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German Pages 357 [360] Year 2013
Historiographie des Humanismus
Transformationen der Antike
Herausgegeben von Hartmut Böhme, Horst Bredekamp, Johannes Helmrath, Christoph Markschies, Ernst Osterkamp, Dominik Perler, Ulrich Schmitzer
Wissenschaftlicher Beirat: Frank Fehrenbach, Niklaus Largier, Martin Mulsow, Wolfgang Proß, Ernst A. Schmidt, Jürgen Paul Schwindt
Band 12
De Gruyter
Historiographie des Humanismus Literarische Verfahren, soziale Praxis, geschichtliche Räume
Herausgegeben von
Johannes Helmrath, Albert Schirrmeister, Stefan Schlelein
De Gruyter
Gedruckt mit Mitteln, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft dem Sonderforschungsbereich 644 „Transformationen der Antike“ zur Verfügung gestellt hat.
ISBN 978-3-11-021492-5 e-ISBN 978-3-11-021493-2 ISSN 1864-5208 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. 쑔 2013 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandgestaltung: Martin Zech, Bremen Logo „Transformationen der Antike“: Karsten Asshauer ⫺ SEQUENZ Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen 앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier 앪 Printed in Germany www.degruyter.com
Inhalt Einleitung .............................................................................................................. 1 ALBERT SCHIRRMEISTER / STEFAN SCHLELEIN Semantik im Vergleich. Politische Sprache in humanistischen Nationalgeschichten und Landesbeschreibungen ............................................................... 9 THOMAS MAISSEN Worin gründete der Erfolg der humanistischen Historiographie? Überlegungen zur Rolle der Geschichtsschreibung im »Wettkampf der Nationen« ................ 49 UTA GOERLITZ »…sine aliquo verborum splendore…«. Zur Genese frühneuzeitlicher Mittelalter-Rezeption im Kontext humanistischer Antike-Transformation: Konrad Peutinger und Kaiser Maximilian I. ....................................................... 85 CHRISTINA DEUTSCH »Dasselb buech han ich alles selb geschriben«. Die Ordnung der Geschichte(n) in der Augsburger Chronik (1368–1468) des Burk(h)ard Zink ........................ 111 ANDREJ DORONIN »baierisch nam, das römisch reich, die ganz christenhait«: das Regionale, das Nationale und das Universale bei Aventin ......................... 123 ELISABETH STEIN Humanistische Schlachtenszenen? Zur Transzendierung antiker Modelle in der Zeitgeschichtsschreibung des Paolo Giovio ........................................... 151 IGOR MELANI The Historian Francesco Guicciardini between Political Action and Historical Events ............................................................................................... 169 PATRICK BAKER A Labyrinth of Praise and Blame: On the Form and Structure of Marcantonio Sabellico’s De latinae linguae reparatione ...................................................... 209
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Inhalt
GIULIO BUSI Giovanni Pico della Mirandola und die Entdeckung der jüdischen Mystik im italienischen Quattrocento ................................................................................ 241 AXELLE CHASSAGNETTE Gedruckte Karten Kursachsens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts: die Darstellung der Geschichte und des Territoriums im Spiegel der gelehrten Kartographie ..................................................................................... 251 HARALD BOLLBUCK Die Erfahrung der Peripherie: Antikenreferenz und empirisches Wissen in der norddeutschen Geschichtsschreibung des 16. Jahrhunderts ................... 275 CARMEN GONZÁLEZ VÁZQUEZ Stories at the Royal Court, or mirabilia in Alessandro Geraldini’s Humanistic Conception of History ................................................................... 301 HARALD MÜLLER Geschichtsschreibung am Hof und römische Antike im 16. Jahrhundert. Zusammenfassende Bemerkungen .................................................................... 321 Register .............................................................................................................. 331 Personenregister ......................................................................................... 331 Geographisches Register ............................................................................ 344 Autorenverzeichnis ........................................................................................... 351
Einleitung Auf dem Weg zum Vortragssaal des Berliner Pergamonmuseums, wo die in diesem Band dokumentierte Tagung begann, schreitet man durch den Raum des Kampfes der Götter und der Titanen – gebannt von der Kaskade verschlungener antiker Steinleiber, von jenem »riesigen Ringen« und der »unendlichen Anstrengung«, die Peter Weiss in seiner Ästhetik des Widerstands evoziert;1 überwältigt freilich von einer mehrfach transformierten Antike. Der Schauplatz sei also hier gleich Exemplum für das Anliegen unseres Sonderforschungsbereichs: Transformiert nennen wird man den Altar zum einen in seinem fragmentierten Zustand (die meisten Skulpturen sind beschädigt, ca. ein Viertel ganz verloren), zum anderen durch die Drehung des Frieses vom ursprünglichen Tempelaußen in dessen Innenseite, zum Dritten schlicht durch seine Dislokation, seinen Wiederaufbau, mit anderen Worten dadurch, dass man den Altar nicht in Pergamon, sondern an der Spree erleben kann. Dieser Band vereinigt die Vorträge, die auf der Tagung »Humanistische Geschichten am Hof. Nation und Land als Transformationen der Antike« gehalten wurden, veranstaltet vom 14. bis 16. Februar 2008 durch die Beteiligten am Projekt A4 »Historiographie des Humanismus« des Sonderforschungsbereichs 644 »Transformationen der Antike«. Er ist damit die unmittelbare Fortsetzung einer ersten Tagung »Medialität und Textlichkeit humanistischer Historiographie« aus dem Jahre 2006, deren Vorträge seit 2009 in dem Band Medien und Sprachen humanistischer Geschichtsschreibung publiziert sind.2 Dieser und der vorliegende Band sind also sowohl methodisch-thematisch wie durch die teilnehmenden Personen in Kontinuität und Kohärenz gedacht. Beide Tagungen stehen unter der komplexen Leitfrage der im SFB begründeten Transformationsforschung. Es geht immer um die exemplarische Analyse von Wandlungs- und Aneignungsprozessen: eine immer wieder neu vermittelte ›Antike‹ (hier vor allem: antike Historiographie) als Referenzkultur wird zum einen in der Aufnahmekultur transformiert (hier vor allem: durch humanistische Autoren in ihren jeweiligen Arbeitskontexten) und bewirkt dabei zugleich eine Transformation dieser Aufnahmekultur. Solche Transformationen werden dann wiederum _____________ 1 2
Weiss (1985), 7. Medien und Sprachen humanistischer Geschichtsschreibung, hg. v. Johannes Helmrath/Albert Schirrmeister/Stefan Schlelein, Berlin 2009 (= Transformationen der Antike, 11), siehe hier besonders die Einleitung (1–3) sowie die Zusammenfassung von Caspar Hirschi: Transformationen von Antiketransformationen. Ein abschließender Überblick unter Einbezug des Leitkonzepts des SFB 644 (251–270).
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Einleitung
zum Ausgangspunkt für neue Konstruktionen von Antike, z. B. in Form professionellen Antikewissens auf dem Wege zu einer verwissenschaftlichten Altertumskunde. Die reziproke Transformation von Referenz- und Aufnahmekultur bezeichnen wir mit dem griechischen Kunstwort Allelopoiese. Für die konkrete Analyse der Transformationsprozesse hat der SFB ein begrifflich-methodisches Organon entwickelt, das tatsächlich operationalisierbar ist – die nötige Selbstdistanz vorausgesetzt, denn eine weitere Transformationsebene wird dadurch erreicht, dass der Transformationsforscher beim Untersuchen fremder Antikeaneignungen unweigerlich selbst wieder Antike transformiert.3 Im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert wird in einer europäischen Kulturkonkurrenz humanistischer Autoren Geschichte in verschiedenen nationalen und regionalen Kontexten neu geschrieben, d. h.: einem neuen legitimatorischen Bedarf entsprechend antik überprägt. Historiographie, verfasst von Humanisten als intimen Antikekennern und in enger Verbindung zum höfisch dominierten ›Feld der Macht‹, erweist sich so als Reflex und zugleich als Motor einer neuen dynastisch-nationalen Selbstdefinition der europäischen Monarchen und Staaten. Uns erscheinen ihre Texte daher, besonders in den innovativen Bereichen der Nationsund Landeshistoriographie, als ›Werkbänke‹ für Transformationsstudien geradezu modellhaft. Schon in der ersten Tagung 2006 war deutlich geworden, dass dies nicht zuletzt daran liegt, dass die humanistischen Autoren selbst bereits einen hohen »Transformationsaufwand«4 zu betreiben hatten. Wenn sie etwa Autorität und Latinität eines römischen Leit-Autors wie Livius evozieren wollten, hatten sie dessen undynastische und anationale Prägung jetzt auf gänzlich veränderte Herrschaftsverhältnisse in Europa um 1500, d. h. auf einen dezidiert nationalen wie dynastisch-panegyrischen Bedarf zu applizieren.5 Das heißt: Antike Autoren konnten für das Erreichen der neuen Ziele von einer bemerkenswerten Dysfunktionalität sein, die im Prozess der Transformation mit zu überwinden war. Umgekehrt wurden spätantike oder gar ›zweifelhafte‹ Autoren bzw. Vorlagen umso bereitwilliger vereinnahmt, je mehr sie, wie etwa die Historia Augusta durch Johannes Cuspinian, in die eigene Konstruktion von (Kaiser-)Geschichte eingefügt werden konnten.6 Auf der ersten Tagung wurden diese Fragen vorrangig auf mediale und textliche Elemente gerichtet. Münzen und Inschriften wurden als von Humanisten – mit entsprechend fetischistischen Implikationen – gesammelte und systematisch aufbereitete, und Karten als von ihnen hergestellte Artefakte analysiert. Ihre je _____________ 3
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Darauf hat schon Hirschi (2009), 251, hingewiesen. Vgl. nun die ausführliche Fassung des theoretischen Textes, die diese Reflexivität einbezieht: Bergemann/Dönike/Schirrmeister/Toepfer/ Walter/Weitbrecht (2011), hier besonders 46; im gleichen Band wird das Konzept in Fallstudien aus unterschiedlichen Fächern erprobt. Hirschi (2009), 262. Vgl. dazu Wittchow (2009), vorgeführt anhand von Polydor Vergil. Dazu Klecker (2009).
Einleitung
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eigene mediale Fähigkeit, Zeit und Raum zu ordnen, Antike auratisch-visuell erfahrbar und begreifbar zu machen bzw. auf Rom zu verweisen – in (numismatischen) Herrscherbildern, in (epigraphischer) Lokalisierung von Ereignissen, in (kartographischer) Konstruktion von Grenzen etc. –, stellte diese Medien potentiell in engste Verbindung zur zeitgenössischen humanistischen Geschichtsschreibung. Allerdings: Alle drei wurden zwar tatsächlich auch zur Anreicherung humanistischer Historiographie verwendet, bewahrten sich aber ihre spezifischen Darstellungsformen antiker Kultur (Münztraktat, epigraphische Syllogé) oder kreierten neue Formen medialer Präsentation (Atlanten). Das Zusammenspiel der Materialien und Medien, die Intermedialität, blieb meist rudimentär.7 Umso intensiver vollzogen die Humanisten die Auseinandersetzung mit literarischen und sprachlichen Vorbildern der Antike. Deshalb widmete sich der zweite Schwerpunkt der Tagung von 2006 Aspekten der Textgestalt humanistischer Geschichtsschreibung. Es ging dabei zuerst um Fragen der Typologie, welche Texte überhaupt zu humanistischen Landesbeschreibungen zu zählen sind, und damit um Elemente und Verfahren der Textordnung.8 Dabei zeigte sich auch, dass ›Geschichtsschreibung‹, veranlasst durch die neuen, nicht zuletzt geopolitischen Herausforderungen immer häufiger in gemischten Textsorten realisiert wurde. Das bedeutete für uns unter anderem, dass etwa Reise- und Entdeckerberichte9 ebenso wie Chorographien mit in den Blick zu nehmen waren. Die sprachliche Form, das Verhältnis von Latinität und Volkssprachen kann bei einer Geschichtsschreibung, die sich wesentlich an römischer Antike orientierte, ebenfalls nichts Nebensächliches sein, zumal im Lateinischen das Imperium Romanum für die Humanisten buchstäblich fortbestand.10 Doch zeigt sich im Vergleich volkssprachlicher und lateinischer historiographischer Schriften, dass inhaltliche Differenzen mit der Orientierung an unterschiedlichen Zielen und Zielgruppen eng verbunden sind.11 An die solcherart zu skizzierenden Ergebnisse anknüpfend, verband die Folgetagung von 2008 die Frage nach den spezifischen literarischen Verfahren humanistischer Historiographie mit dem Blick auf ihre sozialen und kulturellen Kontexte. Diesen Fokus zeichnet auch die Gliederung dieses Bandes nach: Eröffnet wird er von zwei grundsätzlicheren Beiträgen zur Fragestellung und zur Methodik. Thomas Maissen entwirft ein breites Tableau der Leitthematik des Bandes und ebenso der jüngeren Humanismusforschung: Er behandelt die humanistische Historiographie als ein wesentliches Element im ›Wettkampf der Nationen‹ (Caspar Hirschi) und beleuchtet die sozialen Bedingungen für Humanisten sowie die _____________ 7 8 9 10 11
Zu Münzen: Helmrath (2009); zu den Inschriften Ott (2009). Schirrmeister (2009). Vgl. Wallisch (2009). Vgl. Völkel (2009), hier besonders 219. So z. B. die spanische und die lateinische Version der spanischen Geschichte des Marineus Siculus oder die Überarbeitung der portugiesischen Crónica da Tomada zum lateinischen De bello Septensi: Vgl. hierzu Schlelein (2009); Latein als historiographische Zielsprache: Völkel (2009), 239 ff.
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Einleitung
spezifischen Bedarfserwartungen an ihre Antikekompetenz, die hier zum Erfolg führten. Stefan Schlelein und Albert Schirrmeister stellen in einem methodisch orientierten Zugriff die von uns entwickelte Datenbank zur Semantik der ›Humanistischen Historiographie‹ des SFB 644 als ein Arbeitsinstrument vor, mit dem es möglich sein soll, die sozialen und kulturellen Bedingtheiten gelehrten Sprechens in konkreten Einzelfällen von semantischen Netzen nachzuweisen. In einem zweiten Block werden anhand von drei Beispielen die durchaus differenten Möglichkeiten analysiert, Geschichte zu schreiben, zu ordnen und ihr eine kulturelle Funktion zuzuweisen, die auf relativ engem Raum nebeneinander existierten: Hierfür stehen der Augsburger Peutinger, der in Diensten des Kaisers schrieb (Uta Goerlitz), der Augsburger Kaufmann Burckard Zink (Christina Deutsch) und der bayerische Hofhistoriograph Johannes Aventin (Andrej Doronin). Im Kontrast zu dieser bayerisch-schwäbischen Situation beleuchten in einem nächsten Schritt Fallstudien die literarischen Verfahren, sozialen Praktiken und die besonderen kulturellen Kontexte humanistischer Historiographie in Oberitalien. Es geht um die Imitatio antiker Historiographen (Elisabeth Stein), die Frage nach der angemessenen Sprache (Patrick Baker), den Diplomaten Guicciardini als Historiker (Igor Melani) und die Bedeutung der jüdischen Mystik für die Konturierung der florentinischen Gelehrtenkultur (Giulio Busi). In einem letzten Schritt wird der Fokus auf die in den historiographischen Schriften (Harald Bollbuck, Carmen González Vázquez) und auf Karten (Axelle Chassagnette) konstruierten Räume gerichtet. Im Vergleich des Blicks auf die »Neue Welt« und das »alte Europa« zeigt sich, dass es nicht allein von den Medien abhängt, wie weit diese Räume in ihrer Historizität dargestellt werden, sondern vielmehr zugleich davon, ob eine Verbindung zur antiken Welt konstruiert werden kann. Die Zusammenfassung von Harald Müller Geschichtsschreibung am Hof und römische Antike im 16. Jahrhundert, auf die nachdrücklich aufmerksam zu machen ist, versteht sich als kritische Bilanz und zugleich als Ausblick. Sie enthebt uns der Pflicht, die Beiträge in der Einleitung einzeln zu resümieren. Stattdessen sollen hier einige Bemerkungen zu den konzeptionellen Fragen genügen, die auf die oben skizzierten früheren Ergebnisse aufbauend den Tagungsteilnehmern zur Grundlage ihrer Beiträge dienten. Das grundsätzliche Interesse des Sonderforschungsbereichs aufnehmend, richtet sich ein Hauptaugenmerk auf die semantische und narrative Konstruktion der antiken (und mittelalterlichen) Vergangenheit durch die humanistischen Historiker. Zwei von Grund auf verschiedene Modelle konkurrieren miteinander: Gegenüber einem Modell, das ein Spannungsverhältnis zwischen einem antiken olim und dem gegenwärtigen nunc aufbaut, steht idealtypisch ein alternatives Modell, das einen möglichst bruchlosen Zeitbogen konstruiert und rühmt. Mit diesem Gegensatzpaar korrespondiert die Problematik der Italiener, die über eine fremde Geschichte schreiben, welche potentiell als barbarisch gesehen wird, sich aber zugleich als Hüter der – immer als römisch interpretierten – Antike verstehen. Je
Einleitung
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nach kultureller, sozialer oder auch nationaler Verortung der Autoren werden die Zeiten unterschiedlich geordnet, erhalten konkret Mittelalter, Völkerwanderung und Christianisierung eine besondere Bedeutung für die Periodisierung und die Konstruktion einer Gemeinschaft; dies gilt in besonderem Maße für die Schriften Peutingers und Aventins. Rom als Fixpunkt humanistischer Historiographie und Italiener als die rechtmäßigen und virtuosen Hüter der Antike stehen häufig in sowohl ideologischer wie personell-materieller Konkurrenz zu autochthon konstruierter Vergangenheit bzw. reaktivierten nationalen Traditionen (wie der Artussage in England) und zu deren indigenen Autoren und ihren Karriereinteressen an den jeweiligen Höfen.12 Außerhalb eines derartigen Konkurrenzfeldes untersuchen Beiträge dieses Bandes diverse dieser ›einheimischen‹ Regional-Historiker, insbesondere in deutschen Zentren, wo es anders als in West-, Süd- und Ostmitteleuropa diese personelle Konkurrenz von Italienern kaum gab: etwa Johannes Aventin im Beitrag von A. Doronin oder im Norden Albert Krantz und Nicolaus Marschalck, die H. Bollbuck in seinem Aufsatz thematisiert. Dass ein Tagungsband nicht bruchlos die ursprüngliche Tagung abbilden kann (oder will), ist eine Selbstverständlichkeit. Dennoch sei auf einige Dinge hingewiesen: Der Beitrag Andrej Doronins (Moskau) entwickelt Kernstücke seiner russischsprachigen Dissertation über Johannes Aventinus weiter. Unterschwellig glaubt man die Sorge vor dem aufschießenden Nationalismus in seinem eigenen Heimatland zu spüren. Doronin gehört wie sein Doktorvater an der Moskauer Akademie der Wissenschaften, Vsevolod Morduhowitsch Volodarskij, und der Moskauer Literaturwissenschaftler und Kulturphilosoph Leonid Batkin zu der ebenso kleinen wie bemerkenswerten Gruppe russischer Humanismus- und Renaissanceforscher. Sein Beitrag lässt freilich auch die bis heute erschwerten Arbeitsbedingungen erahnen – das Fehlen von neuerer Literatur ebenso wie die geringeren Gelegenheiten zum wissenschaftlichen Austausch mit westlichen Fachkollegen. Der Beitrag von Axelle Chassagnette (Tours/Straßburg) beruht auf einem Vortrag auf unserer ersten Tagung, konnte aber nicht im Band ›Medien und Sprachen‹ (2009) publiziert werden. Es freut die Herausgeber, dass er sich nun in den vorliegenden Band glücklich einfügt. Ähnliches gilt für Patrick Bakers Beitrag über den Venezianer Sabellico, der erst nachträglich seinen Weg in den Band gefunden hat, aber in seiner Fragestellung eine geradezu ideale Brücke zwischen den beiden Tagungsbänden baut. Für die methodische Diskussion der Untersuchungen zur Semantik humanistischer Historiographie war der hier nicht abgedruckte Beitrag des Linguisten Wolfgang Teubert (Birmingham) äußerst hilfreich,13 da er pointiert und an konkreten Beispielen die Möglichkeiten geschichtswissenschaftlicher Anknüpfung an korpuslinguistische Verfahren und Erträge präsentierte.14 _____________ 12 Vgl. zur unterschiedlichen Situation der beiden Italiener Polydor Vergil und Marineus Siculus in England bzw. Spanien: Schlelein (2010), passim, hier v. a. 192–196, 202–210. 13 Wolfgang Teubert, »Korpus oder Diskurs: Die diachronische Dimension der Intertextualität«. 14 Vgl. von ihm deshalb neuerdings Teubert (2010); sowie: Teubert/ýermáková (2007).
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Einleitung
Dass weder die Tagung zur »unendlichen Anstrengung« wurde, noch der Band als Fragment dem zu Beginn erwähnten Pergamonfries gleicht, dafür statten wir gerne Dank ab: Janis El-Bira, Ronny Kaiser, Daniel Müller, Maike Priesterjahn und Christian Faust haben uns stets zuverlässig, hilfreich und umsichtig bei der Organisation und bei der Drucklegung unterstützt. Patrick Baker hat die englischsprachigen Beiträge von Igor Melani und Carmen González Vázquez korrekturgelesen. Christian Faust schließlich hat die Manuskripte akkurat und mit großem Einsatz für den Druck vorbereitet. Berlin, im Oktober 2012
Johannes Helmrath Albert Schirrmeister Stefan Schlelein
Literatur Bergemann, Lutz/Dönike, Martin/Schirrmeister, Albert/Toepfer, Georg/Walter, Marco/Weitbrecht, Julia, »Transformation. Ein Konzept zur Erforschung kulturellen Wandels«, in: Transformation. Ein Konzept zur Erforschung kulturellen Wandels, hg. v. Hartmut Böhme und Dens., München 2011, 39–56. Helmrath, Johannes, »Die Aura der Kaisermünze. Bild-Text-Studien zur Historiographie der Renaissance und zur Entstehung der Numismatik als Wissenschaft«, in: Helmrath/ Schirrmeister/Schlelein (2009), 99–138. Helmrath, Johannes/Schirrmeister, Albert/Schlelein, Stefan (Hg.), Medien und Sprachen humanistischer Geschichtsschreibung, Berlin 2009 (= Transformationen der Antike, 11). Hirschi, Caspar, »Transformationen von Antiketransformationen. Ein abschließender Überblick unter Einbezug des Leitkonzepts des SFB 644«, in: Helmrath/Schirrmeister/ Schlelein (2009), 251–270. Klecker, Elisabeth, »›Extant adhuc in Pannonia monumenta Severi‹. ›Historia Augusta‹Rezeption und humanistisches Selbstverständnis in Cuspinians ›Caesares‹«, in: Helmrath/ Schirrmeister/Schlelein (2009), 77–98. Ott, Martin, »Gelehrte Topographie im Geist des Altertums: Antike Inschriften und die Erfassung des Raumes in der Zeit der Renaissance«, in: Helmrath/Schirrmeister/Schlelein (2009), 139–166. Schirrmeister, Albert, »Was sind humanistische Landesbeschreibungen? Korpusfragen und Textsorten«, in: Helmrath/Schirrmeister/Schlelein (2009), 5–46. Schlelein, Stefan, »Gelehrte Fremde – italienische Humanisten und die Transformation der europäischen Historiographie«, in: Transformationen antiker Wissenschaften, hg. v.
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Georg Toepfer/Hartmut Böhme, Berlin 2010 (= Transformationen der Antike, 15), 191–213. Schlelein, Stefan, »Zwei Sprachen – ein Text? Lateinische und volkssprachliche Versionen historiographischer Texte im Vergleich«, in: Helmrath/Schirrmeister/Schlelein (2009), 167–203. Teubert, Wolfgang, Meaning, discourse and society, Cambridge 2010. Teubert, Wolfgang/ýermáková, Anna, Corpus linguistics. A short introduction, London 2007. Völkel, Markus, »Modell und Differenz: Volkssprachliche Historiographie der Frühen Neuzeit und ihre lateinischen Übersetzungen«, in: Helmrath/Schirrmeister/Schlelein (2009), 217–249. Wallisch, Robert, »Sinn und Unsinn lateinischer Versionen frühneuzeitlicher Entdeckerbriefe. Die Bilingue des Josephus Indus«, in: Helmrath/Schirrmeister/Schlelein (2009), 205–215. Weiss, Peter, Die Ästhetik des Widerstands, Bd. 1, Frankfurt am Main 1985. Wittchow, Frank, »Von Fabius Pictor zu Polydor Vergil. Zur Transformation narrativer Modelle der antiken römischen Geschichtsschreibung in der Humanistenhistorie«, in: Helmrath/Schirrmeister/Schlelein (2009), 47–75.
Semantik im Vergleich. Politische Sprache in humanistischen Nationalgeschichten und Landesbeschreibungen ALBERT SCHIRRMEISTER / STEFAN SCHLELEIN Vor inzwischen mehr als vierzig Jahren hat jenes Großprojekt begonnen, das mit seinen schließlich acht voluminösen Bänden als gewaltiges Gebirgsmassiv auf lange Sicht Horizont und Perspektiven deutschsprachiger geschichtswissenschaftlicher semantischer Diskussionen beherrscht hat: Die Rede ist selbstverständlich von den von Reinhart Koselleck initiierten Geschichtlichen Grundbegriffen, deren letzter Band 1997 erschienen ist.1 Ausgehend von einer kurzen Nachzeichnung der Grundannahmen und der hieran anknüpfenden Kritik dieses epochalen Werks soll im Folgenden – immer in Hinblick auf die Interessen unseres eigenen Projektes – die Nähe der geschichtswissenschaftlichen Arbeit zur philosophischen Begriffsgeschichte (I.) diskutiert werden. Eine kurze Darstellung von Ansätzen der Linguistik (II.) – im einzelnen der Diskursgeschichte und der Korpuslinguistik – soll dagegen zeigen, dass hier eine bessere theoretische und methodische Anschlussfähigkeit für die Geschichtswissenschaften gesehen wird, deren neuere Tendenzen der Historischen Semantik im Anschluß charakterisiert werden (III.). Dies soll den Boden bereiten für eine Einordnung unseres eigenen Projektes in die Forschungslandschaft, mit dem wir unsere These zu belegen suchen, dass humanistischer Sprachgebrauch in der erneuerten Konfrontation unterschiedlicher Sprachen und Diskurse die Entwicklung politischer und wissenschaftlicher Sprache in Europa entscheidend beeinflusst hat (IV.). Wie diese theoretischen Überlegungen praktisch umgesetzt werden können, sei danach mit der Vorstellung der Datenbank zur Historischen Semantik dargestellt (V.). Als Beispiele für die Möglichkeiten der Analyse mithilfe der Datenbank werden schließlich die Wörter patria, gens und res publica untersucht (VI.).
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Mitherausgeber waren Otto Brunner und Werner Conze.
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Albert Schirrmeister / Stefan Schlelein
I. Die Geschichtlichen Grundbegriffe und die philosophische Begriffsgeschichte Reinhart Koselleck selbst hat bis zuletzt immer wieder Gelegenheiten genutzt, theoretische Annahmen, praktische Durchführung und methodische Kritik des eigenen Projektes zu reflektieren und seine Position daraus weiterzuentwickeln. So hat er in nur fragmentarisch überlieferten Notizen, die zu einer Einleitung zu seinen begriffshistorischen Arbeiten hätten zusammengestellt werden sollen, sowohl den Status von Begriffsgeschichte als auch den des umstrittenen Terminus ›Grundbegriff‹ zu klären versucht: Die Begriffsgeschichte, so Koselleck, vermittele zwischen zwei Extremen, nämlich der Beschreibung geschichtlicher Wirklichkeit und ihrer Konstitution.2 Den Weg von Begriffen zu Grundbegriffen sieht Koselleck dadurch charakterisiert, dass sie besonders vielgestimmt und aufschlußkräftig und somit schließlich für den allgemeinen Sprachgebrauch unverzichtbar werden.3 Hierzu führt Koselleck das Beispiel ›Staat‹ an, der sich begriffsgeschichtlich aus ›Stand/Status‹ entwickelt habe. Der erfahrungsstiftende Begriff ›Staat‹ baue nicht nur auf vergangene Erfahrungen auf, sondern verweise auch in die Zukunft und sei somit zu einem Erwartungsbegriff geworden.4 Unabhängig von diesen retrospektiven Klärungen und Einordnungen sind für das Konzept und die Wirkung der Geschichtlichen Grundbegriffe die gewählte Ausgangslage und die überwiegenden forschungspraktischen Verfahren entscheidend. Für das erste maßgeblich ist die Wahl der Lemmata. Es sind eben solche abstrakten Grundbegriffe wie ›Volk‹, ›Monarchie‹, ›Demokratie‹, für die die Erwartung ausgesprochen wird, in dem veränderten Gebrauch der für sie konstruierten quellensprachlichen Äquivalente auf lange Sicht eine sich verändernde soziale und mentale Weltsicht konstatieren zu können. Die historisch-politisch sozialen Grundbegriffe stehen damit, wie Hans Erich Bödeker beobachtet hat, bei Koselleck zwar nicht in theoretisch explizierter Weise, aber doch ausdrücklich stellvertretend für jene Gedanken, die in ihnen gleichsam kondensiert seien.5 Versteht man in dieser Hinsicht den Begriff als Vehikel des Gedankens, so Bödeker weiter, »dann ist klar, dass die gewohnheitsmäßige Verwendung bestimmter Begriffe das habituelle Denken von zur Gewohnheit geronnenen Gedanken impliziert. Damit hat der Begriff letztlich auch für Reinhart Koselleck so wenig immanente Dynamik wie ein Wort: Er bewegt sich nicht, er wird bewegt, und zwar im Gebrauch.«6 Koselleck selbst hat dies deutlich genug formuliert: »Rigoros genommen hat ein Begriff, einmal geprägt für einen bestimmten Sachverhalt – wie etwa koinonia politike für die Bürgerschaft Athens –, _____________ 2 3 4 5 6
So Koselleck nach Dutt (2006), 532. Vgl. ebd., 534. Vgl. Koselleck (2006), 68. Vgl. Bödeker (2002), 95. Ebd., 96.
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keine Geschichte mehr. Einmaligkeit.«7 Das Ziel seiner Begriffsgeschichte, so Koselleck an anderer Stelle, sei, zu zeigen, »daß sich Sachverhalte ändern, daß sich aber ein Begriff, der auf einen vorgegebenen Sachverhalt bezogen wurde, nicht mehr ändern kann, soweit er eben diesen vorgegebenen Sachverhalt meint und nichts anderes.«8 Das zweite Charakteristikum, von dem zumindest in den Augen der Rezipienten die Geschichtlichen Grundbegriffe geprägt sind, ist die Konzentration auf die Höhenkammliteratur, also auf die herausragenden theoretischen Texte der unterschiedlichen Epochen. Auch diese Kritik hat Koselleck aufgenommen und sich mit dem Argument gerechtfertigt, Begriffsgeschichte in seinem Sinn betrachte Eck- und Wendepunkte, sei keine Sprachsoziologie, die offenbar nach Kosellecks Vorstellung zu kleinteilig verfährt und zu wenig an den großen Entwicklungslinien orientiert ist.9 Andererseits hat Koselleck wiederum selbst betont, Begriffsgeschichte frage immer nach den einmaligen Herausforderungen, für die im konkreten Wortgebrauch begriffliche Antworten kondensiert werden. Sie sei deshalb auch »von selbst« Diskursgeschichte, weil sie immer auch Nebenbegriffe und größere Texteinheiten berücksichtigen müsse.10 Dem ist allerdings zu entgegnen, dass es nicht nur ein theoretischer und allenfalls methodischer Unterschied ist, ob man den Kontext und den Diskurs von vorneherein mit bedenkt oder ob – wie bei Koselleck – diese Kontexte gewissermaßen lediglich in Kauf genommen werden. Die bereits bei Koselleck feststellbare Nähe von Philosophie und Geschichte in der Begriffsgeschichte wird von Gunter Scholtz explizit und mit Nachdruck bis hin zu einer möglichen Identität behauptet: »Im Bereich der Begriffsgeschichte überschneiden sich die Disziplinen Geschichtswissenschaft und Philosophie, sie greifen ineinander und können sogar identisch werden.«11 Scholtz, der hier durchaus für eine methodisch reflektierte philosophische Begriffsgeschichte genannt wird, benennt das aus seiner Sicht entscheidende Charakteristikum des entsprechenden philosophischen Großprojektes, des Historischen Wörterbuchs der Philosophie: Dieses befasse sich »zentral mit ›thematischen Begriffen‹, d. h. mit solchen, die eigens bedacht und reflektiert wurden«, während sich die sozialgeschichtlichen Handbücher – hier denkt er neben den Geschichtlichen Grundbegriffen an Rolf Reichardts Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680–1820 – den von ihm so genannten »operativen Begriffen« widmeten.12 Doch erscheint dies aus sprachgeschichtlicher, historisch-semantischer Sicht nur scheinbar ein kategorialer Unterschied zu sein: Zwar muss das Philosophische Wörterbuch deshalb vielleicht weniger einer (wie auch immer zu definierenden) Alltagssprache Raum geben, wie Scholtz argumentiert, doch es beschränkt sich _____________ 7 8 9 10 11 12
Koselleck nach Dutt (2006), 532. Koselleck (2006), 383 f. Vgl. Dutt (2006), 536 ff. Koselleck (2006), 101. Scholtz (2000), 183. Ebd., 193.
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Albert Schirrmeister / Stefan Schlelein
damit nur auf die Geschichte einer Fachsprache (in diesem Fall eben der philosophischen). Keinesfalls ist damit aber notwendig ein anderes Verständnis von historischen Wandlungsprozessen verbunden. Das grundsätzliche Problem für eine historische Analyse, das auch in der Kritik an den Geschichtlichen Grundbegriffen die entscheidende Rolle gespielt hat, wird im Gegenteil nur noch deutlicher, da es dem philosophischen Selbstverständnis nicht so relevant erscheint: Es geht dem Philosophischen Wörterbuch ebenfalls um Einzelbegriffe, die allenfalls implizit an soziale, politische, kulturelle Kontexte rückgekoppelt werden. Die Art, in der Scholtz die sprachwissenschaftliche Kritik an den beiden genannten historischen und philosophischen Großprojekten zurückweist, scheint in seiner Pauschalität nicht zuzutreffen (und trifft auch nicht für 1998 zu, dem Jahr, in dem Scholtz seine Überlegungen formuliert hat): Bei aller Uneinigkeit innerhalb der Linguistik, die Scholtz mit negativem Beiklang als verstrickt in »Schulstreitigkeiten« qualifiziert,13 die man aber ebenso gut als lebendige pluralistische Diskussion und Vielseitigkeit interpretieren könnte, zeigen sich in ihr viele Ansätze, an die mit interdisziplinären Projekten angeknüpft werden kann.
II. Sprachwissenschaftliche Ansätze Diese neuen Ansätze zeigen sich – jedenfalls in der Perspektive eines Historikers – geprägt durch die methodischen Auseinandersetzungen einerseits mit den neuen technischen Möglichkeiten für quantifizierende Analysen, andererseits aber in besonderer Weise durch die ›Provokationen‹ des geschichtswissenschaftlichen Großprojektes, das sich eines linguistischen Themas ohne sprachwissenschaftliche Fundierung bemächtigt hat. Methodische und theoretische Grundlagen in diesem Sinne hat vor allem Dietrich Busse geschaffen, indem er den Blick auf die Diskurse umgelenkt hat, innerhalb derer die einzelnen Begriffe verwendet werden. So wird aus seiner linguistischen Skepsis gegenüber einer animierten Begriffswelt, also einer Agentisierung von Begriffen und einer reduktionistischen Wortsemantik14 ein neuer Ansatz für eine Historische Semantik. Busse knüpft dabei an die Diskursanalyse Foucaults an, deren deskriptives Potential er gegenüber einer machtkritischen Verengung betont. Im Anschluß an Foucault versteht Busse unter Diskurs eine Menge von Aussagen, die einem gemeinsamen Formationssystem angehören, das die Bedingungen der Möglichkeiten bestimmter Äußerungen steuere.15 Mit einer derartigen Diskurssemantik hofft Busse die Blindheit einer Begriffsgeschichte zu überwinden, die allein auf ihre Begriffe fixiert, konstitutive Elemente für den jeweiligen Begriff übersehen kann, wenn der Begriff _____________ 13 Ebd., 195. 14 Diese Kritikpunkte bei Busse (2003), 21 f. 15 Vgl. ebd., 23.
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selbst nicht erscheint.16 Busse formuliert auf diese Prämissen aufbauend prägnant ein Ziel historisch-semantischer Arbeit, das konsensfähig sein dürfte: Sie ziele »auf eine Art Wissensgeschichte, eine Geschichte des gesellschaftlichen Sich-bewußt-Werdens sozialer und historischer Tatsachen, Programme, Konzepte.«17 Der linguistische Ansatz, der diese grundsätzlichen Überlegungen am besten für eine geschichtswissenschaftliche Arbeit operationalisierbar macht, ist die Korpuslinguistik. In dankenswerter Klarheit hat Wolfgang Teubert sein Verständnis von Korpuslinguistik in 25 Thesen zusammengefasst.18 Da Teubert sich mit diesen Thesen vor allem in den Fachdiskussionen der Linguisten positionieren möchte, sind in unserem Zusammenhang nicht alle Aussagen gleichermaßen wichtig.19 Entscheidend für die Anschlussfähigkeit der Geschichtswissenschaften sind folgende Annahmen: Korpuslinguistik verfährt empirisch. Korpuslinguistik hat eine soziale Perspektive, keine kognitive. Sinn (meaning), der im Fokus des Forschungsinteresses der Korpuslinguistik steht, entsteht im Diskurs, der nicht als ontologische Realität verstanden wird, sondern als vom Linguisten aufgrund von linguistischen, räumlichen, zeitlichen, sozialen, topischen und medialen Parametern bestimmtes Konstrukt. Sinn wird verstanden als instabile, generalisierende Paraphrase von lexikalischen Einheiten, die aus diachroner Perspektive in der Verhandlung intertextueller Verknüpfungen realisiert wird. Ein Diskurs hat daher notwendig eine diachrone Dimension. Alle Aussagen, die aufeinander reagieren, stehen innerhalb des Diskurses, Verhandlungen über Sinn bereichern also einen Diskurs, in dem sie sich aufeinander beziehen. Das Verhältnis des Diskurses zur ›Realität‹ [die Anführungszeichen auch bei Wolfgang Teubert] zu bestimmen, _____________ 16 Vgl. ebd., 26 f.: »So kann die zu strikte Orientierung an Begriffswörtern (oder Leitvokabeln – auch wenn sie nur als Titelwörter für epistemische Komplexe aufgefasst werden) unter Umständen blind machen gegenüber der Anwesenheit von begriffskonstitutiven Elementen in Texten, in denen das Bezugswort völlig fehlt.« 17 Busse (2005), 43–57, hier 43. 18 Vgl. Teubert (2005), 2–8. 19 Das gilt z. B. besonders für die letzte These (Teubert [2005], 7 f.), die auch zu den weiteren Thesen nicht in einem konsistenten Zusammenhang steht. Hier versucht Teubert den Status des linguistischen Experten im Diskurs zu bestimmen: Dass die (also jede) diskursive Gemeinschaft im Prinzip eine demokratische Gemeinschaft sei und der Linguist (ebenso wie andere Experten?) keine privilegierte Position im Diskurs besitzen soll, mag sein Forschungsethos beschreiben, nicht aber die soziale Realität, über deren Verhältnis zum Diskurs die Korpuslinguistik ja nach Teuberts eigenen Thesen eigentlich auch keine Aussagen zu machen bestrebt ist; in diesem Sinn sind auch die späteren Erläuterungen (ebd., 10) nicht erhellend. Die ›These‹ schließt denn auch mit einem Satz, der eher eine Warnung oder Kritik an sozialen Machtverhältnissen und ihrem Verhältnis zu einem Diskurs ausdrückt: »The discours organises itself. All regimentation from the outside strangles the creativity of the discourse community.« Aus linguistischer Perspektive wiederum ist die zweite seiner 25 Thesen, dass sich Korpuslinguistik immer mit geschriebenen Texten beschäftigt, diskutabel (darauf weist Teubert in der Folge selbst hin: ebd., 9). Im Rahmen geschichtswissenschaftlicher Forschungen zumal zur Vormoderne ist nicht nur Teuberts Argumentation für diese These überzeugend (die Berücksichtigung z. B. der nonverbalen Signale während des Sprechens kann Korpuslinguistik nicht leisten), sondern auch eine Diskussion dieser These tendenziell irrelevant.
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bleibe außerhalb des Interesses der Korpuslinguistik.20 – Spätestens an dieser Stelle beginnt also auch für einen Linguisten, der seine Forschungen dezidiert als Teil der Geisteswissenschaften begreift,21 die Arbeit der Historiker. Die systematische und methodisch kontrollierte Perspektive auf Kollokationen als maßgebliche Bestandteile der Semantik einzelner Wörter und die gleichermaßen als notwendigen Bestandteil begriffene Phraseologie erfordert einen dichteren Blick auf die einzelnen Texte und ihre Kontexte als dies z. B. die Geschichtlichen Grundbegriffe leisten. Zugleich aber ermöglicht die Verbindung mit einer sozialen Perspektive der Linguistik die für die epistemologischen Grenzen ihrer Disziplin offen ist, den fruchtbaren Anschluß historischer Forschungen. Großwörterbücher – Gebirge der Gelehrsamkeit – werden so nicht entstehen, dafür aber vielleicht eher fruchtbare Ebenen, mit vielen kleinteiligeren Feldern.
III. Historische Semantik in den Geschichtswissenschaften Es ist wohl kein Zufall, dass sich in der geschichtswissenschaftlichen Praxis das nächste Großprojekt, in dessen Konzeption erste sprachwissenschaftliche Anregungen aufgegriffen wurden, auf die Kosellecksche Sattelzeit und auf die Epochenwende der Französischen Revolution richtet, die ja durch eine exorbitant erweiterte publizistische Aktivität gekennzeichnet ist. Produktiv weiterentwickelt wurde das Konzept der Geschichtlichen Grundbegriffe deshalb vor allem in dem schon erwähnten Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680– 1820, das vor allem unter der methodischen Ägide von Rolf Reichardt steht.22 Hier ließ sich wohl auch forschungspraktisch die von nun an grundlegende Forderung nach Texten einer ›mittleren Ebene‹ am einfachsten verwirklichen, da die hiermit gemeinten Traktate, Pamphlete, Flugschriften usw. schon zum täglichen Brot der Historiker gehörten. Gleichwohl lässt sich eine Heterogenität in den Bearbeitungsweisen der einzelnen Artikel ebenso wenig wie bei den Geschichtlichen Grundbegriffen vermeiden, selbst wenn Reichardt dies als Methodenpluralismus auch als Vorteil seines Handbuchs begreifen möchte. Eine zweite grundlegende Entscheidung für Arbeiten der Historischen Semantik wird in Reichardts Handbuch vorbereitet: Der Untersuchungszeitraum gegenüber den Geschichtlichen Grundbegriffen wird deutlich beschränkt. Wenn Willibald Steinmetz in einem jüngst erschienenen Überblick über die Forschungsgeschichte die Historische Semantik schon mit Blick auf die Geschichtlichen Grundbegriffe als Provokation der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte Bielefelder Prägung bezeichnet, so macht er zugleich deutlich, dass diese Provokation umso mehr zur Geltung gelangen kann, wenn man statt langer diachroner Be_____________ 20 Dies ist eine Zusammenfassung der Thesen 1, 4, 6, 8, 19, 22: ebd., 2–7. 21 So der Schlusssatz ebd., 13: »Corpus linguistics localises the study of language, once again, firmly and deliberately, in the Geisteswissenschaften, the humanities.« 22 Vgl. Reichardt (1985–2000).
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griffsgeschichten die »ständige Verfertigung sozialer, politischer, rechtlicher, ökonomischer und sonstiger Strukturen und Verhältnisse durch sprachliches Handeln«23 in mikrodiachronen Untersuchungen zu fassen versucht. Als probates Arbeitsinstrument einer Historischen Semantik haben sich in der Forschung deshalb komplexe Wortfeldanalysen empfohlen, durch die einerseits innerhalb der einzelnen Texte ›semantische Netze‹ in ihrer Komplexität nachgezeichnet werden können, andererseits in einer intertextuellen Perspektive Beziehungen zwischen einzelnen Texten analytisch gefasst werden können. Für die Untersuchung der westeuropäischen Vormoderne können in diesem Sinn beispielhaft zwei Einzelprojekte herangezogen werden. Das eine, abgeschlossene, Projekt ist in der Frühen Neuzeit situiert und nimmt ein zentrales Wort der politischen Sprache zum Gegenstand. Nicht zuletzt, um die Einordnung in den zeitlichen Horizont zu akzentuieren, hat Thomas Maissen in seiner Habilitationsschrift über die Eidgenossenschaft die Geburt der Republic dieses Titelwort eben mit einem c beendet: Der Begriff Republik wird historisiert.24 Maissen reagiert damit auf seine Beobachtung der Forschungslage, wonach der Republikanismus den Charakter einer zeitlosen Lehre erhalten habe, die in wesentlichen Zügen klar definiert werden könne. Dies sei geschehen, weil die Forschung immer von republikanischen Modellen der Antike oder der spätmittelalterlichen italienischen Realität ausgegangen sei, mit der die Schweizer Eidgenossenschaft verglichen worden sei, wodurch immer nur ein defizitärer Eindruck verbleiben konnte.25 Statt der ›zeitlosen‹ Option des Freistaats dank der antiken Muster will Maissen »das Phänomen der Republik aufgrund der Annahme historisieren, dass der polyarchischen oder gemischten Verfassung erst in einer bestimmten historischen Situation der Name ›Republik‹ gegeben wird und dass sich erst danach ein republikanisches Selbstverständnis entwickeln kann.«26 Maissen nennt seine Frage rein wortgeschichtlich – angesichts der weitreichenden Erkenntnisinteressen, die er formuliert, wohl doch zu bescheiden: Aufschluss erhalten möchte er nicht nur darüber, zu welchem Zeitpunkt man in der Eidgenossenschaft von ›Republik‹ gesprochen hat, sondern auch, welche Verhaltens- und Denkweisen zu einem gewissen Zeitpunkt die Etikette ›republikanisch‹ erhalten hätten.27 Dieses mentalitätsgeschichtliche Programm differenziert er an gleicher Stelle noch aus, wenn er aufzählt, dass die wortgeschichtliche Analyse danach fragen soll, ob Republik und Republikanismus zu Recht mit den Adjektiven freiheitlich, monarchomachisch, antiabsolutistisch, genossenschaftlich, einträchtig und städtisch belegt werde.28 _____________ 23 Steinmetz (2008), 187; auffällig ist, dass kulturelle Strukturen und Verhältnisse nur unter den »sonstigen« subsumiert werden. 24 Vgl. Maissen (2006). 25 Vgl. ebd., 33. 26 Ebd., 19. 27 Vgl. ebd., 33. 28 Vgl. ebd.
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Maissen betont zudem, dass er für seine Forschungen die Texte der mittleren Ebene im Sinne Reichardts bevorzuge, weil er hoffe, an ihnen die Scheidelinie von Konventionellem und neuen Ideologien besser zu erkennen. Die Sprache des Republikanismus betrachte er, der Cambridge-School folgend, nicht als Ideologie, sondern als »Argumentationslogik«, wie er gegen die philosophische Herkunft der Geschichtlichen Grundbegriffe formuliert: Es geht nicht um den Begriff ›Republik‹, sondern um die Sprache, um Sprecher und Hörer.29 Vom zweiten aktuellen Projekt sind bisher nur erste ›Probebohrungen‹ veröffentlicht. Bernhard Jussen weist zu Recht darauf hin, dass er mit seinem mediävistischen Projekt zu einer Historischen Semantik relativ allein auf weiter Flur steht. Das veröffentlichte Beispiel untersucht den Gebrauch des Wortes ordo in breit gestreuten mittelalterlichen Texten.30 Beiden Projekten ist gemeinsam, dass sie die methodischen Forderungen einer sprachwissenschaftlich fundierten Historischen Semantik ernst nehmen, zugleich auch eine Erweiterung des Semantik-Begriffs auf nicht-sprachliche Elemente wie Bilder, Rituale, Zeremonielle, Handlungen im allgemeinen betreiben. Allerdings erfordert nicht-sprachliche Semantik, die tendenziell die Semiotik berührt oder als Ikonographie analytisch genauer gefasst werden könnte, andere Zugangsweisen. Wohl auch deshalb verstärkt Jussen in der letzten Zeit den linguistischen Zugriff zuungunsten der außersprachlichen Semantik, womit er eine methodische Schärfung des Projektes und eine begriffliche Vereindeutigung von Semantik leistet.31 In seinem Leibniz-Projekt »Politische Sprache im Mittelalter. Semantische Zugänge« konnte Jussen an der Frankfurter Universität mit dem Historical Semantics Corpus Management (HSCM) ein spezielles Programm entwickeln, mit dem die empirische Basis – lateinische Texte des Mittelalters – für Konkurenzanalysen erschlossen wird. In verschiedenen Teilprojekten soll nunmehr der Sprachgebrauch verschiedener Generationen von Akteuren diachron verglichen werden. Die Untersuchung eines solchen Sprachwandels erfolgt, wie es auf der Webseite des Projektes resümierend heisst, auf drei Ebenen: (1) auf der Ebene der Akteure und der sozialen Gemeinschaften, die an den Prozessen teilnehmen, (2) auf der Ebene der Textgattungen, die die Kommunikationspraktiken dieser Gemeinschaften spiegeln und (3) auf der Ebene von lexikalischen Einheiten, deren Gesetzmäßigkeiten sich auf der Basis eben dieser Kommunikationspraktiken entwickeln.32
_____________ 29 30 31 32
Vgl. Maissen (2006), 34 f. Vgl. Jussen (2006). Vgl. Jussen/Mehler/Ernst (2007). Auf der Internetpräsentation des Projekts finden sich Hinweise zu den Einzelprojekten und Zugangsmöglichkeiten zu HSCM, dem in Zusammenarbeit mit »HuCompute«, der Frankfurter Abteilung für geisteswissenschaftliche Fachinformatik, entwickelten Programm zur korpusbasierten historischen Semantik: vgl. Politische Sprache (2008). Das Zitat stammt von der Unterseite HSCM; vgl. daneben ausführlicher Jussen/Mehler/Ernst (2007).
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Auch in Kenntnis solcher Forschungen sieht Steinmetz neben dem 20. Jahrhundert vor allem die Vormoderne als vernachlässigte Epoche historisch-semantischer Forschung.33 Gerade für die lange Phase europäischer Mehrsprachigkeit – zunächst des Lateinischen neben den Volkssprachen,34 das später dann durch das Französische ersetzt wird – fehle es nicht allein an Einzelstudien, sondern noch vielmehr an einem analytischen Bezugsrahmen, um die Forschungen zu lenken.35 Seine Vermutung, dass zwischen der lateinischen Gelehrtensprache als Elitenkommunikation und den Volkssprachen, die mit ihren noch wenig fixierten Wortbedeutungen in größerem Maße semantische Freiräume bieten, eine Situation gegeben war, die den semantischen Wandel in besonderer Weise befördern musste, hat einige Berechtigung. Die Frühe Neuzeit erscheint hier, auch dies betont Steinmetz wohl zu Recht zumindest für gelehrte und politische Zusammenhänge, gegenüber der mittelalterlichen schriftlichen Kommunikation, die sich fast ausschließlich des Lateinischen bediente, deutlich komplexer.36 Geeignete methodische Instrumente müssten hierfür erst entwickelt werden, jedenfalls sieht er ein semasiologisches, an Einzelwörtern orientiertes Verfahren wie das der Geschichtlichen Grundbegriffe als untauglich an.37 Auf ein weiteres Element einer mehrsprachigen Situation, das in einer historisch-semantischen Untersuchung unbedingt berücksichtigt werden sollte, macht Steinmetz mit Bezug auf koloniale Gesellschaften aufmerksam: Das Machtgefälle zwischen den Sprechern, außersprachlich begründet, findet in der Semantik seinen Ausdruck. Zumeist liege der Veränderungsdruck auf Sprachen kolonisierter Bevölkerungen. Gerade mit Bezug auf die Christianisierung und Romanisierung Westeuropas seit Spätantike und Frühmittelalter konstatiert Steinmetz den umgekehrten Fall. Bei einer lang andauernden Interferenz des Lateinischen mit den Volkssprachen habe sich auf Dauer eben das Lateinische deutlicher verändern müssen, wobei die sprachliche Transformation offenbar hauptsächlich über nominale Elemente, insbesondere Kulturwörter verlaufe.38 Wortimporte sieht Steinmetz überhaupt neben dem Plausibilitätsverlust bestimmter Redeweisen durch Ereignisse und Umbrüche und neben dem zunehmenden strategischen Gebrauchswert von Redeweisen in wiederkehrenden Kommunikationssituationen als drittes wichtiges Interaktionsmuster von sprachlichem und sozialem Wandel. Steinmetz _____________ 33 34 35 36
Vgl. Steinmetz (2008), 180. Vgl. Guthmüller (1998), Maass/Volmer (2005), Völkel (2009). Vgl. Steinmetz (2008), 180. Dabei dürfte es sich – besonders in zeitgenössisch publizierten, in einen wissenschaftlichen Kontext eingebundenen Texten wie denjenigen der humanistischen Historiographie – vielmehr um planmäßiges Übersetzen und Übertragen handeln als das von Steinmetz zitierte Beispiel der »gemischten Sprachgefühle«, von denen Harald Weinrich spricht. Dies meint bei Weinrich aber eher die Mischung von verschiedenen Sprachen in einer Aussage wie z. B. in der makkaronischen Poesie oder in der Novelle Montauk von Max Frisch, vgl. hierzu Weinrich (1988), passim, hier besonders 296, 299. 37 Vgl. Steinmetz (2008), 181. 38 Vgl. ebd., 192 f.
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hält gerade dieses Feld in weiten Stücken für eine terra incognita der Historischen Semantik.39 Die Frage für ein Forschungsprojekt zur humanistischen Semantik besteht darin, ob man bei der von Steinmetz vorgeschlagenen Differenzierung von Wortimporten einerseits aus Fremdsprachen und andererseits aus Fachsprachen nicht tendenziell beide Fälle beobachten kann: Das von den Humanisten in historiographischen und politischen Texten verwendete Latein ist sicherlich römisch-rechtlich grundiert, doch werden die Wörter tatsächlich als Elemente einer Fachsprache importiert?
IV. Politische Semantik humanistischer Historiographie Jedenfalls lässt sich aber gerade in Bezug auf die Bemerkungen von Steinmetz unsere Hypothese rechtfertigen, dass im humanistischen Sprachgebrauch eine take-off-Phase der politischen Semantik zu beobachten ist: Die entwickelte politische Sprache der römischen Antike wird von den Humanisten aufgenommen und trifft in der Verwendung auf sich differenzierende politische Gegebenheiten. Hierbei geraten auch die jeweiligen vernakularen politischen Sprachen in eine Aufbruchsphase, die durch die Infusion der wiederentdeckten alten Wörter des humanistischen Lateins entscheidend mitgestaltet werden kann. Der Sprachgebrauch des 15. und 16. Jahrhunderts ist geprägt von der Auseinandersetzung der mittelalterlichen Traditionen mit der reich entwickelten politischen, juristischen und historiographischen Literatur des antiken Rom. Dabei wird, so meinen wir, eine neue Sprache für den Territorialstaat der Frühen Neuzeit geprägt, die tauglich ist für die Auseinandersetzungen konfessioneller Art, für monarchische Gebilde ebenso wie für Republiken, eine Sprache, die auch die europäische Expansion sprachlich verarbeiten kann. Dabei zeichnet sich ab, dass es durchaus unterschiedlich sein kann, wie sehr der antike sprachliche und sachliche Kontext die Verwendungsweisen und Kontexte der einzelnen Wörter vorgibt oder ganz im Gegenteil eher dazu dienen kann, in ein- und demselben Wort zum Beispiel eine Stadtbürgerschaft und eine Territorialherrschaft zusammenzubringen. Aus diesem Befund ergibt sich unsere Verfahrensweise. Der gewichtigste Unterschied zu anderen Projekten ist von unserer Ausgangslage bestimmt. Anders als die Geschichtlichen Grundbegriffe und letztlich anders auch als das Handbuch von Reichardt und die neueren Projekte von Maissen und Jussen gehen wir nicht von leitenden Begriffen oder Konzepten (wie Bastille, libertinage, civilité bei Reichardt) aus, sondern von einem Korpus humanistischer Historiographie, verstanden im Sinne der Korpuslinguistik als einem von uns verantworteten, reflektierten Ausschnitt aus dem gesamten Diskurs. Im Zentrum steht also der tatsächliche Sprachgebrauch der humanistischen Autoren. _____________ 39 Vgl. ebd., 191.
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Dies hat einen analytischen Vorteil zur Folge: Das von uns zu bearbeitende Textkorpus humanistischer Nationalgeschichten und Landesbeschreibungen haben wir auf der Grundlage von soziolinguistischen Kriterien als spezielle Textsorte innerhalb der humanistischen Publizistik begrenzt.40 Diese Entscheidungen werden mit Hilfe einer semantischen Analyse ständig überprüfbar und erhalten somit eine zusätzliche Gewichtung. Damit kommen wir einer wesentlichen sprachwissenschaftlichen Forderung nach, die eine aus linguistischer Sicht valide Untersuchung ermöglichen soll: Ein auf der Grundlage inhaltlicher und semantischer Kriterien gebildetes Korpus wird auf seine Leitvokabeln, seine semantischen Netze und das Begriffsgefüge hin überprüfbar. Zwei grundsätzliche Fragen können auf dieser Basis beantwortet werden. Zum Einen, was an den Texten tatsächlich humanistisch ist, ob humanistisches Sprechen und Schreiben als eine vereinheitlichte Redeweise mit einheitlichem Sprachgebrauch nachvollzogen werden kann: Gibt es also einen genuin ›humanistischen Diskurs‹? Und variiert diese Sprechweise je nach Textsorte sowie nach regionaler oder sozialer Herkunft ihres Autors oder dem regionalen Fokus des Textes? Die zweite Frage wurde durch den Forschungszusammenhang des SFB und die ideologische Antikereferenz humanistischer Autoren aufgeworfen: Entspricht ihr Gebrauch antiker Sprache dem, was die Humanisten von sich behaupten, nämlich dass sie das klassische Latein wiederbeleben? Unser Vorhaben genügt damit den von vielen Seiten geäußerten Forderungen an Arbeiten zur Historischen Semantik, wie z. B. derjenigen von Günther Lottes »thematisch fokussierte Diskursanalysen [durchzuführen], die den Sprachhandlungswillen der Sprecher tatsächlich ernst nehmen und konkret historisch verorten.«41 Mit der Konzentration auf humanistische Historiographie erreichen wir zwar eine deutlich geringere Reichweite als es die Geschichtlichen Grundbegriffe zumindest programmatisch anzielten und reichen auch weniger weit als jene vielzitierten Texte der ›mittleren Ebene‹. Im Ausgleich kann aber das Korpus tatsächlich viel genauer im Sinne der Korpuslinguistik konturiert werden als ein spezifisches gelehrtes Sprechen. Mit der intendierten Homogenität des Korpus begeben wir uns zwar der produktiven Möglichkeiten, wie sie Bernhard Jussen nutzt, wenn er in seinem mediävistischen Projekt »politische Theorie jenseits der einschlä_____________ 40 Vgl. hierzu die Überlegungen Schirrmeister (2009), passim, besonders 35 f.: »Als Exemplare der Textsorte Humanistische Landesbeschreibung verstehe ich folglich alle diejenigen Texte, deren Objektbereich geographisch-ethnographisch gefasst ist und die diesen Objektbereich klar abschließend umgrenzen. Geprägt werden die Texte durch ihre intensive intertextuelle Beziehung zu römischer antiker Historiographie. Hier sind besonders die Vorbilder des Caesar und Tacitus zu nennen, die die humanistischen Autoren in einer appropriierenden und assimilierenden Transformation für die innere Strukturierung der Texte nutzen. Diese Texte erheben den Anspruch, die Wirklichkeit darzustellen, dabei können aber auch poetische Realitäten integriert werden.« 41 Günther Lottes zitiert nach Reichardt (1998), 24.
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gigen Texte als mentale ›Konfiguration‹«42 sucht und bei der Analyse von Bernhard von Clairvauxs Auslegung des Hohelieds zeigen kann, »dass sich die Liebesund Affektorientierung Bernhards auf seine Ordnungsreflexionen auswirkt. Das Vokabular der Hoheliedfrömmigkeit dringt in die Ordnungssemantik ein.«43 Allerdings reduzieren wir dadurch auch Probleme, die sich mit den wechselnden Bedeutungen, durch einen neuen Kontext, einen anderen Diskurs ergeben: Eine andere Textsorte, die andere Ziele verfolgt, spricht ein anderes Publikum auf andere Weise an. Gerade im Vergleich mit Jussens Herangehensweise werden die Vorteile eines zeitlich und sachlich schmaleren Zuschnitts klar benennbar. Die Transferprozesse zwischen unterschiedlichen Diskursräumen, die Reichardt ebenso wie Steinmetz als ein wesentliches Erkenntnisinteresse Historischer Semantik nennen, werden durch die genauere Abgrenzung des Korpus deutlicher sichtbar, vor allem in zwei Richtungen: Erstens: Das Verhältnis der humanistischen Historiographie zum antiken Sprachgebrauch kann durch die Konfrontation von Quelleneditionen und -zitaten antiker Autoren und dem eigenen Sprechen der Humanisten bestimmt werden. Zweitens: Volkssprachliche, aber dennoch humanistische Texte,44 treten zuweilen als Übersetzungen aus dem Lateinischen auf oder werden ins Lateinische übersetzt. Sie eröffnen durch ihre soziale und kulturelle Einbindung jeweils andere semantische und narrative Kontexte.
V. Die Datenbank zur Historischen Semantik als Arbeitsinstrument Im Gefolge der bisherigen Arbeiten heißt Historische Semantik deshalb auch für unser eigenes Projekt: Es werden konkrete Wortgebräuche in den Quellen untersucht, die einzelnen Wörter aber werden in ihren jeweiligen diskursiven und textlichen Zusammenhang gestellt. Erst von hier aus werden interpretatorische Zugriffe möglich. Es geht also nicht darum, ein möglichst differenziertes Vokabularium humanistischen Lateins zu erstellen, sondern darum, eine potentielle humanistische Gelehrtensprache in ihren unterschiedlichen Ausprägungen zu identifizieren. Wenn zudem humanistische Autoren behaupten, sprachliches Vorbild ihrer eigenen literarischen und historiographischen Produktion sei das Latein Ciceros,45 so ergibt sich aus diesem Anspruch auch die Frage, ob das mittels der historisch-semantischen Analyse gewonnene Ergebnis die Selbststilisierung der humanistischen Gelehrten bestätigen kann. Oder kommt es vielmehr zu Rei_____________ 42 43 44 45
Jussen (2006), 236 f. Ebd., 253. Vgl. zum Verhältnis von Latein und Volkssprachen: Schlelein (2009). So z. B. Pietro Bembo in seinem Brief De imitatione; vgl. zur wachsenden Annäherung der Humanisten im 14. und 15. Jahrhundert an das Ciceronianische Latein etwa Leoncini (2005), 67– 69, mit weiterer Literatur.
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bungen mit dem Ideal eines Ciceronianischen Lateins, wird z. B. ein abweichender Gebrauch durch seine Häufigkeit seinerseits zur sprachlichen Norm bestimmter Fachsprachen oder doch zumindest zu einem vorherrschenden Stil? Ist es schließlich möglich – die Frage wurde oben bereits aufgeworfen – derart ein ›semantisches Netz‹ zu spannen, das eine Bestimmung erlaubt, ob sich einzelne Texte der so identifizierten Fachsprache bedienen? Falls dies im Einzelfall nicht zutrifft, muss man in der Folge konsequenterweise fragen, ob ein solcher Text dem Korpus humanistischer Geschichten und Landesbeschreibungen überhaupt zuzurechnen ist.46 Das Projekt arbeitet, wie erwähnt, mit einem Korpus von Texten,47 nicht mit Leitbegriffen. Das Mittel für die Durchführung der semantischen Analyse ist unter dieser Voraussetzung die Arbeit mit einer Datenbank. Dem Textkorpus nähern wir uns dabei zunächst mit einem analytischen Eingriff, indem bestimmte Themenfelder ausgewählt wurden, von denen im Hinblick auf die skizzierten Fragestellungen a priori ein besonders ergiebiger Befund zu erwarten ist. Dem Verständnis von Dietrich Busse und Wolfgang Teubert folgend, bezeichnen wir solche überwiegend inhaltlich bestimmten »virtuelle[n] Textkorpora« als »Diskurse«.48 Wir unterscheiden fünf solcher Diskurse: Ethnographie, Geographie, politische Herrschaft, antikes Wissen und ›ego‹.49 Unter diesen Diskursbegriffen lassen sich jeweils bestimmte Themen subsumieren, die von den humanistischen Autoren behandelt werden: so Völkerbezeichnungen, Gewohnheiten oder Charaktereigenschaften bei der Ethnographie; Grenzen, Flora und Fauna, aber auch menschliche Eingriffe in den Raum bei der Geographie. Unter die politische Herrschaft fällt neben Verwaltungsbezeichnungen und Herrschaftsinstitutionen beispielsweise auch die Siedlungsgeschichte, insofern diese den Raum administrativ gliedert. Angesichts der Antikenverehrung der Humanisten erscheint eine eigene Kategorie antikes Wissen nützlich, um hier die unterschiedlichsten Verweise auf das Altertum und damit den Referenzbereich der Antiketransformation _____________ 46 Vgl. ähnlich Busse/Teubert (1994), 17 f.: »Diskursanalyse […] als ein fortschreitend die Korpusbildung korrigierendes Lesen«. 47 Den auch semantischen Zusammenhang mit Bildern und anderen Medien von Kartographie und Historiographie gilt es ebenso analytisch in unserer Arbeit zu erfassen wie die Rhetorik der Titelbilder und der Typographie – letztere leisten nicht zu unterschätzende interpretatorische Vereindeutigungen. Dennoch konzentrieren wir uns bei unserer semantischen Datenbank auf die von ihrer Materialität tendenziell gelösten sprachlichen Zeichen. 48 Ebd., 14; vgl. zusätzlich Busse (2003), 24 f. und oben Abschnitt II. 49 Die Auswahl der Diskurse ist ihrerseits durch das untersuchte Material, also die Texte, beeinflusst, wie bereits Busse und Teubert betonen: »In der Lexikographie ist die Korpuswahl dem Forschungsziel extern, während in der Diskursanalyse Korpus und Untersuchungsgegenstand untrennbar miteinander verknüpft sind; das Korpus selbst konstituiert das Untersuchungsobjekt und damit auch die die erzielbaren Ergebnisse, es ist nicht lediglich ein Mittel oder eine Datenbasis für Untersuchungsziele, die diesem Objekt selbst fremd sind. […] Der einzelne Diskurs als Untersuchungsgegenstand kann daher, bei allen Versuchen zur Objektivität, ohne den konstitutiven Akt der Zusammenstellung eines Textkorpus durch die Forscher nicht gedacht werden.« Busse/Teubert (1994), 15 f.
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aufnehmen zu können. Schließlich dient der ›ego‹-Diskurs der Erfassung selbstreflexiver Äußerungen der Autoren. Dies beschränkt sich nicht auf die Person des Autors selbst, sondern umfasst auch ein mögliches Gruppen-›ego‹ sowie das Feld der Benennung von Kontinuitäten und Diskontinuitäten – auf den Punkt gebracht mit den Schlagworten von olim und nunc –, bedeutet dieses nunc doch immer auch eine Selbstreflexion des Autors über seine eigene Zeit. Die Analyse des Korpus mithilfe der Diskursbegriffe macht den Einsatz einer Datenbank notwendig, da ansonsten die Erfassung und Beherrschung, ja überhaupt eine Übersicht über das gesammelte Material angesichts der Menge der Fundstellen schnell unmöglich wird. Andere Bearbeitungsversuche, etwa die Erfassung in Tabellenform, erwiesen sich dementsprechend in einer ersten Testphase als gänzlich untauglich und mussten zugunsten der Datenbank aufgegeben werden.50 Dabei war die Unübersichtlichkeit nur das kleinere Problem. Viel gravierender erschien bei ›manuellen‹ Verfahren wie der Tabellenerfassung die Unmöglichkeit, das Material später nach beliebigen Gesichtspunkten sortieren und auswerten zu können, also zum Beispiel nach bestimmten Autoren, nach dem von uns definierten Diskurs oder schließlich der Kombination mehrerer dieser Kriterien. Gerade der letzte Punkt, die Kriterien-Kombination, ist bei einer tabellenmäßigen Erfassung nicht zu realisieren. Die Umsetzung der Datenbanklösung erfolgte in drei Arbeitsschritten, an deren Anfang eine konzeptionelle Phase stand: Der Konzeption des Vorhabens musste notwendigerweise große Aufmerksamkeit gewidmet werden, sollte am Ende eine funktions- und leistungsfähige Datenbank stehen, da jede nachträgliche Veränderung der zugrundeliegenden Datenbankstruktur einen unverhältnismäßig höheren Arbeitsaufwand erfordert hätte.51 Der zweite Schritt umfasste die technische Umsetzung, also die Programmierung. Seit dem (vorläufigen) Abschluss dieser Arbeit,52 steht für die Datenerfassung, die vom Nutzer – hier den Projektmitarbeitern – parallel zur Textlektüre vorgenommen wird, eine funktionsfähige Version zur Verfügung. Diese dritte Phase – die Dateneingabe und beginnende Auswertung – dauert an. Im Folgenden seien die Funktionsweise der Datenbank vorgestellt und erläutert. Das Hauptmenü, das sich beim Start öffnet, bietet neben einer Benutzungsanleitung die beiden zentralen Arbeitsbereiche an, und zwar denjenigen zur Dateneingabe (vgl. Abb. 1, Haupteingabemaske der Datenbank) sowie denjenigen zur Auswertung der Datenbestände. Die Haupteingabemaske der Datenbank, das For_____________ 50 Die Entscheidung fiel dabei zugunsten der Umsetzung in einer eigenhändig zu erstellenden Datenbank auf der Basis des Programms Microsoft Access, da auf dem Markt kein unseren Bedürfnissen so weit entsprechendes Produkt zu finden war, das nicht ohnehin umfangreiche Anpassungen erfordert hätte. 51 Hinzu tritt noch die Gefahr des möglichen Datenverlustes, sobald eine Strukturveränderung nach Beginn der Datenerfassung vorgenommen werden muss. 52 Erweiterungen an der Datenbankstruktur, beispielsweise die Programmierung zusätzlicher Abfragefenster, ist auch nach Beginn der Datenerfassung ohne weiteres möglich.
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mular zur ›Wortfeldbearbeitung‹53 (vgl. Abb. 1), untergliedert sich in drei Ebenen: Im äußeren Bereich (in Abb. 1 hellgrau unterlegt54), finden sich zwei Eingabefelder, die als ›Grundform‹ und ›verwendete Form‹ bezeichnet sind. Im zweiten dieser Felder wird erfasst, welche deklinierte oder konjugierte Form eines lateinischen Wortes in einem Text vorgefunden wird; links daneben erfolgt durch den Bearbeiter die Rückführung auf die unflektierte Grundform des Wortes. In der Logik der Datenbank werden die Wörter ähnlich einem Lemma nach diesen Grundformen verwaltet. Eine Möglichkeit, volkssprachliche Wörter aufzunehmen, bietet sich hier ebenfalls. Die zweite Ebene der Eingabemaske bildet der mittlere (in Abb. 1 dunkelgrau dargestellte) Bereich. Hier ist der Bearbeiter gehalten, im Feld ›Stelle im Satz‹ den Satzzusammenhang aufzunehmen, in dem sich das jeweils erfasste Wort im humanistischen Geschichtswerk ursprünglich findet. Maßgabe für diese Texterfassung ist, dass ein in sich verständlicher Abschnitt gewählt werden soll – das wird in der Regel ein Satz, Satzteil oder der Vers eines Gedichtes sein, die Länge schwankt hier nach Erfordernis. Rechts daneben ist ein erläuternder Text einzugeben, der den inhaltlichen Zusammenhang des aufgenommenen Textfragments herstellt. Zwingend notwendig für die spätere Analyse ist es, den Fundort sorgfältig zu vermerken, also Autor, Werk und Stelle. Dies erfolgt auf der dritten Ebene der Eingabemaske im Formular ›Fundstelle‹ (hier in sehr hellem Grau unterlegt). An diesem Ort bietet sich über das Feld ›Link‹ die Möglichkeit, entweder auf die Bilddatei eines eingescannten Textes im Originaldruck oder – wo vorhanden – einer Edition zu verlinken, ggf. auch auf eine Online-Edition.55 Es bestehen also mit den drei Ebenen der Eingabemaske drei unterschiedlich weite Ebenen des Textzugriffs – sozusagen drei Brennweiten – von der konkreten Wortumgebung, über eine inhaltliche Erläuterung des Zusammenhangs bis hin zu einem weiteren Fokus – meist ein Folio, eine Seite oder Doppelseite eines historiographischen Werks –, mit dem auf den gedruckten Texten selbst zugegriffen werden kann. Als letzter Punkt im Eingabebereich sei auf die Möglichkeit hingewiesen, als ›sprachlichen Antikebezug‹ Verweise auf den antiken Gebrauch lateinischer Wörter aufzunehmen, und so die diachrone Dimension des semantischen Wandels zu berücksichtigen, mithin also die zentrale Frage der Transformation der lateinischen Sprache durch die Humanisten.56 Ein Beispiel: Zu sehen ist in Abb. 2 die _____________ 53 Zu öffnen im Hauptmenü der Datenbank über eine Schaltfläche ›Wortfelder hinzufügen und bearbeiten‹. 54 In der digitalen Version sind die drei Ebenen durch deutlich unterschiedene Farben stärker voneinander abgesetzt. 55 Dies wäre z. B. für Polydor Vergils Anglica historia der Fall, wo auf die Edition von Dana F. Sutton verlinkt werden kann; vgl. für die Edition (zuletzt gesehen: 20. Oktober 2012). 56 Daneben besteht zusätzlich die Option, auch sachliche Antikebezüge zu notieren. Beide sind im Rahmen der Erforschung von Antiketransformationen, aus dem das Projekt ja hervorgegangen ist, zentrale Aspekte.
Abb. 1: Haupteingabemaske der Datenbank für die verwendete Form reipublicae.
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Abb. 2: Haupteingabemaske der Datenbank mit Erweiterung zum sprachlichen Antikebezug.
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Verwendung des Wortes gens durch den Schweizer Humanisten Heinrich Glarean in seiner Helvetiae descriptio.57 Durch die Verlinkung mit einem online frei zugänglichen lateinischen Wörterbuch wie Lewis and Short58 können wir die Beschreibung der antiken Bedeutungsvarianten zum Vergleich des Wortgebrauchs durch den Humanisten heranziehen. Im konkreten Beispiel wurde bei der Eingabe auf den Gebrauch des Wortes gens bei Glarean hingewiesen, der damit in der Regel die Bewohner des von ihm zu lobenden eidgenössischen Ortes oder Helvetiens insgesamt bezeichnet, hier allerdings abweichend ein fremdes Volk, nämlich die Hunnen. Zuvor wird hier aber noch auf einen Wortgebrauch »im Sinne von II F« verwiesen, was direkt auf Lewis and Short verweist. Schaut man dort an der genannten Stelle,59 so findet man den Verweis auf einen ›erweiterten‹ Wortsinn von gens als Rasse, Nation oder Volk mit den zugehörigen Stellenangaben aus Livius, Cicero oder Quintilian. An dieser Stelle könnte man zu den antiken Texten weitergehen – allerdings führt das bereits über die Datenbank hinaus. In jedem Fall besteht also bereits an dieser Stelle, d. h. im Eingabebereich der Datenbank, die Möglichkeit, Wörter auf ihre semantischen Dimensionen hin zu betrachten und Veränderungen im Gebrauch zwischen den humanistischen Autoren und ihren klassisch-antiken Vorbildern zu notieren. Langfristig von größerer Bedeutung ist für den Einsatz der Datenbank allerdings die Abfrageseite, die die Textstellen für die analytische Interpretation zur Verfügung stellt. Dass das Programm die Interpretation nicht selbst erbringt, muss dabei nicht extra betont werden. Die Interpretation muss vielmehr weiterhin durch den Wissenschaftler vorgenommen werden, der sich mit der Datenbank hierfür allerdings eines wichtigen Hilfsmittels bedienen kann. Das heißt auch, dass es sich bei der Interpretation weiterhin um die eigene – nicht mechanisierbare – Arbeit des Historikers handelt, die er mit klassischen philologischen Methoden unternehmen muss. Was die Datenbank ermöglicht, ist die Aufbereitung und Kombination der in den humanistischen Texten gebrauchten Wörter, die über die Lektüre eines Einzeltextes nicht zu erreichen wäre: Sie liefert Hinweise darauf, was für die nähere Interpretation interessant sein könnte. Die Hauptelemente unseres Ausgabebereichs in der gegenwärtigen Programmversion seien an dieser Stelle deshalb als nächstes erläutert (vgl. für das Folgende Abb. 3).60 Zunächst einmal bietet die Datenbank die Option, sich einen Überblick über den gesamten Datenbestand zu verschaffen, und zwar in Form einer ausdruckbaren Wortliste, oder aber als Datenbanktabelle. Als Beispiel sei hier ein Ausschnitt aus der Tabellenansicht gezeigt (Abb. 4), der einen kleinen Teil des Datenbestands unter dem Buchstaben G (Teile der Wortfeldaufnahmen für ›gens‹) ver_____________ 57 58 59 60
Vgl. Glarean, »Helvetiae descriptio«. Vgl. Lewis/Short (1879a). Lewis/Short (1879b). Vorausgeschickt sei, dass wir hier für die Zukunft noch einige Verfeinerungen der Abfragemöglichkeiten und eine Erhöhung des Benutzungskomforts vorbereiten.
Abb. 3: Startseite der Datenbank mit Überblick zu den Abfragemöglichkeiten.
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zeichnet. Hier wird also zunächst ein Überblick hergestellt, der neben den Wörtern einschließlich ihrer ›Grundform‹ vor allem den Kontext des Wortes im Text und die Angaben zum inhaltlichen Zusammenhang bereitstellt – also die zweite der erwähnten drei Ebenen aus der Eingabeseite. Zusätzliche Informationen, die in Abb. 4 aus Platzgründen nicht dargestellt werden konnten, betreffen die Fundstelle und den dem Wort zugewiesenen Diskurs. Die Tabellenansicht ermöglicht ihrerseits bereits eine Auswahl oder ›Filterung‹ des Bestandes nach beliebigen Kriterien (d. h. allen in der Tabelle enthaltenen Feldern), so nach Autor, Begriff oder inhaltlichem Zusammenhang.
Abb. 4: Tabellenansicht der Grundformen: verwendete Formen zu gens (Ausschnitt).
Bequemer erfolgt eine verfeinerte Auswahl jedoch über drei weitere Abfragmöglichkeiten, die wir in diesem Menü vorgesehen haben (drei Schaltflächen, die unter der Überschrift ›Abfragen mit variablen Parametern‹ zusammengefasst sind; vgl. Abb. 3). Hier kann von vorneherein nach drei Kombinationen bestimmter Parameter gesucht werden: und zwar 1.) nach einem Wort bei allen Autoren und in sämtlichen Diskursen; 2.) nach allen erfassten Wörtern eines Autors über alle von uns definierten Diskurse hinweg; oder schließlich 3.) nach einem bestimmten Diskurs unter Berücksichtigung aller Wörter von allen Autoren. Startet man eine Suchabfrage der zuerst genannten Art für das hier nun schon häufiger erwähnte
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Wort gens, so erhält man das in Abb. 5 gezeigte Ergebnis61 und stellt dabei fest, dass dieser Begriff tatsächlich von allen Autoren verwendet wird, er aber bei den verschiedenen Autoren augenscheinlich eine unterschiedlich große Rolle spielt, da er doch in recht unterschiedlicher Häufigkeit auftritt.62 Zugleich fällt auf, dass er in allen fünf Diskursen auftaucht, wenn auch im ethnographischen mit Abstand am häufigsten. Hier wäre nun eine weitere Auswahl möglich, die beispielsweise den letztgenannten Diskurs exklusiv anzeigt. Will man von hier aus einen bestimmten Gebrauch, eine konkrete Textstelle nachverfolgen, so ist derzeit noch ein Wechsel in das oben ausführlicher vorgestellte Eingabeformular mit seinen ›drei Brennweiten‹ notwendig. Hier planen wir für die Zukunft ein ähnlich komfortables Ausgabetool für die Abfragen.
Abb. 5: Tabellenansicht zur Abfrage nach gens bei allen Autoren und in sämtlichen Diskursen (Ausschnitt).
_____________ 61 Es handelt sich hierbei wiederum nur um einen Ausschnitt aus der Ergebnisliste, die der begrenzten Größe der Abbildungen in diesem Band geschuldet ist. Für eine sinnvolle Eingrenzung ist das Ergebnis erneut gefiltert und die Darstellung auf die Wortform ›gens‹ beschränkt worden. 62 Vgl. etwa in Abb. 5 die Anzahl der Fundstellen bei Heinrich Glarean und Johannes Bugenhagen im Gegensatz zu denjenigen bei Gerard Geldenhouwer.
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Mit dem Instrument der Datenbank zur Historischen Semantik werden – wie oben erwähnt – parallel zur Lektüre sukzessive die Texte humanistischer Landesbeschreibungen und Nationalhistoriographie erfasst. Auf diese Weise wurden bislang vollständig Johannes Bugenhagens Pomerania, Gerard Geldenhouwers Historia Batavica und Heinrich Glareans Helvetiae descriptio eingearbeitet, Marineus Siculus’ De rebus Hispaniae memorabilibus, Erasmus Stellas De Borussiae antiquitatibus und die Anglica historia des Polydor Vergil teilweise, Siculus’ spanische Version und Paolo Emilios De rebus gestis Francorum in Einzelfällen.63 Auf diese Weise verzeichnet die Datenbank derzeit knapp 1.000 unterschiedliche ›verwendete Formen‹ in weit über 6.200 Datensätzen. Da diese frühneuzeitlichen Texte nicht in einer als Textdatei verwertbaren digitalisierten Form vorliegen, ist die Textaufnahme Handarbeit – mit allen Vorund Nachteilen: Zu den Vorteilen ist vor allem zu rechnen, dass die aufgenommenen Stellen der Lektüre entstammen, d. h. jede Aufnahme ist das Ergebnis einer bewussten Entscheidung – es werden diejenigen Wörter aufgenommen, von denen wir ausgehen, dass sie im Sinne der oben genannten Fragestellungen sinnvolle Ergebnisse werden liefern können. Es geht also ausdrücklich nicht darum, jedes Wort, das die humanistischen Autoren geschrieben haben, vollständig und quantifizierbar zu erfassen. Das wäre auf diese Art und Weise auch kaum möglich, denn – ein Nachteil des Verfahrens – unterschiedliche Bearbeiter lesen die Texte unterschiedlich und unterlassen, bewusst oder aus Versehen, die Erfassung eines Wortes an der einen oder anderen Stelle. Hier unterscheidet sich unser Ansatz denn auch deutlich vom eingangs erwähnten korpuslinguistischen Vorgehen, wie es Wolfgang Teubert vertritt, der in seiner Analyse stark mit eindeutig quantifizierbaren Häufigkeiten arbeitet und insbesondere der Wortstellung ausgewählter Wörter im Satz große Bedeutung beimisst.64 Aber wie bereits erwähnt wurde, geht es bei dem hier vorgestellten Verfahren nicht um Vollständigkeit, nicht um absolute Quantitäten und nicht um die Kompilierung eines Thesaurus humanistischen Lateins, sondern um die Erarbeitung eines im Sinne unserer Fragestellungen aussagekräftigen Samples an Textstellen. Der Vorteil, dies mit einer Datenbank zu tun, liegt in den ungleich größeren Möglichkeiten der Auswahl und Kombination von Textstellen über unterschiedliche Texte und Autoren hinweg. Angesichts des Umfangs des Korpus und der daraus resultierenden Menge zu verarbeitender Textstellen und Wörter wäre dies allein mit der individuellen Lektüre im herkömmlichen Sinne durch einen oder auch mehrere Wissenschaftler nicht zu realisieren. Die Erfassung und Auswertung mithilfe der Datenbank ist deshalb ein unterstützendes, aber notwendiges _____________ 63 Vgl. Bugenhagen, Pomerania; Geldenhouwer, Historia Batavica; Glarean, »Helvetiae descriptio«; Marineus Siculus, De rebus Hispaniae memorabilibus; Stella, »De Borussiae Antiquitatibus«; Vergil, Anglica Historia (1555 version); Marineus Siculus, Obra de las cosas memorables de España; Emilio, De rebus gestis Francorum; für die der Erfassung der Wörter zugrundeliegenden Ausgaben dieser Texte vgl. das Quellenverzeichnis am Ende dieses Beitrags. 64 Vgl. Teubert (2005), 5, und ebenfalls in seinem – nicht publizierten – Vortrag während der Tagung, aus der dieser Sammelband hervorgegangen ist.
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Werkzeug zur Sortierung des Materials, welche der Interpretation vorausgehen muss. Denn erst die sinnvolle Auswahl und Kombination erlaubt überhaupt eine erfolgversprechende Auswertung, die zu belastbaren Ergebnissen führt, die über einen einzelnen humanistischen Autor hinaus Gültigkeit beanspruchen können. Die Datenbank wirkt hier wie ein Sieb, das die Saaten, Knospen oder Früchte nicht nur nach Größe und Form, sondern auch danach zu trennen vermag, ob sie grün, blau, rot oder gelb sind.
VI. Patria, gens, res publica – Beispiele der Analyse Historischer Semantik In welcher Weise die semantische Auswertung der humanistischen Geschichtsschreibung und Landesbeschreibung durch die Datenbank unterstützt wird und zu welchen Ergebnissen die datenbankgestützte Interpretation der Texte führen kann, sei zum Schluss an einigen Beispielen demonstriert, und zwar am Wort patria und an den Wortfeldern um gens und res publica.65 1. patria An patria, dessen Bedeutung für humanistische Autoren genauso einleuchten dürfte wie diejenige von ähnlich zentralen Wörtern wie natio oder humanitas, lässt sich vergleichsweise einfach die Stärke der Datenbanklösung bei der autorenübergreifenden Analyse der Texte verdeutlichen – dies soll nun Schritt für Schritt für ein assoziatives Vorgehen vorgeführt werden:66 Die Suche nach dem Wort patria im Datenbestand ergibt erwartungsgemäß eine sehr breite Nutzung sowohl in den Nationalgeschichten (Polydor Vergil, Marineus Siculus, Paolo Emilio), als auch in den Landesbeschreibungen von Glarean und Geldenhouwer. Patria begegnet dabei zumeist als integrierende Vokabel, die das eigene Volk oder Herrschaftsgebilde bezeichnet.67 Überraschend ist hingegen, dass der Begriff _____________ 65 Für die Darstellung eines weiteren Beispiels, und zwar des Wortfeldes, das sich um libertas bilden lässt, vgl. die knappe Projektskizze in Schirrmeister/Schlelein [im Druck]. 66 Dabei ist zunächst zu betonen, dass es sich bei dem Folgenden nur um eine Möglichkeit von vielen handelt: An jeder beliebigen Verzweigung unseres Beispiels, d.h. bei jeder zusätzlichen Frage, ließen sich auch ganz andere Fragen anschließen und damit Ergebnisse für diese abweichenden Fragekomplexe gewinnen. 67 Als Beispiele lassen sich etwa folgende Stellen anführen: Glarean, »Helvetiae descriptio«, 33: »Hi patriae fines, hi sunt quos continet arcus, Helvetia et quas comprendit vicinia gentes.« Vergil, Anglica historia, VIII, 12: »[...] crescente passim exercitu, illis scilicet ad suum regem confluentibus, quibus patriae salus curae esset.« (Die Angaben bei Verweisen auf die Anglica historia beziehen sich auf Buch und Kapitel nach der Online-Edition; der Erstdruck von 1534 verzichtet auf die Kapiteleinteilung.) Marineus Siculus, De rebus Hispaniae memorabilibus, fol. ? iir: »et Catholicorum principum, ac totius Hispaniae gentis, quae patriae suae laudibus & ho-
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von Johannes Bugenhagen in seiner Pomerania laut Befund nicht verwendet wird. Dabei bemüht sich das Werk nicht weniger als andere Texte darum, eine regionale – hier pommersche – Identität zu konstruieren,68 so dass die Verwendung eines Schlüsselbegriffs wie patria durchaus zu erwarten gewesen wäre. Wenn der Chronist der Pommern also nicht von patria spricht, so ist zu überlegen, ob es nicht alternative Begriffe gibt, die mehr oder weniger synonym hierzu verwendet worden sein könnten, um einen integrierenden Bezug zwischen Land und Bewohnern herzustellen. Infrage käme etwa natio, aber auch regnum (bzw. für das Herzogtum Pommern entsprechend ducatus) oder ggf. regio, sollte der Autor die integrierende Funktion eher auf kleinräumliche Aspekte beziehen, die einem größerem Ganzen, etwa dem Reich, zugeordnet sind. Die Abfrage nach den drei genannten Wörtern ergibt, dass der Autor Bugenhagen sie tatsächlich sämtlich verwendet. Das Wort natio etwa wird an fünf Stellen gebraucht – allerdings nicht in einer integrierenden, zu patria synonymen Funktion. Vielmehr wird auf diese Weise entweder die ganze Welt bezeichnet (Vineta etwa sei »mercibus omnium nationum locuples«)69 – oder es dient ausdrücklich zur Bezeichnung fremder Nationen (»exteris nationibus«, »exteras nationes«),70 in einem Fall auch ausdrücklich der slawischen Völker Ostmitteleuropas.71 Das Außergewöhnliche scheint dabei gar nicht so sehr die Verwendung von natio zur Fremdbeschreibung zu sein, denn dieses Vorgehen findet sich bei anderen Autoren ebenfalls häufig,72 sondern dessen Ausschließlichkeit: In anderen Texten findet sich sehr wohl auch ein einschließender Gebrauch, bei dem mit natio das eigene Volk bzw. dessen historischer Vorläufer, also das historische Subjekt der Handlung bezeichnet wird.73 Allerdings wird hierbei bereits ein Unterschied deutlich, der möglicherweise auch _____________
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nori maxime student, gratiam demererer.« Dieser patria-Gebrauch funktioniert sogar aus der Außenperspektive, wenn etwa Geldenhouwer schreibt: »Hanc mihi ostendit clarissimus vir dominus Conradus Peutingerus [...] qui [...] patriam suam totamque Germaniam illustrare coepit.« Geldenhouwer, Historia Batavica, 142. Vgl. Kaiser (2007) und ders. (2009). Bugenhagen, Pomerania, 9. Eine weitere Verwendung von natio in diesem Sinne findet sich ebd., 17. Ebd., 7, 31. Vgl. ebd., 8: »Hoc mare habet ad littus australe Slavorum nationes, primum ad orientem Ruthos sive Ruthenos, Polonos atque Prutenos, ab austro Bohemos, qui dicuntur Moravi sivi Carinthi, atque Hungaros, qui et in Slavia iacent ad austrum, ut quibusdam visum est.« Um die Menge der Beispiele nicht ausufern zu lassen, seien hier nur einige wenige genannt: Glarean, »Helvetiae descriptio«, 30 (»alias nationes«); Marineus Siculus, De rebus Hispaniae memorabilibus, fol. 2r, 148 (»tot exteris nationibus incurrentibus«), oder Geldenhouwer, Historia Batavica, für den expliziten Gegensatz zu patria 62, wo Geldenhouwer den Widerstand der Bataver gegen fremde Stämme während der Völkerwanderungszeit mit den Worten beschreibt: »Post haec tempora, barbaris nationibus Romani imperii provincias incursantibus, Batavi aegre patriam suam tutati sunt.« (Hervorhebungen von uns.) Marineus Siculus, De rebus Hispaniae memorabilibus, fol. 175v (»nostrae nationis«); Vergil, Anglica historia, I, 9: »In sola hac insulae parte, etiam ad hoc tempus perdurat natio Britannorum, quae a principio ex Galliis advecta insulam occuparat […].«
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zur Erklärung für die Verwendung von natio in Bugenhagens Landesbeschreibung beitragen kann: Die Autoren, die sich des Nations-Begriffs zur Beschreibung ihres historischen Gegenstands bedienen, sind die Verfasser gerade jener Geschichtswerke, die sich jeweils einem der großen Reiche widmen, hier England und Spanien, nicht aber die Verfasser der Landesbeschreibungen kleinerräumiger Regionen: Auch Glarean kennt die ›Nation‹ nur als Bezeichnung der ›anderen‹, und bei Geldenhouwers Beschreibung der Niederlande ist dieser Gebrauch sogar deutlich negativ konnotiert.74 Es drängt sich daher die Vermutung auf, dass auch Pommern – ähnlich wie andere Landschaften im Reich – zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch zu ›klein‹ war, d. h. noch zu sehr als Teil des größeren Gebildes des Reiches und der natio der Deutschen gesehen wurde, um selbst als ›Nation‹ angesprochen zu werden, dass also mit anderen Worten der Prozess der Territorialisierung hier als noch nicht ausreichend weit vorangeschritten wahrgenommen wurde.75 Dieser Einschränkung unterlag offenbar auch der Autor Bugenhagen bei der Abfassung seiner Landesbeschreibung. Während die Untersuchung der Verwendung von regnum bei Bugenhagen für das hier infrage stehende Problem keine tauglichen Ergebnisse liefert bzw. liefern kann,76 wird man für das Wort ducatus immerhin an einigen Stellen fündig. Bugenhagen nutzt es in der Bedeutung von ›Herzogtum‹, etwa wenn er berichtet: »Habuit ergo Wartislaus, insignis princeps, totius Pomeraniae ducatum«.77 Dieser vordergründig naheliegende Begriffsgebrauch ist aber seinerseits das Ergebnis eines spätantiken und mittelalterlichen Transformationsprozesses, der aus dem dux der frühen Kaiserzeit und seinem Kommando(bereich) (ducatus)78 einen ›Herzog‹ werden ließ, also einen adeligen Herrschaftsträger, mit dessen Position in der politischen Architektur des Spätmittelalters eine genaue Vorstellung verbunden war. Für einen Autor, der sich der Nachahmung eines klassischen Ideals verpflichtet sah, ergab sich hier also zumindest potentiell ein stilistischer Konflikt zwischen einem ideal-antiken Sprachgebrauch, dem die Latinität des ersten vorund nachchristlichen Jahrhunderts als Referenz dient, und einem, der auch von _____________ 74 Vgl. oben Anm. 72. 75 Dies entspricht auch dem, was wir über den ›humanistischen Nationalismus‹ wissen, der sich in Deutschland auf das Reich und weniger auf einzelne Landesherrschaften bezog, etwa wenn der Begriff der ›deutschen Nation‹ von den Reichsständen Ende des 15. Jahrhunderts als »Defensivverbund der Territorien und Reichsstädte, die sich an der Reichspolitik beteiligten«, verstanden wurde und von Seiten der Reichsfürsten selbst dann noch als einende Klammer genutzt wurde, als der konfessionelle Gegensatz zum vorherrschenden Diskurs avanciert war; vgl. Hirschi (2006), 107–123, 157–174, 384–388, für das Zitat 160. Dies schließt Ausnahmen wie Wimpfelings natio Suevica freilich nicht aus (S. 112 f.). Vgl. an den genannten Stellen auch den abweichenden Bezugsrahmen von patria. 76 Es handelt sich bei der Erwähnung im Wesentlichen um Datierungen (Bugenhagen, Pomerania, 35 f.), in einem Fall auch um die Benennung des Königreichs Ungarn (»regni Hungariae«, ebd., 31). 77 Ebd., 35. 78 Für die entsprechende Verwendung von ducatus vgl. etwa die wohl bekannteste Stelle in Sueton, Tiberius, 19 (»in omni ducatu«).
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jenen Zeitgenossen verstanden wurde, die nicht zum Kreis der humanistischen Gelehrten zählten, wohl aber zum intendierten Publikum der Schrift, wie hier dem pommerschen Herzog und seinem engsten Umfeld.79 Bugenhagen löst diesen Konflikt nicht, er übergeht ihn stillschweigend. Entspricht er damit dem üblichen Sprachgebrauch der Humanisten? Nur zum Teil, denn wenn er auch nicht der einzige ist, der ducatus verwendet, so ist es doch zugleich kein häufig auftretender Begriff.80 Die Gründe für diese relative Seltenheit müssen noch weiter untersucht werden, immerhin kommen ja auch gegenstandsbedingte Erklärungen infrage, aber das Beispiel zeigt möglicherweise doch auch, inwiefern die humanistisch-historiographische ›Fachsprache‹, also ein an das klassische Vorbild angepasstes Latein, die Wortwahl der Autoren limitierte, wenn es auch wie bei Bugenhagen die Verwendung bestimmter Begriffe nicht komplett ausschloss. Die Verwendung des Wortes regio, der letzten der genannten Alternativen zu patria, zeigt Bugenhagen dann wieder im Einklang mit den anderen regionalen Autoren, die hiervon sämtlich einen relativ unspezifischen Gebrauch im Sinne von ›Gegend‹ oder ›Region‹ machen,81 und zwar variierender Größe und sowohl für das eigene82 wie auch fremdes Territorium,83 häufig schlicht in einem geographischen Sinn zur Bezeichnung einer Landschaft.84 In ähnlicher Weise fand das Wort auch in die Nationalgeschichten Eingang, etwa bei Polydor Vergil im landesbeschreibenden Teil der Anglica historia.85 Kehrt man an den Beginn des Beispiels zurück und damit zu der Frage, welchen Vorteil die Nutzung der Datenbank für die Untersuchung des Wortes patria besitzt, so sind vor allem die Vergleichsmöglichkeiten zwischen den _____________ 79 Vgl. die Widmungsbriefe in der Pomerania, die für den zu vermutenden Leserkreis umso aussagekräftiger sind, als das Werk erst im 18. Jahrhundert gedruckt wurde: Bugenhagen, Pomerania, 4, 6; außerdem Kaiser (2007), 16. Zu den Veränderungen, denen die Stellung des dux bereits in der Spätantike unterlag, vgl. Klein (1986), Sp. 1485 f. Ein Unterschied zur (spät)mittelalterlichen Herzogwürde ist die auch in der Spätantike noch deutlich begrenzte Kompetenz eines römischen dux insbesondere hinsichtlich der Gerichtsbarkeit. Für das weite semantische Spektrum, das das Wort ducatus im Mittelalter besaß, vgl. im Übrigen die 16 verzeichneten Bedeutungsvarianten in Niermeyer (1976), 360 f. 80 Vgl. Geldenhouwer, Historia Batavica, 64. In den Spanischen Denkwürdigkeiten des Marineus Siculus wird die Transformation des Begriffes besonders deutlich, da sich hier die lateinische und volkssprachliche Version einander gegenüberstellen lassen – dux wird mit dem entsprechenden duque im spanischsprachigen Text wiedergegeben; vgl. Marineus Siculus, De rebus Hispaniae memorabilibus, fol. 17v, 18v und ders., De las cosas memorables de España, fol. 24v–25v, und zum Sprachvergleich auch schon Schlelein (2009), 183. 81 »Hi igitur sunt Winulorum populi diffusi per regiones et provincias et insulas maris.« Bugenhagen, Pomerania, 16. 82 Vgl. ebd., 18: »nostrae regionis«. 83 Etwa in den Wendungen »per Scythicas regiones« (ebd., 7 f.), »Slavicae regionis« (ebd., 9) oder »per vicinas Galliarum regiones« (Geldenhouwer, Historia Batavica, 58). 84 Vgl. ebd., 56. 85 »Hanc a Northumbria ultima Angliae regione, quae ad oceanum spectat Germanicum, Tueda separat, cuius princeps oppidum est Bervicum, quod memoria nostra Anglus tenet.« Vergil, Anglica historia, I, 4, sowie passim mit zahlreichen weiteren Beispielen.
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Texten zu nennen, die überhaupt im ersten Schritt den Bugenhagenschen ›Sonderfall‹ identifizieren halfen, und durch die die Analyse der Alternativbegriffe stets an das Gesamtkorpus rückzubinden war. Bei aller Vorsicht angesichts der Vorläufigkeit der Ergebnisse konnte dadurch außerdem ein unterschiedlicher Gebrauch des Wortes natio festgestellt werden, wenn man die Autoren der Landesbeschreibungen und Nationalgeschichten vergleicht. Ein ähnlicher Unterschied für regio besteht hingegen nicht. 2. gens Mit dem zweiten Beispiel soll neben einem anderen Wort auch ein modifiziertes Vorgehen im Vordergrund stehen, und zwar die Untersuchung des um das Wort gens gebildeten Wortfeldes. Die Vokabel gens, schon im Altertum mit unterschiedlichen Bedeutungen versehen, wird von den humanistischen Autoren häufig verwendet und erhält dabei wie das antike Ausgangswort variierende Bedeutungen. Es handelt sich ganz überwiegend um den Begriff eines ethnographischen Diskurses: Bezeichnet wird also eine Gruppe von Menschen, die in der einen oder anderen Art und Weise charakterisiert wird. Unterschiede gibt es dabei insbesondere im Hinblick auf das Ziel der Bezeichnung – überwiegend dient gens den hier untersuchten Autoren zur Benennung des eigenen Volkes. Daneben stehen aber etliche fremde gentes – etwa jede dritte Erwähnung gilt einem anderen Volk. Hinzu tritt für die eigene gens noch eine diachrone Unterscheidungsmöglichkeit, da hier gelegentlich nicht nur auf die eigene Vergangenheit, sondern mehr noch auf ein Vorläufer- oder Vorfahrenvolk Bezug genommen wird, das aber nicht unbedingt mit der gegenwärtigen eigenen gens identisch sein muß.86 Die eigene und die fremde gens werden mit vielfältigen Attributen charakterisiert, so dass sich hier ein dichtes, geradezu feinmaschiges semantisches Netz beobachten läßt, wenn auch keines, das über besonders dicke Fäden geknüpft wäre. Mit anderen Worten: Es findet sich eine Vielzahl von Begriffen erwähnt, doch handelt es sich beim jetzigen Stand der Aufnahme und Auswertung in den meisten Fällen um Einzelnennungen. Bei der eigenen gens wird dabei vor allem Stärke und Kampfkraft hervorgehoben – so sei sie wahlweise »robustissima«, »belligera«, »bellipotens« oder »acer«87 – daneben Tugendhaftigkeit und gute Sitten. Die Bewohner des für die Geschichte der Pommern in Beschlag genommenen Vineta etwa zeichnen sich durch gute Sitten und Gastfreundschaft aus und würden hierin von keinem anderen Volk übertroffen.88 Glareans Schweizer werden als maßvoll beim Trinken beschrieben, »nimium potum exhorrens«,89 und außer_____________ 86 Etwa Glarean, »Helvetiae descriptio«, 42: »ab antiqua Helvetiorum gente«. 87 Ebd., 39 (»belligera«), 42 (»acer« als Adjektiv zu »populus« im direkten Zusammenhang mit »gens«), 46 (»bellipotens«); Bugenhagen, Pomerania, 7 (»robustissima«). 88 Ebd., 9: »CĊterum moribus et hospitalitate nulla gens honestior aut benignior potuit inveniri.« 89 Glarean, »Helvetiae descriptio«, 46.
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dem, im Falle der Zuger, als arbeitsgewohnt, was man aufgrund dieser einmaligen Nutzung wohl durchaus auch als ›arbeitsfreudig‹ interpretieren darf, oder um Glarean selbst sprechen zu lassen: »Tugium […] gens sueta laboris«.90 Im Falle der Schweizer wird das semantische Netz um gens auch – und das ist für die Beschreibung der eigenen Völkerschaft bislang überraschenderweise eine Ausnahme – um einen religiösen Aspekt ergänzt, und zwar mit den Wörtern sacrum und religio, die zur Charakterisierung aller Helvetier gewählt werden.91 In Bezug zu gens stehen neben dem Feld der Kriegs- und Alltagstugenden mit gloria und decus Begriffe,92 die ihrerseits dem nahe benachbarten semantischen Wortfeld von Ruhm und Ehre entstammen, ein Umstand, der die Ehrfähigkeit des mit gens jeweils bezeichneten Kollektivs verdeutlicht. Dieses kann darüber hinaus auch als Gemeinschaft – und nicht nur individuell – mit Tugend ausgestattet sein: Tugendhaftigkeit und Stärke, »virtus« und »fortitudo«, etwa verbanden sich bei den Batavern aufs Vorteilhafteste, denn diese Eigenschaften brachten ihnen laut Gerard Geldenhouwer die Freundschaft des Römischen Reichs ein.93 Dies verweist auf denjenigen Bereich des Wortfeldes um gens, der die Beziehungen zwischen einzelnen Völkern beschreibt und sich damit bereits zwischen ethnographischem und politischem Diskurs bewegt. Hier kennen die Autoren neben der amicitia noch deren Gegenteil, nämlich einen Zustand, der durch gegenseitiges odium gekennzeichnet sei, sowie schließlich die Über- oder Unterordnung der Völker untereinander. Im Falle des Hasses wird das Wortfeld um die beiden Wörter vulnus und commercium erweitert, mit denen die aus der gegenseitigen Einstellung folgenden bzw. verhinderten Handlungsweisen gekennzeichnet werden: Man schädige sich eher, als dass man miteinander Handel treibe.94 In diesem Bereich des Wortfeldes, der den unfriedlichen Teil der Beziehungen zwischen den Völkerschaften charakterisiert, sind auch Wörter wie hostis, adversarius oder bellum zu lokalisieren, die ihrerseits deutlich auf eine politische Bedeutungsebene verweisen.95 Bleibt man zunächst jedoch noch im ethnographischen Diskurs bei den Charakterisierungen der verschiedenen gentes, so lässt sich grundsätzlich feststellen, _____________ 90 Ebd., 42. 91 Ebd., 46: »Gens nimium potum exhorrens, gens dedita sacris / Relligione viret, tota est affabilis.« 92 Ebd., 39 (»gloria gentis«), 44 (»Gentis Avantinae [sic!] decus«). 93 Geldenhouwer, Historia Batavica, 58. Dies schreibt Geldenhouwer für das erste vorchristliche Jahrhundert. Für die Zeit des Septimius Severus nimmt er das Motiv der Freundschaft erneut auf und zitiert dafür jüngst ausgegrabene römische Inschriften (»vetustatis monumenta, mea aetate eruta«), die das Motiv sogar qualitativ noch erheblich steigern: »GENS BATAVORUM AMICI ET FRATRES ROMANI IMPERII.« Ebd., 60–62. 94 »Nonne gentis in gentem tantum surrexerit odii, ut potius, quam commercio mutuis gauderent vulneribus?« Bugenhagen, Pomerania, 32. Auch in diesen Fällen handelt es sich allerdings um Einzelerwähnungen, auch wenn Johannes Bugenhagen die Verbundenheit durch Hass als allgemeines Merkmal der Beziehungen zwischen den Völkern beschreibt. 95 Vgl. ebd., 26 (adversarius); Geldenhouwer, Historia Batavica, 60 (»quia id adversus hostes defendere nequibat«).
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dass die jeweils eigene gens positiv, eine fremde negativ beschrieben wird: ›Der Andere‹ ist, wenn er nicht lediglich als alienus bezeichnet wird, in der Regel barbarus, superbus, rebellis, incredulus oder idololatris.96 Allerdings muss man sich hüten, dieses Positiv-Negativ-Schema zu einseitig zu zeichnen, denn im Einzelfall finden sich auf beiden Seiten Abweichungen, etwa wenn es um die Vergangenheit des eigenen oder fremden Volkes geht. So beschreibt Bugenhagen die noch nicht christianisierten Pommern mit den Worten »quando barbara gens nullas curabat literas«97 als kulturlos, während er dem Volk der »Rani« bzw. »Rugiani« attestiert, die »gens olim fortissima Slavorum«98 gewesen zu sein. Mit der Erwähnung der ›Stärke‹ charakterisiert er ein Slawenvolk zumindest für die Vergangenheit mit einem positiv besetzten Begriff, wenn auch der Vergleich dieser Stärke innerhalb der slawischen Völker verbleibt.99 Neben einzelnen Wörtern, die gens auch mit einem geographischen Diskurs in Beziehung setzen (insula, silva, oppidum, civitas),100 sind vor allem die Verbindungen erwähnenswert, die mit Wörtern des politischen Diskurses bestehen. An erster Stelle stehen hier Begriffe, die gens einer Form monarchischer oder aristokratischer Herrschaft gegenüberstellen, wobei die genutzten Wörter je nach beschriebener historischer Situation zwischen rex, princeps, imperator oder dux wechseln.101 Die Führungsaufgabe der so bezeichneten Personen wird dabei in der Regel nicht mehr explizit beschrieben, sondern ist im semantischen Gehalt des gewählten Wortes inbegriffen.102 Das Volk wird also von einem König, Fürsten oder Herzog bzw. Anführer geleitet – wobei dux hier nur in dem speziellen Kontext einer Kriegsbeschreibung, so von Geldenhouwer für die Bataver, Verwendung findet.103 Wo im Einzelfall andere Aspekte der Beziehung zwischen Volk _____________ 96 Vgl. Glarean, »Helvetiae descriptio«, 33 (superbus); Bugenhagen, Pomerania, 5, 8 f. (barbarus), 16 (»[…] ut gentes istae rebelles et incredulae possent aliquatenus ad agnitionem divini nominis et credulitatis gratiam adduci.«), 28 (idololatris). 97 Ebd., 5. Zugleich wird hierdurch der eigenen Völkerschaft eine zusätzliche Dimension hinzugefügt, denn solange der christliche Glaube nicht erreicht war, zählten die Pommern zwar nicht vom Ethnos, wohl aber von der Religion zur Gruppe der ›Anderen‹ und manifestieren somit eine Alterität im Eigenen. 98 Ebd., 16. 99 Den Slawen, insbesondere den Polen, galten ansonsten die Abgrenzungsversuche, mit denen der Autor die Identität der Pommern absichern wollte; vgl. Kaiser (2009), 59 f. 100 Vgl. Bugenhagen, Pomerania, 9, 16; Glarean, »Helvetiae descriptio«, 43; Geldenhouwer, Historia Batavica, 60. 101 Für rex vgl. z. B. Emilio, De rebus gestis Francorum, 9; Vergil, Anglica historia, VIII, 1; Glarean, »Helvetiae descriptio«, 33; Geldenhouwer, Historia Batavica, 58; für princeps: Bugenhagen, Pomerania, 26; Marineus Siculus, De rebus Hispaniae memorabilibus, fol. ? iir; für imperator: Bugenhagen, Pomerania, 5, 16; für dux: Geldenhouwer, Historia Batavica, 60. 102 Eine Ausnahme bildet lediglich Glarean, der an einer Stelle explizit von regere spricht, allerdings seinerseits ohne die genannten Funktionsbezeichnungen zu verwenden: »Hic olim pugnax regno Ariovistus avito, Teutonicas rexit caulas, gentemque superbam, Germanos«; Glarean, »Helvetiae descriptio«, 33. 103 Dies scheint in erster Linie dem historischen Kontext – Römer gegen autochthone Germanen ohne etabliertes Königtum – geschuldet zu sein. Ob der Autor dux an dieser Stelle nach klas-
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und Fürsten hervorgehoben werden sollen, wird dies explizit gemacht, etwa durch das Wort acclamatio bei der Ausrufung des Herrschers oder durch die Verwendung von fidelitas, wo die besondere Treue der Bewohner Stargards in Pommern gegenüber ihren Fürsten betont wird.104 Auffällig ist, dass gens neben seiner Rolle als ›Untertanen‹ in politischer Hinsicht im Zusammenhang mit Wörtern kollektiver oder gemeinschaftlicher Herrschaftsausübung nur äußerst selten vorkommt, etwa in Beziehung mit consilio, welches seinerseits in Kombination mit den Wörtern seniores und nobilitas steht,105 oder mit caput: Mit der Verbindung »caput gentis«106 kennzeichnet Geldenhouwer Nimwegen gleich zweimal als Hauptstadt der Bataver, die er damit zu einem Gemeinwesen macht, das aktiv handeln und sich einen Hauptort geben kann, einem Volk also, dass zugleich zu gewissen Tendenzen herrschaftlicher oder administrativer Zentralisierung fähig war. Während hier immerhin die einzelne Verwendung zu finden ist, fehlt ein direkter Konnex zwischen gens und patria: Das Volk beteiligt sich zwar unter Umständen an der laus patriae, doch wird hier sehr deutlich, dass es sich bei diesen beiden um zwei von einander verschiedene Gegenstände (oder ggf. Akteure) handelt.107 3. res publica Im Vergleich zum breiten Bedeutungsspektrum von gens ist das letzte Wort, das hier genauer untersucht werden soll, res publica, mit seinem deutlich politischen _____________
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sisch-lateinischem Gebrauch als ›Anführer‹ oder ›Feldherr‹ verwendet hat, oder doch eher nachklassisch als ›Herzog‹, wie oben für Bugenhagen dargestellt (siehe Seite 33), bleibt unklar; die moderne niederländische Edition übersetzt die Wörter »gentis duce« als »aanvoerder van die stam«; Geldenhouwer, Historia Batavica, 60 f. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Polydor Vergils Formulierung »[…] Britanno praesertim nihil moliente, et ob mortem sui ducis minus in malis parato, qui interea duci suo Ambrosio de republica bene merito magnificum posuit sepulchrum, […]« (Vergil, Anglica historia, III, 10), die aus dem Zusammenhang der Abwehrkämpfe der Briten gegen die Angelsachsen stammt. Hier ist gens zwar nicht explizit präsent, aber in den Britanni mitzudenken. Vgl. Geldenhouwer, Historia Batavica, 58; Bugenhagen, Pomerania, 26. »Quod cum Bato seniorum nobilitatisque consilio genti suae indicasset, Tungri consilium approbant et in Rheni ripa casa erigere coeperunt.« Geldenhouwer, Historia Batavica, 56. Ebd., 58, 62. Die beiden Stellen lauten: »Post haec communi Batavorum consilio Noviomagum regia et caput gentis constitutum est.« (S. 58); »Superior autem insulae pars, quae etiamnum Batavicum nomen retinet, et Noviomagum, caput gentis, multis annis sub caesaribus libera mansit.« (S. 62). Vgl. Marineus Siculus, De rebus Hispanie memorabilibus, fol. ? iir. Einschränkend ist allerdings hier wie oben anzumerken, dass die direkte Verbindung dort feststellbar ist, wo auf die Suche nach dem expliziten Gebrauch des Wortes gens verzichtet und dafür die Verwendung eines bestimmten Völkernamens als hinlänglich betrachtet wird. In diesem Fall ist auch eine Verbindung von Volk und patria zu erkennen, etwa in Geldenhouwers Formulierung »Post haec tempora […] Batavi aegre patriam suam tutati sunt.«, Geldenhouwer, Historia Batavica, 62. Die Unterscheidung von Akteur und Gegenstand wird freilich auch hier beibehalten.
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Diskurs einem relativ klar einzugrenzenden Bedeutungsbereich zuzuordnen. Dabei enthüllt die Analyse des um res publica zu konstruierenden Wortfeldes nicht zuletzt dessen semantische Bedeutungsebenen. Auffällig ist vor allem die Verknüpfung mit bestimmten Wörtern, die Herrschaftsträger einer adelig-monarchischen politischen Ordnung bezeichnen, insbesondere mit rex.108 Dem ›König‹ kommt dabei die Rolle zu, sich um die res publica zu kümmern, sich um sie zu ›sorgen‹ oder sie zu verteidigen.109 Vornehmstes Ziel dieser Sorge – zum Teil wörtlich als cura – ist die Herstellung, Wiederherstellung oder Erneuerung von Gesetzen, von Recht und guten Sitten. Dementsprechend findet sich insbesondere lex im engen Zusammenhang mit res publica, teils in den üblichen Verbindungen mit Verben wie ferre oder condere. Die besondere, ja herausragende Bedeutung dieser Tätigkeit, wird in einer Formulierung deutlich, die den Akt der Gesetzgebung als Vorgang des Schmückens beschreibt: »[Gintolinus] rempublicam Britannicam ab aliis regibus fere informatam iure, legibus, ac moribus velut de integro condere at que ornare maxime studuit.«110 Neben lex finden sich, wenn auch weniger häufig, weitere Wörter aus dem Bereich des Rechts wie ius oder iustitia.111 Das aufgezeigte Wortfeld res publica – rex – lex verweist auf einen Teilaspekt der zentralen mittelalterlichen Herrschertugend der Herstellung und Wahrung von pax und iustitia.112 Dabei liegt hier aber offenbar keine vollständige Übernahme dieses Gedankens vor, denn das Begriffspaar (zumindest im Verhältnis zu res publica) ist hier auf den Aspekt des Rechts begrenzt, wohingegen der Frieden unerwähnt bleibt oder in den betroffenen Passagen doch nur implizit mitgedacht wird. Die Verbindung zu traditionellen Vorstellungen des rechten herrscherlichen Handelns wird aber im Wortfeld um res publica durch andere Wörter verstärkt, die eher auf Sitten und Umgangsweisen mit dem Gemeinwesen verweisen, wie dies bei der Wendung »formam administrandae reipublicae Britannicae«113 deutlich wird oder in der Verwendung von mos im oben bereits zitierten Beispiel zur Tätigkeit des Gintolinus. Wenn sich der ›König‹ in seinem Verhältnis zur ›Republik‹ also durch Gesetzgebung auszeichnet und somit deutlich positiv besetzt ist, wirft das unmittelbar die Frage auf, ob im Text auch das Gegenteil vorkommt, d. h. Personen, die nach Meinung der Autoren das vor allem durch iustitia gekennzeichnete Ideal eines guten Herrschers nicht erfüllen. Das Wortfeld um res publica weist hier eine analoge, ebenso stabile Beziehung wie mit rex auch mit tyrannus auf. Dessen _____________ 108 Vgl. etwa Vergil, Anglica historia, I, 24, 28. 109 Dies wird explizit etwa durch die Nutzung von defendere oder direkt regnare deutlich gemacht; vgl. ebd., II, 11; XIV, 16. 110 Ebd., I, 24. 111 Auf den unterschiedlichen Bedeutungsgehalt, durch den in der historisch-politischen Sprache des Mittelalters gerade ius und lex unterschieden werden, sei hier nicht näher eingegangen; vgl. knapp Kroeschell (1995), Sp. 510. 112 Vgl. zur Verbindung von pax und iustitia Janssen (1975), 547, 552 f. (für die Frage der Königstugend dort insbesondere der Verweis auf Nikolaus von Kues) und Hermann (2008), Sp. 1814. 113 Vergil, Anglica historia, II Prooemium, 2.
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Herrschaft ist gerade durch den Verlust von leges und iustitia gekennzeichnet. Dies muss nicht einmal ein aktives Hintertreiben bedeuten, sondern der Verlust kann auch durch Unterlassen bewirkt werden, also dadurch, dass die rechtmäßige Ordnung nicht aktiv geschützt wird, sei es weil eigene Interessen für die Herrscher wichtiger gewesen sein sollen als das Wohl der res publica, sei es schlicht aus Trägheit, »prae socordia«, wie Polydor schreibt.114 Im schlimmsten Fall bedeutet dies eine aktive Schädigung der res publica, wie dies der gleiche Autor für das Verhalten des britanno-römischen Constantinus durch den Gebrauch des Verbs laedere konstatiert.115 Das Wortfeld um res publica mit seinen stark personalen Elementen und dem wesentlich aus dem Bereich des Rechts und teilweise der guten Sitten und ordentlichen Verwaltung entstammendem, wünschenswerte Handlungen beschreibendem Vokabular, kann nun seinerseits dazu beitragen, den semantischen Gehalt des Wortes selbst zu erhellen. Was bedeutete ›Republik‹ etwa für den in diesem Beispiel vorzugsweise zitierten Italiener Polydor Vergil? Ganz offensichtlich – und in deutlichem Gegensatz zu dem, was der potentielle Erfahrungshorizont seiner oberitalienischen Heimat116 vermuten lassen könnte – verbanden sich für diesen Autor keine der verschiedenen Vorstellungen von ›Republikanismus‹, wie sie Thomas Maissen aus der jüngeren Forschung referiert.117 Ein republikanisches Modell im Sinne einer »nichtmonarchische[n] Herrschaft«118 scheint der Vorstellung des Autors beim Gebrauch des Wortes ›Republik‹ für die britisch-englische Geschichte nicht zugrundegelegen zu haben. Der Vorstellung des Polydor viel ähnlicher erscheinen noch das hochmittelalterliche organologische Begriffsverständnis eines Johannes von Salisbury, vor allem aber der körperschaftliche Republik-Begriff des Spätmittelalters, der die res publica von der exklusiven Verbindung mit dem Imperium löste und damit alle selbständigen politischen Einheiten bezeichnete.119 Die ›Republik‹, so ist als vorläufiges Fazit festzuhalten, be_____________ 114 Ebd., I, 28. Die falsche Priorität, den eigenen Vorteil über den allgemeinen Nutzen zu stellen, wird deutlich illustriert durch eine Bemerkung zum Verhalten Richards I.: Die Unbilden, die der König erdulden mußte, seien nach Meinung vieler wohlverdient gewesen, weil er seinen eigenen Vorteil über den Nutzen der Gemeinschaft gestellt habe: »Haec incommoda atque vitae pericula Ricardus bene multis mortalibus visus est suo accepisse atque subisse merito, quod ipse commodis Christianae reipublicae, quam defendendam susceperat, suum statim commodum anteposuisset, […]«; ebd., XIV, 16. Dies führt nicht automatisch dazu, dass Polydor den Kreuzzugs-König als Tyrannen bezeichnen würde – diese Rolle kommt in diesem Zusammenhang vielmehr William, dem Bischof von Ely zu, der u. a. mit der für unsere Fragestellung aussagekräftigen Wendung »non […] reipublicae rectorem sed tyrannum« charakterisiert wird (ebd., XIV, 12). Im Übrigen wird in dem Zitat zu Richard I. natürlich mit der res publica Christiana wiederum eine andere Referenzgröße angesprochen, als bei den zuvor genannten Stellen. 115 »Sed neutrum obtinuit, id quod rempublicam maxime laesit.« Ebd., III, 2. 116 Zur Person Polydors mit der weiteren Literatur vgl. Schlelein (2010). 117 Vgl. Maissen (2006), 32. 118 Ebd., 33. 119 Das Verständnis der hochmittelalterlichen Neuplatoniker beinhaltete eine hierarchische Gliederung des corpus der ›Republik‹, die dem Herrscher als Haupt der res publica die gleiche
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zeichnet als korporativer Begriff in diesem Fall einen bestimmten Aspekt monarchischer Herrschaft,120 in dem Formen des Umgangs des Fürsten (welche genauen Herrschertitel er im einzelnen auch beanspruchte) mit der ihm anvertrauten Gemeinschaft von Menschen und Dingen seines Reiches angesprochen werden. Dies bedeutet zugleich, dass die res publica, um deren Wohl sich der Herrscher zu kümmern hat, weder mit diesem noch mit einem anderen Teil eines Reiches identisch ist, sondern die Gesamtheit seiner Mitglieder sowie die Herrschaftpraxis, also die Regierung und Verwaltung, selbst umfasst121 – der König und sein Reich, aber auch das Volk, sind also unterschiedliche, von einander geschiedene Größen.122 Dies wird dort deutlich, wo Polydor Vergil neben die Sorge um die res publica explizit auch den Nutzen für das Volk (utilitas populi) als Aufgabe für den Herrscher benennt.123 Ähnlich wie patria wird res publica zudem in inkludierender Weise für das eigene Herrschaftsgebilde oder das Reich beschrieben, das im Mittelpunkt der Darstellung steht, nicht jedoch für die Verfasstheit fremder Völker oder Gruppen. Über diese integrierende Funktion ist es so auch möglich, sich dem Selbstverständnis der Autoren anzunähern: Während der Italiener Polydor Vergil distanziert von der res publica Britannica schreibt und damit eine Identifikation zwischen Autor und Gegenstand vermeidet, konstruiert der Schweizer Glarean gerade diese Identifikation, indem er deutlich von der res publica nostra spricht und sich damit explizit als dem gelobten Gemeinwesen zugehörig ausweist.124 _____________
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Führungsrolle zubilligte wie im Körper dem Kopf als Sitz von vis animae oder ratio. Der korporative Begriff des Spätmittelalters unterlag seinerseits semantischen Verschiebungen: Im Verlaufe des 15. Jahrhunderts bezeichnete er zunehmend die Herrschaftsordnung im Sinne dessen, was zuvor als politia bezeichnet worden war; »die im körperschaftlichen Begriff ›res publica‹ angelegte Einheit von Volk (Bürgerverband) und Republik« verlor er hingegen; vgl. Mager (1984), 567, sowie insgesamt 557–571. Diese Beobachtung stimmt mit einer Feststellung Wolfgang Reinhards zum »republikanischen Diskurs« überein: »Der Antagonismus von Monarchie und Republik war kein Thema. Daher konnten sie [= die antiken Theorien zur Republik] von der monarchischen Welt Alteuropas ohne weiteres in deren Sinn gedeutet werden.« Reinhard (1999), 257. Mit Verweis auf Nikolaus von Kues, der die kaiserliche Gesetzgebung des Reiches »pro bono rei publicae« gebunden wissen wollte, spricht Eberhard Isenmann sogar von »einer rudimentären Form der Gewaltenteilung«; Isenmann (2006), 82 (dort auch das Kues-Zitat). Für das spätmittelalterliche Reich wurde das allmähliche Auseinandertreten von Moraw (1985) 156 f. und ders. (1986) 132 f., konstatiert, das im Ergebnis zu dem »institutionalisierten Dualismus« des späteren 15. Jahrhunderts führte. Vgl. hierzu auch Isenmann (2006), 77. Diese Entwicklung muss sich mit dem beginnenden 16. Jahrhundert fortgesetzt haben, so dass Isenmann die zunehmend beschränkte Herrschaftsgewalt des Kaisers im zweiten Viertel des Jahrhunderts betont und feststellt, das Reich sei mit Blick auf seine Regierungsform von den Zeitgenossen mit »dem republikanischen Rom mit Konsuln und Senat in Beziehung gesetzt« worden; ebd., 72. Vgl. Vergil, Anglica historia, II, 11: »Regnavit annos alterum et xx, et sine liberis moriens principes rogavit ut reipublicae curam susciperent, populique utilitatem officio metirentur.« Vgl. Glarean, »Helvetiae descriptio«, 29.
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Schließlich sei noch auf eine weitere Spielart des Wortgebrauchs verwiesen: Während die hier genannten Beispiele aus den Texten Glareans und Polydor Vergils unspezifisch zur Bezeichnung unterschiedlicher Gemeinwesen in unterschiedlichen Zeiten genutzt werden, verwendet Lucius Marineus Siculus in der spanischen Version der Obra de las cosas memorables de España die Wendung »republica Romana« zur Bezeichnung eines bestimmten historischen Staates, eben der römischen Republik. Besonderes Interesse gewinnt diese Stelle durch den Umstand, dass in der lateinischen Version nicht von res publica, sondern schlicht von Rom die Rede ist.125
VII. Resümee Reinhart Kosellecks Geschichtliche Grundbegriffe setzten in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft lange Zeit den Rahmen, innerhalb dessen Fragen zur Historischen Semantik diskutiert wurden. Das Prinzip des Werkes, sich von abstrakten ›Begriffen‹ leiten zu lassen, führte allerdings schon bald auch zu deutlicher Kritik an dieser Pionierarbeit. Die theoretischen Annahmen der Grundbegriffe wurden in der Folge von Koselleck zwar weiterentwickelt, die Grundkonzeption blieb davon jedoch unberührt. Problematisch erscheinen aus heutiger Sicht insbesondere die Statik der gewählten Begriffe, die Beschränkung auf die so genannte ›Höhenkammliteratur‹ als Quellenbasis für die Begriffsbeschreibung und die fehlende Berücksichtigung der Diskursgeschichte bei der Analyse der Begriffe. Schon seit den 1980er und verstärkt in den 1990er Jahren wurden daher Versuche unternommen, historisch-semantische Fragestellungen mit solchen Methoden zu untersuchen, die ungefähr zeitgleich in der Linguistik entwickelt wurden, namentlich der sprachwissenschaftlichen Diskurssemantik und der Korpuslinguistik. Zentral bei der Nutzung gerade der Korpuslinguistik für geschichtswissenschaftliche Fragestellungen sind deren empirisches Vorgehen und soziale Perspektive und vor allem die Annahme, dass Sinn im Diskurs entstehe, welcher daher notwendigerweise über eine diachrone Dimension verfügen muß. Diese Anregungen wurden etwa von Rolf Reichardt oder in neuerer Zeit von Thomas Maissen und Bernhard Jussen aufgegriffen. Unser eigenes Projekt zur Historischen Semantik bedient sich ebenfalls der genannten sprachwissenschaftlichen Herangehensweisen, um die Fragen zu klä_____________ 125 »Uuo tambien en la republica Romana no de los menos nobles della los Decios varones muy famosos: de los quales pienso que vienen los que en España se llaman de Deça.«; Marineus Siculus, De las cosas memorables de España, fol. 21v. Für die lateinische Version vgl. ders., De rebus Hispaniae memorabilibus, fol. 15v: »Legimus prĊterea Romae Deciorum familiam vnam fuisse de primariis, ex qua fueruut[sic!] duo uiri fortissimi duces, pater et filius, qui fortissime pugnantes, cum magnam hostium stragem fecissent, occubuerunt. A quibus, vt opinor, in Hispania ducunt originem viri nobiles, qui de Deça cognominantur.«
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ren, ob an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert erstens eine vorherrschende humanistische Redeweise, also ein genuin humanistischer Diskurs, in den Texten feststellbar ist, und zweitens der Gebrauch der lateinischen Sprache tatsächlich so eindeutig am klassischen Latein orientiert ist, wie dies die Humanisten stets lauthals behaupteten. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass gerade zu dieser Zeit ein take-off der politischen Sprachentwicklung feststellbar ist, und sich dieser Aufbruch in einem Spannungsfeld zwischen mittelalterlich-traditioneller und wiedergewonnen-antiker Latinität abspielte. Grundlage der Untersuchung bildet ein Korpus humanistischer Nationalgeschichten und Landesbeschreibungen, die im Falle der Nationalgeschichten aus dem ganzen lateinischen Europa, im Falle der Landesbeschreibungen vornehmlich (aber nicht ausschließlich) aus dem Reichsgebiet stammen. Zur Untersuchung der genannten Fragen, zur Analyse ›semantischer Netze‹ kommt eine hierfür eigens entwickelte Datenbank zum Einsatz, die es erlaubt, Wortfelder über unterschiedliche Autoren und Texte hinweg zu verfolgen und aufzuschlüsseln. Die Datenbank, die nicht ›Begriffe‹ im Koselleckschen Sinne, sondern einzelne Wörter in ihrem jeweiligen textlichen Zusammenhang verzeichnet, dient dabei vor allem zur Akkumulation, Sortierung und Bereitstellung potentiell unzähliger Fundstellen, während die hierauf basierende Auswertung und Interpretation dem Historiker vorbehalten bleibt, der sich dieses Arbeitsinstruments bedient. Am Beispiel der Wörter patria, gens und res publica ließ sich schließlich die Vorgehensweise unserer Arbeit sowie die Art der Ergebnisse demonstrieren, die auf diese Weise gewonnen werden können: Die Ausnahmestellung des pommerschen Chronisten Bugenhagen etwa, der im Gegensatz zu den restlichen Autoren nicht von patria schreibt (aber auch nicht von natio), und damit einen noch zu erklärenden Sonderfall humanistischer Landesbeschreibung und -geschichtsschreibung bildet; die Feststellung, dass die Humanisten gens überwiegend in einem ethnographischen Diskurs verwenden – sofern ein politischer Diskurs bedient wird, treten die gentes in erster Linie als Untertanen in Erscheinung, wohingegen sich ein deutlicher Konnex zwischen gens und patria nicht feststellen lässt; und schließlich die Anlehnung der politischen Vokabel res publica an spätmittelalterlich-korporative Vorstellungen vom Gemeinwesen, das aber – mit der Ausnahme einer Verwendung beim Schweizer Heinrich Glarean vielleicht – nicht in einem republikanischen oder bürgerschaftlichen Sinne genutzt wird, sondern vielmehr monarchisch verfasste Herrschaftsgebilde beschreibt, sofern nicht mit der res publica Christiana die Rede gleich auf die ganze zivilisierte Welt kommt.
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Worin gründete der Erfolg der humanistischen Historiographie? Überlegungen zur Rolle der Geschichtsschreibung im »Wettkampf der Nationen« THOMAS MAISSEN František Graus hat 1987 in seinen Überlegungen über die Funktionen der spätmittelalterlichen Geschichtsschreibung dargelegt, diese verleihe »dem bürgerlichen Selbstbewusstsein eine historische Dimension, so wie sie es schon früher für Herrscher und Adlige getan hatte, und so wie sie es nun allmählich begann, für die einzelnen spätmittelalterlichen Nationen zu liefern.«1 Der Rolle der humanistischen Historiographie bei diesem Prozess gelten die folgenden Überlegungen. Dazu wird zuerst die (spät-)mittelalterliche Historiographie idealtypisch als Mittel skizziert, um die Ehre der Nobilität und damit deren ständische Vor- und Herrschaftsrechte zu legitimieren, indem herrschende Geschlechter genealogisch in die Heilsgeschichte eingefügt werden. Diese Konstellation ändert sich im 15. Jahrhundert, zuerst in Italien: durch neue Medien, durch gewandelte Voraussetzungen für militärische Macht und Herrschaft und im Rahmen einer Neuprofilierung von Fürsten, Adel und Bürgertum. Die Humanisten sind es, die durchaus nicht uneigennützig durch den Rückgriff auf antike Modelle die Historie mit der Ethnographie und Geographie verbinden und auf dieser Basis entscheiden, wem in dieser Konstellation Ehre und damit legitime Herrschaft zukommt. Ihr Bezugspunkt ist dabei nicht mehr der ständisch abgehobene Ritter, sondern die historisch definierte natio als indigene Verbindung von Herrscher, Volk und Territorium. In einem auf dieser Grundlage und ursprünglich von italienischen Historikern betriebenen gesamteuropäischen Wettbewerb um historiographische Plausibilität werden nicht nur die Kriterien für politische Partizipation weiter gefasst, sondern auch der Kreis der Herrschaftsfähigen. Dies ist für das ständische Selbstverständnis von Herrschern problematisch, aber zugleich hilfreich bei der innen- wie außenpolitisch konfliktreichen Ausbildung von Territorialstaaten und der dafür nötigen Integration breiterer, besonders urbaner Bevölkerungsgruppen in die Erinnerungsgemeinschaft, die auch den historiographisch domestizierten Adel einschließt. _____________ 1
Graus (1987), 50 f.
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I. Der Zweck der folgenden, gewiss groben Typisierung der ›mittelalterlichen‹ Geschichtsschreibung liegt nicht darin, die historiographische Produktion des 6. bis 15. Jahrhunderts über einen Leisten zu schlagen. Vielmehr sollen relevante Züge vor allem der spätmittelalterlichen – oder im Spätmittelalter zirkulierenden – Geschichtswerke betont werden, mit denen die humanistische Produktion sich zu messen hat. So sind die herkömmlichen Geschichtswerke konzeptionell beinahe unverzichtbar Teil einer Universalchronik, auch wenn diese formal keineswegs immer ausgeführt wird.2 Die Grundlage dafür hat Augustin in den Büchern 16 bis 20 von De civitate Dei geliefert, die von der Sintflut zum Jüngsten Gericht führen. Darauf beziehen sich seit Orosius – der Christus selbst als einen »civis Romanus« mit der römischen Profangeschichte verbindet – die Lehren über die Abfolge von Weltaltern oder die translatio imperii.3 Autoren wie Martin von Troppau (Martinus Polonus) mit seiner Papst-Kaiser-Chronik liefern schließlich im Spätmittelalter das chronologische Grundgerüst, wenn die partikularen Geschichten von Adelsgeschlechtern oder anderen Kollektiven (etwa Regionen, Städte, Orden, aber auch die mittelalterlichen nationes) in diesem heilsgeschichtlichen Rahmen verankert werden sollen.4 Denn das eschatologische Raster erlaubt es nicht nur, die chaotischen Ereignisse auf Erden zu strukturieren, sondern erreicht mit einer »Zentrierung auf die Herrschenden«,5 die in ihrer dynastischen Abfolge auch die Schilderung gliedern, drei Ziele: Einerseits lassen sich Exempla für die Lebenden herausdestillieren; andererseits gleichzeitig die althergebrachten (Herrschafts-)Rechte dieser vorbildlichen Vorfahren (und consequenter ihrer Nachkommen) begründen; und schließlich, prospektiv, für das Geschlecht eine Rolle in einer zukünftigen Heilszeit reklamieren.6 Zentrales Anliegen der Adelsgesellschaft muss es dementsprechend sein, ihre Angehörigen in diesem heilsgeschichtlichen Narrativ genealogisch verortet zu sehen.7 Die memoria, die Erinnerung an die Toten, und die Tatsache, dass deren vorbildliche Taten überhaupt überliefert werden, konstituiert geradezu den Adel selbst: sowohl als konkretes einzelnes Geschlecht wie auch als elitären, in sich selbst homogen gedachten Stand.8 _____________ 2 3 4 5 6 7
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Für eine Definition Krüger (1976), 13; weiterhin grundlegend von den Brincken (1957). Vgl. Beck (1968) sowie Guenée (1980), 148–154. Für die martinianische Tradition vgl. außer von den Brincken (1987), 155–193, auch Johanek (1987), 305–310; zur Integration der nationes Mierau (2006), 298–308. Graus (1987), 31. Vgl. Assmann (1992), 71. Zur Technik dynastischer Legitimation durch Genealogien Melville, »Vorfahren« (1987); für die Verbindung von partikularen Fakten mit der Universalgeschichte Johanek (1987), 290–293, 304 f. So Oexle (1998), 340; grundlegend ders. (1995); für die Begriffsgeschichte von »Adel«: Zunkel (1975), insbes. 6–10; auch Morsel (1997).
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Die Nobilität ist so vertikal eingeordnet in einer Lehnshierarchie, aber horizontal als vornehmster Stand der Freien vereint und zugleich von der großen Menge der übrigen Menschen abgehoben. Das integrierende Konzept des Adels ist das Rittertum, das seit den Kreuzzügen eine sakral legitimierte Funktion in der Heilsgeschichte innehat und einen eigenständigen Rang gegenüber den Fürsten beanspruchen kann.9 Voraussetzung dafür ist die militärische Leistung und die Treue zu Kirche und Herrscher. Hieraus gewinnt der ritterliche Adel Ruhm (gloria) und Ehre (honor), womit er seinen Rang in der Ständegesellschaft behauptet. Dazu ist es aber nötig, historiographisch regelmäßig an diese Heldentaten auch der Vorfahren zu erinnern. Die Ehre des Adels ist unmittelbar an »Ursprung und Herkommen« gebunden und wird gefährdet, wenn diese bemängelt werden können.10 Eine ehr- und ruhmreiche, ununterbrochene Filiation bringt also erst eigentlich die ständische Zugehörigkeit zum Adel und standesgemäßes, da herkunftsbewusstes Verhalten hervor. Aus beidem erwächst wiederum legitime Herrschaft als »gutes altes Recht«: »Herrschaft braucht Herkunft« (oder, mittelalterlich gesprochen, »Herkommen«).11 »Gedächtnus« ist damit, etwa bei Maximilian I., einerseits der retrospektive Blick auf die Vorfahren, andererseits aber die prospektive Sorge um die eigene fama, auf welche die späteren Söhne des Geschlechts angewiesen sein werden.12 Der Adel als Stand von freien Herrschaftsträgern wird durch das skizzierte genealogische Prinzip – die »Urform des Weltverstehens«13 – konstituiert und geeint. Der Adelsnachweis führt kontinuierlich über so viele Generationen wie möglich zurück, indem man diese idealerweise bis hin zu den Söhnen Noahs in Beziehung zu bekannten Ereignissen und Akteuren der Vergangenheit stellt.14 Bei den fürstlichen Dynastien erfolgt der Rekurs auf Urväter, welche die origo gentis zumeist in Troja lokalisiert. Von dort sei eine beschränkte Zahl von Stämmen oder vielmehr ihre Fürsten – oft heroes eponymoi – gemäß den sogenannten Wanderungssagen in die aktuellen Siedlungsgebiete gelangt.15 Für Gottfried von Viterbo im 12. Jahrhundert wie 1460 für Peter von Andlau ist gar der ganze deutsche Adel trojanischen Ursprungs.16 Aber auch andere Verwandtschaften oder ähnliche Be_____________ 9 Vgl. Hehl (1994), 334; auch Althoff (1981). 10 Graf, »Ursprung« (2001), 24, nach Jenny (1959), 26–30; bei Graf auch grundlegend zum Schlüsselbegriff »Ursprung und Herkommen«. 11 Assmann (1992), 71. 12 Vgl. Graf, »Ursprung« (2001), 25–27, unter Anlehnung an Jan Assmann. 13 So Wolfgang Speyer, zitiert bei Angenendt (1994), 28. 14 Diese Technik minutiös vorgeführt bei Melville, »Vorfahren« (1987), 229–276. 15 Für Herkunftssagen und vor allem Troja grundlegend Graus (1975), 73–144; Graus (1989); Melville, »Troja« (1987); Melville, »Vorfahren« (1987) für Brabant/Burgund; zum origoProblem allgemein auch Angenendt (1994), 27–52; vgl. auch Mertens (2001), 25 f. und Schreiner (1997), 408–418. 16 Peter von Andlau, Kaiser und Reich, 150/152; dazu Graus (1989), 37 f.; angesichts dieser Quellen ist nicht ganz einleuchtend, weshalb Melville, »Troja« (1987), 426, die Trojanersage allein
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züge werden postuliert, so zu Alexander, Caesar, Augustus oder, bei den Welfen, Catilina, wie generell deutsche Adelsfamilien sich gerne von stadtrömischen Geschlechtern (auch des Mittelalters) herleiten.17 Besonders wichtig ist ferner Karl der Große, auf den sich nicht nur Fürsten berufen.18 Selbst unbedeutende Rittergeschlechter finden ihre Vorfahren bei den Heroen der Vergangenheit oder zumindest in deren fingiertem Umfeld. Die Basler Herren von Eptingen etwa führen sich auf die Söhne Catilinas zurück, die von Karl dem Großen ihr Lehen erhalten hätten, nachdem Julius Caesar den Ritterstand geschaffen habe.19 In der Schwäbischen Chronik des Thomas Lirer (1460/85) werden die lokalen Rittergeschlechter mit einem heros eponymos, aber auch mit Brennus und Julius Caesar in Verbindung gebracht, der wiederum als Deutscher aus Trier präsentiert wird. Die Chronik legitimiert damit den mindermächtigen reichsständischen Adel, der sich gegenüber den Fürsten, vor allem den Habsburgern, abgrenzt.20 Verwandte Genres, wie die ritterlichen Turnierbücher, verfolgen denselben Zweck: Sie lokalisieren »Anfang, Ursprung und Herkommen des Turniers in Teutscher Nation« und führen in ihren umfangreichen Namenslisten die fiktiven Vorfahren zeitgenössischer Adelsfamilien auf.21 Dabei geht es stets darum, »fortgesetzte Einlösungsakte« der Ritter zu dokumentieren, die sich auf die »maßstabsetzenden Anfänge« der Ahnen beziehen.22 Referenzrahmen für diese distinktionsschaffenden Handlungen sind Reich und Kirche als heilsgeschichtlich verankerte, universalistische Institutionen, zu deren Schutz die Ritter ihre Waffengewalt ausüben. Entsprechend gehorcht in der mittelalterlichen Adelskirche, die ja auch die schriftkundigen Historiographen stellt, die wichtige Gattung der Papst-, Bischofs-, Ordens- und Klostergeschichte derselben Logik, eine Genealogie (etwa von Äbten) profangeschichtlich, aber darüber hinaus auch eschatologisch zu positionieren. Nichts anderes versucht die städtische Geschichtsschreibung, die allerdings später einsetzt: in Italien im 13. Jahrhundert, im Reich im späten 14. Jahrhundert.23 Wenn der Ursprung der städtischen Gemeinschaft geschildert wird, dient auch hier der Bezug auf die Sintflut oder die Gründung Roms als Beweis für hohes Alter. Trier etwa sei durch Trebeta, einen Sohn des Assyrerkönigs Ninus, 1300 Jahre vor Rom gegründet worden. Als »Reichs-Vorort« kann Trier – vermit_____________ 17
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für die Bildung der englischen, französischen und römisch-deutschen Nationalmonarchien beansprucht. Für Caesar in Deutschland vgl. Thomas (1991); vgl. auch Schreiner (1997), 410 f.; Graf, »Ursprung« (2001), 30; eine zeitgenössische Liste von Patrizierfamilien als Vorfahren bei Peter von Andlau, Kaiser und Reich, 158–164. So im 14. Jahrhundert die Reinhardsbrunner Chronik, MGH SS 30,1, 658, zitiert bei Angenendt (1994), 43. Christ (1992), 178–185. Graf, »Reich und Land« (2001), 205 f.; Graf (1987). Krieg (2001), 89–91; vgl. auch die Arbeiten von Andreas Ranft, so Ranft (1996). Melville (1998), 257. Graus (1987), 48–50; für Italien Busch (2002).
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telt durch Jakob Twinger von Königshofens Straßburger Chronik – wiederum als zeitlicher Referenzpunkt für andere Stadtgründungen von Zürich über Basel bis Mainz gelten.24 Augsburg dagegen beruft sich auf Trojaner, Merseburg und viele andere auf Julius Caesar, den »großen Städtegründer in Deutschland«.25 Zugleich ›entdecken‹ die führenden Stadtfamilien ihre Vorfahren, die in der früheren Stadtgeschichte Spuren hinterlassen haben sollen. Das leistet der sogenannte Malispini in Florenz ebenso wie Felix Fabri für Ulm oder die Kölner Koelhoffsche Chronik, die fünfzehn Patrizierfamilien auf römische Bürger zurückführt, womit diese sich »van eime heirlichen alten adel« erweisen.26 Dieser herrliche alte Adel begründet, in der Auseinandersetzung mit dem Erzbischof, bürgerliche Herrschaftsrechte: Zumindest diskursiv werden die Städter in dieser Hinsicht nobilitiert. Im späten 15. Jahrhundert gehorchen schließlich auch Dörfer und ländliche Bündnisse dieser Logik: Die eidgenössischen Bauern aus Schwyz und dem bernischen Hasligebiet sehen sich als Nachfahren von Schweden und Friesen, die dem römischen Kaiser und dem Papst treue Dienste erwiesen und sich dann in den Alpentälern niedergelassen hätten; weil sie dabei Blut schwitzten, heißen sie eben Schwyzer und schwingen eine rote Fahne.27 Bauern ebenso wie Bürger – oder vielmehr deren oligarchische Wortführer – vertreten in ihrer Selbstdarstellung keinen antifeudalen »Kommunalismus«, sondern verstehen sich als Teile einer adligen Welt, an deren Werten und Verhaltensformen sie sich auch im Ringen um Besserstellung orientieren, zumal die Nobilität nicht nur auf dem Land, sondern auch in der Stadt omnipräsent ist. Die nichtadligen Eliten folgen zwangsläufig den adligen Strategien nicht nur der Familienpolitik, sondern auch bei der Pflege von Name und memoria ihres Geschlechts.28 In gewisser Hinsicht entspricht dies der Handlungslogik, wie sie 1451 Felix Hemmerlin – wenn auch mit polemischem Spott – in seinem Dialogus de nobilitate et rusticitate den Schweizern unterstellt. Diese sollen »die stark behaarten Schwänze der Kühe auf dem Kopf, auf Kappen, Hüten, auf ihren Umhängen und auf ihren Filzkappen« tragen, auf »dieselbe Weise, wie Edelleute zur Zierde ihres vornehmen Adelsstandes Pfauen- oder Straußenfedern an ihren Helmen befestigen«.29 Entsprechend besteht das Ziel der zuletzt erwähnten historiographischen Dichtungen darin, die nichtadligen Akteure – keine ›Systemgegner‹, sondern soziale ›Karrieristen‹ – auf dieselbe Stufe zu heben wie den gesellschaftlich dominierenden Adel. Voraussetzung dafür ist der Nachweis, dass ihre Vorfahren in der Vergangenheit regelmäßig ehrenvolle Handlungen vollbracht haben. Denn der _____________ 24 Vgl. Graf (1988), 183 f. und ders., »Reich und Land« (2001), 29, nach Haari-Oberg (1994). 25 Graf, »Ursprung und Herkommen« (2001), 30, nach Thomas (1991), 254; Hiestand (1994), 97. 26 Zitiert nach Hiestand (1994), 100 (dort Anm. 41 für weiterführende Literatur), 104 f.; vgl. auch Mölich/Neddermeyer/Schmitz (2001); für Malispini vgl. Davis (1984), 94–136; für Fabri Schreiner (1997), 413 f. 27 Vgl. Marchal (1976). 28 Für die Analogien bei Bürger und Adel vgl. Morsel (2004), 223–260. 29 Hemmerlin, »De Suitensibus«, 52.
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Stand der Herrschenden konstituiert sich aus denen, die ihre Ehre sowie die Ehre der Ihrigen und damit ihr oder vielmehr das Recht mit Waffengewalt zu verteidigen wissen. »Das Reden über Ehre ist innerhalb der ständischen Ordnung Reden über den Anspruch auf Macht«, wie Peter Schuster festhält: Ehre wird mit Tugend und darüber mit Recht, Nutzen, Würde, Freiheit und Stand verbunden. Besonders wichtig sei die Wendung ius et honor, womit Ehre seit der Antike jenseits des kodifizierten Rechts im engeren Sinn (Herrschafts-)Rechte und damit auch herrschaftsbegründende Besitzungen, Lehen oder Ämter (honores, iura et possessiones) legitimiert.30 »Wer sein Recht […] nicht zu erhalten vermag, würde mit seinem Recht, das er sich widerstandslos nehmen läßt, auch auf seine Ehre verzichten« – und, so kann man Otto Brunner ergänzen, damit auch auf seine Herrschaft.31 Die waffengewandte Wahrung von Recht und Ehre begründet die Exklusivität der Adligen, die nur ihresgleichen als satisfaktionsfähig ansehen, die Standesgrenzen also durch Ein- und Ausschluss bei Konflikten festlegen: Die Fehde und in domestizierter Form das Turnier sind exklusive Vorrechte des Adels, die sich dabei reziprok als Standesangehörige (re-)produzieren.32 Die Fehdepraxis konstituiert de facto und de iure die politische und soziale Grenze zwischen dem Adel und den anderen Ständen, namentlich den Stadtbürgern.33 Gerade deshalb forcieren »stolze Herren« die Fehde »beinahe unbelehrbar« und gegen jede ökonomische Rationalität, aber mit politischem Kalkül.34 Denn Ehre als Status und – davon abhängig – Bündnisfähigkeit und Fehdeberechtigung als Sanktionsmittel spielen in gewisser Hinsicht im mittelalterlichen Feudalismus eine analoge Rolle als legitimierendes Regulativ unter Herrschaftsträgern wie Souveränität, ius foederis und ius ad bellum in der frühneuzeitlichen Staatenwelt.35 Ehre wie Souveränität werden als Anspruch von Herrschaftsträgern formuliert und müssen sich in zumindest potenziell kontinuierlicher Anfechtung durch erfolgreichen Einsatz obrigkeitlicher Mittel behaupten. Dazu gehört in erster Linie die Waffengewalt, deren erfolgreiche Anwendung sich daran bemisst, ob – in Ermangelung einer letztinstanzlichen Gewalt – die Gleichrangigen (also andere Adlige beziehungsweise Souveräne) sie anerkennen. Anerkennung meint nicht Wohlverhalten, zeigt sich aber etwa darin, wenn der Sieger eines Krieges den Verlierer nicht zu seinem Untertanen degradiert beziehungsweise dessen Land nicht annektiert. _____________ 30 Vgl. die Aufzählung bei Innozenz IV. im Jahr 1247, MGH Epp. saec. XIII, Bd. 2, 90 (Nr. 124), zitiert von Schuster (1998), 46 f., 49 f.; auch Zunkel (1975), 7 f. 31 Brunner (1973), 48. 32 Zum Argument der Gleichrangigkeit vgl. Hirschi (2005), 264, 267; zur Fehdeberechtigung vgl. Boockmann (1989), Sp. 331–334; Brunner (1973), 50–73; Morsel (1997), 347–357; Patschovsky (1996), 145–178. 33 Vgl. Morsel (1997), 341–344. 34 So Ranft (1996), 332. 35 Für die Bedeutung der Ehre als »Mittel der sozialen Selbsterhaltung« vgl. Schuster (1998), 50 f. sowie 53 für den durch den Rekurs auf die eigene Ehre der Fürsten reklamierten ständischen Anspruch auf Vorrechte.
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Der wichtigste Unterschied zwischen dem vormodernen Regulativ der Ehre und dem modernen der Souveränität besteht darin, dass Letztere mit der zunehmenden Monopolisierung der Gewaltausübung in den Händen weniger Herrscher ein viel knapperes und vor allem absolutes Gut wird: Man ist souverän oder ist es nicht, tertium non datur, während es hinsichtlich der Ehre(n) viele Abstufungen gibt. Bezeichnenderweise fällt mit der Staatsbildung und Verrechtlichung das vorstaatliche gesellschaftliche Regulativ der Ehre auch immer stärker unter die Verfügungs- und Vermittlungsgewalt des Souveräns: Wer und was ehrenhaft ist, entscheidet er allein. Damit wird, zumindest für Montesquieu, einerseits die Ehre zum distinguierenden Ordnungsprinzip in der (absoluten) Monarchie und andererseits als Ehre des Souveräns – zunächst, noch personal gedacht, des Fürsten und später der Nation – zur loyalitätsgebietenden Norm, die allen Partikularehren klar übergeordnet ist.36 Der spätmittelalterliche Rekurs auf »unser furstlichen ere« stellt insofern ein Übergangsphänomen dar: Sie unterstreicht die Kompetenz von Reichsfürsten, Bündnisse zu schließen, um den Landfrieden zu wahren – also eine exklusivere Ehre als diejenige des Adels.37 Gerade deswegen muss sie gegen Anfechtungen von Kontrahenten in der repräsentativen Öffentlichkeit besonders energisch verteidigt werden. Wer also im ausgehenden Mittelalter Herrschaftsrechte beansprucht, der demonstriert das nicht nur, indem er Fehde führt, um seine Ehre zu wahren. Er muss seinen Anspruch auch durch historische Erzählungen legitimieren: Wer beginnt, seine Geschichte zu erzählen, will sich nobilitieren. Herrschen und Kämpfen als ständische Vorrechte verlangen, dass man Subjekt der Geschichte und Objekt von Historiographie wird, die dieses Privileg durch eine ehrenvolle Ahnenreihe geschichtlich begründet. Das ist bezweckt, wenn spätmittelalterliche Stadtchronisten wie Jakob Twinger von Königshofen (Straßburg), Conrad Justinger (Bern) und dann Sigismund Meisterlin (Augsburg) programmatisch verkünden, die »tapferen Väter, die eifrigen Liebhaber ihrer Heimat«, also die lokalen Vorfahren, müssten die Akteure der Welt- und Heilsgeschichte als Exempla ablösen.38
II. Im Mittelalter sind die gesellschaftsordnenden Geschichtsdarstellungen und Genealogien lange das Werk von Klerikern geblieben. Sie besitzen das Bildungsmonopol, wozu das Lateinische beherrscht werden muss, und entstammen selbst dem Adel: Otto von Freising ist nur ein berühmtes Beispiel. Im Spätmittelalter wird der Autorenkreis größer, und auch die Volkssprachen finden zunehmend Berücksichtigung. Beides gilt auch für den Bereich, der für die memoria der Adligen viel _____________ 36 Vgl. Montesquieu (1951), 257 (Buch 3, 7), 303–306 (Buch 5, 19); dazu auch Weber (1998), insbes. 81 f.; für Italien Donati (1988). 37 Vgl. Moeglin (1992), 335–338. 38 Belege bei Graus (1987), 21 f.
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wichtiger sein dürfte als die eigentliche Historiographie: Ihr Ruhm wird häufig mündlich verkündet, etwa in historischen Liedern oder durch einen Herold, der als »Wächter und Anmahner des adligen Wertesystems« Ruhm und Schande in Erinnerung ruft und damit definiert.39 Doch selbst wenn die Geschichte eines Geschlechts niedergeschrieben wird, dann geschieht dies nur in der Form von Manuskripten, die kaum über den lokalen Bereich hinaus zirkulieren. Das ist auch nicht nötig, da sie vor allem der memoria innerhalb der jeweiligen Sippe und im Umgang mit unmittelbaren Nachbarn dienen, ebenso wenn etwa umstrittene Rechte historisch begründet werden. Ein Vergleich dieser genealogisch strukturierten Geschichtserzählungen untereinander, ein überregionaler Wettbewerb gar ist also nicht möglich und weder nötig noch intendiert. Dies ändert sich im 15. Jahrhundert aus verschiedenen Gründen.40 1. Zuerst zu nennen sind die Verschriftlichung in allen Lebensbereichen (Wirtschaft, Verwaltung, Bildung), die verstärkte Mobilität und überregionale Vernetzung etwa von Händlern, Diplomaten und nicht zuletzt von Gelehrten durch Universitäten und am intensivsten auf den Konzilien. Besonders wichtig ist die Erfindung des Buchdrucks und, parallel zu dessen Ausbreitung, die Entwicklung des ciceronianischen Lateins als lingua franca, die einerseits die Humanisten aller Länder vereint, diese andererseits aber von vielen anderen Autoren – nicht zuletzt traditionellen Historikern – scheidet, deren vulgärlateinisches oder volkssprachliches Werk für ein anspruchsvolles internationales Publikum nicht von Bedeutung ist.41 Dieses Publikum erhält nun relativ rasch nicht nur die gesamte antike Überlieferung in gedruckter Form vorgesetzt, sondern auch viele wichtige mittelalterliche Quellen (so Beda Venerabilis, Erstdruck 1475) und darauf fußende Kompilationen, so etwa Martin von Troppau (1474), bis hin zu den enzyklopädischen Werken eines Vincenz von Beauvais (1473). Die historische Überlieferung wird also kritisch vergleichbar, und dies in einem Europa, das gleichzeitig zu einer Gemeinschaft von untereinander kriegführenden Mächten zusammenwächst. 2. Diese zweite wichtige Veränderung manifestiert sich zuerst in Italien, wo sich die Vielzahl kommunaler Kleinstaaten im 15. Jahrhundert auf eine Pentarchie von Mächten reduziert, die in ständigem diplomatischem, aber auch wirtschaftlichem oder kulturellem Kontakt stehen. In regelmäßigen Kriegen oder, nach dem Frieden von Lodi (1454), zumindest in Krisen bilden sie ein Gleichgewicht mit wechselnden Allianzen aus. Mit dem französischen Einfall von 1494 und dem Beginn der italienischen Kriege zerfällt zwar diese bilancia, doch es entsteht eine ähnliche Konstellation auf gesamteuropäischer Ebene. Im mittelalterlichen Reich, aber auch noch im Hundertjährigen Krieg sind die Konflikte noch zwischen konkurrierenden Dynastien mit ihren Kronprätendenten erfolgt, die auf die militärische Schlagkraft von weitgehend au_____________ 39 Melville (1998). 40 Vgl. auch die Ausführungen zur soziopolitischen Dynamik bei Hirschi (2006). 41 Vgl. hierzu auch Hirschi (2005), 365–370.
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tonomen und lehnsrechtlich – also auf der Grundlage von gegenseitiger persönlicher Treue – verbundenen Fraktionen des Hochadels angewiesen blieben. In den italienischen Stadtstaaten und dann in den sich ausbildenden Nationalmonarchien des Westens, später auch in Reichsterritorien ändert sich dies in den Jahrzehnten um 1500. Kriege werden von einem immer kleineren Kreis von Kriegsberechtigten in oft sehr rasch wechselnden Allianzen ausgetragen. Die Kosten für die Kriegsführung steigen rasant an, weil die Zahl und die Einsatzdauer der Soldaten und vor allem der Söldner stark zunimmt, die teure Kavallerie an Bedeutung gewinnt, Schusswaffen und Artillerie neu hinzukommen und als Reaktion darauf auch Befestigungsanlagen verstärkt werden müssen. Für solche Aufwendungen, aber auch für den diplomatischen und propagandistischen Kampf in der entstehenden Staatenwelt, sind langfristig solide Finanzquellen auf breiter territorialherrschaftlicher Grundlage nötig: Steuern oder Kredite. 3. Die entsprechenden Ressourcen können nur noch wenige Adlige selbständig mobilisieren. Da die herkömmlichen Burgen ihren strategischen Wert verlieren und dem kriegerischen Ressourcenerwerb zunehmend Grenzen gesetzt werden (Gewaltmonopolisierung durch Landfrieden und Fehdeverbot), verschlechtert sich die relative Stellung der nichtfürstlichen Adligen weiter: Ihr Kriegertum wird zusehends als »Raubritterei« disqualifiziert.42 Die ihnen solches vorwerfen, die Bürger wirtschaftlich florierender Städte, können vorerst mit der kostspieligen Entwicklung mithalten, indem sie zuerst ihr Milizpotenzial ausnutzen und sich dann dank ihrer Finanzkraft zunehmend den Schutz durch professionelle Soldaten und feste Mauern leisten können. Die Koordination all dieser logistischen und strategischen Bemühungen wird allerdings zunehmend zu einer Aufgabe des Landesherren. Dieser verfügt über die notwendigen politischen und organisatorischen Kompetenzen und erhebt sich allmählich als alleiniger Träger des ius ad bellum über die vormals Seinesgleichen im Adel und die nur in Ausnahmefällen – aber dann im Widerspruch zu einer strenggenommen auf den Adel beschränkten Fehdeberechtigung – autonom handlungsfähigen Städte. Der Adel als homogener Stand ist als Ideal ein Produkt des Spätmittelalters: Erst seit 1400 wird das Wort »Adel« umfassend für alle Gruppen vom Fürsten bis zum Edelknecht gebraucht, die »Schutz und Schirm« gewährleisten.43 Die hochmittelalterliche Binnendifferenzierung von Hochadel, niederem Adel und Ministerialen verliert an Bedeutung angesichts der Konfrontation mit einem vordrängenden städtischen Bürgertum einerseits, mit einem nivellierenden Fürstentum andererseits. Unterschiedliche Erinnerungskulturen und historiographische Strategien definieren in diesem Prozess die Ansprüche und Rechte der ständischen Gruppen, _____________ 42 Zu diesem adelsfeindlichen und dem komplementären städtefeindlichen Diskurs vgl. Morsel (1997), 358–365. 43 Ebd., 316–330.
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die (seit der Pest) auch vor dem Hintergrund starker demographischer Instabilität und erhöhter sozialer Mobilität neu ausgehandelt werden.44 Genau in dieser Situation wird die Nation als »Ehrgemeinschaft« entdeckt – um die von Caspar Hirschi vorgeschlagene Formulierung für ein von ihm nicht in allen Facetten geklärtes Phänomen zu übernehmen.45 Zu präzisieren bleibt, weshalb ausgerechnet die Ehre eine so große Rolle für die humanistische Nationenkonzeption spielt, nämlich als Übernahme dieses adligen Ordnungsprinzips durch neue soziale und politische Gruppen. Aus den obigen Beispielen kann gefolgert werden, dass Nichtadlige die Ehre als Strukturmerkmal der Gesellschaft und als Kriterium der Herrschafts- und Kriegsfähigkeit beibehalten, die Träger und Wahrer der Ehre aber nicht mehr auf diejenigen reduziert sehen wollen, die sich genealogisch als Erben exklusiver militärischer Tugend ausweisen können. Anders gesagt: Der Adel verschwindet nicht als militärisch-politische Kraft, er verliert aber einerseits an relativer Macht gegenüber dem Fürsten und muss andererseits den Ruhm für die Verteidigung des Vaterlands mit anderen teilen, die er bisher gerade in kriegerischer Hinsicht als unterständisch angesehen hat: Pikeniere, Bogenschützen, Artilleristen und Schützen, die in den Städten oder gar unter Bauern rekrutiert werden – und zudem auch gebildete Laien, welche ihr Kollektiv mit der Feder verteidigen und es dabei erst definieren. Für die Ehre von Kollektiven ist schon im Mittelalter gekämpft worden, so seit der späten Salierzeit für den honor imperii oder den honor ecclesiae. Doch die Wahrung dieser Ehre, der Ehre überhaupt, ist bisher allein eine standesspezifische Aufgabe des Adels gewesen, der unter königlicher oder kaiserlicher Führung seine Schutzpflichten wahrgenommen und dabei Ruhm erworben hat.46 Im 15. Jahrhundert tauchen nun neue Akteure auf, die dem Adel dieses Monopol auf Kriegführung und – nicht mehr nur im Waffendienst begründetem – Ehrgewinn streitig machen. Da der Ritterkult sich zu einem beträchtlichen Teil aus dem gesamtabendländischen Kreuzzugsgedanken speist, ist das krasse Scheitern des Kreuzzugs von König Sigismund gegen die Hussiten in den 1420er Jahren besonders aufsehenerregend. Der böhmische Adel, der gegen ihn kämpft, wird von Johann Ziska geführt, einem Angehörigen des niederen Adels, und sein ›Nachfolger‹ Prokop der Große, der Führer der Taboriten, ist gar ein Geistlicher aus dem Prager Patriziat, der dann im innerhussitischen Zwist gegen die Vertreter des böhmischen Hochadels unterliegt. Zu Letzteren gehört Georg Podiebrad, der die Königskrone erlangt. Aber auch er bleibt ein Usurpator in einem Land, in dem noch vor kurzem der Kaiser persönlich residiert hat. _____________ 44 Vgl. ebd., 366–368, wo von gegensätzlichen »Memorialbildungen« die Rede ist. 45 Hirschi (2005) führt die kompetitive Ehrgemeinschaft gleichsam in ihrer Außenorientierung und -wirkung als zentrales Element des Nationendiskurses ein, der sich mit dem patria-Diskurs verbinde (43 f., dann 263–268); vgl. auch Hirschi (2010) über Sebastian Brants Rolle in der Debatte um die Eidgenossenschaft. 46 Für die hochmittelalterliche Grundlegung Görich (2001); ders. (2006).
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Bezeichnenderweise ist einer von Georgs wichtigsten Fürsprechern Gregor Heimburg – der Frühhumanist, Gegner Enea Silvio Piccolominis und auch rhetorischer Verteidiger Nürnbergs im ersten Markgrafenkrieg (1449/50) gegen Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach. In diesem Konflikt tritt ausnahmsweise fast der gesamte deutsche Adel geschlossen an, was als grundsätzliche Auseinandersetzung zwischen den ersten beiden Ständen einerseits und den Städten andererseits gedeutet wird, da Letztere »dem Adel widerstreben«, wie es ihnen ein Volkslied vorwirft.47 Die Reichsstädte um Nürnberg dagegen verstehen die Ritterkoalition als Angriff auf das römische Reich im Sinn der Rechtsordnung, die ihre Sonderstellungen beschützt. Diese Selbstetikettierung ruft ihrerseits wieder adlig-fürstlichen Protest hervor: Die Städte »nennen sich das römisch reich, nur sind sie doch nur pauren: si stand mit ern hinder der tür« – sind also an Ehre nicht gleich und damit nicht fehdeberechtigt.48 Gleichwohl expandieren die Städte erfolgreich, wenn auch mehr durch den käuflichen Erwerb von Herrschaftsrechten als durch militärische Eroberung, so dass eine Klage des Adels aus dem dritten Viertel des 15. Jahrhunderts den Bürgern vorwerfen kann, sie wollten »selbs herschen, richter und edel sein«.49 Das wohl berühmteste Beispiel für die Niederlagen von Adelsherren gegen sogar unterständische Gegner sind die Siege der eidgenössischen, oft bäuerlichen Fußsoldaten über die Habsburger und später über Karl den Kühnen. Philippe de Commynes kommentiert die burgundische Katastrophe rückblickend fassungslos. Der Herzog habe gekämpft »contre telz gens, où il ne povoit avoir nul acquest ne nulle gloire. Car pour lors n’estoient point estiméz comme ilz sont pour ceste heure et n’estoit riens plus povre.«50 Karl habe sich also auf einen Krieg gegen Menschen eingelassen, bei denen weder materieller Gewinn noch Ruhm zu holen gewesen sei, weil es damals nichts Ärmeres gegeben habe als die Eidgenossen, die noch nicht die Wertschätzung erlangt hätten wie zur Zeit um 1500, als Commynes seine Mémoires niederschrieb.51 Diese Anerkennung schlägt sich formal darin nieder, dass die bisher Verachteten bündnis- und vertragsfähig werden: die Hussiten mit den Prager Kompaktaten von 1433, die Eidgenossen mit der Erbeinung von 1477 mit Habsburg. Dass dies im übertragenen Sinn einer Nobilitierung gleichkommt, zeigt sich im Wort selbst: Erbeinungen sind Bündnisse unter hochadligen und fürstlichen Familien mit dem Grundgedanken, dass sie über Generationen weitergereicht werden. Dieselbe Logik, die Eidgenossen im Kollektiv als quasi-adligen Akteur zu behandeln, wird 1548 dazu führen, dass diese gemeinsam die Patenschaft für die französische _____________ 47 Liliencron, Die historischen Volkslieder, 417. (Nr. 90); vgl. hierzu Meyer (2009), 217 f. 48 Liliencron, Die historischen Volkslieder, 416 (Nr. 89); vgl. auch Graf (2000), 194. Brunner (1973), 50–53, 62–64, sieht weder Bauern noch Bürger, wohl aber die Bürgergemeinde als fehdeführend und auch fehdeberechtigt an. 49 BSB München, MS Cgm 4930, zitiert nach Schreiner (1997), 391, von Graf (2000), 195. 50 Commynes, Mémoires, 105 f. 51 Vgl. allerdings die Polemik im Manifest Maximilians I. gegen die Schweizer (1499) bei SieberLehmann/Wilhelmi (1998), 88–91; vgl. Marchal (2006), 351.
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Prinzessin Claude übernehmen.52 Die Eidgenossen werden also »ehrbar« oder, um erneut die Sprache des Duells zu gebrauchen, satisfaktions- beziehungsweise fehdefähig.
III. Was hat dies alles nun mit dem Humanismus zu tun? Er verschafft in diesen Jahrzehnten, in denen der neuartige Appell an die natio in vielen Konflikten erschallt (Hussitenkriege, Hundertjähriger Krieg, Burgunderkriege, Italienische Kriege), den Emporkömmlingen – aber auch vielen anderen – ihre Historia Bohemica (Enea Silvio Piccolomini, 1457/58), Germania (Piccolomini, 1458) oder Superioris Germaniae confoederationis descriptio (Albrecht von Bonstetten, 1479). Der Humanismus stellt eine tendenziell höfische oder stadtbürgerliche, säkularethnologische Historiographie als Alternative zur eschatologisch-genealogischen Geschichtsschreibung des Adels und seiner Nachahmer zur Verfügung. Wie erwähnt versuchen Nichtadlige gerade auch in den Städten ihre außergewöhnliche Herrschaft zuerst durch adlige Argumentationsmuster zu legitimieren: durch die Konstruktion genealogischer Traditionen und ihre Einordnung in die Heilsgeschichte. Doch neben der Imitation gibt es auch die Suche nach Alternativen. So unterwandert von Brunetto Latini und Buonaccorso da Montemagno über Poggio und Piccolomini bis zu Cristoforo Landino und Thomas Morus die Rede vom Tugendadel, von der vera nobilitas, das Monopol des Geblütsadels auf herrschaftliche Qualitäten. Erasmus ist repräsentativ mit seiner Verachtung für diejenigen, die Adel auf Reichtum, Ahnenbilder und Stammbäume (majorum stemmata) statt auf die virtus und die Bildung zurückführen.53 Schon um 1400 hält der Florentiner Kanzler Coluccio Salutati in seinem Traktat De nobilitate legum et medicine fest, dass nicht diejenigen Adlige genannt würden, die sich auf das Alter des Blutes berufen; denn schließlich stammten alle Menschen von Adam ab. Zwar führe man den Adel auf weit zurückreichende Herrschaft einer Familie zurück, die einen herausragenden Namen dank Tugend, Macht und Ruhm der Vorfahren lange habe bewahren können. Doch der wahre Adel gründe nicht in Sippe noch Blut, sondern allein in den Tugenden: »Vera tamen nobilitas, non in cognatione vel sanguine, sed in virtutibus est.« Unter Berufung auf Moses sieht Salutati die Voraussetzung dieser Tugend in der Wissenschaft: »Per nobiles ergo quid significavit dux ille sanctissimus, nisi quos prius dixerat gnaros; nisi scientia nisique virtutibus excel_____________ 52 Maissen (2006), 183, 264; vgl. auch Bachmann (1993), 184 f., wonach Friedrich I. in Preußen 1707 den Eidgenossen die Patenschaft für seinen ersten Enkel anbietet, nach dessen raschem Tod dann nur noch Bern (neben Kaiser Karl VI., Zar Peter dem Großen, August von Polen und den Niederlanden). 53 Erasmus, »Institutio Principis Christiani«, 136; Piccolomini, Historia Bohemica, 34; Bracciolini, De vera nobilitate, 7, 35–38; Jorde (1995); eine Sammlung der einschlägigen Texte in englischer Sprache bei Rabil (1991). Vgl. auch Skinner (1978), 45 f., 81 f., 237 f.; ders. (2002), 132–134; für das Reich auch das Beispiel bei Graf (2000), 196.
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lentes?«54 Tugend und Wissen sind nun allerdings Qualitäten, die auch für Nichtadlige und von ihnen gebildete Kollektive erreichbar sind. Diese humanistische Umwertung der virtus-Rhetorik nimmt ihren Ausgangspunkt deshalb in Italien, weil sich dort das Problem illegitimer oder zumindest legitimierungsbedürftiger, da nicht (alt-)adliger Herrschaft kontinuierlich und am dringendsten stellt: zuerst in den formal zum Reich gehörigen Kommunen, die nach Bartolos Prinzip civitas sibi princeps den Fürstenstatus usurpieren, dann in den unadeligen Familien, die über politische Ämter und dann reale Stadt- und Territorialherrschaft in den Fürstenstand gelangen, entweder als ursprünglich bäuerliche Condottieri wie die Sforza oder als Bankiers wie die Medici. Gerade Letztere, deren Ahnenreihe nur knapp ins 14. Jahrhundert zurückreicht, können zumindest bis in die Zeit Herzog Cosimos I. (ab 1537) kaum militärische Erfolge vorweisen, um daraus die Herrschaftsbefähigung herzuleiten. Bekanntlich erwerben sich die Medici ihr internationales Ansehen als spendierfreudige und beispielgebende Patrone der Wissenschaften und Künste. Zudem können sie sich, zumindest solange im 15. Jahrhundert die republikanische Fassade gewahrt bleibt, in die Geschichte der Kommune einfügen, die erfolgreich ihre Freiheit verteidigt hat. Keineswegs der einzige, aber der wichtigste Künder dieser Erfolgsgeschichte ist Leonardo Bruni mit seinen Historiae Florentini Populi aus den 1430er Jahren. Der Florentinus populus, das Florentiner Volk also, ist zum titelgebenden Helden der Geschichte geworden; oder – um die Verbindung zum Gesagten deutlich zu machen – zum Gegenstand öffentlichen Lobes (man denke an Brunis ebenso berühmte Laudatio Florentinae urbis, ca. 1407) und zum Träger von Ruhm und Ehre.55 Bis in die Gründungsgeschichte hinein (die durch normale »cives« der republikanischen Zeit erfolgt und nicht, wie in der lokalen Tradition bis dahin üblich, durch Caesar) betont der Florentiner Kanzler die freistaatliche Tradition der Arnostadt, die er von den kaiserlichen »pestes et exitia rei publice« in Rom abhebt.56 Nicht zuletzt die Tatsache, dass die Kommunen ihren Ämtern die römischen Strukturen und Namen (consul, senatus) geben, ruft hierbei republikanische Assoziationen hervor. Die italienischen Humanisten lösen die Historiographie aus ihrem mittelalterlichen, heilsgeschichtlichen Kontext von Heiligem Römischem Reich und Universalkirche, ja aus der Universalgeschichte überhaupt und fokussieren diese säkularisierte, profane Wissenschaft auf deren – in ihrem Verständnis – eigentliche Aufgabe: die exemplarische Schilderung individueller und kollektiver Verhaltensweisen und ihrer immanenten Kausalitäten.57 Systematisiert und vom Lokalpatrio_____________ 54 Salutati, De nobilitate legum, 8/10. 55 Vgl. Hirschi (2005), 235 f., der allerdings in seiner Konfrontation des ›populus‹ mit den barbarischen ›gentes‹ nicht darauf eingeht, dass der ›populus‹ als Ehrsubjekt gleichsam an die Stelle des Adels tritt. 56 Bruni, Historiarum Florentini Populi Libri XII, 5 f. 57 Vgl. dazu Muhlack (2001), 6 f., auch für die wenigen humanistischen Universalgeschichten (wie die Enneades des Sabellicus), die sich aber auch nicht theologischen Einteilungsformen unterwerfen.
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tismus eines Bruni emanzipiert wird diese Tendenz in der Jahrhundertmitte: durch Flavio Biondos Italia illustrata (1455) für die Apenninenhalbinsel und durch Enea Silvio Piccolominis De Europa (1458) für den ganzen Kontinent. Die Länder werden nun systematisch geo- und ethnographisch erfasst: Berge und Flüsse, Landschaften und Städte mit ihren Schönheiten und blühenden Wirtschaftszweigen, Sitten und Religiosität der Bevölkerung, antike Überreste, besonders aber auch Gelehrtenviten, Wissenschaften und aktuelle kulturelle und technische Errungenschaften, in Deutschland namentlich der Buchdruck.58 All diese Phänomene und Leistungen sind das Produkt von Land und Leuten – und nicht eines bestimmten, repräsentativen Standes, des Adels. Nicht dessen militärische Taten (allein), sondern die bürgerliche Vielfalt und Blüte dienen als Kriterium für die Zusprache von Ehre und adeln damit den historiographischen Gegenstand. Denn Biondo, Piccolomini und ihre Adepten sind nicht nur in ihren anderen Büchern primär Historiker; auch diese scheinbar geographischen Werke erfassen die Territorien als lieux de mémoire, als Träger oder gar schon Akteure historischer Ereignisse.59 Die humanistischen Historiker tragen also nicht eine Reihe von Schlachten zusammen, die einzelne Dynastien geführt haben; vielmehr beziehen sie die militärischen und anderen Geschehnisse der Vergangenheit auf Völker und Räume. Und diese Räume werden nicht nach ihren aktuellen adligen Herrschern geordnet, sondern entsprechend den Grenzen der antiken und frühmittelalterlichen Geographie.60 Damit wird nicht nur – bei Biondo – Italien wieder zu einer geo- und ethnographischen Einheit, was sich auch legitimatorisch als politisches (Einigungs-)Programm verstehen lässt; ähnliches gilt für Conrad Celtis’ Projekt der Germania illustrata und Tschudis Helvetierthese.61 Vielmehr werden die gleichsam kontingenten Adligen der Gegenwart auch auf eine Basis zurückgeführt, die schon vor ihnen bestanden hat und sich auch nicht mit dem aktuellen Territorium decken muss: Der rex Francorum herrscht über die Gallia, der rex Polonorum über die Sarmathia. Umgekehrt stellt Albert Krantz mit Saxonia, Dania, Suecia, Norvagia und Wandalia neue, in der Antike nicht bekannte oder benannte Länder auf die Landkarte und beginnt in der Biondo-Nachfolge mit ihrer geo-ethnographischen Beschreibung.62 Die Einwohner dieser Länder werden nicht mehr über ihre adlige Herrschaft definiert, sondern aufgrund ihrer kulturellen Errungenschaften und der beispielsweise klimatischen Eigenheiten des Territoriums. Mindestens teilweise werden sie als historische Akteure emanzipiert: Der Veronese Paolo Emilio nennt seine französische Geschichte De rebus gestis Francorum (und nicht: regum Francorum). Neben Brunis populus Florentinus _____________ 58 Für fünf ›Wettkampfterrains‹ vgl. Hirschi (2005), 270–297; vgl. Münkler/Mayer/Grünberger (1998), 217 f.; für Schwaben Mertens (2000), 205; auch Muhlack (2001), 9. 59 Zu Biondos Italia illustrata vgl. außer Clavuot (1990) auch Münkler/Mayer/Grünberger (1998), 155 f.; für Piccolomini als ›Apostel‹ des Humanismus Helmrath (2002). 60 Für Schwaben bei Naucler vgl. Mertens (2000), 208. 61 Für die Germania illustrata vgl. Muhlack, »Projekt« (2002); für Tschudis Legitimation der Berner Westexpansion durch seine Helvetierthese Maissen (2002). 62 Vgl. Andermann (1999); danach ders. (2001) sowie grundlegend Bollbuck (2006).
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treten also die Franci, Dani, Suevi und weitere Völker als würdige Gegenstände humanistischer Historiographie.63 Dass gerade die italienischen Humanisten diesen Fokus wählen, ist gewiss kein Zufall. In Italien gibt es keine autochthonen Dynastien, die das ganze Land beherrschen; Könige und Kaiser werden seit langem als Landesfremde wahrgenommen und auch bekämpft, nicht zuletzt in Brunis Werk. Die ruhmreiche Vergangenheit der Halbinsel geht nicht auf adlige Geschlechter zurück, sondern gründet im antiken Rom. Dieses ist durch die Humanisten bereits historisiert worden, die Rom – anders als die deutschen Gelehrten das Reich – nicht mehr in einer kontinuierlichen Linie bis hin zu Kaiser Maximilian betrachten, sondern wie in Biondos Historia ab inclinatione Romanorum Imperii decades (1453) in der Völkerwanderung untergehen lassen. In seiner Nostalgie für die vergangene Größe des antiken Rom bringt Biondo wenig Sympathie für die Universalgewalten Kirche und Imperium auf, zumal er die Deutschen als barbarische und tyrannische Feinde Italiens ansieht.64 Bei republikanischen Humanisten wie Leonardo Bruni ist dies erst recht der Fall, wenn der antike Bezugspunkt nicht das Imperium, sondern die res publica des senatus populusque Romanus ist, zu deren freiheitlichen und ehrwürdigen Tochter das gegenwärtige Florenz erklärt wird. Gerade diese Verwandtschaft ist nun aber nichts Neues, sondern findet sich schon in der mittelalterlichen Historiographie nicht nur, aber gerade in Florenz, wo Giovanni Villani und bereits die Chronica de origine civitatis von 1228 die Stadtgründung an die Kämpfe von Catilina und Caesar geknüpft haben – also im dargelegten Sinn der mittelalterlichen Historiographie in die heilsgeschichtlichen Zusammenhänge des Imperiums und in eine fiktive, sogar über Troja hinausreichende adlige Genealogie hineinverwoben wird.65 Bruni zerzaust diese Gründungslegenden sowohl aus ideologischen Gründen, nämlich als Gegner des imperial-monarchischen Prinzips, als auch zur Demonstration seiner neuen philologisch-kritischen Werkzeuge. Die Fiktionen um Catilina, den Prototrojaner Dardanus und andere lassen sich mit der antiken Überlieferung nicht vereinbaren, geschweige denn belegen. Die scheinbar ehrwürdigen Anfänge sind durch neue kritische Methoden und bald durch den Buchdruck zu einer verletzliche Flanke in einer Welt von konkurrierenden (Klein-)Staaten geworden, die nur darauf warten, dass ihre Gegenspieler sich eine Blöße geben. In dieser Situation, vor dem oben kurz skizzierten kulturellen und medialen Wandel in der Renaissance, bieten sich die Humanisten als philologisch-historische Experten an, um überlebte Narrative zu entlarven und neue zu begründen. Die systematische Suche nach antiken Texten und deren beschleunigte internationale Verbreitung durch Abschriften und dann Drucke bringen unter den Gebildeten der Zeit die Humanisten als eine neue Gruppe hervor, die ihren Expertenstatus _____________ 63 Vgl. ebenso Mertens (2001), 26 f. 64 Münkler/Mayer/Grünberger (1998), 154 f. 65 Vgl. Maissen, »Attila« (1994), mit weiterer Literatur; für andere italienische Beispiele Hiestand (1994), 95 f.
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und, ganz materialistisch, ein Auskommen erlangen und verteidigen müssen. Konkurrent und Alternative sind die im universitären und klerikalen Umfeld dominierenden Scholastiker, wie man sie einfachheitshalber zusammenfassen kann, wenn man sich bewusst bleibt, dass es sich dabei um eine polemische Etikettierung durch die Humanisten selbst handelt. Unbesehen der negativen Konnotationen handelt es sich bei den Scholastikern nicht um eine überlebte Spezies, sondern häufig um einflussreiche Zeitgenossen der Humanisten – nicht zuletzt im Bereich der Historiographie, wenn man etwa an den Dominikaner und späteren Heiligen Antonin von Florenz denkt, der seine Summa historialis um 1450 verfasst. Ganz generell löst die humanistische Historiographie nicht eine »unwissenschaftliche« oder »naive« mittelalterliche Geschichtsschreibung einfach ab, sondern muss sich mit ihrem Anspruch auf höhere – da überlieferungskonforme – Plausibilität neben zum Teil durchaus blühenden herkömmlichen Gattungen behaupten. Gerade in den Volkssprachen bleiben Autoren ohne humanistische Ansprüche erfolgreich, wie etwa Jakob Mennels Chronik für Maximilian I. zeigt.66 Die in ihrem genealogischen Ansatz ähnlichen ritterlichen Turnierbücher stammen zu einem großen Teil auch erst aus dem 16. Jahrhundert.67 Die italienischen Humanisten im Ausland – prominent und modellhaft Piccolomini im Falle Böhmens, aber auch im Reich und anderswo – müssen sich demnach gegen einheimische Gelehrte durchsetzen, die mit den regionalen Verhältnissen und nicht zuletzt der Volkssprache viel besser vertraut sind als die Ausländer und die Überlieferung in den bewährten herkömmlichen Textgattungen präsentieren. Umso deutlicher und schonungsloser müssen die Humanisten die Überlegenheit ihrer Methode demonstrieren: Daher ihr Spott über die anilia deliramenta derer, die ihrem Volk mit offensichtlich erfundenen Ursprungssagen Schande antun.68 Der individuelle Kampf um die wenigen Pfründen für Gelehrte wird dadurch, dass sich diese als Richter über die Geschichte und damit über die Ehre von Kollektiven profilieren, zugleich zu einem europäischen »Wettkampf der Nationen« (Hirschi), der – solange er anhält – den erfolgreich argumentierenden Gelehrten ein Auskommen in Aussicht stellt. Was bei Bruni noch in einem innerflorentinischen oder binnenitalienischen Kontext erfolgt ist, geschieht jetzt auf europäischer Ebene in einer doppelten Wettbewerbssituation: Einerseits engagieren fürstliche und bürgerliche Auftraggeber Gelehrte, die historiographisch die Ehre ihrer Nation gegen andere wahren sollen, und andererseits konstituieren sich die Humanisten aller Länder durch ihre Methode, die der scholastischen überlegen sein will, gerade im »kulturnationalen Wettstreit« um den nationalen Vorrang als eine internationale, »kosmopolitische« Gelehrtenrepublik.69 _____________ 66 67 68 69
Vgl. dazu Mertens (1988). Vgl. Krieg (2001), 89–91. Piccolomini, Historia Bohemica, 34. Dies betont Muhlack, »Kosmopolitismus« (2002) in Auseinandersetzung mit Münkler/Mayer/ Grünberger (1998).
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IV. Die Humanisten sind also nicht uneigennützig, wenn sie die Antike heranziehen, um ihren Zeitgenossen eine ferne, heidnische Gegenwelt wie einen Spiegel vor Augen zu halten, der – nicht als Gegensatz, sondern in Ergänzung zur christlichen Tradition – mit seinen Konzepten, Begriffen und Werten dem gegenwärtigen Italien und danach auch Europa besser gerecht wird als die mittelalterlich-scholastische Weltdeutung. Neben und bald vor die mönchisch-ritterlichen Ideale tritt mit einer eigenen Dignität die urbane und höfische Welt des antiken Rom, Tummelstätte selbstbewusster cives mit ihrer diesseitsbezogenen virtus in ständigem negotium, eine bürgerliche vita activa als Vorstufe zu einer Welt des säkularen, gebildeten und sesshaften Cortegiano als Staatsdieners, der bei Castiglione so ganz anders ausfällt als der ruhelose Ordensritter, der im Kreuzzug seine eschatologische Bestimmung gesucht hat. Der ›arrogante‹ Überlegenheitsanspruch der Italiener gegenüber ausländischen Historiographen beschränkt sich nicht darauf, das bessere Latein zu schreiben.70 Vielmehr liegt die Plausibilität der humanistischen Werke in Kreisen, die weit über die Gelehrten selbst hinausreichen, eben darin begründet, dass die antiken Beschreibungen einer heidnischen Welt es erlauben, die vorherrschenden, aber ungenügenden »scholastischen« Erklärungsmuster zu modifizieren, zu ergänzen oder auch zu ersetzen.71 Neue Realitäten, neue, angemessene Beschreibungen, neue Werte: Die Humanisten demonstrieren ihre Kompetenz einer zeitgemäßen Weltdeutung nicht zuletzt als Richter über die historische Überlieferung und dank ihrem neuartigen Bewusstsein für historischen Wandel und epochale Brüche, wie den Fall Roms, von dem aus das Konzept einer Renaissance selbst entwickelt wird.72 Dadurch können die Humanisten ihre Zeitgenossen über die erschütternde Differenzerfahrung zwischen dem Soll- und dem Ist-Zustand besser aufklären als ihre scholastischen Konkurrenten: Weshalb gibt es im Schisma drei Päpste statt dem gottgewollten einen? Weshalb sitzt der römische Kaiser nicht machtvoll im caput mundi, sondern hilflos im fernen Germanien? Welche Motive verfolgen die Handel und Gewerbe treibenden Stadtbürger in ihren inneren und äußeren Konflikten? Auf solche Fragen gibt eine aristotelisch-thomistische, auf den einen Gott ausgerichtete und in abstrakten Kategorien geordnete Weltdeutung keine befriedigenden Antworten, wohl aber die antike Profanhistorie mit ihren allzumenschlichen Erklärungsmustern wie ambitio, luxuria oder perfidia. So ist es kein Wunder, wenn ein Bischof und späterer Papst wie Piccolomini, Pius II., die böhmische Ketzerbewegung, aber auch Entwicklungen in Kaiser Friedrichs Österreich mit Sätzen erfasst, die er wörtlich aus Sallust abschreibt.73 _____________ 70 71 72 73
So jedoch Völkel (2002), 355. Vgl. dazu auch Maissen (2006), 396–402. Vgl. auch Helmrath (2005), 358 f.; Burke (1969). Vgl. etwa Piccolomini, Historia Bohemica, 226/228, mit Sallust, Cat. 14, 2 f.; zur Sallustnachfolge vgl. ebd. in der Einleitung der Herausgeber, 0117 f.
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Ebenfalls Piccolomini zeigt, wie die humanistische Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Obsession für die origo gentis zu verstehen ist. Sein Spott über die Böhmen, die sicuti ceteri mortalium ihre Wurzeln möglichst weit zurücklegen wollen und dafür bei der Sintflut einsetzen, fügt sich in eine Vielzahl ähnlicher Polemiken.74 Diese bedeuten aber nicht, dass die Frage nach den Ursprüngen eines Volkes an Bedeutung verloren hat. Doch einerseits müssen die einst für eine mündliche Nacherzählung ausgedachten Antworten höheren und anderen Plausibilitätskriterien genügen, wenn sie – dank Verschriftlichung, Buchdruck und intensiviertem Austausch – von einer übernationalen Gelehrtenrepublik überprüft werden können. Und andererseits geben Historiker und, deutlich zögerlicher, Herrscher nun dem Indigenat den Vorrang gegenüber den – dynastischen – trojanischen Wanderungssagen.75 Wenn sich mittelalterliche Herolde – wie in einem fiktiven anglo-französischen Streitgespräch um 1450 – auf die Geschichte ihrer natio bezogen haben, so ging es um ihr Alter und damit dasjenige der Dynastie.76 Die Humanisten dagegen betreiben nicht die möglichst weit zurückreichende genealogische Eingliederung eines Geschlechts in die Welt- und Heilsgeschichte, sondern den quellenfesten Nachweis, dass ein Volk in seinem Territorium verwurzelt ist. Das Indigenat wird so zur Voraussetzung von Identität, Exklusivität und damit Ehre für eine größere Zahl von Fürsten in den Jahrzehnten um 1500, eine Zeit, die für Aufsteiger offen ist, sofern diese Territorialherrschaft erlangen wie etwa die Eidgenossen oder Württemberg.77 Beide sind sie gleichsam Erben des mittelalterlichen Herzogtums und Landes Schwaben, das Gregor Heimburg als eine der vier Säulen des Reichs verstanden hat. Um diese Erbschaft zu legitimieren, brauchen sie und ihresgleichen eine humanistische oder zumindest humanistisch aktualisierte Landesgeschichte. Sonst haben sie es schwer, sich als ehr- und rechtsfähiges Subjekt in der Staatenwelt zu behaupten. Die Verteidigung der nationalen Ehre kann deshalb verlangen, dass man, wie Albert Krantz, die Origines der Sachsen und Franken selbst dekonstruiert, damit sie nicht fremder Kritik zum Opfer fallen.78 Denn wenn Piccolomini die böhmische Gründungslegende zerzaust und dem Spott der europäischen Gebildeten preisgibt, dann bekämpft er die Hussiten mit der Feder erfolgreicher als Sigismunds Kreuzritter dies mit ihren Lanzen tun. Ganz ähnlich entlarven die Elsässer Humanisten die angeberischen Mythen ihrer Gegner: Heinrich Bebel die französische Trojanersage, Jacob Wimpfeling in seiner antieidgenössischen Polemik die erwähnte Etymologie der Schwyzer, die in kaiserlichen Diensten Blut geschwitzt
_____________ 74 Piccolomini, Historia Bohemica, 32/34. 75 Vgl. Münkler/Mayer/Grünberger (1998), 236–242; Helmrath (2003), 330, 334 f.; ders. (2005), 383 f. 76 Vgl. Melville (1998). 77 Vgl. Mertens (1983), 172. 78 Helmrath (2005), 376.
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haben wollen (fabule aniles).79 Der humanistische Fehdehandschuh, den Wimpfeling seinen ›mittelalterlichen‹ Gegenspielern wie dem Luzerner Stadtschreiber Niklas Schradin hinwirft, kann folgendermaßen paraphrasiert werden: Ihr maßt Euch an, ein autonomes Volk zu sein, und erfindet Euch zu diesem Zweck nach mittelalterlichem, adligem Muster fiktive Vorfahren, die in den uns nun vorliegenden Texten nirgends belegt sind. Wenn Ihr glaubwürdig sein wollt, müsst Ihr Euch stattdessen etwas einfallen lassen, was mit den humanistischen Beschreibungen anderer Länder mithalten kann, die ich und die anderen gelehrten Fachleute meiner Art verfassen und beurteilen können. Tatsächlich besteht die fast unmittelbare Antwort der Eidgenossen auf die demütigenden Attacken darin, dass sie sich in völlig neuartiger Weise auf die bei Caesar erwähnten Helvetier zurückführen und das in der Antike nirgends belegte Wort Helvetia für ein Territorium erfinden, in dem die natio Helvetica als Vorfahrin der Eidgenossen schon vor der römischen Besetzung in ursprünglicher Freiheit gelebt haben soll.80 Wie Aegidius Tschudi und andere eidgenössische Historiographen für ihren fürstenlosen Staatenbund die Helvetier ›entdecken‹, so lässt sich auch der erste Medici-Herzog Cosimo I. um 1544 einen Traktat Dell’origine di Firenze zueignen, der einerseits in mittelalterlicher Tradition bis zur Sintflut zurückgeht, andererseits aber das Herrschergeschlecht nicht allein auf familiäre Wurzeln zurückführt, sondern auf die etruskischen Anfänge der Stadt und ihrer Sprache, damit also auf Territorium und Volk.81 Ähnlich erkennt Heinrich Bebel hinter dem Herzogtum Württemberg die patria Suevia, die spätantiken Schwaben, und in seinem Gefolge behauptet Albert Kranz, die gegenwärtige Saxonica natio sei dasselbe wie die taciteischen Chatti, die einst einfach einen anderen Namen getragen hätten.82 Der deutsche Fall zeigt deutlich, dass aus wenigen Indizien weitreichende Gewissheiten hergeleitet werden können: Die eher beiläufige Bemerkung des Tacitus (Germ. 2, 1), die Germanen seien wohl unvermischte Eingeborene (Germanos indigenas crediderim), wird durch italienische Humanisten, hier Giannantonio Campano, zur Gewissheit verstärkt (semper indigene Germaniae hoc in coelo nati) und die ethnische Kontinuität zur Gegenwart postuliert.83 Die deutschen Streitgefährten, etwa Conrad Celtis, übernehmen dieses Modell bereitwillig.84 In diesem Prozess ist die ›Entdeckung‹ des Indigenats ein Grundmuster humanistischer Historiographie, von Brunis Etruskern über die freien Germanenstämme in der Tacitus-Rezeption (die Alemannen des Beatus Rhenanus ebenso _____________ 79 Sieber-Lehmann/Wilhelmi (1998), 196; vgl. Münkler/Mayer/Grünberger (1998), 240; Mertens (1983), 166, Anm. 71. 80 Vgl. Maissen (2002); ders. (2010). 81 Vgl. Gelli, »Dell’origine di Firenze«; zum »mito etrusco« vgl. Cipriani (1980); Helmrath (2003), 337–342. 82 Vgl. Mertens (1983), 171; Andermann (2001), 62; Helmrath (2005), 347; für Bebels grundlegende Argumentation Münkler/Mayer/Grünberger (1998), 242. 83 Zitiert nach Mertens (2004), 76 f. 84 Vgl. Mertens (2004), 81 f.
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wie die Sachsen in England bei William Camden) bis hin zu den Batavern des Hugo Grotius in den Niederlanden.85 Die im Indigenat implizierte ursprüngliche Freiheit hat verschiedene, zumeist willkommene Konsequenzen: 1. Sie legitimiert nicht nur politische Unabhängigkeit in der Gegenwart selbst dort, wo römische oder später deutsche Herrschaft der Kaiser unwiderlegbar ist. Das Indigenat stärkt etwa die Position der regional verwurzelten Reichsstände gegenüber den reisenden Kaisern, die lehnsrechtlich und reichsgeschichtlich argumentieren.86 2. Außerdem verlieren die für eine genealogische, auf dynastische Kontinuität angelegte Sichtweise bedauerlichen Lücken in der Überlieferung durch den Rekurs auf ursprüngliche Freiheit stark an Gewicht, weil sie nicht länger, wie von den Italienern, als zivilisatorisches Defizit schriftloser Horden gedeutet werden müssen, sondern mit urtümlicher Einfachheit und Tugend erklärt werden können.87 3. Sodann führt der Rekurs auf das Indigenat antiker Prägung – ob intendiert oder nicht – eo ipso dazu, dass die Humanisten mit dem Ethnos auch das gewöhnliche Volk hervorheben. Die meistbewunderten und imitierten antiken Autoren wie Cicero, Caesar oder Livius kennen noch gar keine Dynastien; selbst für einen Tacitus ist das keine wesentliche Kategorie, erlebt das 1. Jahrhundert doch dreizehn Kaiser aus sechs Familien. Der von den Römern hochgehaltene mos maiorum erinnert nicht bloß an Vorfahren aus einer – der eigenen – Familie, sondern verweist auf alle vorbildhaften Römer der Vergangenheit, auf den glorreichen populus. Deren vera nobilitas beruht im geschilderten humanistischen Sinn kaum auf Herkunft und schon gar nicht auf Reichtum, sondern auf der Tugend; und sie weist über die militärischen Qualitäten weit hinaus und impliziert auch kulturelle Leistungen. Außerdem ist diese Tugend Voraussetzung politischer Freiheit. Selbst wenn die Humanisten manche Tugenden den nichtrömischen gentes/nationes tendenziell absprechen, so wird deren Verfassung doch als vergleichsweise egalitär und frei verstanden, zumal sie ja nicht dynastisch strukturiert ist. In der Gegenwart entwickelt insbesondere Machiavelli ausgehend von solchen Vorstellungen der antiken Germanen sein Idealbild der modernen Deutschen und vor allem der Eidgenossen.88 Wehr- und Fehdefähigkeit, damit aber auch Freiheit liegen in dieser Sichtweise bei einem ständeübergreifenden Kollektiv, der natio oder ihrer res publica – und nicht beim Geblütsadel. 4. Die deutsche Nation ist nicht exklusiv, sondern umfasst, wie gezeigt, nationes wie die sächsische, schwäbische oder helvetische, die sich aber alle als indigenae seit Menschengedenken als Teile der einen, unveränderten Germania zusammenfassen lassen. Die eine autochthone origo Germanorum als Bluts_____________ 85 86 87 88
Vgl. auch die Liste bei Helmrath (2003), 335–352, sowie Mertens (2000), 212 f. Vgl. auch Hiestand (1994), 97 f. Vgl. Münkler/Mayer/Grünberger (1998), 241. Vgl. hierzu Reinhardt (1995).
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verwandtschaft aller Deutschen ersetzt also die vielen wanderungsgeschichtlichen origines gentium, was Bebel am deutlichsten erkennt und nach der Formel Germanos esse indigenas (sine advenarum mixtura) programmatisch umsetzt.89 Wer ein so begnadeter Gelehrter ist wie Annius von Viterbo und die ganze nun gedruckt vorliegende Überlieferung überblickt, kann in ihr den in der Antike tatsächlich belegten »Berosus« ausmachen und diesem hellenistischen Weltweisen in den Antiquitates variae von 1498 auch unter Rückgriff auf den von Tacitus kurz (Germ., 2,2) erwähnten Tuisco neue – fiktive – Genealogien zuschreiben. Doch auch diese vermeiden die trojanische Wanderung und gehen von einer noachitischen origo nationis Germanicae aus (und nicht einer partikularen gens).90 Annius’ Erfolg beruht darauf, dass sein Konstrukt dem aktualisierten humanistischen Wissensstand kaum widerspricht und den genealogischen Bedürfnissen der Dynasten entgegenkommt, zumal wenn sie, wie noch zu zeigen ist, sich im 16. Jahrhundert zusehends nicht nach der humanistischen Kritik, sondern nach der Frage der Rechtgläubigkeit ausrichten werden.
V. Politische Emanzipation und Territorienbildung einerseits, humanistischer Nationendiskurs andererseits bedingen sich gegenseitig. Dank den historiographischen Modellen der Antike können die Humanisten sich als »Vorkämpfer der Nation als historische Schicksalsgemeinschaft« etablieren.91 Sie dekonstruieren und rekonstruieren und etablieren sich dabei in einem gesamteuropäischen Wechselspiel von Plausibilitätsprüfung, Kritik und (Re-)Konstruktion als oberste Kontrollinstanz für Vergangenheitserzählungen. Modell und Vorreiter sind hierbei die Italiener, die während Jahrzehnten der Binnenkonkurrenz in einem Staatensystem die entsprechenden kritischen Fähigkeiten entwickelt haben und auch etwa gegenüber Fälschungen wie Annius’ Berosus beibehalten.92 So ist es kein Wunder, dass sie die erste Generation von humanistischen Historikern in Ungarn, Polen, England _____________ 89 Bebel, »Demonstratio Germanos esse indigenas«, 105, zitiert bei Münkler/Mayer/Grünberger (1998), 238 f.; vgl. auch Hirschi (2005), 108; Mertens (2004), 83 f. 90 Zu Annius grundlegend Anthony Graftons Aufsatz »Traditions of Invention and Inventions of Tradition in Renaissance Italy: Annius of Viterbo«, jetzt in: Grafton (1991), 76–103; für Tuisco und seine Nachfahren außerdem Münkler/Mayer/Grünberger (1998), 249–261; Hutter (2000), 36–175; Helmrath (2003), 330–334; für die Tacitus-Rezeption besonders auch Mertens (2004), 84–91. 91 Graus (1987), 44; vgl. Guenée (1980), 346–350. 92 Bezeichnenderweise wird Annius’ Werk in Italien schon früh als Fälschung bezeichnet, so von Volterrano, Sabellico, Crinito und später von Vincenzo Borghini; vgl. Cochrane (1981), 433. Im Reich geht nur Beatus Rhenanus so weit, vgl. Grafton (1991); Münkler/Mayer/Grünberger (1998), 248 f.; Helmrath (2003), 331–333; Mertens (2004), 92. Zum italienischen »Startvorteil« Völkel (2002), 154; zur Diffusion des Modells Helmrath/Muhlack/Walther (2002) passim.
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oder Spanien stellen.93 Besonders auffällig ist dies in Frankreich, wo gleich mehrere italienische Emigranten mit dem erwähnten Paolo Emilio um den Ruhm ringen können, die erste humanistische Landesgeschichte verfasst zu haben.94 Für manche Italiener erscheint die Möglichkeit zu sozialem Aufstieg wohl attraktiv, zumal die Humanisten im Ausland weniger Konkurrenz haben als in Italien. Paolo Emilio etwa ist, entgegen früheren Vermutungen, von ausgesprochen bescheidener Herkunft.95 Das gilt allerdings nicht generell für die humanistischen Emigranten, die durchaus aus adligem und zum Teil sogar wohlhabendem Haus stammen können.96 Gleichwohl haben die italienischen Humanisten zumeist ihren Preis, als sie in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts über die Alpen ausschwärmen. Wie werden sie versorgt? Manche Historiker gelangen über die Kurie ins Ausland, die ihnen ein Auskommen über Pfründen in Aussicht stellen kann und damit das Risiko mindert, das die Emigration in einen unbekannten Sprach- und Kulturraum in sich birgt.97 Doch bei den lukrativen Kirchenstellen ist die Konkurrenz der einheimischen Kleriker beträchtlich, die bisher als Schriftkundige jeweils fallweise die Aufgaben übernommen haben, die südlich der Alpen professionalisiert sind. Feste Stellen als Kanzler, Diplomat, Schreiber, (Fürsten-)Lehrer oder Rhetor gibt es nur wenige in einer Gesellschaft mit einer – im Vergleich zu Italien – noch wenig ausgeprägten Kultur der Schriftlichkeit. Wer will die Kosten für die neuen Gelehrten auf sich nehmen, die teurer sind als die herkömmliche Lösung, besonders wenn diese Humanisten in Italien eingekauft werden? Nur bei wenigen Auftraggebern und nicht auf Dauer bietet symbolisches Kapital (etwa die kaiserliche Krönung zum poeta laureatus) eine Alternative.98 Ansonsten können und wollen sich neben Königen und Fürsten auch Städte (als »Nuklei der nationalen Akkulturation«) solche Fachleute leisten.99 Philologische Überlieferungskritik ist eine sinnvolle Investition für Bürger, deren Wohlstand und Status auf Rationalität und Schriftlichkeit aufbaut. Für kleinere Reichsstände dagegen sind solche Ausgaben keine Option, und ebenso wenig kann der Adel oder die Ritterschaft als – kaum institutionalisierter – Stand eigene Historiographen anstellen. Auch für einzelne Adelsfamilien – sofern sie nicht als Territorialherren über Steuereinnahmen verfügen – ist ein eigener Historiograph angesichts der beträchtlichen Kosten des standesgemäßen Lebens nicht finanzierbar. _____________ 93 Für Italiener im Ausland vgl. Cochrane (1981), 324–359; auch Völkel (2002) und Walther (2002), 441–443; weiterhin anregend Tellenbach (1984). 94 Maissen, Legende (1994), 143–228; vgl. Völkel (2002); Helmrath (2003), ders. (2005). 95 Rognoni/Varanini (2007), 179. 96 Piccolomini entstammt dem verarmten Adel; die Historiographen Frankreichs sind teilweise adlig (Giovanni de Candida, Michele Riccio) oder wohl aus soliden städtischen Familien gebürtig (Alberto Cattaneo, Andrea Cambini), vgl. Maissen, Legende (1994), 144–176. 97 Für die Karrieren, allerdings kaum für die Herkunft, vgl. Völkel (2002), 341–349; zur Konkurrenzsituation mit einheimischen Gelehrten neuerdings auch Schlelein (2010). 98 Dazu Mertens (1983), v. a. 163 f.; Schirrmeister (2003). 99 Helmrath (2005), 345 f.
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Die Bereitschaft, ›moderne‹ Historiker zu besolden, zählt also mit anderen neuartigen Ausgaben – wie die für moderne Waffen und Festungen – zu den Selektionskriterien, die über die Aufnahme in die entstehende europäische Ordnung entscheiden. Voraussetzung für einen Platz in der Staatenwelt ist eine – sei es in Urkunden oder historiographisch belegte – Vergangenheit, die der humanistischen Kritik standhält, wie sie dank dem neuen Medium Buchdruck und dank der philologischen Methode nun überregional ausgeübt wird. Angesichts der legitimatorischen Bedeutung, die der historiographischen Kritik bei dieser Ausdifferenzierung unter Machtträgern zukommt, kann Paolo Emilio zu Recht behaupten: »Gallis condimus historias« – ich schaffe den Franzosen eine Geschichte.100 Ohne das Wirken der Humanisten hätte das Volk keine Vergangenheit, mit der es in den Wettkampf der Nationen eintreten könnte. Etwas vorsichtiger spricht Nikolaus Basellius nicht von einem Gründungsakt, sondern von Wiederherstellung, die er Heinrich Bebel zuschreibt: »patriam Sueviam quasi Thesea fide laudibus avitis ingenii beneficio restituit«.101 Die Heldentaten von einst haben nur dann Gültigkeit und Bestand, wenn sie historiographisch erfasst werden. Die Anerkennung, die der Humanist als Schöpfer von Geschichten und Gedichten (»in condendis historiis et poematibus«) erlange, führt deshalb laut Celtis für ihn zur Unsterblichkeit, für das Vaterland zu Ruhm und Lob (»patriae gloriam et laudem«).102 Wenn Bebel Schwaben als Vaterland wiederherstellt, indem er das Lob der Ahnen (»laudes avitae«) singt, so folgt dieser Topos äußerlich dem eingangs geschilderten genealogisch-aristokratischen Modell. Doch diese Ahnen sind nun eben nicht mehr die Vorväter eines Familienverbands, sondern diejenigen einer natio, einer Herkunfts- und Stammesgemeinschaft. Gloria und honor sind in den erwähnten Beispielen auf Land und Volk bezogen, auf die ursprüngliche natio und ihre diesseitige libertas, die auf einer Vielfalt von bürgerlichen virtutes beruht. Sie beziehen sich nicht mehr auf einen Stand, die adligen milites mit ihrer lehnsrechtlichen fides und militärischer virtus in einer eschatologischen militia caelestis. Gewiss bleiben fides, fortitudo und andere soldatische Qualitäten positiv konnotiert und in den Geschichtswerken sehr präsent. Aber sie sind kein Monopol des Adels mehr, sondern werden auf die ganze natio bezogen – bei Bebel etwa auf die Sueven/Schwaben, die noch beim erwähnten Dominikaner Felix Fabri, dem ersten Verfasser einer Historia Suevica (um 1489), nur aus Adligen bestanden haben.103 Das Geschichtsbild wird säkularisiert und verbürgerlicht, es wird auf Territorium und Volk bezogen und wirkt damit ständeübergreifend, vertikal integrativ. _____________ 100 Die Verse finden sich ursprünglich am Anfang von Emilios Manuskript Gallicae antiquitatis, Paris, BN, MS. Lat. 5934; vgl. dort auch fol. 2v: »Vereor ne si primus ego atque externus Gallicam antiquitatem e tenebris in lucem revocavero […]«; vgl., fol. 31: »[…] descripsi […] primus […]«. 101 Zitiert bei Mertens (1983), 149. 102 Celtis, »Oratio«, 40, vgl. Hirschi (2005), 118 f., 289–291. 103 Vgl. Helmrath (2005), 377; Mertens (1983), 167.
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In der Eidgenossenschaft erfolgt diese Integration, nach einer vorübergehend adelsfeindlichen Rhetorik, auch in die andere Richtung: Bei den führenden Historikern des 16. Jahrhunderts (Johannes Stumpf, Aegidius Tschudi, Josias Simler) wird der Gewinn der Freiheit und ihre Verteidigung als Leistung nicht nur von Bauern und Bürgern, sondern auch von (guten) Adligen verstanden.104 Die Verteidigung der natio und ihrer Ehre wird deshalb zur Aufgabe des ganzen Landes, sei dies durch eigentlichen Waffendienst von Adligen, durch bürgerliche Steuern für die immer aufwendigere Kriegführung – oder auch durch die Feder des Historiographen, die langfristig billiger und rationaler ist als die adligen Formen von Repräsentation und Konfliktaustragung (wie die Fehde). Die Abwehr äußerer Feinde ist zugleich ein Binnenwettkampf, wer der Nation die besseren Dienste erweist: der Geistesadel oder der Schwertadel, Bürgertum oder Aristokratie.105 Deshalb verkündet Celtis nicht nur die Verdienste der Humanisten für Bildung und damit nationalen Ruhm, sondern kritisiert gleichzeitig auch diejenigen Adligen (»nobiles viri«), die sich als Raubritter (»latrocinalis agminis principes«) betätigen.106
VI. Mit ihrem historiographischen Werk integrieren die Humanisten weite Bevölkerungskreise, vor allem die städtische Bürgerschaft, der auch viele von ihnen selbst entstammen, in einen ständeübergreifenden nationalen Ehrverband.107 Diese neuartige Verbindung von Land und Einwohnern sowie – abgesehen etwa von der Eidgenossenschaft – zumeist auch fürstlicher Dynastie rechtfertigt auch für den Herrscher die pekuniären und symbolischen Kosten, welche die Revision der Vergangenheit, die Destruktion der stolzen Adelsgenealogien und die Konstruktion eines nationalen Indigenats mit sich bringen.108 Denn sie benötigen breiten Rückhalt und eine erweiterte Machtbasis in einem als natio ansatzweise homogenisierten Untertanenverband, um neue Ressourcen zu mobilisieren. Die Aufwertung des populus in der humanistischen Geschichtsschreibung bereitet ihnen deshalb wenig Unbehagen, zumal – schon allein aufgrund der mittelalterlichen chronikalischen Überlieferung – das dynastische Element dort nicht fehlt.109 Gleichwohl zeigen sich in königlichen Wünschen und Empfindlichkeiten auch die Grenzen des Spielraums, der den Humanisten für ihre historiographi_____________ 104 105 106 107 108
Vgl. Marchal (2006), 351–390. Vgl. Hirschi (2005), 268. Celtis, »Oratio«, 22; vgl. Hirschi (2005), 304 f. Ebd., 375, spricht vom Aufstieg der deutschen Nation in einen »überständischen Adelsrang«. Für die Verbindung von Land, Haus und Blut mit einem »natürlichen Herren« siehe Moeglin (1993), 17–38, dem es allerdings um andere historiographische Aspekte geht, nämlich um das dynastische Selbstbewusstsein. 109 Durch einen fürstlichen Auftraggeber ist nicht impliziert, dass dessen Mandat auf – gar »panegyrische« – dynastische Geschichtsschreibung hinauslaufen muss; so hingegen Helmrath (2003), 351; ders. (2005), 345 f.
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schen Entwürfe zugestanden wird. Ein weitgehend auf die Erblande beschränkter Habsburger Kaiser wie Friedrich III. lässt in Geschichtswerken die ÖsterreichIdee pflegen.110 Tacitus’ Germania hingegen liefert dem Kaiser keine politischen Inspirationen, auch wenn der Text von seinem früheren Sekretär Piccolomini 1454 und 1471 von Campano für ihre Türkenreden herangezogen worden ist und schon vor den ersten Drucken in Deutschland zirkuliert hat. Germania wird erst ein Bezugspunkt, als Friedrichs Sohn Maximilian in die italienischen Kriege und damit in den gesamteuropäischen Wettbewerb der nationes eintritt. Jetzt, frühestens 1498 mit Conrad Celtis, beginnen die kaiserlich gesinnten Gelehrten, den neuen Herausforderungen auch mit dem modernen Rekurs auf die Ethnie und das Territorium der Germani indigenae entgegenzutreten.111 Maximilians Versuch, Imperium und natio gleichzusetzen, erfolgt allerdings nur beim Appell an Reichsstände.112 Dieser ergänzt, ersetzt aber nicht die herkömmlichen Referenzen auf Reich und Dynastie. Denn Maximilian I. will auf seinen – für die habsburgischen »Nachzügler« eben erst entdeckten – trojanischen Vorfahren Priamos nicht verzichten und ebenso wenig auf Hercules Libycus, wie ihn Annius und Johannes Trithemius in seine Dynastie hineingedichtet haben. In seinem Beharren auf seine eigene adlige Genealogie überlässt sich der Kaiser letztlich nicht der neuen, nationalen Argumentationsstrategie.113 Ähnlich ergeht es Paolo Emilio, der die französische Geschichte ursprünglich mit einer Untersuchung Gallicae antiquitatis a prima gentis origine repetitae beginnen lässt. Dieser Rückgriff auf das gallische Volk als Ursprung des gegenwärtigen Frankreich bleibt ungedruckt. Emilios Hauptwerk dann, De rebus gestis Francorum, beginnt mit einem nüchternen Satz »Franci se Troia oriundos esse contendunt« – die Franzosen behaupten, sie würden aus Troja stammen.114 Für den gebildeten Zeitgenossen bedeutet diese Konstruktion mit »contendunt« ein vernichtendes Urteil, zumal die sagenhaften Ursprünge in bloß drei Sätzen indirekter Rede abgehandelt werden. Allein, ein vollständiger Verzicht auf die legendären königlichen Vorfahren ist noch nicht möglich. Ähnlich verhält es sich in England, wo Polidoro Vergilio den trojanischen Bezug um Brito/Brutus und Geoffrey of Monmouths Artus-Sage »provokant lakonisch« als lächerliche Erfindung abtut (und trotzdem referiert), was zu Protesten gegen den ausländischen »Verräter« und »Neider« führt.115
_____________ 110 111 112 113 114 115
Vgl. Graus (1987), 46. Vgl. Mertens (2004), 81–84. Vgl. Hirschi (2006), 20–28. Vgl. Althoff (1979), 76; Mertens (2000), 209; Laschitzer (1888), 39. Emilio, De rebus gestis, 1; hierzu Maissen, Legende (1994), 179–181, 334–336. Vgl. Rexroth (2002), 425–432; Helmrath (2003), 349.
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VII. Wenn die humanistische Historiographie die natio als Ehrverband nur vorübergehend zum Standard machen kann, so liegt die Ursache allerdings nicht nur, ja nicht einmal in erster Linie in scholastischer Traditionsliebe oder monarchischen Legitimationszwängen. Vielmehr führen Reformation und konfessionelle Gegensätze dazu, dass die rein innerweltliche Logik dieser Geschichtswerke an Plausibilität verliert. Honor und gloria werden vor allem von den Protestanten nicht auf Menschenverbände bezogen, sondern für Gott allein reserviert. Zugleich wird die Geschichte resakralisiert, weil ihre Exempla Beweislast erhalten für die allein entscheidende Frage, welche Konfession die einzig richtige ist. Die Magdeburger Centurien116 sind das markanteste Beispiel für diese Entwicklung, zumindest im protestantischen Bereich, wo die humanistische Landesgeschichte im konfessionellen Zeitalter bald zum Erliegen kommt. Während einerseits die »teutsche nation« religiös gespalten ist und der Appell an sie erst im leopoldinischen Zeitalter um 1700 wieder konfessionsübergreifend wirksam wird, grenzen sich andererseits die Reichsstände und ähnlich die eidgenössischen Orte voneinander nicht mehr durch den Rekurs auf eine territorialstaatliche natio ab, sondern durch die unterschiedlichen Bekenntnisse. In dieser Situation ist nicht mehr die überlieferungskonforme Plausibiliät in einem internationalen Konkurrenzkampf das wesentliche Kriterium für die Geschichtsschreiber, sondern die Rechtgläubigkeit der Vorfahren, die jeweils für den katholischen oder den protestantischen Glauben reklamiert werden, Chlodwigs Franken in Frankreich ebenso wie die Sachsen in England.117 Bezeichnend für das Schicksal der humanistischen Historiographie ist der undogmatische Beatus Rhenanus, der sich gegen Fälschungen ausspricht, die erfunden wurden, um die nationale Ehre zu befördern.118 Seine Rerum Germanicarum libri sind denn auch die gründlichste und nüchternste Leistung der deutschen Historiographie.119 Ihre Informationen fließen sogar beim katholischen Juristen Wilhelm Eisengrein 1576 in eine Harmonia Ecclesiae historica. Doch in der Konfrontation mit Annius’ »Berosus« unterliegt Rhenanus: Eisengrein bietet eine Geschichte der augustinischen zwei Reiche seit der Schöpfung, in der Tuisco als Stammvater der Deutschen deren vera pietas begründet.120 Auch nachdem der humanistische Impetus sich erschöpft oder vielmehr in »definitive histories« die Historiographie zu einem vorläufigen Schlusspunkt gebracht hat, schreitet die Ausbildung der europäischen Staatenwelt weiter voran.121 _____________ 116 Vgl. Hartmann (2001), v. a. 198–208. 117 Vgl. Maissen, Legende (1994), 350–356; für John Leland, John Bale, John Foxe und Matthew Parker vgl. Maccoll (2004). 118 Vgl. Hirschi (2005), 453. 119 Vgl. hierzu die kritische Edition von Felix Mundt: Beatus Rhenanus, Rerum Germanicarum libri tres. 120 Vgl. Staab (1988), 163 f. 121 Zu den »definitive histories« vgl. Cochrane (1981), 284–292.
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Doch ihr Movens ist nicht länger die kollektive Vergangenheit einer Abstammungsgemeinschaft, sondern das gegenwärtige gemeinsame Glaubensbekenntnis und später dann, im Zeichen des Staatsrechts, der absolutistische Voluntarismus. Bei diesen Entwicklungen sind Theologen und Juristen federführend, nicht Historiker. Funktionalistisch zugespitzt kann man formulieren, dass das italienische Nationenkonzept sich historiographisch zumindest in den Nationalmonarchien etabliert, ebenso in denjenigen Reichsterritorien, die sich durch einen Rekurs auf spätantike oder frühmittelalterliche Germanenstämme eine seit der Antike kontinuierliche Landesgeschichte zurechtschustern können. Für das Reich als Ganzes und für viele mittlere und kleinere Reichsstände ist die natio dagegen kein plausibler Integrationsfaktor. Diesen liefern dann tatsächlich und weit über die (bürgerlichen) Eliten hinausgreifend die Reformation und die Konfessionskirchen. Der Ruf, man möge pro patria mori (oder Abgaben entrichten), kann in seiner mangelnden überlokalen Konkretisierung noch nicht ständeübergreifende Loyalitäten wecken, schon gar nicht mit Bezug auf das Reich, aber auch nicht in anderen Ländern, wo die Rede von der einen Nation mit der Reformation hinfällig ist.122 Viel verbindlicher klingt die Verpflichtung, in heilsentscheidenden Glaubensfragen zusammenzustehen. So betrachtet, ist die sogenannte Konfessionalisierung auch eine Reaktion auf strukturbedingte Schwächen der vorreformatorischen, humanistischen Integrationsmodelle. Der Rückhalt nicht in gelehrter Historiographie, sondern in alltäglicher Glaubenspraxis erlaubt es den Obrigkeiten – dem frühneuzeitlichen Staat –, diejenige soziale Kohäsion einzufordern und hervorzurufen, die er für die immer aufwendigere (militärische) Selbstbehauptung benötigt.
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Worin gründete der Erfolg der humanistischen Historiographie?
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»…sine aliquo verborum splendore…«. Zur Genese frühneuzeitlicher Mittelalter-Rezeption im Kontext humanistischer Antike-Transformation: Konrad Peutinger und Kaiser Maximilian I.* UTA GOERLITZ Im Konzeptpapier zur Tagung Humanistische Geschichten am Hof, deren Beiträge dem vorliegenden Sammelband zugrundeliegen, wird als »ein Hauptaugenmerk« der Tagung »die semantische und narrative Konstruktion« der Vergangenheit im Zeitalter des Humanismus benannt.1 Dieses Thema sei ebenso mit Blick auf humanistische Konstruktionsweisen »der antiken«, wie aber auch »der mittelalterlichen Vergangenheit« zu fokussieren. Dabei gelte es, den »verschiedene[n] Modelle[n]« humanistischer Vergangenheitskonstruktion als solchen ebenso Rechnung zu tragen wie den gegebenenfalls unterschiedlichen Modi der Epochenkonstitution in Italien und in Deutschland. Um dieses Ziel der Tagung zu erreichen, sollten nicht zuletzt »einzelne Autoren exemplarisch diskutiert werden.« Der folgende Beitrag greift diese Aspekte auf, indem einige Überlegungen zur Genese frühneuzeitlicher (Früh-)Mittelalterrezeption im Kontext humanistischer Antike-Transformation und zu den Anfängen mediävistischer Editorik dargelegt werden, die sich aus der Beschäftigung mit dem uomo universale Konrad Peutinger aus dem engsten Kreis um Kaiser Maximilian I. ergeben. Mit dem Stichwort ›Mittelalterrezeption‹ ist dabei ein Themenkomplex angesprochen, der _____________ *
1
Für Anregungen habe ich den Diskussionsteilnehmern des Berliner Kolloquiums zu danken, insbesondere Dr. Hans Grünberger (Hamburg), Prof. Dr. Johannes Helmrath (HU Berlin), Prof. Dr. Thomas Maissen (Heidelberg) und Prof. Dr. Wilhelm Schmidt-Biggemann (FU Berlin). Außerdem gilt mein Dank StRin Stefanie Gliwitzky (München), mit der ich einige zentrale Primärtextstellen sowie Übersetzungsfragen im Detail diskutieren konnte. Den Vorgaben des Bandes entsprechend sind sämtliche Zitate aus dem Lateinischen übersetzt, es sei denn, diese werden unmittelbar davor textnah paraphrasiert; wo dies dem besseren Verständnis dient, übersetze ich dabei gegebenenfalls eher frei. – Im Hauptteil des Beitrages greife ich auf eine kürzere Fassung zurück, die ich 2007 auf dem Symposion der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft Kaiser Maximilian I. (1459–1519) und die Hofkultur seiner Zeit, 26.–30.9.2007, in Brixen/Südtirol vorgestellt habe (Goerlitz [2009b]). Soweit nicht anders angegeben, beziehe ich mich hier und im Folgenden auf das von Johannes Helmrath, Albert Schirrmeister und Stefan Schlelein 2007 an die Tagungsteilnehmer versandte unveröffentlichte Konzeptpapier Humanistische Geschichten am Hof. Nation und Land als Transformationen der Antike (Arbeitstitel). 14.–16. Februar 2008, hier insbesondere 2 f. Vgl. nunmehr die Einleitung dieses Bandes.
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in der Humanismusforschung im Vergleich zur Antikerezeption noch immer unterbelichtet ist und mit dem generelle Probleme humanistischer Epochenkonstitutierung in Verbindung stehen. Dazu gehören ebenso Interferenzen zwischen unterschiedlichen Periodisierungsmodellen, die vor der Folie des deutsch-italienischen Kulturwettstreits der Zeit zu sehen sind, wie Fragen zum Konnex zwischen der humanistischen Wiederentdeckung der Antike einerseits und der Konstruktion des ›Mittelalters‹ sowie der dadurch in neuer Weise gegebenen Rezeption mittelalterlicher Schriftsteller andererseits. Das Beispiel des Augsburger Humanisten und Juristen Konrad Peutinger verweist in dieser Hinsicht auf einige Grundfragen, die auch über die Gestalt Peutingers hinaus Relevanz besitzen. Als Ausgangspunkt bietet sich dabei ein bisher noch unbekanntes Stück aus dem Briefwechsel des Augsburger Gelehrten an, in dem zentrale Stichwörter fallen, die weiterweisen. Unter den zahlreichen Handschriften aus dem sogenannten Literarischen Nachlass Konrad Peutingers in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg befindet sich ein lange verschollener Faszikel mit der autographen Aufschrift Carmina ad me.2 Zu seinem Inhalt gehören einige ungedruckte lateinische Briefe und Gedichte des italienischen Humanisten Chrysostomus.3 Chrysostomus preist darin Peutingers Verdienste um die Erforschung der deutschen »vetustas«, die er mit einem zentralen Anliegen des Kaisers Maximilian in Verbindung bringt. Von Bedeutung sind – außer dem Leitwort »vetustas« selbst – insbesondere die in den Briefen fallenden Stichwörter »Germania« und »fera Germaniae pubes« (»die wilde [Krieger-]Schar aus Deutschland«), dann, damit zusammenhängend, das Begriffspaar von »litterae« und »bonae artes« und schließlich die Namen einerseits des Kaisers, »Maximilian«, sowie andererseits des vermeintlichen Urahnen _____________ 2
3
Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, 20 Cod. Aug. 406a. Auf diesen Faszikel stieß ich 1996/97 bei der Beschreibung der Handschriften aus Peutingers sog. Literarischem Nachlass im Rahmen des damaligen München-Augsburger DFG-Projektes Konrad Peutinger: Analyse, Rekonstruktion und Erschließung der humanistischen Bibliothek (federführend: Prof. Dr. Jan-Dirk Müller, München). Während Ludwig Geiger den Faszikel im 19. Jahrhundert noch kannte und daraus einige Gedichte Jakob Lochers abdruckte (Geiger [1886/87]), geriet die Sammlung anschließend in Vergessenheit und war dem Herausgeber des Peutinger-Briefwechsels, Erich König, 1923 bereits nicht mehr bekannt. 1939 gelangte sie aus Privatbesitz an ihren heutigen Aufbewahrungsort. Vgl. auch Goerlitz (2009c), 131 ff. (mit einer Abb. der autographen Titelaufschrift des Faszikels auf 132 und dem Abdruck eines Gedichtes von Simone Gabi gen. Bevilacqua [»Beuelaqua de Turre«] aus der Sammlung auf 165). Chrysostomus, [»Briefe«]. – Möglicherweise handelt es sich bei dem Absender um Chrysostomus Lucanus, einen der Beiträger zu dem 1514 von Hieronymus Gebwiler in Straßburg in zweiter Auflage herausgegebenen Carmen de historia violatae crucis Dietrich Gresemunds des Jüngeren (dazu Goerlitz [2009a], 960, 965 f.). Die einschlägigen biographischen Verzeichnisse wie DBI (1960–[2007]), Cosenza (21962) oder Maillard/Kecskeméti/Portalier (1995) führen in dieser Frage nicht weiter. Aus den in Rede stehenden Briefen und Gedichten des Chrysostomus an Peutinger geht jedenfalls hervor, dass Peutingers gleichnamiger Sohn (Chrysostomus Peutinger, vor 1511–1577) nach dem Verfasser dieser Briefe und Gedichte benannt ist (Chrysostomus, [»Briefe«], fol. 16r). Daraus ergibt sich auch der Terminus post quem der Schreiben, 1511 (zum Terminus ante quem, 1518, vgl. unten bei Anm. 11.
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Maximilians, »Hercules«. Damit wiederum sind die Nennung des Briefadressaten »Peutinger« und die Erwähnung von dessen weithin berühmter »bibliotheca« verbunden.4 In einem der Schreiben, die undatiert sind, bittet Chrysostomus, nachdem er offenbar kurz zuvor bei Peutinger in Augsburg zu Gast gewesen ist, seinen Gastgeber um ein Verzeichnis der berühmtesten Geschlechter Deutschlands.5 Unbedingt wolle er den Stammbaum Kaiser Maximilians kennenlernen, »genus et proavos« der kaiserlichen Maiestät. »Audio enim«, so fügt er hinzu, »Caesarem ipsum genus suum ad Herculem authorem referre«: Der Kaiser, so sei zu hören, führe sein Geschlecht bis auf Herkules zurück. Darüber aber wisse niemand besser Bescheid als Peutinger: »Haec omnia explicare mihi melius quam tu nemo poterit« (»All das wird mir niemand besser erklären können als Du«). Denn Augsburg und ganz Deutschland stünden, so ist von Chrysostomus weiter zu erfahren, in Peutingers Schuld.6 Beiden verleihe der Augsburger Stadtschreiber durch seine altertumskundlichen Arbeiten großen Ruhm. Besonders viel aber verdanke ihm jene »vetustas« selbst, die Peutinger »vor Zersetzung und Verwitterung, ja sogar vor dem Untergang [selbst]« bewahre: Plurimum debet tibi Augusta tua et Germania tota, mi Peutinger humanissime, quas tot pulchris ac miris tum antiquis tum recentioribus rebus magna industria et labore conquisitis ac in unum congestis ornas et decoras ac tua imprimis doctrina et splendore illustras; plurimum vetustas illa, quam temporis rerum omnium edacis diuturnitate corruentem industria tua instauras et a carie ac situ, immo ab ipso interitu revocas.7
Welche Zeiten der italienische Humanist dabei anvisiert, gibt er anschließend zu erkennen, indem er zugleich eine Formulierung des Horaz aufnimmt und neu wendet: Italien habe einst den Erdkreis beherrscht, doch die wilde Schar aus Deutschland, die »fera Germaniae pubes« – gemeint sind die mit den Deutschen gleichgesetzten Germanen der Völkerwanderung mit ihren himmelblauen (»cerulea«) Augen – habe »Italia« den Kriegsruhm entrissen.8 Italien zeichne sich je_____________ 4
5 6 7
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Zitate aus dieser Handschrift sind im Folgenden hinsichtlich der Groß- und Kleinschreibung, der Schreibung von i/j und u/v sowie der Verwendung von diakritischen Zeichen und ebenso der Interpunktion normalisiert, gängige Abkürzungen sind stillschweigend aufgelöst. Vereinzelte Emendationen sind durch Kursivierung gekennzeichnet. Hier und im Folgenden: Chrysostomus, [»Briefe«], fol. 15r. Hier und im Folgenden ebd., fol. 14r–v. »Sehr viel schuldet Dir Deine [Vaterstadt] Augsburg und ganz Deutschland, mein hochgebildeter Peutinger! Du schmückst und zierst sie [beide] durch all die schönen und wunderbaren Dinge aus alter und neuerer Zeit, die Du mit großem Fleiß und [viel] Mühe aufgespürt und zusammengesammelt hast, und nicht zuletzt durch Deine Gelehrsamkeit und [Dein] Ansehen machst Du beide berühmt. Sehr viel schuldet Dir [auch] jenes Altertum, das durch die Dauer der an allem nagenden Zeit zugrundegeht: Du rekonstruierst es mit Deinem Fleiß und bewahrst es vor Zersetzung und Verwitterung, ja sogar vor dem Untergang [selbst].« Ebd., fol. 14r. Man beachte den Parallelismus »Plurimum debet tibi Augusta et Germania tota, […], quas […]; plurimum vetustas illa, quam […].« Vgl. Hor. epod. 16,1–3 u. 7: »Altera iam teritur bellis civilibus aetas,/ suis et ipsa Roma viribus ruit./ quam neque finitimi valuerunt perdere Marsi/ […]/ nec fera caerulea domuit Germania
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doch durch den »principatus litterarum« sowie den »cultus bonarum artium« aus: »[…] Italia mea […] unum tamen illum litterarum principatum et bonarum artium cultum adhuc retinebat.« (»Doch mein Italien hat noch die alleinige, führende Stellung in den Wissenschaften behalten und die Pflege der Schönen Künste [bewahrt]«) Gleichwohl, so gesteht Chrysostomus zu, habe Peutinger die Musen an den »Lycus«, den durch Augsburg fließenden Lech, gebracht, und zwar weniger aus Italien, aus »Latium«, als aus Griechenland selbst, »ex ipso Helicone ac Permessi flumine« (»gerade vom Helikon und vom Fluss Permessus«). Und mit einer in Humanistenkreisen ebenso geläufigen Wendung wie dieser gibt der Italiener der Hoffnung Ausdruck, sein Schreiben möge es wert sein, in einem Winkel der Peutinger’schen »bibliotheca« Platz zu finden, die Chrysostomus in einem begleitenden Gedicht in einem Zuge mit der durch die »cura Peuti[n]geri« (hier: »den Sammeleifer Peutingers«) zusammengetragenen Kunst- und Altertumssammlung des Augsburger Humanisten rühmend hervorhebt.9 Konrad Peutinger erscheint in den zitierten Briefen in doppelter Hinsicht als Erforscher der »vetustas«, die Chrysostomus über den zäsursetzenden Einfall der Germanen in Italien wie die meisten seiner Zeitgenossen nur indirekt in ›Antike‹ und ›Mittelalter‹ unterteilt, noch nicht auch schon terminologisch.10 Ihr Profil gewinnt die Vergangenheit dabei zum einen im Hinblick auf die »Germania« (und kontrastiv dazu auf die »Italia«), zum anderen aber in Bezug auf den Stammbaum des Kaisers Maximilian und dessen Rückführung auf »Hercules«: In beiderlei Hinsicht wird Peutinger als erstrangiger Kenner ausgewiesen, wie es dem Ruf des Augsburger Humanisten bereits zu Lebzeiten entsprach. Gleichzeitig ist mit dem Stichwort »Hercules« ein Anhaltspunkt für den Terminus ante quem – das Jahr 1518 – der an Peutinger gerichteten Worte des Chrysostomus gegeben: Die von Maximilian angeregten Forschungen zahlreicher Literaten über die Genealogie der Habsburger im Kontext seines umfassenden Projektes zur gedechtnus des Herrscherhauses, bei dem Peutinger eine wichtige Rolle spielte, nahmen damals eine neue Richtung.11 Hatte man den Stammbaum der Habsburger zuvor mit Erfolg in Anbindung an die fränkische Trojafabel über die Merowinger auf Priamus und Hektor von Troja zurückgeführt, so plante Maximilian seitdem eine Weiterverlängerung des Stammbaums in die biblische Urzeit. Aus dem Jahr 1518 ist nun _____________ pube/ […]« (Hervorhebung v. d. Verf.); vgl. die Übersetzung von Kytzler (1988): »Die zweite Generation schon reibt sich auf in Bürgerkriegen,/ Rom richtet selber sich durch eigene Kraft zugrund./ Nicht konnten es die nachbarlichen Marser stürzen/ [...]/ weder das wilde Germanien mit seiner blauäugigen Jugend/ noch [...]«. Vgl. auch Goetz, s. v. »caeruleus, caerulus, -a, -um« 3.a., in: Thesaurus Linguae Latinae (2006), III,105,45–55. 9 Chrysostomus, [»Briefe«], fol. 14v. 10 Zur Genese des Mittelalterbegriffs in der Renaissance einschlägig Neddermeyer (1988), hier besonders 101–128 sowie die tabellarischen Übersichten auf 245–265. Der »älteste eindeutige und unabhängige« Beleg aus dem Heiligen Römischen Reich findet sich in der Tacitus-Ausgabe des Beatus Rhenanus von 1519 (»media antiquitas«), vgl. ebd., 105. 11 Vgl. aus der Fülle der Literatur neben den im Folgenden genannten Titeln generell Müller (1982), Sachregister, 417, s. v. »Genealogie«; vgl. auch unten, Anm. 64; sowie den Beitrag von Thomas Maissen in diesem Band.
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ein Stammbaum überliefert, der von Hektor und Priamus weiter zurück bis auf Noah (»Noe«) führt. An vierter Stelle folgt in diesem Stammbaum anschließend, nach »Cham« und »Osiris«, ebenjener von Chrysostomus erwähnte »Hercules Libycus«,12 dessen Figur Maximilian ein beliebtes Modell zur herrscherlichen Selbstdarstellung lieferte.13 Zu dieser Zeit, im Jahr 1518, war Konrad Peutinger (1465–1547) 53 Jahre alt und hatte einen glänzenden Aufstieg hinter sich.14 Peutinger stammte aus einer wohlhabenden Augsburger Kaufmannsfamilie und hatte seine Studienzeit in Basel, außerdem in Padua und Bologna verbracht. Dort sowie bei Aufenthalten in Rom und Florenz kam er mit berühmten Humanisten seiner Zeit in Kontakt. Zurück in Augsburg, wurde er, inzwischen promovierter Jurist, 1497 zum Stadtschreiber auf Lebenszeit ernannt und stand damit an der Spitze der reichsstädtischen Verwaltung. Ein Jahr später begann sich sein Kontakt- und Einflussradius durch die Heirat mit Margarethe Welser aus dem gleichnamigen großen Augsburger Handelshaus nochmals beträchtlich zu erweitern. Als Stadtschreiber vertrat Peutinger Augsburg in den folgenden Jahrzehnten in wichtigen politischen und wirtschaftlichen Fragen. Zugleich war er ein gesuchter Gutachter auch anderer oberdeutscher Reichsstädte. In dieser Position machte er die nähere Bekanntschaft mit Kaiser Maximilian I., den er seit längerem persönlich kannte und der ihn nun mit zahlreichen politischen und diplomatischen Missionen betraute. Schon bald wurde Peutinger zum kaiserlichen Rat ernannt. In Maximilian I. fand der Augsburger Gelehrte einen Förderer, der seine Interessen an der vetustas grundsätzlich teilte, so dass zuerst Paul Joachimsen einmal treffend formuliert hat, Peutinger sei für den Kaiser das »historische Orakel«15 seiner Zeit schlechthin gewesen; zu den Fragen, die Maximilian an seinen geradezu freundschaftlich mit ihm verbundenen Rat herantrug, gehörte so etwa auch die Bestimmung alter Münzen, darunter einer Münze mit dem Abbild des »Hercules«.16 Der Augsburger Stadtschreiber nutzte seinen Einflussradius, wo immer er konnte, um seine gelehrten Interessen zu vertiefen. Über Jahrzehnte hin trug er auf diese Weise die wohl reichhaltigste Privatbibliothek seiner Zeit nördlich der Alpen zusammen und wurde darüberhinaus als Sammler von Altertümern aller Art bekannt, angefangen mit Münzen über Inschriften bis hin zu Kunstdenkmälern. Seine Forschungen galten dabei nicht nur bekanntermaßen der Antike, sondern im besonderen auch dem Mittelalter. Deutlich wird das bereits in seinem spätestens 1503 begonnenen Kaiserbuch und den zugehörigen Materialsamm_____________ 12 Grundlegend: Laschitzer (1888), 39, Stammbaum Nr. 19; Lhotsky (1971), 68 ff., 99; Althoff (1979). 13 Zu diesem Aspekt vgl. vor allem Bruck (1953), McDonald (1976), Braungart (1991), 77–85, außerdem Müller (1982), 234–238, 265 f. 14 Zu Peutingers Biographie vgl. hier und im folgenden außer König (1914) im besonderen Lutz (1958); weitere Literaturhinweise zuletzt bei Goerlitz (2009c) und (2010). 15 Joachimsen (1968 [1910]), 205; ähnlich später auch König (1914), 15. 16 Vgl. insbesondere Giehlow (1903/04), außerdem hier auch König (1914), 15 mit Anm. 2; Bruck (1953), 193 f.; Helmrath (2009), 124 ff.
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lungen in seinem sog. Literarischen Nachlass. Es handelt sich um eine nie vollendete Geschichte der Römischen Kaiser (einschließlich der unrechtmäßigen Herrscher), die von Caesar über Karl den Großen bis zu Maximilian reichen sollte.17 Peutinger suchte für seine Darstellung systematisch alle Quellen zusammenzutragen, die ihm erreichbar waren – darunter auch zahlreiche Urkunden des Mittelalters –, was ihm in der Forschung den Titel des »größten Sammlers und Kenners historischer Quellen im deutschen Humanismus«18 eintrug. Auch dem Kaiser war an dem Projekt eines Kaiserbuches sehr gelegen. Dessenungeachtet ging es Peutinger nicht primär um eine pragmatische Aneignung der Vergangenheit und ebensowenig um – wie man es als das eigentliche Anliegen Maximilians erkannt hat –19 Sammeln zum Zweck von Herrscherlob und Stabilisation gegenwärtiger Herrschaft sowie zur Legitimation des kaiserlichen Führungsanspruchs für die Zukunft. Im Ziel steht bei ihm vielmehr ein neu perspektiviertes Erkenntnisinteresse, das die historische Distanz markiert und ebendadurch den Blick vermehrt von der Antike auch auf das Mittelalter im Sinne der von den italienischen Humanisten ins Spiel gebrachten Epochentrias richtet. Obgleich die humanistische Wiederentdeckung der Antike die Abgrenzung des Mittelalters wenn nicht terminologisch, so doch der Sache nach voraussetzt, wird dieser Aspekt zumeist übersehen. Zeigen lässt sich dieser Perspektivenwechsel insbesondere anhand der von Peutinger unter Beteiligung des Johannes Stabius besorgten Ausgabe der Geschichtsschreiber der Goten und Langobarden, Iordanes und Paulus Diaconus, die 1515 in Augsburg erschien.20 In der vorangestellten Widmung an den kaiserlichen Rat Graf Hieronymus von Nogarola verweist Peutinger zunächst generell darauf, dass es dem Ansporn Maximilians I. zu verdanken sei, wenn viele Bücher und insbesondere in Vergessenheit geratene historische Werke, an denen der Kaiser die größte Freude habe – »his enim maxime delectatur« –, wieder ans Licht geholt würden.21 Anschließend stellt er die von ihm edierten Geschichtswerke der Goten und der Langobarden näher vor und geht dabei explizit auf deren Wert für die frühe deutsche Geschichte ein. Indem er wie seine humanistischen Zeitgenossen Germanen und Deutsche gleichsetzt, betont er, dass sowohl die Langobarden als auch die Gothen »Germani« gewesen seien: »Langobardi et ipsi [sc. Gothi] Germani fuerunt«. Gleichzeitig hebt Peutinger hervor, dass das »regnum« (»die Herr_____________ 17 Grundlegend, wenngleich modifizierungsbedürftig, immer noch Joachimsen (1968 [1910]), 205–209, 291–293, sowie König (1914), 43–60. Vgl. im obigen Kontext auch Muhlack (1991), 381, 386–388. 18 Muhlack (1991), 386. 19 Vgl. Müller (1982), 81; Scholz-Williams (1986), 36. 20 [Iordanes], De rebus Gothorum. Vgl. das Druckprivileg Maximilians I., datiert Freiburg, 1511, März 1, das den Anteil Peutingers an der Ausgabe hervorhebt (ebd., fol. [A]v). – Bei Zitaten aus frühen Drucken sind gängige Abkürzungen stillschweigend aufgelöst. 21 Soweit nicht anders angegeben wird hier und im Folgenden zitiert und paraphrasiert: Konrad Peutinger, »Widmungsbrief an Graf Hieronymus von Nogarola (datiert Augsburg, 1515, Februar 28)« (in: [Iordanes], De rebus Gothorum, fol. Aijr–v), ediert in: Peutinger, Briefwechsel, Nr. 156, S. 253–257 (zitiert hier 254).
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schaft«) dieser »Germani« in Italien keineswegs »crudele« (»grausam«) oder »intolerabile« (»unerträglich«) gewesen sei, im Gegenteil: »nam et scelera seuerissime vindicabant, et omnia domui et foris tuta et secura continebant« (»Denn sie bestraften Verbrechen mit größter Strenge und sorgten sowohl im Innern wie nach außen für Schutz und Sicherheit«). Allerdings dürfe man sich nicht wundern, wenn sowohl Paulus (Diaconus) als auch Iordanes nur die nackten Tatsachen (»nudae res ipsae«), ohne irgendwelchen rhetorischen Schmuck, festgehalten hätten. Denn was sei anderes von den Menschen jener Zeiten zu wünschen, als dass sie sich an die Überlieferung der wahren historischen Begebenheiten (»verae historiae traditio«) gehalten hätten: Quare non mirum, si nudas res ipsas sine aliquo verborum splendore posuerunt: neque aliud quicquam ab hominibus illius temporis desiderandum fuit praeter verae historiae traditionem.22
Schließlich sei die Sprachkunst Roms (»lingua Latialis«) damals ebenso darniedergelegen wie Rom selbst,23 und in diesem Zusammenhang verwendet Peutinger ausdrücklich eine Formulierung, die aufhorchen lässt: »res Romanae declinare coeperunt« (»[Damals] begann der Niedergang der römischen Herrschaft«). Was damit genau gemeint ist, wird in einer meist übersehenen kleinen Abhandlung Peutingers deutlich, die sich in demselben Druck im Anschluss an die Gotengeschichte des Iordanes findet, bevor die Geschichte der Langobarden des Paulus Diaconus folgt. Sie trägt den Titel De inclinatione Romani imperii et exterarum gentium, praecipue Germanorum conmigrationibus epitome und präsentiert einen Teilertrag des Kaiserbuches.24 Peutinger greift im Titel der Abhandlung mit der Wendung »De inclinatione Romani imperii« (»Über den Niedergang des römischen Reiches«) eine Terminologie auf, die dem historiographisch bewanderten Literaten im Zeitalter Maximilians bekannt vorkommen musste. Zugleich weist die nachfolgende Phrase »et exterarum gentium, praecipue Germanorum conmigrationibus« (»und über die Wanderzüge der nicht-römischen Völker, insbesondere [die] der Germanen«) voraus auf diejenige Arbeit, die das Thema von Peutingers Abriss rund vierzig Jahre später zum Programm erheben und als umfassende Geschichte der »Völkerwanderung« in zwölf Büchern großen Erfolg haben sollte: auf De gentium aliquot migrationibus libri XII des kaiserlichen Hofhistoriographen Wolfgang Lazius.25 _____________ 22 »Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn sie [nur] die nackten Tatsachen ohne irgendwelchen rhetorischen Schmuck festhielten: Und folglich ist von den Menschen jener Zeit auch nichts anderes zu wünschen als [nur] die Überlieferung der wahren historischen Begebenheiten.« Ebd. 23 Vgl. den Wortlaut ebd., 256: »[…] eo tempore, quo Latialis [»von Latium«] lingua una cum rebus ipsis [i. e. »res Italiae« bzw. »res Romanae«] iam interierat« (»zu dieser Zeit, in der die Sprachkunst Roms zusammen mit der römischen Herrschaft bereits untergegangen war«). 24 Die Abhandlung befindet sich in: [Iordanes], De rebus Gothorum, fol. [Dv]r–v; auf den Bezug zum Kaiserbuch hat am Rande bereits König (1914), 25, 48, hingewiesen. 25 Die Editio princeps erschien 1557 in Basel (VD16 L 849), zwei weitere Auflagen folgten noch im 16. Jahrhundert (Basel 1572, Frankfurt am Main 1600, VD16 L 850–L 851).
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Auf diese Zeit der »Germanorum conmigrationes« und der »inclinatio Romani imperii« spielte, wie weiter oben angedeutet, auch der italienische Humanist Chrysostomus in dem anfangs zitierten Schreiben aus Peutingers Sammlung Carmina ad me an, wenn er den Rang seiner Heimat als Pflegestätte der »bonae artes« hervorhebt und dem den Verlust des einstigen Kriegsruhms entgegensetzt, den die »cerulea et fera Germaniae pubes« Italien zugefügt habe.26 Von der Sache her ruft auch Chrysostomus damit genau jene Trias von Antike, Mittelalter und Neuzeit auf, die (ohne auch schon eine ausgeprägte Terminologie zu verwenden) zuerst Petrarca zum Thema machte, indem er sich in die Nachfolge des klassischen Altertums stellte und dieses von der »dunklen«, weil an vergleichbaren, »illustren« Autoren armen Zeit danach absetzte.27 Petrarcas Periodisierung war eine literarhistorisch-kulturgeschichtliche, noch nicht auch eine allgemein-historiographische. Als solche etablierte sie sich erst nach und nach nicht zuletzt im Gefolge der Decades des päpstlichen Notars und apostolischen Sekretärs Flavio Biondo aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, wobei aber der literatur- und kulturgeschichtliche Ausgangspunkt noch lange präsent bleiben sollte.28 Biondo ist der erste humanistische Altertumsforscher und Historiograph, der den Untergang Roms zum Ausgangspunkt einer historischen Darstellung macht. Er datiert ihn auf die Eroberung der Stadt durch Alarich und die Westgoten im Jahr 412 (eigentlich: 410) und legte mit seinen Historiarum ab inclinatione Romanorum imperii decades auf diese Weise die erste humanistische Geschichte des Mittelalters vor. Biondos Decades sind »zugleich das erste Werk der allgmeinen Geschichte überhaupt, das auf der Trias Altertum, Mittelalter, Neuzeit aufbaut«,29 indem der tausendjährige Zeitraum von 410/412 bis 1410 vom vorhergehenden römischen und nachfolgenden gegenwärtigen Zeitalter aufgrund quellenkundlich-literatur- und kulturhistorischer Kriterien abgegrenzt wird. Erstmals 1483 zum Druck gelangt, sollten die Decades größten Erfolg erzielen. Dazu trug insbesondere die stilistische und zugleich kürzende Bearbeitung durch die berühmte humanistische Leitgestalt Enea Silvio Piccolomini bei, die den Blick noch verstärkt auf das Mittelalter konzentriert.30
_____________ 26 Chrysostomus, [»Briefe«], fol. 14r–v, hier fol. 14r. Vgl. oben bei Anm. 8 f. 27 Neddermeyer (1988), 101 f.; vgl. auch Keßler (1978), 37–40 mit Anm. 49 auf 219. 28 Vgl. insbesondere Muhlack (1991), 164–170, außerdem in diesem Kontext Neddermeyer (1988), 15–20. Zur generellen Einordnung sowie zu Bezügen zwischen Biondo und Leonardo Bruni vgl. in letzter Zeit etwa Fubini (2003), 21–26. 29 Muhlack (1991), 166. 30 [Enea Silvio Piccolomini], »Supra decades Blondi epitome«. Die epitome umfasst nur die beiden ersten der drei beziehungsweise vier Dekaden (die vierte, auf die Jahre 1440/1441 bezogene Dekade blieb unvollendet) und macht dadurch das Mittelalter vollends zu ihrem Gegenstand, vgl. besonders Hay (1959). – Zu den Rezipienten der Decades des Biondo gehört insbesondere auch Beatus Rhenanus, vgl. im obigen Zusammenhang Muhlack (1991), 102 f., 170 f. und öfter; neuerdings Mundt (2008), 491–493; sowie oben Anm. 10.
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Konrad Peutinger, in dessen Bibliothek sich sowohl Drucke der Decades des Biondo wie auch der Epitome des Enea Silvio Piccolomini befanden31 – er zitiert sie in seinen Schriften als »Blondus Ab inclinatione imperii […]«32 –, setzt mit seiner Abhandlung De inclinatione Romani imperii […] über den Niedergang Roms und die Völkerwanderung sowie mit der zugehörigen Doppelausgabe des Iordanes und des Paulus Diaconus an genau dieser Stelle an. Die italienischen Humanisten machten den Vorfahren der Deutschen, wie auch bei Chrysostomus anklang, den Vorwurf, die kulturelle Blüte des alten Rom zerstört zu haben. Mit der Fokussierung des Untergangs der Antike war jedoch auch die Frage nach dem Mittelalter und dessen Anfängen aufgeworfen.33 Die Völkerwanderungszeit bildet infolgedessen den eigentlichen Kristallisationspunkt, von dem aus über die inclinatio Roms reflektiert wurde; dadurch war zugleich der Blick auf das Mittelalter freigegeben. »Von diesem epochalen Wendepunkt aus wurde dann nach den Germanen auch während des Altertums gefragt, trat die Suche« nach der vetustas der Germania ein »in das Spannungsfeld von Mittelalterrezeption und Wiederentdeckung der Antike«.34 Die in doppelter Hinsicht einerseits auf die klassische Antike, andererseits auf die Gegenwart der Renaissance behauptete obscuritas des später so benannten Mittelalters im Sinne eines Mangels an ›Glanzlichtern‹ unter den Schriftstellern und Gelehrten wurde damit zugleich zum Auslöser für eine nähere Beschäftigung mit ebenjener ›dunklen‹ Zeit. In dem Maße, in dem das Mittelalter zum Gegenstand historisch-philologischen Interesses wurde, entdeckte man auch seine Schrifsteller neu. Am Anfang mediävistischer Editorik im Zeitalter des Humanismus stehen in Deutschland so bekannte Editionen wie die 1501 erschienene Ausgabe der von Konrad Celtis wiederaufgefundenen Opera der Hrotsvitha von Gandersheim, deren Latinität man hervorhob,35 oder wie die 1507 unter maßgeblicher Beteiligung Konrad Peutingers besorgte Edition des Hexameter-Epos Ligurinus des Dichters Gunther über die Taten Kaiser Friedrich Barbarossas.36 Beides – Gunthers Ligurinus, dem Peutinger mit Blick auf die genealogischen Interessen Kaiser Maximilians eine kleine Abhandlung zu Barbarossas Stammbaum beigab,37 ebenso wie die Werke _____________ 31 Vgl. im einzelnen Künast/Zäh (2003/05), Register, s. v. 32 Zum Beispiel zitiert Peutinger Biondos Decades in seinem Brief an den ferraresischen Gesandten Matteo Casella von 1530 (Augsburg, Sommer/Herbst). Peutinger stellt darin im Kontext des seinerzeit beim Kaiser anhängigen Streites zwischen Herzog Alfonso von Ferrara und Papst Clemens VII. um den Besitz von Modena und Reggio einschlägige »authores vetusti« und »recenciores« zusammen (Peutinger, Briefwechsel, Nr. 280, S. 446–458, hier 448 bzw. oben im Fließtext 456). 33 Dazu, auch im folgenden, Goerlitz (2007), 299–315. 34 Ebd., 309 f. 35 [Hrotsvitha von Gandersheim], Opera; vgl. Hartmann (2003). 36 [Guntherus], Ligurini de gestis Friderici primi libri decem. Vgl. zur Edition Assmann in seiner Einleitung zur Ausgabe von 1987 (Guntherus Poeta, Ligurinus), vor allem 2–32, zum Zustandekommen der Edition im Kontext humanistischer Sodalitätenbildung Müller (1997), 180 ff. 37 Peutinger, »De ortu genere et posteris Imperatoris Caesaris Friderici primi«; gleichzeitig machte Peutinger mit dem Druck des Ligurinus einem breiten Leserkreis die wichtigsten Daten über
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der Hrotsvitha – verzeichnet der Augsburger Humanist in seinen Bibliothekskatalogen in der Rubrik »Historiae«:38 Es sind Werke, die kulturelle Höhepunkte markieren und beweisen sollten, dass auch die deutsche Vergangenheit ihre bedeutenden Schriftsteller, ihre viri illustres, hatte. Aus einem vergleichbaren Anliegen heraus hatte der Sponheimer Benediktinerabt Johannes Trithemius (1462–1516) bereits 1495 auf Betreiben Jakob Wimpfelings einen Catalogus illustrium virorum Germaniae zusammengestellt, um genau dies aufzuzeigen: dass man »Germaniam nostram« (»unser Deutschland«) eben nicht wie so mancher als »quasi sterilem et bonis artibus vacuam« (»gleichsam unfruchtbar und bar aller Schönen Künste«) geringschätzen könne.39 Auch Trithemius war ein Gelehrter im Einflussbereich des Kaisers, der an der Wiederentdeckung mittelalterlicher Schriftsteller beteiligt war, und namentlich Peutinger setzte sich dafür ein, ihn nach Augsburg zu holen und für die Mitwirkung an der Edition mittelalterlicher Geschichtsschreiber zu gewinnen, was im zuletzt genannten Fall auch gelang.40 Trithemius lässt den Catalogus illustrium virorum Germaniae im 4. Jahrhundert n. Chr. beginnen und konzentriert sich ausschließlich auf christliche Schriftsteller der »Germania«. Es handelt sich dadurch in weiten Teilen gleichsam um die »erste deutsche Literaturgeschichte«.41 Indem sie bis in die Gegenwart geführt ist, wird die implizite Epochengrenze des Mittelalters überspielt. Dennoch stellt der Katalog in seinem Versuch einer Abwehr des italienischen Barbarenverdikts eine Reaktion auf dieses dar und damit auf das diesem zugrundeliegende, literatur- und kulturgeschichtliche triadische Epochenschema.
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Leben und Werk Ottos von Freising bekannt, dessen Gesta Friderici I. imperatoris er zu edieren beabsichtigte (Konrad Peutinger, »Brief an Kaiser Maximilian [Augsburg, 1507, April]«, in: [Guntherus], Ligurini de gestis Friderici primi libri decem, fol. Mi r–Mii r, neu ediert in: Peutinger, Briefwechsel, Nr. 52, S. 84–86). Vgl. König (1914), 24 f.; Schürmann (1986), 106–111. Peutinger, [»Katalog I. Fachkatalog der nicht-juristischen Bücher«], in: Künast/Zäh (2003), Bd. 1, 625 (»Rosuitha«, Signatur »B 89«) und 630 (»Historia Friderici Aenobarbi«, Signatur »BB 10«). Bibliographische Angaben ebd., Nr. 416.3, S. 362 f. [Hrotsvitha von Gandersheim], und Nr. 565, S. 438 [Guntherus, Ligurini de gestis Friderici primi libri decem]. Trithemius, Cathalogus illustrium virorum germaniam [...] exornantium [...] (im Folgenden nach der Ausgabe von Freher zitiert als Trithemius, Catalogus illustrium virorum Germaniae). Unter den Beischriften befindet sich der zitierte Brief des Trithemius an Jakob Wimpfeling, datiert Sponheim, 1491, Februar 2 (Zitat: Wimpfeling, Briefwechsel, Teilbd. 1, Nr. 23, S. 163– 166, hier 165). Vgl. Arnold (1991), 132–137. Maximilian hatte Trithemius 1507, nach dessen Weggang aus Sponheim, auf Betreiben des Celtiskreises durch Vermittlung Peutingers ein besoldetes Gelehrtenleben in Augsburg angeboten, was der Benediktinerabt unter Verweis auf die monastische Lebensform jedoch ausschlug. Gleichzeitig erklärte er sich Peutinger gegenüber dessenungeachtet dazu bereit, sich an der von Maximilian geplanten »chronicorum aeditio« zu beteiligen. Vgl. den in Würzburg datierten Brief des Trithemius an Peutinger vom 6. September 1507, in: Peutinger, Briefwechsel, Nr. 53, S. 86–88, hier 88, und dazu Arnold (1991), 167 f.; vgl. zum Kontext Müller (2006), insbesondere 200 f. Arnold (1991), 132 (Kursivierung innerhalb des Zitates durch die Verfasserin).
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Aus dieser Konstellation resultiert eine Überlagerung von dreistelligem und zweistelligem Epochenschema, die für viele frühneuzeitliche Vergangenheitskonstruktionen bezeichnend ist. Im ersten Fall erhält das Mittelalter in literatur- und kulturhistorischer Hinsicht, ursprünglich abwertend, epochalen Charakter, im zweiten hingegen bleibt es (als Epoche) ausgeblendet zugunsten einer dichotomischen Entgegensetzung von Gegenwart und Vergangenheit mit variabler Abgrenzung: sei es, dass die Abgrenzung primär über die Opposition ›heidnischbarbarisch‹ versus ›christlich‹ erfolgt, wie es Enea Silvio Piccolomini in seiner einflussreichen, unter dem Titel Germania bekannt gewordenen Entgegnung auf die Gravamina der deutschen Nation gegen die ausbeutende Finanzpolitik der römischen Kurie nahelegte, in der er die von Rom christianisierte, in der Gegenwart blühende und finanzkräftige »nova Germania« mit ihrer rauhen heidnischen Vorzeit, der »vetus Germania«, kontrastiert; oder sei es etwa, dass die entscheidende Zäsur zunächst politisch gefasst und entsprechend dem tradierten mittelalterlichen Schema der translatio imperii beim Kaisertum Karls des Großen angesetzt wird, den die deutschen Humanisten programmatisch zum »Deutschen« erklärten und damit zu einem frühen Höhepunkt »deutscher« Macht und ebenso Kultur.42 Es kann daher nicht verwundern, dass Karl auch im Katalog der berühmten Schriftsteller Deutschlands des Abtes Trithemius einen herausragenden Platz einnimmt, habe der Kaiser sich doch, so Trithemius, um die »artes liberales« und insbesondere um die deutsche Sprache verdient gemacht, so dass er in keiner Weise in einem derartigen Katalog fehlen dürfe: nequaquam a catalogo illustrium virorum germaniae rejiciendus. Enimuero artes liberales studiosissime coluit […]. Inchoauit etiam grammaticam patrij sermonis videlicet theutonici siue alemanici, quam alijs occupatus finire non potuit.43 Huius grammaticae fragmenta vidi et etiam quaedam volumina secundum eiusdem regulas composita, de quibus in sequentibus mentio fiet, cum ad Otfridum Wissenburgensis coenobij monachum peruenerimus. Multa quoque ad eius iussionem volumina per diuersos edita sunt, quae suis auctoribus relinquimus.44
_____________ 42 Vgl. hier insbesondere Worstbrock (1965), ders. (1974), Muhlack (1991), 163 ff., 202 ff., Mertens (1992), ders. (1998), Münkler/Grünberger/Mayer (1998), 175–209, Goerlitz (1999a), Jaumann (1999), Robert (2002). 43 Die Erläuterung bezieht sich auf Einhard, Vita Karoli Magni, 29: »Inchoavit et grammaticam patrii sermonis« (»Außerdem begann er mit einer Grammatik seiner Muttersprache«, hier nach der Übersetzung von Scherabon Firchow [1981], 59). 44 »Keineswegs darf man ihn von einem Katalog der berühmten Persönlichkeiten Deutschlands ausschließen. Er trug nämlich mit größtem Interesse Sorge für die freien Künste. [...] Auch begann er mit einer Grammatik seiner Muttersprache, das heißt der deutschen Sprache, die er, von anderen Dingen beansprucht, nicht zum Abschluss bringen konnte. Fragmente dieser Grammatik habe ich gesehen und ebenso einige Schriften, die nach den Regeln derselben verfasst sind. Dies wird im folgenden Erwähnung finden, wenn wir auf den Mönch Otfrid aus dem Kloster Weißenburg zu sprechen kommen. Ebenso wurden auf seine [i. e. Karls] Veranlassung durch verschiedene [Gelehrte] viele Schriften herausgebracht; diese überlassen wir ihren Verfassern [d. h. ihre Abhandlung erfolgt in den Abschnitten zu den jeweiligen Verfassern].« Trithemius, Catalogus illustrium virorum Germaniae, 125. Zu dem irreführendem Hinweis des Trithemius
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Seinen Ausführungen entsprechend, hebt Trithemius auf den folgenden Seiten frühmittelalterliche Autoren wie Einhard, Hrabanus Maurus, Walahfrid Strabo oder Otfrid von Weißenburg hervor. Die monastische Kultur der vergangenen Zeit wird für den Benediktinerabt zum Vorbild,45 und er ist der erste, der Otfrid für seine Zeit wiederentdeckt.46 Trithemius preist ihn wegen seiner Verdienste um den rechten Gebrauch der deutschen Sprache, nicht ohne hinzuzufügen, dass Otfrids Werke in der Gegenwart allerdings nur noch schwer zu verstehen seien: »multa et miranda lingua materna […] composuit metro seu carmine, quae nemo facile nostra aetate legere et intelligere potest, quantumcunque sermonis nostri peritus […].«47 (»Er verfasste in seiner Muttersprache viele großartige Werke in Vers- beziehungsweise Gedichtform, die heutzutage allerdings auch ein noch so guter Kenner unserer Sprache nicht ohne weiteres lesen und verstehen kann […]«). Dass Trithemius explizit auch auf deutschsprachige Werke hinweist, ist ebenso singulär in seinem Katalog wie aber auch bezeichnend.48 Wenngleich der Abt _____________
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auf Karls Projekt zur grammatischen Regulierung seiner Muttersprache vgl. Kössinger (2009), 6, Anm. 16: »Im Cathalogus [...] wird aus den bloßen Plänen [Karls des Großen] eine in Handschrift vorliegende Grammatik, die Trithemius selbst gesehen haben will.« Arnold (1991), 134, 151 f., 158. Grundlegend Hellgardt (1989); vgl. außerdem ders. (2008) sowie v. a. Kössinger (2009), besonders 3–8, 21–32. Trithemius, Catalogus illustrium virorum Germaniae, 127. Im Zusammenhang: »Ex eo volumine quo Carolus Imperator quondam magnus barbariem theutonicae nostrae linguae ad regulas inchoauit reducere grammaticales edoctus, multa et miranda lingua materna secundum easdem regulas composuit metro seu carmine, quae nemo facile nostra aetate legere et intelligere potest, quantumcunque sermonis nostri peritus: quippe cum sermo ille regulatus a nostro plus differat, quam Ethruscus a latino. Mirabile tamen est et lectione dignum quicquid vir iste composuit, dum in theutonico sermone regulas posuit, et quasi in versibus pedes et numeros custodiuit.« (»In Anlehnung an jenes Werk, in dem einst Kaiser Karl der Große als erster daranging, unsere damals noch ungeformte und nicht literaturfähige deutsche Sprache in ein System grammatikalischer Regeln zu bringen, verfasste er unter Beachtung ebendieser Regeln in seiner Muttersprache viele großartige Werke in Vers- beziehungsweise Gedichtform, die heutzutage allerdings auch ein noch so guter Kenner unserer Sprache nicht ohne weiteres lesen und verstehen kann, denn diese nach Regeln gestaltete Sprache unterscheidet sich von unserer jetzigen stärker als das Etruskische vom Latein. Gleichwohl ist bewunderns- und lesenswert, was dieser Mann schuf, weil er damit in der deutschen Sprache [orthographische und grammatikalische] Regeln aufstellte und in seiner Verstechnik in gewisser Weise metrische und rhythmische Gesetze befolgte.«). Vgl. auch den entsprechenden Abschnitt zu Otfrid von Weißenburg in Trithemius’ ein Jahr früher erschienenem Liber de scriptoribus ecclesiasticis (1494) (Trithemius, »Otfrid«, Nr. I u. II, 10–16; danach, Nr. II, 15, auch die obige Übersetzung des zitierten Abschnittes aus dem Catalogus, der hier mit dem Liber identisch ist; vgl. Hellgardt [1989], 357 f. und v. a. Kössinger [2009], 3–7). – Die von Trithemius erwähnte Schwierigkeit, Otfrids Evangelienbuch (aus dem Trithemius einzelne Teile als separate Werke verzeichnet) lesen zu können, ist auf »die Lektüre und Aussprechbarkeit (›legi‹), nicht die Leserlichkeit der karolingischen Minuskel« zu beziehen (Kössinger [2009], 6). Lesen dürfte dabei »im Sinn von pronunciatio aufzufassen« sein (ebd., Anm. 17). In anderen Fällen beschränkt Trithemius sich auf generelle Hinweise, so z. B. bei Williram von Ebersberg, dessen ursprünglich auf Lateinisch und Deutsch angelegtes, später allerdings teils
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in besonderer Weise als eine vom Humanismus geprägte Gestalt ›zwischen den Epochen‹ gilt (die allerdings gerade aufgrund ihrer Ambivalenz spezifisch ›frühneuzeitliche‹49 Züge aufweist),50 bestätigt sich darin die generelle Beobachtung, dass die gezielte Recherche der Humanisten nach vergessenen Autoren der ›dunklen‹ Zeiten in mehrfacher Hinsicht zu deren Um- und in der Folge Aufwertung führte: Solange die Antike zum alleinigen Maßstab erhoben wurde, galten unklassisches Latein und Volkssprache gleichermaßen als Ausdruck mangelnder Gelehrsamkeit. In dem Augenblick aber, in dem mit dem Niedergang Roms beziehungsweise mit der – noch einmal in den Worten Konrad Peutingers – »inclinatio Romani imperii« zugleich die Völkerwanderung, die »Germanorum conmigrationes«, in den Fokus geriet51 und dadurch der Blick auch auf das Mittelalter grundsätzlich geöffnet war, änderte sich sukzessive auch die Einstellung gegenüber denjenigen Schriftstellern, die über die neu entdeckte Epoche Auskunft gaben und in ihr tätig waren. Eine Aufwertung der Schriftsteller jener Zeiten resultierte in Deutschland zumal aus der Umdeutung des von italienischer Seite vorgebrachten Barbarentums der völkerwanderungszeitlichen Germanen in Kriegstüchtigkeit. In der zitierten Widmung Peutingers zu seiner Ausgabe des Iordanes und des Paulus Diaconus tritt diese Aufwertung deutlich zutage: Wie zu sehen, entschuldigt Peutinger das schlichte Latein der beiden frühmittelalterlichen Geschichtsschreiber der Goten und Langobarden nicht nur, sondern er stellt eine Parallele von ungekünstelter Sprache und »nackter« Tatsachenwahrheit her.52 Damit korrespondiert seine Editionstechnik, die Vorbehalte gegenüber der Sprache der edierten Werke aufgibt und am Ende der Edition genauestens die Errata auflistet.53 Dem entsprechen aber auch Peutingers Anstrengungen, alle erreichbaren Materialien zu der solchermaßen neue Konturen gewinnenden ›deutschen‹ vetustas seit dem Nieder_____________
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nurmehr in lateinischer Sprache überliefertes »opus metro et prosa mixtum super cantica canticorum« (»Werk, gemischt in Vers und Prosa, über das Hohelied«) (Expositio in Cantica Canticorum) im Catalogus illustrium virorum Germaniae ebenfalls verzeichnet ist (ebd., 134). Der hier zugrundegelegte Frühneuzeit-Begriff verdankt sich den Überlegungen des Münchener DFG-Sonderforschungsbereiches Pluralisierung und Autorität in der Frühen Neuzeit (15.–17. Jahrhundert), der gängige Grenzziehungen zwischen ›Mittelalter‹ und ›Neuzeit‹ programmatisch vermeidet, um stattdessen mit einem demgegenüber offeneren Frühneuzeit-Begriff zu arbeiten, der die Ambivalenzen und Widersprüche des 14. bis 18. Jahrhunderts als kennzeichnend begreift. Er umspannt weite Teile des üblicherweise noch dem Spätmittelalter zugerechneten Zeitraums daher mit und fasst »die Frühe Neuzeit […] als eine Epoche, die einerseits noch von den Traditionsvorgaben des Mittelalters abhängig ist, andererseits aber die Voraussetzungen für den Übergang ›Alteuropas‹ zur Moderne schafft.« (Oesterreicher/u. a. [2005], 4). Dazu insbesondere Müller (2002); vgl. im weiteren Kontext des Verhältnisses zwischen Humanismus und Kloster auch ders. (2006). Vgl. die entsprechenden Formulierungen von Peutinger, »De inclinatione Romani imperii«, fol. [Dv]r–v. Wie oben im Fließtext nach Anm. 21. Vgl. zu dem beschriebenen Öffnungsprozess gegenüber mittelalterlicher Latinität und Volkssprache im Kontext der zeitgenössischen Imitatio-Debatte richtungweisend Müller (1999), der auch den im obigen Zusammenhang ausgeklammerten Aspekt der humanistischen Rezeption mittelalterlicher Philosophie und Theologie anspricht.
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gang Roms in seiner großen Bibliothek zu sammeln. Das gilt nicht nur für die frühesten Drucke mittelalterlicher Autoren, die der Augsburger Humanist sich nach Möglichkeit stets sogleich besorgte, sondern auch für schwer zugängliche Handschriften: Die Zusammenstellung seines »thesaurus rerum Germanicarum« (»Schatzkammer zur deutschen Geschichte«) verursache, so betont er beispielsweise 1513 gegenüber dem Humanisten und Theologen Georg Spalatin, nicht nur hohe Kosten, sondern erfordere auch einen erheblichen Zeitaufwand: »Haec omnia non sine impensa magna et tempore etiam longo exscribi possent«54 (»Das alles könnte nicht ohne hohe Kosten und großen Zeitaufwand abgeschrieben werden [sc. für Spalatin bzw. Kurfürst Friedrich den Weisen von Sachsen]«). Zu den Bücherschätzen, die Peutinger besaß, gehörte unter anderem die Vita Karoli Einhards in einer Abschrift (zusammengebunden mit Exzerpten aus den Gesta Karoli imperatoris des Notker Balbulus), die aufgrund einer Vorlage aus Tegernsee entstand, und man weiß, dass Peutinger weitere Einhard-Handschriften in Klosterneuburg und in St. Ulrich und Afra in Augsburg eingesehen hatte.55 Nach einer Vorlage aus Kloster Petershausen bei Konstanz ließ er die Annales Laureshamenses sowie die Annales regni Francorum abschreiben.56 Die Reihe ließe sich fortsetzen: Hrabanus Maurus, Walahfrid Strabo, Regino von Prüm und andere sind in Peutingers Bibliothek und im dazugehörigen sog. Literarischen Nachlass versammelt und ausgewertet. Gleichzeitig trug der Augsburger Humanist zu den Ausgaben anderer zeitgenössischer Gelehrter bei: So hatte er etwa um 1510 eine Abschrift des Chronicon des Regino von Prüm anfertigen lassen, das bis 906 reicht und unter Verwendung unter anderem des Paulus Diaconus entstand. Die Abschrift, für die er einmal mehr weder Sorgfalt noch Kosten scheute – »mea diligentia et etiam non mediocri impensa exscribi mihi curavi Reginonem abbatem Prumensem« (»ich habe mit Sorgfalt und nicht geringen Kosten dafür gesorgt, dass der Abt Regino von Prüm für mich abgeschrieben wurde«) –,57 ba_____________ 54 Konrad Peutinger, »Brief an Georg Spalatin (datiert Augsburg, 1513, Juli 25)«, in: Peutinger, Briefwechsel, Nr. 126, S. 214–219, hier 217. Peutinger erläutert dem in kursächsischen Diensten stehenden Spalatin mit diesen Worten, weshalb er seinen über viele Jahrzehnte zusammengetragenen »thesaurus« an mittelalterlichen Handschriften nicht abschreiben und auch nicht versenden lassen könne. Seine Mitteilung ist vor dem Hintergrund der Bitte Kurfürst Friedrichs III. (des Weisen) um mittelalterliche Kaiserbiographien zu sehen. Vgl. zu Peutingers Arbeitsweise in und mit seiner Bibliothek generell Goerlitz (2009c) (mit Abbildungen aus dem sog. Literarischen Nachlass). 55 Peutinger, [»Katalog II, Standortkatalog der nicht-juristischen Bücher«], Signatur »B 152«, in: Künast/Zäh (2003), Bd. 1, Nr. 480, S. 396–399, hier Nr. [480.4], S. 397 f.; vgl. zu den weiteren Einhard-Handschriften ebd., 398, und im einzelnen Tischler (2001), 562–566, 844. – Soweit nicht anders angegeben, ist die Katalogedition im Folgenden jeweils über das Register zu vergleichen. 56 Die Abschrift befand sich in derselben Sammelhandschrift »B 152« wie Einhards Vita Karoli, vgl. die vorhergehende Anmerkung. 57 Konrad Peutinger, »Brief an Georg Spalatin (datiert Augsburg, 1513, Juli 25)«, in: Peutinger, Briefwechsel, Nr. 126, S. 214–219, hier 217. Peutinger setzt die Aufzählung der von ihm veranlassten Abschriften mit einer Reihe weiterer Autoren zur Geschichte des Mittelalters fort.
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siert auf zwei wertvollen Vorlagen von der Reichenau sowie aus Freising.58 Peutinger stellte sie für den durch Sebastian von Rotenhan besorgten Erstdruck der Chronik Reginos von Prüm zur Verfügung,59 der 1521 in Mainz erschien, gleichzeitig wie auch Einhards Vita Karoli in Köln.60 Sebastian von Rotenhan, der wie Peutinger zur Gruppe der Humanisten und Juristen gehört, bezeichnet Regino darin seinerseits explizit als Schriftsteller der »Germanorum res gestae« (»der Geschichte der Deutschen«).61 In denselben Kontext gehören auch Teile der von Peutinger gesammelten, teils noch heute wertvollen Urkundenabschriften, darunter auch solche der Reichenau.62 Als herausragender Kenner der wiederentdeckten Antike und des gleichzeitig neu in den Gesichtskreis rückenden Mittelalters wurde Peutinger immer wieder auch von Kaiser Maximilian in Anspruch genommen. Eine besondere Rolle spielte er daher beispielsweise auch im Vorfeld der Drucklegung des Compendium über die Geschichte der Franken des Johannes Trithemius, das 1515 in Mainz erschien und im Umkreis Maximilians für lebhafte Auseinandersetzungen sorgte.63 Trithemius geht darin der fränkischen Geschichte, die ihm zugleich deutsche Geschichte ist, von den Anfängen bis zum Jahr 749 nach und beteiligte sich mit seiner Herleitung der »origo« der »gens Francorum« an den damaligen Konstruktionen des Habsburger-Stammbaums. Er verlegt die Einwanderung der Franken »in Germaniam« aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. in das 5. Jahrhundert v. Chr. (sic) und nahm Änderungen an der Abfolge der fränkischen Könige vor. Auf diese Weise ›korrigierte‹ er den Stammbaum der Habsburger, der im Auftrag Maximilians zuvor von Jakob Mennel vorgelegt worden war.64 In dem von Maximilian _____________ 58 Peutinger, [»Katalog II, Standortkatalog der nicht-juristischen Bücher«], Signatur »BB 2«, in: Künast/Zäh (2003), Bd. 1, Nr. 557, S. 428 f. 59 [Regino von Prüm], Annales, [hg. v. Sebastian von Rotenhan], Mainz 1521. Vgl. das Exemplar Peutingers, [»Katalog II, Standortkatalog der nicht-juristischen Bücher«], Signatur »B 141«, in: Künast/Zäh (2003), Bd. 1, Nr. 469, S. 393. 60 [Einhard], Vita et gesta Karoli Magni, [hg. v. Hermann von Neuenahr], Köln 1521. Vgl. das Exemplar Peutingers, [»Katalog II, Standortkatalog der nicht-juristischen Bücher«], Signatur »CC 83«, in: Künast/Zäh (2003), Bd. 1, Nr. 298, S. 313. 61 Sebastian von Rotenhan in seinem Begleitbrief an Wolfgang Capito, Mainz, 1521, Juli 15, zu: [Regino von Prüm], Annales, [hg. v. Sebastian von Rotenhan], Mainz 1521. (Kursivierung im Zitat durch die Verfasserin). 62 Zu erwähnen ist unter anderem ein wichtiges Reichenauer Urkundenkonvolut in Peutingers sog. Literarischem Nachlass, das über Mönche aus dem Augsburger Kloster St. Ulrich und Afra in den Besitz Peutingers gelangt sein dürfte, die von 1510 bis 1516 auf die Reichenau entsandt worden waren. Vgl. zur Beschreibung der Handschrift Künast/Zäh (2005), Bd. 2, Nr. 977, S. 214–224, hier Nr. 977.15, S. 217–222, und zu ihrer Bedeutung Pokorny (2010), dem ich für die vorab gegebenen Informationen zur wissenschaftlichen Auswertung des Reichenauer Urkundenkonvoluts danke. Peutingers Interesse an dem Konvolut steht mit seinem Kaiserbuch in Zusammenhang, vgl. oben bei Anm. 17 ff. 63 Trithemius, Compendium. Vgl. zum Folgenden insbesondere Arnold (1991), 164 ff., außerdem auch Laschitzer (1888), 17 ff., Lhotsky (1971), 59 f., 93, und Althoff (1979), 77 ff. 64 Vgl. insbesondere Kathol (1998) und in den letzten Jahren Reinhardt (2006). Mertens (1992), 38, spricht mit Bezug auf die genealogischen Konstruktionen Mennels für die Zeit vom ver-
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ausgestellten Druckprivileg zum Compendium des Trithemius wird deshalb eigens darauf hingewiesen, dass Konrad Peutinger die Schrift auf kaiserliche Anordnung hin kritisch durchzusehen hatte.65 Allerdings geht aus Peutingers Einträgen in seinen erhaltenen Bibliothekskatalogen hervor, was er von den Konstruktionen des Trithemius, die Maximilian durchaus gelegen kamen, tatsächlich hielt: Unter der Signatur »B 139« heißt es in Peutingers Standortkatalog: »Annales sed minus verae de Gente Francorum Ioannis Tritemii« (»Annalen – allerdings nicht sonderlich wahre – über den Stamm der Franken, von Johannes Trithemius«).66 Ähnlich fügt Peutinger auch im parallelen Fachkatalog zum Eintrag »Abbas Tritemius de Francis« (»Abt Trithemius über die Franken«) hinzu: »quem fictum credo« (»den [sc. dessen Werk] ich für erfunden halte«).67 Peutinger lag damit richtig: Das Kompendium über Ursprung und Geschichte der Franken des Trithemius beruht in großen Teilen auf fiktiven Gewährsmännern wie insbesondere »Hunibald« aus – vorgeblich – der Zeit Chlodwigs um 500 n. Chr., deren vielbeklagte Quellenarmut damit partiell verringert schien. Trithemius wusste, wie er verfahren musste, um wenn nicht bei Peutinger, so doch bei Maximilian und vielen seiner Zeitgenossen Glauben zu finden.68 Die Fiktion eines bei Zugrundelegung der Epochentrias frühen ›mittelalterlichen‹ Geschichtsschreibers der Franken mag Trithemius nicht nur legitim, sondern angesichts anderer, tatsächlicher Entdeckungen (früh-) mittelalterlicher Schriftsteller auch plausibel erschienen sein. Trotz des prinzipiell gleichgerichteten Interesses der beiden Gelehrten aus dem Kreis um Maximilian I. an der Erhellung der ›dunklen‹, an Schriftstellern armen Zeiten des ›Mittelalters‹ verweist dieses Beispiel auf einen signifikanten Unterschied zwischen dem Verfahren des Benediktinerabtes einerseits und des Stadtschreibers andererseits. Johannes Trithemius scheute sich im vorliegenden Fall nicht, Wissenslücken im Rückgriff auf allegorisierende Verfahrensweisen zu schließen. So liegt bei ihm eine unter Anwendung der euhemeristischen Mythenexegese konstruierende Zugriffsweise vor, eine pragmatische Aneignung der Vergangenheit mit Blick auf die genealogischen Interessen der Gegenwart.69 _____________ 65 66 67 68
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meintlich ersten Habsburger, Otpert, um 600 n.Chr. bis zu Maximilian I. von »eine[r] Art habsburgischen Mittelalters«. Kaiser Maximilian I., »Druckprivileg, datiert Innsbruck, 1514, Nov. 10«, zu: Trithemius, Compendium, Rückseite des Titelblattes. Peutinger, [»Katalog II, Standortkatalog der nicht-juristischen Bücher«], in: Künast/Zäh (2003), Bd. 1, Nr. 467, S. 392. Peutinger, [»Katalog I, Fachkatalog der nicht-juristischen Bücher«], Signatur »B 139«, in: Künast/Zäh (2003), Bd. 1, 630. Vgl. zu den historiographischen Fiktionen des Trithemius und deren Nachwirkung grundsätzlich außer Arnold (1991), 167–179, insbesondere Staubach (1988) sowie, in bezug auf Hunibalds Pendant Meginfried, auch Schreiner (1991), 312–318; zu humanistischen Kritikern des Trithemius ergänzend außerdem Goerlitz (1999b). Vgl. dazu in diesem Kontext auch im Folgenden grundsätzlich Müller (1982), 197–210 mit den Anmerkungen auf 349–355 (mit weiteren Beispielen auch zu anderen Gelehrten im Umkreis Maximilians I.).
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Konrad Peutinger dagegen geht historisch rekonstruierend vor. Seine Annäherung an die vetustas im allgemeinen und das Mittelalter im besonderen impliziert eine Distanzierung, die ebenso historisch-philologisch begründet wie methodisch reflektiert ist und die damit eine wesentliche Voraussetzung für eine systematische Beschäftigung mit der, wie Chrysostomus es vom italienischen Standpunkt aus formulierte,70 »a carie ac situ« bedrohten, neu entdeckten Zeit zwischen Roms Machtverlust und der Wiederbelebung des »bonarum artium cultus« bildete. Dementsprechend erhielt das Schrifttum des Mittelalters seinen Wert für Peutinger, wie zu sehen war,71 zuerst und vor allem unter dem Gesichtspunkt einer philologisch genauen historischen beziehungsweise literarhistorischen Erschließung der Epoche. Aus einer solchen Perspektive konnte außer der mittellateinischen Literatur zunehmend auch die antiker Latinität gänzlich ferne, deutschsprachige Literatur des Mittelalters ihren Einzug in die wissenschaftliche Beschäftigung mit der neu entdeckten Epoche halten.72 Sie wird in gelehrt-lateinischem Kontext mehr und mehr zitierfähig – ohne dass deshalb allerdings auch die Deutungsansätze überall dieselben wären. Eines der Beispiele dafür, das mit Peutingers Bemühungen um das Frühmittelalter unmittelbar in Zusammenhang steht, wurde bereits erwähnt, als von der Abhandlung des Augsburger Humanisten über den Niedergang Roms und die Völkerwanderung die Rede war: Wolfgang Lazius.73 Lazius bringt in seinen 1557, ein Jahrzehnt nach Peutingers Tod, erschienenen De gentium migrationibus libri XII als erster Gelehrter der Frühen Neuzeit einige Exzerpte aus dem _____________ 70 Das folgende ist aus Chrysostomus, [»Briefe«], fol. 14r–v, hier fol. 14r, zitiert; vgl. den Fließtext oben bei Anm. 7 ff. 71 Deutlich wurde das z. B. auch oben im Fließtext zu Anm. 38 am Beispiel der Werke Hrotsvithas von Gandersheim. 72 Vgl. zum folgenden auch Goerlitz (2007), 306–315. 73 Oben bei Anm. 25. Lazius (1514–1565) war Professor der Medizin an der Universität Wien und Leibarzt Kaiser Ferdinands I. sowie Hofgeschichtsschreiber und Präfekt des Münzkabinetts, vgl. weiterführend Kratochwill (1985) und in den letzten Jahren Svatek (2006), hier 8–11. Er war damit ein Zeitgenosse des protestantischen Kirchenhistorikers Matthias Flacius Illyricus (1520– 1575), der bekanntlich ebenfalls in besonderer Weise mit der Erforschung des Mittelalters befasst war: Flacius’ Interesse an mittelalterlichen Schriftstellern ist primär theologisch begründet, und entsprechend tendenziös fallen seine Bewertungen der von ihm zutage geförderten »testes veritatis« des Mittelalters, d. h. der Vorläufer Luthers in früheren Jahrhunderten, aus. Dennoch befindet er sich, wie Haye (1992) und Hartmann (2001) gezeigt haben und von der nachfolgenden Forschung aufgegriffen worden ist, in methodischer Hinsicht prinzipiell ebenfalls »auf dem Stand der damaligen humanistischen Geschichtsforschung« (Scheible [1996], 348 [96]), was etwa auch durch seine Otfrid-Edition dokumentiert wird ([Otfrid von Weißenburg], Otfridi evangeliorum liber, Basel 1571; vgl. Hellgardt [1992]; ders. [2008]; Kössinger [2008]; und jetzt v. a. ders. [2009], 118–161]). Während Haye (1992), 47, Flacius »am Anfang einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung« mit der Literatur des Mittelalters einordnet – die in einem Humanisten wie Peutinger einen Vorläufer hat –, hebt Hartmann die lange übersehene »große Bedeutung« des Matthias Flacius »für Bewertungen und historische Urteile über mittelalterliche Autoren und – noch häufiger – […] seine fruchtbare Tätigkeit als Editor« hervor ([2001], 210 f.).
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Nibelungenlied zum Druck.74 Der Titel seiner großen Völkerwanderungsgeschichte gleicht, wie angedeutet, im Kern demjenigen der kleinen Abhandlung Konrad Peutingers über die Germanorum gentium conmigrationes. Wie sein Vorgänger richtet damit auch Lazius den Blick systematisch auf den Anfang der media aetas und damit auf den Beginn jener Epoche, deren Abgrenzung von der Sache her bereits die kleine Schrift Konrad Peutingers voraussetzte. Es ist eine vergangene Zeit, deren Erforschung Peutinger – in den oben zitierten Worten seines italienischen Bewunderers Chrysostomus – »magna industria et labore«75 (»mit großem Fleiß und Mühe«) betrieb und – wie Kaiser Maximilian hervorhebt – »in communem omnium vtilitatem«76 (»zum gemeinsamen Wohl aller«). Das Beispiel Peutingers verdeutlicht, dass die in der Frühen Neuzeit einsetzende Rezeption der ›Mittelzeit‹ im Kern bereits in der Wiederentdeckung der Antike angelegt ist, durch die der Blick auf das Mittelalter implizit, wenngleich zunächst nurmehr abwertend, von Beginn an vorhanden ist. Indem Konrad Peutinger Antike und Mittelalter gleichermaßen zum Gegenstand einer wissenschaftlichen _____________ 74 Dazu grundsätzlich Jaspers (1983), 61–67, mit dem darauf hinzuweisen ist, dass Lazius bereits in seinen 1551 erschienenen Commentariorum Reipublicae Romanae libri duodecim aus dem Nibelungenlied zitiert hat. Während die ältere Forschung, namentlich auch Menhardt (1952), 152 f., dem Wiener Hofhistoriographen in diesem Zusammenhang mangelnde Zuverlässigkeit vorwirft, urteilt die jüngere Forschung differenzierter und insgesamt positiver, vgl. außer Jaspers (1983), 62 f., unter anderen Ridé (1977), Bd. 2, 937–940, und im weiteren Zusammenhang in jüngster Zeit Svatek (2006). Müller (1982), 204 mit Anm. 4 auf 352, macht in diesem Kontext auf die bei Lazius in diesem Fall vorliegende allegorisierende Deutungsperspektive aufmerksam; sie wird deutlich, wenn das Nibelungenlied einerseits als »codex pervetustus annalium« (»eine sehr alte Handschrift zur Geschichte«) bezeichnet wird und andererseits gleichzeitig als Werk eines »poetaster gothicus« (»gothischen Verseschmiedes«) (Lazius, De gentium migrationibus libri XII, 544 f.). Vgl. zur Bezeichnung »gothicus« hier Brough (1985). 75 Chrysostomus, [»Briefe«], fol. 14r–v, hier fol. 14r. 76 Kaiser Maximilian I., »Druckprivileg, datiert 1515, Freiburg, März 1«, zu der von Konrad Peutinger unter Beteiligung durch Johannes Stabius herausgegebenen Ausgabe von: [Iordanes], De rebus Gothorum/Paulus Diaconus, De gestis Langobardorum, fol. [A]v. Das Druckprivileg hebt die »industria« jener Gelehrten hervor, die sich wie »Conradus Peutinger« um die »libri et monumenta venerandae vetustatis« verdient machten: »MAXIMILIANUS […] Romanorum Imperator […] eos, qui studia literarum [sic] colunt, plurimum diligamus, illos tamen praecipua et singulari gratia nostra prosequimur, quorum industria libri et monumenta venerandae vetustatis quotidie exquiruntur. Et ne penitus obruant, in lucem emittunt in communem omnium vtilitatem. Cum itaque honorabilis Conradus Peutinger […] exemplaria […] Pauli Foroiuliensis Longobardi et Iornandis Gotti de rebus Longobardorum et Gottorum sua diligentia conquisiuerit et excribi curauerit. Quos […], atque in publicum prodire constituit. […] facimus et concedimus, Ne quis […].« (»MAXIMILIAN, […] Kaiser der Römer, […] Wir schätzen diejenigen sehr, die sich um die Pflege der Wissenschaften kümmern. Aber unseren besonderen und außerordentlichen Dank statten wir jenen ab, durch deren Fleiß von Tag zu Tag die Bücher und Denkmäler des ehrwürdigen Altertums erforscht werden: Sie holen diese [Bücher und Denkmäler] zum gemeinsamen Wohl aller ans Licht, um sie nicht gänzlich [im Dunkel] versinken zu lassen. Nachdem daher der verehrte Conrad Peutinger […] durch seine Sorgfalt Exemplare […] des Langobarden Paulus Foroiuliensis sowie des Goten Iornandes über die Geschichte der Langobarden und der Goten aufgespürt und für ihre Abschrift gesorgt hat […], beschloss er, sie zu veröffentlichen. […] Wir setzen fest, dass niemand […].«).
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Beschäftigung mit der Vergangenheit machte und auch mittelalterliche Autoren mit neuer historisch-philologischer Gelehrsamkeit edierte, wurde der bereits von seinen Zeitgenossen gerühmte Kenner der Antike zugleich zu einem bedeutenden Wegbereiter von neuzeitlicher Mittelalter-Rezeption und mediävistischer Editorik.
Literatur Quellen Biondo, Flavio, »Historiarum ab inclinato Romano imperio Decades III«, in: Blondi Flavii Forliviensis De Roma triumphante lib. X […], Historiarum ab inclinato Romano imperio, Decades III. Additis tribus pro argumentorum ratione indicibus novis, Basel 1559 [VD16 B 5536]. Chrysostomus, [»Briefe an Konrad Peutinger, mit Gedichten«], o. O. o. J., in: Konrad Peutinger, Carmina ad me, Ms.: Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, 20 Cod. Aug. 406a, fol.14r–16v. Einhard, Vita Karoli Magni. Das Leben Karls des Großen. Lateinisch und Deutsch. Übersetzung, Nachwort u. Anmerkungen v. Evelyn Scherabon Firchow, durchges. u. rev. Ausg., Stuttgart 1981 (= Universal-Bibliothek, 1996). [Einhardus], Vita et gesta Karoli Magni […], hg. v. Hermann von Neuenahr, Köln 1521 [VD16 E 726]. Einhardus, Vita Karoli Magni, hg. v. Oswald Holder-Egger, Hannover 1911 (= MGH SS rer. Ger., 25). Flacius Illyricus, Matthias, Catalogus testium veritatis, qui ante nostram aetatem reclamarunt Papae. […]. Cum praefatione Mathiae Flacii Illyrici […], Basel 1556 [VD16 F 1293]. [Gresemund, Dietrich der Jüngere], Theoderici Gresemundi Carmen de Historia violatae crucis. Et eius vita. Cum interpretatione Hieronymi Geuileri scholarum summi templi Argentoracensium moderatoris, Straßburg 1514 [VD16 G 3183]. [Guntherus], Ligurini de gestis imperatoris Caesaris Friderici primi Augusti libri decem […] a Chunrado Celte reperti postliminio restituti […], [hg. v. Konrad Peutinger], [Augsburg] 1507 [VD16 G 4135/4136]. Guntherus Poeta, Ligurinus, hg. v. Erwin Assmann, Hannover 1987 (= MGH SS rer. Ger., 63). Horatius Flaccus, Quintus, Oden und Epoden. Lateinisch/deutsch, übers. u. hg. v. Bernhard Kytzler, 4., unveränderte Aufl., Stuttgart 1988 (= Universal-Bibliothek, 9905). Horatius Flaccus, Quintus, Opera, 4. Aufl., hg. v. David R. Shackleton Bailey, München/ Leipzig 2001 (= Bibliotheca Teubneriana, 1234).
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[Hrotsvitha von Gandersheim] Opera Hrosvite illustris virginis et monialis Germane gente Saxonica orte nuper a Conrado Celte inventa, Nürnberg 1501 [VD16 H 5278]. [Iordanes], Iornandes De rebus Gothorum Paulus. Diaconus Foroiuliensis De gestis Langobardorum, hg. v. Konrad Peutinger/Johannes Stabius, Augsburg 1515 [VD16 J 932]. Lazius, Wolfgang, Commentariorum Reipublicae Romanae illius, in exteris prouincijs, bello acquisitis, constitutae, libri duodecim, Basel 1551 [VD16 L 844]. Lazius, Wolfgang, De gentium aliquot migrationibus, sedibus fixis, reliquijs, linguarúmque initijs et immutationibus ac dialectis, libri XII […], Basel 1557 [VD16 L 849]. [Otfrid von Weißenburg] Otfridi evangeliorum liber: veterum Germanorum grammaticae, poeseos, theologiae, praeclarum monimentum […], hg. v. Matthias Flacius Illyricus, Basel 1571 [VD16 B 4664]. [Paulus Diaconus] Iornandes De rebus Gothorum. Paulus Diaconus Foroiuliensis De gestis Langobardorum, hg. v. Konrad Peutinger/Johannes Stabius, Augsburg 1515 [VD16 P 1048]. Peutinger, Konrad, Briefwechsel, hg. u. erläutert v. Erich König, München 1923 (= Humanisten-Briefe. Veröffentlichungen der Kommission zur Erforschung der Geschichte der Reformation und Gegenreformation, 1). Peutinger, Konrad, Carmina ad me, Ms.: Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, 2o Cod. Aug. 406a. Peutinger, Konrad, »De inclinatione Romani imperii et exterarum gentium, praecipue Germanorum conmigrationibus epitome«, in: Iornandes De rebus Gothorum. Paulus Diaconus Foroiuliensis De gestis Langobardorum, hg. v. Konrad Peutinger/Johannes Stabius, Augsburg 1515, fol. [Dv]r–v. Peutinger, Konrad, »De ortu genere et posteris Imperatoris Caesaris Friderici primi Augusti«, in: [Guntherus], Ligurini de gestis imperatoris Caesaris Friderici primi Augusti libri decem […] a Chunrado Celte reperti postliminio restituti […], hg. v. Konrad Peutinger, Augsburg 1507, fol. Mii r–Miii v. Piccolomini, Enea Silvio, Germania. Zusammen mit Jakob Wimpfeling, Responsa et replica ad Eneam Silvium, hg. v. Adolf Schmidt, Köln/Graz 1962. Piccolimini, Enea Silvio, »Supra decades Blondi, ab inclinatione imperii usque ad tempora Joannis vicesimi tertii pontificis maximi, epitome«, in: Aeneae Sylvii Piccolominei, […], opera quae extant omnia […], [hg. v. Marcus Hopperus], Basel 1571 (ND Frankfurt am Main 1967), 144–281 [VD16 P 3094]. Regino von Prüm, Regino monachi Prumiensis Annales, non tam de augustorum vitis, quam aliorum Germanorum gestis et docte et compendiose disserrentes, ante sexingentos fere annos editi, hg. v. Sebastian von Rotenhan, Mainz 1521 [VD16 R 599]. Trithemius, Johannes, Cathalogus illustrium virorum germaniam suis ingenijs et lucubrationibus omnifariam exornantium […], [Mainz, Peter Friedberg, nicht vor 1495, Aug. 14] [H 15615]. [Dass. unter dem Titel:] »Catalogus illustrium virorum germaniam [...] exornantium [...]«, in: Johannis Trithemii Spanheimensis […] Opera historica […], Bd. 1, hg. v. Marquard Freher, Frankfurt am Main 1601 (ND Frankfurt am Main
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1966), 121–183 [zit. nach der Ausgabe v. Freher als Trithemius, Catalogus illustrium virorum Germaniae]. Trithemius, Johannes, Compendium sive breviarium primi voluminis annalium sive historiarum de origine regum et gentis Francorum […], Mainz 1515 [VD16 T 1973]. [Dass. unter dem Titel:] »Compendium sive breviarium primi voluminis chronicarum sive annalium de origine regum et gentis Francorum«, in: Johannis Trithemii Spanheimensis […] Opera historica […], Bd. 1, hg. v. Marquard Freher, Frankfurt am Main 1601 (ND Frankfurt am Main 1966), 1–62 [zit.]. Trithemius, Johannes, »Otfrid (1494/1495/1559)«, hg. und übers. v. Theresia Payr, in: Otfrid von Weißenburg, hg. v. Wolfgang Kleiber, Darmstadt 1978 (= Wege der Forschung, 419), 10–17 Wimpfeling, Jacob, Briefwechsel. Erster Teilband, eingel., komm. und hg. v. Otto Herding und Dieter Mertens, München 1990 (= Jacobi Wimpfelingi opera selecta, III,1). Digitalisat: (zuletzt gesehen: 20. Februar 2011) [zit.]. Literatur Althoff, Gerd, »Studien zur habsburgischen Merowingersage«, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 87 (1979), 71–100. Arnold, Klaus, Johannes Trithemius (1462–1516), 2. Aufl., bibliographisch u. überlieferungsgeschichtlich neu bearb., Würzburg 1991 (= Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg, 23). Braungart, Georg, »Mythos und Herrschaft. Maximilian I. als Hercules Germanicus«, in: Traditionswandel und Traditionsverhalten, hg. v. Walter Haug/Burghart Wachinger, Tübingen 1991 (= Fortuna vitrea, 5), 77–95. Brough, Sonia, The Goths and the Concept of Gothic in Germany from 1500 to 1750. Culture, Language and Architecture, Frankfurt am Main/Bern/New York 1985. Bruck, Guido, »Habsburger als ›Herculier‹«, in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien 50 (N. F. 14) (1953), 191–198. Cosenza, Mario Emilio, Biographical and bibliographical dictionary of the Italian humanists and of the world of classical scholarship in Italy, 1300–1800, 5 Bde., 2. Aufl., durchges. u. erw., Boston, Mass. 1962. Dizionario biografico degli Italiani, hg. v. Istituto della Enciclopedia Italiana, Bd. 1–[68], Rom 1960–[2007]. Fubini, Riccardo, Storiographia dell’umanesimo in Italia da Leonardo Bruni ad Annio da Viterbo, Rom 2003 (= Storia e letteratura, 217). Geiger, Ludwig, »Gedichte und Briefe an Conrad Peutinger«, in: Vierteljahrsschrift für Kultur und Litteratur der Renaissance 2 (1886/87), 262–264. Giehlow, Karl, »Dürers Stich ›Melencolia I‹ und der maximilianische Humanistenkreis«, in: Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst. Beilage zu Die Graphischen Künste 26 (1903), Nr. 2, 29–41; 27 (1904), Nr. 1/2, 6–18 u. Nr. 4, 57–63.
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»Dasselb buech han ich alles selb geschriben«. Die Ordnung der Geschichte(n) in der Augsburger Chronik (1368–1468) des Burk(h)ard Zink CHRISTINA DEUTSCH Es gibt kaum eine oberdeutsche Stadt, die so reich an historiographischer Überlieferung ist, wie die Reichsstadt Augsburg und es wäre nicht eben schwierig, Formen humanistischer Geschichtsschreibung oder besser Beispiele humanistisch geprägten Umgangs mit städtischer Geschichte zu präsentieren, bietet das spätmittelalterliche Augsburg doch beste Voraussetzungen für die Entfaltung dieses spezifischen literarisch-kulturellen Interesses.1 Geprägt von sichtbaren baulichen Überresten aus der Spätantike, dominiert von ökonomisch und politisch überaus bedeutenden Geschlechtern – genannt seien hier nur die Fugger, Welser und Gossembrod – deren Verbindungen vom kaiserlichen Hof bis zu den kulturellen Zentren Italiens reichten, Heimat des Conrad Peutinger, dessen Chronik der Stadt Augsburg bis 1513 im Stadtarchiv überliefert ist und ausgestattet mit einer überaus reichen Schreibkultur, die seit ca. 1468 durch einen florierenden Buchdruck ergänzt wurde,2 erscheint die Augusta Vindelicorum geradezu als ein nordalpines El Dorado humanistischer Interessen. Selbst einen hübschen Gelehrtenstreit über die Gründung und Namensgebung der Stadt hat die Augsburger Historiographie zu bieten, plädierte doch Küchlin3 um 1442 dafür, dass Augsburg von vertriebenen Trojanern, die vor den Amazonen bis nach Schwaben flohen, zusammen mit Einheimischen gegründet worden sei, während eine anonyme Überlieferung Drusus, den Stiefsohn Octvians, als Gründungsvater nennt, und eine weitere Schrift behauptet, die Flüsse Wertach und Lech (vinde – licorum) seien die Namensgeber der Stadt.4 1456 schließlich legte der Benediktiner Sigismund Meisterlin seine ins Deutsche übertragene _____________
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Der geringfügig überarbeitete Beitrag behält explizit die essayistische Form des mündlichen Vortrages bei. Siehe hierzu insbesondere den Sammelband von Janota/Williams-Krapp (1995) sowie Weber (1984) und Kramer-Schlette (1970). Vgl. Künast (1995), 47–57; Wehmer (1955), 145–172. Vgl. Altschäffel (1985) zur Forschungs- und Quellenlage; der Vorname Küchlins ist nicht bekannt, aus dem Prolog wird deutlich, dass es sich um einen Geistlichen handelt, der erst seit kurzem in Augsburg ist. Vgl. Küchlin, Reimchronik, 343–356.
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Chronographia Augustensium vor, in der er die bisherigen Meinungen brüsk als von chronologischen und sachlichen Widersprüchen nur so strotzende Erfindungen zurückwies und seinerseits eine quellenkritische Revision der Frühgeschichte Augsburgs vorlegte.5 So bewies er – u. a. gestützt auf Sueton, Isidor und Otto von Freising, dass Augsburg längst vor den Trojanern von den einheimischen Vindelikern (Wenden) gegründet worden sei und zwar 600 Jahre nach der Sintflut, 2400 Jahre vor Christi Geburt und 550 Jahr vor der Erbauung Roms.6 Eine humanistische Lesart der Augsburger Geschichte, die sich grundlegend auf die weitere, sowohl klösterliche als auch städtische Historiographie – zumindest was die Schilderung der Frühzeit angeht – auswirkte. All dies – und noch viel mehr – hätte die humanistisch geprägte städtische Historiographie Augsburgs zu bieten.
*** Die folgenden Ausführungen, in denen die Person und die Chronik des Burkard Zink im Mittelpunkt stehen werden, stellen demgegenüber ein deutliches Kontrastprogramm dar. Wenn es einen Augsburger Chronisten des 15. Jahrhunderts gegeben hat, der kaum im Verdacht stand, ein Humanist zu sein, dann ist dies der um 1396 in Memmingen geborene und 1474/75 in Augsburg verstorbene bürgerliche Kaufmann Burkard Zink.7 Weshalb aber sollen Zink und seine Chronik dann in einem solchen Band thematisiert werden, der sich explizit humanistischer Geschichtsschreibung widmet? Zunächst gibt es sachlich-inhaltliche Gründe. So nachdrücklich Meisterlins Chronik die nachfolgende Historiographie hinsichtlich der Überlieferung zur Frühzeit Augsburgs geprägt hat, so deutlich beeinflusste Zinks Chronik den Informationshorizont seiner Nachfolger für das 15. Jahrhundert; dies gilt insbesondere für die historiographischen Schriften von Wilhelm Rem (1495–1527), Clemens Sender († 1527), Clemens Jäger († 1545) sowie Hektor Mülich (1420–1489).8 Spätere, humanistisch gefärbte Geschichtschreibung erweist sich häufig als Melange aus unterschiedlichen Textzeugnissen humanistisch-quellenkritischer und zink’scher Prägung, da die Autoren, oder besser Kompilatoren, in der Regel auf den gesamten Fundus der ihnen zur Verfügung stehenden historiographischen Schriften zurückgegriffen haben. Wodurch wird Zinks Chronik (außer durch das chronologische Gerüst und durch inhaltliche Aspekte) so attraktiv für die nachfolgenden Autoren? _____________ 5 6 7 8
Vgl. Colberg (1986). Meisterlin, Cronographia, 15. Zu Meisterlin vgl. insbesondere Müller (2006) sowie Schneider (2010). Schnith betont explizit: Zink »kann aber nicht zu den Frühhumanisten gezählt werden«, Schnith (1999), 1556. Zu Zink siehe Rogge (1995); Kießling (1995); Petz (1989), 8–25. Vgl. Kramer-Schlette (1970); Weber (1984).
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Ein zweites ist der Gewinn für die Beurteilung humanistischer Geschichtsschreibung: Meines Erachtens vermag gerade die differente historiographische Darstellung, die Ordnung der Geschichte durch einen ›Nicht-Humanisten‹ den Blick für narrative Strukturen schärfen. Darüber hinaus ist zu fragen, inwiefern die Anfertigung eines historiographischen Werkes als Teil einer sozialen Praxis betrachtet werden kann, wenn sie gerade nicht im Rahmen eines wie auch immer gearteten humanistischen Netzwerkes betrieben wird.
I. Um die letztgenannte Frage als erstes zu beantworten, gebe ich einen kurzen biographischen Abriss des Burkhard Zink und begründe eine Vermutung zur causa scribendi seiner Chronik. Burkard Zink wurde 1396 als Sohn eines wohlhabenden Memminger Webers geboren.9 Nach dem Tod der Mutter heiratete der Vater erneut, doch duldete die deutlich jüngere Stiefmutter die Kinder aus erster Ehe nicht lang im elterlichen Haus, so dass Burkard mit elf Jahren Memmingen verließ und sich einem Scholaren anschloß, den er bis nach Krain begleitete, wo ein Onkel Zinks Pfarrer war. Zwischen 1410 und 1419 zog er als fahrender Schüler, unterbrochen von einer Kürschnerlehre, durch Schwaben und Franken und trat 1419 schließlich in den Dienst des Augsburger Kaufherren und Tuchhändlers Jos Kramer ein, in dessen Auftrag er bis nach Venedig reiste. Um 1420 ließ sich Zink endgültig in Augsburg nieder. In den folgenden Jahren stand er wiederholt in städtischen Diensten, er war Ausgeber und Schreiber bei Kriegszügen, übernahm mehrfach Botendienste u. a. zu König Sigismund nach Ungarn und zum Augsburger Prokurator in Rom. Ab 1431 verlegte sich Zink auf innerstädtische Ämter, die ihm die weiten Reisen ersparten, so wurde er als Waagmeister, Kornverwalter und Zinsmeister tätig. Die Stadt verließ er nur noch in eigenem Interesse, Handelsreisen führten ihn um 1440 bis nach Rhodos und Kreta. Um 1450 hatte Zink durch Kaufmannschaft und Mietgeschäfte ein ansehnliches Vermögen erworben, das es ihm erlaubte, sich aus dem aktiven Geschäft weitgehend zurückzuziehen. Wohl um diese Zeit begann er mit der Abfassung der Chronik, die er um 1468/69 beendete. Zink, der viermal verheiratet gewesen war und 16 Kinder hatte, von denen ihn nur vier überlebten, starb 1474 oder 1475, zumindest ist seine letzte Frau Anna im Steuerregister dieses Jahres als Witwe ausgewiesen. Fragt man angesichts dieser Geschichte eines ökonomischen und sozialen Aufsteigers – als den ihn Erich Maschke bezeichnete10 – nach der sozialen Funktion des historiographischen Werkes, stößt man recht schnell an interpretatorische _____________ 9
Die Biographie Zinks ergibt sich im wesentlichen aus seiner Lebensbeschreibung. Vgl. Zink, Augsburger Stadtchronik, 122–143 (sog. Buch III); Schnith (1999), Kintzinger (1995). 10 Vgl. Maschke (1965).
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Grenzen. Im Grunde, so möchte man meinen, unterbindet die Dynamik des Aufstiegs, des Reisens und des späteren Rückzuges eine Verankerung Zinks in einem sozio-kulturellen Umfeld, welches durch eine Chronik zu beeinflussen wäre. Zudem hat sich Zink nie um politische Ämter oder gar um einen Ratsherrensitz bemüht. Als Empfehlungs- oder Dedikationstext war das Werk, anders als etwa dasjenige von Meisterlin, der seine Schrift 1456 zunächst dem Bürgermeister Gossembrod und später dem Stadtrat von Augsburg gewidmet hatte,11 nicht gedacht und sie taugt, schon aufgrund ihres später noch zu erläuternden Aufbaus, im Grunde auch nicht dazu. Möglicherweise sollte die Chronik zu Anfang (also um 1450) Teil einer sukzessive fortgesetzten ›Familienchronik‹ werden, doch hatte sich dieser Plan wohl nach dem Tod der meisten Kinder um 1464 zerschlagen. Eine explizite Außenwirkung lässt sich zunächst jedenfalls nicht nachweisen; auch wurde die Chronik nicht in Druck gegeben, sondern ist lediglich in drei Handschriften überliefert.12 Trotz dieser schmalen Überlieferung ist nochmals zu betonen, dass die Informationen ihren Weg in spätere historiographische Darstellungen gefunden haben. Den Zugang zur Historiographie scheint Zink auf eher pragmatische Art gefunden zu haben. Kurz nach seiner ersten Heirat 1420 mußte er sich dringend eine ertragreiche Einkommensquelle erschließen, die den neugegründeten Haushalt finanzieren konnte. In dieser Notsituation besann sich Zink auf seine Schreibfähigkeit und verdingte sich bei einer Reihe von Augsburger Domherren als Lohnschreiber, die ihm neben einem Compendium sancti Thome religiöse und moralische Traktate, Fabeln und Gedichte sowie das ein oder andere geschichtliche Werk zur Vervielfältigung übergaben.13 Auf diesem Wege gelangte er möglicherweise auch zu einer anonym überlieferten Augsburger Chronik, die die Jahre 1368 bis 1406 enthält und den Ausgangspunkt für seine eigene Chronik bildet – aber anscheinend erst einmal 20 Jahre liegen blieb. Die causa scribendi liegt demzufolge in erster Linie auf einer Affinität Zinks zur rezipierten historischen Überlieferung, sie ist gleichsam nach innen, auf den Autor selbst gerichtet.14 Zinks Werk knüpft textlich zwar direkt an eine bereits bestehende, anonym überlieferte historiographische Tradition an, doch steht es in seiner Fortsetzung in keinem Zusammenhang mit dem zeitgenössischen gelehrten Diskurs; mehr noch, es entzieht sich dem aktuellen Diskurs, da Zink seine Chronik nach höchst privaten Kriterien und intuitiver Logik ordnet; ein auch nur annähernd quellenkritischer Umgang mit den vorgefundenen Texten – wie ihn z. B. Meisterlin praktizierte – ist ihm gänzlich fremd. Schon Frensdorff bemerkte, dass _____________ 11 Vgl. Colberg (1986), 359. 12 Keine der überlieferten Hss. tradiert ein Autograph Zinks, vielmehr werden die frühesten drei Handschriften auf das 16. Jahrhundert datiert, vgl. Schnith (1999), 1557; Frensdorff, Augsburg 1, XLI–XLII. 13 Vgl. ebd., 129. 14 Diese Perspektive legte es nahe, Zinks Lebensbeschriebung sowie Teile der Chronik als autobiographischen Text aufzufassen, vgl. Wenzel (1980), 44–50; Misch (1969), 585 und 589, hier unter der beredten Überschrift »Die Autobiographie in den freien Städten«.
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Zink vor »dem Wortlaut des ihm überlieferten Buches [...] nicht den geringsten Respect« habe.15 Neben häufigen Kürzungen – vor allem im Bereich der Wetterberichte – ist vor allen Dingen die Übernahme der Datierungen sehr unzuverlässig.
II. Dennoch, gänzlich unbedarft übernahm Zink den ihm zugänglichen Text nicht. Sehr deutlich äußert er sich zur Positionierung der tradierten historiographischen Schrift innerhalb der Gesamtordnung seiner Chronik am Ende des bearbeiteten ersten Buches: Und ist ze wißen, daß ich Burkhart Zingk diß geschicht, die in den drei sextern, als sich das buech anfacht, abgeschriben und erneuert han auß ainem andern alten büchlin, das ich da vor vilen jaren auch geschriben han; doch nit also, daß ich so alt sei und der vorgeschriben stück und geschicht selbs gedenk. ich han es desselben mals auch auß ainem andern buech geschriben, dasselb buech hett ain alter man, der gedacht der vorgeschribnen ding aller. aber die geschicht und stuck, die hiernach geschriben stand, als anfacht: ›in dem namen gottes fach ich an zu schreiben in diß buech, wie ich Burgkhart gelept und wes ich mich geniettet han etc.‹ dasselb Buech bis an das end han ich alles selb geschriben von weil zu weil, als es dann geschehen ist und sich ergangen hat, nachdem und ich dann gewist und gesehen han und auch den mererteil von hörnsagen, daß man mirs gesagt hat. Und diß abschreiben und ernewerung ist außgeschriben am aftermontag nach sant Veits tag, da man zalt nach Cristi unsers lieben herrn gepurt 1466 jar. [17. Juni 1466].16
Deutlich treten das Grundkonzept und das – wenn man so will – Quellenverständnis Zinks zu Tage: Das alte Buch, dessen Inhalt er nicht aus eigener Anschauung kennt, das aber immerhin in der Obhut eines betagten Mannes gewesen sei, der gleichsam als Augenzeuge für die Wahrhaftigkeit des Inhaltes bürgen konnte, wurde abgeschrieben und dabei »erneuert«. Für die nachfolgenden »Geschichten und Stücke« bürgt der Autor Zink höchstpersönlich und sieht sich demzufolge veranlaßt, sich selbst vorzustellen, indem er seine Lebensbeschreibung einfügt und erst danach als Gegenwartschronist im Sinne Sprandels aus Augsburg zu berichten.17 Der Autor ist in jeder Beziehung Herr der Geschichte(n), der sowohl die Überlieferung als auch die Aufzeichnungen der Gegenwart seinen Interessen und seinem literarischen Vermögen unterstellt. Im Grunde tut dies zwar jeder Historiograph, doch anders als etwa die humanistisch orientierten Augsburger Ge_____________ 15 Frensdorff, Augsburg 1, XV. 16 Ebd., 53–54. 17 Vgl. Sprandel (1994). Die in der gesamten Forschungsliteratur gängige Einteilung der Chronik in vier Bücher (Buch I–IV) geht auf die Edition Frensdorffs von 1866 zurück (vgl. Frensdorff, Augsburg 1, XIII) und ist an keiner Stelle von Zink selbst intendiert worden, der lediglich auf zwei Bücher im oben genannten Sinne rekurrierte.
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schichtsschreiber, die sich den tradierten Quellen ansatzweise textkritisch nähern und dies auch thematisieren und für die Beschreibung der Gegenwart zumindest nominell möglichst vieler Quellen bedienen, bürgen für Zink – in deutlich mittelalterlicher Tradition – allein die Augenzeugenschaft und das Hörensagen für die Authentiziät, letztlich wohl auch für die Wahrheit seiner Geschichten. Dieses Grundkonzept, besser gesagt diese Grundüberzeugung wirkt sich in dreierlei Hinsicht auf die narrative Struktur des Werkes aus: Erstens sind Anfang und Ende quasi willkürlich gewählt und hängen allein von mehr oder weniger zufälligen äußeren Faktoren ab. Der Beginn der Chronik ist explizit dem Zufall der Überlieferung geschuldet, das Ende dem Willen des Verfassers. Das Werk kommt zu Beginn ohne Dedikationsschrift, ohne Einleitung oder Erklärung zum Entstehungsanlaß aus. Die Geschichte beginnt sofort und unmittelbar mit dem Zunftaufstand von 1368 und dem Schwur ›Zunft zu haben‹ für hundert Jahre und einen Tag.18 Allerdings umfassen diese Ausführungen kaum mehr als eine Folioseite, sogleich folgt das Jahr 1369, in dem Bischof Walther erstochen wurde und zu Beginn des zweiten Folios stürmt Jakob Püttrich gewappnet im Jahr 1370 den Turm beim Gögginger Tor. Ähnlich zügig schreitet die erneuerte alte Chronik bis zum Jahr 1398 voran.19 Dann folgen das erwähnte Zitat und ein Bischofskatalog, danach die Materialsammlung mit den unterschiedlichsten Begebenheiten aus dem städtischen und privaten Leben Zinks. Diese Sammlung ist wohl an diese Stelle geraten, da der erste Eintrag mit dem Jahr 1401 beginnt und damit einen Anschluß an die vorangegangenen Einträge ermöglicht; in sich ist dieser Teil weder chronologisch noch thematisch stringent, es läßt sich allenfalls die Tendenz erkennen, eher auswärtige Ereignisse wie die Hussitenkriege oder das Konstanzer Konzil zu berichten.20 Dies könnte eine mögliche Erklärung für die Separation dieses Teiles bieten, wenn es sich ausschließlich um Material handelte, dass sich vielleicht schlicht nicht in die Berichte ›vom Hörensagen‹ oder den Lebensbericht einordnen ließen. Allerdings endet dieser Abschnitt mit den Augsburger Ungeldunruhen von 1466, die immerhin gut 5 Folioseiten beanspruchen und an der entsprechenden Stelle im letzten Teil des Werkes sicherlich besser aufgehoben gewesen wären. Letztlich bleiben alle Überlegungen zu diesem Abschnitt spekulativ, doch will es mir scheinen, als habe Zink hier Erzählstoff angesammelt, dessen Inhalt zu weit von der Augsburger Geschichte entfernt war, der sich nicht in den Erzählfluß seiner Lebensbeschreibung einfügen ließ, den er eventuell zu spät erfahren hatte oder der möglicherweise noch der Bearbeitung bedurfte, weil er – wie der Bericht von den Ungeldunruhen – schlicht zu lang war. Es folgt darauf die Lebensbeschreibung Zinks (von 1401 bis 1456) und abschließend der weitaus umfangreichste Teil, die »geschicht, die beschehen sind hie in dieser stat Augspurg, seider ich her kommen pin« (1415–1468).21 _____________ 18 19 20 21
Vgl. Zink. Augsburger Stadtchronik, 1. Vgl. ebd., 53. Vgl. ebd., 61–66. Vgl. ebd., 144–330.
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Letztlich fehlt der Chronik ein leitender Grundgedanke, der eine Erzählung der Geschichte(n) außerhalb einer immer wieder durchbrochenen Chronologie ermöglichen würde. Im Grunde verfügt die Gesamtchronik erstens über keine stringente, geschlossene narrative Struktur, sie hat keinen Ausgangspunkt und kein Erzählziel, sondern bietet gleichsam additiv Episoden oder Informationsfragmente, deren Zusammenstellung allein der Logik des Verfassers unterliegt. Lediglich im Bereich der Lebensbeschreibung, die zumindest einen Anfang und einen Helden hat, über den es zu berichten gilt, entwickelt sich ein Erzählfluss, der diesen Teil der Chronik in einem deutlich stilistischen Bruch lesenswert erscheinen lässt. Zweitens ist auch die Binnengliederung der größeren Teile von der weitgehend zufälligen Struktur geprägt. Solange die anonyme Vorlage trägt, wird die Grundordnung des Textes beibehalten, einzelne Sinnabschnitte sind durch Kapitelüberschriften, Rubrizierungen oder andere Hervorhebungen gekennzeichnet. Hierdurch entstehen sofort sichtbare, quantitativ zu bestimmende Texteinheiten, die im Wesentlichen äußeren Kriterien unterliegen. Den Begriff Ordnungskriterien möchte ich vermeiden, denn dieser suggeriert m. E. eine Art Gleichmäßigkeit im Umfang wie im narrativen oder inhaltlichem Aufbau bzw. die Existenz von einem Werkteil tatsächlich zu einem umfassenderen Text- oder Erzählkonzept gehörte; gerade dies ist jedoch in dieser besonderen Historiographie nicht gegeben. Die annalistische Form scheint Zink zunächst als handhabbare Größe adaptiert zu haben, allerdings fehlt ihm im Fortgang der sammelnden Aufzeichnung wiederum ein dezidiertes chronologisches Erzählinteresse, ein roter Faden oder ein wie auch immer geartetes rationales Entscheidungsmoment, das ihm eine abstrakt logische Anordnung des Stoffes erlauben würde. Zink ist hierdurch drittens ausdrücklich dem episodenhaften Erzählen verpflichtet. Er zeichnet auf, was er »von weil zu weil« erfahren,22 gesehen, gehört hat. Gerade im Bereich der Gegenwartschronistik läßt er sich offenbar von diesem Erfahrungshorizont leiten. Er gibt die Zusammenhänge in der Regel tatsächlich so wieder, wie er sie erfahren hat, dies gilt vor allem für Ereignisse, die einzelne Ratsherren, Bürgermeister oder Amtsleute betreffen. Hier löst Zink die absolute Chronologie gerne zugunsten einer kleinen Lebensbeschreibung auf, er berichtet jeweils personenbezogen im Rahmen einer relativen Chronologie.23 Einer Endredaktion, durch die grobe Unstimmigkeiten hätten beseitigt werden können, hat Zink das Werk nicht unterzogen, sondern wohl lediglich eine abschließende Abschrift unternommen, die heute allerdings verloren ist.
III. Insgesamt wird man sagen können, dass Zinks Chronik im Grunde nur über wenige geschlossene narrative Strukturen verfügt; sie ist vielmehr durch eine Art frag_____________ 22 Ebd., 53. 23 So etwa über Peter Egen (später Peter von Argon genannt): Vgl. ebd., 197–207 und 395–420.
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mentarischen Erzählens, ein Aneinanderreihen von Episoden, geprägt. Dem Chronisten scheint – ganz im Unterschied zu humanistischen Geschichtsschreibern – ein dichterischer Gestaltungswille, ein poetischer Impetus, ein literarisches Gesamtkonzept weitestgehend zu fehlen.24 Die unterbliebene literarische Überformung erweckt hingegen den Eindruck, als habe der Leser es mit einer unverfälschten, unmittelbaren Berichterstattung zu tun. Wer getreulich den Preis für unterschiedliche Weinsorten, Getreide, Bier usw. angibt, freimütig, wie es heißt, von seinen diversen Eheschließungen berichtet und scheinbar emotionslos die Grablegen seiner Kinder registriert, dem schenkt der Rezipient in der Regel recht gerne Glauben und extrahiert demzufolge die für die eigene historiographische Arbeit notwendigen Informationen. Im Grunde bietet die Chronik in ihrer fragmentarischen Struktur einen willkommenen Steinbruch für die nachfolgenden Autoren und genauso für die modernen Historiker. Es bedarf keiner langwierigen Operationen, um einzelne Abschnitte oder Informationen aus dem Textgewebe herauszulösen. Selbst in den kleineren Erzähleinheiten ist der Erzählhorizont variabel, flexibel, man könnte auch sagen: beliebig. Diese Form der Chronistik verfügt in ihren Einzelteilen wie in ihrer Gesamtanlage über eine offene Textform, ohne weiteres ließe sich das vorliegende Textcorpus nach vorne und hinten verlängern, selbst Ergänzungen im Text sind – außerhalb der Lebensbeschreibung – in vielen Varianten möglich. Sie stellt gleichsam eine frei verfügbare Informationsgrundlage für die nachfolgenden Autorengenerationen dar, die gerne aus diesen Vollen schöpften. Die historiographische Leistung, die das Werk über lange Zeit so attraktiv machte, liegt im Grunde in der einfachsten Funktion, die Geschichtsschreibung haben kann: Sie besteht in der Verbindung von überliefertem Wissen mit zeitgenössischer Gegenwartschronistik, die ihrerseits im Verlauf der Zeit zum Traditionsgut wird. Zugleich gestattet die episodenhafte, weitgehend unverbundene Darstellung den Nachfolgern einen ähnlich willkürlichen Zugriff auf den Text, wie ihn Zink gegenüber der anonymen Chronik von 1368–1406 praktiziert hatte. Was letztlich zum Kernbestand einer Augsburger Geschichte gehört oder gehören wird, unterliegt zwar nicht mehr allein dem Zufall der Überlieferung einzelner Dokumente, wohl aber der Entscheidungshoheit etwa eines Clemens Sender oder Wilhelm Rem, die mit ihren Schriften dankbar auf Zinks Darstellung aufbauen. Diese ›freie Verfügbarkeit‹ wirkt sich bis in die gegenwärtige mediävistische Forschung aus. Zinks Chronik ist, so gewinnt man den Eindruck, zu einer quel_____________ 24 Wenn versucht wird (nach welchen Kriterien auch immer), die literarische Qualität der Chronik zu beurteilen, so wird in der Regel der Bericht Zinks über seine Reisen außen vor gelassen (Vgl. ebd., 105–111), der in erster Linie zwar nur Orte und Inseln, etwa Venedig und Rhodos, erwähnt, der aber zumindest in einer Passage (Vgl. ebd., 107) geradezu märchenhafte Züge (ein finsterer Wald und ein gruseliges Schloss verschrecken den als Boten der Stadt Augsburg reisenden Zink) trägt. Zu diesen Teilen vergleichbar scheint der Reisebericht des Sebastian Ilsung, der um die Mitte des 15. Jahrhunderts nach Santiago reiste und »sprachlich-stilistisch schlicht gehalten, ja holprig« und ohne »Stilempfinden« »ganz offensichtlich nicht belehren« wollte, sondern individuell schildert, »was er erlebt hat«, wie Inta Knor (2002), hier 50 zusammenfasst.
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lenfundierten Allzweckwaffe geworden. Erich Maschke zeichnete nach ihr die sozio-ökonomischen Aufstiegschancen im spätmittelalterlichen Augsburg,25 Karl Schnith rekonstruierte aus ihr das bürgerliche Selbstbewusstsein eines reichsstädtischen Kaufmannes,26 Martin Kintzinger illustrierte das spätmittelalterliche Bildungswesen anhand des fahrenden Schülers Burkard Zink,27 August Nitschke28 psychologisierte die Ehe- und Familienverhältnisse des Chronisten, Georg Misch und Horst Wenzel schließlich widmeten sich ausschließlich der Lebensbeschreibung respektive dem biographischen Aspekt des Werkes.29 Was letztlich von der Ordnung der Geschichte(n) des Chronisten Zink bleibt, ist außerordentlich spärlich im Vergleich zu den Zuordnungen, die nachfolgende Generationen von Historikern aus seinem Text heraus vornehmen konnten.
Literatur Quellen Küchlin, »Reimchronik vom Herkomen der Stadt Augsburg«, in: Die Chroniken der schwäbischen Städte. Augsburg, Bd. 1, hg. v. Ferdinand Frensdorff, Leipzig/Gotha 1865 (= Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, 4), 333–356. Meisterlin, Sigismund, Cronographia Augustensium. Nach der Handschrift 158/4 in St. Paul in Kärnten, Bd. 1: Abbildung des deutschen Textes, Bd. 2: Transkription des deutschen Textes, hg. v. Hans Gröchenig, Klagenfurt 1998 (= Armarium, 13, 1/2). Zink, Burk(h)ard, »Augsburger Stadtchronik«, in: Die Chroniken der schwäbischen Städte. Augsburg, Bd. 2, hg. v. Ferdinand Frensdorf, Leipzig/Gotha 1866 (= Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, 5), 21–198. Literatur Altschäffel, Clarissa, Art. »Küchlin«, in: Verfasserlexikon, Bd. 5, Berlin/New York 1985, 407–409. Colberg, Katharina, Art. »Meisterlin, Sigismund«, in: Verfasserlexikon, Bd. 6, Berlin/New York 1986, 356–366. Janota, Johannes/Williams-Krapp, Werner (Hg.), Literarisches Leben in Augsburg während des 15. Jahrhunderts, hg. v. Johannes Janota/Werner Williams-Krapp, Tübingen 1995 (= Studia Augustana, 7).
_____________ 25 26 27 28 29
Vgl. Maschke (1965). Vgl. Schnith (1958). Vgl. Kintzinger (1995). Vgl. Nitschke (1981), 81–82. Vgl. Wenzel (1980); Misch (1969).
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Kießling, Rolf, »Zum Augsburg-Bild in der Chronistik des 15. Jahrhunderts«, in: Literarisches Leben in Augsburg während des 15. Jahrhunderts, hg. v. Johannes Janota/ Werner Williams-Krapp, Tübingen 1995 (= Studia Augustana, 7), 183–215. Kintzinger, Martin, »›ich was auch ain schueler‹. Die Schulen im spätmittelalterlichen Augsburg«, in: Literarisches Leben in Augsburg während des 15. Jahrhunderts, hg. v. Johannes Janota/Werner Williams-Krapp, Tübingen 1995 (= Studia Augustana, 7), 58–81. Knor, Inta, »Zwischen humanistischer Tradition und bürgerlicher Selbstreflexion«, in: Intellektuelle in der Frühen Neuzeit, hg. v. Jutta Held, München 2002, 43–51. Kramer-Schlette, Karla, Vier Augsburger Chronisten der Reformationszeit. Die Behandlung und Deutung der Zeitgeschichte bei Clemens Sender, Wilhelm Rem, Georg Preu und Paul Hektor Mair, Lübeck 1970 (= Historische Studien, 421). Künast, Hans-Jörg, »Die Augsburger Frühdrucker und ihre Textauswahl. Oder: Machten die Drucker die Schreiber arbeitslos?«, in: Literarisches Leben in Augsburg während des 15. Jahrhunderts, hg. v. Johannes Janota/Werner Williams-Krapp, Tübingen 1995 (= Studia Augustana, 7), 47–57. Maschke, Erich, »Der wirtschaftliche Aufstieg des Burghard Zink (* 1396 † 1474/75) in Augsburg«, in: Festschrift Hermann Aubin zum 80. Geburtstag, Bd. 1, hg. v. Otto Brunner/Hermann Kellenbenz/Erich Maschke/Wolfgang Zorn, Wiesbaden 1965, 235–262. Misch, Georg, Von der Renaissance bis zu den autobiographischen Hauptwerken des 18. und 19. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1969 (= Geschichte der Autobiographie, 4, 2). Müller, Harald, Habit und Habitus. Mönche und Humanisten im Dialog, Tübingen 2006 (= Spätmittelalter und Reformation. N. R., 32). Nitschke, August, Historische Verhaltensforschung. Analysen gesellschaftlicher Verhaltensweisen. Ein Arbeitsbuch, Stuttgart 1981 (= Uni-Taschenbücher, 1153). Petz, Wolfgang, Reichsstädte zur Blütezeit 1350 bis 1550. Alltag und Kultur im Allgäu und in Oberschwaben, Kempten 1989. Rogge, Jörg, »Vom Schweigen der Chronisten. Überlegungen zu Darstellung und Interpretation von Ratspolitik sowie Verfassungswandel in den Chroniken von Hektor Mülich, Ulrich Schwarz und Burkhard Zink«, in: Literarisches Leben in Augsburg während des 15. Jahrhunderts, hg. v. Johannes Janota/Werner Williams-Krapp, Tübingen 1995 (= Studia Augustana, 7), 216–239. Schneider, Joachim, »Das erste Ereignis einer Geschichte: Die Bedeutung der angeblich römischen Gründung Nürnbergs in der Stadtchronik des Sigismund Meisterlin«, in: Geschichte schreiben. Ein Quellen- und Studienhandbuch zur Historiografie (ca. 1350–1750), hg. v. Susanne Rau und Birgit Studt, Berlin 2010, 491–500. Schnith, Karl, Die Augburger Chronik des Burkhard Zink. Eine Untersuchung zur reichsstädtischen Geschichtsschreibung des 15. Jahrhunderts, München 1958. Schnith, Karl, Art. »Zink, Burkhard«, in: Verfasserlexikon, Bd. 10, Berlin/New York 1999, 1556–1558.
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»baierisch nam, das römisch reich, die ganz christenhait«:1 das Regionale, das Nationale und das Universale bei Aventin ANDREJ DORONIN Die im Titel aufgeführte Begriffsreihe nennt bereits die Themen, welche in der Bayerischen Chronik des Hofchronisten aus dem Hause Wittelsbach, Johannes Aventin (1477–1534), zur Sprache kommen.2 Im Mittelpunkt steht die Geschichte eines Volkes, das erst unter Aventins Feder zum ältesten der germanischen Stämme avancierte. Aventin will die lange Geschichte des alten Bayern mit der kurzen Geschichte aller Deutschen vereinen. Seinem Volk und seiner Nation sei also die von Gott auferlegte Aufgabe zugekommen, im Namen der kontinuitätsstiftenden Rettung des Römischen Reiches und der Vereinigung aller Christen das antike Erbe weiterzutragen. Er geht davon aus, dass die Vergangenheit der germanischen Stämme mit jener der ganzen Menschheit untrennbar verbunden ist. Die Annales ducum Boiariae wie auch die Bayerische Chronik sind Texte mit regionalem Schwerpunkt. Wie andere humanistische Stammes- und Landesgeschichten, haben sie aber gleichzeitig einen gesamtdeutschen Anspruch – und einen weit größeren Umfang.3 Die italienischen humanistischen Historiker internalisierten das mit Petrarca zu verbindende dreistufige Entwicklungsmodell Hochkultur der Antike – finsteres Mittelalter – kultureller Neuanfang. Die deutschen humanistischen Historiker hingegen setzen die Vorstellungen antiker Autoren über die Germania mit ihrem zeitgenössischen Deutschland gleich. Zu diesen zählt auch Aventin, der somit am nationalen Mythos der Deutschen arbeitete. Aus der protonationalen GermanenMythologie, welche die Historiker der Renaissance in die Form eines gemeinsamen, überregionalen historischen Bewusstseins brachten, sollte in der Folge die moderne Idee der Nation entstehen. Unabhängig vom Verfahren konkreter Autoren und historischer Situationen kann man in diesem Zusammenhang von der Ent_____________ 1 2
3
Aventin, Bayerische Chronik, Sämtliche Werke [S. W.] IV, 11. Die im Beitrag zitierten hochdeutschen Übersetzungen stammen vom Verfasser. Der Beitrag stützt sich stark auf meine Dissertation, vgl. Doronin (2007). Umfassend informiert die hier genannte wichtigste jüngere Literatur über Aventin: Vgl. März (2008); Dünninger (1977); Goerlitz (1999); Kraus (1995; Müller (1997); Münkler/ Grünberger/Mayer (1998), 196– 200, 254–257, 279–285, 343; Schmid (1977; Schmid (2001; Sitzmann (1977); Strauss (1963). Aventin, Annales ducum Boiariae, S. W. II und III. Problemüberblick zur humanistischen Landesbeschreibung vgl. Helmrath (2005); Schirrmeister (2009).
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stehung einer nationalen Geschichtsschreibung sprechen.4 Nachdem neben italienischen Herrschern auch andere Anspruch auf das römische kulturelle Erbe erhoben hatten, gewann der alte Streit um die translatio imperii an ideologischer und politischer Bedeutung. In diesem Streit steckten die Wurzeln eines neuen Weltbildes, welches Schritt für Schritt die mittelalterliche Universalität in Frage stellen sollte. Die Autoren der Renaissance schöpften ihre neue Identität aus dem Altertum, welche zunehmend eine nationale Färbung gewann. Dieser Vorgang war aber pluralistisch. Die Autoren konstruierten ihr Vaterland, indem sie die universale Kontinuitätslinie durchbrachen, die mit Adam bzw. den Söhnen Noahs begonnen hatte. Es war, um ein Bild zu verwenden, nun nicht mehr ein einziger Baum, der die Einheit der Menschheit symbolisierte und dessen Krone gleichsam das Heilige Römische Reich repräsentierte, sondern andere Bäume schlugen nun Wurzeln und neue Mythologien einer großen Vergangenheit wurden entworfen. Dies führte zur Entstehung konkurrierender nationaler Identitäten (Germania, Gallia, Polonia, Anglia usw.). Deutsche Patrioten des 15. und 16. Jahrhunderts stellten im Akt der translatio imperii aktuellen französichen und päpstlichen politischen Ambitionen nun argumentativ eine eigene alte historische Kontinuität entgegen.5 Man könnte von einer Nationalisierung des universalen Kaisertums mit einer Fokussierung auf Deutschland sprechen. Dessen Anfang wurde bei Karl dem Großen gesetzt. Seine Regierung wurde zugleich als Zeichen der Renaissance des Römischen Reiches präsentiert und eine kontinuierliche Linie von Karl zu Otto dem Großen gezeichnet. Man findet bei den deutschen Humanisten zwei verschiedene Interpretationen der translatio: eine romanische und eine autochthone. Die romanische Legitimation argumentiert, dass das römische Volk Karl bejubelt und der Papst ihm einen heiligen Auftrag gegeben habe.6 In der zweiten, autochthonen Interpretation wird hingegen eine Kontinuität zwischen griechischer und deutscher Kultur konstruiert. Dieser Deutung nach ist der Zerfall des römischen Reiches eine Strafe Gottes, weswegen man die römische, die mittelalterlich-lateinische (mit Ausnahme des Kaisertums) und die moderne italienische Kontinuitätslinie ignorieren könne. Konrad Celtis und sein Schüler Aventin – beide Vertreter letzterer Interpretation – haben die deutsche Identitätslinie von einer griechischen Antike bis in die Gegenwart unter anderem auch deshalb verfolgt, um zu beweisen, dass die alte deutsche Kultur nicht barbarisch gewesen sei. Man versuchte sich also von dem römischen Bild (Germanen = Barbaren) zu befreien, indem man die Germanen kulturell den Griechen ansippte. Somit wurde eine autochthone, von Rom unabhängige Herkunft der Germanen (= Deutschen) konstruiert. Hieraus folgte jedoch auch, dass das Mittelalter nun nicht mehr als kulturlose Epoche gesehen wurde. _____________ 4 5 6
Vgl. Münkler/Grünberger/Mayer (1998); sowie besonders Hirschi (2005), zu Aventin v.a. 332– 347, 355 f., 541; Helmchen (2005); sowie früher bereits Gotthelf (1976); Paul (1936). Vgl. Thomas (1997), 944–946; Goez (1958). Vgl. Piccolomini, De ortu et auctoritate imperii Romani, 66–71.
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Die deutschen Humanisten stellten also das revolutionäre Drei-Epochen-Schema des italienischen Humanisten Petrarca in Frage.
Konstruktion der germanischen Frühzeit: Bayern – Franken – Deutschland Das historische Konzept von Johannes Aventin ist ein gutes Beispiel für eine solche autochthone Version der deutschen humanistischen Geschichtsschreibung.7 Wenn man sich mit den Schriften Aventins beschäftigt, wird schnell deutlich, wie die Nation zu einer Vorstellung der ethnischen Identität, zu einem Mythos der humanistischen Geschichtsschreibung wurde. Die Humanisten unterschieden auf eine neue Art und Weise zwischen dem Eigenen und dem Fremden; nämlich in Hinblick auf die ethnische Zugehörigkeit, und schufen somit nationale Symbole, Helden, Stereotypen und nationale Feinde. Gewiss, das von den Humanisten vorgeschlagene Modell der Nationsbildung konnte die auch von ihnen wahrgenommenen Diskontinuitäten nur begrenzt überwinden. Deswegen waren sie bestrebt, vielfältige Bereiche der Sprache und der Kultur sowie dauerhafte nationale Tugenden, Volkscharakter und politische Interessen für die Idee der Nation brauchbar zu machen. Alle Elemente, die dieser Vorstellung widersprachen, mussten auf die richtige Art und Weise interpretiert und in die neu konstruierte Kontinuitätslinie integriert werden. Historiker wie Aventin schufen hierzu Mythen, welche diese Widersprüche erklären sollten. So wurde der von Tacitus in der Germania erwähnte Tuisto8 zum Vater der deutschen Nation und zum Erfinder des deutschen (= des griechischen) Alphabets gemacht. Sie sprachen von der Verwandtschaft zwischen der deutschen und der altgriechischen Sprache, von Druiden als Trägern der autochthonen deutschen Kultur und sogar von einem archaischen deutschen Staat, der älter als Troja gewesen sei. Des Weiteren wurden die gentes erwähnt, die ihren Namen bewusst geleugnet und einen neuen angenommen hätten, um die Zeit unter der Herrschaft der Römer zu vergessen. Unter anderen im Altertum wichtigen und bekannten Völkern zählte Aventin auch die Kelten zu den Germanen.9 In solchen Mythen, die darauf abzielten, eine Art gemeinsames historisches Bewusstsein zu schaffen, wurde eine Identität der Nation konstruiert. Laut Aventin, der in seinen Erzählungen dem Pseudo-Berosus aus der Fälschung des Annius von Viterbo (†1502) folgt, hat Noah nach der Sintflut die Erde in Asien, Afrika und Europa ein – und dieselbe unter seinen Söhnen Sem, Cham und Japhet aufgeteilt. In Europa habe Noah Tuisto (Tuisco) als König eingesetzt. Dieser solle über den größten Teil Europas herrschen, »nemlich vom Rhein an bis _____________ 7 8 9
Vgl. Helmrath (2005), 166 f. Vgl. Tac. Germ. 2, 2. Zur Tacitus-Rezeption grundlegend vgl. Mertens (2004). Zum Druidenmythos als Nationalisierung der theologia prisca vgl. Hirschi (2005), 348–356. Zum Druidenmythos bei Konrad Celtis vgl. Müller (2001), 160 f., 180 f., 417–423, 521; Robert (2003).
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an die grenzen Asiae und Pontum Euxinum [Schwarzes Meer]«.10 Die Nachkommen von Tuisto siedelten, so die Erzählung, im Behamer(= Böhmer)land, ein Territorium, das seit langer Zeit den Baiern gehörte. Aventin geht davon aus, dass die Bayern als Bewohner des Hermansreiches und des Behamerlandes die ersten Deutschen waren.11 Diese phantastische Annahme war eine der Grundthesen seiner historischen Konzeption. Sich weiterhin auf Pseudo-Berosus, die Erfindung des Annius von Viterbo (1498), stützend, befasst sich Aventin nun mit Alemannus, den angeblich elften König der Deutschen und Vater des germanischen Stammes. Der Beiname »der teutsch Hercules« wird von »Ärcle und Ärgle« (von ärgerlich) abgeleitet und stützt sich auf eine Erzählung, der zufolge dieser überall von einem »argen pösen lewen« begleitet wurde.12 Aventin zitiert auch gerne die Chronik des Benediktinermönchs Bernhard von Kremsmünster († ca. 1326),13 der angeblich schon unter Kaiser Friedrich I. Barbarossa ein Büchlein über die Abstammung des baierischen Volkes schrieb. In diesem Buch, so merkt der Humanist begeistert an, spricht Bernhard davon, dass die Baiern früher in Asien gelebt hätten und dann bis zur Donau gewandert seien. Andere Völkerstämme hätten im Zuge dieser Wanderung von ihnen die deutsche Sprache gelernt.14 Aventin verlässt sich hier voll und ganz auf Bernhard.15 Nach diesem stammten die Baiern aus »Armenia und India«, was Bernhard, so Aventin, »von glaubwirdigen gehört« habe, »die dort hin gewandert und bairisch reden gehört haben«.16 Eine solche mittelalterliche Tradition der Geschichtsschreibung, zu der Bernhard von Kremsmünster gehört, widerspricht nicht der Erzählung Aventins, sondern passt im Gegenteil gut in sein Schema.17 Um die authentische germanische Abstammung der Baiern zu betonen und um ihre Geschichte weiter in die Vergangenheit zurückzuführen, schlägt Aventin vor, die keltischen Bojer als ihre Vorfahren zu betrachten und alle Kelten, die auf »germanischem« Territorium lebten, wegen ihrer Sprache, Sitten und Gesetze zu den germanischen Völkern zu zählen.18 Aventin stützt seine Ausführungen nun jedoch nicht auf die Berichte einheimischer Chronisten (wie beispielsweise Andreas von Regensburg), sondern auf Tacitus. Als logische Fortsetzung der These des römischen Historikers, dem zufolge die Germanen seit jeher als indigene Völker _____________ 10 Aventin, Chronica von Ursprung, Herkommen und Taten der uralten Teutschen [Deutsche Chronik], S. W. I, 329. 11 Vgl. Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 143 f., und vor allem S. W. IV, 340. 12 Vgl. ebd., 135. 13 Vgl. Schnith (1980), 2000. 14 Vgl. Aventin, Chronica von Ursprung, Herkommen und Taten der uralten Teutschen [Deutsche Chronik], S.W. I, 340 f. 15 Ebd., 341: »Das sein die die wort Beronardi, die ich aufs treulichest dartue«. 16 Ebd. 17 Zu den mittelalterlichen Erzählungen über die Abstammung der Bajuwaren vgl. Graus (1975), 109–111. 18 Vgl. Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 143–145.
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auf ihrem Territorium lebten,19 zählt der Humanist nun alle Stämme zu den Germanen, die er in der Vergangenheit nachweisen kann. So zieht Aventin, entgegen der Schilderungen im 42. Kapitel der Germania des Tacitus,20 die älteren Bojer den berühmteren und stärkeren Markomannen vor. Er stellt hier ältere Abstammung vor militärische Tapferkeit und gewinnt somit eine Referenz für seine Konstruktion einer autochthonen Frühzeit. Wenig später sollte Beatus Rhenanus jedoch nachweisen, dass die Bojer erst im 6. Jahrhundert n. Chr. in das Gebiet des heutigen Bayern einwanderten.21 Auf der Suche nach den Anfängen wendet sich Aventin auch der Etymologie des Namens Bayern zu. Man könne das Wort in keiner alten Schrift finden, da es weder deutsch noch lateinisch sei. Es sei »von den kuchenlateinern erdacht« und erst nach Friedrich II. in den Allgemeingebrauch übergegangen. Anfangs nutzte man das Wort Bavarus jedoch, so Aventin, aufgrund seiner Klängähnlichkeit mit dem lateinischen avarus (geizig), um über die Baiern zu spotten.22 Die Bajuwaren stellt Aventin in eine Reihe mit den Franken.23 Diese, so versichert er, stammen ebenso aus Bayern und regierten dort solange, bis andere bajuwarische Dynastien an die Macht kamen. In seinem Selbstverständnis als deutscher Patriot konnte Aventin die Vorstellung, dass Karl der Große ein Fremdstämmiger oder gar Franzose gewesen sein sollte, nicht akzeptieren. Die Franken und die Bajuwaren haben für ihn die gleiche Abstammung. Auf originelle Art geht Aventin hierbei auf den Gegensatz ein zwischen der mittelalterlichen Tradition, welche die Wurzeln der Franken in Troja verortet, und den neuen Ansichten der Renaissance-Gelehrten, wie Bebel, Irenicus, Pirckheimer und Rhenanus, die dem Troja-Mythos widersprachen. Er löst das Problem, indem er ausführt, dass die Franken als eben jene Bajuwaren zu verstehen seien, die mit den alten Griechen verwandt waren. Er konstatiert, dass sich manchmal diese und manchmal jene Teile des bajuwarischen Volkes Trojaner nannten und erklärt:24 »Darumb es nit gar erlogen ist, das die neuen sagen, die Franken und Baiern haben vor zeiten das troianisch reich besessen, die die fodristen an des königs hoff zu Troia, die edlisten und fürnemesten gewesen seien«.25 In der Bayerischen Chronik führt Aventin zu den deutschen Stämmen allgemein aus, dass diese viel älter als diejenigen ihrer trojanischen Gönner seien. _____________ 19 Vgl. Tac. Germ. 2, 1. 20 Ebd. 42, 1: »Praecipua Marcomannorum gloria viresque, atque ipsa etiam sedes pulsis olim Boiis virtute parta«. »Besonders berühmt und stark sind Markomannen, die sogar ihre Siedlungsgebiet durch Tapferkeit gewannen, indem sie einst die Bojer vertrieben«. 21 Vgl. Rhenanus, Rerum Germanicarum libri tres, 655, s.v. Boii, Boierii. 22 Vgl. Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 34. Aventin identifiziert die Bajuwaren nicht mit den Avaren, die im 6. Jahrhundert ein Chanat mit Zentrum in Südpannonien schufen (Vgl. ebd., 35). 23 Vgl. ebd., 197. 24 Vgl. Aventin, Chronica von Ursprung, Herkommen und Taten der uralten Teutschen [Deutsche Chronik], S. W. I, 341. 25 Ebd., 340.
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Denn »vor dem künigreich Troia wol sibenhundert jar das teutsch erzkünigreich gestanden ist«.26 Er entwickelt die Idee dieses frühen deutschen Staates allerdings nicht weiter, obwohl sie als logisches Glied seiner Konzeption den Germanen, speziell den Bajuwaren, die älteste Abstammung in Europa und damit in der Welt garantiert hätte. Auch wird die Vision von keinem der anderen deutschen Humanisten aufgenommen. Stattdessen führt Aventin aus, dass die Franken und Baiern den alten Phrygern (»Phriges«, nach Aventin die »Freien«) gleichzusetzen seien. Diese werden in den griechischen und lateinischen Schriften als »die ersten menschen« dargestellt, welche von der Donau, aus Europa, nach Asien wanderten.27 Einen Nachweis hierfür findet er bei Claudian, der davon berichte, dass die »götter, helden und risen der gar alten Teutschen«, die zusammen mit Tuisto aus Skythien kamen, nach Bayern umgesiedelt seien.28 Der Bezug auf Phryger und Skythen gibt Aventin die Möglichkeit, die germanischen Stämme in die Ursprungszeit der Menschheit zu führen. Im Wettstreit um die älteste Kultur beruft er sich hierbei gerne auf antike Autoren, wie an der Berufung auf Claudian – wohl bemerkt: ohne textliche Grundlage – ersichtlich wurde. In gewissem Sinne ist der Mythos über die trojanische Herkunft der Franken29 respektive der Baiern nur ein Echo der ersten asiatischen Periode ihrer Herkunft. Von dort seien sie über Troja in Armenien, Indien und allgemein in Asien bekannt geworden. Sogar in deutschen Redewendungen finde man leicht Nachweise, so Aventin, dass die Franken uralte Traditionen fortführen, da in ihnen auf die frühen Zeiten des Altfränkischen Bezug genommen werde.30 Hierin bestätigen ihn auch die Wappen und heraldischen Symboliken fränkischer und bayrischer Adelsgeschlechter.31 Als Bayern noch ein großes und mächtiges Reich war, ordneten sich ihm nach Meinung Aventins »Sarmacia[m], Dennmark, Frankreich, Welschland, Ungarn, und das alt Norkau« unter.32 Beweise hierfür findet er wieder bei den griechischen und römischen Autoren. Die Franken blieben zunächst im Hintergrund und bevorzugten es, sich unter dem bayrischen Namen zu verstecken, bis der »Franken namen hat der Baiern namen vertruckt und gedempfet«.33 Der Grund für diese Herangehensweise des Humanisten ist darin zu sehen, dass er die ethnische Disparatheit und Diskontinuität der Germanen zur Zeit der Völkerwanderung nicht akzeptieren konnte und _____________ 26 Vgl. Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 191. 27 Aventin, Chronica von Ursprung, Herkommen und Taten der uralten Teutschen [Deutsche Chronik], S. W. I, 342. 28 Ebd., 343. De facto erwähnt Claudian freilich Tuisto nicht. Aventin konstruiert sich hier seinen Claudian. 29 Vgl. Graus (1975), 82–89; Müller (2001), 337–343. 30 Vgl. Aventin, Chronica von Ursprung, Herkommen und Taten der uralten Teutschen [Deutsche Chronik], S. W. I, 342. 31 Vgl. ebd., 342. 32 Ebd., 341. 33 Ebd., 341. Aventin meint hier vermutlich das Jahr 534, als nämlich die Baiern die Franken unter dem Merowingerkönig Theudebert als ihre Herrscher anerkannten.
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den Ausweg in anderen Konzepten suchte. Wie vielen anderen deutschen Humanisten war auch für Aventin die Abstammung der Phryger respektive der Franken unvereinbar mit jener der Franzosen. Der Bayer Aventin betont daher immer wieder, dass die Franken nichts mit diesen gemeinsam hätten und beruft sich hierbei auch auf andere zeitgenössische Humanisten: Stabius und Celtis […], waren der mainung, als ich selbs von inen aus irem mund gehört hab, das alle Land, so zwischen dem Rein und hispanischen künigreichen beschlossen werden, vor zeiten teutsch […] geredt haben; das bezeugen auch Strabo und Julius der erste kaiser.34
Mit der Zeit habe sich, so Aventin, der bayerische Name und das Volk immer mehr verbreitet, sodass »si das ganz Galliam und das römisch reich in teutsche land bracht haben und nach inen teutsche land und alle land pis an Hispanien Frankreich genant sein worden«.35 Er beharrt darauf, dass die Franzosen erst viel später und auf unberechtige Weise Zuflucht bei Karl dem Großen suchten und ihre Abstammung von der Dynastie der Franken ableiteten. Außerdem habe das Volk, das nun unter der französischen Krone lebe, keine eigene Sprache. Es habe sie verloren, weil es lange Zeit zum Römischen Reich gehört hätte. Dies unterstreicht er kategorisch durch die »redt die römisch zung, wiewol ganz verzogen und verendert auf die teutsch art«,36 worunter er auch das französische Volk versteht und ihm so seiner Wurzeln beraubt. Indem Aventin die Bajuwaren und die Franken aufgrund ihrer Abstammung hervorhebt, betont er nicht nur, dass sie in der antiken Welt bereits sehr bekannt waren, sondern auch, dass man ihren Namen als die Freien zu verstehen hat. Sie seien wegen ihres charakteristischen kriegerischen Heldenmutes so genannt worden. Um ihre angeborene Freiheitsliebe zu illustrieren, weist Aventin den Leser mit Stolz auf die Geschichte von Alexander dem Großen hin. Dessen Abstammung wird in mittelalterlichen Legenden den Franken zugeschrieben:37 So unterwarfen sich alle Völker dem Feldherrn Alexander, schildert Aventin und hebt hervor, dass nur die Bayern sich ihm widersetzten und gegen ihn in den Krieg gezogen seien.38 Gerade hierdurch wiesen sich die Bayern noch einmal als würdige Nachfolger seines Imperiums aus. Die Suche nach den Anfängen der bayrischen und somit auch deutschen Geschichte führt Aventin sogar an die Ufer des Nils. Er erwähnt antike Schriftsteller, die von Konflikten zwischen den Reichen der Pharaonen und der Skythen berichten und verweist noch einmal auf die germanische Abstammung der Skythen.39 _____________ 34 Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 208 f. Zu Johannes Stabius (1460–1522), dem Historiographen Kaiser Maximilians, vgl. Röttel (2010), 777 f. 35 Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 197. 36 Ebd., 209. 37 Vgl. Graus (1975), 84. 38 Vgl. Aventin, Chronica von Ursprung, Herkommen und Taten der uralten Teutschen [Deutsche Chronik], S. W. I, 341; Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 337, 365–366. 39 Vgl. ebd., 206–207.
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An anderer Stelle fragt er nach dem Alter der Skythen und Ägypter: »dann es hat ein jeder teil wöllen der elter sein, und die Egypter sagten, si weren die ersten auf erdrîch gewesen«.40 Zur Klärung referiert er einen von Herodot (den Aventin namentlich nicht erwähnt) überlieferten Mythos, und hebt das phrygische Wort beck hervor. Wieder werden also sprachliche Analogien bemüht: Es handle sich hier um ein deutsches Wort, da beck bei den Phrygern Brot bedeute. Da er die Phryger mit »Freien oder Franken«41 gleichsetzt, kann er beck einen deutschen Ursprung zuweisen und über diese Konstruktion die Deutschen wieder als ältestes Volk hervorheben.42 Man könnte hieraus schließen, dass Aventin den antiken Autoren prinzipiell die Autorität zumisst, den Deutschen in ihren Schriften Namen zu geben. Hierdurch legen sie für Aventin aber gleichfalls auch Zeugnis von der germanischen Ursprache ab. Kurzum verwendet Aventin die lateinischen und griechischen Autoren, um eine, selbst diesen Autoritäten überlegene, spezifisch germanische antiquitas zu konstruieren.
Die methodische Bedeutung von Schrift, Sprache und Etymologie Schon Ulrich Paul rückte Aventin bei der Untersuchung des deutschen Altertums nahe an Johannes Trithemius und Celtis heran, insbesondere in der Konstruktion griechischer Ursprünge.43 In der Tat verbindet den Bayern und den Sponheimer Abt Trithemius ein besonders exzessiver Drang zur Konstruktion von Frühgeschichte, vor allem durch Etymologisieren. Während uns diese Etymologien der Namen der verschiedenen Volksstämme merkwürdig, ja undenkbar erscheinen, stören Trithemius und Aventin derartige Operationen nicht. Die Ursache ist in der Zeit zu suchen, in der beide schrieben. Die Legitimation der deutschen Staatlichkeit und Kultur war ein charakteristisches Thema für die humanistischen Historiker. Trithemius wie Aventin waren geradezu Gefangene einer patriotischen und national akzentuierten historischen Konzeption, die in der Epoche der Renaissance geboren wurde. Aventins Opera spiegeln – auf allerdings eigenwillige Art und Weise – aktuelle Fragestellungen und Leidenschaften der Bildungselite seiner Zeit wieder, wie dies bereits Gerald Strauss beschrieb.44 Aus ihren durch antike Autoren gestützten Fantasien ergibt sich nahezu unvermeidlich die Entstehung einer nationalen Ideologie als deren gemeinsames Ziel.45 _____________ 40 Aventin, Chronica von Ursprung, Herkommen und Taten der uralten Teutschen [Deutsche Chronik], S. W. I, 342. 41 Ebd., 342. 42 Ebd., 342: »Also warden die Phriges, Freien oder Franken für die eltisten geacht, das ist die Teutschen«. 43 Vgl. Paul (1936), 91. 44 Strauss (1963), 102: »The summaries, excerpts, and genealogical tables of which this Epitome [of a Bavarian Chronicle] is composed make a curious sample of historical taste in Renaissance Germany.« Vgl. März (2008), 102 f. 45 Vgl. Hirschi (2005).
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Zu den grundlegenden Thesen der Aventinischen Geschichtskonzeption gehört, wie wir gesehen haben, die autochthone, protorömische Herkunft der germanischen Stämme im Altertum. Ferner gehören zu diesem Diskurs die Kontinuität der patria und die Rechtfertigung einer besonderen Berufung durch ihre angeborene Frömmigkeit. Zur Bestätigung dieser Konzeption verweist der Chronist auf seine Quellen. Lange vor dem Beginn des Christentums sieht er den Anfang eines beschwerlichen, aber unaufhaltsamen Aufstiegs der Deutschen. Wie Celtis ist Aventin sicher, dass Europa sein kulturelles Erscheinungsbild in erster Linie den alten Griechen verdankt: »Es sein die Kriechen vil fleissiger gewesen dan die Römer, […] Was wir im latein haben kumbt alles von Kriechen.«46 Nicht zufällig betont er daher die Regierung und die Kriege Alexanders des Großen, die zur Gründung des Imperiums führten.47 Der wichtigste Komplex von Aventins Vorstellung über die alte autochthone Kultur der Germanen basiert auf theoretischen Überlegungen, die sich dem Ursprung der Nationalsprache widmen, da keiner der antiken Autoren, auch Tacitus nicht, Hinweise auf Schriftlichkeit bei den germanischen Stämmen hinterlassen hat. Dieses fatale Manko sucht Aventin zu beseitigen. Nach seiner Version wurde schon bei den ersten Deutschen die griechische Schrift verwendet; sie schrieben ähnlich wie die Griechen. Es steht für ihn außer Frage, dass die deutsche Sprache der griechischen ähnlicher ist als der lateinischen. Außerdem habe das Deutsche mit dem Lateinischen nichts gemeinsam und nicht ein einziges Wort war damals lateinischen, viele aber griechischen und jüdischen bzw. hebräischen Ursprungs.48 Worauf aber gründet diese Theorie? Letztlich auf der Autorität einer älteren Generation, namentlich von Celtis, Trithemius und Johannes von Dalberg, dem Wormser Bischof und Pfälzischen Kanzler.49 Diese stützten sich bereits auf die von Tacitus und Caesar angestellten Beobachtungen griechischer Schrift bei den Germanen.50 Als eine Resonanz bei den patriotisch orientierten deutschen Humanisten um 1500 können etwa folgende Verse des Conrad Celtis gelten: Es geht die Sage, daß die Griechen, als sie Galliens Land aufsuchten, ihre Schiffe an den Ufern des Rheines entladen hätten [...] Und als sie [...] Druiden für die heiligen Tempel einsetzten, da gaben sie nach Dis der Stadt ihren griechischen Namen, und noch heutzutage bewahrt das Volk die Sprache der Griechen.51
_____________ 46 Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 407. Vgl. Müller (2001), 420 f., 524, s.v. Griechen. 47 Vgl. Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 340–369. Vgl. oben im Text bei Anm. 38. 48 Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 14: »wan si gar kain gemainschaft mit der lateinischen sprach hat, auch in ir kain lateinisch wort, wol vil kriechische und etliche jüdische braucht si […] gêt am maisten auf das kriechisch, etlicher maß auf das hebreisch«. 49 Vgl. ebd., 15. 50 Vgl. ebd., 84. Für einen Blick auf die antiken Vorlagen vgl. Tac. Germ. 3, 2; Caes. Gall. I, 29. 51 Celtis, Quatuor libri amorum, 1. Buch 12 Elegie, Vers 35 f., 41ff.; Kühlmann/Seidel/Wiegand (1997), 82 f. v. 36 f. 40–42, 993: »Fama est dum Grai peciissent gallica rura, // Ad Rheni ripas exonerasse rates [...] // Et druides sacris instituere templis // Hinc a Dite dabant urbi sua nomina graeca // Graecorum linguam gensque hodierna tenet.« Es geht um die Stadt Würzburg, etymo-
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Aventin schlägt nun folgendes Schema für die Entstehung der deutschen »puechstaben und schrift« vor: Als Vorfahr und antiker König der Deutschen habe Tuisto das Alphabet »erfunden«, das »solten nachmals die Kriechen angenumen und gepessert haben.«52 Über viele Jahre des Niedergangs hätten die Deutschen das Alphabet verloren und nur ihre Geistlichen, die Druiden, hätten es für die Nachkommen bewahrt. Die von Kaiser Tiberius aus Gallien vertriebenen Druiden, die dann in den Schwarzwald umsiedelten, werden so zum Verbindungsglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen der Sprache Tuistos und der zeitgenössischen deutschen Sprache.53 Im sechsten Jahrhundert habe König Chilfreich54 das verschwundene Alphabet neu belebt, nur sei es nach seinem Tod erneut vergessen worden.55 Nach Chilfreich habe sich niemand anderes als Kaiser Karl der Große selbst darum bemüht, dass »unser sprach in ein rechten grund und weis nach kriechischer art mit schreiben und reden zue bringen.«56 Um die sprachliche Kontinuität auch für die Zeit nach den Karolingern zu beweisen, erwähnt Aventin mehrmals die von ihm in verschiedenen Bibliotheken gefundenen Bücher mit einer ungewöhnlichen Schrift, die der griechischen sehr ähnlich sei.57 Auch in der Alltagssprache versucht er den Nachhall des homerischen Griechisch herauszuhören: »Und fürwâr die teutsch sprach, vorauß die säxisch und niderlendisch, vergleicht sich vast in allen dingen der kriechischen zungen, gêt vast auf die kriechischen art, man möchts auch mit kriechischen puechstaben vil gerechter schreiben dermassen […]«.58 Das allgemeine Streben nach Antikisierung und Latinisierung der Kultur und des alltäglichen Lebens in der Renaissance drängte zunächst die Ideen der Selbstständigkeit und des Eigenwertes der germanischen Tradition und der deutschen Sprache zurück. An den Arbeiten des Abensbergers kann man gut verfolgen, wie sich diese Tendenz umkehrt. Diese Rückkehr der Nationalsprachen ist durchaus ein europäisches Phänomen. Es zeigt sich auch in den vielen Übersetzungen aus den antiken Sprachen. Für den reifen Aventin ist es selbstverständlich, dass »ein _____________
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logisch hier abgeleitet: Dis – der Unterweltsgott (zugleich in der Bedeutung Reichtum), griech: Erebos, also Würzburg/lat. Herbiopolis = erebou polis. Die Landung der Griechen könnte auch auf Tac. Germ. 3, 2 zurückgehen, wo die Rede ist, Odysseus sei nach Germanien gekommen. Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 83. Vgl. Aventin, Chronica von Ursprung, Herkommen und Taten der uralten Teutschen [Deutsche Chronik], S. W. I, 351; Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 104–107. Vgl. zum Druidenmythos die Literatur in Anm. 9. Wahrscheinlich ist Chilperich (561–584), der Sohn des fränkischen Königs Chlothar I. († 560/ 561) gemeint. Chilfreich ist die aventinische Variante des Namens, in der nahegelegt wird, ihn als hilfsbereit oder sogar als Hilfe für das Reich zu etymologisieren. Vgl. Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 14. Ebd., 85. Vgl. ebd., 84; Aventin, Chronica von Ursprung, Herkommen und Taten der uralten Teutschen [Deutsche Chronik], S. W. I, 311. Möglicherweise meint er damit Bücher, die in vorkarolingischen Nationalschriften geschrieben sind. Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 84.
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ietliche sprach hat ir aigne breuch und besunder aigenschaft«.59 Sie ist eine der wichtigsten Bedingungen für die Eigenart der Kultur und der politischen Autorität einer Nation. Diese Überzeugung findet der Abensberger bereits im Altertum: Im römischen Reich sei es verpflichtend gewesen, in gesellschaftlichen und alltäglichen Angelegenheiten Latein zu sprechen. Er preist die Weisheit dieses Schrittes und findet dabei die Unterstützung von Beatus Rhenanus, der der gleichen Meinung ist.60 Die Folge dieser Aufwertung der Nationalsprache ist freilich, dass ausgerechnet die humanistische Leitsprache, das Lateinische, diskreditiert wird: Dan unser redner und schreiber, voraus so auch latein künnen, biegen, krümpen unser sprach in reden, in schreiben, vermengens, felschens mit zerbrochen lateinischen worten, machens mit grossen umbschwaifen unverstendig, ziehens gar von irer auf die lateinisch art mit schreiben und reden, das doch nit sein sol […]. Es laut gar übel und man haist es kuchenlatein, so man latein redt nach ausweisung der teutschen zungen: also gleichermaß laut’s übel bei solcher sach erfarnen, wo man das teutsch vermischt mit frembden worten, verändert’s auf ein frembde sprach, demnach’s zerbrochen und unverstendig wirt.61
In Konsequenz schreibt Aventin selbst immer häufiger Deutsch. In seinen Werken, der lateinischen Grammatik, den Musicae rudimenta, den Ursachen des Türkenkrieges, der Bayerischen Chronik und im Zeitbuch über ganz Teutschland, versucht er, die besonderen Eigenschaften der deutschen Sprache zur Geltung zu bringen und ihr zu ihrem Eigenwert zu verhelfen und dabei lateinische oder griechische Termini durch deutsche Herkunftsvarianten zu klären.62 In der Bayerischen Chronik sind solche etymologischen Experimente oft gelungen und zum Teil auch mehr oder weniger logisch. Wie z. B. atheos = »die weisen gelerten ân got oder die gotlosen«63, sibylla = »gotswil oder gotsrat«64, chiliastas (griech.) oder millenarios (lat.) = »die tausendner«65, eunuchus = »ainen verschnittnen«66. Dabei werden oft deutschsprachige Wörter mit Fremdworten kontaminiert und damit die kulturelle Distanz der Kontexte verkürzt. So hält Demosthenes eine Rede »in der haupstat, in einer g’mainen samlung und reichstag«67 und römische Konsuln werden »Bürgermeister« genannt. Bei Aventin sind die Apostel die »Zwölfboten«, der Triumph ein »Siegesspiel«, die Ketzerei eine »Sünde«, die Sa_____________ 59 Ebd., 5. 60 Zur Verbindung von Aventin und Rhenanus vgl. Felix Mundt in Rhenanus, Rerum Germanicarum libri tres (1531), 465–489, 642, s.v. Aventinus. 61 Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 5 f. Ungeachtet dessen schreiben die Humanisten überwiegend weiter in Latein, bzw. sie switchen gelegentlich zwischen Latein und Volkssprache. Vgl. Schlelein (2009), 167–205, bes. 189–197. 62 So März (2008), 86; vgl. auch ebd., 77, 85–87, 93, 102. 63 Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 315. 64 Ebd., 168. 65 Ebd., 846. 66 Ebd., S. W. V, 54. 67 Ebd., S. W. IV, 344.
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tyrae ein »Affenspiel«, der Patricius Romanorum ein »Vater des römischen Reichs« usw. Hauptziel seiner umfangreichen Exkurse in die Etymologie ist die Bestätigung für seine Hypothese einer Verwandtschaft der deutschen und der griechischen Kultur über den Beweis der sprachlichen Verwandtschaft. »Gallier« sind für ihn – und damit liegt er ja richtig – die den antiken Autoren gut bekannten »Galater« in Kleinasien. Von dem griechischen Wort Kelten kommt das Wort Kelheim. Gä oder gäa erscheinen als allgemeine griechisch-germanische Termini, die man mit dem deutschen »Gau« gleichsetzen kann. Von ihnen stammen die Namen »Nordgä, Thunagä«, »Sundergä« und andere jedem bekannte Ortsbezeichnungen auf der Landkarte Deutschlands ab.68 Die geradezu kultisch betriebene Onomastik ist aber gepaart mit einem Bewusstsein der Historizität (»verenderung« der Namen).69 So möchte der Abensberger zeigen, wie tief die germanischen Stämme, ihre Tugenden, ihr kriegerischer Heldenmut, ihre Sprache in der Geschichte verwurzelt sind. In den frühgermanischen Namen sieht er einen Beweis für die adlige bzw. edelmütige Herkunft ihrer Träger (Adelburg, Adelger, Adelhoch, Adelprecht von dem Wort Adel), für die jahrhundertealte Tradition der deutschen Staatlichkeit (Kunigund, Chunhild von dem Wort König, Gerbirge von Burg und begert) usw.70 Sich in dieser Beziehung mit den Vorfahren gleichsetzend, wünscht der Bayer, dass die latinisierten germanischen Namen nicht bestehen bleiben und stellt eine deutschsprachige Auswahl besser passender Varianten zusammen: Tuisto ist bei ihm Tuitsch, Vandalus – der Wandler, Arminius – Erman, Ariovist – Ervest, Hercules – Arcle usw. Grundlage der tendenziösen Etymologie Aventins ist die durchaus traditionelle Herangehensweise seit Isidor von Sevilla, die über Namen die Herkunft abzuleiten versuchte. Gewöhnlich projiziert Aventin auf einen antiken Namen Ähnlichkeiten mit Namen zeitgenössischer ihm bekannter Örtlichkeiten, Städte und Völker. Auf Grund oft nur assoziativer Analogien spürt er dann unmögliche Ereignisketten auf, so z. B. in der kleineren Arbeit Von dem herkommen der statt Regensburg. Hier ist das antike Tiburnia die Hauptstadt von Noricum, aber Noricum ist auch Bayern. Da Regensburg die Hauptstadt von Bayern ist, folgt daraus, dass es bereits mit dem alten Tiburnia, gegründet durch Tiberius, _____________ 68 Ebd., 25. 69 Aventin, Chronica von Ursprung, Herkommen und Taten der uralten Teutschen [Deutsche Chronik], S. W. I, 357: »Dann das wirdt vast dienen zu der historien und vil irtumben fürkommen, dann die namen geben oft gewisse anzeigung und kundschaft der gesicht. So ist auch in den eignen namen, wie in andern dingen mêr, grosse verenderung geschehen. Auch haben die alten kein namen ôn ursach und gefer aufgesetzt und geschöpft, sonder es hat allweg ein heimlichen sinn und bedeutnus der art, weis und glücksêligkeit auf im tragen«. 70 Vgl. ebd., 358–363; Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 20–32. Außerdem betont er, dass die Deutschen abergläubisch waren und sehr dazu tendierten, fremde unbekannte Namen als Unglücksbringer zu verstehen. Sie verwendeten oft spezielle eigene, die sich von den anderen unterschieden; vgl. Aventin, Chronica von Ursprung, Herkommen und Taten der uralten Teutschen [Deutsche Chronik], S. W. I, 357 f.
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identisch ist.71 Genauso transformiert er in der Bayerischen Chronik Böhmen einfach in das Haus des Bayern, so »spricht der g’main man kurz [...] Beheim für das ganz wort Baiernhaim«.72 Die Vorliebe für topografische Beschreibungen und etymologische Exkurse in eine historische Geographie zeigt ihn nicht nur als deutschen Renaissance-Humanisten, sondern auch im engeren Sinn als eifrigen Schüler von Celtis. Die Meinungen zu Aventins etymologischen Spekulationen differieren deutlich. Wilhelm Vogt, der Biograph des Abensbergers, sah in ihnen »den Stempel der markigen Volkskraft«73, zuvor schlug Theodor Wiedemann vor, den Bayern als »ersten deutschen Sprachforscher«74 zu würdigen. Ludwig Wachler (1767– 1838) hatte hingegen in der Spätaufklärung den Aventinischen »Purismus bei der Latinisierung der Eigennahmen« als lästig abqualifiziert, obschon er seine lateinische Sprache schätzte.75 Im 20. Jahrhundert rückte Gerald Strauss die Fähigkeiten Aventins in den Vordergrund, Individuen und Ereignisse seinen Lesern nahe zu bringen, während er empfahl, manche übertriebenen Anstrengungen des Übersetzerpioniers, die bisweilen nicht ohne Lächeln zu lesen seien, als Idiosynkrasie nicht zu ernst zu nehmen.76 Nach unserem Urteil ist es vielmehr angemessen, Aventin zu denjenigen zu zählen, die gedankliche Grundlagen für die deutschen Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts geschaffen haben.77
Die deutsche Geschichte von den Druiden bis zu Karl dem Großen Nach der Logik von Trithemius, Celtis und Aventin, die die Existenz einer gemeinsamen Wurzel der griechischen und der deutschen Sprache zu beweisen suchten, standen die Helden der germanischen Sagen und Mythen (wie Arminius) im Gegensatz zu Rom. Sie waren in diesem Fall keine Barbaren, die sich aus der unterwürfigen Position der unwissenden und rauen Untertanen im Imperium nicht befreien konnten, sondern sie waren tugendhafte, freiheitsliebende, eine höhere Bestimmung im Sinne des Geistes der Völker ausfüllende Stämme, die das herrschende Imperium für den Verfall seiner Sitten und Gebräuche bestraften. Die mit stetigem und aufrichtigem Pathos vorgehende Erzählung vom germanischen Heldenmut hat legitimatorische Funktion: Nur ein solches Volk hat das moralische Recht, die Macht und Größe des Römischen Imperiums zu erben, das _____________ 71 72 73 74 75
Vgl. Aventin, Von dem herkommen der statt Regensburg, S. W. I, 255–297. Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 143. Vogt (1881), XLV. Wiedemann (1858), 184. Wachler (1812), 254: »Hat er viel Unerweisliches in die ältere Geschichte aufgenommen, so hatten ihm die Alten das rechtfertigende Beispiel dazu gegeben. Die lateinische Sprache Aventin’s ist schön; nur sein Purismus in Latinisierungen der Eigennamen lästig.« 76 Vgl. Strauss (1963), 157; Fueter (1985), 196. 77 Vgl. Paul (1936), 112.
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ihm vorher ebenbürtig war. Um nicht in einen Streit über diese Frage zu geraten, erzählt Aventin die kontinuierliche Linie der deutschen Geschichte seit der Vorzeit – unter Umgehung Roms. Er sucht viel früher, nämlich bei Homer die Bestätigung für seine Hypothese zu finden: Die alten Germanen und die Griechen seien geeint in Abstammung und Kultur, nämlich Sprache (»Das hân ich erfarn, das die sprach, so iezo die teutsch, bei den alten Römern und Kriechen die gallisch genannt wird.«)78 und Kulten. Darüber hinaus hätten sie auch eine ähnliche gesellschaftliche Ordnung aufgewiesen. Deren Vermittler waren die Druiden, auf die nun etwas genauer einzugehen ist. Die Idee von den Druiden, der »alten teutschen münchen und nunnen, drudden und bärding genant«79, als Wissenschaftler, frommen Regenten und Aposteln der deutschen Kultur wurde Aventin von Konrad Celtis vermittelt. Dieser war von Marsilio Ficino angeregt, nachdem schon die Spätantike die Druiden unter die prisci theologi gezählt hatte. Die Druidenidee wurde auch von dem berühmten Benediktiner Trithemius vertreten, der sich selbst als Druide bezeichnete und auch von Celtis in einer seiner Oden so (druida) bezeichnet wird.80 Die Druiden, Magier aus dem keltischen Volksglauben, die in den Wäldern gleichsam das Feuer des althergebrachten germanischen Ursprungs unterhielten und die verantwortlich waren für die Erziehung der Jugend und für die Korrektheit der Riten, wurden in diesem Schema zu Garanten der göttlichen Mission der Deutschen – der Nation, die geduldig auf ihren Auftritt auf der Bühne der Weltgeschichte wartete. Diese Zeit kam mit dem Zerfall des Römischen Imperiums, das nach Meinung des Humanisten nicht zuletzt deshalb zerstört wurde, weil Gott sich von ihm abgewandt hatte. Hier spart Aventin nicht mit farbiger Rhetorik, wenn er den moralischen Niedergang Roms beschreibt.81 Damals seien die Deutschen als Auserwählte Gottes erschienen, diejenigen bestrafend, die sich von ihm abgewendet hatten, denn »Es mueß imer ain volk das ander straffen, vertilgen und außreuten.«82 Der Sinn der Geschichte besteht darin, dass jedes Reich, das sich selbst von innen zerstört, von außen zerstört werden muss.83 Um die Welt vom Bösen zu befreien, beauftragt der Herr das fromme gerechte Volk, in diesem Fall die Germanen. Schon zur Regierungszeit Vespasians habe es unter der Sonne kein _____________ 78 Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 208. 79 Ebd., 741. 80 Celtis, Libri odarum 3,28: Ad Ioannem Tritemium druidam, abbatem in Spanhaim, zu Trithemius als Druide Vers 61 ff. Vgl. Müller (2001), 421 f. Ebenso Kühlmann/Seidel/Wiegand (1997), 993 mit weiteren Hinweisen. Quelle war hier natürlich Caesars Commentarii de bello Gallico (bes. Caes. Gall. VI, 13–14, 16 und 20), den Aventin fast wörtlich ausschreibt. Er ignoriert dabei aber, wohl geflissentlich, Caesars Angabe in VI, 20, 1, dass die Sitten und Gebräuche der Germanen sich sehr von den gallischen unterscheiden, unter anderem ganz dezidiert: Sie haben keine Druiden für die Durchführung des Gottesdienstes. 81 Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 556 f. 82 Aventin, Ursachen des Türkenkrieges, S. W. I, 183. 83 Vgl. ebd., 213. Hier in Anlehnung an Mk 3,24.
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stärkeres und kriegerischeres Volk als die Deutschen gegeben.84 Vor dem Zerfall Roms waren sie zu einer bedrohlichen Gruppe mit der Macht »frei des römischen reichs, für sich selbs und besunder geweltig« geworden, »die nächst an macht und gewalt auf dem umbkrais des ertrichs nach der Römer macht und irem kaisertumb«.85 Die Germanen, so Aventin eng angelehnt an Tacitus, waren so stark und tapfer, dass andere sie als Krieger in Dienst nahmen.86 Sie lebten einfach und maßvoll,87 waren friedfertig und hassten die Knechtschaft so, dass ihre Ehefrauen, um nicht in die Gefangenschaft der Römer zu geraten, erst ihre Kinder und danach sich selbst umgebracht hätten.88 Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass die Germanen für ihre Tugendhaftigkeit von Gott auserwählt und auf ihre weltgeschichtliche Mission vorbereitet wurden. Die Folge, so Aventin, sei gerecht: »zu dem allerlesten ist das römisch reich zu den Teutschen, wiewol seinen alten feinten, umb irer manhait, trauen und glauben willen (darvon die teutsch nation hoch gepreist auch von den alten Römern wirt) komen.«89 Die gepeinigten Bürger des römischen Reiches, dürsteten mitunter sogar danach, dass bald die »groben unsinnigen Teutschen« kämen, die das Land nicht so grausam ausraubten wie die »richtern und rentmaistern«.90 In der Perspektive der Humanisten auf die Geschehnisse des fünften und sechsten nachchristlichen Jahrhunderts kehrten die germanischen Völker aus Asien zurück nach Europa, fielen in die römischen Provinzen ein und ließen sich dort nieder. So kamen auch die Chauken, die Cherusker, die Sicamber und die Sachsen zurück.91 Danach änderten sie ihre Namen, um die Jahre des Mangels und der Schmach aus dem Gedächtnis zu streichen, in denen sie sich unter dem Joch Roms befunden hatten. Auf solch unerwartete und radikale Art beseitigt der Chronist also eine Menge Probleme, die nicht nur mit der Abstammung der Deutschen, sondern auch mit der Erhaltung ihrer Kultur zusammenhängen, mit einer Diskontinuität, die sich nicht mit seiner historischen Konzeption verträgt. Die römische und die vorrömische Periode der vergangenen germanischen Stämme rückt Aventin an die Peripherie ihres historischen Bewusstseins. Die lateinische Tradition des Mittelalters stellt für den Bayern eine Übergangszeit dar, die auf dem Weg der Deutschen zur Auserwähltheit keiner besonderen Aufmerksamkeit würdig sei. Die ersten Germanenreiche der Spätantike (mit Ausnahme der Bayern) interessieren ihn genauso wenig, denn nicht sie sicherten und legitimierten die Nachfolge des ›tatsächlich_____________ 84 85 86 87
88 89 90 91
Vgl. Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 828. Ebd., 584. Vgl. ebd., 397, 481, 542 f., 546. Wohl eine Anspielung auf Tac. Germ. 29, 1. Vgl. Aventin, Chronica von Ursprung, Herkommen und Taten der uralten Teutschen [Deutsche Chronik], S. W. I, 348–350; Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 80–83. Wohl in Bezug auf Tac. Germ. 16–19. Vgl. ebd., 512. Ebd., 585. Ebd., 1040. Vgl. ebd., 959.
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en‹ deutschen Anfangs. Dies tat im Verständnis Aventins erst Karl der Große, dem wir uns im nächsten Kapitel zuwenden.
Die Bedeutung Karls des Großen Zunächst aber kann sich Aventin, der ja eigentlich regional zentrierte Epithoma hystoriae ducum Bavariae bzw. eine Bayerische Chronik schreibt, endlich den Geschehnissen Bayerns zuwenden und es anderen Autoren überlassen, von der weiteren Geschichte der germanischen Teilreiche zu berichten. Er beschreibt, wie tapfer seine Landsleute sich mit den Römern schlugen, wie eng die europäische Geschichte in dieser Periode mit der bayerischen verknüpft war, welche Wurzeln die katholische Kirche in der Region hinterließ. Den Blick auf das sechste bis achte Jahrhundert fokussiert der Humanist auf dynastische Konflikte und beginnt mit den Karolingern, und hierbei besonders mit dem Gegensatz zwischen den germanischen Imperatoren und der römischen Kurie. Ab dem dritten Buch der Annales ducum Boiariae und der Bayerischen Chronik widmet er sich fast ausschließlich der politischen Geschichte. Diesen Rahmen verlässt Aventin nur einmal, als er von der Taufe der Bayern berichtet. Sehr ausführlich erzählt er von der friedlichen Vereinigung der Gebote der reinen, frühen Christenheit mit den Traditionen des frommen bayerischen Volkes.92 Hier erinnert er kurz an die Gründung des ersten in Deutschland gegründeten Klosters »Weltenburg«, natürlich in Bayern,93 und genauso an die berühmte Bibliothek und die benediktinischen Mönche und Gelehrten von St. Emmeram in Regensburg.94 Für die Geschichte der Bayern wie des gesamten Deutschlands ist Karl der Große ebenso wie 500 Jahre später Kaiser Ludwig der Bayer († 1347) eine der zentralen Figuren von Aventins Geschichtskonzeption. Denn Karl bezeichnet den Anfang einer Kulminationsperiode, der translatio imperii. Karl ist nach Aventin der direkte Träger der Tradition von Augustus, er ist primus Germanorum Imperator Caesar Augustus Rex Boiorum, der größte Herrscher der Deutschen und der Christenheit. Zu niemand anderem sammelte der Chronist soviel Material. In den Annales ducum Boiariae sind Karl über 100 Seiten gewidmet, in der Bayerischen Chronik über 40. Wie alle herausragenden Kaiser der Antike, wie Augustus, Tiberius, Trajan, Mark Aurel oder Theodosius, die der Bayer in erster Linie nach moralischen Kriterien bewertet, ist Karl der Große für ihn ein Monument der Tugendhaftigkeit. Aventin verwendet, auf Einhard aufbauend, die buntesten Farben seines schriftstellerischen Könnens, um Karl zu beschreiben. Dieser weise, in Krieg und Staatsaufbau erfahrene Mann habe erfolgreich die Gesetzgebung und das kirchliche Leben reformiert, die Wissenschaft und die Kunst in seine Obhut _____________ 92 Vgl. ebd., S. W. V, 36–45. Zur Bedeutung Karls des Großen im Werk Aventins siehe vor allem Goerlitz (1999) sowie zur Karlsrezeption die weiteren Beiträge in Erkens (1999). 93 Aventin, Bayerische Chronik, S. W. V, 57. 94 Ebd., 70.
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genommen, sich um die Armen gekümmert, Kinder geliebt, sei fleißig gewesen und enthaltsam bei den Mahlzeiten und bezüglich der Kleidung. Karl interessiert den Humanisten durchaus als Persönlichkeit, doch seinen größten historischen Verdienst sieht er darin, dass mit ihm das Imperium der Deutschen beginnt. Im Jahr 800 in Rom sei Karl und mit ihm alle seine Nachfahren für ewige Zeiten auserwählt als römische Kaiser des Imperiums des deutschen Reiches, wie es im päpstlichen und weltlichen Recht geschrieben stehe.95 Aventin versucht, ebenso wie andere deutsche Historiker der Epoche, wie Johannes Nauclerus und Jakob Wimpfeling, Beweise dafür ausfindig zu machen, dass Karl der Große von seiner Abstammung her Germane ist und dass die kaiserliche Linie in Deutschland nicht erst mit Otto I. beginnt. Den Leser davon überzeugend, dass die Franken ein urgermanisches Volk waren und die Franzosen bloß assimilierte Zuwanderer (und seit jeher schon Vasallen!), versteht der Bayer die translatio imperii in durchaus mittelalterlicher Tradition als eine globale und historisch-kulturelle Mission, die von den alten Griechen über die Römer an die Deutschen übertragen wurde.96 Das vierte und letzte Imperium hört auch bei Aventin nicht mit den Römern auf. Bei der Beschreibung des Konfliktes zwischen dem legitimen bayerischen Herzog Tassilo III. aus der Dynastie der Agilolfinger und Karl dem Großen97 geht Aventin nicht auf Einzelheiten ein. Für ihn ist die Schuld Tassilos offensichtlich, der in die Auseinandersetzung Hunnen und Awaren einbezogen hatte, die Heiden und Feinde der deutschen Nation gewesen seien. Natürlich drängt sich hier eine Parallele zu der Bedrohung durch die Türken zu Anfang des 16. Jahrhunderts auf. Jedoch lenkt der Chronist die Aufmerksamkeit des Lesers nicht explizit darauf und entwickelt seinen Gedanken nicht weiter in diese Richtung. Dies bietet Andreas Kraus Anlass für seine These, das Aventinische Porträt von Karl zeige noch nicht die »moralisierende Verengung des nächsten Jahrhunderts«.98 Bezeichnenderweise finden wir in der Bayerischen Chronik im Vergleich zu den Annales ducum Boiariae 99 keine Feindseligkeit des bayerischen Adels gegen Tassilo. Dies verändert spürbar das Bild der Geschehnisse. Die Aggression kommt hier von den Franken, und die ganze Tragödie Tassilos wurde durch seine schlechten Berater ausgelöst. Zwei auf ihre Art positive Helden stoßen also zusammen; der Autor ist auf der Seite Karls, weil mit ihm eine gänzlich neue Epoche in der Entwicklung des Fürstentums, ganz Deutschlands und in der gesamten christlichen Welt begann. Aventins Konzeption ist insofern Fleisch vom Fleisch der Renaissance, als sie schillernd die beginnende Formierung eines Nationalbewusstseins der Deutschen charakterisiert. Die Renaissance ist hier als Wiedergeburt einer ursprünglichen altertümlichen vaterländischen Tradition und Rezeption einer Art antiker _____________ 95 96 97 98 99
Vgl. ebd., 126. Vgl. Goez (1958), 255. Vgl. Aventin, Bayerische Chronik, S. W. V, 102 f. Kraus (1979), 50. Vgl. Aventin, Annales Ducum Boiariae, S. W. III, 416–417.
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deutscher Kultur zu verstehen. Den Anfang einer so verstandenen Renaissance begründete im Geschichtsbild Aventins Karl der Große. Karl der Große – und das ist geradezu ein Axiom für Aventin – ist von der Abstammung her nicht nur Germane, sondern auch Bayer. Dies erklärt den weiteren Verlauf der germanischen Geschichte. Nach dem Sieg über den legitimen bayerischen Herrscher Herzog Tassilo wurden 788 die Grundlagen für die bayerischen Freiheiten anerkannt, die das Fürstentum vor Hunnen und Awaren schützen und das Imperium bis an die Grenzen Pannoniens ausdehnen sollte, was Tassilo eben nicht gelungen war. Der erste Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Karl, habe auf diese Weise einen Teil seines Ruhmes auf Bayern übertragen. Der regionale und auch der urgermanische Patriotismus Aventins basiert eben in vielen Fällen auf der Verehrung Karls. Unter den Nachfolgern Karls in der weiblichen Linie waren – im Spätmittelalter – die Wittelsbacher prominent. Dies war im Sinne des Historikers, legitimierte es doch weitgehende dynastische und militärische Ambitionen des zeitgenössischen Münchener Hofs im 16. Jahrhundert.
Die deutsche Geschichte von Karl dem Großen bis in Aventins Gegenwart Ein entscheidender Wendepunkt in der deutschen nachkarlischen Geschichte war dann nach Meinung Aventins der Konflikt Heinrichs IV. mit Papst Gregor VII. Damals, so meint er, stürzte die gesamte Christenheit, das Imperium und Deutschland in eine Krise.100 Es wurde Zwietracht gesät, die bis in seine eigene Zeit nicht überwunden sei. In der Bayerischen Chronik hält der Abensberger, der selbst auf Veranlassung kirchlicher Kreise ins Gefängnis geraten war, seine Wut gegen die Kurie zurück, ganz im Unterschied zu den Annales ducum Boiariae. Hier sind die Regierungsjahre Heinrichs IV. wohl der ausdrucksvollste Teil. Der Konflikt des Kaisers mit dem Papst ist expressiv beschrieben, mit vielen Quellen angereichert; das Aventinische Pathos ist hier dem Huttens ähnlich. In der Bayerischen Chronik lehnt es Aventin hingegen kurz und knapp ab, diesen Konflikt zu beschreiben, über den es nichts Achtungsvolles zu sagen gibt; niemand würde Freude an seiner Beschreibung haben, niemand würde durch sie ein besserer Mensch werden.101 Immerhin festigte sich der Ruhm Aventins in der späteren deutschen Historiographie. Die Position des Bayern zu den Ereignissen des Investiturstreits ist freilich so hochgradig rhetorisch geprägt, dass Erika Schirmer, die sich mit dem Bild Heinrichs IV. in der deutschen Chronistik auseinandersetzte, überzeugt erklärt, dass Aventin hier eben ganz Protestant sei und deswegen mit allen Kräften den Papst kritisiere. Sie betont aber zugleich, dass der Humanist versuche, kritisch zu sein und daher auch die Argumente der Gegenseite mit beachtete: »Aber von der _____________ 100 Vgl. Aventin, Bayerische Chronik, S. W. V, 298. 101 Vgl. ebd.
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stürmischen Intoleranz der eigentlichen Reformhistoriker scheidet ihn sein Bemühen und die Herstellung des wahren historischen Sachverhaltes, das ihn zu einer für die damalige Zeit hervorragenden Quellenbenutzung führt.«102 Ludwig (IV.) der Bayer (1314 – 1347) ist eine weitere zentrale Persönlichkeit der weltumspannenden Geschichte Aventins. Wem, wenn nicht ihm, sind die Deutschen verbunden, wenn es um die Formierung ihrer Staatlichkeit geht? Der starke Herrscher und Krieger stand notgedrungen im Gegensatz zu den Spaltern (und dies im Vergleich zu Heinrich IV. nicht ohne Erfolg) und »clagt über den pabst, über den bischof von Trier […] über ander, so gelt genomen, das heilig römisch reich verkauft und verraten hetten.« Dabei wird Papst Clemens V. (1305 – 1314) als »erzketzer und Widerchrist, ein totfeind des heiligen römischen reichs« bezeichnet.103 Diesen wichtigen Knotenpunkt zu skizzieren, und dabei die Parallelen zur Außenpolitik seiner eigenen Zeit zu erkennen (die Jahrhunderte unterscheiden sich, aber die Probleme sind ähnlich), ist dem Historiker die Tinte nicht zu schade und er widmet ihm viele Seiten in den Annales ducum Boiariae wie in der Bayerischen Chronik. Indem er Ludwig vor allem im nationalen Kontext als vernünftigen, gebildeten und gütigen Herrscher beschreibt,104 mythisiert er seinen Helden bewusst (wie Hutten seinen Arminius), um danach in seinem Namen alle Feindseligkeiten der germanisch-deutschen Kaiser dem Papst gegenüber anzuführen, ihre (und seine eigene) Empörung und ihre entschiedenen Versuche, eine unabhängige Politik ohne Rücksicht auf den Heiligen Stuhl zu betreiben. Der Humanist führt die gesamte Summe der Argumente der Partei des Kaisers an, die juristischen, historischen, theologischen (aber auch die Gegenargumentation der römischen Kurie),105 um von der Richtigkeit ihrer Sache zu überzeugen. Der Patriot Aventin ist stolz auf Ludwig, der gezeigt habe, wie die deutschen Fürsten ihre Beziehungen zur römischen Kurie organisieren sollen. Die ruhmvollsten Seiten der vaterländischen Vergangenheit mit dem Namen Karls des Großen und Ludwigs des Bayern verknüpfend, sieht Aventin sie doch lediglich als Meilensteine auf dem langen Weg zum Erwachsenwerden der germanischen Nation. Er ist sicher, dass man erst dann über das Gemeinwesen nachdenken und den Bayern, den Deutschen und der gesamten Christenheit Wohlstand versprechen kann, wenn sich alle deutschen Territorien vereint haben, wenn die Spaltung überwunden und die außenpolitischen Herausforderungen gemeistert sind. Im Großen und Ganzen entsagt der Humanist äußerlich nicht der Weltanschauung seiner Vorgänger, der mittelalterlichen Chronisten, wenn es um das Schicksal des Imperiums und seine Größe und Prosperität geht,106 aber den Gang des historischen Prozesses interpretiert und akzentuiert er anders. So ist es bemer_____________ 102 Schirmer (1931), 32. Vgl. Pohlig (2007) 97 f., 201, 219 f. zu Gregor VII. und Heinrich IV. bei verschiedenen protestantischen Historiographen. 103 Aventin, Bayerische Chronik, S. W. V, 495. 104 Vgl. ebd., 499. 105 Vgl. ebd., 454–467, 492 f. 106 Hinweis schon bei dem bayerischen Kirchenhistoriker Döllinger (1877), 9.
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kenswert, dass Aventin etwa Friedrich Barbarossa als aggressiven Selbstherrscher nicht sonderlich schätzt. Er fällt aus der bayerischen Tradition heraus, in die ein Karl der Große fest eingeschrieben ist. Wie viele Zeitgenossen, erwartet Aventin in seiner Gegenwart von Kaiser Karl V. positive Veränderungen, die Stärkung des Imperiums, den Sieg über die Feinde, wie es ganz offen in den Annales ducum Boiariae deklariert wird.107 Sehr bald erscheint er freilich enttäuscht über die Politik der Habsburger und die fehlende Beachtung der deutschen Probleme. Doch bleibt die Idee der auserwählten deutschen Nation bis zum Ende seines Lebens zentral für die Weltsicht des Abensbergers, und Karl V. bleibt »der aller großmechtigist, unser aller gnedigister her […] so under allen teutschen kaisern der mechtigest […]«.108 Denn er ist Symbol der Einheit des Imperiums. Aventin betet für Karl: »Got der almechtig und Christus, aller ding ein gewältiger herr, wöl im wol und geb, das er frumer dan Traianus sei, damit er dem zerrissen heiligen römischen reich, so im grossen abfal ist, wider aufhelf.«109 Die Enttäuschung über Karl V. kann man aus dem Schweigen und dem allgemein reservierten Ton der Bayerischen Chronik gegenüber dem Habsburger herauslesen. Doch in seiner für den deutschen Humanismus traditionellen kaisertreuen Sicht wagt es Aventin im Pamphlet über die Ursachen des Türkenkrieges sogar, als Ankläger seiner Patrone, der Wittelsbacher, aufzutreten, weil sie gegen Karl V. intrigiert haben. In den Mund Kaiser Maximilians I. († 1519) legt er die Worte: »Die fürsten wollen selbs herrn sein, mügen kain kaiser leiden […] und in irem land ain jeglicher für sich selbs künig sein«.110 Aventin hält hingegen fest: »künig von Hispanien [Karl V.] sei ain künig der menschen«.111 Für die antihabsburgerischen Umtriebe der bayerischen Herzöge findet ihr Hofhistoriograph keine Entschuldigung. Es ist klar, wen er mit den Worten meint: So waiß man auch wol fürsten im reich, […] die haimlich mit dem Franzosen, babst, weida in Ungern wider den jezigen kaiser und sein bruder [König Ferdinand][…] haimlich bündnus gemacht haben. [...] Dieweil auch solch zwitracht und unainigkait als vor nie im reich ist.112
Die zentrale Bedeutung der Religion Dieses ganze scheinbar folgerichtige wie mühsam konstruierte Gebilde einer tausendjährigen deutschen Existenz findet nach Aventin zwar durchaus im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation seine Vollendung, musste aber mit Leben ge_____________ 107 108 109 110 111 112
Vgl. Aventin, Annales Ducum Boiariae, S. W. II, 423. Aventin, Ursachen des Türkenkrieges, S. W. I, 200. Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 854. Aventin, Ursachen des Türkenkrieges, S. W. I, 182. Ebd. Ebd.
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füllt werden. Den mittelalterlichen Universalismus an seine Phantasien anpassend, hegt er den Traum vom Goldenen Zeitalter eines weltumspannenden Christentums unter Führung der Deutschen. Den Weg zu seiner Verwirklichung zeigen nicht die religiösen Dogmen, sondern allgemeine Moral und die Beachtung naturgegebener und insofern göttlicher Regeln. Die Religion wird dem Abensberger auf diese Weise zur entscheidenden Richtschnur seiner Geschichtskonzeption, wenn er den Weg von den ersten Vorfahren an betrachtet, die noch die griechische Frömmigkeit geerbt hätten. Das gibt ihm die Möglichkeit, ›auf eine natürliche Art und Weise‹ die heidnischen Glaubensbekenntnisse, die entlehnten Kulte und die christliche Tradition in einem für ihn logischen und rationalen Ganzen in Einklang zu bringen. Nach der Konzeption Aventins sind gerade in der frühen germanischen Geschichte die entscheidenden Impulse für alle folgende Entwicklungen gesetzt worden, auch für den wahren Weg in der Religion (unabhängig von Rom und seiner Missionierung), der von ihm als kohärent-fortlaufend gesehen wird. Dabei zeigt Aventin ein auch bei anderen Humanisten wie etwa Polydor Vergil anzutreffendes Interesse an religiösen Praktiken der Vergangenheit. Die Germanen, meint Aventin, haben am Anfang die gleichen Etappen in der Bewusstseinswerdung gegenüber Gott durchschritten wie die alten Ägypter, die Griechen und eigentlich alle frühen Völker. Denn ein solcher protochristlicher Glaube gehört in seinem Verständnis zur Natur der Menschen, in unterschiedlichen Perioden verehren sie Gott jeweils nach ihren Vorstellungen.113 Diese Vorstellungen vertiefen sich mit der Weiterentwicklung der Gesellschaft und dabei differenzieren sich die kirchlichen Institutionen heraus. In diesem Horizont findet auch der Übergang vom heidnischen Polytheismus zum christlichen Monotheismus bei den Bayern statt. Deshalb habe Tuisto numinose Orte in der Natur markiert, etwa Eichen, und gab ihnen die Namen von Helden und Herrschern, damit man dort unter freiem Himmel betete und Gott pries.114 Dafür existierten regionale Zeichen an der Donau. Nicht weit von Regensburg gebe es einen Baum, der »am Hergle« genannte werde. Dort habe man früher Herkules verehrt. Weiter donauabwärts befinden sich zwei berühmte Klöster, genannt »Obern und Nidern Alteich«, wo bereits die Vorfahren den Herrn verehrt hatten, wie man in alten Büchern lesen kann. Als die Bayern Christen wurden, weihte man »Hergle S. Heimeran« und genauso »Obern und Nidern Alteich« den Heiligen Georg und Mauritius und nahm die Klöster in den Orden der Benediktiner auf.115 Der maßgebliche Ansatz für derartige Schlussfolgerungen wurde wieder eine Stelle bei Tacitus: »Sie [die Germanen – A. D.] weihen ihnen Wälder und Haine und benennen jenes Geheim_____________ 113 Vgl. Aventin, Chronica von Ursprung, Herkommen und Taten der uralten Teutschen [Deutsche Chronik], S. W. I, 345. 114 Vgl. ebd., 345 f. Zur Behandlung Tuistos bei Celtis vgl. Müller (2001), 344–349, 355–358; Tuisto bei Annius von Viterbo: vgl. Münkler/Grünberger/Mayer (1998) 246–260. 115 Aventin, Chronica von Ursprung, Herkommen und Taten der uralten Teutschen [Deutsche Chronik], S. W. I, 345 f.
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nisvolle mit göttlichen Namen, welches sie nur in frommer Ehrerbietung sehen.«116 In diesem Kontext versucht Aventin, die heidnische Verehrung von Steinen und Bäumen bis zu den Anfängen des Monotheismus nachzuverfolgen und die Möglichkeit einer natürlichen Entwicklung zum Christentum zu beweisen. Die Voraussetzungen für einen solchen Prozess können nur Völker besitzen, die ein tugendhaftes Leben führen – wie es Tacitus für die Germanen bezeugt. Dieser Logik folgend, bleibt dem Chronisten nur übrig, Herkules, die heiligen Eichenwälder und die christlichen Gotteshäuser in eine providentielle Reihe zu bringen. Die Elemente der frühen Glaubensausprägungen verschwinden nach Aventin in der Zeit Noahs, des gemeinsamen Stammvaters der Menschheit. Für die germanische Geschichte war die Regierung seines Sohnes, des schon mehrfach genannten Königs Tuisto wichtig,117 der nach der Götterhierarchie des Abensbergers dem römischen Jupiter entspricht.118 Die Ursprünge jedes einzelnen Volkes der Antike verbindet Aventin, hier wieder Pseudo-Berosus folgend, mit dem Namen eines der Nachfahren Noahs. Grundsätzlich findet oder erfindet er für die zahlreichen Götter Ägyptens, Griechenlands und Roms germanische Analogien. Sie alle bilden ein gemeinsames archaisches Pantheon. So führt Aventin in der Bayerischen Chronik nur aufgrund des Wortklanges die Göttin »Eisen« ein, die er mit der ägyptischen Isis identifiziert, und einen gewissen »Oriz« als den deutschen Doppelgänger von Osiris.119 Der aus dem Nichts kommende Gotpot fällt in die Kategorie des »teutsch Mercurius« und seine Ehefrau Freia ist die »teutsch Venus«.120 Daneben kann Aventin nicht verleugnen, dass zumindest die Schlüsselbegriffe für die Institutionen des Christentums in der deutschen Sprache fremd klingen. Heißt das aber, dass sie womöglich von außen gekommen und nicht die letzten Kettenglieder der eigenartigen Evolution sind? Die Antwort auf beide Fragen findet der Bayer in einer einfach wirkenden Erklärung: Der Tuiscon aber hat weder kirchen noch altar gebaut, weder opfer oder priester aufgericht. Darumb auch dise namen noch heut zu tag den unsern unkant sein; dann altar, opfer und pfaff [Aventin leitet »pfaff« wahrscheinlich von »pater« ab – A. D.]
_____________ 116 Tac. Germ. 9, 2: »lucos ac nemora consecrant deorumque nominibus appellant secretum illud, quod sola reverentia vident«. 117 Bei Tac. Germ. 2, 2 nennt Tuisto »deum terra editum/den von der Erde geborene Gott Tuisto«. 118 Vgl. Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 89. 119 Ebd., 93. An einer anderen Stelle wird die Göttin Eisen als die Mutter von Herkules bezeichnet: vgl. ebd., 131. 120 Ebd., 100. Es ist nicht auszuschließen, dass der Bayer die keltische Göttin Frea meinte, deren Erwähnung wir heute z. B. in dem Erdkreis von Snorri Sturluson finden. Wenn Aventin Frea mit Venus identifiziert und sie als Schutzpatronin der ehelichen Bande darstellt, kann man vermuten, dass sie von Aphrodite abgeleitet wurde. Außerdem klingen Frea und Frau ähnlich. Für eine ausführliche Genealogie der Götter und Helden bei Aventin vgl. Borchardt (1971), 166– 169.
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sein vom latein, kirchen aber, priester, bischoff, pfar und pfarrer seind von den griechischen sprachen herkommen.121
Aventin meint, es verstehe sich von selbst, dass die Völker im Sinne ihres natürlichen kulturellen Erwachsenwerdens das ihnen nötige optimale sprachliche Instrumentarium entlehnen. Genauso geschehe dies auch bei Gottesdienst und Kirche. Der Sinn der Religion bestehe aber nicht in der Institution der Kirche an sich, sondern in der natürlichen inneren Frömmigkeit, im Befolgen des göttlichen Vermächtnisses. Aventin betont, dass die Germanen nichts höher schätzen als den Ruhm Gottes und den allgemeinen Nutzen der Menschen; sie suchten nicht nach persönlicher Ehre und Macht, sondern dachten nur darüber nach, ob sie Gott und den Menschen angenehm waren und ob sie gute Taten vollbrachten auf Erden.122 Um selbständig zum rechten Glauben zu gelangen, müsse man in die christliche Tradition hineinwachsen; die germanischen Völker seien dafür ausreichend zivilisiert gewesen. Als Garant einer solchen Zivilisierung, als Träger des kulturellen und historischen Gedächtnisses der Deutschen, als verbindendes Glied zwischen ihrer heidnischen und ihrer christlichen Prägung treten bei Aventin einmal mehr die keltischen Druiden auf. Mit den sittsamen und nach der griechischen Art ausgebildeten Mönchen, mit den Gotteshäusern (d. h. den heiligen Eichenwäldern), deren Geschichte Jahrtausende alt ist, mit dem Glauben der Vorfahren an die Unsterblichkeit der Seelen, an die Existenz eines Himmels und eines einzigen Gottes, mit den Zweigen der Mistel, die die Kontinuität der religiösen Traditionen symbolisiere, war sich der Humanist sicher, dass er in eine für ihn vertraute Epoche eintrat. Auf diese Weise gingen die heidnischen Vorfahren und die frühen christlichen Deutschen in seinen Augen ineinander auf. Die für sie charakteristischen hohen moralischen Prinzipien, die sie zu Trägern der göttlichen Verheißung machte, gaben ihnen das moralische Recht, die Herrscher des letzten Imperiums auf der Erde zu sein. Fassen wir zusammen: Aventin geht letztendlich davon aus, dass nicht die römische Kultur und die christliche Religion die Germanen zivilisiert haben, sondern dass sie selbst einen autonomen mehrtausendjährigen Weg zu ihrer zeitgenössischen Größe und Blüte der Wissenschaften zurückgelegt hätten. Auf natürliche Weise hätten sie so das Erbe der klassischen Antike angetreten. Die antike Tradition übernahmen sie direkt von den Griechen und nicht von Rom. Die direkte Verbindung zu den Griechen verlieh ihnen besonderen Ruhm und Größe. Zwar hätten sie, als sie das Christentum annahmen, ihren Heiligtümern und Ritualen neue Namen gegeben, um ihre vorchristliche Vergangenheit zu vergessen, jedoch sei die Kontinuitätslinie nicht unterbrochen worden. Als Ergebnis einer solchen, in vieler Hinsicht formalen Transformation erscheint das Christentum der germanischen Völker als ein natürlich gereiftes Produkt einer Evolution wahren Glaubens, und eben nicht als Geschenk eines moralisch diskreditierten Roms. _____________ 121 Aventin, Chronica von Ursprung, Herkommen und Taten der uralten Teutschen [Deutsche Chronik], S. W. I, 346. 122 Vgl. Aventin, Bayerische Chronik, S. W. IV, 74.
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Aventin als Hofhistoriograph der Wittelsbacher Natürlich gerieten die idealen Vorstellungen von Aventin über den Platz der Bayern innerhalb der germanischen Völker, im Rahmen des Heiligen Römischen Reiches und in der christlichen Welt im Allgemeinen in Widerspruch zur Weltsicht der Wittelsbacher, ihrer konkreten Politik und auch zu den Aufgaben, die sie ihrem Hofchronisten gaben. Die Wittelsbacher reklamierten für sich eine besondere Stellung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Das Verlangen der regierenden Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig, an der Spitze des Imperiums und der christlichen Welt überhaupt zu stehen, erforderte eine historische Rechtfertigung.123 Die Annales ducum Boiariae, de facto eine Weltchronik, sollte diese schaffen. Aventin erwies den Vorrang der Wittelsbacher tatsächlich aber nur indirekt mittels einer weiträumigen Konzeption des Geschichts- und Kulturverlaufs. Indem er in seinem Fürstenspiegel nicht nur antike Herrscher, sondern, viel wichtiger, die germanisch-deutschen Heldenkaiser Karl den Großen, Heinrich IV. und Ludwig den Bayern darstellt, geht es ihm freilich in erster Linie um den Nutzen für die germanische Nation und die gesamte christliche Welt. Außerdem haben die Werke Aventins einen antifranzösischen, antipäpstlichen und antiosmanischen Charakter, obwohl gerade Frankreich, der Heilige Stuhl und die Türken im Streben nach der Vormachtstellung in den 1520er Jahren zu wichtigen Verbündeten der Wittelsbacher wurden. Die dynastischen Interessen geraten in der Aventinischen Interpretation der zeitgenössischen Geschichte also grundsätzlich in den Hintergrund. Aventin regt seine Patrone vielmehr an, selbst eine einheitliche, im Glauben reine Gemeinde nach frühchristlichem Vorbild zu schaffen. Letztendlich geht es um eine Reform des Klerus. Die mit Luther verbündeten Fürsten handelten unter dem Banner der Reformation de facto jedoch als Feinde der katholischbleibenden Bayernherzöge. Über seine Suche nach der Verwandtschaft der Germanen mit den Griechen will Aventin die Wittelsbacher, die mit dem päpstlichen Stuhl eng verbunden sind, davon überzeugen, die römische Tradition zu ignorieren. Nicht der Papst und seine kirchlichen Würdenträger personifizieren für Aventin die wirkliche Kirche, sondern die Gläubigen selbst. Aventin argumentiert hier deutlich im Geiste des Protestantismus, dass ein moralisches, gottesfürchtiges Leben zu einer Übereinstimmung mit den natürlichen Anfängen der Religion führe. Es ist nicht verwunderlich, dass die katholische Kirche, letztendlich mit Unterstützung der Wittelsbacher, Ende der 1520er Jahren anfing, den Geschichtsschreiber Aventin zu drangsalieren. Paul Joachimsen hatte Aventin als echten Sohn seines Bayerischen Stammes gezeichnet und als prägendes Merkmal für seine literarischen Werke seine »stammesmäßige Empfindlichkeit« gesehen, die aus »instinktmäßigen Abwehrgefühlen eines bäuerlichen Daseins«124 entstanden sei. Doch ist diese Position kaum ge_____________ 123 Vgl. Lutz (1977), 297-350. 124 Joachimsen (1969), 465.
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rechtfertigt, wenn man sich mit der allgemeinen Konzeption Aventins vertraut gemacht hat, mit dem allgemeindeutschen, d. h. nationalen Tenor seiner Arbeiten, die letztlich eine Chronik der Germanen sein wollen. Die maßgeblichen dynastischen Wurzeln des regierenden, bayerischen Hauses, seine origo, opfert Aventin also der Nation. Wenn die Germanen nach Tacitus indigenae sind, dann sind sie wertvoller als die bayerischen Herzöge. Aventin vergisst die mittelalterliche Mythen über die Herkunft der gentes und Völker zwar nicht, aber sie rangieren jetzt unter den nationalen. Die mittelalterlichen Stammbäume sind jetzt im neuen Kontext zu Bauteilen der neuen, prinzipiell anderen – nationalen – Konstruktion geworden. Und darin bleibt wenig Platz für die dynastischen Interessen der Wittelsbacher. Aventin schuf ein neues bayerisches Gedächtnis, wenn er mittelalterliche bayerische Legenden, den Pseudo-Berosus und die Forschungen der Humanisten kombiniert und synthetisiert.
Literatur Quellen Aventin, Johannes, Annales ducum Boiariae, 2 Bde., hg. v. Sigmund Riezler, München 1882/1884 (= Johannes Turmair’s genannt Aventinus sämmtliche Werke, 2/3). Aventin, Johannes, Bayerische Chronik, 2 Bde., hg. v. Matthias Lexer, München 1883/1886 (= Johannes Turmair's genannt Aventinus sämmtliche Werke, 4/5). Aventin, Johannes, »Deutsche Chronik [Chronica von ursprung, herkomen und taten der uralten Teutschen]«, in: Kleinere historische und philologische Schriften, München 1881 (= Johannes Turmair's genannt Aventinus sämmtliche Werke, 1), 298–372. Aventin, Johannes, »Ursachen des Türkenkrieges«, in: Kleinere historische und philologische Schriften, München 1881 (= Johannes Turmair's genannt Aventinus sämmtliche Werke, 1), 171–242. Aventin, Johannes, »Von dem herkommen der statt Regensburg«, in: Kleinere historische und philologische Schriften, München 1881 (= Johannes Turmair's genannt Aventinus sämmtliche Werke, 1), 255–297. Caesar, Gaius Iulius, Commentarii belli Gallici, hg. v. Alfred Klotz, Leipzig 1921 (= C. Iuli Caesaris commentarii, 1). Celtis, Konrad, Libri odarum quattuor, hg.v. Felicitas Pindter, Leipzig 1937 (= Bibliotheca scriptorum medii recentisque aevorum & Saecula XV-XVI, 9). Celtis, Konrad, »Quatuor libri amorum secundum quatuor latera germanie«, in: Humanistische Lyrik des 16. Jahrhunderts, hg. v. Wilhelm Kühlmann, Robert Seidel, Hermann Wiegand, Frankfurt am Main 1997 (= Bibliothek der frühen Neuzeit, 5), 72–137. Piccolomini, Aeneas Silvius, »De ortu et auctoritate imperii Romani«, in: Aeneas Silvius Piccolomini als Publizist in der ›Epistola de ortu et auctoritate Imperii Romani‹, hg. v.
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Humanistische Schlachtenszenen? Zur Transzendierung antiker Modelle in der Zeitgeschichtsschreibung des Paolo Giovio ELISABETH STEIN In Rom im zweiten Dezennium des 16. Jahrhunderts vielleicht schon vor dem Herrschaftsantritt Papst Leos X. 1513 fasst ein zu diesem Zeitpunkt etwa 30jähriger, weitgehend unbekannter Comaske den Entschluss, gegen den Willen des von ihm bewunderten, auf ebendiesem Gebiet dilettierenden älteren Bruders Geschichte zu schreiben. So erklärt er es jedenfalls in seinem 1527 unter dem Eindruck des Sacco di Roma entstandenen Dialogus de viris et foeminis nostra aetate florentibus.1 Darin entwirft er als einer der Gesprächspartner einer fiktiven Unterhaltung, die kurze Zeit nach den verstörenden Vorkommnissen in Italien stattgefunden haben soll, zusammen mit gleichgesinnten Zeitgenossen ein tröstendes Bild der noch immer reichen kulturellen Situation seines Heimatlandes. Im Verlaufe der Wortwechsel kommt die Rede auch (zufällig!) auf ihn selbst und sein offensichtlich fortgeschrittenes historisches Werk, das bereits anerkennende Bewunderung erfährt. Der Mann aus Como nutzt die von ihm selbst geschaffene Gelegenheit, sich programmatisch über die spezifischen Anforderungen von Geschichtsschreibung zu äussern und seine eigene, wenngleich (selbstverständlich) bescheidene Befähigung entsprechend zu skizzieren. Die Aufzeichnung von berichtenswerten Ereignissen sei zu allen Zeiten ein ausserordentlich anspruchsvolles und belastendes Geschäft (»gravissimum munus«), für das eigentlich nur überirdisch qualifizierte Sterbliche (»divina ingenia«) in Frage kämen. Ziehe dieses Tun doch Feindseligkeit und Missgunst (»invidia«) nach sich und verlange vom Ausführenden aufwendige Vorabeiten, beträchtliche zeitliche Ressourcen und kluge Auffassungsgabe gepaart mit rhetorischem Vermögen.2 Dessen ungeachtet und trotz familiärer Stimmen, die ihm nachdrücklich lieber artes utiliores, also Tätigkeiten mit nachweisbarem Nutzwert, schmackhaft machen wollen, entscheidet er sich, wie er nicht ohne Stolz bemerkt, für die(se) _____________ 1 2
Giovio, »Dialogus«; bei der Ausgabe von Ernesto Travi handelt es sich um die erste Veröffentlichung dieses Textes überhaupt. Ebd., 255,15–19; ebd. 255,17 f.: »et praeparatum ocium, et non exiguum tempus, et singularem prudentiam cum eloquentia coniunctam«; vgl. Cicero, De leg. I, 9: »Historia vero nec institui potest nisi praeparata otio, nec exiguo tempore absolvi.«
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brotlose Kunst.3 Im Bewusstsein, sich mit den ohnehin unerreichbaren antiquissimi scriptores nicht messen zu können, verfüge er dennoch über Schlüsselkompetenzen, so ließen sich seine Äusserungen in etwa zusammenfassen, die ihn in besonderem Maße für die professionell betriebene Auseinandersetzung mit und Darstellung von Vergangenheit qualifizierten: die notwendige Zeit und die grundsätzliche Eignung für die Sammlung und Sichtung des relevanten Quellenmaterials (»colligere tantarum rerum materiam«), die Fertigkeit, Expertenwissen und Augenzeugenberichte adäquat und ansprechend zu vermitteln, und seine Situierung in Rom als internationalem Dreh- und Angelpunkt (»lux Romana et nationum omnium domicilium«),4 der sich Kontakte zu führenden Persönlichkeiten jeglicher Lebensbereiche und in Verbindung damit Möglichkeiten zur Erkenntnis der Wahrheit (»cognoscere veritatem«) verdankten. Es erscheint nur folgerichtig, wenn dieser offenkundig akribisch recherierende, gemeinverständlich formulierende und einem hohen Wahrheitsanspruch verpflichtete Historiker sich abschliessend entschieden zur »unverbrüchlichen Glaubwürdigkeit« (»incorrupta fides rerum«)5 als oberster Maxime bekennt und Fragen der Präsentation, des Wie (»facundia orationis«) demgegenüber als klar untergeordnet betrachtet. Diese bemerkenswert zielgerichtete Selbstdarstellung, die indes nicht topischer Elemente entbehrt, stammt von Paolo Giovio (1483–1552), einer schillernden, wenn auch heute weitgehend vergessenen Gestalt im italienischen Cinquecento.6 Der Anhänger und Protegé der Medici machte sich nicht nur als kenntnisreicher Sammler von Kunst einen Namen,7 dessen Strahlkraft weit über die Grenzen der Ewigen Stadt hinaus reichte, für seine Zeitgenossen und insbesondere die politisch und intellektuell führenden Köpfe Europas galt der Arzt und spätere Bischof von Nocera als Inbegriff von Kultiviertheit und schriftstellerischer Brillanz. Diesen Ruf verdankte der Freund Giorgio Vasaris vor allem seinen zahlreichen lateinischen Prosatexten, in denen er Themen jeglicher Couleur in einer geschliffenen, an antiker Literatur geschulten Sprache virtuos zu präsentieren wusste.8 Neben vielgelesenen biographischen Schriften wie Viten von zeitgenössischen Feldherren und Päpsten, verfasste er chorographische Texte (Descriptiones), Dialoge und wie alle Humanisten schockweise Briefe. Als besonders wirkmächtig erwiesen sich die Elogia, eine von ihm in Anlehnung an antike Vorbilder neukonzipierte bzw. reaktivierte Gattung von komprimierten Lebensbildern, die von ihm gesammelte und einer elitären Öffentlichkeit in seinem Museo in Como zugänglich ge_____________ 3 4 5 6 7 8
Die lateinischen Begriffe im folgenden Absatz finden sich in Giovio, »Dialogus«, 255,20–256, 22. Giovio, »Dialogus« 255,41–256,1; vgl. Cicero, In Catilinam 4, 11: »haec urbs, lux orbis terrarum«; Cornelius Nepos, Atticus 3,3: »domicilium orbis terrarum esset imperii.« Vgl. dazu Tacitus, Hist. 1,1,3: »sed incorruptam fidem professis neque amore quisquam et sine odio dicendus est.« Vgl. dazu die umfassende monographische Studie von Zimmermann (1995). Unter den wenigen sonstigen neueren Arbeiten lesenswert Völkel (1999). Zu Giovios Bedeutung als Sammler von Porträts im Cinquecento vgl. Haskell (1995), 55–63. Es sind auch Werke im Volgare zu verzeichnen, vgl. dazu Zimmermann (1995), 289 f.
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machte Bildzeugnisse herausragender Persönlichkeiten des wissenschaftlichen, künstlerischen und militärischen Lebens um eine raffiniert konzipierte textuelle Dimension erweitern sollten.9 Dauerhaft begeisterte Anerkennung bzw. mindestens ebenso entschiedene Ablehnung erfuhr Giovio jedoch für sein historiographisches Großprojekt:10 45 Bücher umfassen die Historiae sui temporis, in denen der Comaske in einem großangelegten Entwurf die dramatischen, wechselvollen Geschehnisse in Italien von der Invasion der Franzosen 1494 an bis zum Jahr 1547 anschaulich nachzeichnet und deren komplexe Auswirkungen auf die politischen Verhältnisse in Europa und Kleinasien eindrucksvoll entfaltet. Über 30 Jahre seines Lebens hat er in dieses hochambitionierte Unternehmen investiert,11 wobei die Bücher 5–10 (vom Tod des französischen Königs Karl VIII. 1498 bis zur Wahl Papst Leos X. 1513) ebenso wie die Bücher 19–24 (vom Tod Leos X. 1521 bis zum vernichtenden Sacco di Roma 1527) aus unterschiedlichen Gründen lediglich in Form von (von Giovio selbst verfertigten) Periochen vorliegen.12 Trotz seiner Unvollständigkeit hat dieses epochale Werk schon vor seiner Drucklegung (1550–1552) die Gemüter bewegt und erregt. Das hängt wohl damit zusammen, dass Giovio bereits frühzeitig in den höchsten Kreisen Kostproben seines historiographischen und seines schriftstellerischen Könnens darbot und sich auf diese Weise wohl die Bahn zu lukrativen, prestigeträchtigen Ämtern zu ebnen hoffte. Vor Leo X. und den versammelten Würdenträgern der Kurie soll er auf dessen Wunsch hin ein komplettes Buch seiner Historiae zum Vortrag gebracht haben, woraufhin der hochgebildete Medici-Papst kennerhaft und höchst anerkennend in aller Öffentlichkeit äusserte, nach Livius kenne er kein ästhetisch ansprechenderes und wortgewaltigeres Geschichtswerk (»elegantius et uberius«).13 _____________ 9
10 11 12
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Zur Nachwirkung der Elogia, die vor allem von kunsthistorischer Seite untersucht und wissenschaftlich gewürdigt werden, vgl. man zusätzlich die kunsthistorisch ausgerichtete Arbeit von Klinger (1991) oder auch die neue Studie von Agosti (2008). Umfassend, regelrecht erschlagend zu allen Aspekten der Nachwirkung informiert Zimmermann (1995), 263–71. Vgl. dazu ebd., 287. Die fehlende Ausarbeitung beider Buchgruppen wird von Giovio in Zusammenhang mit den Ereignissen rund um den Sacco di Roma gebracht: Zum einen seien Plünderungen verantwortlich für den Verlust seiner schriftlichen Aufzeichungen, zum anderen wolle er schmachvolle Phasen der italienischen Geschichte nicht darstellen. Ob den angeführten Gründen Glauben zu schenken ist, sei angesichts der Tatsache, dass die betreffenden Zeitabschnitte in den Viten und Elogien sehr wohl behandelt werden, dahingestellt. Man vgl. dazu die Tabelle bei Zimmermann (1995), 287 (= Appendix 2), in der die mögliche Komposition der Historiae rekonstruiert wird, und ebd., 67–69. So in Benedetto Giovio, Historiae patriae libri duo, 256 f., das Zitat 257. Zur Datierung dieser Rezitation vgl. Zimmermann (1995), 22. Zum Vortrag gebracht wurden die heutigen Bücher 13 und 14, in denen Giovio neben umfangreichen und ausführlichen ethnographischen Exkursen vor allem die Auseinandersetzungen zwischen Persern und Türken anschaulich und für die zeitgenössischen Leser offenkundig faszinierend heraufbeschwor, so Zimmermann (1995), 25.
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An diesem Urteil lässt sich ersehen, dass das zeitgenössische, humanistisch gebildete Publikum neben dem unleugbaren Interesse an historischer Literatur ein feines Gespür für antike Gattungstraditionen und deren ausgestaltende Fortführung besaß oder zumindest zu besitzen glaubte. Dass Giovio mit dem innovativen Konzept einer universal angelegten Auf- und Nachzeichnung der jüngeren und jüngsten Vergangenheit nicht nur idealistisch auf immateriellen Nachruhm setzte, ist auch daran zu erkennen, dass er zeitlebens Manuskripte einzelner Bücher oder Werkteile den durchlauchten Protagonisten zur gefälligen und kritischen Durchsicht zukommen liess.14 Diese Art der Selbstvermarktung, hinter der aber immer auch der Fakten prüfende und korrigierende Forscher zum Vorschein kommt, haben ihm manche Zeitgenossen und viele spätere Historiker sehr übelgenommen.15 Man mag sich zum immer wieder geäußerten Vorwurf der Bestechlichkeit und der voreingenommenen Schilderung der Zeitläufe verhalten, wie man will, fest steht, dass Giovio entgegen seinen Erwartungen weder den erhofften Kardinalshut noch das ersehnte Bistum Como erhielt und sich nach 37 Jahren an der Kurie enttäuscht und resigniert nach Florenz zurückzog, wo er sein Lebenswerk unter der Schirmherrschaft der Medici kurz vor seinem Tod der Druckerpresse übergab.16 Als herausragendes Werk sui generis aber, als Zeugnis souveräner schriftstellerischer Gestaltungskraft, als humanistisches Oeuvre par excellence sollen die Historiae sui temporis im folgenden betrachtet und beurteilt werden. Nach der Einschätzung Benedetto Giovios (1471–1545), der selbst eine Geschichte Comos in lateinischer Sprache verfasste und dem historiographischen Unternehmen seines jüngeren Bruders, wie anfangs erwähnt, ursprünglich sehr skeptisch gegenüberstand, lässt dieser Text keine Wünsche offen: Enthält er doch in ansprechender Weise wort- und gedankenreich (»luculenter et copiose«) Beschreibungen der Schauplätze (»descriptiones locorum«), die Namen der federführenden Militärs (»nomina ducum«), Schlachtenschilderungen (»narrationes praeliorum«) und Darstellungen von Versammlungen und Beratungen (»contiones et consilia«) und erfüllt damit offenkundig die maßgeblichen Kriterien, die man im Gefolge der antiken Gattungsauffassung an zeitgenössische Geschichtswerke anlegt.17 Es bietet sich demzufolge an, Schlachtenbeschreibungen als einen der von Benedetto genannten charakteristischen Bereiche herauszugreifen und auf spezifische Merkmale hin zu analysieren. _____________ 14 Vgl. dazu Völkel (1999), 12–16. 15 Vgl. Zimmermann (1995), 263–267. Ein wohltuend unpolemisches, sprachlich wie sachlich brillantes Bild des Historikers Giovio zeichnet Ranke (1824), 68–78, dessen Einschätzung nach wie vor volle Gültigkeit besitzt. In ähnlicher Weise positiv äussert sich Chabod (1967), 243–67. 16 Vgl. dazu Zimmermann (1995), 230–33, 259. 17 Vgl. Benedetto Giovio, Historia patriae libri duo, 256. Man vgl. dazu insbesondere die sogenannten Methodenkapitel in den Annalen des Tacitus (4,32 f.), in denen der große kaiserzeitliche Historiker die von ihm dargestellten, politisch belanglosen Inhalte scharf von denen republikanischer Autoren abhebt und als Themen beneidenswerter vormaliger Historiker »ingentia bella, expugnationes urbium, fusi captique reges« (4,32,1) und »situs gentium, varietates proeliorum, clari ducum exitus« (4,33,3) anführt.
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Paolo Giovios Historiae kreisen, wie er zu Beginn seines annalistisch gegliederten Werkes erläutert, um die Schrecken und Grausamkeiten des Krieges, der von Italien ausgehend innerhalb kurzer Zeit in einem Weltenbrand fast den gesamten Erdkreis in Mitleidenschaft zieht.18 Damit umreisst er nicht nur selbstbewusst die Größe und die Relevanz seines ambitionierten Unternehmens, sondern stellt auch prononciert militärische Manöver aller Art ins Zentrum seiner Ausführungen. Schlachtenschilderungen sonder Zahl bietet er den kundigen und interessierten Lesern: Geplänkel, Scharmützel, Belagerungen, nächtliche oder wie auch immer geartete Überraschungsangriffe zu Lande ebenso wie Seekämpfe an wechselnden Schauplätzen mit den unterschiedlichsten Bedingungen lokaler, klimatischer und mentaler Natur und mit Nennung aller zeitbedingt denkbaren waffentechnischen Innovationen.19 Derartige wiederkehrende Inhalts- und Strukturelemente plastisch, anschaulich und abwechslungsreich auszugestalten, erweist sich als eine der grundlegenden Herausforderungen an den planvoll gestaltenden historischen Erzähler, der sich nach Cicero einem strengen Wahrheitspostulat verpflichtet fühlt.20 Gleichzeitig aber entspricht der Historiker Giovio mit der nuancierten und differenzierten Schilderung kriegerischer Geschehnisse den Erwartungen (zumindest von Teilen) des zeitgenössischen Lesepublikums. Antike (und zeitgenössische) Geschichten aus der Geschichte, die zumeist von militärischen Großtaten, von spektakulären Eroberungen und von verheerenden Niederlagen handelten, wurden ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts verstärkt auch, aber nicht nur wegen des zunehmenden Interesses an der scientia militaris rezipiert.21 Zudem gehört das nachzeichnende Analysieren von ingentia bella zum festen Grundbestand griechisch-römischer Geschichtsbetrachtung, in deren Tradition Giovio, wie zu zeigen sein wird, beeindruckend fest verwurzelt ist. Exemplarisch lässt sich an der Schlacht von Flodden Field, die am 9. September 1513 zwischen englischen und schottischen Streitkräften stattfand und mit einem Debakel für die numerisch überlegenen Gefolgsleute Jakobs IV. von Schottland endete, veranschaulichen, wie der Mann aus Como die (militärischen) Abläufe strukturiert und welche Darstellungsmittel er aus welchen Gründen einsetzt.22 Prädestiniert zur Analyse erscheinen die Ereignisse in Flodden deshalb, weil die eigentlichen Kampfhandlungen zwischen zwei Gruppierungen außerhalb des italienischen Festlands insgesamt wenig Zeit und bei Giovio einen überschau-
_____________ 18 Ich zitiere im folgenden nach der (nicht ganz unproblematischen) Edition von Dante Visconti, ziehe aber im Vergleich dazu stets die Straßburger Ausgabe von 1556 heran, deren Foliazählung ich in Klammern anfüge. 19 Jedes einzelne Buch der Historiae sui temporis liefert hinreichend Fallbeispiele. 20 Vgl. Cicero, De oratore 2,36–58. 21 Vgl. dazu Burke (1966), 135–152, hier 144. 22 Eher populärwissenschaftlich, aber anschaulich: Sadler (2006). Zur Bedeutung Floddens für die englische Literatur vgl. Scattergood (2000), 62–79. Für den Hinweis danke ich Gabriele Schmidt, München.
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baren Raum beanspruchen.23 Dabei steht nicht das Was, das heißt die überprüfbare, historisch rekonstruierbare Situation (Truppenstärke, räumlich-zeitliche Situierung, Strategie und Taktik), sondern das Wie, das heißt die sprach-künstlerische Präsentation (Aufbau, Handeln und Charakterisierung der Protagonisten, Einsatz gestalterischer Mittel), im Zentrum dieser Untersuchung. An eine knappe Nacherzählung der von Giovio skizzierten Begebenheiten wird sich eine detailliertere Betrachtung signifikanter Strukturmerkmale anschließen, die es in einem dritten Schritt auszuwerten und womöglich zu generalisieren gilt. Auf Betreiben des französischen Königs Ludwig XII., der sich nach den beschämenden Niederlagen von Thérouanne und Guinegate (August 1513) ziemlich in Bedrängnis sieht, versucht Jakob IV. von Schottland durch einen Einfall in England seine eigene Machtposition gegenüber seinem in Frankreich befindlichen und dort militärisch erfolgreich agierenden Schwager Heinrich VIII. von England zu verbessern. Bevor die eigentlichen militärischen Auseinandersetzungen zwischen Engländern und Schotten jedoch zur Darstellung kommen, zeichnet Giovio ein eindringliches und differenziertes Bild von Jakobs Wesen und seinen vielfältigen Motiven für einen nicht schlüssig zu rechtfertigenden Angriff auf das in Abwesenheit des Herrschers vermeintlich wehrlose England. In einem Briefwechsel zwischen dem wankelmütigen, expansionslüsternen Schotten und dem zum Gegenschlag entschlossenen, kriegerischen Engländer werden beider Positionen einprägsam umrissen. Vor die Schilderung eines ersten Geplänkels, bei dem die Schotten überfallartig plündernd und marodierend die englische Grenze überschreiten, sich aber auf dem Rückzug von den darob erbosten Gegnern unerwartet eine blutige Nase holen, hat Giovio gewissermaßen zur besseren Orientierung der Leser, ohne dass dies jedoch ausdrücklich so gesagt würde eine überblicksartige Beschreibung Britanniens eingefügt.24 Darin liefert er anschaulich und _____________ 23 Dennoch umfasst die Schilderung bei ihm etwa neun Seiten in der Edition von Dante Visconti. Vergleichbare Beispiele wie Giovios Darstellung von der Schlacht von Fornovo (1495) oder von Marignano (1515) oder von militärischen Auseinandersetzungen zwischen Türken und Persern zeigen dieselben Strukturen, sind aber wesentlich komplexer, umfang- und voraussetzungsreicher für eine Untersuchung auf knapp bemessenem Raum. Mit der Darstellung Floddens in der Anglica Historia des Polydor Vergil weist Giovios Text nur spärliche Übereinstimmungen auf: Vgl. Polydor Vergil, Anglica Historia, 214,17–220, 13 mit der Einleitung von Denys Hay XXV [XXVII]. Es entspricht die unter dem Text abgedruckte Fassung der Handschrift, die von den Drucken stark abweicht, an einer Stelle (217) »verticem montis quem Floddonem incolae vocant« fast wörtlich Giovio, Historiae sui temporis 11, 204 (183r): »in vertice montis quem Floddon inincolae appellant«. Ansonsten enthält Polydor wesentlich mehr Fakten und Eigennamen, verzichtet dafür auf Reden. Bei ihm läuft alles in groben Zügen ähnlich, aber sehr viel schneller, weniger dramatisch und ohne rhetorisches Beiwerk ab. 24 Dieser Abschnitt macht etwa ein Neuntel der Gesamtdarstellung aus. Solche ethnographischen Exkurse Giovios zählen zu den schriftstellerischen Bravourstücken, wegen derer er bei den Zeitgenossen ein besonderes Prestige genoss. Auch die vor Papst Leo X. zu Gehör gebrachten Passagen über Perser und Türken enthalten eine Vielzahl solcher Landschafts- und Stammesbeschreibungen. Diese sind nicht nur fester Bestandteil antiker Historiographie, wie beispielsweise die Ausführungen Caesars zu Galliern oder Germanen in seinen Commentarii über die Eroberung Galliens (6,11–28) oder die Darstellung Afrikas in Sallusts Bellum Iugurthinum (17–19)
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kurzweilig Informationen zu Geographie, Kultur und historischer Entwicklung der Insel und ihrer Bewohner bis zu seiner Gegenwart. Unbekümmert darum, dass der unerwartet heftige Widerstand der Engländer beim ersten Zusammentreffen nichts Gutes für den Ausgang des Unternehmens erwarten lässt,25 setzt Jakob seinen »Vernichtungszug« (»cuncta belli clade vastans«)26 rücksichtslos fort. Sein Gegenspieler auf englischer Seite, Thomas Howard, Earl von Surrey und als Lordschatzmeister einer der führenden Männer des Landes, der während der Abwesenheit Heinrichs den militärischen Oberbefehl innehat, zieht ihm mit einem Heer zu allem entschlossener Kämpfer entgegen. Obwohl der schottische König sein Lager strategisch so geschickt positioniert hat, dass es praktisch uneinnehmbar ist und ebendies Howard laut Giovio wider Willen Bewunderung abnötigt, fordert er ihn zu einem Entscheidungskampf auf, überlässt ihm die Wahl von Ort und Zeitpunkt. Voller Begeisterung geht der Schotte darauf ein, lässt sich dann aber in letzter Minute von einem als außerordentlich tapfer und gewitzt geltenden Feldherrn27 dazu bewegen, angesichts des topographischen Vorteils seiner Position die Entscheidung zu seinen Gunsten mit einer kampflosen Hinhaltetaktik (»cunctatione ludificari«)28 zu erzwingen und auf die angekündigte Schlacht zu verzichten. Dazu veranlassen ihn auch Vorzeichen (»prodigii loco habita«), die ihm ein gewisses Unbehagen einflößen, wie beispielsweise ein Hase im Feldherrnzelt, der unbehelligt das Weite sucht (»lepus [...] intactus evaserat«)29. Da die vereinbarten Kampfhandlungen unterbleiben, ziehen die Engländer ab und machen sich aus neuer, strategisch verbesserter Position trotz numerischer Unterlegenheit bereit zum Gefecht. Auch Jakob wechselt umgehend den Standort und bezieht auf dem Gipfel eines Hügels (»summa collium tenente«)30 Stellung. Der Earl von Surrey ist nunmehr entschlossen, alles zu wagen und fordert seine Männer in einer mitreißenden, kurzen Ansprache dazu auf, gegen die gottlosen Aggressoren entweder überlegen zu siegen oder mit flie_____________
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erkennen lassen, sondern Giovio hat sogar eine eigenständige Monographie unter dem Titel Descriptio Britanniae, Scotiae, Hyberniae et Orchadum (1548) verfasst. Die hier vorgestellte Passage innerhalb der Historiae sui temporis weist jedoch keinerlei wörtliche Übereinstimmungen mit dieser späteren Schrift Giovios auf. Zur grundsätzlichen Praxis der humanistischen Historiker vgl. Maissen in diesem Band sowie Schirrmeister (2009). Giovio, Historiae sui temporis 11, 204 (182v): »At Iacobus, nihil eius primi certaminis omine (quod mox infelicem rerum exitum portendit) permotus.« Ebd., 11, 204 (183r); vgl. dazu Livius 22,4,1: »Hannibal [...] inter Cortonam Trasumenumque lacum omni belli clade pervastat.« Giovio, Historiae sui temporis 11, 205 (183v): »Huntleius, quo nemo fortior in eo exercitu aut callidior habebatur«; vgl. dazu Tacitus, Hist. 2,32,1: »Tunc Suetonius Paulinus [...] qua nemo illa tempestate militaris rei callidior habebatur.« Giovio, Historiae sui temporis 11, 205 (184r); vgl. dazu Tacitus, Ann. 1,46,1: »Tiberium [...] dum patres et plebem [...] cunctatione ficta ludificetur.« Giovio, Historiae sui temporis 11, 205 (184r); vgl. dazu Livius 21,46,2: »lupus [...] intactus evaserat« (prodigium vor erstem Gefecht mit Hannibal). Ebd., 11, 206 (185r); vgl. dazu Tacitus, Agricola 371,1: »Et Britanni [...] summa collium insederant.«
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genden Fahnen unterzugehen.31 Der schottische Monarch, der von seiner höheren topographischen Warte aus auf Kampf hindeutende Vorgänge (»armorum fulgor distinctaque hostium agmina«)32 im englischen Lager wahrnimmt, entschließt sich seinerseits voller Siegeszuversicht dazu, in die Entscheidungsschlacht zu ziehen und gibt (»urgente fato«)33 das Signal zum Angriff. Bevor es allerdings wirklich zur Feindberührung kommt, hält auch Jakob eine relativ lange Ermunterungsrede, um seine Motivation für den Kriegszug und die haushohe Überlegenheit seiner Soldaten gegenüber den englischen »Weicheiern« (fugacissimum genus militum),34 die völlig von Sinnen wie ausgehungerte Tiere kämpften, rhetorisch eindrucksvoll zu untermauern.35 Jetzt erst kommt es zur Schilderung der eigentlichen militärischen Auseinandersetzung zwischen beiden Seiten:36 Nach kurzfristiger drückender Überlegenheit der Schotten wendet sich das Blatt durch den wagemutigen Einsatz eines blutüberströmten englischen Heerführers, der dafür sorgt, dass wieder militärischer Gleichstand hergestellt wird. Mit ungeheurer Erbitterung wird auf beiden Seiten der Kampf ausgetragen. Den Engländern gelingt der Durchbruch, schottische Kämpfer fallen (»pugnantes cadunt«).37 Der feste Kampfverband bei den Schotten beginnt sich zu lockern, es gibt dort verstärkt Fluchtbewegungen, und weitere herausragende Kämpfer lassen ihr Leben beim vergeblichen Versuch, die drohende Niederlage zu verhindern. Nun führt Jakob in einem verzweifelten Aufbäumen seine Leibgarde ins Treffen, und tatsächlich entbrennt die Schlacht aufs Neue, wird das Gemetzel noch heftiger und verbissener von den führenden Militärs auf beiden Seiten fortgeführt. Das Schlachtenglück schwankt hin und her,38 sowohl Jakob wie Thomas Howard werden in diesen entscheidenden Momenten als souveräne, umsichtig agierende und vorbildlich kämpfende Oberbefehlshaber beschrieben. Da werden die Schotten von allen Seiten bestürmt und eingekesselt, und es gelingt ihnen angesichts ihrer körperlichen Erschöpfung nicht mehr, sich aus der gegnerischen Umschlingung zu befreien. Jakob sieht die königliche Standarte fallen, stürzt sich im sicheren Bewusstsein der Niederlage ins dichteste _____________ 31 Giovio, Historiae sui temporis 11, 207 (185r): »aut egregie vincere aut pulcherrimam mortem oppetere.« 32 Ebd., 11, 207 (185v); vgl. Tacitus, Agricola 33,1: »iamque agmina et armorum fulgores.« 33 Giovio, Historiae sui temporis 11, 207 (185v); so auch Livius 22,43,9: »urgente fato« (vor der Schlacht bei Cannae). 34 Giovio, Historiae sui temporis 11, 207 (186r); vgl. Tacitus, Agricola 34,2: »hic ceterorum Britannorum fugacissimi«. 35 Die Wahrscheinlichkeit, dass in dieser Situation eine solche Rede stattgefunden hat, ist relativ gering. Aber Reizreden gehören zum Standardrepertoire in Schlachtschilderungen in der antiken Geschichtsschreibung ebenso wie in der Epik. 36 Sie umfasst etwa anderthalb Seiten. 37 Giovio, Historiae sui temporis 11, 208 (187r) und Sallust, Cat. 60,6 (mehrfach von Giovio verwendet). 38 Giovio, Historiae sui temporis 11, 209 (187r/v): »praeliumque, ut necesse erat, varium, anceps, modo his et modo his prosperum et exitiabile«; vgl. Tacitus, Hist. 3,22,3: »proelium tota nocte varium, anceps, atrox, his, rursus illis exitiabile.«
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Kampfgewühl und stirbt (»pugnans confoditur«).39 Nur zwei der schottischen Heerführer können im Schutze der Nacht entkommen, die geistliche und militärische Elite Schottlands bleibt auf dem Schlachtfeld zurück. Die Zahl der Toten entspricht derjenigen der Gefangenen, und den siegreichen Engländern fällt alles zu.40 Lässt man die hier behelfsmäßig nachgezeichneten Ereignisse nochmals Revue passieren, so fällt zunächst der zielgerichtete, dramatische Aufbau ins Auge: Auf eine umfassende Charakterisierung des Aggressors Jakob und eine Betrachtung der Motive, die sein Handeln bestimmt haben dürften, folgt ein längerer Exkurs, der dem Leser einen Eindruck vom Schauplatz allgemein, von Land und Leuten insbesondere zu verschaffen sucht. Bei der sich anschließenden Schilderung der einzelnen Phasen von Scharmützeln, Kampfangebot und -ablehnung, Positionswechseln, Ermunterungsreden bis zur Aufstellung und dem tatsächlichen (?) Schlachtverlauf nimmt nicht nur das Erzähltempo kontinuierlich zu. Bemerkenswert erscheint auch die Anschaulichkeit der Darstellung, die durch die präzise wirkende Beschreibung geographischer Räume wie die vermeintlich exakte Positionierung der jeweiligen Lager41 und die Präsentation von einprägsamen Bildern erreicht wird. Durch die geschickt aneinandergereihte Abfolge von Einzelund Massenszenen, wie sie dem Leser anhand von Reden, Beratungen, Reaktionen auf vermeintliche Vorzeichen (prodigia), aber auch anhand von wechselnden Blickrichtungen auf Angriffs- und Rückzugsbewegungen vor Augen geführt werden, entwickelt das dargestellte Geschehen eine Dynamik und Suggestionskraft, der man sich kaum entziehen kann. Durch die Häufung von verba videndi,42 durch immer schnellere, kameraschwenkartige Szenenwechsel (insbesondere bei der Schilderung der Entscheidungsschlacht), durch pointierte Wechsel vom erzählenden Vergangenheitstempus zum historischen Präsens bzw. Infinitiv auf dem Höhepunkt der Handlung wird der Leser ins visualisierte Geschehen unmittelbar miteinbezogen.43 Solch ein Verfahren, das den Leser oder Hörer44 mit den genannten Mitteln visuellen Erzählens näher an die Erfahrung realer Geschehnisse heranrückt, ist distinktiv für die antike Geschichtsschreibung.45 _____________ 39 Giovio, Historiae sui temporis 11, 209 (187v). 40 Der weitere Verlauf, d.h. der Transport von Jakobs Leichnam, der lange unbestattet bleibt, Heinrichs Reaktion auf die Nachricht vom Sieg seiner Leute usw., ist in diesem Zusammenhang nicht mehr von Interesse. 41 Beispielsweise ebd., 11, 206 (184v): »intererat tantum flumen Tylius inter bina castra regis atque Surreii«, oder ebd., 204 (183r): »ab laeva [...] natura reliquerat«, wo Giovio die strategisch hervorragende Position von Jakobs erstem Lager von allen (vier) Seiten exakt umreißt. 42 Zu nennen sind beispielsweise oculis contemplari, inspicere (11, 206), despectus, visere (11, 207). Hinzu kommen auch Farb- und Glanzworte wie fulgor (armorum) oder sanguis. 43 Vgl. dazu beispielsweise ebd., 11, 209 (187v): »Contra Surreius [...] magna vi contendere, [...] multum ipse pugnare« oder ebd.: »Tum vero Iacobus, quum [...] vidisset, [...] in confertissimos hostes procurrit.« Die Beispiele ließen sich wahllos häufen. 44 Man denke nur an Giovios Rezitation vor dem Papst! 45 Vgl. dazu sehr anregend Rossi (2004), 125–149 und Feldherr (1998), 4–19.
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Insbesondere Livius und Polybios, aber auch Xenophon setzen auf die suggestive Kraft der vergegenwärtigenden Visualisierung (bei der Evokation von Kampfhandlungen),46 und der Traktat Lukians über die Geschichtsschreibung, der die humanistische Historiographie außerordentlich stark beeinflusst hat, spricht sich nachdrücklich für die enargeia, die visuelle Nachvollziehbarkeit des Geschilderten, als wesentliches Darstellungskriterium aus.47 Den Effekt vermeintlicher Unmittelbarkeit erzielt der die Vergangenheit gestaltende Künstler dabei mit dem Wechsel vom diegetischen zum mimetischen Modus; durch Tempuswechsel und temporale Deixis (iam bzw. nunc) wird dem Rezipienten räumliche und zeitliche Nähe suggeriert;48 an die Stelle von Distanz schaffendem Erzählen tritt also Präsenz simulierendes Zeigen.49 Es spricht folglich nicht der Historiker, sondern die vergangenen Geschehnisse wenden sich gleichsam direkt an das Publikum; der gezielte Einsatz rhetorischer Mittel dient gewissermaßen dazu, Leser oder Hörer davon zu überzeugen, wie es gewesen. Paolo Giovio beherrscht die Techniken der vergegenwärtigenden Visualisierung, des regelrecht filmischen Erzählens aufs vortrefflichste, wie sich an seiner Schilderung der Ereignisse von Flodden gezeigt haben sollte.50 Auf den Spuren seiner antiken Fachkollegen und Vorbilder wandelt er aber auch, wenn er wie Caesar, Sallust oder Tacitus ethnographische Exkurse einsetzt, wenn er Handlungsträger durch Briefe wie Sallust oder Tacitus oder durch Reden in oratio recta oder obliqua pointiert zu charakterisieren sucht,51 wenn er wie Livius auf die handlungsauslösende Bedeutung von Vorzeichen (prodigia) abhebt, wenn er alle religiösen Begriffe der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit mit antikisierendem Flair überzieht und konsequent beispielsweise von Dii statt von dem einen Schöpfergott spricht. Diese Orientierung an Methoden und Darstellungsmitteln antiker Historiographie wäre, sieht man von der Fertigkeit der Visualisierung und dem dezidierten Bemühen um enargeia ab, für einen ehrgeizigen humanistischen Geschichtsschreiber bemerkenswert, aber nicht außergewöhnlich. Man wird jedoch Giovios erzählerische Qualitäten und seinen Umgang mit der Antike ganz anders beurteilen, wenn man zufällig feststellt, dass der schottische König am Nachmittag des 9. Septembers 1513 genauso stirbt wie seinerzeit Catilina (»Tum vero Iacobus _____________ 46 Vgl. dazu Rossi (2004), 137, wo Plutarchs Lob für die xenophontische Darstellung der Schlacht von Kunaxa (401 v. Chr.) angeführt wird, so Artaxerxes 8,1. Zur Bedeutung von Polybios für Giovios Geschichtsverständnis vgl. Zimmermann (1995) 365, Anm. 37 f.; dies müsste differenzierter untersucht werden. 47 Vgl. dazu Rossi (2004), 128; Avenarius (1956), 130 ff. und Zimmermann (1995), 267. 48 Vgl. dazu Rossi (2004), 129–132. 49 Vgl. Rossi (2004), 135–137. 50 Das gilt aber eigentlich für all die zahlreichen Schlachtbeschreibungen, besonders eindrucksvoll ist beispielsweise das Schlachtgemälde, mit dem er Marignano evoziert. 51 Das gilt für alle antiken Historiker, dabei bevorzugt Caesar im Bellum Gallicum entschieden die indirekte Rede; dass Giovio die von ihm der Situation nachempfunden Reden gelegentlich nur allzusehr schätzt, moniert auch Ranke (1824), 75.
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[...] in confertissimos hostes procurrit; ibique pugnans confoditur.« Sall. Cat. 60,7: »Catilina [...] in confertissumos hostes incurrit ibique pugnans confoditur«).52 Das Philologenherz lacht ob der Entdeckung eines wörtlichen, unmarkierten Zitates, das auf dem dramatischen Höhepunkt der Schilderung den schottischen Monarchen auf eine Stufe mit dem römischen Urbösewicht zu setzen scheint. Das von Giovio entworfene Schlachtengemälde erhält so gewissermaßen eine raumzeitliche Tiefe, indem hinter dem gottlosen Aggressor aus dem Norden der republikanische Staatsfeind par excellence durchschimmert. Ein antikes Muster wirkt also in der (nach-)erzählten Gegenwart überzeitlich fort, wie der findige humanistische Historiker erkennt und dem ebenso findigen Leser unaufdringlich vermittelt. Unterzieht man Giovios Text, nach diesem ersten Fund gleichsam hellsichtig geworden, einer aufmerksamen, mehrfachen Relektüre, bietet sich ein unerwartetes Bild: Das zunächst so aufregend erscheinende Sallust-Zitat bildet, um martialische Metaphorik zu benutzen, lediglich eine Speerspitze aus dem Waffenarsenal einer kompletten Legion. Angesichts der Unzahl nicht gekennzeichneter Entlehnungen, Allusionen und Zitate, die in der Regel lateinischen Geschichtsschreibern entnommen sind und die Darstellung von Flodden und nicht nur sie53 wie ein dichtgeknüpftes Netz überziehen, kommt man nicht umhin, diese spezifische Art der Wiederbelebung antiker Historie abschließend genauer zu betrachten.54 Die benutzten Prätexte lassen, so man sie ermittelt oder erinnert, spezifische Eigenschaften von Landschaften, Menschen und Situationen bzw. Handlungsverläufen in einem neuen, anderen Licht erscheinen. So gemahnt Jakobs Wankelmut (»multum animo varians«) an den Mauren, der den sallustischen Jugurtha verrät,55 und seine Furcht vor möglichen Expansionsgelüsten Heinrichs VIII. (»nimio plus crescere rem Anglicanam«) evoziert wörtlich die Turnus von Livius zugeschriebene Beurteilung des römischen Machtzuwachses.56 Das Bild Britanniens hingegen, das Giovio in seiner descriptio zeichnet, orientiert sich an der Beschreibung dieses Landes im Agricola des Tacitus, ist aber auch durch wörtliche Zitate in Bezug zu Caesars Bellum Gallicum gesetzt.57 Für die Schilderung topographischer Gegebenheiten _____________ 52 So Giovio, Historiae sui temporis 11, 209 (187v). Die (gedächtnisbedingte?) Verwendung unterschiedlicher Komposita von currere fällt angesichts der sonstigen Übereinstimmung nicht ins Gewicht. Dieselbe Passage findet sich auch bei Polydor Vergil im Zusammenhang mit Richard III.; siehe dazu die klugen Ausführungen von Freeman (1992), 191–214, hier 198 f. 53 Ähnliches gilt nach einer stichprobenartigen Überprüfung insbesondere für kriegerische Darstellungen wie die von Marignano. Für das gleiche Vorgehen bei einem anderen Autor, Polydor Vergil, vgl. Schlelein (2010). 54 Damit die folgenden Ausführungen nicht in eine Zitatenschlacht münden, werde ich lediglich eine Auswahl besonders aussagekräftiger Beispiele präsentieren. Man vgl. insgesamt auch die in den Anmerkungen 26–38 angeführten Parallelstellen. 55 Vgl. Sallust, Bell. Iug. 113,3: »voltu et oculis pariter atque animo varius.« 56 Livius 1,2,3: »nimio plus [...] rem Romanam crescere ratus«; dieses Zitat verwendet Giovio innerhalb der Historiae mehrfach. 57 Vgl. Tacitus, Agricola 10–14; Caesar, Gall. 1,1,1.
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macht Giovio hier und überhaupt gerne Anleihen bei dem Eroberer Galliens, dessen Sprache schon unter den anspruchsvollen Zeitgenossen als Inbegriff von Präzision und kunstfertiger Schnörkellosigkeit galt. Der Blick von Jakobs letztem Lagerplatz auf die darunterliegende Ebene beispielsweise entspricht dem Panorama, das man von Alesia aus hat.58 Der eigentliche Schlachtverlauf hingegen lässt mehr als deutliche Anklänge an die für die Römer siegreich verlaufende Auseinandersetzung mit Calgacus in Britannien erkennen, von der Tacitus in der Biographie seines ebendort als Heerführer agierenden Schwiegervaters Agricola stolz berichtet.59 Zu Teilen aber wird das Hin- und Herwogen des Kampfes durch umfängliche Zitate aus Livius in Zusammenhang mit martialischen Großereignissen der daran nicht armen römischen Geschichte gebracht.60 Und auch die positive Zeichnung des Earls of Surrey als eines umsichtigen, beherzten Militärs fußt auf prägnanten Formulierungen, die Livius und Sallusts Catilina entnommen sind.61 Beide Feldherren von Flodden tragen also in ihrem vorbildlichen Verhalten auf dem Höhepunkt der Schlacht Züge Catilinas, womit sich die Frage nach Sinn und Funktion der Entlehnungen mit großer Dringlichkeit stellt. Auffällig an den hier nur ausschnittsweise präsentierten Zitaten ist ihre Unauffälligkeit. Das gilt insbesondere für Übernahmen ganzer Sätze oder umfangreicher Satzteile aus den Werken Caesars, die zum Teil formelhaft verwendet, mehrfach von Giovio benutzt werden.62 Der Umfang solcher entlehnter Passagen reicht von nur zwei markanten, sinntragenden Begriffen (urgente fato) bis zu 20 (z.T.
_____________ 58 Vgl. Giovio, Historiae sui temporis 11, 207 (185v): »erat ex eo monte despectus in subiectos campos« mit Caesar, Gall. 7,79,3: »Erat ex oppido Alesia despectus in campum«; genauso schlagend Giovio, Historiae sui temporis 11, 206 (184r): »intererat tantum flumen Tylius inter bina castra regis atque Surreii« mit Caesar, Bellum civile 3,19,1: »Inter bina castra Pompei atque regis unum tantum flumen intererat Apsus.« 59 Vgl. Giovio, Historiae sui temporis 11, 208 (187r): »aemulatione virtutis rectam agminis frontem erigere in montes coeperunt« mit Tacitus, Agricola 36,2: »erigere in colles aciem coepere, ceterae cohortes aemulatione et impetu conisae« oder Giovio, Historiae sui temporis 11, 208 (187r): »superfusa sagittarum multitudine eo adegerat ut [...] rari et vitabundi pugnarent« mit Tacitus, Agricola 36,1: »magnam vim telorum superfundere«; ebd. 37,5: »rari et vitabundi«. 60 Vgl. beispielsweise Giovio, Historiae sui temporis 11, 209 (187r): »novum, priori acrius, de integro praelium ortum« mit Livius 30,34,12: »Ita novum de integro proelium ortum est«; oder Giovio, Historiae sui temporis 11, 208 (187r): »eorumque signa fluctuare inciperent« mit Livius 30,34,10: »principum quoque signa fluctuare coeperant«. Die Beispiele sind nicht allein auf die aus römischer Sicht ruhmreiche Schlacht von Zama (201 v. Chr.) bezogen und ließen sich mehren. 61 Vgl. Giovio, Historiae sui temporis 11, 209 (187v): »Contra Surreius [...] magna vi contendere, vulneratos in postremam aciem subducere [...] multum ipse pugnare« mit Livius 30,34,11: »Scipio (!) [...] sauciis in postremam aciem subductis« (Zama) und Sallust, Catilina 60,4: »Interea Catilina (!) [...] multum ipse pugnare«, ebd. 60,5: »Petreius, ubi videt Catilinam [...] magna vi tendere«. 62 Vgl. Giovio, Historiae sui temporis 11, 205 (183v): »nulla dubitatione interposita« entspricht Caesar, Gall. 7,40,1. Auch die sonstigen Zitate sind nicht ohne weiteres zu entdecken.
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bis in die Worstellung übereinstimmenden) Worten.63 Dem Leser, der die Bezugstexte und deren Sinnzusammenhänge (wieder-)erkennt, bieten sich neben dem intellektuellen Vergnügen an solchen (unerwarteten) Entdeckungen gewissermaßen neue, vertiefte Einblicke in historische Zusammenhänge: Das antikisierende Flair, das ohnehin über Giovios Zeitgeschichte liegt, erfährt eine atmosphärische Verdichtung dadurch, dass ohne ausdrückliche Kennzeichnung Bezug auf strukturell als ähnlich oder übereinstimmend empfundene Konstellationen in antiken, vor allem historiographischen Prätexten genommen wird. Subtil und höchst virtuos wird hier also die Kontinuität geschichtlicher Abläufe in der vom Historiker als Wiederkehr spezifischer Strukturen gestalteten Räume, Personen und Situationen in den erzählten Text eingeschrieben. Die dargestellten Objekte, seien es Landschaften, Menschen oder Interaktionen, erhalten durch die unmarkierten intertextuellen Verweise eine größere Tiefenschärfe, sie erscheinen dem kundigen Betrachter von Giovios Zeitgemälde gleichsam in perspektivischer Zeichnung. Dabei ist wichtig zu betonen, dass mit dem feinsinnigen Heraufbeschwören antiker (Text-)Muster nicht von vornherein und unabdingbar eine Bewertung des Geschilderten einhergeht, wie man an der Verwendung von Zitaten aus derselben Passage des sallustischen Catilina zur positiven Charakterisierung beider Heerführer plausibel machen kann. Neben den strukturellen Parallelen, die sich durch solche Entlehnungen zu Vorkommnissen in der Antike ziehen lassen, haben diese Bezugnahmen aber auch die Funktion, die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit rhetorisch wirkungsvoll zu überhöhen. Wenn Engländer und Schotten in Giovios Darstellung beispielsweise mit ungeheurer Erbitterung gegeneinander losschlagen (»utrinque maioribus prope odiis quam viribus certaretur«)64, so stehen sie in der Intensität ihrer Auseinandersetzung auf einer Stufe mit Römern und Karthagern. Genauso pointiert nämlich charakterisiert Livius zu Beginn des 21. Buches die mit äußerster Leidenschaft geführten Kämpfe im Zweiten Punischen Krieg.65 Giovio verleiht auf diese subtile Weise sowohl seinem Werk wie sich selbst überzeitliche Bedeutung. Bei der Auswahl der von ihm benutzten und zitierten antiken Autoren hält sich der Mann aus Como, soweit erkennbar, an das im Rahmen der humanistischen Geschichtsschreibung Gängige: Er stützt sich vor allem auf Livius, Caesar, Sallust und Tacitus, vereinzelt lassen sich jedoch auch Anspielungen auf römische Dichtung ermitteln.66 Während Tacitus insgesamt eher selten herangezo_____________ 63 Giovio, Historiae sui temporis 11, 207 (185v); so auch Livius 22,43,9: »urgente fato« (vor der Schlacht bei Cannae). 64 Giovio, Historiae sui temporis 11, 208 (187r). 65 Livius 21,1,3: »Odiis etiam prope maioribus certarunt quam viribus.« 66 Es handelt sich nicht um Zitate, da man diese in Rezitationen vermutlich sofort gehört hätte. Innerhalb der Schlacht von Flodden findet sich beispielsweise eine eindeutige Anspielung auf Vergils Aeneis: Vgl. Giovio, Historiae sui temporis 11, 208 (186r): »ferarum more quas furor in rabie agit« mit Vergil, Aeneis 2,355–57: »inde, lupi ceu / raptores atra in nebula, quos improba ventris / exegit caecos rabies« (von den nach Rache dürstenden Troianern im Angesicht der
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gen wird,67 dienen die mit etwas größerer Häufigkeit Sallust entnommenen Formulierungen hauptsächlich der Charakterisierung von Personen. Eindeutig am stärksten sind die Historiae sui temporis gleichermaßen von Livius und Caesar geprägt, dabei lassen sich, das sei cum grano salis gesagt, umfangreiche Zitate im Bereich von Topographie, militärischer Strategie und Ethnographie in der Regel auf den Divus Iulius zurückführen. Livius hingegen zeichnet sozusagen für den antiken Hintergrund bei der Darstellung von Schlachtverläufen und für sentenzartige Kommentare gerne im Zusammenhang mit der Macht der fortuna verantwortlich. Angesichts der Vielzahl der gleichsam eingeschmuggelten Entlehnungen gilt es abschließend, die Frage nach Giovios Vorgehen und die nach der Belesenheit seiner Rezipienten zu stellen. In all seinen Werken, nicht zuletzt im eingangs erwähnten Dialogus betont der ambitionierte Zeithistoriker die Bedeutung von memoria im Sinne von Gedächtnisleistung.68 Auf seine Fähigkeit, ohne die Zuhilfenahme schriftlicher Aufzeichnungen relevante Daten und Fakten jeglicher Art über einen längeren Zeitraum memorieren zu können, hält er sich auch im Zusammenhang mit den Zerstörungen aufgrund des Sacco di Roma einiges zugute. Dass diesem Mann vermutlich große Teile antiker Literatur gewissermaßen auf Abruf geistig präsent waren, ist in einer Zeit, in der man einzelne Bücher aus den Geschichtswerken von Sallust und Livius auswendiglernte, bemerkenswert, aber nicht exzeptionell.69 Dementsprechend wird man sich auch die Leser seiner Texte vorzustellen haben: Während europäische Potentaten und Feldherren sich auch ohne jahrezehntelanges Studium der Klassiker bei der Lektüre von Giovios Zeitgeschichte kenntnisreich informiert und unterhalten fühlen konnten, ist bei den cognoscenti, den humanistisch gebildeten und ausgebildeten Rezipienten wohl davon auszugehen, dass sie den Text im Text zu erkennen und zu deuten wussten.70 Was hier nur exemplarisch veranschaulicht werden konnte, gilt nicht nur hinsichtlich der Zitatdichte, -technik und -verwendung (vermutlich) für die gesamten Historiae:71 Sei es die Schlacht von Fornovo (1495), die Belagerung von Novara (1513), die Plünderung des venezianischen Umlandes in den französischen Italienfeldzügen, seien es hinreißende, lebensnahe Porträts von prominenten Akteuren _____________ 67
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griechischen Übermacht). Andere antike Prosaautoren wie Sueton oder die beiden Plinii lassen sich bislang in den Historiae sui temporis nur vereinzelt nachweisen. Die auffallend zahlreichen Bezugnahmen auf die Auseinandersetzung zwischen Agricola und Calgacus innerhalb der Schilderung von Flodden hängen wohl mit britischem Lokalkolorit zusammen. Vgl. Giovio, »Dialogus«, 254, 27–255,12. Vgl. dazu Burke (1966), 141. Möglicherweise erklärt sich so die polarisierende Wirkung von Giovios Geschichtswerk, das entweder jubelnde Begeisterung oder entschiedenste Ablehnung auslöst. Vielleicht ist auch das Urteil Papst Leos X. vor diesem Hintergrund zu sehen. Die Untersuchungen beschränken sich bislang auf das erste Drittel des etwa 1200 Seiten umfassenden lateinischen Textes. Eine größere monographische Studie zu Giovio bereite ich vor.
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wie König Franz I. oder Sultan Selim I., seien es kampfentscheidende Reden oder unheilverkündende Vorzeichen Paolo Giovio gelingt es stets, stimmungsvolle Zeit-Bilder von hoher Anschaulichkeit und Einprägsamkeit zu entwerfen.72 In souveräner Beherrschung der nobilissima lingua veranschaulicht er mit seinem ambitionierten Projekt von Zeitgeschichtsschreibung auf subtile Weise die Musterhaftigkeit antiker Historiographie und entspricht so mit feinem Raffinement den ästhetischen und ethisch-praktischen Bedürfnissen, die man im Humanismus durch die Auseinandersetzung mit vergangenen Zeitläuften zu befriedigen sucht.73 Vor allem aber in der präzisen und eindringlichen Schilderung von Schlachten veluti pictura oculis subiecta, also in deren bildhafter Visualisierung, liegt nicht nur nach dem gestrengen Urteil des älteren Bruders eine der herausragenden Fertigkeiten des großen Wortmalers Paolo Giovio.74
Literatur Quellen Caesar, Caius Iulius, C. Iulii Commentarii rerum gestarum, Teil 1: Bellum Gallicum, hg. v. Wolfgang Hering, Leipzig 1987. Cicero, Marcus Tullius, De oratore, hg. v. Kazimierz F. Kumaniecki, Leipzig 1969 (= M.Tulli Ciceronis scripta quae manserunt omnia, fasc. 3). Cicero, Marcus Tullius, »In Catilinam«, in: M. Tulli Ciceronis orationes, Bd. 1.: Pro Sex. Roscio. De imperio Cn. Pompei. Pro Clventio. In Catilinam. Pro Mvrena. Pro Caelio, hg. v. Albertus Curtis Clark, Oxford 1993. Cicero, Marcus Tullius, M. Tullii Ciceronis de legibus libri tres, hg. v. Carl Friedrich Wilhelm Müller, Leipzig 1914. Giovio, Benedetto, Historiae patriae libri du. Storia di Como dalle origini al 1532, Como 1532 (ND 1982). Giovio, Paolo, »Dialogus de viris et foeminis aetate nostra florentibus«, in: Dialogi et descriptions, hg. v. Ernesto Travi/Mariagrazia Penco, Rom 1984 (= Pauli Iovii Opera, 9), 167–321.
_____________ 72 Zum Verständnis des Historikers als bildender Künstler, wie ihn Lukian in Quomodo historia conscribenda sit 51 skizziert, vgl. Rossi (2004), 128. Zur Anschaulichkeit der Personendarstellungen von Giovio, vgl. Burckhardt (1988), 241 f., der sich hier vor allem auf die Biographien und Elogia bezieht. Den »livianischen und cäsarianischen Phrasen« der humanistischen Geschichtsschreibung, sogar der eines Giovio, kann er hingegen nicht besonders viel abgewinnen, ebd. 173 f., das Zitat 173. Dass insbesondere die Grausamkeit und die Schrecken des Krieges in beeindruckender Manier von Giovio vermittelt werden, soll an anderer Stelle gezeigt werden. 73 Vgl. dazu Muhlack (2001), 3–18, besonders 9–12. 74 So bei Benedetto Giovio, Historiae patriae libri duo, 257.
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Humanistische Schlachtenszenen?
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The Historian Francesco Guicciardini between Political Action and Historical Events* IGOR MELANI The ambassadors sent abroad are the eyes and ears of republics, and it is they who should be believed, not those who have a personal stake in affairs.1
1. The Statesman Portrayed When composing his Dialogo della mutatione di Firenze (Dialogue on the Revolution in Florence) around the year 1520, Bartolomeo Cerretani set the scene in Modena, where Giovanni di Bernardo Rucellai, Florentine ambassador to the King of France and a »Pallesco« (partisan of the Medicean faction), encountered two Florentine gentlemen who were »Frateschi« (partisans of the Savonarolan faction). After their unexpected meeting abroad, the three fellow citizens, at the suggestion of Giovanni Rucellai, decide to spend the evening together at the house of the Governor (»a casa il Governatore«), who at that time was Francesco Guicciardini (»el quale era ms. Francesco Guicciardini«). The host had been absent from Florence (as ambassador to the King of Aragon) during the period of regime change in 1512, when the so-called »popular Government«, led by the Gonfaloniere-for-life Francesco Soderini, was overturned and the Medici family restored. The dialogue is prompted by his request for news on this delicate topic, but with an eight-year delay: on recent political history, Cerretani’s Guicciardini seems far from up-to-date. In accordance with Rucellai’s wishes, the structure of the Dialogo is conceived as a sort of debate between two voices, integrating that of the Pallesco Rucellai himself on one side (giving an account of the »fall of the popular government«), _____________ *
1
Primary sources in this expanded version of the paper presented at the conference Humanistische Geschichten am Hof have been translated into English by Patrick Baker except where otherwise noted. Guicciardini, Discorsi politici, IX (Sulla proposta fatta ai Veneziani d’entrare nella lega contro i Francesi. In contrario per la opinione che prevalse), 133: »Gli imbasciadori che si mandono fuori sono gli occhi e gli orecchi delle repubbliche, ed a loro si ha a credere, non a quegli che hanno passione nelle cose«.
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with those of the Frateschi Hieronimo and Lorenzo on the other (of whom it is said: »let them repeat and explain the parts of Savonarola’s prophecy that seem to them to be in support of the popular government«).2 This dialogue, set in 1520, is generally supposed to have been written in the summer of the same year (in which case the time of the action and the time of narration would coincide), although the somewhat later date of 1521 has recently been suggested.3 One year, which is a long time in terms of philological microchronology, would appear less significant if considered within a longer cultural perspective. What is more interesting, though, is that the Dialogo portrays Guicciardini in a stage of his development – in an historical phase – in which he was, and was principally known as, a Florentine patrician and a statesman in the service of the pope rather than an author or more particularly an historian. Taking the idea of history expressed in the Dialogo as a point of departure, we can then consider this initial supposition about the relationship between Guicciardini’s political activity and his historical writing. Even if Cerretani’s Mutatione appears to be a political dialogue, it is in fact an historical one. This need not surprise us: the traditional humanist view, based on the classical one, tended to think of history as a literary genre dealing not with the past, but with the present, or rather with the historian’s present, which could become the past for (future) readers. Of course, the main topic of classical and humanist history was politics. There is nothing surprising here, then, except perhaps the literary form chosen by Cerretani: a dialogue. Scholars tend to see this dialogue as part of a larger historical work, the manuscript Hystoria Fiorentina.4 In his proemial dedication to his father, however, the author clarified his motivation for taking quill in hand thus: While thinking of what I might compose in these few days, it occurred to me that I would be doing an injustice to the things that have happened in our city in the last eight years (since the Medici family returned from exile), if I did no record them like we have done for other events of past times, especially since their beginning (principio), middle (mezzo), and end (fine) were most memorable and had never happened before in our city.5
The events – »most memorable« – had to be recorded. That is, they deserved to be transformed into historical narration, into history. But whereas the »other _____________ 2
3 4 5
See Cerretani, Dialogo, 3: »mutatione dello Stato popolare«; »replichino et sponghino tutto quello che par loro secondo la profetia di fra Girolamo in favor dello Stato popolare«. The dialogue presents a curious case of homonymy: the two Frateschi here have the same names as Savonarola and his first protector, Lorenzo il Magnifico. See Mordenti (1990), xlviii–lvii. See Mordenti (1990), xlviii– lvii. Cerretani, Dialogo, 2: »pensando quello che io potessi in questi brevi giorni comporre, pensai che si farebbe torto alle cose sute fatte da otto anni in qua nella Città nostra, sendo tornata la famiglia Medica dallo Exilio, se io non facessi memoria, come habbiamo fatto de l’altre de’tempi passati, maxime che per il principio, mezzo e fine sono sute memoriabilissime et non mai più sute nella nostra città«.
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events of past times« had already been written about and recorded as they deserved to be (as historical events), these more recent ones were going to be »composed« (comporre) in a different way. Why? Not only unique (»never happened before«) and exemplary (as history requires), these recent events had been »most memorable« on account of their »beginning, middle, and end« (principio, mezzo e fine): in a certain way they were not just examples of simple events but rather exemplifications of an evolutionary process in both history and philosophy (ethics). The ambiguous lexical choice therefore seems anything but casual: the temporal »beginning, middle, and end« could also be the ethical »principle, means, and aim«, but at the same time the historical »cause, means, and effect« as well. After all, teaching by examples was considered the substance of history by Ciceronian humanists.6 Cerretani goes on to explain that he is dealing with »most memorable« examples of the relationship between cause and effect within the realm of the theory and practice of politics. Considering them thus as philosophical events of a kind, he attributes to them a philosophical »principle« (principio) which extends beyond the naked facts themselves and which makes them capable of being understood as general, not just as »particular« (singulari). Since this reflection clearly refers to the Aristotelian division of narrative forms into history, philosophy, and poetry (a division based on the distinction between particular matter and general matter), it is not by chance – I would argue – that the author decides to switch from one literary genre (historical treatise) to another (philosophical dialogue): thinking about how to construct and order them [the »things that have happened in our city«], I pondered using the mode employed not only by the ancient and modern historians but also by myself, since I had imitated them to the best of my ability in my own writing. And although it does not behoove me, who possess so little learning, to take up new modes for the writing of history not employed by the ancients, nevertheless new things, even if they are not unique (singulari), tend to please. Therefore I decided to write in a new mode, one that has been used by famous authors for works of moral philosophy, mathematics, theology, and similar subjects, but not for history. And so taking strength in the ears and judgment of those who will test it by hearing or reading it, I will initiate the mode of writing history as a dialogue, which I readily send to you [his father Paolo, to whom the Dialogue is dedicated] as my Judge. When reading it, use that maturity and gravity of Judgment which nature has given you in order to correct [...] any deficiencies in language, style, arrangement, quality of material, or anything else. For there are no other eyes so worthy, no other judgment so sound, to which I could entrust myself.7
_____________ 6 7
Gilbert (1965), 205–206; 215–218 (chapter on »The Theory and Practice of History in the Fifteenth Century«). Cerretani, Dialogo, 2: »pensando il modo del constituirle et ordinarle [these »cose sute fatte [...] nella città nostra«] mi venne avanti non solo il modo delli storici antiqui e moderni, ma il mio, che ho quelli imitati quanto m’è suto possibile scrivendo, et benché a me, per essere di pochissima dottrina, non si convenga pigliare nuovi modi in scrivere le storie disforme dalli antichi,
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From the Proemio it is clear that Cerretani has chosen this »mode« (modo), the dialogue, not just for philosophical reasons – the uniqueness of the events (»had never happened before«) calls for the new application of a traditional mode (»new modes for the writing of history not employed by the ancients« – but also for aesthetic ones (»new things [...] tend to please«). Moreover, this choice is in accord with the opinion of his advisors, whom he had asked to test his work by »hearing« and »reading« it. This oral dimension of historical narration (the idea of which is conveyed through the choice of the literary form of the dialogue) might provide insight into the social (and political) context in which the Dialogo is set. History – and especially contemporary history – was very much discussed and talked about in political circles, not only in those composed of opponents of the regime (such as the Florentine fuoriusciti in Venice, who often discussed ambassadorial relazioni,8 or the »group of youngsters« in the Orti Oricellari »whom the Medici were keeping out of public life«, and who received some »history classes« from the former Secretary Machiavelli9) but also in those operating in institutional contexts, as this one would be. History, experience, proverbs, and quotations from classical authors were, morever, frequently adduced during debates in the Pratica, a consultative body devoted to the discussion of foreign policy in republican Florence during the Renaissance.10 In sum, the setting of the dialogue places the use of history squarely in the political dimension. Traditionally, republican civic humanism had encouraged a political use of history, i.e., had put it at the service of the state. Humanist chancellors of the Florentine Republic were capable both of composing some of the best civic historiography ever written (Leonardo Bruni, Carlo Marsuppini), and of using classical or modern history in their actual, current political arguments in discussions with friends and foreign colleagues, or when writing official political correspondence (Coluccio Salutati).11 The aspiration of contemporary humanist historiography to ethical/political and aesthetic goals (glorifying the state’s past and institutions _____________ pure perché le cose nuove etiam che le non sieno singulari sogliono piacere, ho destinato nuovo modo allo scriverle, il quale è usato da celebrati scrittori in compositione di filosofia morale, matematica, teologia, et simile scientie, ma storie no. Ma preso sicurtà negl’orecchi et giuditio di chi l’udirà o legerà gustandole, darò principio a questo modo chiamato Dialogo, il quale a te [his father Paolo, to whom the Dialogue is dedicated] come mio Giudice liberamente lo mando, acciò leggendolo con quella maturità e gravità del Giuditio che ti ha dato la natura, dove nella lingua o nel modo dello scrivere o nella dispositione et qualità delle materie o in alcun’altra cosa havessi mancato, la possi correggere [...], perché non ho occhi più grati, né giuditio più saldo a chi io mi possa gettare liberamente in grembo«. 8 Melani (2004), 470. 9 Cantimori (2005), 55. 10 See Gilbert (1957), 67–114, and especially 203–205. 11 See Garin (1993), 1–32, especially 6–11 (use of history in the political correspondance of Coluccio Salutati); 14–16 (writing of Leonardo Bruni’s Florentine History); 20 (Carlo Marsuppini’s Florentine History).
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through a perfect classical writing style) entailed both a secularization and a localization of historiography (ecclesiastical topics lacked an appropriate classical Latin vocabulary; republics and republicanism were dominant tendencies in the political ideals of the early humanists).12 Here, though, we can take a further step: history is (fictionally) stated as the best possible substitute for personal experience. A statesman in the service of the Medici pope Leo X requests historical information concerning events he had not directly observed. This technique of interviewing witnesses (widely known thanks to its use by Paolo Giovio in his Histories: »we have entrusted to the faithful memory of the written word what we have heard from the mouths of [...] kings [...] popes [...] condottieri [...]«),13 is presented as an historiographical training ground, a foundational aspect of the historical method of Francesco Guicciardini, who in the 1520s was not yet, but was to become, one of the most renowned historians of the sixteenth century. Was the Guicciardini in Cerretani’s Dialogo collecting materials for his future Storia d’Italia (History of Italy), which was written between 1537 and 1540 but published posthumously? We cannot say exactly. In any case, Roberto Ridolfi, Guicciardini’s most authoritative biographer, considers his »commentaries on the wars of Italy« (which he [Ridolfi] refers to as Commentari of his Luogotenenza, or commentaries of his command) to be the very first draft of the Storia d’Italia (afterwards integrated into it and constituting its Books XVI and XVII), which he started composing around 1528.14 He also explains how collecting historical materials and testimonies and taking notes – practices Guicciardini had used all his life – made it easier to »narrate things he had narrated day by day in his minutari, after having lived and suffered them hour by hour«.15 As the publishing of most of Guicciardini’s works from the nineteenth century onwards has shown, nothing except the posthumous Storia d’Italia was conceived for publication. Nevertheless, from the point of view of a sixteenth-century Florentine patrician, this does not mean that his other writings were private. On the contrary, they were intended to be public in two different contexts: state and family.16 Guicciardini gives voice to this intention in the dedication to his Memorie di famiglia, imploring »our descendants« to keep the text secret in a special _____________ 12 See Fueter (1936), 9–15. 13 For the quotation see Giovio’s In Libros Historiarum sui temporis Praefatio ad Cosmum Medicem Reipublicae florentinae Principem in Id., »Historiarum sui temporis Libri«, t. 1, 6: »[...] regum [...] pontificum [...] ducum [...], ex eorum ore haec hausimus quae, [...] fideli literarum memoriae mandavimus«; for a general discussion on Giovio’s use of written and oral interviews, see Chabod (1967 b), 241–267, and Zimmermann (2001), 433–434. On Paolo Giovio as an historian, see Zimmermann (1995) and Elisabeth Stein in this volume. 14 See Ridolfi (1939), revised and augmented in: Id. (1978), 79–130; Id. (1982), 294–295. 15 See Ridolfi (1982), 317–318. 16 The important topic of the »public use of history« has been discussed by Habermas (1988), 40– 50, who parses it in two dimensions: as a collective matter, and as an official practice (of a group, movement, or current of thought).
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space, the family Palace in Via Guicciardini (»do not let it be seen outside the house«), for the utility of the family (»for themselves and their utility«), whose goal was not just its own private good (particulare), but also that of the city: »I desire two things most of all in this world: one is the perpetual exaltation of this city and its liberty; the other is the glory of our house, not only during my lifetime but forever«.17 In light of this observation, Cerretani’s 1520–1521 portrait of Guicciardini must be seen as to some extent influenced by the latter’s earliest historiographical efforts: for before Cose fiorentine (1527–28) and Commentari (1528), Storie fiorentine (1509) had stood as his very first attempt at endowing the Florentine aristocratic tradition of ricordi di famglia with a wider, urban perspective.18 It is also possible to view Cerretani’s image of Guicciardini the statesman-historian as confirmation of Felix Gilbert’s argument, namely that the birth of a new kind of »historical pragmatism« – a kind of political history not bound to the forms and languages of humanist historiography, and often inserted into political treatises – was somehow heralded by Guicciardini’s Dialogo sopra il reggimento di Firenze. This political dialogue was conceived between 1514, the year of his return from Spain in the wake of the Medicean restoration of 1512, and 1524 (incidentally, the date of Cerretani’s death). Its second part treats the question of the best kind of regime for Florence (based on the Discorso di Logrogno), while its first part is an excursus on different forms of government based on historical examples.19 Set in the early 1520s, Cerretani’s Guicciardini seems to be a user, a political user, much more than a writer, of history, confident in its role as a bearer of political truth for ethically relevant events. But Guicciardini’s guise would ultimately change: about half a century later, and many miles north of Florence, Cerretani’s »Governatore Guicciardini« would become a model historian.
2. A Model Historian One of the main indications of (and instruments for) the early reception of Guicciardini as an outstanding model historian all over Europe is provided by Chapter IV, De historicorum delectu (How to choose historians), of the Methodus ad facilem historiarum cognitionem (Method for the Easy Comprehension of History, published in Paris in 1566 and again in 1572), a text whose author, the French jurist Jean Bodin, expresses great admiration for Guicciardini’s historical approach. _____________ 17 Guicciardini, Memorie di famiglia, 3: »discendenti nostri«; »non le mostri a alcuno fuora di casa«; »per sé e per sua utilità«; »desidero due cose al mondo più che alcuna altra: l’una la esaltazione perpetua di questa città e della libertà sua; l’altra la gloria di casa nostra, non solo vivendo io, ma in perpetuo«. On this topic, see also Melani (2005), 77–81. 18 See Ridolfi (1982), 236–252. 19 Gilbert (1965), 233–235.
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The Storia d’Italia was Bodin’s source for his discourse on Guiccardini’s historiography; indeed, it was the essential reason for considering Guicciardini primarily an historian (and not primarily a statesman, which is how Cerretani sees him). After circulating in manuscript from 1545–1546 onwards, the text enjoyed genuine publishing success all over Europe starting in 1561, when the folio editio princeps (containing sixteen books) was published in Florence by Lorenzo Torrentino; an octavo edition came shortly thereafter. In the following year (1562) the Storia d’Italia was also printed outside the borders of Florence: of three editions that year, only one was published in Guicciardini’s hometown (again by Torrentino), and the other two in Venice (the first by Gabriele Giolito, the second by Niccolò Bevilacqua, edited by Francesco Sansovino). Bevilacqua’s Venetian edition was reprinted in 1563, 1565, and 1568. In 1564, the last four books of the work were published for the first time, on their own, by Gabriele Giolito in Venice and Seth Viotti in Parma; Giolito’s first complete edition in twenty books was published in 1567, and reprinted in 1568 and in 1569. The Storia d’Italia had also become a truly humanist text by 1566, thanks to its translation into Latin by Celio Secondo Curione (Basel, Pietro Perna: a second edition was issued in 1567). Between the two editions of the Methodus (the latter of which was reviewed by the author), Bodin could even have read the Storia d’Italia in his own language, French, in the famous translation by Jerôme Chomedey (Paris, 1568), which went through three further editions (1577, 1593 and 1612).20 This success in publishing helped to transmit a double image of Francesco Guicciardini. One of its artificers was Francesco Sansovino, whose Vita di Francesco Guicciardini first appeared in Bevilacqua’s 1562 Venetian edition (reprinted in 1563, 1565, 1568), and was also included in Latin translation in the 1566 and 1567 editions of Celio Secondo Curione’s Latin version. The other sculptor of Guicciardini’s persona was Padre Remigio Nannini (Remigio Fiorentino), whose Vita di M. Francesco Guicciardini first appeared in the 1567 Giolito edition (reprinted in 1568 and 1569). Both the short Vita by Francesco Sansovino – which Bodin could have read in a Venetian edition anterior to 1566 – and the much longer one by Remigio Fiorentino – which shows traces of the author’s access to Guicciardini’s personal and family archives but was published too late to be read by Bodin before the first edition of the Methodus – focus their attention on three key elements of Guicciardini’s personality: his family’s political power as a key to his successful career; the pre-eminence of a juridical over a humanist (literary) education; intellectual and moral honesty as both a personal trait and a familial inheritance. Guicciardini’s character as an historian was thus presented as both a combination and a consequence of all these elements. He wrote the Storia d’Italia in the wake of Cosimo I’s rise to power, and thus in a period of calm following years of frenetic political activity, in a sort of otium literarium which very much resembled a humanist ideal (»he lived very quietly, spending most of the time in one of _____________ 20 Luciani (1949), 15–16; 32–36.
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his villas and attending quite zealously to weaving the intricate tapestry of his History«). The text was that of a statesman, and it had to be considered reliable because of the trustworthiness and virtue its author had shown in his political career, not to mention as a private individual (»in this and all other affairs he acquitted himself as befitted a statesman [homo statuale], such that he was considered one of the seven sages of his times. He was acknowledged and held in high esteem by all the princes of Italy and abroad«).21 The contents of the Storia d’Italia could be trusted, since Guicciardini was to be considered as morally impartial an historian as he had been a statesman. In short, the text gained historical authority from the political authority of its author. This notion receives its clearest expression from the publisher of the first complete edition (of all twenty books, 1567). Gabriele Giolito de’ Ferrari writes: Everyone is familiar with his conduct in those times so troubled, in those places so important, and in the service of those princes so great. And using the character of the author to evaluate the things that happened in his times and about which he wrote so well and prudently, they arrive at this conclusion: that no one but GUICCIARDINI ought to have managed affairs so worthy of being written about, nor written about things so worthy of being properly managed.22
Regarding this last point, both Sansovino and Remigio Fiorentino had instead reasoned according to the (rather traditional) paradigm exemplified in Julius Caesar’s Commentaries: who could have more authority to write about historical events than one who had himself been a protagonist in them? Nonetheless both of them, citing an episode related by Jacopo Nardi, also affirm that Guicciardini’s many virtues enabled him to translate the historical narration of events which he had personally experienced into a general »history of his times«.23 All in all, this _____________ 21 Remigio Fiorentino, »Vita di M. Francesco Guicciardini (1567)«, fol. [*** iiij r]: »si viveva il piu del tempo in una sua villa molto quietamente, attendendo con sommo studio a tesser la molto bene ordita tela della sua Istoria«; and Sansovino, »La vita di M. Francesco Guicciardini (1562)«, fol. [*4 v]: »egli fu tale in questa materia e in tutte l’altre che si richieggono ad homo statuale, che hebbe titolo d’esser un de Sette Savi d’Italia de suoi tempi. Fu osservato & tenuto in gran reverenza da tutti i Principi d’Italia & fuori« (emphasis mine). 22 Giolito de’ Ferrari, »All’Illustrissimo et Eccellentissimo Signore, il Signor Cosmo de’ Medici Duca di Fiorenza, et di Siena, di Venetia, a X di Febraio M.D.LXVII«, fols. [*ij v – * iij r]: »tutti hanno l’occhio a’maneggi ch’egli hebbe in quei tempi tanto travagliati, e in quei luoghi tanto importanti, & per quei Principi tanto grandi: & dalla persona dell’Auttore misurando le cose successe ne’suoi tempi, et da lui bene et prudentemente scritte; deducono questa conclusione che niuno altro che ’l GUICCIARDINO doveva maneggiare tante imprese degne d’essere scritte, ne scriver tante cose degne d’esser con tanta accuratezza maneggiate«. 23 See the two versions. Sansovino, »La vita di M. Francesco Guicciardini (1562)«, fol. [*4 v]: »in 1527 he discussed with messer Iacopo Nardi [...] an idea he had of writing, in imitation of Caesar, about the things he himself had done. But messer Iacopo persuaded him to write a history of his times in order to avoid the envy that writing about himself might have caused, and so he began this honorable undertaking« (»conferì l’anno 1527 con M. Iacopo Nardi [...] un pensiero ch’egli havea di scriver le cose fatte da lui medesimo a imitation di Cesare, ma persuaso da M. Iacopo a scriver quelle de’suoi tempi, per fuggir l’invidia quando havesse trattato di se medesimo, si mise a questa honorata impresa«). And Remigio Fiorentino, »Vita di M. Frances-
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vision of the historian as a personal witness to his own subject distances Guicciardini and his Storia d’Italia from the conventional humanist historiographical paradigm, established by Giovanni Pontano (on the basis of Cicero), according to which the perfect historian will not have been involved in the facts he narrates (in order to avoid envy).24 Instead it pushes the whole question out of the ethico-political realm of reputation and into the socio-political one of competence. A more subtle contribution to this discourse and its implications for historical method is the observation made by Agnolo Guicciardini, Francesco’s nephew and the first editor of the Storia d’Italia, in his dedicatory epistle to Duke Cosimo I. There he lists, among the consequences of Francesco’s political activity (besides proximity to events and the ability to understand them, which were traditionally recognized), the use of his own authority to gain access to official archival (manuscript) sources: judgment and knowledge growing in him with age, he was invested by the most powerful princes with the highest authority over enormous armies, over the management of lands, and over the administration of Provinces. In sum, he was engaged nearly all his life in the greatest and gravest affairs. Since he directed so many of these himself and took active part in most of them, it was easy for him to discover many things which remained hidden to nearly everyone else. Furthermore, he most diligently investigated the public records not only of this City, where they are diligently preserved, but also of many other places, where his authority and reputation permitted him to see whatever he wanted.25
_____________ co Guicciardini (1567)«, fol. [**** r]: »it is said that he wanted to assemble the things he had done into the form of commentaries, in imitation of Caesar, but after having discussed this idea with Iacopo Nardi [...] he was dissuaded by him and urged to write the History of his times. For Nardi knew he was intelligent enough to complete such an undertaking, and he was quite sure that he would report the pure truth without regard for fear or hope of reward. He also wanted him to avoid the envy of his fellow Citizens and universal criticism for having wanted to honor only himself« (»dicesi che egli hebbe volonta di ridur le cose fatte da lui in foggia di Comentarij, ad imitation di Cesare, & havendo conferito questo suo pensiero con Iacopo Nardi [...] fu da lui dissuaso, & esortato a scriver l’Istoria de suoi tempi, si perche lo conosceva d’ingegno, atto a condurre un’impresa cosi fatta a perfettione, e perche anche sapeva molto bene, ch’egli era per descriver la pura verita, senza rispetto di paura, ò di speranza di premio, [...] si ancora perche fuggisse l’invidia de suoi Cittadini, e ’l biasimo universale de l’haver voluto celebrar solamente se stesso«). If both authors are right in dating this decision to 1527, then we must reconsider Ridolfi’s argument and think of the Commentari not so much as a first attempt at writing the Storia d’Italia but rather as a sort of antecedent. 24 Gilbert (1965), 206–208; 295–297. 25 Guicciardini, Agnolo, »All’illustrissimo et eccellentissimo Signore, il Signor Cosimo de Medici, Duca di Firenze, et di Siena, Signore, et padrone nostro osservandissimo, di Firenze il giorno iij. di Settembre MDLXI«, fol. [* iiij v]: »crescendo in lui insieme con l’età il giudizio, & il sapere, fu da potentissimi Principi con somma autorità preposto a grandissimi eserciti, a governi di Terre, & amministrationi di Provincie, & in somma quasi per tutta la vita sua in cose grandissime, & gravissime esercitato: La onde, & per haverne egli trattate assai, & essere intervenuto dove le piu si trattavano, gl’è stato facile venire alla cognitione di molte cose, che a infiniti altri sono state nascose: oltre a che egli fu diligentissimo investigatore delle memorie publiche non solo
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Jean Bodin, who had every possibility of reading this epistle, clearly takes a position between Agnolo’s and that of the other editors. What we might dub his theory of analogical, or indirect, experience is probably based on the following conception of historical method: as a good jurist must search for documents, so a good historian must search for sources, and in this case documentary sources tend to be preferred to literary ones (other works of history). This represents a step forward with respect to traditional humanist historiographical theory, and it probably accounts for why Bodin makes no reference to Guicciardini’s direct speeches as a form of literary fiction, which Gilbert considers a key reason for regarding the Storia d’Italia as a humanist text (but we shall return to this point in the conclusion).26 Bodin partially based his model of the modern historian on Guicciardini’s figure, focusing on two fundamental qualities. The first was his ability, which was a comparative quality. It was related to politics and based on his own experience with situations similar to the ones being written about. The second was his objectivity, which was both a natural and a derived ethical quality. In part a result of the moral virtues which in the first place made him an author capable of impartially deciding among various points of view and parties (as an actual judge has to do), this quality was strengthened by the critical distance (of about forty years) separating the time of composition from the time of the historical events (of course, Bodin did not take into account succeeding events which occurred nearer to the time of composition and in which Guicciardini was directly involved).27 Surely, juridical culture was one of the parameters of this conception of history, which was formulated, created, and perhaps projected by Bodin onto his figure of the historian Francesco Guicciardini. Historical truth was not a philosophical, absolute form of truth, but a legal one, the result of a lawyer’s speech forcing the judge (reader) to agree with the position of one party and to establish the truth according to it. Truth as a form of conquest was, however, just one half of Bodin’s legal image of history. The other was legal method, divided into a method of reading (that of juridical loci communes) and a method of writing (the evaluation of the degree of certainty and reliability an historian could achieve as a consequence of his search for sources). Guicciardini explains events by reasoning about the protagonists’ inner thoughts. Rather than seeing this procedure as a product of humanist fantasy (as it well might have been), however, Bodin views it almost as a lawyerly argument, one which tries to explain the motivations of an action, and he gives it complete trust: »for where anything came under deliberation which seemed inexplicable,
_____________ di questa Città, dove se ne tiene diligente cura, ma ancora di molti altri luoghi, donde per la sua autorità, & riputatione potette ottenere quanto volle«. 26 Gilbert (1965), 271–301 (chapter on »Guicciardini«). 27 Melani (2006), 138–139; 200–204.
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just there he showed the keenest subtlety in discussion, and everywhere he sprinkled sage opinions appropriately like salt«.28 Bodin portrays Guicciardini’s historical method as an advance beyond traditional humanist historiography as represented by Paolo Giovio, but not yet as reaching what we might call modern historical method. Guicciardini aspires to reconstructing truth through the use of sources, but, as we have seen, it is not yet an historical truth but rather a legal truth that he seeks. It is a kind of truth which tends not to be absolute (transmitting the exact meaning of the source) but which falls somewhere between the lawyer’s reconstruction and the judge’s verdict; it is something the historian can reasonably state and the reader can reasonably believe. This explains why, when describing Guicciardini’s character as an historian Bodin, uses juridical language – »ferreting out the truth« (veritatem inquirere), »with all needful proofs« (argumentis confirmare), »extract and interpret from the sources«, (ex fontibus haurire) – as well as why, in Bodin’s opinion, there was not an epistemological difference between (true) sources and (fictive) speeches, but a logical one: just as a lawyer must reconstruct the thought process leading to an action, an historian must search for written words and use them to reconstruct (depending on the speaker’s nature) the larger discourse exactly or approximately. His zeal for ferreting out the truth was remarkable. He affirmed nothing rashly, but with all needful proofs. He is said to have extracted and interpreted letters, decrees, alliances, and speeches from the sources. And often this expression occurs, ›He spoke in these words‹; or, if the words are lacking, ›he spoke in such sense‹.29
Bodin, however, clearly expresses his opposition to the standard humanist practice, embodied in Paolo Giovio’s work, of composing fictive speeches as showcases for perfect Latin (»whereby it came about that he was plainly unlike Jovius, who, just as he invented a great part of history, also invented speeches or rather declamations in the manner of scholastics«).30 Instead, he, like Guicciardini, both of them jurists, thought of fictive speeches not merely as a stylistic ornament but rather as a point of contact between juridical practice and humanist theory, ac-
_____________ 28 Bodin, »Methodus«, 136 a, 16–19: »ubi quid in deliberationem cadit quod inexplicabile videatur, illic admirabilem in disserendo subtilitatem ostentat, & graves ubique sententias veluti sal accommodate perspergit« (Engl. trans. B. Reynolds, in Bodin, Method for the Easy Comprehension of History, 73). 29 Id., »Methodus«, 136 b, 3–11: »Est autem in eo studium veritatis inquirendae. Nihil enim temere, sed omnia necessariis argumentis confirmat. Fertur enim epistolas, decreta foedera, conciones, ex ipsis fontibus hausisse & expressisse. Itaque frequenter occurrit illud locutus est in haec verba: aut si verba ipsa defuerint, locutus est in hanc fere sententiam« (Engl. trans. B. Reynolds, in Bodin, Method for the Easy Comprehension of History, 74). 30 Id., »Methodus«, 136b, 11–14: »quo fit ut Jovio plane dissimilis sit, qui ut magnam historiae partem; ita conciones vel potius declamationes scholasticorum in modum finxit« (Engl. trans. B. Reynolds, in Bodin, Method for the Easy Comprehension of History, 74).
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cording to which – following Cicero – fictive speeches are the best way to express »non solum quid actum aut dictum sit, sed etiam quomodo«.31
3. An Historian in Action What had made Guicciardini such a renowned historian was, as we have seen, his reputation as a well-informed statesman. But it was equally the case that as a statesman he was also regarded as a well-informed historian or, at least, an historian in the making. Focusing on a crucial month in Guicciardini’s political career, May 1527, we note that as Commissary of the Holy League he was not present in Rome on Monday the 6th.32 He was approaching the city from the north with the armies of the League, and he first heard reports of the Sack of Rome in Carnaiola, near Città della Pieve, on 10 May. That same night, rumors about the Sack reached Venice (a distance normally covered in 4–5 days of travel), and in less than a week, starting from Venice, those same rumors would cross over the Alps, and become news.33 How was Guicciardini perceived in those days of May? Was his physical distance from the events compensated for by the authority of his political and military role, and was this authority beginning to provide him with the basis for his later reputation as an historian? The Florentine government certainly considered him a reliable source, and of necessity: in light of the chaos of the times, as well as the absence and the contradictory nature of news, Guicciardini’s social and political rank and duties (a Florentine patrician serving a Medici pope) made him the best possible means of obtaining information about the Sack, an event that immediately caused an anti-Medicean revolt in Florence. Guicciardini was viewed, if not as a professional historian, nevertheless as an authoritative and more-or-less impartial medium of information. So much is confirmed by documents, such as a letter of 13 May from the Otto di Pratica to Roberto Acciaiuoli, Florentine ambassador to the French court: »Magnifico Oratore: you will see in the enclosed copy what Guicciardini writes about the woeful massacre (miserabile excidio) of Rome«.34 There is reason to identify the »Guicciardini« mentioned in the letter with Francesco, even if – up to the present – the search for this »enclosed copy« has been unsuccessful: there is no text included in _____________ 31 Cicero, De oratore, II, 15,63: »not only what was done or said, but also in what way«. On this topic see also Gilbert (1965), 210–211, 297–299. On Francesco Guicciardini as a jurist, in addition to the work of Cavallar (1991), see now Carta (2008), who takes a much broader view of the relationship between law and politics. 32 For a general analysis of the events related to the Sack of Rome see especially Chastel (1983). 33 Maissen (1997), 177–201. 34 Otto di Pratica to Roberto Acciaiuoli (»oratori apud Christianissimum Regem«), Florence, 13 May 1527, in: ASF, Otto di Pratica, Legazioni e Commissarie, 18, fols. 159 r–160 r: »Magnifico Oratore: tu vedrai per la inclusa Copia che scrive il Guicciardino il miserabile excidio di Roma«.
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the Otto di Pratica – Responsive copy register, no mention in scholarly literature, nor yet any result from my own research in the Guicciardini family archive in Florence. Furthermore, there is no literal reference to the Sack as a »woeful massacre«, a miserabile excidio, in Guicciardini’s correspondence. Nor does it resemble the language of the Lamenti genre (to which, as we shall see, Guicciardini also seems to have contributed), in which the terms usually employed are somewhat less sophisticated and more immediate: »wicked and frightening act« (nefanda e spaventevole opra), »cruel horror« (fiero orrore), »indescribable harm« (gran dannaggio), »scourge« (flagello), »torment« (stratio), »injuries« (vituperi), »harsh losses« (acerbi danni), »bitter sufferings« (aspri tormenti), »cruelty« (crudeltà).35 It is possible, since it sounds like a Latinism, that the expression miserabile excidio came from the language typically used in the Florentine Public Offices. Even if we cannot trace the exact reference of the letter, we must still consider this utterance a very important one, and for three reasons: first, it shows that Guicciardini was considered a valuable (the best possible) instrumental historian, so to speak, in the service of Florentine politics in those dramatic days; second, it shows how necessary the work of the historian was to political action in a Renaissance state (in Federico Chabod’s sense of bureaucracy, diplomacy, permanent armies);36 finally, it shows the kind of impromptu historical work that Guicciardini was compelled to undertake and to compose. Let us now take a short step back to the day before, 12 May 1527, when the Otto di Pratica confess, in a letter to Alessandro de’ Pazzi, Florentine Ambassador in Venice, that we suppose what happened in Rome is known there. Here we have confused reports and nothing from Rome, but they all say that Monday morning the enemy took possession of the Borgo and the pope fled to the Castello, and that Monday evening they entered Rome by way of Trastevere and sacked it, and that Bourbon was killed in the assault on the Borgo. The Datary, who happened to be in the Castello before they took Rome, wrote to Guicciardini about Bourbon.37
In this short period from 6 to 13 May, Guicciardini became first a vehicle of news he indirectly managed (12 May: »the Datary [...] wrote to Guicciardini about Bourbon«), and then an historian in action (13 May: »you will see in the enclosed _____________ 35 See respectively: [Guicciardini], »Lamento d’Italia attribuito a Francesco Guicciardini«, verse 63, and verse 269, p. 407, and p. 415; »La presa et lamento di Roma« (ottave 27, 29, 30, 32, 36, 38), 850–851. 36 Chabod (1967 a), 591–604. 37 Otto di Pratica to Alessandro de’ Pazzi (»oratori Venetiis«), Florence, 12 May [incorrectly dated June] 1527, in ASF, Otto di Pratica, Legazioni e Commissarie, 18, c. 159 r: »noi pensiamo che costi si sappi appunto come il caso di Roma sia successo. Qui habbiamo li advisi confusi et non di Roma ma tutti confermano che lunedi mattina li nimici presono il borgo & il papa fuggì in castello et che lunedì sera per Transteverj entrorno in Roma & la saccheggiorono & che Borbona nello salto del borgo fu morto. Questo di Borbone lo scrive il Datario al Guicciardino poi che era in castello avantj havessino preso Roma«.
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copy what Guicciardini writes«) contributing to a progressive elaboration (by sum) of historical truth, developed in four or five stages. Guicciardini received his very first news about the events of 6 May two days later (»I have a report on this matter«), in a letter from the papal Datary Giammatteo Giberti, dated 8 May. This news included: the arrival of the enemy outside the walls of Rome on Saturday 4 May (»they had arrived in Rome on Saturday«); the fight for the Borgo on Monday 6 May (»they assembled at the Borgo Monday morning at sunrise«; »they entered it after a battle of about two hours«), in which the commander of the Imperial army, Constable Charles of Bourbon, was killed (»he was killed by an arquebus in the first assault«), and which gave the enemy possession of the Borgo and of the Vatican Palace (»the Borgo and the Palace are theirs«); the pope’s escape to Castel Sant’Angelo (»Our Lord retreated to the Castello«); and the continuing defence by »the people of Rome« of the Trastevere area (»the vigorous defense of Trastevere was attended to«). Even on the basis of this very sparse information, Guicciardini was already able to fulfill a typical duty of the Renaissance historian38 (which he would later complement with a certain degree of statistical precision in his Storia d’Italia): describing the course of the military events of a battle, and giving an approximate account of deaths (»we have learned that many of the enemy were killed; few of our own men died, but they retreated in disorder«).39 Guicciardini reached a second stage of knowledge about the events of 6 May in the early morning of Friday 10 May, by way of a letter from the condottiere Guido Rangoni, dated Tuesday 7 May, whose news regarded two fundamental, theretofore missing events: the imprisonment of the pope and the Sack of the City: »only this morning did I receive your letters of the 7th, from Otricoli, and learned of the current, [incredibly cruel] state of affairs in Rome; [...] let us put off complaining for now and concentrate all our attention on saving His Holiness«.40 Even if the importance of the news was growing, the means for conveying it (letters and dispatches) remained slow: the initial delay of two days had now grown to three days’ delay from the letter, and four from the events. Guicci_____________ 38 See Gilbert (1965), 210–211. 39 Francesco Guicciardini to Cardinal Silvio Passerini, Castel della Pieve, 8 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, (19–21), 19–20 (original text in: Archivio Guicciardini, Firenze, XX, V, 3, n. 87): »in questo punto ho aviso«; »sabato erano arrivati a Roma«; »si presentorono lunedì mactina all’alba al Borgo«; »doppo havere combactuto forse due hore, vi entrorono«; »nel primo assalto fu morto da uno archibuso«; »è loro el Borgo et el Palazo«; »Nostro Signore si ritirò in Castello«; »popolo di Roma«; »si actendeva gagliardamente alla difesa di Trastevere«; »si intendeva delli inimici essere morti molti. E nostri ne morirono pochi, ma si ritirorono con disordine«. 40 Francesco Guicciardini to Count Guido Rangoni, Carnaiola, 10 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, (21–22), 21 (original text in: Archivio Guicciardini, Firenze, XX, V, 3, n. 88): »non prima che questa mattina ho avuto le sue de’7, da Otricoli, et inteso la conclusione [Id., Opere inedite, vol. V, 438: »crudelissima«] nuova di Roma; [...] posposte le querele, non s’ha da pensare a altro che a salvare la persona di Sua Sanctità«. The former edition of the text in Opere inedite, vol. V, 438, has »la crudelissima nuova«.
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ardini’s response to Rangoni was given with words of complaint, not of condemnation (»I complain«, mi lamento; »disgrace«, disgratia),41 and his tone still seems to be far from the one attributed by the Otto to Guicciardini’s recollection of the events of the Sack (»woeful massacre«, miserabile excidio). The logical structure of this letter is far more political than historical: it proposes action and does not comment on the events, preserving a distinction of attitudes and parameters which will soon be united due to the complexity of the events themselves. A third stage of knowledge shows Guicciardini as a vehicle, and not only as a destination, for information, and it is represented by the quick historical recollection of all the events, from 6 May on, that he composed in a letter to Francesco della Rovere, also dated 10 May. He defines a first level of information he had reached two days earlier, confirming those events that happened on the morning of 6 May; then he adds a second level, which included events that happened later the same evening but that had become reliable news (after many rumors) only the night before (9 May): »we received reports from various sources, but no sooner than last night«. This second set of news included the capture of Trastevere, the entrance of the Imperial armies into the city, the Sack itself, and the imprisonment of the pope in Castel Sant’Angelo: »on Monday the 6th of this month, the enemy not only took the Borgo in the morning, as I reported the day before yesterday, but they increased their victory by taking Trastevere the same day, and that evening at 23 hours they entered Rome by way of Ponte Sisto and sacked the city; and according to what we have learned, there were many killings and infinite cruelties«. Regarding the transmission and reception of information and its eventual impact for the epistemology of history, it is important to note four points: 1. this abridged narration is probably the summary of a longer one, since this news had already been communicated to della Rovere that same morning (»as I wrote this morning to Vostra Signoria reverendissima [...]«); 2. Guicciardini emphasizes how difficult it was to get direct news from Rome after the pope’s imprisonment in Castel Sant’Angelo, since the latest news concerned the loss of the Borgo (»I don’t know what they will do now, nor what His Holiness’s plans are, since the last reports I have from them regard the loss of the Borgo, nor do I think they have been able to write since then«); 3. he shows how other means of transmitting information were more rapid than his own, since Guido Rangoni, for instance, had received news of the »loss of Rome« the very evening of Monday 6 May (»on Monday evening Count Guido went with the light cavalry and eight hundred arquebusiers to the Ponte di Salara, whereupon, having heard of the loss of Rome, he returned to Otricoli, where the rest of the infantry was«); 4. even if he reports reported rumors in order to describe the circumstances of the events and thus to show their gravity, Guicciardini still complains about the nature of the news he manages to receive, which takes the form of many _____________ 41 Francesco Guicciardini to Count Guido Rangoni, Carnaiola, 10 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, (21–22), 21.
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different »reports« (»avisi«), none of which unfortunately is direct or fast (»we received reports from various sources, but no sooner than last night«). Finally, in an explanation of why the pope, having been badly advised, was now a prisoner, Guicciardini acts in the very way that will eventually give him much of his fame as an historian. In particular, we note: a. description of events with indirect reference to sources (»Our Lord retreated the same morning to the Castello, and his mind was to make off to Ostia; but hearing from a prisoner about Bourbon’s death and that [the enemy] did not believe they could take Rome, our poor Lord let himself be moved by those advising him not to leave«); b. insight into the thoughts (and potential actions) of the protagonists, and confirmation of them with reference to ulterior sources (»up until the last day they were so confident of being able to defend everything, that on the 4th they wrote to Count Guido to send them only 400 light cavalry and 500 infantry, and to take the rest of his people and join us«); c. moderate, well-balanced, spirited sentences (»despite such great confidence, Vostra Signoria reverendissima can see how basely Rome was lost from our hands, and the world was ruined, in one day of combat«).42 A fourth stage is represented by a letter to Cardinal Silvio Passerini (»Cortona«), dated 13 May, where Guicciardini – probably lacking confidence in the whole mass of information circulating in those days – summarizes once again »what happened in Rome«. Guicciardini indicates that this new summary is the necessary consequence of the slow circulation of information aggravated by the increase of unreliable sources and rumors (»Vostra Signoria Reverendissima will have learned from my letters, and perhaps from other sources [...]«) and by the interruption of important channels of information (»if you intend to write me, use several routes, since the roads are broken and I have not had any letters from you _____________ 42 Francesco Guicciardini to Francesco della Rovere, Carnaiola, 10 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, 23–25 (original text in: Archivio Guicciardini, Firenze, XX, V, 3, n. 89): »habbiamo havuto aviso per varie vie, non però prima che la nocte passata«; »lunedì a’6 del presente li inimici non solo presono la mactina el Borgo, come avisai avanti hieri, ma continuando la victoria presono el dì medesimo Trastevere, e la sera a hore 23 entrorono per ponte Xisto in Roma, la quale mandavano a saccho; et, secondo si è inteso, con molti homicidii et crudeltà infinite«; »come scripsi questa mactina a Vostra Signoria Reverendissima [...]«; »non so hora come faranno, né che siano e disegni di Sua Sanctità, perché gli ultimi avisi che ho da loro sono della perdita del Borgo, né credo che habbino havuto modo a scrivere poi«; »el conte Guido si conduxe lunedì sera con li cavalli leggieri et 800 archibusieri al Ponte di Salaria, dove, intesa la perdita di Roma, si ritirò [Opere inedite, vol. V, 442: »si ritornò«] a Otricoli, nel quale luogo era tucto el resto della fanteria«; »Nostro Signore la mactina medesima si era ritirato in Castello, et era stato in opinione di andarsene a Hostia; ma per havere inteso da uno prigione la morte di Borbone, et che non confidavano di piglare Roma, si era lasciato, el povero Signore, volgere da quelli che lo consiglorono che non partissi«; »certo insino all’ultimo dì siano [Opere inedite, vol. V, 440: »erano«], stati in tanta speranza di difendere el tucto, che a’4 havevano scripto al Conte Guido che mandassi loro solo 400 cavalli leggieri et 500 fanti, et lui col resto della gente venissi a unirsi con noi«; »nondimanco in tanta confidentia vegga Vostra Signoria Reverendissima quanto vilmente si è perduta in uno dì a bactaglia di mano Roma, et rovinato el mondo«.
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since you left Cortona«). Nevertheless, discarding misleading or misinterpreted news, Guicciardini presents this summary as the core, the »effective« (è in effecto che) truth of the events of 6 May, and in fact he reports them in clear chronological order: 1. the capture of the Borgo and Trastevere and the entry into Rome: »on the sixth day of this month the enemy took the Borgo early in the morning, and on the same day Trastevere, and later they entered Rome by way of Ponte Sisto«; 2. the Sack of Rome, now described in a religious perspective: »they sacked the city, committing many killings and employing every kind of cruelty and sacrilege and showing no respect not only for those dignities adored by the whole world but even for churches and for God«; 3. the imprisonment of the pope along with a few Cardinals: »la Valle, Cesarino, and Araceli are prisoners«; 4. as a sort of first post-scriptum, Guicciardini gives an account of the re-organization of the Imperial army after the death of its Commander: »now that Bourbon is dead, the army is under the command of 22 captains, elected by the soldiers; and it is said that they were waiting for Alarcone, for whom they have sent, nor do they want the Viceroy«; 5. a second post-scriptum contains a description of the first negotiations for an agreement to free the pope: »they had begun to speak about an accord with Our Lord, but they demanded 300 thousand ducats and that His Holiness and all the Cardinals go to Spain, leaving affairs here to their own discretion«. It seems that the mass of news and rumors spreading out from Rome had some influence on Guicciardini, as we notice him indulging for the first time in some colorful accounts of sacrilegious episodes: »Araceli [...] was set atop an ass and paraded publicly at the pleasure of certain Spaniards who had captured him«. The customary rumors about the consequences of an army sacking a city are interpreted here, by the statesman Guicciardini, as historical possibilities, portrayed by making reference to (oral) sources. Pietro Chiavelluzzo, ordered by the pope to organize aid for the prisoners in the Castello, discussed matters with Guido Rangoni and the Duke of Urbino »explaining that the enemy, on account of the immensity of the booty, on which they were all intent, and on account of their lechery (since they have all the women of Rome as their plunder), are in the utmost disorder and in disagreement amongst themselves, and that a good 1500 soldiers died in the attacks«. And »el Signor Federigo«, together with some French chevaliers, attempted a »plan« (disegno) to rescue the pope from the Castello, »a move [...] based entirely on his opinion that the enemy, intent on the sack, would not be on their proper guard, and that, arriving suddenly at night, they would find them disordered rather than ready to defend«.43 Precisely this explora_____________ 43 Francesco Guicciardini to Cardinal Silvio Passerini, Orvieto, 13 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, (26–29), 26–28 (original text in: Archivio Guicciardini, Firenze, XX, V, 3, n. 91): »el successo delle cose di Roma«; »Vostra Signoria Reverendissima harà inteso per più mie, et
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tion of historical possibilities through the speech(es) of protagonists was considered one of Guicciardini’s best qualities as an historian. It would seem that Guicciardini himself considered this last stage of knowledge and reconstruction of events to be satisfactory, if not definitive, as a description of this very first phase after the Sack. In a letter addressed to the Otto di Pratica of the Florentine Republic, dated the same day (13 May), he attached a copy of it as the most updated narration of the Sack of Rome: »with this letter I am sending a copy of one that I wrote to our reverendissimo Cortona, which is the latest news we have from Rome«.44 In line with what we saw above about how the Otto usually handled information, it is quite possible that this same letter was then sent out to Florentine ambassadors abroad to inform them of the current news concerning Rome. It is hardly possible though – even if Guicciardini attests that letters from the Otto could reach him much more quickly than those sent by others45 – that this last letter, sent on 13 May, could have reached Florence in time to be sent out to Roberto Acciaiuoli on the very same day. On the other hand, it seems certain that the Otto, as recently as the day before (12 May), had only gotten a first letter from _____________ forse per altre vie [...]«; »havendomi a scrivere, lo faccia per più vie, perché le strade sono ropte, et io non ho lectere sue poi partì di Cortona«; »li inimici a’dì 6 del presente presono la mactina a buon’hora el Borgo, et el dì medesimo Trastevere, et più al tardi entrorono per Ponte Xisto in Roma«; »la quale hanno sacheggiata, factovi occisione assai, et usato ogni spetie di crudeltà et di sacrilegii, non havendo rispecto non solo a quelle degnità che tucto el mondo adorava, ma né alle chiese né a Dio«; »sono prigioni la Valle, Cesarino et Araceli«; »lo exercito, dopo la morte di Borbone, si governa socto 22 capitani, electi dall’universale; et si dice che aspectavano Alarcone, quale hanno mandato a chiamare, né voglono el Viceré«; »havevano cominciato a parlare di accordo con Nostro Signore, ma dimandavano 300 mila ducati, et che Sua Sanctità con tucti e Cardinali andassi in Spagna, lasciando loro a discretione le cose di qua«; »Araceli [...] fu condocto publicamente in su uno asino dove piacque a certi Spagnoli che l’havevano preso«; »mostrando che li inimici per la grandeza della preda, alla quale sono tucti intenti, et per le lascivie (ché hanno a boctino tucte le donne di Roma) sono in grandissimo disordine et in roptura tra loro, et che ne sono morti in questi assalti circa a 1500 de’buoni«; »mossa [...] fondata tucta in su la opinione che li inimici, intenti al saccho, non faccino guardie debite, et che, arrivandovi allo improvviso di nocte, s’habbino a trovare disordinati che in sulla forza«. Rumors of violence against women and prelates also supply a standard topos in many topical writings in ottava rima: »other sad little women, wretched and aggrieved/ had their dresses ripped right from their knees.// And others, weeping desolately cried/ for the innocent creatures/ thrown from windows on high« (»altre assai donne afflitte e meschinelle/ troncate gli fu ai fianchi le gonelle.// Et altre lachrimando dissolate/ piangevan le innocenti creature/ che da alte fenestre eran gittati«); slightly different from the one referred to by Guicciardini is the following episode with a prelate and an ass: »a priest was skinned, how evil a fate!/ for refusing to say mass/ to a dressed-up ass« (»fu schirticato un prete ahi sorte ria/ per non voler a un asino vestito/ dar lostia che allartare havia«); see »La presa et lamento di Roma« (ottave 30–31 and 32), 850–851. 44 Francesco Guicciardini to the Otto di Pratica, Orvieto, 13 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, (31–32), 31 (original text in: Archivio Guicciardini, Firenze, XX, V, 3, n. 94): »con questa mando copia di una che ho scripto al Reverendissimo Cortona, che è la più frescha notitia che habbiamo di là.«. 45 In less than two days, if on 13 May he affirms: »This evening I received Vostre Signorie’s letter of the 12th« Ibid.
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Guicciardini, representing an intermediate stage of information between stage one (they have news about the morning and evening of Monday, 6 May) and stage two (they know of the pope’s escape but not of his later imprisonment). This probably means that the Otto, on 12 May, disposed of a complex set of news from different informants, among which the only information provided by Guicciardini was that referring to the morning events of 6 May (the capture of the Borgo and death of Bourbon, about which he had read in the Datary’s letter).46 Such can be confirmed by Guicciardini himself, who on 13 May protests yet again that he provided the Otto not with complete but with cursory information (»this evening I received your letter of the 12th [...] and thus learned of your need for news from Rome, which I reported as soon as I had it«).47 Another sure proof is the fact that he also protested on 11 May that he had received no more news from the Datary or the others »in the Castello« after that regarding the loss of the Borgo (»from whom, after the loss of the Borgo, there has been no report at all«).48 Therefore the most recent news available to and provided by Guicciardini, as attested by the Otto in their letter of 12 May to Alessandro de’Pazzi, was that stemming from the Datary. Until we find new evidence, we shall have to presume that the ›ghost‹ letter on the miserabile excidio was either an earlier, missing letter dated between 8 and 12 May (the same one quoted in the letter to Alessandro de’Pazzi), and so including news only of the Sack but not of the pope’s imprisonment, or a very rapidly delivered copy of the letter to »Cortona«, dated 13 May. However that may be, the fact that, five days at most after his first letter (sent no earlier than 8 May, when he first heard about the events to which the Otto eventually referred in their 12 May letter to Alessandro de’ Pazzi), Guicciardini sent another batch of news upon request to the Otto (a copy of the 13 May letter to »Cortona«) seems to illustrate his idea that rapidity in political information was not sufficient without completeness of reasoning. And this reasoning, since so similar to his own way of arguing in the Storia d’Italia, can be assumed to be historical reasoning. Furthermore, that the Otto adduced information provided by Guicciardini and allowed it to circulate must mean that his name vouched for truthfulness – the same quality readers would find (or think they found) in his Storia d’Italia. Here is the essence of what we might call Francesco Guicciardini’s historical writing in action. Here is testimony to his reputation and working method and, much more, evidence that political correspondence and historiography were to him different functions of the same activity: investigating sources _____________ 46 See above, the passage cited from the Otto di Pratica to Alessandro de’Pazzi, Firenze, 12 May 1527, in: ASF, Otto di Pratica, Legazioni e Commissarie, 18, fol. 159 r. 47 Francesco Guicciardini to the Otto di Pratica, Orvieto, 13 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, 31 : »ho havuto questa sera la di Vostre Signorie de’12, e inteso quanto occorre loro sopra le nuove di Roma, delle quali avisai subito che io le intesi«. 48 Francesco Guicciardini to the Datary Giammatteo Giberti, Orvieto, 11 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, 26 (original text in: Archivio Guicciardini, Firenze, XX, V, 3, n. 90): »in Castello«; »da’quali, doppo la perdita del Borgo, non s’ha aviso alcuno«.
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to construct the multiple layers of an historical account for the purpose of conveying information. Of course, different contexts required a different approach and presumed a different mentality. Guicciardini amply describes (although not as his main object) the difficulty of acquiring information in those dramatic days of May 1527. A letter dated 3 May is full of references to his necessarily indirect access to sources, his lack of first-hand knowledge from direct observation, and the indispensability of »learning« (intendere) from incomplete reports.49 The environmental and social difficulties of war aggravated the seeking and sending of news, and this had a pronounced effect on Guicciardini’s perception of present time.50 The present came not only to include the current day but spanned all the preceding and following ones from when the last letter had been received until the next was expected to arrive.51 Recent past and immediate future meld into a present of uncertainty, where the time lag itself between action and information becomes a matter of news.52 Within this extended present tense, moreover, explaining one’s actions necessitated accounting for future possibilities in case the information arrived days later and was no longer up-to-date.53 This procedure, as we have seen, would _____________ 49 Francesco Guicciardini to the Datary Giammatteo Giberti, Cortona, 3 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, (15–17), 15–16 (original text in: Archivio Guicciardini, Firenze, XX, V, 3, n. 84): »having learned of the enemy’s advance on Rome«; »I understand he has lost no time« (»intesa la venuta delli inimici verso Roma«; »intendo non ha perduto tempo«). 50 Francesco Guicciardini to the Datary Giammatteo Giberti, Castel della Pieve, 8 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, (18–19), 19 (original text in: Archivio Guicciardini, Firenze, XX, V, 3, n. 86): »the roads have been entirely broken either by soldiers or by the locals, so I am not surprised that the letters have gone lost. And I recommend myself to Vostra Signoria« (»le strade sono ropte per tucto o da’soldati o da’paesani, in modo che non mi maraviglio che le lectere vadino in sinixtro. Et a Vostra Signoria mi raccomando«). 51 On 7 and 8 May, Guicciardini had no more recent news from the Datary Giberti than that of 5 (6) days earlier (»I have had no letters or messengers from Vostra Signoria since that of the 2nd«), and again the following day he pleaded for more (»any more recent news«): »God knows how greatly we desire to learn something«. See Francesco Guicciardini to the Datary Giammatteo Giberti, Castel della Pieve, 7 May 1527, in: Id., Carteggi, vol XIV, (17–18), 17 (original text in: Archivio Guicciardini, Firenze, V, 3, n. 85): »non ho lectere né messi da Vostra Signoria dopo la de’2«; »Dio sa con quanto desiderio si sta di intendere qualcosa«; and Francesco Guicciardini to the Datary Giammatteo Giberti, Castel della Pieve, 8 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, 19: »notitia alcuna più frescha«. 52 See Francesco Guicciardini to the Datary Giammatteo Giberti, Castel della Pieve, 7 May 1527, in: Id., Carteggi, vol XIV, 17: »the Count of Ormento informs me that he received a dispatch from Vostra Signoria and sent it by another route; misfortune wills it not to have turned up yet« (»bene mi avisa el conte di Ormento essergli capitato in mano uno spaccio di Vostra Signoria et haverlo mandato per altra via; et la disgratia vuole che ancora non sia comparso«). 53 See Francesco Guicciardini to the Datary Giammatteo Giberti, Castel della Pieve, 8 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, 18–19: »when I wrote yesterday, [...] I thought that the Duke would come yesterday evening and encamp in Pacciano, [...] for he had written that such was his intention; and in this belief we came to Castel della Pieve. But last night he let us know that [...] he
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eventually become one of Francesco Guicciardini’s most renowned qualities as an historian: not limiting his narration to what happened, but explaining how it happened and why, speculating on the intentions of the actors, and concluding the analysis with a likely judgement, a ruling of sorts.54 At the same time, declaring one’s own intention necessitated escaping the strict present tense of writing and acting, and situating oneself in the broader one spanning from the composition of a letter to the moment when it would be read, keeping in mind the possible consequences of present action. Foresight was also a necessary duty of the sixteenthcentury historian.55 Living within the temporal limits of the present, the writer was torn between his desire to reconstruct a coherent historical account and his
_____________ had decided to go to Perugia instead, and from there to go by way of Todi to Orti; and that he would depart this morning from Cortona, where he had remained for one day, and in three days he would be in Orti« (»scripsi hieri, [...] et allora credevo che el Duca venissi hiersera a alloggiare a Pacciano, [...] perché così aveva scripto volere fare; et socto questa credenza eravamo venuti a Castello della Pieve. Ma hiersera ci fece intendere che [...] haveva risoluto andare alla volta di Perugia, et di quivi per la via di Todi drizarsi a Orti; et che questa mactina partirebbe da Cortona, dove è stato fermo uno dì, et in tre dì sarà a Orti«). 54 See ibid.: »which seemed very strange to us, not so much because he did it without consulting anyone and it was contrary to what he had written, but because it seemed more fitting for us to proceed together and not give the enemy the opportunity of drawing close to us« (»cosa che ci è parso molto strana, non tanto per haverla facta senza consulta et in contrario di quello che haveva scripto, quanto perché ci pareva più a proposito procedere uniti, et non dare occasione alli inimici di pensare di accostarsi verso noi«). 55 See ibid., 18–19: »there being no other choice, we must obey necessity. And since we are forced to remain here today [...], we shall go to Orvieto tomorrow; and we could be in Orti at the same time as he, if he indeed gets there from Cortona in three days. [...] I made an offical report and wrote to the commisary that I think he might be there. And if he is not there, Vostra Signoria would do well to report this immediately so that no time is lost for lack of what is needed. The Duke has not yet specified whether he plans for us to cross the Tiber at Orti, or if he would rather cross himself; nor could I say, since on the one hand it is a thing that might depend on reports received about the enemy, and on the other hand no one can expect anything of him except what is seen from one moment to the next« (»non ci sendo rimedio, bisogna governarci con la necessità. Et perché siamo stati constrecti di soprasedere hoggi qui [...], andreno domani a Orvieto; et potreno essere a Orti al medesimo tempo che lui, quando bene vi si conducessi da Cortona in tre dì. [...] Ho facto una patente et scripto al Commissario che penso possi essere là. Et se non vi è, saria bene che Vostra Signoria vi spacci subito, acciocché, per mancamento delle cose necessarie, non s’habbia a perdere tempo. Non specifica già el Duca se disegnerà che noi passiamo el Tevere a Orti, o se pure lo vorrà passare lui; né io saprei dirlo, sì perché è cosa che potrà dependere dalli avisi che s’haranno delli inimici, sì ancora perché di lui non si può promectersi se non quanto si vede d’hora in hora«) (emphasis mine). Two days later, in a letter to Francesco della Rovere, Guicciardini drove to the same conclusion: »even if the French are quite willing, there are not enough of us to give aid to the Castello alone, nor do we know what the Duke’s mind might be« (Francesco Guicciardini to Francesco della Rovere, Carnaiola, 10 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, 24: »noi soli, ancora che e Franzesi siano dispostissimi, non bastiamo a soccorrere el Castello. Nè sappiamo quale sarà la mente del Duca«). On foresight in sixteenthcentury historiography see Melani (2006), 8–13.
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awareness of being a victim of factual uncertainty. As Guicciardini confessed to Cardinal Silvio Passerini: »we’ll see what the day brings«.56 Let us now compare this personal, social, historical, and historiographical context to the one which generated Guicciardini’s most important historical work, the Storia d’Italia. To do so we shall take a step into the historian’s workshop, which will also help us understand the relationship between Guicciardini’s dual aspects as witness and historian. Ridolfi reconstructs a very detailed process of composition. It began late in 1536 with the collection, ordering, and initial appraisal of materials, including the complete Archive (Carteggi) of the Dieci di Balìa. Guicciardini was able to take possession of the archive after the Siege of Florence (1530) thanks to his prominent position in the papal government. This made available to him the complete documentation concerning Florentine foreign policy (even his own correspondence). Quires of notes were then prepared for the redaction of a first draft, which amounted to quick summaries of the Carteggi he had read. Re-elaboration of these summaries in chronological order constituted a second draft, coordinating and merging them together a third. Notes on modern historians who had written on the same topic were made on different quires. Loose sheets were used to note things he had directly seen or heard. Around the spring of 1537, a version of the text was ready. After writing three versions of the first book, Guicciardini composed the second, and then, much more rapidly, Books III to XV. Then, he incorporated into the text the first two books of the Commentari (which constituted the original core of the Storia d’Italia), making them Books XVI and XVII. Then he hastened to the planned conclusion (death of Pope Clement VII and election of Paul III). Thereupon followed a thorough revision and integration of some missing or incomplete sections and another, linguistic revision on the basis of Bembo’s language and Livy’s style. Then, in the autumn of 1538, he undertook a fresh correction of the first five books, opted for a new division in ten, then in nineteen books, and provided for a check of his sources and of the Livian style of his sentences. Between the end of 1538 and the beginning of 1539 he had the text revised by his friend Giovanni Corsi, who is responsible for the final division in twenty books. A new revision by the author in the spring and summer of 1539 was interrupted at Book XV by illness, which soon made him unable to write or even dictate the final version of the text. The last four books (XVII to XX) remained for the most part sketches (whereas the first ones had been rewritten up to five or seven times).57 This was probably the reason why the author’s nephew Agnolo, when he decided to publish the Storia d’Italia in 1561, advised that »four other books at the end« were »more an outline than a finished product«, and that »for that reason they are not being issued at the present time, since he [Francesco] was not able to fill in the final lines of their _____________ 56 Francesco Guicciardini to Cardinal Silvio Passerini, Orvieto, 13 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, 28: »vedreno alla giornata«. 57 Ridolfi (1982), 321–328.
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shape, as required for a completed work.58 And this is the reason why the first editor of the last four books ultimately decided to incorporate them into the first complete edition, for, although a novelty, they lacked the sufficient stylistic and historiographical care to stand alone: therefore, having not long ago issued the final four books of this most excellent historian, it would have seemed a great injustice to the author’s glory, to the expectation and desire of the world, and to my own profession, if I had not joined them with the rest of the history, so that its whole body might be united together and no longer lie dismembered.59
Obiviously, then, reading about an episode such as the Sack of Rome from one of the last four books of the Storia d’Italia (Book XVIII, Chapter 8) would be inappropriate as a means to philologically reconstructing the author’s intentions The examination of a text that is mere sketch, however, would, precisely on account of its unpolished state, increase our understanding of several phenomena: the layers of historical writing undergirding Guicciardini’s notion of history; the passage from source collection to historical writing it presumed; the relationship between Guicciardini’s guises as historian and statesman; and the extent to which a future historian is molded in the everyday practice of the statesman. The existence of a strict relationship between these two sides of Guicciardini’s intellectual personality can clearly be seen in the episode of the death of Charles of Bourbon, the commander of the Spanish troops of the Imperial army. As we have seen, Guicciardini had received news about it on 8 May 1527 from a letter from the papal Datary, news which he then transmitted to the Otto di Pratica in Florence between 8 and 12 May. Initially a matter of official correspondence, then the subject of the ›ghost‹ description of the Sack, its importance now brought it to the higher narrative plain of the Storia d’Italia, where it became the object of a proper historical account: On the fifth of May, Bourbon and his army took up quarters in Prati near Rome. [...] The following morning at daybreak, he determined either to conquer or die [...], and approaching the Borgo on the side toward the hills and Santo Spirito, a bitter battle began [...]. At the beginning of this battle, Bourbon, goaded by ultimate desperation, was at the forefront of his troops, not only because if he failed to obtain a victory, no refuge remained to him, but also because he saw how the German footsoldiers were
_____________ 58 Guicciardini, Agnolo, All’illustrissimo et eccellentissimo Signore, il Signor Cosimo de Medici, Duca di Firenze, et di Siena, Signore, et padrone nostro osservandissimo, di Firenze il giorno iij. di Settembre MDLXI, fol. [* 5 r]: »quattro altri ultimi libri d’essa [...] piu presto abbozzati, che finiti [...] per tale cagione non si mandano fuori al presente, onde non possette a questa sua figura dare quegli ultimi lineamenti, che a perfetta opera si conveniva«. 59 Giolito de’ Ferrari, Gabriele, All’Illustrissimo et Eccellentissimo Signore, il Signor Cosmo de’Medici Duca di Fiorenza, et di Siena, di Venetia, a X di Febraio M.D.LXVII, fol. [* iij r]: »per tanto havendo io non molto tempo a dietro dato in luce i quattro ultimi libri di questo eccellentissimo historico; n’harebbe parso far gran torto alla gloria dell’Auttore, all’espettatione & desiderio del mondo, & alla professione mia, se non gli havessi accompagnati co ’l rimanente dell’historia; acciocche tutto il corpo d’essa fosse insieme unito, & non punto smembrato«.
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Igor Melani marching coldly into battle. At the onset of the assault, he was wounded by a shot from an arquebus and fell dead to the ground.60
Clearly, this narration of the episode is strictly related to those that appear in the different stages of Guicciardini’s earlier official correspondence. Using this chapter as a case study, we can observe to what extent the Storia d’Italia is composed of different layers of information, including the author’s own personal experience, which, testified and witnessed in his correspondence, must be seen as providing the frame and the plot of the historical narration. Sometimes a more strictly factual description allows room for the voice of rumor, as in the case of the fog which facilitated the assault of the enemy troops. Depicted in supernatural terms by many Lamenti of the year 1527,61 it had not been mentioned by Guicciardini in his correspondence of May 1527. Nevertheless it appears in the Storia d’Italia: »and fortune favored them because a thick fog which had risen before daybreak made it possible for them to approach the city more safely, covering their movements until they reached the position where the battle began«.62 Some information is provided with much greater exactitude, enhancing the statistical spirit displayed in Guicciardini’s correspondence, e.g., regarding the total number of deaths (»about four thousand men perished in the battle and in the furor of the sack«), or the total monetary loss incurred by the Sack (»it was rumored that, counting money, gold, silver, and jewels, the sack amounted to more than one million ducats, but that an even greater sum had been extracted by ransoms«).63 The »about« (circa) and the »it was rumored that« (era fama che) seem _____________ 60 Guicciardini, Storia d’Italia, XVIII, 8, vol. III, 1856: »alloggiò Borbone con l’esercito, il quinto dì di maggio, ne’ Prati presso a Roma [...], e la mattina seguente in su il fare del dì, deliberato o di morire o di vincere [...], accostatosi al Borgo della banda del monte di Santo Spirito, cominciò una aspra battaglia [...]. Nel principio della quale Borbone, spintosi innanzi a tutta la gente per ultima disperazione, non solo perché non ottenendo la vittoria non gli restava più refugio alcuno ma perché vedeva i fanti tedeschi procedere con freddezza grande a dare l’assalto, ferito, nel principio dello assalto, di uno archibuso, cadde in terra morto« (Engl. trans. S. Alexander, in Id., The History of Italy, 382). 61 See for example »La presa et lamento di Roma« (ottava 28), 850: »when the troops lunged at me, aroused/ to my death, they were covered by a cloud/ which greater time and ease for my defense allowed« (»poi che la turba al mio flagello intenta/ mi venne adosso: un nembo la coperse/ per mia difesa far più pigra e lenta«); and Celebrino, »Il successo de tutti gli fatti« (ottava 71), 832: »but if the air with fog was thick/ so that no shot could be made near or far/ a rush from the North (of soldiers) dispersed it/ renewing with gusto the game of war« (»ma si la nebbia era per laria folta/ che non si puote trar molto ne poco/ in tanto tramontani a la disciolta/ van rinforzando il bellicoso gioco«). 62 Guicciardini, Storia d’Italia, XVIII, 8, vol. III, 1856: »avendogli favoriti la fortuna nel fargli appresentare più sicuramente, per beneficio di una folta nebbia che, levatasi innanzi al giorno, gli coperse insino a tanto si accostorno al luogo dove fu cominciata la battaglia« (Engl. trans. S. Alexander, in Id., The History of Italy, 382, slightly modified). 63 Id., Storia d’Italia, XVIII, 8, vol. III, 1858–1859: »morirono, tra nella battaglia e nello impeto del sacco, circa quattromila uomini«; »era fama che, tra denari oro argento e gioie, fusse asceso
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to be an intertextual reference to Guicciardini’s continual desire to accumulate data. This desire began soon after the events, when the statesman reported on the Sack for the first time »according to what we have learned« (secondo si è inteso) and computed a cursory account of the number of Imperial soldiers who died during the assault (»about 1500«, circa a 1500) on the basis of an »explanation« (mostrando) by Pietro Chiavelluzzo. A final textual revision would have given Guicciardini the opportunity for greater historical accuracy, at which point he likely would have inserted references to historical events and parallels of whose chronology he was uncertain, and increased the precision to a text that, as it has come down to us, is marred by occasional holes, for example: »having been sacked by the Goths […] years before«.64 The epistemological framework shifts from the written, indirect collection of news that constutites intendimento (in which the statesman interacts with his informers by intendere, »learning«)65 to a direct report that expresses with heighened literary ability the jumbled audible context – the udito – of the Sack (»hearing the cries and miserable shrieks«; »on every side were heard […] endless lamentations«).66 The general albeit moderate moralistic tone which his contemporary readers and critics so greatly appreciated (»it would be impossible not only to narrate but even to imagine the calamity of that city, destined by heaven’s orders to consummate greatness, but also to drastic shifts of fortune«) resembles that of certain Lamenti published right after the Sack. Guicciardini very well might have collected and read these as they appeared, since he himself is thought to have written a Lamento to the King of France in those months of 1527: »We lack the ink, paper, and pens/ to recount the sufferings of all those men«; »once of chastity the world’s example/ I have been corrupted by this impious people«.67 _____________ 64
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il sacco a più di uno milione di ducati, ma che di taglie avessino cavata ancora quantità maggiore« (Engl. trans. S. Alexander, in Id., The History of Italy, 384, 386, slightly modified). Id., Storia d’Italia, XVIII, 8, vol. III, 1858: »era l’anno […] che era stata saccheggiata da’goti« (Engl. trans. S. Alexander, in Id., The History of Italy, 384, slightly modified; inexplicably, Alexander fills the blank left by the author without providing any explanation or even an indication of having done so: »having been sacked by the Goths 980 years before«). As in Francesco Guicciardini to Count Guido Rangoni, Carnaiola, 10 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, 21; in Francesco Guicciardini to Cardinal Silvio Passerini, Orvieto, 13 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, 26; and in Francesco Guicciardini to the Otto di Pratica, Orvieto, 13 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, 31. As in Id., Storia d’Italia, XVIII, 8, vol. III, 1859: »sentivansi i gridi e urla«; »udivansi [...] infiniti lamenti« (Engl. trans. S. Alexander, in Id., The History of Italy, 385). See Id., Storia d’Italia, XVIII, 8, vol. III, 1857–1858: »sarebbe impossibile non solo narrare ma quasi immaginarsi le calamità di quella città, destinata per ordine de’cieli a somma grandezza ma eziandio a spesse direzioni« (Engl. trans. S. Alexander, in Id., The History of Italy, 384); and »La presa et lamento di Roma« (ottave 25–26), 850: »aracontare & dolermi di tutti/ mancheria prima inchiostro carte & penne«; »gia fui di castita nel mondo essempio/ hor son corrotta da sto popol empio«.
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To obtain the moderate, impartial and detached judicial tone that readers and careful critics (like Bodin) appreciated so much in him, Guicciardini adds some irony to the critical sense he provides for his narration: »hearing the cries and miserable shrieks of Roman women, and nuns led in droves by the soldiers to satisfy their lust, one could not but say that God’s judgments were beclouded and concealed from mortal men, inasmuch as He allowed the renowned chastity of the Roman women to be so miserably and brutally violated«.68 Furthermore, certain lexical changes are made in order to furnish the text with more evidence and literary strength and to transform diplomatic sources (Guicciardini’s own and other colleagues’ correspondence) into a narrative text: here »lust« (libidine) replaces the term »lechery« (lascivie), which Guicciardini had used to describe this same episode in a letter to the Cardinal Silvio Passerini.69 The chapter is dotted with a kind of cryptic intertextuality between Guicciardini the historian and Guicciardini the statesman, comprised of near-verbatim quotations from his own letters. The description of Guido Rangoni’s arrival in, and departure from, Rome (»the same day that the imperial troops took Rome, Count Guido arrived with the light cavalry and eight hundred arquebusiers at the Ponte Salario to enter Rome the same evening; but when he learned of what had happened, he withdrew to Otricoli where the rest of his troops joined him«)70 is the quasi-literal transposition of the contents of a letter written by Rangoni himself (»I received your letters of the 7th [...] and learned«) and reformulated by Guicciardini as a report to Francesco della Rovere (»Count Guido [...] wrote me on the 7th«).71 Not just the narration of plain events, but also the accompanying commentary (usually considered the exclusive bailiwick of historians) seem to quote Guicciardini’s own state of mind and reflections in those days of May 1527: Nor were those people lacking [...] who reprehended Count Guido for not having known how to take advantage of a noble opportunity. For the imperials, all of them so intent on rich booty [...] were dispersed all over the city, [...] so that many believed that if Count Guido and his troops had quickly marched into Rome, not only would
_____________ 68 Id., Storia d’Italia, XVIII, 8, vol. III, 1859: »sentivansi i gridi e urla miserabili delle donne romane e delle monache, condotte a torme da’soldati per saziare la loro libidine: non potendo se non dirsi essere oscuri a’mortali i giudizi di Dio, che comportasse che la castità famosa delle donne romane cadesse per forza in tanta bruttezza e miseria« (Engl. trans. S. Alexander, in Id., The History of Italy, 385). 69 See above for the quotation from Francesco Guicciardini to Cardinal Silvio Passerini, Orvieto, 13 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, 26–28. 70 Id., Storia d’Italia, XVIII, 8, vol. III, 1859: »arrivò, il dì medesimo che gli imperiali preseno Roma, il conte Guido co’cavalli leggieri e ottocento archibusieri al ponte di Salara, per entrare in Roma la sera medesima; ma intese il successo si ritirò a Otricoli, dove si congiunse seco il resto della sua gente« (Engl. trans. S. Alexander, in Id., The History of Italy, 386). 71 See above Francesco Guicciardini to Count Guido Rangoni, Carnaiola, 10 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, 21 (»ho havuto le sue de’7 [...] et inteso«); and Francesco Guicciardini to Francesco della Rovere, Carnaiola, 10 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, 25: »el Conte Guido [...] mi scrive de’7«.
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they have brought about the Pope’s liberation simply by presenting themselves at the Castello, which was neither besieged nor guarded outside by anyone, but also some glorious feat of arms would have befallen them. [...] But men often persuade themselves that if such and such a thing were done, or not done, certain effects would follow, but if one could see the actual results thereof, such judgments would often be found fallacious.72
This is clearly Guicciardini’s ›morning-after‹ appraisal of the suggestions put forth by Pietro Chiavelluzzo and »el signor Federigo« for freeing the pope, which, in the urgency of those days of May, he seemed not to have disagreed with too strongly.73 In the light of this case study, the Storia d’Italia must be considered an historical work in progress, and Francesco Guicciardini the historian a narrator who reflects on the events he recounts through a silent though evident (humanist?) dialogue within himself: a dialogue between the present writer and the historical actor. This is probably the reason why he sometimes conceals his presence in the text of the Storia d’Italia. For while his official duties had compelled him to use the first person (»I«) as a statesman, rhetorical and ethical reasons prevented him as an historian from explicitly stating that he was his own source. To give a single example, the incipit of Book XVIII, Chapter 9 of the Storia d’Italia, where the author explains why the army of the Holy League reached Rome too late, is the a posteriori transposition of the complaints Guicciardini expressed on 10 May to Francesco della Rovere regarding the Duke’s change of route.74 The reader of the Storia d’Italia would not know, unless he had himself been involved in the events as a political actor, that Guicciardini had been among those officers of the Army who, »on account of the disorder and the general occupation with booty, did not arrive at the bridge in Carnaiola until the 10th, where they learned of the loss of Rome«.75 Nor would he suspect that the news (as Guicciardini affirms in that same letter) was in fact received »the night before« (la notte passata): sometimes, _____________ 72 Id., Storia d’Italia, XVIII, 8, vol. III, 1859–1860: »né mancò [...] chi riprendesse il conte Guido di non avere saputo conoscere una preclarissima occasione, perché gli imperiali, intentissimi tutti a sì ricca preda [...] erano dispersi per tutta la città, [...] in modo che molti credetteno che se la gente che era col conte Guido si fusse condotta con prestezza in Roma non solo arebbeno conseguito, presentandosi al castello non assediato né custodito di fuora da alcuno, la liberazione del pontefice ma ancora sarebbe succeduta loro più gloriosa fazione [...]. Ma gli uomini si persuadono spesso che se si fusse fatta o non fatta una cosa tale sarebbe succeduto certo effetto, che se si potesse vederne la esperienza si troverebbeno molte volte fallaci simili giudizi« (Engl. trans. S. Alexander, in Id., The History of Italy, 386). 73 See above for Francesco Guicciardini to Cardinal Silvio Passerini, Orvieto, 13 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, 27. 74 See above for Francesco Guicciardini to Francesco della Rovere, Carnaiola, 10 May 1527, in: Id., Carteggi, vol. XIV, 23–25. 75 Id., Storia d’Italia, XVIII, 9, vol. III, 1861: »per il quale disordine, intenta la gente alla preda, non si condusseno prima che a’dieci dì al ponte a Carnaiuolo, dove ebbeno avviso della perdita di Roma«. This passage is missing from Alexander’s translation in Id., The History of Italy.
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personal memories can be more valuable than historical research and writing for reconstructing the true course of events.
4. State and Family between History, Humanism, and Politics: Towards a Conclusion It is the image of Francesco Guicciardini the historian, not the statesman, that gained unquestionable pre-eminence over the longue-durée. One example of this general view is provided by Carlo Milanesi’s introduction to his 1867 edition of a text called the Sacco di Roma, written by Luigi Guicciardini, elder brother of Francesco. The text’s editorial history can be briefly summarized. In 1758, a small volume was printed in Lucca (though it bears the imprint of Köln), entitled Il Sacco di Roma descritto in due libri da Francesco Guicciardini edizione seconda. A first edition had been published by the same publisher two years before, but with no author’s name. The publisher (rather unconvincingly) denied that his attribution of the text to an author as important as Francesco Guicciardini was motivated by economic considerations (»not for base personal interest«), but claimed rather that he was following the judgment of the Florentine journal Novelle Letterarie. Earlier that same year (1758), the journal had printed an article identifying the text as Book II of a 1664 work entitled Il sacco di Roma dal Guicciardini, which it mistakenly thought was written by Francesco, not Luigi, Guicciardini, and which it supposed had been published in just one edition (Paris, Jolly). Of course, the whole affair was presented by the Tuscan publisher as an act of justice to the name of »such a famous Historian, who of the many to have written about that mournful event is reputed the most precise and truthful«.76 In its three editions of 1664 by three different publishers in Paris (Louis Billaine, Palais Royal; Thomas Jolly, Palais Royal; Simeon Piget, Rue Saint Jacques),77 the text was probably considered, even if it was not presented as such (at least not explicitly), to have been written by Francesco Guicciardini, and it can easily be seen as the lip of a more general wave of fame enjoyed by Francesco Guicciardini during the Thirty Years War, as shown, for example, by the three closely spaced Protestant editions of the Storia d’Italia in Geneva, (Jacob Stoer, 1621, 1636, 1645).78 _____________ 76 »Lo stampatore a chi legge«, in: Guicciardini, Il Sacco di Roma descritto in due libri da Francesco Guicciardini edizione seconda (1758), ix: »non già per viltà d’interesse«; »un Istorico sì famoso, il quale fra tanti, che hanno scritto di quel lugubre avvenimento, vien riputato il più esatto, e il più sincero«. 77 Apart from the woodcut frieze on the frontispiece of one of them, these three editions coincide exactly, as shown, among other elements, by their identical typographical fingerprints: lae’ erea-o- sado (3) 1664 (R). 78 See Luciani (1949), 16. An idea of Guicciardini’s status in the book-market is provided by the voluminous Catalogue of one of the Parisian publishers of the 1664 text, Simeon Piget: Catalogus librorum qui reperiuntur in officina Simeonis Piget. Bibliopolae Parisiensis, Parisiis, ex Of-
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In 1867, Milanesi was led to question and ultimately refute the long-standing mistaken attribution of the Sacco to Francesco (which he notes was first amended by a certain Bernardo Lessi, a member of the Accademia Colombaria in Florence) on two grounds: suspicion about the 1664 Parisian publishers’ motivation for not specifying the author’s first name (»the first name – whether deliberately or not – having been omitted«); and the »controversies and disputes over which of the Guicciardinis this account should be attributed to«, which pushed the 1758 publisher to choose the more congenial option on the basis of »reasons [which are], to tell the truth, specious and groundless«. His resulting confutation of these »reasons« is based on four arguments: a rhetorical one (»the verbose style of this writing«, vs. the »gravity of this supreme historian and statesman«); a methodological one, (an historian’s vs. a chronichler’s approach: »not [...] all the facts of his times, but only the Sack«); an historical one (since Luigi Guicciardini was, according to Eugène Benoist,79 gonfaloniere in April 1527 and thus in charge of the Florentine government, he could have affirmed not to want »to write about himself«); lastly, a philological argument (the discovery of the supposed autograph codex of the text (preserved in the Biblioteca Magliabechiana in Florence).80 In light of all this, the omission of the author’s name in 1664 and the subsequent mistake in 1758 can be seen both as testimony to Francesco Guicciardini’s posthumous fame as an historian and as a force in shaping it. In fact, among the arguments adduced by the 1758 publisher to confirm the theory articulated in Novelle letterarie about the authorship of the Sacco di Roma, two directly concern the perception of Francesco Guicciardini as an historian: a. he was thought to have been a witness to the Sack of Rome (»Guicciardini, who happened to be present at the pitiable Sack of Rome«);81 b. this account (Il sacco di Roma) is considered complementary to the Storia d’Italia, whose chapter on the Sack (Book XVIII, Chapter 8) is much shorter than expected since – according to the 1758 publisher – Guicciardini had already composed a longer one (»the reason that the same Guicciardini rushes over the Sack of Rome with few words in his grand History [...] is that he had already written a fully complete, separate treatment of it«).82 _____________ 79 80
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ficina Morelliana, Sumptibus Simeonis Piget, M.DC.XLVI., 3–139 (unfortunately dated some eighteen years before the publishing of the Sacco di Roma). He cites Benoist (1862), 193–195. See Milanesi (1867), x–xiii: »omesso – sia con deliberazione o no – il prenome«; »contorversie e dispute a chi dei Guicciardini attribuir si dovesse questa narrazione«; »ragioni, per vero dire, speciose e insussistenti«; »stile di questa scrittura, verboso«; »gravità [...] del sommo storico e statista«; »non [...] i fatti tutti di quei tempi, ma solo il Sacco«; »scrivere di sé medesimo«. Milanesi cites the shelfmark of the autograph manuscript thus: »Biblioteca Magliabechiana, Classe XXV, Cod. no 651. Palch. 8.« »Lo stampatore a chi legge«, in: Guiccardini, Il Sacco di Roma descritto in due libri da Francesco Guicciardini edizione seconda (1758), vi–vii: »essersi trovato presente il Guicciardini al compassionevole Sacco di Roma«. Ibid., vii–viii: »perchè il medesimo Guicciardini nella sua grande Istoria si sia con brevi parole sbrigato dal Sacco di Roma, [...] è, che egli ne aveva scritto a parte un trattato assai compiuto«.
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This eighteenth-century misapprehension of the authorship of the Sacco di Roma is in a certain sense ideological, and it gives us the opportunity of searching for a deeper historical explanation as to why, and how, Luigi di Piero di Iacopo Guicciardini, elder brother of Francesco,83 could compose a text capable of being thought to have been written by his brother. To do so, we must recall the abovedescribed relationship between state and family, between the private and the public use of history, and between the mentality of civic-humanists and public officials in the Renaissance. Why did Luigi Guicciardini compose the text? Some scholars have recently interpreted it as a kind of captatio benevolentiae towards Duke Cosimo I, which might then postpone the composition of the text to about ten years after the events – to 153784 (the same year when Francesco started writing his Storia d’Italia) – even if the author inconsistently claims to have directly and recently observed them: »I wrote in those unhappiest of days about the Sack of Rome, not for the pleasure it afforded at the time, [...] but because I continually had before my eyes a manifest example of how much evil is caused by pride and unbounded ambition«.85 How did he attempt the task? It might help to think first about who Luigi Guicciardini was. In this regard, one piece of information seems to have eluded the attention of scholars: from late November 1526 onwards (until at least the end of May, since the charge normally lasted 6 months), he was in fact one of the Otto di Pratica.86 This mainly means that he was one of those Florentine officials that interacted with his brother, who held the commands of Commissary of the Holy League and papal lieutenant-general. In this capacity, he read, answered, and sent his brother’s letters to other Florentine officers and ambassadors. We can postulate that Luigi used his brother Francesco as a source when composing the Sacco di Roma ten years after the events in which neither the one nor the other had directly taken part – that is, in the same years, if not in the same months, when the latter was using himself as one of his sources to write about the same subjects in his Storia d’Italia. His own source as an historian, Francesco Guicciardini was at the same time both the source for and an historical character in his brother’s chronicle: the commander »Francesco Guicciardini, sent to that undertaking by the Supreme Pontiff as his lieutenant«, or »Francesco Guicciardini, the pope’s
_____________ 83 For a biographical note see Doni (2003), 138–142. 84 See Bardini (1989), 121–141; now reprinted (revised and augmented) in: Id. (1991), 15–59. 85 Guicciardini, »Lettera scritta all’illustrissimo & Eccellentissimo Signore il Signor Cosimo de Medici Duca Secondo della Republica Fiorentina dal Guicciardini«, fol. [A 5 r]: »in quelli infelicissimi giorni del Sacco di Roma scrivessi, non per pigliare all’hora piacere, [...] mà per haver continuamente avanti à gl’occhi miei un manifesto esempio, di quanto male sia cagione la superba, & immoderata ambitione«. 86 ASF, Tratte, 799, fol. 122 v; ASF, Tratte, 906, fol. 187 r.
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luogotenente«.87 From this perspective, we might tend to partially excuse the eighteenth-century scholars who (mistakenly) thought the Sacco di Roma was a work by Francesco Guicciardini. Modern research on the 1664 edition should be expanded in this direction with an aim to shedding new light on the material textual tradition responsible for bringing the text from Florence to Paris,88 as well as to explaining why its title is so ambiguous about its author and authorship (Il sacco di Roma dal Guicciardini): was it done »deliberately or not«? The mixture of private and public interests, which emerges from the published correspondence between the Guicciardini brothers from the early 1520s89 (and which we could conjecturally extend to the spring and summer of 1527), suggests to us a mentalité approach to the study of political discourse and the public and familial uses of history in Renaissance Florence, one not too different from that attempted by Gilbert in an old yet important essay devoted to »Florentine Political Assumptions in the Age of Savonarola and Soderini«, which focuses on the use of proverbs:90 interpreting historical thinking, writing, and acting as a way of expressing public and private thoughts and needs. To get an idea of just how common this mentality – materialized in language, idiomatic expressions, and shared concepts – was to colleagues connected to each other by social or familial ties, or even to different pieces of writing by the same author, let us take a brief comparative look at two passages. The first is a letter _____________ 87 Guicciardini, »Il sacco di Roma descritto da Luigi Guicciardini« (1867), 32, 145: »Francesco Guicciardini, mandato a quell'impresa dal sommo pontefice per suo luogotenente«; »Francesco Guicciardini, luogotenente del papa«. 88 The autograph manuscript is now in BNCF, Manoscritti, Classe XXV, n. 651. See: Bardini (1991), 16; Milanesi (1867), xii–xiii, affirms that »qual codice abbia servito alla prima edizione fatta a Parigi non si conosce«. 89 See for example Luigi Guicciardini to Francesco Guicciardini, [Castrocaro], 28 July 1521, in: Guicciardini, Le lettere, vol. VI, 115–116 (n. 1332): »I hope it will not be a hardship for you to send me reports about certain things, especially if the French have the Swiss at their side, which is doubted in Florence« (»né vi paia grave darmi advixo di qualche cosa, et maxime se e Franzesi hanno dal canto loro e Svizeri, come a Firenze si dubita«); Francesco Guicciardini to Cardinal Giulio de’ Medici, Reggio, 23 September 1521, in: Id., Le lettere, vol. VI, (n. 1419), (371–374) 373: »regarding those stratioti my brother Luigi wrote about, a letter was sent yesterday to the governor of Bologna telling him to enlist some or all of them« (»di quelli stradiocti, di che scripse Luigi, mio fratello, hieri si scripse al governatore di Bologna che gli facessi fermare in tucti o parte«); Francesco Guicciardini to Luigi Guicciardini, Modena, 29 March 1523, in: Id., Le lettere, vol. VII, (n. 1766), (466–477) 466: »Honorande frater etc. I want all of us to share in paying the decima on that property I bought in the Mugello« (»Honorande frater etc. Io vorrei che la decima di quelli beni che io ho comprati in Mugello si tirassi insieme con la commune di tutti noi«); Luigi Guicciardini to Francesco Guicciardini [Castrocaro], 13 October 1523, in: Id., Le lettere, vol. VIII, 432–433 (n. 2046), 432: »Magnifice vir, frater honorande etc. Since I need to have the tratta for certain grain bought on behalf of the 8 di Pratica in the castle and territory of Savignano, of which Count Guido Rangoni is the lord, I am forced to send this courier to see to its payment« (»Magnifice vir, frater honorande etc. Havendo bisogno di havere la tracta di certo grano comprato per conto delli 8 di Pratica nel castello et territorio di Savignano, del quale n’è signore el conte Guido Rangoni, sono forzato mandare l’aportatore di questa a posta«). 90 See Gilbert (1957), 187–214.
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from the Otto di Pratica to Roberto Acciaiuoli, dated six days after the Sack of Rome: »it must be said that God or Fortune took the Emperor by the Hair in order to make him ruler of the world«.91 And now let us compare this letter with a sentence from the Sacco di Roma by Luigi Guicciardini: »whereas fighting now would be easy and the victory secure, tomorrow it would end up difficult and incredibly perilous: [it is] an opportunity not to be put off by the prudent, whose understanding is distinguished from that of the ignorant precisely in knowing how to grab [Chance] by the Hair when with her swiftness she shows herself and offers herself to a man«.92 The relationship between the political mentality of sixteenth-century Florence and the use of history as a key to interpreting current politics thus turns out to be more complex than one might have imagined. The process of writing history often required dovetailing multiple layers of information of varying grades of reliability. Moreover, traditional political history, in a century as unsteady as the sixteenth was becoming, owed much more to the everyday practice of politics than to literary theory. In this context, any relationship between what could be called late humanist culture and historical writing should probably be sought in the chancellors’ civic tradition of political involvement rather than in their coherent development of humanist historiographical theory, which was based on a strict principle of adopting ancient standards in modern works: imitation of language and style (brevitas, celeritas), contents, themes; choice of models (principally Livy and Sallust) and narrative forms (annals); goals (the ethical aim of history, teaching through exempla; desire for truth); peculiarities (fictional discourses as a key to moral teaching); arguments (explanation of events and causes as a means for interpreting the inner motivations underlying the course of events: »non solum quid actum aut dictum sit, sed etiam quomodo«).93 The birth of »historical pragmatism« in early sixteenth-century Florence94 closed the gap that had previously existed between the collection of sources and testimonies (as an auxiliary scholarly discipline) and historical writing (as a literary practice). It also entailed the broadening of the historian’s task and the entrance of new methods and practices into his intellectual toolkit – not in the sense of a cultural limitation, as in Lucien Febvre’s outillage mental (mental tools), but _____________ 91 Otto di Pratica to Roberto Acciaiuoli, Florence, 13 May 1527, in: ASF, Otto di Pratica, Legazioni e Commissarie, 18, fol. 159 r: »bisogna dire che Idio o la Fortuna habbi preso lo Imperatore per li Capelli per volerlo fare principe del mondo« (emphasis mine). 92 Guiccardini, Il sacco di Roma dal Guicciardini (1664 b), 158; Id., »Il sacco di Roma descritto da Luigi Guicciardini« (1867), 162: »dove hora combattendo, gli sarebbe facile, e sicura la vittoria, domani riusciria difficile, e pericolosissima: occasione da non essere diferita da ciascuno prudente, la cognitione dè quali non si fa differenti da gl’ignoranti, se non in sapere per li Capelli pigliarla, quando con la sua velocità si dimostra, & si appresenta all’huomo« (emphasis mine). 93 See Gilbert (1965), 203–218. 94 See ibid., 218–226.
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in a more expansive one denoting a series of possibilities for increasing the range of one’s knowledge – such as juridical inquiry and, more importantly, the quotidian praxis of the statesman. These changes resulted, first of all, in the replacement of what we might call an orthodox humanist historiographical method with less standard humanist practices, which over the centuries have continued to be some of the basic practices of writers considered good historians: correct (philological) reading of sources; evaluation of texts, editors, and editions; comparison between authors; and cited quotations.95 Secondly, they brought about a change in instruments, methods, and references. To cite only one example, it was common for ambassadors to use direct speech in their diplomatic correspondence when reporting important meetings. It would therefore seem possible to disagree partially with Gilbert’s opinion, namely that the use of direct speech in Francesco Guicciardini’s Storia d’Italia illustrates the necessity for a ›modern‹ historian like him to employ standard humanist devices in order for his work to be taken seriously. Fictional speeches, Gilbert says, are the most important humanistic inheritance in Guicciardini’s Storia d’Italia: on the one hand they give it legitimacy as a work of history; on the other they are adapted by the author to illustrate the tension between the potential perfection of rational politics, the limits of human action, and the mysterious role of Fortune.96 No doubt fictional speeches were a device of classical and humanist historians, but we have seen how those inserted by Guicciardini into his Storia d’Italia were understood by Jean Bodin instead as ›juridical‹: that is, they are no mere systlistic ornaments, and the humanist tradition was not the only point of reference in their composition. If the »speeches« in the Storia d’Italia do indeed constitute a kind of technical device derived from the statesman’s and the diplomat’s attitude to historical narration, then they might provide us with deeper insight into sixteenth-century historiography: it might be less a literary genre and moral device, and more a personal (individual) and a political (general) instrument for understanding the present and the future. Guicciardini’s letters to the Otto di Pratica in the crucial months of 1527 offer us some examples for this. In one case he gives an account of a conversation among political and military representatives of the Spanish faction, stating that »the viceroy departed this morning at dawn from Castrocaro, and today he propably spoke with the Bourbons, and it is reasonable to think that he was quickly informed about what will be done«.97 In another, reconstructing a long discussion _____________ 95 On this last theme, see, among others, Grafton (1999). 96 See Gilbert (1965), 273–274, 297–299. 97 Francesco Guicciardini to the Otto di Pratica, Brisighella, 14 April 1527, in: ASF, Otto di Pratica, Carteggio, Responsive, 49, fol. 106 r: »el vicere parti stamanj allalba da Castrocaro, et hoggi doveva haver’ parlato co’Borboni, et ragionevolmente si sara adviso presto di quanto sara operato«.
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among representatives of the papal and French factions about how to free the pope from the Castel Sant’Angelo, he presents: »the settlement of affairs here«; »Count Guido’s proposal«, which was »rejected by the others as impossible«; explanations for why it would be too difficult (»learning that a large guard and good order are continually maintained at night«); the »deliberation on setting up quarters«; some other opinions (»others having a contrary opinion«), and a hopeful conclusion (»finally it was concluded«).98 In another letter, he is seen piecing together the course of a military chief’s speech, describing the arrival of the »Duke« at the camp who, »working and toiling opposite the trenches, says he hopes to come to the aid of the Castello, adding that he does not count on it, but including in this number the Swiss who at the moment are on the field«, »says that in that case those who are in Rome will be able to join the rest«, and observing (in conclusion) that »if [the enemy’s] forces are increased, there will be need of greater reinforcements, and such that they can be fought once on the open plain«.99 Elsewhere, Guicciardini gives an account of a speech made by a frequent stock character of political historiography, the ambivalent and intriguing secretary to some dignitary, in this case »messer Saporito [...], cameriere« of the »Viceroy«: he »arrived here yesterday to request safe-conduct for the Viceroy to go to Rome, which the Marquis granted him, and this morning he went to the Duke of Urbino [...] to obtain the same thing and, having received it, will go the Viceroy together with a Spaniard [...] for the purpose of bringing him to Rome«. Even »the enemy« is sometimes given the right to speak, as when »the enemy speaks with the same thirst and haughtiness as before of wanting to come [to Florence], just as soon as they have the Castello«.100 In sixteenth-century Italy, where no territorial state was comparable in dimension and strength to the monarchies beyond the Alps, a discourse on »nation« (Nation) and »region« (Land) could not be coherently developed in the wake of _____________ 98 Francesco Guicciardini to the Otto di Pratica, dal Campo, Isola Farnese, 25 May 1527, in: ASF, Otto di Pratica, Carteggio, Responsive, 50, fols. 6 r–v: »la resolutione delle cose di qua«; »l’offerta fatta dal conte Guido«; »dalli altri posta da parte come impossibile a riuscire«; »intendersi che la notte vi tengono di continuo grossa guardia et ordine«; »deliberatione in sul fare lo alloggiamento«; »altri essendo di opinione contraria«; »finalmente si concluse«. 99 Francesco Guicciardini to the Otto di Pratica, dal Campo, Isola Farnese, 30 May 1527, in: ASF, Otto di Pratica, Carteggio, Responsive, 50, fols. 8 r–10 v: »Duca«; »lavorando et travagliando all’incontro delle loro trincee dice sperare di soccorrere il castello, aggiungendo che non fa fondamento, ma computa in questo numero e’Svizeri che alpresenti sono in Campo«; »dice che in tal caso sara in potestà di quelli che sono in Roma [...] unirse«; »pero augumentandosi le loro forze essere necessario maggiori provisioni, et tale che una volta si possono combattere in campagna«. 100 Francesco Guicciardini to the Otto di Pratica, dal Campo, presso Bracciano, 31 May 1527, in: ASF, Otto di Pratica, Carteggio, Responsive, 50, fols. 12 r–v: »messer Saporito [...] cameriere«; »Viceré«; »arrivo hieri qui adimandare salvocondotto col quale il vicere possa andare a Roma il che il Marchese gli ha concesso et questa mattina è andato dal duca durbino [...] per obtenere il medesimo et havendolo andra al vicere insieme con uno spagnolo [...] per condurlo a Roma«; »li inimici parlano con la medesima sete et bravura di volervi venire che facevano prima, subito che haranno havuto il castello«.
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the humanist tradition of civic historiography. And this despite the fact that its virtuosity in using historical research to glorify the greatness of contemporary political power made it especially apt for doing so, for no amount of searching could unearth the roots of a formidable monarchy as was possible in the historiography of France (e.g., Paolo Emilio’s De rebus gestis francorum) or of the German empire (e.g., Beatus Rhenanus’ Rerum germanicarum libri III). For this reason, Italian Renaissance historians were able to contribute to the development of modern historiography more in the realms of practice and writing than those of theory, method or ideology. The example of the historian Guicciardini illustrates the usefulness of being able to adapt one’s own culture, ability, and attitude to a difficult task: that of describing a present which could not be explained by plain analogy with the past.
Bibliography Manuscript Sources Archivio di Stato di Firenze (= ASF), Otto di Pratica, Carteggio, Responsive, filza 49. Archivio di Stato di Firenze (= ASF), Otto di Pratica, Carteggio, Responsive, filza 50. Archivio di Stato di Firenze (= ASF), Otto di Pratica, Legazioni e Commissarie, filza 18. Archivio di Stato di Firenze (= ASF), Tratte, registro 799. Archivio di Stato di Firenze (= ASF), Tratte, registro 906. Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze (= BNCF), Manoscritti, Classe XXV, n. 651. Printed Primary Sources Bodin, Jean, Method for the Easy Comprehension of History, transl. Beatrice Reynolds, New York 1945. Bodin, Jean, »Methodus ad facilem historiarum cognitionem« (1572), in: Id., Œuvres philosophiques, ed. by Pierre Mesnard, vol. 1, Paris 1951, 104–269. Celebrino, Eustachio, »Il successo de tutti gli fatti che fece il Duca di Barbone in Italia, con il nome de li Capitani, con la presa di Roma. Per Eustachio Celebrino composto. Nuovamente stampato, in Vinegia, per Mapheo Pasini, 1534«, in: Guerre in ottava rima, vol. 2: Guerre d’Italia, 1483–1527, ed. by M. Beer/D. Diamanti/C. Ivaldi, Modena 1989, 813–844. Cerretani, Bartolomeo, Dialogo della mutatione di Firenze (1521), ed. by Raul Mordenti, Rome 1990. Cicero, »De oratore«, in: Cicero: On the Orator, vols. 3–4, transl. E. W. Sutton/ H. Rackham, Cambridge, Mass./London 1942.
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A Labyrinth of Praise and Blame: On the Form and Structure of Marcantonio Sabellico’s De latinae linguae reparatione1 PATRICK BAKER 1. Dialogue as History In his magisterial survey of Italian humanist historiography, Eric Cochrane reports the apparent irony that the humanists’ success in imitating the ancient historians also entailed an enormous failure: the inability to transcend the limitations of their models. To be precise, these models presented »a problem of content at the level of municipal history, of organization at the level of regional and national history, and of methodology at the level of world and universal history.« Furthermore, among the things the humanists were seemingly unable to fit into their general historiographical view, according to Cochrane, were the »parallel humanist disciplines« of biography, antiquities, and church history.2 But what if one or more of these disciplines were itself a form of historiography, and one in which the aforementioned shortcomings were in large part overcome?3 And what if history did not have to be written as a strict narrative but could appear in other guises, such as poetry or dialogues? The present essay uses these questions as a point of departure to investigate a text (one of the few) neglected by Cochrane: the all but forgotten dialogue De
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A previous incarnation of this essay appeared as Appendix 1 of my dissertation, Illustrious Men: Italian Renaissance Humanists on Humanism (Harvard University, 2009), a revised version of which is expected in 2012 under the title Humanism through the Looking Glass. I would like to thank Jeff Webb for his criticial comments and suggestions in preparing this article. Cochrane (1981), 393. Chapters 14, 15, and 16 are devoted to biography, antiquities, and church history, respectively. Wallace K. Ferguson similarly sees humanist historiography constrained by the model of political history; see Ferguson (1948), 3: »Taking the classical historians as models, the humanists restricted the scope of history to a literary narrative of political and military events. For them it was quite true that history was simply past politics. They scarcely mentioned the economic life of the people and, though many of them commented elsewhere on the development of literature and art, they excluded these subjects from their formal histories as pertaining to a different genre.« For more on biography as a strain of humanist historiography, see Baker (2009), 35–36.
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latinae linguae reparatione of Marcantonio Sabellico.4 The recovery, or restoration, of the Latin language announced in Sabellico’s title is the great achievement of Renaissance humanism, and the purpose of his dialogue is to provide a history of the movement. The text therefore falls into a tradition of writing about humanism and its great exponents which was pioneered by Aeneas Sylvius Piccolomini, Biondo Flavio, and Bartolomeo Facio, and which would be continued by Pietro Crinito, Lilio Gregorio Giraldi, and others. Cochrane is aware of such texts but concludes about them generally: »since none of their models prescribed the unification of all genres of literature within a single chronological sequence, none of these authors was fully aware of the historiographical implications of his work.« While it remains an open question just how »aware« humanists were »of the historiographical implications« of such works, it is not necessarily the case that the latter could not rise to the level of historiography. Marcantonio Sabellico provides an example. Like so many of the humanists who have fallen through the cracks of history, Sabellico (1436–1506) loomed much larger on the cultural horizon of his own time and place than he does in modern scholarship.5 Born in Vicovaro (in modern Lazio) and educated under, among others, Pomponio Leto in Rome, he pursued his career as a humanist in northern Italy and particularly, from the 1480s on, in Venice. There he taught at the San Marco school, eventually succeeding Giorgio Valla as lecturer in Latin literature. In death he was honored with a state funeral, the enduring respect and love of his students, and the wide proliferation of his written works. In addition to teaching, Sabellico published in many different genres and gained a wide if dubious reputation for editions and commentaries of classical authors like Pliny the Elder, Suetonius, and Livy. Nearly all the writings for which he is known today, however, are narrative histories, many of which deal with his adopted home and seem dedicated as equally to the Serenissima’s greater glory as to the muse Clio.6 Of a somewhat different character is his little-known and even less-studied dialogue De latinae linguae reparatione (On the Restoration of the Latin Lan_____________ 4
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Sabellico (1999). All references will be to this edition; all translations are my own. Previously the text was available in a facsimile reprint of a sixteenth-century edition, in Sabellico (1992). On the dialogue, see Guglielmo Bottari’s introduction and notes to Sabellico (1999); Baker (2009), Chapter 4; Krautter (1979); and Tateo (1990), 210–214. On Sabellico, the best general source is Tateo (1982). Among the works mentioned in his bibliography (pp. 514–515), see especially Mercati (1939), 1–23. See also the more recent treatments by Chavasse (2003); eadem (1988); eadem (1986); King (1986), esp. 425–427 (with bibl.); and Bottari (1999). Lowry (1979), 183, dismisses Sabellico as a second-rate philologist and journalistic popularizer. Sabellico’s oblivion is accurately characterized by Chavasse (2003), 28: »It is seldom mentioned that Sabellico had a highly successful career as a professional humanist and, apart from his histories, Sabellico’s literary accomplishments have been neglected.« Among Sabellico’s historical works are: De vetustate Aquileiae et Foriiulii libri VI (1482), Historiae rerum Venetiarum (in thirty-three books, 1487), De Venetae urbis situ et vetustate (in three books, 1492), and the massive, omni-comprehensive chronicle (not dedicated principally to Venice) Enneades (in sixty-three books, 1498).
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guage), composed in 1489 or shortly thereafter.7 It offers a review and literary critique of the leading humanists of the Quattrocento, listing each humanist’s contribution to the renewal of classical Latin and judging how closely he (unsurprisingly, all the humanists mentioned are men) comes to achieving perfection. Unlike Paolo Cortesi, who in his kindred and coeval dialogue De hominibus doctis (ca. 1489) equated good Latin with Ciceronianism, Sabellico never singles out one specific auctor’s style as a measuring stick for success. He seems instead to approve a wide range of ancient writers, although one headed by Quintilian and Cicero.8 For Sabellico, good Latin is a more eclectic but still recognizably classical form of the language that lasted until the barbarian invasions of the fifth and sixth centuries.9 And according to him, the central – indeed, the only – task of the humanist movement was to recover and proliferate that stylistic register. Through its discussion of the contributions and achievements of the great humanists, his dialogue reveals a clearly historical and developmental understanding of humanism. Read as a whole it charts the movement’s progress over time from its inception – interestingly not to be found in so-called »pre-humanists« like Lovati or in the inspiration of Petrarch,10 but in the efforts of the northern schoolmaster Gasparino Barzizza – down to its flourishing in Sabellico’s own day. It identifies not only founders, leaders, and heroes but also distinct periods of development, and it attempts to explain the causal connections resulting in the renaissance of classical Latin. Thus, despite its genre and occupation with literary criticism, ultimately De latinae linguae reparatione must be read as a history of Italian humanism.11 But if Sabellico’s work is primarily a history of humanism, and thereby a true specimen of historiography, why, then, does it take the form of a biographical dialogue? Trying to come to terms with this question, any reader of De latinae linguae reparatione will also be perplexed by a further difficulty, namely the dialogue’s manifestly non-dialogic character.12 Although structured in a sophisticated double dramatic frame, outfitted with a full host of characters, and convincingly integrating its setting – Venice – into its action, it nevertheless seems at first glance to profit from none of the possibilities of its genre: dramatic liveliness, the _____________ 7
For a summary of the dialogue’s dating and the problems in naming a precise year, see Bottari (1999), 22–25. According to Lowry (1979), 29, it was first printed in 1493. 8 Pace Tateo (1990), 210 (and id. [1982], 513), who asserts that both Cortesi and Sabellico judged humanist Latin according on the measure of Cicero. For Sabellico’s more catholic taste, see Bottari (1999), 66–67. 9 For Sabellico’s periodization of Latin into classical, barbarian, and recovery periods, see the Dedicatory Letter to Sabellico (1999), 86.13–17, and the dialogue itself, 92.15–99.5. 10 Contrary to the view generally accepted today about the origins of humanism, as most thoroughly and recently described in Witt (2000). 11 Krautter (1979), 635 also notes that Sabellico uses the dialogue as an historiographical genre, although he sees it only as a history of literature, not of the humanist movement as a whole. 12 This is also the impression of the text’s modern editor. Cf. Bottari (1999), 12–13, who notes that the dialogue »finisce per assumere le caratteristiche di una sorta di dissertazione accademica, cui viene a mancare ogni tensione dialettica« (12, n. 2).
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portrayal of free, learned discussion, philosophical reflection, the testing of traditional opinions in an historical and thus safe setting, or the examination of serious topics in utramque partem.13 There is little exchange between the characters, and consequently none of them emerges from the second dimension. Finally there is little dialogue; the vast majority of the text is comprised of two long set speeches between which there is no overlap or debate. The immediate, easiest, and least helpful resolution to these problems of genre is that Sabellico was in part imitating Cicero’s Brutus, it, too, a dialogue, whose characters narrate the history of classical oratory by listing and critiquing the great orators in the Greek and Latin traditions. The aptness of the Brutus for imitation becomes clearer if we remember that humanists generally called themselves oratores.14 Yet Cicero’s dialogue did not provide the only model. Sabellico just as easily could have followed Quintilian, who offers the same kind of literary criticism cum history in the form of a treatise, in the first chapter of Book Ten of his Institutio oratoria. What is more, we might expect Sabellico to prefer Quintilian to Cicero, considering the unmitigated praise of Valla and Poliziano that his dialogue contains15 and the preference for Quintilian’s Latinity that it evinces.16 Finally, although De latinae linguae reparatione takes on the basic form of the Brutus, its imitation does not go much further.17 It would seem, then, that Sabellico deliberately chose to write a dialogue as opposed to a treatise, and that he selected his genre not so much out of a desire to imitate Cicero’s dialogue in particular (although to a certain extent such is certainly the case), as for advantages inherent in the dialogue form itself.18 Although, as noted above, De latinae linguae reparatione cannot boast of many hallmarks of the dialogue form, it nevertheless makes subtle and effective use of the genre’s structural elements to move its argument forward, viz. setting, action, and characters. It would be impossible to coherently summarize the mechanisms and outcomes here without going through the explanations and arguments that constitute the body of this essay, but a few indications can be given up front. For example, by choosing Venice for his setting, Sabellico achieved two important objectives in his presentation of humanism. The first is that Venice implicitly secures a special place in the movement’s history, appearing as a kind of natural _____________ 13 The classic study of the humanist dialogue is Marsh (1980), which, however, does not consider De latinae linguae reparatione. Marsh also ignores Sabellico in his short survey of Renaissance dialogues (1999). See also Tateo (1967), esp. 223–277 (ch. 4: »La tradizione classica e le forme del dialogo umanistico«; and ch. 5: »Il dialogo ›realistico‹ di Poggio Bracciolini«). 14 See Baker (2009), 258–259. 15 For Sabellico’s treatment of Valla, see Sabellico (1999), 121.5–124.5; for Poliziano: 191.3– 192.1, 193.2–195.3. 16 On Sabellico’s Latin style and his greater tendency to imitate Quintilian than Cicero, see Bottari (1999), 66–67. 17 On the unsuitability of the Brutus for strict imitation, see ibid., 58–59. 18 That Sabellico was aware of the choice at hand is proved by his mention of both Cicero’s and Quintilian’s texts and his consideration of their method: Sabellico (1999), 88.16–21.
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home for its most recent and, as presented in the dialogue, authoritative developments. The second is that the dialogue as a whole – the kinds of questions raised, the form and content of the discussion as well as its resolution and audience – serves to illustrate the distinctive nature of humanism in Venice. Furthermore, the action, as might be expected, shows humanism in action, but it also links otherwise logically disconnected elements of larger arguments together to achieve a sound whole. It is only by following the action of the dialogue that we can understand Sabellico’s final position on the success of humanism in his own time, as well as on the barely stated but constantly present question of the comparison of the ancients to the moderns. The characters, moreover, serve many functions, such as reinforcing the division of the subject matter, bolstering the authority of the dialogue’s judgments (through their high prestige in real life), and establishing the authenticity of the discussion. On the whole, Sabellico uses these structural elements of his dialogue to enhance, illustrate, and substantiate its arguments about the general nature of humanism, its past history, and its current state in Venice. He also takes advantage of these characteristics peculiar to drama – of which the dialogue form is a sub-genre19 – to succeed in a literary undertaking so delicate, dangerous, and thankless that not even the auctores of antiquity attempted it: the criticism of his own contemporaries’ writing. Assessing the efforts of his fellows was essential to bringing his history of humanism to a conclusion, but it exposed him to potential animosity and even worse. In the competitive, abusive, and often childish world of humanism, calling attention to another writer’s awkward period or lexical misstep was tantamount to a declaration of war. The invectives traded between Lorenzo Valla and anyone rash enough to pooh-pooh his Latin – like Bartolomeo Facio, Poggio Bracciolini, or Antonio da Rho – are clear enough testimony to what lay in store for the (fool)hardy critic. Sabellico decided to shoulder an immeasurably more difficult task – the critique of an entire generation of egos – and it was precisely the dialogic form he chose for his work that allowed him to do so in safety.20 This dialogic form, which initially seems superfluous in De latinae linguae reparatione, is thus in fact subtly and carefully structured to achieve three discrete aims: 1) to enable its author to render judgment on sensitive questions with relatively little fear of recrimination; 2) to illustrate the nature and development of Italian Renaissance humanism as a whole; and 3) to illustrate the character of Venetian humanism specifically. The setting, the characters, the interactions among them, and the division of material into various dramatic episodes all com_____________ 19 Such need not always be the case. An example of a dialogue with no dramatic elements is Thomas Hobbes’ Behemoth, whose characters A and B discourse in the void. 20 This use of the dialogue to avoid recrimination is kindred to that described in Marsh (1980), 14– 15 and Tateo (1967), 227, who emphasize it as an expedient to escaping persecution or prosecution for unorthodox religious opinions.
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bine seamlessly with the content of the text to make Sabellico’s teaching more authoritative, more convincing, and more secure.
2. Summary of the Dialogue Before taking up the demonstration of these points and arguments, it will be helpful to briefly describe the dialogue’s relatively complex structure and to rehearse its action. The text operates on three levels, the first of which is contained in a dedicatory letter. The second and third are contained in the dialogue itself, which is divided into an outer and inner dramatic frame. These two dramatic frames, or settings in which the action takes place, are joined by the appearance of one common character: the author himself, Marcantonio Sabellico. (For purposes of clarity, from now on the character in the dialogue will be referred to as Marcantonio, its author as Sabellico.) The outer frame is direct – its speakers and their words are treated like characters and parts in the script of play; the inner frame is indirect – it is recollected by the character Marcantonio. In the dedicatory letter Sabellico speaks in his own name to the dialogue’s recipient, the Venetian nobleman, diplomat, and bibliophile Marcantonio Morosini.21 There he mentions the sense of privilege and satisfaction Morosini has often expressed at being born at such a fortuitous moment in history, »a time in which you have seen classical Latin saved by the efforts of a few men from all the filth and awful barbarity in which it had long lain in darkness, neglected and nearly dead.«22 Morosini will therefore be the right person to receive the dialogue, which relates »what is rightly owed to each of those on account of whom we have ceased speaking incorrectly.«23 In the outer frame of the dialogue, two Veronese friends of Marcantonio – Virgilio Zavarise and Iacopo Conte Giuliari24 – visit him in Venice. Zavarise is a regular visitor to the city, while Giuliari seems to be there for the first time.25 After an opening praise of the Serenissima and specifically of its rich book culture, they fall into a discussion that sets up the inner frame of the dialogue (and that, as we shall see later, gives voice to all of its main themes). Specifically, Marcantonio asks Giuliari »whether, in the great mass of new writings which have appeared in our studies in the last few years, the Latin language seems to have been _____________ 21 On Morosini, see King (1986), 410–412. 22 Sabellico (1999), 83.10–12: »qua paucorum hominum industria romanam linguam, quae diu inculta ac pene extincta in tenebris jacuit, ab omni sorde diraque barbarie servatam videres.« 23 Ibid., 83.23–24: »quid eorum cuique per quos tam inepte loqui desinimus deberi oporteat.« 24 On the two gentlemen of Verona, see Bottari (1999), 13–15 with notes. 25 Zavarise’s habitual visits to Venice emerge right from the beginning of the dialogue, where he remarks, »Every time I come here (and I come here quite often) [...]« Giuliari’s relationship to Venice is not as clear, but that this is his first visit to the city seems implied in the dialogue’s opening anecdote, where Zavarisi claims that Giuliari’s behavior in the city is typical of one visiting for the first time. See below.
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made fuller or more correct than it was before.«26 Giuliari responds in the affirmative and asks Marcantonio in turn to describe in detail – in a formulation very similar to that used in the dedicatory letter – »what we owe to each of those who in modern times have aided the Latin language.«27 Marcantonio refuses to give his own opinion but offers to report a discussion he had heard on the matter earlier that year. Giuliari and Zavarise assent, and thus begins the inner frame, which is devoted entirely to exploring the theme introduced by Giuliari: the contributions of the humanists. The inner frame consists of two long, uninterrupted speeches on the various contributions of humanists to the renewal of classical Latin. As such it acts both as a monument to the achievements of humanists – i.e., their teaching and/or writings – and as an occasion for a critique of them. The two speakers are Benedetto Brugnoli,28 a long-time teacher of literature and revered master at the School of San Marco (where Sabellico also taught), and Battista Guarini,29 the son of Guarino of Verona, who is in the city as part of an official deputation from Ferrara under the leadership of Alfonso d’Este. Brugnoli concentrates on humanists from the founding of the movement to roughly the third quarter of the fifteenth century. Guarini’s speech continues from then to the present day, referring to many living and even untried, up-and-coming humanists, and is devoted specifically to the commentary genre and its authors. The episode is set under the portico of the Ducal Palace30 and is attended by »many learned patricians« and »not a few others who are utterly dedicated to philosophy and humanism.«31 Specifically named are: Marcantonio himself, Ermolao Barbaro, Girolamo Donà, Marco Dandolo, Sebastiano Priuli, Niccolò Lippomano, Daniele Ranier, and Filippo Buonaccorsi (a.k.a. Callimaco Esperiente).32 Once the central speeches have begun, the dialogue reverts briefly to the outer frame twice: first between the two speeches, and then after the second. In both instances, Marcantonio notes that the audience highly approves the speech just _____________ 26 Sabellico (1999), 86.10–12: »an in tanta novorum scriptorum copia quanta paucis annis in his studiis emersit, aut locupletior quam antea sibi latina lingua aut emendatior facta videatur.« 27 Ibid. (1999), 87.27–28: »quid cuique eorum, qui recentissimis temproibus latinam linguam iuvere, debeamus.« 28 On Brugnoli, see ibid., 91.3 ff. See also King (1986), esp. 342–43 (where he is called Brognoli). For a treatment of his teaching career, see Lowry (1979), 181–183 (where he is called Brugnolo). 29 On Guarini, see Sabellico (1999), 89.1 ff. See also Pistilli (2003). 30 Sabellico (1999), 88.25: »in vestibulo curiae.« For the meaning of this phrase and its origin in Livy, see ibid., 88–89, n. 4. »Under the portico of the Ducal Palace« is Margaret King’s translation: King (1986), 14. 31 Sabellico (1999), 89.5–91.3: »plerique docti viri patricii ordinis [...] et alii non pauci, praeter philosophiae studia humanarum etiam litterarum vehementer cupidi.« 32 The audience is described in 89.6 ff. Information and bibliography on these individuals is available in the editor’s notes to ibid., 88–91. Buonaccorsi is not mentioned in the initial roll call, but his presence is noted during Brugnoli’s praise of his contribution to humanism, 165.1 ff.
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given. The dialogue closes in typical humanist fashion, with Marcantonio urging his friends Zavarise and Giuliari – and implicitly the dialogue’s readers as well – to think for themselves about the issue at hand.33 Having completed this short summary and description of De latinae linguae reparatione, we can now undertake to explain why Sabellico chose to entrust his history of humanism to this structurally complex and seemingly top-heavy dialogue. My hope is that the work will as a result come to life as a most artful literary creation, and one worthy of deep respect and of much more attention than it has yet received. A few of the steps involved in this task will unfortunately require lengthy and sometimes repetitious considerations, and the exposition may come dangerously close to the loathsome business of explaining a joke. Whatever this procedure loses in charm, however, it will hopefully more than regain in clarity. To this end we will begin with some of the more basic and immediately intelligible devices in Sabellico’s literary arsenal, which are directly related to his portrayal of Venice as a setting for humanism. From there our interpretation will ascend to more complex stratagems, which our author uses to depict the history and character of the broader humanist movement, and which allow him to endow his creation with its most distinctive and pioneering feature: the criticism of his own contemporaries.
3. The Character of Venetian Humanism As we shall see later, Sabellico argues that the humanists’ enduring restoration of classical Latin was made possible by the modern innovations of printing and philology. The dialogue, therefore, could have no better setting than Venice. Although Aldus Manutius had not yet arrived on the scene, in the 1470s and ’80s printing and philology had already become a mainstay of the city’s cultural production and had reoriented its intellectual life.34 Sabellico begins his dialogue with an anecdote that illustrates this milieu and that sets the tone for the whole text. As Zavarise relates: Something that many people say happens to them also happened to our friend Giuliari. He wanted to take his time exploring everything on the Via Merceria, so early this morning I took him from the Fondaco dei Tedeschi down to the bookshops of the Rialto. Once there, neither plea nor reproof could get him to budge, and so I left him poring over the lists of books. What happened next I would have barely thought possible: much later in the day, while heading from San Marco to a personal engagement, I found him still standing on just about the same spot, even more engrossed than before!35
_____________ 33 See n. 99. 34 See King (1986), 234 and 238 and Cox (2003), 675–678. 35 Sabellico (1999), 85.5–86.4: »Quod cum plerique alii sibi evenire aiunt, tum Iuliarius hic noster, quem vix hodie a prima luce ad tertiam diei horam a germanico emporio, dum omnia Mercaria
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This anecdote is wedged between two praises of the city and accrues greater meaning when read in their context. Zavarise’s first words are: It’s certainly as you like to say, Marcantonio: either Venice is the only city in the modern world, or no other compares to it in terms of magnificence and wealth. Every time I come here (and I come here quite often), its very aspect strikes me more than before and seems somehow more wonderful.36
Thereupon follows the anecdote about the bookshops, to which Marcantonio responds: The spirit of the city does that, Zavarise, and its grandeur and even its beauty are enhanced quite a bit by the fact that everything is available. The bulk and the variety of the offerings always present some novel sight to those laying eyes on it for the first time.37
Right from the outset, then, the reader learns three things: (1) Venice is so magnificent and rich that even a foreigner is willing to describe it as the capital of the world; (2) a central component of its grandeur is that everything can be found there; and thus (3) one can always find something new. Only one specific example of Venice’s abundance and novelty is offered – printed books – and therefore these become emblematic of Venice’s greatness. It is symbolic that on his first visit to the city, Giuliari does not even make it to San Marco (located right down the Via Merceria), nor does he visit the other shops in which »everything is available,« but rather stands rooted in one spot all day browsing the new titles – something he apparently cannot do in his native Verona. Although Venice is special for many reasons, it is its abundance of printed books that dazzles a humanist bibliophile and thus that makes it a warm home to humanism. Complementing the availability of books is the freedom to be found in Venice, and this, too, is a characteristic of humanism there. In the dedicatory letter, Sabellico notes that Morosini often claims to be especially grateful for three things: that he is a witness to the renaissance of letters, that he is a human being, and that he was »born in a free city.«38 We might be inclined to disregard such a statement as the patriotic bravado of a leading patrician, but the same theme is later sounded in the inner frame by the foreigner Battista Guarini. When Brugnoli _____________ via per ocium cupit explorare, ad sublicii pontis bibliopolas traduxi; ubi, quia neque hortatione neque convicio inde avelli potuit, librorum indicibus haerentem a me relictum ad multam diem, quod vix unquam eventurum putassem, quum ex foro me ad privatum hospitem reciperem, eodem pene vestigio stantem sed adhuc magis occupatum offendi.« 36 Ibid., 85.1–5: »Sic certe res habet, ut tu praedicare soles, Sabellice: aut unae sunt hodie in toto orbe Venetiae aut nulla urbs alia, quam splendore et opulentia huic praeferre possis. Numquam huc accessi (accedo autem saepissime) quin ipsa civitatis facies mihi maior solito occurrat ac quodammodo admirabilior.« 37 Ibid., 86.5–8: »Habet id urbis genius, Savarisi, augetque non parum amplitudinem et formam ipsam incredibilis rerum omnium apparatus, cuius tam magnitudo quam varietas novum semper aliquod primo intuentibus obiicit spectaculum.« 38 Ibid., 83.6–8: »post duo praeclara naturae munera, quod et homo et quod proximum illi est in libera esses civitate natus, nihil maius te habere [...]«
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asks him to give the second speech, specifically enjoining him to treat humanist commentators, Guarini airs doubts about his competence and reminds his audience that he need not speak at all: Before being burdened with such a heavy task, I think we ought to ask whether I am the right person at all to pass judgment on so many illustrious men. You want to assign me to a public office as if everything were in order, when actually the parameters of the job have not even been defined yet. You are going about it in a friendly enough way, but you are also being imperious, and I think it is because you deem it safer to assign a foreigner than a citizen to a job (officium) that no one would ever willingly perform. But remember that we are in a free city, where everyone lives equally under the law, and I, although a foreigner and no citizen (as if excluded by the Lex Papia), could refuse this duty (munus) you have assigned me.39
Having asserted his right not to speak, Guarini indirectly suggests that when he does give his opinion (nostra sententia)40 it will be truthful. The laws of Venice guarantee that when people speak they do so freely, and that both citizens and foreigners are free to speak their minds. Guarini’s comparison of his speaking to the performance of a public office is no idle metaphor, but rather, as attention to the setting shows, is intended to illustrate the place of humanism in public life in Venice. Let us recall that the inner frame of De latinae linguae reparatione is set under the portico of the ducal palace, the residence of the Doge and the home of the city’s political institutions. A more public place, and one more closely affiliated with public office, cannot be imagined. This stands in contrast to other humanist dialogues, which generally take place in private settings and thus indicate (at least indirectly) the private nature of free expression. Indeed, it stands in contrast to the entire literary tradition in Italy from the fourteenth to the sixteenth centuries.41 Whether we think of Boccaccio’s Decameron, Bruni’s Dialogi, or Castiglione’s Cortegiano, the free expression of opinion is inversely related to the presence of figures and settings of political authority.42 The intensely private and even secret nature of speaking _____________ 39 Ibid., 169.6–14: »Oportuit, credo, prius quaerere an is omnino essem, qui rectum de tot viris illustribus iudicium ferre possem, quam nobis tam grave onus imponeretur, sed quasi omnia adessent, provinciam nondum etiam decretam me obire voluisti satis quidem amice sed imperiose nimis, verum idcirco, credo, quia tutius sit peregrinum hominem quam civem ad officium minime voluntarium compellere; sed memineris nos in libera civitate esse, ubi aequo vivitur iure, possemquo ego, quasi lege Papia civium numero exclusus, istud ipsum munus detrectare« (emphasis mine). 40 Ibid., 169.16–17. 41 An emblematic example of changes in the sixteenth century is Cosimo I de’ Medici’s reorganization of the hitherto private Accademia degli Umidi into the state-sponsored Accademia fiorentina in Florence. The Duke’s purpose was not only to direct the academicians’ efforts to his own propaganda ends, but also to monitor the opinions of Florence’s intellectual elite. See Sherberg (2003). 42 The characters in the Decameron enjoy greater freedom of behavior and expression only after they leave Florence; Bruni’s Niccoli outspokenly criticizes the Three Crowns of Florence at the home of Coluccio Salutati, and the discussion is continued on the grounds of the wealthy Rob-
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one’s mind is perhaps best illustrated by the title of the first humanist dialogue: Petrarch’s Secretum. Sabellico’s use of such a public and political setting is nothing short of extraordinary, and it is meant to illustrate equally the high degree of freedom of expression guaranteed in Venice and the public nature of humanism there. The studia humanitatis had relatively little purchase in Venice until the mid-Quattrocento, at which time it was institutionalized in the form of the San Marco School and became the standard of the chancery.43 In Sabellico’s dialogue, it is precisely the master of the San Marco School, Benedetto Brugnoli, who enjoins Guarini to take up the munus or officium (duty or office) of describing and praising the most recent development in humanism – the commentary – which through philological scholarship and printing had a special relationship to Venice.44 Participating in Venetian humanism is thus like assuming a public office, an office that is open to citizens and foreigners alike and whose task, like Sabellico’s dialogue, includes some praise of the city.45 The nature of the audience and the circumstances attending Brugnoli’s and Guarini’s speeches adds another element to the presentation of Venetian humanism. Marcantonio notes the presence of »many learned patricians«46 at the debate, specifically naming Ermolao Barbaro, Niccolò Lippomano, and other representatives of the city’s cultural elite. He describes the scene thus: All these men just happened to meet under the portico of the ducal palace, each one there for a different reason. When I arrived after seeing to various pieces of business, they had already fallen into a discussion about writers who in recent times had made a contribution to the Latin language. I found myself surrounded by many of the more passionate enthusiasts of our literature, and I was warmly welcomed by the whole group.47
The whole affair arises spontaneously. An informal discussion about humanism is presented as a casual and natural past-time for Venetian patricians taking a break from their official business. Moreover, these »learned patricians« are identical with »many of the more passionate enthusiasts of our literature.« Humanism, therefore, is no eccentric accoutrement of a minority of the elite but rather a fully_____________
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erto de’ Rossi’s private estate; as Daniel Javitch has pointed out, »One of the chief novelties of the Cortegiano [...] is that it set forth an art of conduct tailored to the social and political exigencies of Renaissance despotism.... Castiglione’s speakers rarely disregard the real constraints of the autocratic political order to which the courtier belongs« (see Javitch [2002], at 319–320). See Cox (2003), esp. 675–677. For the San Marco School, see Ross (1976); and for a summary, Grendler (1989), 62–63. Sabellico (1999), 168.7–169.1. In this connection we might notice that the action of Sabellico’s dialogue mirrors the circumstances of its composition: a foreigner in Venice uses his humanistic prowess to serve the city. On the presence of foreign humanists in Venice, see King (1986), 232. Sabellico (1999), 89.5: »plerique docti viri patricii ordinis.« Ibid., 91.5–10: »Tot viri tum forte in vestibulum curiae convenerant, alii alia credo de causa, eratque iam coeptus habei sermo de his qui recenti saeculo aliquid in communem latinae linguae usum edidissent, quum illis et ipse diversum negocium secutus superveni, erantque mecum nonnulli nostratium litterarum sante studiosi; hic ego ab universo coetu familiari vultu acceptus.«
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integrated component of its higher cultural stratum. And when this elite finds itself at leisure, it will naturally begin discussing what is on everyone’s mind: Latin humanism. This portrayal of the otiose patrician class might seem fanciful, but we know of other such gatherings in this period from Lauro Quirini, Ermolao Barbaro, and others. Furthermore, Sabellico alludes to other episodes of this kind in his dedicatory letter, where he notes that his patrician dedicatee Morosini often discusses humanism with »the large groups and rather full circles of learned men with whom [he] so eagerly mingle[s] whenever time permits.«48 De latinae linguae reparatione acts as a photograph of the cultural milieu in which these circles flourished.49 By using Venice as the background setting for his dialogue, Sabellico puts the issue of Venetian humanism, although never explicitly raised, in the foreground of his work. Through the details of setting and the casual conversation framing the primary content, he praises the city as one inordinately welcome to humanism: it has a thriving book trade and printing industry unparalleled in the world; it safeguards free expression; and its ruling class treats the new literary culture as a primary (pre-)occupation. None of this praise, however, appears in the substance of the two long speeches of the inner frame, where the contributions of the great humanists are enumerated. The advantage of this indirect praise of Venice is that, being inconspicuous, it is less likely to be challenged or dismissed as the product of bias or sycophancy. What is more, because of the vividness and immediacy of the setting in a dramatic work, it persists in the main speeches without needing to be named. When Guarini ends up intoning the importance of philology, commentaries, and printing, it seems only natural that the dialogue takes place in Venice, the city where all three were equally cultivated. And when he indicates, as we shall see below, that these developments are central to the continuance and success of humanism, he argues equally, although silently, for the city’s exceptionalism within the context of the movement.
4. The History and Development of Italian Humanism Sabellico’s central aim in De latinae linguae reparatione is to depict the essence and history of the greater movement of Italian humanism. To this end he continues to rely on the most basic elements of the dramatic form, namely setting and characters, but he also utilizes more sophisticated literary techniques to move his argument forward. Three can be identified that are related to the dialogue’s struc_____________ 48 The quote from Sabellico’s dedicatory letter comes from ibid., 83.3–18, the full text of which is given below (n. 51). For the testimony of Quirini, Barbaro, and Matteo Collazio, see King (1986), 14–15. A gathering similar to that reported by Sabellico is also known to have been hosted by Filippo Buonaccorsi during his residence in Venice in 1486, on which see Bottari (1999), 31–32. 49 Cf. Lowry (1979), 189.
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ture and action. First, Sabellico repeats key themes on all the text’s three levels (dedicatory letter, outer and inner frames) in order to illustrate the cultural meaning of humanism. Second, when dealing with the history of humanism and dividing it into distinct varieties, he designs the very form of his work to reflect and to reinforce its contents, as well as to give them deeper meaning. Finally, he develops the exposition of important but delicate issues by degrees throughout various stages of the dialogue’s structure and at different points in its action, thereby easing the reader into their complexity and assuaging potential contentiousness. Sabellico’s repetition and reformulation of specific themes on various levels of the dialogue might at first seem repetitive and thus boring or artless (as it initially seemed to this reader, at any rate), but it is actually a strategy for reinforcing key aspects of his view of humanism. Specifically, the dedicatory letter and the outer and inner frames contain almost identical observations on the history of Latin, especially on the language’s decline, the centuries in which it lay in the sordid »squalor« of »barbarism«, and the contribution of the »men of our age« to its »restoration.« A review of the relevant passages will demonstrate the similarities. At the beginning of the dedicatory letter to Morosini, Sabellico writes in his own name: To this day, oh most famous Morosini, many have often heard you professing to the large groups and rather full circles of learned men with whom you so eagerly mingle whenever time permits, that after two excellent gifts of nature – that you are a human being and, almost as important, that you were born in a free city – you have nothing more important for which you ought to give thanks to God than that you happened to be born in this very age, a time in which you have seen classical Latin saved by the efforts of a few men from all the filth and awful barbarity in which it had long lain in darkness, neglected and nearly dead. Likewise they have heard you marvel at and praise the talents of the moderns, which, if they cannot rightly be compared with those of the ancients that once flourished in that most learned age, certainly ought to be given boundless praise for having undertaken to free the glory of Rome from its ancient servitude, a thing that for many centuries was either neglected on account of the baseness of men or in no way attempted because of their hopelessness.50
In the outer frame Giuliari exults: _____________ 50 Sabellico (1999), 83.3–18: »Fuerunt ad hunc diem non pauci, Maurocene vir clarissime, qui te celebri doctorum hominum coetu circulisque frequentioribus, quibus, si quando per ocium datur, opportune admodum insereris, saepius praedicantem audivere, post duo praeclara naturae munera, quod et homo et quod proximum ille est in libera esses civitate natus, nihil maius te habere, quo nomine Deo optimo maximo gratulari oporteat, quam quod hac potissimum tempestate nasci contigerit, qua paucorum hominum industria romanam linguam, quae diu inculta ac pene extincta in tenebris iacuit, ab omni sorde diraque barbarie servatam videres. Mirarique proinde te ac vehementer probare recentiorum hominum ingenia, quae si non ea sint, ut cum veteribus illis quae eruditissimo olim saeculo floruerunt merito conferri possint, at certe immodicis ob id laudibus efferenda, quod romanum decus vetusto vindicare servitio sint adorta; rem multis aetatibus aut hominum ignavia neglectam aut desperatione minime tentatam.«
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Patrick Baker As you say, Marcantonio, there are many who have recently lent aid to classical Latin in one way or another; for beyond the fact that everything is being issued on the whole in a more correct form, new things are being published daily for the common benefit of all. And if they are not of such a kind as to make up fully for the diminution our language suffered in the time of the Goths, they nevertheless relieve the poverty and destitution which that awful calamity brought to the name of Latin. That evil disrupted everything so violently that only now are we finally recovering with difficulty from the destruction that took place so long ago. The men of our time, then, have achieved something: on account of them we have regained the shadow and true name of Latin, if not the thing itself, for under their command and direction classical speech has escaped from all the squalor, all the barbarity in whose dregs it had long been sunk. Therefore I am accustomed to think myself particularly blessed, and I give thanks to nature that I happened to be born in this very age. Even if the language is not flourishing as it once did, or is not of the kind which the Golden Age, in which so many great men shone at once, left to posterity, we see that it is better and has somehow been completely restored.51
This very same view is substantially repeated later in Brugnoli’s speech in the inner frame, although this time delivered with greater awareness of the attendant historical circumstances and a more precise explanation of the mechanisms involved. The transfer of the imperial capital to Byzantium deprived Rome of much splendor and dignity, and thereupon many other disasters followed one upon another in succession: Goths, Huns, and Longobards laid waste to many parts of Italy with their abominable ravaging. But the first of these peoples was quite more dreadful and dangerous to Roman power, for forgetting all divine and human law they proudly and crudely won their victory. Unspeakably they kept their hands from no human bloodshed, no temples, no place at all either sacred or profane. The barbarian heedlessly desecrated everything human and divine. But these events, being in the hands of fortune, are perhaps less to be mourned. The greater misfortune, more worthy of grief and lament, is that no hope was left to posterity. For once Rome was taken, not only were its citizens expelled and its public and private monuments disfigured, but also the divine treasury of its literature – which if it alone had remained intact could have acted as a symbol for the rest of Roman civilization – together with public and private libraries was lost to flames and plunder […]. Eventually the barbarians were defeated and left Italy, but the deformity of language that had taken root everywhere did not cease. Rome regain-
_____________ 51 Ibid., 86.13–87.17: »Sunt non pauci, ut dicis, Sabellice, qui alia atque alia via romanas litteras nuperrime iuvere; nam, praeterquam quod omnia fere emendatiora occurrunt, non desunt qui quotidie aliquid novi in communem usum proferant. Quae, et si non sunt talia, ut iacturam illam, quam nostrae litterae gothica tempestate fecere, omnino resarciant, levant tamen inopiam et egestatem, quam dira illa calamitas latino nomini attulit. Quod malum ita violenter omnia invaserat, ut a clade illa longe vetustissma aegre ad hos annos respirare sit datum. Aliquid igitur effecerunt nostrorum temporum viri, per quos si non rem ipsam, umbram tamen et verum latinitatis adhuc nomen retinemus, si quidem horum ductu et auspiciis romanus sermo omnem exuit squalorem, omnem barbariem, quibus sordibus diu fuerat immersus. Soleo iccirco me beatissimum putare ac naturae gratias agere, quod hac potissimum tempestate nasci contigerit, qua si non linguam ipsam florentem ut olim, aut qualem aetas illa aurea, qua tot viri summi una claruere, posteritati tradidit, meliorem ac quodammodo omni ex parte instauratam videremus.«
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ed a certain amount of its refinement and splendor, but not its proper form of speaking, and soon after barbarian filth had infiltrated its ruins no consideration for correct speech, no desire for the prior form of the language could be found in anyone […]. To tell the truth, after that most destructive of times until about fifty years ago it was impossible to find anyone who could speak classical Latin. Or, if there was someone who was able to do it, he was not understood by his listeners any better than if he had spoken some foreign language. This misfortune lasted up until our own time, but now I shall briefly say who were the first of all to endeavor to wake Latin from its long sleep and thence to restore it to a better condition.52
In these three passages humanism is consistently portrayed as the quest of a few great men to save classical Latin once and for all from the barbarism introduced by the ancient Gothic invasions. Humanism is thus the hallmark of the first age of cultural excellence after a millennium of decline,53 albeit one that might not live up to the greatness of ancient Rome. The upshot of its triple iteration is that this view of humanism is bolstered by its apparent acceptance on the part of several different people of varying degrees of authority and sophistication, as well by the fact that these various individuals seem, through the structure and the drama of the dialogue, to have arrived at it independently of one another. First there is Marco Morosini, a Venetian patrician of high standing and noteworthy involvement in Venetian humanism,54 who is known to profess such ideas often in the _____________ 52 Ibid., 94.19–96.3: »Ademerat romanae urbi multum splendoris et dignitatis imperii sedes Bizantium translata; secutae inde clades multae aliae post alias: Gethae, Hunni, Langobardi pluribus locis Italiam foeda populatione vastarunt, sed primae illae gentes dirae nimis romanoque nomini infestae, quippe quae omnis divini et humani iuris oblitae superbe et crudeliter victoriam exercuere. Non hominum caede, non templis, non sacro ullo loco aut prophano infandae manus abstinuerunt; omnia divina et humana barbara prophanavit temeritas, sed haec, quia in gremio fortunae sita, minus fortasse lugubria, illa clades multo maior, illa et dolore et lamentatione dignior, quod Urbs capta non solum civibus est exhausta, publicis privatisque operibus deformata, sed divino etiam litterarum thesauro, qua una re incolumi caetera suo stare vestigio videri potuissent, bibliothecis publicis et privatis flamma vel rapina consumptis, nihil spei reliquum posteris facere […]. Victi italis finibus barbari cessere, sermonis foeditas quae passim inoluerat non cessit; recepit aliqua ex parte Roma suum cultum et nitorem, loquendi proprietatem non recepit, et brevi, ubi semel foeda illa barbaries se illius ruinis insinuavit, nulla veri sermonis cura, nullum prioris linguae desiderium incessit quemquam […] iam enim (si vera loqui volumus) nemo post funestissima illa tempora ad annum hinc circiter quinquagesimum romana locutus lingua videri potuit, aut si quis extitit qui potuerit id praestare, non magis est inter suos auditus, quam si ignoto aliquo sermone fuisset locutus. Extendit se igitur calamitas illa ad haec usque tempora, sed nunc qui primi omnium illam diu sepultam suscitare adorti sint, inde per quos sit in meliorem statum restituta breviter dicam.« 53 Brugnoli makes this periodization explicit shortly after the section of his speech cited above. See ibid, 97.4–98.1: »[Barzizza] was the first, as I hear, to cast his glance on the shadow of ancient eloquence [...] after things had always gotten worse for over a thousand years after the Gothic tempest had seized Italy« (»[Barziza] primus omnium, ut audio, ad veteris eloquentiae umbram [...] oculos retorsit, quum mille et amplius annos ex quo gethica illa tempestas terram Italiam invaserat semper omnia in peius abiissent«). 54 Although Morosini appears to have written nothing beyond letters, his library, his Latin style, his patronage, and his involvement in humanist circles all show him to have played an important
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full company of »learned men.« i.e. humanists. Then there is Giuliari, a foreigner but nonetheless a humanist of no little renown in his native Verona and thus a valuable independent witness to the same paradigm. Finally, Benedetto Brugnoli, the beloved and revered master of the San Marco School, offers his own confirmation, and he does so in the company of a large and approving audience. The conception of humanism proposed in De latinae linguae reparatione thus seems to transcend the opinion of its author or any one of its characters; rather it appears to be the common consensus of an entire learned milieu. Moreover, Brugnoli’s subsequent identification of the events and mechanisms of historical change (invasion, destruction of infrastructure and libraries, and the resulting oblivion of past culture) make for a more convincing case. What is at first described as the musing of a patrician dilettante and the optimistic excitement of a random foreigner receives reasoned confirmation in the dispassionate explanation of Venice’s most respected teacher. Sabellico gives definite contours to this general view of culture and barbarism in the two long speeches that make up the inner frame of his dialogue. There, in addition to narrating a coherent history of humanism comprising several developmental stages, he uses the very structure of the speeches themselves to refine that history further into two basic periods fundamental to the state of the Latin language. After beginning with the history of the decline and fall of Latin, the first speech, by Benedetto Brugnoli, describes the foundation of humanism (first and foremost with Gasparino Barzziza and then Leonardo Bruni and Poggio Bracciolini55), the early years of longing for good Latin (in Pier Paolo Vergerio, Francesco Barbaro, Guarino Veronese, and others56), the turning point in truly recovering classical style (in Lorenzo Valla57), and the first generation of more-or-less proper speakers of the language (in Valla’s contemporary admirers and students58). The second speech, pronounced by Battista Guarini, is devoted to a new, philologically-oriented humanism, whose greatest heroes are renowned scholars and teachers like Domizio Calderini, Giorgio Merula, and Angelo Poliziano,59 whose distinctive genres are the commentary and the text edition, and whose future is set to explode in a young generation of up-and-coming aesthetes armed with the new technology of printing. By dividing his subject matter in this way, Sabellico indicates that despite the nuanced history60 of generational development articulated by Brugnoli, the relevant distinction in humanism is that between a _____________ 55 56 57 58 59 60
role in Venetian humanism. See King (1986), 410–412. Note esp. on 411 the sheer number of works dedicated to him. See Sabellico (1999), 96.16–105.8. See ibid., 106.1–121.5. See ibid., 121.5–124.5. See ibid., 124.6–167.2. For Calderini, see ibid., 171.15–176.7; for Merula, 177.1–178.5; for Poliziano, 191.6 ff., 193.2– 195.3. Pace Ferraù (1979), 21, who claims that Sabellico’s De latinae linguae reparatione lacks a precise chronology and understanding of the historical development of humanism.
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philological age of printed books, on the one hand, and everything that had led up to it, on the other. So much is indicated by Brugnoli himself at the end of his speech, where he in effect sets up the next one: I knowingly passed over many who have pursued a totally different tack in our enterprise, and who might seem to have done not less but, as I think, maybe even more for Latin studies than those whom I did mention. But since the burden of advancing age has caused me to abstain from reading their works, which are a kind of gloss appended to the verses of the poets, I have nothing to say about them. There are others here, though, who are quite able to take up the task […], so ask them to say what remains to be said about the renewal of classical Latin.»61
Thus the older generation’s arbiter of excellence identifies and respects the new development in humanism, but he is at a loss to say anything about it. It is up to Guarini to explain the import of commentaries, this »kind of gloss appended to the verses of the poets.« Guarini begins his speech with a soliloquized mini-debate on the uses and disadvantages of the commentary genre. After going through several arguments pro et contra, he concludes that it is not only useful but essential to the sustained development and permanent success of the humanist project: If the industry of the moderns had not also used this tool [i.e. the commentary] in its recovery of things that had gone lost, then those who have worked to redeem classical Latin would remain unknown. For they would be well enough hidden if they were understood by no one or by as few as possible.62
The point is that commentaries conserve and gather into one place the discoveries and teachings of previous humanists. If there were no such repositories for knowledge, then the movement never would have spread as it did, nor could it be made permanent. Commentaries and printing work hand in hand to achieve these goals. Guarini notes that »the quantity of books now available did not exist in the beginning, nor did each person have the ability to furnish a library for himself out of this abundance.«63 But now that »this marvelous and fast method of printing has given birth to such a great quantity of books in such a short time,«64 classical _____________ 61 Sabellico (1999), 168.7–17: »Praeterii, sciens, multos qui diversa omnino meditatione ad hoc ipsum efficiendum usi, non minus, ut arbitror, ac nescio an etiam plus aliquid quam illi quorum mentionem feci, latinis studiis profuisse videri possunt, verum quia illorum quasi glossemata quaedam poetarum carminibus cohaerentia, quorum lectione ob aetatem iam ingravescentem consulto abstineo, non habeo quid de his dicere possim. Sed adsunt hic plerique, qui id commodissime praestabunt [...] ab illis igitur quae adhuc de romanae linguae reparatione dicenda restant quaerite.« 62 Ibid., 171.4–7: »quod nisi recentiorum industria hac quoque parte fuisset perditis rebus opitulata, in obscuro adhuc essent illi per quos romanam linguam vindicari oportuit. Satis enim laterent, si a nullo aut a quam paucissimis intelligerentur.« 63 Ibid., 170.29–171.2: »Nam et ab initio neque ea quae nunc fuit librorum copia, nec omnibus in hac quoque ubertate bibliothecae sibi parandae est concessa facultas.« 64 Ibid., 170.4–5: »tanta librorum copia, quantam paucis annis miranda haec succinctaque imprimendorum librorum ratio peperit.«
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Latin finally has a chance once again to become standard. It need no longer rely on the fortunes of individual teachers, students, and enthusiasts, but rather can travel quickly, far and wide, independent of circumstance. If the job of humanism is to secure the flourishing of Latin and its literature, then only its more recent developments will allow it to succeed. The central importance of commentaries and printing to humanism emerges from the interplay between the dialogue’s form and its content. The history and development of the movement described in the speeches is also exemplified by them, thus receiving reinforcement and deeper meaning. Yet Sabellico goes even further. As noted at the beginning of this essay, one of the oddest things about the dialogue is that it contains so little in the way of give and take.65 In the two speeches of the inner frame, Brugnoli and Guarini do not so much talk to each other as next to one another; they give complementary orations that have no common points of contact. Why? Rather than staging an actual conversation between them, Sabellico turns his speakers into personifications of the two discrete types of humanism described above: an older one devoted to a mission of linguistic recovery by means of manuscript hunting and the restoration and broad diffusion of the canons of rhetoric; and a newer one occupied primarily with conserving and improving upon past progress by means of printed philological commentaries on the ancient authors. On the one hand, the old has »nothing to say« about the hallmark of the new.66 On the other hand, the new, in its ability to speak about both kinds of humanism – literally, in Guarini’s one-man disputation – shows both that it has transcended the old, and (based on the arguments given in its own defense) that it alone is capable of completing early humanism’s project of latinae linguae reparatio. A true dialogue between the old and the new forms of humanism thus does not take place for two reasons: first because it is unnecessary – the old form is archaic and the new has the answers; and second because it is impossible – because the old is incapable (by Brugnoli’s admission) of communicating about it with the new. This radical and vivid distinction between evolutionary stages of humanism is what Sabellico gains from his apparently non-dialogic dialogue. Another way Sabellico manipulates his literary medium to transmit his message about humanism is to divide that message into stages that develop across the outer and inner frames, thereby making meta-arguments that transcend the utterances or even awareness of his characters and that can be perceived only by a reader who considers the work as a whole. Guarini’s repeated mention of the »great quantity of books now available« will lead us back to the beginning of text, where Marcantonio began the outer frame’s discussion with a similarly phrased _____________ 65 As David Marsh notes, »the Greek word dialogos connotes an investigative discussion – as distinct from a simple conversation, or logos – among a number of persons« (Marsh [1999], 2). It is questionable whether Brugnoli and Guarini even have a »simple conversation.« 66 It should be noted for the record that Brugnoli would actually go on to edit one of the greatest commentaries of the age: Niccolò Perotti’s Cornucopia. See King (1986), 342.
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question: »whether in the great mass of new writings which have appeared in our studies in the last few years, the Latin language seems to have been made fuller or more correct than it was before.« Only now, at the beginning of the inner frame’s second speech and after a full treatment of the greater part of humanism’s history, is the reader prepared for a more sophisticated answer than the one initially given. At the beginning the answer was simply ›yes‹, now it contains ›yes‹ and ›why‹. The reader also understands at this point that the question has a deeper meaning than the one it first seemed to convey. Whereas it initially appeared that Marcantonio was asking Giuliari primarily about Latin (since that is how Giuliari responds), we now see that he was also asking about the status of the new kind of humanism (characterized by printing, commentaries, and text editions) versus the old (whose project was to rouse Latin from its long, barbarous sleep). This mechanism serves both a didactic and a strategic purpose: didactic in that it prepares (educates) the reader for a more sophisticated examination of a complex issue, strategic in that it eases the reader into the discussion of a delicate question. The development of philological humanism might not seem so sensitive to us, but Guarini leaves no doubt that he is handling a hot potato: First of all, friends, I think we should ask – and I see it is a common issue for learned men to debate – whether it is worth the effort at all to provide ourselves with commentaries on the ancient poets. Although many people exult in having composed them, others not only do not praise them but even disparage them, and they deny to the utmost [...] that true scholars have ever needed such detailed treatises, since such men, if they were only willing to do a little work, would discover everything more correctly for themselves.67
Thereupon Guarini pronounces his mini-debate, beginning with a whole host of objections to commentaries, which are then confounded. Of course, Marcantonio and his Veronese friends could have made the exact same arguments in an actual debate, and thus in a more lively form, in the outer frame at the very outset of the work. There, however, it might have seemed presumptuous. For one thing, it would not have benefited from Guarini’s authority, who as the scion of the greatest humanist teacher68 and a proponent of a theory of education favorable to commentaries,69 is the perfect character to deliver such arguments.70 But what truly eases the way for the praise of philological humanism and printing is that it follows after a very long speech praising the efforts of the older kind of humanism, a _____________ 67 Sabellico (1999), 169.21–170.7: »Primum itaque omnium illud quaerendum arbitror, viri amicissimi, de quo inter doctos quaeri solere video, fuerit ne operae precium id facere, ut in veteres poetas, quod plerique praestitisse gloriantur, commentarios ullos haberemus. Nec desunt qui id non solum non laudent, sed vituperent etiam maxime negentque [...] curiosiore ulla commentatione studiosis hominibus opus fuisse, quippe qui per se omnia, si paululum adniti voluissent, rectius explorassent.« 68 According to Brugnoli’s speech. See ibid., 111.3–115.8, where he is paired with Vittorino da Feltre and ultimately judged superior. 69 See Guarino (2002), par. 30 (294 f.). 70 Guarini’s aptness is also noted by Lo Monaco (1992), at 108, n. 8.
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speech whose purpose was to say »what we owe to each of those who in modern times have aided the Latin language.« By presenting the arguments as he does, Sabellico is able to show his appreciation for the new while not disparaging the old. He praises early humanism while at the same time showing why it is insufficient and why only the new generation can finish its project; he praises the young and the novel while showing respect for the old and the obsolete. Sabellico uses the same basic technique to approach what is perhaps the thorniest of all the questions explicitly raised in the text: whether Latin has indeed ascended to its ancient heights, or whether it has merely been saved from murky barbarism. This question is difficult in part because it contains within itself the issue of humanism’s actual success, but mostly because it touches on the status of antiquity vis-à-vis modernity. Although ancient Rome and its Latinity were ideals held up for imitation and even emulation, humanists are cautious about claiming success in that regard. Thus in his coeval dialogue De hominibus doctis, Paolo Cortesi calls the humanists »learned men« (homines docti) as opposed to »orators« (oratores), thereby indicating their distance from the model they sought to imitate (in his case the ancient orator Cicero).71 And although Cortesi seems to imply that his generation might have equaled the ancients, he leaves the reader wondering about his final position.72 Sabellico does not. The status of humanist Latin is shrouded in ambiguity at the beginning of the text. In both the dedicatory letter to Morosini and in Giuliari’s response to Marcantonio in the outer frame (both of which we saw above), praise of the current age is tempered with a recognition that the times still might not match up to Roman antiquity. Morosini’s stance on the inimitability of antiquity is clear, as seen in Sabellico’s dedication to him: you [...] give thanks to God [...] that you happened to be born in this very age [...]. Likewise [...] you marvel at and praise the talents of the moderns, which, if they cannot rightly be compared with those of the ancients that once flourished in that most learned age, certainly ought to be given boundless praise [...]73
Giuliari’s misgivings are similarly phrased, yet they take a final turn upward: Therefore I am accustomed to think myself particularly blessed, and I give thanks to nature that I happened to be born in this very age. Even if the language is not flourishing as it once did, or is not of the kind which the Golden Age, in which so many great men shone at once, left to posterity, we see that it is better and has somehow been completely restored.74
Both men cast doubt on the excellence of modern times, but Giuliari, undoubtedly excited by his first trip to Venice and the city’s bibliographic abundance, suggests that Latin has been restored (instauratam). This optimism immediately earns the rebuke of the more sober Zavarise: _____________ 71 72 73 74
See Ferraù (1979), 9, n. 10 and the corresponding passage in Cortesi (1979), 110. See Baker (2009), 156–162. See above, n. 51. See above, n. 52 (emphasis mine).
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Don’t say ›restored‹ (instauratam), Giuliari, but rather ›patched up‹ (resartam). Neither you nor anyone of our time, nor, to speak more boldly, will any living person ever see the restoration of Latin. Who does not see that all human affairs have fallen into decline? It would be incredibly difficult for things to change for the better.75
Giuliari graciously acknowledges his friend’s point, saying »surely you are right about these things, Zavarise« and suggests that they postpone to another time the discussion of »how properly to name the current progress in letters.«76 Marcantonio does not intervene, and, unfortunately for the reader, this discussion is never taken up again. The question is therefore left hanging, but it is nevertheless answered indirectly in the course of the dialogue.77 It would initially seem that Sabellico, with his title De latinae linguae reparatione, takes Giuliari’s side. After all, reparatio is essentially a synonym for instauratio, both of them meaning primarily »restoration« or »renewal.« Reparatio, though, could also have the more generic sense of »recovery«, in which case it would lie somewhere in between Zavarise’s raggedy resartam – patched up, or mended – and Giuliari’s triumphant instauratam – restored, or renewed. The solution to this linguistic riddle comes at the end of the text, when Marcantonio finally – and oh so subtly – weighs in on the initial controversy. After he has finished recounting Brugnoli’s and Guarini’s speeches, Marcantonio briefly turns to Giuliari and Zavarise to close out the dialogue: »Dearest of friends, I believe you have now heard what you were so eager to know de latinae linguae instauratione.«78 By having his own character use the exact same phrase found in his title, but with the substitution of Giuliari’s instauratio for his own reparatio, Sabellico shows that the two terms are indeed interchangeable and that he believes Zavarise is wrong. There is no longer any doubt; Sabellico proclaims the full restoration of classical Latin in his time. The meaning of this restoration, however, is circumscribed by its diffusion. As is clear in both Morosini’s and Giuliari’s positions, the modern era lacks the lustre of the Golden Age of antiquity, »in which so many great men shone at once« and the language flourished. Thus Latin has been restored technically – in the sense that the technique of writing and speaking correct Latin has been regained – but it is still not as diffused as it was in the period of Roman greatness. So while Zavarise is wrong to think that no one will ever see the restoration of Latin, his point should still be taken that »it would be incredibly difficult for _____________ 75 Sabellico (1999), 87.18–22: »Resartam potius, Iuliari, instauratam ne dixeris. Quod neque tu neque aequalium quisquam et, ut audacius dicam, ne mortalium quidem ullus videbit unquam. Sunt – quis non videt? – humana omnia in lapsum prona, sed quae in melius mutentur difficiliima.« 76 Ibid., 87.3–4: »Recte quidem ista, Savarisi, sed quo nomine successus hic litterarum appellandus sit, quum maius ocium nacti erimus licebit cognoscere.« 77 Pace Lowry (1979), 29, 37, who criticizes Sabellico for, in his view, not answering the question at all. 78 Sabellico (1999), 204.2–4: »Habetis, reor, viri amicissimi, quae de latinae linguae instauratione tanto opere audire optabatis« (emphasis mine).
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things to change for the better.« This is the task that stands before humanists present and future: to use the innovations of the current generation to re-establish classical Latin’s cultural empire. One might wonder why Sabellico chose to reveal his own opinion in this indirect and apparently convoluted way. Would it not have been easier, after all, for him to pronounce it clearly, either by including a programmatic statement in his dedicatory letter or by having Marcantonio interject in the initial discussion? If we imagine these possibilities, however, we immediately see their difficulty: Sabellico’s opinion on the matter would be just that; an unfounded opinion. Moreover, it would almost certainly have seemed arrogant with regard to the excellence of antiquity. As it stands, however, his view is backed up by the content of the inner frame (both Brugnoli’s history of Latin in ancient and modern times and Guarini’s arguments about the new humanism), by the authority of its speakers, and by the approval of its learned audience.79 At the outset of the dialogue, the reader might have been apt to agree with Zavarise’s sober pessimism against Giuliari’s excited optimism. In light of the inner frame, however, he sees precisely why Giuliari is vindicated. What is more, he is also able to see that the controversy about Latin was not postponed at all, but rather was part and parcel to the question explicitly taken up: what is owed to each of the humanists. In Sabellico’s dialogue, the history and the achievements of humanism become the answer to the question about the state of the Latin language.
5. Criticism of Contemporaries Sabellico’s final motive for putting his teaching into the form of a dialogue is directly related to the literary tradition to which De latinae linguae reparatione belongs: the judgment of famous writers, or what we would today call literary criticism. Its classical Latin exemplars are, as mentioned above, Cicero’s Brutus and the tenth book, first chapter of Quintilian’s Institutio oratoria. Leonardo Bruni revived the genre in the Renaissance, although with a much reduced scope, in his Dialogi ad Petrum Paulum Histrum (ca. 1405), whose component parts are substantially devoted to a negative evaluation of the Three Crowns of Florence: Dante, Petrarch, and Boccaccio.80 Sicco Polenton then returned the genre to its fuller form in his treatise Scriptorum illustrium latinae linguae libri XVIII (ca. 1437), which he dedicated almost exclusively to ancient authors. The first to turn the blade of criticism exclusively on humanists was Paolo Cortesi, who wrote his _____________ 79 The character Marcantanio makes this very point in the first half of the dialogue’s final sentence, ibid., 204.4–6: »Quae omnia eo vobis certiora videri debent, quo maiore sunt auctoritate et iudicio praediti illi a quibus haec accepimus et a pluribus doctis tum quoque laudata.« 80 For an insightful interpretation, see Quint (1985). For the dating of the work, see the arguments in Baldassarri (1994), at 61–64, and their approbation by Hankins in his review (1998).
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dialogue De hominibus doctis (1489), a thorough imitation of Cicero’s Brutus, at roughly the same time Sabellico composed his own work. Erasmus most famously continued the tradition of critiquing humanist Latin in his Ciceronianus (1528), which garnered nearly universal hostility on account of its outspoken judgments and relentless condemnation of his contemporaries’ tendency (especially in Italy) to a soulless imitation of Cicero. Criticism of humanist literature continued after Erasmus, notably in Lilio Gregorio Giraldi’s De poetis nostrorum temporum (1553), the first such work to extend its treatment to vernacular authors as well. Criticism is always a dangerous undertaking, and the custom of the genre was therefore to ignore one’s own contemporaries. This was a hallmark of both Cicero’s and Quintilian’s texts. Quintilian often remarks that a future generation will have to judge the great writers of his own time.81 Cicero is frank about the unease he feels at talking about living orators and insists on keeping his silence. His text suggests two reasons for ignoring contemporaries: unwillingness to speak about too many unworthy men, which would be required to achieve comprehensiveness but would nonetheless be bothersome; and fear of the orators’ reactions, those omitted growling that they have been slighted, those criticized complaining that they have been wronged.82 In his De hominibus doctis Paolo Cortesi cites the danger of ingratiating oneself to the living for the sake of popularity and, in a novel twist, intimates that a review of present accomplishments might unfairly diminish the achievements of the past.83 Nevertheless, the critic, perhaps by his very nature, cannot abstain entirely from putting his fellows under the microscope. Cicero eventually includes an evaluation of two contemporaries – Caesar and Marcellus – but he distances himself from these remarks by putting them not into the mouth of his own character, Marcus Tullius, but into those of his interlocutors, Atticus and Brutus. Modesty not being among his virtues, he also gives an account of his own oratory. Quintilian dares, or perhaps feels obliged, to speak only about one contemporary: the reigning emperor Domitian.84 For his part, Cortesi includes praise of four contemporary humanists: Giorgio Merula, Ermolao Barbaro, Pomponio Leto, and Giovanni Pontano.85 In spite of these very few exceptions, it is proper to say that Sabellico was the first ever to devote sustained attention to living writers in a work of Latin literary criticism. If it is necessary to illustrate the difficulty and the dangers inherent in this task – and thus to show the importance of Sabellico’s achievement – Erasmus’ Ciceronianus provides the best evidence. In the years following the dialogue’s publication, outrage grew against its author throughout Europe: first in Italy for _____________ 81 Quintilian, Inst. orat., X.1.94, 104, 122 and III.1.21 (for the final reference I am indebted to Bottari’s n. 3 on p. 88 of Sabellico [1999]). 82 Cicero, Brutus, lxv.231 and lxxii.251. 83 Cortesi (1979), 186.2 ff. 84 Quintilian, Inst. orat., X.1.92. However, even here he wisely concedes that »Future ages shall tell of these things more fully; to-day his glory as a poet is dimmed by the splendour of his other virtues« (tr. H. E. Butler). 85 Cortesi (1979), 147.6 ff. (Merula), 132.7 ff. (Barbaro), 139.23 ff. (Leto), 152.14 ff. (Pontano).
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his criticism of the Italophile Christophe de Longueil and for his attack on the peninsula’s supposedly pagan apes of Cicero (adapting Poliziano’s famous characterization), then in France for his preference of the printer Josse Bade to Guillaume Budé, and then everywhere for his too great praise, his too damning criticism, or his simple omission of any one particular humanist. The controversy grew to such proportions that Erasmus eventually regretted mentioning contemporaries at all, and he was obliged to defend himself and assuage egos for the remainder of his life.86 Sabellico had none of these problems; on the contrary, De latinae linguae reparatione appears to have garnered no ill-will.87 This resulted undoubtedly in part from his inferior fame – criticism from Sabellico’s pen could not possibly have stung as much as that from Erasmus’ – but it must also be seen as an indication of his success as a writer. To judge one’s contemporaries, to circulate this judgment, and to raise no ire is no mean feat. Sabellico succeeds where Cicero and Quintilian demurred, and where Erasmus would later fail, by his subtle use of the dialogue form. At first sight this may seem a difficult position to defend, since both Cicero and Erasmus inscribed their critiques in dialogues, and since both were surely more expert and circumspect writers than Sabellico. Yet the fact of the matter is that Sabellico made greater and, in at least this one sense, better use of the vehicle than they did. He expertly deployed his interlocutors, their audience, and the general setting of the dialogue to render judgment on the great humanists past and present in a safe way. His feat is simultaneously to associate and to distance himself from his own writing’s opinions, to make them at once more authoritative to the reader and less dangerous to himself. The primary advantage of the dialogue form in this connection is that the author nowhere speaks in his own name, and thus that he cannot be associated immediately with any of its utterances.88 As with any drama, it is only from the sum of the characters’ utterances and actions, i. e. of the verba and res, that the author’s final stance can be inferred (if at all). As we saw above regarding the issue of the »restoration« of the Latin language, Sabellico’s own opinion only emerges after his character Marcantonio very, very subtly takes a position at the end of the dialogue. To render judgments on his contemporaries, Sabellico uses an even more complex apparatus, since, dealing with fragile yet vital egos, it is an infinitely more delicate undertaking. _____________ 86 See Knot (1986), 330–334. 87 Indeed, it appears not to have made much of an impression at all. On the unspectacular reception of De latinae linguae reparatione in both early-modern and modern times, see Bottari (1999), 9–12. 88 As it has been insightfully remarked with regard to Shakespeare, no one attributes to him personally the notion that »life [...] is a tale told by an idiot, full of sound and fury, signifying nothing« (Macbeth, Act 5, Scene 5).
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Much hinges on the apparent authenticity, or realism, of the dialogue. In his dedicatory letter to Marcantonio Morosini, Sabellico describes the work in the following terms: In order that it might be more authoritative I gave the entire discussion on [the great humanists] to Benedetto Brugnoli and Battista Guarini, men, as you well know, abounding in authority and erudition. When reading, if some things should seem treated with too much kindness or rather bashfully criticized, ascribe it to their character. For both – and I think you know this – are of an upright and mild mind and sympathize more with the defense than the prosecution.89
It would seem from the language used here – »I gave the entire discussion [...]« – that the dialogue is entirely fictional, and that Sabellico has crafted speeches of his own design to accord with the character of his chosen interlocutors. Yet, there is every possibility that the encounter related by Marcantonio in the inner frame actually happened.90 He gives very specific information about its circumstances – especially regarding when Guarini and other characters were in Venice – which allow its dramatic date to be assigned to 1487.91 If some such gathering did take place, however, there is no way to be sure how carefully or accurately Marcantonio rehearses the speeches, that is to say, how much Sabellico modifies what was supposedly heard for his own authorial purposes. For his part, the character Marcantonio makes a point of denying his own responsibility for the opinions uttered. Indeed, it is only on the condition that he offer the thoughts of others and not his own that he agrees to speak at all, saying, »lose all hope of hearing my own opinion on the matter« and, »as I said, you should neither seek nor hope to hear what I personally think about the matter.«92 In addition to Marcantonio’s protestations, the setting of the speeches lends them a rather high degree of authenticity. The fact that so many leading Venetians are said to have been present at the speeches – and in such a public place, where there are likely to have been even more witnesses – is what grounds the whole affair in verisimilitude.93 For our purposes it does not really matter whether Brugnoli and Guarini pronounced such speeches under the portico of the ducal palace one day in 1487, an event whose existence, much less non-existence, is never likely to be proven. Rather it is the fact that Sabellico makes them appear authentic and capable of corroboration upon which his stratagem hinges. And if it is _____________ 89 Sabellico (1999), 83.25–31: »Cui sermoni ut aliquanto maior inesset auctoritas, omnem de re ipsa disputationem Benedicto Prunulo liniacensi et Baptistae Guarini filio, viris, ut plane nosti, multa auctoritate et eruditione, dedimus: interim si qua visa fuerint aut nimis indulgenter recepta aut verecundius accusata, illorum moribus ascribito; uterque enim, quod credo te non ignorare, probo sane est mitique ingenio magisque ad defendendum quam accusandum comparato.« 90 Chavasse (1988), 30, also notes that Sabellico portrays a »most realistic discussion.« 91 See Bottari (1999), 23 and related notes. 92 Sabellico (1999), 88.21–22: »quod quum ita sit, non est cur nostram ullam de ea re sententiam expectetis.«; 92.5–6: »quid ipse de ea re sentiam neque vos, ut dixi, requirere oportet neque expectare.« 93 Cf. Cicero, De oratore, II.ii.9; Lowry (1979), 36–37.
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difficult to believe that such an episode could arise as spontaneously as Marcantonio suggests, two considerations will lessen the episode’s dubiousness: 1) the ability to extemporize on issues of any kind had long been a humanist ideal; 2) as noted above, this particular subject seems to have been a hot topic in Venice at the time. The reader has every reason to believe that a real historical event is being described. By setting the dialogue as authentically as possible, then, Sabellico effectively distances himself and his character Marcantonio from the speakers’ opinions; nevertheless, he also subtly associates himself in part with them. For when Marcantonio sets his conditions for narrating the speeches, Giuliari replies: But this is the very thing that we are dying to hear, Marcantonio, both on account of the especial authority of the speakers and because, unless you agreed with them, no number of prayers could make you think their speeches were worth reciting. So, please, go ahead and tell us the judgment of these great men. For as far as we are concerned, we are prepared to hear such things from you as willingly as if we were listening to those men who actually discussed the matter.94
The implication is that Marcantonio is interchangeable with Brugnoli and Guarini in two senses. First, as is clear from the second phrase in italics, he will faithfully report the speeches as he heard them. Second, as emerges from the first italicized phrase, he likely shares their judgment to a great extent. It seems reasonable to believe the same about the author Sabellico. Again, it does not really matter whether such speeches were ever delivered in fact or are a pure figment of Sabellico’s imagination. Through the structure he has built and the characters he has developed, he ends up sharing the same affinity with the dialogue’s central speakers as his character Marcantonio, as well as the same grounds for plausible deniability. For all intents and purposes, any judgment rendered by Brugnoli or Guarini can be taken as a hedged proclamation of Sabellico’s own stance. Finally, by saying in the dedicatory letter that he »gave the entire discussion on [the great humanists] to Benedetto Brugnoli and Battista Guarini,« his authorship seems similar to that of Thucydides: if he does not report exactly what was said in the speeches, then he reports what ought to have been said under such circumstances.95 The presence at the speeches of such a large, noble, authoritative, and approving audience also helps shield Sabellico from criticism while at the same time giving him credibility. On the one hand, it helps spread the blame, if necessary. On the other, it makes the speeches seem less like the eccentric opinions of a few men, and more like the common viewpoint of an entire educated class. After both _____________ 94 Sabellico (1999), 92.7–13: »Iam vero istud ipsum quale sit vehementer cupimus cognoscere, Sabellice, quum ob eorum qui illa disseruerunt praecipuam auctoritatem, tum quia, nisi tu probasses, nullis adduci precibus potuisses ut relatu digna iudicares. Perge igitur, si placet, et quid tantorum hominum sit iudicium fac, precor, intelligamus; nam quod ad nos attinet, tam libenter ista ex te audire parati sumus quam si illos ipsos qui de ea re disseruerunt audiremus.« (emphasis mine). 95 Thucydides, I 22.
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speeches, Marcantonio’s voice intrudes from the outer frame to note the audience’s positive reaction. In the first case: Brugnoli’s extremely elaborate discussion received unbelievable approval, and everyone praised him in what should rather be called astonishment, as much for his memory of so many different things as for his steadfast and sharp judgment.96
In the second, »when Guarini had finished, everyone altogether approved his speech, and then the eminent gathering broke up.«97 To disagree with Sabellico’s dialogue would thus be to take issue not only with the authority of his speakers, but, even more so, with the considered judgment of Venice’s highly educated patrician elite. The upshot is for Sabellico the author to have his cake and eat it, too. He can take credit for sharing the judgments that please others, and he has plausible deniability for those that might cause offense. He protects himself even further by making a programmatic statement about the mildness of the judgments (»If when reading you think anything seems treated with too much kindness or rather bashfully criticized [...]«); if he has erred, he has erred on the side of discretion. A last line of defense is then built by the dialogue’s final sentence: »As to what the case really is with these things, you will do well to ponder for yourselves when time permits.«98 This farewell benediction typical of humanist dialogues – think for yourself – suggests that no matter what positions were taken, however tenaciously, on whatever subjects, the final truth of the issue is still a matter for speculation.99 Sabellico was perfectly aware of all of the difficulties inherent in his task, and he was thus equally aware of his own achievement in overcoming them. When asked by Giuliari to give his own opinion on humanist writers of Latin, Marcantonio accuses his friend of »trying to get me to make some foolish mistake, [...] so that he might see me punished after I have incited all these people against me at once.«100 Giuliari denies the charge, citing the works of the Hellenistic critics Aristarchus and Aristophanes and of the Romans Cicero and Quintilian as proof that there is nothing hateful or ridiculous in the task.101 Marcantonio _____________ 96 Sabellico (1999), 168.19–21: »Accuratissimam Prunuli dissertationem incredibilis est assensus secutus: laudare omnes in illo, immo mirari potius, non minus tot variarum rerum memoriam quam constans et acre iudicium.« 97 Ibid., 204.1–2. 98 Ibid., 204.6–7: »verum illa ipsa qualia sint, quum per ocium licebit, melius vos ipsi pensitabitis.« 99 As Marsh (1980), 11 notes, this type of conclusion is especially typical of Poggio and Pontano, and it is one of the ways that humanists instilled a sense of »moderation and politeness« in their dialogues and undercut any sense of »unchallengeable finality.« 100 Sabellico (1999), 88.1–5: »experiri voluit posset ne me in ridiculum aliquod facinus impellere, [...] ut quum multos uno tempore in me concitassem, tum forte male multatum videret.« 101 Ibid., 88.6–10. Sabellico likely knew of Aristarchus and Aristophanes by way of Quintilian, Inst. orat., X.1.54.
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astutely responds, showing Sabellico’s knowledge of the history of the genre and the stakes involved: This was probably the case because the Greeks you mentioned pass over most of the poets of their own time in silence, so as not to suffer their ill-will afterwards; and it is easy to see that the Latins did the same thing in certain of their writings. I would never give my own judgment, since so many of the writers on whom it would fall are still alive.102
Marcantonio then reverses Giuliari’s example fully, citing Cicero and Quintilian as his forerunners in refusing to talk about contemporaries, and that is when he offers instead to relate the speeches he had heard from Brugnoli and Guarini.103 Guarini, too, alludes to the dangers and undesirability of speaking about contemporaries, referring to it, as we saw above, as a »public office« that »no one would ever willingly perform« and one deemed »safer to assign [to] a foreigner than [to] a citizen.«104 And yet Guarini speaks, as does Sabellico. In writing and publishing De latinae linguae reparatione, Sabellico does more than complete his presentation of humanism by including a judgment on its current state: he illustrates the excellence of the moderns with respect to the ancients. For he speaks where the ancients felt they had to remain silent. He has his characters discourse on the reticence of Aristarchus and Aristophanes, of Cicero and Quintilian, precisely to indicate that he has solved the problem that they refused to face, and thus that in this respect he has surpassed them. The mechanism is the same one Plato uses in his Phaedrus, where his character Socrates, the only philosopher famous for refusing to write anything, argues persuasively for oral teaching and lists the defects of committing precepts to writing.105 But by committing this very teaching of Socrates to writing, Plato implicitly indicates that he, the student, has somehow overcome the difficulties that held back his master. Likewise, Sabellico, the student of antiquity – and especially of Quintilian and Cicero – indicates that he has excelled his master(s). Insofar as De latinae linguae reparatione is an imitation or emulation of ancient literary sources, especially of Cicero’s Brutus, this announcement of modernity’s excellence could be seen as its primary aim, and the presentation of humanism as a secondary one. Since, however, humanism is portrayed as the movement to restore what is described as the greatest accomplishment, the »divine gift,«106 _____________ 102 Sabellico (1999), 88.11–16: »Immo ob id ipsum fortassis Graeci illi, quorum mentionem fecisti, plerosque sui temporis poetas silentio praeteriere, ne maior ab illis postea maneret invidia, quod nostros quoque in quibusdam fecisse ex eorum scriptis facile intelligi potest. At mihi id nullo modo contingere posset, quando eorum de quibus futurum est iudicium plerique adhuc sint superstites.« 103 Ibid., 88.16–25. 104 See above, n. 40. 105 Plato, Phaedrus, 275d–277a. 106 The reference to language as a divinum munus acts almost as a bookend to the inner frame of the dialogue. It is found in the exordium of Brugnoli’s speech (94.16, 95.20), and in the peroration to Guarini’s (203.20).
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of antiquity – classical Latin and its literature – the two actually coincide. Although everyone in Sabellico’s dialogue seems to agree that modernity lacks the general flourishing and the concentration of great writers characteristic of the Golden Age, the work as a whole argues that modernity has nonetheless equaled antiquity – in »restoring« its language – and in at least one important respect surpassed it – in resolving the intractable problem of rendering judgment on the language of one’s contemporaries.
6. Conclusion The safe criticism of his contemporaries was not the only reason that Sabellico cast his history as a dialogue. As we have seen, this literary form also enabled him to treat the subject of humanism more adequately, specifically by more forcefully portraying its history and varieties, by tackling its more difficult and delicate questions by degrees, by making his view of its cultural importance seem universal, and by colorfully illustrating its specific nature in Venice. All in all, Sabellico articulates what we might today call a cultural history of humanism. To return to the beginning of this essay, we might wonder why Eric Cochrane and others have not tended to appreciate this aspect of this and similar texts, such as Paolo Cortesi’s De hominibus doctis or Biondo Flavio’s Italia illustrata. Part of the answer certainly has to do with preconceived notions about what historiography is and what it is permitted to look like.107 But it is likely due just as much to prejudices about humanist texts and how to read them. Cochrane, faced with the task of wading through enough texts to occupy »several lifetimes«, approached his sources with what can only be called hubris, claiming he had developed »a well trained eye, one capable of skimming rapidly through a seemingly unending stream of unparagraphed prose and lighting on the one or two passages that illustrate or exemplify all the others.«108 The point here is not to malign an eminent historian, but rather to use his illustrious example to indicate the interpretive dangers inherent in reading humanist literature in this way.109 The approach exemplified by Cochrane is all the more relevant since it is so common in the field (even when the task at hand is not to write a survey embracing two centuries) and since it has been largely responsible for the humanists’ continued underestimation since the nineteenth century.110 De latinae linguae reparatione, which on a quick and superficial reading cannot help but be taken for the fumbling attempt of a literary novice, emerges with the proper time and attention as a labyrinth of praise and _____________ 107 See Phillips (1981), at 442–443. 108 Cochrane (1981), xvii. 109 The inadequacy of Cochrane’s method of reading is also stressed in Phillips’s review (1981), 443. 110 See Celenza (2004), esp. the Introduction and Chapter 1. Cochrane’s underestimation of the humanists is also manifest throughout his work. On this point, see Wilcox (1982), 488.
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blame, through whose winding passages the reader is led if only he is willing to make the effort. The corpus of humanist literature, which has long lay in a state of neglect not so very dissimilar to the one in which Sabellico’s early heroes found classical Latin, will likely reveal more such texts to those willing to rouse their authors from long sleep, and to free them from barbarism.
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Giovanni Pico della Mirandola und die Entdeckung der jüdischen Mystik im italienischen Quattrocento GIULIO BUSI Giovanni Pico della Mirandola (1463–1494) kann als ein echtes Symbol des Humanismus des späten fünfzehnten Jahrhunderts angesehen werden. So wie Lorenzo de’ Medici (1449–1492) das Ideal eines Renaissanceherrschers repräsentiert, Förderer der Künste, zugleich aber gerissener und gelegentlich erbarmungsloser Politiker, stillt Pico – elegant, schön, gebildet und im Bruch mit der Kirche – das Verlangen nach Ästhetizismus und Individualismus der italienischen Kultur. Pico war und fühlte sich auch der höfischen Tradition seiner Heimat Norditalien und Florenz, der Stadt, in der er Zuflucht fand und starb, tief verbunden. Trotz dieser unbestrittenen Verbindung zwischen Pico und dem Mythos der italienischen Renaissance steht das kulturelle Projekt des Fürsten von Mirandola im Widerspruch zu den nationalen und »antibarbarischen« Tönen, die unter den zeitgenössischen italienischen Humanisten vorherrschend waren. Vielleicht war Pico noch zu sehr in der feudalen Welt seiner Familie und in den ritterlichen und höfischen Idealen versunken, um tatsächlich gemeinsame Sache mit den bürgerlichen Gelehrten gegen die »Goten« jenseits der Alpen und gegen die Fremden zu machen. Obgleich während des kurzen Lebens von Pico die politischen Mächte jenseits der Alpen vor allem mit einem kriegerischen und immer bedrohlicher werdenden Interesse auf Italien blickten, – es lohnt sich vielleicht daran zu erinnern, dass Pico starb, als das französische Heer Karls VIII. in Florenz einmarschierte1 – zeigt Pico in seinen Schriften mehrfach, dass er auf Seiten der »Fremden« steht, _____________ 1
Schon Marsilio Ficino hat auf die symbolische Bedeutung der Gleichzeitigkeit des Einmarschs der französischen Armee Karls VIII. und des Todes Picos am 17. November 1494 hingewiesen (s. Ficinos Brief aus dem Jahre 1495, in: Pico, Opera omnia, 405). Auch wenn Ficino Karl nicht als Barbaren sondern vielmehr als Retter Florenz’ betrachtete, interpretierten andere Florentiner, wie z.B. Leonardo Salviati (1540–1589), den Tod des Grafen della Mirandola als eine vom Schicksal vorgesehene Befreiung aus der drohenden Barbarei: »Il miracolo, che hanno dimostrato i cieli nella sua dipartita, i quali hanno congiunte le sue esequie con la rovina di questo vostro secolo, e la tua patria, ne’ medesimi giorni, venne (si può ben dire) in preda d’un esercito barbaro, innumerabile, e vittorioso, e ’l corpo del glorioso Conte era alla sepoltura portato (Salviati, Dialogi, 13). Salviati schrieb diese Worte einer himmlischen Stimme zu, die zu Girolamo Benivieni, einem Freund Picos, kurz nach dem Tod des Grafen gesprochen hätte. Garin weist auf diese Bemerkung von Salviati hin, allerdings ohne sie genau zu zitieren. Vgl. Garin (1967), 215.
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sei es, weil sie in die Wahrheit verliebte Philosophen waren, sei es, weil es sich um eine neue und bis dato völlig unbekannte Art gelehrter Barbaren handelte, die Pico zum ersten Mal in die mit der humanistischen Kultur geschmückten Säle eintreten ließ: die kabbalistischen Juden.2 Die Entdeckung der Kabbala durch Pico leitete eine Strömung innerhalb des europäischen Humanismus ein, die sich von der von Petrarca eingeführten nationalen »antibarbarischen« Vorlage lösen konnte und in Richtung einer grundlegenden Gleichberechtigung der Kulturen bewegte. Nicht zufällig bekleidet in der – freundschaftlichen und höflichen, aber dennoch nicht inhaltsleeren – Kontroverse zwischen Pico und Ermolao Barbaro (1453/54–1493) über Rhetorik und Philosophie letzterer die Rolle des Verteidigers der italienischen Eleganz, während Pico für ein antiitalienisches Lob des Inhalts gegenüber der Form Partei ergreift.3 Ermolao Barbaro macht sich über den Freund lustig: gerade er, der so elegante und kultivierte Pico, will sich zum Beschützer der Barbaren machen! In Padua – verrät Ermolao teils ironisch, teils hinterlistig – habe man Picos Brief, in dem er sich für die Philosophen ausspricht, in »Apologie der Skythen und Teutonen« umbenannt.4 Der Brief Picos an Barbaro stammt vom Juni 1485; in eben jenen Monaten begann der junge Fürst vermutlich, die Idee einer großen Systematisierung des Wissens zu entwickeln, welche die Eleganz der Griechen und Römer mit den eher groben Weisheiten der anderen Völker harmonisieren sollte. So bereitete er sich auf das große Wagnis der Conclusiones vor, ein Werk, das von den ethnozentrischen Zügen des italienischen Humanismus weit entfernt und um eine Durchquerung der verschiedenen Weisheitstraditionen bemüht war, in die zum ersten Mal der jüdische Mystizismus miteinbezogen war. Mit nur 23 Jahren ist Pico der am meisten bewunderte Intellektuelle der italienischen Renaissance. Er kann Briefe in einem reinen humanistischen Stil verfassen, vermag es aber ebenso, gegen den rhetorischen Formalismus aufzubegehren. Er ist in den verschiedensten kulturellen Milieus zu Hause und wird für seine brillante Konversation und vielseitige Gelehrsamkeit geschätzt, die bereits sprichwörtlich geworden war. Als Abkömmling einer Familie von reichen und kriegerischen Provinzadligen hätte der junge Graf die Privilegien seines Vermögens genießen und sich einem Leben der politischen Intrigen und ritterlichen Exerzitien widmen können. Doch
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Über Picos Entdeckung der Kabbala siehe Wirszubski (1989); Busi (2004); ders. (2006). Bausi (1996) hat die Texte der Kontroverse zwischen Pico und Barbaro neu herausgegeben und analysiert. Kristeller (1965), 59, betont, dass sich Pico von der polemischen Haltung der italienischen Humanisten gegen das Mittelalter und die »Gothen« distanziert hat. Bausi (1996), 69: »Proinde ab amicis, quos habeo Patavii, certior factus sum apologiam tuam, quae Scytharum et Teutonum est inscribi coepta, quasi Typhonis et Eumenidum laudatio, molestissimam accidisse maiori eorum parti quos defendis, aliis aliter factum tuum interpretantibus«.
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eine kultivierte und anspruchsvolle Mutter5 und seine natürliche Unduldsamkeit trieben ihn dazu, bereits im Jugendalter die italienischen Universitäten zu besuchen. Zunächst hörte er die Vorlesungen zum kanonischen Recht in Bologna; bald jedoch ging er, getrieben von der Suche nach dem Wort der Philosophen und einem Zugang zu den Mysterien des Wissens, nach Ferrara und schließlich nach Padua. Der traditionellen Lehrer wurde er schnell überdrüssig, wohingegen er sich von nonkonformistischen Denkern spontan angezogen fühlte. In Padua lehrte Elias Delmedigo, ein aus Kreta stammender Jude, der sich als glänzender Averroesübersetzer Ruhm erworben hatte. Elias zeigte Pico einige jüdische Kommentare und übersetze für ihn sogar philosophische Texte aus dem Hebräischen ins Lateinische. Dank dieses philosophischen Rabbis erkannte der junge Student die Möglichkeit der Erschließung einer neuen Quelle, eines Reservoirs noch unerforschter Kenntnisse. Pico begriff, dass die Lehre der Alten nicht nur in den griechischen und lateinischen Codizes enthalten war, sondern auch in Texten, die in der heiligen Sprache, in Hebräisch geschrieben waren.6 Wir können uns gut vorstellen, wie er, als seine Neugierde erst einmal geweckt war, den jüdischen Lehrer mit seinen Fragen und mit Bitten um Bücher und neue Übersetzungen bestürmte. Die Philosophie reichte ihm nicht mehr, nun wollte er etwas über die jüdische Mystik erfahren, jene Tradition, die für sehr alt gehalten wurde, von der aber kein Christ jemals auch nur eine einzige Seite direkt gelesen hatte. So beharrlich und verschwenderisch mit Geschenken der Schüler auch war, Delmedigo kam seinen Wünschen nur ungern entgegen. Als überzeugter Anhänger des philosophischen Rationalismus war Delmedigo im Grunde seines Herzens der Meinung, dass die Lektüre kabbalistischer Bücher Zeitverschwendung sei, weswegen er seinem Schützling nur einige allgemeine Auskünfte über die Welt der Sefirot gab, und auch das nur widerwillig und in groben Umrissen.7 Neben Delmedigo hatte der Graf bei seinen mystischen Forschungen noch einen anderen, erheblich aufgeschlosseneren Gefährten, nämlich Guglielmo Raimundo Moncada, alias Flavius Mithridates. Dieser war ein in Sizilien geborener jüdischer Konvertit, der zum Priester geweiht und dann an den päpstlichen Hof in Rom berufen wurde. Er beherrschte Latein, Griechisch, Arabisch und Hebräisch und war ein brillanter Prediger. Papst Sixtus IV. hatte ihn sehr geschätzt und mit Erstaunen seine von einem exotischen Kabbalismus gefärbten Ausführungen über
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Die Mutter Giovannis war Giulia Boiardo (gestorben 1478), Tante des Dichters Matteo Boiardo, dem Verfasser von Orlando innamorato. Picos Vater, Giovan Francesco I. della Mirandola, war schon 1467 gestorben. Über Elias Delmedigo vgl. Ross, in: Delmedigo, Behinat ha-dat; Geffen (1973/1974); Averroes, Parafrasi della ›Repubblica‹; Bartòla (1993). In einem undatierten Brief von Delmedigo an Pico sind einige bibliographische Hinweise bezüglich der Kabbala enthalten. Vgl. Pico, Opere, Bd. 1, 67–72; Kieszkowski (1964), 63–75. Über die Haltung Delmedigos zur Mystik vgl. Bland (1991).
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den christlichen Glauben gehört.8 Mithridates wiederholte immer wieder, dass die Mysterien des Evangeliums in den Schriften der jüdischen Mystik angedeutet und die Juden ahnungslose Träger des christlichen Wortes seien. 1483 mußte Mithridates, in ein mysteriöses Verbrechen verwickelt, Rom in großer Eile verlassen. Nachdem er einige Jahre zwischen deutschen Universitäten hin- und hergereist war, befand er sich im späten Frühjahr des Jahres 1485 wieder in Italien und kam, vermutlich in Florenz, mit Pico in Kontakt.9 Der jüdische Konvertit brauchte Schutz und der Graf von Mirandola konnte ihm darüber hinaus viel Geld bieten. Mithridates’ Aufgabe sollte es sein, einem Schreiber die lateinische Übersetzung dutzender jüdischer Schriften der Kabbala zu diktieren. Pico und Mithridates verließen Florenz in Richtung Perugia und ließen sich in der Residenz in Fratta nieder. In ihrem Gepäck befanden sich die Handschriften, die Pico auf der gesamten Halbinsel hatte erwerben können: äußerst seltene Ausgaben, bezahlt in klingender Münze, das Beste, was auf dem Buchmarkt zu bekommen war. So nahm eines der ehrgeizigsten Übersetzungsprojekte der europäischen Geschichte seinen Anfang. Während Mithridates nach und nach seine Übersetzung vervollständigte, überflog der junge Humanist die Seiten, kommentierte sie und prägte sich so ihren Inhalt ein. Sie mussten sich beeilen, da das Ende der Frist, die Pico sich selbst gesetzt hatte, schon nahe herangerückt war. Das gesamte kabbalistische Material sollte ihm nämlich für ein Streitgespräch dienen, welches er in Rom führen wollte und in welchem er Gelehrten des ganzen Landes 900 philosophische Thesen vorstellen wollte. Er hatte eine Debatte über alle Aspekte des Wissens geplant, mit der er versuchen wollte, eine perfekte Harmonie zwischen antiker Philosophie, mittelalterlicher Lehre und der christlichen Theologie zu schaffen. Als Erster nahm Pico auch die Kabbala mit unter die humanistischen Wissenschaften auf und machte sie sogar zur Krönung seiner utopischen Konstruktion. Nach Monaten intensivster Arbeit erschienen die »Thesen« im Dezember 1486 im Druck, doch da die kirchlichen Autoritäten den Autor der Verbreitung gefährlicher magischer und judaisierender Lehren anklagten, konnte die öffentliche Diskussion nicht stattfinden. Pico war gezwungen, nach Frankreich zu flie_____________ 8
9
Vgl. Gherardi, Diario romano, 49: »Die veneris XX aprilis […] orationem de passione habuit Guilelmus Siculus, ex contubernalibus cardinalis Melfitensis, vir doctus hebraice, grece et latine. Retulit misteria omnia passionis Iesu Christi, eaque probavit hebreorum ac arabum auctoritate et scriptis, verba ipsa eorum lingua in medio afferens, qui hebreus a nativitate fuit, et eius lege peritissimus habitus; ante annos circiter quatordecim cristianorum baptismate initiatus. Ostendit plurima Iudeorum arcana, nobis hodie omnino incognita, quibus luce clarius monstratur, Iudeos non tam cecitate et ignorantia, quam contumaci pertinacia in erroribus ipsorum perseverare. Oratio vero, quamvis spatium duarum horarum occupaverit, tamen grata omnibus fuit, tam propter rerum varietatem, quam propter hebreorum et arabum verborum sonum, que ipse tamquam vernacula pronuntiavit; commentadus ab omnibus est et a Pontifice et patribus in primis«. Über Mithridates Biographie s. Wirszubski (1989); Scandaliato (2002/2003); Busi (2004); Perani (2008).
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hen und wurde sogar für kurze Zeit eingesperrt. Um ihn aus seinen Schwierigkeiten zu befreien war das Eingreifen von Lorenzo de’ Medici notwendig, der ihn erneut in Florenz aufnahm. Flavius Mithridates wurde seinerseits 1489 in Viterbo festgenommen, vielleicht aufgrund der alten Anklage, die noch immer über seinem Haupte schwebte, vielleicht auch unter dem Verdacht der Judaisierung.10 Von seinem weiteren Schicksal wissen wir nichts mehr, doch die Bücher, die er bei sich trug, wurden sicherlich beschlagnahmt und bei dem »Meister des päpstlichen Hauses« in Verwahrung gegeben. Pico versuchte – allerdings erfolglos – sie zurückzubekommen, obwohl er sich im Klaren darüber war, dass es sich dabei um brisantes Material handelte: »Sie dürfen nicht erkennen lassen, dass Sie die Bücher für mich wollen«, schrieb er an einen Agenten, »denn dann wird man sie Ihnen nicht geben«.11 Mithridates’ Bücher – darunter die wertvollen Manuskripte mit den für Pico angefertigten Übersetzungen – blieben also in der Biblioteca Vaticana, wie ein Relikt, das sich in den Untiefen der Geschichte verfangen hat. Im Verlauf der Jahrhunderte verwandelte sich das kabbalistische Korpus in einen kulturellen Mythos. Die sehr wenigen Gelehrten, die die Codizes in die Hand bekamen, waren überwältigt von den Tausenden von Seiten, die in einer fast unleserlichen Handschrift beschrieben waren und entnahmen ihnen nur einige bruchstückhafte Bemerkungen. Was Pico tatsächlich in diesen intensiven Monaten, die er zusammen mit Mithridates verbrachte, gelesen hat, ist bis heute eine ungelöste Frage geblieben. Doch das große Werk Mithridates’ durchzublättern und zu studieren ist ein Abenteuer, das jede Mühe wert ist. Die mehr als 3500 Folioseiten der Sammlung enthalten in lateinischer Sprache die wichtigsten Texte der sefardischen Mystik, und darüber hinaus viele Schriften der italienischen Kabbalisten des 14. und 15. Jahrhunderts. Überfließend von einem verschlüsselten Symbolismus passt sich die Prosa von Mithridates dem Rhythmus und den Bewegungen des Hebräischen an. Dieser außergewöhnliche Übersetzer mußte sich einen lateinischen Wortschatz schaffen, der umfangreich genug war, um die von den jüdischen Mystikern ausgearbeiteten Konzepte der Kontemplation erfassen zu können. Die Ungeduld seines Mäzens zwang ihn außerdem, in die lateinische Syntax Worte oder gar ganze Sätze in Hebräisch einzufügen. Diese versah er am Rand mit Anmerkungen, in denen er versprach, ihre verborgene Bedeutung mündlich zu erläutern. _____________ 10 Vgl. Berti (1859), 36; Garin (1967), 191 Anm. 8; Zaccaria/Lanza (1994), 79 und Tafel 12; Bacchelli (2001), 55 Anm. 162. 11 Vgl. Picos Brief vom 17. November 1489 ediert bei Garin (1961), 276: »Prestantissimo viro domino Nicolao Michel[otio] […] Se voi potete con destro modo cavare dal Maestro di Casa del Papa li libri di Mitridate, mi farete cosa gratissima et ve li rimandarò in uno mese; pagarò le vetture e gabelle et ogni spesa: ma non bisogna mostrare di volerli per me che non ve li darebono. Ad vui mi raccomando«. »Maestro di Casa del Papa« (»Magister domus Papae«) war Jean Monissart, Bischof von Tournai (vgl. Dorez/Thuasne [1897], 118).
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Die großartige kabbalistische Bibliothek Picos stellt ein wertvolles Erbe für die gesamte europäische Kultur dar. Tatsächlich versuchte damals zum ersten Mal ein christlicher Humanist, sich den Texten der esoterischen jüdischen Tradition zu nähern, um darin die Grundlagen des Universalwissens zu erlangen. Auf diese Weise erweiterte er den lateinisch und griechisch geprägten Kosmos der humanistischen Kultur um das Hebräische. Es war eine Erweiterung der Perspektive, die das gesamte westliche Denken tief beeinflussen sollte. In eben jenen Jahren stürzte sich Pico auch auf das Studium der Sprache und Literatur des Arabischen und rief so das Renaissanceideal eines Wissens ins Leben, das weder vor Sprachbarrieren noch vor fremden religiösen Traditionen Halt macht. Es ist zwar richtig, dass Pico die Schätze der nicht-christlichen Kulturen gemäß den Kriterien des Neuplatonismus einführt, der im Florenz der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts in Mode ist. Auch für ihn sind die hebräischen und chaldäischen Texte Teil der prisca theologia, jener esoterischen und sehr alten Weisheit, die bereits ein unverzichtbarer Teil des humanistischen Kanons geworden war. Einer berühmten in der Oratio de hominis dignitate vorgestellten Genealogie zufolge, reichen die kabbalistischen Bücher sogar bis auf Esra zurück12 und gehen somit nicht nur den Texten des Evangeliums, sondern auch den Schriften Platons voran: eine geheime aber ununterbrochene Kette verbindet die Kabbalisten mit den Mysterien von Moses und macht aus ihnen somit glaubwürdige Zeugen der göttlichen Offenbarung. Hätte Pico sich jedoch auf dieses sozusagen genealogische Kriterium der antiken Theologien beschränkt, um das Studium des Hebräischen und der ihm vewandten Sprachen zu rechtfertigen, könnten wir noch nicht von einer methodologischen Revolution sprechen: Es wäre nur ein weiteres Ornament der schon reichen neuplatonischen Florentiner Gelehrsamkeit. Aber für Pico stellte das Hebräische einen echten Schlüssel der Schöpfung dar. Wie er in den Conclusiones häufig wiederholt, ist die hebräische Sprache keine Sprache wie jede andere, die nur viel älter und deshalb dunkler als jene ist, nein: Sie ist der Meißel, mit dem der Schöpfer die Welt geformt hat. Deshalb kann derjenige, der sie beherrscht, sich die Geometrie, die die Dinge regelt, wieder aneignen und die Laute der heiligen Sprache dazu benutzen, um auf die Realität selbst einzuwirken. Der Unternehmung von Pico und Mithridates wohnte eine außergewöhnliche innovative Kraft inne und sie bot eine neue Perspektive auf das europäische Denken. Mit seiner Entscheidung, bei den Juden das zu suchen, was dem intellektuel_____________ 12 Pico, Opere, Bd. 1, hg. v. E. Garin, 158: »Esdras, tunc ecclesiae praefectus, post emendatum Moseos librum, cum plane cognosceret per exilia, caedes, fugas, captivitatem gentis Israeliticae institutum a maioribus morem tradendae per manus doctrinae servari non posse, futurumque ut sibi divinitus indulta caelestis doctrinae arcana perirent, quorum commentariis non intercedentibus durare diu memoria non poterat, constituit ut, convocatis qui tunc supererant sapientibus, afferret unusquisque in medium quae de mysteriis legis memoriter tenebat, adhibitisque notariis in septuaginta volumina (tot enim fere in Synedrio sapientes) redigerentur«.
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len christlichen Wortschatz fehlte, hatte Pico eine neue Phase der vormodernen Suche nach Wahrheit eröffnet. Auf diese Weise versuchte der italienische Humanismus, sich die jüdische Kultur aufgrund ihrer transversalen und transnationalen Natur einzuverleiben. Es ist kein Zufall, dass der erste, der Picos Botschaft aufnahm, ein deutscher Gelehrter war, Johannes Reuchlin (1455–1522), der, wie er selbst sagt, in die Schule der Weisheit im Mediceischen Florenz gegangen war und von dem infiziert worden war, was wir den picoschen Universalismus nennen könnten.13 Eben diese christliche Kabbala, von Pico erfunden und von Reuchlin systematisiert, war es, die die Wiederentdeckung der studia humanitatis aus einer italienischen Matrize in eines der frühesten Phänomene europäischen Geistes verwandelte.
*** Die kabbalistische Bibliothek Giovanni Picos gehört zu den faszinierendsten und dennoch am wenigsten studierten Dokumenten der italienischen Renaissance. Aufgrund seines Umfangs und der Schwierigkeiten hinsichtlich Interpretation und Inhalt ist dieses handschriftliche Korpus jahrhundertelang unzugänglich wie eine gut verteidigte Festung gewesen und nur wenige Gelehrte haben – mit begrenzten und oft abwegigen Ergebnissen – bis heute versucht, sich ihm zu nähern. Dieser prekäre Forschungsstand erfährt jedoch in jüngster Zeit eine deutliche Verbesserung. In einem Großprojekt, das von einem jungen internationalen Forscherteam ausgeführt wird, ist die Transkription der lateinischen Handschriften, die Identifikation der im Korpus enthaltenen Texte, die Analyse und Edition der hebräischen Originale sowie – wenn möglich – die Bestandsaufnahme der von Mithridates benutzten Originalhandschriften geplant. Mit einer englischen Übersetzung versehen werden die Werke der Pico-Bibliothek in Einzelbänden veröffentlicht.14 _____________ 13 In der Widmung seiner De arte cabalistica an Papst Leo X. erzählt Reuchlin, wie er 1482 Florenz besuchte. Er lobt dort Leos Vater, Lorenzo Medici, der die besten Gelehrten nach Florenz gebracht habe: »Ad id provinciae diligenter accivit undequaque doctissimos et veterum autorum peritissimos viros quibus cum rerum scientia etiam satis esset eloquentiae, Demetrium Chalcondylen, Marsilium Ficinum, Georgium Vespucium, Christophorum Landinum, Valorem, Angelum Politianum, Ioannem Picum Mirandulae comitem, caeterosque orbis eruditissimos quibus antiquorum solertia et arcana vetustas malignitate casuum obliterata in lucem rediret« (Reuchlin, De arte, [1r]). 14 Es handelt sich um eine gemeinsame Initiative des Instituts für Judaistik der Freien Universität Berlin und des Istituto Nazionale di Studi sul Rinascimento in Florenz mit Unterstützung des Ministeriums für Kulturgüter und kulturelle Aktivitäten der Republik Italien und des Herausgebers Nino Aragno aus Turin. Die ersten beiden Bände der Reihe sind bereits erschienen: 1. Die Yeri’ah Gedolah. Die große Pergamentrolle (Turin 2004), 2. Das Bahir. Das Buch des Glanzes (Turin 2005). 3. Menahem Recanati, Commentary on the Daily Prayers. (Turin 2008). 4. Yosef Giqatilla, The Secrets of the Punctuation (Turin 2010). In Vorbereitung sind außerdem: 5. The
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Literatur Quellen Averroes, Parafrasi della ›Repubblica‹ nella traduzione latina di Elia del Medigo, hg. v. Annalisa Coviello/Paolo Edoardo Fornaciari, Florenz 1992 (= Quaderni di ›Rinascimento‹, 13). Delmedigo, Eliyyahu, Sefer Behinat ha-dat. Critical edition with introduction, notes and commentary by Yaaqov Yehoshua Ross, Tel Aviv 1984. Gherardi da Volterra, Jacopo, Il diario romano di Jacopo Gherardi da Volterra, hg. v. Enrico Carusi, Città di Castello 1911 (= Rerum Italicarum Scriptores, XXIII/3). Pico della Mirandola, Giovanni, Opera omnia, Basel 1557. Pico della Mirandola, Giovanni, Opere, 3 Bde., hg. v. Eugenio Garin, Turin 2004 (= Biblioteca Aragno). Reuchlin, Johannes, De arte cabalistica libri tres Leoni X. dicati, Hagenau 1517. Salviati, Leonardo, Dialogi [sic] d’amicizia, Florenz 1564. Literatur Bacchelli, Francesco, Giovanni Pico e Pier Leone da Spoleto. Tra filosofia dell’amore e tradizione cabbalistica, Florenz 2001. Bartòla, Alberto, »Eliyhau del Medigo e Giovanni Pico della Mirandola. La testimonianza dei codici vaticani«, in: Rinascimento 33 (1993), 253–278. Bausi, Francesco, Nec rhetor neque philosophus. Fonti, lingua e stile nelle prime opere latine di Giovanni Pico della Mirandola (1484–87), Florenz 1996. Berti, Domenico, »Intorno a Giovanni Pico della Mirandola«, in: Rivista Contemporanea 7 (1859), 7–56. Bland, Kalman P., »Elijah del Medigo’s Averroist Response to the Kabbalahs of Fifteenth-Century Jewry and Pico della Mirandola«, in: The Journal of Jewish Thought and Philosophy 1 (1991), 23–53. Busi, Giulio, »Introduction«, in: The Great Parchment. Flavius Mithridates’ Latin Translation, the Hebrew Text, and an English Version, hg. v. Giulio Busi/ Simonetta M. Bondoni/ Saverio Campanini, Turin 2004 (= The Kabbalistic Library of Giovanni Pico della Mirandola, 1), 11–48. Busi, Giulio, »Who does not wonder at this Chamaleon? The Kabbalistic Library of Giovanni Pico della Mirandola«, in: Hebrew to Latin, Latin to Hebrew. The Mirroring of two Cultures in the Age of Humanism, hg. v. Giulio Busi, Berlin/Turin 2006, 167–196. Dorez, Léon/Thuasne, Louis (Hg.), Pic de la Mirandole en France (1485–1488), Paris 1897. Garin, Eugenio, La cultura filosofica del Rinascimento italiano, Florenz 1961. Garin, Eugenio, Ritratti di umanisti, Florenz 1967.
_____________ Gate of Heaven; 6. Avraham ben Alexander, The Crown of the Good Name; 7. Yosef Giqatilla, The Gate of Justice, 8. Avraham Abulafia, The Secrets of the Torah.
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Gedruckte Karten Kursachsens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts: die Darstellung der Geschichte und des Territoriums im Spiegel der gelehrten Kartographie AXELLE CHASSAGNETTE Das Wissen über Geographie erweiterte und veränderte sich in der Renaissance grundlegend: Die Entdeckung der (amerikanischen) Neuen Welt und die Exploration unbekannter afrikanischer und asiatischer Länder erbrachten neues Material und veränderten die Beschreibung der Welt. In diesem Kontext wurde auch der Begriff Geographie neu definiert, besonders in Hinsicht auf das antike Wissen. Das geographische Wissen erfuhr seit dem letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts erhebliche Erweiterungen und Schärfungen. Die antiken Autoren hatten Amerika natürlich nicht gekannt, aber auch von Europa, besonders von Nord- und Westeuropa, fehlten präzise schriftliche und kartographische Darstellungen. Dies ist einer der Gründe dafür, dass sich die Gelehrten Europas, insbesondere des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, der genauen Beschreibung des nationalen Territoriums zuwandten,1 wie sie etwa Conrad Celtis am Ende des 15. Jahrhunderts im Rahmen seines Vorhabens der Germania illustrata propagiert hatte.2 Doch trotz dieses Defizits kann der methodische und epistemologische Entstehungsprozess der Disziplin Geographie in der Renaissance nicht verstanden werden, wenn man die Rezeption der antiken Autoren nicht berücksichtigt. Erstmals ins Lateinische übersetzte Texte wie die Geographié perexegesis des Strabon oder die Geographie des Ptolemaios lieferten den Humanisten Methoden – zum Beispiel die Projektionstechnik für die Herstellung von Karten oder die geographischen Topoi für die textliche Beschreibung von Ländern – und die Ordnungsbegriffe selbst, wie Geographie, Chorographie und Topographie. Die Vielfalt von antiken Texten, die rezipiert wurden, erklärt auch, dass der Begriff Geographie in der Renaissance verschiedene Deutungen erfuhr.3 Das geographische Wissen im 15. und 16. Jahrhundert umfasste textliche, aber auch kartographische und bildliche Beschreibungen von Ländern. Diese Beschreibungen folgten meistens einem räumlich-geographischen Ordnungsprinzip (im Gegensatz zu einem chronologischen), konnten aber auch auf historisches _____________ 1 2 3
Vgl. Strauss (1959); Helmrath (2005); Schirrmeister (2009). Vgl. hierzu Muhlack (2002), Müller (2001) und Müller (2004). Vgl. Broc (1986); Besse (2003).
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Material zurückgreifen.4 Die Historiographie hat seit dem 19. Jahrhundert manchmal zwischen einer »wissenschaftlichen Geographie«, die auf der Grundlage von mathematischem und geometrischem Wissen die Herstellung von Karten ermöglichte, und einer »deskriptiven oder geschichtlichen Geographie« unterschieden, die auch Bilder umfasste (etwa: Abbildungen von Wunderdingen, von Altertümern, Stadtansichten, aber auch Karten) und die mit der Tradition der mittelalterlichen Enzyklopädie verknüpft werden konnte. Diese Unterscheidung ist jedoch modern und wurzelt in einer positivistischen Konzeption von Wissenschaft im 19. Jahrhundert. Eine solche Konzeption soll hier nicht vertreten werden, vielmehr soll die Aufmerksamkeit auf die Genese der Geographie als Disziplin gelenkt und an ausgewählten Beispielen und Aspekten verdeutlicht werden: der kursächsischen Kartenproduktion, der immanenten Intermedialität und dem Verhältnis der Karten zu Geschichte und Politik. Hiermit sollen einige wichtige Aspekte der Beziehungen zwischen den – im heutigen Verständnis unterschiedlichen – Wissensbereichen Geographie, Kartographie und Geschichtsschreibung in der Renaissance untersucht werden. Das Genre der geographisch-deskriptiven Kosmographie, für das die berühmten Kosmographien von Sebastian Münster (1544) oder der Franzosen François de Belleforest (1575) und André Thevet (1575) stehen, war in ganz Europa verbreitet und wurde viel rezipiert.5 Es stellt allerdings nur einen geringen Bruchteil der gesamten gedruckten Produktion von geographischen Werken dar. Um die spezifische Situation der Kartographie richtig einschätzen zu können, ist die Entwicklung der wissenschaftlichen Fächerdiversifikation am Ende der Renaissance zu berücksichtigen, die dazu führte, dass sich Geographie und Geschichte zwar als Nachbarfächer, aber eben doch als getrennte Wissensgebiete etablierten.6 Und Karten wurden nur in seltenen Fällen, vor allem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, zur Illustration von Landesbeschreibungen und Chroniken benutzt: Sie erschienen häufiger als Separatdruck. Die Autoren historiographischer und geographischer Werke können wegen ihres Bildungsprofils und ihrer sozio-professionellen Gruppenzugehörigkeit in der Regel als Humanisten bezeichnet werden. Die noch keinesfalls professionellen Kartographen dieser Zeit entstammten den gleichen Milieus und unterschieden sich von Geschichtsschreibern nur dadurch, dass sie über mathematische Kenntnisse zur Herstellung von Projektionskarten und andere kartographische Techniken verfügten. Die Ziele und Methoden der Geschichtsschreibung und der Kartographie blieben zum Teil aber vergleichbar. Am Beispiel von gedruckten Karten Kursachsens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts möchte ich zeigen, inwie_____________ 4 5 6
Vgl. hierzu grundsätzlich Schirrmeister (2009). Münster, Cosmographia, Belleforest, Cosmographie universelle de tout le monde, Thevet, Cosmographie universelle. Die Wahl der Begriffe Nachbarfächer und Wissensgebiete erfolgt, um zu verdeutlichen, dass von wissenschaftlichen Disziplin noch keine Rede sein kann.
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weit sich Geschichtsschreibung und Kartenproduktion in ihren Zielen und Methoden berührten, aber auch eigene Wege verfolgten. In Kursachsen war im 16. Jahrhundert die Herstellung von gedruckten Karten, die das Territorium darstellten, ein wichtiges Phänomen. Dafür gibt es mehrere Gründe. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zeigten die sächsischen Fürsten, vor allem Kurfürst August (1526–1586, regierend ab 1553), großes Interesse an Geographie und Kartographie. Die Kartographie avancierte zu einem Hilfsmittel der Verwaltung, darüber hinaus wurden Karten zur visuellen Darstellung des Territoriums verwendet. Die Produktion dieser Karten wurde möglich, weil die Gelehrten, die in dieser Region als Professoren, Lehrer, Ärzte oder Pfarrer tätig waren, oft an lutherischen Universitäten studiert hatten, unter anderen Wittenberg und Leipzig, und dort auch geographisches Wissen erworben hatten und in kartographischen Techniken unterrichtet worden waren: In diesen Universitäten wurde nämlich seit der pädagogischen Reform des Praeceptor Germaniae Philipp Melanchthon großer Wert auf die Vermittlung mathematischen, geographischen und kartographischen Wissens gelegt.7 An dieser Stelle möchte ich zuerst untersuchen, inwiefern in den theoretischen Werken der Renaissance das geographische Wissen in Beziehung zur Geschichte gesetzt wird. Danach möchte ich diese Beziehung an den Beispielen historischer und geographischer Werken veranschaulichen, die im 16. Jahrhundert in Kursachsen produziert wurden.
I. Geschichte und Geographie: zwei Wissensbereiche in der Zeit der Renaissance 1. Die Konstruktion der Geographie als Wissensfeld im 15. und 16. Jahrhundert Das Wort ȖİȠȖȡĮijȓĮ (geographia), das in der griechischen Antike benutzt wurde, kann als »Beschreibung der Erde« übersetzt werden. Diese Beschreibung ist keine Erfindung der Renaissance. Im Mittelalter wurden Welt-, Regional- und sogenannte Portulankarten produziert, Itinerarien – als Texte und Diagramme – geschrieben und gezeichnet.8 Diese Texte und Bilder, die wir heute als »geographisches Wissen« oder »Beschreibung der Erde« bezeichnen, wurden aber im Mittelalter, das keine Geographia als eigenes Fach kannte,9 wohl nicht als Teil eines homogenen und einzigen Wissensfelds betrachtet. Der geographische Raum wurde beispielsweise auch in der Geschichtsschreibung berücksichtigt, insbeson_____________ 7 8 9
Friedensburg (1917), 107–318; Reich (1998), 113–119; Scheible (1997), 94–99. Harley/Woodward (1987), 281–501. Gautier-Dalché (2002).
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dere im Genre der Chroniken. Im Werk des spanischen Apologeten Paulus Orosius (um 380 – um 420), den Historiae adversus paganos, wird der Raum menschlicher Geschichte im Detail beschrieben, denn die Erzählung der Kriege und der Epidemien, die die Menschheit erlitten hat, so Orosius, müsse nicht nur die Taten und Zeiten sondern auch die Orte umfassen.10 Bis zum 12. Jahrhundert wurde dieses Modell jedoch selten imitiert. Doch dann werden in lokalen und fürstlichen Chroniken – weniger allerdings in Universalchroniken – auch Grenzen und Siedlungsgebiete beschrieben. Die räumliche oder geographische Verortung der historischen Taten wurde also zumeist als Hintergrund der Chronik betrachtet.11 Seit dem Anfang des 15. Jahrhunderts wurde nach der (Wieder-)Auffindung des Werks des antiken Astronomen Ptolemaios der Begriff Geographie verwendet. Die technischen Mittel, die Begriffe und die Daten, die die Geographia des griechischen Gelehrten von Alexandria zur Kenntnis der europäischen Gelehrten beigetragen hat, im Verein mit den Reisen und den Entdeckungen von neuen Kontinenten und Ländern der Erde, haben jedoch dazu geführt, das antike geographische Wissen zu korrigieren und grundlegend zu erweitern. Die Reiseberichte, die im 16. Jahrhundert publiziert wurden, und die geographischen Enzyklopädien – wie der Cosmographicus liber (1524) von Peter Apian12 oder die Cosmographia (1544) von Sebastian Münster – haben dann dazu beigetragen, Teile dieses neuen Wissens an ein weites Publikum zu vermitteln. Im 16. und bis ins 17. Jahrhundert hinein wandelte sich das Wissensfeld, das auf geographischen Daten aufbaute, allmählich zu einer eigenständigen Disziplin, die sich durch etablierte Arbeitsmethoden, die Benutzung von wissenschaftlichen Büchern, einen spezialisierten Wortschatz, den Bezug auf gemeinsame, eigene Autoritäten und durch Professionalisierung auszeichnete.13 Dieser Prozess führte dazu, dass nicht mehr nur allgemein von »geographischem Wissen«, sondern spezifisch von »Geographie« gesprochen werden konnte. Angesichts dieses Differenzierungsprozesses ist es aufschlussreich, wie diese neue Disziplin in die allgemeine Architektur des Wissens integriert wurde: Die Geographie wurde meistens mit anderen Nebenfächern unterrichtet und in Handbüchern vorgestellt. Im akademischen Unterricht der Artes-Fakultäten und in theoretischen Werken, die sich mit der Klassifikation des Wissens beschäftigten, wurde sie meistens zusammen mit der Astronomie behandelt. Die Astronomie erlaubt es ihrerseits, die Erde mit Hilfe der Geometrie zu messen: Die Meridiane und Parallelkreise sind zum Beispiel imaginäre Linien, die zunächst zur Beschreibung des Himmels geschaffen wurden und in der Folge auch auf die Erdoberflä_____________ 10 Orosius, Historiae adversus paganos, I, 1, 17: »[…] quo facilius, cum locales bellorum morborumque clades ostendabuntur, studiosi quique non solum rerum ac temporum sed etiam locorum scientiam consequantur.« 11 Vgl. Gautier-Dalché (1991). 12 Peter Apian, Cosmographicus liber. 13 Eine Definition von »Disziplin«, schlägt Kelley (1997) in den ersten Seiten seiner Einführung vor.
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che projiziert wurden. In dieser Hinsicht wird auch die Geographie als mathematisches Wissen betrachtet, dessen Ziele die Messung und Lokalisierung der Orte auf der Erde und die Herstellung von mathematischen Darstellungen des Raums – das heißt von Karten – sind. 2. Geschichtsschreibung und Geographie als descriptio und historisches Wissen Eine Zuordnung der Geographie zur Geschichte und die damit einhergehende undifferenzierte Verwendung und sogar Verwechslung von geographischen und geschichtlichen Daten lässt sich dadurch erklären, dass die Beschreibung der Erde, der Länder und Regionen, der Städte und Dörfer sowohl in räumlicher wie in zeitlich-historischer Hinsicht erfolgen kann. Oft wurden in der Renaissance die textlichen und bildlichen – beziehungsweise kartographischen – Beschreibungen der Länder mit dem lateinischen Begriff descriptio bezeichnet. Die descriptio ist ein Beschreibungsverfahren, das es ermöglicht, Gegebenheiten zu inventarisieren und zu klassifizieren. Sie kann verschiedene Daten in einer geordneten (und systematischen) Folge darstellen und lesbar machen. Diese deskriptive Methode ist auch für die großen Kosmographien typisch, die im 16. Jahrhundert geschrieben wurden. Gerald Strauss bezeichnete die Kosmographie des 16. Jahrhunderts als eine Enzyklopädie des Wissens, die alles darstellen sollte, was die Welt ausmachte: die Naturwunder, die menschlichen Erfindungen, die großen Dramen, die die Menschen auf dem Welttheater spielen dürfen, in das Gott sie gestellt hat.14 In räumlicher Anordnung kann also im Prinzip das gesamte menschliche Wissen dargestellt werden: Es handelt sich nicht nur um geographische Kenntnisse, sondern auch um die historische Erklärung der beschriebenen Länder. In dieser Hinsicht wurden Geographie und Geschichte in demselben methodischen Prozess der Beschreibung verwendet. Den Bedeutungsumfang von Cosmographia hat Jean-Marc Besse deshalb wie folgt umrissen: La cosmographie est une description du monde. Qu’est-ce que décrire le monde? C’est décrire tous les pays qui le composent. Mais qu’est-ce, enfin, que décrire un pays? C’est faire l’inventaire de trois genres de réalités: d’abord les établissements humains, leur situation, leur origine, leur taille et la forme de leur gouvernement; ensuite les usages, c’est-à-dire les façons de vivre, de se nourrir, de se vêtir, de croire, de produire; enfin les curiosités de la nature et de l’histoire qui se trouvent dans le pays.15
Wenn auch Geographie und Geschichte in theoretischen Handbüchern der Renaissance meistens getrennt und als zwei verschiedene Fächer betrachtet wurden, so ist dies eben doch keine absolute Trennung. In der Beschreibungspraxis, und in den meisten Werken, die sich mit der Beschreibung eines Landes oder einer Region beschäftigen, gelingt es nämlich verständlicherweise nicht ohne Schwierigkei_____________ 14 Vgl. Strauss (1959), 117. 15 Besse (2003), 212.
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ten, diese Grenze zu definieren, weil sich die Gelehrten beim Schreiben von geschichtlichen wie von geographischen Texten auf gemeinsame methodische Quellen bezogen, insbesondere auf die von den Humanisten viel verwendete ars epistolaria oder ars dictaminis, die eine Reihe von Ratschlägen zur Anfertigung einer Beschreibung enthalten. Die Techniken der Beschreibung, die die Humanisten entwickelten, sind den antiken Methoden der Poetik, der Philosophie, der Geschichte und der Geographie entlehnt.16 Nach diesen Methoden wurde eine Reihe von Topoi definiert, die der Beschreibung dienen und in der Renaissance in den historischen und auch geographischen Werken verwendet wurden. Geographie und Geschichtsschreibung wurden deshalb im 16. Jahrhundert als historische Formen des Wissens betrachtet. Mit dem Begriff Historia wurde in der Renaissance nicht nur die Erzählung der Vergangenheit beschrieben, sondern auch eine besondere Weise, das Wissen zu bilden, nämlich durch die Akkumulation von Daten, die aus Büchern, aus der Erfahrung oder in Experimenten gewonnen werden konnten und eben durch die präzise Beschreibung eines Objektes. Historia kann also als literarische Gattung, aber auch als epistemologischer Prozess betrachtet werden. Betrachtet man sie als literarische Gattung, stellt sich die Frage, wie sie verfasst wurde, im anderen Fall stellt sich jedoch die Frage, was für ein Wissen durch sie gewonnen wurde.17 In dieser Hinsicht konnten die Geschichtsschreibung und die Geographie in der Renaissance als Nachbarfächer betrachtet werden, weil beide auf deskriptivem, nicht durch einen abstrakten logischen Beweisprozess generierten Wissen beruhen. Die Geschichte ist die Historia menschlicher Taten, die Geographie die Historia der Orte. Beide stellen Kenntnisse von einzelnen Gegenständen und nicht von Universalien dar – wie zum Beispiel die Gesetze, die die astronomischen Bewegungen erklären. Diese Kennzeichnung des historischen Wissens in der Frühen Neuzeit und die Ähnlichkeit zwischen beiden Wissensbereiche haben Gianna Pomata und Nancy Siraisi bündig zusammengefasst: First and foremost, a closer look at historia brings into sharper focus the peculiar characteristics of the early modern system of the sciences. The versatility of the early modern historia, equally applicable to the domain of natural knowledge and to the study of human action, points to a salient feature of early modern encyclopedism: the lack of a clearcut boundary between the study of nature and the study of culture.18
3. Die Geographie als Auge der Geschichte Im 16. Jahrhundert wurde es noch zusätzlich erschwert, die Grenze zwischen Werken zu ziehen, die man der Sphäre der Geographie und derjenigen der Geschichtsschreibung zuordnen würde, weil viele Gelehrten in beiden Bereichen tä_____________ 16 Pernot (1993), 178–183; Besse (2003), 216. 17 Pomata/Siraisi (2005), 1–38; Mandosio (1995). 18 Pomata/Siraisi (2005), 5.
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tig waren. Es wurde schon erwähnt, dass in Kursachsen die Gelehrten, die derartige Werke hergestellt haben, zum größten Teil an lutherischen Universitäten studiert haben, insbesondere Wittenberg und Leipzig, an denen dem mathematischen Wissen, wie unter anderem der Geographie, eine große Bedeutung beigemessen wurde.19 Außerdem besaß hier die Geschichte einen hohen Rang. Weil aber die Geographie in der in Wittenberg herrschenden Klassifikation der Wissensbereiche als mathematisches Fach und nicht als Teil der Historia galt, wurde sie im Unterricht von der Geschichte getrennt. Für die lutherischen Professoren war es wichtiger, die mathematischen Grundlagen der Geographie – die die Kenntnis der geographischen Koordinaten und die Herstellung von Karten ermöglichten – zu beherrschen, als bestehende Karten zu lesen und zu deuten. Dennoch blieben sich Geographie und Geschichte insofern nah, als die Karten auch zur Erklärung historischer Werke benutzt werden konnten. Geographie wurde hier vornehmlich als kartographische Technik betrachtet und unterrichtet. So schreibt Abraham Ortelius im Jahr 1570 in der Einführung seines Atlas Theatrum orbis terrarum mit Ptolemaios, die Geographie – das heißt hier: die Kartographie – sei das Auge der Geschichte.20 Eine ähnliche Metapher hatten zwei Jahrzehnte zuvor Philipp Melanchthon und einige seiner Nachfolger verwendet. So schreibt Caspar Peucer, Schüler und Schwiegersohn Melanchthons und Professor für Mathematik in Wittenberg ab 1550, in seinem Handbuch über mathematische Geographie und die Benutzung der Karten: Est autem digna homine consideratio, hanc sedem et hoc domicilium, in quo mirando dei consilio collocati sumus, aspicere, et mente notare ac metiri intervalla, quae transimus ac conficimus, et vestigia, in quae insistimus: et cum res gestas omnium temporum et gentium evoluimus, cogitationeve reteximus ac complectimur, velut oculis coram intueri in illa loca, in quibus administrata singula et peracta sunt. Quantum adferat perspicuitatis haec lux historiis minime obscurum est.21
Die Lichtmetapher wurde in antiken Texten, die geographische Themen behandeln, häufig verwendet. Diese Formulierung haben auch Melanchthon und seine Schüler und Mitarbeiter regelmäßig in Handbüchern und Universitätsreden benutzt. Die Karte konnte mit ihrem Reduzierungs- und Symbolisierungsverfahren ein weites Territorium darstellen, das dem menschlichen Auge in Natura nicht überschaubar ist. Daneben wurde dem kartographischen Bild, wie allgemein der _____________ 19 Vgl. Frank/Rhein (1998); Bauer (1997). 20 Abraham Ortelius, Theatrum orbis terrarum, A iiij r: Abraham Ortelius Antverpianus Benevolis Lectoribus S.D.: »Geographiae (quae merito a quibusdam Historiae oculus appellata est)«. 21 Caspar Peucer, De dimensione Terrae, 1554, 1: »Die Beobachtung und das Gedächtnis des Ortes und des Hauses, wo Gott uns durch seinen wunderbaren Ratschluss angesiedelt hat; die Messung des Raums, durch den wir gehen; die Darstellung der Taten der Völker, die wir in Gedanken wiederentstehen lassen und wahrnehmen, damit wir vor unseren Augen, an dem Ort, wo diese Taten vollgebracht wurden, jede Tat sehen können: Dies sind Gegenstände, die der menschlichen Überlegung würdig sind. Es ist offenbar, wieviel Scharfsicht dieses Licht für die Geschichte beiträgt.« (Übersetzung A.C.).
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wissenschaftlichen Illustration in der Renaissance, eine genuine und besondere Überzeugungskraft zugeschrieben.22 Karten wurden also im gelehrten Kontext als Erklärungsmittel der Geschichtsschreibung wahrgenommen. Die Ziele und die Methoden zur Herstellung von geschichtlichen Texten und von kartographischen Bildern können zwar als sehr verschieden gelten: Die rhetorische Stilisierung eines Textes kann zum Beispiel mit der Konstruktion einer geometrischen Form nicht verglichen werden. Karten benötigen jedoch – wie Chroniken und erzählende Texte – die vorhergehende Ansammlung von Daten und Materialen, die in der Geschichte, aber auch in der Geographie relevant sind und verwendet werden. Das Medium der Kartographie stellt diese Materialien aber in einer spezifischen Art dar: Die Daten, die erwähnt werden, müssen nicht in der Wortfolge der Lektüre, sondern können in einer synoptischen und synchronen Sicht wahrgenommen werden. Die Topoi – das heißt die Themen und Materialien – die in Karten und Erzählungen benutzt werden, sind aber vergleichbar.
II. Gedruckte Karten Kursachsens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts: ein Panorama In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hat sich die Landesbeschreibung Kursachsens ebenso wie in anderen, Territorialstaaten des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation bemerkenswert weit entwickelt. Auch Karten wurden häufiger gedruckt. Es ist allerdings auffällig, dass besonders viele Gelehrte an der kartographischen Erfassung des Gesamtterritoriums oder von Teilen Kursachsens beteiligt waren. Wie lässt sich dies erklären? 1553 beginnt die Herrschaft des Kurfürsten August, die bis 1586 dauern wird. Dieser Fürst war ein Liebhaber der artes liberales, vor allem der mathematischen Wissenschaften. Die Kartographie schätzte er als Hilfsmittel zur Verwaltung seines Landes, aber auch als Ausdruck besonderen politischen Prestiges seines Landes. August, der sich auch selbst als Kartograph betätigte, hat Landvermesser und Markscheider – also Bergbauingenieure – zur Herstellung handschriftlicher administrativer Karten angestellt. Die Kurfürsten, die nach August regierten, haben die Herstellung von Karten weiter gefördert.23 Wozu genau benötigten die Kurfürsten von Sachsen – wie auch andere deutsche und europäische Fürsten – diese Karten?24 Das Phänomen lässt sich einer_____________ 22 Vgl. Châtelain/Pinon (2000), Zittel (2005) zur terminologischen und funktionalen Unterscheidung von »Beweis«, »Argument« und »demonstratio« bei Abbildungen in wissenschaftlichen Werken der frühen Neuzeit. 23 Vgl. Schmidt (1898); Hantzsch (1905); Bönisch/Brischzin/Schillinger/Stams (1990). 24 Dass es sich um mehr als ein lokales Phänomen handelt, ist daran ersichtlich, dass der Trend, Karten als Hilfsmittel zur Regierung zu verwenden, im 16. Jahrhundert in ganz Europa nachweisbar ist. Es können auch frühere Beispiele gegeben werden, vor dem 16. Jahrhundert ist al-
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seits durch den Fortschritt der kartographischen Technik – insbesondere des Projektionsprozesses – in der Renaissance erklären, andererseits aber auch durch die Besonderheiten neuer Formen der politischen Herrschaft. Am Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit – um den Epochenwechsel etwas holzschnittartig und zusammenfassend zu beschreiben – wandelte sich die Form der Herrschaft, die früher auf der individuellen und persönlichen Beziehungen zwischen den Fürsten und ihren Untertanen beruhte und nun als Macht über ein durch seine Grenzen definiertes Territorium verstanden wurde, das es zu verwalten galt. Dieses Phänomen wurde in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts durch den Konfessionalisierungsprozess verstärkt. Diese Akzentuierung des Territoriums, diese ›Territorialisierung der Macht‹ führte dazu, dass es für die Fürsten – aber auch die Untertanen – unabdingbar wurde, einen Überblick über die zunehmend durch das jeweilige Territorium definierte Machtsphäre zu gewinnen.25 Deswegen wurden neuere statistische und administrative Mittel – wie Karten, aber auch Ämterbücher und Eigentumsverzeichnisse – entwickelt, um die Verwaltung zu verbessern. Eine bessere Kenntnis des Territoriums bringt einen Zuwachs an Daten über die verwalteten Orte. Erklärt sich also der zunehmende Gebrauch von Karten aus dem Rationalisierungsprozess der Administration in der Renaissance, so können die Karten darüber hinaus auch als symbolische Legitimationsmittel der fürstlichen Macht betrachtet werden. Gedruckte Karten konnten nämlich außerdem dazu beitragen, den Untertanen und den konkurrierenden Herrschaften den Umfang des Territoriums und die Bedeutung der fürstlichen Macht vor Augen zu führen.26 Des Weiteren fühlten sich die Gelehrten – unter anderem dank des Aufrufs Sebastian Münsters zur vollständigen Beschreibung Deutschlands im Jahr 152827 – zur Anfertigung von Länderkarten angeregt. Diese Gelehrten, die in Sachsen, wie auch in anderen Territorien, tätig waren, begannen zumeist aus eigenem Antrieb – die erforderlichen Kenntnisse hatten sie fast alle beim Studium an universitären philosophischen Fakultäten gesammelt – Karten zu erstellen und schenkten danach ihre Werke August von Sachsen. Es ist anzunehmen, dass sie vom Interesse des Kurfürsten an der Kartographie gehört hatten und dass sie aus diesem Grund Karten des kursächsischen – und nicht eines anderen – Territoriums hergestellt hatten. Einige der sächsischen Karten sind auch im direkten Auftrag des Kurfürsten entstanden. Neben den Fürsten wurden auch andere politische Autoritäten – städtische Räte und Landadel – Auftraggeber der Kartographen. Noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts gab es keine verlässliche kartographische Darstellung des sächsisch-thüringischen Landes. Sebastian Münster hatte _____________ lerdings die Benutzung von Karten im administrativen und politischen Kontext deutlich seltener gewesen. Vgl. Dainville (1986). 25 Schmidt (2002), 11: »Ein nicht primär personales, möglicherweise sogar noch lehensrechtlich geprägtes, sondern ein territoriales Verständnis des Herrschaftsbereiches war die Voraussetzung für die vermehrte territorialrechtliche Verwendung von kartographischen Darstellungen, die vor allem eine räumliche Perspektive erfassten.« 26 Vgl. Besse (2003), 215. 27 Vgl. Burmeister (1969), 113.
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zwar 1550 in seiner Cosmographia eine kleine Karte dieses Raumes als Illustration beigefügt, die Karte war allerdings voller Fehler. Hiob Magdeburg macht den ersten wichtigen Anlauf, verlässliche Karten des Landes herzustellen.28 Er hat 1560 eine kleine Karte von Meißen (Abb. 1) herausgegeben. Im Jahr 1566 hat er
Abb. 1: Hiob Magdeburg: Misnia (1560); Holzschnitt, 13,4 x 12,2 cm.
im Auftrag Augusts in Handarbeit eine Wandkarte von Sachsen und Thüringen gezeichnet, die als administrative Karte Kursachsens Verwendung fand, wahrscheinlich aber auch als Prestigeobjekt betrachtet wurde. Diese Karte ging nicht in Druck.29
_____________ 28 Der Philologe und Theologe Hiob Magdeburg wurde 1540 an der philosophischen Fakultät von Wittenberg eingeschrieben. Ab 1541 war er Lehrer an der Fürstenschule in Meißen. Vgl. Franck (1884), 51–53. 29 Vgl. Bönisch/Brischzin/Schillinger/Stams (1990), 214–215.
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1568 schickte Bartholomäus Scultetus dem Kurfürsten August einen Probedruck einer Karte von Meißen und von der Lausitz.30 August sandte ihm zwanzig Gulden als Belohnung, bat ihn aber, die Karte nicht weiter zu drucken. Scultetus schickte also den Holzstock nach Dresden, erhielt ihn aber kurz danach zurück und gab die Karte 1569 wieder in Druck. Dieses Werk ist in mathematischer Hinsicht im Vergleich zu anderen Karten sehr gut konzipiert. Eine weitere Karte seiner Heimat Oberlausitz, die bis 1635 ein Teil von Böhmen war und erst später sächsisch wurde, ließ er 1593 drucken (Abb. 2). Scultetus hatte dieses Werk im Auftrag der Oberlausitzer Landstände hergestellt: die Reisen, die für Landmessungen benötigt wurden, wurden mit 160 Talern bezahlt. Ebenfalls 1568 hat Johannes Mellinger eine Karte von Thüringen (Abb. 3), 1571 eine Karte der Grafschaft Mansfeld (Abb. 5) herausgegeben.31 Mellinger, der auch Medizin studiert hatte, war ein guter Mathematiker, und hat für den Herzog von Lüneburg 1593 einen Atlas des Territoriums erarbeitet.32 Die Karten von Thüringen und von der Grafschaft Mansfeld wurden mit Hilfe von Vorbildern hergestellt – Karten, die im Jahr 1562 von Hiob Magdeburg und im Jahr 1570 von Tilemann Stella herausgegeben wurden.
III. Gelehrte Kartographie und Geschichtsschreibung: eine bildlich-textliche Intermedialität 1. Produktion von Karten und Texten Welche Beziehungen gibt es zwischen diesen Karten, die die Territorien Kursachsens bildlich darstellen, und den textlichen Beschreibungen derselben Landschaften? Die Karten, die schon genannt wurden, sind alle als Separatdrucke erschienen. Dafür können zwei Erklärungen, die sich auf die Herstellungsweise und auf den Eigenwert der Karten beziehen, gegeben werden. Erstens sind einige dieser Karten Kupferstiche, wie zum Beispiel die Karten Johannes Mellingers. Da die Presse, die zur Herstellung von Kupferstichen genutzt wurde, eine andere war als diejenige für Bücher und Holzschnitte benutzt wurde, mussten diese Karten als _____________ 30 Bartholomäus Scultetus (1540–1614), der an den philosophischen Fakultäten von Wittenberg und Leipzig studiert hatte, wurde selbst Professor für Mathematik und später Lehrer an der Lateinschule in Görlitz. Vgl. Günther (1891), 497–498 und Karrow (1993), 464–471. 31 Johann Mellinger studierte von 1555 bis 1562 an der philosophischen Fakultät von Wittenberg und wurde danach Lehrer in Weimar und Jena, später Arzt am Hof des Herzogs Wilhelm dem Jüngeren von Lüneburg. Siehe Karrow (1993), 371–375. 32 Eine Neuedition des Kartenwerks mit instruktiven Aufsätzen zu Mellinger und der Kartographie seiner Zeit ist 2001 erschienen: Mellinger, Atlas.
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Abb. 2: Bartholomäus Scultetus: Karte der Oberlausitz (1593); Holzschnitt, 49 x 36 cm.
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Abb. 3: Johannes Mellinger: Thvringer Land (1568); Kupferstich, 32 x 25 cm.
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Separatdrucke und Flugblätter herausgegeben werden. Doch die gedruckten Karten sind in der Renaissance nicht als einfache Illustrationen betrachtet worden. Die Zeichnung, der Stich, der Druck von Karten machten große Mühe, für die Arbeiten bedurfte es mathematischer Kenntnisse, viel Zeit und auch reichlich finanzieller Mittel. Karten, die im deutschen Raum bis zum letzten Drittel des Jahrhunderts noch relativ selten und teuer waren – in Italien hatte die Produktion schon früher größere Ausmaße angenommen – waren also teuere Objekte, für deren Herstellung die Gelehrten eine Belohnung erwarteten. Deswegen wurden sie meistens als Separatdrucke herausgegeben und nicht in Bücher integriert. Karten wurden bisweilen auch zur Begleitung von Texten, insbesondere von geschichtlichen Texten, herausgegeben. Zum Beispiel wurde Mellingers Karte der Grafschaft Mansfeld wahrscheinlich zur Illustration und Erklärung der Geschichte von Mansfeld hergestellt, die Cyriacus Spangenberg – ein Freund Mellingers – 1572 in Eisleben drucken ließ.33 Selbst wenn eine solche Beziehung aber eher selten nachweisbar ist, so können einige der Karten, die von Gelehrten hergestellt wurden, zum Teil mit historiographischen Vorhaben in Verbindung gebracht werden. Mehrere Autoren von Chroniken und anderen historischen Schriften haben einen Teil ihrer Werke dem geographischen Thema gewidmet. In seiner Meissnische Land und Berg-Chronica, die Petrus Albinus (Peter Weisse) 1589 in Dresden hat drucken lassen, schreibt der Autor ein Kapitel über die Geographie der Gegend und erklärt, warum diese geographische Beschreibung nützlich ist. Petrus Albinus diente 1589 als Sekretär des Kurfürsten Christian und war zuvor Professor an der Universität Wittenberg gewesen. In der Widmung, die er für Christian schrieb, bezeichnet er seine Chronica als Chorographia (also als Landesbeschreibung).34 Das deutet einmal mehr darauf hin, dass die Genres der Geographie und der Geschichtsschreibung zwar in der wissenschaftlichen Klassifikation und im gelehrten Unterricht der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts als zwei verschiedene und voneinander mehr oder weniger klar abgegrenzte Wissensbereiche verstanden, dennoch aber praktisch oft gemischt wurden. Die Elemente, die die kurze Geographie der Meissnischen Land und Berg-Chronica bilden, sind klassisch: Es handelt sich um die Beschreibung der Lage des Landes im deutschen Raum, aber auch in der ganzen Welt, um die Beschreibung der Flüsse, Gebirge, der Grenzen zu anderen Territorien und der Bevölkerung. Einige dieser Elemente konnten auch auf Karten eingetragen sein. In der Meissnischen Land und Berg-Chronica ist aber keine Karte enthalten. In anderen Werken, wie zum Beispiel der berühmten Cosmographia von Sebastian Münster, werden die Karten systematisch mit dem Text verknüpft: In diesem Fall scheint es noch schwieriger, zwischen Landesbeschreibung und Chronica zu unterscheiden.35 _____________ 33 Gemeint ist: Spangenberg, Mansfeldische chronica. Vgl. zur Carta Marina des Olaus Magnus Schirrmeister/ Schlelein (2010), 149–151. 34 Petrus Albinus, Land und Berg-Chronica, fol. ):( ii r. 35 Vgl. hierzu allgemein Schirrmeister (2009), insbesondere 33–35.
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Diese Verwendung textlicher und bildlicher Komponenten kann als ein frühes Beispiel für Intermedialität verstanden werden, das auch bei der Analyse kartographischer Werke nachweisbar ist. 2. Was zeigen die Karten? Die kartographische descriptio hat Eigenschaften, die die Karten von (textlichen) geographischen und geschichtlichen Beschreibungen unterscheiden. Bei der Betrachtung von Karten des kursächsischen Raumes können gemeinsame Charakteristika genannt werden. Diese Karten bilden zwei Hauptelemente ab: Orte mit ihren Namen und Wasserläufe. Die Größe der Orte wird manchmal durch die Benutzung von verschiedenen Symbolen differenziert: in der Karte der Oberlausitz (Abb. 2) werden zum Beispiel Dörfer, Schlösser, Klöster, usw. eingetragen. Die Lokalisierung der Siedlungen war die Hauptinformation, die die Karten enthielten. Die besondere Bedeutung der Siedlungen zeigt sich auch an der praktischen Durchführung der Vermessungen, die der Herstellung der Karte vorausgingen. Die Orte, Dörfer und Städte dienten den Kartographen als Orientierungspunkte: Von einem Dorf aus (meistens von einer erhöhten Stelle aus, etwa von einem Kirchturm) wurde in Richtung eines anderen Orts gepeilt. Der Winkel zwischen der gepeilten Strecke und einer zweiten zu einem Ort, dessen Abstand bekannt ist, ermöglichte, den Abstand zu dem angepeilten Ort zu ermitteln. Das Netz der Siedlungen bildete also auf der Karte die Sichtmarken, mit deren Hilfe die anderen Informationen eingetragen wurden. Das gilt auch für die Wasserläufe, die üblicherweise nach den Siedlungen eingezeichnet wurden. Weitere topographische Details wurden oft ungenau und manchmal unsystematisch eingezeichnet. Die Vegetation wird mittels einer meist undifferenzierten Symbolisierung dargestellt. Die Genauigkeit dieser Darstellung hängt vom Kartographen und vom erfassten Raum ab. In der Karte der Oberlausitz von Scultetus (Abb. 2) scheint die Darstellung der Wälder präziser zu sein. Dies lässt sich vielleicht dadurch erklären, dass mehrere Landesfürsten und städtische Behörden die Karte finanziert haben. Diese Karte war wahrscheinlich als administratives Dokument gedacht. Die genaue Darstellung der Wälder war aufgrund der besonderen Bedeutung des Holzeinschlags für die Ökonomie eines Landes bedeutsam. Die Hypothese einer administrativen und politischen Verwendung dieser Karte wird auch dadurch gestützt, dass die Grenzen zwischen den verschiedenen Territorien und den unterschiedlichen Herrschaften eingezeichnet sind. Am Rand der Karten finden sich manchmal auch geographische Koordinaten, die ungenau oder sogar falsch sein können. Auch wenn die Autoren diese Irrtümer kannten, ließen sie diese Information auf ihren Karten stehen. Denn mit diesen sich in ihren Zahlenangaben genau gebenden Angaben, die auf präzisen Messverfahren beruhen sollten, wollten sie signalisieren, dass sie akademisch gebildet waren und mathematische Kenntnisse hatten. Sie waren, wie es Bartholo-
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mäus Scultetus in einer Kartusche seiner Karte der Oberlausitz erwähnt, »der Geometrischen Künsten Liebhabern«. Mathematische Angaben dieser Art können auch dazu beigetragen haben, ihre Werke von der kartographischen Produktion der Landvermesser und Markscheider zu unterscheiden. Die Verfasser dieser gedruckten Karten waren Gelehrte, die an den Universitäten den humanistischen Bildungskanon durchlaufen hatten. Deswegen können die Texte, die Widmungen und die Lobgedichte, die die gedruckten Karten schmücken, häufig der humanistischen Tradition der Landesbeschreibung oder der Regionalgeschichtsschreibung zugeordnet werden. Die Karten, auf die ich mich hier beziehe, enthalten regelmäßig enkomiastische Texte. Diese Lobgedichte in lateinischer Sprache nutzen die Topoi des antiken locus amoenus und des Städtelobs, die dem Genre der textlichen Landesbeschreibung entstammen: fecunditas der Erde, nobilitas der Menschen, iustitia der Regierung und des Gesetzes. Diese Topoi hat der Kartograph Hiob Magdeburg in der Ausgabe seiner Karte von Meißen (Abb. 1) in vier Versen kurz zusammengefasst: Terra ferax bonitate soli, Divesque metallis, Inclyta virtute, e nobilitate virum Inclusa ex[i]gua tota est hac Misnia charta Orbis vix tota nomina clara capit.36
Welche Schlüsse lassen sich aus diesen Beobachtungen ziehen? Die meisten Karten aus dem Segment der gelehrten Kartographie Kursachsens dienten wohl nicht in erster Linie administrativen oder politischen Zielen – Scultetus’ Karte der Oberlausitz könnte eine Ausnahme sein. Ortsnamen, Hydrographie und Wälder sind die Informationen, die die Orientierung im beschriebenen Raum ermöglichen. In dieser Hinsicht kann die Kartographie nicht als reine Illustration, als Schmuck, sondern als Mittel zur Erläuterung der Geschichtsschreibung, als Oculus historiae, betrachtet werden: Sie bilden eine sozusagen ungeschichtliche und überschaubare Darstellung des Raumes. Trotz der geringen Fläche, die für eine Karte zur Verfügung steht, kann die Größe und Vielfältigkeit des Landes zur Darstellung gebracht werden. Die Karten konnten in dieser Hinsicht die Autopsia und die Reise ersetzen – auf diese Funktion der Karten wird in geographischen Werken regelmäßig hingewiesen. Die Nützlichkeit der Karten ist umso größer, als sie eine panoptische Sicht erlauben.
_____________ 36 »Fruchtbare Landschaft mit gutem Boden / Reich an Metallen / für die weit bekannte Tugend und den Adel der Menschen gerühmt / ist das Land von Meißen ganz auf dieser Karte eingetragen worden. / Dieser Raum kann die vielen berühmten Namen kaum fassen.« (Übersetzung A.C.).
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IV. Geschichte und Politik in Karten Nur gelegentlich finden sich historische oder politische Elemente auf Karten.37 Es handelt sich um Wappen, die den Rand der Karten schmücken (zum Beispiel auf der Karte der Oberlausitz von Scultetus, Abb. 2) oder an verschiedenen Stellen der Karten erscheinen (zum Beispiel auf der Karte der Grafschaft Mansfeld von Mellinger, Abb. 3) und dort als Symbole der Macht der jeweiligen politischen Herrscher oder städtischen Behörden dienen. Diese Wappen repräsentieren die politische Macht, aber auch die Familienabstammung der Fürsten. Die Macht konnte zwar durch die Sicht eines politischen Raums – das heißt eines Territoriums – wahrgenommen werden. Doch sollte diese Macht auch als erbliche und dynastische gekennzeichnet werden. Diese Informationen wurden meist auch in Chroniken und Landesgeschichten mit Holzschnitten oder Kupferstichen vermittelt. Die Nutzung solcher Elemente in Landkarten kann dazu beigetragen haben, die Familienmacht und den familiären Erbanspruch mit einem bestimmten Raum zu verknüpfen. Dieser Versuch kann mit folgendem Beispiel veranschaulicht werden. Die Karte, die in der Meissnischen Land- und Bergchronica von Petrus Albinus 1589 erschien (Abb. 4), stellt in eher ungeschickter Weise die Gegend von Meißen mit eingetragenen Wappen dar. Im kartographischen Raum konnten auch topographische Elemente abgebildet werden, die nicht nur über den geographischen oder natürlichen Zusammenhang informieren, sondern auch historische Informationen liefern. So ist auf der Karte des Thüringer Lands von Mellinger (Abb. 3) unten links der »Reinhardsbrunn der alten Landgraffen in Thüringen begreben« als ein Grab mit einem Katafalk eingezeichnet. Während Historiographie und textliche Landesbeschreibung solche Monumenta und Mirabilia typischerweise erwähnen, um die Bedeutung der patria hervorzuheben, ist dies für die Kartographie eher unüblich. Aus rein technischen Gründen haben die Landeskartographen nur selten versucht, narrative oder chronologische Information in ihre Karten zu integrieren. Die Mellinger-Karte von der Grafschaft Mansfeld (Abb. 5) ist eine Ausnahme. Diese Karte ist besonders interessant, weil sie neben den Ortsnamen, Siedlungen und den Wasserläufen auch historische Informationen in ihrem geographischen Kontext erwähnt. Neben der Stadt Eisleben (Abb. 5, oben rechts) kann man lesen »Patria S. viri M. Lutheri«; und im Süden von Frankenhausen (Abb. 5, mittig links) findet man eine Inschrift, die an die Bauernkriege von 1524–1525 erinnert: »Hic coesa rusticorum seditiosa cohors a° 1525«. Auf dem Rand der Karte befinden sich zwei Holzschnitte, die Luther und den Papst abbilden: rechts das Bildnis von Luther, links das des Papstes. Unter dem päpstlichen Bildnis steht ein kurzer lateinischer Text, der erklärt, dass im Jahr 1539 ein Stein in einem Bergwerk gefunden wurde, auf dem ein Bildnis des Papstes »mit drei Krönen« zu _____________ 37 Ein gegenteiliger Befund gilt für die Carta Marina des Olaus Magnus: Vgl. Schirrmeister/ Schlelein (2010), 150; Sach (2009), passim.
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Abb. 4: Petrus Albinus: Meißnische Land und Berg-Chronica, 430: Ohngefehrliche verzeichnus [...] (1589); Kupferstich, 31,2 x 18,5 cm.
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Abb. 5: Ausschnitt aus: Johannes Mellinger: Mansfeldici Comitatus typus chorographicus (1571); Kupferstich, 47 x 35 cm.
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sehen war. Dieses Bildnis wurde von Mellinger als Symbol der zeitlichen, widergläubigen und satanischen Macht des Papsts interpretiert. Die lutherische und antipäpstliche Aussage der Karte Mellingers ist damit recht deutlich. Das Dokument lässt sich in der sogenannten Teufelsliteratur einordnen, die in dieser Zeit die deutschen protestantischen Territorien überschwemmte und in einer eschatologischen Perspektive das Ende der Welt ankündigte.38 Der geographische Raum der Grafschaft Mansfeld wurde damit als lutherisches Territorium dargestellt. Die Herren und Fürsten, denen die Karte gewidmet wurde, erklärten sich als lutherische Fürsten, die ihrem Land die Reformation gebracht hatten. Die Karte gibt der Behauptung Ausdruck, selbst das Erdreich könne sich zu der aktuellen konfessionellen Frage äußern und habe auch schon Partei ergriffen: für die lutherische Seite. Solche religiösen oder politischen Aussagen sind in der Kartographie dieser Zeit allerdings selten. Die politische Meinung, die in diesem Dokument ans Licht tritt, lässt sich gut erklären: Die Karte sollte, wie schon erwähnt, die Mansfeldische Chronik des Cyriacus Spangenberg illustrieren. Spangenberg, lutherischer Pastor und Freund von Mellinger, hat in seinen Werken mehrfach das Papsttum angegriffen. Zusammenfassend möchte ich einige Bemerkungen zu zwei Problemen machen: Erstens müssen bei der Frage nach den Motiven zur Herstellung von gedruckten Regionalkarten die politischen und die humanistisch-gelehrten Einflüsse sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Das Interesse der Fürsten und der Verwaltungen an Kartographie ist schon unterstrichen worden: Es ist in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stetig gewachsen. Die Humanisten, die dieses Interesse gekannt haben, wollten in erster Linie zur Illustration (im Wortsinne) ihrer patria beitragen. Nur selten haben sie aber ihre kartographischen Werke bestimmten politischen Zielen (Grenzstreitigkeiten, konfessionelle Konflikte, usw.) untergeordnet. Zweitens ist darauf aufmerksam gemacht worden, dass sich in der Renaissance die humanistische Landesbeschreibung etabliert hat als eine neue Textsorte, die synchrone und diachrone Elemente zu verbinden sucht. Diese historiographisch-geographische Verbindung zeigt sich auch in der Kartographie. Im 16. Jahrhundert diente die Kartographie auch zur Beschreibung, also zur Einordnung verschiedener durch Autopsie und Gelehrsamkeit gesammelter Fakten oder Objekte. Karten einerseits, geographische und historische Texte andererseits gehören verschiedenen Medien an, die bisweilen mit vergleichbaren Zielen benutzt wurden, wobei ein Medium bei der Beschreibung das andere funktional ergänzen konnte. Auch in dieser Hinsicht dürfen die Karten nicht als reine Illustration des historischen Textes betrachtet werden.
_____________ 38 Vgl. Brückner (1974), Roos (1972), Osborn (1965).
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Abbildungsnachweise Abb. 1: Hiob Magdeburg: Misnia (1560); Holzschnitt, 13,4 x 12,2 cm: Ratsschulbibliothek Zwickau, Inv.-Nr.: 72/2°/6/5a [Foto: Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Deutsche Fotothek]. Abb. 2: Bartholomäus Scultetus: Oberlausitz (1593); Holzschnitt, 49 x 36 cm: Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Signatur: KS A13974 [Foto: Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Deutsche Fotothek]. Abb. 3: Johannes Mellinger: Thvringer Land (1568); Kupferstich, 32 x 25 cm: Universitätsbibliothek Rostock, Sondersammlungen, Signatur: Qk-3. Abb. 4: Petrus Albinus: Meißnische Land und Berg-Chronica, 430: Ohngefehrliche verzeichnus, wie man das alte Landt zwischen der Elbe und Sala, so heut zu tage das Landt zu Meyssen genennet wird (1589); Kupferstich, 31,2 x 18,5 cm. Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Signatur: Hist. Sax. A. 63 [Foto: Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Dresdner Digitalisierungszentrum]. Abb. 5: Johannes Mellinger: Mansfeldici Comitatus typus chorographicus (1571); Kupferstich, 47 x 35 cm: ULB Halle, Signatur: Altkt D II 7[1]/1.
Die Erfahrung der Peripherie: Antikenreferenz und empirisches Wissen in der norddeutschen Geschichtsschreibung des 16. Jahrhunderts HARALD BOLLBUCK Zu Beginn des 16. Jahrhunderts hatten sich auch in deutschen Kulturzentren historische Erzählungen in Form von Genealogien und Ursprungserzählungen als dynastisches und kommunales Legitimationsmodell etabliert. Doch nun wandelten sich unter dem Einfluss humanistischer Arbeitstechniken nicht nur die Formen der Echtheitsprüfung und Quellenkritik. Im Gefolge von Handschriftenentdeckungen, vornehmlich der Germania des Tacitus, und ihrer Rezeption mussten ganze Wissensbestände revidiert und in die bisherigen Formationen neu eingebunden werden. Dies betraf in erster Linie die alte Geschichte und die Abstammungsberichte. Der Historiograph stand vor der Aufgabe, diese Erzählungen plausibel zu gestalten. Die drei Geschichtsschreiber Albert Krantz, Nicolaus Marschalck und David Chytraeus wirkten in Norddeutschland in einem Raum, der erst allmählich Anschluss an die kulturelle Entwicklung oberdeutscher Zentren erlangte und zudem kaum Beschreibungsgegenstand antiker Autoren gewesen war. Daher mussten sie die wiederentdeckte Wissenstradition einer umfassenden eigenen Interpretation unterziehen und dem Erfahrungswissen größeren Stellenwert zuschreiben.
1. Die Entdeckung einer gemeinsamen Urgeschichte Norddeutschlands: Albert Krantz (um 1448–1517) Um 1448 in Hamburg geboren, studierte Albert Krantz in Rostock, wurde dort 1468 zum Magister Artium promoviert und übte zwischen 1481 und 1486 mehrmals das Amt des Dekans und Rektors der Universität aus.1 In dieser Funktion soll er in Köln bei der Eröffnung des Grabes des Albertus Magnus Konrad Celtis kennengelernt haben. Seit 1486 Ratssyndikus in Lübeck, wurde er zu einem Chefdiplomaten der Hanse: Berichte, Briefe und Rezesse weisen ihn in Antwerpen, Paris, Danzig, Riga und Dorpat aus, vermutlich war er sogar am Hof des Kaisers _____________ 1
Zur Biographie von Krantz vgl. Andermann (1999), 33–71; außerdem Bollbuck (2006).
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im Elsaß oder Breisgau.2 Nach dem Studium des kanonisches Rechts und der Theologie zwischen 1491 und 1493 in Mainz und Perugia, abgeschlossen mit der Doktorpromotion,3 übernahm er 1493 die Domlektur in Hamburg, die mit einer Lektoralpfründe verbunden war (praebenda doctoralis et lectoralis). Auf diplomatische Missionen im Dienst der Hanse begab er sich aber weiterhin. Im Jahre 1508 trat er das Amt eines Domdekans an, das er bis zu seinem Tod 1517 ausübte. Krantz war ein Mann der Schwellenzeit, an dem sich zeigen läßt, wie sich Spätscholastik, Kirchenreform und humanistische Methode nicht nur bekämpften, sondern wie sie ebenso aufeinander einwirkten. Er hatte eine artistische, theologische und juristische Ausbildung erhalten, in Italien den Humanismus kennengelernt und war dann wieder ins kirchliche Lehramt an der Domschule zurückgekehrt. Doch auch in dieser Funktion verleugnete er nicht die erlernten neuen Arbeitstechniken: Die von ihm verfassten Mess- und Unterrichtsbücher präsentieren dem Publikum purgierte, wiederhergestellte Lesarten. Seine Grammatikund Logiklehrbücher fußen auf scholastischen Kompendien, verstehen sich aber als praktische Unterrichtsanweisungen, um die lateinische Sprache und Rhetorik eher an Hand von Exempeln als durch Regeln zu erlernen. Die Aristoteleskommentare folgen dem Quästionenstil, doch die den Erläuterungen zu De anima vorangestellte Vorrede, die den Text elegant zusammenfasst, erinnert an humanistische Oratorik.4 Krantz’ Arbeitsweise ist mit dem pädagogischen Humanismus und den kirchenreformerischen Aktivitäten eines Jakob Wimpfelings verwandt. In seinen umfassenden Geschichtswerken erkundet Krantz als erster den gesamten Raum Norddeutschlands, Nord- und Osteuropas im Zusammenhang. Die Wandalia befasst sich mit den slawischen Reichen von Polen über Böhmen bis Bulgarien mit den Herzogtümern Mecklenburg und Pommern als Kernländern, die Saxonia mit dem niederdeutschen Sprachraum, fokussiert auf das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg; das Chronicon regnorum aquilonarium widmet sich Skandinavien und dem dänischen Königreich. Zusätzlich verfasste Krantz mit der Metropolis eine sächsische Kirchengeschichte. All diese Werke wurden erst postum veröffentlicht: die Wandalia 1519, die Saxonia 1520, die Nordchroniken 1548. Die Entstehungszeit kann bestenfalls über die Verwendung des Präsens bei der Beschreibung zeitgeschichtlicher Ereignisse, den Abbruch von Erzählungen und die Datierung zuletzt erwähnter histo_____________ 2
3 4
Hanserecesse III/2, Nr. 409 kündigt eine Reise nach Livland an, ebd. Nr. 414 die Ankunft in Dorpat am 5. Januar 1491, ebd. Nr. 496 die Teilnahme am Hansetag in Antwerpen im Mai 1491. Hanserecesse III/3, Nr. 738 berichtet von Krantz als Gesandtem beim Herzog von Burgund. 1507 finden wir Krantz im Auftrag Hamburgs auf dem dänisch-lübischen Vermittlungstag in Nykøbing (Hanserecesse III/5, Nr. 270). Schließlich meldet der Gesandte des dänischen Königs am 31. März 1511, Krantz in Schlettstadt und in Freiburg am kaiserlichen Hof getroffen zu haben (Hanserecesse III/6, Nr. 147). Allerdings sprechen ihm die Quellen bereits am 1. November 1490 bei seiner Livlandmission diesen Titel zu: »Beveel doctor Alberti Kransz nha Liflande.« Hanserecesse III/2, Nr. 409. Vgl. Andermann (1999), 107–109.
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rischer Phänomene eingegrenzt werden. Insgesamt enden die Werke zwischen 1504 und 1509, so dass das erste Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts als Abfassungszeitraum gilt.5 In dieser Zeit enstand ein neues Modell der Germania-Erzählungen, an dessen Entwicklung Krantz teilhatte. Konrad Celtis hatte im Jahr 1500 seiner Ausgabe der taciteischen Germania (De situ & moribus Germaniae additiones) einen hexametrischen Kommentar beigegeben, den er zwei Jahre später unter seinen Gedichten Quatuor libri amorum als Germania generalis publizierte. Ihre unchristliche Gesellschaftsform brandmarkte die Germanen zwar als unzivilisiert, doch unterschieden sie sich in dieser Hinsicht nicht von der römischen Antike.6 Auf diese Weise rehabilitierte Celtis die Germanen als sittlich der Gegenwart überlegen. Er rief die deutschen Gelehrten dazu auf, in regionalen Projekten eine umfassende Germania illustrata nach dem Vorbild von Flavio Biondos Italia illustrata zu erstellen. Die Konzeption der Werke des Albert Krantz erscheint wie ein norddeutsches Gegenstück zu diesem Plan, doch fehlen alle Hinweise auf einen Austausch zu diesem Thema. An dieser Stelle ist nicht nur der Verlust des Krantz’schen Briefwechsels zu beklagen. Vielleicht erwähnt der Autor die süddeutschen Vorhaben auch nie, weil er im Wettbewerb der Gelehrten die herausgehobene Stellung seines Gegenstandes betonen wollte. Krantz kompilierte seine Werke. Er übernahm ganze Passagen aus den Quellen, oft wörtlich, teils als Exzerpt. Da der Realitätsgehalt einer Quellenkompilation nicht auf ein autoptisch oder empirisch wahrgenommenes, historisches Geschehen, die res gestae, ausgerichtet ist, sondern auf die der Erzählung zu Grunde gelegten literarischen Quellen, verleiht Krantz seiner Kompilation ein hohes Maß an historischer Objektivität, wenn er die autoritativen Quellen wörtlich zur Sprache kommen läßt.7 Antike Autoren gibt er namentlich an, aber auch mittelalterliche wie Helmold von Bosau und Saxo Grammaticus, da sie in ihrer ethnographischen Geschichtskonzeption einen klassischen Eindruck auf Krantz hinterlassen haben müssen. Die Auswahl der Quellen und die Art ihrer Verwendung, die Kritik an mittelalterlichen Ursprungs- und Wundererzählungen und der Rekurs auf die germanischen Abstammungsmodelle reihen Krantz in die Reihe der deutschen Geschichtsschreiber humanistischen Zuschnitts neben Celtis, Aventin und Wimpfeling ein. Ihre Geschichtsmodelle konnten nur unter dem Einfluss einer taciteischen Ethnographie entstehen, was die Rezeption der in der Mitte des 15. Jahrhunderts endgültig wiederentdeckten und zuerst in Italien rezipierten Germania voraussetzt.8 Sie wird zur ersten Referenz, weil sie sich als _____________ 5 6 7 8
Reinke (1933), 124 sieht die Spanne zwischen 1500 und 1504 als Abfassungszeitraum, letzte Einträge sind aber in das Jahr 1509 zu datieren. Vgl. Andermann (1999), 168–171. Vgl. Krebs (2005), 196–210; Müller (2001), 305–440 mit starker Betonung der christlichen Kritik heidnischer Gesellschaften. Vgl. Schmale (1988), 124 f. Zur Wiederentdeckung der Germania vgl. v.a. Mertens (2004); daneben Joachimsen (1983), 275–295; Krapf (1979), 11–42; 49–109; Kloft (1990), 106 f. Die erste Verwendung durch Enea Silvio Piccolomini bei Münkler/Grünberger (1998), 167–173; 210–218 und Krebs (2005), 127– 152.
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einzige antike Schrift umfassend und ganz dem alten Germanien widmete und Muster für eine geographische und ethnographische Beschreibung überhaupt wurde. Aber vor Plinius, sowie Strabo und Ptolemaios in lateinischen Übersetzungen,9 die für die topographische Einordnung der germanischen Volksstämme unentbehrlich waren, besaß der sogenannte Pseudo-Berosus einen hervorragenden Stellenwert. Es handelte sich um eine Fälschung des Dominikaners Annius von Viterbo aus dem späten 15. Jahrhundert, der vorgeblich wiederaufgefundenen alten Texten einen selbst verfassten Kommentar beilegte.10 Die eigene gefälschte Konstruktion wurde mit klassischen Texten argumentativ und exegetisch unterlegt. Der Rekurs auf antike Autoren vergrößerte die Geltungskraft der Texte auch in Humanistenkreisen, zumal unter deutschen, spanischen und skandinavischen Autoren, weil gerade diesen Völkern, die in antiken Texten kaum oder unerwähnt blieben, Stammbäume angeboten wurden, die mythische Ahnen der klassischen Literatur mit dem biblischen Bericht verknüpften und Genealogien bis zu Noah erstellten. Da Annius für die angebliche Wiederentdeckung des babylonischen Priesters und Historikers Berosus in Flavius einen antiken Gewährsmann besaß, maßen ihm die meisten Humanisten allein auf Grund seines Alters einen höheren Wahrheitsgehalt zu. Behauptet Annius noch, dass Tacitus nach den Erzählungen des Berosus berichtet, wird dieser bei Krantz zur enscheidenden Quelle des Römers: »Nam & Tacitus & Plinius hanc consonam gentis nominationem ex eodem, ut arbitror, fonte hauserunt: Babylonio Beroso.«11 Unter den frühen deutschen Humanisten gelang es nur Beatus Rhenanus, die Schriften des Annius als Fälschungen auszuweisen. Krantz wandelte diese Konstruktionen um und schmückte sie methodisch geschickt aus, indem er Leerstellen und logische Sprünge mit etymologischen Ableitungen und historischen Argumenten von Tacitus, Plinius, Strabo und Ptolemaios ausfüllte. Seine Ortskenntnis machte die Erzählungen topographisch plausibel. Dass im Pseudo-Berosus Germanen und Sarmaten Nachkommen des mythischen Stammvaters Tuisco sind und Annius dessen Nachfahren, die Tuyscones, in erster Linie als Vorfahren der Etrusker versteht, verschweigt Krantz.12 Als König und Spitzenahn der Germanen und Sarmaten sei Tuisco Herrscher eines Reiches zwischen Rhein und Don gewesen. Krantz, der Tacitus überspitzt lesend auf scharfe Abgrenzung der Ethnien und Abtrennung der Germanen von Sarmaten und Skythen setzt, erklärt den Großraum zum Ursprungsgebiet einer _____________ 9
Der lateinische Strabo erschien 1469 in Rom, Ptolemaios 1478 ebendort und 1482 in Ulm. Vgl. Andermann (1995), 135 f. 10 Zu Annius, seiner Arbeitsweise und Fälschungstechnik sowie seinem Beitrag zur Ausbildung einer historischen Methodik vgl. Tigerstedt (1964), Crahay (1983), Ligota (1987), Grafton (1991a), 76–103, Grafton (1991b), 43–48; 80–91, und Ferraù (2002). 11 Krantz, Wandalia, Bl. a ij v :»Denn sowohl Tacitus als auch Plinius schöpfen, wie ich meine, diese gleichlautende Volksbezeichnung aus derselben Quelle: dem Babylonier Berosus …«. Dagegen bei Annius, Antiquitates, Bl. S v r: »[...] ut Berosus scribit: & memoria Germana prodit: & Tacitus refert de situ & moribus Germanorum [...]«. 12 Annius, Antiquitates, Bl. P i v. Vgl. Grafton (1991b), 47.
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Germania magna, dessen Begriff er Ptolemaios entlieh.13 Die taciteisch-berosianische Figur des Tuisco als Sohn Noahs wird nach der durch die Sintflut ausgelösten Migration als autochthon beschrieben, die Germanen als Indigene, die eine ethnisch unvermischte Genealogie und Siedlungskontinuität besitzen.14 Obwohl er nicht vor ungenehmen Auslassungen zurückscheut, rutschen Krantz durch die unmittelbaren Rezeptionsvorgänge die im Pseudo-Berosus als Tuisconachfahren angegebenen Hunnen in den germanischen Stammbaum mit hinein, deren Einwanderung aus Asien daher ausdrücklich abgelehnt werden muss: wie alle Germanen sei auch dieses Volk in Europa erstanden.15 Die Erwähnung in antiken Berichten verlieh den modernen Fürstengeschlechtern und Völkern bzw. Stämmen und Territorien nicht nur genealogische Kontinuität: Jene, die es einst gab, existierten immer noch. Das hohe Alter schenkte Adel und Dignität. Zudem barg für einen Humanisten allein die Erwähnung in der hegemonialen antiken Literatur diskursive Anschlussfähigkeit.16 Daher machte Krantz die Marschbewohner in Holstein mittels Etymologie zu Nachfahren der taciteischen Marsi, obwohl die rebellischen Dithmarscher Bauern diese einleuchtende Konstruktion gar nicht verdienten.17 Komplizierter verhielt es sich mit den Hauptgegenständen seiner Geschichtsschreibung, den Sachsen und den Mecklenburgern mit ihren slawischen Wurzeln. Beide tauchten weder bei Tacitus und Plinius, noch bei Pseudo-Berosus auf. Zudem musste Krantz gegen wirkmächtige Ursprungsgeschichten antreten. Bei der Durchsetzung des Paradigmas der ethnischen Kontinuität als Grundlage einer Rekonstruktion des sächsischen Stammbaumes bildet die Cronecken der Sassen das Hauptangriffsziel. Sie war 1492 mit dem Zielpublikum ständischer Führungsschichten erschienen.18 Mit ihrer Gesamtgeschichte des sächsischen Raumes hatte sie bereits einen Identifikationszusammenhang geschaffen, auf den Krantz zurückgreifen konnte. Die Abstammungslegende war dem Sachsenspiegel entnommen, dem einflussreichen niederdeutschen Rechtsbuch des 13. Jahrhunderts. Demnach waren die Sachsen Nachfahren von Offizieren Alexanders des Großen, die sich nach langer Wanderung in der Germania niedergelassen hätten.19 Krantz setzte alles daran, diesen Mythos zu widerlegen, und er argumentiert gut humanistisch mit antiken Quellen. Schon Ptolemaios habe die Sachsen mehr als 300 Jahre vor ihrer angeblichen Ankunft um 500 n. Chr. in Norddeutschland südlich der kimbrischen Halbinsel siedeln lassen: »nam diu ante ea tempora in sua _____________ 13 Krantz, Wandalia, Bl. a iiij v und d i r nach Ptolemaios, Geogr., 2,11. Vgl. zu Aventins Umgang hiermit Andrej Doronin in diesem Band. 14 Zur Autochthonie-Konstruktion vgl. Bollbuck (2006), 100–108. 15 Krantz, Wandalia, Bl. aij v – aiij r. Vgl. Bollbuck (2006), 102. 16 Vgl. Münkler (1997), 126. 17 Krantz, Wandalia, Bl. a ij v. 18 Vgl. Funke (2001), 172 f.; vgl. auch Werner (2002). 19 Sachsenspiegel Ldr 3, 44 § 2.
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prouincia demorati sunt Saxones: Testis est Ptolemaeus, qui scripsit sub Imperatore Adriano.«20 Denn weil die Nachbarstämme der ptolemeischen Saxones denen der taciteischen Chatti entsprächen, müssten die beiden unterschiedlichen Namen denselben Stamm bezeichnen.21 Dabei unterschlägt Krantz, dass Ptolemaios die Saxones neben eine Ethnie der Chattoi (ȋȐIJIJȠȚ) gruppierte, beide Stämme also gar nicht identisch sein konnten.22 Er setzt stattdessen auf Siedlungskontinuität und die charismatische Ansiedlung im Herzen der Germania mitten im Herkynischen Wald, der auf Grund seiner Quellenprominenz bei Caesar die zentrale geographische Ordnungskategorie bildet.23 Dieses Siedlungsgebiet von Westfalen bis Braunschweig und Magdeburg deklariert Krantz zum sächsischen Stammland, das letztlich den modernen welfischen Territorien in Ostfalen gleichkommt. Zugleich schließt er seine Saxonia gegen das mitteldeutsche Sachsen der Wettiner ab.24 Da Tacitus den Chatti einen für Germanen überdurchschnittlichen Ordnungswillen und militärstrategisches Denken zuschreibt,25 werden sie für Krantz zur exemplarischen germanischen gens, deren Volkscharakteristik sich zum Grundmuster germanischer Ethnographie entwickelt. Den Begriff »Slawen« erklärt Krantz zu einer korrupten mittelalterlichen Wortschöpfung. Da die Bezeichnung »Wende« für die ostelbischen Slawen einen Hauch des alten Namens bewahre, ist der wirkliche Oberbegriff für die Slawen etymologisch von »Wandalen« abzuleiten, da nur dieser antik verbürgt sei und daher Wahrheitsgehalt besitze: Horum testimonio probatissimorum inter omnes authorum discimus, inter uetustissimos Germanice gentis extare Wandalos, quando Sclauorum nulla fit memoria. Ob eam rem uetustissimo probatissimoque inter authores uocabulo, iure optimo utemur in uniuerso opere.26
Auf diese Weise ordnet Krantz das mecklenburgische Geschlecht der Niklotiden, das dem slawischen Stamm der Obotriten entstammte, den germanischen Wandalen zu. Die Identifikation ist nicht originär: Bereits Adam von Bremen und Helmold von Bosau meinten, im Wandalennamen die alte Bezeichnung der Slawen
_____________ 20 Krantz, Saxonia, Bl. a ij v: »Denn lange vor dieser Zeit hielten sich die Sachsen in ihrer Provinz auf. Ein Zeuge ist Ptolemaios, der unter Kaiser Hadrian schrieb.« 21 Krantz vergleicht im Prooemium der Saxonia die Angaben von Tacitus, Germ., 33, 35; 37; 39 f. mit Ptolemaios, Geogr., 2,11,23. Vgl. Bollbuck (2006), 109 f. 22 Ptolemaios, Geogr., 2,11,23. 23 Vgl. Müller (2001), 376–380. 24 Die Beobachtung zuerst bei Funke (2001), 252. 25 Tacitus, Germ. 30,1 f. 26 Krantz, Wandalia, Bl. a ij v: »Aus dem Zeugnis dieser glaubhaftesten unter allen Autoren lernen wir, daß unter den ältesten Völkern Germaniens die Wandalen herausragen, es sich jedoch nicht ein Mal eine Erwähnung der Slawen findet. Deswegen werde ich im gesamten Werk mit vollem Recht die älteste und glaubhafteste Bezeichnung dieser Autoren anwenden.« Zu Krantz’ Wandalentheorie vgl. Bollbuck (2006), 112–117.
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zu erkennen.27 Neu ist aber, die Slawen-Wandalen quellengestützt und argumentativ in den germanischen Stammbaum nach Tacitus, Plinius und Berosus einzuordnen. Krantz arbeitet weniger empirisch, wenn er die gemeinsame Sprachfamilie der Wenden, Tschechen, Polen und Russen herausstellt, sondern stützt sich auf ähnliche Aussagen von Flavio Biondo, um die gemeinsame Sprache als wichtigstes Kriterium der von Tacitus veranschlagten ethnischen Gemeinsamkeiten argumentatorisch einzuholen.28 Die von Enea Silvio überlieferten und bereits bekämpften Migrationserzählungen, wonach die Tschechen nach dem Turmbau zu Babel über Illyrien nach Böhmen eingewandert seien, lehnt Krantz ab. Stattdessen hätten sich die Slawen-Wandalen auf Grund ihres demographischen Drucks aus den mittel- und osteuropäischen Kerngebieten bis nach Illyrien an die Nordgrenzen Italiens ausgebreitet, wie es schon Gregor der Große berichtet hatte.29 Der Topos des Populationsdrucks ist eine freundliche Wendung der spätantiken Metapher von den Barbarenvölkern, die sich als Geißel Gottes aus einer vagina gentium im Norden der Welt über die Zivilisation ergossen hätten.30 Um eine Siedlungskontinuität herzustellen, gemeindet Krantz verschiedene antike Stämme in seine Wandalenkonzeption mit ein, so dass ganz Europa von Wandalen wimmelte. Die Russen stammten von Strabos Roxolani ab, der diese Wandalenformation fälschlich als Skythen bezeichnet habe.31 Blind übernimmt Krantz die Lokalisierung dieser Volksgruppe im Norden, was für den Griechen stimmig war, für den Nordddeutschen jedoch weit weniger. Der Name Odoaker sei mit Ottokar identisch, einem gebräuchlichen tschechischen Königsnamen, die von ihm angeführten Heruler seien daher auch Wandalen.32 Die taciteischen Markomannen werden zu den Vorfahren der Tschechen, die ihren Namen der »Böhmen« von den angrenzend siedelnden gallischen Bojern erhalten hätten, wobei die Kontextualisierung – Tacitus ordnet die Markomannen dem Großstamm der Sueben zu – gelöscht wird.33 Die Ursache für die Fehler und mangelnden Übereinstimmungen liege in der räumlichen Entfernung der römischen Autoren von ihrem _____________ 27 Mit der Geschichte der Gleichsetzung der Ethnonyme Slawe und Wandale beschäftigt sich eingehend Steinacher (2004). 28 Krantz, Wandalia, Bl. a iij r stützt sich auf Flavio Biondo, Historiarum decades, I 115, der von einer gemeinsamen Sprachfamilie von Polen bis Dalmatien spricht. Die Kriterien ethnischer Zugehörigkeit bei Tacitus, Germ., 28 u. 46. 29 Krantz, Wandalia, Bl. a vi r zitiert Gregor über die Sekundärquelle Biondo, Historiarum decades, I 112. 30 Die Metapher schuf vermutlich Iordanes, Get., 4, 25: »Ex hac igitur Scandza insula quasi officina gentium aut certe velut vagina nationum cum rege suo nomine Berig Gothi quondam memorantur egressi.« (Es wird berichtet, daß die Goten einstmals von dieser Insel Scandza [Skandinavien] gleich wie aus einer Werkstätte von Stämmen oder wie aus einem Schoß der Völker unter einem König mit dem Namen Berig aufbrachen [...]). Iordanes, Get., 1, 9 versetzte dieser Geschichte eine heilsgeschichtliche Konnotation. Zur Vorstellung von der Insel Scandia und ihrem Bevölkerungsreichtum vgl. Schönfeld (1921), 339–342. 31 Krantz, Wandalia, Bl. a iiij rv nach Strabo 7,2,4 und Ptolemaios, Geogr., 3,5,19. 32 Krantz, Wandalia, Bl. c iij v und t i r. 33 Krantz, Wandalia, Bl. a ij r mit Bezug auf Tacitus, Germ., 28; 42 und Ptolemaios, Geogr., 2,11.
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Gegenstand und der daraus resultierenden Unwissenheit. Daher hätten sie kurzerhand für dieselben Volksgruppen verschiedene Namen verwendet und umgekehrt. Krantz zielt damit auch auf die jüngere italienische Geschichtsschreibung und auf den sonst gelobten Flavio Biondo, der die Slawen als eine ethnische Vermischung von bei der Völkerwanderung zurückgelassenen Germanen und aus Asien oder Südrussland eingewanderten Stämmen betrachtete.34 Dieses Theorem gefährdete nicht nur das Paradigma der Indigenität und Autochthonie. Es desavouierte zugleich den hegemonialen Anspruch auf die Kompetenz zur Interpretation der eigenen Geschichte, da nur eine kontinuierliche Historie ohne fremde Akkulturationsvorgänge die Vereinnahmung der eigenen Vorzeit legitimierte. Vermischung barg eine Störung des Befundes.35 An dieser Stelle, an der sogar die sonst hochgeehrten Tacitus und Ptolemaios ihre Ehrenplätze einbüßen, gewinnen Empirie und eigene Wahrnehmung an Gewicht. Die Neubearbeitung der ptolemeischen Cosmographia durch Nikolaus Germanus und dessen aktualisierte Nordeuropakarte, die Tabula moderna, vermögen nicht mit den Berichten moderner Seefahrer und Kaufleute mitzuhalten. Überhaupt können, so Krantz, diejenigen, die an der Ostseeküste leben, jedes Ding, da es ihren Augen und Ohren direkt unterworfen ist, genauer überliefern als die, die es von weiter Ferne betrachteten: Nunc uero, quia oculis & auribus nostris, qui ad littus Germanici maris agimus, res omnis pene subiecta est, certius inde aliquid tradere possumus, quam qui de longinquo conspexere.36
Die Autopsie fungiert als Topos des Erfahrungswissens.37 Krantz konnte sich einerseits in guter antiker Tradition wie Polybios und Tacitus als Historiker inszenieren, der auf seine eigene politische und diplomatische Tätigkeit, auf von eigenen Erfahrungen gesättige Berichte und auf solche von Freunden zurückgreifen konnte. Seinen Erzählungen verschaffte das eine zusätzliche Wahrheitsdimension. Mit der Chiffre der Autopsie wurden die Voraussetzungen der Landesbeschreibungen in die eigene Anschauung verlegt und ein bewußter Gegensatz zu den italienischen Renaissanceautoren aufgebaut, die ihre Arbeiten als Ergänzungen antiker Quellen definierten.38 _____________ 34 Krantz, Wandalia, Bl. a v v und b ij r rekurriert auf Biondo, Historiarum decades, I 11. Ebenso wandte sich Krantz, Wandalia, Bl. p iv v – p v r gegen die These von der asiatischen Herkunft der Bulgaren bei Biondo, Historiarum decades, I 131; I 134. 35 Vgl. Müller (2001), 354. 36 Krantz, Chronica Daniae, Bl. b v: »Nun aber, weil unseren Augen und Ohren, die wir an der Küste des deutschen Meeres leben, beinahe die ganze Sache unterworfen ist, werden wir daher sicherer irgendwas überliefern können, als diejenigen, die aus der Ferne ihren Blick darauf richteten.« 37 Nach Neuber (2000), 252, ist Autopsie nicht spontan, sondern in einer topisch gesteuerten Textkonstitution aufgehoben und von Vorgängertexten bzw. gesellschaftlich relevanten Imagotypen bestimmt. 38 Vgl. Müller (2001), 301.
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Daher erhalten in der Landesbeschreibung und für die jüngere Geschichte topographische Kenntnisse aus eigener Erfahrung, administrative Beschreibungen, Archivalien und autoptische Berichte einen höheren Stellenwert. Als hansischer Diplomat war Krantz der Zugang weder zu Hanserezessen, Privilegien und Gründungsurkunden noch zu Berichten über die Konflikte zwischen dem dänischen König und den Dithmarschern versperrt.39 An den Verhandlungen zur Beilegung der Rostocker Domfehde nahm er selbst teil; ihre Beschreibung fand Aufnahme in die Wandalia.40 Sein Freund Hermann Langenbeck besorgte ihm als Hamburger Bürgermeister Akten zu den Unruhen des Jahres 1483. Krantz verwendete auch juristische Manuskripte wie Dietrich von Nieheims 1414 zusammengestellte Privilegia aut iura imperii circa investituras episcopatuum et abbatiarum restituta a Papis, Imperatoribus Romanis.41 Für die ältere Geschichte greift Krantz auf archäologische Beobachtungen und Runenfunde zurück, in denen er Aufzeichnungen der bei Tacitus erwähnten germanischen Heldenlieder sieht, die er allerdings nicht zu deuten weiß. Er berichtet von Resten einer sächsischen Burganlage und über einen Wall bei Flensburg.42 Dem Postulat der ethnischen Siedlungskontinuität folgt, dass jeder Ursprung in Deutschland bei den Germanen liege. Daher konnten auch die deutschen Städte nicht von babylonischen Fürsten wie Trier von Trebeta, von antiken Göttergestalten oder mythologischen Figuren wie Hamburg von Jupiter Hammon oder von römischen Heerführern wie Caesar oder Augustus wie in vielen anderen Fällen gegründet worden sein, wie es Stadtchroniken überlieferten.43 Krantz widerlegt diese Legenden einerseits historisch: Caesar selbst habe geschrieben, dass er nur zweimal den Rhein überschritten habe, die Gründung von Städten in Germanien jedoch nirgends erwähnt. Strabo und andere Autoren bezeugten, dass die Grenze des Römischen Reiches nicht über Elbe und Saale hinausging.44 Auf der philologischen Ebene lägen nur zufällige Übereinstimmungen oder besser eine Nähe von lateinischen und germanischen Bezeichnungen vor. Um aber Reputation und Privilegien der Städte nicht zu gefährden, ersetzt Krantz römische durch einheimische legendäre Stadtgründer. Krakau (Cracouia) habe den Namen nach dem mythischen böhmischen König Crocus, Breslau (Vratislauia) nach Vratislaus I. (888–921), Hamburg nach einem sächsischen Helden Hama.45 _____________ 39 40 41 42 43
Vgl. Andermann (1999), 137–151. Seine Teilnahme an den Verhandlungen belegen Hanserecesse III/2, Nr. 98; 102; 199; 200. Vgl. Schaerffenberg (1893), 27. Krantz, Saxonia, Bl. d iij r und I iiij r. Krantz, Wandalia, Bl. e vi rv und Krantz, Saxonia, Bl. c i v – c ij r. Die Legenden waren hartnäckig: Johannes Bugenhagen führte in seiner Pomerania, die allerdings 1517/18, also kurz vor der Veröffentlichung der Wandalia fertiggestellt wurde, die Herleitung des Stadtnamens Wolgast (über Juligast und Hologast) von Julia Augusta nach dem Stadtgründer Julius Caesar und Wollins von Julin an. Zu diesen Ableitungen Bugenhagens vgl. neuerdings Kaiser (2010). 44 Krantz, Saxonia, Bl. b v v nach Caesar, Bell. Gall. 4,16–19 und Strabo 7,1,4. 45 Krantz, Wandalia, Bl. b ij v und b iij v nach Enea Silvio, Historia Bohemica, 4 u. 9; Krantz, Saxonia, Bl. b ij r.
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Krantz hielt diese Traditionen für wertvoll, weil er sie bei hochgeschätzten Gewährsleuten gefunden hatte – Enea Silvio bzw. Saxo Grammaticus, bei dem er einen Abglanz der von Tacitus beschriebenen germanischen Heldenlieder zu finden meinte –, und weil er sie für »patriotische« Legenden hielt. Es ist offensichtlich, dass er sich damit die meisten gültigen dynastischen und kommunalen Gründungsmythen zum Feind machte. Ihnen mag es an Plausibilität, historischem Wissen, genealogischer Kontinuität und vaterländischer Korrektheit gefehlt haben, aber sie besaßen eines: einen allgemein bekannten und hochberühmten Spitzenahn oder Gründer wie Caesar, Alexander, Marc Anton, Aeneas oder Jupiter Hammon.46 Krantz ist das Bemühen anzusehen, seine Geschichten in den literarischen Diskurs einzubinden, wenn er Telephos zum Stammvater der Goten ausruft und die Amazonen zu den Vorfahren der Wandalen-Slawen-Fürstin Libussa.47 Doch bleiben die konkreten Ahnenreihen vorsichtig und quellenorientiert, so dass sich die Mecklenburger Herrscher direkt nur bis zu Fürst Billung im 10. Jahrhundert zurückführen lassen. Und was war für eine Hansestadt wie Wismar eine Gründung vor nicht einmal 300 Jahren durch einen Schweriner Grafen Gunzelin?48 In humanistisch-gelehrter Praxis orientiert sich Krantz an einem gelehrten und literarischen Diskurs mit Bezug auf Empirie und Autopsie, eskamotiert dabei zahlreiche zirkulierende Legenden und ignoriert die volkssprachlichen Erzählungen. Er greift zwar die Muster dynastischer und kommunaler Chronistik auf, wenn er Genealogien und Gründungserzählungen, Tatenberichte, Eidschlüsse und Privilegien in die Darstellung aufnimmt. Hinsichtlich des Beschreibungsraumes und der Schwerpunktsetzung erscheinen Saxonia und Wandalia gemeinsam wie eine Geschichtsschreibung des Hansebundes, wobei jede Aktion Lübecks von Krantz goutiert wird. Das letzte Buch der Wandalia enthält die wahrscheinlich vom Autor selbst gehaltene Trauerrede auf den verstorbenen Herzog Magnus II. von Mecklenburg (1477–1503), die alle wesentlichen Elemente seiner Geschichtskonzeption abarbeitet.49 Nicht von den römischen Orsini stammten die mecklenburgischen Fürsten ab, sondern von jahrtausendealten Geschlechtern, die schon vor Christi Geburt, zur Zeit von Livius’ Fabiern, mit den Dänen kämpften und später die Römer stets fern der Elbe hielten. Dieses Modell besaß bei aller heroischen Qualität jedoch nicht das Potential, an die gültigen Sinnangebote unmittelbar und _____________ 46 Vgl. Hiestand (1999). 47 Die Libussalegende hatte Krantz, Wandalia, Bl. a viij v wiederum bei Enea Silvio, Historia Bohemica, 5 f. rezipiert und stellte sie in seiner Chronica Sueciae, Bl. kk ij r – kk iij r in den Kontext der ebenfalls als wahr übernommenen Amazonenlegende. Ebd. Bl. kk iij rv taucht der Heraklesspross Telephos als Stammkönig der Geten-Amazonen auf. Grundlage für die Plausibilität dieser Mythen bildet Tacitus, Germ., 7 f., der die Tapferkeit der Barbarenfrauen und ihre teilnehmende Nähe zum Kampfgeschehen schildert. Zur Strategie der literarischen Inklusion der Germanen in die mythische Landschaft der Antike vgl. Bollbuck (2006), 121 f. 48 Krantz, Wandalia, Bl. s v r, wobei Wismar zumindest noch ein Gründer Wismarius – in Analogie zu Rom und Romulus – als wahrscheinliche Alternative erhalten blieb. 49 Krantz, Wandalia, Bl. T ij v – T v r.
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erfolgreich anzuknüpfen. Weder blieb die Verbindung zur heiligen Stadt Rom gewahrt, noch war eine unmittelbare genealogische Verbindung zu den Obotritenfürsten zu erkennen, die Ernst von Kirchberg in seiner Reimchronik (um 1378) bei Helmold rezipiert und in Äquivalenz zu seinen zeitgenössischen Herrschern zu Königen erhoben hatte.50 Krantz gab dem Leser mit seinem allein an der Völkergenealogie orientierten Stammbaum weniger Heldennamen zur Identifikation an die Hand und konnte so in einer Zeit, in der genealogisches Denken auch ein didaktisches Muster bildete, keinen neuen Kanon von Vergangenheitswissen begründen. Es fehlten die redundanten Anschlüsse an gültige historische Kommunikationsformen. Die Krantz’sche Geschichtsschreibung zielte stattdessen auf einen sich neu formierenden gelehrten Diskurs der Humanisten und zehrte von ihrem literarischen Wettstreit. Die Vorgaben der antiken Ethnographie unterzog sie einer gründlichen Umwertung. Aus Wildheit, Zorn und fehlender Beherrschung der Germanen in der stoischen Lesart des Tacitus wurden Freiheitswille und ritterliche Kriegstugend.51 Krantz entkleidete den Germanen nicht nur seines Barbarentums, sondern erhob ihn als Begründer jeder bestehenden Herrschaft in Europa zum Zivilisationsgründer par excellence und nivelliert die Diskontinuität der Völkerwanderungszeit.52 Das von den antiken Autoren, aber auch einigen italienischen Humanisten erhobene Postulat einer diatopischen Aufteilung der Welt in antike Zivilisation und Barbarei hebt Krantz nicht nur auf und schreibt die germanische Geschichte semantisch in die klassische Antike hinein. Er arbeitete umgekehrt deren grausame und barbarische Züge heraus und dekultiviert sie als heidnische Gesellschaft.53 Krantz setzte aber kein klares deutsch-germanisches nationes-Konzept als Inklusionsinstrument gegen eine ausgeschlossene Romania ein. Die Begriffe gens, natio und populus sind oft synonym verwendet, das Instrumentarium ist noch nicht sonderlich geschärft. Durch die Kompilationstechnik übernahm er häufig die in den Quellen angelegte Semantik, so dass der Begriff gens noch die heidnische Konnotation aus der Spätantike etwa bei Salvian weiterträgt. Die multiethnische Germania magna unterliegt vielfältigen zivilisatorischen Differenzierungen: Isländer und Russen erscheinen primitiv, Norwegens wilde Natur und Nähe zum Eismeer erinnern in Wildheit und Abgeschiedenheit an Beschreibungen anti_____________ 50 Kirchberg hatte die Chronik verfasst, um die Erhebung der mecklenburgischen Herzöge zu Königen von Schweden historisch zu legitimieren. Vgl. Werner (2002), 171 u. 176. Wie Kirchberg sah Krantz übrigens in dem historisch verbürgten Slawenherrscher Billung den Stammvater des Obotritengeschlechts. 51 Vgl. Bollbuck (2006), 128–135. Zum römischen Germanenbild v.a. Lund (1990), passim; zur humanistischen Geschichtsschreibung den Beitrag von Maissen in diesem Band. 52 Krantz, Saxonia, Bl. e iiij r und g i rv; Chronica Sueciae, Bl. oo r – oo iiij r; Wandalia, Bl. c ij rv und d i v – d ij r. 53 Krantz, Wandalia, Bl. b iij v und Chronica Daniae, Bl. b iiij r erheben die Christenverfolgungen Neros zum Signum der kaiserzeitlichen Epoche.
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ker barbaries.54 Der oberdeutsche Raum wird nahezu diffamiert: im Gegensatz zu Polen oder Böhmen gehöre er als Transdanubien gar nicht zur antiken Germania.55 Die Gebiete der Sachsen und Wandalen waren stets von Römern frei, eine Germania libera, während der Süden römisch kontaminiert sei. Über die Sprache der Oberdeutschen fällt Krantz das in seinem Wertesystem schlimmste Urteil: sie sei – im Gegensatz zum urgermanischen Niederdeutschen – mit ihren Diphtongierungen und Zischlauten ein Ausdruck der Vermischung mit dem Französischen und Italienischen, das Bayerische gar aus dem Awarischen entstanden.56 Diese Polemiken mögen Ausdruck der agonalen Binnenkommunikation humanistischer Gelehrter sein.57 Doch in der Furcht vor dem Zurückdrängen der eigenen Sprache, die die Klage über das Eindringen der Nürnberger Kanzleisprache nach Brandenburg und Meißen enthält, drückt sich auch eine bewusste Abwendung vom aufstrebenden wettinischen Sachsen und eine durch Urgeschichte und ethnische Genealogie begründete Legitimation des adligen Vorrangs der altsächsischen Gebiete des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg aus.58 Krantz trug mit seiner Geschichtskonzeption zur Ausbildung einer humanistischen Kommunikationsgemeinschaft bei, die mit regional unterschiedenen germanischen Stammesgeschichten gemeinsame Wissensbestände erarbeitete. Sie ist ein literarischer Gegenentwurf zu den Vorgaben italienischer Autoren wie Flavio Biondo, Enea Silvio Piccolomini oder Giannantonio Campano, indem sie eine nördliche Germania in die antike Geschichte einschreibt und an die Kulturen des Südens anschließt.59 Durch die Indigenitäts- und Autochthoniebehauptung verklammert Krantz seine Erzählungen mit den regionalen Abstammungsgeschichten anderer Humanisten, zugleich ist er einer regionalen und pränationalen Identitätsbildung verpflichtet. Als Diplomat der Hanse schreibt er die Geschichte ihrer Wirtschaftszone, die zugleich die Historie des niederdeutschen Sprachraumes ist. Die Aufnahme zahlreicher kommunaler Gründungsberichte und die Schilderun_____________ 54 Krantz, Chronica Norvagiae, Bl. Eee rv. Bereits Schweden wird in Chronica Daniae, Bl. b ij v als abgelegen gezeichnet. Zu primitiven und angeblich nomadischen Lebensweise der Russen Wandalia, Bl. a iiij rv. Zur Semantik von gens/natio in der humanistischen Historiographie vgl. den Beitrag von Schirrmeister/Schlelein in diesem Band, besonders 33–38. 55 Vgl. hierzu Andermann (1999), 191. Während Conrad Celtis diesen Raum ausdrücklich in die Germania integrierte (Müller [2001], 254, blieb für Johannes Aventin die Donau wie für Krantz die Grenze; Bayern lag auf dem Gebiet des antiken Noricum. Vgl. Aventin, Historia non vulgaris vetustatesque Otingae Boiorum, 3. 56 Krantz, Saxonia, Bl. a iiij v – a v r. Die Gleichsetzung der Bayern mit den Awaren (Wandalia, Bl. c v v – c vi r: »Bauaris, quos Baioaros ueteres, & alij Auares dixere […]«) rührte vermutlich aus der Lektüre von Biondo, Historiarum decades, I 118 f. 57 Vgl. Sprandel (1987), 297. 58 Unter Herzog Heinrich von Braunschweig brach später tatsächlich ein Streit mit den Wettinern um den adligen Vorrang aus, der um die Fragen des Alters und der historischen Legitimität des Geschlechts ausgetragen wurde. Die Antwort erteilte der humanistisch gebildete kursächsische Kanzler Georg Spalatin: Chronica vnd Herkomen der Churfürst/ vnd Fürsten/ des löblichen Haus zu Sachssen/ Jegen Hertzog Heinrichs zu Braunschweig [...] herkomen, Wittenberg 1541. 59 Vgl. Krebs (2005), 157–190; Münkler/Grünberger (1998), 172 f. u. 213–217.
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gen der Bewältigung städtischer Konflikte entstanden aus dieser Fokussierung. Zugleich war der Gesandte Krantz mit vielen Herrschern wie dem König von Dänemark und den Herzögen von Mecklenburg und Braunschweig-Lüneburg als Unterhändler in Kontakt getreten. Die Konzentration seiner Geschichtsschreibung und die Aufwertung der Genealogien und erblichen Tugenden dieser Herrscher lassen auf Krantz’ Interesse an einer höfischen Position schließen. In Ermangelung von Quellenbeweisen bleibt es nur eine Vermutung, ob er seine Wandalia deshalb mit der kompletten Wiedergabe der Leichenrede auf Herzog Magnus ausklingen ließ, weil er auf eine Anstellung bei dessen Nachfolger Herzog Heinrich (1503–1552) spekulierte. Diese sollte jedoch jemand anderem zukommen.
2. Ursprungsmythos und Lokalwissen: Nicolaus Marschalck (um 1470–1525) Zum Hofstaat am herzoglich mecklenburgischen Hof gehörten nach einer Ordnung von 1504 ein Kanzler, ein Hofmarschall, ein Hofmeister, ein Rentmeister, zwei Schreiber, ein Ritterkoch, sechs Trompeter, ein Pfeifer, ein Trommler, ein Waidmann, ein Falkner und ein Schneider.60 Im Jahre 1505 wagte Herzog Heinrich V., der Nachfolger des von Krantz besungenen Herzog Magnus, eine Neuigkeit: er stellte Nicolaus Marschalck als gelehrten Rat am Hof ein.61 Marschalck hatte eine Universitätsausbildung in Erfurt genossen, wo er sich im Humanistenkreis um Maternus Pistorius (um 1470–1534) bewegte.62 Später lehrte er an der neugegründeten Universität in Wittenberg. Nach seiner Einstellung durch Herzog Heinrich V. musste Marschalck laut Hofordnung nicht nur an den Sitzungen des Hofrats teilnehmen. Er erhielt zudem die Aufgabe, eine Genealogie des Fürstenhauses zu verfassen. Der Herzog war ein geschichtsinteressierter Fürst, der vermutlich von den genealogischen Interessen des Hauses Habsburg infiziert worden war, an dessen Hof er einige Jahre verbracht hatte. Er ließ seine Vorfahren bis auf Fürst Niklot auf Fenstern in der Klosterkirche der fürstlichen Grablege in Doberan abbilden und beauftragte den Herold Georg Rüxner, eine Arbeit über Herkommen und Wappen der Mecklenburger zu erstellen.63 Im Gegensatz zu diesem repräsentativen Werk bestand Marschalcks Aufgabe darin, dynastische Historien zu erstellen, die sowohl den Anforderungen des Hofes als auch der gelehrten Gemeinschaft genügten. Marschalck erarbeitete daher eine deutsche Version in Reimen und eine lateinische Genealogie. 1510 wechselt er vom Schweriner Hof an die Universität Rostock, wo er zum Professor historiarum, juris civilis et canonici ernannt wurde. Er arbeitete aber unter diesen verän_____________ 60 61 62 63
Vgl. Stuth (2001), 83. Vgl. ebd., 87. Vgl. Stievermann (2002), 125. Vgl. Werner (2002), 170.
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derten intellektuellen Rahmenbedingungen an den Historien weiter. 1512/13 entstand die deutschsprachige Verschronik, deren Grundgerüst auf der Reimchronik des Ernst von Kirchberg aus dem Jahre 1378 beruhte. Kirchbergs Anliegen war es gewesen, die Erhebung der mecklenburgischen Herzöge zu Königen von Schweden historisch zu legitimieren, indem er die Obotritenfürsten aus der Slawenchronik Helmolds von Bosau in Könige verwandelte.64 Bei Marschalck wechselt der Fokus: Ihm kommt es nicht mehr in erster Linie auf das Mittelalter an. Stattdessen entwickelt er eine weit zurückreichende Genealogie des Fürstenhauses bis zu Alexander dem Großen. Die Ursprungsmythen, die Krantz bei den Sachsen bekämpfte, hielten in Mecklenburg erst in dieser Zeit Einzug. Allerdings besaß die Ahnenreihe noch keine kontinuierliche, ununterbrochene Abfolge. Dem wurde mit den 1521 im Selbstverlag erschienenen Annales Herulorum ac Vandalorum abgeholfen. Diese genealogischen Konstruktionen kann man nicht anders als Erfindung oder gar Geschichtsfälschung bezeichnen, auch wenn ihnen die bekannten Mythen und literarischen Erzählungen einen plausiblen Rahmen verschafften. Marschalck erfand also einen Spitzenahn Anthyrius, Sohn einer Amazone und Offzier Alexanders des Großen.65 Die Verbindung zu den Mecklenburger Fürsten versinnbildlichte nicht nur deren Wappen mit dem Ochsenkopf, der ganz selbstverständlich auf Alexanders Pferd Bukephalos verweise.66 Marschalck war ein virtuoser Etymologe: Die Obotriten seien eine Garde Alexanders gewesen, benannt nach ihren bunten Kostümen. Der Name der Burg Werle wird mit Verweis auf Lautverschiebungen im Griechischen zur arx Herula, Werle als Stammsitz einer mecklenburgischen Fürstenlinie zum Erinnerungsort der herulischen Ahnen modelliert. In der Arbeitsweise zeigt sich ein fundamentaler Unterschied zu Krantz: während dieser die deutschen Ortsnamen meist durch sprachliche Ableitungen aus den heimatlichen germanisch-slawischen Sprachen zu erklären suchte, bemüht Marschalck unbekümmert lateinische und griechische Wurzeln. Das Herkommen bildet die zentrale Erzählkategorie in den Annales. Um die beiden entscheidenden Paradigmen einer erfolgreichen Genealogie – hohes Alter und ununterbrochene Ahnenfolge – einzuhalten, bedarf es Brückenglieder zu Urgeschichte und Altertum. Bei Marschalck nehmen Heruler und Wandalen diese Rolle ein. Die Wandalen hatten als lateinische Übersetzung der »Herrscher zu Wenden« bereits im frühen 15. Jahrhundert Eingang in die Titulatur der mecklenburgischen Herzöge gefunden. Durch die genaue Benennung jedes einzelnen Herrschers in der Ahnenkette erhöht sich die Plausibilität der Erzählung, wobei die Standardisierung der Biographien auf ihre Konstruktivität verweist. Die landeskundlichen Exkurse zeugen von präzisen topographischen Kenntnissen und verbinden den Text mit Erfahrungshorizont und Lokalwissen des Lesers. Über gewagteste etymologische Konstruktionen werden die Orte des Beschreibungsrau_____________ 64 Vgl. ebd., 171 u. 176. Vgl. auch Knoch (1940). 65 Marschalck, Annales, Bl. D ii v. 66 Ebd., Bl. D iii r. Vgl. Werner (2002), 180.
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mes an die Geographie des Ptolemaios angeschlossen, die Topographie im antiken Diskurs verifiziert: an der Spree hätten die markomannischen Suevi des Ptolemaios gesiedelt, die Gabaliones hätten den Bewohnern von Gadebusch ihren Namen geschenkt, die Kessiner seien nichts anderes als die țȚııİȓȞȠȚ des Ptolemaios, und bei Parchim wohnten die ܻȜȚıIJȑȢ, was die dort aufgefundenen Goldidole bewiesen.67 Wenn Marschalck betont, dass die Heruler von den Römern nie besiegt wurden, erinnert das an Krantz’ Germania libera.68 Doch Anthyrius’ Zug nach Mecklenburg erscheint nur wie ein Abglanz der Autochthoniethese. Marschalck besaß gute Kenntnisse antiker Quellen und war über den genealogischen humanistischen Diskurs informiert. Der germanische Stammbaum der Wandalen fußt wie bei Krantz auf Tacitus, Plinius und dem Pseudo-Berosus. Es ist auch möglich, dass er die Annales erst nach der Lektüre der Wandalia, die zwei Jahre zuvor erschienen war, in dieser Form verfasste. Auf eine schnelle Niederschrift deuten Brüche in der inneren Logik und im chronologischen Aufbau, auch bleibt das Verhältnis von Slawen und Wandalen unausgearbeitet und kann sich in keiner Weise mit Krantz’ Vorgaben messen. Doch im Gegensatz zu Krantz erreichte Marschalck sein Ziel. Der Begriff der natio ist für ihn nicht erheblich, stattdessen geht es um dominium und ditio. Die Annales sind allein auf den regionalen Horizont des Publikums ausgerichtet, den Krantz überdehnt hatte. Marschalck schildert die Linien der mecklenburgischen Fürsten in ihren Herrschaften. Durch den makedonischen Ursprung ließ er sie mit den sächsischen Herrschern gleichziehen, denen die Cronecken der Sassen dieselbe Abstammung verhieß. Da die Heiratspolitik der Mecklenburger in erster Linie sächsische Geschlechter ins Auge fasste, handelte es sich um eine prestigeträchtige, konkrete Rangverbesserung.69 Marschalck brachte im folgenden Jahre eine verkürzte deutschsprachige Fassung unter dem Titel Ausztzog der Meckelburgischen Chroniken heraus – nach der Version für die Gelehrten nun die Schnellfassung für die politischen Eliten. Welche symbolpolitische Wirkmacht die Konstruktionen Marschalcks entfalteten, zeigt die Übernahme des Stammbaumes in eine prachtvolle, repräsentative genealogische Bilderhandschrift, die der Hofmaler Erhard Altdorfer 1526 im Auftrag des mecklenburgischen Herzogs anfertigte.70 Noch im Jahre 1610 führte der Genealoge Bernhard Latomus in seinem Genealochronicon Megapolitanum den Stammbaum auf Anthyrius zurück und entwarf ein bündiges Konzept, das Adel und Herkunft des Hauses Mecklenburg mit einer historischen Legitimation versah, die keine Zweifel mehr zuließ. Vollkommen aufgegangen in antiker Mythologie, Geographie und Geschichte, wurden die wandalischen Vorfahren nach der Zerstörung Trojas als Henetoi gräzisiert, siedelten sich nach der Flucht vor den _____________ 67 Marschalck, Annales, Bl. B iii v. 68 Ebd., Bl. B iv r – C i r referiert Prokop, Bella, 6,14 ff. und Sidonius Apollinaris 7,233–237, die die Heruler als die militärisch berühmtesten Barbaren beschrieben. Vgl. Werner (2002), 193 f. 69 Vgl. ebd., 202 f. 70 Vgl. ebd., 171 f.
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Persern unter Xerxes in Abdera in Thrakien an, was den slawischen Abodriten ihren Namen und eine antike Geschichte gab. Der schlechte Ruf der Abderiten als Schildbürger der Antike spielt dabei keine Rolle. Anthyrius war ein König der Abderiten und Freund Alexanders des Großen. Auf ihrer Wanderung durch Europa brachten die Abderiten eine Flagge mit dem Kopf von Alexanders Bukephalos als späteres Wappen Mecklenburgs mit. Anthyrius zog nach Mecklenburg und baute dort Städte nach griechischem Vorbild, wie Megalopolis (Mecklenburg) und Bucephalea (Buckow).71 Das, was Krantz bekämpfen wollte, stand nun in neuer Blüte.
3. Erfahrungswissen und konfessionspolitische Steuerung: David Chytraeus (1530–1600) Unter den Brüdern Johann Albrecht I. (1525–1576, Herzog seit 1547/56) und Ulrich III. (1527–1603, Herzog seit 1555) war das Herzogtum Mecklenburg geteilt worden. Der erste regierte in Schwerin, der andere baute sich in seiner Residenz in Güstrow eines der bedeutendsten Renaissanceschlösser Norddeutschlands. Gemeinsam waren beide für die Versorgung der Landesuniversität in Rostock zuständig – neben der Stadt im Kompatronat. An diese Hochschule beriefen sie im Jahre 1552 auf Empfehlung Philipp Melanchthons einen 22 Jahre jungen Mann, David Chytraeus, der in Wittenberg als dessen vielversprechendster Schüler galt.72 Die Ausbildung hatte ihm ein grundlegendes humanistisches Rüstzeug, Interesse für Geschichte und Theologie sowie eine fromme Lebenshaltung und – praxis auf den Weg gegeben. Als fürstlicher Professor stand er auf der Gehaltsliste der Herzöge, ohne jedoch ein festes Salär für seine historischen Arbeiten zu erhalten.73 Seine Verbindung zum Hof war lose, er hatte weder Titel noch Amt als Rat oder ähnliches.74 Stattdessen empfing er anlassbezogen für fertiggestellte Reden auf Mitglieder des herzoglichen Hauses und für genealogische Studien Sonderzahlungen, hochwertige Naturalien oder, einmalig 1596, ein goldenes herzogliches Münzporträt. Schließlich wurden ihm 1500 Gulden Beihilfe für einen Hauskauf zugewendet.75 Als höfische Auftragsarbeiten legte er genealogische Vorarbeiten für die Kenotaphe des fürstlichen Ahnen Borwin und Herzog Ulrichs sowie für einen Wappenfries im Schloß Güstrow an, die die historischen Stammbäume öffentlich repräsentierten und Ulrichs Herrschaft im Landesteil Mecklenburg-Güstrow abstammungstechnisch legitimierten. Chytraeus präparierte die Genealogien historisch-kritisch heraus. Für eine repräsentative genealogische _____________ 71 Vgl. Steinacher (2002), 152–155. 72 Vgl. Barton (1981), 88 f. Fuchs (1993) und Kaufmann (1993). Zur Universität Rostock vgl. Asche (2000), sowie, die bisherigen Forschungen in Teilen revidierend: Pluns (2007). 73 Vgl. Bollbuck (2006), 157. 74 Vgl. Stuth (2001), 140 f. 75 Vgl. Stuth (2000), 74; 85 f. Bollbuck (2006), 160 f. Anm. 654.
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Schautafel, einen Holzschnitt, den der Hofmaler Cornelis Krommeny ausführte, hat Chytraeus die Ausarbeitung des Stammbaumes wohl nur insoweit übernommen, wie er historisch verbürgt war.76 Vorgeschaltet sind die mythischen Ahnen bis zu Anthyrius, was auf eine Übernahme aus Marschalcks Annales verweist. Als Geschichtsschreiber arbeitete Chytraeus über Jahrzehnte an einem monumentalen Chronicon Saxoniae als zeitgeschichtlicher Fortsetzung der Krantz’schen Historien. Es erschien erstmals 1585 und wurde zu Lebezeiten des Autors bis 1599 in drei lateinischen Auflagen und einer Übersetzung publiziert, wobei die Texte sukzessive erweitert und umgeschrieben wurden. Formal arbeitete Chytraeus Jahr für Jahr ab und sprang dabei von einem Schauplatz zum anderen, an bestimmten Stellen wurden Gründungserzählungen und Vorgeschichten eingefügt. Dadurch kam es immer wieder zu Handlungsabbrüchen und umständlicher Wiederaufnahme der Erzählung. Das Material erscheint sehr disparat und ist nicht eingegrenzt auf Norddeutschland und Nordeuropa. Das liegt zum einen an der Arbeitstechnik. Chytraeus besorgte sich den Stoff über ein europaweit gestreutes Korrespondentennetz und die kursierenden Briefzeitungen.77 Dabei konnte es passieren, dass zeitgenössisch prominente Nachrichten aus Italien oder Spanien mit in das Chronicon rutschten. Die Briefzeitungen waren ein Spiegel der Themen, die ein kurzfristiges kommunikatives Gedächtnis der politischen, sozialen und geistigen Eliten relevant prägten. Chytraeus’ Geschichtsschreibung der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts durchziehen wie die Briefzeitungen Themen des eigenen Erfahrungshaushaltes: die Türkenkriege, die Kämpfe mit Russland um Livland und die Religionskriege in Frankreich. Die Historiographie unterschied sich in ihrem genuin moralischen Anspruch von der Darstellungsweise der auf Skandalisierung und Exotismus ausgerichteten Briefzeitung und Flugschrift, auch wenn diese noch nicht die Periodizität der Zeitung anstreben konnten.78 Die verhandelten Geschehnisse mussten in der Geschichtsschreibung umerzählt, personalisiert und in einen umfänglicheren narrativen Fluss eingebettet werden. Briefzeitungen waren heterogener, weniger hierarchisch, prospektiv; Vorboten eines Zeitungswesen, das eher auf ein sozial ausdifferenziertes als auf ein stratifikatorisches System der Nobilität zusteuerte und einer retrospektiven, adligen Memorialkultur zuwiderlief.79 Chytraeus wandelte Nachrichten der Briefzeitungen um, fügte ihnen Lob- und Leichenreden, Stammbäume, Edikte und Privilegien hinzu und richtete sie auf die gesamte historische Erzählung und die herrschaftlichen Handlungsträger aus, so dass die soziale Memoria und das adlige Ehrprin_____________ 76 Zum kunsthistorischen Aspekt dieser Arbeiten vgl. Neumann (2000), 45–72. 77 Unter seinen Korrespondenzpartnern befanden sich Kaiser Maximilian II., die Könige Erik XIV. und Johann III. von Schweden, Sigismund II. August von Polen, Christian III. und Friedrich II. von Dänemark, der kaiserliche Berater und General Lazarus Schwendi, die Kanzler Nicolaus Kaas, Erik Sparre und Jan Zamoyski, Bischöfe, Gelehrte wie Ludwig Camerarius usw. Vgl. Bollbuck (2006), 222 Anm. 911. 78 Vgl. Luhmann (1996), 70. 79 Vgl. Luhmann (1980), 72–88.
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zip hervortraten. Die Serialität der Zeitungsnachrichten wird gleichsam eingefroren und von einem befristeten kommunikativen in ein dauerhaftes kollektives Gedächtnis überführt.80 Eigenen Briefen legte Chytraeus Fragebögen zu Landeskunde, historischen Sachverhalten, chronologischen Problemen und administrativen Verhältnissen bei. Das aktuelle Erfahrungswissen nahm einen neuen, gewichtigeren Platz ein. Die moderne Geographie wurde mit messbaren Angaben wie Längenentfernungen und Koordinaten gestützt, die Volkscharakteristik Reiseberichten entnommen, die die antike Ethnographie und Topographie auf eine Beschreibung des Altertums beschränkte – und zuweilen auch dort korrigierte. Diese nahezu naturwissenschaftlich messende Vorgehensweise teilte Chytraeus mit zeitgenössischen Autoren in der Nachfolge Sebastian Münsters.81 So wurde zum Beispiel Island vom Ruf des Eingang zur Hölle befreit und zu einer in Koordinaten eingemessenen Insel.82 Antike Landeskunde blieb nur dann auch für die Zeichnung zeitgenössischer Länder und Völker gültig, wenn sich Chytraeus auf ein Terrain begab, dass ihm unbekannt blieb, wie im Fall der fernen Lappen. Doch häufig überschrieb er sie selbst dann mit modernen Bezeichnungen. So vermutete er, dass es sich bei den Riphäischen Bergen um den Ural handeln müsse.83 Chytraeus füllt den historischen Raum also mit einer Unmenge von Material auf, wobei er sowohl auf rezeptives und tradiertes Wissen als auch auf Autopsien und Kenntnisse aus eigener Erfahrung setzt. Die Motivation für diese detaillierte Auskleidung lag in der lutherischen Interpretation von Geschichte als Offenbarungsraum Gottes.84 Da die Ankunft des Antichrist nicht erst zukünftig geschehe, sondern mit dem Aufkommen des Islam und der Installierung der päpstlichen Kirche unter Gregor dem Großen bereits erfolgt sei, konnte jedes historische Ereignis zu einem prophetischen Zeichen werden. Die Suche nach der historischen Wahrheit wurde so zu einer Heilsangelegenheit, und die historischen Erzählungen mußte derart akribisch ausgeschrieben werden.85 In diesem Sinne besitzt das Chronicon Saxoniae auch eine theologische Grundkonzeption: Chytraeus beschreibt die Ausbreitung der wahren Lehre und Kirche und ihre Kämpfe im Jahrhundert der Reformation. Es ist aber nicht so, dass die Geschichte nun aus einer eschatologischen Perspektive vom (bald erwarteten) Ende der Tage her erzählt würde. Die heilsgeschichtliche Durchdringung des historischen Alltags schärft stattdessen den Blick für die singulären Ereignisse und verleitet zur ausführlichen Schilderung aller Wechselfälle. Es ist schließlich _____________ 80 Vgl. Bollbuck (2006), 224–226. 81 Knape (1993), 254 spricht bei Münster von einem »immer stärker werdenden naturwissenschaftlich-geoskopischen Impetus«. Letztlich teilt Münster zwar auch »die Orientierung am literarischen Modell der Historiographie«, doch stellt dieser empirische Horizont eine neue Dimension dar, der die Tür zur kritischen Analyse der Tradition weiter öffnet. 82 Chytraeus, Saxonia, 122 f. Vgl. Bollbuck (2006), 263. 83 Chytraeus, Chronologia, 86. 84 Vgl. Bollbuck (2006), 233–252, grundlegend Seifert (1990). 85 Vgl. Völkel (2000); vgl. ebenfalls Pohlig (2007).
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nicht der Mensch und Historiker Chytraeus, der entscheiden darf, welches Ereignis vor der Folie göttlicher Ewigkeit Bestand haben wird. Freilich leidet darunter die Fähigkeit zum historischen Urteil und tätigen Aussortieren. Eine semantisch aufgeladene Topographie mit Wittenberg als neuem Jerusalem stellt das Kurfürstentum Sachsen ins Zentrum der Darstellung, um das sich die protestantischen Herrschaften ringförmig gruppierten.86 Dort, wo der Funke der wahren Lehre hinfällt bzw. der Kampf um sie auflodert, ist Chytraeus mit seiner Geschichtsschreibung. Die Rolle Herzog Johann Albrechts von Mecklenburg, der nach der Niederlage von Schmalkalden schon früh einen Gegenpol zum Kaiser bildete, wird über Gebühr betont. Einen hohen Grad der Stilisierung erreicht die Darstellung der Reformation in Schweden, die zum identitätsbildenden Faktor von patria und natio wird: der Befreiung von Dänemark folgte unmittelbar die Annahme der lutherischen Konfession, die auf diese Weise zur Grundlage des Aufbaus einer nationalen Herrschaft mit eigener Administration und Kultur wurde.87 Die Ursache dieser prononcierten Darstellung lag in der Gefährdung des konfessionellen Erbes durch König Johann III. begründet, der mit einer polnischen Prinzessin verheiratet war und lange Zeit mit der Aufnahme von Jesuiten ins Land sympathisierte. Eine zentrale Stellung in den Passagen zur schwedischen Geschichte nehmen daher das religiöse Testament König Gustav Vasas (1496–1560) und sein Aufruf an die Erben ein, die Konfession zu erhalten: Über das öffentlich gemachte Vermächtnis des berühmten Ahnen wird der Nachfolger vor der lesenden Welt in die Pflicht genommen. Chytraeus erkannte selbst den Furor seiner Sammelleidenschaft und betrachtete das Chronicon Saxoniae als silva, als umfangreiches Materialkonvolut, das künftige Historiker formen sollten.88 Eine Möglichkeit, um sich einen Weg durch den historischen Stoff zu bahnen, bildete die Methode der loci communes. Es war Melanchthon, der die loci als umfassendes Lehr- und Ordnungssystem ins protestantische Schul- und Universitätswesen eingeführt hatte. Als ausgebildeter Philologe hatte er zuerst bei der Interpretation des paulinischen Römerbriefs auf dem Weg rhetorischer und dialektischer Analyse Gesetz, Gnade, Sünde und Evangelium als Hauptbegrifflichkeiten aus dem Text herauspräpariert.89 Sie sollten die Lektüre der gesamten Heiligen Schrift leiten. Letztlich ordneten diese Loci theologici mit entsprechenden Unterbegriffen auch die Ethik und wurden im Wittenberger Studiensystem als entscheidende Kriterien zur Sortierung der Wissensbestände eingesetzt. Chytraeus baute das System aus, illustrierte die loci mit historischen Exempla und erweiterte sie zu religiösen, moralischen und politischen Kategorien wie Bekenntnis der wahren Lehre, Widerstand, Standhaftigkeit, Frei_____________ 86 Vgl. Bollbuck (2006), 293–308. 87 Seinem zerstückelndem Stilprinzip entsprechend, thematisiert Chytraeus die schwedische Geschichte über weite Strecken der Chronik, s. Saxonia, 258–264; 264–277; 339–342; 358 f.; 389 f.; 414–416; 451; 453 f.; 532 f.; 582 f. Vgl. Bollbuck (2006), 302–306. 88 Chytraeus, Saxonia, XIII. 89 Vgl. Maurer (1967), I 205 f.; II 139–148; 244–261.
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heit.90 Die historische Lektüre wurde geschärft und geordnet: der Leser konnte bestimmte Handlungsmuster, Gestalten und Ereignisse einem Wertesystem zuweisen. Die loci spalteten die Historien auf und indexierten die Exempla und Merksätze, die der Beamtenschaft und der höfischen Gesellschaft als religiöse, ethische und die Leidenschaften temperierende Erinnerungsfiguren dienten. Die alte Geschichte entpuppte sich als Metaphernspeicher: So ist die Belagerung Korkyras im Peloponnesischen Krieg eine Allegorie für die Verfolgungen der wahren Kirche. Zugleich fungierten die loci als Merkordnung, da sie mit Querverweisen, Quellennachweisen, grammatischen und etymologischen Erklärungen sowie topographischen und genealogischen Angaben versehen wurden.91 Sie funktionierten als ein Lektüreleitfaden, eine Art analoge Suchmaschine, wobei Voraussetzung blieb, dass der Leser durch die Schule des Chytraeus gegangen sein bzw. einige seiner kleineren universitären Schriften wie die Regulae vitae gelesen haben musste, die diese loci mit historischen Beispielen fütterten. Indem für ein umfassendes historisches Verstehen diese Metaebene einbezogen werden musste, konnte der Autor in seinem Werk sogar Herrschaftskritik verstecken. Die Eroberung der Hansestadt Rostock durch den Landesherrn Johann Albrecht im Jahr 1565 wird nicht nur als ein Akt der Beschneidung städtischer Freiheiten geschildert.92 Chytraeus kennzeichnet die herzoglichen Taten vielmehr als Anmaßung von Rechten, als dissimulatio und ein Fehlen von moderatio; Eigenschaften, die den Grundtugenden des idealen Herrschers entgegenstehen. Die Darstellung erfolgte zwar erst mehr als zehn Jahre nach dem Tod des Herzogs, doch widmete er das Buch, das die Geschehnisse abhandelt, den Nachfahren des Herzogs zur Mahnung und als programmatische Ansage. Das Regiment in der Stadt habe der städtische Magistrat als untere Obrigkeit auszuüben, nicht der Fürst. Sicherlich wähnte er sich dabei im Fahrwasser Melanchthons, der ebenfalls für einen Ausgleich der Gewalten plädierte. Als Theologe sieht er sich selbst im Amt des Mahners des weltlichen Regiments.93 Die Funktion des Geistlichen und Gelehrten fiel noch in eins: Sein Wissensvorsprung verschaffte ihm Kompetenz in der Weltdeutung. Hofhistoriographie war im Herzogtum Mecklenburg im 16. Jahrhundert noch kein ausdifferenziertes System. Erst allmählich trat das Interesse der Fürsten an einer genealogischen Repräsentation hervor. Dieses Interesse konnte die Geschichtsschreibung des Albert Krantz nicht bedienen, die den Bedürfnissen der humanistischen Kommunikationsgemeinschaft untergeordnet war. Für eine funktionierende Hofhistoriographie mußten Stammbäume bei ununterbrochener Ahnenfolge ein hohes Alter des Geschlechts garantieren, sie mussten eindeutiger und personal ausgerichtet sein, und die Erzählungen hatten sich an das Lokalwissen _____________ 90 Vgl. Bollbuck (2006), 207–215. 91 Besonders ausgeprägt im Vorlesungskommentar zum Chronicon Carionis, erhalten als studentische Mitschrift in UB Rostock: Mss. hist. 5. 92 Chytraeus, Saxonia, 625–630. Vgl. Bollbuck (2006), 288–293. 93 Vgl. Bollbuck (2006), 333–345.
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und gültige Mythen anzuschließen. Die nationale Komponente war einer politischen Fundierung des Geschlechts in der Historie untergeordnet. Krantz legte aber neue Muster für die kommunale Chronistik in Norddeutschland und das Fundament einer norddeutschen Ethnographie, die sich auf längere Sicht unter erneuten Modifizierungen in der kritischen Geschichtsschreibung durchsetzen konnte. Nicolaus Marschalck erfüllte den höfischen Schreibauftrag als Hofbeamter (Hofrat) präziser: Seine Historien waren auf Dynastie und Territorium ausgelegt und überspanmnten nicht den Erwartungshorizont des Publikums. Die Medien wechselten von einer gelehrten lateinischen Ansprache über Reimchronik und deutschsprachigem Exzerpt bis hin zu repräsentativen Formen. Der soziale Ort der Hofhistoriographie bewegte sich jedoch nach einer kurzen Phase wieder weg vom Machtzentrum hin zum Ort der Wissenproduktion, an die Universität, wo er mit David Chytraeus auch verblieb.94 Erleichtert wurde die Kommunikation mit den Herrschern durch einen für beide Seiten dokumentierten, flüssigen Briefverkehr. Die höfische Anstellung war nicht durch einen Titel, sondern das Amt des herzoglich bestallten Professors gebunden; historische Aufträge wie die Anfertigung von Lobreden und Stammbäumen zu repräsentativen Zwecken wurden mit Sondervergütungen abgegolten. Chytraeus war solange ein braver Angestellter, wie sich die Obrigkeit entsprechend der von Melanchthon geprägten Auffassung von Ämterteilung und Balance der Gewalten verhielt. Im andern Fall kam er seiner selbst verstandenen Mahnpflicht nach. Hofhistoriograph und Theologe gerieten in Streit. Die patria wurde nun nicht mehr nur ethnisch-sittlich, sondern konfessionell konturiert. Das heilsgeschichtlich bedingte Durchkämmen der Geschichte nach prophetischen Zeichen führte zur genauen Betrachtung aller Phänomene, verbunden mit detaillierter kritischer Sichtung, und zu einer Freude am empirischen Detail des historischen Beschreibens, die sich komplementär zur wachsenden landesherrlichen Durchgliederung und Erfassung des Territoriums entwickelte.
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_____________ 94 Zur Universität als sozialem Ort des Hofhistoriographen vgl. Johanek (1991).
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Stories at the Royal Court, or mirabilia in Alessandro Geraldini’s Humanistic Conception of History1 CARMEN GONZÁLEZ VÁZQUEZ Introduction The Itinerarium ad Regiones sub Aequinoctiali plagas constitutas2 is a travel book containing historical data and consisting of a collection of notes from the New World taken by Monsignor Alessandro Geraldini of Amelia. Geraldini wrote the work after setting off from Seville in 1519 to take up his post as bishop of Santo Domingo, where he arrived in February 1520.3 The Itinerarium also includes news regarding Spain and snippets on the contemporary situation at the royal court, and it provides abundant information on the continent of Africa as well. The original publisher considered the details outlandish and fantastic although worthy of belief in light of the author’s great erudition.4 The book was, however, severely criticized at the time and was labelled a fraud and a collection of lies.5 Nevertheless, and judging by its speedy translation into Italian,6 it was a success as well as an interesting document for those interested in the Americas. _____________ 1 2
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This paper is part of the Research Project »Humanistas de los siglos XVI–XVII. Tradición clásica y exégesis bíblica«, financed by D.G.I.C.Y.T. (HUM 2004–09045–C03–02/FILO). This work was published by his descendant Onofre Geraldini de Catenacios in the printing of F. Facciotti (Roma, 1631); this is the only edition, to which all references are made here according to book and page number. There are four manuscripts, catalogued and studied by Oliva (1993), 175–210. The historical dates of Geraldini’s life are unclear: for example, on the one hand a letter sent by Geraldini to the Emperor on October 6th, 1519, puts him in Santo Domingo already at that moment, according to P. Balbuena S. J. and A. Seco S. J., in the Vida of A. Geraldini, which appears on the first page of their translation (Geraldini, Itinerario por las regiones subequinocciales; cf. Utrera [1956]). On the other hand, Geraldini wrote that he waited until October to continue his voyage from the Canary Islands (Itin. III, p. 38, 1, 4–5), so that M. D. Snyder places the Atlantic crossing from the African coast on December 20, 1519 (Snyder [1980], 21–35). Geraldini, Itinerarium, 4 f. This is the position of Gabriel Naudé, a scholar and librarian to Cardinal Mazarin, as stated in his work Causae Kempensis Coniectio pro Curia Romana, París, S. Cramoisy and Cramoisy, 1651, 21–22 and 20 (apud Snyder [1980], 21). There are two copies of the Italian translation of Pompeo Mongallo da Leonessa, who justifies his work by the need to publicize Spanish cruelties towards the indians. Cf. Kristeller (1989), 465a; one of them is found in the British Library (Harley manuscripts, nº 3566) and the other is
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Intrigued by the book’s dubious reputation yet obvious popularity, I previously carried out a study of Geraldini’s description of the Canary Islands (Itin. Book II, 35–37) with the aim of analyzing the compositional system of its narration, its use of sources, and the historical accuracy of its data.7 Three conclusions were reached: (1) the account is a compilation of brief reports obtained from different sources – classical and contemporary, written and oral – which are all accorded the same degree of credibility and relevance, despite errors in data collection and interpretation; (2) Geraldini could have written a rigorous and truthful account, since he had visited the archipelago personally, he had precise cartography at his disposal, and abundant scientific and encyclopedic knowledge of the islands existed at the time; and (3) the work was likely not composed linearly or continuously but was instead comprised of annotations made during the voyage and later compiled in Santo Domingo along with previous information collected from a variety of written sources (historical and other) and supported by Ptolemaic cartography. This would explain the anachronisms and inaccuracies in the account, in which Geraldini treats classical antiquity as if it were contemporary, describes the islands’ mythical past as if he were recounting historical facts verifiable in the present, and recreates his own (quite imaginative) vision of the socalled Fortunate Islands. In this article I shall now attempt to decipher how Geraldini approaches history in his Itinerarium; that is, how he takes an historical and verifiable event (his journey from Europe to the New World to take up his post as archbishop) and fuses it with other stories (plausible reports he relates throughout the voyage). I shall also try to define in historical and literary terms the broader conception of the work. My intention is not to search for the sources on which each of the stories is based, but rather to attempt to place the narrative nature of the Itinerarium in the genre of either historiography or travel literature.
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7
located in the Biblioteca Nacional de Lisboa (Fundo Geral, cod. 11169). This translation, however, raises textual and historical problems, which I have tried to demonstrate in a conference paper, »La traducción al italiano del Itinerarium de Alejandro Geraldini realizada por Mongallo da Leonesa, texto anterior a los manuscritos de la obra (1565),« IX Reunión Científica sobre Humanistas Españoles »El humanismo español y su proyección en América«, Baeza (Jaén), 5–7 November 2007. See González Vázquez (2006), 301–326.
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Form, Structure, and Literary Sources of the Itinerarium Inscriptions The work begins with a Preface followed by sixteen books. One thing in particular attracts our attention: throughout the first twelve books Geraldini collects and transcribes Roman and African inscriptions of varied content (decrees, laws, myths, memorials, prayers, etc.),8 translated when necessary from hieroglyphics or vernacular languages into Latin. These inscriptions break up the monotony of the account and, apart from providing documentation regarding Geraldini’s impressions on the situation or the place that interests him, they also establish a continuous rhythm and a narrative thread that leads us to believe they are not merely marginal material but indispensable elements in constructing the narrative. In this sense, Geraldini continues the tradition established by heraldry in the Libro del Conosçimiento (14th cent.), whose anonymous author, as it happens, also set off on a voyage from Seville. In the graph below we see a representation of the narrative rhythm set by the number of inscriptions per book:
Fig. 1: Geraldini, Itinerarium: Number of inscriptions per book.
These inscriptions are interspersed throughout the framework of the account and offer us a threefold vision of what could be considered the conceptual outline of the Itinerarium: _____________ 8
I have undertaken a descriptive study of these inscriptions; cf. González Vázquez/Hoyo Calleja (2010a) and (2010b).
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1. The known and civilised world. Ten inscriptions in Latin (through Book II) serve as points on a geographic itinerary of Antiquity and Roman influence, and as a symbol for the conquest and enlightenment of uncivilised peoples. 2. The uncivilised Terra Incognita. Meaning Africa, which, as far as Geraldini was concerned, neither Christianity nor Western culture had ever reached (Books III–XI). Ample documentation was of course available about Africa, especially from Latin authors, but he completely ignores it. He is exclusively interested in the time of the emperors of dated entries, and from there, Africa seems to him an unknown territory and uncivilized. 3. The New World. The recently discovered continents where there are no inscriptions or accounts of other religions. Its inhabitants will be enlightened and evangelized by the new conquerors (heirs to the Romans in language as well as other didactic aspects: social, cultural, etc.). The Function of Cartography The title »sub aequinoctiali plaga« immediately attracts attention. Using sixteenth-century navigation charts as a reference – updated9 after the voyages of Columbus and the Portuguese,10 which Geraldini mentions in several passages of his Itinerarium – the equinoctial line ends up situated along what is today the Tropic of Cancer, a point never reached by Geraldini in his journeys. If, however, we use Ptolemy’s map11 as our reference, the aequinoctialis circulus corresponds with the line of the Equator, coinciding entirely with the journeys of our bishop.12 Moreover, the Itinerarium shows a greater knowledge of coastal than inland regions, and, in the case of Africa, the geographic locations correspond with the map drawn by Ptolemy.13 In other words, Geraldini follows Ptolemy’s map to write his narration and inserts his accounts along its itinerary – although a thorough study of locations does show several different types of inaccuracies. Nevertheless it all seems believable to the reader, who can picture in his own mind a general itinerary where everything is neat and organised. The reader will likely not – as I have done – count the number of days necessary for Geraldini’s voyage and check it against the number of kilometers traveled in his African route. Doing _____________ 9 Cf.¸ e.g., Atlas catalán de Cresques Abraham. 10 Cf. Academia Portuguesa da História (ed.), Viagens de Luis de Cadamosto e de Pedro de Sintra. 11 I have consulted the facsimile copy of Ptolemy’s universal map (s. II), printed in Rome, 1490 (published by Carlos Sanz), found in the Universidad Autónoma de Madrid (Cart. nº 960). It would be very interesting to trace Geraldini’s geographical crossing in the light of this map, but space limitations oblige me to put forward only the conclusions. I have compared the Itinerarium with the translation made by Miguel Servet in the sixteenth century, and the relationships between them are abundant; cf. Vilanovano (= Servet), Descripciones geográficas. 12 In fact, although I maintain the word »equinox« in my Spanish translation (cf. Geraldini, Periplo), perhaps »Equator« would be more pertinent. 13 Cf. Campbell (1987), 371–463.
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so the conclusion is evident: Geraldini never made his peregrinatio into the depths of the black continent; it was a literary one. Accordingly, it is more exact when providing data regarding capes and coasts than when the data supplied refers to the interior.
Fig. 2: Geraldini, Itinerarium: Inscriptions mentioned for each region.
This narrative procedure was not unknown to Geraldini. It had been used in the major medieval travel books, and there is no doubt that he knew them. We should probably search for this influence in medieval Arab literature, whose authors knew the Greek texts and Ptolemy’s Cosmography well. One such text is El
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Tratado de al-Zuhri, which was translated into Spanish in the fifteenth century.14 This manuscript, conserved in Salamanca, contains a long insertion that seems to have re-elaborated the original Arab text and added reproductions of Isidorian drawings and maps. El Tratado de al-Zuhri draws conclusions and develops ideas that can be found in the work of Ptolemy, in addition to providing other geographical knowledge. The original treatise included a world map and was used as a »handbook« by Muslim sailors and merchants (there is evidence of Arab charts dating from the eighth to ninth centuries with explanatory texts based on Ptolemy’s map). This procedure was usual at the time and, I believe, had an influence on medieval European voyages and their literature.15 Presentation of the Account As we have seen, Geraldini writes his work combining the use of the map – with which he illustrates the route taken – and various annotations and anecdotal aspects of his journey: the illness of the servants and sailors,16 the conditions at sea,17 personal impressions,18 etc. The Itinerarium reflects the heritage of medieval travel literature that testified to the existence of a world the reader could not experience. We find that same modus scribendi, for example, in Marco Polo’s Il Milione (ca. 1284, entitled La divisament dou monde in its Old French version),19 in La embajada a Tamorlán (ca. 1403), or in El Victorial (1404)20 – all of them accounts of historical voyages, although, surprisingly, ones whose content was often questioned. The object of these works is to capture daily life in a foreign land, describe religious relics and customs, narrate tales of maritime commerce and its risks, give impressions of diplomatic etiquette, and evoke the lavishness of courts. In them we find the itinerary of the voyage taken, descriptions of places, and political, cultural and anthropological reports to boot. The same structure, however, also appears in books that recount fictitious voyages – including ones that were accepted as true in their time21 – such as El libro del conosçimiento de _____________ 14 Cf. Bramon (1991). 15 Cf., among others, ad-Dimasࡅ qƯ, Manuel de la cosmographie; al-IdrƯsƯ, Description de l’Afrique et de l’Espagne; Ferrand, Rélation de voyages et textes géographiques; al-IdrƯsƯ, La géographie; Miquel (1972), 97–104. 16 E.g. Geraldini, Itinerarium V, 85. 17 E.g. ibid. XIII, 199. 18 E.g. ibid. III, 47. 19 A shortened version was translated into Aragonese between 1377 and 1396. 20 Díez de Games finished his Victorial in 1448. 21 The chroniclers of the French expedition to the Canary Islands at the beginning 15th century made use of El Libro del Conosçimiento, believing it accurate and truthful since it seemed to them that its author actually traveled and that its information was obtained first-hand. This book constitutes, according to Hyde (1982–83), 146 f., a significant step toward describing the world through the fusion of contemporary accounts and traditional cartographic sources.
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todos los reinos e señoríos que son por el mundo (ca. 1390)22 and the Travels of John Mandeville (1357).23 The Itinerarium has the same structure and thus becomes, I believe, a synthesis between fictitious medieval travel literature (whose authors never left the place where they wrote their works) and authentic travel literature (where we find travelers’ real experiences). Geraldini’s account portrays the route and itinerary of the journey, which, as has been shown, is dotted with inscriptions that establish or interrupt the rhythm of the narration. Medieval travel books consisted of a series of accounts of kingdoms, annals, or reports, based on the chronicle genre, whereas Geraldini’s Itinerarium is constructed according to accounts of numerous encounters with different individuals, followed by the author's impressions of the topics recounted in each of the books. Taking Book III24 as an example, we find the following recurring storyline: 1. Arrival (or in other books, the inland journey to a new destination). 2. Meeting a new individual. 3. Geraldini’s visit to the individual’s village. Getting to know the place and describing its characteristics and customs. 4. Departure and farewell. Account of personal impressions. 5. Arrival at a new destination and repetition of the storyline. This ›account/itinerary‹ alternation is also similar to the repetitive structure used in medieval travel books:25 indication of time, indication of place, mirabilia, and narration in the first person. In the Itinerarium time is consistently indicated: (1) It provides a chronology for the bishop’s journey. There is a double tempo, measured in sequences of ›days‹ or ›nights‹:26 on the one hand, there is time spent at sea – for which Geraldini presents exact data (Itin. I, 11: »deinde _____________ 22 The very idea that the book’s author could consult a world map around the middle of fourteenth century has pushed its date forward from 1350 to 1390. Cf. Lacarra (1999), 77–93. According to Montaner (1999), 65 f., the geographic and ethnographic information comes from contemporary cartography, especially from the Majorcan School, although it is unlikely that he had access to a map precise and large enough to include all of Asia in the East (like the Atlas of 1375) and the latest news about Africa in the South (like the Estense world map). Instead he probably made use of several different maps as his cartographic sources. 23 In 1385 John I promoted an Aragonese translation. Like the Libro del Conosçimiento, Mandeville’s is one of those imaginative travel books whose legends and invented maps displace those of authentic accounts. 24 This structure is repeated in the remaining books, with hardly any variation, including those on the New World. 25 Essential is Pérez Priego (1984), 217–239. There are innumerable important contributions on medieval travel literature, of which it is only possible to list a few in alphabetical order: Beltrán (1991), 121–164; Carmona/Martínez (1996); Rubio Tovar (1986). 26 There is only one example that utilizes years, when Geraldini recalls the visit that he paid to Cadiz before his voyage to Santo Domingo: »propterea tertio antea anno in publico patrum et populi conuentu, ciues uehementissime hortatus sum, ut patriae omnino labenti succurrerent« (Geraldini, Itinerarium I, 4).
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secunda trium dierum et totidem noctium nauigatione, Salam oppidum patriae desertae uicinum in ripa fluuii«; Itin. XII, 187: »et tandem tricesimo septimo postea die, quo a Riuo flumine discesseramus felici uento ad detestadas Anthropophagorum insulas peruenimus«; Itin. V, 85 : »ubi cum quosdam e familiaribus meis et multos e nautis graui et incognita passim ualetudine premi reperirem, ad uigesimum plane et quartum diem in eo littore me tenui«). On the other hand, there is time spent on land, which, unexpectedly, becomes diluted among the inaccuracies of concrete data (Itin. VIII, 131: »et decem dierum itinere inter Orientem et Zonam Torridam Logonsennea urbs duorum dierum itinere illustris est« Itin. XI, 175: »itinere duodecim dierum e limite terrae Demnaseae Orientem uersus Damniana«; Itin. V, 85 f.: »deinde a littore Budomelis discedens [...] tandem ad terram regni Molongonaei perueni [...]. [filius Actongoos] octauo postea die ad me uenit« [at this point, the reader does not know when the author arrived at the »Kingdom of Mologon«, which is the starting point of the timeline used to count the days of that visit]). (2) The historical time reference, also used to describe the places the author visits, is measured in ›years‹ (Itin. II, 37: »hae insulae praeter Canariam et Ningariam paruae sunt et tricesimo antea anno captae«; Itin. III, 44: »quod monumentum ante nouem annorum millia [...] sculptum est«; Itin. V, 79: »multa regum sepulcra ex auro purissimo sunt et imago uetustissimi Bagari Antistitis [...] octuo et millesimo ab hinc anno«). Indications of distance and direction are also consistently presented in two different ways throughout all the books of the Itinerarium: (1) Land distances are measured either in paces or miles, to the east or west, in order to geographically situate the place where the author has arrived. The rest of the spatial references build on the first: »pone Zonam Torridam ducentesimo et tricesimo quarto ab ea milliario Gallongea urbs maxima est« (Itin, X, 159); »sexcentesimo et septuagesimo ab urbe Gallon[g]ea lapide Ammosenna magna ciuitas est« (Itin. X, 165); »Nansea ciuitas quattuor dierum itinere praegrandis supra spaciosum stagnum, quod per quadringenta et octoginta passuum millia est, se extendit« (Itin. VIII, 126). Every location is described, but we do not always know exactly where they are, even when the author provides us with general references such as »de Gannaea vrbe ob magnitudinem eius aliquid dicendum est. haec nonagesimo ab vrbe Naazabea milliario Austrum versus est« (Itin. IX, 149). (2) The ship moves to »the right«, to »the left«, or comes »from behind«: »quare tribus insulis, quae paruae erant ad dexteram relictis, cum eo adnauigaremus et ad sinistram retro promontorium ferremur« (Itin. VI, 98).
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Alternation between the Dynamism of the Account and the Static Quality of the Description In the Itinerarium we find yet another formula typical of medieval travel literature: the alternation throughout all the books between narration and description. Geraldini uses the procedure of excerpta rhetorica, guided by the euidentia tipographica of the laudibus urbium: the place’s antiquity and its founders, its location and fortifications, the fertility of its lands and quality of its waters, the customs of its inhabitants, its buildings and monuments, its famous or important personages, and comparisons with other cities. To this basic catalogue we should add the Itinerarium’s interest in the piety of the various peoples and their deities, information that facilitates the transition from anecdote to account (i.e. Itin. X , 159 ff.):27 Gallongea urbs maxima est, multo auro, multis piscibus, multa terrae fertilitate beata, per medium cuius maximum flumen labitur, magnae in montibus auri fodinae sunt, maxima plana, latissima stagna, multi pagi, multi uici, multa passim oppida per uicina ubique loca se retendunt. Caput regni Cannosei est in rebus sacris Pontifex Gallongeus, mitra utitur, in profanis illustri ubique corona. Hoc tantum malum in ea urbe est [...] [followed by an anecdotal narration].28
The laudationes, apart from being an obligatory part of rhetoric, reveal an author who extols geographic, agricultural and human virtues (sometimes to the point of exaggeration). Geraldini’s views overflow with optimism, joy, and a spirited vision built on three related premises: respect for the conquered, the acquisition of knowledge, and the search for truth and peace.29 Geraldini has assimilated classical rhetoric to such an extent that he also uses it when describing Santo Domingo. The result is that narrative techniques remain constant no matter which place is described, be it Africa or the Caribbean (Itin. XV–XVI, passim et res.): Est Insula Hispaniola [...] plagae Aequinoctiali coniuncta, quae forma quadrata agit, nisi quod sinistro per Septemtrionem latere longo et obliquo plane spacio ad tertiampartem Insulae introrsum, nec multum diminuitur. Longior aliquntulum quam lata, utraque Hispania maior est. Hic amoenissimae ualles, latissima plana, multiplici arbore plena, altissimi montes, cliuo semper uiridi, uarii fructus sunt [...]. Nunc uero, quod mirum est, uiginti annorum cursu, pulcherrimi greges, praegrandia armenta, ingens saccari copia, cassa fistula, piper et multa beatae Arabiae aromata sunt [...]. Perpetuum uer, perpetua aestas, nullus dies sine sole currit, parui imbres [...] Sed ad alia bona eundum est. Fontes et riui ubique nitidi scaturiunt [...]; portus insignes toto littore quo maria se extendunt. Hinc inde patent. Greges, arment et omnia demum animalia, plures fotus et maiores quam in tota Europa edunt [...]
_____________ 27 There are so many examples of this that I could use Geraldini’s own words to justify not listing them: »si omnes populos [...] scribere cuperem, si omnes reges et liberas gentes hisce ego libris amplecti, longo et immenso uolumine et longo multum tempore egerem« (ibid. IX, 149). 28 This rhetorical scheme is maintained even when the description is limited solely to natural phenomena. 29 These concepts recur throughout the Itinerarium.
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Geraldini’s descriptions of the individuals he meets are also quite interesting, since they end up providing a self-portrait of the author, whose personal feelings and thoughts are interspersed throughout his work as insights, transcribed conversations, and correspondence (Itin. V, 87–89, among other examples): [...] cui cum obuiam exirem, habitu Pontificali indutus, mitra et caeteris sacrorum Praesulum ornamentis cultus, a lonbo per apertos campos spatio, adolescentem uidi praealto omni parte Elephante uehi [...] Tandem Actongoos simplici indusio gossipino perpulchre phrygiato indutus, relicto Elephanto ad me cucurrit, cum admirabili ubique gaudio me excepit, signum pacis dextra in me tenta dedit [...] Litterae ab Acteone Rege allatae et a me hic traductae [...]. Cui ego hoc modo respondi [...].
Nature and Content of the Itinerarium Mirabilia and the Marvelous To compile a catalogue of mirabilia of Antiquity and the Middle Ages one could rely solely on Geraldini’s Itinerarium. Almost everything30 is there: the Torrid Zone, Ethiopia, legendary islands, the Antipodes, bizarre peoples, monsters, plants that produce amazing fruits or liquids, palaces, beautiful maidens, and extraordinary animals.31 At the dawn of the sixteenth century, inspired by its great discoveries,32 Europe dreamt of broadening the horizons of the known world and verifying the certainty of accounts of mirabilia which had been passed down for generations.33 Geraldini acts as Europe’s reporter on that collective quest: his description of the peoples, lands, events, and beings he finds on his journeys amount to no less than journalistic chronicling.34 In the Itinerarium, mirabilia have the function of inviting the reader to take active part in the discovery, the progress, and the knowledge resulting from the voyage, as well as in the voyage _____________ 30 This is not the place for a detailed study of mirabilia but rather for a general evaluation of their role in this work. An in-depth study of Geraldini’s mirabilia and their sources will be left for another occasion. 31 Cf. Kappler (2004). I have made use of a selected bibliography on this extensive (and exciting) subject: Arié (1986), 63–81; Baldry (1956); Bauzá (1993); Benabou (1975), 143–152; Berger (1903); Boffito (1905); Desanges (1987), 277–292; Eliade (1959); Favier (1991); Fehling (1989); Ferguson (1975); Gabba (1981), 50–62; Gómez Espelosín/Pérez Largacha/Vallejo Girvés (1994); Cracco Ruggini (1974), 141–193, (1979), 108–135, and (1993), 443–486; Martels (1994); Maslakov (1983), 100–106; Nadeau (1970), 339–349; Porter/Lukermann (1976), 197– 223; Pritchett (1993). 32 Cf. Elliott (1970); Broc (1980). 33 Cf. García Martín (2001), 191–213, esp. 198. 34 Sensu stricto, seen that the story is narrated in chronological periods. The terms mirum, mirari, mirabile and their lexical family abound in the Itinerarium.
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itself; they never serve to dissuade.35 The act of seeing (or reporting) and locating those mirabilia geographically – as well as recounting the myths passed on by bizarre peoples – is no flight of fancy; it is part of medieval man’s thirst for experience of the world, which he pursued incessantly.36 Monsters can be divided into several groups: animals, kings of animal origin,37 and persons that are the opposite of Europeans (the Antipodes,38 who literally have ›their feet opposite us‹). The darkness of the skin and its different shades (since the temperature increases when approaching the Torrid Zone and skin color accordingly becomes darker),39 and strange alphabets, languages and social (though not religious) customs give rise to descriptions and narrations that border on the fantastic. The voyage also allows ›the others‹ to discover ›us‹ and learn the truth about ›us‹ (»mirabilia a contrariis«) (Itin. V, 91 f.): rustici Aethiopes benigno uultu me excepere [...] renunciauereque ante aduentum Lusitanorum, homines nullos, qui albo colore agerent, se uidesse, sed uulgata antiquis saeculis fama erat, homines hemisphaerii nostri, albos esse et nigros Aethiopes comedere40, quam opinionem tricesimo antea anno, cum longo comercio Lusitanorum, omnino exuere.
According to Geraldini, the character and the physical attributes of the peoples he visits are affected by climate;41 the strangest of them dwell in the harshest areas, which has an effect on their intelligence, fertility,42 and even their moral qualities.43 These peoples generally inhabit the desert or that nebulous area called the Torrid Zone. These notes on difference are, in fact, what allow the author to insert ›tales‹ or ›stories‹ that help us understand what separates them from us. These ›stories‹ depict what is ›real and marvellous‹ in its purest state, and provide _____________ 35 In addition to the classical texts and travel books mentioned above, a great influence was had on the Itinerarium by Pierre D’Ailly, William of Rubruck, Jourdain of Séverac, and Christopher Columbus, the last of whom, by the way, many times refers to Greeks and Romans as symbols for the known and civilized world. Cf. Brugnoli (1990), 171–179; Gil (1989), esp. 32 ff.; Varela, Cristóbal Colón. 36 Kappler (2004), 126. 37 Geraldini, Itinerarium VIII, 126 f.: »rex est, qui se altissimi Dei nepotem appellat, eo quod cum auia Iguinensa in secessu maximi Palatii sola ageret, inopinato candidum pullum cameli, cum decore omni animali anteponendo ad se uenire conspexit et cum eius conspectu magnopere oblectaretur et tangendo eum adeo mitem esse miraretur, ille effigie statim mutata eam compressit, unde natus est Maualienus rex« (emphasis mine). 38 E.g. ibid. XVI, 225. Cf. also Augustine (Aug. civ. XVI, 9). 39 Its curious that the skin color and the physical characteristics of the Santo Domingo islanders are never described. 40 A case of European cannibalism! 41 This theory about climate can be also be found in the aforementioned Tratado de al-Zuhri, 16 ff. 42 E.g. Geraldini, Itinerarium IX, 142–143: »uerum quod ego obstupesco, est, quod magna adeo muliebri geniturae faecunditas sub Caelo ubique excandescente fit. Aethiopes enim sole patriam eorum exuberante totis radiis et recto orbe penetrante capita hominum et sanguinem e corde ad summam cutem euocante, sanguineo colore et uultu uiolae suboscuro agunt«. 43 E.g. ibid. IV, 57.
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a framework for understanding and explaining what is actually ›real and based on experience‹. For instance, we read about marvellous temples and palaces, about naked people covered by thin fabrics,44 beings so extremely ugly that all of them conceal their faces,45 or the opposite: black women so beautiful that Geraldini declares he has never seen anything like them in Europe.46 And that is why he disguises as a monster what, in fact, is not: whales,47 whose description is no different from that of huge serpents.48 We also find the Amazons, who (quite reasonably) justify their rule,49 as well as savages, embodied in the figure of the cannibal Caribe tribe,50 whose description of how they skin their victims is reminiscent of the tortures Gengis Khan inflicted upon Christians, as narrated by Simon of St Quentin.51 In their mythical as well as in their realistic aspect, the Ethiopians and the Torrid Lands entered European literature from Greek sources by way of Roman authors. In the Itinerarium we arrive at those lands through Latin translations of inscriptions in Ethiopic characters or other hieroglyphic languages. But in spite of his position as Bishop, Geraldini distances himself from the traditional realism of Christian literature after the manner of Gregory of Nazianzus and Saint Isidore, who reject untrue (i.e., non-Christian) religions and see in black people only black souls filled with sin. Curiously enough, Geraldini sets aside the Ethiopians’ mythical aspect on several occasions to reflect on whether a Christian bishop should fraternize, talk (or even seek friendship), or start theological discussions with individuals separated from the Christian God. And the answer is always affirmative, as the author identifies the common points of morals and ethics shared by the _____________ 44 Ibid. IV, 64. 45 Ibid. III, 40–41: »ego de statu Azaganorum peterem in ultu corporis tegendo, quem summi quique philosophi e toto corpore apertum esse uoluere. Ille respondit, Azaganos mediocri statura, corpore informi, uultu omnino foedo agere, robore uero illustri et ob uina quibus abundant, a finitimis populis et a gente longe summota, quae corpore excellit procero et ore nobili, licet nigro, frequentari et antiquissimis Aethiopiae saeculis contigisse, sapientem regem, monstruosa effigie in regno eorum succedere, qui, ut priuatam ignominiam ultus sui celaret, coepit illum sudario lineo contegere, ut pari modo populum induceret communem uultus deformitatem uelamento nigro tollere et inde illum ritum toti genti remansisse et eam consuetudinem illi regioni indelebilem factam esse«. 46 Ibid. V, 88: »puellae forma egregiae, licet nigrae offerebant, ipsae enim parua ora, ipse brachia parua, ipsae in pectore mammillas et omnia demum lineamenta ita uenuste effecta tenebant, ut pulchrius esse nihil posset«. 47 Ibid. XII, 186: »tunc primum ceti corpore tremendi pisces aspectu informes, cum horribili rostro ad ictum fundae oblongi per latum mare apparuere« (emphasis mine). 48 E.g. ibid. IV, 65: »verum quod ego non parum admiror, est quod serpentem ore praeferocem, corpore praegrandem, cum magnis alis [...]«; V, 91: »ipsi nautae illos duos serpentes, quos a rege Acteone habueram, interfecere, alia causando, quam quod verum erat. Quare hoc veluti miraculum contigit, quod omnes, cutem e toto corpore mutauere, mole corporea praepingui et ubique saginata redditi sunt« (emphasis mine). 49 Ibid. VII, 108–118. 50 Cf. Cirillo Sirri (1993), 287–322. 51 Simon of St Quentin, »Voyage de Frere Ascelin«, col. 72.
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most disparate religions. Does Geraldini resort to mirabilia to express the tension between the evangelizing of natives and the respect for conquered peoples? He cannot have forgotten that in the eighth century the Church, through Pope Zachary,52 officially condemned the very notion of Antipodes in the Torrid Lands, whose existence had previously been denied by Saint Augustine and Saint Isidore. Nevertheless, the Antipodes and the Torrid Lands appear in the Itinerarium, described and narrated in detail. Autobiography, Pseudo-Historicity, and Didacticism The use of »I« implies truthfulness and didacticism, since the author intends to teach others what he has learned first-hand. This is further reinforced lexically by Geraldini’s continuous repetitions of »I saw«, »I heard«, »I beheld«, »I asked«, etc., a practice influenced especially by Herodotus (i.e. Itin. VII, 124: »non tamen ob eam rem, cum ea quae praesens uidi et a magnis hominibus audiui, scripserim, a labore cessabo; sed ea, quae relatu multorum accepi, quibus magna iure optimo, fides habenda est, quoque scribam«). The author, therefore, alternates objective description with information obtained directly by himself (the »I«), collected either in personal conversation or by reading decrees, inscriptions, or documents. In this way the different elements, real and fictitious, true and incredible, are entwined to form a homogeneous and coherent whole. Geraldini’s motivation for making his voyage is to take up his office as archbishop. This is what justifies his narration in the first person, that is, the autobiographical character of the Itinerarium. We already find this peculiar kind of narrative, one occupying a middle place between autobiography and travel literature and occasioned by an internal motivation, in La Embajada a Tamorlán or in the Tratado de las andanças e viajes de Pero Tafur. In his Preface Geraldini justifies his »diary« with the importance of the journey itself, stating that it will be of interest to all (Itin. Praef. 1: »res enim non parua uidebatur ab ipso Europa axe, ad remotissimum Aequinoctii cardinem traiecisse, ad gentem Antipodum penetrasse«) and that it has been undertaken for the glory of the Pope (Itin. Praef. 1; Itin. XVI, 226 f., among other references). Geraldini adds another reason,53 which he confesses to an anonymous Ethiopian prelate, sage, and saint: that the aim of his voyage was to know and to learn, to become most erudite, following in the footsteps of Plato (Itin. III, 40). In short, the voyage was a source of knowledge. There was also one more interesting justification: the possibility of confirming through experience certain knowledge inherited from classic antiquity. For example, the Virgin Islands are the same ones mentioned by Aristotle (Itin. XI, 183; XIII, 201; Itin. XVI, 226). And certain Ethiopian towns beyond the Torrid Zone were located on »[insula] quae vt Plato in Critia refert [...]«, i.e., on Atlantis (Itin. _____________ 52 Pope Zachary, »Epistola ad Bonifacium archiepiscopum«, cols. 946 f. 53 This might be a later interpolation.
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XI, 182) – which turns out to be the very island of origin of the Caribes, the cannibals that inhabited an island 800 miles away from Santo Domingo (Itin. XII, 187 f.: »ad detestandas Anthropophagorum insulas peruenimus, qui lingua eorum Caribae, idest uiri fortes, nuncupatur; quae insulae ab innumerabili truculentissimorum hominum multitudine cultae sunt, ii illa insula egressi, quae Platone in Critia enarrante, Europa et Asia maior est, ad octingentesimum ab urbe Sancti Dominici lapidem distat«). What is more, even Christopher Columbus believed that the Antipodes and equinoctial lands could be discovered if one read Plato’s Critias (Itin. XIV, 203). Could there be any greater indication of the contemporary perception of the use and value of the classics than that comment? For Geraldini, Europe symbolises a lost opportunity. It represents all that he could have become at court but did not, partly because of his appointment as bishop of Santo Domingo (where he did not want to go).54 Africa, the unknown territory, represents the ideal world, where every element of the socio-political and religious hierarchy has its own function: honest, peaceful leaders who seek to promote the welfare of their people and their territory and who surround themselves with competent advisors; respected and heeded prelates, who safeguard morality; an oligarchy or noble class, in perfect harmony with the other classes; and the people, satisfied, happy, in concord with the established order (when rebellion does occur – and there is only one example – devastation results). All in all, there are three well demarcated and ideally harmonious strata: the rulers (monarchic or democratic), the religious institution, and the governed. If we consider the books Geraldini dedicated to Africa and the accounts of his arrival and first proceedings in Santo Domingo, we see that his intention on that island was to recreate the idealized world of the African peoples he had ›visited‹. It is no coincidence that all those peoples have well-respected, saintly prelates who, in addition to their religious function, play a clear social and political role on behalf of their parishioners. Such is Geraldini’s humanistic conception of history. And that is why he presents himself as playing an active role as bishop, an office whose effectiveness had previously been repeatedly demonstrated through stories whose protagonists were African prelates. His own deeds include: the construction of the cathedral, the defence of the islanders against the outraged Spaniards, and the submission of his parishioners to his advice in his function as prelate. This is, I believe, how Geraldini envisages his arrival in Santo Domingo (Itin. XVI, passim), for he recycles the same storyline, structure, and tone used in the previous books. In Santo Domingo, however, a different situation arises, and the behavior of the good savage acts as a foil for that of the evil colonizer.
_____________ 54 In 1517 he implores Pope Leo X »desidero incontrarvi e rimanere definitivamente con voi«, apud Oldoni (1993), 158 f.
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Conclusions Geraldini made a real voyage, which has been historically verified. In the Itinerarium, this voyage was inserted into another voyage, an imaginary, supposedly real one that is a literary construction based on the written and, sometimes, oral accounts of others. And as has come to light here, its content and narrative structure are also heavily influenced by the classical tradition and by medieval travel literature. On the other hand, could it perhaps be argued that the Itinerarium is made up of two discrete parts, an imaginative, literary one and an historiographical one? This is unlikely: the stories are interspersed naturally with history, the two sharing the same plot line and narrative procedures without any visible separation. It is impossible to determine which pages were written with the desire to be truthful (the historical narration), and which simply to try to be believable (the literary narration). How does Geraldini’s conception of historiography fit into the sixteenth-century world? All chronicles based on experience are undergirded by certain ideological assumptions and pragmatic objectives, the primary one being to recount the vicissitudes of the traveler from his personal point of view. But ultimately the bishop’s desiderata and his vision of the development of the New World are trumped by reality. Geraldini bases his view of history and of the world (Europe, Africa, and America) on the omnipresent classical antiquity on which he was nourished, and he rounds it out with his own astounding humanistic erudition. Old philosophies, epics, novels and histories all converge in his own work, where they mingle with patristic texts, the encyclopaedic tradition, and travel literature. The Itinerarium is a work that aims to be believable rather than truthful. Geraldini creates an ideal, organised world with historical solidity, built around the figures of the good ruler, his court, a soul-saving religion, and the people. All in all, Geraldini seems to demonstrate a greater affinity for the literary than the historical or the documentary: he always uses the same narrative procedures, he does not differentiate between the real and imaginary contents of his account, and he erases any visible lines between one and the other. It is possible to view the Itinerarium as a document about Europe and the New World, but I find it much more interesting and fruitful to behold this work in the light of the neoLatin literature of the sixteenth century.
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Geschichtsschreibung am Hof und römische Antike im 16. Jahrhundert. Zusammenfassende Bemerkungen HARALD MÜLLER Es entspricht humanistischem Geist, die eigene Arbeit mit Reflexionen über den Sinn und das Genus des produzierten Textes zu beginnen.1 Und so kann auch die conclusio einer wissenschaftlichen Tagung nicht damit auskommen, nur die nach rhetorischen Regeln unvermeidliche captatio benevolentiae voranzustellen. Deren Bausteine sind vorgefertigt. Es sind die topischen Elemente eigener Unzulänglichkeit mit Formeln wie »dem Thema kaum gewachsen« oder »in der Flut der gelehrten Anregungen gleichsam ertrinkend« und natürlich zwingend der heroisierende Hinweis auf die lucubratio, die eigene Nachtarbeit, in der sich der Verfasser die folgenden Zeilen abgerungen hat. Darüber hinaus aber bedarf die Arbeit des Zusammenfassens der Erläuterung. Der ›Terminator‹ muss den Gedankenaustausch zu einem guten Ende bringen ohne das Gespräch abzuwürgen. Zwei wichtige humanistische Triebkräfte müssen ihm dabei fremd sein: imitatio und aemulatio. Die imitatio verbietet sich von vornherein, weil es quälend wäre, die Quintessenzen der Vorträge als matten Abglanz Stück für Stück herunterzubeten. Sich die aemulatio zu versagen, ist dagegen ein wahrhaft asketischer Akt. Denn nicht gering ist die Verlockung, aus sicherer Distanz die Aussagen der Referentinnen und Referenten nicht nur zu erfassen, sondern sie zurechtzurücken, zu bewerten und dabei buchstäblich das letzte Wort zu behalten. Die Aufgabe des Zusammenfassers ist nicht die eines Zensors, sie besteht vielmehr im waghalsigen Versuch, die vielen lose herabhängenden Fäden der Erkenntnisangebote einer solchen Tagung vorsichtig und vorläufig miteinander zu verknüpfen. Dies kann nur in Auswahl und pointierter Verkürzung geschehen. Das 16. Jahrhundert erlebte die Multiplikation humanistisch inspirierter Geschichtsschreibung im europäischen Rahmen. Dies ist Grund genug, an konkreten Fallbeispielen die Implementierung neuer Methoden, neuer Darstellungsformen und neuer historischer Bezugspunkte zu verfolgen und nach den jeweiligen Bedingungen dieser Implementierung zu fragen. Ganz bewusst wurde hierbei nicht _____________ 1
Der Text bietet weitgehend die mündliche Zusammenfassung der Berliner Tagung vom Februar 2008. Sie wurde an einigen Stellen anhand der nun vorliegenden Manuskripte präzisiert bzw. modifiziert, sofern veränderte Inhalte, ausgebliebene Druckfassungen oder nachträglich in den Band integrierte Beiträge dies erforderten.
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ausschließlich nach den in den vergangenen Jahren intensiver erforschten Formen nationaler oder regionaler Geschichtsschreibung gefragt, sondern die Rolle der Historiographen, die Anlage ihrer Werke und ihr Antike-Verständnis in den Mittelpunkt eines prinzipiell offenen (Hof-)Spektrums gerückt. Der Titel der Tagung »Humanistische Geschichten am Hof« signalisiert mit seinem Plural die Grundannahme einer gewissen Bandbreite und Inhomogenität der untersuchten Fälle. Sie dämpft von vornherein die Erwartung, am Ende des Symposions könne eine umfassende Synthese des komplexen Themas stehen. Drei Akzente wurden bei der Vorstellung des Tagungskonzepts gesetzt. Erstens die Rolle der Italiener, die an die Höfe Europas ausschwärmten, um die dortige Geschichtsschreibung auf Vordermann zu bringen. Paolo Emilios Satz Gallis condimus historias bestitzt für diesen Vorgang emblematischen Charakter.2 Vertraut ist dabei zweitens, dass bei diesen Vorgängen nicht die Antike in neue Zusammenhänge eingebaut wurde, sondern dass durch die Aneignung in einem doppelten Transformationsprozess eine Vielzahl nuancierter Antike-Verständnisse entstanden. Programmatisch für diese Tagung ist schließlich drittens die Konzentration auf die Texte selbst, auf die Beispiele humanistisch geprägter Geschichtsschreibung, die ihrerseits den Fokus auf geographisch-politische Gebilde richtet, die als ›Nation‹, ›Land‹ oder ›Region‹ bezeichnet sind, wobei sich auch Stadtrepubliken in diesen Kontext fügen. Diese Prägungen der Historiographie können als »Werkbänke der Transformation« (Helmrath) bezeichnet werden, was ohne Umschweife ausdrückt, dass genau dort – in den Texten selbst und anhand ihrer Machart – auch die konkrete Umarbeitung antiker Formen und Inhalte zu verfolgen ist. Diese Werkbänke und die dort gefertigten Produkte stehen im Zentrum der folgenden Ausführungen, wobei vor allem die konkreten Anforderungen an diese Geschichtswerke seitens der Auftraggeber und des Publikums, die realisierten Lösungsansätze sowie die Verwendung von Antike als Leitfragen fungieren. Zuvor sind jedoch einige weiter ausgreifende Gedanken der Tagung zu referieren, verleihen sie der Sammlung der Exempla doch zusätzliche Kohärenz und analytische Tiefe. Die Relevanz des Untersuchungsobjekts speist sich zu erheblichen Teilen aus dem Erfolg der humanistischen Historiographie. Den Ursachen dieses Erfolgs, der breiten Akzeptanz dieses Konzepts von Geschichtsschreibung in Spätmittelalter und Früher Neuzeit spürt Thomas Maissen nach. Der zentrale Gedanke seiner in Berlin als Abendvortrag gehaltenen Annäherung ist ebenso pointiert wie martialisch: Historiographie wurde im Kampf um die Ehre gehandhabt wie eine Waffe. Mehrfach tauchen Gleichsetzung von arma und historia auf: Kanonen waren teuer, Humanisten auch – ein Selektionskriterium, das dazu führte, dass am Ende nur solvente Landesherren sich moderne Landesgeschichtsschreibung leisten konnten. Einfachere Adelsgeschlechter blieben auf der Strecke, obwohl gerade sie einen enormen Bedarf an historischer Legitimierung entfalteten. In Italien, wo militärische oder ökonomische Aufsteiger wie die Sforza oder die Medici in die Rolle veritabler Herrscher über Städte und Territorien schlüpf_____________ 2
Vgl. Collard (2002), 377.
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ten, wurde deren eklatanter Mangel an historisch-dynastischer Legitimität sichtbar. Hier konnten die Humanisten mit ihrer demonstrativen Antike-Kompetenz neue Angebote machen und dabei auf Muster zurückgreifen, die nicht nur stereotyp eine fürstliche Ahnenreihe in die Vorzeit verlängerten: Die Stadt wurde zum Abkömmling der res publica romana, ganze Landstriche und ihre Bewohner bekamen kollektive Ahnen aus dem reichen Arsenal der römischen Antike. Vom Schwert zur Feder und vom Adel zur natio, so ließe sich eine doppelte Entwicklungslinie ziehen. Der Ehrbegriff des mittelalterlichen Adels verlor seine Exklusivität. Er wurde aufgegriffen vom niederen Adel, von Stadtbürgern, von Territorien und ihren Bewohnern. Damit kam auch sein zuvor primär in der historischen Tiefendimension einer Dynastie liegendes Ziel abhanden, es wurde übertragen auf einen geographischen Raum, seine Bevölkerung und deren Geschichte. Historiographie wurde mit ethnographischen Elementen angereichert, die man aus den Werken der Vorfahren bzw. antiker Autoren, nun aber auch aus eigener Anschauung (Autopsie) gewann. Volk und Territorium traten als politisch-geographische Einheit, als natio hervor und wurden der eingehenderen Betrachtung wert, Geschichtsschreibung damit im wahrsten Sinne des Wortes popularisiert. Dabei beschritt man unterschiedliche Wege, die origo gentis zu erhellen. Sie führten hinein in einen Wettkampf der nationes, der sich aus einer Kulturkonkurrenz speiste; Abgrenzung, Eigenheit, Autochthonie lauten ihre Stichworte. Dieser Kampf auf dem Feld der kollektiven Ehre wurde nicht mehr allein mit Waffen ausgefochten, sondern mit Worten – mit wohlgesetzten Worten, denn, so Maissen, nur die gekonnte, humanistisch aktualisierte Landesgeschichte überlebte. Der Erfolg scheint auch darauf zu beruhen, dass die neuen, aus der antiken Profangeschichtsschreibung schöpfenden Erklärungsmuster der Realität näher standen als die der überkommenen Geschichtsschreibung. Auch wenn dies sicherlich am Einzelfall zu prüfen ist, so scheinen in dieser Konstellation geradezu marktwirtschaftliche Argumente von Angebot und Nachfrage auf. Schon die Tatsache alternativer Schemata ist bemerkenswert, ein Sieg ihrer Methode musste freilich auch für die Humanisten selber prekär werden, weil darin grundsätzlich klar wurde, dass Geschichtskonzepte, seien sie eschatologisch oder profan konturiert, austauschbar waren. Wie hat man sich solche methodisch neu befruchteten Geschichtsentwürfe vorzustellen? Was ist das spezifisch Humanistische, insbesondere in der Vielzahl von Landes- und Regionalgeschichten des ausgehenden 15. und des 16. Jahrhunderts? Wie kann man ihnen heute nachspüren? Die letzte dieser drei Fragen führt an den Ausgangspunkt der Berliner Tagung zurück. Ein Kernanliegen des Symposions war es, ein Datenbankprojekt vorzustellen, mit dessen Hilfe im Rahmen des SFB 644 »Transformationen der Antike« das spezifische Vokabular humanistischer Historiographie erfasst werden soll. Die Datensammlung zur historischen Semantik wurde von Albert Schirrmeister und Stefan Schlelein entworfen – dies in kritischer Auseinandersetzung mit gängigen Konzepten der ›Begriffsgeschichte‹ und ›Historischen Semantik‹ und bereits mit einer beachtlichen Zahl von Datensätzen gefüttert. Sie unternehmen den plausiblen Versuch, die Humanisten bei
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deren Sprache zu packen, die Formung und Verwendung einzelner Leitbegriffe – z. B. patria, gens oder res publica – durch Wortfeldanalysen in einem zuvor festgelegten Quellenkorpus zu verfolgen. Klug programmiert, macht die Maschine dem Menschen durch Zusammenstellung der Belege in ihrem jeweiligen Kontext intertextuelle Bezüge deutlich, in denen Wörter nicht nur Bedeutungsträger sind sondern zugleich Signale – Signale einzelner Diskurse, aber auch Signale der Zugehörigkeit des Sprechers oder Schreibers zu bestimmten Diskursformationen. Die Datenbank bildet ein Begriffs-Depot, das zur selektiven Auswertung einlädt und im Vergleich mehrerer Landesgeschichten sicherlich wertvolle Dienste leisten wird. Wie trennscharf sich aus der Aufzeichnung der Schlüsselwörter indes eine humanistische Semantik oder gar eine Fachsprache herausschälen lassen wird und ob die begriffsorientierte Dekomposition zu sehr den Blick auf die rhetorischen Strategien der Texte verstellt, wie in der Diskussion befürchtet, bleibt abzuwarten. Wer verfolgt, wie Elisabeth Stein Paolo Giovio nicht nur als versierten Kenner antiker Texte erweist, sondern zugleich dessen genaue Zitatregie hervorhebt – Tacitus für das Blutige, Caesar für die Schlachtfeldbeschreibung –, wird solche Einwände teilen. Allerdings ist die semantische Analyse im Projekt nur ein Zugriff unter mehreren. Durch eine Wortfeldanalyse nur schwer zu erfassen ist zum Beispiel die für die Ausbreitung humanistischer Historiographie zentrale Frage nach der Motivation, nach der jeweiligen causa scribendi. Vom Bedürfnis nach Legitimierung neuer Eliten in Italien war die Rede. Der Wunsch nach Abgrenzung von individuellen oder kollektiven Konkurrenten und das Verlangen nach historischer Identitätsbildung traten hinzu. Freies Schaffen wie bei Paolo Giovio oder Albert Krantz steht neben Auftragsgeschichtsschreibung. Umso frappierender wirkt der Fall des Johannes Aventin, den Andrej Doronin im weit gespannten Kontext des damaligen natio-Diskurses entwickelt. Aventin entwarf dem bayerischen Herzog ebenso kundig wie kühn eine Vergangenheit, die neben Bayern als griechen- und druidenakkulturierten Germanen/Deutschen keine historische Größe gelten ließ – nicht einmal Rom. Aber er entwarf sie letztlich an seiner (katholischen) Kundschaft vorbei: Für so etwas Rigides hatten die Wittelsbacher offensichtlich keine Verwendung. Es ist dies ein krasses Beispiel dafür, wie ein humanistisches Angebot ins Leere ging. In anderen Fällen funktionierte es, wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise. Harald Bollbuck zeigt, wie im nordöstlichen Zipfel der Germania libera der Stammbaum der Germanen auf der Grundlage antiker Leittexte wie Plinius und Tacitus in ganz unterschiedlicher Weise weiterentwickelt wurde. Albert Krantz schrieb jene nördliche Germania unter Bekämpfung gängiger Abstammungsmythen in die antike Geschichte ein und schloss die Region damit an die südliche Kulturentwicklung an, während Nicolaus Marschalck in einer gekonnten Mischung aus selbstbewusstem Herkunftsmythos und souveräner Kenntnis der regionalen Gegebenheiten eine eigenständige nördliche natio schuf. Seine Fokussierung auf Dynastie und Territorium kam den Bedürfnissen seiner fürstlich-mecklenburgischen Auftraggeber stärker entgegen als die römisch-antike Sichtweise
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eines Albert Krantz. Von einer exklusiven Dominanz humanistischer Modelle kann in dieser Region zu Beginn des 16. Jahrhunderts keine Rede sein. Trotz unterschiedlicher Entwürfe dominierte bei der Historisierung der nationalen oder gentilen Ursprünge die alternativlose vertikale Zielrichtung: Man wollte zurück in die Vorzeit, schuf Dignität durch Alter und Abstammung. Anders präsentierten sich die nun häufiger werdenden »Zeitgeschichten«. David Chytraeus konstruierte seine gegenwartsorientierten Betrachtungen Sachsens mithilfe eines Netzes von Korrespondenten und aus Briefzeitungen und Fragebögen, die er verschickte, um sein landesgeschichtliches Wissen zu erweitern. Paolo Giovio wollte eine Historia sui temporis schaffen, wofür aber dem Anschein nach lange Zeit niemand Bedarf verspürte. Bei der Zeitgeschichte ist die Richtung des Interesses eine andere: nicht mehr vertikal in die Vorgeschichte, sondern horizontal, innerhalb des eigenen chronologischen Gefüges. Im Falle von Chytraeus geht damit auch eine geographische Umwertung einher. Die traditionellen Zentralräume, das antike Rom und die Mittelmeerwelt, waren für die Gegenwartsbetrachtung von geringerer Relevanz. Chytraeus’ Zeitgeschichte war vielmehr kartographisch um Wittenberg als das neue Jerusalem – insofern gut mittelalterlich! – konstruiert; ein auch textlich hartnäckig eschatologisches Modell, das lediglich den reformationsbedingten Austausch der Koordinaten aufweist. Dies mag ein schlagender Einzelfall sein, zwingt aber zu der Überlegung, dass aus der Antike entlehntes geographisches Wissen allein nicht mehr in allen Fällen zu überzeugen vermochte. Chytraeus’ Fragebögen demonstrieren demgegenüber das stetig bedeutsamer werdende Erfahrungswissen, zu dem auch die von den Humanisten propagierte Autopsie zählt. Dieses Erfahrungswissen wurde als genuine Kompetenz des Historikers betrachtet. Glaubt man Paolo Giovios Anleitung zum Verfassen historischer Texte, so ist das Einbringen und Ordnen von Erfahrungswissen sogar eine der vordringlichen Aufgaben dieses Berufes. Es wäre zu fragen, ob nicht die humanistische Landesgeschichtsschreibung einen besonderen Typus des Geschichtsschreibers erforderte und hervorbrachte, der methodisches Rüstzeug im Allgemeinen mit detaillierter Kenntnis der Gegebenheiten vor Ort zu kombinieren wusste. In diesen Kontext der Bewältigung von Erfahrungswissen gehört auch die Karte als Darstellungsmedium, deren Anfertigung sich im Laufe der Renaissance zu einer eigenen Wissenschaft entwickelte. In Karten gerannen, wie Axelle Chassagnette am Beispiel Kursachsens zeigen kann, historische Kenntnis und durch Autopsie gewonnenes Erfahrungswissen zu einer schnell erfassbaren Aussage. Geschichte und Gegenwart werden auf einen Blick sichtbar. Damit war die Karte nicht nur ein Mittel der Rationalisierung, das etwa administrative Einheiten markierte, sondern zugleich ein Symbol der Legitimität eines fürstlichen Anspruchs, der sich auf ein Territorium bezog. Die Intermedialität von Landesbeschreibung bzw. Landesgeschichte und kartographischer Erfassung des beschriebenen Territoriums verdient sicher weitere Aufmerksamkeit. Im Mittelpunkt der meisten Beiträge stehen erwartungsgemäß die Darstellungskonzepte einzelner Autoren. Die Frage nach Aneignung und Abwandlung
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bereitstehender Muster beherrscht hier den Methodenblick, und sie führt zu individuellen Ergebnissen. So offenbart die eindringliche Analyse von Alessandro Geraldinis Itinerarium ad regiones sub aequinoctiali plagas constitutas (verfasst ca. 1519) durch Carmen González Vázquez, dass bei dieser literarischen Reise in die Neue Welt Realität und Fiktion in eigentümlicher Weise verschachtelt sind. Mit humanistischer Belesenheit verwob Geraldini antike Quellen, arabische Texte und vor allem mittelalterliche Reiseberichte mit zeitgenössischen und später eingefügten Reisenotizen zu einem dichten Beschreibungsgeflecht. Ptolemäische Karten und antike Inschriften bilden darin nicht nur ausschmückende Anekdoten, sie sind Teil der Gesamtkonzeption, ja Gerüst der Erzählung schlechthin; Erinnerungen an Konrad Peutinger und seine Inschriftensyllogen werden wach. Das Bewegungsmuster im Raum stellte dem Verfasser (durchaus von mittelalterlicher Praxis inspiriert) die Aufhänger für historische und ethnographische Beobachtungen bereit. Dabei tendierte er insgesamt stärker zur literarischen als zu einer historischen Arbeitsweise. Igor Melanis ebenso akribisches wie spannendes Porträt des Francesco Guiccardini gewährt am Beispiel der Ereignisse des Sacco di Roma von 1527 tiefe Einblicke in die Werkstatt des Florentiner Historikers. Es zeigt den Quellenkritiker ebenso wie den Literaten, den Humanisten wie den Staatsmann. Und es offenbart eine moderne Fehlzuschreibung, denn ein Francesco zugeschriebener Text über den Sacco stammte wohl von dessen Bruder Luigi. Wichtiger aber ist auch hier die Konzentration auf die Zeitgeschichte, die nicht nach antiken Schablonen, sondern nach neuen, angemessenen Darstellungsformen verlangte. Nach Melanis Meinung konnten italienische Historiker der Renaissance hierzu Erhebliches beitragen, weil sie anders als ihre nordalpinen Kollegen nicht in der Aufgabe gefangen waren, einem Großreich den angemessenen historisch-ideologischen Ornat zu weben. Die Spannweite der Verarbeitungsmöglichkeiten von Antike-Wissen ist damit angedeutet, die Lesarten von Antike selbst, einem wesentlichen Aspekt bei der Transformation der Antike, noch nicht. Die Antike begegnet in der vertrauten Rolle der Referenzgröße. Brücken zur Antike wurden geschlagen, germanische Stämme in die Antike eingeschrieben. Für Chytraeus war sie ein gewaltiger Metaphernspeicher, den er mithilfe seiner an der Universität Wittenberg erprobten loci-Methode ordnete. Paolo Giovio, von Elisabeth Stein als glänzender Wortmaler charakterisiert, verlieh den Personen seiner Zeitgeschichte überzeitliche Kontinuität und Kontur, indem er sie in präzise antike Sprach- und Bedeutungsgewänder hüllte. Dabei war sein Umgang mit dem Antike-Wissen nicht demütig-rezipierend, sondern souverän: In genau kalkulierter Auswahl bediente er sich seiner Vorlagen, um damit der Gegenwartsschilderung historische und moralische Tiefe zu geben. Antike wurde auch als Epoche thematisiert. Uta Goerlitz kontrastiert das gängige dreigliedrige Epochenschema, das dem Mittelalter aufgrund dessen mangelnder Lateinqualität humanistischerseits tiefe Geringschätzung entgegenbringt, mit einem zweigliedrigen Schema, das bei Peutinger wie überhaupt im Umkreis Ma-
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ximilians I. präsent war. In dieser Sichtweise wurde die Zeit der Völkerwanderung als Wendepunkt des römischen Glanzes, als Epoche des Niedergangs Roms bewertet, der in seinem Gefolge die Aufwertung der Germanen als besonders kriegstüchtig mit sich brachte. Der Niedergang Roms gab einen von Standards des Lateinischen unbehinderten Blick auf die folgenden Jahrhunderte frei. Deshalb erfuhren mittelalterliche und auch deutschsprachige Autoren Wertschätzung. Es galt, das Mittelalter insgesamt literarhistorisch einzuordnen. Damit wurde die Germania/das Reich als eine eigenständige Kulturnation begriffen und entworfen, die sich von Beginn an jeglicher römischen Dominanz entzog. Die Völkerwanderungszeit markiert indes nicht nur den Punkt, an dem die inclinatio Roms sichtbar wurde, sie erscheint als Sollbruchstelle in Fragen ethnischer Autochthonie. Wenn Aventin einige germanische Stämme ihre antiken Namen ablegen und sie sich damit symbolisch vom historischen Primat Roms befreien ließ, so ist dies geradezu als eine Entwertung der (römischen) Antike zu lesen. Der aus solchen Beobachtungen resultierende Hinweis, den Blick der Humanismusforschung nicht allein auf die Frage der Latinität zu richten ist begründet, gerade aus der Perspektive solcher Regionen, die nicht unmittelbar im Erbe Roms standen. Unter Maximilian I. war das Lateinische im Fokus humanistischen Interesses wohl nicht mehr so dominant wie zu Zeiten eines Francesco Petrarca oder eines Lorenzo Valla, auch weil das Griechische und zaghafter das Hebräische nun auch nördlich der Alpen Fuß gefasst hatten. Mit diesen Sprachen waren jeweils eigene kulturelle Identifikationsmuster verbunden. Besonders die Aufnahme des Hebräischen lässt sich kaum als zwanglose, von Rom über Athen nach Jerusalem fortschreitende Erweiterung des »klassischen Altertums« begreifen; der jüdische Kulturkosmos ist deutlich anders geartet. Die über die Bibel ins Hebräische ausgreifende christliche Tradition lieferte ein Motiv für den Rückgriff in diese Welt, die Idee von der Kabbala als einer von historischen und ethnischen Rangkämpfen unberührten Universalweisheit, wie Giulio Busi in seinem Beitrag über Pico della Mirandola postuliert, ein weiteres. Zunächst aber blieb die römische, vom Latein bestimmte Antike das Leitbild humanistischer Kultur auf beiden Seiten der Alpen, ganz gleich ob man sich daran freuen oder reiben wollte. Den Humanisten bot die Sprache einen zentralen Tummelplatz der eigenen Ambitionen und des eigenen Selbstverständnisses. Selten kann man dies so klar konturiert verfolgen wie in Patrick Bakers Entschleierung eines Dialogs aus der Feder des Marcantonio Sabellico. Unter dem Titel De latinae linguae reparatione (verfasst ca. 1489) schilderte der Lehrer an San Marco in Venedig die Etappen der Lateinfertigkeit, die in den Jahrzehnten des Humanismus erreicht worden waren. Es ist eine Fortschrittsgeschichte, die anders als die zahlreichen ätzenden Invektiven humanistischer Matadore um goldene Latinität oder Küchenlatein die eigene, aktuelle Sichtweise positiv herausstellt, ohne die älteren Etappen zu diskreditieren. Vom Bemühen um gutes Latein etwa unter Gasparino Barzizza oder Leonardo Bruni schritten die Kenntnisse zu wahrhaft klassischer Latinität unter Lorenzo Valla voran bis zu einem philologisch orientierten Humanismus in der Generation der Schüler Vallas, deren Markenzeichen
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Edition und Kommentar sind. In glücklicher Konjunktur mit dem Buchdruck zeigt sich hier Höhepunkt und Zukunft, die Exzellenz einer lateinischen Moderne, die ihre eigenen Vorgänger hochschätzt. Das an sich weite Feld der Historiographie ist mit solchen Gedanken längst verlassen, doch gehört zur Latinität wie zu Geschichtsschreibung im Humanismus der Gedanke der Wandelbarkeit ihrer Autoritäten, Zugangs- und Ausdrucksweisen. Und ebenso gehört der Gedanke der gruppenbezogenen Standards dazu, denn Autoritäten, Ziele und Methoden des Humanismus wurden im Dialog zwischen Humanisten ausgehandelt und festgeschrieben. Auch humanistisch geprägte Geschichtsschreibung musste den Wünschen des Publikums entgegenkommen, wenn sie Ansehen und Auskommen bringen sollte. Es gehört zu den Stärken einiger Beiträge dieses Bandes, dass sie die Relation zwischen Autor und Auftraggeber bzw. zwischen Verfasser und Publikum explizit in die Werkanalyse mit einbeziehen. Albert Krantz orientierte sich, so Harald Bollbuck, wohl zu sehr an der Sichtweise der humanistischen Kommunikationsgemeinschaft und zu wenig an seinem norddeutschen Publikum; Nikolaus Marschalck gelang Letzteres besser – offenkundig aber zu Lasten humanistischer Standards. Über solche Dinge möchte man gerne mehr erfahren, gerade wenn es um neue Konzepte und regionale Zuschnitte geht. Über die Einbettung der Autoren in die jeweilige höfische oder städtische Gesellschaft, über mögliche Konkurrenzen etc. geben die Werke selbst aber nur selten Auskunft. Humanistische Diskurse über Modi der Landesgeschichtsschreibung werden sich, wenn überhaupt, eher in Paratexten oder Briefwechseln finden lassen.3 Der Zusammenfasser gerät hier ein wenig in die Gefahr, zum Zensor zu werden und die eigene Sichtweise zum Maß der humanistischen Dinge zu erklären.4 Dennoch: Was wünschten die Auftraggeber eigentlich? Welches Publikum mögen die Texte erreicht haben? Sicher scheint: Nur wer sich in der Antike auskannte, konnte etwa Giovios virtuose Montagen goutieren, konnte die Anspielungen verstehen. Die anderen mussten leider intellektuell »draußen bleiben«; sie lasen oder hörten die Schlachtenschilderungen als Historienschinken, nicht als antik aufgeladenes Charakterstück. Das unmarkierte Zitieren Giovios ist in diesem Zusammenhang ein anderes Vorgehen als das lautstarke Hinweisen auf die allfälligen Autoritäten vom Schlage eines Cicero, Livius oder Tacitus, in deren (Wind-)Schatten sich Autoren gerne stellten. Das fast lautlose Demonstrieren von Quellenkenntnis und Sprachkompetenz schuf genussvolle Insider-Solidarität unter Gleichgebildeten oder zumindest Gleichinteressierten. Was Franz-Josef Worstbrock mit Blick auf die Code-Funktion des klassischen Lateins als die »Physiognomie des deutschen Frühhumanismus« bezeichnet hat,5 mag auch für die Diffusion humanis_____________ 3 4 5
Grundlegend zur gesamten Thematik Helmrath (2005); zu den Regional-Diskursen vgl. ebd. 338, sowie die Quellenübersicht 363–384. Zum Verhältnis von literaturwissenschaftlichen und sozialgeschichtlichen Methoden in der Humanismusforschung vgl. Müller (2006), 23–79. Worstbrock (2000).
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tischer Historiographie in die europäischen Regionen eine hilfreiche Grundüberlegung sein: Man gab sich selbst als Könner den Kennern zu erkennen. Für wen waren also diese Schriften bestimmt, wer bekam sie zu sehen? Wer konnte die Meta-Ebenen sprachlich und gedanklich überhaupt erklimmen? Wenn wir am Paradigma der Diffusion des Humanismus als Vorgang festhalten wollen, der nicht eine unkontrollierte Sickerung war, sondern Niveauangleichung durch gezielte Nachfrage,6 dann benötigen wir mehr Informationen über Interessen und Angebote, die den Austausch und die Adaptation stimulierten oder hemmten. Wie das norddeutsche Beispiel lehrt, gab es durchaus Alternativen zur Geschichte more humanistico. Es gab auch, wie bei der Lektüre der Beiträge deutlich wird, Alternativen zu den in Scharen an die Höfe ausschwärmenden Italienern, die Europa lehrten Geschichte zu schreiben. So unbestritten wichtig Portalfiguren wie Enea Silvio Piccolomini für das Reich, Paolo Emilio für Frankreich oder Polydor Vergil für England waren, so sehr stellt sich die Frage, ob der regionale und in Teilen außerrömische Bezug der neuen Landesgeschichtsschreibung nicht zumindest in zweiter Linie andere Fähigkeiten erforderte als mediterrane Antikenkompetenz. Dies gilt umso stärker, je mehr zeitgeschichtliche Konzepte zur Umsetzung gelangten. Auf diese Formen der Historiographie nachdrücklich aufmerksam gemacht zu haben, ist sicher ein ganz wesentliches Verdienst dieses Bandes. Das auf die römische Antike orientierte Modell der Italiener funktionierte hier nur eingeschränkt. Von Gallis condimus historias,7 von der veritablen Gründung der Geschichten fremder Völker ex nihilo kann daher kaum die Rede sein; die hatten ihre eigenen Entwürfe. Was aber, wenn wir im Lateinischen den Akzent verschöben, wenn wir von der konsonantischen zur i-Konjugation wechselten, von condere zu condire? Dann hieße es – bei optisch gleich bleibender Verbform – sinngemäß: »den Franzosen ihre Geschichte würzen«, sie mit Mitteln der Humanisten schmackhaft machen. Derart verfeinerte Küche aus unterschiedlichen Regionen Europas sowie teilweise auch deren Rezepte hält der vorliegende Sammelband für den verwöhnten Leser bereit.
_____________ 6 7
Vgl. Helmrath (2002), 19–24. Vgl. Anm. 2.
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Literatur Literatur Collard, Franck, »Paulus Aemilius’ ›De rebus gestis Francorum‹. Diffusion und Rezeption eines humanistischen Geschichtswerks in Frankreich«, in: Diffusion des Humanismus. Studien zur nationalen Geschichtsschreibung europäischer Humanisten, hg. v. Johannes Helmrath/Ulrich Muhlack/Gerrit Walter, Göttingen 2002, 377–397. Helmrath, Johannes, »Diffusion des Humanismus. Zur Einführung«, in: Diffusion des Humanismus. Studien zur nationalen Geschichtsschreibung europäischer Humanisten, hg. v. Johannes Helmrath/Ulrich Muhlack/Gerrit Walter, Göttingen 2002, 9–29. Helmrath, Johannes, »Probleme und Formen nationaler und regionaler Historiographie des deutschen und europäischen Humanismus um 1500«, in: Spätmittelalterliches Landesbewußtsein in Deutschland, hg. v. Matthias Werner, Ostfildern 2005 (= Vorträge und Forschungen, 61), 333–392. Müller, Harald, Habit und Habitus. Mönche und Humanisten im Dialog (= Spätmittelalter und Reformation N. R., 32), Tübingen 2006. Worstbrock, Franz Josef, »Imitatio in Augsburg. Zur Physiognomie des deutschen Frühhumanismus«, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 129 (2000), 187–201.
Register Das Personenregister enthält neben historischen auch literarische und mythische Figuren, wobei auf eine nähere Erläuterung letzterer in den meisten Fällen verzichtet wurde. Lebende Personen wurden nur aufgenommen, wenn sie besondere konzeptionelle Bedeutung im Text besitzen. Texte, die keinem Autor zugewiesen werden können, finden sich unter dem Lemma »Anonymus«. Das geographische Register notiert Orte, Flüsse, Länder und Regionen in einem weiten Sinn. Die Einträge verzeichnen sowohl die modernen als auch die Quellenbezeichnungen (kursiv gesetzt), wo dies zu ihrer Identifizierung im Text notwendig oder sinnvoll erschien. Bei Verweisen auf englischsprachige Aufsätze sind die entsprechenden Bezeichnungen aufgenommen. Verwendete Abkürzungen: assyr. = assyrisch, Bf. = Bischof, brit. = britisch, Fs. = Fürst, gen. = genannt, Gf. = Graf, Großhz. = Großherzog, Hl. = Heiliger, hussit. = hussitisch, Hz. = Herzog, Hzgn. = Herzogin, Hztm. = Herzogtum, Kf. = Kurfürst, Kg. = König, Mgft. = Markgrafschaft, Mkgf. = Markgraf, myth. = mythisch, röm. = römisch, röm.-dt. = römisch-deutsch, russ. = russisch, sächs. = sächsisch, slaw. = slawisch, Vizekg. = Vizekönig
Personenregister Acciaiuoli, Roberto 180, 186, 200 Acteon, Kg. v. Mologon 310, 312 Actongoos (Sohn des Acteon) 308, 310 Adam 60, 124 Adam von Bremen 280 Aeneas 284 Agilolfinger (Familie) 139 Agricola, Gnaeus Iulius 162, 164 d’Ailly, Pierre 311 Alarcón, Hernando de 185 f. Alarich, Kg. der Westgoten 92 Albertus Magnus 275
Albinus, Petrus (Peter Weisse) 264, 267 Meißnische Land und BergChronica 264, 267 Albrecht Achilles, Mkgf. v. Brandenburg-Ansbach 59 Alemannus 126 Alexander der Große 52, 129, 131, 279, 284, 288, 290 Alfonso I. d’Este / Alfonso von Ferrara, Hz. v. Ferrara 93, 215 Altdorfer, Erhard 289 Ambrosius Aurelianus, brit. Herrscher 38
332 Andreas von Regensburg 126 Annius von Viterbo 69, 73 f., 125 f., 143, 278 Antiquitates variae 69 Anonymus Annales Laureshamenses 98 Annales regni Francorum 98 Chronica de origine civitatis Florentie 63 Compendium sancti Thome 114 Historia Augusta 2 Hohelied 20, 97 Libro del Conosçimiento 303, 306 f. Nibelungenlied 102 Anthyrius 288–291 Antichrist 292 Antonin von Florenz 64 Chronicon / Summa historialis 64 Antonio da Rho 213 Aphrodite ĺ Venus Apian, Peter 254 Cosmographicus liber 254 Araceli, Kardinal ĺ Numai da Forlì, Cristoforo Ariovist / Ervest 37, 134 Aristarchus 235 f. Aristophanes 235 f. Aristoteles / Aristotle 171, 313 De anima 276 Arminius / Erman 134 f., 141 Artaxerxes 160 Artus 5, 73 Atticus, Titus Pomponius 231 Augustinus, Aurelius / Saint Augustine 50, 313 De civitate Dei 50 August, Kf. v. Sachsen 253, 258– 261 August II., Kg. v. Polen 60 Augustus, röm. Kaiser 52, 111, 138, 283
Register
Aventin, Johannes (Johannes Turmair) 4 f., 123–147, 277, 279, 286, 324, 327 Annales ducum Bavariae / Epitome 130 Annales ducum Boiariae 123, 138–142, 146 Bayerische Chronik 123, 127, 133, 135, 138–142, 144 f. Lateinische Grammatik 133 Musicae rudimenta 133 Ursachen des Türkenkrieges 133, 142 Von dem herkommen der statt Regensburg 134 f. Zeitbuch über ganz Teutschland 133 Averroes 243 Bade, Josse (Jodocus Badius Ascensius) 232 Bagarus 308 Balbulus, Notker ĺ Notker I. von St. Gallen Bale, John 74 Barbaro, Ermolao 215, 219 f., 231, 242 Barbaro, Francesco 224 Bartolus de Saxoferrato / Bartolo da Sassoferrato 61 Barzizza, Gasparino 211, 223 f., 327 Basellius, Nikolaus 71 Batus 38 Bebel, Heinrich 66 f., 69, 71, 127 Beda Venerabilis 56 Berig, myth. Kg. der Goten 281 Belleforest, François de 252 Bembo, Pietro, Kardinal 20, 190 De imitatione 20 Benivieni, Girolamo 241 Benoist, Eugène 197 Bernhard von Clairvaux 20 Bernhard von Kremsmünster 126
Personenregister
Berosus 69, 74, 125 f., 144, 147, 278 f., 281, 289 Bevilacqua ĺ Gabi, Simone Bevilacqua, Niccolò 175 Billaine, Louis 196 Billung, slaw. Fs. 284 f. Biondo, Flavio 62 f., 92 f., 210, 237, 277, 281 f., 286 Historia ab inclinatione Romanorum Imperii decades 63, 92 f. Italia illustrata 62, 237, 277 Boccaccio, Giovanni 230 Il Decamerone / Decameron 218 Bodin, Jean 174 f., 178 f., 194, 201 Methodus ad facilem historiarum cognitionem 174 f. Boiardo, Giulia 243 Boiardo, Matteo 243 Orlando innamorato 243 Bonstetten, Albrecht von 60 Superioris Germaniae confoederationis descriptio 60 Borghini, Vincenzo 69 Borja Lanzol de Romaní, Juan de, Kardinal »Melfitensis« 244 Borwin 290 Bote, Hermen oder Konrad (?) Cronecken der Sassen 279, 289 Bracciolini ĺ Poggio Bracciolini, Gian Francesco Brant, Sebastian 58 Brennus 52 Brito / Brutus, myth. erster Kg. v. Britannien 73 Brugnoli, Benedetto (Benedicto Prunulo) 215, 217, 219, 222–227, 229 f., 233–236 Bruni, Leonardo 61–64, 67, 92, 172, 218, 224, 230, 327 Dialogi ad Petrum Paulum Histrum 218, 230
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Historiae Florentini Populi 61, 172 Laudatio Florentinae urbis 61 Brutus, Marcus Iunius 231 Budé, Guillaume 232 Bugenhagen, Johannes 29 f., 32–37, 43, 283 Pomerania 30, 32, 34, 283 Buonaccorsi, Filippo (Callimaco Esperiente) 215, 220 Buonaccorso da Montemagno ĺ Montemagno, Buonaccorso da Busse, Dietrich 12 f., 21 Caesar, Gaius Iulius 19, 26, 52 f., 61, 63, 67 f., 90, 129, 131, 136, 156, 160–165, 176 f., 231, 280, 283 f., 324 Bellum Gallicum 136, 156, 160 f., 176 Calderini, Domizio 224 Calgacus 162, 164 Callimaco Esperiente (Callimachus) ĺ Buonaccorsi, Filippo Cambini, Andrea 70 Camden, William 68 Camerarius, Ludwig 291 Campano, Giannantonio 67, 73, 286 Candida, Giovanni de 70 Capito, Wolfgang 99 Carion, Johannes Chronica 294 Casella, Matteo 93 Castiglione, Baldassarre 65, 219 Il Libro del Cortegiano 65, 218 f. Catilina, Lucius Sergius 52, 63, 160–162 Cattaneo, Alberto 70 Celtis, Conrad 62, 67, 71–73, 93 f., 124 f., 129–131, 135 f., 143, 251, 275, 277, 286 Germania generalis 277
334 Germania illustrata 62, 251, 277 Quatuor libri amorum 277 Libri odarum 136 Cerretani, Bartolomeo 169–175 Dialogo della mutatione di Firenze 169–170, 172 f. Hystoria Fiorentina 170 Cerretani, Paolo 171 f. Cesarini, Alessandro, Kardinal 185 f. Chalcondyles, Demetrius (Demetrios Chalkokondyles) 247 Cham (Sohn Noahs) 89, 125 Chilfreich ĺ Chilperich Charles de Bourbon ĺ Karl III., Hz. v. Bourbon-Montpensier Chiavelluzzo, Pietro 185, 193, 195 Chilperich / Chilfreich, Kg. der Franken 132 Chlodwig, Kg. der Franken 74, 100 Chlotar I., Kg. der Franken 132 Chomedey, Jerôme 175 Christian I., Kf. v. Sachsen 264 Christian III., Kg. v. Dänemark 291 Christus 50, 112, 115, 142, 244, 284 Chrysostomus (Lucanus [?]) 86–89, 92 f., 101 f. Chytraeus, David 275, 290–295, 325 f. Chronicon Saxoniae 291–293 Regulae vitae 294 Cicero, Marcus Tullius 20 f., 68, 155, 171, 177, 180, 211 f., 228, 230–232, 235 f., 328 Brutus 212, 230 f., 236 Claude de Valois, Prinzessin v. Frankreich, Hzgn. v. Lothringen 60 Claudian (Claudius Claudianus) 128 Clemens V. (Bertrand de Got), Papst 141
Register
Clemens VII. (Giulio de’ Medici) / Clement VII, Papst 93, 190, 199, 202 Clio 210 Columbus, Christoph ĺ Kolumbus, Christoph Collazio, Matteo 220 Commynes, Philippe de 59 Mémoires 59 Constantinus, britanno-röm. Usurpator 40 Corsi, Giovanni 190 Cortesi, Paolo 211, 228, 230 f., 237 De hominibus doctis 211 Cortona, Kardinal ĺ Passerini, Silvio Cosimo I. de’ Medici, Großhz. der Toskana 61, 67, 175, 177, 191, 198, 218 Crinito, Pietro (Petrus Crinitus) 69, 210 Crocus, myth. Kg. v. Böhmen 283 Curione, Celio Secondo 175 Cuspinian, Johannes 2 Dalberg, Johannes von 131 Dandolo, Marco 215 Dante Alighieri 230 Dardanus 63 Decier / Decii (Familie) 42 de Deza / Deça (Familie) 42 Delmedigo, Elias 243 Demosthenes 133 Diaconus ĺ Paulus Diaconus Díez de Games, Gutierre 306 El Victorial 306 Dis 131 f. Domitian, röm. Kaiser 231 Donà, Girolamo 215 Drusus, Nero Claudius (Drusus Iulius Caesar) 111 Dschingis ChƗn / Gengis Khan 312
Personenregister
Eanes de Azurara, Gomes Crónica da Tomada de Ceuta 3 Egen, Peter (Peter von Argon) 117 Eike von Repgow Sachsenspiegel 279 Einhard 95 f., 98 f., 138 Vita Karoli Magni 95, 98 f. Eisen ĺ Isis Eisengrein, Wilhelm 74 Harmonia Ecclesiae historica 74 Emilio, Paolo (Paul Émile) 30 f., 62, 70 f., 73, 203, 322, 329 De rebus gestis Francorum 30, 62, 73, 203 Gallicae antiquitates a prima gentis origine repetitae 71, 73 Erasmus von Rotterdam 60, 231 f. Ciceronianus 231 Erik XIV., Kg. v. Schweden 291 Esra 246 Eumeniden 242 Fabier (Familie) 284 Fabri, Felix 53, 71 Historia Suevica 71 Facio, Bartolomeo 210, 213 Federigo, »Signor« 185, 195 Ferdinand I., röm.-dt. Kaiser 101, 142 Ficino, Marsilio 136, 241, 247 Flacius Illyricus, Matthias 101 Magdeburger Centurien 74 Foxe, John 74 Franz I., Kg. v. Frankreich 165, 193 Frea (keltische Göttin) 144 Freia / »teutsch Venus« 144 Frensdorff, Ferdinand 114 f. Friedrich I., Kg. in Preußen 60 Friedrich I. Barbarossa, röm.-dt. Kaiser 93, 126, 142 Friedrich II., röm.-dt. Kaiser 127 Friedrich II., Kg. v. Dänemark 291 Friedrich III., röm.-dt. Kaiser 73
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Friedrich III. der Weise, Kf. v. Sachsen 98 Frisch, Max 17 Montauk 17 Fugger (Familie) 111 Gabi, Simone, gen. Bevilacqua 86 Gebwiler, Hieronymus 86 Geiger, Ludwig 86 Geldenhouwer, Gerard 29–33, 36– 38 Historia Batavica 30 Gelli, Giambattista Dell’origine di Firenze 67 Geoffrey of Monmouth 73 Georg, Hl. 143 Geraldini, Alessandro 301–305, 307, 309–315, 326 Itinerarium ad Regiones sub Aequinoctiali plagas constitutas 301–305, 307–315, 326 Geraldini de Catenacios, Onofre 301 Germanus, Nikolaus 282 Tabula moderna 282 Giberti, Giammatteo (»il Datario«) 181 f., 187 f. Gilbert, Felix 174, 178, 199, 201 Gintolinus, myth. Kg. in Britannien 39 Giolito de’ Ferrari, Gabriele 175 f. Giovan Francesco I. della Mirandola ĺ Mirandola, Giovan Francesco I. della Giovio, Benedetto 154 Historia patriae libri duo 154 Giovio, Paolo 151–165, 173, 179, 324–326, 328 Descriptio Britanniae, Scotiae, Hyberniae et Orchadum 157 Dialogus de viris et foeminis nostra aetate florentibus 151, 164 Elogia 152 f., 165
336 Historiae sui temporis 153–155, 157, 161, 164, 173, 325 In Libros Historiarum sui temporis Praefatio 173 Giraldi, Lilio Gregorio 210, 231 De poetis nostrorum temporum 231 Giuliari, Iacopo Conte 214–217, 221, 224, 227–230, 234–236 Glarean, Heinrich 26, 29–33, 35–37, 42 f. Helvetiae descriptio 26, 30, 32 González de Clavijo, Ruy Embajada a Tamorlán 306, 313 Gordon, Alexander / Huntleius, Gf. v. Huntly 157 Gossembrod (Familie) 111 Gossembrod, Sigmund 114 Gotpot / »teutsch Mercurius« 144 Gott / God / Deus 65, 74, 115, 123 f., 136 f., 143, 145, 160, 185 f., 188, 194, 200, 221, 228, 255, 257, 281, 292, 312 Gottfried von Viterbo 51 Gregor I. der Große, Papst 281, 292 Gregor von Nazianz / Gregory of Nazianzus 312 Gregor VII. (Hildebrand), Papst 140 f. Gresemund der Jüngere, Dietrich, 86 Carmen de historia violatae crucis 86 Grotius, Hugo 68 Guarini, Battista 215, 217–220, 224–227, 229 f., 233–236 Guarini, Guarino / Guarino of Verona 215 Guicciardini (Familie) 173–175, 181 Guicciardini, Agnolo 177 f., 190 Guicciardini, Francesco 4, 169 f., 173–199, 201–203, 326 Commentari 174, 177, 190 Cose fiorentine 174
Register
Dialogo sopra il reggimento di Firenze 174 Discorso di Logrogno 174 Il Sacco di Roma ĺ Guicciardini, Luigi Storia d’Italia 173–178, 182, 187, 190–192, 195–198, 201 Storie fiorentine 174 Guicciardini, Luigi 196–200, 326 Sacco di Roma 196–200, 326 Gunther 93 f. Ligurinus 93 f. Gunzelin I., Gf. v. Schwerin 284 Gustav Vasa, Kg. v. Schweden 293 Habsburger (Familie) 52, 59, 73, 88, 99 f., 142, 287 Hama, myth. sächs. Held 283 Hadrian, röm. Kaiser 280 Hannibal 157 Heimburg, Gregor 59, 66 Heinrich II., Hz. zu BraunschweigLüneburg 286 Heinrich IV., röm.-dt. Kaiser 140 f., 146 Heinrich V., Hz. v. Mecklenburg 287 Heinrich VIII., Kg. v. England 156 f., 159 Hektor 88 f. Helmold von Bosau 277, 280, 285, 288 Hemmerlin, Felix 53 Dialogus de nobilitate et rusticitate 53 Herkules / Herakles / Arcle 73, 87– 89, 126, 134, 143 f., 284 Herodot 130, 313 Hieronimo (Anhänger Savonarolas) 170 Hobbes, Thomas 213 Behemoth 213 Homer 136
Personenregister
Horaz (Quintus Horatius Flaccus) 87 Howard, Thomas / Surreius, Gf. v. Surrey 157–159, 162 Hrabanus Maurus 96, 98 Hrotsvitha von Gandersheim 93 f., 101 Opera 93 Hugo de Moncada ĺ Moncada, Hugo de Hunibald 100 Huntly / Huntleius ĺ Gordon, Alexander Hutten, Ulrich von 140 f. Iguinensa 311 Illyricus, Matthias Flacius ĺ Flacius Illyricus, Matthias Ilsung, Sebastian 118 Innozenz IV. (Sinibaldo de Fieschi), Papst 54 Iordanes / Iornandes 90 f., 93, 97, 102, 281 Irenicus, Franciscus 127 Isidor von Sevilla / Saint Isidore 112, 134, 306, 312 f. Isis / Eisen 144 Jäger, Clemens 112 Jakob IV. / Jacobus, Kg. v. Schottland 155–162 Japhet (Sohn Noahs) 125 Jesus von Nazareth ĺ Christus Johann I., Kg. v. Aragón 307 Johann III., Kg. v. Schweden 291, 293 Johann Albrecht I., Hz. v. Mecklenburg 290, 293 f. Johannes von Salisbury 40 Jolly, Thomas 196 Josephus Flavius 278 Jourdain de Séverac 311 Jugurtha 161 Jupiter 144
337
Jupiter Hammon 283 f. Justinger, Konrad 55 Kaas, Nicolaus 291 Karl der Große, Kg. der Franken, Kaiser 52, 90, 95 f., 124, 127, 129, 132, 135, 138–142, 146 Karl I. der Kühne, Hz. v. Burgund 59 Karl III. / Charles of Bourbon, Hz. v. Bourbon-Montpensier 181 f., 184–187, 191 f. Karl V., röm.-dt. Kaiser 142, 293 Karl VI., röm.-dt. Kaiser 60 Karl VIII., Kg. v. Frankreich 153, 241 Karolinger (Familie) 132, 138 Kirchberg, Ernst von 285, 288 Reimchronik 285, 288 Kolumbus, Christoph / Columbus, Christopher 304, 311, 314 Koselleck, Reinhart 9–11, 14, 42 f. Kramer, Jos 113 Krantz, Albert 5, 62, 66 f., 275–277, 279–291, 294 f., 324 f., 328 Chronica Daniae 286 Chronica Sueciae 284 Chronicon regnorum aquilonarium 276 Metropolis 276 Saxonia 276, 280, 284 Wandalia 276, 280, 283 f., 289 Krommeny, Cornelis 291 Küchlin 111 Kues, Nikolaus von ĺ Nikolaus von Kues Landino, Cristoforo 60, 247 Langenbeck, Hermann 283 Latini, Brunetto 60 Latomus, Bernhard 289 Genealochronicon Megapolitanum 289
338 Lazius, Wolfgang 101 f. Commentariorum Reipublicae Romanae libri duodecim 102 De gentium aliquot migrationibus libri XII 91, 101 Leland, John 74 Leo X. (Giovanni de’ Medici), Papst 111, 151, 153, 156, 164, 173, 180, 247, 314 Lessi, Bernardo 197 Leto, Pomponio (Pomponius Laetus) 210, 231 Libussa 284 Lippomano, Niccolò 215, 218 Lirer, Thomas 52 Schwäbische Chronik 52 Livius, Titus / Livy 2, 26, 68, 153, 160–165, 190, 200, 210, 284, 328 Ab urbe condita 160–164 Locher, Jakob 86 Longueil, Christophe (de) 232 Lorenzo (Anhänger Savonarolas) 170 Lorenzo I. de’ Medici, gen. il Magnifico 170, 241, 245, 247 Lovati, Lovato 211 Ludwig IV. der Bayer, röm.-dt. Kaiser 138, 141, 146 Ludwig X., Hz. v. Bayern 146 Ludwig XII., Kg. v. Frankreich 156 Lukian von Samosata 160, 165 Quomodo historia conscribenda sit 165 Luther, Martin 101, 146, 267 Machiavelli, Niccolò 68, 172 Maffei, Raffaele, gen. Volaterranus / Volterrano 69 Magdeburg, Hiob 260 f., 266 Magnus II., Hz. v. Mecklenburg 284, 287 Magnus, Olaus 264, 267 Carta marina 264, 267
Register
Malispini, (Ricordano [?]) 53 Mandeville, Jean de / John 307 Reisen / Travels 307 Manutius, Aldus 216 Marc Aurel, röm. Kaiser 138 Marcellus, Gaius Claudius 231 Marineus Siculus, Lucius 3, 5, 30 f., 34, 38, 42 Obra de las cosas memorables de España 34, 42 Opus de rebus Hispaniae memorabilibus 30, 34, 38, 42 Mark Anton (Marcus Antonius) 284 Marschalck, Nicolaus 5, 275, 287– 289, 291, 295, 324, 328 Annales Herulorum ac Vandalorum 288 f., 291 Ausztzog der Meckelburgischen Chroniken 289 Reimchronik des mecklenburgischen Fürstenhauses 288 Marsuppini, Carlo 172 Florentine History 172 Martin von Troppau ĺ Troppau, Martin von Matteo de Pisano Gesta illustrissimi regis Johannis de bello Septensi 3 Mauritius, Hl. 143 Mavalienus / Maualienus 311 Maximilian I., röm-dt. Kaiser 51, 59, 63 f., 73, 85–88, 90 f., 93 f., 99 f., 102, 129, 142, 326 f. Maximilian II., röm-dt. Kaiser 291 Mazarin, Jules, Kardinal 301 Mecklenburg (Familie) 289 Medici (Familie) 61, 152–154, 169 f., 172–174, 180, 322 Medici, Cosimo I. de’ ĺ Cosimo I. de’ Medici Medici, Giovanni de’ ĺ Leo X. Medici, Giulio de’ ĺ Clemens VII. Medici, Lorenzo de’ ĺ Lorenzo I. de’ Medici
Personenregister
Meginfried 100 Meisterlin, Sigismund 55, 111 f., 114 Chronographia Augustensium 112 Melanchthon, Philipp 253, 257, 290, 293–295 »Melfitensis«, Kardinal ĺ Borja Lanzol de Romaní, Juan de Mellinger, Johannes 261, 264, 267, 270 Mennel, Jakob 64, 99 Merkur 144 Merowinger (Familie) 88 Merula, Giorgio 224, 231 Michelotius, Nicolaus 245 Milanesi, Carlo 196 f. Mirandola, Giovan Francesco I. della 243 Mithridates, Flavius (Guglielmo Raimundo Moncada) 243–247 Moncada, Hugo de, Vizekg. v. Neapel 185 f., 201 f. Mongallo da Leonessa, Pompeo 301 f. Monissart, Jean 245 Montemagno, Buonaccorso da 60 Montesquieu, Charles-Louis de Secondat 55 Morosini, Marcantonio 214, 217, 220 f., 223, 228 f., 233 Morus, Thomas 60 Moses 60, 246 Mülich, Hektor 112 Münster, Sebastian 252, 254, 259, 264, 292 Cosmographia 254, 260, 264 Nannini, Remigio (Remigio Fiorentino) 175 f. Vita di M. Francesco Guicciardini 175 Nardi, Jacopo 176 f. Nauclerus, Johannes 62, 139
339
Naudé, Gabriel 301 Nero, röm. Kaiser 285 Niccoli, Niccolò 218 Nieheim, Dietrich von 283 Privilegia aut iura imperii 283 Niklot, Fs. der Obotriten 287 Niklotiden (Familie) 280 Nikolaus von Kues 39, 41 Ninus, assyr. Kg. 52 Noah 51, 89, 124 f., 144, 278 f. Nogarola, Hieronymus von 90 Notker I. von St. Gallen, gen. Balbulus 98 Gesta Karoli Imperatoris 98 Numai da Forlì, Cristoforo, Kardinal »Araceli« 185 f. Odysseus 132 Ormento, Gf. v. 188 Orosius, Paulus 50, 254 Historiae adversus paganos 254 Ortelius, Abraham 257 Theatrum orbis terrarum 257 Osiris / Oriz 89, 144 Otfrid von Weißenburg 95 f., 101 Otfridi evangeliorum liber 95 f. Otpert 100 Otto I. der Große, röm.-dt. Kaiser 124, 139 Otto von Freising 55, 94, 112 Gesta Friderici 94 Parker, Matthew 74 Passerini, Silvio, Kardinal »Cortona« 182, 184–187, 190, 193– 195 Paul III. (Alessandro Farnese), Papst 190 Paulus Diaconus / Foroiuliensis 90 f., 93, 97 f., 102 De gestis Langobardorum 91 Pazzi, Alessandro de’ 181, 187 Perna, Pietro 175
340 Perotti, Niccolò 226 Cornucopia 226 Peter von Andlau 51 Peter der Große, russ. Zar 60 Petrarca, Francesco / Petrarch 123, 125, 211, 219, 230, 242, 327 Secretum 219 Petreius, Marcus 162 Peucer, Caspar 257 Peutinger, Chrysostomus 86 Peutinger, Konrad (Conradus Peutingerus) 4 f., 32, 85–94, 97– 102, 111, 326 Carmina ad me 86, 92 De inclinatione Romani imperii et exterarum gentium 91 Germanorum gentium commigrationes 102 Kaiserbuch 89–91, 99 Piccolomini, Enea Silvio ĺ Pius II. Pico della Mirandola, Giovanni 241–247, 327 Conclusiones 242, 246 Oratio de hominis dignitate 246 Piget, Simeon 196 Pirckheimer, Willibald 127 Pistorius, Maternus 287 Pius II. (Enea Silvio Piccolomini), Papst 59 f., 62, 64–66, 70, 73, 92, 94, 210, 277, 281, 284, 286, 329 De Europa 62 Germania 60, 94 Historia Bohemica 60, 284 Supra decades Blondi epitome 92 f. Platon / Plato 236, 246, 313 f. Phaidros / Phaedrus 236 Kriton 313 f. Plinius Secundus, Gaius (der Ältere) / Pliny the Elder 164, 210, 278 f., 281, 289, 324 Plinius Caecilius Secundus, Gaius (der Jüngere) 164
Register
Plutarch 160 Podiebrad, Georg, Kg. v. Böhmen 58 f. Poggio Bracciolini, Gian Francesco 60, 212 f., 224, 235 Polenton, Sicco 230 Scriptorum illustrium latinae linguae libri XVIII 230 Poliziano, Angelo 212, 224, 232, 247 Polo, Marco 306 Il Milione / La divisament dou monde 306 Polybios 160, 282 Pompeius Magnus, Gnaeus 162 Pontano, Giovanni 177, 231, 235 Priamos / Priamus, myth. Kg. v. Troja 73, 88 f. Priuli, Sebastiano 215 Prokop (Prokopios von Kaisareia) 289 Bella 289 Prokop der Große, hussit. Heerführer 58 Prunulo, Benedicto ĺ Brugnoli, Benedetto Ptolemaios, Klaudios / Ptolemy 251, 254, 257, 278–280, 282, 289, 304–306, 326 Cosmographia / Cosmography 305 Geographiké hyphégesis 251, 254 »Weltkarte« / »Universal map« 304, 306 Püttrich, Jakob 116 Quintilian (Marcus Fabius Quintilianus) 26, 211 f., 230–232, 235 f. Institutio oratoria 212, 230 f. Quirini, Lauro 220 Rangoni, Guido 182–185, 193–195, 199, 202
Personenregister
Ranier, Daniele 215 Ranke, Leopold von 154, 160 Regino von Prüm 98 f. Chronicon 98 f. Reichardt, Rolf 11, 14, 16, 18, 20, 42 Rem, Wilhelm 112, 118 Reuchlin, Johannes 247 De arte cabalistica 247 Rhenanus, Beatus 67, 69, 74, 88, 92, 127, 133, 203, 278 Rerum Germanicarum libri tres 74, 203 Riccio, Michele 70 Richard I., Kg. v. England 40 Richard III., Kg. v. England 161 Rossi, Roberto de’ 218 f. Rotenhan, Sebastian von 99 Rovere, Francesco della ĺ Sixtus IV. Rovere, Francesco Maria della, Hz. v. Urbino 183–185, 189, 194 f., 202 Rubruk, Wilhelm von ĺ Wilhelm von Rubruk Rucellai, Giovanni di Bernardo 169 Rüxner, Georg 287 Sabellico, Marcantonio 5, 61, 69, 209–217, 219–222, 224, 226– 238, 327 De latinae linguae reparatione 209–213, 216, 218 f., 220, 224, 226 f., 229–237, 327 De Venetae urbis situ et vetustate 210 De vetustate Aquileiae et Foriiulii libri VI 210 Enneades 61, 210 Historiae rerum Venetiarum 210 Salisbury, Johannes von ĺ Johannes von Salisbury
341
Sallust (Gaius Sallustius Crispus) 65, 156, 160–164, 200 Bellum Iugurthinum 156 De Catilinae coniuratione 162 f. Salutati, Coluccio 60 f., 172, 218 De nobilitate legum et medicine 60 Salvian von Marseille 285 Salviati, Leonardo 241 Sansovino, Francesco 175 f. Vita di Francesco Guicciardini 175 Saporito, »cameriere« des Vizekgs. v. Neapel 202 Savonarola, Girolamo 169 f., 199 Saxo Grammaticus 277, 284 Schradin, Niklas 67 Schwendi, Lazarus 291 Scipio Africanus, Publius Cornelius 162 Scultetus, Bartholomäus 261, 265– 267 Selim I., Sultan des Osmanischen Reichs 165 Sem (Sohn Noahs) 125 Sender, Clemens 112, 118 Septimius Severus, röm. Kaiser 36 Servet (Vilanovano), Miguel 304 Sforza (Familie) 61, 322 Shakespeare, William 232 Siculus, Guilelmus 244 Sidonius Apollinaris 289 Sigismund, röm.-dt. Kaiser 58, 66, 113 Sigismund II. August, Kg. v. Polen 291 Simler, Josias 72 Simon von St. Quentin / Simon of St Quentin 312 Sixtus IV. (Francesco della Rovere), Papst 243 Snorri Sturluson 144 Heimskringla / Erdkreis 144 Soderini, Francesco 169, 199
342 Sokrates 236 Spalatin, Georg 98, 286 Spangenberg, Cyriacus 264, 270 Mansfeldische Chronik 270 Sparre, Erik 291 Stabius, Johannes 90, 102, 129 Stella, Erasmus 30 De Borussiae antiquitatibus 30 Stella, Tilemann 261 Stoer, Jacob 196 Strabon / Strabo 129, 251, 278, 281, 283 Geǀgraphiká / Geographica 251 Strabo, Walahfrid ĺ Walahfrid Strabo Stumpf, Johannes 72 Sturluson ĺ Snorri Sturluson Sueton (Gaius Suetonius Tranquillus) 112, 164, 210 Suetonius Paullinus, Gaius 157 Surrey / Surreius ĺ Howard, Thomas Tacitus, Publius Cornelius 19, 67– 69, 73, 88, 125–127, 137, 143 f., 147, 154, 160–163, 275, 278– 285, 289, 324, 328 Agricola 161 Annales 154 Germania 73, 125, 127, 275, 277 Tafur, Pero Tratado de las andanças e viajes 313 Tassilo III., Hz. v. Bayern 139 f. Telephos 284 Teubert, Wolfgang 5, 13, 21, 30 Theodosius I., röm. Kaiser 138 Theudebert I., Kg. der Franken 128 Thevet, André 252 Thukydides 234 Tiberius, röm. Kaiser 132 f., 138, 157 Torrentino, Lorenzo 175
Register
Trajan, röm. Kaiser 138, 142 Trebeta 52, 283 Trithemius, Johannes 73, 94–96, 99 f., 130 f., 135 f. Catalogus illustrium virorum Germaniae 94, 96 f. Compendium de origine regum et gentis Francorum 99 f. Liber de scriptoribus ecclesiasticis 96 Troppau, Martin von (Martinus Polonus) 50, 56 Tschudi, Aegidius 62, 67, 72 Tuisco / Tuisto / Tuitsch 69, 74, 125 f., 128, 132, 134, 143 f., 278 f. Turmair, Johannes ĺ Aventin, Johannes Turnus 161 Twinger von Königshofen, Jakob 53, 55 Deutsche Chronik 53 Typhon 242 Ugo de Moncada ĺ Moncada, Hugo de Ulrich III., Hz. v. Mecklenburg 290 Valla, Giorgio 210 Valla, Lorenzo 212 f., 224, 327 Valle, Andrea della, Kardinal 185 f. Valori, Niccolò oder Filippo (?) 247 Vandalus / der Wandler 134 Vasari, Giorgio 152 Venus 144 Vergerio, Pier Paolo 224 Vergil (Publius Vergilius Maro) 163 Aeneis 163 Vergil, Polydor / Polidoro Vergilio 2, 5, 23, 30 f., 34, 38–42, 73, 143, 156, 161, 329 Anglica historia 23, 30 f., 34, 156 Vespasian, röm. Kaiser 136
Personenregister
Vespucci, Giorgio 247 Villani, Giovanni 63 Vincenz von Beauvais 56 Viotti, Seth 175 Vittorino da Feltre 227 Vogt, Wilhelm 135 Volaterranus, Raphael / Volterrano, Raffaello ĺ Maffei, Raffaele Vratislav I. / Vratislaus I., Fs. v. Böhmen 283 Wachler, Ludwig 135 Walahfrid Strabo 96, 98 Walt(h)er II. von Hochschlitz, Bf. v. Augsburg 116 Weiss, Peter 1 Welfen (Familie) 52 Welser (Familie) 111 Welser, Margarethe 89 Wettiner (Familie) 280, 286 Wiedemann, Theodor 135 Wigand, Johannes Magdeburger Centurien ĺ Flacius Illyricus, Matthias Wilhelm IV., Hz. v. Bayern 146 Wilhelm der Jüngere, Hz. v. Braunschweig-Lüneburg 261
343
Wilhelm von Rubruk / William of Rubruck 311 William, Bf. v. Ely 40 Williram von Ebersberg 96 Expositio in Cantica Canticorum 97 Wimpfeling, Jakob 33, 66 f., 94, 139, 276 f. Wismarius 284 Wittelsbacher (Familie) 123, 140, 142, 146 f., 324 Xenophon 160 Xerxes 290 Zacharias / Zachary, Papst 313 Zamoyski, Jan 291 Zavarise, Virgilio 214–217, 228– 230 Zin(c)k, Anna 113 Zin(c)k, Burk(h)ard 4, 111–119 Augsburger Stadtchronik 112– 118 Ziska, Johann 58 az-ZuhrƯ, Abnj Bakr cAbdallƗh M. b. AbƯ Bakr / Al-Zuhri Tratado (KitƗb al-DjacrƗfiyya) 305 f.
Geographisches Register Abdera 290 Abensberg 132, 134 f., 140, 142– 144 Aequinoctialis circulus / plaga 304, 309, 313 Afrika / Africa 125, 156, 301, 303– 305, 307, 309, 314 f. Ägypten 144 Alesia 162 Alexandria 254 Alpen / Alps 70, 88, 180, 202, 241, 327 Amelia 301 Amerika / America 251, 301, 315 Ammosenna civitas 308 Anglia ĺ England Antwerpen 257, 275 f. Apsus (Seman / Osum) 162 Äquator / Equator 304 Arabien / Arabia 309 Aragón 169 Armenien / Armenia 126, 128 Asien 125 f., 128, 137, 279, 282, 307, 314 Athen 10, 327 Äthiopien / Ethiopia / Aethiopia 310, 312 Atlantik / Atlantic / Oceanus 34, 301 Atlantis 313 Augsburg 4, 53, 55, 86–90, 93 f., 98 f., 101, 111–116, 118 f. Gögginger Tor 116 St. Ulrich und Afra, Kloster 98 f. Stadtarchiv 111 Avenches / Avantina 36
Babylon / Babel 278, 281 Baeza 302 Basel 52 f., 89, 91, 175 Bayern 123, 125, 127 f., 134, 138, 140, 146, 286, 324 Berlin 1, 6, 85, 321–323 Freie Universität 85, 247 Humboldt-Universität 85, 169 Pergamonmuseum 1 Bern 55, 60, 62 Hasligebiet 53 Berwick upon Tweed / Bervicum 34 Birmingham 5 Böhmen / Behamerland 64, 126, 135, 261, 276, 281, 286 Bologna 89, 199, 243 Bracciano 202 Brandenburg, Mgft. 286 Braunschweig 280 Braunschweig-Lüneburg, Hztm. 276, 286 f. Breisgau 276 Breslau 283 Brisighella 201 Britannien / Britannia 156, 161 f., ĺ England Brixen 85 Buckow / Bucephalia 290 Budomela 308 Bulgarien 276 Burgund 276 Byzanz / Byzantium 222 f. Cádiz 305, 307 Cambridge 16 Canaria (Gran Canaria) 308 Cannae 158, 163 Cannoseum regnum 309
Geographisches Register
Carnaiola / Carnaiuolo 180, 182– 184, 189, 193–195 Castel della Pieve 182, 188 f. Castrocaro 199, 201 Città della Pieve 180 Como 151–155, 163 Bistum 154 ›Museo‹ des Paolo Giovio 152 Cortona 157, 159, 186, 188 f. Dalmatien 281 Damniana civitas 308 Dänemark / Dania 62, 128, 276, 287, 293 Danzig 275 Demnasea 308 Deutschland / Germany / Germania / teutsche Land 32 f., 52, 62, 65, 68, 85–87, 93 f., 95, 97, 123– 125, 129 f., 134, 138 f., 259, 277, 283 ĺ Germanien ĺ Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation Norddeutschland 274 f., 279, 290 f., 295, 324 Doberan 287 Klosterkirche 287 Don 278 Donau 126, 128, 143, 286 Dorpat 275 f. Dresden 261, 264 Eidgenossenschaft ĺ Schweiz Eisleben 264, 267, 284 Eismeer 285 Elbe 283 f. Elsaß 66, 276 England / Anglia 5, 33 f., 68 f., 73 f., 124, 156, 329 Eptingen 52 Erfurt 287 Europa / Europe 2, 4, 9, 41, 43, 65, 97, 125, 128, 131, 137, 152 f., 174 f., 231, 251 f., 258, 279,
345
281, 285, 290, 302, 309 f., 312– 315, 322, 329 Mitteleuropa 5, 32 Nordeuropa 241, 251, 276, 282, 291, 327 Osteuropa 276 Südeuropa 5 Westeuropa 5, 17, 251 Ferrara 93, 215, 243 Flensburg 283 Flodden Field 155 f., 160–164 Florenz / Florence 4, 53, 61–63, 89, 154, 169 f., 172–175, 180 f., 186 f., 190 f., 197, 199 f., 202, 218, 241, 244–247, 326 Accademia Colombaria 197 Accademia degli Umidi / Accademia fiorentina 218 Archiv der Dieci di Balìa 190 Biblioteca Magliabechiana 197 Istituto nazionale di studi sul Rinascimento 247 Orti Oricellari 172 Palazzo Guicciardini 174 Fornovo 156, 164 Franken 113, 125 Frankenhausen 267 Frankfurt am Main 91 Universität 16 Frankreich / France 11, 14, 70, 73 f., 128 f., 146, 156, 169, 193, 203, 232, 244, 291, 329 Fratta 244 Freiburg im Breisgau 90, 276 Freising 99 Gadebusch 289 Gallien / Gallia 32, 62, 124, 129, 131 f., 156, 162 Gallongea urbs 308 f. Gannea urbs 308 Germanien 88, 92 f., 95, 124, 132, 278–280, 283, 286, 289, 324,
346 327 ĺ Deutschland Germania magna 279, 285 Görlitz 261 Lateinschule 261 Gran Canaria ĺ Canaria Griechenland 88, 144 Guinegate 156 Güstrow 290 Schloß 290 Hamburg 85, 275 f., 283 Domschule 276 Heidelberg 85 Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 32 f., 41, 43, 52, 56 f., 59–61, 63 f., 66, 69, 73, 75, 88, 123 f., 139–142, 146, 203, 251, 258, 327, 329 ĺ Deutschland Kaiserlicher Hof 275 f. Helikon 88 Hergle S. Heimeran 143 Herkynischer Wald 280 Hermansreich 126 Himmel metaphysisch 145, 193, 241 physisch 143, 254 Hispaniola 309 Hölle 292 Holstein 279 Illyrien 281 Indien / India 126, 128 Island 285, 292 Isola Farnese 202 Italien / Italy / Italia 52, 55 f., 61– 63, 65, 69 f., 85, 87 f., 91 f., 111, 151, 153, 155, 164, 173, 176, 202, 210, 222 f., 231, 241, 244, 247, 264, 276 f., 281, 291, 322, 324 Norditalien 241 Oberitalien 4
Register
Jaén, Provinz 302 Jena 261 Jerusalem 293, 325, 327 Jungferninseln / Virgin Islands 313 Kanarische Inseln / Canary Islands / Fortunate Islands 301 f., 306 Karibik / Caribbean 309 Kelheim 134 Kessin 289 Kimbrische Halbinsel 279 Kleinasien 134, 153 Klosterneuburg 98 Köln 53, 99, 196, 275 Konstanz 98, 116 Konstanzer Konzil 116 Korkyra (Korfu) 294 Krain 113 Krakau 283 Kreta 113, 243 Kunaxa 160 Kurie ĺ Rom Lappland 292 Lausitz 261 Oberlausitz 261, 265–267 Lazio / Latium 88, 91, 210 Lech 88, 111 Leipzig 253, 257, 261 Universität 257 Livland 276, 291 Lodi 56 Logonsennea urbs 308 Lübeck 275, 284 Lucca 196 Luzern 67 Magdeburg 280 Mainz 53, 99, 276 Mallorca / Majorca 307 Mansfeld, Gft. 261, 264, 267, 270 Marignano 156, 160 f. Mecklenburg 289 f. herzoglicher Hof 287, 290
Geographisches Register
Hztm. 276, 284, 287 f., 290 Megalopolis 290 Mecklenburg-Güstrow 290 Meißen 260 f., 266 f., 286 Memmingen 112 f. Merseburg 53 Mittelmeerwelt 325 Modena 93, 169, 199 Molongonaei regnum 308 Moskau 5 Mugello 199 München 85 f., 97, 140, 155 Hof der bayerischen Herzöge 140 Naazabea urbs 308 Nansea civitas 308 ›Neue Welt‹ / ›New World‹ 4, 251, 301 f., 304 f., 307, 315, 326 Niederaltaich, Kloster 143 Niederlande 33, 68 Nil 129 Nimwegen 38 Ninguaria / Ningaria (Teneriffa) 308 Nocera 152 Nordgä 134 Nordsee / Oceanus Germanicus 34 Noricum / Norkau 128, 134, 286 Northumberland / Northumbria 34 Norwegen 62, 285 Novara 164 Nürnberg 59, 286 Nykøbing 276 Oberaltaich, Kloster 143 Orti 189 Orvieto 185–187, 189 f., 193–195 Österreich 65, 73 Ostfalen 280 Ostia 184 Ostsee 282 Otricoli 182–184, 194
347
Pacciano 188 f. Padua 89, 242 f. Pannonien 140 Südpannonien 127 Parchim 289 Paris 174 f., 196 f., 199, 275 Königshof 180 Palais Royal 196 Rue Saint Jacques 196 Parma 175 Pergamon 1 Permessus 88 Persien 290 Perugia 189, 244, 276 Petershausen, Kloster 98 Polen / Polonia 69, 124, 276, 281, 286 Pommern 32 f., 35, 38 Portugal 311 Prag 59 Regensburg 134, 138, 143 St. Emmeram, Kloster 138 Reggio Emilia 93, 199 Reich ĺ Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation Reichenau 99 Rhein / Rhenus 38, 125, 129, 131, 278 Rhodos 113, 118 Riga 275 Riphäische Berge 292 Rivo flumen 308 Rom / Rome 3, 5, 18, 41 f., 52, 61, 63, 65, 88 f., 91–93, 95, 97 f., 101, 112 f., 124, 135–137, 139, 143–145, 151 f., 161, 164, 180– 188, 191–195, 197–200, 202, 204, 221–223, 228, 244, 278, 284 f., 304, 323–325, 327 Biblioteca Vaticana 245 Borgo 181–187, 191 f. Castel Sant’Angelo 181–185, 187, 189, 195, 202
348 Imperium Romanum 32, 36, 91 f., 97, 123 f., 129, 133–137, 223, 283, 303 f. Kurie / Heiliger Stuhl / päpstlicher Hof 70, 95, 138, 140 f., 146, 153 f., 243 Ponte di Salara 183 f., 194 Ponte Sisto 183–186 Prati 191 f. Santo Spirito 191 f. Senat 41 Trastevere 181–186 Vatikanischer Palast / Vatican Palace 182 Romania 285 Rostock 275, 283, 294 Universität 275, 287, 290 Russland 282, 285, 291 Saale 283 Sachsen 62, 260, 280, 286, 325 Kursachsen 251–253, 257–261, 266, 293, 325 Sala 308 Salamanca 306 Santiago de Compostela 118 Santo Domingo 301 f, 307, 311, 314 Sarmatien / Sarmacia / Sarmathia 62, 128 Savignano 199 Scandia / Scandza 281 Schlettstadt 276 Schmalkalden 293 Schottland 155–161 Schwaben 62, 66, 71, 111, 113 Schwarzes Meer / Pontus Euxinus 126 Schwarzwald 132 Schweden / Suecia 62, 285 f., 288, 293 Schweiz / Eidgenossenschaft / Helvetia 15, 26, 31, 58, 67 Schwerin 284, 287, 290 Schwyz 53
Register
Seman / Osum ĺ Apsus Sevilla / Seville 301, 303 Sizilien 243 Skandinavien 276, 281 Skythien 128 Spanien / Spain / Spagna / Hispania / Hispanien 5, 31, 33, 42, 70, 129, 142, 174, 185 f., 291, 301, 309 Königshof / Royal Court 301 Sponheim 94, 130 Spree 289 Stargard 38 Straßburg 5, 55, 86, 155 Südtirol 85 Sundergä 134 Tegernsee, Kloster 94 Teneriffa ĺ Ninguaria / Ningaria Terra incognita 304 f., 314 Thérouanne 156 Thrakien 290 Thunagä 134 Thüringen 260 f., 267 Tiber 189 Tiburnia 134 Till / flumen Tylius 159, 162 Todi 189 Tournai 245 Tours 5 Transdanubien 286 Trasimenischer See / Trasumenus lacus 157 Trier 52, 283 Troja 51, 53, 63, 73, 88, 125, 127 f., 289 Tropen / Torrid Zone / Torrid Lands 308, 310–313 Turin 247 Tweed / Tueda 34 Ulm 53, 278 Ungarn 33, 69, 113, 128 Ural 192, 292
Geographisches Register
Vandalia 62, 286 Venedig / Venice 5, 113, 118, 164, 172, 175, 180 f., 210–214, 216– 220, 223 f., 228, 233–235, 237, 327 Fondaco dei Tedeschi / germanicum emporium 216 Palazzo ducale / ducal palace 215, 218 f., 233 Rialto 216 San Marco / forum 216 f. Schule von San Marco / School of San Marco 210, 215, 219, 224, 327 Via Merceria 216 f. Verona 214, 217, 224, 227 Vicovaro 210 Vineta 32, 35 Viterbo 245 Weißenburg, Kloster 95 Welschland 128 Weltenburg, Kloster 138
349
Wendekreis, nördlicher / Tropic of Cancer 304 ĺ Aequinoctialis circulus / plaga Werle, Burg 288 Wertach 111 Westfalen 280 Wien 101 f. Universität 101 Wismar 284 Wittenberg 253, 257, 260 f., 287, 290, 293, 325 Universität 253, 257, 260 f., 264, 287, 326 Wolgast 283 Wollin 283 Worms 131 Württemberg 66 f. Würzburg 94, 131 f. Zama 162 Zug 36 Zürich 53
Autorenverzeichnis PATRICK BAKER ist derzeit der Lily Auchincloss Post-Doctoral Rome Prize Fellow in Renaissance and Early Modern Studies der American Academy in Rom. HARALD BOLLBUCK arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HerzogAugust-Bibliothek Wolfenbüttel. GIULIO BUSI ist Professor für Judaistik an der Freien Universität Berlin. AXELLE CHASSAGNETTE ist Lehrerin im Lycée Jean-Monnet in Straßburg und Forscherin am Institut d’histoire moderne et contemporaine (Ecole Normale Supérieure de Paris/CNRS). CHRISTINA DEUTSCH arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte II der Humboldt-Universität zu Berlin. ANDREJ DORONIN arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut Moskau. UTA GOERLITZ ist Privatdozentin für Deutsche Sprache und Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit am Institut für Deutsche Philologie der Ludwig Maximilians-Universität München. CARMEN GONZÁLEZ VÁZQUEZ ist Professorin für Lateinische Philologie an der Universidad Autónoma de Madrid. JOHANNES HELMRATH ist Professor für Mittelalterliche Geschichte am Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. THOMAS MAISSEN ist Professor für Neuere Geschichte an der Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg. IGOR MELANI ist Assistenzprofessor am Dipartimento di Studi Storici e Geografici der Università degli Studi di Firenze. HARALD MÜLLER ist Professor für Mittlere Geschichte an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. ALBERT SCHIRRMEISTER arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter im SFB 644 Transformationen der Antike an der Humboldt-Universität zu Berlin. STEFAN SCHLELEIN arbeitet als wissenschaftlicher Koordinator im SFB 644 Transformationen der Antike an der Humboldt-Universität zu Berlin. ELISABETH STEIN ist Professorin für allgemeine Literaturwissenschaft/Ältere deutsche Literatur im europäischen Kontext an der Bergischen Universität Wuppertal.