Historisch-kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik: Band 3 [Reprint 2022 ed.] 9783112669600, 9783112669594


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German Pages 292 [592] Year 1757

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Table of contents :
Inhalt des Ersten Stücks
I. Schreiben an den Verfasser über die Abhandlung des Du Bos
II. Fortsetzung der vermischten Gedanken
III. Leben Johann «Christian Hertels, ehemaligen Concertmeisters am Sachs. Eisenachischen und Mecklenburg-Strelitzischen Hofe. Entworfen von desselben Sohne, Hry. Zpbayn Wilhelm Hertel, Hochfürstl. Mecklenburg-Schwerinischen Hofcömponisten
IV. Hochfürstliche Würtembergische Kammer-Hof- und Kirchenmusik
V. Verzeichnis verschiedener Organisten in Ollmütz, Brünn, Wien und Prag
VI. Schreiben des tzm. Daubean den Verfasser
VII. Brief vom musikalischen Ausschrei ten; worinn zugleich eine neue Erfin düng in der Musik bekannt gemacht wird
VIII. Hochfürstl. Schwarzburg - Rudolstadtische Capelle
IX. Fortsetzung der Abhandlung des Du Bos von den theatralischen Vorstellungen der Men
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Inhalt. des Zweyten Stücks
I. Herrn Weitzlers Anhang zu dem kurzen Entwurf der ersten Anfangsgründe, auf dem Klavier nach Noten zu spielen
II. Anmerkungen über den Anhang rc. des Hrn. Meißler
III. Lebensläufe
IV. Die Hochfürstliche Anhalt Zerbstisthe Capelle
V. Verzeichniß der jeztlebenden Organisten in Breßtau im 1757. Jahre. Lacholische Organisten
VI. Der allezeit fertige Polonoisenund Menuettencomponist von Johann Philipp Kimberger..BerÜn 1757* gedruckt und zu finden bey Georg Lickewig Winter, Königl. privil. Buchdrucker. 10 Bogen ingroßlängl
II trionfo della Fedeltä, Drama pastorale
VIII. Versuch einer gründlichen Violinschule, von Leopold Mozart
IX. Vermischte Sachen
X. Einfall einen doppelten Contrapunct in der Octave zu machen, ohne die Regeln davon zu wissen, vom Herrn Carl. Phil. Eman. Bach
Front matter 3
Inhalt des dritten Stacks
I. Nachricht von dem gegenwärtigen Zustande der Musik Sr. Hochfürftl. Gnaden des Erzbischofs zu Salzburg im Jahre 1757
II. Schreiben an den Verfasser der 2W trage wegen der Anmerkungen über den Anhang 2C. des Herrn Weitzler
III. Georg Christoph Weitzlers kurzer Entwurf der ersten Anfangsgründv, auf dem Clavier nach Noten zu spielen
IV. Selammtes Anmerkungen über den vorhergehenden Entwurf rc. des Herrn Weitzlers
V. Georg Christoph Weitzlers kurzer Entwurf der Anfangsgründe den Generalbaß ans dem Claviere nach Zahlen zu spielen
VI. Selammtes Anmerkungen über den vorhergehenden Entwurf des Herrnr Weitzlers, den Generalbaß rc. zu spielen
VII. Fortsetzung der Abhandlung des du Bos
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Inhalt des vierten Stücks
I. Verzeichniß deutscher Opern
II. Der Triumph der Treue, em Schaftrspiel, aus dem Itaüänischen der Durch!. Ermelinde Thalie übersetzt
III. Herzog!- Mccklcnb- Schwerinische Hof-Capelle
IV. Lebens läufst
V, Fortsetzung der Abhandlung des du Bos rc
VI. Anleitung zur Singkunst. Aus dem Italiänischen des Herr» Pcler Franz Tost, Mitglieds der phiiarmourschen Akademie; nm Erläuterungen und Zusätzen von Jod. Frtedr. Agricola. Lrönigl. Preuß.Hofconrpomsten. Berlin, gedruckt dey G.org Ludewig Benter. 1757. i Atchcrd. 7 Logen in Quarto
VII Vermischte Nachrichten
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Inhalt des fünften Stücks
I. Zwo musikalische Fragen, Licbhadem der Wahrheit zu gefallen beantwortet von Friede. Wilhelm Riedt, Königl. Preuß. Kammermus
II. Lettre de Clement Marot
III. Fortsetzung der Abhandlung des du Bos
IV. Erste Fortsetzung des Verzeichnisses deutscher Opern
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Inhalt Les Sechsten Stücks
I Unpartheyische Gedanken, übet die richtige Denkungsart -es Herrn Daube in Seinem Vorbericht über den Generalbaß in drey Accordw, von Friede. Wilhelm Sonnenkalb, Organisten in Herzberg
II. Sammlung einiger Nachrichten von berührnten Orgelwerken in Teutschland, mit vieler Mühe aufgesetzt von einem Liebhaber der Musik. Breßlau, verlegts Carl Gottftied Meyer. 1757* 14 Bogen in 4t
III
IV. Vermischte Gedanken, von dem Verfasser der musikalischen Poesie
V. Neuigkeiten
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Historisch-kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik: Band 3 [Reprint 2022 ed.]
 9783112669600, 9783112669594

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Historisch - Kritische

eylrüge zur

Aufnahme der Musik von

Friedrich Wilhelm Marpurg.

III. Band. Erstes Stück.

Berlin, Verlegks Goeelieb August Lantze. •< 7 5 7-

Inhalt des

Ersten Stücks. L Gedanken über die Abhandlung des Du 'Dos.

— — Mg. i IL Fortsetzung der vermischten Gedanken. 18 III. Leben Hrn. Johann Christian Hertels,ehemaligen ConcertmeisterS am Sachs. Eisenachi­ schen und Mecklenburg-Strelißischen Hofe. Entworfen von desselben Sohne, Herrn Johann Wilhelm Hertel, Hochfürstl. Meck­ lenburg - Schwerinischen Hofcomponisten. — — 46 IV. Hochfürstl. Würtembergische Kammer-Hof« und Kirchenmusik. — 6$ V. Verzeichnis verschiedener Organisten in Oll«

mütz, Brünn, Wien und Prag. 67 VI. Schreiben des Herrn Daube an den Ver­ fasser. — — 69 VII. Hrn. Zachariä Schreiben vom musikalischen Ausschreiben; worinn zugleich eine neue Er­ findung in der Musik bekannt gemacht wird.

— — 71 VIII. Hochfürstl. Schwarzburg - Rudolstadtische Capelle. — — 77 IX. Fortsetzung der Abhandlung des Du Bos von den theatralischen Vorstellungen der Alten. •— — 80

I. Schreiben an den Verfasser über die Abhandlung des Du Bos. Mein Herr,

Sie haben eine gewisse Abhandlung eines

Franpsen, Nahmens Du Bos, rod? d'c von den theatralischen Vorstellun­ gen der Alten betittelt ist, mit in Ihre Beyträge yesehet. Weil nun diese Beyträge doch die Musik angehen, so habe ich bey Lesung des Titels nicht gewußt, wie erwehnte Abhandlung dahinein käme, angesehen die Alten nichts weniger als Opern ge­ habt haben. Jmmittelst kann ich mir nicht vor­ stellen, wie Sie diese Abhandlung auSgespähet ha­ ben. Denn vor einigen Monaten hörte ich ohngefehr in einer Gesellschaft, daß dasjenige überseht seyn sollte, was ein gewisser Dü Bos in einem Buche über die Mahlerey und Poesie von der Musik geschrieben hatte. Weil ich nun lehrbogieriger bin, als mein Herr vielleicht glauben, so Vl-Land. I. Stück. A fragte

2

I. Schreiben an den Verfasser

fragte ich arte meine musikalische Freunde nachdem Buche. Aber sie wußten nichte davon, und ant­ worteten : sie schören sich viel um den Du BoS» Ja da ich mich darüber wunderte, weil doch einige von ihnen sollen studirt haben, und auf der Univer­ sität gewesen sind, so wurden verschiedene gar über mich böse, und sagten: sie möchten sich um solche Grillen nicht bekümmern, hatten auch nicht Zeit dazu; denn ihre Jnformationes müßten abgewaStet seyn, das wüßte ich; und über den häufigen Comödien, Operproben und Concerten bey Hofe gienge mancher schöner Nachmittag und Abend hin, den sie lieber in ihren Tabacksgesellschaften zubrach­ ten ; der Du Bos müßte überdem ein Franzose seyn, denn hier wären Tänzer und Mahler, die auch ohngefehr so hießen; die Franzosen aber könn­ ten unmöglich von der Musik etwas kluges ge­ schrieben haben, weil ja bekannt, daß ihre ganze Musik nichts taugte. Ich mußte mir also Gewalt" anthun, und einen so genannten witzigen Kopf nach dem Du Bos fragen. Allein diese Frage kam 'mir ziemlich theuer zu stehen; denn der Poeke wunderte sich sehr, daß ich, der ich doch von neuen guten Büchern was machte, von des Herrn Magister LeßrngS theatralischen Lrbliothek nichts wüßte; denn er schloß aus meinen Reden, daß die obbemeldte Gesellschaft von Herrn LeßingS theatralischen Biblio­ thek gesprochen hätte, und darinn wäre die Uebersetzung des Du Bos, wovon man geredet. So wie er nun den Nahmen des berühmten Herrn Leßing

über öie Abhandl. des Du Bos. 3 Leßing aussprach, also meynte er auch, ein Ton­ künstler (er brauchte nicht das Wort MusicuS) müßte nothwendig dergleichen Schriften lesen.

em

Weil diese Herren allemal, unter uns gesagt, wenig naseweis sind, und ich just auch nicht Herz im Vorrath halte, so gab ich ihm nur etwas weniges wieder auf den Pelz, war aber doch froh, daß ich Anbei) einen neuen Autorem kennen lernen, und aus dieser Ursache verziehe ich dem Herrn Poeten, (Dich­ ter soll er sic!) lieber nennen lassen.) Weil er mir aber gleichwohl das Buch selbst nicht leihen konnte, denn die Poeten sind so arm, daß sie sich nicht Bücher anschaffcn können, so war es nur recht lieb, des Du Bos Nahmen in Ihren Beyträgen zü stnden, und ich vermuthete gleich, mein Herr, daß «s der rechte Du Bosfeyn würde, wie auch) daß Sie glei'chfaks ein DKliter seyn müssen, sonst Jh» nen das Buch nicht bekannt seyn würde. Im ersten habe ich mich nicht betrogen, und im letzten werde ich noch mehr dadurch bestärket, weil stein ihren Beyträgen auch Oden haben. Ob ich nun zwar dafür halte, daß das meiste in bemeldter Abhandlung zu nichts nützet, und glaube, die meisten ihrer Leser werden sich ärgern, daß sie dieselbe in ihren BeyträgeN mit bezahlen müssen, so werden Sie doch nicht übel nehmen, wenn ich mir die Freyheit nehme, Ihnen einige darüber gewachte Anmerkungen angefügt mitzutheilen. Ich möchte mich auch gerne einmal gedruckt sehen,

und ihre Leser werden froh seyn, einige Spöttereyen

zu lesen,

dis ihnen bey der Abhandlung gewiß eingefallen

Ar

4

I Schreiben an den Verfasser

gefallen sind, und die mancher von ihnen gerne würde zu Papiere gebracht haben, wenn ein Mu-sicuö seine Gedanken dürste können zu Papiere bringen. Denn darinn habe ich vieles vor and'rn Tonkünstlern voraus; ich muß dieses neue Wort doch auch gebrauchen, und Ihnen, mein Herr, dabey offenbaren, daß weil ich im Kegelschieben glücklich bin, so habe ich seit etlichen Jahren soviel zusammen gewonnen, daß ich mir alle Jahre Schrff* ten anschaffen kann. Denn Ihre Schreibart ge­ fallt mir; Sie sind manchmal recht satyrisch. Und da ich von meinen hiesigen Kunstgenoffen der einzige bin, der Ihre Werke liefet, so werden Sie dafür so erkenntlich sevn, besonders da ich darum noch dienstgefliffentlichst bitte, diesen Brief Und meine Anmerkungen mit in ihre Beyträge drucken zu lassen» Ich werde dafür ihre Schriften noch ferner strißig lesen,. und auch suchen, sie guten Freunden nach Möglichkeit anzupreisen, damit sie sie kaufen, und dadurch ihre Bücher desto bessern Abgang bekommen. In Hvfnung geneigter Ge­ währung meiner Bitte verharre ich jederzeit

Mein Herr,

Ihr dienstergebenev

G. Sol Ut.

k. S.

über die Abhandl. des Du Bos.

5

P. S. oder, weil doch itzo alles deutsch seyn soll, l^lachjchrrst. Mein Herr, ich habe die Abhand­ lung selbst in Hrn M. Leßinqs theatralischen Biblio­ thek nachgelesen, da obberührker Dichter mir daS Buch von einem seiner Gönner auf etliche Tage ver­ schaffet , und die ersten meiner angefngren Anmer­ kungen gehören zu Hrn. LeßingS Vorbericht.

Zur 6ten Seite des dritten Stücks der theatra­ lischen Bibliothek, zum Wort Ausschweifung. Der Du Bos hat freylich eine Ausschweifung begangen, daß er in ein Buch von der Poesie uyd Mahlerey, eine musikalische Abhandlung einge­ schaltet, und von der Musik der Alten so viel Auf­ sehens gemacht hat, welche doch wo niciit gar ein Unding, dennoch ein sehr klägliches Werk gewesen

istZur 6. Seite. Beobachtungen der Regeln. Man hat mein Tage nicht so viel von Regeln geredet und geschrieben als jetzo. Von den Re­ geln des Generglbaffes und der Composition habe ich wohl ehedem sprechen hören; aber heutiges Ta­ ges sollen auch so gar die Bratschisten nach Regeln

spiel'n. Zur 7. Seite. Grosse Mahler, grosse Dichter. Wenn ich und meines gleichen nur rechte gute Gehalte bekamen, wir wollten bald auch grosse A 3 Mu-

6

I. Schreiben an den Verfasser

Musici werden; aber so verlangen die grossen Her­ ren, wir sollen lins vorher recht berühmt machen, und dann grosse Besoldungen erwarten. Das gehet nicht an; denn grossen Herren würde es nicht so viel schaden, wenn sie auch einem oder dem an, dem grosse Besoldungen gaben, und er bliebe doch nur wie er ist, als es uns schadete, wenn wir uns Mühe gaben, recht geschickt zu werden, und unter­ dessen wegen des guten Gehalts keine Sicherheit hätten.

In den folgenden Zeiten noch «röstet. Wo es mit den Musicks so geht, wie mit den Mustkalien, sosehr ich nicht, wqrum die erster» für die folgenden Zeiten arbeiten sollen. Denn wenn das schönste Stück zehen Jahr alt geworden,

so taugt eö nichts mehr.

Es müßte denn seyn, daß die Musik jetzo wirklich aufs höchste gestiegen wäre; denn da müßten freylich unsere Operarien und Symphonien auch nach hundert Jahren noch gut seyn. Aber die Schwierigkeit bleibt mir doch noch übrig, daß ich gewahr werde, wie die Arien aus dem Tito schon nicht mehr geachtet werden, vhngeachtct sie, als sie neu waren, recht sehr ge­ fielen.

Glaubet. Des Franzosen Glauben muß grösser als ein Senfkorn gewesen seyn. Das ist um so mehr zu verwundern, da diese Nation jetzo sehr uiigläubig seyn soll. Zur

über die Abhandl. des Du Bos. 7 Zur 448. S. des 5 St. des 2 Bandes der Bey­ träge zur Musik. Dichtkunst — — mit

unter der Musik begriffen. Daö wäre recht, wenn die Musici auch zugleich Poeten seyn sollten. Bey den Opern, wodieComMonisten am meisten mit der Dichtkunst zu thun haben, ist bekannt, daß der Dichter vomTonkünstlcr abhangt. Die Alten müssen sich gern mehr A.rbeit gemacht haben, als sie nöthig hatten. Unser einer wird es niemals mehr aufkommen lassen, daß die Dichtkunst mit zur Musik gehöre, und viele der heutigen Componisten sollen so klug seyn, daß, wenn die Poeten ihnen nicht solche Verse machen, die zu Arien u. s. w. nach der ihnen recht geläufigen Form geschickt und leicht sind, so compöniren sie solche Texte gar nicht. Denn sie halten es für ausgemacht, weil sie sich die Mühe nicht geben mögen, neue Formen zu erfinden, daß eine Arie nur gut ist, wenn sie ein Da Capo und so viel Zeilen und Sylben hat, als die italiänischen Arien haben. Ist der Dichter nicht so gut, sich in die­ sen Nothstall zwingen zu lassen, so lassen sie seine Arbeit liegen, nehmen eine alte Poesie, wenn sie auch noch so schlecht ist, und sind gewiß, daß eine schlechte Poesie von einer guten Musik doch mit gut wird, und die schönste Poesie dem Componisten kein Feuer einbläsek. Vornehme deutsche Compo­ nisten hätten überdem der deutschen Dichtkunst auch deswegen nicht nöthig, weil sie keine deutsche Texte zu sehen haben, da sich darauf nichts klu­ ges schen lässet, in den Residenzen man kein Deutsch A 4 singen

8

l. Schreiben an den Verfasser

singen hören mag, und die Currendeschüler auch italiänisch schreyen sollen, so bald jemand ein mildes Gestifte ;u einem italiänischen Sprachmeister für sie wird gemacht haben.

Die Tanzkunst. Das wäre vollends recht, wenn die Musick sich auch mit dem Tanzen noch abqeben sollten. Vor Alters müssen entweder noch keine so wunderliche Tänzer gewesen seyn, wie die meisten heut zu Tage sind, oder die Musici müssen ihre Kunst nicht so hoch gehalten haben, wie mir sie Halten; denn sonst hatten sie sich unmöglich so erniedriget, auch von der Tanzkunst etwas zu lernen. Muß ein Musicus ein Tanzftückgen setzen, somachter so was lustiges; der Ballekmeister mag sehen, wie er damit zurecht kommt. Das Stückgen bleibt eben so schön, wenn gleich der aufgegebene Tanz nicht darauf kann getanzet werden, als eine Arie doch schön ist, wenn sie gut in die Ohren fällt und der Sänger sie be­ quem findet, gesetzt, daß sie auch ganz was an­ dere als die Worte, oder gar nichts ausdrückte.

Z. 449. S. Deklamation. Was das ist, habe ich und meine guten Freunde noch nicht heraus kriegen können; und meinen wi­ tzigen Kopf, den gelehrten Poeten-mag ich nicht darum fragen, er möchte zu stolz werden. Aus der Fölge der Abhandlung habe tcb es wohl ziem­ lich heraus gekriegt, doch nicht so deutlich, daß ich es auch einem andern begreiflich machen könnte. Doch hat cs auch noch kein einziger meiner musika­

lischen

über die Abhandl. des Du Bos.

9

lischen Freunde wissen wollen; sie überlassen andern

solche Grillenfangereyen.

Gpeculativischen Mllsik.

Zur 4so, Seite.

Es sollen ein paar speculativische Musici in 3E. und zu s7). gewesen seyn, die aber sehr schlecht componirt haben. Also muß gewiß die ganze speculativische Musik nichts taugen.

Untetgeocbnet. Das ist einmal recht, denn, wie auö der Folge zu sehen, so ist hauptsächlich die Poesie und die Tanzkunst darunter zu verstehen. Und auch heute zu Tage müssen, wenn es recht

ist, bey einer Oper der Dichter und der Balletmeister sich völlig nach dem Componisten richten. Doch sollen die Balletmeister noch oft am rebellisch­ sten seyn. Um den Decorateur und Maschinenmei­ ster kümmert man sich nicht; Denn, stellt die Sten«

etwas anders vor, als jezt die Musik ausdruckt, und kömmt die Maschine früher oder später als die Musik sie andeuten will, so ist es desto besser, weil die Zuschauer Heit haben, eines nach dem andern und jedes insbesondere zu bewundernMir nicht 311 kömmt Ich lobe diese Bescheidenheit des Herrn Du Bos; denn im Matkheson

habe ich von Meibomen und Brossarden als von ein paar Musici'ö gelesen; Bürette wird also wohl, au6- einer seyn , und einem Layenbruder, wir Du

Bos, der von der Poesie und von der Mahlerey geschrieben, und also gewiß kein Musicus ist,, stün­ de es gar nicht an, daran, etwas zu ändern oder hinjuzusetzen, woran grosse Musici gearbeitet ha-

A 5

ben,

io

L Schreiben an den Verfasser

ben, besonders Meibom, der bey der Königin Christina eine Art von griechischem Capeklmeister ge­ wesen seyn soll; und hat mir mein poetischer und gelehrter Freund überdem gesagt, daß Voltaire (Herr von kann wohl wegbleiben, weil er doch nur ein Poet ist, und nicht bester seyn soll als viel« französische De) in seinem Jahrhunderte Ludwigs des Vierzehnten melde, Du Bos habe keine Not« spielen können.

Durch ein Aceompagnement unterstützet.

Zur 451. Seite.

Wir sollen uns wohl wunderlich Zeug weis ma­ chen lassen. Nach meinem Gehöre ist das gewiß eine wahrhafte Musik, worzu ein Accompagnement gehen kaun, und ich glaube, daß die Declamation, welche hat eben so begleitet werden können, blos von den Gelehrten aus Neid zu etwas anderm als Mtisik gemacht werden will.

Zur 4; 2. Seite.

In griechijcher Sprache.

Da die Geistlichen und so viel andere Leute, wel­ che immer vom griechischen sprechen, wirklich kein Griechisch wissen sollen, so sollte man wohl auch uns Musicos mit den griechischen Schriftstellern zu­ frieden lassen. Lateinisch dünke ich mir wohl noch zu wissen, und also sonnte man gleich des Mei­ boms lateinische Uebersehung anführen, so wie man immer die deutsche Bibel, und nicht des Evan­ gelisten Matthäi und des Propheten Jeremiä Grundrert anführet. Zur

über die Abhandl. des Du Bos. ii Zur 453. S. Die Grundsätze beweisen. Das Wort beweisen, ist auch ein rechter Po­ panz Neuerer Zeiten, und möchte ich sonderlich gern bey der Musik bewiesen sehen, warum un­ sere jetzigen Cvmponisten stch so oft die Gurke her­ aus nehmen, offenbahre Quinten und Octaven zu setzen, da es doch von je her so scharf verbothen ist. Und an diesen neuen Quinten und Qckaven finden ge­ wisse Zuhörer einen solchen Gefallen, daß wenn man ihnen beweisen will, Quinten und Octaven könn­ ten nicht ohne Verletzung der Regeln (die doch auch so sehr Mode sind) gesetzet werden, so wollen jbte geduldigsten den klärsten Beweis darüber nicht

anhören. Zur 454. Seite. Dee heil. Augustinus. Dieser Kirchenvater muß, da er von der Mu­ sik geschrieben hat, eine bessere Meynung davon gehabt haben, alö der Superintendent in meiner Vaterstadt, der alle Musik für eine Todsünde hielt, weil in seinem dreißigjährigen Amte einmal em Mädgen gewesen, die bekandt hat, daß sie ein Kind auf dem Tanzboden, oder vielmehr im Kuhstalle des Hauses empfangen, wo der Tanzbo­ den war; und als jener MathematicuS, der gleich aus der Oper lief, so bald der grosse Herr den Rü­

cken kehrte, der eine Zeitlang,' mit ihm gespro­ chen hatte.

Die harmonischeMustk -------- Lompostti-n. Die Alten sind doch noch klug gewesen, daß sie auch geglaubet haben, die Compofition bestehe in der

r 2 I. Schreiben an den Verfasser der Wissenschaft der Grundsätze der Harmonie. Heut zu Tage will mag sagen, ein Komponist der nur der Regeln der Harmonie mächtig wäre, kön­ ne nicht vielmehr, als ein junger Mensch, den man für einem Gelehrten halten sollte, und der doch nur lesen und schreiben könne; es gehörten

noch ganz andere Dinge zu einem Componisten. O tempora! o mores! Gegentheils soll Es auch Komponisten geben, die viel, viel setzen, und doch die Regeln der Harmonie fast gar nicht verstehen. Wer kann daraus klug werden?Zur 455 Seite. Ich habe mich niemals um die grundgelehrten Einthcilungen der Töne genau bekümmert, und muß also Du Boßifchcn Singemeistern überlassen, wie sie vom Grundton bis zur Octave y einmal durch

lauter Semitonia majora, das anderemal, durch lauter Semitonia minora, und das dritkemal durch Halbe Semitonia schreiten wollen. Unsere Recordantenschüler dürften in' solche Singeschulen nicht kommen, oder sie würden mörderliche Prügel kriegen, da sie von einem Tone zum andern nicht einmal so fortschreiten können, wie uns allen der Schnabel dazu gewachsen ist. Den Takt mit einer der Sache gemäss» Bewegung

Zur 456. Seite.

schlagen. Die Musik der Alten muß so beschaffen seyn, wie ich von den französischen Recitativen gelesen habe, denn diese sollen ganz nach dem Takt gesun­ gen

über die Abhandl. des Du Bos. i z Ken werden, die Taktarten aber und die Bewegung derselben soll man alle^Augenblicke abwechseln. Da­ bey nun immer die schikliche Bewegung treffen, das mag wohl eine Kunst seyn. Aber sonffden Takt gut schlagen können, das halt man wenigstens hier für feine Kunst mehr. Als ist) vom Dorfe aufs Lycaum zu *** kam, war ich noch sehr fürs Takt­ schlagen, und Anfangs habe ich auch hier manche Note verfehlt, weil ich keinen Taktschlager hörte, und mich gewöhnen mußte, selbst mit dem Fusse den Takt zu schlagen. . Jetzo aber bin ich mittelst meines offenen Kopfes und guten Gehörs zur Mu­ sik so weit gekommen, daß ich nur noch Meine Ze­ hen, stakt des Taktschlagens, krümme, weshalb ich auch stets geraume Schuhe trage.

3« Ansehung der Ausübung. Daß die Alken die Kunst die Instrumente zu spielen oben an gesetzet haben, daran haben sie so.

Recht gethan, als man jeßt Unrecht thut, daß man uus die Sanger vorziehen will. Indessen wenn man nur diese Halbmenschen nicht besser bezahlte, als uns, so liesse man sie mit ihrem Äorrange laufen.

Zur 4,7. Seite. Leicht errathen. Ich glaube, daö leicht, ist hier nicht so leicht

zu errathen.

Nachahmende Musik. In Hrn. LeßlNFv Uebersctzung ist das Wort: nachaffend, und nach meiner Meynung bey der Musik der Comödianten gut angebracht, In de? Folge

i4 I. Schreiben an den Verfasser Folge der Abhandlung bemerke ich zwar, daß die nachahmende Musik fö viel heissen soll, alö eine Musik, welche allerley Leidenschaften reckt nach ih­ rem Character ausdrückt, und nach den damit verknüpften Bewegungen des Cörpers schildert/ Aber das hat nichts zu bedeuten; unsere Componisien sind so klug geworden, und haben diese charakterisirten Stücke, weil, sie etwas schwer zu.ma­ chen seyn sollen, den pantomimischen Componisten überlassen. Sie begnügen sich damit, AllegroS, Adagios tifib wieder AllegroS zu machen, und trauen «ns MusiciS zu, daß wir doch wohl wissen, in wel­ chem Allegro sie di« Freude eines Dankbaren, oder eines Verliebten, oder eines Zornigen haben aus­ drücken sollen und wollen. Die Verläumdung sagt zwar, die Zuhörer würden darinn von ihnen und uns oft greulich betrogen, und sie bekamen sel­ ten dasjenige zu hören, was eigentlich zu erwarten

ist.»

Aber wer ist nicht Verleumdungen ausgesetzt, und Freude ist doch Freude, sie sey im Herzen wes­ sen sie wolle.

Zur 458- Seite. Die griechischen Poeten die Melodien — — verfertigten. Weil in der Welt nichts ungerochen bleibt, und ich doch auf dem Lyeäo gehöret, daß unter den Griechen sehr gute Dichter gewesen: so kommt es gewiß daher, daß jetzo zu den Singstücken, wenig, stens im Deutschen gröstentheils so schlechte Poesien sind. Denn die griechischen Poeten haben zuih-

ren vortrestichen Gedichten ohnfehlbar-schlechte Me­ lodien

über die Abhandl. des Du Bos. 15 lobten geseßet, und also wird gegenwärtig die Mu­ sik dadurch gerochen, daß unsere vortreflichen Singe stücke meist nur über schlechte Worte geseßet sind. Zur 459. Seite. Die metrische oder meßen* de--------------- schlagen müsse. Mit seiner Erlaubniß, verhauet sich hier Herr Du Boö wohl etwas. Denn wer jede Art von Tönen, in den gehörigen Takt bringen, und die­ sen die rechte Bewegung geben kann, der muß auch wohl den Takt recht schlagen können; und also weis er in einer Kunst alle beyde. Soll es aber aus die anständige Bewegung beym Taktschlagen

ankommen, so müssen die alten Musici oder Schau­ spieler weniger Takt im Kopf gehabt haben, als die schlechtesten unter uns, weil, ihnen das TaktSchlagen so nothwendig und beträchtlich war, daß sie gar eine besondere Kunst daraus gemacht ha­ ben. Ich wünschte, daß bey dem Amt eines an­ ständigen Taktschlagenö ein anständiges Gehalt wäre, ich wollte Heutes noch anfangen, mich, trotz unsern Cantoribuö, darauf zu befleißigen.

Zur 561. Seite. Die Mustk sey---------------nöthige Wissenschaft. Wenn dieß unsere heutige Welt glauben, und die Unterweisung in dieser so allgemeinnützigen Wissenschaft recht gut bezahlen wollte, so würden wir mehr Jnförmationeö haben, und mehr Geld dabey verdienen. Ferner ist sicher, ich und meine Mitgenossen würden alsdenn recht grosse Künstler

wer«

i6

I. Schreiben an den Verfasser

»perden, so sehr auch superkluge Leute daran zwei­ feln und behaupten wollen, wirklich fähige Köpfe erlangten grosse Geschicklichkeit, wenn sie auch eben nicht grosse Besoldungen hatten, und die schlechten Köpfe.würden durch reichliches Auskom­ men noch fauler gemacht.

Die Grammatik zu lehren. Wieviele Cantores, auch Organisten, die zugleich Schulleute sind, kenne ich, welche nicht nur zu­ gleich den Donat und das Mensa, Panis, Penis, Crinis, sondern wohl das ABC zu lehren ver­ bunden sind. Vivant unsere Zeiten, troß den An­ betern des Alterthums.

So unverständig —----- — begleitet werden sollen.

Zur 5:62 Seite.

Aus dem Herrn Quintilianus sollen unsere heu­ tigen Dichter doch viel machen, und ich werde mir diese Stelle merken,' wenn mir künftig jemand wird sagen wollen, bey Verfertigung eines Singgedichkes brauche man sich so wenig an die Musst zu keh­ ren , ale bey Verfertigung eines Epigramme.

Nicht lesen können. Waren bey den Alten diejenigen, die die Musik nicht verstanden, Leuten gleich, die nicht lesen kön­ nen , so ist es zu verwundern, daß wir heut zu Ta­ ge vortrestiche Musicos haben, die nicht vielmehr verlangen zu wissen, als lesen zu können. Nein, Gottlob, so bin ich nicht.

über die Abhanvl. des Du Bos. 17 Kerne einzige von den Methoden------- Ausübung der Künste.

Zur 46z. Seite.

Das ist immer das fthlimste, auch noch heute zu Tage,. Die Critici schreiben so viel, wie componirt werden solle; daß man die Lcidensthaftett ausdrücken solle re. Wenn man aber fragt: was werden für Töne, für Noten erfordert, die» (en oder jenen Affcct zu erregen? wie muß ich bett Bogen führen, wenn die Melodie (orgloß klin» gen soll rc.? diese Ausübung weis niemand zu lehren.

Als Philosophen getrieben. Diesen Philosophen seße ich entgegen: fcraest» te virum. Diesem nachzuleben, sollen die beyden grösten poetischen Kunstrichker unseres jetzigen Deutschlands lauter schöne Gedichte von ihnen ha. ben drucken lassen.

Die Dramatischen------------- worden. Mir wäre mehr daran gelegen zu wissen, wie dramatischen Stücke könnten vorgestellet werden, ohne daß man mit den vielen Proben so geschoren würde, und daß es hernach doch nicht so schlecht gienge, als es vielmals geht.

unstre

Künftig ein mehreres.

rll-Band. i.Stück

B

Forti

II. Fortsetzung

18

II. Fortsetzung der vermischten Gedanken. (Man sehe das ;. St. des li. Bandes.)

68.

s scheint, je mehr unsere Seele an die Eindrü­

e

cke der Musik gewohnt ist, desto mehr müsse

sie auch geschickt seyn, dieselben zu fassen, und sich da­

von rühren zu lassen. Gleichwohl aber brachten CambertS Opern ganz Paris in Entzückung, und LullyS erste Singspiele bezauberten den Hof und die Stadt. Gleicherweise besucht man auch bey uns nicht mehr so begierig die Opern, als vor zwölf Jahren geschahe, wie sie anfingen gespielt zu wer­ den. An wem muß es liegen, daß sie in die Länge nicht mehr mit so viel Vergnügen angehöret werd den? Man ermüdet sich zwar, in jeder Oper zwey Verliebte Abschied nehmen, und die Furcht über des Geliebten Unglück klagen zu hören. Allein je­ tzo lässet doch der König Opern aufführen, die we­ niger Liebe und mehr hohe Affekten haben, als die

ersten Opern hatten.

Zudem kommen auch im­ mer andere Worte vor, andere Wendungen der Ge­ danken, andere Handlungen, anders modificirte Leidenschaften, andere Charactere, oft neue Sän­ ger, die andere Vollkommenheiten haben. Sollt« also das Publicum nicht zu zwingen seyn, ebendie­ selbe Vorstellungen, wenn sie gleich oft Vorkommen,

den-

der vermischten Gedanken.

19

dennoch schön zu finden, weil die Musik durch den

Einfluß der bemeldeten und anderer Verschieden« heilen immerein neues Ansehen dabey erlangt? 69, Die Musici mögen das, was von den Wirkun­

gen des Alterthums erzehiet wird, noch so cavalierisch lractiren, fie werden doch in ihrer Kunst eben den historischen Glauben müssen annehmen, den andere Leute bey andern Sachen in den alten Schriftstellern gelten lassen. Sie mögen noch so sehr sagen, unsere Ohren wären nicht so zart und

empfindlich als der Griechen ihre, und bey diesen

sey die Musik nicht so gemein gewesen als bey uns; wir können doch in verschiedenen andern Künsten den Griechen und Römern nahe kommen , warum nicht auch in der Musik. Hiernachst ist dem größ­ ten Theile unserer Opernzuhörer die Oper noch we­ nigstens gar nichte überdrüßiges. Denn mehr als einmal hat man noch bemerket, daß fie zum auf­

merksamsten Zuhören gezwungen worden, und daß jedermann sowohl währendem Schauspiel als nach­ her gesagt har und noch saget: diese oder jene Arie

sey vorrrcflich rührend u. s. w.

Beruhet denn un­

sere Musik auf einem anderen Grunde, als der Griechen ihre? Können wir andere Grundsätze der Composition haben? Liegen selbige nicht immernoch in der Natur ? Kan man je anders woher, als aus. der Kehle, und aus Wind und Seiteninstrumenken

die musikalischen Töne hervorgebracht haben?' Nir­ gends ist verbothen,-in unsern Compositivnen, so B 2 wie

20

II. Fortsetzung

-vie in der griechischen und römischen Tonkünstler

ihren geschah, einen gewissen, deutlich vorher eingesehenen Affect abzuzielen, und nicht blos das Ohr küheln zu wollen. . Nicht weniger jetzo noch als

damals soll man sorgsam die Töne aussuchen, die die Leidenschaft gewiß erregen; uni' fid) nicht blos

an solchen Tönen begnügen, deren Führung weiter nichts verräth, als daß man ein munteres und kein trauriges Stück habe machen wollen. Man muß den

Eharacter eines jeden ActorS genau erwegen und un­ terscheiden ; in der verliebten Klage eines Hochmü­

tigen auch dessen Gemüthsbeschaffenheit bemerken, und ihn nicht blos seufzen oder wie einen gutherzigen Schäfer klagen lassen; am mindesten soll man «in Adagio, ohngeacht sich die Worte dazu nicht schicken, blos deswegen sehen, weil noch kei­

nes in der Oper, in dieser Handlung vorgekom­ men ist, und weil dieser Sänger noch- keines ge­

habt hat-

Man fiiche in Singesachen anfangs

genau zu erforschen und zu bestimmen, welcher Affect in den Worten, die mit Musik zu erheben sind liege, welcher Grad desselben; aus was für Em­

pfindungen er zusammengesetzt sey: in Jnstrumen-

talsachen, welche Empfindungen sich am besten für die Zeit, den Ort und die vorhabende Werkzeuge schicken; aufwelche Weise dieselben noch nicht vorgestellet worden; und in welcher Art sie mit redenden Tönen auszudrücken seyn. Man bemühe sich hernach

das Wesen deö vorhabenden Affectö genau einzu­ sehen ; welcherley Bewegungen die Seele dabey aus, gesetzt sey; wieder Cörper auch Habey leide; war

ihn

der vermischten Gedanken.

21

ihm für Bewegungen dabey abgedrungen werden; welche und welcherlei) Töne dabey das Gemüth am zuträglichsten rühren; welche Schwache und Star­ ke, Höhe und Tiefe, Geschwindigkeit und Langsam­ keit der Töne, der Bewegung unserer Sehnen, dis wir beym Affect selbst haben, am nächsten komme. Man ziehe alle seine Erfahrungen dabey zu Rathe, und glaube nicht, daß eö der Tonkunst unmöglich sey, fast aste Arten der Empfindungen mit unter­ schiedenen Wirkungen zu schildern, und daß man sich begnügen dürfe, nur zu gefallen. Irrig ist vol­ lende die Meynung, daß ein Skngstück nicht vor« treflich seyn könne, wenn der Text nicht die Worte: Seufzer, Freude, Toben, Rasen, Fliegen, Krie­ chen und dergleichen enthält, und keine Malereyen darbiekek. Und bey Instrumentalsachen ist et gleichfals doch wahr, wenn man es "auch noch nicht gehöret hätte, daß dabey alles auf eine ge­ wisse vorgesetzte und genau bestimmte Empfindung abzielen muß. Zwar möchte dergleichen Bemühen vielleicht eben so pedantisch scheinen, als manche Componisten entweder nicht für nothwendig halten, oder sich doch nickt die Mühe geben, die Characte-

re der handelnden und singenden Personen zu un­ tersuchen und fest zu sehen, und auch ihre Melodien darnach einzurichten. Allein wir haben hier mit 6er Sache selbst und nicht mit Exempeln zu thun. Ferner stelle man sich vor, was das Bild, das z« mahlen ist, für Theile habe; wie groß, von waS für Beschaffenheit jeder derselben sey, und wie sich jeder gegen den andern verhalten müsse; wo und B 3 warum

22

1L Fortsetzung

warum und in welcher Art schwache, flüchtige,, reifr sende, süsse, trohige, beklemmte Töne mit einan­

der abwechseln sollen, »b dieses dem Urbilde der vorhabenden Leidenschaft und Empfindung gemäß sey, und oh diese also eingetheilre Theile auch das Ganze richtig machen. AlSdenn nur und nachdem iyan erst> solches alles genau, reiflich und sorgfäl­ tig überdacht, geprüfet, abgemessen und auögemacht hat, aledenn überlasse man sich keinem Ge­ nie, seiner Einbildung? - und Erfindungskraft. AlSdenn lasse man das Feuer des Geistes entbren­ nen; und wenn es guter Art ist, wird es nicht an­ ders als gehörig würken. Eher aber verstatte man nicht, daß eö sich frey, mit dem Gegenstand«, der zu schildern ist, beschäftigen dürfe, weil man eher nicht mit Sicherheit glauben kann, daß die Töne die gehörige Wirkung thun werden. Geschähe «S auch zuweilen von ohngefehr, so wird es doch sehr selten seyn; und kann der Zufall denen Com» ponisten wohl wahre Ehre bringen? 70. Horazen hält die vernünftige Welt von allen Kunstrichtern für den zuverläßigsten. Ich will hoffen, daß die Tonkünstler ihm gleiche Gerechtig­ keit wiederfahren lasten. Die ihn noch m'cht gele­ sen , und im Lateinischen nicht lesen mögen, können wenigstens feine Abhandlung von der Dichtkunst nach Gottscheds deutscher UeberseHung lesen. Auch befindet sich in Batteux Cours de beiles Lettres ein hinlänglicher Auszug davon, welches Buch schon

der vermischten Gedanken.

13

schon deutsch überseht ist, und jetzo noch einmahl vollständiger übersetzt heraus kömmt. Diese Abhandlung von der poetischen Kunst ent­ hält nicht blos Regeln, gute Verse zu machen, son­ dern Regeln für alle sinnlich schöne Werke über­ haupt; und wenn ich meinen Tonkünstlern berich­ te, daß nach Anleitung solcher Kunst ein Engellän­ der so gar eine Kunst zu kochen und eine Tafel herrlich anzurichten, geschrieben hat, so werden sie Heils darüber und über den Horatz selbst lachen, theils sich ärgern, daß die Musik und die Kochkunst sol­ len verglichen werden. Allein der Zorn wird sich legen, wenn sie sich nur einen Augenblick besinnen wollen, daß der Geschmack eben so gut unter die fünf Sinnen gehöret, als das Gehör; und daß noch mehr Leute gern etwas gutes efstn, als was gutes hören. Doch Scherz bey Sekte; Horatz hat die bekannten Pantomimen seiner Zeit gut und seines Beyfals würdig gefunden. Das Jahrhun­ dert Augusts ist auch unstreitig eines derjenigen, worinn die freyen Künste am schönsten geblühet haben. Zu den Spielen der Pantomimen aber gieng beständig Musik, und diese half Aar viel mrvdrücken. Wie es nun den Vorstellungen der Pantomimen an Wahrscheinlichkeit und Genie nicht kann gefehlet haben, also muß auch die dazu gegangene Musik nicht verwerflich gewesen styn. Und da beydes den erleuchteten Hof des Augusts und Rom ergötzet hat, so kann man weder von der damahligen Musik einen nachtheiligen Begrif ha­ ben, noch darf man die characterisirken Stücke in

B

4

der

P4

II. Fortsetzung.

her Musik für schlecht halten. Denn die Pank», mimen stellten Agamemnons grosse Thaten vor; ingleichen den wütenden Ajax, die Geschichte des Orestes, die Wunderstimme des Orpheus, und fast alle anders grosse Materien, welche die Tragö­ die und dieComödie zum Gegenstände haben.

7i* Montagne sagt, die gemeine und blos natürliche Poesie habe gewisse Artigkeiten und Annehmlichkeiden, wodurch sie es in den vornehmsten Schönheisen, der nach der Kunst vollkommenen Poesie gleich thue; wie man aus den gaskonischen Bauerliedern zmd denjenigen Gesängen sahe, die man uns von Völkern zeiget, welche keine Känntniß von Wissen­ schaften haben, ja nicht einmal schreiben könnenEben so hat man mir cosakische Lieder vorgesungen, Heren Melodien nicht nur wohlklingend, sondern -mH den zärtlichen, und naiven Gedanken, die die Lieder enthalten, sehr gemäß sind. Es giebt also auch eine gemeine und blos natürliche Musik, die ihre Artigkeiten und Annehmlichkeiten hat; und selbige thut es dadurch den vornehmsten Schönhei­ ten der nach der Kunst vollkommenen Ästufik cbenfals gleich. Ein gewisser grosser Tonkünstler hält ein von ihm gesehtes Pastorale für eines der beste» Stücks, das er jemals verfertigt hat, und der vortrestiche Werth seiner andern vielen Arbeiten beste­ het doch hauptsächlich darinn, daß selbige voller Änderbaren Erfindung, Feuer und starker Aus­ drücke sind.

Dieser Tonkünstler muß meiner obi-

gea

der vermisthterr Gedanken.

25

gen Meynung seyn. Aber wie Schade ist es, daß man in vielen Jahren kaum einige Sicilianos, und vielleicht gar kein einziges rechtes und eigentliches Pastorale gemacht und gehöret Hal! Wo es Tonkünstler giebt, die an dem simplen Aus­ druck der folgenden vortreflichen Jdille das Ver­ gnügen haben können, welches sie verdienet: so be­ schwere ich sie, diese Simplicität auch in der Musik nicht ganz verkehren gehen zu lassen. Die Idylle ist die achte des Theokrjtö:

Daphnie, tNenalkas, der Ziegenhirt. Dem angenehmen Daphnie, dem Hüter der Rinder begegnete tNenaikae, der Hüter der Schafe, auf hohen Gebürgen. Beyde waren goldhaarigt, beyde glatt von Kinu, beyde wußten Hu flöten, beyde zu singen. Menalkae sahe dm Daphnre zuerst, und redete ihn an: Du Hüter der brüllenden Rinder, Daphnie, willst du mit mir singen? Ich sage, ich will dich im Singen überwinden, so oft ich will. Ihm erwiederte Daphnts diese Worte: Hirte der wolletragenden Heerde, du Flötenspieler LNenals, mit nichten wirst du mich überwinden, wenn du dich auch zu Tode sängest. Menalkas. Willst du es versuchen? Willst du einen Preiß aufseßen? Daphnie. Ich will eS versuchen, ich will einen Preiß aufseßm. Menatkas. Aber was setzen wir, das ullftr« würdig sey? Daphnts. Ich will ein Kalb setzen, setze du ein Lamm, das so groß ist als seine Mutter. Menalkas. Ich setze kein Lamm, ich habe einen B 5 scharfen

26

II. Fortsetzung

scharfen Vater und eine scharfe Mutter, sie zählen Abends alle Schafe. Daphms. Aber was willst du denn fetzen? Was soll der Sieger gewinne»? Menalkav. Ich habe eine schöne neunstimmige Flöte gemacht, mit weissem Wachs verbunden und oben und unten gleich: diese kann ich sitzen. Was aber meines Vaters ist, das kann ich nicht sitzen^ Daphms. Auch ich habe eine neunstimmige Flöte, mit weissem Wachs verbunden und oben und unten gleich, neulich habe ich sie zusammen gefügt, und der Finger schmerzt mich noch, indem mich das ge­ spaltene Rohr schnitt. Aber wer wird unser Rich­ ter seyn? Wer wird uns zuhören? Menalkas. Wie wenn wir noch dort jenen Ziegenhirten riefen, dessen weißhaarigter Hund hinter den Böcken bellt? Und die Knaben riefen ihn, und der Ziegenhirt kam und wollte ihnen zuhören, und die Knaben sangen, unb der Ziegenhirt wollte ihr Richter seyn. Zuerst sang nach geworfenem Loose der Pfeiffer Menal^ kas, drauf nahm Daphnie den erwiederten Hirtengesang. Menalkas fing zuerst also an: Ihr Thäler und ihr Flüsse, göttliches Geschlecht, wenn jemahls der Flötenspieler tNenalk ein liebliches Lied gespielet, hat, so hütet gütig dsise Lämmer, und wenn etwann Daphnie mit seinen jungen Kühen herkommt, so empfahe er ein gleiches. Daphms. Ihr Brunnen und ihr Kräuter, süsses Gewächs, o daß Daphnie gleich den Nachtigallen sänge, sättiget diese Heerde und wenn Menalkas hieher treibet, so weide er frölich euren ganzen Ueberfluß. Menalkao. Ueberall isi Frühling, überall Weide, überall

der vermischten Gedanken.

27

überall füllen sich die Euter mit Milch und die Jungen werden feist, wohin das schöne Mädchen kommt: wenn sie sich aber wegwendet, , so verdorret der Schäfer und das Gras. Daphms. Allda sind Schafe und Zwillinge tragende Ziegen. Allda füllen die Bienen und die Eichen wachsen höher, allwo der schölle Milon mit den Füssen wandelt. Wenn er sich aber wegwendet, so verschmachte,» die Kühe samt ihren Hirten. - Mettalkas. O du Mann der weissen Ziegen, in welchem tiefen Walde irret Milons sagt ihm ihr jungen Böcke, die ihr zu dieser Quelle kommt, sagt ihm, daß Proteus ein Gott war und die Meerkälber geweidet hat. Daphnis. Nicht Pelops Land, nicht Talente Gelder, will ich mir wünschen , auch nicht dem Winde zuvor zu laufen : sondern auf dieftn Felsen

will ich in deiner Umarmung die weidenden Schafe besiilgen, und in das Meer Skciliens sehn - - Menalkas. Schone der Böcke, schone, o Wolf meiner trächtigen Mutter, und betrübe mich nicht, weil ich klein bin und viele Schafe führe. D Campuruö, mein Hund, ein so fester Schlaf über­ nimmt dich? Du mußt nicht fest schlafen bey einem so jungen Schäfer. « « - Daphnis! Als mich gestern aus einer Grotte ein schwarzaugigtes Mäd­ chen die Ziegen vorbey treiben sahe, sagte sie, ich wäre schön, schön wäre ich, und ich konnte ihr nicht ein Wort antworten, sondern sahe nieder Und gieng langsam meinen Weg. - - - - So sangen die Knaben, und der Ziegenhirt antwortete also: süß

ist dir der Mund, und die Stimme lieblich, o Daph-

28

1L Fortsetzung

Dapbnis. Angenehmer ist es, dich fingen zu hö» ren, als Honig zu saugen. Nimm die Flöte; denn dein Gesang hat gewonnen. • * = Und der Knabe freuete sich, und sprang auf und klopfte in die Hande, weit er gewonnen hatte, recht so, wie um seine Mutter ein junges Füllen hüpft. 72. Neulich sagte jemand, alle Arien müßten so ge­ hen, daß man sie leicht mitsingen könnte, und weil man nur dasjenige leicht mitsange, was uns sehr gefällt, so sey dieß die Ursache, warum so viel Operarien zärtlich und schmachtend, oder tändelnd und hüpfend gehen, auch selbst auf Worten, welche Ernst und Gelassenheit zu erfordern scheinen. Einige gegenwärtige Tonkünstler wollten mit solchem Grundsätze nicht zufrieden seyn, und hielten dafür, eine Arie sey nur durch neue ausgesuchte Gedanken, durch eine in den Stimmen' schön vertheklte Melo­ die, und durch eine künstliche Ausarbeitung der Mittelstkmmen schön. Andere meyneten, es würden sich viele Arien ohne diese gleich genannte Schön­ heiten machen lassen. Und noch andere hielten da­ für, eine Arie könne ernsthaft und gelassen gehen, und doch gesotten; nur wäre es etwas schwer, leicht und sehr gefällige Gedanken zu finden, welche nicht zärtlich oder nicht tändelnd gehen. 73* Horaz sagt, die Veränderung gefalle den Grossen

gemeiniglich; eine kleine und reinliche Mahlzeit, in einem Privathause, wo weder goldene Tapeten noch

der vermischten Gedanken.

29

noch Purpur sind, heitere ihnen öfters die Stirne auf:

Plerumque gratae principibus vices Mundaeque paruo fub lare pauperum Coenae, sine auleis & oftro Sollidtam explicuere frontem. Dieß kann um so mehr ein Bewegungsgrund für die Tonkünstler seyn, blos natürliche Musik zu ma­ chen, als die Aufmerksamkeit, mit welcher eine nach der Kunst vollkommene Musik angehöret werden muß, eine Art von Arbeit ist, welche die beküm­ merte Stirn eines Grossen nicht mehr aufheitert, gleichwie dieselbe dadurch nicht aufgeheitert wird, wenn er aus seinem prächtig ausgezierten Pallqst in einen andern Pallast- kommt, welcher mit eben so großen Kostbarkeiten^ aber nur von anderer Art, herrlich gewacht ist. 74« Montagne sagt, wenn dem Wiße einmal der Weg gebahnet sey, so halte man oft etwas für eine schwere und an einem seltenen Gegenstände gewagte slnternehmunq, die es doch durchaus nicht ist; und die einmal erhitzte Einbildungskraft, könne viele Gedanken hervorbringen, welche hoch und vortreftich zu seyn scheinen, die aber in der That nur zu dem Mittelmäßigen gehören, welches verachtet ist, und weder Ehre noch Werth hat. Gleichermassen soll manche Composttivn erhaben, sonderbar, reich und ausgesucht seyn. Sie gehöret aber nur zu dem, was zwischen der blos natürlichen und zwischen der nach der Kunst vollkommenen Musik stehet. 75. Gut

30

II. Fortsetzung 75.

Gut riechen heißt stinken, und eine Sinnschrift des Martialö lautet also: du spottest meiner, Coracinus, weil ich mich nicht gesalber habe; ich will lieber nach nichts riechen, als wohl riechen. Dieß kann auch auf das Ausgesuchte in der Musik und auf unsere Ohren angewendet werden. Man räu­ chert in den Kirchen, in der Absicht uns zu ermun­ tern, aufzuwecken und unsere Sinnen zu reinigen, damit wir desto geschickter zur Aufmerksamkeit wer­ den , nicht aber ist das Räuchern annoch ein Theil oder eine Art des Gottesdienstes.

76. Man theilet seine- Ehre nicht gern mit andern. Dahero fragt kein Componist über seine Arbeiten jemand um dessen Meynung, aus Furcht, man möchte hier oder da eine Verbesserung anzugebcn wissen, und er möchte noch so viel Wahrheitsliebe haben, daß er die Verbesserung gut fände. Und weil er ferner zugleich befürchten muß, man möch­

te stch

berühmen, Schönheiten zu seiner Arbeit hinzugcthan zu haben, so fragt er lieber gar nicht, weil er wegen solcher Furcht das Stück doch unver­ bessert lassen müsse. Aus eben dem Grunde erlau­ ben auch die Sänger keine Arien mit concertirenden Instrumenten; und die Componisten bringen nicht gern einen Text in Noten, der ausser seiner Bequemlichkeit zur Musik auch noch von fürtrefstchcn Gedanken Werth erhält; denn sie vorchten gleichfals, wenn das Singstück gefiele, so möchte

«s

der vermischten Gedanken.

31

ES einigen Zuhörern zugleich wegen der schönen poe­ tischen Gedanken gefallen, und denn wären die gu­ ten Urtheile über das Stück getheilt.

77Da bey uns eine Oper acht bis zehnmahl hinter einander aufgeführet wird, so würde es eine artige und sehr nützlich Sache seyn, wenn jemand sich die Mühe gäbe, die Wirkungen und Empfindun­ gen deutlich auseinander zusetzen und dem Publico mitzutheilen, welche jede Arie, Recitativ, u. s. w. in ihren beyden ersten Vorstellungen der Oper hervor­ gebracht hätte. Die Anmerkungen könnten beson­ ders auf die einzelnen so genandten redenden Gän­ ge und Wendungen der Melodie (tons parlans) gehen/ die man in den Graunischen OperN so häu­ fig antrifk. Man dürfte nur alles nach der Em, pfindung beurtheilen, und sich in keine weitere und entferntere Untersuchung der Ursachen einlassen. Das Publicum würde dadurch gewöhnet werden, gleichfals auf seine Empfindungen Acht zu geben, und da der Kunstrichter zugleich die Uebereinstim­ mung oder nicht Uebereinstimmung der Empfindun­

gen mit den vorzustellenden «Ärchen sähe, so bekäme das PuÜicum ebenfals Anleitung, die

Musik der Opern nicht bloß nach äusserlichen und zufälligen Umständen zu beurtheilen, sondern wann

«6

fände, daß der Musicus wenigstens sich bemü­ het habe, daß, was er nach den Worten und Sa­

chen ausdrücken sollen, wirklich auözudrücken, so würde es ihm Gerechtigkeit wiederfahren lassen,

gesetzt.

32

II. Fortsetzung

gesetzt, daß auch alle Arien nicht so voller süssen ober glänzenden oder neuen, kecken Gedanken wären, dergleichen zuweilen verlanget werden, ob gleich dazu kein Grund vorhanden ist, als daß einiger Componisten solchermassen gesetzte Arien viel Beyfall er­ halten, da man doch noch fragen kann, ob die Worte dieser Arien eine solche Musik erfordert ha­ ben, und ob nicht alle Texte dazu gefchicktsind. Und wenn der Componist sein Urbild glücklich uachgeahmet, wie würden seine Verdienste wachsen, wenn die Zuhörer dieses zugleich deutlich eüifd)ettr und das beyfallende Urtheil ihrer Ohren auch von dem Verstaande gerechtfertiget würde.

78. Warum werden gewisse Arbeitet» noch immer mit so vielem Vergnügen gehöret, da doch hun* dert Leute gesagt haben, und nicht aufhören zu sa­ gen, es wäre nicht viel Feuer darinn, man träfe oft Sätze an, di« schon in mehrern andern Stücken ihrer Verfasser vorgekommen? Ich weis keine an­ dre Ursache davon, und glaube, keine andre ange­ ben zu dürfen, als das man es den Tönen anbo# tet, wenn von jemand Abschied genommen wird, wenn die handelnde oder singende Person wegen ei­ nes schmerzlichsten Verlustes voller Zorn ist; wenn sie sich über die Härte des Himmels beklagt, und sich ihr doch unterwirft; wenn sie die traurigste Be­ gebenheit erwartet, u. s. w. Wer rührt, gefällt, und gefällt immer; und je ein grösserer Meister man im Auedruck derAffecten ist, > gewisser hat man

der vermieten Gedanken.

33

ftd)

einen allgemeinen und immerwährenden Bey« fall zu versprechen.

79. Wie viel neues, welch Feuer, welche glückli­ che Kühnheiten waren in dem Stücke, das ich neu­ lich spielen hörte. Sie zwangen, sie rissen mir den vollkommensten Beyfall ab. F - - sch, -der neben mkr stand, sagte, daß in dieses Verfassers sämtli­ chen Arbeiten dergleichen Vollkommenheit herrschte, daß sie aber nicht allemahl so glückliche Wirkung thaten. Dem sey wie ihm wolle, da dieser Ver­ fasser eines solchen Feuers fähig ist, so thut er bes­ ser, immer solche Schönheiten zu suchen, gesetzt, daß er unter mehrmalen auch nur einigemal glücklich tpäre, als wenn ek aus Furcht, nicht so glücklich zu seyn, nur mittelmäßig und allgewöhnlich schrei ben wollte. In allen Künsten giebt es Leute, de­ nen nur wenig Arbeiten gerathen sind, deren Ruhm aber doch nicht vergeht.

8». Ich habe in meiner Jugend einen Tonkünstler gekannt, der zu allem fähig gewesen wäre, wenn« nur ins natürlich affectuöse hätte kommen können. Man wünschte zum Besten der Musik, daß er dazu wäre gezwungen worden. Er starb aber, ehe der Zufall diesen heilsamen Zwang herbey füh^

ren konnte.

HI. Land. r. Stück

C

34

II. Fortsetzung.

8i« 91*** hingegen hat auch ohne grosses Feuer und ohne eine starke Einbildungskraft gegründeten Beyfall erhalten. Wer kann diesen den sanften Führungen seines reizenden Gesanges versagen? Wer kann seinem bezaubernden Vortrage wider­ stehen? Wer ein Genie hat, der suche es auszu­ forschen, und zu erfahren, wozu es den größten Hang hat. Ist er bey dieser Untersuchung glücklich und sparet keinen Fleiß, so kommt er gewiß fort, fein Hang gehe nun auf welche Art der Schönhei­ ten er wolle. Aber wie viele wenden diesen Fleis an? —---------- Manche denken auch, wenn sie nur viel machen, würden sie schon berühmt. Sie sind wie diejenigen, die für die Kupferstecher alles zu Dutzenden, und für die Buchdrucker so arbeiten, daß allezeit volle Bogen daraus werden, oder für die Bücherliebhaber, welche nur. immer gehörig -ickeQuart-Octav-Bäude u. s. w. haben'wollen.

82. Die guten Mahler, sagt Aristoteles, geben je­ der Sache ihre wirkliche Form und behalten deren Ähnlichkeit bey, stellen sie aber doch allezeit schö­ ner vor. Eben so werden zwar in der Musik aufdie Worte eines Liebhabers solche Töne und Gänge geseßet, welche der Zärtlichkeit und den Figuren, die in den Worten liegen, nicht zuwider sind. Allein es werden dabey doch auch allerley blos aus der Musik herkommende Zierrathen und Schönhei­ ten angebracht,und zwar mit Recht,weil solcheSchönHeiken

der vermischten Gedanken.

35

heiter, die zärtlichen Liebesversicherungen vergrößern können. Man lasset ferner zwar einen verliebten König anders fingen als einen verliebten Schäfer; man giebt aber doch dem Gesänge des erstem alle Schönheiten und Reihungen, die sich zu seinem wirklichen Stande schicken und ihn erheben, ohngeachtek dieselben im Munde eines Schäfers viel­ leicht öfter und schöner angetroffen werden als im Munde eines Prinzen.

83Man hat ehedem in der Musik gewisse Führun­ gen und Gange gehabt, die man mit recht gutem Erfolge auch noch m unserer neuen Musik brauchen' kann und manche Sachen findet man blos deswe­ gen recht sichön, weilst« dem, was uns gewöhn­ lich ist, nicht gleich sind.

Im der Beredfämkeik

und in der Dichtkunst ist ost der Ausdruck alsdenn am schönsten, wenn er in fremde und in altmodi­ sche Redensarten eingekleidet ist. Lafontaines Erzehlungen wären ohne die alten Maroktischen Wör­ ter nicht so schön als sie sind; und wer die Minne­ sänger glücklich bestehlen könnte, würde seinen Poe­ sien grosse Schönheiten geben. Ich weis nicht, warum wir Deutschen unsere Sprache nur mit neu­ gebackenen Wörtern und ausländischen Wortver­ bindungen bereichern wollen. Alte deutsche aus­ drückende Wörter und Redensarten würden uns mehr gefallen. Eben so glaube ich, würde eine kluge Wiederherstellung und neue Einkleidung al­ ter harmonischen Tonführungen mehr Wirkung C 2 thun.

II. Fortsetzung

36

thun, als das ängstliche Bemühen, lauter neue Gange, oder neue Auszierungen der Melodien

«ufzufinden. 84-

Um herauszubringen, welchen Affect der Componist bey einem Singgedicht hauptsächlich qbzie-

len und ausdrücken soll, ist es gut zu untersu­ chen, in was für einer Gemüthsbewegung derje­ nige sich sehen mäste, der das gegebene Gedicht recht pathetisch hersagen oder declamiren wollte. Deswegen aber brauchte Man den musikalischen

Schwung der Gedanken nicht in solche Gränzen einzuschränken, welche der rednerischen Deklama­

tion vorgeschrieben sind. Der Mahler, der Poek und der Muficus müssen die Traurigkeit empfinden, wenn sie traurige Objecte darstellen wollen; jeder aber bedienet sich anderer Mittel dazu, und zwar

nicht nur solcher Mittel, die aus dem Allgemeinen des Schönen hergenymmen find, sondern auch sol­ cher, die seine Kunst qus denen ihr besonders eigene» Quellen schöpfet. 85-

Unsere jetzigen Dichter machen eine ganze Men­ ge kleiner Gedichte, bey denen man ohne ihreUeberschriften nicht errathen würde, was ihr Hauptin­

halt seyn soll.

Aber was soll man von unsern Com-

ponisten sagen, die nichts mehr von characterisirten Stücken wissen wollen? Wir haben nur noch Singearien, und diese von zwey Theilen mit einem Da-

capo.

-er vermischten Gedanken.

37

capo, Sinfonien, Concerten, Trios und Solos. Und diese alle, und ihre Theile, was führen- sie zur Ueberschrift? Nichts als Allegro und Adagio. Schildern wir denn in der Musik heiter nichts mehr, als die Freude und die Traurigkeit? Oder wonach mehr geschildert wird, sind alle Ausüber musikali­ scher Stücke so feinen und sichern Geschmackes, daß sie einem Allegro oder Adagio so gleich ansehen kön­ nen , welche Gattung der lustigen oder der betrüb­ ten Gedanken darinn nachgeahmet ist? 86. Da ein Fugenthcma aus vielerley llrsachen ganz simpel seyn muß, und uns das Simple leider nur noch selben gefallt, so maß der Cvmponist War su­ chen , demSübject durch unpermuchete Wenduw. gen desselben in allerley Tönen, Anmuth zu geben-; das Amt eines Harmonisten aber, das er alsdenn angenommen hat, muß ihn nie bewegen, der Ehre eines rührenden Sehers abzusagen. Das Ob­ ject der Contrapuncte ist groß, und verträgt sich unvergleichlich mit unserer Begierde, aus wenigem viel gemacht zu sehen. Aber ein Fugenseher muß seine Materien mit einer aufgeweckten Anmuth be­ arbeiten, welche an zeigt, daß er Herr davon ist. Immer muß er gefallen wollen, unb seine Einbil­ dungskraft anstrengen, diesen schweren Arbeiten alle mögliche Schönheit und Lieblichkeit zu geben, ohne ihnen die Stärke zu entziehen, die sie von dir Harmonie erhalten sollen.

C

3

87

38

11. Fortsetzung

87. Es giebt eine Geschicklichkeit, welche die Natur verleiht, und die der zu einsame Fleis verderben kann. Daher siehet man Tonkünstler, die in ih­ rer Kunst sich nicht sehr üben, noch weniger sie emsig stuhjren, hingegen fleißig Musiken besuchen, und ihrem Genie freyen jaus lassen. Und diestge­ fallen zuweilen mehr, als andere, die entschlich studiren, sich aber nur selten bey Mussten einfinden und hören lassen. 88. Hiemit will ich aber keineSweges den meistenunserer jungen Tonkünstler das Wort reden, als wel­ che leider, wie bekannt, wenig genug sich Üben,

und wohl gar nicht wissen, was das heisset, die Musik studiren. Unter den Gelehrten haben blos die Geistlichen noch das Wort: studkreN, ihren Beschäftigungen, und zwar auch nur derjenigen Arbeit Vorbehalten, wenn sie eine Predigt anfschen und auswendig lernen. Der Rechtsgelehrte arbei­ tet , und der Arzt schlägt etwas nach. Und in An­ sehung der körperlichen Bewegungen, wodurch wir uns in Künsten geschickt machen, wird nur bey den Soldaten das Exerciren alle Tage getrieben. Nur diese sehen die Beschäftigung als nothwendig an, welche blos Uebungs halber täglich vorgenom­ men wird. Haben Vie Tonkünstler weniger Ob­ liegenheit als hie Prediger und die Soldaten, in ih­ rer W-7enschaft Einsicht, und in ihrer Kunst Geschicklichkeit zu erlangen?,Ich kenne einen sehr grossen

der vermischten Gedanken.

39

grossen Musikum, der noch nicht aufhöret, sich als« Tage wenigstens eine Stunde zu, üben, und die übrige Zeit am liebsten und fleißigsten mit Nach» denken über seine Kunst zubringt. 89. Wenn die Deutschen reistn, suchen viele derselben nur die besten Weinhäuser auf; andere zehlen Die Glockenthürme, noch andere nehmen Copeyen von den Grabschriften u. s. tv, Montagne sagt, der französische Adel seiner Zeit habe aus fremden Ländern weiter nichts mit gebracht, als wie viel Schritte Santa Rotunda im Umfange hat; was für reiche Kleider Slgnora Livia trägt; wie viel Neros Gesicht auf dem einem alten Ueberbleibsel langer oder- breiter ist, als auf. einer ander» dergleichen Münze.1 Um was mögen sich wohl Vis meisten reisenden Musici bekümmern? Mich dünkt, daß sie vielleicht wohl keine Musik versäumen, sie sey auch so schlecht wie sie wolle, und von aufge­ führten Stücken wohl die Verfasser derselben ken­ nen lernen, nicht aber sich um die wahren Ver» dienste der Verfasser selbst erkundigen, nock­ weniger deren Umgang und am wenigstens daraus Nüßen zu schöpfen suchen; daß sie bey Anhörung der Singesachen schon zufrieden sind, wenn sie ihr Ohr küßeln, nicht aber darnach fragen, ob diesel­ ben auch den Worten, dem Affect, der Absicht, der Zeit und dem Orte gemäß sibd, und es wohl gar für schimpflich halten, in der Oper ein Overbuch in der Hand zu haben, daß sie sich entweder gar C 4 nicht

4o

»Fortsetzung

nicht Mühe geben, Partituren zu sehen zu bekom­ men, noch weniger aber selbige studiren, und wenn sie sie ja durchsehen, doch nur Quinten und Octa­ ven auffuchen; nicht aber untersuchen, ob Wahr­ heit, Feller, Kühnheit, Neuigkeit, Pracht und Grosse in den Gedanken liege; ob eine Operarie andächtig und ein Kirchenstück lustig gehet u.J; w. Man sollte hauptsächlich die Natur und die Unter­ scheidungszeichen etaeß jeden musikalisch auögedrücktrnAffectö kennen lernen; iNqleichen das >va6 jedes Stück besonders redendes, überredendes und- rühkendes hat; das was jedem Jnstnunent, jedem Sanger und Jnstrumenlisten, in ihrem Vortrage, auch jedem ComMonisten in fernem Ausdruck eigen ist; was ein von Natur melancholisch oder sanguimscher Componist für Mittel anwendet, wenn er Melodien, die Feuer, Pracht oder Leichtigkeit ha­ ben sollen, aufstützen wttk, Md wie Sin cholerischer Setzer zu Werkt gehet, wenn er zärtliche Weisen zu machen hat ic» Hätte rin reisender MusicuS alles vorstehende beobachtet, und hätte er sein Ge­ hirn an guter Tonkünstler Arbeiten abgeschliffen und abgefeilet, so würde er, wenn er dann selbst zu arbeiten anfängt, sich helfen können, er sey auch

Von einem Temperament und aus einem Lande, von und aus welchem er wolle. 90. Man kann in musikalischen Stücken die harmo, llische Künste fast alle anbringen, ohne den Stü­

cken die Ueberschrifreines Contrapunctö. rc.---------zu

der vermischten Gedanken.

41

zu geben. Die ängstlich ordentliche Compositionen werden sehr oft nur aus Mangel des musikalischen Genies und der Erfindungen gemacht, und wenn nicht Ort, und Absicht dergleichen erheischen, ,unb Man nicht ein Thema findet, was zu einem ganz und gar harmonischen Stücke ausserordentlich ge­ schickt ist, so entsage man lieber der Ehre, daß Man auch solche Stücke niachen könne ynd suche jeder mann ^gefallen und zu rühren, anstatt daß

eigentlich Cvntrapuncte meist nm von MüsiciS be­ wundert werden können, und annoch müssen eS ge­ schickte Musici seyn.

91. Ein wahrer Musikliebhaber muß den Deutschen,

den Franzosen und den Italiener, nicht gls ejimr Deutschen, Franzosen oder Italkaner, sondern akS einen Tonkünstler ansehen.

Er braucht nicht zu

fragen, ob ein musikalisches Stück diß oder jenseits derIlpen geschrieben ist. Er muß nicht ftstsetzen, daß die Deutschen nur zu arbeitsamen Sachen, dse Franzosen nur zu Trinkliedern,und die Jkaliaüerchür zu Operarien geschickt find. Gleichwie dirGelehrsamkeit lind der Witz eines Landes nicht nach defstft Poluöhöhe abzumesscn ist: also ist auch ein grosser musikalischer Geist weder einBachianer, noch Hendelianer, und hat weder H. noch G. allein ge­ schworen.

92. Ein mit Recht getadelter Componist 'sollte sich niemals die Entscheidung anmassen, ob vor Tadel recht C 5 ab-

42

II. Fortsetzung

abgefaßt sev oder m'chc.Er sollte allemal gfdiibett, daß man ihm noch eine Menge Fehler übersehen habe. 93* Weil man den französischen frölichen Stücken oft vorwirft, daß sie ins Platte fielen, so versuche «in Componist über folgende Worte ein frölicheS Lied zu. machen; die schönen Gedanken ^sollen ihn Aewiß abhalten, ine Niedrige zu fallen, oder er 'chuß sie nicht fühlen:

W«i ich nicht prächtig jchmauftn kann, Soll ich lücht frölich schmausen können? Will Flore für mein Haar mix holde Rosen gönnen, das göht der Fürsten Pracht mich an? Was hilfte zur Lust, wann , ihr« Wand Sich 'm gewürkteS Gold verhüllet, Und ein Bedientenfthwarm die Marmorsäl« füllet, Mit gokdnen Schlüsseln in der Hand?

Sieh hin wo keine Pracht gebricht! Man gähnt auch mitten im Gepränge. Der Neckar Jupiters, der Speisen edle Menge, Die fesseln ach! die Freude nicht. Die Freude, des lvaus Kind, Entsiieht unruhigen Pallasten, Und schwärmt zur Hütte hin, wo, unbeschwert von Gästen Vergnügte Freunde freyer find. Fleußt

der vermischten Gedanken.

43

Fleußt nicht für sie das Rebenblut JDie CyioS edle Berge schwärzen? Auch Bachus an dem Rhein flößt in zufriedne Herzen, Vertraulichkeit und guten Muth. Hier läßt Lyäus nichts betrübt; Der Gott begeistert aller Busen, Und läßt den Sache loß., und ladt die munter» Musen, Und Amorn, der die Musen liebt.

Und Lieder der Zufriedenheit Ertönen aus dem freyen Mund^, Bis nach durchfcherztcr Nacht, die kühle Mvrgenstunde

Die Schatten und deü Schmaus zerstreut. 94. D''e Sylbenfüsse sind das in der Poesie was in der Musik die Tacte sind. Nimmt maN dieses an, so ist zu verwundern, warum die Poeten zu ihren ernsthaftesten Versen den sechefüsiitzew^Hexanwter mit der Cäsur in der Mitse genommen, haben, da sich in der Musik nichts ernsthaftes weder auf drey noch auf sechs Tacke machen lässet. Die alexan­ drinischen und die achtsylbigeu Verse sind ebenfalS nicht sehr geschickt zur Musik, und werden doch zu vielen Gedichten gebraucht. Es verdiente diese Unschicklichkeit eine Untersuchung.

IL Fortsetzung

95« Im Homer lesen wir, daß Agamemnon, als er zur "Belagerung Trojens gereifet, einen Sänger bey der Königin Clytemnestra zurückgelassen, welcher auf deren Aufführung Acht haben mW sie bewachen müsse, und daß Aegisshus dieseKönigin nicht eher verführen können, bevor er nicht solchen Sänger pon ihr entfernt gehabt. Zu unsern Zeiten ist es ziem, lich anders beschaffen. Die jetzigen morgenländi­

schen Frauenzimmer werden nur durch 'Mohren be­ wachet ; und man scheinet nur dem Unangenehme» eines schwarzen Gesichtes das zuMrauen, was ehe­ dem die -lieblichen Töne eines Tonkünstlers ausrich­ ten konnten.

96.

Vornehme reiche Leute führen kein Geld in ihren Taschen-, und lasten, es-dürch Kammerdiener aus, zählen, da dhch oft nur das Geld allein sie groß macht. 4)ie wenigsten Tonkünstler können etwas kluges, noch weniger etwas herzrührendes aus dem Stegereif vcnbrlngen. Und doch haben auch die wenigsten Musici Musikalien. Unter zehnen ist vielleicht nur einer damit versehen, ob ihnen gleich die Musikalien eben so unentbehrlich sind, als den Vornehmen das Geld.

97. Wie wenig Gomponisten beobachten den Unter­ scheid, daß man in Ansehung der Form und des

Ausdrucks eine Serenate, die nur

einmal

aufge, führet

der vermischten Gedanken.

45

führet wird,anders sehen muß, als eine Oper, welche vielmahl soll aufgeführetwerden. Beyder letzteren müssen Schönheiten vorkommen, die zwar nicht' dunkel und verworren sind, die aber nachihrer^ErnstHastigkeit, Verbindung und Feyerlichkeit erst als-, denn immer merklicher werden, wenn man sie viel, mal hört. Ersternfalls aber muß alles in leicht verbundenen kurzen und auf einmal faßlichen Sä* Hen bestehen.

98. Einem gewissen Prinzen, der ein grosser Liebhaber der Musik ist, gereichet es z um grösten Vorzüge, daß er die sicilianifche Musikart sehr liebt. Nur Leute von recht gutem Geschmack wissen theokritischen Gedichten den Vorzug vor recht vielen an­ dern Gedichten zu geben.

99Man weiß wie Boileau den Horaz, Virgil den Hoiner bestohlen hat. Aber weit mehr stehlen viele Componisten von andern; und man weis, wie sehr man immer gegen dje musikalischen PlagiarioS eyfern müssen. Indessen halte ich bey Singesachen dafür, daß eine Art des Raubes, wenn ich mich so ausdrücken kann, erlaubet sey. Gleich wie viele Mahler, wenn sie ein Nachtmahl oder die Creußigunq mahlen sollen, und dergleichen Stücke von vortreflichen Meistern bey der Hand haben, ein oder das andere Gesicht, eine oder die andere Stellung, u. s, w. lieber vollkommen eben

46 II. Fortsetzung der vermischt. Ged. so machen, wie jene grosse Meister gethan, als daß sie sich bemühen sollten, eine andere Erfindung da­ bey anzubringen, die ihnen doch nur schlechter ge­ rathen würde: also kann auch ein Musikus einen sehr natürlichen musikalischen Ausdruck gewisser Worte, den er als den Einzigen findet, lieber von Note zu Note in seine Arbeit übertragen, als daß

er einen andern, aber schlechtern erfinden sollte.

HI. Leben Johann «Christian Hertels, ehemaligen Concertmeisters am Sachs. Eisenachischen und Mecklenburg-Strelitzischen Hofe. Entworfen von desselben Sohne, Hry. Zpbayn Wilhelm Hertel, Hochfürstl. Mecklenburg-Schwerinischen Hofcömponisten. Johann Lhrrsiran Hertek ist im Jahr »699.

, in Dettingen, einer Stadt in Schwaben gebohren. Sein Vater, der als Capellmeister bey dem dasigen Fürst stand, verlies diesen Hof und begab sich in eben der Würde kur; nach dieser Zeit in Sachs. Merseburgische Dienste. Seine Eltern liessen daselbst nichts an einer guten Erziehungmattqeln, umso viel mehr, da er ihr einziger Sohn war.

Sein

lU Leben Hm. Concertm. Hertels. c. überlegt?

it) 12) i z) Die Wörter Theorie und The-» reticltö werden hier nicht in ihrem eigentlichen Verstände gebraucht. Ein Theoreticus. heisset

derjenige, der sich mit nichts als der blossen Urt« kersuchung der physikalischen und mathematischen Wahrheiten der Musik abgiebt. Ein pracrtcitS

heisset derjenige, der sich mit der würklichen Aus» Übung der Töne beschäftigt. Wenn es also heißt t „daß ein Musicus zum Unterrichte geschickter ist,

„der mehr ass der weniger Theorie hak) ,# und gleich darauf gesagt wird, „daß derjenige, der mit musi»

„kaliscben Ausrechnungen zu thun hak, nicht zum „Lehrmeister fürs Clavier geschickt ist: So ist die» „ses ein Widerspruch.» Soll dieses nicht so viel heissen, als daß derjenige, der Lection geben will,

die Grammatik der Musik und die Praxin des Cla» viers gut inne haben muß? Er braucht kein Theo» reticus zu seyn.

14) Voraus.

Was für unnütze Worte! ist

«S nicht eben so viel, als wenn

man sagt: Ei«

oder

Schreibmeister muß wissen, was ein A, ein B, C ist? Wornach spielet man denn heutiges Tages aH» ders auf dem Clavier, als nach Noten, und wel»

cher Liebhaber des Instruments wird sich einem

III. Land 2. Stück.

H

Men»

ii4 n Anmerkung über den Anhang re. Menschen zum Unterrichte anvertrauen, der nicht die Noten kennt? ' 15) 16) Die Ausdrücke stark accvmpagniten, stark Generalbaß spielen, haben wohl einerley Ursprung mit den Redensarten: den Ge­ neralbaß sHlagen, das Llavier Klagen, u. f. w. In Wien, Prag, Ollmüh, rc. sind die­

se Wörter

sehr gebräuchlich. In einer Schrift, wo man mit den Wörtern: Begeisterung, nö­ thiges Dhngefahr, rc. so viel um sich wirft, stehn solche Ausdrücke nicht an ihrem Orte. 17) Fmger. Von der künstlichen Auesuchung der Finger, die der Manierlichkeit und Lebhaftig­ keit des Spielens hinderlich seyn soll, rc. ingleichen von dem ungeschicklichen Gebrauch des Daumen, 11. s. w. hätten Exempel angeführet werde» müssen. Verräth sich aber hier nicht die wenige praktische Fähigkeit unsers Hrn. Weitzler? Wir wollen zwey Schüler vor« gleichem Naturelle setzen. Sie sollen eben dieselben Stücke lernen: Die Stücke sollen eine Bachische Ouvertüre, Fuge, und Sonate seyn. Der erste Schüler Mag der Hr. Weihler selber seyn, welcher sich diese Stücke nach seinereig­ nen Methode, ohne alle künstliche Aussuchung der Finger, ohne den Daumen so oft als ein Bachr'aner zu gebrauchen, selbst beybringen kann. Der andere soll von einem Clavieristen aus der Bachi­ schen Schule angeführet werden. Ein dritter ge­ übter Clavierist soll entscheiden, wer am fertigsten, am lebhaftesten, am regelmäßigsten, und am mamerlrchsten seine Stücke spielen wird. Die

des Herrn Weitzler.

uz

Die Aufforderung darf dem Hm. Weitzler Nicht pedantisch oder altväterisch vorkommen» In ge­ lehrten Gesellschaften werden bekanntermassen noch täglich Preise zur Aufmunterung der Gelehrten aus­ gesetzt. Ist ihm etwann dieser Vorschlag beschwer­ lich : So will ich ihm einen andern thun. Will er sich gefallen lasten, einige zur Abspielung ihm vorzulegende Sachen mit den dazu gehörigen Fin­ gern zu beziefern? Es sollen nicht einmahl Synfonien, Ouvertüren oder schwere Sonaten seyn. Nur pohlnische Gassenhauer, und ein Paar Menuekken werden hinlänglich seyn. Die von ihm so genannte künstliche Aussuchung der Finger ist die allernatürlichste und leichteste Fin, Zersetzung in Ansehung des Gebrauchs. Es ge­ höret aber eine durch eine geschickte Uebung in aller­ hand Arten von Stücken erlangte Fertigkeit, Kunst,

Geschmack und Ueberlegung dazu, diese natürliche Fingcrsetzung ausfindig zu machen. In diesem Verstände ist sie allerdings künstlich, und dem Hrn. Weitzler wäre es zu wünschen, dergleichen künstli­ ch» Fingerordnung zu verstehen. Man könnte von selbiger auf seine Praxin etwas vortheilhafcer schlies­ sen. So lange er diese nicht in seiner Gewalt hat, wird er verbunden seyn, unnatürliche Spannungen, unnatürliche Verwechselungen und Verdrehungen der Finger zu machen, und sein Spiel wird nicht frey, nicht rund, nicht manierlich, nicht regelmäs­ sig, nicht lebhaft seyn, wenn auch sein Hertz es ganz anders verlanget. Findet er. seine Art gut,

116 II. Anmerkung über den Anhang re. si> ist es in der That mit de« Empfindungen seines Herzens nicht richtig.

Er gesteht ja selbst, daß nicht ein jeder Fist« «er zu allen Manieren und Erhöhungen des Nachdrucks geschickt ist. Ist es hier nicht nöthig, die Singer auszusuchen t Schrei­ bet Herr Bach nicht deswegen verschiedene gute Arten von Fingersehungen vor? Jedem Künstler, und zwar wahren Künstler kann man in seiner Kunst trauen. Herr Bach hat sich längst als einen wahren Künstler vor der ganzen Welt gezeigt, int Sehen, Lehren und Spielen. Der Herr WeiHler rechtfertige seinen Beruf zur Kunst zuvor durch ein einziges dieser Stücke, ehe et über Sachen ur­

theilet, die seine Sphäre übersteigen. Er lerne, ehe er lehren will. Besitzt er nicht Talent genung, den Ruhm eines Virtuosen zu erreichen: so erkenne er sich in dem Umfange seiner wenigen Einsichten. Man gebraucht zu einem Gebäude auch Füllsteine. Er sey nUr bescheiden, wie es sich für einen Men« schien von seiner Fähigkeit schickt, und mahle der Welt keinen- blauen Dunst vor. Der Dichter

singt: Wenn armer Hochmuth prahlt, so glaub, erlesner

Freund, Daß so ein Armuth mir die größte Bürde scheint, Daß dürftig nicht allein, auch Lachenswürdig Weil jeder und mit Fug,

machet, der albern Thorheit

lachet,

Die

des Hm. Weitzler.

117

Die sich und Zeit und Stand und Dürftigkeit vergißt, Und ihr.beschnittnes Gut nach Brabands Elken mißt, Und eher nicht den Schwung der matten Flügel, kennet, Bis sie, wie Icarus, ein neues Meer benennet.

i8.) Der Gedanke, daß eine Manier nicht gefallt, wenn das nöthige Dhnge, febr daoey vermißt wird, ist dem Herr» Weitzler nur ohne Zweifel von ohngefehr und ohne alle Ueberlegung beygefallen. Er wird ohne Wi­ derspruch auch von ohngefehr componiren; macht er Quintm und Oktaven und andere falsche Pro» gresten .rc.- präparivt und löstk er die Dissonanzen nicht auf, wie es sich gehöret rc. spielt er den Ge­ neralbaß nicht stark genung, so geschicht solches auch von ohngefahr. Sein guter Geschmack würde es mißbilligen, wenn er anders als ohngefahr ver­ führe. Kein Wunder, wenn er auch seine Ma­ nieren von ohngefehr anbringet, so wie es ihm fein Herz saget; und wenn ihm sein Herz in einem ganzen Stücke nun nichts saget: so bleiben die Manieren auch ohngefehr weg. Nach dem Herrn Weihler sind also alle Regeln von den Ma­ nieren unnütze. Man kann nach ihm nicht bestim­ men, daß an diesem Orte ein Triller, Vorschlag, Mordent rc. gemachet werden muß. Wenn man ihm aber nun beweiset, daß an diesem Orte kein Triller taugt, daß ein Kenner daselbsten einen VorH 3 schlag

iiS H. Anmerkung über den Anhang re. schlag verlanget, und umgekehrt re. Heisset dieses nicht so viel, als an diesem Orte muß ein Vor­ schlag, an jenem «in Triller gemacht werden re. ? Was verlanget er für andre Beweise? Wenn Herr Weiht« die Regeln der Deklamation wird über den Haufen geworfen, und bewiesen haben, daß der Redner nur von ohngefahr die Stimme erheben oder sinken lassen muß, daß derselbe nicht auf den Inhalt der Worte zu sehen, und feine Gestus nicht darnach einzurichten braucht: So wird man ihm glauben, was er in Absicht auf die declamatorisch« Musick , vd« in Absicht auf die Execution eines Stücks schreibt. Es ist wahr, daß die grössern Auszierungen, oder die Sehmanieren, womit man ein Stück bey feiner Wiederhohtung v«ändert, willkührlich sind. Giebt es aber nicht immer einige, die besser als die andern sind? Was folget hieraus? Den Schluß mag der Hr. WeiHler selber machen. Müssen ferner diese- grössten Aus­ zierungen nicht deck Inhalte und Affekte eines Stücks gemäß styn? Wenn da nun ein unwissen­ der und mit keiner beurtheilenden Empfindungs­ kraft begabter Clavi«ist so von ohngefehr in ein Adagio mit einer Manier hinein plumpt, die sichbesstr in ein Allegro schicket; wird da dieß Ma­ nier natürlich seyn? Das Gehör eines Kenners wird die Geschicklichkeit des Ausführers an diesem Orte gar fthr vermissen. Was die kleinern Auszierungen betriff, so sind solche an den meisten Oertern so wesentlich, daß ohne die strengste Beobachtung derselben, kein Stück einen

-esHm. Weitzler.

119

einem feinern Ohre gefallen kann. Hat das Ohr des Herrn Weihler noch nicht diese Weinigkeit errei­ chet: so ist ohne Zweifel die wenige Zeit daran Schuld, die er gekniet hat. Vielleicht aber ist er, da die Naturelle sehr vermieden sind, dieser Feinigkeit nicht fähig. Das ist ein betrüb, ter Umstand für einen Menschen, der seinen Ein­ tritt in die musikalische Welt mit nichts geringerm, als dem Tadel einesVirtuosen von der ersten Größe macht. Man spiele einem wahren Kenner ebendasselbe Stück einmahl ohne, und das andremahl mit den dazu gehörigen kleinen Manieren vor. Welches wird das Ohr und Herz dieses Kenners am mei­ sten rühren? Duych die an ihrem Orte ange­ brachte Manieren kann das schlechte Stück erho­ ben werden. Lässet man ssolche bey dem besten Stücke weg; so wird das geübte Ohr zwar nie­ mahls die Geschicklichkeit des Componisten vermiss fen, aber allezeit die ungeschickte Hand des Ausführers erkennen. Es wird eben die Wirkung thun, als wenn die vortreflichste Rede in einem Tonehergefägt und mit keinen anständigen sich dazu schicken­ den Gebährden begleitet wird. Werden aber hin und wieder, so ganz von ohngefähr, und zwar an dem unrechten Orte, Manieren hinzugethaN: so wird man über den stichln Geschmack des AusfühLerS Mitleid zu empfinden, Ursache haben. Nimmt das nöthige Ohngefähr des Hrn. WeiHler nicht

ermann aus einer andern Quelle seinen Ursprung? Fehlt ihm nicht etwan eine gewisse Leichtigkeit in H 4 der

120 11. Anmerkung über den Anhang re. der Bewegung seiner Finger? Er will sich alsr kein Gesetz geben lassen, Die vorgeschriebnen Ma, Nieren läßet er weg, weil sie ihm zu schwer sind. — Aber was entsteht daraus? Dieses, daß das Stück nicht seinem Inhalte gemäß gespielet wird. Der Componist hatte alle mögliche Manieren , dem vor, habenden Affecte gemäß, bezeichnet. Wird durch Weglaßung dieser Manieren der Zweck des Eom« ponisten erreichet? Der Ausführer soll empsinden, was der Componist empfunden hat. Er hat ihm feine Empfindung vorgeschrieben. Der Zuhörer soll in gleiche Empfindung geseßek werden. Aber unser Hr. Weißler empfindet leider! nichts. Er bleibt kalt und matt; sein Herz sagt ihm nichts, -— 'oder sagt ihm dasselbe etwas r so wird er aus einer Sarabande eine Menuet rc. machen, nach dem Zustande, worinnen sich seine Seele befinden wird. Man wird hinführo also nicht nur alle Manieren, sondern auch so gar die lleberfthriften eines Stückes weglaßen können. Man wird ein Stück so vortra­ gen, nachdem man wird begeistert seyn, traurig oder frölich, zornig oder gelaßen rc, Wenn nun einmahl ein Musicus recht traurig ist: wird man da von ihm verlangen können, ein Allegro zu spie, len, und umgekehrt? Was sind daL für lächerliche Dingel Muß sich dkr Ausführer nicht wie ein Schau­ spieler verhalten, und sich eine Zeitlang in diesen öder jenen Affect zu versehen, und eben dahin, den Absichten des Eomponisien gemäß, seine Zuhörer zu versehen wissen ? Er muß nicht der Bewegung

des Herrn Weitzler.

121

-er Seele folgen, die etwan kn diesem Augenblick« wörtlich in ihm vorhanden ist. Er muß die vorge, schriebne Empfindung des Compolu'sten annehmen. Dieses zeuget von der Geschicklichkeit eines Aussührers; jenes von einem albernen wunderlichen Men­ schen. Der Ausführer muß sich an die Stelle des Komponisten sehen. Was bey diesem vorgeqangen, muß bey jenem auch vorgehen. Alles dieses aber kann durch Zeichen vorgestellet werden. Der Hr. Weitzler versuche es, und componire ein Stück. Er zeige den Characker desselben gehörig an. Jeder geübter Practicus, der von seinen Zeichen gehörig unterrichtet ist, muß denselben treffen; wo nicht, so hat der Hr. Weitzler sich nicht genuglahm erklä­ ret. Woher kommt eö denn, daß an Oertern, wo einerley Schreibart und Methode herrscht, eben dasselbe Stück von allen guten Musicis auf einer­ ley Art ereeutirt wird? Zeuget dieses nicht genug­ sam von der Gewißheit der inusikalischen Zeichen? i9">Schmink-und Llatter-Pflästerchen. Es giebt Compositkonen, die allerdings ein Blat­ terpflästerchen gebrauchen. Bey andern sind 'Schminkpflästerchen hinlänglich. Man ersuchet den Hrn, Weitzler, der Welt einige Compositionen mitzurheilen. Man wird nicht ermangeln, ihm zu sagen, von was für Art die Pflästerchen seyn sollen, die er gebrauchet. 20) Unnatürliche Manieren. Was sind das für Manieren? Etwan sm unrechten Orte, so von ohngcfähr angebrachte Manieren? Was sager also Hr. Weitzler hier? So viel, als; „Wer ein

H 5

'

mahl

122 11. Anmerkung über den Anhang re. mahl Manieren an ihrem gehörigen Orte anzubringen gelernet, der lernet solche hernach am unrechten Orte anbringemrc.» Wenn derselbe nicht einsieht, daß dieses aus seinen Vernüyftleyen folget: so lasse er sich von seinem guten Freunde und Helfershelfer dem Hrn. Halter solches syllogistifth begreiflich machen. 2i) 22) Nackt/ Nackend. Ob die Da­ men zufrieden seyn werden, daß man ihnen hinführo ein Stück ganz nackend beybringe, und ganz nackend vorhero Vorspiele, will ich dahin gestellt seyn lassen. Wenigstens muß es in einer warmen Stube geschehen.

23) Manierlichkeit und der lebhafte Vortray; wird heißen sollen: die Fähigkeit zue Manierlichkeit und zum lebhaften Bortrage rc. 24) Gründlichkeit in den Singern ; wird

heißen sollen: gehörige Fertigkeit in den Fingern. Wenn die Gründlichkeit in den Fingern zu Hause

ist: so wird der Triller, Mordent/ Vorschlag re. wohl mit dem Kopfe gemachet werden.

25) Trifder nicht diese Manieren, so trist: er fette. Aber auch vielleicht gar keineBravo! Bra­

vissimo ! Wenn er nicht trillert, sokann er harpeggiren. Aus einem sanften Vorschläge kann er einen fröhlichen Mordentenmachen, u.s.w. Ey nun! Wenns seyn muß, wohl so seys! trift er kein fis, so trift er gis; trift er kein b, so trift er c; ist es nicht molk, so ist es dur, u. s. w.

O! grausamer Apoll, was hat dich doch bewegt Daß du uns fo viel Last zum Spielen auferlegt» Dank

des Herrn Weitzler.

123

Dank sey dem braven Herrn Weitzler, dec uns von aller dieser Last befreyt. Aber dieses ungewisse Treffen zeiget keinen gründlichen ginget an.

So viel für iho. Wer siehet ktzo nicht, wie ungleich besser Herr Weitzler gethan hatte, wenn er mit seinem Anhän­ ge rc. zu Hause geblieben wäre, und sich noch eine gute Zeit dem Unterrichte eines geübten Practici unterworfen hatte. Vielleicht wäre er noch zu ei­ ner mittelmäßigen Geschicklichkeit gelanget. Ich säge mittelmäßigen, weil es nicht nöthig ist, daß alle Clavierspieler sind. Will er sei­ ne übrige Lebenszeit noch mit Vortheile anwenden, so studiere er des Hrn. Bachs Versuch, und suche seine Lehren in Uebung zu bringen, so weit es sei­ ne KräIe ihm erlauben.

Der gute Herr Weitzler leget übrigens der Welt in seiner Person ein neues Beyspiel dar, zu was für Ausschweifungen die unzeitigen Complimente gewisser vermeinten Kenner einen nicht formirten angehenden Tonkünstker bringen können. Anstatt durch solche zu fernerm Fleisse angespornet zu werden, um sie zu verdienen, wird ein solcher vielmehr von feinem Fleisse abgezogen. Er glaubet über alle MusicoS weg zu seyn, bläset sich auf, wie ein feuchter Schwamm, wird nachläßig, und bleibet beständig ein Anfänger.

in.

124

Ul. Lebenölauffe.

(A.)

Lebenslaufdes Hochfürstl. AnhaltZerbstlschen CapeUmklfters, Herrn Johann Friedrich Fascht (Zusatzzu Walthers nmsikal, Lexico, Sette -40.) meinem yten Jahre fienge ich an zu Sula, e e bbee c f c £ c £ c f Exempel von der dritten Gattung» 2 Tacte und z Veränderungen geben 9 Versetzungen, u. f. w. 3 Tacke u. 4 Veränderungen geben 64 Versetzungen. 3 — — 5 — — — r-5 — — u. s. w. 4Tacte«.5 Veränderungen geben 625 Versetzung. 1296 4------- 6 u. s. w. 6 5 4 3. 4 r 6 5 4 ____ S_ 3____ 4_ 16 9 »6 36 25 25 6 5 4 5 1L5 216 125 64 6 5 62$ 1296 Daß eshkemkt feine Richtigkeit habe, kann man aus folgender Vorstellung sehen, in welcher 2 Tacte und 3 Veränderungen, in den sechs Buchstaben a b c des, versetzet werden. Steht also:

und Menrretencomponist. I 2 3 1. a c e 2. b d f

a b

a- I a I -c I c

c

d 1 £ I1 b 1 d

f

149

c e e b I d | £

Man sehe eine Würfel, Die nur Drey1 "Augen hat. Alle mögliche Würfe zu zwey Tacten mit derselben sind folgende neun: r.l, 2.2, Z.Z, 1.2, s.r, 1.3, 3.1, 2,3. 3,s. Wenn nun die 2 Tacte und 3 Veränderungen auf

folgende Art geschrieben werden; 123

1. Wurf

a

c

e

2. Wurf b d f so wird man finden, daß keine einzig« Versetzung mehr al« di« vorhergehenden neun zum Vorschein kommen. Die Würfe 1. 1 geben a b.

3. 3 geben

c d. c f.

Die Würfe 1. 2 geben Die Würfe 2. 1 geben Die Würfe i. 3 geben

a d. c b. a f.

' Die Würfe Die Würfe

3. 1 geben 2. 3 geben

e b.

Die Würfe

3. 2 geben

e d.

Die Würfe Die Würfe

2. 2 geben

c £

Man wird anitzo mit leichter Mühe die Summe

der Versetzungen berechnen können, welche die in dem Werk de« Hrn. Verfassers enthaltne kleine Stü­

cke geben. Ich will bey dieser Gelegenheit noch einige Arten der Versetzungen anführen, die ebenfals in der Mu» sik ihren Platz haben, so wie all« vorhergehenden. K 3

Erste

i$o VI Der allezeit fertige Polonoisen-

Erste Art. )Weuu unter dreyen, vier, fünf oder Meh­ rern Termini- einer verdoppelt ist. Z. C.

a a b a a a b

a a a a b tt. f W. Hier finden nicht mehr Versetzungen Statt, als überhaupt Buchstaben vorhanden sind. So kann • a

b nur dreymahl, a a a b viermahl, a a a a b fünfmahl, u. s, w. versetzet werden.

Zweyte Art. XVenn in einet gegebnen Summe, worin? Nen nur zwey versthiedne Termini vor­ handen sind, alle Termini gleich vielmahl verdoppelt.rc. stnd. ZE.

a a b b a a a b b b taaabbbb,u.f. ro. Die Regel ist: daß man zuförderst die Anzahl der Versetzungen, die die Termini unverdoppelt ge­ ben würden, unter sich multipliciret, und hernach mit dem Product tu die Summe der Versetzungen, die all« Termini zusammengenommen geben würden, wenn nicht einige darunter verdoppelt waren, dividi» r«L Z. E. a a b b kann sechsmahl versetzet werden. Die Buchstaben a a machen nemlich zwey Buch­ staben aus, so wie b b_ Nun können zwey Buch­ staben zweymahl versetzet werden. Folglich muß die

Und Menueteneomponift. die Summe derVersetzungen der beyden erstenBuch-

staben mit der Summe der beyden andern multipliciret werden, kommt 4, als 2

4 Ferner machen die Buchstaben a a und b b vier Buchstaben zusammen aus, vier Buchstaben aber können vier und jwanzigmahl versetzet werden. Wenn also mit der 4 aus der Multiplikation in die Summe 24 dividirt wird: So bekommt man 6 zum Quotienten, und folglich sönnen die Termi­ ni s a b b sechsmahl versetzet werden. Man wird itzo ohne Mühe einsehen, daß die Termini a a a b b b zwanzigmal, und die Termi­

ni aaaa bbbb stebenzig mahl versetzet werden können, wie man stehet;

6 und.

36

24 24

40320 70

96 48

576

Man sehe die vierte Art.

Dritte Art. Wenn unter fünfVerminte einer dreymahl, und einer zweymahl gefeget wird, Z. E. aaa b b. Man macht eö, wie bey der zweyten Art, d. i. man betrachtet die drey a a a als drey verschiedne, und die beyden b b ebenfalS als zwey verschiedne Terminos. Wenn nun drey Termini sechsmahl, und K4 jwey

i zr VII. Der allezeit fertige Polonoismzwey zweymahl verändert werden können: so heißt eö 2 mahl 6, kömmt 12. Mit dieser 12 dividiret man in die Summe der Versetzungen, die fünf verschiedne Termini geben. Diese Summe ist 120. kommen also zehn Veränderungen. Steht also: 6 2 12010 12 12 Aus gleiche Weise verfahret man, wenn unter lfech» Verminte einer viermahl, und der andre zweymahl gefetzet ist; item, wenn unter sieben Termini», der ein« fünfmahl und der anders zweymahl gefetzet ist, u. s. weiter.

Vierte Art. VOenn in einet gegebnen Summe, worin­ nen drey, vier und mehrere verschiedne Termini vorhanden sind, alle Termini gleich vielemahl verdoppelt rc. sindZ. E.

a a b E p c a a a b b b 0 e e «. s. w. Man multiplickrt die Summe der Versetzungen, die zwey, drey, oder mehrere verschiedne Termini geben, zuvörderst so viel mahl in sich selbst, als in der gegebnen Summe würklich verschiedne Termini vorhanden sind. z. E. in a a b b c c. Hier sind drey in der That verschiehnen Termi­ ni, ein jeder aber ist zweymahl gesetzt. Zwey Ter­ mini kommen nicht mehr al» 2 mahl versetzet wer­ ben« Folglich ist die dreymahl in sich zu multiplicirende Summe die Zahl r, kömmt 8, alö: 2

und Menuetencompomst.

153

2 2

4 a *8 Mit dieser 8 dividiret man kn die Summe der Ver­ sehungen , die sechs in der That verschiedne Zahlen geben, weil man mit sechs Buchstaben zu thun hat. Diese Summe ist 720. Stehet also:

Kommen also 90Versetzungen für aa bb cc. Die Buchstaben aaa bbb ecc können als» 1680 mahl ihren Platz verändern. Steht also: 6 362880 6 Öz"6^

ioofiö 216 Die Buchstaben aa bb cc dd, können also 2520 mahl versetzet werden, als: ^40320 2

2 4

20160

2)10080

K $

Fünf-

I Z4 VI. Der allezeit fertige PolonoisenFünfte Art. XVentt t»r einer gegebenen Summe ver­ doppelte und unverdoppelte Termini Vorkommen. aattc aaabc. Man betrachte die verdoppelten Termknos als verschieden, und sehe, wie viele Versetzungen sol­ che alsdenn geben würden. Man betrachte annoch alle Terminos überhaupt als verschieden, und dividire hernach in die Summe dieser leztern Ver­ setzungen mit der Summe der vorhergehenden. Der Quotient enthält die Anzahl der Summe der Aufgabe. Z. E. a'abc sollen versetzet werden. Die Buchstaben a a sind 2 Termini, und zwey Termini können 2 mahl versetzet werden. Wenn nun aabc vier Terminos machen, und vier Ter­ mini 24 mahl versetzet werden können: so heißt es s in 24, kommen 12 für die Summe der mögli­ chen Versetzungen von aab c. Die fünf Buchstaben aaabc können also 20 mahl verändert werden, weil 6 in 120 die Zahl so zum Quotienten bringt. Die sechs Buchstaben aabc de können also 360 mahl versetzet werden, weil 2 in 720 diese Anzahl giebt, u. s. w. Wer versthiedne Arten der Verseßungökunst nä­ her auf die Musik angewendet wissen will, der findet hievon einen gründlichen Unterricht in des Hrn.

Z. E.

Riepels Grundlegung zur Tonordrmng, auf welches nutzbare Werk wir den Lehrbegieri­ gen verweisen wollen. VII.

4- ) Ö ( 4155 VII. II Trionfo della Fedeltä, Drama pastorale per Mufica, di E. T. P. A. in Lipfia dalla Stamperia di Giov. Gottl. Imman. Breitkopf, 1756. /$*in Blick in dieses dramatische Schäferspiel ist

hinlänglich zu sehen, wie die poetischen und musikalischen Schönheiten einander um den Vorzug streiten. Wir überlasten den Dichtern das Vergnügen, die erstem zu zergliedern, und wol­ len nur kürzlich einige von den leztern berühren. Die Jahrbücher haben uns die Nahmen verschiedner durchlauchten Personen aufbehalten, die in der einen oder der andern Kunst geschickt waren. Aber nur das Hitze Jahrhundert und Deutschland kann

eine Heldinn aufweisen, die in beyden Künsten zu­ gleich ein Muster ist. Wir werden unsre Recen­ sion auf die beyden ersten Aecus cinschränken. Wir werden dabey vergessen, von was für einer hohen Seherinn die harmonischen Schönheiten dieses Schäferspiels ihren Ursprung haben, um desto

unsere Gedanken darüber zu sagen. Nichts als der Mangel an Drucknoten ist Schuld, daß wir nicht öffentlich durch Beyspiele erweisen können, waö wir anzumerken, uns die Freiheit nehmen

freyer

werden. In der erstenArie,entdecket man einen inAnsehung des Geschmacks und der Melodie die falsche ChloriS völlig charactcrisirenden Gesang. Die Verbin­

dungen

156 VII. II Trionfo della Fedeltä, düngen der vier Commatum des ersten Theils dek Arie, sind durch die kleinen Schlußcläuselgen sehr schön ausgedrückt, sonderlich des sten und zten Commatis: di coftringere quekorc, aimparartfc. Ingleichen ist bey dem Schluß des ersten Theils, durch die Versetzung und Zusammenziehung der Worte: fi coftringere tu puoi, eine nochmahlige überstüßige Wtederhohlung aller vier Zeilen, mit grosser Beurtheilungskraft vermieden worden. In der 2ten Arie ist des Thyrsir Versicherung seiner zärtlichen und beständigen liebe, durch eine gleichfals zärtliche und 'edelschöne Melodie ausge­ drückt , nachdem er erst vorhero die empfindliche Frage: Che vuoi ch’iopensi? gleichfals durch empfindlichsprechende Töne kennbar macht. Auch ist wohl zu merken, daß der Satz in Führung der Melodie aus seinem Haupktone, welcher hier g dur ist, nach einigen kurzen Berührungen anderer, etwas von dem Hauptton entlegenen harmonischen Sätzen, bald wiederum auf eine natürliche und schöne Art, in das gehörige Gleiß, und zu fernem Schlußton kommt, also, daß man den Haupt­ ton nicht au- seinem Augenmerk verliehren kann. Dieses ist eine musikalische Schönheit, woran die Natur mehr als die Kunst Antheil nimmt. Die zte Arie hat einen edlen, und auch denen einzelnen Worten gemäßen Gesang, welcher durch das kleine Melisma von vier Tacten aufdas Wort affet ti noch mehr verschönert wird, und durch wel­ ches Melisma man siehet, daß die sinnreiche Sehe­ rinn mit täglichen und abgenutzten Passagen nicht zu­ frieden

Drama pastorale per Müstca, 157 frieden ist, sondern neue und dem Affecte gemäße gefuchet, und leicht gefunden hat. Dieses Melisma war hier nöthig; denn ohne dasselbe würde ein Mangel in der Melodie entstanden styn. Beylöuffig muß ich wegen des Worts Idolo, als eines Dactyli erinnern, daß selbiges in den meisten Arien eine Unschicklichkeit im musikalischen Ausdrucke verursachet, weil man fast wegen einer fliessenden Melodie nicht umhin kann, die Sylbe do lang zu characteriflren, welches doch dem Ohr einigermas­ sen empfindlich fallen muß; Unterdessen wird doch durch diesen kleinen Fehler ein grösserer, nehmlich eine höckrigte Melodie vermieden. Die 4te Arie ist theils sprechend, theils zärtlich und führet (sonderlich in der ersten Modulation vom D dur bis^ dur) die Harmonie,die Melodie auf eine ganz natürliche und schöne Art. Die beyden Commoto: Dille ehe fido io sono, und di, ehe col fuo rigore, sind mit grosser Beurtheilungskraft, bey Aus­ lassung der Worte ch’ardo per lei d’amore, zusammengesehet worden. Die ausdrückenden Töne auf den Worten: morire mi farä, zeugen von den unvergleichlichen und aus dem Herzen ent­ sprungenen Gesänge der rührenden Seherinn. Inder zten Arie ist eine angenehme und ge­ fällige Melodie, wozu il mifero augelletto den meisten Anlaß gegeben. In der 6ten Arie ist besonders das aus dem Rittornello genommene Spiel der Instrumente über die Worte: Tutto und Amalo: vor dem Schluß der beyden Cadenhen der ersten Theils, merkwürdig. Die

158

VII. 11 Trionfo della Fedeltä,

Die 7de Arie hat einen dem Character der Chlorig gemässen, muntern und etwas frechen Aus­ druck, wozu die Worte: Ri<ar ini fento in petto picn di gioja queftö cor die meiste Gelegenheit gegeben, auch das Wort: ritalrar zur Ausdeh­ nung wohl auögelefen, und mit Tönen ausgedrücket worden. In der ersten und langsamen Arie des andern Acts kann man den auserlesenen Geschmack der Geist­ vollen Seherinn im Denken und Singen wahrneh­ men; und weil dieses Merkmahl in allen Arien vorhanden ist, so werde ich, um nicht weitläustig zu werden, wenig mehr davon sagen. Die aus einer vergewisserten Hofnung, in der andern Arie ) ent­ standene zärtliche Freude des Thyrsiö, ist aus al­ len Noten zu sehen. Die gte Arie drücket das Weinen der falschen Chlorig auf eine ihr ähnliche Art aus, und die Be­ gleitung zeiget die falsche Freude an, welche sie Ha­ den wird, wenn andere auch nebst ihr werden wei­ nen müssen. In der 4ten Arie sind lauter zornigsprechende Tone, ohne Ausdehnungen, welche auch nicht nö­ thig waren, weil genügsame Worte vorhanden sind, welche zur Ausarbeitung einer Arie dienen können. Auch war kein sonderliches geschicklichrs Wort da, worauf ein MeliSma ungezwungen hatte passen kön­ nen-, wenn es auch hatte gefallen sollen, dergleichen auzübringen. Waren aber ein Paar Zeilen weni­ ger gewesen, so würde man dazu genöthigt wor­ den seyn, um der Figur einer Arie genug zu thun,

man

Drama pastorale per Mustca, 159 man würde auch Töne zu dieser Ausdehnung ge­ funden haben, welche dem Affect deS Zornes wür­ den gemäß gewesen seyn. Es giebt Kunstrichter,

welche alle Ausdehnungen gerne aus den Arien ver­ bannt wissen möchten, allein selbige möchten doch be­ denken,erstens, daß eine Arie keine Ode ist; denn diese ist in ihrerMelodie eben so eingeschränkt, als eine Menuet in der Anzahl ihrer Tacte; und zweytens, daß die verschönerte, aber nicht »erkünstelte Natur die einfältige sehr weit übertrift. Doch ist der Miß­ brauch in allen Stücken zu tadeln.

Die Töne m der 5 um Arie sind den Worten überaus gemäß, denn die Worte: Vado lieta di mia forte: unterscheiden sich in der Melodie sehr

merklich und ungezwungen von denen andern, rod« ehe von pietade und penar handeln, und wo das Wort: Mä: gleichsam «in NB. ist. In der Sten Arie ist ausser den rührenden und jedes Wort ausdrückenden und sprechenden Tönen, sonderlich die schöne fliessende Wendung der GrundHarmonie lnerkwürdig, und in der yten Arie sind

die sich widersprechende Leidenschaften sehr wohl -ausgedrückt. Das Wort mi giebt durch seine Hal« Orgeln, nach einer mechani­ schen Art, in allen zwölf Tönen gleich rein stnnmen könne, daß aus solchen al­ len sowohl dur als moll wohlklingend zu spielen sey. Aufgesetzt von Barthold Friyen, Tlavier-Instrumentmacher in Staun» schweig. Bon diesem bey der Stimmung sehr nutzbarem Tractatc wollen wir mit nächstem mehrere Nachricht geben. Es ist selbiger allen denjenigen, die mit dem Calculo und dem Monochord nicht um­ zugehen wißen, oder sonst nicht allezeit ein Mono­ chord unterm Stimmen bey der Hand haben, sehr anzupreisen. An dem vorgeschlagenen Mittel, die gehörige Schwebung der Quinten ohne Mühe und geschwinde zu finden, ist desto weniger.zu zweifeln, da der fleißige und erfahrne Hr. Verfasser an mehr als 300 von ihm verfertigten Claviercn die Pröbe damit gemacht hat. (II.) Paris. Hieselbst sind unter andern fol­ gende neue Tractätchen. im Drucke erschienen:

1) Sentiment d’ttn Harmoniphile für different ouvrages de Mußque, prämiere & feconde Partie. Ghez Jombert, le Loup, Lambert & du Chesne. Prix I. Livr. 4, fols. 2) LetLZ

166

IX. Vermischte Sachen.

2> Lettre für le Mechanitme de l'Opera Italien. Ni Gneise ni Gibelin, ni Wigh ni Thoris. ä Naples & fe Vend 4 Paris chcz du Chesne, ru$ St. Jac­

ques, & Lambert ru6 de la ComSdie frangoise. —! T n

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/*scrPsalmen gemacht.

Die Herren Hofcomponisten. z. Hr. Caspar Cristclli, aus XVicninOestedeich), ist Vroloncellrst und em grosser Mei­ ster im Accompagnement. Er unterscheid -er sich auch von vielen Hrn. Violoncellisten in der Kuckst den guten Ton statck und vollkom­ men , jedoch auch rein und rührend aus dem Violoncell, recht heraus zu ziehen, undmannHaft, nicht aber, auf Bratschenart, jung vor­ zutragen. Er componirt übrigens nur für die Kammer. Die von ihm gefetzten Stücke sind meistens einige so genannte parthren, Sin­ fonien und etliche Triotz.: dann Duetten und Solos für das Violoncell. 4. Hr. Leopold Mozart aus der Reichsstadt Augspnrg. Ist Violinist und Anführer des Orchesters. Er componirt für die Kirche und für die Kammer. Er ist-deni^tenXVrntermonat 1719. gebohren, und trat bald nach abgelegten Studien der XVelttveißheit und ^kchtogelährchrit im Jahre: 1743. in die Hoch'

der Musik in Salzburg.

185

Hochfürstl. Dienste. Er hat sich in asten Ar­ ten der Compcsiti-m bekannt gemacht, doch aber keine Musik in den Druck gegeben, und nur im Jahre 1740. 6 Sonaten ö z. selbst in Hu, pfer radieret; meistens nur um eine Uebung in der Radierkunst zu machen. Im ^»cumsnate 1756. gab er seine Vrolinschule heraus.

Von des Hrn. Mozards in Handschritten be­ kannt geword'nen Compositionen sind hauptsächlich viele o-ntzrapunctisthe und andere RirchenstrcheU zu merken; ferner eine grosse Anzahl von Sinfonien theils nur ä 4. theils aber mit allen nur immer gewöhnlichen Instrumenten; ingleichen über dreißig grosse Serenaten, darinnen für verschiedne Instrumente Solos angebracht sind. Er hat ausserdem, viele sonderlich für die Flöttaversiere, Oboe, das Fagott, Wald­ horn , die Trompete rc. unzähliche Trios imdDtVertimentr für unterschiedliche Instrumente/auch zwölf Oratorien und eine Menge von theattalisthen Sachen, sogar Pantomimen, und besonders gewiße Eelegenheits^iNustkeN ver­ fertiget, als: eine Goldatenmusik mir Trom­ peten, Paucken, Tröchmeln und Pfeiffen, nebst den gewöhnlichen Instrumenten; eine türkische Musik; eine Musik trift einem stählernen Clavier; und endlich eine Schlittenfahrtsmusik mit fünf Schlittengeläurh; von Märschen, sogenannten Nachtstücken, und vielen hundert Menuetten, Opertänzen, und dergleichen kleinern Stückennicht zu reden. Ns 5. Hr.

i86 Vom gegemvärtigm Zustande 5. Hr. Ferdinand Seidl aus Kaltenberg in Gcklesten. Violinist. Componirt nur für die Kammer. Hat sehr viele Sinfonien ge­ macht, auch Concerten und Solos für die Violin, in welchen er ungewöhnliche ganz be­ sondere Gänge und schwere Passagen anzubrin­

gen, hauptsächlich bemühet war. Die 3. Hrn. Hofcomponisten spielen so wohl in der Kirche als in der Kammer auf ihren In­ strumenten, und haben, wechselweis mit dem Herrn Capellmeister, jeder eine Woche die Direktion der Musik bey Hofe, wo denn auch

von dem, der die Woche hat, lediglich die ganze Musik abhanget, da er, nach Belieben , seine eigene oder fremde Stücke aufführen kann.

Violinisten. 6. Hr. Paul Schorn, aus Salzburg.

7. Hr. Carl Vogt, aus Rremau in MLbren,

ist ein ernsthafter Spieler, der einen kräftigen Ton mannhaft aus der Violine herauözubringen weis.

8- Hr. Wenzel Hebelt, vom heiligen Berg in Mahren.

Er bringet die fchweresten Pasta-

gen teip heraus; darum er auch nur schwere Sachen liebet, in denen ihm auch nicht leicht

etwas zu schwer oder zu geschwind ist. Allein sein Ton ist gar schwach und still.

9> Hr. Joseph Hülber, von Rrumbach in Schwaben.

Bläset auch die Querflöte. io.Hr.

der Musik in Salzburg.

i87

10. Hr. Nicolaus Meisner von Brauna in lohnten. Bläset auch das Waldhorn. 11. Hr. Franz ^Lchwarzmann, von Salzburg. Bläset auch Concerten auf dem nicht weniger eine hübsche Oboe, 5lote und UDedb» Horn. Er befindet sich eben itzt in Padua fn der Schule des berühmten Herrn Tartliu. 12. Hr. Joseph Holzel von Stadt Stcyer in Oesterreich. Blaßt auch das Waldhorn. 13. Hr. Andreas Mayr, aus Salzburg. Spielt auch gut das Violoncell.

Bratschisten. 14. Hr. Johann Sebastian Pogt, aus der 23am» bergischen Stadt Steinach im ie Violrn. 12. Hr. Florian Vogt, aus Rrenau rn Mah­ ren, Hof- und Feldpaucker, spielt sehr gut die Violin. Es wird kein Trompeter noch paucker m die Hochfürstl. Dieitste genommen-, der nicht eine gute Violin spielet: wie sie denn bey starken Mu­ siken bey Hofe alle erscheine«, und die zweisteVso»

tin oder die Viola mit spielen müssen; wo sie na«» lich von dem, der die wöchentliche Ditection hat,

hin beordert werden.

Zur

198 H Schreiben an den Verfasser

Zur Musik gehören auch Hk. Johann Rochus Egedacher, Hochfürstl. Hof^ orgelmacher, aus Salzburg gebürtig. Hr. Andreas Ferdinand Mayer, in Wien ge# bohren, Hochfürstl. Hof- Lauten und (Bei#

genmacher. Diese beyden müssen allezeit zu gegen seyn und die Instrumente in gutem Stand erhalten.

Letztlich sind z Musikdiener oder sogenannte Lalcanten. Daß sich also die Zahl aller derer, die zur tHu#

M gehören,

oder auch wegen der Musik vom Host besoldet sind, auf 99 Personen beläuft.

II. Schreiben an den Verfasser der Beyträge wegen der Anmerkungen über den Anhang rc. des Hrn.Weitzler. (Man sehe das rtt Stück des ni. Bandes )

Mein Herr, O>fjr Correspondent irret sich, wenn er den Hrn.

unb auf dem Neunten eine rkune(nona). Ihre Zeichen sind

daher 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9§. 8- Wenn demnach über einem Grundton 2,

.3,4, 5,6, 7, 8, oder 9 siehet, so ist es eben soviel, als wenn auf dem zweyten, dritten, vierten, fünften, sechösten, stehenden, achten oderneunien Orte würklich eine Note stünde, die man mit dem Grund­ ton zugleich anschlagen soll.

§. 9. Die ordentliche Vorzeichnung gilt auch bey den Roten, die durch Zahlen angedeutet werden, z. E. wenn fis anstatt s am Anfänge eines Stückes vorgezeichnet ist, und es stehet über c die 4, so ist der Ton in dem vierten Orte nicht f, sondern ordent­ lich fis. §. 10. Will man haben , daß auf dem zweyten, dritten, vierten, fünften, sechösten, siebenden Or­ te von Grundton ein ausserordentlich Kreutz stehen soll, so bekommen die Zahlen einen Strich. Soll

aber ein ausserordentlich b auf denselben stehen, so sehet man an die Zahlen ein b. Soll ein b qua« Q 2 dra-

534 v- G. C.Weitzlers kurz. Entwurf dratum darauf stehen, so hänget manS auch an die Zahlen. §. n. Wenn über einem Grundton mehr als eine Zahl stehet, so nimmt man zu demselben auch mehr als einen Satz. §. 12. Es können aber über einem Grundton entweder zwey oder mehrere Zahlen über einander stehen, als,, oder, sie stehen auch nach einander, als 4, 3. In dem ersten Fall nimmt man die Töne, die dadurch angezeigel werden, auf einmal, m dem andern aber erst den Ton der ersten Zahl, und alödenn die folgenden, dock so, daß dabey der Grunvton gehalten wird. §. 13. AuS dem was bisher gesagt worden, ent­ stehet in der Ausübung dieser Grundsatz: tTlaft nehme zu einem (Et und ton diejenigen Tö­ ne, die durch ihre Zahlen angedeutet «erden. Um der Kürze halben pflegen aber Toriverständige nicht alle Zahlen über einen Grundton zu sehen, die darüber billig stehen sollten. Dafür aber hat man gewisse Regeln, darinn angezeiget wird, wenn noch diese «der jene Zahl hinzu zu den­ ken sey. §. 14. Ein Accord ist, wenn zu einem Grund­ ton die 3, die 5 und 8 zugleich genommen wird. Die Stelle der 8/ vertritt oft schon der Grundton. Daher man auch zum Accord nur J rechnen darf (10).

§15. Wenn nichts über einem Grund­ ton stehet, ingleichen wenn r, 3,5, 8, ein Rreuz, b oder b quadratum entweder ein­ zeln

der Anfangsgr.derr Generalb. re. 235 zeln oder übereinandergesetzt werden, sö wnd der Accord zum Grundton genomen. §. 16. 2) Zu allen Zahlen nehme man noch die 3, nur mehr wo 2 oder 4 über dem Grundton stehet. § 17. 3) Zur 2 und 4 wird die 6 genom­ men, ste mögen ohne oder mit ernandee stehen, dre 2 allem hat jederzeit noch eine 4 be^ stch. §. 18. 4) wenn über einem Grundton? oder, 9 stehet, so wird noch nebst der Z (§. 16.) die 5 dazu genommen. Zch weis wohl, daß in einem gewissen Fall zur 7, em statt < der Satz i genommen werde. Damit man aber bey dieser Un6e|tnnbtgfeit, entweder gar zu viele Reget* -der Verwirrung vermeide, so setzet m»u alsdenn lieber j UNtek- die 7 mit ausdrücklichen Zahlen. Es gilt diese Erin­ nerung auch von einigen andern Sätzen. Was die Grösse der Töne betrift, die in der»

Sahen vorkommen, so sind folgende vier Fälle zp merken. 1) Wenn über einem Grundton eine oder mehrere Zahlen über einander stehen, so wird zu demselben der Sah nur allein genommen, und alle Töne im Sahe dauren so lange als der Grundton. §. 20. 2) Wenn über einem Grundton zwey oder mehrere Zahlen neben einander stehen, so bleibt der Grundton derselbe, und es wird ein Satz nach dem andern, in der Ordnung, wie sie auf einand^ folgen, genommen.

Sind über einem Grundtorj,

fltt welchem kein Punct stehet, zweyerley Zahlen,

so dauert jeder Saß

so lange, als der halbe Grund.

Q 3

ton,

2z6 V. G. C. Weitzterskurz. Entwurf ton, z. E. der Grundkon wäre ein Viertes, so muß

jeder Satz ein Achtel dauern.

Stehet aber em Punct bey einem Grundton, so gehet der erste Satz auf den Grundton, und der andere auf den Punct! z. E. Es stünde bey einem Viertel ein Punct, so müßte der erste Saß so lange als ein Viertel, und der zweete als ein Achtel gehalten werden. Stehen über einem Grundton ohne Punct dreyerley Zahlen, so kann man sich vorstellen, man hatte zween Gruud» thue auf eben demselben Orte, die nur halb so groß warm, als der gegebene, und alsdenn nimmt man entweder zu dem ersten zwey Sätze, und dem an«

der» einen, oder zu diesem zwey, und zu jenem

einen.

Stehen aber über einem Grundton mit einem Puncte dreyerley Zahlen, so dauert ein jeder

Satz halb so lange als der Grundton. Oft stehet auch ausdrücklich über dem Punct eine Zahl, und dieselbe muß alsdenn zum Punct genommen wer«

den.

Man darf alle dieß Regeln eben nicht aus« wendig wissen, sondern man kann sie nur bey Ge­ legenheit durchsehen.

§. 2i. z) Wenn sehr kurze Grundtöne Vorkom­ men, oder die langen sehr geschwinde gefpiekt roer« 'hey, und es stehet über dem ersten davon eine Zahl, ob« es soll der Accord dazu genommen roerben

(§. i;.), so halt man den Satz des ersten Tones solange, oder pausiret bis die folgenden Grund« töne blos nachgeschlagen sind.

Sonsten, wenn

nichts über den Grundtönen stehet, so wird in die«

fern Fall nur zum ersten, auch öfters zum dritten

d er Anfangsgr. den Generalb. rc. 237 •in Accord genommen, die übrigen schlägt man

blos nach.

§. 22. 4) Wenn über einer Pause eine Zahl

stehet: so ist der Grundton zu derselben die folgen­ de Note, wenn die Pause im Anfänge eines Glie­ des, oder im Anfänge des Tactes selbst; die vor­ hergehende, wenn sie am Ende desselben Gliedes oder Tactes stehet. Der Satz aber wird so viel eher angeschlagen oder gehalten, als die Pause lang ist; rind wenn über der folgenden Note keine be­

sondre Zahl stehet, so datiert der Saß so lange, als die Pause und folgende Note oder Noten zusam­

men genommen.

§. 23. Wenn eben derselbe Grundton auf einem One wiederholet wird, so gilt der Saß, der über dem ersten stehet, auch auf alle folgende, bis eine neue Zahl darüber vorkommt. Und wenn die Grundtöne durch die nächsten Oerter steigen oder fallen, so behält inan gemeinhin der« Saß von dem ersten bey, und schläget alle die übrigen dazu an, dis wiederum eine Zahl oder ein Sprung vorkommt. Am besten wäre es, wenn man nach Kölners An­ rachen in dem leßkern Fall dies Zeichen — über die Grundtöne setzte.

§. 24.

Der eigentliche Generalbaß ist,

wenn man zum Grundton jederzeit diejenigen Töne nimmt, die vom Grundton angerechnet, durch die Zahlen angedeutet werden (§. £.).

Die Töne, die

in diesem Generalbaß vorkommen, werden eigent­ liche Tone genanm (n).

St 4

LZ8 V. G. C. Weitzlers kurz. Entwurf §.2;. Man übe sich in diesem eigentlichen neralbaß mit der linken Hand so lange, bis man darinn fertig ist, welches eben nicht viel Zeit erfor­ dert. Man bedienet sich bch demselben gemeinhin solcher Generalbaßstücke, wozu auch ein Discant vorhanden ist, als Lieder, Arien rc. Man kann ihn aber zur Uebung auch ohne Discant spielen. §. 26. Athnliche Töne (Octaven) sind alle die­ jenige, die einerley Namen haben, als groß G, klein g, ingleichen eingestrichen d, und drey gestri­ chen d. Unähnliche Töne sind solche, die nicht einerley Nahmen führen, als g, f, h, &c. §. 27. Aehnliche Töne kann man ohne Aende­ rung des Klanges für einander sehen, z. E. einge­ strichen c für ein groß C, zwey gestrichen c für ein­ gestrichen e. Man hat Grund genug, im Ge­ neralbaß nach biefem Grundsätze zu handeln. In der Melodey aber lasset man ihn nicht allezeit gelten. $. 28- Der künstliche Generalbaß entstehet, N-enn man für einen oder mehrere eigentliche Töne die ähnlichen davon nimmt. Dieser wird theils Mit der Rechten, theils mit der Linken gespielet. Jener ist um eine Ockape höher als dieser. 29. Denn man den künstlichen Generalbaß spielet, sowerden die Aehnliche nicht immer in der Ordnung genommen, als die Eigentlichen über ein­ ander

der Anfangsgr. den Generalb. rc. 239 ander stehen. Nemlich, wenn der e^entlicheGeneralbaß von • B, f T *d

d

B ist,so darfderKünstliche nicht etwa auchd,sondern er X

z

f b kann auch d und f seyn. Dergleichen Arten die Töne über einander zu ordnen,, heisse» Verwand/ hingen (variationes) (12). §. 30. Wenn in einem Sahe zwey -der mehrere Aehnliche, oder Töne von einerley Namen vorhan­ den find, so nennet man ihn einen verstärkten Saß, und die Aehnlichen die Verstärkung (r z). Meine Meynung von der Verstärklmg der Sähe, ist diese: Man kehre sich darinn an keine Regel, und richte alles in diesem Stück nach Belieben ein. Will man Aehnliche oder Octaven zu diesen oder jenen Tönen eine- Satzes nehmen, so thue man e-; will mans aber nicht, so ist es auch gut. Inder Kom­ position finden dergleichen Regeln wohl statt, und sind auch oft sehr nöthig. Allein ein Generalbas« sist muß mehr Freyheit haben, al- ein Komponist, weil dieser sich zu besinnen, Zeit hat, und jener nicht, weil dieser mit regulären, und jener nur mit irregulären Mittelstimmen zu thun hat. §. 31. E- folgt nunmehro die Aufgabe, dm

künstlichen Generalbaß mit der rechten Hany zu spielen. Dieses geschiehet auf folgenQ 5 de

L4S V. G.C.Weitzlers kurz. Entwurf Se Art: Man suche r) den eigentlichen Generalbaß (§. i—24.) von dem ersten Grundtun. 2) Behal­ te vön den eigentlichen Tönen nur die Namen. 3) Erwähle einen Aehnltchen von denselben, ohngefehr zwischen zweygestricherrg, und eingestrichen c nach Belieben zum höchsten (*). 4) Gehe von dem an, genommenen höchsten Tone Stufenweise nach «ft,

ten, und nehme diejenigen Töne an,, die mit den -ach n L behaltenen eigentlichen Tönen gleiche Na­ men haben, dazu, und, schlage 5) diese Töne zu­

sammen mit dem Grundton zugleich an. 6) Mit den folgenden Sätzen macht man es eben so, nur t&nß ist noch zu merken. Man suchet immer einesolchen höchsten oder feinsten Ton, der dem höch­

sten Ton des vorhergehenden Satzes am nächsten

kommt, und zwar gemeinhin den nächsten nach un­ ten, wenn der Grundtyn des vorhergehenden Satzes niedriger, und den nächsten nach oben, wenn

der Grundton des vorhergehenden Satzes höher ist. 'Oder kurz, man springe nicht mit der rechten Hand, sondern laste sie so viel als möglich, nur Stufen­ weise den höchsten Ton verändern. Ist aber der Höchste aus dem vorhergehenden Satze zugleich ein

ähnlicher von einem eigentlichen Ton des folgenden Satzes, so behält man ihn in beyden Sätzen bey.

C) Der höchste Ton ist hier derjenige, der feiner klin­ get als alle übrige Tön», die damit zugleich angeschlagen rverden sollen. §. 32. Wenn man eine gegebene Melodey zu-

?lekch kn diesem Generalbaß ausdrücken soll, so sind ie Töne der Melodey, die mit dem Grundton züsammengeschlagen wephizn,

jederzeit die Höchsts.

Als

der Anfangsgr. dmGeneralb. rc. L41 Als in Liedern.

Denn die Töne der Melodeh itntf«

sen ähnliche Töne von den Eigentlichen seyn.

H. zz. Den künstlichen GenemlbaUmLß der lmkcn Hand zu spielen, bedarf m^n eben keiner besondern Regeln. ES ist alles wie bey dem Generalbaß mit der Rechten. Mqn spielet -hn nur eine Octave niedriger als den letzter», dH', der höchste tn demselben muß niemahls über ein ge­ strichen g, und unter klein c kommen (§.z r.). Die Melodey wird dazu mit der rechten Hand, und die Grundtöne oder der Baß auf dem Pedal ge­ spielt (14). , §. 34. Man hat km Generalbaß zwar nur mit lauter zugleich klingenden Tönen zuthun (§. i .), weil es aber beynahe gleichgültig zu seyn scheinet, oh Töne zugleich oder geschwinde auf einander genom­ men werden, so kann man auch die Töne eines

Satzes geschwinde auf einander nehmen. Dieseheisset, einen Satz brechen (harpeggh-en), unt> rin gebrochner Satz ein Bruch (harpeggio). Er Llingk schön, wenn er am rechten Orte angebracht wird.. §. 35. Was die Finger betrift, so hat man Öi Aussuchung derselben nur immer auf die Tön« eines Satzes zu sehen, wozu bald diese, bald jene Fin­ ger bequemer sind. Beym künsmchen Generalbaß mit der Rechten, nimmt man, wo es angehet, zu den Grundtönen noch die Oktaven mit der linken Hand, damit die Grundtöne desto stärker ins Ge­ hör fallen.

24r V. G C. Weitzlers kurz. Entwurf §» 36. Ich habe, wie bekannt, nur zeigen rock len, wie der Generalbaß nach Zahlen zu spielen sey.. Man findet aber doch zum öftern, daß er auch ohne Zahlen gespielet wird. Wie geht das an? Ich «ntwokket Generalbaßstücke, die nach dem Schnitt einer-herHchcnden Compofitionemode verfertigt sind, können leicht ohne Zahlen gespielet werden; denn |$e sind eben daö, was gedruckte Hochzeiköbriefe von eiper Austage sind. Wenn man einen gelesen hat? fe weis man auch beynahe den Inhalt von den übri­ gen, die Ausfüllung der Linken , machet nur eini­ gest Ünterfcheid. Wer nun eine solche herrschende Mode inne hat, dem wird eß auch leicht, in allen Deneralbaßstücken darnach zu handeln. Gehet Man Über davon ab, so wird es au Neralbaß, der der Willkühr fernes Componisten un­ terworfen ist, gehörig ohne Zahlen zu spielen, den Matheson selbsten für den größ­ ten theoretischen Musikus hält (*), erboth sich an Die Erklärung der Intervalle ist sehr possierlich. Wer Lust hat zwlachen^ d«r findet hiezu Gelegenheit. Wenn aber daselbst eine (tXuarte, oder wie Herr Halter sagt eine Vier schlechthin, aus einem ganzen und zween halben Tönen bestehen soll: so ist dieses wohl «in Druck», fehler, und wird es heissen sollen: aus zween, gan­ zen , und einem halben loiy» (28) Ueber die vermeinte Unrechtmässigkeit der

übermäßiger» Secunde und verminderten Septime wird das Publicum den gelehrten Aus» fpruch des Herrn Haltere mit Ungedult erwarten. Was wird das für eine Entdeckung werden! (29) (30) Wae allhier ein einfacher Satz gknenyet wird, heißt bey allen Muficis «'n In­

tervall; und was ein zusammengesetzter Gay genennet mird, heißt ein Accord. Warum bleibt man denn nicht bey überall ringeführten Nahmen? Roch einmahl , man «finde doch neue Sachen, aber

-en vorhergehenden Entwurfrc. 265 aber keine neue Nahmen. Doch halt! Gehören die von dem Herrn Hairer sogenannten Resonan­ zen nicht unter die Erfindung neuer Sachen? Dock­ ich habe hierüber schon meine Anmerkung vorhin gemacht. (31) (32) Die Definition der Dissonanzen und Konsonanzen ist gar zu merkwürdig, als daß man solche mitStillscheigen vorüber gehen könnte. Wo ich mich nicht irre, so hat Herr Hal­

ter gar die alten griechischen Scribenten von der Musik parodiren wollen, und er würde es getrof­ fen haben, wenn er eö gethan hätte. Er definirt" aber just die Consonanzen, wie die Alten die Dis­ sonanzen definirten, und umgekehrt. *D! wie schlecht

phiiosophirt dec Herr Halter! SitacuisCcs &c. Wie definircn die Alten denn die Dissonanzen? Durch

Töne, die, wenn sie zusammen angesthlagen werden, gleichsam gespalten, und sich nicht lmtcreinander zu vermischen schei­ nen (*); das heißt, die man völlig von einander unterscheiden kann; und Herr Halter sagt das Ge­ gentheil.

Wie definiren die Alten denn die Con­

sonanzen? durch Tpne, die, wenn sic zusam­ men angeschlagen werden, sich dergestalt untereinander vermischen, daß sie gleich­ sam zu einem einzigen Tone zu werden scheinen; das heißt, durch Töne, die man nicht völlig von einander uilterscheiden kann; und Herr = Halter sagt das Gegentheil. Sein Gehör hat hier S r wohl C) Siehe die histor. krit-Deytr. ll. Band. *• Stück. Seite joj.

266

VI. Selamintes Anmerk, über

wohl nicht Schuld.

Er hatte vom Vermischen

und Unvermischen der Töne, dqß ich so sage, etwas wo gelesen. Er glaubte, allhier den Ort gefunden haben, solckeo wieder anzubringen, und sich dadurch in das Ansehen eines vdilosophirenden Mu­ sici zu setzen; allein, warum folgte er nicht lieber seinen sinnlichen Empfindungen? Er philosophire doch hinfort nicht mehr. Waö sollen die Mathematiken Verhältftifjc annoch ben dem Effect der Consonanzen und

Dissonanzen bestimmen? Ist dieser Ausdruck nicht wieder übel angebracht worden ? Wer aus den Zah» len den Effect eines Intervalls beurtheilen will, der muß schon etwas mehr, als der Herr Halter

darinnen gethan haben. Aber sind die Zahlen dis Ursache, oder die Vorstellung des Effects eines In­ tervalls ?

(33) Die Redensart teiltet Satz, wodurch

man überall eine nach den strengsten Regeln der Composition verfertigte Musik versieht, wird hier gemißbrauchek, tung gegeben.

und ihr eine unrechte Bedeu­ Wozu nüßet diese Emtheilung,

oder, soll sie statt finden, warum werden keine bessere Termini dazu erwählet, und warum erklä. ret man sie nicht besser? Hier findet man ja nichts, als ei« Galimathiaö.

(34) Wieder was neues! Die Secunde ist eine eigentliche Dissonanz, die Septime aber eine u«-

eigentliche rc. Die Kürze erlaubt dem Herrn Hal­ ter nicht, sich hierüber weiter zu erklären , und mir

da«

Ben vorhergehenden Entwurf rc. 267 bas Lachen, eine weiters Anmerkung darüber zu machen.

(3 t) Die grosse und kleine Terz find mit Erjaubi'.iß unvollkommne Consonanzen, so wie die kleine und grosse Sexte.

(36) Kann etwas undeutlicher imb verwirrter seyn, als was hier von der Auflösung der Disso­ nanzen gesagt werd? Diese Lehre soll nun für junge Leute seyn!

(37> Der Herr Halter gebe sich nicht mit der Lehre von der dXiMrtc ab. Er zeigt in diesen we­ nigen Worten, daß er so wenig davon versteht, als verschiedene andere. Er brauche sie in der Praxi, wie es sich gehöret, und lasse sich um eine nähere grammatische Käntttniß derselben unbekümmert. Wo bleibt denn das Exempel von der Resolution der Sexte r (38) Was kommen allhker für elende Erklärn«gen vor? (39) Sonst theilet man die Beivegung in die Gegenbewegung, gerade, Seiten- lind Parallel­ bewegung'ein. Herr Halter, der keine Octaven. Secunden, Terzen rc. kennet, und von nichts ak» Achten, Zweyen, Dreyen, re. spricht, erzählet uns hiev etwas von einer conttaten Bewegung.

Dost) dieses wäre ihm zu verzeihen. Allein da» «brige? Vielleicht antwortet er, und alsdenn spre­ chen wir unS noch einmahl.

S 3

VII.

26g VH. Fortsetzung der Abhandlung

VII. Fortsetzung der Abhandlung des

du Bos rc.

U

m die angezogene Stelle des Aristides zu erklä­

ren , wollen wir gleich Airfangs einige Stel­ len aus dem Werke des Martianus Lapella anführen, welches er in lateinischer Sprache von den Künsten und der Mustk geschrieben hat (*). Dieser Schriftsteller hat wirklich nach dem QuintilianuS Aristides gelebt-; allein er hat vor dem Boe« thiuö gelebt, welcher ihn anführt, und dieser ist genug, seinen Zeugnissen in der vorhabenden Sa­ che das gehörige Gewicht zu geben. Nach dem Capella ist Melos, von welchem sowohl Mclopäie als Melodie Herkommen, nexus acutioris & grauioris Ibni (**). Ich führe den Text des Capella nach den Verbesserungen an, die man, nach des Meidomius Meinung, darinn machen muß. Da die blosse Declaination, eben so. wohl als der eigent­ lich so genannte Gesang, in einer Folge von Tönen besteht, die schärfer oder gelinder, als ihre vorher­ gehenden sind, und unter einander künstlich ver.bunden werden; so muß es in der blossen Declamation eben so wohl Melodie geben, als in dem eigent­ lich so genannten Gesänge; und folglich auch eine C) De Nuptiis Philologie. C*) In notis ad Aristi. p. 249.

des du Bos re.

269

Art von Melopäie, welche die Verbindung, von welcher Capella redet, wohl zu machen, das ist, die Declamation wohl zu componiren lehret. Wir müssen sogleich die ganze Stelle anführen, in wel­ cher die angezognen Worte vorkommen. Melopaeia eft Habitusmodulationis effe&iuus, Melos autem eft nexus acutioris vel grauioris fonL Modulatio eft foni multiplicis expreflio. Melopaeiae fpecies sunt tres, Hypatoides, Mefoides, Nctoides. Et hypatoides eft quae appellatur Tragica, quae per grauiores sonos conftat; Mefoides quae Dithyrambica nominatur, quae tonos aequales mediosque cuftodit. Netoides quae & Nomica confueuit vocari, quae plures sonos ex vltimis recipit. Sunt etiam & aliae distantiae, quae tropica Mela dicuntur, aliae Comiologka, fed haec aptius pro rebus fubrogantur, nec fuas magis poterunt diuisiones afferre. Hae autem fpecies etiam tropi dicuntur, Diflentiunt autem Melopaeiae ipfae modis pluribus inter fe; &genere, vt alia fit Enarmonka, alia Chrotnatica* alia Diatonica. Specie quoque, quia alia eft Hy­ patoides, alia Mefoides, alia Netoides. Tro* pis vt Dorio, Lydio vel caeteris (*). DieMe» „lopaie ist die Kunst, die Melodie zu componiren. „Das Melos ist die Verbindung der scharfen Söne „mit den gelinden. Die Modulation ist ein ab« „gewechselter componirter und in Sloten geschrieben „ner Gesang. Es giebt drey Gattungen dar Me« „lopäke. Die Tragische oder die Hypatoidische,

2?d vii. Fortsetzung der Abhandlung „welche gemeiniglich die tiefsten Töne braucht; die „Dithyrambische oder die Mcsoidische, welche dis „mittlern Töne braucht und in welcher meistenthei^

„die Fortschreitung des Gesanges durch gleiche In»

„tervalle geschiehet;, und die Römische oder Netoi» „dische, welche verschiedne von den höchsten Tönen „braucht. Es giebt auch noch einige andre Ga Compcsirion t« ( Hrn (LapelLmetst.

---------- Sein Selbstgcfangencr, oder 3obolct, vom Hrn. Capellm. Frank compoturi" Die mehrentheils aus dem Französischen genom­ mene Poesie ist vom Hrn. Matsen. Hamburg: —- — Gcchriel Tzschimmcre Dlirchl. Fusämmenkunsr, oder Lustbarkeiten Ioh. Georgs II. . in Dresden gehalten. 1681. Götterfrcube. Merseburg in Fol. ---------- Die Geburt Lhrrsti, vom Hrn. Capellmeister Tbeil. ---------- Semele, ] vom Hrn. Capellm. Franks ---------- Hannibal, )> und in Hamburg aufgefüh---------- ret. Die Balletmeister waren zu dieser Zeit die Her­ ren Benjamin und Lchmann.

16R2. Der witzige Freyer, oder der Rosabelle • Schaferey Freudenspiel. Weissenfels in Fol. ------- — Die grünende VOirtbschafr dev ver, liebten Gedanken. Christiansburg. ------- Diocletianus, aus dem ital. und componirt voM Capellm. Frank. Hainburg.

— — Attila, von eben demselben Componisten. Hamburg. 1683. Vespastanus, comp. vom Hrn. Capellm. Frank. Hamburg.

292 I. Verzeichnis deutscher Opern.

— — Der ^>6Ucnfluvmenbe Liebeseifer, Orpheus und Eurydice. Eisenberg. --------- Muster der Klugheit/ oder die unver­ gleichliche Abigail. Weißenfels. 1684. Abraham der Grosigläubige, und Isirac der Wunbctgeborfdnte, von dem Pegneßschen Blumengenossen Teladon. Nürn» berg. --------- Ursprung der römischen Monarchie. Eisenberg. --------- Die bewährte Liebescnr. Eisenberg. — Der Götter Freudenfest • Ballet. Berlin. — — Der beständige Orpheus. Wolfen­ büttel. --------- Treu Herr, treu Knecht. Weißenfels. — — Der thüringischen Herta Sehn­ sucht. Weißenfels. — — Der hochmüthige, gestürzte 'und erhobne Trösus, componirt vom Hrn. Capellm. Förtsch oder Fortius, nachmahl. Dock. Medicinä, auch Hochfürstl. Bischöfl. Lübeck. Hofrath und Leibarzt. Die Poesie ist vom Hrn. D. Lucas von Bostel, Syndicus und end» lich Bürgermeister in Hamburg. Hamburg. — — Das unmöglichste Ding, comp. vom Hrn. Förtsch. Hamburg. i6$4

r Verzeichm'ß deutscher Opern. 293 i584- Oromachuv und Ar^bane, oder die irrende Liebe. Weißenfels. 1685. Eröfuung des neucingettd^teten Schauplatzes, auf der neuen Augustus-Burg zu Weissenfels. ---------- rieco, der verzweifelte Selbstmörder.

Weißenfels. — — Phöbus und Irene. Weißenfels. Dre böchsteGiückstelü keit, bestehend in der Vereinigung der Seele nur Gorr, durch den in Tugenden thätigen Glauben. Coburg, , in Fol. — — Glück über Macht und Rath. Weist fenfels. — — Das bezwunyne ldfen. Leipzig. In diesem Jahre sind in Hamburg keine Opern gespielet worden. i6g6. Gaal-RudolstadtistheLÜmmer-Ver« ernpaarung zwiscl)en dem höchstpreißwürdigen Hirten Lucrdor, und der unvergleichlichenSchä» ferinn Luziana. Rudolst. Fol. — — Laßtanus. Coburg in Fol. — — Medea. Wolfenb. in 4. — — Lara Mustapha, oder Belagerung von Wien, vom Hrn. v. Bostel, eompon. vom Hrn. Frank. 1. Theil. Hamburg. — — Lara Mustapha, 2. Theil, oder der er­ freuliche Entsatz von Wien, von den vorigen Verfassern. Hamburg. Der Mahler war Hr. Kamphusen; Balletmei» sier die Herren Rambour und Schuchbeld.

lll.Sand4.Stück.

U

Weil

294 I- Mrzeichniß deutsther Opern. Weil Hamburg um diese Zelt belagert rodrb, so hielten die Opern daselbften wiederum cm bis 1688. L686. Älarich. Dresden aufdemSchaupkahe Joh. Georgs lll.

1687. Die gehöhnte, aber endlich gekrönte Gottesfurcht, am Daniel in der Löwengrubs vorgestellt. Coburg. ---------- Phöbus. Weißenfels. ---------- Die geraubte Helena- Weißenfels. —- — Dre glückleclrge Verbindung des Zephvrs mit der J'lora. Weißenfels. -------- - Der gerechte Salcucus, aus dem ital. überseht, unb componirt von Joh. Lobmern, Organisten der Kirche zum H. Geist in Nürn­ berg. 1688. Tecrope mit seinen dreyen Töchtern. Weißenfels. -------- - Hercules in Theben. Wolfenbüttek.

--------- Alexander in Srdon, comp. vom Hrn. Fortfch. Hamburg. Mahler und Ealletmeister wie im Jahre 1686. — — Eugenia; Musik vom Herrn Förtfch; Poesie vom Herrn Liccut. Heinrich pojiel. Hamburg. --------- polveuctes. Musik von Förtfch, Poesie von Elmenhorst. Aus dem Franzos. Haniburg. ■--------- Die befreite Andromeda. Weißenfels. --------- Die gedrückte und wieder erquickte Ehelkebe. Weißenfels.

1689

l. Verzeichnis deutscher Opern. 295 »689. Die ansgesohrite Erfcrsucht, oderCephaluö und Procris. Weißenfels.

---------- Sommer und Winter, Ballet und Masquerade. Weißenfels. 1690. Der großmüthige Scipio. Weißen­ fels. — — Der wahrjagendeWunderbrunnen,

Weißenfels. --------- Dtphens, in einer ital. Oper auf dem Schauplätze zu Braunschweig vorgestellt, und daraus ins Deutsche übersetzt. Braunschweig. - -------- Die unveränderte treue Ehegattin Penelope. Gocha in Fol. — — Julia. Brauschweig. ---------- Mercurius in einer Maskerade. Weif, sensels. ---------- Der frölich bewillkommende Frübling und Gommer, in einem Aufzuge und - Ballet. Dresden. ---------- Tbalestris ] Hamburg, eomp. ---------- Ancile Romanum f von Förtsch; die -------- - Lazazeth und Ta-' Poesie vom Licent. Postel. Merlan. ---------- Don L^uixotte, Musik von Förtsch; Poesie vom Licent. Hinsch. Hamburg. 1691. Drama Ecclefiasticum, oder geistliches Sing­ spiel von der Perehligung Isaacs undRebes-

U 2

ca,

296 I. Verzeichniß deutscher Opern. ca, von M. David Trommern, von Plaue« aus dem Vogtland-, Kayserl. gekrönten Poeten. Leipzig. 1691. Der Teinpel der Liebe, welfth und deutsch. Dresden.

«-* '-T- Ariadne, compon. vom Hrn. Capellm. Conradi, die Poesie vom Lic. Postel. Hamburg. — — Diogenes 1 von eben denselben - - numapomptüuej W"""' Die Oper pomptüus ist mit der un. ter dem Titel, Anale Romanum im vorigen Jahre 1690. aufgeführten, der Poesie nach einerley, und nur der Compositionuach un# terschiedeii, indem sie damahls Förksch, und ißt Conradi gesehet. — — M. David Trommers geisil. Sing­ spiel. Leipzig.

— — Cleopatra. Wolfenbüttel.

-7- — Die glückseelige Verbindung des Zephirs mit der Flora. Weißenfels. 1692. Der eifrig erregte, doch glücklich be'sgelegte Präcedenz-Greit, am Geburts­ feste Fr. Marien Elisabeth, Herzog, zu Sachs, ge.bohrne Landgr. zu Hessen, denn. März 1692. eröfnet. Schleusingen. -------- Der mächtige Monarch der Perser, Nerzes in Abidue.

1592.

I Verzeichniß deutscher Operm 297 1692. Der tapfere Kayser € Verräthst! Also muß mir ein Zu. sall mein Schicksal-entdecken. So bin ich also ein Spiel dieser Leute? Hat mir denn meine blinde Leichtgläubigkeit' bisher ihre Betrügercyen nicht sehen lassen! Wird meine Liebe dergestalt verachtet?

ein Schäferspiel.

321

Lhioris. (bey sich, da sie dieses höret.) Die List geht gut. peilen. Da kömmt die Betrügerin wieder, die ungetreue Seele, das falsche Herz! .

Z22 II. Der Triumph der Treue, Philen zu Nicen. $inn eß kn der Welt eine schwärzere Verräkherey geben? Nun traue dem Lhyrftß, verlaffe dich auf diese. Chloris.

Aber höre - ---------------

Philen. Nein. Du hast mich genug betro­ gen. Du lachest mit meinem vekrätherischen Freunde über mich, aber du wirst nicht lange mehr lachen.. Ich will dir den Nichtswürdigen vor dei­ nen Augen mit eben diesem Pfeil erstechen. Er gehe, wohin er nur will. Im tiefsten Eingeweide der Erde, oder an ihrem äußersten Rande, ist kein Ort, der ihn vor meinem Zorn verbergen könne.

Arie des Philens. Ich schäume vor Abscheu und Grimm. Daß' Herz zittert mir im Busen. Unwürdiger, meineydiger Freund. Aber du bist noch ärger, als dieser Verpäthcr. Giebst du, Undankbare! meiner ge­ treuen Liebe, eine solche Belohnung? Mich tobtet der wütende Schmerz. Wenn du meinen Zorn noch mehr anflammest, so fürchte dich vor meiner Wuth!

Siebenter Auftritt, nice und Lhloris.

ritce. Ist das die freundschaftliche Chloris? Betrügst du mich solchergestalt?

Lhloris. Worüber beklagst du dich? Habe ich dir nicht gesagt, daß Thyrsis des Betrügens ge­ wohnt

ein Schaferspiel.

323

wohnt ist, und mit mir kurz vorher "von Liebe ge­

sprochen chat» Nice (spöttisch.) Aber du hast mir noch nicht gesagt, daß du ihn liebest. Philen sagt es, und in Wahrheit er ist ohne Ursache gegen dich so auf­ gebracht. Du bist diejenige, die den betrügerischen ThyrsiS genau kennet, und ihm zu Gefallen die Nice und den Philen nicht hintergehen würde. Thloris. Deine Spötterey, o Nice! ist zur Unzeit angebracht. Philen ist in seinem eifersüch­ tigen Zorn blind. Er hört mich nicht, und ver­

mengt den Unschuldigen mir dem Schuldigen. Ist es meine Schuld, daß mir Thyrsis diesen Pfeil ge­ schenkt! Bin ich denn deswegen gleich in ihn ver­ liebt ? Nein, ich kenne ihn gar zu gut. Mein Hetz ist frey von ihn^und ich danke der Liebe für diese meine Gesinnung.

Arie. Ich gehe sott vergnügt mit meinem Schicksaal. Aber das deinige jammert mich. Wenn ich dich ansehe, so erinnere ich mich, daß ich auch zuweilen Bekümmerniß ausgestanden, habe. Ertrage den herben Schmerz deines Herzens großmüthig. Eine neue Liebe wird deinen Verlust bald wieder ersetzen können.

Achter Austritt, rtice hernach Thyrsis. LTkice. Ach es ist nur gar zu wahr, was mir Chlorie^jsagk. Ich selbst habe mich verrathen. Und

Z24 n. Der Triumph der Treue, Und dieses sind, o Nice, die glückselige Hegenden, die du gesuchet hast. Laßt uns fliehen. Laßt uns reisen. Laßt uns an unsere Ufern zurückkehren. Die ganze Welt ist mit ungetreuen Liebhabern angefüllet. Thyrsis. Meine Nice. Nice (will weggehen.) Da ist der Boßhafte.

Ich

muß fliehen. Th^rsis. (zieht sie zurück.) Warte doch. Nrce. Laß mich gehen, Verräther! Thyrsts. (hält sie noch.) Meine Geliebte, was sagest du? Ich ein Verräther! aber wie? Worinn habe ich gefehlet? Nice. Laß mich loß, Ungetreuer! Du weißt schon alles. (Thnrsis läßt sie loß.) (Ebyrfis. Ich weiß eö! gerechte Götter! Rede! was habe ich gethan? Wenn habe ich bei» tun Zorn verdienet? Nrce. Meyneidiger, undankbarer! denkst du mich noch zu verspotten? Nein, dieses mahl wirst du nichts ausrichten. Endlich bin ich von allen deinen schwarzen Betrügereyen überführet, ich habe neue Proben davon, und meine Augen haben sie gesehen. Tbvrsrs. Heilige Götter des Himmels! Nice, mein Abgott. Aus Barmherzigkeit, verschweige mir nichts. ihr Götter! Weine Hofnung!

Niceich gehe.

Hast du es gehöret? Gehe weg, oder

Arie. Thuirs. Ich gehe fort. Vergönne aber nur meiner Betrübniß einen Blich Lies mein Herz aus meinem Gesicht- Ich bin dir nicht untreu ge­ wesen. O wie überwältiget der herbe Kummer mein Herz also, daß ich deines Mitleids würdig bin! Versage mir solches nicht.

Neunter Auftritt. Nrce allein. Endlich ist er weg. Ich fühle noch, daß ich ihn liebe. Noch würde ich mich verführen lassen, wenn

ich

nicht von seiner Unbeständigkeit gewisse Proben hätte. Aber dismahl nicht. Ich will den Unge­ treuen vergessen. Der erzürnte Philen wird mich rächen. Ja! undankbarer Thyrsiö! Dießmahl sollst du eS mir bezahlen. Ich werde diesen un­ glücklichen Pfeil dein Herz durchbohren sehen. An deinem schuldigen Blut will ich meine Augen weiden. Du hoffest vergebens, daß das Milleiden mich bewegen werde. O ihr Götter! armes Herz! du drohest, und seufzest.

Z.Sand. 4. Stück.

Y

Arie.

326 II. Der Triumph der Treue, A r i e. Ich möchte den Unwürdigen strgfen.

Ichmöchte

fein Herz auöreiffen. Aber die Liebe halt mich zu« rück, und machet mich seufzen. Die Wuth kocht in meinem Herzen, und Thränen stehen in. meine» Augen. 0 wie unsinnig irre ich zwischen Zorn und Mitleiden!

Dritte Handlung. Ern frryes Feld, mit einer Aussicht von Wieselt und Dörfern m der Entfer­ nung. Erster Philen

und

LTlice.

Philen. Schiebe deine Abreife noch etwas,auf, Nice. Mein Nebenbuhler wird auf eine falsche Einladung von mir bald Herkommen, riice. Ich will reisen. Und ich denke nicht mehr an ihn. phüen. Er kommt schon.

ETtcc. (im Begriff wegzugchen.) Ich will ihn nicht sehen.

Lebewohl.

Philen. Warte. Du sollst sehen, wie ich dich racher, will. Durch diese Hande soll das Opfer deiner Rache sich auf der Erde verbluten.

me.

ein Schaferspiel.

H27

Nice. Er mag sterben, wenn ich nur erstweg bin. Ach ich habe das Herz nicht! ich will ihn retten und beschämen. pbtletL Er ist hier. Wir wollen den Zorn auf eine kurze Zeit zurückhalten. Noch denkt viel­ leicht die verführerische Seele, mich zu verspotten. Laßt uns hören, was er sagen wird.

Zweyter Auftritt.

Thyrfts und die Vorigen. Thyrsts.

ivor sich») Rice mit dem Philen!

phllcn» (der Verbrecher fürchtet sich.) nice»_ (Mir schlägt das Herz im Busen.) Thyrstv. Phiien! mein Freund! Hast du jemahls Mitleiden mit mir gehabt, K> habe ich dei­ ner auch niemahls nöthiger gehabt, als jeho. Rice zagt mich weg und saget mir nicht warum. Phi­ len hilf mir. Ich unterstehe mich nicht zu sprechm. Sprich du für mich. Habe ich gefehlet, so laß sie mir wenigstens meinen Fehler sagen. Mache, daß sie sich wenigstens erkläre.

Philen.

Der unverschämte Betrüger !

XXxte»

(Kann er so erschrecklich lügen ?) Thyrstö. Du hörst mitt) nicht. Du wendest teilte Augen von mir ab! Wo ist denn nun dein altes gutes edles Herz? o Philen. pyllett. (zu Thyrsiö mit Heftigkeit.) Verra» therischcr Freund 1 Tyyrfts. Ein verracherischer Freund! ich! 9) L

pfyifeih

Z2tz II Der Triumph der Treue, Peilen. Ja, du! diesen Pfeil will ich dir den Augenblick ins Her; flössen. Bösewicht, Treu« loser! . Er will ihn erstechen:) Nice. (halt ihn auf.' Halte ein, o Philen! Vermeide ihn. Verachte ihn. Laß den Treulosen leben. phtletl. Rächst du also die Beleidigung, o Nice? rTice. Ich räche mich schon dadurch, daß ich ihm vergebe. Folge meinem Beyspiel. pbtlcft. (Zum ThyrsiS mit Verachtung.) Gehe. Ihres MitleidenS wegen schenke ich dir dein Leben. Gehe. Mit diesem Blute, mit diesem deinem un­ würdigen Blute will ich mich nicht einmahl bestecken. Es würde eine Niederträchtigkeit seyn. Gehe fort. Dein Verbrechen sen deine Strafe. Deine Geliebte selbst sott das Werkzeug meiner Rache seyn, und sie wird dich bester strafen als ich. Tb>vrsio. Aber träume ich? Entweder muß ThyrsiS oder Philen wahnwitzig seyn. Weist du dxnn nicht, daß ich Nicen anbete?---------pbilcn. ThyrsiS! Nichts mehr! Wenn ich meine Wuth zurückhalte, mißbrauch du solches nicht. Verstelle dich und betrüge weit du willst. Aber mit Philenen laß diese Posten tmterwegenö, und schweige.

Arie. Gehe zu deiner Geliebten. Du kannst dich dei­ ner Verratheren gegen sie rühmen. Aber mit mir scherze nicht. Denn wo ich meines Rache, meinem Zorn

ein Schaferspiel.

329

Zorn den Zügel schießen lasse; so werde ich das Herz durchbohren, das mich hat hmtergehen können.

Dritter Auftritt.

Thyrsts und Elite. Aber was ist denn nun mein Ver­

brechen ?

ETite.

Frage dein Herz darum!

Tb>xxsts. Wenn ich strafbar bin, warum ret­ test du mich, 0 Nice? Warum entwafnest du den Philen? Vielleicht hast du die Rache deiner eHnen Hand aufbehalteu? (Er reicht ihr seinen eige­ nen Pfeil.) Da hast du das Gewehr, und hier meine Brust. iTtce. Nein. Der Tod ist eine zu kurze Strafe für dein Verbrechen. Nein. Lebe Undankbarer. Lebe zu deiner eigenen Marter. Lebe zu deiner Be­ schämung. Mehr verlange ich nicht. Ich überlasse dich deinen Gcwissenebißen, Undankbarer!

Lebe wohl.

Arie Ich will dich noch sehen durch heftige Gewissens­ biße gemartert den Tod vergeblich zu Hülfe ruffen, und doch nicht sterben können« Ach! Du, den ich noch liebe, bist mir doch ungetreu! O ihr armen Lei­ denschaften. Welche wilde Marter!

2) 3

Vierter

330 II. Der Triumph der Treue, Vierter Auftritt. Tbyrsts allein. O grausames Urtheil! Nice verläßt mich, und verbietet mir doch, zu sterben! Ich leide die Stra­ fe, und weiß mein Verbrechen nicht. Mein Freund hastet, und meine Geliebte verabscheuet. mich. Kann man wohl einen Menschen stndrn, der solche Marter leidet, als ich? Ich Elender! Dieser Zu­ stand beraubet mich meiner Sinne, meiner Vernunft und meines Lebens. Ich sterbe alle Augenblicks und doch lebe ich noch.

Arie. Der deftige Schmerz betäubt mich, und macht mir das Herz zu Eis. Ich fühle, daß mich das Leben verlaßt. Wo ist ein grausamerer Schmerz als der meinige? So elend willst du Grausame! mich sehen, ohne mich zu beklagen!

Fünfter Auftritt. Chlorig,

nice.

CWotis. Glaubest du mir nun endlich? nice. O Ehloris. Hätte ich dir nur von An­ fang qeglaubet. Ich beklage mich nicht über dich, sondern nur über mein Schicksaal, und ich habe Ursache dazu. Ich komme hiehcr, Ruhe zu finden, und hier verliehre ich Unglückseelige meine Ruhe. Ich suche hier die Aufrichtigkeit, die Beständigkeit, und ich finde hier Betrug und Untreue. Wenn

ich

em Schäferfpikl.

331

ich bleibe,

so werbe ich zum Spott des Verräthers. Wenn id)‘ mich entferne, so fühle ich, daß ich nie­ mahls wieder glücklich seyn werde. Ich habe niche

Kraft genug zu bleiben, auch nicht, mich zu ent­ fernen. Lbloris. Du bist so weit gekommen, und fängst wieder ars zu wanken. nice. O Chloris! 0 ihr Götter! Was ist daö für eine Entfernung! Meine Füße widerste­ hen meinem Willen. Lbloris. Vergiß den Ungetreuen. Entschließe dich. Zögere nicht. Der Bach ausserhalb Arkadien wächst an. Gehe geschwind hinüber. Sonst wird er unversehens voll, und reißt alles mit sich. Wenn du langer wartest, so wirst du nicht mehr fortkomnien können. Gehe. Verirre dich nicht. Der Weg theilet sich allda. Vermeide den zur Linken. Folge dem zur Rechten. Dieser führt dich zum Tempet, jener an den Fluß. nice. (Umarmet die Chloris. > Ich will gehen,

ich habe mich entschlossen.

Lebe wohl Chloris ! Chloris. t^wie oben.) Meine liebe Nice! Lebe wohl!

Sechster Auftritt. Chloris allein. Ist wohl jemahls em Betrug so glücklich abge­ laufen? Mir habm an dem heutigen Tage das Glück, die Liebe, die Natur und die Kunst auf al­ len Seiten beygestanden. Nice ist fort. Wessen wird nunmehr» Thyrsis seyn, als der meinige? 9) 4 War-

ZZ2

II. Der Triumph der Treue,

Warum kröne ich mein Haupt nicht mit Lorbertt? Triumph! ich habe überwunden.

Arie. Ich habe mich schon genug gegrämet. Nun ist «S Zeit frölichzu seyn. Dieses Her; wird nun nie­ mahls einer andern, sondern nur mir zugehörem Ich weiß, daß ich einen Betrug begangen, und daß ich etwas befürchten sollte. Aber ich bin eine Verbrecherin der Liebe. Mich mag die Liebe ent­ schuldigen.

Siebenter Auftritt. Eine Gegend, worinn viele Schäfer - Hütten ver­ streuet liegen. Auf eine Seite ein geheiligter mit Lppressen bepflanzter Weg, der jnm Tempel führet. Auf der andern Seite der Fluß Ladon, mit einer schlechten Brücke, die zum Theil durch die Fluth schon eingerißen worden.

ritce und hernach Philen. vlice. D weh! Ich komme schon zu spät. Der fürchterliche Strohm sammt schon verwüstend vom Gebürqe! Schon hat er die Brücke zerbrochen! Was soll ich nun machen? Da kömt Philen. Phi­ len du körnst mir sehr gelegen.

Philen. Und ich finde dich auch zu gelegener Zeit wieder, o Nice.

slice. Der aufschwellende Ladon wiederseht sich meiner Abreise.

Philen.

ein Schäferspiel,

333

pbtlett. Und diese Hinderniß kömmt vomHim» mel her; du sollt nicht abreisen. £"uce. Ich muß aber den Thvrsis fliehen! pbilen. Nein! Bleibe hier. Er hat uns nicht

verrathen. CTtce. Was Hgst du? Pbtlett. Ich traf ihn Ho eben ganz bleich und halbtodt an. Freund! sagte er, wann du mich .nicht hörest, so stoße ich mir dieses Scaht ins Herz. Er wollte sich todten. Ich hatte Mitleiden mit ihm. Ich hörte ihn an, und ich habe gefunden, daß er unschuldig ist. Elite. O Himmel! Pbtlen. Es ist schon eine Zeit her, daß er die Chloris liebte. Chloris verließ ihn meinethalben. Du kamst hieher, und Thnrsis wendete sich zu dir, und ich finde, daß er dir noch getreu ist. Glaube dem Philen. £ltce. (O das ist eine neueBetrügerey!) Aber woher kommt der unglückliche Pfeil, pbtlett. Dieser Pfeil ist ein Unterpfand seiner alten Liebe gewesen. Dein Thyrfis ist dir getreu. Chloris ist die Treulose. ritte. Chloris? Pbtlett. Vor kurzem zog sie den Philen dem Thyrfis vor, und iht ist es ihr schon wieder leid. Nun zieht sie von neuem den Thyrfis dem Philen

vor.

ritte. Thyrfis seufzet um sie, aber Chloris denkt nicht an ihn.

Y 5

Pbtlett.

334

If- Der Triumph der Treue.

Puffen.

Thyrsis bekümmert sich nicht um die

ChloriS. Ftice. Die Nvmphe sagt es aber, pdilett. Der-Schäfer schwört darauf. Er lief zur ChloriS. saßt uns zu ihnen hingehen Aber eben kommen sie beyde zusammen her. Wir wol. len sehen, wer sich von uns irret. Die Gelegen­ heit ist erwünscht, sie in diesen begrünten Hütten zu belauschen. Wir werden alles hören können. Verberge dich dort, ich will mich hier verstecken. Ntce. ^verbirgt sich in einer Hütte.) Laßt unS hören.

Lezter Auftritt.

Thyrsts mit dem Pfeil. Lhloris. Die Vorigen versteckt. Thyrfts. Ja ja! dieser Pfeil, ChloriS! ist Der Urheber meines Unglücks. Philen hat es mir gesagt. Ich habe es von ihm. Hat sich wohl für mich ein betrübterer Zufall ereignen können? «Lhloris. Es ist Zeit mich zu eröffnen. Tbvcsts. Er soll aber doch nicht eine Ursache neuer Irrungen seyn. Es ist einigermassen ein Glück für mich, daß du ihn verlohren hast, (sbiottp. Ich habe ihn mit Fleiß verlohren. Es ist kein Zufall, sondern eine List von mir gewe­ sen, daß ihn Philen gefunden. Thvrjrs Das ist eine sehr besondere Kurzweil. Philen weiß nichts von diesem meinen alten Ge­ schenke, und glaubet, daß er von uns beyden in

der

ein Schäferspiel.

335

der Liebe hknferqanqen werde. Er schäumet vor Zorn, und du wirst dabey verlkehren. Chloris. Das ist eben meine Absicht gewesen. T^rjrs. O gerechte Götter! Da wir keine

Liebhaber sind, warum wollen wir den Philen er­ zürnen? Chloris. Weil ich ihn nicht liebe. T^kfis. Du liebst den Philen nicht? . Chlores. Nein! lerne einmahl deine Chloris senilen, mein Thmsis! Ich liebe dich allein. Ich seufze um dich. Wenn ich dich undankbarer weise verlassen habe, so verzeihe mir, mein Geliebter! Liebe mich wiederum, und wenn du mein Verlob­ ter bist, so wirst du in diesem Herzen, da6 von Liebe zu dir brennet, sehen, wie Chloris ihren Feh­ ler zu verbessern wissen wird. Chyrsw. Träumest du Chloris? Ich liebenur Nicen. Ich gehöre allein der Nice zu. Chloris. Nice riebet dich nicht. Sie lacht dich

nur aus. Ow|t6. Sie halt mich für einen Untreuen. Da­ rin steckt der Irrthum. Chloris. Sichst du nicht, daß sie darin nur einen Vorwand suchet, dich zu verachten? vergiß

-

sie doch immer. Thyrsl's. Nein. Sie ist durch Philenen hin­ tergangen worden. Aber Philen eilt schon, ihr den Betrug zu offenbahren. Chloris. Nice ist ihm zuvorgekvmmen. Siö ist schon abgereiset. Chyrsts. Abgereiset! Chloris.

ZZ6

II. Der Triumph der Treue,

Lbloris. Sie muß schott weit roeq seyn. Ti-vrfts. Elender Thirsts! Waö wirst du auf der Welt ohne deine Geliebte machen? Ich will ihr folqei. Lblorrs. Du kannst nicht. Der Strohm halt dich aif. T^rßs, Ich wist dem Strohm zum Trotz zu meine: Nice gehen. Sie mag mich für getreu oder für untreu halten. Sie mag mich verachten oder lieben, so will ich doch nur allein für sie leben oder sterben. (Er ist im Begrif wegzuqehen.) ritce. (kommt ausder Hütte.) Bleib hier, mein Abgott. übvrfiß. Nice, bist du es? TTtte. Ja, mein Leben! Ich bin noch nicht ab» gereifet. Der Himmel hat es mir durch die Ucberschwemmung des Flusses verbothen. Ich habe hier jm Verborgenen alles angehöret. Bin ich gegen dich ungerecht gewesen, so siehst du nun, wer mich

hintergangen hat. Lblorrs. Ick bin verrathen.) QLhvtiiß. Chloris! Lblorw- (Das Läugnen hilft nichts.

Ich will

um Verzeihung bitten.)

339

III. Herzog!- Mccklcnb- Schwerinische Hof-Capelle. /L^apelldirector. Se. Ercell. der Herr Schloß­

sh Hauptmann, -Baron von Forstner. Hos-Lomponist. Hr. Johann Wilhelm

td, gebohren in Eisenach. Sanger. Madem. Anna Maria Drümern, Sopran, gebohren in Schwerin. Herr Carl August VOestenholz, Tenor, geb. in tauenburg. Hr. Joachim Mathias Ludewig Rost, Baß, geb. im Mecklenburgischen.

€oncett|pie(cr. Hr. Heinrich Christoph Selmer, Virtuos auf der Oboe und Flöte, geb. in Güsirau. Hr. Georg Friedrich 2\ref), Virtuos auf der Violine, geb. in Darmstadt. Hr. Johann Adam Gcliröbrr, Virtuos auf der Flore und Fagott, geb. in Sondershausen. Hr. Fran; Tavcriuö Moseyttka, Virtuos auf dem Violoncell, geb. in Wien.

Sitcom;

34o Hl- Schwermische Hofcapelle. Accompagnement.

a) Violinen. Herr Kreß. — Sorge. — Schröder, jun.

Hr. Schröder, fern — Petzold. — Mecker.

b) Bratschen. Hr. Langbein.

Hr. Kurth.

c) Flöten. Hr. Selmer.

Hr. Schröder.

d) Hr. Unbehauei,.'

Dboen. Hr. Roßlob.

e) Waldhörner. Hr. Reinhardt.

Hr. Alberstedt,

•f) Basse. Hr. Joh. Wilh. Hertel, Clavecin. — — — — Hoforganist, vacat. Hr. Woschitka, Violoncell. Hr. Westeriholz, — Hr. Kornhusen, Fagott. Hr. Schütt, Violon.

g) Trompeten und paucken Hefe, bläßt Concert. Baldauf. Heidenreich. Klemme. Lopist. Hr. Müller.

Hr. Hr. Hr. Hr.

LapeUdiener. Michäelsen.

IV. Leben-«

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IV. Lebens läufst. ») Lebenslauf des Hrn.Joh.Heim. Rolle, Alusikdirect. zu Magdeburg. v. Johann Heinrich ^olle ist 1718. zu Quedlinburg gcbohren. Ec war erst eilf Jahre alt, als sein Hr. Vater, unter besten Aussicht er die Musik übte, dar c Ke Kirchenstück von ihm aufführte, lind in seinem vierzehnten Jahre ward er bereits Organist bey der St. Pcterskircye in Mag­ deburg. Nachdem er dabey zugleich auf der dortigen Schule absolviret,gierig er imJahre 1736. nach Leip­ zig auf die Universität, von dannen er sich 1740. nach Berlin begab, allwo er in die einige Jahre darauf errichtete Königl. Capelle als Kammermusicus auf­ genommen ward. In dieser Bedienung verblieb er bis 1746. da er den Ruf als Musikdirector nach Magdeburg erhielte, und annahm. Die berühmte Rollische Familie, die schon mehr als einen vortrestichen Tonkünstler gezeuget, hak nicht ermangelt, durch diesen angenehmen und Ge­ schmackvollen beliebten Seher, dessen verschied»« Vocal- und Instrumental- (Kompositionen Kennern

nicht unbekannt seyn können, einen neuen Glanz zu erhalten.

M. Land 4-Stück.

Z

lebens-

342

IV. Lehenslauffe.

ß) Herrn Tegetmeyers Lebenslauf, bin gebohren 1687 Den sottn Jannarius zu

•O

Badersleben, im Fürstenthum Halberstadt, allwo mein Vater Amtsrichter gewesen. * Im Jahr 1696 habe ich bey dem damahligen alten Orga­ nisten gedachten OrtS, Jacob Desto, das Clavierfpielen zu erlernen angefangen, selbiges aber im Jahr 1699 bey dem Domorganisten in Halberstadt, Herrn Carl Streinbrücken, in die 4 Jahr derge­ stalt fortgeseßet, daß ich schon 1701 in der St. Pauli. Kirche daselbst, den völligen Gottesdienst,, für den Herrn Organisten Röcklingen, welcher zu­ gleich die St. Pauls Kirche mit hatte, in die drey Jahr versehen mußte. Im Jahr 1703 habe ich mit einem vornehmen Herrn und Kenner der Mu­ sik mich 4 Jahr auf Reifen begeben. Im Jahr 1708 bin ich »ach abgelegter Probe, erstlich Or­ ganist zu Hornburg (einer hübschen Stadt an dem, Wasser Ilse, 4 Meilen von Halberstadt gelegen,) geworden; hierauf im Jahr 171 r Hoforganist

in

Quedlinburg; im Jahr 1715 den 4ten May an bei; Marktkirche daselbst zu St. Benedicci; end­ lich aber und in eben diesem Jahre den 12seit Ju­ nius zu Magdeburg an der Domkirche VicariuS und Organist, welchem Amte ich nunmehro 42 Jahr vorgestanden habe. Magdeburg,

Len 24 May 1757. Georg Tegetmeyer. 7) Hm.

IV. Lebmslauffe. 343 y) Hm. Grafs Lebenslanff. en 7ten März, des Weyl. Hrn. Johann Christoph Graf, Organisten bey der hiesigen St. Johanm'skirche, ältester Sohn. Die Lust zur Musik zeigte sich gleich in den ersten Jah­ ren. Im 6ten machte (ein Vater schon den Anfang ihm Information aus VcmClavier zu geben, untz kann er sichnoch wohl erinnern, daß bereits im ?ten Jahre e6 seine größte Freude gewesen, wenn er auf der Jvhannisorgel (manualiter) spielen können. Dieses aberavährte nicht lange; denn als er kaum das gte Jahr erreichet, starb dessen lieber Vater in seinen besten Jahren, da solcher nur 39 Jahr und 3 Mo­ nathe gclebet. Nachher ist er von verschiedenen hie­ sigen Organisten informiret worden, auch in der Vocalmusik von dem Direftore Midices Hrn. Christiani. Ao. 1714. wurde er nach Berlin zu dem Organisten an der Nicolaikirche, Hr. Lutte­ rodt geschicket, dessen Information er sich 14 Jahr bedient, darneben das Berlinische Gymnasium zu frequentiren nicht versäumt. Nachdem er wieder zu Hause in Magdeburg gekommen, so gelunge eS ihm, daß er nach Eisenach 1716. im September reisen, und sich zum fernern Unterricht bey dem da­ maligen Hof- und Stadtorganisten Hr. Vach :i £ Jahr aufhalten konnte. Von der berühmten Ca» pelle, die zu der Zeit da war, hatte er viele Vortheile, darneben besuchte er auch daselbst das Fürstl.Gymnasium. In den 3 leztern Semeftribus übernahm Z er

344

IV. Lebenskauffe.

er die Komposition der Serenaten, weiche auf des Hrn. Director Müller und Jnspector Hommelö Geburtstage mußten aufgeführt werden. Von da­ war der Vorsatz nach der Universität Jena zu ge­ hen. Ermuste aber dem Rath'der Seinigen folgen. Ale er 1719. den gten April wieder zu Hause ge­

kommen; fügte siche, daß er in der hiesigen Kirche zu St. Ulrich und Levin, für den damaligen schon alten und kranken Organisten Hrn. Pichst 1 halb Jahr spielen mußte, wodurch er Gelegenheit be­ kommen , die Gewogenheit der Hrn. Aeltesten dieser Kirche zu erhalten., 1720. in May reifete er nach Hamburg, wurde aber zu Magdeburg den-iten Juli» h.a. 1720. bey bemeldcter Kirche zum Orga­ nisten vocirt, worauf er im Julii wieder zurück kam, und den 8ten Trinitatis diese Function an­ trat. Weil ihm nun alles nach Wunsch bey dieser Kirche St. Ulrich und Levin einqetroffen; so wird er bey derselben (so lange der Herr will) le­ ben und sterben. Geschrieben Magdeburg den

21 May 1757. Christian David Graff. A A A.

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V. Fort-

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345

V, Fortsetzung der Abhandlung des du Bos rc. glaube also, daß von den drey Arten, in welche sich die Melopäie in Ansehung der Manier, mit der sie ihren Modus bearbeitete, theilte, nicht mehr als die einzige, nehmlich die Dithyrambische, eigentlich musikalische Gesänge componirt habe; aufs höchste gab e6 nur einige Gattungen der tra­ gischen Melodie, welche eigentliche Gesänge gewe­ sen wären. Die übrigen waren nichts als eine romponirte und in Noten geschriebene Declamation. Da diese meine Meinung in der gelehrten Welt eine Neuigkeit ist, so muß ich nichts vorbey lassen, waS mid) eim'germaassen wegen ihrer Behauptung rechtfertigen kann. Ehe ich also die Stellen auS Den Griechen und Lateinern anführe, die, wenn sie gelegentlich ihrer Musik gedacht, Dinge gesagt haben, welche, so zu reden, die Existenz einer Me­ lodie, die nichts als eine bloße Declamation gewe­ sen, beweisen; will ich, mit Erlaubniß meiner Le­ ser , ihnen einige Stellen aus denjenigen alten Ver. fassern vorlegen, die von ihrer Musik dogmatisch gehandelt haben, und welche diese Eristenz beweisen.

XDallis, dieser sowohl wegen seiner Gelehrsam­ keit als aud) deswegen berühmte Engländer, weil er unter allen Gelehrten zu unserer Zeit am längsten 3 3 gelebt

346 V Fortsetzung der Abhandlung gelebt hat, ließ im Jahr 1699. in dem dritte« Theile seiner mathematischen Werke, des Porphy­ rins griechischen Commentar über des PkolemauS Bücher d^iwi’A'jw drucken, welchem er eine latei­ nische Ue'ocrsetzung und Anmerkungen beyfügte. Wenn man diesen Commentar liefet, so steht man, daß die Allen überhaupt alle Wirkungen, deren die Stimme fähig ist, in zwey Arten eingetheilet haben. Proximo starim loco exhibet ipfas vocisdif* ferentias. Duplex enim est huiusce motus, continuus qui dicitur, & DiaRematicus. Continuus quidem, quo inrer nos colloquimur, qui & eodetn sensu iermociqalis dicirur. Diaftema-Z ticus vero quo canimus & modulamur, tibiaque & cithara ludimus, unde Melodicus dicitur. (*) ^Hierauf handelt der Verfasser von dem Unters „schiede, der sich in dem Klaitge der Stimme be„findet. Der eine Klang der Stimme ist der ste„tige, (continuus) derjenige nehmlich, welchen „die Stimme im gemeinen Reden formiret, und „den man auch deswegen den gesprachmaßigen nen„net. Der andre heißt der melodische, welcher »,nach gewissen Intervallen eingerichtet ist, und ist „derjenige, den die hören lassen, welche singen oder „eine Modulation auoführen, und den diejenigen „nachahmen, welche Jnstrumeiite blasen oder spie„ken.„ Hierauf erklär Porphnriuö den Unterschied weitlätiftig, welcher sich unter diesen beyden Arten der Stimme befindet, und fügt endlich hinzu. „Dieses ist der Grundsatz, welchen PtolemäuS

„zum (*) Proph. in Hypomnem. ad Harm. Ptol. cap. I. p. 149.

-es du Bos re.

347

„zum Anfänge seiner Betrachtungen über die Har« „monie festseht, und welcher, Überhauptzureden, „eben derselbe ist, den die Schüler des Aristoxenus „angeben.,, Cum igitur ab Ariftoxeneis prope omnibus h$c tradantur, ftatim ab initio tractationis de Harmonica Pro lernens eadem postulat. Wir haben schon gesagt, wer Aristo­ xenus gewesen. Und also war die Eintheilung der Stimme in die stetige, und in die melodische, oder in die abgemessene und in ihrer Fortschreitung gewissen Intervallen rinterworfene Stimme, einer von den ersten Grundsätzen der musikalischen Wissen­ schaft. Und nun wollen wir sehen, daß dieser melo­ dische Klang der Stimme, oder die Melodie wie­ derum in zwey Gattungen getheilt ward, nehmlich in Melodie, die ein eigentlich so genannter Gesang war, und in Melodie, die nichte als eine, blosse De- , tlamation war. ttlrtttianus Lapella sagt: „der Klang der Stimme kann in zwey Arcen ein„gethcilet werden; nehmlich in den stetigen und in „den nach gewissen Intervallen abgetheilten Klang. „Der stetige ist dev Klailg der einfachen Aussprache, „bey gewöhnlichen Unterredungen. Der abgeson„beste aber stst der Klang der Aussprache eines „Mensd)en, welcher eine Modulation ausführek. „Zwischen diesen zwey Arten ist noch eine mittlere „Art, welche etwas von der stetigen und etwas von „der abgetheilten hat. Dieser Mittelklang der „Stimme ist nicht so unterbrochen als der Gesang; „er fließt aber auch nicht so in einem fort, als der „Klang eines gemeinen Gesprächs. Die Stimme Z 4 „macht

348 V. Fortsetzung der Abhandlung „macht diesen Klang alsdenn, wenn sie dasjenige „auespncht, was wir Carmen nennen.„ (*)

Nun aber, wie wir weiter unten sagen werden, be­ deutete Carmen, eigentlich die abgemessene Declamation der Verse, die nicht gesungen wurden, wenn man nehmlich Singen in der Bedeutung nimmt, die es unter uns bat. ^*) Nunc de prima voce velut de lonitus totius parenre, dicemus. Omnis vox in duo genera diuiditur, continuum atque diui-

fum.

Continuum eil velut iuge colloquium. Diuiliim quod in modularionibus feruamus. Eft medium quod ex vtroque permixtum, ac ne* que akerius continuum motum feruat, nec alterius frequenti diuisione praeciditur, quo pronuntiandi modo carmina recitantur. Besser kannte man unsre Declamation, welche zwischen dem musikalischen Gesänge und der einfa4>en Sprechart in gemeinen Reden das Mittel halt, nicht beschreiben, als sie Capella unter dem Namen eines mittlern Klanges beschreibt. Ich mill nicht hoffen, daß man mir vorwerfen werde, ich liesse hier das Wort Modulation weiter nichts als den musikalischen Gesang bedeuten, ob

ich ihm gleich anderwärts eine viel weitere Bedeu­ tung gegeben und alle Arten von componirtcn Ge­ sängen darunter verstanden hätte. Denn da Ca­ pella dem Worte Modulenio das Wort Carmen ent­ gegen seht, so ist es klar genug, daß er das erstere in keiner andern Bedeutung nehmen könne, als in

welcher (•) Siehe die Noten des Meiboms. S. ?$i. (**) Martianus Capella in Hupt« Philol. 9,

des du Bos rc-

349

welcher ich es genommen habe, und baß er den ei» gcntlid) so genannten musikalischen Gesang darun­ ter verstanden wissen wolle. Bryemüus lehret uns sogar, wie dieser mitt» lere Klang, oder die Declamarion, componirc worden. Dieser griechische Schriftsteller ist einer von denje­ nigen, welche YDdUib, nebst einer lateinischen Uebersetzung, dem dritten Theile seiner mathemati­ schen Werke einverleibt hat. Er sagt aber folgen­ des. „Es giebt zwey Arten des Gesanges oder der ,,Melodie. Die eine ist diejenige, deren die gewohnliche Art zu sprechet, fähig ist, und die andere ist „der musikalische Gesang. Der Gesang, dessen die ge„wöhnliche Art zu sprechen fähig ist, wird durch die ,,Accente componirt; denn natürlicher Weise erhebt „man bald die Stimme im Reden, baldläßt man sie „fallen. Der eigentlich sogenannte Gesang aber, von „welchem in der harmonischen Musstkgehandeltwird, „istgewissen Intervallen unterworfen. Er wird durch „Töne und Intervalle componirt. „ Eftautemmelos , id elk cantus, aliud fermocinale, aliud musi. cum. Sermocinale enim eftillud, quod componitur ex vocum profodiis, naturale enimeftintcr loquendum inrendere & remitiere vocem. Mulicnm autem melos de quo agit I darmonia, est Diaftematicumjllud e.xPhtongis &Diasiematis compositum.*) Der Leser wird hier schon vor sich selbst bemerken, daß «'n der Declamarion die Fortschreitung auch durch die allerkleinsten Intervalle, deren die Töne fähig sind, geschehen könne; welches in der Musik Z 5 (*) Lib, III. cap. 10, de Melopaeie,

nicht

35° V. Fortsetzung -er Abhandlung nicht aitgehk.' Selbst die Enharmonische Art er­ laubt aufs höchste nur halbe Semonia. Die angeführte Stelle des Bryennius lehrt uns nicht allein, wie die Melodie, welche nichts als eine blosse Deklamation war, componirt wurde; sondern sie lehrt uns auch, wie sie konnte in Noten geschrie­ ben werden. Ehe wir uns aber in diese Untersu­ chung einlassen, wird es nicht undienlich seyn, eine Stelle aus dem Boethius anzuführen, weil es aus­ drücklich darinn gesagt wird, daß die Declamation, eben sv wohl als der musikalische Gesang, in Noten geschrieben worden. „Die Tonkünstler des Alterthums, sagtBoethiuS, „damit sie sich die Mühe^ersparen möchten, den „ganzen Namen einer jede» Note zu schreiben, „haben gewisse Zeichen erfunden, deren jedes einen „besondern Ton bedeutet, und diese Monogrammata „haben sie nach Geschlechtern und Arten eingetheilk. „Wenn also ein CoMponist einen Gesang über „Verse schreiben will, deren Abmessung durch den „Werth der langen und kurzen Sylben, aus wel„chen die Füsse derselben bestehen, bereits bestimmt „ist; so hat er weiter nichts zu thun, als seine Noten „über die Verse zu setzen. Und solchergestalt hat „der menschliche Fleiß nicht nur ein Mittel gefun„den, die Worte und die Declamation zu schrei„ben, sondern auch eine jede Art des Gestmgö, ver„mittelst der Zeichen, die Nachwelt zu lehren. „ Veteres Musici propter compendium feriptionis, ne Integra nomina necefle eflet femperapponere, excogitauerc notulas quasdam quibus verborum voca-

des du'Bosrc.

351

vocabtda notarent, easque per genera modosque diuiferunt, fimul etiam hac breuitate captantes^ ut fi quando aliquod melos Muficus voluiflet ad» fetibere super verfum, rithmica metri compo* fitione distinctum, has fonorum notulas afcribetet, tarn miro modo rcperientes ut non tantuni cannina verbaque litteris explicarent, fed* melos ipfom quod bis notulis fignaretur, in memoriam pofteritatemque durare. (*). BoethiuS lobt also die Tonkünstler des Alter­ thums wegen einer doppelten Erfindung. Die erste bestand darinne, daß sie die Worte und den Gesang, welcher Carmen hieß, und, wie man sehen wird, weiter nichts als eine blosse Declamation war, zu schreiben erfunden hatten; und die andre war diese, daßsie-aüfein Mittel gefallen waren, auch jede Art deö musikalischen, oder eigentlich so genannten Gesanges, zu schreiben, auf dessen Noten Boechius eben kommen will, als er das, was man jetzt gelesen hat , sagt. Die Declamation wurde also eben so wohl als der Gesang in Noten geschrieben. Ja, wenn wir aus der Art, mit der sich BoethiuS ausdrückt, schliessen dürfen, so hatten die Alten die Kunst, die blosse Declamation in Noten zu schrei­ ben, noch eher erfunden, als die Kunst, die Mu­ sik in Noten zu schreiben. Die erste war, wie man sehen wird, auch weit leichter als die andere, und man kann sicher glauben, daß von zwey Kün­ sten ,. welche ohngefehr einerley Gegenstand haben, diejenige gewiß zuerst wird seyn erfunden worden, deren (*) De Musica cap. 4,

ZZ2 V. Fortsetzung des Abhandlung deren Ausübung die leichteste war. Runmehr wol« len wir auch sehen, wie die Declamarion in Roten geschrieben wurde, und zugleich auch, wie man den musikalischen oder eigentlich so genannten Ge­ sang in Roten geschrieben habe. Man wird da­ durch den Sinn der Stelle aus dem Boethius desto bester einsehen lernen. : Nach dem Bryenniuö ward die Deklamation durch die Accente componirt; und folglich mußte man sich, um sie in Roten zu schreiben, eben der­ selben Zeichen bedienen, mit welchen man die Ac­ cente bemerkte. Run aber hatten die Alten acht oder zehn Accente, und eben so viel verschiedene Zeichen, sie zu bemerken. Sergius, ein alter lateinischer Sprachlehrer, zählet acht Accente, die er durch Bemerkungen der Beugung der Stimme erklärt, und sie die Gehül­ fen des Gesanges nennt (*). Tenores siueaccentus dicti sunt qui naturalem uniuscujusque ser, monis in vocem nostrae elationis tenorem ser« uant. Distus autcm accentus est quasi ad cantus. Sunt autem omnes accentus Latini octo, priscianus ein anderer lateinischer Sprach­ lehrer, welcher zu Ende des fünften Jahrhunderts lebte, sagt in seinem Buche von den Accentenr der Accent sey das Gesetz, die gewisse Regel, nach welcher Man, in der Aussprache jeder Sylbe, die

Stimme erheben oder fallen lassen müsse (**). Ac­ centus namque est cerra lex & regula ad eleuandatn

(♦) Comment, in Litern primam Donati. (**) Folio ; zz. verso.

-es -u Bos re.

353

dam & deprimendam fyllabam uniuscuiusque’ partis orationis. Hierauf sagt er, daß die latei» Nische Sprache zehn Accente habe, deren Namen und Figuren, womit man sie bemerkte, er zugleich anzeigt. Sunt autem accentus decem, quos it» huic operi dignum exifiimaui pernotare. Ihrs Namen sind: acutus, grauis, circumflexus, lon­ ga hnea, breuis linea, liyphen, diaüole, apostrophus, dalaea, pfyle. Die Figur eines jeden von diesen Accenten kann man in dem angeführten Buche nachichen. IsjodorusHlspalenstusagt eben das (*). Da die Lateiner ursprünglich nur drey Accente hatten, den acutum, grauem und circumflexum ; da die übrigen vielleicht zu verschiedenen Zeiten er­ funden , und als neue Erßndungen vielleicht mchk durchgängig angenommen worden; so darfman sich nicht wundern, daß einige Sprachlehrer derselben nur achte zehlen, andre aber zehn. Was aber ihren Gebrauch betriff, darinn kommendiese Schrift­ steller mit einander überein. Jsidorus Hifpalensis sagt, die Accente würden im lateinischen toni und tenores genennt, weil sie eine Vermehrung dec Stimme und der Pausen bemerkten (**). Latin! autem habent & aha nomina. Nam accentus & tonos & tenores dicunt, quia ibi fonus creleic & definit. Zu allem Unglücke ist das Werk nicht vorhanden,

in welchem Priscianus von dem Gebrauche der Ac­ cente (') Ifid. Orig. lib. prim. cap. 19. (*') Ibid. eap. 18.

354 V Fortsetzung der Abhandlung «nte umständlich zu handeln, sich Vorbehalten hatten

nos locuturi de partibus, ad aceentum qui, in dictionibus necefiarius eit tranfeamus, cujus rei myfterium, Deo praebente vitam, latius tra-, stemus. Dieses Werk, welches wir nicht haben,. «6 sey nun, weil es niemahls auögearbeikct worden, oder weil es verlohren gegangen, würde uns ohne. Zweifel den Gebrauch gelehrt haben, welchen die Componisten der Declamarion davon machten. Das was IsidoruS in seinen Originibur davon sagt, kann das Buch des Priscianus, welches uns mangelt, nicht ersehen. Ich bilde mir ein , daß ein Componisi der Declamation weiter nichts that, als daß er über die Sylben, welche nach den Regeln der Grammatik einen Accent haben mußten, den acutum*grauem oder circutnflexum, der ihnen Kraft ihrer Buch», staben' zukam, setzte; und daß er, in Ansehung des Ausdrucks, über die leeren Sylben, vermit­ telst der übrigen Accente, denjenigen Ton verzeich­ nete, den er ihnen nach Maßgebung des Verstaudes, welchen die Worte hakten, zu ertheilen für gut befand. Was konnten alle die Accente sonst airzcigen, als das verschiedene Steigen und Fallen der Stimme? Die Alten gebrauchten diese Accente fast zu nichts anderm, als wozu die Juden noch heut zu Tage ihre musikalischen Accente brauchen, wenn sie die Psalmen nach denselben absingen, oder viel­

Sed

mehr declamiren. Es wird schwerlich eine Declamation geben, die

man nicht mit zehn verschiednen Zeichen, Heren je­

des

Les du Bostt.

355

-es eklie besondere Beugung der Stimme andeuter, sollte in Noten schreiben können; und da man die Anstimmung dieser Accente, wenn man lesen lernte, zugleich mit lernte, so war fast kein Mensch, der. diese Art von Noten nicht sollte verstanden haben. Dieses vyrausgeseht kann man sich gar leicht die Vortheile vorstellen, deren sich die Alten bey der Componirung und Ausführung ihrer Declamation bedienten. Der h. Augustmus hat also mit Recht gesagt, daß ex davon nicht handeln wolle, weil eS Dinge wären, welche auch der allerschlechteste Ko­ mödiant verstünde. Der Takt lag gleichsam scholl in den Versen selbst. Der Componist durste ste nur accentuircn und die Bewegung des Takte vor­ schreiben; nachdem er dasjenige, waS das accompagnirende Instrument spielen sollte, in eine gan) einfache und leicht auszuführende Partie gebracht hatte. Wie aber die Melodie, welche ein eigentlich so­ genannter Gesang war, geschrieben wurde; da­ wissen wir ganz genau. Das allgemeine System, oder wie es Boethiue nennt, die Constirutistt der alten Musik, war, nach dem MartianuS Capella, (*) in achtzehn Klänge eigetheilt, deren jeder seinen besondern Namen hatte. Wir brauchen hier eben nicht zu erklären, daß verschiedne von diesen Klängen im Grunde einerley seyn konnten. Den einen nennte man Prolambanomenos &c. Damit man nun nicht, wie Boethius sagt, den ganzen Namen eines jeden Klanges über die Worte zu schreiben (*) De nuptiis Philolog«

356

V. Forts, der Abh. -es duBoslc.

schreiben brauchte, welches fast unmöglich würde gewesen seyn, so hatte man gewisse Charaktere oder Arten von Figuren erfunden, deren jede einen ge­

wissen Ton andeutete.

Diese Figuren wurden

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357

VI. Anleitung zur Singkunst. Aus dem Italiänischen des Herr» Pcler Franz Tost, Mitglieds der phiiarmourschen Akademie; nm Erläuterungen und Zusätzen von Jod. Frtedr. Agricola. Lrönigl. Preuß.Hofconrpomsten. Ber­ lin, gedruckt dey G.org Ludewig Ben­ ter. 1757. i Atchcrd. 7 Logen in Quarto. Original führet folgenden Titel: Opinioni de* Cantori antichi e modernd 0 Jieno Gj> rvaz'wni sopra il catito ßgurato, di Pier Frarmh» Tofi Academico t'ilarmonico. Der Versager w r

ein italiani'cher Sänger uni) zwar einer von denen, welche durch eine gewisse grausame Kunst zubereikct werden, Lebenslang eine hohe Stimme zu behalten. Je unbekannter das Buch in unsern Gegenden ist, und je seltener selbiges bereits in Italien geworden: desto mehrere Verbindlichkeit ist man dem Herrn Agricola schuldig, daß er dasselbe vermittelst einer schönen Ueberschung den Musen Deutschlands ge­ mein machen wollen. Wem die beliebten und wohlauögcarbeiceten geistliche und weltliche Singcomposttionen des Herrn Ueberseherö bekannt smd, u d wer weiß, daß er mit sehr gründlichen Er'nßchttn in die Singkunst, und mit seinem guten Geschmack,

III. Land 4. Stück.

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selbst

358 VI. Anleitung zur Singkunst rc. selbst eine besondere praktische Fertigkeit verbindetder wird leicht erachten, daß er selbst ein eignes Werk von dieser Natur liefern können. Von desto mehrerm Gewicht und Eindruck werden folglich sei­ ne gelehrten Anmerkungen und Zusätze bey denje­ nigen seyn, welche Ursache haben, sich gegenwär­ tigen Buchs zur Bildung ihrer Stimme und ihres Geschmackes zu bedienen. Es besteht stlbiges aus

einer Einleitung, und zehn Hauptstücken« In der Einleitung wird von der Erfindung und den Vortheilen der Musik kürzlich gehandelt, wobey der Herr Tosi seinen eigentlichen Zweck zugleich erkläret, nemlich daß er sowohl allen Mustk-

studirenden überhaupt, als besonders Sang­ meistern , ( hieher gehören die Herren CantoreS, MusikdirectoreS, Chorregenken, rc.) und wirkli­

chen Sangern zu dienen suche. I.Hauptst.

Hierinnen handelt der Herr Ver­

fasser zuförderst von der Beschaffenheit und den Eigenschaften eines Lehrmeisters im Singen. Da einmahl eingewurzelte Fehler schwer auszurotten find: so sollte man billig sogleich vom Anfänge der Unterweisung den allerbesten Sänger zu seinem Führer haben. Mein da diese Herren zu bequem find, sich mit den ersten Anfangsqründen abzuge­ ben: so muß man sich allerdings mit einem mittel­ mäßigen Meister begnügen, und den guten so lan­ ge entbähren, bis man fertig vom Blatte wegtreffen kann, und die Kunst nur annocb ins Feine zu bringen ist. Nur muß der mittelmäßige Lehrmeistör auch einige Leichtigkeit in der Stimme, ohne Nasen-

VI. Anleitung zur Singkunst re. Stasen» und Kehlenfehlek, eine reine Intonation, und einige Einsicht in den guten Geschmack habens Besitzt er nebst dem zugleich die Wissenschaft, auf dem Claviere zu accompagniren, so wird dieses, nach dxr Anmerkung des Herrn UebersetzerS, sowohl für ihn als dm Schüler ein grosser Vortheil seyn. Den italiänischen Sangmeistern pfleget cs aber ins­ gemein an diesem lezten Puncte, so wie den deut­ schen es an den zuerst berührten Puncten zu fehlen. Wenn der Herr Tost behauptet, daß man zur Solmisittion an den, aus einem in der Römischen Kirche annoch gebräuchlichen Liede, entlehnten sechs Sylben: ut, re, mi, fa, fol, la, genung habe: so wird dieses von dem Hrn. Uebcrsetzer aufs. bündigste widerleget, und dabey die Lehre von

der fechvfylbigen kNMatioii Sek ältern Sinyschule so deutlich und ordentlich erkläret, als nirgends annoch geschehen ist. Was Seite 19. von dem Unterscheide des dis und es von dem Hrn. Verfasser gesagt wird, ist theoretisch wahr, praktisch aber einem großen Zwei­ fel unterworfen, zumahl, wen» ein Sänger von einem solchen Instrumente begleitet wird, worinn Sie und es einerley Klang haben, und wo derselbe folglich nachgeben, und die kleine Terz es von r, nicht um das geringste Comma höher, als die große Terz Sjs von h nehmen muß, woferne keine yn« smgenehme Wirkung in hem Ohre des Zuhörers entstehen soll. Eine gute gleichschwebende Tempe­ ratur auf demjenigen Instrumente, worauf der Lehr­ meister ftinen Scholaren begleitet, kann zur vollAa 2 kom-

VI. Weitung zur Singkunst rc. kommnen reinen Ausbildung einer Stimme nicht anders als sehr nützlich und nöthig seyn. Vey weiten Sprüngen hat der Lehrmeister beson­ ders Acht zu haben, daß sei» Scholar den gebier

des Tonslrchcns vermeide, ein Fehler, welcher zu unsern Zeiten, auch bey einer großen Menge weifet er Sanger eingeristen ist, und weicher darin­ nen besteht, daß man vor der Hauptnote, noch imme> einen, wo nicht gar zween oder drey tiefer lie, gende Tone, undeutlich, manchmahl noch dazu mit einem harten Hauche, hören läßt. Die Icaliäner theilen die menschliche Stimme

in die Äruststimme, die Kopfstimme und das F'alsttt Diese Eintheilunq zu erklären, schaltet der Hr. Ueberseher allhier eine lesenswürdige physische Ab­ handlung von der Stimme ein. Der Lehrmeister laße den. Schüler alle Selbst?

laute Vocalev ) deutlich aussprechen, damit man wirklich diejenigen höre, die man Hören soll. Die eigentliche Aussprache eines jeglichen Mit­ lautes ist ohne Zweifel de» Oberdeutschen ebensals nachdrücklich zu empfehlen, damit sie nicht etwann

tonnecn und pliyen, anstatt donnern, bli­ tzen rc. Die wahre und eigentliche Aussprache ei­ nes jeden Buchstaben ist in einer einzigen Provinz Deutschlands alleine nicht zu Hause. Hier wer­ den die VocaleS, dort die Consonanteß bester aus­ gesprochen; hier dieser Vocalbuchstabe, dort jener, und so eben mit den Consonanten; und was herr­

schet nicht für ein Unterscheid

des DialectS bey den

verschiedenen Völkerschaften Deutschlands in Anst-

VI. Anleitung zur Singkunst rc. 361 huiig der Verbindung der Selbst- und Mitlaute, oder in Ansehung ganzer Sylben?

Kein Sänger soll Grimassen machen, es sey mit dem Kopse, dem Leibe, oder dem Munde. Der Mmrd soll, wenn eS anders der Sinn der Worte erlaubet, eine solche Stellung annehmen, welche mehr einem angenehmen Lächeln, als einem ernst­ haften Amtsgesichte gleichet. Das II. ^»»ptjftud2 handelt von den Vsr-

schläAen, wobey die Nachschläge, Anschläge und Schleifer mit abgehandelt werden. Die Vorschläge gehören alle in die Zeit, nicht der vorhergehenden, sondern der auf sie folgenden Note, und hieraus folgt die Regel für einen Sän­ ger: daß man allezeit die Sylbe, welche zu der Hauptnote gehöret, bey welcher ein Vorschlag oder irgend eine andere Manier angebracht werden soll, schon auf dem Vorschläge auszusprechen anfangen müsse. Die weitere Lehre dieser Manier erfordet Noten. Wir können also keine weitere Recension davon machen, sondern verweisen den Leser aufdas Buch selbst, wo diese Materie, den Empfindun­ gen des feinsten Geschmacks gemäß, ausgeführet ist. Gegen ein gewisses Seite 80 in der Mitte vorkommendes Exempel eines fremden Auctoris, scheinet der Hr. Ueberseher e.waS zu gütig zuseyn, als welches, nicht allein wider die Seite 7$ gege­ bene Regel, sondern zugleich wider die Seite 77. mit grossem Bedacht gemachte Anmerkung zwey­ mahl in vier Tacten sündiget. Nachschläge sind gewisse kurze Noten, die

einer Note nachgeschlagen werden, aber.noch in die Aa 3 Zeit

362 VI. Anleitung znr Singkunst re« Seit derselbe» gehören. Es giebt zwo Artet» der Nach sch läge: die von einer Role, und die von zwo Roten. Jene nennet der Hr. Agricola einfache, diese doppelte Nachschiägeund hat Recht zu dieser Benennung, so wie er der erste ist, der was zuverlastiges hievon öffentlici) lehret. Der Anschlag ist nichts anders, als ein Vor«

schlag von unten, mit einem Nachschlage, welcherdie über der folgenden Hauptnote des Gesanges lie« gende Secunde angicbt? Könnte der Anschlag nicht vielmehr ein doppelter Vorschlag heissen, weis ja st gut die eine als die andere Note vor ber Haupt» note vorhergehet, und keine von bevden hinter der­ selben her gemacht wird? Entsteht der Anschlags nicht aus der Verbindung zweyer Vorschläge, wo­ von der erste sprang- und der andere stuffenweise ge­ macht wird? Es ist eine Frage die ich thue, und scheint mir der Nahme A-stchlag, mit dieser Ma­ nier nicht gar zuwohl übercinzukommen. Del» Rahmen doppelter Vorschlag giebt hie Natur her Sache an die Hand. Der Artikel des Herrn ttcberseßerß von der» Gchleifern kann nicht anders als mit grossem Vor­ theile gelesen werden, und wir wünschen, daß man ihn überall wohl beobachten möge. III Hauptstück. Von den Trillern, worinneu nebst den verschiedenen Arten derselben , auch die übrigen kleinen wesentlichen Manieren, nem-

lich die Mordenten, Doppelschlage,u. s. n>« beschrieben werden. Hr.Tosi giebt ?. Gattungen von Tristem an, wel­

che find i)

der größere Triller,

oder der Tril­ ler

VI. Anleitung zur Singkunst rc. Z6z vom ganzen Tone. Der kleinere ^ril? |er, oder der Triller vom halben Tone, 3) Dee

(

435

III. Fortsetzung der Abhandlung des du Bos. $Mud) Isaac Voßius merkt verschiedne Werke

W

der Alten an, aus welchen man sehen könne, wie man zu ihren Zeiten die musikalischen Gesänge in Roten geschrieben habe. Aleibom spricht gleichfals an berschiednen Orten seiner schon oft ange­ führten Sammlung davon; besonders aber in der Vorrede, wo er das Te Deum, so wohl nach der Tabulatur der Alten, als auch iiz neuen Roten, mittheilet. Ich will also nur bloß anmerken, daß die Zeichen, oder „viel beweiset^ daß jedermann von der Nothwen„digkeit derselben überzeugt gewesen, und die wun»derbaren Wirkungen empfunden habe, welche »der Gesang in diesen Gedichten hervorgebracl)t, - »in welchen er aber doch nur zwischen den Acten »gebraucht wurde. Ich habe mich oft bemüht, »die Ursachen zu ergründen, warum so geschickte »und so zärtliche Leute, als die Akhenienser wäre», »mit den tragischen Handlungen den Tanz und die »Musik verbunden haben; und nach vielen Unter* »suchungen, wie sie eß für natürlich und wahrschein­ lich haben halten können, daß der Chor, welcher

»die Zuschauer einer Handlung vorsteklte, bey so »rührenden und ausserordentlichen Begebenheiten »tanzen und fingen solle, habe ich gefunden, Saß »sie hierinne bloß ihrem Naturelle gefolgt sind, »und ihren Aberglauben zu befriedigen gesucht-ha­ lben. Die Griechen waren die allerabergläu»Kischsten Leute von der Welt/- die zugleich die al»lerausserordentlichste Lust zum Tanzen und zur »Musik hatten, in welchem natürlichen Hange sie »durch die Auferziehung bestärkt wurden. Ich glaube schwerlich, daß man mit solchen Gründen dm Geschmack der Akhenienser entscknü« digen könne; vorauSgeseht nehmlich, daß di« Mu­ sik und der Tanz, von welchen in den alten Schrift­ stellern als von Annehmlichkeiten gesprochen'wird, die zur Aufführung einer Tragödie unumgänglich nöthig sind, «'n Tanz und eine Musik gewesen wären { die unserm Tanze und unsrer Musik gleich kämen

des du Bos rc.

447

kamen. Allein da, wie wir schon gesehen haben, diese Musik nichts als eine Declamation; und dieser Tanz, wie wir bald sehen werden, nichts als stndirte und gewissen Gesehen unterworfene Gebehrden waren; so hat man gar nicht Ursache, dieAthenienser in diesem Stücke zu entschuldigen. Zwar ist Dacier nicht der einzige, welcher sich in diesem Stücke geirret hat; seine Vorgänger ha­ ben sich eben so wohl betrogen. Ein gleiches muß ich auch von dem Abt Gravina sagen, welcher in seinem Buche von der alten Tragödie, (*) ebendeswegen, weil er die Melopäie der theatrali­ schen Stücke für einen musikalischen Gesang, und dis Saltation für einen Tanz nach unsrer Art gehalten hat, von de» Theatern der Alten eine Beschreibung macht, die sich gar nicht verstehen

läßt. Es ist zwar wahr, daß Aristoteles in dem sechs und zwanzigsten Hauptstück seiner Dichtkunst das­ jenige Musik nennet, was er kn dem sechsten Hauptstücke Melopäie genennet hatte. Neque parvus prsterea Tragoediae ex mufica & apparatu cumulus accedit quibus validiffime conciliatur voluptas. „Die Tragödie ziehet keinen gerin„gcn Vortheil aus der Musik, und den äusserlichen „Verzierungen, welche bey der Vorstellung so viel „Vergnügen machen. „ Allein dieses kömmt da­ her, weil die Kunst die Melodie zu componkren, welche durch das ganze Stück herrschen sollte, und ein (•) Gedruckt im Jahr 171;.

448 Hl. Fortsetzung-er Abhandlung ein eben so wesentliches Stück war, als biq Sitten, unter die musikalischen Künste gehörte. Eben dieser Schriftsteller fragt sich in einem an­ dern Werke (*) selbst, warum der Chor in den Trauerspielen nicht in dem hypodorischen, desgleichen auch nicht in dem hypophrygischen Mod» finge, da doch diese bepben Modi in den Rollen der Personen, besonders am Ende der Auftritte, und wenn diese Personen in einer heftigen Leiden­ schaft wären, sehr oft gebraucht würden. Er ant­ wortet auf diese Frage: diese zwey Töne wären sehr geschickt, die Heftigkeit der Leidenschaften in Männern von grossem Muthe und Helden, der­ gleichen^ gemeiniglich die Hauptpersonen in den Tragödien wären, auszudrücken, anstatt daß der Chor nur aus Leuten von gemeinem Stande zu be­ stehen pflege, derer Leidenschaften nicht einerley Charakter mit den Leidenfthaften der Heiden auf der Bühne haben müßten. Und da zweytenö, fährt Aristoteles fort, die Glieder des Chors an den Be­ gebenheiten des Stücks nicht eben so viel Antheil nehmen, als die Hauptpersonen, so muß auch der Gesang des Chors nicht so lebhaft, sondern melo­ discher seyn, als der Gesang dieser Hauptperso­ nen. Dieses also, schließt Aristoteles, ist die Ur­ sache, warum die Chöre nicht in dem Hypodo­ rischen, und auch , nicht in dem Hypophrygischen Modo fingen. Der Leser kann in dem musikalischen Wörter­ buche des Herrn «ötoflatfr die Erklärung von den

Modis (*) Probt 19. libr. 49.

Les du Bos rc.

449

Modis der alten Muftk nachsehen. Ausdrück­ licher aber kann man es nicht sagen, als es Aristo­ teles in der letzten Stelle sagt; daß alles was auf dem Theater recitirt worden, einer componirten Melodie unterworfen gewesen, und daß es den Schauspielern der Alten nicht so als unsern, frey gestanden, die Verse ihrer Rollen in dem Tone und mit den Beugungen und Wendungen der Stimme herzusagen/welche sie selbst dazu zu wählen für gut befunden. Es ist zwar nicht gewiß, daß Aristoteles seine Aufgaben selbst ausgeschrieben habe; aber genug, daß dieses Werk wenigstens von seinen Schülern verfertiget worden, und daß man es allezeit als ein Denkmal des Alterthums betrachtet hat, wel­ ches folglich aus deß geilen seyn muß, ba bie Bühnen der Griechen und Röiner noch offen waren. Da die Töne, in welchen man declamirt, von

einander unterschieden sind, eben sowohl alö die Töne, in welchen wir unsre Muftk componiren, so mußte die Declamation auch nothwendig in »er» schiednen Modis componirt werden. Gewisse Modi mußten sich zu dem Ausdrucke gewisser Lei­ denschaften besser schicken, als andre; so wie auch in unsrer Musik einige Modi sich besser ausdrücken, als die andern. Wae die Griechen tragische Melodie nennten, das nennten die Römer manchmal Carmen. Ovtdius, welcher ein römischer Dichter war, und also die Declamation seiner dramatischen Stücke

nicht

4$o in. Fortsetzung der Abhandlung nicht selber componirte, sagt kn einer einzigen Pe­ riode, wo er von seinen Werken redet, die auf der Bühne mit Beyfall vorgestellt würden, nnfcv

Carmett und meine Verse. Carmina cum pleno saltari nostra theatro Versibus & plaudi scribis, amice, meis. (*)

Ovidius sagt nostra carmina, weil bloß der Rythmus und das Metrum von der Declamation ihm zugehörte. Die Melodie der Declamation gehörte einem andern. Allein Ovidius sagt meos versus, weil die Gedanken, der Ausdruck, kurz die Verse für sich selbst betrachtet, ganz allein von

ihm waren. Woraus man cS aber unwidersprechlich sehen, wird, daß carmen, ausser dem Verse, auch etwas über den Vers geschriebenes begreiffe, wodurch die bey dem Recitiren zu beobachtenden Abänderungen der Stimme angezeigt wurden; wird folgende Stelle des Quintilianus, des wichtigsten Schrift« stellers,/den man in dieser Materie anführen kamt, seyn. Er sagt ausdrücklich, daß die alten Verse der Salier ein Carmen gehabt hätten. Versus quoque Saliorum habent carmen, quae cum omnia stnt a Rege Numa instituta, faciunt mani­ festum, ne illis quidem qui rüdes ac bellicosi videntur, curam Musices, quamtam illa recipiebat xtas, defuifle. (**) „Die Verse der Salier „haben ihren gewissen Gesang; und da die Einse« „Hung ihres Dienstes, sich von dem Könige Numa herschreibt, (*) Trift, lib, 5. LI. 7. (**) Inftit. libro L cap. 12.

des du Bos rc. „herschreibt, so beweiset dieser Gesang,

451 daß die

„Römer, so wild sie auch damahls waren, gleich« „wohl schon einige Kenntniß von der Musik ge# „habt haben. „ Wie hätte aber dieser Gesang

von den Zeiten des Numa bis auf die Zeiten des Quintilian fortgepflanzt werden können, wenn er nicht wäre in Noten geschrieben gewesen? War er aber, andern Theils, ein musikalischer Gesang,

warum nennt ihn QuintilianuS Carmen? War es ihm unbekannt, daß seine Zeitgenossen, obgleich Mißbrauchsweise, diejenigen Verse sehr oft Car*

men nennten, welche nicht gesungen würden, son­ dern deren Declamation willkührlich war, und de« ren Recitation die Alten also ein bloßes Lesen nann­

ten , weil derjenige, welcher sie las, weiter nichts als den Werth der Sylben beobachten durste, über« gens aber feine Stimme dabey abändern konnte,

wie er nur immer selbst wollte? Um einen Zeitver­ wandten des QuintilianuS anzuführen, so sagt Ju« venal zu einem seiner Freunde, den er zum Abend­

essen einladet, daß man während der Mahlzeit ei­ nige der schönsten Stellen aus der Ilias und Aeneis vorlesen werde. Der, welcher sie lesen wird, fügt Iuvenal hinzu, ist zwar kein sonderlicher Leser;

was aber schadet das? Dergleichen Verse machen doch noch immer viel Vergnügen.

Conditor Iliados cantabitur atqueMatotuä Altifoni dubiam facientia carmina palmattt. Quid refert, tales versus qua voce legantur ? (*) (*) Jiw, fat. 13. Att

m. Land 5. Stück.

Gg

452 III. Fortsetzung der Abhandlung An einem andern Orte nennt Iuvcnal gleichfals die bloße Ablesung der hexametrischen Verse der Thebais des Statius, welche Statius selbst nach ei­ genem Gefallen lesen sollte, Larmma.

Currltur

ad vocem jucundam

& carmen

amicje Thebaidos, la’tarn fccit cum Statius urbem, Promifitque diem, tanta dulcedine captos Afficit ille animos, tantaque libidine vulgi Auditor (*) Da sich nun Quintilian in der angeführten Stelle dogmatisch ausdrückt, so würde er sich wohl in Acht genommen haben, das Wort Carmen für einen musikalischen Gesang zu gebrauchen, und es in ei­ ner Bedeutung anzuwenden, die derjenigen so sehr entgegengesetzt war, die man ihm Mißbrauchsweise zu geben pflegte. Doch Carmen bedeutete seinem Ursprünge nach etwas anders; es war übri­ gens das eigentliche Wort, womit man die Deelamation benennte, und ward durch den Sinn der Stelle selbst, in welcher eö gebraucht wurde, auf seinen ersten und wahren Sinn eingeschränkt. Und kurz der Ausdruck versus habent carmen kann uns wegen der Bedeutung, die das Wort Carmen in der Stelle des QuintilianS und den Versen des OvidiuS haben soll, unmöglich in Zwei­ fel lassen. -

Weil die Neuern glaubten, daß Carmen bestän­ dig die uneigentliche Bedeutung habe, die es in den

C) id. tät. 7.

des du Bos rc.

453

den angeführten Versen des Juvenals hat, wo eS

weiter nichts als Verse anzeigcn will, so ist ihnen die eigentliche Bedeutung dieses Worts entwischt; und weil sie diese nicht wußten, so konnten sie eS auch nicht wissen, daß die Alten eine componirte Declamacion gehabt haben, die in Noten geschrie­ ben worden, ohne deswegen ein musikalischer Ge­ sang zu seyn. Noch ein ander übelverstandenes Wort hat viel dazu beygetragen, den neuern Schriftstellern die Existenz dieser Declamation zu

Ich meine das Wort cantttj nebst al­ len seinen Abstammungen. Die neuern Kunstrich­ ter haben also allezeit unter canriu einen musikali­ schen Gesang verstanden, ob eS gleich in verschiednen stellen nur einen Gesang überhaupt, oder eine Recitation, bey der man sich nach einer gewis­ sen jn Noten geschriebenen Melodie richten muß, verbergen.

bedeutet. Auch canere ist ihnen allzeit das gewe­ sen, was wir unter dem eigentlichen Singen ver­ stehen. Und daher ist der Irrthum vornehmlich gekommen, nach welchem sie geglaubt, der Ge­ sang der dramatischen Stücke bey den Alten sey ein eigentlich so genannter Gesang gewesen, weil sich die alten Schriftsteller gemeiniglich der Worte can-

tus und canere bedienen, wenn sie von der Aus­ führung dieser Stücke reden. Ehe ich also meine Meinung durch neue Beweise unterstütze, die aus der Art'und Weise selbst, wie die componirte De­ clamation auf den Bühnen der Alten ausgeführet wurde , gezogen sind; wird es, glaub ich, nicht

undienlich seyn,

wenn ich zeige, daß das Wort Gg r Gesang,

454 m. Fortsetzung der Abhandlung (Besang, so wohl im Griechischen ale im Lateini­ schen, nicht bloß den musikalischen Gesang, son­ dern auch eiye jede Art von Deklamation, ja das bloße Hersagen selbst, bedeute; und daß man folg­

lich daraus,

weil die alten Schriftsteller gesagt,

ihre Schauspieler hätten gesungen, nicht schliessen müsse, diese Schauspieler hätten so gesungen, als wir das Wort fingen in der gewöhnlichen Bedeu­

tung zu nehmen pflegen. Daö Ansehen der neuern Schriftsteller, welchen meine Meinung wider­

spricht, fordert von mir, sie auf das gründlichste zu beweist». Ich will also nicht glauben, daß man mir die Menge der Stellen vorwerfen werde, die ich zur Erhärtung einer Sache anzuführen ge­ denke, welche vielleicht zwey oder drey von diesen Stellen hinlänglich beweisen.

Sechster Abschnitt.

Daß in den Schriften der Alten das Wort singen, oft declamiren, ja so gar auch blos reden bedeute. AÜ^oher die eigentliche Bedeutung des Worts 'M? (Besang, des Wors singen, und der da­ von abstammenden Wort« gekommen sey, lehret uns Strabo, welcher unter der Regierung des Au­ gustus lebte. Er sagt, e# sang zu nennen. Ja auch da, fügt Strabo hinzu, hörte man noch nicht auf, singen für red# tiren zu sagen, als man sich schon der ungebun­ denen Rede zu bedienen pflegte. Man sagte also sogar, Prosa singen; anstatt, Prosa recttitett. Da wir in unsrer Sprache kein generischeWort haben, welches das Wort canere ausdrü­ cket , so wird mir der Leser die häufigen Umschrei­ bungen vergeben, deren ich .mich, es zu übersehen, bereits bedient habe, und deren ich mich noch werde bedienen müssen, um die Zweydeutigkeiten zu ver­ meiden , in die ich nothwendig fallen müßte, wenn ich das Wort singen schlechterdings, bald für das Ausführen eines musikalischen Gesanges, bald über­ haupt für das Ausführen einer in Noten gesetzten Declamation brauchen wollte.

Wir wollen nunmehr die Stellen der alten Ver­ fasser vorlegen, welche es unwidersprechlich darthun, daß die Declamation der theatralischen Stücke bey den Griechen und Lateinern, ob sie ihr gleich dm Namen eines Gesanges gegeben haben, gleichwohl kein musikalischer Gesang gewesen sey.

Gg z

In

456 III Fortsetzung der Abhandlung In den Gesprächen des (Et'cero vom Redner sagt Crassus, einer von den redend eingeführten Per­ sonen, daß seine Stiefmutter Lälia sehr häufige und stark bemerkte Accente ganz leicht und ungezwun­ gen ausgesprochen habe, und fügt hinzu: (*) wenn ich die Lalia reden höre, so glaube ich, die Stü­ cke des PlautuS oder des Nävius spielen zu hören. Die Stelle des Cicero, auf die ich mich hier nur

beziehe, wird in dem folgenden ganz angeführt werden. Lälia aber sang nicht, wenn sie mit ih­ ren Hausgenossen sprach; und also sangen auch die­ jenigen nicht, welche die Stücke des Plautus und Rävius recitirten. Cicero sagt auch noch kn ei­ nem andern Werke, (**) daß die komischen Dich­ ter die Abmessung und den Rythmus in ihren Ver­ sen kaum merken liessen, damit sie dem gemeinen Reden desto naher kommen möchten. At Comicorum fenarii proprer fimilitudinem fermonis, sie sunt abjecti, ut non nunquam vix in hts riumerus & versus intelligi poflit. Diesem Vor­ sätze aber, dem gemeinen Reden näher zu kommen, würde gänzlich seyn entgegen gehandelt worden, wenn man die komischen Verse gesungen hatte. Gleichwohl bedienen sich die alten Schriftsteller des Worts singen, eben sowohl bey der Recitation der Komödien, als der Tragödien. Donatus und Eutkicmius, die unter der Regierung Constantinuö deS Groffen gelebt haben, sagen in ihren Schriften, welche de Tragoedia & Comödia

Corn* (*) De Orat. fibro III,

(•') In Oral,

des du Bos rc-

457

Commentatiunculte überschrieben sind, daß die Tragödie und Komödie Anfangs in nichts als in Versen bestanden habe, welche in Musik gesetzt ge­ wesen , und die ein Chor unter Begleitung von Blasinstrumenten gesungen habe. Comoedia vetus ut ipfa quoque olim Tragoedia, fimplex Car­ men quod chorus cum tibicine concinebat. IsidoruS HiSpalenslS nennt gleichfalS diejenigen San,

ger, weiche Tragödien und Komödien spielten. (*) Sunt qtii antiqua gesta & facinora fceleratorum Regum luctuoso carmine, spectante populo, concinebant. Comcedi sunt qui privatorum hominum acta, dictis aut gestu exprimunt. Ho­ raz, ehe er in seiner Dichtkunst auf das kömmt, was zu einer guten Komödie erfordert wird, sagt überhaupt, eine gute Komödie sey . diejenige, welche den Zuschauer so lange angenehm unterhalte, bis der Sänger ruffe: klatschet! donec Cantor, vos plaudite, dicat. Wer war dieser Sängers Einer von den Komödianten. Der komische Schauspieler, RoScius zum Exempel, ward eben sowohl von musikalischen Instrumenten unterstützt,

als der tragische Schauspieler, wie wir im folgen­ den sehen werden; und also konnte man auch von dem einen eben so wohl, alö von dem andern sagen,

daß er singe. Quintilian beklagt sich, die Redner seiner Zeit sprächen vor Gerichte eben so, wie man auf dem Theater recitire. Wir haben das, was er da­ von sagt, schon angeführt. Glaubt man aber, Gg 4 daß

(*) Libro primo. Gap. 10,

458 HI. Fortsetzung der Abhandlung baß diese Redner so gesungen haben, wie in unsern Opern gesungen wird? An einem andern Orte ver­ bietet Quintilian seinem Schüler, die Verse, die er, um sich in der Aussprache zu üben, lesen müsse, mit eben dem Nachdrucke auszusprechen, mit wel­ chem man auf der Bühne die cantica zu recitiren pflege. Wir werden bdb sehen daß diese cantica diejenigen Austritte des Stücks waren , deren Declamation am gesangreichsten war. Was hätte es aber Quintilian nöthig gehabt, seinem Schüler die Nachahmung der Canticorum in den Umständen, in welchen er sie ihm verbietet, zu verbieten und zu sagen: fit autetn lectio virilis, non tarnen in canticum dissoluta, wenn dieser Gesang ein wirklicher Gesang, nach unsrer gewöhnlichen Art zu reden gewesen wäre? Eben dieser Schriftsteller sagt an einem andern Orte, daß die komischen Schauspieler sich in ihrer Aussprache nicht so weit von der Natur entfernten, daß man sie in ihrer Rede nicht mehr erkennen könnte, sondern daß sie die im gemeinen Re­ den gewöhnliche Art zu sprechen, durch die An­ nehmlichkeit, die ihnen ihre Kunst erlaube, nur aufstühten. (*) Astores Comici nec ita prorfus ut nos loquimur pronunciant, quod eflet sin$ arte, nec procul tarnen a natura recedunt, quo vitio periret imitatio; fed morem communis hujus fermonis decore comico exornant. Nun urtheile der Leser, ob dieses singen heißt. Endlich

(*) Lib. II. cap. p.

des du Bos rc.

459

Endlich fügt auch O-intilian zu der'Stelle, die wir schon angeführt haben, und in welcher er dem Redner, wie ein Schauspieler zu singen, verbie­ tet, dieses hinzu; daß er ihm dadurch ganz und gar nicht eine unterstützte Declamation, und den­ jenigen Gesang untersage, welcher sich zu der ge­ richtlichen Beredsamkeit schicke. Cicero selbst, fährt er fort, hat die Nützlichkeit dieses gleichsam verhüllten Gesanges erkannt. Quid ergo, ■ cum Cicero dicit esse aliquem in oratione cantum obfcuriorem, ostendam non multo poft, ubi &quatenus recipiendus fit hic Sexus & cantus. (*)

Wenn Juvenal in seiner siebenten Satyrs den H.uintilkan rühmen will, so sagt er unter andern, daß dieser Redner sehr wohl singe, besonders wenn er vorher sich derjenigen Mittet bedient habe, deren sich die Römer zur Reinigung der Werkzeuge der Stimme zu bedienen pflegten, und von wel­ chen wir weiter unten reden wollen, (**)

Orator quoque maximus & jaculator Et fi perfrixit, cantat bene. -Sang aber Quintilian, wenn er öffentlich redete, wenn man singen in der Bedeutung nimmt, die es unter uns hat? Allein, wird man sagen, es war doch ein wirk­ licher Gesang, wenn die Chöre sangen; und wenn tzie spielenden Personen sangen, so sangen sie wie die Chöre. Siehest du nicht, sagt Seneca, wie

viel

(') Inst. libr. XL c, (*") Siche den sunftchnten Abschnitt,

4&o HI. Fortsetzwg der Abhandlung viel viel verschiedene Klänge daeChor ausmachen. Da hört man den Discant; da hört man den Te­ nor; da hört man den Baß. Die Blasinstru­ mente mischen sich unter die Stimmen derMänner und der Weiber. Gleichwohl entspringt aus die­ ser Vermischung nichts mehr als ein einziger Zu­ sammenklang. Man hört die verschiedenen Stim­ men alle, ohne sie eigentlich zu unterscheiden. (*) Non vides quam multorum vocibus chorus con­ stet, unus tarnen ex Omnibus fonus redditur. Aliqua illic acuta, aliqua gravis, aliqua media. Accedunt viris fominae, interponuntur tibiae, stngulorum illic latent voces, omnium apparenr. Fast eben diese Stelle findet sich auch bey dem Macrobius, (**) welcher noch diese Anmerkung hinzufügt: fit concentus ex dissonis. Alle diese verschiedne Klänge machen ein einziges Concert. Ich antworte fürs erste, daß es aus dieser Stelle eben nicht ganz gewiß erhelle, daß die Chöre eine Musik nach unsrer Art gesungen hätten. Es ist zwar wahr, es scheint Anfangs unmöglich, daß eine Menge Personen Chorweise declamkren könne, gesetzt auch, daß man ihre Deklamation vorher ein» gerichtet habe. Man kann sich schwerlich vorstel­ len , daß diese Chöre etwas anders, als ein wü­ stes Geschrey könnten gewesen seyn. Doch wenn dieses gleich, dem ersten Anblicke nach, unmöglich scheint, so folgt daraus doch nicht, daß es auch wirk­ lich unmöglich sey? Es würde sehr verwegen seyn, unserer Einbildung in Ansehung der Möglichkeiten,

so (*) Epift. 84'

(**) Saturn, üb. pr. in Pro«

des du Bos re.

461

so leicht zu glauben; denn man glaubt fthrgern, daß diejenigen Dinge unmöglich sind, die man nicht gleich auszuführen vermag, und die meisten Leute begnügen sich, den Mitteln, wie sie uuszuführen wären, ohngefähr eine halbe Viertelstunde nachgedacht zu haben. Hätte man ihnen einen Monat nachgedacht, so würde man eben dieselben Dinge für möglich erkannt haben; und hätte man hernach noch sechs Monate Fleiß daran gewandt, so würde man sie vielleicht auch in der Ausführung wirklich gemacht haben. Ein andrer Mensch kann auf Mittel fallen, auf die wir nimmermehr wür­ den gefallen seyn. Doch dieser Punkt würde unS zu weit wegführcn. Ich will cs also zugeben, daß die Chöre einen Theil ihrer Rollen nach einer har­ monischen Musik mögen gesungen haben; allein hieraus folgt noch nicht, daß auch dieSchaüspieler gesungen haben. Wir haben ja selbst verschiedene dramatische Stücke, in welchen'die Schauspieler bloß declamiren, obgleich die Chöre gesungen werden. Der­ gleichen ist die Esther und die Athalia des Herrn Racine. Dergleichen ist auch Psyche, eine Tragödie, welche der grosse Corneille und Moliere ge­ macht haben. Wir haben sogar auch Komödien von dieser Art, und man weis die Ursache wohl, warum wir derselben nicht noch mehrere haben. Wenigstens liegt sie nicht darinn, weil diese Art, dramatische Stücke vorzustellen, schlecht, sey. Ich will diese Antwort auch noch mit einer Anmerkung unterstützen. Mit dieser nehmlich, daß sich

462 III. Forts, der Abh. des du Bos rc. sich die Alten ganz andrer Instrumente bedienten, wenn sie die Chöre accompagnirten, und ganz an­ drer, wenn ste SS den redenden Personen thaten. Dieser Gebrauch, bey diesem gedoppelten Accompagniren verschiedene Instrumente zu brauchen, be­ weiset etwas. Quandoenim chorus canebat choricis tibiis, id est choraulicis, artifex concinebat. Iis canticis autem Pythaules Pythicis refpondebat, sagt Diomedes. (*) Doch dem sey wie ihm wolle; denn wenn eß auch wahr wäre, daß der Ausdruck sinken, wenn von dem Gesänge deS Chors die Rede ist, eigentlich zu verstehen sey, so würde doch daraus nicht folgen, daß man auch bey dem Reden dieses Wort kn eben demselben Ver­ stände nehmen müsse. Unsere Beweise bleiben dem ohngeachtet noch überzeugend genug.

IV.

Erste Fortsetzung des Verzeichnisses deutscher Opern. (Man sehe das 4te Stück in. Band.)

1694.

Schäfer an dem Fluß Am-

phriso. Braunschweig. -------- Syrinx. Leipziger Neujahrsmesse. -------- Julius Cäsar- Leipziger Ostermesse.

1694« C)

Arte GrainmÄtica lib. 3.

LV. Erste Forts. desVerz. deutsch.Op.46z 1694. Sigisnnmd, König!. Prinz aus Poh­ len. Siche 1693, -------- Venus oder die siegende Liede. Mu­ sik vom Hrn. Brenner; Poesie vom Hrn. Hmsch. Die Herren du Bros und Thtboust waren Balletmeisier. Nachhero in sechzehn.Jahren keiner. Hamburg. -------- porus, componirk vom Herrn Touster. Die Worte von den Herrn Postel und Brestand. Hamburg. —— Bastlius in Arkadien, oder der Ko» nigl. Schäfer, Musik vom Hrn. Capellmeister Baiser. Poesie vom Herrn Brestand. Hamburg. —VOettstreit der Treue, Schäferspich Musik vom Herrn Capellmeister Erre­ ger; Poesie vom Herrn Brestand. Hamburg. —— pvramus undThisbe, componittvom Herrn Touster, die Worte vom Herrn Rath Schröder. Hamburg. -------- Herkules, iter Theil) Musik vonLouster. -------- Herkules, 2ter Theil J Poesie v.Brestand. -------- procris und Lephalus. Braunschweig. -------- Salzrhaltscher tNayen« Schlüße —— Tlelra. Braunschweig. -------- Lamrlla, Königinn der Volscer. Weis­ senfels. —Sieg der Freundschaft über die Lie­ de. Weissenfels. 1694.

464IV. Erste Forts, des Verz.deutsch.Op. 1694. Die vornehmsten VOeltverderber von Sam. Großer». Altenburg. — Die bethrante Unsthuld des leiben# den IEsit, von M. Ioh. Georg Lippolden. Jena. 1695. Medea, Musik vom Hrn. Giannettini, aus dem Jtaliän. durch den Herrn Postel dergestalt überseht, daß die Mu­ sik beybehalten werden können. Hamburg. -------- Die glücklich wieder erlangte Hermione, von ebendenselben Verfassern. Hamburg. -------- Der großmüthige Scipio Africa­ nus , Musik vom Hrn. Lsnster, überseht vom Hrn. Liede ler. Hamburg. -------- Der hochmüthme Alexander- Musik vom Hrn. Steffani, damahls Capellmeister in Hannover, hernach Abt und endlich Bischof; überseht vom Hrn.. FLbetet. Hamburg. —— Armide. Musik vom Hrn. pallavicini, überseht vom Hrn. Fideler. Hamburg. Im Italiänischen heißt der Titel U Gieriisalema liberata.

Historisch - Kritische

eylrüge zur

Aufnahme der Musik von Friedrich Wilhelm Marpurg«

m Band. Sechstes Stück.

Berlin, Verlegts Gottlieb August Lange.l 7 5 8.

Inhalt Les

Sechsten Stücks. I. Unpqrthenische Gedanken über die richtige Denkungöart des Herrn Daube in seinem Vorbericht über den Generalbaß in drey Accorden, von Friedr. Wilhelm Gomrenkalb, Organisten in Herzberg. II. Sammlung einiger Nachrichten von berühm­ ten Orgelwerken in Teutschland, mit vieler Mühe aufgesetzt von einem Liebhaber der Musik.

III. Ejjdt d’un nouveau Caraclere de Fönte pour

l'imprefjton de la Mustque, invente\& execute dans toutes les parties Typo^raphiques, par Fournier le Jeune, Graveur 15' Fondeur de Carallercs £Imprimerie, d Paris 1756. IV. Vermischte Gedanken, von dem Verfasser der musikalischen Poesie.

V. Neuigkeiten,

I

Unpartheyische Gedanken, übet die richtige Denkungsart -es Herrn Daube in Seinem Vorbericht über den Generalbaß in drey Accordw, von Friede. Wilhelm Sonnenkalb, Organisten in Herzberg. (Sur völligen Einrückung eingeschickt.)

eine Absicht ist, das, was der Herr D. Gemme! in diesem Vorbericht aus Großmuth übergangen, allhier nachzu­ holen. In dem ersten §. saget der Herr Daube: „Es giebt viele, die da gar behaupten wollen, als „sey die praktische Musik auf den höchsten Gipfel »der Vollkommenheit gestiegen. Es wird es wohl niemand behaupten, als der Herr Verfasser selbst. Das, was in dem höchsten Grade vollkommen ist, kann ohnmöglich «'nem Zusätze von noch msshrern Vollkommenheiten unterworfen seyn. Nun aber ist bekannt, daß die Praktiker fast täglich noch mehr neues entdecken, und dadurch die praktische lll.Sayd 6. Stück. Hh Musik

466 L Unpartheyische Gedanken Musik vollkommner machen. Also muß mir der Herr Verfasser selbst ein Beweis seyn. Er hat, wie er saget, in der praktischen Musik Sachen ent­ decket, die noch vorher kein einziger gewust hat. Soll die praktische Musik nun noch auf den höch­

sten Gipfel der Vollkommenheit gestiegen seyn? Entweder der Herr Verfasser hat in seinem Buche nichts neues erfunden, und sein obiger Ausspruch ist wahr:, oder er hat neues erfunden, und sein obiger Ausspruch ist nicht wahr. Will er nun lie­ ber Unwahrheiten reden, d. k. ein Erstnder neuer praktischen Sachen seyn, oder will er lieber wahr reden , d.i. nichts erfunden haben? In dem andern §. führet der Herr Verfasser fort: „Viele sind, die da componiren, und nicht „wissen: ob dieser oder jener Saß gegründet ist. „ Ist sehr wahr. Wenn solche Leute nun den Ge­ neralbaß und die Eomposition lehren wollen, ver­ dienen sie nicht alsdenn ein wenig gezüchtigt zu werden? Ohne Zweifel. „Werden sie deshalb „befraget; so berufen sie sich auf das Zeugniß be­ rühmter Männer: die eben diesen Saß, nicht „aber einerley Bewegungsgrunv gehabt haben. „ Der Herr Verfasser seßet die Stümper und Zweif­ ler in der Eomposition mit den berühmten, und in den Regeln der Musik gewissen Männern in eine Classe. Er scheinet so viel zu sagen: „Die „Stümper in der Composition brauchen oftmahls „falsche Säße, und halten dieselben doch für gut, „wenn sie nur einen dergleichen ähnlichen Saß in „eines berühmten Mannes Eomposition auch auf„weisen

über die richtige Denkungsart re. 46? „weisen können." Wären aber die Säße der Stümper nicht zweifelhaft und falsch, so würde man sie ja nicht deswegen zur Verantwortung zie­ hen. Sind sie aber Zweifelhaft und falsch, und sie können ähnliche Sätze in den Compositlonen be­ rühmter Männer zur Vertheidigung der ihrigen anführen: so muß ja nothwendig folgen, daß die Satze dieser berühmten Männer auch zweifelhaft und falsch sind. Findet sich hier nicht ein Wider­ spruch? Berühmt seyn, und falsche, zweifelhafte Sätze zum Vorschein bringen! Das kann ja wohl ein berühmter, ein mit Recht berühmter Mann nicht thun. Doch Herr Daube glaubet, diese gros­ sen Meister wiederum zu retten, wenn er spricht: Seite VIII. »Der Stümper und der berühmte „Meister haben bey einem Satze nicht einerley Be» „wegungsgrund gehabt. Die Worte: die berühmten Männer haben nicht eben den Bewegungsgrund, zeigen an, daß der Herr Verfasser hier von Sätzen redet, da man sich einiger Freyheit bedienet hak, und die also zweifel­ haft, und nach den Regeln nicht gar zu richtig sind. Wenn der Herr Verfasser von guten und richtigen Sätzen redete, so würde er ja nicht übel sinden, wenn sich die Stümper auf diese Sätze beriefen, und er würde ja nicht sagen, daß man sich nicht darauf berufen könne, weil sie andere Bewegungs­ gründe gehabt hätten? Was verstehet denn.der Herr Verfasser hier unter dem Bewegungsgrunde? Soll es etwa so viel heißen: diese berühmte Män­ ner haben durch diese Säße diese oder jene Wort« Hh 2 wohl

468 I. Unpartheyische Gedanken wohl auszudrücken gesucht? Wird diese Absicht hm» länglich seyn, und wird sie mir erlauben, einen, nach den Regeln der Composition falschen Sah anzu­ bringen?-Was soll denn nun hier der Bewegungs­ grund heißen? Nichts. Der Herr Daube beliebe sich ordentlicher auszudrücken. „Jetziger Zeit können wir uns nicht über den „Mangel genügsamen Unterrichts beklagen. Al„lein, was den Unterricht in dem Generalbasse, „und in der Composition betrift; so kann man ihn „selten gut haben. „ Von einer ganzen Kunst und Wissenschaft Un­ terricht, und zwar-genungsamen, (d. i. hinlänglichen, gründlichen) Unterricht haben, und von einem Theil derselben keinen haben, wie reimet sich die­ ses zusammen? UeberdicscS heißet es: Seite XII. „daß Matheson, Heimchen und Lux, vor-

„trefliche Werke von dem Generalbaße herauSge« „geben hätten.,. Wie kann man denn nun hiev sagen, daß man den Unterricht in dem General­ basse selten gut haben könne? Die Ursache, die der Herr Verfasser angiebt, warum man den Un­ terricht in dem Generalbaße selten gut haben soll, ist nach seiner Meinung, der schlechte münd­ liche, und schriftliche Unterricht. Ich dachte, des Herrn Matthesons, Heimchens und FuxenS Werke, welche von dem Generalbaße herausge­ kommen find, wären so vortressiche Werke? Wie kann denn der Herr Verfasser sagen, daß es uns an gutem schriftlichen Unterricht gefehlet habe ? Ja, man wisse, Herr Daube lobet zwar diese Bücher, aber

übev die richtige Denkungsart rc. 469 ober es ist sein Ernst nicht; denn wie er spricht, fix.

ist vieles darinnen zu verbessern,

welches niemand einsiehct, als ep. Es hat bishero niemand in dem Generalbäße bessern Unterricht gegeben, als Herr Daube. Wer es nicht glauben will, der sehe nur sein Buch, und Hrn. D. Gemmels Anmerkun­ gen darüber. Seite IX. „Bekömmt ein Anfänger „einen Lehrmeister, der selbst wenig verstehet: so

„ist leicht zu erachten, was der Schüler lernen „kann.,. Ich sehe hinzu, und wenn er gar hertiad) ein Schriftsteller wird, waö er da für Sachen zu Markte bringen kann. Nota a „Zu der praktischen Ausübung in dem „Generalbaße gehöret auch noch eine theorerische „Kenntniß, daß man wisse r z) wie man aus dem er« „sten AcSorde den darauf folgenden errathen solle. Was heisset" ekkckthettr Es heisset, eine Sa­ che von ohngefähr treffen, ohne den Grund und die Ursachen angeben zu können, warum die Sache

so,

und nicht anders kommen sey. Also bestehet das dritte Stück der theoretischen Kenntniß des Generalbaßes im Errathen? Also kann man nicht nach Regeln erlernen, wie ein Accord auf dem an­ dern folgen müsse? Der Herr Verleger wird dem Herrn Daube wenig Verbindlichkeit haben. Die Schüler des Generalbaßes brauchen sein Buch nicht. Sie könnet» sich nur auf die ErrathungSe kunst legen. Seite IX. „Die große Menge Schriften, die „von der Musis handeln, und voin Anfänge der „Wiederaufrichtung der Musik, bis auf die Zeiten Hh z „des

4?o I Unpartheyifche Gedanken „des unvergleichlichen Machesone, herausgekom„men sind, enthalten mchrentheils eine ungeheure „Menge Observationen, welche sie Regeln nann„ten, desgleichen von der Folge der Cynsonanzen. Maß verstehet der Herr Verfasser durch überflüßige Regeln für Regeln? Er führe sie an. Je mehr eine Kunst regelmäßiges hat, je größer ist bereits ihr Wachsthum- Sind denn die Observationes und Regeln in der Musik überflüs­ sige Dinge? Lehren sie uns nicht in der Musik mit Grund und Gewißheit handeln? Soll also die Menge der Regeln nicht etwas Gutes seyn, und ihre Erfindung Dank verdienen? Herr Daube schreibet gewiß lieber frey und unregelmäßig. Man sthe einmahl, wie undankbar Herr Daube gegen die Bemühungen großer Männer ist, denen er doch, was in seinem Buche etwa hin und wieder gut ist, so wenig auch solches ist, zu danken hat! giebt es ferner so viele überflüßkge Regeln, daß de­ ren Menge ungeheuer ist ? Ob ich gleich einräume, daß der Regeln des Generalbasses viel sind; so verdienen sie doch den Ausdruck ungeheuer nicht. Der Herr Verfasser nennet diese Regeln unnütze, und-eö kann doch sehr wohl seyn, baß sie vielleicht in der Composition die nützlichem sind, und er der­ selben Ruhen nur nicht einsichet. Das beste wird seyn, er führe sie an, damit man fthe, ob sie UN. nütze sind, oder nicht, und damit man wisse, wel­ che er eigentlich meinet. Unter die unnützen Din. ge, welche in den Schriften derer Schriftsteller vor dem Herrn Matheson seyn sollen, scheinet der Herr

über die richtige Denkungsart re. 471 Herr Verfasser die Lehre von den Consonanzen auch

mit zu rechnen. Muß denn die Lehre von tetr Consonanzen und die damit verbundn? Lehre von der harmonischen Bewegung derselben nicht vor der Lehre voll den Dissonanzen vorhergehen, und erfordert die erstere nicht mehr Regeln, als die letztere, weil die Dißonanzen ihre gemeßene Fortschreitung durchaus haben, die Consonanzen aber nicht. Ich Wollte mich schämen, dergleichen Zeug jemahls geschrii ben zu Habb'n.

Wir wollen vermuthen, daß,

wenn'der Herr Daube sich mit der Composition ordentlich wird bekannt gemacht haben, und nicht

mehr dafür halten wird, daß ein Lehrling derselben einen Lehrer darinnen abgeben kann, daß er als-

denn auch anders gedenken wird. Seide XJI, „EHist^in großes Uebel, daß ein An« „fänge?ejneMenge überstüßi'ger Regeln lernen muß.

Waö verstehet der Herr Verfasser dllrch überflüßige Regeln? Etwa solche Regeln, deren zwo oder drey von einer unh eben derselben Sache handeln? Sind diese deswegen überflüßig? Wenn bey eben derselben Sache mehr als ein einziger Um­ stand vorkömmt; so gehöret ja auch mehr als eine einzige Regel dazu.

Seite XII. Ein noch größer Uebel ist: daß „ein Schriftsteller einen Theil Regeln lobet, die „doch der andere tadelt und verwirft, wobey NB.

„selten eine andere Ursache gegeben wird, als: ^dieses ist gut, jenes aber böß. Wer in einer Kunst und Wissenschaft etwas ahnt Grund lobet oder, tadelt, der ist entweder in Hh 4 dieser

472 I. Unpartheyische Gedanken. dieser Kunst und Wissenschaft unwissend, oder diese Kunst und Wissenschaft hält an und für sich selbst nichts regelmäßiges in sich, und ist also eine unor­ dentliche Kunst. Herr Daube machet also die berühmtenSchriftstekler (einen Fup, Henrichen, Mathestn) entweder zu Unwissenden/ oder die Musik zu einer Kunst oder Wissenschaft, die den Nah­ men einer Kunst oder Wissenschaft gar nicht verdie­ net. Es ist ohnmöglich, daß einige Schriftsteller «inen Theil Regeln mit Grunde der Wahrheit lo­ ben, uyd wiederum andere eben diesen Theil mit Grunde der Wahrheit verwerfen können. Entwe­ der diese müssen Recht haben, oderjene. Die Re­ geln der Musik sind dieHauptprincipia dieser Kunst. Alle Bekenner einer Kunst undWissmschast, wenn sie auch gleich noch so uneinig unter einander sind, können nur in denen Principiis secundis uneinig seyn, niemahls aber in den primariiS. Wie sehr der Herr Verfasser hier der Musik und allen berühmten Männern Gewalt gethan hat, will ich ihm zu bedenken geben. Die einzige Ursache, welche derselbe anführet, warum einige berühmte Manner etwas für gut oder böse halten sol­ len,^ ist diese: „Zuweilen wird ein unharmoni„scheö Vcrhältniß gezeiget." Der Herr Verfasser glaubet also, es sey etwas kleines, daß einig» Mu­ sici wegen eines unharmonischen Verhältnisses Sä­ he verwerfen. Ich verstehe unter dem unharmoni­ schen Sahe oder Verhältnisse nicht einen solchen Sah, der regelmäßig dissoniert, sondern einen sol­ chen, .der nach den Regeln der Composition sowohl

dem

über die richtige Denkungsart re. 473 dem Ohr, als dem Auge nach offcnbahr falsch ist* Denn, was gut dissoniret, kann ich nicht für böse ausgeben; weil die regelmäßig gebrauchten dissonirenden Sähe in der Musik das Schönste, ja,

so

zu reden, gleichsam die Seele derselben sind. Ist denn nun dieses eine Kleinigkeit, wenn ich ei­ nem darthun kann, daß seine Säße nach den Re­ geln der Komposition unharmonisch, das ist, böse und falsch sind? Haben denn nun viele Musici nicht Recht, wenn sie aus dem Übeln Verhältniß der Stimmen unter einander darthun, daß ein sol­ cher Saß, unharmonisch und offenbar falsch sey? Menn Herr Daube dergleichen Dinge als Kleinig­ keiten in seinen Kompositionen übergeht: wie müssien dir großen Fehler darinnen beschaffen seyn? Seite XU. „Da st» viele vortrefliche Werke von

„dem Matheson, Heinichen und Fux, wie auch „andern mehr herauskommen sind: so könnte man „gegenwärtigen Traktat mit Recht für überflüßig „halten. “ Aus diesen Werten kann man schließen, daß der Herr Erfasser schon selbst vorhero, ehe sein Buch herausgekommen, überzeuget gewesen ist, daß sein Traktat in der musikalischen Welt überflüßig und unnüße seyn werde. Er hat mehr, als zu richtig geschloffen. Dieser Traktat ist nicht nur überflüsi sig, sondern auch schädlich. Ueberflüßig ist er, weil man schon bessere hat. Schädlich,- weil alle diejenigen, die denselben kaufen, Geld dafür aus­ geben und nicht Geldes Werth dafür wieder erlan­ gen. Noch eins, oben sagte ja der Herr Verfasser Hh 5 Seite

474 k Unpartheyische Gedanken. Seite VIII. daß es an genungsamem Unterrichte in den Generalbasse, und in der Komposition fehle, und hier besorget er, daß sein Traktat wegen Ueber» fiuß desselben, unnütze und überflüßig scheinen werde; istdaS nichts abermahls ein Widerspruch? Wie hebet er denselben? Man höre: „Mein, wenn „man erweget, zu welcher Zeit bemeldte große „Männer gelebet haben; so wird man finden, daß „damahls hie obengedacbten häufigen Regeln, und „der beständige Gebrauch der Kontrapuncte, und „die Verabsäumung der natürlichen Melodie im „Schwange war. Was für ein Gewirr«? Wie hänget hier An» fang und Ende zusammen? Die Hauptproposition in dem Fördersatze ist diese: „Mein Traktat sollte „zwar überssüßig zu seyn scheinen, weil schon so viele „von dieser Materie geschrieben hoben. Dieses hat seine Richtigkeit. Nun kömmt der Nachsatz, den der Herr Verfasser mit allem anfänW, und in welchem er uns das Kontrarium von dem Ver­ faße bereden will. Man höre nur, wie geschickt er es macht, und wie stark seine Beweise sind. Al­ lein sagt er; „Mein Traktat ist nicht Unnütze; „weil zu der Zeit, da diese berühmte Manner ge„schrieben haben, die häufigen Regeln, der be» „ständige Gebrauch der Kontrapunkte, und die „Verabsäumung der Melodie, der natürlichen Me„lodie sage ichs im Schwange war.Das sehe ich nun und nimmermehr ein, wie das zusammen hänget. Hat denn der Herr Verfasser diese oben gedachten häufigen Regeln in seinem Tractate ab» geschah-

über Hie richtige Denkungsart rc. 475 geschafft? Will er denn auch dafür stehen, wenn es geschehen ist, daß er dadurch dieser Kunst kei­ nen Schaden zugefüget hak? Und wie macht denn die Abschaffung dieser obigen häufigen Regeln sei­ nen Traktat nützlich, es ist ja noch die Frage: ob diese abgeschafften Regeln nicht gute Regeln gewe­ sen sind? Ferner hat er denn in seinem Buche die Contrapunkte ausgerottet, abgeschaffek, und die natürliche Melodie befördert? Er hat ja in seinem Traktate den Gebrauch der Contrapunkte durch sei­ ne drey Accorde noch mehr befördern helfen wol­ len, wie er Seite XXII. jaget, und von denen Re­ geln eine natürliche Melodie zu befördern, sehe ich noch gar nichts. Wie kann er also sagen, und hier­ aus folgern wollen, daß sein Traktat nicht unnütze sey? Kurz, der Nachsatz f der mit allein ange­ fangen ist, und das Gegentheil von dem Forder­ satze in sich hält, solte dasselbe auf das stärkste be­ weisen. Da dieses nun nicht geschehen ist, und diese von dem Herrn Verfasser angeführten Beweise gar keine Beweise sind: so bleibet der Traktat des Herrn Verfassers so lange überstüßig und unnütze, bis er dessen Nutzen besser und gewisser dargethan haben wird. Es hat also der Herr Verfasser ganz recht gemuthmaffet, daß sein Traktat überstüßig seyn werde. Die große innerliche Ueberzeugung, hat es ohnmöglich so weil kommen lassen können, daß er denselben, uns als nützlich mit hinlänglichen Gründen hätte darthun können. Seite XII. Wenn nun der Herr Matheson, „Heimchen und Fux, als dieses so berühmte Klee, „blatt

476 i Unpartheyische Gedanken „blatt durch ihre Schriften allen diesen hier befind„lichen Unrath auSgekilget hätten: was wäre dieses „für eine Arbeit gewesen?,.

Vielleicht herkulische Arbeit? Ich weiß nicht, Wgs: der Herr Verfasser muß gedacht haben, daß er tzgs zweydeutige Wort, Unrath, welches für diese drey große Männer etwas unanständiges in sich hält, zu sehen kein Bedenken getragen hat.- Unter den Unrath sehet derselbe i) die häufigen Regeln, 2) den beständigen Gebrauch der Eontrapunkte 3) das Ut, re, mi, fa. Wenn die häufigen Regeln Unrath sind; so hat der Hr.Verfasser in seinem Traktate auch Unrath, umso vielmehr, weil sie schlecht und elend find» Gute häu­ fige Regeln, dergleichen vortrefliche Sebriststeller ha­ ben, gehören nicht dahin. Der beständige Gebrauch der Eontrapunkte ist nach seiner Meinung auch Un­ rath. Das glaubet so leichte keiner, als derjeni­ ge, der nicht weift, was man durch conlrapunktische Arbeit eigentlich versteht, und der sich also nie­ mahls darinnen geübt hat. In der That gehört mehrere.Geschicklichkeit und Kunst dazu, als ein Gold oder Concert zusammen zu flicken. Wie, wen» dem Herrn Daube eine Messe, Vesper rc. zu

csmponiren, aufgetragen würde? Man würde finden, was die Unwissenheit des EontrapunktS bey einem Tonkünstler für ein grobes musikalisches La­

ster ist. Nota c) „ Der Herr Matheson hat uns die „schönsten musikalischen Schriften geliefert. Auch „sogar der Neid, und die Eigenliebe werden ihm „heimlich Dank wissen. DaS

über die richtige Denkungsart re. 477 Das klinget anders, als wie oben. Seite XII, da einige berühmte Schriftsteller einen Theil Regeln ohne Grund loben, und andere wiederum eine« Theil ohne Grund tadeln unD verwerfen. „Sind schon einige Sachen darunter, die zuver„bessern wären; so ist er ja ein Mensch. Hieher ge„hören seine ehemahls angeführten beißenden Re„densarten. Einem Manne, der sich schon um die musikali­ sche Welt sehr verdient gemacht hat, kann man es allezeit eher verzeihen,, wenn er etwas beißend re­ det und schon bey Jahren ist, als einem, der das erste mahl, als ein Schriftsteller erscheinet, annoch jung ist, sich in der Praxi niemahls anders als schlecht gezeigt hat, und auch dabey beißend, großsprecherisch titib beleiw'gend redet , und alten und berühmte» Musiciö Verweise giebt. Ein Mann, der schon durch seine gute Schriften die musikalische Welt gelehret hat, muß wohl oftmahls ungeduldig werden, und beißend reden, wenn er siehet, daß einige ihm für feine gute Schriften keinen Dank wissen, son­ dern ihn wohl noch darzu tadeln, wie es der Herr Verfasser gemacht hat. „Das Gute ist unverbesserlich. Diefts verdie„net immerwährendes Lob, jenes (das beißende, »Menschliche) aber Enschuldigung. Ich wünsch« „dem Herrn Matheson noch langes Leben, damit die „unordentlich denkenden und groben Verächter der „Musik, die Würkung seiner kräftigen Panacee noch „fernerhin verspüren mögen... Durch die kräftige Panaeee verstehet der Herr

Daube des Herrn Mathesons beißende

Redensarten,

478 1. Unpartheyische Gedanken arten, und durch die Würkung derselben, die Ver« besserung der unordentlich denkenden und groben Verächter der Musik; denn es hänget mit dem Vorhergehenden auf das genaueste zusammen« Wennimn die kräftige Panacee des Herrn Mathe« sonS oder seine beißende Redensarten von so vor«

treflicher Würkung sind, warum verwarf denn der

Herr Daube dieselben vorhin, und rückte eS dem Herrn Matheson , als eine Schwachheit und Menschlichkeit vor, da er ihm jetzo gar langes ie« beit dafür wünschet? Woher weiß denn der Here

Daube, daß die Würkung der beißenden Redens­ arten des Herrn Matheföns so kräftig ist, wenn er nicht selbst davon überzeuget wäre? Der Here Daube wünschet dem Herrn Matheson langes Le»

den, warum? Nicht deswegen, daß der Here Matheson durch seine gelehrten Schriften der mu« sikalischen Welt noch ferner dienen möge, (denn in denenselben ist sehr vieles zu verbessern) sondern daß durch die Würkung seiner kräftigen Panacee,

oder durch seinen beißenden Vortrag die unordent« lich denkenden und groben Verächter der Musik auf andere Gedanken gebracht, und gebessert werden«

Wollte doch Apollo, daß diese mit Recht gerühmte Panacee zu allererst auf unsern Hrn. D. würkte! Denn es wird schwerlich ein unordentlicherer Den­ ker und größerer Verächter der Musik gefunden

werden können, als er.

Das erste ist bereits von

dem Herrn D. Gemmel gezeiget worden. Ein Verächter der Musik ist er, wie ich ihm schon oben gezeiget habe, da er Seite XII, die Musik zu einer unordent«

über die richtige Denkungsart re. 479 unordentlichen Kunst gemacht, und zu einer sol­ chen Kunst, die nichts weniger, als den Nahmen einer Kunst oder Wissenschaft verdienen soll. Eö benimmt aber dieses gar nichts ihrem Werth und ih­ rer Gewißheit, daß man, so wie in andern Kün­ sten und Wissenschaften, also auch bey ihr über verschiedene Dinge pro und contra streiten kann» Zum Exempel, der Herr Verfasser hat die Quarte für eine Consonanz ausgegeben. Ob er nun gleich Recht hak, so,wollte ich doch noch viel mit ihm hierüber disputiern. Seite XIV. „Nun wird sich vermuthlich nie«

„Mand finden, der es diesen berühmten Männern »übel nehmen wird, wenn sie alle diese Dinge,, „und noch andere mehr, nicht mit aller Deutlich„keit ausgesühret haben. >♦ Warum nicht? Wenn es anders gewiß wäre, ich wäre der erste. Was ist das einmahl wieder für ein Zusammenhang? Weil wir Fuxen in der Musik diestö zu danken haben, Heimchen jenes und Matheson wieder etwas anders: also haben sie ihre Sache nicht mit'gehöriger Deutlichkeit ausgefüh. rct, und was das schönste ist, so folget auch noch daraus, daß es ihnen niemand übel nehmen kann, wenn es also ist. Warum hat der Herr Verfasser nicht lieber so geschlossen? Weil wir Matheson di« Regeln einer natürlichen Melodie zu danken ha­ ben ; also ist der Löwe eine Taube? Cs folget ei­ nes , wie das andere. Der Herr Verfasser be­ weise, daß diese Männer ihre Sachen, nicht mit aller Deutlichkeit ausgesühret haben; zuyi andern,

wenn

4So I. Unpartheyische Gedanken wenn es ja wahr sehn sollte, warum sollte sich denn keiner finden, und ihnen dieses übel nehmen kön­ nen? Ich sage, es wäre ihnen eher übel zu neh­ men, als andern, die nicht so große, und in dev Musik so berühmte Männer find. Wer viel ver­ mögend ist, von dem fordert man viel. Dem Herrn Verfasser kann man es eher verzeihen, daß sein Traktat nicht mit gehöriger Deutlichkeit und Gründlichkeit auögeführet ist; denn wer nicht viel vermag, von dem fordert man nicht viel. Seite XIV. „Wer nach einem andern Schrift­ geller lebet, der kann mit leichter Mühe diese Ar­ beit verbessern. Das ist wahr, aber mit der Bedingung, wenn er des Schriftstellers Buch, der vor ihm gelebet hak, völlig und gründlich verstehet. Weil nun der Herr Daube in seinem Traktate selbst undeutlich ist, und in-demselben auch nichts verbes­ sert, wohl aber verschlimmert hat; so folget hier­ aus nicht allein, daß er die Schriften dererjenigen Schriftsteller, welche vor ihm gelebet haben, nicht verstehet, sondern es ist auch wiederum ein Beweiß, daß sein Traktat überflüßig und unnütze ist. Warum soll denn nur derjenige, der nach einem andern Schriftsteller lebt, etwas mangelhaftes ver­ bessern können, kann es denn nicht auch der thun, der mit einen Schriftsteller zugleich lebet? Herr Daube lebet ja mit dem Herrn Matheson bis jetzo »och zugleich, und hat doch des Herrn Mathesons musikalische Schriften in seinem Traktate auch mit verbessert. Ob es. mit leichter Mühe geschehen kann.

über die richtige Denkungsart re. 481 kann, ist auch noch nicht ausgemacht. Ich glaube, es wird darauf ankommen, wie man der Sache, die man verbessern will, gewachsen ist.

Srite XIV. „In diesein gegenwärtigen Tractat „ist dieses, wie ich hoffe, geschehen. Der Herr D. Gemme! hat gezeiget, wie gut es geschehen ist. Seite XIV. „Daß nun hierdurch nicht allein „die gehörige Harmonie aller im Baß zu stehende» „Intervallen, und die natürliche Fortschreitung „der Tonarten ungleich leichter, als nach der be* „kannten Art zu erlernen, wie auch der Gebrauch „deutlicher vorgetragen wird, hieran wird nach ge„nauer Einsicht niemand zweifeln." Wenn man die Sache recht genau eingesehen hat, so ist man in allem gerade von dem Gegen­ theil überzeuget. Der Herr Verfasser hat den Anfängern Gcneralbaßmilch geben wollen, und ist verdorbnes Generalbaßrindfleisch worden. Seite XV. „Ferner habe ich alle ausserordent„liche Auflösungen hier angemerket, die vorhin tue* „len Organisten unbekannt waren." Der Herr Verfasser rühme sich seiner unge­ meinen und fremden Auflösungen ja nicht; denn die meisten sind falsch und apocryphisch. Will sie der Herr Daube sehen? ich will ihm ein Verzeuch* niß davon zuschicken. Seite XV. „Die einem Organisten so nöthige „Kenntniß: wie man aus einer Tonart mit sehr „wenig vermittelnden Accorden, auch in die aller-

1IL Land 6.

Stück.

Ii

entfern«

482 I. Unparcheyische Gchanken „entfernteste Tonart gelangen könne, war meines „Wissens bishero nur einigen großen Meistern

„bekannt."

Wenn das wahr wäre, so wüste ich nicht, wie mancher Organist bey dem Schlüsse einer Musik aus dem Es dur hätte wollen durch etliche Accorve bey dem Glauben in das D moll kommen. Viel­ leicht sind sie scholl längst, und zwar eben so bald und noch viel regelmäßiger in die entferntesten Tonarten gekommen, als der Herr Verfasser in sei­ nen Tabellen lehret. Ich für meine Person mag nicht nach desselben Methode auöweichen lernen. DaS heißet nicht ausweichen, sondern ausreißen, es gehe über Stock oder Stein, wenn man nur durchkömmt. Was für barbari­ sche hottentottische Sätze sind nicht in seinen Ta­ bellen fast auf allen Blättern ! Sätze, wider wel­ che sich Sinn und Verstand empöret, die nur eine höckerigte Einbildungskraft reißen können, und hie ein mit gesunden Gedanken begabtes glückliches und leichtes Genie denjenigen überläßt, die nichts natürliches Schönes hervorzubrinaen, im Stande sind, und ihren mit einer sauern Mechanik zusam­ men geleimten steifen Gedanken durch dergleichen unharmonisches GalimathiaS von Modulationen ein Ansehen des Neuen zu erwerben glauben. Seite XV. „Die großen Meister wollten die be„sondern Ausweichungen und Verwechselungen „nicht offenbahren."

über die richtige Denkungsartrc. 483 Hat Herr Heimchen nichts von den besondern Ausweichungen und Verwechselungen gesaget? Der Herr Verfasser beliebe nur recht nachzusehen. Es haben noch andere mehr davon gesaget, welche

Herr D. Gemmel schon genennet hat. Wenn kei­ ner von diesen großen Leuten dieses Kunststück of­ fenbahret hat, wie ist denn der Herr Verfasser da­ hinter kommen? Hat er es ersonnen?

&eite XV. „Ich habe hier und da einige sehr „nöthige Anmerkungen wiederholet, die aber mit

„;u eben der Sache gehören. “ Oben verwarf der Herr Daube die vielen Obser-

vationes und Wiederhohlungen, und hier saget er, daß er in feinem Tractat selbst dergleichen habe. Seite XVI. „Viele behelfen sich lieber mit einer „elenden Anweisung, welche kurz ist, als mit ei» „nem weitläuftigen Werke.

Ein Trost für elende Scribenten, daß sie immer

noch elendere Leser finden.

Seite XXII. „Ich beklage, daß dieser Vorbe„richt etwas weitlauftiger gerathen ist, als ich Wil„lenS war. Die verschiedene Materien hielten „mich länger auf, als ich dachte, ohngeachtet ich „mich aller Kürze zu bedienen gesuchet: da doch „eine solche Materie wohl verdienet, rechtschaffen „auögeführet zu werden, welches aber in den „künftigen Theilen geschehen dürfte. Der Herr Daube entschuldiget sich wegen seines

langen Borberichts; denn die vielen Materien, die Ii « er

484 l Unpartheyische Gedanken er abgehandelt hat, die doch, als eine solche Ma­ terie , wohl verdienen rechtschaffen auSgeführet zu werden, und welche vielleicht in den künftigen Theilen erst ausführlich abgehandelt werden sollen, haben ihn in seinem Vorberichte so lange aufgehal­ ten. Das hänget gar vortreflich zusammen. Es ist eben so, als wenn ich sage: Der Herr nehme es ja nicht übel, daß ich ihn heute mit meinem Be­ suche so lange aufgehalten habe; denn ich will mor­ gen erst zu ihm kommen. In diesem Periodo ist alles widersprechend. Der Herr Daube saget: die verschiedenen Materien, die ich auSgeführet habe, die aber in den künftigen Theilen vieleicht erst auSgeführet werden möchten, haben mich so lange aufgehalten. Ferner saget er: er habe ver­ schiedene Materien auSgeführet, und zuleht redet er nur von einer. Was für Verwirrung! Ma­ terien schon auSgeführet haben, und künftig erst noch ausführen wollen, wie reimet sich das zusam­ men? Was hat denn der Herr Daube für Ma» terien in seinem Vorbericht ordentlich auSgeführet? Unwahrheiten und Widersprüche habe ich genug in feinem Vorberichte gefunden, und keine auSgeführten Materien. Doch, weil sich der Herr Verfaß fer hier mit der Ausführung solcher Materien so lange aufgehalten hat, so ist dieses unser Trost, daß er sie künftig erst auöführen will. Seite XXII. „Schlüßlich empfehle ich mich dem „geneigten Leser, und erwarte dessen vernünftiges »Urtheil, überlaste aber den Ausspruch denenjeni»gen,

über die richtige Dmkungsartrc. 485 „gen, die eine wahre Einsicht in der Theorie und „Praxi der Musik besitzen. Ich habe byi Herrn Verfasser bis jetzo nur als ein Mann gerichtet, der richtig und ordentlich zu denken, bemüht ist, und ich habe ihm weiter nichts, als nur das Falsche, das Widersprechende, und Beleidigende in seinem Vorberichce gezeiget. Wen», der Herr Verfasser mein Urtheil und meine Denkungsart nicht für richtig hält, so verantworte er sich nur, es soll mir lieb seyn. Vielleicht werde ich sein Buch auch noch als ein Prakticus unb Theorcticus beurtheilen können.

Seite XXII. „Diese allein erkenne ich für meine „Richter, und weiß, daß sie nach Wahrheit und „Billigkeit urtheilen werden."

Für was hält denn nun der Herr Daube den Herrn D. Gemmel? Für einen P^akticum, oder Theoreticum, oder für beydes zugleich? Hat denn der Herr D. Gemmel nach der Billigkeit und Wahrheit geurtheilet, oder nicht? Der Hr. Daube vertheidige sich, alsdenn wird es sich zeigen. Weil der Herr Daube bey dem Schluffe seines Vorberichts auf nichts mehr bedacht gewesen ist, als die Wahrheit dieses Sprichworts zu erfül­ len : Ende gut, alles güt: so werde ich mich aller­ dings auch dahin zu bestreben haben, daß die ge­ lehrte musikalische Welt, von diesem meisten uh» partheyischen Urtheil ein gleiches sage. Der Herr Verfasser wird sich vielleicht über mich beschweren.

486

l. Unpartheyische Gedanken rc.

und sagen: daß ich mit ihm etwas gar zu scharf verfahren sey; allein er wisse, einem Erfinder neuer musikalischer Wahrheiten, einem Verbesserer ge­ lehrter musikalischer Schriften, einen» Kunstrichter gelehrter und berühmter Musikorum, einem Correspondenten mit berühmten römischen Baumei­ stern, einem Spötter »nusikalischer Thorheiten, kurz einem Manne, wie der Herr Daube, diesem muß man so wenig als möglich nachsehen. Jnökünftige ein mehrere.

Friede. XVilh. G-nnenkalb, Organist zu Herzberg in Sachsen.

II. Sammlung einiger Nachrichten von berührnten Orgelwerken in Teutsch­ land, mit vieler Mühe aufgesetzt von ei­ nem Liebhaber der Musik. Breßlau, verlegts Carl Gottftied Meyer. 1757* 14 Bogen in 4t. §H)ichael prätorius hat im zweyten Theile

*VV seines musikalisthen Syntagmas, ausser einer genauen Beschreibung aller in den Orgeln zu

n. Samml. einiger Nachrichten rc« 487 zu seiner Zeit üblichen einzelnen Stimmen, und ih­ rer Zeichnung, auch zugleich die Dispositionen oder Verzeichnisse der Stimmen, von 27 berühm­ ten Orgelwerken in Deutschland, geliefert. Eine weit ansehnlichere Sammlung von Dispositionen

hatderHerrLegationsrath von Mattbeson, im Anhänge zu der von ihm ausis neue herausgegedenen und vermehrten Kltcbtene Handleitung

zur Variation des Generalbasses, bekannt gemacht. Dessen ungeachtet waren in Deutsch­ land, als wo man eine grössere Menge schöner und großer Orgeln, als in irgend einem andern Lande, antrift, noch viele Werke uocia, deren Beschreibung auch eine öffentliche Bekanntma­ chung verdiente. Dieses hat den Herrn Verfasser dep hier angekündigten Sammlung be­ wogen, noch 124 Dispositionen, unter welchen

viele sehr merkwürdige sind, und welche alle sich im Prätorius und im Mattheson nicht befinden, ohne Zweifel mit vieler Mühe und Unkosten, zu­ sammen zu tragen, und ans Lickt zu stellen. Ob nun gleich auch hierdurch noch lange nicht alle gute Orgeln in Deutschland beschrieben worden sind;

so ist dock kein Zweifel, daß er damit den tiebbabern der Orgelkennrniß, aufs neue einen angeneh­ men Dienst erwiesen habe. Vielleicht ist es einigen Lesern nickt zuwider, von den verschiedenen, und auf so mancherley Weise benenneten Orgelstimmen, oder Registern, bey die­ ser Gelegenheit eine etwas genauere Nachricht zu Ii 4 bekam-

488 11 Sammt, einiger Nachrichten bekommen. Ich will mich bemühen, ihnen hier damit zu dienen. Die Stimmen in den Orgeln werden überhaupt eingetheilet in pfeifenwerk, und Rohr-oder Schmarrwerk. Der Unterschied besteht in dem verschiedenen Baue der Pfeifen, und vornehmlich ihres Mundstücks, woher natürlicher Weise auch ein verschiedener Klang folget. Das Mundstück der Rohrwerke ist eine, der Länge nach halb durchschnitte­ ne, kurze, nichrentheils zinnerne Röhre, (anche), auf deren offener Seite ein gewisses bewegliches Blatt, bie Zunge (languette) genannt, liegt, welches der Wind auf und nieder treiben kann. Beydes zu­ sammen ist am obern Theile irt einem Stöckchen (noix), durch dessen Mitte eine Oefnung geht, be­ festiget. Mit dem untern Theile stecket das Mund­ stück und sein Blatt in einer besondern Röhre, wel­ che der Stiefel genennet wird, und den untersten Theil der Pfeife auömacht. Oben auf diesem Stie­ fel liegt das Stöckchen. Durch dieses geht ein Stück Stahl oder Meßing, welches bis ungefähr auf die Hälfte der Zunge reichet, und verhindert, daß der Wind die Zunge nicht höher aufheben kann, als zur rechten Stimmung erfodert wird. Durch das auf-oder Niederziehen dieses Stücks Stahl wird die Pfeife entweder tiefer oder höher gestimmet: wes­ wegen es auch die Stlmmkrücke heißt. Der obere Theil, oder das von den Orgelbauern sogenannte Corpus der Pfeife, steht wieder auf der Oefnung des Stöckchens fest. Durch die Bewe­ gung des oben gedachten Blattes nun, indem es

von berühmten Orgelwerken rc. 489 auf das Mundstück aufschlagt und wieder abprallt, wild ein etwas schnarrender Klang verursachet; so wie ohngefahr das Rohr auf der Hoboe oder dem Fagotte thut. Und damit das Aufschlagen des Blattes auf das Mundstück nicht zu heftig rau. sche, so wird es mit Leder beleimet: welches die Or­ gelbauer

füttern

nennen.

Das Pfeifenwerk hat an feinem Mundstücke ein in dem Körper der Pfeife selbst horizontal befestig­ tes Blat, von eben der Materie daraus die Pfeife besteht, und dabey oben und unten eine horizontale schmale Oefnung. Die untere, in welcher eigent­ lich durch den Anstrich des Windes der Ton gebil­ det wird, ist sehr eng. . Die obere ist etwas weiter, und nimmt nach Beschaffenheit der Stimmen entweder die ganze Breite der Pfeife, oder etwas we­ niger davon ein. Was bey dem Pfeifenwerke un­ ter dem Mundstücke siehet, heißt der Fuß.

Eine Pfeife aus den^Pfeifenwcrk, deren Körper über dem Mündstücke, bey proportionirter Weite, durchaus gleich lang ist, und 8 Fuß in der Länge hat, giebt nach dem sogenannten Chor - vder Trom­ petentone das C aus der Baßoctave auf dem Claviere an. Eine Pfeife, deren Körper 4 Ft.ß lang

ist,

giebt die Octave höher, und also das c im Te­ nor ; eine Pfeife von 2 Fuß noch eine Octave hö­ her, und folglich das c im Alt an, u. s. w. Ist die Pfeife oben zugedeckt, so klingt sie nvch einmal

so

tief als eine offene; folglich giebt eine vierfüßige gedeckte Pfeife das 8 füßige C an. Und hieraus

3i5

ist

49o II. Samml. einiger Nachrichten ist die Benennung entstanden, mit welchen man die Höhe oder Tiefe der Orgelstimmen zu unter­ scheiden pfleget. Je weiter eine pfeife ist, desto kürzer muß sie seyn, wenn sie einen bestimmten Ton angeben soll. Je enger sie hingegen ist, desto länger muß sie seyn. Und diese Proportion der Pfeifen in Ansehung ihrer Länge und Weite, bey einem gegebenen Tone, wird die Mensur genennet. Geht eine Pfeife oben etwas etwas enger zu, oder ist sie nur halb eröfnet, so muß sie etwas kürzer seyn, als wenn sie ganz offen wäre.

Bey den Rohrwerken ist die Propottion anVers: weil die Höhe oder Tiefe ddL Klanges nicht sowohl von dem obersten Theile der Pfeife, als vielmehr vom Mundstücke abhängt. Also hak man Rohrwerke, deren oberster Theil ganz kurz ist, und dock) einen 8 füßigen Ton angiebt. Doch hat ein Rohrwerk desto mehrere Pracht und Nachdruck im Klange, wenn sein Corpus etwas lang ist. Al»o muß das Corpus des tiefsten C aus einer i6 füßigen Posaune wenigstens 12 Fuß lang seyn. Der verschiedene Laut, den die Stimmen in den Orgeln geben, rühret also von der Gestalt der Pfeife, von ihrer verschiedenen Länge und Weite her. Eine weite und kurze Pfeife klingt völliger und prächtiger als eine lange und enge. Doch trägt hierbey auch der verschiedene, größere oder kleinere, weitere oder engere Aufschnitt des Mund­

stücks, das seinige bey.

Die

von berühmten Orgelwerken re. 491 Die Materie, woraus die Orgelpfeifen verfer­ tiget werden, -ist entweder pures Zinn oder Me­ tall, welches eine Mischung von Bley und Zinn ist, oder Holz. Meßing wird, wie oben gedacht zu den Blättern der Rohrwerke gebrauchet. Zum Corpus der Pfeife aber taugt es so wenig als das Blech: weil es einen allzu sehr schnarrenden, kna­ sternden und rauschenden Ton verursachet. Die Alten verfertigten ihre Regale davon; jedoch mit schlechter Wirkung. Zinn klingt schärfer, Holz aber weicher und stumpfer als Metall.

Das Pfeifenwerk wird wieder in das sogenannt«

Principalwerk und Flötenwerk eingetheiiet. Das Principalwerk ist durchaus offen und von Fletcher Werte. Hierzu gehören: i)Daö

Principal

von 32 oder 16 oder 8 oder 4 Fuß, 2) die Öctave von 8, 4, 2 Fuß, 3) die Gu-

oder Gedecima von 2 und 1 Fuß, bey welchen allen kein Unterschied als in Anse­ hung ihrer Höhe und Tiefe ist. Z. E. ist das

peroctave

16 Fuß, so sind die Octaven von 8und 4 Fuß, die Superoctaven von 2 und 1 Fuß,

Principal u. f.

w. Nur stehen die sogenannten Principale allezeit vorne, und so, daß man sie von aussen se­ hen kann. Das 32 füßige Principal gehöret nur ins Pedal. 4) Die Mrrturwerke, welche, weil sie entweder die Quinte oder Terze, oder beyde zugleich, oder den ganzen Accord auf einem Tone anqeben, nicht für sich allein, sondern nur zur Verstärkung und in Gesellschaft größerer und kleinerer Principale und

492 il. Sammt, einiger Nachrichten und Octaven gebrauchet werden können.

Sie

sind i) die (Quintett von 6, 3, i| Fuß, 2) die Terzien mehrentheils von 14 Fuß, 3) die Sco-

qmalterett die aus 2 Pfeifen bestehen, welche die (Qlttnte und Terze angeben; 4) die Mixtu­ ren, welche aus mchrern Pfeifen bestehen, die den harmonischen Dreyklang, entweder allein oder ver­ doppelt angeben. Die tiefste Pfeife ist selten tiefer als 2 Fuß. Weil nun die höhern Picifen die den

Dreyklang ausmachen viel zu klein werden würden, als daß sie durch das ganze Clavier reichen könn­

ten: so werden eben dieselben Pfeifen bey jeder Octave noch einmal, doch mehrentheils in einxr an­ dern Versetzung angebracht: und das heißt: sie

rcpctiren.

Z. E. Wenn das tiefste (L folgende

Töne angiebt: c g c e g c, so hat das ungestri­ chene c etwan diese: g c e g c e. u. f. w.

Sa

viele Pfeifen nun eine Mixtur auf jedem Tone

stehen hat, so vielfach wird sie genennet. Z.E. sechsfach wenn sie, 6 Pfeifen, vierfach wenn sie 4 Pfeifen hat, u. s. w. Der Mixturen giebt es einige Arten, die aber nicht der Vlrnsur, son­ dern nur der Stärke und Versetzung des Drey-

klangs nach, von einander unterschieden sind. Und diese sind a) die eigentliche Mixtur, ß) bas

Scharf, y) der Ctrnbd, ö) die Rauschpfei­ fe, welche aber gemeiniglich eben das ist, was sonst

Sesqnialtera heißet, e> der (Lornett; dieser besteht aus großem.Pfeifen und repetiret nicht;

von berühmten Orgelwerken rc. 493 geht aber gemeiniglich nur durchs halbe Clavker, unt> ist selten stärker als sfach. Bisweilen befin­ det sich unter den Pfeifen dieses Cornetts ein Rohr-

werk, und ein Ecdakt. Mit einem achtfüßigen Principale, und vierfüßigen Octave begleitet, klingt er sehr angenehm, wenn man einen Cantue firmus damit ausführet. Die Alten pfleg, ten ihre Mixturen vielfacher zu machen als die Neuern; welche lieber anstatt einer z. E. zehnfachen Mixtur, deren zwo, eine von 6, und die an­ dere von 4 Pfeifen auf ein Clavier sehen, und jene Mixtur, diese aber Scharf oder Limbel nennen. Alles dieses principalwerk ist eigentlich dasje. jenige, was man zum votiert Wert’ zusammen zieht, wenn die Orgel ihre größte Starke soll hö­ ren lassen. 2(u[ einem Claviere müssen alle diese Stimmen von gleicher Mensur, oder, wie die Or­

gelbauer sagen, aus einerley Fundament ge­ arbeitet seyn. Sind aber mehrere Claviere vor­ handen, so ist von rechtswegen auf jedem Claviere die Mensur und die Intonation dieser Stimmen verschieden. Z. E. Im Hauptwerke und Pedale sind sie weiter und pompöser Mensur. Im zwey­ ten Claviere sind sie von scharfer und durchdringen­ der Intonation; und im dritten sind sie lieblichen Klanges. Das sogenannte Flötemverk ist entweder ganz offen, oder ganz gedeckt, oder zwar gedecket, doch lm Deckel wieder etwas ekofnetDas

offene

Flötenwerk ist entweder durchaus von

494 H- Sammt, einiger Nachrichten von gleicher weite oder vsn ab- oder zuneh­ mender Weite. Das von der erstem Art ist entweder enge und lang, als: i Der Violon im Pedal, von 16 Fuß, 2) die Viola da Gamba («), z) die (h-uetflotc, deren Körper

gemeiniglich noch einmal so lang, als ihr Ton erse­ hest, aber sehr eng sind; 4) die Schweizer­

pfeife in den alten Orgeln, 5) der Vagarr oder Vugara, welcher von einigen von Holz, und in Gestalt eines länglichen Vierecks verfertiget wird, und eine schöne Wirkung thut; 6) die Flöte a bec, 7) die Unda maris, welche ein enge menstrrirtes Principal von 8 Fuß, ist, und neben dem ordentlichen Principale von diesem Ton steht, aber ein klein wenig höher gestimmet ist, und wenn es mit diesem zusammen gezogen wird, einen schwebenden Klang verursachet. 8) Das Salicinal oder Salicet, odev das offe­ ne Flötenwerk von gleicher Weite ist weit und kurz, als: 1) die Hohlflöte von 8 und 4 und 2 Fuß (ß), 2) die Waldflöte von 4 und 2 Fuß, 3) die Sifflöte von 2 und 1 Fuß, 4) der dchwiegel in etlichen alten Orgeln, 5) die Hohlquinten, vop 3 und Fuß, welches in der Mensur der Hohlstöten gearbeitete Quinten sind. Zum («) Einige Orgelbauer machen die Viola da Gamba auch oben etwas zugespiht. (s) Einige machen die Hohlstöten in der Mitte wei­ ter, und oben wieder etwas enger; welches einen vortreflichen Laut giebt; wie man in der Schloß­ orgel zu Altenburg an einer dergleichen 8 füßigen hö­ ren kann.

von berühmten Orgelwerken re. 495 Zum Flötenwerke, welches nicht durch­ aus gleiche Weite hat, gehören: l) Das Gemshorn, von 8, 4 und 2 Fuß, welches oben etwas spitz zugehet. Einige Alten haben diese Stim­ me Boppelflöte genennet. 2 DaöNafat, von 3 Fuß, weiches eine in der Mensur des GemSHorns gearbeitete Quinte ist. 3) Die Spiystöte oder Spillpfcife, (unrecht Spielflöto) von 8

4 und 2 Fuß, welche im Mundstücke etwas weiter, oben aber etwas enger zugelpitzet ist, als das Gems­ horn. 4) Die Blockflöte von 4 und 2 Fuß, in alten Orgeln; diese ist eine oben etwas weitere Spihflöte. 5) Die Flachflöte, von 8, 4, 2 Fuß. Diese hat ein enges aber breites Mund­ stück, und ist oben nicht so sehr zugespißt als das Gemshorn. Zum ganz gedeckten Flötenwerke gehö­ ren, 1) das Gedackt von g und 4 Fuß, von verschiedener Weite, und entweder schwacher und lieblicher, oder starker und prächtiger Intonation. 2) Der Bordun von 16 auch 8 Fuß; dieser ist nichts anders als ein weites Gedackt. Eben dieses ist der Unterfatz von 32 Fuß, und der Subbaß von 16 Fuß im Pedale. 3) Die tQuintadene von 16, ,8 und 4 Fuß, ist ein Gedockt, welches wegen seines engen Aufschnitts im Mundstücke, und der an beyden Seiten befestigten Blätter, wel­ che Seitenbarte heißen, die Quinte drüber mit hören läßt. 4) Das l^lachthorn, ist eineQuinkadene von etwas weiterer Mensur. Andere Orgel­ bauer arbeiten das Nachthorn in einer den Hohl­ flöten

496 H. Sammt, einiger Nachrichten flöten ähnlichen Mensur. ;) Die Duiflöte. Diese

ist ein Gedackt mit zwey gegen einander überstehenden Mundstücken. Vielleicht soll der Name von duo Herkommen,, und so viel heissen als Duo Flöte. Sie ist aber nicht sehr üblich. In der Orgel V» YValtbere^xtufcn ist eine Stimme die­ welche aber in der Sammlung einiger Nachrichten von berühmten Or­ gelwerken, vielleicht aus Mißverstände Flute Dotice genennel wird. 6) Die gedeckte O-uinte ses Namens,

von 6 oder z Fuß. Das zwar gedeckte aber im Deckel wieder etwas eröfnete pfeifenwerk besteht, i) aus der Rohrflöte von i6, 8, 4, 2 Fuß. In dem

Deckel dieser Pfeifen ist eine kleine offene Röhre befestiget, durch welche die Pfeife einige Oefnung erhält. Sie klingt starker als ein Gedackt und schwacher als ein Principal. 2) Die Dauer­ flöte oder ^elbpfetfe von 1 Fuß. Diese ist im Pedale einiger ältern Orgeln zu finden. Das ganz gedeckte, und das durch Röhren eröfnete Flöten, werk wird von Metall verfertiget. Wenn die Gedackte lieblich seyn sollen, werben sie auch aus Holz gemacht. Ueberhaupt ist bey dem Flötenwerke zu merken, daß die Orgelbauer, so wie bey den Körpern, den Mundstücken und der Intonation, also auch bey der Benennung derselben sehr verschieden sind. Die Rechtschreibung der Namen suchet man auch bey einigen vergeblich. Also nennen einige das Gedackt schlechtweg Flöte. Was bey einigen

ohnge-

von berühmten Orgelwerken rc. 497 vhngefehr Flöte a bec heissen würde, das nennen andere oder Flauto amabile. Die Spitzflete nennen etliche, ich weis nicht warum,

Iula. Man kann sich auch leicht vorstellen, daß viele Stimmen, die von unterschiedenen Instrumenten, z. E. der Viola da Gamba rc. rc. den Namen füh­ ren, nach der Natur der Sachen selbst, nur eine

sehr geringe Aehnlichkeit mit diesen Instrumenten haben können. Klingen sie aber nun gleich nicht

wie eine Viola da Gamba, oder anderes Instru­ ment, dessen Namen sie führen; so hindert doch die­ ses nicht, daß ihr eigener, als eine« Orgelregi­ sters Klang nicht sehr angenehm seyn könnte. ZE. In der Schloßorgel zu Altenburg ist eine Querflöte von 16 Fuß.

Wie viel ähnliches kann diese wohl

mit der eigentlichen Querflöte haben, da sie nur die wenigsten von dieser ihren Tönen anzugeben hat? Sie ist ein enges offenes pfeifenwerk von eben

der Mensur, als die in dieser Orgel befindliche 8 süf­ fige überaub- schöne Viola da Gamba. Und wenn sie mit dieser zusammen gezogen, und darauf, (nicht nach dem Vorurtheil der meisten Organisten mit langsamen Griffen, sondern) mit geschwinden

Läufen und Brechungen gespielek wird, so thut dich seö eine sehr schöne Wirkung; und die in diesen bey­

den Stimmen befindliche angenehme Schärfe, kömmt dezn Schneidendes Bogenstrichs auf einem Baßinstrumente so nahe, als es nur durch Pfeifen

möglich zu machen ist. Wenigstens übertrift dieIII. Land 6. Stück. Kk fer

498 H. Samml. einiger Nachrichten fer Klang an Schönheit den Klang vieler andern sogenannten Orgel - Viola da Gamben. Das Rohrwerk ist entweder offen oder ge­ deckt. Die Körper des offenen sind entweder Völliger Mensirr, (so weit die Rührwerke die» elbe zulaffen,) oder sie haben ganzkurze Kör­

per. Zur erster» Art gehöret: i) Die Trom­ pete von 16. g. und 4 Fuß. 2);£>ic von Metall. 9 — 2 —10 Flachflöte 11 Sesquialiera, zwey fach 12 Cimbel, vierfach 13 Mixtur, achtfach 3 — 14 Nasath 16 •— 15 Fagot 8 — 16 Trompete Glockenspiel durch vier Octaven, welches durch 17 einen Zug kann ab - und zugeschoben wer­ den.

2 Principal

(ß) Das

von berühmten Orgelwerken re. 509 (ß) Das Gberclavier. i Ventil. 2 Principal — g Gedankt — 4 Flöte douce — 5 Quintadene — 6 SpiHflöte — 7 Superocrave — 8 Nasath — 9 Scharf, dreyfach 10 Mixtur, fünffach xi Octave — ir Viola da Gamba 13 Vox Humana 14 Trompete

8 Fuß. - nglisch Zinn. 8 — 1 von Holz. 4 — J

16 — 8 — 2 —

3 —

* von Metall. 4 “ 8 — 8 —

4 - . Diese beyden Klaviere können vermittelst es» ner Koppel zusammen gezogen werden.

(y) Das Unterclavicr. i 2 z 4

Ventil. Principal Octave Quintadene

— — —

5 Gedackt — 6 Nachthorn — 7 Querflöte —8 Flötetraversiere — 9 Tertia n, zweyfach 10 Sifflet — 11 Octave —•

4 Fuß. englisch Zinn. 8 — 1 8 — 8 —

4 — 4 — 4 —

> von Metall.

i — 2 — .

11 Na-

5io ll. Sammt, einiger Nachrichten 12 Nasath — 3 —- ] iz Cimbel, dreyfach } von Metall. 14 Oboe — . 8 — J Hiezu kommen noch 2 (Zimbel(lerne, und 2 Tremulanten, ein langsamer und ein ge­ schwinder.

(ö) Das Pedal besteht aus vier Laß­ laden. Auf dm zwo Oberbaßladen sind folgende (Stints men. i Ventil. Fuß. englisch Zinn. 2 Principal 3 Quimenbaß 12 — 1 16 — von.Holz, 4 Posaune 5 Trompete 8- J 6— i 6 Quinta 7 Ockave — 4— 8 SpiHflöte — 3 — > von Metall. 9 Sesquialtera,zweyfach 10 Mixtur, achtfach 4—

Auf den zwo Unterbaßlad n sind felgen 'e Stim­ men. Xi Subbaß, offen 12 Posaune — X3 Gedackt — 14 Octave — 15 Choralflöte — 16 Trompete — 17 Cornet —

von berühmten Orgelwerkm rc. 511 Auf beyden Seiten finden sich annoch zwey be­ sondere oder r^lebenclaniere. Das eine ste­ het Kammerton , das andere Chorton, und kön­ nen also drey Organisten auf einmahl spielen.

Das Werk Kammerton hat Stimmen: 1 2 z 4 5

Principal Bordun Octave Geduckt Spißflöte

folgende

4 Fuß. englisch Ziyn. — -

6 Klein Gedackt 7 Octave $ Scharf, drey ach

~ j von Hvlj.

8 - 1 4 — ! 4 — s von Metall. 2 — I

J

Das Werk (Lhortonhat folgende Stimmen:

1 2 J 4

Principal Octave Gedackt O.uintadene



4 Fuß. englisch Zinn. — 8 — «■»

— —

8 — 8 —

5 Nachthorn — ■6 Flötetraversiere — 7 Sifflet — 8 Cimbel, dreyfach

4 — 4 ~ i —

» von Metall.

Hiebey sind acht Spanbälge, neun Fuß lang und fünf Fuß breit, nebst einem Tremulanten, der im Pedal alleine schlägt. Vier Bälge können durch em Hauptvenül von dcn andern abgesondert werden, daß also vier Bälge fürs Pedal, und die andern fwö Manual gehen. UL Halle

512 n. Sammt, einiger Nachrichten

III. Halle im Magdeburgischen. Die Orgel in der Markrkrrche daselbsten hat fünf und sechzig Stim­ men. (a) Hauptwerk, das

(ß) tvberwerk, das

unterste Clavier.

mittelste Clavier.

i6Fuß. i Principal 8Fuß. i Principal 2 Quintadene 16 — 2 Bordun 16 — 3 Octave 8 — 3 Gedackt 8 — 4 Rohrflöte 8 — 4 VioladaGamb.8 — 5 Gemshorn 8 — 5 Octave 4 — 6 — 6 Blockflöte 6 Quinta 4 — 7 Octava 4 — 4 — 7 Querflöte 8 Spißflöte 4 — 8 Quinte 3 — 2 — 9 Octave 9 Superoctave 2 — 2 — io Spißflöte io Sifflet 2 — I — ii Quinte 3 — ii Waldflüte 12 Terkie - i2 Tertia iz Mixtur,fünffach iz Mixtur,sechsfach. 14 Cimbel, vierfach. 14 Cimbel,dreyfach. 16 — 15 Fagot 16 15 Trompete 16 Trompete 8 — 16 VoxHumana 8

(y)

Lrustwerk,

das

(§) Pedal,

oberste Clavier. i Principal 2 Quintadene 3 Gedackt

4 — i Principal 8 — 2 Unterlaß 8 — 3 Subbaß

i6Fuß.

32 — 16 — 4 Flöt«

von berühmten Orgelwerken rc. 511 4§uß 4 Flöte douce $ Nachthorn 4 — 6 Quinte 3 — 7 Nasath 3 — 8 Octave 2 — 9. Waldflöte 2 — 10 Spihflöte I — ii Tertie I| 12 Mixtur,vierfach 13 Cimbel,zweyfach 14 Ranket 8 — 15 Oboe 4 — Nebenregister. Cimbelstern. Tremulant. Koppel.

4 Octave 8 Fuß. 5 Gedockt 8 — 6 Quinte 6 — 7 Octave 4 — 8 Nachthorn 4 — 9 Quinte 3 — 10 Superoctave. 2 — ii Waldflöte i — i2 Mixtur, siebenfach 13 Cimbek, vierfach 14 iH 16 17 18

Posaune Posaune Trompete Schalmey Cornet

32 — 16 — 8 —

4 — 2 —

Hiezu gehören zehn grosse Bälge. Die Orgel ist vom Hrn. Christoph Lontius erbauet

worden.

IV. Königsberg in Preußen. Die Rneiphofische Orgel daselbst in der Domkirche besteht aus folgen­ den Registern. (a) Gberwerk.

1 Principal 2 Quintadene 3 Octave

(ß) Brustwerk.

8Fuß 1 Flöte douce oder Jula 8§uß 16 — 8 —■ 4 — 2 Quintadene

ui. Band 6. Stück,

H

4 Rausch

5i4 H Sammt, einiger Nachrichten 4 Rauschpfeife

5

3 Fuß 3 Fifre,oderSchweiherpfeife 4Fuß 4 Flötetraversiere 4 — z Quinte 3 — 6 Salicct 2 —> 7 Tertian oder Scharf zweyfach. 8 Cimbelmirturdrey bis vierfach. 9 Mundflöte 2— 10 Theorbe 16 —

Superoctave a — 6 Scharf dreyfach. 7 Mlxcur fünf bis sechsfach. 8 Flöte aimable 8 — 9 Human Gedackt 8 — 10 Gemshörnchen 2 — 11 Blockflöte 4 — 12 Flageolet i — 13 Dulckan 16 — 14 Trompete 8 — 15 Engelstimme 8 —

16

Ventil.

(y) Hauptwerk.

11 PoxHumana 8 — 12 Glockenspiel 4— 13 Ventil. 14 Hauptventil zu allen drey Manualen..

(3) Pedal.

1 2

i6Fuß i Principal zrFuß 16 — 8 — 2 Violon 6 — 3 Subbaß offen 16 — 4 Jubalflöte 8 — 4 — 4 Violoncello 5 Scharfquinte 3 — 5 Baßflöte 8 — 6 Tubalflöte 2 — 6 Tubalflöte 4 — 7 Scharf dreyfach. 7 Spißquinte 6 — 8 Mixtur bis zehnfach. 8 Nachthorn 4 — 9 Rohrflöte 16 — 9 Quintadene 4 — 10 Jubal ivVioladaGam2 — ba — 8 — 11 Rauschpfeif 3 — ii Hohlflöte 8 — 12 Feldflöte 2 — Principal Waldhorn 3 Füllquinte

ir Spiel,

von berühmten Orgelwerken re. 515 11 13 14 15 16 17 18

Spielflöte Unda Maris Viola Waldflöte Tonus Fabri Posaune Oboe

8Fuß 8 — 4 — 4 — 2 — 16 — L —

19 Ventil,

Küßialflöte x — Mixtur biS rrfqch. Posaune 32 Bombard 16 —. Fagok 16 — Feldtrompete, engl. Zinn» 8 — 19 Basson 8 —,2-0 Schalumo 8 —* 21 Trombone « — 22 Schalmey 4 — 23 Ventil, rpaarpmtckett.

13 14 15 16 17 18

V. Magdeburg. Die Orgel in rer Johamüskirche daftlbsten hat folgende Züge.

(a) Oberwerk.

(ß) Hauptwerk.

«Fuß i Princips Pnncipal i6Fuß 16 — r6 — 2 Quintadene Bordun Quintadene 8 — '3 Octave 4 — 16 — 4 Trompete Octave 4 — 5 Rohrflöte Seöquialtera znley4 — 6 Cimbc! dreyfach fach. Scharf, fünf, sechs 7 Fiachflöte 2 — 6 — siebenfach. 8 Quinte Quinte if — 9 Dulcian 8 — Sisfltt i — 10 Octave 8 —

Ll 2

9 Schab

5i 6 II. Sammt, einiger Nachrichten 9 Schalmey 4Fuß 10 Trichterregal 8 — 11 Vox Humana 8 — 12 Waldflöte 2 *— 13 Spi'Hflöte 4 — 14 Salicinal 8 — 15 Geduckt 8 — 16 Rohrflöte 8 — 17 Glockenspiel aus 8 —

11 Superoctave 2Fuß 12 Mixtur sechsfach. 13 Sesquialtera zweyfach. 14 Rauschpfeife . dreyfach. 15 Geduckt 8— 16 Spißflöte 8 — 17 Rohrflöte 16 — 18 Cimbelstcrn.

(y) Brustwerk.

(3) Pedal.

i6Füß i Principal 8Fuß 1 Principal 8 — 2 Nasath 3 — 2 Octave 3 Tertian zwey3 Octave 4 — 4 Rauschpfeife dreyfach. fach. 4 Scharf sechs­ 5 Mixtur,sechs-siefach. ben, achtfach. 16 — 6 Trompete 5 Dulcian 8 — 6 Trompete 4 — 4 — 7 Trompete 7 Flötetraverßere 4 — 8 Cornet 2 — 8 Trompete 16 — 8 — 9 Posaune 9 Octave 16 — 4 - io Dulcian 10 Octava 2 — ii Posaune 32 — i i Cimbel,dreyfach. 12 Quinte 12 — 12 Holzfiöte 32 — 8 — 13 Subbaß 13 Gemshorn 2 — 14 Nachthorn 2 — 15 Gemöhorn 8 — 16 Flöte 4 — Hiezu kommen noch zwey Tremulanten. VI. Mee«

von berühmten Orgelwerken rc. 517 VI. Meerane in Sachsen. Die daselbst von den Hm. Fridericiaus Gera erbaute, und am 12. Sonntage nach Trinität. 175?. eingeweihte neue Orgel, besteht aus folgenden Stim­

men.

(a)

Hauptmanual von ernsthaften Mensuren.

1 Principal

—>

8 Fuß, von englisch Zinn, C ins Gesicht,blank polire. 2 Bordun — 16 die drey unterste Octa­ ven von Holz, die oberste von Metall. 3 Viola da Gamba 8 — von 14 löthig Zinn. 8 — zwo Octaven von Holz, 4 Gedackt und zwo von Metall. 5 Octave — 4 — von 14 löthig Zinn. 6 Spißflöte — 4 — von Metall. 7 Quinte ■— 3 — conisch, von Metall. 8 Octave 2 — von 14 löthig Zinn. 9 Tertia aus 2 — von Metall. 10 Cornet dreyfach, durchs halbe Clavier, von 14 löthig Zinn.

13 Tremulant. Ll 3

(ß) (£>bet*

Zi8 H. Sammt, einiger Nachrichten (ß) Obern» erk von lieblichen Mensuren. 8 Fuß, von englisch Zinn, G ins Gesicht, blank polirt, die untersten 7 Pfeifen von Holz. 2 RohrflSte — 8 — die unterste Octave von Holz, die andern von Metall. 3 Le Don, von englisch Zinn. 4 Qukntadene — 8 Fuß von io löth. Zinn» 5 Octave — 4 — von 14 löth. Zinn. 6 Flöte douce — 4 — von hartem Holz. 3 — voü Metall. 7 Rafath — 8 Octave — 2 — von Zinn. 9 Waldflöke —2 — von Metall. 10 Quinte — — von Zinn. I — von Zinn, 11 Sifflet — 12 Mixtur dreyfach von Zinn. 13 Vor Humana 8 — von englisch Zinn. 14 Schwebung.

1 Principal



(y) Pedal von starken und durchdrin­ genden Mensuren. 1 Prkncipalbaß — 16Fuß.) — S — > von Holz. 2 Octavbaß — 16 — J s Violonbaß 4 Posaunenbaß — 16 — das Corpus von

r

Holz,das Mund­ stück von Zinn. Trompetenbaß — 8 *— daeCorpus gleichfalS von Holz, und das Mundstück von Zinn. Agricola.

in. Es

> ) o ( 4III. Essai (Tun nouveau Cara&ere de Fönte pour Fimprejßon de la Mußque, invente & execute dans toutesles parties Typographiques, par Fournier lejeune, Graveur Fondeur de CaraEieres d'Imprimerie, a Paris 1756. jCrr Fournier der jüngere kündigt in diesem

Versuche von fünf oder sechs Blattern einen neuen musikalischen Druck von seiner Erfindung an. Da wir nicht Gelegenheit gehabt, selbigen zu sehen, so wallen wir das was davon angemerket zu werden verdienet, mit der Erlaubniß des Hrn. Prof. Gottsched, aus desselben Neuesten aus der anmuthigen Gelehrsamkeit, und zwar aus dem Wintermond 1758. entlehnen. Die Buchdruckerkunst halbe biöhero kn Frank­ reich noch nichts, als die alten vierttkigten Noten­ figuren hervorgebracht, deren weniger Gebrauch sattsam wiese, daß man ihn nicht mehr achtete. Die Begierde, sagt Hr. Fournier, der französi­ schen Buchdruckerey die Ehre zu verschaffen, die ihr in diesem Stücke zu entgehen schien, hätte ihn vor einigen Jahren bewogen, auf Mittel zu den­ ken, daß man die Noten auf ebendie Art, als sie in Kupfer gestochen würden, auch drucken könne. Als er schon alle Mittel dazu ausgedacht gehabt, hatte

520 Eilai d’un nouv. Caractfcre de Fönte hätte er doch die Ausführung verschoben, in Be­ trachtung, daß diese Arbeit für die Buchdrucker­ kunst und für ihn selbst unfruchtbar seyn würde, weil der Musikdruck in Frankreich nur einer einzi­ gen Person erlaubet wäre. ( Diese Person ist der Hr. Jean - Baptiße - Chrißophe Ballard, scul Imprimeur du Roi pour la Mufique, d Paris, rvX St. Jean de Beauvais, au Mont-Pai naße; dessen Fa­

milie schon über zweyhundert Jahre ein Privile­ gium exclusivum über den Notendruck hat.) Allein, fährt Hr. Fournier fort, der jfin­

gere Hr. Breitkopf in Leipzig hätte seine Auf. Merkfamkeit in dieser Sache erwecket. Es hatte selbiger im vorigen Jahre eine schöne und glücklich ausgeführte Notenschrift schneiden lasten, und be­ kannt gemacht, und zwar auf eben die Art, wie er» Hr. Fournier, sich solches vorgenommen. Wie sie aber beyde nur in Ansehung der Gestalt

der Noten auf einerley Gedanken gerathen, nicht aber in Ansehung der Kunst und mechanischen Einrichtung, indem seine Anstalten von den Breitkopfischen ganz verschieden wären: so habe er geglaubt, ev müßte, zur Ehre der französischen Druckerey, diesen Versuch ans Licht wagen, davon er selbst ge­ nöthigt gewesen, der Erfinder, Schriftschneider, Giesser, Setzer und Drucker zu werden. Er hätte nicht mehr, als zwölf Abdrücke davon gemacht- damit sie als eine Seltenheit, in die Cabinette der Liebhaber kommen könnten, zum Merkmahle, daß die franzöfische Buchdruckerey in dieser neuen Stufe der Vollkommenheit, in kei­

nem

pourf’impreflion de laMufique, &c. 521 nein einzigen/Stücke solcher Arbeiten, keiner ein« zkgen in der Welt irgend etwas nachgeben werde. Ein so löblicher patriotischer Eifer ist an dem Hrn. Fournier allerdings zu loben, so sehr es un­ serm Vaterlande zur Ehre gereicht, daß es eben so wohl, wie eS die ganze Buchdruckerey erfunden, auch diesen schönen Ast oder Zweig dieser Kunst, zu erst zu Stande gebracht. Sonderlich aber hat Sachsen, Leipzig, und Herr Breitkopf insonderheil die Ehre, daß sie das witzige Paris dergestalt haben eifersüchtig machen können. Wie mühsam aber dem Hrn. Fournier die Ausübung seiner Er­ findung fallen müssen, kann man leicht daraus ab­ nehmen , daß er alle seine Mühe und Arbeit bey diesem einzigen Versuche bewenden lassen, da hin­ gegen Hr. Breitkopf schon eine ziemliche Anzahl und zwar verschiedener sehr starker und weitlauftkger musikalischen Werke, mit dem Beyfalle aller Ken­ ner, glücklich zu Stande gebracht, ja endlich sogar einen Druck zu Lautennoten erfunden, und da­ von bereits eine vortrefliche Probe abgeleget hat. Um aber den Lesern einigen Begriff von der französischen Eefindung, und ihrem Unterschiede von den Leipziger Drucknoten zu geben, ist folgen­ des zu wissen. Hr. Fournier hat die kn Frankreich und an­ dern catholischen Ländern gewöhnliche Art, die gros­ sen Chor- und Meßbücher der römischen Kirche mit schwarzen Noten auf rothe Linien zu drucken, zum Grunde gelegt, und durch eine neue Anwendung auf die im Notenschreiben iho gebräuchlichen FiLl 5 guren

522 Eflai d’uo nouv. Cafactere de Fönte gurrn, diesen Versuch hervorgebracht. Es ist also hierbey ein doppelter Druck nöthig, welcher zuerst die Linien, und alödenn die Noten auf das Papier bringt. Die Breitkopfische Art hingegen besteht aus einer Zusammensetzung kleiner Theile, welche Linien und Noten zugleich hervorbringen, und also nur einen einzigen Druck nöthig haben. Dem Hrn. Fournier mag seine Art deßwegen vorzüglicher geschienen haben, weil dabey die Notenfiguren mehr im Ganzen bestehen konnten. Sie würde auch darinn einen Vorzug haben, wenn überall ein so richtiger und aufmerksamer Mann anzutreffen wäre, als Hr.'Fournier ist, die dabey leicht möglichen Unglücksfälle zu verhüten. Da aber bey dem sehr engen Raume der Linien, ein kleiner Zufall in der Druckerey den Bogen leicht ein wenig verrücken kann, daß die Noten ihre gehörige Stuffen in etwas verfehlen,, auch überdies ses der doppelte Druck denselben zu theuer macht: so dürfte die Breitkopfische Art, welche diese bey­ den Beschwerlichkeiten nicht hat, wohl in den Buch-ruckereyen den Vorzug behalten. Indessen hat Hr. Fournier, welcher unstreitig der geschickteste Schriftschneider ist,den dieBuchdrwckerey jemahls in Frankreich gehabt, durch diesen Notenversuch eine neue Probe von der besondern Richtigkeit und Geschicklichkeit abgeleget, die alle seine Werke characterisiret, und es wird solche ein beständigs Denkmahl seiner Kunst in den Cabinettcn abgeben, so wie seine schon vorher gelieferten

Probe«

pourl’impression de la Mufique,&c. 523 Proben voll seiner geschnittnen Schrift und Ziera­ then, ein beständigö Muster für andre Künstler seiner ?frt seyn werden. Man erwartet nunmehro mit Verlangen die Probedes Notendrucks, welchen die berühmte Giesserey des Hrn. Ensch-eede in Hartem, vor ei­ niger Zeit in den öffentlichen Zeitungen, mit der Versicherung, angemeldet hat: daß sie alles

übertreffen werde, was jemahls die XVelt in diesem Puncte gesehen habe; tun zu erfahren, ob darinnen eine von beyden Arten nachgeahmet, oder ein noch anderer Weg ausfin­ dig gemacht worden sey, welcher eine noch glückli­ chere Ausführung hervorbringe, als die Herren

Breitkopf und Louenier durch ihre gelieferte Proben gewiesen haben,

IV. Vermischte Gedanken, von dem Verfasser der musikalischen Poesie. §.

1.

ast jedermann ist recht leidenschaftlich für die Profeßion, Kunst und Geschäfte, die er trei­ bet, eingenommen. Und also ist es nicht zu ver­ wundern, wenn auch die meisten Tonkünstler die Musik

524 IV. Vermischte Gedanken. Musik allen andern Künsten auf alle Weise vor­ ziehen. Die lächerlichen Prätensionen der Lehrmeister von des Mokiere Bourgeois Genkilhomme, find ein gutes Mittel wider solche Leidenschaft. Man darf es aber vielen Tonkünstlern nicht anra­ then , weil sie um eben der obigen Ursache willen sich berechtiget halten, nichts leftn zu dürfen. §. 2. Was in den schönen Künsten beym ersten Anblick, nur gemein oder höchstens angenehm zu seyn scheinet, das wird oft bezaubernd, wenn man die Schönheit desselben recht untersuchet. Wie wenig Musici werden dieses in Absicht auf ihre Kunst an. nehmen; denn viele werden fürchten, daß es sie verpflichten möchte, auch derselben Schönheiten zu untersuchen; eine zu mühsame Sache! §.

z.

Gleichwie die Prediger zuweilen ihre Predig, ten statt des Einganges mit einem Gebet anfangen; also könnte man auch ein Kirchenstück, zum Lobe GOttes, zur Danksagung über eine glückliche Be­ gebenheit, bey einem Friedensfeste u. d. gl. mit einem Tutti, das ein Gebet ist, anfangen; und ei­ nem erfindungsreichen und nachdenkenden Componisten würde es nicht an Tönen fehlen, wo die darinn geschilderte feurige Andacht das Herz der ZuHörer zum Preise der Gottheit auf eine rührende Art aufmunterte und zubereitete. Denn es ist gar wohl möglich, die Andacht, die wir beym Beten haben müssen, auch in Tönen zu schildern. §. 4.

IV. Veemischte Gedanken. 525 4* Auch unter den Tonkünstlern giebt es mehr als einen, der sich damit trösten und zufrieden stellen kann, wenn Vornehme und seines Gleichen ihm allerhand Verächtlichkeiten erweisen, daß diese Leute nicht eben ihn, sondern blos seine.schlechte Glücksumstände in Erwegung ziehen. Er kann sagen: die Leute haben Recht, meine Umstände sind nur schlecht. Wäre ich ein Hofcomponist, ein Kammer­ musikdirector, ein Capellmeister, mit fünfzehn hundert Thalern Gehalt, sie würden mich an» beten.

§•

5-

Es giebt zweyerley Arten, diejenigen die man in Diensten hat,, los zu werden: entweder Man wird auf sie böse, sagt es ihnen, und schickt sie fort; oder man macht es so, daß sie auf uns böse, und unsrer überdrüßig werden müssen. Die Mu­ sici sotten sich dieses merken, und Acht geben, ob die Herren, bey welchen sie in Diensten sind, etwa das letzte Mittel anwenden, sie los zu werden. Der gröste Haufe aber verlangt, daß das erste Mittel gebraucht werde, gleich als tpenn ein grosser Herr sich von seinen Musicis so scheiden müste, wie em Mann von seiner Frau.

§.

6.

Giebt man ein Gastmal, macht man jeman­ den sonst ein Vergnügen, oder ein Geschenk, so kann das, was sie erhalten und geniessen, recht gut seyn.

526 IV. Vermischte Gedankey. seyn. Ist es aber auch nach ihrem Geschmack; dann hat es erst den, rechten Werth. Eben so, für Damen und blosse Musikliebhaber, künstliche schwere Musik zu machen, bringet ihnen nur halbes Ver, gnügen, und erhält nur halben Beyfall. 7* Wilds und störrische Leute verwerfen alle Lo/ beserhebungen, die man ihnen giebt. Dahinge­ gen sind auch diejenigen Tonkünstler zu beklagen und auSjulachen, die sich aus allen Bravos viel machen, und die nicht blos bey denen gerührt sind, welche von verständigen und redlichen Zuhörers Herkommen. §. 8. Nur eine Art der Musik ausstehen können, legt keine wahre Neigung zu dieser Kunst an den Tag. Wir müssen im Handel nebst dem Golde guch Silbermünze haben. §. 9« Das Genie und der Affect, worein die Componisten sich sehen, macht zwar meistcntheils, daß sie diejenige Art der Töne finden, welche zu ihrer jetzt vorhabenden Absicht nöthig sind. Es möchte aber doch wenigstens einem angehenden Componisten damit gedienet seyn, wenn man eine Anzeige der Töne hätte, welche jeden besondern Affect schil­ dern. So soll die geschwinde Abwechselung wohl zusammenstimmender scharfen Tönen lustig, und die langsame Abänderung gezogener und zuweilen übellauktuder Töne traurig Gingen rc. rc. §. io.

IV. Vermischte Gedanken

§.

527

10.

Grossen Geistern undersindungsvollen Köpfen, ist eS schimpflich, daß sie keine Arien, keine Sing­ stücke nach neuen Formen machen wollen. Sie. kommen doch her, und beweisen mir, daß keine Arie, kein Singstück gut klinge, wenn nicht die Worte desselben die Form haben und so eingerichtet sind, als wie in den italiänischen Arien und Sing­ gedichten , mit einem Dacapo, von so und so viel sylbigen Zeilen u. s. w. Für solche Genies wäre es zu schimpflich, wenn sie sagen wolten, die Jtaliäner hätten schon alle Formen der Singstücke vollkommen erschöpft und auSprobirt, und nur endlich diejenigen brauchbar gefunden, die wir in ihren Arien u. s. w. antreffen. Haben Graun und Haste nicht die italiänische Musik mit unschätz­ baren Schönheiten bereichert? Haben sie nicht ein solches Feuer und solche Wendungen darinn ge­ bracht, die vor diesem gar nicht darein waren? Solle dieses Feuer, sollen diese Wendungen nur auf Texten von solcher Forin statt haben, als die Form der Arien, des Metastasio sind? Gewisse Leute mögen die französische Musik so spöttisch ansehen wie sie wollen. Die französische Poesien (ihrer Form nach betrachtet) sind solcher feurigen, überredenden und rührenden Führungen der Töne fähig, daß diese nothwendig die gewünschte Wir­ kung haben müssen. Affectreiche Poesien sind mit der Musik aus einer Quelle geschöpfet, und wie man jenen tausenderley Formen giebt; also, ist die Musik noch weniger so arm, daß sie nicht alle Ar­ te»

528 IV. Vermischte Gedanken. teil der Formen, in welche die Verse rührend und gefällig gezwungen worden, gleichfals annehmen könnte. Gemächlichkeit ist eö, die dem C.ompo« nisten obgedachte Ausflüchte, gedachte Vorwendüngen an die Hand giebt. Wenn inan nur sol­ chen Tonkünstlern allemal mit dem Nachdruck eines ihnen zu befehlen habenden Souverains aufgeben könnte, diese oder jene Poesien in Noten zu brin­ gen, so würde es ihnen gewiß an neuen Formen nicht fehlen. Jedermann muß sich schämen zusagen, daß weil eine Sache ihm schwer werden wür­ de, er sie deshalb gar nicht machen dürfe. Herr HafH hat M Arie D'afpri legato Indegni nodi, In mille modi. &c. &c. «nvergleichlich gesetzt, und sie ist gewiß nichts weni­ ger als musikalisch, wie die gemächlichen Herren Componisten diese Worte nehmen.

§. H. Die alten Juden haben ihre Musik hauptsäch­ lich dazu angewendet, daß sie damit ihre Poesien begleitet und belebet haben. Das allgemeine Unglück, das wir in Absicht auf alle musikalische Stü­ cke der alten Völker leiden, trift uns auch in Anse­ hung der hebräischen Musik. Indessen ist zwar von unsern heutigen Componisten mehrentheils als gewiß angenommen, daß nur ganz leichte, fliessende und von Gedanken gar nicht schwere Verse zur Musik bequem sind. Es dünkt ihnen, daß der Reich-

IV. Vermischte Gedanken.

529

Reichthum der Bilder und der feurige Ausdruck zusammengedrängker Empfindungen, die man in den Horazianischen Gedichten bemerket, sich zu ei­ nem artigen Gesänge nach neuer Mode nicht schicke. Allein die wahre Ursache ist, daß gute und feurige Dichter sich nicht allemai in die angenommenen Formen unserer Arien einschranken wollen.

Aber

ist auch zu verlangen, daß so mancherley Empfindüngen, als in den Arien beschrieben werden, in

einerley Form ausgedrückt werden sollen? Jede Art der Gedanken, erfordert ihre eigene Versart. Ja jeder Gedanke kann nur auf einerley Art recht

vollkommen ausgedrückt werden. Wie kann man also verlangen, daß gute Dichter bey allen Arien in fast einerley Gleist einher, gehen sollen? Hier» nächst ist unstreitig, dqß die Musik noch weniger Töne nöthig hat, eine Empfindung und eine Wen»

düng des Gedanken auezudrücken, als die Poesie Da nun jeder Gedanke und Ausdruck aus verschiedenen kleinen Gedanken

Sylben dazu brauchet.

und Wendungen derselben bestehet, so folget Laß man die Dichter nicht verpflichten könne, alle und jedem den Arienzum Grunde liegende Ge­

danken und Schwünge und Wendungen Lerselben,

in einerley Form des Ausdrucks zu bringen.

Man

muß HoraHen zutrauen, daß er bey einer jeglichen Ode vorher überlegt hat, welche Versart sich zur Materie derselben am besten schicke. Je­ der Palksst, der gebauet werden soll, erfordert nicht nur eine besondere Eincheilung des Innern des­

selben , sondern auch eine solche Anordnung seiner IN. Land 6. Stück. Mm fcup

530 IV. Vermischte Gedanken, äusserlichen Theile, und deren Proportion und Beschaffenheit, welche ihn von andern schönen Pallösten unterscheidet; sonst würde man den Bau­ meister desselben einer grossen Armuth des Genies beschuldigen. §»

12.

Es giebt eine gewisse Anzahl biblischer Sprü­ che, die man in vielen Kirchcnstücken findet, und es scheinet, als wärm in der Schrift nicht mehrere an,zutreffen, die sich zum musikalischen Auödrucke schicken. Ich besinne mich aber nicht, folgenden Spruch in einem Kirchenstück gefunden zu haben, der gleichwohl ungemeine Töne veranlassen kann. Der Spruch ist aus Jes. VI, 7. und heisset so: „Wehe unö! wir vergehen; denn wir sind unrei„ner Lippen und Herzen, und haben den König, „den HErrn Zebaoth, und sein Gesetz entheiligt; „aber, einer, nicht der Seraphim einer, der Sohn „zur Rechten der Majestät GOtteö, ist gekommen, „und hat voll Erbarmung gesagt: Siehe, mitmei„nem Blute sind eure Lippen grrühret, und eure „Herzen gewaschen, daß eure Missethat von euch „genommen werde, und eure Sünde versöhnet „sey.,.

In den Segraisianen stehet folgendes: Die „Musik ist eine vortrefliche Sache, nicht allein, „weil selbige allmthalben mit Vergnügen aufge„nommen wird; sondern, weil man auch, man „sey

IV. Vermischte Gedanken.

531

„sey wo man wolle, sich damit.die Zeit auf eine „sehr anmuthige Art vertreiben kann. Da ich „deshalb für dieselbe beständig eine wahre Liebe ge„hegt habe, und jetzo noch trage; st habe ich mir „vor diesem Mühe gegeben, sie zu lernen. Ich „nahm mir auch einen Musikmeister an; allein, „meine Stimme, die sich dazu keinesweges schi„cken wolte, bewog denselben, nachdem er mich „einige Monate unterwiesen hatte, ob er wohl bey „mir noch mehr verdienen können, mir redlich zu „sagen, wenn ich gleich noch lange Zeit zu lernetr „fortführe, würde ich doch nur die Zeit versplittern. „Ich gab also die Musik auf, und begnügte mich „an den .andern vom Himmel mir verliehenen Ga» „bey. Man kann nicht mit allen Geschiklichkeiten „verschon seyn,ünd die besten Tonkünstler sind oft nur „zur Musik allein aufgelegt. Der Graf von „ke, dessen Stimme sehr schön und anmuthig war, „und welcher oft mit berühmten Tonkünstlern must« „ritte, versicherte mich, daß dieselben ausser ihrer „Kunst wenig Verstand, und nicht so viel gesiinde „Vernunft hätten, als zu ihren eigenen Angelegen« „Heiken nötig wäre. Er sagte auch, daß er eS

„mit ihnen machte, wie man es mit den musikalk„schen Instrumenten macht, die man, wenn das „Concert vorbey ist, wieder ins Futteral thut; „man müsse sich nämlich nur mit ihnen zu thun „machen, wenn man sie zur Musik nöthig hätte.,, Sind zu unsern Zeiten wohl viele Musikmeister st ehrlich, daß sie ihren Lehttingen es gleich sagen, wenn dieselbe» kein Geschicke zur Tonkunst haben, und

Mm L

daß

532

IV. Vermischte Gedanken.

daß sie solche abhalten, Zeit und Geld unnütz zu der« schwenden ? Sinh wir aber auch hingegen nicht glück­ lich, daß schon viele unserer Tonkünstler, wenn sie auf­ gehöret haben zu musiciren, doch nicht so fort wie­ der ins Futteral gesteckt werden dürfen? §.

14.

Wenn das lebhafte Gefallen, das man an ei­ ner Kunst hat, von dem Wunsche unzertrennlich ist, daß dieselbe wachsen und vollkommner werden mö­ ge: so haben an der Musik diejenigen Tonkünstlee gewiß 'gar keinen Gefallen, welche sich gar nicht üben, sondern sie nur treiben, wenn es der Dienst und die Nothwendigkeit erfordert. Denn das Recht, was sie haben, faul zu seyn, haben andere auch, und ohne vortrefliche Künstler kann keine Kunst vortrestich werden.

if» Der erste Aufzug des rasenden Herkules vom Seneca,dem lateinischen Tragödienschreiber, schließt sich mit einem Chor, der einen anbrcchenden Tag beschreibet, nach den Veränderungen, die an dem Himmel vorgehen, und nach den verschiedenen Be­ schäftigungen der Menschen, welche nun wieder ihren Anfang nehmen. Wie wenige, wird hinzu­ gefügt, beglückt die sichere Ruhe! wie wenig sind der Flüchtigkeit des Lebens eingedenk, und nutzen die nie wieder zurückkehrende Zeit! Lebt, weil es noch das Schicksal erlaubt, vergnügt! Das rollen­ de Jahr eilt mit schnellen Tagen dahin, und die

uner-

IV. Vermischte Gedanken.

533

unerbittlichen Schwestern spinnen fort, ohne de«' Kaden wieder aufzuwinden--------- — Er tän­ delt hierauf diejenigen, welche gleichwohl ihrem Schicksal'entgegen eilen, und , wie Herkules, das trübe Reich der Schatten nicht bald genug erbli» cken können. Er verfangt die Ehre, die diese treibt, nicht, sondern wünscht ftd) in einer verbor­ genen Hütte ruhig zu leben, wo das Glück auf ei­ nem zwar niedrigen, aber sichern Orte feststehe, wenn die kühne Tugend hoch herabstürzet — — — Liebhaber deutscher Oden beklagen sich billig, daß sie nichkviel ernsthafte deutsche Lieder für die ernsthaften ^Deutschen finden können. Vorstehen­ des giebt den schönsten Stoff zu einem Liede. Denn es kommen darinnen viel Gedanken vor, welche sehr musikalisch sind.

§.

16.

Ich habe eine sonderbare Neigung zu den so ge­ nannten charackerisirten Stücken, und wünschte sthr, daß sie wiederum bey unö Mode würden. Ich kann mich nicht überreden, daß man nicht auch grössere Stücke solle zu recht charackerisirten Stü­ cken machen können, und daß wir unö mit den allenthalben sich paßenden Ueberschriften eines Al­ legro , eines Adagio und wieder eines Allegro müs­ sen abspeisen lassen. Besonders aber würde es sehr grossen Nutzen haben, wenn die kleinen Clavierstücke,. die für die Anfänger auf diesem Instru­ ment gesetzt werden, ( und wer lernt in unsern Ta­ gen nicht dar Clavierspielen?) characterisiret Mm z würden.

534 IV- Vermischte Gedanken. würde«. Ich verlange nicht, daß man ihnen der­ gleichen Nahmen geb«, wie es in Frankreich ge­ wöhnlich ist. Es ist nämlich bey dieser sinnrei­ chen Nation ekngeführet, daß, wenn in einer Berstrmmlungein Elavierstückgejpielet wird,rmd bey deß(en Anhörung dem Petitmaitre, der in diestrVersttmmlung den Ton hat, einfalkt, es gleiche der Bewegung und dem Geräusche eines Windmühtpügels, eines knarrenden Thors re. :c. und er giebt ihm die Nahmen Windmühlflügel, knarren­ des Thor re. so behält es diesen Nahmen auch, zu Folge der grossen Lust nachzufolgeu, die unter den Franzosen gewöhnlich ist, worüber sie Wuralt so herumgehtzhlet hat, daß er auch sagt, es waren in Paris nur fünf Originale, die übrigen Einwohner wären lauter Copien und Iiachäffer. Dergleichen Benennungen wünsche ich nicht den musikalischen Stücken zu geben. Aber könnten selbige nicht fob gende In- und Nebenfthriften führen: das Seuf­ zen eines Verliebten, das Aechzen eines tfnglückkichen, das Dräuen eines Zornigen, das Klagen eines Traurigen, das Bitten eines Elenden, das Schelten einer verlassenen Schöne, das Lob der ersten freundlichen Mine der Geliebten-, die Freu­ digkeit über das erhaltene Jawort, das Betrübniß über den erhaltenen Korb, der Zorn über die erlit­ tene Verachtung des Geliebten, das Schmeicheln eines Kindes rc. rc. Könnte einem Stück nicht vorgeschriebcn werden, daß es hauptsächlich hurtig und munter gehen solle, oder trotzig, rasend, kläg« lich, lieblich, angenehm, rach, widrig, sanft, ruhig,

IV. Vermischte Gedanken. 535 kuhig, ebenträchtig, ernsthaft,langsam,schwach,matt, stark, prächtig, erhaben, lebhaft, frisch, zierlich, zärtlich, kurzweilig, sittsam, ehrbar,, hitzig, ei» frig, wild, gauskelhaft, flüchtig, sehnlich, be. wcglich, Hönisch, heroisch, kriegerisch, schwär, mend, bange rc. Alan wird sagen, daß dieses oft auf bloße nähere Bestimmungen der Bewegung eines Stückes hinaus laufen würde. Allein es ist doch gewiß, daß selbst, die Bratschisten, wenn sie dergleichen Ucberschriften über den zy spielenden Stücken fänden, selbige mit einer andern Art spie» lest würden, als wenn sie blos belehret werden, daß das Stück allegro, adagio oder presto gehen soll, ohne zu wissen, ob sie eine freudige oder zor­ nige Geschwindigkeit, eine stolze oder traurige Lang­ samkeit ic. auödrücken sollen. Und ob ferner gleich das Bild von keinem Affecte so zu schildern ist, daß nicht auch Züge von der gegenseitigen Leidenschaft darinn vorkommen mästen, so ist doch hier vom und diesen kann man den Ausübern der Musik nicht zu deutlich an-

herrschenden Affect die Rede; zeigen.

§. 17. Vielleicht nimmt man sich die Mühe auch fol« gende Ueberschriften und Charactere musikalischer Stücke zu lesen: ruhig, leidend, schäumend, tän­ delnd, üppig, zum Schlaf einladend, gerpaltsam, kraftlos, hüpfend, liederlich, stolz, erhaben, zärtsicher Hoftmng voll, steifernsthaft, spöttisch, scherzend, mäßig, lustig, wehklagend, tröstend, fliesMm 4 send,

536 IV. Vermischte Gedanken. send, glatkgleitend, unbekümmert, sorglos, gelassen, nachläßig, tändelnd scherzend, uner­ schrocken, heldenmüchig, wild, fliehend, jämmer­ lich und weinend, stolz und aufgeblasen, ersättigend, willfährig/ niedlich, heftig, wollüstig, edelmüthig, weichherzig, sanstmüthig, wehmüthig, männ­ lich, unschuldig, schleichend, süß, frölich, schmei« chelnd, pathetisch, tanzend , ermunternd, kriege­ risch, verachtend, niedergeschlagen, flehentlich, bittend, edel, einmüthig, ausgelassen, muthwillig, rasend, feurig, lechzend, hartnäckig, hö» nisch ic. Wenn man diese Wörter über die Stü­ cke, die diese Empfindungen mahlen, sichre, wäre es nicht besser, als daß man sich mit einem allge­ meinen Allegro oder Adagio begnügete? §•

18«

Eben so lassen sich auch noch hie meisten der folgenden Charackkere musikalisch aüsdrücken: freundliche Begegnung, holdseelige Umarmung, herzliche Vereinbarung, ein Lust - und Wettstreit, ein Ungewitker mit abgewechselter Stille und Ruhe, gänzliches Sinken und Fallen des Muths, (mit­ telst langer Bogenstriche, die immer schwächer werden,) Verwirrung und Raserey, Wankelmuth, jauchzende ausgelassene Freude, Sprö­ digkeit der Geliebten , hitziger flüchtiger Eyfer, Of­ fenherzigkeit, Eigensinn, edleGuthertzigkekt, Un­ ruhe, Standhaftigkeit rc. Es wäre eine schöne Uebung für einen jungen Komponisten, wenn er alle diese Charactere in Clavier oder andern Stücken

IV. Vermischte Gedanken. 537 (fen auszudrücken suchte. Dergleichen Vorberei­ tung würde ihm bey Singesachen von unsäglichen Nutzen seyn. §.

19.

Ein musikalisches Stück, welches Kaltfinn und Empfindlichkeit ausdrücken soll, möchte wohl nicht möglich seyn.

§« 20« Wie schwer ist es kn der Kirchenmusik arbeit« sam, ernsthaft, prächtig und doch nicht pedantisch,

abgeschmackt und lermend; stark und nachdrücklich, und doch sittsam und andächtig; hoch und d-ch zärtlich:, lebhaft und freudig, und doch nicht stech und kustig, zu schreiben. Die stärksten und völligsten Harmonien müssen die heilige Ehrfurcht nicht verletzen; und so gewiß es ist, daß der Gesang ei­ nes Sünders, Gefangenen rc. in der niedern Schreibart abzufaffen ist, und dergleichen Stücke Nicht zwEbeitsam ausgearbeitet seyn, und nur kurze Sätze haben müssen, st wenig Componisten beden­ ken gleichwohl dieses; und noch schlechter beobach­ ten sie es so, daß ihre Arbeit doch noch schön und gefällig sey.

§.

ar.

Ist der italiänische Stvl zärtlich, weitläuf.

tig, mehr angenehm als lebhaft; hat er einen weit­ ausgedehnten , ob wohl fliessenden Gesang, schwa­ che und mittelmäßige Begleitung, viel Erfindung, Mm 5 fremd

538 IV, Vermischte Gedanken, fremde und heftige Auszierungen, mehr Gesang alHarmonie; wie ihn ein bekannter musikalischer Schriftsteller'beschreibet: so zeigen die meisten die­

ser Eigenschaften, daß er keineöwegeö mit Reche für das allgemeine Muster guter Musik kann an« genommen werden.

§«

22.

Eben dieses ist vom französischen Styl zu sagen, den gedachter Autor so beschreibet: daß er lebhaft, natürlich, kurz, munter sey; in vielstim­ migen Sachen, starke, lebhafte und deutlich« Har­ monie, auch in den Mittelstimmm einen ziem­ lichen Gesang habe; und in eine gewisse Anzahl Tacte klüglich eingeschränkt sey. Einsehende Mu­ sici werden also einräumen, daß gewisse Affekten und Empfindungen mehr nach französischer und andere mehr nach italiänischer Art behandelt wer­ den müssen.

§-

2Z.

Gleichfaks, wenn vom deutschen Styl ge­ sagt wird, daß. er ernsthaft, arbeitsam, künstlich,, ausgearbeitet, und nachdrücklich seyr so ist gewiß, da diese Eigenschaften nicht bey allen musikalischen Stücken durchaus nothwendig sind, daß der deut­ sche Styl sehr schlecht wäre, wenn er alle Arten der Empfindung«» also behandeln wolle.

§»

47»

Bemeldeter Autorführtvon dem pohlnischen Styl, ohngeachtet er ihn für eine besondere Gat­

tung

IV. Vermischte Gedanken.

539

tung aüSgiebt, keine innere Eigenschaften an, Län­ dern nur folgendes. Er sty nämlich lustig, scherz haft, auf das genaueste abgemessen; er erfordere die richtige Beobachtung des Rythmi, und deut­ liche Bemerkung der Abschnitte der Tacte; int geraden Tact müsse er in der Mitte mit dem deut« lichsten Nachdruck eintreten, im ungeraden müßen sich die beyden leßtern Theile immer von den-ersten unterstheiden; er habe nur mittelmäßige Harmonie; sey in beständiger Gleichheit an einander hängend; und in ernsthaften Sachen müsse man damit sehr

behutsam seyn. §.

25.

Wenn nun der Unterstheid zwischen dem ita» lkänischen, französischen, deutschen und pohlnischen Styl einem ächten Componisten nicht sehr vorträglich seyn möchte, weil nur alle diese CompositionS, arten zusammengenommen, die ganze Musik zu er­ schöpfen scheinen: so ist dagegen die Eintheilung in die musikalische hohe, mittlere und niedere Schreib­ art von desto gröfferm Nüßen. Denn der Aus­ druck und Vortrag der Grosmuth, der Majestät, der Herrschsucht, der Pracht, des Hochmuths, des Heldenmuths, des Erstaunens, des Zorns, des Schreckens, der Raserey, der Rache, der Wuth, der Verzweifelung, erfordern Pracht, Nachdruck, Neuigkeit, Lebhaftigkeit, Majestät, Höhe, Grösse und Heftigkeit, selbst schon in den Erfindungen. Die Harmonie muß voll, und alles überaus durch­ dringend seyn. Alle Stimmen müssen arbeiten.

540 IV. Vermischte Gedanken. ob wohl nach gewissen Stuffen, und ohne Undeutlichkeit zu verursachen; wie denn auch starke Läufe und Sprünge, und unaufhörliche Harpeggiaturen die Sache nicht ausmachen, und stchs nicht minder von selbst verstehet, daß man im Ausdruck einiger der angeführten Empfindungen, sich mehr bemü, hen muß den Schein, als die wahre Grösse, Rach« druck und Erhabenheit zu schildern. §.

26.

Die vorbemeldeten Eigenschaften der Compost, tion aber dürfen sich nicht finden, wo ein Andäch. tiger, Freudiger, Vergnügter, Tugendhafter, Ge­ duldiger, Sittsamer, aufgeführet wird; wo Liebe und Wollust singen; wo etwas gelehret wird, u. f. w. Denn da darf die Melodie nur angenehm, fliessend und deutlich, weniger ausgesucht lebhaft als natürlich seyn. Man muß mehr ergötzen und vergnügen, als gewaltsame Bewegungen erwegen. Alles nmß frey seyn, ohne ausgewehlteZierrathen, und die Harmonie macht die Melodie nur vernehm« kicher und deutlicher. §.

27.

Wirdendlich aber ein Sünder, Bettler, Scla­ ve, Gefangener, Feiger und Verzagter, Trost­ loser, Niederträchtiger, Bauer, Dummer, Gro­ ber, Einfältiger, Thor, Ungeschickter, Einfältig

scherzender, Unachtsamer, Reuvoller, flehentlich Bittender, Abbittender, Kriechender, sich Ernie­ drigender k. vorgesteller, so brauchet es weder der ersten

IV. Vermischte Gedanken.

541

ersten noch der andern Gattung der angeführten Composition. Denn da darf nur alles plan un­ gleich seyn; keine sinnreiche Auszierung, wenig oder doch nur mäßig volle Harmonie, kurze Sätze und keine große Ausarbeitung. §.

28.

Vielleicht mag noch mehr als ein Componist seyn, welcher glaubt im hohen Styl zu schreiben, wenn er viel starke Läufe, oder weite Sprünge, oder doppelte Saiten der Geigen, oder fugenmäßig, ober mit brav arbeitenden Bässen, oder gar mit Paucken und Trompeten sehet. §.

29.

Ein grosser Vorzug der Musik ist es, daß ihre Zeichen nicht willkührlich sind, sondern schon selbst in der Natur liegen. Denn wie natürlich ist es dem Menschen, sich durch Töne zu vergnügen? Wie ergötzt ihn das Geräusch der Büsche, Bienen und Quellen? Wie entzückt ihn der Gesang der Vögel? Er selbst singt und pfeift, ohne Unterwei­ sung. Er fand den Klang der Körper, und machte ihn melodisch. Ja er band sein Singen zugleich an auserlesene Worte; und so ward die Musik mit

dem Alter der Welt vollkommen. Sie ist jeder­ manns Vergnügen, und die Beschäftigung der Hel­ den geworden, und auch GOtt wird damit geeh» ret, der sie erfunden hat.

§. 3°* An dem grossen Werthe der Mahlerey der Al­ ten mögen wir nicht zweifeln ,und vom Werthe

der

542 VI, Vermischte Gedanken. -er Poesie btr Alken sind wir überzeugt. Da nun ihre Musik eben -so sehr gelobt wird, softe die­ ses Lob wohl falsch seyn? Die Alten mahlten nur simpel und mit zwey oder drey Farben; aber sie mahlten Charaktere und Seelen in die Züge; ob unö wohl- davon nichts übrig ist, als der Nahme Apelles, Zeuxis. Die Poesie der Altei, war gleich, fals simpel, ohne den Zierath der Reime, und ohne die kleinen spitzfindigen Einfalle; auch noch ohne die sogenannte Bienfeance. Aber sie erhöhete die Seele, rührte und besserte. Und von den alten Tonkünstlern wird gesagt, daß sie Affecte schufen, und nicht leere Melodien; daher die Wunder eines Arkon, Amphion, Orpheus, Apollo, Mercurs. §.

Zr.

Die Musik hat sich nichts geringere aus dem ganzen Reiche der Poesie erwehlet, als die Ode und die Tragödie, und etwas aus der epischen Dichtkunst. Man weiß aber, wie vollkommen die Ode seyn muß, weil sie kurz ist; und wie sie die^kleinesten Fehler eben so wenig dulden sann,

als der Diamant den kleinsten Riß. Ferner ist die Tragödie dazu gemacht, durch ihre grosse Be­ gebenheiten alles was klein und niedrig ist, aus unserer Seele zu tilgen.

32. Auch den Compvnisten ist die Kürze höchlich

ünzupreisen, damit ihre Werke desto ordentlicher Md leichter zu überheben ftyn. Ein kluger Leser ist

IV. Vermischte Gedanken. 543 ist einem Scribenten

nicht allein dafür verbunden, daß er etwas gesagt, sondern auch dafür, daß er etwas nicht gesagt hat. Daß die Komponisten aber so weitläufrig sind, kommt daher, weil sie sich nicht $eit genug zu ihren Arbeiten nehmen. Durch die Zeit würden sie noch hinter vieles kommen, was ein Stück vortreflicher macht; und was vortrestich geworden ist, ist nie zu spät gekommen. §•

33»

Viel gelehrte Sachen finden sich schon in alten Büchern. ' Das hält aber neuere Schriftsteller nicht ab, eben dieses noch einmal zu sagen. Und wenn sie es auf eine bessere Art sagen, haben jene nichts gesagt, und kommen gar nicht in Betrach­ tung. Dieß lasset sich auch auf dieMusik an­

wenden. §•

33»

Ein Jnstrumentalcomponist kann sich nur als einen großen Tonkünsiler zeigen. Wer aber Singe­ stücke verfertiget, kann den Zuhörer in Zweifel last Jen: ob der Verfasser ein grösserer Philosoph oder Tonkünstler gewesen sey? Non est mortale ( D

V. Neuigkeiten. gest in 4. bestehende Piece: Dritter, neues?« und letzter Discurs über sechs Sonaten für die (EXuerflote und Laß, wodurch die

Art angezeigt wird, wie die darinnen be­ findliche augerordentlichetiefe und hohe Töne zu spielen möglich find, da Gloa CChlno MoLDenlt Nobile Danese da Glück­ stadt, Dilettante in Hamburg). , Wer sollte ms diesem Titel nicht schliessen,daß das MoldenitscheGeheimniß der Flöte (*) nunmehro der Welt verrathen würde? Aber nichts weniger als dieses. Nicht der Hr. von Moldenit, sondern ein schalkhafter Spötter ist es, der diese Blätter achter dem Nahmen dieses geschickten Cavaliers zum Vorschein bringt; ein Spötter,, dem die Geduld auSgerissen seyn muß, daß der Hr. von Moldenir den Schlüssel seiner aus» serordentlichen tiefen und hohen Töne annoch zurü» cke hält. Er hak es sich zwar nicht einkvmme« lassen, die Möglichkeit derselben durch physische Gründ« zu bestreiken; hingegen macht er sich desto lustiger damit, und giebt vor, daß die ganze Kunst darinnen besteht, daß die tiefern Töne in die Flöte hinein gesungen, die höher« über hinein gepfiffen werden. Er glaubet ohne Zweifel, daß diese Art zu

0 Mansche den Iten Band Iles Stück dieser Beyrräqe ArMel vn.

V. Neuigkeiten.

545

zu streiten das beste Mittel seyn wird, demvornehneu Erfinder seine Künste abzulocken. Daß der Spötter kein Stümper auf der Flöt»

seyn müsse, laßt sich aus dem Anfänge der Dde an den Lesck schliessen: All Flötenspieler Stümper sind, Man keinen Meister drunter sind, Sind all nur noch Scholaren. Warum sich dieses schliessen läßt, wird denjenigen sofort beyfallen, denen folgende Anecdote von dem berühmten Georg RoÜenhagett bekannt ist.

Da selbiger in dem Artickel der Religion bey eini­ gen Scheinheiligen in Verdacht gerathen war; so unterstunden sich solche eines Tages, ihn zu fragen: Was er glaubte? Daß er ei» Narr wäre, antwortete er. Man erwiederte, daß er nicht ihrer Absicht gemäß antwortete. Ich glarlbe, fuhr er fort, daß ihr auch Narren seyd; und da man mit dieser Antwort noch weniger, als mit der vorigen zufrieden war; so fügte er endlich lächelnd

hinzu: daß er glaubte, diejenigen waren die größten Narren, die sich selbst für Vernünftig und weist auegaben. Wenn aber diese Piece, woran Witz undLeichk» fertigkeit gleichen Antheil hat, von einigen unruhi­ gen Köpfen auf die Rechnung gewisser Personen gesehet werden will, denen es gleich viel ist, ob die Flöte oder die Leyer mit neuenTönen vermehret wird ; so werden solche hiemit freundschaftlich erinnert, sich durch ihre alberne Vermuthungen nicht bey Gelegen­ heit eine gute musikalische Pritsche zu verdienen. Es lll. Land 6. Stück. Rn samt

546

V. Nettigkeiten.

kann in Berlin beynahe nichts kritisches herauSkom-

men; so heißt es gleich: das hat genüßlich dieser dder jener Fetnacht, gleich als wenn dieser »der jener die einzigen Personen hieselbst waren, die sich mit kritisiren abgäben, und wenn dieser oder jener nichts anders zu thun hatten, als Thorheiten zu kritisiren. Wenn solche Vermuthungen annoch von Leuten geschehen, die selbst das größte Vergnü­ gen am Kritisiren Haden, ohne in Absicht auf sich

überzeugt zu seyn, daß sie selbst aufs ärgste trittßrt zu werden verdienen; so sind dergleichen Ver­ muthungen ohne Zweifel desto lächerlicher. Damit übrigens diejenigen, denen dachM^gekegen ist, voir der eigentlichen Beschaffenheit des ob­

waltenden FlöteiistrcitS nähere Nachricht erhalten,

und die angezeigte Piece desto leichter verstehen Mögen; so wollen wir selbigen den DiscurS, der feslju Gelegenheit gegeben, nemlich den Vorbericht zu den Moldenitschen, bis ins kleine a herun­ ter, und bis inß viergestt'ichene d hinauf componirten Flötensonaten, mit der Erlaubniß des vorneh­ men Herrn Verfassers, hiemit von Wort zu Wort mittheilen. Daß selbiger wider den grossen D-uany, 'dessen Nahmen allen' Flötenisten und gründlichen

Musicis nicht anders als' verehrungswürdig seyn kann, gerichtet sey, giebt der Augenschein. Daß

sich aber ein dritter auf eine etwas verwegene spöt­ tische Art, in diesen Streit mischet, und selbigen nicht von den beyden dabey persönlich intereßirten Männern, als welche selbigen, nach der unter ar­ tigen Leuten gewöhnliches gesitteten Art, mit Grün­

den,

V. Neuigkeiten.

547

den, und Erfahrungen, und nicht mi'tScheltworten, geführet haben würden, abmachen lässet, ist ein Um» stand, der weder dem einen noch den: andern ange­ nehm seyn dürfte. Viele stehen indessen in den Gedanken, daß es der Hr. (Quanz nicht der Mühe werth halt, darauf zu antworten. Hier ist der Vorbericht des Herrn von Moldenit.

An den Leser, /^gegenwärtige Sonaten haben mir zur Uebung

gedienek» Ich mache sie bekannt, weil ich versichert bin, denenjenkgen dadurch einen Gefal» Ich zu erweisen, die die Flöte nach ihrer Ergelf» schäft zu spielen, und dadurch zu einem wahren Vergnügen zu gelangen krachten. Denen werde ich suchen, in wenigen Worten begreiflich zu ma­ chen , daß der große und ungewöhnliche Umfang, den sie enthalten, nicht unmöglich ist, sondern daß

solcher vielmehr aus der Wissenschaft, die Klänge auf der Flöte vorzutragen, oder, wie man zu sa­ gen pflegt, aus dem guten Ansätze, nothwendig und von selbst fliesset. Und nur von dieser Miss senschaft wird hier die Rede seyn. Die allgemeine Anweisung bestehet, wie man weiß, in Finger und Zunge, und zwar wird diese auf so vielerley Art ge­ trieben, als deren sind, die sich mit diesem Jnstrl^ mente abgeben. Dieser Anweisung habe ich nie­ mals viel zugetrauek; denn, da weder Finger noch Zunge einen Klang aus der Flöte zuwege bringe» können, sondern solches nur vermittelst der Unter­ lippe geschehen kann; so zog ich daraus den natur* Nn r lichen

548

V. Neuigkeiten.

lichen Schluß, daß zum guten Spielen nicht weni­ ger eine genaue Erkenntniß, wie sich die Lippe, als wie sich Finger und Zunge zu verhalten haben, er« fordert werde. In dieser Meinung bekräftigte mich die große Verschiedenheit der Spieler, in Be­ trachtung des Ansatzes, der auch bey den Besten oder Berühmtesten halte besser seyn können, weil eS ihnen an richtigen und deutlichen Begriffen von der Bildung des Klanges, und der Art, denselben herauszubringen, oder an der Pronunciation, fehItte. Dieses hat mich hauptsächlich angetrieben, die Regel der Lippe oder des Klanges zu untersu» then, und zu entdecken, und niemand, als der in unüberwindlichen Schwierigkeiten stecken bleiben, und dieß Instrument als ein Werkzeug, sich und andere zu martern, gebrauchen will, kann sich sol­ cher Untersuchung entziehen. Wie, und warum solche anzustellen, wird allhier hinlänglich erkläret. Es kann, vermöge der Erfahrung, kein, Klang aus der Flöte gebracht werde«:, es berühre dann der Athem oder die Luft die Unterlippe. Durch das Berühren nimmt sie einen Raum ein, der, nach Unterschied der Klänge, größer oder kleiner ist, in­ dem sie bey den tiefen die Lippe »nehr, und be>) den höhern weniger bedekt; Noch kann kein Klang ent­ stehen , so ferne nicht diese Luft auf das Mundloch der Flöte stößt; deswegen muß sich die Lippe bewe­ gen , um nicht nur die Luft zu fassen, sondern auch Dieselbe fortzutreiben, und vermittelst dieser Bewe­ gung wird einem jeden Klange seine Ausdehnung, Märke und Schwäche, und, mit Hülfe der Fin­

ger,

V. Neuigkeiten.

549

ger, die Höhe und Tiefe und Geltung zugetheilek. Die Finger allein können die Intervalle nicht be­ stimmen, wie viele glauben; denn ohne andere Blasinstrumente, als zum Exempel die Trompete, wo dieselben nur durch den Ansatz herauögebracht werdens anzuführen; so kann ein jeder, der auch sonst keine Erkenntniß von der Flöte hat, wenn er die Finger liegen läßt, verschiedene Klänge, hohe imb tiefe, angeben. Solches geschicht also dadurch, daß die Luft zu den tiefen einen größern Raum «innimmt, und tiefer in die Flöte hinein gehet, deß­ wegen auch diese dicker und völliger klingen; das Gegentheil findet sich bey den höher». Und auf diese Art entstehen die in diesen Sonaten vorkom­ mende ungewöhnlichen hohen und tiefen Klänge, die, wennn man die gehörige Wissenschaft und Fer­ tigkeit hat, eben so wohl zu gebrauchen sind, als die bisher gewöhnlichen. Diese Wissenschaft be­ stehet lediglich hierin», daß man alle Klänge, jeden insbesondere, nach seiner Geltung, Herausstoße, denn solches kann nur durch die Lippe geschehen; und da findet sich das übrige von selbst. Es haben zwar einige Tonlehrer versucht, vom Ansätze so viel als möglich, zu schreiben, sie haben aber mit ihren Bemühungen nur sich und andern einen ewi­ gen Labyrinth gebauet, wie die Folge dieses Diseur» ses zeigen wird. Sie gestehen indessen, daß der Ton, vermittelst der Bewegung der Lippe, durch das Herausstoßen des Windes in das Mundloch der Flöte gebildet werde. Eine nähere Untersu­ chung würde sie überzeuget haben, daß dies« BeNn z wegung

550

V. Neuigkeiten,

wegung allein hinlänglich sey, sich des Klanges mächtig zu machen, und dadurch zu einer guten Pronunciati'on zu gelangen. Denn wenn der Ton durch das Herausstoßen des Windes in das Mund­ loch der Flöte, vermittelst der Bewegung der tippe, gebildet wird, so folget, daß auch alle Töne auf gleiche Art gebildet werden müssen, und also jeder Ton seine Bewegung von der tippe empfange. Da nun diese also den Klang erreget, so müssen auch nothwendig die Eigenschaften desselben, die Deutlichkeit, Reinigkeit, Höhe und Tiefe, Stärke und Schwäche, desgleichen die Arten des Ausdrucks, das Aushalten^ Stoßen, Schleifen rc. hievon ab­ hangen. Die Ursache, warum dieß nur durch Sie tippe geschehen kann, ist, wie schon erwehnet, weil die tust, die daö Wesen deL Klanges ist, auf der­ selben ihren Ruheyunct nimmt, und also auch nur von ihr kann in Wirkung gesetzet werden. Es ist also unumgänglich nöthig, von allen diesen Bewe­ gungen vertippe, und von einer jeden insbesondere, wie sich dieselbe zu jedem Klange zu verhalten habe,

so

wie von der Fingerordnung, eine genaue Wis­ senschaft zu haben; aber man findet hier sehr viel Schwierigkeit. Denn die tippe ist so fühllos, un­ empfindlich, und zu geschwinden Bewegungen fast ungeschickt, eine jede derselben hat ihre Bestimmung und Regel, der Athem, oder die tust, die sie treibt und theilt, ist so subtil, daß die Bemühung un­ endlich seyn würde, wenn nicht ein Vortheil da wäre, kraft meßen man sich eine Vorstellung ma­ chen kann, wie die tippe die Klänge nach ihrer Gel­

tung

V, Neuigkeiten.

551

rung auseinander setzen, und jedem die ihm zukom­ mende Bewegung geben muß. Dieser Vortheil liegt jedem vor Augen, und liesse sich allhier leicht erklären; da aber ein jeglicher, wie billig, die schuldige Hochachtung für sich hat, Zu glauben, daß ihm das nicht unmöglich sey, was andern möglich gewesen, und, wenn es hier stünde, es keine große Kunst heißen würde; so läßt man es dabey be­ wenden, zumalen eS dem ohngeachtet eine unge­ meine Aufmerksamkeit und sehr großen Fleiß erfor­ dert, und die, so diese Gabe haben, des rechten Weges nicht mehr verfehlen können. Was aber diejenige anbelanget, so dieses Instrument nur, um zuweilen eine müßige Stunde zu vertreiben, oder die eS auch nur als ein Handwerk gebrauchen, so ist ihnen diese Erklärung, so wie das ganze Werk, unnöthig, da sie ohne große Umstände zu ihrem Zweck kommen. Die Regel der Lippe führt eine andere mit sich, nemlich, daß die Zunge muß liegen bleiben. ES ist unmöglich, jemahls aus diesem Labyrinthe her­ aus zu kommen, so lange mai, sich nicht diese Vor­ stellung davon macht, und seine Uebung darnach

anstellet. Alödenn aber, wenn man die Fertigkeit der Lippe erlanget hat, wird man finden, daß der Zungenstoß nicht nur unnöthig, sondern auch höchst schädlich sey. Denn ob es wohl, dem ersten Anse­ hen nach, scheinet, daß die Zunge, vermittelst deS Spannens und Aufhaltens der Luft, dieselbe in Bewegung setzen, und heraus treiben^ könne, so ist eS doch nur ein Blendwerk; denn ohngeachtet des Nn 4 Zungenr

5 $2

V. Neuigkeiten.

Zungenstoffes muß die Luft doch die Lippe berühren, und da ist die Zunge, die nur im Munde zu schal­ ten hat, nicht mehr mächtig, dieselbe abzutreiben, sondern solches geschicht alsdenn durch starkes und mühsames Blasen der Lunge; aber auch diese kann die Luft zu jedem Klange nicht heben, noch auseinander sehen, und daher entstehet dann das so un­ leidliche Geheul, der übel ansprechenden, übertrie­ benen, hölzernen, unreinen Klange zu geschweigen, auch nicht zu erwehnen, daß das starke und sthwache Spielen auf diese Art gar nicht kann gewirket werden, es sey dann, daß man das rauhe und übertriebene, folglich zu hoch blasen, für stark, und das dunkele und zu tief blasen, für schwach neh­ men wolle. An diesem raren Spielwerke ist nun der Zungenstoß schuld, weil durch denselben die Lippe aus ihrer Beweglichkeit gesetzet, und zurück gezogen, auch der Wind durch das Spannen auf­ gehalten, gepreßt und gedränget wird, so daß auch nur in einem mäßigen Umfange kaum alle Klänge können herausgezwungen werden. Doch es ist nicht möglich, die Zunge zu bändigen, noch sie in ihre Gränzen zu setzen, daß sie nicht hindere, (denn das ist alles, worinnen sie dienen kann,) so lange man nicht der Lippe völlig mächtig ist; denn wann diese stockt, und die Luft nicht heraustreibet, suchet jene solches durch einen Stoß zu ersetzen. Ewig um­ sonst! Indessen, weil eS leichter ist, die Zunge, als die Lippe, zu bewegen, und man sich eher eini­ gen Begriff davon machen, auch, wenn man nur den lieben Sanct Blasius zum Mittler und RothHelfer

V. Neuigkeiten.

553

Helfer nimmt, und tapfer zubläßt, man zur Noth mit allen Winden seegeln, und bald ein Meister, wie man es nennet, undPraclicuS werden kann, dahingegen es mit der Lippe nicht so geschwinde zu­ geht, als die, gleich den Fingern, nur regelmäs­ sig, und in äusserster Fertigkeit und Sicherheit, zu gebrauchen ist, so hat man jene, das erste das beste, als ein nöthiges Mittel zur Pronunciation ergrif­ fen , und ist die Zunge also auch auf der Flöte an allem Unglücke Schuld und Ursache, daß diß In­ strument von den meisten so gemißhandelt, auch in guten Musiken so ungern, und in einigen Ländern gar nicht gelitten wird. Es kann seyn, daß daS Vorurtheil der Zunge noch von der Flöte ä bec herstammet, die vor Zeiten sehr in Gebrauch war, und wo der Zungenstoß unentbehrlich ist. Wie die Flötenspieler sich zur Traversiere wandten, mein­ ten sie, es erfordere diese, wie jene, nichts als Fin­ ger und Zunge, und übertrugen es mit dieser An­ weisung ihren Nachkommen, die es dann auch, um sich nicht lange aufzuhalten, ohne weitere Prüfung, als eine heilige Tradition, angenommen, sich in den Irrthum führen lassen, und die Zunge, als das einzige Mittel, die Töne auf der Flöte lebhaft vorzutragen, zum Grunde geleget haben. Hiezu hat man Regeln erfunden, und daraus ist endlich die so genannte doppel-und vierfache Zunge ent­ sprungen. WaS oben von den Wirkungen der Zunge gesagt ist, findet fich bey dieser Erfindung in reichster Maaße beysammen. Man kann frey­ lich mit der Zeit einige gute Klänge erlangen, hie Nn 5, und

554

V. Neuigkeiten,

und da die rechte Bewegung der Lippe treffen, je» doch nicht allein von ohngefehr, sondern fast wider Wissen und Willen, weil man überall den Zun­ genstoß sucht anzubringen, der doch zu nichts, als zum Klangverderben, gut ist; und da ist wohl sicher zu schließen, daß wegen der beständigen Un» gewißheit, und des unaufhörlichen ZwaggeS, worinne man zwischen Zunge und Lippe, zwo widrigen Bewegungen, steckt, auch selbst diejenigen, denen es an der natürlichen Erkänntniß, wie ein derglei­ chen Instrument klingen muß, mangelt, wenig Vergnügen an ihrem Spielen haben. Das größte Ungmck ist, daß, wenn man die Zunge viel geübet hat, es «ine ungeheure Mühe kostet, die Fertigkeit derselben ab, und der Lippe zuzubringen. Ich beruffe mich hierin», ohne mein eigenes anzuführen, auf das Zeugniß desjenigen, dem es am ersten nach mir gelingen wird, ob zwar er die Bahne nunmchk gebrochen findet. Aus diesem, was hier gesagt, erhellet zur Ge­ nüge, woher die Verschiedenheit und Unvollkom­ menheit der Spieler, in Ansehung des Ansatzes, herrühre, nemlich, weil, wie schon anfangs «rwehnek, es ihnen an deutlichen und richtigen B Hissen

von der Bildung des Klanges, und der Art, dem selben vorzutragen, fehlt, und sie der Regel dessel­ ben, die da will, daß ein jeder Klang seine beson­ dere Bewegung bekomme, sich hon ohngefehr nä­ hern, oder durch andere Regeln sich mKhodisch da­ von entfernen. Ichnehme mir die Freyheit/ die Verschiedenheit, so fast in allen Instrumenten, in Betrach-

V. Neuigkeiten.

555

Betrachtung des Klanges, insbesondere aber in de. nen, wo derselbe durch Ansatz und Bogenstrich her-

suvgebracht wird, auch selbst in der Singestimme

sich äußert, und welche dann den Vortraq noth» wendig flUd) verschieden macht, unter gewisser Ein­ schränkung auö eben diesem Satze herzuleiten. Aus

allen klingenden Werkzeugen wird der Klang durch Bewegung hervorgebracht. Diese Bewegung ist nicht allein daö Mittel, den Klang verschiedentlich,

sondern auch beit besten Klang hervorzubringen, der wohl nothwendig feine Ursachen und Regeln hat.

Ein Mang, der sich nad) seiner Geltung nicht au6dehnet, oder ausbreitet, kann nicht gut seyn, weil ihm die Deutlichkeit und Vollständigkeit fehlet.;

und «eil ihm dieselbe ohne Bewegung nicht zukommen kann, so folget, daß ein jeder Klang nad) sei­ nem Werthe, er sey so gering oder so klein, als er wolle, seine besondere, distincte Bewegung haben

müsse, um ihn entweder von andern Klängen zu theilen und abzusondern, oder ihn auch zu unter­ halten, und daß man aller dieser Bewegungen,

und einer jeden insbesondere, sich bereust sey. Es ist ein wesentliches Stück der guten Pronunciatkon, daß man eines jeden Klanges, so rote im gemeinen

Reden einer jeden Sylbe, mächtig sey, um nicht nur die Noten reinlich, rund und deutlich herauszubringen, sondern auch, um biegsam, stark und

schwach zu spielen, und der Melodie den gehörigen Nachdruck geben zu können. Auch dieses kann nicht geschehen, ohne jedem Klange seine eigene, nach (einet Geltung ihm zukommende, Bewegung zti

geben;

556

V. Neuigkeiten.

geben; und wie dieses also als eine allgemeine Re­ gel festgesehet wird, so läßt sich die Verschiedenheit des Ausdrucks und des Vortrages in der Musik größtenteils daraus herleiten, nachdem diese Be­ wegung mehr oder weniger angebracht und getroffen wird. Es ist wol unwidersprechlich, daß, wie al­ les, was man in der Musik mechanisch nennet, also auch die Art, die Klänge auseinander zu sehen, je­ dem seine eigene bestimmte Bewegung, und da­ durch das Leben zu geben, kurz: das Articuliren, es geschehe mit der Hand, die den Bogen führt, auf Bogeninstrumenten, oder mit der tippe auf Blasinstrumenten, die derselben fähig sind , oder vermittelst der Glottis, oder der Kehle in der Sin» gestimme, durch deutliche Regeln könne gelehrt und erwiesen werden. Beschicht aber solches? Die Virtuosen, das ist, diejenigen, die sich in Klängen nach Empfindung ausdrücken, entstehen gleichsam von ohngefehr, ohne sonderliche Anleitung, nur durch ihren großen Fleiß, welcher eine besondere natürliche Erkenntniß voraussehet,. Sie verlieren sich aber gemeiniglich, ohne ihres gleichen unter ihren Lehrlingen zu hinterlassen. Die Ursache könnte unter mehrern diese seyn: daß ihre praktische Verrichtungen sie abhalten , in eine langwierige und mühselige Untersuchung des Klanges, und was ihren Ausdruck vor andern ausnehmend macht, sich einzulassen. Indessen wäre es nöthig, die Ju­

gend, die der Ausübung in der Tonkunst, und ins­ besondere den Klangzeugen, deren vorher gedacht, sich widmet, gleich anfangs mit den wahren Be­ griffen

V. Neuigkeiten.

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griffen vom Klange, und der Art sich desselben

mächtig zu macken , anzuführen, wann jemals ein allgemeiner guter Vortrag soll eingeführet werden; und so lange solches nicht geschicht, wird statt Spie­ len und Gingen, das Schreyen, tragen und Blasen in der Musik den Meister spielen. Diesem Uebel, in so weit solches die Flöte betriff, entgegen zu gehen, erscheinen gegenwärtige Sona­ ten. Wer die Möglichkeit bestreiten wollte, weil er es selbst, oder sein Lehrmeister, oder die andern Meister, nicht können, würde sich nur lächerlich Machen, da ein jeder, der sich Mühe giebt, und nach obigem verfährt, nicht allein von der Mög­ lichkeit , sondern auch von der Nothwendig­ keit ssich überzeugen kann, und daß man nicht we­ niger wissen darf, wann man das Instrument

gut,

oder zum wenigsten leidlich spielen will. Der kürzeste, wo nicht der einzige Weg, hiezu zu gelangen, ist, sich dergleichen Sachen, wie hiemit vorgeleget werden, zur Uebung vorzunehmen. Und so viel mag hievon genug gesagt seyn. Ein emsiges, und durch unverdrossene Uebung unter­ haltenes Nachforschen wird einem jeden mehr sagen, und ihn in den Stand setzen, von dem, was hier vorge­ tragen ist, und vom Articuliren, was das für einDing in der Musik sey, aus eigener Empfindung ein ge­ gründetes und gesundes Urtheil fällen zu können.

2. Berlin. Folgende neue Odensammlungen verdienen den Beyfall vernünftiger Kenner: a) Hrn. Prof. Gellerts geistliche Lieder mit Melodien von Larl Philipp Emanuel

558

V, Neuigkeiten.

Emanuel Bach, 1758, gedruckt und verlegt von Georg Ludewig Winter. 16 Bogen in groß Notenformat. Wir getrauen uns nicht, die (Kompositionen des Hm. Bach nach Verdienst zu loben..

ß) Geistliche Oden in Melodien ge­ fetzt von einigen Tsnküustlern in Berlin, bey Christian Friedr. Voß. 10 Bogen in läng­ licht 4to. Es sind darinnen zwey und dreyßig Stücke, worunter zwey vierstimmig für ein Chor ausgeseßt sind, enthalten. Die Poesien smd aus dem Bienenstock, den Erweiterungen, und den geistlichen Liedern vkr Herren Gellert, Klop» stock, Kramer und Lange eiitlehnet. Die Cornponisten sind die AuctoreS der genugsam bekann­ ten und überall wohl aufgenommenen

Berlini»

scheu Oden. 7) Geistliche, moralische und welt­ liche Oden von verschiednen Dichtern und Lomponisten, 1758. eilf Bogen in breit Mittelfolio, bey Gottl. August Lange.- Es sind darinnen dreyßig deutsche Oben, zwo latei­ nische aus dem Horaß, eine italiänische und eine französische, und also zusammen 34 Stücke. Dre AuctoreS der deutschen Poesie und der Mu­ sik sind mit denen aus der vorhergehenden Samm»

lung einerley. 3. Berlin. Friedr. wilh. Marpurgo,erste Fugensimlmlung, 1758, bey Gottl. Aug. Lange. Ich mache mit dieser Sammlung den Anfang, einen Theil meiner Schuld gegen die 'Freunde meiner Be­ mühungen

V. Neuigkeiten.

5 $9

mühungm abzuführen. Es wird damit von Messe zu Messe fortgefahren werden. 4. Berlin- Sei Sonate per, il Cembalo solo, vorn, pofte da Giorgio Benda, Maestro di Capella diJua Altezza Sereniffima il Dtica di Gotba ed Altenburgo; stampate da Giorgio Ludovico Winter, 1757. alle spefe del’Autore. Geschmack, Kunst und Genie characterisiren

alle Stücke. Die Musen in ihrer Begeisterung ton« «en nicht annehmlicher setzen. 5. Leipzig. Raccolta delle pia nuove Compojizioni di Clavicembalo di differenti Maestri ed Autori per lanno ,7)7, fatta stampare da Feder. Guglielmo Marpurg, Liplia, presto Gio. Gottl. Iman. Breitkopf. Der End­

zweck dieser Sammlung von Clavier- und Eingsachen ist zu seiner Zeit in unsern Beyträgen angckün« digt worden. Wir finden bey diesem neuen Theile also nichts weiter zu erinnern, als daß selbiger, wie der erste, ebenfals aus zwölf Suiten besteht, und daß die grössern Stücke darinnen sind eine Cantate vom Hrv. Capellm. Graun; eine Sonate und Fuge vom Hrn. C. P. E. Bach; eine (Ouvertüre und Synfonie vom Hrn. Rirnberger; und ein Concert von dem Herausgeber. 6. Leipzig. Sammlung musikalischer Schrif­ ten, größtentheils aus den werke«» der Jtaliäner und Franzosen übersetzt, und mit Anmerkungen versehen von Johann Wilhelm Hertel. ErsteStück, 1757, bey Joh. Gottl. Eman. Breitkopf. Dieses periodische Werk lasset uns viel gutes hoffen. Es finden sich in dem ersten Stücke folgende Aufsätze: 1) Joh. Stiebt. Löwens Anmerkungen über die Odenpoesie. Es sind sehr schön gerathene Anmerkun­ gen, und wir wünschen dergleichen von der Feder des Herrn Hertel über die Odcnmusik. 2) Des Hrn. von Voltaire Gedanken von der Oper, aus der Vorrede zu seimem Oedip. 3) Ebendesselben Ge­ danken von den Tragödien der Griechen, die durch einige

$6o

V. Neuigkeiten.

einige italiänische und französische Opern nachgeah» met worden; aus der Abhandlung von dem alten und neuen Trauerspiel, die er an den Cardinal Ouerini gerichtet hat. 4) Des Herrn Remsnd von St. Mard Betrachtungen über die Oper; aus den Oeu­ vres de Mr. Remond de St. Mard. Diese drey letzter» Stücke find von dem Herrn Herausgeber nicht allein sehr glücklich übersetzet, sondern auch mit nützliche« und angenehmen Anmerkungen, da wo es nöthig war, begleitet worden. Wir hoffen,. daß dieses Werk fleis­ sig fortgesetzet werden wird. 7) Altona- «Oden und Lieder mit ihren eige­ nen Melodien von I. D. Leyding, bey David Jverfen, (757, acht Bogen. Der Herr Verfasser, der ein annehmlicher und geschickter Dichter ist, hat sich schon sonsten durch die Compofition einiger ita­ liänischen Oden bekannt gemacht. Die zwote, zwey und zwanzigste und fünf und zwanzigste Ode, in wel­ cher letzter» einige kleine Etichfehlcr stehen geblieben, werden unstreitig vorzüglich gefallen. 8) Leipzig. Musikalische Belustigungen in dreißig scherzenden Liedern von August Bernhard Valentin Herbtng, adjungirt. Organisten und Vicar. am Dom zu Magdeburg, 1758. Derlegts J»h. Gottk. Eman. Breitkopf. Der Herr Verfasser läßt eine leichte Erfindung in allerhand glücklichen und angenehmen Wendungen blicken, und scheint nicht so obenhin, sondern mit angestrengterBeurtheilungskraft zu cvmponiren.

4

4 Register

Register.^) Abhandlung, des du Bos.

80 sq.

435

Accente, von deren Gebrauch bey den Alten. 352 — — zeigten bey den Alten das Steigen und Fal­ len de'/Löne an. 354* Accompagniren, in engen Harmonien. 256 Accompagnement, geuieines und künstliches 257,255. Accord, wird falsch erkläret. 255. — — wird mit Unrecht ein zusammengesetzter Satz genennet. 264 Acror, man muß eines jeden Charakter genau unter­ scheiden- 20 Aequisunanz, was man darunter versteht. 253 Agrico la, dessen Uebersctzung der Losischen Anleitung zur Singkunst wird recensirt. 357 d'Alembert, systeuiatische Einleitung in die Setz­ kunst. 37° Alten, sie theilten die Wirkungen der Stimme m zwei Arten ein. 346, 347 — — von deren Declamation. 81 Anhalvserbstische Capelle. 130 Anleitung zur Singkunst. 3 57. 167 Anfangsgründe der theoretischen Musik. 370. 2ln schlag, von dessen Gebrauch im Singen- 36s Anweisung,wie manClaviere,Clavecins und Orgeln,in allen zwölf Lünen gleich rein stimmen könne. 165 Application en, von den verschiedenen Arten der­ selben. 162 — — Siche Position. Arien, die man leicht mit singen kann. 28. Arien (*) Sowohl das Register zu diesem als dem vorhergehen­ den ii. Bande hat der Hr. Hob. Fridr. Aakcmann zu verfertigen, die gütige Mühe über sich genommen,

m. Baus 6. Stück.

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Register. Arien, bie jederzeit gefallen. 32 — — ihr Unterschied von einer Ode. 159 — wie sie. mässen gesungen werben- 366 — — nach neuen Formen machen. 527. An iomiinatoria, verschiedene Arten davon. 140. scq. — — Siehe Versetzringskunst. Ausdehnungen, werden von einigen verworfen. 159 Ausdruck, dessen Schönheiten entspringen aus den Grundsätzen der Poetik. 442 Ausführer, muß den vorgeschriebenen Empfindun­ gen des Componisten folgen. 121 Ausschreiben, vom musikalischen. 71 — — wird zur Schönheit gemacht. 75. Ausübung der-Känfte. 17 Ausweichen, in andre Töne. 482 2»uszierüngen , (kleine) gehören zum Wefentlichtn ei­ nes Stücks. 118. 119. — — — von deren verschiednen Arten. 162. »Lach (Carl Phil. Em.) dessen Einfall einen dopuany, dessen Lehre von der Articulation der Töne «L* wird angefochten, 546. Gmarre, wird unrecht erkläre^ 364. (Quinkttianus, dessen Werk von der Melopäie, 92» — — — von dm inancherleyEintheilungender Musik bey den 'Mten, 8>. 82. — —; — Aristides, dessen Erklärung von der Melopäie, 270.

acctlta delle piu nouve Compofizioni di Clavicejnbalo, 163. 559.

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Recitarw, von den verschieden Arten desselben, 365. Recitation, wird bei den Alten oft für Lesen genom­ men, 451. Regeln, auf was für eine Art ein Scholar nicht da­ mit zu überhäufen, > 09. — — in der Musik, ob sie uberflüßig sind, 470. Resonanz, ein neugebackener musikalischer Termi­ nus, 25 z. Riedis,Beantwortung zwoer musikalischen Fragen, 371 Riepel, dessen gründliche Erklärung der Tonorbnung, 369. Ritor
abrbeiten (musikalische) sie gehörig zu beurriO theilen, will viel sagen, 107. weizlevt',Entwurf der ersten Anfangsgründe aufdem Claviere nach Noten zu spielen, 200. — — Anmerkungen darüber, 216. — — dessen Anhang zu dem lknrzen Entwurf d*r ersten Aufangsgründe, auf dem Clavier,yach Noten zu spielen, 97. , — — Anmerkungen darüber, 107. — kurzer Entwurf der Aufangsgründe den Generalbaß auf dem Clavier nach Zahlen zu spie­ len, 223. — — Selamintes Anmerkungen darüber, 251, Wien, Organisten daselbst, 68. würtembergische Capelle, 65. achariä, vom musikalischen Ausschreiben, 7U. Ziehen, eine Auszierung im Singen, 364.

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