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German Pages 532 Year 2023
H E T E R O G E N E KATALYSE Chemie und Technik
1.1. I O F F E / L.M. P I S S M E N
HETEROGENE KATALYSE Chemie und Technik Bearbeitet und herausgegeben von P R O F . D R . SC. T E C H N . K L A U S H A R T M A N N Merseburg und DR. H E R M A N N B L U M E f Leuna
Mit 104 Abbildungen
und 7 Tabellen
AKADEMIE-VERLAG • BERLIN 1975
© „Chimija", Moskau 1972 H. M. Ho(J)(|)e, JI. M. ÜHctMeH „HII/KCHopuaH XHMHH roTeporeHHoro KaTajniaa"
Übersetzt von D R . P E T E R
SORBER
Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Straße 3—4 Lizenznummer: 202 • 100/490/75 Einband und Schutzumschlag: Rolf Kunze Gesamtherstellung: V E B Druckhaus „Maxim Gorki", 74 Altenburg Bestellnummer: 761 876 4 (6205) • L S V 1215 Printed in GDR EVP 9 0 , -
Yorwort der Herausgeber
Ungefähr 75% aller Produkte der chemischen Industrie werden z. Z. unter Anwendung von Katalysatoren hergestellt, dabei spielt die heterogene Katalyse eine besonders große Rolle. Die Entwicklung neuer Katalysatoren, die Projektierung von Reaktoren und deren Betrieb sind auf Grund der Komplexität der heterogenen Katalyse erfolgreich nur in enger Gemeinschaftsarbeit von Chemikern, Verfahrenstechnikern u. a. Spezialisten zu lösen. Das nun in deutscher Übersetzung vorliegende Werk der bekannten sowjetischen Wissenschaftler Prof; I O F F E und Dr. P I S S M E N stellt einen Versuch dar, alle wesentlichen bei der Schaffung eines Reaktors zu lösenden Probleme in ihrem Zusammenhang und ihrer Wechselwirkung zu behandeln. Es umfaßt deshalb Chemie, Kinetik und technische Reaktionsführung der heterogenen Katalyse. Die Autoren zeigen, wie unter Anwendung der Methoden der mathematischen Modellierung zur Modellbildung und -Simulation quantitative und qualitative Untersuchungen durchgeführt werden können. Der gerade für die heterogene Katalyse so notwendige Zusammenhang zwischen Theorie und Experiment wird ausführlich behandelt. Die deutsche Übersetzung wurde an vielen Stellen ergänzt bzw. bearbeitet, ohne daß dies in jedem Falle besonders vermerkt wurde. Während der Drucklegung dieses Buches verstarb mein Mitherausgeber, Herr Dr. Hermann Blume, ein anerkannter Katalysatorfachmann, im Höhepunkt seiner schöpferischen wissenschaftlichen Arbeit. Einige geplante Ergänzungen konnten deshalb nicht mehr realisiert werden. An dieser Stelle sei dem Lektorat Chemie des Akademie-Verlages Berlin für die gute und fruchtbringende Zusammenarbeit bei der Herausgabe dieses Werkes herzlich gedankt. Die Herausgeber Merseburg, Januar 1975
Aus dem Vorwort der Autoren zur ersten Auflage
I n dem vorliegenden Buch wird der Versuch unternommen, die der praktischen Anwendung heterogener katalytischer Reaktionen in der Industrie zugrunde Hegende Probleme zusammenhängend darzustellen. Das hier vorgelegte Material ist deshalb äußerst vielseitig u n d u m f a ß t sowohl Fragen der Auswahl von K a t a lysatoren auf wissenschaftlicher Grundlage u n d deren Herstellung, als auch die Kinetik heterogener katalytischer Reaktionen, die Berechnung von K o n t a k t a p p a r a t e n u n d Untersuchungsmethoden von Katalysatoren u n d katalytischen R e a k t i o n e n im Labor. Die Autoren waren bemüht, alle diese Fragen vom S t a n d p u n k t der praktischen Anwendung im Verlaufe der einzelnen Arbeitsabschnitte bei der Entwicklung industrieller katalytischer Prozesse aus zu behandeln. Auf die A r t der Darlegung h a t t e n persönliche Erfahrungen u n d auch persönliche wissenschaftliche Neigungen der Autoren Einfluß, so daß nicht alle in diesem Buch angeführten Wissensgebiete u n d theoretischen Abhandlungen mit gleicher Gründlichkeit behandelt wurden. Verständlicherweise läßt sich ein derart umfangreiches Wissensgebiet wie die Grundlagen der technischen Katalyse nicht ohne merkliche Mängel darlegen. Die A u t o r e n danken deshalb schon jenen Lesern im voraus, die an der Beseitigung dieser Mängel mithelfen wollen. Zu den am E n d e jedes Kapitels zitierten Literaturangaben ist zu bemerken, d a ß die Autoren nicht das Ziel vor Augen h a t t e n , eine möglichst vollständige Literaturzusammenstellung herauszugeben. Sie waren im Gegenteil bestrebt, sich auf ein Minimum an Literaturangaben zu beschränken.
Vorwort der Autoren zur zweiten Auflage
Durch die bedeutenden Fortschritte auf dem Gebiet der theoretischen und der angewandten Katalyse sowie der mathematischen Modellierung von katalytischen Prozessen und Reaktoren waren die Autoren gezwungen, die erste Auflage des vorliegenden Buches wesentlich zu überarbeiten und eine Anzahl wichtiger Ergänzungen einzufügen. Neu geschrieben oder völlig überarbeitet wurden die Kapitel 3., 4., 6., 7., 8. und 11. Auch die restlichen Kapitel wurden wesentlich überarbeitet und ergänzt. Nicht berücksichtigt wurden in der vorliegenden Auflage Probleme über die statistische Auswertung experimenteller Versuchsergebnisse und über Untersuchungen von Katalysatoren im Labor, da in jüngster Zeit eine Reihe von Monographien und Lehrbüchern zu diesen Fragen erschienen ist. Aus dem gleichen Grunde wurde auch das Kapitel über die Optimierung katalytischer Reaktoren gekürzt. Die vorliegende Ausgabe ist deshalb fast mit einer Neuausgabe zu vergleichen. Das 11. Kapitel entstand unter der Mitwirkung von A. P . D O R O C H O W , B. Jtr. und W. P . P I L J A W S K I . Für ihre Mitarbeit sind ihnen die Autoren zu Dank verpflichtet. Die Autoren danken ihren Fachkollegen der Abteilung für Ingenieurtechnik am Wissenschaftlichen Forschungsinstitut für petrolchemische Prozesse und der theoretischen Abteilung am Institut für Elektrochemie der Akademie der Wissenschaften der UdSSR für ihre Hilfe und die wertvollen Hinweise. Ferner danken die Autoren den Redakteuren Jtr. M . L E W I N und S . I. G R I W A für die umfangreiche Arbeit bei der Fertigstellung der vorliegenden Ausgabe. G U R E W I T S C H , T . HTTTTER
I. IOFFE, WNIINEFTCHIM, Leningrad L. P I S S M E N , IE1AN, Moskau
Inhalt
Einführung
XIII
Formelzeichen
XVI
Teil 1: Grundlagen der heterogenen Katalyse 1.
Theorie der Katalyse
1.1. 1.2. 1.3. 1.4.
1
Allgemeine Vorstellungen über die Katalyse Adsorption Elektronentheoretische Vorstellungen der Katalyse . . . . Zwischenverbindungen, energetische und geometrische Faktoren der Katalyse '. 1.5. Ionenkatalyse 1.6. Zeolithkatalysatoren 1.7. Besonderheiten heterogener katalytischer Reaktionen in der flüssigen Phase 1.8. Komplexe Katalysatoren und katalytische Systeme 1.9. Wechselwirkungen zwischen Katalysator und Substrat . . . 1.10. Vergiftung von Katalysatoren Literatur
35 38 43 47 52
2.
56
Kinetik heterogener katalytischer Reaktionen
2.1. 2.2. 2.3. 2.4.
1 6 13 23 27 33
Reaktionsgeschwindigkeit Kinetik komplexer Reaktionen Reaktionskinetik in offenen Systemen (im Durchflußreaktor) Besonderheiten der Kinetik heterogener katalytischer Reaktionen 2.5. Kinetik komplexer heterogener katalytischer Reaktionen . . Literatur
56 61 71
3.
Makrokinetik katalytischer Reaktionen
99
3.1. 3.2. 3.3.
Gesetze des Stoff- und Wärmetransports 99 Bereiche des Reaktionsverlaufs 108 Durch äußere Diffusion bedingte Hemmung und Erwärmung der äußeren Katalysatoroberfläche 117 Hemmung durch innere Diffusion; innere Erwärmung des Katalysators 126
3.4.
77 87 97
Inhalt 3.5.
Berechnung des äußeren 3.6. Selektivität lysators bei Prozesses Literatur
exothermer Reaktionen unter Berücksichtigung und inneren Stoff- und Wärmetransports. . . . 1 3 8 komplexer Reaktionen und Vergiftung des Katadurch innere Diffusion bedingter Hemmung des 160 161
Teil 2: Grundlagen der Synthese industrieller Katalysatoren 4.
Auswahlprinzipien f ü r Katalysatoren
163
4.1. 4.2.
Qualitative Prinzipien bei der Wahl von Katalysatoren . . . Quantitative Methoden zur Voraussage der Aktivität und Selektivität von Katalysatoren 4.3. Wahl katalytischer Systeme Literatur 5.
163 170 183 185
Grundlagen der Technologie industriell eingesetzter Katalysatoren 187
5.1.
Charakteristik und Struktur industriell eingesetzter Katalysatoren 5.2. Kurze Einführung in die Technologie der Katalysatorherstellung 5.3. Effektivitätsabschätzung und Optimierung industriell eingesetzter Katalysatoren 5.4. Methoden zur Beeinflussung der Katalysatorstruktur und -form Literatur
187 190 203 208 217
Teil 3: Konstruktion und Optimierung von Reaktoren für katalytische Reaktionen 6.
Die Katalysatorschicht
6.1. 6.2. 6.3. 6.4.
219
Die Verweilzeitverteilung im Reaktor Hydrodynamik und Transportprozesse im Katalysatorfestbett Längsvermischung in der Kornschicht Vermischung in Längs- und Querrichtung in einer Kornschicht mit unregelmäßiger Packung 6.5. Wärmeleitung der Kornschicht im stationären Betriebszustand 6.6. Stationäre Betriebszustände in der Kornschicht ablaufender Prozesse Literatur
219 230 242 255 263 272 282
7.
Reaktorberechnung mit Hilfe mathematischer Modelle
7.1. 7.2.
Prinzipien der mathematischen Modellierung von Reaktoren . 285 Realisierung heterogener katalytischer Reaktionen in der Industrie 286
. . . 285
Inhalt 7.3.
Reaktoren mit vollständiger (idealer) Vermischung f ü r in einer Phase vorliegende Reaktanden 7.4. Reaktoren mit idealer Verdrängung für in einer Phase vorliegende Reaktanden 7.5. Präzisierte Modelle für Reaktoren mit Einphasenströmung . 7.6. Katalysatoren mit veränderlicher Aktivität, Regenerierung von Katalysatoren 7.7. Reaktoren mit Zweiphasenstrom (für Flüssigkeitsreaktionen) 7.8. Wirbelschichtreaktoren 7.9. Fließbettreaktoren Literatur 8.
Stabilität katalytischer Reaktoren
8.1. 8.2.
301 309 317 323 332 343 352 357 359
Stabilität von Reaktoren mit idealer Vermischung Parametrische Empfindlichkeit (Sensibilität) von Rohrreaktoren 8.3. Stationäre Betriebszustände und Stabilität adiabatischer Reaktoren mit äußerer Wärmeübertragung 8.4. Autotherme Reaktoren mit innerer Wärmeübertragungseinrichtung 8.5. Stabilität einer auf dem porösen Katalysatorkern verlaufenden Reaktion Literatur
399 406
9.
408
Projektierung optimaler Reaktoren
9.1. Optimales Temperaturprofil 9.2. Optimierung mehrstufiger Reaktorsysteme Literatur
359 372 383 393
408 426 446
Teil 4: Methoden zur Untersuchung katalytischer Reaktionen 10.
Laboruntersuchungen heterogener katalytischer Reaktionen . 447
10.1. 10.2. 10.3. 10.4.
Zielstellung und Methoden bei Laboruntersuchungen . . . . Integralreaktoren zur Untersuchung von Gasphasenreaktionen Differentialreaktoren zur Untersuchung von Gasreaktionen . Laborreaktoren zur Untersuchung von Flüssigphasenreaktionen 10.5. Laboranlagen zur Untersuchung von Prozessen, die im Fließbett und in der Wirbelschicht durchgeführt werden Literatur 11.
447 452 457 465 469 474
Methodik der Aufstellung mathematischer Modelle katalytischer Reaktoren 476
11.1. Grundprinzipen der Modellierung 11.2. Parameterbestimmung einfacher kinetischer Abhängigkeiten
476 477
XII
Inhalt 11.3. Parameterbestimmung komplexer kinetischer Reaktionen (lineare Probleme) 11.4. Parameterbestimmung komplexer kinetischer Abhängigkeiten (nichtlineare Probleme) 11.5. Ermittlung mathematischer Modelle auf der Grundlage nichtisothermer Versuchsdaten 11.6. Korrektheit dualer Problemstellungen der chemischen Kinetik und Versuchsplanung Literatur 12.
Sachwortverzeichnis
480 484 489 500 507 508
Einführung
Die Mehrheit der Prozesse in der chemischen Industrie beruhte bis zur jüngsten Zeit hauptsächlich auf den Methoden der klassischen Chemie; katalytische Prozesse waren selten, in der organischen Synthese beschränkte man sich fast ausnahmslos auf die Anwendung homogener Katalysatoren — auf Säuren und Basen. Mit der er-höhten Produktion synthetischer Materialien nahm jedoch die Zahl katalytischer, insbesondere heterogener katalytischer Prozesse zu. I n einer Reihe von Industriezweigen der organischen Synthese herrschen bereits die heterogenen katalytischen Prozesse, die vom technischen Standpunkt aus betrachtet die größere Perspektive besitzen, vor. Gegenwärtig sind mehr als 90% aller neu in Betrieb genommenen Prozesse mit großen Durchsätzen katalytische Prozesse, wovon der größte Anteil auf die heterogenen katalytischen Prozesse entfällt. Deshalb stellen Ausarbeitung und Verallgemeinerung der theoretischen Grundlagen der Technologie industrieller heterogen-katalytischer Prozesse eine Aufgabe von höchster Aktualität dar. Unter dem Begriff „Katalyse" versteht man in der Regel eine Beschleunigung einer chemischen Reaktion infolge der Wirkung irgendeines Stoffes oder mehrerer Stoffe — des Katalysators, dessen Menge sich im Verlaufe der Reaktion praktisch nicht ändert. Die Grundeigenschaft von Katalysatoren besteht darin, Reaktionen, die ohne den Einsatz von Katalysatoren mit kaum merklicher Geschwindigkeit verlaufen würden, zu ermöglichen. I n Abhängigkeit vom Vorhandensein einer Phasengrenzfläche zwischen Reaktanden und Katalysator unterscheidet man zwischen homogener und heterogener Katalyse. I m ersten Falle liegen Reaktanden und Katalysator in einer Phase, im zweiten in verschiedenen Phasen vor. Bei der heterogenen Katalyse sind die verschiedensten Kombinationen der Aggregatzustände von Katalysator und Reaktanden möglich. Praktische Bedeutung besitzt jedoch, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur die Katalyse von gasförmigen oder flüssigen Reaktanden an festen Katalysatoren. Viele organische und anorganische Feststoffe besitzen katalytische Eigenschaften. Katalysatoren wirken spezifisch, d. h. jeder Katalysator ist nur in der Lage, eine bestimmte Art chemischer Reaktionen zu beschleunigen. Umgekehrt können für jede chemische Reaktion nur ganz bestimmte Stoffe als Katalysatoren auftreten. Die Effektivität bei der Anwendung eines Stoffes als Katalysator hängt von der Gesamtheit seiner chemischen und physikalischen Eigenschaften ab.
XIV
Einführung
Die Komplexität der Vorgänge bei der technischen heterogenen Katalyse erfordert deren allseitige Untersuchung. Das Wissensgebiet, das sich mit den realen technischen Prozessen befaßt, läßt sich nicht fest einer bestimmten Wissenschaft zuordnen; es zählt zu den sog. Übergangsgebieten, da die unterschiedlichsten Faktoren, deren Untersuchung im Rahmen der verschiedensten Wissensgebiete erfolgt, auf reale industrielle Prozesse Einfluß besitzen. Diese Tatsache trifft auf chemische, besonders aber auf heterogene katalytische Prozesse zu, da sie sich aus einer Vielzahl verschiedener chemischer und physikalischer Teilprozesse zusammensetzen, deren Beschreibung spezieller mathematischer Methoden bedarf. Ferner sind bei der Entwicklung industrieller Prozesse und deren Steuerung noch ökonomische Größen zu berücksichtigen. Deshalb bezeichnen die Autoren des vorliegenden Buches die Erforschung, Entwicklung und Steuerung chemischer Prozesse als Chemie-Ingenieur-Technik. Wie jede angewandte Wissenschaft muß auch die Chemie-Ingenieur-Technik der heterogenen Katalyse den zu lösenden Aufgaben, d. h. der Entwicklung heterogener katalytischer Prozesse für die chemische Industrie, angepaßt sein. Dabei kann es sich um die Entwicklung neuer, vorher noch nicht in die Praxis eingeführter Prozesse oder aber auch um verbesserte Varianten bereits existierender industrieller Produktionsprozesse handeln. I m allgemeinen Fall setzt sich die Entwicklung eines katalytischen Prozesses*) aus folgenden drei Schritten zusammen : 1. Wahl des Katalysators, 2. Wahl der Prozeßbedingungen und 3. Wahl des Reaktors.
I n einzelnen Fällen läßt sich die Aufgabe auf ein oder zwei Schritte beschränken. Zur Erfüllung des ersten Schrittes sind außer rein empirischen Angaben Vorstellungen über den Mechanismus der heterogenen Katalyse erforderlich, insbesondere Zusammenhänge zwischen dem Mechanismus und den chemischen sowie physikalischen Eigenschaften des Feststoffes (Katalysators) und der Reaktanden der zu katalysierenden Reaktion. Ein aktiver und selektiver Katalysator muß außer rein chemischen in der Regel auch bestimmte strukturelle Eigenschaften aufweisen. Die chemische Kinetik einer katalytischen Reaktion bestimmt nicht nur den optimalen Betriebszustand des Reaktionsverlaufs, sondern auch die Struktur des Katalysators, die die völlige Ausschöpfung der von der chemischen Seite her vorhandenen Möglichkeiten gewährleistet. Außerdem sind chemische Prozesse an heterogenen Katalysatoren untrennbar mit physikalischen Stoff- und Wärmeübertragungsprozessen verbunden. Für die Gesamtheit aller dieser Prozesse hat sich in der Fachliteratur die Bezeichnung „Makrokinetik" durchgesetzt. Die Kenntnis der kinetischen und makrokinetischen Gesetzmäßigkeiten ist deshalb zur Erfüllung des oben erwähnten zweiten Arbeitsschrittes bei der Ausarbeitung eines industriellen Prozesses in gleichem Maße erforderlich wie bei dem ersten Schritt. *) Im weiteren Verlauf sind unter „katalytischen" Reaktionen, sofern keine speziellen Anmerkungen gemacht werden, „heterogene katalytische" zu verstehen.
Einführung
XV
Der dritte Arbeitsabschnitt bei der Entwicklung eines industriellen katalytischen Prozesses — die Wahl des Reaktors — ist von der Problemstellung her eng mit dem zweiten verknüpft, da die Prozeßbedingungen nicht nur die K o n struktion des Reaktors bestimmen sondern diese ihrerseits in Form bestimmter Forderungen und Beschränkungen Einfluß auf die Reaktionsführung besitzen. Zur Wahl der Reaktorkonstruktion sind außerdem noch zusätzliche Kenntnisse erforderlich, die mit der physikalischen Kinetik, der Hydrodynamik und der Wärmetechnik von Prozessen in katalytischen Reaktoren im Zusammenhang stehen. Ferner ist der vorgeschlagene Reaktor auf sein stabiles Betriebsverhalten hin zu überprüfen und schließlich muß die Wahl einer besten, d. h. einer optimalen Variante aus der Vielzahl der möglichen konstruktiven Reaktorschemata hinreichend begründet erfolgen. Zur Lösung der letzten beiden Probleme ist eine Kenntnis des speziellen mathematischen Apparates der Stabilitätstheorie und der Theorie der optimalen Steuerung unabdingbare Voraussetzung. Nach den aufgezählten Anforderungen muß die Chemie-Ingenieur-Technik der heterogenen Katalyse folgende Wissensgebiete umfassen: Physikalisch-chemische Grundlagen der heterogenen Katalyse, Kinetik und Makrokinetik heterogener katalytischer Prozesse und die Theorie katalytischer Reaktoren. Jede angewandte Wissenschaft beinhaltet auch experimentelle Untersuchungsmethoden. Sie sind bei der heterogenen Katalyse nicht sonderlich spezifisch und unterscheiden sich wenig von denen, die in der chemischen Kinetik, der angewandten Hydrodynamik und der Wärmetechnik angewendet werden. Spezifischeren Charakter besitzen die Methoden zur Auswertung experimenteller Versuchsergebnisse, die die Einbeziehung von an Modell-, halbtechnischen oder Industrieanlagen erhaltenem Datenmaterial ermöglichen sollen. Diese experimentellen und spezifischen mathematischen Methoden zur Auswertung experimenteller Datenmaterials stellen einen untrennbaren Bestandteil jenes Wissens dar, das zur Entwicklung und Ausarbeitung industrieller katalytischer Prozesse erforderlich ist.
Formelzeichen
0 C c D E F h h Kai h L 1 P q r S 3 T t u V v w
— Konzentrationsvektor; — Konzentration, ML - 3 ; — dimensionslose Konzentration; — Diffusionskoeffizient, L 2 T - 1 ; — Aktivierungsenergie, L 2 T~ 2 ; - Fläche, Oberfläche, L 2 ; — Reaktionswärme, L 2 T - 2 ; — thermochemischer Koeffizient; — Gleichgewichtskonstante; — Reaktionsgeschwindigkeitskonstante; — Reaktorlänge, L; — Teilchenabmessung, L; - Druck, L - 1 M T - 2 ; — Wärmestromdichte, MT~3; — Reaktionsgeschwindigkeit; — Gesamtverweilzeit im Reaktor, T; — Selektivität; mittlere Verweilzeit, T; — Temperatur, 6; — astronomische und laufende Zeit, T; — lineare Strömungsgeschwindigkeit des Stoffstromes, L T - 1 ; — Volumen, L 3 ; — Durchsatz, L 3 T _ 1 ; — auf den freien Apparatequerschnitt umgerechnete Geschwindigkeit des Stoffstromes, LT" 1 ; X — Längenkoordinate, L; x — dimensionslose Längenkoordinate; Y — Koordinate quer zur Strömungsrichtung, L; y — dimensionslose Koordinate quer zur Strömungsrichtung; Z — Häufigkeitsfaktor;
—
2
loffo
THIELE-Modul.
verlaufenden
Teil 1:
Grundlagen der heterogenen Katalyse
1.
Theorie der Katalyse
l.l.
Allgemeine Vorstellungen über die Katalyse
Katalytische Prozesse unterscheiden sich von gewöhnlichen chemischen Umwandlungen vor allem dadurch, daß bei ihnen immer als zusätzliche Komponente ein Katalysator beteiligt ist. Diese Komponente, die nicht in die stöchiometrischen Gleichungen des Prozesses eingeht, bedingt die Spezifik katalytischer Umsetzungen. Die Einbeziehung physikalischer und chemischer Eigenschaften des Katalysators zur Aufklärung des Mechanismus der heterogenen Katalyse stellt die Katalyse in den Grenzbereich zwischen Chemie und Festkörperphysik. Der klassische Ausdruck für die Geschwindigkeit r einer chemischen Reaktion in Abhängigkeit von der Temperatur und der Konzentration der Reaktionsteilnehmer lautet R
r = Ze
ETf(G).
(1.1)
Darin bedeuten 7J E Ji T f(C)
— Wahrscheinlichkeitsfaktor — Aktivierungsenergie — Gaskonstante — absolute Temperatur — Punktion der Konzentrationen der Reaktanden
Die Aktivierungsenergie ergibt sich aus der Existenz von Barrieren der potentiellen Energie, die beim Ablauf chemischer Reaktionen überwunden werden müssen. Jeder bestimmten Atomkonfiguration der reagierenden Moleküle entspricht ein bestimmter W e r t der potentiellen Energie des Systems. Beispielsweise kann für eine Reaktion vom T y p A + BC ^ AB -f- C die Abhängigkeit der potentiellen Energie des Systems von den Abständen der Atomkerne A—B und B—C durch sogenannte Energiepotentialflächen dargestellt werden (Abb. 1.1.). Stabilen chemischen Verbindungen entsprechen Minima auf der Potentialfläche. Der leichteste Übergang von einem stabilen Zustand zu einem anderen führt über einen zwischen zwei „Tälern" liegenden „ P a ß " . Den Übergangszustand, in dem sich die reagierenden Moleküle auf dem Scheitelpunkt befinden, bezeichnet man als aktivierten Komplex. Die Differenz zwischen der Energie des aktivierten Komplexes und der Energiesumme der Ausgangsstoffe bezeichnet man als 2*
2
Theorie der Katalyse
Aktivierungsenergie. Sie ist die minimale Energiemenge, die den reagierenden Molekülen zugeführt werden muß, um die chemische Reaktion zu ermöglichen. Dieser Energiebetrag wird in der Regel aus der Wärmebewegung der Moleküle gedeckt. Der Anteil der Moleküle, die eine kinetische Energie besitzen, die gleich oder größer als die erforderliche Aktivierungsenergie E ist, ergibt sich aus der BoLTZMANN-Statistik und ist proportional e x p ( - E / R T ) . Der Wahrscheinlich-
e s . 1.1. Potentialflächen für die Reaktion A + BG AB -f G (Die Zahlen geben den Wert der potentiellen Energie des Systems an).
keitsfaktor Z gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der Moleküle, die einen zur Überwindung der Potentialschranke ausreichenden Energiebetrag besitzen, auch tatsächlich reagieren. Er ist gleich dem Produkt aus dem Häufigkeitsfaktor A und dem Entropiefaktor exp (AS/R), der von der Aktivierungsentropie (Bildungsentropie des aktivierten Komplexes) AS abhängig ist: Z = Ae
—
R
.
(1.2)
Allgemeine Vorstellungen über die Katalyse
3
In homogenen Systemen ist der Häufigkeitsfaktor A für monomolekulare Reaktionen gleich der Schwingungsfrequenz längs des Reaktionsweges und für Reaktionen zwischen zwei oder mehreren Molekülen gleich der Anzahl der Zusammenstöße. Der Zusammenstoß zwischen Molekülen der reagierenden Stoffe, die eine zur Bildung des aktivierten Komplexes ausreichende Energiemenge besitzen, führt aber nicht immer zu einer chemischen Umwandlung, vielmehr müssen beim Zusammenstoß noch zusätzliche Bedingungen erfüllt sein, z. B . eine bestimmte gegenseitige Orientierung der zusammenstoßenden Moleküle. Diese Einschränkungen werden in Gleichung (1.2) durch den Entropiefaktor berücksichtigt. Für heterogene katalytische Reaktionen wird der Wahrscheinlichkeitsfaktor nicht nur durch die Aktivierungsentropie, sondern auch durch die Zahl der aktiven Stellen je Flächeneinheit des Katalysators bestimmt. Diese können sich im Gegensatz zur Anzahl der Zusammenstöße in homogenen Systemen selbst für heterogene Katalysatoren gleicher chemischer Zusammensetzung in sehr weiten Grenzen bewegen und sind einer Berechnung bisher nicht zugänglich. Deshalb ist für heterogene katalytische Reaktionen selbst eine näherungsweise Schätzung des Wahrscheinlichkeitsfaktors nicht möglich. Wie aus den Gleichungen (1.1) und (1.2) ersichtlich ist, läßt sich eine chemische Reaktion im Prinzip durch eine Senkung der Aktivierungsenergie E , durch eine Vergrößerung von AS oder eine Steigerung von A beschleunigen. Die Senkung der Aktivierungsenergie beruht auf der Bildung von Zwischenverbindungen und aktivierter Komplexe des Substrates mit dem Katalysator und den damit verbundenen Formänderungen der Potentialflächen, womit ein neuer Reaktionsweg frei wird, der über „Pässe" geringerer Höhe führt. Der Wert der Aktivierungsentropie kann sich für verschiedene Reaktionen um mehrere Zehnerpotenzen voneinander unterscheiden. Gegenwärtig gilt die Existenz eines kinetischen Kompensationseffekts als erwiesen; er verbindet die Aktivierungsenergie einer Reaktion mit deren Wahrscheinlichkeitsfaktor und sagt aus, daß eine Verminderung der Aktivierungsenergie eine Verringerung des Wahrscheinlichkeitsfaktors bedingt. Dieser Zusammenhang wird durch folgende Gleichung beschrieben: In Z = « + ßEn.
(1.3)
a. und ß — für einen gegebenen Reaktionstyp konstante Koeffizienten; n — Exponent, dessen Wert nahe Eins liegt.
Der Kompensationseffekt wird bei Reaktionen einander ähnlicher Verbindungen (z. B . die Glieder einer homologen Reihe) an dem gleichen Katalysator, bei der Reaktionsführung an einem Katalysator mit modifizierenden Zusätzen und bei der Reaktionsführung an Katalysatoren ähnlicher Art beobachtet. Die Existenz des Kompensationseffekts für eine Reihe von Katalysatoren läßt sich nur experimentell nachweisen. Die Bedeutung des Kompensationseffekts darf bei Untersuchungen zur Aus-
4
Theorie der Katalyse
wähl eines Katalysators nicht überschätzt werden. Es konnte gezeigt werden, daß die Änderung des Wahrscheinlichkeitsfaktors 7 bis 11 Zehnerpotenzen betragen kann, so daß sich die Reaktionsgeschwindigkeit unabhängig von der Aktivierungsenergie bedeutend vergrößern kann [1]. Die Natur des Kompensationseffekts ist nur ungenügend geklärt. Eine Theorie gibt an, daß der Kompensationseffekt Prozessen in kondensierten Medien (zu denen auch die festen Katalysatoren gehören) eigen ist und daß er mit einer Lokalisierung der elementaren Reaktionsakte in mikroskopisch kleinen Bereichen "und mit der endlichen Geschwindigkeit der Energieumverteilung im System verbunden ist [2]. Einer anderen Theorie [3] zufolge ist der Kompensationseffekt auf die Uneinheitlichkeit der Katalysatoroberfläche zurückzuführen. Gemeinsame Merkmale heterogen katalysierter Prozesse und der durch Biokatalysatoren oder Fermente gesteuerten chemischen Umwandlungen weisen auf die Möglichkeit hin, daß Entropiemechanismen in der heterogenen Katalyse existieren und sich die Reaktionsgeschwindigkeit, oder, was wesentlicher ist, die Reaktionsrichtung auf Grund erhöhter Wahrscheinlichkeit der Bildung von bestimmten Zwischenzuständen wesentlich ändern kann. Als Beispiele können stereospezifische katalytische Reaktionen, asymmetrische Synthesen und formselektive Umwandlungen an zeolithischen Katalysatoren gelten. Einer der ersten Versuche, die Erscheinung der Katalyse zu erklären, führte zur Theorie der Zwischenverbindungen. Die positive Seite dieser Theorie bestand darin, daß sie den chemischen Charakter der Katalyse unterstrich und die Selektivität der Reaktion durch die Bildung von Zwischenverbindungen der verschiedensten Art in Abhängigkeit von den chemischen Ähnlichkeiten der vorliegenden Stoffe erklärte. Die Abhängigkeit der Aktivität der Katalysatoren von der Art und Weise ihrer Herstellung, Vergiftungserscheinungen an Katalysatoren und ihre Aktivierung durch Zugabe geringer Mengen geeigneter Stoffe (Promotoren) beweisen, daß die katalytische Aktivität nicht nur durch die chemische Zusammensetzung des Katalysators erklärbar ist. Der chemische Aufbau der Katalysatoroberfläche, die Umgebung der Oberflächenatome des Katalysators und auch die kollektiven Eigenschaften der vorliegenden Kristallphasen und -strukturen bestimmen die Aktivität und Selektivität des Katalysators. Der Umstand, daß die rein chemische Theorie der Zwischenverbindungen nicht mit der Gesamtheit der experimentell gewonnenen Daten in Einklang zu bringen war, führte zu Vorstellungen, daß die Katalyse nicht an der gesamten Oberfläche, sondern nur an sogenannten aktiven Zentren stattfindet. I n exakter Form wurde diese Theorie von T A Y L O R dargelegt. Eine wesentliche Unterstützung erhielt die Theorie der aktiven Zentren durch experimentelle Daten, die bei der Untersuchung von Vergiftungserscheinungen und der Promotierung von Katalysatoren gewonnen wurden. So stellten O B L A D und Mitarbeiter [4] fest, daß bei einem Aluminiumsilikatkatalysator zum Kracken von Kohlenwasserstoffen nur etwa 4% der gesamten Oberfläche aktiv sind. B O R E S K O W und Mitarbeiter [ 5 , 6 ] und später auch andere Wissenschaftler [ 7 ] bewiesen jedoch, daß die Theorie der aktiven Zentren keinen universellen Charak-
Allgemeine Vorstellungen über die Katalyse
5
ter besitzt. So zeigte beispielsweise ein auf verschiedene Art hergestellter Platinkatalysator die gleiche auf die Oberfläche bezogene Aktivität bei der Oxidation von S0 2 zu S0 3 und bei der Oxidation von Äthylen zu Äthylenoxid. Auf verschiedene Art hergestelltes Silikagel besitzt die gleiche spezifische Aktivität bei der Hydrolyse von Chlorbenzol in der Dampfphase. Aus diesen Beispielen folgerten die genannten Autoren, daß für eine Anzahl von Fällen die katalytische Wirksamkeit in gleichem Maße von allen Atomen auf der Oberfläche des Katalysators ausgeht. Gegenwärtig wird angenommen, daß es verschiedene Arten heterogener katalytischer Umsetzungen gibt. R O G I N S K I empfahl die Einteilung der Katalyse in zwei große Klassen: Die Redoxkatalyse und die Säure-Basen-Katalyse. Die Redoxkatalyse ist an Festkörpern möglich, die in der Lage sind, Elektrizität zu leiten, also an Metallen und Halbleitern. Diese Festkörper besitzen eine Anzahl gemeinsamer physikalisch-chemischer Eigenschaften, die sich aus dem Vorhandensein beweglicher Elektronen erklären. Solche Eigenschaften sind die elektrische Leitfähigkeit, die Färbung (d. h. merkliche Absorption des Lichtes im sichtbaren Spektralbereich), die thermoelektrische Emission und der äußere Photoeffekt. Zur Redoxkatalyse zählen Oxidation, Reduktion, Hydrierung und Dehydrierung. Sie werden auch unter dem Begriff homolytische Reaktionen zusammengefaßt und zeichnen sich durch Aufspaltung der Elektronenpaare und Elektronenübergänge zwischen den reagierenden Molekülen aus. Die Wirkungsweise des Katalysators wird dabei auf einen durch die Elektronen des Katalysators bedingten erleichterten Elektronenübergang in den reagierenden Molekülen zurückgeführt. Die Säure-Basen-Katalyse (auch Ionenkatalyse genannt) kann an Festkörpern erfolgen, die keine beweglichen Ladungsträger besitzen, also an Isolatoren. Die Leitfähigkeit dieser Körper nimmt bei erhöhten Temperaturen merklich zu. Diese Ionenleitfähigkeit ist mit der Leitfähigkeit von Elektrolyten vergleichbar. Die Katalysatoren dieses Typs sind in der Regel ungefärbt; die Reaktionen verlaufen ohne die Aufspaltung von Elektronenpaaren und werden unter dem Begriff heterolytische Reaktionen zusammengefaßt. Hierzu gehören Isomerisierungs-, Krack-, Disproportionierungs-, Anlagerungs- (Hydratation, Aminierung), Substitutions- (Hydrolyse) und Deaminierungsreaktionen sowie einige Polymerisationsreaktionen. Diese zwei Klassen von Reaktionen schließen jedoch nicht alle möglichen Mechanismen der Katalyse in sich ein. Der Versuch der Deutung der heterogenen Katalyse führt zu den gleichen quantenchemischen Problemen, die allgemein bei der Klärung der Reaktionsfähigkeit chemischer Verbindungen auftreten. I n der heterogenen Katalyse wird die Aufgabe aber durch die Notwendigkeit, die Quantenzustände des Festkörpers und die Wechselwirkung zwischen Katalysator und Substrat zu berücksichtigen, noch erschwert. Bekanntlich konnte die Quantenchemie bisher die Schwierigkeiten bei der Berechnung selbst einfacher Reaktionen nicht überwinden. Deshalb ist auch die moderne Theorie der Katalyse darauf angewiesen, sich mit der Ableitung halbempirischer Gesetzmäßigkeiten und Verallgemeinerungen zu begnügen.
6
Theorie der Katalyse
Gegenwärtig ist das Hauptaugenmerk der Wissenschaftler nicht auf Versuche zur Schaffung einer universellen Theorie, sondern auf eine Erklärung der verschiedenen Schritte des katalytischen Prozesses und auf die Erforschung einzelner Typen heterogener katalytischer Reaktionen gerichtet. Die modernen grundlegenden Theorien über das Wesen der heterogenen Katalyse beschreiben mehr oder weniger gut einzelne Reaktionsarten an bestimmten Klassen von Katalysatoren und werden im folgenden behandelt.
1.2.
Adsorption
Die Reaktionsbeschleunigung durch feste Katalysatoren setzt die Adsorption zumindest eines Reaktionspartners an der Katalysatoroberfläche voraus. Man kennt zwei Arten der Adsorption, die physikalische und die chemische (Chemisorption). Letztere wird auch als aktivierte Adsorption bezeichnet. Die physikalische Adsorption wird durch die VAN DER WAALSschen Kräfte hervorgerufen und bedarf keiner Aktivierungsenergie. Die Chemisorption, die eine chemische Reaktion zwischen den Substratmolekülen und den Atomen oder Ionen an der Oberfläche des Festkörpers darstellt, ist mit der Überwindung einer Energiebarriere verbunden. Eine typische Abhängigkeit der adsorbierten Stoffmenge oder des Oberflächenbesetzungsgrades 0 von der Temperatur ist in Abb. 1.2. dargestellt. Diese Abhängigkeit wurde bei konstantem Partialdruck des zu sorbierenden Stoffes (Adsorptionsisobare) und bei Vorliegen beider Adsorptionsarten aufgenommen. Bei niedrigen Temperaturen überwiegt die schnell verlaufende physikalische Adsorption. Ihr Gleichgewicht verschiebt sich mit wachsender Temperatur zur Seite kleiner Oberflächenbesetzungsgrade, was durch den linken abfallenden
\
-100
0
100
Abb. 1.2. Adsorptionsisobare.
\
200 Temperatur
300
A00
°C
500
Adsorption
7
Kurvenast demonstriert wird. Gleichzeitig nimmt die Geschwindigkeit der chemischen Adsorption zu (sie bedarf in der Regel einer Aktivierungsenergie). Der steigende Kurvenast gilt für den Bereich, in dem der Zuwachs der chemisorbierten Stoffmenge den Abfall der physikalisch adsorbierten Stoffmenge übertrifft. In diesem Bereich ist die Chemisorption bereits dominierend. Bei weiterer Temperatursteigerung wird das Gleichgewicht der Chemisorption — einer reversiblen exothermen Reaktion — zur Seite der Desorption hin verschoben, was durch den rechtsliegenden abfallenden Kurvenast zum Ausdruck kommt. Dieser Kurvenast beschreibt das Gleichgewicht der Chemisorption. Die Chemisorption kann sowohl reversibel, als auch irreversibel sein. Heterogene katalytische Prozesse sind häufig mit der reversiblen Adsorption verbunden, während Vergiftungserscheinungen meist durch irreversible Adsorption bedingt sind. Wie jede chemische Reaktion hat auch die Adsorption spezifischen Charakter: Sie wird durch die Eigenschaften von Adsorbent und Adsorbat bestimmt. Die Chemisorption wird von einer starken Änderung der Elektronenstruktur des sorbierten Stoffes begleitet, die bis zu seiner Ionisierung oder Dissoziation führen kann. Der Adsorptionsprozeß wirkt auch auf die Beschaffenheit der Oberfläche des Adsorbenten zurück. Im Grenzfall kann das zu einem Umbau des Katalysators bzw. der Katalysatoroberfläche — man spricht dann von einer Rekonstruktion oder Korrosion des Katalysators — führen. Die ersten theoretischen Arbeiten über die Chemisorption an der Oberfläche von Festkörpern wurden von L A N G M U I R [8] durchgeführt. Ihnen lagen folgende Postulate zu Grunde: 1. Die Chemisorption führt zu einer monomolekularen Schicht; 2. Alle Adsorptionszentren sind gleichwertig (einheitliche Oberfläche); 3. Es existieren keinerlei Wechselbeziehungen zwischen den adsorbierten Molekülen, die Bindungen zwischen den Adsorbatmolekülen und den Adsorptionszentren sind eindeutig und konstant; 4. Die Anzahl der aktiven Zentren je Oberflächeneinheit ist an der gesamten Oberfläche konstant.
Gegen diese Postulate lassen sich viele Einwände erheben. Trotzdem erhält man mit Hilfe der LANGMUiRschen Theorie in vielen Fällen befriedigende Ergebnisse; in anderen Fällen diente diese Theorie als Ausgangspunkt zur Schaffung komplizierterer physikalischer Modelle. Zunächst soll nur die Adsorption eines Stoffes betrachtet werden. Unter den oben genannten Voraussetzungen ist die Adsorptionsgeschwindigkeit offensichtlich dem Anteil der freien Oberfläche (1—0) und der Konzentration C des Stoffes im Gasraum proportional, während die Desorptionsgeschwindigkeit dem Anteil der besetzten Oberfläche 6 proportional ist. Im Gleichgewicht sind beide Geschwindigkeiten gleich groß: KasC(i
- 0 ) =käesd.
^ads> ^des — Geschwindigkeitskonstanten des Adsorptions- bzw. Desorptionsprozesses
(1.4)
8
Theorie der Katalyse
Aus dieser Gleichung läßt sich der Oberflächenbesetzungsgrad 0 bestimmen: ¿acs O Ktfi
i.+
bC bC
1
a
(1.5)
C In dieser Gleichung stellen b = kRtisk