»Hochschulexperimentierplatz Bielefeld« - 50 Jahre Fakultät für Soziologie: hier Text einfügen 9783839444115

This volume presents the 50-year history of the Bielefeld Faculty of Sociology from different perspectives and with a va

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German Pages 508 Year 2019

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Table of contents :
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Außenansichten
Als alle Gruppen noch experimentierten …
Strategische Partner
Größe – unterausgenutzt
Niklas Luhmanns Sonderforschungsbereich zum Nulltarif
»Rückwärtsgewandter Partikularismus«?
Innenansichten I
Interview mit einem Mitgründer der Fakultät für Soziologie
Institut für Weltgesellschaft
Promovieren an der Fakultät für Soziologie
Internationalisierung
Das Zentrum für Deutschlandund Europastudien (ZDES/CGES)
Forschung und Lehre zur Sozialstruktur und zu sozialer Ungleichheit an der Fakultät für Soziologie
Männer, Frauen und die Geschlechtersoziologie in Bielefeld
Only two can play this game
Die Fakultät für Soziologie und ihre Zeitschrift für Soziologie
Mehr als Lernfabrik? – Studentische Lebenswelten
Die Musik der Gesellschaft
Die Soziologie & ich
Ein guter Ort zum Erwerb von Wissen über und Kompetenzen für die Demokratie
Soziologie in neuen Räumen
Studierendenschreck Gruppenarbeit (?)
Die große Kunst des Smalltalks
Über das studentische Engagement an der Fakultät und die Vielzahl der Möglichkeiten
»Wie sozial sind Soziolog*innen?«
Die Fakultät für Soziologie als zweites Zuhause
Der fremde Soziologiestudent, der blieb
Tja, dann werde ich halt Taxifahrer*in
Jenseits der Geschlechterbinarität
Bildungsparasiten in Bielefeld
Plädoyer für soziologisches Nutzungsverhalten
Sowi(e) Powi feiert keiner
Innenansichten II
Politikwissenschaft und Politikforschung an der Fakultät für Soziologie
Sozialanthropologie im Schatten der Weltgesellschaft
Sozialwissenschaften, Lehrerausbildung und Politik
Die duale Methodenausbildung der Fakultät für Soziologie
Lehren und Lernen an der Fakultät für Soziologie
Wie kombiniert man Wahlfreiheit für Studierende mit der Bildung von Profilen?
Der Mittelbau an der Fakultät für Soziologie
Standing Ovations …
Aus dem Leben der Fakultät
Chronik der Fakultät für Soziologie
Autor*innenverzeichnis
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 9783839444115

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Volker Kruse, Torsten Strulik (Hg.) »Hochschulexperimentierplatz Bielefeld« – 50 Jahre Fakultät für Soziologie

Sozialtheorie

Volker Kruse (Prof. Dr.), geb. 1954, lehrt Geschichte der Soziologie und Soziologische Theorie an der Universität Bielefeld. Torsten Strulik (PD Dr.), geb. 1963, lehrt Soziologie an der Universität Bielefeld.

Volker Kruse, Torsten Strulik (Hg.)

»Hochschulexperimentierplatz Bielefeld« – 50 Jahre Fakultät für Soziologie

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar. © 2019 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Korrektorat: Ramin Bahrami, Bielefeld Satz: Mark-Sebastian Schneider, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4411-1 PDF-ISBN 978-3-8394-4411-5 https://doi.org/10.14361/9783839444115 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt Abkürzungsverzeichnis  | 11 Einleitung Volker Kruse, Torsten Strulik | 15

A ussenansichten Als alle Gruppen noch experimentierten … Rückblicke von unten, innen und außen auf eine neue Or tsbestimmung der Soziologie in Bielefeld Werner Rammert | 33

Strategische Partner Die Fakultät für Soziologie aus Sicht des Rektorats Hans-Martin Kruckis | 45

Größe – unterausgenutzt Uwe Schimank | 55

Niklas Luhmanns Sonderforschungsbereich zum Nulltarif Soziologie im Sog der universitären Profilneurose Richard Münch | 63

»Rückwärtsgewandter Partikularismus«? Wie »Bielefeld« den Feminismus und die Frauenforschung begreifen wollte Ilona Ostner | 77

I nnenansichten I Interview mit einem Mitgründer der Fakultät für Soziologie Ein Gespräch mit Franz-Xaver Kaufmann, geführt von Torsten Strulik | 87

Institut für Weltgesellschaft Lutz Leisering | 103

Promovieren an der Fakultät für Soziologie Der Aufbau einer Graduier tenschule und die Entwicklung eines strukturier ten Promotionsprogramms Ursula Mense-Petermann | 119

Internationalisierung Avant la lettre und als Programm Thomas Faist | 131

Das Zentrum für Deutschland- und Europastudien (ZDES/CGES) Lehren, Lernen und Forschen in St. Petersburg Verena Molitor und Andreas Vasilache | 145

Forschung und Lehre zur Sozialstruktur und zu sozialer Ungleichheit an der Fakultät für Soziologie Anja-Kristin Abendroth | 157

Männer, Frauen und die Geschlechtersoziologie in Bielefeld Tomke König | 165

Only two can play this game Die Fakultät, Niklas Luhmann und sein stiller Begleiter Johannes F.K. Schmidt | 185

Die Fakultät für Soziologie und ihre Zeitschrift für Soziologie Rainer Schützeichel | 201

M ehr als L ernfabrik ? – S tudentische L ebenswelten Die Musik der Gesellschaft Yvonne Berthiot | 225

Die Soziologie & ich Von alten und neuen Gebäuden, (ir-)relevanten Prüfungen, soziologischer Politikwissenschaft und der Liebe Lisa Fischer | 229

Ein guter Ort zum Erwerb von Wissen über und Kompetenzen für die Demokratie Die Fakultät für Soziologie an der Universität Bielefeld Demokrat Ramadani | 233

Soziologie in neuen Räumen (Ein-)Blicke in Büros zwischen Transparenz und Selbstdarstellung Annika Eußner | 237

Studierendenschreck Gruppenarbeit (?) Die Anderen sind Schuld – auch am Lerner folg Vanessa Rolfsmeier | 245

Die große Kunst des Smalltalks Antwor ten auf die drei (nicht-)soziologischen Fragezeichen Madlen Böert | 249

Über das studentische Engagement an der Fakultät und die Vielzahl der Möglichkeiten Sarah Dröge | 253

»Wie sozial sind Soziolog*innen?« Soziologie – nur ein anderer Begriff für Soziale Arbeit? Aline Garcia Alba | 257

Die Fakultät für Soziologie als zweites Zuhause Zwischen Ver trautheit und Distanzierung Alina Marie Gülle | 261

Der fremde Soziologiestudent, der blieb Lukas Lebert | 265

Tja, dann werde ich halt Taxifahrer*in Bewältigungsstrategien gegen Zweifel, Zukunftsängste und Unsicherheiten im Soziologiestudium Tamara Tietz | 269

Jenseits der Geschlechterbinarität Ein Streifzug durch die Fakultät für Soziologie Milan* Wolnik | 275

Bildungsparasiten in Bielefeld Eine kritische Überlegung zur Regelstudienzeit des Soziologiestudiums Katherina Lampe | 279

Plädoyer für soziologisches Nutzungsverhalten Warum die Fakultät durchaus auch mal die Haupthalle besuchen dar f Falk Justus Rahn  | 285

Sowi(e) Powi feiert keiner Studierendenplakate  | 289

I nnenansichten II Politikwissenschaft und Politikforschung an der Fakultät für Soziologie Mathias Albert | 301

Sozialanthropologie im Schatten der Weltgesellschaft Joanna Pfaff-Czarnecka | 311

Sozialwissenschaften, Lehrerausbildung und Politik Reinhold Hedtke und Bettina Zurstrassen | 321

Die duale Methodenausbildung der Fakultät für Soziologie Sarah Hitzler und Lena M. Verneuer | 333

Lehren und Lernen an der Fakultät für Soziologie Ein hochschuldidaktisch orientier ter Er fahrungsbericht Torsten Strulik | 339

Wie kombiniert man Wahlfreiheit für Studierende mit der Bildung von Profilen? Das Bielefelder Studienmodell zur Umsetzung der Idee des selbstbestimmten Lernens Stefan Kühl  | 357

Der Mittelbau an der Fakultät für Soziologie Christian Ulbricht | 373

Standing Ovations … Ein Interview mit Sabine Beiderwieden und Elsbe Lück, Mitarbeiterinnen des Prüfungsamtes der Fakultät für Soziologie, geführt von Volker Kruse und Torsten Strulik | 381

Aus dem Leben der Fakultät Rückschau in Bildern  | 395 Chronik der Fakultät für Soziologie auf Grundlage der Fakultätskonferenzen-Protokolle  | 423 Autor*innenverzeichnis  | 503

Abkürzungsverzeichnis

AB Arbeitsbereich AG Arbeitsgruppe AK Arbeitskreis ASI Arbeitsgemeinschaft sozialwissenschaftlicher Institute AStA Allgemeiner Studierendenausschuss Audimax Der größte Hörsaal der Universität Bielefeld Audimin Party-Raum der Studierendenschaft, der vom AStA verwaltet und vermietet wird BDA Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeber BGHS Bielefeld Graduate School in History and Sociology BIGH Bielefeld Graduate School for Historical Research BiLoE Bielefelder Lernzielorientierte Evaluation BiSEd Bielefeld School of Education BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung bpb Bundeszentrale für politische Bildung CCeH Cologne Center for eHumanities CNRS Centre national de la recherche scientifique (Nationales Zentrum für wissenschaftliche Forschung). Nationales Französisches Forschungszentrum. DAAD Deutscher Akademischer Austauschdienst DBS Dokumentations- und Beratungsstelle für Afrika-, Asien- und Lateinamerikaforschung DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft DGS Deutsche Gesellschaft für Soziologie DPO Diplomprüfungsordnung EADI European Association of Development Institutes eKVV Elektronisches kommentiertes Vorlesungsverzeichnis ENUS Ersatzneubau Universitätsstraße ERASMUS EuRopean Community Action Scheme for the Mobility of University Students FaKo Fakultätskonferenz FG Fachgesellschaft Geschlechterstudien

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»Hochschulexperimentierplat z Bielefeld« – 50 Jahre Fakultät für Soziologie

FSB Fächerspezifische Bestimmungen FSP Forschungsschwerpunkt GEM (Das internationale Graduiertenprogramm) Globalisation, the EU & Multilateralism GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GK Graduiertenkolleg GleiKo Gleichstellungskommission GSN Globalization Studies Network GTZ Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit HPSS (Studiengang) History, Philosophy and Sociology of Science HRG Hochschulrahmengesetz IBS Institut für Bevölkerungswissenschaft und Sozialpolitik IBZ Das Internationale Begegnungszentrum der Wissenschaft der Universität Bielefeld (Domizil für Gastwissenschaftler und Gastwissenschaftlerinnen) IFF Interdisziplinäre Forschungsgruppe Frauenforschung; später Interdisziplinäres Frauenforschungs-Zentrum; später Interdisziplinäres Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung IGSS International Graduate School in Sociology ISA International Sociological Association IW Institut für Weltgesellschaft IWG Institut für Weltgesellschafts- und Globalisierungsforschung bzw. Institut für Weltgesellschafts- und Globalisierungsstudien (der Versuch, das IW neuzugründen; letztlich scheiterte diese Erweiterung) IWT Institut für Wissenschafts- und Technikforschung IZG Interdisziplinäres Zentrum für Geschlechterforschung IZHD Interdisziplinäres Zentrum für Hochschuldidaktik kw Künftig wegfallend (Wegfallvermerk) LbA Lehrkraft für besondere Aufgaben LiLi Linguistik und Literaturwissenschaft LVS Lehrveranstaltungsstunden MOE Mittelosteuropa (-Programm) MPI Max-Planck-Institut NPM New Public Management NUS National University of Singapore PbL Problembasiertes Lernen PET (Das Fach) Planungs- und Entscheidungstheorie Powi Politikwissenschaften Pr Protokoll PSP Praxisschwerpunkt SES Studies in European Societies SFB Sonderforschungsbereich SHK Studentische Hilfskraft

Abkürzungsverzeichnis

Sowi Sozialwissenschaften SPbSU Saint Petersburg State University SS Sommersemester SWS Semesterwochenstunden TGKM (Fakultät für) Theologie, Geographie, Kunst, Musik TuM Themen und Materialien (Schriftenreihe Bundeszentrale für politische Bildung) UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization UNHCR UN High Commissioner for Refugees USP Universitätsschwerpunkt wBE Wissenschaftliche Betriebseinheit WE Wissenschaftliche Einheit WS Wintersemester ZDES Zentrum für Deutschland- und Europastudien (auch CGES: Centre for German and European Studies) ZfL Zentrum für Lehrerbildung ZfS Zeitschrift für Soziologie ZiF Zentrum für interdisziplinäre Forschung ZLL Zentrum für Lehren und Lernen ZWubP Zentrum für Wissenschaft und berufliche Praxis

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Einleitung Volker Kruse, Torsten Strulik

Hochschulexperimentierplatz Bielefeld – so charakterisierte ein »Spiegel«-Artikel vom 19. November 1973 die Universität Bielefeld und ihre Fakultät für Soziologie. Unerhörtes hatte sich zugetragen. Die Fakultätskonferenz am 07. Februar 1973 hatte Professor Helmut Schelsky, einem der angesehensten, weit über Fachkreise hinaus bekannten deutschen Soziologen eine Rüge erteilt, weil er einmal mehr nicht zur Sitzung erschienen war, obwohl es doch einen eigenen Habilitanden zu vertreten galt. Der berühmte Gelehrte ersuchte daraufhin um Versetzung an eine juristische Fakultät des Landes. Der Wissenschaftsminister versetzte ihn an die Jura-Fakultät Münster, mitsamt seinem Lehrstuhl, was dann wiederum an der Bielefelder Fakultät für Ärger sorgen sollte. Das Wort vom Hochschulexperimentierplatz Bielefeld charakterisiert recht treffend die Geschichte der Fakultät für Soziologie, vor allem in der Anfangsphase bis etwa 1975, aber auch darüber hinaus. Dafür stehen Stichworte wie Demokratisierung der Hochschule, Diplomstudiengang Soziologie als berufsqualifizierender Abschluss, Studiengruppen als alternative Studienform, Diplomprüfungsordnung ohne Benotung, keine Zuordnung Wissenschaftlicher Assistenten zu Professoren, Drittelparität in den Gremien, Praxisorientierung, aktive Professionalisierung, theoretischer Pluralismus, innovative theoretische Neuansätze, Gleichstellung, Frauenförderung oder die Gründung eines Studiengangs Gesundheitswissenschaften, aus dem dann eine eigene Fakultät erwuchs. Die Fakultät für Soziologie gehörte zu den ersten universitären soziologischen Instituten, die ein obligatorisches Praktikum in den Studiengang integrierten. Mit der Einführung des Wahlfachs Frauenforschung im Rahmen des Diplomstudiums verankerte sie diese als erste deutsche Fakultät curricular in der Lehre. Sie zählte zu den ersten Einrichtungen in Deutschland, die einen strukturierten internationalen Promotionsstudiengang und eine Graduiertenschule als dessen Trägerin eingerichtet haben. Sie führte als erste Fakultät der Uni Bielefeld 2002 einen Bachelor-Studiengang (in Politikwissenschaft) ein. 2012 rief sie einen forschungsorientierten Master-Studiengang Soziologie ins Leben mit extrem weitgehenden Freiheiten und Wahlmöglichkeiten für die

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Volker Kruse, Torsten Strulik

Studierenden. Und seit 20 Jahren läuft, wenn man so will, ein bis heute unabgeschlossenes Experiment: der Versuch, eine auch international renommierte Fakultät mit den Instrumenten rektoraler Steuerung (noch) besser zu machen – mit dem Argument, die Fakultät schöpfe das Potential, das in ihrer Größe liege, nicht voll aus. Was in der journalistischen Sprache 1973 als Hochschulexperimentierplatz bezeichnet wurde, nannte man in der wissenschaftspolitischen Semantik der Zeit Reformuniversität. Mit diesem Konzept wurden jedoch unterschiedliche Ideen verbunden, und das war den rasch wechselnden Zeitläuften 1965-1970 geschuldet. Am 09. März 1965 beauftragte der damalige CDU-Kultusminister des Landes NRW, Professor Paul Mikat, den Soziologen Helmut Schelsky mit der Gründung einer Universität in Ostwestfalen, um brachliegende Begabungsreserven dieses Raums zu heben. In diesen Jahren war das Wort von der »Bildungskatastrophe« des Philosophen Georg Picht in aller Munde. 1960 schlossen nur etwa sieben Prozent eines Jahrgangs ihre schulische Lauf bahn mit einem Abitur ab – offenkundig zu wenig, um dem Qualifikationsbedarf einer fortgeschrittenen Industriegesellschaft zu genügen. Eine Bildungsexpansion tat not, neue Universitäten mussten gegründet werden. Angesichts hoher Wachstumsraten – zwischen 1950 und 1973 wuchs die Wirtschaft in der Bundesrepublik durchschnittlich um fünf Prozent pro Jahr – erschienen die ökonomischen Voraussetzungen dafür gegeben. Just in dieser Zeit, als Mitte der 1960er Jahre Minister Paul Mikat zur Neugründung einer Universität in Ostwestfalen schritt, stand die Soziologie auf dem Zenit ihres Ansehens. Dabei war sie auch für damalige Verhältnisse ein kleines Fach, das Ende 1960 lediglich 25 Lehrstühle in der Bundesrepublik und Westberlin stellte (Lepsius 1979: 65). Aber mit ihr verbanden sich Hoffnungen auf gesellschaftlichen Fortschritt. Sie werde der Politik die wissenschaftlichen Instrumente an die Hand geben, die Gesellschaft krisenfrei und zum Wohle aller zu steuern. Auf dem Soziologentag 1964 in Heidelberg rief der baden-württembergische Kultusminister Gerhard Storz (1965: 15) den Anwesenden zu: »[Die Soziologie] ist für diejenigen, die politische Verantwortung tragen, eine unentbehrliche Wissenschaft geworden. Die Politiker haben Anlaß, bei den Soziologen in die Schule zu gehen«. Soziologie erschien als »Schlüsselwissenschaft des 20. Jahrhunderts« (Schelsky), als »angewandte Aufklärung« (Dahrendorf). Nur aus dieser zeitspezifischen Stimmungslage heraus ist es zu verstehen, dass 1966 im Planungsprozess für eine Universität in der ostwestfälischen Provinz das Fach Soziologie mit nicht weniger als zwölf Ordinariaten versehen wurde und Fakultätsstatus erlangte. Schelsky konzipierte die neuzugründende Einrichtung als Reformuniversität in einem neohumboldtianischen Sinn. Professoren sollten sich jedes zweite Jahr ohne Lehrverpflichtung ganz der Forschung widmen können. Auf einen Professor sollten lediglich 30 Studierende kommen. Den Assistenten sollte Gelegenheit gegeben werden, unter den Fittichen wohlmeinender professoraler Betreuung in Ruhe wissenschaftlich zu reifen. Studiengruppen mit

Einleitung

etwa 15 Studierenden, von Professoren betreut, sollten gut humboldtianisch die Persönlichkeitsentwicklung der Schutzbefohlenen fördern. Doch bevor diese Ideen umgesetzt werden konnten, trat die Studentenbewegung auf den Plan. Ihre Protagonisten forderten ein Ende der Ordinarienuniversität und stattdessen eine demokratische Universität, deren Geschicke von allen Beteiligten gestaltet werden, also auch von Assistenten und Studierenden. Überhaupt sollten die althergebrachten Statusunterschiede weitgehend eingeebnet werden. Der Begriff der Reformuniversität bekam auch in Bielefeld innerhalb weniger Jahre einen fundamental veränderten Inhalt. Anders als von Schelsky gedacht, wurde die Universität nunmehr ein dezidiert politischer Ort. Die Studierenden sahen nach autoritären Sozialisationserfahrungen in Familie und Schule in einer Reformuniversität die Chance persönlicher Emanzipation und Selbstbestimmung. Sie wollten praxisorientiert studieren, aber in der Arbeitswelt nicht zu »Knechten des Kapitals« degenerieren. Benotungen und Prüfungen wurden als verwerfliche Formen von Fremdbestimmung verstanden. Gemessen an den Ideen von 1968 erschienen die Ideen Schelskys einer paternalistischen Reformuniversität abgestanden und nicht mehr zeitgemäß. 1969 war der Höhepunkt der Studentenbewegung überschritten, aber ihre Ideen einer demokratischen Universität, individueller und kollektiver Selbstbestimmung, auch einer vagen sozialistischen Gesellschaftsutopie lebten in Teilen der soziologischen Studenten- und Assistentenschaft in Bielefeld fort. Im gleichen Jahr erklärte die neugewählte Regierung Brandt, »mehr Demokratie wagen« zu wollen. Eine Reformeuphorie erfasste die bundesdeutsche Gesellschaft, vor allem die Universitäten. Sie prägte einen Großteil der Bielefelder Soziologieprofessoren. Auch sie wollten eine Demokratisierung der Universität und plädierten für gesellschaftliche Reformen, wehrten sich aber gegen eine (übermäßige) Politisierung von Universität und Wissenschaft. Es versteht sich, dass angesichts so unterschiedlicher Vorstellungen von Reformuniversität Konflikte nicht ausblieben. Der totale Neuauf bau einer Fakultät bot dazu reichlich Stoff. Neue Ordnungen und Gremien mussten ins Leben gerufen, alle Stellen neu besetzt werden. Die Fakultätskonferenzen der ersten Jahre tagten nicht selten, nur unterbrochen von einer Mittagspause, von morgens bis abends. Beinahe alles wurde auf dem Weg der Selbstverwaltung geregelt. So war z.B. für die Dekansfunktion ein vierköpfiges Gremium (Dekanat) zuständig, dem neben dem Dekan je ein professorales, assistentisches und studentisches Mitglied angehörten. Eine Übertragung von routinehafter Verwaltungsarbeit an geschultes Fachpersonal gab es kaum. Unter der hypertrophen Selbstverwaltung und der permanenten Austragung politisch aufgeladener Konflikte litten die zwischenmenschlichen Beziehungen. Dennoch gelangen in den gelegentlich leicht anarchisch anmutenden Anfangsjahren der Fakultät wichtige strukturelle Weichenstellungen für die Zukunft. Zuallererst zu nennen ist die Etablierung eines berufsqualifizierenden Diplomstudiengangs. Die Spitze der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (Ralf Dahrendorf, Erwin Scheuch) hatte 1969 mit dem Argument beruflicher

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Volker Kruse, Torsten Strulik

Perspektivlosigkeit von Diplomstudiengängen abgeraten und dafür plädiert, Soziologie universitär auf den Status eines Nebenfachs zu beschränken1. Doch die Fakultät entwarf einen Diplomstudiengang mit Praxisschwerpunkten, der zum Vorbild für andere Universitäten wurde. Der Bielefelder Diplomstudiengang wurde 1971 nur provisorisch und unter Auflagen vom zuständigen Ministerium genehmigt, u.a. weil die Bielefelder Fakultät auf obligatorische Notengebung verzichtete. Auch rief die Fakultät 1971 eine neue Zeitschrift ins Leben, die rasch zu einer der führenden sozialwissenschaftlichen Fachzeitschriften im deutschsprachigen Raum avancieren sollte: die Zeitschrift für Soziologie. Die erste wichtige Zäsur in der Geschichte der Fakultät kann man für die Mitte der 1970er Jahre ansetzen. Historiker sehen für diese Zeit das Ende der Nachkriegsprosperität. Bis dahin ging man allgemein davon aus, dass weiterhin mit wirtschaftlichen Wachstumsraten um die fünf Prozent zu rechnen sei. Das änderte sich nun grundlegend und dauerhaft; nie wieder sollten die Wachstumsraten auch nur annähernd das Niveau der Nachkriegszeit erreichen. Damit wurde auch den Konzepten einer Reformuniversität der ökonomische Boden entzogen. Die wirtschaftlichen Spielräume verengten sich. Schon im November 1975 musste sich die Uni Bielefeld für die beiden Folgejahre auf ein Nullwachstum einstellen. Von den Stellenstreichungen an den Universitäten in NRW am stärksten betroffen waren die Sozialwissenschaften, von denen am stärksten wiederum die Bielefelder Soziologie. Etwa zur gleichen Zeit änderte sich das Bild der Soziologie in der Öffentlichkeit. Die Soziologen erschienen nun nicht mehr als Meister des Fortschritts. In der Krise Mitte der 1970er Jahre versagte der soziologische Anspruch auf sozialwissenschaftliche Steuerung der Gesellschaft. Im konservativen Spektrum erschienen überdies Soziologen als linke Ideologen, ja als Parasiten, die auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung lebten und diese bevormundeten2 . Die Bielefelder Errungenschaften einer demokratischen Universität wurden zwar innerhalb der Fakultät nicht grundsätzlich (ideell) in Frage gestellt, aber ihre Funktionalität bestritten. Die Zuordnung von Wissenschaftlichen Mitarbeitern und Assistenten wurde wieder eingeführt, um bei Berufungsverhandlungen attraktive Angebote machen zu können. Seit den 1980er Jahren wurden Noten für Zwischen- und Abschlussprüfungen obligatorisch, doch Hausarbeiten blieben bis zum Auslaufen des Diplomstudiengangs 2013 unbenotet. Während in den 1970er Jahren die demokratische Gestaltung des Fakultätslebens im Vordergrund gestanden hatte, rückte in den 1980er Jahren die Gleichstellung der Frauen an der Universität ins Zentrum der politischen Aus1 | Erklärung des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Soziologie zum Hauptfachstudium der Soziologie vom 11. April 1969, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 21 (1969), S. 444-445. 2 | Besonders einflussreich dazu: Helmut Schelskys Bestseller »Die Arbeit tun die anderen«, Opladen 1975.

Einleitung

einandersetzung. Zur Gründungsversammlung der Fakultät am 21. September 1969 fanden sich, von einer Studentin abgesehen, nur Männer ein. Erst 1983 wurde mit Karin Knorr-Cetina die erste Frau auf eine Professorenstelle berufen. Seit den späten 1970er Jahren wurde die Ungleichheit der Geschlechter an den Hochschulen zunehmend kritisiert, ja skandalisiert. Das Rektorat zeigte sich gegenüber dem Problem aufgeschlossen und unterstützte die Gründung eines Instituts für Frauenforschung, an dem auch maßgeblich Soziologinnen beteiligt waren. Als zweite große Zäsur in der Fakultätsgeschichte kann man die Zeit um die Jahrtausendwende ausmachen. In diesen Jahren wurde die Autonomie der Fakultät zumindest relativ eingeschränkt, zum einen durch die nationalstaatliche und europäische Bildungspolitik (Einführung von BA- und MA-Studiengängen), zum anderen durch einen Paradigmenwechsel in der Politik der Hochschulleitung. In der früheren Zeit unterstützte das Rektorat die Fakultät in ihren Auseinandersetzungen mit dem Ministerium für Wissenschaft und Forschung und verzichtete auf Eingriffe in deren interne Angelegenheiten, besonders in Berufungsverfahren. Im Zuge der sich ausbreitenden Rating-Kultur seit den 1980er Jahren sieht es die Universitätsleitung, deren Position wissenschaftspolitisch u.a. durch das Hochschulfreiheitsgesetz von 2006 gestärkt wurde, inzwischen als ihre Aufgabe an, die Uni Bielefeld wenn nicht als Exzellenzuniversität, so als forschungsstarke »Typ II«-Universität mit überregionaler Bedeutung zu etablieren. Sie fordert mehr Internationalität und mehr Interdisziplinarität und möchte zum Zwecke stärkerer Profilbildung die Verbundforschung fördern. Die von der Hochschulleitung wahrgenommenen Gestaltungs- und Verantwortungsimperative bringen allerdings nicht nur Maßnahmen zu einer Entfaltung von Exzellenz in Forschung und Lehre hervor, sondern tragen auch zu einem hochschulpolitischen Klima bei, das sich deutlich von der Gründungszeit unterscheidet. So ist vor allem die Frage einer demokratischen Hochschule, die in den Anfangsjahren die Akteure so bewegt hatte, heute kein vorrangiges Thema mehr. Auf die Interventionen des Rektorats geht maßgeblich die Einführung politikwissenschaftlicher Studiengänge zurück. Die Hochschulleitung schaffte kurzerhand das renommierte Institut für Wissenschafts- und Technikforschung ab, als es der Fakultät nicht gelang, eine für jene akzeptable Berufungsliste für eine zu besetzende Professur des Instituts vorzulegen. Auch in andere Berufungsverfahren wurde interveniert. Ein weiteres Steuerungsinstrument ist die Unterteilung der finanziellen Zuweisungen in Basisetat, Leistungsetat und Strategieetat. Eine »externe Beratung« der Fakultät zählte ebenfalls zum Steuerungsrepertoire. Die Protokolle der Fakultätskonferenzen sind seit etwa 2000 nicht zuletzt von Auseinandersetzungen mit dem Rektorat bestimmt. Hinter alledem steht für das Rektorat die Frage: Leistet die Fakultät für Soziologie genügend, gemessen an ihrer Größe? Diese Frage würde vielleicht so nicht diskutiert werden, wäre die Fakultät nicht zweimal knapp an spektakulären Großforschungsprojekten »vorbeige-

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schrammt«. 1999 scheiterte sie mit einem Antrag auf einen Sonderforschungsbereich mit dem Titel »Signaturen der Weltgesellschaft – Strukturwandel des Sozialen unter Globalisierungsbedingungen« in der Endphase. Daraufhin gründete sie das »Institut für Weltgesellschaft«, das dazu dient, Forschungen zur Weltgesellschaft anzuregen und zu koordinieren. Ein Exzellenz-Cluster-Antrag auf Praktiken des Vergleichs in der Weltgesellschaft im Jahr 2012 mit dem Titel »Communicating Comparisons« schien so gut wie bewilligt, alle Signale schienen auf einen erfolgreichen Ausgang hinzudeuten, die Stellenausschreibungen für fünf Soziologie-Professuren des Exzellenz-Clusters waren bereits fertiggestellt. Dann kam doch unerwartet schlussendlich ein ablehnender Bescheid. Nach jahrelanger Kraftanstrengung, an der viele WissenschaftlerInnen direkt oder indirekt beteiligt waren, stand die Fakultät mit leeren Händen da. Mehr noch: Dem finalen Misserfolg folgte der personelle Aderlass. Gerade die besonders inspirierenden und federführenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verließen »danach« die Fakultät. Diesen Ereignissen stehen zugleich Erfolge bei der Etablierung und Durchführung anderer Großprojekte gegenüber. Angesprochen ist hiermit zum einen der Bereich der Graduiertenausbildung. Im Jahre 2008 starte die Bielefeld Graduate School in History and Sociology (BGHS), zu der 2017 das Graduiertenkolleg »World politics: The emergence of political arenas and modes of observation in world society« hinzukam. Zum anderen konnte die Fakultät im Jahre 2011 den Sonderforschungsbereich »Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten« akquirieren. In ihm wurden Forschungsfelder wie Bildung, Arbeitsmarkt, Gerechtigkeit, Migration, Gesundheit und Gender zusammengeführt und auf die Untersuchung von gemeinsamen Mechanismen der Genese von Ungleichheiten sowie der Entwicklung einer Typologie dieser Mechanismen ausgerichtet. * In diesem Band stellt sich die Fakultät an ihrem 50-jährigen Jubiläum vor. Bielefelder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berichten über die Fächer der Fakultät (außer Soziologie inzwischen auch Politikwissenschaft, Sozialanthropologie und Didaktik der Sozialwissenschaften), über Forschungsschwerpunkte, über Lehren und Lernen, über die Besonderheiten der Bielefelder Graduiertenausbildung und über internationale Kooperationen. Sie beleuchten schwerpunktmäßig die aktuelle Lage, gehen aber auch, teils genealogisch, teils vergleichend, auf frühere Phasen der Fakultätsgeschichte ein. Das Konzept der Bielefelder Fakultät war von Anfang an auf die Pluralität der theoretischen Perspektiven, der Methoden, der Lehrgebiete und der Forschungsfelder angelegt. Diese exemplarisch zum Ausdruck zu bringen und auch in breitere fachliche, wissenschaftliche und politische Kontexte einzubetten, ist Anliegen dieses Bandes. Die »Innenansichten« der Fakultät werden ergänzt durch »Außenansichten« von Nicht-Bielefeldern bzw. ehemaligen Bielefeldern. Aus

Einleitung

einer sozusagen exzentrischen Perspektive präsentieren sie spezifische, selbstgewählte Beobachtungen der Entwicklung der Fakultät und regen zu einer kontroversen Diskussion an, wie überhaupt der Zweck des Bandes neben der Information in der Anregung einer kritischen und kontroversen Diskussion besteht. Dies schließt ausdrücklich fakultätsinterne und -externe Konflikte ein, die aus soziologischer Sicht ohnehin als »normal« und, indem sie oft in tragfähige Resultate münden, als »funktional« anzusehen sind. Das Bild einer Fakultät wird nicht zuletzt von den Studierenden geprägt. Diese kommen in insgesamt 13 Beiträgen zu Wort, in denen sie die Fakultät als Lebenswelt beschreiben und vielfältige Erlebnisse abseits der formalen Studienbedingungen schildern. Eine Chronik auf der Grundlage der Fakultätskonferenzen-Protokolle beschließt den Band. * Das erste Kapitel präsentiert Außenansichten einer Kollegin und vier Kollegen, die vornehmlich außerhalb der Fakultät tätig waren oder sind. Der erste Beitrag von Werner Rammert (Berlin) stellt eher eine Innen-Außenansicht dar und lässt die Stimmungen, Hoffnungen, Erwartungen und Denkmuster der Frühzeit der Fakultät aufleben, die der Verfasser als Student und Assistent mitgestaltet hat. Aus diesem Beitrag wird besonders deutlich, wie stark Eigeninitiative, Mitwirkung und Mitbestimmung unter der frühen Studenten- und Assistentenschaft verbreitet war. Rammert fragt zum Abschluss, ob es nicht an der Zeit sei, »erneut einen Raum für utopisches Denken, alternative Pläne, Lernpioniere, disruptive Lehrmodelle und erprobende Praktiken zu geben«. Hans-Martin Kruckis, langjähriger Mitarbeiter des Rektorats, beschreibt die Fakultät für Soziologie aus der Perspektive desselben. Er sieht Rektorat und Fakultät als »strategische Partner«, die, jeweils ausgehend von unterschiedlichen Interessenlagen und Beobachtungsweisen, gleichermaßen auf eine gedeihliche Zusammenarbeit angewiesen sind. Er beleuchtet die vielfältigen, oft fruchtbaren Kooperationen zwischen beiden Institutionen, personelle Verflechtungen (SoziologInnen als Prorektoren, aber auch Soziologieabsolventen als Mitarbeiter des Rektorats), diskrete Einflussnahmen bei fakultätsinternen Konflikten, auch speziell zugunsten der Konsolidierung der Position von Niklas Luhmann, der in der Fakultät bekanntlich nicht unumstritten war, oder die Unterstützung bei Großprojekten. Dass sich so rasch in Fakultät und Universität Frauen und »Frauenforschung« in einem männerdominierten Raum etablieren können, geht, so Kruckis, auch auf die Unterstützung des Rektorats zugunsten der Frauen in den fakultätsinternen Konflikten der späten 1970er und 1980er Jahre zurück. Schon bei Hans-Martin Kruckis findet sich angedeutet, dass das Rektorat, was die Forschungsleistungen der Fakultät anbetrifft, »Luft nach oben« sieht. Dieser Auffassung ist auch Uwe Schimank. Er stellt unverblümt fest, dass die Fakultät, gemessen an ihrer Größe, zu wenig leiste, was er u.a. an den ein-

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geworbenen Forschungsgeldern festmacht. Außerdem vermisst er ein klares Forschungsprofil der Bielefelder Fakultät für Soziologie. Es gäbe zu viele Einzelkämpfer und zu wenig Mannschaftsspieler. Eine so große Fakultät könne und müsse mehr in der Verbundforschung leisten. Entgegen »eines wachsenden Zwangs zur Einschränkung von Vielfalt zwecks Profilbildung« empfiehlt Richard Münch der Fakultät für Soziologie, an ihrem pluralistischen Verständnis von Forschung und Lehre festzuhalten. Ohne die multiplen Ansprüche zu übersehen, mit denen Hochschulleitungen heute konfrontiert sind, verweist Münch auf die Folgeprobleme eines Hochschulmanagements, das auf eine Verengung des Forschungsspektrums drängt. Die Fakultät sollte seines Erachtens konfliktbereit sein und auch künftig an ihrer traditionellen Ausrichtung festhalten, in der sich »ein ausgewogenes Verhältnis der Forschung von Solitären und der freien Zusammenarbeit von Gleichgesinnten« als äußerst erfolgreich erwiesen habe. Eine ganz andere, spezifischere Außenansicht als Schimank und Münch hat Ilona Ostner gewählt. Als »Frauenforscherin der ersten Stunde« wirft sie einen Blick zurück auf die Jahre 1976 bis 1985, als es darum ging, eine Sektion Frauenforschung in der DGS zu gründen und das Programm einer Frauenforschung in der Soziologie zu etablieren – im damaligen männlich dominierten Wissenschaftsbetrieb höchst umstritten (»gefährlicher Partikularismus«, »Angriff auf den Universalismus«, »Bruch mit der Moderne«). Ostner beschreibt den argumentativen Schlagabtausch mit männlichen Bielefelder Kollegen u.a. auf einer von Johannes Berger geleiteten Konferenz des Zentrums für interdisziplinäre Forschung 1985. * An die »Außenansichten« schließt sich ein Kapitel »Innenansichten I« an, das vor allem Schwerpunkte der Forschung thematisiert. Die erste Innenansicht gebührt Franz-Xaver Kaufmann, zweiter Dekan der Fakultät von 1970 bis 1971, der sich in unruhigen, konflikthaften Zeiten mit seiner verständnisvollen und ausgleichenden Art um den Neuauf bau der Fakultät in besonderer Weise verdient gemacht hat. Ein von Torsten Strulik geführtes Interview lenkt den Blick – ähnlich wie der Beitrag von Werner Rammert, diesmal aus professoraler Perspektive – in die Frühzeit der Fakultätsgeschichte. Kaufmann beschreibt darin, wie Professoren, die allesamt keine studierten Soziologen waren, ein ganz neues, praxisorientiertes, berufsqualifizierendes Konzept eines Diplomstudiengangs entwickelten, das auf drei Säulen fußte: Aneignung eines umfassenden und pluralistischen Theoriefundus, solide quantitative und qualitative Methodenausbildung und das intensive Studium eines Praxisschwerpunkts. Leitend dabei war die Idee der »aktiven Professionalisierung«, deren Verständnis in der Fakultät teils kontrovers diskutiert wurde. Kaufmann berichtet auch aus unmittelbarer Anschauung über die Fakultätskrisen der Frühzeit, z.B.

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über die Konflikte um die Berufung des Sozialpsychologen Klaus Holzkamp, in die er als Dekan unmittelbar involviert war. Die folgenden Beiträge stellen Forschungsschwerpunkte und internationale Kooperationen der Fakultät für Soziologie vor. 1999/2000 wurde das »Institut für Weltgesellschaft« (IW) quasi als »Ersatz« für einen gescheiterten Antrag für einen Sonderforschungsbereich »Signaturen der Weltgesellschaft – Strukturwandel des Sozialen unter Globalisierungsbedingungen« gegründet. Seine Schwerpunkte liegen in der Doktorandenausbildung, besonders in Graduiertenkollegs, Finanzierung und Veranstaltungen von Konferenzen und Workshops sowie Finanzierung von Anforschungen. Im Rahmen der internationalen Globalisierungsforschung profiliert es sich mit einem theoretisch ambitionierten Ansatz, vor allem in Bezug auf Niklas Luhmann und John Meyer, die Globalisierung als weltweiten kommunikativen Zusammenhang fokussieren. Lutz Leisering zeigt in seinem Beitrag, dass das IW vor allem gemessen an der geringen finanziellen Ausstattung eine beeindruckende Leistungsbilanz aufzuweisen hat, der internationale Einfluss trotz vielversprechender Ansätze jedoch bislang begrenzt blieb. Internationale Forschung findet an der Bielefelder Fakultät für Soziologie auch schwerpunktmäßig im Rahmen der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses statt. Sie hat dabei experimentierend neue Wege eingeschlagen. Die Leitidee ist, die traditionelle Promotion im Meister-Schüler-Verhältnis durch eine Community von Promovierenden und Betreuenden zu ersetzen. Zu diesem Zweck wurde 2002 mit bei der DFG und dem DAAD eingeworbenen Mitteln eine Graduiertenschule, die International Graduate School in Sociology (IGSS) gegründet, die ab 2007, gemeinsam mit der Fakultät für Geschichtswissenschaft, durch die Bielefeld Graduate School in History and Sociology (BGHS) im Rahmen der Exzellenzinitiative ersetzt wurde – eine Kooperation, welche das fachliche Spektrum der Promotionsausbildung entsprechend erweiterte. Ursula Mense-Petermann, Direktorin der BGHS, beschreibt die Suche nach neuen Formen der Doktorandenausbildung an der Bielefelder Fakultät für Soziologie, die fakultätsextern immer wieder als »modellartiges Vorzeigeprojekt« wahrgenommen wurden, und geht abschließend auf die Perspektiven der BGHS nach Auslaufen der Exzellenzförderung 2019 ein. »Internationalisierung der Hochschulen« ist ein Postulat, das seit den späten 1990er Jahren die wissenschaftspolitischen Diskussionen maßgeblich mitgeprägt hat und auch immer wieder an die Fakultät für Soziologie herangetragen wird. Thomas Faist, Internationalisierungsbeauftragter der Fakultät, weist darauf hin, dass Bielefelder Soziologinnen und Soziologen bereits in den ersten 25 Jahren international agierten und ein Dekan bereits 1980 die Internationalisierung der Fakultät zum Programm erhoben hatte. Er vergleicht in seinem Beitrag die »Internationalisierung: Avant la lettre« mit der »programmatischen Internationalisierung« seit den 1990er Jahren und beschreibt den aktuellen Stand der Internationalisierung an der Fakultät für Soziologie, u.a. die Einführung eines »International Track« als konzeptionelle Alternative zu

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einem englischsprachigen Studiengang. Faist sieht das wirklich Neue der programmatischen Internationalisierung weniger im (nicht so sehr gestiegenen) Ausmaß an internationaler Kooperation als in der Herausbildung eines veränderten Akteurstypus in Studium und Forschung (»Homo internationalis«). Im Anschluss an die politischen Umbrüche in Osteuropa entwickelte sich seit den frühen 1990er Jahren eine rege Zusammenarbeit zwischen der Fakultät für Soziologie Bielefeld und der Fakultät für Soziologie der Staatlichen Universität St. Petersburg. Diese Kooperation wurde 2004 mit der Gründung des Zentrums für Deutschland- und Europastudien (ZDES/CGES) institutionalisiert, als eines von mehreren durch den DAAD geförderten Zentren für Deutschland- und Europastudien. Der Beitrag von Verena Molitor und Andreas Vasilache, dem deutschen Direktor des ZDES, beleuchtet die nicht nur wissenschaftlich wichtigen vielfältigen Aktivitäten dieser Institution in einer zunehmend schwierigen internationalen politischen Konstellation. Anja-Kristin Abendroth gibt einen Abriss über die Ungleichheitsforschung und die Sozialstrukturanalyse an der Fakultät für Soziologie. Den UngleichheitsforscherInnen der Fakultät um Martin Diewald gelang es, einen Sonderforschungsbereich zum Thema »Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten« zu akquirieren. Ziel der Forschungen war (und ist es weiterhin), soziale Mechanismen zu identifizieren und zu systematisieren, die aus Heterogenitäten wie Geschlecht, Migrationshintergrund, Bildung oder Alter soziale Ungleichheiten entstehen lassen. Die Bielefelder Ungleichheitsforschung versteht sich als theoretisch und interdisziplinär orientiert. Geschlechterforschung versteht Tomke König, Inhaberin der Professur Geschlechtersoziologie, als »eine Wissenschaft, die die in der binär-heteronormativen Geschlechterordnung begründete Ungerechtigkeit, Diskriminierung, Diffamierung und Gewalt sichtbar macht und kritische Fragen an die eigene Gesellschaft und die unhinterfragten Selbstverständlichkeiten des Alltags stellt«. Vertreten mit zwei Professuren (Tomke König und Diana Lengersdorf), repräsentiert die Geschlechterforschung inzwischen ein wichtiges Feld in Forschung und Lehre an der Bielefelder Fakultät für Soziologie und ist in interdisziplinäre Strukturen eingebunden. Bis dahin war es ein langer und konfliktreicher Weg, den König in ihrem Beitrag »Männer, Frauen und die Geschlechtersoziologie in Bielefeld« Revue passieren lässt. Es ging dabei in den späten 1970er und 1980er Jahren zum einen um die Frage, wie die Fakultät mit der damaligen krassen Unterrepräsentation der Frauen in ihren Reihen umgeht, zum anderen, ob »Frauenforschung«, jedenfalls in der damals praktizierten Form, wissenschaftlich akzeptabel sei. Längst legendär ist Niklas Luhmanns Zettelkasten, der nach dessen Tod dank vereinter Anstrengungen von Rektorat und Fakultät für die Uni Bielefeld gewonnen werden konnte. Er ist nun Gegenstand eines langfristig angelegten Forschungsprojekts zur Erschließung des wissenschaftlichen Nachlasses. Johannes F. K. Schmidt, Wissenschaftlicher Projektkoordinator, erläutert in seinem Beitrag das Prinzip, nach dem Luhmanns Zettelkasten aufgebaut ist, und

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die Bedeutung, die der Zettelkasten – als »Alter Ego« – für die Produktivität des Gelehrten hatte. Dabei beleuchtet er auch die recht spannungsreichen Beziehungen zwischen Luhmann und der Fakultät. Mit der Gründung der Fakultät für Soziologie kam rasch der Plan auf, sie mit der Herausgabe einer soziologischen Fachzeitschrift zu verbinden. Nachdem eine Übernahme der »Sozialen Welt« gescheitert war, hob die Fakultät die »Zeitschrift für Soziologie« aus der Taufe, die ab Januar 1972 erschien. Sie wurde und wird also getragen von der Fakultät, vollzieht ihr operatives Geschäft jedoch mit turnusmäßig wechselnden Herausgebern weitgehend unabhängig von ihr. Rainer Schützeichel beleuchtet nicht zuletzt anhand statistischer Daten die Entwicklungsgeschichte der Zeitschrift. Am Beispiel der Zeitschrift für Soziologie lassen sich, so Schützeichel, »bestimmte Indizien für die strukturellen Transformationen und Ausformungen des Wissenschaftssystems in den letzten 50 Jahren gewinnen.« * Im dritten Kapitel des Bandes kommen die Studierenden der Fakultät zu Wort. Unter der Überschrift »Studentische Lebenswelten« blicken Studierende und AbsolventInnen auf ihr Studium und schildern Erlebnisse und Erfahrungen, anhand derer ein vielschichtiges Bild der Fakultät entsteht. Man gewinnt nicht nur einen Eindruck davon, wie die Studierenden ihre Fakultät beobachten, sondern auch durch welch feines, aber auch stabiles Gewebe das Gebilde »Fakultät« zusammengehalten wird und sich fortentwickelt. Die Beiträge richten sich etwa auf die legendären Partys der Fachschaften, die musikalischen Qualitäten einzelner Lehrender, aufschlussreiche Formen der Selbstdarstellung in Reaktion auf »Lichtbänder« neben den Bürotüren im neuen Gebäudetrakt der Fakultät, die Möglichkeiten studentischen Engagements in Fachschaften und Gremien sowie die Schwierigkeiten, die man sich einfängt, wenn man seiner Familie und seinem Freundeskreis vermitteln möchte, was die Soziologie so leistet und was man nach seinem Studium mit dem Gelernten anfangen möchte. Entstanden sind die meisten Beiträge im Rahmen einer Schreibwerkstatt im Sommersemester 2018, die von Torsten Strulik gemeinsam mit den TutorInnen Stefan Knauff, Malte Neuwinger und Theresa Sommer veranstaltet wurde. * Kapitel 4 enthält den zweiten Teil der Innenansichten, dessen Beiträge zum einen die Fächer der Fakultät, zum anderen den Bereich Lehren und Lernen thematisieren. In ihren Anfängen war die Fakultät für Soziologie inhaltlich mit dem Wissenschaftsfach Soziologie identisch. Später sind drei weitere Fächer unter dem Dach der Fakultät hinzugekommen: Politikwissenschaft, Sozialanthropologie

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und Fachdidaktik der Sozialwissenschaften. Der Anstoß für eine Binnendifferenzierung kam vom Rektorat, das um 2000 eine Stärkung der Politikwissenschaft innerhalb der Fakultät gefordert hatte. Bis dahin führte die Fakultät lediglich eine C4-Professur für Politische Soziologie. Ein Kandidat sah noch 2001 »hier die Politikwissenschaft gleichsam nur als Serviceleistung innerhalb der Fakultät strukturell verankert«. Das sollte sich rasch ändern: U. a. durch Umwidmung freiwerdender Professuren entstand ein politikwissenschaftlicher Schwerpunkt mit einem eigenen BA-und MA-Studiengang, inzwischen sogar ein Graduiertenkolleg »Global Politics«. Diese Entwicklungen wurden innerhalb der Fakultät vor allem von Matthias Albert vorangetrieben, der auch den Beitrag über die Politikwissenschaft verfasst hat. Die Bielefelder Politikwissenschaft sieht Albert »durch einen stark soziologisch reflektierten Umgang mit unterschiedlichen Aspekten der Politik bzw. des politischen Systems geprägt«. Leitbild sei eine »multidisziplinär anschlussfähige Politikforschung«. Joanna Pfaff-Czarnecka, Sozialanthropologin, begreift ihre Disziplin als mit der Soziologie verwandt, aber doch als eigenes Fach mit autogenen geistigen Quellen, das, empirisch wie theoretisch orientiert, vor allem Cultural Studies betreibt. Ihr Beitrag zeigt, wie dieses Fach in Bielefeld mit der Einrichtung einer Stiftungsprofessur für Günther Schlee 1986 ins Leben gerufen wurde. Weiter berichtet sie über die vielfältigen internationalen Kooperationen, die sie selbst mit ihrer Arbeitsgruppe seit ihrer Berufung 2002 pflegt. Der Beitrag von Reinhold Hedtke und Bettina Zurstrassen beschreibt die strukturelle Einbettung der Lehramtsausbildung in der Fakultät, über Jahrzehnte als eigener Lehramtsstudiengang Sozialwissenschaften, seither als integrierter Teil des BA-Studiengangs Sozialwissenschaften, der auch Abschlüsse für Nicht-Lehramtsberufe zulässt. Hedtke und Zurstrassen weisen darauf hin, wie stark die politisch-ökonomische Bildung unter teils massiven Beeinflussungsversuchen politisch-wirtschaftlicher Lobbygruppen steht. So zeigen sie anhand einer Publikation Bielefelder SozialwissenschaftlerInnen, wie die Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeber beim Bundesinnenministerium intervenierte, um eine Veröffentlichung im Rahmen der Bundeszentrale für politische Bildung zu verhindern. Einen wichtigen Platz in der Lehre der Bielefelder Fakultät für Soziologie nimmt die Methodenausbildung ein. Wie der Beitrag von Sarah Hitzler und Lena Verneuer zeigt, liegt die Zahl der Methodenveranstaltungen vor allem im BA deutlich über dem von der Deutschen Gesellschaft für Soziologie empfohlenen Wert. Ein weiteres Merkmal der Bielefelder Fakultät ist die »unaufgeregte Egalität«, mit der quantitative und qualitative Forschungsmethoden und Veranstaltungen ganz selbstverständlich koexistieren. Der Arbeitsbereich Methoden ist in zwei Arbeitsgruppen (quantitative, qualitative Sozialforschung) mit jeweils einer Professur differenziert, die trotz unterschiedlicher wissenschaftlicher Axiome in der Alltagspraxis gut miteinander harmonieren. Die gemeinsame Methodenausbildung ist darauf ausgelegt, über eine reine Wissensvermittlung hinaus Anlässe für einen umfassenderen Erwerb methodischer

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Kompetenzen zu schaffen. Dabei soll »das Verhältnis von wissenschaftlicher Erkenntnisbildung, von empirisch fundierter Theorieentwicklung, von Hypothesenprüfung zu den stärker inhaltlich strukturierten Bereichen des Soziologiestudiums« stets mitberücksichtigt werden. Das Lehrangebot der Fakultät für Soziologie wird häufig als thematisch sehr vielfältig beschrieben. Damit ist allerdings nur ein Merkmal des »Lehrens und Lernens« an der Fakultät angesprochen. Torsten Strulik zielt mit seinem Beitrag auf eine Perspektivenerweiterung und lenkt die Aufmerksamkeit auf die didaktische Gestaltung von Lehr-Lernarrangements. An aktuelle hochschuldidaktische Debatten zur Qualität von Lehre anschließend, wird diesbezüglich zunächst die Gründungsphase der Fakultät beleuchtet, in deren Verlauf Ideen zu einer Reform der Lehre formuliert wurden, die insbesondere auf ein intensiveres und aktiveres Lernen in Studiengruppen zielten. Anschließend geraten gegenwärtige Initiativen in den Blick, die die literalen Kompetenzen der Studierenden im Zusammenspiel mit Fachinhalten fördern und die Verbreitung mehr aneignungsorientierter Lehrveranstaltungen anregen sollen. Diese zeitüberspannende Perspektive soll Auskunft darüber geben, ob und inwieweit die Rede vom »Hochschulexperimentierplatz Bielefeld« für das Lehren und Lernen der vergangenen 50 Jahre zutreffend ist. Im Kontext von »Lehren und Lernen« ist auch der Beitrag von Stefan Kühl verortet. Ausgehend von der Beobachtung, dass es in vielen Masterstudiengängen an Möglichkeiten zu einer eigenverantwortlichen Gestaltung des Studiums hapert, zeigt Kühl am Beispiel des Bielefelder Modells für einen Master Soziologie, wie eine Verschulung des Studiums vermieden und die Idee des selbstbestimmten Lernens umgesetzt werden kann. Der Clou des vorgestellten Modells besteht darin, dass es einerseits den Studierenden mehr Flexibilität bieten und andererseits eine Profilbildung in den Forschungsschwerpunkten der Fakultät ermöglichen soll. Damit werden nicht nur erweiterte Optionen für eine wirkungsvolle »Verknüpfung von Forschung und Lehre« geschaffen, der Bielefelder Master Soziologie vermag auch an Attraktivität gegenüber eng zugeschnittenen Spezialstudiengängen zu gewinnen. Struktur und Lage des akademischen Mittelbaus haben sich in den letzten fünf Jahrzehnten radikal verändert, in Bielefeld noch stärker als anderswo, wie Christian Ulbricht, Sprecher des Mittelbaus, in seinem Beitrag beschreibt. Der Mittelbau in der Fakultät hat sich seit über zehn Jahren ausdifferenziert in MitarbeiterInnen von Forschungsprojekten mit wenig Lehre und sogenannte Lehrkräfte für besondere Aufgaben, die aufgrund von Hochdeputaten über eher geringe Chancen zur Weiterqualifikation verfügen. Seine zunehmende Fragmentierung erschwert zusätzlich eine wirksame Interessenvertretung. Klassische Assistentenstellen, die gleichermaßen auf Forschung und Lehre angelegt sind und zeitlich Raum für die eigene Qualifikation lassen, sind deutlich zurückgegangen. Ulbricht verzeichnet eine zunehmende Prekarisierung aufgrund der Stellenbefristungen mit sehr unsicheren Zukunftsperspektiven.

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Anders als in der Frühzeit der Fakultät ist der Mittelbau bei der fakultätspolitischen Willensbildung heute von geringer Bedeutung. Bei Absolventenfeiern ist immer wieder folgende Begebenheit zu beobachten: Es werden Reden gehalten, Zeugnisse überreicht, Auszeichnungen für beste Arbeiten verliehen – höflicher Beifall. Dann, gegen Ende der Veranstaltung, werden die Mitarbeiterinnen des Prüfungsamtes mit Blumen bedacht – begleitet von Standing Ovations. Die kleinen Ekstasen bei den Abschlussfeiern waren Anlass, mit Sabine Beiderwieden und Elsbe Lück ein Interview über ihre Arbeit im Prüfungsamt zu führen, die mehr ist als Prüfungsverwaltung. Im Hintergrund steht nicht zuletzt die Fragen: Kann die Fakultät die Beziehung zu ihren Studierenden weitgehend auf elektronische Kommunikation reduzieren? Wie notwendig sind Face-to-Face-Begegnungen von Lehrenden und Studierenden im universitären Alltag? * Erinnerung findet in der Fakultät für Soziologie vor allem in der Tradierung von Anekdoten statt. Eine Chronik, erstellt auf der Grundlage der Fakultätskonferenzen-Protokolle, möchte dem Fakultätsgedächtnis ein zeitliches Korsett verleihen. Neben biografischen Daten zu einschlägigen Akteuren erfasst die Chronik vor allem die wichtigen Strukturentscheidungen der Fakultät. Sie zeigt, dass in den ersten drei Jahrzehnten hartnäckig und nicht ohne Erfolg versucht wurde, am Bielefelder Modell der frühen 1970er Jahre festzuhalten. Das gesamte wissenschaftliche Personal sollte in Lehre und Forschung tätig sein und bleiben; demokratische kollektive Selbstbestimmung unter Beteiligung aller Statusgruppen, wenig Leistungsdruck, keine Noten waren weitere Prinzipien, die es zu bewahren galt. Die Chronik führt auch die Argumentationsfiguren auf, mit denen die widerstreitenden Positionen in der Fakultätskonferenz begründet wurden, und bietet damit einen Spiegel zum Wandel der Fakultätskultur. * Die Beiträge der einzelnen Autorinnen und Autoren wurden weitgehend eigeninitiativ und selbständig verfasst. Bei allem Bemühen, ein breites Spektrum zu Wort kommen zu lassen, kann der Band nur ausschnitthaft die Lehr- und Forschungspraxis an der Fakultät wiedergeben. 50 Jahre Fakultät für Soziologie – das ist das Werk ungezählter DozentInnen, ForscherInnen, SekretärInnen, VerwaltungsmitarbeiterInnen und Studierenden, die hier nicht genannt werden können, aber alle ihren Anteil hatten und haben. Dieser Band wendet sich an alle, die sich für die Bielefelder Fakultät für Soziologie interessieren, insbesondere an frühere Studierende, die wissen möchten, wie es um ihre »alte« Fakultät heute so steht, und an prospektive Studierende, die sich mit dem Gedanken tragen, an der Universität Bielefeld ein

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soziologisches bzw. sozialwissenschaftliches Studium aufzunehmen. Natürlich auch an FachkollegInnen anderer Universitäten, an das wissenschaftlich interessierte Publikum und an im Wissenschaftsmanagement tätige Personen. Mit der Ausrichtung auf die Vielfalt der Handlungsfelder und Perspektiven hoffen die Herausgeber, dass sich für alle Zielgruppen aus dem Inhalt des Bandes etwas abgewinnen lässt. Die Herausgeber sind vielen Personen zu großem Dank verpflichtet. Hervorheben möchten wir zunächst unseren Fakultätsreferenten Markus Göbel, der das Projekt »Jubiläumsband« initiiert und mit vielfältigen Anregungen begleitet hat. Ein besonderer Dank gilt den Autorinnen und Autoren, die sich unter den nicht immer einfachen Bedingungen des Alltagsbetriebs die Zeit genommen haben, anregende Beiträge zu verfassen. Dank gilt weiterhin Herrn Martin Löning, dem Leiter des Archivs der Universität Bielefeld, der uns die Einsicht in Akten der Fakultätsgeschichte ermöglichte, und Frau Katharina Katzer, Mitarbeiterin des Rektorats, die uns mit Daten zu den Dienstzeiten des wissenschaftlichen Personals versorgte. Frau Annette Doerfert und Herr Achim Schade vom Justitiariat der Universität berieten die Herausgeber in juristischen Fragen. Frau Doerfert verschaffte uns außerdem Zugang zu Prüfungs- und Studienordnungen aus der Frühzeit der Fakultät. Ein großes Dankeschön auch an den Verlag und insbesondere Frau Katharina Wierichs sowie Kai Reinhardt, die die erforderlichen Arbeiten mit Umsicht und Verständnis für besondere Anliegen begleitet haben. Danken möchten wir schließlich Herrn Ramin Bahrami für sein sorgfältiges Lektorat und die Erstellung des Gesamtmanuskripts sowie Frau Helga Volkening für ihre unentbehrliche sekretariale Unterstützung.

L iter atur Lepsius, Rainer Maria (1979), Die Entwicklung der Soziologie nach dem Zweiten Weltkrieg 1945-1967, in: Deutsche Soziologie seit 1945 (Sonderheft 21 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie), hg. von Günter Lüschen, Opladen, S. 25-70. Schelsky, Helmut (1975), Die Arbeit tun die anderen, Opladen. Storz, Gerhard (1965), Begrüßung durch den Kultusminister des Landes Baden-Wurttemberg, in: Verhandlungen des 15. Deutschen Soziologentages. Max Weber und die Soziologie heute, hg. von Otto Stammer, Tübingen, S. 14-15.

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Außenansichten

Als alle Gruppen noch experimentierten … Rückblicke von unten, innen und außen auf eine neue Ortsbestimmung der Soziologie in Bielefeld 1 Werner Rammert

I. B eobachterstandpunk te Vor 49 Jahren kam ich als Student nach Bielefeld. Eine Provinzstadt in Ostwestfalen. Einige Behelfsgebäude und Baracken für Mensa, Verwaltung und Seminarräume. Alles noch im Auf bau. Vieles ganz anders als an den traditionellen Universitäten. Warum gerade damals, in der Hochzeit der 68er-Studentenbewegung, dort an der Peripherie des politischen Geschehens das auch noch höchst umstrittene Fach »Soziologie«2 studieren? Den meisten Eltern, dem überwiegenden Teil der bürgerlichen Presse und der Mehrheit der Bevölkerung galt die Soziologie als ›brotlose Kunst‹, als Studium für ›Revoluzzer‹ oder ›Berufsrevolutionäre‹. In der Kleinstadt im Münsterland, wo ich seit 1949 als Kind eines katholischen Arbeiters und einer evangelischen aus Schlesien stammenden Mutter aufwuchs, schickten die bürgerlichen Eltern ihre Söhne und Töchter ausschließlich nach Köln und Münster, um Jura, Medizin, Theologie oder fürs Lehramt zu studieren. Aber die im Denken radikalisierten und politisch Bewegten unter den Studenten zog es in die Zentren der ›Kritischen Theorie‹ und der ›revolutionären Aktion‹ nach Berlin oder Frankfurt. Darum noch einmal die Frage: Was hat damals die Bielefelder Fakultät für Soziologie für junge kritische Geister und engagierte Menschen so attraktiv gemacht, dass sie immer mehr davon anzog, nicht nur aus der näheren Region, sondern aus den Großstädten und von den Universitäten aus ganz Deutschland? 1 | Für Kritik, Dokumente und Kommentare danke ich Betina Hollstein, Valentin Janda, Stefan Kühl, Eric Lettkemann und Torsten Strulik. 2 | Selbst Ralf Dahrendorf und René König plädierten für Soziologie nur als Nebenfach. Übrigens hatte auch keiner der erstberufenen Professoren Soziologie als Fach studiert, nur einer als Nebenfach!

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Drei kurze Antworten aus der Sicht verschiedener Akteure Aus studentischer Sicht war da das Versprechen einer radikalen Reform von Studium und Lehre. Es lockte das offene Experimentierfeld von Auf bau und Neugründung. Wichtig war auch die Ablösung der mächtigen Ordinarien durch junge Professoren als Leiter von Fachgebietsgruppen – Professorinnen gab es damals noch keine. Anstatt weiter bei den sich gerade aufsplitternden politischen Gruppierungen und den immer dogmatischer werdenden Renaissancen der alten Kritik der politischen Ökonomie mitzumachen, wollte ich persönlich wie meines Wissens einige andere auch, etwa Klaus Lichtblau, die avancierteste Variante einer zeitgemäßen ›bürgerlichen Soziologie‹ – wie ich nach ersten Lektüren der Luhmannschen Aufsätze zur »Soziologischen Aufklärung« es damals einschätzte – vor Ort kennenlernen und mit einer frischen Kritik der jungen soziologischen Systemtheorie fortfahren.3 Aus der Binnensicht des Mittelbaus gab es dort die großen Freiheiten, etwas Neues auszuprobieren; man konnte über die einzelnen Fachgebietsgrenzen hinweg Initiativen ergreifen, auch den jeweiligen ›Promotionsbetreuer‹ selbst wählen und wechseln; es galt lange Zeit die Gleichheit bei der gestuften Prüfungsberechtigung, ebenso die Parität der Gruppen bei der Besetzung von Mitarbeiterstellen im Fachbereich und sogar bei der Berufung der Professoren; außergewöhnlich günstig waren die Möglichkeiten für frühes selbständiges wissenschaftliches Lehren, Prüfen und Forschen.4 Aus der Außensicht eines professionellen Beobachters und ›Ehemaligen‹ würde ich resümieren: Es war nicht nur die schiere Größe der Fakultät und des Lehrangebots, welche die Bielefelder Soziologie so attraktiv machte; es lockten die Vielfalt der nebeneinander bestehenden theoretischen Ausrichtungen in der ›allgemeinen Soziologie‹ sowie das außergewöhnlich breite Spektrum von ›speziellen Soziologien‹. In der paradigmatischen und fachlichen Ausrichtung höchst verschieden verortet – phänomenologisch, symbolisch-interaktionistisch, systemtheoretisch, polit-ökonomisch, kritisch gesellschaftstheo3 | In diesem ersten Eindruck von Luhmanns überlegener Fähigkeit zur radikalen Erneuerung der bürgerlichen Gesellschaftstheorie fühlte ich mich nach Erscheinen des roten Suhrkamp-Bands von Jürgen Habermas und Niklas Luhmann »Kritische Gesellschaftstheorie oder Sozialtechnologie« 1971 voll bestätigt. Der asymmetrische Titel, der meines Wissens ohne Luhmanns Zustimmung in Druck gegangen war, und die hilflose sowie typisch bildungsbürgerliche Kritik von etwas als ›Technologie‹ enttäuschten mich damals. Allerdings musste auch ich auf die Dauer nach meiner Diplomarbeit und meiner Dissertation lernen, dass ich von meinem zu ehrgeizigen, und jugendlicher Begeisterung geschuldeten, Projekt einer marxistischen Kritik der Systemtheorie immer mehr Abstriche machen musste. 4 | Das galt nicht für alle Fachgebiete, sondern eher für die neuen ›Praxisschwerpunkte‹ und war vom Führungsstil des professoralen Leiters abhängig, vor allem wenn er noch von traditionellen Ordinarien-Universitäten geprägt war.

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retisch oder mehr an Marx, Durkheim, Simmel, Homans, Mead oder Parsons orientiert – herrschten damals noch ein Klima intensiver Auseinandersetzung untereinander und der kollektive Geist, miteinander je auf eigene Weise am Projekt einer modernen Soziologie zu arbeiten.

II. S ie hat ten einen P l an Geplant war die Universität Bielefeld als eine ›Elite‹-Universität am Teutoburger Wald – ähnlich wie die Universität Konstanz als ›Harvard am Bodensee‹. Der eine Planer war der rührige CDU-Kultusminister Paul Mikat, der andere war der konservative Münsteraner Soziologie-Professor Helmut Schelsky.5 Die neue Universität sollte sich radikal von den alten in Münster und Köln unterscheiden; sie sollte sich aber auch deutlich von den vielen Neugründungen allein in Nordrhein-Westfalen, wie Bochum, Dortmund, Essen-Duisburg und Paderborn, abheben. Nach der ›Bildungskrise‹ (Georg Picht) galt es nicht nur die Bildungsreserven der jeweiligen Region (Kinder aus dem Arbeiter- und aus dem ländlichen Milieu) auszuschöpfen; mit der ›Krise der Ordinarien-Universität‹ sollten nicht nur moderne ›Massenuniversitäten‹ entstehen, die für eine kürzere, diszipliniertere und besser an die Erfordernisse des kapitalistischen Arbeitsmarktes angepasste akademische Qualifikation zu sorgen hätten. Es bedurfte in Zeiten der ›sozialen Marktwirtschaft‹ und des ›sozialstaatlich organisierten Kapitalismus‹ einer besonderen sozialwissenschaftlichen reflexiven wie planerischen Intelligenz. Diese Absolventen sollten sich nicht einfach nur an die bestehenden Strukturen in den Professionen und Berufsfeldern anpassen. Vielmehr sollten sie nach einer kritischen theoretischen und empirischen Analyse der jeweiligen Praxisfelder zu ihrer radikalen Erneuerung befähigt sein. So würden durch ein praxisorientiertes Studium und eine reformorientierte Erforschung gesellschaftlicher Felder aktiv neue Berufsfelder für Soziologen und Soziologinnen erschlossen. Geplant wurden später in zweiter Instanz, der Fakultät im Auf bau, – kreativ von der ersten Schelsky/Mikatschen Vorstellung abweichend – drei Neuerungen der Studien- und Fakultätsorganisation. Die beiden ersten Neuerungen, (1) das Konzept eines curricular strukturierten Diplomstudiengangs für Soziologie mit einem »praxisorientierten Studium« und (2) das Konzept der »aktiven Professionalisierung«, sollten radikal mit der alten frontalen Lehre und der unstrukturierten Studienorganisation brechen, die sich wesentlich aus dem wechselhaften 5 | Einer der drei großen Gründerfiguren der Nachkriegssoziologie in Deutschland neben Theodor W. Adorno in Frankfurt a.M. und René König in Köln, durch die rechtshegelianische Leipziger Schule von Hans Freyer akademisch sozialisiert, Leiter der Sozialforschungsstelle in Dortmund, hat die akademische Professionalisierung der Soziologie u.a. dadurch am stärksten vorangetrieben, dass er damals die meisten Nachwuchswissenschaftler habilitiert hat.

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und interessierten Angebot der jeweiligen Lehrstuhlinhaber ergab und auch zu einem zeitlich unbegrenzten Magisterstudium führte. Die beiden Konzepte wurden wohl hauptsächlich von Franz-Xaver Kaufmann und Joachim Matthes formuliert. Die dritte Neuerung betraf (3) die Fachgebietsorganisation, die auf Lehrstühle und rein professorale Selbstverwaltung zugunsten einer stärkeren Beteiligung von Mitarbeitern und Studenten verzichtete. Zu dieser Zeit hatte sich die Praxis und Ausrichtung der Strukturreform auch schon auf der Ebene der erstberufenen Professoren in Richtung ›Demokratisierung‹ und ›Modernisierung‹ verschoben. Die von Schelsky habilitierten Professoren lösten sich zunehmend von seinen Vorgaben, und die von ihm – im damals üblichen patriarchalen Stil – weiterhin vorgesehenen Erstberufungen kamen wegen zu großer Nähe zu faschistischen Regimen oder Gedankengut, wie man munkelte, nicht zustande. Was anfangs als konservative Eliteuniversität ohne Studierende gedacht war, entwickelte sich in den frühen Jahren schon zu einer am Sozialstaats- und Interventionsmodell orientierten modernen Lehr- und Forschungsuniversität. Den Beginn der Bielefelder Reform und die spätere Umsetzung der Konzepte wie auch die Konflikte darum habe ich über längere Zeiten und auch aus verschiedenen Sichten persönlich miterlebt und ein wenig mitgestaltet. Die früheste Sicht ›von unten‹ erfolgt aus einem Rückblick. Ich war 1970 ein Student der ersten Generation, nach drei Semestern »Sozialwissenschaften« von der Ruhr-Universität Bochum nach der Zwischenprüfung an die neue Fakultät gewechselt. Dort engagierte ich mich politisch in der unorthodoxen Sammelgruppe »Sozialistische Auf bauinitiative« (SAO)6 und formulierte für die Fachschaft mit zwei weiteren Autoren die Stellungnahme zur Studienreform der Fakultät für Soziologie (Dahme/Rammert/Schneider 1973). Die zweite Sicht ›von innen‹ rührt aus der Zeit, in der ich als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät in der Lehre, der Forschung, der Redaktion der ›Zeitschrift für Soziologie‹ und der Fakultätspolitik – allerdings zu verschiedenen Zeiten und auf unterschiedlichen Feldern – mitgewirkt und praktische Erfahrungen mit so manchen Neuerungen gemacht habe. Die dritte Sicht ›von außen‹ ist ein aktuellerer und zugleich ›abgeklärter‹ Blick: Er schleicht sich selbstverständlich immer wieder in die Schilderung der früheren Erinnerungen ein und ist von meiner wissenschafts-, organisations- und innovationssoziologischen Forscherbrille geprägt. Auch meine Erfahrungen als interessierter Leser und bestellter Begutachter von Publikationen und Programmen, die aus der Bielefelder Fakultät für Soziologie stammen, gehen darin ein.

6 | Unorthodox deswegen, weil sie die von Münster nach Bielefeld mitgewanderte, bis dahin dominante Fraktion des der DKP nahestehenden orthodoxen ›Spartakus‹-Bundes ausschloss.

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III. K r asse E rfahrungen eines engagierten S tudierenden Die Unterschiede zwischen der Lehre an der feudal strukturierten Ordinarien-Universität und dem Lernen nach dem Bielefelder Reformmodell waren krass: Als ich im zweiten Semester in einer Vorlesung eines älteren Professors, Schüler des ›großen‹ Eduard Spranger, wie er nie zu erwähnen vergaß, mich schließlich mal traute, zur Diskussion zu melden, fragte er mich knapp »In welchem Semester?« und gab dann zur Erklärung, man könne erst nach abgeschlossener Zwischenprüfung bei ihm Fragen stellen. Diesen hierarchischen Abstand gab es auch bei berühmten ›links‹ orientierten Professoren, die vom engsten Schülerkreis über exklusive »privatissime«-Seminare bis hin zu meist von Assistenten durchgeführten Massenseminaren den Zugang zu ihnen abstuften. Meine Erfahrungen hingegen in Bielefeld: Professoren wie Assistenten leiteten die Seminare in gleicher Weise. Die Ziele und die Literatur des Seminars wurden anfangs vorgestellt und schon diskutiert. Sie waren grob durch ein ›Curriculum‹ genanntes Lehrprogramm vorgegeben, konnten jeweils nach persönlichem Interesse variiert werden. Und das Krasseste: Studierende konnten »Autonome Studiengruppen« anmelden, die sogar ›scheinfähig‹ waren. Und ich konnte es kaum glauben: Als ich im ersten Bielefelder Semester (mein viertes) selbst ein solches Seminar mit Titel ›Marxistische Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie‹ im Rahmen des ›Sozialistischen Studiums‹ anbot, da saß ein Dozent des Fachbereichs ›Wissenschafts- und Bildungsplanung‹ dabei und diskutierte mit.7 Diese Befreiung von den verknöcherten Strukturen und gestuften Privilegien, so fortschrittlich und begrüßenswert sie von uns Studierenden auch erfahren wurde, geschah unter dem Druck des Massenandrangs an die Universitäten. Es war die Zeit der notwendigen Anpassung der akademischen Ausbildung an die neuen Erfordernisse des in den 60er und 70er Jahren stark expandierenden kapitalistischen Systems. Für die zunehmend wissenschaftsbasierten Industrien und die staatlichen Infrastrukturen wurden mehr und höher qualifizierte akademische Arbeitskräfte benötigt – für die theoretische Analyse, Planung und Leitung der Produktions- und der erweiterten Reproduktionsprozesse. Das hatten wir damals schon bei Karl Marx in den »Grundrissen« als Prognose gelesen, aber auch in der bürgerlichen Gesellschaftsdiagnose »Die nachindustrielle Gesellschaft« bei Daniel Bell am prägnantesten prognostiziert gesehen sowie in der unorthodoxen sozialistischen Schrift aus dem Prager Frühling, dem »Richta-Report« zu den »sozialen und humanen 7 | Wer es genauer wissen will: Es war der streitbare Soziologe Rolf Klima, ein Bart wie Archimedes, nach dessen Vorbild er die Soziologie auf die Füße der empirisch geprüften Verhaltensgesetze stellen wollte, also ein kritischer Geist aus einer anderen Richtung. Zugleich war er, noch als nicht promovierter Mitarbeiter, der Mitbegründer und erste Redakteur der Zeitschrift für Soziologie.

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Zusammenhängen der wissenschaftlich-technischen Revolution«, gefunden. Was wir auf der einen Seite als Emanzipation von alten Strukturen erlebten, das bedeutete zugleich eine Einschränkung des Fächerspektrums, eine Verschlankung der Studieninhalte und eine Verkürzung der Studienzeiten – von theoretisch endlos und empirisch zwölf bis 24 Semestern zur Regelstudienzeit von neun Semestern. Was heute im Zeitalter der Bachelor- und Master-Studiengänge so selbstverständlich erscheint, war damals in Bielefeld die mutig frische Übernahme der neuesten Errungenschaften der US-amerikanischen Lernforschung und der deutschen Hochschuldidaktik: Die Studierenden sollten nicht mehr in zufälliger Angebotsfolge Wissenshappen verschiedenster Art und unterschiedlichsten Niveaus einfach erwerben und einsammeln; sie konnten jetzt ein curricular strukturiertes Studium durchlaufen, mit definierten Lernzielen und Kompetenzen, mit Niveaus von Grundlagen-, Vertiefungs- und Spezialwissen, die systematisch aufeinander auf bauten, alternative Pfade erlaubten und so die Studierenden mit ihren jeweiligen Interessen – wenn gewollt – im neunten Semester schon zum Abschluss führten. Das klang damals noch mehr als heute wie ein klarer Fall von ›Verschulung‹ des freien Studiums, gegen den man sich mit vielen Mitteln zu wehren wusste. Während man in Berlin und Frankfurt auf jeweils eigene Weise und sehr sichtbar in der Studentenbewegung gegen diese ›technokratische Reform‹ kämpfte – und wir in der Bielefelder Provinz zunächst von den ›Avantgarden‹ dort mächtig und auch ein wenig zu andächtig lernten –, nahm der Kampf um die praktische Erneuerung an der Bielefelder Fakultät mit der Zeit doch einen ganz anderen Verlauf. Er wurde zwar zunächst von den Genossen in den Metropolen belächelt, führte jedoch auf die Dauer zu einer nachhaltigeren Innovation des Soziologiestudiums als dort. Wie konnte das geschehen? Die Antwort aus unserer damaligen Sicht war: Wir schrieben nicht nur großartige Papiere zur ›Ideologiekritik‹ oder zur ›Ableitung der Warenform‹ des Wissens aus der abstrakten Wertform – ich denke da an den Adorno-Schüler und SDS-Theoretiker Hans-Jürgen Krahl in Frankfurt – und wir besetzten nicht jahrelang das Institut und vertrieben die Professoren daraus, um uns in einer eigenen Zeitschrift zu lange nur mit den Kategorien von ›produktiver‹ und ›unproduktiver Arbeit‹ auseinanderzusetzen – wie an der Berliner FU –, sondern wir hatten durch das Versprechen radikaler Reform und noch in Bewegung befindlicher Umsetzungskonzepte, auch einer aufgeschlossenen – teilweise auch unentschlossenen – Professorenschaft und Dozenten einer jüngeren Generation, ein offenes Feld vor uns, in dem es sich lohnte, nach der langwierigen Lektüre der vielen Kritiken die kritisierten Verhältnisse selbst zu verändern: Wir kämpften für ein »Sozialistisches Studium«, indem wir die autonomen Studiengruppen dazu umbauten, indem wir in die inhaltliche Lehrplanung eingriffen, die Lücken selbst ausfüllten

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und letztlich auch auf die Berufungspolitik Einfluss nahmen.8 Der strategisch wichtigste Ort zur Neubestimmung der Soziologie in Bielefeld war jedoch die »aktive Professionalisierung« im Rahmen eines praxisorientierten Studiums.

Aktive Professionalisierung: Zwischen Anpassung und ›revolutionärer Berufspraxis‹ Wie alle Bildungsreformen hatte auch die damalige Hochschulreform die Funktion, das hinter der gesellschaftlichen Entwicklung hinterherhinkende Ausbildungssystem dem vorauseilenden kapitalistischen Wirtschaftssystem und seinen Anforderungen an entsprechend qualifiziertem Humankapital anzupassen – grob vereinfachend formuliert. Das lernten wir nicht nur vom damaligen Raubdruck-Bestseller »Materialien zur Kritik der politischen Ökonomie des Ausbildungssektors« 1971 von Elmar Altvater und Freerk Huisken; das stand auch in allen Schriften der neueren Bildungsökonomie, etwa des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Genauer betrachtet ging es auch nicht nur um die naturwissenschaftliche-technische Intelligenz, also die Ingenieure, Chemiker und Elektrophysiker in den wissenschaftsbasierten Industrien. Gefragt waren jetzt im erweiterten System der kapitalistischen Reproduktion auch die reflexive und die planerische Qualifikation der »sozialwissenschaftlichen Intelligenz«. Vor diesem Hintergrund erlebten wir damals das Bielefelder radikale Reformkonzept der aktiven Professionalisierung in seiner Ambivalenz: Es war natürlich Teil der Tendenzen zur ›Verberuflichung‹ der wissenschaftlichen Ausbildung und zur Anpassung der Akademiker an die modernisierten Verwertungsbedingungen in allen Sphären der Gesellschaft; allerdings bot es mit seinem pfiffigen, höchst innovativen Konzept der ›aktiven‹ und nicht der passiven Professionalisierung, ein Einfallstor für das von uns entwickelte Konzept einer ›revolutionären Berufspraxis‹. Das klang damals schon widersprüchlich, wurde auch von den führenden Zirkeln der Studentenbewegung in Berlin, Heidelberg und Frankfurt, mit denen wir in Verbindung standen, als ›illusionär‹ und ›revisionistisch‹ und typisch für die zurückgebliebene Linke in der Provinz abgekanzelt. Aber wir lieferten in der »Theorie-Sektion« der SAO unsere eigene »Klassen- und Berufsfeldanalyse der sozialwissenschaftlichen Intelligenz«, die 1971 im Eigendruck des Arbeiter- und Jugendzentrums Bielefeld e.V. erschien, und noch wichtiger: Wir gaben mit unseren praktischen 8 | Nicht so erfolgreich wie geplant: Die Berufung von Klaus Holzkamp, dem Begründer einer materialistisch und experimentell begründeten kritischen Psychologie an der FU Berlin, wurde geschickt hintertrieben, wie jetzt Franz-Xaver Kaufmann in seinem Interview unsere damaligen Proteste und Verdächtigungen bestätigt. Die Besetzung der erkämpften Professur für »Politische Ökonomie« mit dem Nicht-Marxisten Peter Schöber haben wir nicht zu verhindern vermocht. Auf der anderen Seite sind die Berufungen von Johannes Berger und Claus Offe ohne größeren Einsatz gelungen.

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Aktivitäten an allen Fronten und auf allen Ebenen, in und außerhalb der Universität, diesem Reformkonzept unser eigenes, eher ›disruptives‹ Profil einer die Verhältnisse radikal verändernden Praxis. Wie sah das konkret aus? Der Diplomstudiengang sah sechs praxisorientierte Studienschwerpunkte im Hauptstudium vor: Organisations- und Personalwesen, Öffentliche Verwaltung, Soziale Arbeit, Raum- und Regionalplanung, Entwicklungsplanung, Wissenschafts- und Bildungsplanung. Das ging schon über die üblichen freischwebenden Bindestrich-Soziologien hinaus. Gegenstand waren die theoretische und die empirische Analyse der bestehenden Strukturen und Praktiken in den jeweiligen Feldern, die Kritik ihrer Schwächen und die Möglichkeiten für ihre Veränderung. Dies gab uns verschiedene Ansatzpunkte: Wir schrieben bei der Entwicklung der Curricula für die spezifischen Praxisschwerpunkte intensiv mit; sie wurden weniger von den berufenen Professoren, als vielmehr stark durch einen eigens dafür eingestellten, in der neuen Curriculum-Entwicklung ausgewiesenen Wissenschaftlichen Mitarbeiter, Klaus Hurrelmann, und seinem Studentischen Mitarbeiter, der ich damals war, letztlich geprägt9. Auch die Ausgestaltung der ›Lehrforschung‹, in der Theorie, Methode, Kritik und konstruktive Praxisvorschläge in einem Projekt über drei Semester eingeübt werden sollten, wurde von engagierten Mitarbeitern und den zu der Zeit 43 Mitgliedern unserer SAO-Initiative höchst aktiv betrieben. Aus einem ›Lehrlings-Projekt‹ im Bereich der Sozialarbeit entstand in der Folge das Arbeiterjugendzentrum in Bielefeld, im Bereich der Entwicklungsplanung gab es Projekte zur ›Subsistenz-Reproduktion‹ in Lateinamerika, welche die entwicklungspolitische Arbeit und auch die internationale feministische Diskussion beeinflussen sollten. So wie später die Luhmannsche Systemtheorie als besondere Weise soziologischer Theoriepraxis nach außen hin zum bezeichnenden Label wurde, so legten schon vorher das an der kritischen Reflexion der Praxisfelder orientierte Studium und die Praktizierung der aktiven Professionalisierung die Grundlagen zum nachhaltigen Markenkern der Bielefelder Soziologie. Diese Neuerfindung der Einheit von Lehre und Forschung unter Beteiligung aller Gruppen, diese Mischung von Theorie und Kritik, Theorie und Empirie sowie von Theorie und Praxis unterschied sie deutlich etwa vom Bremer Projektstudium, von der Göttinger Sozialwirt-Ausbildung und auch vom wirtschaftsorientierten Mannheimer Modell10. 9 | Bei der Bewältigung von Konflikten und der Gestaltung der Reform zwischen verschiedenen Interessengruppen spielten bestimmte Personen eine bedeutende Rolle: Bei den Professoren war das in meinen Augen Franz-Xaver Kaufmann als ›ehrlicher Makler‹ und bei den Wissenschaftlichen Mitarbeitern Klaus Hurrelmann als ›pragmatischer Macher‹, der eben nicht wie andere als Assistenten stark an eine Professur angebunden war. 10 | Diese Praxisorientierung haben nicht alle Professoren mitgetragen, am wenigsten diejenigen in den klassischen Lehrgebieten, am stärksten natürlich diejenigen in den

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Was wir damals als Studenten noch ohne gesichertes Wissen in unserem gerichteten Aktionismus miterneuernd angingen und mitprägten, wurde mit den Jahren zu einer zukunftsweisenden Innovation der Soziologieausbildung, aus der nicht – wie bei Denk-›Schulen‹ schon immer – viele Schüler als Inhaber von ähnlichen Professuren hervorgingen. Vielmehr gab es immer mehr Absolventen und Absolventinnen, die an strategischen Stellen an der strukturellen Erneuerung zahlreicher Praxisfelder mitgewirkt haben, etwa der Sozialpolitik, der sozialen Dienste und der Polizeiarbeit, der Reform öffentlicher Verwaltung und gewerkschaftlicher Interessenvertretung, der Entwicklungspolitik, der Wissenschaftspolitik, der Hochschul- und Forschungsorganisation, des Technik-, Innovations- und Risiko-Assessments und vieler anderer.

IV. K uriose B egebenheiten im ›M it telbau ‹ Die oben schon angesprochene dritte Besonderheit der Bielefelder Strukturreform, die Fachgebietsorganisation, sollte nicht unterschätzt werden. So richtig bewusst ist sie mir erst in meinen Zeiten und auf verschiedenen Positionen im Mittelbau geworden. Die Zähigkeit der ›Ordinarien‹-Kultur war auch noch in der Bielefelder Reformuniversität bemerkbar: Alle Professoren und auch die Mehrzahl des älteren Mittelbaus waren durch Ordinarien sozialisiert worden und lange Zeit an eine entsprechende Lehrstuhlorganisation des Studiums gewöhnt. Manche Eigenheiten verbuchten wir Studierende damals noch unter der Rubrik »lustige Schrulligkeiten«, »autoritäres Gehabe« oder »Geniekult«; manchmal war es beeindruckend, manchmal verlockte es zum »Schüler von jemandem« sein. Ich will damit sagen, dass diese alte Art des Studierens, die eher für eine übersichtliche Studentenschar gedacht war und für entsprechend bürgerlich habituell vorgebildete junge Erwachsene von Vorteil war – wie übrigens auch für den verwöhnten Trierer Advokatensohn Karl Marx11 –, auch einige unübersehbare Stärken hat. Dazu zähle ich etwa das Lernen durch Vorbilder (›Künstler‹- und ›Meister‹-Modell) oder die Emphase auf intrinsische Motivation und intensives Eigenstudium! Die Rhetorik des freien Redens und Bewegens im Raum, statt des steifen Vorlesens von vorn, habe ich mir damals von Norbert Elias’ fesselnden Vorträgen im Rhedaer Schloss und im Bielefelder Hörsaal für meine späteren Vorlesungen angeeignet. Das intrinsische, nach den eigenen Regeln soziologischen Denkens intensive Erschließen ganz neuer und fremder Gebiete für die Soziologie habe ich bei Niklas Luhmann – vorher natürlich auch bei der Marx›Praxisorientierten Schwerpunkten‹. Praxisorientierung, Lehrforschung und das Experimentieren damit galt ersteren als ›anrüchig‹. Es gab dort anfangs nur C3-Professuren. Sie wurden zunächst auch mit Personen besetzt, die über Praxiserfahrung verfügten, später jedoch immer weniger. 11 | Dazu mit Witz und blitzgescheit Dietmar Dath (2018).

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und später erst bei der Weber-Lektüre – aus der Nähe kennen und schätzen gelernt.12 Bei Jürgen Habermas – damals Gast im Schloss Rheda – und Claus Offe konnte man sich noch die Kunst der treffenden polemischen Zuspitzung abschauen. So lernte man noch die Errungenschaften und Reminiszenzen der Ordinarienuniversität kennen. Aber als junger Mitarbeiter an der Bielefelder Fakultät war man dann doch über die vielen Neuerungen froh, welche die neue Fakultätsorganisation in Satzung und im Umgang zwischen Professorenschaft und Mittelbau miteinander möglich machte: Man musste zum Beispiel nicht mehr hinnehmen, Texte im Namen des Professors zu verfassen oder dass dieser sich – ohne am Text mitgeschrieben zu haben – mit auf die Autorenliste setzte. Bemerkenswert war die Tatsache, dass man als Mitarbeiter in einem Fachgebiet sogar die grundlegenden Einführungsseminare, Lehrforschungen und eigene Forschungsseminare selbständig durchführen konnte. Gleichzeitig erwarb man sich dadurch die entsprechenden Kompetenzen für die Zwischen- oder Diplomabschluss-Prüfungen. Gleiches galt auch für die selbständige Durchführung von Forschungsprojekten. Nach der Rückkehr vom Soziologischen Forschungsinstitut (SOFI) in Göttingen konnte ich damals schon als Mitarbeiter ein eigenes Drittmittel-Projekt beantragen, drei Mitarbeiter einstellen und es selbständig durchführen. Darüber hinaus organisierte ich – quasi-kollegial – mit den Professoren Gert Schmidt und Johannes Berger als Dreier-Sprechergremium den Forschungsschwerpunkt »Zukunft der Arbeit«, in dem viele Drittmittel-Projekte, eben auch von Wissenschaftlichen Mitarbeitern, gebündelt waren und wo es schon eine eigene ›Working Paper‹-Reihe gab. Warum erwähne ich das? Um zu zeigen, dass alle die Möglichkeiten für den Mittelbau, die 30 Jahre später mit der Assistenz-Professur mühsam geschaffen wurden, damals schon gängige Praxis in den meisten praxisorientierten Bereichen an der Fakultät für Soziologie waren! Die Basiseinheiten waren in Fachbereichen organisiert, die zwar von den Professuren geleitet wurden, die jedoch in gemeinsamen AGs mit Beteiligung aller Wissenschaftlichen Mitarbeiter und zweier studentischer Vertreter die Lehre, die Lehrforschung und alle Angelegenheiten des jeweiligen Fachbereichs regelten. Wie weit die paritätische Mitbestimmung gehen konnte, das kann ich an einigen ungewöhnlichen und bemerkenswerten Verfahren illustrieren: Bei der Besetzung einer Wissenschaftlichen Assistentenstelle war es zweimal vorgekommen, dass sich die Mehrheit der AG eines praxisorientierten Fachgebiets gegen die Stimme des Fachgebietsleiters, eines Professors, durchgesetzt hat. Noch ungewöhnlicher: Sogar in einer Berufungskommission für 12 | Nähe heißt in diesem Fall: Wöchentlich von seiner Sekretärin ein neues vervielfältigtes Paper abholen, seinen Forschungsgang zu verfolgen – etwa die Lektüre von Duns Scotus’ (1266-1308) riesiger in Leder gebundener Ausgabe zum Kontingenzbegriff während der Fakultätskonferenzen – und monatlich nach seinen Neubestellungen für die Bibliothek zu schauen.

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die Besetzung der Professur in einem Praxisbereich konnte sich die Mehrheit aus Mitarbeitern und studentischem Vertreter aus dem Praxisgebiet mit ihrem Berufungsvorschlag gegenüber der Professorenschaft durchsetzen. Dass es sich dabei nicht um ideologisch verblendete Machtpolitik der Studierenden handelte, sondern eher um die Durchsetzung der Qualitäts- und praxisorientierten Kriterien bei der Auswahl von Personen – es gab auch und es gibt heute noch kollegiale oder theoriepolitische Klüngelei –, zeigen die Fakten: Die Qualität der wissenschaftlichen Publikationen wie der Forschungen dieser Person, ihr Wirken für die Praxis und für die Internationalität wurden Dekaden danach in der Evaluation der Soziologie durch den Wissenschaftsrat als eine der wenigen acht von insgesamt über 300 mit »exzellent« eingestuft. Die Fakultät war zwar für den Mittelbau kein selbstverständliches Reformparadies – man musste schon etwas dafür tun –, aber sie bot für die damalige Zeit reichlich Möglichkeiten für den wissenschaftlichen Nachwuchs, sich aus der Abhängigkeit von den Ordinarien – durch die Organisationsstrukturen begünstigt – zu lösen, sich Mentoren und Vorbilder frei zu wählen, die Risiken eigenständigen Lehrens und Forschens und die Pflichten verantwortungsvollen Lehrens, Prüfens und professionellen Entscheidens einzugehen. Das taten nicht alle, eher die Generation der Jüngeren, und besonders die politisch Engagierteren, die schon den neuen Studiengang durchlaufen hatten und durch ihn anders sozialisiert worden waren. Am Kleiderstil konnte man die Generationsunterschiede einigermaßen gut unterscheiden: vom seltenen Lehrstuhl-Assistenten mit Schlips oder später Rollkragenpulli über den reformorientierten Wissenschaftlichen Mitarbeiter im typischen Cord-Anzug bis hin zu dem jüngsten und in Bielefeld sozialisierten Nachwuchs mit legerer Lederjacke, Parker und Jeans.

V. »I n W ahrheit heisst e t was wollen ein E xperiment machen , um zu erfahren , was wir können .« (F riedrich N ie t zsche) Helmut Schelsky hatte den Traum einer elitären Forschungsuniversität ohne störende Studierende, jede Fakultät ein ›Advanced Center‹, in dem die Professoren in »Einsamkeit und Freiheit« (Schelsky 1963) forschen können; immerhin blieb davon das ›Zentrum für interdisziplinäre Forschung‹ (ZiF) übrig. Paul Mikat hatte den bildungspolitischen Plan, die akademische Ausbildung in Nordrhein-Westfalen stärker expandieren zu lassen, gleichzeitig die akademischen Fächer an die Erfordernisse von Industrie, Politik und Verwaltung anzupassen. Joachim Matthes, Franz-Xaver Kaufmann und die Mehrheit der neuberufenen Professoren entwickelten eigene Pläne und Konzepte für die Studien- und Fakultätsreform; sie mussten allerdings im Laufe der Umsetzungen und Auseinandersetzungen innerhalb der eigenen Gruppe wie auch mit

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den anderen beteiligten Gruppen immer wieder pragmatisch neue Kompromisse machen. Die Studierenden, soweit sie sich aktiv politisch engagierten, hatten anfangs auch eine Utopie, und zwar diejenige von einem autonomen »sozialistischen Studium« und einer »revolutionären Berufspraxis«. Für manche hieß das, auch eine Lehre zu machen und in die Betriebe zu gehen, für andere in die Lehrlingsbildung oder in die IG Metall-Weiterbildung für Vertrauensleute und für wieder andere, in den jeweiligen Praxisfeldern für eine radikale Erneuerung in Zusammenarbeit mit den Beteiligten, den alternativen Bewegungen und mit den Betroffenen für eine Erneuerung zu kämpfen. Herausgekommen ist aus all den verschiedenen Visionen und Konzeptionen, den Konflikten und bedingten Kooperationen innerhalb und zwischen den Gruppen letztlich ein neuartiges und zukunftsfähiges Studienmodell. Aus heutiger Sicht kann man das so nicht beabsichtigte Ergebnis dieses vielseitigen Experimentierens als eine gelungene Innovation bezeichnen. Aus heutiger Sicht kann man aber auch feststellen, dass mit immer längerem Abstand von den ›Gründerjahren‹ dieser Markenkern stark verblasst ist. Die aktive Professionalisierung ist im Vergleich zu anderen Orten und noch mehr zu anderen Fächern, etwa der Psychologie, der Ökonomie oder der Politikwissenschaft, auf halber Strecke liegen geblieben. Ist es jetzt nicht wieder an der Zeit, mit einer neuen Generation von Professorinnen und Professoren, eines diverser durchmischten Mittelbaus und einer an ›cooler‹ Praxis interessierten und digital versierten Studierendengeneration mit den eingespielten und bequem gewordenen Studienformen zu brechen? Erneut einen Raum für utopisches Denken, alternative Pläne, Lernpioniere, disruptive Lehrmodelle und erprobende Praktiken zu geben?

L iter atur Dahme, J./Rammert, W./Schneider, H.R., 1973: Berufsorientiertes Studium und sozialistische Praxis. Zur Kritik des Bielefelder Modells der praxisfeldorientierten Soziologieausbildung. S. 181-201 in: Universität Bielefeld (Hg.): Studienreform an der Fakultät für Soziologie. Bielefeld. Dath, D., 2018: Karl Marx. 100 Seiten. Leipzig: Reclam. Schelsky, H., 1963: Einsamkeit und Freiheit. Idee und Gestalt der deutschen Universität und ihrer Reformen. Reinbek: Rowohlt.

Strategische Partner Die Fakultät für Soziologie aus Sicht des Rektorats Hans-Martin Kruckis Rektorate von Universitäten sind Leitungsorgane zur Selbststeuerung äußerst komplex strukturierter und von hoher Autonomie ihrer Fakultäten und Einrichtungen gekennzeichneter Organisationen. Sie sind dabei nicht Teile klassischer Hierarchien mit Durchgriffsmöglichkeiten von oben nach unten, und selbst da, wo diese gegeben sind, ist es oft nicht sinnvoll, darauf zurückzugreifen. Noch mehr als in anderen Bereichen sind Leitungsaufgaben an deutschen Universitäten von Diplomatie und der Fähigkeit, die Beteiligten »mitzunehmen«, geprägt. Umso anspruchsvoller sind daher die Anforderungen an die Analysefähigkeit und die Kompetenz, Entscheidungen in eine für die Betroffenen adäquate Form zu bringen. Das Bielefelder Rektorat wurde schon vor langer Zeit als im Vergleich zu anderen Universitäten durchsetzungsfähiger beschrieben. Als besondere Stärke galt vor allem die Tatsache, dass hier auch Dezernenten und Referenten an den Rektoratssitzungen und den dort laufenden Diskussionen teilnahmen, ihre Expertise einbrachten und ein sehr genaues Bild von der Entscheidungsfindung erhielten. Diese seinerzeit von Rektor und Kanzler etablierte Praxis spielte zumindest in den ersten 30 Jahren des Bestehens der Universität eine wichtige Rolle (vgl. Krauß 1994: 37). Die daraus resultierende Fähigkeit, Entscheidungen im weiteren Verwaltungshandeln entsprechend differenziert darstellen zu können, trug deutlich zu deren Akzeptanz bei. Vor allem verhinderte die geschilderte Konstellation aber, dass akademische Selbstverwaltung und Universitätsverwaltung nur lose gekoppelt nebeneinanderherliefen oder sich sogar als Konkurrenten erlebten. Dass »die Organe der Universität, ihre Fakultäten und Einrichtungen […] vertrauensvoll« zusammenarbeiten (Universität Bielefeld 2015: 380), wie es die Grundordnung der Universität Bielefeld formuliert, bleibt dabei oberste Leitlinie und regulative Idee einer erfolgreichen akademischen Selbstverwaltung. Selbstverständlich ist der Blick des Rektorats auf die für Forschung und Lehre verantwortlichen Fakultäten grundsätzlich kein fachwissenschaftlicher, sondern eben der des Leitungsorgans einer Organisation auf ihre Teilorganisationen. Das schließt nicht aus, dass auch dort fachwissenschaftliche

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Kompetenz vorhanden ist, aber das ist von Zufällen abhängig, v.a., was die fachliche Herkunft von Rektor oder Prorektoren angeht. Natürlich geht es um Politik (oder neutraler gesagt: Steuerung), die im Zuge ihrer Urteilsbildung und Entscheidungsfindung versucht, auch auf möglichst »objektive« (quantitative) Daten zurückzugreifen. Mindestens so bedeutend wie quantifizierbare Aspekte sind zugleich solche, die sich der Messbarkeit entziehen: Die Reputation einzelner Wissenschaftler, Institute und Fakultäten, ihre Wahrnehmung in der Scientific Community, in der eigenen Universität und in der außeruniversitären Öffentlichkeit sowie Prognosen über die weitere Entwicklung von Lehr- und Forschungsgebieten sowohl generell wie vor Ort. Dass der Blick auf solche Faktoren stark von subjektiven Eindrücken und persönlichen Präferenzen geprägt sein kann, nimmt ihm nicht seine Relevanz, sondern ist Ansporn, in solchen Kontexten vor Entscheidungen umso intensiver zu diskutieren. Das kluge Rektorat setzt natürlich in erster Linie auf Autonomie und Selbststeuerung der Fakultäten und vermeidet, wann immer es geht, direkte Eingriffe. Stattdessen setzt es Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich die Fakultäten eigenständig weiterentwickeln können. Es bietet Unterstützung, wenn Projekte besonders vielversprechend erscheinen. Es setzt vor der Entscheidung über die Wiederzuweisung freigewordener Stellen Diskussionen zu künftigen Entwicklungen in der Fakultät in Gang und fordert damit Strukturentscheidungen ein. Und es greift ein, wenn Konflikte innerhalb einer Fakultät intern offensichtlich nicht mehr zu lösen sind – ein zum Glück seltenes Szenario. Seit die Konkurrenz zwischen den Universitäten national wie international an Schärfe zugenommen hat, setzt auch die Politik auf mehr Hochschulautonomie und fordert als Konsequenz daraus mehr Leitungskompetenz ein – sowohl auf Hochschul- (Rektorat) wie auf Fakultätsebene (Dekanin/Dekan oder Dekanat). Damit sieht sich das Rektorat notgedrungen stärker in der Rolle des »Antreibers«: Mehr Absolventen, weniger Studienabbrecher, mehr Drittmittel, mehr Frauen in der Wissenschaft, mehr Internationalität – nicht als Selbstzweck, sondern im Sinne der Erhaltung der Innovations- und Konkurrenzfähigkeit der Universität. Für die dazu erforderlichen strategischen Planungen braucht das Rektorat motivierte Partner in der Universität, und das sind als Grundeinheiten in Forschung und Lehre in erster Linie die Fakultäten. Dass sich Kongruenz der Blickwinkel von Rektorat und Fakultät auf komplexe Sachverhalte herstellt, ist dabei, überspitzt formuliert, eher ein glücklicher Zufall – strukturell vorgegeben scheint eher die Inkongruenz. Trotzdem resultiert daraus natürlich kein erstarrt-antipodisches Verhältnis, sondern so etwas wie ein intellektueller Wettstreit um den besten Weg zum gemeinsamen Ziel einer leistungsfähigen Universität. Ein Rektorat kann noch so ausgefeilte und ambitionierte strategische Planungen ausarbeiten – ohne die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die sich nicht gegängelt fühlen dürfen, läuft es damit schnell ins Leere. Das gilt für generelle Zielvorstellungen wie die dauerhafte Etablierung der Universität als klar überdurchschnittlich forschungsstarke Hochschule mit

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zumindest in Kernbereichen deutlicher internationaler Ausstrahlung. Ein besonders dickes und immer noch nicht ganz durchbohrtes Brett ist in diesem Kontext beispielsweise das Bemühen des Rektorats, Wettbewerbsmomente im Zusammenhang mit der Zuteilung von Haushaltsmitteln in die Fakultäten einzubauen. Dies löste eine lebhafte Diskussion über die Angemessenheit der dafür angedachten Parameter aus, über Sonderregelungen für besonders zu schützende Bereiche und vieles mehr. Die Tauglichkeit der für ein solches Verteilungsverfahren entwickelten komplexen Modelle lässt sich nur in der Praxis testen, und es liegt in der Natur der Sache, dass dann über eine große Zahl von Stellschrauben immer wieder nachreguliert werden muss.1 Kein Rektorat kann es sich daher leisten, sich bei seinen Entscheidungen allein auf die erwähnten Kennzahlen zu verlassen. Die auch diplomatisch bedeutsame Kunst besteht gerade darin, bedeutende nicht quantifizierbare Aspekte zu identifizieren und richtig einzuordnen – und das heißt nicht zuletzt, sie in ein sinnvolles Verhältnis zu den erwähnten quantifizierbaren Daten zu setzen. So wurde bei Diskussionen auf Rektoratssitzungen gern mit dem Argument vor der naheliegenden Hypostasierung des Kriteriums Drittmitteleinwerbung gewarnt, Niklas Luhmann habe nie eine einzige Mark an Drittmitteln eingeworben.2 »Weiche« Faktoren sind stärker von eigenen Eindrücken und der Beobachtung fremder Eindrücke abhängig als hard facts, aber sie sind in vielen Fällen nicht weniger wichtig. So war dem Rektorat die Bedeutung der Publikationen aus der Bielefelder Soziologie immer sehr bewusst – und das weniger unter quantitativen als unter qualitativen Aspekten. Der Anteil der hiesigen Sozial- und Geisteswissenschaftler an der »Suhrkamp-Kultur« (und die ging natürlich über den Verlag hinaus) um 1980, und damit an der 1 | Mit der aktuell laufenden Etablierung einer Medizinischen Fakultät steht eine derart gravierende strukturelle Änderung der Universität Bielefeld an, wie es sie seit der Integration der Pädagogischen Hochschule zu Beginn der 1980er Jahre nicht mehr gegeben hat. Im Kontext einer solchen Maßnahme ist es geradezu unumgänglich, dass innerhalb der Universität Sorgen um eine weitere Verknappung von Ressourcen sowie um die Verschiebung von Schwerpunkten der bisherigen Arbeit in Forschung und Lehre und den Stellenwert der eigenen Fakultät oder Einrichtung aufkommen. Für das Rektorat ist der Gründungsprozess einer Medizinischen Fakultät nach außen extrem anspruchsvoll, weil eine riesige Anzahl von externen Playern mit ausgeprägten Interessen und sehr unterschiedlichen Erwartungen unter einen Hut gebracht werden müssen. Mindestens genauso wichtig ist aber die Moderation nach innen, denn nur wenn innerhalb der Universität weitgehender Konsens darüber besteht, dass ein solches Projekt die Institution als Ganzes weiterbringen wird, kann es wirklich gelingen. Einmal mehr gilt: Konsens kann nicht verordnet werden – man muss überzeugen. 2 | Von Luhmann wird erzählt, er habe ein einziges Mal versucht, bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ein Drittmittelprojekt einzuwerben, und sei damit prompt gescheitert. Darauf habe er zurückgeschrieben, die DFG sei dazu da, Forschung zu fördern und nicht zu verhindern.

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intellektuellen Diskussion in der alten Bundesrepublik, war imponierend. Dies war sowohl für ambitionierte Studierende wie für Wissenschaftlerinnen ein starker Anreiz, nach Bielefeld zu kommen. Auch vordergründige Aspekte spielen beim Blick auf Fakultäten eine Rolle, vor allem, wenn sie als marketingrelevant angesehen werden. So wies die dem Rektorat unterstellte Pressestelle der Universität – sicher im Einvernehmen mit der Soziologie – gern auf die besondere Größe der Fakultät hin und sprach von der größten in Europa. Dass eigenständige Fakultäten für Soziologie eher nicht der Regelfall an Universitäten sind, wurde nicht allzu laut dazu gesagt. Aber nach und nach verblasste dieses quantitative Kriterium. Wirklich spannend wird das Quantitative natürlich erst, wenn klar ist, welche Qualität sich dahinter verbirgt – nämlich nicht zuletzt ein imponierend breites Spektrum von Lehr- und Forschungsfeldern in z.Zt. elf Arbeitsbereichen. Diese Breite geht immer noch auf Helmut Schelskys Konzipierung des Fakultätsprofils zurück 3 und wurde vom Rektorat später nie grundsätzlich in Frage gestellt, auch wenn in den vom Land verordneten Kürzungsrunden der Druck groß gewesen ist, den Stellenbestand der Soziologie auch bei den Professuren als (zu) üppig zu definieren und dann zuzugreifen – so wie das nach dem Zuwachs durch die PH-Integration bei den nicht-professoralen Stellen in erheblichem Umfang der Fall war. Bis in die 1990er Jahre mag bei aller für die Universität charakteristischen Nüchternheit dabei auch so etwas wie ein Schuss Emotionalität eine Rolle gespielt haben: Der bis damals im Rektorat vertretenen Gründergeneration der Universität Bielefeld um Karl Peter Grotemeyer war natürlich immer besonders bewusst, dass es sich bei der Soziologie (neben Mathematik und Rechtswissenschaft) um eine der drei Gründungsfakultäten der Universität handelte, also um etwas, das mit besonderer historischer Dignität ausgestattet war, zumal auf Schelsky nicht nur die Planung der Fakultät, sondern bekanntlich auch das Gründungskonzept für die »Reformuniversität« Bielefeld insgesamt zurück geht – gekennzeichnet von Forschungsorientierung und Interdisziplinarität (auch das Zentrum für interdisziplinäre Forschung [ZiF], dessen Bedeutung gerade für die Gründungsjahre der Universität nur schwer überschätzt werden kann, verdankt sich Schelskys wegweisenden Ideen). Dass die Dimensionierung der Fakultät dennoch möglicherweise nicht nur Vorteile mit sich brachte, wurde auch im Rektorat wahrgenommen: Je größer, desto amorpher – und damit umso schwieriger, so etwas wie eine gemeinsame Identität zu entwickeln und zu leben, was bei internen Konflikten nicht nur einmal zu Tage trat. Dass man in der Lage war, mit solchen Problemen letztlich konstruktiv umzugehen, zeigen von Fakultät und Rektorat gemeinsam vereinbarte Evaluierungen. In den ersten Jahrzehnten nach der Gründung der Universität Bielefeld war das Rektorat stark mit grundsätzlichen Fragen des Auf baus und leider 3 | Allerdings fehlte zu Beginn die empirische Sozialforschung, was im Rückblick als Konstruktionsfehler verstanden werden kann.

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auch schnell mit den Problemen von Unterfinanzierung und Kürzungsrunden befasst. Mit der erwähnten stärkeren (auch internationalen) Konkurrenz unter den Hochschulen, der Tendenz, statt einer auskömmlichen Grundfinanzierung Mittel immer mehr über Sonderprogramme nur projektartig zuzuteilen, aber auch mit der größeren Autonomisierung der Hochschulen sah sich das Rektorat zusehends außerdem (s.o.) in der Rolle des »Antreibers«. Mit dem Hochschulfreiheitsgesetz und der Einführung von Globalhaushalten in den Jahren nach 2000 zog sich das Ministerium weitgehend aus dem bisherigen Alltagsgeschäft zurück. Anstrengende Auseinandersetzungen – auch über kleinteilige Einzelentscheidungen – mit der Ministerialbürokratie gehören seitdem der Vergangenheit an (und wirken in der Rückschau umso grotesker), gleichzeitig wuchs die Handlungsfreiheit der Rektorate in erheblichem Umfang, genauso aber auch die Verantwortung für die Folgen des eigenen Tuns. Die immer stärker kriteriengesteuerte Zuweisung von Ressourcen durch das Land zwingt das Rektorat nicht nur zu immer genaueren Stärken-Schwächen-Analysen, sondern erhöht auch den Druck, identifizierten Schwächen (noch) ambitionierter nicht nur nachzugehen, sondern auch für ihre Beseitigung zu sorgen. Dies bekam auch die Fakultät für Soziologie zu spüren. Man mahnte im Laufe der Jahre unterschiedlich intensiv – mit Blick auf den Markenkern der Universität – mehr Interdisziplinarität bei der Fakultät an und wünschte eine stärkere Internationalisierung, nicht zuletzt, um für ausländische Studierende und Doktoranden attraktiv zu sein. In der Praxis meinte das v.a. mehr englischsprachige Lehrveranstaltungen. Angesichts der Größe der Fakultät herrschte auch nicht immer Zufriedenheit mit deren Drittmittelbilanz. Das Rektorat sah nicht zuletzt in den Jahren nach 2000 grundsätzlich mehr Potential für größere und große Verbundforschungsprojekte als genutzt wurde. Die nicht seltenen fakultätsinternen Auseinandersetzungen bildeten aus Rektoratssicht allerdings keine gute Voraussetzung für solche Projekte. Umso erfreulicher war daher die Tatsache, dass 2011 der Sonderforschungsbereich (SFB) »Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten« aus der Taufe gehoben werden konnte, der dann aber bedauerlicherweise nur eine Laufzeit von vier Jahren erreichte. Eines der seltenen Beispiele für ein ziemlich direktes Agieren des Rektorats in Fragen des Fakultätsprofils ist die Stärkung der Politikwissenschaft um die Jahrtausendwende. Man war damals der Ansicht, dass eine derart große Fakultät an dieser Stelle mehr vorweisen sollte, und diese reagierte entsprechend u.a. mit der Einführung eines neuen Studiengangs. Eine von außen sehr schwer durchschaubare Thematik ist das Schicksal der Wissenschafts- und Technikforschung an der Universität. Das dazu gegründete interdisziplinäre Institut (IWT) war maßgeblich von Soziologen geprägt und genoss einen herausragenden Ruf in der Scientific Community. Schwierigkeiten bei der Wiederbesetzung einer für das IWT zentralen Professur in der Soziologie ließen das Rektorat in einer ungewöhnlich direkten Weise in den Berufungsprozess intervenieren und zugleich eine intensive Moderatorenrolle übernehmen, als in diesem Kontext erhebliche institutsinterne Kon-

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flikte auf brachen. Aus seiner Sicht waren die aufgekommenen Probleme dann aber nicht lösbar, und es entschloss sich letztlich zur Auflösung des Instituts – auch wenn ihm klar gewesen sein muss, dass damit ein interdisziplinärer Kristallisationspunkt für ein wichtiges Forschungsfeld auf unbestimmte Zeit wegfallen würde. Selbstverständlich war es für die Fakultät kein Nachteil, dass mittlerweile vier Prorektorinnen und Prorektoren aus ihren Reihen stammten – alle waren dabei auf die Position »Prorektor/in für Struktur, Planung und Bauangelegenheiten« (und ihre Nachfolgebezeichnungen) abonniert. Die 17-jährige Amtszeit von Dietrich Storbeck stellt hier mit Abstand den Rekord dar. Seine bleibenden Verdienste liegen v.a. in seiner Rolle beim Auf bau der Universität und hier wiederum in dessen baulichen Aspekten. Es sollte aber auch nicht vergessen werden, dass es wesentlich ihm zu verdanken ist, dass der XIII. Weltkongress für Soziologie der International Sociological Association 1994 mit 4000 Teilnehmern in Bielefeld stattfinden konnte – eine selbstverständlich auch über die Scientific Community hinaus sehr öffentlichkeitswirksame Veranstaltung. Als »Großtat« von Prorektorin Karin Knorr-Cetina wurde es im Rektorat empfunden, den Uni-Senat 1992 von dem lange Zeit durchaus reserviert betrachteten Plan der Gründung einer Fakultät für Gesundheitswissenschaften zu überzeugen. Mit der monumentalen Wissenschaftlerfigur Niklas Luhmann wird die Soziologische Theorie immer als Markenzeichen mit der Fakultät – und damit auch mit der Universität als Ganzes – verbunden bleiben. Es ist kein Geheimnis, dass Luhmanns Stellung in der Fakultät keine unangefochtene war und es dort zu politischen Auseinandersetzungen kam, die im Rückblick z.T. nur noch schwer nachvollziehbar sind. Luhmann fühlte sich oft nicht wertgeschätzt und zog sich daher erst recht auf sein mit ungeheurer schriftstellerischer Produktivität verfolgtes Projekt des Entwurfs einer Theorie der modernen Gesellschaft zurück. Die Geschichte des schwierigen Verhältnisses der Fakultät zu ihrem Ausnahmewissenschaftler muss noch geschrieben werden, und es sollte auch klar sein, dass dessen Werk den Blick auf andere große Leistungen der Bielefelder Soziologie nicht verstellen darf. Zu dieser Geschichte müsste auch gehören, dass Grotemeyer und das Rektorat bei aller gebotenen Zurückhaltung, in Fakultätsangelegenheiten einzugreifen, Luhmann in einer eher stillen Diplomatie gelegentlich bei Konflikten den Rücken stärkten. Und offensichtlich hat dieser die Bielefelder Verhältnisse dann doch als für seine Ansprüche so passend empfunden, dass er nie ernsthaft erwogen hat, die Universität zu verlassen. Auf Initiative des Rektorats wurde ihm 1996 die Ehrensenatorwürde verliehen. In den 1980er und 1990er Jahren wuchs Luhmanns Ruhm trotz der erheblichen intellektuellen Anstrengung, die mit der Lektüre seiner Schriften verbunden ist, auch außerhalb der universitären Zirkel in erstaunliche Dimensionen. Jetzt erlangte er so etwas – ihm selbst sicher ein wenig unheimlich und vielleicht sogar absurd erscheinend – wie den Status eines wissenschaftlichen Popstars. Nach seinem Tod im Jahre 1998 setzten

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Fakultät und Rektorat alles daran, Luhmanns wissenschaftlichen Nachlass an »seiner« Universität aufzuarbeiten. Schon früh war klar, dass hier gewaltige Schätze darauf warteten, gehoben zu werden. Dass dieser Nachlass nach sehr langwierigen und komplizierten Verhandlungen erworben werden konnte, verdankt sich nicht zuletzt der Diplomatie und Ausdauer der damals zuständigen leitenden Verwaltungsmitarbeiterin. Ein weiterer gemeinsamer Kraftakt war die Einwerbung der Mittel für die systematische, auf Jahrzehnte angelegte Aufarbeitung des Nachlasses. Für die Öffentlichkeitsarbeit der Universität sind ikonographisch ergiebige Gegenstände wie Luhmanns legendärer Zettelkasten ein Glücksfall. Andererseits ist mit solchen Glücksfällen auch schnell die Gefahr der Musealisierung und Trivialisierung verbunden. Natürlich geht es auch um Wissenschaftsgeschichte und um das Andenken eines Mannes, dessen Renommee die Universität unendlich viel verdankt. Luhmann selbst ging es nie um etwas anderes als um die Fortentwicklung der Theorie der Gesellschaft, und er würde sicher mit Skepsis auf alle Aktivitäten blicken, die im Zusammenhang mit seiner Person nicht auf dieses Ziel ausgerichtet sind. Eine öffentlichkeitswirksame Referenz auf Luhmann ist auch der Wissenschaftspreis der Stadt Bielefeld, der im Gedenken an ihn alle zwei Jahre verliehen wird. Eine Neuerung, bei deren Etablierung das Rektorat eine wichtige Rolle spielte, war 2005 die Einrichtung einer Niklas-Luhmann-Gastprofessur, mit der renommierte Wissenschaftler für einige Wochen an die Fakultät geholt werden, um vor allem mit Doktoranden zu arbeiten, der Öffentlichkeit aber auch einen Eindruck von ihrer Forschungsarbeit zu verschaffen. Wie beim Wissenschaftspreis gilt auch für die Gastprofessur, dass es nicht um Wissenschaftler geht, die Luhmanns Theorietradition fortsetzen (wobei das nicht ausgeschlossen ist), sondern um solche, deren eigene Leistungen des Namensgebers würdig sind. Ein anderer ganz großer Name der Soziologie ist mit der Universität Bielefeld auf ungewöhnliche Weise verbunden: Norbert Elias verbrachte einen Großteil seiner späten Jahre am ZiF, wo er, in dieser Zeit auf einen festen Wohnsitz verzichtend, ein ideales Umfeld zum Leben und Arbeiten fand. 1980 verlieh ihm die Fakultät für Soziologie, die mit dieser Auszeichnung äußerst vorsichtig und umsichtig umgeht, ihren ersten Ehrendoktortitel überhaupt. In der Öffentlichkeit wurde das auch als symbolischer Versuch einer Wiedergutmachung der deutschen Wissenschaft für die viel zu späte Anerkennung des ehemaligen Emigranten verstanden. Und schließlich ist auch einer der Urväter der deutschen Soziologie untrennbar mit der Bielefelder Fakultät verbunden, auch wenn der Beginn seines Wirkens 90 Jahre vor deren Gründung lag: Die hier ins Werk gesetzte Georg Simmel-Gesamtausgabe, eine angesichts der Editionsgeschichte von Simmels Texten und der Verfolgung seiner Nachkommen durch das Nazi-Regime außerordentlich komplexe Aufgabe, hat nicht nur viele wissenschaftliche Experten interessiert, sondern war jahrzehntelang immer wieder Thema im anspruchsvollen Feuilleton – letzteres der Goldstandard für die Öffentlichkeitsarbeit einer Universität.

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Die Fakultät für Soziologie spielte nach der Jahrtausendwende eine wichtige Rolle für das ehrgeizige Projekt der Universität, nicht nur früh als Modellstandort die Umstellung auf das international etablierte Studienmodell nach Bachelor und Master zu realisieren, sondern in diesem Kontext auch möglichst flächendeckend als dritte Phase ein strukturiertes Promotionsstudium einzurichten. Dabei konnte man auf eine Vielzahl von Graduiertenkollegs rekurrieren, die an der Universität bereits gelaufen waren, und zu den in dieser Hinsicht erfahrenen Fakultäten gehörte auch die Soziologie. Zusammen mit der Abteilung Geschichtswissenschaft gelang ihr mit der Einwerbung einer »Bielefeld Graduate School in History and Sociology« (BGHS) der ganz große Wurf im Rahmen der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern. Die Exzellenzinitiative brachte aber Jahre später auch eine der großen Enttäuschungen: Ein vielversprechender Antrag auf einen Exzellenzforschungscluster scheiterte. Eine der vornehmsten Aufgaben des Rektorates ist, Forscher bei der Vorbereitung von Drittmittelanträgen sowohl mit Ressourcen wie ideell zu unterstützen. Die Bewilligungsquote ist in den letzten Jahrzehnten derart abgesunken, dass es immer schwieriger wird, Wissenschaftler zu motivieren, sich mit viel Zeitaufwand und hohem Risiko, anschließend mit leeren Händen dazustehen, überhaupt noch einem Antragsverfahren zu stellen. Dieses Risiko abzufedern muss daher umso mehr im Interesse der Universitätsleitung liegen, v.a., wenn es dabei um groß dimensionierte Projekte geht. Ein in dieser Hinsicht klassischer Fall war das Scheitern eines SFB-Antrags zum Thema »Weltgesellschaft« im Jahre 1999. Nach der sehr positiven wissenschaftlichen Begutachtung machte die Haushaltslage der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) einer Realisierung des SFB einen Strich durch die Rechnung. Aber mit vereinten Kräften retteten Fakultät und Rektorat den idealistischen Schwung und die wissenschaftliche Neugier aus der Beantragungsphase und etablierten aus eigener Kraft das »Institut für Weltgesellschaft«, das inzwischen sogar weit länger besteht als es für Sonderforschungsbereiche üblich ist. Nicht nur bei der Einwerbung großer Verbundforschungsprojekte bietet das Rektorat Unterstützung an, sondern auch bei Anträgen einzelner Wissenschaftler. Dies bezieht sich nicht zuletzt auf die sogenannten ERC Grants, Mittel der EU, mit denen herausragende Forscher über lange Zeiträume großzügig gefördert werden. Lange Zeit musste sich die Universität an dieser Stelle nur mit zwei Förderungen in den Naturwissenschaften begnügen. 2018 wurde eine Professorin aus der Soziologie dann zur großen Freude als erste Vertreterin der Geistes- und Sozialwissenschaften für ihre sozialanthropologischen Forschungen mit einem ERC Starting Grant ausgezeichnet. Mehr als die Aufpolierung der Drittmittelbilanz zählt bei solchen Förderungen das Renommee, das mit ihnen verbunden ist. Und wie man hört, soll dies im Kontext der Fakultät nicht das letzte Wort in puncto ERC Grants sein.4 4 | Ende März 2019: Inzwischen kam die Nachricht, dass einer weiteren Bielefelder Soziologin ein ERC Grant verliehen wird!

Strategische Par tner

Zweifellos war die Universität Bielefeld einer der Brennpunkte der frühen Frauen- und Geschlechterforschung, damals misstrauisch beäugt von denjenigen, denen der Radikalismus und die teilweise spektakulären Aktionsformen der Neuen Frauenbewegung suspekt waren. Dass deren Forderungen, auch (als Ausdruck einer gesamtgesellschaftlichen Tendenz) mit Blick auf die Unterrepräsentanz von Frauen in den Wissenschaften, im Kern berechtigt und zugleich der Forschungsbedarf immens war, ließ sich bei nüchterner Betrachtung aber schwerlich leugnen. Einer modernen Universität stand es gut zu Gesicht, an dieser Stelle ein deutliches Zeichen zu setzen – und damit wesentlicher Motor für die akademische Etablierung der Frauen- und Geschlechterforschung in Deutschland zu werden. Die Fakultät für Soziologie war einer der Kristallisationspunkte solcher frühen Forschungen in Bielefeld und Soziologinnen wahrscheinlich die wichtigste Gruppe von Wissenschaftlerinnen in der in bester Bielefelder Tradition etablierten IFF – damals noch die Abkürzung für »Interdisziplinäre Forschungsgruppe Frauenforschung«, später für »Interdisziplinäres Frauenforschungs-Zentrum« und schließlich IZG für »Interdisziplinäres Zentrum für Geschlechterforschung«. Die Geschichte dieser zentralen Forschungseinrichtung geht auf das Jahr 1980 zurück, und schon damals spielte das Rektorat an dieser Stelle eine konstruktive Rolle bei dem ursprünglichen Ziel, einen Universitätsschwerpunkt »Frauenforschung« zu errichten. Dies setzte sich u.a. fort, als in unterschiedlichen Fakultäten aus dem Landesprogramm »Netzwerk Frauenforschung« Stellen für Frauen- und Geschlechterforschung eingeworben wurden. Lange Zeit schien es, als sei Frauen- und Geschlechterforschung inzwischen ein unbestritten etablierter Bereich der Wissenschaft. Das hat sich mit dem Aufkommen des Rechtspopulismus auch in Deutschland geändert, und seit die Genderforschung 2018 in Ungarn mit fadenscheinigen Gründen in den staatlichen Hochschulen regelrecht verboten wurde, muss auch hier mit zunehmender Wissenschaftsfeindlichkeit gerechnet werden. Ein prägnantes Beispiel für das Zusammenwirken von Rektorat und Fakultät bei strategischen Zielen der Universität ist die schon angesprochene Vorgeschichte der Gründung der Fakultät für Gesundheitswissenschaften. Die Idee zu dieser Gründung kam im Wesentlichen aus dem Rektorat und verdankte sich der Einsicht, dass der international längst etablierte Lehr- und Forschungsbereich »Public Health« in Deutschland extrem unterentwickelt war. Sachlich war dies nicht nachvollziehbar, denn die Probleme eines komplexen Gesundheitssystems lagen natürlich längst auf der Hand, organisatorisch spielte dabei der an dieser Stelle nicht unbedingt förderliche Einfluss der auf andere Interessen ausgerichteten medizinischen Fakultäten an deutschen Universitäten eine nicht unwichtige Rolle. Der für manche auf den ersten Blick irritierende Gedanke, Gesundheitswissenschaften an einer Universität ohne Medizin, dafür aber mit starken Sozialwissenschaften aufzubauen, war daher mehr als stringent und die Soziologie dafür ein naheliegender Partner. Allerdings standen gesundheitswissenschaftliche Themen nicht im Fokus der Bie-

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lefelder Soziologie. Nach Überzeugungsarbeit des Rektorats war man in der Fakultät aber bereit, eine AG mit der Bezeichnung »Gesundheitswissenschaften und öffentliche Gesundheitsförderung« aufzubauen. Sie wurde dann zu einer der tragenden Säulen der 1994 neugegründeten Fakultät. Auf eine interessante Entwicklung sei abschließend noch hingewiesen: Bis vor etwa 20 Jahren waren die Universitätsverwaltungen im höheren Dienst – wie überall im öffentlichen Dienst – fast komplett von Juristen geprägt. Inzwischen werden v.a. an Stellen, die Planungs- und Managementkompetenzen erfordern, zusehends Absolventen anderer Fachrichtungen eingestellt. In Bielefeld (und sicher an vielen anderen Hochschulstandorten) dominieren dabei die Soziologen, und die wurden natürlich überwiegend vor Ort ausgebildet. Mit ihrer Kreativität und ihren spezifischen Kompetenzen arbeiten viele von ihnen dem Rektorat zu und beraten es zugleich. So entsteht ein Rückkopplungseffekt, der für eine realistische und noch differenziertere Sicht auf die Fakultät nur hilfreich sein kann. Realismus und Differenziertheit aber auch ganz generell: In der bis vor kurzem kaum für möglich gehaltenen globalen Krise der liberalen Demokratie ist die Aufklärung der Gesellschaft über sich selbst grundlegende Voraussetzung bei der Verteidigung und Weiterentwicklung mühsam erreichter zivilisatorischer Standards.

L iter atur Krauß, Hartmut (1994): Handlungsstrategien des Rektorats. In: Universität Bielefeld (Hg.): Reformuniversität Bielefeld 1969-1994. Bielefeld, S. 31-55. Universität Bielefeld (2015): Grundordnung der Universität vom 1. September 2015. In: Verkündungsblatt Universität Bielefeld, Amtliche Bekanntmachungen 44 (15): S. 378-387.

Größe – unterausgenutzt Uwe Schimank

Als ich im Wintersemester 1974/75 begann, in Bielefeld Soziologie zu studieren, hatte ich keine Ahnung, dass dieses Fach anderswo in Deutschland durch nur drei oder vier Professuren vertreten wurde – sogar die renommierte Kölner Schule bestand nur aus drei Ordinarien und einer C3-Professur. Ich nahm die Bielefelder Größe von mehr als 20 Professuren als selbstverständlich hin und wusste nicht, dass es deutschlandweit nur in Bielefeld eine eigene Fakultät für Soziologie – nicht bloß ein Institut – gab und bis heute gibt. Damals waren die altehrwürdige Soziologie an der University of Chicago und die gerade gegründete Bielefelder Fakultät die größten Soziologiestandorte weltweit; auch das war mir unbekannt. Diese Ahnungslosigkeit zeigt, wie begrenzt rational meine Studienortentscheidung war. Ich war gebürtiger Bielefelder, da bot es sich aus Gründen der Kostenersparnis an, erst einmal zu Hause wohnen zu bleiben – jedenfalls, wenn man aus einer bildungsfernen und nicht allzu begüterten Familie stammte. Das Ergebnis dieser Entscheidung habe ich dennoch nie bereut. Bis heute bin ich davon überzeugt, am besten aller zu der Zeit existierenden Studienorte Soziologie studiert zu haben. Ich erinnere mich noch, dass Claus Offe mir, als ich im Hauptstudium war, empfahl, ich solle doch mal für ein Semester ins Ausland gehen, etwa in die USA. Meine ganz spontane Antwort war: Wozu das denn – hier ist das Angebot doch viel besser als irgendwo sonst!1 Soweit erst einmal eine – wie ich glaube, nicht nostalgisch verklärte – Rückschau auf die Innenansicht, wie sie sich mir als Studierendem darbot! Zwei Jahre nach dem Diplom wurde ich 1981 in Bielefeld promoviert, arbeitete dann bis Ende 1983 in einem Forschungsprojekt an der Fakultät. Danach verließ ich Bielefeld,2 und seitdem habe ich eine Außenansicht auf die Fakultät. Diese Sicht beruht auf verschiedenen, oftmals eher sporadischen Eindrücken und 1 | Dass Auslandserfahrungen noch ganz andere Dimensionen als die Breite und Qualität des Lehrangebots haben, ging mir seinerzeit nicht auf. 2 | Ich habilitierte mich dort allerdings noch im Jahr 1994 – mit einer Arbeit, die am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln verfasst wurde.

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Informationen und bezieht sich nicht auf das Lehrangebot, sondern auf die an der Fakultät betriebene Forschung. Zur Forschung stellte die Arbeitsgruppe Forschungsrating des Wissenschaftsrats – der ich angehörte – im Jahr 2008 fest, dass Bielefeld nicht nur hinsichtlich seines quantitativen Outputs an Publikationen an der Spitze aller deutschen Soziologiestandorte lag, was angesichts der Größe der Fakultät für Soziologie nicht verwunderte, sondern dass die Publikationen auch überwiegend von guter oder sogar sehr guter Qualität waren, wenn auch Glanzlichter fehlten. Damit rangierte Bielefeld beim Kriterium Forschungsqualität mit einer Reihe anderer Standorte wie etwa auch Bamberg, Jena oder Konstanz ein Stück weit über dem Durchschnitt, allerdings deutlich hinter Spitzenstandorten wie Düsseldorf,3 Erfurt oder Mannheim (Wissenschaftsrat 2008: 450-508). Diese Einstufung Bielefelds – nicht unbedingt aller anderen genannten Standorte – für die ersten fünf Jahre des neuen Jahrtausends dürfte für die Jahrzehnte davor nicht viel anders gewesen sein, rechnet man den Luhmann-Effekt raus; und auch seitdem deutet nichts darauf hin, dass die Forschungsqualität signifikant nach oben geschnellt oder abgestürzt wäre. Als Aggregatergebnis kann sich das durchaus sehen lassen, denn hierbei kann Größe ja eher ein gewisser Nachteil sein. Ein Standort mit drei oder vier Professuren kann durch geschickte Berufungspolitik und ein Quäntchen Glück allesamt sehr gute und vielleicht auch eine exzellente Arbeitseinheit haben, während umgekehrt mit zunehmender Größe immer wahrscheinlicher ist, dass man auch einen gewissen Anteil mittelmäßiger Einheiten haben wird, die den Durchschnitt nach unten ziehen. Ich will diese respektable Einstufung der Bielefelder Forschungsleistungen im oberen Mittelfeld der deutschen Soziologie hier aber nicht weiter vertiefen, sondern mich einem anderen Punkt zuwenden. Schon zum 25-jährigen Jubiläum der Bielefelder Fakultät hielt Renate Mayntz (1995: 89) in ihrer damaligen »Außenansicht« fest: »Im Zentrum meines Bildes der Fakultät für Soziologie steht […] ein simples quantitatives Merkmal, die Vorstellung nämlich, dass es sich hier um die bedeutsamste Konzentration von Sozialwissenschaftlern […] an einer deutschen Universität handelt.« Daran anknüpfend frage ich im Weiteren: Was hat die Bielefelder Fakultät in Sachen Forschung aus ihrer Größe gemacht? Überspitzt gesagt: Hat sie etwas daraus gemacht oder hat sie sich so verhalten, als wäre sie nur mittelgroß wie z.B. das Institut für Soziologie der Universität Leipzig mit sechs Professuren oder so klein wie die Facheinheit Soziologie an der Universität Bayreuth mit drei Professuren? Verbindet man organisations- und wissenschaftssoziologische Perspektiven, kann man sich vor Augen führen, dass die Größe einer Organisation – bzw. einer relativ eigenständigen Teilorganisation wie etwa einer Fakultät – in sachlicher, sozialer und zeitlicher Hinsicht bestimmte Chancen bietet, die er3 | Wer hätte das gedacht! Ich erinnere mich an einen Anrufer aus dem nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerium, dem ich das erklären sollte.

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griffen oder eben nicht ergriffen werden können. Langjährige Insider könnten hierzu sicher viel sagen. Für einen Außenstehenden wie mich bedürfte es einer eigenen empirischen Untersuchung, um herauszufinden, welche dieser Chancen wann und wo wer in Bielefeld gesehen, erwogen und genutzt hat, und welche Chancen aus welchen guten oder schlechten Gründen ungenutzt blieben. Ohne mir in Ermangelung dessen ein schnelles Urteil anmaßen zu wollen, also hoffentlich ohne den Duktus des Großevaluators, will ich vor dem Hintergrund unvollständigen Wissens, aber eben auch nicht kompletten Unwissens, Fragen aufwerfen, die vielleicht Denkanstöße für zukünftige Fakultätspolitik werden könnten. In sachlicher Hinsicht bedeutet Größe für eine Einrichtung wie die Bielefelder Fakultät die Chance zur belebenden Vielfalt. In der thematischen Dimension ist diese Vielfalt als Arbeitsteilung in der Struktur der deutschen Universität organisational vorgesehen. Die Professuren und Arbeitsbereiche decken verschiedene Themenfelder ab, und zumeist kommt jede Denomination einer Professur nur ein einziges Mal vor. Letzteres ist in Bielefeld in einigen Fällen anders – siehe etwa zwei Professuren für Soziologische Theorie oder für Organisationssoziologie. Trotz dieser Dopplungen, die als besondere Bündelung der Aufmerksamkeit für die betreffenden Themen funktional sein können, hat die Fakultät ein breiteres Themenspektrum etabliert als jeder andere Standort, also thematische Vielfalt durchaus realisiert. Auch eine methodische Vielfalt kann man ihr nicht absprechen; nur wenige andere Standorte haben sowohl in den Qualitativen als auch in den Quantitativen Methoden Professuren – Bielefeld in Letzteren sogar zwei. Schließlich gibt es die zwei Professuren in der Soziologischen Theorie sowie eine Professur zur Geschichte der Soziologie. Das bietet ebenfalls ein andernorts nicht erreichbares Potential für Vielfalt der theoretischen Perspektiven. Vielfalt besagt freilich für sich genommen noch nichts. Ein bloßes Nebeneinander von Themen, methodischen Herangehensweisen und Theorieperspektiven kann zwar in der Lehre den Studierenden schon viel bieten, sie allerdings auch verwirren; doch spätestens für die Forschung käme es darauf an, dass die Vielfalt durch Verhältnisbestimmungen geordnet wird und so dann auch ein wechselseitiges Anregungspotential hervorbringt. Das setzt vor allem Diskussionsbereitschaft voraus. Ich kann, wie gesagt, nicht in die Fakultät hineinschauen; doch von außen betrachtet fallen einem diesbezüglich nicht viele sich in bestimmten Veranstaltungen, Projekten und letztlich Publikationen manifestierende und auch überlokal sichtbare und auf Beachtung gestoßene Aktivitäten ins Auge. Das gilt für innovative thematische Neukombinationen ebenso wie für Theoriedebatten oder für Mixed-Methods-Ansätze. Bielefeld ist in keiner dieser Hinsichten ein Ort, auf den man im Fach national oder international blickt. Um es für die Theoriediskussion, die ich am besten überblicke, noch etwas auszuführen: In den späten 1970er Jahren stand Bielefeld keineswegs bloß für

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Systemtheorie, auch wenn Niklas Luhmann alle anderen überragte. Bielefeld war zudem ein Ort, an dem interaktionistische und interpretative Ansätze weiterentwickelt wurden und woher wichtige neomarxistische Beiträge stammten, um nur diese beiden damals prominent vertretenen Richtungen anzuführen. Vor allem gab es Diskussionszusammenhänge. Ich erinnere mich – und das ist nur die Studierendensicht – z.B. an ein Seminar, in dem Johannes Berger und Joachim Matthes Marxismus und Interaktionismus verglichen, und ein anderes, in dem Claus Offe und Johannes Berger mit Luhmann über Systemtheorie stritten. Heute sollte man sich kritisch prüfen – was ich von außen gar nicht kann: Könnte es sein, dass in Bielefeld die Gesprächsfäden zwischen den verschiedenen Theorieperspektiven abgerissen sind? Wohlgemerkt: Dass die dort im Theoriebereich nunmehr dominierende Systemtheorie sich nach eigenem Interesse selektiv mit bestimmten anderen Perspektiven beschäftigt, sei ihr zugestanden. Es kann auch seinen guten Sinn haben, eine lokal verankerte Theorietradition fortzuführen – ebenso, dass Vertreter einer bestimmten Theorierichtung sich zumindest zeitweise ganz auf die Ausarbeitung des Eigenen konzentrieren. Und schon gar nicht soll irgendwer zum Theorienvergleich oder gar zur Theorienintegration – die ja auch keine Königswege sind – verdonnert werden. Aber irgendwie, so meint man als Außenstehender, müsste die Größe des Standorts doch auch eine gewisse Verpflichtung zur diskursiv ausgetragenen theoretischen Vielfalt sein. Alle anderen Standorte brauchen dazu überlokale Arenen; Bielefeld könnte es zusätzlich auch vor Ort inszenieren. Gleiches könnte man für thematische Neukombinationen – und für methodische Herangehensweisen – prüfen. Mit Bezug auf Erstere hätte Bielefeld der Ort sein können, wo – um ruhig mal die Phantasie ein wenig ins Kraut schießen zu lassen – die Entwicklungssoziologie mit der Biographieforschung, die Sozialpolitikforschung mit der Differenzierungstheorie, die Organisationssoziologie mit den kommunikativen Gattungen Verbindungen hätte erproben können. Zweifellos wäre Vieles schnell wieder verworfen worden; aber Manches hätte Furore machen können. Kaum etwas ist aber auch nur angedacht worden. Die zum 25-jährigen Bestehen der Fakultät für Soziologie für die Mitte der 1990er Jahre aufgestellte Bilanz von »Forschungsaktivitäten« – wie es bezeichnenderweise heißt – »in« den »Wissenschaftlichen Einheiten« verzeichnete keinerlei überraschende Querverbindungen, sondern spiegelte Schubladendenken wieder (Héritier/Hölscher 1995: 217-219). Daran scheint sich nichts geändert zu haben – von einer Gegenrede ließe ich mich nur zu gerne eines Besseren belehren. In der Sozialdimension steigert Größe die Chancen und die Anzahl möglicher lokaler Forschungskooperationen. Um es gleich vorab zu sagen: Ich bin kein Anhänger der Vorstellung, dass in den Sozialwissenschaften nur noch große Verbünde der Weisheit letzter Schluss sind. Ich bin dezidiert dafür, dass Individualforschung – auch ohne Drittmittel – anerkannt bleibt und dass die »Einzelförderung« der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) nicht weiter durch die »koordinierten Programme« verdrängt wird. Aber ich sehe um-

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gekehrt keinerlei sachlichen Grund, warum es keine sozialwissenschaftlichen Fragestellungen gibt, für die Sonderforschungsprogramme oder Exzellenzcluster – um nur diese beiden Förderformate zu nennen – die beste oder sogar einzig mögliche Organisationsform wären. Wenn das so ist, muss sich ein Standort wie Bielefeld, aus dessen Größe sich wiederum eine Prädestination herleiten ließe, die Frage gefallen lassen: Wie sieht es diesbezüglich aus? Bis heute: weitgehend Fehlanzeige. Wenige Soziologen beteiligten sich an Sonderforschungsbereichen, die federführend von anderen Fächern und Fakultäten betrieben wurden. Eigene Initiativen – etwa zur »Weltgesellschaft« – verliefen im Sande. Exzellenzclusteranträge blieben erfolglos. Ein Sonderforschungsbereich wurde im Jahr 2012 bewilligt, um nur vier Jahre später nach der ersten Förderphase eingestellt zu werden – was vielerlei, aber auch fakultätsinterne Gründe hatte. Mit Graduiertenkollegs und Graduate Schools war man etwas erfolgreicher – also mit solchen Initiativen, die de facto, jenseits der Lippenbekenntnisse im Antrag, weniger thematische Stringenz und Kooperationsbereitschaft abverlangen. Hier können sich Einzelkämpfer als Mannschaftsspieler ausgeben. Die Bielefelder Fakultät müsste eigentlich, als Konsequenz dessen, was ihre Größe ermöglichen kann, bei jeder Ausschreibung einer Professur Folgendes – ich zitiere die einschlägige Bremer Formulierung im Ausschreibungstext – als Muss-Kriterium setzen: »In der Forschung wird … eine Beteiligung an … sozialwissenschaftlichen Verbundforschungsinitiativen im Rahmen einer gut etablierten interdisziplinären Zusammenarbeit im Themenfeld … X erwartet.« Und was ich hier mit dem Platzhalter »X« eingefügt habe, müsste eine substantiell umschriebene und von vielen Professuren getragene Thematik sein, nicht nur so etwas Unverbindliches wie ein bestimmter theoretischer Ansatz. Faktisch hat Bielefeld hingegen offensichtlich weitgehend Einzelkämpferinnen rekrutiert, die dann auch keinen Grund mehr gesehen haben, Mannschaftsspielerinnen zu werden. Doch damit ist es eben – um eine Formulierung von Franz-Xaver Kaufmann (1997: 32) aufzugreifen – in Bielefeld, den organisational bereitgestellten Gelegenheitsstrukturen zum Trotz, bei »[…] der verbreiteten ›Kleinmeisterei‹ in der Soziologie […]« geblieben.4 In der Zeitdimension heißt Größe: Man kann mit höherer Verlässlichkeit Dauer- und Langzeitaufgaben in der Forschung übernehmen. Natürlich konnte und kann auch ein eher kleiner Standort wie Köln die Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie herausgeben, und an einem mittelgroßen Standort wie Bremen kann Quali-Service als bundesweites Archiv qualitativer sozialwissenschaftlicher Datensätze etabliert werden. Doch große Einrichtungen wie die Bielefelder Fakultät für Soziologie verringern für solche langfristig zu erhaltenden aufgabenspezifischen Infrastrukturen das Risiko, in Turbulenzen zu geraten, weil es im Fall der Fälle mehr Möglichkeiten für Auffanglösungen gibt. Im Einzelnen geht es – um die wichtigsten Dauer- und 4 | Kaufmann hat als einer der Wenigen in Bielefeld versucht, größere und dauerhaftere Forschungszusammenhänge zu etablieren.

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Langzeitaufgaben in den Sozialwissenschaften zu benennen – um Archive für Daten oder Schriften, um Fachzeitschriften und Schriftenreihen, um regelmäßig neu aufgelegte empirische Untersuchungen wie etwa bestimmte Surveys, um Summer Schools oder Vorlesungsreihen sowie um In- oder An-Institute, die Expertise in bestimmten Themenfeldern vorhalten und vielleicht auch, wie Beispiele anderswo etwa für die Arbeits- und Industriesoziologie zeigen, den Wissenstransfer zu außerwissenschaftlichen Nutzern managen. Die Bielefelder gründeten früh eine Zeitschrift – die Zeitschrift für Soziologie – und boten damit dem Fach eine weitere Publikationsplattform an, die gebraucht wurde und bis heute sehr gut läuft. Die Simmel-Werkausgabe wurde in Bielefeld zuverlässig betrieben. Vor wenigen Jahren wurde das Luhmann-Archiv etabliert, bei dem es noch zu früh ist, um dessen Nutzung bewerten zu können. Es gibt weiterhin das Datenservicezentrum Betriebs- und Organisationsdaten, das sicher einschlägig Forschenden nützliche Dienste leistet. Als themenfokussierte Institute sind vor allem drei anzuführen. Das nicht mehr existierende Institut für Wissenschafts- und Technikforschung war eine jahrzehntelang sehr erfolgreich arbeitende interdisziplinäre universitäre Einrichtung, in der die Soziologie eine prägende Rolle spielte; das Themenfeld des Instituts wird nun an der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie in einem Nachfolgeinstitut weitergeführt. Das an der Fakultät für Soziologie gegründete Institut für Sozialpolitik und Bevölkerungsentwicklung heißt inzwischen Institut für Bevölkerungs- und Gesundheitsforschung und ist an die Fakultät für Gesundheitswissenschaften abgewandert. Das ebenfalls an der Fakultät für Soziologie gegründete Institut für Weltgesellschaft schließlich existiert dort auch weiterhin als lockere interdisziplinäre Plattform für Forschungen zu transnationalen und globalen Phänomenen. Überregional sichtbar ist es, anders als etliche seiner Mitglieder, kaum. Hinsichtlich der Bedienung von Daueraufgaben stellt sich die Bielefelder Bilanz somit zwar etwas besser als in den anderen beiden Dimensionen dar, bleibt aber gemischt. Vor allem hing und hängt zu Vieles an einzelnen Professoren, und nur Weniges wird von einer größeren Gruppe getragen, die den Weggang oder Ausfall einer Person verkraften kann. Insgesamt ist mein – wohlgemerkt teilweise im Vermutungsduktus gehaltenes – Fazit: Die Bielefelder Fakultät für Soziologie macht aus dem Alleinstellungsmerkmal ihrer Größe nicht viel, um nicht zu sagen viel zu wenig. Damit werden dem Fach, nicht nur in Deutschland, bestimmte Arten von Forschung und Forschungsinfrastrukturen vorenthalten, von denen es mehr gebrauchen könnte. Anders gesagt: Bielefeld verweigert sich einem Teil dessen, was es aufgrund seiner Größe für das Fach leisten könnte und müsste. Wobei diese Feststellung wahrscheinlich zu intentionalistisch ist: Den meisten Bielefelderinnen dürfte gar nichts fehlen, sie haben als Einzelkämpferinnen eben kein Bewusstsein dafür, dass sie eigentlich neben dem, was sie je individuell in der

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Forschung leisten, gemeinsam noch etwas Anderes zu liefern hätten, weil sie eben in Bielefeld und nicht z.B. in Bayreuth tätig sind. Man sollte sich das vielleicht nochmal überlegen. Abgesehen von den angesprochenen fachlichen Erfordernissen, die man bedienen könnte, gäbe es auch noch ein – nachgeordnetes – fakultätsstrategisches Argument. Universitätsleitungen in Zeiten von Profilbildungsdruck tun sich schwer damit, wenn Fakultäten für nichts Bestimmtes stehen, sondern nicht mehr als die Summe von Einzelaktivitäten, wie gut auch immer diese sein mögen, sind. Aus dieser Verlegenheit, entweder in Allgemeinplätze oder in endlose kleinteilige Auflistungen flüchten zu müssen, wenn sie über ihre Fakultät für Soziologie reden, könnte man der Bielefelder Universitätsleitung heraushelfen, wenn man ihr ein kollektiv selbst erarbeitetes und gelebtes Profil präsentiert. Es soll schon vorgekommen sein, dass sich so zuvorkommend bediente Universitätsleitungen bei passender Gelegenheit ebenfalls entgegenkommend gezeigt haben.

L iter atur Héritier, Adrienne/Hölscher, Barbara (1995): »Forschung an der Fakultät für Soziologie«, in: Franz-Xaver Kaufmann/Rüdiger Korff (Hg.), Soziologie in Bielefeld – Ein Rückblick nach 25 Jahren, Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, S. 217-221. Kaufmann, Franz-Xaver (1997): »Ansprache«, in: Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung (Hg.), Von der Organisationssoziologie zur Gesellschaftsforschung – Reden zur Emeritierung von Renate Mayntz, Köln: Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, S. 31-34. Mayntz, Renate (1995): »Außenansicht der Fakultät für Soziologie in Bielefeld«, in: Franz-Xaver Kaufmann/Rüdiger Korff (Hg.), Soziologie in Bielefeld – Ein Rückblick nach 25 Jahren, Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, S. 88-90. Wissenschaftsrat (2008): Pilotstudie Forschungsrating. Empfehlungen und Dokumentation, Köln: Wissenschaftsrat.

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Niklas Luhmanns Sonderforschungsbereich zum Nulltarif Soziologie im Sog der universitären Profilneurose Richard Münch

Die Gründung einer ganzen Fakultät für Soziologie durch Helmut Schelsky, mit expliziter Orientierung am amerikanischen Department-System, hat Bielefeld zu einem ganz besonderen Standort und zum Zentrum der Soziologie in Deutschland gemacht. Und es war einer Vielzahl von Kollegen – und mit der Zeit zunehmend auch Kolleginnen – zu verdanken, dass die Bielefelder Soziologie weit in das Fach hinein ausstrahlte und dessen Entwicklung maßgeblich beeinflusste. Natürlich denken wir zuerst an Niklas Luhmann, der mit seiner fachuniversalen Systemtheorie der Soziologie eine theoretische Grundlage für die Ewigkeit gegeben hat, an der sich endlos Generationen von Soziologinnen und Soziologen abarbeiten können. Aber es wäre weit gefehlt, den Bielefelder Beitrag zur Entwicklung der Soziologie auf die Systemtheorie zu beschränken. Zu derselben Zeit, zu der Luhmann die Systemtheorie entfaltete, und in der Zeit danach, wurden in Bielefeld auch wesentliche Fortschritte in anderen Forschungsgebieten der Soziologie erzielt. Ich denke dabei z.B. an die soziologische Theorie im weiteren Sinn, an Entwicklungen der phänomenologischen Soziologie bzw. der Soziologie der Alltagswirklichkeit, der kommunikativen Sozialforschung und der Wissenssoziologie und die legendäre Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen, an die Bevölkerungssoziologie und die Soziologie des Wohlfahrtsstaates, an die Soziologie sozialer Probleme, die Wissenschaftssoziologie, die Politische Soziologie, die Entwicklungssoziologie, die Migrationssoziologie, die Soziologie der Weltgesellschaft, des Vergleichs und der Quantifizierung, die Religionssoziologie, die Rechtssoziologie, die Sozialstrukturanalyse, die Wirtschafts- und Organisationssoziologie, die Geschlechtersoziologie, die Industrie- und Arbeitssoziologie und die Methodologie. Das ist Soziologie in ihrer ganzen Vielfalt und Reichhaltigkeit. Genau dafür steht die Bielefelder Fakultät für Soziologie mit einer Vielzahl von Kolleginnen und Kollegen, die im Verlaufe der fünfzig Jahre ihres Bestehens maßgebliche Beiträge zur Entwicklung der genannten Forschungsgebiete ge-

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leistet haben. Die von der Fakultät seit 1972 herausgegebene Zeitschrift für Soziologie hat die Repräsentation soziologischer Vielfalt von Anfang an dezidiert zu ihrem Programm gemacht. Die Fakultät hat dafür durch den fortlaufenden Austausch der Herausgeber/innen und die Repräsentation der unterschiedlichen Paradigmen der Soziologie in der Herausgeberschaft und im Beirat die notwendigen organisationalen Voraussetzungen geschaffen. Daran zu erinnern und die Fakultät darin zu bestärken, erscheint mir in der gegenwärtigen Situation eines wachsenden Zwangs zur Einschränkung von Vielfalt, zwecks Profilbildung und Unterscheidung von anderen Standorten, von besonderer Wichtigkeit.

D ie U niversität in ihrem organisationalen F eld Nun befinden sich allerdings die Universitäten in einer Situation, in der es sich ihr Leitungspersonal nicht mehr leisten kann, es den Fakultäten zu überlassen, welche Forschungsstrategie sie verfolgen wollen. Für den in Deutschland ungewöhnlichen Fall einer ganzen Fakultät für Soziologie gilt das erst recht. Die Hochschulleitung handelt in einem organisationalen Feld, in dem betriebswirtschaftliche Methoden der Positionierung im »Wettbewerb« nach außen und des »Qualitätsmanagements« nach innen zur herrschenden Norm geworden sind. Das ist Kennzeichen des »akademischen Kapitalismus« (Münch 2014). Ob das der Forschung, der Lehre oder dem Transfer von Wissen in die Praxis oder in die Öffentlichkeit tatsächlich hilft, ist vollkommen gleichgültig. Wie wir aus der neoinstitutionalistischen Organisationsforschung wissen, kann meistens gar nicht genau festgestellt werden, ob bestimmte Maßnahmen tatsächlich zu besseren Leistungen führen. Wegen dieser Unsicherheit im Wissen, kommt der Unsicherheitsreduktion durch herrschende Managementkonzepte umso größere Bedeutung und Wirksamkeit zu. Universitätsleitungen müssen sich deshalb den gerade herrschenden Managementmoden anschließen, um in ihrem organisationalen Feld einen legitimen Status zu haben und ernst genommen zu werden (Meyer & Rowan 1977). Die maßgeblichen Akteure dieses Feldes sind Rektoren bzw. Präsidenten und Kanzler von Hochschulen, die Hochschulrektorenkonferenz, Organisationen der Forschungsförderung und in Deutschland mit besonderem Gewicht der Wissenschaftsrat (2010, 2013), der sich zu einem höchst einflussreichen Transmissionsriemen für die Implementierung der sich global verbreitenden Managementmoden entwickelt hat. Dabei verleihen viele Kommissionen und gestandene Wissenschaftler/innen der Umsetzung dieser Moden das für ihre Anerkennung unter Wissenschaftler/innen nötige Siegel der Konsekration, so dass sie unumgängliche Instrumente der Sicherung von Anerkennung und Förderung der Wissenschaft durch Politik und Öffentlichkeit werden. Es wird in der Regel argumentiert, dass Politik und Öffentlichkeit den Geldhahn zudrehen, wenn sich die Universitäten nicht den herrschenden Moden der strategischen Positionierung

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nach außen und des Qualitätsmanagements nach innen unterwerfen. Das Monitoring durch die externe Behauptung im Wettbewerb um Ranking-Positionen und durch das interne Qualitätsmanagement wird zum »Schutzgürtel« erklärt, innerhalb dessen die Wissenschaftler/innen dann gut finanziert ihrer Forschung nachgehen können. Das Monitoring soll nach außen dokumentieren, dass eine ständige Qualitätssicherung stattfindet, sodass die Geldgeber bereit sind, die Forschung zu unterstützen, ohne selbst im Einzelnen zu prüfen, ob auch in ihrem Interesse geforscht wird. Da es für diese Aussage kein gesichertes Wissen gibt, muss man sie eher als eine gern genutzte Legitimationsstrategie all der vielen Menschen betrachten, die mit der Umsetzung von New Public Management (NPM) ihr Einkommen sichern. Es ist ja nicht die »Öffentlichkeit«, die den Wissenschaftler/innen auf die Finger schauen möchte, sondern die Universitätsleitung, die selbst unter Kontrolle des zuständigen Ministeriums steht, das wiederum der Beobachtung der Anbieter von Rankings unterworfen ist, die damit ihr Geld verdienen. Und der »Schutzgürtel« schafft ja keine genuin professionelle »Accountability« der Wissenschaftler/ innen, sondern unterwirft ihre Tätigkeit einer bürokratisch-buchhalterischen Kontrolle. Die Logik der bürokratisch-buchhalterischen Rechenschaftslegung überlagert die Logik der professionellen Treuhänderschaft. Der Wissenschaftsrat (2013) empfiehlt den Universitäten vehement betriebswirtschaftliches Management mit strategischen Kompetenzen, also schlicht mehr Macht und Unabhängigkeit von universitären Gremien der Selbstverwaltung für die Universitätsleitung. Die erweiterte Macht soll für die strategische Profilierung genutzt werden, um sich im »Wettbewerb« besser behaupten zu können. Deshalb versuchen jetzt alle Universitätsleitungen, ihre Fakultäten auf bestimmte profilgebende Forschungsthemen zu verpflichten, wobei sich das Ergebnis zwischen nichtssagenden Leerformeln auf der einen Seite und einschnürender Zwangsverpflichtung auf eng gefasste Forschungsthemen auf der anderen Seite bewegt. Da die Hochschulleitungen in Deutschland de facto doch nicht genügend Durchsetzungsmacht haben, befindet sich die Realität dann bislang doch mehr auf der Seite der Leerformeln. Die Forschungsprofile sind dann Fassadenbau schönster neoinstitutionalistisch zu erklärender Art. Da auch bei der Wahl der Forschungsthemen in erster Linie Mechanismen der Unsicherheitsreduktion wirksam werden, stellt sich am Ende nicht selten heraus, dass auch hier statt des »Alleinstellungsmerkmals« die Nachahmung erfolgreicher Themenwahl vorherrscht, z.B. die Konjunktur der Bildungsforschung von vielen Standorten ihren Tribut verlangt. Auch der Bielefelder Fakultät für Soziologie bläst dieser Wind einer zur Epidemie ausgewachsenen kollektiven Profilneurose ins Gesicht. Im erwähnten organisationalen Feld kann die Hochschulleitung gar nicht anders handeln, als an die Fakultät die Erwartung einer stärkeren Profilierung heranzutragen, wenn sie anerkannt werden will. Hochschulleitungen müssen in diesem Feld Erfolge vorweisen können, die sich als Folge einer gezielten Profilierungsstrategie deuten und ihren Entscheidungen zurechnen lassen. Infolgedessen re-

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den sie heutzutage den Fakultäten viel mehr, als das früher der Fall war, in ihr Handwerk hinein und verlangen von ihnen eine in die Profilierungsstrategie der gesamten Universität eingepasste eigene Profilbildung. Sie müssen das erwarten. Wenn sie es nicht tun würden, müssten sie sich in ihrem relevanten Umfeld Tatenlosigkeit vorwerfen lassen.

D ie F akultät in ihrem organisationalen F eld Der Druck in die Richtung einer stärkeren Profilbildung, durch die Fokussierung auf ein enger begrenztes Spektrum von Forschungsthemen, steht nun im Konflikt mit der Tradition der Fakultät, die, neben dem durchaus möglichen Zusammenschluss von Gleichgesinnten zu einer gemeinsamen Forschungsagenda, immer auch Spielraum für Solitäre gelassen hat. Wenn ich an die spontane Zusammenarbeit von Gleichgesinnten in der Fakultät denke, dann fällt mir an erster Stelle die schon erwähnte Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen ein, die über einige Jahre hinweg gemeinsam die soziologische Erforschung der Alltagswirklichkeit vorangetrieben hat. Das waren Joachim Matthes, Werner Meinefeld, Fritz Schütze, Werner Springer, Ansgar Weymann und Ralf Bohnsack. Sie haben die Soziologie der Alltagswirklichkeit und das ihr eigene methodische Handwerkszeug zu einem »Markenzeichen« der Fakultät gemacht. In meiner rückblickenden Wahrnehmung von außen ist das durch die Zusammenarbeit von Gleichgesinnten und ohne jeglichen Beteiligungszwang geschehen. Die vollkommene Freiwilligkeit war mit Sicherheit eine Voraussetzung für das Engagement der Beteiligten und den Ertragsreichtum ihrer Forschung. Dazu kommen noch andere Fakultätsmitglieder, die auf ihre je eigene Art und Weise wesentliche Beiträge zur phänomenologischen Soziologie bzw. zur Wissenssoziologie geleistet haben, so Richard Grathoff, Karin Knorr-Cetina, Jörg Bergmann und Stefan Hirschauer. Ich würde sie dem Typus der Solitäre zurechnen, von denen nicht wenige maßgeblich das »Profil« der Fakultät geprägt haben. Das heißt, dass es individuelle Persönlichkeiten waren, die weithin sichtbare Forschungsleistungen erbracht und damit die Reputation der Fakultät gesteigert haben. Der Prototyp des Solitärs mit überragender Bedeutung war natürlich Niklas Luhmann. Er hatte ja im Jahre 1968 – wie allseits bekannt ist – als frisch berufener junger Professor die Frechheit, der damaligen Hochschulleitung sein Forschungsprogramm wie folgt zu beschreiben: »Projekt: Theorie der Gesellschaft. Dauer: 30 Jahre. Kosten: keine.« (Luhmann 1998: 6) Im Zeitalter der Zielvereinbarung käme er mit dieser kurzen Beschreibung seines Projektes nicht mehr durch. Vor allem müsste die Hochschulleitung monieren, dass das Projekt, außer seiner eigenen Professorenstelle, keine Kosten verursache. Forschungskosten sind ja eine Größe, die heutzutage für Qualität und Reputation steht. Natürlich sind es Kosten, die nicht von der Universität aus ihren Grundmitteln getragen, sondern durch die Einwerbung von Drittmitteln finanziert

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werden. Das verschafft der Universitätsleitung die Möglichkeit, in ihrem Jahresbericht mit großem Stolz die allfällige Steigerung der Drittmitteleinnahmen zu verkünden. Und um dabei auch garantiert richtig sichtbar erfolgreich zu sein, müssen die Hochschulleitungen alles daran setzen, dass vor allem Mittel für große Verbundprojekte eingeworben werden, die über einen längeren Zeitraum Millioneneinnahmen garantieren. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ist dementsprechend von ihren führenden Mitgliedern darauf eingestellt worden, zwischen 60 und 65 Prozent ihres jährlichen Etats für sogenannte koordinierte Programme und Exzellenzförderung auszugeben (DFG 2009: 19, 2018: Tab. 2-4). Damit sichern sich die großen Forschungsstandorte, die leicht die dafür erforderliche kritische Masse auf bringen können, ihren auf Dauer gestellten Drittmitteletat, ohne dass das der Lotterie vieler kleiner Anträge in der Einzelförderung überlassen werden muss. Spiegelbildlich dazu bilden sich an den entsprechenden Standorten, an denen sich Sonderforschungsbereiche (SFBs) – oder noch besser: Exzellenzcluster – sammeln, ganze Heerscharen von Doktoranden und Doktorandinnen, die weiterbeschäftigt werden wollen und dementsprechend einen maßgeblichen Teil zur Dauereinrichtung von drittmittelfinanzierten Verbundprojekten beitragen. Das typische Produkt dieser Einrichtungen sind immer mehr Zeitschriftenoder Sammelbandaufsätze in Mehrfachautorenschaft, die immer häufiger dann auch den Inhalt der kumulativen Dissertationen bilden. Zeit und Muße für die Entwicklung eines eigenen Forschungsprofils und einer persönlichen Identität gibt es in solchen Forschungsfabriken nicht. Paradoxerweise erzeugt der Zwang zur kollektiven Profilbildung durch die Einrichtung eines großen Forschungsverbundes auf der individuellen Ebene der Nachwuchswissenschaftler/innen eine massenhafte Profillosigkeit. Ihre persönliche Karriere muss auf dem Altar der Steigerung der Drittmitteleinnahmen durch große Verbundprojekte geopfert werden. Und die Professoren und Professorinnen, die sich in Einheiten von 15 bis 20 »Principal Investigators« zusammentun und den Verbund in unablässiger Antrags-, Koordinierungs-, Management- und Dokumentationsarbeit am Laufen halten, müssen einen großen Teil ihrer Zeit und Energie in Tätigkeiten stecken, bei denen auch sie ihr eigenes Forschungsprofil und ihre eigene Persönlichkeit dem Kult der kollektiven Profilierung der Universität und ihrer Leitung opfern müssen. Für Solitäre vom Schlage eines Niklas Luhmann ist in diesem System kein Platz. Hätte Luhmann für sein Projekt einen Antrag bei der DFG stellen müssen oder zum Wohle seiner Universitätsleitung gar einen Sonderforschungsbereich zur Systemtheorie der Gesellschaft beantragen müssen, dann gäbe es das Werk, das er dann tatsächlich nach exakt 30 Jahren hinterlassen hat, nicht. Nun ist es allerdings sicherlich ungerecht, den »Output« eines typischen Sonderforschungsbereichs mit dem »Output« eines Genies wie Niklas Luhmann zu vergleichen. Im Unterschied zur Forschung eines Solitärs garantiert eben ein Sonderforschungsbereich genau das standardisierte Produkt massenhaft, für das die fabrikmäßige Fertigung die geeignete Produktionsweise ist. Da-

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gegen kommen natürlich auf einen Luhmann unzählige Solitäre, die nicht mehr schaffen als die soundsovielte Kommentierung eines Werkstücks von Niklas Luhmann. Aber auch sie haben ihre wissenschaftliche Existenzberechtigung. Das Werk von Niklas Luhmann hat ja gerade deshalb einen so großen Wert, weil es eine so große Zahl von Kommentatoren und Weiterentwicklern gibt, die damit etwas anfangen können. In diesem Sinne ist auch der Solitär Luhmann ein Koordinator eines riesigen Forschungsverbundes gewesen und ist es auch posthum immer noch. Dieser Forschungsverbund unterscheidet sich aber von einem typischen Sonderforschungsbereich darin, dass kein Sprecher und keine 15 bis 20 »Principal Investigators« einen Drittmittelantrag stellen, Koordinations-, Management- und Dokumentationsarbeit verrichten mussten und der Verbund auch noch weiterlebt, wenn unzählige Sonderforschungsbereiche längst das Zeitliche gesegnet haben. Alle ihm zur Verfügung stehende Zeit und Energie konnte der »Sprecher« dieses Sonderforschungsbereichs direkt in die Forschungs- und Publikationsarbeit stecken. Und dennoch hat er ein Kooperationsnetzwerk »koordiniert«, das über die Größenordnung und Bestandszeit eines Sonderforschungsbereichs weit hinausgeht. Und man lasse sich angesichts der horrenden Kosten herkömmlicher Sonderforschungsbereiche auf der Zunge zergehen: »Kosten: keine.« Gegen meine Kostenrechnung für SFBs könnte man natürlich einwenden, dass es zum »Sprecher« Luhmann keine Parallele gibt. Das ist in der Größenordnung sicherlich richtig. Aber auch in viel kleineren Dimensionen besteht wissenschaftliche Forschung aus einer Vielzahl von mehr oder weniger großen und dichten Netzwerken, deren »Output« es leicht mit jedem SFB aufnehmen kann, aber eben wie derjenige des Luhmannschen SFBs gar keine Kosten über die ohnehin anfallenden Aufwendungen für Gehälter, Sach- und Reisemittel hinaus verursacht. Allerdings kann sich keine einzelne Universitätsleitung diesen SFB-Output ans Revers heften. Das ist der wesentliche Grund, warum es standortgebundene SFBs auch für Fächer geben muss, für die sie gar nicht geeignet sind. Man sieht hier auch, dass die Produktion neuer Erkenntnisse in Diskursgemeinschaften stattfindet, die an keinerlei universitäre Verbünde und Grenzen gebunden sind und über die fachspezifisch variierende kritische Masse hinaus keinerlei weiterer Organisation und Zielführung von oben bedürfen. Neue Erkenntnisse werden immer irgendwo entstehen, und zwar immer allein aus dem Erkenntnistrieb der Forscher/innen und spontanen Zusammenschlüssen heraus, niemals aufgrund irgendwelcher Zielvereinbarungen, Anordnungen und organisatorischen Vorkehrungen, immer da, wo der Entfaltungsspielraum am größten ist, kleine Teams ohne Antrags- und Dokumentationsdruck allein ihrer Neugierde folgen (Heinze et al. 2009).

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D ie F orschung in ihrem organisationalen F eld Der angebliche Wettbewerb zwischen Universitäten um Forschungsleistungen ist in Wirklichkeit ein Wettbewerb um die erfolgreichsten Forscher/innen. Da sich diese nicht beliebig vermehren lassen, handelt es sich dabei um eine Art von akademischem Kannibalismus. Universitätsleitungen können grundsätzlich nichts am 20/80-Verhältnis der wissenschaftlichen Produktivität verändern, sie können sich lediglich auf Kosten anderer Universitäten einen größeren Teil der 20 Prozent erfolgreichsten Forscher/innen sichern. Dem Brain Gain der einen korrespondiert exakt ein Brain Drain der anderen. Ein Erkenntniszuwachs für das ganze System ergäbe sich aus dem Wettbewerb um Forschungsgelder nur, wenn sie sich dadurch insgesamt vermehren ließen, sodass mehr Forscher/innen beschäftigt werden können. Das ist nur in solchen Systemen der Fall, in denen wie in den USA privates Fundraising in großem Umfang betrieben wird. Da könnte man aber von einem übergeordneten, über die Wissenschaft hinausschauenden Standpunkt aus sagen, dass diese Art der Forschungsfinanzierung zwar riesige Reichtümer an Eliteuniversitäten schafft, dafür aber die breite Masse der staatlichen Universitäten und Colleges im Vergleich umso ärmer und umso weniger sichtbar ist, ganz zu schweigen von den staatlichen Schulen und Einrichtungen der Wohlfahrtssicherung. In der Wissenschaft selbst fällt die höchst ungleiche Vermehrung von Forschungsgeldern durch aggressives Fundraising dem Gesetz der Überinvestition in der Spitze und der Unterinvestition in der Breite anheim, sodass zwar mehr Mittel im System sind, diese aber weniger effizient eingesetzt werden (Münch 2014: 223-228, 231-233). So hat man am Ende gar nichts gewonnen. Wir lernen daraus, dass Universitätsleitungen keinen Unterschied im Gesamtsystem der Forschung machen. Sie sind praktisch überflüssig. Es würden im Gesamtsystem nicht weniger Erkenntnisse produziert, nicht weniger gut ausgebildete Absolventen und Absolventinnen in den Arbeitsmarkt entlassen und nicht weniger Wissenstransfers in die Praxis erbracht, wenn die Hochschulleitungen für nicht mehr zuständig wären als die regelmäßigen Gehaltszahlungen der Professoren und Professorinnen sowie der Mitarbeiter/innen, die Immatrikulation und Exmatrikulation der Studierenden, die Verwaltung der Prüfungen, eine gut ausgestattete Bibliothek, ein funktionierendes Rechenzentrum und die Unterhaltung der Gebäude. Man benötigt dafür eigentlich nur einen Kanzler bzw. eine Kanzlerin. Die Leitung wäre allein das, was man einmal unter einem Rektorat verstanden hat, bei dem der Rektor als primus inter pares für eine begrenzte Zeit die Geschäfte der akademischen Selbstverwaltung geleitet hat. Das geht heute nur deshalb nicht mehr, weil NPM der Hochschulleitung Aufgaben zuweist, die sie gar nicht erfüllen kann. Sie kann weder die Erkenntnisse vermehren, noch kann sie die Lehre verbessern, noch kann sie Wissen in die Praxis oder die Öffentlichkeit transferieren. Jeder Steuerungsversuch der Hochschulleitung führt unvermeidlich zu massiven Deformationen dieser Produkte und zu entsprechenden Qualitätseinbußen.

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NPM macht demgemäß Hochschulleitungen entweder zu Parasiten eines auch ohne sie funktionierenden Systems oder zu Störfaktoren, die das Leistungsniveau des Gesamtsystems Wissenschaft massiv beeinträchtigen, mögen sie auch noch so erfolgreich ihre eigene Universität im Sinne des akademischen Kannibalismus zum Nachteil anderer Universitäten in die Top-Ränge akademischer Rankings gebracht haben. Halt! »Die Universität hat heute viel mehr Aufgaben als zu den idyllischen Zeiten der akademischen Selbstverwaltung«, wird uns gebetsmühlenartig entgegengehalten. Ich sage dazu: »Nein!« Ich mag vielleicht blind sein, ich habe davon aber in 50 Jahren Forschung und Lehre nichts bemerkt. Sie sind immer noch dasselbe. Hinzugekommen sind lediglich die allfälligen Antrags-, Koordinations-, und Dokumentationstätigkeiten im Gefolge von NPM, also Bürokratie in einem zuvor bürokratiefreien Raum. Stefan Kühl (2012) hat das wunderbar am Beispiel des Bologna-Sudokus für die Lehre gezeigt. Die »neuen« Aufgaben dienen in erster Linie der Selbstbeschäftigung der neuen »starken« Universitätsleitung der »All-Administrative University«, deren hauptsächliche Leistung für Forschung und Lehre sowie auch für Wissenstransfer eben in deren Angleichung an die administrative Welt besteht, nicht zu ihrem Besten, sondern zu ihrem Schaden (Tuchman 2009; Ginsberg 2011). Nicht selten ist dann für die alten reinen Verwaltungsaufgaben nicht mehr genug Kapazität vorhanden. Und es fehlt die »alte« Routine, wenn die Verwaltungsangestellten nach dem betriebswirtschaftlichen Katechismus im Prozess der »Job Rotation« genau dann den Arbeitsplatz wechseln, wenn sie sich ordentlich eingearbeitet haben. Von der erwünschten Motivationssteigerung durch die Konfrontation mit immer neuen Aufgaben ist in diesem System der permanenten Unsicherheit über die korrekte Aufgabenerledigung nichts zu sehen. Für Niklas Luhmann und seinen SFB zur Systemtheorie der Gesellschaft hat es – etwas zugespitzt gesagt – weitgehend ausgereicht, dass seine Universitätsleitung an kalten Tagen für das Funktionieren der Heizung in seinem Dienstzimmer, im Hörsaal und im Seminarraum sorgte. Viel mehr war nicht erforderlich. Was machen aber eine Universität und eine Fakultät, die nicht wissen, ob in einem frisch berufenen jungen Professor ein Luhmann steckt oder nur ein weiterer Kommentator von ihm? Im Jahre 1968 wusste die damalige Universitätsleitung auch nicht, welche Großtaten der junge Professor im Verlaufe seines akademischen Lebens vollbringen wird. Sie stand aber auch nicht unter der Beobachtung, wie sie durch die Agenda von »Transparenz« und »Accountability« vom NPM errichtet wurde (Power 1997; Anderson 2009). Sie hat einfach der Intelligenz des Berufungsverfahrens vertraut und dementsprechend – heute würde man wohl sagen »naiv« – angenommen, dass der frisch berufene Professor so viel akademische Sozialisation erfahren hat und so viel Ehrgeiz und Können mitbringt, dass er selbst am besten einschätzen kann, auf welchem Weg er zum größtmöglichen Erfolg gelangt.

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W elche O rganisation für die F orschung ? Die wissenschaftliche Welt, in der Niklas Luhmann sein Genie entfalten und seinen SFB ohne jeglichen Extra-Aufwand koordinieren konnte, gibt es nicht mehr. Deshalb wäre es auch vollkommen deplatziert, in der heutigen Wissenschaftswelt bei Berufungsverfahren nach neuen Luhmanns zu suchen, denn ihnen fehlt der Humus, in dem sie allein gedeihen können. Ein Genie wie Luhmann wird man ohnehin kein zweites Mal finden, auch nicht unter wesentlich besseren Bedingungen als in der heutigen, von NPM beherrschten Wissenschaftswelt. Genies gibt es ja per definitionem nur höchst selten, also darf es auch etwas weniger einzigartig sein, aber eine gewisse persönliche Eigenständigkeit jenseits der fabrikmäßigen Produktion des Standardaufsatzes sollte es dann im Interesse des guten Gedeihens der Forschung doch sein. Das gilt generell für jede Wissenschaft, aber für die Soziologie doch in besonderer Weise, was damit zusammenhängt, dass sie sich in ihrem Reichtum nicht auf das den Naturwissenschaften angelehnte Paradigma der empirisch-analytischen Soziologie reduzieren lässt, sondern umso mehr kreative, ja bis zum Künstlerischen reichende Fähigkeiten verlangt, je weiter wir uns auf ihre geisteswissenschaftliche Seite begeben (Akademie für Soziologie 2017; Münch 2018). Es ist ja kein Geheimnis, dass im Rahmen des empirisch-analytischen Paradigmas am besten berechenbar sowie erlernbar und damit eben auch fabrikmäßig geforscht werden kann. Auf diese Weise lassen sich auch am leichtesten die herrschenden Evaluationskriterien erfüllen. Diesem Modell zu folgen, ist dann immer ein Vorteil, wenn es gilt, sich der Beurteilung von außen zu stellen. Auch ein extrem aufwendiges, auf Multidimensionalität in den Bewertungskriterien setzendes, nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführtes Verfahren wie das 2008 vom Wissenschaftsrat (2008) veröffentlichte Forschungsrating Soziologie konnte sich nur in relativ engen Grenzen diesem Standardisierungsdruck entziehen. Es war zwar möglich, in den sehr sichtbaren Einzelfällen, allen paradigmatischen Richtungen gerecht zu werden, im Durchschnitt hatten es jedoch Fachbereiche leichter, den Kriterien zu entsprechen, die den Standardaufsatz zu ihrem wesentlichen Leitmedium der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen gemacht haben (Münch & Baier 2009). Eine wenig beachtete Besonderheit des Ratings war allerdings, dass bei der Beurteilung der Forschungsqualität der Forschungseinheiten und der Effizienz der ganzen Forschungseinrichtungen rigoros Publikationen pro Personaleinsatz zählten, sodass sich zu viele Drittmittelmitarbeiter/innen, die den Publikationsoutput nicht erhöht haben, negativ auf die Bewertung der Qualität einer Forschungseinheit bzw. der Effizienz einer ganzen Forschungseinrichtung ausgewirkt haben. Allein die Bewertung des Impacts einer ganzen Einrichtung hing natürlich von deren Größe, einschließlich der Zahl ihrer Drittmittelmitarbeiter/innen, ab (Münch 2009). Eine Besonderheit des Forschungsratings war, dass Promovierende mit einem Stipendium nicht als Mitarbeiter/innen gerechnet wurden und deshalb

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den Nenner bei der Berechnung des Verhältnisses von Publikationen zum Personaleinsatz nicht vergrößert haben. Die Einrichtung eines Graduiertenkollegs ist deshalb in dieser Hinsicht gegenüber einem Sonderforschungsbereich im klaren Vorteil. Man mag sich dabei fragen, ob das nicht eine recht willkürliche Unterscheidung und eine unsachgemäße und ungerechte Privilegierung von Graduiertenkollegs oder Graduiertenschulen gegenüber Sonderforschungsbereichen ist. Auf den ersten Blick mag das so aussehen. Auf den zweiten Blick lassen sich für diese Unterscheidung jedoch sachliche Gründe nennen, die in der Regel nicht genügend gewürdigt werden. Bei einem Graduiertenkolleg gibt es ein meist recht breit gewähltes Thema, bei einer Graduiertenschule nur einen sehr allgemeinen Rahmen, wenn überhaupt, und es bewerben sich Kandidaten bzw. Kandidatinnen mit eigenen Projektideen, die bei Aufnahme in das Kolleg bzw. die Schule in einem fortlaufenden Diskurs, an dem die Betreuer/innen und alle einbezogenen Promovierenden beteiligt sind, weiterentwickelt und schließlich in eine Dissertation umgesetzt werden. Außerdem suchen sich die Promovierenden nach der Idee der Graduiertenkollegs ihre Betreuer/innen aus, und gerade nicht die Betreuer/innen potentielle Mitarbeiter/innen für ihre eigene Forschung. Von den Betreuer/innen verlangt das ein Höchstmaß der Flexibilität und des Eingehens auf die einzelnen Dissertationsprojekte. In einem Drittmittelprojekt im Einzelfall oder im Verbund werden dagegen gezielt Mitarbeiter/innen für die Durchführung eines durchgeplanten Projektes gesucht. Das ist ein riesiger Unterschied. Während das Graduiertenkolleg und die Graduiertenschule in höchstem Maße auf die Eigenständigkeit und Kreativität der Promovierenden und auf den Diskurs setzen, verlangt das Drittmittelprojekt unterwerfungswillige Mitarbeiter/innen, die ein Projekt genau so ausführen, wie es vom Projektleiter geplant wurde. Wenn wir das alles zur Kenntnis nehmen und daran interessiert sind, für das Fach eigenständige und kreative Forscherpersönlichkeiten mit eigenem Kopf zu gewinnen und sie in ihrer Entwicklung zu fördern, dann müssten wir bei der DFG mit größtem Nachdruck darauf hinwirken, dass im Bereich der Sozial- und Geisteswissenschaften die Förderung von Graduiertenkollegs weitaus den Vorzug vor der Förderung großer Verbundprojekte bekommt, ja sogar Exzellenzcluster und Sonderforschungsbereiche ganz abgeschafft werden, weil sie sich auf die Nachwuchsförderung eindeutig kontraproduktiv auswirken.

S chlussbemerkungen Aus der dargelegten Sicht auf unsere Disziplin hat die Fakultät für Soziologie gute Gründe, im Wesentlichen an ihrer traditionellen Linie der Berufung von Kolleginnen und Kollegen allein nach ihren individuellen Leistungen, die sich vor allem in Publikationen in Form von Monographien – und nicht nur Standardaufsätzen oder ihrer Drittmittelbilanz – zeigen, festzuhalten und die

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Einfügung der zu berufenden Kolleginnen und Kollegen in ein kollektiv verordnetes Profil in den Hintergrund zu stellen. Mit dem ausgelaufenen Graduiertenkolleg zur Weltgesellschaft und dem neuen Graduiertenkolleg zur Weltpolitik sowie der gemeinsam mit der Geschichtswissenschaft betriebenen Bielefeld Graduate School in History and Sociology (BGHS) hat sie genau das Modell der Nachwuchsförderung realisiert, das insbesondere im Vergleich zur Verbundforschung das weit überlegene und für das Fach bessere ist. Dagegen war die Fakultät mit den Versuchen zur Einrichtung von Sonderforschungsbereichen und Exzellenzclustern weniger erfolgreich. Und das ist überhaupt kein Schaden. Die Probleme solcher Verbundprojekte sind ja neben den schon genannten negativen Effekten auf die Förderung eines eigenständigen Nachwuchses auch darin zu sehen, dass zu viele Kolleginnen und Kollegen notgedrungen einen Beitrag zu einem Forschungsthema leisten, das nicht in ihrem genuinen Kompetenzbereich und Forschungsinteresse liegt. Sie werden davon abgehalten, ihre eigene Forschung unabhängig von der Einfügung in ein gemeinsames Thema voranzutreiben, und es kann leicht passieren, dass Projekte in den Verbund aufgenommen werden müssen, die nicht richtig passen und auch nicht gut ausgearbeitet sind. Das ist nicht der Fehlleistung der entsprechenden Projektleiter/innen geschuldet, sondern dem für unser Fach völlig ungeeigneten Förderformat. Deshalb ist es allemal besser, wenn man bewusst darauf verzichtet. Aus meiner Argumentation zur fachgerechten Entwicklung der Soziologie folgt, dass das kein Nachteil ist, sondern ein Vorteil für die Fakultät und das ganze Fach. Deshalb würde ich bei der bisherigen Linie bleiben, auch wenn das der Hochschulleitung aus ihrem oben dargelegten, aus ihrer Sicht durchaus nachvollziehbaren Interesse heraus nicht gefällt. Den entsprechenden Konflikt muss die Fakultät aushalten. Aber die Einwerbung eines Graduiertenkollegs ist ja auch nicht gerade ein Flop in Bezug auf die anfallende Drittmittelsumme und müsste die Hochschulleitung zufriedenstellen. Ich würde auf eine gute Balance zwischen Solitären, die sich natürlich als solche beweisen müssen, und losen Kooperationen in Graduiertenkollegs, wenn es passt, auch in kleineren Forschungsgruppen, setzen. Und Publikationen – nicht nur in Gestalt der ohne Zweifel auch zu liefernden Standardaufsätze, sondern auch in Gestalt von Monographien – sollten allein als Bewertungskriterium zählen. Eingeworbene Drittmittel würde ich überhaupt nicht berücksichtigen. Wenn sie wirklich förderlich sind, dann muss sich das ja in den Publikationen zeigen. Sie sind bei der Bewertung von Forschungsleistungen allein nach Publikationen schon »eingepreist« und bedürfen keiner eigenen Beachtung. Und ich würde der Universitätsleitung erklären, dass die Fakultät an einer Vielzahl von kostenfreien SFBs im Sinne des ganz großen SFBs von Niklas Luhmann beteiligt ist und dass das auch in einer kleineren Größenordnung respektabel genug ist. Sie müsste das eigentlich verstehen. Die Fakultät für Soziologie an der Universität Bielefeld steht dezidiert für ein breites Verständnis von Soziologie sowie für ein ausgewogenes Verhältnis der Forschung von Solitären und der freien Zusammenarbeit von Gleichge-

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sinnten. Ich möchte ihr 50-jähriges Jubiläum zum Anlass nehmen, um der Fakultät herzlich dafür zu danken, dass sie von Anfang an und bis heute als entschiedene Sachwalterin einer Soziologie gewirkt hat, die ihren Erkenntnisreichtum aus ihrer Vielfalt schöpft und dafür in ihren eigenen Reihen den notwendigen Entfaltungsraum bietet. Das ist gut für die Forschung und es ist auch gut für die Studierenden, denen ebenso breite Lern- und Entfaltungsmöglichkeiten geboten werden. Ich möchte die Fakultät darin bestärken, dass das auch in der Zukunft der Weg ist, der das Fach voranbringt.

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»Rückwärtsgewandter Partikularismus«? Wie »Bielefeld« den Feminismus und die Frauenforschung begreifen wollte Ilona Ostner

Mein »Blick von außen« beschränkt sich auf den kurzen Zeitraum zwischen 1976, dem Datum des 18. Deutschen Soziologentags in Bielefeld, und dem Jahr 1985, als Johannes Berger sein Autoren-Symposium zum Zustand der Moderne im Zentrum für Interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld (ZiF) organisierte (vgl. Berger 1986). Warum diese Beschränkung? Bis heute verbinde ich als Soziologin und Frauenforscherin der ersten Stunde mit »Bielefeld« und der Bielefelder Soziologie zu allererst unsere Initiative zur Gründung einer Sektion »Frauenforschung in den Sozialwissenschaften« in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS), die wir 1976 auf dem Bielefelder Soziologentag vorstellten, die dort im Konzil der DGS zunächst scheiterte, schließlich auf dem Berliner Soziologentag 1979 doch akzeptiert wurde (vgl. Sektionsinitiative 1978). Unsere Initiative verursachte den Kollegen aus der Wissenschaft der Soziologie starke Bauchschmerzen. Einige der »Bielefelder« schienen vom Versuch ihrer Kolleginnen aus dem Schwerpunkt »Frauen und Dritte Welt«, eine nun feministische, also auch bewegungsnahe, kritische Gesellschaftstheorie zu entwickeln (vgl. insbesondere v. Werlhof 1978), geradezu traumatisiert. Die Einwände unserer Kontrahenten lassen sich mit den Stichworten »Gefährlicher Partikularismus«, »Angriff auf den Universalismus« und allgemeiner: »Bruch mit der Moderne« recht gut auf den Punkt bringen. Sie sollten meine persönlichen und wissenschaftlichen Begegnungen mit »Bielefeld« noch zehn lange, recht spannende Jahre prägen: Begegnungen mit der Bielefelder Soziologie und einigen ihrer wirkmächtigen (männlichen) Träger, die sich – aus ganz unterschiedlichen Theorierichtungen kommend – damals maßgeblich in die nicht nur bundesdeutsche Debatte um die Richtung des sozialen Wandels und seiner Steuerbarkeit, auch der Steuerbarkeit des rasch expandierenden Wohlfahrtsstaats, einmischten. Das Konzil der DGS hatte in Bielefeld zwei Hauptargumente gegen die Initiative zur Gründung einer Frauenforschungssektion vorgebracht (vgl.

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Sektionsinitiative 1978: 1f.): (1) dass die Erforschung einer allgemeinen Interessenlage Vorrang vor der Erforschung partikularer Interessen haben müsse (Hervorhebung I.O.); dass ferner – warum auch immer – (2) eine historische Parallele zur Etablierung von Frauenforschung vergleichbar der in den angelsächsischen Ländern und in deren soziologischen Gesellschaften unbedingt zu vermeiden sei. Stattdessen schlug man uns vor, eine Sektion »Geschlechtsrollenforschung« einzurichten. Dem ersten Einwand entgegneten die Initiatorinnen mit dem Hinweis auf den höchst kontingenten und notwendig selektiven Entdeckungszusammenhang von Forschungsfragen oder wissenschaftlichen Einfällen. Neben dieser subjektiven Komponente habe, so unser bis heute gültiges Gegenargument, die organisierte Binnenstruktur des Wissenschaftssystems schon immer als Filter für das, was gerade forschungswürdig ist, gewirkt und dadurch die Selektivität bzw. den Partikularismus der soziologischen Fragestellungen perpetuiert. Im Begründungszusammenhang sollte, an diesem Prinzip hielten wir unbedingt fest, Subjektives selbstverständlich keine Rolle spielen. Die Institutionalisierung sozialwissenschaftlicher Frauenforschung, so unsere zweite Antwort, sei notwendig, um dieser Selektivität entgegenzuwirken (vgl. Sektionsinitiative 1978). Dabei wollten wir die weitgehend vernachlässigte Perspektive von Frauen nicht bloß für die Hypothesenbildung und Bewertung zufälliger empirischer Befunde fruchtbar machen (dürfen), wie es z.B. v. Beyme (1991) der sozialwissenschaftlichen Frauenforschung paternalistisch-benevolent zugestand. Es ging uns vor allem um die Möglichkeit, im gemeinsamen Austausch soziologisch relevante Elemente zu identifizieren, die den theoretischen Bezugsrahmen für eine umfassende historisch und international vergleichende Analyse der Geschlechterverhältnisse in modernen westlichen Gesellschaften bilden konnten. Häufig geschah dies vom »standpoint of absence« (Fraser 1976: 98), indem wir fragten, wie sich der Bezugsrahmen oder der Befund ändern würden, brächte man ausgeblendete Perspektiven, Einsichten und Forderungen, die Frauen bewegten, in die Analyse ein. Für solch ein umfassendes Projekt erschien uns die von der DGS zunächst vorgeschlagene Beschränkung auf »Geschlechtsrollensoziologie« viel zu eng und wenig zielführend (vgl. Sektionsinitiative 1978). Übrigens hatte der von mir (an sich) sehr geschätzte Historiker und damalige geschäftsführende Direktor des ZiF, Jürgen Kocka, in einem – im Ergebnis recht freundlichen Austausch – in seiner Antwort auf meine Anfrage (ich war 1981-1983 Ko-Sprecherin der Sektion), eine Sektionstagung von Frauenforscherinnen für Frauenforscherinnen im ZiF halten zu dürfen, mir zunächst »Partikularismus« unterstellt. Er hatte diesen Vorwurf zuvor bereits gegenüber den Historikerinnen seiner Fakultät geäußert (vgl. Berliner Historikerinnen-Gruppe 1981). Am ZiF fanden wichtige Tagungen der Sektion Sozialpolitik statt, oft »unter Schirmherrschaft« von F.-X. Kaufmann, dem Doyen der Bielefelder soziologischen Sozialpolitikanalyse. Diese Tagungen boten allmählich auch den »Frauen in der Sektion«, wie ich es hier abkürzend nennen will, die Möglich-

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keit, im Sinne der oben skizzierten Heuristik eines »standpoint of absence« sozialpolitisches Wissen kritisch zu bewerten und zu erweitern: so z.B. auf der Sektionstagung vom 3. und 4. Mai 1985, auf der Ulrich Mückenberger seine vieldiskutierte These von der Krise des Normalarbeitsverhältnisses (Mückenberger 1985) vorstellte. Im Mittelpunkt seines Referats standen die multiplen Verrechtlichungen, kurz gefasst als »Senioritätsprinzip« (»wer zuerst kommt und länger bleibt, der wird belohnt«), die männliche Lohnabhängige in Insider des Arbeitsmarkts verwandelten und mit so vielen Privilegien ausstatteten, dass sie beinahe vergaßen, dass sie nach wie vor Lohnarbeiter waren. Mückenberger behauptete nun, dass der »Normalarbeiter« zwar zur Regel und Regelmäßigkeit in der Bundesrepublik geworden war − Lohnabhängige strebten typischerweise das Normalarbeitsverhältnis an und dieses Verhältnis dominierte lange Zeit auch quantitativ den Arbeitsmarkt, vor allem in der langen Phase der »Vollbeschäftigung« –, dieses Verhältnis sich jedoch in der Krise befände, weil die Erwerbsarbeit inzwischen einen immer kleiner werdenden Teil des Lebenslaufs einnahm und zukünftig einnehmen würde, zugleich rund um die »Normalarbeit« immer mehr »atypische«, von ihr abweichende, Erwerbsverhältnisse entstünden. Er erwähnte allerdings nicht, zumindest nicht ausdrücklich, dass es sich bei der »Normalarbeit« typischerweise um männliche Vollzeitbeschäftigung handelte, institutionell notwendig gestützt durch das »Ernährermodell« und die »Hausfrauenehe«; dass außerdem der Auf bruch der Frauen in die Teilzeitarbeit, die mit dem Sektorenwandel hin zur Dienstleistungsbeschäftigung möglich geworden war (Ostner/Willms 1983), die die atypische Beschäftigung ansteigen ließ. In der großen Erzählung von der Vollbeschäftigung der späten fünfziger und frühen sechziger Jahren wurde jedenfalls die andere Hälfte der Gesellschaft schlicht ausgeblendet, obwohl das Normalarbeitsverhältnis nur für (die Mehrheit der) Männer zur Regel geworden war. Insofern war es auch falsch, als Johannes Berger (1986: 8) von einer »Generalisierung der Lohnarbeit« in der Nachkriegsphase sprach. Es war die DDR, die ihre Bürger – unabhängig vom Geschlecht – mit Beginn der 1960er Jahre auch realiter in lebenslang Werktätige verwandelt hatte. Die Bundesrepublik wollte dies noch lange nicht. Wenn überhaupt, dann sollte, wie es so schön soziologisch hieß, die weibliche Statusrolle für mehr Möglichkeiten geöffnet, aber keineswegs grundlegend (gar à la DDR) verändert werden. Übrigens sah Berger (1986) in dieser Öffnung bereits Hinweise auf eine möglicherweise andere, irgendwie veränderte Moderne, weil sich dadurch die für die Moderne konstitutive, strikt funktional-differenzierte Trennung von Haushalt und Erwerb zu entdifferenzieren begann. In meinem Kommentar zu Ulrich Mückenbergers Referat auf der Tagung der Sektion Sozialpolitik verwies ich nun auf die Selektivität bzw. den Partikularismus seiner Perspektive, die unter der Hand die Institution des männlichen Lebenslaufs unterstellte (und reifizierte), allerdings deren Voraussetzungen ignorierte (Ostner 1990). Dabei hatten Gero Lenhardt und Claus Offe (1977) bereits auf dem Bielefelder Soziologentag 1976 auf das komplexe

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Zusammenspiel von Kommodifizierung (der dauerhaften Verwandlung von Menschen in Lohnarbeiter) und Dekommodifizierung (ihrer lizensierten Herausnahme aus dem Arbeitsmarkt) unterschieden und die Rolle von Ehe und Familie u.a. als »Auffangbecken« für Nichtlohnarbeiter erwähnt. Die Mechanismen, die (mehrheitlich) Männer zu »Normalarbeitern« machten und die Fiktion männlicher »Unabhängigkeit« nährten (vgl. Fraser & Gordon 1994) sowie Frauen bis in die jüngste Zeit zu Außenseitern des Arbeitsmarkts werden ließen (vgl. Scheiwe 1994), was übrigens meine frühe Skepsis gegenüber Forderungen nach einem bedingungslosen Grundeinkommen motivierten (vgl. Mückenberger/Offe/Ostner 1989), blieben jedoch lange Zeit unerforscht. Dieses Versäumnis behinderte zudem notwendige sozialpolitische Reformen angesichts von Geburtenrückgang und gestiegener Erwerbsneigung der Frauen erheblich. Jedenfalls setzte die sozialwissenschaftliche Frauenforschung an solchen selektiven Zugriffen auf Phänomene des sozialen Wandels an, so z.B. die bald international angesehene, vergleichende »Gender and Welfare« Forschung (recht früh: Langan & Ostner 1991). Zuletzt begegnete ich dem Vorwurf des »rückwärtsgewandten Partikularismus« 1985 in Bielefeld, nun nicht mehr an mich als Frauenforscherin gerichtet, sondern allgemeiner an einen Teil der neuen sozialen Bewegungen, zu denen auch die neue Frauenbewegung gezählt wurde. Damals, im November 1985, trafen sich die Autoren (darunter fünf Bielefelder) und auch zwei Autorinnen des Sonderbandes der Sozialen Welt Die Moderne – Kontinuitäten und Zäsuren (vgl. Berger 1986a) im ZiF, um ihre Beiträge zu diskutieren und wechselseitig zu kommentieren. Den Ausgangspunkt der Tagung bildete die Phase des »historisch unvergleichlichen Modernisierungsschubs« zwischen 1950 und 1985, der nicht nur alle Zweige der Produktion und auch die Haushalte erfasst, sondern überhaupt »alle sozialen Verhältnisse« modernisiert und »einen Bruch mit herkömmlichen Strukturen und Wertmustern« vollzogen hatte, der aber seit Mitte der 1970er Jahre offenbar an seine Grenzen stieß (Berger 1986b: 5). Johannes Berger sah damals Tendenzen zu einer »weniger rigiden Entmischung« von Arbeit und Leben aufkommen, z.B. neue Möglichkeiten der besseren Verzahnung der beiden Sphären, deren strikte Trennung einmal als »Signum der Modernisierung« gegolten hatte (Berger 1986b: 8). Einen Bruch mit der Moderne erkannte er darin noch nicht. Vielmehr schien sich die modernisierungsbedingte Komplexitätssteigerung – bedingt durch Expansionismus und folglich Freisetzung aller Teilsysteme – in neuartigen Gefahrenlagen (Problemen zweiter und dritter Ordnung) auszudrücken, z.B. in der »Umweltblindheit« der Technik; oder, so Luhmann (1981), in der unaufhaltbaren Kompensationsdynamik des Wohlfahrtsstaats. Auf diese Tendenzen werde, so Berger (1986: 10), offensichtlich auch mit Entdifferenzierung, »Vereinfachung«, »Wiederverwurzelung«, »Innehalten« oder »Verzicht« reagiert und dadurch eine Antwort auf die »wachsende Lücke zwischen Risiken und Steuerungskapazitäten« zu füllen gesucht. Ich zitiere hier so ausführlich, weil

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Johannes Berger mit dieser Beschreibung die Tonlage wiedergab, in der die Diskussion über die neuen sozialen Bewegungen, also auch des Feminismus, während des Symposiums geführt wurde. Bilden diese einen letzten Schritt auf dem »produktivistischen« Pfad der Moderne oder brechen hier »antimodernistische, regressive« Züge durch, so Frage und These Eders (1986) auf der Tagung. Noch schien die Richtung des Wandels unentschieden. Meine Aufgabe während der Tagung war es, den Beitrag von Klaus P. Japp, der neben Klaus Eder über den Zusammenhang zwischen dem Aufkommen der neuen sozialen Bewegungen und dem Zustand bzw. der Zukunft der Moderne nachdenken sollte, zu kommentieren. Japps Anliegen hatte ich, ehrlich gesagt, so gut wie nicht verstanden, jedenfalls nicht so weit, dass ich kohärent und kompetent hätte kommentieren können. Japp sowie Eder knüpften an Habermas’ Analyse (z.B. 1981: 576ff.) der Protestpotentiale seit den 1960er Jahren an. Mit dieser Analyse war ich einigermaßen vertraut. Der neue Protest, so Habermas, entzündete sich nicht mehr an Verteilungsfragen, sondern an »Fragen der Grammatik der Lebensformen«, z.B. Fragen der Lebensqualität (Habermas 1981: 576f.). Die (neue) Frauenbewegung nahm für Habermas eine Zwischenstellung zwischen »alten« und »neuen« Fragen bzw. »alter« und »neuer« Politik ein: »mit einem Bein« stand sie demnach noch in der Tradition der liberalen und sozialistischen Befreiungsbewegungen, die für gleiche Freiheit und folglich gleiche Rechte eintraten, also in den Worten Habermas’ für die Einlösung eines Versprechens, das in den »universalistischen Grundlagen von Moral und Recht seit langem verankert ist« (Habermas 1981: 578), kämpfte daher, nun in meinen Worten, für die weitere Vollendung dieses Universalismus. Zugleich, das war das »zweite Bein«, barg der Feminismus einen partikularistischen Kern, der für Habermas darin bestand, nicht mehr nur formale Gleichberechtigung herzustellen, »sondern konkrete, von männlichen Monopolen geprägte Lebensformen umzustürzen« (Habermas 1981: 579, Hervorhebung. i.O.). Eder (1986: 349f.) ging weiter: Er sprach Frauen, sofern sie sich strategisch als Frauen organisierten (»Geschlecht als das identifizierende Merkmal der Bewegung«), also Nicht-Frauen von der freien, auf dem Prinzip der gleichen Teilhabe aller an Prozessen diskursiver Willensbildung (der »argumentativen«, »herrschaftsfreien« Behandlung strittiger Fragen) ausschlossen, die Möglichkeit und Fähigkeit ab, ihren Protest in einen kollektiven Lernprozess zu verwandeln und zum Aufklärungsprojekt der Moderne beizutragen. Allerdings verwies Eder darauf, dass die Arbeiterbewegung die (bürgerliche) Idee des virtuell freien Subjekts durch den Hinweis auf Macht- und Ungleichheitsverhältnisse, also durch die Einsicht erweitert hatte, dass der Zugang zum Diskurs im Prinzip zwar jedem offen stand, aber empirisch nicht jeder über die Ressourcen verfügte, um an ihm auch teilzuhaben. Warum sollte der Feminismus nicht vergleichbar argumentieren und vergleichbare, wenn auch anders gelagerte strategische Schlüsse ziehen können? Schließlich hatten die Arbeiterbewegungen nicht nur Unternehmer ausgeschlossen (»Korporatismus« und

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»institutionalisierter Klassenkonflikt« kennzeichnen bis heute nur wenige kapitalistische Länder), sie schlossen regelmäßig auch Frauen aus (Hartmann 1976; 1979). Man denke nur an ihre Kampagnen gegen weibliche »Lohndrückerei« und »Schmutzkonkurrenz« oder für (unbezahlte) Arbeitsverbote für (ihre) Ehefrauen und Mütter (ihrer Kinder). Und falls sie Frauen zuließen, ordneten sie Fraueninteressen ihrem »allgemeinen« Lohnarbeiterinteresse unter – wie sonst ließe sich die lange Konjunktur des gewerkschaftlich gestützten Normalarbeitsverhältnisses erklären? Die Unter-und Einordnung von Frauen in eine von Männern (meist für Männer) gemachte »patriarchale« (ich habe den Begriff immer vermieden, weil er hinter Lockes Analyse der bürgerlichen Gesellschaft zurückfällt, daher angemessener: »androzentrische«) Organisation der Gesellschaft blieb in der Symposiumsdiskussion weitgehend ausgeblendet. Spezifische Interessen von Frauen schienen allzu rasch geschlechterbiologisch konnotiert und mit biologischen Besonderheiten, die nun von Frauen politisiert würden, gleichgesetzt. Dass es solche Tendenzen zu biologisch-wesenhaften »Besonderheitsbegründungen« im Feminismus gab, die zudem allzu gern von konservativer Seite rückwärtsgewandt gegen laufende Individualisierungsprozesse gerichtet aufgegriffen wurden, ist unbestritten (vgl. Gravenhorst 1983). Dies einzusehen, konnte jedoch nicht bedeuten, Frauenbelange einseitig einem einzigen Maßstab zu unterwerfen und damit wieder zu ignorieren. Debatten um »progressiven Universalismus« versus »rückwärtsgewandten Partikularismus« oder, feministisch gewendet, um »Gleichheit oder Differenz« findet man in politisch-soziologischen Debatten immer noch, nicht nur in Deutschland, sondern vor allem auch in den USA, wobei die Kritik am vermeintlichen Partikularismus inzwischen auf neue soziokulturelle Phänomene zielt: z.B. auf »balkanisierende Tendenzen« in den seit den 1990er Jahren virulenten Identitätspolitiken, die breite politische Allianzen verhindern (Fraser 1997: 181) und, wie Klaus Eder richtig erkannte, die Verständigung über Differenzen hinweg und den gesellschaftlichen Wandel blockieren können. Wie 1985 in Bielefeld, stehen bis heute zwei Positionen ziemlich unversöhnlich gegenüber, obwohl beide richtige Einsichten enthalten (Fraser 1997: 177): Verfechterinnen der Gleichheit verwiesen (und verweisen) auf die ungleiche Teilhabe von Frauen an wichtigen Ressourcen und Positionen in der Gesellschaft, die durch eine Betonung von Differenz, vermeintlicher Besonderheiten von Frauen, legitimiert und verfestigt zu werden drohte und droht. Daher setz(t)en sie auf Umverteilung und gleiche Teilhabe. Die andere Position sah in der Geschlechterdifferenz den Ausgangspunkt weiblicher Identität. Folgerichtig erkannte sie im institutionalisierten gesellschaftlichen Androzentrismus und in der androzentrischen Konstruktion kultureller Standards und Wertmaßstäbe ihren Hauptgegner. Daher verlangte diese Position der Differenz in erster Linie Anerkennung und eine Neubewertung von Weiblichkeit. Die Lösung liegt in der Verbindung von beiden Positionen und Forderungen (so immer wieder auch

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Nancy Fraser). Möglicherweise waren es solche, auch von mir vertretenen, vermittelnden Positionen, die mich Ende der 1980er Jahre zur zeitweiligen Beraterin einiger soziologischen Kollegen bei der Entwicklung eines Wahlfachs Geschlechtersoziologie an der Universität Bielefeld werden ließen.

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Innenansichten I

Interview mit einem Mitgründer der Fakultät für Soziologie Ein Gespräch mit Franz-Xaver Kaufmann, geführt von Torsten Strulik

Strulik: Herr Kaufmann, Sie sind nicht nur ein Aushängeschild der Fakultät für Soziologie, Sie gehören auch zu den Professoren, die die Gründungsphase der Fakultät für Soziologie bestimmt haben. Könnten Sie berichten, wie Sie zur Soziologie gekommen sind und in Bielefeld 1968 die erste deutsche Professur für Soziologie der Sozialpolitik übernommen haben? Kaufmann: Ich will zunächst kurz erläutern, in was für eine Situation ich hineingekommen bin. Als ich anfing zu studieren, gab es in der Schweiz – ich bin ja Schweizer – keinen einzigen Lehrstuhl für Soziologie. Und als ich nach Deutschland kam, waren es hier vielleicht ein Dutzend. Es gab keinen einzigen Diplomstudiengang. Es gab auch keine Fachhochschulen. Und der gesamte Sozialbereich war nicht akademisiert. Und so bin ich auch nicht als ein in der Wolle gewaschener Soziologe zum Fach gekommen, sondern ich habe vorher Jura und Ökonomie studiert. Das galt im Übrigen für die gesamte Gründungsmannschaft der Fakultät für Soziologie. Schelsky hatte Philosophie studiert, von Ferber Volkswirtschaftslehre, Niklas Luhmann Jura. Einzig Matthes hatte schon Soziologie, aber zusammen mit Philosophie und Jura studiert. Also, wir sind alle noch von außen, sozusagen als Autodidakten, in die Soziologie hineingekommen. Dass ich dahin gekommen bin, hing mit ganz langsam wachsenden Interessen zusammen. Während meines Studiums stellte ich immer wieder fest, dass das, was ich später als soziologische Dimension definiert habe, dass mich das am meisten interessierte. Bei Jura habe ich mich mehr für Rechtsphilosophie und Rechtsgeschichte interessiert als für die Dogmatik des positiven Rechts. Und auch in der Ökonomie habe ich mich mehr für die Wirtschaftssoziologie interessiert als für die formalen Kalküle. Und so habe ich allmählich gemerkt, dass die Soziologie mein Fach ist, und habe nach meinem ersten akademischen Abschluss, den ich an der Hochschule St. Gallen gemacht habe, ein Stipendium nach Paris bekommen, das war 1957/58. Dort habe ich dann

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Ein Gespräch mit Franz-Xaver Kaufmann, geführ t von Torsten Strulik

bei den Koryphäen der französischen Soziologie, Raymond Aaron, Georges Gurvitch, Georges Friedmann, Maurice Duverger u.a. gehört. Das war sozusagen mein Anfang. Ich bearbeitete auch ein sozialwissenschaftliches Thema als Dissertation über das sogenannte demographische Altern. Heute wieder aktuell, damals von niemand anderem bearbeitet im deutschen Sprachraum. Und bin dann noch, bevor ich an die Universität gekommen bin, drei Jahre im Personalwesen eines Chemiekonzerns tätig gewesen, was mir auch nicht geschadet hat. Schließlich habe ich mich dann mit einem Empfehlungsschreiben meines Doktorvaters bei den damaligen Spitzen der deutschen Soziologie, das waren Theodor W. Adorno, René König und Helmut Schelsky, beworben und konnte mich bei allen dreien in der gleichen Woche vorstellen – und bekam bei Schelsky eine Stelle. Damit war ich mal in der Soziologie drin, und das Projekt, das ich zu bearbeiten hatte, hatte ein sozialpolitisches Thema. So kam ich ganz induktiv zur Sozialpolitik. Und als ich dann den Lehrstuhl bekam, hieß das für mich: So, jetzt musst du was auf bauen. Strulik: Sie arbeiteten vor Ihrer Berufung in einem großen DFG-Projekt. In dieser Zeit entstand u.a. auch Ihre Habilitationsschrift mit dem Titel »Sicherheit als soziologisches und sozialpolitisches Problem«. Wie haben Sie die Umstellung von einer vorrangig auf Forschung ausgelegten Tätigkeit auf eine Professur erlebt, bei der Sie nicht »nur« Forschung und Lehre verbinden mussten, sondern zudem den Auf bau der Fakultät voranzubringen hatten? Kaufmann: Da erinnere ich mich an ein Gespräch mit Niklas Luhmann, das wir auf einem Parkplatz bei der Uni Münster führten, kurz nach meiner Habilitation. Ich hatte damals schon den Ruf, er auch. Wir waren ja mit die ersten berufenen Professoren der Universität Bielefeld – zusammen mit Hartmut von Hentig. Weil wir noch andere Rufe hatten, wurden wir schon ein Jahr bevor die Universität eröffnete zu Professoren ernannt. Damals sagte ich Luhmann, mir sei klar, dass ich jetzt zwei bis drei Jahre lang nicht viel zum wissenschaftlichen Arbeiten kommen werde, weil wir die Fakultät auf bauen müssten. Darauf antwortete er mir ganz klar, dazu sei er nicht bereit. Da hatte sich also sozusagen von Anfang an deutlich eine Weichenstellung zwischen uns beiden ergeben, die ich respektiert habe. Er hat es in der Folge immer verstanden, sich nicht zum Dekan wählen zu lassen. Für mich dagegen war damals klar, dass es eine ganz neue Situation sein würde, für die ich aber durch meine Tätigkeiten in der Praxis der chemischen Industrie gut vorbereitet war. Und auch ein bisschen durch mein Studium in St. Gallen, so dass ich, glaube ich, diese administrativen Seiten ganz gut bewältigen konnte. Strulik: Die Herstellung von etwas Neuem verläuft ja nicht selten im Modus von Imitation und (Re-)Kombination. Gab es bei der Konzipierung bzw. Etablierung der Fakultät für Soziologie anderswo Einrichtungen bzw. Strukturen, die Orientierung boten bzw. Vorbildcharakter hatten?

Inter view mit einem Mitgründer der Fakultät für Soziologie

Kaufmann: Da muss man wahrscheinlich von den Personen her denken, die das gemacht haben. Wir waren am Anfang sechs Professoren. Das waren Helmut Schelsky, Christian von Ferber, Niklas Luhmann, Joachim Matthes, Theodor Harder, Dietrich Storbeck und ich. Wir waren sozusagen die ersten, die das zu machen hatten. Wobei man sagen muss, dass Schelsky sich um den Auf bau des Studiengangs praktisch nicht mehr gekümmert hat. Er hat sich noch um den personellen Auf bau der Fakultät gekümmert, aber dann hat er sich ins Zentrum für interdisziplinäre Forschung zurückgezogen. Joachim Matthes war der erste Dekan, der im Herbst 1969 gewählt wurde. Und er hatte ja auch schon etwas Erfahrung, denn er war früher an der PH Hagen Professor, und dann in Münster. Nach einem halben Jahr musste er aus Gesundheitsgründen zurücktreten, so dass ich nolens volens ganz schnell, anderthalb Jahre nachdem ich Professor geworden war, zum Dekan gewählt wurde und in diese Aufgabe hineinwachsen musste. Aber schon entlang der Spuren, die Joachim Matthes gelegt hatte. Und diese Spuren gingen in die Richtung eines berufsbezogenen Studiengangs. Wobei man sagen muss, dass dieser Begriff, berufsbezogener Studiengang, schon von Helmut Schelsky stammte. Der steht schon in irgendwelchen Gründungsdokumenten drin. Bei Schelsky war das wahrscheinlich eher eine opportunistische Formulierung. Er wollte ja in erster Linie, dass die Universität, und mit ihr das Fach Soziologie, durchkommt. Und »Berufsbezug« klingt eben besser als »Theoriebezug« für die Politiker. Wir haben dann daraus etwas Neues machen müssen. Bis dahin war die Soziologie in Deutschland in der Regel in einen Promotionsstudiengang integriert. Auch der Magister war erst langsam im Auf bau. Die meisten Leute studierten zwei, drei oder auch vier Fächer, darunter eines wie die Soziologie, so etwa Matthes, wie schon erwähnt, und promovierten dann. Der Bielefelder Studiengang war der erste Diplomstudiengang, der darauf ausgerichtet war, Soziologie als ein dominierendes Leitfach, nicht nur Hauptfach, sondern Leitfach, zu etablieren. Was ein hoher Anspruch war, zumal die Soziologie als Wissenschaft damals noch keineswegs so entwickelt war, wie sie heute ist. Als ich Dekan wurde, hatte die Fakultät schon »Grundsätze für Studium und Lehre« verabschiedet. Das war das erste Papier, es hatte so vier oder fünf Seiten. Und mir oblag nun, die Studienordnung und die Prüfungsordnung durchzubringen. Das war ziemlich schwierig mit der Fakultät, vor allem mit den Interessen der Studenten und der Wissenschaftlichen Mitarbeiter, die ihr eigenes Süppchen kochen wollten. In dieser Situation entschloss ich mich, eine Klausurtagung in Schloss Rheda durchzuführen, um dort diese Dinge zu besprechen. Das war damals noch der Ort, wo sich das Zentrum für interdisziplinäre Forschung in der Auf bauphase befand. Das konnte ich nur erreichen, weil ich die Reisekosten von Bielefeld bis Rheda, die mehrere Fakultätskollegen nicht glaubten selbst zahlen zu können, aus eigener Tasche vorgestreckt habe, damit sie keine Ausrede hatten, um nicht zu kommen. Es war also sehr schwierig, die Fakultät da zusammenzukriegen.

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Ein Gespräch mit Franz-Xaver Kaufmann, geführ t von Torsten Strulik

Strulik: Ging es da um das maßgeblich von Ihnen entwickelte Konzept einer »aktiven Professionalisierung«? Kaufmann: Ja, das war das inhaltliche Konzept. Ich bin jetzt noch bei den Formalia. Diese Klausurtagung hat immerhin dazu geführt, dass man sich zusammengerauft hat, und schließlich wurde eine Prüfungsordnung verabschiedet. Und diese, bzw. der dorthin führende Studiengang, beruhte auf dem Konzept der sogenannten aktiven Professionalisierung. Diesen Begriff haben Joachim Matthes und ich entwickelt – sozusagen einander wechselseitig die Bälle zuspielend. Aber wir hatten beide etwas unterschiedliche Auffassungen, was darunter zu verstehen sei. Strulik: In der Vorbereitung auf dieses Gespräch las ich, dass Sie die Idee zum Konzept der aktiven Professionalisierung aus Ihrem Studium in St. Gallen mitgebracht haben. Dass Sie dort bereits diese angestrebte Berufsbezogenheit kennengelernt hatten. Kaufmann: Richtig. Gut, dass Sie mich daran erinnern. Ich hatte auch schon in St.Gallen, da war ich auch ein Jahr Assistent, an einer Studienreform mitgearbeitet. Dadurch hatte ich schon gewisse Erfahrungen mit den Prozessen der Studienreform, auch mit den stets übertriebenen Ansprüchen der Professoren und der Studenten, die damit typischerweise verbunden sind. Nun zur aktiven Professionalisierung: Der Horizontbegriff für unsere Auseinandersetzungen hieß damals »Theorie und Praxis«. Das Ganze stand im Horizont der marxistischen Diskussionen um Theorie und Praxis, die damals sehr en vogue waren. Und es gab natürlich sehr unterschiedliche Vorstellungen. Die Studenten dachten, wir würden einen berufsbezogenen Studiengang konzipieren, der sie sozusagen zu Knechten des Kapitals ausbilden solle. Strulik: Zu Technokraten in gewisser Weise. Kaufmann: Das war dann mehr die Schelskysche Variante. Joachim Matthes hatte mehr eine Art reflexive Professionalisierung im Sinn. Das heißt, die Soziologie sollte eine reflexive Wissenschaft sein, die ihre eigenen Probleme bewusst reflektiert. Also nicht nur forscht, sondern sich fragt: Was tue ich, wenn ich da forsche? Und was können die praktischen Konsequenzen sein? Da war ich auch gar nicht dagegen, aber das war mir zu wenig. Professionalisierung muss heißen: Berufsvorbereitung. Aber für was sollte man die Leute vorbereiten? Es gab ja gar keine Berufe für Soziologen. Da kam ich dann auf die Idee, zu sagen: Wir müssen von der Seite der Universität aus Berufsfelder für Soziologen entwickeln. Wir müssen unsere eigene Praxistauglichkeit unter Beweis stellen, indem wir uns selbst unsere Berufsmöglichkeiten schaffen. Das war bei mir das zentrale Moment der aktiven Professionalisierung. Curricularen Ausdruck fand dies in der Schaffung praxisorientierter Schwerpunktgebiete

Inter view mit einem Mitgründer der Fakultät für Soziologie

mit einschlägigen Professuren. Und diese beiden Auffassungen von Professionalisierung, reflexive Soziologie (Matthes) und Berufsfeldentwicklung (Kaufmann), haben sich gut ergänzt. Im Ergebnis wurde es ein bisschen ein Mischmasch, und manches hat sich abgeschliffen im Prozess der Entwicklung und Umsetzung des Curriculums. Aber wir hatten eine Leitidee, mit der sich sogar die Studenten einigermaßen anfreunden konnten. Weil wir sagten, wir wollen keine passive Professionalisierung. Wir wollen nicht, dass die Wirtschaft oder die Verwaltung die Aufgaben der Soziologen definieren, sondern wir wollen sie selbst definieren. Und in gewissem Umfang ist das auch gelungen, aber natürlich war das ein fortgesetzter Prozess der Adaptation. Man geht einige Schritte vorwärts, dann gibt es Reaktionen. Auf diese Reaktionen reagiert man wieder usw. Stellenweise mangelte es auch am Einsatzwillen von Personen, so dass nicht alles so durchgeführt wurde, wie man es sich vorgestellt hat. Für mich war auch sehr wichtig, dass wir ein Pflichtpraktikum einführten. Daran bin ich als Dekan noch gescheitert. Ich erinnere mich noch sehr genau an ein Gespräch, wo ich Leute aus der Wirtschaft eingeladen hatte, um mit ihnen Praktikumsmöglichkeiten zu besprechen, das die Studenten in letzter Minute abgesagt haben, also sich geweigert haben, an diesem Gespräch teilzunehmen. Sie hatten noch Berührungsängste. Das hat sich erst ganz langsam abgebaut und im Rahmen einer Revision der Prüfungsordnung haben wir später das Pflichtpraktikum durchgebracht. Strulik: Bezüglich der aktiven Professionalisierung noch eine Frage, die sich mir bei der Lektüre einer alten Diplomarbeit von den Studierenden Wolfgang Klitzsch und Reinhard Lohan gestellt hat: Die beiden zitieren Klaus Hurrelmann, der schreibt: »Aufgrund eines kritisch-realistischen Anspruches wird ein mittlerer Weg, angesiedelt zwischen den Polen eines fungiblen Sozialtechnokraten und eines Emanzipationsillusionisten, in der Ausbildung angestrebt«. Gibt dieser Mittelweg die Leitidee wieder? Kaufmann: Ich würde sagen, er gibt den Horizont der Diskussionen damals wieder. Das Emanzipatorische war bei Matthes mit drin durch das Reflexive eben. Aber die Formulierung von Klitzsch und Lohan gibt eher die äußere Legitimation wieder, mit der man versucht hat, das Konzept den Studenten schmackhaft zu machen, denn mein persönliches Verständnis von der Sache. Strulik: Sie haben Helmut Schelsky, mit dem Sie bereits in Münster zusammenarbeiteten, mehrfach angesprochen. Ihm wird oftmals eine herausragende Rolle bei der Etablierung der Fakultät und bei der Entwicklung des Diplomstudiengangs zugeschrieben. Wie sehen Sie die Bedeutung von Helmut Schelsky für die Fakultät für Soziologie? Kaufmann: Das ist wiederrum eine komplexe Geschichte. Schelsky war Gründungsbeauftragter für die gesamte Universität, er hat ein Konzept der For-

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schungsuniversität Bielefeld entwickelt, die eigentlich aus Instituten bestehen sollte, gar nicht aus Fakultäten. Das war seine ursprüngliche Idee. Und für die Soziologie war seine Idee, dass man sein Institut, die Sozialforschungsstelle an der Universität Münster mit Sitz in Dortmund, dass man das sozusagen als Ganzes nach Bielefeld transferieren könnte, als Keimzelle eines dortigen dann noch größeren Instituts. Das ist schon sehr früh gescheitert. Es wurde klar, dass Bielefeld nicht eine reine Forschungsuniversität werden könne, sondern eine ganz normale Universität werden sollte mit Forschung und Lehre. Wobei aber die Forschung schon stärker gewichtet wurde als bei anderen Neugründungen. Das kam auch darin zum Ausdruck, dass wir nach den ursprünglichen Vorstellungen nur jedes zweite Jahr lehren und dann ein Jahr forschen sollten. Das hat am Anfang auch so ausgesehen, aber sehr bald hat das Kultusministerium oder das Wissenschaftsministerium gesagt: »Ihr dürft ruhig ein Jahr nicht lehren, aber dann müsst ihr zuerst ein Jahr lang das doppelte Lehrdeputat erfüllen.« Das hab ich einmal versucht und war dann so kaputt nach dem Semester, dass ich das kein zweites Mal mehr gemacht habe. So dass eigentlich diese alternierende Form von Lehre und Forschung nicht Wirklichkeit geworden ist. So gibt es sehr viele Ideen von Schelsky, die im Zuge der Implementation verwässert worden sind und nicht zum Tragen kamen. Das Einzige, was den Ideen von Schelsky weitgehend entspricht, ist das Zentrum für interdisziplinäre Forschung. Wo er dann auch selbst der erste geschäftsführende Direktor wurde. Und von dem Moment an war er, wie ich schon erwähnt habe, eigentlich in der Fakultät nur noch als Randperson präsent, kam auch selten zu den Fakultätskonferenzen. Da kam es dann auch einmal zu einem Konflikt: Schelsky war Erstgutachter für einen Habilitanden, kam aber nicht zu der Fakultätskonferenz, auf der über die Gutachten beraten wurde. Das hat die Fakultätskonferenz mit einer Rüge beanstandet. Und diese Rüge nahm Schelsky zum Anlass, um sich beim Wissenschaftsministerium zu beschweren und zu erreichen, dass seine Stelle samt Ausstattung von Bielefeld nach Münster zurücktransferiert wurde. Da sich Schelsky und die Fakultät einander schon weitgehend entfremdet hatten, wurde ihm keine Träne nachgeweint. Strulik: Schelsky sprach damals von persönlichen Gründen. Ging es um diese Rüge? Kaufmann: Die wahrscheinlichen Gründe sind vielfältiger. Also zu den persönlichen Gründen gehört unter anderem, dass er vom Senat nicht mehr zum zweiten Mal zum geschäftsführenden Direktor gewählt worden war. Damit hätte er sich in die Fakultät eingliedern müssen, die sich in manchem von seinen Vorstellungen entfernt hatte. Zudem wäre er seines Dienstwagens verlustig gegangen. Und der war für ihn sehr wichtig, weil er ja von Münster immer anreisen musste. Da benötigte er einen Dienstwagen, zumal seine Fahrtüchtigkeit wohl nicht immer gegeben war.

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Strulik: Wir haben bereits das Thema Lehre berührt. Betrachtet man ältere Fakultätsdokumente aus hochschuldidaktischer Perspektive, so entdeckt man große Übereinstimmungen mit aktuellen Vorstellungen guter Lehre. Häufig thematisiert wird etwa, dass die Vermittlung von Wissen, vor allen Dingen im Modus der Vorlesung, Nachteile hat gegenüber der Wissensaneignung durch die Studierenden selbst. Fraglich ist, wie dieser Gedanke seinerzeit in der Lehre verankert wurde? Wie hat man versucht, Lehrveranstaltungen stärker unter diesem Aneignungsgesichtspunkt auszulegen? Kaufmann: Es ist ganz sicher so, dass wir in den ersten Jahren sehr wenige Vorlesungen hatten und ganz überwiegend kolloquienartige und seminarartige Übungsformen praktizierten. Ich hab mal die Einführungsveranstaltung gemacht, da haben wir mit Tutoren gearbeitet, die mit den Studenten Texte gelesen haben, die dann wiederrum in der Gesamtgruppe diskutiert wurden. Also, wir haben schon damals recht verschiedene Formen der Didaktik versucht. Es war sozusagen die Frühzeit, der Frühling der Didaktik, nicht nur in der Fakultät für Soziologie, sondern generell. Ich war aber immer der Meinung, dass die Vorlesung auch eine wichtige Funktion hat, weil sie Gelegenheit bietet, größere Zusammenhänge herzustellen und zu erörtern. Nur, ich hatte von meinen eigenen Erfahrungen als Student her noch in Erinnerung, dass es ein völliges müßiges Unterfangen war, die Vorlesung nachzuschreiben. Deshalb hab ich meine Vorlesungen eigentlich immer in Form von Thesen den Studenten ausgehändigt. Also in jeder Vorlesung bekamen sie am Anfang ein bis zwei Blätter mit Thesen. Und meine Vorlesung bestand darin, dass ich diese Thesen illustriert oder interpretiert habe, so dass ich sicher war, dass das, was ich ihnen vermitteln wollte, jedenfalls in einer zusammenfassenden Formulierung auch richtig bei ihnen ankam. So habe ich versucht, das Gute der Tradition beizubehalten, aber gleichzeitig auch das Schlechte zu korrigieren. Das gilt übrigens auch für das Prüfungsverfahren. Mir fiel schon in den ersten Jahren in Münster auf, dass bei einer Prüfung, von sagen wir mal 20 Minuten, die ersten zehn Minuten häufig damit vergingen, dass sich Prüfender und Prüfling darüber einig wurden, worüber eigentlich zu sprechen sei. Das ist in den Sozialwissenschaften nicht so eindeutig, wie wenn sie ein mathematisches oder physikalisches Thema haben. Und das war der Grund, warum wir von vornherein gesagt haben, der Prüfungsstoff soll eingegrenzt werden. Ich habe sehr häufig von den Studenten ein Thesenpapier verlangt, wo sie zusammenfassend das, was sie vorbereitet hatten für die Prüfung, mir schriftlich mitteilen sollten. Das war für mich einerseits eine Kontrolle, dass sie sich tatsächlich vorbereitet hatten. Andererseits aber wussten auch die Studenten, sie werden bezüglich eines Stoffes geprüft, über den sie sich Gedanken gemacht haben. Das hat sich meines Erachtens ganz gut bewährt. Das Lotteriespiel, ob jetzt etwas dran kommt, was ich gerade vorbereitet habe oder nicht, schien mir nie besonders rational zu sein.

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Strulik: Welche Wirkungen auf Forschung und Lehre gingen von der Studentenbewegung aus? In Ihrem Artikel »Die Institutionalisierung der Fakultät für Soziologie«, den Sie zum 25jährigen Jubiläum der Fakultät verfassten, sprechen Sie das Berufungsverfahren »Sozialpsychologie« an. Das wird bei Ihnen aber an der Stelle nicht weiter ausgeführt. Könnten Sie erläutern, was damals passiert ist? Kaufmann: Ja, lassen Sie mich aber erst noch etwas zur Studentenbewegung sagen. Die war in Bielefeld nicht so radikal wie an vielen anderen Universitäten. Und da war sie auch nicht so gut organisiert. Also, es gab schon einige Ideologen, und wir sind auch gelegentlich mal eingeschlossen worden. Aber ich hab es immer als eine pädagogische Aufgabe aufgefasst, mit den Studenten zu reden und nicht wie eine beleidigte Leberwurst zu reagieren, wenn so was geschah. Nun zum Verfahren Holzkamp: Das war der Moment, in dem die Fakultät sozusagen ihre Unschuld verloren hat. Bis dahin hatten wir im Lehrkörper relativ gut zusammengearbeitet. Wir haben uns alle Monate meist zu einem Abendessen getroffen, dann dort verschiedene Dinge vertraulich besprochen. Nun also ging es um die Besetzung des Lehrstuhls für Sozialpsychologie. Da hatten wir zwar einen guten Kandidaten, Mario von Cranach, aber der hat in letzter Minute abgesagt, nachdem er einen Ruf nach Bern erhielt. Es hatte sich auch ein Berliner Sozialpsychologe namens Holzkamp beworben. Klaus Holzkamp, dem der Ruf eines sehr aktiven Linken voraneilte, der aber sonst, wie ich mich überzeugt hatte, durchaus ein qualifizierter Wissenschaftler war. Wir hatten inzwischen auch einen Professor Peter Christian Lutz an der Fakultät, einen Politikwissenschaftler, der aus Berlin kam und dem Bund »Freiheit der Wissenschaft« nahestand. Während des Verfahrens hat Peter Christian Lutz mir ein Dossier über Holzkamp, das seitens des Bundes Freiheit der Wissenschaft etabliert worden war, zur Verfügung gestellt. Wahrscheinlich sogar mit der Bitte, es in den Berufungsausschuss zu geben. Da ich sehr schnell sah, dass das hohen Konfliktstoff beinhaltete, habe ich das Dossier einfach nicht weitergegeben. Bei einer unserer abendlichen Zusammenkünfte hat Peter Christian Lutz mich dann vor versammeltem Professorium gefragt, wo das Dossier sei, warum ich das nicht weitergegeben hätte. Und dann sagte ich: »Weil ich nicht glaube, dass es dem Berufungsverfahren förderlich ist.« Aber natürlich, sagte ich dann, kann es jeder einsehen, der das will. Am nächsten Tag kam das Mitglied der Berufungskommission Theodor Harder zu mir und verlangte das Dossier. Er gab es gleich an die Mittelbauer weiter. Von dem Moment an war es natürlich öffentlich und führte zum großen Aufstand der Studenten, die ohnehin schon mehrheitlich für Holzkamp gewesen waren. Und so kam es zur ersten richtigen Auseinandersetzung innerhalb der Fakultät: zwar weniger innerhalb des Lehrkörpers, als zwischen Mehrheit des Lehrkörper und Studierenden. Ich stand als Dekan ziemlich in der Mitte und habe dann auch versucht, einen Kompromiss zu formulieren, den ich heute nicht

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mehr genau im Kopf habe. Wahrscheinlich steht er noch in dem Protokoll der Fakultätskonferenz. Jedenfalls war er mit der Erwartung verbunden, dass die Studenten irgendeine Forderung zurücknehmen und wir irgendwas anderes zurücknehmen, was ich auch nicht mehr weiß. Wenn das nicht funktioniere, drohte ich mit Rücktritt. Die Studenten haben ihre Forderung natürlich nicht zurückgenommen. An diesem Abend begegnete ich Rolf Klima, einem leider inzwischen vergessenen Mitarbeiter der Fakultät für Soziologie, der ein sehr verdienstvoller Redakteur unserer Zeitschrift für Soziologie gewesen ist. Daneben war er auch in der praktischen Politik tätig, ich glaube zuletzt als Landtagsabgeordneter. Als wir miteinander sprachen, sagte ich ganz locker: »Morgen bin ich ja dann nicht mehr Dekan.« Dann nahm er mich ganz ernst zur Seite und sagte: »Herr Kaufmann, in dieser Situation tritt man doch nicht zurück.« Dieses Wort hat mich sehr nachdenklich gestimmt. Und ich bin nicht zurückgetreten. Ich hab das dann durchgestanden. Dadurch ist die Fakultät nicht auseinander gebrochen, und sonst wäre ich wohl als ein gescheiterter Dekan in die Geschichte der Fakultät eingegangen. So aber konnte ich dann mein Amt nach anderthalb Jahren ordentlich meinem Nachfolger Christian von Ferber übergeben. Nachdem sich Luhmann geweigert hatte, Dekan zu werden. Strulik: Tatsächlich geweigert? Kaufmann: Ja, ja. Damals hat er sich noch geweigert. Später hat er dann auch Bedingungen gestellt. Etwa: Er wolle als Dekan die Unabhängigkeit der Wissenschaftlichen Mitarbeiter abschaffen, und solche Dinge. Damit konnte er sicher sein, dass er nicht gewählt wurde. Ich möchte aber betonen, dass sich Luhmann in anderen Funktionen durchaus auch um die Selbstverwaltung der Fakultät verdient gemacht hat. Beispielsweise war er jahrzehntelang verantwortlich für das Prüfungsamt der Fakultät. Strulik: Wo Sie grade Niklas Luhmann ansprechen. Die Universität Bielefeld wurde als Gruppenuniversität konzipiert, also als Gegenentwurf zur Ordinarienuniversität. Niklas Luhmann hat einmal in einem Interview gesagt, hier wurde »etwas nicht sehr Gutes durch etwas Schlechteres ersetzt«. Wie sind Ihre Erfahrungen? Kaufmann: Also, die erste Erfahrung war: Es ist ein sehr zeitaufwendiges Geschehen. Was ich aber immer sozusagen als Bestandteil des Sozialisationsprozesses der Studenten mit aufgefasst habe. Ich fand, dass die politische Betätigung durchaus eine vernünftige Dimension des studentischen Lebens sein könne. Deshalb habe ich mich von vornherein der Gruppenuniversität gegenüber positiv eingestellt, blieb aber sehr darauf bedacht, immer die Regeln einzuhalten. Also keine Doppelstrategie, wie sie von manchen Studierenden an anderen Universitäten praktiziert wurde, gelegentlich aber auch bei uns versucht wurde: Wenn man in der Fakultät nicht durchkommt mit legalen Mit-

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teln, dann zu versuchen, mit illegalen Mitteln doch noch zum Ziel zu kommen. Dem hab ich mich immer sehr entschieden entgegen gestellt. Das war so meine innere Haltung. Ob jetzt das eine System besser, das andere System schlechter ist, das ist sehr schwer zu sagen. Die beiden Systeme sind eben in unterschiedlichen Zeiten und unter verschiedenen Umständen entstanden. Es kommt auch auf die Paritäten an, zum Teil sind da wirklich Paritäten geschaffen worden, die sehr problematisch waren. Aber wenn man das einigermaßen vernünftig regelt oder ein mehrstufiges Verfahren möglich macht, dass also, wenn Entscheidungen schief laufen, sie auf einer höheren Ebene revidiert werden können, halte ich auch eine gruppenuniversitäre Struktur durchaus für vertretbar. Strulik: Interessiert man sich für die Geschichte der Fakultät, so lässt sich reichlich Material zu den Gründungsjahren finden. Welche Phasen bzw. Ereignisse über die Gründungsphase hinaus sind aus Ihrer Sicht bedeutsam, um die Fakultät und ihre Wirkungen angemessen zu beschreiben? Kann man überhaupt von Phasen sprechen? Kaufmann: Das scheint mir jetzt relativ schwer, wobei das natürlich auch damit zusammenhängt, dass ich das nicht reflektiert habe im Prozess selbst und nun schon über 20 Jahre aus dem aktiven Fakultätsgeschehen draußen bin. Aber interessant ist die Diplomarbeit von Klitzsch und Lohan, die Sie ja schon erwähnt haben, die unter meiner Anleitung entstanden ist. Ich weiß nicht mehr genau, wann die entstanden ist. Strulik: 1975 Kaufmann: Ja, das war also damals ein ziemlicher Tiefpunkt der Fakultät, was die Kommunikation anging. Da war der Charme des Beginns verflossen, die Routinen funktionierten aber noch nicht alle, wie sie funktionieren sollten. Das war auch die Zeit, wo die Studentenbewegung eher ins Chaotische abdriftete, also sozusagen die Degenerationszeit der Studentenbewegung. Da gibt es ja ziemlich harte Urteile von den beiden über den Zustand der Nicht-Kommunikation. Strulik: Klitzsch und Lohan beschrieben den Zustand als »nahezu völlig verkrampft«. Kaufmann: Das war eine tolle Diplomarbeit! Lohan ist leider gestorben, aber mit Klitzsch habe ich bis heute Kontakt, das waren beides gute Leute, die das gemacht haben. Strulik: Und die beiden schrieben, dass die Identifikation mit der Gesamtkonzeption sehr gelitten hatte.

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Kaufmann: Ja. Das war sicher ein Problem, dass man zwar das Label »aktive Professionalisierung« vor sich hertrug, aber nichts unternahm, um es umzusetzen. Aber es gab immerhin die sogenannten Praxisschwerpunkte. Sie waren das wichtigste Instrument der aktiven Professionalisierung. Die praxisorientierten Schwerpunktfächer (z.B. Personal- und Organisationswesen, Soziale Probleme und Problemintervention) sollten dieses Geschäft der aktiven Professionalisierung für ihren Praxisbereich in Gang bringen. Das haben die Fakultätsmitglieder, die das machen sollten, aber sehr unterschiedlich aufgefasst und mit unterschiedlichem Engagement betrieben. Einzelne haben das sehr gut gemacht, beispielsweise Günther Büschges. Auch Günther Albrecht hat seinen Schwerpunkt mit großem Engagement betrieben. Andere haben das nicht so ernst genommen. Wobei man auch sagen muss: Zum Teil haben wir eben nicht das richtige Personal gefunden. Denn optimal wäre gewesen, wenn wir mehr Leute wie Günther Büschges bekommen hätten, die vorher Praxiserfahrung hatten. Büschges war Personalchef gewesen, bevor er an die Universität gegangen ist. So hat sich das alles ganz langsam entwickelt. Aber weil diese Schwerpunktfächer einmal da waren und weil auch der Gesamtprozess der Verberuflichung der Soziologie in der Gesellschaft in Gang kam, war das Konzept doch mehr als eine Luftnummer. Strulik: Noch mal zurück zur Frage nach den Entwicklungsphasen der Fakultät. Könnte man sagen, dass die Fakultät für Soziologie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt stärker international orientiert hat? Kaufmann: Ja, das ist klar, das sind spätere Phasen. Nach meinem Eindruck dauerte die Phase, wo das Programm der aktiven Professionalisierung hoch gehalten wurde, bis zum Beginn des Bologna Prozesses. Der internationale Bologna Prozess hat dann eine völlige Restrukturierung der Curricula mit sich gebracht, auch an der Fakultät für Soziologie. Da wurde eine völlig neue Prüfungsordnung gemacht, aber daran war ich nicht mehr beteiligt, weil emeritiert. Vorher wurden immer nur relativ kleine Korrekturen angebracht. Da gab’s auch immer wieder Konflikte natürlich. Aber im grosso modo war es doch so, dass wir etwas sehr Gutes hatten. Unser Studiengang hatte eigentlich drei Beine. Ein starkes Theorieangebot, und zwar ein pluralistisches Theorieangebot, darauf haben wir immer Wert gelegt. Wir hatten nicht nur Marxisten, wir hatten nicht nur Systemtheoretiker. Sodann ein Methodenangebot, das im Laufe der Zeit immer besser wurde. Theodor Harder war zunächst ein Problem, weil er zwar ein genialer Mann, aber kein begabter Dozent war. Mit der Besetzung weiterer Methodenstellen wurde es dann immer besser. Und schließlich drittens diese praxisorientierten Schwerpunktgebiete. Und diese drei Beine zusammen ergaben durchaus ein gewisses Profil für die Fakultät, dessen Merkmale zum Teil auch nachher in die Rahmen-Prüfungsordnung eingegangen sind.

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Strulik: Sie haben bereits einige Konflikte innerhalb der Fakultät angesprochen. Gibt es aus Ihrer Sicht weitere offene Kontroversen bzw. ausgetragene Konflikte, die die Entwicklung der Fakultät maßgeblich beeinflusst haben? Lassen sich auch latente Konflikte benennen, die also nicht ausgetragen wurden, von denen aber gleichwohl Wirkungen ausgingen? Kaufmann: Also, ob man das jetzt als latent oder manifest bezeichnen soll, wahrscheinlich war es zu verschiedenen Zeiten verschieden. Dominierend war der Links-Rechts-Konflikt, wobei eigentlich niemand bei uns rechts sein wollte. Also eher ein Links-Mitte-Konflikt. Der bezog sich nicht nur auf den Lehrkörper, wo wir einige Leute hatten, die sich selbst als sehr links stehend verstanden, obwohl sie im globalen Spektrum der deutschen Soziologie längst nicht links außen standen Strulik: Gab es da konkrete Selbst- oder Fremdzuschreibungen? Kaufmann: Claus Offe und Johannes Berger galten als links profiliert. Auf der anderen Seite standen Leute wie Peter Christian Lutz und Niklas Luhmann, die eine sehr traditionelle Auffassung der Universität hatten und sich auch schwer taten mit der starken Unabhängigkeit des wissenschaftlichen Mittelbaus an unserer Fakultät. Schließlich der mittlere Bereich, zu dem Joachim Matthes und ich, aber auch die Mehrheit des Lehrkörpers gehörten. Wahrscheinlich würde man den hier eingeschlagenen Kurs als linksliberal bezeichnen, wenn man sich in dem großen ideologischen Spektrum bewegt. Für die einen waren wir »scheiß liberal«, für die anderen waren wir viel zu permissiv. Das war die Richtung, die sich mehr oder weniger durchsetzte. Dabei möchte ich noch ein interessantes Phänomen erwähnen: Unser Mittelbau war in der Regel ziemlich unpolitisch. Es waren nur relativ wenige Leute im Mittelbau, die sich engagierten, meistens auf der linken Seite. Und immer dann, wenn diese Linksfraktion zusammen mit den Studentenvertretern drauf und dran waren, die Mehrheit in der Fakultätskonferenz zu bekommen… Strulik: Um welche Themen ging es da vor allen Dingen? Kaufmann: Das konnte ganz verschieden sein, zu verschiedenen Zeiten. Aber ich meine, was links war wusste man zu der Zeit noch. Man wusste jedenfalls wer links stand, was immer das bedeutete. Das war schon ein Topos, der einen mehr oder weniger deutlichen Unterschied markierte. Und immer dann, wenn die Linken, das waren dann meistens die Studenten, und dann auch im Mittelbau in Folge der Passivität der Mehrheit die Linke in den Gremien dominierte, dann hat sich der politisch inaktive Teil der Assistenten aufgerafft, ging mal wieder zu einer Mittelbauveranstaltung und hat in kürzester Zeit die Fakultätskonferenzvertreter ausgewechselt. So dass die Fakultät eigentlich nie eine wirklich linke Mehrheit bekommen hat. Eine rechte Mehrheit kam schon gar

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nicht in Frage, weil die gab’s eigentlich unter den Studenten und dem Mittelbau überhaupt nicht. So dominierte meistens eine »scheiß-liberale« Mehrheit. Und die wollte man offenbar auch behalten. Strulik: In alten Fakultätsdokumenten finden sich Hinweise auf Kontroversen im Zusammenhang mit der Etablierung der Frauenforschung. Wie war ihre Position? Kaufmann: Wir hatten zwei sehr aktive Privatdozentinnen, die sich für die Frauenbewegung und für die Frauenforschung einsetzten. Mein persönliches Problem in diesem Zusammenhang war, dass ich in einen direkten Interessenkonflikt mit den Frauen geriet. Nolens volens. Denn mir wurde 1980 die Gründung eines Instituts für Bevölkerungsforschung an der Universität Bielefeld seitens der Landesregierung angeboten. Das wäre jetzt eine Geschichte für sich, die lassen wir mal weg. Aber mit dem Angebot waren erhebliche Mittel verbunden. Da sind die Frauen aufgestanden und haben gesagt: »Wir wollen das Geld haben für unsere Forschung.« Die Landesregierung fördere die frauenfeindliche Bevölkerungsforschung, die doch nur die Mütter an den Herd zurückbringen solle, so wurde das wahrgenommen. Deshalb haben die Frauen dann auch bei der Senatssitzung, wo es um den Beschluss über die Gründung des Instituts ging, ein Go-In gemacht und versucht, die Sitzung zu stören, was das Projekt selbst nicht zu Fall gebracht hat. Aber von daher bin ich eher in ein distanziertes Verhältnis zur Frauenbewegung hineingedrängt worden. Persönlich war ich mit deren Methoden nicht immer einverstanden, aber ich hatte durchaus ein gewisses Verständnis für viele Forderungen der Frauenbewegung. Das Entscheidende war, dass die Frauenforschung damals tatsächlich nicht existierte. So ist aus der Bewegung etwas Neues entstanden, was inzwischen ein durchaus respektabler Zweig der Sozialwissenschaften geworden ist. Strulik: Welche Forschungsschwerpunkte haben denn aus Ihrer Sicht das Profil der Fakultät in besonderem Maße geprägt? Kaufmann: Zu meiner Zeit war Niklas Luhmann ein Fixstern, ein großer, der auch viele gute Schüler um sich versammelte, der aber keine Forschungsstruktur aufgebaut hat. Er war ja ein Einzelkämpfer. Und dann hatten wir eine einflussreiche interaktionistische Soziologie, die auf Joachim Matthes und Fritz Schütze zurückging und die von Richard Grathoff weitergeführt wurde, allerdings dann im Laufe der Zeit doch an Bedeutung verlor. Ferner hatten wir immer eine gewisse Tradition marxistischer Soziologie, die aber nie sehr stark wurde. Das waren die vorherrschenden Theoriestücke. Und dann hatten wir eben die Praxisschwerpunkte: da war vor allem der Entwicklungsländer-Schwerpunkt (Hans-Dieter Evers, Günter Schlee), der sich sehr stark entwickelt hat, der auch, soweit ich das beurteilen kann, das internationale Renommee der Fakultät förderte, auf jeden Fall einen sehr hohen Output an

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Absolventen hatte. Ich glaube, dass auch der Bereich Sozialpolitik und Soziale Arbeit, das waren dann Günther Albrecht und ich, eine gewisse Ausstrahlung hatte. Auch die Wissenschaftssoziologie hat innerhalb der bundesdeutschen Landschaft eine Markierung gesetzt. Das sind so die Gebiete, wo ich sagen würde, da war Bielefeld, wenn nicht führend, so jedenfalls in der Spitzengruppe. Strulik: Zum Schluss unseres Gesprächs würde ich gerne auf das Verhältnis von Rektorat und Fakultät kommen. Bei einer aktuellen Betrachtung des Zusammenspiels von Rektorat und dezentralen Einheiten (Fakultäten, ZiF) mag der Eindruck entstehen, dass die Steuerungszumutungen des Rektorats zunehmen. Welche Erfahrungen haben Sie bezüglich des Verhältnisses der Fakultät für Soziologie und dem Rektorat gemacht? Kaufmann: Natürlich haben allgemeine universitäre Traditionen auch in Bielefeld eine Rolle gespielt. Und da hatten die Fakultäten und Institute eine hohe Unabhängigkeit gegenüber den Rektoraten. Fakultäten waren an den Universitäten die wichtigsten Entscheidungsträger. Im Laufe der Zeit haben sich dann immer mehr Strukturen entwickelt, Senatsausschüsse und ähnliche Dinge, mit denen die Rektorate versucht haben Einfluss auf die Fakultäten zu gewinnen. Wobei man sagen muss, in den meisten Fakultäten sind administrativ unerfahrene Professoren immer wieder Dekane geworden. Fakultäten sind nicht immer gut geleitet worden. Von daher ist es sehr verständlich, dass, von außen gesehen, man eigentlich das Gefühl hat, man müsse da was korrigieren in vielen Fällen. Es gibt einen schleichenden Prozess der zunehmenden Zentralisierung von Kompetenzen innerhalb des deutschen Universitätswesens, der in den letzten 20, 30 Jahren stark an Gewicht gewonnen hat. Vergessen Sie nicht, als ich Professor wurde, gab’s noch kein Hochschulgesetz. Das Regierungshandeln mit Bezug auf die Fakultäten beruhte da ganz auf persönlichen Beziehungen, wenn ich’s mal ein bisschen übertrieben ausdrücken darf. Man erreichte etwas, oder man erreichte nichts bei den zuständigen Beamten. Und im Laufe der Jahre hat die Organisierung der Universitäten, bis hin eben auch zu Bürokratisierung, deutlich zugenommen. Und Bürokratisierung geht häufig auch mit Zentralisierung einher. Als wir anfingen, gab es so etwas wie Steuerungsintentionen des Rektorates kaum. Es gab eine Gründungsurkunde, es gab im Senat natürlich Entscheidungen, die für die ganze Universität wichtig waren. Aber der Versuch, etwa bestimmte Lehrgebiete zu verankern, die die Fakultät nicht wollte, so etwas gab es nicht. Strulik: Gab es auf der anderen Seite Möglichkeiten der Fakultäten, ihre Interessen auch über das Rektorat zu äußern und das Rektorat gewissermaßen als Partner für Veränderungen oder für Initiativen zu gewinnen?

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Kaufmann: Das hing sehr stark von persönlichen Beziehungen ab, würde ich sagen. Das war nicht so stark strukturiert wie heute. Nun hat durch den Umstand, dass die Universität Bielefeld eine Ära Grotemeyer gehabt hat, dass also ein oder derselbe Rektor 25 Jahre lang die Universität geleitet hat und er ein sehr liberaler und wenig intervenierender Chef war, sich ein eher permissiver Stil durchgesetzt, dem Kanzler und Justiziar dann Grenzen setzten. Das hat sich im Laufe der Jahre geändert. Rektor Timmermann war selber Bildungsökonom und wusste, was da heraufzog. Was man nicht von jedem Rektor erwarten kann. Dann kommt hinzu, dass es in den letzten Jahrzehnten eine wachsende Konkurrenz zwischen den Universitäten gibt, nicht zuletzt durch das Exzellenzprogramm. Damit ist der Konsensus darüber, dass Universitäten ein Steuerungszentrum brauchen, das sie voranbringt, stark gewachsen. Der erste Versuch einer solchen Steuerung in der Universität, an den ich mich erinnere, war die Initiative zur Gründung einer Fakultät für Gesundheitswissenschaften. Zwei Mitglieder unserer Fakultät, Paul Wolters und Peter Schnabel, betrieben ein gesundheitswissenschaftliches Projekt. Sie hatten dem Rektorat schmackhaft gemacht, dass man auf dem Gebiet der Gesundheitswissenschaften etwas Neues machen könnte oder sollte. Ich war damals in London, ich hatte gerade ein Freisemester und lag noch im Bett, als mich Rektor Grotemeyer anrief und mich fragte, ob ich bereit wäre, an der Vorbereitung einer gesundheitswissenschaftlichen Fakultät mitzuwirken, denn Wolters und Schnabel waren ja keine Professoren. Da hab ich sofort ja gesagt, weil ich durch Christian von Ferber sensibilisiert war, dass es in Deutschland ein Medizinermonopol im Gesundheitswesen gebe, das aufgebrochen werden müsse. Nun sah ich eine Möglichkeit, dazu beizutragen. Und so haben dann Klaus Hurrelmann und ich diese Initiative weitergeführt, bis sie sich verselbständigt hat zu einer Fakultät. Das war das erste Mal, wo das Rektorat gezielt eine größere Strukturreform von sich aus angestoßen hat, nach meiner Erinnerung. Strulik: Vielen Dank Herr Kaufmann für das Gespräch.

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Institut für Weltgesellschaft Lutz Leisering

Die Geschichte des Instituts für Weltgesellschaft (IW) begann mit einer Niederlage. 1999 wurde der Antrag der Fakultät für Soziologie auf die Einrichtung eines Sonderforschungsbereiches (SFB) »Signaturen der Weltgesellschaft – Strukturwandel des Sozialen unter Globalisierungsbedingungen« (Sprecherin: Karin Knorr-Cetina) von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) abgelehnt. Schon bei der Begehung im September 1999 gab es zwei Gegenstimmen, was eine positive Entscheidung im Bewilligungsausschuss der DFG aussichtslos machte. Aber bereits mit Schreiben vom 21.12.1999 reagierte die Fakultät in Person ihres Dekans, Rudolf Stichweh, durch eine Initiative zur Errichtung eines Instituts, das diejenigen Projekte des SFB-Antrags, die in die DFG-Einzelförderung gehen sollten, koordinieren und in Zukunft weitere Projekte anziehen sollte. Dies führte zur Einrichtung des »Instituts für Weltgesellschaft« am 7.2.2000 (Einrichtungsbeschluss der Fakultätskonferenz am 12.1.2000). Seitdem ist das IW ein wesentlicher Schwerpunktbereich der Fakultät geblieben. Aktuell definiert das Institut seine Aufgabe so: »Founded in 2000, the Institute for World Society Studies at Bielefeld University’s Faculty of Sociology is an interdisciplinary research center seeking to contribute to the understanding of the formation and development of world society. The Institute encourages research on a wide range of topics in global and transnational studies. The Institute has pursued research, research training, outreach and networking activities on a range of issues in the broad thematic fields of globalization, transnationalization and international relations, often from the perspective of sociological theories of world society. Research at the Institute is open to a broad range of theoretical and methodological approaches, ranging from discourse theories and analysis to quantitative approaches and including modern systems theory and sociological neo-institutionalism. The Institute’s emphasis on strong theoretical foundations serves as one of its hallmarks in an international research environment.« (IW 2018: 1)

John W. Meyer (2007) hat zwei Begriffe von Globalisierung unterschieden: den dominanten Begriff, der eine zunehmende, vor allem wirtschaftliche Verflech-

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tung meint (connectedness); und den wissenssoziologisch-kulturalistischen, gemäß dem »Globalisierung« einen weltweiten kommunikativen Zusammenhang meint, einen Verweisungshorizont (Luhmann) oder die Entstehung eines globalen Bewusstseins und global geteilter Prinzipien, Kategorien und institutioneller Modelle (Meyer). Das IW orientiert sich an dem zweiten, weniger ausgearbeiteten, aber genuin soziologischen Globalisierungsbegriff, der sich im Allgemeinen mit dem Begriff »Weltgesellschaft« (statt »Globalisierung«) verbindet. Diese kleinere, aber anspruchsvolle Theorietradition ergänzt den Mainstream der herkömmlichen, sozioökonomisch oder politökonomisch orientierten Globalisierungsforschung. Theoriegeschichtlich waren es Niklas Luhmann, Peter Heintz und John W. Meyer, die im Prozess einer »Mehrfachentdeckung« unabhängig voneinander in den 1970er Jahren den Begriff der Weltgesellschaft geprägt haben (Greve/Heintz 2005: 89, 100f.; Wobbe 2000).

D as I nstitut für W eltgesellschaf t als O rganisation – S tatus , F inanzierung , G ründung Das Institut hat vier große Schwerpunkte: Forschung; Doktorandenausbildung, besonders in Graduiertenkollegs; Finanzierung und Veranstaltung von Konferenzen und Workshops; und Finanzierung von Anforschungen. Zudem zielte das IW von Beginn an darauf, dass seine Forschungen sich in der Lehre auch unterhalb des Doktorandenniveaus niederschlagen. Hinzu kommen vielfältige Aktivitäten wie die Veranstaltung von drei bis vier Vorträgen externer Referenten pro Semester (»Signaturenreihe«), Einladung von Gastwissenschaftlern sowie eine jährliche interne Klausurtagung. Das IW hat regelmäßig über die eigene Arbeit berichtet, insbesondere auch als Rechenschaftslegung gegenüber der Fakultätskonferenz. Derzeit liegen vier Berichte vor (IW 2009, 2012, 2015, 2018), die die Jahre 2001-2008, 2009-2011, 2012-2014 und 20152017 abdecken. Das IW hatte ursprünglich auch eine eigene Buchreihe bei Velbrück, die jedoch nicht aktiv fortgeführt worden ist. Obwohl das IW eine Einrichtung der Fakultät für Soziologie ist, ist es von Beginn an interdisziplinär ausgerichtet worden. Neben Soziologie treten Politikwissenschaft, insbesondere Internationale Beziehungen, Sozialanthropologie, Globalgeschichte und – in geringerem Umfang – Rechtswissenschaften, Gesundheitswissenschaften und Wirtschaftswissenschaften. Obwohl gelegentlich diskutiert wurde, ob andere Fakultäten als Träger des IW hinzukommen sollten oder das IW gar eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität werden sollte, ist es bei der Fakultätseinrichtung geblieben. Auch begrenzte Versuche, eine institutionelle Förderung zu gewinnen, etwa durch die Hans-Böckler-Stiftung, waren nicht erfolgreich. Die Finanzausstattung des IW war immer bescheiden. In den ersten drei Jahren gab es eine Finanzierung um 150.000 DM aus dem Ministerium für Schule, Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Nord-

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rhein-Westfalen. Danach haben sich Fakultät, Universität, das Ministerium sowie die Mitglieder (aus ihren Arbeitsgruppenhaushalten) die Finanzierung geteilt, bald blieben aber Fakultät und Universität als Financiers übrig. So wurde 2012 die Grundfinanzierung des Instituts (EUR 50.000 p.a.) von Fakultät (EUR 20.000 p.a.) und Rektorat (EUR 30.000 p.a.) getragen. Knapp zwei Drittel dieser Mittel wurden für Personalkosten in der Geschäftsführung verausgabt. Rudolf Stichweh, der die Fakultät 2003 verließ, hat Spuren in ihr hinterlassen, weil er drei Institutionen gegründet bzw. den wesentlichen Anstoß zur Gründung gegeben hat: das noch anzusprechende Graduiertenkolleg 844 der DFG; die IGSS (International Graduate School in Sociology), die eine der ersten soziologischen Graduiertenschulen in Deutschland war und später in der BGHS (Bielefeld Graduate School in History and Sociology) aufging; und das IW. Stichweh war unter anderem Wissenschaftsforscher und hat sich damals, wie auch später in Luzern, als Institutionengründer betätigt. Seinem erwähnten Brief vom 21.12.1999 fügte er bereits einen ausgearbeiteten Entwurf eines »Einrichtungsbeschlusses« bei sowie eine ausformulierte »Verwaltungs- und Benutzungsordnung«, wie sie an der Universität für Einrichtungen erforderlich ist. Damals schwebte Stichweh noch der Name »Institut für Weltgesellschaft und Wissensgesellschaft« vor, was seiner eigenen Beschäftigung mit Wissenschaftsgeschichte geschuldet sein mag, aber auch dem soziologischen Globalisierungsbegriff affin ist. Das Institut war zunächst nur auf fünf Jahre geplant und sollte dann evaluiert werden. Als potentielle Gründungsmitglieder schrieb Stichweh an: die Professoren Alfons Bora, Karin Knorr-Cetina, Hans-Dieter Evers, Klaus Japp, Wolfgang Krohn, Lutz Leisering, Gunnar Stollberg, Peter Weingart sowie Dr. Hartmann Tyrell und drei Professoren aus anderen Fakultäten (Werner Abelshauser und Horst-Walter Blanke, Geschichtswissenschaft; Klaus Cachay, Sportwissenschaft). Stichwehs Entwurf eines Einrichtungsbeschlusses formulierte: »Die Fakultät für Soziologie beschließt die Errichtung eines interdisziplinären ›Instituts für Weltgesellschaft und Wissensgesellschaft‹, das Mitgliedern anderer Fakultäten zur Mitwirkung offensteht. Dieses Institut geht hervor aus jahrelangen Vorarbeiten, die auf die Einrichtung eines SFB zum Thema ›Weltgesellschaft‹ zielten. Im Rahmen dieser Vorarbeiten ist eine Reihe von Forschungsprojekten innerhalb und außerhalb der Fakultät entstanden, die dieses Vorhaben konkretisieren und die nach dem Scheitern des Gesamtantrags in den nächsten Jahren als Einzelprojekte durchgeführt werden. Ziel des Instituts ist es zunächst, diese Forschungsprojekte zu einem effektiven und nach außen sichtbaren Forschungsverbund zusammenführen (sic!), sie in der Durchführung der Forschungen miteinander zu vernetzen und darüber hinaus einen Diskussionsort von einiger Sichtbarkeit zu schaffen, der für alle sozialwissenschaftlichen Belange, die sich für eine Theorie der Weltgesellschaft und für eine Beobachtung der Weltgesellschaft als Wissensgesellschaft interessieren, als ein intellektuelles Zentrum fungiert. […] Die Leitfrage des ›Institut für Weltgesellschaft und Wissensgesellschaft‹ richtet sich auf die

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Lut z Leisering Entstehung der Weltgesellschaft als eines emergenten Gesellschaftssystems, das die Vielzahl der regionalen Vergesellschaftungen, die die bisherige Geschichte der Menschheit bestimmt haben, in sich integriert. Diese Umstellung wird als ein sich über Jahrhunderte vorbereitender historischer Epochenbruch verstanden, der auch das konzeptuelle Vokabular der Sozialwissenschaften, das sich in den letzten 100 Jahren in Orientierung an den Realitäten des Nationalstaats als einer gedachten Form von Vergesellschaftung herausgebildet hat, zu einer völligen Neubestimmung zwingt.« (Stichweh 1999a: 1)

Stichwehs Entwurf einer Verwaltungs- und Benutzungsordnung formulierte bereits die Gebiete des neuen Instituts genauer: »Das Institut für Weltgesellschaft und Wissensgesellschaft ist eine interdisziplinäre wissenschaftliche Einrichtung unter der Verantwortung der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. […] Die Aufgaben des Instituts für Weltgesellschaft und Wissensgesellschaft sind: […] die Förderung der Forschung zu allgemeinen Strukturen der Weltgesellschaft und zur Globalisierung einzelner Funktionsbereiche der modernen Gesellschaft. Hierzu gehören: […] Forschung zur Geschichte der Weltgesellschaft und den Semantiken […] zu Entwicklungsländern und Transformationsländern […] zu Funktionssystemen […] zur Wissensbasierung der Weltgesellschaft […] zu Organisationen als einer strategischen Erfindung der Moderne […] hin zu […] weitere[n] Formen der Strukturbildung (z.B. Netzwerke, globale Mikrostrukturen) […] zu neuen Formen sozialer Ungleichheit […] zu Prozessen der Normbildung und Regulation […] zum Spannungsverhältnis von Lokalem, Regionalem und Globalem […] zu den Folgen der Ablösung des Nationalstaats als implizites Paradigma für Gesellschaftlichkeit. Durchdenken der daraus folgenden Erneuerung des konzeptuellen Vokabulars der Sozialwissenschaften« (Stichweh 1999b: 1f.).

Diese Formulierungen tragen erkennbar die Handschrift eines Systemtheoretikers und Schülers von Luhmann, mit Anbindung an die Luhmannsche Theorie funktionaler gesellschaftlicher Differenzierung. Tatsächlich ist der Begriff der Weltgesellschaft für das IW durchgängig theoretisch leitend geblieben, wobei die Meyersche Variante teilweise an Gewicht gewonnen hat und eine gewisse programmatische Öffnung gegenüber anderen theoretischen Zugängen stattfand. Die Kontinuität dieses theoretischen Bezugsrahmens wurde durch Personen gewährleistet, nämlich die (mit Unterbrechungen) kontinuierliche Präsenz profilierter allgemeiner Weltgesellschaftstheoretiker im IW (Rudolf Stichweh, Bettina Heintz, Tobias Werron). Hinzu kamen Anwendungen der Weltgesellschaftstheorie in spezifischen Bereichen, insbesondere in den Internationalen Beziehungen (Mathias Albert) und in der Sozialpolitik (Lutz Leisering). Zahlreiche andere Fachvertreter stellten auf unterschiedliche Weise Bezüge zu Globalität her, so Thomas Faist (Transnationalismus, Migration), Ulrike Davy (Völkerrecht, Menschenrechte), Boris Holzer (globale Netzwerke), Joanna Pfaff-Czarnecka (global orientierte

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Sozialanthropologie) und Gunnar Stollberg und Alexandra Kaasch (Medizin und Gesundheit im globalen Kontext). Aus dem Kreis dieser Personen rekrutierte sich der geschäftsführende Vorstand, zu dem zuletzt (2018/2019) Mathias Albert, Ulrike Davy, Alexandra Kaasch, Ralf Rapior und Tobias Werron gehörten. Frühere Mitglieder waren Bettina Heintz, Boris Holzer, Thomas Faist, Katja Freistein, Lutz Leisering, Joanna Pfaff-Czarnecka und Martin Koch. Als Geschäftsführer fungierten Joachim Wöll, Ursula Mühle, Martin Koch, Bettina Mahlert, Britta Leisering, Sebastian Lemme, Philipp Neubert, und Catharina Wessing.

A k tivitäten : F orschung , V eröffentlichungen , K onferenzen Das IW hat eine umfangreiche Forschungsaktivität entfaltet. Aus der sehr langen Liste von Veröffentlichungen sind zwei Bände hervorzuheben, die auf den Zentralbegriff des IW, den Begriff der Weltgesellschaft, fokussieren und einen bedeutenden Beitrag zum Thema leisten (Heintz/Münch/Tyrell 2005, Holzer/ Kastner/Werron 2015). Der erste Arbeitsbericht des IW, für 2001-2008, verzeichnet 31 Forschungsprojekte, noch infolge der in die Einzelförderung gegangenen SFB-Anträge, der letzte, für 2015-2017, 15. Eine Reihe von Projekten ist genuin weltgesellschaftlich, während andere Projekte Länder und Weltregionen im globalen Kontext behandeln, wobei alle Erdteile, auch Europa und die Antarktis, abgedeckt werden. Die Palette der Themen ist ebenfalls breit, sie umfasst Mikrostrukturen der Weltgesellschaft, Umweltfragen, Wirtschaft und Arbeit, Politik, internationale Beziehungen, Recht und Menschenrechte, Sozialpolitik, Alterssicherung, christliche Mission, die EU, Medien, Sport, Medizin, Demokratie, Ethnizität, Osteuropa, Migration, Landnutzung, UN-Statistiken, Freundschaft, Verwandtschaft, Religion, Wissen und Wissenschaft und Konfliktforschung. Drittmittel für Forschungsprojekte konnten bei zahlreichen Förderungsinstitutionen eingeworben werden, so bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Volkswagen Stiftung, der Hans-Böckler-Stiftung, der Stiftung Mercator, der Fritz-Thyssen-Stiftung, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ, heute GIZ), der Europäischen Kommission, dem EU ASEA-Link, dem Wissenschaftsministerium NRW, der Krupp Stiftung, der Asiatischen Entwicklungsbank und dem Bundesministerium für Wirtschaft. Die Tagungsaktivität war beachtlich, sie trieb die Programmatik des IW themenzentriert und unter Einbezug externer Wissenschaftler voran. In den Jahren 2001-2008 wurden 28 Konferenzen oder Workshops veranstaltet und finanziert oder teilfinanziert (ohne Zählung IW-interner Klausuren), 20092011 waren es zwölf, 2012-2014 13 und 2015-2017 elf, so dass insgesamt die be-

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achtliche Zahl von 64 Konferenzen/Workshops veranstaltet wurden, woraus häufig Herausgeberbände entstanden sind.

D ie globale P ositionierung und V erne t zung des IW In der ersten Hälfte der 2000er wurde die Globalisierungsforschung reflexiv, erkennbar an Bestrebungen, vor allem aus den angelsächsischen Ländern, ein internationales Netzwerk von Globalisierungsforschungsinstitutionen zu gründen. Globalisierungsforschung wurde selbst global. Hier bot sich die Gelegenheit für das IW, sich international zu positionieren und zu vergleichen, um ein eigenes Profil zu entwickeln. Das IW wurde einziges deutsches Gründungsmitglied des Globalization Studies Network (GSN), das sich am 18.-20. August 2004 in Warwick, England, konstituierte. In Warwick war das IW durch Mathias Albert und Lutz Leisering vertreten. Letzterer hatte auch an der vorbereitenden Konferenz in Ottawa im Jahr 2003 teilgenommen. Ziel des Treffens in Ottawa war die Gründung eines weltweiten Konsortiums von Globalisierungsforschungsinstituten. Es war der erste Versuch dieser Art. Es gab allerdings bereits ein »Globalization Research Network« von vier US-amerikanischen Forschungszentren. James Rosenau hätte den Ausdruck »Global Studies« vorgezogen, da er »Globalization« als wertbefrachtet ansah. Dem wurde entgegengehalten, dass »Globalisierung« eine prägende Semantik sei, die im Gegenstandsbereich unserer Forschung verbreitet und insoweit aufzugreifen sei. Was Disziplinen angeht, waren überwiegend Politikwissenschaftler vertreten. Ihre Themen kreisten im weitesten Sinne um Fragen der Global Governance. Vertreter des globalen Südens waren in ihrer Forschung stärker regional orientiert, im Sinne einer Entwicklungsforschung im globalen Kontext. Ökonomen waren auch vertreten, jedoch eher politiknahe Ökonomen aus dem globalen Süden. Soziologen waren dagegen kaum vertreten. Auffällig war, dass Luhmann und John W. Meyer kaum bekannt waren und in den Debatten niemals erwähnt wurden. Nur bei einzelnen Teilnehmern wurde ein ausgeprägtes Interesse an Theoriebildung erkennbar. Als ich Theoriebildung als ein Ziel des Netzwerkes vorbrachte, schlossen sich überraschenderweise Vertreter des Südens an, da sie nicht länger die Rolle der Datenbeschaffer für von westlichen Kollegen konzipierte Projekte spielen wollten. Soziologisch-theoretische Interessen zeigten nur wenige Teilnehmer, ein spezifischer Beitrag der Soziologie zu Fragen von Globalisierung wurde nicht diskutiert. Stärker vertreten waren politikwissenschaftliche Theorien. Auf der Tagung wurde deutlich, dass das IW einen besonderen Zuschnitt hat, mit dem es sich profilieren könnte. Spezifika des IW im Vergleich zu den anderen auf der Tagung vertretenen Institutionen waren insbesondere: die soziologische Ausrichtung, die Orientierung am Begriff »Weltgesellschaft« im Unterschied zu »Globalisierung«, der Hintergrund der Luhmannschen Systemtheorie, und generell die starke theoretische Fundierung und Orien-

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tierung. Die meisten vertretenen Institute waren in den Jahren 1996 bis 2002 gegründet worden, was damit als Phase eines institutionellen Aufstiegs der Globalisierungsforschung erkennbar wurde. Der SFB-Antrag zum Thema Weltgesellschaft und die Gründung des IW im Jahre 2000 waren also früh. Leider wurde diese Chance einer Prägung internationaler Debatten durch einen genuin soziologischen Beitrag zur Globalisierungsforschung von Seiten der Fakultät nicht genutzt. Der SFB-Antrag war erfolglos, und die Wirkung des IW blieb im internationalen Raum beschränkt. Auf der konstituierenden Tagung in Warwick gab es ebenfalls einen deutlichen Mangel an Theorie. Von den Hauptvortragenden hatten nur die Beiträge von Rosenau und Held einen theoretischen Bezug. Roland Robertson war nur als Zuhörer anwesend. Das Theorie-Panel (eine von zahlreichen parallelen Sitzungen) war ein Flop und enthielt (außer dem Beitrag von Mathias Albert) nur theoretisch wenig bedeutsame oder ganz untheoretische oder irrelevante Beiträge. Mathias Alberts kurze, systemtheoretisch orientierte Darstellung zum Begriff der Weltgesellschaft traf auf starke Resonanz und wurde intensiv diskutiert. Zugleich bekam ich aber auch das Feed-Back von mehreren Teilnehmern, dass der Beitrag von Mathias zu abstrakt und zu wenig empiriebezogen gewesen sei. Generell folgerte ich damals für das IW, auch aus früheren Erfahrungen mit Reaktionen auf Vorträge von Rudolf Stichweh, dass die Verbreitung der »deutschen«, systemtheoretischen, aber auch der Meyerschen Sicht von Weltgesellschaft besondere Anstrengungen erfordert, um diese Sichtweise für Nicht-Deutsche und Nicht-Soziologen darzustellen. Es gab in Warwick auch eine anregende Sitzung zu Problemen des Aufbaus von Globalisierungsforschungsinstituten, in denen Leiter mehrerer vertretener Institute organisationale Aspekte ihres Instituts vorstellten. Dies war von hohem Interesse für die Zukunftsplanung des IW. Tatsächlich wurden diese Fragen in der weiteren Geschichte des IW immer wieder virulent. Angesprochen wurden Fragen wie: • Will man ein reales oder ein virtuelles Institut? »Real« meint, dass wichtige Mitglieder des Instituts den Schwerpunkt ihrer Arbeit oder gar ihre formelle Position am Institut haben. Das IW ist in diesem Sinne weitgehend virtuell. Es wurde erkennbar, dass »reale« Institute eine stärkere Chance haben, Profil zu gewinnen. Dies war eine entscheidende Zukunftsfrage für das IW. • Akademische versus politikbezogene Orientierung. Mehrere Vertreter in der Diskussion betonten, dass sich ein Institut in Bezug auf seinen Schwerpunkt entscheiden solle. Das IW hat primär eine akademische Orientierung. • Multidisziplinarität: In Bezug auf diese Standardforderung wurde betont, dass universitäre Strukturen und Strukturen der Scientific Community das Denken in Disziplinen begünstigen.

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• Aufstellen einer ausdrücklichen Forschungsagenda versus frei gewählte individuelle Forschungen. Ein »reales« Institut kann eher eine eigenständige Forschungsagenda definieren, was das IW nie wirklich getan hat. • Public Relations wie Newsletter, Website, Konferenzen. • Intellektuelle und administrative leadership. Dies war ein Kernproblem des IW. Es wäre von großer Bedeutung für das IW gewesen, eine Person zu haben, die längerfristig das IW als sein Hauptbetätigungsfeld ansieht, gestützt durch eine Deputatsreduktion. Die Mitgliedschaft des IW im Globalization Studies Network wurde jedoch nicht gepflegt und blieb für die weitere Arbeit des IW bedeutungslos. Generell war die internationale Sichtbarkeit eine ständige Herausforderung des IW (so etwa auf der Mitgliederversammlung am 12.06.2007 angemahnt), wobei mehrere Versuche internationaler Anbindung nicht erfolgreich waren. Schon zu Beginn, im Jahre 2001, brachte Ulrike Davy die Idee ein, in Zusammenarbeit mit dem UN High Commissioner for Refugees (UNHCR) eine »Law Clinic« einzurichten, was jedoch nicht realisiert wurde. Im Rahmen der Exzellenz-Cluster Initiative »Communicating Comparisons« im Jahre 2011 gelang es trotz der thematischen Nähe nicht, die Internationale Arbeitsorganisation in der Person des Leiters der Statistischen Abteilung und später der Abteilung Soziale Sicherheit, Michael Cichon, als Kooperanden zu gewinnen. Dagegen konnte die Kooperation mit John W. Meyer und seinen Schülern über viele Jahre gepflegt werden. Meyer war mehrfach eingeladen zu Tagungen in Bielefeld, und die Bielefelder Georg Krücken und Anita Engels waren für Forschungsaufenthalte in Stanford und wurden zu seinen Schülern. Meyer beeinflusste die Diskussion am IW nachhaltig und wurde etwa von Bettina Heintz und Lutz Leisering rezipiert. Im Jahre 2006 wurde John W. Meyer die Ehrendoktorwürde der Fakultät übertragen, mit einer Laudatio aus dem IW (Krücken/ Leisering 2006). Die meisten Mitglieder des IW sind individuell in hohem Maße international vernetzt, aber das IW als Institution war nur begrenzt erfolgreich in der Herstellung internationaler Verbindungen.

D ie E nt wicklung des IW: W iderstand und anhaltende R eformüberlegungen In seiner bis heute 18-jährigen Geschichte befand sich das IW immer wieder in Phasen konzeptueller Reflexion, der Diskussion institutioneller Reformen oder des Versuchs der Einbettung in größere Forschungszusammenhänge. In den 2010er Jahren verbanden sich die institutionellen Reformüberlegungen mit den neuen Imperativen der Wissenschaftspolitik, die das Rektorat an die Fakultät und das IW herantrug, nämlich die Bildung großer Forschungsverbünde. Viele dieser Initiativen blieben stecken. Obwohl weltgesellschaftliche Thematiken in die Lehre Eingang fanden, gelang es nie, einen spezialisierten

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Studiengang einzuführen, etwa einen 2004 geplanten MA »Globalization and World Society Studies«. Die kritische Masse an einschlägig Lehrenden wäre vorhanden gewesen. In der Fakultät gab es immer Kritiker des IW, es blies ein zum Teil scharfer Gegenwind. Manche Fakultätsangehörige bezweifelten ganz grundsätzlich den Sinn und Nutzen des IW, und drei DekanInnen machten dem IW das Leben schwer, einschließlich einer Unterbrechung der Finanzierung. Die wahrscheinlich gewichtigste kollektive Institutionalisierung gelang dem IW durch die erfolgreiche Beantragung von Graduiertenkollegs, die thematisch scharf auf weltgesellschaftliche sowie weltpolitische Themen fokussiert werden konnten. Das DFG-geförderte Graduiertenkolleg 844 »Weltbegriffe und globale Strukturmuster. Ausdifferenzierung und funktionale Diversifikation der Weltgesellschaft« existierte 2003-2012 und führte zu einem breiten Spektrum einschlägiger Doktorarbeiten. Das erste Forschungsprogramm des Graduiertenkollegs verfasste Rudolf Stichweh, sein erster Vorschlag lag zum 5. November 2001 vor. Ab der zweiten Antragsphase, und nachdem Stichweh die Fakultät verlassen hatte (2003), prägte Bettina Heintz das GK; seit 2006 hieß es »Weltgesellschaft – Die Herstellung und Repräsentation von Globalität« (»World Society – Making and Representing the Global«). Das Forschungsprogramm 2006 hatte die Schwerpunkte »Soziale Mikrostrukturen und Globalisierung«, »Organisationen und Netzwerke als Formen der Herstellung von Globalität«, und »Repräsentationsformen des Globalen«. Nach einer fünfjährigen Pause gelang es, ein neues Graduiertenkolleg, »World politics: The emergence of political arenas and modes of observation in world society«, einzurichten (GK 2225, Beginn im Februar 2017, Sprecher Mathias Albert). Neben diesen genuin aus dem IW erwachsenen Graduiertenkollegs traten Beteiligungen des IW an den meisten Verbundbildungen der Fakultät sowie an mehreren fakultätsübergreifenden Initiativen. So war das IW in dem Exzellenz-Cluster-Antrag »Communicating Comparisons. From the Onset of Modernity to World Society« (2011) nicht nur durch einen eigenen globalen Forschungsbereich repräsentiert, sondern auch durch die Sprecherin Bettina Heintz, die die Idee und das Konzept des Cluster-Antrags erarbeitet hatte. Dies stand im Zusammenhang der Forschungen von Heintz, in denen sie die für Weltgesellschaftlichkeit konstitutive Rolle von sozialen Vergleichen herausarbeitete. Des Weiteren war das IW an drei Sonderforschungsbereichen mit Einzelprojekten beteiligt: am SFB 584 »Das Politische als Kommunikationsraum in der Geschichte« (2001-2012); am SFB 882 »Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten« (2011-2016); und am SFB 1288 »Praktiken des Vergleichens: Die Welt ordnen und verändern« (seit 2017), ein Folgeprojekt des abgelehnten Exzellenz-Cluster-Antrags »Communicating Comparisons«. Außerdem haben IW-Mitglieder 2017/2018 zwei internationale Forschungsgruppen am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) geleitet, so Ursula Mense-Petermann als eine von drei Leiterinnen der Forschungsgruppe »In Search of

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the Global Labour Market – Actors, Structures and Policies« und Ulrike Davy und Lutz Leisering als Leiter der Forschungsgruppe »Understanding Southern Welfare. Ideational and Historical Foundations of Social Policy in Brazil, India, China and South Africa«. Einzelne Mitglieder des IW haben sich vielfach in weiteren Verbünden betätigt. Im Jahr 2006 gab es einen von Mathias Albert initiierten Versuch, das IW im erweiterten Rahmen als Institut für Weltgesellschafts- und Globalisierungsforschung (IWG) neu zu gründen. Hierdurch sollte das IW konzeptuell und disziplinär breiter aufgestellt werden. Disziplinen aus anderen Fakultäten sollten einen systematischen Raum erhalten, und neben dem Weltgesellschaftsbegriff sollten andere Begriffe von Globalisierung und Globalität einbringbar sein. Zudem sollte die starke theoretische Orientierung ergänzt werden um empirische Forschungsbereiche, die anderen Disziplinen näher lagen. Albert legte am 3. Mai 2006 eine Diskussionsgrundlage für ein »Institut für Weltgesellschafts- und Globalisierungsstudien (Institute for World Society and Global Studies)« vor, das er zum 9. Oktober 2006 ausführlicher ausarbeitete. Albert argumentierte in diesem Papier (Albert 2006: 1f., Herv. i.O.): »Während die Weltgesellschaftstheorie insbesondere in der in Bielefeld vertretenen, von Niklas Luhmann geprägten Fassung vorrangig nach Differenzierungsmustern innerhalb eines bereits bestehenden globalen gesellschaftlichen Zusammenhangs fragt, richtet die Globalisierung- und Transnationalisierungsforschung ihr Augenmerk vorrangig auf die Herausbildung eines solchen Zusammenhangs als Ergebnis zunehmender Verflechtungen und Transaktionen über Staatsgrenzen hinweg. […] Das Institut für Weltgesellschafts- und Globalisierungsstudien greift dieses theoretische Spannungsverhältnis, welches so weltweit von keinem Globalisierungsinstitut bearbeitet wird, in einem Forschungsstrang zu Zwecken der Theoriearbeit auf, nutzt es vor allem aber auch in vier Forschungssträngen als eine Hintergrundfolie für die empirische Untersuchung von Prozessen, welche in besonderer Weise zur Bearbeitung der Frage geeignet sind, ob und inwieweit sich Muster globaler Strukturbildung und transnationaler Austauschprozesse zu einem weltgesellschaftlichen Zusammenhang verdichten bzw. bereits verdichtet haben. In den fünf Forschungssträngen des Instituts sollen insbesondere untersucht werden: (1) Theorien der Weltgesellschaft in ihrem Verhältnis zu Theorien von Globalisierung und Transnationalisierung […] (THEORIE: mögliche Beteiligte [keine exklusive Aufzählung]: Heintz, Pfaff-Czarnecka, Japp, Kieserling, Tacke, Bergmann, Albert, Faist, Kühl) (2) Prozesse globaler politischer Strukturbildung […] (POLITIK: mögliche Beteiligte [keine exklusive Aufzählung]: Albert, Steinmetz, Pfaff-Czarnecka, Haupt, Walter, Leisering, Gusy, Davy, Welskopp, Schmidt) (3) Fragen der »Global Public Health« […] (HEALTH: mögliche Beteiligte [keine exklusive Aufzählung]: Razum, Stollberg, Ulrich, Diewald, Albert, Hurrelmann) (4) Folgen der grenzüberschreitenden Migration […] transnationale Strukturbildungs- bzw. weltgesellschaftliche Konsolidierungsprozesse […] (MIGRATION: mögliche Beteiligte [keine exklusive Aufzählung]: Faist, Gusy, Davy, Büschges) (5) Globaler demographischer Wandel […] (DEMOGRAPHIE: mögliche Beteiligte [keine exklusive Aufzählung]: Ulrich, Diewald, Leisering, Geissler, Bulst, Pfaff-Czarnecka)«.

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Ein solches IWG wäre auf eine folgenreiche Neukonstituierung des IW hinausgelaufen, eine weit breitere Aufstellung und Aktivierung von Teilnehmern unter Beibehaltung des Ursprungsspezifikums, des Bezugs auf die Perspektive von Weltgesellschaftlichkeit. Der Versuch, ein IWG zu etablieren, führte zu dramatischen Auseinandersetzungen innerhalb der Fakultät für Soziologie, wobei auch der damalige Dekan zu den Gegnern der Umgründung gehörte. Schließlich scheiterte die Initiative. Dies markierte einen Einschnitt in der Geschichte des IW, da dadurch für viele Jahre Bestrebungen einer breiteren Aufstellung des IW entmutigt wurden. Parallel gab es immer auch andere Überlegungen, etwa einen IW-zentrierten Sonderforschungsbereich zu beantragen, oder das Institut für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik in das IW zu integrieren. Kooperationen mit anderen Fakultäten wurden jedoch nicht nur durch Akteure innerhalb der Fakultät konterkariert, sondern sie erwiesen sich auch vielfach als schwierig aus Gründen, die anderen Fakultäten zuzurechnen sind. So zeigte sich die Fakultät für Gesundheitswissenschaften als streng auf ihre eigenen Belange hin orientiert, was Kooperationen schwierig machte. Doktoranden der Soziologie sollte es etwa nicht einmal erlaubt sein, sich in Vorlesungen der Fakultät für Gesundheitswissenschaften dazuzusetzen. Auch Versuche einer – eigentlich naheliegenden – Kooperation mit der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften erwiesen sich immer wieder als schwierig und letztlich undurchführbar, abgesehen von der engagierten Beteiligung von Werner Abelshauser als Wirtschaftshistoriker, der jedoch paradigmatisch am IW randständig blieb. Nach einer gewissen Erholung von dem Schock des Scheiterns des IWG im Jahre 2006 gab es weitere Reflexionen des IW und Versuche einer neuen Strategie. Im Jahre 2012 legte der geschäftsführende Vorstand ein neues Entwicklungskonzept vor. In einem Konzeptpapier von 2012 für die Jahre 20132015 stellte er fest, dass das IW weiterhin das Leitkonzept der Weltgesellschaft verfolgte, dieses aber thematisch breit anschlussfähig sei und »Anschlüsse an sehr diverse Forschungslinien im Themenbereich Globalisierung« ermögliche (Geschäftsführender Vorstand 2012). Weiter hieß es: »Auf dieser institutionellen und konzeptuellen Grundlage ist die Weltgesellschaftsforschung in den vergangenen 12 Jahren kontinuierlich weiterentwickelt worden. Zu den neuesten Entwicklungen gehören eine verstärkte Hinwendung zu historischen Perspektiven und eine intensivere Beschäftigung mit kulturell-symbolischen Dimensionen von Globalisierung und Weltgesellschaft. In den Frühphasen des Instituts ging man recht selbstverständlich davon aus, dass strukturelle Merkmale von Modernität aufgrund eines inhärenten Globalisierungstrends die Entstehung der Weltgesellschaft gleichsam automatisch forcieren würden – Funktionssysteme, so ein zentraler Gedanke, seien ›unhintergehbar‹ global. Diese Annahmen wurden in die neue Frage überführt, wie die beschriebenen Globalisierungspotentiale faktisch realisiert wurden und werden – wie

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Lut z Leisering und unter welchen Bedingungen sich also im Zeitverlauf globale Ordnungsstrukturen herausbilden und verändern.«

In dem Konzeptpapier von 2012 plante das IW auch eine Verstärkung seiner Publikationstätigkeit insbesondere im englischsprachigen Raum. Im August 2014, bereits unter dem Einfluss des Drucks von Wissenschaftssystem und Rektorat, zu großen Forschungsverbünden beizutragen, legte das IW ein »Mid-range Strategy Paper« vor, das ein breites Spektrum von Aktivitäten ankündigte, und sowohl Interdisziplinarität und internationale Sichtbarkeit verstärken sollte. Das Strategy Paper legte das IW dem Rektorat in einem Brief im August 2014 vor, in dem das IW (zutreffend) als ein Schwerpunkt der Fakultät für Soziologie bezeichnet wurde (was bereits in einem Papier des Dekans zur Entwicklungsplanung der Fakultät im Jahre 2009 enthalten war), mit Verweis darauf, dass Anregungen von IW-Kritikern aufgenommen worden seien. Daraufhin fand am 27. Mai 2015 ein Rektoratsgespräch mit der IW-Leitung statt, um »Vernetzungs- und Kooperationsmöglichkeiten« auszuloten, also das IW zu öffnen und zu Verbünden beitragen zu lassen. Begründet wurde dies vom Rektorat durch den Zwang zu Großforschungsverbünden und den Universitätsschwerpunkt Geistes- und Sozialwissenschaften, in dem sich die Universität zu profilieren habe. Auch diese strategische Neubestimmung des IW nahm wenig Gestalt an. Ende 2015/Anfang 2016 kam es zur letzten großen Initiative des IW, vom Rektorat erwünschte Forschungsverbünde zu beliefern. Die Initiative nannte sich im Arbeitstitel »World Society – Transnational Relations – Global Histories« und war formell ein Antrag an das Rektorat in Bezug auf die »Ausschreibung Forschungsinitiativen in Vorbereitung auf die kommende Exzellenz-Initiative«. Wie die Idee des IWG, aber etwas weniger breit aufgestellt, etwas theoretischer orientiert, neu die Geschichtswissenschaft (Angelika Epple, Willibald Steinmetz) einbringend sowie neue Fakultätsmitglieder einbeziehend (Alexandra Kaasch, Andreas Vasilache), zielte auch diese Initiative auf eine Öffnung des IW. Der Begriff Weltgesellschaft trat etwas in den Hintergrund, stattdessen gab es eine Akzentverschiebung in Richtung globaler Politik, wie in dem direkt damit in Verbindung stehenden Antrag für das (später erfolgreiche) Graduiertenkolleg »World Politics«. Das explorative Verbundkonzept sollte fünf Schwerpunktbereiche haben: The Emergence of Modern World Politics; Dynamics of Global Conflicts (Global Conflict Lines); Transnational Movements and Flows; Regulation in World Society; Change and Evolution in Global History.

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B il anz und Z ukunf t des I nstituts für W eltgesellschaf t Hat das IW die im Jahre 2000 bei der Gründung formulierten Ziele erreicht, hat es die in es gesetzten Erwartungen erfüllt? Ja und nein. Unsicher bleibt, was die Mitglieder des IW ohne die Institution IW erreicht hätten. Sicherlich wäre einiges entstanden, aber es spricht vieles dafür anzunehmen, dass die Kollektivität IW – durch Finanzierung von Konferenzen, durch daraus entstehende Sammelbände, durch Zusammenführen von Wissenschaftlern und nicht zuletzt durch Einwerbung der Graduiertenkollegs – einen erheblichen Mehrwert erzeugt hat. In Bezug auf den Veröffentlichungs- und Tagungsoutput wird man dem IW eine hervorragende Kosten-Nutzen-Relation zusprechen müssen. »[…] the relation between input in terms of direct financial resources on the one hand and research output in the case of the IW is extremely favourable (usually and repeatedly colleagues react surprised when they learn about the limited scale of resources behind the institute’s output). While the IW draws on much more limited resources than thematically pertinent institutions (Käte Hamburger Kolleg Duisburg-Essen; International Politics and Law Department of the Social Science Research Center Berlin), it does compare well in terms of relative prominence and output.« (Geschäftsführender Vorstand 2014, Mid-range Strategy Paper)

Konzeptuell hat das IW tatsächlich, wie ursprünglich beabsichtigt, eine Alternative zum Mainstream der Globalisierungsforschung geboten, durch einen soziologischen, auf soziale, kommunikative und kulturelle Prozesse abhebenden Zugang zu »Weltgesellschaft« und, in Verbindung damit, durch eine dezidiert theoretische Perspektive. An dem Leitbegriff »Weltgesellschaft« ist personell wie konzeptuell immer festgehalten worden, auch wenn bewusst andere Theorietraditionen zugelassen und zunehmend eingebracht wurden. Durchgängig war eine kritische Masse an weltgesellschaftlich oder doch globaltheoretisch orientierten Forschern und Forscherinnen vertreten. Zugleich sind die Grenzen des IW erkennbar. Immer wieder gab es konzeptuelle und disziplinäre Versuche der Öffnung und Verbreiterung des IW, diese blieben jedoch letztlich begrenzt. Das entscheidende Ereignis war das Scheitern der Neugründung des IW als umfassenderes »Institut für Weltgesellschafts- und Globalisierungsstudien« im Jahre 2006, das noch lange seinen Schatten warf. Zudem waren Mitglieder des IW immer wieder an kollektiven Forschungsverbünden der Fakultät sowie jenseits der Fakultät beteiligt, jedoch gelang keine Einrichtung eines durch das IW primär definierten Forschungsverbundes. Wie in der Fakultät insgesamt, schienen auch im IW die einzelnen Mitglieder forschungs- und drittmittelstark, während kollektive Forschungszusammenhänge schwieriger zu bewerkstelligen waren. »[…] the Institute’s activities are significantly shaped by ›push‹ factors, that is, by initiatives and research of individual researchers which perceive a thematic fit

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with the Institute and place their respective activities under its umbrella.« (Geschäftsführender Vorstand 2014, Mid-range Strategy Paper) Schließlich ist die internationale Sichtbarkeit des IW begrenzt. Mehrere einzelne Mitglieder des IW waren und sind international stark sichtbar, die Kollektivität IW und das Konzept der Weltgesellschaft wurden und werden international jedoch nur begrenzt beachtet. Konzeptuell und personell hätte das IW das Potential gehabt, in der internationalen Scientific Community ein alternatives Paradigma zu den herrschenden Globalisierungstheorien zu begründen, dies ist jedoch nicht geschehen. Warum war und ist die Position des IW innerhalb der Universität und in der International Scientific Community begrenzt? Eine Beschränkung war, dass das IW nicht über eigene Stellen und Forschungsgelder verfügt. In diesem Sinne war der entscheidende Schlag gegen das IW bereits vor seiner Gründung erfolgt, nämlich durch Ablehnung des SFB-Antrags »Weltgesellschaft« im Jahr 1999. Folgenreich war auch, dass die erstrangigen genuin weltgesellschaftstheoretischen Beiträge der Leitfiguren Rudolf Stichweh und Bettina Heintz nur wenig in englischer Sprache publiziert worden sind. Es ist kurios, dass führende Vertreter der Weltgesellschaftsforschung primär in einer Regionalsprache (Deutsch) publizierten, die fast keinem Mitglied der globalen Scientific Community, insbesondere nicht angelsächsischen Forschern und der zunehmenden Zahl asiatischer KollegInnen, vertraut ist. Damit zusammenhängend blieben strategische Publikationen in angelsächsischen Top-Zeitschriften aus. Der programmatische Band »From Globalization to World Society« kam erst 15 Jahre nach Gründung des Instituts (Holzer/Kastner/Werron 2015). Ein weiterer Faktor war die geringe Umsetzung genuin weltgesellschaftlicher Konzepte in empirische Forschungsdesigns, die soziologisch vor allem von Bettina Heintz geleistet wurde, im Bereich Weltpolitik auch in der Arbeitsgruppe von Mathias Albert und in der Sozialpolitik teilweise von Lutz Leisering. Insbesondere waren quantitative Studien rar. John W. Meyer hat darauf hingewiesen, dass er schon früh die Entscheidung getroffen hat, seine Theorie der World Polity und World Culture auch in quantitativen empirischen Studien zu operationalisieren, weil quantitative Forschung eine wesentliche Grundlage der Anerkennung im sozialwissenschaftlichen Wissenschaftssystem der USA ist. Begrenzend für die Wirkkraft des IW waren auch thematische Aussparungen, so der geringe Umfang von Forschungen zum globalen Süden, die primär von Hans-Dieter Evers, Joanna Pfaff-Czarnecka und Thomas Faist und deren Arbeitsgruppen geleistet wurden. Erst 2018 wurde eine genuin den Entwicklungsgesellschaften gewidmete Professur eingerichtet, besetzt durch die Sozialanthropologin Minh Nguyen. Auch die späte und begrenzte Thematisierung der Europäischen Union (EU) war eine Lücke, die bereits von den Gutachtern bei der Begehung des beantragten Sonderforschungsbereiches zu Weltgesellschaft im September 1999 angemahnt worden war.

Institut für Weltgesellschaf t

Welche Zukunft hat das IW und welche Ziele setzt es sich selbst? Der Weggang der führenden deutschsprachigen Weltgesellschaftstheoretiker, Rudolf Stichweh und Bettina Heintz, markierte einen bleibenden Verlust. Auch der Weggang von Boris Holzer und die Pensionierung und frühe Tod von Gunnar Stollberg rissen Lücken. Zuletzt hat das IW im Generationswechsel neue Kräfte gewonnen, insbesondere durch Tobias Werron als einer der wenigen profilierten Vertreter einer allgemeinen Weltgesellschaftstheorie, durch Alexandra Kaasch als eine der wenigen deutschsprachigen ForscherInnen zu globaler Gesundheits- und Sozialpolitik, und durch Minh Nguyen als Spezialistin für Gesellschaften des globalen Südens. Ertragreich könnte auch die jüngste Öffnung des IW für die Geschichte des Globalen werden, wie sie im Arbeitsbericht des IW für 2015-2017 perspektivisch umrissen wird: »In the future, the Institute will build on and extend the interdisciplinary character of its work by exploring possibilities for the development of larger collaborative projects. In the coming years, the executive board is planning to put a particular emphasis on collaboration between sociology of world society, international relations and global history studies. […] Simultaneously, we are preparing a proposal for a Research Group at the Center for Interdisciplinary Research to explore the potential of this topic for larger collaborative projects with a number of nationally and internationally renowned scholars from all three disciplines.« (IW 2018: 2)

L iter atur Albert, M., 2006: Forschungsprogramm des Instituts für Weltgesellschaftsund Globalisierungsstudien (Institute for World Society and Global Studies), Diskussionsgrundlage 3.5.2006, Ms., Universität Bielefeld. Geschäftsführender Vorstand des Instituts für Weltgesellschaft, 2012: Konzeptpapier des Instituts für Weltgesellschaft, 2013-2015, Ms., Universität Bielefeld. Geschäftsführender Vorstand des Instituts für Weltgesellschaft, 2014 (rev. 2015): Mid-range strategy paper – Institute for World Society Studies, Ms., Universität Bielefeld. Greve, J./Heintz, B., 2005: Die »Entdeckung« der Weltgesellschaft. Entstehung und Grenzen der Weltgesellschaftstheorie. S. 89-119 in: B. Heintz/R. Münch/H. Tyrell (Hg.), Weltgesellschaft. Theoretische und empirische Problemlagen (Sonderheft der Zeitschrift für Soziologie). Stuttgart: Lucius & Lucius. Heintz, B./Münch, R./Tyrell, H. (Hg.), 2005: Weltgesellschaft. Theoretische und empirische Problemlagen (Sonderheft der Zeitschrift für Soziologie). Stuttgart: Lucius & Lucius.

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Holzer, B./Kastner, F./Werron, T. (Hg.), 2015: From Globalization to World Society: Neo-Institutional and Systems-Theoretical Perspectives. New York u.a.: Routledge. Institute for World Society Studies, o.J. (2009): Working Report 2001-2008, Bielefeld. Institute for World Society Studies, o.J. (2012): Working Report 2009-2011, Bielefeld. Institute for World Society Studies, o.J. (2015): Working Report 2012-2014, Bielefeld. Institute for World Society Studies, o.J. (2018): Working Report 2015-2017, Bielefeld. Krücken, G./Leisering, L., 2006: Laudatio on Prof. em. John W. Meyer, Stanford University, on the occasion of bestowing an honorary doctorate. Ms., Universität Bielefeld. Leisering, L., 2003: Bericht über das Treffen des Consortium of Centres for Globalization Studies (CCGS) in Ottawa (10.-12.09.2003) zur Gründung eines internationalen Verbundes der Globalisierungsforschungsinstitute. Ms., Universität Bielefeld. Leisering, L., 2004: Bericht über die Gründungskonferenz des Globalization Studies Network (GSN) in Warwick, 18.-21.08.2004. Ms., Universität Bielefeld. Meyer, J.W., 2007: Globalization. Theory and Trends. International Journal of Comparative Sociology 48, 261-273. Stichweh, R., 1999a: Einrichtungsbeschluss Institut für Weltgesellschaft und Wissensgesellschaft (Entwurf), Ms., Universität Bielefeld. Stichweh, R., 1999b: Verwaltungs- und Benutzungsordnung für das Institut für Weltgesellschaft und Wissensgesellschaft (Entwurf), Ms., Universität Bielefeld. Wobbe, T., 2000: Weltgesellschaft. Bielefeld: transcript.

Promovieren an der Fakultät für Soziologie Der Aufbau einer Graduiertenschule und die Entwicklung eines strukturierten Promotionsprogramms Ursula Mense-Petermann

1. E inleitung Seit Rüdiger Korff und Günther Schlee im Jubiläumsband zum 25-jährigen Bestehen der Bielefelder Fakultät für Soziologie (1995) über die Doktorandenausbildung berichtet haben, hat sich diese fundamental gewandelt. »Von der Kooptation zur strukturierten Ausbildung« – so beschreibt Stefan Hornbostel (2008: 209) die Entwicklung der Doktorandenausbildung in Deutschland in den letzten eineinhalb Jahrzehnten. Seit in Bologna 1999 die Schaffung eines europäischen Hochschulraums mit einem zweistufigen System von Studienabschlüssen beschlossen wurde und daran anschließend 2003 die Berliner Konferenz der europäischen Hochschulministerinnen und -minister die Doktorandenausbildung als dritten Zyklus in den Bologna Prozess einbezogen sehen wollte, ist die Promotionsphase an deutschen Universitäten grundlegend reformiert worden. War diese bis in die 1990er Jahre hinein als ›freie‹ Promotion forschungs- und wissenschaftsorientiert und als »Meister-Schüler-Verhältnis« (Hornbostel 2008) angelegt, so findet die Doktorandenausbildung heute fast überall im Rahmen von formalisierten Promotionsstudiengängen und häufig auch innerhalb von Graduiertenschulen statt. So auch an der Bielefelder Fakultät für Soziologie.

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2. A uf dem W eg zur struk turierten P romotion  – D ie wissenschaf tspolitische D ebat te um die A usbildung des wissenschaf tlichen N achwuchses Die ›freie‹ Promotion bzw. das Promovieren im klassischen »Meister-Schüler-Verhältnis« wurde in den 1990er Jahren zum Gegenstand vielfältiger Kritik.1 Ein zentraler und immer wieder angeführter Kritikpunkt war, dass »der Doktorand in hohem Maße vom Erstbetreuer der Dissertation abhängig [ist], der zugleich Dissertationsgutachter und (als Projektleiter) oft effektiver Arbeitgeber ist.« (Deutsche Forschungsgemeinschaft – Arbeitsgruppe »Wissenschaftlicher Nachwuchs« 2000). Themenvergabe und Betreuungsverpflichtungen seien nicht geregelt und häufig unzureichend abgesprochen (Hochschulrektorenkonferenz 1996). Das Promovieren im klassischen »Meister-Schüler-Verhältnis« war allerdings nicht nur ein Abhängigkeitsverhältnis, sondern führte häufig auch, und das war ein weiterer Kritikpunkt, zu Isolation und fehlenden Austauschmöglichkeiten, wie auch die Hochschulrektorenkonferenz (1996) festhielt: »[V]or allem in den Kulturwissenschaften, arbeiten die Doktoranden vielfach isoliert bei unzureichender Betreuung. Der wissenschaftliche Meinungsaustausch ist (dadurch) unterentwickelt. Dies kann dazu führen, daß die Themenstellung verfehlt, unangemessene Forschungsmethoden gewählt, der erreichte Arbeitsstand nicht richtig eingeschätzt und Ergebnisse im ersten Anlauf nicht professionell dargestellt werden. Klassische Formen der Betreuung wie Doktorandenkolloquien und Oberseminare reichen häufig nicht aus, weil diese in der Summe zu selten, zu unverbindlich oder zu unstrukturiert angeboten werden und weil sie nur unzureichend die fachübergreifende, interdisziplinäre Bearbeitung größerer Themenbereiche fördern.«

Bemängelt wurde hier die fehlende Einbettung in einen inspirierenden, unterstützenden und thematische, theoretische wie methodische Austauschmöglichkeiten bietenden wissenschaftlichen Kontext, der auch die nachhaltige Vernetzung mit einer relativ stabilen Gruppe von Peers beinhaltet. Weiterhin wurde kritisiert, dass Promovierende keine Schlüsselqualifikationen wie Teamarbeit und Kommunikationsfähigkeit vermittelt bekommen und häufig keine interdisziplinären Erfahrungen machen sowie kaum Praxisberührung und -orientierung in der Promotionsphase vorkäme. Dies sei jedoch für eine aussichtsreiche außeruniversitäre Karriere von fundamentaler Bedeutung. Ebenso wenig würden aber in der Promotionsphase auch systematisch wissenschaftliche Methoden oder das Verfassen wissenschaftlicher Publikationen und von Projektanträgen gelehrt – Kompetenzen, die für eine wissenschaftliche Lauf bahn zentral sind. Und schließlich wurde auch kritisch auf überlange 1 | Vgl. etwa Wissenschaftsrat (1995); Hochschulrektorenkonferenz (1996); Deutsche Forschungsgemeinschaft – Arbeitsgruppe »Wissenschaftlicher Nachwuchs« (2000).

Promovieren an der Fakultät für Soziologie

Promotionszeiten und das hohe Durchschnittsalter von Promovierenden beim Abschluss hingewiesen. Sowohl der Wissenschaftsrat (1995) als auch die Hochschulrektorenkonferenz (1996) und die Arbeitsgruppe »Wissenschaftlicher Nachwuchs« der Deutschen Forschungsgemeinschaft (2000) kamen aufgrund dieser Kritikpunkte zu derselben Empfehlung, nämlich Zentren für Doktorandenstudien bzw. Graduiertenschulen einzurichten, die eine strukturierte Doktorandenausbildung ermöglichen. Grundlegend für diese Empfehlung waren die guten Erfahrungen, die man mit den von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) seit Anfang der 1990er Jahre – allerdings immer nur für eine begrenzte Laufzeit – geförderten Graduiertenkollegs gemacht hatte. In Graduiertenschulen wurde ein geeigneter institutioneller Rahmen gesehen, in dem die Vorteile von Graduiertenkollegs auf Dauer gestellt und auf ganze Universitäten ausgeweitet werden könnten (vgl. Hochschulrektorenkonferenz 1996). Der Gedanke der Graduiertenschule fand dann auch Eingang in das vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und DFG getragene Programm »Promovieren an Hochschulen in Deutschland« – hier noch ergänzt um das Ziel einer stärkeren Internationalisierung der Promotionsphase – und später in die Exzellenzinitiative.

3. D ie G ründung einer G r aduiertenschule und die E inrichtung des ersten P romotionsstudiengangs an der B ielefelder F akultät für S oziologie 2 Auch an der Bielefelder Fakultät für Soziologie wurden die mit dem klassischen Promotionsmodell verbundenen Probleme gesehen. Rüdiger Korff und Günther Schlee (1995) sprechen in ihren Ausführungen zur Doktorandenausbildung an der Bielefelder Fakultät für Soziologie im Jubiläumsband zum 25-jährigen Geburtstag der Fakultät etwa die Abhängigkeit der Promovierenden von einer Einzelperson oder die Tatsache, dass die damalige Promotionsordnung Seminare oder Doktoranden-Arbeitsgruppen nicht vorsah, geschweige denn die Teilnahme an ihnen vorschrieb, kritisch an. Auch wenn in Bielefeld die 2 | Die folgende Darstellung beruht auf Protokollen von Sitzungen der Strukturkommission und der Fakultätskonferenz, auf denen die Einrichtung einer Graduiertenschule und eines Promotionsstudiengangs beraten wurden, sowie auf dem Antrag zur Einrichtung der Graduiertenschule und den Zwischenberichten an die Drittmittelgeber. Ich danke der Fakultät und insbesondere Markus Göbel und Anita Riedel für das Zugänglichmachen dieser Akten. Weitere wichtige Hinweise verdanke ich Jörg Bergmann (ehemaliger Direktor der International Graduate School in Sociology [IGSS] und der Bielefeld Graduate School in History and Sociology [BGHS]), Reinhold Hedtke (Vorsitzender des Promotionsausschusses der Fakultät für Soziologie) und Thomas Welskopp (lang jähriger Direktor und heutiger stellvertretender Direktor der BGHS).

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Promovierenden in die thematischen Arbeitsgruppen integriert waren und die Betreuung sich somit nicht nur auf die Beziehung zwischen Professor oder Professorin und Promovierenden beschränkte, sondern in größere Arbeitszusammenhänge mit ihren Projekten eingebettet war, sahen die Autoren die Teilnahme an spezifischen Seminaren, Kolloquien oder Doktorandenarbeitsgruppen als durchaus notwendig an. Vor dem Hintergrund dieser Debatten initiierte der damalige Dekan, Rudolf Stichweh, im Sommersemester 2001 einen Antrag der Fakultät auf Förderung der Einrichtung einer Graduiertenschule und eines internationalen Promotionsstudiengangs im Rahmen des von DAAD und DFG getragenen Programms »Promotion an Hochschulen in Deutschland«. Mit diesem Antrag verbanden sich die folgenden Ziele: (1) ein Ausbau von internationalen Promotionen; (2) die Erleichterung und Förderung interdisziplinärer Promotionen; (3) eine erhebliche Verkürzung der Promotionszeiten ohne Einbußen an wissenschaftlicher Qualität durch die Einbettung der Promotion in einen Promotionsstudiengang und durch ein deutlich intensiviertes Betreuungskonzept; und schließlich (4) eine Intensivierung der wechselseitigen Anregung unter den wissenschaftlichen Schwerpunkten der Fakultät für Soziologie. In der Fakultät für Soziologie wurden diese Planungen durchaus kontrovers diskutiert. Einwände wurden etwa von den Wissenschaftlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vorgetragen, die zwar grundsätzlich die Einrichtung einer Graduiertenschule positiv sahen, aber zu bedenken gaben, dass es insbesondere für Wissenschaftliche Mitarbeiter auf Fakultätsstellen, die auch selbst in der Lehre tätig sind, Schwierigkeiten geben könnte, ein Promotionsstudium zu absolvieren. Verwiesen wurde auf die starke zeitliche Beanspruchung in der Lehre und in der akademischen Selbstverwaltung. Diese Einwände wurden auch von einigen Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern geteilt, die betonten, dass die Promovierenden der Fakultät eine sehr heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Bedürfnissen seien und daher die Standardisierung der Doktorandenausbildung nicht zu weit getrieben werden dürfe. Eine weitere Kritik, die insbesondere von Promotionsbetreuern und -betreuerinnen geäußert wurde, bezog sich auf die Institutionalisierung eines Zulassungsprozesses, in dem die neu zu gründende Graduiertenschule über die Zulassung zur Promotion zu entscheiden hatte. Denn dies bedeutete, dass am Anfang der Promotionsphase nicht mehr, wie zuvor, die Annahme der Promovierenden durch einen Betreuer oder eine Betreuerin stand, sondern die formale Zulassung zur Promotion durch den Vorstand der Graduiertenschule. Einige Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen sahen sich dadurch in ihrer wissenschaftlichen Freiheit eingeschränkt und bevormundet. Nach einer eingehenden Diskussion wurde jedoch die Entscheidung, eine Graduiertenschule einzurichten, von einer breiten Mehrheit der Fakultätsmitglieder getragen. Der Antrag der Fakultät auf Förderung eines internationalen Promotionsstudiengangs und Einrichtung einer Graduiertenschule wurde 2001 von DAAD und DFG positiv entschieden und die International Graduate School in

Promovieren an der Fakultät für Soziologie

Sociology (IGSS) 2002 gegründet. Die Fakultät für Soziologie gehörte damit zu den ersten Einrichtungen in Deutschland, die einen strukturierten internationalen Promotionsstudiengang und eine Graduiertenschule als dessen Trägerin eingerichtet haben. Die Besonderheit der IGSS und des strukturierten Promotionsstudiengangs an der Bielefelder Fakultät für Soziologie lag darin, dass in ihn grundsätzlich alle Promovierenden der Fakultät aufgenommen werden sollten.3 Damit verbunden war entsprechend eine große Breite und thematische Vielfalt statt einer Engführung auf spezialisierte Forschungsthemen, wie sie für Graduiertenkollegs typisch ist. Gleichzeitig war damit von Anfang an auch die Interdisziplinarität des Studiengangs verbunden, da an der Fakultät außer der Soziologie noch die Disziplinen Politikwissenschaft, Sozialanthropologie und Fachdidaktik der Sozialwissenschaften vertreten sind und als Promotionsbereiche zur Verfügung stehen. Außerdem war die interdisziplinäre Wissenschafts- und Technikforschung beteiligt. In den folgenden Jahren wurde vom Vorstand und von der Geschäftsstelle der IGSS maßgebliche Auf bauarbeit geleistet. Die Betreuung wurde zunehmend institutionalisiert und professionalisiert: So wurde eine Betreuungsvereinbarung eingeführt, außerdem eine Berichtspflicht der Promovierenden über den Fortgang der Promotion. Auch Workshops zu Schlüsselqualifikation sowie weitere neue Veranstaltungsformate wurden eingeführt. Innerhalb der Fakultät für Soziologie und der gesamten Hochschule genoss die IGSS bald eine große Akzeptanz und wurde als modellartiges Vorzeigeprojekt angesehen. Die Erfahrungen der IGSS waren sowohl für das Rektorat als auch für andere Fakultäten von großem Interesse. So wurde das Modell der IGSS durch die Geschichtswissenschaft übernommen. Diese führte zum Wintersemester 2005/06 ebenfalls einen strukturierten Promotionsstudiengang im Rahmen der neu gegründeten Bielefeld Graduate School for Historical Research (BIGH) ein. Mit Auslaufen der Finanzierung aus dem Programm »Promotion an Hochschulen in Deutschland« stellte sich dann allerdings 2006 die Frage der Weiterfinanzierung. Zu diesem Zeitpunkt war die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder mit einer Förderlinie »Graduiertenschulen« bereits in Vorbereitung. Um die strukturierte Promotion weiter auszubauen, das interdisziplinäre Profil zu erweitern, und auch die Internationalisierung des Promotions3 | Der Grundgedanke war, dass die Graduiertenschule ausnahmslos alle Promovierenden aufnehmen sollte. Eine Verpflichtung zur strukturierten Promotion innerhalb der Graduiertenschule war jedoch rechtlich nicht möglich, so dass die ›freie‹ Promotion weiterhin als Möglichkeit bestand. Sie blieb jedoch von der Gründung der IGSS an eine Ausnahme. In den vergangenen 13 Semestern gab es mit wenigen Ausnahmen nur ein bis zwei Einschreibungen zur ›freien‹ Promotion, während die Einschreibezahlen für die strukturierte Promotion im oberen einstelligen bzw. unteren zweistelligen Bereich lagen.

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studiums wie die der tragenden Einrichtungen weiter voranzutreiben, wurde von der Fakultät für Soziologie gemeinsam mit der Abteilung Geschichtswissenschaft erfolgreich ein Antrag auf Förderung einer Graduiertenschule im Rahmen der Exzellenzinitiative gestellt. Die IGSS der Fakultät für Soziologie und die BIGH der Abteilung Geschichtswissenschaft gingen in der 2007 neu gegründeten und 2008 angelaufenen gemeinsamen Bielefeld Graduate School in History and Sociology (BGHS) auf. Diese wird nach erfolgreichem Verlängerungsantrag in der zweiten Runde der Exzellenzinitiative im Rahmen der Exzellenzinitiative bis 2019 gefördert.

4. D ie struk turierte D ok tor andenausbildung an der BGHS 4 Die BGHS ist eine gemeinsame Einrichtung der Fakultät für Soziologie und der Abteilung Geschichtswissenschaft in der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie mit derzeit insgesamt 120 Promovierenden. In den strukturierten Promotionsstudiengang der BGHS sind zurzeit 69 Promovierende aus der Fakultät für Soziologie eingeschrieben, davon 31 Frauen. Der Anteil internationaler Promovierender beträgt 36 Prozent. Im Juli 2018 wurde die 150. Promotion im Rahmen der BGHS abgeschlossen, davon 105 an der Fakultät für Soziologie. Während das Promotionsrecht weiterhin bei den Fakultäten liegt und damit auch die Entscheidung über die Zulassung zur Promotion, über die Eröffnung von Promotionsverfahren und deren Durchführung in der Verantwortung der Fakultäten verbleibt 5, ist die BGHS für die Organisation und Durchführung der strukturierten Doktorandenausbildung zuständig. Nach zwei Förderphasen durch die Exzellenzinitiative finden die Promovierenden der Fakultät für Soziologie und der Abteilung für Geschichtswissenschaft an der BGHS heute exzellente Bedingungen für die Durchführung ihrer Promotionsprojekte und für ihre Ausbildung vor. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass die Promovierenden eine sehr gute Betreuung und – auch organisatorische – Unterstüt4 | Die folgenden Ausführungen greifen teilweise auf Dokumente der BGHS zurück, wie etwa auf ein von der Autorin gemeinsam mit dem stellvertretenden BGHS-Direktor, Thomas Welskopp, und BGHS-Geschäftsführerin Sabine Schäfer verfasstes Entwicklungspapier oder Selbstbeschreibungen der BGHS auf der Homepage, die von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle erstellt wurden. Darüber hinaus verdanke ich Sabine Schäfer weitere Hinweise und Daten zur BGHS. 5 | Nachdem die IGSS in der gemeinsam mit der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie getragenen BGHS aufgegangen war, wurde die Entscheidung über die Zulassung zur Promotion in Soziologie wieder an den Promotionsausschuss der Fakultät für Soziologie delegiert. Dieser entscheidet auf Grundlage eines Exposés sowie einer Stellungnahme des Erstbetreuers oder der Erstbetreuerin.

Promovieren an der Fakultät für Soziologie

zung für ihre Dissertationsprojekte bekommen, dass sie sich fachlich, theoretisch und methodologisch-methodisch weiterentwickeln können, dass sie dabei unterstützt werden, sich zu eigenständigen Forscherpersönlichkeiten zu entwickeln, und dass sie Beratungs- und Unterstützungsangebote für die Entwicklung ihrer wissenschaftlichen oder außerwissenschaftlichen Karriere bekommen. Schließlich – und ganz zentral – gehört zu den exzellenten Bedingungen für die Promotion auch die funktionierende Promovierenden-Community. Insbesondere die Gründungsdirektoren der BGHS, Jörg Bergmann (Fakultät für Soziologie) und Thomas Welskopp (Abteilung Geschichtswissenschaft) haben gemeinsam mit der Geschäftsstelle eine ganze Reihe von Initiativen ergriffen, um die Entwicklung einer solchen Community zu fördern. So wurde etwa ein Gemeinschaftsraum eingerichtet, der als Treffpunkt der Promovierenden für informelle Gespräche und gemeinsame Aktivitäten wie etwa Filmabende diente. Sogar eine eigene Band aus Promovierenden und Hochschullehrenden gab es in der Anfangszeit der BGHS. Die so entstandene Community stellt nicht nur einen Rahmen für den interdisziplinären und internationalen wissenschaftlichen Austausch zur Verfügung, sondern führt auch dazu, dass die Promovierenden sich gegenseitig unterstützen und Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen, was nicht nur, aber insbesondere für die internationalen Promovierenden von großer Bedeutung ist. Für die Herausbildung dieser Community spielt eine zentrale Rolle, dass – wie zuvor auch schon in der IGSS – alle Promovierenden der Fakultät unabhängig von ihren Promotionsthemen in der BGHS Mitglied werden und von ihren Angeboten profitieren können. Auch die Promovierenden in Graduiertenkollegs, wie etwa die Mitglieder des aktuell von der DFG geförderten Graduiertenkollegs »Weltpolitik«6, werden in die BGHS aufgenommen. Wichtig für diese Community ist auch, dass die BGHS über eigene Räumlichkeiten verfügt, und zwar nicht nur für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle, sondern auch für Promovierende, die keine Fakultätsstellen haben und daher keinen Arbeitsplatz in der Fakultät besitzen, wie auch über Seminarund Besprechungsräume sowie eine Lounge, die als zentraler Treffpunkt für informelle Treffen der Promovierenden fungiert. Wie diese auch selbst in verschiedenen Evaluationen und Feedback-Runden zu Protokoll gegeben haben, stellt diese Community einen zentralen Mehrwert für die Promovierenden dar. Insbesondere die Ausweitung des interdisziplinären Profils, das nun neben der Soziologie, Politikwissenschaft, Sozialanthropologie und Fachdidaktik der Sozialwissenschaften auch die Geschichtswissenschaft in ihrer ganzen Breite, einschließlich der relativ neuen Kunst- und Bildgeschichte, umfasst, wird von den Promovierenden – und vor allem auch von den beteiligten Hochschullehrern und -lehrerinnen – als sehr anregend empfunden. Diese Einbettung der Doktorandenausbildung in eine lebhafte Gemeinschaft von Promovierenden

6 | www.uni-bielefeld.de/worldpolitics/

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und Betreuerinnen und Betreuern bildet einen zentralen Unterschied zum ›freien‹ Promovieren vor der Gründung der Graduiertenschule. Kern der Doktorandenausbildung an der BGHS ist das interdisziplinäre Studienprogramm, das die wissenschaftliche und überfachliche Ausbildung umfasst und regelmäßig an die Bedürfnisse der Promovierenden angepasst wird. Im Laufe der Jahre und auf bauend auf den Erfahrungen mit der IGSS und der BIGH wurde ein Studienprogramm entwickelt, das den Promovierenden attraktive und anspruchsvolle Angebote im Bereich Theorie, Methodologie und Methoden sowie in vielen thematischen Bereichen macht. Das Programm ist so ausbalanciert, dass es den Promovierenden erlaubt, ihre Kenntnisse in diesen zentralen Bereichen weiterzuentwickeln, ohne zugleich ein zu enges Korsett darzustellen und das eigenständige Forschen zu behindern. Im Zentrum des Studienprogramms steht die Research Class, ein Veranstaltungsformat, in dem die Promovierenden über einen längeren Zeitraum hinweg in einer stabilen Gruppe ihre Promotionsprojekte diskutieren und den interdisziplinären Austausch pflegen können. Research Classes werden werkstattförmig organisiert, so dass die Promovierenden ihre eigenen Probleme im Forschungsprozess einbringen und mit Peers und Betreuern mögliche Lösungen diskutieren können. Damit ist das Promotionsstudium an der BGHS zugleich strukturiert und auf individuelle Bedürfnisse ausgerichtet und bietet Raum für Eigeninitiative und individuelle Interessen. Neben dem Studienprogramm haben die Promovierenden an der BGHS die Möglichkeit, über die Arbeit am Dissertationsprojekt hinaus eigenständig oder im Team weitere Aktivitäten zu initiieren, beispielsweise die Organisation eines Workshops, die Beteiligung an der Planung des Annual Seminars, der internationalen Jahrestagung der BGHS, oder die Initiierung von Public Science – Aktivitäten, wie etwa die gemeinsam mit der VHS Bielefeld durchgeführte Vorlesungsreihe »Linie 4«, in der Promovierende der BGHS ihre Promotionsprojekte einer größeren außeruniversitären Öffentlichkeit vorstellen. Die Organisationsteams der Annual Seminars haben außerdem die Möglichkeit, ausgewählte Beiträge in einem Themenheft der InterDisciplines, der peer-reviewed, open-access Zeitschrift der BGHS herauszugeben. Den Promovierenden wird hier die Möglichkeit geboten, als Autorinnen und Autoren einzelner Beiträge oder als Gastherausgeberinnen und -herausgeber ganzer Ausgaben zu fungieren. Durch solche Aktivitäten können die Promovierenden sowohl für eine wissenschaftliche wie auch für eine außeruniversitäre Karriere wichtige Erfahrungen und Kompetenzen sammeln und sich zu eigenständigen Forscherpersönlichkeiten entwickeln. Die BGHS hat von Beginn an eine Reihe von Maßnahmen zur Förderung der Internationalisierung entwickelt. Sie bietet ihren Promovierenden nicht nur ein interdisziplinäres intellektuelles Umfeld, sondern auch ein internationales, denn sie ist eine Graduiertenschule mit dezidiert internationalem Profil. Mit einem Anteil von knapp 30 Prozent prägen internationale Promovierende aus allen Kontinenten die BGHS als Community deutlich. Die BGHS ist

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zweisprachig – alle Plenums- und BGHS-öffentlichen Veranstaltungen finden auf Englisch statt und es gibt ein großes Veranstaltungsangebot in englischer Sprache. Regelmäßig sind internationale Forscher für kürzere oder längere Gastaufenthalte an der BGHS und bieten Doktorandenseminare und -workshops an. Die Promovierenden haben aber auch selbst die Möglichkeit, sich für ein Mobilitätsstipendium zu bewerben, um ein Semester an einer ausländischen Hochschule zu forschen oder Reisemittel für die Teilnahme an internationalen Konferenzen zu beantragen. Von Anfang an hat die BGHS sich auch zum Ziel gesetzt, gleiche Zugangschancen zur Wissenschaft für Männer und Frauen zu schaffen, und sie hat eine Reihe von Fördermaßnahmen geschaffen, die die Promotionsmöglichkeiten und Karrierechancen innerhalb und außerhalb der Wissenschaft für Frauen verbessern. So schreibt die BGHS jedes Jahr das Shortcuts-Programm für Masterabsolventinnen aus, um Frauen beim Eintritt in die Promotionsphase zu fördern. Auch ein spezielles Mentoring-Programm für Frauen wurde entwickelt. Heute liegt der Frauenanteil unter den Promovierenden bei 44 Prozent. Und schließlich hat die Geschäftsstelle der BGHS auch ein professionelles Mitgliedermanagement entwickelt, das regelmäßig aktualisierte Informationen zum Fortschritt der Promotionen und den wissenschaftlichen Aktivitäten der Promovierenden liefert. Auf bauend auf der Vorarbeit der IGSS wurde an der BGHS die Professionalisierung der Betreuung und der Unterstützung der Promovierenden wie auch die Qualitätssicherung des Promotionsstudiums weiter vorangetrieben. Mittlerweile ist der Abschluss einer Betreuungsvereinbarung zwischen Promovierenden, Betreuenden und der BGHS-Leitung ebenso selbstverständlich wie die Einreichung jährlicher Arbeitsberichte der Promovierenden. Bei diesen Maßnahmen geht es nicht darum, die Promovierenden zu kontrollieren, sondern sie dienen dazu, Probleme im Promotionsprozess frühzeitig zu erkennen und zu bearbeiten und das Ausbildungsprogramm der BGHS laufend zu verbessern. Auch die Betreuenden werden unterstützt, v.a. mit einem Leitfaden zur guten Betreuung, der von einer Arbeitsgruppe innerhalb der BGHS erarbeitet wurde und heute für die ganze Universität Bielefeld verbindlich gilt. Zwar gilt nach wie vor, dass die Funktionen von Betreuung, Begutachtung und häufig auch als Quasi-Arbeitgeber in der Person eines Professors oder einer Professorin zusammenfallen, so dass die oben kritisierten Abhängigkeiten weiterhin bestehen. Allerdings ist diese Betreuer-Promovierenden-Beziehung heute durch die Einbettung in das strukturierte Promotionsprogramm und die Graduiertenschule deutlich versachlicht und durch die Einbettung in die Promovierenden-Community gewissermaßen de-zentriert worden. Im Konfliktfall steht ein Ombudsmann zur Verfügung. Insgesamt wurden so klare Verantwortlichkeiten im Betreuungsprozess und Transparenz bezüglich des Verlaufs der Promotionsphase sowie der Promotionsdauer geschaffen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die gemeinsam von der Fakultät für Soziologie und der Abteilung Geschichtswissenschaft aufgebaute

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Graduiertenschule erfolgreich Lösungen für die oben angesprochenen Probleme der klassischen ›freien‹ Promotion entwickelt hat. Die Förderung durch die Exzellenzinitiative über zwei Förderphasen hinweg hat es der Fakultät für Soziologie und der Abteilung Geschichtswissenschaft ermöglicht, für ihre Promovierenden ein hervorragendes strukturiertes Umfeld für die Promotion aufzubauen. Eine externe Evaluation hat im letzten Jahr diese erfolgreiche und nachhaltige Strukturbildung in ihrem Bericht ausdrücklich als »state-of-theart« gewürdigt. Mit Hilfe der Drittmittel aus der Exzellenzinitiative ist es in Bielefeld gelungen, eine Graduiertenschule aufzubauen, die – wie gezeigt – weit mehr ist als ein administratives ›Dach‹ für das Promotionsstudium. Jenseits der sehr erfolgreichen Strukturbildung für die Doktorandenausbildung an der Fakultät für Soziologie muss allerdings kritisch angemerkt werden, dass damit noch keine Lösung der übergreifenden Strukturprobleme des Wissenschaftssystems im Bereich der Stellenkategorien und Karrierewege im sogenannten Mittelbau verbunden ist. Auch für hervorragend ausgebildete und qualifizierte Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler stehen nach wie vor über lange Zeiträume nur befristete und prekäre Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung.

5. U nd nach der E x zellenzinitiative ? – E in A usblick Im Jahr 2019 endet die Finanzierung der BGHS durch die Exzellenzinitiative. Was bedeutet das für die Doktorandenausbildung an der Fakultät für Soziologie? Selbstverständlich wird die BGHS auch über das Auslaufen der Drittmittel-Finanzierung weiter bestehen und für die Doktorandenausbildung an der Fakultät für Soziologie und der Abteilung Geschichtswissenschaft den gemeinsamen Rahmen bieten. Die Fakultät für Soziologie und die Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie übernehmen die Finanzierung der Geschäftsführung und weiterer Angebote. Die seit 2002 zunächst von der IGSS und seit Beginn ihrer operativen Aktivität 2008 von der BGHS aufgebauten Strukturen – der Promotionsstudiengang, die Betreuungsvereinbarung, die regelmäßig einzureichenden Berichte zum Stand der Arbeit – sind inzwischen fest institutionalisiert und laufen fort. Auch viele Veranstaltungsformate, die für die BGHS als interdisziplinäre und internationale Community zentral sind, wie etwa das Annual Seminar, können fortgeführt werden. Angebote zu überfachlichen Qualifikationen werden mittlerweile zunehmend über das zentrale Personalentwicklungsprogramm der Universität Bielefeld bereitgestellt, so dass die BGHS hier auf Dauer eher eine koordinierende Funktion für ihren Bereich einnehmen wird. Zentral für die BGHS als Community wird es sein, dass sie weiterhin über eigene Räume – insbesondere auch Seminar-, Besprechungs- und Gemeinschaftsräume – verfügen kann, in denen die Promovierenden zusammen arbeiten, sich aber auch informell austauschen können. Die BGHS wird auch in Zukunft daran arbeiten, das struk-

Promovieren an der Fakultät für Soziologie

turierte Studienprogramm fortzuentwickeln und weiter zu verbessern. Dies wird sie allerdings stärker projektförmig tun und die dafür notwendigen Mittel bei Drittmittelgebern oder aus dem Strategieetat der Universität beantragen müssen. Allerdings können nicht alle Programme und Maßnahmen wie bislang weiter angeboten werden. So werden Promovierende in Zukunft bei der BGHS keine Mobilitätsstipendien mehr erhalten. Sie müssen, wenn sie ein Semester an einer ausländischen Universität forschen wollen, Anträge bei externen Drittmittel- oder Stipendiengebern stellen. Gleiches gilt für Reisemittel zur Teilnahme an nationalen und internationalen Tagungen. Auch für die Finanzierung der Einladung internationaler Gastlehrender müssen alternative Wege gefunden werden. Insgesamt wird die BGHS dementsprechend stärker auf das Einwerben von Drittmitteln angewiesen sein. Dennoch wird sie weiterhin eine Graduiertenschule mit internationalem Profil bleiben und den Promovierenden in Zukunft nach wie vor ein anregendes interdisziplinäres und internationales Umfeld bieten.

L iter atur Deutsche Forschungsgemeinschaft – Arbeitsgruppe »Wissenschaftlicher Nachwuchs«, 2000: Empfehlungen der Arbeitsgruppe »Wissenschaftlicher Nachwuchs« des Präsidiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft. www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/reden_stellungnahmen/ download/wiss_nachwuchs_lang.pdf. (Zugriff am 02.08.2018). Hochschulrektorenkonferenz HRK 1996: Zum Promotionsstudium. Entschließung des 179. Plenums vom 9. Juli 1996. https://www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/zum-promotionsstudium/. (Zugriff am 22.08.2018) Hornbostel, S., 2008: Promotion im Umbruch – Bologna ante Portas. www. forschungsinfo.de/publikationen/Download/Hornbostel_Promotion%20 im%20Umbruch.pdf. (Zugriff am 21.08.2018). Korff, R./Schlee, G., 1995: Die Doktorandenausbildung an der Fakultät für Soziologie. S. 208-216 in: F.-X. Kaufmann/R. Korff (Hg.), Soziologie in Bielefeld. Ein Rückblick nach 25 Jahren. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte. Wissenschaftsrat (1995): Empfehlungen zur Neustrukturierung der Doktorandenausbildung und -förderung vom 19.05.1995. https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/2040-95.pdf (Zugriff am 02.08.2018).

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Internationalisierung Avant la lettre und als Programm 1 Thomas Faist »Wie kann ich über das Meer mit dem Frosch sprechen, Wenn der nie seinen Teich verlassen hat? Wie kann ich über den Frost mit dem Vogel im Land des Sommers sprechen, Wenn der nie das Land seiner Geburt verlassen hat? Wie kann ich über das Leben mit einem Weisen reden, Wenn der ein Gefangener seiner Doktrin ist?« (Zhuang Zi, 4. Jhdt. v. Chr.)

Tiefgreifender W andel? Schenkt man der einschlägigen Literatur und diversen Suchmaschinen Glauben, so kann der Beginn dessen, was als Internationalisierung der Hochschulen bezeichnet wird, auf die 1990er Jahre datiert werden. Seitdem finden wir Programme, Deklarationen und Politiken, die es sich zum Ziel gesetzt haben, Internationalisierung von Forschung und Lehre zu fördern und voranzutreiben. Was ist aber mit internationaler Kooperation und Austausch in den Jahrzehnten zuvor? Hierfür liefert die Fakultät für Soziologie vielfältiges Anschauungsmaterial. Im Protokoll der Fakultätskonferenz vom 18. Juni 1980 wird etwa berichtet, dass der frisch gewählte Dekan Hans-Dieter Evers die Internationalisierung der Fakultät durch »verstärkte Betreuung von ausländischen Studenten, Förderung der Einladung ausländischer Gastdozenten, Einführung von Lehrveranstaltungen in sozialwissenschaftlichem Englisch und die Förderung der internationalen Außenkontakte der Fakultät« vorantreiben will. Auch von Kooperationen mit Universitäten in Warschau, Krakau, Posen (1986), Sofia (1991), St. Petersburg (1994) und Bandung (1994), um nur einige 1 | Der Autor dankt Volker Kruse, Natalya Kashkovskaya, Torsten Strulik und Christian Ulbricht für wertvolle Hinweise zur Geschichte der Internationalisierung an der Fakultät.

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Beispiele zu nennen, ist die Rede. Darüber hinaus weist die Fakultät seit ihrer Gründung etliche Wissenschaftler auf, die international sehr aktiv agierten. Denken wir etwa an Peter Weingart in der Wissenschaftssoziologie, der mit Kollegen und Kolleginnen vor allem aus Großbritannien und USA zugange war, Hans-Dieter Evers, der in der Entwicklungssoziologie mit Südostasien regen Austausch pflegte oder den politischen Soziologen Claus Offe im Hinblick auf Südeuropa und die USA. Allesamt pflegten sie rege grenzübergreifende Forschungskooperationen. Und zudem finden wir Niklas Luhmann, der zwar international wenig kooperierte, aber aufgrund seines Werks in der soziologischen Theorie weltweite Bekanntheit erzielte, so etwa in Italien, Japan oder Mexiko. Mehr oder weniger handelte es sich hier um Einzelkämpfer, die trotz oder gar aufgrund der zahlenmäßigen Größe der Fakultät ihren grenzübergreifenden Wissenschaftsraum mitschufen und ausschöpften. Wir sehen hier sozusagen eine Internationalisierung avant la lettre am Werk. Denn Internationalisierung als Strategie an Universitäten, etwa im Rahmen des viel zitierten »Wettbewerbs um die besten Köpfe«, hielt erst ab Ende der 1990er Jahre und verstärkt zu Beginn dieses Jahrhunderts Eingang in das Policy-Repertoire von Nationalstaaten, Ministerien und Universitäten – und damit auch der zugehörigen Fakultäten. Mit den entsprechenden Strategien gab es seitdem eine Art Programmierung und damit eine Naturalisierung des Sozialen im Hinblick auf grenzübergreifende Bindungen und Austausch. Internationalisierung hat sich seither immer mehr zu einem unhinterfragten Selbstverständlichen des Hochschullebens entwickelt. Diese soziale Konstruktion hatte gemäß dem Thomas-Theorem auch reale Folgen: Es konstituierte das soziale Feld der Internationalisierung. Es ist heute an der Universität Bielefeld etwa sichtbar in den Kriterien für die Mittelzuteilung des Rektorats für die Fakultäten oder in der Fakultät für Soziologie in dem starken Bemühen der Bielefeld Graduate School in History and Sociology (BGHS) um internationale Promovierende und der Bemühungen der Fakultät, beispielsweise über den International Track im MA Soziologie, geeignete Studierende aus dem Ausland anzuziehen. Eine populäre Interpretation der gegenwärtigen Internationalisierung an Universitäten lautet: Universitäten passen sich mit Internationalisierungsstrategien an die veränderten Rahmenbedingungen an, um die besten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu gewinnen sowie Forschungsgelder zu akquirieren, und dadurch im globalen Ranking zu reüssieren, was wiederum die Chancen für die »besten Köpfe« steigert, mehr Reputation schafft und noch mehr Forschungsmittel generiert. Dazu sei eine entsprechende Organisationskultur zu schaffen. Sichtbar wird diese Entwicklung etwa an den Richtlinien von Förderorganisationen in der Forschung. So achtet beispielsweise die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) seit einigen Jahren verstärkt auf die Vernetzung, Publikationen und »Sichtbarkeit« der – im Hinblick auf Internationales – an Forschungsprojekten beteiligten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Auch für die Lehre scheint Internationalisierung immer mehr

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an Bedeutung zu gewinnen. Indikatoren wie die Anzahl der internationalen Studierenden gelten neben der Zahl der ausländischen Forscher und Forscherinnen, die etwa durch die Alexander von Humboldt Stiftung kommen, auf Landes- und Universitätsebene als Gradmesser einer gelungenen internationalen Öffnung. Es stellt sich daher die Frage, was diese beiden Phasen vor und nach den 1990er Jahren unterscheidet, wie Internationalisierung Forschung sowie Lehre geleitet hat und welche Auswirkungen sie auf den präferierten Typus von Forschenden, Lehrenden und Studierenden bisher schon hatte und noch hat.

V ergleich von avant la let tre und P rogr ammierung Zielführend ist es nun, die beiden Phasen miteinander zu vergleichen, nämlich die Internationalisierung in der Fakultät avant la lettre in den 1970er bis in die 1990er Jahre und den Zeitraum der Programmierung danach. Für die erste Phase, avant la lettre, ist sichtbar, dass internationale Kooperation vor allem in den Arbeitsgebieten verlief, die sich von vornherein als grenzund länderübergreifend konstituierten. Prominente Beispiele hierfür sind die Entwicklungssoziologie und Wissenschafts- und Techniksoziologie, aber auch die Politische Soziologie. In der Entwicklungssoziologie forschte Hans-Dieter Evers nicht nur zu Südostasien, sondern rekrutierte von dort auch Doktoranden. Die internationalisierten Bereiche Entwicklungssoziologie und Wissenschaftssoziologie schufen Anfang der 1990er Jahre schließlich auch die ersten Graduiertenkollegs an der Fakultät für Soziologie: »Entwicklungssoziologie und Sozialanthropologie: Markt-Staat-Ethnizität« in der Entwicklungssoziologie und »Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft« in der Wissenschaftssoziologie. In der Entwicklungssoziologie bildeten die Regionalschwerpunkte Lateinamerika, Afrika, Mittlerer Osten und Südostasien einen Nukleus für intensive Kooperationen und Austausch mit Forschern und Forscherinnen vor Ort. Demgegenüber war die Wissenschaftssoziologie ab den 1960er Jahren primär angelsächsisch verankert und orientiert. Peter Weingart unterhielt in dieser Zeit Kontakte zu Kollegen in Großbritannien und den USA. Später expandierten diese Kontakte auch nach Mittel- und Osteuropa. Zur Zeit des Kalten Krieges wurden derartige Kooperationen gerade auch gefördert, um die Wissenschaftsentwicklung in der DDR und anderen Ostblockstaaten zu beobachten. Aus derartigen Kooperationen ergaben sich auch weitere Unternehmungen: Anfang der 1990er Jahre bekleidete Peter Weingart das Amt des Präsidenten des von Robert Merton einige Jahre zuvor ins Leben gerufenen Research Committee 23 »Sociology of Science and Technology« der International Sociological Association (ISA). Ein anderer Bielefelder Soziologe, Richard Grathoff, seinerzeit Mitglied des Herausgebergremiums der Zeitschrift der ISA, International Sociology, war maßgeblich daran beteiligt, den Weltkongress derF Soziologie mit dem Titel »Contested Boundaries and Shifting Solidari-

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ties« 1994 nach Bielefeld zu bringen. Ein weiteres Beispiel war der u.a. von Claus Offe und Gert Schmidt geleitete Forschungsschwerpunkt »Zukunft der Arbeit«, der Anfang der 1980er Jahre intensive Kontakte zu Industriesoziologen in Italien unterhielt. Festhalten lässt sich, dass insbesondere in den Feldern, die von Anfang an international geprägt waren – und diese waren gerade auch im Kalten Krieg von ideologischer Bedeutung – rege internationale Kontakte entwickelten. Diese Entwicklung wirkt bis heute nach. Die Etablierung von Kontakten und Mobilisierung von Ressourcen der Kooperation spielten beim Auf bau von Wissenschaftseinrichtungen in diesen Feldern in Herkunftsländern wie Indonesien durchaus eine Rolle. Außerdem gab es schon früh Versuche, Studien- und Austauschprogramme mit ausländischen Universitäten aufzubauen, worauf beispielsweise der Besuch einer Delegation der chinesischen Akademie für Gesellschaftswissenschaften in Bielefeld und die Unterzeichnung eines Kooperationsabkommens im Jahre 1981 hinweisen. Allerdings war es zu der Zeit schwierig, Studierende und Doktoranden und Doktorandinnen aus dem Ausland anzuziehen, vor allem aus dem angelsächsischen: Aufgrund der Sprachbarriere war die Fakultät für Studierende aus dem Ausland nur sehr eingeschränkt attraktiv. Die zweite Phase, die der programmierten Internationalisierung, ist durch institutionell geförderte und geforderte Internationalisierung gekennzeichnet. In vielen Forschungsprogrammen ist beispielsweise internationale Kooperation als Kriterium bei der Bewilligung von Forschungsprojekten schon eingeschrieben, so etwa durch die DFG. Dies bedeutete allerdings an der Fakultät für Soziologie nicht unbedingt ein starkes Anwachsen internationaler Kooperationsformate, z.B. der Rahmenprogramme der EU wie Horizon 2020. Diese sind immer noch äußerst selten. Der Grund liegt möglicherweise im Vergleich zu anderen Ländern wie die Niederlande oder Großbritannien in der relativ besseren Förderung durch nationale Förderorganisationen wie DFG, Volkswagen, Thyssen. Im Unterschied zu Deutschland sind in vielen europäischen Nachbarstaaten die Forscher und Forscherinnen seit Längerem selbst für die Grundfinanzierung auf europäische Forschungsmittel angewiesen. Nichtsdestotrotz hielten Formate von Internationalisierung als Programmierung Einzug in Bereiche, die stärker von der Lehre geprägt waren. Als ein Beispiel par excellence für die stärkere Institutionalisierung von internationaler Kooperation in Lehre und Forschung kann das Zentrum für Deutschland- und Europastudien (ZDES) dienen, das seit über zwölf Jahren durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gefördert wird. Die Grundlagen für die Kooperation zwischen Bielefeld und St. Petersburg reichen bis in die 1990er Jahre zurück. Beim ZDES handelt es sich um eine institutionelle Verbindung zwischen der Universität Bielefeld und der Staatlichen Universität St. Petersburg, die weit über ein Kooperationsabkommen hinausgeht. Das ZDES ist eines von 20 ehemals und aktuell vom DAAD geförderten weltweiten Zentren für Deutschland- und Europastudien und das

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einzige bi-nationale Zentrum. Es fördert die Internationalisierung der Lehre von Bielefelder Lehrenden durch deputatsfähige Lehre im MA Studies in European Societies (MA SES) und ist in diesem Bereich viel populärer als ERASMUS-Abkommen mit einzelnen Universitäten. Das ZDES fungiert auch als Hub für deutsch-russische Initiativen interessierter Forscher und Forscherinnen aus Bielefeld. Ein weiteres Beispiel für enge institutionelle Kooperation, allerdings auf Lehre beschränkt, ist die Zusammenarbeit mit der Universität Bologna. Dabei handelt es sich um ein Programm, das der Internationalisierungsstrategie der Universität Bielefeld entspricht, in diesem Falle der Kooperation mit Ankeruniversitäten, die für die Universität Bielefeld eine besonders gute Passform darstellen im Hinblick auf die forscherische und lehrmäßige Ausrichtung und Ergänzung. Seit Wintersemester 2016/17 gibt es auf Masterebene ein gemeinsames deutsch-italienisches Studienprogramm, eine Kooperation zwischen Bielefeld und der urkundlich ältesten Universität Europas. Die Unterrichtssprachen sind Italienisch, Englisch und Deutsch. Hier, wie auch in den anderen Programmen, hat sich die Fakultät nicht auf die dominante Variante englischsprachiger Studiengänge, sondern auf eine multilinguale Form eingelassen. Insgesamt wuchs in den letzten Jahren die Zahl der internationalen Studierenden an der Universität und in der Fakultät sichtbar an. Allerdings ist in der Fakultät für Soziologie die Zahl der Incomings noch weit geringer als die der Outgoings, die im Vergleich zu anderen Soziologie-Standorten wie Mannheim oder Frankfurt relativ gering sind. Weiterhin ist zu beachten, dass Doppelabschlüsse etwa im Rahmen des Doppelabschlusses im MA Soziologie zwischen Bielefeld – Bologna oder dem Zertifikat für die MA Studies in European Societies Bielefeld – St.Petersburg möglich sind. Aber andere gängige Indikatoren sind nicht so leicht interpretierbar: Die Zahl der internationalen Doktoranden und Doktorandinnen hat sich beispielsweise erhöht, ganz im Sinne der Indikatoren, die heutzutage gemeinhin angewendet werden. Während die International Graduate School in Sociology (IGSS) zur Mitte des ersten Jahrzehnts der 2000er Jahre einen Anteil ausländischer Promovierender von ca. 20 Prozent aufwies, liegt der Anteil bei Promovierenden der Bielefeld Graduate School in History and Sociology (BGHS), die in der Soziologie beheimatet sind, inzwischen bei 36 Prozent (2018). Man könnte plausibel argumentieren, dass der damit einhergehende Vorteil von Internationalisierung darin liegt, dass sie die Chancen auf eine größere Vielfalt theoretischer bzw. wissenschaftlicher Perspektiven erhöht.2 Es ist also nicht unbedingt die Intensität der internationalen Kooperation an sich, welche die beiden Phasen avant la lettre und die gegenwärtige unterscheidet. Bevor wir zu diesen qualitativen Unterschieden kommen, gilt es darauf zu verweisen, wie Strategien der Internationalisierung erst das Objekt schaffen, das dann zu bearbeiten ist.

2 | Für diesen Hinweis danke ich Sabine Schäfer.

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Insbesondere nahm im Laufe der Zeit die Programmierung der innereuropäischen Mobilität von Studierenden zu, wenn auch unter dem Schnitt anderer Universitäten. Man denke nur an ERASMUS (EuRopean Community Action Scheme for the Mobility of University Students), das seit 1987 operiert. Inzwischen wurde dieses Programm um die Förderlinie Mobilität mit Partnerländern erweitert, die sogenannte internationale Dimension, was in diesem Falle außereuropäische Länder heißt. Auch hier beteiligt sich die Fakultät für Soziologie seit 2016 im Lehrenden- und Studierendenaustausch mit Universitäten in Lahore/Pakistan, Kathmandu/Nepal und Tel Aviv & Haifa/Israel. Gerade die Studierenden, die aus diesen Partneruniversitäten den Weg nach Bielefeld finden, ergänzen die Mobilität aus den Ländern, aus denen bisher die meisten internationalen Studierenden kamen, nämlich Russland und der Türkei. Der Mechanismus, durch den diese Prozesse strukturiert werden, ist die spezifische Finanzierungsmodalität. Die EU hat es seit der Bologna Erklärung im Jahre 1999 geschafft, den Prozess der Internationalisierung in sämtlichen nationalen Hochschulbildungssystemen der Mitgliedsstaaten durch ihre »power of the purse« zu prägen. Nationale Gesetzgebung – und in Deutschland: die Bundesländer – mag gewisse Rahmenbedingungen setzen, aber jetzt eben in einem wirklichen europäischen Markt bzw. sogar Weltmarkt für Hochschulbildung, der nach eigenen Regeln funktioniert. Die Universitäten in Europa entsprechen daher immer mehr dem Ideal der »Wettbewerbsuniversität« – was in etwa der Organisationsform entspricht, die dem »competition state« (Cerny 1997) inhärent ist. Die Fakultät folgt bisher einem etwas anderen Leitbild. In der Lehre handelt es sich um eine Integration der Internationalisierungsprogrammatik, z.B. im International Track, also dem englischsprachigen Zweig des MA Soziologie seit 2011. Die Fakultät für Soziologie hat sich bewusst dafür entschieden, keinen separaten englischsprachigen Studiengang im MA Soziologie zu etablieren, sondern den regulären Master Soziologie um ein fremdsprachiges Kursangebot zu erweitern. Kurzum, es gibt die Möglichkeit, den Master Soziologie im regulären Studienverlauf von Anfang bis Ende in Englisch zu studieren, für deutsche und internationale Studierende – und, mindestens genauso wichtig – die Möglichkeit für deutschsprachige Studierende, einfach einige englischsprachige Veranstaltungen zu besuchen, um sich beispielsweise auf ein Auslandsstudium vorzubereiten, und für englischsprachige Studierende, auf der Grundlage integrierter Deutschkurse auch deutschsprachige Veranstaltungen zu belegen. Hier handelt es sich um eine bewusste Verknüpfung von »internationalization abroad« und »internationalization at home«, die in der Regel separat diskutiert und implementiert werden. Gerade deshalb spielte der International Track der Fakultät eine Vorreiterfunktion innerhalb der Universität Bielefeld. Inzwischen haben es andere Fakultäten kopiert. Für den International Track gibt es allerdings eine signifikante Einschränkung. Insgesamt können nur sieben Prozent der insgesamt zugelassenen Studierenden im MA Soziologie aus dem nicht-europäischen Ausland stammen

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– auf der Grundlage der Bestimmungen des Landes Nordrhein-Westfalen. Daraus ergeben sich relativ geringe Fallzahlen für die Zulassung zum International Track. Die offizielle Rationalisierung hinter dieser Bestimmung lautet, dass es sich hier um Entwicklungshilfe für die nicht-europäischen Länder handele, aus denen die Studierenden kämen. Interessant ist diese Regelung als Ungleichzeitigkeit: Sie stammt noch aus der Zeit vor dem »Wettbewerb um die besten Köpfe« und widerspricht dem Fakt, dass ein wachsender Anteil der internationalen Studierenden nach dem Studium in Deutschland verbleibt. Das Beispiel verweist auch auf die in Politik und Politiken ungebrochene Modernisierungsreligion, entgegen aller empirischen Evidenz. Wie schon Arnold Toynbee (1964) erkannte, ist dabei Modernisierung ein Codewort für Verwestlichung, d.h. es geht um die globale Durchsetzung westlicher Universitätskultur. Den Konzepten wie Internationalisierung liegen damit bestimmte Rahmenideen zugrunde. Wie alle erfolgreichen Policy-Konzepte ist Internationalisierung als Begrifflichkeit äußerst unscharf. Es ist ein typischer Begriff der Modernisierung, d.h. auch ein Inbegriff der »Verwestlichung«, die an den Rändern unscharf wird. Damit verhält es sich ähnlich wie bei anderen Zeitgeistbegriffen wie Diversität. Dabei gibt es einen engen Zusammenhang zwischen den beiden. Die auch aus Internationalisierung entstandene kulturelle Diversität kann als Ressource für die Organisation Universität begriffen werden. Viele dieser Diversitäten haben eine grenzübergreifende Komponente, z.B. Wissen über das Herkunftsland oder Sprachkenntnisse. Dies dient als strategische bzw. taktische Ressource für die Positionierung der Universität im globalen Umfeld. Eine doppelte Naturalisierung von Internationalisierung und Diversität ist nun in vollem Gange. Dieser Nexus ist in diesem Zusammenhang deshalb von Interesse, weil der Klassencharakter auch höherer Bildung eher verniedlicht wird, wenn auch nicht intendiert. So wird etwa im Diversitätskonzept der Universität Bielefeld3 soziale Klasse gleich großzügig unter Diversitätsmerkmalen subsumiert. Dies entspricht einer affirmativen Behandlung von Diversität, die keine Differenzierung von Diversitäten (sprich: Heterogenitäten) und daraus möglicherweise resultierenden Ungleichheiten zulässt. Stattdessen ist Diversität an sich schon positiv besetzt. Sinngemäß gilt dies auch für Internationalisierung. Wichtig ist zu beachten, dass innerfakultär und insbesondere auf universitärer Ebene Programme der Internationalisierung als auch der Diversität häufig konsequentialistisch begründet werden, beispielsweise damit, dass die Vielfalt wissenschaftlicher Perspektiven und damit auch der Gang oder gar Fortschritt in der Forschung erhöht werden. Angesichts der geschilderten materiellen und ideellen Entwicklungen lässt sich festhalten, dass Internationalisierung im Sinne internationaler Forschungskontakte und Kooperation kein Phänomen ist, das sich auf den Zeitraum seit den 1990er Jahren beschränkt. Dies war auch schon in der Phase 3 | www.uni-bielefeld.de/diversity/strategiepapier-diversity.pdf

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von Internationalisierung avant la lettre in der Fakultät für Soziologie zu beobachten. Allerdings ist zu beachten, dass diese Aussage vor allem für den Bereich der Forschung zutrifft, nicht so sehr für die Lehre. Was die Zahl internationaler Studierender betrifft, so ergaben sich tatsächlich signifikante Änderungen im Zeitverlauf; gerade durch das steigende Angebot an englischsprachigen Veranstaltungsangeboten, was voraussichtlich zu einer höheren Zahl internationaler Studierender und Promovierender an der Fakultät führte. Das Paradigma der Modernisierung und damit der Verwestlichung eint die beiden Phasen. Eine Kooperation auf Augenhöhe, gerade mit außereuropäischen Institutionen im globalen Süden, ist angesichts der immensen Machtasymmetrien nicht in Sicht. Das kann man etwa bei den Erasmus-Kooperationen mit außereuropäischen Partnern sehen: Der Antrag und der Abschlussbericht müssen auf Deutsch geschrieben werden, was die Möglichkeit, die Partner in den Schreibprozess zu involvieren, ungemein einschränkt. Auch werden die Gelder komplett von der deutschen Universität verwaltet. Diese zwei Faktoren führen dazu, dass die Partner das Mobilitätsprojekt nicht als eigenes Projekt begreifen, sondern ständig einfach nur auf verschiedene Aufforderungen der deutschen Partneruniversität reagieren, bestimmte Informationen zukommen zu lassen, wie z.B. Studierende zu nominieren. Die Einsichten der postkolonialen Theorie sind also bisher nicht in eine kooperative Praxis zwischen globalem Süden und globalem Norden gemündet. Insgesamt liegen die entscheidenden Veränderungen von Phase 1 zu 2 nicht so sehr in der Intensität von Internationalisierung als Programm, sondern an anderer Stelle, nämlich dem Typus von Organisation, Lehrenden/Forschenden und Studierenden.

W elcher T ypus von U niversitäten , F akultäten , F orschenden , L ehrenden und S tudierenden ? Die soziale Konstitution und Programmierung von Internationalisierung werfen grundlegende Fragen auf: Wie verändert dieser Prozess den Typus von Universitäts- und Fakultätsorganisation, den Typus von Lehrenden, Forschenden und den Typus von Studierenden im Gefüge von Prestige und Macht an Hochschulen? Im Hinblick auf die Organisation von Universitäten spielen Rankings aller Arten eine immer wichtigere Rolle. Rankings normalisieren beispielsweise die internationale Mobilität von Studierenden und kreieren individuelle Aspirationen auf Seiten der Studierenden und ihrer Familien. Sie halten den »Wettbewerb um die besten Köpfe« am Laufen und verschärfen diesen durch das fortwährende und nie stillstehende Streben nach Exzellenz. Eine Pressemitteilung der Universität Bielefeld vom 7. Juni 2018 mag für viele derartige Stellungnahmen stehen:

Internationalisierung »Die Universität Bielefeld ist zum siebten Mal in Folge vom britischen Wissenschaftsmagazin Times Higher Education (THE) als eine der weltbesten jungen Universitäten ausgezeichnet worden. Im ›Young University Rankings 2018‹ belegt die Universität Bielefeld im weltweiten Vergleich Rang 29. Unter den deutschen bewerteten Universitäten kommt sie auf Platz 4, NRW-weit auf Platz 2. Das Ranking vergleicht weltweit Universitäten, die nicht älter als 50 Jahre sind.« 4

Der dem Ranking inhärente Mechanismus ist die Standardisierung von international akzeptierten Benchmarks der »Exzellenz« in Forschung und Lehre. Letztlich trägt dieser Mechanismus auch zur standardisierten Konzeption von Universitätsstudierenden bei, die leicht über Grenzen hinweg mobil sein und studieren können. Sie nehmen ihre Abschlüsse wiederum an ihre folgenden Wirkungsstätten mit; im Falle von nicht-europäischen Studierenden aus dem globalen Süden häufig sogar trotz Restriktionen in Form von Visa- und Immigrationsbestimmungen. Auf Fakultätsebene könnte man meinen, Lokale und Kosmopoliten (Merton 1995) bzw. etablierte Positionseliten und aufstrebende Funktionseliten (Bourdieu 1984) – wenn man hier überhaupt von Eliten i.S. von Fremdbezeichnungen sprechen mag – würden einander ergänzen. Es sind wohl unterschiedliche Rationalitäten, die in Bezug auf diese beiden Kategorien Internationalisierung vorantreiben; wobei es sich hier selbstverständlich um idealtypische Vereinfachungen handelt. Im Hinblick auf die Kategorie Positionseliten stehen konservative Ziele im Vordergrund. Aus dieser Sicht ist Internationalisierung tendenziell eine Anpassungsleistung zum Erhalt des lokalen wissenschaftlichen Biotops, d.h. der Abwehr grundlegender Veränderungen in der Art wie Wissenschaft betrieben und nach welchen Kriterien sie bewertet wird. Es gilt also ganz simpel Posten in den entsprechenden Gremien zu besetzen. Was die Kategorie der Leistungseliten betrifft, sehen wir rhetorisch die Betonung kultureller Vielfalt unter kosmopolitischem Vorzeichen und ganz handfest die Versuche der Einwerbung prestigereicher Forschungsmittel. Selbstverständlich überlappen die Positions- und Leistungskategorien realiter und damit auch in den vorfindlichen sozialen Praktiken. Was den Typus von Forschenden und Lehrenden betrifft, so ergeben sich für den Homo internationalis folgende idealtypischen Merkmale: Diese Person ist grenzübergreifend vernetzt, an internationalen Kooperationsprojekten beteiligt oder gar federführend, ist publikationsstark in internationalen Journalen, i.d.R. angelsächsisch von Sprache und Ausrichtung dominiert – und lädt Kollegen und Kolleginnen aus dem Ausland über das Internationale GastdozentInnenprogramm (IGD) der Universität Bielefeld ein. In kritischer Absicht könnte man meinen, es handele sich dabei um »Modernisierungsgewinner«. In mittelgroßen Ländern wie Deutschland ist der Prozess einer derartigen 4 | ht tps://ekv v.uni-bielefeld.de/blog /uniak tuell/entr y/universität _bielefeld_er​ neut_unter_den

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Programmierung über Internationalisierung weniger weit vorangeschritten als in kleineren europäischen Ländern wie in den Niederlanden und in Skandinavien, da es einen genügend großen Markt für Fachjournale gibt und eine vergleichsweise solide ausgestattete nationale Forschungsförderung existiert. Schließlich geht es um die entscheidende Frage, welcher Typus von Studierenden herangebildet wird. Die Universitäten in den OECD Ländern setzen auf regionale bzw. gar weltweite Mobilität von Studierenden, nicht nur innerhalb Europas. Das Schlagwort lautet: »Wettbewerb um die besten Köpfe«. Hier gilt inzwischen die gleiche politische Priorität wie auch in der Immigrationspolitik, in der die »besten Talente« angelockt werden sollen. Und diese »klügsten Köpfe« werden in Sonntagsreden der Bildungspolitik nicht nur als Humankapital zum Fortschritt der Wissenschaften geschätzt, sondern gerne auch als kosmopolitisch, d.h. weltoffen, flexibel und tolerant gegenüber anderen Kulturen gefeiert. Man könnte meinen, dass wir bei ERASMUS und sonstigen Programmen der Internationalisierung bereits die Vorzeichen eines neuen europäischen Studierenden als Vorstufe zum europäischen Bürger oder gar des globalen Studierenden, der kosmopolitisch interessiert ist, sehen. Anders ausgedrückt wäre die Vermutung, dass die gegenwärtige Internationalisierung der Hochschulen eine bestimmte Lebensführung prägt, also einen bestimmten Typus von Studierendem. Dies wäre dann, frei nach Friedrich Nietzsche, eine Art Kosmopolitendämmerung mit den internationalen Studierenden als Speerspitze. Diese Beobachtung hat besonders auf intraregionaler Ebene wie in Europa große Relevanz, um etwa historische Feindschaften und Ungerechtigkeiten zwischen benachbarten Ländern sowie damit verbundene ideologische und kulturelle Unterschiede abzubauen und so eine europäische Identität zu schaffen. Die Idee der kosmopolitischen Bürgerschaft wird auch von internationalen Bildungskreisen und -organisationen, wie der UNESCO, sowie in nationalen Bildungs- und Entwicklungsprogrammen für Universitäten vorangetrieben. Der Kosmopolit ist aber häufig recht einseitig definiert als global bzw. regional mobiler Humankapitalbürger. Mobilität kann auf individueller Ebene folgerichtig im Zusammenhang der Steigerung von Humankapital gesehen werden. Das übergreifende Projekt des »strategischen Kosmopolitismus« (Mitchell 2003) erhöht die Konkurrenzfähigkeit der Studierenden in global vernetzten Wissensökonomien. Folgerichtig ist internationale Bildung eine Investition, die sich langfristig in sehr konkurrenzorientierten Arbeitsmärkten auszahlt. Der Lebenslauf wird angereichert und kulturelles Kapital wird erhöht, sogar die Chancen auf dem Heiratsmarkt steigen. Auf organisationaler Ebene werden diese Entwicklungen gespiegelt als Überlebensstrategie im Hochschulsektor, der oft unterfinanziert ist; in angelsächsischen Ländern gar über die weitere Kommerzialisierung von Bildung als Einnahmequelle. Diese Entwicklung ist an der Universität Bielefeld nur rudimentär zu beobachten; würde aber beispielsweise mit der (Wieder-)Einführung von Studiengebühren steigende Bedeutung erlangen.

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Was für die Universität Bielefeld und die Fakultät für Soziologie empirisch gezeigt werden kann, ist folgendes: Neben materiellen und kulturellen Gewinnen trägt die internationale Mobilität von Studierenden durch transnationales kulturelles Kapital und soziale Netzwerke zur Genese einer kosmopolitischen Weltanschauung bei. Unsere Forschungsergebnisse aus dem Projekt »Bright Futures«5 zeigen, wie im südostasiatischen Kontext häufig Familien über die Mobilität der Schulabsolventen entscheiden. Die intergenerationale Nähe in chinesischen Familien kann hierbei als wichtiger Faktor in der Transmission der elterlichen Einstellungen, Erwartungen und Werte gesehen werden. Wir sehen aber auch, dass es aufgrund der globalisierten und dichter organisierten höheren Bildung auf nationaler Ebene und darüber hinaus zu einer stärkeren Konvergenz standardisierter Individualitätskonzepte wie Autonomie, Selbstwert und aktive Teilhabe gekommen ist. Grenzübergreifende Mobilität dient jungen Studierenden aus Ländern wie China gerade dazu, ihre Individuation in diesem Sinne voranzutreiben. Man könnte also durchaus internationale Mobilität von Studierenden als Faktor klassifizieren, der kosmopolitische Einstellungen fördert. Aber gerade hier ist Vorsicht geboten: Die deutsche Mehrheitsgesellschaft sieht in internationalen Studierenden häufig »die Anderen« und schätzt sie zugleich als Träger von Humankapital. Internationale Studierende wiederum begreifen sich häufig als kosmopolitisch, aber distanzieren sich von Immigranten gleicher Nationalität. Man könnte hier von einer Art Doppelstrategie sowohl der deutschen Mehrheitsgesellschaft als auch der internationalen Studierenden im Umgang mit Differenz gegenüber »dem Anderen« sprechen.

A usblick Internationalisierung als Programm hat durchaus weitreichende Konsequenzen dafür, unter welchen Bedingungen Soziologie betrieben wird und welcher Typus von Forschenden, Lehrenden und Studierenden als erfolgreich gilt. Insgesamt lässt sich festhalten, dass das wirklich Neue im Vergleich der beiden Phasen avant la lettre und der gegenwärtigen Periode der Programmierung nicht so sehr das gestiegene Ausmaß an internationaler Kooperation bzw. der Zahl der internationalen Forschenden und Lehrenden an der Fakultät für Soziologie ist. Angesichts der massiven institutionellen Förderung auf nationaler und universitärer Ebene ist das Ergebnis eher bescheiden zu nennen. Die Fakultät für Soziologie bildet hierbei keine Ausnahme. Schwerer für die neuen Entwicklungen wiegen eine andere Ausrichtung im Hinblick auf einen veränderten Typus von Forschendem und Studierendem. Man könnte in Anlehnung an Max Webers Protestantische Ethik gar spekulieren, dass sich ein neuer Typus herausbildet. Als eine Art Deus ex Machina fungieren die globale Diffusion des Marktmechanismus und die Formen westlicher Rationalität im Hinblick 5 | http://brightfutures-project.com/

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auf Globalität und Transnationalität. Es kann durch strategisches Handeln, beispielsweise in Form des strategischen Kosmopolitismus, geprüft werden, ob Erfolg eintritt. Dies könnte als Beweis für die Erwähltheit bzw. die Verwirklichung des Leistungspotentials gelten. Kurzum, es ist der europäische bzw. globale Humankapitalbürger, der in seiner Proto-Form als globaler bzw. kosmpolitischer Forschender oder Studierender in Erscheinung tritt. Gleichzeitig ermöglicht Internationalisierung als Programm durchaus, dass mehr wissenschaftliche Perspektiven, gerade auch von außerhalb Europas, Eingang in die alltägliche Praxis von Seminaren und Workshops finden. In der Fakultät für Soziologie wurde aufgrund der nationalen und universitären Rahmenbedingungen, die keinen radikalen Bruch mit den Praktiken der prä-1990er Jahre erforderten, Internationalisierung bisher eng kanalisiert. Es erfolgten keine weitreichenden Strukturänderungen, wie wir sie in diesem Bereich in anderen sozialwissenschaftlichen Fakultäten wie Mannheim und vor allem in anderen europäischen Ländern beobachten können. Daher dominieren innerhalb der Fakultät weiterhin konservative Einstellungen. Das kann sich schnell ändern, gerade angesichts der demographischen Entwicklung unter Studierenden, falls international rekrutiert werden muss, um die Studiengänge weiterhin auf dem jetzigen Niveau zu füllen. Festzuhalten bleibt, dass die Fakultät aufgrund ihrer Größe genug Gestaltungsspielräume für Einzelkämpfer bietet. Das traf auch schon in der Phase Internationalisierung avant la lettre zu. Wenn dies auch wahrscheinlich für grundlegende Reformen aller Art eine eher ungünstige Voraussetzung ist, so wirken diese Spielräume gerade im Bereich Internationalisierung als Motor der Veränderung. Der zu beobachtende Wandel – man denke beispielsweise an den International Track, die Erhöhung der Zahl internationaler Doktoranden und Doktorandinnen oder auch die Kooperationen mit Bologna bzw. St. Petersburg – ist vor allem in der Lehre spürbar. Um hierbei die Metapher eines schwerfälligen Ozeandampfers zu bemühen: Eine kleine Kursänderung, die diese Programme darstellen, bewirken auf lange Sicht eine signifikante Richtungsänderung.

L iter atur Bourdieu, Pierre. 1984. Homo Academicus. Paris: Les Éditions de Minuit. Cerny, Philip G. 1997. Paradoxes of the Competition State: The Dynamics of Political Globalisation. Government and Opposition 32 (2): S. 251-274. Merton, Robert. 1995 [1968]. Soziologische Theorie und soziale Struktur. Kapitel 10: Einflußmuster: Lokale und kosmpolitische Einflußreiche, S.  367-396. Berlin/New York: De Gruyter. Mitchell, Katharyne. 2003. Educating the national citizen in neoliberal times: from the multicultural self to the strategic cosmopolitan. Transactions of the Institute of British Geographers 28: S. 387-403.

Internationalisierung

Toynbee, Arnold. 1964. Das heutige Experiment der westlichen Zivilisation. In: Die Zukunft des Westens. München: Nymphenburger Verlagshandlung. Weber, Max. 1980 [1904, 1920]. Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. In: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, S.  17-206. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck). Zhuang Zi. 2013. Vom Nichtwissen. Übersetzt, kommentiert und herausgegeben von Wolfgang Kubin. Freiburg i.B.: Herder.

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Das Zentrum für Deutschlandund Europastudien (ZDES/CGES) Lehren, Lernen und Forschen in St. Petersburg Verena Molitor und Andreas Vasilache

1. E inleitung Seit seiner Einrichtung im Jahr 2004 wird die Kooperation in Lehre, Forschung und Austausch zwischen der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld und der Fakultät für Soziologie der Staatlichen Universität St. Petersburg im Zentrum für Deutschland- und Europastudien (ZDES/CGES) gebündelt, das gemeinsam von beiden Universitäten und ihren soziologischen Fakultäten betrieben wird. Das ZDES ist eines der weltweit vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) geförderten Zentren für Deutschland- und Europastudien (andere Zentren bestehen u.a. in Paris, Amsterdam, Birmingham, Toronto, Minneapolis, Peking, Seoul, Wrocław, Haifa, Jerusalem, ehemals gefördert: Harvard, Brandeis, Berkeley, u.a.). Die wesentlichen Ziele des ZDES liegen in der Durchführung von Lehre, Forschung und wissenschaftlichen Austauschaktivitäten im (weiten) Feld der sozialwissenschaftlichen Deutschland- und Europastudien. Mit der Staatlichen Universität St. Petersburg und der Universität Bielefeld verbindet das ZDES zwei Hochschulen, die im Bereich der Sozial- und Gesellschaftswissenschaften eine sichtbare Position in ihrem jeweiligen nationalen Wissenschaftssystem einnehmen – und in denen das Fach Soziologie mit Fakultätsrang vertreten ist. So handelt es sich beim ZDES um die einzige universitäre Einrichtung, die sich den Deutschland- und Europastudien mit einem soziologischen Schwerpunkt widmet – und dabei von zwei Universitäten gemeinschaftlich betrieben wird. Wenngleich das ZDES heute auf eine mehr als 15-jährige Geschichte zurückblicken kann, begann die Zusammenarbeit zwischen den beiden Universitäten und Fakultäten weitaus früher. Die Bielefelder Fakultät für Soziologie blickt an ihrem 50. Geburtstag auf eine 25-jährige Kooperation mit der Fakultät

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für Soziologie der Staatlichen Universität St. Petersburg zurück. Die Anfänge der Kooperation reichen bis in die frühen 90er Jahre1 – und damit die Phase grundlegender Transformationen in der russischen Gesellschaft und auch ihres Wissenschaftssystems.

2. G eschichte der K ooper ation : E in kurzer Ü berblick von den A nfängen bis heute Die Ausgangslage für eine institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen den Universitäten Bielefeld und St. Petersburg zu Beginn der 1990er Jahre war nicht einfach, auch weil eine wechselseitige Kenntnis der spezifischen Wissenschaftsorganisationen und -kulturen fehlte. Während auf deutscher Seite nach dem Abbau wesentlicher Forschungsstrukturen im Osteuropabereich ein recht allgemeines Unterstützer-Syndrom vorhanden war, bestand auf russischer Seite eine Kooperationsintention, die sich vordergründig auf die Stabilisierung des akademischen und finanziellen Status Quo der Wissenschaftler/ innen richtete. Unter diesen Bedingungen war die Anbahnung einer längerfristigen Kooperation nicht eine institutionelle Initiative, sondern ausschließlich auf der Grundlage individuellen Kooperationswillens und besonderen persönlichen Engagements möglich. Glücklicherweise war mit Prof. Dr. Jürgen Feldhoff beides vorhanden. So nahm die Kooperation im WS 1993/94 durch die Annahme einer Gastprofessur an der Soziologischen Fakultät der Staatsuniversität St. Petersburg durch Jürgen Feldhoff an Fahrt auf. In diesem Semester wurde auch der erste Austausch von Studierenden und Wissenschaftler/innen zwischen den beiden Fakultäten aus Mitteln des Mittel- und Osteuropaprogramms des Auswärtigen Amtes durchgeführt. Zugleich startete im Rahmen des Tempus-Tacis-Programms der Europäischen Union eine mehrjährige Förderung der soziologischen Forschung und Lehre an der St. Petersburger Staatsuniversität. Neben der Forschungsförderung sowie der Förderung deutscher und russischer Sprachkurse konnten hierdurch ab 1995 auch die Etablierung technischer Infrastruktur und der Auf bau einer sozialwissenschaftlichen Fachbibliothek mit Schwerpunkt auf Deutschland und Europa betrieben werden. Auf St. Petersburger Seite war Prof. Dr. Vladimir Koslowskij für die Kooperation zuständig, ab Ende 1995 übernahm auf Bielefelder Seite der Europabeauftragte der Fakultät, Dr. Heinz Harbach, die Koordination des Austauschs von Jürgen Feldhoff. In der Lehre ist die Zusammenarbeit in den 1990er Jahren durch die Einrichtung einer deutschsprachigen Arbeitsstelle für Sozialwissenschaften und eines ebenfalls deutschsprachigen Studienganges der Soziologie an der St. Petersburger Fakultät institutionalisiert worden, die von Dr. Ruben Kara1 | Für Informationen und Hinweise über die Kooperationsbeziehungen bis 2008 danken wir Herrn Prof. em. Dr. Jürgen Feldhoff und Frau Prof. Dr. Tatjana Zimenkova.

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petjan geleitet wurden. Neben der gemeinsamen Lehre St. Petersburger und Bielefelder Lehrender in diesem Studiengang lag zu Beginn ein besonderer Schwerpunkt der Kooperation in der Weiterentwicklung forschungsbasierter Lehre. Hierzu trugen insbesondere internationale Workshops bei, die auf die Verknüpfung von Lehre und Forschung fokussiert waren und mit der allgemeinen Soziologie, der Geschichte der Soziologie, der politischen Soziologie, der Organisationssoziologie, der Soziologie der Arbeit und der empirischen Sozialforschung die unterschiedlichen Teilbereiche der Soziologie adressierten. Neben diesen sich an Hochschullehrende richtenden Workshops fanden seit Mitte der 1990er Jahre regelmäßige Sommerschulen für Studierende in Bielefeld und St. Petersburg statt. Durch eine Initiative im Rahmen des Petersburger Dialogs im Jahre 2001 und auf der Grundlage der mittlerweile langjährigen Kooperation der Staatlichen Universität St. Petersburg und der Universität Bielefeld sowie ihrer beiden Fakultäten für Soziologie begannen im Jahr 2001 Verhandlungen zwischen den Rektoraten der beiden Partneruniversitäten zur Gründung eines sozialwissenschaftlichen Zentrums an der Staatsuniversität St. Petersburg, das die Beschäftigung mit deutschland- und europabezogenen Themen in Russland fördern und die diesbezügliche Kooperation der beiden Universitäten in einer wissenschaftlichen Einrichtung institutionalisieren sollte. Für das durch den DAAD geförderte Vorhaben wurde Jürgen Feldhoff der Auf baubeauftragte – dessen Einsatz nicht nur für sämtliche Aspekte der bisherigen Zusammenarbeit, sondern nun auch für den 2001 einsetzenden Prozess der Etablierung des Zentrums sowie des gemeinsamen, englischsprachigen MA-Studienganges maßgeblich war. Im Kontext des Auf bauprozesses fanden eine Reihe bi-nationaler Konferenzen der beiden soziologischen Fakultäten zu Fragen der »Zielsetzung von Europastudien«, zur »Didaktik der Kursprogramme und Lehrveranstaltungen«, zu »Migration und Nationalstaat« sowie zu »Trust – Theoretical Approaches and Analysis« statt. Diese Tagungen dienten gleichsam als Auf bauwerkstätten, in denen die künftigen Schwerpunkte in der Lehre im gemeinsamen Studiengang und in der Kooperation ausgelotet und konkretisiert werden konnten. Nach rund zweijähriger Auf bauphase wurde zum Januar 2004 gemeinsam von der St. Petersburger Staatsuniversität und der Universität Bielefeld mit Förderung des DAAD das Zentrum für Deutschland- und Europastudien (ZDES/ CGES) gegründet. Prof. Dr. Nikolay Skvortzov aus St. Petersburg und zunächst Dr. Markus Kaiser, ab 2005 Prof. Dr. Reinhold Hedtke aus Bielefeld wurden zu den Direktoren des Zentrums ernannt, während Jürgen Feldhoff dem wissenschaftlichen Beirat vorstand. Bis 2005 war Frau Sabine Ipsen-Peitzmeier (Dipl.-Soz.) auf Bielefelder Seite als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im ZDES tätig. Im Zuge der Zentrumsgründung richtete der DAAD auch ein soziologisches Fachlektorat und eine Langzeitdozentur für eine/n deutsche/n Gastprofessor/in an der St. Petersburger soziologischen Fakultät ein. In der Position

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des Fachlektors war in St. Petersburg Dr. Michael Kleineberg als wissenschaftlicher Geschäftsführer des ZDES tätig. Im Bereich der universitären Lehre ist mit der Etablierung des ZDES eine wichtige Veränderung verbunden gewesen – nämlich die Einführung des bis heute bestehenden kooperativen MA-Studienganges. So wurde mangels studentischer Nachfrage sowie mit Blick auf das europabezogene Profil des Zentrums der bisherige deutschsprachige Soziologiestudiengang eingestellt 2 und der englischsprachige Masterstudiengang »Studies in European Societies« (MA SES) etabliert. Es handelt sich beim MA SES um ein interdisziplinäres Programm im Bereich der Europastudien, das unter der inhaltlichen Federführung des ZDES seit 2004 an der soziologischen Fakultät der Staatlichen Universität St. Petersburg besteht und gemeinsam mit der Universität Bielefeld betrieben wird. Von St. Petersburger Seite zeichnete insbesondere Frau Dr. Elena Shershneva als Studiengangsleiterin für den Auf bau des MA-Programms und die ersten Jahre seines Betriebs verantwortlich. Neben dem Auf bau des Studienganges etabliert sich in den ersten Jahren des Zentrums auch das Programm wissenschaftlicher Konferenzen. In der Verantwortung des ZDES finden zahlreiche Tagungen zu unterschiedlichen thematischen und disziplinären Schwerpunkten der Zentrumsarbeit statt, so zu – um nur einige zu nennen – »Studying European Politics»›, »Writing European History Today«, »Russlanddeutsche in Russland und Deutschland«, »Europäische Gesellschaften oder Europäische Gesellschaft?«, »Citizen Education«, »Religious Diversity«, »Methodological Approaches of Objective Hermeneutics«, »Analysis of Event History Data«, »Datenanalyse ATLAS«, »Integration of Post-Soviet Migrants«, »Transformation of Social Inequalities«, »Extremism and Xenophobia« sowie zu »Youth in Russia and Germany«. Der ausgeprägte Schwerpunkt des ZDES im Bereich der Lehre im Masterprogramm spiegelt sich dabei auch in der regelmäßigen Durchführung von Tagungen zur Fortentwicklung des Studienganges wider, so z.B. der Konferenz »The MA-Program SES« oder dem Workshop »Modules and Teaching Methods in the MA SES«. Nach der Auf bauphase und ersten fünfjährigen Förderperiode des DAAD für das ZDES ist die Zeit von 2008 bis 2011 von Veränderungen und Umbrüchen im Zentrum geprägt. Nach einem Wechsel in der Projektleitung und der Position des deutschen Direktors, der administrativen Verschlankung der Strukturen und Entscheidungsgremien sowie auch personellen Wechseln in St. Petersburg kann 2009 ein Antrag auf fünfjährige Weiterförderung des ZDES beim DAAD gestellt werden. Das wissenschaftliche Team des ZDES besteht zu dieser Zeit aus den Direktoren Nikolay Skvortzov und Andreas Vasilache, der wissenschaftlichen Geschäftsführerin Dr. Elena Belokurova, der Studiengangsleiterin Dr. Lyudmila Kuznetsova, der Stellvertreterin des deutschen 2 | Die Arbeitsstelle unter Ruben Karapetjan besteht mit einem Schwerpunkt auf Deutschkursen bis heute fort.

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Direktors Dr. Tatjana Zimenkova und der Wissenschaftlichen Mitarbeiterin Verena Molitor (M.A.). Dem restrukturierten wissenschaftlichen Beirat steht Prof. Dr. Mathias Albert vor. Die Bewilligung des Antrags an den DAAD beendet schließlich die Zeit der Ungewissheit über die Zukunft des ZDES, dessen Förderphase 2008 ausgelaufen war und während der Phase der Antragstellung 2009 lediglich auf der Grundlage kurzfristiger Zwischenfinanzierungen betrieben werden konnte. In der zweiten Förderperiode von 2009-2013 bündelt das ZDES seine Tagungs- und Forschungsaktivitäten und fokussiert sich thematisch stärker im Bereich der European Studies. Hierzu trägt zum einen die Einrichtung der Juniorprofessur für Sozialwissenschaftliche Europaforschung an der Universität Bielefeld sowie die Arbeit der wissenschaftlichen Geschäftsführerin Elena Belokurova bei, die als Politik- und Europawissenschaftlerin mit Deutschlandfokus die thematische Ausrichtung auf Deutschland und Europa sowie Deutschland in Europa stärkt. Während das ZDES seit seiner Gründung Angebote und Formate für Studierende und Wissenschaftler/innen aller Karrierestufen durchgeführt hat, wird schon früh ein Schwerpunkt der Tagungs- und Fortbildungsangebote auf die sog. »scientific successor generation«, namentlich auf Promovierende gelegt. Dabei entwickelt sich die jährlich in Strelna bei St. Petersburg stattfindende internationale Sommerschule für Theorien und Methoden der European Studies zu einem besonders nachgefragten Format, das nicht nur Promovierende aus der ganzen Russischen Föderation sowie Deutschland und Europa als Teilnehmende, sondern auch renommierte internationale Wissenschaftler/innen als Lehrende gewinnen kann. Mit Blick auf den Studiengang MA SES wurden seit 2009 Schwerpunkte auf die Erhöhung der Zahl der Studienplätze und der Studierenden, die weitere internationale Diversifizierung der Studierenden sowie die Gewinnung neuer Lehrender für neue oder vakante Lehrveranstaltungen sowohl aus St. Petersburg als auch aus Bielefeld gelegt. Während der Erfolg der Integration neuer Lehrender, insbesondere auch aus Bielefeld (für die die Lehre im MA SES voll deputatsfähig ist), nach recht kurzer Zeit gelang, standen der weiteren Internationalisierung der »degree seeking students« sowie der Erhöhung der Studienplätze bisweilen administrative Schwierigkeiten gegenüber, so v.a. bei der Anerkennung nicht-russischer Abschlüsse von Studieninteressierten. Der Erhöhung der Studienplätze kam allerdings zugute, dass die Studienplätze des zweiten, kleineren englischsprachigen Studiengangs der St. Petersburger Fakultät zunächst regelmäßig – und ab 2013 dann dauerhaft dem MA SES zugewiesen wurden. Die Rekrutierung neuer Lehrender aus der Universität Bielefeld wurde seit 2009 nicht zuletzt durch die Reduzierung der Präsenzzeit in St. Petersburg (ehedem ca. drei Wochen) erreicht. Einen weiteren Schwerpunkt der Erneuerung der Zentrumsarbeit in dieser Phase bildete die Erhöhung der Sichtbarkeit des Zentrums und seiner Themen in der auch außeruniversitären Öffentlichkeit in St. Petersburg. Zu nennen ist hier die Etablierung einer Public Lectures Series, für die zahlreiche Wissen-

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schaftler/innen aus Deutschland und weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern gewonnen werden konnten, die in St. Petersburg in einem breitenwirksamen, öffentlichen Rahmen zu aktuellen Themen vortragen. Die im Zuge der Neubeantragung 2009 festgeschriebene außerordentliche Zwischenevaluation des ZDES 2011 bescheinigte dem Zentrum eine geglückte Restrukturierung. Personell war diese Förderphase durch Kontinuität geprägt. Die Ausnahme bildet hier das Ausscheiden von Tatjana Zimenkova als Zentrumsmitarbeiterin und Stellvertreterin des deutschen Direktors und ihre kurz darauf erfolgte Berufung an die TU Dortmund. Während es gelang, Frau Zimenkova als Associate Researcher als enge Kooperationspartnerin zu behalten, trat Dr. Chiara Pierobon als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in das ZDES ein, nachdem sie kurz zuvor im Zentrumskontext promoviert hatte. Mit dem positiven Ergebnis einer erneuten Evaluation des ZDES 2013 und dem erfolgreichen Weiterförderungsantrag an den DAAD für eine fünfjährige Förderphase von 2014-2018 beendet das ZDES nicht nur seine institutionelle Bewährungszeit – die sich noch in der Durchführung der außerordentlichen Zwischenevaluation durch den DAAD im Jahr 2011 gezeigt hatte –, sondern ist die erste Einrichtung des weltweiten Zentrenförderprogramms des DAAD, die sich erfolgreich um eine dritte fünfjährige Förderphase beworben hat. In dieser Phase tritt Dr. Nikita Basov die Nachfolge von Elena Belokurova als wissenschaftlicher Geschäftsführer des ZDES an, und Dr. Anisja Khokhlova löst Lyudmila Kuznetsova als Leiterin des Studienganges ab. Im Jahr 2016 beendet Jürgen Feldhoff, der bis dahin noch regelmäßig in St. Petersburg gelehrt hatte, sein Engagement in der Lehre im MA SES. Er bleibt dem ZDES im Bereich des bi-direktionalen Studierendenaustausches erhalten. Die Förderperiode 2014-18 fällt mit der dramatischen Verschlechterung der intergouvernementalen deutsch-russischen Beziehungen zusammen. Dabei sind die Schwierigkeiten in den deutsch-russischen Regierungsbeziehungen seit 2014 auch in der Zentrumsarbeit spürbar – allerdings in anderer Weise als befürchtet: Denn nicht nur herrscht zwischen den beteiligten universitären Partnern Einigkeit darüber, dass die vielfältigen Kooperationsformate des ZDES in politisch schwierigen Zeiten an Bedeutung sogar noch gewinnen. Vielmehr ist insbesondere auf russischer Seite seit 2014 eine noch größere Nachfrage nach den Angeboten und Aktivitäten des ZDES in deutschlandund europabezogener Lehre, Forschung und Austausch festzustellen, zumal die Zentrumsarbeit auch seit 2014 von Versuchen politischer Einflussnahme verschont bleibt. Neben der Fortführung zahlreicher Aktivitäten und Formate werden ab 2014 in den Tätigkeitsfeldern der Forschung, der Lehre, der Graduiertenausbildung und des Austauschs insbesondere die folgenden neuen Schwerpunkte gesetzt: (1) Nicht nur Empfehlungen der Evaluation folgend, werden die Forschungsaktivitäten des ZDES verstärkt. Neben intensivierten und erfolgreichen Bemühungen um die Einwerbung und Anbindung von interdisziplinären Forschungsprojekten an das ZDES ist hier die Durchführung des mehrjäh-

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rigen Forschungsprojektes »Co-evolution of Knowledge and Communication Networks: Structural Dynamics of Creative Collectives in European Cultural Capitals« hervorzuheben. Im Zusammenhang mit diesem Forschungsprojekt wird die internationale Konferenzserie »Networks in a Global World« aufgelegt, die seit 2012 im zweijährlichen Turnus stattfindet und sich im Jahre 2018 mit über 100 Teilnehmer/innen aus 18 Ländern zur größten europäischen Konferenz im Bereich der soziologischen Netzwerkforschung entwickelt hat. (2) Der Schwerpunkt des ZDES im Bereich der Doktorand/innenausbildung wird durch die Etablierung eines strukturierten PhD-Stipendienprogramms erweitert. Das ZDES ist in der Lage, drei mehrjährige Promotionsstipendien auszuschreiben, die thematisch in einem der Forschungsbereiche des ZDES angesiedelt sind. Neben einer finanziellen und inhaltlichen Förderung durchlaufen die Stipendiat/innen ein strukturiertes Promotionsprogramm, das zum einen den erfolgreichen Abschluss des Dissertationsprojektes, zum anderen insbesondere die Internationalisierung der Promovierenden zum Ziel hat. (3) Im Bereich des MA-Studienganges steht neben der Integration neuer Lehrender sowohl aus St. Petersburg als auch aus Bielefeld die aktualisierende Reform des Curriculums im Zentrum der Aufmerksamkeit. Insbesondere wird der Bereich der Wahlpflichtangebote ausgeweitet. Zudem werden die Lehrangebote des MA SES auch für Studierende des St. Petersburger MA Studienganges »Global Sociology« geöffnet. Ende 2017 tritt Frau Dr. Olga Nikiforova als neue Leiterin des Studienganges in die Zentrumsarbeit ein. (4) Der regelmäßige, bi-direktionale Studierendenaustausch kann durch die Teilnahme am Erasmus+-Programm zum einen intensiviert, zum anderen um die Dimension des Lehrendenaustauschs erweitert werden. Es reisen nun nicht mehr alleine Bielefelder Lehrende nach St. Petersburg, sondern es können St. Petersburger Lehrende für die Lehre in Bielefeld gewonnen werden. Dass die Kooperation zwischen der Universität Bielefeld und der Staatlichen Universität St. Petersburg dabei Teil des ersten Erasmus+-Antrags an der Universität Bielefeld ist, zeugt von den partnerschaftlichen Beziehungen der beiden Universitäten. Mit der regulären Evaluation der Förderphase 2014-18 durch eine internationale Evaluationskommission des DAAD sowie einen Antrag an den DAAD bereitet sich das ZDES 2018 auf eine weitere fünfjährige Weiterförderung bis 2023 – und auf sein 15-jähriges Bestehen im Jahr 2019 vor.

3. A k tuelle A rbeitsbereiche des Z entrums In den vergangenen fünf Jahren haben mehr als 50 Studierende am regelmäßigen einsemestrigen Austauschprogramm des ZDES teilgenommen, mehr als 500 Promovierende an einer Tagungsaktivität des ZDES partizipiert und rd. 60 Studierende den MA SES absolviert. Jährlich führt das ZDES rd. 50 Vortrags-, Workshop- und Tagungsveranstaltungen durch. Die aktuellen und

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dabei langfristigen Arbeitsbereiche des Zentrums liegen in vier Bereichen, die im Folgenden kurz skizziert werden.

3.1 Masterprogramm »Studies in European Societies« (MA SES) Ein Schwerpunkt der Zentrumsaktivitäten liegt seit seiner Etablierung in der Durchführung des zweijährigen englischsprachigen Masterprogramms »Studies in European Societies« (MA SES). Er wird in St. Petersburg gemeinsam von beiden Universitäten betrieben und schließt mit einer Urkunde der Staatlichen Universität St. Petersburg sowie einem gemeinsamen Transcript of Records/Joint Certificate der SPbSU und der Universität Bielefeld ab. Das fachliche Alleinstellungsmerkmal des Studienganges in der Studienlandschaft für Europastudien besteht darin, dass ein multidisziplinärer Fokus auf europäische Gesellschaften gelegt wird. Durch diese Schwerpunktsetzung hebt sich der MA SES von zahlreichen politik-, wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen European Studies-Studiengängen – sowohl in Deutschland als auch international – ab, deren Fokus auf Institutionen liegt und die gesellschaftliche Dynamiken oft nur am Rande behandeln. Das Programm richtet sich an Bachelorabsolventen/innen, die eine Karriere entweder in Forschung und Lehre oder in internationalen Organisationen, transnationalen Unternehmen oder der höheren Verwaltung, auch mit einem besonderen Schwerpunkt im Bereich der deutsch-russischen Zusammenarbeit, anstreben. Sowohl die Studierendenschaft als auch die Lehrenden sind international geprägt. So richtet sich der MA SES zwar schwerpunktmäßig an russische Studierende, doch hat der Studiengang auch Studierende aus europäischen Staaten (so z.B. aus Deutschland, Österreich, Norwegen, Irland), den USA und China angezogen. Der Lehrkörper des MA SES setzt sich aus Dozent/ innen der Staatlichen Universität St. Petersburg, der Universität Bielefeld und weiterer russischer, deutscher und europäischer Universitäten zusammen. Das Curriculum umfasst Kurse zu politischen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Aspekten Europas mit einem Fokus auf dem Vergleich von gesellschaftlichen Strukturen, Dynamiken und Transformationen. Die didaktische Ausrichtung der Veranstaltungen setzt ein hohes Maß an Mitwirkung seitens der Studierenden voraus. Diese hochschuldidaktische Fokussierung auf interaktive Lehre stellt noch immer einen Mehrwert des MA SES für die russische Hochschullandschaft dar, die zwar im Wandel begriffen, aber noch stark von vorlesungs- und dozentenorientierter Lehre geprägt ist. Begleitend zum fachwissenschaftlichen Curriculum sind Sprachkurse (Deutsch und Englisch), ein Praktikum (vor allem in internationalen Organisationen) und eine dreiwöchige Winterschule in Deutschland zur Vertiefung deutscher Sprachkenntnisse durch Intensivkurse sowie zur Verbreiterung der gesellschaftspolitischen und kulturellen Kenntnisse über Deutschland und Europa in das Studienprogramm integriert.

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3.2 Forschung Die im ZDES durchgeführte Forschung weist einen Schwerpunkt in der Soziologie und Politikwissenschaft auf, verfolgt aber zugleich einen gesellschaftswissenschaftlich breiten Zugang zu den Deutschland- und Europastudien. Dies zeigt sich zum einen an der disziplinären Varianz der im Rahmen des Zentrums durchgeführten Projekte und Tagungen. Zum anderen spiegelt sich die disziplinäre Offenheit in den wissenschaftlichen Publikationen wider, die im Rahmen der Forschungslinien des ZDES entstehen. Die im Kontext des ZDES betriebene Forschung ist entlang thematischer Forschungslinien (Research Areas) organisiert, deren Bearbeitung nur interdisziplinär erfolgversprechend ist. Derzeit konzentrieren sich die Forschungsaktivitäten des ZDES auf folgende thematische Research Areas: (1) Network Structures in Germany, Europe and Russia, (2) Creativity, Communities and Public Spaces of German, European and Russian Cities, (3) Civil Society and Participation in Europe sowie (4) Europe in World Society. Im Bereich der Forschung besteht die Arbeit des ZDES neben der Durchführung von Forschungsprojekten, Tagungen und der Publikationstätigkeit in der Unterstützung von Antragsstellungen, von Forschungsreisen sowie im Austausch zwischen Wissenschaftler/innen in Russland, Deutschland und Europa. Die Förderung von Forschungsaufenthalten richtet sich sowohl an etablierte Forscher/innen als auch an Nachwuchswissenschaftler/innen und ist daher ebenfalls mit den Graduiertenangeboten des ZDES verbunden.

3.3 Graduiertenausbildung Ein weiterer Schwerpunkt des ZDES besteht in der Förderung und Ausbildung von Promovierenden. Inhaltlich bietet das ZDES zum einen wiederkehrende Veranstaltungsformate wie Summer Schools, Methodentrainings und eine Unterstützung bei Publikationstätigkeiten von Nachwuchswissenschaftler/innen an. Ein besonderer inhaltlicher Schwerpunkt dieser jährlichen Angebote liegt im Bereich der vergleichenden sozialwissenschaftlichen Methodenausbildung. Neben den regelmäßigen Veranstaltungsformaten finden thematisch wechselnde, internationale Graduiertenkonferenzen und -workshops statt. Diese Veranstaltungen sind mit den Forschungslinien des ZDES verbunden sowie thematisch an den Interessen und Initiativen der Promovierenden orientiert. Darüber hinaus werden Stipendien für Feldforschung sowie Forschungs- und Konferenzreisen vergeben. Da die Internationalisierung sowohl der deutschen als auch insbesondere der russischen Promovierenden im Feld der Deutschland- und Europastudien ein wesentliches Ziel des Zentrums darstellt, arbeitet das ZDES in der Graduiertenausbildung mit zahlreichen russischen, deutschen und europäischen Partnern zusammen Dabei sind die Kooperationen mit anderen DAAD-Zentren, mit der »Bielefeld Graduate School in History and Sociology« (BGHS), mit dem internationalen Graduiertenprogramm »Glo-

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balisation, the EU & Multilateralism« (GEM) und mit dem Graduiertenkolleg »World Politics« zu nennen. So war das ZDES in den letzten Jahren federführend an der Ausrichtung von internationalen Graduiertenkonferenzen und Summer Schools in St. Petersburg und Bielefeld – und darüber hinaus in den USA, Zentralasien sowie in China beteiligt. Der Schwerpunktbereich der Doktorand/innenausbildung konnte seit 2014 durch die Etablierung eines PhD-Stipendienprogramms erweitert werden, in dem drei Promovierende in jeweils einer Research Area eine mehrjährige Förderung durchlaufen und ein strukturiertes Promotionsprogramm absolvieren.

3.4 Studierendenaustausch In sämtlichen Arbeitsbereichen des ZDES nimmt der deutsch-russische Austausch einen wichtigen Stellenwert ein. Der regelmäßige Studierendenaustausch bildet hierbei ein Kernanliegen des Zentrums. So fördert das ZDES Bielefelder und St. Petersburger Studierende durch ein einsemestriges bi-direktionales Austauschprogramm. Das Auslandsstudium Bielefelder Studierender in St. Petersburg ist dabei – neben dem Regelstudium im Rahmen des jeweiligen fachwissenschaftlichen Curriculums – in ein inhaltliches Programm eingebettet, das in der Unterstützung bei ersten eigenständigen Lehr- oder Forschungserfahrungen, z.B. im Rahmen studentischer Tutorien oder der Datensammlung für Qualifikationsarbeiten, besteht. Hierdurch soll das Auslandsstudium auch auf das individuelle Studien- und Interessenprofil der Studierenden zugeschnitten werden. Alle Austauschstudierenden des ZDES werden nicht nur durch Reise- und Aufenthaltsstipendien gefördert, sondern auch durch eine umfassende Fachberatung und Betreuung sowohl im Vorfeld als auch während des Auslandsaufenthaltes unterstützt. Die gesellschaftswissenschaftliche Interdisziplinarität des ZDES im Rahmen der Deutschland- und Europastudien spiegelt sich auch im Austauschprogramm wider. So steht das Austauschprogramm neben Studierenden der beiden Fakultäten für Soziologie auch Studierenden anderer Einrichtungen der beiden Universitäten offen. In beiden soziologischen Fakultäten ist das Austauschprogramm des ZDES dabei das zahlenmäßig stärkste Austauschprogramm.

4. A usblick Die Kooperation zwischen den soziologischen Fakultäten der Universität Bielefeld und der Staatlichen Universität St. Petersburg findet seit ihrem Beginn in den frühen 1990er Jahren unter Bedingungen eines kontinuierlichen Wandels der deutsch-russischen Beziehungen statt. Im Rahmen des 50-jährigen Bestehens der Fakultät für Soziologie jähren sich nun die Kooperationsbeziehungen zur Staatlichen Universität St. Petersburg zum 25. Mal, während das ZDES seinen 15. Geburtstag feiert. Dass die gegenwärtige bilaterale Großwet-

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terlage eine besonders herausfordernde ist, hat sich auf der Grundlage dieser langjährigen Partnerschaft in einer Intensivierung der Zusammenarbeit im Zentrum niedergeschlagen. Dies lässt sich einerseits als Ausdruck einer Normalisierung transnationaler akademischer Beziehungen neben internationalen Regierungsbeziehungen verstehen. Zugleich und andererseits deutet die schwierige internationale Konstellation freilich auf die Bedeutung und Notwendigkeit fortgesetzter deutsch-russischer Begegnungen hin. Nicht zuletzt deshalb versteht sich das ZDES als Vernetzungsprojekt, das innerhalb seiner Tätigkeitsbereiche immer auch Türen öffnen, Kooperationen anstoßen sowie Studierende, Lehrende und Forschende aus Russland, Deutschland und Europa verbinden möchte.

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Forschung und Lehre zur Sozialstruktur und zu sozialer Ungleichheit an der Fakultät für Soziologie Anja-Kristin Abendroth

Thematisch setzt sich die Lehre und Forschung im Arbeitsbereich Sozialstruktur und soziale Ungleichheit insbesondere mit der Frage nach Erscheinungsformen, Ursachen und Folgen von sozialer Differenzierung und Ungleichheit im sozialen Wandel auseinander. Sozialstrukturell steht die Frage im Vordergrund, wie aus bloßer Verschiedenartigkeit von Gesellschaftsmitgliedern – wie Geschlecht, Alter, Ethnizität, soziale Herkunft – soziale Ungleichheiten im Hinblick auf Lebenschancen und -risiken werden. So wird im Rahmen des BA-Grundlagenmoduls immer wieder gefragt: Wer hat welche Bildungschancen? Wer wird was? Wer hat wie viel? Wer kommt nach oben? Wer bekommt welche Krankheit und wer stirbt wann? Wer trifft wen? Wer heiratet wen? Wer bekommt wann (noch) Kinder? Die Wahrnehmung und Bewertung von sozialen Ungleichheiten wird im Rahmen der Frage nach sozialen Bedingungen der Ausbildung spezifischer Sichtweisen auf Gerechtigkeit untersucht.

1. F orschung und L ehre zur S ozialstruk tur und sozialer U ngleichheit – E in Ü berblick In den 1990er Jahren wurde die Forschung zu Sozialstruktur und sozialer Ungleichheit in einer neu gegründeten Sektion »Soziale Ungleichheit und Sozialstrukturanalyse« der Deutschen Gesellschaft für Soziologie institutionalisiert. An der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld begann die Lehre und Forschung zur Sozialstruktur und sozialer Ungleichheit in Professuren für Allgemeine Soziologie in den 1980er Jahren. Prof. Dr. Hansjürgen Daheim (zum 01.03.1979 ernannt; Denomination: Allgemeine Soziologie) erinnert sich im Telefongespräch, wie er damals durch den Dekan, Prof. Dr. Berger, gefragt wurde, Seminare zur Sozialstrukturanalyse anzubieten. Er brachte ja diesbezüglich Erfahrungen aus seiner Zeit an der Universität Regensburg

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mit. An die lebhaften Diskussionen zu kleinen Aufsätzen im Seminar, z.B. zur De-Industrialisierung, und an die Vergabe einer Dissertation zur Völklinger Hütte erinnert Prof. Dr. Daheim sich noch gern. Prof. Dr. Elmar Lange wurde kurz nach Prof. Dr. Daheim zum 16.09.1982 mit der Denomination Soziologie, insbesondere Berufssoziologie, berufen und lehrte von da an die Einführungsveranstaltung in die Sozialstrukturanalyse mit ihm im Wechsel. In eingeworbenen Forschungsprojekten, z.B. bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder dem Jugendamt der Stadt Bielefeld und in Projekten, die er mit Mitteln der Universität Bielefeld finanzierte, untersuchte Prof. Lange mit Methoden der quantitativen Querschnitts- und Längsschnitterhebung die Eltern- und Familienbildung in Bielefeld, den Übergang von der Hochschule in das Beschäftigungssystem, die Hochschulexpansion oder den Wandel des Jugendkonsums. Für die Bundesanstalt für Arbeit evaluierte er z.B. personelle Interventionsmaßnahmen auf Basis von Feldexperimenten. Mit Prof. Dr. rer. pol. Dr. h. c. Hans-Peter Blossfeld, Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Soziologie, insbesondere Theorie und Empirie von Sozialstrukturen und Wirtschaftssystemen von 1998-2002, wurde die theorieorientierte empirische Forschung zur Sozialstruktur und sozialer Ungleichheit an der Universität Bielefeld weiter etabliert und gefestigt. Er warb in seiner Bielefelder Zeit das von der VW Stiftung geförderte Projekt »GlobalLife« (1999-2005) ein, in dem er mit zehn Mitarbeitern international vergleichend die Auswirkungen des Globalisierungsprozesses auf individuelle Lebens- und Erwerbsverläufe untersuchte. Prof. Blossfeld erläutert im persönlichen Telefongespräch, dass im Projekt von der Annahme ausgegangen wurde, dass durch Globalisierung sozialer Wandel beschleunigt wird, da auf Mikroebene Globalisierung für den Handelnden mit mehr Handlungsoptionen und mehr Unsicherheit einhergeht. Noch heute ist eine theorieorientierte quantitative empirische Forschung zur Sozialstruktur und sozialer Ungleichheit das Leitkonzept des Arbeitsbereiches, welches die derzeitigen Professoren, Prof. Dr. Martin Diewald seit 2004 (Denomination: Sozialstrukturanalyse) und Prof. Dr. Stefan Liebig seit 2008 (Denomination: soziale Ungleichheit und Sozialstrukturanalyse), sowie ihre Mitarbeiter_innen des Arbeitsbereiches vertreten. Soziale Ungleichheitsforschung war zudem von 2011 bis 2016 im SFB 882 »Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten« an der Fakultät für Soziologie verbundförmig institutionalisiert. Eine Institutionalisierung der Forschung zu den Folgen der Digitalisierung der Arbeitswelt für soziale Ungleichheiten wurde zudem durch die Besetzung einer Juniorprofessur zu »Technischen und Sozialen Wandel« seit Februar 2018 (besetzt mit Anja-Kristin Abendroth) vorgenommen.

Forschung und Lehre zur Sozialstruktur und zu sozialer Ungleichheit

2. Z entr ale F orschungsfr agen im A rbeitsbereich S ozialstruk tur und sozialer U ngleichheit Eine lange Tradition in Lehre und Forschung hat die Lebenslaufperspektive, die Interdependenzen von Lebensbereichen (Familie, Bildung, Arbeit) sowie die Prägung des Lebenslaufes durch zeitbezogene Ereignisse in den Blick nimmt und seit Prof. Blossfeld immer weiter ausgearbeitet wurde. In dem derzeitigen DFG-geförderten Projekt »LINOS« von Prof. Stefan Liebig werden strukturelle Bedingungen von Gerechtigkeitseinstellungen über den Lebensverlauf in den Blick genommen. Im Mittelpunkt stehen dabei Gerechtigkeitseinstellungen in Bezug auf das eigene Erwerbseinkommen und die Einkommensverteilung in der Gesellschaft. Des Weiteren geht es um die Bewertung von Regeln, nach denen Güter und Lasten in der Gesellschaft verteilt werden sollten und von Verfahren, wie Ungleichheiten in der Gesellschaft generiert werden. Mittlerweile ist die Lebenslaufperspektive am Arbeitsbereich zudem auch interdisziplinärer geworden. So wird im Rahmen der langfristig angelegten Zwillingsstudie »Twinlife« von Prof. Martin Diewald, Prof. Dr. Rainer Riemann (Psychologie) und Prof. Dr. Frank M. Spinath (Psychologie, Universität des Saarlandes) in einem interdisziplinären DFG-Langfristvorhaben gefragt, wie sich genetische und soziale Einflüsse auf die Lebenschancen, gesellschaftliche Position und soziale Mobilität von Menschen auswirken und welche vermittelnden Prozesse dabei eine Rolle spielen. Seit dem Sonderforschungsbereich 882, »Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten«, ist auch die organisationale Ungleichheitsperspektive zentraler Bestandteil des Arbeitsbereiches. Hier wird insbesondere auf Basis relationaler Ungleichheitstheorie (Tomaskovic-Devey 2014) gefragt, welche Rolle Organisationen bei der Allokation und Distribution unterschiedlicher Arten von sozialen Gütern und Positionen spielen, und insbesondere welchen Einfluss sie auf individuelle Lebenschancen haben. Bei der Analyse sozialer Einstellungen, Norm- und Wertorientierungen werden Organisationen zudem als spezifische soziale Kontexte der Einstellungsbildung berücksichtigt. Es wird also eine Erweiterung der klassischen Ansätze der Ungleichheits- und Einstellungsforschung durch eine organisationssoziologische Perspektive verfolgt. Beispielsweise untersucht das DFG-geförderte Projekt »Organisationale Ungleichheiten und Wechselwirkungen zwischen Verwirklichungschancen im Berufs- und Privatleben« (Abendroth, Diewald, Melzer), inwiefern sich betriebliche Strukturen, Kulturen und Politiken auf ungleiche Beschäftigungsbedingungen sowie Vereinbarkeitschancen von Beruf und Privatleben innerhalb von Betrieben auswirken, etwa im Vergleich der Geschlechter oder zwischen Personen ohne und mit Migrationshintergrund. Eng verwoben mit den bereits erwähnten Perspektiven ist der Blick auf sozialen Wandel. Neue gesellschaftliche Entwicklungen wie Globalisierung, Individualisierung und zuletzt Digitalisierung wurden und werden durch den Arbeitsbereich aufgegriffen und gefragt, inwiefern damit Veränderungen in

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Lebenschancen und Ungleichheitsstrukturen verbunden sind. Globalisierung stand im erwähnten »GlobalLife« Projekt von Hans-Peter Blossfeld im Fokus. Aktuell geht der Arbeitsbereich durch die Beteiligung am interdisziplinären Forschungsschwerpunkt »Digitale Zukunft« und dem NRW Forschungskolleg: »Gestaltung von flexiblen Arbeitswelten«, gefördert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, der Frage nach den Auswirkungen der Digitalisierung von Arbeit für Gratifikationen und Belastungen von verschiedenen Beschäftigtengruppen nach.

3. Z entr ale theore tische Z ugänge im A rbeitsbereich S ozialstruk tur und sozialer U ngleichheit Zwei zentrale theoretische Zugänge haben sich im Arbeitsbereich im Laufe der Zeit etabliert. Dies ist zum einen das Makro-Mikro-Makro Modell soziologischer Erklärung, welches auf den methodologischen Individualismus nach Coleman (1991) und Esser (1999) fußt und sich gegen eine starke Trennung von Makro- und Mikroperspektiven wendet. Zentrale Grundannahme ist die Einbettung von Akteuren in Opportunitätsstrukturen, die ihre Handlungen prägen. Die grundlegende Idee ist, dass Stabilität und Wandel gesellschaftlicher Ordnungen sich am besten durch Untersuchungen zum Einfluss kultureller, institutioneller und struktureller Rahmenbedingungen auf die Förderung und Forderung bestimmter Eigenschaften und Verhaltensweisen erfassen lassen. Zudem steht im Vordergrund, welche Folgen individuelles Entscheiden und Verhalten in Auseinandersetzung mit kulturellen, institutionellen und strukturellen Rahmenbedingungen nach sich zieht. Dem Modell zugrunde liegend wird gängiger Weise eine Handlungstheorie begrenzt rationaler Entscheidungen gewählt, in der auch Normen und Vertrauensprozesse Berücksichtigung finden, wie Prof. Blossfeld und Prof. Diewald im Gespräch erläutern. Prof. Diewald spezifiziert jedoch auch, dass dem klassischen methodologischen Individualismus eine recht einfache rationale Entscheidungstheorie zugrunde liegt. Mittlerweile werden Entscheidungen als Teil von durch psychische und biologische Bedingungen geprägte Routinen verstanden. Dies findet insbesondere in der bereits erwähnten interdisziplinären Lebenslaufperspektive Berücksichtigung. Zum anderen hat seit dem Sonderforschungsbereich 882 »Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten« der mechanistische Ansatz zur Erklärung sozialer Ungleichheiten (z.B. Diewald & Faist 2011; Tomaskovic-Devey 2014) einen zentralen Stellenwert im Arbeitsbereich Sozialstruktur und soziale Ungleichheit. Ziel ist es, soziale Mechanismen zu identifizieren und zu systematisieren die aus Heterogenitäten wie Geschlecht, Migrationshintergrund, Bildung oder Alter soziale Ungleichheiten entstehen lassen. In der vielfach verwendeten Theorie relationaler Ungleichheiten (Tomaskovic-Devey 2014), wird der Forschungsstand zu Mechanismen der Ungleichheitsgenese in Organisationen

Forschung und Lehre zur Sozialstruktur und zu sozialer Ungleichheit

zusammengefasst und weiter ausgearbeitet. Dabei spezifiziert die Theorie insbesondere die unterschiedliche Auswirkung von abstrakten Mechanismen der Ungleichheitsgenese (Chancenhortung, Ausbeutung, Claims Making und Resource Pooling) in Organisationen, da diese sich aufgrund unterschiedlicher Historien, Zusammensetzungen, Strukturen und Umwelten durch eigene Ungleichheitsregime auszeichnen.

4. Z entr ale me thodische Z ugänge im A rbeitsbereich S ozialstruk tur und soziale U ngleichheit Der Arbeitsbereich verfolgt eine theorieorientierte empirische Forschung zur Sozialstruktur und sozialer Ungleichheit. Dabei orientiert sich der Arbeitsbereich an quantitativen Designs mit hohen Ansprüchen an Nachvollziehbarkeit und Überprüf barkeit sowie damit einhergehender Archivierung und Dokumentation von Daten und Analysen als professionellen Gütekriterien. Methodisch wird versucht, sich kausalen Aussagen zu nähern durch Analyse von Längsschnittdaten und auch mittels methodischen Innovationen wie der Kontrolle von Selektion und unbeobachtbarer Heterogenität in verlinkten Betriebs- und Beschäftigtendaten mit Hilfe von Fixed-Effect-Organisationsanalysen. Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass qualitativen Methoden die Daseinsberechtigung abgesprochen wird, erläutert Prof. Diewald. Quantitative Daten und Methoden sind zwar für die Beschreibung der Sozialstruktur Deutschlands oder anderer Länder unabdingbar. Nichtsdestotrotz werden neuere Entwicklungen von Mixed-Methods-Verfahren im Arbeitsbereich als sehr positiv bewertet.

5. L ehre im A rbeitsbereich S ozialstruk tur und soziale U ngleichheit Zu Beginn der Lehre zur Sozialstruktur und sozialer Ungleichheit an der Fakultät für Soziologie erfolgte die Einführungsveranstaltung im ersten Semester des Grundstudiums mit Schwerpunkten in den Themen soziale Ungleichheit, demografische Entwicklung, familiale und neue Lebensformen, soziale Schichtung und Lebenschancen. Um 2000 wurde die Veranstaltung in das dritte Semester nach der Ausbildung in quantitativen Methoden verlegt. Mit dem Übergang zum Bachelor- und Mastersystem ergänzten eine Übung mit Tutorium sowie ein Seminar die einführende Vorlesung zur Sozialstruktur und sozialer Ungleichheit. In der Vorlesung werden nach wie vor theoretisches und inhaltliches Grundwissen zur Sozialstruktur Deutschlands und ihre Besonderheiten im Vergleich zu anderen Gesellschaften bereitgestellt. Die begleitende Übung mit Tutorium vermittelt einen Überblick über Instrumente der Sozialstrukturanalyse, d.h. vor allem die großen Studien, die für entsprechen-

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de Analysen herangezogen werden können. Dazu werden in der Vorlesung kurz zuvor behandelte Konzepte und Zusammenhangsmuster mit Hilfe eines Statistik-Programmpakets auf Basis in der Übung vorgestellter Datensätze in einfacher Form praktisch umgesetzt. In dem Seminar wird die Möglichkeit geboten, am Beispiel ausgewählter Themen die Fähigkeit zu praktischer Sozialstrukturanalyse zu vertiefen (vgl. www.uni-bielefeld.de/soz/ab5/lehre.html). Im Master werden im Modul Sozialstrukturanalyse und soziale Ungleichheit regelmäßig im Wintersemester Seminare angeboten, die eher allgemeineres Grundlagenwissen vermitteln. Im Sommersemester finden dagegen eher theoretisch oder empirisch vertiefende Seminare statt. Themenschwerpunkte sind soziale Ungleichheit, empirische Gerechtigkeitsforschung, Lebenslaufforschung, Organisationen und Ungleichheit, Familie und Partnerschaft, Sociogenomics, Soziale Mobilität, Arbeitsmarktforschung, Methoden der Sozialstrukturanalyse, Soziologische Theorie (Rational-Choice-Theorien, Relationale Ungleichheitstheorie, Mechanismen der Ungleichheitsgenese).

6. R esümee und A usblick Wo geht die Reise in den nächsten Jahren hin? Ein »weiter so« in theorieorientierter empirischer Forschung scheint klar und empfiehlt auch Prof. Blossfeld im Gespräch anlässlich des Geburtstages der Fakultät für die nächsten 50 Jahre. Auch inhaltlich wird die interdisziplinäre Lebensverlaufsperspektive und die Perspektive auf organisationale Ungleichheitsregime Forschung und Lehre im Arbeitsbereich weiter prägen. Prof. Blossfeld und Prof. Diewald betonen zudem beide, dass die Vielfalt und Breite des Faches der Soziologie, gebündelt an einer Fakultät, als Standortvorteil für den Arbeitsbereich wahrgenommen wird. Die Breite der Fakultät schafft im Vergleich zu einseitig strukturierten Fakultäten vielfältigere Möglichkeiten des Austausches. Dies stärker zu nutzen wünscht Martin Diewald dem Arbeitsbereich und der Fakultät für die Zukunft. Die themenzentrierte und interdisziplinäre Zusammenarbeit im Sonderforschungsbereich 882 von Gruppen, die unterschiedliche Methoden und Ansätze verfolgen, war hier ein erster Versuch. Für erfolgreiche Ergebnisse braucht es jedoch mehr Zeit als dem Sonderforschungsbereich bisher zugestanden wurde. Eine neue Strukturierung mit einer Überwindung von Fachgrenzen und themenzentriert orientierten Fakultäten bleibt damit ein wünschenswertes Zukunftsszenario, das noch in Angriff genommen werden sollte.

Forschung und Lehre zur Sozialstruktur und zu sozialer Ungleichheit

L iter atur Coleman, J.S. (1991): Grundlagen der Sozialtheorie. Band 1: Handlungen und Handlungssysteme. München: Oldenbourg. Diewald, M. & Faist, T. (2011): Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten: Soziale Mechanismen als Erklärungsansatz der Genese sozialer Ungleichheiten. Berliner Journal für Soziologie 21(1): 91-114. Esser, H. (1999): Soziologie. Spezielle Grundlagen. Band 1: Situationslogik und Handeln. Frankfurt a.M./New York: Campus. Tomaskovic-Devey, D. (2014): The relational generation of workplace inequalities. Social Currents 1: 51-73.

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Männer, Frauen und die Geschlechtersoziologie in Bielefeld Tomke König Die Geschichte der Frauen- und Geschlechterforschung an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld ist bereits häufig erzählt worden – sowohl von den Wissenschaftlerinnen, die nach langjährigen Kämpfen um Stellen aus der Institution Wissenschaft ausgeschlossen wurden und an anderen Orten weiter arbeiteten, als auch von den Frauen, die einen Ruf auf einschlägige Professuren erhalten haben und so gesehen als »Gewinnerinnen« aus dem Prozess der Institutionalisierung seit den 1970er Jahren hervorgegangen sind (vgl. Knapp/ Landweer 1995; Budde et al. 1994; Giebeler 2005; Menne 1981; Mischau/Oechsle 2003; Müller 1997; Schmerl 1994; Werlhof 1986). Diese Erfahrungen mit Exklusion einerseits und Inklusion andererseits haben den Blick der Zeitzeuginnen auf ›ihre‹ Geschichte geprägt und dazu geführt, dass die unterschiedlichen Vorstellungen davon, was Frauenforschung in der Bielefelder Soziologie ist und sein könnte, unversöhnlich bis feindlich gegenüber standen. So erscheint Frauen- und Geschlechterforschung, die sich als eine spezielle Soziologie begreift, die innerhalb der Disziplin spezifische Forschungsfragen bezogen auf Geschlecht und Geschlechterverhältnisse aufwirft, in manchen Darstellungen als in die Disziplin integriert und daher an die Spielregeln der Institution angepasst. Und umgekehrt wurde Frauen- und Geschlechterforschung, die sich als feministischer Gegenentwurf zur hegemonialen Wissenschaft versteht, mit eigenen Zugängen zur sozialen Wirklichkeit und dem Anliegen, Gesellschaft zu verändern, in den Augen anderer zu einer unwissenschaftlichen Unternehmung. Die Anfänge der Frauenforschung waren von diesen Auseinandersetzungen der engagierten Protagonistinnen untereinander um Inhalte und mit den etablierten Wissenschaftlern um Ressourcen und Anerkennung als neuer wissenschaftlicher Bereich gekennzeichnet (vgl. u.a. Giebeler 1992; Hark 2005; Holland-Cunz 2001; Maihofer 2002; Riegraf 2003). Heute stellt sich die Situation anders dar. Auch wenn die inhaltliche Ausrichtung von Stellen an einer Universität nie in Stein gemeißelt ist und die Auseinandersetzungen um Ressourcen nicht enden, so macht es doch einen Unterschied, ob Frau-

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en für die Anerkennung als Wissenschaftlerinnen und Stellen in ihrem Forschungsbereich kämpfen müssen oder ob sie mit ihrer Bewerbung auf eine Zeitungsannonce reagieren, in denen die Organisation Universität eine Nachfrage formuliert. Als Inhaberin einer Professur für Geschlechtersoziologie, der bei Ruferteilung (Dezember 2012) die Leitung des Studiengangs »MA Gender Studies – Interdisziplinäre Forschung und Anwendung« sowie des »Interdisziplinären Zentrums für Geschlechterforschung (IFF)«1 übertragen wurde, habe ich von Anfang an über ein Kapital verfügt, das es mir erlaubt, als Geschlechterforscherin in den »ernsten Spielen« (Bourdieu) der Soziologen und Soziologinnen mitzuspielen. Schließlich war es die Fakultät für Soziologie bzw. die Universität Bielefeld, die eine Professur für Geschlechtersoziologie ausgeschrieben hat und mich nach Prüfung meiner wissenschaftlichen Tauglichkeit mit der Ausübung der Aufgaben dieser Stelle betraut hat. Die inhaltliche Ausgestaltung des Arbeitsbereich VIII Gender sowie der Fachmodule Geschlechterforschung im BA Soziologie und MA Soziologie und des MA Gender Studies liegt heute bei mir und meiner Kollegin Diana Lengersdorf, die 2017 ebenfalls auf eine W2-Professur Geschlechtersoziologie an die Fakultät berufen wurde. Auf diesen Stellen können wir potentiell beides tun – wir können sowohl feministische Gesellschaftstheorie als auch Geschlecht im Sinne einer speziellen Soziologie unterrichten. Und wir können in interdisziplinären Arbeitszusammenhängen, jenseits der begrenzten Sichtweisen unserer Disziplin und im Austausch mit anderen Wissens- und Praxisfeldern, komplexe Antworten auf aktuelle Fragen der Geschlechterforschung geben und auf diese Weise Geschlechter- und Gesellschaftstheorie weiterentwickeln. Dabei verläuft die Grenze der »intellektuellen Freiheit« (Virginia Woolf) einer kritischen Wissenschaftspraxis zum einen entlang des eigenen Umgangs mit dem Wahrheitsanspruch universitärer Wissensproduktion und zum anderen entlang der Konkurrenzen um Mittel und Publikationsorte.2 Viele Jahre nach den Kämpfen der Studentinnen und Assistentinnen in den 1970er und 1980er 1 | Die 1979 ins Leben gerufene und vom Land Nordrhein-Westfalen sowie der Universität ko-finanzierte »Geschäftsstelle Frauenforschung« mündete 1982 in die Gründung der zentralen wissenschaftlichen Einrichtung »Interdisziplinäre Forschungsgruppe Frauenforschung (IFF)« und 2015 in deren Neuerrichtung als »Interdisziplinäres Zentrum für Geschlechterforschung (IZG)« (zur Geschichte des IFF vgl. Landweer 1984; Mischau/Oechsle 2003). 2 | Aus einer feministischen Position stellt sich immer wieder die Frage, wie die eigene wissenschaftliche Karriere weiter bringen und gleichzeitig die Spielregeln des Feldes hinterfragen (vgl. Hark 2005)? Wie den Kontakt zu Theorietätigkeiten jenseits der Akademie aufrechterhalten und akademische Theoriebildung mit sozialen Kämpfen vermitteln? Besondere Brisanz erhalten diese Fragen, wenn sie von Frauen aufgeworfen wurden, die den Gang in die Institution abgelehnt haben, weil ihnen der Preis zu hoch erschien, den Anpassung an und Abhängigkeit von strukturellen Vorgaben der Institution erforderten.

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Jahren und den Prozessen der Institutionalisierung bis in die 2000er Jahre gilt die Förderung der Geschlechterforschung inzwischen sogar als Kriterium wissenschaftlicher Exzellenz, als ein Muss für eine Universität, die international wettbewerbsfähig sein möchte.3 Heute wird zudem von vielen politischen Akteuren und Akteurinnen anerkannt, dass die hohe gesellschaftliche Relevanz der Fragen und Ergebnisse der Geschlechterforschung sowie ihre erkenntniskritischen Positionen und interdisziplinären Arbeitsformen dynamisierend auf Prozesse der Neudefinition von Wissenschaft wirken. Noch wichtiger ist aber ein anderer Punkt. Frauen können sich heute in eine Genealogie von Wissenschaftlerinnen stellen, die alle auf ihre Weise und zu ihrer Zeit zu einer vielstimmigen Frauen- und Geschlechterforschung an der Universität Bielefeld beigetragen haben. Das ist ein fundamentaler Unterschied zu den Anfängen. Zwar gab es aufgrund der Bildungsreform an der neu gegründeten Reformuniversität Studentinnen und einige (wenige) Assistentinnen, aber an der Fakultät für Soziologie bestand die professorale Statusgruppe seit der Gründung der Universität ausschließlich aus Männern. Erst 1983 erkannte die Fakultät die Unterrepräsentierung von Frauen als schrittweise aufzuhebenden Fakt an und fasste aufgrund der Initiative studentischer Vertreterinnen und ihrem massivem Druck den Beschluss einer positiven Diskriminierung von Frauen im Wissenschaftsbetrieb. Im gleichen Jahr wurde Veronika Bennholdt-Thomsen für fünf Jahre zur C2-Professorin (Denomination »Entwicklungssoziologie, mit Schwerpunkt Lateinamerika/Frauenforschung«) auf Zeit ernannt und Karin Knorr erhielt kurz danach als erste Frau den Ruf auf eine C3-Professur (»Methoden der soziologischen Forschung«).4 Diese damaligen institutionellen Rahmenbedingungen müssen wir berücksichtigen, wenn wir die Anfänge der »Frauenforschung«5 an der Fakultät 3 | In anderen Ländern hat sich die Frauen- und Geschlechterforschung wesentlich schneller als eigenständige Disziplin entwickelt. Vor allem in den USA haben nationale Netzwerke und Associations die Konstitution von Gender Studies Programmen und PhD Programmen sowie Women’s Studies Departments vorangetrieben (vgl. Gresch et al. 2004). In Deutschland ist die Lehre im Bereich Frauen- und Geschlechterforschung bis auf wenige Ausnahmen disziplinär verankert. Viele Wissenschaftlerinnen stehen der Etablierung von autonomen interdisziplinären Studiengängen zwar nach wie vor skeptisch gegenüber, aber mit der Gründung der Fachgesellschaft Geschlechterstudien (FG) 2010 hat sich die Geschlechterforschung auch in Deutschland in Richtung eines Fachs weiter entwickelt – mit allen ambivalenten Auswirkungen, die dies vor dem Hintergrund der ursprünglichen Konzepte der Gründungszeit hat. 4 | 1972 hätte Ursula Kurz die erste Professorin an der Fakultät werden können, aber sie lehnte den Ruf auf die H3-Professur für Soziologische Theorie ab, da sie zeitgleich einen Ruf nach Frankfurt a.M. erhalten hatte. 1975 wurde Claudia von Werlhof auf eine befristete H1-Stelle berufen (Denomination »Lateinamerika«). 5 | Hark weist darauf hin, dass die »Frauenforschung« zu Beginn der 1970er Jahre »noch längst keinen Begriff von sich selbst gewonnen hatte« (Hark 2005: 209).

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für Soziologie sowie die Forschungsinteressen und paradigmatischen Konzepte dieser Wissenschaftlerinnen verstehen wollen. Die zentrale Frage ist: Was hat es für Frauen in den 1970er Jahren bedeutet, in einer Institution zu arbeiten, die von Männern gegründet, geleitet und betrieben wurde und deren zentrale Spielregeln männlich konnotiert waren? Die Anforderungen, die an eine Karriere in der Universität gestellt wurden, waren am Bild des männlichen Wissenschaftlers orientiert, der die Wissenschaft als Lebensform begreift und zeitlich vor allem deshalb unbegrenzt zur Verfügung steht, weil er von der Arbeit im Privaten weitgehend befreit ist. Hinzu kam die unhinterfragte Vorstellung der Wissenschaftler, das von ihnen produzierte Wissen seien objektive Wahrheiten. Wie haben Frauen diese Institution erlebt und wahrgenommen, in der sie zwar angestellt waren, die ihnen aber keine Zukunftsperspektive eröffnete? Und wie hat sich ihre Position, die durch »Fremdheit und Anderssein« (Virginia Woolf) gekennzeichnet war, auf ihre Forschungsfragen, ihre Methoden und theoretischen Konzeptionen ausgewirkt? Antworten auf diese Fragen finden sich in historischen Dokumenten (v.a. Protokolle der Fakultätskonferenz) sowie in autobiographischen Texten und Interviews mit Wissenschaftlerinnen, die damals in der Fakultät gearbeitet haben. Ich beziehe mich im Folgenden unter anderem auf die Erfahrungen von Claudia von Werlhof und Veronika Bennholdt-Thomsen, die beide über viele Jahre in der »Arbeitsgruppe Bielefelder Entwicklungssoziologen« geforscht haben (zuerst als Assistentinnen und dann auf zeitlich befristeten Professuren), bevor sie gemeinsam mit Studierenden den Prozess der Institutionalisierung von Frauenforschung in Gang setzten und damit auch ihre eigene berufliche Zukunft in die Hand nahmen.6 Es ist Teil der zu erzählenden Geschichte, dass diese Bemühungen strukturell erfolgreich, aber individuell trotz Hervorbringung eines international anerkannten theoretischen Ansatzes vergeblich waren.

V on den R ändern der F akultät … Seit Mitte der 1970er Jahre forschten im Schwerpunkt »Entwicklungsplanung und Entwicklungspolitik« der Fakultät Professoren und Assistentinnen gemeinsam im ländlichen Bereich Lateinamerikas. Im Rahmen dieser Forschungsarbeiten war die Frage aufgetaucht, welche Bedeutung die Subsistenzproduktion für diese Gesellschaften hat. Während die männlichen Entwicklungssoziologen (Hans-Dieter Evers, Georg Stauth, Georg Elwert) vor dem Hintergrund marxistischer Erkenntnistheorie davon ausgingen, dass sie etwas Traditionelles sei und im Laufe der Entwicklung verschwinden würde, konzi6 | Claudia von Werlhof war 1975-1986 wissenschaftliche Assistentin am Schwerpunkt »Entwicklungsplanung und Entwicklungspolitik«, Veronika Bennholdt-Thomsen war dort auch seit 1975 wissenschaftliche Assistentin und anschließend 1983-1988 auf einer C2-Zeitprofessur an der Fakultät beschäftigt.

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pierten von Werlhof und Bennholdt-Thomsen sie als notwendige Bedingungen der Kapitalakkumulation. Diese unterschiedlichen erkenntnistheoretischen Annahmen lösten unter den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen heftige Diskussionen aus, in der es für die Frauen immer wichtiger wurde, gemeinsam für einen Ansatz einzutreten.7 Bennholdt-Thomsen und von Werlhof erwähnen dies in einem Interview, das Christa Müller anlässlich des 25. Jubiläums der Universität Bielefeld geführt hat. »Wir waren zu dritt, wir hielten das für richtig, und es war ja auch nicht unsere alleinige Tat. Wir steckten mitten in der Frauenbewegung und wandten das, was wir aus der Dritte-Welt-Forschung wußten, auf die Analyse hiesiger Verhältnisse in Bezug auf Frauen an. Und das war ein Angebot für die Studentinnen, die sagten: Genau, das ist es, das wollen wir studieren. Dadurch, daß sich so viel bewegte, war die Power, die wir brauchten, da« (Müller 1994: 109). 8

Niemand hätte verhindern können, so betonen die beiden im Interview weiter, dass sie machten, was sie für richtig hielten. Schließlich sei ihr Ansatz auch für die Männer ihres Arbeitsbereiches attraktiv gewesen, da er neue Forschungsfelder eröffnete und neue Erklärungen ins Spiel brachte. Mit ihren Ideen und Sichtweisen, seien sie zum »treibende[n] Motor in der Gruppe« geworden«, sagt von Werlhof (ebd.: 108). Die Männer hätten dann zwar die Subsistenzproduktion in ihre Analysen mit hinein genommen, aber sie galt in ihren Darstellungen weiter als ›präkapitalistisch‹ und vor allem als ein Phänomen der »Dritten Welt«. Genau an diesem Punkt setzt der später international rezipierte »Bielefelder Ansatz« an.9 Unbezahlte, in der marxistischen Theorie als unproduktiv bezeichnete Arbeit, die weltweit von Frauen übernommen wird, so das zentrale Argument, ist für kapitalistische Ökonomie konstitutiv. Diese kritische Weiterentwicklung marxistischer Gesellschaftstheorie hatten auch andere feministische Soziologinnen vollzogen. Spezifisch war für den Bielefelder Ansatz, dass eine globale Perspektive eingenommen wurde. Während die Frauen in den Zentren mit der von ihnen in der Familie geleisteten Hausarbeit 7 | Studien haben bereits die Bedeutung herausgestellt, die die Zusammenschlüsse von Frauen und der Aufbau einer autonomen Infrastruktur (eigene Gruppen, Strukturen, Netzwerke, Einrichtungen) für die Bearbeitung ihres Ausschlusses aus der Universität hatten (vgl. z.B. Hark 2005: 245f.). 8 | Neben Claudia von Werlhof und Veronika Bennholdt-Thomsen arbeitete auch noch Renata Otto-Walter am Schwerpunkt »Entwicklungsplanung und Entwicklungspolitik«. 9 | Maria Mies hat zwar nie an der Universität Bielefeld gearbeitet, wird aber mit ihren Arbeiten zu den Spitzenhäklerinnen in Narsapur (Mies 1973) sowie den »Methodischen Postulaten zur Frauenforschung« (ebd. 1978) und ihrer Verbindung zu Claudia von Werlhof und Veronika Bennholdt-Thomsen als Vertreterin des Bielefelder Ansatzes rezipiert. Der Begriff der »Hausfrauisierung« wurde von ihr geprägt (vgl. Bennholdt-Thomsen/ Mies/Werlhof 1992).

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für die Reproduktion der Arbeitskraft sorgen, sichern sie in den ehemaligen Kolonien in nicht lohnarbeitsförmigen Arbeitsverhältnissen das Überleben ihrer Familien. Gerade weil den Bielefelderinnen eine Durchkapitalisierung aller Bereiche sowie eine Verallgemeinerung von Lohnarbeitsverhältnissen unmöglich erschien, gingen sie davon aus, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen auch zukünftig mit Gewalt in unbezahlte, niedrig entlohnte und ungesicherte Arbeitsverhältnisse gezwungen würden. Dagegen setzten sie die gesellschaftliche Utopie der Subsistenzproduktion. »Subsistenz«, so fasst Cornelia Giebeler zusammen, wird für die Bielefelderinnen »zum Synonym für Arbeit und Leben im Einklang mit der Natur, für die Kontrolle über die eigenen Produkte, den direkten Tausch von selbst hergestellten Produkten in Abhängigkeit von funktionierenden Beziehungsstrukturen« (Giebeler 2005: 50). Im Interview heben Bennholdt-Thomsen und von Werlhof einen weiteren für unsere Fragen interessanten Aspekt hervor. Die Männer hätten sich von der Rezeption dieses neuen theoretischen Entwurfs für gesellschaftliche Analysen vor allem die Beförderung ihrer Karriere versprochen und ihnen geraten, bei der Auswahl der Forschungsthemen auch stärker strategisch zu denken. »Sie meinten, der Agrarsektor sei out, Urbanisierung dagegen in. Mir (Bennholdt-Thomsen, T.K.) waren solche Überlegungen völlig egal, mich interessierte, auf welche Weise die Leute ihr Überleben sichern, was ist auf dem Land los, was ist mit den Bauern?« (Müller 1994: 109). In den von Maria Mies formulierten »Methodischen Postulaten zur Frauenforschung« (1978) wird diese Vorstellung einer engagierten Wissenschaft programmatisch dargelegt. Charakteristisch ist für diesen Ansatz, der sich gegen Entfremdung und Verdinglichung von Wissenschaft stellt, die Bereitschaft, sich von den Erfahrungen der Untersuchten berühren zu lassen und sich »in den Dienst von beherrschten, unterworfenen und ausgebeuteten Gruppen und Klassen« (ebd.: 48) zu stellen. »Nach diesem Ansatz besteht das Wahrheitskriterium einer Theorie nicht in der Befolgung bestimmter methodischer Verfahren und Prinzipien«, so Mies, »sondern in ihrem Potential, die konkreten Praxisprozesse in die Richtung fortschreitender Emanzipation und Humanisierung voranzutreiben.« (ebd.: 49) Hierfür sind »soziologische Phantasie« und »Kreativität von Wissenschaft« gefragt. Im Laufe der Forschungserfahrungen wurde zudem für die Wissenschaftlerinnen immer deutlicher, dass sich die Realitäten von Frauen und die von ihnen erfahrenen Diskriminierungen mit den zur Verfügung stehenden Begrifflichkeiten und den vorliegenden Gesellschaftstheorien weder erfassen noch analysieren ließen. Es handelte sich damals bei der Soziologie eben nicht nur um eine »frauenfreie«, sondern auch um eine »geschlechtsblinde« Disziplin (vgl. Nickel 2000: 130). An dieser Stelle der Geschichte zeigt sich, dass die feministischen Wissenschaftlerinnen die Soziologie nicht nur um einen Gegenstandbereich (Frauen und ihre Lebenswelten) erweitern wollten. Für sie ging es darum, anders zu denken, neue theoretische Entwürfe und Methoden für Gesellschaftsanalysen und ein eigenes Verständnis von Wissenschaft zu entfalten. Sie wollten die

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Soziologie im Sinne einer engagierten Wissenschaft insgesamt neu gestalten – auch gemeinsam mit den Männern, wenn diese bereit dazu waren, sich mit ihrer eigenen Position im Feld der Wissenserzeugung und den damit verbundenen Verkennungseffekten auseinanderzusetzen. Diese Frauen wollten nicht nur gleichberechtigt im bestehenden System teilhaben. Sie verbanden ihre Teilhabe mit Veränderung. Für einige etablierte Soziologen war das so überzeugend, dass sie ihre Ansätze daraufhin überarbeiteten (vgl. Kahlert/Weinbach 2012). Für viele war es jedoch eher eine Provokation und für manche auch eine Bedrohung. In den 1970er Jahren sprach sich zwar niemand mehr öffentlich gegen die Förderung von Frauen und ihre gleichberechtigte Teilhabe aus. Auf der Vorderbühne galt, so Hark, »nicht nur das Leitbild, dass die Organisationen der Wissenschaft rational handelnde Organisationen sind, sondern auch das (soziologische) Credo der Zeit, das Wissenschaft Aufklärung und so Teil gesamtgesellschaftlicher Emanzipation ist« (Hark 2005: 238, Herv. i.O.). Aber gleichzeitig seien auf der Hinterbühne »Fragen von Zugehörigkeit, von Konformität und Kohäsion, der Zusammensetzung der akademischen Gemeinschaft verhandelt« (ebd.) worden. »Hier galt es auszutarieren, wie viele Professorinnen die Gemeinschaft der Hochschullehrer ›verträgt‹, hier wurde die narzisstische Kränkung bearbeitet, die der Frontalangriff der Frauen gerade für die ›linken‹ Männer bedeutet haben musste.« (Ebd.) Während die Männer »Ängste vor Autoritätsverlust« hatten, so Hark weiter, hätten die Frauen die Phantasien gehabt, »historisch im Recht zu sein« (ebd.: 239). Diese Affekte und Gefühlslagen finden sich auch in den Protokollen damaliger Fakultätskonferenzen wieder, in denen die zukünftigen Forschungsund Lehrinhalte zur Diskussion standen. Besonders eindrücklich zeigt sich diese Gleichzeitigkeit von formalen und inhaltlichen Argumenten sowie affektiv aufgeladenen Aussagen im Zusammenhang mit der Einrichtung eines Instituts für Bevölkerungsforschung an der Fakultät für Soziologie. In diesem Kontext forderten die Wissenschaftlerinnen zum ersten Mal in den offiziellen Gremien der Universität eine Berücksichtigung spezifischer Inhalte und die Besetzung von Stellen mit Frauen.10 1979 hatte der damalige SPD-Ministerpräsident Johannes Rau als Reaktion auf eine große Anfrage der CDU-Fraktion im NRW-Landtag zur Entwicklung der Bevölkerung die Gründung eines Instituts für Bevölkerungspolitik angekündigt, das durch Forschung Licht in die Ursachen des Geburtenrückgangs 10 | Seit 1975 gab es an der Fakultät »Frauenseminare« und studentische Frauengruppen, in denen feministische Themen (z.B. »Frauen und Imperialismus«, die Lohn-für-Hausarbeit-Debatte, Frauenliteratur) auch mit eingeladenen Gästen diskutiert wurden und erste Diplomarbeiten entstanden. Aber da diese thematische Ausrichtung im offiziellen Lehrdeputat der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen nicht vorgesehen war, war das Angebot stark von deren individuellen Interessen und ihrem persönlichen Engagement abhängig.

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bringen sollte (vgl. Landweer 1984). Der politische Druck für eine derartige Maßnahme war offensichtlich groß, denn dieses Institut sollte im Eilverfahren mit enormer finanzieller und personeller Ausstattung eingerichtet werden. Vonseiten der Universität wurde Franz-Xaver Kaufmann mit dieser Angelegenheit beauftragt.11 Da die Gründung des Instituts beschlossen war und es in den Gesprächen mit der Landesregierung in erster Linie um die inhaltliche Ausrichtung und die disziplinäre Verortung ging, mussten alle diejenigen unmittelbar und öffentlich sichtbar handeln, die an der Gestaltung und Teilnahme interessiert waren. Vor diesem Hintergrund sind die Aktionen der Studentinnen und Assistentinnen zu verstehen. Sie mussten auf unkonventionelle Mittel zurückgreifen, um ihrem Anliegen Gehör zu verschaffen und auf die politischen Interessen aufmerksam zu machen, die mit der Gründung dieses Instituts verbunden waren. Die Frauen störten und sprengten Sitzungen und machten mit Flugblättern, Wandzeitungen und Veranstaltungen das Vorhaben der Fakultät öffentlich. Für die Männer bedeuteten diese Aktionen der Frauen eine Störung ihrer Routinen. Noch Jahre später bricht sich ihr Ärger hierüber Bahn. 1988 nimmt Niklas Luhmann die Aktionen zum Ausgangspunkt eines Artikels. »Frauenforschung«, so Luhmann, bezeichne ihren Gegenstand mit Hilfe einer Unterscheidung, die sich durch »ein ungewöhnlich hohes Maß an Selbstreferenz auszeichnet« (Luhmann 1988: 47). Die »Unkenntnis und das Fehlen einer Metaprotologik« wäre der Ausweg der Frauenforschung aus »Reflexionsverlegenheit«. Letztere werde von den Wissenschaftlerinnen mit »hoch entwickeltem Sinn für Symbolik praktiziert«. »So werden an meiner Fakultät die Namensschilder an Türen zu Dienstzimmern gelöscht, wenn sich der Inhaber des Namens und Zimmers in Prüfungen von Feministinnen als uneingestimmt erweist. Auch haben engagierte Frauen eine Fakultätskonferenz meiner Fakultät überfallen, um das physische Substrat für Abstimmungen zu zerstören, und zwar so schnell, zwischen Angriff und Zugriff nur wenige Sekunden, daß gar keine Zeit blieb für Reflexion. […] Neben diesen aufdringlichen Aktivitäten, deren Zeit bereits zu Ende geht, hat sich Frauenforschung in einem fachlich ernst zu nehmenden, methodisch kontrollierten, theoretisch und empirischen Sinne bisher nicht ausdifferenzieren können« (ebd.: 48).

Nach Luhmann ließe sich einzig mit Rekurs auf das Werk von George Spencer Brown, das die logischen Grundlagen für die Geschlechterdifferenz liefere, das »Ansehen und Durchsetzungsvermögen dieser neuartigen Forschungsabsich11 | In den Gesprächen mit der Landesregierung erläuterte Kaufmann, dass ein Lehrstuhl für Bevölkerungswissenschaften an der Fakultät für Soziologie eingerichtet werden und der Inhaber dieses Lehrstuhls zusammen mit ihm die Leitung der neuen Forschungseinrichtung übernehmen sollte. Das Institut sollte weiter mit fünf Stellen des Akademischen Mittelbaus ausgestattet werden (vgl. Protokoll Nr.2/1980).

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ten« (ebd.) sichern. Erst wenn die Frauen nach den harten Regeln (männlicher) Logik spielten, so die Botschaft, würden sie Zugang gewinnen zu den ernsten Spielen der Wissenschaft. Die Wirkmächtigkeit einer solchen Aussage wird deutlich, wenn wir uns die jeweiligen Positionen im Feld der Wissenschaft vergegenwärtigen. Nur wer dort eine gesicherte Position hat, kann die Wissenschaftlichkeit Anderer ab- oder anerkennen und dabei sogar auf eine Rezeption von deren Veröffentlichungen verzichten. Genauer betrachtet ist es für diese Strategie des Ausschlusses notwendig, sich nicht mit den Artikeln und Büchern auseinanderzusetzen, die die Protagonistinnen der »aufdringlichen Aktivitäten« zu diesem Zeitpunkt veröffentlich hatten – denn damit wären sie ja bereits als Teilnehmerinnen an den »ernsten Spielen« der Wissenschaft anerkannt. Im Zusammenhang mit dem Streit um das Institut für Bevölkerungsforschung legten Studentinnen und Assistentinnen der Fakultätskonferenz schließlich eine schriftliche Stellungnahme vor, in der sie ihre inhaltlichen Bedenken gegen die von Kaufmann erarbeitete Konzeption des Instituts darlegten. Der zentrale Kritikpunkt richtete sich gegen die Ausblendung von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen. Bevölkerungspolitik, so wurde aus der feministischen Perspektive argumentiert, richtete sich vor allem auf den weiblichen Körper und dessen Produktivität. Ein Forschungsprogramm, das diesen Zusammenhang nicht berücksichtigte und sich somit unmittelbar in den Dienst politischer Interessen stellte, war für die Wissenschaftlerinnen nicht akzeptabel. Rückblickend können wir sagen, dass das schnell von der Landesregierung zu habende Geld bei den Männern zu einer gewissen »Reflexionsverlegenheit« führte. Die Frauen warfen der programmatischen Ausrichtung des Instituts jedenfalls Frauenfeindlichkeit vor und formulierten Bedingungen, unter denen ihrer Ansicht nach eine derartige Forschungseinrichtung überhaupt nur Sinn machen würde: das Institut sollte sich an Theorien und Methoden der Frauenforschung orientieren und dies durch die Vergabe von Dauerstellen an Frauen und die Leitung des Instituts durch eine Frau sicherstellen. Diese Forderungen hatten zwar keine Aussicht auf Erfolg, aber sie lösten eine breite Diskussion über die zukünftigen Forschungsinhalte aus und führten letztendlich dazu, dass Kaufmann seinen Antrag um die »besondere Berücksichtigung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Frauen« ergänzte.12 Schließlich wurde in Folge dieser Diskussionen vom Senat ein neunköpfiger Gründungsausschuss eingerichtet, in dem die Position der Frauen durch fünf Teilnehmerinnen repräsentiert sein sollte (Protokoll Nr.2/1980). An anderer Stelle wurde bereits der Konflikt beschrieben, der sich unter den Frauen rings um die Nominierung für diesen Gründungsausschuss entzündete (vgl. 12 | Am 12.12.1979 wurde folgender Antrag mit 19:12 Stimmen verabschiedet: »Die Fakultätskonferenz begrüßt die Einrichtung eines IBS an der Universität Bielefeld und empfiehlt im Rahmen der Forschung eine besondere Berücksichtigung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Frauen.« (Protokoll Nr.9/1979)

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Giebeler 2005). Für meine Frage nach den Erfahrungen der Wissenschaftlerinnen in einer von Männern dominierten Organisation ist interessanter, wie die Männer auf die Interventionen der Frauen reagierten. Auch wenn Kaufmann der inhaltlichen Ergänzung zugestimmt hatte, so ist den Protokollen der Fakultätskonferenzen im weiteren Verlauf seine ablehnende Haltung gegenüber der Frauenforschung zu entnehmen. »Es gebe offensichtlich Kreise in der Universität, die das Institut in ein Institut für Frauenforschung umfunktionieren wollen; dem werde er sich entschieden widersetzen« (Protokoll Nr.2/1980: 6). Schließlich droht er, die Einrichtung der C4-Stelle an einer anderen Fakultät zu empfehlen. Und auch in einer späteren Sitzung (Protokoll Nr.5/1980: 8) spricht sich Kaufmann aus »gegen die s. E. bestehenden Tendenzen, der Stelle eine nicht-ökonomische Ausrichtung zu geben und sie der Frauenforschung zu widmen«. Hier wurden also eher Fronten aufgebaut und Forschungsfragen gegeneinander gestellt, als gemeinsam über die inhaltliche Ausrichtung eines Instituts und eine Integration verschiedener Vorstellungen nachgedacht. Naheliegend ist, dass Kaufmann mit den »Kreisen in der Universität« auf das Rektorat anspielte, das den Bemühungen und Interventionen der Wissenschaftlerinnen sehr wohlwollend gegenüber stand und zeitgleich mit den Verhandlungen über das Institut für Bevölkerungsforschung in den Austausch mit Wissenschaftlerinnen zweier Fakultäten eingetreten war, um über die Zukunft der Frauenforschung an der Universität Bielefeld zu beraten. Diese Gespräche waren auf Initiative der Frauen zustande gekommen. Denn nachdem nicht zu erwarten war, dass sich die Fakultät für Soziologie ohne Druck von oben für die Frauenforschung aussprechen würde und gleichzeitig das Interesse der Studierenden an den Themen der Frauenforschung zunahm, waren die Soziologinnen gemeinsam mit einigen Kolleginnen aus der Erziehungswissenschaft (Ilse Brehmer, Juliane Dittrich und Monika Oubaid) »frech und dreist direkt zum Rektor und dann zum Ministerium marschiert«, so von Werlhof im Interview mit Müller. »Das war die Betreibung von Institutionalisierung auf völlig uninstitutionalisiertem Wege« (Müller 1994: 111).13 Die Beteiligten erzielten schnell einen Konsens über einen Universitätsschwerpunkt Frauenforschung als geeignete Organisationsform. Hierbei hat sicherlich auch 13 | Eine wichtige Rolle hat in diesem Zusammenhang der Arbeitskreis »Frauen in den Sozialwissenschaften« gespielt. Der AK war Teil des »Vereins für Sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis für Frauen e.V.«, der sich formal 1978 konstituiert hatte und der Gründung der Sektion Frauenforschung (seit 1979) in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) vorausging. Im AK wurden Diplomarbeiten diskutiert und Aktivitäten geplant, um die Frauenforschung an der Universität Bielefeld zu etablieren. Die Aktivitäten richteten sich auf »die Integration von ›Frauenthemen‹ in alle Fachbereiche […] und für die Änderung von Curricula. Sie engagierten sich für die Besetzung von Professuren mit feministischen Wissenschaftlerinnen und für die Ausschreibung der nächsten frei werdenden Stellen mit dem Schwerpunkt Frauenforschung« (Giebeler 2005: 35).

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eine Rolle gespielt, dass Interdisziplinarität sowie das Verhältnis von Theorie und Praxis in der Programmatik der Bielefelder Reformuniversität eingeschrieben waren. Frauenforscherinnen hatten von Beginn an den Anspruch eines interdisziplinären Vorhabens formuliert, um der Komplexität des Forschungsgegenstandes gerecht zu werden (vgl. Knapp/Landweer 1995) und sich ausführlich damit auseinandergesetzt, wie das Verhältnis von feministischer Wissenschaft und (politischer) Praxis gestaltet werden könnte.14 Das »Betreiben von Institutionalisierung auf völlig uninstitutionalisiertem Wege« sollte sich als zentrales Erfolgsmittel erweisen. Denn auch wenn der Weg von der Einrichtung der »Geschäftsstelle Frauenforschung« 1980 bis zur ersten Professur im Bereich Frauenforschung an der Fakultät für Soziologie noch lang war,15 so konnten sich die Frauen mit der Unterstützung durch das Rektorat und das Wissenschaftsministerium gegen die Widerstände der Professoren in der Fakultät durchsetzen. Letztere waren nachhaltig und auch kurzfristig erfolgreich. So fehlten im endgültigen Ausschreibungstext für die Ko-Leitung des Instituts für Bevölkerungsforschung der Zusatz »besondere Berücksichtigung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Frauen«. Und obwohl die Abstimmung »durch erhebliche Störungen beeinträchtigt« (Protokoll Nr.4/1981: 5) wurde, ging der Ruf an einen Mann (Herwig Birg), der die geforderten Inhalte in keiner Weise repräsentierte.16 Noch bis in die Mitte 14 | Bereits 1976 wurde während des Soziologentages in Bielefeld bei einem ersten Treffen der »Frauen in der Soziologie« über das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis und über die Frage diskutiert, ob die Universität der geeignete Ort für einen praktizierten Feminismus sei (vgl. Giebeler 2005). 15 | Da ein USP die Zustimmung mehrerer Fakultäten erforderte, musste zunächst interne Lobbyarbeit geleistet werden. Auf Anregung des Rektorats fand deshalb am 8.5.1980 im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) ein Kolloquium zum Thema »Errichtung eines Universitätsschwerpunktes Frauenforschung« für »alle Interessierte« statt. Wissenschaftliche Leitung hatten Ilse Brehmer und Christiane Schmerl (beide Fakultät für Pädagogik) sowie Claudia von Werlhof. Während Vertreter_innen des Wissenschaftsministeriums und des Rektorats der Universität an der Veranstaltung teilnahmen, waren die Kollegen aus der Soziologie nur spärlich vertreten. Auch die Frage, mit welchen bzw. wie vielen Stellen sich die Fakultät im USP Frauenforschung beteiligen wollte, löste Kontroversen aus (vgl. Protokoll Nr.7/1981). Es wurden drei Stellen (nach Freiwerden) vorgesehen: eine Professur im Bereich Allgemeine Theorie (»Feministische Gesellschaftstheorie«) sowie jeweils eine Mittelbaustelle im Praxisschwerpunkt Sozialarbeit und im Bereich Entwicklungsplanung und Entwicklungspolitik (»Frauen und Dritte Welt«). 16 | Im Protokoll Nr.5/1981 wird eine Stellungnahme von Gundula Kayser erwähnt, »in der die Bewerber Feichtinger und Birg als Vertreter einer rein formalen Demographie kritisiert werden. Die qualitativen Aspekte der individuellen und kollektiven Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bevölkerung und ihrer Bedeutung für das ›generative Verhalten‹ würden bei beiden Bewerbern ebenso wenig berücksichtigt wie historische, ökonomi-

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der 1980er Jahre hinein führte die Fakultät kontroverse Diskussionen über die Verankerung der Frauenforschung und erst im April 1989 trat Ursula Müller die C3-Professur für »Sozialwissenschaftliche Frauenforschung« an, die im Bereich »Allgemeine Soziologie« angesiedelt wurde. Resümierend ist an dieser Stelle festzuhalten, dass es vonseiten der Männer in der Fakultät wenig Bereitschaft und Interesse gab, angeregt durch die andere Sichtweise und die anderen Zugänge der Frauen, sich auf neue theoretische Konzeptionen und Methoden einzulassen und über ihr eigenes Wissenschaftsverständnis und den Macht-Wissen-Komplex nachzudenken. Im Gegenteil immunisierten sie sich in ihren Handlungs- und Denkweisen gegen Veränderung. Wer Kolleginnen die Wissenschaftlichkeit abspricht und mangelnde methodische Exaktheit sowie theoretische Unausgereiftheit vorhält, braucht sich nicht weiter mit deren Inhalten auseinandersetzen und diese ins Verhältnis zu den eigenen Paradigmen zu setzen. Es wäre interessant zu wissen, wer damals in der Fakultät überhaupt wahrgenommen hat, dass die Kolleginnen einen Bielefelder Ansatz entwickelt hatten, der in mehrere Sprachen übersetzt wurde, international breite Anerkennung fand und das heute als Intersektionalität gehandelte Paradigma in vielen Aspekten um Jahrzehnte vorwegnahm. Die Frauen mussten damit zurechtkommen, dass ihre Kritik am vorherrschenden Wissenschaftssystem, so berechtigt sie ihnen vorkam, von den Kollegen der Disziplin abgewehrt, ihre Arbeit als unwissenschaftlich diskreditiert und ihre Integrität angegriffen wurde.17 Mit zeitlichem Abstand wird heute deutlich, dass ihre individuelle Entscheidung, trotz dieser Erfahrungen feministische Theorie und Empirie zu betreiben, weitreichende strukturelle Folgen hatte. Denn wenn die Frauen das Risiko der Marginalisierung nicht in Kauf genommen hätten, das mit der Freiheit einher ging, die sie sich gegenüber den hegemonialen Vorstellungen von Soziologie genommen hatten, dann gäbe es heute wahrscheinlich keine Geschlechtersoziologie an der Fakultät. Ohne diesen »leidenschaftlichen Elan«, so Hark, »und vielleicht auch ohne den anfänglichen Dogmatismus – wäre ›Frauenforschung‹ womöglich nicht akademische Realität geworden« (Hark 2005: 241). Diese Frauen hatten am sche, soziologische und andere gesellschaftswissenschaftliche Erkenntnisse. In der mechanischen Betrachtungsweise der Bevölkerungsentwicklung würden Frauen zu ›Gebärmaschinen‹, deren Produktivität entsprechend den wirtschaftlichen Erfordernissen geplant, gesteuert und kontrolliert werden solle. […] Der immer wieder angenommene Zusammenhang zwischen Heiratsraten und Geburtsraten verfestige eine reaktionäre Familienideologie und verweise Frauen auf ihre angeblich natürliche Bestimmung als Hausfrau, Ehefrau und Mutter« (Protokoll Nr.5/1981: 10). 17 | Ein besonders drastisches Beispiel für die Angriffe auf die Integrität der Wissenschaftlerinnen sei an dieser Stelle erwähnt. Ein Kollege hatte Claudia von Werlhof eine Karikatur in ihr Postfach gelegt, auf der eine Frau mit Penis zu sehen ist und darunter geschrieben: »Ich finde, diese Dame sieht Ihnen zumindest obenherum sehr ähnlich. Ob der Künstler das beabsichtigt hat? Schönen Gruß ihr H.-J. Puhle« (Ebel 1994: 133).

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Ende allerdings nichts von der erfolgreichen Institutionalisierung. Im Rahmen von Berufungsverfahren kam es trotz starker Proteste der Studierenden und dem internationalen Renommee des Bielefelder Ansatzes nicht zu ihrer Erstplatzierung.18

… ins Z entrum Für die Etablierung der Frauenforschung als anerkannter Wissenschaftsbereich innerhalb der Fakultät hat, neben den Kämpfen um Stellen, ihre Verankerung in der Lehre eine zentrale Rolle gespielt. Genauer gesagt waren diese beiden Aspekte eng miteinander verwoben. Im Frühjahr 1985 hatte die Fakultätskonferenz beschlossen, mit der nächsten zur Verfügung stehenden C2-Professur (auf Zeit) die Frauenforschung in Lehre und Forschung zu verankern. Als Voraussetzung hierfür wurde die Erstellung eines »Curriculums Frauenforschung« gefordert, mit dem die institutionelle Einbindung dieses Bereichs in das Lehrangebot der Fakultät ausgewiesen werden sollte (Protokoll Nr.2/1985). Zu diesem Zweck wurde vom Dekanat eine Kommission eingesetzt.19 Interessant ist für unseren Kontext, wie das von der Kommission erarbeitete Curriculum zur Einführung eines Ergänzungsfachs »Sozialwissenschaftliche Frauenforschung« in der Fakultät aufgenommen wurde. Zwei Aspekte lösten heftige Reaktionen aus: der Anspruch der Frauenforschung als »kritischer Wissenschaftspraxis« einerseits und als Querschnittsthema der Soziologie andererseits. Gleich zu Beginn des Papiers wurde die sozialwissen18 | Auf der Ebene des Mittelbaus war es gelungen, eine Stelle im Bereich der Frauenforschung zu gewinnen. Ursula Beer war 1984-1989 Mitarbeiterin bei Hansjürgen Daheim. Ab Mitte der 1980er Jahre gab es verschiedene Verfahren um C2-Stellenbesetzungen, bei denen eine thematische Festlegung auf Frauenforschung anvisiert wurde. Die 1987 auf die Initiative von Bennholdt-Thomsen hin eingeworbene Fiebiger C3-Professur »Frauenproblematik in den Entwicklungsländern« wurde 1992 mit Gudrun Lachenmann besetzt. Bennholdt-Thomsen landete auf Platz zwei der Liste. Nach dem Ausscheiden von Lachenmann in 2006 wurde die Stelle nicht wieder mit einem Schwerpunkt in der Frauen- und Geschlechterforschung ausgeschrieben. 19 | Bei der Konstitution der Kommission kam es zu Auseinandersetzungen, weil die Frauenforscherinnen die fachliche Qualifikation von Claus Offe bezweifelten, er aber von der Fakultät dennoch hinein gewählt wurde. Die Studierenden befürchteten, dass Offe die »Entpolitisierung« der Frauenforschung an der Fakultät sicherstellen sollte (vgl. Ebel 1994: 146) und verzichteten schließlich auf eine Teilnahme an der Kommission. Für die Statusgruppen der wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen und der Professor_innen waren Ursula Beer, Veronika Bennholdt-Thomsen, Cornelia Giebeler, Karin Knorr, Claus Offe, Ingeborg Schmidt (Lehrerin) vertreten. Als externe Mitglieder kamen Sigrid Metz-Göckel (Dortmund) und Ilona Ostner (Fulda) hinzu, beratende Funktion hatte Carol Hagemann-White (Berlin).

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schaftliche Frauenforschung im Kontext der Neuen Frauenbewegung verortet und die »Aufhebung der hierarchischen Struktur des Geschlechterverhältnisses« als »erkenntnisleitendes Interesse« hervorgehoben (Curriculum 1985: 2). Darüber hinaus wurde als Begründung für die curriculare Verankerung in der Lehre der Ausschluss der Frauen aus der Wissenschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen angeführt, der zu einem »male bias« der Sozialwissenschaften geführt habe. Diese Formulierungen waren für die Gegner und Skeptiker im Lehrkörper eine Steilvorlage. Ließ sich doch mit diesen Passagen, in denen der politische Anspruch von Frauenforschung formuliert wurde, problemlos der bereits bekannte Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit untermauern. Der zweite programmatische Aspekt wog allerdings noch schwerer. Neben der Einführung von spezifischen Inhalten (v.a. geschlechtliche Arbeitsteilung, Erwerbstätigkeit, Bildung, Sozialpolitik, feministische Theoriebildung), die im Rahmen eines Kerncurriculums von einer neu geschaffenen Professur unterrichtet werden sollten, sah der Entwurf für das Grundstudium der Soziologie ein integriertes Curriculum vor. Dieses sollte von den Lehrenden der einzelnen Arbeitsgruppen in allen Fächern des Grundstudiums einschließlich der Methodenausbildung abgedeckt werden. Letztendlich, so wurde im Papier argumentiert, würde »die für Frauenforschung konstitutive Unterscheidung zwischen weiblichen und männlichen Lebenszusammenhängen, als deren zentrales Differenzierungsmerkmal die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in Familie und Erwerbsleben gilt«, alle sozialwissenschaftlichen Fächer betreffen (ebd.: 13). Wenn Geschlecht als strukturierendes Element gesellschaftlicher Verhältnisse verstanden wird und ihm eine konstitutive Bedeutung für die Entstehung und Reproduktion gesellschaftlicher Ordnung zukommt, müssen die normativen und begrifflichen Grundlagen der Soziologie insgesamt überarbeitet werden. Genau besehen wurde in diesem Papier also der Auftrag des Dekans umgedreht. Statt zu begründen, wie Frauenforschung in das bestehende Lehrangebot eingebunden werden kann, wurde beschrieben, wie diese insgesamt die Lehre der Soziologie verändern würde. Geschlechtertheorie wurde in dieser Perspektive unabdingbar für die soziologische Analyse bestehender bürgerlich-kapitalistischer Gesellschaften. So verwundert es nicht, dass die Kollegen negativ bis empört auf den Entwurf reagierten (vgl. Protokoll Nr.2/1985). Doch die Ausschreibung der Professur ließ sich nicht länger abwenden. Dafür war das Papier inhaltlich zu stark und die Unterstützung aus der Politik zu mächtig. Man verständigte sich darauf, dass die später berufene Professorin auf der Grundlage des vorliegenden Papiers das Curriculum als Teilgebiet innerhalb der Fakultät weiterentwickeln sollte und setzte der Diskussion damit ein vorläufiges Ende. Zwar dauerte es danach nochmals einige Jahre, aber 1990 führte die Fakultät für Soziologie das Wahlfach »Frauenforschung« im Rahmen des Diplom-Studiums ein und verankerte damit als erste deutsche Hochschule die Geschlechterforschung curricular in der Lehre. Für die inhaltliche Ausgestaltung zeichnete die erste Stelleninhaberin der Profes-

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sur für »Sozialwissenschaftliche Frauenforschung«, Ursula Müller, verantwortlich. Mit dem Personalwechsel veränderten sich die Forschungsschwerpunkte und Inhalte der Frauenforschung. Hatte der Fokus der Vertreterinnen des Bielefelder Ansatzes auf den weltweiten Verflechtungsformen von Produktionsverhältnissen sowie gesellschaftstheoretischen Fragen gelegen, so rückte nun mit Müller der Alltag der Geschlechter vor Ort in den Mittelpunkt. Zentrale Forschungs- und Lehrgebiete wurden Gewalt gegen Frauen, Fragen der geschlechtlichen Arbeitsteilung in der Familie sowie Geschlecht und Geschlechterverhältnisse in Organisationen im Kontext gesellschaftlicher Transformationsprozesse. Mit Mechtild Oechsle, deren C3-Professur »Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Berufsorientierung und Arbeitswelt/ Geschlechterverhältnisse« 1994 von der Fakultät für Soziologie kooptiert wurde, kamen schließlich Lebensführungskonzepte und Alltagstheorien im Kontext von Berufsorientierungsprozessen junger Frauen und Männer sowie im Lebensverlauf hinzu. Sie untersuchte diese Themen vor dem Hintergrund des Strukturwandels von Erwerbsarbeit und Modernisierung geschlechtsspezifischer Lebensführung. Solche thematischen Verschiebungen innerhalb von Fachgebieten sind im Zusammenhang mit dem Wechsel von Stelleninhaber_innen keine Besonderheit. Zwei Aspekte sind für die Frauenforschung allerdings spezifisch. Zum einen verschwand der Bielefelder Ansatz ganz aus Forschung und Lehre. Auch wenn wir ihn heute als Eintrag in Handbüchern der Frauen- und Geschlechterforschung finden, so wird in aktuellen Untersuchungen zur Postkolonialität und im Umfeld der Critical Whiteness wenig auf die Bielefelderinnen verwiesen und damit die Möglichkeit einer genealogischen Einordnung verschenkt. Zum anderen fand in Bielefeld wie an anderen Standorten auch eine Verschiebung von der Frauen- zur Geschlechterforschung statt. Diese ging, wie Maihofer (2002) überzeugend argumentiert, seit Ende der 1980er Jahre mit neuen Forschungsperspektiven und Fragestellungen einher. Die »Unrechtserfahrungen« (Ute Gerhard) und Diskriminierungen von Frauen und ihr spezifisches Leben, Handeln, Fühlen und Wissen wurden nun stärker im Kontext bestehender Geschlechterverhältnisse verstanden und damit die Relationalität der Geschlechter stärker betont (vgl. Maihofer 2002: 102). Hinzu kam, dass »Geschlecht zunehmend nicht mehr als selbstverständlich, natürlich gegebenes angesehen wird, sondern als eine ›historische‹ bzw. ›soziale Kategorie‹ (vgl. Bock 1987: 15ff). Damit wird nicht die Existenz biologischer Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestritten. Was zurückgewiesen wird, ist die Begründung der unterschiedlichen Eigenschaften und Fähigkeiten, der verschiedenen Rollen, Aufgaben und gesellschaftlichen Chancen von Männern und Frauen in ihrer jeweiligen biologischen Natur. In vielen Arbeiten wird demgegenüber gezeigt, wie die Eigenschaften oder gesellschaftlichen Rollen auf das engste mit den jeweiligen Geschlechterverhältnissen zusammenhängen« (ebd.: 102f.).

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Mit dieser theoretischen Perspektivverschiebung geht die Einsicht einher, dass nicht nur Frauen, sondern auch Männer ein Geschlecht haben und die Aufgabe erfüllen müssen, sich zu vergeschlechtlichen und auf sich selbst, ihren Körper, ihre Psyche und ihre Praxen die Schemata der binären Ordnung anzuwenden. Müller und Oechsle haben mit ihren repräsentativen und international vergleichenden Studien zu Lebenssituationen und Selbstbildern von Männern sowie Transformationen von Vaterschaft und Männlichkeit(en) wichtige Beiträge zu diesem Forschungsbereich geleistet. Für den Prozess der Institutionalisierung bot sich schließlich Ende der 1990er Jahre eine günstige Gelegenheit. Während die Lehre in der Frauenund Geschlechterforschung zuvor nur innerhalb der Soziologie curricular verankert war, wurde es mit der in der Bologna-Erklärung (Juni 1999) eingeleiteten Umstrukturierung und Neuorganisation der Strukturen von Studiengängen (Modularisierung der Studienangebote, inhaltliche Reorganisation der Curricula) möglich, einen eigenständigen Studiengang zu konzipieren. Bei der Einrichtung von MA-Studiengängen mussten sich die Hochschulen auf ein inhaltliches Profil festlegen. Die konkrete thematische Ausgestaltung der Studiengänge hing aber selbstverständlich von der Ausrichtung der Professuren ab. In Bielefeld gab es zu diesem Zeitpunkt sechs Professuren mit (Teil-)Denominationen für Frauen- und Geschlechterforschung mit den entsprechenden Qualifikationsstellen an vier Fakultäten (Soziologie, Geschichtswissenschaft, Pädagogik, Gesundheitswissenschaften). Vor dem Hintergrund dieser personellen und organisatorischen Bedingungen lag der Auf bau eines interdisziplinär ausgerichteten MA-Studiengangs in der Frauen- und Geschlechterforschung nah. Hinzu kam die langjährige Erfahrung der interdisziplinären Zusammenarbeit am Interdisziplinären Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IFF). Als ich im Dezember 2012 auf die Professur für Geschlechtersoziologie berufen wurde, bestand meine erste größere Aufgabe darin, gemeinsam mit Mechtild Oechsle und unseren Assistentinnen Susan Banihaschemi und Annette von Alemann die Reakkreditierung des Studiengangs MA Gender Studies vorzubereiten. Steine wurden uns nicht in den Weg gelegt, aber kostenneutral solle alles sein, so wurde mir in den entsprechenden Sitzungen des Lehrkörpers immer wieder eingeschärft. Als frisch berufene Professorin, mit vielen eigenen Vorstellungen davon, was Geschlechtersoziologie in Bielefeld sein könnte, machte ich mich trotz dieser wenig auf bauenden Rahmenbedingungen mit viel Elan an die Weiterentwicklung des Studienprogramms. Rückblickend kann ich selbstkritisch sagen, dass ich mich dabei zu stark von der soziologischen Denkweise und meinen eigenen Vorstellungen habe leiten lassen. Darunter hat die Zusammenarbeit mit den anderen beteiligten Disziplinen gelitten. Heute würde ich das auf jeden Fall anders machen, da die Stärke des Studiengangs gerade in der interdisziplinären Ausrichtung des Programms besteht. Aber das ist leichter gesagt als getan. Denn damit fachspezifische Differenzen als gleichwertige Perspektiven anerkannt und miteinander

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in einen produktiven Austausch gebracht werden können, ist eine kontinuierliche und geduldige Diskussion in einem dafür geeigneten institutionellen Rahmen notwendig. Die Kunst besteht darin, die Diskussion zwischen unterschiedlichen disziplinären (bzw. theoretisch, methodischen und inhaltlichen) Zugängen »unabgeschlossen« zu halten und somit »die Kanonbildung nicht hegemonial abzuschließen« (Maihofer 2009: 46). Das ist im Zusammenhang mit interdisziplinären Programmen vor allem deshalb eine hohe Kunst, da die Formulierung von Kriterien für gute wissenschaftliche Praktiken und Qualitätsstandards nur schwer von den Differenzen der Fachkulturen zu lösen sind. Sowohl die Nachfrage – im Schnitt bewerben sich ca. 80 Personen auf 20 Studienplätze – als auch die volle Auslastung sowie die Abschlüsse der Studierenden sind ein eindeutiges Zeichen, dass es sich gelohnt hat, für eigene Vorstellungen von Wissenschaft einzutreten. Für mich ist in der Rekonstruktion der Ereignisse deutlich geworden, dass es vor allem am »Willen zur Emanzipation« (Sabine Hark) und dem Mut zur »intellektuellen Freiheit« (Virginia Woolf) lag, dass sich die Frauen- und Geschlechterforschung ausgerechnet in der ostwestfälischen Provinz so erfolgreich etablieren konnte. Es gibt in Deutschland keinen anderen Standort, der über zwei Professuren mit einer Volldenomination Geschlechtersoziologie, einen Arbeitsbereich Gender, einen MA Gender Studies sowie ein interdisziplinäres Zentrum für Geschlechterforschung verfügt. Feministische Kritik bleibt als Teil der institutionalisierten Gender Studies allerdings prekär.20 Genau besehen muss eine Wissenschaft, die die in der binär-heteronormativen Geschlechterordnung begründete Ungerechtigkeit, Diskriminierung, Diffamierung und Gewalt sichtbar macht und kritische Fragen an die eigene Gesellschaft und die unhinterfragten Selbstverständlichkeiten des Alltags stellt, sich aktuell wieder stärker legitimieren. Dazu tragen nicht zuletzt die zunehmenden polemischen Stellungnahmen bei, die sich in den Medien und im Netz zur Geschlechterforschung finden. In diesen öffentlichen Diskursen und Politiken wird feministische Kritik aktuell einmal mehr desavouiert und lächerlich gemacht. Der kritischen Wissenschaft von den Geschlechterverhältnissen wird dabei nicht nur ihre gesellschaftliche Relevanz, sondern grundsätzlich ihre Berechtigung abgesprochen.21 So gesehen braucht es weiterhin die Entschlusskraft der Geschlechterforscher_innen, mit ihrer Wissenschaft und in der Praxis für ihr Vorhaben und eine geschlechtergerechtere Gesellschaft einzutreten.

20 | Zur Prekarität feministischer Kritik vgl. Maihofer 2013. 21 | Während ich diesen Text schreibe hat die ungarische Regierung per Dekret die Geschlechterforschung verboten und es bleibt abzuwarten, ob/wie die anderen europäischen Regierungen hierauf reagieren.

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Only two can play this game Die Fakultät, Niklas Luhmann und sein stiller Begleiter Johannes F.K. Schmidt Im Zettelkasten ist ein Zettel, der das Argument enthält, das die Behauptungen auf allen anderen Zetteln widerlegt. Aber dieser Zettel verschwindet, sobald man den Zettelkasten aufzieht. D.h. er nimmt eine andere Nummer an, verstellt sich und ist dann nicht mehr zu finden. Ein Joker. (Zettel 9/8j)

»Also – mir genügt, dass ich geboren bin.« So antwortete Niklas Luhmann auf eine Interviewfrage, ob das Jahr 1927, also sein Geburtsjahr, für ihn eine besondere Bedeutung habe (2004a: 49). Biographien verstand Luhmann als »eine Kette von Zufällen, die sich zu etwas organisieren, was dann allmählich weniger beweglich ist« (1987: 149). Das kann man ohne Zweifel auch als eine Art Selbstbeschreibung verstehen für eine in vielerlei Hinsicht besondere wissenschaftliche Karriere, zu der auch die Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld einen nicht unbedeutenden Rigiditätsbeitrag geleistet hat.

D ie A nfänge als J urist Luhmann war eigentlich Jurist. In seinem Jurastudium (1946-49) an der Universität Freiburg – »Es war wirklich ein interessantes Studium, weil man so das Manövrieren von Konstruktionen und die Folgen dieser oder jener Optionen erkennen konnte.« (2004b, 18) – interessierte er sich aber schon mehr für das römische Recht und Rechtsvergleiche als für den üblichen Examensstoff. Die Tätigkeit bei einem Kleinstadtanwalt in Lüneburg Anfang der 1950er Jahre schreckte ihn dann aber von seinem ursprünglichen Plan ab, Anwalt zu werden, da er bemerkte, dass er dabei »nicht nur einen, sondern sehr viele

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Vorgesetzte hat, die immer mit ihren unmöglichen Bedürfnissen in die Praxis kommen, und die man dann nicht abweisen kann«; stattdessen entschied er sich für die Verwaltung, »weil mir diese […] mehr Freiheiten zu geben schien« (1987: 130).1 Nach dem zweiten Staatsexamen folgte 1954/55 eine Tätigkeit als Regierungsassessor am Oberverwaltungsgericht in Lüneburg, bei der ihm seine Ausbilder in ihren Beurteilungen als einen »begabte[n] Jurist[en]« mit einer »ausgeprägte[n] Neigung für Fragen der allgemeinen Rechtstheorie, der allgemeinen Staatslehre und der vergleichenden Rechtswissenschaft« bezeichneten, nicht ohne festzustellen, dass er im persönlichen Umgang zwar »zunächst etwas scheu und befangen« wirke, aber »durch seine Bescheidenheit« gewinne.2 Bereits in seiner Referendariatszeit hatte Luhmann mit der Arbeit an einer rechtsvergleichenden Promotionsschrift begonnen. Da aber sein Freiburger Doktorvater Wilhelm Grewe in das Auswärtige Amt wechselte, wurde die eigentlich fertige, 260-seitige Arbeit mit dem Titel »Die Organisation beratender Staatsorgane« nicht eingereicht, sondern Mitte der 1950er Jahre ›zu den Akten gelegt‹,3 auch da Luhmann zu diesem Zeitpunkt eine akademische, d.h. rechtswissenschaftliche Karriere nicht attraktiv fand. 1956 wurde Luhmann ins Kultusministerium in Hannover abgeordnet. Auch dort fiel er durch »seine systematische Arbeitsweise« auf und »seine Fähigkeit, schnell und scharf zu denken«, wie ein Vorgesetzter es formulierte. Das Ansinnen, aus dem Ministerium in eine Mittelbehörde zu wechseln, um so die übliche Voraussetzung für einen weiteren Aufstieg in der Ministerialverwaltung zu erfüllen, lehnte Luhmann aber entschieden ab: »Ich lese Hölderin«, so die von ihm selbst mehrfach kolportierte Entgegnung auf die Zumutung, auf einer solchen Behördenstelle nach Dienstschluss dann auch im ländlichen Vereinsleben Präsenz zeigen zu müssen (2004b: 31; 1987: 132). Als Feierabendwissenschaftler las er zu dieser Zeit aber nicht nur Hölderlin, sondern neben Staats- und Verwaltungstheoretikern auch schon ganz gezielt philosophische und zunehmend auch sozialwissenschaftliche Literatur. Resultat dieses außerdienstlichen Interesses war 1958 Luhmanns erste wissenschaftliche Veröffentlichung in Form des Aufsatzes »Der Funktionsbegriff in der Verwaltungswissenschaft« in der renommierten Zeitschrift Verwaltungsarchiv, der das Forschungsprogramm markierte, das für die nächsten Jahre seines wissenschaftlichen Arbeitens prägend werden sollte.

1 | Diese Erfahrung findet sich theoretisch reflektiert in Luhmann 2016. 2 | Alle im Folgenden nicht weiter belegten Zitate stammen aus Zeugnissen und Dienstbeurteilungen bzw. aus der Korrespondenz von und an Luhmann aus der damaligen Zeit. 3 | Und ist erst jetzt bei der Erschließung des wissenschaftlichen Nachlass im Rahmen des Akademieprojekts »Niklas Luhmann – Theorie als Passion. Wissenschaftliche Erschließung und Edition des Nachlasses«, das seit 2015 an der Fakultät durchgeführt wird, wieder aufgetaucht.

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D ie W iedergeburt als S oziologe Ende 1959 ging eine Ausschreibung des Theodore Haebeler Fellowship (ein Fulbright-Stipendium) für einen Forschungsaufenthalt an der Harvard School of Public Administration über Luhmanns Verwaltungsschreibtisch. Er beschloss kurzerhand, sich selbst darauf zu bewerben und wurde dabei von seinem direkten Vorgesetzten ausdrücklich unterstützt, der ihm eine »Veranlagung zur wissenschaftlichen Arbeit« bescheinigte, die er »aus Passion, mit Energie und großem Fleiß hervorragend entwickelt« habe. Bei dem neunmonatigen Aufenthalt 1960/61 in Harvard hörte Luhmann insbesondere bei Talcott Parsons4 und arbeitete an einer ersten Fassung seines 1964 veröffentlichten Buches »Funktionen und Folgen formaler Organisation«. Obwohl das Stipendium eigentlich nur zur wissenschaftlichen ›Unterfütterung‹ des Verwaltungshandeln dienen sollte, nutzte Luhmann es dann als Absprungpunkt aus der Verwaltung, da er mehr Zeit für seine theoretischen Interessen haben wollte, und kehrte nach dem USA-Aufenthalt nur noch kurz in das Ministerium zurück. Vermittelt über Carl Hermann Ule – einem seiner richterlichen Ausbilder am OVG in Lüneburg, der 1955 auf eine Professur an der Hochschule für Verwaltungswissenschaft in Speyer berufen worden war5 – hielt Luhmann im Dezember 1961 dort einen Vortrag mit dem Titel »Verantwortung und Verantwortlichkeit in der Verwaltung«. Der Vortrag rief aufgrund seines »strengen theoretischen Ansatzes« in dem Kollegium »starken Widerspruch« hervor, wie der damalige Rektor der Hochschule Luhmann in einem Schreiben mitteilte, um ihm sodann die Stelle eines Oberreferenten am neu gegründeten Institut für Forschung und Information anzubieten. Ein Angebot, das Luhmann kurzerhand annahm – insbesondere da die Ausgestaltung der Stelle: ein halbes Jahr für Aufträge des Forschungsinstituts, ein halbes Jahr für eigene Interessen, ihm sehr entgegenkommt, mehr noch: »da die Aufträge nicht kamen oder nur kamen, wenn ich sie selbst anregte, war das eine ganz günstige Position« (2004b: 33). 4 | Wie eng der Kontakt Luhmanns zu Parsons wirklich war, ist unklar. Luhmanns eigene (wenige) Aussagen dazu sind nicht sehr erhellend. Die wenigen Dokumente aus dem Nachlass, die dazu vorliegen, legen aber nahe, dass es über eine eher distanzierte Beziehung nicht hinausging. So verzichtete Luhmann bei einer von ihm besuchten Diskussionsveranstaltung auf dem Soziologentag 1964 in Heidelberg, an der Parsons auf dem Podium teilnahm, darauf, ihn im Anschluss direkt anzusprechen – wie er ihm in einem wenig später zugeschickten Brief selbst mitteilte. Vielleicht war Luhmann aber bereits bei seinem Aufenthalt in den USA deutlich geworden, dass sein eigener Ansatz bei Parsons auf wenig Verständnis stieß – »It fits quite nicely« mit Blick auf seine eigene Theorie sei Parsons’ Standardantwort zu den Luhmannschen Vorschlägen gewesen (1987: 133), ein Eindruck, den Luhmann gerade nicht teilte. 5 | Man sieht schon hier, dass die Karriere Luhmanns also nicht nur aus ›zufälligen Zufällen‹ bestand. Mit Luhmann gesprochen: »Man muss natürlich Zufälle erkennen und ergreifen können!« (2004a, 50)

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In seiner Speyerer Zeit entwickelt Luhmann nahezu aus dem Stand heraus ein Forschungs- und Publikationstempo, das seinesgleichen suchte – und das er (doch) die nächsten Jahrzehnte aufrechterhalten sollte: 1963 »Verwaltungsfehler und Vertrauensschutz«, 1964 »Funktionen und Folgen formaler Organisationen«, 1965 »Grundrechte als Institution« und »Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet«, 1966 »Recht und Automation in der öffentlichen Verwaltung« und »Theorie der Verwaltungswissenschaft« – um nur die Titel der Monographien zu nennen. 1963 hielt er an der von Helmut Schelsky geleiteten Sozialforschungsstelle der Universität Münster in Dortmund einen Vortrag zum »Funktionsbegriff in der neueren amerikanischen Soziologie«, der als Türöffner für die weitere Karriere fungieren sollte. 1965 wechselte er auf Betreiben Schelskys, der damals professionspolitisch prägenden Figur der Soziologie in Deutschland, an die Sozialforschungsstelle, an der er Abteilungsleiter für Organisations- und später auch Rechtssoziologie wurde. Luhmann bezeichnete in seinem Lebenslauf im Rückblick diese Zeit selbst (ungewohnt prosaisch) als »meine Wiedergeburt als Soziologe«. 1966 erhielt er im Eilverfahren die noch fehlenden akademischen Weihen in Form von Promotion und Habilitation an der Rechts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster – angesichts seiner Publikationen eher eine Formsache. Seine Antrittsvorlesung von 1967 mit dem Titel »Soziologische Aufklärung« skizzierte das Programm, das er in den folgenden Jahrzehnten in sechs Aufsatzbänden ausarbeiten sollte. Nach einer einjährigen Vertretungsprofessur in Münster wurde er im Oktober 1968 als erster Professor überhaupt an die von seinem Förderer Schelsky seit Mitte der 1960er Jahre konzipierte Universität Bielefeld berufen – mit ihrer Gründung und ein Jahr vor der Aufnahme des Lehrbetriebs der soziologischen Fakultät im Wintersemester 1969/70. So blieb noch Zeit für eine Vertretung der Adorno-Professur in Frankfurt im Wintersemester 1968/69. Luhmann war Adorno auf dem Frankfurter Soziologentag 1968 aufgefallen6 und er hatte ihn selbst für seine Vertretung vorgeschlagen. Inmitten der Studentenrevolte hielt Luhmann eine Vorlesung zur Gesellschaftstheorie und gab ein Seminar zu »Liebe«. Der Titel seiner ersten Vorlesung in Bielefeld im Wintersemester 1969/70 lautete dann »Einfache Sozialsysteme«; das Thema war von ihm ganz bewusst gewählt worden, um an einem alltäglichen Gegenstand die wesentlichen Elemente seiner höchst abstrakten Theorie zu erläutern und den Studenten etwas »von meinem Spass an unorthodoxer Soziologie, an theoriegeleiteter Beobachtung sozialer Systeme […] zu vermitteln«, wie Luhmann am Ende seines Vorlesungsskripts notiert.

6 | Und nicht nur Adorno: So notiert Siegfried Unseld im April 1968 in einer verlagsinternen Aktennotiz: »Er wäre der Mann, der für die Reihe THEORIE 2 eine […] Systemtheorie der Gesamtgesellschaft schreiben könnte.« Der Suhrkamp-Verlag wird dann noch etliche Jahre warten müssen, bis diese Gesellschaftstheorie 1997 tatsächlich in seinem Programm erscheint.

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D ie B ielefelder F akultät als par adoxe I ntervention Schon Mitte der 1960er Jahre arbeitete Luhmann an ersten Entwürfen einer allgemeinen Theorie des Sozialen, zunächst noch mit einer stark phänomenologischen, von Husserl beeinflussten Orientierung, die aber bald durch einen deutlichen systemtheoretisch-funktionalistischen Fokus überformt wird. Diese allgemeine Theorie des Sozialen sollte der Grundstein und die Voraussetzung für eine Theorie der Gesellschaft sein, ein Vorhaben, das Luhmann spätestens Ende der 1960er Jahre klar vor Augen stand. Für deren Ausarbeitung rechnete er mit einer Bearbeitungszeit von 30 Jahren, wie er selbst lapidar auf eine fakultätsinterne Umfrage nach den aktuellen Forschungsplänen der Fakultätsmitglieder für das Jahr 1970 formulierte. Abb. 1: Auszug aus dem Erhebungsbogen der Forschungskommission der Fakultät von 1970

Dieses Projekt betrieb Luhmann in den Folgejahren nicht nur mit unvergleichlicher Zielstrebigkeit und fast schon preußischem Pflichtbewusstsein voran, sondern größtenteils auch als Ein-Mann-Betrieb. Auch wenn es dafür im Wesentlichen forschungsimmanente Gründe gegeben haben mag, so machte es die Fakultät ihm in dieser Hinsicht auch leicht: Schon Anfang der 1970er Jahre kam es zu erheblichen Differenzen insbesondere bezüglich der organisatorischen Ausgestaltung des Forschens, so dass Luhmann auf seinen bei der Be-

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rufung zugesicherten Lehrstuhlassistenten verzichtete, nachdem sein erster Assistent, Otthein Rammstedt, aufgrund eigener Habilitation 1971 ausschied.7 Infolge eines fortdauernden Dissenses über die Prüfungs- und Studienordnung – »Ich habe, glaube ich, keiner einzigen Satzung unserer Fakultät oder Universität zugestimmt« (2004b: 35) – zog sich Luhmann dann auch weitgehend aus der Mitarbeit in den Selbstverwaltungsgremien der Fakultät zurück,8 er selbst sprach später gelegentlich von einer ›inneren Emigration‹. Zu seinem Zweifel an der Sachgerechtigkeit der fakultätsinternen Strukturen, die nach seiner Wahrnehmung einem Verzicht auf Forschung gleichkamen, gesellten sich auch seine Erfahrungen im Kontext der Etablierung der sog. Gruppenuniversität Mitte der 1970er Jahre: »Man kann auf keiner Ebene mehr sicher sein, es mit normal durchkultivierten Partnern zu tun zu haben«, und: »Wenn man die Gruppenuniversität will, muss man zugleich ein Komplementärprinzip miteinführen. Es heisst: politische Kultur«, notierte er für sich in diesem Zusammenhang.9 Luhmanns anfängliche Hoffnung, aufgrund der durch Schelsky entworfenen forschungsorientierten Struktur einer ›theoretischen Universität‹ (Korte/Schäfer 1995) einen intensiveren interdisziplinären Austausch insbesondere mit der Rechtswissenschaft etablieren zu können, wurde ebenfalls schnell enttäuscht. Auch seine Idee, an der Universität ein Forschungszentrum für eine Organisationsberatung der öffentlichen Verwaltung zu etablieren, um so Soziologen zu Generalisten für die Verwaltung auszubilden, wurde nicht umgesetzt (s. Rammstedt 1995: 51). Aber auch eine fachwissenschaftliche Diskussion seiner Theorie fand seit Mitte der 1970er Jahre in der Fakultät nur noch in einem sehr eingeschränkten Maße statt. Schon wenige Jahre nach ihrer Gründung war aus der ursprünglich projektierten Reformuniversität Bielefeld eine ganz normale Universität mit den üblichen Abgrenzungsbestrebungen zwischen und Machtkämpfen innerhalb der Fakultäten geworden. An beidem wollte Luhmann schon aus Zeitgründen nicht teilnehmen und konzentrierte sich fortan auf sein Theorieprojekt und eine darauf fokussierte Lehre. Das wissenschaftliche Gespräch suchte er stattdessen bevorzugt außerhalb seiner Universität und vermehrt auch außerhalb seines Faches, auf Tagungen und unzähligen Vortragsreisen – und insbesondere: mit seinem Zettelkasten.

7 | Erst Ende der 1980er Jahre sollte Luhmann mit André Kieserling wieder einen Assistenten haben. 8 | Spätestens aber dann, als im Wintersemester 1976/77 seine Wahl zum Dekan aufgrund seines Drängens auf nachhaltige Strukturveränderungen der Fakultät scheiterte. 9 | Siehe zu Luhmanns hochschulpolitischen Positionen die Aufsätze in: Universität als Milieu (1992).

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D er Z e t telk asten als A lter E go ? Wie kann man sich diese »Kommunikation mit Zettelkästen«, wie Luhmann selbst einen Aufsatz über seinen Zettelkasten aus dem Jahr 1981 betitelt hat, vorstellen? Zeitzeugen, die man befragen könnte, gibt es nur wenige,10 denn das Zwiegespräch mit dem Kasten fand in Luhmanns Arbeitszimmer in seinem Haus in Oerlinghausen statt. Eine Universität hat der Kasten, das Kraftzentrum der Theorie und laut Luhmanns eigener Aussage der wesentliche Grund für seine ungemeine Produktivität (1987: 142), also nie von innen gesehen.11 Man muss sich also auf die (wenigen) Selbstauskünfte Luhmanns verlassen und auf das, was der Kasten nun, da er der Nachlasserschließung offensteht, selbst zu berichten in der Lage ist. Die genaue Geburtsstunde des Zettelkastens ist nicht bekannt. Luhmann hatte bereits im Rahmen der Recherchen zu seinem damaligen Promotionsprojekt begonnen, umfangreiche Notizen anzulegen. In diesem Kontext muss dann die Entscheidung für seinen Zettelkasten gefallen sein. Einerseits aufgrund der simplen Erfahrung, dass er »ein schlechtes Gedächtnis habe« – ohne Zweifel ein typisches Luhmannsches Understatement, wie er es gerne in Interviews unterbrachte –, andererseits, weil ihm bereits zu dieser Zeit klar war, dass er »für ein Leben planen müsse und nicht für ein Buch« (1987: 149). Das zunächst von ihm praktizierte Einlegen von Notizzetteln in gelesene Bücher war dafür dysfunktional, da der Zugriff auf die Notizen dann notwendigerweise mit dem Zugriff auf das jeweilige Buch strikt gekoppelt war. Damit aber konnten die Zettel eine wesentliche Funktion, die für den Zettelkasten konstitutiv sein sollte, gerade nicht erfüllen: die Notizen unabhängig von ihrem Entstehungskontext verfügbar zu machen, um mit dem darauf Notierten für auf den ersten Blick ganz Andersartiges in noch unbekannten Zukünften, d.h. mit noch unbekannten Forschungsfragen anschließen zu können. Denn genau dafür hatte Luhmann seinen Zettelkasten angelegt. Zugleich war der Zettelkasten mehr als ein Archiv gegen das Vergessen, er war vielmehr

10 | So hatten sich z.B. einige theorieinteressierte Fakultätskollegen Mitte der 1980er Jahre in einem Lektürekreis zu Luhmanns Buch »Soziale Systeme« zusammengefunden und besuchten abschließend den Meister in Oerlinghausen, um sich dort die Nutzung des damals schon legendären Zettelkastens vorführen zu lassen. Auch wenn Luhmann selbst eigentlich kein Geheimnis um den Zettelkasten machte, so blieb den Besuchern doch unklar, inwieweit Luhmann bei Livevorführungen tatsächlich einen Blick auf die Hinterbühne seiner Arbeit zugelassen hat. Luhmann selbst reagierte auf solche Besuche mit einer Notiz auf Zettel 9/8,3 in seinem Kasten: »Zuschauer kommen. Sie bekommen alles zu sehen, und nichts als das – wie beim Pornofilm. Und entsprechend ist die Enttäuschung.« 11 | Genauer muss man jetzt, nachdem die Erschließung des Nachlasses an der Fakultät für Soziologie begonnen hat, eigentlich sagen: in seiner aktiven Zeit nicht gesehen.

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ein Denkwerkzeug, denn, so Luhmann: »Ohne zu schreiben, kann man nicht denken« (Zettel 9/8g). Abb. 2: Niklas Luhmann an seinem Zettelkasten im privaten Arbeitszimmer (Rechte: D. Horster)

Wie aber kamen die Zettelnotizen nun überhaupt zustande? Am Anfang stand in den meisten Fällen ein Messer, zumindest aber eine Schere. Denn Luhmanns Zettel hatten zwar ein Oktavformat, waren aber gerade keine üblichen Karteikarten, sondern bestanden aus möglichst dünnem Papier, da der räumliche Umfang des Kastens beschränkt bleiben sollte auf den Aktionsradius eines Bürostuhls: Um das zu erreichen, mussten möglichst viele Zettel in einen der aus Buchenholz bestehenden Karteikästen passen. Am Ende waren es bis zu 3500 Zettel pro Auszug (deren Zahl Luhmann nach und nach auf insgesamt 27 aufstockte), die meisten aus anderweitig bereits benutzten DIN-A-4-Papieren, die Luhmann zerschnitt und auf der noch freien Rückseite mit Notizen beschrieb. Bis in die 1960er Jahre hinein verwendete er dafür noch Rechnungspapier aus dem väterlichen Brauereibetrieb und nicht weiter benutzte Formulare aus seiner Verwaltungstätigkeit, später dann u.a. Blätter

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mit ersten Schreib- und Rechenversuchen und Zeichnungen seiner drei Kinder, aber auch Verrechnungsschecks, Bankauszüge oder Kalenderblätter – die letztgenannten Schreibunterlagen hatten den Vorteil, bereits im Oktavformat vorzuliegen. In der ihm eigenen Konsequenz verzettelte Luhmann auch einen Bestellschein für die Holzkästen, um auf der Rückseite eine neue Notiz (über den Bewegungsbegriff bei den alten Griechen) für den Zettelkasten zu notieren – wenn man so will also eine besondere, materiale Form der Selbstreferenz des Unternehmens. Abb. 3: Lieferschein des Zettelkastens

Abb. 4: Zettelnotiz auf der Rückseite

Auf den Zetteln notierte Luhmann von Anfang der 1950er Jahre bis 1996 alles, was ihm während seiner extensiven Lektüre als interessant für sein gewaltiges Theorieprojekt in die Finger bzw. unter die Augen kam. Natürlich machte er sich bereits bei der Lektüre stichpunktartig Notizen, man findet sie auf vielen Rückseiten der Zettel der bibliographischen Abteilung (für die deshalb ausnahmsweise beidseitig unbeschriebene Zettel benutzt werden mussten). Diese Notizen wanderten aber nicht direkt in den Kasten, vielmehr verzettel-

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te Luhmann sie im Anschluss an die Lektüre, indem er für den Kasten, in Orientierung an schon bestehende Zettel, neue Zettel erstellte – »man liest anders, wenn man auf die Möglichkeit der Verzettelung achtet«, notierte er auf Zettel 9/8d. Die Frage, an welcher Stelle im Kasten ein Zettel seinen Platz finden sollte, erfolgte dabei aufgrund einer rein lokalen Anschlussrationalität: der Zettelinhalt musste (nur) in irgendeiner Weise an den davor stehenden anschließen. Bei diesem Einstellprinzip war es dann auch möglich, nachträglich Zettel zwischen bereits Existierende zu platzieren, so dass die Sammlung bald nicht mehr als linearer Text lesbar war. Um Zettel wiederzufinden, wurden sie von Luhmann in einer Form nummeriert, die sich an ihrem Stellplatz orientierte und zugleich dynamisch war. Er entwickelte dazu ein Nummerierungsprinzip, das auf den ersten Blick verwirrend wirkt, auf den zweiten Blick aber eher als genial (einfach) bezeichnet werden muss: Luhmann zählte die Zettel zunächst einmal fortlaufend durch: auf 1 folgt 2 usw. Ein später dazwischengeschobener Zettel, der an ein Argument oder einen Begriff auf Zettel 1 anschloss, wurde dann mit 1a nummeriert und zwischen 1 und 2 eingestellt. An diesen Zettel konnte wiederum mit einer weiteren Notiz angeschlossen werden, die dann konsequenterweise mit 1b oder aber (später) mit 1a1 nummeriert wurde, wenn ein neuer Seitenweg des Arguments beschritten wurde usw. Folge dieses Prinzips waren dann bis zu zwölfstellige Zettelnummern mit einem Wechsel von Ziffern und Buchstaben. Zugleich war mit der Einstellpraxis eine nichthierarchische, da primär historisch gebildete und gewachsene Ordnungsstruktur verbunden, bei der für die Theorie zentrale Begriffe gerade nicht zwingend am Beginn der Abteilungen stehen mussten, in denen sie sich befinden, sondern häufig an mehr als nachgeordneter Stelle. So trägt z.B. der Zettel, der die Abteilung zum Autopoiesisbegriff, also dem zentralen Begriff der Theorie der 1980er Jahre, eröffnet, die Nummer 21/3d26g1i, da dieser Zettel theoriehistorisch eben relativ spät Eingang in das Zettelkastenprojekt gefunden hat. Das Einstell- und Anschlussprinzip führte auch dazu, dass Zettel zu einem Themenbereich an verschiedenen Stellen im Kasten zu finden sind; deren Zusammenhang stellte Luhmann durch Verweise her, indem er jeweils die entsprechenden Zettelnummern notierte. Insgesamt befinden sich in dem Kasten ca. 50.000 Querverweise. Mit diesem Verweissystem nahm Luhmann also ein heute weitverbreitetes Prinzip der netzwerkförmigen Organisation großer Datenbestände vorweg, das aber in den 1950er Jahren noch nahezu unbekannt war. Eine inhaltlich-systematische Gliederung weist der Zettelkasten konsequenterweise nicht auf. Während der erste Kasten noch aus 108 Abteilungen zu diversen Wissensbeständen und Problemformeln besteht, weist der zweite Kasten, den Luhmann wohl nach seiner Rückkehr aus den USA begann, nur noch elf Abteilungen auf. Historisch ist die Gliederungsstruktur des zweiten Kastens aus einem im Nachlass vorliegenden Publikationsplan zu einer funktionalen Theorie der Verwaltung entstanden, die aber offenbar nie geschrieben wurde. Diesem Plan aber ist der Kasten schnell entwachsen, weniger dadurch,

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dass Luhmann noch weitere Abteilungen anfügte, sondern vielmehr dadurch, dass der Kasten in der ihm eigentlichen Kombination von Kontingenz der Einfälle und Stringenz ihrer Verknüpfung nach innen wuchs und sich zugleich immer stärker verzweigte. Um bei den schließlich fast 90.000 Zetteln überhaupt zu wissen, welche Themen wo zu finden sind, also einen Einstieg in das Zettellabyrinth zu ermöglichen, führte Luhmann ein Schlagwortregister, das er ständig erweiterte und aktualisierte. Zuletzt umfasste es für beide Sammlungen annähernd 4200 Einträge. Dabei notierte Luhmann bei jedem Schlagwort maximal vier Zettelnummern aufgrund der Annahme, dass alle anderen einschlägigen Stellen eben durch das spinnennetzförmige Verweissystem erschlossen werden. Den Aufwand, den er für diese Datenbankpflege, die dann eben auch das ständige Nachtragen von Querverweisen aufgrund neu eingestellter Zettel umfasste, betreiben musste, lässt sich nur schwer ermessen. Vor diesem Hintergrund wird aber die Aussage verständlich, die Luhmann einmal in einem Interview gemacht hat auf die Frage nach seinem persönlichen Wunsch, wenn er denn einen frei hätte: »Das einzige, was mir wirklich ein Ärgernis ist, das ist dieser Mangel an Zeit. Ich weiß nicht, ob es eine Utopie ist, unbegrenzt Zeit zu haben. Ich könnte mir also vorstellen, daß für mich der Tag 30 Stunden hat, für die anderen dagegen nur 24. Die anderen müßten dann immer schon schlafen, wenn ich noch alles mögliche tue« (1987: 139).

L uhmanns S chreibblock aden »Meine Produktivität ist im wesentlichen aus dem Zettelkasten-System zu erklären« (1987: 142), sagte Luhmann selbst einmal. Und diese Produktivität, der Output des Zettelkastens, stellte nicht nur alle anderen Fakultätsmitglieder weit in den Schatten, sondern war im Fach allgemein singulär. Schon das Kernprojekt einer Theorie der Gesellschaft umfasste am Ende neun Monographien zu den verschiedenen Funktionssystemen und der Gesellschaft. Zu Lebzeiten veröffentlichte Luhmann insgesamt mehr als 40 Monographien und 500 Aufsätze und in seinem Nachlass befand sich eine Vielzahl weiterer, zum Teil monographischer Manuskripte.12 Auch bei der Textproduktion ging Luhmann mit einer bemerkenswerten Effizienz vor: Die jeweiligen Texte wuchsen ähnlich wie der Zettelkasten in der Tiefe durch immer weitere Einfügungen. Dabei war nicht nur schon die erste Fassung eines Manuskripts druckreif formuliert, das zunächst erstellte Grundgerüst des Arguments wurde im Zuge 12 | Postum wurden bislang aus dem Nachlass acht Monographien und etliche Aufsätze publiziert. Berücksichtigt man alle Publikationen, so kommt man auf eine Textproduktion von drei Seiten pro Tag, wie Klaus Dammann einmal ausgerechnet hat. Luhmann selbst war etwas vorsichtiger und sprach Mitte der 1980er Jahre überschlagsmäßig von 500 Seiten pro Jahr (Kluge 2017: 39).

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der weiteren Bearbeitung auch kaum einmal modifiziert, sondern durch Einschübe weiterer Seiten oder ganzer Abschnitte einfach erweitert. Aus beinahe jedem Vortrag, von denen Luhmann seit den 1970er Jahren etliche hielt, gingen auf diese Weise aus den zunächst ein- bis zweiseitigen Vortragsskripten in wenigen Tagen, längstens Wochen, ausgewachsene Aufsätze hervor. Bedenkt man nun, welchen Aufwand Luhmann neben der Lektüre bei der Erstellung der Zettelnotizen und der Pflege des Zettelkastens betreiben musste, so erscheint das Publikationspensum umso unglaublicher. Möglich war es wohl nur, weil er letztlich den ganzen Tag nichts anderes tat als zu lesen und zu schreiben: »Wenn ich nichts weiter zu tun habe, dann schreibe ich den ganzen Tag; morgens von 8.30 Uhr bis mittags, dann gehe ich kurz mit meinem Hund spazieren, dann habe ich noch einmal nachmittags von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr Zeit, dann ist wieder der Hund an der Reihe. […] Ja, und dann schreibe ich in der Regel abends noch bis 23.00 Uhr. Um 23.00 Uhr liege ich meistens im Bett und lese noch ein paar Dinge, die ich zu dieser Zeit noch verdauen kann.« (1987: 145) Eine solche Form des fast schon mönchshaften wissenschaftlichen Arbeitens erschien vermutlich schon in den 1970er Jahren etwas aus der Zeit gefallen und eher an dem Idealbild eines Universalgelehrten aus dem 19. Jahrhundert orientiert. Mit diesen gemeinsam hatte Luhmann auch das Interesse für fast alle denkbaren Themen: Es gab eigentlich nichts, zu dem seine Theorie nicht etwas sagen konnte. Ebenso wenig litt er unter Schreibblockaden; und wenn er einmal an einem Text tatsächlich nicht weiterkam, so legte er ihn beiseite, um an einem anderen, schon begonnenen Text weiter zu schreiben. Entsprechend multiperspektivisch las Luhmann auch die unglaubliche Menge an Büchern und Aufsätzen,13 d.h. mit einem gleichzeitigen Blick auf verschiedene Forschungsinteressen und Fragestellungen.14 Was man heute gerne »Schreibklausur« nennt und dann eher als einen Ausnahmezustand in einem von Lehrbetrieb und Drittmittelakquise bestimmten Forscheralltag wahrnimmt, war für Luhmann also eher ein Normal- und Dauerzustand. So fühlte er sich auch unwohl, wenn er aufgrund von Konferenzbesuchen mehrere Tage nicht zum Lesen und Schreiben kam: »Wenn ich schreibe, habe ich nicht das Gefühl, etwas zu versäumen, während es mir bei Auslandsreisen häufig so geht, daß ich nach einer gewissen Zeit denke, ich müsse jetzt zurück, um weiter zu schreiben.« (1987: 146)

13 | Allein die Bibliographie des Zettelkastens umfasst deutlich mehr als 10.000 Einträge. 14 | So hing seine Zusage zur Teilnahme an einer Tagung nicht nur davon ab, ob ihm das Thema und die Teilnehmer interessant genug schienen, sondern auch von der Frage, ob in räumlicher Nähe eine vielversprechende Bibliothek anzutreffen war.

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Abb. 5: Lieferschein einer der Luhmannschen Schreibmaschinen mit Testnotiz Luhmanns

Auch seinen Zettelkasten hat er in solchen Fällen sicher vermisst, seine Fakultät dagegen wohl weniger. Den Aufenthalt an der Universität beschränkte er auch im Semester auf maximal zwei Tage pro Woche. Aber nicht, weil ihn die Lehre nicht interessierte, ganz im Gegenteil: Er nutzte seine Vorlesungen zum Ausprobieren neuer Theorieüberlegungen und war in der Darstellung seiner Theorie bei solchen Anlässen, vergleicht man die Formulierungen mit denen in seinen Publikationen, begrifflich geradezu fahrlässig, dafür aber überraschend verständlich, da er die Differenz von interaktioneller und verschrifteter Kommunikation berücksichtigte. Er fand Studenten interessant, die ihm nicht nach dem Munde, also nicht ›luhmannianisch‹ redeten, aber auch dem größten (studentischen) Unsinn begegnete er in Seminaren und Kolloquien mit geduldigem Zuhören und höflicher Miene, um dann mit der Formulierung: »Das kann man so machen, ich würde aber anders ansetzen« zumindest im Subtext ein (eindeutiges) Urteil abzugeben und die eigene Begriffs- und Theoriemaschine anzuwerfen. Die Fakultät selbst muss man aber wohl eher als eine – wenn auch systemnotwendige – Umwelt seines Forschungsprojekts verstehen, zu der er ein nicht immer unproblematisches Verhältnis pflegte. Rückblickend

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und durch die Brille des Briefwechsels zwischen Luhmann und den wechselnden Dekanen betrachtet, die mal weniger und mal mehr Verständnis für sein Theorieunternehmen auf brachten, erscheint die gemeinsame Geschichte eher als eine des zumindest latenten, häufig aber auch manifesten Konflikts um Zuständigkeiten, Portokosten15 und Forschungsfreisemester, zumindest aber die eines laufenden Missverstehens: Während von außen betrachtet die Fakultät häufig eng mit dem Namen Luhmann verbunden wurde, schien innerhalb der Fakultät das Bestreben zu bestehen, genau diese Zuschreibung zumindest im organisationalen Operieren möglichst zu entkräften, so dass sich Luhmann Mitte der 1980er Jahre nur mehr für die Außenkontakte der Fakultät zuständig erklärte. Bei Lichte besehen stellte die Universität Bielefeld für diese in mehrfacher Hinsicht singuläre Leistung innerhalb der deutschen Geistesgeschichte also wohl wenig mehr als die technische Infrastruktur bereit in Form der Bibliothek, der damit verbundenen Fernleihmöglichkeit und einem Sekretariat – das bei Luhmann aufgrund seiner Schreibgeschwindigkeit aber permanent überlastet war: »In meinem ganzen akademischen Leben lag der Engpaß, der das Volumen der möglichen Publikationen bestimmt hat, nicht in meiner Schreibmaschine, sondern in der meiner Sekretärin«, stellte er Mitte der 1980er Jahre fast schon etwas resignierend fest. Der Antrag an die Fakultät, aus dem diese Formulierung stammt, für zwei Jahre von seinen Lehrverpflichtungen befreit und in dieser Zeit mit einer zusätzlichen Sekretariatsstelle versehen zu werden, um seine Gesellschaftstheorie fertig schreiben zu können, wurde (natürlich) nicht positiv beschieden. Dabei notierte Luhmann dort auch, dass er »Angebote von längerfristigen Aufenthalten, Gast- oder Forschungsprofessuren oder Kontaktaufnahmen wegen Berufungen auf ausländische Lehrstühle in den letzten Jahren immer abgelehnt [habe], weil […] nicht wirklich günstigere Forschungsbedingungen geboten werden konnten.« Ob man die letztgenannte Formulierung als ein (verstecktes) Lob der Fakultät verstehen sollte, sei hier dahingestellt. Mehr wäre von Luhmann aber auch kaum zu erwarten gewesen.

15 | In der Korrespondenz finden sich Briefe mit dem zusätzlichen Vermerk an den Adressaten, dass diesen der Brief deshalb stark verspätet erreiche, da der – aufgrund der umfangreichen Korrespondenz notorisch zu gering ausgelegte – Portoetat des Lehrstuhls aufgebraucht gewesen sei und deshalb die Versendung habe warten müssen. In dringenden Fällen ging Luhmann deshalb dazu über, liegengebliebene Briefe den Korrespondenzpartnern von seiner Sekretärin am Telefon vorlesen zu lassen, da dieser Etat noch nicht ausgeschöpft war.

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L iter atur Kluge, A., 2017: »Einmal in Kommunikation verstrickt, kommt man nie wieder ins Paradies der einfachen Seelen zurück. Gespräch vom April 1994 mit Niklas Luhmann. Volltext 4/2017: 37-49. Korte, H./Schäfers, B., 1995: Helmut Schelskys Planung der »Theoretischen Universität« Bielefeld. Ein soziologisches Lehrstück. S. 52-59 in: F.-X. Kaufmann/R. Korff (Hg.), Soziologie in Bielefeld: Ein Rückblick nach 25 Jahren. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte. Luhmann, N., 1981: Kommunikation mit Zettelkästen. Ein Erfahrungsbericht. S. 222-228 in: H. Baier/H.M. Kepplinger/K. Reumann (Hg.), Öffentliche Meinung und sozialer Wandel. Für Elisabeth Noelle-Neumann. Opladen: Westdt. Verlag. Luhmann, N., 1987: Biographie, Attitüden, Zettelkasten. S. 125-155 in: D. Baecker/G. Stanitzek (Hg.), Archimedes und wir. Interviews. Berlin: Merve. Luhmann, N., 1992: Universität als Milieu. Kleine Schriften, hg. von A. Kieserling. Bielefeld: Haux. Luhmann, N., 2004a: Vorsicht vor zu raschem Verstehen. Niklas Luhmann im Fernsehgespräch mit Alexander Kluge. S. 49-77 in: W. Hagen (Hg.), Warum haben Sie keinen Fernseher, Herr Luhmann? Letzte Gespräche mit Niklas Luhmann. Berlin: Kadmos. Luhmann, N., 2004b: Es gibt keine Biographie. Niklas Luhmann im Radiogespräch mit Wolfgang Hagen. S. 13-47 in: W. Hagen (Hg.) Warum haben Sie keinen Fernseher, Herr Luhmann? Letzte Gespräche mit Niklas Luhmann. Berlin: Kadmos. Luhmann, N., 2016: Unterwachung oder Die Kunst, Vorgesetzte zu lenken. S. 90-106 in: N. Luhmann, Der neue Chef, hg. von J. Kaube. Berlin: Suhrkamp. Rammstedt, O., 1995: Helmut Schelsky und die Fakultät für Soziologie. S. 3851 in: F.-X. Kaufmann/R. Korff (Hg.), Soziologie in Bielefeld: Ein Rückblick nach 25 Jahren. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte.

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Die Fakultät für Soziologie und ihre Zeitschrift für Soziologie1 Rainer Schützeichel Zwei Jahre nach der Gründung der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld fand im Jahre 1971 im Rahmen dieser Fakultät die Gründung einer weiteren Institution statt, nämlich der Zeitschrift für Soziologie. Die Fakultät ist bis heute der Träger und ideelle Herausgeber der Zeitschrift für Soziologie, delegiert die Herausgeberschaft aber an ein periodisch zu wählendes Fachgremium von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern meist auswärtiger Universitäten und Forschungseinrichtungen. Die Zeitschrift gehörte von Beginn an zu den führenden soziologischen Fachzeitschriften. Ihre Karriere im letzten halben Jahrhundert ist erfolgreich, alleine schon dann, wenn man sich abgesehen von sogenannten »harten« Indikatoren2 auf solche »weichen« Kriterien wie ihre nationale und internationale Reputation, ihr Ansehen bei Fachkolleginnen und Fachkollegen, ihre Position im Feld der sozialwissenschaftlichen Zeitschriften und ihre Stellung in der Publikations- und Einreichungspraxis von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beruft. Die Mitte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stellt für das gegenwärtige Portfolio soziologischer und sozialwissenschaftlicher Zeitschriften eine besonders produktive Phase dar, wurden doch in diesen Jahren im deutschsprachigen Wissenschaftsraum Zeitschriften gegründet, die bis heute das Bild der Soziologie prägen. Zu ihnen gehören neben der Zeitschrift für Soziologie der Leviathan (1973), Analyse & Kritik (1979), Zeitschrift für Rechtssoziologie (1980), die Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie 1 | Ich danke Petra Borgsen für ihre wertvolle Unterstützung bei der Zusammenstellung der Daten und Archivmaterialien. 2 | In der Regel wird im Zeitalter der vermessenen Wissenschaft an dieser Stelle stets auf vermeintlich »harte« Indizien wie beispielsweise den Impact-Faktor verwiesen. Dieser ist für die Zeitschrift für Soziologie vergleichsweise hoch, aber er wird hier trotzdem nicht zitiert, weil er für das operative Geschäft der Zeitschrift selbst keine Rolle spielt und ihre Erstellung wie ihre Wirkung, die Fleck (2013) zu der Vokabel des Impact-Faktor-Fetischismus führen, eher zu einer großen Distanz raten.

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(1981) (später Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation) oder die Soziologische Revue (1978), aber auch die Österreichische Zeitschrift für Soziologie (1976) und die Schweizerische Zeitschrift für Soziologie (1975). Nur die Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (1921, als Kölner Vierteljahreshefte für Soziologie) sowie die Soziale Welt (1949) und die Sociologia Internationalis (1963) können auf eine längere Publikationsgeschichte verweisen, während andere Zeitschriften wie das Berliner Journal für Soziologie (1991), Sozialer Sinn (2000), Soziale Systeme (1994) oder die Zeitschrift für Theoretische Soziologie (2012) in jüngeren Jahren gegründet wurden. Wissenschaftliche Fachzeitschriften stellen einen zentralen institutionellen Pfeiler in allen wissenschaftlichen Feldern dar. Ihre Relevanz und ihr Einfluss sind kaum zu überschätzen, ihre Publikationspraxis hat einen erheblichen Einfluss auf die Karrieren von Personen, Themen und Forschungsfeldern, die Verteilung von symbolischen und monetären Ressourcen und die allgemeine »politics of knowledge« (Yoels 1974). Ihr Einfluss geht weit über traditionelle Beschreibungen als »gatekeeper« (Crane 1967) hinaus, da mit dem Ausbau und der Fundierung des wissenschaftsinternen Evaluationssystems auf formalisierte, messbare Rankings, Ratings und Citation Indices die Publikation in Journals als wesentliche Indikatoren (vgl. Glänzel et al. 2019) gelten und in vielen Fragen der »science politics« und der »scientometrics« die zentrale Daten- und Bewertungsbasis darstellen. Andererseits ist es gerade deshalb erstaunlich, dass eine umfassende soziologische Analyse der Funktion von wissenschaftlichen Zeitschriften im Wissenschaftssystem noch aussteht (vgl. aber Lindsey 1978; Stichweh 1988). Es gibt zwar zahlreiche Analysen zum Peer-Review-Verfahren (insbes. Hirschauer 2004 u. Neidhardt 2016) oder zur Signifikanz oder Optimierung von Zitationsstudien, es gibt einige wenige Studien zu den »biases« im Entscheidungsverhalten von Herausgebern und den »black boxes« des wissenschaftlichen Herausgeberwesens (vgl. die Beiträge in

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Baruch et al. 2008)3 oder zum »publication bias«4 (vgl. Sahner 1979; Auspurg/ Hinz 2011; Auspurg/Hinz/Schneck 2014), also von Verzerrungen, die darauf zurückzuführen sind, dass gerade das rationale Verhalten der einzelnen Gruppen zu einer Beeinträchtigung wissenschaftlicher Erkenntnis, Standards und Normen führt. Autorinnen und Autoren konkurrieren angesichts eines »publish or perish« um knappe Publikationsressourcen in den führenden Journals, und sie kämpfen um Positionen im wissenschaftlichen Feld, die mit dem Reputationsgewinn durch eine Veröffentlichung in einem der »major journals« 3 | Die Zeitschrift für Soziologie hat sich selbst zum Gegenstand einer Analyse der »Selektivität von Herausgeberentscheidungen« gemacht. Heinz Sahner (1982) veröffentlichte in der Zeitschrift seine vieldiskutierten Untersuchungen über die im Zeitraum von 1972 bis 1980 eingereichten Manuskripte und kam zu dem Ergebnis, dass den Herausgeberentscheidungen erhebliche »partikularistische Tendenzen« nachzuweisen seien, die solche Aufsätze, die interpretative oder marxistische Positionen vertreten, eine geringere Publikationschance einräumen als solche, die Sahner als »naturwissenschaftliches Paradigma« bezeichnete. Zweitens diagnostizierte Sahner eine Selektivität gegenüber Personen oder Instituten. Die Herausgeber der Zeitschrift gingen in ihrem Editorial (vgl. Editorial 1982, Zeitschrift für Soziologie 11 (1): 1-6) auf diese Untersuchung ein, bestätigten die von Sahner erhobenen Fallzahlen, wiesen aber die von Sahner unterstellten »partikularistischen Tendenzen« zurück und führten die erhobenen Befunde eher auf die Einhaltung universalistischer wissenschaftlicher Normen zurück, nämlich in der Tat die gutachterlich festgehaltenen Qualitätsunterschiede zwischen den eingereichten Ansätzen. 4 | Unter einem »publication bias« wird der Umstand verstanden, dass in empirischen Studien vornehmlich erwartungskonforme und statistisch signifikante Ergebnisse festgehalten, bei wissenschaftlichen Periodika eingereicht und von diesen veröffentlicht werden. Alle anderen Ergebnisse werden nicht in Aufsätzen festgehalten oder nicht von den Periodika veröffentlicht. So stellte schon Heinz Sahner (1979) in seiner Analyse dreier deutschsprachiger soziologischer Zeitschriften aus den Jahren 1965 bis 1986 fest, dass man – statistisch – wohl von einer »Kumulation von Artefakten« sprechen müsse, da im Rahmen der quantitativen bzw. inferenzstatistisch argumentierenden Sozialforschung solche Arbeiten veröffentlicht würden, die entweder längst geklärten Forschungsfragen nachgingen oder aber erwartungskonforme Ergebnisse produzierten. Die Herausgeber der Zeitschrift für Soziologie gingen in ihrem Editorial 2012 (Zeitschrift für Soziologie 41 (1): 2-4) aufgrund einer Studie aus ihren eigenen Reihen (Auspurg/ Hinz 2011) auf diese Problematik ein, konnten die Ergebnisse von Sahner teilweise bestätigen und stellten fest, dass der »publication bias« insbesondere für die Zeitschrift für Soziologie ein zentrales Problem darstelle, da ein in der Tat vergleichsweise hohes Niveau von Artikeln mit signifikanten Ergebnissen festzustellen sei. Dies führte dazu, dass die Zeitschrift für Soziologie als erstes soziologisches Fachjournal es verpflichtend machte, durch die Hinterlegung von Daten Replikationsstudien zu ermöglichen. Dies gilt seit dem Jahr 2002, seit 2015 findet eine entsprechende Kooperation mit der GESIS statt (vgl. hierzu das Editorial 2015, Zeitschrift für Soziologie 44 (1): 2-5).

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verbunden sind, Herausgeberinnen und Herausgeber sorgen sich um das Prestige und den Einfluss ihrer Zeitschrift und um ihre eigene Reputation, und dies alles im alle prägenden Ringen um wissenschaftliche und öffentliche Aufmerksamkeit und dem harten Wettbewerb um Ressourcen, Drittmittel und Karriere- und Berufungschancen. Wissenschaftliche Fachzeitschriften dirigieren die Aufmerksamkeit der Fachöffentlichkeit sowohl in Bezug auf Personen wie auf Themen und Forschungsfelder. Sie sind, wie vor Jahren Gerhards (2002: 20) formulierte, ein »Medium der Hierarchisierung des Wissenschaftssystems […], indem sie wissenschaftliche Reputation zuweisen, die wiederum zum Teil konvertierbar ist in andere Kapitalien« wie Berufungen, finanzielle Ressourcen, Deputate und andere. Aber über Gerhards hinaus müsste man formulieren: Fachzeitschriften sind nicht nur ein neutrales »Medium«, sondern ein wichtiger »Spieler« im wissenschaftlichen Feld, denn sie haben eine aktive Rolle und eigene Interessen. Aber, wie betont, eine umfassende Analyse ihrer strukturellen Position steht noch aus. Auch in historischer Hinsicht ist gerade für die soziologischen oder sozialwissenschaftlichen Zeitschriften festzustellen, dass ihre Strukturgeschichte noch nicht geschrieben ist. Es gibt nur einige wenige Selbstbeschreibungen (vgl. die Darstellungen in Moebius/ Ploder 2017), aber keine Studien, die die Ko-Evolution von Zeitschriften und den strukturgebenden Selektionsgeschichten in Bezug auf Autoren, Programme, Theorien, Forschungsfelder und Normen und Standards im wissenschaftlichen Feld thematisieren. Die folgenden Ausführungen können solche Desiderata nun selbstverständlich nicht wettmachen, erst recht nicht im Rahmen eines Jubiläumsbandes. Sie sind tendenziell historisch gehalten und sollen wichtige Stationen der Geschichte der Zeitschrift für Soziologie beschreiben. Aber diese Stationen exemplifizieren darüber hinaus wichtige Entwicklungs- und Lernprozesse innerhalb der scientific community. Wenn man einen Blick in das Archiv oder die Editorials der Zeitschrift wirft, so wird man sich aus heutiger Sicht der Tatsache bewusst werden, dass bestimmte Standards und Verfahren innerhalb der scientific community erst eingeübt und immer wieder begründet werden mussten, beispielsweise die Einübung der Anonymität im Begutachtungswesen oder die Justierung von Erwartungen, beispielsweise solchen von Seiten der Zeitschrift für Soziologie in Bezug auf die Diskussionsfreude und die Publikationsmotivationen der Fachgemeinschaft, bis sich gleichsam in einem wechselseitigen Anpassungsprozess und der Austarierung von Gleichgewichten die heutigen institutionellen Regeln ergeben haben. Am Beispiel der Geschichte der Zeitschrift für Soziologie lassen sich also bestimmte Indizien für die strukturellen Transformationen und Ausformungen des Wissenschaftssystems in den letzten 50 Jahren gewinnen.

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1. A us den G ründungsjahren der Z eitschrif t für S oziologie Mit der Gründung der Fakultät für Soziologie der Reformuniversität Bielefeld (vgl. Mälzer 2016) kam schnell der Plan auf, diese Gründung mit der Herausgabe einer soziologischen Fachzeitschrift zu verbinden. Dabei stand aber zunächst, wie man den wenigen im Archiv der Zeitschrift für Soziologie aufbewahrten Protokollen und Vertragsentwürfen entnehmen kann, nicht die Herausgabe einer eigenen Zeitschrift auf dem Programm, sondern die Übernahme der Herausgeberschaft der Zeitschrift »Soziale Welt«. Wie man dem Protokoll eines Gesprächs von Vertretern der Fakultät mit Verantwortlichen des damaligen Verlags der Sozialen Welt, dem Verlag Otto Schwartz & Co, in Göttingen am 02. September 1969, an dem von Seiten der Bielefelder Fakultät federführend Franz-Xaver Kaufmann beteiligt war, entnehmen kann, beabsichtigte der Fachbereich, eine sozialwissenschaftliche Zeitschrift herauszugeben, und er denke »dabei in erster Linie an die Übernahme der Herausgeberschaft der Sozialen Welt«5. Dieses Projekt scheiterte aber wohl nicht zuletzt an einer uneindeutigen Rechtssituation, denn es konnte nicht geklärt werden, ob der damalige und bis in die jüngste Zeit hinein fungierende Trägerverband der Sozialen Welt, die »Arbeitsgemeinschaft sozialwissenschaftlicher Institute« (ASI)6, vertraglich befugt sei, den Herausgeber zu bestellen. Die Vertreter der Fakultät für Soziologie machten aber in diesem Gespräch deutlich, dass für sie nur der Verlag Otto Schwartz & Co und nicht die ASI als Vertragspartner in Frage komme. Die Verhandlungen zwischen Verlag, Fakultät und Arbeitsgemeinschaft waren wohl dennoch weit fortgeschritten. So findet sich in den Archivunterlagen ein Vertragsentwurf, der eine Herausgeberschaft der Sozialen Welt durch die Fakultät im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft vorsieht. In der rechtlichen Bewertung der unklaren Vertragsverhältnisse zwischen Verlag und ASI muss sich die Rechtsauffassung (der ASI) durchgesetzt haben, dass der Verlag nicht alleine über die Herausgeberschaft verfügen könne. Somit stand für die Fakultät eine Übernahme der Herausgeberschaft der Sozialen Welt nicht mehr zur Debatte. Es gab wohl ein Einvernehmen in der 5 | Handakte Zeitschrift für Soziologie: Notiz über die Besprechung mit dem Verlag Schwartz & Co, undatiert, in: Archiv der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. 6 | Die »Arbeitsgemeinschaft sozialwissenschaftlicher Institute« (ASI) wurde 1949 als ein Zusammenschluss sozialwissenschaftlicher Forschungseinrichtungen und Universitätsinstitute in Berlin mit dem Ziel gegründet, insbesondere die empirische Sozialforschung zu fördern und zu koordinieren (vgl. Sahner 1999). Ihr Publikationsorgan ist die Zeitschrift »Soziale Welt«, welche schon im Oktober 1949 erstmalig erschien. Die ASI gründete 1969 in Bonn das »Informationszentrum Sozialwissenschaften«, welches dann 2007 in die »GESIS – Leibniz Institut für Sozialwissenschaften« aufging. Die Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld ist zum Zeitpunkt der Verhandlungen noch nicht Mitglied der ASI.

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Fakultät für Soziologie darüber, dass man zu einer Zusammenarbeit mit der ASI durchaus bereit sei, dass man aber jeden unmittelbaren Einfluss der ASI auf die redaktionelle Gestaltung der Zeitschrift und die Berufung der Herausgeber ausschließen wolle. Daraufhin kam es zu einer Neuorientierung innerhalb der Fakultät. In der Folgezeit wurde ein »Konzept für eine neue Zeitschrift für Soziologie« erarbeitet, so der Titel einer namentlich nicht ausgewiesenen, zweiseitigen Diskussionsgrundlage, die in einer Erstfassung und in einer korrigierten Fassung vorliegt. Sie ist nicht näher datiert, aber sie ist wohl spätestens im Sommer 1970 erarbeitet worden, da die meisten Punkte unverändert in den am 10. August 1970 seitens des neuen Verlags, des Stuttgarter Verlags Ferdinand Enke, eingebrachten Vertragsentwurfs übernommen wurden. Dieses Konzeptpapier ist aber in einem zentralen Punkt uneindeutig. Dieser betrifft den Titel der Zeitschrift, denn es wurde wohl zunächst erwogen, die Zeitschrift »Analyse und Kritik« und dann »Deutsche Zeitschrift für Soziologie« zu nennen. Erst in der korrigierten Fassung des Konzeptpapiers findet sich dann, aber auch noch nicht durchgehend, der spätere Titel, nämlich »Zeitschrift für Soziologie«. Gründe für diese doch nicht unwesentliche Umbenennung sind aus den Archivunterlagen nicht ersichtlich, doch es lässt sich vermuten, dass der schlichte Titel »Zeitschrift für Soziologie« dem Anliegen der Fakultät auf eine repräsentative, sowohl die Grenzen von Schulen, Wissenschaftskulturen und Subdisziplinen überwindende Zeitschrift am deutlichsten entsprach. Dies ergibt sich aus der folgenden Erklärung, die den Charakter einer Präambel hat und deshalb in ihrer vollen Länge zitiert sein soll: »Wie der Titel ›Zeitschrift für Soziologie‹ andeutet, wird die Zeitschrift nach Inhalt, Aufmachung und angestrebter Verbreitung als repräsentatives Organ der deutschsprachigen Soziologie konzipiert. Die Zeitschrift will den Soziologen im deutschsprachigen Raum eine schnelle Kommunikation über die Ergebnisse ihrer Forschungen ermöglichen und die Verbindung der deutschsprachigen Soziologie mit der soziologischen Arbeit anderer Sprachgebiete fördern. Die Teilnahme an dieser Kommunikation soll jedem Forscher in gleicher Weise offenstehen. Deshalb wird die Zeitschrift weder eine bestimmte theoretische Tradition noch irgendwelche Gegenstandsbereiche der Soziologie bevorzugt berücksichtigen und pflegen. Einziges Selektionskriterium bei der Auswahl der Artikel sollen die allgemeinen Standards wissenschaftlicher Qualifikation – theoretische Relevanz, methodische Präzision und Bedeutsamkeit wissenschaftlicher Einsichten für gesellschaftliche Praxis – sein.« 7

Die frühen Planungen sahen ein Erscheinen für das Jahr 1971 vor, dieses musste dann aber um ein Jahr verschoben werden. Die Erstnummer erschien also 7 | Handakte der Zeitschrift für Soziologie: Konzept für eine neue Zeitschrift für Soziologie, undatierte, hektografierte Vorlage, in: Archiv der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld.

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im Januar 1972. Es wurde auch von vornherein die Option erwogen, die Zahl der Hefte nach einer ersten Anlaufzeit von vier auf sechs Hefte pro Jahrgang zu steigern. Zudem wurde explizit ein großer Wert auf die Veröffentlichung von interdisziplinär relevanten Beiträgen gelegt. Die Zeitschrift für Soziologie sollte also auch relevante Beiträge aus angrenzenden Disziplinen berücksichtigen. Und um die Debattenkultur in der Soziologie zu intensivieren, sollten nicht nur Repliken, sondern auch verstärkt Forschungsnotizen, Kommentare und sogar Korreferate veröffentlicht werden. Weitere Eckpunkte der damaligen Planungen betrafen das Herausgebergremium und den Beirat. Ein Kollegium von fünf Herausgeberinnen oder Herausgebern, so die Konzeption, werde von der Fakultät für Soziologie berufen. Dieses arbeite sowohl gegenüber der Fakultät wie gegenüber dem Verlag weisungsunabhängig. Es solle sich aus Mitgliedern der Fakultät, aber auch aus auswärtigen Kolleginnen und Kollegen zusammensetzen. Deren Amtszeit betrage vier Jahre, eine Wiederwahl sei möglich. Eine Ausnahme bilde der Herausgeber, der die redaktionellen Geschäfte führe. Er werde auf unbestimmte Zeit berufen. Dem Herausgebergremium werde ein wissenschaftlicher Beirat an die Seite gestellt, welchem die Aufgabe übertragen werde, die Einreichung von geeigneten Beiträgen zu stimulieren und an deren Begutachtung mitzuwirken. Diese Bestimmungen wurden, versehen mit genauen Verfahrensregularien bezüglich der Wahl der Herausgeber durch die Fakultät, auf der Fakultätskonferenz vom 25.11.1970 verabschiedet.8 Die konstituierende Herausgebersitzung der Zeitschrift für Soziologie fand fünf Tage vor der Beschlussfassung in der Fakultätskonferenz, also am 20. November 1970 statt. Teilnehmer waren die Herausgeber der ersten Stunde: Horst Baier (Konstanz), Christian von Ferber (Bielefeld), Rolf Klima (Bielefeld), Ulrich Oevermann (Berlin) und Wolfgang Schoene (Bielefeld). Weitere Teilnehmer waren Franz-Xaver Kaufmann, Otthein Rammstedt und ein Vertreter des Enke-Verlags. Aus den Protokollen der ersten Herausgebersitzungen geht hervor, dass neben dem Tagesgeschäft auch immer eine Frage intensiv diskutiert wurde, die bis heute alle Herausgeber umtreibt: Wie kommt man an gute Manuskripte? Während einer Herausgebersitzung am 29. Januar 1971 wurde darüber debattiert, ob man gezielt gewisse Kolleginnen oder Kollegen ansprechen oder ob es total offene Verfahren geben sollte, um nicht von vornherein in gewisse Rezeptionsraster zu geraten. Um die bei den beiden etablierten Zeitschriften, der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie sowie der Sozialen Welt beobachteten Selbstselektionsprozesse zu vermeiden, sollte möglichst breit zur Einreichung aufgefordert und, wenn möglich, die Arbeit schon »im Werden« begleitet werden. Viele der in diesen Gründungsmonaten beschlossenen Eckpunkte sind nach wie vor in Kraft. Einige wurden aber auch modifiziert. Während zunächst 8 | Handakte der Zeitschrift für Soziologie: Protokoll der Fakultätskonferenz vom 25.11.1970, in: Archiv der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld.

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im Herausgeberkreis, wie vorgesehen, »Bielefelder« stark vertreten waren, so sind ab den 1990er Jahren externe Herausgeber in der Überzahl. Auch die Hoffnung, die Gutachter aus dem Kreis des Beirats zu bestreiten, erfüllte sich in der Folgezeit kaum. Aus personellen wie aus arbeitsökonomischen Gründen wurde auch schon früh das Modell erwogen, den geschäftsführenden Herausgeber, der in dieser Funktion auch die Bielefelder Redaktion leitet, durch die Einrichtung der Stelle einer Redaktionsassistentin oder eines Redaktionsassistenten zu entlasten, eine Planung, welche aber schnell zur Einsetzung eines festen, die Geschäfte führenden Redakteurs führte. Je nach personellen Opportunitäten changiert somit die Zeitschrift für Soziologie zwischen einem Redakteursmodell, bei welchem ein nicht dem Herausgeberkreis angehörender Redakteur die Geschäfte führt, und dem Herausgebermodell, bei welchem ein geschäftsführender Herausgeber in Personalunion auch die Redaktion leitet.

2. H er ausgeber und R edak teure In der folgenden Tabelle sind chronologisch die bisherigen Herausgeber festgehalten. Die feste Herausgeberrotation ist eines der Markenzeichen der Zeitschrift für Soziologie. Im Gegensatz zu den meisten anderen sozialwissenschaftlichen Zeitschriften, die in der Regel mit einem kleineren Team von langfristig bestellten Herausgebern arbeiten, wechseln die Herausgeber der Zeitschrift für Soziologie meist nach vier Jahren. Dies hat natürlich zur Folge, dass es in dem Sinne kein »Gesicht« der Zeitschrift der Soziologie gibt. Die Personen treten hinter die publizistische Arbeit zurück. Neben dem schon erwähnten Umstand, dass im Vergleich zu den ersten Jahrgängen etwa ab den 1990er Jahren die externen Herausgeber stets die Mehrheit im Gremium darstellen, was durchaus auch als Zeichen einer zunehmenden Entkopplung der Zeitschrift von der Fakultät interpretiert werden kann, ist auch ersichtlich, dass von Beginn an das Herausgebergremium immer bemüht war, in ihren Reihen die drei Einheiten der quantitativen und qualitativen empirischen Sozialforschung sowie der Allgemeinen Soziologie bzw. der Soziologischen Theorie angemessen und ausgewogen zu repräsentieren.

Die Fakultät für Soziologie und ihre Zeitschrif t für Soziologie

Tabelle 1: Herausgeber der Zeitschrift für Soziologie. Die angegebenen Jahreszahlen geben nicht exakt den Ein- oder Austritt in das Herausgebergremium wider, sondern stehen für Beginn oder Ende der Herausgeberverantwortung. Christian von Ferber

1971 sowie 1982 – 1985

Horst Baier

1971 – 1974

Ulrich Oevermann

1971 – 1975

Wolfgang Schoene

1971 – 1977

Rolf Klima

1971 – 1984

Franz-Xaver Kaufmann

1972 – 1976

Wolfgang Schluchter

1975 – 1978

Franz Urban Pappi

1976 – 1979

Niklas Luhmann

1977 – 1980

Joachim Matthes

1978 – 1979

Wolfgang Lipp

1979 – 1981

Peter Flora

1979 – 1982

Walter M. Sprondel

1980 – 1983

Theodor Harder

1981 – 1984

Karl-Ulrich Mayer

1983 – 1986

Thomas Luckmann

1984 – 1987

Hans-Dieter Evers

1985 – 1988

Werner Rammert

1985 – 1991

Bernhard Badura

1986 – 1989

Wolfgang Zapf

1987 – 1990

Hans-Georg Soeffner

1988 – 1991

Karin Knorr-Cetina

1989 – 1992

Gertrud Nunner-Winkler

1990 – 1993

Walter Müller

1991 – 1994

Hans Joas

1992 – 1996

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Rainer Schüt zeichel

Gert Schmidt

1992 – 1995

Stefan Hirschauer

1993 – 1999

Christel Hopf

1994 – 1997

Johann Handl

1995 – 1998

Wolfgang Streeck

1996 – 1998

Johannes Berger

1997 – 1999

Jörg Bergmann

1998 – 2001

Ilona Ostner

1999 – 2002

Andreas Diekmann

1999 – 2002

Richard Münch

2000 – 2005

Hartmann Tyrell

2000 – 2008

Bettina Heintz

2002 – 2005

Martin Kohli

2003 – 2006

Peter Preisendörfer

2003 – 2006

Uwe Schimank

2006 – 2009

Monika Wohlrab-Sahr

2006 – 2009

Jürgen Gerhards

2007 – 2010

Wolfgang Ludwig-Mayerhofer

2007 – 2010

Alfons Bora

2009 – 2012

Wolfgang Ludwig Schneider

2010 – 2013

Ruth Ayaß

2010 – 2013

Thomas Hinz

2011 – 2014

Jörg Rössel

2011 – 2014

Hendrik Vollmer

2013 – 2015

Kai-Olaf Maiwald

2014 – 2017

Theresa Wobbe

2014 – 2017

Claudia Diehl

2015 – 2018

Gunnar Otte

2015 – 2018

Rainer Schützeichel

seit 2015

Die Fakultät für Soziologie und ihre Zeitschrif t für Soziologie

Annette Schnabel

seit 2018

Herbert Kalthoff

seit 2018

Katrin Auspurg

seit 2019

Karin Kurz

seit 2019

Teils in Union mit ihrer Tätigkeit als geschäftsführende Herausgeber, teils auch als verantwortliche Redakteure ohne Herausgebertätigkeit wurden von folgenden Personen die Redaktionsgeschäfte geführt.9 Tabelle 2: Verantwortliche Redakteure der Zeitschrift für Soziologie. Wolfgang Schoene

1971 – 1975

Wolfgang Lipp

1972 – 1978

Rolf Klima

1979 – 1984

Werner Rammert

1984 – 1991

Stefan Hirschauer

1991 – 1999

Hartmann Tyrell

1999 – 2008

Hendrik Vollmer

2009 – 2015

Rainer Schützeichel

seit 2015

Eine Frage, die nicht nur in der soziologischen Fachgemeinschaft (vgl. Lüschen 1979), sondern auch im Kreise der Herausgeber intensiv diskutiert wurde und wird und auch in verschiedenen Editorials, beispielsweise dem Editorial zum zehnten Jahrgang,10 angesprochen wurde, ist: Wer kontrolliert eigentlich die Herausgeber? Diese Frage war umso dringlicher, als in der Frühzeit der Zeitschrift wie auch bei anderen Journals im deutschsprachigen Raum ein standardisiertes Peer-Review-Verfahren (s.u.) noch nicht eingeführt war. In der Zeitschrift für Soziologie setzte man damals wie heute auf kollegiale Selbstkontrolle. Dies war, so ist zu vermuten, auch einer der Gründe, weshalb man sich auf eine für die damaligen Verhältnisse ungewöhnliche Zahl von fünf Herausgebern einigte, nicht nur, um im Herausgeberkreis die große Bandbreite des Fachs abdecken zu können, sondern auch, um ein Mindestmaß an wechselseitiger Kontrolle zu ermöglichen. Mit der standardisierten Einführung von 9 | Rolf Klima wird von vielen Zeitzeugen als der Motor hinter der Entwicklung der Zeitschrift für Soziologie in ihren ersten Jahren bezeichnet. Sein früher Tod im Jahre 1984 riss eine erhebliche Lücke. Vgl. auch den Nachruf von Theodor Harder 1984. 10 | Editorial 1981, Zeitschrift für Soziologie 10 (1): 1-6.

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Peer-Review-Verfahren aber ist das Problem der (Selbst-)Kontrolle der Herausgeber nicht obsolet geworden, sondern es ist, im Gegenteil, noch gewachsen. Wer also kontrolliert die Herausgeber?11 Während ihres nun auch bald 50-jährigen Bestehens hat die Fakultät für Soziologie mit drei verschiedenen Verlagen zusammengearbeitet: Tabelle 3: Die Verlage der Zeitschrift für Soziologie. Verlag Ferdinand Enke

1970 (1971) – 30.06.1999

Verlag Lucius & Lucius

01.07.1999 – 31.12.2015

Verlag DeGruyter

seit 01.01.2016

Von 1985 an erscheint die Zeitschrift für Soziologie wohl als einzige der national wie international führenden Zeitschriften nicht halb- oder vierteljährlich, sondern zweimonatlich. Damit wurde die schon in der Gründungsphase beabsichtigte Erhöhung der Heftzahl von vier auf sechs Hefte umgesetzt.

3. M anuskrip te In der folgenden Tabelle findet sich nun eine Übersicht über die Zahl der eingereichten und der nach der Begutachtung angenommenen Manuskripte. Die Quote der abgelehnten Manuskripte ist beträchtlich. Dies hat der Zeitschrift für Soziologie den Ruf eingebracht, ein hochschwelliges Begutachtungssystem zu unterhalten. Schon Stefan Hirschauer und Martin Winterhager (1995) wiesen in ihrem Beitrag zum 25-jährigen Jubiläum der Fakultät für Soziologie darauf hin, dass dieser Eindruck relativiert oder gar korrigiert werden muss, denn erstens ist die Ablehnungsquote anderer international führender Zeitschriften wesentlich höher, und zweitens weisen viele Zeitschriften ihre Zahlen erst gar 11 | Ohne auf diesen Punkt näher eingehen zu können, sei an dieser Stelle nur ein Eindruck angeführt, der in vielen Gesprächen mit Ko-Herausgebern oft bestätigt wird: Herausgeberische Entscheidungen über die Annahme oder Ablehnung von Manuskripten werden immer im Horizont der normativen und qualitativen Standards der soziologischen Fachgemeinschaft getroffen, denn schließlich steht man immer unter ihrer Beobachtung. Fehlentscheidungen wirken sich negativ auf die Reputation des Herausgeberkreises und der Zeitschrift aus. Viele informelle Gespräche im Kollegenkreis können dies ebenso belegen wie die oftmals schwierigen und kontroversen Diskussionen im Herausgeberkreis, in denen die mögliche Resonanz der abwesenden Referenzgruppen immer präsent gemacht wird, vor allem, weil man als Herausgeber weiß, wie offen viele der Herausgeberentscheidungen in den Fachzirkeln thematisiert werden.

Die Fakultät für Soziologie und ihre Zeitschrif t für Soziologie

nicht aus. Es muss aber auch ein weiterer, nur sehr selten berücksichtigter und kommunizierter Aspekt bedacht werden, der auch zum »publication bias« gehört: Die Herausgeber wissenschaftlicher Zeitschriften sind nicht autonom in dem Sinne, dass sie sich nur wissenschaftlichen Kriterien und Normen beugen können. Ihre Zeitschriften stellen ein ökonomisches Gut dar, welches Kosten verursacht und gewisse Gewinnmargen erzielen soll. Von daher sind sie an vertragliche Absprachen mit den Verlagen gebunden. Dies betrifft die Attraktivität der Zeitschrift, vor allem aber ihr zuverlässiges Erscheinen. Die Hefte müssen eben zu einem bestimmten Zeitpunkt beim Verlag abgeliefert werden, was voraussetzt, dass eben die notwendige Zahl an Beiträgen eingereicht, begutachtet, lektoriert und überarbeitet wird. Das Erscheinen eines Heftes ist somit mit der Synchronisierung verschiedenster temporaler Abläufe und dem Generieren unterschiedlicher Netzwerkeffekte verbunden, mitunter eben auch solcher, in denen genuin wissenschaftliche Standards und Normen, wenn überhaupt, nur eine nachgeordnete Rolle spielen. Wissenschaftliche Zeitschriften sind in dem Sinne »Grenzobjekte«, an denen nicht wenige heterogene Ordnungen zusammenwirken oder eben auch manchmal kollidieren. Aber nicht nur von diesen externen Seiten aus lastet auf den Herausgebern und Redakteuren ein erheblicher Druck, sondern auch von Seiten des internen Ratings und Rankings der verschiedenen Messprogramme, in deren Bewertungen das verspätete Erscheinen von Zeitschriftenheften negativ einfließt. All diese Aspekte fließen in die nachstehenden Zahlen ein. Tabelle 4: Eingereichte und angenommene Manuskripte pro Zeitschriftenjahrgang. Die angegebenen Zahlen entsprechen nicht immer den in den Geschäftsberichten der Redaktion angegebenen, da anders als dort in der vorliegenden Tabelle die Wiedereinreichungen nicht gesondert ausgewiesen werden. Ebenso wird hier die Zahl der »desk rejections« nicht berücksichtigt. Zudem ist zu vermerken, dass in den ersten Jahrgängen nicht nur Standardartikel, sondern auch Diskussionsbeiträge und Forschungsnotizen veröffentlicht wurden. Jahrgang

Eingereichte Manuskripte

Angenommene Manuskripte

1972

48

21

1973

77

33

1974

87

37

1975

75

19

1976

101

29

1977

82

20

1978

78

24

213

214

Rainer Schüt zeichel

Jahrgang

Eingereichte Manuskripte

Angenommene Manuskripte

1979

78

30

1980

93

19

1981

74

20

1982

60

14

1983

68

22

1984

93

29

1985

91

23

1986

75

33

1987

80

30

1988

85

44

1989

69

28

1990

66

30

1991

82

32

1992

84

31

1993

96

30

1994

95

30

1995

79

26

1996

81

30

1997

79

28

1998

75

23

1999

69

31

2000

65

21

2001

59

26

2002

98

29

2003

88

37

2004

84

31

2005

78

29

2006

88

28

Die Fakultät für Soziologie und ihre Zeitschrif t für Soziologie

Jahrgang

Eingereichte Manuskripte

Angenommene Manuskripte

2007

86

22

2008

80

24

2009

91

27

2010

83

25

2011

84

24

2012

83

24

2013

78

24

2014

92

24

2015

84

23

2016

73

22

2017

64

23

2018

54

24

Absolut

3.732

1.253

Die Zeitschrift für Soziologie stellte ihr Begutachtungssystem erst nach und nach auf ein standardisiertes Peer-Review-Verfahren um. Noch im Editorial zum dritten Jahrgang 1974 stellten die Herausgeber fest, dass die Manuskripte weitestgehend im Herausgeberkreis selbst begutachtet und externe Gutachter oder auch solche aus dem Kreis der Beiratsmitglieder nur auf Verlangen von mindestens einem der Herausgeber hinzugezogen würden, aber auch dieser Fall trete seltener auf als ursprünglich vermutet.12 Ab 1975 wurde jedoch de facto immer ein externer Gutachter aus dem Beirat hinzugezogen. Wie ungewohnt aus heutiger Sicht selbst dieser Schritt war und in welchen Begründungsverpflichtungen sich die Herausgeber gegenüber der soziologischen Fachgemeinschaft sahen, kann einer Notiz aus dem Editorial für den zehnten Jahrgang entnommen werden. »Zusätzlich wird seit 1975 praktisch jedes Manuskript einem externen Gutachter (der meist dem ZfS-Beirat angehört) zur fachlichen Prüfung vorgelegt. Diese Beurteilung erfolgt anonym, d.h.: in dem dem Gutachter vorgelegten Manuskript sind der Name des Autors und – so gut es geht – alle sonstigen Hinweise auf dessen Identität getilgt; ebenso wird den Autoren, an die wir die Stellungnahmen der Gutachter in der Regel weiterleiten, nicht mitgeteilt, wer die Verfasser dieser Stellungnahmen sind. Zweck dieser Re12 | Editorial 1974: Zur Eröffnung des dritten Jahrgangs, Zeitschrift für Soziologie 3 (1): 1-4.

215

216

Rainer Schüt zeichel gelung ist natürlich, dem Gutachter die Abgabe eines möglichst unbefangenen Urteils zu erleichtern und zu verhindern, daß es zwischen dem betroffenen Autor und dem von uns ausgewählten Gutachter zu u.U. unerfreulichen Auseinandersetzungen über die Angemessenheit des Gutachterurteils kommt. Die Verantwortung für die abschließende Entscheidung über die Manuskripte verbleibt in jedem Fall bei den Herausgebern.«13

Heute würde man eine solche Rechtfertigung eines anonymisierten Begutachtungswesens in einem Editorial einer wissenschaftlichen Zeitschrift nicht mehr vermuten, aber selbst in den 1970er Jahren waren im deutschen Sprachraum anonyme Gutachterverfahren kaum etabliert und die Zeitschriften meist Herausgeberzeitschriften im genuinen Wortsinne. Ab dem 21. Jahrgang 1992 wurden die Manuskripte auch für die fünf Herausgeber anonymisiert. Das heutige Peer-Review-Verfahren mit mindestens zwei externen »double blind«-Gutachten wurde allerdings erst mit dem 26. Jahrgang 1997 eingeführt. In dem Editorial aus dem Jahre 1998 wird vermerkt, dass jetzt auch »hierzulande die Zeit reif ist für eine Peer-Review-Zeitschrift angelsächsischen Typs.«14 Über die Schwierigkeiten und Irritationen berichten die Herausgeber ein Jahr später: »Natürlich sind wir damit noch nicht wunschlos glücklich. Die Rollen des Verfahrens erweisen sich mitunter als gewöhnungsbedürftig: was die Verbindlichkeit der Zusage von Gutachten betrifft oder auch die Übung in jenem Genre ›Gutachten‹ − geschützt durch doppelte Anonymität fachliche Kritik zu entfalten oder zu einem Urteil zu bündeln. Auf der anderen Seite tun sich aber auch manche Autoren schwer, eine Kritik der Sache hinzunehmen (und entweder zu lernen oder zu widersprechen), ohne einen subjektiv erlebten ›Ehrverlust‹ identifizierbaren Personen zurechnen zu wollen.«15

Das seit 1997 eingeführte Begutachtungssystem beruht auf mindestens zwei externen Gutachten und vier respektive fünf Herausgebervoten, die alle »double blind« sind. Dabei wird ein vierskaliges Bewertungssystem vorausgesetzt, welches in einer metrisierten Form wie folgt aussieht: • • • •

Annahme (4) kleine Revision (3) große Revision (2) Ablehnung (1)

Die Zeitschrift für Soziologie zeichnet sich im Gegensatz zu der Mehrzahl anderer Zeitschriften dadurch aus, dass sie den gesamten Begutachtungsprozess den Autorinnen und Autoren, aber auch den Gutachterinnen und Gutachtern 13 | Editorial 1981, Zeitschrift für Soziologie, 10 (1): 1-6, hier 4. 14 | Editorial 1998, Zeitschrift für Soziologie, 27 (1): 1-2, hier 1. 15 | Editorial 1998, Zeitschrift für Soziologie, 27 (1): 1-2, hier 1.

Die Fakultät für Soziologie und ihre Zeitschrif t für Soziologie

so transparent wie möglich zur Kenntnis bringt. Um den internen Begutachtungsprozess transparent darzulegen, sei an dieser Stelle eine auch die Herausgeber überraschende Analyse der Begutachtungen der Ersteinreichungen aus dem Jahr 2016 dargelegt, die von Gunnar Otte (2018) erstellt wurde: Tabelle 5: Analyse der Urteile der Gutachter und der Herausgebervoten für die Ersteinreichungen im Jahr 2016, bezogen auf die Maßzahlen des oben dargestellten metrisierten Bewertungssystems, erstellt von Gunnar Otte (nach Otte 2018). Urteil der externen Gutachter

Ø 2,29

Herausgebervoten

Ø 1,63

Korrelation externe Gutachter

r = 0.17

Mittlere Korrelation Herausgeber

r = 0.50

Korrelation Ø Gutachter und Ø Hg.

r = 0.60

Korrelation Ø Gutachter und Ø Herausgebervotum

r = 0.41

Es dürfte ersichtlich sein, wie gering mitunter die Übereinstimmung zwischen den externen Gutachten und von daher auch zwischen den Gutachtern und dem abschließenden Herausgeberurteil ist. Ein letzter Punkt: Eine Thematik, die für alle Herausgeber eine große Herausforderung darstellt, ist das Ungleichgewicht unter den veröffentlichten Beiträgen zwischen den verschiedenen Genres und methodischen respektive theoretischen Paradigmen. Es werden mehr Artikel aus dem Kontext der quantitativen Sozialforschung eingereicht und veröffentlicht als aus dem Bereich der qualitativen Sozialforschung, der historisch-komparativen Soziologie (um ein oftmals unberücksichtigtes, drittes Forschungsparadigma zu erwähnen) oder der theoretischen Soziologie. In vielen Editorials befassten sich die Herausgeber mit dieser Problematik. Alle Herausgeber mussten sich auch mit dem mitunter in der Fachgemeinschaft vertretenen Stereotyp auseinandersetzen, die Zeitschrift für Soziologie würde quantitative Aufsätze bevorzugen, und qualitativ arbeitende Forscher beklagen oft, dass sie sich bei der Zeitschrift für Soziologie nahezu jährlich eine Absage einhandeln würden. Eine jüngere Untersuchung, die aus dem Kreis der letzten Herausgeber von Gunnar Otte (2018, 2019) erstellt wurde, bestätigt dieses Ungleichgewicht für das Jahr 2016.

217

218

Rainer Schüt zeichel

Tabelle 6: Ersteinreichungen im Jahr 2016, nach Otte 2018. Gattungen

N

 %

Theoretische Beiträge

21

28,8

Qualitative Empirie

16

21,9

Quantitative Empirie

35

47,9

Mixed Methods

1

1,4

Gesamt

73

100,0

Dieses Ungleichgewicht setzt sich in gewisser Weise auch in den publizierten Beiträgen fort, jedoch mit einem Bruch dergestalt, dass die Annahmequote der theoretischen Beiträge höher ist als die quantitativen und insbesondere der qualitativen Arbeiten. Tabelle 7: Die angenommenen bzw. publizierten Aufsätze im Jahre 2016 nach Gattungen, nach Otte 2018. Gattungen

Anzahl

Annahmequote

Kleine Revision

Große Revision

Theoretische Beiträge

8

40,0 %

7

1

Qualitative Empirie

3

18,8 %

1

2

Quantitative Empirie

11

32,4 %

4

7

Gesamt

22

31,0 %

12

10

In solchen Ungleichgewichten spiegeln sich verschiedene Faktoren wider. Zum einen gilt, wie in den 1990er Jahren am Beispiel der führenden amerikanischen Journals festgestellt wurde (vgl. Clemens et.al 1995), für die ähnliche Ungleichgewichte zu konstatieren sind, dass sich die Forscher der verschiedenen Paradigmen unterschiedlicher Publikationsstrategien bedienen. Theoretische wie qualitativ-empirische Analysen werden häufiger in Monografien verarbeitet oder in Sammelwerken publiziert als solche aus dem quantitativen Bereich. Zudem kann vermutet werden, dass Selbstselektionen eine erhebliche Rolle spielen. Forscher, die häufiger in Journals publizieren und damit also nicht nur die Frustrationen, sondern auch die »benefits« von Peer-Review-Verfahren erduldet und erfahren haben, dürften ihre Mitarbeiter und Nachwuchsforscher stärker dazu anhalten, sich eben solcher Medien zu bedienen. Dass die Veröffentlichung in Fachzeitschriften innerhalb der deutschen Soziologie eine »nur sehr schwach institutionalisierte soziale Norm« sei, wie Gerhards

Die Fakultät für Soziologie und ihre Zeitschrif t für Soziologie

(2002: 30) noch im Jahre 2002 sicherlich mit guten Gründen betonen konnte, ein Umstand, der seines Erachtens für die »getrennten Reputationswelten« von Fachzeitschriften und Deutscher Gesellschaft für Soziologie verantwortlich sei, muss aber fast zwei Jahrzehnte später sicherlich bestritten werden, nicht nur für die quantitative, sondern auch für die qualitative Sozialforschung und die Arbeiten, die unter die Residualkategorie »Theorie« subsumiert werden können. Aber nicht nur die Selbstselektion auf Seiten der Forscher kann von Relevanz sein, sondern auch die Selbstselektion auf Seiten der Zeitschriften – für qualitativ arbeitende Forscher gibt es etablierte Spezialzeitschriften, auch »open access« Online-Zeitschriften. Und schließlich wird man auch das Begutachtungsverfahren anführen müssen, in welchem Forscher solcher Bereiche, die eine hohe methodische und theoretische Fragmentierung aufweisen und in denen man sich nicht auf allgemein anerkannte Gütekriterien oder Mindeststandards verlassen kann, mit ihren Beiträgen bei den Gutachtern wesentlich höhere Pendelausschläge nach unten wie nach oben auslösen dürften als solche, in denen ein gesetzter »mainstream« die Standards vorgibt.

4. D ie Z eitschrif t für S oziologie und die F akultät für S oziologie Es gehört nicht zu den geringsten Erfolgen der Fakultät für Soziologie, für ihre Zeitschrift solche Strukturen zu schaffen, dass diese sich eine große Unabhängigkeit sowohl in personaler Hinsicht wie in den Verfahrens- und Entscheidungsabläufen erarbeiten konnte. Das Verhältnis von Zeitschrift und Fakultät ist, wie es Hirschauer und Winterhager (1995: 113) zum 25-jährigen Jubiläum der Fakultät formulieren konnten, durch eine Geschichte der »Abkopplung« und der »Entbindung« gekennzeichnet. Die »Verbetrieblichung« der Verfahrensabläufe und das Rotationssystem der Herausgeber führen zwar dazu, dass die Zeitschrift für Soziologie, verglichen mit anderen Zeitschriften, über nur wenig personales Charisma verfügt (vgl. ebenfalls Hirschauer/Winterhager 1995), aber damit über ein höheres »Amtscharisma«. Einem solchen »Amtscharisma« aber korrespondiert auf der anderen Seite gegenüber den Autorinnen und Autoren eine hohe materiale Rationalität, denn wie von diesen vielfach bestätigt, werden sie intensiv in der Bearbeitung von Manuskripten unterstützt. Auch heute gilt, was schon, wie oben beschrieben, die erste Herausgebergeneration sich als Ziel setzte: Die Beiträge sollen möglichst schon »im Werden« begleitet werden.16 Gerade deswegen aber ist die Zeitschrift für Soziologie ihrer Fakultät zu großem Dank verpflichtet, nicht zuletzt auch des16 | Um einen intensiven, persönlichen Kontakt mit den Gutachtern und den Autorinnen und Autoren pflegen zu können, verzichtet die Zeitschrift für Soziologie nach wie vor als eine der letzten Zeitschriften darauf, mit sogenannten Einreichungsplattformen zu arbeiten.

219

220

Rainer Schüt zeichel

halb, weil sie sich mit einem hohen Aufwand und erheblichen Ressourcen eine solche von ihr entkoppelte Zeitschrift leistet.

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Die Fakultät für Soziologie und ihre Zeitschrif t für Soziologie

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Mehr als Lernfabrik? – Studentische Lebenswelten

Die Musik der Gesellschaft Yvonne Berthiot

Ein elementarer Bestandteil des Studentenlebens sind für viele Studentinnen und Studenten die legendären Studentenpartys – auch für Studierende der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld, so wie mich. Ob im Audimin, Wohnheim, auf dem Campus oder im Club – es wurde immer gerne und oft gefeiert. Eine der legendärsten Partys war für mich die SOWI/POWI Party im Juli 2008. Was viele sicher nicht wissen: Es war auch das letzte Konzert der Musik der Gesellschaft. Mäßig warm und viel Regen: Das war der Sommer im Jahr 2008. Es war der 3. Juli und ich befand mich gerade im zweiten Semester meines Politikwissenschaftsstudiums und war bereit für die Party am Abend. Bereit? Das bedeutet ein stylisches Outfit auf der Haut, Make-up im Gesicht und ein Sixpack Bier in der Hand. Damit ging ich zu befreundeten Kommilitoninnen und Kommilitonen, die nur ein paar Straßen weiter wohnten. Ein paar Bier später gingen wir gemeinsam zum Audimin – dem Ort, wo die Fachschaftsparty steigen sollte, und reihten uns in die Schlange für den Einlass ein. »Musik der Gesellschaft« las ich gedankenverloren auf einem Plakat an der Eingangstür – was ist denn das? Irgendwas mit Luhmann, so viel war klar. Also bezahlen, Stempel auf das Handgelenk drücken lassen und rein in das dunkle Audimin, das in dem Moment an eine Art schwarzes Loch erinnerte. Aber natürlich nicht ohne vorher noch an der Theke ein Bier zu bestellen. »Heute spielt Professor Albert mit seiner Band«, schreit mir ein Kumpel ins Ohr, denn die Geräuschkulisse im Audimin erinnert an ein Großraumbüro. Dann geht es auch schon los: Das Bühnenlicht geht an, sechs Männer kommen auf die Bühne und begrüßen das Publikum. Gelbe Projektionen in Sonnenform kreisen um die Band. Die ersten Akkorde von »Paint it black« (Original Rolling Stones) erklingen und das Publikum rastet aus: Schreien, Grölen, Pfeifen – das volle Programm. Wahrscheinlich wissen heute nicht mehr viele, was hinter der mysteriösen, nach Luhmann klingenden Band steckte. Die Musik der Gesellschaft war eine Band aus Professoren, Studierenden und Wissenschaftlichen Mitarbeitern der Fakultät für Soziologie. Genauer gesagt bestand sie aus Professor Mathias Al-

226

Yvonne Ber thiot

bert, Professor Stephan Stetter, Mario Graute, Christian Klatt, Stephan Pohl und Giovanni Fusarelli. Es ist kaum verwunderlich, dass die Band heute nicht mehr allzu vielen Menschen der Universität Bielefeld in Erinnerung ist, denn sie gab in ihrer Musikkarriere insgesamt nur zwei Konzerte. Den Anstoß für die Gründung gab Mario Graute, der schon lange in die Organisation der Fachschaftspartys involviert war und nach neuen Ideen dafür suchte. Die Idee, eine Band zu gründen, kam dann aber von Professor Stephan Stetter, der selbst Gitarre spielte und wusste, dass Professor Mathias Albert in einer Rolling-Stones-Coverband sang. Die Idee verbreitete sich und so kamen schnell sechs Menschen zusammen und gründeten die Musik der Gesellschaft. Warum Musik der Gesellschaft? Na, ist doch klar! Wer sich regelmäßig in der Uni herumtreibt, wird, ob er es will oder nicht, über die Fachbereichpartys informiert. Insbesondere wird diese Information über die zahlreichen Flyer weitergegeben, die die Mensatische schmücken, auf der Galerie rumfliegen, einem unweigerlich in die Hand gedrückt werden oder sich in den Mülleimern stapeln. Die Partys der Fakultät für Soziologie haben in der Regel immer einen Bezug zum Bielefelder Soziologen Niklas Luhmann, der wohl das bekannteste Werk zur Systemtheorie verfasst hat. So erkennen die Studierenden der Fakultät für Soziologie sofort »ihre« Party. Vor diesem Hintergrund sollte auch die Band, die nur aus Fakultätsmitgliedern der Soziologie bestand, einen Bezug zu Luhmann haben. Der Bandname sollte dementsprechend ganz in der Tradition seiner Bücher, wie zum Beispiel »Die Gesellschaft der Gesellschaft«, »Die Kunst der Gesellschaft« oder die »Politik der Gesellschaft«, aufgehen. Und was liegt näher als das noch ungeschriebene Werk »Die Musik der Gesellschaft«? Die Band probte in einem Raum im Keller der Fachhochschule Bielefeld. Dabei entstand sogar ein inoffizieller Fachschaftssong, an den ich mich aber leider nur noch dunkel erinnere. Woran ich mich aber noch sehr gute erinnere, war das zweite und letzte Konzert. Ich stand relativ weit vorne in der Mitte und war beeindruckt. Meine Eltern hörten beide Rock und haben mich schon früh in die Welt von AC/ DC, Rolling Stones und Co eingeführt. So kannte ich jedes Wort von »Paint it black« auswendig und sang enthusiastisch mit. Um mich herum waren zig Menschen, die mitwippten, ihr Bier zum Takt erhoben und die Band anfeuerten. Da standen unsere Professoren und rockten die Bühne. Alle jubelten. Ich persönlich war unheimlich stolz, so coole Dozenten zu haben – übrigens die einzigen Personen, die ich zu dem Zeitpunkt wirklich namentlich zuordnen konnte. Obwohl ich hier betonen möchte, dass alle ziemlich gerockt haben. Mathias Albert fegte wie Mick Jagger über die Bühne und zeigte damit, dass alle anderen Tänzer einpacken konnten. Mario Graute zupfte dazu den Bass, während Giovanni Fusarelli das Schlagzeug zum Beben brachte. Als dann bei einem der späteren Songs auch noch Stephan Stetter mit tiefschwarzen Kajal um die Augen, Krawatte um den Kopf und mit einem Regenschirm auf der Bühne den Song »Umbrella« (Rihanna) interpretierte, war das Publikum – inklusive mir – völlig aus dem Häuschen.

Die Musik der Gesellschaf t

Bei dem Song »You can’t always get what you want« (Rolling Stones) entstand ein fast magischer Moment, bei dem sich alle mitreißen ließen und das gesamte Publikum aus tiefstem Herzen den Refrain mitsang. Ich kann mich leider nicht mehr an alle Songs erinnern, aber das Konzert war gefühlt viel zu schnell vorbei. Das Publikum feierte die Band, und ihre Mitglieder waren sichtlich zufrieden mit ihrem Auftritt. Richtig coole Typen, dachte ich mir. Mich persönlich brachte das Konzert meinen Dozenten ein Stück näher und zeigte mir den Menschen hinter der Professur. Ich erinnere mich noch daran, dass ich tief beeindruckt zu Professor Albert gegangen bin und ihm zu dieser tollen Performance gratuliert habe. Irgendwo, in den Untiefen meiner externen Festplatte, schlummert sogar ein Groupie-Foto mit der Band und einigen Kommilitoninnen und Kommilitonen. Das war die Zeit, als das Studentenleben eine einzige große Party war und es die Musik der Gesellschaft gab. Für mich waren das Konzert und die anschließende Party legendär und ich erinnere mich immer wieder gerne daran.

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Die Soziologie & ich Von alten und neuen Gebäuden, (ir-)relevanten Prüfungen, soziologischer Politikwissenschaft und der Liebe Lisa Fischer

Wer sich heute für einen Studiengang und damit auch für eine Universität entscheiden möchte, beginnt die Informationssuche sehr wahrscheinlich im Internet. Die aktuelle Homepage der Fakultät für Soziologie (März 2018) besticht durch schicke Bilder von begeisterten Menschen – alle aufgenommen im und vor dem repräsentativen Neubau der Uni; dem X-Gebäude. Junge Studierende sitzen in stylischen grünen Hörsälen, unterhalten sich angeregt in lichtdurchfluteten Seminarräumen oder flanieren bei schönstem Sonnenschein über den Campus. Der dazugehörige Text erklärt die Stadt Bielefeld zur »Hauptstadt der deutschsprachigen Soziologie«, deren Fakultät um die 3000 Studierende beheimate – zu denen auch ich gehörte. Vor acht Jahren begann meine Suche nach einem Studiengang und Studienort etwas anders. Nachdem ich mich für ein Studium meiner beiden Leistungskurse (Englisch und Politik) entschieden hatte, »googlete« ich alle Universitäten, die innerhalb einer gewissen Entfernung zu meinem Elternhaus lagen. Um mich zwischen den verschiedenen Optionen entscheiden zu können, kaufte ich mir ein einschlägiges Uni-Ranking-Magazin. So verschickte ich mehrere Bewerbungen. Die Universität Bielefeld antwortete mir als erste und mit einer großen Anzahl an Broschüren und Infomaterialien. Diese waren der aktuellen Homepage gar nicht so unähnlich: Fotos von jungen und glücklichen Menschen, nur ohne den oben erwähnten Neubau. Das erste Mal näherte ich mich der Universität mit dem Auto. Nachdem die Stadt 2010 anscheinend das »Bielefelder Jahr der Baustellen« ausgerufen hatte und ich geduldig einer Umleitung in die nächste gefolgt war (ohne Navi, App oder BeifahrerIn), war die Freude über die unzähligen kostenfreien Parkmöglichkeiten an der Uni umso größer! Die wenigsten der jetzigen Studierenden werden sich noch daran erinnern können, dass es zusätzlich zu den drei Parkhäusern einen Frauenparkplatz und drei weitere Parkflächen gab. Es boten sich so viele Parkmöglichkeiten an, dass die Parkplätze, auf denen sich seit 2014 das

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X-Gebäude befindet, mehr von SkaterInnen als von AutofahrerInnen genutzt wurden. Nach dieser ersten Begeisterung war die Ankunft im heutigen Universitätshauptgebäude umso ernüchternder. Befand ich mich wirklich in der Uni oder eher im Hauptbahnhof? Mein erster Eindruck der Uni-Halle unterschied sich vermutlich nicht von den Eindrücken anderer Erstsemester. Nach dieser Überraschung folgte die Orientierungswoche – mein erster Kontakt zu der Fakultät für Soziologie! Als erstes wiesen uns die engagierten Mitglieder der Fachschaft darauf hin, dass das Studium der Politikwissenschaft in Bielefeld »speziell« und »sehr soziologisch« geprägt wäre – worunter ich mir als Abiturientin noch recht wenig vorstellen konnte.1 So zeichnete sich mein Start in Bielefeld erst einmal durch eine Mischung von freudiger Aufregung und trockener Ernüchterung aus, kombiniert mit einer Portion Ahnungs- und Orientierungslosigkeit. Als Nicht-Akademiker-Kind waren Worte wie AudiMax und Leporello genauso neu für mich wie AudiMin und eKVV. Vollkommen unbeeindruckt von diesen mal größeren, mal kleineren Hürden, begann das Semester. Das erste Modul »Einführung in die Politikwissenschaft« war zugleich das prägendste. Frisch aus der Schule und hochmotiviert »richtig zu studieren«, erfuhr ich, dass wir eine Hausarbeit schreiben sollten – in Gruppenarbeit! So verbrachte ich das Semester damit, gemeinsam mit fünf weiteren, »wildfremden« Studierenden die erste Hausarbeit zu verfassen. Unsere Erwartungen, Wünsche, Motivationen und nicht zuletzt unser Engagement waren so verschieden, dass wir sicherlich alle froh waren, nachdem das Semester vorbei war. Schon während unseres ersten Treffens in der damaligen Cafete prallten Welten aufeinander! Bemüht um ein erstes Kennenlernen plauderten wir erst einmal über die kommenden Wochenendpläne. Der Gesichtsausdruck meiner Kommilitonin, als sie erfuhr, dass ich zu meinen Eltern und nicht zur Anti-Atomkraft-Demo fahren würde, ist noch heute unvergessen. Genauso wie der Wunsch des anderen Kommilitonen, dass ich »mal eben« ein Weißbuch vom Englischen ins Deutsche übersetzen könnte, da es mir als Anglistin sicherlich am leichtesten fallen würde. Während des Verfassens der Gruppenhausarbeit lernte ich zeitgleich für meine erste Klausur: »Methoden der empirischen Sozialforschung«. Den Moment, in dem mir ein Kommilitone kurz vor Ende des Semesters verriet, dass die Klausur nur von Studierenden im Hauptfach geschrieben würde, nicht von Nebenfächlern wie mir, werde ich nie vergessen! Mit wachsender Erfahrung im Schreiben von Hausarbeiten und Klausuren, kamen im Laufe des Studiums weitere Prüfungsleistungen dazu. Für mich einzigartig sind die Modulabschlussprüfungen für »Internationale Beziehungen« und »Global Governance« geblieben. Für »Internationale Beziehungen« bereitete ich eine 90-minütige Seminarsitzung vor, die ich durch eine Verkettung von unglücklichen 1 | Da es sich hierbei allerdings um ein zentrales Charakteristikum der Politikwissenschaft in Bielefeld handelt, wird dieser Punkt im Beitrag von Herrn Mathias Albert ausführlich betrachtet.

Die Soziologie & ich

Umständen vor einer Seminargruppe hielt, deren Seminar ich selbst nicht besuchte. Das Modul »Global Governance« schloss ich mit einer mündlichen Prüfung zum Thema Entwicklungstheorie am Beispiel von fairem Handel ab, zu der ich sechs verschiedene Tafeln Schokolade als Anschauungsmaterial mitbrachte. Wer jetzt an Bestechungsversuche denkt, den kann ich beruhigen, die Schokolade wurde erst nach Verkündung der Note angebrochen. Meine liebste Vorlesung von allen war übrigens die »Einführung in die Sozialstrukturanalyse«. Dies lag allerdings weniger an den Inhalten, sondern viel mehr an meinem Sitznachbarn. Auch wenn ich nie eine Veranstaltung zur »Soziologie der Liebe« besucht habe, habe ich sie in dieser Vorlesung gefunden. Deshalb an dieser Stelle ein kleiner Tipp: Augen auf bei der Sitzplatz-Wahl! Da ich mich an der Universität in Bielefeld nicht nur in der »Hauptstadt der Soziologie«, sondern auch an der Wirkungsstätte von Niklas Luhmann befinde, darf die Systemtheorie an dieser Stelle nicht vernachlässigt werden. Bis heute bin ich dem Erbe Luhmanns in vier Seminaren begegnet – nur zwei dieser Seminare wurden von der Fakultät für Soziologie angeboten! Die anderen Seminare waren mit »Restoration Comedy« und »Peer-Beratung und Gesprächsführung« Bestandteil des Anglistikstudiums sowie des Individuellen Ergänzungsbereichs. Meiner Erfahrung nach ist damit nicht nur das Studium der Politikwissenschaft »sehr soziologisch geprägt«. Veranstaltungen hin, Prüfungsleistungen her, mit das schönste am Studium waren für mich die Tätigkeiten abseits des Curriculums! Im Wintersemester 2013/14 habe ich als Tutorin für die »Einführung in die Politikwissenschaft« angefangen. Geprägt von meinen eigenen Erfahrungen mit dem Verfassen der Gruppenhausarbeit, wollte ich andere Studierende dabei unterstützen. Ich hatte das Glück auf ein Team von vier weiteren motivierten TutorInnen und sehr engagierten Lehrenden zu stoßen. Besonders die regelmäßigen Treffen, an denen wir gemeinsam über das Modul, die aktuellen Veranstaltungen und mögliche Veränderungen sprachen, haben die Fakultät für mich lebendig werden lassen! Genauso, wie die Tutoriums-TeilnehmerInnen, die trotz des Wintersemesters und der späten Uhrzeit zuverlässig zum Tutorium erschienen und aktiv mitarbeiteten. Durch diese schönen Erfahrungen habe ich begonnen, mich mit der Fakultät zu identifizieren und nach und nach als ein Teil von ihr zu sehen, sodass ich mich auch heute, nach dem Politikwissenschaftsstudium, noch mit ihr verbunden fühle. Begeistert von der TutorInnen-Tätigkeit bin ich im darauf folgenden Sommersemester zum Peer Learning gewechselt – und auch dort der Politikwissenschaft treugeblieben. Wir haben mit den Lehrenden und den TutorInnen des Einführungsmoduls im Laufe der Jahre eng zusammengearbeitet und individuelle Angebote für die Studierenden und die TutorInnen der Fakultät für Soziologie geschaffen. Ich schätze es wirklich sehr, dass ich durch diese Zusammenarbeit auch nach dem Abschluss meines Bachelors den Kontakt zur Soziologie aufrechterhalten konnte.

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Mit dem Studium der Politikwissenschaft und der späteren Zusammenarbeit mit verschiedenen Mitgliedern der Fakultät habe ich nur einen kleinen Teil der Soziologie und deren Fakultät kennengelernt. Doch beides, Studium und Zusammenarbeit, ermöglichten es mir, eine Menge Erfahrungen zu sammeln und großartige Menschen kennenzulernen. Mit der Fakultät und deren Mitgliedern verbinde ich wertvolle Erinnerungen, die ich nicht missen möchte. Durch die vergangenen acht Jahre erinnere ich mich nicht nur an die Zeit vor dem oben erwähnten fotogenen X-Gebäude, sondern auch an Aspekte des Studiums, die die aktuellen Studierenden nicht mehr kennen können. Abgesehen von den bereits erwähnten Parkflächen, zählt dazu auch die Feierkultur vor dem Campusfestival. Die Zeit, in der »Sowi Powi feiert keiner« im AudiMin stattfand, es zusätzlich eine Mensa-Party und eine WestEnd-Party gab, zu deren Anlass die ganze Unihalle zur Tanzfläche wurde. Abgesehen von den Partys, erinnere ich mich an die Zeit, in der das WestEnd eine Oase der Ruhe war, in der nur wenige Lehrende und noch weniger Studierende (s)aßen, und die Cafete genau neben dem Hauteingang der optimale Treffpunkt war. Darüber hinaus gibt es viele Aspekte aus der 50-jährigen Geschichte der Fakultät, die ich nur aus Erzählungen kenne. Einige davon, zum Beispiel Seminare, in denen geraucht wurde, scheinen mir verzichtbar zu sein, andere, wie die Besetzung des WestEnds oder das Malen des Chile-Bildes, zeugen von engagierten und aktiven Mitgliedern, die für eine Universität wiederum unverzichtbar sind. Für die Zukunft wünsche ich der Fakultät alles Gute und genau das: engagierte und begeisterte Mitglieder!

Ein guter Ort zum Erwerb von Wissen über und Kompetenzen für die Demokratie Die Fakultät für Soziologie an der Universität Bielefeld Demokrat Ramadani

E instieg : W er bin ich ? W ofür brenne ich ? Es ist früh am Morgen. Wir stehen am Gleis 2. Noch vier Minuten bis die Linie 4 kommt. Genug Zeit, um mich vorzustellen. Wann immer ich das tue, werde ich gefragt: Heißt Du wirklich so? Und ich nicke. Mal zaghaft und vorsichtig, mal sehr direkt und unverstellt wird dann nachgehakt: Wie bist Du zu diesem Vornamen gekommen? Ich erzähle dann meine Lebensgeschichte in vier Sätzen: Ich komme gebürtig aus dem Kosovo. Meine Eltern haben sich für Frieden, Freiheit und Demokratie in ihrer damaligen Heimat eingesetzt. Diese Ideale haben sie in die Namensgebung meiner beiden Geschwister und mir einfließen lassen. Nachdem mein Vater aus einer fünfjährigen politischen Gefangenschaft entlassen wurde, sind wir nach Deutschland geflohen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich oft nach der Herkunft meines Vornamens gefragt werde. Durch diese Frage wurde ich im frühen Kindesalter nämlich zu einer familiengeschichtlichen Erkundung angeregt. Daraus sind im Laufe meiner Schulzeit drei grundsätzliche Fragen erwachsen: Was ist Demokratie? Wodurch wird sie gefährdet? Wie können wir sie verbessern? Ich will den Kosmos Demokratie von allen Seiten beleuchten – mit diesem hehren Anspruch habe ich mein Studium an der Universität Bielefeld begonnen. 2010 schrieb ich mich für Politikwissenschaften (Bachelor) und Jura (Staatsexamen) ein, mit der Überlegung: Politik und Recht könnten zwei wichtige Grundbausteine für ein fundiertes Verständnis von Demokratie sein. Ah, da kommt ja die Bahn. Steigen wir ein! Setzen wir uns in den freien Vierer dort?

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M itfahrt : W as habe ich bisher erlebt ? W o stehe ich ger ade ? Meine Wahrnehmung der Soziologischen Fakultät und der Uni Bielefeld hat nicht erst mit dem Studium begonnen. Ich habe mein Abitur auf dem Oberstufen-Kolleg Bielefeld absolviert. Wenn wir nachher auf der roten Brücke stehen, ist es der orangene Klotz links neben dem Hauptgebäude der Uni. Dort belegte ich die Leistungskurse Soziologie und Jura. Die Uni als Ort und Struktur sowie die Fachinhalte der Soziologie und Rechtswissenschaften waren mir daher etwas vertraut, als ich mich nach dem Zivildienst eingeschrieben habe. Meine Studentenzeit war sehr dicht. Die Stundenpläne sehr vollgepackt. Das Doppelstudium verlangte mir viel organisatorisches Geschick ab, eröffnete mir aber auch einen weiten Horizont. Fünf Jahre habe ich mich thematisch beschäftigt mit Denker*innen der Politischen Theorie (Hannah Arendt, Iris Marion Young, Jürgen Habermas, Jacques Rancière), Tatbeständen des Strafrechts (Delikte gegen Personen, Sachen und Vermögen), Positionen aus den Internationalen Beziehungen (Spieltheorie, staatliche Souveränität, Diskursanalyse, Vereinte Nationen), Anspruchsgrundlagen im Zivilrecht (aus vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnissen, aus dem Sachenrecht, Familienund Erbrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht), Fragen der Vergleichenden Politikwissenschaft nach Harmonisierung innerhalb der EU oder Demokratisierung in den osteuropäischen Ländern, Normen des Öffentlichen Rechts (im Staatsorganisationsrecht, Verfassungsrecht, Europarecht, Bildungsrecht) und nicht zuletzt mit Grundbegriffen von Luhmanns Systemtheorie (Kommunikation, soziale Funktionssysteme, Code, Medien, strukturelle Kopplung, Organisationen, Massenmedien). In allen diesen thematischen Beschäftigungen war Demokratie auf unterschiedliche Art und Weise der Ausgangspunkt meines Denkens. Von ihr ausgehend habe ich Brücken zu anderen Themen geschlagen, habe mich darin vertieft und bin letztlich immer wieder auf Demokratie zurückgekommen. Die Fakultät für Soziologie mit ihrer interdisziplinären Neigung hat es möglich gemacht, dass ich entsprechend meiner Interessen ein ganz besonderes Studium zusammenstellen konnte. Ich nenne es die »Demokratie und…«-Wissenschaft: Demokratie und Strafe, Demokratie und Religion, Demokratie und Wirtschaft, Demokratie und Bildung, Demokratie und Geschlecht, Demokratie und soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Massenmedien, Demokratie und innerstaatliches/nichtstaatliches/zwischenstaatliches/überstaatliches Agieren. Gemündet hat diese perspektivenverschränkende Vorgehensweise in einer transdisziplinären Abschlussarbeit. In einer Synthese aus Rechts- und Politikwissenschaften habe ich mich mit verfassungstheoretischen Grundfragen zur Europäischen Union beschäftigt. Derzeit arbeite ich zur Konstitution des Volkes und des Subjektes in der Demokratie. Während meines Studiums habe ich als studentische und dann Wissenschaftliche Hilfskraft bei Prof. Dr. Oliver Flügel-Martinsen (Politische Theorie

Ein guter Or t zum Er werb von Wissen

und Ideengeschichte) und bei Prof.‹in Dr. Angelika Siehr (Öffentliches Recht, Völkerrecht, Rechtsphilosophie und Bildungsrecht) Einblicke in die politikwissenschaftliche sowie rechtswissenschaftliche Forschungsarbeit bekommen. Als Tutor in PoWi (Einführung) und Jura (Grundrechte, Staatsorganisationsrecht) konnte ich zudem Erfahrungen in der Lehre sammeln, die ich nun als Lehrbeauftragter vertiefen darf. Wir sind da. Dann mal raus. Sieben Minuten vergehen sehr schnell. Und nicht nur die.

A usstieg : W as hält die Z ukunf t für uns bereit ? W as wünsche ich der F akultät ? Mein Studium ist wie im Flug vergangen. Ich glaube, dass es den meisten so geht. Ich habe viel gelernt, gerade im Austausch mit Dozierenden und Studierenden – innerhalb und außerhalb von fachlichen Veranstaltungen. Ich habe aber das Gefühl, als sei ich noch nicht ausgelernt. Ich bin noch lange nicht am Ende meines Weges angekommen. Und das ist auch gut so, denn Demokratie ist auch niemals fertig. Nachdem in der Wissenschaft lange Zeit der Siegeszug der Demokratie gefeiert oder das Zeitalter der Demokratie verkündet wurde, erleben wir in Deutschland, Europa und den USA, dass Demokratie in Gefahr ist. Sie ist in Bedrängnis – sowohl in den Regionen, die Leuchttürme der Demokratie waren als auch solchen, die es werden wollten. Die Zukunft scheint also nicht wirklich rosig zu sein. Und trotzdem dürfen wir in der Gegenwart feiern! 50 Jahre ist die Fakultät für Soziologie jetzt alt und wer sich Zeit nimmt, um die historische Entwicklung nachzuvollziehen, wird feststellen: Sie war Vorreiter in der deutschen Soziologie und hat in einem halben Jahrhundert viel geleistet. Alle Fakultätsmitglieder – ob aus dem studentischen, wissenschaftlichen, administrativen oder technischen Bereich – können auf bisherige Erfolge sehr stolz sein! Gleichzeitig dürfen wir uns nicht darauf ausruhen. In diesen turbulenten Zeiten docken meine Zukunftswünsche an Hans Karl Rupp an. Er ist gemeinsam mit anderen für ein Selbstverständnis der Sozial- und Politikwissenschaften als Demokratiewissenschaften eingetreten – und hat dabei Demokratie nicht auf Staat und Politik begrenzt. »Demokratie ist als sich selbst korrigierender Emanzipations- und Entprivilegierungsprozeß zu begreifen.« (Rupp 1970: 31) Für die kommenden 50 Jahre ist es spannend zu überlegen, wie die Fakultät für Soziologie dieses Prinzip intern und extern noch besser verwirklichen kann. Vielleicht durch Vertiefung der interdisziplinären Ausrichtung? Wie wäre es, wenn Rechtswissenschaft und Soziologie/PoWi ihre Forschung und Lehre auch Mal im Tandem betreiben? Wie könnten SoWi-Didaktik und PoWi-Forschung ein ganzheitliches Demokratielernen und eine fundierte Demokratiepädagogik mit den Dimensionen Inhalt, Struktur, Haltung verantworten? Wird sich die Bielefelder Denkfabrik darüber hinaus um eine Verbindung universitärer und außeruniversitärer Demokra-

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tieförderung bemühen und Vorreiter bei der Entwicklung einer gesamtgesellschaftlichen Strategie sein? Alles sehr spannende Fragen. Aber hier trennen sich leider unsere Wege, ich muss jetzt nämlich zum H-Gebäude. Vielleicht sehen wir uns ja nochmal in der Bahn, und dann können wir hier gerne wieder ansetzen. Schönen Tag noch und alles Gute!

L iter atur Rupp, Hans K. (1970): Außerparlamentarische Opposition in der Ära Adenauer. Der Kampf gegen die Atombewaffnung in den fünfziger Jahren. Eine Studie zur innenpolitischen Entwicklung der BRD, Köln: Pahl-Rugenstein.

Soziologie in neuen Räumen (Ein-)Blicke in Büros zwischen Transparenz und Selbstdarstellung Annika Eußner

Als eine der drei Gründungsfakultäten war die Fakultät für Soziologie seit jeher im Hauptgebäude der Universität Bielefeld zu finden. Im Zuge der geplanten Grundsanierung der Universität ab 2014 wurden mit dem Gebäude ›Ersatzneubau Universitätsstraße‹, heute besser bekannt als ›X-Gebäude‘‘1, Ausweichräumlichkeiten für den Lehrbetrieb geschaffen. Der Neubau bedeutete einen Umzug für die gesamte Fakultät – von Büros über Fachschafts- und IT-Räume bis hin zur Fachbibliothek. Mit der Eröffnung des Neubaus im Juni 2014 erhielt die Fakultät für Soziologie ein neues Gewand. Die neue Umgebung ist geprägt durch ihre helle, moderne und lichtdurchflutete Gestaltung. Hier erinnert nichts mehr an die langgezogenen Flure im Hauptgebäude, in denen Licht aus Neonröhren den Weg wies und schwere graue Bürotüren zwischen Beschäftigten und Studierenden standen. Im neuen Gebäude ermöglichen stattdessen Lichtbänder neben den Türen einen unmittelbaren Blick auf den Arbeitsplatz. Damit trägt die Architektur des Neubaus der gesellschaftlichen Entwicklung der vergangenen Jahre Rechnung. Der Philosophieprofessor Byung-Chul Han (2012) diagnostiziert eine in der Gesellschaft immer weiter voranschreitende Transparenz und charakterisiert diese als einen systemischen Zwang, durch den alle gesellschaftlichen Vorgänge tiefgreifenden Veränderung unterworfen werden. Doch genaue diese neue Transparenz scheint nicht auf ungeteilte Begeisterung bei den Beschäftigten der Fakultät zu stoßen. Unmittelbar nach dem Bezug der neuen Räumlichkeiten konnten teils intensive Bemühungen beobachtet werden, mit denen versucht wurde, diesen Einblick zu reduzieren oder ganz zu unterbinden. Obwohl das Gerücht 1 | Eine kleine Anekdote am Rande: Die Abkürzung ›ENUS‹ für ›Ersatzneubau Universitätsstraße‹ wurde zur allgemeinen Erheiterung regelmäßig zu ›Anus‹ umgedeutet, was schlussendlich zur offiziellen Umbenennung des Gebäudes hin zu einem unverfänglicheren Namen führte.

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kursiert, dass Rektorat hätte ein Abkleben der Lichtbänder untersagt 2, können verschiedenste Arten der Verdeckung beobachtete werden. Als Studentin der Soziologie sehe ich hier einen eindeutigen Untersuchungsbedarf!

U mgang mit Tr ansparenz am A rbeitspl at z Wie Thomas Hoebel einmal betonte, »Die Themen liegen auf der Straße« (2012: 38). In diesem Fall ›auf den Gängen‹. Also, das erklärungsbedürftige Phänomen ist erkannt – der Umgang mit der neuen Transparenz am Arbeitsplatz. Ebenso das mutmaßliche, kollektive Hinwegsetzen über die Anweisung vom Rektorat, die Glasspalten transparent zu halten, das offensichtlich ohne Konsequenzen bleibt. Seit mittlerweile über vier Jahren scheint dieses Vorgehen inoffiziell in der Fakultät verankert zu sein und stillschweigend geduldet zu werden. Auch unter dem Aspekt von ›Selbstdarstellung‹, wie er zum Beispiel bei Goffman (2003) thematisiert wird, ein soziologisch sehr spannendes Feld! Neben der Reduktion von Transparenz ist zu vermuten, dass auch der gewählten Art und Weise der Gestaltung eine Selbstdarstellung zugrunde liegt – ob bewusst oder unbewusst. Ich starte meinen Rundgang durch die Gänge der soziologischen Fakultät im X-Gebäude, die von hunderten Studierenden und Beschäftigten täglich genutzt werden. Dabei kann ich beobachten, wie die einen oder anderen sich strecken oder bücken, um einen Blick auf den Ort des Interesses zu erhaschen. Ist die Person, zu der ich möchte, überhaupt im Büro? Und wenn ja, ist sie anderweitig beschäftigt oder kann ich klopfen? Alle, mit denen ich gesprochen habe – unabhängig davon, in welchem Maße sie selbst den Einblick in ihr Büro unterbanden – fanden dieses vorherige Absichern über die Situation hilfreich und haben die Möglichkeit genutzt, wenn sie sich bot. Das gilt jedoch bei weitem nicht für jedes Büro. Hin und wieder schieße ich ein Foto von auffällig gestalteten Lichtbändern. Bereits während der ›Datenerhebung‹ fallen mir unterschiedliche Umgangsweisen auf, die sich gut in Typen einteilen lassen. Auffällig ist auch, dass sich die Gestaltungen auf den einzelnen Fluren ähneln. Wurden hier gemeinsam Absprachen getroffen oder hat man sich aneinander orientiert? Am Ende konnten vier verschiedene Typen3 identifiziert werden.

2 | Gespräche mit verschiedenen Mitarbeiterinnen der Verwaltung haben gezeigt, dass ein verdeckter Einblick von Seiten der Leitung nur für bestimmte Räumlichkeiten (z.B. Prüfungsamt) angedacht war. Für normale Büroräume habe man die Information erhalten, dass dieses »nicht erwünscht« sei. An ein offizielles Schreiben konnte sich allerdings keine der Damen erinnern. Eine offizielle Richtlinie zum Thema scheint eher Mythos als Fakt. 3 | Es wird im weiteren Verlauf, angelehnt an »der Typ«, von »er« gesprochen. Es sind hierbei alle Geschlechter gemeint.

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Typ 1 – 100 Prozent transparent Der Typ 1 stellt eine Minderheit in der Datengrundlage dar. Auf dem Glasspalt neben seiner Bürotür finden sich keine Aufkleber, Werbematerialien oder andere Dinge. Er gewährt damit einen vollständigen, ungefilterten Einblick auf seinen Arbeitsplatz. Was kann hieraus, unter dem Aspekt der Selbstdarstellung, geschlossen werden? Ist es ihm egal, was die anderen über ihn denken? Oder genau das Gegenteil – ist es ihm wichtig, dass man ihn bei seiner Arbeit beobachten kann und für seinen Fleiß wertschätzt? Oder steht er einfach in der Hierarchieordnung ganz unten? Gespräche dahingehend zeigten, dass es studentischen Hilfskräften mitunter von ihren Vorgesetzten untersagt ist, den Blick in ihr Büro zu unterbinden – so kann jederzeit kontrolliert werden, ob und woran die Hilfskraft arbeitet. Aber wer beobachtet hier eigentlich wen? Ein bisschen erinnert die Situation an einen Zoo. Augenscheinlich werden die Beschäftigten in ihren Büros – den Gehegen– von außen, von vorbeigehenden Besuchern, beobachtet. Doch es geht sowohl um den Ein- als auch um den Ausblick. Schließlich kann von innen ohne großen Aufwand auch jederzeit das Treiben auf dem Flur beobachtet werden – über suchende Studierende und die neusten Outfits bis hin zu gehetzten Kollegen kann der Typ ›100 Prozent transparent‹ alles im Blick behalten. Wer wen beobachtet ist also alles nur eine Frage des Blickwinkels!

Typ 2 – Auf Augenhöhe Die Lichtbänder bei den Büroräumen von Typ 2 sind teilweise verdeckt. Derjenige hat lediglich auf Augenhöhe ein Papier oder ähnliches angebracht. Frei nach der Kinderlogik ›Wenn ich dich nicht sehe, siehst du mich auch nicht‹. Er scheint eine Mischform zwischen Transparenz und Abschottung zu sein und lässt sich damit nicht so leicht in eine Schublade stecken. Der unmittelbare Einblick und Augenkontakt beim Vorbeigehen wird zwar vermieden, allerdings reichen leichte Bemühungen wie Strecken oder Bücken – die, wie oben beschrieben, regelmäßig zu beobachten sind –, um einen Blick auf den Arbeitsplatz zu erhaschen. Diese Variante der Abgrenzung erscheint daher mäßig effektiv.

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Typ 3 – Abschottung Der quantitativ am häufigsten anzutreffende Typ ist die ›Abschottung‹. Auf vielfältige Art und Weise versteht es ein Großteil der Beschäftigten, ihre Büros vor Blicken zu schützen. Um dieser Vielfalt gerecht zu werden, wurden in dieser Kategorie weitere Untertypen gebildet.

Typ 3.1 – Selbstpräsentation Wie lässt sich die Präsentation des Selbst mit Abschottung vereinbaren? Mit der Auswahl an Materialien, die zum Zweck des Abklebens genutzt werden. Beim Typ ›Selbstpräsentation‹ finden sich hier insbesondere Hinweise auf eigene Publikationen oder Veranstaltungen sowie Dokumente, die das eigene Interesse wiederspiegeln. Teilweise weitet dieser Typ seine Selbstdarstellung auch auf die Tür aus, die für gewöhnlich nicht durchsichtig ist. Diese Art der Abdeckung konnte auch überwiegend bei Typ ›Auf Augenhöhe‹ angetroffen werden, allerdings in entsprechend reduzierter Form. Nach Goffman (2003) ließe sich hier möglicherweise zwischen Vorder- und Hinterbühne unterscheiden. Die Selbstdarstellung wird zwar stark betrieben, allerdings nur in kontrollierter Weise auf der Vorderbühne. Ein Blick auf die Hinterbühne bleibt dem Publikum so verschlossen. Zu Irritationen führen die gewählten Abdeckungen meistens, wenn die Daten bereits in der Vergangenheit liegen – besonders bei Workshopangeboten oder Stellenausschreibungen. Mangelt es an der Motivation, seine Abschottung aktuell zu halten? Frei nach dem Motto ›Hauptsache der Einblick ist verdeckt‹, oder wie kann das Verharren in der Vergangenheit gedeutet werden?

Typ 3.2 – Papierschlacht Ähnlich dem Typ ›Selbstpräsentation‹ finden sich auch hier viele Zettel auf den Glasabdeckungen. Der Unterschied liegt allerdings im Inhalt. Die ›Papierschlacht‹ drückt sich in Comics, Fotos und anderen Papierschnipseln aus. Zum Teil werden auch Ausdrucke oder Poster von Darstellern aktueller Serien gewählt. Der Schritt zum ›Starschnitt‹ aus der Bravo scheint nicht weit entfernt. Dieser Typ betreibt eine indirektere Form der Selbstdarstellung als der oben erwähnte. Dennoch verrät er über die Auswahl dessen, was er zur Abdeckung nutzt, eine Menge über Interessen und seinen Humor.

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Typ 3.3 – Textilien Auch Textilien scheinen sich auf verschiedene Art und Weise zum Verdecken des Glasspaltes zu eignen. Hierbei reicht die Bandbreite über orientalisch anmutende Tücher, die über die ganze Breite gespannt werden, bis zu Garderoben, die unmittelbar hinter dem Glas abgestellt werden. Letzteres dürfte sich doch eher als eine Teilzeitlösung darstellen, die zum einen abhängig von der Arbeitszeit, aber auch von den Jahreszeiten sein dürfte. Möglicherweise ist hier eine Gemeinsamkeit mit dem Typ ›auf Augenhöhe‹ zu erkennen. Bleibt die Frage, »Ist der Typ, der Textilien zum Verdecken des Glases wählt, modebewusst – oder welche Motivation treibt ihn um?« Die These eines Dozenten, dass es sich hierbei um Beschäftigte handelt, die nur selten in der Universität sind und sich den Aufwand vom Bekleben sparen wollen, deckt sich mit der Beobachtung, dass sich dieser Typ überwiegend bei Büros der Emeritierten findet.

Typ 3.4 – Getrübter Einblick Der letzte Typ der Kategorie ›Abgeschottet‹ ist mutmaßlich auch derjenige mit den höchsten Ausgaben und den intensivsten Bemühungen. Der Typ ›getrübter Einblick‹ verschleiert einen Blick auf seinen Arbeitsplatz mit passgenau zugeschnittenem Milchglas, was von innen oder außen auf das Lichtband geklebt wird. Durch das einfache Milchglas können allerdings noch Silhouetten erahnt werden. Eine Steigerung stellt hier das Motiv-Milchglas dar, das den Eindruck von Individualität suggeriert und gleichzeitig keine Details über das Leben hinter der Tür preisgibt. Die Vielzahl an verschieden gemusterten Folien, von denen oft gleiche auf den jeweiligen Fluren zu finden sind, hat, wie mir bestätigt wurde, den pragmatischen Grund einer Sammelbestellung im Arbeitsbereich. An dieser Stelle siegt dann wohl die Bequemlichkeit über die Individualität.

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All die Beschreibungen für die Typen in Kategorie 3 lassen sich wunderbar mit dem Kommentar einer Beschäftigten zusammenfassen: »Wenn ich transparent sein will, dann lass ich die Tür auf! Und auch wenn das ein Großteil der Arbeitszeit so ist, geht es immer noch darum, selbst zu entscheiden.«

T yp 4 – D ie G epl ant-V erdeck ten Der Vollständigkeit halber müssen an dieser Stelle noch die Büros erwähnt werden, die von Seiten der Universität von Beginn an zum Großteil mit Milchglas verkleidet wurden. Hierbei handelt es sich um ›sensible Bereiche‹, unter anderem die (Beratungs-)Räume vom Prüfungsamt oder der Zentralen Studienberatung, die sich ebenfalls im Neubau befinden. Hier ist der Schutz der Privatsphäre von Ratsuchenden institutionell verankert. Ähnliches lässt sich für den Konferenzraum der Fakultät im dritten Obergeschoss konstatieren. Dieser wurde nach Beschwerden umgerüstet und lässt sich nun nach Bedarf mit Gardinen zuziehen, um beispielsweise Abstimmungsverhalten geheim zu halten.

F a zit Während die Bürotüren im Hauptgebäude eine klare Grenze zwischen Öffentlichkeit und Beschäftigten boten, ist nach dem Umzug in den Neubau ein unmittelbarer Blick auf die Arbeitsplätze möglich. Dienten die Räumlichkeiten früher als Rückzugsmöglichkeit – die, wie mir zu Ohren gekommen ist, gelegentlich auch für ein kurzes Schläfchen genutzt wurden –, ist der Arbeitsprozess heute jederzeit einsehbar. Bereits im Vorfeld des Umzuges sorgte die Gestaltung der Räumlichkeiten für Diskussionen. Der von den Mitarbeitern formulierte Wunsch nach Lichtbändern ist berücksichtigt worden – allerdings nicht, wie ursprünglich geplant, als Spalte oberhalb der Tür, sondern direkt daneben. Und das sorgte unmittelbar nach dem Umzug für reichlich Diskussionen innerhalb der Fakultät, bis die ersten Mitarbeiter das Thema selbst in die Hand nahmen und sich um die individuelle Gestaltung ihrer Glasspalten kümmerten. So können heute bei einem Rundgang durch die Räumlichkeiten des Ersatzneubaus eine Vielzahl an unterschiedlichen Verdeckungen beobachtet werden, die für jede Menge Gesprächsstoff sorgen. Folgt man Byung-Chul Han, so ist es absolut legitim, sich der neuen Transparenz zu entziehen, da diese den Menschen selbst zu einem Teil eines Systems macht. Doch gerade die Wissenschaft ist kein Ort von berechen-, kontrollier- und steuerbaren Prozessen wie in Wirtschaftsunternehmen, in denen Arbeitsabläufe operationalisiert und beschleunigt werden müssen. Sie lebt vielmehr von Individualität und Kreativität, die sich, neben dem Umgang mit den Lichtbändern, noch in

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vielen anderen Bereichen zeigt und bewahrt werden muss – von jedem und jeder auf seine Art und Weise. Nachdem die Frage, welcher Umgang mit der neuen Transparenz am Arbeitsplatz gepflegt wird, analysiert wurde, stellen sich für die Zukunft die Fragen: »Wie wird es weitergehen mit der Fakultät für Soziologie im Rahmen der Grundsanierung? Wird der Ersatzneubau zum neuen Zuhause oder geht es wieder zurück ins Hauptgebäude?« Der Geist der Soziologie schwirrt zumindest auch fünf Jahre nach dem Umzug der Fakultät noch in den Fluren des Hauptgebäudes.

L iter atur Goffman, E., 2003: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. München: Piper. Han, B.-C., 2012: Transparenzgesellschaft. Berlin: Matthes & Seitz. Hoebel, T., 2012: Die Themen liegen auf der Straße. Doch wie sammelt man sie ein? Über ein leidiges Problem studentischer Arbeiten. Sozusagen ›Alltagssoziologie‹, Ausgabe Sommersemester 2012: 38-39.

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Studierendenschreck Gruppenarbeit (?) Die Anderen sind Schuld – auch am Lernerfolg Vanessa Rolfsmeier Erwartungsvoll sehen 15 Augenpaare, denen der Ersti-Verwirrungsblick anheftet, dem Dozenten entgegen. Die Studierenden haben in ihrer inzwischen dritten Woche an der Universität Bielefeld bisher nur Einführungsvorlesungen besucht. Ihre Erwartungen an die Veranstaltung sind daher klar umrissen: eine minimalistisch gestaltete Powerpoint-Präsentation und theoretische Ausführungen. Daraus besteht ja schließlich das Politikwissenschaftsstudium, oder nicht? Schon nach wenigen Minuten wird jedoch deutlich: Diese sogenannte Übung lässt sich nicht einfach mit interessiertem Blick und eifriger Mitschrift überstehen. Was genau hier eingeübt werden soll, ist allerdings für die meisten nicht auf Anhieb ersichtlich und auch nach Abschluss der Veranstaltung nicht eindeutig zu definieren. Denn in den nächsten Monaten werden Sachwissen und seine Anwendung hinter Terminfindung und Gruppenorganisation zurücktreten. Die schon zu Anfang des ersten Semesters beginnende Gruppenhausarbeit, welche gleichzeitig eine der ersten Prüfungsleistungen des Studiums der Politikwissenschaft darstellt, ist als ungewöhnlich frühe Hinführung zur wissenschaftlichen Zusammenarbeit einzigartig an der Fakultät für Soziologie. Vermittelt werden sollen in der Gruppenarbeit, als eine Methode des problemorientierten Lernens, neben Fachwissen vor allem Organisations- und Kommunikationsfähigkeit. Sieht man sich jedoch zwischen den teilnehmenden Studierenden um, so scheint ihr Verständnis für den Wert einer solchen Vorgehensweise durch Unmut getrübt. Dabei vergessen sie, dass eine Gruppenhausarbeit nicht nur die Gelegenheit bietet mehrere ihrer (interessanten, netten, verwirrten und mitunter auch verzweifelten) Kommilitonen kennenzulernen, sondern auch als Grundlage für eine kritische Reflexion der eigenen Arbeitsstruktur und Motivation dienen kann. Die Erfahrungen mit der Erstsemestergruppenarbeit in Politikwissenschaft variieren von durchstrukturierter Produktivität bis zu hektischer Formlosigkeit und bleiben dabei für jede Gruppe einzigartig. Da die Einteilung der Kleingruppen durch ein Losverfahren erfolgt, sind Leistungsbereitschaft, Charakter und Zuverlässigkeit der Kommilitonen im Vorfeld weitgehend un-

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bekannt, wodurch spätere Überraschungen verschiedener Art nicht ausgeschlossen sind. Eine besondere, sich immer wieder im Verlauf des Projekts zeigende, Herausforderung stellen TrittbrettfahrerInnen dar. Diese Gruppe der Studierenden interpretiert das Wort Gruppenleistung auf andere Weise als ihre Kommilitonen und Kommilitoninnen. Sie verlassen sich lieber auf die Fähigkeiten der Anderen. Die ihr angehörigen Studierenden erfreuen sich bei den weiteren Gruppenmitgliedern geringerer Beliebtheit und sind die Grundlage für den ein oder anderen Aufschrei gegen die Ungerechtigkeit einer benoteten Gruppenleistung. Dennoch tragen sie in einigen Fällen zur Unterhaltung und Entspannung bei. So zum Beispiel bei einer Gruppe, die in den letzten Tagen vor Abgabe der Hausarbeit eher dem Spektrum der hektischen Formlosigkeit zuzuordnen war. Ein Mitglied hatte im bisherigen Arbeitsprozess durch Ablenkung und Problematisierung von Allgemeinplätzen geglänzt und sich somit die Gunst der Anderen gesichert. Sein Vorschlag, lieber Syrtaki zu tanzen, anstatt sein bis dato nicht existentes Kapitel der Arbeit zu verfassen, stieß (einen Tag vor Abgabe) daher auf überraschende Ablehnung. Als Studierender fragt man sich angesichts solcher Szenen, wo da denn bitte der Lernerfolg beziehungsweise die wissenschaftliche Relevanz einer Gruppenarbeit liegen soll. Der Gedanke dahinter ist einfach und, nach einer kurzen Phase des Auslassens über die Unmöglichkeit von Gruppenarbeit, auch uns genervten Gruppenarbeitsbetroffenen zugänglich. Wie niemand sonst sorgen die TrittbrettfahrerInnen für die Steigerung der Flexibilität ihrer Gruppe. Nach kurzer Aufregung bleibt also die Arbeitsverweigerung zu akzeptieren und sich an der eigenen Leistungssteigerung zu erfreuen. Im trostlosen Alltag der Gruppenarbeit scheint jedoch nichts ferner zu liegen als ein solches Maß an Selbstreflexion. Meist hangelt man sich von einem Arbeitsauftrag zum nächsten, während übervolle Stundenpläne, wöchentliche Chor- oder Tanzproben von insgesamt 15 Stunden, ausgiebige Nickerchen oder Mensadates jongliert werden, um gemeinsame Treffen festzulegen. Haben sich dann zu einem drei Wochen diskutierten Termin alle eingefunden, so trägt es zur allgemeinen Heiterkeit und Produktivität bei, wenn die (bisher noch) abwesende Person nach dem Vorbild eines Livetickers über aktuelle Standorte, Verspätungen des öffentlichen Nahverkehrs und jegliche Form von Sinneseindrücken informiert. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass erst mit der eigenen Ankunft die eigentliche Arbeitsphase beginnt. Solche Konstellationen ermöglichen die Vertiefung weiterer wichtiger Kompetenzen. Schließlich will auch der Umgang mit Ablenkung gelernt sein. Den eigenen Fokus auch unter schwersten Bedingungen beizubehalten, ist eine wichtige Errungenschaft, wenngleich die Freude über diese Herausforderung in der Situation selbst wohl nicht allzu groß ist. Man darf aber auch nicht unerwähnt lassen, dass das tatsächliche Zusammentreffen aller Gruppenmitglieder ein ebenso ungewöhnliches wie voraussetzungsvolles Ereignis darstellt, welches an sich bereits als Leistung anerkannt werden sollte. Geschieht ein solches Wunder der Gruppenarbeit häufiger während der Projektphase, so kommt es auch vor,

Studierendenschreck Gruppenarbeit (?)

dass sich Studienfreundschaften bilden, die über die Abgabefrist des Gruppenprojekts hinaus Bestand haben. Nach erfolgreicher Bewältigung der beschriebenen Hürden mit Hilfe der durch sie verbesserten und erlangten Sozialkompetenzen steht einer harmonischen Gruppenarbeit nichts mehr im Wege – bis die Notenvergabe folgt. Häufig kommt es zum Verdacht, Einzelne hätten sich auf der Leistung der Gruppe ausgeruht. Es ist also kein Wunder, dass Sympathien und das gemeinsame Endprodukt teilweise von Noten überschattet werden und dadurch die mühsam errungene Gruppenleistung in den Hintergrund tritt. Trotz allem bleibt den Politikwissenschaftsstudierenden der Fakultät für Soziologie diese erste Gruppenhausarbeit als prägende Erfahrung erhalten. Beim Zusammenprall mit anderen Personen, Arbeitsweisen und Zielvorstellungen werden auf nicht immer angenehme, aber einschlägige Weise die eigene Flexibilität, Organisationsfähigkeit und Konzentration gefördert. Sind solche Qualitäten schon vorhanden, so gewinnt man zumindest an sozialen Kontakten, die teilweise für unterhaltsame Anekdoten sorgen. Sollte auch das nicht zustande kommen, bleibt immerhin die Erkenntnis, Gruppenarbeiten in Zukunft zu meiden. Da diese an der Fakultät für Soziologie jedoch hinter den meisten Seminarplänen zu lauern scheinen, kommt man über kurz oder lang nicht umhin, sich mit solcherlei Form des Arbeitens abzufinden und vielleicht sogar anzufreunden.

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Die große Kunst des Smalltalks Antworten auf die drei (nicht-)soziologischen Fragezeichen Madlen Böert In meiner Heimatstadt läuft mir eine ehemalige Mitschülerin zufällig über den Weg. Die Wiedersehensfreude ist groß, schließlich haben wir uns lange nicht mehr gesehen, unsere Wege haben sich nach dem Abitur getrennt. Bevor wir dazu übergehen können, uns über Geschichten aus der Schulzeit zu amüsieren, klopfen wir die wichtigsten Stationen unseres Lebenslaufs ab. Während sie mir engagiert von ihrem Lehramtsstudium erzählt, bereite ich mich innerlich auf die drei Fragen vor, die sie mir unweigerlich stellen wird, sobald ich ihr erzähle, dass ich Soziologie studiere. Mit diesen drei Fragen werde ich in der Mehrheit der Gespräche mit Nichtsoziolog*innen konfrontiert, in denen die Frage nach meinem Studium aufkommt. Sie tauchen auch nach sechs Semestern noch zuverlässig auf – sei es im Gespräch mit meinen Großeltern, entfernteren Verwandten, Partybekanntschaften, meinem Bankberater, meiner Frisörin oder eben mit ehemaligen Mitschüler*innen. Im Laufe meiner Zeit an der Fakultät für Soziologie ist das Antworten, basierend auf meinen in ihrem Umfeld gemachten Erfahrungen, etwas leichter geworden. Als meine ehemalige Mitschülerin mit dem Lagebericht ihrer eigenen Karriereplanung fertig ist, kommt es, wie es kommen muss: Sie fragt mich, was ich denn so machen würde. Ich antworte, dass ich im Hauptfach Soziologie und im Nebenfach Politikwissenschaften studiere. Ich ernte ihrerseits einen fragenden Blick und die erste der drei Fragen.

»O h , du machst also e t was S oziales ?« Ich kann verstehen, woher diese Frage, die nicht selten mit einem »Wie schön!« gepaart wird, kommt. In Soziologie steckt das Wort sozial und normalerweise verbindet man damit so etwas wie hilfsbereit sein oder anderen Gutes tun. So wie bei sozialer Arbeit, was wohl am häufigsten mit Soziologie verwechselt

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Madlen Böer t

wird. Eine beliebte Variante der ersten Frage ist deswegen auch, ob man denn Sozialarbeiter wird. Nun muss ich mein Gegenüber zwangsläufig enttäuschen. Denn krame ich die Grundbegriffe der Soziologie aus den Tiefen meines Gehirns hervor, erinnere ich mich daran, dass bereits in der ersten Sitzung erklärt wurde, was eigentlich sozial bedeutet und worin der Unterschied zwischen der landläufigen und der soziologischen Definition besteht. Wie das bei mir hängen gebliebene Beispiel des Dozenten immer noch eindrucksvoll illustriert, ist nicht nur einer alten Dame über die Straße helfen, sondern auch Mord im soziologischen Sinne sozial. In beiden Situationen ist schlicht mehr als eine Person beteiligt. Und die Grundbegriffe-Vorlesung ist nur einer von vielen Schritten, die man in der Fakultät geht, um den Begriff sozial soziologisch zu denken. Da ich einer Lehramtsstudentin allerdings schlecht im Plauderton erklären kann, dass es in Seminaren über organisierte Gewalt, Terror und Korruption um total soziale Sachverhalte geht, antworte ich ihr lieber, dass ich nichts Soziales mache. Ihr verwirrter Gesichtsausdruck bestätigt mir, dass das keine besonders befriedigende Antwort war. Also Vorhang auf für die zweite Frage.

»O k ay. A ber was ist S oziologie dann überhaup t ?« Soziologie ist, wie eine Kommilitonin von mir einmal treffend formuliert hat, alles und nichts. Nichts, weil man manchmal gar nicht so genau weiß, was man da eigentlich studiert und Soziologie kaum kurz und verständlich in einem Satz erklären kann, ohne schwammig zu werden. Eine Ironie des Schicksals, zählt schwammiges Formulieren doch zu den Berufskrankheiten von Soziolog*innen. Dieses Nichtwissen wiederum hängt damit zusammen, dass Soziologie buchstäblich alles sein kann. Betrachtet man allein die Tatsache, wie viele verschiedene Arbeitsbereiche es in der Fakultät für Soziologie gibt und wie unterschiedlich ihre Themen sind, definiert sich Soziologie aus dieser Erfahrung heraus als etwas überraschend Vielfältiges. Während meines Studiums habe ich mich mit Medien-, Arbeits-, Organisations-, und Rechtssoziologie sowie soziologischer Theorie beschäftigt, um nur ein paar der hier ansässigen Bindestrichsoziologien zu nennen. Ich habe über die Bedeutung von Emojis in WhatsApp-Chats genauso diskutiert wie darüber, warum Korruption für Organisationen brauchbar sein kann. Doch nicht nur die Themen unterscheiden sich, sondern auch die Methoden, die gelehrt und genutzt werden. Einerseits habe ich, der Verzweiflung nahe, im Computerraum vor Stata gesessen und logistische Regressionen verflucht, andererseits habe ich aber auch mit Angst vor dem Ladendetektiv Kassiervorgänge in einem Bielefelder Supermarkt beobachtet. Die Erfahrungen, die ich gemacht habe, könnten manchmal unterschiedlicher nicht sein – und doch war das alles Soziologie.

Die große Kunst des Smalltalks

Jemand, den ich als Bielefelder Studentin eng mit Soziologie und der Fakultät verbinde, ist Niklas Luhmann. Die Präsenz Luhmanns an der Fakultät spürt man bereits in Alltäglichkeiten. Als naiver Ersti fragte ich mich etwa regelmäßig, wer denn dieser ältere Herr auf den Plakaten für Fachschaftspartys sei. Über die Zeit bin ich, wie viele meiner Kommiliton*innen, in Seminaren immer wieder über Luhmann gestolpert – meistens über seine Ausdrucksweise. Immer wieder finden sich kleine Hinweise und Seitenhiebe auf die Verbindung von Luhmann und der Bielefelder Soziologie. Sei es durch Bemerkungen von Dozent*innen, Plakate im X-Gebäude oder das Aufstöhnen, wenn ein Luhmann-Text für ein Seminar gelesen werden soll. Aber wie erkläre ich das jetzt meiner ehemaligen Mitschülerin, der das wohl alles kaum etwas sagen wird? Die nicht einmal weiß, wer Niklas Luhmann ist. Ich beschließe, mich kurz zu fassen und erinnere mich an die weisen Worte einer anderen Kommilitonin und an die des Grundbegriffe-Dozenten: »Soziologie ist die Lehre von Gesellschaft. Ein bisschen wie Psychologie, aber für mindestens zwei Personen«. Mein Gegenüber nickt bedächtig. Nach einem kurzen Zögern fragt sie die erfahrungsgemäß wichtigste Frage für Nichtsoziolog*innen. Sie zu beantworten gehört wohl zur Königsdisziplin des Smalltalks für Studierende der Soziologie.

»U nd was macht man später dann damit ?« Der Zusammenhang zwischen Studium und Beruf ist nicht zwangsläufig so geradlinig wie bei Medizin oder Jura. Wer Soziologie studiert, wird nicht automatisch Soziolog*in. Um auf diese Frage zu antworten, gibt es also verschiedene Möglichkeiten. Entweder ich bin a) ehrlich und gebe zu, dass ich nur eine ziemlich leise Ahnung davon habe, wo mich das Studium hinführt. Ich kann aber auch b) den guten alten »Natürlich Taxifahrer, so wie alle Sozial- und Geisteswissenschaftler, die nicht Lehrer werden!«-Witz reißen und damit versuchen, die Frage mit einem Funken Selbstironie abzuhaken. Oder ich denke c) nochmal genau darüber nach, was ich während des Studiums erfahren habe. Denn aus der großen Bandbreite der Soziologie und den Angeboten der Fakultät ergeben sich einige Möglichkeiten, wie die Ordner im Praktikumsbüro eindrucksvoll beweisen. Oft bekommt man im Studium und im Umfeld der Fakultät für Soziologie selbst einen Eindruck davon, was man später anstellen kann. Die Mitarbeit an der studentischen Zeitschrift sozusagen bringt jemandem vielleicht den Journalismus näher. Wer Dozent*innen der Organisationssoziologie aufmerksam zuhört, bekommt eine Idee davon, warum man auch als Soziolog*in in der Öffentlichkeitsarbeit oder der Unternehmensberatung durchaus konkurrenzfähig ist. Vielleicht stößt aber auch eine SHK-Stelle an der Fakultät eine wissenschaftliche Karriere an. Wer Politikwissenschaften studiert, findet durch die obligatorische UN-Simulation möglicherweise Gefallen an einer politischen

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Karriere. Wenn man sie erst einmal entdeckt hat, sind die Möglichkeiten vielfältig. Ich beantworte meiner ehemaligen Mitschülerin die Frage also damit, dass das ganz darauf ankommt, wie man seine Schwerpunkte legt und welche Interessen man hat, denn die Auswahl ist groß. Da fällt es mir manchmal schwer, mich festzulegen und ich probiere noch einiges aus. Wenn alle Stricke reißen, bleibt mir aber natürlich noch die Option Taxi fahren. Meine Zukunft ist also, auch wenn mein Studium mich nicht automatisch zu einem bestimmten Beruf führt, kein Grund zur Sorge. Kleinere Existenzkrisen einmal ausgenommen. »Na, wenn das so ist.« Sie lacht und scheint sich mit meinen Antworten zufrieden zu geben. Zumindest lässt sie sich keine weitere Ratlosigkeit anmerken. Ich lehne mich gedanklich entspannt zurück, denn wieder einmal habe ich es geschafft, den Fragenparcours zu meinem Studium einigermaßen elegant zu meistern. Es ist also an der Zeit, sich anderen Themen als der persönlichen Karriereplanung zu widmen. Ich frage sie also: »Hey, weißt du noch damals, als wir im Unterricht…?«

Über das studentische Engagement an der Fakultät und die Vielzahl der Möglichkeiten Sarah Dröge Innerhalb der ersten Wochen meines Studiums an der Fakultät für Soziologie in Bielefeld prasselten eine Menge von Eindrücken auf mich ein. Neben dem mir noch nicht vertrauten universitären Betrieb und den fremden Räumlichkeiten, erschien es mir zunächst als eine Herausforderung, mich innerhalb der neuen Strukturen zurecht zu finden. Ich empfand die gebotenen Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung daher beinahe schon als ein Überangebot. Wie sollte es mir gelingen, meinen persönlichen Gestaltungsspielraum neben dem fachlichen Studium bestmöglich zu nutzen? Es war mir von vornherein ein Anliegen, mich über mein Studium hinaus zu engagieren. Allerdings wusste ich zuerst nicht, für welche der vielfältigen Möglichkeiten, die den Studierenden an der Universität und mir an der Fakultät für Soziologie geboten werden, ich mich entscheiden sollte. Neben allerlei Hochschulgruppen, beinahe täglich stattfindenden Vorträgen und Diskussionen oder Gremien wie dem Studierendenparlament, wurde ich durch die Einführungswoche auf die Arbeit der Fachschaften aufmerksam. Dank der von ihnen veranstalteten Einführungswoche und der angebotenen Fahrt für Erstsemester wurde ein entscheidender Beitrag zum Knüpfen von neuen Kontakten und vor allem zum Einfinden in die unbekannten Strukturen geleistet. Bei möglichen Unsicherheiten oder offenen Fragen haben wir viel Unterstützung und Hilfsbereitschaft von Fachschaftlern und anderen Studierenden aus höheren Fachsemestern erfahren. Nachdem wir zu einer Evaluation der Einführungswoche von den Fachschaften eingeladen wurden, stolperte ich – schneller als erwartet und ungeplant – selbst mitten in die Fachschaftsarbeit hinein. Binnen kurzer Zeit wurde mir klar, dass hinter der Fachschaft wesentlich mehr als die Erstsemesterarbeit steckt. Die vielen mir noch unbekannten Abkürzungen für Gremien, in denen die Fachschaft darum bemüht ist, die Anliegen der Studierenden zu vertreten, sorgten vorerst für große Verwirrung. Wie kann ich Einblicke in das Mitwirken innerhalb der GleiKo, FaKo oder in die jeweiligen Arbeitsbereiche erhalten und mich einbringen? Achso, Ihnen ergeht es wahrscheinlich wie mir zu Be-

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Sarah Dröge

ginn der Fachschaftsarbeit – deshalb erläutere ich nachfolgend die genannten Abkürzungen. Durch regelmäßige Besuche der wöchentlich stattfindenden Sitzungen der Fachschaft ordneten sich für mich allmählich die Begriffe und ich begann ein tiefergehendes Verständnis für die Fachschaftsarbeit zu entwickeln und in die entsprechenden Aufgaben hineinzuwachsen. Neben der studentischen Vertretung innerhalb der Gremien wie der Gleichstellungskommission oder der Fakultätskonferenz fällt stets allerlei weitere Organisation, wie etwa für das Programm der Lesewoche oder für gemeinsame Klausurenlerntage, an. Indem ich mich an der Durchführung dieser Angebote beteiligte, fühlte ich mich relativ schnell eingebunden. Da ich außerdem für zwei Semester in die Fakultätskonferenz gewählt wurde, konnte ich als Vertretung der Studierendenschaft aktiv Einfluss auf die dortige Entscheidungsfindung nehmen. Dadurch erlangte ich über den universitären Alltag als Studierende hinaus einen Blick hinter die Kulissen. Dieser verdeutlichte mir, von welch hoher Bedeutung beispielsweise informelle Gespräche mit Mitgliedern und Angestellten der Fakultät sind. Es ist durchaus von Nutzen, auch außerhalb der Gremien entsprechende Kontakte zu den Mitarbeitern der Fakultät zu pflegen. Das sonstige Engagement reicht ebenfalls weit über die formalen Termine hinaus. So hat sich innerhalb der Fachschaft eine Arbeitsgruppe zur Durchführung einer Vortragsreihe gebildet, welche uns abermals eine neue Möglichkeit zur Gestaltung der Rahmenbedingungen geboten hat. Im Gegensatz zu Seminaren konnten wir dort persönliche Präferenzen miteinfließen lassen, selbstständig über die vorgetragenen Inhalte abstimmen und entsprechende Dozierende auswählen. Aber nicht nur das – über die Ernsthaftigkeit hinaus bleibt immerzu auch genügend Raum für Geselligkeit und gelegentlich auch zum Feiern. Meistens richten die Fachschaften daher sowohl zu Beginn als auch zum Ende des jeweiligen Semesters Partys aus, um gemeinsam mit Freunden und Kommilitonen Nächte zu verbringen, die allen Beteiligten in Erinnerung bleiben. Natürlich funktioniert der Ablauf der Partys nicht immer reibungslos – von verpassten Thekenschichten bis hin zu fehlendem Sicherheitspersonal sind in der Durchführung die einen oder anderen Komplikationen aufgetreten. Diese ließen sich jedoch stets mithilfe von Improvisationstalent und dem Zusammenhalt der Gruppe ausbügeln. Die aus solchen Partys und gemeinsamen Erlebnissen entstandenen Freundschaften bewähren sich erfahrungsgemäß auch weit über die Fachschaftsarbeit hinaus. Wie ist es mir nun letztlich gelungen, die Komplexität meiner Möglichkeiten zu reduzieren? Wohl ein Stück weit, indem sich die Fachschaft im Anschluss an die Einführungswoche als eine erste Anlaufstelle und als direkte Gelegenheit zum Mitwirken innerhalb der Fakultät für Soziologie erwiesen hat. Tatsächlich wurde mir die Komplexitätsreduktion gewissermaßen durch das Hineinwachsen in die Fachschaftsarbeit abgenommen. Anstatt rational die unterschiedlichen Möglichkeiten gegeneinander abzuwägen, hat sich der Ent-

Über das studentische Engagement an der Fakultät

scheidungsprozess für die Fachschaftsarbeit zunächst mehr oder weniger von allein ergeben. Mittlerweile sehe ich die universitären Strukturen weniger als eine Herausforderung, sondern viel mehr als Bereicherung an. Durch meine bisherigen Erfahrungen bin ich gelassener geworden. Diese Gelassenheit bezieht sich auch auf die Vielzahl der Möglichkeiten. Selbstverständlich kann ich nicht Teil jeder noch so interessant klingenden Gruppierung sein. Aber ich verfüge über die Freiheit, jederzeit zwischen den Angeboten wählen und mich dementsprechend einbringen zu können. Mit der Zeit habe ich gelernt, die Angebote nach meinen Interessen zu filtern. Gewissermaßen sehe ich durch meine Erfahrungen die Fakultät für Soziologie als einen Rahmen, der mir die Möglichkeit bietet, mich in meiner Lebenswelt und auf meine Weise zu entfalten. Die Fachschaft ist exemplarisch als nur eine der vielfältigen Facetten zu nennen. Sicherlich hat sie mir, besonders anfänglich, dabei geholfen, mich zu vernetzen, meine Teamfähigkeit weiter auszubauen und durch das dortige Engagement jenseits der Studieninhalte zu lernen. Letzteres ist neben den steigenden Anforderungen an die Studierenden und einem zunehmenden Arbeitspensum nicht außer Acht zu lassen. Aus diesem Grund nehme ich die Verzögerung meines angestrebten Abschlusses, die durch den zusätzlichen Zeitaufwand entsteht, gern in Kauf. Schließlich veranschaulicht mein persönlicher Prozess, dass die Universität wesentlich mehr als eine Lernfabrik ist. Das universitäre Lehrangebot steht zwar im Vordergrund für die meisten Studierenden – darüber hinaus gibt es jedoch so viel mehr zu entdecken und unzählige Gelegenheiten, um innerhalb des Studiums aus dem Vollen zu schöpfen. Denn die Zeit während des Studiums ist, neben dem Erlernen und der Generierung von neuem Wissen, maßgeblich formend für den Prozess der eigenen Persönlichkeitsentwicklung.

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»Wie sozial sind Soziolog*innen?« Soziologie – nur ein anderer Begriff für Soziale Arbeit? Aline Garcia Alba In meinem Alltag als Soziologiestudentin habe ich die Erfahrung gemacht, dass mein Studienfach und auch mein Interesse daran oftmals missverstanden und falsch gedeutet werden. Aber wer von uns kennt das nicht? Wenn ich zum Beispiel mit Bekannten aus meiner Heimat oder auch mit meiner Familie über mein Studium rede, wird oft gedacht oder erwartet, dass meine Kommiliton*innen und ich sehr soziale und gesellige Menschen sind. Sie nehmen an, dass wenn das Wort »sozial« im Fach steckt, die Menschen, die damit zu tun haben, dann ja auch so sein müssen. Aber sind wir das tatsächlich? Um ehrlich zu sein wissen die meisten, mich früher eingeschlossen, gar nicht, was Soziologie überhaupt ist, womit sie sich beschäftigt und wofür das »sozial« in Soziologie steckt. Mir hat sich also irgendwann die Frage gestellt, wie »sozial« wir Soziolog*innen eigentlich sind und was das überhaupt bedeutet. Die Soziologie ist eine vergleichsweise recht junge Wissenschaft, weswegen sie in der Allgemeinheit bisher nicht so bekannt und anerkannt ist wie zum Beispiel die Naturwissenschaften. Viele kennen sie und ihre Grundsätze einfach noch nicht. Wie die meisten allerdings vermuten, beschäftigen wir Soziolog*innen uns tatsächlich mit dem Begriff »sozial« und benutzen ihn relativ häufig in der Forschung. Allerdings deuten wir diesen Begriff nicht so wie viele Nicht-Soziolog*innen das tun würden. Bei der Beantwortung der Frage wie »sozial« die Soziolog*innen sind muss man also beachten, dass es einen gewissen Bedeutungsunterschied zwischen dem alltagssprachlich verwendeten und dem im soziologischen Kontext verwendeten Begriff gibt. Diese Trennung mag vielleicht auf den ersten Blick seltsam und ungewohnt wirken, ist aber notwendig, wenn man soziale Verhaltensweisen wissenschaftlich untersucht.

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Aline Garcia Alba

W as heisst hier überhaup t » sozial«? Im alltagssprachlichen Sinne ist dieser Begriff sehr positiv konnotiert und umfasst mitfühlendes, freundliches, kommunikatives und uneigennütziges Verhalten. Im Gegensatz dazu beschreibt der soziologische Begriff das interaktive Verhalten von Menschen innerhalb von Gesellschaften und soll möglichst wertfrei verwendet werden. Wie die meisten von den Student*innen dieses Faches war ich in einer Einführungsveranstaltung zunächst ziemlich irritiert, als behauptet wurde: »Eine Vergewaltigung kann im soziologischen Sinne genauso sozial sein wie ein Gespräch unter Freunden.« Aber, wie viele wissen, man gewöhnt sich recht schnell daran, die zwei Verwendungsweisen des Wortes »sozial« und ihre Bedeutungen zu trennen. Der Unterschied der zwei Begriffe liegt daher in der Wertung. Während die Soziolog*innen ihn relativ neutral benutzen, wird er im Volksmund eher wertend verwendet.

W ie sozial sind denn nun die S oziolog*innen ? Wenn ich also im Hinterkopf diese zwei Definitionen behalte, um Soziolog*innen zu beschreiben, würde ich aus Erfahrung sagen, dass wir sowohl sozial als auch unsozial1 handeln. Warum? Ganz einfach. Diese Einschätzung beruht wohl auf dem Vergleich, den ich zwischen meinem Hauptfach Soziologie und meinem Nebenfach an einer anderen Fakultät 2 ziehe. Wenn man die Frage des Sozial-seins der Soziolog*innen auf alltagssprachlicher Ebene betrachtet, empfinde ich die meisten Soziolog*innen (sowohl Studierende als auch Dozierende) als sehr sozial. Ich behaupte sie sind zum Großteil freundlich, offen, tolerant und hilfsbereit. Dozent*innen und Student*innen haben mir bis jetzt bei jedem Problem geholfen und gemeinsam mit mir für alles eine Lösung gefunden. Negative Erfahrungen habe ich in dieser Fakultät wirklich noch nie gemacht – ganz im Gegenteil. In meinem Nebenfach dagegen habe ich diesbezüglich eher schlechte Erfahrungen gemacht. Natürlich gab es hier auch positive Erlebnisse mit Studierenden und Dozierenden dieses Faches, aber für den Vergleich nenne ich zunächst meine negativen Erlebnisse: Meine EMails wurden teilweise weder von Dozent*innen noch von Kommiliton*innen beantwortet, auf Gespräche sowie sachliche Diskussionen in Seminaren wurde pampig und herablassend reagiert oder Klausuren wurden nicht rechtzeitig vor dem Zweittermin korrigiert. Im alltagssprachlichen Sinne würde man hierzu sagen: Es wurde unsozial gehandelt.

1 | Den Begriff »unsozial« benutze ich deshalb, weil »asozial« ein sehr negativ konnotierter Begriff ist und mir hier nicht passend erscheint. 2 | Den Namen der Fakultät nenne ich an dieser Stelle absichtlich nicht, um niemanden persönlich anzugreifen.

»Wie sozial sind Soziolog*innen?«

Aus soziologischer Sicht empfinde ich das Studentenleben an der Fakultät Soziologie im Vergleich zu der Fakultät meines Nebenfachs eher unsozial, also weniger gesellig und interaktiv. Zwar beschäftigen wir uns innerhalb der Seminare größtenteils mit Diskussionen im Plenum, dennoch ist unser restliches Studium tendenziell geprägt von Einzelarbeiten. So müssen wir als Studien- und Prüfungsleistungen Exzerpte, Essays, Hausarbeiten und ähnliches verfassen während in anderen Fächern regelmäßige Gruppenabgaben und -präsentationen den Studienalltag bestimmen. Daher kommt es meiner Erfahrung nach in der Soziologie nicht so schnell und häufig dazu, dass sich Freundeskreise bilden, die das ganze Studium über halten. Mir ist ebenso aufgefallen, dass die meisten Soziologie-Student*innen eher Einzelgänger*innen sind. Zum Teil mag das auch daran liegen, dass dieser Studiengang sehr groß ist und man durch ein sehr vielfältiges Angebot an Seminaren ständig andere Leute um sich herum hat. Andererseits aber auch, weil Gruppenarbeiten bei uns als eher sehr unbeliebt und lästig gelten. So kennt man sich zwar untereinander aber lernt sich nie wirklich kennen und bildet auch seltener Freundschaften. Resümierend kann ich also sagen, dass Soziolog*innen im Gegensatz zu Student*innen und Dozent*innen anderer Fächer in meiner Einschätzung sowohl sozialer als auch unsozialer sind. Sie sind auffällig tolerant und hilfsbereit, oft aber auch allein unterwegs.

A chtung! Das Ganze soll allerdings nicht heißen, dass alle die Soziologie studieren, lehren oder sonst wie betreiben, verdammt dazu sind, allein zu sein und keine Freunde zu haben. Es gestaltet sich im Studienalltag nur etwas schwieriger als in anderen Fachbereichen. So gibt es viele Möglichkeiten sich in Hochschulgruppen wie der Redaktion der sozusagen oder in die Fachschaft zu integrieren und dort neue Leute kennenzulernen. Außerdem kann die Vermeidung von Gruppenarbeiten als Studien- oder Prüfungsleistungen auch von Vorteil sein. So empfinde ich mich produktiver und konzentrierter, wenn ich mich alleine mit einem Thema für meine nächste Hausarbeit beschäftige. Was möchte ich damit eigentlich genau sagen? Wir Soziolog*innen sind anständige, nette und hilfsbereite Leute, die vielleicht nur ab und zu etwas Hilfe dabei brauchen, Anschluss zu finden.

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Die Fakultät für Soziologie als zweites Zuhause Zwischen Vertrautheit und Distanzierung Alina Marie Gülle Zum ersten Mal in meinem Leben gibt es für mich zwei Orte, die ich als Zuhause bezeichne. Man kann sich durchaus bei Freunden zuhause fühlen. Oder bei den Großeltern. Aber nein. Ich besitze ein zweites Zuhause, in dem ich mindestens genau so viel Zeit verbringe, wie in meiner eigentlichen Wohnung – eben meinem primären Zuhause. Ein zweites Zuhause, dass für mich eine ebenso starke Bedeutsamkeit besitzt. Und dieser zweite Ort, an dem ich mich heimisch fühle, ist die Fakultät für Soziologie. Ich selbst habe mit meinem Studium begonnen als die Fakultät für Soziologie gerade in das X-Gebäude gezogen war. Einigen mag dieses Gebäude vielleicht noch unter dem aussagekräftigen Namen »ENUS« (Ersatzneubau Universitätsstraße) in Erinnerung geblieben sein. Erbaut wurde es zu dem Zweck, Raum für notwendige Sanierungsmaßnahmen im Hauptgebäude der Universität zu schaffen. Und eben dieses im Jahr 2014 fertiggestellte Gebäude sollte in den kommenden Jahren auch die Fakultät für Soziologie beherbergen. Und da schon von Beginn an viele meiner Veranstaltungen eben dort stattfanden, habe ich mich sehr schnell an diesen Ort gewöhnt. Denn, was braucht man abgesehen von seinen Kommiliton*innen, seinen Seminaren und Veranstaltungen noch? Richtig – etwas zu essen. Und da sich sowohl die Mensa als auch eine Cafeteria und die Kaffeebar »Ins Grüne« direkt in meinem liebgewonnenen Gebäude befanden, stellte ich mir die Frage »Wieso überhaupt noch wo anders hingehen?«. So schuf ich mir meine eigene kleine Welt, in der sonst so großen und ziemlich einschüchternden Welt der Universität. Und da ich mich selbst schon gerne als (angehende) Soziologin bezeichne (zum Verständnis: Ich erarbeite mir gerade meinen Mastergrad), weiß ich natürlich auch, dass so eine Komplexitätsreduktion eine ganz normale Reaktion ist und durchaus Sinn macht. Relativ schnell kristallisierte sich bei mir ein strukturierter Tagesablauf heraus: Am Morgen betrat ich das Gebäude, kaufte mir in der Cafeteria ein Brötchen, besuchte Seminare, aß bei Zeiten zu Mittag, besuchte weitere Seminare oder verbrachte Zeit in der Bibliothek und verließ die Universität wieder um

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heim zu fahren. Unterbrochen wurde dieser Rhythmus lediglich von Tagen, an denen ich jobbte, oder von Tagen, an denen ich tatsächlich das Hauptgebäude der Universität aufsuchen musste, um Vorlesungen zu lauschen. Im November 2017 wurde dieser Ablauf dann durchbrochen – nur damit er sich danach noch stärker, wenn auch verändert, manifestieren konnte. Ich erhielt eine Anstellung als studentische Hilfskraft am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung. Und dies liegt – wie könnte es anders sein – im X-Gebäude in direkter Nähe der Fakultät für Soziologie. Ich musste mich nun also nicht einmal mehr für meine Erwerbstätigkeit aus meiner kleinen, liebgewonnenen Welt hinaus begeben. Ab diesem Zeitpunkt verbrachte ich an manchen Tagen weitaus mehr Zeit im X-Gebäude als in meinem eigentlichen Zuhause. Ich studierte dort und ich aß dort. Ich traf mich in der Fakultät für Soziologie mit Freunden, mit Referatsgruppen, ich informierte mich dort und suchte dort Rat. Und nun arbeitete ich auch dort. Sogar meine Pausen verbrachte ich auf den Fluren der Fakultät. Ein eingespielter und gut funktionierender Alltag hat eben auch sein Gutes. Aber wenn man feststellt (und es hat erstaunlich lange gedauert, bis dies der Fall war), dass man sich seit Wochen jeden Tag dasselbe Brötchen kauft, dann ist es an der Zeit etwas zu verändern! Einen gewissen Anteil an Variation verdankte ich glücklicherweise meiner neuen Beschäftigung als studentische Hilfskraft. Hier konnte ich sicher sein, dass mich in regelmäßigen Abständen neue Aufgaben erwarten würden. Somit waren zumindest meine Arbeitstage inhaltlich immer abwechslungsreich, auch wenn mir nun ein Wechsel meines Umfeldes verwehrt blieb. Aber solch eine Position als studentische Hilfskraft bringt durchaus weitere Besonderheiten mit sich, abgesehen davon, dass man nun sein ganzes Leben in der Universität zu verbringen scheint. Morgens auf dem Flur des Instituts begrüße ich den lieben Herrn Professor Zick mit einem lockeren »Hallöchen!«, ich schreibe ihn in einer E-Mail mit »Hallo Andreas« an, doch wenn man sich dann im Rahmen einer Vorlesung begegnet – ja, wie spricht man sich dann eigentlich an? Da wurde ich doch schon von der/dem einen oder anderen Kommilitonin/ Kommilitonen erschrocken angeguckt und ungläubig gefragt: »Was, du bist mit ihm per du?!« Ähnlich verhält es sich bei der Frage, ob und wie man, auch neben der Arbeitszeit, Kontakt zu seinen Kolleg*innen suchen sollte. Persönlichere Kontakte können durchaus positiv und bereichernd sein. Aber wie verhält es sich mit Personen, die im universitären Alltag aufgrund ihres akademischen Grades und ihres beruflichen Status her weit über einem stehen? Wenn deren Qualifikationen quasi unerreichbar scheinen? Was mache ich denn, wenn sie dann nur über wissenschaftliche Erkenntnisse fachsimpeln? Oder – oh Gott – wenn ich auf eine/n der Wissenschaftler*innen stoße, die/der nur Englisch spricht? Und dann auch noch auf Englisch fachsimpeln? Nein, dann meidet man lieber das Feierabendbier. Aber auch hier habe ich mit der Zeit erkannt, so schwierig, wie man es sich zu Beginn vorstellt, ist alles gar nicht. Wenn man

Die Fakultät für Soziologie als zweites Zuhause

eines Tages hört, dass sich Wissenschaftler*innen zusammen mit Hilfskräften über die besten Computerspiele austauschen, oder darüber diskutieren, welches alkoholische Getränk denn wohl am besten schmecke, dann wagt man sich doch mal aus dem Mauseloch und schnuppert die süße Luft des unbeschwerten Austausches. Zudem bietet mir das Institut seitdem auch immer eine gute Fluchtmöglichkeit. Wenn das Sitzungsthema für das anstehende Seminar doch zu uninteressant erscheint, ich aber selbst kein schlechtes Gewissen haben möchte, na dann gehe ich viel lieber noch für zwei Stunden in das Büro. So wird die Zeit sinnvoll genutzt und ich habe für Professor*innen und Dozent*innen immer eine akzeptable Ausrede parat. Außerdem konnte mir die Anstellung als studentische Hilfskraft ganz neue Perspektiven eröffnen, die mir im Alltag als Studentin verwehrt geblieben wären. So ist es mir möglich an internen Sitzungen teilzunehmen und somit einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Und ebenso erhielt ich schon oft die Chance die Bekanntschaft von Wissenschaftler*innen anderer Universität zu machen und Einblicke in interessante Projekte zu erhalten. Trotz der vielen Vorteile (und die bringt eine Anstellung als studentische Hilfskraft auf alle Fälle mit sich), kann man nicht leugnen, dass es einen auch einiges kosten kann. Ich selbst habe recht schnell bemerkt, dass ich meinen Tag sehr gerne in der Fakultät für Soziologie verbringe, nach getaner Arbeit, unabhängig davon, ob am Institut oder in Seminaren, aber auch eine schnelle Distanz schaffen wollte. Denn nach acht oder neun Stunden möchte man doch auch gerne wieder etwas anderes sehen. Und so kam es, dass ich viele interessante Veranstaltungen und Begegnungen willentlich verpasste. Während Kommiliton*innen ihre Abendstunden noch gerne auf dem Campus verbrachten oder Gastvorträgen lauschten, wollte ich, so lieb ich meine Lebenswelt Universität auch gewonnen hatte, nur Abstand zwischen mich und das X-Gebäude bringen. Ich spreche an diesem Punkt bewusst in der Vergangenheitsform, denn ich habe für mich einen Weg gefunden, mit dem ich mir das Beste aus meinen beiden Welten als Studentin auf der einen, und als studentische Hilfskraft auf der anderen Seite, herausholen und miteinander verbinden kann. Ich persönlich glaube, dass man dem Alltag ab und zu die Stirn bieten sollte. Dann probiere ich mich in der Cafeteria einfach mal durch und wage mich langsam von dem einen zu dem anderen Brötchen vor. Und ich gehe am Abend im Anschluss an einen langen Tag in der Universität noch zu einer Veranstaltung, die mich interessiert. Und im Nachhinein hat man ein gutes Gefühl und muss sich selbst nicht vorhalten, dass man vermutlich wieder etwas sehr Bereicherndes an sich vorbeiziehen lassen hat. Man kann also definitiv festhalten, dass einem als studentische Hilfskraft, mit der Fakultät für Soziologie als Zuhause, schon viele Sachen entgehen können, man aber im Gegenzug mindestens genauso viele Dinge mitbekommt, die wiederum anderen entgehen. An dem Punkt, an dem man die besten As-

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pekte beider Welten für sich erkennt, kann man anfangen, diese miteinander zu verbinden. Vermutlich gibt es keine Patentlösung für das Problem der Vertrautheit auf der einen, und der Distanzierung auf der anderen Seite. Aber ich bin mir sicher, dass man einen guten Weg einschlägt, wenn man sich immer wieder neuen Eindrücken aussetzt und den Alltag mit seinen eingefahrenen Strukturen nicht zu übermächtig werden lässt. Und mal sehen, vielleicht hole ich mir morgen doch auch mal wieder ein anderes Brötchen in der Cafeteria und setze mich in meine liebgewonnene Fakultät.

Der fremde Soziologiestudent, der blieb Lukas Lebert

Zum ersten Mal betrat ich das Hauptgebäude der Universität Bielefeld im Jahr 2016. Die Halle erinnerte mich eher an die eines Bahnhofs – wie ich später erfuhr, entsprach die Größe der Halle dem Umfang des Lehrangebots der Fakultät für Soziologie. Der Soziologe Alfred Schütz beschrieb meinen Zustand treffend als die »Erschütterung des Vertrauens des Fremden in die Gültigkeit seines habituellen ›Denken-wie-üblich‹« (Schütz 1972: 62). Mit den Veränderungen in meinem Umfeld musste ich erstmal zurechtkommen. Denn weder Hauptgebäude noch jene soziologische Artenvielfalt existierten an der Universität in Erlangen, an der ich anderthalb Jahre vorher bereits mein Soziologiestudium begann. Im Erlanger Institut für Soziologie war ich mit den üblichen Abläufen vertraut, fühlte mich heimisch und wusste wie die Dozenten und Studenten »ticken«. In der Stadt Bielefeld, wie auch an der Fakultät für Soziologie an der Bielefelder Universität, war ich allerdings wieder ein Fremder und den universitären Fahrplan kannte ich ebenfalls noch nicht. Laut Schütz ist ein Fremder ein Erwachsener der gegenwärtigen Zeit und Zivilisation, der von der Gruppe, der er sich nähert, dauerhaft akzeptiert werden möchte (Schütz 1972: 53). Beides traf auf mich zu. Ich hatte keine Ahnung, wie formale Dinge an der Universität Bielefeld ablaufen. Keine Ahnung, wo die Seminarräume waren und keine Ahnung, wie ich die Module belegen sollte. Ich wollte mich diesem ganzen Prozedere zwar annähern und es geistig adaptieren – vor allem musste ich es aber, um mich dauerhaft in der Fakultät zu integrieren.

D enken nach R ezep t und meine persönliche K risis Natürlich gab es auch an der Universität Erlangen Organisations-, Medien-, Arbeits-, Wirtschaftssoziologie sowie Gender Studies – allerdings nur vereinzelt. Außerdem war die Auswahl von Seminaren für die einzelnen Fachbereiche weniger umfangreich. Ich kam von einem Tante Emma Laden der Soziologie in eine soziologische Shopping Mall, in der ich mich erst zurecht und die für

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meine Studienrichtung passenden Geschäfte finden musste. Zudem musste ich mich mit neuen Räumlichkeiten auseinandersetzen. Mir erschien alles unbekannt und es war ungewiss, ob mein Handeln zu den Resultaten führen würde, die ich beabsichtigte. Ich wurde von einer universitären »Krisis« (Schütz 1972: 59) durchdrungen. Eine solche Krisis entsteht, sobald das bis dato universitäre »Rezeptbuch« für zielführende Handlungen in der jeweiligen sozialen Situation nicht mehr greift. Diese Rezepte entwickelt ein/e jede/r von uns auf Basis ihres/seines Wissens über ihre/seine sinnvollen Handlungsmöglichkeiten in der jeweiligen Situation. Der fruchtbare Handlungsbereich für die spezifische soziale Situation ist nun wiederum gerahmt durch die »Zivilisationsmuster des Gruppenlebens« (Schütz 1972: 54). Zu diesen Mustern gehören kollektive Werte wie übliche Gewohnheiten, Bräuche, Benimmregeln und Sitten des jeweiligen sozialen Gefüges. Dieses Wissen über die Zivilisationsmuster ist allerdings lediglich den »Mitgliedern der in-group« (Schütz 1972: 57) vorbehalten. Sofern eine Person bereits Mitglied einer sozialen Gruppe ist, muss sie sich nicht weiter gedanklich mit ihren Handlungsabfolgen auseinandersetzen, denn die Abläufe sind bereits bekannt und wurden verinnerlicht. Es wird daher auch als »Denken-wie-üblich« bezeichnet. Ich war mit meiner alten Universität vertraut und hatte die Zivilisationsmuster dieser in-group, sprich des Institutes, verinnerlicht – welche Kurse und Vorlesungen muss ich wo belegen, um für welche Leistung eine Note und Creditpoints zu erhalten? Nicht so aber in Bielefeld. Die Zivilisations- und Kulturmuster, die ich an meiner alten Universität erlernt hatte, versuchte ich zwar in neuem universitären Kontext wieder aufzugreifen, allerdings erwiesen sich diese schnell als ungeeignet, denn das Auf bausystem des Bachelorstudienganges war gänzlich anders. Auch der Begriff »Studienleistung«, anstatt einer schlichten, aber allumfassenden Note war Neuland für mich und von mehr als drei Versuchen für eine Prüfung ohne Exmatrikulation hatte ich in Erlangen ebenfalls noch nie gehört – ganz abgesehen von dem fulminanten Angebot der Fachrichtungen, das mich überwältigte. Aufgrund dieser Umstände funktionierten meine eingelebten Denkgewohnheiten für ein reibungsloses Universitätsleben nicht mehr – die Krisis kam. Die neuen Zivilisations- und Kulturmuster musste ich erst durch die entsprechenden Handlungen erlernen, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Die Muster der Fakultät für Soziologie waren für mich, anders als für die bereits integrierten Studenten/innen, kein Schutz. Die Kommilitonen/innen konnten ihre Handlungsentscheidungen für das Studium bereits anhand der Muster orientieren. Für mich waren sie vielmehr eine Herausforderung, der ich mich stellen musste.

Der fremde Soziologiestudent, der blieb

E rstmal A nnähern , dann A ssimilieren Ich musste die Zivilisationsmuster der Fakultät übernehmen, um mich zurechtzufinden. Vor der sozialen Assimilation stand daher erstmal die Annäherung an diese Muster auf der Agenda. Der erste Schritt war dabei eine Art »Übersetzung« der Bielefelder Zivilisationsmuster in meine alten: Welches Erlanger Modul entspricht welchem aus Bielefeld? Ich begann die Abläufe der Fakultät in Bielefeld allmählich zu verstehen und fing an, Routinen zu erlernen: Welche Wege führen zu den entsprechenden Räumen? Was ist in den Seminaren besonders wichtig und wie können Studenten sich gegenseitig unterstützen? Doch auch nach dieser Übersetzung und einem Zugewinn an neuem Wissen über die Abläufe waren mir die Zivilisationsmuster zwar »dann zur Hand, aber noch nicht in der Hand« (Schütz 1972: 63). Gut Ding braucht Weile, auch beim Erlernen von formalen und informalen Prozessen an einer neuen Universität. In gewisser Weise ähnelte die Adaption der Zivilisations- und Kulturmuster dem Aneignen einer neuen Sprache. Passives Verstehen ist der Anfang, jedoch benötigt der Mensch für einen flüssigen Umgang des Eingeübten eine aktive Benutzung. Denn jede auch noch so kleine soziale Gruppe hat einen eigenen Verhaltenscode, der lediglich von denjenigen verstanden wird, welche eine gemeinsame Vergangenheit haben – sich also bereits länger im Umfeld der Fakultät für Soziologie befanden. Diese für mich neuen Ausdruckschemata, wie die Handhabung mit der Prüfungsordnung, die Auswahl der Seminare und ein im Vergleich zu Erlangen sehr höfliches und herzliches Miteinander unter den Studenten, waren mir neu. Den richtigen Umgang mit diesen »Codes« musste ich erst erlernen und später üben. Die Verhaltensweisen sollten nur noch halb bewusst und eher automatisch ablaufen – eben Denken-wie-üblich oder, wie man es auch nennen könnte, »Denken-ohne-nachzudenken«. Und ich wollte nicht länger darüber nachdenken müssen, wie ich die Kurse für welche Module zu belegen habe. Was ich wollte war ein routinierter Umgang mit meinen akademischen Aufgaben. Denn erst nach erfolgreicher Assimilation wäre ich nicht länger der fremde Soziologiestudent, der bleiben wollte, sondern ein Soziologiestudent an der Fakultät für Soziologie in Bielefeld und Mitglied der »in-group«. Ab diesem Augenblick würde ich mich nicht länger den neuen Mustern annähern müssen, sondern hätte sie durch meine kontinuierliche Wiederholung von Untersuchung und Annäherung in meinen eigenen Habitus implementiert (Schütz 1972: 63ff).

G eglück te A ssimil ation Schlussendlich gelang mir die Annäherung und die dadurch mögliche Assimilation. Insbesondere durch die Hilfe meiner Kommilitonen/innen und im Austausch in den Kursen übernahm ich mehr und mehr die Routinen, die

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für die akademische Arbeit an der Bielefelder Fakultät für Soziologie relevant sind. Es dauerte zwei Semester, bis ich mich an die soziologische Artenvielfalt gewöhnt und die formalen Abläufe, wie das Finden der passenden Seminare für die entsprechenden Module, verinnerlicht hatte und einen Überblick über die große Auswahl gewann. Inzwischen studiere ich im siebten Semester im Bachelorstudiengang Soziologie an meiner Fakultät und stehe kurz vor dem Abschluss. Ich fühle mich nicht mehr fremd an der Bielefelder Universität, sondern wie ein Mitglied der Fakultät für Soziologie, das am akademischen Treiben mitwirkt. Auch wenn es sich anfangs in gewisser Weise überfordernd anfühlte, war es dennoch eine gute Entscheidung.

L iter atur Schütz, Alfred (1972): Gesammelte Aufsätze II. Studien zur soziologischen Theorie, Martinus Nijhoff: Den Haag.

Tja, dann werde ich halt Taxifahrer*in Bewältigungsstrategien gegen Zweifel, Zukunftsängste und Unsicherheiten im Soziologiestudium Tamara Tietz

Liebe*r Kommilitone*in, wer kennt es nicht? Es ist Sonntagnachmittag und du schleppst dich unmotiviert zum Familientreffen. Zu allem Übel kommt deine Tante wieder einmal auf dein Studium zu sprechen. »Na, wie läuft es denn in der Uni?« »Ja, ganz gut soweit.« Du greifst nach deiner Kaffeetasse und nimmst einen großen Schluck. Sie lässt trotzdem nicht locker und hakt nach. »Also, dann erzähl doch mal, was macht man mit Soziologie.« In deinem Kopf rattert es. Sollst du vortäuschen, dich an dem Kaffee verschluckt zu haben und einen Hustenanfall simulieren? Könnte nicht einfach jetzt, genau in dieser Minute, eine Freundin anrufen, deren wichtigen Anruf du sofort und auf der Stelle annehmen musst? Eine gewisse Ratlosigkeit, wenn nicht sogar das erste Anzeichen einer Panikattacke, macht sich bei dir breit. Du, mein*e liebe*r Kommilitone*in, und ich, wir führen solche Konversationen nicht zum ersten Mal. Dennoch ändert diese Tatsache nichts daran, dass wir solche Situationen liebend gerne umgehen wollen. Was soll man denn auf die gefürchtete Berufsfrage antworten, wenn man selbst nicht so recht weiß, wie es um die eigenen Berufsaussichten steht? Um die Unsicherheit zu überspielen, murmelst du ein gequält humorvolles »Tja, dann werde ich halt Taxifahrer*in« in die Runde. Eigentlich würdest du aber lieber eine zufriedenstellende Antwort parat haben und die versammelte Verwandtschaft nicht nur kurzfristig mit dem scheinbar kecken Spruch abspeisen. Mit diesen Situationen, in denen die Unsicherheit und die Zukunftsängste ganz präsent sind, bist du nicht alleine. Die Frage, was du bloß mit dem Soziologiestudium anfangen sollst, kennt jede*r von uns. Denn im Laufe des Studiums werden wir alle irgendwann einmal mit Unsicherheiten und Zukunftsängsten konfrontiert. Aber, und das ist meine wesentliche Botschaft: Sie lassen sich bewältigen. Und damit beginnt mein kleiner Ratgeber über mögliche Bewältigungsstrategien gegen Zweifel, Unsicherheiten und Zukunftsängste im Soziologiestudium.

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#0 Die Studienwahl – rückgängig machen oder nicht? Angefangen hat es mit der Studienwahl und der Wahl der entsprechenden Universität. Ist die Entscheidung erst einmal getroffen, braucht es eine Portion Mut, sich einzugestehen, dass Soziologie nichts für jede*n ist. Du kannst den Studiengang wechseln, es an einer anderen Uni versuchen, oder auch beschließen, dass dir Studieren generell keine Freude bereitet. Wenn du das Studium aber nicht komplett über Board schmeißen willst, heißt es nun, sich in die studentische Lebenswelt zu integrieren und den Studierendenalltag zu bewältigen. Da du allerdings den Jubiläumsband in den Händen hältst, schätze ich, dass du dich für die letzte Möglichkeit entschieden hast.

#1 Danke Luhmann Die Universität Bielefeld hat als einzige Uni Deutschlands, wie auch Europas, eine eigenständige Fakultät für Soziologie. Dies haben wir mitunter dem wertem Niklas Luhmann zu verdanken, der seiner Zeit neben Franz-Xaver Kaufmann, Hanns-Albert Steger, Joachim Matthes, Helmut Schelsky und Peter Christian Ludz den Gründungsmitgliedern der soziologischen Fakultät angehörte und die moderne Systemtheorie maßgeblich mitbestimmt hat. Somit werden in Bielefeld noch heute viele systemtheoretische Inhalte gelehrt und es würde nur wenige Studierende wundern, wenn vor dem X-Gebäude eines Tages eine Luhmann-Statue errichtet wird. Ob man Luhmanns Schreibstil nun verworren findet oder nicht: Zumindest ist die Verwertbarkeit des systemtheoretischen Hintergrundes für die berufliche Praxis höher als beispielsweise im Falle der Kritischen Theorie.

#2 Die ver wirrende Komplexität der Teilbereiche Als Studienanfänger kann dich die vielfältige Auswahl und das breite Spektrum des Lehrangebots einerseits verunsichern. Andererseits bietet es dir den Vorteil, möglichst viele Facetten kennen zu lernen und letztlich durch die ganzen Einblicke, die du gewonnen hast, herauszufinden, welche Themenbereiche dein Interesse geweckt haben. Daher hilft es (einem weiter), sich immer wieder bewusst zu werden, dass man nicht auf Anhieb seinen Teilbereich kennen, sondern sich erst einmal einfinden muss. Also Augen schließen und drei Mal tief durchatmen, wenn du dich mal wieder von der Komplexität überfordert fühlst.

#3 Deine Fachmodule wählen Der dritte Ratschlag ergibt sich mehr oder weniger aus dem vorangegangenen Hinweis. Probiere dich aus, solange du irgendwann in die Pötte kommst und nicht nur planlos vor dich hin studierst, sondern auch spezifische Fachmodule abschließt. Klar, wenn du die Zeit (und das Geld) hast, kannst du auch mehr

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als die geforderten Fachmodule absolvieren. Über die Regelstudienzeit lässt sich ohnehin debattieren. Aber: Du gelangst nie zum Ziel, wenn du nicht akzeptierst, dass man irgendwann einmal eine Entscheidung treffen muss, auch wenn das Modul XY vielleicht ebenfalls zu dir passen könnte. Ein mögliches Fachmodul könnte etwa den Bereich der Organisationssoziologie abdecken, durch den du letztlich auf die Idee kommen könntest, später in der Öffentlichkeitsarbeit oder der Unternehmensberatung tätig zu werden.

#4 Das Praktikum – mehr als nur das Praktikumsmodul Ja, das Praktikumsmodul ist Pflicht. Ja, das weißt du längst. Nur weil du das weißt, bedeutet es aber noch lange nicht, dass du dieses Angebot auch zu schätzen weißt. Nutze deine Chance und bewirb dich nicht bei dem nächstbesten Unternehmen, sondern suche dir etwas heraus, das dich auch wirklich interessiert. Selbst wenn sich dein Praktikum doch als Flop entpuppt, bist du nun um eine wertvolle Erfahrung reicher.

#5 Teilnahme an der Praktikumsbegleitveranstaltung Die Praktikumsbegleitveranstaltung zählt ebenfalls zu den Pflichtveranstaltungen, die jede*r Student*in absolviert. Rein theoretisch – aber die unausgesprochene Wahrheit ist, dass man im Studium selbst darüber entscheiden kann, bei welchen Veranstaltungen man sowohl physisch als auch psychisch anwesend ist. Bei der Praktikumsbegleitveranstaltung lohnt es sich jedoch, diese nicht nur halbherzig zu besuchen, sondern tatsächlich anwesend zu sein.

#6 Auf der Suche nach Erfahrungen: die Praktikumsberichte Wenn du die Praktikumsbegleitveranstaltung regelmäßig besuchst, werde ich dir keine Neuigkeit erzählen. An alle anderen, schämt euch, diese versäumt zu haben! Wenn du im Zuge der Veranstaltung nicht dazu gekommen bist, die Praktikumsberichte zu durchstöbern – und es sind wirklich viele –, solltest du schleunigst deinen Allerwertesten erheben und dich auf den Weg zum Praktikumsbüro (X C2-109) begeben. Wenn du dann ohnehin im Praktikumsbüro bist, kannst du dich dort auch beraten lassen. Die Leute beißen nicht. Trust me. Auf der Grundlage deiner ersten Interessensfindung gestaltet sich das Durchforsten der unzähligen Praktikumsberichte zielführender. Wenn du beispielsweise zuvor an einem medienwissenschaftlichen Seminar Spaß gefunden und nebenbei an der studentischen Zeitschrift sozusagen mitgearbeitet hast, könntest du etwa für den Beruf des*r Journalisten*in geboren sein. Waren die Statistik-Klausuren für dich ein Klacks, dann könnten deine Stata-Kenntnisse in der Markt- und Meinungsforschung Anwendung finden.

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#7 Sprechstunden der Dozenten*innen und Profs Auch die Dozent*innen und Professor*innen tun keiner Fliege etwas zu Leide, sofern du es nicht darauf anlegst. Daher nutze die Möglichkeit, wenn dein*e Lieblingsdozent*in oder dein*e Lieblingsprofessor*in Sprechstunden anbietet. Über das eKVV kannst du ganz unkompliziert einen Termin buchen, oder du vereinbarst einen individuellen Termin via E-Mail. Am besten jetzt sofort.

#8 Der Austausch mit Kommilitonen*innen und Fachschaftler*innen Ferner können dir die Konversationen mit deinen Kommilitonen*innen und den Fachschaftsmitgliedern zu interessanten Praktikums- und Berufsangeboten verhelfen. So erwähnte ein Bekannter beispielsweise, dass das Militär und die Polizei ebenfalls auf der Suche nach Soziolog*innen seien. Die im Studium erlernte Fähigkeit, Strukturen zu erkennen und herunterzubrechen, sei hier explizit gefordert. Solltest du hingegen der absolute Einzelgänger sein, der jegliche soziale Interaktion vermeidet, kannst du immer noch eine E-Mail an die studentische Studienberatung schicken anstatt dort persönlich aufzutauchen.

#9 Unsex y, aber immens wichtig: Eigeninitiative Eine Praktikumsbegleitveranstaltung zu besuchen oder sich mit Kommiliton*innen zu beraten, sorgt dennoch nicht für eine Erleuchtung. Es können dir diverse Hilfsangebote und Informationsveranstaltungen zu potenziellen Berufsfeldern angeboten werden, aber auch dies hilft nicht zwangsläufig weiter. Denn die Entscheidung für deine Zukunft gilt es letztlich eigenständig zu treffen. Eigenverantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen zählt zu den Tugenden, die spätestens im Verlaufe des Studiums erworben werden sollten.

#10 Alles und nichts – Mach etwas daraus! Soziologie kann alles und nichts sein. Du kannst ein breites Spektrum begutachten oder dich spezialisieren. Das liegt ganz bei dir. Mit der Entscheidung, dich nach dem Bachelor für einen Master einzuschreiben, mit dem du eine konkrete Richtung anvisieren kannst, wie beispielsweise der Master Interdisziplinäre Medienwissenschaften oder der Master Gender Studies, kannst du dich für ein spezifisches Berufsfeld qualifizieren. Du kannst aber auch über Hochschulgruppen und außeruniversitäre Aktivitäten Kontakte knüpfen, die dir später den Einstieg in die Arbeitswelt erleichtern. Dies könnte beispielsweise die Teilnahme an der UN-Simulation sein, durch die deine politische Karriere in die Wege geleitet wird. Und wenn nicht, dann hast du deine Studentenzeit

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dank außeruniversitärer Angebote nicht nur vor dem Schreibtisch verbracht, sondern auch gelebt und zu dir selbst gefunden.

#11 Arbeitsamt, ich komme Sollten alle Stricke reißen, dann kannst du dich immer noch an die Agentur für Arbeit wenden. Im Übrigen bieten diese regelmäßig in Zusammenarbeit mit dem Career-Service Informationsveranstaltungen sowie Workshops an. Also mach dich einfach mal schlau über bevorstehende Termine! Auf der Suche nach Antworten auf meine Frage, was du und ich nach unserem Soziologiestudium anfangen sollen und können, bin ich in unserer Fakultät auf diverse Hilfsangebote aufmerksam geworden, die ich nun mit dir geteilt habe. Ich hoffe also, dass dir die Ratschläge auf deinem Weg in das Berufsleben weitergeholfen haben. Ansonsten kannst du natürlich immer noch Taxi fahren. Mit einer Portion Humor und Gelassenheit findest du deinen zukünftigen Arbeitgeber auch nicht schneller, aber dafür stressfreier. Letztlich muss dein Weg auch nicht linear verlaufen, denn Umwege und Irren gehören dazu. Im Laufe des Lebens verändern sich Interessen, es ereignen sich Schicksalsschläge und ehe man sich versieht, ist doch alles anders geworden, als es ursprünglich geplant war. Daher erkläre ich meinen beruflichen Findungsprozess noch lange nicht für beendet. Dennoch war es ein amüsanter Anblick, als den Verwandten bei dem nächsten Familientreffen die Kinnladen herunterklappten, nachdem ich mein Interesse am Militär als Arbeitgeber bekundete und blutige Szenarien im fernen Osten ausmalte. Künftig werden sie also, nach dieser Abschreckmethode, weniger Einwände gegen den eingangs genannten Traumjob Taxifahrer*in erheben.

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Jenseits der Geschlechterbinarität Ein Streifzug durch die Fakultät für Soziologie Milan* Wolnik Als an der Fakultät für Soziologie studierende, sich geschlechtlich nichtbinär identifizierende Person verkörpere ich für Viele einen bislang blinden Fleck: Ich besitze universitätsintern den dritten Geschlechtseintrag – und das bereits vor der gesetzlichen Verpflichtung zu seiner bundesweiten Einführung. Dies zeigt mir, dass unsere Hochschulverwaltung gesellschaftliche Entwicklungen im Blick behält und aufgreift. Demnach stellt sie sich der aktuellen Herausforderung, mehr als zwei Geschlechter mitzudenken, auch indem sie diesen Personenkreis in die vielfaltsfreundliche Umgestaltung des Hochschulalltags miteinbezieht. So trägt sie dazu bei, die strikte Norm der Zweigeschlechtlichkeit, welche sowohl sich jenseits von ihr verortende Studierende als auch Mitarbeitende verletzt, infrage zu stellen. Zu alt zum Lernen ist unsere Universität also nicht. Als Geschlechterforscher_in begebe ich mich daher nun auf einen Streifzug durch die Fakultät für Soziologie, anhand dessen ich den Gedanken einer Dekonstruktion von Zweigeschlechtlichkeit verdeutlichen möchte. Schließlich ist es bereits mehr als zehn Jahre her, dass sich der Masterstudiengang »Gender Studies« der Soziologie angeschlossen hat. Ich beginne diesen Streifzug im Bereich der Geschlechtersoziologie. An der Bürotür einer Lehrenden haften Kärtchen mit Beispielthemen für wissenschaftliche Arbeiten. Ein Vorschlag greift alternative Geschlechtlichkeiten unmittelbar auf. Dort wird nämlich eine »Diskursanalyse zum Entscheidungsprozess und der Forderung des Bundesverfassungsgerichts zu ›Intersexualität‹ [bzw. zum] ›Dritte[n] Geschlecht im Geburtsregister‹« angeregt. Eine Tür weiter liegt das Büro für Wissenschaftliche Hilfskräfte, in dem sich auch mein Arbeitsplatz befindet. An dieser hängt ein Plakat des Arbeitskreises »Gendergerechte Hochschulen«. Der AK setzt sich für Gendergerechtigkeit im Bielefelder Hochschulkontext ein. Zu lesen sind dort unter anderem folgende Fragen: »Wie kann eine gendergerechte Hochschule aussehen?« Und: »Wie lässt sich die Studiensituation von Trans*Menschen an der Hochschule verbessern?« An der Verglasung links neben der Bürotür hat eine studentische Hilfskraft ein

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Plakat zu den »Aktionstagen für geschlechtliche und sexuelle Selbstbestimmung« angebracht. Die Aktionstage sind ein alljährlich stattfindendes, vor allem studentisch organisiertes, feministisches Event, bei dem trans*feindliches Verhalten nicht geduldet wird. Derlei Zeichen an Büroräumen spiegeln die Aktualität und Relevanz des Themas wider und signalisieren den Lesenden eine offene und akzeptierende Haltung der hier Beschäftigten. Und im Flur des Interdisziplinären Zentrums für Geschlechterforschung (IZG), welches zuvor Interdisziplinäres Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) hieß, sind weitere vielversprechende Zeichen zu erkennen: Der erste Blick fällt auf einen Info-Aufsteller des IZG, auf dem mit Verweis auf das Doktorand_innenkolleg der Gender_Gap verwendet wird. Direkt kommt mir der Gedanke »Hey, hier werden Individuen wie ich mitgedacht – und noch viel wichtiger – mitgenannt!« Diese kleine »Lücke« bedeutet mir viel, denn dadurch werden wir nichtbinäre Menschen als Zielgruppe innerhalb unserer Institution sichtbar. Ich spüre sofort eine innerliche Erleichterung, weil damit auch eine gewisse Anerkennung meiner Lebens- und Existenzweise einhergeht. In Momenten wie diesen fühle ich mich hier willkommen – ein Gefühl, das sich während der Beidnennung, die mich sprachlich und damit auch oftmals gedanklich verschwinden lässt, nicht einstellt. An dem Aufsteller vorbeigehend, ist an der Tür des Doktorand_innenkollegs ein mehrseitiger Aushang mit dem Hashtag »#transinclusion« versehen (siehe auch The 519 o.J.: 70-72). Auf diesen drei Seiten sind englischsprachige Tipps zum respektvollen sprachlichen Umgang mit trans* und nichtbinären Menschen zu finden. Sie schlagen vor, die von der Person selbstgewählten Namen zu verwenden und ihre spezifischen Bedürfnisse zu berücksichtigen. Für den Schriftverkehr wird eine neutrale Ansprache inklusive der Nennung von Vor- und Nachnamen empfohlen. Diverse geschlechtsneutrale Pronomen (wie z.B. they und ze) werden ebenfalls exemplarisch vorgestellt. Die Umsetzung der Hinweise – so der Aushang – möge eingeübt werden. Auch soll um Berichtigung gebeten werden, wenn es in der Praxis mal nicht funktioniert. Fällt es selbst im eigenen Sprechfluss auf, sei eine Entschuldigung angebracht. Dadurch kann die sprechende Person zeigen, dass sie um das Verletzungspotential der eigenen Sprache weiß und die Bedürfnisse ihres Gegenübers anerkennt. Der Aushang verweist des Weiteren darauf, eigene Privilegien und Selbstverständlichkeiten zu reflektieren. Dazu gehört beispielsweise auch, die von manchen Menschen als problematisch empfundene binärgeschlechtergetrennte Toilettennutzung ernst zu nehmen, um trans*solidarisch zu handeln. Ein paar Türen weiter befindet sich schließlich der Gruppenraum, den wir für unsere Gleichstellungskommissionssitzungen nutzen. Dort erfahre ich als studentisches Mitglied ebenso viel Zuspruch für mein Thema. Ich betrete als nächstes die Seminarräume der Soziologie. Sofort kommen mir Erinnerungen an besuchte Seminare. Hier kam es bisweilen – in den meisten Fällen sicher ungewollt – zu grenzüberschreitendem Verhalten. Ein anschauliches Beispiel hierfür sind die Teilnahmelisten, die mitunter vorge-

Jenseits der Geschlechterbinarität

lesen oder herumgereicht werden. Problematisch sind sie nämlich vor allem dann, wenn die dort aufgeführten Angaben nicht der gelebten Geschlechtsidentität entsprechen. Das ist bei mir so. Deshalb werde ich in solchen Momenten auch oft nervös. Denn nicht immer habe ich zuvor die Möglichkeit, die lehrende Person darüber zu informieren, wie ich gerne angesprochen werden möchte. Und selbst wenn ich sie frühzeitig informiere, kann es immer noch sein, dass sie es zwischenzeitlich vergisst und mich versehentlich mit falschem Namen, falscher Anrede oder falschem Pronomen anspricht. Habe ich diesen Moment der Panik überstanden, erlebe ich es in den Kursen bisweilen, dass ich nicht wie gewünscht mit Vor- und Nachnamen adressiert werde. Manche Lehrende, für die das Thema »Nichtbinarität« Neuland ist, lösen für sich die wahrgenommene geschlechtliche Diskrepanz, indem sie »Herr« als Anrede nutzen. Leider fühle ich mich dadurch weiterhin misgendert, also unpassend angesprochen. Für andere wiederum stellt zwar die Verwendung des Vor- und Nachnamens keine Schwierigkeit dar, sie nutzen jedoch zugleich weibliche Pronomen, wenn sie auf mich verweisen. Das stört dann insbesondere meine Kommiliton_innen aus den Gender Studies, denn viele von ihnen haben im Laufe des Studiums eine hohe Sensibilität für Sprache und ihr Verletzungspotential entwickelt. Passiert das Misgendern durch andere Mitstudierende, werden sie durch meine Kommiliton_innen meist berichtigt – in der Hoffnung, dass sie es selbst bemerken und beim nächsten Mal beherzigen. In diesen Momenten freue ich mich, dass sie sich für mich und somit auch für das Thema Anerkennung jenseits der Geschlechterbinarität einsetzen. Ich habe es jedoch auch schon erlebt, dass Dozierende zwischen den beiden – im deutschen Sprachgebrauch – üblichen geschlechtsspezifischen Pronomen wechseln. Dann bin ich anfangs kurz irritiert, freue mich im Nachhinein aber über den kreativen Umgang. Der Verzicht von binären Pronomen und Ansprachen stellt daher ohne Frage eine große, aber lösbare Herausforderung dar. Anregungen dazu gebe ich schließlich unter Anderem in Form meiner EMail-Signatur, die mitunter den Vorschlag enthält, »Guten Tag [Vorname Nachname]« zu verwenden. Die Signatur weist zudem darauf hin, dass ich mich »jenseits der Geschlechterbinarität verorte«. In meiner Nachricht schreibe ich die lehrenden Personen (nebst Titeln) ebenfalls mit Vor- und Nachnamen an. Bei ihren schriftlichen Antworten bleiben meine diesbezüglichen Wünsche jedoch oftmals unberücksichtigt. Häufig wird z.B. das letzte Zeichen meines Vornamens (*) weggelassen, oder schlicht eine männliche Anrede verwendet. Dies kommt im Schriftverkehr noch viel öfter vor als im persönlichen Kontakt. Bisweilen wird in EMails sogar gänzlich auf die Begrüßungsformel verzichtet – möglich, aber auch nicht unbedingt eine respektvolle Lösung. Nach Alternativen fragen mich die Dozent_ innen allerdings regelmäßig, wenn ich ihre Sprechstunden besuche. Dann gebe ich gerne Tipps zu inklusiven Sprech- und Schreibweisen. So kommt es oft vor, dass ich zunächst mit der Beidnennung, wie im Beispiel von »Sehr geehrte Studentinnen und Studenten«, konfrontiert werde. Dann empfehle ich,

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die Formel »Sehr geehrte Student_innen« oder »Student*innen« zu verwenden. Im mündlichen Sprachgebrauch – so erläutere ich – wird das jeweilige Sonderzeichen mit einer kurzen Pause zum »Klingen« gebracht. Es ist offensichtlich, dass noch einiges geschehen muss, um ein gleichberechtigtes Miteinander und diskriminierungsfreies Leben und Lernen vor Ort sicher zu stellen. Universitäten sind gemäß Joanna Pfaff-Czarnecka (2017: 12) allerdings Orte der Heterogenität und Veränderung. Ich bin daher zuversichtlich, dass auch die Herausforderung, jenseits der Geschlechterbinarität zu denken und konsequent solidarisch zu handeln, mit der Zeit bewältigt werden kann. Für die Zukunft von Geschlechtergrenzen überschreitenden Personen aller Statusgruppen an der Universität Bielefeld im Allgemeinen und an der Fakultät für Soziologie im Speziellen wünsche ich mir, dass die noch bestehenden Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden. Viele Studierende tragen bereits dazu bei, unsere Hochschule auch für Menschen jenseits der Geschlechterbinarität zu einem Ort der Teilhabe zu machen.

L iter atur Pfaff-Czarnecka, J. (2017): Einleitung: Universitäten – als Orte der Heterogenität und Un/Gleichheit. S.  11-41 in: J. Pfaff-Czarnecka (Hg.), Das soziale Leben der Universität. Studentischer Alltag zwischen Selbstfindung und Fremdbestimmung. Bielefeld: transcript Verlag. The 519 (o.J.): Creating Authentic Spaces. A Gender Identity and Gender Expression Toolkit to Support the Implementation of Institutional and Social Change, S. 70-72. Online verfügbar unter www.the519.org/education-training/training-resources/trans-inclusion-matters/creating-authentic-spaces, zuletzt überprüft am 18.07.2018.

Bildungsparasiten in Bielefeld Eine kritische Überlegung zur Regelstudienzeit des Soziologiestudiums Katherina Lampe

Bachelorstudium: sechs Semester, drei Jahre, 180 Leistungspunkte, mit Option auf einen zweijährigen konsekutiven Master. Das Soziologie Bachelorstudium ist ein Marathon. Als Studierender reißt man die vorgegebene modularisierte Veranstaltungsmenge ab und produziert Prüfungsleistungen en masse. Veranstaltungen werden nach dem Prinzip des kleinsten Übels ausgewählt, da man sich in den sechs Semestern ein themenspezifisches Interesse nicht leisten kann. Bei rund 13 Semesterstunden sowie einer implizit erwarteten Vor- und Nacharbeitung einer Veranstaltung, die dann notgedrungen gewählt wurde, soll man am besten schon am Anfang des Semesters wissen, welches spezifische Thema später in der Hausarbeit bearbeitet wird. So stellt sich der Trott ein, in dem man Woche pro Woche die vorgegebenen 30 Seiten Grundlagenliteratur pro Veranstaltung liest und nur die Hälfte versteht, da keine Zeit für eine intensivere Beschäftigung damit bleibt. In der Kleinstes-Übel-Veranstaltung, in welcher der nur halb verstandene Text von drei eifrigen Kommilitonen diskutiert wird, ist man dann geneigt, frustriert abzuschalten und auf Social-Media-Plattformen die neusten Weltenbummler-Fotos anzusehen und sich zu überlegen, in der nächsten Woche doch lieber erst gar nicht zum Seminar zu gehen. Aber soll man nicht gerade im Studium sein spezifisches Interesse entdecken? Lernen, sich für einen Forschungsgegenstand zu faszinieren? Sich spezialisieren und gar eine Nische für sich entdecken? Und ganz nebenbei eine Antwort auf die Selbstfindungs-Frage: »Was will ich eigentlich in Zukunft sein und machen?« finden? Doch gerade dort, wo das freie Denken immer wieder postuliert, wo Selbstorganisation gefordert und Profilschärfung empfohlen wird, wird man gleichzeitig eingeschnürt in ein festes Korsett aus formalen und zeitlichen Richtlinien. Der Studierende steht also vor dem Dilemma zugunsten einer umfassenderen Bildung aus dem Korsett der formalen Vorgaben auszubrechen und somit seine Studienzeit zu verlängern oder sich dem Mara-

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thon der grundlegenden Bildung in sechs Semestern zu beugen und früher in den Arbeitsmarkt einzutreten. Das Humboldt’sche Bildungsideal, welches Bildung als forschendes Lernen (vgl. Weingart 2005: 68) versteht und lange Zeit Leitidee von Universitäten war, scheint auf der Strecke zu bleiben. Obwohl die Selbstbeschreibung der Fakultät zu ihrer Gründungszeit den Prozess der Wissensaneignung in dieser Denktradition als eine kritisch-aktive Kommunikation im Zentrum sieht (vgl. Nieraad 1969: 35ff.), findet man sich zunehmend in Bachelorseminaren wieder, die aus Platzgründen in Hörsälen stattfinden und notgedrungen auf Wissenskonsum und -rezeption abzielen. So können nur wenige Kommilitonen von sich behaupten, dass sie einmal einen Theorieschinken in Buchformat, beispielsweise bielefeldspezifisch Luhmanns »Gesellschaft der Gesellschaft«, gelesen und intensiv diskutiert haben. Mit der Bologna-Reform 1999, welche die Idee eines europäischen Hochschulraums, der Zunahme der Mobilität der Studierenden und die arbeitsmarktbezogene Qualifizierung (vgl. Liesner & Lohmann 2009: 11) verkörpert, wurde das Diplom-Studium durch die gestuften, modularisierten und akkreditierten BA/MA-Studiengänge (Baumgart 2009: 81) ersetzt. Ziel ist es nun schneller, effektiver und kostengünstiger zu studieren (vgl. Liesner & Lohmann 2009: 14). Das Studium soll nicht mehr nur der Persönlichkeitsentwicklung dienen (vgl. Gerlich 1993: 59), sondern vor allem mittels »oberflächlicher Wissenschaft« (Oelze 2010: 183), verpackt in Kurzzeitstudiengängen, berufsqualifizierend wirken. Das mag für Studiengänge mit einem klaren Berufsfeld durchaus sinnvoll sein, wenn das Ziel, auf welches hingearbeitet wird, immer vor Augen ist. Aber für ein theoretisches und methodisches Soziologiestudium scheint dies fraglich. Es ist eher frustrierend, wenn man gegen Ende des Bachelorstudiums leider keine Ahnung hat, was Klassiker wie Simmel, Elias oder Marx zu diesem oder jenem sozialen Phänomen gesagt haben, da man bisher nur Zeit für die vorgegebene Einführungsliteratur hatte, welche man, ohne die Bibliothek überhaupt zu betreten (!), in internetgestützten Portalen herunterladen kann. Faszinierend ist zudem, dass man nach diesem erneuerten Bildungsverständnis nach den sechs Semestern des Bachelorstudiums tatsächlich fertig sein könnte. Bis zu diesem Zeitpunkt erbringt man rund 15 Prüfungsleistungen, also mindestens zwei Hausarbeiten pro Semester. Die Frage nach der theoretischen und methodischen Tiefe von Arbeiten muss hier wohl nicht gestellt werden. Hauptsache, es wird abgeliefert. Die Vorstrukturierung des Studiums mit seinen steigenden Prüfungszahlen und der damit zusammenhängende bürokratische Aufwand (vgl. Liesner & Lohmann 2009: 16) sowie etwaige Nebenjobs, Pendeln oder Familie lässt einem dabei gleichzeitig wenig Platz, tatsächlich eine Antwort auf die persönlichkeitsentwicklenden Fragen: »Was will ich eigentlich?« und »Wo sehe ich meine Zukunft?« zu finden. Gerade in Studienfächern wie Soziologie, die eben keine klaren Ziele und Berufsfelder vorgeben, ist es schwer, grundlegendes Wissen lediglich zu konsumieren und zu hoffen, dies im späteren Arbeits-

Bildungsparasiten in Bielefeld

leben anwenden zu können. »Opfer des Bologna-Prozesses sind also gerade diejenigen Fächer, die eine gründliche Reflexion und Kritik gesellschaftlicher Verhältnisse fördern« (Oelze 2010: 184). Die Soziologie lebt davon, selbst etwas forschend zu erlernen und eine Faszination und Begeisterung für eigenständig identifizierte Forschungsgegenstände zu entwickeln. Doch es gibt noch Hoffnung! Neben dem blinden Credit-Sammeln und fleißigem Hausarbeiten-Produzieren, scheint es an der Uni Bielefeld Soziologiestudierende zu geben, die für ihre Disziplin brennen und ihr Interesse an dem Gegenstand der Soziologie ausleben wollen. Laut dem Statistischen Jahrbuch der Uni Bielefeld (2017: 44) schlossen 2016 weniger als die Hälfte ihr Soziologie Ein-Fach-Bachelor-Studium in der Regelstudienzeit ab. Den Master absolvierten in diesem Prüfungsjahr nur knapp sechs Prozent in den angedachten vier Semestern. Die meisten Studierenden beenden ihren Master erst nach fünf oder sechs Semestern. Die überfordernde Erkenntnis, dass man mit dem Bachelorzeugnis in der Hand, aber ohne eine Antwort auf die zukunftsbestimmende Frage: »Was will ich eigentlich?« mit seiner akademischen Bildung fertig sein könnte, kommt einem Hilfeschrei gleich. Doch diesem begegnen viele Personen der Soziologiefakultät in Bielefeld mit der positiven Mentalität, dass fundierte und interessensorientierte Bildung trotz engem formalen Korsett möglich und die Einhaltung der Regelstudienzeit nicht alles ist. Informelle Absprachen, individuelle Anrechnungsmöglichkeiten und Seminare im Block- oder vierstündigen Format bieten Möglichkeiten, sich detailliert und fokussiert mit einem Themenschwerpunkt zu beschäftigen. So lässt sich vor allem auch in Masterseminaren die im Bachelor verloren gegangene Mentalität von Bielefelder Dozenten wiederfinden, dass man Fragezeichen auf Fachgebieten mit bisher unklarem Wissensbestand gemeinsamen bearbeiten kann. Des Weiteren spricht auch das große Spektrum der möglichen Schwerpunktsetzung und das meist breite Angebot an Veranstaltungen dafür, dass an der Fakultät für Soziologie in Bielefeld Wert auf die individuelle Bildung und die damit zusammenhängende persönliche Zukunftsgestaltung – sei es im wissenschaftlichen oder außeruniversitären Bereich – gelegt wird. Die Zahlen verdeutlichen, dass das Soziologiestudium wenig geeignet ist für ein Korsett aus starren formalen Vorgaben. Vor allem Studierende im Master überschreiten die Regelstudienzeit zum Teil deutlich. Sei es, um sich über das eigene Berufsziel klarer zu werden oder um »nach dem BA mit einem wirklichen akademischen Studium [zu] beginnen« (Liessmann 2009: 9). Offensichtlich bedarf das Soziologiestudium entgegen der rationalisierten Bologna-Ziele Zeit. Zeit, sich individuell zu bilden, aber auch Zeit für die Beantwortung der Frage: »Was will ich eigentlich?« Abschließend möchte ich die Einstellung eines Kommilitonen vorstellen, die mich bis heute nachhaltig beeindruckt hat. Wir saßen zusammen im Seminar und ich habe ihn gefragt, ob er die Studienleistung schon erbracht hat. Er antwortete mir, dass er hier keine Studienleistung erbringt. Weiter meinte er, er besucht das Seminar aus Interesse, weil ihm das Thema gefällt. Da ich

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sonst von allen Seiten immer nur hörte: »Hauptsache schnell fertig werden«, »Ich besuche dieses Seminar, nur weil ich es muss« und »Wenn ich die Studienleistung erbracht habe, gehe ich einfach nicht mehr hin«, erklärte er mir auf meinen erstaunten Blick, dass er sich selbst als einen Bildungsparasiten versteht und nicht so viel Wert auf die Regelstudienzeit legt, sondern sich umfassend mit der Soziologie und ihren Themengebieten, Methoden und Theorien auseinandersetzen möchte. Wow, ich war beeindruckt und fasziniert. Aber am meisten bin ich nachdenklich geworden. Dieses Gespräch mit meinem Kommilitonen ist mir bis heute noch sehr präsent und ich nehme mir diesen negativ konnotierten Begriff des Parasiten zu Herzen. Ein Bildungsparasit zu sein hat nichts Verwerfliches oder gar Negatives an sich. Es zeugt von Interesse und Faszination, in unserem Fall an der Soziologie. Und wenn der Bildungsparasit nach acht Semestern Bachelor- oder sechs Semestern Masterstudium durch intensivere Auseinandersetzung mit soziologischen Theorien, Methoden und Themen auch die Selbstfindungs-Frage: »Was will ich eigentlich in Zukunft sein und machen?« für sich selbst zufriedenstellend beantworten kann, dadurch den Marathon aber zu einem Spaziergang ausgedehnt hat, hat er doch nur gewonnen, oder?!

L iter atur Baumgart, F., 2009: »Keine Rose ohne Dornen!« – Chancen, Risiken und Nebenwirkungen der neuen BA-MA-Studienstrukturen. S.  81-94 in: A. Liesner/I. Lohmann (Hg.), Bachelor bolognese. Erfahrungen mit der neuen Studienstruktur. Opladen & Farmington Hills: Verlag Barbara Budrich. Gerlich, P., 1993: Ziele und Leistungen der Universitäten. S. 53-76 in: R. Forster/R. Richter (Hg.), Uni im Auf bruch? Sozialwissenschaftliche Beiträge zur Diskussion um die Universitätsreform. Wien: Paasagen-Verlag. Liesner, A./Lohmann, I., 2009: Einleitung. S. 11-22 in: A. Liesner/I. Lohmann (Hg.), Bachelor bolognese. Erfahrungen mit der neuen Studienstruktur. Opladen & Farmington Hills: Verlag Barbara Budrich. Liessmann, K. P., 2009: Vorwort. S. 7-10 in: A. Liesner/I. Lohmann (Hg.), Bachelor bolognese. Erfahrungen mit der neuen Studienstruktur. Opladen & Farmington Hills: Verlag Barbara Budrich. Nieraad, J., 1969: Lehre, Studium, Strukturmerkmale. Bielefeld. Oelze, B., 2010: Für eine kritische Soziologie des Bologna-Prozesses. Soziologie 39 (2): 179-185. Universität Bielefeld, Referat für Kommunikation, 2017: Daten 2017. Statistisches Jahrbuch. URL: https://www.uni-bielefeld.de/Universitaet/Ueberblick/Organisation/Verwaltung/Dez_I/Controlling/Statistisches-Jahrbuch-2017_Web.pdf, eingesehen am 19.06.2018.

Bildungsparasiten in Bielefeld

Weingart, P., 2005: Universitätsreform als Inszenierung von Mythen. S. 61-80 in: P. Hünermann et al. (Hg.), Nachhaltige Bildung. Hochschule und Wissenschaft im Zeitalter der Ökonomisierung. Bielefeld: Bertelsmann Verlag.

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Plädoyer für soziologisches Nutzungsverhalten Warum die Fakultät durchaus auch mal die Haupthalle besuchen darf Falk Justus Rahn

Als der nordrhein-westfälische Kultusminister Paul Mikat im Jahre 1965 den Münsteraner Soziologen Helmut Schelsky mit der Planung und Gründung einer Reformuniversität beauftragt, ersinnt dieser – inspiriert durch Wilhelm von Humboldt – das Konzept einer theoretischen Universität: Nicht nur sollen Forschung und Lehre eng verknüpft sein, vielmehr sind Lehrende und Studierende angehalten, gemeinsam an zentralen Fragen der Gesellschaft zu arbeiten. Im Unterschied zur schnöden Ausbildungsstätte sollte die theoretische Universität, allen voran die soziologische Fakultät, eine soziale Funktion jenseits der Berufsqualifikation erfüllen. Dass dieses Konzept auch die baulichen Strukturen prägen muss, verwundert nicht – ebenso hat die räumliche Organisation und Gestaltung selbstverständlich Einfluss auf die Studienkultur (Wigger 2002: 245; Huber 1992: 97). Schelsky schwebte eine enge Verzahnung der Disziplinen vor, »Hervorhebung der interdisziplinären Kooperation, die durch funktionale Zuordnung, Übersichtlichkeit und räumliche Nähe gefördert werden sollte« (Wigger 2002: 246). Die Vernetzung sollte in der Halle des Hauptgebäudes stattfinden, sie sollte Treffpunkt werden, die Einheiten verzahnen. Die Universität sollte Ort der Begegnung werden, immer wieder musste man sie passieren. Und nun? Ausgezogen ist die soziologische Fakultät aus dem Nukleus! Abseits, in einen transparenten Neubau, viel Glas (so viel, dass die Bürosichtfenster der Angestellten ihrerseits mit Publikationsankündigungen verhangen werden; siehe auch Annika Eußner in diesem Band) und Edelbeton, Aufzüge mit gebürsteten Aluminiumtüren. Nur noch selten verirren sich die Soziologen ins Hauptgebäude – oft zu Beginn ihres Studiums, wenn z.B. Professor André Kieserling die Vorlesung »Grundbegriffe der Soziologie« hält.

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L ädchen der I nspir ation Ist die Halle für die Fakultät also nutzlos geworden? Vielleicht muss man sie lediglich neu denken – von der erzwungenen Begegnung zu soziologischer Inspiration. Als Erstsemester in Soziologie hat man auf dem Weg zur Einführungsvorlesung die Chance, den Kern der Universität ganz zu durchqueren: Vom X-Gebäude aus über die Wiese wird der Weg abgeschritten, kurz hinter dem Schwimmbad erreicht man die Halle; bis zum Auditorium Maximum sind es dann mehr als 200 Meter (Conrads 1976: 295). Die verdichtete Welt der Universitätshalle bündelt soziales Geschehen zu einem soziologischen El Dorado. Nie war es leichter, die nun auch baulich verdeutlichte soziologische Distanz fahren zu lassen, sich ins Getümmel zu werfen, wissenschaftliche Praxis auf dem Weg zu wissenschaftlicher Theorie zu üben und Inspiration zu sammeln. Die Arbeitsbereiche der Fakultät finden in der gesamten Halle Anknüpfungspunkte: Hier das Referat der (Hochschul-)Politik, ein Stockwerk darunter drängen sich soziologische Fragen zum Berufseinstieg von Akademikern auf (die Agentur für Arbeit besetzt immerhin eine eigene Zweigstelle in der Halle), dort bei einem Kaffee eine Idee zu Bedrohungsnarrativen in Warteschlangen, oben auf der Galerie offeriert sich eine Ethnographie der Pinnwandaushänge – und gibt es nicht auch irgendwo auf der Galerie ein Museum (Gibt es: für die Geschichte der Schule und Erziehung, Raum V1-161)? Dabei ist die Versuchung, vor oder nach der Veranstaltung doch noch einmal um des Verweilens willen zu verweilen, groß. Denken wir uns die Halle also einen Moment als ein soziologisches Kaufhaus. Die Architektur des Hauptgebäudes suggeriert beim ersten Betreten des Nukleus ja ohnehin, man habe sich in eine Shopping Mall verirrt. Staunend, wie jene von Mallbesitzern und Shopbetreibern gleichermaßen ungeliebte Klientel, die »nur mal gucken« möchte, dabei den Schmutz an den Schuhen auf dem robusten Boden verteilt, Gratispröbchen abstaubt und gern in Brauereigesprächslautstärke den Niedergang der Tante-Emma-Läden beklagt, flaniert man durch die Halle. Natürlich ist der Vergleich unwürdig: Shopping Malls sind riesige Einkaufszentren, die bis zu 400.000 m² Mietfläche besitzen können (Hahn 2007: 27), denen ausgeklügelte Verkaufs- und Effizienzstrategien zugrunde liegen. Davon ist die Universität Bielefeld weit entfernt. Und doch berührt einen die Verwobenheit von Börek-, Collegeblock- und Kaffeeangeboten mit jenen akademischen, die sich in den Hörsälen unauffällig zwischen die Lädchen gemogelt zu haben scheinen.

E ine Passage , keine M all Eine ganz ähnliche Referenz wie die Shopping Mall, aber weit weniger an eindimensionalem Konsum orientiert, ist die der Ladenpassage. Wie viele Analogien wurden gesucht, um zu beschreiben, was die Halle können sollen muss,

Plädoyer für soziologisches Nut zungsverhalten

welche Funktion sie realiter erfüllt: Foyer, Bahnhofs-, Flughafenabfertigungsoder Messehalle, Markt, Ladenstraße (Braungart 2015: 52; Poesener 1975: 36).1 Dabei fällt der Blick ganz selbstverständlich auf das Passagenbild – vorausgesetzt, man trägt die richtige Brille. Die im ausgehenden 18. Jahrhundert sich herausbildende Form überdachter Verbindungswege, hat sich rasch in Europa verbreitet; Passagen haben nicht nur den Zugang zu Geschäften gebündelt, sondern besaßen auch Eingänge zu Theatern, Opernhäusern, Museen und wichtigen Regierungsgebäuden. Sie verbanden also klassische Konsumangebote mit kulturellen, offerierten Kaffee genauso wie Bildung. Nach Dörhöfer haben die Passagen »zumeist eine symmetrische Anordnung. An drei bis 15 Meter breiten Gängen erhoben sich beidseitig gleich gestaltete Wände« (2007: 56). Und weiter führt sie aus: »Die Passagen waren überdacht mit einem Glasdach, das durch eine möglichst filigrane Eisenkonstruktion getragen wurde und weiches, milchiges Licht einließ.« (2007: 57) »Zudem wurden sie ergänzt durch Einrichtungen der Ruhe und Kontemplation, wie durch die Lesesäle für internationale Presse, Clubräume, Vereinszimmer oder Bäder. Sie waren nicht zuletzt gesellschaftliche Treffpunkte und galten dem Verweilen, dem Gespräch, dem Politisieren, dem Austausch« (2007: 69). Eine akkuratere Beschreibung der Halle ward selten gelesen!

V om Z wang , sich begegnen zu müssen zur F reiheit, sich inspirieren zu l assen

Die Spezies der Soziologen ist ja verhältnismäßig leicht zu begeistern: Automatische Türschlösser können sie ebenso zu monatelanger empirischer Forschung bewegen wie große politische Transformationen. Nicht einmal wissenschaftliche Introspektion vermag sie zu schrecken: Die Soziologie der Soziologie, die Wissenschaft der Gesellschaft oder zahlreiche organisationsund arbeitssoziologische Schriften über den akademischen Betrieb sprechen für sich. Doch anders als in vielen anderen Disziplinen liegt der potentielle nächste Forschungsgegenstand überall dort, wo der Blick hinfällt; und verschließt man – transpirierend vor Reizüberflutung – die Augen, erwägt der eifrige Soziologe alsbald eine Soziologie der Dunkelheit. Um nicht Alles zum Thema zu machen, was ja nichts anderes bedeutet, als dass Nichts Thema ist, muss die Inspiration in geordneten Dosen verabreicht werden – die Halle über1 | Es gibt hier und da zaghaftes Verlauten des Passagenbegriffs, das bei der Archivrecherche für den vorliegenden Beitrag aufgetaucht ist – das soll nicht unerwähnt bleiben: So erscheint er als einer unter vielen in der Dokumentation zur Architektur der Universität Bielefeld (Poesener 1975: 36), wird jedoch an keiner Stelle aufgefächert. HansGeorg Lipper verwendet den Begriff in seiner Laudatio auf Peter Kulka zur Verleihung der Ehrendoktorwürde an der TU Dresden – auch hier wird sich den Implikationen der Passagensemantik nicht genähert (2007: 167).

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nimmt diese Rolle ganz wunderbar, liefert man sich ihr aus; nachhaltiger Konsum von Eindrücken, Beobachtungen und sozialem Geschehen ohne schlechtes Gewissen. Darum sei die soziologische Fakultät angeregt, der Halle neues Leben einzuhauchen: Vom Zwang, sich begegnen zu müssen zur Freiheit, sich inspirieren zu lassen. Helmut Schelsky ist mit seiner Vision der theoretischen Universität aus mannigfaltigen Gründen gescheitert (Wigger 2002: 245); was läge für die Fakultät also näher, als die baulichen Relikte dieser Idee neu zu interpretieren? Der Verfasser des vorliegenden Beitrags geht mit gutem Beispiel voran, denn dieser Text ist ebenfalls in der Halle entstanden – Inspiration zweiter Ordnung sozusagen.

L iter atur Braungart, W., 2015: »Epochale« Architektur: Das Gebäude der Universität Bielefeld. S. 37-63 in: S. Asal/S. Schlak (Hg.), Was war Bielefeld? Eine ideengeschichtliche Nachfrage. Göttingen: Wallstein-Verlag. Conrads, U., 1976: Universität als wissenschaftlicher Großbetrieb: Die neue Universität Bielefeld. Bauwelt 10: 284-299. Dörhöfer, K., 2007: Passagen und Passanten, Shopping Malls und Konsumentinnen. S. 55-73 in: J. Wehrheim (Hg.), Stadt, Raum und Gesellschaft. Shopping Malls. Interdisziplinäre Betrachtungen eines neuen Raumtyps. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Hahn, B., 2007: Shopping Center als internationales Phänomen. S. 15-34 in: J. Wehrheim (Hg.), Stadt, Raum und Gesellschaft. Shopping Malls. Interdisziplinäre Betrachtungen eines neuen Raumtyps. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Huber, L., 1998: Neue Lehrkultur – alte Fachkultur. S. 95-106 in: A. Dress/A. Firnhaber/H. von Hentig/D. Storbeck (Hg.), Die humane Universität. Bielefeld 1969-1992. Festschrift für Karl Peter Grotemeyer. Bielefeld: Westfalen Verlag. Lipper, H.-G., 2007: Laudatio. Wissenschaftliche Zeitung der Technischen Universität Dresden 56: 166-169. Poesener, J. 1975: Architektur in der industriellen Welt. S. 15-39 in: Kunsthalle Bielefeld (Hg.), Bauen in der industriellen Welt. Eine Dokumentation zur Architektur der Universität Bielefeld. Bielefeld: Kunsthalle Bielefeld. Wigger, L., 2002: Universität als Leitfabrik: Über die Hochschularchitektur der Universität Bielefeld. S. 241-266 in: L. Wigger/H. Paschen (Hg.), Raum und Räumlichkeit. Festschrift für Harm Paschen. Freiburg i.Br.: Janus Verlag.

Sowi(e) Powi feiert keiner Studierendenplakate

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Innenansichten II

Politikwissenschaft und Politikforschung an der Fakultät für Soziologie Mathias Albert Die Boomphase des Ausbaus der Hochschulen in Deutschland in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren brachte eine flächendeckende Einrichtung bzw. Erhöhung der Anzahl sozialwissenschaftlicher Einrichtungen und Professuren mit sich.1 Neben des allgemeinen Ausbaus der Universitäten speiste sich der Fokus auf die Sozialwissenschaften vor allem auch aus dem gestiegenen politischen Interesse und Engagement infolge der Studentenbewegung sowie der damit einhergehenden Nachfrage nach entsprechenden Angeboten an den Universitäten. Die institutionelle Ausgestaltung insbesondere von politikwissenschaftlicher und soziologischer Lehre und Forschung gestaltete sich dabei von Universitätsstandort zu Universitätsstandort unterschiedlich: oftmals in Form eigenständiger Institute (unter mehreren) unter dem Dach einer Fakultät, seltener in Form von Instituten an unterschiedlichen Fakultäten, bisweilen in Form allenfalls institutsähnlicher Organisationseinheiten ohne eindeutige disziplinäre Zuordnung (wohl aber faktischen disziplinären Schwerpunkten, siehe etwa die »wissenschaftlichen Betriebseinheiten [wBEs]« am Fachbereich 03 in Frankfurt a.M.).2 Die Fakultät für Soziologie an der Universität Bielefeld nahm (und nimmt) hier in den Sozialwissenschaften sowohl hinsichtlich der spezifischen fachlichen Kombinatorik von Soziologie und Politikwissenschaft als auch hinsichtlich ihrer organisatorischen Gestaltung in der deutschen Hochschullandschaft eine Sonderstellung ein. Hinsichtlich der letztgenannten bezieht sich diese Sonderstellung zunächst auf das Fehlen einer Institutsstruktur innerhalb der Fakultät, welche in der Lage wäre, disziplinäre Ausrichtungen abzubilden. Die Fakultät kennt zwar eine organisatorische Binnendifferenzierung (in Arbeitsbereiche, früher »wissenschaftliche Einheiten«), diesen kommt jedoch traditionell nur ein Bruchteil der Autonomie sowie der Kompetenzen klassischer Institute zu (sie sind in Teilen am ehesten vergleichbar mit den oben angesprochenen früheren wBEs in Frankfurt). Ein1 | Für wertvolle Hinweise zur Überarbeitung dieses Beitrages danke ich Detlef Sack. 2 | Siehe als Überblick Bleek 2001.

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zelne Professuren (früher auch: »Lehrstühle«, heute: »Arbeitsgruppen«) sowie die Fakultätsleitung bilden die relevanten Organisationsebenen innerhalb der Fakultät, die mittlere Ebene, auf der die disziplinäre Differenzierung sichtbar wird und organisiert ist, bleibt schwach ausgeprägt. Hinsichtlich der fachlichen Kombinatorik stellt die Fakultät für Soziologie ein Unikum dar, insofern sie als einzige Fakultät (zumindest in Deutschland, erkennbar aber auch weit darüber hinaus) die Soziologie als Disziplin in den Fakultätsrang erhebt und damit einen Anspruch sowie eine organisatorische Besonderheit ausdrückt. Auf der einen Seite den Anspruch, dass Politik als wesentlicher Teilbereich (um nicht zu sagen: »Funktionssystem«) der modernen Gesellschaft immer auch einen wesentlichen Gegenstand soziologischer Analyse darstellt, der zumindest nicht vollständig an eine dafür zuständige Fachdisziplin abzugeben ist.3 Auf der anderen Seite die Besonderheit, dass die politikwissenschaftlich-fachdisziplinäre Auseinandersetzung, sei es durch designierte Professuren/wissenschaftliche Stellen, sei es durch die Betätigung von Personen mit entsprechender fachwissenschaftlicher Sozialisation, immer im Kontext soziologischer Reflektion und an der Fakultät für Soziologie erfolgte.4 Der vorliegende Beitrag beschreibt die politikwissenschaftliche Forschung und Lehre an der Fakultät für Soziologie mittels dreier Zugänge: Erstens erfolgt ein kurzer Überblick über die im engeren Sinne disziplinär identifizierte politikwissenschaftliche Forschung und Lehre an der Fakultät, wobei unmittelbar deutlich wird, wie schwierig hier Abgrenzungen zu einer soziologischen Auseinandersetzung mit Politik schon immer waren und sind. Zweitens erfolgt ein kurzer Überblick über die Inhalte von Forschung und Lehre, welche das angesprochene Verhältnis zwischen der politikwissenschaftlichen und soziologischen Auseinandersetzung mit Politik illustrieren. Drittens und abschließend erfolgt ein kurzer Ausblick auf den möglichen Wert und die Stellung des »Bielefelder Modells« in der nationalen wie internationalen Lehr- und Forschungslandschaft.

3 | Unberücksichtigt sollen hier die Besonderheiten bleiben, die sich aus den völlig unterschiedlichen Entwicklungslinien von Soziologie und Politikwissenschaft ergeben, vor allem aus der längeren Tradition im Falle der Soziologie, sowie der Etablierung der Politikwissenschaft als stark normativ geprägter »Demokratiewissenschaft« nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. 4 | Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Politikwissenschaft in Form der Politischen Theorie mittlerweile zum Teil auch an der Fakultät für Geschichte, Philosophie und Theologie an der Universität Bielefeld vertreten ist.

Politikwissenschaf t und Politikforschung an der Fakultät für Soziologie

P olitik (- wissenschaf t) an der F akultät für S oziologie Die Auseinandersetzung mit dem politischen System der Gesellschaft ist an der Fakultät für Soziologie seit ihrer Gründung institutionalisiert. Kennzeichnend hierfür war (und ist) dabei sowohl die Beschäftigung mit Politik aus einer soziologischen Perspektive einerseits, sowie einer stärker disziplinär-politikwissenschaftlichen Perspektive andererseits. Hinsichtlich der erstgenannten Perspektive stand dabei neben einer Beschäftigung mit Politik im Rahmen der soziologischen Theorie vor allem ein (den Moden der Zeit zur Gründung der Fakultät geschuldeter) Fokus auf verschiedene Aspekte der Möglichkeiten und Grenzen politischer Steuerung im Vordergrund. Diese fand im Diplomstudiengang Soziologie im Fach »Planungs- und Entscheidungstheorie (PET)« ihren Niederschlag und wurde durch Professuren mit unterschiedlichen Spezialisierungen vertreten (»Planungs- und Entscheidungstheorie«, später »Staatstheorie und Global Governance«, »öffentliche Verwaltung«). Darüber hinaus lieferten hier soziologische Theorie, Organisationssoziologie und Wohlfahrtsstaatforschung regelmäßig wichtige Beiträge. Die Politikwissenschaft im engeren disziplinären Sinne war lange vor allem durch eine Professur vertreten, wobei die entsprechenden Lehr- und vor allem Forschungsschwerpunkte stark von den entsprechenden Profilen der jeweiligen Inhabern bzw. der Inhaberin der Professur geprägt wurden (DDR-Forschung durch Peter Christian Ludz, 1970-1973; Politische Theorie durch Claus Offe, 1975-1988; Policy-Forschung im weiten Sinne durch Adrienne Héritier, 1989-2009). Eine institutionelle Akzentverschiebung ergab sich infolge der (im Rahmen der Prominenz neuer Steuerungskonzepte in der öffentlichen Verwaltung) im Jahre 2000 erstmals zwischen der Universität Bielefeld und dem Land Nordrhein-Westfalen getroffenen Zielvereinbarungen. Diese beinhalteten eine, freilich ohne zusätzlichen Personaleinsatz zu bewerkstelligende, »strukturelle Stärkung der Politikwissenschaft«. Die zentrale Maßnahme stellte hierbei der Plan einer Einführung eines eigenständigen politikwissenschaftlichen Studienganges dar. Zu diesem Zwecke wurden neben der »eigentlichen« politikwissenschaftlichen Professur (seit 2001 mit Mathias Albert besetzt) zwei bestehende Professuren als zentrale Professuren im Rahmen des politikwissenschaftlichen Lehrangebots ausgewiesen. Die Ausrichtung dieser beiden Professuren auf bestimmte soziologische Perspektiven auf politische Strukturen und Prozesse (politische Kommunikation und Organisation im Falle der Professur Japp sowie Global Governance im Falle der Professur Willke) bedingte dabei eine besondere Konzeption des politikwissenschaftlichen Studienangebotes. Zusätzlich ergab sich eine Besonderheit und ein damit einhergehender Gestaltungsspielraum daraus, dass es sich bei diesem Studienangebot um den ersten Fall der Einführung eines konsekutiven Studienganges (Bachelor/Master) im Kontext der sogenannten Bologna-Reformen nicht nur an der Fakultät für Soziologie, sondern auch an der Universität Bielefeld insgesamt handelte. Die Konzeption des Bachelorstudienganges sah vor, ausgehend

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von der Idee einer besonderen Attraktivität eines durch verschiedene Disziplinen geprägten Blickes auf Politik, den Studierenden auf der Grundlage eines im engeren Sinne politikwissenschaftlichen Kerns zu Beginn des Studiums einen durch unterschiedliche Disziplinen geprägten Zugang zu ermöglichen. Die Grundausbildung sah eine Einführung in die Politikwissenschaft sowie ihre drei traditionellen Teilgebiete – Politische Theorie, Internationale Politik und Vergleichende Politikwissenschaft – vor,5 eine sozialwissenschaftliche Methodenausbildung sowie soziologisch geprägte Fachmodule in den Bereichen politische Organisation, politische Kommunikation und Global Governance. In einem Wahlpflichtbereich traten (mit geringen Wahlmöglichkeiten) die Module Geschichte und Politik (bedient von der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie), Politik und Recht (Fakultät für Rechtswissenschaft), politische Anthropologie (Fakultät für Soziologie) sowie politische Philosophie (Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie) hinzu. Der Studiengang zeichnete sich durch eine im Vergleich zu heutigen Bachelorstudiengängen hohe Anzahl von benoteten Leistungsnachweisen aus (insbesondere einschließlich der bei Studierenden wie Lehrenden nicht immer beliebten mündlichen Modulabschlussprüfungen sowie den Staatsrechtsklausuren). Es handelte sich dabei um einen 1-Fach Bachelor, allerdings mit starker interner disziplinärer Differenzierung. Der Masterstudiengang wurde mangels eines hinreichend großen politikwissenschaftlichen Angebotes nicht als Masterstudiengang Politikwissenschaft, sondern als Masterstudiengang »Politische Kommunikation« konzipiert, mit deutlicher Prägung durch die angesprochenen Bereiche der soziologischen Ausbildung. Beide Studiengänge haben sich fest im Studienangebot der Fakultät für Soziologie etabliert, dabei jedoch im Laufe der Zeit nachhaltige Änderungen und Akzentverschiebungen erfahren. Im Falle des Masterstudienganges waren diese vor allem durch personelle Veränderungen notwendig geworden (Pensionierung Japp; Pensionierung Willke mit Wegfall der Stelle), so dass insbesondere der Bereich »Global Governance« ein weniger sichtbares Profil erlangte. Der ursprünglich mit verschiedenen, auf den Studiengang zugeschnittenen Modulen konzipierte 1-Fach Bachelor wurde im Zuge der flächendeckenden Einführung gestufter Studiengänge an der Universität Bielefeld in die Struktur mit Kern- und Nebenfach überführt. Dabei blieben im Rahmen des Kernfaches die stark soziologischen Bezüge vorhanden, das Studium etwa von speziell rechtsoder geschichtswissenschaftlichen Perspektiven auf Politik konnte aufgrund der freien Wählbarkeit von Nebenfächern jedoch nur noch empfohlen, aber 5 | Der Bereich »Politische Theorie« wurde zum Zeitpunkt der Einführung des Studienganges an der Fakultät seit einigen Jahren durch eine außerplanmäßige Professur (Gunnar Stollberg) mit abgedeckt, der Bereich »Internationale Politik« durch die Professur Albert. Die mangelnde Abdeckung der »Vergleichenden Politikwissenschaft« wurde in der Erstakkreditierung moniert und führte zur Besetzung einer Professur an der Fakultät mit entsprechender Denomination (zunächst Susanne Schmidt, seit 2008 Detlef Sack).

Politikwissenschaf t und Politikforschung an der Fakultät für Soziologie

nicht mehr sichergestellt werden. Hierdurch ergab sich eine, in der ursprünglichen Konzeption so nicht angelegte, schärfere disziplinäre Konturierung. Grundsätzlich gilt, dass sich in der Gestaltung der politikwissenschaftlichen Studiengänge auch ein spezifisches Profil der Forschung abbildet, welches weniger durch exklusiv politikwissenschaftliche Perspektiven auf Politik, sondern vielmehr durch einen stark soziologisch reflektierten Umgang mit unterschiedlichen Aspekten von Politik bzw. des politischen Systems geprägt war und ist. Diese besondere Konstellation von thematisch-disziplinärer Überschneidung wird dabei vor allem auch dadurch charakterisiert, dass an der Fakultät traditionell einerseits eher in der Politikwissenschaft sozialisierte Forscherinnen und Forscher auch mit disziplinär gemeinhin soziologisch verorteten Zugängen arbeiten (etwa beim Thema Weltgesellschaft), andererseits eher in der Soziologie sozialisierte Forscherinnen und Forscher auch mit politikwissenschaftlichen bzw. affinen Zugängen operieren (etwa bei den Themen Sozialpolitik oder Migration). Zusammengenommen führt dies zu einer schon traditionell multidisziplinär anschlussfähigen Politikforschung an der Fakultät für Soziologie. Diese Politikforschung hat sich, selbstverständlich auch in Abhängigkeit von Personen und institutionellen Forschungskontexten, im Laufe der Zeit gewandelt und ausdifferenziert. Sie bleibt als solche jedoch ein Bielefelder »Markenzeichen« (s.u.).

P olitikforschung mit P olitik wissenschaf t und S oziologie Die angesprochene Vielfalt der Politikforschung an der Fakultät für Soziologie soll vorliegend nicht detailliert im Hinblick auf sämtliche an der Fakultät seit ihrer Gründung jemals betriebene einschlägige Forschung dargestellt, sondern vielmehr anhand eines Überblicks über die gegenwärtige Vielfalt illustriert werden. Mit »gegenwärtig« wird dabei auf die Arbeiten von Forscherinnen und Forschern Bezug genommen, welche zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrages (Frühjahr 2018) aktiv an der Fakultät tätig sind. In diesem Sinne stellt insbesondere die Sozialpolitik den möglicherweise am wenigsten disziplinär zurechenbaren Themenbereich dar. Während bereits die Arbeiten Franz-Xaver Kaufmanns vielfältige Bezüge zur Politikwissenschaft aufwiesen, sind diese in den Studien Lutz Leiserings deutlich ausgeprägter. Dies betrifft vor allem die Arbeiten zur Emergenz einer transnationalen bzw. globalen Sozialpolitik, welche eng an die Global Governance-Forschung anknüpfen (siehe etwa Leisering & Leibfried 2001). Dieser Fokus auf globale Sozialpolitik wird, allerdings ohne den regionalen Fokus auf Ostasien und vor allem die Volksrepublik China, ebenfalls in den Arbeiten von Alexandra Kaasch aufrechterhalten und mit anderen Schwerpunkten, etwa im Bereich globaler Gesundheitspolitik (siehe Kaasch 2015) ergänzt. Ähnlich prononciert lässt sich eine solche gleichsam über- oder zwischendisziplinäre Anordnung für den Bereich der Migrationsforschung und speziell für die Forschungen

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Thomas Faists beobachten. Hier gehen vielfältige Bezüge zur Politikwissenschaft einher mit einer starken Orientierung weg von der »klassischen« Konzeption von Migration als »Zu-« bzw. »Abwanderung«, hin zum Konzept der transnationalen Migration und insbesondere der Bedeutung transnationaler Netzwerke in dieser Hinsicht (siehe Faist 2000). Die Politische Soziologie ist als Teilgebiet sowohl in der Politikwissenschaft vertreten als auch in der Soziologie, wenngleich sich hier im Laufe der Zeit deutliche Unterschiede dergestalt herausgebildet haben, dass die Politische Soziologie in der Politikwissenschaft stark in Richtung Einstellungsforschung tendiert, während in der Soziologie der Blick auf verschiedene Aspekte der Rolle und Funktion von Politik im gesellschaftlichen Kontext gerichtet ist. An der Fakultät wurde Politische Soziologie immer im letztgenannten Sinne verstanden, mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen etwa in den Bereichen politische Kommunikation und Risikosoziologie (Japp 2000), der Rolle des politischen Systems in der (Welt-)Gesellschaft (Holzer 2015) sowie neuerdings in Bezug auf Fragen der Wissensproduktion im politischen System im weltgesellschaftlichen Kontext (Straßheim 2011). Auch der eher »klassisch« politikwissenschaftlich anmutende Lehr- und Forschungsbereich »Vergleichende Politikwissenschaft« an der Fakultät ist in der Forschung durch einen deutlich soziologisch-institutionalistischen Theorierahmen geprägt. Fragen der Erscheinungsformen und Folgen der funktionalen Differenzierung spielen dabei eine herausragende Rolle wie in Arbeiten zur Koordination bzw. Governance von Markt und Staat auf organisationaler bzw. politischem System und Wirtschaftssystem auf gesellschaftlicher Ebene (siehe etwa Sack 2009). Zentral auf Fragen der sozialen Differenzierung in der Weltgesellschaft zielen die Arbeiten zur Emergenz des weltpolitischen Systems (Albert 2016; Research Training Group 2225 »World politics: The emergence of political arenas and modes of observation in world society«), welche in den letzten Jahren verstärkt durch eine historisch-soziologische Forschungsprogrammatik und entsprechende Forschungsaktivitäten unterlegt wurden (v.a. im Kontext der Sonderforschungsbereiche 584 »Das Politische als Kommunikationsraum in der Geschichte« und 1288 »Praktiken des Vergleichens«). Diese Arbeiten sind eng mit dem Fach Internationale Beziehungen verknüpft (das in dieser Form allein im deutschsprachigen Raum institutionell so eindeutig der Politikwissenschaft zugerechnet wird), genauso wie die Arbeiten zur Entwicklung von internationalen Organisationen als Weltorganisationen unter Anlegung einer stark organisationssoziologisch geprägten Perspektive (Koch 2017). An der Schnittstelle von Internationalen Beziehungen und Politischer Theorie stehen die Arbeiten im Kontext der sozialwissenschaftlichen Europaforschung an der Fakultät (institutionalisiert vor allem auch in dem gemeinsam mit der Staatsuniversität St. Petersburg betriebenen Zentrum für Deutschlandund Europastudien). Hier angesiedelte Forschungsarbeiten stellen insbesondere Bezüge zur Foucaultschen Theorie her (Vasilache 2007). Die Arbeiten im Arbeitsgebiet Politische Theorie zeichnen sich ebenfalls kaum durch einen

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mittels disziplinärer Selbstbezüge bestimmten Charakter aus. Vielmehr erscheint (etwa in Flügel-Martinsen 2017) Politische Theorie als Politische Theorie mit einem dezidiert gesellschaftstheoretischen Anspruch, wenn nicht gar als eine von der Politik her gedachte Gesellschaftstheorie. Insgesamt lässt sich für die Politikwissenschaft in Bielefeld konstatieren, dass sie stark mit soziologischen Theorien arbeitet, dabei aber keinem bestimmten Paradigma verhaftet ist. Selbst wenn die Luhmannsche Theorietradition eine wichtige Rolle spielt, finden sich eine Reihe wichtiger Bezüge etwa zu den Theorien von Bourdieu, Foucault, Berger und Luckmann, Giddens usw. Zusätzlich zu diesen in unterschiedlichen Formen an den Grenzen zwischen bzw. in den Überlappungsräumen von Politikwissenschaft und Soziologie gebauten Themen und Forschungsgebieten gaben und geben Politik bzw. das politische System immer wieder Bezugspunkte für eine Reihe von Arbeiten aus unterschiedlichen an der Fakultät für Soziologie vertretenen Spezialfächern ab (Soziologische Theorie, Sozialanthropologie, Sozialstrukturanalyse, Didaktik der Sozialwissenschaften). Verstärkt wird dieser Eindruck eines für die Universität Bielefeld typischen starken, aber nicht eng disziplinär verstandenen Politikbezugs dabei insbesondere auch durch die Tradition einer neuen Politikgeschichte in der Geschichtswissenschaft (SFB 584, »Das Politische als Kommunikationsraum in der Geschichte«, 20002012).

B ielefelder P olitikforschung als M odell? Die vorhergehenden Beobachtungen zu Entwicklung und gegenwärtigem Profil politikwissenschaftlicher Forschung und Lehre in einem breiteren Kontext von Politikforschung ergeben ein für Bielefeld typisches und möglicherweise richtungsweisendes Modell. Dieses Modell liegt zwischen dem Idealtypus von stark disziplinär geprägten Agenden einerseits sowie der an einigen Orten mittlerweile anzutreffenden, zunehmend disziplinunabhängigen Umgestaltung von Forschung und Lehre hin auf eine rein thematisch orientierte Organisation andererseits. Die »Bielefelder Mitte« ist dabei dadurch charakterisiert, dass sie sich im Bereich der Politikforschung vom erstgenannten Idealtypus weit entfernt – bzw. diesem eigentlich nie entsprochen – hat,6 andererseits dabei zumindest in der Forschung (deutlich weniger in der Lehre) eine starke Orientierung an Kontexten der Weltgesellschaftsforschung ausgebildet hat, ohne diese jedoch je dominant werden zu lassen.

6 | Dies hat anderslautende Beobachtungen in innerfakultären Kommunikationszusammenhängen nie ausgeschlossen. Diese machten sich aber üblicherweise eher an diffusen institutionell-identitären denn an inhaltlich gewonnenen Disziplinverständnissen fest; mithin spielten auch eher unterschiedliche Professionalitätsverständnisse eine Rolle.

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Insofern diese Beschreibung Bielefelder Politikwissenschaft im Zusammenhang eines weitergehenden Feldes von Politikforschung zutrifft, mag dies zunächst und zuvorderst als nicht mehr und nicht weniger denn als Ausdruck spezifischer Pfadabhängigkeiten gewertet werden. Und in der Tat ist sicher nicht zu bestreiten, dass das gezeichnete Gesamtbild nicht das Ergebnis eines »Masterplans« ist, sondern Ausdruck vielfältiger, jeweils kontingenter Entscheidungen seit Gründung der Fakultät (gegebenenfalls mit Ausnahme der angesprochenen, zwischen Universität und Land 2000 vereinbarten »strukturellen Stärkung der Politikwissenschaft«). Nichtsdestotrotz ist das Ergebnis die Form eines an zwischen und mehreren Disziplinen orientierten Wissenschaftsverständnisses, von dem hier behauptet werden soll, dass es nicht nur Perspektiven in und über Bielefeld hinaus bietet, sondern mit einer Reihe wichtiger Entwicklungen in der internationalen Forschungslandschaft harmoniert. Mit letztgenanntem Hinweis ist vor allem gemeint, dass sich in vielen Bereichen sozialwissenschaftlicher Forschung heute innovative und interessante Themen vor allem auch an den Schnittstellen zwischen Disziplinen herausbilden und oftmals von Einzeldisziplinen kaum noch gewinnbringend zu bearbeiten sind. Dies betrifft dabei so unterschiedliche Zusammenhänge wie die Herausbildung einer »global historical sociology« oder aber die Bearbeitung von Fragen und Problemstellungen, die der rapide technologische Wandel für die moderne (Welt-)Gesellschaft aufwirft. Größere Forschungsverbünde sind zumindest in den Geistes- und Sozialwissenschaften schon auf SFB-Ebene kaum noch einzeldisziplinär bespielbar, im Großformat von Clustern ist eine solche einzeldisziplinäre Fokussierung praktisch undenkbar. Diese Bemerkungen sollen Bielefelder Politikwissenschaft und Politikforschung nicht als inhaltliche Vorlagen für eine SFB- oder Clusterantragstellung empfehlen; sie sollen aber der Überzeugung Ausdruck verleihen, dass sich an der Fakultät für Soziologie in und mit der Politikwissenschaft ein Fachverständnis etabliert hat, welches disziplinäre Spezialisierung und Zuspitzung zwar nicht unterbindet, aber insbesondere im Verhältnis zur Soziologie unter dem Primat inhaltlicher Interessen als Regelfall entspannt überwindet.

L iter atur Albert, M., 2016: A Theory of World Politics: Cambridge University Press. Bleek, W., 2001: Geschichte der Politikwissenschaft in Deutschland: C.H. Beck. Faist, T., 2000: The Volume and Dynamics of International Migration and Transnational Social Spaces: Oxford University Press. Flügel-Martinsen, O., 2017: Befragungen des Politischen. Subjektkonstitution – Gesellschaftsordnung – radikale Demokratie: Springer VS. Holzer, B., 2015: Politische Soziologie. Eine Einführung: Nomos. Japp, K.P., 2000: Risiko: transcript.

Politikwissenschaf t und Politikforschung an der Fakultät für Soziologie

Kaasch, A., 2015: Shaping Global Health Policy. Global Social Policy Actors and Ideas about Health Care Systems: Palgrave. Koch, M., 2017: Internationale Organisationen in der Weltgesellschaft: Campus. Leibfried, L./Leibbried, S., 2001: Time and Poverty in Western Welfare States. United Germany in Perspective: Cambridge University Press. Sack, D., 2009: Governance und Politics: Die Institutionalisierung öffentlich-privater Partnerschaften in Deutschland: Nomos. Straßheim, H., 2011: Netzwerkpolitik: Governance und Wissen im administrativen Austausch: Nomos. Vasilache, A., 2007: Der Staat und seine Grenzen. Zur Logik politischer Ordnung: Campus.

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Sozialanthropologie im Schatten der Weltgesellschaft Joanna Pfaff-Czarnecka In den ersten Jahren nachdem ich im Oktober 2001 nach Bielefeld berufen wurde, dachte ich immer wieder, dass das Verhältnis der Sozialanthropologie zur Soziologie in Bielefeld ähnlich wie dasjenige des Buddhismus zum Hinduismus in Indien sei. Viele indische Hindus denken, dass Buddhismus eine Variation ihres Glaubens sei: »Alles ist Eins«. Die Buddhisten versetzen dann stets: »Nein, wir sind eine eigene Religion!« Viele Kolleginnen und Kollegen aus der Soziologie sahen die Sozialanthropologie als eine Spezialsoziologie an und verbannten sie in der Lehre an die Limes der Spezialsoziologien als Wahlpflichtfach. So galt es immer wieder zu rufen: »Nein, wir sind ein eigeständiges Fach!« Diese Sicht hat sich heute bei den Allermeisten durchgesetzt – hoffe ich zumindest. Wie in Indien der Buddhismus, ist die Bielefelder Sozialanthropologie ebenfalls in der absoluten Minderheit. Weltweit sieht das Verhältnis freilich anders aus: Es gibt global mehr Hindus als Buddhisten und mehr SoziologInnen als SozialanthropologInnen, doch nicht in der Misproportion, wie wir sie hier in Bielefeld haben. Anders als Buddhismus aus dem Hinduismus, hat sich die Sozialanthropologie nicht aus der Soziologie entwickelt: Zu stark sind bei uns die Einflüsse der Linguistik, der Religionswissenschaft, der Psychologie, der Naturwissenschaften (der Terminus ›Anthropologie‹ verwies ja zunächst auf die physische Beschaffenheit des Menschen) und der vergleichenden Kulturwissenschaften. Doch die Schnittmenge der sozialwissenschaftlichen Theorien ist groß: Einige der größten Soziologen wie Emile Durkheim haben aus der Sozialanthropologie wichtige Impulse bekommen … und sie wiederum als Soziologen bereichert; andere wie Marcel Mauss oder Pierre Bourdieu forschten an der Schnittstelle zwischen der Soziologie und der Sozialanthropologie. Die Fakultät für Soziologie gehört zu den Gründungsfakultäten der Universität Bielefeld. Die Sozialanthropologie kam dann erst später hinzu: Günther Schlee, der erstberufene Professor, heute Direktor am MPI für Ethnologische Forschung in Halle, hat die Stelle im September 1986 angetreten. Die Position wurde als eine VW-Stiftungsprofessur eingerichtet und nach fünf Jahren in

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eine feste Professur überführt. Dass mein Fach an der Fakultät für Soziologie etabliert wurde, gehört zu den vielen Innovationen der jungen Bielefelder Universität, die von der Wissenseinheit Entwicklungssoziologie wesentlich mitgetragen wurde. Hans-Dieter Evers hatte da die erste (und einzige) Professur für die Entwicklungssoziologie inne, und sowohl ihm als auch Georg Elwert, später Professor an der FU Berlin für Ethnologie, war klar, dass die Auseinandersetzung mit außereuropäischen Gesellschaften (damals ein klarer Schwerpunkt) im interdisziplinären Austausch nicht nur mit der Sozialanthropologie und Politikwissenschaft, sondern auch mit der Geschichte einerseits und im engen Bezug zur Praxis andererseits stattfinden müsse. Das Team um H.-D. Evers ist rapide angewachsen. Es wurde nach der Berufung von Schlee um die von Gudrun Lachenmann bekleidete Professur in der Geschlechtersoziologie und um eine ganze Reihe an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ergänzt, zu denen außer Elwert auch Georg Stauth, Tilmann Schiel, Erhard Berner (heute Erasmus University Rotterdam), Heiko Schrader (heute Professor an der Universität Magdeburg), Rüdiger Korff (heute Professor an der Universität Passau), Veronika Bennholdt-Thomsen, Johannes Augel, Marie-Hélène Perey, Yussuf Diallo, Thilo Grätz, Petra Dannecker (heute Professorin an der Universität Wien), Markus Kaiser (heute Präsident der German-Kazakh University [DKU]), Alexander Horstmann (heute Professor an der Tallinn University) und viele mehr gehörten. Viele von ihnen prägen bis heute maßgeblich die soziologische und die sozialanthropologische Forschung zu Gesellschaften des Südens, wobei transnationale Perspektiven, die auch den europäischen Raum in den Blick nehmen, immer wichtiger werden. Ein zen­ trales Merkmal des Bielefelder Schwerpunkts ist allerdings verloren gegangen: Um H.-D. Evers, Günther Schlee und Gudrun Lachenmann wurde eine ganze Reihe an Projekten kollaborativ betrieben. Der Gruppencharakter der wissenschaftlichen Arbeit hat ohne Zweifel dazu beigetragen, dass der ›Bielefelder Ansatz‹ konturiert wurde und seinen Facettenreichtum erhielt. Die Bielefelder Entwicklungssoziologie und Sozialanthropologie wirkten weit über die Landesgrenzen hinaus. Das erfolgreich für zwei 3-Jahres-Prioden bei der DFG eingeworbene Graduierten-Kolleg ›Markt, Staat, Ethnizität‹, ebenso wie weitere Projekte und Promotionsprogramme, hat ganze Scharen an Promovierenden v.a. aus Deutschland, aus Europa, aus Afrika und aus Südostasien an den Schwerpunkt geführt. Seine Working Papers verbreiteten den ›Bielefelder Ansatz‹ in Hunderten von Veröffentlichungen. An der Seite der ›Bielefelder Schule‹ der Geschichtswissenschaft unserer Universität war es klar, dass Bielefeld der Ort war, »wo es passierte« – wie es Thomas Bierschenk neulich treffend ausgedrückt hat: man teilte das Gefühl, der Avantgarde anzugehören. Beide ›Schulen‹ waren während meines Promotionsstudiums und in der Habilitationsphase an der Universität Zürich gleichermaßen präsent. Nicht nur Georg Elwert, sondern auch die in Bielefeld ausgebildeten oder promovierten Kolleginnen und Kollegen wie Thomas Bierschenk (Professor für Ethnologie an der Universität Mainz), Boris Nieswand (Professor für Soziologie

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an der Universität Tübingen) und Monika Salzbrunn (Professur für ›Religion, Migration, Diaspora Studies‹ an der Universität Lausanne) haben sich als wahre disziplinäre GrenzgängerInnen zwischen der Soziologie und der Sozialanthropologie etabliert. Mit meiner Berufung auf die damals einzige Professur in meinem Fach wurde die Bielefelder Sozialanthropologie in den letzten zwei Dekaden maßgeblich durch meine Forschungsinteressen geprägt. Zu den großen Themen gehörten von Anfang an die ethnischen und religiösen Grenzziehungen. Mit dem Fokus auf Ethnizität konnte eine wichtige Kontinuität zur Forschung meines Vorgängers und seines Teams aufrechterhalten werden. Konflikte und Probleme gesellschaftlicher Vielfalt sowie die Möglichkeit ihrer Bewältigung beschäftigten Günther Schlee ebenso wie mich. Der von Günther Schlee und Alexander Horstmann herausgegebene Band Difference and sameness as modes of integration: anthropological perspectives on ethnicity and religion (Berghahn 2018) enthält einen Aufsatz von mir – ein schöner Ausdruck unseres Austauschs. Für uns beide ist die Sozialanthropologie ohne umfassende empirische Forschung unvorstellbar; beide teilen wir das Interesse an der Entwicklung der sozialanthropologischen Theorie, insbesondere zu sozialen Formen. Niemand hat von mir diese Kontinuität verlangt, doch sie hat sich erfreulicherweise ergeben – was ohne Zweifel auch dem intellektuellen Umfeld der Bielefelder Soziologie, der Politik- und Geschichtswissenschaft zu verdanken ist. Mit H.-D. Evers und seinen Kollegen teile ich auch das Interesse am ›Verflechtungsansatz‹ und für ›strategische Gruppen‹, die ich allerdings als ›distributional coalitions‹ in Anschluss an M. Olson untersucht habe. In einem Punkt gab es allerdings eine starke Zäsur: Wie der ganze Bielefelder Schwerpunkt, interessierte sich Günther Schlee für die Subsistenzwirtschaft. Seit der Jahrtausendwende ist allerdings die politische Anthropologie vermehrt an die Stelle der Wirtschaftsanthropologie getreten. Ethnische Grenzziehungen und ethnische Konflikte und grundsätzlicher noch das Thema der symbolischen und sozialen Grenzziehungen sind in der AG Sozialanthropologie bis heute zentral geblieben. Das Thema der Religion hat mich bereits vor dem Wechsel nach Bielefeld in den Kontext der mitteleuropäischen Zuwanderungsgesellschaften geführt. Das ›Kopftuch‹, die Bestattungen, die damit kollidierenden Werte und Normen in Anbetracht der zunehmenden Zuwanderung von unterschiedlichen Glaubensangehörigen boten sich als ein faszinierendes Feld an, um – für eine Sozialanthropologin nicht selbstverständlich – die ›eigene Gesellschaft‹ zu erforschen. Mit Blick auf die Schweiz, Deutschland und Frankreich, also die weniger ›multikulturell‹ orientierten westlichen Länder, entstand ein vergleichendes Forschungsfeld, dass zu einer ganzen Reihe an (vom Schweizer Nationalfonds finanzierten) Forschungsprojekten, internationalen Tagungen (ZiF und Volkswagen Stiftung) und Publikationen sowie Austausch mit KollegInnen führte – von der New School of Social Research in NY, mehreren Schweizer Instituten, bis zum Metropolis-Netzwerk. Susanne Kröhnert-Othman (heute Professorin an der

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Fliedner Fachhochschule Düsseldorf) hat dieser Thematik mit ihrem DFGForschungsprojekt ›Religiöse Vergemeinschaftung und zivile Integration‹ bei uns wichtige Impulse gegeben. Die Auseinandersetzung mit der Ethnizität wurde dank der Einladung aus der Geschichtswissenschaft intensiviert, an dem bereits laufenden SFB 584 ›Das Politische als Kommunikationsraum in der Geschichte‹ mitzuwirken. Gemeinsam mit dem Historiker und Lateinamerika-Experten Christian Büschges (heute Universität Bern) leiteten wir darin in der zweiten Phase von 2004 bis 2008 das Teilprojekt ‚Ethnisierung und De-Ethnisierung des Politischen. Aushandlungen um Inklusion und Exklusion im andinen und südasiatischen Raum‘. In der dritten Phase des SFB erweiterten wir das Team um Wilfried Raussert und Sebastian Thies (heute Universität Tübingen) und leiteten gemeinsam das Teilprojekt ›Ethnisierung und De-Ethnisierung des Politischen. Medien, Akteure und Semantiken des Ethnischen im transnationalen Kommunikationsraum‹. Einer der Mitarbeiter in der zweiten Phase war Olaf Kaltmeier, der heute dem Maria Sibilla Merian Center CALAS in Guadalajara vorsteht. Für die Sozialanthropologie war dieser Austausch ebenso innovativ wie gewinnbringend. Interkontinentale Vergleiche waren bis dato sehr selten. Hier profitierte die Bielefelder Sozialanthropologie davon, dass wir gezwungen waren, innerhalb der Universität ungewöhnliche Partnerschaften einzugehen. So konnten wir wichtige Parallelen in den Prozessen der Ethnisierung feststellen, die u.a. durch die Anpassung an die globalen Normen des Minderheitenschutzes und der Anerkennung der indigenen Völker zustande kamen. An großen ethnologischen Instituten ist hingegen die Gefahr groß, über den Tellerrand der eigenen Disziplin und der ›eigenen‹ Forschungsregion nicht hinausschauen zu wollen (dieser Gedanke war übrigens nicht unwesentlich, als ich den Ruf an die Universität Wien an eines der größten europäischen Institute für Sozialanthropologie im Jahr 2005 ablehnte). Ich bin für diese Kooperationen bis heute sehr dankbar. Die genannten Kollegen, heute aber auch Angelika Epple, Antje Flüchter und Kirsten Kramer stärken die Expertise zu außereuropäischen Gesellschaften in Bielefeld – eine Expertise und Interesse, die ich an meiner eigenen Fakultät bis vor wenigen Jahren sehr vermisst habe. Die Bielefelder Sozialanthropologie erhielt wichtigen Impetus in Richtung der politischen Anthropologie als wir 2004 das Midea-Projekt im EU-Asia Link-Programm ›The (Micro)Politics of Democratisation: European-South Asian Exchanges on Governance, Conflict and Civic Action‹ eingeworben haben. Unsere Partner waren darin die Universitäten Colombo und Tribhuvan in Südasien sowie die Universität Oxford. Wir führten darin wissenschaftliche Forschung und Nachwuchsausbildung in der Auseinandersetzung mit der ›Demokratie von unten‹ zusammen. Uns interessierten die lokale Demokratie und die Prozesse der ›Vernakularisierung‹ demokratischer Werte und Normen in gesellschaftlichen Kontexten, die kolonial (Sri Lanka) oder monarchisch (Nepal) geprägt waren. Gegenüber der politischen Soziologie der damaligen Zeit lag der Fokus klar auf der außereuropäischen Welt; neu brachten wir die Per-

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spektiven »von unten« ein und verfuhren vergleichend. Aus diesem Projekt resultierte eine Bücherreihe bei SAGE und ein wissenschaftliches Netzwerk, das in den darauffolgenden Jahren stark angewachsen ist. Eva Gerharz (heute Professorin an der Universität Fulda) und Christian Meyer (heute Professor an der Universität Konstanz) griffen die Thematik in unserem DFG-Projekt zu ›Mikrodynamiken politischer Kommunikation in der Weltgesellschaft. Das soziale Leben des Demokratiekonzeptes in Bangladesch und Senegal‹ (20112014) auf, an dem der Bielefelder Charakter erneut deutlich wird: eine Zusammenführung von zwei Weltregionen, die selten vergleichend betrachtet werden; eine weltgesellschaftliche Perspektive sowie die Impulse aus dem ›Historiker‹-SFB 584. Eva und Christian leiten nun ein Fortsetzungsprojekt, an dem auch weiterhin Sandrine Gukelberger mitwirkt. Éva Rozália Hölzle hat in dieses Projekt wichtige Impulse zur Auseinandersetzung mit der Gewalt eingebracht, die etwa in die Publikation ›Spaces of Violence in South Asian Democracies‹ (2017) eingeflossen sind. Sie selbst blieb in Bielefeld und entwickelt hier ihren Ansatz zur ›Anthropologie des Lebens‹. Dieser Ansatz will die vielfältigen Dimensionen des Lebens – biologische, ökonomische, soziale und kulturelle – als zentralen Gegenstand der Politik analysieren. Dabei geht es vornehmlich um das Verständnis der menschlichen Existenz als fragil, als vielfältig und als prozesshaft. Tobias Reu führt heute »unsere« Themen ›Religion‹ und ›Demokratie‹ in seinem DFG-geförderten Projekt ›Christentum und Demokratie in Lateinamerika‹ zusammen. Seit 2007 wurde ›belonging‹ zu einem zentralen Konzept der Bielefelder Anthropologie. Der französische Himalayanist Gérard Toffin (CNRS) und ich haben diesen Begriff entwickelt, um die Ethnizitätsforschung auf eine breitere theoretische Basis zu stellen. Dabei interessierten uns sowohl die sozialräumlichen Konstellationen als auch der intersektionale Charakter von Heterogenität und Ungleichheit. Indem ich drei Dimensionen der Zugehörigkeit – nämlich ›Gemeinsamkeit‹, ›Gegenseitigkeit‹ und ›Attachments‹ – d.h. materielle und immaterielle Anbindungen unterschieden habe, liegt nun analytisches Instrumentarium vor, um die facettenreichen kollektiven Konstellationen gesellschaftlicher Prozesse zu erfassen. Das Konzept der biographischen Navigation (teils in Anschluss an Henrik Vighs Konzept der ›sozialen Navigation‹) hilft uns, die individuellen Bewegungen in und durch verschiedenartige kollektive Anbindungen und Identifizierungen zu verstehen. Zwei Mal riefen wir Kolleginnen und Kollegen aus der Himalaya- und der Südasienforschung zu Tagungen zusammen, die als ein wunderbarer Ausdruck deutsch-französischer Kooperation (CNRS, La Maison de la Science de l’Homme, die französische Botschaft in New Delhi und die DFG) im Austausch mit südasiatischen Instituten, allen voran dem renommierten India International Center in New Delhi, zu sehen ist. Die Kolleginnen und Kollegen, die zwar sehr gern unsere Einladungen annahmen, mussten wir allerdings von der Bedeutung des Belonging-Konzepts erst überzeugen. Es hat lange gedauert bis dieser nicht synonym zu ›Identität‹ verwendet wurde. Ein geschätzter

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britischer Kollege schrieb uns im Jahr 2009: »I am still not buying the concept of belonging«. Inzwischen hat er gleich mehrere Texte veröffentlicht, die mit diesem Konzept arbeiten. Die Überzeugungsarbeit war auch im eigenen Team schwierig und langwierig. Doch Susanne Kröhnert-Othman sowie meine ehemaligen DoktorandInnen Eva Gerharz, Éva Rozália Hölzle, Kelvin Low (inzwischen Professor an der National University of Singapore), Noorman Abdullah (Senior Lecturer an der NUS), Jelena Adeli (Agentur für Bürgerdialog und Konfliktklärung) und Raphael Susewind (Lecturer am King’s College London) sowie zahlreiche Studierende arbeiten mittlerweile mit diesem Konzept. Attraktiv sind dabei wohl der prozessuale Zugriff und das Postulat, dass Zugehörigkeiten stets im Plural zu denken sind, ebenso wie die Möglichkeiten, diesen Ansatz für solche Themen fruchtbar zu machen wie Mobilität (räumlich, sozial, ideell), Ungleichheit sowie Umgang mit symbolischen und sozialen Grenzziehungen. Eine neue inhaltliche Stoßrichtung hat die Bielefelder Sozialanthropologie 2011 dank der Teilnahme am SFB 882 ›Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten‹ erhalten. Wir waren daran von 2012 bis 2015 mit dem Teilprojekt ›Ethnizität an der Universität – Prozesse ethnischer Grenzziehungen und Ungleichheitsrelationen im Studiumsverlauf‹ beteiligt. Im Prozess zeigte sich allerdings, dass dieses Projekt allzu unreflektiert konzipiert wurde. Implizit setzten wir ja darin die Dimension ›Migrationshintergrund‹ als eine Problemkategorie. Unsere Analysen legten allerdings frei, dass die befragten Studierenden den universitären Raum problemlos navigierten. Darin unterscheidet sich die Universität erheblich von der Schule, in der ethnisierende Hürden offensichtlich stark erlebt werden. In einem Vortrag habe ich einmal gesagt: »Ich habe nach Ethnizität gesucht und Bourdieu gefunden«. Damit war die Bedeutung der Schichtzugehörigkeit gemeint und in der Bourdieu’schen Terminologie des Zusammenspiels der unterschiedlichen Kapitalsorten, die Studierende in Bielefeld – wie auch weltweit – in sehr unterschiedlichem Maße innehaben. Deren Probleme auf den ›Migrationshintergrund‹ zu reduzieren, oder diesen gar grundsätzlich als problematisch zu sehen ist keine gute Sozialanthropologie oder Soziologie. Diese kollektivierende Formel wird aber immer noch in der Forschung ausgiebig verwendet. Auch die interne Differenzierung gerät dabei außer Acht. Doch aus Fehlern kann man lernen: So entstand in den letzten Jahren bei uns ein starker Forschungsschwerpunkt, der sich mit zwei Begriffen gut greifen lässt: ›Global students‹ sowie ›Social boundaries in higher education‹. Es sind inzwischen zahlreiche Lehrforschungsberichte, Master-Arbeiten sowie Promotionsprojekte zu dieser Thematik entstanden. Für die Sozialanthropologie ergab sich dadurch eine neue ›Forschungsregion‹, die wir auch ohne die Kenntnisse der lokalen Sprachen erforschen können, weil sich viele Themen (allerdings nicht alle) auf Englisch erforschen lassen. Es fließen hier zentrale Felder der Sozialanthropologie und Soziologie zusammen: Globalisierung, Neoliberalismus, Organisation, Mobilität, Mobilisierung, der Nexus von Familie und Bildung, Arbeitsmarkt und viele mehr. Natürlich kann auch die

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Zugehörigkeitsforschung für dieses Gebiet fruchtbar gemacht werden, etwa indem wir fragen, was es braucht, damit sich Studierende aus benachteiligten Familien an der Universität zugehörig fühlen können. In den letzten Jahren ist an der Fakultät das Interesse an ›Area Studies‹ erheblich angewachsen. Besonders der asiatische Raum wird zunehmend in der Forschung von Kolleginnen und Kollegen aus der Soziologie und Politikwissenschaft aufgegriffen. Dieser faszinierende und global immer wichtiger werdende Kontinent formiert sich nämlich zunehmend als eine transregionale Entität und beeinflusst, gar dominiert, weite Teile der Welt nach eigenen Wertvorstellungen und Handlungslogiken. Aus der Perspektive der Bielefelder Sozialanthropologie ist es auch bedeutsam, dass sich unsere Kontakte zu verschiedenen Regionen Asiens intensiviert haben. Südasien (mit Nepal, Indien, Bangladesch, Sri Lanka und Pakistan) bleibt das wichtigste Standbein ›meiner‹ AG, doch unsere Kontakte reichen bis an die University of Tokyo, Ateneo de Manila, National University of Singapore, um diejenigen zu nennen, mit denen wir institutionelle Kontakte unterhalten. So ergab sich, dass die Bielefelder Sozialanthropologie seit 2017 in Kooperation mit der Universität Heidelberg mit dem Auf bau des wissenschaftlichen Netzwerks ›Shaping Asia‹ beschäftigt ist. Der Austausch soll dazu führen, dass lokale, nationale und regionale (etwa Süd- oder Südostasien) Partikularitäten in der Forschung, aber auch in der asiatischen (Selbst-)Wahrnehmung aufgebrochen werden. Das Netzwerk rückt Verflechtungen, Vergleiche sowie die Möglichkeiten der Kooperation in den Fokus und verspricht sich davon sowohl methodologische Innovationen als auch einen neuen Blick auf den asiatischen Raum, gewissermaßen seine Dezentrierung. Allzu häufig wird er aus der westlichen Perspektive betrachtet. Die Auftakttagung des Netzwerks ›Shaping Asia‹ fand unter der Finanzierung des ZiF und der DFG im Februar 2018 am ZiF statt. Es nahmen daran zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 17 deutschen und aus sechs asiatischen Universitäten (Fudan University, University of Tokyo, National University Singapore, Jawarharlal Nehru University, Gadja Mada University und American University of Central Asia, Bishkek) teil. Erfreulicherweise haben an der Tagung auch Alexandra Kaasch und Andreas Vasilache aus unserer Fakultät sowie die Historikerin Antje Flüchter mitgewirkt. Und noch eine Kollegin nahm an der Tagung teil: Minh Nguyen – damals ganz frisch an unsere Fakultät berufen. Ja, seit Ende 2017 hat die Bielefelder Sozialanthropologie zwei Professuren und damit auch mehr Mitarbeiterinnen. Minh Nguyen wurde als meine vorgezogene Nachfolge berufen. Dank der NRW-Mittel haben wir insgesamt bis zu meinem Ausscheiden fünf Jahre Zeit, um die Sozialanthropologie an der Fakultät für Soziologie noch fester zu etablieren. Minh Nguyen bringt dazu die besten Voraussetzungen mit: bereits umfassende Erfahrung in der vergleichenden Erforschung des migrantischen Wirtschaftens (migrant economies) und darin der ›care‹-Beziehungen. Neu richtet sich ihr Blick auf die ›welfare‹ von Migrierenden und deren transnationalen Bewegungen zwischen Viet-

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nam und China. Dieses wichtige Forschungsfeld wird in den nächsten fünf Jahren im Rahmen des von Minh soeben eingeworbenen ERC-Grants vertieft und ausgebaut werden, das sich mit der Wohlfahrt und Fürsorge von Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeitern in Chinas und Vietnams globalen Fabriken beschäftigt. Minhs Mitarbeiterin Phill Wilcox erweitert das regionale und thematische Spektrum mit dem Projekt ›One world: one dream? The rise of China in Laos‹. Somit wird die Bielefelder Sozialanthropologie in neue Richtungen gelenkt; wirtschaftsethnologische Perspektiven werden wieder stärker. Zugleich ergeben sich frappante Synergien. Beide Teams haben gemeinsam als zentrale Forschungsfelder ›Care and Belonging‹, ›Knowledge Production and Dissemination‹, ›Mobility and Migration‹, ›Institutions and Networks‹, ›Space and Sociality‹ sowie ›Life and Violence‹ bestimmt. Dass diese Felder auf Englisch wiedergegeben werden, kann als Ausdruck der stark internationalen Ausrichtung unserer Arbeitsgruppen gesehen werden. Im Sommer Semester 2019 lancieren wir eine gemeinsame Vortragsreihe ›Understanding Asia‹, die den asiatischen Raum in Bielefeld noch stärker in den Blick rücken soll. Nach fast 20 Jahren meiner Tätigkeit in Bielefeld wird besonders mit der Berufung von Minh Nguyen – aber nicht nur – Asien wieder zu einer Forschungsregion, die an unserer Fakultät nicht erst behauptet werden muss. H.-D. Evers etablierte einen starken südostasiatischen regionalen Schwerpunkt. Nach der Jahrtausendwende haben die Bielefelder Entwicklungssoziologie und Sozialanthropologie umfassende Forschung zu Südasien betrieben, an der maßgeblich Petra Dannecker, Eva Gerharz, Stefanie Strulik, Sarah Potthoff, Friso Hecker, Ramesh Parajuli, Naveen Dubey, Kelvin Low, Noorman Abdullah und Raphael Susewind mitgewirkt haben. Die zahlreichen Kontakte, Gastaufenthalte, Forschungskooperationen und Projekte, die hier nicht alle zur Sprache gebracht werden können, spielten sich allerdings hauptsächlich im Rahmen des Arbeitsbereichs 6 (Transnationalisierung und Entwicklung) ab. Unsere Projekte werden zwar meist unter der Flagge des Instituts für Weltgesellschaft geführt, doch seit dem Ausscheiden von Rudolf Stichweh aus der Fakultät und aus dem IW gab es nur noch wenige Anreize, etwa um Vorträge im Rahmen der IW-Öffentlichkeit anzubieten. Solche herausragende SozialanthropologInnen wie Gerd Baumann, Ulf Hannerz, Keebet von Benda-Beckmann und Peter van der Veer wurden nur in den Anfangsjahren eigens für die IW-Vortragsreihe nach Bielefeld eingeladen. In den späteren Jahren beschränkte sich die Kooperation eher auf gelegentliche Auftritte von KollegInnen, die in anderen Zusammenhängen auf Einladung der Sozialanthropologie nach Bielefeld kamen. Offensichtlich bestand und es besteht noch heute eine nicht unbeträchtliche Kluft zwischen der systemtheoretisch orientierten Weltgesellschaftsforschung und der an Area Studies orientierten Erforschung der Gesellschaften des globalen Südens. Dabei gibt es faszinierende Schnittmengen! Ich wage zu behaupten, dass die Bielefelder Sozialanthropologie mehr vom IW und seiner theoretischen Orientierung – der Perspektive auf die Welt, dem Interesse an gegenseitigen Beobachtungen, den Kommunikationsprozessen – profitiert hat

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… als umgekehrt von unserer Kulturexpertise, von dem analytischen Instrumentarium zum Verständnis von Mikroprozessen oder von unserem Blick ›aus den Rändern‹ auf die Welt. Das wird sich in den nächsten Jahren hoffentlich ändern.

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Sozialwissenschaften, Lehrerausbildung und Politik Reinhold Hedtke und Bettina Zurstrassen Der Studiengang Sozialwissenschaften verkörpert den interdisziplinären und reformorientierten Charakter der Universität Bielefeld, den sie als Gründungsmythos und Gegenwartsauftrag pflegt. Die Verbindung von Rückblick und aktueller Analyse dieses Studienfachs erweist sich als aufschlussreich, nicht zuletzt, weil man an diesem Exempel zeigen kann, wie sehr sich das disziplinäre Erscheinungsbild der Fakultät für Soziologie im Laufe der Zeit verändert hat: Die Soziologie befindet sich in ihrer Fakultät auf dem Rückzug. Bereits kurz nach der Gründung der Fakultät wurde im Sommer 1970 zwischen der Fakultät, der Geschichtswissenschaft und dem Kultusministerium vereinbart, einen Studiengang Sozialwissenschaften einzurichten. Das Fach konnte seit 1973 studiert werden und erhielt 1976 eine Studien- und Prüfungsordnung. Damals wurde ein reiner Lehramtsstudiengang mit den Disziplinen Soziologie, Politikwissenschaft und Wirtschaftswissenschaft konzipiert, der zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt für die allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in der Sekundarstufe I oder II führte und Lehrkräfte für alle sozialwissenschaftlichen Schulfächer ausbildete. Dazu gehörten etwa Politik, Gesellschaftslehre, Sozialwissenschaften oder Wirtschaftslehre. Damit reagierte die Fakultät auch auf die Einführung des Faches Sozialwissenschaften an den Gymnasien in NRW. Über mehr als ein Vierteljahrhundert hinweg blieb Sozialwissenschaften der einzige interdisziplinäre sozialwissenschaftliche Studiengang in einer Fakultät, die sich noch mit Recht Fakultät für Soziologie nennen konnte.

F akultät für S ozialwissenschaf ten ? Im Jahr 1987 trat ein reformierter Studiengang in Kraft, dessen Kernelemente die Studienordnung von 1997 fortführte. Dieser Lehramtsstudiengang wurde 2002 durch den polyvalenten Bachelorstudiengang Sozialwissenschaften ersetzt, auf den seit 2005 eine Mehrzahl von Master-of-Education-Studiengän-

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gen aufsetzt. Das kurz Sowi genannte Studienfach besteht also seit über vierzig Jahren und ist damit der zweitälteste Studiengang der Fakultät. Bis 2002 waren der Diplomstudiengang Soziologie und der Lehramtsstudiengang die beiden einzigen Studienfächer der Fakultät mit einem sehr starken zahlenmäßigen Übergewicht der Diplomstudierenden.1 Der Anteil der Diplomstudierenden an der Gesamtstudierendenzahl betrug im Studienjahr 2000/01 noch 86,5 Prozent. Insofern herrschten an der Fakultät noch klare disziplinäre Verhältnisse. Das änderte sich aber bald. Gemessen an den Studierendenzahlen erlebte die Fakultät seit der Jahrtausendwende einen gravierenden Strukturwandel: sie ist von einer Fakultät für Soziologie faktisch zu einer Fakultät für Sozialwissenschaften geworden, allerdings ohne Wirtschaftswissenschaften. Im zweiten Jahrzehnt hat sich eine Fachstruktur verfestigt, bei der – mit Schwankungen – etwa die Hälfte Soziologie, ein Drittel Sozialwissenschaften und ein Siebtel Politikwissenschaft studiert (vgl. Abb. 1). Da die fakultätsübergreifenden interdisziplinären Studiengänge in dieser Rechnung nicht erfasst sind, unterschätzen diese Daten die Drift weg vom disziplinären Kern der Soziologie. Durch den Aufbau eines Masterstudiengangs in Politikwissenschaft wird die Soziologie an ihrer Fakultät weiter schrumpfen. Abb. 1: Verteilung der Studierenden auf Studiengänge (Studienanfänger)

Eigene Berechnung auf der Grundlage der Daten der Statistischen Jahrbücher der Universität Bielefeld 1 | Alle Zahlen und Berechnungen basieren auf den Statistischen Jahrbüchern der Universität Bielefeld, siehe www.uni-bielefeld.de/profil/daten-fakten/archiv.html (aufgerufen am 31.10.2018).

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Betrachtet man die absoluten Zahlen, zeigt sich, dass das Studienfach Sozialwissenschaften nach der Umstellung auf BA und MA bzw. M.Ed. auf eine zunächst sprunghafte, dann kontinuierlich steigende Nachfrage trifft (vgl. Abb. 2). Sozialwissenschaften ist heute das zweitgrößte Studienfach der Fakultät, dem Politikwissenschaft als das drittgrößte erst mit erheblichem Abstand folgt. Die Studierendenzahlen für Sozialwissenschaften sind seit der Jahrtausendwende im Großen und Ganzen doppelt so hoch wie die des Studiengangs Politikwissenschaft. Vergleicht man dessen Belegungszahlen nur mit derjenigen Hälfte der Sozialwissenschaftsstudierenden, die kein Lehramt anstreben, liegen beide Studiengänge seit Mitte des Jahrzehnts etwa gleichauf. Sozialwissenschaften und Politikwissenschaft erzeugen damit bei der Gruppe der rein fachwissenschaftlich orientierten Studierenden quantitativ eine etwa gleich große Resonanz. Seit dem Jahr 2002, in dem der BA-Studiengang Politikwissenschaft eingerichtet wurde, gab es sowohl für die Studierenden der Politikwissenschaft wie für die der Sozialwissenschaften keinen auf dem jeweiligen Bachelor auf bauenden Masterstudiengang. Die Fakultät hat beschlossen, ab dem Studienjahr 2019/20 einen politikwissenschaftlichen Master einzurichten. Für die Sozialwissenschaftsstudierenden, die nicht in die Schule gehen, fehlt dagegen noch ein Masterangebot. Abb. 2: Studierende mit Studienfach Sozialwissenschaften

Daten aus den Statistischen Jahrbüchern der Universität Bielefeld (Studienfälle nach angestrebtem Fachabschluss)

Die heute eindeutig falsche Etikettierung von Sozialwissenschaften als Lehramtsstudiengang überlebte auch die strukturellen Veränderungen, die der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge und der Einführung der konsekutiven Lehrerausbildung zum Studienjahr 2002/03 folgten. Seit einer Reihe von

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Jahren strebt eine erhebliche Zahl der Sozialwissenschaftsstudierenden in Berufsfelder außerhalb der Schule, heute stellen sie etwa die Hälfte (siehe Abb. 3). Dagegen war Sozialwissenschaften vor dreißig Jahren und noch um die Jahrtausendwende ein reiner Lehramtsstudiengang. Aber im Zuge der Bologna-Studienreform hat die Fakultät im Jahre 2002 dem neuen Bachelorstudiengang Sozialwissenschaften bewusst ein polyvalentes Profil gegeben, um zum einen die Verschiebung der Berufsziele bei der BA-MA-Umstellung durch ein passendes Studienprofil in Sozialwissenschaften zu berücksichtigen und zum anderen die berufliche Flexibilität der Studierenden zu erhöhen, die aktuell ins Lehramt streben. Deshalb kann man für den Zeitraum zwischen den Studienjahren 2002/03 und 2011/12 auf der Basis der Studienfachstatistiken nicht zwischen Lehramtsstudierenden und anderen unterscheiden. Auch werden erst seit dem Studienjahr 2005/06 Master-of-Education-Studiengänge für die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer angeboten. Aus administrativen Gründen, der besseren Planbarkeit des Lehrangebots der Fakultät für Erziehungswissenschaft, wurde die Fakultät für Soziologie gezwungen, Lehramtsstudierende bereits ab dem ersten Semester formal in eigene Studiengänge einzuschreiben. Das ändert zwar nichts an der nach wie vor richtigen Philosophie der Polyvalenz, verengt aber vorzeitig die Mentalität der Studierenden, die sich auf die Schule orientieren, auf eine Lehramtsperspektive. Abb. 3: Studierende der Sozialwissenschaften nach Berufsziel im Studienjahr 2016/17

Eigene Berechnung auf der Grundlage der Daten der Statistischen Jahrbücher der Universität Bielefeld

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I nnovative L ehrkultur Die anderthalb Jahrzehnte des Lehramtsstudiengangs Sozialwissenschaften von 1987 bis 2002 stehen für eine beeindruckende interdisziplinäre und problemorientierte Lehr-Lernkultur, die aus einer Post-Bologna-Perspektive zur kritischen Selbstreflexion motiviert – und vor der nächsten Studienreform in Erinnerung gerufen werden muss. Anders als die heutigen Modulhandbücher und Fächerspezifischen Bestimmungen explizieren und begründen die damaligen Studienordnungen die allgemeinen Grundsätze des Studienfachs sowie die studienfachbezogenen Studienziele, statt sich mit der Auflistung von Kompetenzen zu begnügen, die auf Einzelmodule verteilt werden, ohne dass ihr Gesamtzusammenhang beschrieben würde (vgl. Otto 1995). Der disziplinbezogene Studienteil der Sozialwissenschaften war darauf orientiert, den Beitrag der Disziplinen »zur Identifizierung und zur Lösung gesellschaftlicher Probleme zu reflektieren«, die disziplinübergreifenden integrierten Studien dienten dazu, die von diesen Problemen her »geforderte Auswahl und Neustrukturierung einzelwissenschaftlicher Elemente vorzunehmen, damit interdisziplinäres Arbeiten einzuüben und über diese Integration zur Entwicklung politischer Handlungskompetenz exemplarisch beizutragen« (Universität Bielefeld 1997: 308-309). Als dritte Aufgabe kommt die Anwendung in der schulischen und außerschulischen Bildung hinzu. Fachwissenschaftliche Kompetenz wird als Fähigkeit verstanden, »mit Hilfe wissenschaftlicher Fragestellungen, Methoden und Theorieansätze Phänomene, Strukturen und Wandel der Gesellschaft, insbesondere hinsichtlich der Verschränkung von ökonomischen, sozialen und politischen Faktoren, selbständig und kritisch zu analysieren« (Universität Bielefeld 1997: 309). Politische Handlungskompetenz gilt als die Fähigkeit, »die eigene Position ihrer gesellschaftlichen Bedingungen zu bestimmen und zu reflektieren, Probleme zu definieren und Lösungen zu diskutieren, in die Spielräume individueller und kollektiver Handlungsmöglichkeiten ebenso erfassen wie deren historische und strukturelle Bedingungen«. Hinzu kommt selbstverständlich die fachdidaktische Kompetenz, »anhand didaktischer Theorien und Unterrichtskonzeptionen Entscheidung über Ziele, Inhalte Methoden und Medien des Unterrichts zu treffen« (Universität Bielefeld 1997: 309). Problemorientierte sozialwissenschaftliche Interdisziplinarität ist das Markenzeichen des Studiengangs Sozialwissenschaften bis heute – auch wenn er längst kein Lehramtsstudiengang mehr ist. Im Zuge der Bologna-Reformen wurden dagegen innovative Veranstaltungsformate verkleinert und verwässert. Das betrifft vor allem vier obligatorische studiengangspezifische Veranstaltungen, die für die Philosophie des Studiengangs standen: Grundkurs Einführung in die Sozialwissenschaften (vier Lehrveranstaltungsstunden plus Tutorien), Methoden empirischer Sozialforschung (ebenfalls vier LVS plus Tutorien), Integrationsveranstaltung I (vier LVS) und Integrationsveranstaltung II (sechs LVS, einschl. Schulpraktische Studien). Für den Grundkurs und

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die beiden Integrationsveranstaltungen galt die Regel, dass sie »von mehreren Lehrenden der am Studienfach beteiligten Disziplinen durchgeführt« werden. Das waren im Grundkurs und in der Integration I meistens drei Personen aus Soziologie, Politikwissenschaft und Wirtschaftswissenschaften, die die Veranstaltungen durchgehend mitgestaltet haben. Die Bologna-Turbulenzen überlebt haben die fachwissenschaftlichen Module Integration Politik/Wirtschaft (vier LVS) und Integration Gesellschaft/Wirtschaft (sechs LVS). Erst kürzlich führte die Fakultät als Ersatz für den gestrichenen Grundkurs eine multidisziplinäre Ringvorlesung mit begleitenden Übungen ein (vier LVS). Die Existenz der Universitäten in Deutschland begründet sich vorrangig aus dem Auftrag der akademischen Ausbildung. Die Lehre ist ihre eigentliche Raison d’Être. Der Forschungsauftrag ist ihr schon deshalb nachgelagert, weil man ihn wesentlich produktiver und effizienter in auf Forschung spezialisierten Organisationen umsetzen kann. Aber in ihrem Selbstbild und Selbstbewusstsein neigen die Universitäten und ihr Personal dazu, Forschung in den Vordergrund zu rücken und Leistungen in der Lehre abzuwerten. Den Hauptgrund ihrer Existenzberechtigung ignorieren sie auch insofern, als sich viele Fachbereiche kaum um die wissenschaftliche Fundierung ihrer Studienangebote kümmern. Das gilt sowohl nach innen, also mit Blick auf die wissenschaftlich-inhaltliche Gestalt der Studienfächer, als auch nach außen, also bezüglich wissenschaftlicher Befunde über Bedarfe in den Feldern, in denen die Absolventinnen und Absolventen mit ihrem wissenschaftlichen Wissen und Können zukünftig arbeiten werden. Dieser beklagenswerte Allgemeinzustand, dass wissenschaftliche Ausbildungsgänge meist ohne wissenschaftlich fundierte Begründung gestaltet und fortgeführt werden, herrscht auch im Konkreten bei den Studiengängen unserer Fakultät.

D idak tik der S ozialwissenschaf ten als politische W issenschaf t Obwohl der BA-Studiengang Sozialwissenschaften seit langem kein Lehramtsstudiengang mehr ist, prägt der Arbeitsbereich »Didaktik der Sozialwissenschaften« den Studiengang bis heute. Der Arbeitsbereich erschließt fachdidaktische Forschungsfragen vornehmlich aus einer soziologischen Perspektive. Ein Forschungsschwerpunkt des Arbeitsbereichs liegt in der Analyse von Strukturen und Prozessen sozialer Ungleichheit in der sozialwissenschaftlichen Bildung. Ein weiterer erstreckt sich auf die Forschung von Interessenund Machtverhältnisse in der politisch-ökonomischen Bildung. Keine andere Schulfächergruppe steht so stark unter politischer Beobachtung und politischer Einflussnahme durch Lobbyverbände wie die politisch-ökonomische Bildung. An kein anderes Unterrichtsfach werden so viele politische Steuerungsaufgaben und Steuerungsinteressen adressiert, z.B. Verbraucherbildung, Finanzbildung, Berufsorientierung, Nachhaltigkeitsbil-

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dung, Demokratie Lernen, Gesundheitsbildung. Forscherinnen und Forscher in dieser Domäne brauchen also neben ihrer fachwissenschaftlichen Kompetenz auch politische Handlungskompetenz. Das gilt auch, weil der Versuch, durch Wissenschaft zur Verbesserung der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beizutragen, seit Jahrzehnten zum disziplinären Selbstverständnis der Didaktik der Sozialwissenschaften gehört. Im Feld der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung ist das ein doppelter Auftrag an die Disziplin: zum einen die Studierenden selbst zu politischer Handlungskompetenz und zu einem professionellen Handeln zu befähigen, das Schülerinnen und Schüler erfolgreich dabei unterstützt, politisch kompetent zu werden, und zum anderen als Disziplin politisch handlungsfähig zu sein, um in den Schulen die nach sozialwissenschaftlichem Wissen besten Voraussetzungen zu schaffen. Durch die Analyse dieser Konzepte, ihre gesellschaftstheoretische Verortung und die Forschungen zu den dahinterstehenden gesellschaftlichen Interessen, die der Arbeitsbereich durchführt, ist die Didaktik der Sozialwissenschaften seit Jahrzehnten immer wieder in öffentliche Konflikte um die politisch-ökonomische Bildung involviert. Exemplarisch dafür erinnern wir an die politischen Auseinandersetzungen um zwei Publikationen des Arbeitsbereichs, die zeitlich rund drei Jahrzehnte auseinanderliegen, aber doch viele Gemeinsamkeiten aufweisen: das »Bielefelder Modell« des Projekts Betriebspraktikum (Feldhoff et al. 1985) und die Publikation »Themen und Materialien: Ökonomie und Gesellschaft« (Bundeszentrale für politische Bildung 2014). Beide Fälle zeichnen sich dadurch aus, dass die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre fachdidaktischen Forschungsergebnisse für die Anwendung in der Schule auf bereitet haben, ohne politische Interventionsabsichten zu hegen. Beide Publikationen verbindet, dass sie sozialwissenschaftliche und soziologische Positionen vortragen, die von der wirtschaftswissenschaftlichen Orthodoxie abweichen und vorherrschende affirmative Herangehensweisen an wirtschaftliche Themen um kritische Perspektiven ergänzen. Dabei trafen sie auf massive Kritik und heftigen Widerstand vor allem von Seiten unternehmerischer Interessenverbände, die Unterstützung in der Politik mobilisieren und wirtschaftliche Macht in politische umsetzen konnten.

»P rojek t B e triebspr ak tikum « und kritische B erufsorientierung »Kritische Berufsorientierung«, so Wolfgang Klafki im Geleitwort zur ersten Auflage von »Projekt Betriebspraktikum«, orientiert sich »an den Grundrechten unserer Verfassung« und »darf nicht nur auf Anpassung an gegenwärtige Bedingungen und Anforderungen der Berufs- und Arbeitswirklichkeit gerichtet sein. Sie muß zugleich Aufklärung über demokratisch legitime Veränderungsmöglichkeite[n] leisten« (Feldhoff et al. 1985: 9). Das konkretisieren

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die Autoren im Richtziel eines kritischen Berufsrollenverständnisses, das den »Dualismus von funktionalen Erfordernissen und sozialen Interessenlagen im Betrieb« aufgreift, das ökonomische Grundprinzip des Arbeitsprozesses »als Kapitalverwertungsprozeß« begreift und die »technologisch-ökonomische Organisation des Betriebes als gesellschaftlich vermittelte« erkennt (Feldhoff et al. 1985: 37-38). Berufsvorbereitung müsse »die Fähigkeit vermitteln, Arbeitssituationen interessenbewußt, d.h. im Hinblick auf eine mögliche Verringerung beruflicher Restriktionen zu interpretieren«, das Berufsrollenverständnis müsse nicht nur Anpassung an Qualifikations- und Kooperationsanforderungen umfassen, sondern auch kritisch gegenüber den derzeitigen »Arbeits- und Berufsstrukturen« sein (Feldhoff et al. 1985: 49). Einseitig funktionales Anpassungslernen gerate in Konflikt mit Bildung im Sinne von Persönlichkeitsförderung. Dagegen setze Humanisierung der Arbeit der »Rationalität des Rentabilitätsund Herrschaftskalküls« ein Prinzip entgegen, »dessen Kriterium die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen ist und generell die gesellschaftliche, demokratische Kontrolle der ökonomischen Entwicklung« (Feldhoff et al. 1985: 57). Die Ergebnisse der einschlägigen sozialwissenschaftlichen Forschung deuten darauf hin, dass dieses Desiderat im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts weiter besteht. Der »affirmativen Wirkung des Praktikums«, die auch aus der Wahrnehmung des Betriebs als ausschließlich »von ›Sachzwängen‹ beherrschter und in seinen Funktionszusammenhängen interessenfreier Raum« resultiere, könne man nur entgegentreten, wenn in außerbetrieblichen Lernorten eine Historisierung der herrschenden betrieblichen Verhältnisse und eine »Theoretisierung ihrer Erfahrungen, Eindrücke und Informationen aus der Arbeitswelt« gelinge (Feldhoff et al. 1985: 38-39, 45, 52). Denn »die technische, die betriebswirtschaftliche und die volkswirtschaftliche Rationalität, durch die die konkrete Berufstätigkeit bestimmt wird, ist nicht beobachtbar« (Feldhoff et al. 1985: 54). Dazu stützt man sich auf Erkenntnisse aus der Arbeits-, Berufs-, Industrie-, Organisations- und Techniksoziologie sowie Rollentheorie und Sozialisationsforschung. Anders formuliert: das Betriebspraktikum wird zu einem Anlass soziologischer Bildung. Von dieser Breite und Tiefe einer soziologischen Fundierung sind gegenwärtig dominierende Projekte des Betriebspraktikums denkbar weit entfernt. Thematisch fokussiert das Projekt auf den Zusammenhang von Beruf, Rationalisierung und Humanisierung der Arbeitswelt in Industrie, Handwerk, Büro/Verwaltung, Einzelhandel und Soziale Dienste – ein Themenkomplex, der nichts an Aktualität verloren hat. Die Debatte um die Digitalisierung ist nur ein Indiz dafür. Das hohe Niveau an sozialwissenschaftlicher und fachdidaktischer Qualität, die große Vielfalt an Ansätzen und Materialien sowie die anspruchsvolle Form soziologischer Bildung, die das Projekt Betriebspraktikum auszeichnen, blieben in der schulischen Berufsorientierung über lange Zeit hinweg unerreicht. Hinsichtlich der pädagogischen Parteinahme für die Interessen der

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Lernenden hat die Bildungspolitik die Ziele und Praktiken der Berufsorientierung sogar umgekehrt, heute stehen die Interessen der Ausbildungsbetriebe und der Unternehmen sowie Formen des Anpassungslernens im Mittelpunkt. Allerdings hat das Projekt Betriebspraktikum erreicht, dass es bis heute eine obligatorische Vor- und Nachbereitung des Praktikums gibt. Es verwundert kaum, dass diese soziologische elaborierte Konzeption für das Betriebspraktikum scharfe Kritik und bildungspolitische Interventionen erlebte, die aus dem Spektrum konservativ-wirtschaftsliberaler Politik, vor allem aber von Seiten der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände sowie einzelner Unternehmen kamen. Es entspann sich nicht nur eine kontroverse Diskussion in der Bielefelder Lokalpresse, sondern es gab auch eine Landtagsdebatte, in der der damalige Kultusminister Girgensohn das Projekt entschieden verteidigte. Dennoch war der Widerstand der Wirtschaft gegen eine kritische Berufsorientierung wirkmächtig. Viele Schulen nahmen Abstand von den Materialien aus dem Projekt Betriebspraktikum und verzichteten damit auf kritische Zugänge zum Thema. Andere Schulen, die von der hohen Qualität und Leistungsfähigkeit dieses Konzepts überzeugt und zugleich zu widerständigem Handeln bereit waren, konnten dieses nur verwenden, weil sie Techniken der Camouflage nutzten, mit denen sie gegenüber den Praktikumsbetrieben verdeckten, woher ihr Material stammt. Die Thematik Berufsorientierung ist weiterhin ein Forschungsschwerpunkt des Arbeitsbereichs Didaktik der Sozialwissenschaften. Aus einer Reihe von Arbeiten hervorzuheben sind »Die Betriebserkundung« (Zurstrassen 2011), »Go and find out! Die Betriebserkundung in der Arbeitswelt« (Zurstrassen et al. 2013), »Arbeitswelt und Schule: Perspektiven sozialwissenschaftlicher Bildung« (Hedtke 2013), »Mündigkeit in der Arbeitswelt: Politisches Lernen in der beruflichen Bildung« (Zurstrassen 2017). Angesichts der nicht nur in NRW ausufernden Aktivitäten schulischer Berufsorientierung, die auf Kosten des Fachunterrichts und damit des Erwerbs übertragbaren Wissens gehen, bleibt die Berufsorientierung ein wichtiger Gegenstand kritischer sozialwissenschaftlich-fachdidaktischer Forschung.

D er K onflik t um die P ublik ation »Tu M Ö konomie und G esellschaf t« Ausgehend vom fachdidaktischen Konzept der »Sozioökonomischen Bildung« (Fischer & Zurstrassen 2014) wurden 2014 in der Publikation »TuM Ökonomie und Gesellschaft«, die von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegeben wurde, zu ausgewählten ökonomischen Zusammenhängen (Markt, Arbeit, Lobbyismus etc.) Lehrmaterialien konzipiert. Im Gegensatz zu den damals vorliegenden Lehrmaterialien in der politisch-ökonomischen Bildung, in denen ausschließlich neoklassisch argumentiert wird, wurden in der Publikation »TuM Ökonomie und Gesellschaft« wirtschaftswissenschaftlich und wirt-

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schaftssoziologisch multiparadigmatische Perspektiven aufgezeigt. Thematisiert werden in der Publikation u.a. auch die Problematik des Lobbyismus und die engen Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft (Engartner 2014) sowie grundlegende Fragen zur Organisation von Arbeit (Hagedorn & Kölzer 2014). Insbesondere gegen diese beiden Kapitel intervenierte die Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeber (BDA), vertreten durch einen ihrer Hauptgeschäftsführer Peter Clever, beim Bundesinnenministerium, das daraufhin ohne Prüfung der Vorwürfe ein Vertriebsverbot erließ. In seinem Brief, der auch an den Wissenschaftlichen Beirat sowie das Kuratorium der bpb ging, bittet Clever, die Publikation »in dieser Form nicht weiter zu vertreiben« (BDA 2015 bei FragDenStaat). Er führte aus, in der Publikation werde »ein monströses Gesamtbild von intransparenter und eigennütziger Einflussnahme der Wirtschaft auf Politik und Schule gezeichnet«. In einer tabellarischen Übersicht führte er Zitate auf, die seinen Vorwurf an die Publikation belegen sollen. Die Überprüfung ergab jedoch, dass die meisten Zitate durch Kürzungen inhaltlich verfälscht, einseitig aus dem Zusammenhang gerissen oder den Autoren zugewiesen wurden, obwohl diese nicht von ihnen stammten, sondern von Wirtschaftsverbänden. In seinem Antwortschreiben wies der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung die Vorwürfe der BDA zurück und thematisierte in diesem Zuge auch die unkorrekte Zitierweise (bpb 2015, siehe FragDenStaat 2015, Anhang 2). Trotz dieser internen Stellungnahme verfügte das Bundesinnenministerium am 4. Juli 2015 per Erlass ein vorläufiges Vertriebsverbot, denn es »dominiere eine bestimmte Denkschule zu Wirtschaftsfragen deutlich« (BMI 2015, siehe: FragDenStaat 2015, Anhang 1,6). Zudem wies das Bundesinnenministerium die bpb an, das Schreiben des bpb-Präsidenten zu überarbeiten und erneut vorzulegen (BMI 2015, FragDenStaat 2015, Anhang 4). Weder erfolgte im Bundesinnenministerium eine Überprüfung der von der BDA inkriminierten Zitate, noch erhielten die Autoren und Autorinnen die Möglichkeit einer Stellungnahme. Im Oktober 2015 nahm der Wissenschaftliche Beirat der bpb eine Überprüfung der BDA-Vorwürfe vor und sprach ausgehend hiervon die Empfehlung aus, das Vertriebsverbot aufzuheben, weil dieses nicht zu rechtfertigen sei (bpb 2015, siehe FragDenStaat 2015, Anhang 12, 13). Der TuM-Zensurskandal war eine von der BDA, Vertretern des Bundesinnenministeriums und konservativen Wirtschaftswissenschaftlern initiierte, orchestrierte, zumindest unterstütze Aktion, die darauf abzielte, das Konzept der Sozioökonomischen Bildung und die hierfür eintretenden Wissenschaftler*innen zu diskreditieren, um weiterhin eine dominant neoliberal orientierte Deutungshoheit gesellschaftlicher Zusammenhänge in Politik, Wirtschaft und Verwaltung zu sichern. An weiteren sozialwissenschaftlichen und fachdidaktischen Forschungsergebnissen des Arbeitsbereichs entzündeten sich eine Reihe weiterer fach-, bildungs- und interessenpolitischer Konflikte, die hier nur erwähnt werden

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können: die Auseinandersetzung um die Ausgliederung eines Separatfachs Wirtschaft aus integrativen Schulfächern wie Sozialwissenschaften, Politik oder Sozialkunde (2005 bis heute), die disziplinäre, paradigmatische und politische Einseitigkeit der Lehrpläne und Lehr-Lern-Materialien für den Wirtschaftsunterricht und der ökonomische Imperialismus in dieser Domäne (2008 bis heute), die Netzwerkanalysen zur Verflechtung von Wissenschaft, Wirtschaftsverbänden, konservativ-wirtschaftsliberalen Think Tanks und Politik im Feld der ökonomischen Bildung (2011 bis heute), kritische Analysen zu funktionalistischen Ansätzen partizipatorischer politischer Bildung (2015 bis heute) und, nicht zuletzt, die Forschung zur arbeitsweltorientierten politischen Bildung an berufsbildenden Schulen (Weinbrenner 1987, Zurstrassen 2016, Zurstrassen/Wittau 2017). Der Arbeitsbereich Didaktik der Sozialwissenschaften ist gegenwärtig maßgeblich an der Konzeptionierung, Erforschung und bildungspolitischen Etablierung des fachdidaktischen Konzepts der »Sozioökonomischen Bildung« beteiligt, das als integrativer Bestandteil der gesellschaftlichen/politischen Bildung verstanden wird (Hedtke 2014, 2016). Es ist zu vermuten, dass der Arbeitsbereich auch in Zukunft in öffentlichen Konflikten involviert sein wird. In der Verantwortung, nachwachsenden Generationen sozialwissenschaftlich multiparadigmatische und plurale Weltzugänge und -deutungen zu eröffnen, wird sich der Arbeitsbereich diesen stellen. Die unverzichtbare Grundlage dafür ist und bleibt eine anspruchsvolle und problemorientierte sozialwissenschaftliche Forschung.

L iter atur Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) (Hg.), 2014: Ökonomie und Gesellschaft. Zwölf Bausteine für die schulische und außerschulische politische Bildung (Themen und Materialien). Bonn: bpb. Engartner, T., 2014: Lobbyismus als »fünfte Gewalt«: »Hinterzimmerpolitik« oder pluralistische Notwendigkeit? S.  35-58 in: bpb (Hg.), Ökonomie und Gesellschaft. Zwölf Bausteine für die schulische und außerschulische politische Bildung (Themen und Materialien). Bonn: bpb. Feldhoff, J./Otto, K. A./Simoleit, J./Sobott, C., 1985: Projekt Betriebspraktikum. Berufsorientierung im Problemzusammenhang von Rationalisierung und Humanisierung der Arbeit. Lehrerhandbuch zur Didaktik, Methodik, Organisation. Lehrerhandbuch zur Didaktik, Methodik und Organisation. Düsseldorf: Schwann. Fischer, A./Zurstrassen, B. (Hg.) 2014: Sozioökonomische Bildung. Bonn: bpb. FragDenStaat, 2015: Vertriebsverbot der Sammelpublikation Ökonomie und Gesellschaft. https://fragdenstaat.de/anfrage/vertriebsverbot-der-sammelpublikation-okonomie-und-gesellschaft/(letzter Abruf am 10.11.2018)

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Hagedorn, U./Kölzer, C. 2014: Arbeit, Subjekt und Gesellschaft. S. 255-282 in: bpb (Hg.), Ökonomie und Gesellschaft. Zwölf Bausteine für die schulische und außerschulische politische Bildung (Themen und Materialien). Bonn: bpb. Hedtke, R., 2013: Arbeitswelt und Schule. Perspektiven sozialwissenschaftlicher Bildung. S.  43-66 in: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (Hg.), Arbeitsweltorientierung und Schule: Eine Querschnittsaufgabe für alle Klassenstufen und Schulformen. Bielefeld: W. Bertelsmann. Hedtke, R., 2014:Was ist sozio-ökonomische Bildung? S. 81-127 in: A. Fischer/B. Zurstrassen (Hg.), Sozioökonomische Bildung. Bonn: bpb. Hedtke R., 2016: Paradigmatische Parteilichkeit, lückenhafte Lehrpläne und tendenziöses Unterrichtsmaterial? Eine Studie zu Gestalt und Gehalt sozio-ökonomischer Bildung. Düsseldorf: http://fgw-nrw.de/fileadmin/user_ upload/NOED-Studie-01-Hedtke-A3-komplett-web.pdf. Otto, K. A. 1995: Die sozialwissenschaftlichen Lehramtsstudiengänge. S. 199207 in: F.-X. Kaufmann./R. Korff (Hg.), Soziologie in Bielefeld. Ein Rückblick nach 25 Jahren. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte. Universität Bielefeld, 1997: Studienordnung der Universität Bielefeld für das Fach Sozialwissenschaften mit dem Abschluß Erste Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe I [Sekundarstufe II] vom 18. August 1997. In: Mitteilungs-Blatt Amtliche Bekanntmachungen 26, Nr. 42, 295-307. Weinbrenner, P., 1987: Berufsarbeit und politische Bildung. S.  11-38 in bpb (Hg.), Politische Bildung an Berufsschulen. Bonn: bpb. Zurstrassen, B., 2011: Die Betriebserkundung: Wirtschaft verstehen durch Realbegegnungen. S. 25-42 in: T. Retzmann (Hg.), Methodentraining für den Ökonomieunterricht II. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. Zurstrassen, B./Becker, D./GEW Hauptvorstand/IG Metall Vorstand (Hg.), 2013: Go and find out! Die Betriebserkundung in der Arbeitswelt: Eine Handreichung für die sozioökonomische Bildung. O. O. (Frankfurt a.M.). Zurstrassen, B., 2016: Inklusiver Fachunterricht an beruflichen Schulen – am Beispiel der gesellschaftlichen Fächer. S. 178-193, in: Musenberg O,/Rieger J. (Hg.), Didaktik und Differenz. Konstanz: Klinkhardt. Zurstrassen, B., 2017: Mündigkeit in der Arbeitswelt: Politisches Lernen in der beruflichen Bildung. S. 139-152 in: S. A. Greco/D. Lange (Hg.), Emanzipation. Zum Konzept der Mündigkeit in der politischen Bildung. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. Zurstrassen, B./Wittau, F., 2017: Lebenswelt und Arbeitswelt – lebensweltliche Bezüge in der Berufsbildung. S. 137-152 in: T. Oeftering/J. Oppermann/A. Fischer (Hg.), Der »fachdidaktische Code« der Lebenswelt- und/oder Situationsorientierung. Fachdidaktische Zugänge zu sozialwissenschaftlichen Unterrichtsfächern sowie zum Lernfeldkonzept. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

Die duale Methodenausbildung der Fakultät für Soziologie Sarah Hitzler und Lena M. Verneuer In einer Zeit, in der in der DGS und der deutschsprachigen Soziologielandschaft starke Verwerfungen drohen, weil Methodenfragen für einige Mitglieder zu Identitätsfragen werden, die erkenntnistheoretisch anders verortete Perspektiven als nicht-soziologisch, gar nicht-wissenschaftlich behandeln und daraus Alleinvertreteransprüche für das ganze Fach ableiten, ist augenfällig, mit welch unaufgeregter Egalität an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld die Methodenausbildung durchgeführt wird. Die Methodenausbildung an der Fakultät ist paritätisch organisiert und in der Fakultät unstrittig. Dem Arbeitsbereich »Methoden der empirischen Sozialforschung« sind seit dem Jahr 2001 zwei Arbeitsgruppen mit je einer Methoden-Professur zugeordnet, die identisch benannt sind: »Methoden der empirischen Sozialforschung mit dem Schwerpunkt quantitative Methoden« (die AG Quantitative Methoden unter der Leitung von Prof. Dr. Jost Reinecke bzw. seinem Nachfolger Prof. Dr. Martin Kroh) und »Methoden der empirischen Sozialforschung mit dem Schwerpunkt qualitative Methoden« (die AG Qualitative Methoden unter Leitung von Prof. Dr. Ruth Ayaß). Eine solche duale Ausrichtung in der soziologischen Methodenausbildung ist auch heute noch vielerorts ungewöhnlich, während sie für die Fakultät für Soziologie selbstverständlich ist. Ob im Verhältnis zwischen quantitativen und qualitativen Methoden tatsächlich von einem Paradigmenstreit nach Kuhn gesprochen werden muss, ist fraglich. Tatsächlich scheinen aber die beiden empirischen Zugänge im Allgemeinen als inkompatibel begriffen zu werden und aufgrund ihrer teils sehr verschiedenen erkenntnistheoretischen Fundierungen nur schwer in einen Dialog zu kommen. Die Unterschiede, die grob zusammengefasst darin liegen, ob Forschung theoriegeleitet, hypothesengenerierend und in ihrer Umsetzung standardisierten Erhebungsmethoden folgt oder ob sie sich durch Offenheit, zirkuläre Erkenntnisprozesse und Theoriegenerierung auszeichnet, erschweren die wechselseitige Rezeption und inhaltlichen Anschlüsse und münden bisweilen in einer Tendenz zur Herabwürdigung des anderen.

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Im Oktober 2002, kurz vor der Gründung der DGS-Sektion »Methoden der qualitativen Sozialforschung«, verabschiedete der Vorstand der DGS Empfehlungen zur Ausgestaltung der Methodenausbildung an den Hochschulen (vgl. Rehberg 2003). Diese Empfehlungen zielten darauf ab, eine »Veränderung der Diskussionskultur in diesem Feld« (Rehberg 2003: 73) zu erreichen und bei Anerkennung der klaren Unterschiede der jeweiligen Zugänge sowohl eine Auseinandersetzung mit den jeweiligen Prämissen als auch eine Entspannung der Beziehungen untereinander zu ermöglichen. Die Initiative zu dieser Empfehlung der DGS ging nicht unwesentlich von der Fakultät für Soziologie aus, an der qualitative Methoden auch zu diesem Zeitpunkt empirisch und methodologisch schon breit aufgestellt waren. Auch in Bielefeld fiel die symmetrische Ausrichtung nicht vom Himmel. Vor Jörg Bergmann (2001-2012) hatte Karin Knorr-Cetina (1983-2001) viele Jahre die Professur inne (zunächst als »Professur für Kultursoziologie mit dem Schwerpunkt qualitative Methoden«, später als »Professur für Sozial- und Kulturtheorie«). Ihre Vorgänger wiederum – Karl F. Schumann (1973-1977) und Wolfgang Schulz (1978-1981) – hatten Professuren für »Methoden der empirischen Sozialforschung unter besonderer Berücksichtigung der Feldforschung« inne. Man sieht an den sich verändernden Denominationen auch, wie sich die Bezeichnung ›qualitative Methoden‹ über die Jahrzehnte hinweg erst schrittweise als Sammelbegriff in den Vordergrund schiebt. Bis es zur spiegelbildlichen und egalitären Benennung der beiden Professuren kam, erfuhren aber auch die quantitativen Methoden in Bielefeld eine Häutung: Vor Jost Reinecke (seit 2005) hatte Hans-Jürgen Andreß die Professur für »Methoden und EDV in den Sozialwissenschaften« zehn Jahre inne (1993-2003, zuvor von 1987-1992 als Professor auf Zeit für »Computeranwendungen in den Sozialwissenschaften unter besonderer Berücksichtigung der multivariaten Statistik«), zudem war ein Vierteljahrhundert Theodor Harder, Gründungsmitglied der Fakultät, als Professor mit der Denomination »Professur für Methodologie und Mathematik der Sozialwissenschaften« tätig (1970-1996). Insofern haben beide Professuren sich in einem länger andauernden Prozess sowohl aneinander angeglichen (in der Benennung) als auch scharf voneinander differenziert (in ihrer inhaltlichen Ausrichtung und wissenschaftstheoretischen Begründung). An der Fakultät für Soziologie in Bielefeld gab es (lange vor den Empfehlungen der DGS) eine breite Verankerung interpretativer Theorien und qualitativer Methoden in fast allen Arbeitsbereichen. Allein die beiden wegweisenden Bände der »Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen« (Joachim Matthes, Werner Meinefeld, Fritz Schütze, Werner Springer, Ansgar Weymann und Ralf Bohnsack, 1973), welche die Ansätze der amerikanischen Mikrosoziologie und Methodologie der 1960er-Jahre nach Deutschland brachten, machen deutlich, wie groß in Bielefeld das Sensorium für qualitative Methoden im allgemeinen und ihre entsprechenden aktuellen internationalen Diskussionen und Entwicklungen war. In Bielefeld hatte auch die beispielhafte Entwicklung vieler qualitativer Methoden für den deutschsprachigen Raum ihren Ausgangspunkt, nicht

Die duale Methodenausbildung der Fakultät für Soziologie

zuletzt Fritz Schützes Entwicklung des narrativen Interviews als eigenständiger Methode. Die vom Vorstand der DGS erarbeitete Empfehlung sollte nun sicherstellen, dass Studierende nicht nur in Bielefeld Einblick in »das gesamte Spektrum der Methoden der empirischen Methoden« (Rehberg 2003: 70) erhielten, um befähigt zu werden, nicht nur selbst informierte Entscheidungen über die Wahl einer Forschungsmethode zu treffen, sondern auch veröffentlichte Studien kritisch zu hinterfragen. Studierenden müsse zunächst die gesamte Bandbreite der dem Fach zur Verfügung stehenden Methoden offengelegt werden, und sie müssten demnach mit standardisierten und nicht-standardisierten Verfahren gleichermaßen bekannt gemacht werden (Rehberg 2003: 70). Die Empfehlung der DGS strukturierte dabei in recht großem Detail Elemente der Methodenausbildung für die deutsche Soziologie vor. Aber inwiefern wurden diese Empfehlungen umgesetzt? In ihrer instruktiven Skizze über die Verteilung qualitativer und quantitativer Lehrinhalte an deutschen Universitäten zeigen Stefan Hirschauer und Laura Völkle (2017) nach Auswertung der online verfügbaren Modulhandbücher der auf dem Studienportal der DGS gelisteten Studiengänge der Soziologie auf, dass trotz der seit zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 15 Jahre alten Empfehlung der DGS die Methodenausbildung deutschlandweit noch immer einen sehr starken Bias aufweist und sich Bielefeld immer noch in einer Ausnahmesituation befindet. Insbesondere in der Bachelorausbildung lässt sich in der Methodenausbildung anderer Universitäten ein deutlicher Hang zur standardisierten Empirie erkennen: Von den Lehrveranstaltungen im Methodenbereich decken 71 % standardisierte Zugänge ab, nur 21 % vermitteln ausgewiesene qualitative Inhalte (Hirschauer & Völkle 2017: 422). Dies spiegele sich deutlich in der Denomination der Methodenprofessuren wider, bei denen sich ein äquivalentes Verhältnis zeige: 73  % der Methodenprofessuren haben demnach Personen mit ausgewiesener quantitativer Ausrichtung inne, nur 21 % der Professuren sind von Personen mit qualitativer Ausrichtung besetzt (Hirschauer & Völkle 2017: 419). Die Nachfrage nach quantitativ ausgebildeten Sozialwissenschaftlern wird allerdings auch durch die Stellenangebote in der Markt- und Meinungsforschung stark geprägt. Bielefeld stellt in dieser Untersuchung neben Erlangen-Nürnberg mit seinem paritätischen Modell also weiterhin eine Ausnahme dar. Wie Hirschauer und Völkle (2017: 427f.) argumentieren, kompensieren Soziologieinstitute an anderen Standorten eine mangelnde qualitative Ausbildung im Bachelorstudium durch fakultative Grundlagenkurse im Masterstudium, wodurch zwar ein überraschendes Gleichgewicht der Angebote im Master entsteht, die aber, auch aufgrund eines nicht ausreichend ausgebildeten Personals, nicht in der Lage sind, die Ungleichheiten aufzufangen. An der Universität Bielefeld wird nicht nur grundsätzlich auf ausgeglichene Angebote für die Studierenden geachtet, sondern darüber hinaus auch großer Wert auf eine umfassende, praxis-

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nahe und methodologisch fundierte methodische Grundausbildung gelegt – in Bachelor, Master und nicht zuletzt in der Graduiertenschule BGHS. Dies spiegelt sich schon allein im Umfang der Methodenausbildung wider: Während die DGS 2002 14 Semesterwochenstunden für die Methodenausbildung im Grundstudium veranschlagte und weitere vier Semesterwochenstunden vertiefendes Seminar vorschlug, belegen Studierende des Fachs Soziologie heute in Bielefeld im 1-Fach Bachelor verpflichtend das Äquivalent von 21 Semesterwochenstunden und im Masterstudiengang Soziologie weitere 12 Semesterwochenstunden Methodenveranstaltungen, demnach insgesamt beinahe doppelt so viel Veranstaltungen wie von der DGS empfohlen. Dabei wird sowohl im Bachelor- als auch im Masterstudium Wert darauf gelegt, im Rahmen von Vorlesungen methodologische und erkenntnistheoretische Grundlagen zu vermitteln, ebenso wie sehr viel Raum für die eigene praktische Forschungsarbeit zu gestalten, um Forschungsmethoden nicht abstrakt und als weitere taxonomisch zu erwerbende Studieninhalte zu vermitteln, sondern als das begreif bar zu machen, was sie sind: wesentliche Bestandteile des Instrumentariums der Soziologie in der Erzeugung ihrer Erkenntnisprozesse. Dies bedeutet auch, den Studierenden transparent und nachvollziehbar zu machen, dass das Methodenspektrum der Soziologie komplex, gegenstandsorientiert und dynamisch ist. So zeichnet sich die Methodenausbildung durch eine große Breite vermittelter Ansätze aus, in der weit über die dichotome Unterscheidung zwischen standardisierten und nicht-standardisierten Verfahren hinausgegangen wird, sondern jeweils im Rahmen der einzelnen Paradigmen verschiedene methodologische Zugänge dargestellt, vermittelt und eingeübt werden. Zentral ist dabei die Annahme, dass nur umfangreich gebildete Forschende in der Lage sind, die für ihren Gegenstand und ihr Forschungsinteresse adäquate Untersuchungsmethode auszuwählen – unbeeinflusst von Dogmen oder vor-wissenschaftlichen Setzungen. Die Methodenausbildung in Bielefeld ist demnach geprägt von der Überzeugung, dass methodische Kompetenzen erworben und nicht nur methodisches Wissen vermittelt werden soll – das Verhältnis von wissenschaftlicher Erkenntnisbildung, empirisch fundierter Theorieentwicklung und Hypothesenprüfung zu den stärker inhaltlich strukturierten Bereichen des Soziologiestudiums soll stets mitgedacht und mitvermittelt werden. Verschiedene Formate führen Studierende an die eigene Durchführung von Forschungsprojekten heran, begonnen bei Portfolios mit ersten technischen Übungen und Reflexionen in den Vorlesungen über die stets reflektierte Konzeption und Durchführung eigener kleinerer Erhebungen in den »Vertiefungen« im Bachelor, hin zur weitgehend autonomen Durchführung von Projekten in den Masterseminaren und gegebenenfalls der »Lehrforschung«, einem eigenständigen Format, in dem Studierende eigene empirische Forschungsprojekte entwickeln und bearbeiten. Auch die Graduiertenausbildung der BGHS sieht Methodenveranstaltungen vor, welche insbesondere die empirischen Arbeiten der Promovierenden methodologisch begleiten.

Die duale Methodenausbildung der Fakultät für Soziologie

Dieser Praxisbezug fordert Studierenden auch die Auseinandersetzung mit und Fortentwicklung vor allem sozialer Kompetenzen ab. Neben Fähigkeiten wie der Arbeit im Team oder der Projektorganisation in Eigenregie sind Studierende insbesondere in den qualitativen Veranstaltungen damit konfrontiert, ihre eigene soziale Rolle und Vorannahmen zu hinterfragen und diese im Rahmen ihrer Forschungsarbeit reflektiert zum Instrument werden zu lassen. In den quantitativen Veranstaltungen wird ihnen vor allem die reflektierte Übersetzung von theoretischen Konzepten auf die Ebene der Messbarkeit und der Datenanalyse abgefordert. Die schriftliche Dokumentation und Auf bereitung sowie das Einüben einer adäquaten Ergebnisdarstellung sind relevante Kompetenzen, die in den quantitativen und qualitativen Veranstaltungen intensiv diskutiert und begleitet werden. Eine solche paritätische, bis in die Details des Modulhandbuchs symmetrische Ausrichtung in der Methodenausbildung ist, wie zu erwarten, in der Praxis nicht ohne Tücken, zumal in Bielefeld Methoden nicht als »L’art pour l’art« oder als Trockenschwimmübung gelehrt werden, sondern gegenstandsbezogen und mit theoretischem Bezug. Im besten Fall verbinden sie Theorie und Praxis in sowohl qualitativer als auch quantitativer Methodik. Wie schwer dies in der konkreten Lehre umzusetzen und zu verbinden ist, wird in der Lehrplanung inhaltlich sehr deutlich: Bei allen Gemeinsamkeiten als Erkenntnisgrundlagen unterscheiden sich standardisierte und nicht-standardisierte Verfahren doch auch in der Lehre unverkennbar. Gerade die wesentlichen Unterschiede in der Forschungslogik, die im quantitativen Zuschnitt von präziser Passung aufeinanderfolgender Schritte (theoriegeleitete Hypothesenbildung, Operationalisierung, Erhebung, Auswertung) und im qualitativen Zuschnitt von iterativen und reflexiven Bewegungen zwischen Datengenerierung und Theorieentwicklung geprägt sind, lassen sich schwer durch ein identisches Curriculum nivellieren – und wollen in Bielefeld auch nicht nivelliert werden. Die gemeinsame Studienordnung hat dennoch über die Jahre eine zunehmende Öffnung erfahren. Während es zunächst Versuche gab, sich über eine allgemeine Symmetrisierung der Veranstaltungsarten hinaus auch auf grobe inhaltliche Vorgaben zu einigen, indem etwa im Masterstudium verpflichtend jeweils ein Seminar zur Methodologie, zur Datenerhebung und zur Datenauswertung beider Paradigmen belegt werden sollte, erwiesen sich diese Schwerpunkte als für beide Seiten letztlich in der Lehre nur schwer sinnvoll umsetzbare Kompromisse zwischen zwei Forschungstraditionen, sodass in späteren Versionen der Ordnung zunehmend auf inhaltliche Spezifikationen verzichtet wurde. Die Freiheiten, die hierdurch in der Ausgestaltung entstehen, führen dazu, dass die Veranstaltungen des Arbeitsbereichs Methoden sich hinsichtlich ihrer Konzepte stark unterscheiden, und dass den Lehrenden viel Raum für didaktische Entwicklungen und Konzeption bleibt, der zu regelmäßigem Austausch und zu einer von Studierenden durchaus geschätzten Dynamisierung der Lehre weitab von referatsbasierten Seminaren führt.

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Die räumliche Verortung der Mitglieder des Arbeitsbereichs im selben Flur und die Tradition der gemeinsamen Lehrplanung jedes Semester lassen sich vor diesem Hintergrund vor allem als aktive Gesprächsbereitschaft und persönliche Beziehungspflege begreifen, in denen eine lang gelernte, institutionell verankerte wechselseitige Akzeptanz der jeweiligen Sichtweisen, Schwierigkeiten oder didaktischen Überlegungen vorherrscht – und in denen dennoch immer wieder Situationen entstehen, in welchen man, von unterschiedlichen Richtungen kommend, bei der gleichen Frage, der gleichen Lösung, dem gleichen Konzept landet und plötzlich sehr unmittelbares Verstehen möglich ist. Auch in einem anderen Punkt herrscht Einigkeit: Der Arbeitsbereich Methoden betreibt seit 2017 ein gemeinsames »Methodenlabor« mit mehreren Arbeitsplätzen, dessen Ausrüstung mit hochwertiger qualitativer wie quantitativer Software zur Professionalisierung der empirischen Forschungen an der Fakultät, seien dies Dissertationen oder Drittmittelprojekte, beiträgt und in dem regelmäßig Schulungen in Methodensoftware erfolgen, die sich nicht nur, aber insbesondere an die Promovierenden und wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen der Fakultät richten und darüber einen Beitrag zur Professionalisierung der Fakultät selbst leisten. In allem wird deutlich, dass die Fakultät den Methoden einen sehr hohen Stellenwert einräumt: Sie versteht Methoden nicht lediglich als Werkzeug, sondern als konstitutiven Bestandteil der Soziologie, als eine Klammer, die, wie die soziologische Theorie auch, die ganze Fakultät umspannt.

L iter atur Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen, 1973: Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Realität. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Hirschauer, S./Völkle, L., 2017: Denn sie wissen nicht, was sie lehren. Soziologie 46(4): Forum der Deutschen Gesellschaft für Soziologie: 417-428. Rehberg, K.-S., 2003: Empfehlung der DGS zur Methodenausbildung. Soziologie 32 (4): 69-76.

Lehren und Lernen an der Fakultät für Soziologie Ein hochschuldidaktisch orientierter Erfahrungsbericht Torsten Strulik

Die Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld steht nicht nur für ein pluralistisches Verständnis von Forschung, sondern auch für ein Lehrangebot, das Vielfalt und Tiefe bietet. Als ich 1994 während meines Grundstudiums der Soziologie an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf mit dem Gedanken spielte, nach Bielefeld zu wechseln, fand ich Bestärkung durch jemanden, der die Fakultät bestens kannte. Christian von Ferber, der die Gründungsphase der Fakultät als einer der ersten Dekane maßgeblich mitgeprägt hatte und für den ich als Studentische Hilfskraft in der Medizinischen Soziologie der Düsseldorfer Universität arbeitete, beschrieb mir die Bielefelder Fakultät als eine Art Supermarkt gegenüber dem das Düsseldorfer Lehrangebot eher wie die Auslage eines Tante Emma Ladens anmutete. Wenngleich Tante Emma Läden über ihr reduziertes Warensortiment und ihre Wohlfühlatmosphäre einen gewissen Charme entfalten, erschien es mir für mein weiteres Studium attraktiver, aus einem großen Angebot auswählen zu können, das mir zudem vor allem in den Bereichen Soziologische Theorie, Organisation sowie Planungsund Entscheidungstheorie vielfältige Verknüpfungsmöglichkeiten eröffnete. Erwähnen möchte ich allerdings, dass mir das sehr gut strukturierte Grundstudium am Düsseldorfer Institut und vor allem die einführenden Veranstaltungen von Richard Münch einen Einstieg in die Soziologie ermöglichten, der für mich in vielerlei Hinsicht bis heute vorbildlich ist. Wenn ich im Folgenden einige Schlaglichter auf das Lehren und Lernen an der Fakultät für Soziologie werfe, dann auf der Grundlage von Einblicken, die sich mir zunächst als Studierender und später als Lehrender der Fakultät boten. In Bielefeld angekommen, beeindruckte nicht nur die Breite des Angebots, sondern auch die faktische Ausgestaltung von Vorlesungen und Seminaren. Ich erinnere mich etwa gut an Seminare von Günter Albrecht, Jürgen Andreß oder Helmut Willke. Die Veranstalter verstanden es, die Sitzungen sehr offen, diskussionsorientiert und weniger konventionell vermittelnd zu ge-

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stalten. Dabei war stets ein klarer Anspruch an die Studierenden, aber auch an die eigene Lehrtätigkeit erkennbar. Nach dem Abschluss meines Studiums im Jahre 1997 und einer zügigen Promotion führte ich im Jahre 1999 selbst erste Lehrveranstaltungen durch. Diese beruhten im Wesentlichen auf Imitation eines von mir als bewährt eingeschätzten Lehrhandels. Zwar nahm ich nach kurzer Zeit an einer Fortbildung zum Thema »Lehren und Lernen an der Hochschule« teil, die am damaligen Interdisziplinären Zentrum für Hochschuldidaktik (IZHD) veranstaltet wurde, doch würde ich nicht behaupten, dass es mir in der Praxis gelang, meine Lehrkompetenzen beträchtlich zu erweitern. Da ich vor allem Forschungsprojekte entwickelte und durchführte und nur wenige Seminare anbot, mangelte es auch an Gelegenheiten zur Ausbildung eines differenzierten didaktischen Repertoires. Dieser Zustand änderte sich auch während der Zeit meines Heisenberg-Stipendiums nicht, das in erster Linie Forschungsaufenthalten an ausländischen Universitäten und meiner Publikationstätigkeit diente. Erst die Übernahme einer Vertretungsprofessur mit einem Deputat von neun Lehrveranstaltungsstunden bewog mich dazu, meine Lehre zu überdenken. Ich versuchte meine Veranstaltungen fortan ein wenig zu beleben und hierzu die Studierenden stärker zu aktivieren sowie in die Verantwortung zu nehmen. Meine gewissermaßen post-heroisch ausgelegte Lehre war keineswegs bewusst an neuesten Einsichten der Hochschuldidaktik orientiert, trug mir aber eine von den Studierenden ausgehende Nominierung für den Karl Grotemeyer Preis für gute Lehre ein. Ein besonderer Schub in Richtung einer intensiveren Befassung mit lerntheoretischen und hochschuldidaktischen Themen ging in den vergangenen Jahren von einem Projekt im Rahmen des »Qualitätspakts Lehre« aus, das die Studienanfänger an der Universität Bielefeld über mehr schreiborientierte Lehrveranstaltungen bei ihrem Einstieg in ihr Studium unterstützen und ihre literalen Kompetenzen fördern soll. Als Verantwortlicher der Fakultät für Soziologie, und eingebunden in das übergreifende Programm »richtig einsteigen.«, führte mich das Projekt »LitKom« wesentlich enger an aktuelle hochschuldidaktische Debatten und Konzepte heran. Damit gerieten für mich insbesondere auch die Grenzen von Lehrformen, die im Wesentlichen auf Vermittlung setzen, sowie die Möglichkeiten, aber auch Probleme mehr aneignungsorientierter Lehr-Lernarrangements in den Blick. Auf der Grundlage meiner Beobachtungen beleuchte ich im Folgenden aktuelle Maßnahmen im Bereich des Lehrens und Lernens an der Fakultät für Soziologie und gehe zudem in die Gründungszeit der Fakultät zurück. Diese zeitüberspannende Perspektive soll Auskunft darüber geben, ob und inwieweit die Rede vom »Hochschulexperimentierplatz Bielefeld« für das Lehren und Lernen der vergangenen fünfzig Jahre zutreffend ist.

Lehren und Lernen an der Fakultät für Soziologie

D er F rühling der D idak tik 1 »Wissenschaftliches Arbeiten ist, bei allem Erfordernis, den Bestand wissenschaftlichen Wissens zunächst kennenzulernen, vornehmlich ein Prozeß aktiver Wissensaneignung und problemorientierter Kommunikation. Will man dem Rechnung tragen, muß das Moment der kritisch-aktiven Kommunikation neben dem der reinen Wissensrezeption gegenüber dem heutigen Zustand erheblich verstärkt werden. Der herkömmliche Bestand an vornehmlich auf Wissensübertragung zielenden Lehrveranstaltungen ist unter diesem Gesichtspunkt zu überprüfen. Die Vorlesungen sind von der Vermittlung von Grundwissen zu entlasten; die selbständige Arbeit mit einführender und grundlegender Literatur ist zu fördern. Hierfür müssen arbeitstechnische Voraussetzungen geschaffen und neue Arbeitsformen entwickelt werden. Übungen und Seminare müssen in Arbeitsplätze verwandelt werden, die nicht nur die aktive Beteiligung möglichst vieler Teilnehmer sichern, sondern auch möglichst viele Teilnehmer zur Thematisierung und Vorbereitung von Veranstaltungen heranziehen.«

Das vorangestellte Zitat fasst wichtige Zielsetzungen aktueller Maßnahmen zur Verbesserung von Lehren und Lernen prägnant zusammen. Konstruktivistische Lerntheorien (z.B. Reinmann-Rothmeier & Mandl 1997) sowie entsprechende hochschuldidaktische Diskurse zum »Situierten Lernen« (z.B. Lave & Wenger 1991) und zum »Shift from Teaching to Learning« (z.B. Behrendt 1998) haben Initiativen stimuliert, die gegenwärtig zu einer Veränderung der Lehr-Lernkultur an Hochschulen beitragen sollen. Mit Blick auf den Bologna-Prozess finden sie ihren Ausdruck etwa im »Qualitätspakt Lehre«, der seit 2011 auf eine Verbesserung der Studienbedingungen und der Lehrqualität an deutschen Hochschulen zielt. Dabei geht es nicht zuletzt um die Erweiterung des didaktischen Handlungsrepertoires der Lehrenden, indem über Präsentation und Instruktion hinaus, das aktive Lernen der Studierenden und folglich die Konstruktionen und Aneignungsprozesse der Lernenden mehr Aufmerksamkeit erhalten sollen. Die zitierten Vorstellungen zum Lehren und Lernen sind allerdings nicht einer aktuellen Publikation entnommen, sondern führen zurück in das Jahr 1969. Sie finden sich in den an der Universität Bielefeld verfassten »Schriften zum Auf bau einer Universität«. Im Band »Lehre, Studium, Strukturmerkmale« beschreibt Jürgen Nieraad (1969: 41) das grundlegende Verständnis der Fakultät für Soziologie hinsichtlich der Konzipierung von Lehrveranstaltungen. Auch andere Texte aus der Gründungsphase der Fakultät für Soziologie befassen sich kritisch mit der herkömmlichen »Einwegkommunikation« (Eckstein 1972: 17) der akademischen Lehre, die sich vor allem im Modus der Vorlesung vollzieht. Sie plädieren stattdessen für eine mehr aneignungsorientierte Lehre, die ein Moment von Arbeit in die Lehrveranstaltung hineinträgt, »das, zumin1 | Diese Überschrift geht auf eine Formulierung von Franz-Xaver Kaufmann zurück. Siehe das Interview des Verfassers mit Franz-Xaver Kaufmann in diesem Band.

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dest in der klassischen ›Frontalvorlesung‹, aber auch im klassischen Seminar mit seinem stereotypen Ablauf von Vortrag und Diskussion« (Matthes 1973: 79), weithin fehlt. Mit Blick auf den heutigen »State-of-the-Art« der Hochschuldidaktik mag man erstaunt sein, wie avanciert die damals innerhalb der Fakultät für Soziologie formulierten Ideen zu einer Reform der Lehre waren.2 Dass sich im Lichte des Vergangenen die Gegenwart oftmals besser begreifen lässt, ist eine bekannte Formel. Häufig ist es aber auch erhellend, Vergangenes mit Hilfe von Begriffen, Erklärungen und Postulaten der Gegenwart zu betrachten. An damalige Beschreibungen vonseiten der Planer und Lehrenden anknüpfend, kann etwa ein Bezug auf den sogenannten »Shift from Teaching to Learning« lohnend sein. Im Kern wird darunter ein Ansatz verstanden, der die Studierenden und ihre Lernprozesse in den Mittelpunkt stellt. Damit verbunden ist eine Veränderung der Lehrendenrolle weg von der Konzentration auf Vermittlung von Lerninhalten hin zu einer Unterstützung studentischer Aneignungsprozesse über die Gestaltung lernförderlicher Aufgaben, Umgebungen und Beratungen. Die Studierenden sollen situiert lernen, d.h. (1) anhand authentischer Probleme, die den Gegenstand und den Anreiz für aktives Lernen bilden, (2) in kleinen Lerngruppen, die kooperatives Lernen und Problemlösen ermöglichen sowie (3) im Modus der Selbstorganisation, der durch die Lehrenden mit geeigneten Maßnahmen begleitet wird. Wenngleich entsprechende Konzepte erst seit den frühen 1990er Jahren explizit diskutiert werden, finden sich Hinweise darauf, dass die Grenzen einer lehrendenzentrierten, vorrangig vermittelnden Hochschullehre und die Notwendigkeit der Etablierung mehr aneignungsorientierter Lehr-Lernarrangements bereits im Zuge der Gründung der Fakultät für Soziologie erkannt wurden. Wie etwa dem Interview mit Franz-Xaver Kaufmann und dem Beitrag von Werner Rammert in diesem Band zu entnehmen ist, kennzeichnete sich die Lehre seinerzeit durch ein Experimentieren mit neuen Lehr-Lernarrangements. Man reduzierte die Anzahl der Vorlesungen und praktizierte stattdessen überwiegend kolloquien- und seminarartige Übungsformen. Letztere konnten nach persönlichem Interesse variiert werden. »Autonome Studiengruppen« boten den Studierenden Gelegenheit, eigenen Themenideen forschend nachzugehen. Dies entsprach den Grundsätzen einer Studienreform, die davon ausging, dass »das Moment einer kritisch-aktiven Kommunikation neben dem der reinen Wis2 | Diese Ideen gingen im Übrigen Hand in Hand mit dem ebenfalls sehr avancierten Konzept einer aktiven Professionalisierung im Zuge der Ausgestaltung des berufsbezogenen Diplomstudiengangs Soziologie. Der Kern des Konzeptes bestand darin, die Studierenden in Antizipation künftiger Entwicklungen auf bestimmte Praxisfelder hin auszurichten, in denen in Zukunft ein wachsender Bedarf an soziologisch ausgebildeten Fachleuten vermutet wurde (Kaufmann 1969: 265). Bezüglich der Entstehung, der Merkmale und der unterschiedlichen Auslegungen des Konzeptes der »aktiven Professionalisierung« sei auf die Schilderungen von Werner Rammert und Franz-Xaver Kaufmann in diesem Band verwiesen.

Lehren und Lernen an der Fakultät für Soziologie

sensrezeption gegenüber dem heutigen Zustand erheblich verstärkt werden« (Nieraad 1969: 41) muss. In der Fakultät für Soziologie sollten Lehrformen etabliert werden, »die ein intensiveres, nicht rezeptives Lernen ermöglichen. Studiengruppen, kleinere Seminare und integrierte Lehrformen im Methodenbereich, die eine Aufhebung der Trennung von trockener Stoffvermittlung und der Anwendung von Wissen in der konkreten Forschungssituation zum Ziel haben« (Klitzsch & Lohan 1975: 113). Der hohe Anspruch, mit dem die Fakultät im Bereich Lehren und Lernen antrat, findet seine Grundlage in Überlegungen von Helmut Schelsky, der 1965 vom nordrhein-westfälischen Kultusminister Paul Mikat den Planungsauftrag für eine Reformuniversität in Ostwestfalen übernommen hatte und erklärtermaßen keine »Ausbildungsuniversität« anstrebte, sondern eine Forschungsstätte errichten wollte, an der Lehrende und Studierende zusammen an für die Gesellschaft wichtigen Fragen arbeiten sollten.3 In seiner Denkschrift »Grundzüge einer neuen Universität« (1966) plädierte Schelsky hierzu für den »Abbau eines überwuchernden Vorlesungsbetriebs, insbesondere der sogenannten Materialvorlesung, deren Stoff von den Studierenden durch eigenes Lesen und Arbeiten wesentlich kürzer und gründlicher erlernt und beherrscht werden könnte. Nur wenige Vorlesungen, die Denkmethodik, Problemlagen oder Querschnitte vermitteln oder sonst etwas bieten, das allein durch den geschlossenen mündlichen Vortrag am besten vermittelt werden kann. Das Schwergewicht des Studiums muß für den Studenten auf einer wissenschaftlichen Selbsttätigkeit in einem Lese- und Arbeitsstudium liegen, das durch Übungen und Seminare angeleitet und kontrolliert wird« (Schelsky 1966: 47; Herv. im Original).

Schelsky forderte eine »Neuordnung der Lehre« und eine »Forschungsorientierung der Studierenden«: »Ziel des Studiums für den Studierenden sollte nach wie vor die geistige Selbständigkeit der Person, gestützt auf Kenntnisse und Urteilsfähigkeit in einem wissenschaftlichen Fachgebiete, sein. Die selbständige wissenschaftliche Arbeit, wenn auch in den ersten Semestern geführt und kontrolliert, sollte als das Wesen der akademischen Ausbildung

3 | Dieses gemeinsame Forschen war allerdings nur für eine eng begrenzte Zahl von Studierenden vorgesehen. Ein Numerus clausus sollte gewährleisten, dass in diesem Arrangement lediglich 30 Studierende von einem planmäßigen Professor betreut werden. Vorgesehen war zudem, dass Professoren abwechselnd forschen und lehren – auf ein Jahr Lehre sollte ein Jahr Forschung folgen usw. Siehe hierzu ausführlich Helmut Schelsky (1966: 41ff.). Für Hermann Lübbe (2009) bildet dieser Sachverhalt auch einen von mehreren Anlässen, von der »Idee einer Elite-Universität« zu sprechen. Und für Werner Rammert liefen Schelskys Vorstellungen auf eine »konservative Eliteuniversität ohne Studierende« hinaus (siehe Rammerts Beitrag in diesem Band).

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Torsten Strulik betont und gegen die sich breit machende Neigung zum passiven Lernen auch institutionell behauptet werden« (ebd.: 45; Herv. im Original).

Konkretere Angaben zu entsprechenden Arrangements lassen sich Schelskys Ausführungen zum Thema »Lernfreiheit und ›Höhere Lehranstalt‹« entnehmen (Schelsky 1971: 254ff.). Dort stellt er indirekt, aber doch nachvollziehbar einen Bezug zwischen der »Wiederentdeckung« des idealistischen Studienprinzips der Selbsttätigkeit und dem didaktischen Konzept des »Forschenden Lernens« her. Ein Konzept, das, wie er zeigt, seinerzeit äußerst umstritten war. Heute ist es ein wichtiger Bestandteil einer lernerzentrierten Hochschuldidaktik, die Lernen als einen konstruktiven, selbstgesteuerten und sozialen Prozess begreift.4 Die Fakultät machte sich eigenen Aussagen zufolge viel Mühe, einem Reformanspruch gerecht zu werden, der sich auf ein »Experimentieren mit neuen Arten des Zusammenhangs zwischen Lernzielen, Lehrinhalten, Organisationsformen der Lehre und didaktisch-methodischer Strukturierung der Lehrveranstaltungen« (Hegner 1973: 14) richtete. Betrachtet man die Dokumentationen und Erläuterungen der Lehrpläne und Prüfungsordnungen, die mit hohem Aufwand nach Fakultätsgründung erarbeitet wurden, so sind allerdings keine konkreten Angaben zur Gestaltung der Lehrveranstaltungen und entsprechender didaktisch-methodischer Strukturierungen zu finden. Im Wesentlichen ist die Rede von Vorträgen und Diskussionen. Einzig die Betonung von Arbeitsgruppen lässt sich im Sinne einer gewissen Sensibilität für die Potentiale sozialen Lernens und der Bedeutung studentischer Aneignungsprozesse interpretieren. Verstanden wurden Arbeitsgruppen vor allem als ständige Studiengruppen, die gewissermaßen als Kern des frühen Studiengangskonzepts vorgesehen waren. In den Arbeitsgruppen sollten sich Professoren, Assistenten und Studenten für jeweils ein Studienjahr zusammenschließen. Von formalen Vorgaben weitgehend freigehalten, sollten die Arbeitsgruppen »den Prozeß der kritischen Wissensaneignung aktivieren, die Kommunikation zwischen allen an der Fakultät Tätigen fördern, dem Lehr- und Forschungsbetrieb ständig neue Impulse vermitteln und dem einzelnen zur Bestimmung seiner wissenschaftlichen Interessen verhelfen« (Nieraad 1969: 35). In der Praxis sind diese Vorstellungen nicht über erste Versuche hinaus verwirklicht worden (Bock 1994: 181). Es scheinen sich vor allem zwei Veranstaltungsformen etabliert zu haben, die traditionelle Vorlesung und das recht offen ausgelegte Seminar. Einen Eindruck hiervon und von einer durchaus vorhandenen Skepsis gegenüber der damaligen Art der Wissensvermittlung gibt ein Zitat eines an der Fakultät tätigen Professors, der im Rahmen der Diplomarbeit mit dem Titel »Anspruch und Wirklichkeit einer berufsbezogenen

4 | Zu den Herausforderungen, Merkmalen und Formen Forschenden Lernens siehe etwa Ludwig Huber (2009).

Lehren und Lernen an der Fakultät für Soziologie

Soziologieausbildung am Beispiel der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld« von Wolfgang Klitzsch und Reinhard Lohan befragt wurde: »Ich glaube, was die Veranstaltungsform betrifft, so haben wir auf der einen Seite die straff organisierte Veranstaltungsform der ursprünglichen Vorlesung und auf der anderen Seite die völlig lockere Veranstaltungsform. Ich glaube, weder das eine, noch das andere hat sich bewährt. Zurückzukehren zur ursprünglichen Vorlesung wäre völlig falsch, aber die Beibehaltung dieser völlig lockeren Veranstaltungsform hat sich m.E. als ebenso falsch erwiesen […]. Der Pendelschlag müßte zurückgehen, vermutlich kommt es […] zu einer Synthese« (Klitzsch & Lohan 1975: 171).

Neu ist hier, dass nicht nur die traditionelle Vorlesung als defizitär erscheint, sondern dass nun auch das Seminar in seiner Ausprägung als »völlig lockere Veranstaltungsform« in die Kritik gerät. Der Arbeit von Klitzsch und Lohan (1975: 171) ist zu entnehmen, dass seinerzeit einige Professoren der Ansicht waren, dass diese lockeren Veranstaltungsformen speziell dem Anliegen des Grundstudiums nicht unbedingt entsprachen. Offenbar wurde nach einigem Experimentieren mit unstrukturierten Settings die Notwendigkeit von Lehr-Lernarrangements gesehen, die auf einem brauchbaren Mischungsverhältnis von Vermittlung und Aneignung bzw. einer angemessenen Flankierung von studentischen Lernprozessen beruhen. Man kann dies als Anzeichen dafür nehmen, dass sich bereits wenige Jahre nach Gründung der Fakultät aufseiten der Lehrenden eine gewisse Verunsicherung bezüglich der Ausgestaltung ihrer Lehre eingestellt hatte. Zu groß war offenkundig die Diskrepanz zwischen der faktischen Lehr-Lernpraxis und den hohen Ansprüchen an eine Reform der Lehre. Wenn in der Kapitelüberschrift von einem »Frühling der Didaktik« die Rede ist, so muss zugleich eingeräumt werden, dass sich entsprechend aufkeimende Ansätze, um im Bilde zu bleiben, eher naturwüchsig und wenig kultiviert entwickelten. Dass z.B. die didaktische Konzipierung von Lehrveranstaltungen eher individuellen Vorlieben und außerwissenschaftlichen Einstellungen folgte, zeigt ebenfalls die von Klitzsch und Lohan vorgenommene Untersuchung. Die Verfasser befragten die Professoren der Fakultät u.a. nach Vermittlungsformen und Methoden der Motivationsweckung. Zu dieser Frage wird im Text lediglich eine Aussage aufgeführt: »Jeder denkt vom Privaten her, wie es wohl sein könnte mit der Didaktik und der Lehre« (ebd.). Für Klitzsch und Lohan wird das Problem einer gewissen Beliebigkeit didaktischer Maßnahmen durch das Fehlen ausreichender Evaluationsmechanismen begünstigt (ebd.). Man könnte dem hinzufügen, dass die heute zu einem zentralen Bezugspunkt einer Verbesserung der Qualität von Lehre gewordene »Professionalisierung der Lehre« seinerzeit den Lehrbetrieb der Fakultät für Soziologie noch nicht erreicht hatte. Dabei wurden entsprechende Anforderungen durchaus wahrgenommen und auch als sinnvoll beschrieben. So Schelsky (1971: 257): »Mit Recht wird von den Vertretern der Wissenschaftsdidaktik und

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Hochschulpädagogik gefordert, daß ›Lehren gelernt‹ werden muß und nicht selbstverständlich von jedem gekonnt wird, der sich vielleicht forschend ausgewiesen hat.« Und Joachim Matthes, erster Dekan der Fakultät für Soziologie, betonte 1973 unter der Überschrift »Die unbewältigte Gegenwart des Lehrens der Soziologie« die Notwendigkeit einer strukturierten Vorbereitung auf Lehranforderungen: »Wenn es in Zukunft darum gehen soll und wird, das Selbstverständnis der Lehrenden an den interaktiven Erfordernissen der Hochschule selbst neu zu orientieren, wird man nicht nur die überlieferten Mechanismen der Rekrutierung des Lehrkörpers mit allen Ritualisierungen abbauen, sondern auch dafür sorgen müssen, daß an ihre Stelle ein ausgewogenes System von theoretischer und praktischer Vorbereitung auf die Lehranforderungen an der heutigen Hochschule tritt« (Matthes 1973: 68).

Letztlich blieb es aber den Lehrenden selbst überlassen, sich auf (verändernde) Lehranforderungen einzustellen und in ihrem Lehrhandeln zu professionalisieren. Eine Sichtung älterer Dokumente bzw. Schriften zur Gründungsphase der Fakultät für Soziologie (und auch zur Universität Bielefeld) bietet keine Hinweise auf eine Institutionalisierung lehrbezogener Weiterbildungsangebote. Wenn sich Aussagen zur Verbesserung der Qualität von Lehre finden, dann werden diese auf individuelle und eher beiläufige Lernprozesse der Lehrenden bezogen. So vermutet etwa Horst R. Schneider (1980) in seiner Untersuchung zu zehn Jahren praxisorientierter Soziologenausbildung in Bielefeld, »daß sich die Qualität der Lehre eher verbessert hat« (ebd.: 24). Hierfür sprach aus seiner Sicht, dass der größte Teil der Lehrenden mittlerweile promoviert war, über breite Lehrerfahrungen verfügte und bestimmte Kurstypen bereits mehrfach durchgeführt hatte. Er schloss entsprechend auf eine größere stoffliche Sicherheit, mehr Platz für didaktische Überlegungen und eine größere Routine bei der Stoffvermittlung.

L ehre in der M assenuniversität – damals und heute Auf den »Frühling der Didaktik« und das Experimentieren mit innovativen Lehr-Lernarrangements folgte eine Rückkehr zu einem doch eher konventionellen Lehrbetrieb. Wie die Universität Bielefeld wurde auch die Fakultät für Soziologie »alsbald in das ordinäre westdeutsche Hochschulmilieu« (Lübbe 2009: 12) zurückgezwungen. Die in der Gründungsphase der Fakultät für Soziologie formulierten hochschuldidaktischen Bestrebungen, den Aneignungsprozessen der Studierenden mehr Aufmerksamkeit zu widmen und die Arbeit in studentischen Kleingruppen und Tutorien zu intensivieren, sahen sich Zwängen gegenüber, die bereits seinerzeit unter dem Stichwort »Massenuniversität« diskutiert wurden. Angesichts von Verhältniszahlen zwischen Lehrenden und Lernenden von 1:100, wie sie in den frühen 1970er Jahren

Lehren und Lernen an der Fakultät für Soziologie

nicht selten zu finden waren, wurde die Gefahr eines »interaktionsverdünnten Raums« bzw. eines »Lehr- und Lern-Vakuums« (Matthes 1973: 69) gesehen, in dem Lehren und Lernen nur schwer möglich waren. Tatsächlich veränderte sich die Lehr-Lernsituation an der Fakultät für Soziologie im Laufe der 1970er Jahre erheblich. Nahmen im Jahre 1972 69 Studierende ein Soziologiestudium auf, so stieg die Zahl der Studienanfänger bis zum Jahre 1974 auf 225 an. Die Wachstumsrate in der Absolventenentwicklung von 1973 bis 1979 betrug 350 Prozent (32:112). Für die Fakultät für Soziologie gelangte Horst R. Schneider in seiner bereits erwähnten Untersuchung aus dem Jahre 1980 zu der Auffassung, dass viele didaktische Überlegungen an der Gruppengröße von Lehrveranstaltungen scheitern. »In großen Seminaren wird die Möglichkeit zu individueller Studienberatung, intensivem Eingehen auf Referate und Hausarbeiten schon aus zeitlichen Gründen nur schwer möglich sein, ungeachtet des motivationalen Desinteresses der betroffenen Lehrenden bei entsprechend umfänglichen Beratungsaufgaben, die die ungleichen Arbeitsbelastungen unter den Kollegen somit doppelt trifft (von der Lehr- und Beratungsseite). Das in Zwischenprüfungskolloquien nicht selten geschilderte Faktum des fehlenden Feedbacks auf veranstaltungsbezogene Studienleistungen durch die Lehrenden, die unkontrollierte, z.T. leichtfertige Vergabe von Leistungsnachweisen, die Flucht von Studierenden aus den Massenseminaren in unkontrollierte Tutorien, der Besuch der Massenseminare allein unter »Schein«-Gesichtspunkten, das mit abnehmenden Kontakten zu den Lehrenden zugleich auch abnehmende Interesse an kritischen Leistungsbeurteilungen und Studienberatung allgemein, dürften breit vertretene Konsequenzen auf der Seite des Studierverhaltens sein (Schneider 1980: 25; Herv. im Original).

In jüngerer Zeit gewinnt die Rede von der Massenuniversität wieder an Bedeutung. Dies allerdings nicht nur mit Bezug auf ungünstige Verhältniszahlen zwischen Lehrenden und Lernenden, sondern in differenzierterer Hinsicht. Fokussiert man zunächst die Bedingungen des Lernens, so wird vonseiten der Hochschuldidaktik eine mangelnde individuelle Anleitung der Studierenden im Hinblick auf ihre literale Entwicklung beklagt (Kruse 1994: 8). Zusatzkurse zum Lesen und Schreiben sowie zu Techniken wissenschaftlichen Arbeitens werden zudem nur sehr begrenzt als geeignet betrachtet, die Textkompetenzen der Studierenden angemessen zu fördern. Kritisiert wird, dass entsprechende Lehr-Lern-Arrangements meist zu wenig an spezifischen fachlichen Praktiken bzw. Inhalten orientiert sind. Bezüglich der Bedingungen des Lehrens wird darauf hingewiesen, dass die Massenuniversität mit einer wachsenden Heterogenität aufseiten der Studierenden konfrontiert ist (Björk et al. 2003: 8). Parallel werden bereits seit Längerem Umstellungen in den Strukturen und Prozessen der Lehre beobachtet. Die Massenuniversität scheint auf eine Industrialisierung der Lehre in dem Sinne ausgelegt zu sein, dass Elemente einer industriellen wirtschaftlichen Gütererstellung in zunehmendem Maße auf den (Geschäfts-)Prozess »Lehre« Anwendung finden. Mit der Orientierung organi-

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sationaler Entscheidungen an Aspekten wie Arbeitsteilung, Modularisierung, Standardisierung, Faktoreinsatz, Controlling und Evaluation korrespondiert, dass ein immer größerer Anteil der Lehre vom Mittelbau (Wiss. Mitarbeitern, Lehrkräften für besondere Aufgaben, Doktoranden) sowie von Lehrbeauftragten erbracht wird (Berthold, Gabriel & Stuckrad 2011). Personengruppen also, die in der Regel mit befristeten Dienst- bzw. Werkverträgen ausgestattet sind und deren Zugehörige sich meist in einer Qualifizierungsphase befinden. Die Folge dieser Entwicklung ist eine mangelnde sachliche und soziale Kontinuität der Lehre sowie entsprechender Unterstützungsleistungen für Studierende. Darüber hinaus sind diese Personengruppen in besonderem Maße zu einem Lavieren zwischen unterschiedlichen und nicht selten konfligierenden Ansprüchen (z.B. Forschen vs. Lehren, Berufstätigkeit vs. Lehrauftrag) gezwungen. Diese Beschreibungen erfassen die Lern- und Lehrbedingungen an Massenuniversitäten selbstverständlich nur sehr verkürzt. Sie verweisen aber auf wichtige strukturelle Merkmale, die sowohl für die individuelle Studierfähigkeit und Wissensaneignung als auch die Entwicklung von Studium und Lehre von genereller Relevanz sind.

50 J ahre – und der z weite F rühling ? Die 1980er und 90er Jahre brachten an der Fakultät für Soziologie keine weitreichenden hochschuldidaktischen Initiativen bzw. Neuerungen hervor. Abgesehen von Maßnahmen einzelner Lehrender, die beispielsweise mit Formen der Gruppenarbeit experimentierten, waren die Lehr-Lernarrangements eher konventionell ausgelegt. Zum einen als Vorlesungen und zum anderen als mehr oder weniger strukturierte Seminare bzw. Übungen, die meist Referate und entsprechende Diskussionen vorsahen. Der Schwerpunkt der Veranstaltungen lag in der Regel auf der Vermittlung fachlichen Wissens. Den studentischen Aneignungsprozessen und ihren Bedingungen wurde eher beiläufig Aufmerksamkeit geschenkt. Als Ausnahme muss allerdings das Format »Lehrforschung« erwähnt werden, in dessen Rahmen die Studierenden eigene Forschungsfragen entwickeln und in Teams selbständig bearbeiten konnten. Mit der Einführung konsekutiver Studiengänge in den Wintersemestern 2002/2003 (BA) sowie 2005/2006 (MA) wurden neue Initiativen im Bereich Lehren und Lernen angestoßen. Mit dem Thema »Schlüsselkompetenzen« gerieten praxisrelevante Kenntnisse und Fähigkeiten in den Blick, die über reines Fachwissen hinausgehen und einen berufspraktischen Nutzen bringen. Die Förderung solcher Kompetenzen sollte in das Fachstudium integriert werden. Traditionelle Studientätigkeiten wie Referieren, Verfassen von Texten, Recherchieren, Diskutieren und Moderieren, Arbeit in Projekten oder Medieneinsatz wurden als Anlässe erachtet, relevante Schlüsselkompetenzen zu erwerben. Vor allem Fähigkeiten in schriftlicher und mündlicher Kommunikation sowie im Wissens-, Projekt- und Selbstmanagement sollten gestärkt werden.

Lehren und Lernen an der Fakultät für Soziologie

Betrachtet man die Modulbeschreibungen der an der Fakultät für Soziologie angebotenen Studiengänge, so finden sich zahlreiche Hinweise für Veranstaltungskonzeptionen, die in integrierter Form sowohl auf eine intensivere Aneignung soziologischen Fachwissens ausgelegt sind als auch erweiterte Gelegenheit zum Einüben von (fachspezifischen) Techniken wissenschaftlichen Arbeitens eröffnen. Seit 2012 beteiligt sich die Fakultät für Soziologie am Programm »richtig einsteigen.«, das im Rahmen des Bund-Länder-Programms für bessere Studienbedingungen und mehr Qualität in der Lehre vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird und mit dem die Universität Bielefeld das erste Studienjahr ins Zentrum ihrer Initiativen zur Stärkung der Lehre gerückt hat. Den Studierenden soll mittels Beratungs-, Betreuungsund Lehrangeboten der Einstieg in ihr Hochschulstudium erleichtert und eine adäquate Vorbereitung auf die folgenden Semester ermöglicht werden. Das in diesem Kontext an der Fakultät durchgeführte Projekt »LitKom« will den StudienanfängerInnen eine geeignete Unterstützung bei der Entwicklung ihrer literalen Kompetenzen bieten, die sich im Sinne eines »embedded approach« (Wingate 2011) innerhalb der Fachlehre vollzieht. Es geht somit ausdrücklich nicht um Zusatzkurse zur Vermittlung von Textkompetenzen bzw. Techniken wissenschaftlichen Arbeitens. Vielmehr soll die Einführung in fachliche Grundfragen, Denk- und Arbeitsweisen im Wechselspiel mit der reflektierten Aneignung von Lese- und Schreibkompetenzen erfolgen. Eine Expertengruppe, bestehend aus Lehrenden aus zehn Fakultäten und Fachbereichen, zielt dementsprechend darauf, literale Kompetenzen im Fachstudium und in der Auseinandersetzung mit fachlichen Inhalten zu fördern. Hierzu sind auf der Grundlage von Forschungen zum »Situierten Lernen« (z.B. Gerstenmaier & Mandl 2001) sowie zu einer schreibintensiven und kompetenzorientierten Lehre (z.B. Elbow 1979; Bean 2011) vielfältige Konzepte entwickelt, erprobt und evaluiert worden, die auf die spezifischen Anforderungen der jeweiligen fachlichen Kontexte zugeschnitten sind. Beachtung kommt dabei auch den Bedingungen der Möglichkeit eines nachhaltigen Transfers zu. Dabei geht es sowohl um die personale (Lehrende) als auch um die institutionelle Dimension (z.B. Lehrbereiche, Module, Curricula). Einladungen der LitKom-MitarbeiterInnen zu Tagungen und zu Vorträgen zeigen, dass die Universität Bielefeld mit dem angesprochen »embedded approach« eine Art Leuchtturmfunktion für andere Hochschulen hat. Die Fakultät für Soziologie wird dabei vor allem hinsichtlich der Betonung einer schreiborientierten Lehre als Experimentierplatz wahrgenommen. Im LitKom-Projekt sind zahlreiche Schreibaufträge entstanden, die für die Lehrenden über eine eigene Datenbank zugänglich sind und im Rahmen von Seminaren und Übungen eingesetzt werden können. Die Aufträge wurden in der soziologischen und politikwissenschaftlichen Lehre erprobt und beziehen sich auf vier Elemente wissenschaftlicher Kommunikation: Recherchieren; Fragen und Probleme formulieren; Texte lesen, verstehen, auswerten; Ergebnisse kom-

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munizieren. Ein wesentliches Merkmal der Schreibaufträge ist ihr kompaktes, handlungsorientiertes Format, das eine Integration in einzelne Veranstaltungssitzungen begünstigt sowie dem von Lehrenden oftmals beschriebenen Konflikt zwischen der Erarbeitung fachlicher Inhalte und der Durchführung von Schreibaufträgen entgegenwirkt. In Kurzevaluationen nach Sitzungsende sowie »Lernzielorientierten Evaluationen« gegen Ende des Veranstaltungszeitraums bewertete der weit überwiegende Teil der Studierenden die Schreibaufträge als »hilfreich« bzw. »sehr hilfreich« im Hinblick auf die Erreichung des angestrebten Lernziels (z.B. Finden einer eigenen Fragestellung; Erarbeitung von Kriterien für eine »gute« Einleitung). Neben der hier beschriebenen »integrierten« Vorgehensweise, also der Durchführung von Schreibaufträgen innerhalb von Übungen und Seminaren, bietet LitKom den Studierenden aber auch Angebote zur Stärkung ihrer literalen Kompetenzen, die gewissermaßen »additiv« zu bestehenden Seminar- und Übungskonzepten fungieren. Dies geschieht etwa in Form von Workshops mit besonderem Fokus auf die Anforderungen wichtiger Texttypen, die innerhalb des Soziologiestudiums zu verfassen sind (z.B. Hausarbeiten, Essays, Rezensionen), oder mit dem Ziel, die Praktiken erfahrener SoziologInnen (z.B. Lesen von Fachtexten, Schreiben von Rezensionen oder Fachartikeln) für das eigene wissenschaftliche Arbeiten transparent und nachvollziehbar zu machen. In jüngerer Zeit sind auch Angebote hinzugekommen, die sich vorwiegend an Studierende im fortgeschrittenen Studienverlauf richten. Zu erwähnen ist etwa die Blockveranstaltung »Publikationsorientiertes Schreiben in Soziologie und Politikwissenschaft«, die Studierenden der Fakultät für Soziologie die Möglichkeit bot, Schreibkompetenzen publikationsorientiert zu erweitern. Über das Zusammenspiel von Einzel- und Gruppenarbeitselementen sowie Inputs zu relevanten Texttypen und Arbeitsschritten wurden die Studierenden systematisch in wissenschaftliche und journalistische Publikationsprozesse eingeführt und bis zur Abgabe ihrer Manuskripte begleitet. Einige der entstandenen Texte sind im Kapitel »Studentische Lebenswelten« dieses Bandes und unter der Fragestellung »Mehr als Lernfabrik? Was bedeutet Studierenden die Fakultät für Soziologie?« versammelt. Dass eine situierte und schreiborientierte Lehre auch auf Modulebene verwirklicht werden kann und unter Gesichtspunkten von Lehren und Lernen positive Wirkungen zu entfalten vermag, zeigt das Modul Politikwissenschaft/ Politische Theorie. Die in diesem Modul angebotene »Einführung in die Politikwissenschaft« ist im Sinne von Konzepten eines »Problembasierten Lernens (PbL)«5 ausgelegt und kombiniert die Veranstaltungstypen Vorlesung, Übung und Tutorium in einer Form, über die sich die Wissensaneignungsprozesse der Studierenden gezielter initiieren und unterstützen lassen. Übernimmt die Vorlesung auch weiterhin eine wichtige wissensvermittelnde Funktion, 5 | Eine kompakte Einführung in das »Problembasierte Lernen« bietet Agnes Weber (2007).

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so können im Rahmen von Übungen und Tutorien die Lernsituationen und -umgebungen differenzierter gestaltet sowie umfangreichere Beratungs- und Betreuungsaufgaben übernommen werden. In den Übungen wird über die Bereitstellung eines Problemszenarios zur »Politik in der Weltgesellschaft« der thematische Arbeitskontext geschaffen. Im Rahmen dieses Problemszenarios, das etwa eine DIN A4 umfasst, wird eine Reihe von Themenfeldern angesprochen (z.B. Internationale Organisationen, Menschenrechte, Regulierung, Populismus, Krieg). Die Studierenden finden sich in Arbeitsgruppen mit vier bis sechs Mitgliedern zusammen und schließen mit ihren Projekten, die zu einer Gruppenhausarbeit führen, an diesen Themenfeldern an. Auf dem Weg zur Gruppenhausarbeit werden sie über die Übungen und Tutorien unterstützt. Dazu sind Teilschritte mit entsprechenden Aufgaben zu absolvieren. Die Gruppen müssen eine Problemsicht, ein Outline sowie ein Thesenpapier verfassen und präsentieren. Werden die Übungssitzungen für die Arbeit in Gruppen sowie für Hinweise zu den erforderlichen Textformaten und Präsentationen genutzt, so dienen Beratungstermine und Feedbackgespräche der Flankierung der Gruppenarbeitsprozesse mit vorrangigem Bezug auf inhaltliche und formale Aspekte. Weitere Unterstützung erhalten die Studierenden durch Tutorinnen und Tutoren, die von »Peer Learning«-ExpertInnen des Zentrums für Lehren und Lernen (ZLL) der Universität Bielefeld geschult werden. Auch die Tutorien sind eng an den Entstehungsprozess der Gruppenhausarbeiten und der vorgegebenen Teilschritte orientiert. Dabei geht es nicht nur um die Vermittlung erforderlicher Techniken wissenschaftlichen Arbeitens, sondern auch um die Bearbeitung von Aufgaben (z.B. zum wissenschaftlichen Schreiben oder zur Bewertung fremder Texte), die den Studierenden Möglichkeiten zur Aneignung relevanter Kompetenzen, etwa mit Bezug auf das Verfassen und Präsentieren von Texten, eröffnen. Evaluationen des Gesamtarrangements »Einführung in die Politikwissenschaft« anhand der Bielefelder Lernzielorientierten Evaluation (BiLoE) zeigen, dass zum Lernerfolg der Studierenden vor allem die Beratungs- und Feedbackangebote der DozentInnen und das Diskutieren mit den Gruppenmitgliedern beiträgt. Auch das Arbeiten an den vorgegebenen Textformaten (Problemsicht, Outline, Thesenpapier) außerhalb der Übungssitzungen wird als sehr wichtig für den eigenen Lernerfolg eingeschätzt. Die insgesamt sehr positiven Bewertungen werden allerdings in einer Hinsicht eingeschränkt. Probleme bereitet den Studierenden das Arbeiten in Gruppen.6 Vor allem die Gruppengröße – nicht selten bestehen die Gruppen aus sechs Mitgliedern – wird als problematisch angesehen. Sie verschärft Probleme, die sich im Arbeitsprozess in grundsätzlicher Weise stellen, insbesondere im Zusammenhang mit der zeitlichen sowie inhaltlichen Koordination, und wirkt sich auch in motivationaler Hinsicht aus. Gefragt, woran es gelegen hat, dass bestimmte Lernziele nicht er6 | Siehe hierzu in diesem Band auch die studentischen Texte von Lisa Fischer und Vanessa Rolfsmeier.

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reicht wurden, finden sich häufig Aussagen wie: »Mangelnde Kommunikation in der Gruppe«, »Selbstorganisation muss verbessert werden«, »Mangelnde Motivation der restlichen Gruppenmitglieder«, »Uneinigkeit in der Gruppe«. Auch wenn die Lehrenden die Beratungs- und Feedbacktermine für eine intensive Flankierung und ggf. auch Moderation der Gruppenarbeit nutzen, bleibt es für die Studierenden, die meist StudienanfängerInnen sind, schwierig, die Potentiale des problembasierten und sozialen Lernens für sich zu erschließen. Gegenwärtige Überlegungen der Lehrenden und TutorInnen befassen sich daher u.a. mit der Frage, inwieweit sich über die Tutorien eine intensivere Unterstützung auch in der sozialen Dimension ermöglichen lässt.

F a zit Die Fakultät für Soziologie ist mit weitreichenden Reformideen in den Bereichen Lehren und Lernen gestartet. Auf bauend auf einer Konzeption des Diplom-Studiengangs im Sinne eines »praxisorientierten Studiums« und einer »aktiven Professionalisierung«, über die die Studierenden nicht lediglich in bestehende Berufsfelder hineinfinden, sondern neue Berufsfelder mittels soziologischer Erkenntnisse aktiv schaffen und gestalten sollten, stand eine Abkehr von der alten Frontallehre und ein Experimentieren mit mehr aneignungsorientierten Lehr-Lernarrangements auf der Agenda. Der heute vonseiten der Hochschuldidaktik geforderte »Shift from Teaching to Learning« war in der Gründungsphase der Fakultät angelegt und vollzog sich in Teilen der Lehrpraxis. Werner Rammert, zunächst Studierender, später Mitarbeiter an der Fakultät, fasst seine Erfahrungen wie folgt zusammen (siehe ausführlich Rammert in diesem Band): »Professoren wie Assistenten leiteten die Seminare in gleicher Weise. Die Ziele und die Literatur des Seminars wurden anfangs vorgestellt und schon diskutiert. Sie waren grob durch ein ›Curriculum‹ genanntes Lehrprogramm vorgegeben, konnten jeweils nach persönlichem Interesse variiert werden. Und das Krasseste: Studierende konnten ›Autonome Studiengruppen‹ anmelden, die sogar ›scheinfähig‹ waren. Und ich konnte es kaum glauben: Als ich im ersten Bielefelder Semester (mein viertes) selbst ein solches Seminar mit Titel ›Marxistische Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie‹ im Rahmen des ›Sozialistischen Studiums‹ anbot, da saß ein Dozent des Fachbereichs ›Wissenschaftsund Bildungsplanung‹ dabei und diskutierte mit.«

Wenige Jahre nach Gründung der Fakultät stellten sich, wie die Arbeit von Klitzsch und Lohan (1975) zeigt, allerdings bereits Zweifel bezüglich der Durchführbarkeit und Wirksamkeit mehr aneignungsorientierter Formen der Lehre ein. Das Experimentieren mit sehr offen angelegten Veranstaltungen entsprach insbesondere zu wenig den Anliegen des Grundstudiums. Gerade für einführende Veranstaltungen erschien die traditionelle Wissensvermittlung

Lehren und Lernen an der Fakultät für Soziologie

im Rahmen von Vorlesungen geeigneter. Zudem trug die steigende Zahl der Studienanfänger dazu bei, dass so manches didaktische Vorhaben bereits an der Gruppengröße der Lehrveranstaltungen scheiterte. Wenngleich einige Reformvorstellungen im Bereich Lehren und Lernen über einen langen Zeitraum institutionell überlebt haben, man denke etwa an das Konzept der Lehrforschung, kennzeichnete sich die Lehrpraxis in den 1980er und 1990er Jahren eher durch ein wenig koordiniertes und eher beiläufiges didaktisch-methodisches Vorgehen. Dabei war die Spannbreite der Ausgestaltung von Seminaren äußerst groß. Mit Blick auf meine eigene Studienzeit erinnere ich mich einerseits an Seminare, die quasi im Modus eines Monologs des Veranstalters abliefen, und andererseits an eine Art »Forschendes Lernen« in Gruppen, das vom Lehrenden thematisch initiiert und über die Festlegung und Begleitung einzelner Arbeitsschritte umsichtig unterstützt wurde. Die Einführung konsekutiver Studiengänge in den Jahren 2002 (BA) und 2005 (MA) brachte das Thema »Lehren und Lernen« zurück in den Aufmerksamkeitsfokus der Fakultät. Viele der heute in den Studiengängen der Fakultät vorhandenen Module berücksichtigen neuere lerntheoretische und hochschuldidaktische Einsichten. Über die Beteiligung am universitätsweiten Programm »richtig einsteigen.« und das Projekt »LitKom«, das im Jahr 2012 startete, versucht die Fakultät wirksamere Voraussetzungen für einen erfolgreichen Studieneinstieg zu schaffen. Die bisher entstandenen bzw. weiterentwickelten Veranstaltungskonzepte und Materialen sind so ausgelegt, dass sie die Studierenden intensiver unterstützen, sich im Sinne einer wechselseitigen Verstärkung sowohl soziologisches Fachwissen anzueignen, als auch ihre Lese- und Schreibkompetenzen zu erweitern. Rückmeldungen aus der soziologischen Fachlehre sowie aus der Hochschuldidaktik-Community bestärken den Eindruck, dass die Fakultät für Soziologie gut daran tut, eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung und Erprobung innovativer Lehr-Lernarrangements zu übernehmen. Entsprechende Erkenntnisse werden sich möglicherweise auch im Umgang mit hochschulpolitischen Forderungen als nützlich erweisen, die eine stärker kompetenzorientierte Gestaltung von Studiengängen fordern und nicht weniger als einen Kultur- und Organisationswandel anmahnen.

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Wie kombiniert man Wahlfreiheit für Studierende mit der Bildung von Profilen? Das Bielefelder Studienmodell zur Umsetzung der Idee des selbstbestimmten Lernens 1 Stefan Kühl

1. W ider die V erschulung – Ü berlegungen zur S truk turierung eines forschungsorientierten M asters Die Grundidee der Bologna-Reform war die europaweite Einführung eines zweigliedrigen Studiums. Statt, wie in vielen Ländern üblich, erst am Ende eines fünfjährigen Studiums einen Diplom-, Magister- oder Staatsexamensabschluss zu vergeben, sollten Studierende bereits nach drei oder vier Jahren einen ersten Abschluss erwerben können. Dieser erste Abschluss sollte, so die Bologna-Erklärung, bereits »eine für den europäischen Arbeitsmarkt relevante Qualifikationsebene« attestieren, aber Studierenden sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, einen zweiten Abschluss erwerben zu können (Bologna-Erklärung 1999: 4). Obwohl weder in der Bologna-Erklärung noch in den Erklärungen auf den Folgekonferenzen der Bildungsminister die konkrete Benennungsform für die beiden Studienabschlüsse vorgeschrieben war (vgl. Pasternack 2001: 286ff.), hat die deutsche Kultusministerkonferenz weitgehend erfolgreich die Bezeichnung Bachelor für den ersten Studienabschluss und Master für den zweiten Studienabschluss durchgesetzt (KMK 2010: 1ff.). 1 | Das Konzept für den Master Soziologie der Universität Bielefeld wurde gemeinsam von den Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studierenden der Fakultät für Soziologie entwickelt und in den Grundzügen in den entsprechenden Gremien verabschiedet. Dieser Beitrag, der Überlegungen bei der Entwicklung des neuen Masters beschreibt, gibt jedoch nur die Meinung des Autors wieder. Eine Langfassung des Beitrages findet sich als Working Paper 6/2018 unter www.uni-bielefeld.de/soz/personen/ kuehl/workingpapers.html.

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Die durch die Bologna-Erklärung initiierte Aufsplittung des Studiums in zwei aufeinander auf bauende Studienphasen, die jeweils mit eigenen Studienabschlüssen abgeschlossen werden müssen, ist heftig kritisiert worden. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass für einige Fächer diese Aufsplittung in zwei durch eigenständige Abschlüsse markierte Studienphasen Vorteile birgt. Wir wissen aus Untersuchungen, dass die Wahl des Studienfachs bei solchen Fächern, die nicht in der Schule unterrichtet werden, z.B. Soziologie, häufig nur auf der Basis rudimentärer Kenntnisse entschieden wird. Weil beispielsweise der lateinische Wortstamm der Soziologie »Sozius« – der Gefährte – auch Assoziationen mit »Sozialpädagogik« oder mit »Sozialismus« zulässt, müssen gerade in den ersten Semestern für Studierende teilweise überraschende, manchmal auch enttäuschende Eingrenzungen des Faches Soziologie vorgenommen werden. Das zweigliedrige Studium bietet auch den Studierenden der Soziologie, die feststellen, dass das Fach sie nicht interessiert oder sich als ungeeignet für ihre Pläne erweist, die Möglichkeit, das Studium durchzuziehen und mit einem Bachelor abzuschließen. Dabei hat der Bachelorabschluss nicht so sehr die Funktion eines »Studienabbruchzertifikats«, sondern eher die eines »Studienfachwechselzertifikats« (vgl. zum Bachelorabschluss als Abbruchzertifikat Pasternack 2006: 329; allgemein zu den Studienvarianten nach dem Bachelorabschluss Teichler 2003: 176f.). Für die Studiengänge in der zweiten Phase – ob diese nun als Master, Diplom oder Magister bezeichnet werden, ist unerheblich – könnte dies die Möglichkeit bedeuten, dass das Studium mit Studierenden fortgeführt werden kann, die ein starkes Interesse am Fach haben. Die Möglichkeiten eines zweigliedrigen Studiengangs werden jedoch nur dann genutzt, wenn an ein Bachelorstudium andere Anforderungen gestellt werden als an ein Masterstudium. Auch wenn der Qualifikationsrahmen, der im Moment europaweit entwickelt und in einem nächsten Schritt auf einzelne Fächer heruntergebrochen werden soll (vgl. EQR 2008), bisher lediglich die Steuerungsphantasie von Bildungsplanern und Bildungspolitikern widerspiegelt, so kann man doch erkennen, dass es – ganz im Sinne der Bologna-Erklärung – darum geht, die Anforderungen für den Bachelor von den Anforderungen für den Master zu differenzieren. Während im Bachelorstudium ein »breites und integriertes Wissen einschließlich der wissenschaftlichen Grundlagen, der praktischen Anwendung eines wissenschaftlichen Faches sowie ein kritisches Verständnis der wichtigsten Theorien und Methoden« entwickelt werden soll, geht es im Master um die Vermittlung eines »umfassenden, detaillierten und spezialisierten Wissens auf dem neuesten Erkenntnisstand in einem wissenschaftlichen Fach« (DQR 2011: 12f.). Man braucht nicht unbedingt die Prosa des Qualifikationsrahmens zu übernehmen, um zu begründen, dass ein Bachelor anders zu konzipieren ist als ein Master. In einem Bachelorstudium kann es Sinn machen, Studierenden wenigstens teilweise kanonisiertes Wissen beispielsweise über Theorien der Soziologie, Methoden der empirischen Sozialforschung oder einzelne Bin-

Wie kombinier t man Wahlfreiheit für Studierende mit der Bildung von Profilen?

destrichsoziologien zu vermitteln. Dafür können im Prinzip auch eine ganze Reihe von Modulen vorgeschrieben werden, in denen sich die Studierenden dieses kanonisierte Wissen aneignen und ihre Fähigkeit zur Anwendung dieses Wissens in Prüfungen nachweisen. Im Master kommt es dagegen darauf an, dass Studierende selbst forschungsorientierte Fragestellungen definieren und selbstständig nach Antworten auf diese Fragen suchen. Von Studierenden kann deswegen ein deutlich höheres Maß an Eigenverantwortung bei der Gestaltung ihres Studiums erwartet werden. Aber genau an dieser Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Gestaltung des Studiums scheint es in vielen Masterstudiengängen zu hapern. Die Kritik von Studierenden und Lehrenden an einer Verschulung des Studiums richtet sich jetzt interessanterweise nicht nur an die Bachelor-Studiengänge, bei denen ein gewisses Maß an Verschulung jedenfalls in den ersten Semestern noch zu rechtfertigen wäre, sondern auch an die Master-Studiengänge. Studierende beklagen, dass sie vor lauter Seminaren, Prüfungen und Pflichtpraktika gar nicht mehr zum Lesen, geschweige denn zum Denken kommen. Studierende jammern über »Lernbulimie«, zu der sie durch Studiengänge gezwungen werden, in denen man Jahreszahlen, soziologische Grundbegriffe oder mathematische Formeln in sich hineinfrisst, um sie dann »auf Befehl« wieder auszuspucken (Haunhorst 2010). Gerade weil sie nicht so desinteressiert, unmotiviert und dumm seien – wie ihnen durch die Überfrachtung mit Kontaktzeiten, Präsenzpflichten und Prüfungen unterstellt werde –, würden sie sich nur noch langweilen, »wenn sie vorgeschriebene Lehrveranstaltungen absitzen müssen, während sie andere interessantere nicht besuchen dürfen« (Pfaller 2010: 47). Befürworter und Kritiker der Bologna-Reform zeigen sich gleichermaßen überrascht von diesen sich immer mehr verschärfenden Verschulungstendenzen an Universitäten, weil diese ja in den Erklärungen, Strategiepapieren und Zielkatalogen der Bologna-Reformer als Ziel nicht vorkommen. Sicherlich: Eine Verschulung hat es zwar auch schon in den letzten Jahrzehnten in einigen anwendungsorientierten Studiengängen wie Betriebswirtschaftslehre, Medizin, Jura und den Ingenieurswissenschaften gegeben, aber in den meisten geistes- und sozialwissenschaftlichen Studiengängen scheinen sich die Verschulungstendenzen erst seit der Bologna-Reform auszubilden (siehe allgemein zu den vermehrt auftretenden ungewollten Verschulungseffekten aufgrund der Einführung von Leistungspunkten und Modulstruktur Kühl 2012: 67ff.). Wie ist es zu dieser Verschulung gerade in den Geistes- und Sozialwissenschaften gekommen, obwohl doch in der Bologna-Reform immer wieder Werte wie »Wahlfreiheit«, »Eigenständigkeit« und »Flexibilität« betont werden? Wie kann ein Masterstudiengang konzipiert werden, der nicht in eine Verschulungsfalle fällt? Welche Hebel existieren, um die Wahlmöglichkeiten der Studierenden zu erhöhen und ihnen gleichzeitig eine Orientierung über Studienprofile zu bieten? Wie können bei aller Wahlfreiheit der Studierenden in ihrer Studiengestaltung Leistungsstandards festgelegt werden? Und wie kann ein

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Studiengang so konzipiert werden, dass er problemlos beispielsweise an Veränderungen in den Forschungsprofilen angepasst werden kann? Ziel dieses Beitrags ist es, am Beispiel des Bielefelder Modells für einen Master Soziologie zu zeigen, wie im Rahmen der Bologna-Vorgaben Verschulungseffekte in einem Master vermieden werden können. Bei dem Bielefelder Master geht es darum, zu zeigen, wie ein Studienprogramm mit einem Höchstmaß an Wahlfreiheiten für Studierende organisiert werden kann und so vielfältige »individuelle Gestaltungsmöglichkeiten je nach Vorbildung und Interessen der Studierenden« zulässt (Universität Bielefeld 2011). Bei dieser Flexibilität soll – in Übereinstimmung mit der Politik der Universität Bielefeld – gleichzeitig eine Profilbildung in den Forschungsschwerpunkten der Fakultät ermöglicht werden und die »Verknüpfung von Forschung und Lehre« gestärkt werden. Mit dem an der Fakultät für Soziologie entwickelten Studienmodell für den Master werden dabei gleichzeitig zwei – auf den ersten Blick widersprüchliche – Ziele erreicht: Erstens wird den Studierenden im Rahmen des Masterstudiengangs ein hohes Maß an Wahlfreiheit bei ihren Veranstaltungen ermöglicht – sowohl in Bezug auf das Angebot als auch in Bezug auf die faktischen Wahlmöglichkeiten. Zweitens wird den Studierenden die Möglichkeit gegeben, im Rahmen eines Profils zu studieren, in dem sie in enger Kooperation mit Lehrenden eine forschungs- oder praxisorientierte Vertiefung eines Themenfeldes vornehmen können. Die Profilbildung soll, so der Anspruch, sowohl für Studierende als auch für Lehrende so attraktiv sein, dass der Master Soziologie in Bielefeld eine Alternative zu der an anderen Universitäten favorisierten Vielzahl von Spezialmasterstudiengängen à la »Methoden empirischer Sozialforschung«, »Entwicklungsländerforschung« oder »Organisationsforschung« ist.

2. D as G rundkonzep t des B ielefelder M odells für einen M aster in S oziologie Das Hauptziel bei der Entwicklung eines Bielefelder Modells für den Master war es, für die Studierenden im Sinne der übergreifenden Überlegungen der Universität Bielefeld zur Gestaltung von Masterstudiengängen ein hohes Maß an »individuellen Gestaltungsmöglichkeiten« sicherzustellen und ihnen gleichzeitig über das Angebot von Profilbildung Orientierungsmöglichkeiten zu bieten. Neben diesen Hauptzielen wurde in der Diskussion mit Lehrenden und Studierenden noch eine Reihe von weiteren Kriterien genannt, die ein Studienprogramm im Master erfüllen muss. Als ein wichtiges Prinzip wurde definiert, dass man ein Studienmodell braucht, das auch für Kolleginnen und Kollegen mit einer starken Verankerung in einer Bindestrichsoziologie interessant sein kann und eine attraktive Alternative zur Einrichtung eines thematischen »Spezialmasters« ist. Man wollte damit die an anderen Universitäten zu beobachtende Ausbildung von

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»Kleinstmasterstudiengängen« verhindern, die häufig nur von einem oder zwei Professoren bestritten werden und die – wegen des häufigen Personalwechsels – bereits zu einem zu beobachtenden »Mastersterben« an diesen Universitäten geführt hat. Als weiteres Prinzip wurde festgelegt, dass Studierende nicht mit Seminarverpflichtungen überlastet werden, sodass wir in den einzelnen Modulen hohe und zeitintensive Anforderungen an die Studierenden stellen können und gleichzeitig den Studierenden auch Möglichkeiten zur seminarunabhängigen Lektüre von soziologischen Texten geben. Das sollte den Bielefelder Master im Vergleich zu stärker verschulten Angeboten gerade für hoch motivierte Studierende noch attraktiver machen. Und schließlich wurde bei der Konzeption des Studiengangs als Prinzip festgelegt, dass das Konzept so einfach sein soll, dass es nicht nur von den Studierenden, sondern auch von Lehrenden sofort verstanden werden kann. Mit dieser Idee wurde auf die Beobachtung reagiert, dass in einigen Studiengängen die Lehrenden gar nicht mehr in der Lage sind, ihre Studiengänge selbst zu erklären, weil aufgrund der Einführung der Leistungspunkte und der Modulstruktur die Komplexität der Studiengänge erheblich gewachsen ist.

Die Grundstruktur des Masters nach dem »Bielefelder Modell« Die entwickelte Struktur des Bielefelder Studiengangs Master Soziologie ist denkbar einfach. Lehrende können sie innerhalb von 90 Sekunden einem an einem Masterstudium interessierten Studierenden – beispielsweise während einer Fahrstuhlfahrt – erklären. Nach dem Einführungsmodul in soziologische Theorie sowie in qualitative und quantitative Methoden belegen Studierende sechs Fachmodule ihrer Wahl. Die Fachmodule behandeln unterschiedliche Themen wie beispielsweise Politik, Wirtschaft, Recht, Soziale Ungleichheit, Globalisierung, Gender, Medien, Organisation, Theorie oder Methoden. Bei Interesse kann (jeweils einmal) auch ein Mastermodul aus einer anderen Fakultät belegt oder ein Praktikumsmodul absolviert werden. Jedes dieser sechs Module wird mit einem umfangreichen (endnotenrelevanten) schriftlichen Leistungsnachweis in Form einer Hausarbeit, eines Lehrforschungsberichts oder eines Literaturberichts abgeschlossen. Ein Profil können Studierende dadurch bilden (müssen es aber nicht), dass sie eines der Fachmodule – in Form von empirischen, theoretischen oder praktisch-orientierten Seminaren – dreimal studieren. Ein Wechsel zwischen den Profilen – anfangs sieben verschiedenen – ist während des Studiums jederzeit möglich.

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Abb. 1: Der neue Master in einer schematischen Darstellung

Durch zwei Kunstgriffe werden (bei gleicher Kapazitätsauslastung wie in den klassischen Masterstudiengängen) die angestrebten Prinzipien – Erhöhung der Wahlmöglichkeiten der Studierenden, Ausbildung individueller Studienprofile, engere Bindung von Studierenden und Lehrenden, Einbindung von Studierenden in Forschungsschwerpunkte, Reduzierung des bürokratischen Abstimmungsaufwandes – erreicht. Der erste Kunstgriff ist, dass nicht das gesamte Studium über Profile strukturiert wird (z.B. in Form eines Vorschreibens von zwei oder drei Profilen im Rahmen eines Masters). Studierende müssen etwa in die Lage versetzt werden, neben dem z.B. aus drei Modulen bestehenden Profil »Organisation« auch nur jeweils ein Modul aus ganz anderen Profilen zu belegen. Studierende legen sich dann zwar auf ein Profil fest, aber sie können ihre restlichen Veranstaltungen aus dem breiten Modulangebot der Fakultät oder des Fachbereichs wählen. Der zweite Kunstgriff besteht darin, dass Module faktisch nicht nur einmal, sondern zwei- oder dreimal studiert werden können und so die Falle der (im Bachelor sinnvollen) zu kleingliedrigen Modulstruktur verhindert wird. Grundbedingung dafür, dass das Modell mit einem minimalen bürokratischen Aufwand funktioniert, ist, dass alle Module – und darüber hinaus alle Seminar- und Prüfungsformen – mit der gleichen Anzahl von Leistungspunkten belegt werden. Bei der Konzeption des Masters wurden die positiven Erfahrungen der Universität Bielefeld bei der Entwicklung einer neuen universitätsweiten Studienkonzeption für den Bachelor aufgegriffen, in der durch die gleiche Leistungspunktgröße aller Module ein hohes Maß an Wahlmöglichkeiten für die Studierenden ermöglicht wurde.

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Die Vorteile der Studiengangsstruktur des Masters Soziologie Der Effekt des Masters nach dem neuen Bielefelder Modell besteht darin, dass die Wahl eines Profils zu Beginn des Studiums nun nicht mehr den weiteren Studienverlauf festlegt. Studierende schnuppern jetzt durch das Belegen eines sehr breit definierten Moduls in ein Profil hinein und können bei Interesse an einer Vertiefung das Modul noch zwei weitere Male belegen. Studierende belegen beispielsweise zum Kennenlernen eines Themenfeldes einmal das Modul »Politische Soziologie« und dort z.B. eine Veranstaltung (nicht Modul!) im Themenfeld »Global Governance« und eine im Themenfeld »Regierungslehre«. Wenn das Profil insgesamt nicht überzeugt, lässt man sich die Veranstaltungen als ein Modul »Politische Soziologie« anrechnen. Wenn man Spaß an dem Themenfeld entwickelt, belegt man das Modul zwei weitere Male und wählt dann beispielsweise Veranstaltungen aus den Themenfeldern »Politische Kommunikation«, »Public Policy« oder »Staatsbürgerschaft«. Durch die dreifache Belegung des Moduls ergibt sich quasi automatisch, dass man das Profil »Politische Soziologie« belegt hat. In dem neuen Modell stellt man den Studierenden letztlich frei, ob sie ihr Studium im Rahmen eines der angebotenen Profile gestalten (»profilbildende Version«) oder aus frei wählbaren Modulen eines Fachbereichs selbst zusammensetzen wollen (»allgemeine Version«). Damit haben sie die Möglichkeit, durch die Kombination ganz verschiedener Fachmodule sehr stark entlang ihrer Interessen zu studieren. Nur so entsteht letztlich – wenn gewollt, in enger Abstimmung mit Lehrenden – ein eigenes Studienprofil, d.h., die Studierenden müssen nicht eines von wenigen vorgestanzten Studienprofilen übernehmen. Im Gegensatz zu vielen anderen existierenden Masterprogrammen können Studierende sich jetzt durch die Wahl ihrer Veranstaltungen an einzelne Dozenten binden, weil das Belegen von Veranstaltungen bei einem Dozenten nicht mehr – wie bei einer Definition kleiner Module – durch die zufällige Zuordnung der Lehrenden zu einzelnen Veranstaltungen beschränkt wird. Aufwendige Mentorenprogramme werden dadurch unnötig, weil Studierende über die Wahl von Veranstaltungen selbst entscheiden können, mit welchen Dozenten sie näher zusammenarbeiten wollen. So kann auch ein breit konzipierter Master, der von über fünfzig Lehrenden bedient wird, im Hinblick auf Dozenten-Studierenden-Bindung konkurrenzfähig sein gegenüber den thematischen Mini-Masterstudiengängen mit ein oder zwei Lehrenden und wenigen Studierenden. Die Wirkung des Modells ist, dass die Lehrenden der Profile um ihre Studierenden werben müssen, weil die Studierenden während des ganzen Studiums ohne »sunk costs« ihre Profile wechseln können. Stellt eine Studentin fest, dass ein Profil nicht ihren Ansprüchen genügt oder dass sich die Lehrenden in ihrem Profil nicht ausreichend engagieren, kann sie ohne Probleme – und ohne bürokratisch aufwendige Beantragung – ein anderes Profil wählen oder sich für ein Studium ohne Profil entscheiden.

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Profilbildung über das Zulassen der Mehrfachstudierbarkeit von Modulen bedeutet keinen Verzicht auf Steuerung. Im Gegenteil: Über die Definition der Anforderungen an die Veranstaltungsteilnahme und die Beratung der Studierenden wird das Studium im Rahmen eines Profils sehr viel besser an die individuellen Bedürfnisse von Lehrenden und Studierenden anpassbar. Man kann z.B. bei Bedarf Veranstaltungen anbieten, die sich besonders gut für den Einstieg (und damit auch für das Hineinschnuppern) in ein Profil eignen. Bei anderen Veranstaltungen kann man Kenntnisse voraussetzen, die in vorherigen Modulen – zum Teil auch schon im Bachelor – erworben worden sind.

3. J enseits von M ikromodulen und M egamodulen – D ie G rundidee des B ielefelder M odells In der Zwischenzeit wird immer deutlicher, dass Fakultäten und Fachbereiche mit einer Entwicklung von 50 oder 60 sehr kleingliedrigen Modulen zwar den Anschein von Wahlmöglichkeiten produzieren können, die Wahlmöglichkeiten damit faktisch jedoch eingeschränkt werden, weil – bei gleicher Kapazität – in den Modulen nur sehr wenige Veranstaltungen pro Semester angeboten werden können und die Studierenden aufgrund der Zeitrestriktionen durch andere Veranstaltungen bei der Wahl des Moduls in der Regel auf ein oder zwei Veranstaltungen festgelegt werden. Die Aufschlüsselung in eine Vielzahl von kleingliedrigen, sehr genau definierten Modulen lässt sich deshalb auch als die »größtmögliche ungewollte Vernichtung aller Wahlmöglichkeiten« (kurz »GUVAW«) bezeichnen (vgl. Kühl 2012: 77). Alternativ wird deswegen an Fachbereichen und Fakultäten mit Großmodulen experimentiert. Dafür wird überlegt, beispielsweise alle Veranstaltungen in den Bindestrichsoziologien in einem Modul mit z.B. 40 Leistungspunkten zusammenzufassen. Die Studierenden können dann im Rahmen dieses Großmoduls aus einer Vielzahl von Veranstaltungen auswählen. Dieses unter dem Gesichtspunkt der Erhöhung der Wahlmöglichkeiten auf den ersten Blick attraktive Modell hat jedoch den Nachteil, dass es den Studierenden kaum Orientierung bietet. Eine selbstständige Profilbildung ist zwar durch die Kombination von Veranstaltungen möglich, wird jedoch kaum durch die Studienstruktur angeregt.

Das Mittel zur Kombination von Wahlfreiheit und Profilbildung – die Mehrfachstudierbarkeit von Modulen Das hier favorisierte Modell wählt mit der Grundidee der »Mehrfachstudierbarkeit« von Modulen einen Weg jenseits der Varianten »Mikromodule« und »Makromodule«. Dabei wird einerseits auf die Definition von Kleinstmodulen à la »Industrielle Beziehungen«, »Tauschtheorien« oder »feministische Erkenntnistheorie« verzichtet, andererseits aber auch die Beliebigkeit von Groß-

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modulen à la »Spezielle Soziologien« vermieden. Stattdessen werden – in der Regel entlang etablierter Bindestrichsoziologien wie Wirtschaftssoziologie, Politische Soziologie oder Geschlechtersoziologie – vergleichsweise groß gefasste Module gebildet, die von Studierenden einfach, zweifach (Vertiefung) oder dreifach (Profil) studiert werden können. Durch dieses Modell werden gegenüber dem Modell der »Mikromodule« die Wahlmöglichkeiten für Studierende erheblich erhöht, ohne aber einen Studiengang in die Beliebigkeit von Großmodulen aufgehen zu lassen.

Gegenüberstellung der Wahlmöglichkeiten mit und ohne mehrmaliges Belegen 1. Variante: Konzeption des neuen Masters, wenn wir uns für Profile, bestehend aus drei unterschiedlichen, genau definierten kleinen Modulen entscheiden (die Effekte sind im alten Master gut zu beobachten). Mögliche Wahlkombinationen bei drei differenzierten Modulen, die jeweils aus zwei Seminaren bestehen (z.B. in soziologischer Theorie »Gesellschaft«, »Organisation«, »Interaktion«). Annahmen: In einem Jahr werden pro Modul vier Veranstaltungen (zwei pro Semester) angeboten. Für Studierende, die in Theorie ein Modul für Einsteiger (z.B. »Gesellschaft«) belegen: genau sechs Kombinationsmöglichkeiten aus den angebotenen Veranstaltungen. Für Studierende, die in einem Profil »Theorie« auf die drei Module (»Gesellschaft«, »Organisation«, »Interaktion«) festgelegt werden: genau 18 Kombinationsmöglichkeiten aus den angebotenen Veranstaltungen (je sechs pro Modul). Verschärfung: Wegen der Kollision mit anderen Veranstaltungen können sich die Kombinationsmöglichkeiten auch faktisch auf eine einzige – oder gar auf null – reduzieren. Im letzten Fall hat man es mit der bekannten »Nichtstudierbarkeit« eines Studiengangs zu tun (tolles Wort). Auf alle Fälle stellt sich eine (ungewollte) Verschulung ein (ohne dabei die Vorteile der Verschulung z.B. in Form von Klassenbildung zu haben). 2. Variante: Wahlmöglichkeiten bei einem breit definierten Modul, das entweder einmal oder – bei Profilbildung – insgesamt dreimal studiert werden kann (z.B. dreimal soziologische Theorie.)

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Annahmen: In einem Jahr werden für dieses Modul zwölf Veranstaltungen (sechs pro Semester) angeboten. Kapazitätsneutral gegenüber der ersten Variante. Für Studierende, die nur ein Modul »Theorie« (also zwei Veranstaltungen) belegen: 65 Kombinationsmöglichkeiten aus den angebotenen Veranstaltungen (mehr als zehnmal mehr als bei eng definierten Modulen). Für Studierende, die durch das Belegen von sechs Veranstaltungen ein Modul dreimal studieren und damit ein Profil bilden: 924 Kombinationsmöglichkeiten aus den angebotenen Veranstaltungen (mehr als vierzehnmal mehr als bei eng definierten Modulen). Der Rechenweg für die Spezialisten: Die Varianten der ersten drei Kombinationsmöglichkeiten lassen sich einfach auszählen, bei der vierten muss man es berechnen. Mathematisch geht es um eine Ziehung sechs aus zwölf. Zunächst berechnen wir alle Möglichkeiten, sechs aus zwölf Kugeln zu ziehen, wobei Ziehungen mit denselben Kugeln, nur in verschiedener Anordnung, alle einzeln mitgezählt werden. Dann gibt es folgende Anzahl von Möglichkeiten: 12 x 11 x 10 x 9 x 8 x 7 = 665.280. Es gilt aber, dass jede Gruppe von sechs Kugeln bzw. sechs Seminaren auf 720 Möglichkeiten angeordnet werden kann (Stichwort k-Permutation). Das müssen wir als Wiederholung derselben Auswahl von Kugeln/Seminaren, nur in verschiedener Anordnung, wieder ›rausdividieren, wir rechnen also: 665.280 : 720 = 924.

Das einzige relevante Gegenargument gegen die Mehrfachstudierbarkeit von Modulen besagt, dass mit dem Studium eines Moduls genau definierte Kompetenzen erworben werden und es deswegen keinen Grund geben darf, dieses Modul noch einmal zu belegen, weil die Kompetenzen ja bereits erworben wurden. Dahinter steckt letztlich eine Interpretation der Bologna-Reform, die ein forschungsorientiertes Studium an einer Universität an dem Modell des Erlernens einer Fremdsprache an einer Sprachschule orientieren möchte. An einer Sprachschule ist es sehr wohl einleuchtend, dass es, wenn man im Modul »Spanisch Mittelstufe B2« erfolgreich verschiedene Vergangenheitsformen gelernt hat, wenig Sinn macht, dieses Modul noch einmal zu belegen. Für Angebote gerade in forschungs-, aber auch praxisorientierten Masterstudiengängen ist die Annahme absonderlich, dass man ein Modul nur einmal belegen darf. Es wäre naiv, davon auszugehen, dass ein Student, der ein Modul »Logik«, »Zeitgeschichte« oder »Humangenetik« belegt hat, sich in den zwei oder drei Veranstaltungen des Moduls alle notwendigen Kompetenzen in diesen Feldern angeeignet hat und ihm deswegen zusätzliche andere Veranstaltungen im Fachgebiet »Logik«, »Zeitgeschichte«, oder »Humangenetik« nichts Neues bringen würden. Schließlich machen die Lehrenden ihr ganzes

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Wissenschaftlerleben lang nichts anderes, als in einem Feld »Mehrfachstudierbarkeit« – oder besser »Mehrfachbeschäftigtheit« – zu praktizieren. Permanent besuchen oder veranstalten sie Seminare und Konferenzen zu ihrem Forschungsgebiet, ohne dass sie irgendwann einmal abschließend die »Kompetenzziele« in Logik, Zeitgeschichte oder Humangenetik erreicht hätten und sich deswegen nicht mehr mit dem Thema auseinandersetzen müssten (oder gar dürften).

Die Entwicklung eines eigenen forschungsorientierten Bielefelder Kompetenzmodells Es wurde deswegen in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des German Qualification Framework for Lifelong Learning in der Fassung vom 22. März 2011 (DQR 2011) und des European Qualification Framework (EQR 2008) für den Masterstudiengang ein eigenes Kompetenzmodell entwickelt, das Studierende auf eine innovative Art und Weise in die Lage versetzen soll, Kompetenzen und komplexe soziologische Problemstellungen eigenverantwortlich zu erwerben bzw. zu bearbeiten (vgl. Moschner 2010: 29 zu den häufig fehlenden Kompetenzmodellen von Studiengängen). Besonders durch die weitgehend freie Wahl der Module im Rahmen des Studiengangs können die Studierenden – in enger Absprache mit Lehrenden – an der Fakultät für Soziologie ein eigenes soziologisches Studienprofil entwickeln. Gerade dadurch werden sie befähigt, forschungsorientierte Ziele zu definieren, geeignete Mittel auszuwählen und sich das hierfür erforderliche Wissen eigenständig zu erschließen (vgl. Tacke 2011). Durch die Möglichkeit, einzelne Module vertieft zu studieren, erwerben die Studierenden in einem oder zwei soziologischen Feldern die Fähigkeit, die für diese Felder relevanten Wissensbestände in Hinblick auf eigene Fragestellungen weiterzuentwickeln. Diese Fähigkeit lernen die Studierenden besonders in Form einer Lehrforschung, in empirisch ausgerichteten Seminaren und theoretisch vertiefenden Seminaren (zweifaches Belegen von Modulen). Dabei erlernen Studierende – unter Anleitung eines Lehrenden – die Fähigkeit, neue soziologische Ideen zu entwickeln, neue Erhebungsverfahren anzuwenden und die eigenen Ergebnisse und die Ergebnisse von Kommilitonen unter Berücksichtigung auch unterschiedlicher Bewertungsmaßstäbe selbst einzuschätzen. Durch eine Profilbildung in Form einer weiteren Vertiefung eines Fachmoduls erwerben die Studierenden die Fähigkeit, in einem Feld der Soziologie eigenständig – also auch ohne enge Anleitung von Lehrenden – neue Forschungsfragen zu entwickeln, zu ihrer Bearbeitung auch innovative Verfahren anzuwenden und eine eigene Hypothese wissenschaftlich zu begründen. Diese Ergebnisse sollen sie dann auch außerhalb des Kontexts der Seminarveranstaltung sowohl Soziologen als auch Nichtsoziologen gegenüber vertreten können (dreifaches Belegen von Modulen).

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Es ist eine Besonderheit des Kompetenzprofils des Masters Soziologie an der Fakultät für Soziologie, dass die Leistungsanforderungen in den Veranstaltungen individuell an die Bedürfnisse und Interessen der Studierenden angepasst werden. So kann auch im Rahmen einer eher einführenden Veranstaltung einzelnen Studierenden ermöglicht werden, eigene Fragestellungen zu entwickeln und gegenüber noch nicht so erfahrenen Studierenden zu präsentieren (»peer learning«). Gerade die Öffnung von Veranstaltungen, die auch der Vermittlung detaillierten Wissens dienen, soll für fortgeschrittene Studierende bewirken, dass diese Studierenden lernen, Gruppen von anderen Studierenden im Rahmen komplexer Aufgabenstellungen verantwortlich zu leiten, ihre Arbeitsergebnisse zu vertreten und die fachliche Entwicklung anderer gezielt zu fördern.

4. F a zit – E rfahrungen mit dem B ielefelder M odell für M aster in S oziologie Ungewollte Nebenfolgen sind nicht zu vermeiden – genau das ist ja der Charakter ungewollter Nebenfolgen. Es wäre deshalb naiv, davon auszugehen, dass sie sich bei der Gestaltung eines Studienganges – oder auch bei Planung eines neuen Steuergesetzes oder der Planung einer Währungsrettung – vermeiden lassen. Auch bei der Gestaltung von Studiengängen, die den Studierenden möglichst viele Wahlmöglichkeiten lassen, waren also die Effekte der Studiengänge nur sehr begrenzt vorauszuplanen. Es war lediglich möglich einige Fragen zu erahnen, die durch den neuen Studiengang aufgeworfen werden. Welche Profile – und damit welche Module – werden von den Studierenden gewählt? Reichen die Kapazitäten der Fakultäten aus, um sich den sich verschiebenden Interessen der Studierenden anzupassen? Wie nutzen die Studierenden die Zeit, die ihnen durch eine Entschlackung des Studiengangs geboten wird? Kommt es zu einer Intensivierung des Studiums in den einzelnen Modulen oder eher zur Ausdehnung von Gelderwerbstätigkeiten oder zu einer Optimierung des Freizeitverhaltens? Weil viele Effekte nicht im Voraus zu bestimmen sind, war das Ziel, die Struktur des Studiengangs so anzulegen, dass dieser möglichst ohne Änderung der fächerspezifischen Bestimmungen, ohne Befassung universitätsweiter Gremien und ohne Neuakkreditierung angepasst werden kann. Angesichts der Ermüdung, der Frustration und des Zynismus, mit dem viele Lehrende (und manchmal auch schon Studierende) auf die vierte Reformierung ihres Studienganges reagieren, mag die hier formulierte Erwartungshaltung naiv klingen: Aber nach der Gestaltung des Studienganges muss bei den Lehrenden noch so viel Neugierde und Kraft vorhanden sein, die Effekte der geschaffenen Studienordnung zu beobachten, um dann – ohne Neuformulierung der fächerspezifischen Bestimmungen und ohne neue Behandlung in den universitätsweiten Gremien – Anpassungen vornehmen zu können. Auch

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aus dem Grund der schnellen Anpassung wurden deswegen die Module möglichst allgemein formuliert. Es hat sich dabei als sinnvoll erwiesen, lieber Veranstaltungen zu »Organisationsproblemen in der New Economy« oder »Diversity Management in Unternehmen« im Rahmen eines allgemeinen Moduls »Organisation« anzubieten, als gleich das ganze Modul nach einem Modethema zu benennen, für das sich nach einigen Jahren niemand mehr interessiert hätte. Mögliche Profile im Rahmen eines Studiums sollten in den rechtlich bindenden fächerspezifischen Bestimmungen nur beispielhaft benannt werden, sodass Profile – z.B. beim Wechsel des professoralen Personals oder bei mangelnder Nachfrage vonseiten der Studierenden – eingestellt und problemlos neue Profile geschaffen werden können. Die Prüfungsformen sollten nur in der Form der unmittelbar endnotenrelevanten Prüfungen festgelegt und alle anderen Formen möglicher erwartbarer Leistungen von Studierenden lediglich in den Veranstaltungsprogrammen definiert werden. Um einen Eindruck für sinnvolle Anpassungen des Studiengangs zu bekommen, muss man die durch den Studiengang produzierten Effekte beobachten. Um solche Effekte zu beobachten, braucht man keine aufwendigen Evaluationen, keine Qualitätssicherungssysteme und keine universitätsweiten Studierendenbefragungen. Schon die im Normalbetrieb erhobenen Zahlen, wie die Anzahl der Studierenden, die von anderen Universitäten herüberwechseln, die belegten Profile und die Anzahl der Studierenden, die einen Master erfolgreich abschließen, liefern häufig Indizien für die Attraktivität eines Masters. Zur Erkundung möglicher Problemursachen reichen häufig schon Gespräche mit Studierenden und Lehrenden am Ende eines Semesters aus. Die Erfahrungen mit dem Bielefelder Modell für den Master Soziologie sind bisher ermutigend. Die Bewerberzahlen sind auch im Vergleich zu anderen Universitäten außergewöhnlich hoch. Die »Fremdquote« bei Bewerbungen – also der Anteil von Studierenden, die ihren Bachelor an anderen Hochschulen gemacht haben – liegt in der Regel weit über 50 Prozent. Die im alten Studienmodell des Masters noch erheblichen Koordinationskosten sind inzwischen so gering, dass die Koordinationsaufgaben des Studiengangsbeauftragten in weniger als einer Stunde pro Semester erfüllt werden können. Die Profilbildungsmöglichkeiten wurden im Rahmen des Masters für Lehrende und Studierende als so ausreichend betrachtet, dass es über Jahre faktisch keine Bestrebungen zur Etablierung von Spezialmastern in der Fakultät mehr gegeben hat. Bei ihrer Gründung hatte die Fakultät für Soziologie mit ihrem Diplomstudiengang weit über Bielefeld hinaus Impulse gesetzt. Mit ihrer intensiven, von mehreren Lehrenden betreuten Studieneingangsphase, mit einer Methodenausbildung über mehrsemestrige Lehrforschungen, ihrer Integration von Nebenfächern, der Einrichtung von Praxisschwerpunkten und dem weitgehenden Verzicht auf Benotungen hatte der Studiengang starke Signalwirkungen weit über Bielefeld hinaus. Viele dieser Innovationen wurden – besonders mit der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge – stillschweigend wieder zurückgenommen. Das »Bielefelder Modell« für den Master orientiert

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sich an den ursprünglichen Zielen der Fakultät für Soziologie bei der Gestaltung von Studiengängen. Eine große Fakultät für Soziologie kann – gerade im Vergleich zu kleineren Instituten an anderen Universitäten– ihre Vorteile in der Lehre nur ausspielen, wenn sie Wege findet, das Ziel weitgehender Wahlmöglichkeit für die Studierenden in fortgeschrittenen Studierendenphasen mit dem Ziel der Profilbildung zu kombinieren.

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Der Mittelbau an der Fakultät für Soziologie Christian Ulbricht

Am Eröffnungstag des 17. November 1969 der Universität Bielefeld traf sich die Fakultät für Soziologie zu einer Fakultätskonferenz (FaKo). Helmut Schelsky schrieb dazu in der Neuen Westfälischen: »Die neue Universität beginnt ihren Lehrbetrieb […] an Stelle von bombastischen Begrüßungs- und Jubelreden mit Talaraufmarsch und Orchesterbegleitung hätte vielleicht eine sachlich-nüchterne Besinnung – modern gesprochen ›kritische Reflexion‹ – auf das treten können, was mit dieser Universitätsgründung erreicht und was noch zu tun ist.« Mögen wir der Bielefelder Tradition für diesen Festbeitrag darin folgen. Das goldene Zeitalter für akademische Karrieren lag in den 1960er und 1970er Jahren. In diesen beiden Jahrzehnten wurden in Westdeutschland 24 neue Universitäten und technische Hochschulen gegründet, so auch die Universität Bielefeld. Infolge der Bildungsoffensive oder auch des »kurzen Sommers der Demokratisierung der Hochschule« (Wolf-Dieter Narr) wuchs der wissenschaftliche Mittelbau an westdeutschen Universitäten um satte 360 Prozent an. Bei der Gründung der Fakultät für Soziologie wurden 45 Assistenzstellen im Vergleich zu zwölf Ordinariaten geschaffen. Die Breite des Mittelbaus war eine Voraussetzung für innovationsfähige Wissenschaft und insbesondere der multiparadigmatisch organisierte Mittelbau der Fakultät für Soziologie in Bielefeld bot beste Bedingungen für tiefgreifende und weitreichende Erkenntnisproduktion. Die in Fachbereichen organisierte Fakultät verhalf dem Mittelbau, sich von der Abhängigkeit der Ordinarien zu lösen und sich damit in gewissen Grenzen eigenständig in Forschung und Lehre zu qualifizieren. Die Bielefelder Soziologie vertrat die Pluralität der Disziplin und ermöglichte unter den Kolleg_innen des Mittelbaus eine wechselseitige Rezeption der diversen Forschungsvorlieben; sozusagen eine Einheit in der Vielfalt. Im Übergang zur Massenuniversität wurde der Mittelbau durch die demokratische Legitimierung von Entscheidungen an der universitären Selbstverwaltung beteiligt, obwohl sie aufgrund der Befristung ihrer Verträge die langfristigen Folgen der Entscheidungen nicht tragen mussten. Es kann hier nur spekuliert werden, inwiefern damals an der Universität Bielefeld die Mög-

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lichkeit zur demokratischen Teilhabe an Entscheidungen auch tatsächlich vom Mittelbau in Anspruch genommen wurde. Der Historiker Hans Ulrich Wehler monierte, dass der Demokratieimperativ für den Wissenschaftsbetrieb dysfunktional sei, indem zu viele Beteiligte ihre Interessen in zermürbenden Marathonsitzungen äußerten (Wehler 2008). An der Fakultät für Soziologie gab es sogar die formale Praxis, dass das Dekanat unter Mitwirkung des Mittelbaus kollektiv organisiert wurde. Im Mai 1972 beschloss die FaKo einstimmig, dass der Dekan künftig auch aus dem Kreis Wissenschaftlicher Mitarbeiter_innen gewählt werden kann. Die heutige Forderung der Demokratisierung der Fakultäten war zu diesem Zeitpunkt die gängige Praxis. Das sollte sich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1973 ändern, als zwar der Status vom Mittelbau in Universitätsgremien anerkannt, aber die herausgehobene Stellung der Ordinariate an Universitäten festgeschrieben wurde. Rückblickend stellt Franz-Xaver Kaufmann fest, der die Gründungsphase der Fakultät mitbestimmt hat, dass der Mittelbau ziemlich unpolitisch war und nur relativ wenig Mitarbeiter_innen sich engagierten (siehe dazu das Interview in diesem Band). Wenn der Mittelbau die Prekarität und damit die Unfähigkeit der stabilen Erwartungsbildung in seinem Berufsfeld beklagt, ist er zunehmend mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er sich selbst nicht kollektiv organisiert, um seinem Anliegen und seiner Stimme mehr Einfluss zu verschaffen. In der Tat hat die Mehrheit des wissenschaftlichen Nachwuchses keine Lobby und ist politisch allenfalls randständig repräsentiert. Ein Blick auf die universitätsinterne Wahlbeteiligung von unter 20 Prozent zu den Fakultätskonferenzen zeigt, dass der Wunsch zur politischen Repräsentation gering ist. Auch die Rekrutierung eines Mittelbausprechers entspricht eher einer Odyssee als einem Selbstläufer. Es existieren strukturelle Gründe, die eine angemessene Mitwirkung und Repräsentation der Interessen erschweren und die im Folgenden kurz näher beschrieben werden sollen. Oder anders gefragt, warum organisieren sich diejenigen nicht kollektiv, die eigentlich am besten über die Mechanismen der Ausbeutung, der sozialen Schließung, der Hierarchisierung etc. Bescheid wissen müssten und im besonderen Maße davon betroffen sind? Ein Blick in die veränderte Personalstruktur der Fakultät für Soziologie gibt eine erste Antwort auf diese Frage. Der Mittelbau wurde von 1981 bis 2013 von 61 auf 34 Personalstellen reduziert. Dies entspricht fast einer Dezimierung um die Hälfte. Die Professuren mit 23 Stellen sind zum Vergleich über diesen Zeitraum konstant geblieben. Keine andere Fakultät an der Universität Bielefeld hat dermaßen durch den Abbau von Mittelbaustellen eingespart wie die soziologische Fakultät. Die Geschichte des Mittelbaus in der Soziologie ist somit eine Geschichte der Stellenstreichung und damit der Kostensenkung. 1994 beschließt das Rektorat sogar, dass nicht-promovierte Wissenschaftliche Mitarbeiter_innen nur eine halbe Stelle übernehmen dürfen. Nach der Entfristung der EDV- sowie Dekanatsassistenzstelle hat die FaKo im Juli 2005 entschieden, dass in der Regel keine weiteren Wissenschaftlichen Mitarbei-

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terstellen entfristet werden sollen. In den verantwortlichen Positionen scheint es kaum eine beängstigendere Vorstellung zu geben als das hochqualifizierte Forschungs- und Lehrpersonal auf Dauer beschäftigen zu müssen. Dafür gibt es zwei plausible Erklärungen: Zum einen sollte am Ende der Befristungszeit eines wissenschaftlichen Arbeitsvertrags der oder die Betroffene höher qualifiziert sein als zu Beginn. Im Wesentlichen sind dies die zwei Phasen nach dem Studienabschluss und nach der Promotion. Daraus einen Anspruch auf Dauerbeschäftigung abzuleiten, würde der Grundidee widersprechen, nachfolgenden Studierenden die Möglichkeit der Weiterqualifikation zu bieten. Dazu passt die Beobachtung, dass nach 2005 vier LBA-Stellen an der Fakultät entfristet worden sind, dementsprechend keine wissenschaftlichen Haushaltstellen und somit Qualifizierungsstellen. So kann gleichzeitig die Universität dynamisch auf neue wissenschaftliche Entwicklungen reagieren und gegebenenfalls hinreichend innovations- und wettbewerbsfähig bleiben. Zudem ermöglicht es für die Betroffenen eine wissenschaftliche Weiterentwicklung an diversen Forschungseinrichtungen. Der andere plausible Grund für die Befristung ergibt sich aus der Personalrekrutierungspraxis der Universitäten. Stellen Sie sich vor, sie kommen als neuer Professor oder Professorin an die Universität Bielefeld und treffen auf ihre Mitarbeiter_innen, die bereits vor ihnen und eventuell auch noch nach ihnen dort arbeiten. Die geringe Autonomie in der Personalfrage ist eine schwierige Verhandlungsposition für die Universität bei der Rekrutierung der High Potentials. Die zweite nachvollziehbare Antwort auf die Frage der problematischen kollektiven Organisation des Mittelbaus bezieht sich auf die zunehmende Diversifizierung der Personalstellen. Die Homogenität von langfristigen Haushaltstellen wurde durch neue Personalstellen aufgebrochen. Der Mittelbau umfasst nun Promovierende, studentische Mitarbeiter_innen, Stipendiat_innen, Privatdozent_innen, Wissenschaftliche Mitarbeiter_innen, künstlerisches Personal und Lehrbeauftragte. Die Zunahme an Drittmittelstellen ist für die soziologische Fakultät beachtenswert, insbesondere durch die Einrichtung des SFB 882 von 2011 bis 2015. So waren 2013 33 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Projektstellen beschäftigt. Mit der Einrichtung von Drittelmittelstellen wird auch die Befristung deutlich sichtbarer an der Universität und hier ist diese Universität keine Ausnahme: »Bereits 1995 waren 78 Prozent der akademischen Mitarbeiter_innen in Deutschland befristet beschäftigt, 2005 waren es 79,4 Prozent und 2015 schließlich 85,3 Prozent – gegenüber sieben Prozent in der freien Wirtschaft. Zwischen 2005 und 2015 stieg die Zahl der befristet beschäftigten akademischen Mitarbeiter_innen um 59,2 Prozent (von 91 046 auf 144 928). Die Zahl der unbefristet beschäftigten Professoren dagegen im selben Zeitraum nur um 17,7 Prozent (von 18 649 auf 21 153). Sie lag damit 2015 sogar

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Christian Ulbricht hinter dem Wert von 1995, als es noch 21 860 unbefristet besetzte Professuren gegeben hatte« (FAZ-Artikel »Flexible Dienstleister der Wissenschaft« 2018).

Diese Fragmentierung des Mittelbaus durch unterschiedliche Statusgruppen mit unterschiedlichen Vertragslaufzeiten hat sicherlich einen negativen Einfluss auf die Formulierung gemeinsamer Interessen innerhalb des wissenschaftlichen Nachwuchses und dementsprechend auf die Mitwirkung in den Universitätsgremien. Wer mit kurzen Verträgen an stetig wechselnden Einrichtungen den Spagat zwischen Lehrstuhlarbeit und eigener Forschung optimiert, hat erschwerte Bedingungen, um in Gremien des Mittelbaus mitzuwirken. Diese Entwicklung stellt jedoch auch die Universitätsverwaltung vor große Herausforderungen, denn die gängige Praxis lautet, dass Mitarbeiter_innen, die auf einer Haushaltstelle arbeiten, regelmäßig an der Mittelbausitzung teilnehmen. Die Prekarisierung und Kürzung der Personalstellen ist somit gremienfeindlich und fordert die demokratische Legitimation von Entscheidungen heraus. Die strukturelle Position geht Hand in Hand mit den Individualisierungstendenzen im Mittelbau, wie Peter Ullrich es treffend im SozBlog formuliert hat (2016). Neben den prekären Beschäftigungsbedingungen, die eine kollektive Mobilisierung erschweren, ist auch die intrinsische Motivation für eine sinnvolle Tätigkeit die Grundlage für Wirkung der Doxa, der unreflektierten Anerkennung von Machtverhältnissen im wissenschaftlichen Feld. Das Ideal der Wissenschaft als Berufung und die fortwährende Inszenierung individueller Karriereverläufe durch Stipendien, Förderprogramme und Preise befördert die Vorstellung einer individuellen akademischen Freiheit und befeuert die Leidensfähigkeit der Betroffenen. Die gering ausgeprägte Konfliktfähigkeit und die niedrigen Anspruchsniveaus sprechen dafür, dass die Erwartungsenttäuschung noch nicht so ausgeprägt ist wie in der »geprellten Generation« (Bourdieu 1987) in den 1960er und 1970er Jahren, als die Institution der bürgerlichen Bildung und damit das Bildungssystem im Allgemeinen angezweifelt wurden. Durch die Demokratisierung des Universitätssystems hofften damals die gesellschaftlichen Schichten, die vorher nicht im höheren Bildungssystem inkludiert waren, auf die Privilegien höherer Bildung. Die damalige Generation war frustriert und formulierte einen, wie Bourdieu sagt, Angriff auf die fundamentalen Dogmen der kleinbürgerlichen Ordnung wie auf Karriere, gut situierte Verhältnisse, Aufstieg und Vorwärtskommen. Es bleibt offen, inwiefern der heutige wissenschaftliche Nachwuchs den Unterschied zwischen dem nominalen und realen Wert von Bildung erkennt und politisiert. Es lässt überhaupt daran zweifeln, in welcher Hinsicht wir es beim wissenschaftlichen Nachwuchs in leitenden Positionen überhaupt noch mit einer kleinbürgerlichen Moral zu tun haben, wenn es denn jemals der Fall war. Waren Deutschlands Universitäten noch männerdominierte Institutionen, so zeigen aktuelle Studien zur Besetzung von Juniorprofessurstellen in NRW, dass

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das Merkmal Geschlecht an Bedeutung verliert (Genderreport für Hochschulen in NRW 2016), und die Frage stellt sich, inwiefern die Kategorie Klasse wieder verstärkt in den Vordergrund rückt? Die Vermutung liegt nah, dass nur Kandidat_innen mit einem hohen ökonomischen, kulturellen und sozialen Kapital diese politisch produzierte Erwartungsunsicherheit im Feld der Wissenschaft aushalten. Die anderen selektieren sich vorher selbst raus. Je nach Lesart lässt sich diese Rekrutierungspraxis unterschiedlich interpretieren: Als Möglichkeit einer Optimierung der Förderung der Besten und Stärkung des Leistungsprinzips oder als soziale Schließung. Die bisherigen Coping-Strategien des Mittelbaus gegenüber diesen Entwicklungen sehen in Bielefeld nicht anders aus als anderswo. In erster Linie beschreiben die Betroffenen ihre Situation mehr als ein Klagelied als eine Festschrift. Die Autonomie, Profilbildung und der Wettbewerb zwischen einzelnen Bildungseinrichtungen »lässt wenig Platz für Solidarität und erstickt jene Freiräume des Denkens, die für die Wissenschaft überlebenswichtig sind. Das befristete wissenschaftliche Personal ist weitgehend auf sich selbst konzentriert, verhält sich unauffällig, hofft auf die nächste Vertragsverlängerung und auf Vorteile gegenüber der Konkurrenz« (FAZ-Artikel »Flexible Dienstleister der Wissenschaft« 2018). Letztendlich ist es in diesem Kontext eine rationale Ignoranz. Mitarbeiter_innen auf Haushaltstellen bemühen sich um eigene Projekte, Projektmitarbeitende geben freiwillig und unentgeltlich bzw. für den Lebenslauf Seminare und betreuen Abschlussarbeiten. Gesund ist diese Überlastung nicht, wie psychologische Studien in Groß-Britannien zeigen (Gorczyniski 2017). Das akademische Personal hat eine fast 2,5mal höhere Prävalenz für psychische Krankheiten als der nationale Durschnitt. Grundsätzlich sind dies nicht zuträgliche soziale Bedingungen zur kollektiven Mobilisierung von Wissenschaftler_innen an deutschen Universitäten und deswegen ist die Entscheidung zum Exit aus der deutschen Wissenschaftslandschaft die immer wahrscheinlicher werdende Option, sei es in der Form der Inklusion in den internationalen wissenschaftlichen Arbeitsmarkt oder in die private Wirtschaft. 81 Prozent der Promovenden und Promovendinnen arbeiten später nicht an Universitäten oder Forschungseinrichtungen (Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017). Dies führt zu der zugespitzten Formulierung einer deutschen Tagesszeitung: »Wer in Deutschland promoviert, macht fast immer Karriere. Es sei denn, er bleibt in der Wissenschaft.« (Zeit 2013) Das spüren langsam auch die Universitäten bei der Rekrutierung von geeignetem Personal. Niemand zieht mehr von Hamburg nach München für eine 50 Prozent TVL 13 Stelle, befristet auf ein Jahr. Eine andere Coping-Strategie gegen die Unsicherheit ist das Bestreben nach Zugehörigkeit in bestimmten Netzwerken. Netzwerke werden in der projektgesteuerten Wissenschaft immer bedeutsamer. Wichtig ist hier, Aktivität zu entwickeln oder wie es umgangssprachlich heißt: »niemals um ein Projekt verlegen zu sein«, denn die einander ablösenden Projekte wirken netzerweiternd, weil dadurch die Zahl der Kontakte erhöht wird und immer mehr

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Verbindungen geknüpft werden. Das Ziel der Aktivität ist es, seine persönliche Employability zu verbessern, also anschlussfähig für weitere Projekte zu sein. Wie wichtig die Zugehörigkeit zu Netzwerken ist, zeigt eindrucksvoll die hiesige soziologische Fakultät: Die Hälfte aller aktuellen Professorinnen und Professoren haben entweder in Bielefeld ihre soziologische Ausbildung absolviert oder als Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vor der Berufung in Bielefeld gearbeitet. Die Fragmentierung der Interessen ist nicht nur typisch für den Mittelbau an deutschen Universitäten. Die Folgen der Exzellenzinitiativen sind spürbar und provozieren eine Spaltung in eine kleine Gruppe von forschungsstarken Universitäten und eine weitaus größere Gruppe von Massenausbildungsuniversitäten. Dies hat Auswirkungen auf die Organisation der Lehre, denn wer exzellente Forschung betreibt, kann nicht mit konstant gleicher Lehrverpflichtung belohnt werden. Demzufolge sollen die im internationalen Vergleich hohen Lehrverpflichtungen von deutschen Professor_innen flexibel gesteuert werden. Dies führt laut der Gemeinsamen Kommission der DFG und des Wissenschaftsrats zu einer »Neubestimmung des Verhältnisses von Forschung und Lehre«. Für den wissenschaftlichen Nachwuchs eröffnen sich dadurch »neue Karriereoptionen« (Gemeinsame Kommission 2008: 61) als eine Anpassungsreaktion, indem als Kompensation für das reduzierte Lehrdeputat von exzellenten Forscher_innen Lehrvertretungen oder Lehrprofessuren eingerichtet werden. Mit anderen Worten vertritt der wissenschaftliche Nachwuchs umso mehr die Einheit aus Forschung und Lehre und sorgt somit weiterhin für die Autonomie des Wissenschaftssystems. Man kann den Elite- und Exzellenzpostulaten, die als Strategien zur (Selbst-)Mobilisierung unternehmerischer Bildungsakteure fungieren, manchmal nur mit Sarkasmus begegnen. Eine Anpassungsreaktion, die oft in Mittelbausitzungen zu beobachten ist. Diese Anpassungsreaktionen sorgen nicht für eine kollektive Mobilisierung. Wir müssen also nicht mit dem Finger auf einzelne Forschungseinrichtungen und Menschen zeigen, sondern systemisch über Kultur, Institutionen und politische Ökonomien nachdenken. Eine Stärkung der Handlungsmacht des Mittelbaus ist auf struktureller Ebene ein Ziel und das »Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft« hat dazu bereits einige angemessene Vorschläge geliefert. Stabile Arbeitsverhältnisse jenseits der Professur als einzig reguläre Lebenszeitstelle im Hochschulbetrieb müssen etabliert werden. Mit anderen Worten: Daueraufgaben brauchen Dauerstellen. Zudem muss die Entdemokratisierung in den Universitäten gestoppt werden. Mit der Abschaffung der Berücksichtigung der Interessen der Mitglieder aller Statusgruppen bei den Beratungen und Entscheidungen des Senats (§11a, Abs. 2) sowie eines gleichwertigen Stimmrechts der Statusgruppen im Senat (§ 22, Abs. 2) gibt der Entwurf des neuen Hochschulgesetzes in NRW klar die Richtung vor: Die demokratische Legitimierung von Entscheidungen erweist sich für das Hochschulmanagement als dysfunktional und die Universitäten verlagern ihre Entscheidungsfindung hin zu Expertengremien.

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Bei genauerem Blick scheint die Demokratisierung nicht dysfunktional zu sein, sondern erweist sich letztendlich als funktional. Die Erfahrung zeigt, dass in den Halbmarathonsitzungen eine Menge Informationen jenseits der Tagesordnungspunkte ausgetauscht werden, was das Funktionieren der Organisation Universität ermöglicht. Was nicht effektiv zu funktionieren scheint, funktioniert in Wirklichkeit effektiv. Je stärker der Imperativ der Verbundforschung, desto mehr muss es zur Demokratisierung der Hochschulen kommen, denn strategische wissenschaftliche Schwerpunktsetzungen folgen in den wenigsten Fällen einer Top-Down-Logik, sondern werden in wissenschaftlichen und politischen Diskursen auf verschiedenen Ebenen konstruiert. Jenseits dieser instrumentellen Sichtweise hat auch die Entdemokratisierung der Universität normative Implikationen für die Gesellschaft. Die Universität als öffentliche Anstalt, dessen Grundstruktur in der »Behandlung des Problems der Selektion« (Niklas Luhmann) zu suchen ist und einer übergreifenden Wissenschaftsidee eine Absage erteilt, verkennt die sozialen Entstehungs- und Stabilitätsvoraussetzungen von Demokratien. Mit anderen Worten: »Nur dann, wenn die demokratische Partizipation aller Statusgruppen Teil des gesetzlichen Fundaments und des akademischen Lebens an Hochschulen in NRW ist, können Hochschulen ihren Beitrag zur demokratischen Werteerziehung und Entwicklung von Gesellschaft voll entfalten« (Stellungnahme der Fakultät für Erziehungswissenschaft zum neuen Hochschulgesetz). Auf individueller Ebene sollte das Reflexionsniveau erhöht werden, damit mit der wissenschaftlichen Doxa des interessenlosen Interesses an der Beforschung der Wahrheit gebrochen werden kann. Insbesondere eine Rezeption der beruflichen Position des Mittelbaus im wissenschaftlichen Feld ist sinnvoll, denn laut Richard Münch beschreitet jeder von uns einen deutschen Sonderweg (2016). Im deutschen Wissenschaftssystem überlagern sich die verschärften Wettbewerbsmodelle, wie die Exzellenzinitiative, mit dem alten durch personalisierte Abhängigkeit geprägten Patronagemodell der wissenschaftlichen Karriere. Dies mag eine Übergangsphase sein und wir sind gut beraten, diese Situation kritisch zu begleiten, damit daraus kein Dauerzustand wird. Ein erster im wahrsten Sinne des Wortes konkreter Schritt für den Mittelbau der Soziologie lautet: Geht zu den Sitzungen und vertretet eure Interessen!

L iter atur Bourdieu, Piere. 1987. Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. FAZ. 2018. Akademischer Mittelbau: Flexible Dienstleister der Wissenschaft. www.faz.net/aktuell/feuilleton/akademischer-mittelbau-f lexible-dienstleister-der-wissenschaft-15502492-p3.html Gemeinsame Kommission von DFG und Wissenschaftsrat. 2008. Bericht der Gemeinsamen Kommission zur Exzellenzinitiative an die Gemeinsame

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Wissenschaftskonferenz. https://www.gwk-bonn.de/fileadmin/Redaktion/ Dokumente/Papers/GWK-Bericht-Exzellenzinitiative.pdf Gender-Report. 2016. Geschlechter(un)gerechtigkeit an nordrhein-westfälischen Hochschulen. Studien Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW Nr. 26. Gorczynski, Paul F. 2017. Examining the Construct Validity of the Transtheoretical Model to Structure Workplace Physical Activity Interventions to Improve Mental Health in Academic Staff. EMS Community Medicine Journal, 1(1):002. Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs. 2017. Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs. Statistische Daten und Forschungsbefunde zu Promovierenden und Promovierten in Deutschland. https:// www.buwin.de/dateien/buwin-2017-kurzfassung.pdf Münch, Richard. 2016. Kapital und Arbeit im akademischen Shareholder-Kapitalismus (Teil 1). http://blog.soziologie.de/2016/05/akademischer-shareholder-kapitalismus_teil-1/ Ullrich, Peter. 2016. Prekäre Wissensarbeit im akademischen Kapitalismus (Teil 1-3). http://blog.soziologie.de/2016/05/prekaere-wissensarbeit-teil-1/ Wehler, Hans-Ulrich. 2008. Deutsche Gesellschaftsgeschichte Bd. 5. München: C.H. Beck. Zeit. 2013. Wissenschaftlicher Nachwuchs: Prekariat statt Professur. https:// www.zeit.de/wissen/2013-04/nachwuchs-wissenschaftler-arbeitsbedingungen

Standing Ovations … Ein Interview mit Sabine Beiderwieden und Elsbe Lück, Mitarbeiterinnen des Prüfungsamtes der Fakultät für Soziologie, geführt von Volker Kruse und Torsten Strulik

Volker Kruse: Wir würden Sie gern mal auf eine Auffälligkeit bei den Absolventenfeiern ansprechen. Also Absolventenfeiern, die laufen ja so ab: Es werden Reden gehalten, es gibt höflichen Beifall und dann irgendwann bedankt sich der Dekan oder die Dekanin bei Ihnen und es braust ein Beifallssturm durch den Saal. Sie bekommen stehende Ovationen, beinahe wie Popstars. Es fällt mir etwas schwer, das aus Ihren Tätigkeiten zu verstehen. Wie verstehen Sie das? Elsbe Lück: Also, ich denke, dass die Studierenden für die Arbeit, die wir leisten, wie wir sie unterstützen während ihres Studiums, immer wieder auch hilfreiche Tipps geben und so weiter, dass wir versuchen immer im Sinne der Studierenden zu arbeiten und sie eben zu betreuen, dass sie dafür dankbar sind. Dass sie das eben anerkennen. Ich hab zum Beispiel Studierende, die sagen: »Ich hab hier so ein Riesenproblem, aber ich weiß, dass ich hinterher mit einem Lachen hier aus dem Büro gehe oder mich freue, weil wir eine Lösung finden.« Also, wir vom Prüfungsamt finden ja nicht die Lösung für die Studierenden, sondern wir finden in der Regel gemeinsam eine Lösung. Und natürlich sind wir auch freundlich. Das versuchen wir jedenfalls. Das merken die Studierenden auch. Uns wird schon mal gesagt, dass sie eben manchmal Angst haben, in andere Prüfungsämter zu gehen oder das von anderen Unis anders kennen. Dass sie da so mehr, na ja, nicht abgefertigt werden. Mir fehlt jetzt das Wort dafür. Aber wie gesagt, also ich denke schon, dass wir sehr viel machen, was wir auch vielleicht nicht unbedingt machen müssten. Wir beraten sie ja auch teilweise, wir leisten soziale Arbeit. Wenn jemand Schwierigkeiten hat, dann versuchen wir, wie gesagt, gemeinsam eine Lösung zu finden. Und in den meisten Fällen gelingt es uns auch. Manchmal ist es keine einfache Lösung, dann müssen die Studierenden noch gewisse Hürden erst mal nehmen und Anträge stellen oder was auch immer. Aber ja, die Studierenden wissen, dass sie eben mit ziemlich jeder Frage zu uns kommen können. Das hat auch einmal dazu geführt, dass ein ehemaliger Masterstudent, der dann

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promoviert hat, zu mir gekommen ist und gefragt hat: »Sie wissen doch immer alles. Wie komme ich jetzt bei der BGHS an einen Raum?« Ich konnte ihm sagen: »Ja, da müssen Sie sich an die und die Person wenden.« Also, da hab ich auch gedacht: Ja, das ist ja schön, wenn man immer hilfsbereit ist. Na ja, da erinnere ich mich noch gut dran. Volker Kruse: Mit welchen Problemen wenden sich denn die Studierenden an Sie? Sabine Beiderwieden: Also, ganz häufig Probleme, die im Laufe des fünften oder sechsten Semesters auftreten. Die Studierenden möchten Sicherheiten haben, dass sie alle Studien- und Prüfungsleistungen – oder früher alle Leistungspunkte, oder noch früher alle Scheine – beisammen haben. Das ist nach wie vor ein Phänomen, das sich nicht von selbst erledigt. Trotz Information durch die Transkripte, in denen man sieht, dass alle Module ein grünes Häkchen haben. Trotzdem wird noch mal ein persönlicher Kontakt gesucht. »Ja, dein Zeugnis ist in Sicht, wenn dies und das und jenes noch studiert wird.« Das ist eigentlich immer gleich geblieben. So eine gewisse Unsicherheit, hab ich nun wirklich alles beisammen? Und die wird bei uns gerne reduziert. Elsbe Lück: Häufig waren die Studierenden auch schon an verschiedenen Stellen. Es gibt ja hier an der Uni eine generelle Studienberatung, es gibt die studentische Studienberatung usw. Wenn man ein Praktikumsproblem hat, geht man ins Praktikumsbüro. Und am Ende, wenn das nun wirklich ein kompliziertes Problem war oder ein rechtliches vielleicht auch, werden sie dann doch zu uns geschickt. Weil, wir im Prüfungsamt müssen eigentlich eine rechtsverbindliche Auskunft geben können. Und das versuchen wir auch. Das müssen wir. Und wenn wir das nicht können, dann müssen wir eben jemanden fragen, wie unseren Justiziar oder eine zuständige Person. Die Studierenden müssen sich darauf verlassen können, dass das, was wir ihnen sagen, rechtsverbindlich richtig ist. Und das wissen die letzten Endes auch. Und die Studierenden, die solche Erfahrungen gemacht haben, die kommen natürlich das nächste Mal direkt zu uns. Volker Kruse: Können Sie auch ganz konkrete Erlebnisse mit Studierenden schildern? Elsbe Lück: Ich denke an eine ganz nette Studentin aus Kamerun, die wollte so gerne den Master studieren. Und die hat sich beworben, aber keinen Platz bekommen, weil die Noten nicht gut genug waren. Dann wollte sie aber unbedingt in Deutschland bleiben, weil ihr Mann hier schon lebte. Wir haben sie im Bachelor eingestuft, und sie konnte den deutschen Bachelor noch mal abschließen. Dann gilt man ja als Bildungsinländer. Hat sie auch geschafft, alles. Inzwischen hatte sie ein kleines Baby bekommen. So ein süßes kleines

Standing Ovations …

Baby, mit so kleinen Knopfaugen. Die Studierende kam häufiger mit Baby in die Sprechstunde und hat versucht, ihr Studium zu Ende zu machen. Sie hat sich später noch mal für den Master beworben. An sie erinnere ich mich, weil sie unheimlich dankbar war, dass das alles geklappt hat, und sie hat sich sehr bemüht, das hier auch noch mal gut hinzubekommen. Die ausländischen Studierenden muss man sowieso sehr viel mehr unterstützen. Sie wissen teilweise nicht, dass sie bei Abgabe der Masterarbeit eingeschrieben sein müssen und solche Dinge. Manchmal ist es dann so knapp, dass wir es noch grade schaffen. Aber hinterher sind dann alle glücklich. Sabine Beiderwieden: Ich find’s immer schön, wenn ich heute noch Mails von ehemaligen Studierenden bekomme, die an der Universität tätig sind oder in Berlin in irgendeiner Stelle. Da kommt dann: »Ich wollte einfach nur mal schreiben, was ich heute so mache.« So verabschiede ich mich auch von meinen Studierenden nach dem Absolvententag. Wenn sie Lust haben, sollen sie einfach noch mal vorbei kommen. Und der eine oder andere macht das dann auch. Es ist irgendwie schön, wie die Wege sich so finden, und manchmal weiß man das im Vorhinein ja schon. Ich denke oft, das passt ganz gut, was die Person dann macht. Elsbe Lück: Man kann nicht alle Namen behalten oder zuordnen. Man kennt viele Studierende vom Sehen. Insbesondere ja in diesem Gebäude hier. Ich freue mich immer, dass Studierende, die mich von ganz weitem sehen, grüßen und winken und was weiß ich nicht alles. Anstatt jetzt wegzugucken und einem bloß nicht über den Weg zu laufen. Und da wundern sich die Kolleginnen dann manchmal, wen man alles kennt und wer einen da so freundlich grüßt. Sabine Beiderwieden: Auch in der Mensa. Elsbe Lück: Das ist immer so: Wie man in den Wald rein ruft, kommt es auch zurück. Wir sind eben freundlich zu den Studierenden. Aber die Studierenden sind auch freundlich zu uns. In der Regel kommen sie alle möglichst freundlich in die Sprechstunde, weil sie ja meist ein Anliegen haben und möchten, dass wir ihnen helfen. Das geht ja immer besser, wenn man ein bisschen nett ist. Volker Kruse: Ja, das sind Sie ja auch. Und es gäbe ja sonst nicht diese Ovationen. Elsbe Lück: Wir sind zum Beispiel, genauso wie die Sekretärinnen, eigentlich in der Regel fast immer da. Bis auf unseren Urlaub. Die Lehrenden sind in den langen Semesterferien überwiegend nicht da. Nur zu bestimmten Terminen oder…

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Sabine Beiderwieden: …ja, und bei uns ist der konstante Kontakt da und die Lehrenden wechseln. Torsten Strulik: Sie haben vorhin die Unsicherheit der Studierenden angesprochen. Nun haben Sie gewissermaßen eine unsicherheitsüberwindende Funktion. Einerseits für die Studierenden, aber auch zugleich für die Lehrenden. Übernehmen Sie auch eine vermittelnde Funktion zwischen Studierenden und Lehrenden? Sabine Beiderwieden: Soweit im Rahmen der rechtlichen Gegebenheiten, zum Beispiel der Modulhandbücher, die auch ziemlich detailliert sind, möglich. Man hat dann noch eine kreative Idee, die zur Lösung des Problems beiträgt. Aber wir versuchen schon auch Studierenden, die eine Hemmschwelle haben, zu Professor XYZ zu gehen, den Weg vielleicht auch manchmal abzunehmen. Also vielleicht zu einem Sekretariat, oder auch zum Professor, erst mal Kontakt aufzunehmen, und da auch die eine oder andere Frage dann vorher zu stellen. Elsbe Lück: Und wenn wir eben nicht die richtigen Ansprechpartner sind, dann wissen wir aber häufig, wo man die Informationen finden kann. Wir haben zum Beispiel sehr viele Dinge zu beantworten, die eigentlich im Studierendensekretariat nachgefragt werden müssen, die Bewerbungsfristen zum Beispiel. Bin ich automatisch exmatrikuliert oder muss ich mich exmatrikulieren? Was muss ich machen, wo finde ich die Unterlagen? Das sind so Dinge, auf die man häufig hinweisen muss. Ich hatte gestern auch eine Bachelor-Studentin, die ein Verbuchungsproblem im Nebenfach hatte. Da hab ich die Kollegin in dem anderen zuständigen Prüfungsamt angerufen, und wir haben besprochen, wie wir das lösen können. Die Kollegin wird sich jetzt an die Lehrenden in ihrer Fakultät wenden, und zwar nur, weil ich sie angerufen habe. Sonst hätte sie das sicherlich nicht gemacht. Na ja, da waren eigentlich alle erst mal zufrieden, und wir hoffen, dass das Problem gelöst ist. Häufig sind es nicht so große Probleme, aber für die Studierenden ist es manchmal die letzte Leistung, um ein Modul abzuschließen. Und sie kriegen das irgendwie nicht allein geregelt. Torsten Strulik: Bemerkenswert ist die große personelle Beständigkeit innerhalb des Prüfungsamtes. Wir leben ja in einer Zeit des schnellen Wandels. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen und gehen. Sie sind gewissermaßen Konstanten im Fakultätsgeschehen. Seit wann arbeiten Sie im Prüfungsamt und was sind ihre formalen Aufgaben? Sabine Beiderwieden: Ich bin seit 2003, April 2003, an der Fakultät für Soziologie im Prüfungsamt. Und das war auch mein Eintritt in die Universität. Und ich habe auch eine Arbeitsplatzbeschreibung aus dieser Zeit, die sich nicht unbedingt mit dem deckt, was heute so Tagesgeschäft ist. Zuständig bin ich für Zeugniserstellungen, für die Prüfung von Transkripten, für die Beratung

Standing Ovations …

von Studierenden zu Prüfungsordnungen, zu Prüfungen, zu Modulen, für die Übernahme der Ergebnisse. Inzwischen gab es ja auch einen Wandel in den letzten 15 Jahren, wie Prüfungsergebnisse an das Prüfungsamt gemeldet werden, wie der Student zu seinem Ergebnis kommt. Also, es wurden Scheine abgelöst, da haben wir ja auch schon reichlich viel Erfahrung sammeln können. Weiter sind das BAföG-Bescheinigungen: Leistungsnachweise, die Studierende, um ihre Finanzierung zu sichern, abgeben müssen. Dann ist es die Mitarbeit in Gremien und das weite Feld der Anerkennung. Das sind, glaube ich, die Punkte, die noch in meiner Arbeitsplatzbeschreibung stehen. Elsbe Lück: Ich möchte da noch kurz ergänzen, gerade bei Sabine. Sie hat den ersten Bachelorstudiengang hier aufgebaut mit dem Bachelor Politikwissenschaft, dem 1-Fach-Bachelor, den es ja heute gar nicht mehr gibt. Damit hat Sabine ja angefangen. Sabine Beiderwieden: Und Sozialwissenschaften. Elsbe Lück: Ja. Aber ich meine, der Bachelorstudiengang Politikwissenschaft war der allererste Bachelor sogar an der Uni Bielefeld, soweit ich mich erinnern kann. Und du betreust doch auch die Promotionen. Das hast du jetzt auch nicht erwähnt. Sabine Beiderwieden: Ja, das steht da auch noch nicht drin, das hat sich ja im Laufe der Zeit so entwickelt. Es war schon eine spannende Zeit mit dem ersten Bachelor Politikwissenschaft, dessen Ordnung noch stark an die Diplomprüfungsordnung angelehnt war. Aber gleichzeitig hat die Universität Bielefeld das Bielefelder Studienmodell, Bielefelder Bachelor- und Masterstudienmodell geschaffen. 2002 sagt man da heute zu. Und da haben wir in der Fakultät mit dem Studiengang Sozialwissenschaften angefangen. Da gab’s eine kleine Arbeitsgruppe rund um Frau Geissler und damals Herrn Kurz, mit weiteren wie Herrn Jacke aus der BiSEd, damals ZFL.1 Und das waren meine Ansprechpartner. In die Arbeitsgruppe bin ich irgendwann eingestiegen und habe da auch mitgearbeitet. Torsten Strulik: Die Fakultät für Soziologie hat sich seinerzeit sehr früh umgestellt, früher als andere Fakultäten. Sabine Beiderwieden: Ja. Dann gab’s ein Jahr später die Arbeitsgruppe, die auch heute noch existiert, aber mit einer etwas veränderten Besetzung: Die Arbeits1 | Die Bielefeld School of Education (BiSEd) ist eine zentrale Wissenschaftliche Einheit der Universität Bielefeld und ging im Jahr 2011 aus dem Zentrum für Lehrerbildung hervor. Sie trägt gemeinsam mit den lehrerausbildenden Fakultäten die Verantwortung für die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern.

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gruppe Prüfungsorganisation, geleitet aus der Verwaltung und im Dezernat für Studium und Lehre angesiedelt. Und da bin ich seit Anbeginn auch tätig und mit zwei anderen Prüfungsämtern vertreten. Ja, das sind so die Dinge, von denen die Fakultät auch profitiert. Torsten Strulik: Die Studierenden haben über einen langen Zeitraum mit Ihnen Kontakt. Manche haben vor vielen Jahren einen BA-Studiengang aufgenommen und promovieren jetzt an der Fakultät. Man hat den Eindruck, Ihre Arbeit macht Ihnen Freude. Sabine Beiderwieden: Ja, die Arbeit macht auch Freude und es ist auch schön, wenn man den Bachelor Politikwissenschaft Studierenden nachher in der Promotion begrüßt oder die Dissertation dann empfängt. Zu Beginn der Einführung des Bachelor-/Mastermodells gab es eine hohe Beratungsintensität. Das Prüfungsamt wurde ganz oft zur Beratung dazu genommen. Im Laufe der Zeit sind natürlich Angebote und Informationen im Internet verfügbar gemacht worden, die das Studium noch mal transparenter gestalten. Und die Beratungsintensität hat natürlich abgenommen. Das ist einerseits schade, auf der anderen Seite natürlich verringert es die Schlangen vor unserer Tür. Elsbe Lück: Aber man kann dazu sagen, wenn die neuen Studierenden zu Beginn des Semesters, zumindest des nächsten Wintersemesters kommen, dann wird erst mal doch wieder die Situation anders sein. Dann gibt’s zu bestimmten Punkten doch wieder Fragen. Sabine Beiderwieden: Ja. Und die Arbeitszufriedenheit kommt auch. Ich glaube, das ist eine Besonderheit hier an unserer Fakultät. Ich bin nicht sicher, ob es an anderen Fakultäten denselben guten Kontakt zu den Lehrenden gibt. Dass wir die Rückmeldung bekommen, dass unsere Arbeit geschätzt wird und unsere Kompetenz in unserem Arbeitsgebiet. Das merkt man und bekommt es auch gesagt. Und daher macht man wohl auch alles richtig und dann kommt man morgens gerne hier hin. Elsbe Lück: Außerdem ist die Arbeit ja auch ziemlich vielseitig. Ist ja nicht nur Ergebnisse verbuchen… Volker Kruse: …ja, das stellt man sich erst mal so vor… Elsbe Lück: …Gutachten einfordern oder so. Nein, das ist ja viel mehr. Erst mal ist es der Kontakt zu den Studierenden, den find ich sehr wichtig, dann der Kontakt zu den Lehrenden. Wir arbeiten mit dem Studiendekanat eng zusammen, mit Markus Göbel, mit dem Dekan, mit Oliver Flügel-Martinsen als Anerkennungsbeauftragten und mit dem Prüfungsausschussvorsitzenden. Wir haben übrigens nicht viele Widersprüche. Das ist ja auch ein Zeichen, dass

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die Studierenden so ganz gut durchs Studium kommen. Es liegt ja nicht unbedingt an uns, dass ein Widerspruch eingelegt wird. Ich wollte es nur einmal kurz anmerken. Und was sind unsere weiteren Aufgaben, speziell in meinem Bereich? Wir haben ja die Studiengänge aufgeteilt, und ich betreue andere Studiengänge als Frau Beiderwieden. Ich betreue jetzt den Bachelor Politikwissenschaft und den Master Soziologie und den Master Politische Kommunikation. Gender Studies hat unsere neue Kollegin Frau Terlinden übernommen. Im Master Soziologie ist eben das interessante, dass wir einen International Track haben und somit mehr internationale Studierende. Das ist etwas, was ich besonders gerne mache. Die internationalen Studierenden kommen doch relativ häufig in die Sprechstunde, weil die Prüfungsordnung, die FSBs usw. können sie nicht lesen. Es ist alles auf Deutsch. Also, wir sind international schon sehr weit in der Fakultät. Wir haben einen International Track, den man komplett auf Englisch studieren kann, aber es gibt immer noch Dinge, die man verbessern muss. Die Masterprüfungsordnung auf Englisch, das ist Sache des Rektorats. Die FSBs wären aber unsere, also Fakultätsangelegenheit. So muss ich den internationalen Studierenden auf Englisch erklären, welche Fristen sie einzuhalten haben, welche Rechte, welche Pflichten sie haben. Das muss richtig sein, für sie verständlich, und ich muss es korrekt erklären. Das macht mir Spaß, und ich freue mich über diese Aufgabe. Ich hab jeden Tag meist zwei, drei, also täglich einige Englisch sprechende Studierende dabei. Und natürlich hat die Zahl der Erasmus-Studierenden auch zugenommen, finde ich, im Vergleich zu früher. Wir haben viel mehr Erasmus-Studierende, die ich auch betreue. Ja, das ist dieses Internationale, das mir viel Spaß macht. Übrigens, im Master Soziologie kann man jetzt auch den italienischen Abschluss gleichzeitig mit dem deutschen machen in Kooperation mit der Universität Bologna. Leider hatte ich noch keine Studierenden in meiner Sprechstunde, aber das Programm gibt es schon seit mindestens zwei Jahren. Ähnlich wie in Geschichtswissenschaft. Aber ich warte gespannt auf die ersten Absolventen. Durch die verschiedenen Studiengänge hat man Einblick in verschiedene Regelungen, die sich aber über die Jahre doch ein bisschen ähnlicher geworden sind. Im Vergleich zu früher. Wir machen auch viel Statistikarbeit. Das ist natürlich nicht unbedingt immer so erfreulich, aber daran sieht man dann zum Beispiel, wie viele Studierende ihren Abschluss jetzt gemacht haben, wie ist der Durchschnitt? Das ist ja auch für uns interessant zu wissen. Also, die Statistiken, die sind dann wieder Grundlage für andere Dinge in der Fakultät. Auch für die Absolventenfeier, die von uns ja auch mitvorbereitet und betreut wird. Federführend hat das immer Sabine gemacht, jetzt mit Frau Terlinden zusammen. Aber wir anderen Prüfungsamtsmitarbeiterinnen sind alle dabei an dem Tag und haben auch kleine Jobs. Torsten Strulik: Sie sind ja sehr dicht dran an den Studierenden und ihren Problemen. Nehmen Sie mit Blick auf die Studierenden im Zeitverlauf Veränderungen wahr, die sich möglicherweise auch auf Ihre Tätigkeiten auswirken?

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Sabine Beiderwieden: Die Studierenden werden erfahrener. Torsten Strulik: Erfahrener in welcher Hinsicht? Sabine Beiderwieden: Ja, also im Erstsemester-Kontext sind sie noch sehr unsicher und haben Scheu ins Prüfungsamt zu gehen. Das verliert sich mit der Zeit. Und die Fragen werden konkreter, gezielter und spezieller. Torsten Strulik: Wie sieht es denn mit den unterschiedlichen Studierenden-Kohorten aus? Die Studierenden, die im Jahre 2003 ihr Studium aufgenommen haben unterscheiden sich möglicherweise von den gegenwärtigen StudienanfängerInnen. Sabine Beiderwieden: Große Unterschiede: Zur Zeit des Diploms durch den Wechsel auf Bachelor und Master. Und dann die Studierenden, die ohne Zivildienst oder Wehrdienst etwas jünger an die Universitäten kommen, jetzt im Moment. Das sind schon Unterschiede. Die Diplom-Studierenden hatten noch einen ganz anderen Fokus. Die konnten neben ihren Scheinen auch noch andere Veranstaltung nach Interesse besuchen. Das wissen wir alle. Das Bachelor-/Mastersystem hat diese Möglichkeit geraubt. Vor allem dann, wenn eine Finanzierung durch BAföG oder Eltern, die dann irgendwo Grenzen setzen, dahinter steht. Da wird doch sehr auf die Regelstudienzeit und Anzahl der Fachsemester geachtet, obwohl die im Zeugnis nirgendwo auftaucht. Aber der Druck bei den Studierenden ist da. »Nein, ich möchte nicht noch das siebte Semester, ich möchte jetzt auf Biegen und Brechen noch zum Stichtag abschließen, so dass in meinem Zeugnis sechs Semester stehen.« Was es halt faktisch nicht tut. Also, die Anzahl der studierten Semester gibt’s nicht Schwarz auf Weiß. Und diesen Druck, glaube ich, gab’s bei den Diplom-Studierenden in der Weise nicht. Elsbe Lück: Es gibt da noch eine Sache. Die Studierenden haben ja jetzt beliebig viele Versuche. Sie können bei uns eigentlich nicht endgültig nicht bestehen. Und sie können auch studieren, solange sie möchten. Mehr oder weniger. Das gibt es ja in anderen Ländern und anderen Unis nicht. Da hat man eine begrenzte Studienzeit. Das haben wir hier nicht. Das nimmt auch wieder einigen Studierenden den Druck, auch wenn sie mal eine Leistung nicht bestanden haben. Die können sie eben ganz einfach wiederholen. Das ist auch so ein Punkt. Wenn sie so vollkommen verzweifelt sind, wenn sie ihre Bachelorarbeit nicht bestanden haben oder ihre Masterarbeit, dass wir den Studierenden dann sagen, das ist nicht so schlimm. Das kann jedem passieren. Sie können diese Arbeit, wie jede Prüfungsleistung, beliebig oft wiederholen. Ist ja nicht schön, aber letzten Endes zählt nur die dann erzielte Note. Und damit baut man die Studierenden ein bisschen auf. Ich hatte es mit einem ausländischen Studenten zu tun, der eigentlich bereits einen Arbeitsplatz hatte. Er hat sich dann

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neue Prüfer gesucht, ein neues Thema gefunden und war nachher ganz froh, dass er es dann im zweiten Versuch geschafft hat. Da wusste er dann auch, woran es liegt. Wie gesagt, ich finde, das nimmt auch ein kleines bisschen den Druck weg, dass die Studierenden, anders als im Diplom beim dritten nicht bestandenen Versuch, nicht mit leeren Händen dastehen. Volker Kruse: Wir hatten ja auch früher andere Regelungen, Stichwort: Diplom. Da hatten wir ja eine Regelung, dass das Diplom auslief zum 30.September 2013. Und es gab dann maximal noch Verlängerungsmöglichkeiten mit ärztlichen Attesten bis Anfang November. Also, da standen dann Studierende unter Druck, zu diesem Zeitpunkt fertig zu werden, oder sie bekamen kein Diplom und wurden dann umgeschrieben in die neuen Studiengänge. Diese Studierenden waren nicht selten auch, ja, krank. Und Sie waren ja dann mit diesen Problemen auch konfrontiert, dass diese Studierenden unbedingt fertig werden mussten. Vielleicht erzählen Sie mal so über die Zeit, wie Sie die erlebt haben, was Sie gemacht haben. Wie Sie mit den Problemen dieser Studierenden umgegangen sind. Elsbe Lück: Ja, ich habe das ja hautnah mitbekommen, weil ich damals in dem gleichen Raum wie Frau Aust saß, die ja das Diplom betreut hat. Ich habe auch selber einiges erledigt. Jeder Fall war ja individuell und wurde auch individuell behandelt. Wir haben geschaut, was können wir machen? Einige Studierende durften die mündlichen Prüfungen vorziehen, obwohl man erst die Diplomarbeit schreiben musste. Wir haben da sehr eng mit dem Justiziariat zusammen gearbeitet, das immer geschaut hat, dass wir den Studierenden helfen können, dass sie das Diplom noch irgendwie schaffen. Und da wurde das sehr großzügig gehandhabt. Ein großes Problem, woran ich mich noch erinnern kann, waren die mündlichen Prüfungen, da musste man ja aus jedem Bereich einen Prüfer haben. Und zum Ende des Diploms waren gerade Semesterferien. Es war also schwierig, die Prüfer zu bekommen, erstens. Zweitens, diese Studierenden hatten auch schon langjährig studiert, und sie kannten die neuen Professoren nicht. Sie wollten gerne die alten Professoren, so dass zum Beispiel Herr Tyrell ganz oft dabei war. Ich fand es ein bisschen schade, dass ihm nicht noch einmal extra gedankt wurde auf der darauffolgenden Absolventenfeier. Oder überhaupt den ganzen Personen, die diese Prüfungen durchgeführt haben zum Ende des Diploms. Was ja wirklich nicht einfach war. Wir mussten das zwar organisieren, aber die Prüfer mussten ja bereit sein, das zu machen. Da haben wir wirklich alle Hebel in Bewegung gesetzt und alle möglichen Leute mobilisiert, dass die Studierenden noch die Prüfung machen konnten. Studierende mit Problemen bekamen teilweise zusätzlich Unterstützung von anderen Stellen der Uni. Also, wir haben da schon mit allen möglichen Stellen zusammen gearbeitet.

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Sabine Beiderwieden: Und das muss man sagen, das klappt auch ganz gut mit den zuständigen Justiziaren. Und mit der entsprechenden Person in der Zentralen Studienberatung wird man auch nicht so allein gelassen. Elsbe Lück: Aber, na ja, manche haben es dann aber trotzdem nicht geschafft und mussten in den Bachelor wechseln. Volker Kruse: Ja, und Sie sind ja die erste Anlaufstelle. Elsbe Lück: Genau. Und dann kam es ja auch ziemlich zur gleichen Zeit, dass einige, die merkten: »Wir schaffen das nicht«, dass die dann gesagt haben: »Okay, dann müssen wir eben wechseln.« Aber das Problem ist ja: Wenn man kurz vor dem Ende ist – und davon gab es einige Studierende – und nur noch die Diplomarbeit schreiben musste, das dann aber nicht geschafft hat, man gar nichts hatte. Keinen Abschluss. Nicht mal einen Bachelorabschluss automatisch. Diese Studierenden mussten wir dann erst mal in den Bachelor einstufen. Und das war meine Aufgabe, weil ich den Bachelor Soziologie zu der Zeit betreut habe. Aber das haben wir auch hingekriegt. Und das war natürlich eine Mordsarbeit … Torsten Strulik:…die Anerkennung wahrscheinlich? Elsbe Lück: Ja, weil es gab ja viel anzuerkennen. Es gab ja früher keine Belege über die aktive Teilnahme. Es gab nur die Belegbögen. Das waren Bögen, in die die Studierenden eingetragen haben, in welchen Veranstaltungen sie waren. Sie waren nicht gegengezeichnet o.ä. Aber sie waren die Grundlage für die aktiven Teilnahmen. Die Studierenden hatten gewisse Scheine gemacht für ihr Vordiplom. Dann hatten sie ihre Lehrforschung gemacht und derartige Dinge. Aber wir wussten ja, dass sie schon voll studiert hatten. Im Prinzip mussten wir uns dann daran orientieren. Aber auch das haben wir alles geschafft. Es gibt sicher ein paar, die aufgegeben haben. Aber ab und zu kommt noch mal jemand und will dann doch wieder einsteigen und noch seinen Bachelor wenigstens machen. Das ist ja das Gute am Bachelor-/Mastersystem. Das geht ja auch über fünf Jahre, wie das Diplom früher. Aber man hat nach drei Jahren schon mal den ersten Abschluss. Volker Kruse: Ich habe noch mal eine Frage an Sie. Sie haben eigentlich so beides erlebt. Heute haben wir ja die Regelung, das war früher auch im Diplom so, dass es keine Grenzen gibt. Man kann so lange studieren, wie man möchte. Wir haben aber auch Regelungen gehabt, dass dann zeitliche Grenzen gesetzt wurden. Wie beim Ende des Diploms, aber auch bei anderen Studiengängen gab es Fristen, bis zu denen man fertig werden musste. Welche Regelungsvariante ist aus Ihrer Sicht die bessere?

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Sabine Beiderwieden: Das ist schwierig. Elsbe Lück: Also, im Diplom begann man gemäß einer Studien- bzw. Prüfungsordnung und hat danach auch zu Ende studiert. Im Bachelor und Master haben wir eben die Fächerspezifischen Bestimmungen und bei einigen Studiengängen haben wir mindestens drei FSBs, die bereits ausgelaufen sind. Hinzu kam der Wechsel des Studienmodells. Das Studienmodell 2011 war eben ein Einschnitt, genauso wie das Ende des Diploms. Wer bis dahin nicht fertig war, wurde exmatrikuliert und musste umgeschrieben werden in die nächsten Fächerspezifischen Bestimmungen. Das mag okay sein, aber manchmal, zum Beispiel in den Masterstudiengängen, mussten die Studierenden, die nur die Masterarbeit noch nicht geschrieben hatten, aber das nicht fristgerecht geschafft haben, in die neuen FSBs wechseln – was teilweise auch eine neue Struktur bedeutete. Vorher zwei Profile, jetzt darf man nur noch ein Profil studieren und muss aber dafür noch etwas anderes leisten. Okay, aber auf jeden Fall machte das eigentlich keinen Sinn. Es wurde aber beschlossen, und die Leistungen mussten komplett umgeschrieben werden. Jede einzelne Veranstaltung. Das war für uns fast eine »Arbeitsplatzsicherungsmaßnahme«, finde ich, weil das war so eine massive Arbeit. Weil man ja quasi das ganze Studium, die ganzen nach den alten FSBs erbrachten Leistungen umschreiben musste. Bei dem Studienmodellwechsel im Bachelor war das genauso. Das war auch dort schon eine große, große Aktion. Aber im Bachelor wurden die nicht fertigen Studierenden ja tatsächlich exmatrikuliert. Im Master wurden die Studierenden nicht exmatrikuliert, mussten aber trotzdem die FSBs wechseln. Sabine Beiderwieden: Also, ich sehe da zwei Punkte. Es verbreitet einen riesen Druck auf das Prüfungsamt und auf die Studierenden – so ein Studienmodellwechsel oder Diplomende. Ein FSB-Wechsel ist ein bisschen leichter zu handeln. Und ein großer Arbeitsaufwand. Auch Lehrende müssen sich auf neue Bedingungen einstellen. Ich denke, in den Veranstaltungen gelten dann auch andere Modalitäten, die man auch erst mal für alle wieder so sortieren muss. Auf der einen Seite, also das empfinde ich als sehr nachteilig und dreht so eine Organisation auch schon mal auf links. Auf der anderen Seite beobachte ich, dass es im Promotionskontext eine Ordnung von 1996 und eine von 2017 gibt, und keine dieser Ordnungen läuft aus. Die haben sich im Laufe der Zeit stark gewandelt. Jetzt sind es natürlich nicht so wahnsinnig viele Promotionen, aber doch ganz anders abzuwickelnde Verfahren nach einer 96er oder nach einer 2017er Ordnung, auch das ist nicht einfach zu handeln. Für die Person nicht, die das im Prüfungsamt betreut, und für die Prüfungskommission schon zwei Mal nicht. Elsbe Lück: So ähnlich wie im Diplom. So war das früher im Diplom.

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Sabine Beiderwieden: Insofern spricht das wieder dafür, aus Verwaltungssicht das doch schon ein bisschen anzugleichen und solche extremen Dinge nicht parallel laufen zu lassen. Diplom vergleichbar Diplom, und Bachelor-/Mastersysteme. Also die Entscheidung für eines und dann dabei zu bleiben. Elsbe Lück: Ja, aber die FSBs werden ja im Vergleich zum Diplom andauernd geändert. Das Diplom ist ja von der Struktur her über 40 Jahre gleich geblieben. Mehr oder weniger. Etwas angepasst ist es schon worden, aber die FSBs im BA und MA werden ja im Verhältnis doch relativ häufig geändert. Ich kann mich erinnern, dass die ersten Master-FSBs schon geändert wurden, da hatte noch nicht mal ein Masterstudent einen Abschluss. Das hab ich ja hautnah miterlebt. Was ich gut finde, oder fand, dass ich damals bei der Masterreform mit einbezogen wurde. Deshalb habe ich die Ordnung auch sehr tief in meinem Gedächtnis. Also, ich kann da ziemlich gut Auskunft geben. Ich bin zwar nicht zum Auf bau des Studiengangs befragt worden, wurde aber immer wieder zum Lesen aufgefordert. »Geht das so, kann man das so machen? Haben Sie da was einzuwenden oder irgendwas in der Richtung?« Das haben wir bei anderen Reformen nicht erlebt. Es muss auch nicht sein, wir müssen nicht einbezogen werden, aber es gibt Fälle, da wunderten sich nachher die Studiengangsbeauftragten doch, was es dann für Probleme gab. Es ist schon sinnvoll, uns manchmal mit einzubeziehen, unsere Meinung einzuholen. Manche Stellen oder Personen beziehen uns sowieso ein, manche nicht. Wir stecken häufig viel tiefer in den Ordnungen drin. Es gibt ja verschiedene, aber durch das neue Studienmodell sind die Strukturen viel ähnlicher geworden. Wichtig ist auch, dass wir durch das neue Studienmodell jetzt keine Leistungspunkte mehr haben. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Und doch brauchen wir sie, und zwar zurzeit für die Erasmus-Studierenden zum Beispiel. Volker Kruse: Ich habe noch eine Frage. Sie sind ja eigentlich für Studierende immer die ersten Ansprechpartnerinnen im Prüfungsamt. Ich nehme an, dass die meisten Studierenden mit ihren Fragen so relativ kontrolliert sind. Das sind dann auch sachliche Fragen. Aber vielleicht kommen gelegentlich auch Studierende, die aus irgendwelchen Gründen in ihrem Studium ziemlich verzweifelt sind und in ziemlich emotionalisierter Verfassung zu Ihnen kommen. Ist das so? Und wenn ja, wie gehen Sie damit um? Sabine Beiderwieden: Es ist schon so, es ist allerdings sehr selten so. Gott sei Dank selten so. Und auch da haben wir kompetente Ansprechpartner. In der Zentralen Studienberatung gibt es eine Stelle, die uns da unterstützt. Und jetzt sind wir ja nicht mehr ganz so jung und haben selber erwachsene Kinder. Und dann kommt so ein bisschen vielleicht auch der Mutterinstinkt, die Lebenserfahrung hinzu. Ja, man versucht schon, also jedenfalls ich versuche schon das nicht zu meinem Problem zu machen. Aber dennoch zu überlegen, was würde ich jetzt meinem Kind raten oder einer Freundin oder einem Freund,

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der mir jetzt hier mit der Schwierigkeit gegenübersitzt. Wir versuchen schon, wie auch bei den anderen Fällen, eine Lösung zu finden. Wenn man die ziemlich schnell sieht, auch darauf hinzuweisen. Und ansonsten die Studierenden vielleicht auch mal an die Hand zu nehmen und den Weg mal ein Stück weit gemeinsam zu gehen. Ohne, dass es zu meinem Problem wird. Man muss sich schon abgrenzen. Torsten Strulik: Wir haben vorhin über Veränderung aufseiten der Studierenden gesprochen. Hat sich auch Ihre Zusammenarbeit mit den Lehrenden gewandelt? Sabine Beiderwieden: Die Lehrenden sind mittlerweile in der Praxis im Studienmodell 2011 angekommen, nachdem sie im Rahmen des Diploms und des Studienmodells 2002 gelehrt haben. Das Prüfungsamt ist durch die tägliche Sachbearbeitung mit den Regularien der Prüfungsordnung vertrauter. Die Lehrenden haben in ihren Veranstaltungen einen anderen Fokus. Es gibt viel Beratungsbedarf bei den Lehrenden, der aber mit dem jetzigen Studienmodell abgenommen hat, da bei den Studiengängen in unserer Fakultät und universitätsweit viele Angleichungen vorgenommen wurden. Wie siehst du das? Elsbe Lück: Der Beratungsbedarf ist bei den neuen Lehrenden, insbesondere bei häufig wechselnden Mitarbeitern, immer noch gegeben. Auch hat die Anzahl der Lehrbeauftragten oder Lehrkräfte für besondere Aufgaben zugenommen. Deren Verträge gehen oftmals über eine sehr kurze Laufzeit, sie sind nicht gut über die Abläufe informiert und haben daher viele Fragen. Das hat sich gegenüber früher schon geändert, da es die große Anzahl an befristeten Verträgen nicht gab. Am Lehrstuhl lehrten neben der Professorin oder dem Professor zwei oder drei Mitarbeiter*innen als Wissenschaftliche Angestellte. In den Lehrveranstaltungen nahmen die Mitarbeiter die Prüfungen ab und meldeten die Ergebnisse dem Prüfungsamt. Die Lehrenden, die nur für eine kurze Zeit an der Fakultät und mit dem System noch nicht vertraut sind, benötigen die Unterstützung bei der Ergebnismeldung, bei der Abnahme von Prüfungen in Bezug auf die Anforderungen etc. und wenden sich mit diesen Fragen oft an das Prüfungsamt. Sabine Beiderwieden: Letztlich lässt sich sagen, dass wir uns als Schnittstelle zwischen Lehrenden und Studierenden in der Organisation ihres Studiums verstehen und beide Gruppen unter Berücksichtigung der Vorgaben unterstützen. Volker Kruse: Ja, dann danken wir Ihnen sehr herzlich. Torsten Strulik: Ja, herzlichen Dank.

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Aus dem Leben der Fakultät Rückschau in Bildern

Fakultätskonferenz für Soziologie am 17.11.1969. Von links: Niklas Luhmann, Helmut Schelsky, Dietrich Storbeck (Foto: B. Preker, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01913)

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Prägende soziologische Köpfe: Prof. Dr. Niklas Luhmann und Prof. Dr. Helmut Schelsky während der Fakultätskonferenz am Tag der Eröffnung des Lehrbetriebs am 17. November 1969. (Fotograf: Bernhard Preker, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, NEG_1.4_1_3)

Fakultätskonferenz Soziologie am 17. November 1969 (Fotograf: Bernhard Preker, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, NEG_1.3_6_4)

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Der Dienstwagen des ZiF-Direktors und Universitätsplaners Professor Helmut Schelsky vor Schloss Rheda (ca. 1971). (Fotograf: Friedbert Penke, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld)

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Autorenkonferenz zum rororo »Studienkomplex Sozialwissenschaften« am 13./14.04.1972 im Sitzungssaal der Universität Bielefeld; 1.v.r.: Karl Peter Grotemeyer, 2.v.r.: Ernesto Grassi, 4.v.r.: Joachim Matthes, 5.v.r.: Heinrich Maria Ledig-Rowohlt, 6.v.r.: Franz-Xaver Kaufmann, 7.v.r.: Erhard Roy Wihn, 10.v.r.: Norbert Elias (Foto: Ed. Heidmann, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01914)

Autorenkonferenz zum rororo »Studienkomplex Sozialwissenschaften« am 13./14.04.1972 im Sitzungssaal der Universität Bielefeld; 1.h.v.r.: Joachim Matthes, 2.h.v.r.: Heinrich Maria Ledig-Rowohlt, 3.h.v.r.: Franz-Xaver Kaufmann, 4.h.v.r.: Erhard Roy Wiehn, 7.h.v.r.: Norbert Elias (Foto: Ed. Heidmann, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01915)

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18. Deutscher Soziologentag an der Universität Bielefeld (28.09.-01.10.1976), Pressekonferenz in der Mensa; 2.vl.: Franz-Xaver Kaufmann, 3.v.l.: Joachim Matthes, 4.v.l.: Karl Martin Bolte, 7.v.l.: Burkart Lutz (Foto: C. Preker, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01917)

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18. Deutscher Soziologentag an der Universität Bielefeld, Podiumsdiskussion »Was kann die Soziologie der Gesellschaft bieten?« am 01.10.1976. Von links: H. Korte, J. Matthes, T. Pirker, K.M. Bolte, B. Lutz, K. Hurrelmann, H. Haferkamp, Chr. v. Ferber (Foto: Peter Thölen/WESTFALEN-BLAT T)

Fakultät für Soziologie: Studierende bei der Ausbildungsphase im Rechenzentrum, WS 1979/80 (Foto: Seutter, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01927)

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Verleihung der Ehrendoktorwürde der Fakultät für Soziologie an Norbert Elias durch Dekan Prof. Dr. Günter Albrecht am 22. Juni 1980. (Fotograf: Otto Sudmann, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01950)

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Besuchergruppe an der Universität Bielefeld im Frühjahr 1981, »KumpelWeiterbildung« der IG Bergbau (Foto: Seutter, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01928)

Chinesische Wissenschaftler-Delegation zu Besuch in der Universität Bielefeld im Oktober 1981, am Eingang zum ZiF; 2. Reihe, 2.v.l.: Hans-Dieter Evers (Foto: Stefan Hörttrich/WESTFALEN-BLAT T)

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Im ZiF: Italienische Industriesoziologen besuchen den Forschungsschwerpunkt »Zukunft der Arbeit« der Fakultät für Soziologie (06.10.1982); 1.v.h.r.: Gert Schmidt, Sprecher d. Forschungsschwerpunkts (Foto: Stefan Hörttrich/WESTFALEN-BLAT T)

Besuch des Metallwerks Paul Schmidt in der Universität Bielefeld (Dezember 1982); 4.v.l.: Gert Schmidt (Foto: Seutter, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01931)

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Chinesische Soziologen im Internationalen Besucherzentrum im Gespräch mit Hochschullehrenden der Fakultät für Soziologie (18.01.1983). Sitzend: 2.v.l.: HansDieter Evers, 3.v.l.: Claudia v. Werlhof, 6.v.l.: Johannes Berger; stehend: 2.v.l.: Peter Weingart (Foto: Steinfurth, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01932)

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Besuch ägyptischer Wissenschaftler im Kontext des Forschungsschwerpunkts »Entwicklungsplanung und Entwicklungspolitik« (Frühjahr 1983); 2.v.r.: Georg Stauth (Foto: Seutter, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01933)

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Arbeiten im Forschungsschwerpunkt Entwicklungssoziologie am 29.07.1984. Stehend v.l.: Claudia v. Werlhof, Johannes Augel, Werner Tiesbohnenkamp, Helmut Buchholt, Ulrich Mai, als Gast Mudimba Mbaya, Friedhelm Streiffler; vorne: Gastprofessor Thiravet Pramunratkarn, Georg Elwert, Hans-Dieter Evers (Foto: Seutter, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01935)

Fakultätstag der Soziologen unter dem Motto »Soziologie und Technik« am 28.01.1987, Eröffnungsansprache durch den Dekan Johannes Berger (Foto: Hans Dieter Johner, Quelle: Neue Westfälische)

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Fakultätstag der Soziologen. Von links: der Landtagsabgeordnete Dr. Gerhard Röding, Oberbürgermeister Klaus Schwickert, Rektor Karl Peter Grotemeyer und die Soziologen Niklas Luhmann und Johannes Berger (Foto: Hans Dieter Johner, Quelle: Neue Westfälische)

Besuch von Repräsentanten der ISA am 26.04.1989. Von links.: Klaus Dieter Bock, Gert Schmidt (Dekan), Margret Archer (ISA), Dietrich Storbeck, Martin Albrow (ISA), Richard Grathoff, Peter Weingart (Foto: N. Langohr, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01938)

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Rembrandts Nachtwache mit SoziologInnen verwandelt. Das Bild entstand anlässlich des Kolloquiums zum 60. Geburtstag von Niklas Luhmann.

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Methoden-Workshop zur Panelanalyse am 28./29.07.1993, ausgerichtet von der Wissenschaftlichen Einheit II (Methoden der empirischen Sozialforschung & Sozialpsychologie) der Fakultät (Foto: unbekannt, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01954)

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Kooperationsvertrag zwischen der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld und der Soziologischen Fakultät St. Petersburg/Russland am 15.11.1993 (?). Vorne v.l.: Günther Schlee (Dekan Bielefeld), Asalkhan Boronoev (Dekan St. Petersburg), Helmut Skowronek (Rektor Universität Bielefeld). Hinten v.l.: Heinz Harbach (Beauftragter für Osteuropangelegenheiten der Fakultät Bielefeld), Nikolai A. Golovin (St.Petersburg), Werner Aufderlandwehr (Leiter Akademisches Auslandsamt), Jürgen Feldhoff (Initiator der Kooperation) (Foto: K. Halbe, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01955)

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Das offizielle Plakat zum 13. Weltkongress der Soziologie in Bielefeld, Präsentation der Organisatoren Dietrich Storbeck (links) und Peter Weingart 1994 (Foto: unbekannt, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01982)

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Die Universitätshalle während des Weltkongresses für Soziologie, zu dem sich 4.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt trafen. (Fotograf: unbekannt, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01940)

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13. Weltkongress für Soziologie in Bielefeld (18.-23.07.1994), Peter Weingart (rechts) wurde in das Exekutivkomitee der ISA gewählt. Von links: Lars Clausen (Vorsitz DGS), Helmut Skowronek (Rektor), Thomas K. Oomen (ISA-Vorsitz), Anke Brunn (Wissenschaftsministerin), Eberhard David (Oberbürgermeister) (Foto: unbekannt, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01969)

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13. Weltkongress für Soziologie, 1. Reihe: 1.v.l. Günther Schlee (Dekan), 2.v.l. Lars Clausen (Vorsitz DGS), 4.v.l. Thomas K. Oommen (scheidender ISA-Vorsitz), 5.v.l. Rita Süssmuth (Bundestagspräsidentin), 6.v.l. Helmut Skowronek (Rektor), 7.v.l. Anke Brunn (Wissenschaftsministerin), 9.v.l. Walter Stich (Regierunspräsident) (Foto: unbekannt, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01973)

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13. Weltkongress für Soziologie, Wissenschaftsministerin Anke Brunn im Gespräch mit Franz-Walter Kaufmann im IBZ (Foto: unbekannt, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01980)

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Graduiertenkolleg »Entwicklungssoziologie und Sozialanthropologie«: Verabschiedung der Graduierten und Begrüßung der neuen Stipendiatinnen & Stipendiaten (September 1994); 3.v.l.: Gudrun Lachenmann, 1.v.r.: Hans-Dieter Evers (Foto: K. Halbe, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01957)

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Arbeitstagung »Internationale Frauenpolitik« der EADI an der Fakultät (Dezember 1994), federführend: Gudrun Lachenmann, 4.v.r. (Foto: K. Halbe, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01956)

Soziologische Sommerschule im Juli 1995, ausgerichtet durch die Fakultäten Bielefeld (Gastgeber) und St. Petersburg. Thema: »Die gesellschaftliche (Re-)Produktion sozialer Ungleichheit: Armut in Russland und der Bundesrepublik« (Foto: M. Brockhoff)

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Buchvorstellung »Soziologie in Bielefeld. Ein Rückblick nach 25 Jahren« (Januar 1996). Von links: Klaus Dammann, Olaf Eimer, Franz-Xaver Kaufmann (Hg.), Hans-Jürgen Andreß, Bettina Mann, Rüdiger Korff (Hg.) (Foto: K. Halbe, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01959)

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Niklas Luhmann hält eine Ansprache anlässlich seiner Ernennung zum Ehrensenator der Universität Bielefeld am 23.10.1996. (Fotograf: unbekannt, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 00690)

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Vortrag »Einführende Bemerkungen zur Soziologie der Universität« von Rudolf Stichweh (rechts) im März 1998. Eröffnung der Ringvorlesung »Universität im 21. Jahrhundert«, veranstaltet von der »Gruppe 97«, die sich im vorangegangenen Jahr während der Studierendenproteste gebildet hatte (Foto: N. Langohr, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01960)

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Der Zettelkasten von Niklas Luhmann (Foto: N. Langohr, Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01963)

Chronik der Fakultät für Soziologie auf Grundlage der Fakultätskonferenzen-Protokolle1 1965 20.01.: Der Kultusminister NRW, Professor Paul Mikat, fragt bei Helmut Schelsky, Professor für Soziologie, Universität Münster, an, ob er sich vorstellen kann, die Planung einer neuen Universität in Ostwestfalen zu übernehmen (Mikat/Schelsky 1966: 7).

1 |  Es gibt keine institutionalisierte kollektive Erinnerung an der Bielefelder Fakultät für Soziologie. Ihre Geschichte wird in Anekdoten tradiert, meist im Kreis fakultätsinterner Subkulturen. Diese Chronik möchte der individuellen und kollektiven Erinnerung ein zeitliches Gerüst geben. »Chronik« bedeutet zunächst einmal Ordnung der Daten nicht nach systematischen Gesichtspunkten, sondern nach der zeitlichen Abfolge. Daten-Grundlage sind vor allem die – nicht ganz vollständigen – Protokolle der Fakultätskonferenzen (1969-2018) und Fachbereichskommissionen (1966-1969). Aufgenommen wurden (a) Daten der Professorinnen und Professoren, der langzeitig, mit unbefristeten Verträgen tätigen Akademischen Räte, der Verwaltungsleitungen und der DekanatsassistentInnen, (b) Daten zu strukturellen Entscheidungen, die das Fakultätsleben bestimmt und geordnet haben, (c) einige wenige Publikationen, die charakteristisch für Bielefeld und zugleich prägend für den deutschsprachigen Raum waren, (d) Forschungsschwerpunkte, soweit in den Protokollen ausgewiesen, (e) Daten zur innerund außeruniversitären Umwelt, welche die Entwicklung des Fakultätslebens erheblich beeinflusst haben, (f) einzelne Fakultätsereignisse, die erwähnenswert erschienen. Argumentationsfiguren aus den Fakultätskonferenzen mögen den Wandel der Fakultätskultur in der Zeit verdeutlichen. Ergänzend zu den FaKo-Protokollen wurden einige Archivalien des Universitätsarchivs Bielefeld und des Universitätsarchivs Münster herangezogen. Die Personaldaten konnten aus den FaKo-Protokollen nicht vollständig entnommen werden. Frau Katharina Katzer von der Personalabteilung des Rektorats hat dankenswerterweise Daten über Amtszeiten der Professorinnen und Professoren zur Verfügung gestellt. Eine Quelle für die Denominationen waren die Vorlesungsverzeichnisse der Universität. Die Sterbedaten entstammen vor allem Wikipedia. Schließlich wurden gelegentlich Pressemitteilungen der Uni Bielefeld verwendet. Daten, deren Exaktheit ich mir nicht sicher war, sind mit einem in eckigen Klammern gefassten Fragezeichen versehen. Für eine kritische Durchsicht der Chronik danke ich Ramin Bahrami, Markus Goebel, Torsten Strulik und Hartmann Tyrell. Für Fehler, Nichtnennungen und gewisse Uneinheitlichkeiten bzw. Unvollständigkeiten in der Darstellung, die nicht zuletzt der Datenlage geschuldet sind, bitte ich um Nachsicht.

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26.02.: Schelsky trägt Minister Mikat seine Vorstellung über die neuzugründende Universität vor. »Der entscheidende Ertrag dieser Unterredung«, so Schelsky, »schien mir darin zu liegen, daß der Neugründung ein Verhältnis und eine Kooperation zwischen dem verantwortlichen Politiker und dem wissenschaftlichen Planer zugrundegelegt wurde, die eben der Verbindung von Politik und Wissenschaft entsprach, die für die Existenz und Fruchtbarkeit beider in einer verwissenschaftlichten Gesellschaft immer dringender und notwendiger werden und die zu befördern nicht zuletzt eines der wissenschaftlichen Grundziele der neuen Universitätsgründung sein sollte.« (Mikat/Schelsky 1966: 7) 09.03.: Schelsky wird offiziell von Kultusminister Mikat mit der Planung einer ostwestfälischen Universität betraut. 11.11.: In Düsseldorf konstituiert sich ein elfköpfiger Gründungsausschuss unter Kultusminister Mikat und einen Tag später ein 17köpfiger Wissenschaftlicher Beirat unter Vorsitz von Schelsky. Beide Einrichtungen werden gemäß den Vorstellungen Schelskys nicht nach dem Proporzprinzip besetzt, sondern als homogene Gruppen mit gleichartigen Auffassungen und Zielen. Diese beiden Gremien bilden gemeinsam mit den Fachbereichskommissionen die Gründungsorgane der Universität.

1966 01.03.: Der Gründungsausschuss empfiehlt »Strukturmerkmale der neuen Universität«. »Die ordentlichen Professoren erfüllen ihre doppelte Verpflichtung zu Forschung und Lehre durch zeitweilige Konzentration auf die Erfüllung einer Verpflichtung. Sie werden deshalb in der Regel zur Durchführung von Forschungsvorhaben jedes zweite Jahr von der Pflicht, Vorlesungen und Übungen zu halten, entbunden […] Darüber hinaus übernimmt jeder ordentliche Professor die Studienbetreuung von 30 Studenten seines Fachs oder eines verwandten Gebiets ohne Rücksicht auf deren Studienalter. Jeder Student gehört einer solchen Studienbetreuungsgruppe an; er kann die Gruppe grundsätzlich frei wählen und soll sie im Laufe seines Studiums wechseln. Der Studienbetreuer kann die Einzelbetreuung der Hälfte der Mitglieder seiner Gruppe einem Assistenten übertragen. […] Die Universität erblickt in der Zusammenführung von Wissenschaft und Praxis ein wichtiges Mittel zum wechselseitigen Verständnis und zur beiderseitigen Bereicherung. Sie wird durch geeignete Einrichtungen zur Erreichung dieser Ziele beitragen«. Für die Forschungsarbeit der Universität sollen interdisziplinäre Schwerpunkte gebildet werden (in: Universität Bielefeld 1969: 98f., vgl. auch Mikat/Schelsky 1966: 9, 89ff.). 01.06.: Erste Sitzung der Fachbereichskommission Soziologie. Sie beschließt für die geplante ostwestfälische Universität Schwerpunkte der Forschung und die Stellenstruktur. Als Schwerpunkte der Forschung sind vorgesehen: (1) Theoretische Soziologie, (2) Wirtschafts- und Verwaltungssoziologie

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einschließlich Sozialpolitik und sozialwissenschaftliche Wirtschafts- und Verwaltungsplanung, (3) Bevölkerungslehre und Bevölkerungsstatistik, (4) Wissenschaftssoziologie und -planung, (5) Lateinamerikanische Gesellschaften. (Dabei handelt es sich um Forschungsschwerpunkte der bisherigen Sozialforschungsstelle Dortmund). Für die »endgültige Stellenbesetzung nach Vollauf bau« sind ins Auge gefasst: zwölf Ordinariate, sieben weitere Professuren inklusive einer Gastprofessur, 45 Assistentenstellen2 . 360 Hauptfach-Studenten für Soziologie, ca. 600 Nebenfachstudenten für Soziologie sind vorgesehen. 06.06.: Die Landesregierung NRW erklärt, die neue ostwestfälische Universität in Bielefeld zu errichten (Mikat/Schelsky 1966: 19). – Der Kultusminister des Landes NRW äußert die Erwartung, dass »unsere deutschen Hochschulen für die nächsten fünf bis sechs Jahre mit einer Zeitspanne rechnen [können], die man gleichsam als ›ruhige Zeit‹ bzw. als ›Ruhepause‹ bezeichnen könnte«, da in dieser Phase mit gleichbleibenden Studentenzahlen zu rechnen sei (Mikat/Schelsky 1966: 13).

1967 02.06.: Der Polizist Kurras erschießt bei einer Demonstration gegen den Schah von Persien in West-Berlin den Studenten Benno Ohnesorg. Damit tritt die Studentenbewegung in ihre »heiße Phase«.

1968 11.04.: Attentat auf Rudi Dutschke. Der Studentenführer überlebt knapp. Bald nach dem Attentat spaltet sich die Studentenbewegung auf in Reformisten, die »den Marsch durch die Institutionen« antreten wollen, in kleine marxistisch-leninistische Fraktionen und Parteien (»K-Gruppen«), die in den 1970er Jahren in der studentischen Hochschulpolitik einflussreich sind, und die terroristische Rote Armee Fraktion (RAF). 05.08.: Schelsky: »Grundsätzliche Vorüberlegungen zum Studiengang für Soziologie an der Universität Bielefeld« (Unveröffentlichtes Dokument Nr. XXXXII, Universitätsarchiv Bielefeld). Leitgedanke dabei ist die »Ausrichtung der soziologischen Ausbildung auf die praktischen Berufsmöglichkeiten, die einem Soziologen in unserer Gesellschaft heute offenstehen und für deren Erfüllung er nach seiner Ausbildung geeignet sein sollte«. Man solle Berufsfelder finden, die von konkurrierenden Nachbarwissenschaften (z.B. Wirtschaftswissenschaften, Jurisprudenz) relativ schlecht abgedeckt werden. Als geeignete Berufsfelder für den Einsatz von Soziologen identifiziert Schelsky: (1) Organisation und Verwaltung, (2) Sozial2 |  Zum Vergleich: 1960 gab es in der Bundesrepublik und in West-Berlin 25 Ordinariate für Soziologie (Lepsius 1979: 65).

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politik und Sozialarbeit, (3) Regionalplanung, Stadt- und Landesplanung, (4) Erhebungsforschung, Meinungsforschung, (5) Öffentlichkeitsarbeit, Publizistik, (6) Arbeitswissenschaften, Arbeitsorganisation, (7) Entwicklungshilfe, Auslandsarbeit, (8) Lehre der Sozialwissenschaften in Schulen und Institutionen der Erwachsenenbildung. Andererseits sieht Schelsky acht Ordinariate für Allgemeine Soziologie vor, um eine umfassende und solide theoretische Grundausbildung zu gewährleisten, aber auch, um dem humboldtianischen Anspruch auf Persönlichkeitsbildung gerecht zu werden. Die Allgemeine Soziologie solle »grundsätzlich von den verschiedenen theoretischen Ansätzen her gelehrt und gelernt werden.« 01.10.: Niklas Luhmann H4-Professur Soziologie – bis 28.02.1993, verstorben am 06.11.1998. 04.11.: Franz-Xaver Kaufmann H4-Professur Sozialpolitik und Soziologie – bis 31.08.1997.

1969 11.04.: Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie empfiehlt in einer Erklärung, von der Einführung neuer Diplomstudiengänge abzusehen. An den Hochschulen, in denen es bereits soziologische Diplomstudiengänge gibt, soll überprüft werden, wie diese in neue, unterschiedliche Fachgebiete integrierende sozialwissenschaftliche Studienabschlüsse umgewandelt werden können. Ein Diplomstudiengang sei fachlich zu eng und überhaupt »auf die Dauer unzulänglich«. »Mit dem Hauptfachstudium der Soziologie [sind] nur begrenzte Berufschancen außerhalb von Forschung und Lehre verbunden« (abgedruckt in: Matthes 1973: 257f.). 02.05.: Der (einzige) studentische Vertreter der Fachbereichskommission Soziologie, Dirk Ukena, erklärt seinen Rücktritt u.a. wegen der seines Erachtens mangelhaften Repräsentation der Studentenschaft. Nachfolgerin wird Christine Woesler. 21./22. 06.: Klausurtagung der Fachbereichskommission über Fragen der Studien- und Lehrplanung (21 Teilnehmer, darunter drei Studenten und eine Studentin). Diskussion eines von Assistenten und Studierenden ausgearbeiteten Skripts, in dem es unter Punkt 1. heißt: »Forschung und Lehre der Soziologie bedürfen einer neuen Struktur der wissenschaftlichen Kommunikation, in der Wissensaneignung, Forschungspraxis, gesellschaftlicher Praxisbezug und kritische Reflexion des Wissenschaftsprozesses enger als bisher aufeinander bezogen werden«. Daher müsse man überlegen, für Studiengruppen auch »Personen aus der Praxis zu gewinnen«. Diskussion über das Studiengruppenkonzept. »Die Entfremdung, die aus der autoritären Struktur der Lehrveranstaltungen resultiert, [soll] aufgehoben werden, indem jetzt in Gruppen gearbeitet wird. An die Stelle der formalen Autorität wird damit die Autorität eines Gruppenkonsens gesetzt« (so die studentische Position in den Worten Christian v. Ferbers). »Fräulein

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Woesler begründet die Konzeption von studentischer Seite: Ansatzpunkt der Überlegungen ist die zu erreichende Selbstbestimmung der Arbeit des Studierenden. Von hier aus ist der Vorschlag zu verstehen, daß der Student selbst bestimmen sollte, was in Prüfungen verlangt werden kann«. 01.09.: Joachim Matthes H4-Professur Allgemeine Soziologie – bis 31.10.77 [?], verstorben am 03.05.2009. – Peter Christian Ludz H4-Professur Soziologie und Politische Wissenschaft – bis 01.10.1973, verstorben 1979. 16.09.: Konstituierende Sitzung der Fakultät für Soziologie in Schloss Rheda. Mitglieder des Lehrkörpers sind: Prof. Dr. Kaufmann, Priv. Doz. Dr. Knebel, Prof. Dr. Luhmann, Prof. Dr. Ludz, Prof. Dr. Matthes, Prof. Dr. Schelsky, Prof. Dr. Steger. Mitglieder der Wissenschaftlichen Mitarbeiter: Dr. Rammstedt, Dipl. Soz. Wienold, Dipl. Kfm. Krüger. Als Studierende: Herr Simons, Frau Schmitz, Frau Woesler. Zum Sitzungsleiter wird Otthein Rammstedt gewählt. Joachim Matthes im zweiten Wahlgang zum Dekan gewählt (erster Wahlgang: vier Ja-Stimmen, fünf Enthaltungen, zweiter Wahlgang: sieben Ja-Stimmen, zwei Enthaltungen). Stellvertretender Dekan: Niklas Luhmann (neun Ja-Stimmen, eine Enthaltung). Außerdem werden Frau Woesler als Vertreterin der Studierenden und Herr Wienold als Vertreter der Assistentenschaft in das Dekanat gewählt. Es werden ein Ausschuss für Lehre, ein Ausschuss für Forschung, eine Bibliotheks-, eine Raumverteilungs-, eine Satzungs- und eine Studienkommission gebildet bzw. bestätigt, außerdem Wahl der Mitglieder. 22.12.: Dietrich Storbeck Prorektor für Struktur, Planung, Bau und Haushalt, ab 01.10.71 für Struktur, Planung und Bauangelegenheiten – bis 27.01.1988.

1970 01.01.: Helmut Schelsky Professur Allgemeine Soziologie – bis 11.10.1973 (Quelle: Universitätsarchiv), verstorben am 24.02.1984. 1970-1971 auch Direktor des Zentrums für interdisziplinäre Forschung. – Hanns-Albert Steger Professur Soziologie der Entwicklungsländer, insbesondere Lateinamerikas – bis 1974, verstorben am 21.08.2015. – Dietrich Storbeck H4-Professur Sozialökonomische Grundlagen der Raumplanung – bis 28.02.1993, verstorben am 09.05.1997. 26.01.: Theodor Harder H4-Professur Methodologie und Mathematik der Sozialwissenschaften – bis 30.07.1996, verstorben am 07.09.2016. 28.01.: Otto Lüke wird als neuer Verwaltungsleiter der Fakultät vorgestellt. – Beschluss zu Studienplanungsgruppen und Studiengruppen: »Studenten und Mitglieder des Lehrkörpers arbeiten […] in Studienplanungsgruppen zusammen. Vornehmliche Aufgabe dieser Gruppen ist es – unbeschadet der Mitwirkung auch von Wissenschaftlichen Mitarbeitern –, den kontinuierlichen Kontakt zwischen den Studenten und den Mitgliedern des Lehrkörpers in allen Fragen, die Anlage und Gestaltung des Studiums betreffen, zu sichern. – Studentische Initiativen zur Einrichtung von Studien-

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gruppen, die sich der kontinuierlichen Arbeit an bestimmten wissenschaftlichen Problemen und Problemkomplexen sowie der studienbegleitenden Forschung widmen, werden von der Fakultät nach Kräften gefördert«. 11.02.: Das erste kommentierte Vorlesungsverzeichnis wird angekündigt. – Die Bemühungen um eine Promotionsordnung werden für gescheitert erklärt. Hauptstreitpunkt ist die Frage, ob Dissertationen benotet werden sollen oder nicht. Eine geheime Abstimmung der FaKo ergibt 5:5 Stimmen. – Im Protokoll werden die Studentinnen erstmals nicht mehr wie bisher als Fräulein aufgeführt, sondern wie die Studenten mit Namen ohne Zusatz. 17.02: Die FaKo setzt sich gemäß der Universitätssatzung im Verhältnis 2:1:1 (Professoren, Mitarbeiter, Studierende) zusammen. Mitglieder des Lehrkörpers sind die Professoren Harder, Kaufmann, Ludz, Luhmann, Matthes, Schelsky, Steger, Storbeck, Wagener und Dr. Knebel. Zwei der fünf Studierendenvertreter sind Frauen (Maria Schmitz, Christine Woesler) (Rundschreiben des Dekans). 25.02.: Nach Rücktritt von Prof. Matthes aus gesundheitlichen Gründen Prof. Franz-Xaver Kaufmann zum Dekan gewählt (16 Ja-Stimmen, eine Enthaltung). Stellvertreter: Dr. Otthein Rammstedt. – Ein Entwurf zur Diplom-Prüfungsordnung wird verabschiedet (eine Gegenstimme, zwei Enthaltungen). – In der Prüfungsordnung geforderte Leistungsnachweise können auch in Studiengruppen erbracht werden, die vom Fakultätsausschuss für Lehre als geeignet betrachtet werden. Voraussetzungen: Passende Thematik zu den Lehrgebieten des Grund- und Hauptstudiums, Antrag mit kurzer Darstellung zu Ziel, Inhalt und thematischer Gliederung, ausreichende Literaturhinweise für Selbsterarbeitung, Namen der Teilnehmer, Abstimmung mit einem Dozenten, der dann die Scheine unterzeichnet (vgl. Pr. 23.06.71). – Die Höhe der Belastung im Hauptstudium wird später auf neun LVS veranschlagt. Mit vierfacher Zeit für Vor- und Nachbereitung ergibt sich eine wöchentliche studentische Arbeitszeit von 45 Stunden (vgl. Pr. 23.06.71: 4). 01.04.: Prof. Christian von Ferber H4-Professur Soziologie (Pr. 25.02.70). – bis 31.03.78. 01.04. [?]: Frido Wagener H3-Professur Verwaltungswissenschaft (vgl. Vorlesungsverzeichnis). 29.04.: Eine allgemeine Seite zu den Sprechstunden aller Dozenten soll angefertigt werden. – Verabschiedung der Promotionsordnung. Der Promotionsausschuss wird im Verhältnis 2:1:1 besetzt (vgl. auch Pr. 08.07.). Die Promotion wird nicht bewertet, sondern der Ausschuss entscheidet mehrheitlich über bestanden/nicht bestanden. 27.05.: FaKo-Beschluss zur Zusammensetzung des Prüfungsamts. »Das Prüfungsamt besteht aus dem 1. und 2. Vorsitzenden sowie aus drei weiteren Mitgliedern. Sie werden von der Fakultätskonferenz aus dem Kreis der prüfungsberechtigten Mitglieder der Fakultät gewählt. Ihre Amtszeit beträgt zwei Jahre«.

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15.06.: Studiengang für Sozialkundelehrer. Auf einer Besprechung, an der Vertreter der Fakultät für Soziologie, der Arbeitsstelle für Geschichtswissenschaft und des Kultusministeriums teilnehmen, wird die Einsetzung einer paritätisch besetzten Kommission für die Planung eines Studiengangs für Sozialkundelehrer beschlossen, der von der Soziologie und der Geschichtswissenschaft getragen wird (Pr. 24.10.73). 24.06.: Sonderforschungsbereich »Wissen, Sprache und Interaktion« geplant (federführend: Prof. Matthes). 08.07.: Die FaKo beschließt, dass ab 1971 die Verwaltungswissenschaft durch eine H4-Stelle an der Fakultät für Soziologie vertreten werden soll. – Änderung der Promotionsordnung: Der Kandidat kann entscheiden, ob seine Dissertation benotet wird oder nicht. Im Falle der Benotung sind die Prädikate: sehr gut, gut, genügend; ab 21.06.78 auch: mit Auszeichnung. 01.10.: Günter Büschges H3-Professur Organisations- und Personalwesen (vgl. Vorlesungsverzeichnis) – bis 1975, verstorben am 22.06.2017. 21.10.: Die FaKo beschließt, eine eigene Zeitschrift herauszugeben. Sie soll ab Herbst 1971 erscheinen. Als Geschäftsführer wird Dr. Wolfgang Schoene gewählt. Der Name der Zeitschrift wird noch kontrovers diskutiert. Zur Diskussion stehen: »Zeitschrift für Soziologie«, »Deutsche Zeitschrift für Soziologie« sowie »Analyse und Kritik«. Die FaKo am 25.11. beschließt einstimmig »Zeitschrift für Soziologie«. Spätere Redakteure: Wolfgang Lipp, Rolf Klima, Werner Rammert, Stefan Hirschauer, Hartmann Tyrell, Hendrik Vollmer, Rainer Schützeichel (vgl. auch den Beitrag von Rainer Schützeichel in diesem Band).

1971 20./21 01.: Rhedaer Tagung zur Lehre (vgl. auch Kaufmann-Interview). 26.01.: Die Berufungskommission Sozialpsychologie (Vorsitz: Prof. Theo Harder) setzt Prof. Klaus Holzkamp einstimmig auf Platz 1 (Pr. 05.05.). 27.01.: Der Minister für Wissenschaft und Forschung erteilt der Prüfungsordnung des Diplomstudiengangs eine vorläufige Genehmigung mit der Auflage, über die praktischen Erfahrungen zu berichten (Pr. 01.07.81). Die Prüfungsordnung bleibt über Jahre Zankapfel zwischen dem Ministerium und der Fakultät für Soziologie. 10.02.: Die FaKo beschließt folgende zeitliche und sachliche Reihenfolge der Stellenbesetzungen für 1971: 1. Sozialarbeit, 2. Politische Ökonomie, 3. Planungs- und Entscheidungstheorie, 4. Empirie/Statistik, 5. Allgemeine Soziologie. Für 1972: 1. Bildungsplanung und Wissenschaftspolitik, 2. Ethnologie, 3. Wirtschaftspolitik. 02.03.: Massive Konflikte der FaKo um die Besetzung der H4-Stelle Sozialpsychologie (Ein Protokoll dieser Sitzung ist im Universitätsarchiv nicht erhalten). Es geht um Prof. Klaus Holzkamp, der eine neomarxistisch fundierte »Kritische Psychologie« entworfen hatte. Der Streit um die »Kritische Psy-

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chologie« hatte bereits zur Spaltung des Berliner FU-Instituts für Psychologie in zwei separate Einrichtungen geführt. Die Mehrheit der Bielefelder Professoren votiert gegen die vom Berufungsausschuss empfohlene Berufung Holzkamps (vgl. auch Pr. 26.03., 05.05.). 26.03.: »Holzkamp-Krise« (vgl. zu den Hintergründen Kaufmann-Interview). Gremienrücktritte diverser Fakultätsmitglieder, die mit dem Ablauf der FaKo vom 02. 03. begründet werden. Prof. Büschges zieht sich aus dem Berufungsausschuss »Politische Ökonomie« zurück. Prof. Luhmann erklärt seinen Rücktritt als Dekanatsmitglied und als Mitglied des Berufungsausschusses »Verwaltungswissenschaft«, »da seine Vorstellungen über sachgemäßes Verhalten in Berufungsangelegenheiten von sehr vielen Fakultätsmitgliedern nicht geteilt würden«. Die Arbeitsgruppe »Integrierte Gesamthochschule«3 der Fakultät für Soziologie erklärt ihre Arbeit für beendet. Prof. v. Ferber erklärt seinen Rücktritt aus dem Senat, der Universitätslehrkommission, dem Herausgebergremium der Zeitschrift für Soziologie und dem Ausschuss für die integrierte Gesamthochschule. Der Dekanatsassistent Friedhard Hegner erklärt, »daß die Vorgänge vor und während der Fakultätskonferenz vom 2. 3. eine erhebliche Belastung für die weitere sachliche Arbeit des Dekanatsassistenten darstellten, weshalb er die Beendigung seiner diesbezüglichen Tätigkeit ins Auge gefasst habe« (Im Oktober Hegner nicht mehr Dekanatsassistent, Pr. 14.10.1971, zum 30.09.78 aus dem Universitätsdienst ausgeschieden, Pr. 18.10.78). – In der Diskussion geht es u.a. um die Frage, ob der Lehrkörper in Personalfragen überstimmt werden dürfe und um das imperative Mandat der Studenten- und Assistentenvertreter. – Die FaKo fasst folgenden Beschluss: »1. Die Fakultät für Soziologie ist im Zusammenhang mit dem Berufungsverfahren für den sozialpsychologischen Lehrstuhl in eine Kooperationskrise geraten. – 2. Diese Krise wurde durch eine Reihe kooperationsfeindlicher Akte in der Fakultät herbeigeführt. Diese Eskalation Druck erzeugender und auf Druck reagierender Akte hat zu einer Vertrauenskrise geführt, die die Funktionsfähigkeit der Fakultät ernsthaft gefährdet. Die Fakultätskonferenz fordert alle Gruppen der Fakultät auf, sich bei der Artikulation und Durchsetzung ihrer Interessen jeglicher Aktionen zu enthalten, die zu einer Generalisierung von Konfliktsituationen beitragen, und Konflikte im Rahmen der satzungsmäßigen Möglichkeiten auszutragen.« – Ein FaKo-Beschluss über die Besetzung der H4-Stelle Sozialpsychologie wird vertagt. 31.03.: Prof. Wagener verlässt die Fakultät und folgt einem Ruf an die Hochschule für Verwaltungswissenschaft in Speyer (Pr. 05.05.71). 21.04.: Die Lehrplanungskonferenz soll durch nach Gebieten differenzierte Lehrplanungsgruppen von jeweils fünf bis acht Fakultätsmitgliedern er3 |  Anfang der 1970er Jahre war eine Umwandlung der Universität in eine Gesamthochschule geplant.

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setzt werden. Die Ausarbeitung eines integrierten Lehrangebotes für das jeweils folgende Semester obliegt weiterhin dem Ausschuss für Lehre. Als praxisorientierte Schwerpunkte bietet die Fakultät Sozialarbeit, Entwicklungsplanung, Personal- und Organisationswesen, Bildungs- und Wissenschaftsplanung, Verwaltung und Regionalplanung an. 05.05.: Eine Abstimmung der H4-Positionsinhaber über die Liste Sozialpsychologie (Platz 1: Holzkamp) ergibt jeweils drei Stimmen pro und kontra bei einer Enthaltung. 12.05.: Das Dekanat beschließt, dass Berufungskommissionen drittelparitätisch zu besetzen sind (zwei Mitglieder jeder Statusgruppe, inklusive externes Mitglied, Pr. 02.06.71). 02.06.: Die Fakultätskonferenz besetzt Berufungskommissionen unter Berücksichtigung der von den drei Gruppen vorgeschlagenen Fakultätsmitglieder (vgl. auch Korrektur Pr. 23. 06.) Das externe Mitglied wird außerhalb der Parität gewählt. Vorsitz von Berufungskommissionen auch durch Wissenschaftliche Mitarbeiter möglich. 23.06.: Die FaKo beschießt, die Drittelparität und das Repräsentationsprinzip grundsätzlich zu befürworten. – Beratung über das Zentrum für Wissenschaft und berufliche Praxis (ZWubP) – eine zentraluniversitäre Einrichtung, die später von Soziologen geleitet wird (Prof. Krahn, Prof. Daheim). 07./08.07.: – Die FaKo setzt Holzkamp auf Platz 1 der Berufungsliste Sozialpsychologie (13 Ja-Stimmen, eine Enthaltung). – Ausschreibung H3-Professur Politische Ökonomie. Der Kandidat soll »im Bereich der Politischen Ökonomie von Karl Marx und ihrer Weiterentwicklung wissenschaftlich gearbeitet haben«. im Oktober: Prof. Christian von Ferber Dekan (Kaufmann/Korff [Hg.] 1994: 34), Nachfolge Kaufmann. 14.10.: Wenige Tage vor Bewerbungsschluss nur insgesamt 19 Bewerbungen auf fünf ausgeschriebene Professorenstellen. 03.12.: Günter Albrecht H3-Professur Soziologie bzw. Soziologie und Soziologie der Sozialarbeit (später H4) – bis 30.09.2008.

1972 01.01.: Wolfgang Kröpp Dekanatsassistent – Nachfolge Hegner. 01.01.: [?] Klaus-Dieter Bock, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrtätigkeit im Bereich Allgemeine Soziologie. Später auch geschäftsführend für den Ausschuss für Lehre tätig – bis 31.12.1999. 12.01.: Antrag Steinkamp (studentischer Vertreter), das Ministerium für Wissenschaft und Forschung aufzufordern, den Ruf für die H4-Professur Sozialpsychologie innerhalb von 14 Tagen herausgehen zu lassen (abgelehnt). Auch andere Ministerien sind eingeschaltet u.a. das Innenministerium. 02.02.: Aufforderung der FaKo an das Ministerium, innerhalb von zwei Wochen den Ruf an Holzkamp zu erteilen (eine Gegenstimme). Die Landes-

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regierung möchte am 08 02. oder 15. 02. über die Berufung von Holzkamp entscheiden. – Mangels Angebot können keine Sekretärinnen eingestellt werden. – Frau Dr. Ursula Kurz auf Listenplatz Nr. 1 für H3-Professur Soziologische Theorie gesetzt. Frau Kurz entscheidet sich jedoch für einen Ruf an die Uni Frankfurt. (Sie wäre die erste Professorin an der Fakultät für Soziologie gewesen). 01.04.: Jürgen Kriz H3-Professur Statistik und Empirie – bis 1974. – Heinz Harbach und Hartmann Tyrell H1-Stellen Soziologische Theorie – Propädeutik. Beide sind insbesondere für Grundkurse zu Studienbeginn zuständig. 14.08.1976 [?] Ernennung zu Akademischen Räten (Pr. 09.05.76), Januar 1979 [?] Ernennung zu Akademischen Oberräten (Pr. 24.01.1979). 19.04.: Berufungsverfahren H4-Sozialpsychologie: Der Innenminister hat inzwischen dem Wissenschaftsminister die alleinige Entscheidung im Berufungsverfahren Sozialpsychologie überlassen; der Wissenschaftsminister seinerseits hat Herrn Holzkamp mitgeteilt, er möchte vor einer Berufung noch persönlich mit ihm sprechen. Herr Holzkamp möchte dieser Einladung folgen. 03.05.: Das Gespräch von Herrn Holzkamp im Ministerium für Wissenschaft und Forschung ist positiv verlaufen. Mit einem Ruf an Herrn Holzkamp sei in Kürze zu rechnen (Auskunft aus dem Ministerium). – Beratungen über die Ausrichtung des Fachs Planungs- und Entscheidungstheorie. 17.05.: Die FaKo beschließt die Gliederung der Fakultät in Arbeitsgruppen. Der Entwurf wurde von von Ferber, Hurrelmann, Matthes, Schelsky, Schütze, Springer und Wolters ausgearbeitet. Auf Antrag der Studierendenvertreter beschließt die FaKo einmütig bei einer Enthaltung, dem Papier folgende Präambel voranzustellen: »Mit der Konstituierung von Arbeitsgruppen soll eine Form der Arbeitsorganisation in der Fakultät hergestellt werden, die es ermöglicht, die Arbeit der Fakultät, für die die generelle Richtlinien durch die Fakultätskonferenz als zentrales Beschlußorgan bzw. durch das Dekanat sowie die Ausschüsse für Lehre und für Forschung festgelegt werden, im Detail zu konkretisieren und zu realisieren. Die Arbeitsgruppen übernehmen in diesem Sinne auch Funktionen der Beratung der satzungsmäßigen Gremien; sie bleiben im Interesse der Erfordernisse der Fakultät prinzipiell variabel.« Folgende Arbeitsgruppen werden gebildet: Interaktionstheorie, Kultursoziologie, Sozialphilosophie, Geschichte der Soziologie, Didaktik der Sozialwissenschaften, Wissenschaftstheorie (AG I); Systemtheorie, Planungs- und Entscheidungstheorie, Politische Soziologie, Politische Wissenschaft (AG II); Wirtschaft und Gesellschaft, Sozialpolitik, Politische Ökonomie (AG III); Methodologie (AG IV); Sozialarbeit (AG V); Entwicklungsplanung und -politik (AG VI); Öffentliche Verwaltung (AG VII); Organisations- und Personalwesen (AG VIII); Regional- und Raumplanung (AG IX); Wissenschafts- und Bildungsplanung (AG X). Die Arbeitsgruppen haben informellen Charakter. Sie lösen die bisherigen »Lehrplanungsgruppen« ab. Als »zentrale Funktionen« werden benannt:

Chronik der Fakultät für Soziologie

Koordination des Lehrangebotes, Organisation von Lehrforschungen, Mitwirkung bei der Stellendefinition und der Personalauswahl im Verfahren der Neubesetzung von Stellen Wissenschaftlicher Assistenten und Angestellten, Kommunikation und Kooperation bei Forschungsprojekten. 22.06.: Holzkamp zu Berufungsverhandlungen in Bielefeld (Pr. 05. 07). 05.07.: Die FaKo beschließt einstimmig, dass der Dekan künftig auch aus dem Kreis Wissenschaftlicher Mitarbeiter gewählt werden kann. – H3-Stelle Methoden der empirischen Sozialforschung unter besonderer Berücksichtigung der Feldforschung ausgeschrieben. – Absage von Fritz Scharpf für die H4-Professur Verwaltungswissenschaft. 18.10.: Der Dekan gibt bekannt, dass Holzkamp am 23. 10. Bleibeverhandlungen mit der FU Berlin führen wird. »Er wird seine Entscheidung im Laufe der nächsten Woche bekanntgeben«. – Dekan: Keine Bedenken gegen Hausbewerbungen, sofern eine Ausschreibung erfolgt ist. 08.11.: Holzkamp hat den Ruf an die Fakultät für Soziologie abgelehnt. »Der Dekan verliest das Schreiben, mit dem Herr Holzkamp diese Ablehnung begründet. Eine Aussprache über dieses Schreiben wird nicht erwünscht«. Seine Absage begründet Holzkamp so: Die Stelle in Bielefeld hätte ihm die Möglichkeit gegeben, in überschaubarem Rahmen und ohne exzessive Daueranforderungen organisatorischer und hochschulpolitischer Art wissenschaftlich zu arbeiten. Ein solcher Rückzug erscheine ihm jedoch nun nicht mehr verantwortbar. In Berlin fielen sicherlich wesentliche Vorentscheidungen hinsichtlich der Entwicklung der Hochschulreform und der Chancen der Gegenreform in der Bundesrepublik. Er wolle sich jetzt den daraus entstehenden Anforderungen nicht entziehen, zumal die Zahl der uneingeschränkt die Reform unterstützenden Hochschullehrer klein sei und eher geringer werde (Schreiben an den Dekan vom 01. 11., Universitätsarchiv Bielefeld). In der Antwort des Dekans heißt es, er habe seinerzeit mit den Argumenten, mit denen Herr Holzkamp jetzt seine Ablehnung begründe, sich gegen dessen Nennung auf Platz 1 ausgesprochen. In Kenntnis seiner Schriften habe er auch der Erwartung widersprochen, mit ihm würde nun endlich ein wissenschaftlicher Vertreter des Marxismus der Fakultät angehören. Die Folgen seien öffentliche Diffamierung und offener Boykott seiner Lehrveranstaltungen gewesen. Gleichwohl habe er sich als Dekan der Fakultät darum bemüht, Holzkamps Berufung nach Bielefeld gegenüber dem Ministerium durchzusetzen (Schreiben von Ferbers an Holzkamp vom 17.11.1972, Universitätsarchiv). – Die Stelle für Sozialpsychologie wird neu ausgeschrieben (Pr. 17.01.73: 7) – Einrichtung einer Studienberatung beschlossen (federführend für die Vorlage: Heinz Harbach, Hartmann Tyrell). 08.12.: Peter Schöber H3-Professur Politische Ökonomie – bis 31.08.2001.

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1973 17.01.: Auf eine Anfrage der Fakultät hat das Rektorat dem Dekan mitgeteilt, dass die Residenzpflicht und die Mitwirkung in der Selbstverwaltung während des Forschungsjahres unberührt bleiben. 29.01.: Klaus Dammann H4-Professur Öffentliche Verwaltung – bis 28.02.2005. 07.02.: Die FaKo spricht gegenüber Prof. Schelsky eine Rüge aus: »Die Fakultätskonferenz rügt Herrn Schelsky, weil er ihr über längere Zeit unentschuldigt ferngeblieben ist, und fordert Herrn Schelsky auf, auf der nächsten Sitzung der Fakultätskonferenz zu seinem Fernbleiben Stellung zu beziehen«. Luhmann und Steger geben zu Protokoll, dass sie gegen die Rüge gestimmt haben. – In einer Anlage zum Protokoll wird erklärt, dass »Rügen« nicht im »juridischen, sondern im umgangssprachlichen Sinn des Verbums ›missbilligen‹« gemeint sei. – Schelsky verzichtet darauf, sich zu verteidigen. 12.02.: Hans-Werner Gottinger H3-Professur Planungs- und Entscheidungstheorie (Pr. 18.04.1973). – bis 31.03.80. 04.04.: Schelsky bittet in einem Schreiben an den Minister für Wissenschaft und Forschung, aus persönlichen Gründen an eine juristische Fakultät des Landes Nordrhein-Westfalen versetzt zu werden. Darin urteilt Schelsky, dass er »die Entwicklung der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld für unerfreulich in verschiedenen Hinsichten halte: der personale Aufwand, für einen soziologischen Fachbereich in der Bundesrepublik ungewöhnlich hoch, entspricht in keiner Hinsicht dem Ertrag in Forschung und Lehre; die Fakultät nimmt die Vorteile der nicht zuletzt durch ihn mit durchgesetzten Sondervergünstigungen einer ›Reformuniversität‹ in Anspruch, ohne die damit eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen; die Amtsführung des Dekanats und der Fakultätskonferenz ist unter dem Druck politischer Gruppenbildung unkorrekt und in vielen Hinsichten der geltenden Satzung und allgemeinen Verwaltungsgesichtspunkten widersprechend« (Universitätsarchiv Münster, Bestand 36, Nr. 1). – Ohne inhaltlich zu Schelskys Gesuch Stellung zu nehmen, fordert die Fakultätskonferenz Dekanat und Rektorat auf, dafür Sorge zu tragen, dass »die derzeit von Herrn Schelsky besetzte H4-Stelle für Allgemeine Soziologie der Fakultät erhalten bleibt« (Pr. 18. 04). 19.04.: Gabor Kiss H3-Professur [?] Soziologische Theorie – bis 1974 [?] – verstorben am 17.09.1994. 29.05.: Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Mitbestimmung an Hochschulen. Das Prinzip der Gruppenuniversität wird akzeptiert, aber es ist sicher zu stellen, dass die Hochschullehrer über mehr als die Hälfte der Stimmen verfügen. – Die FaKo wird mit 2:1:1 besetzt, plus eine zusätzliche Stimme für die Professoren, so z.B. 1975 18 Mitglieder des Lehrkörpers, jeweils acht Mitglieder der Assistenten- und Studentenschaft.

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01.06.: Karl F. Schumann H3-Professur Methoden der empirischen Sozialforschung unter besonderer Berücksichtigung der Feldforschung – bis 31.03.77. 19.06.: Prof. Theodor Harder einstimmig zum Dekan gewählt, Nachfolge v. Ferber. 1975 im zweiten Wahlgang mit elf Ja-Stimmen, zehn Nein-Stimmen, vier Enthaltungen und einer ungültigen Stimme wiedergewählt. 04.07.: Diskussion über Überarbeitung der Diplom-Prüfungsordnung u.a. wird »eine stärkere Akzentuierung des Beratungs-Charakters des Vorprüfungskolloquiums« gefordert. im Sept.: Zwei Sammelbände »Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit« erscheinen im Rowohlt-Verlag; herausgegeben, verfasst und übersetzt von einer »Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen« (Joachim Matthes, Werner Meinefeld, Fritz Schütze, Werner Springer, Ansgar Weymann, später auch Ralf Bohnsack). – Sie geben einen wichtigen Anstoß zur Rezeption der interpretativen Soziologie (George Herbert Mead, Alfred Schütz, Peter L. Berger, Thomas Luckmann) und qualitativer Forschungsmethoden in Deutschland. 01.10.: Peter Weingart H3-Professur Wissenschaftssoziologie und Bildungsplanung, ab WS 1995/96 Soziologie, Wissenschaftssoziologie und Wissenschaftsplanung (vgl. Vorlesungsverzeichnis). Später H4-Professur – bis 31.07.2009. 01.10.: Start des Lehramtsstudiengangs Sozialwissenschaften, zunächst getragen von den Fakultäten Geschichtswissenschaft und Soziologie. 11.10.: Per Erlass verlagert der Wissenschaftsminister den Lehrstuhl Schelsky an die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Münster (Pr. 24.10.73: 6). Die FaKo fordert den Dekan zur Überprüfung der Rechtslage auf. – Die Fakultät möchte die Sache nicht auf sich beruhen lassen und Gutachten über die Rechtmäßigkeit einholen (Pr. 07.11.73, Pr. 19.12.73). 24.10.: Prof. Peter Christian Ludz hat einen Ruf an die Universität München angenommen und ist mit Wirkung vom 01. 10. aus der Fakultät ausgeschieden. 25.11.: Erster autofreier Sonntag in der Bundesrepublik Deutschland. Er steht symbolisch für die sog. »Ölkrise«, aber auch für die »Grenzen des Wachstums« und das Ende der Nachkriegsprosperität. Davon sind auch die finanziellen Ressourcen der Universitäten und der Bielefelder Fakultät für Soziologie im Besonderen betroffen. 1973: Lexikon zur Soziologie, hg. von Werner Fuchs, Rolf Klima, Rüdiger Lautmann, Otthein Rammstedt, Hans Wienold erscheint in 1. Aufl. Dieses in mehreren Auflagen erschienene Werk avancierte rasch über Jahrzehnte zu einem der führenden soziologischen Fachlexika im deutschsprachigen Raum.

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1974 01.04.: Hans-Dieter Evers H4-Professur Entwicklungsplanung und Entwicklungspolitik – bis 28. 02 2001. 03.04.: Hans Dieter Schmidt (ab 1977: Hans Dieter Mummendey) C4-Professur Sozialpsychologie – bis 31.07.2005. 14.11.: Johannes Berger H3-Professur Soziologische Theorie – bis 1989, Nachfolge Kiss.

1975 01.02.: Claus Offe H4-Professur Politikwissenschaft und Soziologie (Pr. 27.11.74) – bis 30.09.1988. 05.02.: Diskussion über Reform des Diplomstudiengangs. Dammann und Luhmann warnen vor einer Entwertung des Studienabschlusses durch »Konzilianzentscheidungen«. Assistenten wehren sich gegen Reformen. Die FaKo beschließt, »die Diplomprüfungsordnung der Fakultät für Soziologie sei im Prinzip nicht änderungsbedürftig« (18 Ja-Stimmen, drei Nein-Stimmen, zwei Enthaltungen). 10.07.: Klaus Allerbeck H3-Professur Empirie und Statistik (Pr. 29.04.81). – bis 22.02.1981, Nachfolge Kriz. 11.07.: FaKo beschließt Regeln zur Scheinvergabe. Als »Dokumentationsleistungen« gelten: a) schriftlich ausgearbeitete Thesen, b) ein freier Kurzvortrag, dessen Thesen schriftlich vorzulegen sind, c) die schriftliche Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Textes, d) ein Referat, e) eine Hausarbeit, f) die Gestaltung einschließlich Leitung einer Lehrveranstaltung aufgrund eigener Vorbereitungsarbeit, die durch eine schriftliche Skizze dokumentiert wird, g) ein Sitzungsprotokoll, das in der Regel sowohl die Ergebnisse der Diskussion wiedergeben als auch eine Einarbeitung eigener kritischer Stellungnahmen enthalten soll. 01.10.: Christoph Wehrsig H1-Stelle Soziologische Theorie, Claudia von Werlhof H1-Stelle Lateinamerika (Pr. 22. 10.). – 229 Erstsemester im Diplomstudiengang, 25 Erstsemester im Lehrerstudiengang. (Pr. 22. 10.) 01.10. [?]: Otthein Rammstedt außerplanmäßige Professur Soziologie (vgl. Vorlesungsverzeichnis). 26.11.: Null-Wachstum des Universitätshaushaltes für 1976 und 1977 angekündigt. 11.12.: Karl Krahn H3-Professur Betriebliches Organisations- und Personalwesen – bis 31.07.2002 (Nachfolge Büschges; Pr. 14. 1. 76). 1975: Helmut Schelsky, Die Arbeit tun die anderen. Dieser wissenschaftliche Bestseller, möglicherweise auch durch die Bielefelder Erfahrungen inspiriert, stellt die Sozialwissenschaftler als unproduktive intellektuelle Schicht dar, welche die arbeitende Bevölkerung ideologisch bevormundet. Soziologen erscheinen nicht mehr als Meister der Modernität und des

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Fortschritts wie Mitte der 1960er Jahre (diese hatten Schelskys damaligen Planungsvorstellungen der Uni Bielefeld zugrunde gelegen), sondern als indoktrinierende Ideologen, vor denen die Gesellschaft geschützt werden müsse. In dieser umstrittenen, aber einflussreichen Schrift manifestiert sich ein neues – negatives – Bild von Soziologie und von Soziologen.

1976 29.01.: Gespräch von Fakultätsvertretern mit Vertretern des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung NRW über den Bielefelder Diplomstudiengang. Dieser wird weiterhin vom Ministerium nicht endgültig genehmigt, aber es wird eine weitere vorläufige Genehmigung über fünf Jahre zugesagt (Pr. 11.02.76). 12.05.: Erneute Ablehnung des Ministeriums auf Wiederzuweisung der Schelsky-Stelle. – Das Rektorat empfiehlt dem Dekan, »auf weitere, insbesondere auch rechtliche, Schritte in dieser Angelegenheit nunmehr zu verzichten«. Die Fakultät beschließt jedoch, die Klage auf Wiederzuweisung der Schelsky-Stelle weiter zu verfolgen (Pr. 20.10.). 14.07.: Prof. Peter Weingart zum Dekan gewählt (21 Ja-, 5 Neinstimmen, 5 Enthaltungen), Nachfolge Harder – Einrichtung eines drittelparitätisch besetzten »Strukturausschusses« beschlossen (Pr. 29.06.77, 05.07.78). 20.10.: Die Professoren Matthes und Schumann werden die Fakultät verlassen (Ankündigung des Dekans). Herr Oevermann, als Nachfolger von Herrn Matthes in Betracht gezogen, entscheidet sich für Frankfurt (Pr. 20.10.76). Daran anknüpfend: Kritische Diskussion über Strukturen und Praktiken der Fakultät. Kaufmann: »Im ganzen sei aber damals [1972] die Reformierbarkeit des deutschen Hochschulwesens von der Fakultät zu optimistisch beurteilt worden; das gelte auch für andere Problembereiche.« Offe macht die Politik der Assistentenvertreter mitverantwortlich für das Scheitern der Oevermann-Berufung. – »Herr von Ferber hebt noch einmal die Inflexibilität der Fakultät hervor, wie sie bei den Verhandlungen mit Herrn Oevermann deutlich geworden sei«, dadurch dass die FaKo und nicht der Dekan für die Zuweisung von Stellen an die Arbeitsgruppen zuständig sei. – Bei der Absage von Oevermann habe auch die »politische Fraktionierung« der Fakultät eine Rolle gespielt (Pr. 08.12). »Vergebliche Anstrengungen zur Einrichtung von Forschungsschwerpunkten«. – Der Strukturausschuss wird beauftragt, Reformvorschläge zu erarbeiten. – H4-Stelle Allgemeine Soziologie (Schelsky-Stelle). Es wird angeregt, auch publizistische Maßnahmen ins Auge zu fassen. Es gebe keinen Grund, dass die Schelsky-Stelle nach dessen Emeritierung bei der Uni Münster verbleibt. Die Fakultät sei »bereit, sich auf ein langfristiges Verfahren einzustellen«. 28.09.-01.10.: An der Uni Bielefeld findet der 18. Deutsche Soziologentag statt. – Antrag auf Gründung einer Sektion Frauenforschung in den Sozialwissenschaften (Kampmann/Lenninger 1994: 262).

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10.11.: Die Klage gegen das Land wegen der Schelsky-Stelle wird – mit Unterstützung des Rektorats – weiterverfolgt.

1977 im Januar: Dr. Manfred Glagow zum Akademischen Rat ernannt (Pr. 26.01.77). Ab 08.10.1979 Akademischer Oberrat (Pr. 31.10.79) – bis 31.12.1999. 26.01.: Auf Vorschlag des Strukturausschusses beschließt die FaKo eine Orientierungswoche für die erste Woche jeden Semesters sowie vierstündige Einführungsveranstaltungen mit Vorlesung und Parallelübung. 01.02.: Michael Vesper Dekanatsassistent (Nachfolge Kroepp, Pr. 26.01.77). 17.02.: Das Dekanat beschließt, die Umwandlung der H3–Stellen in den Praxisschwerpunkten Soziologie der Sozialarbeit, Wissenschafts- und Bildungsplanung und Organisations- und Personalwesen in H4-Stellen weiterzuverfolgen (Pr. 11.05.77). 15.03.: Urteil des Verwaltungsgerichtshofs von Baden-Württemberg, dass nach den allgemeinen Grundsätzen des Prüfungsrechts eine Prüfungsleistung individuell einwandfrei festzustellen, gegenüber den Leistungen anderer abzugrenzen und selbständig sein muss. – Der Minister für Wissenschaft und Forschung droht an, diese Änderung der Prüfungsordnung notfalls »im Wege der Ersatzvornahme« durchzusetzen (Pr. 02.11.). Dagegen wendet sich die FaKo am 02.11.: »Die Fakultätskonferenz ist sich einig, dass die geforderte Änderung den Anforderungen und der Besonderheit einer Gruppenarbeit in keiner Weise gerecht wird und eine ›Abgrenzung nach objektiven Kriterien‹ bei einer gemeinschaftlich erstellten Diplomarbeit eine unangemessene, weil der Wirklichkeit des Arbeitsprozesses nicht entsprechende Forderung ist. Eine Gruppenarbeit definiere sich gerade nicht als Addition mehrerer Einzelarbeiten, sondern als gemeinsam verantwortetes Werk eines Teams, das – auch wenn es arbeitsteilig vorgehe – den wissenschaftlichen Zusammenhang der Arbeit gemeinschaftlich entwickele.« 20.04.: Einrichtung einer PrePrint-Reihe an der Fakultät beschlossen (elf Ja-Stimmen, fünf Nein-Stimmen). Sie soll nicht unmittelbar für den Druck vorgesehene Beiträge von Fakultätsmitgliedern von maximal 60 Seiten erfassen. Auflage: 50 Exemplare. Die Auswahl erfolgt durch die Arbeitsgruppen der Fakultät. 29.06.: »Herr Kaufmann [geht] auf die sozialen Verkehrsformen an der Fakultät ein, die seines Erachtens ziemlich verfallen sind. Das allgemeine Unbehagen sei u.a. nur dann abzuarbeiten, wenn die Interaktionen verbessert würden«. 13.07.: Prof. Peter Weingart wieder zum Dekan gewählt (15 Ja-, zwei Neinstimmen, drei Enthaltungen). »[…] [D]er Grund für seine Entscheidung, für ein weiteres Jahr für das Amt des Dekans zu kandidieren, liege vor allem in der Erfahrung, daß das Dekanat in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung

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ohne erhebliche innere Konflikte und dadurch verursachte Reibungsverluste habe arbeiten können«. 06.09.: Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer von der Roten Armee Fraktion (RAF) entführt. Nach der Befreiung einer entführten Lufthansa-Maschine in Mogadischu wird Schleyer am 18. 10. ermordet, anschließend töten sich drei Gefangene der RAF. In der aufgeheizten Diskussion der Folgemonate gerät auch die Fakultät unter Verdacht, den Terrorismus zu unterstützen. Wegen Angriffen auf die Fakultät im Terrorismus-Kontext plant der Dekan eine Diskussionsveranstaltung mit dem Arbeitstitel »Warum ist die Soziologie verdächtig?« Die Notwendigkeit einer verbesserten Öffentlichkeitsarbeit der Fakultät wird betont (Pr. 30. 11.). 01.10.: Prof. Dr. Vaclav Lamser, Allgemeine Soziologie und soziologische Theorie, zunächst als Gastprofessor, dann als wiss. Angestellter, später entfristet – verstorben am 14.01.1986 (Pr. 13. 07., vgl. auch Pr. 02.05.79). 02.11.: Der Minister hat die Rückführung der nach Münster verlagerten H4-Stelle nach der Emeritierung von Prof. Dr. Schelsky abgelehnt, da die Universität Münster auf die Stelle nicht verzichten könne. – v. Ferber kündigt an, die Fakultät zum 31.03.78 zu verlassen. Ein »ganz wesentlicher Grund für diese Entscheidung« sei die Wegnahme der H4-Stelle Allgemeine Soziologie (Schelsky) durch das Ministerium. Ein anderer Grund liegt in »den Schwierigkeiten mit der verwaltungsmäßigen Abwicklung von Forschungsprojekten« (Pr. 25.01.78). Davon fühlen sich auch andere Mitglieder des Lehrkörpers betroffen. 21.12.: Diskussion um die Integration der Pädagogischen Hochschule Bielefeld, die kritisch gesehen wird. Stellungnahme der Fakultät für Soziologie zur Zusammenführung der Pädagogischen Hochschulen mit den anderen wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen gegen den vorliegenden Referentenentwurf, der mehrheitlich abgelehnt wird. In der Stellungnahme des Dekanats heißt es u.a.: »Sind die PH-Vertreter erst einmal Mitglieder der Fakultät, dann haben sie gleichberechtigten Status und definieren auch die fachwissenschaftlichen Standards in den Diplomstudiengängen […] Aufgrund der relativ hohen Personalbestände in den Bereichen Allgemeine Soziologie und Politikwissenschaft [der PH] besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Stellen aus den anderen Bereichen (Planungsund Entscheidungstheorie, Methoden, Praxisschwerpunkte, Ergänzungsfächer) durch allgemeine Soziologen bzw. Politologen substituiert werden« – evtl. »mit der Folge der faktischen Auflösung des bestehenden Diplomstudiengangkonzepts […]« – Fritz Sack lehnt Ruf auf C4-Professur Allgemeine Soziologie ab.

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1978 25.01.: Beschluss des Dekanats zur Erteilung von Lehraufträgen für PH-DozentInnen: »Lehraufträge für Mitglieder der Pädagogischen Hochschule werden ausschließlich für die von der Fakultät zu erbringenden Leistungen in den Bereichen des Erziehungswissenschaftlichen Studiums für Lehrerstudenten und des Lehrerstudiengangs Sozialwissenschaften erteilt« (Pr. 08.02.78). Dieser Beschluss wird später noch einmal bekräftigt (Pr. 05.07.78). 08.02.: Diskussion um Promotionsordnung. Muss einer der beiden Referenten Mitglied des Lehrkörpers sein? »Die Assistenten sprechen sich gegen den entsprechenden Vorschlag des Ausschusses aus; auch andere Mitglieder wenden ein, daß es weniger auf den formalen Status als vielmehr auf die wissenschaftliche Qualifikation in dem Gebiet ankomme, aus dem die Dissertation stamme. Herr Mummendey erklärt, die vorgeschlagene Änderung entspreche allen anderen Promotionsordnungen in der Bundesrepublik; der Gegenvorschlag der Assistenten zeige deren Absicht, den Lehrkörper, wo es gehe, zurückzudrängen. – Der Änderungsvorschlag des Ausschusses wird mit 5 gegen 18 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt.« Der Promotionsausschuss fragt die FaKo, ob die fakultative Benotung beibehalten werden soll. »Dagegen wird angeführt, daß das Ministerium diese Regelung auf keinen Fall genehmigen werde. Andererseits werden die Bedenken gegen eine Leistungsmessung in Form der Benotung wiederholt; man plädiert dafür, die Position der Fakultät in die Promotionsordnung aufzunehmen und den Oktroi des Ministeriums nicht schon vorwegzunehmen. Die Fakultätskonferenz spricht sich bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen dafür aus, die alte Fassung […] beizubehalten […]« 01.04. [?]: Wolfgang Schulz H3-Professur Methoden der empirischen Sozialforschung unter besonderer Berücksichtigung der Feldforschung – bis 31.03.1981, Nachfolge Schumann. (Pr. 29.04.1981). Vgl auch Pr. 08.02.78. (Zuerst als Prof. im Pr. vom 19.04.78 aufgeführt). 01.06.: Richard Grathoff H4-Professur Allgemeine Soziologie – bis 31.08.1999; Nachfolge Matthes (Pr. 19.04.78). 21.06.: Prof. Storbeck stellt den Antrag, das Fach »Regional- und Raumplanung« an die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften zu verlagern »Das Fach ›Regional- und Raumplanung‹ sei von den theoretischen Grundlagen, aber auch von den Realisierungsmöglichkeiten ›aktiver Professionalisierung‹ her sinnvollerweise den Wirtschaftswissenschaften zuzuordnen. Der Antrag von Herrn Storbeck wird in geheimer Abstimmung mit vier Ja- gegen 25 Nein-Stimmen bei drei Enthaltungen abgelehnt. 05.07.: Der Lehrkörper schlägt Prof. Luhmann zur Wahl zum Dekan vor. Luhmann hat vorab ein fakultätspolitisches Programm mitgeteilt, dass er mit seiner Wahl zum Dekan verbinden möchte: (a) Entlastung der Kollegialorgane der Fakultät von routinemäßig anfallenden Arbeitsvollzügen, die

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bestimmten Wissenschaftlichen Mitarbeitern zu übertragen sind, (b) die Stellen des Mittelbaus seien wieder stärker an die Verantwortung der Hochschullehrer anzubinden, (c) Abschaffung der fakultativen Benotung. – »Die Assistenten- und Studentenvertreter sprechen sich entschieden gegen das mit der Kandidatur von Herrn Luhmann verbundene Programm aus«. Die von Herrn Luhmann vorgeschlagenen Maßnahmen bedeuten nach Ansicht von Herrn Schnabel einen einschneidenden Rückschritt hinter konstitutive Reformmerkmale der Fakultät und Universität. Ähnlich der studentische Vertreter. 1976 waren dieselben Programmpunkte vom Lehrkörper und den anderen Statusgruppen gemeinsam abgelehnt worden. In geheimer Abstimmung spricht sich die Fakultätskonferenz mit 11 Ja- gegen 18 Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen gegen die Wahl von Herrn Luhmann zum Dekan aus. – Zur Frage, wie bei Besetzung von H2-Stellen zu verfahren sei, wird noch eine drittelparitätisch besetzte Kommission gefordert, auch von Kaufmann. 07.07.: Die Kandidatur Luhmanns zum Dekan scheitert auch im zweiten (geheimen) Wahlgang: 11 Ja-, 14 Nein-Stimmen bei fünf Enthaltungen. – Im Umlaufverfahren wird dann Günter Albrecht für zwei Jahre gewählt: 29 Ja-, zwei Nein-Stimmen und drei Enthaltungen (vgl. Pr. 18.10.78), Nachfolge Weingart. – Gespräch im Ministerium mit Ministerialdirektor von Medem, Grotemeyer, Dekan (Weingart) und Kaufmann, das »auf Initiative des Rektors sehr kurzfristig zustandegekommen war«. Grotemeyer in der FaKo vom 12. 07.: Er als Rektor halte eine »abschließende Klärung« für notwendig. Er rate der Fakultät, die Klage zurückzuziehen, »da es – vor allem auch angesichts der politischen Lage und der Vorurteile gegen die Fakultät – sinnlos, ja sogar schädlich wäre, sie trotz jener Zugeständnisse aufrechtzuerhalten«. Konzession von Medems: Er wolle sich dafür einsetzen, zwei H3-Stellen in H4-Stellen umzuwandeln, um Kontinuität in Praxisschwerpunkten zu gewährleisten. »Es erhebt sich kein Widerspruch gegen die Absicht des Rektors, die Klage nach einer schriftlichen Zusage von Herrn von Medem zurückzuziehen« (vgl. weiter 29. 11.). 12.07.: Streit um Lehraufträge an PH-Dozenten. Prof. Berger möchte gemeinsam mit Prof. Feldhoff (PH) eine Veranstaltung durchführen, der Dekan lehnt dies ab. Berger beantragt, dass die FaKo das Dekanat auffordert, seine Entscheidung zu revidieren. Offe schließt sich an. Ein Antrag von ihm, Lehraufträge an PH-Dozenten auch für den Diplomstudiengang zuzulassen, war abgelehnt worden. Der Antrag von Berger wird mit 14 Ja-Stimmen gegen vier Nein-Stimmen bei drei Enthaltungen angenommen. 18.10.: Für den Diplomstudiengang Soziologie haben sich zum Wintersemester 122 Studierende neu eingeschrieben (bei einer maximalen Aufnahmekapazität von 312). 29.11.: Per Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 29.11.1978 wird das Verfahren zwischen der Universität Bielefeld und dem Land Nordrhein-Westfalen wegen des Entzugs einer H4- Stelle für Allgemeine Sozio-

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logie eingestellt (Pr. 20.12.78). Der Rektor hatte die Klage gegen den Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes NRW wegen des Entzugs einer H4-Stelle für Allgemeine Soziologie am 15. November zurückgenommen (Pr. 29.11.78). im November: Gründung des Arbeitskreises Frauen in den Sozialwissenschaften an der Uni Bielefeld (Kampfmann/Lenninger 1994: 263). 14.12.1978.: Christiane Schmerl Professorin an der Fakultät für Pädagogik, Philosophie, Psychologie (Pr. 20. 12.). Schmerl, 1973 bis 1978 Assistentin Sozialpsychologie, hatte ein Habilitationsverfahren an der Fakultät für Soziologie abgebrochen (Pr. 25.01.78). 20.12.: Vorprüfungen: Der Beratungscharakter der mündlichen Vorprüfungen wird beibehalten. In der Regel sollen nur noch drei Studenten/Studentinnen gleichzeitig am Vorprüfungskolloquium teilnehmen; in begründeten Ausnahmefällen kann die Zahl bis auf fünf Teilnehmende erweitert werden. Jedem Kandidaten/jeder Kandidatin wird eine Frageliste ausgehändigt. Die an diesen Fragen orientierte Darstellung des bisherigen Studiengangs sowie Gesprächspunkte für das Vorprüfungskolloquium leiten die KandidatInnen den Prüfern eine Woche vor dem Prüfungstermin zu.

1979 17.01.: Claus Offe wird vom Landgericht Bielefeld von der Anklage, er habe sich durch Veröffentlichung des Göttinger sogenannten »Buback-Nachrufs« strafbar gemacht, freigesprochen (Pr. 24.01.79). Im »Buback-Nachruf« hatte ein anonymer Student in einer Göttinger Studentenzeitung seine »klammheimliche Freude« über die Ermordung des damaligen Generalstaatsanwalts Siegfried Buback geäußert, aber sich dann, was meist nicht zitiert wurde, von Gewalt distanziert. 24.01.: Diskussion zur PH-Integration mit dem Rektor. Dabei wird aus den Reihen der Fakultät vorgeschlagen, die in Frage kommenden PH-Wissenschaftler in einen eigenen Fachbereich mit der Aufgabenstellung Lehrerbildung zu überführen. – Luhmann plädiert für Reorganisation der Lehrerbildung jenseits einer Öffnung von Veranstaltungen des Diplomstudiengangs und schlägt vor, die in die Fakultät eingehenden PH-Stellen mit einem Wegfall-Vermerk zu versehen. »Die Folgen der Zusammenführung für die Binnenstruktur der Fakultät werden eher pessimistisch beurteilt«. Grundfrage: Ist der durch die PH-Integration folgende Zuwachs an Aufgabenkomplexität für die Fakultät sinnvoll und verkraftbar, oder sollte der Universität empfohlen werden, durch Ausgliederung von Aufgaben und Konstruktion neuer Einheiten eine strukturelle Lösung zu finden? Rektor: Überleitung von PH-Personal an andere Hochschulen denkbar. 01.03.: Hansjürgen Daheim H4-Professur Allgemeine Soziologie – bis 28.02.1995, Nachfolge v. Ferber.

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im April: Sektion Frauenforschung in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) eingerichtet (Pr. 12.12.79). Gründung einer Soz.- Frauengruppe und LiLi-Frauengruppe (Kampmann/Lenninger 1994: 263). Ende 1979 Gespräch von Assistentinnen und Studentinnen mit dem Rektorat. Das erste Frauen-Soz-Info erscheint (ebenda). 02.05.: Diskussion über Scheinkriterien. Das Dekanat schlägt für die Leistungsnachweise im Hauptstudium »künftig mit differenzierten Informationen (nicht im Sinne einer Benotung) über die zugrundeliegenden Referate« vor. Albrecht hält »ausdrücklich im Sinne der Erhaltung des liberalen Studien- und Prüfungskonzepts der Fakultät eine interne Selektion während des Studiums für notwendig«, auch im Sinne einer aktiven Professionalisierung. Kriterien: Einhaltung formaler Regeln, Qualität der Gliederung der Arbeit, Realisierung des Gliederungsentwurfs, Qualität der inhaltlichen Argumentation, Umfang der verwendeten Literatur, sprachliche Qualität der Darstellung, explizite Auseinandersetzung mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Standpunkten und Lehrmeinungen«. – Häufig verlangen Studenten eine nachträgliche Qualifizierung von Leistungsnachweisen. – »Glagow beantragt, die Lehrenden anzuhalten, die Besprechung der Referate im Hauptstudium nach den vom Dekanat vorgeschlagenen Kriterien vorzunehmen, ohne die Beurteilung jedoch mit dem Leistungsnachweis in Verbindung zu bringen«. Annahme mit 15 Ja- gegen zehn Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen. Dekanatsvorschlag kam nicht durch. – Bildung eines Ausschusses für Berufspraxis. Dieser soll in absehbarer Zeit eine Vorlage zur Verwirklichung »aktiver Professionalisierung« erarbeiten. 23.05.: Diskussion über Promotionsordnung. »Der Minister bittet, den Vorsitz im Promotionsausschuß einem ordentlichen Professor oder Wissenschaftlichen Rat und Professor vorzubehalten«. Die Fakultätskonferenz sieht dieses Monitum im Zusammenhang mit der Absicht des Ministers, die Mitwirkung von Wissenschaftlichen Mitarbeitern im Promotionsverfahren einzuschränken, stimmt jedoch der Bitte des Ministers zu. Aber: »Nach Auffassung der Fakultätskonferenz ist die Regelung der wissenschaftlichen Betreuung der Dissertation keine Statusfrage, sondern eine Frage der wissenschaftlichen Sachkompetenz«. – Die FaKo stimmt aufgrund der Aussichtslosigkeit eines Festhaltens an der bisherigen Benotungsregelung der obligatorischen Benotung der Promotion zu. Die FaKo besteht darauf, bei der Besetzung des Promotionsausschusses an der bisherigen Regel (mindestens zwei Professoren, ein Assistent, ein studentisches Mitglied) festzuhalten. – Beschluss zu Lehrforschung: Lehrforschung hat sich »in den vergangenen Jahren grundsätzlich bewährt«. Sie soll sich in Zukunft in der Regel über drei Semester erstrecken (nicht nur zwei). 27.06.: Die FaKo beschließt Regelung zur Assoziation von Wissenschaftlichen Mitarbeitern in Drittmittelprojekten in Arbeitsgruppen. Manchen gehen die Mitwirkungsrechte der Projektmitarbeiter zu weit (Pr. 19.12.79).

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27.06.: Prof. Klaus Allerbeck erhält bei Wahlen als Mitglied des Dekanats nicht die notwendige Stimmenzahl. »Die Hochschullehrer drücken ihr Befremden darüber aus, daß ihr Vorschlag für die personelle Vertretung ihrer Statusgruppe durch die anderen Statusgruppen entgegen der bisherigen Übung zu Fall gebracht wird«. 13.07.: Per Erlass hat der Minister für Wissenschaft und Forschung die Genehmigung zur weiteren Anwendung der vorläufigen Diplomprüfungsordnung bis zum Ablauf des Wintersemesters 1979/80 verlängert (Pr. 31.10.79). 31.10.: Nur geringer Zuspruch zu soziologischen Studiengängen im WS: 148 Anfänger Diplom (Kapazität: 312), im Lehramtsstudiengang 64 (Kapazität: 139). 01.11.: Prof: Albrecht tritt als Dekan zurück. Am 14. 11. wird Prof. Albrecht erneut für ein Jahr zum Dekan gewählt. 09.11.: Erste Besprechung im Ministerium für Wissenschaft und Forschung über eine Einrichtung eines Schwerpunkts Bevölkerungsforschung: »Der Minister für Wissenschaft und Forschung ist an die Universität wegen der Einrichtung eines Schwerpunkts ›Bevölkerungsforschung‹ herangetreten. Aktueller Anlaß ist die Anfrage der Opposition zur Bevölkerungsentwicklung. Wegen des Auf baus des Schwerpunkts wurde mit Herrn Prof. Dr. Kaufmann als Experten auf diesem Gebiet gesprochen. Am 9. November 1979 fand eine erste Besprechung im Ministerium statt, an der seitens der Universität der Rektor, Herr Daheim als Kommissarischer Dekan und Herr Kaufmann teilnahmen. Seitens der Landesregierung ist geplant, die notwendigen Mittel noch auf dem Nachtragswege in den Haushalt 1980 einzubringen. – Herr Kaufmann erläutert den derzeitigen Stand der Überlegungen. Es sei vorgesehen, an der Fakultät einen Lehrstuhl für Bevölkerungswissenschaft einzurichten. Der Inhaber dieses Lehrstuhls solle zusammen mit ihm die Leitung der neuen Forschungseinrichtung übernehmen, in der außerdem mehrere ausschließlich Forschungszwecken gewidmete Stellen des akademischen Mittelbaus« eingerichtet werden sollen (Notiz zu Pr. 14.11.1979). 12.12.: Aufbaukonzeption eines Instituts für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik, als zentrale Einrichtung auf Universitätsebene verankert, mit fünf Stellen des Akademischen Mitelbaus. 19.12.: Die FaKo beschließt, ein »Weiterbildendes Studium Soziologie« als berufsbegleitendes Studium einzurichten und den Ausschuss für Berufspraxis mit der Vorlage eines Studienkonzeptes zu beauftragen (Pr. 12.11.80). – Diskussion über Diplomstudiengang. Albrecht spricht von »gravierenden Fehlentwicklungen« des Diplomstudiengangs. Indikatoren: Anstieg der Abbrecherquote bei Diplomarbeiten, Anstieg der Zahl abgelehnter Diplomarbeiten. Anstieg der Durchfallquoten in den mündlichen Diplomprüfungen, ständig hohe Verlängerungsraten bei Diplomarbeiten, generelle Klagen der Studierenden über Orientierungslosigkeit und Motivationsprobleme, außerdem ein Studierverhalten, das auf Lernsequenzen und

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die Auswahl von inhaltlichen Schwerpunkten keine Rücksicht nimmt. Beschluss: »Die Fakultät tritt in eine Diskussion des Diplomstudiengangs und der Diplomprüfungsordnung ein. Die Überprüfung soll bis zum Wintersemester 1980/81 abgeschlossen sein«.

1980 01.01.: Landeshochschulgesetz tritt in Kraft (Pr 14.11.79). – Otthein Rammstedt C3-Professur für Soziologie, insbesondere Geschichte der Soziologie und Sozialphilosophie (Pr. 28.05.80) – bis 28.02.2003. 06.02.: Der Senat wählt einen neunköpfigen Gründungsausschuss für das Institut für Bevölkerungsforschung, dem fünf Frauen angehören (Pr. 13.02.1980). 13.02.: Diskussion um das Bevölkerungsinstitut. Kaufmann: »Es gebe offensichtlich Kreise in der Universität, die das Institut in ein Institut für Frauenforschung umfunktionieren wollten; dem werde er sich entschieden widersetzen.« Kaufmann droht damit, die Einrichtung der C4-Stelle an einer anderen Fakultät zu empfehlen. Berufungskommission 5:2:2 besetzt – Die FaKo spricht sich in geheimer Abstimmung mit 28 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung dafür aus, Norbert Elias die erste Ehrendoktorwürde der Fakultät zu verleihen (Elias seit einem Jahr als Gast am Zentrum für interdisziplinäre Forschung). 31.03.: Prof. Hans W. Gottinger scheidet aus der Fakultät aus. 23.04.: Der Rektor informiert über Bestrebungen, ein Institut für Rechtssoziologie zu gründen. Es soll aus der sozialwissenschaftlichen Forschungsgruppe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht hervorgehen. Auch Bielefeld wird als Standort in Erwägung gezogen. Die Fakultät meldet Interesse an. 08.05.: Der Rektor lädt zum Thema »Errichtung eines Universitätsschwerpunktes Frauenforschung« (USP) zu einem Kolloquium im ZiF »alle Interessierten« ein. Wiss. Leitung: Frau Dr. Brehmer (Pädagogik), Frau Prof. Dr. Schmerl (Pädagogik) und Frau Dr. von Werlhof. 28.05.: Prof. Hansjürgen Daheim wird vom Rektor mit Zustimmung der Fakultät kommissarisch die Funktion des Geschäftsführenden Direktors des Zentrums für Wissenschaft und berufliche Praxis (ZWubP) übertragen. – Diskussion um die C4-Stelle Bevölkerungswissenschaft. Kaufmann wehrt sich »gegen die s. E. bestehenden Tendenzen, der Stelle eine nicht-ökonomische Ausrichtung zu geben und sie der Frauenforschung zu widmen«. – Diskussion über Neustrukturierung der Arbeitsgruppen und um PH-Kollegen. Wortprotokoll von Albrecht eingefordert und durchgesetzt. Daheim: »Hypertrophierung der Selbstverwaltung« – FaKo-Beschluss: »Die Fakultätskonferenz geht […] davon aus, daß sich die neu hinzugekommenen Kollegen aus der ehemaligen Pädagogischen Hochschule überwiegend der Lehrerausbildung widmen«.

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18.06.: Prof. Evers wird für die Zeit vom 01.10.1980 bis zum 30.09.1982 zum Dekan gewählt (25 Ja-, drei Nein-Stimmen, eine Enthaltung), Nachfolge Albrecht. Programm: Bekenntnis zur bisherigen Reformpolitik, Verbesserung der Qualität der Lehre, da die Fakultät »im wesentlichen Dienstleistungsbetrieb für die Ausbildung der Studierenden sei«. Beibehaltung der bisherigen Organisationsprinzipien. »Internationalisierung der Fakultät« durch »verstärkte Betreuung von ausländischen Studenten, Förderung der Einladung ausländischer Gastdozenten, Einführung von Lehrveranstaltungen in sozialwissenschaftlichen Englisch und die Förderung der internationalen Außenkontakte der Fakultät«. 22.06.: Verleihung der Ehrendoktorwürde an Prof. Norbert Elias (an dessen Geburtstag, Pr. 23.04.80). 29.10.: Neue Fakultätsmitglieder aus der PH: Prof. Dr. Jürgen Feldhoff (Soziologie und Sozialpädagogik), Dozent Dr. Volker Gransow (Politikwissenschaft), Prof. Dr. Manfred Laubig (Politikwissenschaft), Dozent Dr. Karl-Adolf Otto (Soziologie), Prof. Dr. Günther Steinkamp (Soziologie und Sozialpolitik), N. N. (C4, Nachfolge Prof. Hildebrandt), Wiss. Ass. Dr. Eckhard Dittrich, Wiss. Assistent Sebastian Forbeck, Wiss. Ass. Michael Krätke, Volksschullehrer mit Diplom Dr. Dieter Kruse, Förderassistentin Doris Lemmermöhler-Thüsing, Wiss. Assistentin Dr. Bärbel Meurer, Akad. Oberrat Dr. Werner Roth, Akad. Oberrat Dr. Gunnar Stollberg, Förderassistent Bernd Dopheide. – Willkommensfeier für neue Kolleginnen und Kollegen. Der Dekan betont, ein Unterschied nach »Herkunft« solle in Zukunft »nach Möglichkeit« nicht mehr gemacht werden. Der Schwerpunkt der »Neuen« solle auf den Lehramtsstudiengängen liegen. Neue PH-Dozenten sollen sich im WS auf Vortragsreihe vorstellen. – Chinesische Akademie für Sozialwissenschaft ist an einer Kooperation mit der Fakultät interessiert, um die Ausbildung chinesischer Soziologie-Dozenten zu fördern. – Diskussion um Einrichtung eines Universitätsschwerpunktes »Frauenforschung«. Beschlussvorschlag, später mit großer Mehrheit angenommen: »Die Fakultätskonferenz der Fakultät für Soziologie begrüßt die Initiative zur Einrichtung eines Universitätsschwerpunktes Frauenforschung. Im Fall der Errichtung eines solchen USP ist sie grundsätzlich bereit, daran mitzuwirken«. […] »Herr Luhmann schlägt vor, den Antrag wie folgt umzuformulieren: ›Die Fakultätskonferenz […] bewundert die Initiative zur Einrichtung eines Universitätsschwerpunktes Frauenforschung […]‹«. 12.11.: Neue Promotionsordnung beschlossen. Dem Promotionsausschuss gehören zwei Mitglieder des Lehrkörpers, ein promovierter Wissenschaftlicher Mitarbeiter und ein Student an. – Probleme der wiss. MitarbeiterInnen mit neuem Hochschulgesetz. »Von Assistentenseite wird betont, es gehe dem Mittelbau darum, auf der Grundlage der bisherigen Arbeitsweise weiterverfahren zu können. Wie bisher sollten die Aufgaben nach Arbeitsschwerpunkten – und nicht nach dem formalen Kriterium einer Hierarchie – verteilt werden. Es komme darauf an, die bisherige Einbindung des

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Mittelbaus als ein konstitutives Reformmerkmal der Fakultät in die Ära des WissHG hinüberzuretten«. 1980: Zentrum für Lehrerbildung (ZfL) gegründet.

1981 14.01.: Die FaKo beschließt die Einrichtung von Studiengruppen in Lehramtsstudiengängen. 28.01.: Habilitationsvortrag Karin Knorr über das Thema »Diskursanalyse als soziale Theorie und soziologische Methode« (Pr. 14.01.81). 04.02.: Einrichtung eines Forschungsschwerpunkts Entwicklungssoziologie. Antragsteller: Frau Bennholdt-Thomsen, Frau von Werlhof und Frau Wong sowie die Herren Augel, Elwert, Evers, Meyers, Stauth und Vesper. – Die Anerkennung eines Forschungsschwerpunkts ist auf vier Jahre befristet und kann verlängert werden. Voraussetzung ist die Vorlage und Annahme eines Forschungsprogramms. Im Fall des neuen Schwerpunkts die von den Antragstellern erarbeitete Forschungskonzeption »Unterentwicklung und Subsistenzwirtschaft«. – Im WS sind an der Fakultät im Diplom-Studiengang (1. Fach) 1.386 Studenten eingeschrieben; im Promotionsstudiengang sind es 117. – Diskussion über Promotionsstudiengang u.a. über die Frage, ob es von den ohnehin belasteten Promovenden erwartet werden kann, weitere institutionalisierte Leistungen zu erbringen. 01.03.: Gert Schmidt C4-Professur für Sozialwissenschaft (Schwerpunkt Arbeit) (Pr. 04.02.81) – bis 30.09.1992. 29.04.: Diskussion über Liste Bevölkerungswissenschaft: Gundula Kayser (studentisches Mitglied) kritisiert die Liste Bevölkerungswissenschaft: »In der mechanischen Betrachtungsweise der Bevölkerungsentwicklung würden Frauen zu ›Gebärmaschinen‹, deren Produktivität entsprechend den wirtschaftlichen Erfordernissen geplant, gesteuert und kontrolliert werden solle. Bereits die Begrifflichkeit der Demographie mache die Gebärmutter der Frauen zu ›fruchtbaren Äckern‹, deren Produktivität mal eingedämmt, mal gesteigert werden solle. Der immer wieder angenommene Zusammenhang zwischen Heirats- und Geburtsraten verfestige eine reaktionäre Familienideologie und verweise Frauen auf ihre angeblich natürliche Bestimmung als Hausfrauen, Ehefrauen und Mütter. Besonders erschreckend seien die bevölkerungspolitischen Konsequenzen, die dieser Betrachtungsweise immanent seien«. Prof. Kaufmann entgegnet, »man könne sich sogar fragen, inwieweit die hier implizit artikulierten Sehnsüchte überhaupt mit Mitteln der Wissenschaft einlösbar seien«. im April: In der Zeitschrift »Playboy« erscheint unter dem Titel »Andere Länder, andere Sitten« ein Beitrag des Wissenschaftlichen Assistenten Dr. Werner Habermehl über Sexualpraktiken im internationalen Vergleich, (vgl. Pr. 03.06.81).

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20.05.: Habermehl-Artikel im »Playboy«. Der Dekan bittet die anwesende Öffentlichkeit, den Versammlungsraum zu verlassen. Da dieser Bitte nicht Folge geleistet wird, geht der Dekan zum nächsten Tagesordnungspunkt über. »Die Studenten und einige Assistenten verlassen unter Protest den Raum«. – Im April 1982 bewerfen Frauen den Verfasser mit Fäkalien (Kampmann/Lenninger 1994: 264). – Der Dekan unterrichtet über die »erneuten einschneidenden Kürzungen des Universitätshaushaltes im Personal-, Sachmittel- und Bewirtschaftungsbereich. Die Universität muss 1981 14 Stellen zurückgeben […]«. 03.06.: Habermehl-Artikel im »Playboy«: Kontroverse Diskussion der FaKo in aufgewühlter Stimmung. – Elmar Lange wird zur Übernahme als C2-Professor auf Lebenszeit vorgeschlagen. – Dekan über Berufungsverfahren »Bevölkerungswissenschaft«. Es gehe im Wesentlichen um eine wissenschaftspolitische Entscheidung, nämlich um die Frage, inwieweit die Professur eher eine formal-modelltheoretische oder eine interdisziplinär-anwendungsorientierte Ausrichtung erhalten solle. – Universitätsschwerpunkt Frauenforschung (USP): Die Fakultät will sich im USP bei folgenden drei Stellen (in der Regel nach Freiwerden) beteiligen: eine Professorenstelle im Bereich der Allgemeinen Theorie (»Feministische Gesellschaftstheorie«) und je eine Mittelbaustelle im Praxisschwerpunkt Sozialarbeit sowie Entwicklungsplanung und Entwicklungspolitik (»Frauen und Dritte Welt«). Kontroverse Diskussion. – Beschluss der FaKo, einen Promotionsstudiengang einzurichten, der im SS 1982 starten soll. Der Studiengang wird zunächst bis zum WS 1983/84 zur Erprobung eingeführt. 30.06.: Die Landesregierung beschließt, dass im Haushaltsjahr 1982 jede freie oder frei werdende Stelle für die Dauer von sechs Monaten nicht besetzt werden kann (Pr. 04. 1. 81). 01.07.: Kontroverse Diskussion über die Einrichtung eines Universitätsschwerpunktes Frauenforschung (USP). Ein professorales Mitglied bezweifelt die Wissenschaftlichkeit der bisherigen Arbeiten der Frauenforscherinnen und fordert die Heranziehung »seriöser auswärtiger Gutachter«. Die FaKo beschließt die Einrichtung eines Forschungsschwerpunktes »Zukunft der Arbeit – Entwicklungstendenzen von Produktionstechnologie und Arbeitsorganisation in gegenwärtigen Industriegesellschaften« (Antragsteller: Berger, Daheim, Rammert und Schmidt). 08.07.: Das Justitiariat der Universität erklärt, dass Lehrkörpervertreter in Berufungskommissionen ausschließlich von Lehrkörpervertretern gewählt werden dürfen (Pr. 04. 11.). 04.11.: WS 81/82 202 Studienanfänger in Dipl. Soziologie, Lehramtsstudiengang Sowi Sek I 33, Sek II 47 Studienanfänger. – Diskussion über Aktivitäten des Ausschusses für Berufspraxis. Prof. Weingart gibt zu bedenken, »daß die Skepsis gegenüber der Soziologie im allgemeinen und gegenüber soziologischen Praktikanten im besonderen sehr groß sei. Es sei ein außerordentlicher Glücksfall, wenn man in einer Behörde jemanden finde, der

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sich für die Praktikantenvermittlung – nicht selten gegen den hartnäckigen Widerstand anderer Stellen – einsetze«. Die FaKo beschließt einmütig, die Einrichtung von Praktika im Rahmen der vom Ausschuss geförderten Konzeption zu fördern. Allgemeines Ziel eines Praktikums sei demnach die Verstärkung des Praxisbezugs in der Ausbildung. Soziologische Kenntnisse sollen exemplarisch auf berufliche Problembearbeitung bezogen und angewendet, Erfahrungen in einem konkreten Praxisfeld gesammelt, extrafunktionale Einstellungen und Verhaltensdispositionen erworben werden. Durch eine Vorstrukturierung von Berufswahlpräferenzen sei die Motivation für das Studium zu erhöhen und Berufspraktiker auf Kenntnisse und Fähigkeiten von Soziologen hinzuweisen. 16.12.: Herwig Birg C4-Professur Bevölkerungswissenschaft – bis 29.02.2004. – Diskussion um Benotung: Nur fünf Ja- bei 25 Nein-Stimmen und sieben Enthaltungen. 31.12.: Die Fakultät muss zwei H1-Stellen zurückgeben (Pr. 01.07.81). Diskussion, welche AG-Stellen sie abgeben muss.

1982 20.01.: Luhmann kandidiert als Dekan. Er fordert Benotung von Hausarbeiten und eine Professionalisierung der Verwaltungstätigkeiten. Die geheime Wahl (22 Professoren, neun Assistenten, elf Studenten) ergibt 16 Ja-, 25 Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Die Wahl des Dekans wird vertagt. Der Lehrkörper hatte zuvor »mit großer Mehrheit« beschlossen, Luhmann als Kandidaten zu präsentieren. 03.02.: Prof. Krahn mit 33 Ja-Stimmen bei vier Enthaltungen für die Zeit vom 01.10.1982 bis 30.09.84 zum Dekan gewählt, Nachfolge Evers. – Lange Diskussion über Diplomprüfungen. Prüfungsamt schlägt gesplittete Einzel-Abschlussprüfung vor statt Fünfer-Prüfung. Dagegen Manfred Glagow für den Mittelbau: »Die Gefahr, daß sich die Prüfung wieder zu einem weder transparenten noch kontrollierbaren Privatissimum zurückentwickle, sei zu hoch«. 12.05.: Laut Dekan plant die Landesregierung, den Personalbestand im Bereich Sozialwissenschaft/Soziologie/Politik um 15 Prozent zu reduzieren. »In Bielefeld und Bochum soll schwerpunktmäßig gekürzt werden«. Dazu der Tenor von Teilnehmern: »Es komme darauf an, die Arbeit der Fakultät in Lehre, Forschung und wissenschaftlichen Dienstleistungen offensiv zu vertreten und dabei die Praxis- und Anwendungsorientierung als besonderes Merkmal der Fakultät herauszustellen«. Die Fakultät fasst bei drei Nein-Stimmen und einer Enthaltung den Beschluss, die Überlegungen des Ministers unter dem irreführenden Titel ›Konzentration und Neuordnung von Studienangeboten/Studiengängen an den Hochschulen des Landes NRW‹ entschieden zurückzuweisen. – Auf Initiative der studentischen Mit-

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glieder verabschiedet die FaKo eine Stellungnahme zur Anzeigenerhebung gegen die Besetzer des Hauses Goldbach 20.4 26.05.: Der Oberstadtdirektor der Stadt Bielefeld, Dr. Eberhard Munzert, antwortet eingehend auf die Stellungnahme zur drohenden Kriminalisierung von Hausbesetzern und legt ausführliches Informationsmaterial bei. »Der Dekan hat dem Oberstadtdirektor auf dessen Wunsch eine Mitgliederliste der Fakultätskonferenz übersandt, damit dieser auch die Fakultätskonferenz unterrichten kann«. – Die Steger-Stelle für Lateinamerika ist trotz alljährlichen Antrags nicht wieder besetzt worden und wird es endgültig nicht mehr. Angebot des Rektorats für eine befristete C2-Stelle zur Soziologie Lateinamerikas. Die FaKo beschließt aber einen Antrag, die C2-Zeitprofessur der Nachwuchsförderung zu widmen (und daher hausintern auszuschreiben) und zunächst keine inhaltliche Ausrichtung festzulegen. 08.06.: Demonstration gegen Stellenkürzungsplan in Bielefeld geplant. 21.06.: Oberstadtdirektor Munzert unterrichtet in einem Schreiben an die Fakultätskonferenz über seine Auffassung in der Angelegenheit »Besetzung des Hauses Goldbach 20«. 06.07.: Karl-Adolf Otto C2-Professur Politische Soziologie/Didaktik der Sozialwissenschaften (Pr. 14. 07.) – bis 31.07.1999. 22.07.: Die FaKo-Mitglieder Berger, Dammann, Dittrich, Fohrbeck, Kostede und Rammert wenden sich mit einem Schreiben an den Oberstadtdirektor Dr. Munzert in der Sache Hausbesetzung Goldbach 20. 16.09.: Elmar Lange C2-Professur Soziologie, insbesondere Berufssoziologie, ab WS 1999 Wirtschaftssoziologie und Sozialstrukturanalyse (Pr. 10. 11.) – bis 30.09.2008 08.12.: Die Übernahmeanträge von Fakultätsmitgliedern für eine Professur sind vom Ministerium abgelehnt worden, nur Lange und Otto wurden ernannt. 17.12.: »Fachgespräch« im Ministerium für Wissenschaft und Forschung mit Rektor, Kanzler, Dezernent I, Dekan, Prodekan, Dekanatsassistent. Jede Stelle wird kritisch hinterfragt. Außerdem werden Dopplungen zu anderen Fakultäten (Pädagogik, Geschichtswissenschaft) problematisiert (Pr. 19.01.83).

1983 19.01.: Ausgiebige Beratung über Diplomstudiengang. Laut Prof. Daheim (Prüfungsamtsvorsitzender) folgende Mängel: Orientierungslosigkeit bei den Anfangssemestern; nicht befriedigende Kenntnisse in den Grundlagen der Allgemeinen Soziologie und der Methodenlehre; die fehlende obligatorische Abfassung einer größeren schriftlichen Arbeit während des 4 |  Das Haus Goldbach 20 im Bielefelder Westen in der Nähe des Stadtzentrums war für den Abriss vorgesehen, um einer Stadtautobahn Platz zu machen.

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Studiums; fehlende externe Anreize in Form einer Benotung; die fehlende Rückmeldung des jeweiligen Leistungsstands; eine steigende Anzahl von Anträgen auf Verlängerung der Frist zur Anfertigung der schriftlichen Diplomarbeit; die mangelnde Repräsentanz der Allgemeinen Soziologie in der mündlichen Diplomprüfung. Die überarbeitete Diplomprüfungsordnung wird bei 36 Ja- gegen vier Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen verabschiedet (im Protokoll vermerkte Gegenstimmen: Albrecht, Luhmann, Mummendey). Mit ihr wird Sozialstrukturanalyse als obligatorisches Element des Soziologiestudiums eingeführt (Vorlesung + Übung). – Errichtung einer »Dokumentations- und Beratungsstelle für Lateinamerikaforschung und für International vergleichende Sozialforschung« (Interdisziplinäre Einrichtung, der Soziologie zugeordnet). Die Lateinamerikaforschung wird damit von einem Universitätsschwerpunkt zu einer »Betriebseinheit« (§ 30 WissHG) zurückgestuft. Prof. Evers zum Leiter der Betriebseinheit für zwei Jahre gewählt (Pr. 11. 05.). 09.02.: Positive Diskriminierung von Frauen im Wissenschaftsbetrieb: Die FaKo fasst folgenden Beschluss: »1. Die Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld strebt im Rahmen ihrer Personalpolitik an, die derzeitige Unterrepräsentierung von Frauen schrittweise aufzuheben. – 2. Der vorstehende Satz wird in Ausschreibungstexten für an der Fakultät zu besetzende Stellen aufgenommen. In den Berichten über Besetzungsverfahren soll darauf eingegangen werden, ob und wie die genannte Zielsetzung bei der Entscheidung über einen Personalvorschlag berücksichtigt wurde«. – Ausgangspunkt war ein Antrag der studentischen VertreterInnen: »Bei Stellenbesetzungen sowie Stellenverlängerungen sollen Frauen bei gleicher Qualifikation positiv diskriminiert werden«. – Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Professorin an der Bielefelder Soziologiefakultät. 02.03.: Dr. Veronika Bennholdt-Thomsen C2-Professur auf Zeit Entwicklungssoziologie/Schwerpunkt Lateinamerika, ab SS.  1984 Entwicklungssoziologe, Schwerpunkt: Lateinamerika/Frauenforschung (Pr. 11. 05.) – bis 01.03.88. 29.03.: Dieter Holtmann C2-Professor auf Zeit Methoden der empirischen Sozialforschung (Pr. 11. 05.) – bis 28.03.1988, Nachfolge Allerbeck [?]. 01.04.: Karin Knorr (später: Knorr-Cetina) C3-Professur Methoden der soziologischen Forschung (Pr. 11.05.83) – bis 09.07.2001, Nachfolge Schulz [?]. 11.04.: Georg Elwert C2-Professur auf Zeit Sozialwissenschaft, insbesondere Entwicklungswissenschaft – bis 10.04.88. 23.04.: Das Ministerium plant laut Dekan, der Universität Bielefeld bis zum Jahr 2010 51 Stellen für wissenschaftliches Personal zu entziehen, davon elf aus der Fakultät für Soziologie: drei C4-Stellen, zwei C3-Stellen, eine Stelle eines Dozenten auf Widerruf, zwei Stellen für wissenschaftliche Angestellte (befr.) und drei Stellen für Akademische Räte bzw. Oberräte (kw-Vermerke, Pr. 11. 05).

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11.05.: Norbert Elias wird für die Ernennung zum Honorarprofessor vorgeschlagen. – Das Dekanat beruft eine Fakultätsversammlung zum Thema »Benachteiligung von Frauen im Wissenschaftsbetrieb« für den 13. 07. ein (Hinweis dazu auch im Protokoll vom 15. 06.). 15.06.: Lehrforschung: Auf Insistieren von Seiten der Studierenden bestand die Regel, dass bereits die Mitarbeit in zwei von drei Phasen für einen Schein ausreicht, um noch nach der ersten Phase einen Einstieg zu ermöglichen. Diese Regel führte dazu, dass viele Studierende vor der Auswertungsphase ausstiegen. Die FaKo beschließt, dass zumindest die letzten beiden Phasen der Lehrforschung absolviert werden müssen. – Auf Antrag von Frau Bennholdt-Thomsen wird einmütig beschlossen, im Curriculum neben den maskulinen grundsätzlich die femininen Formen (z.B. der Student/die Studentin, der Lehrende/die Lehrende) zu verwenden. – Zielsetzung und Aufbau des Studiums im Praxisschwerpunkt »Soziale Probleme und Problemintervention« von der FaKo verabschiedet. 28.06.: Erlass des Ministers für Wissenschaft und Forschung über sog. »Konzentrationsmaßnahmen« an der Universität Bielefeld. Die Fakultät verliert zehn Stellen, vier im Lehrkörper und sechs im Bereich des Mittelbaus, die zum nächstmöglichen Zeitpunkt, also beim Weggang des Stelleninhabers, wegfallen sollen (Pr. 06. 07.). 31.08.: Helmut Willke C3-Professur Sozialwissenschaftliche Planungs- und Entscheidungstheorie; ab SS 2003 Staatstheorie und Global Governance – bis 31.07.2008, Nachfolge Gottinger. 01.09.: Der Dekanatsassistent Dr. Michael Vesper wird zur Wahrnehmung der Fraktionsgeschäftsführung der Fraktion »Die Grünen im Bundestag« beurlaubt, vorerst bis 29. Februar 1984. Vertreter: Dipl. Soz. Reinhard Möhlmann (Pr. 06.07.83) – bis 31.03.85. 02.11.: Forschungsschwerpunkt »Soziale Probleme und lokale Politik« von Prof. Albrecht beantragt. Die FaKo begrüßt die Initiative einmütig bei drei Enthaltungen.

1984 08.02.: Dekanatswahlen. Es ist dem Lehrkörper nicht gelungen, sich auf einen Kandidaten für das Amt des Dekans zu einigen. Daher schlägt das Dekanat Prof. Offe als Kandidaten vor. Herr Offe betont, dass er sich nicht als Gegenkandidat von Herrn Luhmann verstehe, der im Lehrkörper nicht die erforderliche Unterstützung gefunden habe. Er – so Herr Offe – teile das Programm von Herrn Luhmann: Kooperation zwischen dem Lehrkörper und den Wissenschaftlichen Mitarbeitern (damit ist wohl die Bindung von Assistentenstellen an Lehrstühle gemeint, VK). Straffung der administrativen Struktur. Einführung einer obligatorischen Notengebung sowohl für einzelne Leistungsnachweise als auch für die Diplomprüfung. Herr Andreß erklärt, dass Offe unter den genannten Bedingungen nicht vom Mit-

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telbau unterstützt werde. Die studentischen Vertreter schließen sich den Ausführungen von Herrn Andreß an. Die geheime Wahl ergibt 20 Ja-, 17 Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen. Damit ist Prof. Offe nicht gewählt. Nach längerer Unterbrechung und Diskussion wird Prof. Berger mit 36 Jagegen drei Nein-Stimmen bei einer Enthaltung für die Zeit vom 1. Oktober 1984 bis zum 30. September 1986 zum Dekan gewählt, Nachfolge Krahn. im Frühjahr: Rolf Klima, Redakteur der ZfS (unbefristet), seit 24.08.79 Akademischer Rat, wird zum Akademischen Oberrat ernannt (Pr. 23.05.1984) – im gleichen Jahr verstorben. 18.09.: Gerd Famulla C2-Professur Sozialwissenschaften/Didaktik der Arbeitsund Wirtschaftslehre« – bis 28.02.1987. 28.10.: Dr. Johannes Augel, Entwicklungssoziologe, Geschäftsführer der Dokumentations- und Beratungsstelle für Lateinamerikaforschung, wird zum Akademischen Rat und Beamten auf Lebenszeit ernannt (Pr. 05.12.84), am 17.12.1986 zum Akademischen Oberrat (Pr. 14.01.87). Am 30.04.2001 auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzt. Die Stelle wird anschließend nicht wieder besetzt (Pr. 25.04,23. 05.2001). 05.12.: Curriculum Allgemeine Soziologie. Die Vertreter der Studenten beantragen, daß pro Studienjahr mindestens einmal eine scheinfähige Grundveranstaltung im Bereich 1.2.2. (Übung zur Vorlesung 1.2.1.) aus dem Bereich »Grundlagen der sozialwissenschaftlichen Frauenforschung« stattfinden soll. Prof. Evers stellt den Antrag auf Nichtbefassung. Die Fakultätskonferenz nimmt den Antrag auf Nichtbefassung mit 29 Ja- gegen 15 Nein-Stimmen bei 5 Enthaltungen an«. 1984: Von Niklas Luhmann erscheint »Soziale Systeme«. Darin wird die soziologische Systemtheorie auf eine neue paradigmatische Stufe gehoben, die von der »Autopoiesis« sozialer Systeme ausgeht und das bislang in der Luhmannschen Theorie gültige System-Umwelt-Paradigma ablöst. Dieses Buch erfährt eine starke Resonanz und steigert noch Luhmanns Reputation als exzeptioneller Theoretiker.

1985 30.01.: Die FaKo beschließt, die nächste frei werdende C2-Stelle auf Zeit für den Bereich Frauenforschung auszuschreiben. – Die FaKo erklärt ihre Absicht, bei der Ausschreibung und Besetzung künftiger C2-Professuren auf Zeit den Gesichtspunkt der Förderung des eigenen habilitierten wissenschaftlichen Nachwuchses angemessen zu berücksichtigen. Freiwerdende Stellen sollen nicht auf Dauer strukturell zugeordnet werden. 01.04.: Ab dem SS 1985 wird Sozialstrukturanalyse als regelmäßige und obligatorische Veranstaltung durchgeführt, zunächst von Prof. Daheim auf Anregung des Dekans Prof. Johannes Berger. – Marianne Friedrich neue Dekanatsassistentin (formell Vertreterin von Michael Vesper).

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17.04.: Die AG I (Theorie und Geschichte der Soziologie) hat wegen interner Differenzen ihre Arbeit eingestellt (bestätigt in Pr. 22. 05., 12. 06.). 22.05.: Der Kanzler, Dr. Eberhard Firnhaber, teilt mit, dass an der Universität die C2-Stellen auf Lebenszeit künftig bei Freiwerden umgewandelt werden in C2-Stellen für Professoren auf Zeit. – BAT IIa/Ib-Stellen sollen in Zukunft in befristete Angestelltenverhältnisse umgewandelt werden (die nächsten acht Stellen) – Errichtung einer Stiftungsprofessur für Sozialanthropologie. Die VW-Stiftung übernimmt für fünf Jahre die Finanzierung. Im Gegenzug muss sich die Fakultät bereit erklären, nach Ablauf der fünf Jahre eine C2-Stelle auf Zeit zur Verfügung zu stellen. Damit fließen der Fakultät 800.000 bis 900.000 DM Drittmittel zu (Pr. 11. 12.). 12.06.: Konstituierung einer Kommission zur Entwicklung eines Curriculums Frauenforschung. Mitglieder: Frau Beer, Frau Bennholdt-Thomsen, Frau Giebele, Frau Knorr, Herr Offe und Frau Schmidt, außerdem als externe Mitglieder Frau Metz-Göckel (Dortmund) und Frau Ostner (Fulda). 23.10.: Diskussion um Fakultätsstrukturen. Der Dekan Prof. Berger kritisiert die »schwerfälligen Entscheidungsprozesse der Fakultät« und mahnt Reformen an. Entscheidungskompetenz der FaKo soll auf »wesentliche Strukturentscheidungen« beschränkt werden. Die Arbeitsgruppen sollen auf die Organisation der Lehre beschränkt werden. Widerspruch aus dem Mittelbau und von den Studierenden. – Ein Antrag von Prof. Krahn, unterstützt von mehreren Mitgliedern der FaKo, im kommenden Semester Entscheidungen über die Zuweisung von Mitarbeiterstellen im Dekanat zu treffen anstatt wie bisher in der FaKo, wird mehrheitlich abgelehnt. – Danach Antrag: »Die Fakultätskonferenz fordert das Dekanat auf, Vorstellungen zu erarbeiten, die dazu geeignet sind, die Position der Fakultät in den kommenden Auseinandersetzungen um ihre haushaltsmäßige Ausstattung zu stärken«. Hierzu gehören insbesondere Vorschläge zur Vereinfachung der Entscheidungsstrukturen, Stärkung des Dekanats, Konzentration der Arbeitsgruppen auf die Lehrplanung, Stärkung der Forschung, Hebung des Leistungsprofils, Dokumentation der Forschung, Verbesserung der Außendarstellung, Neugliederung der Fakultät unter stärkerer Berücksichtigung von Forschungsgesichtspunkten, Nachwuchsförderung, Verbesserung der Berufschancen der Studenten. Der Vorschlag wird von der FaKo mit 14 gegen 11 Stimmen angenommen. 29.11.: Erlass des Ministeriums: Die Voraussetzungen für eine Hochschuldozentur müssen bis zum 32. Lebensjahr erbracht sein. Ausnahmen: Mutterschaft, Krankheit, Zweiter Bildungsweg. 11.12.: Kontroverse Diskussion über Verankerung der Frauenforschung in der Fakultät (vgl. auch Beitrag Tomke König).

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1986 02.01.: Der Rektor berichtet in einem Schreiben an den Dekan, dass die Ministerin für Wissenschaft und Forschung, Anke Brunn, eine C3-Professur für Frauenforschung zugesagt habe, vorbehaltlich der Haushaltsberatungen im Landtag. Damit soll eine der Fakultät entzogene C2-Stelle auf Zeit ausgeglichen werden. 30.04.: Neue Forschungsprojekte: Birg, »Arbeitsmarktdynamik und Familienentwicklung – eine biographietheoretische Konzeption für Untersuchungen demographisch relevanter Verhaltensweisen« (1 Mio. DM). Schmidt: »Neue Technologien und Optionen veränderten Arbeitskräfteeinsatzes in der Verwaltung«. Stauth: »Konfliktlinien der ägyptischen Gesellschaft 1986-1988.« – Kontroverse Diskussion um C3-Professur Frauenforschung (vgl. auch Beitrag Tomke König). 04.06.: Für das Amt als Dekan steht kein Kandidat zur Verfügung. »Herr Berger erklärt, daß es zwar immer schwierig sei, eine/n Hochschullehrer/ in zu finden, der/die bereit sei, das Amt des Dekans zu übernehmen. Die Gleichgültigkeit des Lehrkörpers in diesem Punkt habe inzwischen jedoch ein unerträgliches Ausmaß erreicht; sie gehe vor allem zu seinen Lasten. Diese Haltung stehe in keinem Verhältnis zur Bedeutung des Amtes«. 16.06.: Neue Grundordnung/Universitätssatzung tritt in Kraft. Das Dekanat hört auf, als Kollegial-Organ zu existieren, da es vom Wissenschaftlichen Hochschulgesetz nicht vorgesehen ist (Pr. 04. 06.). 23.06.: Antrag von 14 Diplomandinnen und Diplomanden auf Aussetzung des Abgabetermins (15.07.86) aller derzeitig angemeldeten Diplomarbeiten an der Fak. für Soziologie der Universität Bielefeld und die Verschiebung der Termine für die mündliche Prüfung auf unbestimmte Zeit (abgedruckt als Anlage zu FaKo-Pr. 02. 07.). Darin heißt es: »Wir die Antragsteller/innen wollen und konnten/können uns nicht in diese ›Normalität‹ einfinden, die die Katastrophe von Tschernobyl so wie viele andere möglich gemacht hat. Wir sind bestürzt, wütend, voller Trauer und Angst um unser Leben und voller Unsicherheit, ob wir dieser lebensfeindlichen und nichts als endlosen Tod bringenden Zivilisation noch etwas entgegensetzen können. Die Katastrophe hat uns aus unserem Alltag herausgerissen. Wir wollen und konnten/können nicht mehr ›funktionieren‹, wir waren/sind arbeitsunfähig. Wir verkraften die Zerreissprobe nicht, vor die wir gestellt sind […]« 02.07.: Richard Grathoff berichtet über Kooperationen mit den Universitäten Warschau, Krakau und Posen. Dazu gehört u.a. ein Forschungsprojekt zur Soziologie Florian Znanieckis. »Alle Interessierten sind eingeladen, sich bei Herrn Grathoff über den Stand der Beziehungen zur polnischen Soziologie zu informieren und an dem wissenschaftlichen Austausch teilzunehmen«. – Beratung der von der Universitätskommission zurückgewiesenen Diplomprüfungsordnung Soziologie.

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12.07.: Neue Universitätssatzung: Die Fakultätskonferenz setzt sich nun aus dem Dekan, 16 Professoren, sechs Wissenschaftlichen Mitarbeitern, sechs Studierenden und zwei nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern zusammen. Ein Dekanat, wie es von der bisher gültigen Satzung der Universität vorgesehen war (also mit einem professoralen, Mittelbau- und studentischen Mitglied), gibt es nicht mehr. 01.12.: Günther Schlee C3-Professur Sozialanthropologie (Pr. 10. 12.). 10.12.: Da die FaKo durch einige Frauen gestört wird, wird der Tagesordnungspunkt »Professur Frauenforschung: Verabschiedung einer Berufungsliste« nicht behandelt.

1987 14.01.: Berufungsliste Sozialwissenschaftliche Frauenforschung verabschiedet. 23.01.: Arnfried Bintig C2-Professur Soziologie, insbesondere Soziologie sozialer Probleme und Methoden der empirischen Sozialforschung (bis 06.01.91). 28.01.: Fakultätstag zum Thema »Soziologie und Technik«. 04.02.: Gert Schmidt mit 27 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung zu neuem Dekan gewählt, Nachfolge Berger. 23.04.: Dr. Christof Wehrsig, Organisationssoziologe, zum Akademischen Oberrat ernannt (Pr. 29. 04.) – bis 2005 [?], verstorben am 13.10.2013. 29.04.: Ab sofort findet jeden Donnerstag (während des Semesters) im Dekanat ein »Offener Nachmittag« statt. – Antrittsbesuch des neuen Dekans beim Rektor. Demnach ist die Uni nur mäßig ausgelastet. Ganz besonders gering ist die Auslastung der Fakultät für Soziologie. Dringende Empfehlung, neue Studenten zu werben, das Lehrangebot zu erweitern und die Studienstruktur an Bedarfe anzupassen. – Neuer Graduiertenzusatzstudiengang »Öffentliche Gesundheitsförderung« geplant. Initiatoren: Herr Wolters und Herr Schnabel. Am institutionellen Auf bau eines solchen Studiengangs werde Herr Steinkamp federführend beteiligt sein. Herr Albrecht, Herr Kaufmann und Andere sagen ihe Unterstützung zu. Die FaKo unterstützt mehrheitlich die Initiative. Auch das Rektorat begrüßt das Engagement sehr. 03.06.: Neue Fakultätssatzung verabschiedet (25 Ja-, vier Neinstimmen). Darin werden die Organe der Fakultät und ihre jeweiligen Aufgaben festgelegt. Die Dekanin/der Dekan ist für laufende Geschäfte zuständig, die FaKo für »Strukturfragen«. Eine strikte Grenze kann nicht gezogen werden. Die Kommissionen für Struktur, Haushalts- und Personalangelegenheiten, für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs und für Lehre und studentische Angelegenheiten sind beratende Ausschüsse ohne Beschlussfassungskompetenz. Der Dekan soll sich mit ihnen vor Entscheidungen, die er in eigener Kompetenz trifft, ins Benehmen setzen. Die Forschungsschwerpunkte sind im Rahmen ihres von der Fakultätskonferenz festgelegten Aufgabenbereiches zuständig für die Koordination und Planung von

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Forschung und für Vorschläge zur Weiterentwicklung und Außendarstellung der Forschung an der Fakultät. – Die FaKo beschließt bei 21 Ja-Stimmen, einer Nein-Stimme und drei Enthaltungen, Herrn Stollberg zur Ernennung zum apl. Professor vorzuschlagen. 08.07.: Interdisziplinäre Forschungsgruppe Frauenforschung (IFF). Rektor empfiehlt dauerhafte Förderung. Einstimmiger Beschluss der Fakultät: »Die Fakultät für Soziologie unterstützt den Antrag des Senatsausschusses für die IFF an die zuständigen Universitätsgremien, die Arbeit der Interdisziplinären Forschungsgruppe Frauenforschung nach vierjähriger Erprobungsphase ohne weitere zeitliche Befristung zu institutionalisieren«. – Das Ministerium für Wissenschaft und Forschung NRW beabsichtig, an der Fakultät für Soziologie eine Fiebiger-Professur mit der Fachbezeichnung »Die Frauenproblematik in den Entwicklungsländern« einzurichten. Die Fakultät ist aufgefordert zu entscheiden, ob sie dieses Angebot annehmen möchte. Annahme mit 19 Ja- und vier Neinstimmen bei einer Enthaltung. Die Hochschullehrer haben mit sieben Ja-, vier Nein-Stimmen und einer Enthaltung votiert. – Die im Sommer 1986 in der FaKo verabschiedete Diplom-Prüfungsordnung ist vom Ministerium mit der Maßgabe zurückgegeben worden, sie in prüfungsrechtlicher und fachlich-inhaltlicher Hinsicht zu überarbeiten. – Kooperationsabkommen der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld mit der Université des Sciences Humaines de Strasbourg (federführend: Prof. Rammstedt). – Beratungen über den geplanten Graduiertenzusatzstudiengang Gesundheitswissenschaft und öffentliche Gesundheitsförderung. Es hat sich eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit der konzeptionellen Entwicklung und dem organisatorischen Auf bau des geplanten Studiengangs befasst. 17.11.: Hans-Jürgen Andreß C2-Professur auf Zeit Statistik und Methoden empirischer Forschung, ab WS 1989 Computeranwendungen in den Sozialwissenschaften unter besonderer Berücksichtigung der multivariaten Statistik – bis 16.11.92, Nachfolge Holtmann [?]. Ab 02.03.1993 C3-Professur Methoden und EDV in den Sozialwissenschaften – bis 30.09.2003. 27.11.: Veronika Bennholdt-Thomsen aus der Fakultät ausgeschieden (Pr. 27.04.88). im Dezember: Anlässlich von Luhmanns 60. Geburtstag findet ein ZiF-Kolloquium statt. Außerdem erscheint eine Festschrift »Theorie als Passion« im Suhrkamp-Verlag, hg. von Dirk Baecker und Helmut Willke.

1988 01.04.: Karin Knorr-Cetina Prorektorin für Struktur, Planung und Bauangelegenheiten – bis 30.09.1992. 27.04.: Studiengang »Gesundheitswissenschaften« durch das Ministerium genehmigt. – Die Fakultät beschließt, sich in der Form Wissenschaftlicher Einheiten einzurichten: I Theorie und Geschichte der Soziologie; II Metho-

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den der empirischen Sozialforschung; III Wirtschaft und Sozialstruktur; IV Arbeit und Organisation; V Wissenschaft und Technik; VI Soziale Probleme, Gesundheit und Politik; VII Staat und Verwaltung; VIII Entwicklungssoziologie. – Diese Einheiten organisieren die Fakultät nach innen (als in sich gegliederte Kooperationseinheiten) und sie repräsentieren die Fakultät nach außen (erhalten also einen formalen Status). 25.05.: Neue Personalstruktur und Auswirkungen auf Mitarbeiter. »Bevorzugte Behandlung« des eigenen wissenschaftlichen Nachwuchses bei der Vergabe von C1-Stellen gefordert. 30.09.: Verabschiedung von Richtlinien für die wissenschaftlichen Einheiten. – Einrichtung eines Forschungsschwerpunkts »Kultursoziologie und Kulturanalyse« (Prof. Knorr-Cetina, Prof. Grathoff). 01.10.: Prof. Offe verlässt die Fakultät und folgt einem Ruf an die Uni Bremen (Pr. 29. 06.). – Noch einmal Diplomprüfungsordnung: Das Ministerium gibt eine benotete Zwischenprüfung vor. Die Benotung von Scheinen unter bestimmen Voraussetzungen wird bei 14 Ja-, fünf Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen angenommen. 04.10.: Der Dekan teilt mit, dass er dem Rektorat folgende Stellen zur Abgabe benannt hat: C3-Stelle Soziologische Theorie, C4-Stelle Sozialökonomische Grundlagen der Regional und Raumplanung sowie vier Mitarbeiterstellen (Pr. 19. 10.). 19.10.: Die Strukturkommission schlägt vor, die Hochschullehrer-Stellen »Politische Ökonomie« und »Politische Soziologie, Didaktik der Sozialwissenschaften« für eine Abgabe zu benennen.

1989 12.01.: [?] Wolfgang van den Daele C3-Professur Wissenschaftsforschung im IWT. Er folgt im gleichen Jahr einem Ruf an die Freie Universität Berlin. 01.04.: Ursula Müller C3-Professur Sozialwissenschaftliche Frauenforschung (Pr. 18.04.89) – bis 30.04.2012. 18.04.: Dekanswahl. Der Kandidat des Lehrkörpers wird bei 13 Ja-Stimmen, zwölf Nein-Stimmen und einer Enthaltung nicht gewählt. 16.05.: Klaus Peter Japp C3-Professur Soziologie ökologischer Risiken (Pr. 18. 05.), ab 15.01.2003 Soziologie, insbesondere Politische Kommunikation und Risikosoziologie. 21.06.: Dekanswahl. Der Kandidat des Lehrkörpers wird bei fünf Ja-Stimmen, sechs Nein-Stimmen und vier Enthaltungen nicht gewählt. Daraufhin wird Prof. Dammann mit zehn Ja-Stimmen, drei Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen zum Dekan gewählt, Nachfolge Schmidt. – DPO: Strittige Punkte sind Ausgestaltung der mündlichen Prüfung, die Einführung von Pflichtpraktika, die Länge der Bearbeitungszeit der Diplomarbeit sowie die Behandlung von Wahlpflichtfächern im Grundstudium und deren Folgen für die Struktur der Fakultät, die Frage der Wahl bzw. Zuordnung von Prü-

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fern, die Entscheidung über die Zuordnung der Diplomarbeit zu einem Teilgebiet. – Die FaKo beschließt einstimmig die Einrichtung eines Forschungsschwerpunktes »Gesundheitswissenschaft« und erklärt gleichzeitig, dass mit der Einrichtung keine zusätzlichen Ressourcenzuweisungen verbunden sind. 29.06.: Listenvorschlag der Berufungskommission C3-Professur »Soziologie mit dem Schwerpunkt ›Frauen in den Entwicklungsländern‹« mit drei nichtdeutschen Kandidatinnen – Ablehnung der Liste durch Frau Sturm. Sie beklagt den ›negativen Heimvorteil‹ zweier bundesdeutscher Kandidatinnen, der aufgrund ihrer wissenschaftlichen Qualifikation und ihres internationalen Renommees nicht gerechtfertigt sei. – Die studentische Vertreterin wertet das gesamte Verfahren »als Teil einer antifeministischen Hochschulpolitik« und erklärt, dass sie die Liste als Ganze ablehne. Die Liste wird bei elf Ja-Stimmen und 13 Nein-Stimmen abgelehnt. Nach einer Unterbrechung der Sitzung wird die Liste mit geringfügiger Modifikation (zweite Kandidatenperson auf Platz 3) angenommen. 31. 07: Prof. Manfred Laubig emeritiert. 01.10.: Adrienne Windhoff-Héritier, C4-Professur Politikwissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der politischen Soziologie und der politischen Theorie – bis 31.07.2009, ab 01.09.95 beurlaubt, Nachfolge Offe.

1990 17.01.: Vierte revidierte Fassung der Diplomprüfungsordnung wird beraten. Entscheidung für die weibliche Geschlechtsbezeichnung mit dem Zusatz, dass auch Männer gemeint sind (sieben Ja-, sechs Neinstimmen, eine Enthaltung). 16.05.: Curriculum Frauenforschung einstimmig verabschiedet. – Studienordnung Soziologie wird in erster Lesung einstimmig verabschiedet. Demnach werden für folgende spezielle Soziologien Veranstaltungen regelmäßig angeboten: Entwicklungssoziologie, Industrie- und Arbeitssoziologie, Organisationssoziologie, Politische Soziologie, Soziologie abweichenden Verhaltens, Stadtsoziologie, Verwaltungssoziologie, Wissenschaftssoziologie. 13.06.: Studienordnung Soziologie in zweiter und letzter Lesung einstimmig verabschiedet. 27.06.: Dekanswahl: Prof. Willke mit acht Ja-Stimmen, fünf Nein-Stimmen und einer Enthaltung zum neuen Dekan gewählt, Nachfolge Dammann. 17.10.: Prof. Birg zum Geschäftsführenden Direktor des Instituts für Bevölkerungswissenschaft und Sozialpolitik (IBS) gewählt (Pr. 17. 10).

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1991 30.01.: Kooperationsabkommen mit der Universität Sofia mit 13 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung verabschiedet. »Verschiedene Lehrende der Fakultät haben bereits Kontakte in Sofia aufgebaut und sind an einer weiteren Kooperation sehr interessiert«. 24.04.: Graduiertenkolleg Entwicklungssoziologie und Sozialanthropologie mit dem Titel »Markt, Staat und Ethnizität« ist bewilligt worden. Start: 01.10.1991 (Pr. 24. 10.). – Beschluss zur Zuordnung von Wissenschaftlichen MitarbeiterInnen. Die Lehrbeauftragung Wissenschaftlicher MitarbeiterInnen und AssistentInnen wird von den Wissenschaftlichen Einheiten beantragt und vom Dekan erteilt. Die Fakultätskonferenz bzw. die Kommission für Forschung kann »im Benehmen mit den fachlich zuständigen Professoren wissenschaftlichen Mitarbeitern auf deren Antrag bestimmte Forschungsaufgaben zur selbständigen Erledigung übertragen«. 29.05.: Entschließungsantrag, die Emeritierung von Prof. Luhmann betreffend. Die FaKo beschließt, dem künftigen Emeritus eine halbe Sekretärinnenstelle und ein Arbeitszimmer zur Verfügung zu stellen. Luhmann erklärt sich bereit, weiterhin Lehrveranstaltungen an der Fakultät anzubieten. 19.06.: Prof. Ursula Müller wird mit zehn Ja-Stimmen bei fünf Enthaltungen zur zukünftigen Dekanin gewählt (Nachfolge Willke). »Sie werde aufmerksam die Frauenförderinteressen an der Fakultät verfolgen und die Umsetzung der Frauengleichstellungspolitik an der Fakultät stützen. Sie möchte dazu beitragen, das jetzige ihres Erachtens destruktive Klima an der Fakultät zu bessern […]«. 01.10.: Bernhard Badura C4-Professur für Gesundheitswissenschaften (ab 1994 eigene Fakultät). 23.10.: Noch einmal Prof. Müller mit elf Ja-Stimmen bei drei Enthaltungen zur Dekanin gewählt. – FaKo votiert für eine Neuausschreibung der Liste C3-Professur »Soziologie mit dem Schwerpunkt Frauen in den Entwicklungsländern«, nachdem die Erstplatzierte abgesagt hat und das Ministerium für Wissenschaft und Forschung Bedenken zur Berufung der Zweitund der Drittplatzierten geäußert hat.

1992 29.01.: Die FaKo beschließt einstimmig die Einführung eines Curriculum für das einzuführende Fach Sozialanthropologie und gleichzeitig die Einführung des Wahlfachs/Wahlpflichtfachs Sozialanthropologie – Diskussion um die Frage, ob nichtprofessorale Promovierte weiterhin Promotionsvorhaben betreuen dürfen. Beschluss, dass mindestens eine/r von zwei Betreuenden Mitglied der Gruppe der ProfessorInnen sein muss. – Die Aufnahme der Gesundheitswissenschaften als Abteilung der Fakultät und die Umänderung des Namens in »Fakultät für Soziologie und Gesundheitswissen-

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schaften« wird einstimmig bei einer Enthaltung abgelehnt. – Antrag auf Einrichtung eines Graduiertenkollegs Wissenschaftsforschung beschlossen. 18.05.: Die historisch-kritische Georg Simmel-Gesamtausgabe im Suhrkamp-Verlag startet mit »Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung« (zuerst 1908), hg. von Otthein Rammstedt. Prof. Rammstedt und seine Forschungsgruppe geben insgesamt 24 Bände heraus. Neben Rammstedt sind als Herausgeber beteiligt: Michael Behr, Alessandro Cavalli, Heinz-Jürgen Dahme, Gregor Fitzi, David Frisby, Torge Karlsruhen, Klaus Christian Köhnke, Uta Kösser, Rüdiger Kramme, Volkhardt Krech, Hans-Martin Kruckis, Klaus Latzel, Guy Oakes, Christian Papilloud, Angela Rammstedt, Kurt Röttgers, Gert Schmidt. Die Simmel-Forschung zählt über Jahre zu den besonders resonanzkräftigen Forschungsaktivitäten der Fakultät für Soziologie. Der 24. und letzte Band erscheint am 11.09.2016. 01.07.: Zuordnung von Wissenschaftlichen MitarbeiterInnen. Die Dekanin hat gegenüber dem Rektorat erklärt, »daß der Lehrkörper nicht beabsichtige, am derzeitigen Status quo etwas zu ändern und die Zuordnung von wiss. MitarbeiterInnen zu wissenschaftlichen Einheiten und Themengebieten nach wie vor für ausreichend erachtet.« – Der Senat hat den Aufbau einer Fakultät für Gesundheitswissenschaften beschlossen. Allerdings sollen die Gesundheitswissenschaften noch für zwei Jahre in die Fakultät für Soziologie eingebunden sein, also ohne eigene Fakultätskonferenz. 15.07.: Prof. Otthein Rammstedt mit acht Ja- bei sieben Nein-Stimmen zum Dekan gewählt, Nachfolge Müller. – Antrag an das Rektorat auf Wiederzuweisung der Schmidt-Stelle (bisher »Sozialwissenschaft mit dem Schwerpunkt Arbeit«). Die Nachfolge soll auch in der Lehrerausbildung eingesetzt werden. 30.09.: Prof. Gert Schmidt verlässt die Fakultät und folgt einem Ruf an die Uni Erlangen. 26.11.: Gudrun Lachenmann C3-Professur Sozialwissenschaft mit dem Schwerpunkt Frauen in den Entwicklungsländern – bis 28.02.2006. 09.12.: Die FaKo beschließt einstimmig die Auflösung des Praxisschwerpunkts Regional- und Raumplanung.

1993 28.02: Prof. Niklas Luhmann emeritiert – verstorben am 06.11.1998. 01.04.: Start des Graduiertenkollegs »Genese, Struktur und Folgen von Wissenschaft und Technik« am IWT [?]. 28.04.: Fakultät stimmt zu, die bisher im Versuchsstadium laufenden »Frauenstudien« als offizielle Wissenschaftliche Weiterbildung zu etablieren (Initiative ging von der Fakultät für Pädagogik aus).

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15.06.: Verleihung der Ehrendoktorwürde der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum an Franz-Xaver Kaufmann (Pr. 09.06.93.). 10.11.: Bericht zum Projekt »Langzeitstudierende«. Studienverlängerungsfaktoren sind demnach (a) auf der Mikroebene Krankheit, Kindererziehung, Ernährung der Familie, (b) auf der Mesoebene Auf bau des Studiums, Veranstaltungszusammenhänge und Studieninhalte, (c) auf der Makroebene Arbeitsmarktlage und Unklarheit über Berufsziele. 15.11.: »Russisch-Deutsches Zentrum für Sozialwissenschaften« in St. Petersburg gegründet, das die Kontakte und Zusammenarbeit zwischen beiden Fakultäten ausbauen und fördern soll (Pr. 08.12.93). Diese Einrichtung führt zu einem regen Austausch von WissenschaftlerInnen, DozentInnen und Studierenden beider Universitäten.

1994 12.01.: Leibniz-Preis für Prof. Windhoff-Héritier und Prof. Willke – Stiftungsprofessur. Im Zusammenhang mit Komplikationen der Besetzung der Luhmann-Stelle ist die Idee entstanden, eine Stiftungsprofessur im Bereich soziologische Theorie einzurichten. Herr Kaufmann und Frau Knorr-Cetina wollen sich für die Einwerbung von Stiftungsgeldern engagieren. 09.02.: Prof. Schlee wird mit sieben Ja- gegen sechs Nein-Stimmen zum Dekan gewählt, Nachfolge Rammstedt. Schlee verknüpfte seine Wahl mit der Unterstützung der Fakultät für die Einführung eines Magisterstudiengangs Soziologie. Dieses Junktim wurde in der FaKo kritisiert. 04.05.: Die FaKo stimmt dem Kooperationsvertrag mit der Staatsuniversität St. Petersburg einstimmig zu. 18. – 23. 07.: 13. Weltkongress für Soziologie in Bielefeld (Pr. 24.04.91, 20.10.93). An der Initiierung, logistischen Planung und Durchführung besonders beteiligt: die Professoren Grathoff, Storbeck und Weingart. 03.09.: Übertragung von Genehmigungsbefugnissen auf die Rektorate. Das Rektorat kann nunmehr die Einrichtung, Änderung und Aufhebung von Fachbereichen, wiss. Einrichtungen und Betriebseinheiten genehmigen und muss nicht mehr die Genehmigung des Ministeriums einholen (Pr. 19.10.94). 01.10.: Mechthild Oechsle C3-Professur Sozialwissenschaft mit dem Schwerpunkt Berufs- und Arbeitswelt – bis 30.09.2014, verstorben.am 12.03.2018. 01.10.: Rudolf Stichweh C4-Professur Allgemeine Soziologie und Soziologische Theorie – bis 31.08.2003, Nachfolge Luhmann. 18.10.: Das Rektorat hat beschlossen, dass nichtpromovierte MitarbeiterInnen nur eine halbe Stelle übernehmen dürfen (Pr. vom 18.10.95). 23.11.: Projekte und Kooperationsbeziehungen zu St. Petersburg. Tempus-Tacis-Projekt mit dem Ziel der Erneuerung der Sozialwissenschaft in St. Petersburg für drei Jahre bewilligt. Partner sind auch die Universitäten Lissabon und Straßburg. Aktivitäten: Intensive Sprachkurse (russ., deutsch,

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engl.); Entwicklung eines modernen Curriculums unter Berücksichtigung der spezifischen Situation in St. Petersburg; Erprobung des Curriculums über den Austausch von Dozenten und Studenten; Anschaffung von Lehrmitteln (Computer, Bibliothek). – Das Problem eines deutschen Sprachund Kulturimperialismus wird, angestoßen durch die russische Seite, diskutiert

1995 01.02.: Neue Eckdatenverordnung. Im Grundstudium entfällt ein Schein im Bereich der Methodenausbildung. Im Hauptstudium entfällt der zweite Leistungsnachweis des Praxisschwerpunkts. – Fiebiger-Abgabe: Die Stellen Harder (Methoden) und Schöber (Politische Ökonomie) sollen mit einem kw-Vermerk versehen werden. 28.02.: Prof. Hansjürgen Daheim emeritiert. 28.06.: Kooperationsabkommen mit der Technischen Universität Bandung, Indonesien (federführend: Prof. Evers). 18.10.: Prof. Andreß mit elf Ja-Stimmen bei vier Enthaltungen zum neuen Dekan gewählt, Nachfolge Schlee. – Das Ministerium für Wissenschaft und Forschung hat Frau Héritier antragsgemäß einen Sonderurlaub vom 01.09.1995 bis zum 31.08.1999 gewährt. 22.11.: Heinz Harbach Nachfolger für Jürgen Feldhoff im MOE-Programm (St. Petersburg). – Anforderungsprofil von halben Stellen wird eingeschränkt: nur einsemestrige zweistündige Lehrveranstaltung, in der Regel außerhalb curricular definierter zentraler Lehrangebote, Entlastung in der Selbstverwaltung und bei Abhaltung von Prüfungen, in der Regel keine Übertragung »besonderer Dienstleistungen«.

1996 07.02.: Bericht über die Kooperation mit St. Petersburg. – Dem im Frauenförderplan der Universität festgeschriebenen Grundsatz der Frauenförderung werde gegenwärtig nur unzureichend Rechnung getragen, so eine Vertreterin des Mittelbaus 15.05.: Die FaKo verabschiedet eine Liste für die C4-Zeitprofessur Politikwissenschaft. Sie verändert die Reihenfolge der Berufungskommission. 05.06.: Die Promotionsordnung der Fakultät ist vom Ministerium für Wissenschaft und Forschung gebilligt worden. 20.11.: Bericht des Europabeauftragten Heinz Harbach. Er ist zentraler Ansprechpartner in Fragen internationaler Hochschulkooperation. 31.12.: Dr. Dorothea Rumianek (Planungs- und Entscheidungstheorie) geht in Ruhestand.

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1997 15.01.: Der Senat hat am 18.12.1996 die Einrichtung des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung verabschiedet. In der Diskussion moniert der Dekan die Beteiligungsverfahren der Fakultäten, insbesondere der Soziologie. Die FaKo-Mitglieder sprechen sich jedoch für eine Beteiligung der Fakultät aus. – Beratung und Verabschiedung des Curriculums Allgemeine Soziologie. Drei thematische Schwerpunktbereiche: a) Interaktion, Organisation, Gesellschaft – Theorien der Soziologie, b) Interdisziplinäre und kulturelle Einbettung der soziologischen Theorie, c) Funktionssysteme, Selbstbeschreibungen und Kultur. – Bericht über Beantragung des Sonderforschungsbereichs Weltgesellschaft. 31.08.: Prof. Franz-Xaver Kaufmann emeritiert. 01.10.: Prof. Klaus Japp Dekan, Nachfolge Andreß. 12.11.: Prof. Héritier hat ab 01. 10 1998 eine fünfjährige Beurlaubung beantragt, um die Leitung einer Projektgruppe bei der Max-Planck-Gesellschaft zu übernehmen. Das Rektorat stimmt uneingeschränkt zu. Die FaKo befürwortet, die Professur Politikwissenschaft nunmehr unbefristet auszuschreiben (Pr. 20.05.99).

1998 04.02.: »Gruppe 97«: Sie hat sich aus Studierenden und Lehrenden im Anschluss an einen studentischen Streik gebildet hat und befasst sich mit der Entwicklung und Erprobung neuer Lehr- und Lernformen sowie mit der Vorbereitung einer Ringvorlesung im Sommersemester 1998 zum Thema »Universität im 21. Jahrhundert«. – die Ringvorlesung findet statt (Pr. 17.06.98). 01.09.: Hans-Peter Blossfeld C4-Professur Allgemeine Soziologie, insbesondere Theorie und Empirie von Sozialstrukturen und Wirtschaftssystemen – bis 31.08.2002 (Nachfolge Daheim). 01.10.: Prof. Wolfgang Krohn Prorektor für Struktur Planung und Bauangelegenheiten, ab 01. 10. für Organisationsentwicklung – bis 31.07.2006. 09.12.: Dritte Phase des Graduiertenkollegs »Genese, Struktur und Folgen von Wissenschaft und Technik« von der DFG bewilligt. – Verabschiedung des Kooperationsabkommens mit der University of Notre Dame (USA) – Verabschiedung der Studienordnung für das zweite Hauptfach und das Nebenfach Soziologie im Rahmen von Magisterstudienordnungen. – Evaluation der Praxisschwerpunkte beschlossen – Einführung des Studiendekanats beschlossen. Hintergrund: Erweiterung des Aufgabenspektrums durch Überlegungen über gestufte Abschlüsse und Internationalisierung des Studiums: Aufgaben: Vorsitz/Geschäftsführung der Kommission für Lehre und studentische Angelegenheiten, Koordination Prüfungsamt/Prüfungsausschuss, Aufgaben der Curriculums- und Studienreform, Evalua-

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tion und Verbesserung der Lehre. Koordination des Tutoren-Programms und des Programms Qualität der Lehre, Koordination innovativer Lehrund Studienangebote.

1999 03.02.: Die FaKo lehnt die Berufungsliste für die C4-Professur Politikwissenschaft in einem geheim durchgeführten Meinungsbild ab. Die vergleichenden Gutachten sollen abgelehnt werden. Die Gutachter werden gebeten zu überprüfen, ob andere Personen aus dem Kandidatenfeld als listenfähig erscheinen. Der Antrag wird mit sieben Ja-Stimmen, fünf Nein-Stimmen und sechs Enthaltungen angenommen. Die von der Berufungskommission vorgeschlagenen GutachterInnen werden mit einer Ja-Stimme, zehn Nein-Stimmen und sieben Enthaltungen abgelehnt. 01.03.: Birgit Geissler C4-Professur Sozialwissenschaften, ab 15.01.2003 Arbeitssoiologie und Sozialwissenschaften – bis 31.07.2014. 01.05.: Alfons Bora C4-Professur Technikfolgenabschätzung, insbesondere Gentechnikfolgenabschätzung (Pr. 12.05.99). 12.05.: Rudolf Stichweh einstimmig zum Dekan gewählt, Nachfolge Japp. – Die Berufungskommission C4-Professur Politikwissenschaft wie auch die Antagonisten in der FaKo sehen sich durch die vergleichenden Gutachten bestätigt. Die Berufungskommission wird von der FaKo beauftraget, den Berufungsvorschlag erneut zu bearbeiten (elf Ja-, neun Neinstimmen, zwei Enthaltungen). – Prof. Schlee (Ruf als Direktor des Max-Planck-Instituts für Ethnologie in Halle) und Bettina Mann (Dekanatsassistentin) verlassen zu Ende des Semesters die Fakultät. 19.06.: Bologna-Erklärung der europäischen Bildungsminister. Europaweite Harmonisierung von Studiengängen. Einführung von Bachelor und Master, um die internationale Mobilität der Studierenden zu befördern. 23.06.: Prof. Ursula Müller zur ersten Studiendekanin gewählt. – Die Liste C4-Professur Politikwissenschaft wird mit knapper Mehrheit abgelehnt. Damit ist das Berufungsverfahren gescheitert und muss neu gestartet werden. 31.07.: Prof. Karl-Adolf Otto emeritiert (Pr. 23.06.1999). 31.08.: Prof. Richard Grathoff emeritiert – verstorben am 10.11.2013. 01.09.: Lutz Leisering C4-Professur Soziologie der Sozialpolitik (Nachfolge Kaufmann). – Bettina Aust Mitarbeiterin des Prüfungsamts – bis 29.08.2018, Nachfolge Frau Müller. 01.10.: Markus Göbel Dekanatsassistent (Nachfolge Bettina Mann, Pr. 20.10.99). 19.10.: Der geplante, am 18./19. August positiv begutachtete Sonderforschungsbereich »Weltgesellschaft: Strukturwandel des Sozialen unter Globalisierungsbedingungen« wird in der Sitzung des Senatsausschusses der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Angelegenheiten der Sonder-

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forschungsbereiche abgelehnt. Frau Knorr-Cetina berichtet über die Gründe der Entscheidung. Der Senatsausschuss der DFG konnte nur 18 von 30 Anträgen bewilligen. Der SFB »Weltgesellschaft« wurde bei der Begehung nur mit 8:2 Stimmen positiv beurteilt. Der Berichterstatter der DFG habe »auf die eigenartige und außergewöhnliche Gutachtersituation« hingewiesen, besonders den hohen Anteil nichtsoziologischer GutachterInnen. Auch gebe es eine aufgrund der vollständig anderen Gutachterkultur in den Sozialwissenschaften »strukturell schlechtere Bewilligungschancen« für sozialwissenschaftliche SFB-Anträge. Frau Knorr schlägt vor, »einen neuartigen Forschungsschwerpunkt oder ein Institut« zu gründen (Pr. 20. 10.). 20.10.: Qualitätspakt. Im Perspektiventeil wird die strukturelle Stärkung der Politikwissenschaft, »die im Effekt in der Einrichtung eines eigenständigen Studiengangs Politikwissenschaft an der Fakultät für Soziologie kulminieren könnte«, anvisiert, vor allem vom Rektorat. Die Fakultät muss gemäß Qualitätspakt auf zwei Professuren verzichten. In der Diskussion: die Professuren Sozialpsychologie und Planungs- und Entscheidungstheorie. – Auf Initiative von Studentinnen ist ein Projekt zur frauen-initiierten Studienberatung der Soziologie ins Leben gerufen worden u.a. mit Soziologinnensalon. 03.11.: Die FaKo beschließt einmütig, den Forschungsschwerpunkt Zukunft der Arbeit an der Fakultät aufzulösen. Der FSP bestehe aufgrund von Personalwechseln nur noch auf dem Papier – Die FaKo fordert den Dekan einstimmig auf, zur nächsten FaKo einen Satzungsentwurf für ein Institut zur Erforschung der Welt- und Wissensgesellschaft vorzulegen. »Erstes Ziel des Institutes ist es, den nun eine Einzelförderung beantragenden Projekten des Sonderforschungsbereichs sowie weiteren Forschungsprojekten, die zum Thema Weltgesellschaft, Wissensgesellschaft und Globalisierung arbeiten, einen institutionellen Rahmen zu bieten, der der gemeinsamen Forschung und Diskussion dient«. – Für den 10. 11. wird das erste Kolloquium für Lehre geplant. Thema ist die Internationalisierung des Studiums. – Einrichtung von Arbeitsgruppen zu Innovationsperspektiven und –projekten der Fakultät für Soziologie, angestoßen durch den Qualitätspakt: Auf baustudiengang Public Administration (Petra Hiller) und Forschungs- und Praxisschwerpunkt Soziologische Kultur-/Medienanalyse und -theorie (Urs Stäheli). 31.12.: Otto Lüke, erster Verwaltungsleiter der Fakultät, geht in Ruhestand.

2000 01.01.: Volker Weißelbaum neuer Verwaltungsleiter (Nachfolge Otto Lüke) (Pr. 20.10.99, Pr. 12. 01.2000). 12.01.: Bericht aus den Arbeitsgruppen zu den Innovationsprojekten an der Fakultät (zu neuen Studiengängen) – Die FaKo stimmt mit 14 gegen zwei

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Stimmen für die Einrichtung des Instituts für Weltgesellschaft (IW). Gründungsmitglieder aus der Fakultät: Alfons Bora, Karin Knorr-Cetina, Hans-Dieter Evers, Klaus-Peter Japp, Wolfgang Krohn, Lutz Leisering, Rudolf Stichweh, Gunnar Stollberg, Hartmann Tyrell, Peter Weingart. Nichtsoziologen: Werner Abelshauser, Horst-Walter Blanke (Geschichtswissenschaft), Klaus Cachay (Sportwissenschaft, Psychologie). 02.02.: Richtlinien zur Gleichstellung der Geschlechter der Fakultät für Soziologie beschlossen (enthält: Unterstützung von Studentinnen, Wissenschaftlerinnen und Nichtwissenschaftlerinnen, geschlechtsspezifische Lehr und Forschungsinhalte, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen, angemessene Repräsentanz der Geschlechter in der Selbstverwaltung). 26.04.: Liste der Berufungskommission Politikwissenschaft. 14.06.: Nachfolge Evers: Befürchtung, dass durch eine neue Denomination der Evers-Stelle für Osteuropa »eine faktische Umstrukturierung der Praxisschwerpunkte zu Spezialsoziologien eingeleitet wird«. Die FaKo stimmt einstimmig der Verleihung einer apl. Professur Allgemeine Soziologie für Dr. Hartmann Tyrell zu. – Die FaKo beendet nach dem Rücktritt der Vorsitzenden Prof. Knorr-Cetina per Beschluss (zehn Ja-Stimmen, zwei Enthaltungen) die Arbeit der Berufungskommission Qualitative Methoden aufgrund Nichtkonsensfähigkeit und führt das Verfahren selbst weiter. Die Vorgänge verstärken nach außen den Eindruck einer Zerstrittenheit innerhalb der Fakultät der Soziologie (in diesem Sinne der Dekan, Pr. 28.06.2000). 28.06.: Berufungsverfahren C4-Professur Qualitative Methoden. Kontroverse Diskussion. Die FaKo beschließt mit elf Ja-Stimmen bei einer Enthaltung die Fortführung des Verfahrens in der Fakultätskonferenz. 12.07.: Planungs- und Entscheidungstheorie soll als Wahlpflichtfach abgeschafft werden. – Die Fakultät für Soziologie sichert gegenüber dem Rektorat zu, dass sie die Einrichtung eines Studiengangs Politikwissenschaft anstreben wird. Die Fakultät beschließt im Einvernehmen mit Herrn Willke, die Denomination seiner Professur in Staatstheorie und Global Governance umzuwandeln (bislang: Planungs- und Entscheidungstheorie). – Der Dekan wird beauftragt, beim Rektorat einen formellen Antrag auf Zuweisung einer C3-Professur im Bereich Politikwissenschaft zu stellen, die spätestens mit dem Ausscheiden von Herrn Willke im Jahr 2010 der Fakultät zugewiesen werden soll. – Beratungen über den Studiengang Soziologische Kultur-/Medienanalyse/Mediensoziologie. Kontroverse um eine kulturalistische Ausrichtung des Studiengangs. Herr Stäheli, Frau Dannecker und Frau Werner, die den Studiengang entworfen hatten, treten zurück. »Herr Weingart wird damit die Verantwortung für die weitere Ausarbeitung des Medien-Studiengangs (respektive Praxisschwerpunktes) übernehmen …« – Diskussion über die Nachfolge Evers. Ein Teil der FaKo setzt auf Kontinuität, ein anderer Teil schlägt als Denomination Soziologie von Transfor-

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mationsgesellschaften vor. – Strukturfragen der Politikwissenschaft. Das Rektorat erwartet Schritte zu einer deutlichen strukturellen Stärkung der Politikwissenschaft innerhalb der Fakultät. Auch der Erstplatzierte für die C4-Professur Politikwissenschaft sieht »hier die Politikwissenschaft gleichsam nur als Serviceleistung innerhalb der Fakultät strukturell verankert«. 31.07.: Prof. Günther Steinkamp emeritiert. 25.10.: Beratung und Verabschiedung des Gleichstellungsplans der Fakultät. Zwei der vier anstehenden freien Professuren sollen mit Frauen besetzt werden. – Die Rektorin der Staatuniversität St. Petersburg plädiert für einen gemeinsamen Bachelor-Studiengang in St. Petersburg und Bielefeld. – C4-Professur Nachfolge Evers. Das Rektorat erklärt, dass es eine Ausrichtung für einen Osteuropastudiengang nicht unterstützen wird. FaKo-Beschluss: Die ausgeschriebene C4-Professur erhält die Denomination Entwicklungssoziologie und Entwicklungspolitik. – Geplanter Studiengang Master of Public Administration: Unterstützung durch das Rektorat, aber Nachbarfakultäten wie Rechtswissenschaft und Wirtschaftswissenschaft sperren sich gegen curriculare Verpflichtungen. 15.11.: Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Restrukturierung der Praxisschwerpunkte Personal- und Organisationswesen und Öffentliche Verwaltung. Beide Praxisschwerpunkte sollen zusammengelegt werden, durch organisationssoziologische Fragestellungen verklammert. Neben Wirtschaftsunternehmen und Verwaltung sollen z.B. Non-Profit-Organisationen in den neuen Praxisschwerpunkt integriert werden. Die Kernkompetenz der zusammengelegten Praxisschwerpunkte sollte im Bereich der Organisationsberatung liegen und damit das Prinzip der aktiven Professionalisierung kontinuieren. – Die FaKo beschließt eine Berufungsliste für die C4-Professur Qualitative Methoden. 13.12.: Der Dekan teilt mit, dass das Rektorat mit dem Berufungsverfahren C4-Professur Qualitative Methoden nicht einverstanden ist, vor allem wegen eines nicht durchgeführten Vorstellungsgesprächs, das nachzuholen ist.

2001 09.01.: Die nachzuholende Vorstellung findet statt. Die Fakultätskonferenz bestätigt die am 15. 11. beschlossene Berufungsliste mit großer Mehrheit (Pr. 17. 01.). 17.01.: Beratung über Zuordnung der Professur für Bevölkerungswissenschaft nach dem Ausscheiden von Prof. Birg: Soziologie oder Gesundheitswissenschaften? Der Lehrstuhl soll auf sozialwissenschaftliche Demographie mit Schwerpunkt Migration ausgerichtet werden. Begründet unter anderem mit dem Institut für Weltgesellschaft. – »Die Fakultät für Soziologie bereitet zur Zeit einen B.A./M.A.-Studiengang für Politikwissenschaft vor«. – Beratung der neuen Diplomprüfungsordnung der Fakultät.

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14.02.: Die Fakultätskonferenz beschließt, dass die Arbeitsgruppe Politikwissenschaft auf der bisher erarbeiteten Grundlage die Ausarbeitung des BA/ MA-Studiengangs weiter vorantreiben soll (14 Ja-Stimmen, zwei Enthaltungen). Bisher hatte die Fakultätskonferenz noch keine Entscheidung getroffen, welche Art von Studiengang eingeführt werden sollte. Es wurde die Frage nach der Kompatibilität eines BA/MA-Studiengangs Politikwissenschaft mit dem Diplomstudiengang Soziologie aufgeworfen. – Beratung über neue Diplomprüfungsordnung. Einrichtung von »Promotionszentren« geplant. 28.02.: Prof. Hans-Dieter Evers emeritiert (Pr. 14. 02.). 21.03.: Mathias Albert C4-Professur Politikwissenschaft – Nachfolge Heritier. 23.05.: Dekan: WE I (Theorie und Geschichte der Soziologie) ist in hohem Maße von dem Wegfall von Lehrkapazitäten betroffen oder wird in Kürze betroffen sein (Wegfall der Professur Rammstedt, Wegfall der Stelle von Herrn Bock, Reduktion des Lehrdeputats von Herrn Tyrell wg. ZfS), andererseits Steigerung des Lehrbedarfs »insbesondere aufgrund der neuen Einführungsveranstaltung«. – Die FaKo beschießt die Zusammenlegung der Praxisschwerpunkte Arbeit und Organisation sowie Öffentliche Verwaltung zu einem Praxisschwerpunkt Organisation. 06.06.: Die FaKo weist dem PSP Organisation zwei Professuren und zwei Wissenschaftliche Mitarbeiterstellen zu. 09.07.: Prof. Karin Knorr-Cetina verlässt die Fakultät. Sie hat einen Ruf der Uni Konstanz angenommen. 11.07.: Antrag der Fakultät für Soziologie auf Einrichtung einer Niklas-Luhmann-Gastprofessur beschlossen. Sie soll eine theoretische, aber nicht unbedingt systemtheoretische Ausrichtung aufweisen und von dem Rektorat finanziert werden. Das Rektorat unterstützt in einem Gespräch mit dem Dekan am 16. 10. die Pläne der Fakultät (Pr. 24.10.2001). – Antrag des Instituts für Wissenschafts- und Technikforschung auf Neugründung. Die Forschungsfragen sollen anders akzentuiert werden und insbesondere die »Neurelationierung von Wissenschaft und Gesellschaft« in den Fokus rücken. Die FaKo stimmt zu und bittet den Dekan, eine entsprechende Stellungnahme an die Prorektorin für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs abzugeben. – FaKo beschließt Einrichtung eines virtuellen Praxisschwerpunkts Mediensoziologie, der mit Beginn des SS 2002 starten soll. Virtualität heißt, dass der Praxisschwerpunkt sich aus Personen zusammensetzt, die anderen wissenschaftlichen Einheiten zugordnet sind, also ohne weiteren Personalbedarf realisiert werden kann. 31.08.: Prof. Peter Schöber emeritiert (Pr. 11. 07). Die H3-Stelle Politische Ökonomie wird nicht mehr besetzt. 01.09.: Jörg R. Bergmann C4-Professur Methoden der empirischen Sozialforschung mit dem Schwerpunkt der qualitativen Methoden – bis 29.02.2012. 30.09.: Prof. Jürgen Feldhoff emeritiert (Pr. 11. 07.). Die Stelle von Herrn Feldhoff wird nicht mehr besetzt.

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01.10.: Reinhold Hedtke C4-Professur Didaktik der Sozialwissenschaften und Wirtschaftssoziologie. – Joanna Pfaff-Czarnecka C3-Professur Sozialanthropologie – Nachfolge Schlee. (Pr. 14.02.2001). 24.10.: Birgit Geißler einstimmig zur Dekanin gewählt, Nachfolge Stichweh. – FaKo liegt der Entwurf des BA Politikwissenschaft und des MA Politische Kommunikation vor. Der Antrag wird vom Rektorat als vorbildlich bewertet. – Beschluss zur Auflösung der Dokumentations- und Beratungsstelle für Afrika-, Asien- und Lateinamerikaforschung (DBS) (einstimmig bei einer Enthaltung). Die letzten drei Mitarbeiterinnen werden in die Entwicklungssoziologie eingegliedert bzw. arbeiten für das Institut für Weltgesellschaft. 07.11.: Die Fakultätskonferenz der Fakultät für Soziologie beantragt die Einrichtung des BA Politikwissenschaft und des MA Politische Kommunikation (einstimmig). 21.11.: Dr. Axel Groenemeyer einstimmig zum neuen Studiendekan gewählt. Er löst Prof. Ursula Müller ab. – Diskussion um Nachfolge Krahn. Die ausgeschriebene C3-Professur für Organisationssoziologie erscheint manchen als zu theoretisch. 12.12.: Diskussion über das verabschiedete, aber noch nicht in Kraft getretene fünfte HRG-Änderungsgesetz, das nur noch befristete Verträge von insgesamt zwölf Jahren zulässt und damit insbesondere den wissenschaftlichen Nachwuchs trifft. – Bericht über Promotionszentrum. Verabschiedung der neuen Promotionsordnung (Pr. 16.01.2002). – Beratung über die Einführung des BA/MA in den Lehramtsstudiengängen. Hintergrund: Die Universität Bielefeld hat sich dazu entschlossen, an dem Modellversuch zur Einführung von BA-/MA-Lehramtsstudiengängen teilzunehmen und einen entsprechenden Antrag beim Ministerium zu stellen. Die Dekanin befürwortet die Teilnahme u.a. mit dem Argument, mit BA-Abschlüssen das Problem der Studienabbrüche auffangen zu können.

2002 16.01.: Förderung eines internationalen Promotionsstudiengangs durch DAAD und DFG von der Fakultät beantragt. 06.02.: Inzwischen liegt die Bewilligung für den Promotionsstudiengang vor, der mit 250.000 Euro in den nächsten drei Jahren von DFG und DAAD gefördert werden soll. Veränderte Promotionsordnung, die nun eine verbindliche Beteiligung aller Promovierenden an dem Promotionsstudiengang vorsieht. In der Diskussion Einwände. Ausnahmen sollen möglich sein. Antrag geht an das Rektorat ab, weil Eile geboten ist. Die Geldgeber erwarten einen Beginn zum Sommersemester. – Die FaKo beschließt einstimmig, dass in der vorlesungsfreien Zeit die Grundzüge eines BA-Studiengangs Sozialwissenschaften erarbeitet werden sollen (Frau Geissler, Herr Stollberg, Herr Jacke). – Auflösung der Fakultät für Theologie, Geo-

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graphie, Kunst, Musik (TGKM). Die Stellen Prof. Braun und Prof. Mai werden der Soziologie zugeordnet (ab 01. 10.). Auch Frau Prof. Oechsle wird korporationsrechtlich der Fakultät für Soziologie zugeordnet (WE Arbeit und Organisation) (Pr. 08.05.2002). 08.05.: »Die Dekanin weist auf das erfolgreiche Abschneiden der Fakultät für Soziologie beim Stern/CHE Hochschulranking hin«. – »Herr Bergmann […] hebt in diesem Zusammenhang hervor, daß das Renommee der Fakultät für Soziologie bei externen Soziologinnen und Soziologen sehr hoch ist«. – Verabschiedung der Prüfungsordnung des BA Politikwissenschaft mit sechs Ja- gegen eine Nein-Stimme bei sieben Enthaltungen. Vorher Ablehnung eines Antrags von Herrn Groenemeyer, die Prüfungsordnung mit dem Ziel der Reduktion der Arbeits- und Prüfungsbelastung zu überarbeiten (fünf Ja-Stimmen, sechs Nein-Stimmen, drei Enthaltungen). Die Verschulung des Studiengangs wird kritisiert. Die Dekanin entgegnet, die Freiheiten des Diplom-Studiums würden zu stark idealisiert. – Beratung und Verabschiedung der neuen Promotionsordnung der Fakultät für Soziologie. »Promovierende nehmen demnach an dem Studiengang des Internationalen Promotionsstudiengangs obligatorisch teil, über Ausnahmen entscheidet der Vorstand des Internationalen Promotionsstudiengangs«. – Die WE IV »Politik und Verwaltung« wird in »WE Politikwissenschaft« umbenannt. – Die Professur Leisering samt Mitarbeiterstab wird auf Antrag des Stelleninhabers der WE Politikwissenschaft zugeordnet. 05.06.: Die FaKo befürwortet einstimmig die Weiterführung des Interdisziplinären Frauenforschungszentrums. – Beratung über Mentorenprogramm – FaKo-Beschluss: a) die Studiengänge Sozialwissenschaften (Sek. I, Sek. II) sowie Soziologie Magister Nebenfach werden aufgehoben und letztmalig im Sommersemester 2002 angeboten, b) ab dem Wintersemester 2002/03 wird der Studiengang BA Politikwissenschaft neu eingeführt, c) im Zusammenhang mit dem Modellversuch konsekutive Lehrerausbildung wird der BA Sozialwissenschaften eingeführt (Kern- und Nebenfach), d) im WS 2003/04 wird der MA Politische Kommunikation neu eingeführt. Welche Relation zwischen BA-Studiengang Sowi und Diplomstudiengang? Andreß: Es soll klargestellt werden, dass der Diplomstudiengang das Zentrum der Fakultät bildet. Der Prorektor für Lehre, Prof. Sagerer, betont, dass mit der Einführung der konsekutiven Lehramtsstudiengänge nicht eine Umstellung aller Studiengänge auf ein konsekutives Modell impliziert ist. Er stellt klar, dass über die Einführung konsekutiver Studiengänge als Substitut für Diplomstudiengänge nur die Fakultät entscheidet. – Die Studienordnung BA Politikwissenschaft wird mit neun Ja-Stimmen bei zwei Enthaltungen angenommen. 03.07.: Es gab einen »Beschluss zur Nichtantastung des Diplomstudiengangs«. – Die FaKo befürwortet die Einrichtung eines interdisziplinären MA-Studiengangs Medienwissenschaften unter Beteiligung der Fakultäten Linguistik und Literaturwissenschaften, Soziologie, Pädagogik sowie der

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Technischen Fakultät. – Ein virtueller Praxisschwerpunkt Medien war bereits gegründet worden und soll einen substantiellen Beitrag für den neuen Studiengang leisten. – Frau Geissler einstimmig zur Dekanin gewählt. Die erneute Wahl wurde aus formalen Gründen (neues Universitätsgesetz) notwendig. 30.09.: Prof. Blossfeld verlässt die Fakultät und folgt einem Ruf der Uni Bamberg. 01.10.: Start des BA-Studiengangs Politikwissenschaften. – Reinhold Hedtke C4-Professur Didaktik der Sozialwissenschaften und Wirtschaftssoziologie. 30.10.: Die Dekanin teilt mit, dass die DFG das Graduiertenkolleg »Weltbegriffe und globale Strukturmuster« genehmigt hat. – Die Fakultätskonferenz beschließt, dass die Geschichte der Soziologie im Rahmen des Lehrangebots der WE I weiterhin als eigenständiges Fach vertreten werden soll. »Über die stellenmäßige Deckung wird im Rahmen der Struktur- und Personalplanung im Laufe des Wintersemesters entschieden.« 21.11.: Katrin Zarafshani (später: Katrin Kuhlmann) neue Verwaltungsleiterin (Nachfolge Volker Weisselbaum) (Pr 04. 12.). 04.12.: Graduiertenkolleg »Weltbegriffe und globale Strukturmuster« wird mit 735.000 Euro finanziert. – Die Fakultätskonferenz beschließt einmütig die Schaffung einer entfristeten Wissenschaftlichen Mitarbeiterstelle zum Wintersemester 2003/04 für den Lehrbereich Geschichte der Soziologie. Die Fakultät will damit den Wegfall der Professur für diesen Bereich zumindest quantitativ kompensieren. Das Rektorat möchte jedoch für die Besetzung einer entfristeten Stelle die neuen Professoren im Bereich der WE I beteiligt wissen, bis dahin sei die Stelle befristet zu besetzen (Pr. 07.05.2003). – Die Fakultät beschließt, das Institut für Weltgesellschaft mit 20.000 Euro zu finanzieren.

2003 15.01.: Prüfungs- und Studienordnung des MA Politische Kommunikation werden verabschiedet (neun Ja-Stimmen, vier Enthaltungen) – Prof. Héritier bis 2007 beurlaubt. – Studienordnung der IGSS verabschiedet. 05.02.: Pläne zur Gründung des Zentrums für Deutsch-Europäische Studien (ZDES) an der Staatsuniversität St. Petersburg. Vertragstext schon weitgehend ausgearbeitet. – Kontroverse Diskussion über Professuren für Mediensoziologie, Organisationssoziologie und Sozialpsychologie. Nur zwei dieser Stellen können realisiert werden. 28.02.: Prof. Otthein Rammstedt emeritiert. 01.04.: Start des BA-Studiengangs Sozialwissenschaften. 07.05.: Sabine Beiderwieden als Sachbearbeiterin im Prüfungsamt eingestellt – Beschluss: Die C4-Stelle für qualitative Methoden soll aus der im März 2005 freiwerdenden Stelle (C4) Dammann gewonnen werden. Zugleich beschließt die Fakultätskonferenz, die mit der möglichen Besetzung einer

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C4-Professur Methoden freiwerdende C3-Stelle mit einer Denomination für Organisationssoziologie auszuschreiben und die freiwerdende C4-Stelle Sozialpsychologie zum WS 2005/06 als C4-Pofessur für Mediensoziologie auszuschreiben – Bericht der Gleichstellungskommission zu den Studiensituationen von Promovierenden an der Fakultät für Soziologie. 11.06.: Es gibt noch immer eine Diskussion über die Studienordnung für den Diplomstudiengang. – Die Fakultätskonferenz beschließt, dass das Studium des BA Sozialwissenschaft nur zum Wintersemester eines Studienjahres aufgenommen werden kann. 09.07.: Berufungsverfahren C4-Professur Entwicklungssoziologie (Nachfolge Evers) gescheitert. Der Erstplatzierte lehnt das Rufangebot ab, weil das Finanzministerium NRW ihn nur als Angestellten berufen wollte. Auch der Zweitplatzierte verzichtet. – Die Fachschaft Sowi-Powi hat eine Unterschriftenliste der Studierenden organisiert, die 111 von 140 unterschrieben. »Der normale Student hat demnach innerhalb von fünf Tagen fünf Klausuren zu schreiben. Zusätzlich müssen außerdem in dem gleichen Zeitfenster Hausarbeiten abgegeben werden«. – Ausschreibungstext Professur (C4) für Allgemeine Soziologie/Soziologische Theorie. Da Frau Heintz den Ruf auf die C4-Stelle Allgemeine Soziologie und soziologische Theorie angenommen hat, soll die zweite Theorieprofessur systemtheoretisch besetzt werden. – Ausschreibungstext für C4-Professur Mediensoziologie. – Neue Diplom-Studienordnung einmütig beschlossen. Sie passt die Studienordnung dem NRW-Hochschulgesetz vom 14.03.2000 an. – Einrichtung einer WE Medien von der FaKo beschlossen (WE IX). 31.08.: Prof. Rudolf Stichweh verlässt die Fakultät und folgt einem Ruf der Universität Luzern (Pr. 07. 05.). 30.09.: Prof. Andreß verlässt die Fakultät und folgt einem Ruf der Universität zu Köln. Ein C4-Bleibeangebot hat er abgelehnt. 22.10.: Wahl von Matthias Albert zum Dekan (neun Ja-Stimmen, vier Enthaltungen, Nachfolge Geissler). »Er kündigt an, daß er den Umbau des Diplomstudiengangs in ein konsekutives Studienmodell einleiten wird […]« – Antrag auf Entfristung der Dekanatsassistentenstelle vom Rektorat negativ beschieden. Nur Verlängerung bis zum 28.02.2005. – Eindeutige Spitzenposition der Fakultät bei der Forschung (mit Indikator Drittmittel pro Wissenschaftler). – Akkreditierung des BA Politikwissenschaft wird gebunden an die Schaffung einer weiteren Professur für den Kernbereich der Politikwissenschaft für das Jahr 2005/2006 (auch Pr. 05. 11.) – Berufungsliste C3-Professur Organisationssoziologie im Senat gescheitert. Die Stelle muss neu ausgeschrieben werden. im Oktober: Petra Frank Dekanatssekretärin. – Hochschulkonzept 2010 des Wissenschaftsministeriums. Es sollen Konzentrationsprozesse forciert und unterausgelastete Bereiche stellenmäßig verkleinert werden. Nach Erlass des Ministeriums müssen alle Fachbereiche eine Konzeption ihres Profils und ihrer geplanten zukünftigen Entwicklung vorstellen (Pr. 22. 10.).

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05.11.: Beratungen über das Hochschulkonzept 2010. – Geringe Auslastungsund Absolventenrate problematisiert. »In der Diskussion stabilisierte sich ein einheitlicher Konsens, daß der Diplomstudiengang Soziologie in ein konsekutives Studienmodell umgebaut werden muss.« Möglichst nur einen Master-Abschluss, evtl. Re-Integration des Masters Politische Kommunikation. Frage, wie die alte Struktur der Praxisschwerpunkte in die BA/MA Struktur einfließen kann. Die drei zukünftigen BA-Studiengänge (Soziologie, Sozialwissenschaften, Politikwissenschaft) sollen »keine autonomen Säulen« bilden, sondern der Übergang zwischen den Studiengängen soll erleichtert werden. – FaKo-Beschluss, dass die Lachenmann-Professur für die Politikwissenschaft umgewidmet werden soll, sofern sich keine andere (externe) Lösung findet. 10.11.: Gespräch mit dem Rektorat. Es geht vor allem um Forschung an der Fakultät, insbesondere die angestrebten Schwerpunktbildungen in den Bereichen Mediensoziologie, Organisationssoziologie und Weltgesellschaft/ Globalisierung (Pr. 19. 11.). 19.11.: Das Interdisziplinäre Frauenforschungszentrum (IFF) vom Senat für weitere acht Jahre gefördert. Das IFF erbringt nach Aussage von Frau Müller ca. 20 Prozent aller der Fakultät zugerechneten Drittmittel. – Beschluss Gleichstellungsplan: Bis 2006 sind zwei C4-Professuren und zwei C3-Professuren mit Frauen zu besetzen (einstimmig). – Verabschiedung der neuen Fakultätsordnung.

2004 01.01.: Torsten Strulik Heisenbergstipendiat (Pr. 22. 10.). 29.02: Prof. Herwig Birg emeritiert. 01.04.: Bettina Heintz C4-Professur Allgemeine Soziologie und Soziologische Theorie – bis 31.03.2013, Nachfolge Knorr-Cetina. 28.01.: Beratung und Verabschiedung der Prüfungsordnung und der Studienordnung für den MA Politische Kommunikation. – Die Fakultät für Soziologie befürwortet den geplanten interdisziplinären Master-Studiengang »History, Philosophy and Sociology of Science« (am IWT) und ist bereit, sich zu beteiligen. – Mit dem Bericht des Dekans an die Hochschulleitung und das Ministerium hat sich die Fakultät dazu entschlossen, den Diplomstudiengang Soziologie in ein konsekutives Studienmodell umzubauen. Es soll nunmehr eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, die diesen Umbau vorantreiben soll. 05.05.: Das Rektorat plant, den Anteil der Zentralverwaltung am Gesamthaushalt zu erhöhen, weil nur dadurch eine Handlungsfähigkeit des Rektorates erhalten bleibe. Daher muss nach Einsparmöglichkeiten bei den Fakultäten gesucht werden. – Hochschulreformweiterentwicklungsgesetz. Hierzu gehört, dass der Dienstvorgesetzte von Wissenschaftlern nicht mehr das Ministerium, sondern der Rektor ist, der auch die Berufungen ausspricht.

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– Letztmalig können im SS 2006 Einschreibungen in Diplomstudiengänge vorgenommen werden. – Mechthild Oechsle zur neuen Studiendekanin gewählt, Nachfolge Groenemeyer. 30.06.: Kontroverse Diskussion um Professur Soziologische Theorie. Eine Liste ist beschlossen, aber Sondervoten werden angekündigt. Der Prodekan kündigt an, dem Dekan die Nichteinreichung der Liste zu empfehlen sowie das Rektorat zu informieren. 21.07.: Prof. Lutz Leisering einstimmig zum Dekan gewählt, Nachfolge Albert. – Bericht der Arbeitsgruppe Studienreform. Die grundlegende Struktur ist so konzipiert, dass Grundlagenmodule, Auf baumodule und Spezialisierungsmodule unterschieden werden. Die Relation zwischen Auf bau- und Spezialisierungsmodulen ist noch nicht geklärt. Strukturen des Diplomstudiengangs sollen in das BA-/MA-Modell übernommen werden. So werden die alten PSP als Spezialisierungsmodule konzipiert. Das Wahlelement wird gegenüber dem Diplomstudiengang zurücktreten. Beschluss: 1. Die Fakultät für Soziologie strebt die Aufnahme des Studienbetriebs für den BA Soziologie zum Wintersemester 2005/06 an. Sie strebt außerdem an, das Akkreditierungsverfahren für diesen Studiengang bis Ende September 2005 abzuschließen. 2. Die Fakultät strebt an, den BA Soziologie als einen Ein-Fach BA einzurichten (einstimmig angenommen). – Berufungskommission Soziologie/Soziologische Theorie wird aufgelöst, eine neue Kommission eingesetzt. 13.09.: Start des MA-Studiengangs Studies in European Societies in St. Petersburg, der von der Bielefelder Fakultät für Soziologie mitgetragen wird (Pr.20.10.2004). 01.10.: Martin Diewald C4-Professur Sozialstrukturanalyse und Wirtschaftssoziologie, Lebenslauf und soziale Netzwerke, Bildung – Nachfolge Blossfeld. – Veronika Tacke C3-Professur Organisationssoziologie – Nachfolge Krahn [?]. – Werner Hennings, apl. Prof. Geografie, zuvor Mitglied des Oberstufenkollegs, nunmehr Mitglied der Fakultät für Soziologie und der WE VIII (Entwicklungssoziologie, Sozialanthropologie) (Pr. 20. 10.). 14.10.: Thomas Faist C4-Professur Entwicklungssoziologie und Entwicklungspolitik, (später: Transnationale Beziehungen, Entwicklungs- und Migrationssozologie). – Nachfolge Evers [?]. 20.10.: Einstimmige Neuwahl von Lutz Leisering zum Dekan, notwendig geworden durch einen Formfehler. – Der Dekan teilt mit, dass die Verhandlung mit Herrn Hedtke über die Position als deutscher Direktor des Zentrums für Deutsch-Europäische Studien (ZDES) erfolgreich abgeschlossen wurden. – Die FaKo befürwortet die vorliegende Studienordnung und Prüfungsordnung für den MA History, Philosophy and Sociology of Science. – Die Fakultätskonferenz erklärt die Arbeit der Arbeitsgruppe BA/MA für beendet und beauftragt die Strukturkommission mit der Konzeption der Studiengänge sowie der Vorbereitung des Akkreditierungsantrags. Ein

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zentrales Problem für die Arbeitsgruppe war die Koordinierung der drei BA-Studiengänge der Fakultät. 22.10.: Jost Reinecke C3-Professur Quantitative Methoden der empirischen Sozialforschung, Nachfolge Andreß. 15.12.: Beratungen über Grundstruktur des BA/MA Soziologie. Arbeitsgruppe geleitet von Prof. Wolfgang Krohn. Die einzelnen Module werden vorgestellt. – Beratung des ersten Entwurfs des interdisziplinären Master-Studiengangs Gender Studies, der von den Fakultäten für Soziologie, Gesundheitswissenschaft, Pädagogik und Geschichtswissenschaft getragen werden soll. Eine Entscheidung soll erst nach Verabschiedung einer Grundstruktur für den BA Soziologie herbeigeführt werden.

2005 26.01.: PD Dr. Jürgen Flöthmann, langjähriger Mitarbeiter von Prof. Birg, wird der Fakultät für Gesundheitswissenschaften zugeordnet. Damit verschwindet nach einer Übergangszeit von vier Jahren das Fach Bevölkerungswissenschaft aus der Fakultät. – Die Fakultätskonferenz beschließt, den BA Soziologie ausschließlich mit einem internen Nebenfach zu konzipieren (10 Ja-, 2 Neinstimmen). 09.03.: Verabschiedung des integrierten Akkreditierungsantrages für den BA Soziologie und den BA Sozialwissenschaften. 01.04.: Tilmann Sutter W3-Professur Mediensoziologie. 27.04.: Die FaKo beschließt, Sozialpsychologie und Bevölkerungswissenschaft als Ergänzungsfächer des Diplomstudiengangs nicht weiter anzubieten. 15.05.: Harrison C. White erster Luhmann-Gastprofessor. 16.06.: Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder beschlossen. 20.07.: Antrag auf eine Graduiertenschule der Fakultäten Soziologie und Geschichtswissenschaft im Rahmen der Exzellenzinitiative. – Rektorat möchte sich stärker an Berufungsverfahren beteiligen, z.B. durch internationale Experten und bei der Zusammensetzung der Liste. Die FaKo beschließt dazu: In der Phase der Absprachen zwischen Fakultät und Rektorat im Vorfeld sei auch Beteiligung internationaler Wissenschaftler möglich. »Nach diesen Absprachen und Beratungen durch externe Wissenschaftler und der Freigabe der Stelle gehöre das Berufungsverfahren jedoch in die Fakultät, also ohne weitere Beteiligung des Rektorates und externer Wissenschaftler/Experten« (elf Ja-Stimmen, eine Enthaltung). – Fächerspezifische Bestimmungen des Master of Education einstimmig verabschiedet. – Beratungen zur Integration einer neu einzurichtenden Professur für Hochschulforschung. FaKo-Beschluss, dass die Professur für Hochschulforschung am IWT korporationsrechtlich an die Fakultät für Soziologie angebunden werden soll. – Beratung und Diskussion zu Master Studiengängen an der Fakultät (MA Soziologie, MA Gender). – Die FaKo stimmt der Entfristung der Mitarbeiterstellen EDV (Robert Glowienka) und Dekanats-

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assistenz (Markus Göbel) zu. Die Stelle der Dekanatsassistenz soll zu einer Dekanatsassistenz/Wissenschaftsmanagementstelle umgebaut werden. Titel nunmehr: Fakultätsreferent. 31.07.: Prof. Hans D. Mummendey emeritiert. 01.10.: Susanne Kerstin Schmidt C2-Professur Politische Wissenschaft – bis 31.08.2006. 01.10.: Verbindliche elektronische Anmeldung für Lehrveranstaltungen eingeführt (Pr. 27.04.2005). – Silvia Herb neue Fachreferentin für Soziologie an der Universitätsbibliothek, Nachfolge v. Bieberstein. – Beratung zur Studiensituation an der Fakultät für Soziologie. Hauptstudiumsveranstaltungen Diplom teilweise überfüllt. Veranstalter nutzen angeblich eKVV-Anmeldung, um Studierende auszuschließen. Von Lehrenden würden Fehlinformationen verbreitet. Zu wenige Lehrforschungen. 26.10.: »Der Dekan berichtet über das hervorragende Abschneiden der Fakultät im Focusranking, in dem die Fakultät für Soziologie wieder mit großem Abstand auf Platz eins platziert ist«. – Prof. Alfons Bora einstimmig zum Dekan gewählt, Nachfolge Leisering. 30.11.: Elf Berufungs- und Bleibeverhandlungen. Maßnahmen des Dekans, um den Haushalt auszugleichen u.a. fakultätsinterne Stellensperren, kein Spielraum bei Berufungs- und Bleibeverhandlungen. – Akkreditierungsantrag, Modulhandbuch und fächerspezifische Bestimmungen für den MA Soziologie einstimmig verabschiedet. Voraussichtlicher Start: WS 2007/08. – Akkreditierungsantrag, Modulhandbuch und fächerspezifische Bestimmungen für den MA Gender Studies einstimmig verabschiedet. Voraussichtlicher Start: WS 2007/08.

2006 01.01.: Einführung des Globalhaushaltes, d.h., die Fakultät muss nun auch die Mittel für Personal autonom bewirtschaften. Das steigert die Verantwortlichkeiten der Fakultät, v.a. aber die Haushaltsrisiken. Die Fakultät kann nicht mit einer 100-prozentigen Deckung der effektiven Kosten des Personals rechnen (Pr. 30.11.2005). 18.01.: Die Fakultät verfügt laut Dekan über ein Gesamtvolumen von 77,25 Stellen von C4-Professuren bis zu BAT VIb/VII-Stellen. Unterdeckung des Personalbudgets zwischen 219.000 und 420.000 Euro erwartet. Noch einmal Überlegungen, wie der Haushalt stabilisiert werden kann. Drei bis sechs Stellen müssen gestrichen werden, Professorenstellen sind kein Tabu. – Dekan: Aufgrund der personalpolitischen Entscheidungen der Fakultätskonferenzen in den letzten Jahren ist es zu einer vollständigen Handlungsunfähigkeit des Dekanats gekommen, die darüber hinaus zu Stellenkreditierung durch das Rektorat geführt hat. Leitlinie: C4-/W3-Stellen wird eine ganze, C3-/W2-Stellen eine halbe Stelle zugeordnet. – Beschluss: Die Fakultät für Soziologie beteiligt sich im Rahmen des Lehrangebots MA

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Soziologie an dem MA-Studiengang Interamerikanische Studien (einstimmig). 02./03.02.: Evaluation der Fakultät. Die Gutachter (Vobruba, Nullmeier, Nassehi), so berichtet der Dekan laut FaKo-Protokoll, »haben insbesondere drei Akzente gesetzt. Erstens haben sie dafür plädiert, dass das Dekanat professionalisiert wird, d.h. die Dekane länger im Amt bleiben. Außerdem bestehe aufgrund der Größe der Fakultät das Risiko der Desintegration. Zweitens haben die Gutachter im Hinblick auf die Lehre betont, dass die Fakultät ihre Kernkompetenz (Ausbildung im BA/MA Soziologie) nicht aus dem Auge verlieren und nicht zu heterogen werden darf. Bielefeld habe eine besondere Verantwortung für die Soziologieausbildung in der Bundesrepublik. Drittens hoben die Gutachter ein beeindruckendes Drittmittelaufkommen hervor, betonten aber auch in diesem Kontext die drohenden Desintegrationspotentiale. Darüber hinaus betonten die Gutachter, dass die Fakultät aufgrund ihres Potentials einen SFB beantragen sollte.« (Pr. 08. 02., vgl. auch Pr.26. 04.). – Ein Gespräch mit dem Rektorat hat ergeben, dass dieses die finanzielle Lage der Fakultät ähnlich sieht wie der Dekan, aber die Fakultät müsse ihre Probleme selbst weitgehend ohne Zuwendungen des Rektorats lösen. 08.02.: »Hochschulfreiheitsgesetz« für NRW geplant. Die Universitäten sollen Körperschaften öffentlichen Rechts und wirtschaftlich autonom werden. Die Aufsicht über die Hochschulleitung soll künftig von einem Hochschulrat durchgeführt werden. Die Möglichkeit der Einrichtung eines hauptamtlichen Dekanats ist vorgesehen. In der Diskussion wird die Befürchtung geäußert, »daß die Planungen des Hochschulfreiheitsgesetzes dramatisch dazu führen werden, Universitäten in Wirtschaftsunternehmen zu verwandeln«. – Das Rektorat hat die Gründung der Organisationseinheit »Bielefeld Center for Social and Political Studies« beschlossen. Die Einrichtung soll Synergieeffekte zwischen mehreren Fakultäten bewirken, aber auch die Position der geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer universitätsintern stärken. Die internationale Sichtbarkeit soll verbessert werden. (vgl. auch Pr. 26. 04.). – Die FaKo beschließt einstimmig, mit elf Ja-Stimmen, an Prof. John W. Meyer die Ehrendoktorwürde zu verleihen. 31.03.: Prof. Gudrun Lachenmann geht in Ruhestand (Pr. 08. 02.). 01.04.: André Kieserling W3-Professur für Allgemeine Soziologie/Soziologische Theorie – Nachfolge Stichweh. 18.04.: John W. Meyer Luhmann-Gastprofessor. 07.06.: Berufungslisten Hochschulforschung und Didaktik verabschiedet. – Beratungen über »Zielvereinbarungen III« mit Rektorat. Themen: Mögliche Probleme des IW, die Erwartbarkeit eines SFB-Antrags innerhalb der nächsten zwei Jahre, der Status der Politikwissenschaft an der Fakultät. – Die Gesamteinsparung der Fakultät beträgt für 2006 ca. 225.000 Euro bei einem Bruttobedarf von ca. 4,4 Mio. Euro. 31.07.: Prof. Wolfgang Krohn geht in Ruhestand.

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21.12.: Volker Kruse apl. Professur Geschichte der Soziologie/Soziologische Theorie (Pr. 17. 01.).

2007 01.01.: Das Hochschulfreiheitsgesetz NRW tritt in Kraft (vgl. Pr. 08. 12.). 17.01.: Prof. Heinrich Schäfer (Abt. Theologie der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie) wird als Mitglied der Fakultät für Soziologie (zusätzlich) einstimmig kooptiert. – Beratung einer zukünftigen Struktur des Instituts für Weltgesellschaft: Programmatik, Organisationsform. Verabschiedung einer neuen Verwaltungs- und Benutzungsordnung. – Information und Beratung zur Haushaltssituation der Fakultät, Personalbudget, Sachmittelhaushalt. – Herr Diewald berichtet über Planungen eines SFB – In der Sitzung der Studiengangsbeauftragten gab es einen relativ breiten Konsens, dass ein integrierter BA geschaffen werden soll, der die Vielzahl von BA-Studiengängen reduziert. Dieser integrierte BA soll als mittelfristiges Ziel realisiert werden, da das komplexe Lehrangebot der Fakultät als nicht stimmig angesehen wird. – Beschluss, dass nur noch zwei Fachmodule (statt drei) studiert werden sollen. – Im Anschluss an die FaKo konstituiert sich eine AG zur Studienreform mit folgenden Aufgaben: (1) Sie soll beschlossene Rationalisierungen zur Reform des BA Soziologie technisch umsetzen. (2) Sie soll die Lehrforschung stärken. (3) Sie soll die Möglichkeiten eines integrierten BA an der Fakultät für Soziologie prüfen. Außerdem soll für das Kernfach Soziologie ein externes Nebenfachstudium zugelassen werden. 01.03.: Birgit Weber C2-Professur Didaktik der Sozialwissenschaften (Pr. 25. 04.) – bis 31.03.2011. 26.03.: Begehung des unter der Leitung von Bettina Heintz beantragten Graduiertenkollegs Weltgesellschaft. Das Votum der Gutachter war außerordentlich positiv, so dass die Fakultät mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Verlängerung des Graduiertenkollegs um weitere 4,5 Jahre ausgehen könne (Pr. 04. 04.). 01.04.: Michael Huber W2-Professur Hochschulforschung, später: Hochschulforschung/Soziologie der Regulierung. 04.04.: Ergänzende Regelungen zum Praktikum im BA. Das Praktikum ist im Regelfall nach dem dritten Semester zu absolvieren. Es enthält in der Regel ein befristetes Ausbildungsverhältnis zwischen einer Studierendenperson und einer Einrichtung, z.B. in Unternehmen, Verwaltungen, Einrichtungen der Sozialen Hilfe, Parteien, Verbänden, internationalen Organisationen, gemeinnützigen Vereinen. Es soll einem Umfang von acht Wochen Vollzeittätigkeit entsprechen. Der/die Studierende muss einen Praktikumsbericht im Umfang von zehn bis 20 Seiten liefern. – Budgetzusammenfassung 2007 (Personal): Auszahlung Personalbudget ohne Zulagen: ca. 3,97 Mio. Bedarfsbudget: ca. 4,09 Mio. Aus Studiengebühren sollen 3,5

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Stellen mit besonderen Lehraufgaben geschaffen werden. – Noch einmal Verabschiedung einer neuen Verwaltungs- und Benutzungsordnung für das IW (wg. Einwendungen und Änderungsvorschlägen aus dem Rektorat). Einstimmig. – Konzept eines integrierten BA vorgestellt, erarbeitet von Frau Geissler, Herr Faist, Frau Piel (Mittelbau) und Frau Dittrich (Studentin). Demnach 1. Studienjahr mit fachübergreifender Basis. 2. Studienjahr Fachstudium. 3. Studienjahr Vertiefungsstudium. – FaKo einverstanden und bittet um Fortführung. 16.04.: Stefan Kühl W3-Professur Organisationssoziologie – Nachfolge Dam­ mann (Pr. 25. 04.). 22.04.: Nils Brunsson Niklas-Luhmann-Gastprofessor (Pr. 04. 04.). 23.05.: Beschluss: Die Fakultätskonferenz befürwortet die Kontinuierung des ZDES unter den von der Strukturkommission empfohlenen Bedingungen und befürwortet ebenfalls die Einrichtung einer Juniorprofessur, die das Direktorium des ZDES übernehmen soll (einstimmig). – Beratung über die Denomination der Nachfolge Albrecht mit vielen Vorschlägen. 20.06.: »Der Dekan teilt mit, dass im diesjährigen Focusranking die Fakultät mit weitem Abstand auf Platz eins platziert wurde« – AG BA: Kritik der WE I (Theorien) an mangelnder Einbindung, Entfachlichung des Studiums, reduzierter Fachausbildung. 05.09.: Hochschulpakt 2020. Er stellt Mittel von Bund und Ländern bereit, um den Zuwachs an Studierenden zu bewältigen und die Chancen des wissenschaftlichen Nachwuchses zu erhöhen (Bundesanzeiger Nr. 171 vom 12. September 2007). Für die Fakultät für Soziologie ergibt sich daraus eine »Hochschulpakt 2020-Professur« (Pr. 21.05.2008). 01.10.: Start des MA-Studiengangs Soziologie und des MA-Studiengangs Gender Studies. 24.10.: Prof. Reinhold Hedtke als Dekan gewählt (elf Ja-Stimmen, eine Enthaltung), Nachfolge Bora. Programmatik: Zentral ist die Beantragung eines Sonderforschungsbereichs für die Fakultät. Die Haushaltskonsolidierungspolitik soll fortgesetzt werden. Die Qualität der Lehre in der Fakultät müsse als Thema aufgewertet werden. Unterstützung für Vorschläge der Verwaltungsvereinfachung. – Prof. Bora als scheidender Dekan hebt rückblickend hervor, dass »eine der beeindruckendsten Erfahrungen darin bestand, dass sich im Laufe der zwei Jahre ausnahmslos alle Mitglieder der Fakultät irgendwann als Peripherie der Organisation verstanden haben.« Das mag, so Herr Bora, auch an der Größe der Fakultät liegen, und er bitte um Nachsicht dafür, dass nicht alle Interessen zu jedem Zeitpunkt gleich behandelt werden können. – Die Fakultätskonferenz beschließt, dass nach der Entscheidung über die aktuelle Verlängerung der Professur Albrecht alle weiteren Anträge auf Verlängerung der Dienstzeit nicht befürwortet werden. 07.11.: Prof. Joanna Pfaff-Czarnecka Prorektorin für Organisationsentwicklung – bis 30.09.2009.

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21.11.: Verabschiedung der Regelungen zur Einstellung des Diplomstudiengangs. Die letzten Vordiplomprüfungen sollen 2009 stattfinden, die letzten Diplomprüfungen im Sommersemester 2013, und der Studienbetrieb für den Diplomstudiengang wird nach dem SS 2013 eingestellt (einstimmiger Beschluss). – Das Rektorat hat dem Antrag der Fakultät auf Verlängerung der Dienstzeit von Herrn Albrecht um ein Jahr nicht entsprochen, sondern eine Verlängerung um ein halbes Jahr angeboten. – Die Nachfolge Albrecht wird als W3-Professur für Soziologie sozialer Ungleichheiten ausgeschrieben.

2008 01.01.: Neue Grundordnung der Universität Bielefeld tritt in Kraft. Auf dieser Grundlage müssen die Gremien und Funktionsträger neu gewählt werden (Pr. 09. 07.). 23.01.: Kooperationsvereinbarung zwischen Uni und FH Bielefeld über wechselseitige Öffnungen für den MA-Studiengang Gender Studies (Uni) und dem MA Angewandte Sozialwissenschaften des Fachbereichs Sozialwesen (FH). 23.04.: Beratung über Fortführung des ZDES. Das DAAD streicht die in St. Petersburg angesiedelte Langzeitdozentur und will nur für zwei Jahre Geld bewilligen. Das lehnt Herr Hedtke ab, weil damit keine langfristige strukturierte Entwicklung möglich sei. Die Fakultätskonferenz hält unter explizierten Bedingungen am Engagement der Fakultät in St. Petersburg fest. Das Direktorium soll von einer Juniorprofessur geführt werden. – Hochschulpakt 2020. Mit den Geldern des Hochschulpaktes will die Landesregierung mehr Studienplätze an der Universität sichern. Auf Antrag des Dekans werden aus dem Hochschulpakt die vorzeitige Besetzung der Japp-Stelle, eine halbe Mitarbeiterstelle für diese sowie eine halbe Stelle für den Bereich Entwicklungssoziologie bezahlt. – Die Kernstruktur der drei BA-Studiengänge mit koordiniertem Lehrangebot wird einstimmig mit 13 Stimmen verabschiedet – Ergebnisse des Forschungsratings der Soziologie durch den Wissenschaftsrat: Laut Dekan wurden vier von sechs Dimensionen als exzellent oder überdurchschnittlich bewertet, die beiden anderen Dimensionen lägen mindestens im Bundesdurchschnitt. Nach Meinung des Rektorats hat »die Fakultät die Erwartungen eher enttäuscht«. Das Rating führt zu Restrukturierungsüberlegungen in der Fakultät (vgl. Pr. 21.05., 09.07.). 03.07.: Legendäres Konzert der Band »Die Musik der Gesellschaft«, bestehend aus Professoren, Studierenden und Wissenschaftlichen Mitarbeitern, im Audimin, mit anschließender Party. Bandmitglieder: Prof. Mathias Albert (Rocksänger), Dr. Stephan Stetter (Gitarre), Mario Graute (Bass), Giovanni Fusarelli (Schlagzeug), Christian Klatt und Stephan Pohl. Die Band hat insgesamt zwei Konzerte gegeben (vgl. Beitrag von Yvonne Berthiot).

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09.07.: Reinhold Hedtke wieder zum Dekan gewählt (elf Ja-Stimmen, eine Enthaltung). – Jost Reinecke zum neuen Studiendekan gewählt, Nachfolge Oechsle. – Beratungen über die W2-Professur Politische Soziologie (Hochschulpakt 2020-Professur). – Eine veränderte Promotionsordnung wird verabschiedet, welche eine kumulative Promotion zulässt. In diesem Fall sind mindestens fünf Aufsätze einzureichen, von denen mindestens drei Artikel in begutachteten Fachzeitschriften erschienen oder die nachweisbar zu Publikation angenommen sind. – Beratung und Entscheidung zur Einrichtung von Forschungsschwerpunkten. Die bisherigen Wissenschaftlichen Einheiten sollen in eine Struktur von Arbeitsbereichen eingehen, die affine Denominationen zusammenführen. Diese Arbeitsbereiche sollen/können als Forschungsbereiche definiert werden. Diskussion soll im WS fortgesetzt werden. Ursprüngliche Idee war, Forschungszusammenhänge zu identifizieren und als Basis einer Neustrukturierung der Fakultät zu wählen. Die gibt es aber nicht. Die Arbeitsbereiche haben Aufgaben der Lehr- und Forschungsorganisation (vgl. auch Pr. 22. 10.). Verabschiedung der Professoren Günter Albrecht, Elmar Lange und Hartmann Tyrell, die zum 30. 09. emeritiert werden bzw. in Ruhestand gehen. 31.07.: Prof. Helmut Willke geht in Ruhestand. 01.09.: Elsbe Lück Sachbearbeiterin im Prüfungsamt. 01.10.: Stefan Liebig W3-Professur Sozialstrukturanalyse und soziale Ungleichheit – Detlef Sack W2-Professur Politikwissenschaft, insbesondere in vergleichender Perspektive. – Andreas Vasilache Juniorprofessur Sozialwissenschaftliche Europaforschung – Anita Riedel Sachbearbeiterin für Drittmittel im Dekanat. 22.10.: Der Dekan schlägt folgende Arbeitsbereiche vor: (1) Allgemeine Soziologie, (2) Fachdidaktik, (3) Gender, (4) Globalisierung, Transnationalisierung, Entwicklung, (5) Methoden, (6) Organisation, (7) Politik und Gesellschaft, (8) Sozialstruktur, Wirtschaft, Arbeit, (9) Wissenschaft, Technik, Medien. Die Arbeitsbereiche sind jeweils in Arbeitsgruppen gegliedert. Die Arbeitsgruppen verfügen über einen eigenen Haushaltsansatz. Die FaKo stimmt grundsätzlich zu. – Die neue Fakultätsordnung wird einstimmig verabschiedet. – Der Dekan schlägt vor, die Professur Geissler vorzeitig auszuschreiben, und zwar mit der Denomination Arbeits- und Wirtschaftssoziologie – Beschluss: »Die Fakultät für Soziologie verabschiedet die Kooperationsvereinbarung mit der Fakultät für Soziologie der Staatsuniversität St. Petersburg […]«. – Feierliche Eröffnung der Bielefeld Graduate School in History and Sociology (BGHS). Direktor: Prof. Jörg Bergmann. – Prof. Huber zum neuen Studiendekan gewählt, Nachfolge Reinecke. – Neue Fakultätsordnung, neu dabei vor allem die Reglungen zu den Arbeitsbereichen. 19.11.: Akkreditierungsantrag der drei BA-Studiengänge. Antrag auf Reakkreditierung des MA Politische Kommunikation »in den Kernargumenten« befürwortet. 01.12.: Alois Hahn tritt die Luhmann-Gastprofessur an (Pr. 19.11.2008).

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17.12.: Eckpunktepapier des Rektorats. Prämisse ist, dass es eine gesteigerte Globalisierung und Internationalisierung von Universitäten gibt, die zu gesteigerter Konkurrenz um Reputation, Studierende und Wissenschaftler führt. Um Abwärtsspiralen zu vermeiden, müssen Planungsstrategien entwickelt werden, die die Bielefelder Uni international ausweisen und konkurrenzfähig machen. Zu den sieben universitären Forschungsschwerpunkten zählen Historische Politikforschung und Globalität/Weltgesellschaft sowie Konflikt- und Gewaltforschung. Der Dekan betont, dass die Fakultät eine Internationalisierungsstrategie benötigt.

2009 04.02.: Studierende der Fachschaft Soziologie haben ein Papier vorgelegt, das Praktiken in den BA-Studiengängen kritisiert: • Zu starke Verschulung • Zu starke Durchstrukturierung des Studiums • Ein eher unrealistischer »Workload« • Tendenziell passive Haltung der Studierenden, d.h. das »Absitzen« von Seminaren und Vorlesungen, das größtenteils nicht auf Desinteresse zurückzuführen ist • Die Zunahme von Klausuren bei Abnahme individueller Einzelleistungen als Leistungsnachweis • Skurrile Formen der »Aktiven Teilnahme« (z.B. mündliche Pflichtbeiträge, die auf einer Teilnehmerliste festgehalten werden) • Eine zunehmende Trennung von Lehre und Forschung durch LbA’s und Lehrprofessuren, zudem eine »Abwanderung« von Professoren aus dem BA in den MA • Der studentische Vertreter fordert die Abschaffung der Anwesenheitspflicht, »weil dadurch ein interessengeleitetes Studium konterkariert wird«. 06.05.: Kooptation von Prof. Andreas Zick als Mitglied der Fakultät für Soziologie (zehn Ja-Stimmen, drei Enthaltungen).- Ungleiche Prüfungsbelastung unter Professoren. Die »ersten« sechs von 28 Professoren haben 51 Prozent der erfassten Prüfungen abgenommen, die letzten sechs Professoren nur ein Prozent. Das »letzte« Viertel der Professoren übernimmt hingegen 45 Prozent aller betreuten Promotionen und 20 Prozent aller Abschlussarbeiten, das »erste« Viertel der Professoren übernimmt 30 Prozent der Abschlussarbeiten, jedoch nur 13 Prozent aller Promotionen. Die Fakultätskonferenz beschließt mit zehn Ja-Stimmen bei zwei Enthaltungen, dass die Professorinnen und Professoren studienjährlich ein bis zwei Lehrveranstaltungen in einem der BA-Studiengänge der Fakultät durchführen. – Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Reform der Master-Studiengänge. – Beratung zu einem möglichen interdisziplinären Studiengang Migration und Mobilität. – Die Fakultät wirbt zu wenig Drittmittel ein – Für die W3-Professur

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Wissenschaftssoziologie wird eine Liste einstimmig verabschiedet – Internationalisierung: Ein Papier von Herrn Faist und Herrn Liebig schlägt vor, dass alle Arbeitsbereiche einmal jährlich eine Übung in englischer Sprache abhalten. 27.05.: Positionspapier des Dekanats. Die Fakultät als einzige autonome Fakultät für Soziologie in der Bundesrepublik habe eine besondere Verantwortung für Lehre und Forschung in der Soziologie. In der Lehre bildeten BA und MA Soziologie einen Kernbereich. Starke interdisziplinäre Bezüge sowie Theorie- und Methodenpluralismus als Leitmarken. Streben nach größeren soziologischen Forschungsverbünden, aber auch eine Vielzahl von kleineren Forschungsprojekten müsse ihren Platz haben. – Vorstellung und Diskussion des BGHS-Berichtes für das Jahr 2008. Die BGHS habe zurzeit 160 Mitglieder und stoße damit auch an Grenzen. Die der BGHS eingegliederten Graduiertenkollegs bleiben relativ autonom. Ankündigung eines eigenen interdisziplinären Journals. – Beteiligung an einem MA Studiengang Statistische Wissenschaften diskutiert. Herr Reinecke weist auf die hervorragenden beruflichen Aussichten von Absolventen eines solchen Studiengangs hin. – Der Dekan teilt mit, dass er, soweit es keine massiven Widersprüche gibt, ein weiteres Jahr Dekan bleiben wird, also bis zum Ende des Sommersemesters 2010. – Clusterinitiative »Communicating Comparisons« (Heintz) wird vom Rektorat unterstützt. 01.07.: Ursula Mense-Petermann W3-Professur Wirtschafts- und Arbeitssoziologie (Pr. 15. 07., 21. 10.). 15.07.: Beratungen zum MA Soziologie. Initiative von Stefan Kühl und Martin Diewald. Dabei geht es u.a. darum, die Kombinations- und Wahlmöglichkeiten von soziologischen und interdisziplinären Anteilen sowie forschungs- und praxisorientierten Anteilen innerhalb des Curriculums oder der Curricula zu maximieren (vgl. Beitrag Stefan Kühl). Neue Promotionsordnung der Fakultät für Soziologie beschlossen (zwölf Ja-Stimmen, eine Enthaltung). Die neue Promotionsordnung unterscheidet zwischen Promotionen mit und ohne Promotionsstudiengang und schließt die Möglichkeit ein, dass das Studienprogramm auch in einem von der Fakultätskonferenz akzeptierten nichtsoziologischen Studienprogramm, das soziologische bzw. sozialwissenschaftliche Fachanteile enthält, absolviert werden kann. Die Regeln für Promotionen ohne Studienprogramm werden festgelegt. 31.07.: Prof. Peter Weingart emeritiert. 01.09.: Boris Holzer W2-Professur Politische Soziologie (Pr. 15.07.2009) – bis 31.03.2016, Nachfolge Japp. 21.10.: Die FaKo stimmt der Beteiligung am MA Statistische Wissenschaften zu. Nur eines der Pflichtmodule wird von der Soziologie übernommen. Die FaKo beschließt einen Ausschreibungstext für eine unbefristete Ratsstelle im Bereich Politikwissenschaft/sozialwissenschaftliche Ideengeschichte (Nachfolge Stollberg).

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18.11.: Beratungen über neue Studienstruktur. Alle Module sollen zehn LP’s umfassen (Halbmodule und Doppelmodule auch möglich). Die Individuelle Ergänzung soll von 18 auf 30 LP’s erhöht werden. Die Selbststudiumsanteile sollen erhöht werden, um einer Verschulung des Studiums entgegenzuwirken. Kritik an Dauerreform des Studiums, die nicht nur zu einem Chaos unterschiedlichster FSB führe, sondern auch zu einem Zeitpunkt stattfinde, in der die Akkreditierung der drei BA-Studiengänge der Fakultät noch nicht einmal ganz abgeschlossen sei. – Positionspapier von Martin Diewald und Stefan Kühl zur Reform des Masters. Hierzu gehört eine Reduktion auf fünf Module mit nur noch einem Pflichtprofil. Damit weitgehende Wahlfreiheit zwischen eher forschungsorientierten und eher anwendungsorientierten Studienanteilen, eine Steigerung des Selbststudiums und maximale Flexibilisierung der Studieninhalte. Die FaKo beschließt die vorgeschlagenen Kernstrukturen als Leitlinien einer MA Reform. 01.12.: Ulrich Oevermann Niklas-Luhmann-Gastprofessor (Pr. 21. 12.). 09.12.: Geplante neue Profilstruktur der BA-Studiengänge vorgestellt. (U. a. übernimmt der Sowi-Studiengang das Profil Grundlagen der Soziologie mit Grundbegriffe-Übungen). – Beratung über ein zu gründendes Center for Empirical Research and Statistics als zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Uni Bielefeld.

2010 03.02.: Beratung und Verabschiedung der Studienstruktur der neuen BA-Studiengänge in erster Lesung (8:3:1). Alle drei BA-Studiengänge inklusive der Varianten der Lehramtsausbildung und der drei Nebenfächer werden auf eine Zehn-Leistungspunkte-Struktur umgestellt, d.h. alle rund 30 Module, die im Rahmen der BA-Ausbildung vorkommen, weisen nun eine Zehn-Leistungspunkte-Struktur auf. Angeboten werden Soziologie Kernfach, vertiefendes Nebenfach, Nebenfach, Sozialwissenschaften Kernfach mit den Varianten Lehramtsversion/Nichtlehramtsversion, Nebenfach und Politikwissenschaft Kernfach, Nebenfach. Im BA-Soziologie und Sozialwissenschaften wird das Praktikum ins vierte Semester platziert, im BA Politikwissenschaft ins fünfte Semester. Dauer: sechs Wochen mindestens, acht Wochen werden empfohlen. – Beratung zur Situation der Lehrkräfte mit besonderen Aufgaben. Es werden restriktive Vertragsdauern und mangelnde Qualifikationsmöglichkeiten beklagt. – FaKo stimmt der Einrichtung einer Juniorprofessur (W1) für Sozialstrukturanalyse ohne tenure track und dem Ausschreibungstext zu. Die Finanzierung übernimmt das Rektorat. – Die Fakultät stimmt vorbehaltlich einer Unterstützung und Zustimmung des Rektorats (und vorbehaltlich einer Klärung der finanziellen Verantwortlichkeiten) der Einrichtung eines Center for Empirical Research and Statistics zu. – Beratung über das Berufungsverfahren Wissenschaftssoziologie. Die auf Rang eins und zwei Platzierten haben den Ruf abge-

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lehnt. Kontroverse darüber, ob man die drittplatzierte Kandidatenperson berufen sollte. – MA-Communication Studies: Die Fakultät für Soziologie beteiligt sich am Studiengang, der an der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaften angesiedelt ist, mit Öffnung der Vorlesung Einführung in die Mediensoziologie, der Vorlesung qualitative Methoden und Öffnung eines Seminars aus der AG Qualitative Methoden. 21.04.: Rektorat und Dekanat streben die »möglichst flächendeckende Abschaffung von Teilnehmerlisten« an. – Berufungsverfahren Wissenschaftssoziologie: Die erst- und zweitplatzierte Kandidatenperson haben abgesagt. Die Berufung der drittplatzierten Bewerbungsperson kommt nicht zustande. 16.06.: Herr Diewald gibt Informationen zum geplanten SFB-Antrag »Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten«. Demnach sind drei thematische Hauptsäulen geplant: Individuelle Heterogenitäten und Verwirklichungschancen, Ressourcenzugang und Verwirklichungschancen in Organisationen, Heterogenitäten und soziale Ungleichheit jenseits des Nationalstaats. – Auch Vorstellung des Cluster-Antrags »Communicating Comparisons« durch Veronika Tacke. Fünf Forschungsschwerpunkte sind aktuell vorgesehen: Medien und Modalitäten des Vergleichs, Strukturen und Strukturabhängigkeit des Vergleichs, Gleichheit und Vergleich, Weltgesellschaft, Reflexion. – Neue Lehrverpflichtungsverordnung des Rektorats zur Anrechnung der Betreuung von Abschlussarbeiten zustimmend zur Kenntnis genommen. – Verabschiedung einer Einrichtung eines International Track im MA Soziologie (vgl. Beitrag Thomas Faist). – W3-Professur Wissenschaftssoziologie: Neuer Ausschreibungstext beraten und verabschiedet. – Am 14. 07. neue Berufungskommission gewählt. 14.07.: Diskussion um Cluster-Antrag »Communicating Comparisons«. – Neuausschreibung W3-Wissenschaftssoziologie. Das Rektorat ergänzt den Ausschreibungstext. Die Ergänzung wird von der FaKo einstimmig angenommen. – Dekan und FaKo erklären sich bereit, angesichts des doppelten Abiturjahrgangs 100 Studierende in den Jahren 2013 und 2014 zusätzlich aufzunehmen. Gefordert werden im Gegenzug acht Wissenschaftliche Mitarbeiterstellen mit einem Lehrdeputat von jeweils sechs SWS. – Beschluss: Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer müssen zwei Lehrveranstaltungen pro Studienjahr in den BA-Studiengängen der Fakultät einbringen (9:2:2). Der Dekan möchte sicherstellen, dass alle ProfessorInnen in der BA-Lehre sichtbar sind und sich nicht in MA-Lehre oder den Promotionsstudiengang zurückziehen. – Die Fakultätskonferenz lehnt den Antrag der Studierenden auf Definition des Praktikumsmoduls als Wahlpflichtmodul ab. Das Praktikum bleibt Pflichtmodul. 30.09.: Prof. Gunnar Stollberg, langjähriger Lehrkörpersprecher, geht in Ruhestand – am 25.03.2014 verstorben. 01.10.: Der MA Statistische Wissenschaften, für den die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften federführend ist, nimmt den Studienbetrieb auf (Pr. 16. 06.). – Prof. Thomas Welskopp (Geschichtswissenschaft) neuer Leiter

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der BGHS (Nachfolge Bergmann). Prof. Alfons Bora stellvertretender Direktor (Pr. 22. 12.). – Dr. Oliver Flügel-Martinsen Akademischer Rat Politische Theorie und Ideengeschichte – Nachfolge Stollberg. 01.10.: [?] Prof. Ursula Mense-Petermann Studiendekanin (bis 2012), Nachfolge Huber. 22.12.: Diskussion über eine Fachschaftsordnung. Bislang existiert weder auf Fakultäts- noch auf Universitätsebene eine Fachschaftsordnung. AStA befürchtet, dass die Bürokratisierung bzw. Verrechtlichung Studierende eher davon abhält, in Fachschaften mitzuwirken. – Diskussion über Kriterien einer kumulativen Habilitation.

2011 25.01.: Gespräch zwischen Vertretern des Rektorats und den ProfessorInnen der Fakultät. Themen sind Lehre, Forschung und Entwicklung der Fakultät. Die Vertreter des Rektorats sprechen vor allem (vermeintliche) Konflikte und Spaltungen innerhalb der Fakultät für Soziologie an. Deren Existenz wird von den Professorinnen und Professoren der Fakultät bestritten oder marginalisiert. 02.02.: Der scheidende Dekan Reinhold Hedtke fasst rückblickend Entwicklungen in seiner Amtszeit zusammen. Er hebt zunächst hervor, dass sich das universitäts- und wissenschaftspolitische Umfeld von Fakultäten dramatisch zu ändern beginne. Das betreffe insbesondere die strukturelle Stärkung von Rektoraten und die Schwächung der Dekanate, aber auch der Fakultäten. Der Grad der externen Steuerung (oder zumindest Versuche der Steuerung) von Fakultäten in der Lehre und Forschung habe erheblich zugenommen. Binnendifferenzierung der Fakultäten, verbunden mit einer Differenzierung der Personalstruktur. Exzessive Zunahme von Controlling, Evaluation und Akkreditierung in den Fakultäten. Der Dekan äußert Sorge darüber, dass universitäre Normalleistungen peripherisiert werden und dass solche Leistungen in der Organisation nicht mehr sichtbar sind. – Veronika Tacke zur Dekanin gewählt (13 Ja-Stimmen, 1 Enthaltung). – Diskussion um MA Soziologie, besonders um die Frage, welche Arbeitsbereiche ein Profil (bestehend aus drei Modulen) bilden dürfen: Beschluss, dass ein Profil durch mindestens zwei ProfessorInnen angeboten wird. Die FaKo beschließt für den MA Soziologie die Einrichtung von dreimoduligen Studienelementen (= Profile) und die Einrichtung von zweimoduligen Studienelementen mit elf Ja-Stimmen und drei Enthaltungen. Als unstrittig für die Einführung von Modulen gelten die Arbeitsbereiche Politische Soziologie, Arbeits- und Wirtschaftssoziologie, Organisationssoziologie, Sozialstrukturanalyse, Soziologie der globalen Welt und Theorie.– Im Studiengang MA Politische Kommunikation gab es in den letzten sieben Jahren 13 Absolventen. Daher Diskussion, ob man den Studiengang nicht auslaufen lassen soll. Herr Holzer spricht sich für Beibehaltung aus. Politische

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Kommunikation und Beobachtung, Öffentlichkeit und Global Governance sollen weiterhin zentrale Elemente des Studiengangs bilden. – Diskussion über weitere Beteiligung der Fakultät für Soziologie am BA-Studiengang Philosophy, Politics, Economics. – Diskussion, ob die Mitarbeiter-Stellen der W2-/C3-Professuren von 50 Prozent auf 75 Prozent heraufgesetzt werden können. Das Einstiegsnettogehalt einer 50-Prozent-Stelle liegt mit 1069 Euro nur 130 Euro über der Armutsrisikogrenze von 938 Euro. 01.04.: Henning Lohmann Juniorprofessur Sozialstrukturanalyse (Pr. 20. 04.). – bis 30.09.2011 (Pr. 19. 10.). 20.04.: Zur Politik des Rektorats: »Die Dekanin betont mit Sorge, dass die Universitätszentrale immer mehr Projekte generiert, die in den Fakultäten nur mit erheblichem Aufwand bearbeitet werden können, was seinerseits dazu führen kann, dass die Zentralverwaltung noch mehr Kompetenzen an sich zieht«. – Bericht über SFB und Cluster. Die Begehung zum SFB-Antrag »Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten« hat Ende Februar stattgefunden und war sehr erfolgreich, weil sowohl die Gesamtkonzeption als auch die Einzelprojekte sehr positiv beurteilt wurden. Nur ein Projekt wurde gestrichen, einige Projekte mussten Stellenreduktionen hinnehmen. – Der Cluster »Communicating Comparisons« ist aufgefordert worden, einen Hauptantrag zu stellen. »Mit diesem Doppelerfolg wird die Bedeutung der Fakultät für die Universität Bielefeld – aber auch in der externen fachlichen Wahrnehmung – zweifellos deutlich gesteigert.« (Dekanin). – Frau Heintz informiert über den Stand des Cluster-Antrags. Nur zwei sozialwissenschaftliche Anträge wurden zu einem Vollantrag aufgefordert. Das Kurzgutachten zum Cluster war sehr positiv. An dem Antrag sind vier Fakultäten beteiligt (Soziologie, Geschichte, Rechtswissenschaft, Linguistik und Literaturwissenschaft). Insgesamt werden 28 Mio. Euro beantragt. Zehn Post-Doc-Angestellte sollen eingestellt werden, davon vier in der Soziologie, außerdem sechs Juniorprofessuren (zwei Soziologie, ohne aktuelle Denomination), außerdem ein oder zwei vorzeitige Besetzungen von Professuren sowie eine zusätzliche Professur für Historische Soziologie. In der Diskussion wird kritisch gefragt, was wird, wenn nach fünf oder sechs Jahren die Finanzierung ausläuft. – Dagegen ist der Cluster-Antrag Signatures of Threat, an dem die Fakultät mitbeteiligt war, gescheitert. – Regeln zur Einstellung der alten BA-Studiengänge verabschiedet. – Antrag von Prof. Dr. Dr. Thomas Gerlinger (Fak.f. Gesundheitswissenschaften) auf Kooptation in die Fakultät für Soziologie einstimmig angenommen. – Fachschaft hat über fehlende Fachschaftsordnung diskutiert, ohne bislang zu einer abschließenden Stellungnahme zu gelangen. – Diskussion um Promotionsordnung, kumulative Promotion. Zwei konkurrierende Grundpositionen: (a) die kumulative Promotion ist als Ausnahme zu betrachten, entsprechend hoch sind die Kriterien anzusetzen, (b) kumulative Promotion als der Monographie gleichzustellender Normalfall, der nur realisiert werden kann, wenn die Anzahl der Artikel reduziert wird. Die FaKo

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beschließt, dass (statt drei) nur zwei Artikel in begutachteten Fachzeitschriften veröffentlicht sein müssen. – Berufungskommission W3-Wissenschaftssoziologie: Die Kommission hatte in den letzten Wochen über die Liste der Einzuladenden für Vorstellungsgespräche im Mai/Juniberaten. Dann Intervention des Rektorats. Es könne einer Berufung nur zustimmen, wenn dem Kandidaten/der Kandidatin eine klare Position in einem »Zukunftskonzept des IWT (Institut für Wissenschaft und Technikforschung)« zugewiesen werden könne. Daraufhin einstimmiger Beschluss der Kommission, das Verfahren »auszusetzen« bzw. »in die Hände der Fakultät zurückzulegen«, bis die Bedingungen (IWT-Zukunftskonzept, klare Kriterien für die Professur) erfüllt seien. Die Dekanin äußert ihr Erstaunen über den Zeitpunkt der Intervention und befürchtet eine Rufschädigung der Fakultät, wenn das Verfahren nicht bald abgeschlossen werden kann oder sogar erneut scheitern sollte. – Finanzen: Die Fakultät hat im Vergleich zum vergangenen Jahr eine Mindereinnahme von ca. 95.000 Euro, außerdem muss die Fakultät im Fall der Bewilligung des SFB 1,96 Mitarbeiterstellen finanzieren Diskussion über mögliche Einsparungen. Überlegung, ob nicht mittelfristig nochmals ganze Professuren eingespart werden müssen. Die bisherigen Einsparmaßnahmen gingen vor allem auf Kosten des Mittelbaus. »Die Fakultät ist in den letzten Jahren immer wieder strukturell gezwungen worden, Hochdeputatsstellen einzurichten (LbA’s), dies aber sind keine Stellen, die sich für eine erfolgreiche wissenschaftliche Weiterqualifikation eignen«. ab ca. 15.05.: Saskia Sassen Niklas-Luhmann-Gastprofessorin (Pr. 25. 05.). 24.05.: Sonderforschungsbereich (SFB) »Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten« wird bewilligt (federführend: Prof. Diewald, Prof. Faist; Pr. 25. 05.). 25.05.: Finanzen. Im Vergleich zum Vorjahr verringerte Einnahmesituation, zugleich neue finanzielle Verpflichtungen durch SFB. Diese Defizite müssen durch Stellensperrungen aufgefangen werden. Wenn alle Stellen weiter besetzt wären, hätte die Fakultät in diesem Jahr ein Defizit von 182.000 Euro bzw. im nächsten Jahr wahrscheinlich von 250.000 Euro. – Die FaKo beschließt für den Master Soziologie die Einrichtung der Profile Theorie, Methoden, Organisationssoziologie, Arbeits- und Wirtschaftssoziologie, Sozialstrukturanalyse, Soziologie der globalen Welt, Politische Soziologie. Das Dekanat wird gebeten, mit den Arbeitsbereichen Mediensoziologie, Geschlechtersoziologie und Wissenschafts- und Techniksoziologie zu klären, in welcher Form (ein-, zwei-, dreifach) die Module angeboten werden. – Die FaKo begrüßt und unterstützt das Projekt eines gemeinsamen Studiengangs mit der Geschichtswissenschaft (MA Soziologie/Geschichte) einstimmig. Sie hat die Kernidee zur Kenntnis genommen und bittet die AG, die Struktur des Studiengangs bis zur Entscheidungsreife auszuarbeiten. 29.06.: Beschluss der FaKo: Die Fakultätskonferenz erwartet, dass sich Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber nicht an der Diskussion »ihrer« Nachfolge-

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professuren beteiligen (5 Ja-Stimmen bei 10 Enthaltungen). Wie die Dekanin mitteilt, fordert das Rektorat die vollständige Stellenablösung aller im Rahmen des Clusters »Communicating Comparisons« geschaffenen Stellen durch die jeweiligen Fakultäten. Dies würde bedeuten, so die Dekanin, dass bis zur vollständigen Stellenablösung durch die Fakultät alle Professuren bis 2021 gebunden wären. Frau Heintz erwartet einen Unterstützungsbeschluss der Fakultät im Hinblick auf die einzurichtenden Stellen. Es kommt aber zu keiner Abstimmung. – Die Fakultätskonferenz beschließt, dass sich die Fakultät für Soziologie nicht an dem BA-Studiengang Philosophy, Politics, Economy beteiligt. Das Rektorat hatte ein starkes Interesse an der Einrichtung dieses Studiengangs geäußert. 13.07.: Einschätzung der Dekanin zur Lage der Fakultät. Der Cluster würde fünf Professorenstellen schaffen. Diese müssten aber nach ca. fünf Jahren durch Stellen der Fakultät abgelöst werden. Die Dekanin »ging bislang davon aus, dass wenigstens zwei oder drei Stellen durch das Rektorat ›gegenfinanziert‹ werden«. Dies ist aber nach heutigem Kenntnisstand nicht der Fall. Dies sei aus mindestens zwei Gründen problematisch. Der Cluster würde voraussichtlich eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität mit einem eigenen Haushalt werden. Unklar sei gegenwärtig, ob dieser Einrichtung die Stellen zugeordnet werden oder ob diese bei der Fakultät verbleiben. Die Fakultät könnte bei einer Aufdauerstellung der zentralen wissenschaftlichen Einrichtung zum Stellenlieferanten der Einrichtung werden. Noch problematischer: Die Fakultät sei bis zum Jahre 2022 komplett strukturell festgelegt, d.h. sie habe keinen Bewegungsspielraum mehr, um andere als die genannten Professuren zu besetzen. Die Fakultät laufe Gefahr, eines ihrer bisherigen Charakteristika, nämlich die hohe Variation an Beobachtungsformen innerhalb der Fakultät, zu verlieren. Die beiden dominanten Bereiche (SFB, Cluster) würden gestärkt werden, andere Professuren würden die Kosten tragen müssen. »Was unter diesen Bedingungen aus einer kollegialen Struktur wird, bleibt abzuwarten«. Differenzierung des Mittelbaus in (a) WissenschaftlerInnen, die primär forschen, (b) die klassisch Forschung und Lehre bedienen, (c) in WissenschaftlerInnen mit Hochdeputaten, die v.a. für die Lehre zuständig sind. Auf Dauer wahrscheinlich in MittelbauerInnen, die primär forschen und solche, die primär lehren. Das Rektorat sehe die Fakultät für Soziologie kritisch und vertrete die Auffassung, dass die Fakultät schrumpfen müsse, wenn sie nicht erfolgreich sei. Beim Rektorat bestehe möglicherweise das Bild einer Fakultät, die als zu groß eingeschätzt werde, vielleicht auch zu widerständig im Rahmen einer unternehmerischen Universität agiere. Andere DiskutantInnen betonen die Chancen, die v.a. für den Mittelbau aus den beiden neuen Großprojekten (SFB, Cluster) entstehen. Bedenken: Der Reorganisationsprozess der Fakultät werde auf lange Sicht strukturell blockiert. Beschluss: Die FaKo stimmt den vorgeschlagenen Denominationen der Juniorprofessuren zu und bestätigt erneut die Unterstützung für eine

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neu zu schaffende Professur für Historische Soziologie an der Fakultät für Soziologie. Sie fordert vom Rektorat, dass maximal drei der fünf Professuren, die im Cluster geschaffen werden sollen, durch die Fakultät abgelöst werden. 19.10.: Master Soziologie/Geschichte: Mit dem Planungsprozess geht es nicht so recht voran u.a. weil die Prorektorin für Lehre mit dem geplanten MA Soziologie nicht einverstanden ist. Dieser soll aber die Grundlage des MA Soziologie/Geschichte bilden. – FSB’s für BA Soziologie, BA Politikwissenschaft und BA Sozialwissenschaften verabschiedet. – Konflikte mit der Prorektorin für Lehre um den neuen MA Soziologie. Beschluss: Die Fakultätskonferenz bestätigt vor dem Hintergrund der Sachstandberichte von Dekanin und Studiendekanin die verabschiedete Struktur für den MA Soziologie. Sie fordert die Prorektorin für Lehre und das Rektorat auf, das Beratungsverfahren für den MA Soziologie in den Universitätsgremien einzuleiten (einstimmig). – Diskussion über International Track – nur in Englisch oder sollen auch andere Sprachen zugelassen werden? 23.11.: Doppelter Abiturjahrgang: Die Fakultät muss weniger Studierende aufnehmen: Anstatt 45 Prozent im Jahr 2013 und 34 Prozent in 2014 sind dies »nur« 35 Prozent und 28 Prozent. Dafür erhält die Fakultät aber auch weniger Geld. – Exzellenz-Cluster und BGHS: In der vorausgegangenen Woche fanden die Vorstellungsrunden von Cluster und BGHS in Bonn statt. Aus der Binnenperspektive der TeilnehmerInnen waren beide Präsentationen gut. – Regeln über Studiengruppen. »Studiengruppen sind eine von einer Gruppe von Studierenden eines Fachmoduls weitgehend selbständig organisierte Form des Studiums, die ein Lehrender des Fachmoduls bei der Vorbereitung, der Durchführung und Auswertung unterstützt. Studiengruppen werden von Studierenden initiiert oder von Lehrenden zu einem offen formulierten Thema angeboten. Studiengruppen geben sich ein Thema, eine für das Fachmodul einschlägige wissenschaftliche Fragestellung und einen inhaltlich und zeitlich konkreten Arbeitsplan. Sie treffen sich in der Vorlesungszeit regelmäßig. Die fortlaufende aktive Teilnahme an den Sitzungen und allen Arbeitsschritten ist obligatorisch. […] Studiengruppen haben mindestens fünf und i.d.R. höchstens zehn studentische Mitglieder«. – Beratungen zur Haushaltssituation. Das Rektorat lässt neugeschaffene Dauerstellen im eigenen Bereich durch die Fakultäten gegenfinanzieren. Dafür muss die Fakultät für Soziologie 64.000 Euro jährlich aufwenden. Insgesamt verringerten sich von 2010 auf 2011 die Einnahmen der Fakultät um 100.000 Euro. – Master: Ergebnis eines Gesprächs mit Rektorat: Der Rektor wird den Akkreditierungsantrag unterschreiben, jedoch auch seine Bedenken gegenüber der Akkreditierungsagentur schriftlich mitteilen. Mit einer Verwaltungsunterstützung könne die Fakultät nicht rechnen. – Beschluss: Lehrbeauftragte dürfen keine Abschlussarbeiten betreuen und begutachten, da sie nicht zum Stammpersonal der Fakultät gehören und ausgesprochen schlecht bezahlt werden.

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21.12.: Das ZDES ist positiv evaluiert worden und wird für die nächsten zwei Jahre weiter finanziert. Die Bewilligungssumme liegt bei 560.000 Euro. – Diskussion über die Personalstruktur der Fakultät, v.a. Lehrprofessuren. Immer stärkere Differenzierung von Lehre und Forschung zu beobachten. 2011: Gründung der Bielefeld School of Education (BiSEd), welche das Zentrum für Lehrerbildung (ZfL) substituiert.

2012 01.02.: FaKo-Beschluss zur Einstellung des (fakultätsseitigen) Berufungsverfahrens für die W3-Professur Wissenschaftssoziologie. Das Rektorat war mit der Vorauswahl der Berufungskommission nicht einverstanden gewesen, worauf die Berufungskommission ihre Arbeit eingestellt hatte. Ein zwischenzeitlicher Versuch, eine der Erstplatzierten des ersten Verfahrens zu berufen, war nicht erfolgreich. Stattdessen versucht die Fakultät nun, eine W1-Juniorprofessur mit tenure track auszuschreiben. – Ausschreibung einer W2-Professur Geschlechtersoziologie. – Beratung und Beschluss über W3-Professur Methoden der empirischen Sozialforschung mit dem Schwerpunkt qualitative Methoden. Mit 7:6 Stimmen wird die Stelle als W2-Stelle mit halber Mitarbeiterstelle ausgeschrieben anstatt W3 ohne Mitarbeiterstelle. 29.02.: Prof. Jörg Bergmann geht in Ruhestand. 18.04.: Eine W2-Professur Geschlechtersoziologie und eine W1-Juniorprofessur Wissenschaftssoiologie sind ausgeschrieben worden; die Verfahren sind bereits angelaufen. Ausschreibungstexte für die Clusterprofessuren W3-Historische Soziologie, W2 für Rechtssoziologie, W1-Weltgesellschaft (mit tenure), W1-Wirtschafts- und Finanzsoziologie, W3 für Allgemeine Soziologie einstimmig von der FaKo verabschiedet. – Die FaKo beschließt auf Antrag von Prof. Sutter, dass die reinen Nebenfächer aus den mediensoziologischen Veranstaltungen ausgeschlossen werden. Hintergrund sind die hohen und steigenden Frequentierungen mediensoziologischer Veranstaltungen. 30.04.: Prof. Ursula Müller geht in Ruhestand. 16.05.: Das Rektorat hat im Gespräch mit dem Dekanat bestätigt, dass die neu geschaffenen Cluster-Stellen inklusive der damit verbundenen Lehrverpflichtungen Teil der Fakultät sind. – FaKo verabschiedet modifizierte Stellenausschreibungen für den Exzellenz-Cluster. 22.05.: Positionspapier zur neuen Struktur des wissenschaftlichen Personals. Die Einheit der Gruppe der Professuren soll bestehen bleiben, d.h. auch bei Lehrprofessuren muss gesichert sein, dass Forschungsanteile erhalten bleiben. Es wird angeregt, auf Universitätsebene Lecturer-Stellen aufzunehmen, weil für diese Stellen in Europa bereits Berufswege etabliert sind. Konsensuell festgehalten wurde außerdem, dass die Lehrverpflichtungen der Lehrkräfte für besondere Aufgaben von 13 Stunden von den Fakultäts-

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mitgliedern als maximale Stundenzahl angesehen wird, die möglichst nach unten reduziert werden sollte, aber in keinem Fall erhöht werden darf, weil ansonsten Forschungsaspekte der beruflichen Tätigkeit, die auch in der Lehre von Relevanz sind, nicht mehr gewährleistet werden können (Anhang zu Pr. 16. 05.). 20.06.: Die Dekanin teilt mit, dass der Cluster »Communication Comparisons«, den die Universität Bielefeld unter federführender Beteiligung von Fakultätsmitgliedern im Rahmen der Exzellenzinitiative beantragt hatte, entgegen allen Erwartungen doch nicht bewilligt wurde. Bewilligt wurde hingegen der Fortsetzungsantrag für die BGHS im Rahmen der Exzellenzinitiative. – 2016 wird der SFB »Praktiken des Vergleichs« bewilligt, der unter Federführung von Historikern (Angelika Epple) und Literaturwissenschaftlern steht und an dem sich für die Fakultät für Soziologie Mathias Albert beteiligt (Pr. 23.11.16). – Die Fakultät erhält eine der 40 von der Universität eingeworbenen Stellen (zunächst für fünf Jahre) für das Projekt »richtig einsteigen«, um Konzepte zum »literalen Lernen« für die Studieneingangsphase zu entwickeln und mit den entsprechenden Arbeitsbereichen umzusetzen. Die Stelle übernimmt PD Dr. Torsten Strulik. – Bericht über den Stand der laufenden Berufungsverfahren Qualitative Methoden, Wissenschaftssoziologie und Geschlechtersoziologie. – Plagiate: Die Dekanin teilt mit, dass laut Auskunft des Justitiariats eine routinemäßige Prüfung von Prüfungsarbeiten mit Plagiatssoftware nicht erlaubt ist. Abschlussarbeiten dürfen hingegen routinemäßig plagiatsüberprüft werden. 11.07.: Die Reihenfolge der Berufungsliste W1-Wissenschaftssoziologie wird von der FaKo geändert. Auf Platz eins wird eine Kandidatenperson gesetzt, die aus Sicht eines Mitglieds der Berufungskommission als untragbar erscheint. Die Stelle ist auch Teil des interdisziplinär besetzten Instituts für Wissenschafts- und Technikforschung. 31.07.: Prof. Klaus Japp geht in Ruhestand. 01.10.: Start des neuen MA-Studiengangs Soziologie – Bettina Zurstrassen W2-Professur Didaktik der Sozialwissenschaften, insbesondere Grundschule und Sekundarstufe I (Pr. 17. 10.) – Nachfolge Weber. 01.10.: [?] Prof. Detlef Sack Studiendekan, Nachfolge Mense-Petermann. 17.10.: – Bericht zur Schließung des Instituts für Wissenschafts- und Technikforschung (IWT): Die Fakultätskonferenz hatte die Reihenfolge der Liste der Berufungskommission für die W1-Professur Wissenschaftssoziologie verändert (Pr. 11. 07.). Das Rektorat hat beschlossen, dass das IWT nicht fortgeführt, sondern zum 31. 12. dieses Jahres abgewickelt wird. Das Rektorat bricht außerdem das Verfahren W1-Wissenschaftssoziologie ab. Das bedeutet das Ende der Wissenschaftssoziologie an der Uni Bielefeld – Als Konsequenz aus diesen Entscheidungen planen Prof. Bora und Prof. Huber, einen neuen Arbeitsbereich Recht und Gesellschaft zu gründen. – Zur Bewältigung des doppelten Abiturjahrgangs wird eine W2-Professur mit einem Lehrdeputat von 13 SWS ausgeschrieben, insbesondere für Lehre

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im AB Soziologische Theorie. – Beratungen über Internationalisierungsbericht. – Das Ende des Diplomstudiengangs Soziologie wird per FaKo-Beschluss auf den 30. September 2013 festgelegt. – Die Fakultät für Soziologie beteiligt sich (bis auf weiteres) nicht mehr am CHE Ranking, entsprechend den Empfehlungen der DGS. 21.11.: Die Fakultät steigt als Konsequenz der Abwicklung des IWT aus dem Studiengang HPSS aus. Die Dekanin berichtet von einem Gespräch mit dem Rektorat. Starke Irritationen des Rektorats, das nicht gewillt ist, die Entscheidung der Fakultät mitzutragen. – Die FaKo stimmt einer Gründung des AB Recht und Gesellschaft zu. Prof. Bora und Prof. Huber werden zum 01.01.2013 Vollmitglieder der Fakultät. – Das Rektorat möchte eine »externe Beratung« der Fakultät durchführen. Als Gründe werden angegeben: • Mangelnde Einheitlichkeit der Selbstdarstellung der Fakultät • Mangelnde Internationalität • Ein zu enger Begriff der Interdisziplinarität • Mangelnde Profilbildung • Eine zu enge Rekrutierungspolitik • Mangelnder Methodenpluralismus 01.12.: Tomke König W2-Professur Geschlechtersoziologie – Nachfolge Müller.

2013 30.01.: Prof. Thomas Faist einstimmig zum Dekan gewählt, Nachfolge Tacke. – PD Dr. Fuhse hat ein Heisenbergstipendium erhalten. – Beratungen zu Deputatsreduktionen der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer der Fakultät für Soziologie. – Die Dekanin beziffert das Haushaltsdefizit der Fakultät auf zwischen 320.000 und 530.000 Euro. 24.04.: Die Fakultätskonferenz beschließt die Einstellung der Lehre für den Bereich Wissenschafts- und Techniksoziologie in den Studiengängen der Fakultät für Soziologie zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Die Lehre wird entsprechend den rechtlichen Pflichten für einen Übergangszeitraum weiterhin angeboten. – Verabschiedung einer Berufungsliste W2-Professur Qualitative Methoden. – Änderungen für den MA Gender Studies auf Anregung von Frau König beschlossen. – Fakultät beschließt Einstellung des Studienangebotes des Zusatzfaches Informatik für Geistes- und Sozialwissenschaftler, an dem sechs Fakultäten beteiligt waren. Das vermittelte Wissen ist inzwischen veraltet oder Standard oder wird in anderen Hochschuleinrichtungen gelehrt. 29.05.: Beratungen zum Entwurf des Strategiepapiers des Dekans und KollegInnen. Leitpunkte: Stärkung der Internationalität und Interdisziplinarität sowie Konsolidierung und Ausbau von Verbundforschung (SFB, Weltgesellschaft) bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung von Einzelforschung, im Übrigen Sichtbarmachung der Forschung und Forschungsprofile an der

Chronik der Fakultät für Soziologie

Fakultät. Personalpolitisch Stärkung von Juniorprofessuren mit tenure track. Die FaKo stimmt mit einer Einschränkung zu. – Diskussion über ein mögliches Institut für Ungleichheitsforschung. – W1-Juniorprofessur Transnationale Sozialpolitik (mit tenure track) beschlossen. Die Intention der Stelleneinrichtung ist, die Tradition der Sozialpolitikforschung an der Fakultät zu kontinuieren, sie aber gleichzeitig noch stärker mit der Thematik Weltgesellschaft, Transnationalisierung und Globalisierung zusammenzuführen. Die Juniorprofessur stärkt die Profile Ungleichheit und Weltgesellschaft. – Die Fakultätskonferenz beschließt, die Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auf Promotionsstellen der BGHS angestellt sind und die eine der Fakultät thematisch zuzurechnende Promotion (Soziologie, Sozialwissenschaften, Politikwissenschaft) schreiben, der Gruppe der akademischen MitarbeiterInnen zuzurechnen. 03.07.: Berufungsliste W2-Professur Soziologie (befristet) ausgeschrieben. – Zwei Juniorprofessuren für quantitative Methoden und Migrationssoziologie ausgeschrieben. 31.07: Prof. Bettina Heintz verlässt die Fakultät und folgt einem Ruf an die Universität Luzern. 30.09.: Die Frist zum Abschluss des Diplom-Studiums läuft ab. In ärztlich attestierten Einzelfällen wird eine Verlängerung bis in die ersten Novembertage gewährt. Etwa 35 Studierende, die nicht rechtzeitig abschließen konnten, werden in den BA-Studiengang Soziologie umgeschrieben, wobei die bislang im Diplom erbrachten Leistungen für den neuen Studiengang angerechnet werden. 01.10.: Rainer Schützeichel W2-Professur Soziologie (zunächst befristet, am 26.07.2017 entfristet). 23.10.: Informationen über die Planungen des Rektorates zur Neuverteilung von Haushaltsmitteln (Personal- und Sachmitteletat). Einführung von Basis-, Leistungs- und Strategiebudgets (70:20:10, seit SS 2016 66:17:17), ein Teil des Strategieetats wurde de facto ohne Antrag auf die Fakultäten verteilt (Pr. 26.07.17). Der Strategieetat bleibt in der Hand des Rektorats. Beim Leistungsetat werden u.a. die Lehrauslastung, die Lehrqualität, die Drittmittel und Publikationen als Indikatoren berücksichtigt. – Neues Modul Mediensoziologie einstimmig verabschiedet (als Ersatz für das alte Modul Wissenschaft, Technik, Medien, das zum Sommersemester 2016 eingestellt wird). – W2-Professur Qualitative Methoden. Der Erstplatzierte hat den Ruf abgelehnt. Außerdem gibt es eine Befangenheitsdiskussion im Rektorat, weil zwei Mitglieder der Berufungskommission an der Habilitation des Zweitplatzierten beteiligt waren. 20.11.: Diskussion um Standort des SFB »Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten« und des Instituts für Weltgesellschaft. Ein von vier Mitgliedern des Lehrkörpers eingebrachter Diskussionsbeitrag fordert, neben den »Leuchttürmen« SFB und IW die Breite der Fakultät in Forschung und Lehre stärker hervorzuheben. Die Fakultät dürfe nicht auf eine Monokultur aus-

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gerichtet werden. In einer kontroversen Diskussion erwidern andere, die Tendenz des Papiers sei es, einen Keil in die Fakultät zu treiben. Man dürfe nicht den SFB gegen die Soziologie ausspielen. 11.12.: Der DAAD hat eine Bewilligung der ZDES-Finanzierung für fünf Jahre beschlossen. Das ZDES wird mit jährlich 280.000 Euro, also insgesamt 1,4 Mio. Euro gefördert (Mitteilung des Dekans). – Die FaKo beschließt, dass unter genau konditionierten Bedingungen auch nichtprofessorale promovierte Mitglieder der Fakultät die Erstbetreuung einer Promotion übernehmen können.

2014 16./17.01.: Begehung im Rahmen der »externen Beratung« (Pr. 29. 01.). 29.01.: Berufungslisten für W2-Professur Sozialwissenschaftliche Europaforschung und für die W1-Professur Transnationale Sozialpolitik einstimmig verabschiedet. – Diskussion um Befangenheit im Kontext des Besetzungsverfahrens der W2-Professur Qualitative Methoden. Die FaKo spricht sich mit 13 gegen zwei Stimmen für eine Weiterführung des begonnenen Verfahrens aus. 16.04.: Der Bericht der »externen Berater« liegt vor. Er betont, dass die Fakultät nach wie vor ein starker Ort sozialwissenschaftlicher und soziologischer Forschung sei, aber nicht mehr der Leuchtturm, der sie vor zwanzig Jahren war. Die Gutachter konstatieren Verbesserungsbedarf im Hinblick auf Internationalität, Interdisziplinarität und sie sehen den Bedarf, die Varianz der Leistungen der 24 Professorinnen und Professoren zu reduzieren. Die Fakultät sei durch einen starken Konflikt geprägt, der externer Hilfe bedürfe. – Reinhard Schunck Juniorprofessur Lebenslaufforschung – bis 15.04.2016. 05.05.-25.05.: Umzug der Fakultät ins neue X-Gebäude (Pr. 16. 04.). 25.06.: Das Rektorat hat den Dekan darüber informiert, dass mit Ausnahme der Professur Allgemeine Soziologie/Soziologische Theorie (Nachfolge Heintz) alle Verfahren angehalten sind. Die Fakultät soll bis zum März nächsten Jahres ein Gesamtpaket an Ausschreibungen entwickeln, das die Professuren Nachfolge Oechsle, ggf. Weingart, Hedtke und die Qualitativen Methoden umfasst. Sollte der SFB »Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten« nicht weiter bewilligt werden, wird das Rektorat entscheiden, welche dieser Professuren überhaupt zur Ausschreibung kommt. Die FaKo ihrerseits betont in einem Beschluss, dass das Vorgehen des Rektorats »Grundsätze der Autonomie der Forschung« verletzt. Die Sperrung der Professuren wird nicht akzeptiert. 31.07.: Prof. Birgit Geißler geht in Ruhestand. 01.10.: Alexandra Kaasch Juniorprofessur Transnationale Sozialpolitik – vorgezogene Nachfolge Leisering. – Ingrid Tucci Juniorprofessur Migrationssoziologie in vergleichender Perspektive. – Marco Gießelmann Juniorprofes-

Chronik der Fakultät für Soziologie

sur Quantitative Methoden der empirischen Sozialforschung. – Außerdem sieben neue LbA’s vorgestellt (Pr. 29. 10.). 05.10.: Alejandro Portes neuer Niklas-Luhmann-Gastprofessor (Pr. 29. 10.). 10.10.: Papier des Dekans zu Entwicklungsperspektiven der Fakultät dem Rektorat vorgelegt. Schwerpunkte SFB, Weltgesellschaftsforschung. Einzelforschung als dritte Säule. Die Einzelforschung und Pluralität der Forschungsformen und -themen wird ausdrücklich betont (Pr. 29. 10.). 31.10.: Die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaft und der Künste fördert mit über fünf Mio. Euro das Langzeitforschungsprojekt »Niklas Luhmann – Theorie als Passion« von Fakultät für Soziologie, Bibliothek und Archiv der Universität Bielefeld sowie dem Cologne Center for eHumanities (CCeH). 19.11.: Die Fakultät beschließt, für das Fach Politikwissenschaft wieder in das CHE-Ranking einzusteigen (9:4:0). – Modul Arbeit, Wirtschaft, Sozialpolitik wird eingestellt, weil die Professur Geissler und Mitarbeiterstelle seit dem Wintersemester nicht mehr zur Verfügung steht (zehn Ja-, drei Nein-Stimmen). im Dezember: Oliver Flügel-Martinsen apl. Professur Politische Theorie und Ideengeschichte.

2015 04.02.: Der Dekan berichtet über das Entwicklungsgespräch mit dem Rektorat. Thema des Gesprächs waren insbesondere die Blöcke Forschung, Lehre und Gleichstellung. Interdisziplinarität und Internationalisierung wurden quer zu den Themen immer wieder thematisiert. Dem Rektorat ist wichtig, Bielefeld als Typ-II-Universität zu stabilisieren, also eine Stufe unterhalb der Exzellenzuniversitäten, aber doch mit überdurchschnittlich hoher Forschungskompetenz und eine Stufe oberhalb regionaler Ausbildungsuniversitäten. Das Rektorat bestätigt, dass die Bielefelder Soziologie eine forschungsstarke und drittmittelstarke Fakultät sei. Daher wünscht es eine Beteiligung der Fakultät an der nächsten Exzellenzinitiative. Eine stärkere Internationalisierung wird angemahnt. Die Profilierung des IW im Entwicklungspapier. erschien zu unscharf. Das Rektorat sei sich nicht sicher, wohin die Reise des IW führe. – Die FaKo beschießt, die ehemalige Weingart-Professur nicht für Rechtssoziologie auszuschreiben, sondern für Erforschung nichtwestlicher Gesellschaften u.a., um das IW zu stärken. 01.04.: Prof. Jost Reinecke Dekan, Nachfolge Faist. 29.04.: Der Dekan teilt mit, dass die Fakultät einen Antrag auf ein Graduiertenkolleg zum Thema »World politics: The emergence of political arenas and modes of observation in world society« bei der DFG eingereicht habe. – Diskussion um Belastung der Lehrkräfte mit besonderen Aufgaben. Der Mittelbau verfolgt mit Sorge die Doppelbelastung von hoher Lehrbelastung und Qualifikationsnotwendigkeit. – Die FaKo unterstützt den Vorschlag

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des Dekans auf Entfristung der Professur für sozialwissenschaftliche Europaforschung (Stelle Vasilache). 21.05.: Die zweite Phase des Sonderforschungsbereich »Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten« wird nicht bewilligt. Zwar hatten bei der Begehung Mitte März alle Gutachter die Fortsetzung befürwortet. Doch waren zwei bestehende und zwei neue Projekte aus dem Fortsetzungsantrag negativ begutachtet worden (Pr. 29. 04., 03. 06.). Der bisherige Sonderforschungsbereich wird fortan in etlichen Einzelprojekten weitergeführt. Die Geschäftsführung des SFB wurde zum 30.06.2016 eingestellt (Pr. 26.07.17). im Juni: Heidemarie Winkel W2-Professur für Soziologie. 01.10.: André Kieserling Studiendekan, Nachfolge Sack. 28.10.: Der Dekan teilt mit, dass die Fakultät für Soziologie im Förderatlas der DFG eine herausragende Position hat. Im Bundesvergleich ist sie auf Platz vier der eingeworbenen Drittmittel pro Professur gelandet. – Informationen über den Stand der Berufungsverfahren. Konflikte mit Rektorat. Die vom Rektorat gesperrten Professuren sind noch nicht freigegeben – Beratungen über den ersten Entwurf des Entwicklungspapiers. Für die Forschung wird eine Vier-Säulen-Struktur ins Auge gefasst: Ungleichheitsforschung, Weltgesellschaftsforschung, Einzelforschung, interne Verbünde/ Mitarbeit an zentralen wissenschaftlichen Einrichtungen. 18.11.: Beratung des Entwicklungspapiers. 16.12.: Der Dekan teilt mit, dass das Rektorat das Berufungsverfahren für die Professur Allgemeine Soziologie/Soziologische Theorie eingestellt hat. Als primärer Grund wird genannt, dass der SFB »Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten« nicht weiter gefördert wird. Der Dekan betont, dass nach seinem Eindruck die Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen diese Entscheidung sehr irritiert hat. Es könne in der Außenwahrnehmung der Eindruck entstehen, dass die Universität und die Fakultät es in einem vertretbaren Zeitraum nicht schaffen, vakante Professuren zu besetzen. 31.12.: Prof. Boris Holzer verlässt die Fakultät und folgt einem Ruf an die Uni Konstanz. – Neue ergänzte Fakultätsordnung einstimmig verabschiedet. Die Gruppe der Promovierenden kann mit beratender Stimme an den Sitzungen der Fakultätskonferenz und den Fakultätsgremien teilnehmen.

2016 20.04.: Der Dekan teilt mit, dass das Interdisziplinäre Zentrum für Frauenund Geschlechterforschung (IFF) nunmehr unter dem Namen Interdisziplinäres Zentrum für Geschlechterforschung (IZG) durch das Rektorat neu gegründet bzw. wiederbewilligt wurde. 07.07.: Kooperationsabkommen der Universitäten Bielefeld und Bologna, das auch die Möglichkeit eines soziologischen Master-Studiums an beiden Universitäten beinhaltet.

Chronik der Fakultät für Soziologie

01.09.: Ruth Ayaß W3-Professur Methoden der empirischen Sozialforschung mit dem Schwerpunkt qualitative Methoden (Pr. 26.07.17) – Nachfolge Bergmann. 11.09.: Der 24. und letzte Band der Georg Simmel-Gesamtausgabe erscheint. 01.10.: Tobias Werron W3-Professur Soziologische Theorie und Allgemeine Soziologie, Nachfolge Heintz. 01.11.: Elena Esposito Professur Soziologie und ihre interdisziplinäre Vernetzung (befristet bis 31 10. 2021). Die Professur wird aus den Mitteln des Strategieetats finanziert (Pr. 29. 06., 23. 11.). 17.11.: Eröffnung des Forschungsschwerpunkts Digitale Zukunft der Universitäten Bielefeld und Paderborn unter maßgeblicher Beteiligung der Bielefelder Fakultät für Soziologie. Sie bringt zwei Juniorprofessuren ein, eine durch den Strategieetat finanziert (uni.aktuell, Pr. 26.07.17). 29.11.: Richard Münch Niklas-Luhmann-Gastprofessor (bis 05.02.2017). 21.12.: Das Rektorat plant Änderungen des Akkreditierungsverfahrens an der Universität Bielefeld: Umstellung von Programmakkreditierung auf Systemakkreditierung. Damit verbunden wäre der Auf bau eines Qualitätsmanagement-Systems, welches auch in die Strukturen der jeweiligen Fakultäten eingreift. Für die Implementation des Qualitätsmanagement-Systems sind etwa 15 Stellen vorgesehen.

2017 26.07.: Entfristung der W2-Professorenstelle von Rainer Schützeichel (Mitteilung des Dekans). Das Rektorat hat sich dem Ergebnis des berufungsäquivalenten Verfahrens angeschlossen. – Der Antrag von Mathias Albert zur Errichtung eines DFG-Graduiertenkollegs »Global Politics« ist von der DFG bewilligt worden. Bewilligungssumme: über 2 Mio. Euro. – Mathias Albert zum neuen Dekan gewählt. 01.10.: Das DFG-Graduiertenkolleg »Global Politics« nimmt seine Arbeit auf. – Diana Lengersdorf W2-Professur Geschlechtersoziologie.

2018 01.01.: Martin Kroh W2-Professur Methoden der empirischen Sozialforschung mit dem Schwerpunkt Quantitative Methoden – vorgezogene Nachfolge Reinecke. 17.01.: Die FaKo befürwortet die Reform des MA Politische Kommunikation und die entsprechende Ausarbeitung eines MA Politikwissenschaft. 01.02.: Minh Nguyen W2-Professur Globaler Süden/Sozialanthropologie – vorgezogene Nachfolge Pfaff-Czarnecka. 12.02.: Anja-Kristin Abendroth Juniorprofessur technischer und sozialer Wandel.

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»Hochschulexperimentierplat z Bielefeld« – 50 Jahre Fakultät für Soziologie

01.04.: Holger Straßheim W2-Professur Politische Soziologie – Nachfolge Holzer. 28.05.: Christopher Thornhill Niklas-Luhmann-Gastprofessur. im Juli: Prof. Dr. Minh Nguyen mit einem ERC Starting Grant ausgezeichnet für Forschungen über Pflege und Wohlfahrt, Migration und Mobilität sowie Geschlechts- und Klassengesellschaft. Das ERC Grant ist mit einer Gesamtsumme von ca. 1,5 Mio. Euro über die nächsten fünf Jahre ausgestattet (Pr. 24. 10.). 01.10.: Prof. Joanna Pfaff-Czarnecka neue Dekanin. 24.10.: Die Dekanin teilt mit, dass das Zentrum für Deutschland- und Europastudien (ZDES) positiv zwischenevaluiert wurde. Der DAAD hat eine weitere Förderung bis 2023 in Aussicht gestellt.

Chronik der Fakultät für Soziologie

Literatur Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (1973a): Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd. 1. Symbolischer Interaktionismus und Ethnomethodologie. Rowohlt: Reinbek. Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (1973b): Alltagswissen und Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd. 2. Ethnotheorie und Ethnographie des Sprechens. Rowohlt: Reinbek. Hurrelmann, Klaus (Red.) (1973): Studienreform an der Fakultät für Soziologie: Dokumente und Erläuterungen der Lehrpläne und Prüfungsordnungen. Universität Bielefeld, Bielefeld. Kampmann, Birgit/Lenninger, Monika (1994): Ans Licht gebracht. Wissenswertes aus zweieinhalb Jahrzehnten, in: Budde, Anke/Ebel, Birgit/Kampmann, Birgit/Kuhnt, Christa/Lenninger, Monika (Hg.), …./innen-Ansichten. 25 Jahre Universität Bielefeld. Ein Frauenlesebuch zum Jubiläum 1994. Kock, Bielefeld, S. 260-269. Kaufmann, Franz-Xaver/Korff, Rüdiger (Hg.) (1995): Soziologie in Bielefeld. Ein Rückblick nach 25 Jahren. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld. Lepsius, M. Rainer (1979): Die Entwicklung der Soziologie nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 – 1967, in: Günther Lüschen (Hg.), Deutsche Soziologie seit 1945. Westdeutscher Verlag, Opladen, S. 25-70. Matthes, Joachim (1973): Einführung in das Studium der Soziologie. Rowohlt, Reinbek. Mikat, Paul/Schelsky, Helmut (1967): Grundzüge einer neuen Universität: zur Planung einer Hochschulgründung in Ostwestfalen. Bertelsmann, Gütersloh. Schelsky, Helmut (1963): Einsamkeit und Freiheit. Idee und Gestalt der deutschen Universität und ihrer Reformen. Rowohlt, Reinbek. Schelsky, Helmut (1975): Die Arbeit tun die anderen. Klassenkampf und Priesterherrschaft der Intellektuellen. Westdeutscher Verlag, Opladen. Universität Bielefeld (1969): Lehre, Studium, Strukturmerkmale. Schriften zum Auf bau einer neuen Universität 1. Bielefeld.

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Autor*innenverzeichnis

Anja-Kristin Abendroth (Jun.-Prof. Dr.) lehrt Sozialstruktur und soziale Ungleichheit an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Mathias Albert (Prof. Dr.), Professur für Politikwissenschaft, Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Yvonne Berthiot (MA), von 2007 bis 2010 zunächst BA-Studium der Politikwissenschaft und anschließend von 2010 bis 2014 MA-Studium History, Philosophy and Sociology of Science an der Universität Bielefeld. Im Anschluss wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld und seit 2015 Volontärin und darauffolgend Redakteurin an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Madlen Böert, seit 2015 BA-Studium der Soziologie und Politikwissenschaften an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Sarah Dröge, seit 2016 BA-Studium der Politikwissenschaft und Soziologie an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Annika Eußner, 2013-2016 BA Soziologie, 2016-2019 MA Soziologie. Thomas Faist (Prof. PhD) lehrt Soziologie der Transnationalisierung, Entwicklung und Migration an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Lisa Fischer, von 2010 bis 2015 zunächst BA-Studium der Anglistik und Politikwissenschaft und anschließend von 2015 bis heute Master-Studium British and American Studies an der Universität Bielefeld, sowie Projektarbeit und Programm-Koordination im Zentrum für Lehren und Lernen der Universität Bielefeld. Aline Garcia Alba, seit 2016 BA-Studium der Soziologie an der Fakultät für Soziologie an der Uni Bielefeld.

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»Hochschulexperimentierplat z Bielefeld« – 50 Jahre Fakultät für Soziologie

Alina Marie Gülle, von 2014 bis 2015 BA-Studium der Linguistik und Soziologie an der Universität Bielefeld, sodann bis 2018 BA-Studium der Soziologie an der Universität Bielefeld, seit 2018 MA-Studium der Soziologie an der Universität Bielefeld. Reinhold Hedtke ist Seniorprofessor an der Goethe-Universität Frankfurt, er war Professor für Wirtschaftssoziologie und Didaktik der Sozialwissenschaften an der Universität Bielefeld. Sarah Hitzler (Dr.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der AG Qualitative Methoden der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Tomke König (Prof. Dr.) lehrt Geschlechtersoziologie an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Hans-Martin Kruckis (Dr.) war von 1989 bis 2016 Mitarbeiter im Rektorat der Universität Bielefeld und wechselte danach ins Zentrum für Ästhetik der Universität. Volker Kruse (Prof. Dr.) lehrt Geschichte der Soziologie und Soziologische Theorie an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Stefan Kühl ist Professor für Organisationssoziologie an der Universität Bielefeld. Katherina Charlotte Lampe, von 2013 bis 2017 zunächst BA-Studium der Politikwissenschaft und Soziologie und anschließend seit 2017 MA-Studium der Soziologie an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Lukas Lebert, seit 2016 BA-Studium der Soziologie an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Lutz Leisering (Prof., Ph.D.) lehrte Sozialpolitik an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Ursula Mense-Petermann (Prof. Dr.) lehrt Arbeits- und Wirtschaftssoziologie an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Gleichzeitig ist sie Direktorin der Bielefeld Graduate School in History and Sociology (BGHS). Verena Molitor (Dr.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektmanagerin des Zentrums für Deutschland- und Europastudien (ZDES/CGES) an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld.

Autor*innenverzeichnis

Richard Münch ist Emeritus of Excellence an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und Seniorprofessor für Gesellschaftstheorie und komparative Makrosoziologie an der Zeppelin Universität Friedrichshafen. Ilona Ostner (Prof. Dr. em.) lehrte Vergleichende Sozialpolitik und Politische Soziologie am Institut für Soziologie der Georg-August-Universität, Göttingen. Joanna Pfaff-Czarnecka (Prof. Dr.) lehrte seit 2001 Sozialanthropologie an der Universität Bielefeld. Falk Justus Rahn, von 2009 bis 2012 Studium der Kultur- und Kommunikationswissenschaften in Friedrichshafen, danach Analyst bei GE und Unternehmensberater bei Accenture und seit 2016 Studium der Soziologie im MA in Bielefeld. Demokrat Ramadani, Studium der Politikwissenschaften und Rechtswissenschaften (Uni Bielefeld) und Demokratiepädagogik (FU Berlin), Lehrbeauftragter an der Faktulität für Soziologie (AB Politikwissenschaften) und Rechtswissenschaften (AB Öffentliches Recht). Werner Rammert (Prof. Dr.), Techniksoziologie und DFG-Kolleg »Innovationsgesellschaft heute« an der TU Berlin. Vanessa Rolfsmeier, von 2013-2017 BA-Studium Politikwissenschaft und Anglistik, seit 2017 MA-Studium Politische Kommunikation, beides an der Universität Bielefeld. Uwe Schimank (Prof. Dr.) lehrt Soziologische Theorie am Fachbereich Sozialwissenschaften, Institut für Soiziologie, der Universität Bremen. Johannes Schmidt (Dipl.-Soz.) ist wissenschaftlicher Koordinator des Akademieprojekts »Niklas Luhmann – Theorie als Passion« an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Rainer Schützeichel (Prof. Dr.) lehrt Soziologie an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Torsten Strulik (PD Dr.) lehrt Soziologie und Politikwissenschaft an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Tamara Tietz, seit 2016 BA-Studium der Soziologie (KF) an der Fakultät für Soziologie und Philosophie (NF) an der Fakultätfür Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie an der Universität Bielefeld.

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»Hochschulexperimentierplat z Bielefeld« – 50 Jahre Fakultät für Soziologie

Christian Ulbricht forscht zu »Wissen über Migration«. Der Soziologe promovierte an der Universität Bielefeld und lehrt dort am Center für Migration, Citizenship und Entwicklung der Fakultät für Soziologie. Andreas Vasilache (Prof. Dr.) ist Professor für Sozialwissenschaftliche Europaforschung und deutscher Direktor des Zentrums für Deutschland- und Europastudien (ZDES/CGES) an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Lena M. Verneuer (Dr.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der AG Quantitative Methoden der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Milan* Wolnik, von 2013 bis 2016 BA-Studium der Sozialen Arbeit am Fachbereich für Angewandte Sozialwissenschaften der Fachhochschule Dortmund und anschließend von 2016 bis 2019 MA-Studium der Gender Studies an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Bettina Zurstrassen ist Professorin für Didaktik der Sozialwissenschaften an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld.

Soziologie Juliane Karakayali, Bernd Kasparek (Hg.)

movements. Journal for Critical Migration and Border Regime Studies Jg. 4, Heft 2/2018

Februar 2019, 246 S., kart. 24,99 €(DE), 978-3-8376-4474-6

Sybille Bauriedl, Anke Strüver (Hg.)

Smart City – Kritische Perspektiven auf die Digitalisierung in Städten 2018, 364 S., kart. 29,99 € (DE), 978-3-8376-4336-7 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4336-1 EPUB: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4336-7

Weert Canzler, Andreas Knie, Lisa Ruhrort, Christian Scherf

Erloschene Liebe? Das Auto in der Verkehrswende Soziologische Deutungen 2018, 174 S., kart., zahlr. Abb. 19,99 € (DE), 978-3-8376-4568-2 E-Book: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4568-6 EPUB: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4568-2

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Soziologie Gianna Behrendt, Anna Henkel (Hg.)

10 Minuten Soziologie: Fakten 2018, 166 S., kart. 16,99 € (DE), 978-3-8376-4362-6 E-Book: 14,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4362-0

Heike Delitz

Kollektive Identitäten 2018, 160 S., kart. 14,99 € (DE), 978-3-8376-3724-3 E-Book: 12,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3724-7

Anna Henkel (Hg.)

10 Minuten Soziologie: Materialität 2018, 122 S., kart. 15,99 € (DE), 978-3-8376-4073-1 E-Book: 13,99 €(DE), ISBN 978-3-8394-4073-5

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