie jener gefrevelt. Aber mir bricht das Herz um den so klugen Odysseus, Jenen Unglücksmann, der fern von den Lieben so lang schon so Leiden erträgt auf umflossener Insel inmitten des Meeres. Baumreich ist die Insel, und auf ihr haust eine Göttin ; Sie ist die Tochter des grimmigen Atlas, der sämtliche Tiefen Drunten im Meere kennt. Er hält die riesigen Säulen Ganz allein, die Himmel und Erde trennen und sondern ; 56 Dessen Tochter hemmt den Klagenden, bitter Betrübten. Immer kost sie ihn mit weichen, schmeichelnden Worten, Daß er betört der Heimat vergäße, aber Odysseus Sehnt sich nur den Rauch von Ithaka steigen zu sehen Und erfleht den Tod. Wird denn, Olympier, niemals eo Dir das Herz gerührt ? hat denn Odysseus nicht allzeit Fromm im Gefilde von Troia dir bei den Schiffen von Argos Heilige Opfer verrichtet ? ! Warum denn zürnst du ihm also ?" Ihr erwiderte drauf der Lenker der Wolken, Kronion : „Liebes Kind, welch Wort ist deinem Munde entflohen I IO
« Wie denn könnte ich je des erlauchten Odysseus vergessen, Der doch weiser als alle Menschen und größere Opfer Immer den Himmlischen brachte, die weit den Himmel bewohnen. Aber der Länderumstürmer zürnt ihm noch immer entsetzlich Wegen des Kyklopen, den jener des Auges beraubte, 70 Polyphemos, den hehren, den stärksten aller Kyklopen. Seitdem will den Odysseus der Erdumstürmer Poseidon Zwar nicht töten, doch treibt er ihn fern vom Lande der Väter. Drum wohlan, so wollen wir alle hier sinnend erwägen, Wie er zur Heimat gelange. Dann wird Poseidon sein Zürnen 75 Meistern müssen, denn er allein vermöchte doch niemals, Wider alle ewigen Götter gewaltsam zu streiten." Rasch zu Hermeias, dem lieben Sohn, begann er zu reden : v. „Du, Hermeias, bist ja sonst auch immer der Bote. Künde der lockigen Nymphe der Götter untrüglichen Ratschluß, so Daß der beharrende Dulder Odysseus zur Heimat sich wende. Nicht im Geleite der Götter, auch nicht der sterblichen Menschen, Nein, auf starkverklammertem Floß, nach mancherlei Leiden Soll er am zwanzigsten Tage zum üppigen Scheria gelangen In das Land der Phaiaken, die von den Göttern entstammen. Diese werden wie einen Gott von Herzen ihn ehren Und in eigenem Schiff zur teuren Heimat geleiten, Erz und Gold und Kleider dazu in Fülle ihm schenken, Wie Odysseus nie so viele aus Troia gewonnen, Wäre er unversehrt mit seiner Beute gelandet, « Denn ihm ist bestimmt, die Seinen wiederzusehen Und zurück in das stattliche Haus und die Heimat zu kehren." Sprachs, und gern gehorchte der leitende Argosbezwinger ; Gleich umband er die Füße mit den ambrosischen, goldnen, Schönen Sandalen, die ihn im Hauch der wehenden Winde 95 Ueber die Wasser tragen und über die Weiten der Erde. Dann ergriff er den Stab, mit dem er die Augen der Menschen Nach Gefallen schließt und auch die Schlafenden aufweckt. Ihn in Händen flog der Argostöter von dannen. XI
Erst durchschritt er Pierien und senkte sich dann aus den Lüften 100 Nieder aufs Meer, glitt über den Wellen und glich einer Möve, Die in den schrecklichen Schlünden des ewig wogenden Meeres Taucht nach Fischen und netzt die starken Schwingen mit Salzschaum, Gleich wie sie glitt über die Fülle der Wogen Hermeias. Als er aber sodann die ferne Insel erreichte, κ» Da verließ er das blaue Meer, und über das Festland Eilte er, bis er die große Grotte erreichte, wo jene Lockige Nymphe wohnte, und grade traf er sie drinnen. Feuer flammte empor hoch auf dem Herde, und fernhin Wallte ein Duft gespaltener Zedern und brennenden Thyons 110 Ueber die Insel. Drinnen sang sie mit lieblicher Stimme Und schritt hin am Webstuhl und webte mit goldenem Kamme. Um die Grotte zog sich ein Wald von üppigen Bäumen, Erlen und Pappeln, dazwischen der harzige Duft der Zypressen. Flügelspannende Vögel belebten nistend die Zweige, HB Eulen waren darunter und Falken und Krähen des Meeres, Die mit gestreckten Zungen sich tummeln über dem Wasser. Und da schmiegte sich auch weit um die wölbige Grotte Eines Weinstocks üppig Gerank voll prangender Trauben ; Reihweis flössen dort vier Quellen voll schimmernder Wasser 120 Nahe beieinander, dann eilten sie hierhin und dorthin ; Weiche Wiesen in der Runde voll Veilchen und Eppich Blühten, ja, selbst ein Himmlischer stände da staunenergriffen, Käme er her und sähe er solch erfreuenden Anblick ; Und so stand auch staunend der leitende, leuchtende Bote, ι » Aber nachdem sein Auge das alles bewundernd betrachtet, Trat er alsogleich in die räumige Grotte ; Kalypso Sah ihn, und es erkannte ihn rasch die heilige Göttin. Denn es kennen sich wohl die Ewigen untereinander, Wenn sie auch noch so fern der eine vom anderen hausen. 130 Nicht jedoch traf er im Innern des Hauses den hehren Odysseus, Denn der saß wie immer am Strande des Meeres und weinte Und verhärmte sein Herz mit Tränen, Seufzen und Sorgen ; Aber die heilige Göttin Kalypso fragte Hermeias, Ais sie ihn sitzen geheißen auf leuchtend schimmerndem Sessel: 12
iss „Warum kamst du zu mir, du Gott mit dem goldenen Stabe, Mir so teuer und wert ? Du kamst doch früher noch niemals. Sage mir, was du wünschst ; mein Herz verheißt dir Erfüllung, Wenn ichs erfüllen kann und falls es wirklich erfüllbar." Solches sagend, setzte ihm eine Tafel die Göttin Voller Ambrosia vor und mischte den rötlichen Nektar. Und nun trank und aß der leitende, leuchtende Bote; Aber nachdem er die Lust nach Trank und Speise gesättigt, Dann erst wandte er das Wort an die Göttin und sagte: „Fragst du, Göttin, den Gott, warum er nahte, so will ich 145 Dir nach Wunsch und Willen die lautere Wahrheit verkünden : Zeus hieß mich hierherzugehen. Ich tat es nur ungern. Wer durchliefe wohl gern des großen, salzigen Wassers Unermeßlichkeit, wo keine Stätte der Menschen, Die dort den Göttern erlesne und heilige Opfer vollzögen. 140 Aber es kann unmöglich den Willen des donnernden Gottes Selbst ein anderer Gott umgehen oder vereiteln, Sagt doch Zeus, hier weile bei dir, der ärgeres Elend Trug als alle, die einst neun Jahre kämpften um Troia. Ihn nun heißt dich Zeus aufs schnellste wieder entlassen, iss Nicht ist ihm bestimmt, fern seinen Lieben zu sterben, Nein, es ist sein Schicksal, die Seinen wiederzusehen Und zurück in sein hohes Haus und die Heimat zu kehren." Sprachs, da faßte ein Schauder die hohe Göttin Kalypso, Und Hermeias erwiderte sie die beflügelten Worte : wo „Hart seid ihr, o Götter, mißgünstig, schlimmer denn alle, Die ihr Göttinnen versagt, bei sterblichen Männern zu ruhen. So verargt nun ihr, Götter, auch mir des Mannes Gemeinschaft, Den doch ich selber errettet, als auf umklammertem Kiel er E nsam trieb, nachdem sein Schiff mit leuchtendem Blitzstrahl íes Zeus zerschlagen und mitten auf finsterem Meere zerschellte. Aber da unmöglich den Willen des donnernden Gottes Selbst ein anderer Gott umginge oder vereitle, Ziehe er nur dahin auf Wunsch und Willen Kronions Ueber das wogende Meer I Doch ich entsende ihn niemals. 13
170 Hab ich doch keine beruderten Schiffe und keine Gefährten, Ihn zu geleiten über den breiten Rücken des Meeres. Aber ich werde ihm nichts verhehlen und herzlich ihm raten, Wie er wohlbehalten in seine Heimat gelange." Ihr erwiderte drauf der leitende, leuchtende Bote : 175 „So entlasse ihn nun, und denk an die Rache Kronions, Daß er nicht hinterher sich zornvoll wider dich wende." Also sprach der starke Bote und eilte von dannen. Aber zum hehren Odysseus begab sich die göttliche Nymphe, Als sie so Kronions befehlende Botschaft erhalten, leo Und sie fand ihn am Ufer sitzen. Es wurde sein Auge Nie von Tränen trocken, sein süßes Leben zerrann ihm Heimwehübermannt, denn nimmer gefiel ihm die Nymphe. Zwar allnächtlich schlief er in der wölbigen Grotte Und verhärmte sein Herz mit Tränen, Seufzen und Sorgen, íes Und ihm näherte sich die heilige Göttin und sagte : „Unglückseliger, klage mir hier nicht länger. Dein Leben Blühe aufs neu, denn nun will ich dich willig entlassen. Auf denn I Fälle gewaltige Bäume mit schneidendem Axthieb, Füge ein breites Floß und zimmere Bohlen darüber ito Hoch empor, dich über die dunstigen Wogen zu tragen. Aber ich werde dir rötlichen Wein und Speise und Wasser Reichlich hinein tun, um so dich vor dem Hunger zu schützen, Werde dich begleiten und hinter dir günstigen Fahrwind Senden, auf daß du glücklich zum Lande der Väter gelangest, íes Falls es die Götter gewähren, die weit den Himmel bewohnen. Denn ihr Wille und ihre Macht sind stärker als meine." Sprachs. Doch da erschrak der hehre Dulder Odysseus, Und so erwiderte er ihr gleich die beflügelten Worte: „Andres liegt dir, Göttin, im Sinn, nicht meine Entsendung, at» Wenn du mich heißest im Floß des Meeres Fluten durchkreuzen, Die so grausig und furchtbar ; selbst ebenmäßige Schiffe Gleiten nicht drüberhin, belebt vom Hauche Kronions. Wider dein Wollen werde ein Floß ich nimmer besteigen, Eh du dich nicht entschließt, mit heiligen Eiden zu schwören, 205 Daß du mir nicht gar noch weiteres Uebel ersonnen." M
Sprachs. Da lächelte still die heilige Göttin Kalypso, Streichelte ihn mit der Hand und ließ sich also vernehmen: „Wahrlich, du bist ein Schalk, nie denkst du müßig und zwecklos, Wie du doch so klug dein Wort bedachtest und äußerst. 210 Möge die Erde es wissen und droben die Breite des Himmels Und das stürzende Wasser des Styx, so wie es der größte Und der schrecklichste Schwur bei allen seligen Göttern, Daß ich dir nicht gar noch weiteres Uebel ersonnen, Doch ich plane und denke nichts andres, als ich mir selber 215 Raten möchte, wäre ich selbst in ähnlicher Lage. Fühlt doch auch mein Sinn gerecht und billig. Ich habe In der Brust kein eisernes Herz, nein, eines voll Mitleid." Also sprach die Göttin und ging mit hurtigen Schritten Ihm voran und reichte ihm eine große, geschliffne, 220 Handgerechte, eherne Axt. Vom Holz der Olive Trug sie einen prächtigen Stiel, der trefflich befestigt. Ferner gab ihm die Göttin ein glattes Beil, und sie führte Ihn ans Ende der Insel. Dort wuchsen mächtige Bäume, Erlen und Pappeln, daneben zum Himmel ragende Tannen, 225 Die schon trocken und dürr und besser zum Schwimmen geeignet. Als sie ihm so gezeigt, wo mächtige Bäume zu finden, Schritt nach Hause zurück die heilige Göttin Kalypso, Er aber fällte Stämme ; schnell ging die Arbeit vonstatten. Zwanzig schlug er gesamt, behaute sie dann mit dem Erzbeil, m Glättete sie geschickt und machte sie gleich mit der Richtschnur. Bohrer brachte ihm nun die heilige Göttin Kalypso, Und er durchbohrte sie alle und fügte sie passend zusammen Und verklammerte dann das Floß mit Felgen und Fugen. Wie ein Mann, der wohl im Bauen bewandert, gar klüglich 235 Rundet und wölbt den Boden an seinem mächtigen Lastschiff, Also mächtig fügte sein Floß der hehre Odysseus. Planken errichtete er und legte mit vielen und dichten Strebern sie fest und vollendete alles mit mächtigen Balken, Stellte dann drinnen den Mastbaum auf mit passender Rahe. 240 Schließlich machte er auch ein Steuerruder zum Lenken Und umzäunte das Floß ringsum mit geflochtenen Weiden ij
Wider die Wogen zum Schutz und schüttete drinnen viel Laubwerk. Unterdessen brachte die heilige Göttin Kalypso Leinen, um Segel zu machen, und kunstvoll schnitt er auch diese. 246 Innen band er dann fest die Brassen, Schoten und Taue, Und dann zog er mit Hebeln das Floß in die heilige Meerflut. So am vierten Tage war alles vollendet und fertig, Und am fünften entließ ihn von der Insel Kalypso Frischgebadet und neugehüllt in duftende Kleider. 250 Auch einen Schlauch voll roten Weines brachte die Göttin Und einen anderen großen voll Wasser und weitere Speisen In einem ledernen Sack und viele stärkende Zukost ; Schließlich sandte sie ihm einen lauen, günstigen Fahrwind. Freudig entfaltete ihm die Segel der hehre Odysseus, 255 Saß dann nieder und lenkte klug das Steuer des Floßes. Und es fiel kein Schlaf auf seine Wimpern, er schaute Auf den Bootes, der spät erlischt, und auf die Plejaden, Auch auf den Bären, den sie zuweilen Wagen benennen, Der auf dem Platze sich dreht und stets den Orion beachtet 2βο Und der einzig allein das Bad des Okeanos meidet. Denn ihn hieß die heilige Göttin, er solle dies Zeichen Immer zur Linken behalten, solang er die Fluten durchführe. Siebzehn Tage glitt sein Floß so über die Wellen, Aber am achzehnten Tag, da tauchte der Schatten des Berglands 2«s Der Phaiaken auf, schon war es dem Helden ganz nahe, Und es ruhte das Land wie ein Schild auf dem dunstigen Meere. Da, von den Aithiopen heimkehrend, sah ihn Poseidon Fern von der Solymer Bergen. Vor seinen Augen durchschiffte Dort der Held das Meer. Da zürnte Poseidon noch ärger, 270 Schüttelte sein Haupt und sprach im innersten Herzen : „Unerhört! Da haben die Götter ja anders beschlossen Ueber Odysseus, derweil ich in Aithiopien weilte. Schon ist er nah dem Land der Phaiaken, wo ihm beschieden, Sich aus der starken Schlinge des lastenden Elends zu lösen. 275 Aber ich meine, ihn treib ich noch sattsam weiter in Drangsal." i6
Riefs und ballte Wolken zusammen, und, schwingend den Dreizack, Wühlte das Meer er auf und jagte sämtliche Winde Rings in Wirbeln zusammen, auch barg er in finsterer Wolke Land und Meer zugleich, und Nacht brach nieder vom Himmel. 280 Wild herstürmten der Ost, der Süd und der widrige Westwind, Auch der äthergeborene Nord mit mächtigen Wogen. Und da sank Odysseus das Herz, ihm brachen die Kniee, Und er sprach bekümmert zu seiner erhabenen Seele : „Weh mir Armen, o weh, was wird mir am Ende geschehen?! 285 Ja, ich fürchte, alles ist wahr, was die Göttin verkündet, Die mir auf dem Meere noch viele Leiden voraussah, Eh ich die Heimat erreiche ; das wird nun alles vollendet. O, mit was für Wolken umzieht die Weiten des Himmels Zeus ! Er peitscht das Meer, schon rennen näher die Wirbel 290 Aller Winde zugleich. Nun naht mir jähes Verderben. Drei- und viermal selig preis ich die Danaer, die da Starben im weiten Troia, um den Atriden zu dienen. Wäre doch ich auch dort gestorben und hätte mein Schicksal An dem Tag erfüllt, als mich mit ehernen Speeren 2.)ö Zahllos um den gefallnen Peliden die Troer bewarfen, Wäre dort wohl bestattet und lebte im Ruhm der Achaier! Nun aber ist es mein Schicksal, elenden Todes zu sterben." Riefs, da nahte bereits eine grausige Woge und stürzte Nieder von oben herab, das ganze Fahrzeug erschütternd, soo Weithin ward er selbst vom Floß geschleudert ; das Steuer Glitt aus seinen Händen. Da fuhr ein schrecklicher Wirbel Her aus der Winde Gewühl und brach ihm mitten den Mastbaum, Segel und Rahe stürzten weit in die Wellen hinüber. Lange hielt es den Helden tief unter Wasser, er konnte 30b Sich nur langsam empor aus dem Schwall der Gewässer befreien, Denn ihn beschwerten die Kleider, die ihm Kalypso gegeben. Spät erst tauchte er auf und spie aus dem Munde das bittre, Salzige Wasser, es troff von seinem Haupte in Strömen. Aber des Floßes vergaß er nicht trotz aller Erschöpfung, s io Sondern er schwamm ihm nach inmitten der Fluten, ergriff es, Schwang sich mitten hinauf, und so entging er dem Tode. XXIV-XXV/a
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Hierhin und dorthin trieb die Strömung der Wogen das Fahrzeug. AVie wenn der herbstliche Nord die Disteln über die Felder Treibt, sie aber haften dicht aneinander geklettet, sis Also trieben durchs Wasser die Winde es hierhin und dorthin. Bald warf es zum Spiel der Süd hinüber dem Nordwind, Bald Uberließ es der Ost dem West zu wilder Verfolgung. Aber Leukothea sah ihn, des Kadmos schönfüßige Tochter Ino, die vor Zeiten nur sterbliche Stimme besessen, 320 Nun aber hat in den Fluten sie teil an der Ehre der Götter. Voll Erbarmen mit dem qualgetriebnen Odysseus, Tauchte sie wie ein Wasserhuhn im Flug aus der Tiefe, Setzte sich auf das Floß und ließ sich also vernehmen : „Unglücklicher, warum grollt der Umstürmer Poseidon 325 Dir so entsetzlich und läßt dir so viel Leiden erwachsen? Doch trotz allem Zorn wird er dich nimmer vernichten. Aber nun gib wohl acht, du scheinst ja klug und besonnen : Diese Kleider zieh aus, laß dann die Winde das Floß dir Ruhig entführen. Du selbst versuche das Land der Phaiaken 330 Schwimmend zu erreichen ; dort ist dir Rettung beschieden. Da nimm hin und spanne dir diesen ambrosischen Schleier Unter die Brust, so kann kein Tod, kein Leiden dir nahen. Aber sobald dann deine Hände das Ufer berühren, Löse ihn ab und wirf ihn zurück in die dunkele Meerflut, 335 Weit vom Lande fort, und wende dein Antlitz zur Seite." Also sprach die Göttin und reichte Odysseus den Schleier. Selber tauchte sie wieder zurück in die Wogen des Meeres Gleich einem Wasserhuhn, und die finstere Woge verbarg sie. Aber noch zögerte zweifelnd der hehre Dulder Odysseus s«» Unmutsvoll und sprach zu seiner erhabenen Seele : „Weh mir, sollte nicht wieder der Himmlischen einer mir Tücke Spinnen, indem er mir vom Floß zu steigen gebietet ? Aber ich werde ihm noch nicht gehorchen. Mein Auge Schaut noch fern das Land, wo meine Rettung beschlossen. 345 Aber so werde ich handeln, das scheint mir wahrlich das Beste : Noch so lang die Balken sich in den Felgen nicht lockern, i8
Bleibe ich hier und will geduldig die Drangsal ertragen; Aber sobald das Floß mir eine Woge zertrümmert, Werde ich schwimmen. Ich wüßte ja auch keinen besseren Ausweg." SM Während er solches im innersten Grunde des Herzens bedachte, Schuf eine mächtige Woge der Erdumstürmer Poseidon, Grausig und fürchterlich stark ; sie wölbte sich über und traf ihn. Und wie ein heftiger Wind in einen getrockneten Hauten Spreu sich wirft und ihn nach allen Seiten verwirbelt, S55 So zerstreute die Woge das starke Gebälk. Doch Odysseus Schwang sich auf einen Balken und ritt ihn, als wär es ein Rennpferd, Und warf ab die Kleider, die ihm Kalypso gegeben. Dann aber spannte er unter die Brust sich schleunig den Schleier, Sprang kopfüber ins Meer, und mit gebreiteten Armen seo Schwamm er kräftig davon. Da sah ihn der Herrscher Poseidon, Schüttelte sein Haupt und sprach im innersten Herzen : „ l i r e nur so weiter durchs Meer in der Fülle der Drangsal." Und so trieb er zwei Tage, zwei Nächte über den wilden Wogen, und oftmals sah er sein Verderben vor Augen, ses Doch als den dritten Tag die lockige Eos vollendet, Siehe, da legte sich endlich der Sturm, und heitere Stille Dehnte sich weit. E r sah mit scharfen Blicken das Festland Ganz in der Nähe, sobald die türmende Welle ihn hochhob. Wie wenn Kinder voll Freude des Vaters Genesung begrüßen, £70 Der mit gewaltigen Schmerzen von mächtiger Krankheit geknechtet ; Lange siecht er hin, ihn plagt ein greulicher Dämon, Und dann bringen die Götter willkommne Befreiung vom Leiden : So willkommen erschien Odysseus das Land und die Waldung, Und er beeilte sich schwimmend den Grund mit den Füßen zu fühlen. 375 Als er so weit entfernt, wie noch die Stimme vernehmlich, Hörte er schon gegep die Klippen das Donnern der Brandung. 2'
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Rauschend brauste ans trockene Land einer mächtigen Woge Wildes Gegurgel, daß alles der salzige Meerschaum umhüllte. Denn da waren nicht Buchten zum Schutz der Schiffe, nicht Häfen, 380 Nein, es starrte die Küste von Klippen und felsigen Riffen. Und da sank Odysseus das Herz, ihm brachen die Kniee, Und er sprach bekümmert zu seiner erhabenen Seele: „Weh mir, nun mir Zeus so unerwartet das Ufer Zeigt, und ich durchquerend mich diesem Schlunde entrungen, 385 Will kein Ausweg aus dem grauen Gewässer erscheinen Außer an scharfen Klippen, und ringsum brüllen die wilden Wogen, es springt das felsige Ufer glatt in die Höhe. Dort ist das Meer gar tief und bietet nirgends den beiden Füßen Halt zum Stehn, daß ich dem Elend entränne. 390 Wenn nur beim Landen mich nicht eine mächtige Woge ergreife Und an die Riffe schleudre, daß all mein Ringen vergeblich. Schwimme ich abernoch weiterentlang demLande, um flache Küsten dort vielleicht und schützende Buchten zu finden, Fürchte ich, daß mich neu der stürmische Wirbel erfasse 396 Und mich Stöhnenden reißt auf des Meeres fischwimmelnde Höhe Oder gar ein Dämon ein großes Untier der Tiefe Auf mich hetzt, Amphitrite, die hehre, birgt ihrer so viele. Weiß ich doch, wie schwer der große Poseidon ergrimmt ist." Während er solches im innersten Grunde der Seele bedachte, too Warf eine wütende Welle ihn wider das schroffe Gestade. Und ihm wäre die Haut zerschunden, die Knochen zerschmettert, Hätte ihn nicht Fallas, die strahlende Göttin, erleuchtet, Sich an den Felsen zu schwingen und ihn mit den Händen zu packen ; Stöhnend hielt er ihn fest, bis die mächtige Woge vorbeiging. 405 So entwich er ihr, doch rückwärts rauschend erfaßte Stürmend die Woge ihn neu und warf ihn weit in die Meerflut. Aus den Wogen getaucht, die dort das Ufer umgurgeln, Schwamm er die Brandung entlang und spähte zum Lande, ob nirgends Flache Küsten vielleicht und schützende Buchten sich böten. 20
αο Und sobald der Schwimmer an eines prächtigen Stromes Mündung gelangte, da schien ihm diese Stelle am besten, Weil sie felsenleer und vor den Winden geschützt war. Und da sah er den strömenden Fluß und betete innig : „Höre mich, Herrscher, wer du auch seist, dem sehnlich Erflehten 415 Nahe ich, daß ich dem Meer und dem Toben Poseidons entränne. • Unverletzlich ist selbst für die unsterblichen Götter, Wer schutzfiehend naht und irr, wie leidengerüttelt Ich nun deinem Strom und deinen Knieen mich nahe. Herrscher, erbarme dich drum, auch ich bin einer, der Schutz braucht." 420 Riefs. Gleich hemmte jener sein Wasser und stillte die Strömung ; Vor ihm machte er blank und glatt das Wasser und barg ihn In der Mündung desStroms. Dasanken demHelden die starken Hände und Knie, so hatte das Meer seine Kräfte gebrochen. Seine Haut schwoll auf, aus Mund und Nase entquoll ihm 42Λ Wasser in Menge, und ohne Atem und ohne Besinnung Sank er lautlos hin, von schwerer Ermattung bewältigt. Als er wieder erwachte und Kraft und Leben zurückkam, Löste er gleich vom Leibe ab den Schleier der Göttin Und vertraute ihn den meerwärtsrauschenden Wellen, 430 Fort trug ihn im Strom die starke Woge, und Inos Hände empfingen ihn wieder. Da wich Odysseus vom Wasser, Beugte sich nieder im Schilf und küßte die nährende Erde. Seufzend aber begann er zu seiner erhabenen Seele : „Weh mir, was werd' ich noch dulden, was wird mir schließlich geschehen? 435 Wenn ich die bange Nacht hier unten am Flusse durchwache, Möchten mir der schädliche Reif und die tauige Frische Nach der Ohnmacht leicht mein mattes Leben vernichten ; Weht doch am frühen Morgen vom Fluß ein eisiger Lufthauch. Steige ich aber den Hang hinauf in die schattige Waldung 140 Und entschlummere dort in dichten Gebüschen, wenn Kälte Und Erschöpfung vergehen und süßer Schlummer mich aufsucht, Fürchte ich, Raub und Beute der wilden Tiere zu werden." 21
Wie er solches erwog, erschien es ihm endlich das Beste, In den Wald zu steigen. Er fand ihn nahe dem Wasser us Ringsum frei und kroch dort unter wurzelgeeintes Doppelgesträuch, ein Oelbaum mit einer Linde verwachsen. Diese durchwehte nicht der Hauch feuchtblasender Winde, Noch beschien sie die Sonne mit ihren leuchtenden Strahlen, Noch vermochte der Regen sie zu durchdringen ; die Z w e i g e «so Waren so dicht ineinander verwachsen. D a schlüpfte Odysseus Unter und häufte sich schnell mit den lieben Händen ein breites Lager, denn dort lag das Laub in mächtigen Haufen, Groß genug, um zwei, ja auch drei Männer im Winter Schützend zu bergen, so streng und kalt das Wetter auch stürmte. »65 Freudig erblickte den Platz der hehre Dulder Odysseus, Legte sich mitten hinein und deckte sich ganz mit den Blättern. Wie wenn jemand den Feuerherd in dunkeler Asche Birgt ganz fern im Feld, wo keine anderen Nachbarn, Um die Glut zu wahren und nicht aus der Ferne zu holen, «so Also verbarg sich Odysseus im Blätterhaufen. Athene Goß ihm Schlummer über die Augen, damit er die lieben Wimpern rasch ihm decke und schwere Erschöpfung beende.
II. Nausikaa. Und so schlummerte dort der erhabene Dulder Odysseus, vi. Ueberwältigt von Schlaf und Ermattung. A b e r Athene Ging hinein zu der Stadt und dem Volk der phaiakischen Männer. Diese bewohnten vorzeiten Hyperiens breite Gefilde 5 Nahe bei den Kyklopen, den übermütigen Männern, Die sie gewaltsam beraubten und wilder waren und stärker. A b e r der Fürst der Phaiaken, Nausithoos, führte sie alle Fern nach Scheria fort, getrennt vom Getriebe der Menschen. Und er umringte mit Mauern die Stadt und errichtete Häuser, io Baute den Göttern Tempel und teilte dem Volke die Felder. A b e r nun w a r er gestorben und in der Schatten Behausung, Und Alkinoos herrschte mit aller Weisheit der Götter. 22
Seinem Hause nahte sich jetzt die Göttin Athene, Sinnend, wie sie die Heimkehr dem tapfern Odysseus bereite. is Und sie eilte sofort in die prächtige Kammer, und drinnen, Schön wie der Göttinnen eine an Wuchs und lieblichem Antlitz, Fand sie Nausikaa liegen, des hohen Alkinoos Tochter. Neben ihr schliefen zwei Mägde in allem Liebreiz der Jugend Bei den Pfosten der festgeschlossenen, glänzenden Pforte. 20 Aber Athene flog wie ein Hauch an das Lager des Mädchens, Stellte sich ihr zu Häupten und ließ sich also vernehmen — Doch sie glich verwandelt Nausikaas liebster Gespielin, Der gleichaltrigen Tochter des segelkundigen Dymas, Und in dieser Gestalt sprach leuchtenden Auges die Göttin — : 25 „Ei, Nausikaa, sag, zog dich so lässig die Mutter? Liegen läßt du ganz unbekümmert die kostbaren Kleider, Deine Hochzeit ist nah; da müssen doch schöne Gewänder Für dich selbst und für dein Brautgeleite bereit sein; Denn so preisen die Leute dich gern im prangenden Kleide, 30 Ehre hast du davon, und es freuen sich Vater und Mutter. Laß zum Waschen uns eilen, sobald der Morgen sich rötet." Und so redend entschwebte mit leuchtenden Augen Athene Wieder zum hohen Olymp, der Götter ewigem Wohnsitz, Den nicht stürmende Winde noch strömender Regen erschüttern, ss Noch der wirbelnde Schnee. Des Aethers schimmernde Bläue Breitet sich wolkenlos, durchflutet von strahlendem Lichte, Wo die seligen Götter die Reihe der Tage genießen: Dorthin kehrte Athene, nachdem sie das Mädchen ermuntert. Aufwärts hob sich der Morgen auf goldenem Throne und weckte 4o Leise Nausikaa auf. Sie dachte verwundert des Traumes, Und sie durcheilte das Haus, ihn schnell den Eltern zu künden, Mutter und liebem Vater, und beide fand sie im Saale. 23
Droben am Herd saß die Mutter, umgeben von dienenden Frauen, Spinnend die purpurnen Fäden. Doch grade unter der Türe , 45 Traf das Mädchen den Vater ; er ging zu den würdigen Fürsten, Wo die erlauchten Phaiaken zum hohen Rate ihn riefen. Und Nausikaa trat zum lieben Vater und sagte : „Väterchen, liebes, o möchtest du nicht einen Wagen mir rüsten, Einen hohen mit schmucken Rädern, damit ich die Kleider 60 Flußwärts fahre zum Waschen ? Sie liegen mir alle so schmutzig. Ziemt es doch auch dir selber, mit einem reinen Gewände In der edlen Versammlung des hohen Rates zu sitzen. Wohnen doch auch im Haus noch fünf erwachsene Söhne; Zwei davon vermählt, drei aber blühen noch ledig, ss Und die wollen beständig mit frischem Linnen sich schmücken, Wenn sie zum Tanze gehen. Und ich muß sorgen für alles." So vermied sie aus Scham, von der nahen Hochzeit zu reden, Aber der liebe Vater erkannte doch alles und sagte: „Nimm dir nur ruhig die Tiere, mein Kind, und auch alles andre, eo Geh ! es sollen die Knechte dir einen Wagen bespannen, Einen mit schmucken Rädern und oben mit einem Behälter." Und schon rief er die Knechte, die schnell und willig gehorchten. Sie aber rüsteten draußen den leichten, eiligen Wagen, Führten herbei die Tiere und spannten sie vorn an das Fahrzeug. es Und das Mädchen trug aus der Kammer die glänzenden Kleider, Legte sie selbst hinein in den schöngeglätteten Wagen; Aber die Mutter gab in einem Korbe ihr reichlich Allerlei Art von Gebäck, auch Obst, und füllte vom Weine In den ledernen Schlauch und reichte es ihr in den Wagen, 70 Und sie versorgte sie noch mit Oel in goldener Flasche, Daß sie sich nach dem Bade mit ihren Gespielinnen salbe. *4
Und die Jungfrau ergriff die Peitsche und prangenden Zügel, Und sie schwang sie ermunternd. Da eilten stampfend die Tiere Rastlos im Laufe dahin und zogen sie selbst und die Kleider, 76 Und es folgten dem Wagen zu Fuß die dienenden Mägde. Als sie nun kamen zum Ufer des schönhinströmenden Flusses, Wo das sprudelnde Wasser in immerfließender Fülle Sich in die Brunnen ergoß, die schlimmsten Flecken zu klären, Lösten sie erst schnell die Tiere unter dem Jochring, so Ließen sie dann frei am Ufer des sprudelnden Stromes Weiden im grünenden Grase ; drauf hoben sie hoch von dem Wagen Alle Kleider und trugen sie in die dunklen Gewässer, Stampften sie drin im Grund und eiferten schnell um die Wette. Als sie nun alles gewaschen und alle Flecken gereinigt, 85 Breiteten sie's in Reihen am weiten Ufer des Meeres, Wo von den spülenden Wellen der Rand mit Kieseln bedeckt war. Als sie darauf gebadet und sich gesalbt mit dem Oele, Hielten sie ihr Mahl am Uferhange des Stromes, Harrend, bis ihnen die Kleider vom Strahl der Sonne getrocknet. »o Aber nachdem sie gemeinsam von Trank und Speise gesättigt, Legten die Schleier sie ab und freuten sich alle am Ballspiel. Und die weißarmige Jungfrau schritt hin mit hellem Gesänge, So wie Artemis eilt pfeilfreudig über die Gipfel, Ueber Taygetos' Höhn und des Erymanthos Gebirge, es Freudig sich tummelnd im Lauf mit Ebern und flüchtigen Hirschen. Um sie spielen und jauchzen die flurdurcheilenden Nymphen, Töchter des tönenden Zeus, da freut im Herzen sich Leto. Denn vor allen leuchtet an Haupt und Antlitz die Tochter, Jedem sogleich erkennbar, so schön auch alle die andern: loo So überstrahlte die Mädchen die herrlich blühende Jungfrau. «3
Wie aber wieder die Stunde zur Heimfahrt gekommen, da spannten Sie vor den Wagen die Tiere und falteten sorglich die Kleider. Doch da bedachte Athene, die augenleuchtende Göttin, Wie sie Odysseus erwecke, zu schaun das liebliche Mädchen, ios Daß es den Weg ihm weise zur ragenden Stadt der Phaiaken. Und des Königs Tochter warf einer der Mägde den Ball zu, Aber der Ball ging fehl und flog in die wirbelnde Tiefe, Und da schrieen sie laut. Aufwachte der edle Odysseus, Richtete sich empor und dachte in bangendem Zweifel: no „Weh mir ! zu welchem Lande bin nun ich wieder verschlagen? Ist es ein rechtlos Volk von übermütigen Wilden Oder gastliche Menschen, die auch die Götter verehren? Auf! Ich selber will gehn und zusehn, was es bedeute." Und so schob sich durch das Gebüsch der edle Odysseus, ne Grauenvoll schien er ihnen, entstellt vom Schlamme des Meeres. Und sie stoben von dannen und suchten am Ufer Verstecke. Nur Alkinoos' Tochter blieb stehen; ihr hatte Athene Mut in die Seele gehaucht und die lähmende Furcht ihr genommen. Wartend stand sie still. Doch da bedachte Odysseus, 120 Ob er flehend die Knie des lieblichen Mädchens umfasse Oder nur aus der Ferne mit schmeichelnden Worten sie bitte, Daß sie die Stadt ihm zeige, und daß sie Kleider ihm gäbe. So aber schien es ihm schließlich in seinen Gedanken am besten : Lieber nur aus der Ferne mit schmeichelnden Worten zu bitten, 125 Fürchtend, sie würde ihm zürnen, wenn er ihre Kniee berühre. Und so begann er denn schmeichelnd die wohlberechneten Worte : „Herrin, dir nahe ich flehend. Bist du ein Mensch, eine Gottheit? Bist du der Göttinnen eine, die weit den Himmel bewohnen, Artemis nenn ich dich dann, die Tochter-des großen Kronion, 130 Herrlich ragend in schlanker Gestalt und hoher Erscheinung. 26
Bist du aber ein Weib der sterblichen Menschen auf Erden, Dreimal selig preise ich dir dann Vater und Mutter, Dreimal selig die Brüder ; muß ihnen nicht immer vor Wonne Höher schlagen das Herz bei deinem reizenden Anblick, 135 Wenn solch liebliche Blüte sie schreiten sehen zum Reigen! A b e r von allen im Herzen am seligsten preise ich jenen, Der dich mit Gaben der Hochzeit erringt zu bräutlicher Heimfahrt. Denn meine A u g e n sahen noch nie solch sterblichen Menschen, Sei es Mann oder W e i b ; dein Anblick erfüllt mich mit Ehrfurcht. HO Nur auf Delos sah ich einst an Apollons Altare Einen dir gleichenden Wuchs: eine neuaufsprossende Palme. Kam ich doch auch dorthin mit meinem großen Gefolge Auf dem W e g e , wo mir so vieler Kummer bestimmt war. Wie ich vor dem Baum in langem Staunen gestanden, us Da doch noch nie ein Stamm so schlank der Erde entsprossen, So bewundre ich dich voll Staunen, aber ich scheue, Dir zu umfassen die Knie. Doch schweres Unheil verfolgt mich. Gestern, am zwanzigsten Tage, entfloh ich dem finsteren Meere ; Denn so lange trug mich die Woge und stürmende Winde ico Von der ogygischen Insel. Jetzt warf ein Dämon mich hierher, Daß ich auch hier noch dulde. Denn noch erwart' ich das Ende Meiner Leiden mir nicht. V i e l mehr noch planen die Götter. Aber, Herrin, erbarme dich mein! Bist du doch die erste, Die nach der Fülle der Uebel ich traf, denn ich kenne ja keinen iss Von den anderen Menschen, die diese Gefilde bewohnen. Zeige mir nun die Stadt und gib mir ein Tuch zur Bedeckung, Irgendein linnenes Zeug, worin du die Wäsche gewickelt. Mögen die Götter dir alle Wünsche des Herzens erfüllen, Einen Mann und ein Haus, und euch mit seliger Eintracht ico Segnen, denn nichts ist besser und wünschenswerter auf Erden, A l s wenn Mann und Weib, in herzlicher Liebe vereinigt, Ruhig ihr Heim verwa'ten, den Feinden ein neidischer Aerger, Aber Freude den Freunden. Sie spüren es selber am meisten." 27
Ihm e r w i d e r t e drauf A l k i n o o s ' l i e b l i c h e T o c h t e r : 196 „ F r e m d l i n g , du e r s c h e i n s t m i r w e d e r n i e d r i g n o c h töricht. Z e u s verteilt vom hohen Olymp die Lose des L e b e n s V o r n e h m e n und G e r i n g e n , n a c h s e i n e r W a h l e i n e m j e d e n , U n d a u c h dir b e s c h i e d e r d a s d e i n e , du m u ß t es e r t r a g e n . N u n a b e r , d a du z u u n s e r e r Stadt und d e m L a n d e g e k o m m e n , 170 S o l l e s dir nicht a n K l e i d u n g n o c h e t w a s a n d e r e m f e h l e n , W i e e s s i c h s c h i c k t g e g e n F r e m d e , die H i l f e s u c h e n i m Elend. Z e i g e n w e r d ' i c h die Stadt dir, d e s V o l k e s N a m e d i r n e n n e n : D i e P h a i a k e n b e w o h n e n die Stadt und d i e s e G e f i l d e , A b e r ich selber bin des erlauchten Alkinoos Tochter, 175 D e s s e n H a n d der P h a i a k e n G e w a l t und S t ä r k e v e r e i n i g t . " A l s o s p r a c h sie u n d rief die S c h a r d e r l o c k i g e n M ä g d e : „ S t e h t m i r doch still, i h r M ä d c h e n ! F l i e h t i h r d e n A n b l i c k d e s Mannes ? Meint i h r e t w a , e r k ä m e z u u n s in d r o h e n d e r F e i n d s c h a f t ? N i e m a l s l e b t e ein Mann und w i r d a u c h n i m m e r g e b o r e n , 180 D e r in d a s L a n d d e r P h a i a k e n mit b ö s e r A b s i c h t g e l a n g e , S c h l i m m e s uns a n z u t u n , uns, die w i r F r e u n d e d e r Götter. W o h n e n w i r doch g a r f e r n im l a u t a u f r a u s c h e n d e n M e e r e , G a n z e n t l e g e n und w e i t v o n a n d e r e r V ö l k e r B e r ü h r u n g . A b e r d e r Mann d a kommt a l s ein elend i r r e n d e r F r e m d l i n g ; 185 P f l e g e n müssen w i r ihn. V o n Z e u s g e s e n d e t sind a l l e F r e m d e und A r m e ; da ist a u c h k l e i n e G a b e w i l l k o m m e n . S o r g e t , i h r M ä d c h e n , und laßt den F r e m d l i n g e s s e n und trinken, U n d dann badet ihn unten i m F l u ß im S c h u t z v o r d e m Winde." A l s s i e so sprach, da b l i e b e n sie stehen und r i e f e n e i n a n d e r , ido F ü h r t e n O d y s s e u s h i n a b z u m s c h ü t z e n d e n U f e r d e s Stromes, W i e sie N a u s i k a a h i e ß , d e s e r l a u c h t e n A l k i n o o s T o c h t e r ; L e g t e n d a n e b e n d e n L e i b r o c k und a u c h e i n e n Mantel z u r Kleidung, G a b e n i h m a u c h d a s g e s c h m e i d i g e O e l in d e r g o l d e n e n Flasche, U n d sie h i e ß e n ihn dann s i c h b a d e n im s t r ö m e n d e n F l u s s e . 195 D o c h da s p r a c h z u den M ä d c h e n d e r g ö t t e r g l e i c h e O d y s s e u s : 28
„Tretet beiseite, ihr Mädchen, daß ich allein den Meerschlamm Von den Schultern mir spüle und mit dem Oele mich salbe, Denn es entbehrte mein Leib schon lange dieser Erfrischung. Aber ich will nicht baden vor euch; ich würde mich schämen." 200 Also sprach er, da gingen sie fort, es der Herrin zu melden. Unten aber im Strome wusch sich der edle Odysseus, Wo ihm der Schlamm den Rücken und breite Schultern bedeckte, Und er rieb von dem Haupte den Schaum der wüsten Gewässer. Als er nun aber gebadet und Oel zur Salbung genommen, sos Tat er die Kleider an, die ihm die Jungfrau gegeben. Da verwandelte ihn Zeus' hohe Tochter Athene Stolzer und voller an Wuchs und goß die Fülle der Locken Ihm vom Scheitel herab wie der Lilien wellige Blüten. Und er ging zum Meere hinab und setzte sich nieder, 210 Strahlend in Schönheit und Reiz. Nausikaa sah es mit Staunen, Und sie wandte sich schnell zur Schar der lockigen Jungfraun : „Höret mich an, weißarm ige Mädchen, was ich euch sage. Sicher nicht gegen den Willen von a l l e n olympischen Göttern Kam der Mann in das Land der göttergleichen Phaiaken. 216 Schien er mir doch zuerst ganz unbedeutend und häßlich, Nun aber gleicht er den Göttern, die weit den Himmel bewohnen. Würde mir doch ein solcher Gemahl bei den Unsern beschieden, Und es würde dem Manne bei uns zu bleiben behagen. Aber nun sorget, ihr Mädchen, und laßt ihn essen und trinken." 220 Willig hörten sie zu und taten, wie ihnen befohlen, Und sie brachten Speise und Trank hinab zu Odysseus ; Ganz begierig aß und trank der erhabene Dulder, Denn schon gar zu lang entbehrte er jegliche Nahrung. 29
A b e r da kam Nausikaa ein neuer Gedanke. 225 Falten ließ sie die Kleider und wieder im W a g e n verladen, Angespannt wurden die kräftigen Tiere, dann schwang sie sich selber Auf den W a g e n und rief mit ermunternden Worten Odysseus : „Fremdling, mache dich auf, zur Stadt zu gehen. Ich w i l l dich Fuhren zu meines erhabenen Vaters Hause. Da wirst du, 230 Sage ich dir, den edelsten aller Phaiaken begegnen. A b e r nun gib wohl acht, du scheinst ja klug und verständig. Während der W e g durch Ländereien und Felder dahinführt, Schließ dich den Mädchen an und folge unserem W a g e n Schnell zu Fuß, so führe ich dich die richtige Straße. 235 Kommen wir aber zur Stadt mit ihren hochragenden Mauern, Wirst du den trefflichen Hafen auf beiden Seiten erblicken; Schmal nur ist dazwischen der W e g . Dort liegen die Schiffe Mit geschweiften Schnäbeln, auf seinem Standort ein jedes. Später gelangt man zum Markt um den schönen Tempel Poseidons, 240 W o gewaltige Steine rings in den Boden gelassen. Dort bereiten sie fleißig der dunklen Schiffe Geräte, Segeltücher und Taue und glätten geschäftig die Ruder. Denn die Phaiaken kümmern sich nicht um Pfeile und Bogen, A b e r um Mäste und Ruder und ebenmäßige Schiffe. 245 Das ist Freude für sie und die Fahrt auf dem schäumenden Meere. Gerne vermiede ich dort das böse Gerede ; sie könnten Höhnisch hinter uns rufen ; da sind viel freche Gesellen. Und begegnen wir solch einem Kerl, so könnte er sagen : ,Schau doch, wer folgt da Nausikaa nach so schön und so stattlich ? 250 W o nur fand sie den Fremden ? Sie nimmt ihn sicher zum Gatten. Irgend so einen Verirrten von einem gestrandeten Schiffe Führt sie mit sich nach Hause; denn niemand wohnt in der Nähe. Oder sie flehte sich gar einen Gott vom Himmel herunter, Ihre Sehnsucht zu stillen. Mag sie ihn immer behalten. 255 Besser ist es auf jeden Fall, daß sie selber sich mühte, Anderswoher einen Mann zu suchen; denn sie verachtet A l l e die vielen Freier hier unter den edlen Phaiaken Γ 3°
Nicht mit Unrecht würden derart die Leute mich tadeln, Denn ich selber verziehe es keinem anderen Mädchen, 2βο Wenn es gegen den Willen der liebreich sorgenden Eltern Sich schon vor dem Tag der Hochzeit zu Männern gesellte. Fremdling, höre mich schnell, was ich dir rate, damit dir Rascher Geleit in die Heimat mein lieber Vater gewähre : Finden wirst du die Pappeln von Pallas heiligem Haine ses Nahe dem Pfad ; drin sprudelt ein Quell, rings ist eine Wiese. Da hat der Vater sein Gut und seinen blühenden Garten, Nur so weit von der Stadt, wie eine Stimme vernehmlich. Bleibe dort sitzen und warte; wir andern gehen indessen Wieder zurück in die Stadt und zu dem Hause des Vaters. 270 Aber sobald du meinst, daß wir nach Hause gekommen, Geh du ruhig zur Stadt der Phaiaken und frage am Tore Nach dem Haus meines Vaters, des hohen Alkinoos Wohnung. 1st es doch leicht zu kennen, es kann die Straße dir jedes Kleine Kind dort zeigen. Denn ungleich ist die Behausung 275 Aller andern Phaiaken. Des hohen Alkinoos Wohnung Leuchtet aus allen hervor. Und bist du dann innen im Hofe, So durcheile den Saal, zu meiner Mutter zu kommen. Drinnen sitzt sie am Herde im hellen Glänze des Feuers, Wie ein Wunder zu schaun, und spinnt die purpurnen Fäden, 280 An die Säule gelehnt, und hinter ihr sitzen die Mägde. Neben ihr steht ein Thron für meinen Vater, den König, Wo er mit Wein sich labt und sitzt wie einer der Götter. Schreite an ihm vorbei und umfasse mit flehenden Händen Unserer Mutter Knie, damit du die Stunde der Heimkehr 285 Schneller sähest und froh, und wohntest du auch in der Ferne." So aber sprach sie und trieb mit der prangenden Peitsche die Tiere ; Und sie entfernten sich schnell vom Ufer des strömenden Flusses, Bald in eilendem Lauf und bald mit sorglichen Schritten. Sie aber hielt die Zügel gespannt und sparte die Peitsche, £90 Daß mit der Schar der Mägde Odysseus leichter ihr folge. Und die Sonne versank; doch als sie kamen zum Haine, Der Athene geheiligt, da setzte Odysseus sich nieder. 31
A b e r er flehte sogleich zur Tochter des großen Kronion : „Höre mich, unwiderstehliche Tochter des donnernden Gottes, 295 Einmal höre mich nur, da du mich nimmer erhörtest, Als mich der brandende Gott schiffbrüchig im Meere umherwarf : Laß mich bei den Phaiaken Erbarmen finden und Mitleid 1" Und so flehte er laut, ihn hörte Pallas Athene.
III. Odysseus bei Alkinoos. VII.
So nun betete dort der edle Dulder Odysseus, Dann begab er sich nach der Stadt, und Pallas Athene Hüllte voll gnädiger Huld den Helden in deckenden Nebel, Daß nicht unterwegs gar einer der stolzen Phaiaken 5 Höhnend ihn kränke oder ihn frage, w e r er wohl wäre. Als er aber das Haus des gepriesenen Königs erreichte, Harrte er staunend erst noch vor der ehernen Schwelle. Denn da war ein Glanz, als schienen der Mond und die Sonne In dem ragenden Haus des stolzen, pnaiakischen Königs, io Ehern zogen die Wände dahin zur Rechten und Linken Weit von der Schwelle ins Innre mit glasig blauen Gesimsen; Tore von Gold verschlossen das Innre des stattlichen Hauses, Silbern waren die Pfosten und ragten auf eherner Schwelle, Silbern auch die oberen Balken und golden der Türring, is Golden und silbern bewachten die beiden Seiten zwei Hunde, Die Hephaistos mit kunstvoll kluger Erfindung gefertigt, Daß sie das Haus des erhabnen Alkinoos herrlich betreuten, Denn sie alterten nicht und waren beide unsterblich. Innen lehnten gegen die Wand zur Rechten und Linken 20 Sessel von der Schwelle bis tief ins Innre ; darüber Lagen fein von Frauenhand gewobene Tücher, Und hier war beim Mahl der Sitz der phaiakischen Fürsten, Wenn sie schmausten und zechten; stets hatten sie volles Genüge. Goldene Knaben standen auf schöngefertigten Sockeln 26 Ringsherum und hielten in Händen brennende Fackeln, Um beim Mahl die Nächte hindurch das Haus zu erleuchten. Fünfzig dienende Weiber sind im Palaste beschäftigt; Ein Teil mahlt auf Mühlen goldgelbe Körner des Feldes, 3*
Andere sitzen da, reihweis wie Blätter der schlanken so Pappeln, und weben am Stuhl und drehen den Faden der Spindel ; Feuchtes Oel fließt nieder von dichtgekettetem Linnen. Wie die Phaiaken vor allen Männern geschickt und erfahren, Schnelle Schiffe durchs Meer zu steuern, so sind ihre Weiber Kunstgeübt im Weben, da ihnen allen Athene s» Gaben verliehen zu köstlichen Werken und edler Gesinnung. Außer dem Hof liegt nahe dem Tor ein geräumiger Garten An vier Morgen groß, umhegt die Länge und Breite. Große Bäume stehen darin in üppiger Blüte, Birnen, Granaten und Apfelbäume mit herrlichen Früchten ω Und auch süße Feigen und frische, grüne Oliven. Ihre Früchte verderben nie und finden kein Ende, Weder Winter noch Sommer das ganze Jahr, und ein weicher West läßt stets die einen blühen, die anderen reifen. Birne reift auf Birne, es folgt der Apfel dem Apfel, 45 Auch die Traube der Traube, es folgt die Feige der Feige. Und dort sproßt dem König auch üppiges Rebengelände ; Ein Teil ist ein Trockenplatz auf ebener Fläche, Sonnengedörrt, auf anderen werden Trauben geerntet. Andere werden gekeltert, vorn sind die Trauben noch unreif, so Stoßen die Blüten ab, und andre färben sich leise. Dort sind schön geordnet auch Beete am Rande des Weinbergs, Mannigfach bepflanzt, und prangen dauernd das Jahr lang. Drin sind auch zwei Quellen, die eine berieselt'den ganzen Garten, die andre indes fließt drüben unter des Hofes 65 Schwelle zum hohen Palast, dort pflegen die Bürger zu schöpfen. Solche herrlichen Gaben verliehen die Götter dem König. IJnd da stand nun staunend der hehre Dulder Odysseus. Aber nachdem sein Auge das alles bewundernd betrachtet, Schritt er hurtig über die Schwelle ins Innre des Hauses, «ο Drinnen fand er alle phaiakischen Fürsten und Führer, Wie sie die Becher schwangen zur Spende des Spähers Hermeias, Dem sie zum Schluß stets sprengten, sobald sie des Schlummers gedachten. XXIV-XXV/3
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Da durchschritt den Saal der hehre Dulder Odysseus, Dicht in Nebel gehüllt, mit dem ihn Athene umschleiert, es Bis er Arete und den phaiakischen König erreichte. Um die Kniee Aretes schlang nun Odysseus die Hände, Und da flutete von ihm ab der göttliche Nebel. Lautlos verstummten die Fürsten beim Anblick des Mannes im Saale, Staunend schauten sie ihn. Da aber flehte Odysseus : το „O Arete, Tochter des göttergleichen Rhexenor, Leidenbeladen nahe ich deinen Knieen und deinem Gatten und diesen Gästen. Die Götter mögen im Leben Segnen euch I Es möge ein jeder den Kindern im Hause Schätze hinterlassen und Ehrengaben des Volkes! 75 Mir aber schafft Geleit, schnell in die Heimat zu kommen, Muß ich doch lang schon Leiden fern von den Meinen ertragen." Also sprach er und setzte sich in die Asche am Herde Neben dem Feuer. Die andern verharrten in tiefem Verstummen. Als dies aber vernommen Alkinoos' heilige Stärke, so Nahm er bèi der Hand den kundigen, klugen Odysseus, Hieß ihn sich vom Herd erheben und bot ihm den schönen Sessel, von dem sein Sohn, der tapfre Loadamas, aufstand. Denn der saß ihm zunächst und war sein besonderer Liebling. Wasser brachte sodann zum Waschen in prächtiger, goldner es Kanne die dienende Magd und ließ es ins silberne Becken Gleiten und stellte daneben die blankgeglättete Tafel. Aber die würdige Schaffnerin brachte das Brot und die vielen Speisen und setzte sie vor und bot die Fülle mit Freuden, Und nun trank und aß der hehre Dulder Odysseus, βο Doch zum Herold gewandt, sprach jetzt Alkinoos' Stärke : „Nun, Pontonoos, mische den Wein im Kruge und biete Allen im Saale den Trank, zu spenden dem donnererfreuten Zeus, da er ja selbst ehrwürdige Flehende leitet." Sprachs, und Pontonoos mischte die Honigsüße des Weines, B5 Trat damit an alle heran und verteilte die Becher. Als sie die Spende gesprengt und getrunken, soviel sie begehrten, 34
Gingen die Gäste zur Ruh, nach seinem Hause ein jeder, Und im Saale blieb nur noch der hehre Odysseus. Neben ihm saß Arete zur Seite des göttlichen Königs, 100 Und die Mägde räumten die Reste des Mahles beiseite. Da begann zu ihm Arete mit blendenden Armen, Denn ihr Auge hatte sogleich den Mantel und schönen Leibrock erkannt, die sie selber mit ihren Mägden gefertigt, Und so wandte sie denn an ihn die beflügelten Worte : ios „Fremdling, ich will selber dich erst um etwas befragen, Wer und von wannen du bist. Wer gab dir diese Gewänder ? Sagtest du nicht, du kämst verschlagen über die Meerflut?" Ihr erwiderte drauf der listenreiche Odysseus : „Königin, das ist schwer, getreu dir alles zu sagen, 110 Denn mich ließen viel Leid die himmlischen Götter erdulden. Antwort will ich jedoch auf alle Fragen dir geben: Fern von hier im Meer, da liegt Ogygia, ein Eiland ; Dort wohnt Atlas' Tochter, schönhaarig, schlau und verschlagen. Sieben Jahre blieb ich dort und tränkte mit Tränen us Ständig meine Kleider, Kalypsos göttliche Gabe. Aber als das achte im Kreis der Jahre daherkam, Auf verklammertem Floß entließ sie mich, schenkte mir reichlich Brot und süßen Wein und gab mir göttliche Kleidung, Ja, sie sandte mir auch einen lauen, günstigen Fahrwind. 120 Siebzehn Tage glitt mein Floß so über die Wellen ; Aber am achtzehnten Tag, da tauchten wie Schatten die Berge Eures Landes auf. Schon füllte Freude die Brust mir Unglücksel'gem, ich sollte ja noch in bitteres Elend Fallen, das mir der Länderumstürmer Poseidon verhängte. 126 Denn er erregte die Winde, mir meine Pfade zu hemmen, Toben ließ er das Meer unsagbar; die Wogen erlaubten Mir, dem stöhnenden Mann, nicht länger das Floß zu benutzen, Denn es zerspellte der wirbelnde Sturm. So mußte ich schwimmend Hier die gähnenden Schlünde durchqueren, bis daß ich ein Strombett 130 Fand, und da erschien mir diese Stelle am besten, 33
Weil sie felsenleer und vor den Winden geschützt war. Dort, in die Blätter gehüllt mit meinem bekümmerten Herzen Schlief ich die Nacht und den Morgen hindurch bis zur Mitte des Tages. Doch beim Sinken der Sonne entwich der erquickende Schlummer. iss Aber da erblickt ich am Strand beim Spielen die Mägde Deiner Tochter, darunter sie selber gleich einer Göttin. Flehend nahte ich ihr. Sie zeigte gar edle Gesinnung, Wie man es kaum erwartet, sobald man jüngere Leute Trifft, denn es handelt ein jüngeres Alter selten bedachtsam, ιω Doch sie gab mir Speise genug und des Weines Gefunkel, Ließ im Fluß mich baden und lieh mir diese Gewänder. So bekümmert ich bin, hier hast du die lautere Wahrheit." Ihm erwiderte drauf Alkinoos also und sagte : „Fremdling, es hat mein Kind denn doch nicht völlig geziemend i« Eines bedacht : sie hätte dich zu uns unter den Mägden Führen müssen, da ihr zuerst dein Flehen gegolten." Ihm erwiderte drauf der listenreiche Odysseus : „Schilt mir dafür nicht, o Held, die treffliche Jungfrau. Denn sie hieß mich wohl, ihr mit den Mägden zu folgen, iso Ich aber wollte es nicht aus Scheu und schuldiger Rücksicht, Daß nicht dir dein Herz bei meinem Anblick ergrimme. Zornig werden gar leicht wir erdgeborenen Menschen." Ihm erwiderte drauf Alkinoos also und sagte: „Fremdling, nein, das ist nicht meines Herzens Gewohnheit, 155 Unbedacht zu zürnen, denn immer handle man maßvoll." Da befahl Arete mit blendenden Armen den Mägden, Unter der Halle Betten zu richten und purpurne, schöne Kissen hineinzutun und Teppiche drüber zu breiten Und darauf auch wollige Mäntel zur Hülle zu geben, leo Und die Mägde enteilten dem Saal mit brennenden Fackeln. Aber nachdem sie ein festes Bett voll Eifer gerüstet, Traten sie an Odysseus heran und riefen ermunternd : „Fremdling, geh zur Ruh, dir steht das Lager bereitet 1" Also riefen sie; ihm schien die Ruhe willkommen. 36
IV. Odysseus bei den Phaiaken. Als nun die rosigen Hände der Frühe dem Morgen entstiegen, Hob sich vom Lager empor Alkinoos' heilige Stärke. Auch der göttliche Städtezerstörer Odysseus erhob sich. Und sie schritten zum Markt, gefolgt von der Menge des Volkes 6 Endlos. Da stellten sich gleich gar viele, edle Gesellen : Gleich versuchten die einen sich miteinander im Wettlauf. Weit von den Schranken dehnte die Bahn sich ihnen und alle Flogen wie wirbelnder Staub dahin mit hurtigen Füßen. Andere aber versuchten sich im beschwerlichen Ringkampf, 10 Und Euryalos übertraf darunter die besten, Aber Amphialos sprang weiter und höher als alle, Elatreus besiegte sie alle im Wurfe des Diskos, Doch Laodamas mit der Faust, Alkinoos' Erbe. Als sie aber so alle die Lust am Kämpfen gesättigt, 16 Sprach Alkinoos' Sohn Laodamas also zu ihnen : „Fragen wir, Freunde, den Fremden, ob er nicht auch einen Wettkampf Kennt und versteht, an Wuchs ja scheint er wahrlich kein Schwächling Weder an beiden Händen, noch Oberschenkeln und Schienbein." Ihm erwiderte drauf Euryalos also und sagte : 20 „Das, Laodamas, nenn ich mir rechte, gebührliche Worte. Geh und fordre ihn selber heraus und verkünde den Vorschlag." Als dies Wort Alkinoos' wackerer Erbe vernommen, Trat er in die Mitte und ging und sprach zu Odysseus: „Fremder Vater, versuche auch deine Kräfte im Wettkampf, Wenn du einen verstehst; denn Kämpfe zu kennen geziemt dir. l i e g t doch der größte Ruhm des Mannes, solang er am Leben, In den Taten, die er mit Händen und Füßen vollführte. Drum erprobe auch dich und zerstreue die Sorgen der Seele, 37
Denn schon nahe bevor steht dir die Abfahrt; das Schiff ist »o Schon in die Wellen gezogen, und deine Gefährten sind fertig." Ihm erwiderte drauf der listenreiche Odysseus: „Was, Laodamas, wollt ihr mir so kränkend gebieten? Sorgen liegen mir mehr am Herzen als Kämpfe und Spiele, Mir, der früher gar vieles erlitt und vieles erduldet. 85 Nun aber sitze ich da in eurer Versammlung und sehne Mich nach Heimkehr und flehe zum König und allen Phaiaken." Ihm erwiderte drauf Euryalos streitend ins Antlitz : „Nein,o Fremdling, nein, du scheinst mir nimmer in Kämpfen Kundig, wie sie so vielerlei die Menschen betreiben ; ω Eher halte ich dich für einen Führer von Schiffsvolk, Der in berudertem Schiff gleich einem Händler umherzieht, Stets auf Ladung bedacht und späht, wo Güter zu haschen Und Gewinn zu erraffen. Doch scheinst du mir nimmer ein Kampfheld." Finsterblickend erwiderte ihm der weise Odysseus: 45 „Freund, dein Wort war übel, du scheinst mir ein schlimmer Geselle. Liebenswürdige Gaben verleihen also die Götter Nicht an alle, schöne Gestalt, noch Rede, noch Klugheit. Ist doch bei einem vielleicht nur unansehnlich das Aeußre, Aber ein Gott verlieh ihm Worte zu formen zur Freude 50 Aller, die ihn schaun. Denn ohne Anstoß und sicher Spricht er bescheiden und schön und glänzt in versammelter Menge ; Schreitet er durch die Stadt, genießt er göttliches Ansehn. Wieder ein anderer gleicht im Aeußern den ewigen Göttern, Aber doch umkränzt ihn nicht die Anmut der Rede, es Wie auch deine Gestalt so schön und stattlich, ja besser Bildete sie kein Gott, und dennoch bist du ein Schwachkopf. Wild empörtest du mein Herz im Leibe mit deinen Ungereimten Worten. Ich bin kein Neuling in Kämpfen, So wie du geschwatzt ; ich meine, einer der ersten eo War ich, solang ich der Kraft und meinen Händen vertraute. 38
Nun aber bin ich gehemmt von Schmerz und Elend ; zu vieles Litt ich und rang mit Männern im Kampf und den Qualen der Wogen, Aber trotzdem bei all meinen Leiden versuch ich den Wettkampf. Herzverzehrend verletzten mich deine empörenden Worte." κ Sprachs und sprang empor mitsamt dem Mantel und faßte Einen Diskos, der viel größer, dicker und stärker War als jener, mit dem sich die Phaiaken gemessen, Und er schwang ihn und schleuderte ihn mit wuchtiger Rechten. Sausend flog der Stein. Da duckten Scherias Männer το Sich zur Erde nieder, die Rudermeister des Meeres, Unter dem Schwung des Steins. Weit über die anderen Zeichen Flog er leicht davon. Und, wie ein Merker gestaltet, Pflanzte Pallas den Treffpunkt und rief die Worte hinüber : „Selbst ein Blinder, Freund, vermöchte tastend dies Zeichen 75 Zu erkennen, es liegt ja nicht im Gemenge der andern, Sondern weit voraus. Für den Kampf kannst du getrost sein. Kein Phaiake wird es erreichen oder besiegen." Riefs. Und freudig vernahm es der hehre Dulder Odysseus, Weil er einen geneigten Freund im Kampfplatz erblickte, eo Und mit erleichtertem Herzen begann er zu den Phaiaken : „Jünglinge,trefft nun den, dann werde ich rasch einen andern Ebenso weit entsenden, vielleicht am Ende noch weiter. Wen aber von den andern die mutige Seele befeuert, Nun, der komm und Versuchs, nachdem ihr mich also erbittert, es Mit der Faust, im Ringen, im Lauf, ich weigere gar nichts, Wen es im Volke gelüstet, Laodamas einzig vermeid ich; Nur im Wettlauf fürcht' ich, es könnte mancher Phaiake Mich besiegen. Es hat zu arg die Fülle der Wogen Mich entkräftet, auch fehlte an Bord die richtige Pflege eo Mir gar manche Zeit. Nun sind meine Glieder ermattet." Sprachs, und schweigend saßen sie alle in tiefem Verstummen, Und Alkinoos nur, der König, erwiderte also: 39
„Nicht mißfallen haben uns deine Worte, o Fremdling. Wolltest du uns doch zeigen, wie du dich tüchtig gehalten, es Und dich reizte zum Zorn der Mann, der dort auf dem Kampfplatz Schmähte, wie nie ein Mensch dir deine Stärke bemängelt, Der im Herzen versteht, besonnene Rede zu führen. Hurtig nun, beginnt, ihr besten phaiakischen Tänzerl Tanzet, damit der Fremde, sobald er nach Hause gekommen, 100 Dort den Seinen erzähle, wie wir in Laufen und Schiffahrt Alle übertreffen und auch in Singen und Tanzen." Und Alkinoos hieß, Laodamas solle mit Halios Einzeln tanzen, da keiner der anderen ihnen es gleich tat. In die Hände nahmen sie einen purpurnen, schönen ios Ball, den Polybos voll Kunst den beiden gefertigt. Immer warf ihn der eine hinauf zu den schattenden Wolken Rückwärts gebeugt, dann sprang in die Höhe der andre und fing ihn Leicht und behend, bevor er wieder den Boden berührte. Aber nachdem sie genug den Ball zum Himmel geschwungen, no Tanzten sie dabei auf nahrungspendender Erde Häufig wechselnd, und all die andern Jünglinge standen Rings auf dem Platz und klatschten dazu, es hallten die Lüfte. Und zu Alkinoos wandte sich der erlauchte Odysseus: . „O Alkinoos, aller Männer erlesenster König, us Als du dich gerühmt, die besten Tänzer zu haben, Hattest du wirklich recht. Mit Staunen erfüllt mich der Anblick." Sprachs, und freudig vernahm es Alkinoos' heilige Stärke, Und so begann er sogleich zu den ruderfrohen Phaiaken : „Höret auf mein Wort, phaiakische Fürsten und Führer, 120 Dieser Fremde scheint mir sehr verständig und weise. Geben wir ihm ein gastlich Geschenk, so will -es die Sitte. Aber Euryalos soll ihn selbst mit Worten und Gaben Erst versöhnen, denn ungebührlich hat er geredet." Also sprach er, und alle hörten den Vorschlag mit Beifall. 126 Jeder entsandte den Herold, um seine Geschenke zu holen, Und Euryalos nun erwiderte also dem Herrscher: 4°
„O Alkinoos, aller Männer erlesenster König, Gern nach deinem Befehl will ich den Fremden versöhnen. Geben will ich ihm dies Schwert von Eisen, der Griff ist 130 Silbern, und es ruht in elfenbeinerner, neuer Scheide. Die Gabe ist dem Fremden sicher sehr wertvoll." Sprachs und reichte dem Helden das Schwert mit den silbernen Buckeln, Und er sprach zu ihm zugleich die beflügelten Worte : „Heil dir, fremder Vater, und wenn hier eben ein hartes 135 Wort gefallen, so mögen es rasch die Winde verwehen. Mögen die Götter dich wieder dein Weib und die heimische Scholle Schauen lassen nach langer Trennung und bitteren Leiden." Ihm erwiderte drauf der listenreiche Odysseus: „Heil auch dir, mein Freund, die Götter mögen dich segnen ! 140 Und nie komme der Tag, wo du in reuiger Sehnsucht Dieses Schwert vermißt, das du versöhnend mir darreichst." Sprachs und tat um die Schulter das Schwert mit den silbernen Buckeln. Nieder sank die Sonne, da kamen die köstlichen Gaben, Die in des Königs Palast die edlen Herolde trugen, 145 Aber Arete brachte dem Fremden die prächtige Truhe Aus der Kammer und legte hinein die schönen Geschenke, Gold und die Gewänder, die ihm die Phaiaken gegeben. Und Nausikaa in gottgespendeter Schönheit Stand da an den Pfosten der Pforte des stattlichen Hauses, ico Staunend bewunderte dort ihr Blick den Helden Odysseus, Und so sprach sie denn zu ihm die beflügelten Worte : „Heil dir, Fremdling, damit du einst auf heimischer Erde Meiner gedenkst, denn mir vor allen verdankst du dein Leben." Ihr erwiderte drauf der listenreiche Odysseus: 155 „Ja, Nausikaa, Tochter des stolzen, phaiakischen Königs. So verleihe mir Zeus, der donnernde Gatte der Here, Daß ich die Heimat erreiche und schaue die Stunde der Rückkehr, 41
Wie eine Göttin würde ich dich dort betend verehren Alle Tage, denn du hast mich gerettet, o Jungfrau." leo Sprachs und setzte sich auf den Sessel zur Seite des Königs, Denn man mischte bereits den Wein und verteilte die Speisen. Auch der Herold kam näher und führte den lieblichen Sänger, Dem die Muse so hold, sie gab ihm Gutes und Schlimmes, Raubte ihm seine Augen, doch lieh ihm herrliche Stimme. 165 Aber nachdem sie die Lust an Trank und Speise gesättigt, Griff in die Saiten der gottbegeisterte Sänger und stimmte An das Lied, da wo die einen die Schiffe bestiegen Und enteilten, nachdem sie Brand in die Zelte geworfen, Während die andern Argeier rings um den berühmten Odysseus 170 Unter der Menge der Troer verborgen hockten im Roßbauch. Denn schon hatten die Troer das Roß auf die Feste gezogen, Und da stand es nun; rings weilte die Menge und schwatzte Endlos durcheinander und teilte dreierlei Meinung: Seis, das hohle Gebäude mit wildem Erz zu durchschlagen 175 Oder zur Burg zu ziehn und dort vom Felsen zu stürzen, Oder es zu schonen als Zauberweihwerk der Götter, Wie es ja dann auch später sich alles wirklich vollendet. War doch das Schicksal der Stadt zu sterben, sobald sie das große, Hölzerne Roß in sich umschloß, in dem der Argeier 180 Beste saßen und sannen, wie sie die Troer verdürben. Weiter sang er, wie dann die Söhne Achaias die arge Höhlung verließen, dem Roß entströmten und Troia zerstörten ; Sang, wie sie hüben und drüben die hohe Feste verheerten, Und wie dann Odysseus zum Haus des Deïphobos eilte, 185 Jach wie der Kriegsgott, und mit ihm der göttliche Held Menelaos. Dort aber habe er erst die schlimmsten Kämpfe bestanden Und zum Schluß gesiegt mit Hilfe der stolzen Athene. Also sang der gepriesene Sänger. Aber Odysseus Schmolz, und Tränen netzten ihm unter den Wimpern die Wangen. 4«
ι » Zwar den anderen blieben die rinnenden Tränen verborgen, Nur Alkinoos hatte es wohl bemerkt und beachtet, Da er neben ihm saß, und hatte sein Seufzen vernommen, Und so begann er sogleich zu den ruderfrohen Phaiaken: „Höret nun mein Wort, phaiakische Fürsten und Führer, íes Laßt Demodokos jetzt die tönende Leier verklingen, Denn er singt sein Lied ja nicht zu aller Gefallen. Seit wir speisen und seit der göttliche Sänger begonnen, Ist noch nicht verstummt die jammernde Klage des Fremden, Denn es lastet gewiß auf seiner Seele ein Kummer. 2°o Macht dem Lied ein Ende, damit wir uns alle zusammen Freuen, Wirte und Gast, denn das ist schöner und besser. Ist doch dem würdigen Gast zuliebe dies alles bereitet, Das Geleit und die Gaben, die wir aus Liebe ihm geben. Ist doch der flehende Fremde gleich einem Bruder geworden 205 Jedem, dem noch so schwach die Stimme des Mitleids sich regte. Drum verschweig auch du nicht länger mit rechnender Vorsicht, Was ich dich jetzt frage ; auch ist es besser, du sagst es : Nenne uns deinen Namen, wie rufen dich Vater und Mutter ? Nenne mir auch dein Land, dein Volk und deine Geburtsstadt, aio Wie du verschlagen wurdest und welche Stätten der .Menschen Du betratest, wie dort die Leute und wohnlichen Städte, Sag uns auch, warum du weinst und im Herzen so trauerst, Wenn du vernimmst, welch Los die Argeier in Troia betroffen. War das doch das Werk der Götter; sie spannen den Menschen 216 Dies Verderben, damit es lebe im Liede der Nachwelt."
V. Die Abenteuer. Ihm erwiderte drauf der listenreiche Odysseus : „O Alkinoos, aller Männer erlesenster Herrscher, Wahrlich, wonnesam ist's, solch einem Sänger wie jenem Drüben zu lauschen, er singt so schön, als sängen die Götter. 5 Wüßte ich mir doch kein schönres, noch besseres Endziel, 43
Als wenn froher Sinn die ganze Gemeinde beseligt, Wenn sie reihweis sitzen und innig lauschen dem Sänger. Aber dich trieb der Sinn, nach meinem Sorgen und Seufzen Mich zu fragen, damit ich mein Leid noch stärker beklage. 10 Was soll ich zum ersten und was zum letzten erzählen ? Haben doch Kummer mir viel die himmlischen Götter gegeben. Aber nun will ich zuerst den Namen euch nennen, damit ihr Wisset, wer ich sei, und, dem Tag des Verderbens entronnen, Ich euer Gastfreund bleibe, so fern meine Heimat entlegen. 16 Ich bin Odysseus, der Sohn des Laërtes, durch mancherlei Listen Unter den Menschen bekannt, mein Ruhm erreichte den HimmeL Ithaka bewohn ich, das leuchtende, wo sich der stolze Neriton erhebt, ein laubumrauschtes Gebirge. Rings verstreut sind viele Inseln nahe beinander, 20 Wie Dulichion, Same, das waldumgrünte Zakynthos. Ithaka selbst liegt flach und ganz zuoberst gen Westen Weit im Meer, die anderen fern gen Morgen und Sonne. Felsig ist és, doch nährt es tapfere Krieger. Ja, süßer Als mein Heimatland ist mir kein Anblick auf Erden. 25 Denn es ist doch nichts so köstlich als Heimat und Eltern, Ja, selbst dann nicht, wenn man fern in üppigem Hause Wohnt in einem entlegenen Land, getrennt von den Eltern. Nun aber will ich von meiner so leidvollen Heimfahrt erzählen, Die mir Zeus beschieden, sobald ich Troia verlassen: so Fort von Ilios trug der Wind mich zu den Kikonen, Wo ich Ismaros' Feste und ihre Bewohner vertilgte. Die aus der Stadt erbeuteten Fraun und die Fülle der Schätze Teilten wir, daß keinem entginge, was ihm gebührte. Wohl gebot ich den Meinen, sie sollten eilenden Fußes 35 Fliehen, doch sie folgten mir nicht, die verblendeten Toren, Nein, sie zechten dort viel Wein und schlachteten viele Ziegen längs dem Strand und glänzende, wandelnde Rinder. Die Kikonen riefen derweil die andern Kikonen, Die mit ihnen benachbart und zahlreich waren und stärker. 40 Sie bewohnten das Festland und waren im Kampfe mit Männern Auch zu Wagen geübt und, wo es nötig, als Fußvolk. 44
Zahllos rückten sie an wie Blätter und Blüten im Frühling Früh am Morgen. Da nahte ein böses Verhängnis Kronions Unseren Waffen und ließ uns viele Schmerzen erdulden. io Standhaft schlugen wir die Schlacht zur Seite der Schiffe, Sechs gar schöngeschiente Gefährten von jedem der Schiffe Fielen ; wir anderen aber entrannen dem tödlichen Schicksal. Weiter fuhren wir nun von dort bekümmerten Herzens, Freudig dem Tode entronnen, beraubt der teuren Genossen, so Aber ich fuhr nicht weiter in meinem beruderten Seeschiff, Eh wir nicht dreimal jeden der lieben Gefährten gerufen, Die von der Hand der Kikonen dort in der Ebne gefallen. Doch da sandte wider die Schiffe der Lenker der Wolken Zeus einen wirbelnden Nord, auch barg er in finsterer Wolke 66 Land und Meer zugleich, und Nacht brach nieder vom Himmel. Und die Schiffe trieben dahin kopfüber, des Windes Wucht zerfetzte uns dreifach und vierfach die Segel. Wir befürchteten schon das Schlimmste und zogen sie nieder. Weiter jagten mich nun neun Tage widrige Winde eo Ueber das fischreiche Meer, und erst am zehnten betrat ich Land der Lotophagen, die Blumenspeise genießen, Und dort gingen wir an die Küste und schöpften uns Wasser. Schnell von den Schiffen holten sich die Gefährten die Mahlzeit, Aber nachdem wir mit Essen und Trinken den Hunger besänftigt, «6 Da erwählt ich zwei Männer und einen dritten als Herold Aus der Schar der Gefährten und sandte sie weiter auf Kundschaft, Und sie enteilten und trafen sofort lotophagische Männer ; Aber die sannen nicht auf unserer Leute Verderben, Sondern sie gaben ihnen von ihrem Lotos zu kosten, vo Doch wer je von der lieblichen Frucht des Lotos genossen, Brachte nie mehr Botschaft und dachte nimmer an Heimkehr, Nein, sie wollten inmitten der lotophagischen Männer Bleiben und Lotos essen und ganz der Heimkehr vergessen. Doch so sehr sie weinten, ich brachte sie wieder gewaltsam 76 An die Schiffe und band sie unter die Bänke der Rudrer. 45
Dann aber hieß ich schnell die andern lieben Gefährten Ohne Zögern aufs neu die hurtigen Schiffe besteigen, Auf daß niemand aus Liebe zum Lotos der Heimkehr vergäße. Eilig stiegen sie ein und setzten sich wieder in Reihen so An die Ruder und schlugen mit ihnen das graue Gewässer. Weiter fuhren wir so von dort bekümmerten Herzens, Und wir erreichten das Land der ruchlos wilden Kyklopen, Die, voll Uebermut und auf die Götter vertrauend, Nie die Hände rührten zum Pflanzen oder zum Pflügen. 85 Alles gedeiht bei ihnen auch ohne Pflügen und Säen, Weizen und Gerste und Reben, die Wein in üppigen Trauben Den Kyklopen tragen, vom Regen Kronions befruchtet. Ratsversammlung kennen sie nicht und keine Gesetze, Nein, sie hausen gesondert hoch auf den Gipfeln der Berge 90 In gewölbten Höhlen, und jeder gebietet und richtet Ueber Weib und Kind, und keiner achtet des andern. Seitlich des Hafens streckt sich eine ebene Insel Nicht zu weit und nicht zu nah vom Land der Kyklopen. Wälder sind dort, und drinnen leben in mächtigen Rudeln 96 Zahllos wilde Ziegen, kein Schritt der Menschen verscheucht sie ; Auch kein Jäger betritt jemals die Insel im Bergwald, Mühsal zu ertragen beim Schweifen über die Gipfel. Keine Herden bedecken das Land und keinerlei Aecker, Saatlos, ungepflügt liegt immerwährend die Insel, loo Leer von Menschen, jedoch von meckernden Ziegen bevölkert. Bei den Kyklopen gibt es nicht rotwangige Schiffe, Keine Zimmerleute sind dort im Lande, die fleißig Tüchtige Schiffe baun, die zu den Stätten der Menschen Eilen und alles besorgen, wie ja die Menschen so häufig ios Miteinander auf feuchten Pfaden des Meeres verkehren. Solche Leute hätten die Insel fleißig verwaltet; Ist sie doch nicht schlecht und brächte jederlei Ernte. Denn am Strande des grauen Meeres liegen dort Wiesen, Feucht und locker, auch würden die Reben immer dort tragen, 46
no Ebene Scholle ist dort, stets könnten sie üppige Saaten Ernten zur rechten Zeit, denn fett ist unten der Boden. Auch ein sicherer Hafen ist da, wo keinerlei Taue, Keine Ankersteine und kein Befestigen nötig, Sondern der Schiffer mag landen und ruhig die Stunde erwarten, lis Wann ihn sein Herz oder glückliche Winde zu segeln ermuntern. Blinkendes Wasser sprudelt am inneren Ende des Hafens Quellend aus einer Grotte, Schwarzpappeln stehen im Umkreis ; Und dort legten wir an. Von einer Gottheit geleitet, Fuhren wir durch die finstere Nacht und konnten nichts sehen, 120 Denn es lag um die Schiffe ein dichter Nebel, am Himmel Leuchtete nicht der Mond, verhüllt von deckenden Wolken. Keiner von uns gewahrte mit seinen Augen die Insel, Auch die langen Wogen, die gegen die Küste sich wälzten, Sahen wir nicht, bevor die Schiffe das Ufer berührten. 126 Als die Schiffe gelandet, da refften wir unsere Segel, Stiegen dann selber aus am umbrandeten Strande des Meeres Und erwarteten dort im Schlummer die heilige Frühe. Als nun die rosigen Hände der Frühe dem Morgen entstiegen, Da durchstreiften wir mit staunenden Augen die Insel. 130 Und es jagten die Nymphen, die Töchter des donnernden Gottes, Wilde Ziegen empor zum Schmaus für meine Gefährten. Schnell von den Schiffen wurden die krummen Bogen und langen Röhrenspieße geholt, und, in drei Rotten geordnet, Schossen wir, gleich gab ein Gott uns reichliche Beute. 136 Schiffe hatte ich zwölf in meinem Gefolge ; auf jedes Wurden neun Ziegen verteilt, doch zehn mir selber gegeben. So den ganzen Tag bis an die sinkende Sonne Saßen wir und vertilgten viel Fleisch und Weines die Fülle. Denn noch fehlte es nicht am roten Wein in den Schiffen, no Vorrat war noch da, denn viel in gehenkelte Krüge Schöpften wir, als wir die heilige Stadt der Kikonen genommen. 47
In der Nähe gewahrten wir das Land der Kyklopen, Sahen den Rauch und hörten die Stimme der Männer und Herden. Als nun die Sonne versank, und dunkle Dämmerung nahte, 146 Streckten wir uns zum Schlaf am rauschenden Strand des Meeres. Als nun die rosigen Hände der Frühe dem Morgen entstiegen, Hielt ich eine Versammlung ab und sagte zu allen: „Bleibt ihr anderen hier, ihr meine lieben Genossen, Ich aber will mit meinem Schiff und meinen Gefährten lso Gehen und auskundschaften, wie drüben die Leute beschaffen, Ob sie ein rechtlos Volk von übermütigen Wilden Oder gastliche Menschen, die auch die Götter verehren." Also sprach ich und ging an Bord und hieß die Genossen Selber sich einzuschiffen und hinten die Taue zu lösen. 156 Eilig stiegen sie ein und setzten in Reihen sich nieder An die Ruder und schlugen mit ihnen das graue Gewässer. Aber als wir nun die nahe Küste erreichten, Sahen wir dort am äußersten Ende und nahe dem Meere Eine mächtige Grotte, von Lorbeerbäumen umschattet, ιβο Viele Herden, Schafe und Ziegen, ruhten zur Nachtzeit Dort; rings war eine Mauer aus eingegrabenen Steinen, Hohen Fichtenstämmen und ragenden Eichen errichtet. Drinnen hauste ein Mann, ein Ungeheuer, der einsam Seine Herden weidete fern von den andern, mit niemand íes Umgang pflog und, gesondert, Gesetz und Sitte nicht kannte. War er doch zum Staunen, so ungeheuer und nicht wie Brotverzehrende Menschen, nein, wie ein bewaldeter Gipfel Steiler Berge, der einsam vor allen andern emporragt. Da befahl ich nun den andern lieben Gefährten, 170 Dort beim Schiff zu verweilen und dies ans Ufer zu ziehen ; Ich aber machte mich auf mit zwölf erlesenen Leuten. Bei mir führte ich im ledernen Schlauche gar süßen, Roten Wein ; ihn gab mir Maron, der Sohn des Euanthes. Einen großen Schlauch, gefüllt mit dem Weine, nun nahm ich 176 Mit und auch Speise in ledernem Sack, mir ahnte das kühne Herz, es nahe ein Mann, gerüstet mit riesiger Stärke, Wild und ohne Wissen von Recht, Gesetz und Gesittung. 48
Rasch gelangten wir in die Höhle, doch fanden im Innern Wir ihn nicht, noch weidete er die stattliche Herde, leo In die Grotte getreten, besahen wir alles voll Staunen : Darren starrten voll trocknendem Käse, und Lämmer und Zicklein Füllten gedrängt die Hürden, doch alle Arten gesondert, Abgetrennt die Erstgebornen, einzeln die Spätem, Auch die Jüngsten für sich, Rings troffen von Molken ihm alle isa Eimer und Näpfe, die er sich zum Melken gefertigt. Und da baten mich gleich mit flehenden Worten die andern, Käse zu nehmen und wieder von dannen zu ziehen ; auch sollten Hurtig wir zum schnellen Schiff die Lämmer und Zicklein Aus den Hürden treiben und rasch auf den Wellen enteilen, loo Aber ich wollte nicht hören — es wäre weit besser gewesen — Wollte ihn selber sehn, ob er mich gastlich bewirte. 0, den Gefährten erschien er später wenig willkommen I Feuer entzündeten wir und brachten ein Opfer und nahmen Selbst vom Käse, aßen und saßen und warteten drinnen, 195 Bis er weidend erschien. Er trug ein gewaltiges Bündel Dürres Holz und wollte damit sein Nachtmahl bereiten. Schleudernd warf er es in die Höhle mit mächtigem Krachen, Daß wir voller Schreck in den äußersten Winkel entwichen. Er aber trieb in die' mächtige Grotte die stattliche Herde, 200 Was zum Melken bestimmt, und ließ das Männliche draußen, Widder und Böcke im Innern der hochumfriedeten Hürde. Und nun trug er und setzte vors Tor einen mächtigen Felsblock, So gewaltig, daß ihn selbst zweiundzwanzig der stärksten Viergeräderten Wagen nicht von der Stelle gehoben, m Solch ein riesiger, ragender Fels versperrte den Eingang. Und nun setzte er sich und melkte die Ziegen und Schafe, Alles der Ordnung nach, und tat unter jede das Junge. Gleich ließ er die Hälfte der Milch gerinnen und ballte Sie zusammen und stellte sie auf in geflochtenen Körben aio In den Gefäßen ließ er die andere Hälfte, damit sie Nach Bedarf zum Trinken ihm diene und später zum Nachtmahl. XXIV-XXV/4
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Aber nachdem er geschäftig all diese Arbeit verrichtet, Da entfachte er Feuer und sah uns und fragte uns also : „Fremdlinge, sagt, wer seid ihr, woher durchmeßt ihr die Wellen? 215 Ist es wegen Geschäften, durchkreuzt ihr planlos die Meere, Wie es wohl Räuber tun, die so in irrendem Schweifen Leib und Leben wagen, um anderen Unheil zu bringen?" Riefs. Da brach uns das liebe Herz aus bangem Entsetzen Vor der rauhen Stimme und vor dem Ungetüm selber, 220Aber dennoch gab ich dem Kyklopen zur Antwort: „Her von Troia sind wir über die Schlünde des Meeres, Von so manchen Winden gar arg verschlagne Achaier, Auf der Fahrt nach Hause und irrend auf Wegen und Pfaden Hier gelandet; es war wohl so der Wille Kronions. 225 Rühmend zählen wir uns zu Agamemnons Gefolgschaft, Dessen Ruhm wohl jetzt der größte unter dem Himmel, Solch eine mächtige Stadt hat er zertrümmert und viele Völker vernichtet. Doch wir sind hergekommen und nahen Deinen Knieen, ob du uns gastlich mögest bewirten 230 Oder uns Gaben geben, so wie es Fremdlingen zusteht. Scheue die Götter, mein Bester, denn flehend stehen wir vor dir, Rächt und schützt doch Zeus die fremden und bittenden Leute Gastlich, da er selbst ehrwürdige Flehende leitet." Also sprach ich, und gleich erscholl uns vernichtende Antwort : S35 „Närrisch bist du, Fremder, aus welcher F e r n e denn kommst du, Daß du mich heißt, ich soll die Götter scheuen und meiden. Denn die Kyklopen kümmern sich nicht um den Donnerer droben, Noch um die seligen Götter, da wir viel besser und stärker. Und so verschonte auch ich aus Scheu vor dem Zorne Kronions mo Weder die Freunde, noch dich, wenns mich nicht selber gelüstet. Sage mir aber, wohin hast du dein stattliches F a h r z e u g Hingesteuert, fern oder nah ? Ich möchte es wissen." 5°
Forschend fragte er so; doch mir Gewiegtem entging es Nicht, und ich erwiderte ihm mit listigen Worten: 245 „Ach, mein Schiff zerschellte der Länderumstürmer Poseidon, Warfs an ein Vorgebirge und schlug es wider die Felsen Fern an euren Grenzen. Vom Meer aus trieb es ein Wind her. Ich mit denen da entrann dem jähen Verderben." Also sprach ich. Doch nichts gab mir der Unhold zur Antwort, 250 Schnellte empor und streckte nach meinen Gefährten die Hände, Packte zwei zugleich und schlug sie wie säugende Hunde WTider die Erde. Ihr Hirn entfloß und netzte den Boden. Glied für Glied zerhackte er sie zum fertigen Nachtmahl, Fraß sie wie ein Leu der wilden Berge und ließ nicht ¿55 Eingeweide zurück, noch Fleisch, noch markige Knochen. Weinend streckten wir die Hände zum Vater Kronion, Wie wir so Grausiges sahen, und fühlten uns ratlos und hilflos. Als der Kyklop mit Menschenfleisch den mächtigen Bauch sich So gefüllt und lautere Milch zum Fräße getrunken, 200 Lag er und streckte sich quer durch die Herden ins Innre der Höhle. Da entschloß ich mich in meinem mutigen Herzen Näher zu schleichen, das scharfe Schwert vom Schenkel zu ziehen Und ihm die Brust zu durchstoßen, wo Leber und Zwerchfell sich nähern. Tastend kam ich, doch da durchfuhr mich ein neuer Gedanke. 265 Wären doch auch wir selber dann dort so elend verdorben, Unsere Hände hätten ja nie den mächtigen Türblock Weggestoßen, mit dem er hoch die Pforte verrammelt, Und so erwarteten wir voll Klagen die heilige Frühe. Als nun die rosigen Hände der Frühe dem Morgen entstiegen, 270 Da entfachte er Feuer und melkte die prächtige Herde, Alles der Ordnung nach, und tat unter jedes das Junge. •·
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Aber nachdem er geschäftig all diese Arbeit verrichtet, Packte er wieder zwei Gefährten und fraß sie zum Frühmahl. Als er gegessen, hob er leicht den riesigen Türstein 275 Fort und trieb hinaus die fette Herde und legte Wieder den Block vors Tor, als schlöß ein Deckel den Kasten. Dann mit schrillem Pfiff trieb ins Gebirge die Herde , Der Kyklop. Ich aber blieb und brütete Unheil, Wie ich mich rächen könnte und Ruhm mir Pallas verleihe, seo So aber meinte ich endlich die beste Entscheidung zu treffen : Neben der Hürde lag des Kyklopen riesige Keule, Frisch vom Oelbaum heruntergeschlagen ; er wollte sie tragen, Wenn sie dürr genug. Uns aber deuchte ihr Anblick Mächtig, als wär es der Mast eines zwanzigrudrigen, dunklen, 285 Breitbelasteten Schiffes, das über die Wogen dahineilt, So gewaltig war die Länge und Dicke zu schauen. Davon hieb ein Stück ich ab, so lang wie ein Klafter, Reichte es den Gefährten und hieß sie es schaben und glätten, Und die machten es eben, ich aber spitzte das Ende. 290 Dann ergriff ich den Pfahl und glühte ihn drehend im Feuer, Legte ihn sorglich nieder und barg ihn unter dem Dünger, Der weit in der Höhle in großer Menge verstreut lag. Dann aber hieß ich die andern, sie sollten losend entscheiden, Wer es wagen soll, mit mir den Pfahl zu erheben 295 Und in sein Auge zu treiben, sobald ihn der Schlummer umfangen. Die aber traf das Los, die ich gern selber erlesen, Vier von ihnen, so zählte ich als der fünfte mich selber. Abends kam er und trieb die schöne, wollige Herde, Lenkte das fette Vieh gleich in die räumige Grotte, 300 Alle zusammen und ließ nichts in der Tiefe des Vorhofs, Sei es aus Argwohn, seis von einer Gottheit getrieben, Pflanzte mit leichter Hand vors Tor den mächtigen Türblock, Setzte sich nieder und melkte die Schafe und meckernden Ziegen, Alles der Ordnung nach, und tat unter jede das Junge. 52
305 Aber nachdem er geschäftig all diese Arbeit verrichtet, Packte er wieder zwei Gefährten und fraß sie zum Nachtmahl. Ich aber näherte nun mich dem Kyklopen und bot ihm Ein Gefäß, gefüllt mit jenem Rotwein, und sagte: „Da, Kyklop, trink Wein, nachdem du Menschen gegessen, sio Daß du wissest, welch ein Wein verborgen in unserm Schiffe lag. Ich brachte ihn dir zur Spende, du möchtest Gnädig nach Hause mich senden ; nun aber rast du unleidlich. Schrecklicher! wie möchte wohl künftig einer der vielen Menschen zu dir kommen, da du so schändlich gefrevelt." 3ΐδ Sprachs. Er nahm den Wein und trank ihn mit mächtiger Freude Ueber den süßen Trunk und forderte gleich einen zweiten: „Gib mir freundlich noch einmal und laß zur Stelle mich deinen Namen wissen, damit ich dich mit Gaben erfreue. Denn es trägt auch uns Kyklopen die üppige Scholle SEO Wein in großen Trauben, befruchtet vom Regen Kronions, Aber der da schmeckt, als flösse Ambrosia und Nektar." Sprachs. Da reichte ich ihm des Weines Gefunkel von neuem ; Dreimal holt ich und gab, und dreimal trank er verblendet. Als nun aber der Wein die Sinne des Riesen umnebelt, 825 Redete ich ihn an mit schmeichelnd freundlichen Worten. „O Kyklope, du frägst nach meinem gepriesenen Namen. Nun, so höre und gib mir die versprochene Gabe: Niemand ist mein Name. Fürwahr, es rufen mich Niemand Vater und Mutter und sonst auch alle andern Gefährten." 330 Also sprach ich, doch gleich gab mir der Unhold zur Antwort : „Niemand werde zuletzt von all seinen Freunden ich fressen, Alle andern vorher. Da hast du die gastliche Gabe." Riefs, und rückgelehnt schlug er zu Boden und lag da, Bog zur Seite den feisten Hals, ihn faßte des Schlummers 335 Allbezwingende Macht. Doch seinem Munde entquollen Wein und Menschenfleisch, und trunken erbrach er die Brocken. 53
Da aber stieß ich den Pfahl tief unter die Menge der Asche, Bis er erglühte, und suchte durch Zuspruch allen Gefährten Mut zu machen, daß keiner aus Angst mir wieder entwiche. »40 Als nun aber der Oelbaumpfahl trotz saftiger Frische Feuer zu fangen begann und rings schon glühte und flammte, Trug ich ihn vom Feuer nah an den Riesen, und ringsum Standen die Helfer. Ein Gott ermutigte unsere Seelen. Und sie ergriffen den Oelbaumpfahl und trieben die Spitze »46 Dem Kyklopen ins Auge, ich aber drückte und drehte Droben, wie wenn ein Mann mit seinem Bohrer des Schiffes Balken durchbohrt und unten, da drehen die Freunde mit Riemen Ziehend rechts und links, so läuft der Bohrer beständig: Also drehten wir den glühenden Pfahl in des Riesen »so Auge, und heißes Blut umbrodelt ihn, während er eindrang. Alle die Wimpern ringsum und die Brauen versengte die Lohe An dem brennenden Stern, und es zischten die Wurzeln im Feuer. Wie wenn ein Eisenschmied die Zimmeraxt oder das Haubeil Unter lautem Zischen in eisiges Wasser hineintaucht, 356 Um es zu härten, denn das vermehrt die Stärke des Eisens, Also umzischte den Oelbaumpfahl das brennende Auge. Fürchterlich brüllte der Kyklop, rings hallte die Felswand, Wir aber sprangen erschrocken beiseite. Nun riß er den Pfahl sich Rings mit strömendem Blut besudelt heraus aus dem Auge, 360 Schleuderte ihn weit fort und tobte herum mit den Händen. Schreiend rief er herbei die andern Kyklopen, die ringsum In ihren Höhlen wohnten, verstreut auf den luftigen Höhen. Diese hörten sein Brüllen und kamen von allen vier Winden, Stellten sich rings um die Höhle und fragten, was ihn bedränge : *β5 „Polyphemos, was quält dich so sehr und läßt dich so schreien Durch die ambrosische Nacht und störst uns alle im Schlummer ? Treibt dir wider Willen ein Mensch die Schafe von dannen ? Will dich listig oder gewaltsam einer ermorden?" Ihnen rief der wilde Kyklop aus der Höhle hinüber : »70 „Niemand will mich listig und nicht gewaltsam ermorden." 54
Die Kyklopen erwiderten ihm die beflügelten Worte: „Wenn dich denn keiner bedrängt und du allein in der Höhle, Muß man einer Krankheit vom großen Kronion sich beugen. Flehe lieber zu deinem Vater, dem Herrscher Poseidon 1" 8T5 Riefens und schritten hinweg, da lachte das Herz mir im Leibe, Wie sie mein Name getäuscht und der vorzügliche Einfall. Jammernd aber und stöhnend vor Schmerzen tappte der Riese Mit den Händen umher und warf den Türblock zur Seite, Setzte sich selbst in den Eingang und spreizte Arme und Hände, »so Ob er wohl einen erwische, der zwischen den Schafen entwiche, Denn er nahm im Herzen an, ich wäre so töricht. Ich aber überlegte, was nun am besten geschähe, Um eine Rettung vom Tode für mich und meine Gefährten Auszufinden ; ich wob gar viele Listen und Pläne, »es Galt es doch das Leben, noch drohte nahes Verderben. So aber meinte ich endlich die beste Entscheidung zu treffen : Widder waren da, gar fett mit prächtiger Wolle, Schön und groß zugleich, ihr Vlies war dunkel und stattlich. Lautlos band ich sie mit geflochtenen Weiden zusammen, »eo Die dem Kyklopen zum Lager gedient, dem frevelnden Unhold, Immer drei Widder zugleich, und jeder mittelste schleppte Einen der Freunde ; die zwei an den Seiten schritten zur Deckung. Und so trugen drei Schafe je einen der Männer. Ich selber — War da doch ein Widder, der stärkste und beste von allen ; »»5 Dessen Rücken umklammernd, hing ich an den Zotteln des Bauches Angeschmiegt, und eingekrallt in die Fülle der Wolle, Hielt ich mich dort standhaft fest mit duldender Seele ; So erwarteten wir denn schweren Herzens die Frühe. Als nun die rosigen Hände der Frühe dem Morgen entstiegen, 400 Eilten die Widder sogleich fort zu der Weide ; doch blökend Blieben im Pferch noch ungemolken die weiblichen Tiere, Denn ihre Euter strotzten. Ihr Herr, von quälenden Schmerzen Arg gepeinigt, befühlte den Rücken der einzelnen Schafe. 55
Aufrecht eilten sie hin, das aber ahnte der Tor nicht, 405 Daß ich sie unter die Brust der wolligen Schafe gebunden. Aber als letzter schritt zum Tor der mächtige Widder, Schwer vom Vlies und von mir, dem listigen Manne, belastet, Und der gewaltige Polyphemos rief, ihn betastend : „Guter Widder, was gehst du so als letzter der Schafe 410 Durch die Höhle, du bleibst doch sonst nicht hinter den Tieren ? Nein, rasch eilst du voran und weidest als erster die zarten Blüten der Flur, auch kommst du zuerst an die strömenden Bäche. Auch am Abend verlangst zuerst du wieder, zur Hürde Heimzukehren ; doch nun bist du von allen der letzte. 415 Grämt dich das Auge des Herrn, den jener Schurke mit seinen Spießgesellen geblendet, weil Wein meine Sinne bewältigt, Dieser Niemand! Noch, hoff ich, entrann er nicht dem Verderben. Hättest du doch wie ich Vernunft und Sprache und könntest Mir verkünden, wo jener stets meiner Stärke so ausweicht, «o O, dann zerschlüge ich ihn, daß weit in der Höhle zu Boden Rings sein Hirn verspritzte! Dann würde ich leichter im Herzen Tragen die Qualen, die mir der nichtige Niemand bereitet." Also sprach er und ließ den Widder die Pforte durchschreiten. Wie wir nur ein wenig entfernt von Höhle und Hürde, 425 Ließ erst ich den Widder los und löste die Freunde. Eilig trieben wir dann die flinken, gemästeten Schafe Fort und wandten uns oftmals um, bis wieder am Schiff wir Angelangt. Froh sahen die lieben Freunde uns kommen, Die wir dem Tode entronnen, und sie beweinten die andern, •so Aber ich ließ sie nicht weiter jammern und reckte verweisend Hoch die Brauen und hieß sie die Menge der wolligen, schönen Schafe ins Schiff zu treiben und rasch vom Ufer zu stoßen. Eilig stiegen sie ein und setzten sich wieder in Reihen An die Ruder und schlugen mit ihnen das graue Gewässer. 435 Als ich so weit entfernt, wie noch die Stimme vernehmlich, Rief ich dem Kyklopen die höhnenden Worte hinüber : 56
„Höre, Kyklop, kein Schwächling war es, dessen Genossen Du mit roher Gewalt in der wölbigen Höhle gefressen. Fürchterlich sollten deine Frevel über dich kommen, «u Du Verruchter, der sich nicht scheute, die Gäste im eignen Heim zu verschlingen. Nun straften dich Zeus und die anderen Götter." Also schrie ich, und er ergrimmte im Herzen noch ärger, Riß von einem riesigen Berg den Gipfel und warf ihn Hinter uns her, und dicht vor dem dunkelgeschnäbelten Seeschiff «5 Laut aufschäumte das Meer von dem niederstürzenden Steinblock, Rückwärts rauschte vom Meer die Flut und warf an die Küste Wieder das Schiff und zwangs, sich dem Gestade zu nähern. Ich aber packte geschwind eine riesige Stange und stieß es Wieder zurück und gab mit dem Haupt den Freunden ein ernstes, 450 Winkendes Zeichen, sie sollten sich flink der Ruder bedienen, Um der Gefahr zu entgehen ; da stürzten sie sich auf die Ruder. Als wir nun aber doppelt so weit die Fluten durchfahren, Rief ich den Kyklopen aufs neu. Rings suchten die Freunde Mich mit bittenden Worten auf allen Seiten zu hindern : „Schrecklicher, warum willst du den wilden Riesen so reizen ? Hat doch erst eben sein Wurf das Schiff vom Meere ans Ufer Wieder geworfen, wir meinten schon, wir gingen zugrunde. Aber falls er uns hörte und unsere Stimme vernähme, Möchte er wohl das Schiffsgebälk und unsere Häupter