Historisch-kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik: Band 5 (Stück 1–6) [Reprint 2022 ed.] 9783112630082


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Historisch-kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik: Band 5 (Stück 1–6) [Reprint 2022 ed.]
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Historisch -Kritische

Degtrüge zur

Aufnahme der Musik von Friedrich Wilhelm Marpurg.

Band. Erstes Stück.

Berlin, Verlegt» Gottlieb August Lange. 1760.

Inhalt. f. Vermischte Gedanken.

il. Auszug aus der Einleitung in die schö­ nen Wissenschaften, nach dem Fran­ zösischen des Herrn Batteux, mit Zu­ sätzen vermehrt von C. W. Rammler. Auf die Tonkunst angewandt. III. Fortsetzung der Abhandlung des du Bos von den theatralischen Vorstel­ lungen der Alten.

I Vermischte Gedanken. E« Regeln der Musik, so wie aller Künt>;O

sind Zweige, die aus einem einzigen Stamm erwachsen. Kann man

bis zu ihrer ersten Quelle hinauf stei­ gen, so trift man einen Grundsatz an, der so leicht und natürlich ist, daß man seiner unmöglich ver­ fehlen kann, und der doch groß genug ist, alle Sie kleinen Regeln unter sich zu begreifen, die man nur durch das Gefühl erkennen darf, und wovon die Theorie den Geist mehr einschränkt, als aufklärek. An einem solchen Grundsatz können sich alle dieje-nigen halten, die ein würklicheS Genie zur Musik haben. Dieß allgemeine Gesetz ist die' Nachahmung der Natur. Durch was für Mittel geschiehet diese aber inderMrisik? Dies müßen uns die Beobach­ tungen lehren, die man über gute musikalische , V. Band. i.St. A Stücke

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I. Vermischte Gedanken.

Stücke machet, gleich den Naturforschern, die zuerst Erfahrungen sammlen, und hernach ein System darauf bauen. Dieß ist aber ein fast noch gänzlich unbekann­ tes Feld in der Musik. Bey solchen Beobachtungen kommt es nicht allein darauf an, Richtigkeiten der Harmonie aufzusuchen; gewiße Freyheiten, die der Componist sich genommen-, zu entdecken und zu prüfen; in den Fugen und Imitationen die Ge­ schicklichkeit zu untersiichen, mit welcher der vor­ habende Satz angenehm überraschend eintritt, u. f. iv. Diese Bemerkungen muß ein Componist machen; allein sie haben nur zur Absicht, einen geschickten Harmonistcn zn bilden. Wir wünschen annochBeobachkungen vonhöhermWerthezu haben. Sie müßen die Empfindung und Leidenschaft betreffen, die der Componist sich vorgesetzet oder ausgedrücket hat; die Art und den Grad derselben; die Mittel, die er dazu angewendet, so wohl in Ansehung der Melodie als der Harmonie, in Abft. . auf die Sänger und die Instrumente, und deren Wahl; ob er bey Singcsachen den Sinn des Dichters so wohl überhaupt, als in Absicht auf jeden Theil des Singstückes eingesehen; ob er dem Dichter in den Wendungen gefolget ist; ob er cdie gemäße Schreibart getroffen; ob er bey Op rn die Charaktere durchforscht, und beobachtet u. s. xo . Es ist wahr, es wird aus solchen Bemerkun­ gen eine.Menge Regeln entstehen, die dem Ver­ faßet, welcher schreiben, und dem Liebhaber, wel­ cher

I. Vermischte Gedanken.

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cher urtheilen will, gleich viel zu schaffen machen. Allein w" kann man ander? zu einiger Gewißheit in der Musik kommen? Man wird sonst noch immer ftck auf das Glück ve» laßen müßen, welches best Componisten aut die Emosindungen führen muß. Unb wer kann auf ein solches beständiges Glück Rechnung macken? Batreur schlagt zur Oper eine wunderbare Handlung, und Götter und Halbgötter zu Per­ sonen vor. Metastasio aber, führet Personen auS der menschlicl-en Welt, und wahre Begebenheiten lauf. Inzwischen dünkt mir die Regel des Batteuf sehr schön. Man laße die ordentliche Tra­ gödie von Gottheiten leer, und thue dagegen die wunderbaren Materien ins Schauspiel, worinn man alle Hunder der Mahlerey und der Baukunst, deS Tanzes und der Musik, auf die wahrschein­ lichste Weise vereinigen will. Ich bitte die Quluaultischen Opern ohne Vorurtheil zu lesen, und als ein Aestrycticus zu betrachten. Man stelle sich dabey vor, daß die genannten Künste'alle in ge­ höriger Vollkommenheit würken. Man abstrahire davon, daß die Arien nicht in der Form sind, wie des Metastasio Arien; daß die Sänger und Sängerinnen nicht allein hervor leuchten können, sondern auch zuweilen den Tänzern, dem Ballet­ meister, dem Dccorateur rc. Platz laßen müßen: man betrachte alles mit philosophischen Augen, und verwechsele die Oper nicht mit einem Singstücke: so bin ich versichert, man wird wünschen, ein sol­ ches Schauspiel zu sehen. A a Man

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! Vermischte Gedanken.

Matt hat sich gewundert, daß Pape in Prosit übersetzet worden. Und jemand wunden sich des­ halb darüber, weil dieses der Dichter sey, deßen großes, mgn wolle nicht sagen, größtes Verdienst darinn wäre, was wir das Mechanische der Poesie nennen; deßen ganze Mühe dahin gegangen, den reichsten, triftigsten Sinn in die wenigsten wohlktintzendsten Worte zu legen; dem der Reim keine Kielnigkeit gewesen-------- einen solchen Dichter in Prosa zu übersetzen, das hieße, ihn ärger, enU stellen, als man den Euklideö entstellen würde, wenn man ihn in Versen übersetzte. Ich werfe Hiebey die Frage auf: ob es nicht auch ein Mecharusches der Musik gebe, woraus man ein so großes Verdienst machen könne? Ob man nicht auch den reichsten, trieftigsten Sinn in die wenigste wohl­ klingendste Töne legen könne? Und ob einem Componisten die Proportion und Uebereinstimmung der Einschnitte in den musikalischen Perioden nicht auch mit Nutzen keine Kleinigkeit seyn möge? Wir ha« ben einen solchen musikalischen Pope in Deutsch, land, der zwar bekannt gcnung ist; aber nur wenige wißen, daß der Werth seiner Stücke Hauptfachlich mit daher kommt. Uebrigenö könnte man den Euklides in Versen mit einer Fuge vergleichen, die aus zärtlichen, reitzenden, seufzenden und neu­ modischen Gängen bestehet, und ich werfe dabey die zweyte Frage auf: warum eine solche Fuge nicht klingt? Eigenthümlichkeit des Ausdrucks mag vielleicht in der Musik eine unbekannte Sache seyn; ich will sagen,

l. Vermischte Gedanken,

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Lagen, ein unbekannter Ausdruck bey den musiks, ltschen Kunstrichtern. Mich dünkt aber, die Sache kommt mit dem überein, was die Franzosen tons parlans nennen« Wo dieß wäre, so würde einem gewißen Componisten dieses Gute sehr fehlen. Denn er hat alles, aber nur selten tons parlans. Pope hat geschrieben, well es ihn angenehm beschäftiget; er hat verbeßert, weil ihm das Ver» beßern eben so viel Vergnügen gemacht, als das Schreiben. Unser musikalischer Pope thut des­ gleichen. Aber eben deswegen hat er auch unter den Componisten einen eben so gegründet hohen Rang, als der Engelländer unter den Dichtern. Allein wie wenig Musiker componiren anders als par ordre, oder wenigstens nur auf gewiße Ver« anlaßungen l Noch weniger verbeßern sie; und die allerwenigsten finden am Verbeßern eben, so viel Vergnügen als am Schreiben. Wäre unser--------in diesem Stück Pope, er würde ein Wunder der Welt seyn.

Bey den Büchern wird verlangt, daß man die Kunst zu lesen besitze, und bey den Noten kann man ein gleiches verlangen« Gleichwie aber dort der armen Kunst zu lesen wehe geschicht, wen» ihr vornehmstes Geschäft seyn muß, den N>orrvdrftand deutlich zu machen: also giebt es so schlechte Compositionen, bey denen alle Kunst, No­ ten zu lesen, unnütz ist. Man. begreift ohne Erin, nern den Unterscheid unter der Fertigkeit, Noten zu lesen, und der .Kunst, die Noten recht zu lesen. A 3 Jenes

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L Vermischte Gedanken.

Jenes« gehöret tue musikalischen Grammatik, dieses zur musikalischen Wohlredenheit. Man sagt von manchen Frauenzimmern, sich zu unterwerfen, seh durchaus ihre Sache nicht; fteroof!ten ihren Willen haben, oder sie bekämen ihre Zufälle; sie würden krank, die liebe» eigensinm'gen Weiberchen, wenn man i»ichl thäte, was sie haben wollen.---------- Dieses auf die Musik ap» pliciret, sind nur bloß die Sängerinnen so, wenn Fe nicht die erste Rolle bekommen? Oder nehme» nicht auch oft qar starkbärtige Musiker zu den Zu­ fällen ihre Zuflucht, wenn man nicht überall thut, was sie haben wallen? Die deutschen Uebersehe'r sollen die Sprache versichen. Sie wollen sie aber erst verstehen lernen; sie übersehen, um sich iu üben, und sind klug genung, sich ihre Uebungen bezghlxn zu laßen.-------- - Auch Aar viele Anfänger in der Compositlon giebt es, die nicht das geringste Stück machen, welches sie nicht bey aller Gelegenheit Horeb laßen, und die diese ehre elende Uebungen durch Bravos wölken bezahlt haben, statt deren mcmlieber mit den Füßen krä­ hen möchte. Boiingbrocke, wenn er von MäUnern, die -war selbst durch ihre Studien weder weiser noch

bester werden, andere aber in den Stand sichen, mit mehrerer Bequemlichkeit und in nützlichern Ab­ sichten zu studiren; voit den Herausgebern verleg­ ner Handschriften, den Wortforschern u. s. w. redet, gedenket mit Beyfall eines Gelehrten, den man einst in der Kirche, fit- seiner Capelle, unter der stück-

I. Vermischte Gedanken.

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stückweksen Erwägung göttlicher Wohlthaten, dergleichen bey frommen Leuten nicht ungewöhnlich

ist, Gott auch dafür danken gehöret, daß er die Welt mit Lexiconmachern versehen habe.---------laßet unS also denen, die in Absicht auf die Musik ein gleiches thun, die Aufmunterung nicht versagen, welche sie verdienen, zumahl wenn ihnen ihr? Ta­ lente sonst nichts anders zu thun erlauben, und sie dabey bescheiden sind, weder witzig seyn, noch ver­ nünfteln wollen. Bolingbrocke vergleicht die Systeme der alten Zeitrechnung und Geschichte mit bezauberten Schlös­ sern. Sie scheinen, sagt er, etwas zu seyn, und sind nichts als Phantome; löset die Bezauberung auf, und sie verschwinden aus dem Gesicht wie jene.--------- In der Musik haben wir ganz andere Zauberer. Jene Stümper laßen verschwinden, was bloß da zu seyn schien. Diese machen ihr hocus pocus, bringen es zu Papier,, singen und spielen eS, und das Gemüth wird so wenig davon gerührt, daß seit dem Augenblick niemand mehr daran gedenkt, noch weniger darnach fragt; alle Gedanken, alle Einfälle, die würklich da warLn, sind weg; ohne alle Spur, weg. Wie mancher Sänger undJnstrumentkst giebt dem Componisten, mit dem Hudibraö zu reden, die Kratze, um ihn reiben zu können, daö ist: er versteht ihn unrecht, er sieht das schöne der simpel» "Gange nicht ein, er broöirt dieselben, und stellt ihn mit Ungeieimtheit dar, die erlselbst in ihn ge­ legt hat. Vie'A4

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1 Vermischte Gedanken.

Viel arme schlechtbesoldete Musiker müße« vom Notenabschreiben leben; daß heißet: sie sehen, wo sie Concerten, Arien, Trioö rc. bekommen, und schreiben sie für andere ab. Wie viel schreiben sie aber nicht ab, was ihren Notenkunden so sehr mißfällt, daß sie ihnen nichts mehr abnehmen! Wenn also doch nicht jede musikalische Geburt zum Abschreiben gegeben würde! Man sollte die schlech­ ten Componisten anhalten, die Nokenlieferanten wegen dieses Verlustes zu entschädigen.

Es ist schon anderwärts gesagt, daß die Aus­ übung der Musik die Vornehmen den Geringem gleich mache; und doch scheinet eü den erster» nicht nachtheilig zu seyn. Denn vornehme Personen müßen zwar mit viel Unterscheidung und Urtheil auömachcn, wen sie so ehren wollen und können, daß sie sich nicht selbst dabey verunehren. Meistens können sie nur sehr wenigen erlauben, mit ihnen an einem Tische zu eßen. Wer ihnen aber ein Solo, ein Concert accompagnirt, den können sie, ohne Bedenken ihrer Person, so nahe kommen lasfen, als die Tonkünstler von Profeßion einander bey dergleichen Gelegenheit selbst kommen. Schätzet aber, ihr Tonkünstler, die ihr in Weltsachen noch um so viel unerfahrner seyd, als ma»i die Gewohnheit hat, euch diese Unerfahren­ heit zu Gute zu halten, schätzet diesen sonderbaren Vorzug ja m'cht höher, als ihr sollt; oder bester zu sagen, nehmet euch deswegen nicht mehr heraus, als Niedrigen gegen Höher» erlaubt ist. Beden-

1 Vermischte Gedanken.

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ket, daß es euch doppelte Empfindlichkeit, Schande uub Spott zuziehet, wenn eure übele Aufführung verursacht, daß große Herren, die sonst sich gegen euch so herablaßen, euch müßen fühlen laßen, daß >hr nicht weniger als andere gegen sie klein seyd. Es ist etwas sonderbares, daß die sehr Rei­ chen zu vornehm find, Geld bey sich zu tragen, da sie meistentheils doch nur durch ihr Geld vornehm sind. Eben so ist es auch wunderlich, daß viele Tonkünstler, gar keine Musikalien, auch oft nur schlechte musikalische Instrumente haben, da sie ohne Musikalien und gute Instrumente doch fast nicht mehr Musici sind.

Wenn ein geistlicher Redner im Stande seyn muß, erforderten Falls, auch so fort, und ohne daß er darauf studiret, eine gute Rede zu halten: so sollten die Musici noch mehr im Stande seyn, so fort und aus dem Stegereife einen aufgegebenett Affekt zu erregen. Allein die heutigen Tonkünstlee wollen diese Obliegenheit nicht mehr erkennen, und wo sie sich auözudrückende Leidenschaften noch vor. schreiben laßen, so ist es nur in Singesachen. Aust serdem müßen sich die Umstände nach ihnen, nicht aber sie nach den Umständen richten. Die Orgel* spieler laßen sich zwar noch aufgeben, aus dem Stegereif eine Fuge auszuführen. Aber sie sind darinn nicht unlistig; denn zu den Fugen gehöret vielleicht mehr mechanisches als Genie, mehr Kunst als Natur rc. A 5

Fost

io

1. Vermischte Gedanken.

Folgende Sprüche, sollten zu sonderbaren Er­ findungen in der Musik Anlaß geben: Der Herr Zebaot gehet über alles Hoffärtige und Hohe, und über alles Erhabene, daß es geniedriget werde; auch über alle hohe und erhabene Cedern auf dem Libanon; auch über alle Eichen in Bafan; über alle hohe Berge und erhabene Hügel; über alle hohe Thürme und feste Mauren; über alle Schiffe im Meer, und über alle köstliche Arbeit; daß sich bücken müßen alle Höhe der Menschen, und demü­ thigen was hohe Leute sind, und der Herr allein hoch sey zu aller Zeit.--------- Vergebene toben die Headen. Der im Himmel wohnet, lachet ihrer, und der Herr spottet ihrer. Er händiget ihre Wuth. Dee König, den Gott auf seinem heiligen Berge Zion ejngesehet har, zerschlägt sie mit einem eisernen Zepter, und zerschmeißt sie, wie Töpfe. Auch gewaltige der Erde küßen den Sohn, daß er nicht zürne. Hie.Schwerdt des Geistes und Kreutz Jesu., Der Hdrr mit euch, ihr streite baren Holden! In Ansehung des Nachdrucks und der Deutlichkeit, welche eine Singmelodie nach den Regeln der Declamation, und nach den Einschnitten der Rede haben muß, ist zu merken, daß in diesem Betrachte eine Singmelodie ost ganz andern Re­ geln unterworfen ist, als diejenigen sind, welche San beobachten muß, wenn man diese Worte nur '(et, oder hersaget. Ich will mich deutlicher er­ klären. Man wird in einer Singmelodie oft ge­ wiße Sylben erhoben, gewiße Worte von einan.der

1. Vermischte Gedanke«.

n

der getrennet, und gewiße Theile der Rede mit

einem Nachdruck versehen finden, wo alles dieses nicht geschieht, wenn die Worte nur hergesagt, und nicht gesungen werden. Ob ein Componist bey

Nehmung dieser Freyheit, oder wenn man lieber sagen muß, bey Befolgung der besondern Regeln

seiner Kunst, glücklich gewesen, daö muß die Em» pfindung entscheiden. Fühlet ein aufmerksamer Zuhörer den Nachdruck und die Deutlichkeit, den die vorgestellte Sachen erheischen, und zur Absicht haben, so hat der Componist recht verfahren; gesetzt

daß auch eiy Redner ;ene Sylben, Worte und Theile der Rede, ganz verschieden behandeln würde. Die Kunst eines gehörigen Vortrags der Wor»

te, äußert sich erstlich beym Lesen einer jeden Schrift; hernach bey öffentlicher Hersagung einer Rede; fer­ ner bey der theatralischen Deklamation, und end­

lich beym Gesänge.

' Diese Aufsteigung der Leb»

Hastigkeit des Vortrages, in den vier besondern Gattungen deßelben zeiget schon, daß einem Com»

ponisten mehr Kühnheit erlaubt ist, und fein Vor­ trag weit feuriger seyn muß, als der Vortrag eines Lesers, eines Redners und eines Schauspielers. Jndeßen aber bleiben ihm doch mit jenen viele Re» geln gemein, und vielleicht laßen uns auch Unwis»

senheit und Vorurtheil manche Freyheiten der Com» ponisten im Vortrage gesungener Worte für erlaubt ansehen, die es nicht sind, und manches für eine Schönheit halten, das in der That ein Fehler ist.

Der Reitz der Musik ziehet eine Decke darüber.

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1 Vermischte Gedanken. Man hat eine eherne Bildsäule des Alexanders

vom LysippuS gehabt,, welch« Nero hat yergulden laßen. Weil aber die Verguldung der Bildsäule ihre Schönheit benommen hatte, so mußte man fte wt'ed er wegnehmen:. quum prerio periflet gratia artis, defra&um est aurum. Wie viel Melodien werden nicht mit so viel Zierlichkeiten der Kunst überdecket, daß jene vor diesen gar keine Wirkung thun können; und die Gewohnheit, den Gesang vielen äußerlichen Annehmlichkeiten zu unterwer» fen, verursachet, daß die meisten nur solche Ge­ sänge verfertigen, die vieler Manieren fähig sind; -nicht aber sich darum bekümmekn, ob selbige auch an sich etwas taugen, ob sie rühren, erschüttern und das Herz, damit fortreißen. Ich kenne gewiße musikalische Stücke, die ich jä)oit viel mahl gehöret, und doch allemahl wieder mit neuem Vergnügen höre. Ich kann von ihnen sagen, wie der Philosoph Arcesilaus vom Homer,

daß, indem er alle Morgen und Abend sein Buch in die Hand »ahm, er yun zu seiner Geliebten gienqe. Wenn man 'ein musikalisch Stück kritisiert, so Hält man sich gemeiniglich bey den Fehlern und bey der Sonderbarkeit der Harmonie und der Zusam­ menfügung der Töne auf.,, Aber man könnte edlere Vollkommenheiten aufsuchen. Man bekümmere sich genau um die Schönheiten der Figuren,im rhe­ torischen Ausdruck einer Musik, welche am meistey zu der Größe und Erhabenheit derselben beytragen, und dem Zuhörer das empfindlichste Vergnügen machen;

I. Vermischte Gedanken.

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machen; man untersuche das Feine und das Starke der Wendungen, und der Gedanken; dies ist be­ trächtlicher und wird auch viel nützlicher seyn. Nicht nur die hervorragenden Stimmen bey einer Musik, sonpern auch die, die jene begleiten, müßen sich bemühen, die Stärke, Harmonie, Zärt­ lichkeit und Erhabenheit derselben auezudrücken, und den Geist beyzubehalten, der im Stücke herrschet, mehrere unter ihnen sind, die solchen Geist des Stückes nicht kennen und empstnden, je mehr bjeibt es ein Körper ohne Leben und ohne Wirkung. Glückliche Componisten mögen noch so viel Seele und Feuer In ihre Stücke legen: wenn die, welche sie aufführen, nicht auch die Töne zu beleben, und ihnen Verstand zu geben wißen, so ist der Setzer Mühe umsonst. Ein guter Ausüber der Musik, der aber selbst nicht componiren kann, verdienet keine geringe Achtung, und wie glücklich wären wir hingegen, wenn alle Auöüber bedenken woll­ ten, daß so viel bey der Musik von ihnen erfordert wird, und auf sie ankommt. Es ist dieses so wahr, daß selbst eine schlechte Musik, wird sie gut vorgetragen, mehr Gewalt über uns hat, als ein gutes Stück, wenn man es hart und unangenehm ausführet. Mancher singt und spielet alles, was ihm vor­ gelegt wird, auf das genaueste und richtigste, er macht nicht den geringsten Fehler. Aber das Gan­ ze ist ein Fehler. Er ist kalt und ohne Genie, und verfehlet also den Geist, worinn das Stück gesetzt ist. Man kann einem Stück so gar Annehmlich­

keiten

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! Vermischte Gedanken.

feiten geben, die just das Gegentheil von demjenk. gen hervorbringen, welches der Componist will her­ vor gebracht haben. Das Gehör ist der feinste, der zärtlichste und der hoffärtiaste Sinn von allen, und man muß ihn durchaus in feiner Gewalt haben, wenn man über das Herz herrschen will. - Manche Rede wür­ de mit dem grösten Widerwillen, und ohne die ge­ ringste Rührung, gelesen werden, die sich doch der meisten Zuhörer bemächtigte, da sie von demjeni­ gen ausgesprochen wurde, den die Natur zu einem schönen Vortrage vorzüglich geschickt gemacht hat. Nehmet LucrezenS Versen, über die Natur dec Seelen, die Schönheiten der poetischen Mechanick und ihre Harmonie, so werdet ihr den Jnnhalt nicht mehr auöstehen können. Hat aber die äußerliche Beschaffenheit, und der gute Vortrag einer Musik so viel Reih und Gewalt, was wird nicht seyn, wenn noch die Wahr­ heit, Schönheit, Ordnung und Größe der Gedan­ ken dazu kommt! Rechnet man es Homeren zu' einem großen Vorzüge, daß er zuweilen ganz simple Redens­

arten unter die artigsten, feinesten und wohl­ fließendsten Ausdrücke mengt: so ist auch gewiß die Musik nickt die beste, welche nur aus lauter ausgesuchten, feinen und weit hergeholten Gängen bestehet. Kunst und Natur muß allenthalben ge­ mischt seyn. Ich tadele es nicht, wenn man auf neue mu­ sikalische Stücke begierig ist; ich tadele eö aber, wenn

I. Vermischte Gedanken»

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wenn man dabey blos die Neugierde zu Men suchet. Man muß sich angenehme und frdlichGange auch vergnügt und frölich machen, und rührende Stellen auch von Zärtlichkeit einnehmen laßen. Es giebt Leute, die Verstand haben, die aber störrisch oder übereilt in ihren Urtheilen sind. Diese verdammen die meisten musikalischen Stücke so. wohl als diejenigen, welche dieselben auöüben. Sie sind denen gleich, welche keinen Weltgebrauch ver­ stehen, und alleS in der Welt vollkommen haben wollen. Beyderseits werden für ihre wenige Nach­ sicht gestraft, dadurch daß, in dem sie nur Vergnügen.finden, das Böss zu kritisiren, sie bey dem Guten ganz unempfindlich und stumpf werden. Ein Componist fangt sich an zu stiqen, ein junger Virtuose last sich hören; eö ist in den Sachen, in dem Vortrage allenthalben noch nicht dieLenaueste Verbindung, noch nicht die größeste Uebereinstim­ mung; sie verrathen aber Feuer, Erfindung und Nettigkeit. Ist nun dieses nicht so viel werth, daß man durch allzuscharfe Kritiken beyde abzitschrecken weiter zu gehen, sich enthalten sollte? Die Kritik bestehet so wohl in der Aufdeckung der Vollkommenheiten schöner Werke des Geistes und des Verstandes, als in Aufsuchung der Un­ vollkommenheiten in selbigen. Die musikalischen Kunstrichter sollten sich endlich einmahl hauptsäch­ lich mehr mit dem ersten beschäftigen; denn man hat lange genug Quinten und Octaven aufgesucht, und man gebe den Tonkünstlern die Sachen eineangehen.

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I. Vermischte Gedanken,

angehenden oder auch eines unbekannten Componisten, um ihr Urtheil darüber zu fällen. Selten werden sie, wo sie ja sich nicht bloß bey harmonifchen Fehlern aufhalten, etwas anders thun, als übel zufammengehangene Sähe, unglücklich gera­ thene Ausdrückungen des Textes u. d. g. aufsuchen. Könnten sie aber nicht eben so gut neue Auflösun­ gen der Intervallen suchen, kühne Züge der Me­ lodie, angenehm überraschende Wendungen des Gesanges, redende Paßagien, starkrührende Ge­ danken, u- s. w. Der Verstand und das Herz sind so genau mit einander verbunden, daß ee wohl nicht möglich -st, ein gut Herz und eine böse Denkungsart zu haben. Zwar kann man ein groß Herz und ein klein Genie, und auch viel Verstand und keine Größe der Seele haben; allein mit der Güte oder Bösartigkeit ist es nicht also beschaffen. Diese letzteren haben überhaupt in alle Theile unserer Ge­ müthsart Einfluß; beym Herzen fangen sie an, und beym Verstände hören sie auf, sich zu äußern. Weicher Vorzug für die Tonkünstler, daß man einigen derselben zwar vorwerfen kann, ein klein Genie zu haben, und dasjenige wenig zu äußern, was man viel Verstand heißet; daß aber dennoch die meisten ein gut Gemüth zeigen, wenn auch gleich nur ihrer wenige, ein eigentlich großes Herz an den Tag legen. Bey vielen Geleqenheiten ist auch in der Musik der ausgesuchte Geschmack und ein gar zu feiner Verstand, uns zur tast. An wenigen Oertern fin.

det

I. Vermischte Gedanken.

17

bet man gute Musikalien, gute musikalische Jnstru» mente, und an den allerwuugsten, Leute, die die­ jenigen, die sie noch haben, gut spielen oder sin­ gen. Soll man aber deswegen sich der Tonkunst ganz begeben? Ist es nicht bester, zur gesundey Vernunft seine Zuflucht, und mit den Musiken, wie man sie findet, fürlieb zu nehmen? Sind Pie

Stücke und die Art, sie vorzutragen, nur nicht ganz wider den guten Geschmack, so wird doch ein gesunder Verstand allemahl etwas ergötzendes und rührendes darinnen finden. Ein französischer Schriftsteller aus dem vori­ gen Jahrhunderte sagt, daß zu seiner Zeit ein in seiner Caroße ausgestreckt gelegener Comödiant, den zu Fuße gehenden Corneille, mit Koth be­ sprühet habe. Wie viel brave Componisten gehen zu Fuße, dahingegen Sänger, die nicht im Stande sind, jener ihre Stücke tu singen, ihrer Madre und Sorella tausende nach Haufe schicken, und ebenfalls in Caroßen fahren. Ich weiß keine Wahl zu treffen, unter demje« nkgen der ein schlecht Solo spielet, und demjenigen der ein schön Solo schlecht lpielet. Mein Ohrleidet gleichen Mangel am Vergnügen. Jemand sagt von den Gelehrten, daß einige sich ein Verdienst daraus machen, nur etwas schö­ nes zu schreiben, andere aber daraus, gar nichts zu schreiben. Ist bev den lehtern oftmahls etwas gezwungenes und affectirteö, jo sind Gott Lob! die Tonkünstler noch davon frey. Das schlechteste Stück, was ein Componist gemacht, würde er V. Band. 1. St. B um

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I Vermischte Gedanken.

um aller We!t Wunder nicht unterdrücken, und die Sucht, immer neue Musckalien zu haben, wie auch die Besorgniß armer Tonkünstler, mit ihrer Familie Hungers zu sterben, wird daS Stück durch öftere Abschriften schon ausbreiten.

Bey den Tonkünstlern trift es auch zu, daß das Genie und die großen Naturgaben oft fehlen, zuweilen aber auch nur die Gelegenheit, sie zu zeigen. Der kann gelobt werden deswegen, was er gethan, ein anderer deswegen, was er hatte thun können. Z. unterstehet sich von aller unserer Tonkünstler Werken, seine offenherzige Meynung zu sagen, und sie alle zu loben, und für vortreflich auözugeben. Ec sollte glauben, daß einige unserer Musiker, .über sein Lob hinweg wären, und daß er nicht im Stande sey, ihre Werke zu critisiren. Inzwischen sollte Z. fragen: ob man sich die Mühe gegeben, zu unter­ suchen, ob seine Kritiken gegründet, oder ungegründet seyn? so würde man . schweigen, und zu erkennen geben, daß man eS nicht gethan habe. Ueberdem ist mir derjenige Kunstrichter rechter Art, der ohne Ansehen der Personen lobet, wa^ gut ist, es mag her seyn, wo rö will, und seine bescheidene Meynung über Unvollkommenheiten nicht ver­ schweigt, wenn er sie gleich auch bey großen Leute» gefunden hätte. P. ist bey Anhörung unserer Sängerinnen zu­ weilen der einzige, der nicht mit Bravo rufet; und ein andermahl ist er wiederum der einzige, der ihnen solchermaßen seinen Beyfall giebt. Sollte

1. Vermischte Gedanken. P. wohl ein so großer Sonderling, oder sollte es möglich seyn, daß unsere Sängerinnen nur da einen lauten Beyfall verdienen, wo die meisten Zuhörer ihnen denselbigen nicht geben? Man frage die Kenner der heutigen Mußk: ob sie nicht einige Stücke gehört haben, die sie ge­ rührt, und ein deutliches Bild von dem, was sie vorstellen sollen, gegeben haben? und von denen sie doch nicht sagen können, daß sie ganz nach altem Geschmack abgefaßet wären. Man frage sie hin­ gegen auch: ob nicht die allermeisten Stücke nach dem neuen Geschmack, ganz nicht rühren, kein deut­ liches Bill) auedrücken, und nicht nur bloß dir Ohren küßeln, sondern auch, wo nicht gar Ueberdruß erw reden den Augen, wenn ich mich dieses Ausdrucks bedienen darf, weit mehr, als in unfern Gegen­ den. Wenn ein Römer einmal den Ernst feinLS gezwungenen Betragens ablegen, und seiner natür­ lichen Lebhaftigkeit den Zügel lassen will, so ist et an Gebehrden und Bezeigungen, die fast alle gan­ ze Redensarten bedeuten, ungemein fruchtbar. Seine Action macht Dinge verständlich, die un­ sre Action nimmermehr würde errathen lasten, und seine Gebehrden nehmen sich so sehr auS, daß man ste sogleich wieder kennt, wenn man sie steht. Wenn daher ein Römer von einer wichtigen Sa­ che mit einem, Freunde in geheim reden will, so ist eö ihm nicht genug, wenn er nur von andern nicht kann gehört werden, sondern er braucht die Vorstcht, daß ihn andre auch nicht einmal sehen kön­ nen , weil er mit Recht befürchtet, seine Gebehr­ den und Hie Bewegungen seines Gesichts möchten das, was er sagt, verrathen. Man muß hierbey nur merken, daß eben das­ selbe Feuer der Einbildungskraft, welches, ver­ möge einer natürlichen Bewegung, lebhafte, mannichfaltige und ausdrückende Bewegungen machen läßt, (iud) die Bedeutung derselben leicht begreif» sen hilft, wenn eS darauf ankömmt, daß man die Gebehrden eines andern verstehen soll; denn eine Sprache, die man selbst redt, kann man leicht

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lll. Fortfttzttng des du BoS

verstehen. Allein die Sprache der Stummen des Großsultans, welche ihre Landsleute ohne Mühe Verstehen, und die ihnen eine deutlich acticulirte S pracke zu seyn scheinet, würde den nordischen Völkern Europens mir ein verwirrtes Gebrumme zu seyn scheinen. Wenn man mit diesen Betrach» tungen noch eine sehr gewöhnliche Anmerkung ver» bindet, daß eö nehmlich Völker giebt, deren Na» surell viel empfindlicher ist, als das Naturell an» drer Volker; so wird man ohne Mühe begreiffen können, wie stumme Komödianten die Griechen und Römer, deren natürliche Action sie nachahm» Len, gleichwohl so ungemein haben rühren können. A.6 filiert etwanigen Beweis meines Borge» beng will ich dao Buch eines italiänischen Schrift­ stellers, des Giovanni Bonifacio, anführcn, wel­ ches den Titel Arte de’ Centn, oder die Kunst, stch durch Zeichen auszudrücken, führet. Es scheint nicht, wenn man dieses Werk liefet, daß sein Verfaßer gewust habe,, daß die Pantomimen der Alten ihre Gedanken, ohne zu reden, haben zu verstehen geben können; und gleichwohl scheinet ihm die Sache sehr wohl möglich. Und dieses hat i >m Gelegenheit gegeben, einen Quartband von mehr als sechs hundei t Seiten zusammen zu tragen, den ist. Der He«, Axa« meau Hache ein System der Harmonie geUi-rtebeii. Warum sollte dem He^rn Sor^-e nvhE a-.ch die ^ust ankommen, emes zu fctnerben!? Das an­ dere war die Frucht einer Schaayr, einer beaufe den Eifersucht, «eines schmutzigen CigemeutzeS (*), und ein« neuen llebereilung zugleich» Herr Sorge hatte geglaubt, daß man feine Ausfpruci'ß in bftikbre von der Hmurom'en nicht anders, als ein Orakel refpremen würde. — Mrrklerwe'le nehme ich m« die Freibeit, das rameaurfche Sy, stem, nicht allein in Deutschland bekannt zu ma­ chen (**), sondern annochweiter fortzuführen. Diese Begebenheit sonnte der Herr Sorge für nichts an» ders, c? Man sthe das «htzcyntt Stück der kritischen Briefe über die Lomkmrst(**) Herr Sorge nennet dieses auswärmert, nachr schreiben. ein Jünger seyn rc.

von des Dissonanzen.

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ders, ttte eine Verletzung des Respects ansehen, den matt, seinem Vorgemache, wie er meinte, schul* big war. Ein jeder konnte nunmehr eine Verglei­ chung zwischen dem rameauischen System und dem stinigen anstelle«^ und Herr Sorgenvar flug genug zu merken, daß diese Vergleichung nicht zu seinem Vortheile gereichen würde. Seine Ehre tmb stltt Interesse ästen hierbey -— Gleichwohl hatte- niemanix seinsogcnannti'S System öffentlich bestritten; wenigstes war ich für meiste Person weit entfernet/ es zu thun. Ich sahe einen zu großer» Brvg vor» Unrichtigkeiten und. Jrthümern vor wir; als baß

ohne weitere Veranlagung dazu., es mir je­ mahls hatte cinkommen lasffn, mit-«Ausrottung derselben meine Zeit zu verderben. Hätte aber mm jemand sein Werk angegrisftu, nass hatte der Herr Sorge thun müssen? Sich gegen den Aiigrif der Kritik schützen, und sein Systemivortheidigeu. Aber es waren ihm über die Unvollkommenheiten desselben die Augen mifgegelngen. Unter ander» gar zu sichtbaren Fehlem haye er Lnselbigem Grundaccorde zu umgekehrten Accorden, und umgekehrte Accorde zu Grundacoorden gemacht. Diesen efr staunlichen Schnitzer sahe er ein. Er merkte, dass «ö mit seiner ganzen Arithmetik unmöglich war, ihn zu beschönigen. Er schämte stch —. Nun kom» me ich zu dem feinsten Staatsstreiche, dessen je»

ich,

mahls ein Auetvr fähig gewesen. Der Herr Sorge geht mit stch zu Rathe, und kömmt. 5. Auslesen kn den Zahlen 1:2:374:5:6:8 «nthaltnen Rationen entspringen alle übrige Ratio» nen auf verschiedne Art. Zum Exempel, die Qua» brate der Quinte 2:3 geben den um eine Occave Erhöhten, grofcrn ganzen Ton 4:9—L:ä, welcher sich in den Zahlen 8'9 — c.d einfach darstellet. DieInversion9 :i6 giebt die kleine Sep­ time D: c.

Wenn man die Quinte und eine kleine Terz addirt: so kömmt 5:9 für die kleine Septime E: d. Die Inversion 9: 1 o = d: e giebt den klei­

nern ganzen Ton. So wenig die'Zahl - uns erntn auf die Töne 6 e oder g relativischen Tor, giebet: so wenig thun solches die Zahlen n. 13. und 14. Die Zahl

12 — g macht die Qctave von 6 — g, und gehört also zu den reinen Verhältnißzahlen, so wie die Zahl 15 — h. Wenn man die Quinte c : g und große Terz g: h addirt; so entsteht die Ration 8:1$ für die große Septime, deren Inversion 15:16 dsin großer» Kalben Ton giebt. Au6 den Quadraten der großen Terz 4.: 5 ent­ springt die übermäßige allhier, wo von twen hy^nldnisckem Unterschiede nicht die Rede ist, un­ ter einen Titel. i) Die voUfo*rmne prrme, oder der Ein« fldttgz kommt ein und zwanstgmahl vor, 2^) und di^ vollkommne Octave eben so Vies« Mahl, 3) Die vollkommne Quinte kommt zwanzig« mahl vor, 4) und die vollkommne O.u«tU eben so viel« mahl. 3} Die kleine Septime kommt neunzehnmahl vor, 0^ und die große Secunde eben so vielmahl. 7) Die kletne Terz kommt achtzehnmahl vor, 8) lind die große Gerte eben so vielmahl. 9) Die große Terz kommt stebzehnmahl vor, io; und die kleine Gerte eben so vielmahl, 11) Die große Septime kommt sechzehnmahl vor, 12) und die Meine Secunde eben so vielmahl. 13) Die verminderte O.uinte kömmt fünfzehn« mahl vor, t4) und die übermäßige " wir die uns gegebenen, wenigstens die vormglichsteir Intervallen nutzen wollen. Diese Erfindung wird bewirket werden, wenn wir fürs erste mehrere Grundäccor de aufsuchen, und fürs andere die gefun­ denen Gtundaccorde umkehren. Ich habe in meinen Anmerkungen über da» sorgische Compen.dium, Seite 115. 116. fq. gezeigt, wie vielerley Arten don dreystimmigen Grundaccorden in dem Umfang einer Haupttonart und ihrer fünf Nebentqngrten enthalten sind, nemlich zehn. Da ich mich off# hier auf ein bloß eclectifcheö System, wiewohl vqy etwas größerm Umfang, al» das rameauische, ein» schxanLe: so behalte ich von allen diesen zehn Grundvreyklangen keine andere, als die bereits entwickel­ ten viererley Arten. Doch will ich von den übri­ gen sechs annoch ihrer zween anführen. Hernach werde ich zur Lehre von den vierstimmigen Grund­ accorden, d. i. den Seplimenfäßen fortgehen.

V.Band.r.Sr.

k

4. i;.

169 iV.Unterftch.der sokgischen Lehre §. iS Man wird bemerket haben, daß die bisher ent» Wickelten viererley Arten von Dreyklängen, der groß« und der kleine, der weiche verminderte, und »er harte übermäßige, in einer Conart -allein ihren Grund haben. Die beyden, di« ich anführen will, entstehen aus der Vermischung zwoer Tonarten, als i) der harte vermin­ derte Dreyklang, z. E. h dis f; und 2) der zweyfa'i>'te in den Baß gestellt wird, giebt einen au» der Terz, £Ui6rte bhb Sexte bestchend« n, und jogenanncen Ct,t$qit3tib‘naccorb. Die dritte, wenn der Septkmenacco' V auf den Kdpf gestellt wird, giebt einen aus ber S- cunde Quarte und Sexte bestehen­ den j und sogenannten^Zeeundenaccord. Man sehe fig. 7. So wie sich die Septimenaccorde durch die Arten ihrer Terzen, Qüinten und Septi­ men W einander unterscheiden: so unterscheiden stch die Syrtquinke«? Terzquarten, und Sesundenaccorde ebenfalls dutch Nichts , als durch die Ber­ sch ie« (*) 31t es nicht wahr, Mein lieber Herr Sorae, daß die Fahl 7 emeÄZnnderzahi ist? Bedenken S'e mw mahl, daß h den beyden im ersten Grade einander verwandte» Tonarten fon beyderlev Geschlecht, z.°E. in C dur und A mol, just siebenerlei Sorten von Septimenaccorden, in Ansehung der Sepstm'-N, und der zum Grunde liegenden Drey» fiärne zugl ich betrachtet, sticht mehr oder weniger, enthalten sind. Stellen S>e doch einige herzbre­ chende Betrachtungen darüber an. Dahinter stecken gewiß

ven-mDiKmanM.

167

ftfMehf^ft der Arten ihrer Intervalle. Doch muß ich zween gewisse Umgekehrte Sähe befonders anmerken, weil ich ihre Septimenaccorde, von wel­ chen sie herstamMsn, nicht angeführt hübe. Estnd selbige * 1) Der Terzquattrnaecord mit der übermadigen Sexte, j.6. sah du. Derselbe enUpringer von dem.fantastischen ^eptinzenat» coibe h dis f a. fig. g. 2) Der übermäßige Gertquintenaccord, z. E. f a c du. Selbiger entspringt von dem fantasttichen- Septimenaccorde dis f a c. fig. 9. Beyde Sahe smd in der Praxi gebräuchlich, food) mehr der lehte, als der erste, ob man gleich Hhre Ssammaccorde nicht brauchet. Da -die drchstimmigen.Gmndaccorvb, ^ worauf die Septimen erbauet sind, aus der Vermischung von zweyerley TsnaE, ülkhier amot und «mol, ihren Ursprung nehmen: so gehören sie eigentlich ohne Zweifel (b gut zur einen als der andern Tonart. Man be­ dient sich aber ihrer dennoch ordentlicher Weise nur 'in emer von beyden Tonarten, und zwar daselbst t 5 auf gewiß große Heiwnjffe! Man seh« das Compend. härmen. Cap. VI. Seite i s; inqleichen das Vorge» mach/ grer Theil / Cap. XXII. Septima cst mater diflbnannamm x ©fite §96. 397. Auf dieser letzten

Sette unten in der« Note heißt es annoch: „Es läßt sich der berühmte Stpieharw in allen zr. und i6.füßigenRlangen, ja wohl auch i: n, und 1:13 deutlich hören. Man höre nnr Lecht zu. „ Was für verstimmte Ohren muß der ^Kerr Sorge haben!

i68 IV. Untersuch, der sorgischen Lehre auf der, £ g a h c d d c £ g a h NKnett-

von -en Dißönanzen.

173

r^snettfLyL in A mol. h e C Kg. 14. a

c f (a) d h

d e f gis gis(h)c(ä) d(h) c e £ gis a c des

NB» Der letztere Nonensatz enthält eine- über sich auflösende None., Herinnen hat die Septi­ me keine Statt, «haft so wenig, als auf Pri­ ma Toni maj. und mjn. Ungeachtet die None an sich nichts anders, als eitle nm eine Octave erhöhete, Secunde im Grunde ist: so

ist sie doch in Absicht auf die harmonische Zeugung,

Zusammensetzung, und das daher entstehende Trakta­

ment, von selbiger unterschieden. Die Secunde ent­ steht, wenn die Septime auf den Kopfgestellet wird, und sie wird von der Duarte und Sexte beglei. tid. Die None entsteht, wenn einem Septimen, accord eine Ter; unterwärts hinzugefügetivird, und ihre Begleiterinnen sind die Terz, Quinte und Septime. Bey der Secunde stellt die tiefste Stim­ me die Septime vor , von welcher sie entspringet, und sie geht deswegen zur Auflösung abwärts. Bey der Nonr hingegen ist die Dissonanz in der Ober­ stimme'enthalten, weil die Septime, von welcher ste herkömmt, ihre Lage unverrückt behält, nur daß ste, durch die Unterschiebung einer Terz unter den Grundton, zur None wird. Aus diesem Grunde muß also die Oberstimme resolviren. Ist es Wun­ der, daß inan zween ihrer Verbindung, Entstehung und Handhabung nach verschiedne Accorde mitverschiednen

174 IV Untersuch, der sorgischen Lehre schiednen Nahmen belegt, um sie von einander zu unkerscheideir? §. 28. Der Undecimenaccord ist tm Grunde sechs« stimmig, wie man aus meinem Handbuch rc. mit mehrern ersehen kann; und ich erinnere es all« hier, um' den Zusammenhang der Zeugung der Ac«

corde desto deutlicher vor Augen zu legen. Man muß nemlich z. E. zwischen dem Basse e trob den Oberstimmen g h d f aNnech eine Terz supponiren. Aber diese Terz bleibt aus der Praxi und unserm eclectischen System weg, und der Accord besteht allhier aus nichts, als der Quinte, Septime, No« ne und lchidecime. Er kann annoch in diesem ecle­ ctischen System nirgends sünfstimmig auögeübet tverden, als auf dek pklma Toni, z. E. c g K ä f in C dur und C mol. Auf allen übrigen Klangseyten einer Tonart bleibt entweder die (Septime oder None, und öfters bleiben -alle beyde Jnterval, len weg, in welchem letztem Falle sich der sogenann­ te dXuintq warte naccotb zeiget, dessen Umkeh­ rung einen aus der Secunde und Quinte beste­ henden Accord giebt. Der dreystimmige Undecimenaccord, insgemein Quintquartenaccord, wird mit der Octave oder Quinte verdoppelt, und fin­ det auf allen Seyten einer Tonleiter Statt. Aus dem Grunde, daß die None von der Secunde un­

terschieden wird, muß auch die Undecime von bey Quarte unterschieden werden. Sowohl der Nonen­ als der Undecimenaccord sind neue ursprüngliche Sätze in ihrer Art; aber nicht der Secunden- oder Sext-

von den Dißonanzen.

175

quarkenaccord re. als welche von andern vermittelst der Umkehrung entstehen. Ich verweise dm Leser, in Ansehung der Undecime, auf das achte Capitel in meinen Anmerkungen üb« das sorgische Com-

prndium. §.

29.

Der Terzdecimettatcord ist im Grunde fiebenstimmig, wie ich in meinem Handbuche weit« läuftig gezeigt habe, und man muß z. E. zwischen dem Baste A und den Oberstimmen gis h d f an« noch zwo Terzen supponiren. Aber dieser sieben­ stimmige Accord bleibt aus der Praxi und unserm eciecrischen Swteme w'g, und der Terzdecimen« accord beilehr allhier aus nichts, als aus der Sep­ time, None, Unt ecime und Terzdeckme, oder mit andern Namen ans der None, Septime^ Sextd ,uiib SXufli te. Wir üben ihn annoch in diesem eclecljschen System nirgends aus, als i) auf bet prtme einer weichen Tonart, z.E. auf Ain A mol, a gis h d f. Wenn man ihn vierstimmig gebrauchen will, so bleibt entweder die Septime, None oder Undecimeweg. 2) Aufder Domi­ nante einer jefren Tonart in einem Orgelpunck. Hier wird er nur insgemein vierstimmig, mit Aus» schiieffung der None, gebraucht. Uebrigens ma­ che ich aus eben dem Grunde, da zwischen einer None und Secunde, und einer Undecime und Quarte cm Unterscheid gemacht wird, auf gehörig« Art zwischen der Tcrjdecime und der Sexte einer Unkeischeid. Dieses aber verhindert mich Mch V. Band. 2. Sr. M 0,e

176 IV.Mtersuch. der sorgischen Lehre die Terzdecime im Accompagnement mit 6, so wie die Undecime mit 4 zu zeichnen.

Vier Absatz, worinnen die Lehre von dem Untersetzen durch neueGründe befestigt wird. 30. Die Frage scheinet lächerlich zu seyn, ob die Ronen- Undecimen. und Terzdecimcnaccorde durchs Unterseyen oder. Ueberseyen entstehen. Sie wird aber lächerlich zu scheinen aufhören, wenn man bedenkt, daß, so wie alle Töne, also alle Intervallen und Accorde innerhalb dem Bezirk der Octave ihren Grund haben müssen. Um zu erfah­ ren, ob, da sowohl bey dem Untersetzen, als beym Uebersetzen die Octave überschritten wird, es mit diesem Üeberschreiten einerley Bewandtniß habe, fragt es sich, für welchen andern Dreyklang oder Septimenaccord der Nonen. Undecimen- und Terzdecimenaccord eigentlich steht, oder gebraucht wird. Nach der Lehre vom Ueberseyen ist der tiefste Ton der Hauptgrundklang, und da steht folglich der Nonen- Undecimen- oder Terzdecimenaccord für den zu diesem tiefsten Tone gehörigen Dreyklang oder Septimenaccord. Nach der Lehre vom Untersetzen ist der tiefste Ton eincS Nonen- Undecimen- oder Terzdecimenaccords nur

ein untergeschobner Ton, der an der Stellv eigentlichen (örundklangee steht. Bey .dem

von den Dißonanzen.

177

bem .rTottencccotb stchr nach dieser Lehre der tiefste Ton anstatt der darüber liegenden Terz. Bey dem Undecimenaccord steht derselbe anstatt der darüber liegende Quinte, und bey dem Terzdecimenaccord steht derselbe für die Septime drüber.

§• 31* Ich sehe iho den Nonenaccord dface. Nach der Lehre vom Uebet|egen steht dieser Accord für den Dreyklang d f a, oder den untersten Septimenaccord d fa c; nach der Lehre vom UnterseYen aber für den mittelsten Dreyklang f a c, oder den obersten Septimenaccord f a c e. Dort hat der Äonenaccord seinen Gxund ausserhalb der Octa« pe, dqs ist, ausserhalb e—e. Allhier hat er sei­ nen Grund innerhalb den Gränzen der Octave, nemlich innerhalb e — o- Wer siehet mcht, daß es mit dem Ueberschreiten dfr Octave durch das Un­ tersehen eine ganz ander« Bewandtniß hat, als mit dem durchs Uebersetzen? Wer sieht aber nicht zu­ gleich, daß die Lehre vom Ueberfehen sogleich wider das Grundgesetz der Harmonie, vermittelst wessen alle nur mögliche Accorde innerhalb dem Um#

fang der «Vctave ihren Grund haben müs­ sen, verstößt?

31. Weil so wohl nach der Lehre vom Ueberfetzen, als nach der vom Untersetzen nichts in der Musik ge­ macht werden kann, wo ein Dreyklang oder ein Septimenaccord nicht entweder würklich vorhanden ist, (es geschehe nun in Matura, oder durch ihre M 2 Um«

»78 IV. Untersuch, der sorgischen Lehre Umkehrungen;) oder welches nicht daraufsein Ab« sehen hat: so wollen wir die beyden ersten Grund» gccorde, neprlich den Dreyklang und Septimen« accord, H-zlptgrundaccorde nennen. Die Übrigen Grundaccorde aber, als den Nonem Undeckmen- und Terzdecimenaccord, die nur in ihrer Art Vrundaccorde sind, nicht aber in Absicht aufs Ganze, mögen rieberttttimbaccotbe heissen.

Diese allgemeine Benennungen werden uns fjfft und wieder in der Folge bequemer zum Gebrauche seyn, als die besondern Nahmen eines jeden Accords.

. §« 33* Wir wollen ißo aus der ausübenden Musik den Umstand verificiren, daß die Nebengrundattorde, nicht für den Dreyklang oder Sepkimenacrord ihres tiefen Grundklangs eigentlich stehen, sondern daß dieser Gründklang ein untergeschobner Ton, und gkso ein uneiqentlicher Grundklang ist. Ich fange vom flottrnfage an, und da bestätigt es die all« gemeine Praxis, daß derselbe für den in ihm ent# haltnen obersten Septimenaccord, der auf den mit­ telsten Dreyklang gegründet ist; nicht aber für den untersten Dyevklang oder den untersten Septimenaceord, gebraucht wirb. Man sehe solgendeExempel:

f [sei e d c c d « d d A a h c a g g g f d e e ff 9 9 $ < 7 $ 71

d h g d g

3

Was

II «K I

von den Dißonanzen.

179

WaS für ein eigentlicher, auf die Heyden Hauptgrundaccorde relakivifcher Baß, findet hier Statt? Wer nur hie geringste Tinctur von der Harmonie hat, wird sagen, daß eo der folgende bey (A), nicht aber der bey (B) ist.

f e e d c c d c fig, 16. g f h g g c a d 7 3 7 7 Gothischer GrUßdhaß.

(A)

f d a d

(H) d

d h g g 3

1

7 e

8 c

7 f

8 7 d

|I

|1

3

g

Wo erblickt man in, der aus den Baß bey (B) sich gründenden Harmonie, diejenigen Töne, die den Character des Nonenaecordö ausmachen, da^hin» gegen bey (A) die None, als Septime, bet (Et#

Zeugung der Accorde gemäß vorhanden ist? Denn selbst der Ueberseyer läugnet nicht, oaß der Septimenaceord eher als der Nonenaccord Vxistick. Er setzet ja zween Seprimensätze zusam­ men , um einen Ncknenaceord daraus zu bilden. Ist es also nicht absurd, ein Intervall als Rone in der Welt erscheinen zu lassen , ehe es sich noch ick lelbiger als Septime gezeigt hat? Dieses aber gefchicht, wenn man den Baß bey (B) als den Hauptgründbaß von dem gegebnen Exempel, be­ trachtet. Ich gebs ein ander Exempel, nemlich: M Z eca

igo IV. Untersuch, -er sorgischrnLehre

e c a

c 6

e a f d

d a f L

9

7 3

d c gis a e e

e a 9 3 5*

h a f d 6 5

h gis e e X

c a e

fig. 17,

a

Ich sage, daß diese Harmonie auf folgende Haupt« Harmonie bey (C), nicht aber auf die bey (D) ihr Absehen hat. e c fig.18- e (C)

a

e d a a f f £ h 77

d gis e e 7 *

c a e

h h 1 gis 1i e

a 3

h c 7 t

c

a e a

Sorgisther Grundbaß.

(D)

a

7 7 X St 8 c a , h 6

7 7 d h §.

a

34-

Ich gehe zum Undcctmenaccord fort, un>

sage, daß derselbe für den in ihm enthaltne» ober« sten Septimenaccord deö Baßtonü, gesetzt wird, als-r _ gg g fig. 19. ehe gf e e dp

ec a g inglei« b f e chen e c c c

G-—— C

c h »g ff cd

c g fig- 2Y. c e

c cc c Der

von den Dtßonanzm.

181

Der Undecimenaccord «st in den Noten cdfhg

enthalten, und die Hauptgrundharmonie zu dem Exempel ist die folgende bey (E), nicht aber die bey (F) nach sorgischer Art:

ehe 8 8g esc c d c c g c

» £ c f$. fll. c f Gorgischer Grundbaß.

(E)

M

8 c c e c

a g f 6 c c

ehe 8 88 e ee s cc

£ e

Ingleichen:

(E)

6g. 22.

c b 8 e

c » f f

h g £ d

c g e c

S-rgischer Grundbaß.

Herr Sorge mag seinen-Baß vierstimmig ausse« Hen, und die Relation der Akkorde zeigen. M 4

Zi. Hier

18=2 iV. Untersuch.der sorgischen Lehre §- 37« Hier folgt endlich ein Exempel vom Terzde^ c imenaccord, von welchem ich sage, daß er für den in ihm enkhaltnen oberstem Sepkimenaccord^'/ nicht aber für den deptt'menaccord der Bqßnote gesetzt wird. f c d d cis

fig. 2Z.

fig. 24.

cis d b b s g e g f d d g oder: d cis b b g g d e d d

d a a d

d c fis d d

a. g e a d a f f d '

Hier ist die Hauptgrundhftrmonie, auf welche sich die vorhergehende Harmonie in Ansehung des Terz« deeimenaccords bezieht, die folgende bey (G)^ nicht aber die bry (H>.

(G)

d ä fig. 25. £ d (G)

fig. 26.

I

e d b 1 g cis d

c fis d d

1

b g d g

d cis g g e e e a

d f d d

b g e cis

a f £ d Nach

von den Dißonanzen.

L8Z

Nach Gordischer Art.

cw d

d

r«p accompagnirt wird;

ober ausser diesem Falle ordentlich, wie ein eigene, sicher Grundton, accompagnirtwirdennwß. Ich sordre alle Tonkünstler auf, und frage, ob in dem kurzen Orgelpunct bey fig.33. der anhaltendeBaßtjon d, nur in Äbsicht auf es fis c betrachtet, nicht ein untergeschobner Ton ist. Was ist aber dieses d d fis c und d es fis c anders, als was d fis a q und d fis c es ist? Daß man bey dem Hinaufsprin­ gen auö dem Septimensahe in den Nonen sah, den vorherliegenden Accord der Septime, bey Abspie­ lung des Generalbasses, unverändert beybehalten kann, davon ist die Ursache diese, weil, ungeach­ tet der Verröandlung des Sahes, die Septime ihre Fortschreitung nach wie vor behält, so wie solches geschicht, wenn der Septimenaccord abwärts in Yen Nonenaccord verwandelt wird. Es ist, nicht yreine Schuld, daß der Herr Sorge nicht quug von der Praxi versteht, und einen zu krassen Ver­ stand hat, um dieses begreissen zu können. Ein jeder andrer Tonkünstler aber, der nur der gering, sten Ueberlegung fähig ist, wird dieses sogleich ein­

sehen ; ein jeder andrer Tonkünstler, sage ich, heg die Zeugung des Nonenaccords nicht aus einer get wissen harmonischen Modulation, oder auö der.Willkühr des Künstlers erkläret, sondern solche aus der ewigen, unveränderlichen Natur der Entstehung der

198 l Fortges. Untersuch, der sorgisthen der Accorde selbst zu erklären im Stande ist, und einsieht, daß von den beyden Seprimenaccorden, woraus der Nonenaccord zusammengesetzt ist, noth» wendig derjenige der Hauptgrundaccord seyn muß, der die beyden Hauptöne des vollständigen Nonenaccordö, das ist, die höchsten Töne der None und Septime, zugleich enthält; mcht aber derjenige, der nur einen dieser Haupttöne, und zwar wel­ chen ? nicht einmahl den charakteristischen oder den höchsten Ton der None, sondern nur allein den Höch« sten T on der Septime enthalt. Gewiß, wer sich daGegentheil dieser Lehre einfallen läßt, kann nicht bey nüchternem Muthe seyn. Man erspare sich di« Mühe, mir allhier mit dem Sepkimenaccord, dee aus dem Zusatz einer Terz über den Dreyklang ent­ steht, und dessen charakteristisches Ende nicht vor­ her im Dreyklang vorhanden gewesen ist, eine In­ stanz zu macken. Der Sepkimenaccord entsteht innerhalb den Gränzen der Octave; der Nonen­ accord rc. aber nicht. Der erstere hat aus dieser Ursache sein eignes Fundament, und der characteristische Ton des Accords braucht nicht vorhero vor­ handen gewesen zu seyn. Der letztere hingegen hat auS voriger Ursache kein eigner, sondern nur ein «ntlehutes Fundament; und dieses zu finden, muß inan denjenigen Sepkimenaccord aufsuchen, in wel­ chem der characteristische Ton der None enthalten dar ist, man muß das durch die Substitu­ tion unter den Aecorden entstehende Verhältniß Rathe ziehen.

ist; |u

Ich

Lehre von den Dißonanzen.

199

5

229

IIL Beschluß des GlückwünschungsSchreibens an den Herrn Rolle. SjVan kann sich leicht vorstellen, wie sauer di« *v V Erlangung solcher Wissenschaft dem Attricola müsse geworden seyn, wenn man bedenkt, daß die Musik zu seiner Zeit noch sehr dunkle und verworrene Grundsätze hatte, und daß er die ganze Kunst durch eigenen Fleiß, und ohne Anweisung eines Lehrmeisters erlernen müssen. Einigermaßen wird man sich einen Begriff davon aus dem Bu­ che machen können, dessen Inhalt ich itzt näher anzeigen, und dessen völlige Aufschrift ich, mit Deybehaltung der Orthographie des Originals, das ich «Hedem in Handen gehabt, voranschtcken will. „Musica Instrumentalis deudsch, darin „das fundament vnd application der finger vnd „zungen, auf mancherley Pfeiffen, als Flöten, „Kromphörner, Zincken, Bomhard, Schalmeyen, „Sackpfeiffen rc. Dazu von dreyerley Geigen, „als Welschen, Poliffchen, vnd kleinen Hand„geiglein, vnd wie die griffe drauff, auch auff „Lauten künstlich abgemeßen, Item vom Mono„chordo, auch von künstlicher Stimmung der Or# „gelpfeiffen, vnd Zimbeln rc. kürtzlich begriffen, „vnd für vnsre Schulkinder vnd andere gemeine „Senger

230 m. Beschl. desGlückwünschungs„Senger, auffs verstendlichst vnd eknfeltigst, itzund „newlich zugerichket durch tHattinum Agrico„Iam. Anno Domini Auf der letzten Seite steht: „gedruckt zu Wittenberg durch Geor« „gen Rhaw, Ann» M D.T L V." Auf der Rückseite des Titelblats sieht man da», tm Holzschnitt vorgestellte, Bildniß der Fraw rNusica. Dann folget die Zuschrift an den ebrsamen vnd weyssn Herrn, Georg Rhaw (*), Vorweser vnd Förderer der edlen Fraw Musrceö, wie er hier betitelt wird; worinn der Verfasser die Ursachen der Herausgabe dieses Werkleinö angiebt. Die erste druckt er also auS: „Dieweil ich bey euch zu Wittenberg, auch „jrtti vnser löblichen Schul viel feiner jun, „gen Knaben vnd Gesellen spüre, die sich, „welches mrr herylich wol gefeit, jnn den „andern Musicis activis, als in Plana vnd Men« „surata weidlich tummeln vnd geschickt werden, „von (*) Dieser Ahaw war ein, zu seiner Zeit sehr angese» Heuer, Muflcus und gelehrter Buchdrucker, auch, wo ich nicht irrt, Rathsherr zu Wittenberg. Agri« cola sagt in der Zuschrift: Er schicke ihm di« Buch zu, als einem, der nicht em germger Mithelfer sey in dem, daß die edle Fraw Musira mit aller Zuge, hjrung ganh klar, verstendlich und fein geschmückt an den Tag kömpt. Job. GaUiculus, dessen in «benangezvqnem musikalischen Lexus so wenig, als des Rhaw und de« wenceslai Philomaihi» gedacht wird, hat ihm sein Buch de compofmone cintu*, das auch bey ihm 1546. in 8. gedruckt ist, gleichfalls zugeeignet, und nennt ihn ertium hum», nitatii Mqu« Nluücit pentum.

Schreibens an den Herrn Rolle. 231 „von welcher vnscr Schule wegen, dieweil, „alle andere Schulen fast int gang Sachsst „nerlande - » iyund mit Schulmeistern, „Lantorrbus, Baccalaurien, auch Sted„tc vnd Dörsfer mit predrca nten offtmals „daraus gespeist vnd versorget werden, „em Erbgr Radt von Magdeburg mehr „ein geringe Lob vnd gut Geschrey jnn „allen Landen vberkommen bat. Zum an. „tarn, fährt er fort, laß ich mich bedünken, daß „die Instrumentalis, welche ich für 16 Jahren „hab lassen ausgehen, den Knaben an etlichen Oer« „kern zu tunfei vnd schwer zu verstehen ist.. Auff „das ich jhn nun jnn solcher edlen Kunst, nach „meinem wenigen Vermögen, weiter dienen möch« „tc, - • habe ichs nicht allem nützlich, sondern „auch nötlich geacht, eine andere Instrumenta« „1cm fein deudlich auff» einfeltigst vnd „verstendlichst, für vnstre Schulkinder „vnd andere, die es begehren, zuzurichten vnd jnn „Druck zu geben.«' Nach einigen eingestreueten Klagen über die Verächter dieser seiner Bemühun« gen, schreibt er weiter: „Welche Musieam In« „strumentalem ich euch allhker zuschicke • - auffs „freundlichst bittend, jhr wolt sie erstlich jnn ewrer „Drückerey auffs vleisiigst drücken, vnd darnach, „wie die vorigen beyde, euch auch zugeschrieben, „vnd jnn ewren Schutz befohlen seyn laßen. Dar„mit seit Gott mit sampt den ewren vnd den sei„nen, vnter weichen ich auch bin, befoh­ len, Datum zu Magdeburg, jnn des Ersa«

„men

SZ2 III. Beschl. des Glückivünschungs»men vnd weysen Herrn, Heinrich Ahlmanns, »Hause, bey welchem ich eine lange Zeit Haus»gehalten, vnd mir vrel Guts von jbm »wrdderfarn ist rc^ 1545. am 14 Tage Apri»liö." Er unterschreibt sich: Mart. Ägrrco-

la E. W. A. Die Bedeutung dieser letzten drey Buchstaben muß ich andere errathen lasten. Im Anfänge der Zuschrift nennt er sick Martinus Cohr (*'-* odder Agricsla, welcher erster« Name auch, wiewohl mit einer kleinen Verande» rung, in dis, gleich nach der Zuschrift folgende, pristchmeisterische Onomastichon hinein gezwun­ gen ist: Mich deucht» warlich zu dieser Frist, Alles wiS alhie gedruckt «st. Reichlich M't stqurn, wie sie genant, Thet keiner schreiben mit der Hand, Ja wenn man zwen Taler geb dar, tlem ers dock nicht, weis ich fürwar. Viel weniger ein malte gut Solche figuren drümb malen thut.

Sintemal dis Büchlein wenig steht On alle dem Mühe zubrreit. Recht hübsch vnd deudlich dargestelt, Ey, s» kaust« vmb solch wenig Gelt.

In solchen elenden, holprichten und geflickten, Knittelversen ist der größte Theil des Buchs abge­ faßt. Agricola hat es in 5 Kapitel abgechcilet, übrigens aber kein« sonderliche Ordnung darin», beobachtet. (*) Da« soll vermuthlich soviel heistenalsderSorauer, «eil er aus Sora »der Sora« in Schlesien gtr bürtig wer.

Schreibens an den Herrn Rotte. 233 beobachtet» Zwischen der Ueberschrifk des ctfiett Kapitels, von mancherley Pfeiffen vnd dev Zungen Application, und dem Kapitel selbst, ist noch eine lange, gleichfals reimwcis gefrhte, X)ortbcbc von 9 Blättern eingeschaltet, die ein übertriebenes Lob der Musik (*) und eine bedrohli­ che Ermahnung, sich auf dieselbe fleissig zu legen, in sich fasset, aber auch mit vielen Ausschweifungen Und nicht zur Sache gehörigen Gedanken oder Gril­ len angefüllet ist. Die Schreibart ist, nach der Mode der damaligen Zeit, hin und wieder sehr

plump und heftig, und bey aller Gelegenheit wer­ den die Paprsten angezapfk, als gegen welche der Verfasser eifrig erbittert gewesen zu seyn scheinet» Im andern Kapitel wird von dreyerley, als weljcben, polifchen und Heinen drcyfeiti» gen Geigen, gehandelt» Das dritte Kap. ist ttne kurye vnd verstendlichr Anweisung von künstlicher Abmessung der Lunde auf Lauten vnd des Monochordi, allen Lautenlstcn ganz notlich zu wissen. In dem vierten Kap. entdeckt Agricola seinen Glauben vo> den vier pyrhagorrjchen Hammern, zu» samt ihren Proportionen. Die, aus dem ula» erobio, Loethio, und andern genommene, Er-

zehlung (*) We stark er in seine edle Fraw Musicain verliebt gewesen sey, sieht man auch daraus, wenn er solche Dl. 11» allen andern freyen Künsten vorziehtz ja in bet Vorrede zu fernen Qu$ftiombus vulgatioi ibus (5 behauptet, sine «a hec vllam artiuin aliatuta ab*

Folutath esse possc.

V.Land.z.St»

Ll

234 m Beschl. des Glückwünschungszehlung dieser Erfindung, welche den Inhalt der Vorrhede dieses Kapitels ausmacht, will ich, wegen der lustigen Einfalle, als eine Probe der Versmacherkunst unsers Verfassers zum Theil ab­ schreiben. Der meister Pythagoras genannt, Znn der Rechenkunst wcl betont, nn der Mustka desgleichen, Zie melden volgende Zeichen, Don der Music zu feines Zett Hatten sie ganz dunckeln bescheit. Denn sie war bey jhn nicht so klar Wie itzt bey uns, glaub mir fürwar, Drum speculrrt er manche stund. Das er erfür den rechten gründ Dieser Music edel vnd zart Nach speculativi^cher art, Wle es zugienge mit den sonrs Vnd er der fach würd gewrs, Nemlich, was für Proportion Gibt der hoch vnd niddrige ton Wenn sie werden zu Hauff geschätzt. Wie theorrca davon schwatzt. Wolan, Gott thet jhn vielleicht rürn. Das er auff em zett g»eng spacrrn, Vnd für eines Schnudes thür kam, Alda seltzam meldey vernam Von den Hemmer» geschlagen schlecht Auf^ eisen durch die Schmideknechc, Die fluchs auff den Ampos schlugen, Das die Funcken ümbher fingen. Er stund mit auffgerackten ohrn. Dacht, es wird ha nicht sein verlohrn. Sondern noch alles werden gut, Bild bewugs fast m seinem mut. Da die Hemmer klungen aeinem Einer grob vnd der andre klein. Wie mags doch haben ein gestalt. Das sie resonyrn so manchfak:

S

Schreibens an den HerrnRoke» 235 Ein Lonum, Diatessaron, Drapent, vnd Drapason Hört er dar klmgen eigentlich And dacht, es wundert warlich mich, Vielleicht leit es a» der stercke Der Schmrdknecht m diesem Werke, Vnd lies bald die Hemmer mutirn Einen jedern ein andern fürn, Denn er vorhin hatte gethan, Vnd hies sie freioid) drauff schlan, — Als er nu lange zugehörr Vnd mehr andre soilos spört. Dann wre es vorhin was geschehn. Gedacht, wie mag es doch zugehn? Weil cs ntdit an den armen (eit, Wilds haben em andern besehet-. Vielleicht solches die gewicht brmgen, Das dre Hemmer also klingen, Vud versucht em andern Possen, Lies der Hemmer stiel ausstcsserr Vnd die vier eisen schlechrs wegen, Wartet, was ihm möcht begegnen» Da fand er erst die rechte List, Welll-c Theorica genannt ist, Nemlich, durch -er Hemmer gewicht ®iit Proportion zugerrcht, -Vom ersten vnd vierten in Dupla Ward gehört die Octava. Erjt vnd dritt Eesqmaltera gnent Klungen klerlich die Diapent. Der erst, ander die Sesqmtertz Gaben l^uartam, on aüen fchertz» Sesquoetaff der ander vnd dritt Ein ganhen Tonum brachten mit re. re.

Weil nun aus den Proportionen und mu­ sikalischen Sonis der pyrhagorisihen Ham», nur, nach der Meynung des Agrrcola, viele andere nützlich« Künste emspringen; und man un» Q rer

sz6 IIL Beschl. des Glückwünschungss ter andern daraus fernen kann, wie man die Draelpfeifen recht stimmen soll: so hat er der Beschreibung der Proportionen eine künstliche Gpeculation angehängt, wie die Drgelpfeifen durch die Proportic>nestheoricas,derIntervallorum mustcalium für der Zuhaufflöttung ihrer Blech, recht gründlich vnd künstlich tzestimmet werden, allen Drgele machern vnd andern vistrlichen, spitzigen vnd speculirlichen Röpfen nüalich zu wis­ sen. Hierauf folgt eine andere schöne GpccUlation vnd recht Muster, wie Glöcklein odder Zimbeln- auch ander klingende Metall nach speculativischer Art gcstimMet werden. Endlich unterrichtet der V. im 5 Kapitel sein« Lehrlinge von der Tabulatur, auf die Harfen, aufs Psalterium, auf die Stockstedel vnd aufs Hackebrett geapplicirt. Der ganze Unterricht bestehl aber nur in einer Abzeichnung itzt genannter vier Instrumente, mit einer Einleitung von 14 eben so tröstlichen Knit­ telversen. Diese Figuren sind, wie die übrigen insgesamt, noch so ziemlich saubere Holzschnitte. Man findet, ausser obigen vieren, nebst verschie­ denen Scatis und Schematibus, noch folgen» de musikalische Instrumente in diesem Buche ab» gebildet: Vier flöten, nach den 4 Stimmen; eine Gchalmev? eine Bomhard (Bommard)j einen Schwengel; einen Zinken (Cornetw); einFlötlem mit 4 Löchern; vier RrompbörHer oder Pfeifen; ein Platerspiel und noch em anderes

Schreibens an den Herrn Rolle. 237 anderes Rrumphorn; vier Schweizerpfei» fen; eine Bufaun (Posaune); eine Leldtrum, Met; eine Llaretra und ein Türmerhorn. Von diesen 4 lehtern schreibt Ägrrcola:

Erlicd aber haben der Löcher fems, Nur allein oben vnd vnden einet, Auff diesen wird die melodey, allem Dmchs blasen und ziehen zefüret rem: M fein Busaun, Krummeren vnd (Ctetet Wie es hie volgende gemalet steht, Davon sag ich nicht viel zu dieser stund, Denn rch had auch noch nicht den rechten gründ.

Wenn ich denselben werd erlanqen, So soltu ihn recht von mir empfangen, Vdoch soll es also schlecht nicht hmgan, Zrch will sie dir gemalet zeigen an. Ferner sieht man hier solchergestalt abgezekchpet, eine Sackpfeife; das Drrrdiridtrrda; das Tellellcllellellellellel, le; vier große Geigen; eben so viel Heine ohne Bünde und mit drey Saiten, nebst einem Trumscheit; eine Haute und (Qvintern; einen Ampos mit Hemmern; das Monochordum; wie Py­ thagoras d»e 4 Hammer weget; die proportiones, Gewtcht und Resonanz der 4 Hammer; und endlich einige Zimbeln und Glocken« So sinnlich aber dieses alles auch vor. gestrllet ist: so ist doch die Vorstellung an sich so unzulänglich und der Unterricht so kurz, so mager und so undeutlich, daß ich mir schwerlich getraue zu versichern, daß jemand, vermittelst deß Ge­ brauchs dieses Buches, ein großer Virtuose werQ z den

rz8 ni. Beschl. des Glückwünschungsden dürfte. Der gute Wille und mühsame Eifer des geschäftigen Agricola wäre noch wohl zu loben: wenn eö sich der ehrliche Mann nur nicht hätte ein» fallen lassen, in Versen zu schreiben. Die Grund» regeln der Musik, die Beschreibung musikalische» Instrumente, und eine Anweisung, wie man die­ selben nach der Kunst theils verfertigen und stim­ men , theils greifen oder sschlagen und blasen solle, sind, meines Erachtens, lauter solche Materien, die über den ästhetischen Horizont steigen, und nicht auf eine sinnlich schöne Art lebhaft gedacht und vorgetragen werden können; zumal von einem Manne, dessen Witz so arm unb grob ist, al» des Astrrcola seiner war, der beständig im Gchnlstaube arbeiten, und bey dem die

Rmist, mußte.

wie man sagt,

nach Brote gehen

Den ersten dieser Sätze zu beweisen, brauche ich, ausser den obstehenden Proben seiner geringen poetischen Fähigkeit, nur noch diese poffirlichen Verse anzuführen, die Bl. 4;. stehen:

Auch spür ich gemeiniglich, das Zeder will itzt darmit vrnbgehn, Vnd wenig den Rrachen versteh«^. Auf welchem das rechte fundammt 3(1 verborgen vnd ganz behend Der griffe de« Gesangs schlüßel: Mich yemands, wir mit einer schützet. Da ein verbackt gericht jnn leyt Vnd niemand kan geben bescheir, 06 es sey ein köstliche speis, Odder gemein, al« nemlich Aei»,

Pet-

Schreibens an den Herrn Rolle. 239 pottermilch, obber dick mulcken. Das die paurn ger-ie knicken. Du must mir« nickt für »bei Han, Das ich reb wie ein acker mann, Dann merke bas sprichwoit a!h«e: Lr-aetant fabrilia fabri.

Was ich hiernächst von seinem lästigen Schulamte und von seiner Dürftigkeit gesagt habe, empfängt seine Bestätigung auö dem Be« schluste des itzt beschriebenen Werkes, woraus ich noch einige Stellen auszeichnen 'muß, weil diesel­ ben zur nähern Erkentniß der Lebensumstande und der Gemüthsbesthasfenheit deeAgrrcsla dienen können. „Also wil ich, schreibt er, mein Büchlein auff „diSmal beschlossen, vnd darneben nicht allein euch „Schulkinder, meine Difcipulos, sondern „einen itzligen dieses Büchleins Leser gebeten ha„ben, wolt es ihm, dieweil ichs gut meine, „gefallen laßen, vnd nicht das Lestermaul so „weit, das man fhm, mit Vrlaub, einen „Rüwfladen hmeinwerfen möchte, vber „mich aufsperren, sondern gedencken, ob eS viel„leicht nicht auffs künstlichst erörtert vnd zuge„richt befunden wird, das ich, welches wol ehr„mals von mir gehört (*), alle mein Tage jnn folQ 4 cher (*) Daß er in der Tonkunst ein ävr.s/Wt« ober eit» selbstgewachsener Muftrus gewesen sey, gesteht er auch in ber Vorrede ber deutschen Figuralmu» stk, unb am Ende ber is. Historie in derselben. Insonderheit erkläret er sich über diesen Punct gar artig in der Vorrede zu seinen Schelm m Muftcam planaei

S4o M Besthl. de- Glückivünfchungs„cher Kunst, weder in practica, als Plana, „Fignrali, Instrumentali, odder Theo­ erica , keinen actiuum Praeeptorem von »-Menschen gehabt, sondern dasjenige, was ich „darinne versiehe, erstlich von Gott, welcher „seine Gaben mittheilt, wem er will, vnd darnach „durch trefflichen großen Vleis und studi„ren, jedoch bey mir allein mit der Gottes Hülffe, „vberkommcn hqb; drumb möcht ich wol ein selb„wachsen Mustcus genant werden, vnd wer „kein Zunder, das ich vnderweiln den trefflichen „Ännfittcrnt nicht gleich handelte. Aber das sag „ich roarlid), das mich .die vberschwenckliche „Lust vnd Liebe, die ich zu dieser edlen „Fraw Musica gehabt, zu solchem sönderli„chen, einsamen vnd heimlichen Gtudrrn „bewogn, vnd gleichsam mit einer gerten „dazu gezwungen hat. — Derhalben ob mirs >'r, „gend an trefflicher Kunst alhie gefeilct, so ge„denche, das ichs alles bisher mit meinem schreiben „gut planem W. Ph. de Noua Domo. T^ine Worte sind: Prttrei ea, Lector eptime, cogtfabis, me nc.quaquajn potuisie singula artificiosiisime ti adere, quemadmodum hab dir noch viel ;n geben. Dis bad ich nicht will» verschweigen, Soudern dir am End anzeigen. Mit so viel tausend guter nacht.

So manch roter Mund im jar lacht. Ob er die, hier und an mehrern Orken der» sprochcnc, Gesänge hernach noch drucken lassen,

ist

mir unbekannt. In demjenigen Verzeichnisse seiner Schriften, welches in Georg Draudu nicht gar zuverlässigen Bibliotheca claflica pag. 1650. und etwas vermehrter in Joh. Gottfr. YValtbcte mustkalrschen Lexico angetroffen

wird, sind dieselben nicht befindlich, wenn nicht etwa die vorhin angeführten Melodiae scholafticae darunter verstanden werden müssen. Inzwischen

muß doch das Gebet seiner Discipel für (eine Ge­ sundheit nicht ganz un kräftig gewesen seyn; denn bis zum 10 Jun. 1556 hat, wie ich aus gewissen Anzeigen abnehme, ihm Gott sein Leben noch ge­ fristet. Sein Alker aber kann ich nicht genau be­ stimmen. Wenn er damals, als er die tTliiß#

cam Instrumentalem

geschrieben, welches, wie aus seinen eigenen Ausdrücken erweislich ist, ohnqefähr gegen das Ende des 15 44sten Jahres

geschehen seyn mag, schon fünf bjs sechs und -wan,

244 m Beschl. des Glückwünschungszwanzig Jahr in der magdeburgischen Schule gearbeitet hat: so muß er still Leben beynahe auf 70 Jahr gebracht haken. Denn gar zu jung kann er doch zu seinem Cantor- und Schuldienste nicht seyn berufen worden. So viel ist gewiß, daß er einer mit von den ersten Lehrern der 1524 all hier angerichteten Schule, und der erste Direktor Mu­

sices nach der Reformation hieselbst gewesen. Ich merke noch an, daß (n dem iht beurtheil« ten Buche auch so gar in den, größtentheils tatest nisch abgefaßten, oft sehr seltsamen und visrrlichen Randglossen oder Marginaliendesselben alles mit deutschen Lettern gedruckt ist. Ueber» Haupt beträgt dar Werk elfBogen, da die erste Auflage desselben, wofern etwa dieses nicht ein ganz anderes Buch ist, Nur aus 8 Bogen besteht. Die deutschen Wörterbücher konnten aus demsest den mit vielen ungewöhnlichen, veralteten oder un« bekannten Wörtern und seltenen Redensarten be» reichert werden, dergleichen sind, ausser einigen schon vorhin mit besondern Lettern bemerkten, an« noch folgende: ein Lassant; kuschen; sich draht (geschwind, recht) bedenken; den Grund draht fassen; an der peysche trecken; wilt du nicht ita, so magst du husta; Ackertrolln: die l^sachttgal, welche die Ruw erbeisst, d. i. ein Rabe; orglisch; instrumentifche Ge« fange; ein peuler; gökkeln; eine Gockel­ bude; rapunten laufen; böswichtlsches Wesen; das merke dir quantsweis; das schleuß tii dernen Muth; die Messung; das Po lerland:

Schreibensan den Herrn Rolle. 245 lerland; die Theilung ist verant; Widder­ schlag der Saiten; Unterricht thun; zu die­ ser ^ahrt, anstatt, für dismal; und viele andere mehr, welche ich für weniger beträchtlich und eben daher nicht der Mühe werth halte, sie beson­

ders anzuzeigen. Nunmehro werde ich Ihr Vergnügen, wer­

thester Herr College, und Ihre süßen Unkerhallungen mit Ihrer geliebten Rahe! an diesem Ihren

Ehrentage nicht weiter stören. Mein alter Agricola mag abtreten. Ich seße nichts mehr hinzu, als den Wunsch, daß Sie sich, wie bisher, so auch ferner, jederzeit eines bessern Schicksals als dieser, zu erfreuen haben mögen; und die Bitte, daß Sie sich, unter dem Genusse Ihrer reinen Vergnügungen zuweilen eines Freundes erinnern, der in seinem ganzen Leben mit wahrer Hochach­ tung, redlicher Geselligkeit und freundschaftlicher Zuneigung seyn wird

Ewr. Hochedelgebornett Magdebutg, den 18. May 1758» treuergebenster Diener. Elias Caspar Reichard.

lV.Neuig^

246

4 ) o ( 4 IV. Neuigkeiten. 1.

/Sammlung einiger musikalischen TOet# V*/ suche von Friedrich Wilhelm Zacha-i

riä. Isier Theil. 1760. Der Herr Zachariä hatte einige freye Stunden. Die Poche, die sein würdi­ ges Haupt mit so vielen Kränzen gezieret, erlaubte ihm, sich einige Zeit zu erhöhten. Er machte sich selbige zu Nuhe, um mit ihrer Schwester der Ton­ kunst, einen desto vertrautem Umgang zu pflegen. Er nahm sich vor, der Welt von seinen Nebenar­ beiten Rechenschaft zu geben, und schrieb die gegen­ wärtigen Versuche, die für die Singstimme und das Clavier eingerichtet sind, und neun italiänische Arien, und drey italiänische Duette, nebst drey Synfonien enthalten. Es kann den Tonkünstler« von Profession nicht anders, als angenehm seyn und zur Ermunterung dienen, daß ein so berühm­ ter Gelehrter, als der Herr Zachariä, ein Dichter vom ersten Range, ein Paar Gänge auf ihrer Laufbahn waget, und mit ihnen nach dem Preise der Musen zielet. Die Liebhaber sind selten, bey welchen man so viel Genie und Geschmack vereinet findet; und die Vorzüge des Herrn Zachariä ver­ dienen alle Achtung der Kenner. Druck und Pa­ pier sind schön, wie ee in der Breltkopsischen Offiein gewöhnlich ist.

II. Der

IV. Neuigkeiten.

247

ii.

Dee Tod Jesu, eine Lantata, in die tNustk gesetzt vom Herrn Larl Hernrrch Graun, Rönigl. preuß. Lapellmersier. Leipzig, gedruckt und verlegt von Jo­ hann Gottlieb Immanuel Brertkopf. 1760. Was ein Rammler gedichtet, und ein Graun componirt hat, braucht keiner weitern Empfehlung. Prächtige Chöre, rührende Arien, die den nachdrücklichsten Worten angemessen sind; wohl aus» gearbeitete Fugen; Duetten, wo Kunst und Ge­ schmack um den Vorzug streiten; Affect und Feuer in der Composrtion; dae Herz angreiffende Reci­ tative, ein feiner und edler Gesang, eine volle majestätsche Harmonie---------- smd die wesentlichen Stücke einer schönen Kircheiicompostcion, und die Kennzeichen der graunischen Muse.

III. Sammlung von Synfonien. Leipzig, bey Johann Gottlrcb Emanuel Brett­ kopf. Die vier erstern Stücke dieser periodischen Sammlung enthalten eine Cynfonie von Sr. K» niglichen Majestät in Preussen; von Ihro Königl. Hoheit, der Churprinzeffinn in Sachsen; vom Hrn. Capellmeister Haffe; und vom Herrn Capelkmeister Graun. Stücke von so erhabnen, und so berühmten Verfassern werden nicht anders asö mit Begierde

gesucht werden.

IV. D. A Steffani, Abts von Lepstng, und des heil. apostolitHen Stuhls pro. tonotarn

248

IV. Nettigkeiten,

tonotarii Handschreiben, darinnen ent­ halten, tote große Gewißheit die tNußk, aus thren Principiis, und Grundsätzen habe; und in welchem wehrt und Wir­ kung ste bey den Alten gewesen. Um sei» ner Vortreflichrert und Nutzens wissest ehemahls aus dem Italiänischen ins Hoch­ deutsche übersitzt, und mit einigen An­ merkungen erläutert von Andreas Wetkmeistek. Itzt aber aufs neue übersehen, an vielen Orten verbessert, von den vori­ gen Fehlern gereinigt, mit einer Vorrede und etlichen Zusätzen vermehret, und zum Druck befördert von Johann Lorenz Albrecht. Gytnnaßi Millhußni Collega IVtu Claffif> 65" ad B. M. V. Cantore E5* DireStore Mufices. Mühlhausen, druckte Ioh. Lhrt-

stoph Brückner, E. Hochedl. Rache Buch­ drucker, 1760. Dieses Merkchen verdiente durch eine neue Auflage der Welt bekannt gemacht zu werden, und Tonkünstler, die ihre Einsichten etwas weiter als bis zur Känntniß der drey musi­ kalischen Schlüssel ausdehnen wollen, werden es dem fleissigen und geschickten Herrn Musikdl'rectör Albrecht Dank wissen, daß er selbige veranstaltet hat. Wie man aus verschiednen Anmerkungen

deS Herausgebers

fleht, so muß eö kn der dortigen Gegend gewisse Geschöpfe geben, die entweder von der Natur übel begabt, oder in der Erziehung ver­ säumet, den Wehrt der Tonkunst, der lieblichsten

der

freyen Künste, so wenig zu schätzen wissen, daß

IV. Neuigkeiten.

249

sie vielmehr die Jugend auf alle mögliche Art da­ von abzuhalten suchen, und den Eifer der Vereh­ rer und Ausüber derselben auf keine Weise, durch hinlängliche Belohnungen, zu unterhalten, bedacht sind. Man sollte kaum glauben, daß es zu den ihigen aufgeklärten Zeiten solche Leute geben könnte. Aber gesetzt, daß dieser oder jener den Einfluß der Musen zu fühlen nicht im Stande wäre: erforder­ te es nicht die Scaatöklugheit eines jeden, seine Blöße in diesem Stücke, so wie Midas seine Ohren, vor den Augen der Welt zu verbergen?

V. Musikalische Aufmunterung für die An­ fänger des Llavisrs, bestehend in VII. Me­ nuetten, und eben so viel polonoisen durch die Durcöne T D E H AB, von Jo­ hann Lorenz Albrecht, istcr Theil. Augsburg, gedruckt und verlegt von Johann Jacob Lorrers fecl. Erben. 1760. Die Stücke sind ganz artig, und von angehenden Cla> vieristen, für welche der Herr Verfasser sie gemacht hat, mit Nutzen zu gebrarichen. Ich kann nicht umhin, die wohlgefchriebne Vorrede zu excerpiren. „Ich habe, sagt derselbe, dieses Werk, mit gu, „tem Vorbedacht, mit der Aufschrift einer musika„lischon Aufmunterung belegt, weil es unsers „Orts besonders nöthig zu seyn scheinet, dir, lehr» „begierige Jugend, mit mehr als einer Aufmun„terung zu Hülfe zu kommen, um dich zu dieser „edlen Kunst anzufrischen und beherzt zu machen; V. Land-z. St. R „zu-

2$o

IV. Neuigkeiten.

„zumahl da sich ißt bey uns eine Art Leute hervor« „thut, weiche nicht nur selbst die-Musik sehr gerin« „ge schaßet, sondern auch jungen Gemüthern die« „selbe als die größte Todsünde abrath, und mit „allerhand läppischen Minen, unnützen Worten, und „finsterm Gesicht auf die Liebhaber der Musik los« „stürmet, und, wo möglich, alle Verehrer dersel« „ben in den Bann will gethan wissen. Damitdu „nun theils durch das Ansehen solcher Personen, „theils durch ihre auf die Verachtung der Musik „gerichtete Vorstellungen, nicht auf das irrige Vor« „urtheil geführet werdest, als wäre nemlich die „Musik etwas, das zu nichts nüße, mithin also „einem Menschen zu lernen höchstschädlich wäre: j»so habe ich dich hier, bey Herausgabe dieses ersten „Theils meiner musikalischen Aufmunterung, ge« „treulich ermahnen wollen, dich an keine verächk« „liche Vorstellungen eigensinniger Musiktyrannen „zu kehren, sondern vielmehr allen Fleiß anzuwen« „den, dich von Tage zu Tage in dieser vortrefli« „chen Kunst vollkommner zu machen. Ge« „setzt, du müßtest auch manchen feindlichen An« „griff deßwegen erdulden: ey! wer wollte darum „den Muth gleich sinken lassen? Vielmehr bemühe „dich, den Feinden zum Trotz, immer mehr und „mehr, in dieser Kunst zuzunehmen; denn dadurch „wirst du alle elende Stümper dereinst mit Ruhm „beschämen, und alle Feinde besiegen." VI.

Cotieciio» reCreative, confcnant VI. Sonate/ pour le davccin, compofiet par Mess. Bach, Fasch, le Fevre.

IV. Neuigkeiten.

251

Fevre, Marpourg, Rackemann $5* Roth, Compoßteurs £/c. Oeuvre I. Aux depens de Jean Ulric

Herr Haf­ ner, der schon seit langer Zeit den Musen seinen Griffel widmet, hat nichts ermangeln lassen, was diesem Werke zur äussern Zierde dienen kann. Schön Papier, ein saubrer Stich, ein guter Ab­ druck. Wo das Aeussere mit dem Innern in ge­ nauer Verbindung stehr, da kann man nicht an­ ders als Beyfall für seine Bemühungen erwarten. Wie wir hören, so ist der zweyte Theil dieses Sammlung von Claviersonaten unter der Presse, der vermuthlich dem ersten nichts nachgeben wird. Hafner, Mahre de Lut a Nuremberg.

VII. Musikalisches Allerley, 1761. Unter diesem Titel kommt hiestlbst in Berlin, beyBirnstielen, alle Woche ein Bogen in Folio heraus, worinnen allerhand neue, größere und kleinere, Clavier- Or­ gel- Violin- und Flötenstücke, Sonaten, Fugen, characterisirte Stücke, Duetten, Oden, Märsche, Polonaisen, Menuetten ic. von verschiednen hieße gen und fremden Tonmeistern, zum Vorschein ge­ bracht werden. Acht Bogen machen eine Samm­ lung aus, und drey Sammlungen sind bereits fertig. Die Verfasser der bisherigen Stücke sind, nach alphabetischer Ordnung, die Herren Agricola, Bach, Lramer, Fasch, Graun, -Her­ bing, Janirsct), Rirnberger, Marpurg, Nichelmann, Ouanz, Riedc, Sack, Schale, Seyfarrh und Stölzel. Die Abwechselung und

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Güte

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IV. Neuigkeiten.

Güte der Stücke hat diesem Wochenblatte einen solchen Schwung gegeben, daß verschiedene Blätter bereits aufs neue haben gedruckt werden müssen.

VIII. Sieben Partien für zwo Violinen und den Baß, von Larl Höckh, Hochfürftl. An­ halt -Zerbftischen Loncerkmeister. Berlin, 1761, gedruckt bey Georg Ludewig wincer, in Fol. Wer den vorkreflichen Herrn HöckhauS sehr vielen im Manuscript herumgehendcn Concer­ ten und SoloS, von seiner geschickten Feder, ken­ net, wird ohne Zweifel sofort diese sieben Partien zu hören wünschen, worinnen man nicht weniger Fleiß, und gute neue Gedanken, als Geschmack wahrnehmen wird. Der Liebhaber und MußcuS werden gleiches Vergnügen daran haben.

V.Fork-

V. Fortsetzung der Abhandlung' des du Bos. nd dieses war das Schicksal des alten Theaters in dem occidentalifchen Reiche. Diese von Natur mehr zur Betreibsamkeit als zur Arbeit auf­ gelegten teilt?, die nur immer von einer Arbeit leben wollen, die nicht allzusauer ist, konnten sich von den Einkünften des Theaters, welches sie bisher ernährt hatte, nicht länger erhalten, und mußten also ent­ weder verhungern, oder eine andere Proftßion er, greifen; und die Personen von gleichem Charakter, welche nach ihnen kamen, mußten ihre Gaben zu andern Verrichtungen anwenden. Ich will hier den Faden meiner Rede durch wenige Zeilen unterbrechen, um zu erklären, in wel­ chem Verstände ich gesagt habe, daß allem Ansehen nach die Theater zu Rom verschlossen worden, als Totila diese Stadt geplündert. Ich habe damit bloß sagen wollen, daß das Theater des Marcellus und andere prächtige Theater damals entweder zer­ stört, oder wenigstens durch den Schaden, welchen sie erlitten hatten, .unbrauchbar gemacht worden, und also die prächtigen Vorstellungen, zu welchen sie bestimmt waren, ihr Ende erreichten. Ich habe aber damit nicht sagen wollen, daß alle Vorstellun­ gen von Komödien damals aufgehört; sondern ich R i glaube

U

2Z4 ^Fortsetzung der Abhandlung glaube vielmehr, daß man in Rom und in den übri­ gen grossen Städten, welche mit der Hauptstadt gleiches Unglück erfahren hatten, sobald die Zeiten wieder ein wenig ruhiger geworden waren, wieder angefangen habe, theatralische Stücke zu spielen, nur mit der alten Zubereitung nicht. Durch eine in der Welt ganz gewöhnliche Abwechselung wird die in dem zwölften Jahrhunderte nach Erbauung der Stadt Rom so prächtige Scene, in dem dar­ auf folgenden dreyzehnten so simpel wieder gewor­ den seyn, als sie kaum bey Anfang des fünften Jahrhunderts gewesen war. Sie wird in den Zustand zurück gefallen seyn, in welchem sie Liviut AndronicüS gefunden hatte. Wir haben einen deutlichen Beweis in den Capi'tularien unserer Könige vom zweyten Stamme, um zu zeigen, daß es zu ihren Zeiten Komödianten von Profeßion gegeben, welche theatralische Stücke gespielt. Sie haben nehmlich darinn das Gesetz hee Theodosianijchen Codicis erneuert, welche alle Arten von Entheiligung auf der Scene verbot. Wir verurtheilen, sagen die Capitularia, zu Leibesstrafe und zu Verbannung alle diejenigen Komö­ dianten, welche sich unterstehen sollten, auf dem Theater in der Kleidung zu erscheinen, welche Priester, Ordeneleute, und alle Personen geistlichen Stndcs tragen. (*) Si quis ex fcenicis vestem facerdotalem aut monafticam, vel muhens reli­ giöse,, vel qualicumque ecclefiaftico statui firm­ iern

C) UaluE. Capitul. tom. prim. p. 906.

des du Bos.

255

lern indutus fusrit, corporali pcena fubfiftat & ycibo tradarur. Die Komödianten hätten ftrfj dieser Entheili­ gung zu allen Zeiten enthalten sollen. Gleichwohl ward unser König Carl IX. nochmals genöthiget, sie in dem Edicte zu verbieten, welches er im Jahr i $6i, auf die Vorstellungen der zu Orleans ver­ sammelten Landstande, bekannt machen lassen. Der Inhalt des vier und zwanzigsten Artikels in diesem Edicte ist folgender: Auch verbieten wir allen Possenspielcrn, Gaucklern und andern solchen Leuten, an gedachten Sonntagen und Festen, zur Zeit des Gottesdienstes, zu spielen, geistliche Bleider anzuziehen, und anstößige und ein böses Exempel gebende Dinge vorzustellen, bey Strafe des Gefäng­ nisses und leiblicher Züchtigung. Zum Beweife, daß dieses Gesetz nicht genau beobachtet wor­ den, dienet die Erneuerung desselben in dem Edicte, welches Heinrich der III. auf die Vorstellungen der zu Blvis im Jahr 1 $76. versammelten Landstände bekannt machte. Und doch, welches man sich jetzt kaum vorstellen kann, wurden diese so weise Gesetze noch nicht beobachtet. Folgendes findet man in einem Buche, welches den Titel führet: Unterthänige Vorstellung an den Bönig von Frankreich und Pohlen Heinrich der III. dieses Namens, und das im Jahr i$88. ge. druckrwurde, bey Gelegenheit der von diesem Re­ genten zusammen berufenen Landstände, welches R 4 man

2Z6 V.Fortsetzung der Abhandlung man gemeiniglich die zweyte Versammlung der Stände zu Blois nennet, weil sie gleichfalls in dieser Stadt gehalten wurde.

„Es ist noch ein grosses Uebel übrig, welches „besonders in eurer Stadt Paris an den Sonn„und Festtagen begangen und geduldet wird, und „das der Ehre Gottes und der Entheiligung seiner „Feste weit nachtheiliger ist, als irgend ein anders; „eö ist auch mit-so vielen Mißbräuchen verbunden, „daß ich es mit den weisesten Männern für hin­ länglich halte, den Fluch Gottes über euch und „euer Königreich, und besonders über besagte Stadt „Paris zu ziehen, in welcher diese Bosheit weit „mehr verstattet wird, als an irgend einem Orte „unsers Königreichs. Ich meyne nehmlich die „öffentlichen Schauspiele, welche an benannten „Sonn- und Festtägen so wohl von fremden Italia» „nern als von Franzosen aufgesühret werden; vor „allen andern aber diejenigen, welche in dem Kloa„ke und der Wohnung des Satans, genannt das „Hotel von Bourgogne, von denen vorgestellt wer„den, die sich Mißbrauchsweise Brüder des Leidens „Jesu Christi nennen. In diesem Orte gehen „tausend sündliche Ausschweifungen zum Nachtheile „der Ehrbarkeit und Keuschheit der Weiber, und „zum Ruine ganzer Familien armer Handwerks» „leute vor, mit welchen der ganze Saal angesüllt „ist, und welche mehr als zwey Stunden vor dem „Spiele mit unzüchtigem Geschwatze, mit Fressen „und Sauffen hinbringen, woraus viele Zänke-

des du Bos.

257

„reyen und Schlägereyen entstehen. Auf der „Bühne bauet man Altäre, die mit Kreutzen und „geistlichen Ziel rathen beladen sind; man stellet „Priester in ihrem Meßgewands darauf vor, und „führet sie in den unzüchtigsten Possenspielen ein, „um sie lächerliche Heyrathen schliessen zu lassen. „Man verliest die Evangelia nach dem Kirchen„gesange, um gelegentlich ein Wort darinn anzu„treffen, welches zur Spötterey dienen könne, und „über dieses sind alle und jede von diesen Spielen „mit solchen Zoten und Niederträchtigkeiten ange„füllt, daß sie die Jugend unmöglich ohne grosse „Aergerniß mit ansehen kann. — Doch wir ent# fernen uns zu weit von unserer Materie, und wol­ len also lieber auf die Theater zrirück kommen, wie sie zu Rom, ehe eö von den Barbaren zerstöret wurde, beschaffen waren. Aus einer Stelle des Ammianus Marcellinus siehet man, daß die Anzahl derjenigen Personen die sich zu seiner Zeit in Rom von den theatra­ lischen Künsten ernährt, erstaunlich groß gewesen sey. Dieser Geschichtschreiber erzehlt nicht ohne Verdruß, daß als Rom von einer HungerSnoth bedrohet worden, man die Vorsicht gebraucht habe, alle Fremde und sogar auch alle der freyen Künste Beflissene aus der Stadt fortzuschaffen. Indem man aber, fügt er hinzu, die Gelehrten als unnütze Mäuler verjagte, und ihnen zu ihrer Abreise einen sehr kurzen Termin setzte, sagte man den Schauspielern und allen denjenigen, welche

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V. Fortsetzung der Abhandlung

sich unterdessen mit-diesem schönen Titel schützen wollten, kein Wort. Man ließ drey tausend Tänzerinnen ruhig in Rom, und eben so viel Personen, welche in den Chören spielten, oder Lehrer der musikalischen Künste. Hieraus nun schliesse man wie erstaunlich groß die Anzahl der Schauspieler in Rom zu den Zeiten deö DiocletianuS und deö grossen Constantinuö müsse gewesen seyn. (*) Poftremo ad id indignitatis ess ventum, ut cum peregrini ad formidatam non ita dudutn alimenrorum inopiam pellerentur ab urbe pra> cipites; ,fe£latoribus difciplinarum liberalium impendio, paueis sine refpiratione ulla extrusis, tenerentur Mimorum asieclce veri, quique id simularunt ad tempus, ut tria millia faltatricuni ne intcrpellata quidem, cum totidemque remanerent Magiftris. Da eö nun eine so entsetzliche Anzahl Personen gab, welche von den Musikalischen Künsten lebten, kann man sich noch wohl wundern, daß die Alten so viel Methoden und so viel Kunst» griffe, die Wissenschaft der Musik betreffend, ge» habt haben, die wir jetzt nicht mehr haben? Nur durch die Menge der Künstler wird die Kunst, von welcher sie Profeßion machen, erweitert, und in verschiedene andere besondere Künste zertheilt. Die Wissenschaft der Mustk blieb zwar noch auch nach Verschliessung der Theater; allein der größte Theil der musikalischen Künste ging auf im­ mer unter. Ich müßt? nicht, daß auch nur ein ein» (*) Ainm. MarcelL lib. 14.

des du Bos.

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einziges Denkmahl von der Rythmkschen, Organ«, schen, Hypokritischen und Metrischen Musik übrig geblieben wäre. Nur die Regeln der poetischen Musik finden wir in den Versen der Alten wieder, und vielleicht hat uns die Kirche einge von den al­ ten Melopäien in ihren gottesdienstlichen Gesängen aufbehalten. Unter den Antworten auf die Fragen der Christen, en« Werk, welches dem h. Justknus dem Märtyrer, der in dem zweyten Jahrhunderts lebte, beygcleqt wird, findet fich eine, in welcher entschieden wird, daß die Gläubigen gar wohl Melodien, welche von Heiden zu einem unheiligen Gebrauche componiret worden, zu göttlichen Lobgefangen anwenden könnten; nur müßten sie mit Bescheidenheit und Anständigkeit auSgesühret werden. Diese Steile kann durch das erklärt werden, was der h. Augustinus in einer Rede sagt, die er an dem jährlichen Gedächtnißtage des Märtyrer, kodes dcö h. CyprianuS gehalten hat. (*) Aliquando ante annos non valde multos etiam iftuni locum invaserat petulantia faltatorum , istum tarn fan£lum locum, ubi jacet tarn fancli martyris corpus. Per totam noctem canebantur hic nefaria & canentibus faltabatur. Die Umstände der Zeit und des OrtS zeigen, daß diese Stelle von den Christen zu verstehen sey. Es war» übrigens der Bischof, welcher dieser Unordnung steuerte. „Noch nicht vor langer Zeit, wollen die lateini„schen (*) Augwst. ferm. zu. in Natdem Divi Cypriani.

26o V. Fortsetzung der Abhandlung „schen Worte sagen, unterstandet, sich die Tänzer, „an diesem verehrungewürdigen Orte, neben der „Grabftädte unsers heiligen Märtyrers, ihre lü„derliche Kunst zu üben. Man sang die ganze „Nacht hindurch unhcilkge Gesänge, zu welchen „die Gebehrden machet declaniirten. Allem Anse» hen nach mochte etwan ein Christ das Leiden des h. Cyprians in Verse gebracht haben, welches Gedicht man hernach auf seinem Grabe eben so aufsührte, wie die weltlichen Stücke auf dem Theater aufge» führet wurden. Die Meinung des Iustinus ist also diese, daß man von den Huden componirt« Melodien in den Kirchen zwar singen könne, aber nicht declamiren solle, das ist, daß man sie singen solle, ohne Gebehrden dabey zu machen.

Dem sey nun aber wie ihm wolle, so ist doch so viel gewiß, daß sich unter den gottesdienstlichen Hymnen verschiedene finden, welche, vor der Zer« störung der Stadt Rom durch den Totila, compo« nirt worden. Ein jeber Hymnus wurde gesungen. Si non canttfmr non est Hymnus, sagt Jfidorus. Da aber die Gesangweifen dieser Hymnen in allen Kirchen einerley find, fv kann man mit Grund glauben, daß man sie zu den Zeiten componirt habe, als die Hymnen selbst verfertiget worden. Wir wollen diese Materie noch weiter fortsehen.

Der Ambrosianische Gesang, welcher noch seht in verschiedenen Kirchen gesungen wird, ist von

diesem

des du Bos.

g6i

diesem Heiligen, welcher hundert und fünfzig Jahr vor der Zerstörung RomS durch den Totila, starb,

compoin'rt

oder

wenigsten eingerichtet

worden.

Ale diese Begebenheit sich zutrug, war der h. Gre.

goriuß der grosse, eben der, welcher den Gregoria.

nischen Gesang, der noch jetzt in sehr vielen katho. lischen Kirchen gebräuchlich ist, componirte oder

wenigstens einrichtete- bereits gebohren. Diese heiligen Männer nun erfanden keine neue Musik,

um ihre gottesdienstlichen Gesänge zu componiren; denn aus der Art, wie sich die zeitvcrwandten

Schriftsteller davon ausdrücken, erhellet, daß sie bloß verschiedne schon gebräuchliche Gesänge in die Kirche aufnahmen. Alle diese Gesänge aber, sie mögen nun vor der Zeit des h. Gregorius oder nach

seiner Zeit seyn componiret worden, können uns einen Begriff von der Vortreflichkeit der alten Mu­ sik zu machen, dienen. Wenn über tausend Jahr die weltlichen Gesänge, die man seit achtzig Jahren componirt hat, sollten verlohren gegangen seyn, die um diese Zeit componirten Kirchengesänge aber hätten sich erhalten, könnte man sich nicht aus der Schönheit der letzter» einen Begriff von der Vor.

treflichkeit der erstem machen? Denn so verschieden auch der Charakter diesir Gesangweisen ist, er­ kennet man nicht den Verfasser der Armide in dem Dies irx deß Lulli? So viel ist gewiß, alle Ken­

ner bewundern die Schönheit deö Anfangs und verschiedener anderer Stücke in dem Greqorianisehen Gesänge, ob er gleich, wie wir bereits in

einem

262 V. Forts, der Abh. des du Bos. einem von den erstem Abschnitten erinnert haben, von der natürlichen Declamation weit weniger ab, weicht, als unsre musikalischen Gesänge. Ich komme auf den Gegenstand selbst, dessent­ wegen ich alle diese Untersuchungen angestellt, wie« der zurück, nehmlich auf den alten Gebrauch die Declamation zu componiren, und in Noten zu schreiben.

(Der Beschluß mit nächstem.)

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Historisch -Kritische

Weytrügt zur

Aufnahme der Musik von Friedrich Wilhelm Marpurg.

_______V. Band. Viertes Stück.

Berlin,

Verlegte Gottlieb August Lange. 176s.

Inhalt. Eeite L Erste Fortsetzung der Urtheile über Herrn Sorgens Irrthümer in der Lehre von der Harmonie. 26z. 1L Vermischte Gedanken.

-

285.

III. Dritte Fortsetzung des Verzeich­ nisses deutscher Opern. 310.

IV. Beschluß der Abhandlung des du Bos, von den theatralischen Vorstellungen der Alten. 327.

L Erste Fortsetzung der Urtheile über Herrn Sorgens Irthümer in der Lehre von der Harmonie.

(Man sehe das ite Stück, v. Band der Beyträge )