Heroinnen und Heldinnen in Geschichte, Kunst und Literatur [1 ed.] 9783737014038, 9783847114031


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Heroinnen und Heldinnen in Geschichte, Kunst und Literatur [1 ed.]
 9783737014038, 9783847114031

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Super alta perennis Studien zur Wirkung der Klassischen Antike

Band 23

Herausgegeben von Uwe Baumann, Marc Laureys und Winfried Schmitz

Uwe Baumann / Marc Laureys / Konrad Vössing (Hg.)

Heroinnen und Heldinnen in Geschichte, Kunst und Literatur

Mit 25 Abbildungen

V&R unipress Bonn University Press

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. Veröffentlichungen der Bonn University Press erscheinen bei V&R unipress. © 2022 Brill | V&R unipress, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: © BTOY (Andrea Michaelsson), Cleopatra III (Vivien Leigh) 2009 / Foto: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2198-6134 ISBN 978-3-7370-1403-8

Inhalt

Uwe Baumann / Marc Laureys / Konrad Vössing Vorwort: Heroinnen und Heldinnen in Geschichte, Kunst und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Christina Posselt-Kuhli (Hamburg) Minerva als weibliches Rollenmodell – Antikenrezeption als imitatio heroica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Marion Gymnich (Bonn) (Pseudo-)Antike Heldinnen in der postmodernen Populärkultur – Die Fernsehserie Xena: Warrior Princess (1995–2001) . . . . . . . . . . .

59

Elke Brüggen (Bonn) Geschlecht, Herrschaft, Macht. Lucretia in der Tarquinius-Erzählung der Kaiserchronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

Uwe Baumann (Bonn) ‚Jenseits von Alter und Vergänglichkeit‘: Cleopatra im Drama der Shakespearezeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Konrad Vössing (Bonn) Warum Neros Ehefrau Octavia eine Heldin werden konnte

. . . . . . . . 181

Uwe Baumann (Bonn) Stammesfürstin – Kriegerkönigin – Nationaler Mythos: Boudica und ihre Repräsentationen in der modernen englischen Literatur und Kultur . . . 205 Martin Lindner (Göttingen) Vorbildhaft anders? – Junge Heldinnen und der Antikfilm

. . . . . . . . 257

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Inhalt

Alheydis Plassmann (Bonn) Gründungsheldinnen – Die Rolle von Frauen in frühmittelalterlichen Ursprungserzählungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Nicole Meier (Bonn) Die altenglische Elene als christliche Heldin?

. . . . . . . . . . . . . . . . 299

Claudia Wich-Reif (Bonn) Amazonen als Heldinnen? Marîne in Wirnts von Grafenberg Wigalois . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Marthe-Siobhán Hecke (Bonn) “With fire and blood, I will take it.” – The Hero’s Journey of Daenerys Targaryen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Irina Dumitrescu (Bonn) Charismatic Heroines in Chaucer’s Legend of Good Women . . . . . . . . 357 Imke Lichterfeld (Bonn) ‘Assigned am I to be the English scourge’. The ambiguous power of Joan of Arc and Margaret of Anjou . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Gerd Krumeich (Düsseldorf) Jeanne d’Arc: Kriegsheldin und Heilige

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393

Bernd Roling (Berlin) Die barocke schwedische Heroin in Theorie und Praxis: Prinzessin Disa auf der Bühne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Beiträgerinnen und Beiträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431

Uwe Baumann / Marc Laureys / Konrad Vössing

Vorwort: Heroinnen und Heldinnen in Geschichte, Kunst und Literatur

I. Im Handbuch der Politischen Ikonographie skizziert Wolfgang Brassat kurz und prägnant die Motivgeschichte des „Heroismus“.1 Für die Gegenwart hält er fest (Brassat (2011), S. 478): Daß in der pluralistischen Gesellschaft kaum mehr ein verbindlicher Begriff des Helden existiert, dokumentieren die über Jahrzehnte im Magazin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung publizierten Interviews mit Prominenten, die auf die Frage „Wer sind Ihre Helden der Geschichte?“ ganz unterschiedliche Antworten gaben. Das Bedürfnis nach identifikationsstiftenden Heldengestalten befriedigt heute die Kulturindustrie, die in den Bereichen der Film- und Fernsehunterhaltung, der Musik, der Mode und des Leistungssports unentwegt neue Stars hervorbringt, deren Vorbildfunktion [in] jugendlich sportliche[r] Attraktivität und ein[em] coole[n] Auftreten gründet.

Die pointierte Bemerkung Walter Benjamins „der moderne Heros ist nicht der Held – er ist Heldendarsteller“ (Walter Benjamin (1974), S. 600) gilt hier genauso wie der Slogan moderner Popsongs, insbesondere Tina Turners gleichnamigen Songs aus dem Jahr 1985, und moderner Plakatkunst: „We don’t need another hero.“ Manifestiert sich in solchen Positionierungen ein prinzipieller Skeptizismus „postheroischer“ Wohlstandsgesellschaften gegenüber Held, Heldin, Heldentum, Heroismus und Heroentum2 und zugleich auch terminologische Unschärfe und konzeptionelle Beliebigkeit,3 so war dies in Mythos, Geschichte und Kultur

1 Vgl. Brassat (2011), S. 473–480. Vgl. auch – wenngleich jeweils anders fokussiert – Faber (1993); Naumann (1984). 2 Vgl. insgesamt Münkler (2007), S. 742–752. 3 Vgl. von den Hoff / Asch / Aurnhammer / Bröckling / Korte / Leonhard / Studt (2013), S. 7: „Von der Antike bis zur Gegenwart – ‚von Achill bis Zidane‘, so ein neuerer Ausstellungstitel – stellen heroische Figuren, d. h. Heldinnen und Helden, wichtige Bestandteile des kulturellen Imaginären und des Symbolhaushalts von Gemeinschaften dar, und zwar in einer bemer-

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des Abendlandes nicht immer so (vgl. etwa Aurnhammer / Pfister (2013a)).4 Wiewohl der Heros, der Heroe, der Held oft mit erläuternden Adjektiven näher bestimmt wird (z. B. der tragische Held, der einsame Held, der romantische Held) ist er eine nationale Wunschvorstellungen, übernationale Hoffnungen und eine ein spezifisches Ethos verkörpernde archetypische Figur, deren vielfältige Repräsentationen zentrale funktionsgeschichtliche Einblicke in die „mentale Infrastruktur“ vergangener Epochen gewähren können. Und als solche archetypische Figur ist er terminologisch von dem Verständnis des Begriffs Held / Heldin als Protagonist/in und / oder Titelfigur eines Dramas oder Romans zu unterscheiden,5 wiewohl Protagonist/in und / oder Titelfigur eines Dramas oder Romans durchaus ein solcher archetypischer Heroe / Held sein kann (und auch immer wieder ist). Der Heros, der Heroe, der archetypische Held wird darüber hinaus in seinem Agieren, Handeln oder Leiden als Held in seinen historischen Bedingungskontexten, seinen medialen und performativen Erscheinungsformen als heuristisches Leitbild, als Norm heroischen, ehrenhaften Verhaltens konstruiert, und – ungeachtet aller modernen gendersensiblen Sprachkonventionen – wird er als zunächst männlich konzeptualisiert, wie exemplarisch die entsprechenden Lemmata „Held“ in Joachim Ritters Historische[m] Wörterbuch der Philosophie6 und Horst S. und Irene Daemmrichs Lexikon der Themen und Motive in der Literatur7 dokumentieren.8

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5 6 7 8

kenswerten Persistenz“. Vgl. zur Web-Präsenz der Ausstellung, auf die das Zitat verweist: „http://classes.bnf.fr/heros“. Dies explizieren z. B. die Einzelprojekte im Freiburger SFB 948 („Helden – Heroisierungen – Heroismen“), die vereinzelt bis in die Antike zurückgreifen (u. a. A2: „Bedeutungswandel und mediale Vermittlung des Heroischen im interkulturellen Raum des Hellenismus“, B1: „‚Imitatio Alexandri‘: Heroismen im Porträt, Herrscher- und Heldenbild der griechisch-römischen Antike“), sich im Wesentlichen jedoch auf die Literatur- und Kulturepochen der Neuzeit konzentrieren (vgl. https://www.sfb948.uni-freiburg.de/projekte [04. 03. 2015]). Für die Projekte der 2. Antragsphase des SFBs gilt cum grano salis das Analoge (vgl. https://www.sfb 948.uni-freiburg.de/de/teilprojekte/foerderphase2/? [07. 08. 2018]). Vgl. insgesamt auch Aurnhammer / Pfister (2013b); Hoff / Asch / Aurnhammer / Bahr / Bröckling / Butter / Friedrich / Gelz / Korte / Leonhard / Lethbridge / Mommertz / Neutatz / Schlechtriemen / Schreier / Seedorf (2015), S. 1–138, insbes. die Bibliographie S. 108–138. Um diese terminologische Differenzierung zu verdeutlichen, verwenden wir sowohl im Titel unseres Projekts als auch durchgängig die Junktur „Heroinnen / Heldinnen“. Vgl. O. F. Best (1974), Sp. 1043–1049. Vgl. Daemmrich / Daemmrich (1987), S. 166–169. Vgl. auch weitere Detailstudien, u. a. Albertz (2010); Allison / Goethals (2011); Brunner / Hamm / Herweg / Kerth / Löser / Rettelbach (2002); Dallapiazza / Anichini / Bravi (2007); Freeman / Mayer (2007); Gattinger (2008); Gebauter (2014); Gelz (2016); Gerwarth (2009); Hammer / Seidl (2010); Hempfer (2013); Immer / Van Marwyck (2013); Kainz (2009); Lacey (2007); Lowrance (2012); Lundt (2010); Pawlak (2020); Reiling / Rohde (2011a, 2011b); Reimers (2011); Richardson (2014); Vollstedt (2020); Wrede (2014a, 2014b).

Vorwort: Heroinnen und Heldinnen in Geschichte, Kunst und Literatur

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Die männlich ge- und begründete Norm heroischen Verhaltens entfaltet auch dort konzeptuell-konstruktive Relevanz, wo es um die mentalitäts-, kultur- und sozialgeschichtlich brisante Frage eines weiblichen Heroismus, der Repräsentation von Heroinnen und Heldinnen geht, wie etwa der reich rezipierte Mythos der Amazonen,9 oder das überaus populäre Bild der warrior woman (z. B. Bradamante, Clorinda, Britomartis) im europäischen Renaissance-Epos (vgl. Schabert (2013)) bezeugen.10 Ein primär männlich konzeptualisierter Heroismus bleibt – so die erste Arbeitshypothese – für eine Vielzahl der Repräsentationen von Heroinnen und Heldinnen in der historischen, literarischen und künstlerischen Konstruktion Norm und Referenzmuster. Zugleich deuten sich innerhalb dieser grundsätzlichen Festschreibung Ambivalenzen, Alternativen und auch durchaus subversiv deutbare Dekonstruktionen an, wie sie Nikolas Immer in seiner Besprechung von Aurnhammer / Pfister (2013a) akzentuiert:11 Doch selbst wenn die Frau in Rüstung zu den verbreiteten Figuren des RenaissanceEpos zählt, bliebt ihr Aktionspotenzial zumeist auf das Referenzmuster des männlichen Heldentums bezogen. Gleichwohl macht Schabert aber auch auf alternative Formen des weiblichen Heroismus aufmerksam, wie er in Æmilia Lanyers Passionsgedicht Salve Deus Rex Judaeorum (1611) Gestalt gewinnt. Dabei wird der spirituelle Heroismus der Protagonistin im Vergleich mit männlichem Heldentum sogar als höherrangig eingeschätzt. ‚A Woman may put on the whole Armour of God without degenerating into a Masculine Temper.‘ (40) Dass die genderspezifischen Zuordnungen mit Blick auf das Heldentum allerdings nicht immer eindeutig ausfallen, demonstriert Ute Berns unter Rekurs auf Shakespeares The Rape of Lucrece (1594), indem sie in einem äußerst instruktiven close reading das in Lukretias Rede aufgerufene Bezugsbild des Trojanischen Krieges analysiert, gelingt es ihr pointiert, die Ambivalenzen in der heroischen Anlage von Shakespeares Titelfigur herauszuarbeiten.

Erstaunlicherweise ist der Frage- und Interpretationszusammenhang von Gender und Konzepten des Heroischen bisher weitgehend marginalisiert, zumindest nicht in systematischer oder literatur- und kulturhistorischer Perspektive un9 Vgl. aus der reichen Literatur zum Mythos der Amazonen z. B.: Blok (1995); Brown (2011); DeJean (1992, 1999); Doran (2014); Hagemann (2007); Kroll (1999, 2004); Watanabe-O’Kelly (2009). 10 Vgl. ebenfalls Baumgärtel (1997); Bock (1997); Ferguson (1997); Schnettger (2014); Waller (1989); Wolfzettel (2010) und Wrede (2014a). Vgl. auch allgemein Bartl (2018); Becker / Eagle (2004); Braun (2018); Bronfen (2013); Early / Kennedy (2003); Förster (2012); Hagemann (2007); Hammer (2010); Hopfner (2005); Hopkins (2002); Katschnig-Fach (2020); Keller / Kragl (2010); Kollmann (2004); Kroll (1999); Maier-Emons (2009); Marwyck (2010); Waller (1989); Wilhelm (2018); Zettelbauer (2018). 11 Immer (2013), S. 84–86, Zitat: 85. Mit dem Verweis auf einen spirituellen weiblichen Heroismus eröffnen sich weitere, religionssoziologische Anknüpfungspunkte für die Analyse; vgl. z. B. allgemein: Burschel (2004); Freeman / Mayer (2007); Hammer / Seidl (2010); Heinzer / Leonhard / Hoff (2017); Keller / Kragl (2010); Lacey (2007); Moebius (2018); Naumann (1984); Vavra (2008); Wolfzettel (2010).

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Uwe Baumann / Marc Laureys / Konrad Vössing

tersucht worden; der SFB 948 „Helden – Heroisierungen – Heroismen“ verwendet z. B. in seinen programmatischen Statements und seinen weit ausgreifenden Forschungsbeiträgen12 zwar immer wieder gendersensible Begriffe wie „Helden / Heldinnen“, ignoriert jedoch insgesamt die spezifischen Ausprägungen der Konstruktion eines weiblichen Heroismus, eines explizit weiblichen Heldentums. Selbst im Kontext der Tagung „Tracing the Heroic through Gender, 1650–1750–1850“ (26. bis 28. Februar 2015) standen – ausweislich des Programms und des Call for Papers „Frauen als Held oder Heldin und deren – wie immer intersektional differenzierte – Konstruktion“ nicht im Zentrum des Interesses, sondern „das Heroische selbst, seine historischen Bedingungskontexte, seine medialen und performativen Erscheinungsformen, seine zeiträumlichen Konjunkturen und Transformationen.“13 Im Vorwort zu einem 2018 vorgelegten und insgesamt sehr anregenden Sammelband weitgehend aus ethnologischer oder kulturanthropologischer Perspektive (Heroes – Repräsentationen des Heroischen in Geschichte, Literatur und Alltag) hält die Mitherausgeberin Johanna Rolshoven pointiert fest (Rolshoven (2018), S. 13–14 und 16): Die Kulturgeschichte ebenso wie die Repräsentationen des Heroischen in der Gegenwartsgesellschaft offenbaren als Vordergründigstes den engen Zusammenhang von Männlichkeit und Heldentum. Heldentum ist männlich, die Frau ‚ein Individuum ohne Signifikanz‘. Sie entsendet ihn, sie akklamiert ihm, sie beschützt und tröstet ihn und beklagt ihn schließlich; dadurch macht sie den Mann zum Helden. Nur vor dem kulturellen Hintergrund der Frau als Nichtheldin kann der Mann Held sein. Heroen als Idealbilder des Wünschenswerten ebenso wie des Abschreckenden sind grundlegend vergeschlechtlicht.

In pragmatischer Überwindung dieser Positionierung14 enthält der Band selbst aber einige Beiträge, die durchaus überzeugende Beispiele für weibliches Hero12 Vgl. neben den jeweiligen detaillierten und um Bibliographien ergänzten Berichten der Projektverantwortlichen (https://www.sfb948.uni-freiburg.de/de/teilprojekte/foerderphase1 /pb… [07. 08. 2018]) insbes.: Asch (2013, 2014 und 2016); Asch / Butter (2016); Aurnhammer (2013); Aurnhammer / Pfister (2013a, 2013b); Aurnhammer / Bröckling (2016); Aurnhammer / Korte (2017); Berns (2013); Bihrer (2013); Butter (2016); Clare (2013); Döring (2013); Gelz (2016); Heinzer / Leonhard / von den Hoff (2017); Hempfer (2013); Hoff / Asch / Aurnhammer / Bröckling / Korte / Leonhard / Studt (2013); Hoff / Asch / Aurnhammer / Bahr / Bröckling / Butter / Friedrich / Gelz / Korte / Leonhard / Lethbridge / Mommertz / Neutatz / Schlechtriemen / Schreier / Seedorf (2015); Hoff / Heinzer / Hubert / Schreurs-Morét (2015); Hubert (2013); Immer / Van Marwyck (2013); Kaufmann (2013); Korte (2014, 2016 und 2017); Pfister (2013); Posselt-Kuhli (2017); Schabert (2013); Schlüter (2015, 2017); Seedorf (2015). 13 Anon., http://www.sfb948.uni-freiburg.de/aktuell/calls/cfptracingheroic/?… [04. 03. 2015]. 14 Vgl. hierzu jedoch als wichtige Korrektive Katschnig-Fasch (2018) und Moebius (2018). Die thematische Konzentration auf die Gegenwart des 20. und 21. Jahrhunderts begründet zum nicht geringen Teil diese Position, wie Rolshoven implizit konstatiert (Rolshoven (2018),

Vorwort: Heroinnen und Heldinnen in Geschichte, Kunst und Literatur

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innen- und Heldinnentum vorstellen und diskutieren, von den ‚Milicianas‘ der spanischen Revolution 1936 (vgl. Braun (2018)) bis zur Kriegsheldin im Ersten Weltkrieg (vgl. Zettelbauer (2018)), von Vampirinnen als alternativen (Film-) Heldinnen (vgl. Heimerl (2018)) bis hin zu weiteren exemplarischen Repräsentationen von Heldinnen und Helden in der modernen Literatur und im Film (vgl. Bartl (2018); Nußbaumer (2018) und Wilhelm (2018)). Einen dezidiert anderen methodischen Zugang mit dem Mittelalter als primär fokussierter Epoche wählte 2017 ein Workshop an der Universität Tübingen: „Die Lesbarkeit von Helden. Fragen zur ‚Existenz einer Helden-Semiotik‘“, dessen Ergebnisse in einem Sammelband veröffentlicht wurden, dessen Titel das Forschungsdesign prägnant präzisiert: Die Dechiffrierung von Helden. Aspekte einer Semiotik des Heroischen vom Mittelalter bis zur Gegenwart.15 Als Ergebnisse der elf vorgelegten Detailstudien halten Ann-Kathrin Olbert und Daria Jansen in ihrer Einleitung fest (Olbert / Jansen (2020), S. 9–21, Zitat: S. 20): Die Dechiffrierung von Helden ist ein umfassender Semioseprozess mit dynamischem Potential, wie eine Zusammenschau der Beiträge dieses Bandes zeigt. Insbesondere wird deutlich, dass die Frage, wie Helden als Helden erkennbar werden, im Grunde eine doppelte ist: Wodurch werden Helden erkennbar? Und wie wird dieses Erkennen medial inszeniert? Die Beispiele, die in diesem Band analysiert werden, eröffnen ein Spannungsfeld zwischen gelungener (Selbst-)Inszenierung von Helden mit eindeutiger Wirkabsicht einerseits und andererseits Beispielen, in denen das Heroische ein irritierendes und bisweilen ambiges Profil gewinnt. Dabei liegt der Schwerpunkt der Beiträge des Bandes ganz entschieden darauf, dass implizite semiotische Prozesse des Erkennens mit Blick auf die Stationen eines Dechiffrierungsprozesses explizit gemacht werden.

Wiewohl die elf Beiträge die grundsätzlichen Ergebnisse, nämlich das Erkennen des Helden als konstitutiver Bestandteil des Heroischen und die Betonung der Zeichen, deren durchaus ambivalentes Potential im Einzelfall präziser analysiert und bestimmt werden kann, nahezu ausschließlich an männlichen Helden exemplifizieren, gebietet es die Logik, dass diese Akzentuierung von ‚Erkennen‘ und ‚Helden-Zeichen‘ in der Analogie auch auf weibliche Heroinnen / Heldinnen übertragbar ist.

S. 16): „Die Heldinnen-Bilder der griechischen Mythologie sind weitaus älter als die männlichen Heldenbilder; sie wurden gründlich verdrängt. Robert von Ranke-Graves spricht von einem matriarchalischen Götterhimmel bis zum zweiten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, der allmählich von einem patriarchalischen Götterhimmel abgelöst wurde.“ 15 Vgl. Nieser (2020).

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II. Auf der in diesem Band dokumentierten Arbeitstagung des Centre for the Classical Tradition / Centrum Classicorum Traditionis (CCT) (23. und 24. April 2015), die insgesamt Möglichkeiten der interdisziplinären Forschungskooperation, Möglichkeiten interdisziplinärer Verbundprojekte diskursiv auslotet, sollen zunächst Heroinnen / Heldinnen (aus Geschichte, Kunst und Literatur) en détail im Mittelpunkt des Interesses stehen, die mit ihrem exemplarischen Handeln explizieren, dass die virtus heroica im Einzelfall keineswegs nur männlich konzeptualisiert wird. Gleichwohl gilt es für den Einzelfall der konstruktiven Repräsentation eines weiblichen Heroismus, weiblichen Heldentums, sehr genau zu bestimmen, wie wirkmächtig in der historischen, literarischen, künstlerischen und kulturellen Repräsentation männliche Norm- und Referenzmuster sind.16 Beiträge aus unterschiedlichen Disziplinen, aus der Geschichtswissenschaft, der Kunstgeschichte, der Literaturwissenschaft, der Kulturwissenschaft, der Sprachwissenschaft, der Film- und Medienwissenschaft, Beiträge, die literarische und bildkünstlerische Repräsentationen von Heroinnen / Heldinnen unterschiedlicher Epochen in den Mittelpunkt der Analysen rücken, der Antike (Vössing), des Mittelalters (Brüggen; Plassmann; Meier; Wich-Reif; Dumitrescu; Krumeich), der Renaissance (Baumann [Cleopatra]; Lichterfeld), des Barock (Posselt-Kuhli; Roling) und der Moderne und Post-Moderne (Baumann [Boudica]; Gymnich: Lindner; Hecke) stellen bekannte und weniger bekannte exemplarische Heroinnen / Heldinnen näher vor, analysieren sie in ihrem Wirken und ihrer Rezeption,17 wobei im Gegensatz zum ubiquitären modernen Skeptizismus postheroischer Gesellschaften die Wirkmächtigkeit der Classical Tradition – so die zweite Arbeitshypothese – für die interdisziplinäre Konzeptualisierung von weiblichem Heldentum vergangener, „heroischer“ Epochen, eine geradezu paradigmatische Rolle spielt. Wie u. a. auch die zeitliche Koinzidenz zu den mittlerweile erschienenen Essay-Anthologien von Rolshoven / Krause / Winkler (2018) und Nieser (2020) oder auch einzelner Monographien (z. B. jüngst Kulpa (2021)) verdeutlichen, konstituieren erst sorgfältige Detailstudien Ergebnisse, deren Anregungspotential für eine inter- und transdisziplinäre Konzeptualisierung von weiblichem Heroinnen / Heldentum fruchtbar gemacht werden kann. 16 Vgl. z. B. als Einzeluntersuchungen mit sehr viel bescheideneren Zielsetzungen Baumann (2005) und Berns (2013). 17 Im Kontext dieser (Re-)Konstruktionen der Rezeptionsgeschichte bleibt die Leitfrage nach männlichen Norm- und Referenzmustern erkenntnisleitend; die so gewonnenen Detail- und Einzelergebnisse sind dabei jeweils mit den primär typologisch fokussierten Forschungsergebnissen etwa von Immer / van Marwyck (2013), Naumann (1984), Reiling (2011) und van Marwyck (2010) zu korrelieren.

Vorwort: Heroinnen und Heldinnen in Geschichte, Kunst und Literatur

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Im Einzelnen: Christina Posselt-Kuhli (Freiburg / Hamburg) untersucht die heroische Inszenierung von Herrschern / Herrscherinnen im Zeitalter des Barocks, konzentriert auf die Rezeption antiker Götter und Heroen wie Herkules, Apollo oder Mars (imitatio heroica). Minerva steht in dieser Tradition und wird – weitgehend unabhängig von Geschlechterdifferenz – als Figur der Selbst-Repräsentation populär (imitatio Minervae), zugleich dient sie wiederholt wie auch andere Frauenfiguren der Classical Tradition (Dido, Lucretia, oder Judith) als exemplum einer femme forte oder femme héroïque. Am Beispiel der TV-Serie Xena: Warrior Princess und ihrer Protagonistin, der fiktionalen warrior princess aus der Antike zeigt Marion Gymnich (Bonn), dass und wie Heroinnen / Heldinnen die Grenzen der sozialkonstruierten Gendernormen überschreiten, wobei die Konzeptualisierung des präsentierten Heroismus sich wesentlich der klassisch-mythologische Grundierung verdankt, was jedoch die argumentative Reichweite der TV-Serie Xena, Gendernormen allgemein und deren Repräsentation im amerikanischen Fernsehen in Frage zu stellen, in keiner Weise einschränkt. Der Repräsentation des Lucretia-Mythos in der Tarquinius-Vita der um 1150 entstandenen Kaiserchronik widmet Elke Brüggen (Bonn) einen weitausgreifenden Essay, der durch die Analyse der narrativen Strukturen herausarbeitet, dass das Erzählen von und über die einzigartige Lucretia diese Sequenzen so akzentuiert, dass diese im eigentlichen Sinne als Lucretia-Episode konzeptualisiert werden können. Lucretias virtus heroica steht insgesamt außer Zweifel, ob diese heroische Tugend (bis zur Selbsttötung) jedoch primär ein Heroismus des weiblichen Duldens ist oder auch wesentlich in den beschriebenen, intrikaten politischen Machtverhältnissen gründet, bleibt letztlich offen. Fünf erhaltene Dramen der englischen Renaissance mit der letzten Pharaonin Ägyptens, Cleopatra VII., als tragischer Heldin fokussiert Uwe Baumann (Bonn) in seinem Essay, der zunächst für die fünf Repräsentationen (Samuel Daniel, Samuel Brandon, William Shakespeare, John Fletcher und Thomas May) die unterschiedlichen Nuancen in der Benutzung der antiken Quellen und deren Konsequenzen für die Schwerpunktsetzung und die Charakterzeichnung herausarbeitet. Die individuellen Repräsentationen Cleopatras sind dabei zugleich auch jeweils Auseinandersetzung mit Prinzipien und Praxis weiblicher Herrschaft im Allgemeinen, wobei die zentralen Unterschiede Cleopatras zu Elisabeth I. sowohl persönlich als auch politisch beständig präsent gehalten werden, wodurch Cleopatra weitgehend – wie schon in der römischen Historiographie – zur Konkretisierung obsessiver erotischer Männerträume und misogyner Albträume wird. Die römische Tragödie Octavia, verfasst von einem Bewunderer Senecas und diesem fälschlich zugeschrieben, steht im Zentrum des Beitrags von Konrad Vössing (Bonn). Wie in der Realität, ist der Handlungsspielraum der unglück-

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lichen Ehefrau Kaiser Neros, die er des Ehebruchs bezichtigen und 62 n. Chr. umbringen lässt, auch in der Tragödie äußerst eingeschränkt, was die Frage evoziert, warum die Tragödie so überschrieben und die unglückliche Octavia damit griechischen Heldinnen wie Iphigenie, Medea oder Antigone an die Seite gestellt wird. Die Antwort liegt im politisch-historischen Kontext der Handlung. Octavia fungiert als Realsymbol der julisch-claudischen Kaiserdynastie, aber auch der augusteischen Ordnung des Prinzipats, aus dessen vorgegebenen Strukturen sich Nero zu befreien sucht. Der brutale Schnitt, mit dem sich Nero von Octavia trennt, dient dann – wie die diskursive Auslotung der Tragödie und der unmittelbaren zeitgenössischen Kontexte zeigt – in der frühen flavischen Zeit, in die die Tragödie wohl zu datieren ist, nicht nur als Beleg für Neros tyrannische Grausamkeit, sondern zugleich dafür, dass die julisch-claudische Dynastie sich mit ihrem letzten Vertreter gegen sich selbst gekehrt hat und zu recht einem anderen Herrscherhaus weichen muss. Boudica, Icener-Königin und charismatische Anführerin des großen und blutigen Aufstands der Icener und Trinovanten (60 / 61 n. Chr.), seit der Renaissance zur Freiheitskämpferin, nationalen Heldin und besonders im 19. Jahrhundert zur Verkörperung nationaler britannischer Identität stilisiert, wird in einigen ihrer Repräsentationen von Uwe Baumann (Bonn) untersucht, insbesondere in einigen Comics und ausgewählten historischen Romanen des 20. und 21. Jahrhunderts. Speziell einige der historischen Romane ergänzen fiktional die einseitige, römische Überlieferung der Antike, indem sie wiederholt die brutalen Ereignisse aus der Perspektive Boudicas und der Icener schildern und damit – wie auch mit einigen explizit multiperspektivischen und / oder metahistorischen Romanen – die Bedeutung der Perspektivik allgemein wie auch die prinzipiellen Schwierigkeiten der historischen Urteilsbildung (Heroin / Heldin / Monstrum) herausstellen. Martin Lindner (Göttingen) stellt in seinem Beitrag einige TV-Detektivinnen näher vor, die sich in Antikfilm-Serien wie Roman Mysteries etabliert haben. Diese jungen / jugendlichen Heldinnen konstituieren – wie die Detailanalyse der Darstellungsmodi zeigt – eine bemerkenswerte Ausnahme im Antikfilm, der aufgrund seiner eindeutigen Geschlechtertrennung selten starke weibliche Figuren zulässt. Der Rolle und Repräsentation von Frauenfiguren in frühmittelalterlichen Ursprungserzählungen (einer gens) widmet Alheydis Plassmann (Bonn) ihren Beitrag. Ungeachtet der häufigen Rekurse auf kriegerische Auseinandersetzungen, die die Gründung einer gens, eines Reiches ermöglichen, werden auffällig häufig auch Frauen erwähnt, wobei deren Rollen und Funktion eine größere Variationsbreite explizieren als die des Gründungshelden. An Beispielen wie der Origo gentis Langobardorum oder dem Liber historiae Francorum werden die Funktionen, die den weiblichen Figuren zugeschrieben werden (von identitäts-

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stiftend bis zerstörerisch), herausgearbeitet und nach Erklärungen dafür gesucht, wann und nach welchen Kriterien den Frauen eine Schlüsselstellung für die Entwicklung einer gens zuerkannt wird und wann nicht. Nicole Meier (Bonn) analysiert die christliche ‚Heldin‘ Elene, Mutter Konstantins des Großen, in Cynewulfs Elene, eine exemplarische Protagonistin der altenglischen Literatur. Die Titelheldin Elene erweist sich dabei insgesamt als christlicher warrior der germanischen Tradition und nicht als passive, duldend leidende Märtyrerin. Der Figur Marîne aus Wirnts von Grafenberg Wigalois, dem einzigen Artusroman, in dem Amazonen auftauchen, widmet sich Claudia Wich-Reif (Bonn). Der Essay fokussiert aus sprachwissenschaftlicher Perspektive insbesondere die Frage, inwiefern Marîne und ihre Artgenossinnen schon Repräsentationen weiblicher Ritter sind oder aber noch primär den Amazonen-Konzeptionen der griechischen Mythologie verhaftet sind. Marîne als Figur verknüpft weibliche und männliche Welten, sie hat an beiden Teil als Mitglied des Hofes und als ausgewiesene Kämpferin; in der Artusepik bleibt sie in ihrer Konzeption eine singuläre experimentelle Innovation. Indem sie Christopher Voglers Konzept der ‚Reise des Helden‘ (the hero’s journey), das seinerseits Überlegungen von C. G. Jung und Joseph Campbell (The Hero with a Thousand Faces, 1949) zusammenführt, als heuristische Leitlinie nutzt, schildert Marthe-Siobhán Hecke (Bonn), detailliert die Helden-Reise von Daenerys Targaryen aus der Roman- und TV-Serie Game of Thrones, die terminologisch zwar eindeutig eine Heldinnen-Reise ist, aber in ihren konkreten Ausprägungen sowohl traditionell männliches wie weiblich konnotiertes Empfinden und Handeln verbindet, was wohl ebenfalls zum Teil erklärt, warum die Entwicklung von Daenerys in der Serie als wenig überzeugend bewertet wird. Geoffrey Chaucers Legend of Good Women, eine Adaptation von Ovids Heroides, steht im Zentrum des Beitrags von Irina Dumitrescu (Bonn), in dem sie die unorthodoxen Heldinnen Chaucers en détail untersucht. Diese Frauen, die teils kraftvoll wie männliche Helden agieren, können Macht in der Imitation männlicher Helden oder durch die Inszenierung ihrer eigenen Verletzlichkeit ausüben. An Heldinnen wie Dido, Lucretia, Phaedra und Ariadne zeigt sich, wie die jeweilige Leidensfähigkeit, die Macht mit Verletzlichkeit verbindet, sie in ihrem Heroinnen / Heldinnen-Status männlichen Helden gleichstellt und sie zu charismatischen Heldinnen macht, die die Bedingungen ihres eigenen Lebens und Sterbens selbst bestimmen. Imke Lichterfeld (Bonn) untersucht zwei Frauenfiguren aus den Historien William Shakespeares, Joan of Arc und Margaret of Anjou, aus primär dramaturgischer Perspektive. Beide erscheinen dabei als überaus einflussreiche, machtvolle Frauenfiguren, die das patriarchalische System bekämpfen, mit oder auch ohne übernatürliche Hilfsmittel. Sie sind einander in ihren jeweiligen

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dramaturgischen Funktionen als Kriegerinnen und Prophetinnen sehr ähnlich und beide wirken gleichermaßen subversiv in ihren Herausforderungen männlicher Macht. Jeanne d’Arc, insbesondere das sich in ihrer Konzeptualisierung artikulierende Spannungsverhältnis von ‚Kriegsheldin‘ und ‚Heiliger‘ steht im Mittelpunkt des Essays von Gerd Krumeich (Düsseldorf). Diese Dualität (Kriegsheldin / Heilige), ihre Fähigkeiten als Kämpferin / charismatische Anführerin und ihr Bewusstsein, von Gott für die Mission, Frankreich zu befreien, auserwählt zu sein, verliert als programmatischer Einstieg in der ausgewogenen biographischen (Re-)Konstruktion Jeanne d’Arcs zunehmend an Bedeutung. Die virtus heroica, von vielen Moralphilosophen Schwedens in Universitätsdisputationen verhandelt und definiert, lässt sich im Rahmen der gotizistischen Bewegung in Dänemark und Schweden ab Mitte des 17. Jahrhunderts mit exempla der im besten Sinne eigenen heroischen skandinavischen Vorzeit illustrieren. Was diese neue ‚Vorgeschichte des Heldentums‘ für das Bild der heroischen Frau, die in Schweden nicht zuletzt von Königin Christine repräsentiert wird, bedeutet, zeigt Bernd Roling (Berlin) in seiner Analyse von Prinzessin Disa auf der Bühne, wobei die konsequente diskursive Verknüpfung von akademischer Theorie mit ästhetischer Bühnen-Praxis erkenntnisleitend ist. In Ergänzung der Persistenz eines primär männlich konzeptualisierten Heroismus wie auch der paradigmatischen Rolle der Classical Tradition für die interdisziplinäre Konzeptualisierung von weiblichem Heldentum eröffnet sich mit den hier vorgelegten Beiträgen zudem ein doppelter Bezug zu Kategorien des Normativen: zum einen durch die paränetische Funktion jedes Heroismus, der auf die eine oder andere Weise immer als exemplum fungiert und somit normverstärkend wirkt, zum anderen durch das Aufeinandertreffen von weiblichen ‚Protagonisten‘ (im Wortsinn) und männlich ge- und begründetem Heroentum, das dessen normative Ansprüche expliziert, zugleich aber auch immer wieder dessen Grenzen auslotet und in Einzelfällen zur Disposition stellt oder dekonstruiert.

III. Das Forschungsdesign wie auch erste Hypothesen (die Orientierung an primär männlich konnotierten Norm- und Referenzmustern, die paradigmatische Bedeutung der Classical Tradition) zur interdisziplinären Konzeptualisierung von Heroinnen / Heldinnen, eines weiblichen Heroismus korrespondieren in bemerkenswert vielfältiger Weise mit allgemeinen Entwicklungen / Trends in der (post-)modernen Literatur-, Kultur- und Kunstgeschichte, und dabei insbesondere in der Populärkultur, die als sensibler Seismograph (Um-)Akzentuie-

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rungen innerhalb einer allgemeinen Mentalitätsgeschichte registriert, bilanziert, evaluiert und propagiert. Da dieses einen eigenen Frage- und Untersuchungskosmos eröffnen würde, dafür hier als Schlaglichter nur einige wenige Beispiele: 1. Im Jahre 2018 erschien in London eine kleine Anthologie von 50 kurzen biographischen Essays über herausragende Frauen der Geschichte (von Sappho über Cleopatra bis zu Elizabeth I., von Eleanor of Aquitaine über Mary Wollstonecraft bis zu Josephine Baker), jeweils mit dem Anspruch erzählt, mit der Repräsentation der vorbildhaften, ikonischen weiblichen Vorbilder Orientierung im Alltagsleben der Gegenwart zu bieten.18 Nicht nur die Auswahl der exemplarischen Frauen ist bemerkenswert, sondern auch der gewählte Titel: What Would Boudicca Do? Die anekdotenreichen Kurzbiographien sind insgesamt zum Teil Korollar der seit der Zeit des zweiten Feminismus nicht unüblichen Betonung des ansonsten vielfach marginalisierten Einflusses starker, ungewöhnlicher und heroischer Frauen in der Geschichte, der Literatur und der Kunst und sie bieten Vorbilder und Identifikationsmuster für die Frau(en) der Gegenwart, wiewohl die historischen Rahmenbedingungen in ihrer grundlegenden Differenz zu berücksichtigen sind, wie exemplarisch die Schlusssequenz aus der Kurzbiographie Boudiccas verdeutlichen mag:19 Despite being Team Roman, Tacitus gave Boudicca credit for her rousing oratory, quoting her at the Battle of Watling Street: ‚On this spot we must either conquer, or die with glory. There is no alternative. Though a woman, my resolution is fixed: the men, if they please, may survive with infamy, and live in bondage.‘ Boudicca endures both as a symbol of resistance and as a feminist icon who confronted masculine aggression with violence at a time when this was way out of a lady’s lane.

Ob es wirklich eine kluge Marketing-Idee war, die kleine Anthologie von Kurzbiographien ikonischer Frauenfiguren der Geschichte, der Literatur-, Kulturund Kunstgeschichte durch den Umschlagtext zur ‚Ratgeberliteratur‘ (‚Everyday Problems Solved‘) zu stilisieren, mag durchaus offen bleiben:20 Entscheidend für uns ist, dass die Anthologie mit ihrem Titel und einigen der Kurzbiographien (Boudicca, Hypatia, Sappho und Cleopatra) programmatisch auf die Classical Tradition referiert. Die weitgehend identische Anthologie, lediglich vier Kurz18 Vgl. Foley / Coates (2018a), Umschlag. 19 Foley / Coates (2018a), S. 7–11, Zitat: S. 11. 20 Die Coverillustration des Schutzumschlags präsentiert – wie auch der ‚Werbetext‘ des Schutzumschlags insgesamt – eine allzu schlichte, plakative, unreflektierte Popularisierung, die sowohl der Kurzbiographie der Titelheldin (vgl. Foley / Coates (2018a), S. 7–11) wie auch den übrigen Kurzbiographien nicht gerecht wird: Die Illustration zeigt Boudicca als schöne, junge Königin mit schlichtem Kronreif auf ihrem flammenden, hüftlangen roten Haar, in der rechten Hand einen Kaffeebecher (to-go) und in der linken ein römisches Kurzschwert; sie verbindet in der Illustration Elemente ihrer berühmt-berüchtigten (authentischen) Vergangenheit mit einem offenkundigen Alltagsrequisit der Gegenwart.

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biographien wurden durch andere ersetzt, erschien noch im gleichen Jahr auch in den USA,21 auf dem Schutzumschlag beworben als „Life Lessons from 50 of History’s Most Extraordinary Women“ unter dem Titel: What Would Cleopatra Do? Die berüchtigt-berühmte britannische Rebellin und Freiheitskämpferin Boudicca wird als Titelfigur durch die allgemein bekannte enigmatisch-faszinierende Cleopatra ersetzt, die Referenzen auf die Classical Tradition bleiben jedoch durch den gewählten Titel wie die Kurzbiographien von Boudicca, Hypatia, Sappho und Cleopatra gleichermaßen konstitutiv. 2. Ebenfalls wohl als Korollar des zweiten Feminismus erscheint seit den 2010er Jahren in den USA bei Tidalwave Comics eine bisher mehr als 65 Bände umfassende Serie von Comic-Biographien und Graphic Novels, Female Force, die Kurzbiographien starker und einflussreicher Frauen veröffentlicht, die die Geschichte, Politik und Kultur der Moderne entscheidend prägen, wobei das Spektrum der ikonischen Frauenfiguren von Cher, Liza Minelli, Kylie Minogue, Madonna, über Oprah Winfrey, Princess Diana, Angelina Jolie und J. K. Rowling bis hin zu Hillary Clinton, Margaret Thatcher, Condoleezza Rice, Michelle Obama und Mother Therese reicht.22 Durchaus vergleichbar, wenngleich eindeutig historisch ausgerichtet, erscheint seit 2015 im Splitter-Verlag (Bielefeld) eine mittlerweile 12 Bände umfassende Comic-Reihe Königliches Blut (ursprünglich Les Reines de Sang), die die bewegten Lebensgeschichten bedeutender, selbst- und machtbewusster Herrscherinnen nachzeichnen: Isabella, die Wölfin von Frankreich (Bde. 1 und 2), Alienor. Die schwarze Legende (Bde. 3 bis 8), Kleopatra. Die verhängnisvolle Königin (Bde. 9 bis 11) und Cixi. Die Drachenkaiserin (Bd. 12).23 Es fügt sich sehr gut in dieses Bild, dass in Prince Valiant / Prinz Eisenherz, dem seit 1937 kontinuierlich jeweils in den amerikanischen Sonntagszeitungen erscheinenden historischen Abenteuerstrip ‚aus den Tagen König Arthurs‘, der in den 1960er bis 1990er Jahren gelegentlich starke, selbstbewusste Frauenfiguren, 21 Vgl. Foley / Coates (2018b). 22 Vgl. insgesamt: https://www.graphitecomics.com/title/Tidalwave-Comics/Female-Force und ebenso: https://tidalwavecomics.com/index.php/femaleforce [12. 08. 2021]; ein Teil der Comics / Graphic Novels ist über die jeweiligen Homepages auch digital zugänglich. Die selektive Zusammenstellung einiger Modelbiographien von herausragenden, einflussreichen, teils auch explizit als Heldinnen präsentierten Frauenfiguren wird damit zum Beleg für die mehrfach beobachtete terminologische Unschärfe und konzeptionelle Beliebigkeit in Moderne und Postmoderne. 23 Vgl. Marie & Thierry Gloris / Jaime Calderón (2015–2016): Isabella. Die Wölfin von Frankreich, 2 Bde., Bielefeld: Splitter; Arnaud Delalande & Simona Mogavino / Erwan Le Saëc / Carlos Gomez / (Claudia Chec) / (José Luis Rio) (2016–2018): Aliénor. Die schwarze Legende, 6 Bde., Bielefeld: Splitter; Marie & Thierry Gloris / Joël Mouclier (2019–2020): Kleopatra. Die verhängnisvolle Königin, 3 Bde., Bielefeld: Splitter; Philippe Nihoul / Fabio Mantovani (2019): Cixi. Die Drachenkaiserin, Bielefeld: Splitter; in Vorbereitung sind 3 Bde. über Jeanne D’Arc. Die Jungfrau von Orleans.

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insbesondere Königin Aleta, Katwin und Tilicum, präsentiert, seit ca. 2010 in nahezu jeder Erzählsequenz kluge, machtbewusste, teils heroische Frauenfiguren in den Mittelpunkt der jeweiligen Erzählungen rückt, wobei die Variationen von einer loyalen Kampftruppe ehemaliger Sklavinnen (Imazighen), ihre magischen Zauberkräfte ausagierenden Herrscherinnen, über militärische Führerinnen größerer Truppenkontingente, über die Natur studierende, unabhängige Wissenschaftlerinnen bis hin zu einer für Demokratie, die Beteiligung des Volkes an der Herrschaftsausübung kämpfenden revolutionären Rebellin und Freiheitskämpferin reicht.24 Sehr viel plakativer wirkt dagegen die Selbstverständlichkeit, mit der starke, teils heroische Frauenfiguren ihre Rollen in den Superhelden-Universen von DC Comics oder Marvel spielen, z. B. Aquawoman, Batwoman, Catwoman oder auch Spiderwoman. Die wohl wichtigste Repräsentation dieses heroischen und kampferprobten Frauentypus ist Wonder Woman, gleichberechtigtes Mitglied der Justice League, und wegen ihres persönlichen Wagemutes, ihrer Klugheit sowohl in zahllosen Abenteuer-Comics25 als auch im Film26 gefeiert, wobei die Comics wie auch der darin gründende Spielfilm von 2017 durch die beständige Referenz auf ihre Amazonenherkunft die Classical Tradition genauso betonen wie ihre in der Regel an männlichen Norm- und Referenzmustern ausgerichteten Kampf- und Charaktereigenschaften. 3. Ein letztes Beispiel mag diese Reihe der Schlaglichter beschließen, ein Beispiel, das zugleich eines der komplexesten ist: Vier Ölgemälde der spanischen Street Art-Künstlerin Andrea Michaelsson (geb. 1977), international bekannt als BTOY. Alle vier Ölgemälde entstanden 2009, wurden von der Bundeskunsthalle Bonn angekauft und in der Kleopatra-Ausstellung 2013 (vgl. Bronfen / Lulinska (2013)) erstmals einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Gemälde porträtieren jeweils nach typischen Film-Posen (leicht verfremdet) vier Schauspielerinnen, die im Laufe der Filmgeschichte als filmische Repräsentationen Cleopatras große Erfolge gefeiert und dieser ‚Rolle‘ einer Heroin / Heldin der Antike jeweils eigene und durchaus unterschiedliche Nuancen eingeschrieben haben: 1. Theda Bara (1885–1995), als Stummfilm-Heldin 1917 eine Melange aus

24 Vgl. weitere Details bei Baumann (2018 und 2021). 25 Vgl. (in Auswahl): Greg Rucka / Liam Sharp / Matthew Clark (2016): Die Wiedergeburt des DCUniversums / Rebirth Wonder Woman, Stuttgart: Panini Comics; Jill Thompson / Jason Arthur (2016): Wonder Woman. The True Amazon, Burbank: DC Comics; Greg Rucka / Nicola Scott / Bilquis Evely (2017): Wonder Woman. Year One (The Deluxe Edition), Burbank: DC Comics; vgl. auch die Cross-over Bände von Gail Simone / Aaron Lopresti (2017): Wonder Woman / Conan, Stuttgart: Panini Comics; Liam Sharp / Romulo Fajardo Jr. (2018): The Brave and the Bold. Batman and Wonder Woman, Burbank: DC Comics. 26 Vgl. Wonder Woman, Spielfilm USA (Regie: Patty Jenkins) 2017; deutsche Synchronfassung: Warner Bros. Pictures 2017.

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lasziver Erotik und Lust an der Verführung,27 2. Claudette Colbert (1903–1996) 1934 das Bild einer eleganten modernen Frau (der 1930er Jahre),28 3. Vivien Leigh (1913–1967), 1945 den Akzent der spielerisch-ungestümen Kindfrau,29 während 4. erst Elizabeth Taylor (1932–2011) 1963 die ägyptische Königin als auch politische Denkerin präsentiert,30 die Ehrgeiz und machtbewusste Autorität mit erotischem Glamour verknüpft, um sich die eigene Macht zu erhalten und zugleich eine Rom und die Welt des Ostens / Ägyptens stabilisierende Friedensordnung zu etablieren.31 In nuce repräsentieren diese vier Ölgemälde den modernen Heroen-Skeptizismus wie ihn z. B. Walter Benjamin so prägnant formuliert („der moderne Heros ist nicht der Held – er ist Heldendarsteller“),32 zugleich verbinden sie mit der expliziten bildlichen Beibehaltung und Akzentuierung spezifischer (semi-authentischer) klassischer Herrschaftssymbole die moderne Repräsentation mit der Ikonographie der wirklichen antiken Königin / Heroin / Heldin, wiewohl deren berühmte Repräsentationen des Films (Theda Bara, Claudette Colbert, Vivien Leigh und Elizabeth Taylor) in den Gemälden selbst zu ikonischen Frauen werden.

IV. Nach der knappen Vorstellung der Beiträge des vorliegenden Bandes, dem mit nur wenigen Schlagworten skizzierten ‚Forschungshintergrund‘ und den ergänzenden, selektiv ausgewählten mentalitätsgeschichtlichen bzw. kulturellen ‚Kontexten‘ gilt es abschließend Dank zu sagen: In bewusster Überwindung der Hürden, die Umberto Eco in seinem launigen Essay „Wie man ein Vorwort schreibt“ (1987)33 vor Danksagungen errichtet hat, gebührt ein herzlicher Dank all denjenigen, die zum Erscheinen dieses Bandes 27 Vgl. Bronfen / Lulinska (2013), Nr. 115, Öl auf Leinwand (65 x 54 cm); vgl. insgesamt Bronfen / Lulinska (2013), S. 250–255 (mit Standbildern aus dem Film). 28 Vgl. Bronfen / Lulinska (2013), Nr. 121, Öl auf Leinwand (100 x 81 cm); vgl. insgesamt Bronfen / Lulinska (2013), S. 256–263 (mit Standbildern aus dem Film). 29 Vgl. Bronfen / Lulinska (2013), Nr. 127, Öl auf Leinwand (100 x 81 cm); vgl. insgesamt Bronfen / Lulinska (2013), S. 264–267 (mit Standbildern aus dem Film). 30 Vgl. Bronfen / Lulinska (2013), Nr. 131, Öl auf Leinwand (100 x 81 cm); vgl. insgesamt Bronfen / Lulinska (2013), Nr. 268–275 (mit Standbildern aus dem Film). BTOYs Elizabeth Taylor als Cleopatra wurde als Abbildung für das Cover des Bonner Ausstellungskatalogs gewählt und jüngst auch für die Monographie von Kulpa (2021). 31 Vgl. insgesamt zu den knappen Wertungen dieser vier Cleopatra-Repräsentationen auch Elisabeth Bronfen (E. B.) in Bronfen / Lulinska (2013), bes. S. 235. 32 Walter Benjamin (1974), S. 600. 33 Vgl. Umberto Eco: Wie man ein Vorwort schreibt (1987), in: Umberto Eco, Wie man mit einem Lachs verreist und andere nützliche Ratschläge, aus dem Italienischen von Günter Memmert und Burkhart Kroeber, München / Wien: Carl Hanser Verlag 1993, S. 121–123.

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beigetragen haben. Da sind an erster Stelle die Beiträgerinnen und Beiträger zu nennen, die nicht nur ihre Beiträge rechtzeitig eingereicht und Änderungswünsche respektiert, sondern auch mehr als geduldig auf das Erscheinen gewartet haben. Diese Geduld wurde auf härtere Proben als erwartet und geplant gestellt, weil zunächst kollektive und unaufschiebbare Verpflichtungen die Kräfte anderweitig konzentrierten (Zweihundertjahrfeier der Universität) und nur wenig später die Restriktionen der Pandemie alle Arbeitsprozesse entscheidend verlangsamten (von der Nutzung der Bibliotheksressourcen bis zur persönlichen Abstimmung bei Detailfragen), von Datenverlusten durch Softund Hardwareprobleme gar nicht zu reden. Beim Korrekturlesen haben uns die anglistischen Mitarbeiterinnen und Hilfskräfte, insbesondere Sarah Fissmer, Marthe-Siobhán Hecke, Nele Neumann, Lea Peters, Sabrina Rausch und Eleanor Thieser, so nachhaltig unterstützt, dass sie in den letzten Jahren / Monaten wohl mehr über Heroinnen / Heldinnen erfahren haben, als sie vielleicht jemals wollten. Das Analoge gilt für Kolleginnen und Kollegen, die aber diese Heroinnen / Heldinnen-Fixierung bzw. -Fokussierung nicht nur freundschaftlichnachsichtig ertragen, sondern immer wieder mit klugen, unverzichtbaren Anregungen und konstruktiver Kritik einzelne Beiträge entscheidend bereichert und gefördert haben. Last but not least gebührt ein sehr herzliches Dankeschön der Street ArtKünstlerin Andrea Michaelsson (BTOY), die uns die Nutzung ihres Vivien-Leigh – Porträts als Cleopatra (2009) für die Cover-Abbildung gestattete und der Bundeskunsthalle Bonn, namentlich Frau Dr. Agnieszka Lulinska, für die Bereitstellung der digitalen Druckvorlage des Gemäldes.

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Christina Posselt-Kuhli (Hamburg)

Minerva als weibliches Rollenmodell – Antikenrezeption als imitatio heroica

Die heroische Inszenierung von Herrschern und Herrscherinnen im Barock rekurriert auf verschiedene Weise auf die Antike. Besonders dominant ist dabei die ‚imitatio heroica‘ antiker Götter oder Helden wie Herkules, Apoll oder Mars.1 Eine Götterfigur, die Geschlechter übergreifend zur Selbstrepräsentation genutzt wurde, soll in den folgenden Ausführungen im Zentrum stehen – Minerva. Neben anderen mythologischen und biblischen Tugendheldinnen wie Dido, Lucretia oder Judith ist Minerva nicht nur eingeschrieben in den Kanon der Referenzfiguren der ‚femme forte‘ oder ‚femme héroïque‘.2 Sie ist darüber hinaus als ‚multiples Modell‘ der Glorifizierung des Herrschers wie der Herrscherin für verschiedene Aussagen nutzbar. Die dem Haupte Jupiters entsprungene Göttin, die noch heute für wissenschaftliche wie staatliche Institutionen als Emblem genutzt wird (stellvertretend seien hier die Max-Planck-Gesellschaft und der amerikanische Bundesstaat Kalifornien genannt), steht ebenso für Weisheit wie für taktische Kriegsführung, sie ist Patronin der Künste, Handwerker und Wissenschaften. Wird sie zur Identifikationsfigur gewählt, lässt sich auf die eigene Klugheit und das eigene Urteilsvermögen verweisen. Das Gebiet dieser Bildung kann dabei sowohl militärisch als auch musisch besetzt sein. Beide Bereiche können mit Minerva zudem gegen die Unwissenheit und Neider verteidigt werden. Dabei gibt Minervas Schild Schutz für Wahrheit und Unschuld und ist aufgrund seiner Form Ausweis dafür, dass er wie das Erdenrund durch Klugheit und Wissen gelenkt ist. Der Speer hat trotz seiner kämpferischen Konnotation ebenfalls keine rein militärische Bedeutung, sondern symbolisiert die „scharfe und feine Unterscheidungskraft des klugen und behutsamen Menschen“.3 Ähnlich wird auch das Gorgonenhaupt gedeutet als Zeichen dafür, dass „die schlechten Menschen Angst vor dem weisen, wachsamen und vernünftigen Mann 1 Zum Phänomen der ‚imitatio heroica‘ vgl. von den Hoff / Heinzer / Hubert / Schreurs-Morét (2015). 2 Zusammenfassend zum Forschungsstand Zimmermann (1995). 3 Lee (1996), 12.

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haben, da dieser Dinge vorhersehen und guten Rat geben kann“.4 Auch die weiteren Attribute Schlange, Olivenbaum, Hahn und Eule verbinden den Anspruch an Wachsamkeit und Behutsamkeit, der Kriegsführer und Gelehrten gemeinsam ist. Anhand von einigen Beispielen – Anna von Österreich, der Duchesse de Montpensier Anne-Marie-Louise, Christina von Schweden sowie Katharina der Großen – sollen im Folgenden die Strategien der ‚imitatio‘ Minervae durch Frauen aufgezeigt werden. Bereits die Wahl der heroischen Göttin und ihre Qualitäten und Einsatzgebiete konterkarieren eine Gender-Vorstellung des Heroischen, die männliche Tathaftigkeit (‚agency‘) weiblichem Erdulden gegenüberstellt.5 Dabei lässt sich ein Akzent auf die mediale ebenso wie die inhaltliche Vielgestaltigkeit der ‚imitatio‘ legen. Zu fragen ist dabei, welche Aspekte der antiken Götterfigur bedeutsam werden und welche nicht?6 Welche Rolle spielt die immer noch schwelende Genderdebatte der ‚querelle des femmes‘? Und schließlich übergreifend: Inwieweit prägt Minerva das Phänomen der Antikenrezeption für die Herrscherheroisierung?

Heroisierung durch Tugendvorbilder – Le Moynes Galerie des Femmes Fortes Minerva bietet als Tugendvorbild die ideale Symbolfigur für weibliche Regentinnen, die durch historische Frauengestalten und deren jeweils exemplarisches Handeln repräsentiert wurden (Judith, Tomiris, Semiramis, Kleopatra, …).7 Minerva und die Amazonen werden bei Frauen nicht nur um ihrer kriegerischen Fähigkeiten wegen als Vorbilder herangezogen, sondern aufgrund ihrer Tugenden (insbesondere der Keuschheit, deren Verteidigung allerdings auch aggressiv sein kann).8 Somit sind weibliche wie männliche Helden prinzipiell auf Tugend ausgerichtet. Allerdings ist damit noch nicht grundsätzlich bestimmt, dass – wie Renate Kroll ausgeführt hat – das weibliche Heldentum dem männlichen nachgeordnet ist, indem es in Bezug zu diesem gesetzt wird und in genuin

4 Ebd. 5 Zur ‚agency‘ des Helden vgl. Blanchot (1993), 370. 6 Dem rhetorischen Mittel der Epideiktik verwandt, wird auf heroische Vorbilder und mythologische Figuren meist nicht in ihrer Gesamtheit referenziert, insbesondere negative Episoden etwa des Herkules- oder Jupitermythos werden ausgeblendet bzw. durch die Dominanz weniger typologischer Szenen oder Eigenschaften überblendet. 7 Vgl. dazu auch Schlumbohm (1981), 113–122. 8 Speziell zum „Quasi-Heldentum“ des an männlichen Werten orientierten „Heroinismus“ (Ellen Moers) vgl. Kroll (2001), 537.

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weiblicher Perspektive gar nicht existiere.9 Doch um die Ausgestaltung des weiblichen Tugendbegriffs und ihre heroische Dimension genauer zu fassen, sei ein konkretes Beispiel betrachtet, das den Umgang mit Tugendheldinnen näher beleuchten kann. Der Jesuit Pierre Le Moyne präsentiert in seiner Galerie des Femmes Fortes – 1647 in Paris publiziert – 52 starke Frauen über 600 Seiten hinweg mit dem Fokus auf ihre erstaunliche Opferbereitschaft, ihre moralische Integrität und Treue und ihren Gerechtigkeitssinn, der sie auch vor Mord nicht zurückschrecken lässt.10 Le Moyne nutzt damit eine bekannte Strategie zur Glorifizierung der Barockfürstin, indem er Tugendheldinnen wie Salome, Artemisia oder Judith, aber auch historische Figuren wie Jeanne d’Arc und Maria Stuart als vorbildhaft vorstellt. Im traditionellen Rückgriff auf diese kanonischen Vorbilder liegt zugleich der strukturelle Aufbau der Galerie: eine mythologische oder biblische Figur wird mit einer historischen bzw. zeitgenössischen Figur zusammen präsentiert. Die Gruppierung in antike, biblische, jüdische und christliche ‚femmes fortes‘ entspricht dem Kanon der männlichen Helden wie sie in den ‚neuf preux‘ im 14. Jahrhundert geprägt wurden. Zugleich zeigt Le Moyne damit einen Weg der Imitation auf, überbrückt sozusagen die historische Distanz.11 Er verbindet darüber hinaus in seinen Frauenfiguren Mut, ‚gloire‘, Grazie, Keuschheit, Krieg und Kunst. Dieses ideale Set von Eigenschaften lässt er etwa in einer Eloge Madame de Saint-Balmon zuteilwerden: Non loin des rives de la Meuse,/ La noble et sage Saint-Balmon,/ Conserve l’exemple et le nom,/ De cette grace courageuse./ Son épée est à sa pudeur,/ Ce que l’épine est à la fleur;/ Et d’vn double laurier la gloire la couronne./ Elle a tout ce qui force, elle a tout ce qui plaist;/ Et joint Muse guerriere et sçauante Bellonne,/ Les arts de la champagne aux arts du cabinet.12

Die hier genannte Madame de Saint-Balmon, eigentlich Alberte-Barbe d’Ernecourt, war eine lothringische Adelige, die im Dreißigjährigen Krieg und in der Fronde als die christliche Amazone bekannt wurde.13 Aspekte marianischer Heiligkeit und des ‚miles christianus‘ vermischen sich in den symbolischen Zuschreibungen ihrer Zeitgenossen mit sozialen und moralischen Grenzüberschreitungen. So wurde sie etwa in einem Gemälde von Claude Deruet ‚authentisch‘ im Sinne des ‚cross-dressing‘ dargestellt, d. h. mit männlicher Kleidung und nicht im Damensattel (Abb. 1).14 9 Kroll (1995). 10 Kroll (1995), 60. 11 Zu diesem Aspekt des ‚exemplum‘ und der Legitimationsstrategie der Geschichte in Le Moynes und ähnlichen Werken zu ‚femmes illustres‘ vgl. Breitenstein (2008). 12 Zit. nach Maclean (1977), 80. 13 Vgl. Abbott (2000), zur Biographie 257–262. 14 Vgl. Wise (1996).

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Abb. 1: Claude Deruet, Reiterbildnis Alberte Barbe d’Ernécourt, Dame de Saint-Balmont, 1630, 89 x 76,5 cm, Musée Carnavalet, Paris

Mut, Kraft, Weisheit und musische Qualitäten zeichnen diese heroische Frau mit dem zweifachen Lorbeer („un double laurier“) aus. Es ist diese doppelte Konnotation der Glorifizierung – kriegerisch wie intellektuell und musisch –, die grundlegend nicht nur für die ‚femme forte‘ allgemein, sondern für das Vorbild Minerva im Besonderen ist. Somit gelangen zu männlichen heroischen Eigenschaften wie Mut, Tapferkeit und Stärke weibliche Qualitäten, die vergleichbare heroische Dimensionen besitzen. „Auf diese Weise wird – und zwar anhand von Beispielen großer Frauen aus Mythologie, Religion und Geschichte – ein apologetisches Gegenbild zu dem desavouierenden Klischee vom schwachen Geschlecht entworfen, ein Idealtypus, der in der 30er/40er Jahren des 17. Jahrhunderts als ‚femme forte‘ oder ‚femme heroïque‘ bezeichnet wird.“15 Der Krieg und die Qualitäten des Kriegsherrn werden (insbesondere für Regentinnen) keineswegs ausgeblendet, sondern in ein ausgewogenes Verhältnis der „Eignung der Frau zu einer von ‚prudence‘ und ‚justice‘ bestimmten Regierung in Friedens15 Schlumbohm (1981), 114.

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zeiten und ihre potentiellen Feldherrnqualitäten ‚vaillance‘, ‚force‘ und ‚courage‘ im Falle eines Krieges“16 gebracht, wie Christa Schlumbohm dargelegt hat. In einer zweifachen Steigerung solchen Tugendlobs wendet sich Le Moyne an Anna von Österreich. Die Widmung der Galerie an die französische Königin hebt sie nicht nur im Verweis auf ein ihr zugesprochenes übergeordnetes Verhältnis, als Summe mehrerer Tugenden nach dem rhetorischen Muster des Frauenlobs, aus der Reihe der tugendhaften Frauen heraus. Sie ist zudem auf einem Sockel stehend die Hauptfigur des Frontispizes, das von Charles Audran gestochen wurde (Abb. 2). Umringt wird sie von Personifikationen und hinterfangen von einer Nische mit weiteren allegorischen Statuen. Mit Lorbeer und Siegespalme bekrönt,17 tritt Anna als Tugendheldin auf.18 Die panegyrische Epistel auf die Königin ist zugleich eine Erklärung der dargestellten Tugenden des Frontispizes: Ces vertus, MADAME, qui sont toutes Heroïques et toutes Royales, ont trauaillé en commun à la Statuë, qui vous est erigée au milieu de cette Gallerie. La Magnificence a fourny de la matiere. Les Graces, ie dis les Graces industrieuses et sçauantes, l’ont taillée: & luy ont donné tous les traits, qu’vne Figure acheuée peut auoir d’vn parfait Modele. La Force l’a receuë de leurs mains, & l’a éleuée sur sa baze. La Iustice a graué l’inscription: & la Pieté a esté l’intendante & la directrice de toute la besongne.19

Die Tugenden haben zwar die Statue der Königin geschaffen, doch ist es letztlich diese selbst, die Magnifizenz, Kraft, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in sich vereint und durch ihr Verhalten und ihre Werke ihr eigenes Denkmal schafft.20 Medial wird dies durch die Darstellung Annas vermittelt: der Sockel verweist zwar auf ihre Statuenhaftigkeit, doch ist ihre Figur als lebendiger Körper wiedergegeben. Allegorisch können die Tugenden ihr Denkmal errichten, verkörpert wird es – und damit besonders glaubwürdig legitimiert – durch die Königin selbst. Ihr sterblicher Körper wird im Frontispiz performativ in einen unsterblichen Körper verwandelt, dessen ruhmvoller Ewigkeitswert nicht (oder nur zeitweise in ihrer Rolle als Mutter) die Dynastie garantiert wie beim König, sondern Anna aufgrund ihrer Verdienste und ihres Charakters glorifiziert. Dennoch erhält auch Anna in der Galerie ein Pendant – nämlich Blanka von 16 Schlumbohm (1981), 116. 17 Eine Ikonographie der Heroisierung, die für eine Frau nur im Medium der Kunst möglich war, ein reales Standbild wäre ihr wohl kaum errichtet worden. 18 In typischer „Verbindung von feministischer Apologie und personenbezogener Glorifizierung“, Schlumbohm (1981), 118. 19 Le Moyne, Gallerie, e4r–v, zit. nach der Ausgabe München, Bayerische Staatsbibliothek, Biogr. c203, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10070464-7, Maclean (1977), 222. 20 Die Vereinigung mehrerer zusammengehöriger Tugenden bzw. einer Haupttugend, die selbst verschiedene Tugenden zusammenfasst wie die Weisheit, gilt als gesteigerte Lobformel, wie sie im 17. Jahrhundert häufig verwandt wurde; vgl. Becker (1972–73), 180; zum Frauenlob Köbele (2003).

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Abb. 2: Pierre Le Moyne, La galerie des femmes fortes, 1647, Frontispiz

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Kastilien (1188–1252), die ihrerseits als Mutter u. a. von Ludwig dem Heiligen und faktisch erste französische Königin als neue Semiramis, als ‚Weib von Geschlecht, aber männlich im Charakter‘ (Matthäus Paris) oder ‚die starke Frau des Evangeliums‘, so von Papst Bonifaz VIII., postum glorifiziert wurde.21

Minerva-Ikonographien I)

Anna von Österreich (1650/60)

Nun etwas vertraut mit barocken Heroisierungsstrategien von fürstlichen Frauen in Wort und Bild wenden wir uns im Folgenden der eigentlichen Protagonistin, Minerva, zu. Die soeben betrachtete auf den Sockel erhobene Anna von Österreich tritt in einer ganz anderen Repräsentation als Minerva auf. Das von Gilbert de Sève 1650/60 gemalte Porträt markiert durch die Attribute Annas Rolle als Förderin von Schifffahrt, Ackerbau, Handwerk und Künsten (Abb. 3). Das kriegerische Moment vieler Minerva-Darstellungen ist hier durch den Merkurstab als Zeichen des Friedens ersetzt. Damit wird auch das Thema der Hermathena aufgerufen. Doch nicht nur die Königin selbst wird als Minerva heroisiert, ihr fällt zugleich die Rolle der Begleiterin zu, die die Göttin in Herrscherdarstellungen einnimmt: Die Inschrift ‚Anxo kai Hegemone‘ (Wachstum und Leitung) verweist auf die Erziehung ihres Sohnes, Louis XIV.22 Neben der charakterlichen ‚imitatio heroica‘ konnte Minerva in dieser pädagogischen Rolle als Beraterin und Schutzmacht der Herrscher auftreten.23 Die mit ihr verbundenen Tugenden und ihre Handlungsmacht sind dem jungen Fürsten damit zur Seite gestellt, als prospektive Aussicht auf seine eigene Herrschaft. Ähnlich der Intentionen der Fürstenspiegel wird der zukünftige Regent somit in den herrscherlichen Tugendkanon aufgenommen, ihm wird vor Augen gestellt, wie er künftig idealiter zu agieren hat. Wenn nun hier Anna von Österreich diese Minerva-Rolle einnimmt, werden ihr genau diese idealen Tugenden zugesprochen, aufgrund derer sie den künftigen König zu einer seinem Amt entsprechenden Vollkommenheit erziehen kann. So schließt sich der Kreis wieder zur eigentlichen ‚imitatio heroica‘, die das Porträt vorführt. Als politisches Programmbild setzt es Anna damit in die Lage, ihre nicht immer einfache Situation als Vormund für Louis zu stärken bzw. nachträglich zu legitimieren. Vor seinem Tod am 14. Mai 1643 hatte Louis XIII testamentarisch verfügt, dass nicht Anna die Re21 Zur Abhängigkeit von Modellen und historisch-teleologischen Diskursen der Glorifizierung vgl. Breitenstein (2008), 348f. 22 Silvia Neysters, Kat.-Nr. 5, 111, in: Baumgärtel / Neysters (1995). 23 Vgl. dazu Langner (1979).

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Christina Posselt-Kuhli

Abb. 3: Gilbert de Sève, Anna von Österreich als Minerva, 1650 / 1660, Öl / LW, 110 x 130 cm, Versailles, Musée National du Château de Versailles

gentschaft für ihren Sohn ausüben sollte, sondern ein Regentschaftsrat. Diese Klausel umging Anna jedoch, indem sie vom Obersten Pariser Gerichtshof, dem Parlement, diese Bestimmung im Testament annullieren ließ – somit war der Regentschaftsrat von vorne herein ausgeschaltet.24 Auch nach der Übernahme der Regentschaft durch Louis XIV blieben Anna und ihr Vertrauter, Kardinal Mazarin, zunächst die politischen Hauptakteure, doch zwang die Fronde König, Königinmutter und Minister bald ins Exil. Beide Datierungen des Bildes – 1650 kurz vor der Übernahme der Regierung durch Louis XIV bzw. 1660 nach der Fronde und Konsolidierung der Königsmacht – geben der Minerva-Ikonographie einen politischen Bezugsrahmen, der die (zumindest intendierte) Wirkmacht der ‚imitatio heroica‘ vor Augen führt.

24 Bertière (1999), 430f.

Minerva als weibliches Rollenmodell – Antikenrezeption als imitatio heroica

II)

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Anne-Marie-Louise d’Orléans (1671)

Einen anderen, dabei aber nicht weniger politisch-legitimatorischen Akzent legt das von Pierre Bourguignon geschaffene Porträt der Anne-Marie-Louise d’Orléans als Minerva ab (Abb. 4).

Abb. 4: Pierre Bourgignon, Anne-Marie-Louise d’Orléans als Minerva, um 1672, Öl / LW, 175 x 148 cm, Versailles, Châteaux de Versailles et de Trianon

Es nimmt in gezielter Auswahl der Minerva-Ikonographien vor allem die Bedeutungskomponenten von musischer und kriegerischer Begabung in die Repräsentation der Duchesse de Montpensier auf. Das Gemälde wurde vom Künstler als Aufnahmestück für die ‚Académie de Peinture et de Sculpture‘ geschaffen. Das Protokoll der ‚Académie‘ verzeichnet 1671 diesbezüglich die Aufgabe eines ‚Portrait de Mademoiselle historié‘.25 Die von der Duchesse häufig 25 Procès-verbaux de l’Académie Royale de Peinture et de Sculpture, publ. von A. de Montaiglon, Paris 1875, I, 357, zit. nach Dowley (1955), 272.

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gewählte Rolle der Minerva verweist zwar auch auf die literarischen und musischen Interessen der Dargestellten wie die Bücher oder die Musikinstrumente unter dem Medusenhauptschild anzeigen. Doch bleibt die Referenz nicht auf dieser allgemeinen Ebene. Das Bild des Vaters weist hierfür die Richtung – eine für die von der Duchesse beabsichtigten Aussage typische Bild-im-Bild-Komposition. Im Sinne von Jean-Baptiste Gaston, dem Herzog von Orléans, hatte Anne-Marie-Louise 1648 im Kontext der Fronde gegen den König, ihren Onkel Louis XIII, Partei für Louis II de Bourbon, Fürst von Condé, ergriffen. 1653 wurde die Grande Mademoiselle dafür ins Exil verbannt.26 Zu den Minerva zugehörigen ‚artes‘ und ‚litterae‘ treten vor diesem Hintergrund berechtigt die ‚arma‘. Die Figuren des Basreliefs können in ihrer Geste zwar als Pax und Concordia gedeutet werden (wie von Francis Dowley vorgeschlagen),27 doch alludieren sie ebenfalls Musensarkophage, auf denen auch Minerva ihren festen Platz hatte – und zwar meist als kriegerische Göttin mit Helm, Speer und Schild.28 Weibliche Qualitäten wie Kunstsinn und Friedensliebe werden mit männlicher Stärke, Mut und Tapferkeit ponderiert. Die heroischen Qualitäten werden konkretisiert durch die Attribute der Minerva – Lanze, Schild und Helm – und gestalthaft auf AnneMarie-Louise übertragen.

III)

Christina von Schweden – Medienvielfalt und Gattungspluralität

Eine besonders vielgestaltige ‚imitatio heroica‘ betrieb Christina von Schweden. Aufgrund ihrer männlichen Wesensart, die ihr von vielen Zeitgenossen zugeschrieben wurde und in der sie sich auch selbst am besten beschrieben fand, nahm sie sich u. a. Alexander den Großen zum Vorbild. Wie bei männlichen Herrschern üblich, verbindet sich auch in Christinas Heroisierung die rhetorische Tradition des antiken Herrscherlobs mit dem Schwerpunkt der Tugenden – in ihrem Fall v. a. Weisheit und Stärke, die neben ihrem Talent für Sprachen und ihrer Kunstkennerschaft gelobt werden.29 Minerva und Apoll verkörpern diese Qualitäten traditionell am häufigsten und wir finden beide regelmäßig in ihrer bildlichen Repräsentation, etwa im Kupferstich von Paulus Pontius, das gerahmte Porträt Christinas flankierend (Abb. 5). In der Gestalt Minervas wurde Christina häufig mit den Attributen von Weisheit und Stärke (die Eule und der Kommandostab) und in antikischer 26 27 28 29

Vgl. hierzu Kromm (2007), 190. So bei Dowley (1955), 272. Vgl. Wegner (1966). In der Panegyrik dafür ein repräsentatives Beispiel die Widmung Dirk (Theodor) Graswinckels in seiner De jure majestatis dissertatio, ad serenissimam potentissimamque Suecorum 1642.

Minerva als weibliches Rollenmodell – Antikenrezeption als imitatio heroica

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Abb. 5: Paulus Pontius (nach Anselm von Hulle), Allegorisches Porträt Christina von Schweden (um 1632–1658), Kupferstich, 1. Hälfte 17. Jahrhundert, 390 x 296 mm

Phantasierüstung dargestellt – repräsentativ dafür ist etwa das 1654 während Christinas Aufenthalt in Antwerpen entstandene Porträt von Justus van Egmont (Abb. 6), einem Rubensschüler, das in drei Exemplaren erhalten ist und ebenfalls im Kupferstich verbreitet wurde (Abb. 7).30 Das mit männlichen Charaktereigenschaften verknüpfte Tugendbild Christinas stellt somit betont Weisheit und Kampfgeist in den Vordergrund.31 Cesare 30 Die Adaption französischer Formen der imitatio Minerva in Porträts, die im Umfeld Margeritas von Navarra entwickelt wurden, hat bereits Francis H. Dowley (1955) erkannt. 31 Angesichts der so dezidiert männlichen Darstellungsweise und ihrem damit korrespondierenden Selbstverständnis mag ihr Selbstbild als Frau durchaus als defizitär zu bewerten sein.

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Abb. 6: Justus van Egmont, Christina von Schweden, um 1654, Öl / LW, 119 x 88 cm, Nationalmuseum, Stockholm

Ripa beschreibt in seiner ‚Iconologia‘, einer Sammlung von Personifikationen, ihrer Darstellung und ihrer Deutung, die einem solchen Selbstbild entsprechende ‚Virtù insuperabile‘ als Kriegerin, da sie dem Laster ständig kämpferisch entgegen treten muss.32 Die Rüstung des Herrschers / der Herrscherin kann neben dem offensichtlichen militärisch-kriegerischen Aspekt somit auch das Bild des gegen Laster gerüsteten tugendhaften Fürsten alludieren – und damit auch dem Aufgabenkatalog der Minerva entsprechen. Des Weiteren bemühte Christina aber auch die für Frauen traditionelleren Rollen wie Diana und Pax, in denen sie selbst bei Hoffesten bzw. Ballettaufführungen in Stockholm auftrat.33 Ihre damit zum Ausdruck gebrachte Friedensliebe, Weisheit und Gerechtigkeit als Tugenden des Herrschers werden auch in dem Ballett Parnassus Triumphans überhöht. Der von Georg Stiernhielm verfasste Programmtext des am Neujahrstag 1651 aufgeführten Ballettes handelt „in drei Akten von der Vertreibung der Musen, dem 32 Ripa (1603), 291 / Ripa (1593), 509f. 33 1. November 1649: Der gefangene Cupido, zu ihrem Geburtstag am 8. Dezember aufgeführt, der damit als Geburt des Friedens gefeiert wird; vgl. Gustafsson (I966).

Minerva als weibliches Rollenmodell – Antikenrezeption als imitatio heroica

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Abb. 7: Paulus Pontius (nach Justus van Egmont), Christina von Schweden, 1654, Kupferstich, 400 x 308 mm

Niedergang der Künste und Wissenschaften und der Wiederherstellung des goldenen Zeitalters durch Christina in Schweden.“34 Ein ähnliches Bild ruft auch der Dichter und Dramatiker Joost van den Vondel auf: Sein Lob Christinas als 34 Friese (1981), 477.

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Kunstfreundin und Fürstin hebt auf den Vergleich mit Mäzenen der Antike, ihrer Sprachkenntnis und Sammlertätigkeit ab; sie biete „den vom Helikon vertriebenen Musen und auch Apollo an ihrem Hof eine neue Heimstatt“35, so Vondel in einem Dankgedicht an Christina, das er anlässlich des Geschenks einer Medaille mit dem Bildnis der Königin als Minerva verfasste.36 Mit dem Bild von Frieden und weiser Herrschaft fährt Vondel fort: „Diese Königin, unter der Kunst und Wissenschaften blühen, erfüllt das Ideal Platos – gerade als Gelehrte ist sie ein vollkommener Fürst.“37 Auch in der ‚peroratio‘ zielt der Dichter auf antike Ideale, indem er Christina als Schutzpatronin des neuen Athens bezeichnet und als Klimax eine Feier mit Christina als der mit dem Pallas geweihten Ölzweig gekrönten Göttin literarisch gestaltet.38 In der Verbindung von Frieden und neuem Zeitalter erscheinen Christinas Herrschertugenden denen des Augustus gleich, mit dem das Bild des Goldenen Zeitalters aufgerufen wird. Doch führt das Thema der Künste und ihrer Förderung noch eine weitere Heroisierungsfigur ein, mit der Christina verglichen bzw. der sie angeglichen wird – Minerva. Vielleicht als der Prototyp der Minerva-‚imitatio‘, verkörpert Christina von Schweden eine ebenso musische wie kämpferische ‚femme savante‘. Für diesen Typus, der bezeichnenderweise ab dem Zeitpunkt ihrer Volljährigkeit entwickelt wird, wirkten in Christinas Umfeld neben der bildenden Kunst verstärkt auch die Literatur und die Numismatik.39 Christina selbst entwarf 118 Münzen als ihre ‚Histoire Métallique‘,40 und ließ 1659 eine Münze prägen, die sie als Minerva mit einem

35 Becker (1972–73), 188. 36 Diese typische Künstlerauszeichnung betrieb Christina häufig, bei Vondel bezog sich die Ehrung auf sein Afzetel, vgl. Becker (1972–73), 187f., der auch auf die medialen Konvergenzen aufmerksam macht, indem er darlegt, wie Vondel zumeist auf Porträts der bildenden Kunst als Anregung reagierte. 37 Becker (1972–73), 189. Wie bereits angedeutet (vgl. Anm. 20), versteht insbesondere Vondel Weisheit als umfassende Tugend. Er steigert diese Gradation nochmals, indem er „Christina mit der Idee selbst [vergleicht, C. P-K], in der alle Tugenden als in ihrem Vorbild und Ausgangspunkt vereint sind“ (Becker (1972–73), 180 und 203–208). Minerva ist für eine solche additive Tugendzuschreibung eine besonders passende Referenzfigur. Der ‚idea‘-Begriff liefert auch Anknüpfungspunkte für den Paragone, da auch für die bildende Kunst die intellektuelle Vorstellung als Vorstufe und Antrieb der Bildproduktion von hoher Relevanz ist und mit den Begriffen ‚idea‘ und ‚disegno‘ auch kunsttheoretisch unterfüttert wurde. Vgl. dazu etwa Panofsky (²1960); Kemp (1974). 38 Becker (1972–73), 189. Vondel greift hier auf die im 17. Jahrhundert weit verbreitete Ableitung einer Gottesähnlichkeit aus dem monarchischen Gottesgnadentum zurück, der Begriff ‚Erdengötter‘ fasst dies besonders prägnant; dazu Berns / Druffner / Schütte / Walbe (1997). 39 Zu literarischen Beispielen der Minerva-Ikonographie vgl. Brunius (1980) und Becker (1972– 73). 40 Etabliert als panegyrisches Mittel durch Ludwig XIV. und die ‚Académie royale des inscriptions‘ verbreitete sich die Dokumentation der Ereignis- und Porträtmedaille eines Herrschers und seiner Dynastie Ende des 17. und im 18. Jahrhundert in ganz Europa; vgl. Charton (2009).

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sphinxähnlichen Löwen auf dem Helm und einem Phönix zeigt,41 der aus der Asche zur Sonne aufsteigt. Der Helm mit dem Löwenvisier rekurriert auf Alexander den Großen – und Alexander wiederum setzte sich in Abstammung zu Herkules. Diese mythologische Genealogie wurde im Falle Christinas mit einer biologischen symbolisch verknüpft, denn als Herkules wurde wiederum ihr Vater Gustav Adolf glorifiziert. Das Titelblatt von Bogislaus Philipp von Chemnitz’ Königlichen Schwedischen In Teutschland geführten Krieges42 zeigt 1653 den schwedischen König als Jupiter-Herkules mit einem Lorbeerkranz auf einem Adler im Himmel schwebend, den Blick nach oben gerichtet und seine Keule an Christina weitergebend, die hinter einem Postament steht, auf dem der Titel der Publikation von Fama oder Historia (?) geschrieben wird (Abb. 8).

Abb. 8: Bogislaus Philipp von Chemnitz: Königlichen Schwedischen In Teutschland Geführten Kriegs … Theil 2, Stockholm 1653, Titelblatt

41 Åkerman (1991), 263. 42 Von den geplanten vier Büchern sind zwei erschienen: 1648 und 1653.

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Das Löwenfell wird von den Klauen des Adlers ebenfalls auf eine Ecke des Postaments abgesetzt und unterstreicht damit die genealogische Nachfolge.43 Mit der Münze Sebastian Dadlers (Abb. 9) wird Christina in Anlehnung an einen Kupferstich von Jeremiasz Falck (Abb. 10) bereits zehn Jahre zuvor im idealisierten Porträt als Minerva gehuldigt.44

Abb. 9: Sebastian Dadler, Christina von Schweden als Friedensbringerin und Förderin von Kunst und Wissenschaft, Ø 55 mm, Silber, Avers, Dresden, SKD, Münzkabinett

Frieden, kluge Regentschaft, Kunstliebe, Stärke und Eloquenz sollen durch die Kombination der Helden- bzw. Göttervorbilder Alexander und Minerva der Herrscherrepräsentation Christinas „einverleibt“ werden.45 Dies geschieht im Kupferstich von Falck, indem ihrem Porträt die Attribute Minervas als Hinweis auf Christinas Weisheit und ihre Friedensliebe beigegeben werden und der Helm wie bei der Travani-Medaille oder anderen Prägungen ebenso die ‚imitatio heroica‘ des Alexander und durch ihn auch des Herkules mit der ‚imitatio Mi43 Auch das Frontispiz der sog. Kristinabibel, gestochen von Dirck Diricksen, zeigt Gustav Adolf als Jupiter, zentral über der Ganzfigur Christinas in der sie umgebenden Fruchtgirlande, an der Medaillons mit Tugendpersonifikationen angebracht sind. Da auch zum Zeitpunkt dieser Publikation 1646 Gustav Adolf bereits tot war, erscheint auch hier das genealogische Argument besonders stark, der Verweis auf Herkules wird hingegen auf den emblematischen Kampf des Löwen mit einer Schlange zu Füßen Christinas verlagert; vgl. Becker (1972–73), 183–186 mit weiteren literarischen Nachweisen des Herkules-Vergleichs. 44 Das Revers mit der Umschrift REPERTRIX zeigt Minerva / Christina wie sie den Ölbaum pflanzt – als Anspielung auf ihre Beteiligung am Westfälischen Frieden kurz zuvor 1648 bzw. dessen weitere Verhandlungen 1649/50 in Nürnberg und möglicherweise auch auf ihren innenpolitischen Sieg über ihren Reichskanzler Axel Oxenstierna, der zu einer hinhaltenden Verhandlungsführung geraten hatte; vgl. dazu Dethlefs (1989). 45 Siehe dazu auch Posselt-Kuhli (2015).

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Abb. 10: Jeremiasz Falck, Christina von Schweden als Minerva, Mitte des 17. Jh., Kupferstich, 346 x 223 mm

nervae‘ zusammenbindet. Der Rekurs auf die antiken Vorbilder wird medial durch die antike Bildform der Büste vermittelt, während Christina als leibhaftige Trägerin der mit diesen Modellen aufgerufenen Tugenden durch das in einem zur Statuenhaftigkeit kontrastierenden Duktus lebendig erscheinende Inkarnat, ihr Dekolleté und die Perlenkette in Erscheinung tritt. „Die physische Präsenz geht somit eindeutig von Christina aus, während sich ihr Heldenstatus über die genannten Attribute definiert – eine Simulation mit

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‚offenem Visier‘, die bewusst mit medialen Brüchen eine Inkarnation der mythologischen Götterfigur evoziert.“46

IV)

Katharina die Große – mit Minerva gezielt politische Felder besetzen

Mit einer besonders gezielten Minerva-Ikonographie umgab sich auch Katharina die Große. Bereits seit ihrer Krönung lassen sich Medaillen, Büsten, Statuen und Porträts nachweisen, die eine ‚imitatio heroica‘ Minervas zeigen. Auffällig ist an dem Bestand, dass die ‚nordische Minerva‘ ihr heroisches Vorbild gezielt für mehrere Herrschaftsbilder und Bewährungsfelder ihrer Regierung einsetzte: Krieg (besonders im Kontext des ersten russisch-türkischen Krieges 1767/71), Gesetzgebung und Kunstförderung bilden die unterschiedlichen Schwerpunkte der Minerva-Ikonographie Katharinas. Ebenso lässt sich mit ihr eine Kontinuität zu ihrem Vorgänger Peter dem Großen herstellen, etwa in der Förderung der Akademie der Wissenschaften. Bereits der Umzug in Moskau aus Anlass der Krönungsfeierlichkeiten 1763 vermittelt das heroische Element und die thematische Reichweite der Minerva-Rolle: „Das Erscheinen der Göttin Minerva und der Tugend mit ihren Weggefährten, der Wissenschaft, der Kunst, dem Gesetz und der Philosophie, wurde durch die über dem Streitwagen schwebenden Personifikationen des Ruhmes, Gloria, und des Sieges, Victoria, angekündigt“.47 Texte und Ablauf des Festzuges wurden publiziert, erhalten hat sich noch der Maskeradeschlitten mit der Minervafigur sowie eine Allegorie von Stefano Torelli, in der Katharina zwischen den Mächten des Staates (die Personifikation Russlands mit den Krönungsinsignien), der Mythologie (den Tugenden ihrer friedvollen, gerechten und weisen Herrschaft) und des Himmels (Fama, gepaart mit Insignien des ewigen Ruhmes, der Unsterblichkeit und des Sieges) eingespannt ist.48 Das allegorische Figurenprogramm des Krönungsumzuges brachte den Ruhm der Tugenden über die Laster zur Aufführung, gefolgt von Personen aus Antike und russischer Geschichte, die als Entwicklung hin zum Zeitalter der Aufklärung führten. Mit Jupiter und Astrea endete der Zug vor dem beschriebenen Erscheinen der Göttin Minerva, die als neue Astrea ein neues Goldenes Zeitalter herbeiführte. Einem anderen Akzent in der Aufführung von Herrschaft ist das 1772 entstandene Gemälde von Stefano Torelli verpflichtet, das den Sieg Katharinas über die Türken und Tartaren zum Thema macht (Abb. 11).49 Himmlische Genien, Personifika46 Posselt-Kuhli (2015), 165. 47 Vgl. Ottomayer / Tipton (1997), 134, Kat.-Nr. 69 (J. J. F.). [Das Kürzel wird nicht im Autorenregister aufgelöst.] 48 Zu Torellis Allegorie Graziani (2013), 170f. 49 Vgl. Ottomayer / Tipton (1997), 188/190, Kat.-Nr. 244 (O. A. A.). [Das Kürzel wird nicht im Autorenregister aufgelöst.]

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Abb. 11: Stefano Torelli, Allegorie auf den Sieg Katharinas II. über die Türken und Tataren, 1772, Öl / LW, 205 x 347 cm, Tretyakov Gallery, Moskau

tionen bzw. Göttergestalten (Viktoria, Friede und Fama) werden mit zeitgenössischem Personal in Rüstung kombiniert (es handelt sich um identifizierbare Ritter des Ordens vom Heiligen Georg), um die militärische Kompetenz auch in Zeiten des Friedens zu unterstreichen. Osmanische Waffen und ein Turban am Boden demonstrieren dies zwar nur abgeschwächt, die türkische Standarte in den Klauen des Adlers ist aber ein unmissverständliches Zeichen von Katharinas Eroberung. Katharina selbst thront als Minerva mit Helm, Brustharnisch und Kommandostab auf einer Art prunkvollem Streitwagen, durch ihre erhöhte Position die irdische Sphäre übersteigend. Auch das wild bewegte Tuch, das sie umfängt, greift die Wolkenstruktur auf, während am Boden keine Windbewegung festzustellen ist. Aus der himmlischen Sphäre wird ihr von Viktoria der Lorbeerkranz zuteil, dem als Siegeszeichen der Friedenslorbeer und das Füllhorn von Pax zur Seite gestellt werden. Fama posaunt Katharinas Ruhm in die Welt, der nie enden soll – so verspricht es der Schlangenring. Die Allegorie auf Katharina als Minerva und Schirmherrin der Künste, um 1770 ebenfalls von Stefano Torelli,50 bleibt hingegen ganz in der mythologisch-allegorischen Sphäre (Abb. 12). In einer antikisierten Ruinenlandschaft steht Minerva wie auf einer Bühne im Zentrum. Mit ihrer Linken weist sie auf die Putti als Verkörperungen der drei bildenden Künste, die von den Personifikationen des Friedens und der Gerechtigkeit beschirmt werden. Auf der anderen Seite bilden Chronos mit seinem Stundenglas und die schreibende Historia eine Gruppe – eine 50 Vgl. Ottomayer / Tipton (1997), 218, Kat.-Nr. 294 (O. A. A.).

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Abb. 12: Stefano Torelli, Allegorie auf Katharina II. als Minerva und Schirmherrin der Künste, um 1770, Öl / LW, 65 x 49 cm, Moskau, Staatliche Tretjakow-Galerie

durchaus übliche Kombination, um die die Zeit überdauernde Erinnerung an die Taten einer gerühmten Person zu personifizieren, was auch Fama mit ihrer Ruhmestrompete verspricht. Dass es sich unter Katharinas Herrschaft laut Aussage dieses Bildes um eine friedliche Zeit handelt, in der die Künste blühen können, macht die verschattete Figur im Vordergrund deutlich. Es ist Mars, der buch-

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stäblich an den Rand gedrängt ist und tatenlos zusieht, wie seine Waffen von einem Putto verbrannt werden. Die aus dieser Komposition entwickelte weitere Fassung von Torelli verändert die Positionen der Figuren: Minerva-Katharina ist nun nicht mehr statisch, sondern schreitet von links heran, ihr Gewand mischt antikisierendes und zeitgenössisches Kostüm, was ebenso wie ihre Bewegung eine aktivere Minerva-Inkarnation vermittelt (Abb. 13).51

Abb. 13: Stefano Torelli, Katharina II. als Minerva, Beschützerin der Künste, 318 x 207 cm, Öl / LW, 1770, St. Petersburg

51 Graziani (2013), 169. Die weiche Stofflichkeit, die allen Figuren eine besondere Grazie verleiht, sowie der Akzent auf die Künste, hebt bereits Étienne-Maurice Falconet in einem Brief 1770 an Katharina II. hervor (Graziani (2013), 172).

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Ihre Begleiterinnen sind hier wiederum Virtus und Astrea. Chronos und Klio sind zwar in die Mitte, aber auch ins Dunkel gerückt. Besonders auffällig ist die Platzierung der Personifikationen der Künste und der ihnen zugeordneten Putti, die nun als eigenständige Gruppe erhöht auf einer Art Plinthe ruhen. Nicht mehr die Glorifizierung Katharinas durch Fama wird in himmlischen Gefilden angezeigt, hier sind es nun Putti, die den Künsten Medaillen überreichen – diese dürfen wohl mit den Preismedaillen für die 1757 gegründete Akademie assoziiert werden, die Katharina förderte. Auch in der Marmorskulptur von Jean-Pierre Antoine Tassaert wird Minervas Zuständigkeitsbereich für die Künste thematisiert, thront sie doch als Erzieherin der Künste auf den Ruinen des Altertums – wiederum eine Anspielung auf ein neues Zeitalter (Abb. 14).

Abb. 14: Jean-Pierre-Antoine Tassaert, Katharina die Grosse als Minerva, 1774, Marmor, H. 113 cm, St. Petersburg, Staatliche Eremitage

Die Einschreibung der Züge Katharinas in die Minervafigur ist in diesem Fall dokumentiert durch den Auftraggeber und ehemaligen Besitzer, Alexander Sergejewitsch Stroganoff, dem Präsidenten der Petersburger Akademie der Künste. Während seines Aufenthaltes in Paris erwarb er 1774 die unvollendete

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Marmorgruppe, um sie dem ebenfalls zu diesem Zeitpunkt in Paris lebenden Tassaert zu übergeben und die Fertigstellung ‚avec la condition cependant de donner à Minerve la ressemblance de l’impératrice Catherine II‘ zu veranlassen.52 Während die beschriebenen Beispiele Katharina und Minerva in einer Person fassen und damit die ‚imitatio heroica‘ in der Physis der Zarin verorten, zeigt die Radierung von Pierre Philipp Choffard 1778 eine andere Variante der Bezugnahme. Katharina II. übergibt dem Volk, das sich ihr zu Füßen versammelt hat, die Instruktion, das Gesetzgebungswerk Katharinas (Abb. 15). Sie ist dabei auf dem Thronpodest umgeben von Gerechtigkeit, Weisheit und Vernunft, wobei gleich zwei dieser Personifikationen Minerva angeglichen sind und Katharina besonders nahestehen. Das in Paris auf Betreiben des erwähnten Kunstsammlers und Mäzens Graf Alexander Stroganoff gestochene Blatt kann aufgrund der damals in Frankreich herrschenden Zensur und dem Verbot der Instruktion als besonderer Akt der Werbung für das Gesetzeswerk der Zarin beurteilt werden.53 Dass sich bei Katharinas Verständnis von ‚imitatio heroica‘ bereits eine Art Rollenspiel manifestiert, ist aus ihren eigenen Worten zu entnehmen. In der Korrespondenz mit Voltaire, der sich über ihre heilige Namenspatronin beklagt, da er für eine angemessene Huldigung ‚Juno, Minerva, Venus oder Ceres, die auf der ganzen Welt viel besser zur Poesie passen‘54 bevorzugt, beruft sich Katharina auf die Fürsprache ihrer Patronin und entgegnet dem klassischen Herrscherlob damit auf selbstbewusst nonchalante Weise: Da ich mich aber nicht für berechtigt halte, besungen zu werden, so werde ich meinen Namen auch nicht gegen den der neidischen und eifersüchtigen Juno vertauschen; auch bin ich nicht so eingebildet, mir den Namen der Minerva anzumaßen, und den der Venus möchte ich auch nicht, denn da geht schon zu viel auf Rechnung der schönen Dame. Und Ceres bin ich nicht weniger, denn die Ernte ist in Rußland in diesem Jahr schlecht gewesen. Mein Name läßt mich wenigstens auf die Fürsprache meiner Patronin, dort wo sie ist, hoffen, und so halte ich ihn, alles in allem, für mich für den besten.55

52 Besing (1996), 96–99, Kat.-Nr. 5, bes. 97. Mythologie wird so in allegorische Fürstenverherrlichung gezielt umgewandelt, mit seltener Nennung der Intention durch den Auftraggeber und Besitzer. Stroganoff erwähnt auch eine Medaille als Vorlage, bei der es sich möglicherweise um die von Johann Georg Waechter 1762 anlässlich der Thronbesteigung geschaffene Goldmedaille handelt (Besing (1996), 97). 53 Nina Michailowa Pyrowa, in: Ottomayer / Tipton (1997), 318f., Kat.-Nr. 483. 54 Voltaire an Katharina, Brief vom 30. September 1765, zit. nach Schumann (1991), 39. 55 Katharina die Große an Voltaire, Petersburg, den 17./28. November 1765, zit. nach Schumann (1991), 41.

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Abb. 15: Pierre Philippe Choffard/Charles Monnet, Katharina II. übergibt dem Volk die Instruktion, 1778

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Noch Katharinas Enkel, Alexander und Konstantin Pavlovich, rekurrieren auf das Bild Katharinas als Minerva, indem sie in ihrem Doppelporträt von Johann Baptist Lampi 1795 in der Sitzstatue ihre Großmutter alludieren (Abb. 16).56

Abb. 16: Johann Baptist Lampi, Alexander und Konstantin Pavlovich, 1795, Öl / LW, 250 x 200 cm, Sankt Petersburg, Eremitage

Eine zusätzliche Würdigung und ehrenvolle Zuschreibung mittels heroischer Referenzfiguren enthält das Relief mit Reitern am Sockel, neben dem ein Weihrauchgefäß steht: es stellt Castor und Pollux dar. Doch nicht nur die Großmutter, auch die Enkel beziehen sich in die Heroisierung ein, sind Teil der Figuration durch Namensgleichheit. So vermittelt die Darstellung einen Bezug zu Katharinas territorialem Erweiterungsprojekt, der Niederlage der Osmanen und der Wiedereroberung von Konstantinopel. Damit verbunden war die Idee der 56 Öl/ LW, 1795, 250 x 200 cm, Sankt Petersburg, Eremitage, Inv.-Nr. GE 4487; eine Miniatur (57 x 42,3 cm) befindet sich in Pavlovsk, Palazzo Imperiale; vgl. Pancheri (2011), 296–302, Kat.-Nr. 83 und 84; Mazzocca (2001), 254, Kat.-Nr. 39 (Alessandro Casagrande).

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Aufteilung des Herrschaftsgebietes, wobei Alexander den russischen Thron und Konstantin den byzantinischen erhalten sollte.

Fazit: Minerva als vielgestaltige Referenzfigur barocker Heroisierung Es ließen sich für alle hier kursorisch vorgestellten Minerva-Ikonographien weiblicher Herrscher viele weitere Beispiele in diversen Medien finden, doch konnte hoffentlich auch diese Auswahl die Vielgestaltigkeit wie die Zielgerichtetheit des Umgangs mit der antiken Göttin zeigen. Minerva verbindet, so lässt sich zusammenfassen, geschlechterübergreifend die Sphären von Kunst und Herrschaft.57 Sie verkörpert den Aspekt der Tugend in vielfältigen Spielarten und bietet dem Herrscher wie der Herrscherin eine variantenreiche Klaviatur an inhaltlichen (Kunst, (militärische) Herrschaft, Weisheit) wie formalen Beziehungspunkten, vor allem in der Porträtangleichung oder als Assistenzfigur. Sowohl das Konzept der Tugenden als auch Versatzstücke antiker Kunst (Relief, Münze, Kostüm) integrieren der Antike entlehnte Vorstellungen und Ausdrucksformen. Die Qualitäten, die Minerva zugeschrieben wurden, konnten alle für die Heroisierung der Herrscherin genutzt werden. Sie wurden häufig kumuliert, zugleich aber auch gezielt ausgewählt für eine konkrete, auf die jeweilige politische Situation ausgerichtete, Bildaussage. Minerva verbindet damit als Modellfigur in Wort und Bild der Herrscherinnenpaneygrik ‚Typushaftigkeit‘ mit individuellen Akzentsetzungen zur Feier der Dargestellten bzw. Beschriebenen wie sie auch andere ‚femme forte‘-Ideale aufweisen.58 Doch ist sie darüber hinaus als ‚Zielfigur‘ der heroisierten Herrscherin in die Diskurse von Kunst und Krieg in direkter Konkurrenz zu männlichen Fürsten eingeschrieben und bietet der Frau somit eine ‚imitatio heroica‘ qua Person, die der in den meisten Repräsentationen an sein Geschlecht gebundene Herrscher nur vermittelt nutzen konnte. Unterschiedliche Formen der Heldenangleichung können somit an Minerva exemplifiziert werden. Inwieweit in dieser Form der Transzendierung von Geschlecht und Macht von Rechtfertigungsnarrativen oder Kompensationsintentionen gesprochen werden kann, wäre eine vielversprechende Frage, die im Verbund mit weiteren Rezeptionsformen weiblicher Helden zu diskutieren sich lohnen könnte – auch Maria Theresia wird mit männlicher Titulatur als ‚masculus Heros‘ inszeniert.

57 Zu einigen ikonographischen Aspekten und quellenkundlichen Belegen vgl. Caciorgna (2009). 58 Vgl. dazu Schlumbohm (1981), 118.

Minerva als weibliches Rollenmodell – Antikenrezeption als imitatio heroica

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Christina Posselt-Kuhli

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Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Claude Deruet, Madame de Saint-Balmon: Musée Carnavalet, Paris: https://www.pa rismuseescollections.paris.fr/fr/musee-carnavalet/oeuvres/portrait-equestre-d-alberte -barbe-d-ernecourt-dame-de-saint-balmont-1607#infos-principales (Creative Commons CC 0) [27. 07. 2020]. Abb. 2: Pierre Le Moyne, La Galerie des femmes fortes, Frontispiz: Rijksmuseum Collection, Amsterdam (Creative Commons) http://hdl.handle.net/10934/RM0001.collect.72 827 [27. 07. 2020]. Abb. 3: Gilbert de Sève, Anna von Österreich als Minerva: Bettina Baumgärtel/Silvia Neysters (Hrsg): Die Galerie der Starken Frauen. Regentinnen, Amazonen, Salondamen. Berlin 1995, S. 111. Abb. 4: Pierre Bourguignon, Anne Marie Louise von Orléans: Dowley, Francis H., „French portraits of ladies as Minerva“, in: Gazette des Beaux-Arts 45 (1955), S. 273, Fig. 4. Abb. 5: Paulus Pontius, Christina von Schweden: Rijksmuseum Collection, Amsterdam (Creative Commons) http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.165961 [27. 07. 2020]. Abb. 6: Justus van Egmont, Christina von Schweden als Minerva: Nationalmuseum, Stockholm (http://emp-web-84.zetcom.ch/eMP/eMuseumPlus?service=ExternalInterf ace&module=collection&objectId=40025&viewType=detailView) [27. 07. 2020].

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Christina Posselt-Kuhli

Abb. 7: Paulus Pontius, Christina von Schweden als Minerva: Rijksmuseum Collection, Amsterdam (Creative Commons) (http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.165 960) [27. 07. 2020]. Abb. 8: Bogislaus Philipp von Chemnitz: Königlichen Schwedischen In Teutschland Geführten Kriegs … Theil 2, Stockholm 1653 (https://books.google.de/books?id=Ryxh AAAAcAAJ&hl=de&pg=PP9#v=onepage&q&f=false). Abb. 9: Sebastian Dadler, Christina von Schweden als Friedensbringerin und Kunstförderin: © Münzkabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Fotograf: Roger Paul, Dresden. Abb. 10: Jeremiasz Falck, Christina von Schweden als Minerva: British Museum, https:// www.britishmuseum.org/collection/object/P_1928-0313-310, Creative Commons [30. 07. 2020]. Abb. 11: Stefano Torelli, Allegorie auf den Sieg Katharinas II. über die Türken und Tataren: Creative Commons: https://de.wikipedia.org/wiki/Russisch-T%C3%BCrkischer_Krieg _(1768%E2%80%931774)#/media/File:Torelli2.jpg [27. 07. 2020]. Abb. 12: Stefano Torelli, Allegorie auf Katharina II. als Minerva und Schirmherrin der Künste: Katharina die Grosse: Katalogbuch zur gleichnamigen Ausstellung der Staatlichen Museen Kassel, der Wintershall AG, Kassel, und der RAO Gazprom, Moskau, im Museum Fridericianum Kassel, 13. Dezember 1997–8. März 1998, Kat. 294, S. 217. Abb. 13: Stefano Torelli, Katharina II. als Minerva, Beschützerin der Künste: E˙rnst, Sergej R.: Stefano Torelli in Russia, in: Arte veneta 24 (1970/71), S. 179, Abb. 242. Abb. 14: Jean-Pierre-Antoine Tassaert, Katharina die Grosse als Minerva: https://www.her mitagemuseum.org/wps/wcm/connect/6ba1 f8b9-b14c-42bb-8347-115ff0b6f373/WO A_IMAGE_1.jpg?MOD=AJPERES&CACHEID=5ee6ce39-cc61-4584-a3e7-1074c720685 c [10. 08. 2020]. Abb. 15: Pierre Philippe Choffard/Charles Monnet, Katharina II. übergibt dem Volk die Instruktion: Katharina die Grosse: Katalogbuch zur gleichnamigen Ausstellung der Staatlichen Museen Kassel, der Wintershall AG, Kassel, und der RAO Gazprom, Moskau, im Museum Fridericianum Kassel, 13. Dezember 1997–8. März 1998, Kat. 483, S. 319. Abb. 16: Johann Baptist Lampi, Alexander und Konstantin Pavlovich: Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Alexandr_i_Constantin_Pavlovichi_ by_Lampi.jpg?uselang=de) [29. 07. 2020].

Marion Gymnich (Bonn)

(Pseudo-)Antike Heldinnen in der postmodernen Populärkultur – Die Fernsehserie Xena: Warrior Princess (1995–2001)1

I.

Die Serie Xena: Warrior Princess im Kontext der US-amerikanischen Fernsehlandschaft der 1990er Jahre

Jede Zeit bringt ihre eigenen – realen und fiktionalen – Heldinnen hervor; dies zeigen die im vorliegenden Band vereinten Artikel sehr deutlich. Über die historisch durchaus variablen Vorstellungen von (weiblichem) Heldentum werden gesellschaftliche Normen und Werte verhandelt, indem Heldinnen als Ausnahmeerscheinungen markiert werden, die oft eine gewisse Vorbildfunktion erfüllen oder auch einen unerreichbaren Gegenentwurf zum Alltäglichen, Normalen verkörpern. Zugleich können über die Darstellung von Heldinnen im fiktionalen Freiraum die Grenzen der in einer Gesellschaft gemeinhin akzeptierten weiblichen Geschlechterrolle neu ausgelotet werden, was letztlich auch den Status des sozialen Geschlechts (‚gender‘) als „in der symbolischen Ordnung hergestelltes, kulturelles Konstrukt“2 unterstreicht. Denn wenn die Frau zur Heldin wird, dann geht dies schon durch die Aneignung neuer Handlungsspielräume nahezu zwangsläufig mit einem Überschreiten traditioneller Geschlechterrollen einher. Gerade jene Heldinnen, die (auch) als Kriegerinnen dargestellt werden (etwa Jeanne D’Arc oder Boudicca), haben das Potential, binäre Vorstellungen von Geschlechterrollen zu unterlaufen, indem sie sich eine traditionell männlich besetzte Rolle aneignen. Eine solche, freilich unzweifelhaft fiktionale Heldin soll im Folgenden im Mittelpunkt stehen: Xena, die Kriegerprinzessin, die in der Mitte der 1990er Jahre in vieler Hinsicht eine Innovation in der US-amerikanischen Fernsehlandschaft darstellte. Will man die Besonderheiten einer solchen fiktionalen Heldin erfassen, so erweist es sich als erforderlich, die bei ihrer Darstellung zum Tragen kommenden Gattungs- und Medientraditionen zu berücksichtigen, denn erst vor diesem Hintergrund erschließt sich, was eine Figur

1 Für äußerst wertvolle Hinweise danke ich Klaus Scheunemann. 2 Seifert (1995), 274.

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Marion Gymnich

wie Xena zur Heldin macht – innerhalb der fiktionalen Geschichte, also auf der Handlungsebene, ebenso wie aus der Sicht unzähliger Fans in der ganzen Welt. Dem Fernsehen als einem Medium, das gerade in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgrund seiner enorm breiten Rezeption wie vielleicht kein anderes in der Lage zu sein schien, Konzepte und Bilder innerhalb einer Gesellschaft zu verbreiten, ist immer wieder zum Vorwurf gemacht worden, sich bei Geschlechterstereotypen zu bedienen und diese damit zugleich zu bestärken und zu perpetuieren. Diese Kritik wurde nicht zuletzt in Bezug auf die in unterschiedlichen Fernsehformaten konstruierten Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit geltend gemacht.3 Vor allem im Kontext der feministischen Fernsehwissenschaft, die sich seit den 1970er Jahren zu einem eigenständigen Zweig innerhalb der Medienwissenschaft entwickelte,4 wurde angeprangert, dass das medial dargestellte Spektrum weiblicher Rollenmuster stark eingeschränkt erscheint – und dies keineswegs nur in der Anfangsphase des Fernsehens: „Many programmes and advertisements […] showed women as either overwhelmingly domestic creatures (housewives, mothers) or as sexual prizes and accessories to men (bodies to sell products, assistants to male authority figures).“5 Es mangelte dem US-amerikanischen Fernsehen lange Zeit an weiblichen Figuren, die auch jenseits traditioneller Rollenmuster agierten. Nur vereinzelt fanden sich Serien, in denen Frauen im Mittelpunkt standen, die nicht auf die Rollen der Hausfrau und Mutter reduziert waren.6 Nach Heldinnen im klassischen Sinne, d. h. Frauen, denen „heroische Eigenschaften zugeschrieben werden, und zwar insbesondere agonale, außeralltägliche, oftmals transgressive eigene Leistungen“,7 suchte man bis in die 1990er Jahre in der Regel vergeblich – und das selbst in solchen USamerikanischen Fernsehserien, die Frauen als Hauptfiguren präsentierten.8 Nachdem schon seit den 1970er Jahren Frauenfiguren vermehrt in einem breiteren Spektrum von Rollen präsentiert worden waren, was als Reaktion auf einen sozialen Wandel unter dem Einfluss der Zweiten Frauenbewegung und 3 Vgl. etwa Charlotte Brunsdons Studie The Feminist, the Housewife, and the Soap Opera (2000), in der die Verfasserin die Auseinandersetzung der feministischen Fernsehwissenschaft mit der Gattung Soap Opera kritisch beleuchtet. 4 Einen Überblick über die feministische Fernsehwissenschaft bietet der von Brunsdon und Spigel herausgegebene Reader (2008). 5 Casey et al. (2002), 105. 6 Zu den Serien, die in diesem Kontext als wegweisend betrachtet werden, zählen The Mary Tyler Moore Show (1970–1977) und die Krimiserie Cagney and Lacey (1981–1988). So bezeichnet etwa Amanda D. Lotz (2006), 1 die Protagonistin der Mary Tyler Moore Show als „television’s original new woman“. Vgl. u. a. auch Griffiths (2005), 96. Eine ausführliche Analyse von Cagney and Lacey liefert Julie D’Acci in Defining Women. Television and the Case of Cagney and Lacey (1991). 7 Von den Hoff et al. (2013), 8. 8 Wim Tigges (2017) zählt allerdings die Protagonistin Emma Peel in der britischen Serie The Avengers (1961–1969) zu den Vorläuferinnen Xenas.

Die Fernsehserie Xena: Warrior Princess (1995–2001)

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angesichts einer immer größer werdenden Zahl berufstätiger Frauen gesehen werden kann,9 zeichneten sich in den 1990er Jahren erneut deutliche Veränderungen in der medialen Geschlechterdarstellung im US-amerikanischen Fernsehen ab. Diese sind u. a. daran festzumachen, dass in diesem Jahrzehnt die Zahl der Fernsehserien mit Frauenfiguren, die sich nicht auf das klassische weibliche Rollenmuster reduzieren lassen, weiter stieg und gleichzeitig die Darstellung einer Unabhängigkeit von männlicher Unterstützung häufiger wurde: „Many of the 1990s action dramas allowed their heroines to succeed on their own without the backhanded containment more common in the 1970s series.“10 Eine Erweiterung der dargestellten Rollenmuster allein erweist sich aber letztlich nur als begrenzt aussagekräftig, will man das progressive Potential medialer Geschlechterdarstellungen beurteilen. So muss selbst in solchen Serien, die in vieler Hinsicht unabhängig und selbstbestimmt scheinende Protagonistinnen in den Mittelpunkt stellen, kritisch hinterfragt werden, wie progressiv die Frauendarstellung tatsächlich ist. Casey et al. kommen zu folgendem Schluss: For both genders, prime-time television shows may seem more progressive than they really are. In programmes such as Ally McBeal [1997–2002; MG] and Sex and the City [1998–2004; MG], there is an emphasis on independent career-women, but these characters are rarely seen focusing on work and they continue to be obsessed by body shape, beauty, youth and men.11

Neben Frauenfiguren, die sich trotz ihrer durch Berufstätigkeit und Lebensstil zur Schau gestellten Emanzipation dennoch weiterhin maßgeblich über traditionelle Rollenerwartungen in Bezug auf Aussehen oder Beziehungen definieren, traten im US-amerikanischen Fernsehen der 1990er Jahre aber auch zunehmend weibliche Figuren in Erscheinung, die sich in ihrem Denken und Handeln als bemerkenswert unabhängig von den aufgrund ihres Geschlechts an sie gestellten Erwartungen erweisen. Zu den prominenten Beispielen für diesen neuen Frauentypus zählen die FBI-Agentin Dana Scully aus der Mystery-Serie The X-Files (1993–2002, 2016–2018) oder auch die Wissenschaftlerin und US Air Force-Offizierin Samantha Carter aus der Science Fiction-Serie Stargate SG-1 (1997– 2007). Tragen schon die beiden letztgenannten Figuren durch ihre alles andere als alltäglichen Leistungen, zu denen sie in der Konfrontation mit bedrohlichen übernatürlichen oder außerirdischen Wesen und Phänomenen motiviert werden, sehr deutlich Züge von Heldinnen, so gilt dies in wohl noch stärkerem Maße 9 Vgl. Lotz (2006), 8–9 sowie 88–89: „Television’s original new woman was the fictionalized doppelganger of women entering the workforce in the 1970s, women who chose careers made possible by second-wave activism.“ 10 Lotz (2006), 68. 11 Casey et al. (2002), 107.

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Marion Gymnich

für die Titelfigur der Serie Buffy the Vampire Slayer (1997–2003), in deren Mittelpunkt eine junge Frau steht, die vom Schicksal dazu bestimmt ist, die Welt vor Vampiren, Dämonen und anderen übernatürlichen Kreaturen zu schützen. Was Buffy Summers insbesondere von Dana Scully und Samantha Carter unterscheidet, ist die mit ihrer Bestimmung einhergehende außergewöhnliche Stärke, die sie von normalen Menschen absetzt. Durch diese ist sie – trotz ihrer zierlichen Statur – in der Lage, sich gegen übernatürliche Kräfte auch in einem physischen Kampf erfolgreich zu behaupten. Hingegen verbindet Buffy Summers und Samantha Carter die im Verlauf der Serie mehrfach unter Beweis gestellte Bereitschaft, auch das eigene Leben zu riskieren, wenn das Überleben anderer auf dem Spiel steht.12 Wie die bisher genannten Beispiele für Heldinnen im Fernsehen seit den 1990er Jahren bereits andeuten, ist die Wahrscheinlichkeit, prototypische Heldinnen zu finden, in solchen Serien, die auf Elemente der Gattungen Fantasy/ Horror und/oder Science Fiction zurückgreifen, tendenziell besonders hoch – wohl schon deshalb, weil die Konventionen dieser Gattungen besonders viel Raum für die Darstellung außeralltäglicher, transgressiver Leistungen bieten. Außerdem haben gerade diese Genres in den 1990er Jahren recht häufig die gattungsspezifischen Möglichkeiten genutzt, um den Konstruktcharakter von Geschlechterrollen offenzulegen.13 Bereits zwei Jahre vor Buffy Summers hielt im US-amerikanischen Fernsehen eine weitere weibliche Figur Einzug, die in prototypischer Weise Charakteristika einer Heldin in sich vereint: die Befähigung zu außergewöhnlichen Leistungen, eine enorme Opferbereitschaft, eine charismatische Ausstrahlung sowie das Potential, entscheidende Veränderungen zum Besseren innerhalb ihrer Welt herbeizuführen.14 In der ersten Staffel der Serie Hercules: The Legendary Journeys (1995–1999), die um die Abenteuer des aus der antiken Mythologie bekannten Helden und Halbgottes sowie seines Freundes Iolaus kreist, wurde mit der Kriegerin Xena eine Figur eingeführt, die beim Publikum auf so große Resonanz stieß, dass sie bald darauf ihre eigene Serie erhielt. Die auch international äußerst erfolgreiche Fernsehserie Xena: Warrior Princess (1995–2001), die sechs Staffeln mit insgesamt 134 Episoden umfasst, greift die grundlegende Struktur der Serie Hercules: The Legendary Journeys auf, modifiziert diese aber insofern, als im 12 Auch in Bezug auf Buffy lässt sich freilich kritisch anmerken, dass in der Auseinandersetzung der Titelfigur mit ihrem Aussehen und mit romantischen Beziehungen immer wieder traditionelle Rollenmuster aufscheinen. 13 Beispiele hierfür liefern Allrath/Gymnich (2006), 250–252 sowie Gymnich/Scheunemann (2010). 14 Von den Hoff et al. (2013), 8 folgend wird hier davon ausgegangen, dass die Attribute von Helden und Heldinnen sich nicht im Sinne eines Satzes fester Merkmale beschreiben lassen, sondern vielmehr durch das Konzept von ‚Familienähnlichkeiten‘ (sensu Wittgenstein) adäquat erfasst werden können.

Die Fernsehserie Xena: Warrior Princess (1995–2001)

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Spin-off mit Xena und ihrer Freundin Gabrielle zwei Frauen im Mittelpunkt stehen, die – analog zu Hercules und Iolaus – gemeinsam gefährliche Abenteuer erleben und immer wieder aus dem Kampf gegen vermeintlich übermächtige Gegner siegreich hervorgehen. Zwar findet sich in der Serie auch eine Reihe wiederkehrender männlicher Figuren; diese spielen aber schon quantitativ im Vergleich zu den beiden Protagonistinnen eine eher unbedeutende Rolle.15

II.

Eine Welt, geschaffen für Heldinnen? – Das postmoderne Spiel mit Darstellungsverfahren, Schauplätzen und Gattungskonventionen in Xena: Warrior Princess

Wie schon Hercules: The Legendary Journeys ist auch Xena: Warrior Princess in einer pseudo-antiken Welt angesiedelt, die wenig mit einer auch nur annähernd historisch plausiblen Darstellung der Antike zu tun hat. Anstelle illusionsbildender Strategien setzt die Serie durchgängig auf offenkundige Anachronismen und stellt häufig Bezüge zur amerikanischen Gegenwartskultur her. So parodiert etwa die Episode „Here She Comes…Miss Amphipolis“ (Staffel 2) die Konventionen amerikanischer Schönheitswettbewerbe, und „A Tale of Two Muses“ (Staffel 4) liefert ironische Kommentare zur religiösen Doppelmoral im sogenannten ‚Bible Belt‘ in den amerikanischen Südstaaten.16 Für die Serie sind ferner Anachronismen auf sprachlicher Ebene kennzeichnend. Anders als in manchen 15 Während die beiden Hauptdarstellerinnen Lucy Lawless (Xena) und Rennée O’Connor (Gabrielle) in allen 134 Episoden der Serie zu sehen sind, wirkten selbst die beiden wichtigsten männlichen Nebendarsteller – Ted Raimi (Joxer) und Kevin Smith (Ares) – nur in 43 Episoden (Raimi) bzw. 32 Episoden (Smith) mit. Dies ist insofern besonders bemerkenswert, als nicht nur das Abenteuergenre lange Zeit sehr stark durch aktive männliche Figuren dominiert wurde, sondern auch die US-amerikanische Fernsehlandschaft insgesamt. Vgl. hierzu Griffiths (2005), 95: „Content analysis, the empirical logging of pre-determined categories, such as the numbers and demographic characteristics of male and female characters in a television series, was extremely popular in the US in the 1970s, and countless quantitative studies were offered as empirical proof of commercial television’s sexism. Researchers argued that since the launch of television, women had been outnumbered by men on television by two to one, and that within a few years of television’s launch, 68 per cent of characters on prime-time television were men […].“ 16 Vgl. Jones (2000), 404–405: „XWP [Xena: Warrior Princess] habitually plays fast and loose with history, plundering the canon and interweaving revamped historical events and figures with others borrowed from mythology, literature, and twentieth-century popular culture. In the series’ carnivalesque diegetic world, vampirical Bacchae dressed in lesbian S&M chic dance to hip-hop in a barbarian-retro nightclub; Aries [sic] is a pouting bad-boy in black leather; a beauty contest advertised as ‚Miss Known World‘ is won by a transvestite called ‚Miss Artiphys‘; Xena enables David to defeat Goliath, sides with Boudicca against the invading Roman army, pulls Excalibur from its stone just because she can, and then puts it back.“

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Fernsehserien neueren Datums wie Vikings (2013–2020) oder Game of Thrones (2011–2019) verwenden die Figuren in Xena in der Regel keine archaisierende Sprache; vielmehr orientiert sich die Serie weitgehend an der amerikanischen Gegenwartssprache und beinhaltet darüber hinaus zahlreiche Kolloquialismen, die in der antiken Welt fehl am Platz scheinen. Dass eine der beiden Hauptfiguren den Namen ‚Gabrielle‘ trägt, ist ein zusätzlicher Indikator dafür, dass Sprache in der Serie sicherlich nicht primär dem illusionsbildenden Evozieren einer antiken Welt dient. Anachronismen finden sich auch wiederholt auf der Ebene des Soundtracks, z. B. in der Episode „Girls Just Wanna Have Fun“ (Staffel 2), in der während eines Festes zu Ehren des Gottes Bacchus ein Lied aufgeführt wird, das hinsichtlich Rhythmus, Melodie und Instrumentierung sehr deutlich an den Ethno-Pop des späten 20. Jahrhunderts erinnert. Die Tatsache, dass Anachronismen wirkungsästhetisch eine zentrale Rolle spielen, ist auch für die Konzeption der beiden weiblichen Hauptfiguren relevant. Deren Einstellungen, Werte, Denken und Handeln – gerade auch in Bezug auf Geschlechterrollen – sind offensichtlich in vieler Hinsicht durch die Welt des ausgehenden 20. Jahrhunderts geprägt. Die auffälligen Anachronismen, welche die Darstellung der Welt in Xena: Warrior Princess auf allen Ebenen prägen, legen letztlich auch eine Verbindung von antiken Vorstellungen von Heldentum (insbesondere in Gestalt von mythologischen, oft gegen übernatürliche Gegner kämpfenden Heldenfiguren wie etwa Hercules oder Odysseus) mit Möglichkeiten zu weiblicher Selbstbestimmung nahe, wie sie die Welt des ausgehenden 20. Jahrhunderts bot. Die beiden Heldinnen Xena und Gabrielle scheinen durch die postmoderne Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in Bezug auf den ihnen zur Verfügung stehenden Handlungsspielraum gleichsam ‚the best of both worlds‘ für sich zu nutzen. Das Leben der beiden Hauptfiguren ist durch ein hohes Maß an räumlicher Mobilität geprägt, ziehen sie doch nahezu unablässig umher. Während zunächst vor allem das antike Griechenland als Schauplatz der Abenteuer der beiden Protagonistinnen dient, weitet sich der Radius der Serie im Verlauf der sechs Staffeln immer mehr aus. Rom, die britischen Inseln, Skandinavien, Nordafrika, Indien und China zählen zu den Schauplätzen, die in den späteren Staffeln eingeführt werden.17 In der die Serie abschließenden Doppelfolge („A Friend in 17 Da Xena: Warrior Princess vollständig in Neuseeland gedreht wurde, zeigt die Serie oft spektakuläre Landschaften. Diese verstärken aber zusätzlich den Eindruck, dass eine Fantasy-Welt dargestellt wird und eben nicht das antike Europa oder Asien. Vgl. hierzu Skelton (2008), 48: „[…] the distinctiveness of XWP’s [Xena: Warrior Princess] mise en scène owes a lot to its use of the New Zealand landscape. […] In earlier seasons the recognisable New Zealand North Island terrain and the wild beaches west of Auckland contribute substantially to the construction of XWP’s version of ‚Ancient Greece‘. The benign and lushly green televisual representation of the countryside suggests a relatively tame and domesticated

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Need I & II“, Staffel 6) führt die beiden Hauptfiguren ihr Weg schließlich sogar nach Japan. Das breite Spektrum von Handlungsorten bietet Xena: Warrior Princess die Möglichkeit, sich bei einer Fülle verschiedener Mythologien zu bedienen, die in der Welt der Serie unvermittelt nebeneinander existieren. Diese Mythologien beinhalten eine Vielzahl von Göttern und Monstern und bieten diverse Möglichkeiten, übernatürliche Phänomene in die Handlung zu integrieren. Eine fiktionale Welt, die sich aus Versatzstücken zahlreicher Mythologien konstituiert, ist ein geradezu ideales Umfeld für Abenteuer, in denen sich die Hauptfigur Xena im Kampf gegen übernatürliche Wesen und Monster, aber auch im Vergleich mit Heroen wie Herkules oder Odysseus immer wieder als Heldin erweist, indem sie ihre physische Überlegenheit, aber auch ihre moralische Integrität, ihr Charisma und ihre Opferbereitschaft unter Beweis stellt.18 Die für die Serie kennzeichnenden Anachronismen haben aber auch zur Folge, dass sich immer wieder Anspielungen auf Texte identifizieren lassen, die nichts mit der Antike zu tun haben. So finden sich Verweise auf zahlreiche Filme (beispielsweise in der Episode „The Dirty Half Dozen“, Staffel 3) sowie auf ein breites Spektrum literarischer Texte aus unterschiedlichen Epochen, darunter Charles Dickens’ A Christmas Carol („A Solstice Carol“, Staffel 2) und verschiedene Werke William Shakespeares,19 aber auch Märchen (z. B. „If the Shoe Fits“, Staffel 4). Mit diesen breit gestreuten intermedialen Referenzen werden oft auch spezifische Konventionen der Geschlechterdarstellung aufgerufen, so etwa die der Märchenprinzessin, und in der Regel im Sinne eines ‚Writing Back‘ ad absurdum geführt. Die Episode „The Xena Scrolls“ (Staffel 2), die im Jahr 1940 angesiedelt ist, spielt durch Handlung, Figurenkonstellation und Figurendarstellung sehr deutlich auf die Indiana Jones-Filme an, die sicherlich als prototypische Beispiele des (traditionell männlich dominierten) Abenteuerfilms einArcadian landscape on the margins of a dangerous coast. This hints at the exciting und unpredictable world beyond. Over the seasons XWP gradually makes use of more diverse terrains around New Zealand; and in later seasons, increasing expertise with developing technology led to New Zealand landscapes being fragmented, re-assembled and technologically enhanced to suggest other countries.“ 18 Im Verlauf der Serie wird immer wieder auf historische Figuren (u. a. Caesar, Kleopatra) und mythologische Figuren (z. B. Pandora, Prometheus, Paris und Helena, Odysseus) zurückgegriffen, der Umgang mit diesen ist aber stets sehr frei. Das postmoderne intertextuelle Spiel mit bekannten Stoffen und Figuren vermag sicherlich zum Reiz der Serie beizutragen. Vgl. Jones (2000), 408: „In almost every episode, well-known historical and/or mythological figures and events are reworked, and it is these intertextual references above all that inspire fans to extend their interest far beyond the boundaries of the diegesis. The fan-written articles published in the fan-produced e-journal Whoosh! […] evidence a wide range of interests inspired and drawn together by the series.“ 19 Besonders prominent sind die Bezüge zu Shakespeare in der Episode „Antony and Cleopatra“ (Staffel 5), mit der sich Wim Tigges in seinem Artikel aus dem Jahr 2010 ausführlich beschäftigt.

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geschätzt werden können. Die Episode ruft zahlreiche Konventionen des Genres auf und setzt dabei zugleich einen feministisch-revisionistischen Akzent, tritt doch z. B. die Gabrielle-Darstellerin Rennée O’Connor nicht etwa als ‚damsel-indistress‘ auf, sondern als weibliches Pendant zu Indiana Jones, wie ihr Verhalten und die für Indiana Jones typischen Attribute Hut und Peitsche erkennen lassen.

III.

Die visuelle Darstellung der Heldin als überlegener Kämpferin

Xena verkörpert jenen Typus von Heldin, der sich in sehr starkem Maße über physische Stärke und außergewöhnliche Kampfkünste definiert. Folglich bilden Kampfszenen eines der konstitutiven Elemente der Serie. Zu Xenas Stilisierung als ikonischer, wiedererkennbarer Heldin trägt bei, dass sie nicht nur mit dem Schwert kämpft, sondern auch mit einer ungewöhnlichen, runden Waffe, dem Chakram, die ihr als Markenzeichen dient und die Individualität ihres Kampfstils unterstreicht.20 Die Bedeutung von Kampfszenen und mehr noch die spezifische Art und Weise, in der diese inszeniert werden, verweist auf den starken Einfluss der asiatischen Tradition des Wuxia-Films auf die Serie.21 Insbesondere der für Xena typische Kampfstil ist sehr deutlich den für dieses Genre typischen Kampfsequenzen nachempfunden. Wie Lauren Steimer in ihrem Artikel „From Wuxia to Xena“ aufzeigt, war die Idee für die Serie seitens der Produzenten von Beginn an mit dem Bestreben verknüpft, die Wuxia-Tradition aufzugreifen: […] the program was given funding based on proposed content that would mimic Hong Kong action sequences and their desired spectatorial effects on a smaller scale and lower budget. Tapert and Raimi pitched and sold Xena not on the basis of narrative content but rather with recourse to Hong Kong body spectacles. […] The Hong Kong wuxia model was adopted by Xena’s creators and by the company funding the show because both groups felt that the stylized spectacle would attract audiences and enable the production to save money on visual effects, which was not the case in the long term. 20 Laut Zeiler (2014), 232 finden sich Vorbilder für diese Waffe in der indischen Mythologie: „The Chakra is considered a very potent weapon in Hindu mythology and is especially connected to the god Vishnu.“ 21 „The wuxia film is the oldest genre in the Chinese cinema that has remained popular to the present day. […] Used to refer to a type of film in the Chinese cinema since the late 1920s, wuxia is today an accepted and established nomenclature. However, there is no satisfactory English translation of the term, and though it is often identified as ‚the swordplay film‘ in critical studies, such a marker of wuxia offers only a partial definition and is therefore deficient in furthering understanding of the genre. […] Wuxia is derived from the Chinese words wu denoting militaristic or martial qualities, and xia denoting chivalry, gallantry, qualities of knighthood and heroism. It was originally coined by the Japanese as a neologism in the late Meiji period at the turn of the twentieth century.“ (Teo (2009), 1–2) Die international bislang wohl erfolgreichsten Wuxia-Filme sind Crouching Tiger, Hidden Dragon (2000) und Hero (2002).

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After the show was picked up for syndication, producers Tapert, Raimi, and Liz Friedman, as well as action consultant David Pollison, consistently delivered new-wuxia mix tapes to the show’s directors so as to model the series precisely on Hong Kong action sequences from the following films: Chinese Ghost Story (dir. Ching Siu-Tung, 1987); Bride with White Hair, Swordsman II, Swordsman III, Heroic Trio, and Once upon a Time in China (dir. Tsui Hark, 1991); Fong Sai Yuk (dir. Corey Yuen Kwai, 1993); and Ashes of Time (dir. Wong Kar Wai, 1994).22

Die exzessive mediale Inszenierung ihrer Kampftechniken, die von den Konventionen des Wuxia-Films inspiriert wurden, betont Xenas Status als außergewöhnlicher Kämpferin und als Heldin: There are hyperbolic sound effects and visual techniques. For example, when Xena throws her special weapon, the chakram, it is accompanied by a loud whoosh, and often a small camera mounted behind it follows its trajectory with a close-up shot. There are also extraordinary displays of athleticism and prowess, such as Xena doing backward jumps, flips, and spirals vertically into the air […].23

Die audiovisuelle Darstellung der Außergewöhnlichkeit der Heldin in Form „eine[r] stark auf Außenwirkung gerichtete[n] Performativität“24 basiert also u. a. auf dem Einsatz verschiedener Techniken und Stunts, welche realistischen Konventionen zuwiderlaufen. Aber nicht nur in Bezug auf die Kampfästhetik ist Xena: Warrior Princess dem Wuxia-Film verpflichtet; dessen Einfluss manifestiert sich auch in weiteren Merkmalen, die für dieses Genre – wie auch schon für dessen literarische Ursprünge – charakteristisch sind, so etwa in „revenge motifs and the conflicted swordsman’s search for salvation in a world plagued by warlords and dangerous mythological creatures.“25 Insbesondere die Doppelfolge „The Debt I & II“ (Staffel 3) lässt sich geradezu als Hommage an das Filmgenre interpretieren, denn deren Handlung ist in China angesiedelt und beinhaltet u. a. die ‚fliegenden‘ Kämpfer und farbenprächtigen Kostüme, die aus dem Wuxia-Film bekannt sind. Bezüglich der Schauplätze weist die Serie ebenfalls deutliche Parallelen mit dem Wuxia-Film auf.26 Gleichwohl wurde von der neuseeländischen Crew für Xena: Warrior Princess eine eigenständige, wiedererkennbare Ästhetik entwickelt, die an den Wuxia-Film angelehnt ist, diesen aber nicht einfach kopiert.27 22 23 24 25 26

Steimer (2009), 369. Morreale (1998), 82. Von den Hoff et al. (2013), 11. Steimer (2009), 370. Vgl. Teo (2009), 6: „The settings of wuxia films are now regarded as almost exclusively historical or mythical, reinforcing the Mandarin cinema’s tendency to invoke ancient China more naturally and successfully. One reason for the ancient settings […] is to accentuate the qualities of myth and magic.“ 27 Vgl. hierzu im Einzelnen den äußerst informativen Artikel von Steimer (2009).

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Im Verlauf der Serie kommen durchgängig zwei dominante, vom Wuxia-Film inspirierte Kampfchoreographien zum Einsatz, die gleichermaßen dazu dienen, Xenas Überlegenheit, ihren Status als Heldin, zu unterstreichen. Dies ist zum einen der Zweikampf, in dem die Protagonistin einem einzelnen, außerordentlich starken und oft zudem mit übernatürlichen Kräften ausgestatteten Gegner gegenübertritt, und zum anderen der Kampf gegen eine größere Gruppe von Gegnern, die meist wenig individualisiert bleiben. Bei Letzteren handelt es sich in der Regel um Männer (Soldaten, Barbaren etc.), bei den Einzelgegnern hingegen oft um Frauen. Während westliche Genres, die auf das physische Austragen von Konflikten ausgerichtet sind, traditionell zumeist männliche Helden und Gegner in den Mittelpunkt stellen, sieht dies im Wuxia-Film anders aus: „The wuxia (martial hero) film was traditionally cast with female actors. The preference of male actors for theater over the degraded art of cinema led to an increase in films with female stars portraying female martial heroes, or nüxia […].“28 Xena: Warrior Princess knüpft also an eine filmische Tradition der Darstellung starker Frauenfiguren an.29 Wenn, wie dies beispielsweise in der Episode „When in Rome…“ (Staffel 3) der Fall ist, eine Kampfszene mit dem Gesang eines bulgarischen Frauenchors unterlegt wird, der im Verlauf der Serie immer wieder zum Einsatz kommt, unterstützt auch die Gestaltung des Soundtracks – durch die Präsenz weiblicher Stimmen – die Fokussierung auf das Geschlecht der Heldin und privilegiert den weiblichen Standpunkt. Wenngleich Xena: Warrior Princess hinsichtlich der Handlung, der Figurenkonzeption und auch der visuellen Ästhetik sehr deutlich in der Tradition der Abenteuerserie und des Wuxia-Films steht, unterscheidet sich die Serie doch von diesen Genres durch den vergleichsweise großen Raum, der immer wieder den Emotionen der beiden Hauptfiguren sowie der Entwicklung ihrer Beziehung gegeben wird. Dies lässt die Hypothese zu, dass in der Serie Konventionen traditionell männlich konnotierter Genres mit Elementen der Soap Opera und des Melodramas verknüpft werden. Zu diesem Schluss gelangt auch Anne Currier Sweet: A ‚hybrid narrative‘ that combines action with soap-opera narrative and melodrama, Xena: Warrior Princess is not a typical action program in which the only point is to see the hero annihilate the ‚bad guy‘ at the end; the characters grow and change overtime as the series explores themes of love, friendship, heroism, and good and evil.30

Damit greift die Serie auf Merkmale solcher Gattungen zurück, die in der Regel als „woman-centred narratives“ bzw. „ ‚ gynocentric‘ genres“ kategorisiert wer28 Steimer (2009), 366. 29 Vgl. auch Pomeroy (2010 [2008]), 113: „Xena replaces the male warrior hero by a female princess from Hong Kong’s Wuxia tradition […].“ 30 Sweet (2007), 88.

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den.31 Die Akzentuierung der emotionalen Dimension der Figurendarstellung neben action-zentrierten Szenen unterstreicht die generelle Tendenz von Xena: Warrior Princess, sehr unterschiedliche Interessen auf Seiten des Publikums zu befriedigen und potentiell auch verschiedene Zuschauergruppen anzusprechen.32 Wenn die Rolle als Kriegerin/Heldin auch Xenas Leben dominiert, lässt sie sich nicht darauf reduzieren; zu den weiteren Rollen, die Xena prägen, gehören die der Freundin (insbesondere in Bezug auf Gabrielle, aber auch in Relation zu anderen Figuren), der Geliebten, der Tochter und sogar der Mutter. In der ersten Episode der zweiten Staffel („Orphan of War“) wird offengelegt, dass Xena einen neunjährigen Sohn hat, der bei den Zentauren aufgewachsen ist und seiner Mutter sehr feindselig begegnet, weil er (irrtümlich) glaubt, dass Xena seinen Vater getötet habe. In der Episode äußert die Protagonistin sehr explizit ihre Muttergefühle: „ ‚ […] a lot of people think that giving birth ends when a baby takes its first free breath. It’s not true. My son has grown inside of me every day, stronger and stronger. I can try to deny it, but I can never ignore it.‘ “ (0:10:32– 0:10:50) Dies unterstreicht, dass die Identität der Protagonistin durch verschiedene Rollen beeinflusst ist, was einer Stereotypisierung der Figur entgegenwirkt. Im Verlauf der Serie finden sich zudem wiederholt Episoden, in denen Xena in eine für die Kriegerin ungewöhnliche Rolle schlüpft, was es ermöglicht, den Konstruktcharakter von Geschlechterrollen zu betonen. So nimmt sie in „Here She Comes…Miss Amphipolis“ (Staffel 2) an einem Schönheitswettbewerb teil, um die anderen Teilnehmerinnen vor Anschlägen zu schützen. Ein solcher Rahmen bietet vielfältige Möglichkeiten, Weiblichkeit als Ergebnis performativer Akte darzustellen.33 31 Kuhn (2000 [1984]), 437. 32 Vgl. Nelson (2007/2008), Paragraph 02: „The show has borrowed from Hercules an audience of boys and men and added to it the young girls, mothers, and professional women, which are rarely included in any fantasy show audience, especially to this extreme.“ 33 Vgl. zum Wirkungspotential solcher Episoden Jones (2005), 111: „Comedy episodes such as ‚Warrior…Princess‘ and ‚Here She Comes, Miss Amphipolis‘ emphasise Xena’s inability to successfully perform femininity – failures that campily foreground a notion of gender itself as a cultural performance.“ Der Begriff ‚Camp‘ wird in der Auseinandersetzung mit der Geschlechterdarstellung in Xena: Warrior Princess oft verwendet. Camp lässt sich definieren als „a queer aesthetic that uses cross-dressing, humor, and masquerade to show the artificiality of gender as performance“ (Sweet (2007), 87). Vgl. auch Morreale (1998), 81: „One way to read Xena as a feminist text is to examine it as an instance of feminist camp that parodies gender roles through masquerade. Often the plot calls for Xena to disguise herself as a traditional woman in order to defeat the villain. In so doing, the masquerade allows Xena to subvert female stereotypes by highlighting their constructed nature.“ Morreale liefert eine Analyse der Episode „Here She Comes…Miss Amphipolis“. Darin weist sie u.a darauf hin, dass das Offenlegen des Konstruktcharakters von Geschlechterrollen auch durch eine weitere Figur unterstrichen wird: „The constructed nature of gender representations is also highlighted when Xena crosses paths with another contestant, the appropriately named Miss Artyphys,

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IV.

‚In a time of ancient gods, warlords, and kings…‘ – Strategien der Heroisierung in Xena

Zur Konstruktion der Titelfigur als Heldin, die zu außergewöhnlichen Leistungen in der Lage ist, trägt in Xena: Warrior Princess u. a. die durchgängig zum Einsatz kommende heroisierende Rhetorik bei. Schon der Vorspann erinnert die Zuschauer und Zuschauerinnen mit der folgenden Voiceover-Sequenz regelmäßig daran, dass kein Zweifel an Xenas Heldentum bestehen kann: „In a time of ancient gods, warlords, and kings, a land in turmoil cried out for a hero. She was Xena, a mighty princess, forged in the heat of battle. The power. The passion. The danger. Her courage would change the world.“ In dieser durch dramatische Musik unterlegten Kurzcharakterisierung der Titelfigur und ihrer Welt wird bereits betont, dass Xena einen Typus von Heldin verkörpert, der sich durch eine starke Betonung der physischen Aspekte auszeichnet, die im Kampf gegen mächtige Gegner zum Einsatz kommen. Wie oben bereits erwähnt, muss sich Xena im Verlauf der Serie immer wieder gegen Gegner bewähren, die entweder zahlenmäßig oder aufgrund ihrer übernatürlichen Fähigkeiten („ancient gods“) überlegen scheinen. Die Heldin bleibt durch ihre körperliche Stärke, ihre athletischen Fähigkeiten, ihre Erfahrung im Kampf und auch ihre Intelligenz stets siegreich. Außerdem wird ihr schon im Vorspann prospektiv das Potential zugesprochen, die Welt zu verändern – ein weiteres Merkmal ihres Heldentums. Im Verlauf der Serie bestätigen unterschiedliche Figuren durch verbale Äußerungen wie auch durch ihre Reaktionen auf Xena immer wieder, dass es sich bei der Kriegerin um eine Heldin handelt, die bei anderen Respekt und Bewunderung auslöst, die eine „charismatische Wirkung“34 besitzt und der ihr Ruf vorauseilt. Auch die Tatsache, dass auf Xena als ‚warrior princess‘ Bezug genommen wird, obwohl sie keineswegs adliger Herkunft ist, unterstreicht, dass sie eine Heldin ist; der Titel ‚warrior princess‘ ist kein vererbter, sondern, so suggeriert die Serie, ein durch außergewöhnliche Taten erworbener.35 played by real life drag queen and gay rights activist Karen Dior (aka Geoff Gann).“ (Morreale (1998), 84) 34 Von den Hoff et al. (2013), 8. 35 Die Tatsache, dass Xena als ‚princess‘ bezeichnet wird, ist aus feministischer Perspektive allerdings mitunter sehr kritisch gesehen worden. Vgl. Morreale (1998), 80: „ ‚ Warrior‘ suggests her masculine side, but even though Xena is a mature woman, older and wiser than her sidekick Gabrielle, she is referred to as a ‚princess.‘ This diminution from queen to princess, an attempt to reduce frisson, defines her as stereotypically, even excessively feminine.“ Ähnlich argumentiert Magoulick (2006), 744: „Probably in order to keep her appealing to men, Xena is named ‚warrior princess.‘ Princess is a diminutive, less powerful, less threatening, and very feminine kind of female leader as opposed to ‚queen,‘ the title one might expect for someone of Xena’s stature, accomplishments, and position in her world. We learn early in the series that she has been linked with various men and even has a ten-year-old child

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Was für Xenas Status als Heldin neben physischer Stärke und Erfahrung im Kampf ebenso entscheidend ist, ist ihr überzeugter Einsatz für das Gute, bei dem sie auch vor höchsten persönlichen Opfern nicht zurückscheut. Für die Konzeption der Figur ist dabei wichtig, dass sie eine dunkle Vorgeschichte besitzt, gehörte sie doch früher selbst zu jenen Kriegsherren, gegen die sie nun kämpft. Sie führte eine Armee an, plünderte Dörfer und nahm in Kauf, Unschuldige zu töten. Auf diese Vorgeschichte der Figur, die in der Serie Hercules: The Legendary Journeys erzählt wird, wird auch im Verlauf von Xena: Warrior Princess immer wieder Bezug genommen. Xena ist folglich als komplexe Figur angelegt, die zunächst ihre dunkle Seite besiegen musste, um zur Heldin zu werden. Sie fühlt sich nicht zuletzt aufgrund von Schuldgefühlen zum Kampf für das Gute verpflichtet. Der Figur wird wiederholt vor Augen geführt, dass ein völliger Verzicht auf Gewalt keine Alternative darstellt. Zu Beginn der ersten Episode der Serie („Sins of the Past“) etwa legt die Protagonistin ihre Waffen und ihre Rüstung ab, da sie entschlossen ist, nicht mehr zu kämpfen. Als sie jedoch unmittelbar darauf beobachtet, wie eine Gruppe von Frauen gefangen genommen wird, um sie zu versklaven, greift sie ein und rettet die Frauen. In derselben Episode schützt Xena ihren Heimatort Amphipolis vor einer Bedrohung. So erkennt sie, dass sie durch den Kampf für das Gute mehr bewirken kann als durch einen Verzicht auf den Einsatz ihrer Fähigkeiten. Ein kämpferisches Heldentum wird damit bejaht. In einer der vielen experimentellen Episoden der Serie, der alternative realityGeschichte „Remember Nothing“ (Staffel 2), wird das der Serie inhärente Konzept, dass ein kriegerisches Heldentum zum Wohl der Welt eingesetzt werden kann, nachdrücklich unterstrichen: Die drei Schicksalsgöttinnen erschaffen auf Xenas Wunsch eine alternative Wirklichkeit, in der Xena nie zur Kriegerin – aber damit auch nie zur Heldin – geworden ist. Die Titelfigur, die aufgrund ihrer dunklen Vergangenheit unter Schuldgefühlen leidet, ist zunächst höchst erfreut über diese Veränderung, muss aber bald feststellen, dass in dieser Version der hidden away. Thus there is little reason for Xena to be named ‚princess,‘ except to appeal to male fantasies as more demurely maiden-like, less threatening, or less powerful (and thus more sexually available).“ Auch wenn diese Kritik vielleicht auf den ersten Blick auf der Hand zu liegen scheint, kann der Darstellung einer ‚Prinzessin‘ wie Xena durchaus auch ein subversives Potential zugeschrieben werden, denn die Figur hat denkbar wenig mit den prototypischen Märchen- und Disney-Prinzessinnen gemeinsam, die gesellschaftliche Vorstellungen maßgeblich geprägt haben, wie nicht zuletzt auch die von Morreale und Magoulick geäußerte Kritik durchscheinen lässt: Warum sonst sollten Prinzessinnen per se „stereotypically, even excessively feminine“ sein? Für eine subversive Interpretation der Tatsache, dass Xena als ‚princess‘ bezeichnet wird, spricht auch, dass die Xena-Darstellerin Lucy Lawless in den Episoden „Warrior…Princess“ (Staffel 1) und „Warrior…Princess…Tramp“ (Staffel 2) nicht nur als kampferprobte Kriegerin auftritt, sondern auch in der Rolle ihrer Doppelgängerin, der „very feminine and girly Princess Diana“ (Sweet (2007), 92). Diese Episoden zeigen sehr deutlich, dass die Warrior Princess sicherlich nicht gängigen Weiblichkeitsstereotypen entspricht.

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Realität zwar ihr Bruder noch lebt, dafür aber ihre Mutter getötet wurde und außerdem Gabrielle ein Leben als Sklavin führt.36 Dass bei Xenas Wandel von einer Kriegsherrin zur Heldin der mythologische Held Herkules als Vorbild und Mentor gedient hat, wird mitunter als Faktor angeführt, der Xenas Unabhängigkeit – und damit auch ihren Status als Heldin – potentiell relativiert.37 Dem ist allerdings entgegen zu halten, dass verschiedene Mentorinnen gleichfalls eine prägende Rolle für Xena gespielt haben.38 Außerdem ist die Beziehung zu Gabrielle unzweifelhaft von besonderer Bedeutung für Xenas Entwicklung und steht im Zentrum der Serie, während der Einfluss von Herkules zur Vorgeschichte gehört und den Zuschauerinnen und Zuschauern in Xena: Warrior Princess nur in vereinzelten Crossover-Episoden mit Hercules: The Legendary Journeys in Erinnerung gerufen wird.39 Zur Konturierung der innerhalb der Serie konstruierten Vorstellungen von weiblichem Heldentum tragen schließlich auch die Korrespondenz- und Kontrastrelationen zu zahlreichen weiteren – zumeist männlichen – Heroen bei. Zum Universum der Serie gehören neben übernatürlichen Kreaturen diverse mythologische Helden, was die Zuschauer und Zuschauerinnen zu einem Vergleich einlädt. Dabei fällt auf, dass Xena ihnen nicht nur ebenbürtig ist, sondern von ihnen in der Regel auch als gleichberechtigte Partnerin im Kampf gegen das Böse akzeptiert wird. Zudem werden die bekannten Helden bisweilen durch eine „feminization of heroic action“, d. h. durch Abweichungen von ursprünglichen Handlungsverläufen oder Rollenverteilungen, in ihre Schranken gewiesen.40 36 Diese Episode kommentiert Jones (2000), 408 wie folgt: „The episode ‚Remember Nothing‘ reworks Frank Capra’s It’s a Wonderful Life as the Fates reveal to Xena what the world would have been like had she never picked up a sword (it would have been miserable, and much bloodier).“ 37 Vgl. Magoulick (2006), 735: „[…] Xena is introduced as a reformed romantic partner of Hercules. Thus he makes her (as Ares made her the bad warrior).“ 38 Vgl. zu Xenas Mentoren auch Morreale (1998), 80: „She [Xena] did learn some of her fighting skills from her (deceased) brother, but her most advanced technique, the neck pinch, was learned from another woman.“ Diese Einschätzung teilt Zeiler (2014), 230: „Xena’s teachers and guides, for instance M’lila or Lao Ma, are female, and even her most intelligent enemies (for instance, Callisto) are female as well.“ 39 Vgl. zum Stellenwert von Xenas Beziehung zu Gabrielle innerhalb der Serie exemplarisch Morreale (1998), 79: „Their close bonding clearly supercedes their relationships with men (which never seem to last more than one episode).“ 40 Tigges (2010), 443. Wim Tigges erläutert dieses Konzept wie folgt: „The feminization I intend to discuss here amounts to the imposition of a female protagonist in an originally masculine situation of political power play. […] season six includes a ‚trilogy‘ of episodes that refashions a combination of the Old English heroic poem Beowulf, the Old Norse Edda and Volsunga Saga, the Middle High German Nibelungenlied, and Richard Wagner’s operatic version of the Ring myth based on these medieval stories. Unlike in Wagner’s Nibelungen cycle, in Xena the Ring passes through feminine hands only, and it is Xena who fulfils the role of both Alberich (stealing the ring in her villainous past) and of Siegfried (recovering it in her heroic present).

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Während die Serie immer wieder durch heroisierende Rhetorik und den Handlungsverlauf betont, dass Xena unzweifelhaft den Status einer Heldin hat, nimmt sie gelegentlich auch ironisch auf die Annahme Bezug, dass prototypische Helden männlich seien. Ein Beispiel hierfür liefert der folgende Dialog aus der Episode „Been There, Done That“ (Staffel 3), in der Xena in einer Zeitschleife gefangen ist: Young Man: „[…] I prayed to Cupid for help. Hermia must die tomorrow he said. But because my love for her was true he granted me one wish.“ Xena: „Let me guess. Your wish was that tomorrow would never come.“ Young Man: „Yes. ‚The day will repeat‘, he said ‚until a hero comes who can fix everything.‘ Save Hermia, save me, and end this pointless feud.“ Xena: „So when you saw me in the village, why didn’t you ask for help?“ Young Man: „Well, frankly I was expecting Hercules or at least Sindbad.“ (31:34–32:04)

Für den jungen Mann ist das Konzept ‚Held‘ offensichtlich männlich besetzt. Er wird aber eines Besseren belehrt, denn selbstverständlich wird Xena auch in dieser Episode ihren Aufgaben als Heldin gerecht und rettet das Paar. Die Vorstellung, dass Männer eher zum Helden taugen als Frauen, wird nicht zuletzt durch die Gegenüberstellung Xenas mit Joxer als einer der wiederkehrenden männlichen Figuren unterminiert, lässt er sich doch als „warrior wannabe who is clearly inferior to both Xena and Gabrielle“ charakterisieren und trägt (unfreiwillig) zur Komik der Serie bei. Während Xenas Ruhm als Heldin von Gabrielle schriftlich verewigt wird, dichtet Joxer schließlich selbst ein Lied auf sein (imaginäres) Heldentum („Joxer, the Mighty“), das zu seinem Markenzeichen wird und das er immer wieder vor sich hin singt, ohne jedoch andere damit überzeugen zu können. Er bleibt eine an Don Quixote erinnernde Gestalt, der es zwar nicht an Mut und Entschlossenheit mangelt, dafür aber an den Fähigkeiten und dem Charisma des Helden, und dient damit als Kontrastfigur zu Xena. Für das Wirkungspotential der Serie sowie für die spezifische Konzeption der Heldin ist aber auch entscheidend, dass neben heroisierenden Strategien in starkem Maße komische Elemente zum Einsatz kommen. Die Serie arbeitet nicht nur regelmäßig mit ‚comic relief‘, sondern beinhaltet darüber hinaus eine beträchtliche Anzahl von Episoden, die sich eindeutig als Komödie kategorisieren lassen. Oft wechseln komödienhafte Episoden mit ernsteren, was verhindert, dass der Gesamtcharakter der Serie allzu düster wird. Die bereits erwähnten Anachronismen sind ein Charakteristikum der Serie, das erheblich zu deren Komik beiträgt. Daneben findet sich ein breites Spektrum weiterer Formen von While the hero Beowulf gets relegated to a role as Xena’s secondary sidekick, it is Xena who undoes the spell on the monster Grindl (formerly the Valkyrie Grinhilda), whom she had previously ‚made.‘ In this way, Xena’s intertextuality can be related to its feminization of traditional narratives that feature male protagonists.“ (Ibid.)

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Komik, das von Missverständnissen bis zu Slapstick reicht. Insbesondere die Tatsache, dass auch die beiden Heldinnen regelmäßig in komische Situationen geraten, hat zur Folge, dass die Serie trotz aller heroisierenden Rhetorik Vorstellungen von Heldentum durchaus mit einem beträchtlichen Maß an postmoderner Ironie behandelt. Zur Relativierung einer allzu exzessiv heroisierenden Darstellung der Hauptfigur leisten oft auch die experimentellen Episoden der Serie einen Beitrag, die immer wieder ironische Akzente als Gegenpol zur Heroisierung setzen und damit zu einer ironisch-kritischen Aushandlung von Heldentum in einem (vermeintlich) „ ‚ postheroische[n]‘ Zeitalter“41 einladen. Xena: Warrior Princess gehört – ähnlich wie The X-Files oder Buffy the Vampire Slayer – zu jenen Serien der 1990er Jahre, in denen mit besonderer Häufigkeit ungewöhnliche narrative Verfahren erprobt wurden.42 Zu den vielen experimentellen Episoden, welche die Serie hervorgebracht hat, zählen „Been There, Done That“ (Staffel 3), in der Xena in einer Zeitschleife gefangen ist, die beiden Musical-Episoden „Bitter Suite“ (Staffel 3) und „Lyre, Lyre, Hearts on Fire“ (Staffel 5) oder auch die Episoden „Deja Vu All Over Again“ (Staffel 4) und „Send in the Clones“ (Staffel 6), die in der Gegenwart angesiedelt sind und in ironischer Weise auf die Rezeption von Xena: Warrior Princess seitens der Fans Bezug nehmen.43

V.

Heldin oder Objekt des männlichen Blicks?

Die Serie Xena: Warrior Princess ist vor allem seitens der feministischen Filmund Fernsehwissenschaft diskutiert worden. Hinsichtlich der Frage, inwieweit der Titelfigur ein emanzipatorisches Potential zugesprochen werden kann, welches zulässt, sie auch als ‚feministische‘ Heldin zu kategorisieren, gehen die Meinungen durchaus auseinander. Von manchen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen wird Xena als Heldin mit Vorbildcharakter betrachtet, andere sind deutlich kritischer. Sara Gwenllian Jones etwa charakterisiert Xena als „a powerful, charismatic, and complex female hero“,44 Rhonda Nelson sieht sie als „model for 90’s women (a physically and mentally strong, reflective woman)“,45 und Joanne Morreale betont die wegweisende Bedeutung der Figur: „Xena: 41 Von den Hoff et al. (2013), 7. 42 Als wegweisend für diese Tendenzen gilt David Lynchs Twin Peaks (1990–1991). Vgl. Thompson (2003), 109. 43 Zu einer Episode wie „Send in the Clones“ bemerkt Carolyn Skelton (2008), 53: „Such episodes incorporate insider references to fan pre-occupations and activities as well as specialist debates, while not aiming for high ratings.“ 44 Jones (2000), 410. 45 Nelson (2007/2008), Paragraph 17.

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Warrior Princess is notable as one of the first television series to place a woman in the role of the archetypal hero on a quest.“46 Ausschlaggebend für eine solche Einschätzung ist das hohe Maß an Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit, das Xena durchgängig unter Beweis stellt. Nicht einmal die diversen Vertreter und Vertreterinnen des antiken Götterpantheons, die in der Serie regelmäßig in Erscheinung treten, sind in der Lage, Xena Befehle zu erteilen. Feministisch motivierte Kritik richtet sich hingegen insbesondere gegen die visuelle Darstellung der Protagonistin, der unterstellt wird, sie entspreche primär männlichen Erwartungen und inszeniere die Frau als Objekt des männlichen Blicks, auch wenn der Figur zweifellos ein hohes Maß an Selbstbestimmtheit und Aktivität zugeschrieben werde. So stellt etwa Mary Magoulick fest: „Xena’s posture and expression tend to be purposeful, bold, and powerful, yet there is no mistaking her gender when she wears a short skirt and makeup (among other cues).“47 Angesichts ihrer Kleidung – zumeist eine knapp geschnittene Rüstung aus Leder und Metall, mit der sie ein wenig an weibliche Avatare in Computerspielen erinnert, – kann man der Darstellung der Figur sicherlich eine erotisierende Tendenz unterstellen: […] Xena is feminized by the look of the camera. Her ‚masculine‘ leather suit is cut to reveal her ample cleavage, and it is not unusual for the camera to linger on her legs, or for the plot to find some excuse for Xena or other women to appear scantily clad. […] This traditional shooting style, from the point of view of the male voyeur, along with the program’s generic status as a fantasy, keeps Xena from being too threatening, from creating too much frisson. She is still available for male pleasure, if not in terms of the story, where she is often in control of the look and her point of view carries the narrative, but in terms of discourse, where she is still made into an object of desire for the male viewer.48

Bei der Bewertung dieser visuellen Präsentation ist allerdings zu berücksichtigen, dass Filme und Fernsehserien, die in der Antike angesiedelt sind, durchaus dazu tendieren, den Blick auf männliche Körper zu lenken.49 46 Morreale (1998), 79. 47 Magoulick (2006), 733. Ein ähnlich ambivalentes Wirkungspotential ist beispielsweise auch der Serie Charlie’s Angels (1974–78) attestiert worden: „Charlie’s Angels’ sexualised protagonists were contradictory signifiers for female audiences, suggesting the ideals of agency and self-determination through the narrative framework of the detective genre on the one hand, and passive objectification synonymous with the eroticised pin-up girl on the other.“ (Griffiths (2005), 96) 48 Morreale (1998), 81. Laut Mary Ann Doane (2000 [1981]), 86 wurden in audiovisuellen Medien mitunter experimentelle visuelle Verfahren eingesetzt, um sich der Herausforderung zu stellen, konventionelle filmische Darstellungen des weiblichen Körpers zu vermeiden. Wenngleich die Serie Xena: Warrior Princess in vieler Hinsicht äußerst experimentierfreudig ist, erscheint doch die Kameratechnik generell eher konventionell. 49 Vgl. hierzu exemplarisch Proch/Kleu (2014), die sich mit Wolfgang Petersens Troy beschäftigen, und Tigges (2017).

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Was zudem gegen die Reduktion Xenas auf die Rolle als Objekt des männlichen Blicks spricht, sind die schnellen Bewegungsabläufe in Kampfszenen. Wie oben bereits betont wurde, machen Xenas Kämpfe mit ihren diversen Gegnern einen Kernbestandteil der Serie aus. Der Kampfstil der Heldin ist insgesamt wenig dazu geeignet, zu einem voyeuristischen Blick auf die Hauptfigur einzuladen, beinhalten die Kampfsequenzen doch in der Regel sehr schnelle Bewegungsabfolgen. In ihrem einflussreichen Artikel „Visual Pleasure and Narrative Cinema“ (1975), in dem sie das Konzept des ‚male gaze‘ etablierte,50 argumentiert Laura Mulvey, dass die visuelle Inszenierung der Frau als erotischem Objekt mit der Opposition aktiv/männlich vs. passiv/weiblich einhergeht. Durch Xenas schnellen Kampfstil, der es eben nicht zulässt, den weiblichen Körper in Ruhe zu betrachten, durchbricht die Darstellung der Figur immer wieder die für das Konzept des ‚male gaze‘ kennzeichnende Inszenierung der Frau als betrachtetes (mehr oder weniger statisches) Objekt. In ähnlicher Weise unterminieren die oben bereits erwähnten Slapstick-Szenen die Festlegung der Protagonistin auf ein für den männlichen Blick inszeniertes Objekt. Wenn weibliche Figuren in Slapstick-Situationen und speziell als deren Initiatoren präsentiert werden, dann konterkariert dies zugleich deren Darstellung als Objekt des männlichen Blicks, wie Brett Mills betont: „[Slapstick] refuses to conform to the convention of the female body as needing to take up as little space as possible, and only to be looked at for male sexual pleasure.“51 Der Einsatz von Komik hat also auch Auswirkungen auf die Frauendarstellung der Serie. So bleibt die visuelle Interpretation der Heldin aus feministischer Sicht zwar sicherlich ambivalent, reproduziert aber keineswegs einfach nur die dem ‚male gaze‘ zugrundeliegende Struktur.

50 Mulvey (1975), 11 definiert das Konzept des ‚male gaze‘ wie folgt: „Traditionally, the woman displayed has functioned on two levels: as erotic object for the characters within the screen story, and as erotic object for the spectator within the auditorium, with a shifting tension between the looks on either side of the screen. For instance, the device of the show-girl allows the two looks to be unified technically without any apparent break in the diegesis. A woman performs within the narrative; the gaze of the spectator and that of the male characters in the film are neatly combined without breaking narrative verisimilitude.“ Der nachhaltige Einfluss von Mulveys Artikel kann kaum überschätzt werden. So stellt etwa Maggie Humm (1997), 16 fest: „No other single essay excited and transformed contemporary film theory as much as Laura Mulvey’s ‚Visual Pleasure and Narrative Cinema‘ […].“ 51 Mills (2005), 117.

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VI.

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‚Sidekick‘ oder Heldin? – Gabrielle

Wenngleich Xena sicherlich die zentrale Heldenfigur der Serie ist, wird doch auch die andere Protagonistin – Gabrielle – als Heldin dargestellt, wenn auch eher im Sinne einer Quest-Heldin, die sich im Verlauf der sechs Staffeln erst entwickeln muss. Ihr Status ist aufgrund verschiedener Faktoren weniger eindeutig als der von Xena. In der für die Serie charakteristischen, ironisch-selbstreferentiellen Weise wird auf Gabrielle wiederholt – von ihr selbst und anderen Figuren – explizit als ‚sidekick‘ Bezug genommen. Diese (anachronistische) rhetorische Strategie spricht (zunächst) gegen eine Kategorisierung der Figur als Heldin. Diese Bezeichnung wird auch in der Forschungsliteratur mitunter übernommen. So nimmt etwa Anne Currier Sweet auf Gabrielle als Xenas „kinder, gentler sidekick“ Bezug.52 Als physisch und hinsichtlich ihrer Erfahrung unterlegener ‚sidekick‘ dient Gabrielle partiell sicherlich dazu, Xenas Heldentum als Kontrastfigur noch klarer zu konturieren. Aber ein Reiz von Xena: Warrior Princess besteht auch in der Tatsache, dass die Hauptfiguren nicht statisch angelegt sind, sondern sich im Verlauf der sechs Staffeln entwickeln. In diesem durch die dynamische Figurenkonzeption gebotenen Spielraum entwickelt sich Gabrielle immer mehr zur Heldin. In der ersten Episode wird sie als Opfer eingeführt, denn sie befindet sich in der Gruppe von Frauen, die Xena vor der Versklavung bewahrt. Trotzdem stellt Gabrielle schon bei ihrem ersten Auftritt unter Beweis, dass sie den Mut einer Heldin besitzt, denn sie ist bereit, sich für die anderen Frauen ihres Dorfes zu opfern. Vor ihrem Eingreifen beobachtet Xena, wie Gabrielle aus der Gruppe von Frauen hervortritt und mutig sagt: „Take me, let the others go.“ („Sins of the Past“, 0:03) Als Xena die Frauen kurz darauf rettet, erwirbt sie sich damit die glühende Bewunderung Gabrielles, die von der Heldin so beeindruckt ist, dass sie spontan beschließt, ihr zu folgen und nachzueifern. Xena ist zunächst nicht bereit, die junge, noch unerfahrene Frau als Begleiterin zu akzeptieren. Gabrielle folgt ihr dennoch und kann schon auf dem ersten Stück des Weges, das sie noch allein zurücklegt, erneut beweisen, dass sie durchaus gewisse Eigenschaften mitbringt, die sie als Heldin qualifizieren. Sie gerät in die Gefangenschaft eines Zyklopen, weiß sich aber durch Klugheit und Redegewandtheit sofort wieder zu befreien. Damit demonstriert sie Fähigkeiten, die für Heroen der antiken Mythologie durchaus nicht unangemessen erscheinen, wie insbesondere die offensichtliche Parallele zum ‚listenreichen‘ Odysseus in der oben skizzierten Szene zeigt. In einer Serie, die so stark auf die Darstellung physischer Kämpfe ausgerichtet ist wie Xena: Warrior Princess, überrascht es wenig, dass Gabrielle sich nach und 52 Sweet (2007), 87.

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nach ebenfalls Fähigkeiten im Kampf aneignet, um aktiv eingreifen zu können, wenn Xena sich ihren Gegnern stellt. Wenngleich Gabrielle keine so herausragende Kämpferin wird wie Xena, ist sie doch schon bald in der Lage, sich erfolgreich am Kampf zu beteiligen. Sie lernt u. a., sich auch gegen mehrere Gegner gleichzeitig durchzusetzen. Entscheidend in diesem Entwicklungsprozess ist die Episode „Hooves & Harlots“ (Staffel 1), in der sie von den Amazonen im Umgang mit dem Kampfstab unterwiesen wird, der für lange Zeit ihre wichtigste Waffe bleibt. Lange Zeit kämpft Gabrielle ausschließlich mit dem Kampfstab, später auch mit zwei Dolchen. Im Verlauf der Serie wandelt sich Gabrielles Aussehen: Trägt sie in den ersten Episoden noch einen langen Rock und damit eher traditionell feminine Kleidung, nähert sich ihr Kleidungsstil schließlich dem Xenas zumindest an; sie durchläuft also auch visuell eine Transformation zur Heldin. Mit den Amazonen werden bereits in der ersten Staffel Figuren eingeführt, die aus feministischer Sicht von besonderem Interesse sind.53 Sie werden als unabhängige und stolze Kriegerinnen präsentiert, die ihren eigenen Codes und Gesetzen folgen und ihre eigenen Rituale praktizieren, wie ihre aufwändig gestalteten Masken und Tänze andeuten. Ihr Kampfstil erinnert durchaus an den Xenas; gleichzeitig wird jedoch betont, dass Xena keine Amazone ist.54 Dies unterstreicht ihren Sonderstatus als selbstbestimmt agierende Heldin, die sich keiner Gemeinschaft unterordnet. Gabrielle hingegen wird von den Amazonen aufgenommen, nachdem sie das Recht darauf durch eine mutige Tat erworben hat: Kurz nachdem Xena und Gabrielle das Gebiet der Amazonen betreten haben, erfolgt ein Angriff auf eine Gruppe der Kriegerinnen, bei dem Gabrielle ihr Leben riskiert, um eine der ihr unbekannten Frauen zu retten, wodurch sie den Mut einer Heldin unter Beweis stellt. Obwohl Gabrielle mitunter von dem Wunsch erfüllt wird, auf Gewalt zu verzichten, muss sie doch – ähnlich wie Xena – ein ums andere Mal erfahren, dass der Einsatz von Gewalt in der Welt, in der sie lebt, notwendig ist. Folgerichtig zeigen die letzten Szenen der Serie in „A Friend in Need, II“ eine trauernde, aber zugleich entschlossene Gabrielle, die nach dem Tod Xenas aufbricht, um den Kampf gegen das Böse in Zukunft allein fortzusetzen. Einem in der Fantasy weit verbreiteten Muster folgend, ist die ‚Schülerin‘ schließlich zur neuen Heldin geworden, die den von der Mentorin aufgezeigten Weg allein fortsetzt. 53 Vgl. Jones (2000), 411: „For obvious reasons, XWP’s invocation of the Amazons has a strong appeal for both heterosexual women and lesbian fans; Amazons have long been part of feminism’s symbolic lexicon, representing a wild, unfettered, heroic way of being female.“ Zu den historischen Grundlagen der heutigen Vorstellungen von Amazonen vgl. die umfangreiche Studie von Adrienne Mayor (2014). 54 Die Art und Weise, in der Mayor (2014), 249 die Darstellung der Amazonen in der antiken Literatur charakterisiert, wäre freilich auch eine sehr treffende Beschreibung Xenas: „The Amazons are awesome adversaries, daunting matches for the most mighty Greek heroes.“

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Die Stärke Gabrielles besteht aber durchgängig auch in ihrem gewandten Umgang mit Sprache, der u. a. zur Folge hat, dass sie beginnt, die Heldentaten Xenas aufzuschreiben und zu verbreiten. Als Bardin und ‚Biographin‘ Xenas spielt Gabrielle folglich eine wichtige Rolle im Kontext der innerhalb der erzählten Welt thematisierten Strategien der Heroisierung. Die Wahrnehmung von Heldentum scheint in Xena: Warrior Princess maßgeblich beeinflusst durch „mediale Prozesse“55, wenngleich die in der Welt der Serie zur Verfügung stehenden Medien zweifellos recht begrenzt sind. Die Episode „Athens City Academy of the Performing Bards“ (Staffel 1) zeigt Gabrielle im erfolgreichen Wettstreit mit Homer und Euripides, die sich von ihren packenden Geschichten über die Heldin Xena beeindruckt zeigen.56 In „The Play’s the Thing“ (Staffel 4) bringt Gabrielle ein Stück, das auf ihren Texten beruht, im Theater zur Aufführung. Innerhalb der Serie wird Gabrielle in Episoden wie den eben erwähnten zumindest als Binnenerzählerin ein beträchtliches Maß an narrativer Autorität zugesprochen. Ihre Kontrolle über die Narration relativiert zumindest partiell die mitunter geäußerte Auffassung, dass in Xena: Warrior Princess trotz feministischer Impulse auf der Handlungsebene die Ebene der erzählerischen Vermittlung männlich geprägt bleibe.57 In „The Quill is Mightier“ (Staffel 3) wird Gabrielles narrative Autorität in komischer Weise exzessiv betont. Zu Beginn der Episode beklagt sich der Kriegsgott Ares bei Aphrodite über den Einfluss der Bardin und zollt damit der Bedeutung medialer Prozesse für die Konstruktion von Heldinnen (und Helden) implizit Tribut: „ ‚ I only made the warrior, she [Gabrielle] made the legend. Have you read any of her so-called stories? A warrior 55 Von den Hoff (2013), 8. 56 Bei der Episode handelt es sich um eine sogenannte Clip-Show, in der Gabrielles Erzählungen durch Szenen aus den vorhergehenden Episoden visualisiert werden. Das in Fernsehserien recht häufige Format der Clip-Show, das generell als eher langweilig gilt, wird in Xena: Warrior Princess in interessanter Weise variiert, denn auch die Geschichten anderer Wettbewerber werden durch bereits vorhandene audiovisuelle Szenen illustriert. Letztere stammen jedoch nicht aus dem Repertoire der Serie, sondern aus Stanley Kubricks Klassiker Spartacus (1960) mit Kirk Douglas und Vittorio Cottafavis Hercules Conquers Atlantis (1961). Diese postmoderne Bricolage unterstreicht – ebenso wie die Darstellung von Homer und Euripides, die nicht einmal im selben Jahrhundert lebten, – abermals den Stellenwert von Anachronismen und Intertextualität in Xena: Warrior Princess, die in dieser Episode u. a. der Gegenüberstellung bekannter medialer Inszenierungen von Heldentum dienen. 57 Vgl. hierzu Morreale (1998), 80: „[…] on the level of its story, or content, Xena: Warrior Princess is overtly feminist, yet its discourse, the way the story is told, remains traditionally patriarchal.“ Erwähnung verdient in diesem Kontext auch die Tatsache, dass die VoiceoverSequenz im Vorspann von einer männlichen Stimme gesprochen wird. Auf diese Weise entsteht ein „Spannungsverhältnis zwischen der Darstellung einer starken, durch ihr Verhalten Autorität beanspruchenden weiblichen Figur auf der Handlungsebene und einer narrativen Einbettung durch eine männliche Stimme im Vorspann“ (Allrath/Gymnich (2006), 248).

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who loves the common person.‘ “ (01:08–01:23) Aufgestachelt durch Ares lässt Aphrodite der Bardin Gabrielle eine magische Schriftrolle zukommen, welche die Eigenschaft besitzt, alles, was auf ihr geschrieben wird, eintreten zu lassen. Plakativer könnte weibliche narrative Autorität wohl kaum inszeniert werden. Was Gabrielles narrative Autorität im Universum der Serie aber letztlich noch deutlicher unterstreicht, ist die Tatsache, dass jene Episoden mit experimentellem Charakter, die im 20. bzw. 21. Jahrhundert angesiedelt sind, auf Gabrielles Texte als historische Dokumente Bezug nehmen. Etabliert wird dieser Gedanke schon in „The Xena Scrolls“ (Staffel 2): In the episode ‚The Xena Scrolls,‘ the cult television series […] inscribes its own fabulous, ironic version of the past on some of history’s blank pages. For the duration of the episode, the series […] sojourns to 1940s Macedonia for some Indiana Jones-style adventure. Archaeologists Janice Covington and Melinda Pappas – played by Renée ‚Gabrielle‘ O’Connor and Lucy ‚Xena‘ Lawless – track down a cache of ancient scrolls documenting the life of a great warrior (Xena) whose existence and exploits have been ‚overlooked‘ by history. For Covington, the discovery of the scrolls is nothing less than revolutionary; she describes them as ‚the most important archaeological find of the century‘ and claims that they possess ‚the power to turn myth into history and history into myth.‘58

Damit verweist die Serie zum einen auf wissenschaftliche Diskurse, vor allem auf die Aufwertung, welche die Frauengeschichte in den letzten Jahrzehnten innerhalb der Geschichtswissenschaft erfahren hat. Zum anderen schließt Xena: Warrior Princess an das Spiel mit Formen der Vergangenheitsdarstellung an, das in postmoderner Literatur und speziell in historiographischer Metafiktion eine zentrale Rolle spielt: „The episode’s dazzling conceit and deliberate myth-making exploit an emphatically postmodern understanding of history not as science but as narrative.“59 Das Wirkungspotential von Experimenten mit feministischkontrafaktischer Geschichtsdarstellung (gekoppelt mit weiblicher Autorschaft) wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass die Serie innerhalb ihrer eigenen Geschichte wiederholt auf den Status der Schriftrollen als ‚archäologischem Fund‘ zurückgreift: Was laut „The Xena Scrolls“ in den 1940er Jahren noch ein Novum war, wird in den zeitlich später angesiedelten Episoden „Deja Vu All Over Again“ und „Send in the Clones“ schon als historisches Faktum akzeptiert, dessen Faktizität innerhalb der dargestellten Welt dadurch untermauert wird, dass es sogar gelingt, die beiden Heldinnen zu klonen, nachdem Haare von Xena und Gabrielle entdeckt worden sind. Die Konstruktion einer alternativen Geschichte der Antike, in der Xena und Gabrielle reale Personen waren, rundet das für die

58 Jones (2000), 403. 59 Jones (2000), 404.

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Serie generell kennzeichnende Spiel mit alternativen Versionen von Geschichte(n) ab.

VII.

Fans auf der Suche nach Heldinnen

Für Helden und Heldinnen ist kennzeichnend, dass sie als charismatische Individuen Einfluss auf andere nehmen und in einer Gemeinschaft als sinnstiftende, wertsichernde Vorbilder fungieren können. Im Fall von Xena und Gabrielle endet dieser Einfluss nicht innerhalb ihrer (fiktionalen) Welt. Dass sie auch außerhalb dieser eine Wirkung haben, zeigt schon die große Zahl von Fans, welche die Serie bis heute hat. Aus zeitlicher Distanz lässt sich inzwischen mit Sicherheit feststellen, dass Xena: Warrior Princess zu den erfolgreichsten Serien der 1990er Jahre zählt. Zahlreiche Websites, von denen einige nach wie vor gepflegt und aktualisiert werden, geben auch heute – etwa 20 Jahre nach dem Ende der Serie – Aufschluss über den Enthusiasmus der Fans.60 Diese haben eine Fülle von Diskussionsforen, Fan Art, Videos, welche zum Teil als ‚virtuelle Staffeln‘ die Serie fortsetzen, ein Online-Journal sowie Fan Fiction (im Internet wie auch in Buchform) geschaffen. Die Australian Xena Information Page, eine FanWebsite, die bis heute gepflegt wird, beispielsweise bietet ein Fan Fiction-Archiv (ausxip.com/fanfic.php), das – in Anspielung auf die ‚Bardin‘ Gabrielle – den Namen ‚The Bard’s Corner‘ trägt. Die Website liefert eine Unterteilung der Geschichten in verschiedene Typen. Dazu gehört neben den Kategorien ‚Classic‘ (d. h. innerhalb der Welt der Serie angesiedelte Geschichten) und ‚Post FIN Fic‘, welche die Handlung über das Ende der Serie hinaus fortschreibt, u. a. auch der Typ ‚Uber‘ (Erzählungen, die an Xena und Gabrielle angelehnte Figuren in anderen historischen Epochen platzieren).61 Gerade die letzte der drei Kategorien bringt die Überzeugung der Fans zum Ausdruck, dass die Populärkultur, aber auch die Realität mehr Heldinnen vom Zuschnitt Xenas und Gabrielles braucht. Die umfangreiche Fan Fiction zu Xena: Warrior Princess bestätigt die These, dass für den Erfolg der Serie und ihre bis heute anhaltende Popularität zu einem maßgeblichen Teil die Konzeption der beiden Hauptfiguren als (pseudo-)antiken/postmodernen Heldinnen und ihre Beziehung zueinander verantwortlich sind. Darüber hinaus zeigen viele der Texte, dass Xena und Gabrielle von einem großen Teil der Fans als lesbische Ikonen und sogar als Vorbilder für das eigene 60 Zum Phänomen des Fortbestehens von fan communities nach dem Ende einer Serie vgl. die Studie Post-Object Fandom: Television, Identity and Self-narrative von Rebecca Williams (2016 [2015]). 61 Vgl. zu diesem Typus von Fan Fiction Young (2007), 14: „Xena fandom has pioneered the ‚uber‘ genre in which the show’s heroines are reborn under different names as cops, foreign aid workers, or other modern-day figures.“

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Leben interpretiert werden.62 Ein beträchtlicher Teil der Fan Fiction greift den Subtext auf und stellt die lesbische Liebesbeziehung explizit dar.63 Diese Fanpraxis steht in Einklang mit der generellen Beobachtung, dass „Gemeinschaften ihre Identitäten und Kontroversen an Held/innen aus[handeln].“64 Im Verlauf der Serie finden sich mitunter vergleichsweise deutliche Hinweise darauf, dass zwischen Xena und Gabrielle eine lesbische Beziehung bestehen könnte, obwohl beide Protagonistinnen auch wiederholt Liebesbeziehungen mit Männern eingehen. Daher kommt Sara Gwenllian Jones zu dem Schluss: XWP [Xena: Warrior Princess] is an explicitly ‚queer‘ text rather than an explicitly ‚lesbian‘ one. The exact nature of the relationship between Xena and Gabrielle is never finally stated; in some episodes, one or other is involved in a heterosexual romance, in others lesbianism is subtly alluded to, while in many other episodes the lesbian relationship is so strongly implied as to render heterosexuality, rather than lesbianism, ‚subtextual‘.65

Dass Xena und Gabrielle kein expliziteres ‚Coming Out‘ hatten, ist bei manchen Fans auf Unverständnis und Enttäuschung gestoßen,66 muss aber auch im Kontext einer US-amerikanischen Fernsehlandschaft gesehen werden, die gerade erst im Begriff war, neutrale und positive Darstellungen homosexueller Figuren zu normalisieren: Until the late 1980s, explicit representations of lesbians and gay men were rare in television programmes. Where they did occur, they usually repeated the same old 62 Auf diese Gruppe wird auch als ‚subtext fans‘ Bezug genommen; ‚subtext‘ fungiert in diesem Kontext als „term adopted by those […] fans who postulate the much fuelled interpretation of a romantic relationship between Xena and Gabrielle“ (Farrell (2012), 3). Die Lesart des Verhältnisses der Hauptfiguren zueinander als lesbische Beziehung wird allerdings keineswegs von allen Fans geteilt: „[…] the interpretation by queer fans of Xena and Gabrielle’s romantic pairing has not only been actively disputed by other fans, but attacked.“ (Farrell (2012), 6) 63 Zu berücksichtigen ist bei der Bewertung dieses Phänomens allerdings, dass Fan Fiction unabhängig von dem Text, durch den sie inspiriert wurde, zu einer expliziten Darstellung von Sexualität und sexuellen Praktiken neigt. So erläutert etwa Meggers (2012), 58 zu Fan Fiction im Allgemeinen: „In many cases, the stories that are produced and consumed by female fans have either explicit or non-explicit sexual situations; some stories use graphic sexual language and describe, in detail, sexual interactions between characters, while others employ classic ‚fade to black‘ scenarios, in which less graphic language might be used to describe or even imply a sexual encounter.“ 64 Von den Hoff (2013), 7. Vgl. Jones (2000), 407: „[…] fans seize on the series’ proffered ways of being female and lesbian in a mythological past so that they can formulate and explore their own modes of being in the present and the future.“ Vgl. hierzu auch Hanmer (2014) und Collier et al. (2009). 65 Jones (2005), 111. 66 Vgl. Jones (2005), 111: „Lesbian and bisexual fans of XWP frequently express both frustration and fascination with the series’ refusal to make explicit a lesbian relationship between Xena and Gabrielle.“

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stereotypes […]. Lesbians and gay men were represented as deviant, tragic, predatory and/or comic figures. Their presence on the small screen was intended to elicit horror, laughter, pity or disgust from a mainstream heterosexual audience.67

Das Coming Out einer Figur in einer Fernsehserie konnte aber auch in den 1990er Jahren noch massive negative Reaktionen auslösen, wie exemplarisch die heftigen Proteste zeigen, die im Jahr 1997 auf das Coming Out der Titelfigur in der Sitcom Ellen (1994–1998) folgten und die schließlich sogar zum Ende der Serie führten.68 Indem Xena: Warrior Princess die sexuelle Ausrichtung der beiden Hauptfiguren nie mit letzter Eindeutigkeit festlegte, konnte die Serie Proteste konservativer Gruppen umgehen, lud das Publikum zu Spekulationen ein und spielte zugleich mit Konventionen und Erwartungshaltungen in Bezug auf Geschlechterrollen und Sexualität.69

VIII. Xena als Vorbild für heutige Heldinnen? Jede Zeit produziert ihre eigenen Helden und Heldinnen. Wenn eine Serie wie Xena: Warrior Princess antike, vor allem mythologische Vorbilder für Heldentum zitiert und diese mit postmodernen Experimenten, Komik und Camp überblendet, dann signalisiert sie damit aber auch, dass Vorstellungen von Heldentum nach wie vor in erheblichem Maße in Auseinandersetzung mit historischen, gerade auch antiken Vorbildern ausgehandelt werden. Diese sind im kulturellen Gedächtnis z. B. in Gestalt von mythologischen Figuren wie Hercules nach wie vor präsent, wenn auch mitunter in zweifellos stark verzerrter Form, die wenig mit antiken Quellen und dafür umso mehr mit medialen Neuinterpretationen antiker Mythologie und antiker Geschichte zu tun hat. Zugleich operiert die Serie mit pseudo-antiken/postmodernen Bildern von Heldinnen, die trotz aller exzessiven Heroisierung auch ironische Aspekte beinhalten, welche in eine vermeintlich ‚postheroische‘ Zeit passen. Indem der emotionalen Dimension ein großer Raum gewährt wird, macht die Serie die beiden Heldinnen zu Figuren, für die offenbar viele Zuschauerinnen und Zuschauer Empathie empfinden, wie nicht zuletzt die rege Fankultur, die durch die Serie angeregt wurde, andeutet.

67 Jones (2005), 109. 68 Das Coming Out hatte Aufrufe zum Boycott des Senders ABC und sogar Todesdrohungen gegen die Hauptdarstellerin Ellen DeGeneres zur Folge (vgl. Jones (2005), 112). Vgl. auch Schulz (2005), 169: „After Ellen had been seen as an amusing, light-weight representative of American society for several years, her twofold coming out was perceived as a transgression of genre conventions, providing a plot which changed and ultimately terminated the series.“ 69 Duffett (2013), 201 sieht dies als Reaktion auf Erwartungen der Fans: „Some producers – of Xena: Warrior Princess, for example – knew fans wanted a gay subtext“.

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Seit den 1990er Jahren ist das Gefüge der Geschlechterrollen und Geschlechterbeziehungen, das in US-amerikanischen Fernsehserien konstruiert wird, merklich in Bewegung geraten. In diesem Prozess kann man Serien wie Xena: Warrior Princess zu den Katalysatoren zählen. In diesem Sinne stellt etwa Kathleen Kennedy fest: „Along with Buffy, the Vampire Slayer, Xena is the template for the ‚new‘ woman warrior, who is now a staple on television and in movies.“70 Zu den Heldinnen, die inzwischen in Xenas Fußstapfen getreten sind, zählen Figuren wie Katniss Everdeen in den Verfilmungen von Suzanne Collins’ Hunger Games-Trilogie, Lara Croft (in den Tomb Raider Filmen) oder Brienne of Tarth in der auf George R.R. Martins Romanreihe basierenden HBO-Serie Game of Thrones. Im Superhelden-Genre sind zwar Figuren wie Wonder Woman oder Supergirl in Comics schon seit den 1940er Jahren (Wonder Woman) bzw. seit den 1960ern (Supergirl) anzutreffen. In Film bzw. Fernsehen spielen sie aber erst in den letzten Jahren eine prominentere Rolle. So bleibt zu erwarten, dass auch in den kommenden Jahren weitere Heldinnen im Fernsehen zu sehen sein werden, die – wie einst Xena – mit ihrem Mut vielleicht nicht die Welt des 21. Jahrhunderts, aber doch zumindest die Fernsehlandschaft zu verändern vermögen.

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Elke Brüggen (Bonn)

Geschlecht, Herrschaft, Macht. Lucretia in der Tarquinius-Erzählung der Kaiserchronik Ursula Peters gewidmet

Lucas Cranach d. Ä. (1472–1553): Lucretia, um 1535/40 (Detail), Öl auf Holz, Kunstmuseum Basel, Ankauf 1934, Inv. 1628, Foto: Elke Brüggen.

An Heldenfiguren ist in der mittelhochdeutschen Literatur kein Mangel. Verkörperungen des Heldischen sind indes in aller Regel männlich; selten erscheint die ‚virtus heroica‘ in weiblicher Gestalt. Insofern darf die Feminisierung des Heroischen als eine bemerkenswerte Ausnahme gelten, als Konstruktion eines ‚Anderen‘, dem zeit- und kulturspezifische ‚männliche‘ Normen ebenso eingeschrieben sein können wie Imaginationen eines heldenhaften Handelns, die ‚einen Unterschied machen‘. Der Beitrag sucht die gleichzeitige Präsenz und Überlagerung entsprechender Vorstellungen in der Tarquinius-Erzählung der frühmittelhochdeutschen Kaiserchronik1 auf, einem Text, in dem der Figur der Lucretia ein prominenter Platz zugewiesen wird. Ich gehe im Folgenden der 1 Zitierte Ausgabe: Schröder (1892/1984). Überdies wurde konsultiert: Chinca / Hunter / Wolf / Young (Hgg.): Kaiserchronik digital. Die Übersetzungen ins Neuhochdeutsche sind, sofern nicht anders angegeben, aus Herweg (2014) übernommen: „Des Königs Schandtat und Lucretias Selbstmord: Tarquinius (8)“ (76–109, 403, 435–437). Vergleichend wurden hinzugezogen: „Aus der Kaiserchronik. Lucretia (XII 2)“, in: Haug / Vollmann (1991), 898–929, 1551– 56; „Aus der Kaiserchronik. Lucretia“, in: Vollmann-Profe (1996), 104–135, 259–262.

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Frage nach dem Ausmaß der ‚Lesbarkeit‘2 dieser Heldin nach; hierbei wird zu zeigen sein, dass die Präsentation weiblichen Heldentums auf eine intrikate Weise mit Zuschreibungen verbunden ist, welche die Frau zugleich als Opfer modellieren. Belangvoll ist dabei, dass die Lucretia-Geschichte in der Kaiserchronik in den Kontext eines Entwurfs vormoderner politischer Ordnung und einer Veranschaulichung ‚guter‘ und ‚schlechter‘ Herrschaft eingelassen ist. Das negative Urteil über Tarquinius ‚Superbus‘, den römischen König, begründet die Erzählung vorrangig mit dessen Machtmissbrauch gegenüber Lucretia als der Ehefrau eines Angehörigen der Führungselite Roms. Insofern kann die Lucretia der Kaiserchronik als Auslöser für den Untergang des Königs gelten; sie geht in dieser Funktion allerdings nicht auf. Vielmehr legt sie die Frage nahe, unter welchen Bedingungen, in welchen Formen und zu welchem Preis Frauen in der Literarisierung mittelalterlicher Kultur in der Lage sind, auf Herrschaft und damit zugleich auf die sozio-politische Verfasstheit eines Gemeinwesens Einfluss zu nehmen.

I. Die mittelhochdeutsche Kaiserchronik, um 1150 entstanden und in drei verschiedenen Fassungen3 in einer für ein Werk der frühmittelhochdeutschen Literatur ganz ungewöhnlichen Dichte überliefert,4 stellt Weltgeschichte dar. Sie 2 Mit dem Begriff und dem Konzept der ‚Lesbarkeit‘ von Helden hat mich eine Veranstaltung an der Universität Tübingen in Berührung gebracht, auf der ich meine Überlegungen zur Lucretia-Handlung in der Kaiserchronik vorstellen durfte: Die Lesbarkeit von Helden. Fragen zur Existenz einer ‚Helden-Semiotik‘, Internationaler und interdisziplinärer Workshop, Eberhard Karls Universität Tübingen, Philosophische Fakultät, Abteilung für Germanistische Mediävistik, 04.–05. 08. 2017. Ich danke Anna Mühlherr und Florian Nieser sehr herzlich für diese Gelegenheit und für die anregende Diskussion. Der Band zur Tagung ist mittlerweile erschienen: Nieser (2020). 3 Bei der ursprünglichen Fassung (A) handelt es sich um einen Reimpaartext mit mehr als 17.000 Versen, der höchstwahrscheinlich in den Jahren um 1150, jedenfalls wohl nach 1146, und möglicherweise in Regensburg von einem oder auch von mehreren unbekannten Verfassern zu einem von der Forschung als etwas provisorisch empfundenen Ende gebracht wurde. Eine zweite Fassung (B), die den Text sprachlich und metrisch überarbeitet und um etwa 1600 Verse kürzt, entstand um 1200. Rund 50 Jahre später wurde die A-Fassung ein zweites Mal überarbeitet. Auch bei dieser mit der Sigle C bezeichneten Fassung ging es vorranging, wenn auch nicht ausschließlich, darum, den Text an die sprachlichen und metrischen Standards der Zeit anzugleichen. Es begegnet hier jedoch zudem ein neuer Prolog, und die Herrscherreihe ist über Konrad III. hinaus bis zu Friedrich II., also bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts, fortgeführt; in einer der Handschriften, welche die C-Fassung überliefern, wurde der Text sogar bis zum Jahr 1274 fortgeschrieben. Dabei ist zu beachten, dass die Fassungen nebeneinander tradiert und rezipiert wurden, es sich also nicht so verhält, dass die jeweils neuere Fassung die ältere(n) abgelöst hätte. Vgl. Brüggen, ‚Politische Rede‘ (2019).

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konzentriert sich dabei freilich auf die Geschichte des Imperium Romanum, realisiert in Form einer chronologisch geordneten Reihe von Abschnitten zu einzelnen Herrschern; diese reicht in der hier zugrunde gelegten Fassung A5 von Gaius Iulius Caesar (gest. 44 v. Chr.) bis zum römisch-deutschen König Konrad III. (gest. 1152). 36 dieser Kaiserviten respektive -gesten widmen sich römischen Kaisern, 19 nehmen (römisch-)deutsche Kaiser in den Blick. Gemäß den Prologaussagen ist eine Präsentation ‚guter‘ wie ‚schlechter‘ Herrscher (und Päpste) intendiert (V. 19f.). In diesem Rahmen repräsentiert der TarquiniusAbschnitt, der hier näher betrachtet werden soll, ein Negativexempel, in dem das gewaltsame Ende des Herrschers als gerechte Strafe für dessen ‚ubermuot‘ gesehen wird. Die ‚exemplarische Wahrheit‘, die der Text mit dem – chronologisch nicht korrekt angesetzten – Bericht über Tarquinius zu vermitteln sucht, erlangt ihre Wirkmächtigkeit jedoch nicht durch eine deutliche Fokussierung auf die Königsfigur und eine summierende und bilanzierende Veranschaulichung despotischen oder tyrannischen Herrscherhandelns. Zu beobachten ist vielmehr eine farbige narrative Ausgestaltung anderer Figuren – zu nennen sind hier neben der Dame Almenia und der namenlos bleibenden Gattin des Kaisers insbesondere der Fürst Conlatinus sowie dessen Ehefrau Lucretia. Letztere hat man häufig als das eigentliche Zentrum der Erzählung aufgefasst; beim Tarquinius-Abschnitt handelt es sich nach der Wahrnehmung nicht weniger Interpreten eigentlich um eine Lucretia-Erzählung.6 Besondere Aufmerksamkeit galt 4 Zur Überlieferung vgl. die Einträge zur Kaiserchronik im Handschriftencensus (Projektleitung: Busch / Wolf): http://www.handschriftencensus.de/werke/189 (21. 12. 2018). Zudem: Gärtner (1995), 366–379; Herweg (2014), 473–477; Nellmann (1983), 949–964; Wolf (2008), 91–108. An der Universität Cambridge wird seit 2012 im Rahmen des Projekts ‚Kaiserchronik‘. Literature and History in the German Middle Ages unter der Leitung von Mark Chinca und Christopher Young an einer synoptischen Edition der drei Versfassungen A, B und C gearbeitet (s. Anm. 1); vgl. Chinca / Young (2016), 19–24. 5 Die Berücksichtigung von Fassungsdivergenzen in der Gestaltung des Tarquinius-Abschnitts wäre durchaus lohnend, wie ein Vortrag von Mark Chinca, Helen Hunter und Christopher Young auf dem Anglo-German Colloquium in Manchester im September 2017 verdeutlicht hat. Vgl. Chinca / Hunter / Young (2020). 6 Friedrich Ohly hat den anonymen Verfasser der Kaiserchronik in seiner berühmten Studie Sage und Legende in der ‚Kaiserchronik‘ gar als den „Lucretiadichter“ bezeichnet (Ohly [1940], 98). – Überblicke über die Lucretia-Tradition haben Donaldson (1982), Frenzel (2005), Galinsky (1932) und Klesczewski (1983) vorgelegt. Das sehr unterschiedliche Wieder- und Weitererzählen von Lucretia betont Weitbrecht (2013), 243f. und 257f. Die jeweiligen Wiederaufnahmen des Stoffes müssten in einem interdisziplinären Zugriff – unter Einbeziehung seiner Verarbeitung in bildender Kunst und Musik und über eine primär motivgeschichtliche Perspektivierung hinausgehend – neu aufgerollt werden, dergestalt, dass die unterschiedlichen historischen Kontexte der verschiedenen Adaptationen, ihre verschiedenen Deutungsangebote wie auch die zu ihrer Vermittlung eingesetzten künstlerischen Mittel vergleichend analysiert würden. Geeignete methodische Rahmungen wären zum einen aus der Konzeptionalisierung von Transformationsprozessen zu gewinnen (vgl. die Publikationen des SFB 644 Transformationen der Antike, speziell Bergemann / Dönike / Schirrmeister / Toepfer / Walter /

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dabei stets dem Motiv der ‚verfolgten Unschuld‘; Mathias Herweg hat jüngst unterstrichen, dass der Chronist es auch außerhalb der Tarquinius-Partie aufgegriffen hat, bei Mähthild, der Ehefrau Faustinians (vgl. V. 1219–4082), bei Crescentia in der Erzählung von den beiden Dietrichen (vgl. V. 11352–12812) und bei der namenlosen Frau Karls III. (vgl. V. 15400–517).7 Der Beitrag knüpft an diese Sichtweise an, hinterfragt jedoch die dominante Auffassung von Lucretia als wehrlosem Opfer. Der Blick wird dabei auf Textsignale gelenkt, die der Figur ein auf Fremdtötung durch Selbsttötung gerichtetes Kalkül und damit ein politisches Interesse attribuieren. Dabei muss die Faktur der Erzählung beachtet werden, also ihre Anlage und Strukturierung sowie die narrativen Strategien und Techniken, welche zum Einsatz gebracht sind. Das Profil des frühmittelalterlichen Erzählens von Lucretia soll überdies durch einen Vergleich mit den Versionen von Livius8 und Ovid9 als den beiden bekanntesten und insgesamt einflussreichsten antiken Bearbeitungen des Stoffes herausgearbeitet werden, welche indes einen je eigenen Umgang mit der Lucretia-Figur und den mit ihr verbundenen Ereignissen bezeugen.

II. Der Tarquinius-Abschnitt der Kaiserchronik umfasst die Verse 4301 bis 4834.10 Ich skizziere zunächst seine Disposition, um auf dieser Grundlage einen ersten analytischen Durchgang durch den Text vorzunehmen. Er dient als Vorbereitung für eine Erarbeitung des besonderen Profils der Lucretia-Figur und -Handlung

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Weitbrecht [2011]), zum anderen aus der literaturwissenschaftlichen Diskussion zum Gebiet des Wieder-, Weiter- und Anderserzählens (vgl. [in Auswahl]: Bumke / Peters (Hgg.) [2005]; Kablitz / Peters (Hgg.) [2014] und zuletzt Flecken-Büttner / Glasner / Heiland / Zacke (Hgg.) [2019]). Herweg (2014), 403. Text und Übersetzung sind Hillen (2007) entnommen; Feger (2003) wurde ebenfalls konsultiert. Beide Ausgaben folgen Ogilvie (1974); Hillen stützt sich allerdings auf vier weitere Überlieferungsträger und nimmt (im Einzelnen auf 502ff. verzeichnete) Änderungen vor. Der Text wird zitiert nach Alton / Courtney / Wormell (1997); die Übersetzungen ins Neuhochdeutsche stammen aus Binder (2014), dort findet sich auch weiterführende Literatur. Forschungsliteratur (in Auswahl): Bennewitz (1989); Brüggen (2020); Caparrini (2015); Fößel (2017); Friedrich (2015), bes. 16–21; Galinsky (1932), 22–31; Gellinek (1971), 63f.; Jäger (1994), bes. 104–107; Jentzmik (1973), 242–245; Kern / Krämer-Seifert (2003); Knapp (1979), 124–135; Mierke (2014), 234–241; Mohr (1952); Northcott (1971); Ohly (1940), 88–99 und 195– 198; Pézsa (1993), 160–175; Reuvekamp (2020); Riessner (1969), 57–66; Shaw (1967), bes. 146– 149, 193, 197–199, 219–221 und 235f.; Shaw (1969); Stackmann (1990), bes. 70–72; Stutz (1991), bes. 24–43; Suerbaum (2000), 246–249; Weitbrecht (2013); Wintgens (2013). Aus drucktechnischen Gründen konnte nach 2018 erschienene Literatur nur ganz selektiv bibliographisch erfasst und nicht mehr eingearbeitet werden.

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mit Hilfe eines Vergleichs zentraler Passagen und Aussagen mit den entsprechenden Partien in den beiden antiken Texten von Livius und von Ovid. Disposition des Tarquinius-Abschnitts der Kaiserchronik (V. 4301–4834) 1. Einleitung: Die Herrschaft des Tarquinius (V. 4301–04) 2. Conlatinus, der ‚Trierer‘: Herkunft, römisches Exil, Aufstieg, Heirat mit der Römerin Lucretia (V. 4305–46) 3. Viterbo I: Geselligkeit und Krieg (V. 4347–4414) 4. Viterbo II: Conlatinus’ Lobpreis auf Lucretia und die ‚Frauenwette‘ zwischen König und Fürst (V. 4415–70) 5. Rom: Die ‚Bewährungsprobe‘ für die Königin und für Lucretia; öffentlicher Lobpreis Lucretias durch den König (V. 4471–4562) 6. Viterbo III: Das Gespräch zwischen Almenia und Totila und die Beendung der Belagerung Viterbos durch die Römer (V. 4563–4644) 7. Die Folgen der verlorenen Wette: Tarquinius’ Verärgerung, ‚Bettgespräch‘ des Königspaares, die Forderung der Königin nach Wiederherstellung ihrer Ehre durch die Schändung Lucretias (V. 4645–94) 8. Lucretias Vergewaltigung durch Tarquinius (V. 4695–4726) 9. Lucretias Veröffentlichung der Schandtat des Königs und ihre Selbsttötung (V. 4727–92) 10. Die Absetzung des Königs, seine Tötung durch Conlatinus; Conlatinus als ellender man (V. 4793–4830) 11. Schluss: Die Regierungszeit des Tarquinius und die gewaltsame Art seines Todes (V. 4831–34)

Die Episode beginnt mit einer knappen, gerade einmal vier Verse umfassenden Einleitung (1). Sie kündigt einen Bericht über die Herrschaft des Tarquinius an, über den ‚ubermuotigeste[n] man / der ie von muoter in dise werlt bekom‘ (V. 4303f.) [‚de[n] überheblichste[n] Mensch[en], der je geboren wurde‘]; der Text fixiert die Lasterhaftigkeit des Herrschers in dessen ‚superbia‘, ganz in Übereinstimmung mit dem Beinamen ‚Superbus‘, der dem letzten Etruskerkönig in der lateinischen Tradition beigegeben wurde. Diese Einleitung bildet mit einer ebenfalls vierversigen, ebenso schematisch gehaltenen Schlusspartie (11), welche die Regierungszeit des Tarquinius und die gewaltsame Art seines Todes11 angibt (V. 4831–34), einen Rahmen um den eigentlichen Bericht, durch den Tarquinius mit äußerst sparsamen Mitteln als Gewaltherrscher gekennzeichnet wird, dem zu Recht ein Ende von fremder Hand bereitet wird. Die Konkretisierung der ‚superbia‘ des Herrschers ist damit dem Hauptteil der Episode aufgegeben, der freilich – angesichts der dargelegten Rahmung mit ihrer 11 Zur Unterscheidung von ‚guten‘ und ‚schlechten‘ Toden und ihrer Semantik vgl. Kolmer (1997), 25; Patschovsky (1993), 15; Spoerri (1999), 98–104. Zur Aufnahme dieser Vorstellung in der Kaiserchronik vgl. bes. Haas (1989), 127–130. Vgl. zudem die Hinweise bei Biesterfeldt (2004), 16 mit Anm. 6.

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klaren Fokussierung auf Tarquinius durchaus überraschend – mit einer Erzählung von dem aus Trier stammenden Fürsten Conlatinus eröffnet wird. Diese Partie (2) beleuchtet zunächst mittels eines Rückblicks dessen prekäre Existenz als Exulant, als jemand, der ein ihm zugefügtes, im Text jedoch nicht weiter thematisiertes ‚lait‘ (V. 4310) mit einem Totschlag an einem Trierer Fürsten vergalt und infolgedessen die Stadt und seine Heimat verlassen musste, um in Rom eine Zuflucht und eine neue Wirkungsstätte zu finden. Erzählt wird sodann die Geschichte eines auf Kriegsdienst und ruhmreiche Waffentaten gründenden gesellschaftlichen Aufstiegs. Sie mündet in die im Senat ausgesprochene Anerkennung der Unverzichtbarkeit des Conlatinus in politischen Situationen, die ‚vrumechait‘ (V. 4329) [‚Kühnes‘] verlangen, und kulminiert in der an ihn gerichteten Empfehlung, sich mit einer Römerin zu verbinden, die seiner ‚edelkait‘ (V. 4334) entspreche. Die daraufhin von Conlatinus erbetene Lucretia wird ihm umgehend gewährt. Die nachfolgende Erzählpassage (3) rückt erneut die Figur des Conlatinus in den Vordergrund. Sie lokalisiert das Geschehen mit einer kurzen Unterbrechung in ‚Biterne‘ (Viterbo).12 Angezogen durch Nachrichten über die dort kultivierte Lebensweise, bei der die Partizipation an Ritterspielen und der Umgang mit höfischen Damen als Ausweis von Tugendhaftigkeit gesehen werden, hält Conlatinus sich immer häufiger in der Stadt auf – nicht ahnend, dass seine Feinde aus Trier ihn bis dorthin verfolgen. So entgeht er nur knapp einem Mordanschlag, den die Trierer im Verbund mit einigen Helfern aus der Stadt selbst ausführen. In Rom bringt Conlatinus die Angelegenheit vor den Senat. Man stuft den Vorfall als ‚grôz laster‘ (V. 4375) ein, als eine große Schmach, die mittelbar alle Römer betrifft, und so entschließt man sich zu einer Belagerung mit dem Ziel, Viterbo zu unterwerfen (V. 4377–81). Da man indes auf gleichwertige Gegner trifft, die mit Mut und Entschlossenheit zu einem Kampf auf Leben und Tod antreten, gestaltet sich die militärische Unternehmung schwieriger und langwieriger als gedacht und bringt beiden Seiten gleichermaßen Verluste. Wiewohl das Heerlager der Römer vor Viterbo auch weiterhin Schauplatz des Geschehens bleibt, akzentuiert der Vers 4415 mit der Formel ‚Aines tages kom iz sô‘ einen Neueinsatz des Erzählens, das Tarquinius erstmalig als handelnde Figur auftreten lässt und den König und Conlatinus in eine Opposition zueinander bringt (4). Eine Waffenpause verschafft den Römern die Gelegenheit, sich zu zerstreuen; die heitere Stimmung lockert die Zunge, und man verständigt sich in preisender wie in tadelnder Rede über vorzügliche und über defizitäre Kämpfer im römischen Reich. Das Gespräch unter Männern wendet sich sodann schönen Pferden, edlen Hunden, Jagdvögeln und anderem zu, was der Erzähler unter den 12 Die zwischen Rom und Florenz gelegene Stadt ersetzt das in antiken Quellen der TarquiniusLucretia-Geschichte erwähnte Ardea.

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Begriff der ‚kurzewîle‘ (V. 4426), des Zeitvertreibs, subsumiert; am Ende geht es dann um schöne und makellose Frauen und darum, ‚daz si die gerne wolten scowen‘ (V. 4428) [‚dass sie diese gern anschauten‘, E. B.]. Danach kommt man auf die eigenen Ehefrauen zu sprechen. Kritische Stimmen mischen sich mit solchen, die eine hohe Wertschätzung der Frauen formulieren, bis Conlatinus mit einer superlativischen Äußerung über Lucretia hervortritt: ‚sam mir mîn lîp! / ih hân daz aller frumigiste wîp / die der ie dehain man / ûf rômisker erde gewan‘ (V. 4443–46) [‚‚Bei meinen Leben, ich habe die beste Gattin, die je ein Mann im Römerreich erwarb‘‘]. Die Reaktion des Königs legt unmissverständlich offen, dass Conlatinus mit seinem Lobpreis zu weit gegangen ist – vom ‚sich vermezzen‘ und von ‚ubersprechen‘ ist da die Rede (V. 4448f.). Wenn Tarquinius seine Kritik dann persönlich wendet und zum Angriff auf ihn, den Herrscher, erklärt (‚jâ nescoltestû dîn wîp / vor mir sô harte niht loben.‘, V. 4450f.) [‚‚Es steht dir nicht an, deine Frau vor mir so hoch zu rühmen!‘‘], erfährt der gegen Conlatinus gerichtete Vorwurf insofern eine Zuspitzung, als das hierarchische Gefälle zwischen König und Fürst herausgestellt wird und das Vergehen der Majestätsbeleidigung im Raum steht. Der gleichzeitig gegebene Verweis des Königs auf die im Vergleich zu Lucretia höhere Abstammung seiner Frau, die ‚ouh vil baz getân‘ (V. 4453) [‚‚von größerer Schönheit und Tugend‘‘, E. B.] sei, führt geburtsständische und auf äußere wie innere Vollkommenheit gegründete Qualitäten eng. Auch diese Einlassung vermag die Situation jedoch nicht zu retten, da Conlatinus artikuliert, dass er nicht aus Überzeugung einlenkt, sondern lediglich aus politischer Klugheit nachgibt und sich dem König als oberstem Machthaber des Reiches beugt. Tarquinius versteht diese Entgegnung als das, was sie ist: eine Herausforderung, die er in seinem Angebot einer Wette auf die Vorzüglichkeit der jeweiligen Ehefrauen annimmt, welche die Wahrheit ans Licht bringen und so den Streit schlichten soll (V. 4461–69). Mit der Einwilligung des Conlatinus in diese Wette endet die Passage. König und Fürst brechen daraufhin nach Rom auf. Damit setzt nun ein Handlungsabschnitt ein, der Lucretia in den Vordergrund der Erzählung holt (5). Die Geschehnisse erstrecken sich, in paralleler Gestaltung, auf zwei Nächte, in denen die Männer nacheinander Lucretia und die Gemahlin des Königs in ihren Häusern aufsuchen, unangekündigt und somit überraschend und dennoch in Erwartung einer nächtlichen Bewirtung durch die aus dem Schlaf gerissenen Frauen. Die ‚Bewährungsprobe‘, der diese unwissentlich unterzogen werden, vollzieht sich somit in der Kaiserchronik im Kontext eines Empfangs und einer gastlichen Aufnahme. Die Art und Weise, wie sich die beiden Frauen verhalten, wird scharf kontrastiert. Lucretia beeilt sich, aufzustehen, als man ihr die Ankunft ihres Mannes meldet, sie läuft ihm über den Hof entgegen, um ihn willkommen zu heißen und ihrer Sorge um ihn Ausdruck zu verleihen, sie lässt unverzüglich die Tafel richten und bewirtet ihren Mann und den König per-

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sönlich. Dem hohen Gast begegnet sie äußerst zuvorkommend und leistet ihm Gesellschaft, bis er sich zur Ruhe begeben möchte. Die Königin hingegen weigert sich, ihr Bett zu verlassen, und die an sie herangetragene Bitte, dem König und dem Gast, den er mitgebracht hat, ein Nachtessen aufzutischen, weist sie ab. Für grelle Effekte bei der narrativen Gegenüberstellung der beiden Frauenfiguren sorgen dabei einzelne Handlungsweisen und Aussagen, mit denen Conlatinus und die Königin vom Erzähler profiliert werden. So übergeht Conlatinus die freudige Begrüßung durch Lucretia, die doch als Ausdruck der Erleichterung modelliert ist, den geliebten Mann wieder vor sich zu sehen, und macht stattdessen – scheinbar gefühllos – auf das Primärbedürfnis der Nahrungsaufnahme aufmerksam. Provokativ gießt er ihr Wein über das Gesicht und über ihr Kleid, ein Verhalten, das sie nicht hinterfragt, sondern schweigend und sich verneigend hinnimmt, lediglich darauf bedacht, möglichst rasch ihr Gewand zu wechseln, um die Bewirtung von Ehemann und Gast fortsetzen zu können. Der Abstand zur Königin, die ihren Mann wissen lässt, dass sein körperliches Wohlergehen ihr gleichgültig sei (V. 4550), die jegliche Gastfreundschaft verweigert und auch durch persönliches Zureden des Tarquinius nicht zu einer Änderung ihrer Haltung zu bewegen ist, wird dadurch besonders hervorgehoben. Mit einer knapp erzählten Rückkehr der Männer in das Heerlager vor Viterbo und der öffentlichen Anerkennung von Lucretia als der vorbildlichsten Frau, die er je gesehen habe und die allen Römern als Königin wohl anstünde (V. 4562), hält Tarquinius, ‚der kunic rîche‘ (V. 4557) [‚der mächtige König‘], der den Ausgang der Wette in jedem Falle hinnehmen wollte, Wort. Gleichzeitig lässt die Rede des Königs, der seinen eigenen Sprechakt als förmliche Ehrung des Conlatinus einordnet (V. 4556), erkennbar werden, dass im Medium des Frauenvergleichs eine Konkurrenz unter Männern und um männliche ‚êre‘, männliches Ansehen, ausgetragen wurde. Die auf die sog. Frauenwette folgende, gut achtzig Verse umfassende Passage (6) über eine vor Viterbo angesiedelte Unterhaltung zwischen Almenia, einer besonders sprachgewandten Stadtbewohnerin,13 und dem Römer Totila, die im Ergebnis die Beendigung der Belagerung und die Schonung der Bewohner Viterbos erbringt,14 hat der Forschung seit jeher Rätsel aufgegeben; sie soll hier zurückgestellt werden. Klammert man nämlich diesen Abschnitt aus, tritt deutlicher zu Tage, dass die Wette zwischen Tarquinius und Conlatinus und das, was dabei offenbar wurde, sich nicht einfach beiseiteschieben lassen. In einem leichten Ansatz zur Psychologisierung der Königsfigur wird sodann (7) nämlich 13 ‚ain paltsprâchiu‘ sei Almenia, so der Erzähler der Kaiserchronik (V. 4579). Zu dieser Bezeichnung vgl. Lozzi Gallo (2010). 14 Zur Almenia-Totila-Episode vgl. Mierke (2014), 238–241; Mohr (1952), 433–436; Ohly (1940), 96f.; Riessner (1969); Shaw (1967), 204–214; Shaw (1969), 379f.

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ein Herrscher gezeigt, den die verlorene Wette nachts nicht zur Ruhe kommen lässt. Der König macht seine Gemahlin für den Verlust der Wette verantwortlich und hält ihr im nächtlichen Bettgespräch den unhöflichen Empfang vor. Die bis dahin ahnungslose Königin erfährt so von der Wette und realisiert, ‚daz iz ir ze vâre getân was‘ (V. 4656) [‚dass man sie auf die Probe gestellt hatte‘] und dass ihr Ansehen Schaden genommen hat. Sie verlangt von ihrem Mann, ihre Ehre durch eine Schändung Lucretias wiederherzustellen. Der König widersetzt sich dem Ansinnen zunächst; erst als die Königin ihrer Forderung mit Tränen und mit der Drohung Nachdruck verleiht, andernfalls die Ehe faktisch aufzuheben und den sexuellen Kontakt zu ihrem Mann einzustellen, ihn zudem mit einem Szenario ködert, das für ihn auf die Möglichkeit des Beischlafs mit Lucretia hinausläuft, gibt Tarquinius nach. Es ist somit sexuelles Begehren – das nach der eigenen Ehefrau und das nach der Frau seines wichtigsten Fürsten –, das ihn zum willigen Gehilfen seiner Frau werden lässt. Die perfide Strategie einer Überwältigung Lucretias gibt sie vor, er muss das von ihr Erdachte lediglich ausführen: Er soll Lucretia in der Abwesenheit ihres Gatten aufsuchen und sie zur Schlafenszeit bedrängen, sich ihm hinzugeben; für den Fall, dass sie sich weigert, soll er einen in der Nähe bereitstehenden Begleiter in ihr Gemach stoßen, um sie auf dieser Grundlage des Ehebruchs anklagen (und sie der darauf stehenden Strafe zuführen) zu können. Die Verwirklichung des Plans und damit die Vergewaltigung Lucretias durch den König15 handelt die Kaiserchronik in gerade einmal 32 Versen ab (8). Erneut macht der Verfasser die Situation des Empfangs und des Gastmahls produktiv, die nun dazu eingesetzt wird, das bereits zuvor aufgebaute Bild von Lucretia als glänzender Gastgeberin zu bekräftigen. Die anschließende Szene in der Schlaf15 Wintgens (2013), 40f., argumentiert, dass in den Kaiserchronik-Fassungen A, B und C von einer Vergewaltigung Lucretias durch den König keine Rede sein könne, dass „strenggenommen nichts passiert“ sei (41) und die „Neugestaltung der Lucretia-Erzählung ohne Vergewaltigung“ die „eigene Leistung des ‚Kaiserchronik‘-Dichters“ ausmache, die dann in der B-Redaktion an einer Stelle rückgängig gemacht worden sei (ebd.). Schon angesichts der übermächtigen Relevanz des Vergewaltigungsmotivs in den antiken Quellen und deren Rezeption erscheint diese Sicht auf die Dinge fraglich. Wintgens berücksichtigt zudem den spröden Sprachstil der Kaiserchronik nicht, der die Vorgänge zuweilen in äußerster Verknappung darbietet. Dass der König, wie von seiner Gemahlin empfohlen, einen Ritter in Lucretias Schlafgemacht stößt und ihr androht, sie öffentlich des Ehebruchs zu bezichtigen und infolge eines rechtsgültigen Urteils steinigen zu lassen, ist zutreffend (vgl. V. 4709–16). In den anschließenden Versen spricht Lucretia jedoch davon, alles erleiden zu müssen, was der König über sie bestimme, und über den König wird gesagt, dass er ‚frumete sînen willen‘ (V. 4721) – eine Formulierung, die in V. 4726 noch einmal aufgenommen wird (‚er hête wol gefrumet ir willen‘). Diese Formulierung als euphemistische Umschreibung für die Vergewaltigung Lucretias aufzufassen erscheint mir näherliegend, als deren komplette Ausblendung anzunehmen; vgl. Mierke (2014), 234, Anm. 43. Durch die variierende Wiederholung wird der Vollzug der Tat in der Erzählerrede gerade betont und dabei der Anteil, den König und Königin an ihr haben, akzentuiert (‚sînen – ir willen‘).

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kammer bietet zunächst Lucretias Erschrecken über das Drängen des Königs auf sexuelle Vereinigung, sodann ein emphatisches Bekenntnis der Liebe zu ihrem Mann, gepaart mit einer Dienstversicherung gegenüber Tarquinius (V. 4703–08). Auf die Drohung des Königs hin, sie des Ehebruchs anklagen, verurteilen und töten zu lassen, gibt Lucretia ihren Widerstand auf. Der Gewaltakt selbst kommt in einem einzigen (kurz darauf noch einmal variierten) Vers zur Sprache: ‚Der kunic frumete sînen willen‘ (V. 4721), heißt es lakonisch [‚Der König bekam seinen Willen‘, Vollmann-Profe (1996)]. Der nächste Abschnitt (9) ist ganz dem Handeln Lucretias gewidmet, das unverzüglich einsetzt, sobald ihr Peiniger sie verlassen hat. Sie schickt nach Conlatinus, der auf ihre Mitteilung, es sei höchste Eile geboten, wenn er sie noch einmal lebend zu Gesicht bekommen wolle, nach Hause stürmt, wo Lucretia ihn ‚hêrlîche‘ (V. 4733) empfängt und innig umarmt, ihn jedoch lediglich um seine Erlaubnis bittet, ein Fest ausrichten zu dürfen (V. 4735–42), zu dem sie ihre ‚friunt‘ (V. 4741) einladen möchte. Ein viertes und letztes Mal erstrahlt Lucretia dann als Gastgeberin, nun aber alle Anwesenden täuschend, wenn sie zunächst für eine freudig-gelöste Stimmung Sorge trägt und erst zu gegebener Zeit um die Erlaubnis bittet, zu allen sprechen zu dürfen, das Vergehen des Königs öffentlich macht und sich dann inmitten der Festgesellschaft selbst tötet. Auf das Ende Lucretias folgt das Ende des Tarquinius (10). Die Kaiserchronik gestaltet es in doppelter Weise. Nachdem die Nachricht von den Geschehnissen sich in Rom verbreitet hat, beschließt der Senat, ‚daz Tarquinjus niemer mêre / newurde ir kunic noh ir rihtære‘ (V. 4797f.) [‚dass Tarquinius nicht länger ihr König und ihr Richter sein solle‘, E. B.]; die große Schuld, die er auf sich geladen habe, schließe ihn zwingend aus (V. 4799f.). Tarquinius muss aus der Stadt fliehen, Conlatinus verfolgt ihn heimlich und tötet ihn um Lucretias willen. Conlatinus weiß um die Konsequenz seines Handelns, um die Notwendigkeit, nun selbst und zum wiederholten Mal in seinem Leben fliehen zu müssen. ‚ze Rôme man nefraiscte noh envant, / war er iemer mêr bekôme: / ze lîbe oder ze tôde‘ (V. 4828–30) [‚In Rom erfuhr nie jemand, wohin er, lebendig oder tot, je gelangte‘], heißt es schließlich, womit sich der Kreis der Erzählung insofern schließt, als die Flucht- und ‚ellende‘-Motivik, mit deren Hilfe die Figur eingeführt worden war, erneut aufgegriffen wird.

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III. Die Erzählung von Tarquinius, Conlatinus und Lucretia in der Kaiserchronik ist das früheste deutschsprachige Rezeptionszeugnis eines Stoffes, der seine Ursprünge wohl in antiker Legendenbildung hatte;16 sein sagenhaft-historischer Kontext ist das Ende der Herrschaft der Tarquinier über Rom und die Gründung der römischen Republik im Jahre 509 v. Christus. Eine höchst einprägsame Gestalt und eine dementsprechend große Wirkmächtigkeit gewann er durch die Verarbeitung im Geschichtswerk des Titus Livius, Ab urbe condita.17 In dieser Schrift vom Ende des ersten vorchristlichen Jahrhunderts wird die Zeit von der Gründung Roms bis 9 v. Chr. behandelt;18 die Vorkommnisse um Lucretia beschließen hier das erste Buch (I,57–60). Barbara Kowalewski hat in ihrer im Jahr 2002 publizierten Studie über Frauengestalten im Geschichtswerk des T. Livius eine Übersicht zur Disposition der Erzählung vorgelegt, auf die ich zurückgreifen möchte:19 Disposition der Lucretia-Erzählung in Livius’ Ab urbe condita (I, 57, 1–60, 3) Vorgeschichte: Die militärische Lage 1. Begründung für den römischen Angriff auf die Rutuler-Stadt Ardea (57, 1–2) 2. Belagerung Ardeas; Situation im römischen Standlager (57, 3–5) I. Frauenprobe 1. Streit zwischen Tarqunius Collatinus und den Königssöhnen um die Qualitäten der Ehefrauen; Abschluss einer Wette (57, 6–7) 2. Austragung der Wette a) Ritt nach Rom zum Königspalast (57, 8) b) Besuch bei Lucretia in Collatia (57, 9–10) 3. Leidenschaft des Sextus Tarquinius; Rückkehr ins Lager (57, 10–11) II. Vergewaltigung 1. Freundliche Aufnahme des Sex. Tarquinius im Hause Lucretias (58, 1–2) 2. Verführungsversuch und Vergewaltigung (58, 2–58, 5) III. Geständnis und Selbstmord 1. Zusammenrufen der Zeugen (58, 5)

16 Vgl. dazu Kowalewski (2002), 107; Münzer (1927), 1695; Ogilvie (1974), 218f. 17 Forschungsliteratur (in Auswahl): Arieti (2002); Burck (1933/1964), 170–175; Claassen (1998); Corsaro (1983); Donaldson (1982); Fögen (2002), 21–59; Follak (2002); Frenzel (2005); Galinsky (1932), 11–14; Geldner (1977), 8–185; Goldmann (1976/1977), 10–15, bes. 10f.; Greschat (2010), 596–603; Holzberg (1992); van Hooff (1990), 50; van Hooff (2005), 39–42; Klindienst (1990); Joshel (1992); Klesczewski (1983); Kowalewski (2002), 107–137; Lüdemann (2007), 36– 41; Matthes (2000), 23–50; McClain (1994); Moormann / Uitterhoeve (2010); Münzer (1927); Philippides (1983); Sallmann (1992), 345–356; Theisohn (2013); Walther (2003); Weigel (2007), 45–48; Weigel (2012), 180–200; Wolfthal (1999), 74–78. 18 Der historische Kontext der Entstehung des Werkes ist somit die Herrschaft des Augustus. 19 Kowalewski (2002), 108. Vgl. auch Klesczewski (1983), 315.

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2. Bericht über die Vergewaltigung, Forderung nach Rache, vergebliche Trostversuche, schließlich Selbstmord (58, 6–12) 3. Racheschwur (59, 1–2) IV. Vergeltung: Sturz des Tarquinius Superbus und Abschaffung der Monarchie 1. Aufstand in Collatia; Zug nach Rom (59, 3–5) 2. Machtübernahme in Rom. Volksbeschluss über Sturz und Verbannung des Tarquinius Superbus (59, 6–13) 3. Machtübernahme im Lager von Ardea. Vertreibung der Tarquinier und Errichtung der Republik (60, 1–3)

Livius erzählt von den Vorkommnissen unter der Herrschaft des Tarquinius Superbus demnach in vier großen Blöcken. Wie ein Blick auf deren Umfang zeigt, liegt der Schwerpunkt auf den Ereignissen nach der Vergewaltigung Lucretias – auf der mehrstufigen Veröffentlichung der Tat des Königssohnes Sextus Tarquinius und den politischen Konsequenzen der Selbsttötung, zu der das Opfer sich entschließt. Die Figur der Lucretia begegnet bei Livius demnach im Kontext eines eminent politischen Geschehens: Sie ist ursächlich für die Absetzung und Verbannung des Tarquinius Superbus, sie löst die Vertreibung des Geschlechts der Tarquinier aus, und sie ist Anlass für einen Wechsel der Staatsform: Die Vorgänge um Lucretia läuten das Ende der Monarchie im Rom und die Begründung der römischen Republik ein. Noch klarer tritt die politische Perspektive hervor, wenn man berücksichtigt, dass die Lucretia-Erzählung bei Livius als das Ende eines umfangreichen Berichts über die Schreckensherrschaft des Tarquinius Superbus20 firmiert, der mit dem Paragraphen 49,1 beginnt und durch anerkennende Worte zum positiven Wirken von dessen Schwiegervater und Vorgänger im Königsamt, Servius Tullius21, präludiert wird, mit dem ‚iusta ac legitima regna occiderunt‘ (48,8) [‚das recht- und gesetzmäßige Königtum ein Ende fand‘]. Livius verschärft die Kontrastierung einer guten und maßvollen Herrschaft von vierundvierzigjähriger Dauer, die von Servius Tullius verkörpert wird, und einer illegitimen, allein auf Gewalt gegründeten Herrschaft, welche Tarquinius Superbus repräsentiert, durch die Aussage, Servius Tullius habe vorgehabt, ‚der Vaterstadt die Freiheit zu bescheren‘ [‚liberandae patriae‘, 48,9]. Er schlägt so einen Bogen zum Ende des ersten Buches, an dem mit der Ver-

20 Die zum Despotismus entarteten Herrschaft des etruskischen Geschlechts der Tarquinier wird bei Livius als eine Zeit der Unterdrückung des ‚populus Romanus‘ dargestellt; vgl. Kowalewski (2002), 108. Ebd., 123, Anm. 95, der Hinweis, dass die Abschaffung des Königtums von Livius erzählerisch sorgfältig vorbereitet wird, indem er bei den letzten drei Königen Roms deutlich macht, „dass sie auf eine Weise zur Regierung gelangten, die gegen den üblichen Modus der Köngiswahl verstieß: Tarquinius Priscus durch ‚ambitio‘, Servius Tullius ‚iniussu populi, voluntate patrum‘, Tarquinius Superbus durch Gewalt“. Vgl. Burck (1933/ 1964), 174. 21 Zu Servius Tullius vgl. Hoffmann (1939).

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treibung des Tarquinius Superbus aus dem Amt nicht nur eine fünfundzwanzigjährige Tyrannis verabschiedet wird, sondern Rom 244 Jahre nach seiner Gründung zugleich ‚befreit‘ wird, da nun mit L. Iunius Brutus und L. Tarquinius Collatinus zwei Konsuln eingesetzt werden, gewählt in einem Verfahren, mit dem man an die Vorgaben des Servius Tullius anknüpft.22 Die Erzählung entfaltet über die Stationen der Herrschaftsübernahme und der Konfrontationen mit den Latinern und den Volskern zunächst das Profil des militärisch nicht ungeschickten, doch zutiefst ungerechten Herrschers Lucius Tarquinius Superbus.23 Sextus Tarquinius als dessen jüngster Sohn rückt erst allmählich ins Blickfeld, zuerst im Zusammenhang mit den Vorgängen bei der Einnahme der Stadt Gabii, als Vater und Sohn in der Anwendung von Täuschung und Betrug kooperieren, dann beim Krieg gegen die reichen Rutuler und ihre bedeutende Stadt Ardea;24 deren lange währende Belagerung gibt den Hintergrund für die Lucretia-Geschichte ab. Ihren Ausgang nehmen die betreffenden Ereignisse im Standlager vor der Stadt, wo die jungen Prinzen ihr ‚otium‘ mit Gelagen hinzubringen suchen. Vom Wein erhitzt, schwadroniert man über die Qualitäten der eigenen Ehefrauen, und von dem Punkt an, an dem jeder die Seine über die Maßen preist, ein Einzelner, Collatinus, jedoch die Unübertrefflichkeit seiner Frau Lucretia behauptet,25 hilft nur noch der Augenschein weiter, der direkte Vergleich bei einem Überraschungsbesuch in Rom und in Collatia: ‚Id cuique spectatissimum sit, quod necopinato viri adventu occurrerit oculis‘ (57,7) [‚‚Als das sicherste Zeichen dürfte für jeden gelten, was es zu sehen gibt, wenn der Mann unerwartet auftaucht‘‘]. Steht fürs Erste somit Collatinus im Vordergrund, dessen Aussagen die weitere Handlung auslösen, so verschieben sich die Gewichte mit dem Besuch der 22 60,3: ‚Regnatum Romae ab condita urbe ad liberatam annos ducentos quadraginta quattuor. Duo consules inde comitiis centuriatis a praefecto urbis ex commentariis Ser. Tulli creati sunt, L. Iunius Brutus et L. Tarquinius Collatinus‘. [‚Die Königsherrschaft in Rom dauerte von der Gründung der Stadt bis zu ihrer Befreiung 244 Jahre. Hierauf wurden in den Centuriatcomitien unter Leitung des Stadtkommandanten entsprechend den Anweisungen des Ser. Tullius zwei Konsuln gewählt, L. Junius Brutus und L. Tarquinius Collatinus.‘] 23 53,1: ‚Nec ut iniustus in pace rex, ita dux belli pravus fuit; quin ea arte aequasset superiores reges ni degeneratum in aliis huic quoque decori offecisset‘. [‚Tarquinius war zwar in Friedenszeiten ein ungerechter Herrscher, doch im Krieg kein schlechter Heerführer. Ja, er hätte es sogar in dieser Fertigkeit den früheren Königen gleichgetan, wenn nicht seine sonstige Entartung auch diesen Glanz beeinträchtigt hätte.‘] 24 Der vom König befohlene Angriff auf die Rutuler und sein Vorgehen gegen Ardea dienen dem Ziel, die durch eine umfangreiche Bautätigkeit verbrauchten finanziellen Mittel wieder aufzufüllen und die wachsende Kritik der Untertanen durch die Aussicht auf umfangreiche Kriegsgewinne zu beschwichtigen (vgl. 56,1–3; 57,1f.). Zu den unter Tarquinius Superbus errichteten Bauten (Circus Maximus, Cloaca Maxima, Jupitertempel auf dem Kapitol) vgl. Burck (1981), 187. 25 Zum Motiv der Frauenwette und zur Rolle des Collatinus vgl. Schubert (1991).

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Männer in Collatia, wo beim Anblick Lucretias eine ‚mala libido‘, ‚das böse Verlangen‘, von Sextus Tarquinius als dem jüngsten der Prinzen Besitz ergreift, ‚Lucretia Gewalt anzutun‘ [‚Lucretiae per vim stuprandae‘] (57,10). Vom ‚iuvenalis ludo‘ (57,11) zur Vergewaltigung Lucretias durch Sextus Tarquinius benötigt Livius nur wenige Sätze. Mit einer Betonung auf der Gewissenlosigkeit und der Brutalität des etruskischen Prinzen, der sich während der Abwesenheit von Collatinus als Gast in dessen Haus aufnehmen lässt, um in der Nacht mit gezücktem Schwert zu dessen Frau vorzudringen, rücken sie Sextus Tarquinius in ein grelles Licht – um ihn damit zugleich als Akteur aus der Erzählung zu verabschieden. In den Fokus rücken fortan Lucretia selbst sowie die Figur des L. Iunius Brutus. L. Iunius Brutus betritt die Szene als Freund des Collatinus.26 Wie der Vater und der Ehemann Lucretias sowie ein weiterer Begleiter der beiden Männer wird er Zeuge von Lucretias Enthüllungen und von ihrer Selbsttötung. Die tragende Rolle, die Livius ihm für das weitere Geschehen zuweist, ist durch die dem Erzählen von der Auseinandersetzung mit den Rutulern vorgeschaltete Episode, welche von einer Konsultation des Orakels von Delphi handelt, bestens vorbereitet. Brutus, ein Sohn der Tarquinia, der Schwester des Königs (56,7), wird in diesem Kontext als jemand eingeführt, der von den Königssöhnen Titus und Arruns auf die Reise nach Griechenland mitgenommen wird, ‚ludibrium verius quam comes‘ (56,9) [‚mehr als Zielscheibe ihres Spottes denn als Begleiter‘]; es gilt, auf das Geheiß des Herrschers die Zeichenhaftigkeit einer aus einer hölzernen Säule geschlüpften Schlange in Erfahrung zu bringen (56,4ff.). Livius kennzeichnet diesen Brutus als einen jungen Mann, der die Herrschernatur des Tarquinius Superbus durchschaut und aus Vorsicht, zum Schutz des eigenen Lebens wie zur Ermöglichung einer denkbaren politischen Wende, auf die Kunst der ‚dissimulatio‘ setzt und sich zu einem Vertreter der ‚stultitia‘, der ‚Blödigkeit‘, modelliert. In dieser Weise maskiert, kann ‚der Geist, der dem römischen Volk die Freiheit bringen sollte, unerkannt auf seine Stunde warten‘ (56,8).27 Mit der Präsenz des Brutus im Schlafgemach Lucretias, in dem er ebenso Zeuge der Anschuldigungen wird, die sie gegen Sextus Tarquinius erhebt, wie auch Zeuge ihrer blutigen Selbsttötung, ist bei Livius die Zeit für den politischen Umschlag gekommen. Seiner Darstellung zufolge ist Brutus die treibende Kraft für das, was folgt. Er ist es, der das Messer aus Lucretias Wunde zieht und bei der Waffe, von der das Blut der Getöteten trieft, zur Beendigung der Herrschaft der Tarquininier und jeglicher Königsherrschaft in Rom aufruft, Lucretius und Collatinus aus 26 Lucretia schickt unmittelbar nach ihrer Vergewaltigung nach ihrem Vater und ihrem Ehemann, ‚ut cum singulis fidelibus amicis veniant; ita facto maturatoque opus esse; rem atrocem incidisse‘ (58,5) [‚sie sollten jeder mit einem treuen Freund kommen; es müsse sein, und Eile tue not; etwas Furchtbares sei geschehen‘]. 27 ‚liberator ille populi Romani animus latens opperiretur tempora sua‘.

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ihrer Trauer reißend, um sie dem Affekt der ‚ira‘, des Rachezorns, zu überantworten (58,7–59,2). Alle weiteren Maßnahmen zielen dann darauf ab, die Geschehnisse schrittweise öffentlich zu machen, zunächst in Collatia, wo man den Leichnam vom Inneren des Hauses auf den Marktplatz trägt und die Leute zusammenruft, dann in Rom, wo eine Menge Bewaffneter unter Führung des Brutus und der ‚primores civitatis‘ (59,6) [‚[der] maßgebliche[n] Männer aus der Bürgerschaft‘] auf dem ‚forum‘ den ‚populus Romanus‘ vor sich versammelt. Damit ist die Bühne bereitet für Brutus, der in einer großen Rede, und zwar in seiner Eigenschaft als ‚tribunus Celerum‘ (vgl. 59,7),28 nicht nur die Gewalttat des Sextus Tarquinius offenlegt, welche von der Geschändeten mit einer weiteren, gegen ihr eigenes Leben gerichteten Gewalttat beantwortet wurde, sondern überdies mit dem König selbst abrechnet, dessen Machenschaften er im Einzelnen vergegenwärtigt, um sich schließlich die so erzeugte Entrüstung und Erregung zunutze zu machen, um mit Heeresmacht gegen L. Tarquinius Superbus vorzugehen, ihn aus dem Amt und die gesamte königliche Familie ins Exil zu treiben. Während der ehemalige Monarch dort von Feinden getötet wird, bei denen seine Plünderungen und seine Mordtaten unvergessen sind, werden L. Iunius Brutus und L. Tarquinius Collatinus von der Volksversammlung zu Konsuln29 gewählt.

IV. Über welche Quellen der oder die Verfasser der Kaiserchronik verfügten, konnte von der Forschung letztlich nicht geklärt werden, trotz der immer noch wertvollen Untersuchungen Friedrich Ohlys und auch späterer Anstrengungen, welche in diese Richtung unternommen wurden.30 Dazu passt nur allzu gut, dass die „singulär spezifizierte Quellenangabe“31, die in den Versen 4337f. begegnet, in gewissem Sinne in die Irre führt. Dort, wo der Name der Römerin genannt wird, die Conlatinus sich zur Ehefrau erbittet, erfolgt nicht etwa ein Verweis auf Livius, es findet sich vielmehr eine Bezugnahme auf Ovid: ‚diu hiez Lucrêtîâ: / si stât in Ovîdîô gescriben dâ‘ [‚Sie hieß Lucretia; Ovid hat über sie geschrieben‘, Vollmann-Profe (1996)]. Die Erwähnung Ovids mag dessen großer Bedeutung für die mittelalterliche Literatur geschuldet sein,32 lässt sich indes nicht, wie noch zu 28 29 30 31 32

Vgl. dazu Feger (2003), Anm. 250. Vgl. dazu ebd., Anm. 254. Vgl. Mohr (1952), 334f.; Ohly (1940), 88–98; Winter (1999), 117f. Herweg (2014), 435. Zur Ovid-Rezeption und -Transformation im Mittelalter (und darüber hinaus), u. a. in der deutschen Literatur: Bartsch (1861), I–CXXVII; Battaglia (1959); Briesemeister / Guthmüller / Henkel / Jung / Klopsch / Sauer (1993); Hexter / Schmitzer / Vischer (2010) (mit weiterfüh-

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zeigen sein wird, primär aus dessen Stoffgestaltung in seinem Festkalender (Fasti, II, 721–852) erklären.33 Ovid setzt in seiner elegischen Aitiendichtung andere Schwerpunkte als Livius,34 dessen Darstellung trotz aller Freiheiten, die er sich nimmt, dem historiographischen Genus verpflichtet ist. Auch für Ovid sei zunächst im Rekurs auf Barbara Kowalewski 2002 die Disposition der Erzählung skizziert.35 Disposition der Lucretia-Erzählung in Ovids Fasti (II, 721–852) Vorgeschichte: Belagerung von Ardea (V. 721–724) I. Frauenprobe 1. Streit um Liebe und Treue der Frauen (V. 725–736) 2. Austragung der Wette a) Besuch bei den königlichen Ehefrauen in Rom (V. 737–740) b) Besuch bei Lucretia in Collatia (V. 741–760) – Lucretia spinnt im Kreise ihrer Mägde Wolle (V. 741–743) – Rede Lucretias: Sorge um ihren Ehemann (V. 744–754) – Äußeres Erscheinungsbild Lucretias (V. 755–758) – Wiedersehen mit dem Ehemann (V. 759–760) 3. Die Leidenschaft des Sex. Tarquinius wird durch die Schönheit und den Liebreiz Lucretias entflammt. (V. 761–766) II. Vergewaltigung 1. Nach der Rückkehr ins Lager wächst die Begierde des Tarquinius stetig. Er sinnt auf Gewalt und List. (V. 767–784) 2. Freundliche Aufnahme des Sex. Tarquinius im Hause Lucretias (V. 785–791) 3. Verführungsversuch und Vergewaltigung a) Tarquinius dringt in Lucretias Schlafgemach ein und bedroht sie. (V. 792–796) b) Reaktion Lucretias: innerer Monolog (V. 797–804) c) Drohungen und Bitten (V. 805–810) d) Prophezeiung durch ein lyrisches Ich: Tarquinius muss einen hohen Preis für seinen Frevel zahlen. (V. 811–812) III. Geständnis und Selbstmord 1. Benachrichtigung von Vater und Ehemann (V. 813–816) renden Literturhinweisen); Kistler (1993), 4–29; Kugler (1989); Munari (1960); Rand (1925); Stackmann (1966). 33 Eine Benutzung der Version Ovids ist verschiedentlich diskutiert worden; vgl. Mohr (1952), 334f.; Ohly (1940), 91–93; ebd., 94–99, eine vergleichende Lektüre der Lucretia-Erzählungen in den Fasti und in der Kaiserchronik; Winter (1999), 117f. Sie gilt mittlerweile als kaum wahrscheinlich (vgl. Weitbrecht [2013], 246, Anm. 13). – Forschungsliteratur zur LucretiaErzählung Ovids (in Auswahl): Corsaro (1983); Donaldson (1982), 4–18; Frenzel (2005); Galinsky (1932), 14–16; Geldner (1977), 35–70; Goldmann (1976/1977), 10–15, bes. 12f.; Greschat (2007); Klesczewski (1983), 316–318; Kowalewski (2002), 107–137, bes. 123–125; Lee (1953); Münzer (1927); Richlin (1992). 34 Vgl. zu Konzeption, Wertvorstellungen und Poetologie der Fasti von Albrecht (2003), 197– 203. 35 Kowalewski (2002), 123f.

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2. Bericht über die Vergewaltigung, vergebliche Trostversuche, schließlich Selbstmord und Trauer. a) Lucretia vermag unter Tränen kaum, die Untat zu berichten. (V. 817– 828) b) Vater und Ehemann sprechen sie frei, dennoch begeht sie Selbstmord. Sterbend achtet sie noch darauf, mit Anstand (honeste) zu fallen. (V. 829–834) c) Trauer (V. 835–836) 3. Rache a) Brutus schwört Rache. (V. 837–844) b) Tod Lucretias; sterbend billigt sie den Schwur. (V. 845–846) IV. Vergeltung: Tarquinius flieht mit seinen Söhnen aus Rom. Ende der Königsherrschaft (V. 847–852)

Die von Barbara Kowaleswski als „Vorgeschichte“ eingeordneten vier Verse über die Belagerung von Ardea (V. 721–724) und die sechs Verse am Schluss, welche die Flucht der Tarquinier aus Rom und das Ende der Königsherrschaft thematisieren (V. 847–852), stehen, was Umfang und Gewicht angeht, deutlich zurück gegenüber den etwa gleichwertigen Partien zur sog. Frauenprobe und zur Vergewaltigung und der um nur etwa ein Viertel kürzeren Partie zu ‚Geständnis‘ und Selbsttötung. Im Vergleich mit Livius’ Darstellung zeigt sich eine veränderte Schwerpunktsetzung, bei der die politischen Dimensionen des Stoffes zugunsten des Liebesthemas zurückgedrängt werden. Dabei rücken zwei Figuren nach vorn: Lucretia und Sextus Tarquinius. Die Szenerie des nächtlichen Besuchs der Männer in Collatia exponiert Lucretia als liebende Ehefrau. In der Konfrontation mit Sextus Tarquinius in ihrem Schlafgemach hebt Ovid durch einen Rückgriff auf das Mittel des Soliloquiums auf eine Erhellung von Lucretias Innenleben ab, auf ihre verzweifelte Suche nach einem Ausweg aus der Bedrohung. Und das, was sie im dritten Abschnitt über die Vergewaltigung sagt, zeigt sie schließlich als Opfer einer Untat, über die sie aus Scham kaum zu sprechen vermag. Die Figur des Sextus Tarquinius dient Ovid primär dazu, das Auflodern und die Unbezähmbarkeit sexueller Leidenschaft zu veranschaulichen. Collatinus und Lucretius sind bei Ovid dagegen nur von nachrangigem Interesse, und auch die Figur des Brutus büßt bei Ovid einen Teil der Bedeutung ein, mit der Livius sie ausgestattet hatte: Auf eine eher beiläufige Art und Weise in die Handlung eingeführt, welche die Geschichte der ‚maskierten Existenz‘ lediglich abbreviaturhaft enthält,36 erscheint ihr Gewicht deutlich reduziert. Zwar stilisieren die Fasti Brutus zur Gegenfigur zu Vater und Ehemann Lucretias, die klagend über ihrem Körper zusammengebrochen sind, ‚obliti decoris‘ (V. 836), und zeichnen so das Bild eines einsam zur Handlung Entschlossenen, der dafür sorgt, dass die 36 Vgl. Fasti II, 837–844; zuvor bereits II, 711–720.

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Selbsttötung Lucretias gerächt wird und politische Konsequenzen hat, tilgen aber die von Livius so sorgfältig entfalteten einzelnen Stationen politischer Willensbildung, die schließlich zur Einrichtung einer neuen Regierungsform in Rom führen.

V. Anders als bei Livius und bei Ovid kommt die Lucretia der Kaiserchronik ins Spiel, bevor von der Belagerung von Viterbo (Ardea) erzählt wird. Die römische Adlige wird dem Fürsten Conlatinus, einem Landfremden, der es im Umkreis des Königs verstanden hat, sich durch seine Vorzüge unentbehrlich zu machen, zur Frau gegeben, um ihn fester an das Gemeinwesen zu binden. Lucretia wird somit als Objekt wohlüberlegter Heiratspolitik eingeführt. Über die Beweggründe des Conlatinus, sich ausgerechnet Lucretia zu erbitten, erfährt man nichts, doch weiß der Erzähler zu berichten, dass die von den Römern aus politisch-diplomatischen Erwägungen eingefädelte Verbindung, durch die sich für den Trierer im Übrigen seine Position in der Fremde konsolidiert, den Boden bereitet für die gegenseitige Liebe und das Lebensglück des Paares: dô wart im daz wîp rehte alsô der lîp. duo minnet ouh in diu frowe mit aller slahte triwen; mit zuhten unt mit guote, mit aller deumuote minnete si den helt palt. si hêten grôzer wunne gewalt. (V. 4339–46)37

Damit ist das Thema der ehelichen Liebe zwischen Conlatinus und Lucretia angeschlagen, das bei Livius allenfalls angedeutet, bei Ovid aber bereits klar vorgeprägt ist. Der Akzent liegt auf L u c r e t i a s Liebe; zu ihrer Kennzeichnung greift der Verfasser in der kurzen Passage gleich zweimal auf den modernen Minnebegriff zurück, und er versieht sie zudem mit den höfischen Wertbegriffen ‚triuwe, zuht, güete und diemuot‘. Die Glorifizierung ehelicher Liebe und die Idealisierung der liebenden Ehefrau will mit dem später erzählten Ehebruch, zu dem Tarquinius Lucretia zwingen will, in Zusammenhang gesehen werden und akzentuiert so die Verwerflichkeit eines Tuns, das mit Gewalt in eine Liebesbeziehung eindringt und zudem das Institut der Ehe missachtet. Der Verfasser hat 37 ‚Diese Frau wurde ihm bald so lieb wie sein eigenes Leben. Auch sie liebte ihn in vollkommener Treue; mit Anstand und Güte und voller Ergebenheit liebte sie den tapferen Helden. Beide erfreuten sich ihres großen Glücks.‘

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den Zusammenhang jedoch nicht expliziert; allenfalls könnte man den anfänglichen Widerstand des Königs gegen die von seiner Gattin gewollte Schändung Lucretias in diesem Sinne deuten. Der Versuch einer Zurückweisung ihres Ansinnens durch den König resultiert nämlich aus der Anerkennung einer Vorbildlichkeit, die Conlatinus und Lucretia einander zuordnet: e r gilt ihm als ‚des lîbes ain guot kneht‘, s i e als ‚ain frumec wîp‘, eine Frau, deren Leben er nicht zerstören wolle (V. 4664–66) – das liest sich wie ein Widerhall von Ovids Verurteilung von ‚Gewalt und List gegen eine Ehe, die solches nicht verdient‘ [‚indigno vimque metumque toro‘, V. 780]. Objekt ist Lucretia auch in der Szene der Waffenpause während der Belagerung Viterbos, in der sie zum Gegenstand eines Männergesprächs wird, das auf einen Vergleich zwischen den (adligen) Frauen Roms hinausläuft. Eine nachlassende Anspannung ruft bei den Kämpfern Gedanken an die in Rom zurückgelassenen Ehefrauen wach und senkt ganz offensichtlich die Hemmschwelle, sich öffentlich über die Qualität der Frauen zu streiten. Streit und Konkurrenz sind in dieser Passage Bestandteil eines jeden der hier betrachteten Texte, doch erscheinen sie unterschiedlich motiviert; auch sind die Wortführer andere. Bei Livius bedenken a l l e ihre Ehefrauen mit höchstem Lob, woraufhin der Streit entsteht und Collatinus, der als einziger aus der Menge herausgehoben wird, die Superiorität Lucretias behauptet. In den Fasti fällt das Licht dagegen auf den jungen Tarquinius, den Königssohn. Angesichts der langen Dauer der Belagerung und die dadurch bedingte Absenz der Männer von Rom stellt er die eheliche Treue der Frauen in Frage (V. 729f.); weil daraufhin alle ihre Ehefrauen loben, kommt es zum Streit. Ein superlativisches Lob auf Lucretia gibt es hier nicht. Weder Livius noch Ovid spitzen somit die beschriebene Situation auf eine Konkurrenz zwischen zwei Männern zu. Genau das aber unternimmt der Verfasser der Kaiserchronik, der den Streit unter allen auf eine Opposition zwischen Tarquinius und Conlatinus hinauslaufen lässt; dass hier nicht der Königssohn Sextus Tarquinius, sondern der König selbst (der antike L. Tarquinius Superbus) agiert, resultiert aus der eingangs angesprochenen Thematik und der Strukturierung des Textes als einer Abfolge von Königsgesten; der moralische und politische Skandal erscheint so gesteigert.38 Dadurch, dass mit Tarquinius der Herrscher selbst maßgeblich involviert ist, wird sowohl die moralisch-ethische als auch die politische Dimension des Stoffes stärker aufgeladen. Conlatinus’ maßloser Preis Lucretias ist aufgrund der früheren Ausführungen zum Schicksal des Conlatinus und zu dessen Ehe mit Lucretia zwar klarer motiviert als bei Livius; gleichzeitig wird er in der neuen Konstellation gefährlich, da der Fürst sich mit seinen Worten den Widerspruch 38 Dass in der Lucretia-Legende zunächst der König selbst als Vergewaltiger firmierte, ist bei Schachermeyr (1932) nachzulesen (2388, 2391); Hinweis bei Kowalewski (2002), 113, Anm. 37.

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und die Kritik des Königs zuzieht. Conlatinus’ Aussage über die Unübertrefflichkeit Lucretias ist nicht nur brisant, weil sie alle anderen – Männer wie Frauen – zurücksetzt.39 Ihr kommt auch deshalb eine besondere Sprengkraft zu, weil hier jemand spricht, der von außen kommt, eben kein Römer, sondern ein Exulant ist – die Redeeinleitung des Erzählers legt gerade auf diesen Punkt Gewicht, da sie den Sprecher als ‚ellende[n] man‘ (V. 4441), als Fremden, bezeichnet und daran erinnert, dass er aus Trier kam (V. 4442). Wenn der König überdies klarstellt, dass Conlatinus mit seiner überheblichen Aussage auch ihn und die Königin übertrumpft, und das Gegenüber sich daraufhin nur der Macht des Amtes geschlagen gibt, in der Sache aber nichts zurücknimmt, ist ein neuer, bei Livius und bei Ovid so nicht gekannter Grad der Eskalation erreicht. ‚wærestû aver niht alles rîches hêrre, / so beredet ih iz noh vil verre‘ (V. 4459f.) [‚‚Wärest du aber nicht der Herr des ganzen Reiches, / wäre dies durchaus nicht mein letztes Wort gewesen‘‘, Vollmann-Profe (1996)]: Hier wird eine Unterscheidung zwischen der öffentlichen Position des Königs und der natürlichen Person, die diese innehat, greifbar, die an Ernst Kantorowicz’ Konzept der zwei Körper des Königs denken lässt.40 Die Wette auf die beste Frau im Reich, die Tarquinius dem Conlatinus daraufhin offeriert und die dieser annimmt, holt auch das nachfolgende Geschehen auf die Ebene einer direkten Konfrontation zwischen König und Fürst. Lässt sich für Livius und Ovid noch sagen, dass der Frauenvergleich „nur äußerer Anlaß dafür [ist], daß Sextus Tarquinius Lucretien zu sehen bekommt“,41 so ist das für die Kaiserchronik nicht mehr zutreffend. Vom Frauenvergleich in eine konkrete Wette zwischen Tarquinius und Conlatinus überführt, haben wir es hier mit einem eminent politischen Geschehen zu tun, einer Auseinandersetzung zwischen König und Fürst, zwischen oberstem Machthaber und Landfremdem, dessen Existenz von dem ihm gewährten Schutz in hohem Maße abhängt. Lucretia wird, ebenso wie die Königin, unwissentlich zum Spielball der Politik. Die Szene der ‚Bewährungsprobe‘, in der Lucretia erstmals in den Vordergrund der Handlung geholt wird, schreibt die Konfrontation zwischen Tarquinius und Conlatinus insofern weiter fort, als es hier nur diese beiden sind, die sich gemeinsam aus dem Heerlager nach Rom aufmachen, was der Text eigens akzentuiert: ‚si newolten niemen mit in mêre‘ (V. 4474) [‚Sie wollten niemanden sonst bei sich haben‘]. In gegenüber den antiken Texten veränderter Reihenfolge suchen die ‚[h]elede alsô vermezzen‘ (V. 4471) [‚die Helden, nicht mehr maßvoll handelnd‘, E. B.] zunächst Lucretia und erst danach die Königin auf. Die dem Prinzip der Steigerung verpflichtete Komposition bei Livius und bei Ovid wurde 39 Es handelt sich also um eine Spielart des in mittelhochdeutscher Literatur immer wieder problematisierten ‚Überlobens‘. 40 Kantorowicz (1957/1990). 41 Mohr (1952), 435.

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für eine Verstärkung des Kontrasts zwischen der Haltung und dem Verhalten der beiden Frauen preisgegeben.42 Bereits Friedrich Ohly hat vermutet, dass die Königin sich auf diese Weise „von dem Vorbilde Lucretias häßlich abheben soll.“43 Der strikte Parallelismus der Konstruktion, der beide Frauen im Unterschied zu der Darstellung bei Livius und bei Ovid in eine identische Lage versetzt und beide vor dieselbe Herausforderung stellt,44 zielt ebenso auf diesen Effekt. In der Kaiserchronik vollzieht sich die ‚Bewährung‘ der Frauen im Horizont von Erwartungen, die an die Rolle der Frauen bei Empfang und gastlicher Aufnahme gestellt werden, einer in der volkssprachigen Epik immer wieder thematisierten Situation, deren Realisation den Zeitgenossen als ein zuverlässiger Indikator für die Bereitschaft zur Einhaltung von Normen des gesellschaftlichen Umgangs und des friedvollen Miteinanders galt, die hier jedoch zudem auf ihre Zeichenhaftigkeit für die Qualität einer Ehefrau hin befragt wird. Ovid dagegen zeigt Lucretia – wie Livius auch (57,8f.) – bei nächtlicher Wollarbeit im Kreise ihrer Mägde (V. 741–746) und attestiert ihr auf d i e s e Weise die Konformität mit geltenden Normen;45 gleichzeitig profiliert er sie – nicht zuletzt mittels direkter Rede der Figur – als zärtlich Liebende, die sich zutiefst um Leib und Leben ihres Mannes sorgt und sich nichts sehnlicher wünscht als seine Rückkehr aus Ardea, ihm dabei gleichzeitig als großartigem und wagemutigem Kämpfer huldigt. Der seelische Aufruhr bricht sich in einer Tränenflut Bahn, die der Erzähler als angemessenen Schmuck der sittsamen Frau ausweist, lassen sich die Tränen doch als sprechendes äußeres Zeichen einer schätzenswerten inneren Verfassung deuten.46 In der Kaiserchronik gibt es allenfalls Spuren eines solchen Liebesdiskurses – Lucretias Freude über die plötzliche Rückkehr ihres Mannes etwa (V. 4481–90) ließe sich als eine solche 42 Auch Livius war es allerdings um einen möglichst überzeugenden Kontrast zu tun; vgl. Kowalewski (2002), 111: „Dadurch, dass Livius Rom zunächst nur als Station erwähnt und die Situation, in der die Königssöhne ihre Ehefrauen dort antrafen, erst in direktem Vergleich zur Situation in Collatia schildert, betont er den Kontrast zwischen den Ausschweifungen im Königspalast und dem Idyll im Hause des Collatinus.“ 43 Ohly (1940), 95. 44 Ebd. 45 Livius unterstreicht mit der Erwähnung der Wollarbeit (‚lanificium‘) Lucretias vorbildliche, einer römischen ‚matrona‘ angemessene Lebensweise. Vgl. dazu Kowalewski (2002), 111f.: „Livius verwendet das Bild der Wolle spinnenden Römerin, um das Konzept der ‚pudicitia‘ zu typisieren, das er zur konstitutiven Charaktereigenschaft seiner Lucretia-Gestalt erhebt. Damit macht er den Gegensatz zwischen dem Lebensstil der etruskischen Prinzessinnen und der Römerin, der auf einem kulturellen Gegensatz beruht, zu einem moralischen Gegensatz zwischen ‚luxuria‘ und ‚virtus‘.“ 46 Fasti II, 740–760, bes. 757f.: ‚hoc ipsum decuit: lacrimae decuere pudicam, / et facies animo dignaque parque fuit‘. [‚Gerade dies stand ihr gut: Die Tränen zierten die sittsame Frau, ihr Aussehen entsprach in seiner Würde ihrer Gemütsverfassung.‘] Ovids Lucretia weist Ähnlichkeiten zu den Heroinen seiner Briefe auf. Im Hintergrund steht die literarische Tradition der römischen Liebeselegie. Vgl. Geldner (1977), 45.

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Spur lesen. Im Vordergrund steht jedoch ein Ehediskurs, der die Frau primär in der Rolle der umsichtigen Hausherrin und beflissenen Gastgeberin wahrnimmt. Nicht zuletzt überzeugt Lucretia vor dem Horizont zeitgenössischer Erwartungen an die Rollen und Aufgaben von Mann und Frau in der Ehe durch ihre Bereitschaft, Conlatinus’ übergeordnete Stellung fraglos zu akzeptieren und sich ihm ohne Widerstand, gehorsam, geradezu unterwürfig zu fügen (vgl. V. 4491–4516). Der mittelhochdeutsche Text präsentiert sie als Demonstrationsobjekt von Conlatinus’ eheherrlicher Gewalt. Der Objektstatus Lucretias bleibt auch in der Szene mit dem nächtlichen Gespräch des Königspaares erhalten. Im Verlauf dieses Gesprächs wird sie zum Opfer eines hinterhältigen und heimtückischen Plans. Wir erkennen hier, dass die Kaiserchronik die Schändung Lucretias völlig anders motiviert als die zum Vergleich herangezogenen antiken Gestaltungen des Stoffes und dabei die Verantwortung für die Tat zu einem Gutteil von der Tarquinius-Figur weg auf die neu eingeführte Figur der Königin47 verschiebt. Schauen wir zum Vergleich noch einmal auf die Versionen des Livius und des Ovid, die das Geschehen beide, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, aus dem Begehren des Sextus Tarquinius heraus entwickeln. Was dem jungen Prinzen bei Livius in Collatia vor Augen kommt, die Schönheit Lucretias ebenso wie ihre Keuschheit, wecken in ihm die Lust, Lucretia mit Gewalt zu schänden.48 In der Überformung des Stoffes durch Ovid ist es die Verbindung aus Schönheit und Wahrhaftigkeit, die Sextus Tarquinius wahrnimmt und die ihn sofort in den Bann schlägt:49 forma placet niveusque color flavique capilli quique aderat nulla factus ab arte decor: verba placent et vox et quod corrumpere non est […]. (V. 763–765) ‚Ihm gefällt ihre Gestalt, der schneeweiße Teint, das blonde Haar und ein Liebreiz an ihr ohne alle Künstlichkeit; ihm gefallen ihre Worte, ihre Stimme und ihr unantastbares Wesen.‘

Die Aussichtslosigkeit der Werbung befeuert ein Verlangen, das durch eine permanente gedankliche Beschäftigung mit dem nach Verlassen Collatias wieder fern gerückten Objekt des Begehrens noch intensiviert wird (V. 769f.). Sextus Tarquinius malt sich aus, wie Lucretia dasaß, wie sie gekleidet war, wie sie die 47 Inwieweit die Einführung und die Gestaltung der Figur der Königin durch die Berichte der römischen Historiographie zu Tullia, der Gemahlin des L. Tarquinius Superbus und der Tochter des Servius Tullius, beeinflusst sein könnte, wäre zu prüfen. Zu Tullia vgl. Kowalewski (2002), 75–90. 48 57,10: ‚Ibi Sex. Tarquinium mala libido Lucretiae per vim stuprandae capit; cum forma tum spectata castitas incitat‘. [‚Hier ergriff den Sex. Tarquinius das böse Verlangen, Lucretia Gewalt anzutun. Ihn reizte ihre Schönheit, aber mehr noch ihre erwiesene Sittsamkeit.‘] 49 Ovid spricht in diesem Zusammenhang von ‚lodernde[m] Feuer‘ und ‚blinder Liebe‘ [‚furiales […] ignes, caeco […] amore‘], vgl. V. 761f.

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Fäden spann, wie ihr das herabfallende Haar im Nacken lag; er ruft sich ihre Züge in Erinnerung und auch ihre Worte, ihre ‚Farbe‘, ihre Figur, den Liebreiz ihres Mundes: sic sedit, sic culta fuit, sic stamina nevit, iniectae collo sic iacuere comae, hos habuit voltus, haec illi verba fuerunt. hic color, haec facies, hic decor oris erat. (V. 771–774)

Die grandiose, ganz offenkundig durch Ovids Liebesdichtung beeinflusste Darstellung präsentiert den jungen Königssohn als Opfer einer Liebesleidenschaft, die ihn überfällt und die so mächtig ist, dass sie sich nicht bezähmen lässt; notfalls muss ihr, so die Überzeugung des Sextus Tarquinius, mit Wagemut und Gewalt Geltung verschafft werden (V. 779–784). Ganz anders verhält es sich in der Kaiserchronik. Primäre Motivation für den Gewaltakt ist hier die Forderung der Königin nach Wiederherstellung ihrer Ehre. Das Motiv des sexuellen Begehrens ist nicht völlig absent, doch erscheint es sichtlich nachgeordnet; einmal aufgerufen, ist es jedoch insofern von Belang, als es den König korrumpierbar macht und ihn zum ‚rex iniustus‘ werden lässt. Kommen wir zur Klimax, zur zentralen Szene der Vergewaltigung Lucretias. In allen drei hier betrachteten Texten kehrt der ‚feindliche Liebhaber‘ [‚amans hostis‘, V. 805], wie Ovid ihn nennt,50 in Abwesenheit und ohne das Wissen von Lucretias Ehemann zurück. Um zum Ziel zu gelangen, muss er die Anwesenden und muss er Lucretia über seine Absichten täuschen und sich als Gast freundlich aufnehmen lassen. Bei Livius und bei Ovid dringt Sextus Tarquinius erst im Schutz der Dunkelheit, als alle schlafen, zu Lucretia vor, mit gezücktem Schwert – der Vorgang erhält somit den Charakter eines in aller Heimlichkeit ausgeführten Anschlags (58,2; V. 792). Livius schildert, wie Sextus Tarquinius seine Linke auf Lucretias Brust drückt, seinen Namen nennt, Lucretia mit dem Tod droht, sollte sie auch nur einen Laut von sich geben, und ihr dann sein Verlangen gesteht, sie bittet, sie bedrängt, ihr droht, ihr von allen Seiten zusetzt, jedoch an ihrer hartnäckigen Verweigerung scheitert (58,2f.). Sie ist durch Todesangst nicht zu beugen, und so ‚brachte er zu der Angst auch noch die Schande ins Spiel‘ [‚addit ad metum dedecus‘, 58,4], indem er von der Möglichkeit spricht, sie des Ehebruchs mit einem Sklaven zu bezichtigen. Das von Sextus Tarquinius entwickelte Szenario – er wird zunächst ihr das Leben nehmen, um dann auch einen Sklaven zu töten, ihn nackt neben sie legen, um so publik machen zu können, dass sie 50 Bei Livius 58,8 heißt es aus Lucretias Mund: ‚Sex. est Tarquinius, qui hostis pro hospite priore nocte vi armatus mihi sibique, si vos viri estis, pestiferum hinc abstulit gaudium.‘ [‚‚Es ist Sex. Tarquinius, der, aus einem Gastfreund zum Feind geworden, sich letzte Nacht bewaffnet mit Gewalt hier einen Genuß verschafft hat, der mir und – wenn ihr Männer seid – auch ihm Verderben bringen wird.‘‘]

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Ehebruch begangen und aus diesem Grunde getötet worden sei (58,4) – führt Lucretia vor Augen, dass sie ihren Ruf als makellose, keusche Frau posthum einbüßen wird. Es ist die Angst vor Verleumdung und vor dem Verlust der Ehre, die schließlich dafür sorgt, dass ‚die wilde Begierde über die beharrliche Sittsamkeit triumphiert […]‘ [‚vicisset obstinatam pudicitiam […] libido‘, 58,5].51 Ovid beleuchtet in seiner Darstellung vor allem Lucretias Angst vor dem bewaffneten Widersacher; sie lässt sie verstummen und zittern ‚wie zuweilen ein Lämmchen, das den Pferch verlassen hat und nun als Beute unter dem bösen Wolf liegt‘ [‚ut quondam stabulis deprensa relictis / parva sub infesto cum iacet agna lupo‘, V. 799f.]. Ihre peinigende Ohnmacht veranschaulicht eine in die dritte Person gefasste Gedankenrede Lucretias, in der sie nacheinander verschiedene Handlungsoptionen erwägt, um sogleich ihre Chancenlosigkeit zu erkennen und sie wieder zu verwerfen: quid faciat? pugnet? vincetur femina pugnans. clamet? at in dextra, qui vetet, ensis erat. effugiat? positis urgentur pectora palmis, tum primum externa pectora tacta manu. (V. 801–804) ‚Was soll sie tun? Soll sie sich wehren? Als Frau wird sie im Kampf besiegt. Soll sie schreien? Doch das Schwert, das es verwehrt, liegt in seiner Rechten. Soll sie fliehen? Seine Hände liegen fest gepresst auf ihrer Brust, die niemals zuvor von fremder Hand berührt worden war.‘

Auch bei Ovid droht Sextus Tarquinius sowohl damit, zunächst Lucretia und dann einen Sklaven zu töten, um sie dann als falscher Zeuge des Ehebruchs zu bezichtigen, und auch bei ihm ist es schließlich die Angst um ihren Ruf, nicht die Angst vor dem eigenen Tod, die dazu führt, dass sie ihren Widerstand aufgibt [‚succubit famae victa puella metu‘, V. 810]. Die entsprechende Szene in der Kaiserchronik hebt sich von den Darstellungen der beiden antiken Autoren zunächst durch eine deutlich geringere Dramatik ab – eine Waffe, mit der Lucretia bedroht würde, findet hier keine Erwähnung. Auch der mittelhochdeutsche Text kennt jedoch die beschriebene Zweiphasigkeit des Geschehens: Wir lesen zunächst von dem erfolglosen Bitten und Flehen des Königs und von einer Lucretia, die ein Bekenntnis ihrer großen Liebe zu Conlatinus dagegensetzt (V. 4699–4708). Es folgt das Schreckensszenario eines vorgetäuschten Ehebruchs, jedoch mit einem markant anderen Arrangement. Für die Überzeugungskraft der Anschuldigung soll hier ein in Lu51 Zur Darstellungstendenz vgl. Kowalewski (2002), 115: Livius „lässt Lucretia als passives Opfer in den Hintergrund treten, während die Szene von dem Gewalttäter beherrscht wird, dessen Drohgebärden und Überredungsversuche Livius als Prüfstein und Zeugnis für die weibliche Sittsamkeit dienen.“ Erst die nachfolgende Passage, in der es um die Enthüllung des Geschehens und dessen Konsequenzen geht, rückt die Frauenfigur stärker in den Vordergrund.

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cretias Schlafgemach gestoßener, vom König mitgebrachter Ritter sorgen, Lucretia soll in einem gerichtlichen Verfahren des Ehebruchs angeklagt, überführt und rechtskräftig zu einem Tod durch Steinigung verurteilt werden. Auch im mittelhochdeutschen Text ist es dieses Szenario, das dem König schließlich dazu verhilft, seinen Willen durchzusetzen. Als Ursache für Lucretias Kapitulation benennt der Verfasser der Kaiserchronik Angst vor dem Tod (V. 4717–20). Worauf sich diese Angst genau bezieht, auf die Art der Tötung (Steinigung) oder auf einen Tod, der infolge eines vorgeblichen Ehebruchs Schmach bringt, bleibt undeutlich. Bemerkenswert erscheint mir, dass er der weiblichen Figur vor dem Vers, der die Vergewaltigung nüchtern konstatiert (V. 4721), noch einmal das Wort gibt; sie erklärt, dass sie sich aufgrund von Zwang [‚nôt‘] der Macht des Königs beuge (V. 4718). Dadurch bewahrt Lucretia nicht nur, wie F. Ohly meinte, „die Reinheit ihres Gewissens in der Wehrlosigkeit“;52 zugleich wird so die politische Dimension des Geschehens, der Machtmissbrauch des Königs, erneut akzentuiert. Betrachten wir nun noch vergleichend die Enthüllung des Geschehens und die Konsequenzen. Bei Livius lässt Lucretia nach dem Vater und nach dem Ehemann schicken und trägt ihnen auf, angesichts eines schrecklichen Vorkommnisses unverzüglich mit je einem treuen Freund nach Collatia zu kommen (58,5). Lucretia, ‚maesta tanto malo‘ (58,5), ein Messer unter ihrem Gewand verbergend, entdeckt diesen vier Männern in ihrem Schlafgemach, am Ort der Tat, den Verlust ihrer Ehrbarkeit [‚pudicitia‘]53 (58,7f.). Ihren Ehemann weist sie auf die Spuren eines fremden Mannes in ihrem Bett hin (58,7) und fordert von den Männern die Bestrafung des Schuldigen, den sie schließlich beim Namen nennt (58,7f.).54 Lucretia gilt sich selbst ebenso wie den Umstehenden als schuldlos, da ihr einzig der Leib entehrt wurde, nicht jedoch das Herz oder der Geist (58,9f.). Ihren Freitod sieht sie als Möglichkeit, allen ihre innere Unbeflecktheit zu beweisen: ‚ego me etsi peccato absolvo, supplicio non libero; nec ulla deinde impudica Lucretiae exemplo vivet.‘ (58,10)55 ‚‚Ich kann mich zwar von der Sünde freisprechen, der Strafe aber will ich mich nicht entziehen; und es soll künftig keine Frau, die ihre Ehre verloren hat, unter Berufung auf Lucretia weiterleben.‘‘ 52 Ohly (1940), 98. 53 Dazu Radke (1959). 54 Die rechtshistorischen Dimensionen der Lucretia-Geschichte hat besonders Fögen (2002) herausgearbeitet. Fögen rückt die Version des Dionysios von Halikarnassos ins Zentrum, geht aber auch auf Livius ein (21–59). Vgl. zudem die unabhängig von Fögen gegebenen Hinweise bei Kowalewski (2002), bes. 117–121, wo unter anderem auf die Benutzung juristischen Vokabulars aufmerksam gemacht wird. 55 Zur semantischen Komplexität des Begriffs ‚supplicium‘ vgl. Weigel (2007), 47.

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„Livius entwirft von ihr das Bild einer Frau“, so B. Kowalewski, „die sich der Bedeutung ihres Handelns für das Ethos des römischen Volkes bewusst ist und diesem Gebot die persönlichen Belange unterordnet. Damit ist Lucretias Tod nicht mehr nur Zeugnis ihrer persönlichen Unschuld, sondern wird zum exemplum, welches das Urteil über unzüchtige Frauen spricht.“56 Wichtige Motive finden sich bei Ovid wieder, so das Herbeirufen von Vater und Ehemann, die Offenlegung der Tat vor ihnen, das heimliche Mitführen eines Tötungsinstruments. Lucretia ist hier die schuldlos Schuldige, die, da sie zum Beischlaf gezwungen wurde, vom Ehemann und vom Vater zwar Verzeihung erlangt, sich selbst aber diese Verzeihung versagen muss. Besonders herausgearbeitet ist Lucretias Scham. Sie lässt sie ihr Antlitz verhüllen und macht es ihr zunächst unmöglich, über das Geschehene, über ihre Schmach, zu sprechen; als sie sich schließlich dazu überwindet, bleibt der Blick gesenkt – sie kann den Männern nicht in die Augen sehen (V. 819–824). Und sie erzählt, soweit es ihr möglich ist; das Letzte aber bleibt ungesagt, aus Scham [‚quaeque potest, narrat; restabant ultima: flevit, / et matronales erubuere genae‘, V. 827f.]. Bei Ovid ist es die Scham über die erfahrene Entehrung, die Lucretia in den Selbstmord treibt, sie, die noch im Sterben, mit dem Dolch in der Brust, darauf bedacht ist, schicklich zu fallen: ‚tum quoque iam moriens ne non procumbat honeste respicit: haec etiam cura cadentis erat‘. (V. 833f.) ‚Auch da, schon sterbend, ist sie darauf bedacht, schicklich zu fallen: Noch im Fallen sogar war dies ihre Sorge.‘

Ovid bleibt somit bis in die letzte Wendung hinein bei der Stilisierung Lucretias als demütig-sittsamer Frau und gewinnt so den erzählerischen Reiz auch aus der konsequenten Modellierung eines mit dem Moment der Anziehung verknüpften weiblichen Habitus. Das Aufbegehren gegen das geschehene Unrecht wird dagegen ganz der Figur des Brutus zugeschrieben. Die Kaiserchronik wiederum betont in dieser Szene (V. 4727–71) von Anfang an die Entschlossenheit der Lucretia und die Sicherheit ihres Handelns. Anders als in den beiden antiken Texten zielt dieses Handeln auf die Herstellung einer großen Öffentlichkeit für die Enthüllung von Tarquinius’ Unrecht.57 Erreichen 56 Kowalewski (2002), 120. 57 Bei Livius haben wir es mit einer begrenzten Öffentlichkeit zu tun, die aus dem Vater, dem Ehemann und zwei weiteren Männern besteht, die zu deren Vertrauten gehören. Bei Ovid sind zunächst sogar nur Vater und Gatte zugegen (II, 813–816); die Figur des Brutus wird erst in V. 837 erwähnt, wo es heißt Brutus adest [‚Brutus ist zur Stelle‘]. In der Version des Dionysios von Halikarnassos sucht Lucretia hingegen nach ihrer Schändung ihren Vater in Rom auf und bittet ihn, möglichst viele Verwandte und Freunde herbeizuholen; vgl. Kowalewski (2002), 120, Anm. 82.

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lässt sie sich nur um den Preis der Täuschung aller – ihres Ehemanns ebenso wie der geladenen Gäste. Das Arrangement eines Festes als Bühne für die Enthüllung des Geschehens stellt den Vorgang in hellstes Licht und überführt Lucretias Agieren in eine allgemeine Sichtbarkeit. Überlegt und ruhig, geradezu kaltblütig, inszeniert sie ein geeignetes Umfeld für ihren finalen Auftritt. Ein letztes Mal führt sie, in der Rolle der gewandten, um das allgemeine Wohl besorgten Gastgeberin, das Ideal vor Augen, das sie bis zum Übergriff des Königs verkörpert hatte, um schließlich, nachdem das Mahl beendet ist und die Tische aufgehoben werden, das Wort zu ergreifen und ‚Rômæren allen […] vil offenlîche‘ (V. 4767) zu verkünden, ‚wie iz ir mit dem kunige was ergangen‘ (V. 4768) – ohne Tränen, ohne ein Wort über ihr Leid, ohne eine Scham, die sie am Sprechen hindern würde, ohne Klage über einen Ehrverlust, auch ohne eine Forderung nach Rache und Strafe für den Täter. Sobald gesagt ist, was zu sagen war, sticht sie sich ein Messer in den Leib.58 Was bei Livius in die rhetorisch geformte Rede der ‚matrona‘ gelegt ist und bei Ovid der genüsslichen Darstellung weiblicher Scham zum Opfer fiel, erscheint in der frühmittelalterlichen Erzählung als szenische Inszenierung und Schaugeste. Die Stelle erhellt sehr gut die von modernen Rezipienten immer wieder vermerkte Sprödigkeit des Textes. Es gibt in der Kaiserchronik keine explizite Erklärung für Lucretias Selbstmord; die dennoch immer wieder vorgebrachten, im Wesentlichen psychologisierenden Sinnunterstellungen können keine Verbindlichkeit beanspruchen.59 Unbestreitbar bleibt freilich die kausale Funktion der von Lucretia erhobenen Anschuldigungen und ihrer nachfolgenden Selbsttötung für die weitere Handlung – das ist in der Kaiserchronik nicht anders als in den antiken Texten, die zum Vergleich herangezogen wurden. Dennoch sind beträchtliche Unterschiede in der narrativen Gestaltung des Geschehens zu verzeichnen. Sie resultieren in erster Linie aus der Eliminierung der Figur des Brutus,60 die vor allem in Livius’ Gestaltung des Stoffes relevant ist, indem sie am Ende die Ereignisse steuert. Es ist Brutus, der das Messer aus Lucretias Körper zieht und bei ihrem Blut schwört, L. Tarquinius Superbus und seine Ehefrau Tullia sowie sein ganzes Geschlecht zu verfolgen und die Herrschaft der Tarquinier über Rom zu beenden. Es ist Brutus, der den Vater und den Ehemann Lucretias dazu bringt, sich ihm anzuschließen, 58 Von einer Problematisierung der Selbsttötung, wie sie im christlichen Diskurs am Beispiel Lucretias vorgenommen worden ist (vgl. Galinsky [1932], 17–19; Knapp [1979]) findet sich in der Kaiserchronik keine Spur. Vgl. auch Weitbrecht (2013), 249. 59 Reinigung von Schande (Hennen [1977], 91), Scham (Jentzmik [1973], 242), Besiegelung ihrer Ehre (Ohly [1940], 98), Furcht um ihren Ruf (ebd.). Vgl. Pézsa (1993), 169. 60 Zu den Qualitäten der Brutus-Figur bei Livius vgl. insbesondere den medienwissenschaftlich orientierten Beitrag von Balke (2011), der mit Max Webers Charisma-Konzept operiert, dieses jedoch auf eine interessante Weise modifiziert. – Außer der Figur des Brutus ist in der Kaiserchronik auch die Figur des Lucretius getilgt. Weitbrecht (2013), 246f., spricht von einer „Reduktion des Geschehens und der handelnden Personen auf zwei Ehepaare.“

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um ‚das Königtum zu stürzen‘ [‚ad expugnandum regnum‘] (59,2). Unter seiner Regie trägt man Lucretias Leichnam aus dem Haus und macht das Schicksal der Römerin auf dem Marktplatz öffentlich, und er ist es, der eine bewaffnete Menge nach Rom führt und dort wie im Lager von Ardea den Aufruhr befeuert und einen Umsturz ins Werk setzt, gestützt durch den ‚populus Romanus‘ (59,1– 60,2). Die „persönliche Tragödie“ der Lucretia findet in ihrer Selbsttötung ein Ende, die „Entehrung einer ‚matrona‘ durch einen Sohn des römischen Königs“61 hat jedoch ein eminent politisches Nachspiel, das seinen Fluchtpunkt in der Errichtung der römischen Republik hat. Indem „das Ende der Monarchie auf das sittliche Fehlverhalten eines Mitglieds der Königsfamilie zurückgeführt wird“, erhalten die damit einhergehenden gewaltsamen Maßnahmen eine moralische Legitimation.62 Es dürfte diese enge Verknüpfung mit dem Wechsel der Staatsform von der Monarchie zur Republik sein, welche die Figur des Brutus für den oder die Verfasser der Kaiserchronik unbrauchbar machte. Im mittelhochdeutschen Text und in dessen Erzählen von Lucretia, Conlatinus und Tarquinius geht es ja nicht um die Abschaffung der Königsherrschaft und die Gründungsgeschichte der römischen Republik, sondern vielmehr um die Konstruktion einer kontinuierlichen Reihe monarchischer Herrscher, die sich von Caesar bis zu Konrad III. erstreckt. Tarquinius ‚Superbus‘, gegen die korrekte Zeitenfolge zwischen Nero und Galba eingeordnet und somit vom sechsten vorchristlichen ins erste nachchristliche Jahrhundert verschoben, verkörpert in dieser Reihe als eines von vielen Beispielen den tyrannischen und damit ‚schlechten‘ Herrscher, über den die gewaltsame Art seines Todes das Urteil spricht. Während Sextus Tarquinius, eine Figur, die in der auf die Negativprofilierung des Monarchen ausgerichteten Kaiserchronik ebenfalls unberücksichtigt blieb, sich als Livius’ Protagonist nach Gabii zurückzieht, wo er ‚von alten Feinden, die er sich selbst durch Morde und Räubereien gemacht hatte und die sich jetzt rächten, umgebracht‘ wird (60,2),63 stirbt in der Kaiserchronik die funktional äquivalente Figur des Königs durch 61 Kowalewski (2002), 121. 62 Ebd.; vgl. auch 128 und 107. Sehr anregend sind die Darlegungen von Lüdemann (2007), welche das livianische Erzählen von Lucretia unter der Perspektive der weiblichen Gründungsopfer behandelt, von denen mit „auffälliger Regelmäßigkeit […] an den Wendepunkten in der römischen Geschichte, wie Livius sie […] darstellt,“ die Rede ist (36). Sie beleuchtet in ihre Beitrag die hohe Relevanz eines geradezu obsessiven Phantasmas, des ‚reinen‘ Körpers der Frau, für das Funktionieren eines aus männlichen Subjekten gebildeten politischen Gemeinwesens und kann überzeugend aufzeigen, in welcher Weise „die Integrität der ‚res publica‘ an die Integrität eines menschlichen – diesmal allerdings weiblichen – Körpers gebunden wird“ (38), mit der Pointe freilich, dass die Frau erst als Tote zur „Geburtshelferin[] des republikanischen Männerbundes“ werden kann (39). Vgl. dazu auch Fögen (2002) und, in einem größeren Horizont, Bronfen (1992/1994). 63 […] ‚ab ultoribus veterum simultatium, quas sibi ipse caedibus rapinisque concierat, est interfectus‘. – Tarquinius Superbus geht hingegen ins etruskische Caere ins Exil (60,2).

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Lucretias Gatten Conlatinus, der Tarquinius im Gewand eines Bauern heimlich verfolgt und ihn ‚durchstößt‘ [‚durh in stach‘, V. 4821]. ‚owê mir mînes lieben wîbes! / owê dir dînes lîbes! / swaz mîn ze râte sule werden, / dû muost ie dar umbe ersterben.‘ [‚‚Weh mir um meine geliebte Gattin! / Weh dir um dein Leben! / Was man auch über mich verhängen wird, / du musst ihretwegen sterben!‘‘] Mit diesen Worten (V. 4813–16), die Conlatinus an sich selbst richtet, als er den flüchtenden Tarquinius aufgespürt hat, leitet der Text zu seinem Anschlag auf den ehemaligen Herrscher über; er akzentuiert so gleichermaßen die Trauer des liebenden Ehemannes64 wie dessen Wunsch nach einer Todesstrafe für den Verursacher der Selbsttötung Lucretias. Die Verse verdienen es, mit zwei Aussagen Lucretias in Verbindung gebracht zu werden; diesen soll damit ein größeres Gewicht verliehen werden, als das in der Forschung bisher geschehen ist. Zum einen unterstreicht Lucretia gegenüber Conlatinus, dass sie das Fest nicht grundlos, ‚ân sache‘ (V. 4738), veranstalten wolle, zum anderen macht sie deutlich, dass es vor allem s e i n e Präsenz ist, auf die es für sie bei der festlichen Versammlung ankommt: ‚si sprah: ‚hêrre, jâ scol ih dich ze aller vorderst dâ hân‘‘ (V. 4746) [‚Sie sprach: ‚Herr, dich vor allen anderen brauche ich dabei‘‘]. Die sache, von der Lucretia spricht, soweit herrscht Klarheit, ist ihre Vergewaltigung durch den König, die sie selbst öffentlich machen will und wird. Die Selbsttötung ist damit Anklage des Tyrannen;65 nachdem sich die Nachricht davon in Rom verbreitet hat, zieht sie den Beschluss des römischen Senats nach sich, Tarquinius aus dem Königs- und Richteramt zu entfernen (V. 4793–4800). Warum aber ist ihr Conlatinus’ Anwesenheit beim Festmahl und bei ihrer öffentlichen Rede so wichtig? Dass er, der nach Lucretia am stärksten Betroffene, von der Schandtat erfahren muss, reicht als Erklärung nicht aus – für diese Mitteilung bräuchte es, wie wir von Livius und auch von Ovid wissen, die ganz große Öffentlichkeit nicht. Durch die Entfaltung gegenseitiger Liebe und Wertschätzung zwischen Lucretia und Conlatinus zu Beginn der Erzählung und die Betonung der tiefen Trauer des Witwers an ihrem Ende werden die Überlegungen in eine andere Richtung gelenkt. Nur über ihren Ehemann kann Lucretia, so scheint es, erreichen, dass den Täter eine Rache ereilt, die ihn das Leben kostet. Seine Präsenz beim gemeinsamen Mahl stellt sicher, dass er sie ein letztes Mal als strahlenden Mittelpunkt eines höfischen Festes erlebt, um dann Ohren- und Augenzeuge ihres öffentlichen Berichts über die Verfehlung des Königs und ihres Freitods zu werden; auf diese Weise wird er zu einer Reaktion geradezu verpflichtet, erlebt er ‚michel clage und nôt‘ (V. 4772) [‚laute Klage und Notgeschrei‘], das ‚clagen unde wainen aller‘ (V. 4775), wird demnach Teil eines emotionalisierenden kollektiven Geschehens. Darf man weitergehen und fragen, 64 Vgl. V. 4776–92 und V. 4801–05. 65 Ohly (1940), 97.

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ob der Festplanung Lucretias damit ein bewusstes Kalkül beigelegt werden soll? Wenn das so wäre, dann machte sie nämlich ihre Selbsttötung zur Waffe, und dann wäre diese Selbsttötung nicht nur der Weg zur Vertreibung des Tyrannen, sondern überdies der Weg zum Königsmord. Anders als bei Ovid, der die Lucretia-Erzählung zwar auf den 24. Februar gelegt hat und so an das Ende des römischen Königtums und den Beginn der Republik erinnert, die politische Dimension des Geschehens in seiner Stoffgestaltung gleichwohl marginalisiert,66 wäre damit die von Livius so klar herausgestellte politische Bedeutung der Erzählung am Ende in ihr Recht gesetzt, wenn auch auf eine gänzlich andere Art und Weise als bei ihm. In der hier erwogenen Perspektive wäre der Tod der Kaiserchronik-Lucretia ein spektakuläres Selbstopfer im Dienste der gesellschaftlichen Ordnung, ausgeführt von einer einsam und dabei unbeirrbar zum Äußersten entschlossenen Frau, die in ihrer Selbstmächtigkeit am Ende heldische Exorbitanz gewönne.

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66 Ovid gibt zwar als Thema für seine Erzählung die Flucht des Königs an (‚regis fuga‘, V. 685) und beschließt sie auch entsprechend (‚dies regnis illa suprema fuit‘, V. 852) [‚Dies war der letzte Tag einer Königsherrschaft in Rom‘], lenkt aber in den folgenden vier Versen mit der dort formulierten Wetterregel die Aufmerksamkeit noch einmal auf das in erotischem Begehren motivierte Geschehen, indem er auf die Metamorphose von Tereus und Procne anspielt und so einen intertextuellen Bezug verdeutlicht, der schon vorher die Lektüre anreichern konnte; vgl. von Albrecht (2003), 179, Binder (2014), 258.

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Dr. Susanne Flecken-Büttner danke ich nicht nur für die sorgfältige Einrichtung des Typoskripts, sondern überdies für viele wertvolle Hinweise und Anregungen. Niclas Deutsch und Jens Müller haben mich bei der Fahnenkorrektur unterstützt; auch ihnen gilt mein Dank.

Uwe Baumann (Bonn)

‚Jenseits von Alter und Vergänglichkeit‘: Cleopatra im Drama der Shakespearezeit1

I.

Prolog

Das eindrucksvolle Plakat, mit dem das Centre of Early Modern Exchanges des University College London die – vermutlich erste Aufführung seit mehr als 400 Jahren oder sogar die erste überhaupt – von Samuel Daniels Cleopatra bewirbt (Premiere am 3. Mai, 2013),2 zeigt Charlotte Gallagher als Cleopatra in einer entscheidenden Szene und Pose: mit der hoch gereckten rechten Hand hält sie die Schlange, die sich um ihren Unterarm ringelt. Diese Pose, wie auch viele Details der Ausstattung Cleopatras, von der Kopfbedeckung bis zum Faltenwurf des Gewandes, imitieren ein kaum bekanntes Ölgemälde eines anonymen Künstlers des frühen 17. Jahrhunderts („Lady Ralegh as Cleopatra“), das sich in Privatbesitz befindet.3 Das sorgfältig komponierte Gemälde zeigt eine junge Frau, die neben einem Körbchen mit Feigen steht. Ihr reich mit Juwelen geschmücktes Mieder lässt ihre Brüste frei; ihr Kleid, mit Hermelin besetzt, umhüllt sie in elegantem Faltenwurf. In ihrer erhobenen rechten Hand hält sie eine Schlange, in ihrer linken Hand, nach unten gerichtet, ein Zepter. Zwischen den Brüsten, an einer exquisiten Kette, hängt – exakt im Zentrum des Gemäldes – ein Anhänger mit dem Miniaturporträt eines jungen Mannes in römischem Gewand, offensichtlich Antonius.4 In der rechten oberen Ecke des Gemäldes, quasi als Pendant zum Korb mit den Feigen in der einen Diagonalen des Gemäldes, befindet sich ein handbeschriebenes Blatt Papier, gebraucht und gefaltet, vielleicht ein Brief oder Rollen-No1 Der Beitrag geht in der Argumentation auf drei Vorträge zurück, die im Rahmenprogramm der Ausstellung „Kleopatra – Die ewige Diva“ (28. Juni – 6. Oktober 2013) in der Bundeskunsthalle Bonn im August und September 2013 und beim dies academicus am 29. Mai 2013 gehalten wurden. Die Namensform Cleopatra wird im Folgenden der Form Kleopatra vorgezogen, weil die analysierten englischen Dramen durchgängig die Form Cleopatra benutzen. 2 Vgl. Abb. 1 nach Arshad / Hackett / Whipday (2014), 177. 3 Vgl. Arshad (2011), bes. 30–36 und – detaillierter – Arshad / Hackett / Whipday (2014). 4 Vgl. Abb. 2 nach Arshad / Hackett / Whipday (2014), 168.

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Uwe Baumann

Abb. 1

tizen für einen Schauspieler.5 Zepter und Schlange konstituieren die andere Diagonale. Der Text wurde erst jüngst von Yasmin Arshad als Exzerpt aus Samuel Daniels Tragedy of Cleopatra (von 1607) erkannt.6 Unabhängig davon, ob die junge aristokratische Dame nun als Lady Ralegh oder als Lady Anne Clifford identifiziert werden kann:7 Bemerkenswert bleibt, dass eine junge Aristokratin sich so offensichtlich als Cleopatra inszeniert. Vielleicht – das kann gegenwärtig nur eine revolutionäre Vermutung sein – geht dieses Porträt sogar auf eine zeitgenössische Aufführung von Samuel Daniels Cleopatra zurück, was die traditionelle Einschätzung des sogenannten ‚closet drama‘, des Rezitationsdramas à la Seneca, maßgeblich erschüttern würde.8 Im Mittelpunkt des Interesses sollen im Folgenden nicht solche hochkomplexen literaturtheoretischen und kulturhistorischen Fragen stehen, sondern es wird der Versuch unternommen, die unterschiedlichen Repräsentationen Cleopatras in den Tragödien der Shake5 Vgl. Arshad (2011) und Arshad / Hackett / Whipday (2014). 6 Vgl. Arshad (2011). 7 Vgl. insbes. die ausgewogene Abwägung der Argumente in Arshad / Hackett / Whipday (2014), 170–175. Vgl. zu Lady Anne Clifford ebenfalls Pitcher (2013). 8 Vgl. allgemein Arshad / Hackett / Whipday (2014) und Straznicky (2004).

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Abb. 2

spearezeit vorzustellen,9 zu vergleichen und kulturwissenschaftlich zu kontextualisieren. Die Analyse erfolgt in chronologischer Reihenfolge und mit dem Fokus auf den jeweiligen Sterbeszenen. Die grundsätzliche Frage, ob es im Drama der Shakespearezeit überhaupt tragische Heldinnen geben kann oder gibt, ist für mich nach erneuter Sichtung der Materialien und vor allem den theoretischen Gegenargumenten positiv entschieden. Wie bereits in einer früheren Studie nach kurzen exemplarischen Analysen von Samuel Daniels The Tragedy of Cleopatra (1593), John Marstons The Wonder of Women, or The Tragedy of Sophonisba (1605), Francis Beaumonts & John Fletchers The Maid’s Tragedy (1610) und Thomas Middletons & William Rowleys The Changeling (1622) begründet, gilt für tragische Heldinnen, dass: sie […] literarische Repräsentationen von Frauenfiguren [sind], die es im historischen Kontext der Shakespearezeit im Grunde nicht gibt, womit aber letztlich nur offenkundig wird, daß die Dramen der Shakespearezeit sich augenscheinlich nicht darauf beschränken, zeitgenössische Realität mimetisch abzubilden. [… sie] konstituieren vielmehr ein Diskussions- und Experimentierforum, in dem durchaus die zeitgenössische Realität und Mentalität transzendierende Positionen diskursiv erörtert wurden, […] 9 In drei von den im Folgenden en détail ausgewerteten fünf Tragödien ist Cleopatra entweder alleine oder gemeinsam mit Antonius / Antony als Titelheldin genannt, in John Fletchers The False One nicht, weil sie eindeutig als Nebenfigur konzipiert ist, und in Samuel Brandons The Tragicomoedi of the Vertuous Octauia fungiert sie als ‚Gegenspielerin‘ der Titelheldin.

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Auch wenn realhistorisch die Sprecher- und Subjektposition im England der Shakespearezeit weitgehend männlich ist, so entwirft die kulturelle Imagination dramatische Frauenfiguren, die sowohl die Sprecher- als auch Subjektposition beanspruchen, wobei genau dieses den tragischen Konflikt generieren kann […].10

II.

Samuel Daniel, The Tragedy of Cleopatra (1593)

Die Handlung der Tragedy of Cleopatra von Samuel Daniel setzt genau dort ein, wo die von Mary Sidney (bzw. Herbert), Countess of Pembroke, übersetzte Tragödie Robert Garniers Antonie endet,11 nämlich mit dem Tod des Antonius. Wie Mary Sidneys Antonie ist Daniels Tragedy of Cleopatra, die auf Plutarchs Biographie des Antonius als Hauptquelle zurückgeht,12 als Rezitations- bzw. Lesedrama konzipiert und stellt sich selbst bewusst in die Tradition der von Seneca einerseits und dessen französischen Rezipienten andererseits geprägten Tragödienkonzeption des Sidney-Kreises.13 Auf Anregung Mary Sidneys (um ihrem Antonie die Gefährtin an die Seite zu stellen14) verfasste Samuel Daniel 1593 seine Tragedy of Cleopatra, eine Tragödie, die allein zu seinen Lebzeiten siebenmal – teils mit gravierenden Änderungen – im Druck erschien.15 Die Tragödie markiert, wie Daniel in seiner Widmung an Mary Sidney formulierte, den entscheidenden Wendepunkt seiner literarischen Laufbahn: Die auf Anregung Mary Sidneys erfolgte intensive Beschäftigung mit Geschichte und Geschichtstheorie hätte ihn literarisch an neue, höhere Aufgaben herangeführt

10 Baumann (2005), 37–56, Zitat: 56. 11 Vgl. die Edition von Luce (1897). Vgl. ebenfalls Aebischer (2013); Baker (2004); Clarke (1997); Green (2002); Hann (2009); Hillman (2004); Kewes (2012); Krontiris (2009); Lamb (1981, 1986, 1990); MacArthur (1990); Oberth (2013); Prescott (2008a & 2008b); Skretkowicz (1999); Steppat (1987); Wilcox / Walthaus (2008). Vgl. insgesamt zu Mary Sidney Herbert auch Stedman (2001). 12 Vgl. Lederer (1911), XIII–XV. 13 Vgl. Leavenworth (1974); MacCallum (1910), bes. 48–54; Spriet (1968), bes. 344–392; Witherspoon (1924), bes. 99–112. Vgl. auch Straznicky (2004). 14 Vgl. die Dedication (Ded. 19–21): „Had I not seene thy well grac’d Anthonie / Adorned by thy sweete stile in oure faire tongue / T’expect his Cleopatras company.“ 15 Vgl. zur Textgeschichte Lederer (1911), bes. XI–XII. Daniels Überarbeitungen sind nicht nur stilistischer, sondern auch konzeptioneller Art: Während z. B. die Fassungen von 1594, 1599, 1601, 1602 und 1605 die zweite Szene des fünften Aktes, den Freitod Cleopatras, als Botenbericht an den Chor präsentieren, ist diese Szene 1607 (also möglicherweise nach Shakespeares Antony and Cleopatra) und 1611 (diesen Text macht Lederer zur Grundlage seiner Edition) in Handlung umgesetzt. Vgl. allgemein hierzu Michel / Seronsy (1955); Norgaard (1955); Norman (1958, 1959); Rees (1952, 1953, 1960, 1964); Røstvig (1979); Schanzer (1957); Schütze (1936); Stirling (1964); vgl. ebenfalls Godshalk (1977), 281–301; Harner (1987); Sellers (1930); Tannenbaum (1942) und Baumann (1996), bes. 173–184.

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(Ded. 12–13: „And me at first from out my low repose / Didst raise to sing of state and tragicke notes“).16 So bedeutsam die Tragedy of Cleopatra für die Entwicklung der Geschichtstheorie Samuel Daniels insgesamt ist,17 für unsere Belange verdienen nur zwei Aspekte größeres Interesse, der Bericht über den Freitod des Antonius und der Freitod Cleopatras, weil diese die Charakterdisposition Cleopatras am besten explizieren. Die Pläne Oktavians18 fasst Daniel in seinem Argumentum selbst prägnant zusammen (Arg. 1–9): After the death of Antonius, Cleopatra, (liuing still in the monument shee had caused to be built), could not by any meanes be drawne forth, although Octauius Caesar very earnestly laboured it, and sent Proculeius, to vse all diligence to bring her vnto him: for that he thought it would be a great ornament to his triumphs, to get her aliue to Rome.

Diesem Wunsch des siegreichen Römers entgegen steht die unverrückbar feste Absicht Cleopatras, aus dem Leben zu scheiden und sich mit Antonius im Tode für immer zu vereinen.19 Alle Versuche Oktavians, selbst der persönliche Besuch im Grabmal der Cleopatra, bringen ihn nur scheinbar seinem Ziel näher. Cleopatra beherrscht die machiavellistische Kunst der Verstellung besser als der skrupellose Machtmensch Oktavian20 und macht diesen glauben, sie wolle aufgeben und sich nach Rom bringen lassen. Einzig dem Geiste des Antonius wolle sie zuvor noch das ihm gebührende Opfer darbringen, was Oktavian ihr auch gestattet. Nachdem Cleopatra unter Bewachung in ihr Grabmal zurückgekehrt ist, lässt sie ein überaus prächtiges Mahl auftragen, und scheidet – wie sie sich mit 16 Vgl. dazu Leavenworth (1974), bes. 54ff. und 118ff. 17 Vgl. insbes. die Theorie des zyklischen Wandels der Geschichte (III,1,848ff.) und die brutale, aber nicht falsche Erkenntnis, dass die Geschichte immer vom Sieger verfasst und in seinem Sinne umgedeutet wird (III,2,951–952: „The conquering cause hath right, wherein thou art, / The ouerthrowne must be the worser part“). Vgl. zu Daniels Geschichtstheorie und -konzeption Blissett (1957); Chang (1965); Ferguson (1971); Gill (1977); Godshalk (1964, 1994); Gottfried (1956); Hulse (1979); Klein (2012); Leavenworth (1974), bes. 54ff.; Logan (1971); McKisack (1947); Pitcher (1998); Seronsy (1957); Tipton (1995, 1998); Woolf (1988); Wright (2004a & 2004b, 2008). Vgl. allgemein auch Demandt (1978), bes. 236–270; Trompf (1979). 18 Um hier und im Folgenden auf die umständlichen Adressierungen „der junge Caesar“ oder „der spätere Augustus“ verzichten zu können, bezeichne ich die Figur durchgängig als ‚Oktavian‘, wobei die Schreibung ‚Oktavian‘ verdeutlicht, dass es sich um eine moderne Prägung handelt. In Daniels Tragedy of Cleopatra erscheint Oktavian als „Caesar“, „Octavius“ und auch anachronistisch als „Augustus“. 19 Schon früh in der Tragödie (II,1,441–445; II,1,460–461; II,1,561–570) verbindet sich dieser Entschluss Cleopatras mit dem Wunsch, den eigenen Tod zum Ruhmeszeichen ihrer Liebe und ihrer selbst zu stilisieren (II,1,460–461): „Why should I not but make my death my praise, / That had my life but for mine infamie?“ Vgl. ebenfalls die Verse des Chores über ‚Opinion‘ und damit Nachruhm (III Chor 1113–1126). 20 Vgl. bes. II,2,573–594; II,2,691–712; III,1,775–889; III,2,997–1054.

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Antonius zuvor in das Glück und den Ruhm der Welt geteilt hat – mit festlichem Gepränge aus dem Leben (Arg. 28–36): And in dinner time, came there one in the habite of a countriman, with a basket af figges vnto her, who (vnsuspected) was suffered to carry them in: And in that basket (among the Figges) were conueied the Aspickes wherewith she did her selfe to death. Dinner being ended, she dispatched Letters to Caesar, containing great lamentations with an earnest supplication, that she might be intombed with Antonius.

Dieser knappe Aufriss der Handlung, die (wie in Rezitationsdramen üblich) größtenteils als Bericht bzw. in langen Dialogpassagen präsentiert wird, verdeutlicht, dass Daniels Tragedy of Cleopatra konsequent auf den Höhepunkt, die eigentliche Katastrophe, den Freitod Cleopatras, zusteuert. Als Vorspiel, und zugleich als Spiegelszene für diesen Höhepunkt der Tragödie, schaltet Daniel in die zweite Szene des ersten Aktes den Bericht des Directus über die Ereignisse der letzten Stunden, insbesondere über den heroischen Selbstmord des Antonius ein (I,2,189–291), der bis in die Details hinein dem Bericht des Plutarch (K. 77–79) über die letzten Lebensstunden des Antonius entspricht. Antonius starb, so der Bericht des Directus, im Bewusstsein der eigenen Größe, er akzeptierte den eigenen Tod als natürliche Folge des Glücksumschwungs (vgl. I,2,275–276), als die Kehrseite seiner ihm zuvor in reichem Maße zugemessenen Macht und Ehre. Den Tod von eigener Hand, den Tod durch das Schwert, wählte er bewusst,21 um sowohl mit der Wahl des Zeitpunkts wie auch der Wahl der Waffe vor der Nachwelt Zeugnis abzulegen für seine Ehre, seine untadelige, römische Gesinnung (vgl. I,2,284: „A Romane hath but here a Romane quail’d“). Von keinem Gegner als nur dem Schicksal selbst überwunden, überantwortete sich Antonius dem Tod: kein Gedanke des Vorwurfs an Cleopatra, die ihn sowohl bei Actium verlassen als auch mit der falschen Nachricht über ihren Tod getäuscht hatte,22 nur tiefempfundene, ehrliche Sorge um die Geliebte, die Kinder und die Trost spendende Hoffnung auf den durch den Tod ins Zeitlose hineinragenden Ruhm kennzeichnen die letzten Minuten des Antonius.23 Versuchte Oktavian, die Geschicke der Menschen nach Gutdünken zu lenken, wobei er weder vor Betrug, Verrat und Mord zurückschreckte, so nahm Cleopatra – wie zuvor Antonius – ihr Schicksal an. Die Versuche Oktavians und seines 21 Vgl. I,2,217–218: „It is a deede of glory, Eros, this: / For these drie deaths are womanish and base.“ 22 Vgl. I,2,199–204; vgl. insgesamt auch Baumann (1996), bes. 176f. 23 Vgl. bes. I,2,270–291. Die unmittelbare Reaktion Oktavians auf die Nachrichten über die letzten Stunden des Antonius entlarvt diesen als kühlen, machiavellistischen Politiker: Er heuchelt Trauer und weist jede Verantwortung für das Geschehen weit von sich, Antonius selbst habe sich zugrunde gerichtet und Rom verraten (vgl. I,2,292–299). Dass Antonius gerade mit dem Vollzug seines Freitodes Rom und dessen Verständnis von soldatischmännlicher Ehre huldigte, übersieht Oktavian geflissentlich.

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Agenten Proculeius, Cleopatra zu überzeugen, sich dem Sieger zu unterwerfen und ihn um Gnade zu bitten (vgl. III,2,903–1054), können wir übergehen, da Cleopatra nur zum Schein Bereitschaft signalisiert, den Wünschen Oktavians nachzukommen;24 sie will sich nicht beim Triumph Oktavians dem Volk von Rom als lebendiges Beutestück vorführen lassen. Ihrem eigenen Schicksal stellt sie sich so illusionslos, wie sie die politischen Fehler der Vergangenheit eingesteht. Sie nimmt die Schuld, die sie in den Augen der Welt an der Niederlage und am Tod des Antonius trägt, auf sich (vgl. II,1,505– 524) und sie bekennt freimütig, dass sie selbst erst in der reinen Liebe des Antonius ihr wahres Ich gefunden hat (II,1,551–560): When such as vve doe deeme in iealousie, That men loue for themselues, and not for vs. Then and but thus thou didst loue most sincerely. (O Antony that best deserud’st it better) This Autumne of my beauty, bought so deerely, For which in more than death I stand thy debtor Which I will pay thee with so true a minde, Casting vp all these deepe accounts of mine As both our soules, and all the vvorld shall find All reckonings cleer’d betwixt my loue and thine.

Ihre Liebe zu Antonius will Cleopatra mit dem eigenen Tod ehren,25 sie selbst ist das Totenopfer, das sie dem Geist des in ihren Armen gestorbenen Geliebten feierlich gelobt (IV,2,1320–1345): No Antony, thy loue requireth more, A lingering death with thee deserues no merit I must myself force open wide a dore To let out life, and to vnhouse my spirit. These hands must breake the prison of my soule. 24 Sehr viel erfolgreicher war Oktavian bei der Gefangennahme und anschließenden Hinrichtung des jungen Caesario, des Sohnes Cleopatras und Caesars, die er letztlich durch Erpressung zum Verrat (vgl. IV,1,1191–1193) erreichte. Die Sterberede des Jünglings (IV,3,1397–1449) gestaltet Samuel Daniel zu einer wortgewaltigen Abrechnung mit der Tyrannis Oktavians und zur als Rachewunsch, als Fluch konzipierten düsteren Vision des zukünftigen Geschicks Oktavians aus (vgl. Baumann (1996), bes. 177–181). 25 Vgl. nochmals II,1,460–461, eine rhetorische Frage, die verdeutlicht, dass Cleopatra sehr wohl mit ihrer ‚Inszenierung‘ ihren eigenen Nachruhm, ihr Bild in der Erinnerung der Öffentlichkeit, selbst prägen, festlegen möchte: „Why should I not but make my death my praise, / That had my life but for mine infamie?“ Vgl. auch die Verse des Chores (III Chor 1116–1126): „Perswading now, how shee shall gaine, / Honour by death, and fame attaine. / And what a shame it were to lieu, / Her Kingdom lost, her louer dead: / And so with this perswasion led, / Despaire doth such a corage giue, / That nought else can her mind relieue, / Nor yet diuert her from that thought: / To this conclusion all is brought, / This is that rest this vaine world lends, / To end in death, that all things end.“

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[…] But what haue I, saue onely these bare hands, And these weake fingers are not yron-pointed, They cannot pierce the flesh that them withstands, And I of all meanes else am disappointed. But yet I must away, and meanes seeke hovv To come vnto thee, and to vnion vs, O death art thou [art] so hard to come by novv, That we must pray, intreat, and seeke thee thus? But I vvill find, where euer thou doest lie, For who can stay a mind resolu’d to die.

Cleopatras flinker Geist findet das Mittel, sich und ihre Seele mit Antonius zu vereinigen: Sie befiehlt Diomedes, ihr zwei Giftnattern zu besorgen (vgl. IV,2,1246–1251). Als Bauer verkleidet schmuggelt der getreue Diener die Schlangen unverzüglich in einem Feigenkorb verborgen an den römischen Wachen vorbei ins Grabmal, wo Cleopatra die beiden Nattern und den Diener als Pförtner zum Tor des heißersehnten Todes voller Ungeduld erwartet (vgl. V,2,1633–1692). Cleopatra wendet sich den Schlangen zu und feiert sie in einer grandiosen Apostrophe als höchst willkommene, gleichsam die Schöpfung krönende Geschöpfe (V,2,1701–1704):26 Come rarest beast, that all our Egypt breeds, How deerely welcome art thou now to me? The fairest creature that faire Nylus feedes, Me thinkes I see, in now beholding thee.

Dann bietet sie den Nattern ihre Arme dar,27 bereit, den tödlichen Biss zu empfangen (V,2,1705–1708):28 Better then death, deaths office thou dischargest, That with one gentle touch canst free our breath, And in a pleasing sleepe our soule inlargest, Making ourselues not priuie to our death.

26 Diese vier Verse (und die folgenden zwölf) konstituieren den Text rechts oben auf dem gemalten Blatt Papier des anonymen Gemäldes ‚Lady Ralegh as Cleopatra‘ (siehe dazu oben S. 126f. und Abb. 2); vgl. Arshad (2011), bes. 30. Vgl. auch Arshad / Hackett / Whipday (2014), bes. 171. 27 Die europäische Kunstgeschichte hat sich mit der überwältigenden Mehrheit der Darstellungen für die ungleich erotischere Variante, dass Cleopatra den Nattern ihre nackte Brust anbot, entschieden; vgl. die Einzelanalysen bei Ritschard / Morehead (2004); vgl. ebenfalls Bronfen / Lulin´ska (2013) und Walker / Higgs (2001). 28 Vgl. in diesem Kontext auch Cleopatras Apostrophe des antizipierten Todes als „gentle cunning theefe, / That from our selues so steal’st our selues away“ (V,2,1711–1712).

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Cleopatra setzt ihre bereits zu Beginn der Tragödie formulierte Absicht, sich mit Antonius im Tod für immer zu vereinen,29 in die Tat um. Wie sie es ihren Dienerinnen Eras und Charmian angekündigt hatte, stirbt sie wie eine Königin, in einer großen Inszenierung (IV,2,1384–1385): „So shall I act the last of life vvith glory, / Die like a Queen, & rest vvithout controule.“ Und wie bereits zuvor Antonius versteht auch Cleopatra den eigenen Tod als letzten Akt ihres Auftritts („[s]o shall I act the last […]“) auf der Bühne dieser Welt, als letztes großes Finale, wie es im Rollenbuch des Schicksals vorgezeichnet ist (V,2,1733–1740): Well, now this worke of mine is done, here endes This act of life, that part the fates assign’d What glory or disgrace this vvorld could lend, Both haue I had, and both I leaue behind, And Egypt now the Theater where I Haue acted this, witness I die vnforc’d, Witnes my soule parts free to Antony, And novv prowd tyrant Caesar doe thy vvorst.

Mit dieser klassischen Theatermetapher30 akzeptiert Cleopatra nachdrücklich den eigenen Tod als ihr vom Schicksal zugemessen, ein Gedanke, der sie – wie der Freitod insgesamt – mit Antonius verbindet. Mit dem Tod jedoch entzieht sie sich und ihre Seele dem Einfluss, der Gewalt der Schicksalsmächte, freiwillig und von niemandem gezwungen („I die vnforc’d“) lässt sie ihr Leben, die Schmach, den Ruhm, und auch Ägypten, die Bühne ihres Lebens hinter sich. Die treuen Dienerinnen Eras und Charmian setzen ihrer toten Herrin die königliche Krone auf, richten ihr die Haare (V,2,1757: „That all the world may see, shee di’d a queene“), und schicken sich an, nicht nur Zuschauerinnen des Endspiels auf dieser Bühne des Todes zu sein (V,2,1741–1743): […] wee must not onely be Spectators in this Scene, but Actors too Now comes our part.

Sie ergreifen, wie es ihnen ihre Liebe zu Cleopatra und das eigene Ehrgefühl gebietet, jede eine der Nattern und trinken sich ein letztes Mal zu. Wie Eros Antonius in den Tod vorausging (vgl. I,2,223–233), so erweisen nun Eras und Charmian dem Sterben ihrer Königin die letzte Reverenz, indem sie ihr das eigene Leben als Totenopfer darbringen.31 29 Vgl. bes. I,1,101–104; II,1,380–381; II,1,416–423; II,1,441–445; II,1,460–461; II,1,499–530; II,1,551–570 und IV,2,1259–1353. 30 Vgl. allgemein Demandt (1978), bes. 332ff. und Baumann (1996), bes. 183, Anm. 26. 31 Vgl. dazu bereits die frühe allgemeine Wertung der Königin (II,1,527–528: „That from sterne death euen steales a sad delight / To die with friends, or with the like distrest“) und die (eitle) Hoffnung auf den Nachruhm der Welt, den Eras für ihre (und Charmians) Treue bis in den

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Samuel Daniels Tragedy of Cleopatra bietet nicht nur bis in die Details hinein auf die Antonius-Biographie des Plutarch (insbesondere die Kapitel 77–79 und 83–87) zurückgehende, sowohl sprachlich als auch dramatisch einfühlsame und detaillierte Schilderungen der heroischen Freitode des Antonius und der Cleopatra, sie akzentuiert darüber hinaus – und damit auch über den eigentlichen Stoffrahmen der Tragödie hinausgreifend – mit dem Rachewunsch, dem Fluch Caesarios, die grundsätzliche Überzeugung ihres Verfassers, dass der politische Zweck eben nicht alle Mittel heiligt.32 Die emphatischen und detaillierten Repräsentationen der heroischen Selbstmorde des Antonius und der Cleopatra verweisen explizit auf die signifikant weltpolitischen Dimensionen des Geschehens. Auch wenn Oktavian der politische Sieger ist, der in der historischen Realität überaus erfolgreich alles daran setzen sollte, sein Bild, seine Version des Krieges mit Cleopatra, der in Wahrheit ein Bürgerkrieg um die alleinige Vormacht im Römischen Reich war, in der kollektiven Erinnerung und damit in der Geschichtsschreibung durchzusetzen,33 so eröffnet Samuel Daniels Tragödie für die Shakespearezeit und die gebildeten, an Politik, Moral, und Geschichtstheorie interessierten Kreise der 1590er und 1600er Jahre noch eine weitere, prinzipielle Perspektive, über die es nachzudenken lohnt: Das von Oktavian in Ägypten frevelhaft vergossene Blut wird über ihn kommen und ihm und Rom zum Fluch werden, und dies nicht zuletzt deshalb, weil Oktavian im arroganten Vertrauen auf seine irdische Machtfülle (vgl. z. B. II,2,700: „To be a Prince is more then to be a man“) glaubt, mit seinen zynischen, göttliches wie natürliches Recht mit Füßen tretenden Intrigen, Mordbefehlen und sonstigen unmoralischen Handlungen selbst in Stellvertretung Fortunas bzw. der Schicksalsmächte den natürlichen Kreislauf der Welt nach Gutdünken lenken zu können. Samuel Daniels Tragedy of Cleopatra präsentiert damit insgesamt nicht nur in ihrem Zentrum den heroischen Freitod Cleopatras, die damit im besten Sinne zur tragischen Heldin der Tragödie wird;34 die Tragödie entwickelt darüber hinaus – insbesondere mit Cleopatras Antagonisten Oktavian – ein höchst interessantes, in seiner BedeutTod erwartet (V,2,1745–1746): „And though our meaner fortunes cannot claime / A glorie by this acte, they shall haue fame.“ 32 Vgl. allgemein zur Rezeption der Theorien Machiavellis durch Samuel Daniel Leavenworth (1974), bes. 54ff. und Chang (1965); vgl. ebenfalls oben, Anm. 17. 33 Vgl. zur historischen Cleopatra allgemein Baumann (2003); Clauss (1995); Schuller (2006); Southern (2003) und Stuttard / Moorhead (2012). 34 Vgl. insgesamt auch Aebischer (2013); Arshad (2016); Baker (2004); Galbraith (1994); Hann (2009); Hedayet (1984); Mallery (1990); Royster (2003); Wilcox / Walthaus (2008). Vgl. ebenfalls Arshad / Hackett / Whipday (2014), bes. 180: „The embodiment of Cleopatra by actors highlighted Daniel’s distinctive view of female heroism. Outside drama he explored tragic femininity in the fashionable genre of female complaint, in his Complaint of Rosamond (1592) and Letter from Octavia (1599). Influenced by Ovid’s Heroides, this genre enables the extensive exploration of female subjectivity and the female voice, and Cleopatra is arguably a female complaint in dramatic form.“

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samkeit kaum zu überschätzendes politisches Anregungspotential, denn selbstverständlich gilt auch hier das Dictum Thomas Heywoods aus der Apology for Actors:35 If wee [sc. the playwrights] present a forreigne History, the subiect is so intended, that in the lives of Romans, Grecians, or others, either the vertues of our Country-men are extolled, or their vices reproved.

III.

Samuel Brandon, The Tragicomoedi of the Vertuous Octauia (1598)

Im Jahre 1598 erschien in London ein schmales Oktavbändchen, The Tragicomoedi of the Vertuous Octauia, ein Rezitations- und Lesedrama des ansonsten unbekannten Samuel Brandon.36 Wie Daniels Tragedy of Cleopatra geht die schlichte Handlung (vom Vertrag von Tarent bis zur Niederlage des Antonius bei Actium), die – wie im Lesedrama des Sidney-Kreises üblich – ausschließlich berichtet wird, im Wesentlichen auf die Plutarch-Biographie des Antonius zurück. Adressatin der Botenberichte ist zumeist Octavia, die Schwester Oktavians und Ehefrau des Antonius, deren Reaktionen in den Mittelpunkt des Interesses gerückt werden, im Grunde immer wieder Beweise ihrer unerschütterlichen Tugend, die sie zum leibhaftigen Sinnbild des Siegs der Tugend über die Affekte stilisieren.37 Das Argumentum Brandons fasst den behandelten historischen Stoff kurz, und – im Vergleich zum Drama selbst – sehr lebendig zusammen (Arg. 10– 27): Antony and Caesar falling at debate, met at Tarentum with their armies, and had bin the cause of much bloodshed: but that they were appeased, by the wisdom of Octauia. Not long after, Antony going to make warre with the Parthians, and coming into Syria: the place renewed the memory reuiued the long intermitted loue, he once bare to Cleopatra the Queene of Aegipt: he therefore wholly subiecting himself to the desire of this Cleopatra: forsaketh his virtuous wife Octauia. Wherevpon, hir brother Caesar disdaining that she should suffer so great an indignitie: maketh warre vpon Antony, and ouercometh him, first at Actium, and then at Pelusium, to the vtter ruine and destruction, both of Antony and Cleopatra.

Nicht nur strukturell erweist sich Brandons Tragicomoedi als streckenweise sklavische Imitation von Daniels Tragedy of Cleopatra: Imitationen, Übernahmen ganzer Verse und Versgruppen bezeugen dies nachdrücklich. Beide Dramen zeichnen sich darüber hinaus durch eine analoge Schicksalskonzeption aus, die 35 Binns (1972), F3v. Vgl. allgemein auch Baumann (1992, 1994, 1999, 2007). 36 Vgl. die Edition von McKerrow (1910); danach im Folgenden die Zitate. 37 Vgl. zuletzt Bruce (2009).

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mit derselben – zum Topos erstarrten – Bühnen-Metapher formuliert wird (vgl. insbes. IV Chor 1869–1874).38 Obwohl speziell diese Schicksalskonzeption, in der Fortuna und die Natur in eins gesetzt werden, und die als Spiegelbild ihres Zeitalters, als Verkörperung der reinen Frauentugend präsentierte Octavia mehr Aufmerksamkeit verdienten als ihnen von der Forschung bisher zuteilwurde: Für unsere Erkenntnisinteressen, dramatische Repräsentationen Cleopatras, können wir Brandons Tragicomoedi im Folgenden außer Acht lassen.

IV.

William Shakespeare, Antony and Cleopatra (1607)

Entstanden um 1607 und im Mai 1608 ins Stationers’ Register eingetragen, zählt Antony and Cleopatra – nach der oft zitierten Würdigung von Samuel Taylor Coleridge – zu den großen Tragödien Shakespeares.39 Wie schon The Tragedy of Coriolanus und Julius Caesar, so geht auch Antony and Cleopatra auf Plutarchs Biographiensammlung (mit der Vita des Antonius als Hauptquelle) zurück.40 Die das gesamte römische Reich umspannende Handlung präsentiert, historisch betrachtet, die Geschichte der zehn Jahre von etwa 40 v. Chr. bis zum Tode des Antonius und der Cleopatra im August 30 v. Chr., die Shakespeare jedoch, in geschickter Auswahl des Wesentlichen, mit zum Teil deutlichen Zäsuren auf nur zwölf Tage in seiner Darstellung verteilt. Wie in den übrigen Römerdramen gilt Shakespeares Hauptinteresse nicht dem historischen Panorama, sondern – wie von Plutarch vorgegeben – der Charakteranalyse seiner Protagonisten. Und so schafft Shakespeare, indem er die bei Plutarch vorgezeichneten „Züge des vulgär Weiblichen“ noch verstärkt, mit Cleopatra seine wohl „unergründlichste Frauenfigur“,41 und eine der größten dramatischen Frauenrollen der Weltliteratur.42 Sie, die dem Mann Dirne und Göttin zugleich ist, verwandelt Makel in Vollkommenheit, wie selbst Enobarbus, Sinnbild alter römischer Kriegertugend und Manneszucht, zugestehen muss (II,2,235–240):43 38 Vgl. allgemein Demandt (1978), bes. 332ff. und Baumann (1996), bes. 183, Anm. 26. 39 Vgl. Brown (1969), 28. 40 Vgl. Ridley, xxxi ff; vgl. ebenfalls Green (1979), bes. 12–129. Vgl. auch Altmann (1969); Cantor (1997); Etman (1981); Martindale / Martindale (1990), bes. 121–164; Miola (1983), bes. 116– 118; Stirling (1964); Thomas (1989), bes. 93–153 und Wofford (1997). 41 W. von Koppenfels, Antony and Cleopatra (Antonius und Cleopatra), in: Schabert (1978), 579. 42 Vgl. die nicht annähernd vollständige Reihe von Schauspielerinnen, die auf der Bühne oder im Film Shakespeares Cleopatra ‚verkörperten‘ bei Bronfen / Lulin´ska (2013), 234–277. 43 Vgl. zu Enobarbus Baumann (1996), bes. 190–192; Read (2013). Ungeachtet der zumindest ambivalenten Schlusspointe („when she is riggish“) zeichnet Enobarbus in Rom ein beeindruckend positives Porträt der Schönheit und des erotischen Zaubers Cleopatras; vgl. allgemein auch King (1992) und Orr (2000).

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Age cannot wither her, nor custom stale Her infinite variety: other women cloy The appetites they feed, but she makes hungry, Where most she satisfies. For vilest things Become themselves in her, that the holy priests Bless her, when she is riggish.

Ich konzentriere die weiteren Überlegungen auf die Sterbeszenen der Protagonisten,44 wiewohl die Vielschichtigkeit der Tragödie Shakespeares eine sehr viel detailliertere Analyse verlangte.45 Antonius und Cleopatra sterben nicht anders als auch in Samuel Daniels The Tragedy of Cleopatra, es gelingt William Shakespeare aber, mit der vitalen Sinnlichkeit seiner Sprache den irdischen Tod der Liebenden zum zeitlos faszi44 Vgl. zu den Freitoden des Antonius und der Cleopatra und insgesamt zur Todesmotivik Anderson (2008); Baumann (1996), 187–194 und 483–517; Bettenworth (2015); Blanc (2000); Bowers (1983); Coppedge (1988); Gurval (2011); Isenberg (2010); Kinghorn (1994); Lyons (1968); MacMullen (1963); Nochimson (1977); Pollard (2003); Rozett (1985); Smith (1964); Starks (2005); Vanhoutte (2000) und Watson (1978 & 1979). 45 Shakespeares Antony and Cleopatra ist – wie auch die beiden anderen Römerdramen Julius Caesar und Coriolanus – sehr gut erschlossen (vgl. insgesamt die Bibliographie Huffman / Velz / Nochimson (2002)), so dass hier – in Ergänzung zu Anm. 42 – nur eine Auswahl der wichtigsten Literatur geboten wird: Adelman (1973, 1992); Archer (1994, 1997); Baker (1992); Bates (2012); Belsey (1996); Berek (1981); Bevington (2005); Beyer (2009), bes. 95–122; Blissett (1967); Bowers (1998); Bradon (2014); Brandao (1978); Brennan (1978); Browne (1976); Bushman (1991); Cantor (1976, 2015); Caputi (1965); Carducci (1990); Charnes (1992); Charney (1957); Chernaik (2011), bes. 135–164; Chevaillier (2010); Coffin (2003); Costa (1978); Callum (1981); Cunningham (1955); Cox Jensen (2012), bes. 163–185; Curren (2007); Daiches (1962); Dañobeita Fernández (1986, 2006); Davidson (1980); Davies (1985); Degenhart (1980); Drakakis (1996); Faber (1985); Faini (2010); Farmer (1977); Feeney (2010); Ferguson (1994); Ferreira-Ross (1990); Fichter (1980); Fitz (1977); Galbraith (1994); Gallwey (1988); Green (2003); Greene (1987); Gurney (2016); Hall (1991); Hallett (1976); Hann (2009); Harris (1977); Harris (1994); Hatwalkar (2000); Heffner (1976); Heinemann (1994); Higgins (1990); Hiles (1996); Hill (1984); Hillman (2013); Hillman (1987); Hiscock (1998); Homem (2012); Hooks (1987); Jackson (1984); James (1991); Jankowski (1988, 1989); Jones (1983); Jose (1983); Kahn (1997), bes. 110–143; Kalmey (1978); Kinney (1990); Klein (2012); Kluge (2008); Knoll (2016); Krippendorff (1992), bes. 297–341; LaPerle (2017); Laroque (2013); Lindley (2003); Logan (2005); Longo (1974); Lovascio (2015); Lucking (2015); Lyons (1983); MacCullum (1967); MacDonald (1985); MacKenzie (1990); Madelaine (2000); Makaryk (1996); Mares (1997); Marshall (1993); McJannet (1993); Metts (2004); Miller (1993); Moseley (1986); Mulryne (2004); Nochimson (1977); Norgaard (1955); Norman (1958, 1959); Olk (2010); Orr (2000); Park (2016); Parker (2006); Parolin (2005); Plett (2010); Polo (2013); Rackin (1972); Rawson (2007); Read (2010); Rees (1953); Romack (2006); Ronan (1987); Rossini (1997); Sacerdoti (2009, 2010); Schalkwyk (2010); Scherer (2010); Shapiro (1982); Singh (1989, 2015); Sousa (2016); Sousa (2007); Sprengnether (1989); Stamm (1978); Starks (1999, 2005); Staub (2012); Steppat (1987); Stewart (2007); Stone (2002); Storey (1988); Tanner (1986); Tanner (1987); Vincent (1978); Weis (1983, 1990); Wenzel (2005); Whitaker (1972); Whitney (1994); Wilcox / Walthaus (2008); Wilson (2000); Woodbridge (2005); Yachnin (1991); Zangen (1999) und Zwierlein (1974).

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nierenden Triumph der Liebesallmacht zu erhöhen. Wie schon bei Plutarch und auch bei Samuel Daniel wird ihr Tod durch die zum Totenopfer stilisierten Freitode ihrer Getreuen, Eros, des Dieners des Antonius (vgl. IV,14,94–95), bzw. Iras und Charmians (vgl. V,2,292*; V,2,325–327), zum heroischen Todesritual, das die kalte, nüchterne, phantasielose Welt Oktavians mit der der Leidenschaft und der Phantasie vertauscht. Darüber hinaus expliziert Shakespeare mit seiner Präsentation des Todes und der Sterberede des Enobarbus,46 des schonungslosesten Kritikers der Liebe zwischen Antonius und Cleopatra, die Antonius zeitweise seine römische Seele in den Umarmungen der Königin verlieren ließ, die alles transzendierende Größe dieser Liebe wie auch der Liebenden (vgl. IV,9,12,12–23). Die falsche Nachricht, Cleopatra habe sich das Leben genommen (vgl. IV,13,6– 10; IV,14,27–34),47 erinnert das Publikum an die brutal offene Fremdcharakterisierung der Königin ganz zu Anfang schon durch Enobarbus (I,2,137–139: „Cleopatra catching but the least noise of this, dies instantly. I have seen her die twenty times upon far poorer moment“), Antonius jedoch glaubt Mardian, der die Todesnachricht überbringt, sofort. Er, der zuvor schon in den sich auflösenden Gestalten der Wolken die Spiegelung seines Daseins, das ebenfalls Kontur und Form verliert, zu sehen wähnte (vgl. IV,14,2–8),48 will Cleopatra begleiten, sich mit ihr in die Freuden der Ewigkeit teilen (vgl. bes. IV,14,50–54). Nach dem Vorbild des Eros stürzt sich Antonius in das eigene Schwert, stirbt jedoch nicht sofort und wird ins Grabmal Cleopatras gebracht. Dort, im Tempel des Todes, finden die Liebenden ironischerweise erst in der von Anfang an beschworenen, die Grenzen der Welt (vgl. I,1,17; I,1,33–40) transzendierenden Liebe zueinander. In den Armen Cleopatras stirbt Antonius im stolzen Bewusstsein, von niemandem als sich selbst überwunden worden zu sein (vgl. IV,15,57–58: „a Roman, by a Roman / Valiantly vanquish’d“). Antonius wählt den Freitod durch das Schwert

46 Vgl. Baumann (1996), bes. 190–192. Vgl. auch Read (2013). 47 Bezeichnenderweise ist es Charmian, die zuerst den Vorschlag macht, sich in das Grabmal zurückzuziehen, sich darin einzuschließen und Antonius die Nachricht zukommen zu lassen, Cleopatra sei tot (IV,13,3–4: „[…] To the monument, / There lock yourself, and send him word you are dead“), einen Vorschlag, den Cleopatra sofort aufnimmt und in einem Befehl an Mardian konkretisiert (IV,13,6–8): „[…] To the monument! / Mardian, go tell him I have slain myself: / Say, that the last I spoke was ‚Antony‘.“ Vgl. hierzu Brown (1999), bes. 141: „From this point on, Charmian and Iras take a more active part in the outcome of the action.“ 48 Vgl. die poetische Schönheit der suggestiven Bilder, die Shakespeare Antonius in den Mund legt (IV,14,2–8): „Sometime we see a cloud that’s dragonish, / A vapour sometime, like a bear, or lion, / A tower’d citadel, a pendent rock, / A forked mountain, or blue promontory / With trees upon ’t, that nod unto the world, / And mock our eyes with air. Thou hast seen these signs, / They are black vesper’s pageants.“ Vgl. zu möglichen Vorbildern für diese Vorstellungen Ridley, 171–172, z. St.

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als den Tod, der seinem Wesen korrespondiert,49 als letzte große Geste, mit der er sein heroisches Leben krönt (IV,15,51–59): The miserable change at my end Lament nor sorrow at: but please your thoughts In feeding them with those my former fortunes Wherein I liv’d: the greatest prince o’the world, The noblest; and do now not basely die, Not cowardly put off my helmet to My countryman: a Roman, by a Roman Valiantly vanquish’d. Now my spirit is going, I can no more.

Cleopatra schließlich ehrt den toten Antonius mit Versen, die bezeugen, wie weit der Tod des Antonius ihn und ihre Liebe der realen Welt der Politik bereits entrückt hat (vgl. V,2,97–100). Mit ihm, dessen wahre Größe ihr erst sein Tod bezeugt, will auch sie sich für die Ewigkeit verbinden. Und noch einmal50 taucht Shakespeares Tragödie Cleopatra, genauer die Lauterkeit ihrer Empfindungen, ins Zwielicht des Zweifels. Sie redet zwar schon früh, unmittelbar nach dem Tod des Antonius davon, sich selbst das Leben zu nehmen (IV,15,86–88: „[…] and then, what’s brave, what’s noble, / Let’s do it after the high Roman fashion, / And make death proud to take us“), handelt aber erst, als sie Gewissheit hat, dass Oktavian sie im Triumph dem römischen Volk vorführen lassen will. Wie Antonius für sich das Schwert, so wählt auch sie die ihr gemäße Art des Freitodes. Und wiederum erinnert das Publikum sich an die Verse des Enobarbus, mit der dieser, der so tief in die Seele der Königin schaute wie niemand sonst, sie ganz zu Anfang charakterisierte (I,2,139–142): „I do think there is mettle in death, which commits some loving act upon her, she hath such a celerity in dying.“ Cleopatra, die grandiose Schauspielerin ihrer selbst, empfängt den Tod wie einen Liebhaber (V,2,294–295: „The stroke of death is as a lover’s pinch, / Which hurts, and is desir’d“) und sie zelebriert in der Stunde ihres Todes nochmals die Schlüsselszene ihres Lebens: Gekleidet in den Prunk ihres königlichen Gewandes begehrt sie, wie einst auf dem Cydnos,51 Antonius zu begegnen 49 Vgl. die explizite Anerkennung der soldatischen, römischen Tugenden des Antonius durch Oktavian (I,4,55–71), wobei natürlich zu berücksichtigen ist, dass Oktavian diese Tugenden besonders betont, um damit propagandistisch funktionalisiert zu demonstrieren, wie weit sich Antonius von diesem seinem untadeligen soldatischen Selbst mittlerweile entfernt hat. Vgl. insgesamt auch Cantor (2015); Carducci (1990); Charney (1957); Hiles (1996); Kelly (2014); Kluge (2008); Sacerdoti (2009); Singh (2015); Stone (2002) und Vincent (1978). 50 Es sei in diesem Kontext daran erinnert, dass Cleopatras falsche Botschaft über ihren Tod (IV,13,6–10), die ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Deutungen ihrer Motivation(en) dafür eröffnet, den äußeren Anstoß für den Selbstmord des Antonius bot (IV,14,44–57). 51 Vgl. insbes. den detaillierten Bericht des Enobarbus (II,2,190–240), der mit der poetischen Schönheit seiner Sprache quasi wider Willen den orientalisch-exotischen Zauber Cleopatras

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(vgl. V,2,279*-297). Dann macht sie sich wirklich auf den Weg zu ihm: Cleopatra wendet sich den von einem Bauern unter Feigen verborgenen, ins Grabmal geschmuggelten Schlangen52 zu (vgl. V,2,231–278), nimmt sie und legt sie sich an die Brust (V,2,302–312):53 […] Come, thou mortal wretch, (To an asp, which she applies to her breast) With thy sharp teeth this knot intrinsicate Of life at once untie: poor venomous fool, Be angry, and dispatch. O, couldst thou speak, That I might hear thee call great Caesar ass, Unpolicied! […] Peace, peace! Dost thou not see my baby at my breast, That sucks the nurse asleep? […] As sweet as balm, as soft as air, as gentle. O Antony! Nay, I will take thee too. (Applying another asp to her arm.) What should I stay – (Dies.)

Bevor noch Dolabella und Caesar, und damit die raue, politische Wirklichkeit, die zu wissen begehrt, wie Cleopatra gestorben ist54 und dann erst ein ehrenvolles Begräbnis der Königin verfügt,55 ins Grabmal Einzug halten, würdigt die sterbende Charmian56 ein letztes Mal ihre geliebte Herrin in so ergreifenden

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für seine römischen Gesprächspartner ‚beschwört‘. Vgl. insgesamt auch Harris (1994) und Kahn (1997), bes. 137–139. Vgl. auch den burlesken Dialog über die Gefährlichkeit der Schlangen zwischen Cleopatra und deren Überbringer (V,2,240–278). Wiederum fällt ein Schatten des Zweifels auf die Redlichkeit Cleopatras, wenn sie inmitten ihres scheinbar selbstvergessenen Hinübergleitens in die Umarmung des Todes, die sie auf ewig mit Antonius vereinen soll, unvermittelt die Schlange direkt adressiert (V,2,305–306): „O, couldst thou speak, / That I might hear thee call great Caesar ass.“ Vgl. Brown (1999), bes. 142: „Cleopatra intends her suicide to be a political maneuver which will spoil Octavius’s intention to display her in triumph in Rome, reassert her status as a queen, and ensure her place in history.“ Vgl. bes. V,2,333–354. Vgl. die letzten Verse Oktavians, der erst den toten und damit realpolitisch ungefährlichen Gegnern Gerechtigkeit widerfahren lässt (V,2,356–364): „She shall be buried by her Antony. / No grave upon the earth shall clip in it / A pair so famous: high events as these / Strike those that make them: and their story is / No less in pity than his glory which / Brought them to be lamented. Our army shall / In solemn show attend this funeral, / And then to Rome. Come, Dolabella, see / High order, in this great solemnity.“ Vgl. zur Funktion der Dienerinnen Iras und Charmian insbesondere Brown (1999), 138: „Cleopatra’s women are, like many of Elizabeth’s, conspicuously devoted to their mistress. Their long service has given them a familiarity and a shared past, even if the history that they share is primarily Cleopatra’s. […] At the same time, what we learn of them in act I, scene ii, makes their willingness to die with Cleopatra a generous and poignant act. They have, after

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gleichwie schlichten Worten, wie man sie sich schöner nicht als Abschluss dieses Abschnitts wünschen könnte (V,2,325–326): „It is well done, and fitting for a princess / Descended of so many royal kings.“

V.

John Fletcher, The False One, A Tragedy (1620)

John Fletchers The False One, wohl als Gemeinschaftsarbeit mit Philip Massinger um 1620 entstanden,57 bietet, wie der Prolog verkündet, eine noch nicht auf der englischen Bühne dargebotene Dramatisierung des ersten Zusammentreffens Caesars mit Cleopatra und eine kurze Geschichte des alexandrinischen Krieges (Pr. 15–18):58 We treat not of what boldness she did dye, Nor of her fatal Love to Antony. What we present and offer to your view, Upon their faiths the Stage yet never knew.

Im Unterschied zu dieser Ankündigung im Prolog, die mit dem Verweis auf die allseits bekannten und berühmten historischen Figuren Caesar und Cleopatra der Tragödie Aufmerksamkeit und Interesse des Publikums sichern sollte, ist The False One jedoch eher eine detaillierte Charakterstudie des Verräters und Mörders Septimius, der den nach Ägypten geflohenen Pompeius im Auftrag des Photinus erschlug.59 Als Quellen der Darstellung hat die bisherige, spärliche Forschung das Epos Lucans, die Biographien des Plutarch und Simon Paterickes Übersetzung des antimachiavellistischen Traktats von Gentillet, A Discourse upon the Means of Wel-Governing (1602), erwiesen.60 Ungeachtet ihrer dramatischen Qualitäten und der subtilen Charakteranalysen, primär des Septimius,61

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all, lives with ambitions and desires to give for her. In this sense, her women humanize Cleopatra by showing her to be someone who can inspire devotion of a different sort than the fascination she engenders in men.“ Vgl. zur Verfasserfrage, die hier ausgeklammert wird, Baumann (1996), bes. 143, Anm. 48. Waller (1969); im Folgenden alle Zitate nach dieser Edition. Die Zeilenzählung ( jede Szene – ohne Zählung des Nebentexts – mit 1 beginnend) wird dabei ergänzt und Ligaturen werden in Zitaten aufgelöst. Vgl. Baumann (1996), 143–148. Die vornehmlich ältere Forschungsliteratur ist hier zusammengestellt (584–586) und systematisch ausgewertet; in der überaus spärlichen neueren Literatur (vgl. z. B. Hila (2007), Lovascio (2015a, 2015b & 2015c)) werden Cleopatra dabei nicht mehr als jeweils einige wenige Sätze gewidmet. Vgl. insgesamt Baumann (1996), 143–148; Dimitrova (2015); Hila (2007); Lovascio (2015a, 2015b & 2015c); Stoye (1897) und Ulrich (1913). Photinus als gottlos machiavellistischer Machtpolitiker und Septimius als skrupel- und ehrloser Handlanger seiner Verbrechen gehören zweifellos zu den faszinierendsten Verbrecherfiguren des Dramas der Shakespearezeit.

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sind im Rahmen unserer Fragestellung nur die wenigen Passagen der Tragödie The False One von Interesse, die Cleopatra in den Fokus des Interesses rücken. Von Beginn an wird Cleopatra als junge, schöne und politisch überaus kluge Frau präsentiert, die bereit ist, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln um den höchsten Einsatz, die Macht, zu spielen, wie sie ihrem treuen Gefolgsmann Apollodorus enthüllt (I,2,117–122): I have found out a way shall bring me to him, Spight of Photinus watches; if I prosper, (As I am confident I shall) expect Things greater than thy wishes; though I purchase His grace with loss of my virginity, It skills not, if it bring home Majesty.

Ihren Plan setzt Cleopatra unverzüglich in die Tat um. Überaus erfolgreich überzeugt sie Caesar im Laufe einer Nacht, mit – wie antizipiert – nicht nur staatspolitischen Argumenten, sie zur Herrscherin über Ägypten zu proklamieren. Ohne die detaillierten Schilderungen des alexandrinischen Krieges und der brisanten und gefährlichen Machtverschiebungen hier rekapitulieren zu müssen, wird man festhalten können, dass sich Cleopatra durchgängig ihrer erotischen Macht über Caesar bewusst bleibt,62 und zugleich in extremen Gefahrensituationen einen außerordentlichen persönlichen, von ihr selbst als „männlich“ klassifizierten Mut unter Beweis stellt, und letztlich betont, ungeachtet allen äußeren Unglücks,63 Herrin über das eigene Geschick zu sein (V,4,26–36): And with a Masculine Constancy deride Fortunes worst malice, as a Servant to My Vertues, not a Mistress; then we forsake The strong Fort of our selves, when we once yield, Or shrink at her assaults; I am still my self, And though disrob’d of Soveraignty, and ravish’d Of ceremonious duty, that attends it, Nay, grant they had slav’d my Body, my free mind Like to the Palm-tree walling fruitful Nile, Shall grow up straighter and enlarge it self ’Spight of the envious weight that loads it with:

62 Vgl. z. B. IV,2,58–63: [Cleopatra] „I will goe study mischief, / And put a look on, arm’d with all my cunnings, / Shall meet him like a Basilisque, and strike him: / Love, put destroying flames into mine eyes, / Into my smiles, deceits, that I may torture him, / That I may make him love to death, and laugh at him.“ 63 Vgl. die ängstliche Frage Arsinos, die zugleich eine nüchtern-klare Analyse der machtpolitischen Situation ist (V,4,22–24): „Can you stand unmov’d / When the Earth-quake of Rebellion shakes the City, / And the Court trembles?“.

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Aber damit nicht genug: durch drei knappe Anspielungen bezieht Fletcher die in seiner Tragödie gar nicht mehr dargestellten Freitode von Cleopatra und Antonius mit in die Gedankenwelt seines Publikums ein. Erinnern wir uns an die Formel des Prologs, die Tragödie wolle nicht die Kühnheit des Sterbens Cleopatras auf die Bühne bringen (Pr. 15: „We treat not of what boldness she did dye“), so charakterisiert Fletcher – obwohl er diesen Tod nicht darstellt – ihn dennoch als „bold“. Die tapfere Todesbereitschaft schon der jungen Cleopatra64 akzentuiert er eindringlich in seiner Tragödie: Cleopatra setzt der Ängstlichkeit ihrer Schwester Arsino und ihrer Hofdame Eros unerschütterliche, männliche Standhaftigkeit („[m]asculine Constancy“) entgegen (V,4,54–56): „[…] learn in my death, / Though not to equal, yet to imitate / Thy fearless Mistress“. Antonius, mit Caesar von den aufständischen Alexandrinern bedrängt, zeigt sich ebenfalls entschlossen, die Ehre über das Leben zu stellen und lieber durch das eigene Schwert zu fallen als sich lebend den Feinden zu überantworten (V,2,85–87): „Let us dye nobly; / And rather fall upon each others Sword / Than come into these Villains hands“. Nicht nur den ehrenvollen Tod durch das Schwert,65 den Tod des Soldaten, und – in Opposition dazu – die schmachvolle Hinrichtung durch den Strang als gerechte Strafe für ruchlose Untaten (Septimius)66 präsentiert und evoziert John Fletcher in seiner Tragödie The False One: nachdrücklich propagiert auch er die klassisch römische Vorstellung, der größte, die Zeiten überdauernde Ruhm würde demjenigen zuteil, der edel und furchtlos den Freitod wählt. Dies ist umso bemerkenswerter, als der von ihm für seine Tragödie gewählte Stoffrahmen die Freitode des Antonius und der Cleopatra nicht mehr umfasst.67 64 Vgl. insgesamt nochmals den Prolog (Pr. 7–14): „[…] Sure to tell / Of Caesars amorous heats, and how he fell / In the Capitol, can never be the same / To the Judicious; Nor will such blame / Those who pen’d this, for Barr’enness when they find / Young Cleopatra here, and her great Mind / Express’d to the height, with us a Maid, and free, / And how he rated her Virginitie.“ 65 Vgl. hierzu auch die Verse Scevas (IV,2,187–189: „Our lives and deaths are equall benefits, / And we make louder prayers to dye nobly, / Than to live high, and wantonly“) und die allgemeine Bezeichnung des Schwertes, des gladius als „Prince of weapons“ (I,1,254) durch Labienus. 66 Vgl. dazu auch III,2,114–115 und 141–142; der schmachvolle Tod am Galgen korrespondiert, wie Sceva betont, der gezeigten frevelhaften Unnatur des Septimius im Leben (vgl. Baumann 1996, bes. S. 144–147). Im Gegensatz dazu hatten die Ägypter Photinus und Achillas, ungeachtet ihrer ansonsten offenkundigen Heimtücke, bei der Belagerung Caesars diesem einen ehrenhaften römischen Tod angeboten (vgl. V,2,80–82), so dass sich Caesar nach dem endgültigen Sieg um seiner Ehre willen genötigt sieht, den erklärten Feinden Photinus und Achillas den ehrenvollen Tod durch das Schwert, den Tod des Soldaten, zu gewähren. 67 Bezeichnenderweise spielt der Freitod allgemein bzw. die Diskussion um den angemessenen Freitod mit all seinen Begleitumständen und Implikationen (des gewählten Mittels, etwa des Schwertes als exklusiv männlicher, typisch römischer Selbstmord, oder durch Gift, als primär weiblicher, töricht-feiger Selbstmord) in Bonduca (1613), einer früheren Tragödie Fletchers, eine entscheidende Rolle und wird dort mit zum zentralen kulturellen Differenzierungskri-

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VI.

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Thomas May, Cleopatra, Queen of Aegypt (1626)

Entstanden und aufgeführt im Jahr 1626, gedruckt 1639, und erneut im Jahr 1654, steht Thomas Mays Cleopatra, Queen of Aegypt der Wissenschaft erst seit 1979 in einer vorzüglichen kritischen Ausgabe zur Verfügung, die erstmals das im Britischen Museum aufbewahrte Manuskript der Tragödie – vermutlich ein Autorenautograph (British Museum Royal 18 c vii) – zur Grundlage der Textrekonstruktion macht.68 Insbesondere die Charakterzeichnung der Protagonistin unterscheidet Mays Tragödie von denen seiner Vorgänger: Zeichneten Samuel Daniel und William Shakespeare (zurückgehend auf Plutarch) Cleopatra im Grunde69 als loyale Geliebte des Antonius, so porträtiert Thomas May sie, indem er die Plutarch-Tradition mit derjenigen des Cassius Dio zu vereinigen sucht.70 Nach der entscheidenden Niederlage bei Actium etwa unterhandelt Cleopatra bereits hinter dem Rücken des Antonius mit Oktavian, um ihren eigenen Machtbereich in Ägypten abzusichern. Kühl analysiert sie, bevor es zur letzten kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Antonius und Oktavian kommt, ihr daraus resultierendes Dilemma (IV,4,77–83): […] On every side My dangers grow. For should Antonius Returne in safety home, and know what past Twixt me and Thyreus, I have lost his heart, And cannot choose but feare him: if hee dy, I am not confident of Caesar’s love. Twas but a servants tongue I built upon.

Wie bei den übrigen Kurzanalysen auch konzentriere ich die weiteren Überlegungen auf die Freitode des Antonius und der Cleopatra, obwohl speziell Thomas Mays Tragödie in ihrer Bedeutung für eine Stoffgeschichte der Repräsentationen

terium zwischen Britanniern und Römern (vgl. en détail Quellen, Analyse und weiterführende Literatur bei Baumann 1996, bes. 257–264). 68 Vgl. Smith (1979); im Folgenden alle Zitate nach dieser Ausgabe. Vgl. zur Textgeschichte Smith (1979), v–lxxiii und cxi ff. 69 Dies gilt selbstverständlich nur cum grano salis: Auch in Shakespeares Tragödie bleiben gewisse, vom Dramatiker m. E. intentional akzentuierte Zweifel an der Lauterkeit der Motive Cleopatras, Antonius in den Tod zu folgen, von der rätselhaften und falschen Nachricht über ihren eigenen Freitod, die unmittelbar den Selbstmord des Antonius ‚provoziert‘, oder doch zumindest beschleunigt, bis hin zur grandiosen, rituellen Selbstinszenierung ihres Todes, die von der kurzen spöttischen, fast frohlockenden Adressierung der Schlange als Mittel, Oktavian letztlich um seinen Triumph zu bringen, unterbrochen wird (vgl. insgesamt oben, S. 138ff.). 70 Vgl. Smith (1979), lxxiv–lxxxvi. Vgl. ebenfalls Wolf (1914), bes. 3–55; vgl. zum ‚Bild‘ der Cleopatra in der antiken Überlieferung Becher (1966), bes. 28–37; 69–80; Gall (2006); Nebelin (2011) und Backhaus (2009).

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Cleopatras (und weiblicher Herrschaft im Allgemeinen) im England der Renaissance kaum zu überschätzen ist.71 Sowohl der Freitod des Antonius als auch der Cleopatras werden äußerlich nicht anders präsentiert als auch in den Tragödien Samuel Daniels und William Shakespeares. Wie dort wird auch bei Thomas May der Freitod der Protagonisten durch die Selbstmorde ihrer getreuen Diener und Dienerinnen Eros, Eira und Charmio, rituell überhöht. Die machiavellistisch durchtrieben agierende Cleopatra, die hinter dem Rücken des Antonius mit Oktavian verhandelt und hofft, auch diesen mit ihren weiblichen Reizen umgarnen zu können (vgl. bes. IV,4,10– 22), zieht sich, um den endgültigen Ausgang der kriegerischen Auseinandersetzung in aller Ruhe abzuwarten, in ihr Grabmal zurück (vgl. IV,4,78–90). Nach einer erneuten Niederlage gegen die Truppen Oktavians weiß Antonius, dass sich sein Schicksal erfüllt hat (V,1,2–4): „[…] and nothing now / Is left Antonius but a Roman hand, / A sword and heart to dy.“ Die falsche Nachricht, dass Cleopatra gestorben sei (vgl. V,1,20–22: „When those unhappy tidings came to her / Of youre defeat, shee straight shutt upp her selfe / Within her tombe and dy’d“), wird zum letzten Anstoß für Antonius, nicht mehr länger zu zögern: Bereitwillig unterwirft er sich seinem Schicksal, das ihn so lange auf dem Gipfel der Macht erhalten hat. Er akzeptiert damit explizit die Beständigkeit des Wechsels, das Drehen des Fortuna-Rades, als quasi natürliche Gesetzmäßigkeit (V,1,25–35): Fortune, I blame not thee, I have enjoy’d What thou could’st give, and on the envy’d top Of thy proud wheele have long unshaken stood. Whome kings have serv’d, and Rome herself obey’d, Whome all the Zones of Earths diffused globe, That know inhabitants, have knowne and fear’d. Nor is my fall so much degenerate. My strength no armes but Roman armes subdue, And none but Monarch of the world succeedes. Glutted with life and Empire now I goe Free and undaunted to the shades below.

Nach dem Vorbild des getreuen Eros (vgl. V,1,39–45) stürzt sich Antonius in sein eigenes Schwert; seine letzten Gedanken gelten Cleopatra, mit der er sich in Liebe für die Ewigkeit zu vereinen wünscht (V,1,46–49): Faire Cleopatra I am comming now To dwell with thee, and ever to behold

71 Vgl. neben Baumann (1996), 195–203; Berry (1968); Chester (1932) und Davies (1965) insbesondere die weit ausgreifenden Studien von Aebischer (2013); Arshad (2016); Baker (2004); Hann (2009); Mallery (1990) und Royster (2003).

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Thy heavenly figure, where nor time nor death Shall make divorse of our eternall loves.

Die Wunde ist nicht sofort tödlich und Antonius wird von Mardio, der ihm mitteilt, dass Cleopatra noch am Leben sei, zum Grabmal der Königin geführt, um dort in den Armen der Geliebten zu sterben (vgl. V,1,57–59). Diese letzten Minuten zwischen Antonius und Cleopatra enthält Thomas May seinem Publikum jedoch vor. Die nächste Szene im Lager Oktavians liefert die schlichte Nachricht, Antonius sei in Cleopatras Armen gestorben (vgl. V,2,75–77) und die unmittelbaren Reaktionen auf den Freitod des Antonius. Insbesondere die Rede Oktavians ist ein rhetorisches Glanzstück Thomas Mays, das zum ‚Endspiel‘, zur letzten großen Auseinandersetzung zwischen den einander so ähnlichen Machtmenschen Oktavian und Cleopatra überleitet (V,2,45–62): That was oure feare. Cruell Antonius, Too cruell to thy self, to Rome and mee. How white a day have all the people lost? How great might Caesar’s happinesse have beene Had but the fates permitted mee to lay These conquering arms aside, and once againe Embrace thee, deare Antonius, as a frend! Thou worthy aider of my Infant fortunes, Thou brave revenger of great Julius death, Witnesse these teares though I were forc’d to warre (Whilest thou preferring forreine love before Caesar’s alliance, did’st reject my kindred, And scorne my love) I still could honour thee. But since too cruell fate denyes to mee So great an happinesse, as to expresse This love to thee alive, lett thy deare ghost Behold my Piety, and see the honours Caesar will doo to thy sadd funeral.

Mit bewundernswürdiger Kaltblütigkeit wiederholt Oktavian Grundzüge seiner propagandistischen Auseinandersetzung der letzten Jahre mit Antonius (Liebe zu Cleopatra, Verstoßung der Octavia) und schiebt im Kreise seiner eigenen Getreuen, die genau wissen, dass er unmittelbar nach der Schlacht von Actium bereits heimlich mit Cleopatra verhandelte und sich so in den Besitz Pelusiums brachte, den Schicksalsmächten (V,2,49 „the fates“ und V,2,58 „too cruell fate“) die alleinige Verantwortung für den Tod des Antonius zu. Oktavian ist für den letzten Auftritt mit Cleopatra gut gerüstet, das zeigt seine glänzende Rede nachdrücklich: Er beherrscht, wie ein ‚aside‘ des Lucilius hervorhebt (vgl. V,2,63: „Most royall Caesar-like dissimulation“), die machiavellistische Kunst der Verstellung wenigstens so gut wie die ägyptische Königin. Die nächste Szene zwi-

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schen Oktavian und Cleopatra wird dann zum rhetorischen Agon, in dem der / die eine den/die andere(n) zu übertölpeln sucht: Cleopatra versucht Oktavian, wie einst Caesar und Antonius, mit ihrem Liebreiz zu bezaubern; und Oktavian lockt vornehmlich das von Cleopatra (angeblich?) verborgen gehaltene Gold (vgl. III,2,53–101), in dessen Besitz er sich setzen möchte, bevor er Cleopatra nach Rom schickt, um seinen Triumph zu krönen (vgl. V,3,1–106). So lebendig die Szene auch insgesamt gestaltet ist, uns interessiert in erster Linie das Ergebnis dieses rhetorischen und schauspielerischen Machtkampfes: Cleopatra durchschaut Oktavian und erkennt, dass dessen Liebesbeteuerungen nur hohle schöne Worte sind (vgl. V,3,78–83). Sie weiß damit, dass ihre hochfliegenden Wünsche, erneut als ‚Herrin‘ über den Herrn der Welt selbst die Macht ausüben zu können,72 zum Scheitern verurteilt sind. Ihr Spiel um die Macht ist verloren, aber auch Oktavian soll und wird das seinige nicht gewinnen. Cleopatra täuscht ihn, den sie bisher nicht hinters Licht zu führen vermochte,73 und gibt vor, durch die persönliche Zusammenkunft mit Oktavian neue Zuversicht geschöpft zu haben (vgl. V,3,84–86). In Wirklichkeit jedoch ist sie zum Tod entschlossen (V,3,107– 117): So now my trouble is remoov’d, I come, I come my dearest lord Antonius, Never till now thy true and faithfull love. My much abused Lord, doo not disdaine Or blush t’acknowledge Cleopatraes name When teares, and blood have wash’d her spotted soule. Wert thou alive againe, not all the world Should shake my constancy, or make divorce Twixt thee and mee. But since too late, alas, My teares of sorrow come, I’ll follow thee, And begge thy pardon in the other world.

Jetzt erst, in ihrer Bereitschaft, Antonius, den sie im Leben (mehrfach) hintergangen habe, nun als treue Geliebte in den Tod zu folgen (vgl. V,3,122–123: „Though false to thee alive, I now am come / A faithfull lover of thy dust and tombe“), wähnt sich Cleopatra als Herrin über das Schicksal (V,5,5–7): […] Alas, I did not sway A scepter over Fortune, or command As now I doo, the Destinyes themselves.

72 Vgl. bes. den Monolog Cleopatras, der dem rhetorischen Agon mit Oktavian unmittelbar vorausgeht (V,3,1–12); vgl. ebenfalls bereits III,2,53–101; IV,1–90; IV,4,1–22. 73 Vgl. insbesondere die scharfsinnige Analyse des Charakters der Cleopatra, die Oktavian im Gespräch gemeinsam mit Agrippa entwickelt (III,2,62–101).

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Mit diesem Glauben jedoch wird sie – bestärkt von den Schmeicheleien des Boten Oktavians74 – zum Opfer ihrer eigenen eitlen Wunschbilder, berücksichtigt man, was sie alles versucht hat, eben dieses Schicksal abzuwenden. Wider eigenes Wollen und im Grunde auch wider den eigenen Charakter entschließt sie sich in dem Moment zum Tod, in dem ihr noch die Wahl bleibt zwischen einem Leben mit den Erniedrigungen der Besiegten, der Schmach der Gefangenschaft (vgl. V,5,33–40), und einem schmerzlosen Tod, der ihr den Ruhm der Nachwelt einzubringen verspricht. Bezeichnenderweise stilisiert Cleopatra gerade diese ihr vom Schicksal (und seinem Sachwalter Oktavian) aufgezwungene Entscheidung zum Triumph über das Schicksal selbst. Deutlicher lässt sich kaum zeigen, wie Fortuna tatsächlich die Geschicke der Menschen lenkt und sie, wie um die menschliche Verblendung noch auf die Spitze zu treiben, sogar noch glauben macht, selbst Herr(in) über das Schicksal zu sein.75 Cleopatra, die sich mit ihren Versuchen an zum Tode verurteilten Verbrechern schon früh in der Tragödie das Wissen sichert, dass der Tod durch den Biss der Uräusschlange als einziger sanft und schmerzlos ist (vgl. IV,1,1–59),76 wählt eben diesen Tod für sich. Festlich gewandet feiert sie zum zweiten Mal den Tag ihrer Krönung, nimmt Abschied von ihren treuen Dienerinnen Eira und Charmio77 und legt sich dann die Schlange an die Brust (V,5,55–70): Come Aspe, possesse thy mansion, freely feede On these two hills, upon whose snowy topps The wingèd Cupid oft has taken stand, And shott from thence the proudest hearts on earth. Corruption now and rottennesse must seize This once admired fabricke, and dissolve 74 Vgl. bes. IV,1,107–112: „You are the Queene of fortune, and still hold / A lasting scepter ore that fickle Goddesse / (Fickle to others, to you true and constant). / Youre radiant light lends that blind Goddess eyes, / And guides her to youre service, making all / Actions, nay losses, stepps to greater honour.“ 75 Die Verse des Narcissus aus Thomas Mays nur zwei Jahre später entstandenen Tragedy of Julia Agrippina (vgl. dazu Baumann 1996, bes. S. 308–328) könnten als tiefsinniger Kommentar zu dieser Selbsttäuschung Cleopatras herangezogen werden (I,1,137–141): „Since wee must fall, it is some happinesse / To fall the honest way, if wee may call / That honesty at all, or reall vertue / To which necessity enforces us, / And wee by fortune not election practise.“ 76 Vgl. die eindrucksvolle Szene IV,1,1–34, zwischen Cleopatra und Glaucus, in der Cleopatra den Freitod allgemein geradezu als Geschenk der freigebigen Natur, als edles Gegenmittel gegen die Willkür Fortunas feiert (bes. IV,1,22–28): „[…] Well did wise / And liberall Nature on mankinde bestow / A guift so soveraigne as power to dy. / An Antidote ’gainst Fortunes cruelty. / This is the deare preservative that must / Controll the spite of Fortune, and redeem / A wofull life from loathed servitude.“ 77 Bemerkenswert ist, dass Charmio, während die getreuen Schergen Oktavians schon herbeieilen, sich einen Dolch in die Brust stößt und dies als den gewöhnlichen und sicheren Weg in den Tod klassifiziert (V,5,71–73): „[…] I heare a noise, / There is no dallying now; I must be speedy, / And use the common, and sure way to death.“

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This flesh to common elements againe. When skillfull Nature, were shee strictly bound To search through all her storehouse, would bee pos’d To tell which piece was Cleopatra once. Sweete Aspe, I feele thy touch, and life beginns From these cold limmes to take her gentle flight. A slumber seizes mee. Farewell my Girles. Thus lett the Romans finde mee dead, and now Maugre the power of Rome, and Caesar’s spleene That Cleopatra liv’d and dy’d a Queene.

Diese Sterberede Cleopatras konzentriert wie in einem Brennspiegel nochmals ihr gesamtes Leben: ihre Brüste, in der Vergangenheit häufig das Unterpfand ihrer Siege durch die erotisch-verlockende Macht der Liebe, werden nun zum Palast, zur Heimstatt der todbringenden Schlange, ihr irdischer Leib, ein Meisterwerk der Natur (wenn diese ehrlich wäre) wird dem Untergang, dem Verfall preisgegeben. Das Leben wie das Sterben feiert Cleopatra wie eine Königin. Mit diesem Gedanken, der eitlen Hoffnung auf den Ruhm der Nachwelt und die Freude, Oktavian letztlich doch überlistet zu haben, vollendet Thomas May konsequent sein ‚Bild‘, sein ‚Porträt‘ Cleopatras: Deutlicher noch als in ihren Worten entlarvt May die Königin in ihrem Schweigen als nüchtern, berechnend und kalt. In ihren Gedanken spielt Antonius nur noch eine der eigenen Eitelkeit und den stolzen Hoffnungen auf den zeitlosen Ruhm der Nachwelt untergeordnete Rolle.78 Es stellt sich sogar die Frage, ob die verbale Hinwendung zum Leichnam des Antonius (vgl. V,5,17–31) nicht auch in erster Linie wiederum ein Akt der Selbstinszenierung und der Heuchelei ist, deren meisterliche Beherrschung Cleopatra so oft unter Beweis gestellt hat. Indem sie vorgibt, Antonius als treue Geliebte in den Tod zu folgen, beansprucht Cleopatra, sowohl sich selbst als auch der Welt gegenüber79 die Rolle der liebenden königlichen Frau vorzuspielen, sich selbst zudem zum ehernen Denkmal der den Tod überwindenden Liebe zu stilisieren. Wie auch immer die Motive der Königin im Einzelnen zu beurteilen sind:80 Cleopatra erringt sich mit ihrem so sorgfältig inszenierten Tod den er78 Vgl. insbesondere die Abfolge der Argumente, mit denen Cleopatra auch den Dienerinnen ihre Gründe für den Freitod darlegt (V,5,20–40). Die Königin leitet schnell von der Liebe zu Antonius zur drohenden Schmach des Triumphzugs in Rom über, um mit „No, no my Girles, I will bee still my selfe, / And from this seat of state looke downe in scorne / On Rome, and Caesar’s threats as things below mee“ (V,5,38–40) ihren Entschluss zum Sieg über die List(en) Oktavians zu bekräftigen. 79 Vgl. bes. die persönliche Genugtuung, die Cleopatra in der Gewissheit findet, im vollen Glanz ihres königlichen Schmuckes und so schön wie sie im Leben war, von den Häschern Oktavians gefunden zu werden (V,5,59–70). 80 Vgl. in diesem Kontext die tiefsinnige Erkenntnis, die Antonius in der Abgeschiedenheit der Pharos-Insel formuliert (III,3,6–8: „Good, good; ah Timon, Athens nere could boast / A wise philosopher but thee. Thou knew’st / The nature of all men, that all were false“); sie beschreibt

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sehnten, immerwährenden Ruhm, den ihr sogar Oktavian schließlich nicht verweigert (V,5,98–101): Wee will no longer strive ’gainst Destiny, Though thou art dead, yett live renown’d for ever, And lett this action speake thee to the world A foe not shaming Caesar’s victory.

Das letzte Wort hat Oktavian, der unmissverständlich und selbstbewusst seinen endgültigen Sieg herausstellt und der zugleich sehr genau weiß, dass er sowohl seine (propagandistisch gefärbte) Sicht der Auseinandersetzung mit Antonius als auch sein ‚Bild‘, sein ‚Porträt‘ Cleopatras, seiner und Roms eingeschworenen Feindin, der Nachwelt vermitteln wird.

VII.

Epilog

Den Epilog einleitend soll eine weitere Cleopatra-Tragödie erwähnt werden, die ich sehr gerne in meine Überlegungen einbezogen hätte, die aber von ihrem Verfasser, Fulke Greville, Lord Brooke, verbrannt und zerstört wurde. Fulke Greville erklärt diesen ungewöhnlichen Akt der Selbstzensur in der Lebensbeschreibung Sir Philip Sidneys (A Dedication to Sir Philip Sidney) so:81 Lastly, concerning the tragedies themselves, they were in their first creation three, whereof Antony and Cleopatra, according to their irregular passions in forsaking empire to follow sensuality, were sacrificed in the fire; the executioner, the author himself, not that he conceived it to be a contemptible younger brother to the rest, but lest, while he seemed to look over-much upward, he might stumble into the astronomer’s pit: many members in that creature (by the opinion of those few eyes which saw it) having some childish wantonness in them apt enough to be construed or strained to a personating of vices in the present governors and government. From which cautious prospect I, bringing into my mind the ancient poets’ metamorphosing man’s reasonable nature into the sensitive of beasts or vegetative of plants, and knowing these all, in their true moral, to be but images of the unequal balance between humours and times, nature and place; and again, in the practice of the world, seeing the like instance not poetically, but really, fashioned in the Earl of Essex then falling (and ever till then worthily beloved both of Queen and people) – this sudden descent of such a greatness, together with the quality of the actors in every scene, stirred

auch den Charakter Cleopatras sehr genau. Cleopatra ist falsch, verschlagen, intrigant, machtgierig und letztlich nur sich selber treu. Aber, auch dies verdeutlicht Thomas May, selbst die Königin Ägyptens ist nur eine kleine Schauspielerin auf der Bühne der Welt und muss genau die Rolle spielen, die ihr Fortuna (und / oder das mit Fortuna gleichgesetzte Fatum) als Spielleiter auferlegte. 81 Gouws (1986), 93/1–24.

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up the author’s second thoughts to be careful, in his own case, of leaving fair weather behind him, […]

Nicht etwa Unzufriedenheit mit seiner Tragödie, mangelnde dramatische und / oder rhetorische Qualität (‚not that he conceived it to be a contemptible younger brother to the rest‘), werden als Motive für die Verbrennung des Tragödienmanuskripts benannt, sondern die vielleicht nicht unberechtigte politische Sorge, die Tragödie könnte über das berühmte Prinzip des Denkens in Korrespondenzbeziehungen82 als verhüllter (und selbstverständlich verbotener) Kommentar zu hochaktuellen Ereignissen, konkret: zur intrikaten Beziehung zwischen dem Earl of Essex und Königin Elisabeth I., gewertet werden. Die Frage, ob solche Sorgen und Ängste berechtigt waren oder auch nicht, lässt sich und ließe sich auch nicht eindeutig beantworten, nicht einmal, wenn Fulke Grevilles Tragödie vorläge, aber es eröffnen sich mit Fulke Grevilles Motiven eine ganze Reihe weiterer Frageperspektiven nach Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen Cleopatra und Elisabeth, in ihrer Herrschaftsauffassung, in ihren „Beziehungen“ zu Männern, in ihrer Selbstinszenierung, in ihrer persönlichen Ausgestaltung weiblicher Herrschaft.83 Auf einen ersten, noch unscharfen Blick scheinen Gemeinsamkeiten zu überwiegen: die zeremonielle Eleganz, mit der sich beide unter Rückgriff auf mythologische Rollenmuster zum Zentrum kultisch-religiöser Verehrung stilisierten, die erstaunliche Sicherheit, mit der beide sich auf 82 Vgl. dazu en détail Baumann (1992), bes. 101–113. Insbesondere Ben Jonson, der in seiner ersten Tragödie Sejanus His Fall (1603) einen Hochverratsprozess mit der Anklage, Cremutius Cordus kritisiere in seinen Annalen über die Zeit der römischen Bürgerkriege die unmittelbare kaiserzeitliche Gegenwart (III,1,384–392: „The annals thou hast published: where thou bite’st / The present age, […] comparing men, / And times, thou praisest Brutus, and affirm’st / That Cassius was the last of all the Romans“) auf die Bühne bringt und dem Angeklagten eine überzeugende Verteidigungsrede in den Mund legt (vgl. III,1,407–460), sah sich selbst wegen seiner Tragödie mit durchaus analogen Vorwürfen konfrontiert und musste vor dem Privy Council Rede und Antwort stehen. Später machte er sich einen Spaß daraus, seinem Stage-Keeper in der Komödie Bartholomew Fair eine launige Warnung vor allzu weitgehenden, in aktuellen Korrespondenzen gründenden Deutungen in den Mund zu legen, eine Warnung, die zugleich expliziert, wie verbreitet genau dieses Verfahren war (Wilkes 1982, 10/119–11/128): „In consideration of which, it is finally agreed, by the foresaid Hearers and Spectators, that they neither in themselves conceal, nor suffer by them to be concealed, any state-decipherer, or politic picklock of the scene, so solemnly ridiculous, as to search out, who was meant by the gingerbread-woman, who by the hobby-horse-man, who by the costardmonger, nay, who by their wares. Or that will pretend to affirm (on his own inspired ignorance) what Mirror of Magistrates is meant by the Justice, what great lady by the pigwoman, what concealed statesmen, by the seller of mousetraps, and so of the rest.“ 83 Vgl. dazu allgemein Jordan (1987), mit dem Resümee (451): „By the end of the sixteenth century the most ardent defenders of women all argue for the creation of societies in which what is deemed natural is recognized as an expression of historically contingent cultural norms, and the worth of womankind is determined by reference not to a metaphysical scheme, but rather to the varieties of experience available to persons within a particular society.“

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der großen öffentlichen Bühne der Politik als Herrscherinnen inszenierten, und die machiavellistisch geschickte Akzentuierung ihrer erotischen Anziehungskraft im Dienste kluger, vorausschauender, illusionsloser Macht- oder Realpolitik. Dieser erste unscharfe Blick bedarf der terminologischen und analytischen Differenzierung und Präzisierung, um die Gefahr zu minimieren, im Grunde nicht Vergleichbares zu vergleichen. Mit den dramatischen Repräsentationen Cleopatras der Shakespearezeit konzentrieren wir die Analyse auf unterschiedlich akzentuierte literarische Figuren, die teils in der antiken Überlieferung über Cleopatra gründen,84 teils im Cleopatra-Mythos und seiner Umakzentuierung in der (italienischen) Renaissance.85 Bereits die Cleopatra der antiken Überlieferung ist eine Konstruktion, genauer: eine Konstruktion ihrer Feinde. Fast alle Quellen, die uns heute über Cleopatras Leben und Persönlichkeit Aufschluss geben können, sind belastet durch die ungemein effektive Propagandapolitik Oktavians. Die erhaltenen Zeugnisse, prinzipiell ohnehin nur eine durch die Zufälle der Überlieferung begrenzte Auswahl, weisen nahezu ausnahmslos die Tendenz auf, die Beziehungen zwischen Cleopatra und Caesar zu bagatellisieren und Cleopatra und Antonius als unrömisches, in orientalischer Pracht lebendes Herrscherpaar zu diffamieren: Die Persönlichkeit Cleopatras, die wahre Geschichte ihrer Handlungen wie ihrer politischen Ambitionen liegen begraben unter römischer Bürgerkriegspropaganda und unzähligen bildlichen und vor allem poetischen Bearbeitungen einer tragischen Liebesgeschichte.86 Auch unser Bild Elisabeths I. ist in seinen Konturen und Akzentuierungen nicht frei von Zufälligkeiten der Überlieferung; gleichwohl sind wir angesichts der Fülle authentischer Quellen und der Tatsache, dass ihre Nachfolger aus politischem Eigeninteresse keinerlei Interesse daran hatten, Quellen ganz verschwinden zu lassen oder zu manipulieren,87 in einer ungleich besseren Situation als bei Cleopatra. Elisabeth selbst gelang es – mit welch subtilen und zum Teil auch drakonischen Mitteln wissen wir mittlerweile recht genau –,88 sich zum Mittelpunkt eines förmlichen Kultes zu stilisieren, „in dem sich sakrale, erotische und politische Repräsentationsformen zu einer äußerst eindrucksvollen Einheit

84 Vgl. nochmals Backhaus (2009); Becher (1966); Gall (2006); Nebelin (2011) und Zwierlein (1974). 85 Vgl. Aebischer (2013); Anderson (2013); Arshad (2016); Baker (2004); Beard (2013); Bronfen (2013); Brown (2013); Eigler (2006, 2013, 2015); Green (1997); Hamer (1993, 2001, 2008); Hedayet (1984); Hughes-Hallett (1990); Kelly (2014); Kubisch / Klinkott (2011); Osterkamp (2006); Pelling (2001); Preston (2008) und Royster (1999, 2003). 86 Vgl. Baumann (2003), bes. 9–10 und Preston (2008). 87 Vgl. dazu zuletzt Weiand (2015), bes. 49ff. 88 Vgl. Guy (1990), 250ff.

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verbinden.“89 Schon 1570 erhebt sie ihr Privatlehrer Roger Ascham in seinem The Scholemaster zum Vorbild an Gelehrsamkeit und frommem Verantwortungsbewusstsein, stilisiert die noch junge Königin zum platonischen Ideal des Philosophenkönigs (vgl. Platon, Pol. 496a ff und 543a ff),90 deren Herrschaft durch ihre geistige Autorität zusätzlich legitimiert ist. Sind hierbei die körperlicherotischen Reize Elisabeths noch ausgeblendet, so wird ihre unberührte, geradezu magisch wirkende Schönheit zum Zentrum des höfischen Zeremoniells, in dem der zum Teil rücksichtslose Kampf der Höflinge um Einfluss, Macht und Besitz als ‚galantes Werbespiel‘ verkleidet wird. Die Königin selbst spielt dabei mit der Bravour einer Primadonna (und als überaus kompetente Regisseurin) die quasi-religiöse Rolle der von der Reformation entthronten Jungfrau und Madonna und zugleich die petrarkistisch-erotische Rolle einer zweiten Laura oder Beatrice.91 In immer reicher entfalteter Ikonographie (wie insbesondere die Porträtgemälde bezeugen) und Mythologie lässt sie sich als keusche Mondgöttin Cynthia oder als Jägerin Diana, als die schönste der Schäferinnen oder als Feenkönigin umwerben und verehren. Ein großer Teil der Dichtung der 1580er und 1590er Jahre hat in diesem Kult um Elisabeth seinen offenkundigen Mittelpunkt.92 Das gesamte Werk Edmund Spensers etwa stellt sich in den Dienst dieser mythologischen Überhöhung: Die April-Ekloge des Shepheardes Calendar (1579) erhebt Elisa in den Rang Astraeas, der gerechten Jungfrau, die in Vergils berühmter vierter Ekloge ein Goldenes Zeitalter des Friedens bringt; das Pastoralgedicht „Colin Clouts come home againe“ von 1591 huldigt ihr als Cynthia, „the Lady of the Sea“ und feiert sie in ihrer Doppelrolle als Herrscherin über England (und die Weltmeere) und als Patronin der Künste an ihrem schäferlich eingekleideten Musenhof.93 Und das große nationale Ritterepos Spensers, The Faerie Queene, ist Elisabeth bekanntlich nicht nur gewidmet, sondern erhebt sie auch als Feenkönigin Gloriana in ihrer politischen und als Belphoebe, Cynthia, 89 Pfister (1991), 49. Vgl. die wichtigsten Quellen, Analysen und weiterführende Literatur bei Frye (1992); Green (1997); Hackett (1996); Jankowski (1989); King (1990, 1995); Kinney (1990); Levin (1994); Montrose (1999, 2002); Morris (1969); Neale (1957); Nünning (1999); Rinehart (1972); Schleiner (1978); Schwarzkopf (2001); Straumann (2013); Strong (1973, 1977, 1987, 1995–1998); Suerbaum (1994); Weiand (2015); Wilson (1939) und Yates (1975). 90 Vgl. Arber (1966), bes. 67–68; vgl. nach einer detaillierten Aufzählung der überragenden Sprach- und Literaturkenntnisse der Königin (und der regelmäßigen Vervollkommnung ihrer Kompetenzen) insbesondere das Resümee (68): „Amongest all the benefites yat God hath blessed me with all, next the knowledge of Christes true Religion, I counte this the greatest, that it pleased God to call me, to be one poore minister in settyng forward these excellent giftes of learnyng in this most excellent Prince. Whose onely example, if the rest of our nobilitie would follow, than might England be, for learnyng and wisedome in nobilitie, a spectacle to all the world beside.“ 91 Vgl. die wichtigste Literatur in Anm. 89 und Pfister (1991), 49. 92 Vgl. insbesondere King (1990). 93 Vgl. Henderson (1965), bes. 247–269.

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Diana oder Britomartis in ihrer persönlichen weiblichen Rolle zum ideellen Zentrum seiner Allegorie aristotelischer Tugenden.94 In dem berühmten Exkurs zur britischen Nationalgeschichte (II, x) „erscheint [Elisabeth] als lange erwartete Erlöserfigur einer nationalistisch säkularisierten Heilsgeschichte, die in Arthur, Brutus und den Trojanern ihre mythischen Ursprünge hat.“95 Zahllos sind die Gedichte, in denen Elisabeth I. als Cynthia, Diana, und insbesondere als Astraea gefeiert wird, zahllos sind zugleich die Belege dafür, wie Elisabeth I. selbst diesen Kult förderte, ihn zur Selbstdarstellung ihrer Person und der Monarchie im Allgemeinen nutzte. Bei öffentlichen Einzügen in London, bei den jährlich durchgeführten sommerlichen Rundreisen (‚progresses‘), bei den jährlich zum Gedenken an ihren Regierungsantritt abgehaltenen festlichen Turnieren, überall standen sie und ihre mythische Verehrung im Zentrum des Geschehens. Die ansonsten so sparsamen Engländer scheuten dabei keinerlei finanziellen Mühen: So feierte 1591, drei Jahre nach dem Sieg über die Armada und zwei Jahre nach Spensers Faerie Queene, Lord Hertford Elisabeth als „Faire Cinthia the wide Ocean’s Empresse“; zu diesem Fest hatte er einen riesigen sichelförmigen künstlichen See geschaffen, der alles, was Elisabeth teuer war, symbolisieren sollte.96 Die klassische Mythologie und in Einzelfällen auch historische ‚exempla‘ bieten die Rollen, die Elisabeth verkörpert und zum anderen die Kriterien, nach denen sich die überreichen Tugenden und großartigen Leistungen der Königin allenfalls noch bemessen lassen.97 Mit großer Expertise und Finesse agiert Elisabeth I. vor den Augen der Öffentlichkeit, präsentiert sich – in ihren eigenen Worten – als königliche Schauspielerin auf der Bühne der Welt:98 We Princes […] are set on stages, in the sight and view of all the world duly observed. The eyes of many behold our actions; a spot is soon spied in our garments, a blemish quickly noted in our doings. It behoveth us, therefore, to be careful that our proceedings be just and honourable.

Korollar dieser politischen Erkenntnis ist die außerordentliche Sorgfalt, mit der die Königin ihre immer wieder neu, meist von ihr selbst inszenierten Rollen 94 Vgl. bereits aus dem Widmungsbrief an Sir Walter Raleigh (Hamilton (1977), 737): „In that Faery Queene I meane glory in my generall intention, but in my particular I conceiue the most excellent and glorious person of our soueraine the Queene, and her kingdome in Faery land. And yet in some places els, I doe otherwise shadow her. For considering she beareth two persons, the one of a most royall Queene or Empresse, the other of a most virtuous and beautifull Lady, this latter part in some places I doe expresse in Belphoebe, fashioning her name according to your owne excellent conceipt of Cynthia, (Phoebe and Cynthia being both names of Diana).“ Vgl. insgesamt auch Villeponteaux (1998). 95 Pfister (1991), 49. 96 Vgl. Strong (1973), bes. 65ff. und Suerbaum (1994). 97 Vgl. weitere Details bei Baumann (1999b & 2006). 98 Neale (1957), 119.

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spielt, sie das öffentliche Bild ihrer Herrschaft und ihrer selbst zu kontrollieren versucht, von ihrem berühmten ‚Auftritt‘ bei den Truppen in Tilbury99 bis hin zum von ihr initiierten förmlichen Beschluss des Kronrats (1594), dass nur Bilder von ihr gemalt werden durften, auf denen sie ein jugendlich-schönes Antlitz hatte.100 Die unterschiedlichen dramatischen Repräsentationen Cleopatras der Shakespearezeit können natürlich nicht in wissenschaftlich redlicher Form mit dem so überaus komplexen, in wesentlichen Akzentuierungen von ihr selbst geschaffenen Bild der historischen Königin Elisabeth I. verglichen werden.101 Und doch ist es vermutlich genau das, was die Theaterbesucher der Shakespearezeit getan haben. Es ist im strengen Sinne nicht beweisbar, andererseits scheint es aber auch kaum vorstellbar, dass das Publikum das Agieren, Intrigieren, (Selbst-)Inszenieren einer Bühnenkönigin nicht zu den so sorgfältig und publikumswirksam inszenierten öffentlichen Auftritten seiner eigenen Königin in Beziehung setzte und die ent-

99 Vgl. insbes. Frye (1992) und Green (1997). 100 Vgl. Strong (1987), bes. 14f. und 147. Vgl. allgemein auch Nünning (1999), bes. 134f. und Schwarzkopf (2001), bes. 32–36, Zitat (32f.): „Die Maler konzentrierten sich in ihrer Darstellung häufig auf eine bestimmte Eigenschaft der Königin, die ihre herausragende Bedeutung unterstrich. Die prominenteste Eigenschaft Elisabeths war ihre Jungfräulichkeit. Bis ins hohe Alter wurde die Königin mit offenem, über die Schulter herabfallendem Haar abgebildet, wie es Jungfrauen trugen. Ebenfalls auf ihre Jungfräulichkeit spielt die Serie der sogenannten Sieb-Porträts an, auf denen die Königin mit einem Sieb in der Hand abgebildet wurde. Für die klassisch gebildete elisabethanische Elite war die Aussage dieser Bilder offenkundig. Sie spielten auf jene vestalische Priesterin an, die zum Beweis ihrer Jungfräulichkeit Wasser in einem Sieb über eine längere Strecke transportierte, ohne auch nur einen einzigen Tropfen zu verlieren. Ähnlich symbolisierte ein weißes Hermelin jungfräuliche Reinheit. In der zweiten Hälfte ihrer Regierungszeit setzte sich die Darstellung der Königin mit der sogenannten Maske der Jugend durch.“ Zugleich wurde diese dann ab 1594 verbindlich vorgegebene Darstellung der jugendlich-schönen Königin zur bildlichen Manifestation der politischen Theoriekonzeption der zwei Körper der Königin (vgl. dazu Axton 1974, 1977 und Kantorowicz 1957, 1990), oder wie Schwarzkopf (2001, 33) formuliert: „Nicht also der Mensch Elizabeth Tudor wird auf den im Stil der Maske der Jugend gehaltenen Porträts vom Prozeß des Alterns ausgenommen, sondern es ist die ewige Jugend, die Unvergänglichkeit der Institution der Monarchie, die in diesen Porträts dargestellt wird, allerdings am Beispiel einer Herrscherin, welche die Langlebigkeit und vor allem auch die Stabilität der Monarchie, die auf einer weitgehenden Interessenidentität zwischen Königin und den Führungsschichten des Landes beruhte, in ausgeprägter Weise verkörperte.“ Vgl. insgesamt auch Montrose (1999, 2002). 101 Literarisch-dramatische Repräsentationen Elisabeths I. sind aufgrund der Zensurgesetzgebung der Zeit äußerst spärlich (vgl. etwa Cranmers berühmte Prophezeiung anlässlich der Taufe Elisabeths in Shakespeares Henry VIII, V,4,14–55), oder beschränken sich auf mythologische Referenzen (vgl. etwa Shakespeares Oberon in Midsummer Night’s Dream II,1,155–164; oder George Peeles The Arraignment of Paris, insbes. V,1,55–124; oder Ben Jonsons Cynthia’s Revels).

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sprechenden (Selbst-)Präsentationen weiblicher Herrschaft miteinander verglich.102 In Shakespeares Antony and Cleopatra könnte dabei eine Szene, die explizit nicht in Plutarchs Parallelbiographien als Quelle gründet, diesen Vergleich in besonderer Weise provoziert haben, die Szene, in der die ihre Wut ausagierende und aufgeregte Cleopatra jedes Detail über das Aussehen Octavias von dem Boten zu erfahren begehrt (II,5,50–74 & 84–106 & 110–120; III,3,7–46). Die Szene korrespondiert in vielen Details den engagiert ängstlichen Fragen Königin Elisabeths I. nach Aussehen und Fähigkeiten ihrer Rivalin Mary, Queen of Scots, die Elisabeth dem Botschafter Sir James Melville, der 1564 als Emissär Marys nach London gekommen war, stellte und die Melville durchaus nicht unironisch in seinen Memoiren festhielt.103 Ob diese zweifellos erkennbaren Parallelen ausreichen, um in Shakespeares Cleopatra „the reflection or ‚shadow‘ of Queen Elizabeth“104 zu sehen, soll / darf hier dennoch offen bleiben. Noch ein weiterer, zugegebenermaßen höchst komplexer Traditionsstrang verbindet Elisabeth und Cleopatra mittelbar: Repräsentationen von Elisabeth als Diana sind überaus zahlreich, womit zugleich eine Referenz auf Dianas sterbliche Entsprechung Dido, Königin von Karthago, evoziert wird, die z. B. in Vergils Aeneis in beeindruckender Klarheit expliziert wird (I,498–502; IV,69–73 & VI,453–454).105 Didos Begegnung mit Aeneas voraus gehen zwei weitere ‚visionäre‘ Begegnungen mit ‚Jungfrauen‘, der Göttin Venus verkleidet als jungfräuliche Jägerin, und mit Penthesilea, der jungfräulichen Amazonenkönigin (I,314– 493).106 Ebenfalls zahlreich sind Texte (u. a. William Gagers lateinische Tragödie 102 Die Aufführungsgeschichte von Shakespeares Antony and Cleopatra dokumentiert sehr bewusste Referenzen auf Gemeinsamkeiten zwischen Cleopatra und Elisabeth I., etwa in den Kostümen und den Details einer Inszenierung von W. Bridges-Adam (1931) mit Dorothy Massingham in der Rolle der Cleopatra (vgl. Straumann (2013), 70–71, mit zwei Fotobelegen), oder in Vanessa Redgraves Produktion der 1990er Jahre, in der sie – als Elisabeth kostümiert – Cleopatra spielte (vgl. Straumann (2013), 70). Ein weiteres, nicht uninteressantes Detail ist, dass für die Aufführung von Samuel Daniels Cleopatra 2013 für Cleopatra ein Kleid (zweit-)genutzt wurde, das Helen Mirren 2005 in einem TV-Film (Skript von Nigel Williams, Regie: Tom Hooper, für Channel 4), Elizabeth I, als Elisabeth getragen hatte (vgl. Arshad / Hackett / Whipday (2014), 176 und 185, Anm. 57). 103 Vgl. Melville (1827), bes. No. 18, 111–127. 104 Morris (1969), 271. Vgl. insgesamt auch Rinehart (1972) und Jankowski (1989), bes. 96ff. 105 Vgl. Weber (1999), bes. 133. 106 Vgl. Weber (1999), 128: „[…] I will aim to show that in the verse, panegyric, and iconography of the late sixteenth century in England, artists and writers of the period identify Elizabeth I with the same three virgins with whom Virgil associates Dido.“ Vgl. zu Repräsentationen Elisabeths I. als Amazone Schleiner (1978), dessen Aufsatztitel „Divina virago: Queen Elizabeth as an Amazon“ mit der Junktur ‚divina virago‘ verdeutlicht, dass es um feine Distinktionen geht. Vgl. zu Amazonen allgemein Wright (1940) und Kroll (2001); vgl. besonders das Resümee Schleiners (1978), 180: „Significantly, all the direct Amazon references I have seen relate to the Armada conflict, the most serious military challenge to her reign.

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Dido, oder Christopher Marlowes The Tragedie of Dido, Queene of Carthage), die Dido mit Elisabeth I. verknüpfen, und zwar aus einer ganzen Reihe von Gründen:107 First, both queens were otherwise known as Elisa; Dido, which means valiant woman, replaced the original name, Elisa, to commemorate her exceptional state and domestic deeds. Second, the Virgilian poeticized Dido provided two moral object lessons – to encourage the spirit of nationalism and to discourage suitors. […] Third, both women were exceptions to the prevailing role of women in being childless and powerful rulers.

Mit der assoziativen Verknüpfung Elisabeths I. mit Dido ist mittelbar auch eine Referenz auf Cleopatra denkbar, „Elizabethans were equally familiar both with Virgil’s Dido and with Plutarch’s Cleopatra, and hence they would likely have been aware of the ways in which these African queens resemble each other.“108 Man darf sich zusammenfassend fragen, ob die Annahme einer so hochkomplexen assoziativen Verknüpfung Elizabeths I. mit Cleopatra über Dido nötig ist, um die Verbindung Elisabeths zu Cleopatra primär als eine Kontrastrelation zu sehen.109 Offenkundig sind die Unterschiede in der jeweiligen Selbstinszenierung:110 Die mythologischen und ikonographischen Rollenbilder Elisabeths betonen Reinheit und Jungfräulichkeit, während Cleopatra wiederholt im Gewand oder als ‚Verkörperung‘ der Fruchtbarkeitsgöttin Isis auftritt.111 Während Elisabeth allen Bewerbern um ihre Hand konsequent, wenngleich in Einzelfällen nach langem und diplomatisch geschickt ausgenutzten Hinhalten, eine Absage erteilte, gebar Cleopatra den beiden wichtigsten Männern Roms, Caesar und Antonius, vier Kinder, 47 v. Chr. Caesarion (Ptolemaios XV), 40 v. Chr. die Zwillinge Alexander Helios und Cleopatra Selene, 36 v. Chr. Ptolemaios Philadelphos.112 In seiner Bedeutung für die Beurteilung der Nachwelt

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The English victory was consciously and deliberately celebrated as the victory of a woman. Camden reports that the victory was commemorated by coins showing the English incendiary ships, and the Armada in disarray. They bore the Virgilian tag Dux Foemina Facti, which Camden’s contemporary Englisch translator Norton translates, ‚A woman was conductor of the fact‘.“ Roberts-Baytop (1974), vi. Vgl. ebenfalls Weber (1999) und Bono (2006). Weber (1999), bes. 136. Vgl. Weber (1999), 136–137. Natürlich gibt es insgesamt auch – der allgemeinen ‚Zugänglichkeit‘ klassisch antiker Symbolik geschuldet – durchaus Gemeinsamkeiten, beispielsweise im Rückgriff auf die lunare Symbolik, die sich bei Elisabeth in der Verehrung als Cynthia (siehe oben, S. 154f.) manifestiert, und bei Cleopatra insbesondere mit der Namenswahl ihrer Zwillinge von Antonius (Cleopatra Selene und Alexander Helios) zum politisch-propagandistischen Programm wird. Vgl. insgesamt hierzu auch Jankowski (1989), bes. 97. Vgl. Jankowski (1989), bes. 96: „However, in direct contrast to Queen Elizabeth, [Shakespeare’s] Cleopatra is represented as uniting her body natural and her body politic by literally ‚using‘ her blatant sexuality to insure her power on the throne. […] Unlike Elizabeth,

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kaum zu überschätzen ist der Unterschied in der historisch jeweils größten Krise ihrer Regierungszeiten: Cleopatra (und ihre Flotte) unterlagen in der Seeschlacht bei Actium,113 womit ihr persönliches Schicksal besiegelt war und letztlich zum Freitod führte, während Elisabeths Sieg über die Armada mit Münzen gefeiert wurde, die als ‚inscriptio‘ den berühmten Vergilvers (Aeneis I,364) ‚dux foemina facti‘ trugen und unisono von ihren Zeitgenossen emphatisch gefeiert wurde.114 In diesem Kontext – wenn man die Beziehung der historischen Cleopatra zur historischen Elisabeth I. aus der Perspektive historisch interessierter und gebildeter Elisabethaner primär als Kontrastrelation konzeptualisiert –, gewinnen einige Porträtgemälde Elisabeths an zusätzlicher Bedeutung. Das sogenannte ‚Rainbow‘-Porträt von Elisabeth I.115 (Hatfield House: Marquess of Salisbury) zeigt als Applikation auf dem linken Ärmel eine Schlange, die gemäß der emblematischen Tradition üblicherweise als Zeichen der ‚prudentia‘, damit der Voraussicht und Weisheit verstanden wird. Wichtiger aber für die politischikonographische Selbstinszenierung der Königin ist, dass die Schlange einen herzförmigen, an einer Kette hängenden Rubinanhänger im Maul hält. Roy Strong, der beste Kenner der Tudor- und Stuartikonographie,116 erläutert, dass das von der Schlange beherrschte Herz die von der Weisheit gezügelte Leidenschaft symbolisiert.117 Ein weiteres, anonymes Porträt von Elisabeth I., das sie im typischen Halbprofil nach rechts zeigt, aus der National Portrait Gallery, ist für uns jedoch noch interessanter.

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she does this by making her political adversaries – the representatives of Rome – her lovers and binding them to her by bearing them children.“ Vgl. Baumann (2003), bes. 102ff.; Clauss (1995), bes. 95ff.; Southern (2003), bes. 126ff. und Stuttard / Moorhead (2012), bes. 139ff. Vgl. z. B. Aske (1588), passim, und die Vielzahl weiterer Quellen in Schleiner (1978), Weber (1999) und Bono (2006). Vgl. die Farbabbildung in Straumann (2013), 68. Vgl. Strong (1973, 1977, 1987, 1995–1998). Vgl. Strong (1987), 159–160.

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Abb. 3

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„Aufgrund altersbedingter Farbverluste auf der Gemäldeoberfläche“, so fasst Barbara Straumann den Restaurationsbefund zusammen, „ist in ihrer prominent platzierten Hand die dunkle, geschwungene Form einer Schlange sichtbar geworden. […] dieses für Elisabeth ungewöhnliche Requisit erinnert an Kleopatra, die sich der Legende nach mit Hilfe einer giftigen Natter das Leben genommen haben soll.“118 Dass für dieses Porträt ein offensichtlich älteres Porträt einer unbekannten Frau übermalt wurde, können wir hier ignorieren, ist es doch nicht unüblich, dass Holztafeln, wenn besonderer Bedarf entsteht, erneut verwendet werden.119 Entscheidend ist, dass der unbekannte Maler vor der Fertigstellung des Gemäldes den fein mit grünen und gelben Schuppen ausgestalteten Schlangenkörper mit einem kleinen Rosenstrauß übermalte, also sehr bewusst (vielleicht sogar auf Anordnung)120 die Referenz auf Cleopatra tilgte. Das Ver118 Straumann (2013), 69. 119 Vgl. Straumann (2013), 69: „Auf einer Spezialaufnahme sind die beiden Porträts in ihrer schattenhaften Verdoppelung sichtbar. Die beiden Bildnisse der anonymen Frau und der Königin bieten uns ein Denkbild für den königlichen Doppelkörper: Elizabeth hat nicht nur den Körper einer Frau, als Königin verfügt sie darüber hinaus über einen symbolischen Körper, der ihr politisches Mandat darstellt.“ 120 Vgl. Straumann (2013), 69–70: „Über die Gründe, weshalb die von Elizabeth gehaltene Schlange übermalt wurde, können wir nur spekulieren. […] In den misogynen Mythen, die

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hältnis Elisabeths I. zu Cleopatra als Kontrastrelation zu verstehen erklärt hinreichend das Entfernen der mit der Schlange eindeutigen Cleopatra-Referenz121 im Porträt Elisabeths, der Virgin Queen.

Abb. 5

Eine analoge Kontrastrelation zwischen Elisabeth I. und Cleopatra dominiert die Darstellung der Königinnen sowohl in der bildlichen Repräsentation (Stiche von Stefano della Bella) als auch in den jeweiligen Begleittexten im Kartenspiel Le Jeu des Reynes Renommées (1644).122 Die Nr. 4 des Spiels ist Elisabeth, in langer fürstlicher Robe, vorgestellt als ‚habile‘ (‚geschickt‘, ‚gewandt‘), der Text expliziert, dass sie ihr Reich weise regierte und ihr Leben lang jungfräulich blieb.123 Cleopatra ist die Nr. 5, dargestellt im Moment ihres Freitods, die Schlange an der Brust und bereits im Begriff zu Boden zu sinken, vorgestellt als ‚galante‘ (‚galant‘, ‚verführerisch‘), der Text verweist auf ihre Liaison mit Caesar, die ihr die Herrschaft sicherte, und auf die Liebesbeziehung zu Antonius, mit dem sie sich in oft mit Kleopatra in Verbindung gebracht wurden, steht die Schlange unter anderem für Sexualität und weibliche Verführungskraft. So wird auch in der bildenden Kunst Kleopatra zuweilen in Anlehnung an Eva dargestellt. Vielleicht war es diese Tradition, welche die Schlange mit der Virgin Queen unvereinbar erscheinen ließ. Möglicherweise war auch allein die Anspielung auf die ägyptische Königin problematisch, weil zeitgenössische Betrachter dies als Kommentar zur Herrschaft Elizabeths aufgefasst hätten.“ 121 Vgl. die Vielzahl der bildlichen Darstellungen des Selbstmordes der Cleopatra u. a. bei Bronfen / Lulin´ska (2013), bes. 294–315 und Ritchard / Morehead (2004), passim. 122 Vgl. Straumann (2013), 75. 123 Vgl. den Text: „Elisabeth. Reyne d’Angleterre. Elle guouerna sagement son Royaume, et demeura fille jusquà la mort, ayant rejetté l’alliance des plus grands Roys de l’Europe.“

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lustvollen Vergnügungen verlor und die sie in der Konsequenz ihr Reich und ihr Leben kosteten.124 Die Beziehung zwischen Elisabeth I. und Cleopatra primär als vergleichsweise konstante Kontrastrelation zu verstehen,125 konstituiert eine mentalitätsgeschichtlich nicht unwichtige (zusätzliche) Erklärung für die Konturen und Kolorierungen der dramatischen Repräsentationen Cleopatras im Drama der Shakespearezeit: Um die zentralen Unterschiede zu Elisabeth, der jungfräulichen Königin, sowohl persönlich als auch politisch jederzeit im Bewusstsein des Publikums präsent zu halten, wird Cleopatra nahezu stereotyp zur Frau und Fleisch gewordenen Konkretisierung obsessiver erotischer Männerträume und misogyner Albträume.

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Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Charlotte Gallagher als Cleopatra, Werbeplakat für die Aufführung von Samuel Daniels Cleopatra (Goodenough College, 3rd March 2013) © Yi Ling Huang (Bildzitat aus Arshad / Hackett / Whipday (2014), 177). Abb. 2: Anonymes Ölgemälde (frühes 17. Jhdt.) „Lady Ralegh as Cleopatra“, 109,2 x 82,5 cm; Privatbesitz; Photograph: National Portrait Gallery, London (Bildzitat aus Arshad / Hackett / Whipday (2014), 168). Abb. 3: Anonymes Ölgemälde (auf Holz), Porträt Elisabeth I. mit einer übermalten Schlange, National Portrait Gallery, London (Bildzitat aus Straumann (2013), 70). Abb. 4: Anonymes Ölgemälde (auf Holz), Porträt Elisabeth I. mit einer übermalten Schlange, National Portrait Gallery, London, Detail, ursprüngliche Fassung (Bildzitat aus Straumann (2013), 70). Abb. 5: Stefano della Bella (Stiche), zwei Karten aus dem Kartenspiel Le Jeu des Reynes Renommées: Elisabeth und Cleopatre, 1644, The British Museum, London (Bildzitat aus Straumann (2013), 75).

Konrad Vössing (Bonn)

Warum Neros Ehefrau Octavia eine Heldin werden konnte

Die Kaiserin Octavia ist die einzige römische Frau in dieser Position, die Heldin einer antiken Tragödie wurde, nämlich des bekannten gleichnamigen Theaterstücks der frühen Kaiserzeit. Es handelt sich um ein fälschlicherweise dem Stoiker Seneca zugeschriebenes Drama, sicher ein Lesedrama, das tatsächlich erst nach dem Untergang Kaiser Neros, Octavias Ehemanns und Todesrichters, sowie seiner ganzen Dynastie im Jahr 68 n. Chr. von einem unbekannten Autor verfasst wurde.1 Das Geschehen spielt an drei aufeinanderfolgenden Tagen des Jahres 62: Der Kaiser will, um seine schwangere Geliebte Poppaea Sabina heiraten zu können, Octavia verstoßen; der Senat und sein Berater Seneca raten hiervon ab, auch das Volk ergreift für sie Partei, aber der Tyrann lässt sich nicht erweichen. Sie wird mithilfe falscher Zeugen angeklagt, verurteilt, verbannt und am 9. Juni getötet, der Tag, an dem sechs Jahre später Nero, der nacheinander ihr Bruder, Ehemann und Verfolger geworden war, sich in aussichtsloser Lage selbst das Leben nehmen sollte.2 Wer nun aber annimmt, dass Octavia als namengebende Protagonistin der Tragödie hier irgendetwas Nennenswertes vollbracht oder zumindest gesagt haben muss, wird enttäuscht. Wie und in welchem Sinn aber konnte sie dann – dies ist die Grundfrage der folgenden Überlegungen – die ‚Heldin‘ dieser fabula sein? 1 Zur Octavia vgl. aus den letzten Jahren Smith (2003); Wilson (2003); Habermehl (2008), 111– 126; Ferri (2014), 521–527; Donovan Ginsberg (2017). Für den Text sei neben der Edition von Zwierlein (1986) verwiesen auf die von Ferri (2003), deren Text hier gefolgt wird, und von Boyle (2008); zur literarhistorischen Einordnung s. unten. Anm. 24, zum Autor und zur Datierung, s. unten Anm. 38. 2 Sueton, Vita des Nero 57,1. Octavia wurden die Adern geöffnet, da aber ihr Blut zu langsam floss, wurde sie in ein überhitztes Bad gebracht, dessen Dampf sie tötete. Ihr Kopf wurde abgeschlagen und nach Rom gebracht, wo ihre Nachfolgerin an Neros Seite schon darauf wartete (Tacitus, Annales 14,64,2: Poppaea vidit; vgl. in der Tragödie V. 132f. (pretium stupri / iustae maritum coniugis captat caput [sc. Poppaea]). Ob Tacitus die Tragödie Octavia für seine Darstellung benutzt hat, ist umstritten; die sachlichen Ähnlichkeiten sind jedenfalls nicht eindeutig, vgl. Ferri (1998), 339–356; Junge (1999), 183–196; Billot (2008).

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Konrad Vössing

These ist dabei, dass es dem Autor darum ging (und aus moderner Perspektive auch gelungen ist), ihr Schicksal politisch in einer Weise aufzuladen, die sie, trotz ihrer historischen Beschränkung auf das Erleiden, zum Sinnbild einer idealen (und letztlich siegreichen) Herrschaftskonzeption machte, die zwar unter Nero vernichtet schien, nach seinem Untergang aber – wie den Lesern vor Augen geführt werden sollte – wieder in ihre Rechte eingesetzt wurde. Zunächst soll die faktische (passive) Rolle Octavias im Machtgefüge ihrer Zeit dargestellt (1) und gezeigt werden, dass die Tragödie an dieser durch die römische Sozialstruktur festgelegten Einschränkung nichts geändert hat (2). Dass diese historische Übereinstimmung mit den Handlungsoptionen der Kaiserin in der Wirkungsgeschichte des Stoffes kaum Zukunft hatte, wird dann ein kurzer Blick auf andere Octavia-Stücke in der europäischen Literatur zeigen (3). Anschließend soll dargelegt werden, dass es zeitgenössischen Lesern des ersten Octavia-Dramas durchaus möglich war, das Schicksal einer so stillen Heldin als paradigmatisch zu erleben (4). Dies soll erklärlich machen, warum, wie eingangs gefragt wurde, der Autor in Octavia seine Heroin gesucht und gefunden haben könnte, mit dem vielleicht überraschenden Ergebnis, dass sie unter den spezifischen historischen Bedingungen ihrer Zeit – allem äußeren Anschein zum Trotz – tatsächlich eine Art „Volks“heldin war und ihr Tod schon für die Zeitgenossen eine tiefe Zäsur darstellte.

1.

Octavia im Machtgefüge ihrer Zeit

Unsere Quellen (vor allem Tacitus, Sueton, Cassius Dio) überliefern durchaus Informationen zur Rolle Octavias in der Machtpolitik Neros und seiner Mutter bzw. ihrer Unterstützer, sie selbst bleibt dabei aber weitgehend unsichtbar, ein unbeschriebenes Blatt, eine Frau, die vollständig hinter ihrer Funktion als Tochter des Claudius und Gattin von dessen Adoptivsohn und Nachfolger verschwindet. Obwohl etwa Tacitus ihrem Untergang fünf glänzend geschriebene Kapitel widmet, mit denen er das 14. Annalenbuch abschließt,3 bleibt sie hier vollständig stumm, bis zu ihrer Todesstunde, als die von Nero ausgesandten Soldaten sie ergreifen – sie ist bereits auf die noch in der Moderne berüchtigte Internierungsinsel Pandateria (Ventotene) verbannt – und sie versucht, sich argumentativ zu verteidigen. Wie sie in der Zeit davor ihr Schicksal ertrug, wird

3 Annales 14,60–64; daneben sind wichtig: Sueton, Vita des Nero 35 und Cassius Dio, Römische Geschichte, 62,13f.

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auch von Tacitus nur mit dem Hinweis bedacht, dass sie gelernt hatte, alle Affekte zu verbergen;4 die anderen Quellen schweigen völlig. In der Tragödie redet sie natürlich mehr. Vor allem aber klagt sie über ihr Schicksal, und dessen Härte war in der Tat allgemein bekannt. Tacitus hatte es knapp zusammengefasst: keine andere Verbannte hat jemals so viele mitleidige Blicke der Zuschauer auf sich gezogen. … Für Octavia war der Hochzeitstag [mit Nero] zugleich auch eine Leichenfeier gewesen. Sie war in ein Haus geführt worden, in dem sie nichts als Trauer empfinden sollte. Erst wurde ihr der Vater (also Claudius) durch Gift entrissen, gleich darauf der Bruder (also Britannicus). Dann gewann die Sklavin (gemeint ist Poppaea) die Oberhand über die Herrin, und diese wurde sogar Ehefrau, was dann zum Verderben der (früheren) Gattin führen musste. Am Ende kam die Beschuldigung (des Ehebruchs), schlimmer als jeder Tod.5

Wie bei Tacitus (und generell in der römischen Geschichtsschreibung) üblich, werden in dieser Würdigung der moralische Aspekt der Ereignisse und deren Wertung stark gemacht, die historisch-politischen Rahmenbedingungen dagegen einfach vorausgesetzt; diese können hier natürlich nur knapp skizziert werden.6 Das historisch Eigentümliche an der kaiserlichen Familie in Rom war, dass dynastische Vorstellungen hier staatsrechtlich ganz irrelevant waren. War ein Kaiser tot, hatte der Senat zu überlegen, wie es weiterging, das heißt, wem er die Sorge für den Staat anvertrauen konnte. In dieser Perspektive war der Prinzipat also keine Staatsform, sondern eine Ausnahmererscheinung.7 Die Realität sah allerdings bekanntlich anders aus. Oberstes familienpolitisches Ziel eines Kaisers war es, schon zu Lebzeiten einen Nachfolger heranzuziehen, der einerseits loyal und ohne Ambitionen war, seine eigene Wartezeit zu verkürzen, andererseits aber schon so fest im Sattel saß, dass seine Bestallung nach dem geduldig abgewarteten Tod des Vorgängers nur noch Formsache sein 4 Nach der Ermordung des Britannicus: Octavia quoque, quamvis rudibus annis, dolorem caritatem omnes adfectus abscondere didicerat – „Auch Octavia hatte, obwohl jung an Jahren, gelernt, Schmerz, Zuneigung und überhaupt alle Gefühle zu verbergen“ Annales 13,16,4 (ed. Heubner (1994); Übers. K. V., wie auch künftig, wenn nicht anders angegeben). 5 Annales 14,63,2f.: non alia exul visentium oculos maiore misericordia adfecit. meminerant adhuc quidam Agrippinae a Tiberio, recentior Iuliae memoria obversabatur a Claudio pulsae; sed illis robur aetatis adfuerat; laeta aliqua viderant et praesentem saevitiam melioris olim fortunae recordatione adlevabant: (3) huic primum nuptiarum dies loco funeris fuit, deductae in domum, in qua nihil nisi luctuosum haberet, erepto per venenum patre et statim fratre; tum ancilla domina validior et Poppaea non nisi in perniciem uxoris nupta; postremo crimen omni exitio gravius. 6 Zur historischen Konstellation im Kaiserhaus mit Bezug auf Octacia vgl. Eck (2002), 120, 126f., 156–159; Wood (2001). Von den zahlreichen wissenschaftlichen Nero-Darstellungen sei hier nur eine aktuelle erwähnt: Sonnabend (2016). 7 Vgl. Flaig (2019); Timpe (2011); Winterling (2017).

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würde. Seine wichtigste erste Amtshandlung würde es dann sein, den verstorbenen Kaiser unter die Götter zu versetzen, was diesem ewigen Nachruhm, ihm selbst aber den Vorteil brachte, Sohn eines Gottes (divi filius) zu sein.8 Ein solcher Kandidat aber hatte vor allem zwei Kriterien zu erfüllen. Zum einen musste er ein gewisses Alter haben und bereits so sehr mit politischen Aufgaben an die Öffentlichkeit getreten sein, dass die Übertragung des principatus – die ja gleichbedeutend war mit der Aussage: ‚niemand ist besser geeignet zur Lenkung des Staates als der neue princeps‘ – der relevanten Öffentlichkeit nicht als Farce erschien. Das heißt, er musste zumindest der Kindheit entwachsen sein und bereits einige öffentliche Funktionen (natürlich im Grunde im Auftrag des Kaisers) übernommen haben. Zum zweiten aber musste er beim Heer akzeptiert werden. Das Heer aber dachte – und dies mag, von außen betrachtet, überraschen – nicht von einer etwaigen militärischen Fähigkeit des Kandidaten her, sondern ausschließlich und dezidiert dynastisch. Am besten geeignet war hier ein leiblicher Sohn oder Adoptivsohn oder aber wenigstens ein Schwiegersohn des Kaisers. Neben anderen Gründen für diese dynastische (und insofern dem Staatsrecht entgegenstehende) Präferenz der Soldaten, die hier zu erläutern zu weit führen würden, sei auf die tief sitzende (gewissermaßen sozialpsychologische) Tradition und Konstante der römischen Klientelbeziehungen verwiesen – also auf die Beziehung zwischen einem Patron und seinen Schützlingen –, für die der Gedanke geradezu zentral war, dass sie sich innerhalb der Familie vererbten. Nur dies gab den Klienten die nötige existentielle Sicherheit (ihr Wohl und Wehe hing ja von einer dauerhaft funktionierenden Patronage ab), dass nämlich nicht ein plötzlicher Tod sie schutzlos machen würde. Und der Kaiser war eben der Schutzherr und Patron aller Soldaten (deren dauerhafte Bezahlung bereits Augustus zu seiner ureigensten Sache gemacht hatte),9 aber auch der einzig verbliebene Patron der römischen Plebs. Als Claudius 41 n. Chr. Kaiser geworden war, hatte ihm seine dritte Ehefrau, die berühmte Messalina, bereits eine Tochter, eben unsere Octavia, geboren,10 und unmittelbar nach Herrschaftsantritt folgte ein Sohn, später Britannicus genannt.11 Claudius war damals schon 51 Jahre alt, also in einem nach antiken 8 Vössing (2020), 12–20. 9 Vgl. zuletzt Cosme (2012); Eck (2016). 10 Der Name dieser im März 40 n. Chr. geborenen Tochter folgte wie üblich dem Gentilnamen des Vaters (Ti. Claudius Nero Germanicus), lautete also sicher Claudia. Claudius war der Onkel des 37–41 n. Chr. regierenden Kaisers Caius (genannt Caligula). 11 Sueton, Vita des Claudius, 27,2 überliefert nur den Geburtstag (12. Febr.), das Jahr ergibt sich aus seinem Alter bei seinem Tod: Tacitus, Annales 13,15,1. Sein Name war Tiberius Claudius Germanicus. ‚Britannicus‘ war ein Siegerbeiname seines Vaters Claudius, der 43 n. Chr. Britannien eroberte, der ihn aber an seinen Sohn weitergab.

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Vorstellungen hohen Alter, und zudem von unsicherer Gesundheit. Zur Absicherung seiner Herrschaft, die er Anfang 41 n. Chr. unerwartet und ohne eigenes Zutun erlangte,12 war es deshalb sehr wichtig, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass man bei seinem Tod mit einem Nachfolger aus seinem Haus rechnen konnte. Aus den genannten ideologischen Gründen wurde Derartiges offiziell niemals ausdrücklich gesagt, sondern nur demonstriert. Einerseits gab es also seit dem Frühjahr 41 den neugeborenen ‚Prinzen‘ (aber das reichte nicht aus, denn jeder wusste, wie schnell ein Kind sterben konnte), andererseits setzte man jetzt seine ältere Schwester in Funktion. Sie war zwar noch ein (zweijähriges) Kleinkind, aber man konnte sie ja immerhin verloben. Der Kandidat war Lucius Iunius Silanus, damals noch ein Knabe, aber ein direkter Nachkomme des Augustus, insofern die ideale Besetzung als künftige Lebensversicherung (gewissermaßen) des claudischen Kaiserhauses; seine Karriere wurde entsprechend gefördert.13 Derartige Absicherungen bargen natürlich ein gewisses Risiko; denn mit jedem Jahr, das Claudius und sein Sohn Britannicus lebten, schwanden die Chancen des Silanus, und seine Reaktion darauf konnte nur vermutet werden. Aber dies musste man in Kauf nehmen, zumal Silanus keinerlei Zeichen von Illoyalität erkennen ließ. Nun aber trat ein Ereignis dazwischen, das alles änderte: Der Auftritt der Agrippina, Claudius’ letzter Ehefrau, und ihres Sohnes Domitius.14 Claudius gilt entsprechend den antiken Zeugnissen bekanntlich als ein eher schwacher Kaiser, abhängig von seinen Helfern (Freigelassenen) und von seinen Ehefrauen, und unabhängig von den unbestreitbaren Verzerrungen der Quellentradition kann man festhalten, dass die einen wie die anderen eine relativ eigenständige Politik machen konnten. Valeria Messalina also, die berühmte (und sicher zu Unrecht) als kaiserliche Hure verunglimpfte femme fatale der frühen Kaiserzeit, hatte sich aus Gründen, die wir kaum nachvollziehen können, für den Versuch entschieden, ihren kaiserlichen Ehemann abzuschieben und im Herbst 48 n. Chr. mit einem neuen Ehemann (Gaius Silius) und ihren beiden Kindern von Claudius – diese

12 Dass diese Darstellung der Quellen (Flavius Josephus, Jüdische Altertümer 19,162; Sueton, Vita des Claudius 10; Cassius Dio, Römische Geschichte 60,1f.) zutreffend ist, wird allerdings teilweise bestritten, vgl. Castorio (2015), 65–66. 13 Eindeutige Anzeichen seiner neuen Rolle waren die ihm verliehenen Triumphalabzeichen nach dem Britannienfeldzug, an dem er teilnehmen durfte (Cassius Dio, Römische Geschichte 60(61),31,7). Im Jahr 45 hatte er den Kaiser bei der Verteilung von Geldspenden an das Volk vertreten, war nun also dem Heer und der Plebs von Rom gewissermaßen vorgestellt. Er war ein Enkel der jüngeren Iulia, Augustus’ Enkelin. 14 Zu dieser mächtigsten Kaiserin des 1. Jahrhunderts vgl. Barrett (1996); Ginsburg (2006); Foubert (2006); Moltesen / Nielsen (2007).

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waren die entscheidende Basis ihrer Aktion – eine neue kaiserliche Familie zu bilden.15 Dieser Versuch scheiterte, sie wurde auf Betreiben des Freigelassenen Narcissus hingerichtet, und 49 n. Chr. kam es zu einer neuen Vermählung des Kaisers. Damit war aber auch in der Nachfolgefrage eine neue Situation da. Octavia und Britannicus waren ja immer noch Kinder, und Agrippina, der vierten Ehefrau des Kaisers, sowie ihren eventuellen und auch ihrem aktuellen Nachwuchs (sie hatte aus einer früheren Beziehung einen elfjährigen Sohn: Lucius Domitius Ahenobarbus, den späteren Kaiser Nero), eröffnete sich so die Möglichkeit, auch eine dynastische Wendung herbeizuführen. Denn solange Messalina lebte, war allen klar, dass sie für ihre Kinder kämpfen würde, während man dies – Voraussetzung war, wie gesagt, eine erkennbare oder vermutete Schwäche des Kaisers in dieser Hinsicht – von Claudius allein nicht mehr unbedingt sagen konnte. Die folgenden Ereignisse zeigten, dass man ihm zu Recht nicht zutraute, die Interessen seiner Nachkommenschaft und die seines zukünftigen Schwiegersohns nachdrücklich zu vertreten. Gerade Letzteres zeigt, dass hier wohl tatsächlich eine gewisse Sorglosigkeit oder Weltfremdheit im Spiel war; denn es könnte zwar sein, dass Britannicus zu kränklich war, als dass der Kaiser ganz auf ihn setzen konnte, aber hatte er nicht gerade für den ‚Ausfall‘ seines Sohnes den Silanus installiert? Nun aber gelang es der Agrippina noch vor der Hochzeit, starken und dauerhaften Einfluss auf Claudius zu gewinnen, und sie setzte in der Folgezeit alles daran, ihren Sohn, den neuen kaiserlichen Stiefsohn, als Nachfolger aufzubauen. Dabei störte natürlich Silanus, und mittels einer üblen Intrige gelang es ihr tatsächlich, ihn aus dem Weg zu räumen.16 Ob Claudius den falschen Anschuldigungen glaubte oder aus anderen Gründen den Octavia-Verlobten fallen ließ, wissen wir nicht. Am 1. Januar 49 wurde jedenfalls erneut eine Hochzeit des Claudius gefeiert,17 und unmittelbar darauf wurde die 13-jährige Kaisertochter zum zweiten Mal verlobt und zwar, das wundert nun nicht mehr, mit Agrippinas 16-jährigem Sohn Nero. Dieser übernahm jetzt also die Rolle des Silanus, aber unter anderen Voraussetzungen, wobei Agrippina offenbar davon ausging, dass sie selbst bei einem plötzlichen Tod ihres Ehemannes für ihren ja ebenfalls noch kindlichen 15 Vgl. die Rekonstruktion von Cenerini (2010), 179–191 und von Castorio (2015). Tacitus, Annales 11,26,1 zeigt, dass es Messalina war, die zuerst aktiv wurde, während Silius durch ihre mangelnde Diskretion so in Gefahr geriet, dass er sich schließlich auch (etiam) für die Flucht nach vorn entschied. Tacitus’ Darstellung, für deren Wahrheit er sich verbürgt, bietet kaum Ansatzpunkte für eine Widerlegung, mit Ausnahme seiner erkennbar nur gegen Messalina gerichteten Motivbeschreibung: Während Silius politisch agiert, sucht sie eine Art perverses Vergnügen in der Normübertretung (11,26,3); vgl. auch Hausmann (2009), 263–271. 16 Tacitus, Annales 12,4. 17 Genau an diesem Tag nahm sich Silanus, wegen Blutschande angeklagt, das Leben: Tacitus, Annales 12,8,1 (vgl. auch Seneca, Apocolocyntosis 8,2).

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Sohn die faktische Regentschaft führen würde. Die anvisierte Eheschließung war insofern ein Problem, als Agrippina von Anfang an auch darauf hinarbeitete, ihren Sohn vom Kaiser adoptieren zu lassen; dies und nur dies würde ihn, der dadurch ja zum älteren Bruder des Britannicus wurde, in die Spitzenposition bringen. Genau diese Sohnschaft schloss jedoch die geplante Ehe, die Nero dann ja mit seiner Schwester führen würde, eigentlich aus. Auch hierfür aber gab es ‚Lösungen‘. Denn Claudia (der Geburtsname der Prinzessin, wie wir gesehen haben) wurde nun, als ihre Ehe mit Nero vorbereitet wurde, im Alter von dreizehn Jahren von der Familie der Octavier adoptiert, was dann zum üblichen Namenswechsel führte: als Octavia hatte sie nun das Herrscherhaus, rechtlich gesehen, verlassen. Dies jedoch nur für kurze Zeit, denn im selben Jahr 53 n. Chr. kehrte sie wieder in die domus des Kaisers zurück, jetzt aber als Ehefrau seines Adoptivsohnes Nero. Nun war aus Agrippinas Sicht alles für den eventuellen Tod ihres Ehemannes bereit, Nero war sein Sohn geworden und die Kaisertochter dessen Frau. Einer Nachfolge stand nichts mehr im Wege, es sei denn, der Kaiser würde sich eines Besseren (wie man in Senatskreisen im Rückblick sicher gesagt hat) besinnen und seinen ja immer noch vorhandenen leiblichen (im Vergleich zu Nero jüngeren) Sohn Britannicus vorziehen. Dass Claudius in dieser Situation und unter ungeklärten Umständen zu Tode kam, hat bekanntlich dazu geführt, dass schon die antiken Beobachter von einem Gattenmord ausgingen. Tatsächlich reichen die Informationen unserer Quellen nicht aus, um dies als Faktum zu behandeln; aber das kann hier beiseite bleiben.18 Nero wurde jedenfalls Kaiser, und Octavia die ‚Kaiserin‘ (was, wie gesagt, keine rechtliche Position darstellte). Der Prestigegewinn war natürlich dennoch groß, ganz zu schweigen von den neuen Möglichkeiten der Repräsentation, die der Palast und seine Mittel, sowohl in personeller als auch materieller Hinsicht, boten. Aber all dies konnte nichts daran ändern, dass Octavia, nach allem was wir wissen, das war, was man heute unglücklich nennt. Die äußeren Komponenten dieses Unglücks sind ja schon genannt worden; deren Grundlage war aber dies: Für Nero war sie nur die conditio sine qua non der Herrschaft, d. h. eine politische Notwendigkeit, noch dazu eine, die von seiner Mutter festgesetzt worden war. Von Anfang an hatte er Geliebte, am bekanntesten war die Freigelassene Akte. Es reichte ihm offenbar, Octavia in seinem Palast zu wissen. Dass dieses Desinteresse zu der ebenso wichtigen Tatsache führte, dass die Ehe kinderlos blieb, scheint Nero nicht verheimlicht zu haben. Hierzu gleich mehr.

18 Zu Claudius’ Tod nach einem kaiserlichen Bankett s. Vössing (2004), 397–402; zur Diskusion der Todesumstände s. zuletzt auch Aveline (2004); vgl. auch Hausmann (2009), 424–438.

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Ein weiteres Element von Octavias Unglück war ihre Isolation. Ihr Vater Claudius war tot, und seine Göttlichkeit, von der Partei Neros eher widerwillig und als Pflichtübung ins Werk gesetzt,19 nützte ihr wenig;20 ihr 15-jähriger Bruder Britannicus aber wurde 55 n. Chr. vor aller Augen bei einem Gastmahl vergiftet; so berichten es übereinstimmend die Quellen,21 und hier ist der Fall viel klarer als beim nur vier Monate zurückliegenden Tod seines Vaters. Damit stand Octavia ganz allein auf weiter Flur, und ihre einzige Funktion war die eines leiblichen Bindegliedes zwischen der Herrschaft ihres (sie ignorierenden) Ehemannes zur Familie seines zwar vergöttlichten, aber ungeliebten Vorgängers. Hinzu kam nun noch als letztes Element die Aussichtslosigkeit, an dieser Lage etwas zu ändern; denn es gab zwar durchaus Handlungsspielräume für Frauen des Kaiserhauses, auch wenn sie nicht rechtlich oder auch nur politisch fixiert waren. Diese Möglichkeiten wurden aber vollständig und exklusiv von der Kaiserinmutter Agrippina ausgefüllt, neben der für Octavia keinerlei Platz mehr war und sein sollte. Mehr noch: Sie wurde nun zum Spielball in einer Auseinandersetzung zwischen der sich äußerst selbstbewusst als eigentliche Herrin gebärdenden Agrippina und dem jungen Kaiser, der mit zunehmender Härte versuchte, der Bevormundung, zu der auch der Ratgeber Seneca, die graue Eminenz, sowie der Praetorianerpräfekt Burrus gehörten,22 zu entkommen. Agrippina und ihre Macht stellte dabei paradoxerweise Octavias Sicherung dar, stand sie doch in dynastischer Hinsicht für die Verbindung Neros mit dem Divus Claudius. Doch Nero ‚befreite‘ sich 59 n. Chr. von seiner Mutter.23 Nun wurde gerade des Kaisers Bindung an Octavia zum Prüfstein, wie weit Nero in seinem Emanzipationsstreben und seiner Abgrenzung von der alten Kaiserfamilie (und seinen alten Ratgebern) gehen konnte, ohne seine eigene Herrschaft zu gefährden. Durch den Muttermord, der ja zugleich auch die Witwe seines Vorgängers traf, hatte Nero auch zum Ausdruck gebracht, als Kaiser nur noch eigenen Rechts gelten zu wollen. Die letzte Verbindung zu seinem Vorgänger stellte nun die unglückliche Octavia dar, und der Kaiser zögerte nach einiger Zeit der trügerischen Ruhe nicht, auch dieses Band zu kappen. Wir wissen nicht, ob 19 Vgl. Fishwick (2002). 20 … zumal Nero Berater (allen voran Seneca) schon in der Thronrede Signale aussenden ließen, die Neros Distanz zu Claudius’ Herrschaft, ja ihre Überwindung zum Ausdruck bringen sollten: Tacitus, Annales 13,3–5; Jones (2000), 453–455; Barrett (2016), 23–27. Auch von der Apotheose des Kaisers scheint sich Seneca intern gleich wieder distanziert zu haben, wie seine (sicher nur anonym herausgebrachte) Apokolokyntosis zeigt. 21 Tacitus, Annales 13,12–17; Sueton, Vita des Claudius 33,2f.; Cassius Dio, Römische Geschichte 61,7,4. 22 Vgl. Habinek, (2014), 11–17; Ker (2012), 305–329; Rimell (2015). 23 Am Muttermord kann kein Zweifel bestehen; die Einzelheiten werden in den Quellen (Sueton, Tacitus und Cassius Dio) allerdings durchaus unterschiedlich wiedergegeben, vgl. Devillers (1995); Barrett (1996), 181–195; Vössing (2004), 447–452.

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Nero irgendetwas persönlich gegen seine Frau ‚hatte‘, da sie für ihn jedenfalls die personifizierte Verknüpfung seiner Herrschaft mit der seines verachteten (Adoptiv-)Vaters darstellte, eine Brücke, die er nun ganz bewusst abbrach, mochten die Berater aus der alten Zeit sagen, was sie wollten.

2.

Octavias Handlungsspielraum in der Tragödie

Vieles von dieser historischen Situationsbeschreibung wird in der Tragödie ‚Octavia‘ genretypisch verarbeitet. Das Genus der Fabula Praetexta (also der Tragödie mit römisch-geschichtlichem Stoff, benannt nach der toga praetexta, der Amtstracht der höheren römischen Beamten) konnte über das jeweilige Sujet auch gar nicht frei verfügen, also irgendwelche größeren für das Geschehen relevanten Gegebenheiten oder Aktionen erfinden.24 Im Stück ist Octavia deshalb im Grunde darauf beschränkt, die sich steigernden Schicksalsschläge klagend zu kommentieren. Zwar sagt ihre Amme in der Eingangsszene (Vers 47f.) von ihr, dass die Kaiserin nicht in der Lage sei, ihren „tiefen Jammer zu verbergen“ und sich, „getrieben von Zorn“ gegen ihren grausamen Mann, von ihm zurückgezogen habe.25 Diese Disposition ist aber vor allem deshalb nötig, um die Spannung des ersten großen Dialogs zu erhalten, in der die Amme ihr rät, Wohlverhalten zu zeigen, Octavia aber auf ihrem Gefühl besteht. Eine echte Wahl hatte sie nicht. Octavias Weigerung, den Erwartungen des Herrschers zu entsprechen, ist natürlich eine Verbeugung vor der Tradition griechischer Heroinnen: Wie Antigone lehnt sie es ab, ‚vernünftig‘ zu sein, unabhängig von ihrem Schicksal. Aber diese Linie wird nicht weiterverfolgt, und es gibt folglich keinen ‚show down‘, kein einziges Zusammentreffen von Nero und Octavia, konnte es mit Blick auf die historischen Zwänge auch nicht geben. Etwas anderes, als ihre Gefühle zu verbergen, blieb Octavia faktisch nicht übrig; Nero hat Octavia seit ihrer Verstoßung sicher systematisch von sich ferngehalten. Octavias Widerstand findet auch in der Tragödie letztlich nur innerlich statt (und das Gespräch mit der Amme gehört im Grunde genommen in diese Kate24 Allerdings wird die Genrefrage in der Forschung nicht ganz einhellig beantwortet, weil in der Octavia auch poetisierende und mythisierende Elemente nicht fehlen, die das Geschehen der Zeitgeschichte entheben. Dass diese Tendenzen aber gegenüber dem historischen Sujet im Vordergrund standen, wird sich kaum erweisen lassen (was das Problem der ungesicherten Kontinutät des Genres allerdings nicht behebt). Zur Frage vgl. Schmidt (1985); Manuwald (2001); Kragelund (2002), 5–51 (dazu auch Ballaira, Guglielmo et al., Comments, ebd. 52–88, und Kragelund, ebd. 88–102); Boyle (2006), 219–236; Beck (2007), 46–52; Kragelund (2016), 129–144; zu seinen Ursprüngen, den Dramen des Naevius im späteren 3. Jh. v. Chr., vgl. Stärk (2002). Die Octavia ist die einzige Praetexta, die vollständig erhalten geblieben ist. 25 V. 47f.: nec graves luctus valet/ ira coacta tegere.

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gorie des Innenlebens). Nicht Octavia ist deshalb auch der dramatische Gegenspieler Neros, sondern Seneca, dessen Auftritte (neben anderen Argumenten)26 übrigens auch seine Verfasserschaft ausschließen. Im zentralen Teil des Werkes liefert er in geschliffenen Dialogen mit dem Kaiser den Kontrapunkt zu dessen tyrannischer Herrschaft.27 Der wirkungsvolle Gegenpart des Kaisers, der diesen durch seine Vorhaltungen zwingt, in autokratischer Weise ‚Farbe zu bekennen‘ (auch indem er sein Verhältnis zur Herrschaftsauffassung des Augustus, der Gründergestalt des Prinzipats, offenlegt), ist also nicht Octavia, sondern der ehemalige Erzieher und Mentor, dem hier von einem Verehrer ein großes Denkmal gesetzt wird.28 Senecas politische Position ist dabei die der senatorischen Oberschicht (der Augustus zugesichert hatte, mit ihr, nicht über sie zu herrschen),29 und seine Tugend ist die stoische Standhaftigkeit auch vor dem Kaiser; die Konflikte finden im Wesentlichen in Wechselreden statt, in denen Leidenschaft mit ruhiger Vernunft kämpft; letztere unterliegt. Aber die Tragödie heißt eben nicht ‚Seneca‘, sondern ‚Octavia‘, und gerade die vielen literarischen Anspielungen an die großen Heldinnen der griechischen Tragödien (man denke an Medea, Antigone, Elektra und Iphigenie)30 markieren dabei den tiefgreifenden Unterschied zwischen diesen Heldinnen. Octavia ist durch den Dichter sicher ganz bewusst in diese Reihe gestellt worden, der historischen Kaiserin aber konnte man, wie gesagt, ein aktives Heldentum kaum ‚andichten‘; die einzige Reaktion der jungen Frau blieb ihre auch in aussichts26 Neben der genauen Ankündigung von Neros Ende durch den Geist der Agrippina (s. unten) sind hier auch – so die gut begründete communis opinio – stilistische und metrische Unterschiede zu den echten Tragödien Senecas zu nennen, was hier aber nicht vertieft werden kann; vgl. Otto Zwierleins Zurückweisung des Versuchs von Lucile Y. Whitman, die Echtheitsthese wiederzubeleben (Zwierlein (1980), 715–717, mit Literatur). Das Werk ist offenkundig von einem Bewunderer und Nachahmer Senecas verfasst, vgl. unten Anm. 38. 27 Vgl. Manuwald (2003), 37–60. 28 Vgl. hierzu besonders Bruckner (1976); Donovan Ginsberg (2017), 61–102; Kragelund (2002), 213–235; Hamacher (2020), 51–78 u. 247–253. 29 Das zeigen die im Stakkato gewechselten Worte in V. 437ff.; hier werden von Seneca bekannte Schlagworte der augusteischen Herrschaft wie consensus und pater patriae vorgebracht (V. 444; 460). Bezeichnend sind auch Senecas erste Worte einer längeren Erwiederung: Pulcrum eminere est inter illustres uiros, / consulere patriae, parcere afflictis … – „Schön ist es herauszuragen unter erlauchten Männern, für das Vaterland Sorge zu tragen, Bedrängte zu schonen …“ (V. 472f.). Der Kaiser wird hier mitten unter seine Standesgenossen (illustres) gestellt. Nero weist dann diese Einordnung als primus inter pares zurück, pocht auf seine göttliche Legitimation (munus deorum) und die Unterwerfung des Senates, dessen angemessene Haltung ihm gegenüber die Furcht (metus) sei (V. 492–494). 30 Elektra wird direkt genannt in V. 59–66: tibi maerenti caesum licuit/ flere parentem,/ scelus ulcisci vindice fratre,/ tua quem pietas hosti rapuit/ texitque fides:/ me … prohibet … timor … „Dir war vergönnt trauernd den ermordeten Vater zu beweinen, das Verbrechen zu ahnden durch den rächenden Bruder, den deine Liebe dem Feinde entriß und deine Treue beschützte. Mich … hindert Furcht …“ (Übers. Thomann 1978). Am Schluss des Dramas wird die Heldin mit Iphigenie verglichen (V. 973–982).

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loser Situation nicht aufgegebene Hoffnung auf die Rettung ihres Lebens; in der Tragödie wird ihr auch die genommen.31 Octavia als Heldin verfügte jedoch, anders als ihre genannten berühmten griechischen ‚Schwestern‘, über eine andere Ressource, die zum einen mit dem Genre der fabula praetexta, zum anderen mit der konkreten historischen Situation des frühen Prinzipats zusammenhängt. Dies soll im vierten Teil dargestellt werden.

3.

Octavia und ihre späteren Schwesterfiguren

Dass die sehr spezielle historische Konstellation bei der Rezeption des OctaviaStoffes mitüberliefert würde, war nicht zu erwarten und ist auch nicht der Fall. Das musste dazu führen, dass spätere Interpreten den historischen Stoff erheblich variierten. Die bezeichnenden Veränderungen des Plots setzen alle beim Verhalten Octavias an. In dreifacher Hinsicht stellt sie sich nun ihrem tyrannischen Ehemann entgegen und obsiegt: Sie entkommt ihm physisch, indem sie sich versteckt, sie überwindet ihn ideologisch, indem sie Christin wird, oder sie lässt ihn auch als Ehefrau hinter sich, da sie eine neue Beziehung eingeht. Interessanterweise stimmen in dieser Hinsicht der barocke Octavia-Roman des Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig und Lüneburg (1677) mit dem wohl jüngsten Zeugnis der Octavia-Rezeption vollkommen überein, einem Roman aus dem Jahre 2013, der allerdings eher den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts verhaftet zu sein scheint (Alexander Lohner).32 In der Monteverdi-Oper Die Krönung der Poppaea (1642)33 schmiedet Octavia sehr gezielt Rachepläne; sie befielt dem Otho die Ermordung der Poppaea34; hier 31 Tacitus, Annales 14,64,1 mit einer hilflos-pathetischen Bitte um Gnade (zur wirkungsvollen Stilisierung vgl. zuletzt Murgatroyd (2008). Demgegenüber sind die letzten Worte der Octavia der Tragödie, gesprochen schon vor der Abfahrt nach Pandateria (womit das Stück endet), ganz von Resignation geprägt. Poe (1989) sucht zu erweisen, dass sie dennoch als „a representative of vera priorum virtus (291)“ dargestellt werde, was aber nicht zu überzeugen vermag. Der Chor spricht in V. 291 von den Vorfahren, die tyrannische Könige verjagten, und beklagt, dass sie der Vergangenheit angehören. Octavia ist nur Leidtragende dieses Verschwindens; selbst virtus zu zeigen, ist ihr nicht möglich. 32 Den Rezeptionsweg der Octavia von der Antike zur Renaissance skizzieren etwa Kragelund (2002), 363–415; Boyle (2008), LXXV–LXXXVI und zuletzt sehr knapp Aschieri (2019), die eine französische Übersetzung aus dem früheren 16 Jh. ediert; den Octavia-Roman des Herzogs Anton Ulrich edierte Tarot (1993ff.); vgl. auch Kraft (2004). Lohner (2013) hatte bei der Umwandlung des Octavia-Stoffes zu einer Konversionsgeschichte auch im Roman-Format Vorläufer, die hier nicht aufgezählt werden können. 33 Libretto: Giovanni Francesco Busenello, vgl. Manuwald (2013), 37–45. Für Manuwald ist die Octavia „the typological ancestor and starting point for all plays on historical subjects in the tradition of European theater“ (2013, 16). 34 Weigere er sich, werde sie ihn bei Nero anklagen, dass er versucht habe, sie zu vergewaltigen.

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ist Octavia die dem Glück des neuen Liebespaars aktiv entgegenarbeitende (wenn auch scheiternde) Rächerin. Die Barock-Oper Die römische Unruhe, oder Die edelmütige Octavia (1705) von Reinhard Keiser (Libretto von Berthold Feind)35 basiert erneut auf einem Happy-End der Heldin: Sie verkleidet sich als ihr eigener Geist und bringt Nero zur Umkehr. Und in der Tragödie des (von Schlegel hart kritisierten) Vittorio Alfieri aus der italienischen Aufklärung36 wird Nero vom Volk gezwungen, Octavia zurückzuholen; sie tritt in direkte Auseinandersetzung mit Nero und vor allem mit Poppaea.37 Von all dem ist im Original nichts zu finden. Diese Umgestaltungen bestätigen aber die Annahme, dass das Original, die Tragödie der flavischen Zeit, ihrer Heldin eine Bedeutung zu geben gewusst hat, die, weil sie eng mit dem politischen System des Prinzipats verbunden war, sich späteren Epochen einfach nicht mehr erschlossen hat.

4.

Octavia als Heldin des römischen Volkes

Worin genau hat aber im 1. Jahrhundert n. Chr. die auf der politisch-symbolischen Ebene angesiedelte Qualität der Heldin Octavia gelegen, die es immerhin erlaubte, sie den großen weiblichen Figuren der dramatischen Tradition der Griechen an die Seite zu stellen? Offensichtlich reicht es nicht aus, vor allem ihre Handlungsoptionen zu betrachteten. Man muss sich ja vor Augen halten, dass es nicht nur unser anonymer Autor, (wahrscheinlich) in der zweiten Jahreshälfte 68 n. Chr. und spätestens in den frühen 70er Jahren, war,38 der ihr Schicksal in den 35 Manuwald (2013), 159–169. 36 „Ottavia“ (1783 und 1788). Alfieris lebensfremde Szenarios geißelte Schlegel in seinen Vorlesungen (1825), 127. Zum politischen Hintergrund vgl. zuletzt Winkler (2016), 192–198. 37 Gleichzeitig scheint ihr ihre Lage aussichtslos und sie glaubt, für ihre Sache (für Freiheit, gegen Tyrannei) eigentlich nur sterben zu können, eine Art politische Mätyrerin; vgl. Costadura (2006), 195. 38 Es gibt nur Kandidaten für die Autorschaft, von denen zuletzt P. Pomponius Secundus am meisten Anhänger gefunden hat (Galimberti/Ramelli (2001), 79–99; Galimberti (2002), 71–74; Ramelli (2002), 75–78). Die systematische Ablehnung des neronischen Systems durch Seneca in der Tragödie, der der Kaiser dadurch entgegentritt, dass er mit durchaus treffenden Argumenten auf die ebenfalls rücksichtslose, ja brutale Machtpolitik Octavians, des späteren Augustus, in der Bürgerkriegszeit verweist und auf dessen hauptsächliche Angewiesenheit auf die Treue seiner Soldaten (V. 504–527), reflektiert einen Dynastiewechsel. Im sog. VierKaiser-Jahr (69 n. Chr.) kommt die Zeit von Otho und Vitellius (15. Jan.–21. Dez 69 n. Chr.) kaum in Frage, da diese durchaus wieder an Neros Herrschaft anzuknüpfen suchten, dessen Freunde teilweise auch noch nicht entmachtet waren (s. etwa Sueton, Vita des Otho 7,1; Tacitus, Historiae 1,8,1). Galba (8. Juni 68 bis 15. Januar 69) hatte dagegen Neros Herrschaft beendet. Für seine Zeit spricht nicht nur die Unmittelbarkeit der Abrechnung mit dem gestürzten ‚Tyrannen‘, sondern zugleich auch das erklärungsbedürftige Phänomen des anonymen und zugleich (vergeblich) auf kaiserliche Mäßigung hinarbeitenden, am Ende durch eine Art Befehlsnotstand entlasteten Prätorianerpräfekten in der Tragödie (V. 439; 846–876).

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Vordergrund rückte, sondern etwa auch Tacitus, deutlich später zwar, aber aus uns verlorenen Quellen der flavischen Zeit schöpfend, die offenbar engagiert und detailliert berichtet hatten.39 Welche Bedeutung hatte sie, das schweigende Opfer kaiserlicher Machtpolitik, für diese Autoren im historischen Ereigniszusammenhang, welche Prominenz in einer Zeit, in der das als ‚Lamm zur Schlachtbank geführt-Werden‘ noch keinerlei positiven Wert hatte? Der Schlüssel zu diesem Problem liegt, so scheint es, in einer Tatsache, die bislang noch nicht genügend bedacht wurde. Neros Herrschaft gilt generell als bei der römischen Plebs eher beliebt. Selbst den Brand Roms während seiner Herrschaft hatte man ihm ja in dieser Schicht (am Ende jedenfalls) verziehen. Tatsächlich ist nur ein einziger größerer Aufstand breiterer Schichten überliefert, und zwar genau wegen der Verstoßung Octavias. Zunächst hatte sie noch in Rom bleiben dürfen,40 dann aber war sie nach Kampanien verwiesen worden.

Dies ergibt vor dem Hintergrund der Geschichte des Tigellinus, des historischen praefectus praetorio in den letzten Wochen der Octavia (und Organisators ihres Untergangs), der sich – der Plebs und der flavischen Historiographie äußerst verhasst – unter Galba noch halten konnte, und zwar gerade mit dem Argument, er sei nicht Urheber von Neros Schandtaten gewesen, sondern habe sie abgemildert (Sueton, Vita des Galba 15,2; Plutarch, Vita des Galba 17,2; Tacitus, Historiae 1,72); der Autor dürfte auf die damals immer noch vorhandene Macht des Ex-Präfekten Rücksicht genommen haben (so Kragelund (1988), 492–508, mit älterer Literatur dazu (bes. Barnes (1983); vgl. auch Kragelund, Reply (2002), Anm. 238). In flavischer Zeit dürften eher die frühen Jahre (70–72 n. Chr.) in Frage kommen, in der die neronische Herrschaft und die Rehabilitierung ihrer Opfer – darunter nicht zuletzt der vom Autor der Tragödie offenbar als Politiker und als Dichter bewunderte Seneca – sowie der legitimatorische Bezug auf populus, res publica und libertas noch Aktualität hatten (Kragelund (1988), 505); vgl. auch Sordi (2002). Dass der Anonymus sich auf flavische Historiographie oder Dichtung bezog, ist oft vermutet und behauptet worden, die Beweiskraft der angeführten Belege scheint aber gering (vgl. Kragelund (2005), 69–78). Insgesamt ist die Forschung in dieser Frage, die Ferri (2014), 521 als „the most controversial issue about this play“ bezeichnet, weit von einem Konsens entfernt (abgesehen von der Datierung in nachneronische Zeit); ebd. Anm. 2: Beispiele für verschiedene Datierungen auch in spätere Jahre der Flavier. 39 In erster Linie ist hier sicher Cluvius Rufus zu nenen, der zum ‚inner circle‘ Neros gehörte, was ihn aber nicht daran hinderte, diese Zeit in seinem späteren Geschichtswerk zu behandeln; s. Theodor Mommsen (1870); Townend (1964); Wardle (1992); das Interesse an Octavia, verbunden mit intimen Kenntnissen der Situation im Haus Neros, lässt sich etwa an den bei Tacitus überlieferten Wortwechseln bei der (aus Neros bzw. Tigelliunus’ Sicht weitgehend erfolglosen) Folterung von Octavias Sklaven (Annales 14,60) und den Reaktionen der Poppaea und des Nero auf die Unterstützung der Octavia durch die römische Plebs ablesen (14,61f.). 40 Ihr war das Haus des Prätorianerpräfekten Burrus überlassen worden, für Tacitus ein donum infaustum (Annales 14,60,4), offenbar weil Burrus kurz zuvor gestorben war. Dieser Tod (laut Cassius Dio, Römische Geschichte 62,13,2–3, falls von Xiphilinos richtig zusammengefasst, ein Giftmord, was Sueton, Vita des Nero 35,3 nur als Gerücht überliefert; eher distanziert ist Tacitus, Annales 14,51,1) hat Neros Handlungsfreiheit vergrößert und Octavias Sellung sicher geschwächt (s. unten Anm. 49).

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Dagegen erhoben sich zahlreiche und ganz offene Klagen des einfachen Volkes (vulgus), das weniger politische Vorsicht hat, aber wegen seiner beschränkten Verhältnisse auch viel weniger Furcht vor Gefahren.41

Jedenfalls entstand das Gerücht, dass Nero wegen seines schändlichen Verhaltens gegenüber seiner Ehefrau Reue gezeigt und sie zurückgerufen habe. Daraufhin besteigen die Menschen freudig das Kapitol und huldigen endlich wieder den Göttern. Sie stürzen Poppaeas Statuen um, tragen die Bildnisse Octavias auf den Schultern umher, streuen Blumen und stellen sie auf dem Forum und in den Tempeln auf. … Schon füllte die Menge den Kaiserpalast mit ihren Rufen, als Soldatenhaufen ausgesandt wurden, die die erregte Masse mit Schlägen und blanken Schwertern zerstreuten. Und was im Aufstand umgestürzt worden war, wurde nun wieder geändert; Poppaeas Ehrenmäler wurden wiederaufgerichtet.42

Für Nero war dieser Aufstand (Tacitus spricht von einer seditio) mit Blick auf sein Bild in der Öffentlichkeit eine regelrechte Katastrophe, sicher seine größte Niederlage auf der römischen Bühne. Natürlich ließ er Poppaeas Statuen wiederaufrichten, aber der Schaden war angerichtet. Zwar war nicht der Kaiser selbst, sondern seine neue Ehefrau das konkrete Ziel der Angriffe gewesen, aber es war deutlich geworden, welchen Rückhalt die alte, von ihm verstoßene Kaiserin hatte, und wie man sein Verhalten ihr gegenüber beurteilte. Dies muss, jedenfalls auf den ersten Blick, überraschen. Denn Kaiserin – das war, wie gesagt, gar kein offizieller Status (Augusta war nur ein speziell verliehener Ehren-Titel, den Octavia übrigens gar nicht hatte).43 Eine ‚Kaiserin‘ gab es auch deshalb nicht, weil es ja schon das ‚Kaisertum‘ als rechtlich fixierte dauerhafte Alleinherrschaft, die an kaiserliche Kinder hätte weitergegeben werden können, offiziell und staatsrechtlich nicht gab. Aber de facto waren dynastische Prinzipien eben sehr wohl wirksam (und gerade die Plebs, wie übrigens auch das Heer, ‚dachte‘ dynastisch), was den Frauen des Kaiserhauses nicht nur eine

41 Annales 14,60,5: inde crebri questus nec occulti per vulgum, cui minor sapientia et ex mediocritate fortunae pauciora pericula sunt. 42 14,61,1: Exim laeti Capitolium scandunt deosque tandem venerantur. effigies Poppaeae proruunt, Octaviae imagines gestant umeris, spargunt floribus foroque ac templis statuunt. … iamque et Palatium multitudine et clamoribus complebant, cum emissi militum globi verberibus et intento ferro turbatos disiecere. mutataque quae per seditionem verterant, et Poppaeae honos repositus est. Vgl. auch Sueton, Vita des Nero 35,2: „… aber als das Volk die Scheidung nicht guthieß und mit tadelnden Vorwürfen nicht sparte …“ – … sed improbante divortium populo nec parcente conviciis … In der Tragödie wird diese seditio dem Kaiser von Seneca regelrecht angekündigt, der es aber ablehnt, solche Widerstände für sein Handeln Bedeutung gewinnen zu lassen (V. 572–585). 43 Kienast et al. (2017), 90f.

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dementsprechende Bedeutung gab,44 sondern sie unter bestimmten Umständen zu sinnbildlich wirksamen Verkörperungen familiärer Bindungen machte. Für Octavia traf das zu. Sie stellte die Verbindung Neros zu seinem Vorgänger Claudius und zum Claudischen Haus dar, damit aber auch zum mit diesem verknüpften Julischen Haus und somit letztlich zu dem Begründer des ‚Prinzipat‘ genannten römischen Kaisertums, zu Augustus.45 Nero scheint gerade diese Symbolfunktion dazu gebracht zu haben, sie nicht nur zu verstoßen, sondern auch physisch zu vernichten. Die versuchte moralische Vernichtung dagegen schlug nach seinem Ende in ihr Gegenteil um. Aber ist das Bild des jungen Kaisers als ‚Ausbrechers‘ und ‚Übertreters‘, der die klugen Ratschläge seiner Umgebung sträflich missachtete, nicht nur das Ergebnis der bekannten Nero-Feindschaft der nach-neronischen Zeit? Nach seinem Sturz hatten im Jahr 68 schon Galba und dann besonders Vespasian einen ziemlich deutlichen und auf mehreren Ebenen erkennbaren (man denke allein an das Porträt) Kurswechsel vollzogen, vollziehen müssen; denn die vorangegangene Herrscher-Dynastie war spektakulär untergegangen, und die neuen Prinzipes stützten sich zwar, wie gehabt, auf das Heer, wollten zugleich aber auch dem Senat zeigen, dass sie nicht die Politik betrieben, die Nero der Führungsschicht so verhasst gemacht hatte. Ausgewogenheit oder gar Duldsamkeit dem letzten Vertreter einer gescheiterten Dynastie gegenüber waren wirklich nicht zu erwarten. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Charakteristik der Herrschaft Neros einfach falsch oder gar in ihr Gegenteil zu verkehren wäre. Stellen wir also die entscheidenden Fragen: War die Kinderlosigkeit der Kaiserin Octavia, die Nero ins Feld geführt hatte, um sein Handeln zu begründen,46 nicht wirklich ein Problem, das ihrem maritus – wie allen anderen römischen Männern – ganz üblicherweise das Recht zur Scheidung gab?47 Und war dann, wenn diese vollzogen war, nicht bereits die bloße Existenz dieser AugustusNachkommin und Claudius-Tochter eine große Gefahr für den regierenden Kaiser, geradezu eine Einladung für jeden Usurpator, sich ihrer zur Legitimation einer Herausforderung zu bemächtigen? Letzteres trifft zwar zu, aber die Verbannung auf eine einsame Insel hätte hier einem (auch starken) Sicherheitsbedürfnis Genüge tun müssen; ihr Tod lässt 44 Vgl. die oben in Anm. 6 zitierte Literatur sowie Späth (2010), 293–308. 45 Dass Nero sich im Streitgespräch mit Seneca gerade gegen die Idealisierung des Augustus wendet (s. Anm. 38), ist deshalb ganz konsequent. 46 Tacitus, Annales 14,60,1: Nero „verstößt Octavia, indem er behauptet, sie sei unfruchtbar“ – exturbat Octaviam, sterilem dictitans (vgl. auch unten Anm. 49). 47 Seit einem prominenten Fall im späteren 3. Jh. v. Chr. konnten Männer ihre als unfruchtbar angesehenen Ehefrauen entlassen (Warson (1961)), was allerdings zur Entwicklung von Rechtsverfahren führte, um in diesem Fall die Rückgabe der Mitgift an die Frau zu sichern, vgl. Gardner (1986), 87.

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tatsächlich auf ein anderes Motiv schließen. Ersteres aber, dass also Nero eigentlich aus dynastischer Perspektive kein Vorwurf zu machen war, lässt sich widerlegen. Wenn es nur um Octavias Kinderlosigkeit ging, warum hat dann der Kaiser zunächst versucht, sich ihrer mittels einer fingierten Ehebruchsanklage zu entledigen (was dann scheiterte)?48 Warum wird am Ende noch einmal versucht, Octavia moralisch zu diskreditieren? Warum wendet sich Burrus, der Prätorianerpräfekt, so vehement gegen die Scheidung, wenn diese doch nur im legitimen Interesse seines Kaisers und damit auch seines eigenen Schicksals war?49 Warum schließlich gab es so scharfe Proteste der einfachen Bevölkerung in Rom und Freudenfeste auf die falsche Nachricht hin, der Kaiser habe sich mit Octavia versöhnt? Wieso also, kurz gesagt, hatte Nero offenbar schon damals (und nicht erst nach seinem Tod) so schlechte Karten im Spiel um die öffentliche Anerkennung seiner familiären Entscheidungen? Die Antwort auf diese Fragen ist eigentlich naheliegend: Octavia war mit gerade einmal zwanzig Jahren einfach zu jung, als dass der Vorwurf der Sterilität hätte gerechtfertigt erscheinen können.50 Zehn Jahre später hätte die Sache wohl ganz anders ausgesehen. Sie war noch sehr jung, als Nero sie attackierte, verkörperte das Ideal stiller Vornehmheit und sie war – vor allem – die Tochter des (alten) Kaisers. Diese dynastische Treue war im Kern interessengeleitet. Das Volk von Rom war, wie oben schon herausgestellt wurde, ganz auf seinen kaiserlichen Patron angewiesen, der es ernährte und unterhielt, der ihm den gebührenden Anteil gab an den Siegen und an den Erträgen der Herrschaft über den Erdkreis. Es nahm ein ganz besonderes Nahverhältnis zum Kaiser in Anspruch, der dies seinerseits jedes Jahr bestätigte, indem er die Amtsgewalt eines Volkstribuns immer wieder neu übernahm. Patronatsverhältnisse wurden aber traditionell vererbt, am zuverlässigsten in der Kernfamilie. Wir sollten also trotz der Nero gegenüber feindseligen Quellentradition bei der eben vorgestellten Interpretation bleiben: Das „Establishment“ (personifiziert in Burrus und Seneca) hatte tatsächlich versucht, Nero aus wohlbedachten 48 Tacitus, Annales 14,60,1–4. 49 Er soll laut Cassius Dio (Römische Geschichte 62,13,2) dem Kaiser ja gesagt haben, im Fall einer Scheidung von Octavia – offenbar wegen Unfruchtbarkeit – solle er auch ihre Mitgift zurückgeben (s. oben Anm. 47), womit eindeutig die Kaiserherrschaft gemeint ist. 50 Indirekt erkennt dies bei Tacitus auch Poppaea an, die sich Nero gegenüber in Annales 14,61,4 als diejenige bezeichnet, die dem Haus der Caesaren legitime Kinder schenken werde (veram progeniem penatibus Caesarum datura), während Octavia die Kinder eines ägyptischen Flötenspielers zur Kaiserherrschaft bringe, was dem römischen Volk offenbar lieber sei (malle populum Romanum tibicinis Aegyptii subolem imperatorio fastigio induci?). Das bezieht sich zwar auf die falsche Anschuldigung eines Verhältnisses mit dem Flötenspieler Eucerus aus Alexandria (14,60,2), passt aber nicht mit dem Vorwurf der Unfruchtbarkeit zusammen. Nero folgt dann dieser Inkonsequenz in seinem Verbannungsedikt, in dem ihr eine Abtreibung vorgeworfen wird (14,63,1: abactos partus conscientia libidinum); ihr angeblicher Partner ist nun aber der Flottenpräfekt Anicetus.

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Gründen bei seiner Ehefrau, der Kaisertochter, zu halten, aber genau dies war ein wichtiger Grund für ihn, sich anders zu orientieren, zumal wenn, wie wir aus einem Passus der Octavia (und übrigens nur hier) erfahren, Poppaea Sabina von ihm schwanger war.51 Nero wollte seine eigene Dynastie, nicht die seines ungeliebten und verachteten Adoptivvaters Claudius. Seine eigene Abstammung von Augustus bzw. die seiner Mutter sollte ausreichen, ansonsten wollte er für sich selber stehen. Genau dies ist es, was er in der Tragödie mit aller Klarheit sagt.52 Damit aber belastete er nicht nur das Verhältnis zu den Ratgebern, die noch aus der Zeit stammten, als seine Mutter Agrippina mächtig gewesen war, sondern auch zur Plebs. Für sie hatte Nero nicht etwa als Sohn der Agrippina und nur zum Teil als Adoptivsohn des Kaisers, ganz wesentlich aber als Ehemann der Kaisertochter und künftiger Erzeuger von deren Kindern das gute Recht, auf dem Thron zu sitzen.53 Octavias Verstoßung war deshalb nicht eine innerfamiliäre Angelegenheit, sondern im Kern eine Art Dynastie-Wechsel, trotz der juristischen Qualität Neros als Adoptivsohns des Claudius.54 Diesen Bruch hatte der junge Kaiser durch die Tötung von dessen Sohn Britannicus angedeutet und dann durch die Scheidung von Octavia vollzogen. Es ist ein interessantes Phänomen, dass diese ganz monarchische Betonung der Dynastie als Grundgegebenheit des Kaisertums, die aus senatorischer Sicht ein politisches Problem gewesen sein muss (da sie der Prinzipats-Ideologie widersprach), hier im Ergebnis doch auch mit dem Interesse wichtiger Vertreter der alten Oberschicht konvergierte, für die Octavia, wie gesagt, der Garant für eine Bindung des Kaisers an wichtige Herrschaftstraditionen war. Octavia war also eine eminent wichtige politische Figur, nicht durch ihr Handeln, sondern durch ihre pure Existenz, sie war der Prüfstein, wie weit der junge Kaiser sich den vorgegebenen Bahnen der Herrschaftslegitimation fügte.55 51 V. 591f. Dass Poppaea bei Tacitus von den legitimen Nachkommen spricht, die sie Nero schenken werde (Annales 14,61,4), könnte man für sich betrachtet noch als reine Behauptung ansehen. Die Geburts des Kindes wohl am 21. Januar 63 (Kienast et al. (2017), 91) datiert ungefähr den Beginn des Dramas der Octavia. 52 So z. B. in V. 460 (Nero): statuam ipse – „ich selbst werde das festlegen“. 53 Auch in der Tragödie ließ sich die gegen Neros neue Ehe agitierende Plebs bei der Wertung der Octavia von ihrer Adoption in die Octavier-Familie nicht beeinflussen: Sie war die Tochter des Claudius (V. 671; 789; 803; in V. 790 wird Neros Ehebett sogar als „Bett des Bruders“ beschrieben; vgl. auch 282). Hierauf versuchte die taciteische Octavia in ihrer Todesstunde zu rekurrieren: cum … tantum sororem testaretur (Tacitus, Annales 14,64,1). 54 Konsequenterweise wurde dieser Wechsel dann von Neros Gegnern zu Ende gebracht: Er wurde wieder ein Domitius, aber einer ohne Kaiserwürde; vgl. auch unten Anm. 60. 55 Dies wird in der Tragödie (bes. V. 461–471, endend mit invisa coniunx pereat … quiquid excelsum est cadat – „die verhasste Ehefrau soll sterben … fallen alles, was von Rang“) ebenso deutlich wie in Tacitus, Annales 14,60,1; so wird verständlich, warum dieser Octavias Tötung als clades publica bezeichnet (14,64,3).

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Diese Bedeutung war es, die auch ihren Untergang bedeutsam bleiben ließ, als Nero gestürzt war. Diese ihre Prominenz als Verkörperung der alten Ordnung erklärt, warum sie zur Titelheldin unserer Tragödie wurde, in der dennoch nicht sie sich mit Nero streitet, sondern dieser mit weisen Ratgebern über sie. Die eher spezielle Funktion der Octavia in Neros Kaiserherrschaft blieb bis in die frühe flavische Zeit hinein ein großes Thema bzw. wurde es in literarischer Hinsicht; unter Neros Herrschaft war es verständlicherweise offiziell ein NichtThema, deshalb aber nicht weniger präsent. Nach seinem Sturz gewann es neue Bedeutung. Es ging beim Lob der Octavia jetzt immer auch um die Delegitimierung des Nero und, damit verbunden, um eine neue, gerade nicht mehr auf Augustus’ Nachkommenschaft, sondern auf dem populus Romanus und der (durch ihn konstituierten) res publica gründende Herrschaftslegitimation.56 Sie rekurrierte darauf, dass der letzte Kaiser der julisch-claudischen Dynastie seine Verbindung zu Augustus selbst mutwillig, endgültig und moralisch strafbar gekappt hatte. Der letzte, abschließende Schnitt – das eigentliche Ende der Herrschaft der augusteischen Familie – war nicht Neros Ermordung des Bruders oder die der Mutter (denn: einem Kaiser wurde durchaus das politische Recht konzediert, sich innerhalb seiner Familie auch mit harten Maßnahmen zu sichern), sondern die Verstoßung und Tötung der erkennbar unschuldigen Octavia. Ab diesem Zeitpunkt war Nero als Herrscher weitgehend auf eigene Rechnung unterwegs. Die Unruhen in diesem Jahr waren kein Zufall. All das konnte in der Tragödie schon deshalb nicht expliziert werden, weil dieser Sichtweise die öffentliche Sprache weitgehend fehlte;57 das römische Staatsrecht kannte eine kaiserliche Familie, wie gesagt, ebenso wenig wie sie in die Prinzipatsideologie passte, die ganz auf die ‚Herrschaft des Besten‘ fokussiert war. Das änderte jedoch nichts daran, dass die faktische Bedeutung der Dynastie nicht nur allgegenwärtig war, sondern auch ausgedrückt wurde – nur eben in anderen Medien, etwa der Sprache der Bilderwelt. Dass die politische Bedeutung der Heldin bei der Octavia-Tragödie im Hintergrund stand, zeigt die Konsequenz, mit der Nero hier das drohende Scheitern seiner Herrschaft vor Augen gestellt wird; dies geschieht auch im Vorgriff auf spätere Ereignisse (ein klassi-

56 S. oben Anm. 38. 57 Der Aufstand der Plebs forderte nur die Rückkehr der Octavia. Der Dichter, der das Volk darauf abzielen lässt, Octavia den „ihr geschuldeten Anteil an der Herrschaft“ zu geben (V. 789f.: reddere … debitam partem imperi; hier und in V. 803 wird der Kaiserpalast als Octavias angestammtes Heim bezeichnet), geht weit über die reale politische Sprache hinaus. Möglich war dagegen der Ausspruch des Burrus (‚dann gib die Mitgift zurück‘, s. oben Anm. 49).

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sches vaticinium ex eventu), konkret angekündigt durch den Schatten der toten Agrippina.58 Diese Konstellation erklärt nun nicht nur den für eine Titelheldin ungewöhnlichen Charakter des ‚Heroismus‘ der Octavia, sondern auch, warum ein solchermaßen mediatisiertes, sehr untypisches Heldentum (das ohne eigene Leistung, ohne jede Transgression auskommt) nur im Kontext des Prinzipats dieser Jahre voll verständlich sein konnte. Schon bald verlor es seine politische Relevanz. Eine Bedeutungskonstante blieb später dagegen (namentlich, aber nicht nur im christlichen Kontext) die Perhorreszierung Neros als eines tyrannischen und gottlosen Verfolgers der Unschuld.59 Die neuzeitlichen Nachfolgerinnen unserer Titelfigur mussten deshalb auf diesem Weg weitergehen und zugleich kontrafaktisch Aktivitäten entwickeln: Immer stellten sie sich Nero in persona tatkräftig entgegen, allerdings mit unterschiedlichen Folgen: Sie entkamen ihm physisch oder überwanden ihn auf die eine oder andere Weise und wurden erst dadurch wirklich zu Heldinnen. Die Tragödie der ursprünglichen Octavia-Geschichte dagegen war im Grunde, was den aktiven Part angeht, die des Nero, der sein eigenes Kaisertum, indem er es durch die Bindung nur an seine Person aufwerten und veredeln wollte, zerstörte.60 Als Erleidende aber stand Octavia realsymbolisch für ein ganzes, von Nero zerschlagenes System der Herrschaftsbegründung, was im Rückblick nicht nur sein Ende legitimierte, sondern auch den dann folgenden Neuanfang jenseits der alten (und ersten) Kaiserdynastie. Damit war die verstoßene Kaiserin, im Kontext ihrer Zeit, eine politisch viel bedeutsamere Figur als ihre aktiv handelnden Nachfolgerinnen im Octavia-Drama.

5.

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58 V. 593–645; 712–739. Warum er (bzw. sie) – trotz anderslautender Gerüchte, die sich auf Selbstaussagen Neros beriefen (Sueton, Vita des Nero 34,4; Cassius Dio, Römische Geschichte 61(62),14,4) – nicht dem Nero, sondern der Poppaea erscheint, die sich, wiederum anders als in der literarischen Überlieferung, von Angst und Zweifeln geplagt zeigt, kann Poe (1989), 453–458 einleuchtend mit dramaturgischen Gründen erklären. 59 Frenschkoweski (2013), 873f. 60 Nero endete im Grabmal der väterlichen Ursprungsfamilie, der Domitier auf dem Monte Pincio (Sueton, Vita des Nero 50), was zwar für einen „Staatsfeind“ (ebd. 49,2) glücklich war, aber eben auch Folge seines Ausschlusses aus der Kaiserfamilie.

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Uwe Baumann (Bonn)

Stammesfürstin – Kriegerkönigin – Nationaler Mythos: Boudica1 und ihre Repräsentationen in der modernen englischen Literatur und Kultur

I.

Einleitung

Noch bevor Winston Churchill im ersten Band (The Birth of Britain) seiner History of the English Speaking Peoples den blutigen Aufstand der Icener (60/ 61 n. Chr.) schildert, stilisiert er ihn für seine Leser zu einem heroischen Freiheitskampf:2 Boadicea’s tribe, at once the most powerful and hitherto the most submissive, was moved to frenzy against the Roman invaders. They flew to arms. Boadicea found herself at the head of a numerous army, and nearly all the Britons within reach rallied to her standard. There followed an up-rush of hatred from the abyss, which is a measure of the cruelty of the conquest. It was a scream of rage against invincible oppression and the superior culture which seemed to lend it power. […] Her monument on the Thames Embankment opposite Big Ben reminds us of the harsh cry of „Liberty or death“ which has echoed down the ages.

Der eigentliche Aufstand, mit der vollständigen Zerstörung von Camulodunum (Colchester), Londinium (London) und Verulamium (St. Albans) bis hin zur vernichtenden Niederlage der Aufständischen nimmt in der weiteren, wesentlich in den Informationen des Tacitus3 gründenden Darstellung nur wenig Raum ein, spart jedoch auch die verübten Gräueltaten nicht aus.4 Die von den Aufständischen verantworteten Grausamkeiten, Verstümmelungen, Folterungen, Hinrichtungen (von 70.000 bis 80.000 Hingemetzelten sprechen die antiken römi1 Im Folgenden stehen Boudica und ihr Aufstand gegen die römische Herrschaft in Britannien bzw. deren literarische und kulturellen Repräsentationen im Mittelpunkt des Interesses, wobei sich in der Analyse und Darstellung für eine Fach- wie auch eine nicht speziell vorinformierte Öffentlichkeit gelegentlich Bekanntes mit weniger Geläufigem notwendigerweise mischt. 2 Churchill (1956), 16–17. 3 Vgl. bes. Tac. Ann. XIV,31–37. Vgl. insgesamt – neben den zahlreichen Boudica-Biographien und Analysen der römischen Okkupation Britanniens (vgl. unten, Anm. 7) – auch Adler (2008); Benario (1986); Black (2001); Bulst (1961); Clarke (2001); Hingley / Unwin (2006), bes. 41–61; Keegan (2005); Overbeck (1969); Potter (2002); Reed (1974); Roberts (1988). 4 Churchill (1956), 15–21.

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schen Quellen)5 werden mit der hehren Idee des Freiheitskampfes und eines vage konzeptualisierten völkisch-nationalen Selbstbestimmungsrechts erklärt und zum Teil auch entschuldigt:6 This is probably the most horrible episode which our island has known. We see the crude and corrupt beginnings of a higher civilisation blotted out by the ferocious uprisings of the native tribes. Still, it is the primary right of man to die and kill for the land they live in, and to punish with exceptional severity all members of their own race who have warmed their hands at the invaders’ hearth.

Diese moderne historische Darstellung Winston Churchills ist im Grunde symptomatisch: Nahezu alle Schilderungen der Icener-Revolte in der Geschichtsschreibung gründen in den kargen Notizen des Tacitus und des Cassius Dio, die gelegentlich um einige archäologische Befunde ergänzt,7 aber sehr viel häufiger mit neuzeitlichen und / oder modernen Kategorien wie Freiheit, Nation, Geschlecht verknüpft und erklärt werden.8 Diese Entwicklung beginnt bereits mit der Wiederentdeckung des Tacitus im 15. und der des Cassius Dio im 16. Jahrhundert und bleibt nicht auf die Historiographie im engeren Sinne beschränkt: Boudica,9 Icener-Königin und charis5 Vgl. insbes. Tac. Ann. XIV,33,2: „ad septuaginta milia civium et sociorum iis, quae memoravi, locis cecidisse constitit. neque enim capere aut venundare aliudve quod belli commercium, sed caedes patibula, ignes cruces, tamquam reddituri supplicium, at praerepta interim ultione, festinabant. [Dass an die 70.000 römische Bürger und Bundesgenossen in den erwähnten Orten umgekommen sind, ist Tatsache. Denn die Britannier machten oder verkauften keine Gefangenen noch trieben sie sonst einen im Krieg üblichen Handel, vielmehr mordeten und hängten, verbrannten und kreuzigten sie in aller Eile, gleich als wüssten sie, dass sie die Todesstrafe zur Vergeltung erleiden würden, jedoch erst nach inzwischen vorweg geübter Rache.]“. In seinem Bericht beziffert Cassius Dio (62,1,1) die Anzahl der abgeschlachteten römischen Bürger/innen und Bundesgenossen/innen auf 80.000. Vgl. insgesamt auch die oben, Anm. 3, zitierte Literatur. 6 Churchill (1956), 19. 7 Vgl. etwa Allen (1970); Chadburn (1992); Creighton (2000); Hingley / Unwin (2006), bes. 63– 107; Hunt (2003); Snyder (2003); vgl. ebenfalls die weiter ausgreifenden Analysen der BoudicaRebellion in der folgenden Anm. 8. 8 Vgl. etwa Aldhouse-Green (2006); Andrews (1972); Armstrong / Cotton (2000); Braund (1996); Collingridge (2006); Dando-Collins (2005); Daniels (2001); De La Bédoyère (2003); Dudley / Webster (1962); Dyson (1971); Fischel (2000); Fraser (1989, 1999); Frere (1991); Fry (1978); Gold (2005); Grahame (1998); Grice (2002); Henig (2010); Hingley / Unwin (2006); Hunt (2003); Jackson (1979); Lissak (1997); Macdonald (1987); Matthews (1988); Millett (1987); Reid (2002); Rogan (2011); Rutherford (1999); Salway (1981); Scott (1975); Scullard (1999); Sealey (1997); Sosebee (2000); Spence (1937); Todd (1981); Trow (2003); Voisin (2008); Watts (2005); Webster (1978, 1993a, 1993b). 9 Vgl. zu den unterschiedlichen Schreibungen des Namens, der ursprünglich möglicherweise ein keltischer Ehrentitel ist, Frénée-Hutchins (2014), bes. 12; vgl. ebenfalls Hingley / Unwin (2006), xvi–xviii (vgl. unten, Anm. 17). In Zitaten und Referenzen auf einzelne Quellen, Comics und Romane behalten wir die jeweilige dortige Schreibung bei, ansonsten bezeichnen wir die Führerin der Icener-Revolte 60/61 n. Chr. durchgängig als Boudica.

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matische Anführerin des großen und blutigen Aufstands der Icener und Trinovanten (60/61 n. Chr.),10 wird in der englischen Renaissance zur Freiheitskämpferin, zur nationalen Heldin, zur Verkörperung nationaler britannischer Identität stilisiert.11 Zugleich wird sie speziell unter Königin Elisabeth zu einem ausnahmslos positiven klassischen Beispiel selbstbewusster, weiblicher Herrschaftsausübung, in deren politisch-geistige Nachfolge sich die gegenwärtige Königin gerne einordnet. Die Reserven, die James I. gegenüber weiblicher Herrschaft12 im Allgemeinen und seiner Vorgängerin Elisabeth im Besonderen empfand, finden ihren Widerhall in einer dezidiert kritischeren Sicht auf die politische Leistung und die Persönlichkeit Boudicas in der Stuart-Zeit.13 Entscheidende Faktoren innerhalb dieses mentalitätsgeschichtlich bedeutsamen Ringens um eine historisch-antiquarisch wie auch politisch-propagandistisch angemessene Würdigung Boudicas der Stuart-Zeit waren a. die zunehmende Verbreitung des Textes des Cassius Dio mit der dezidierten Schilderung der von Boudica und ihren Aufständischen verübten Gräueltaten, b. die Sehnsucht nach und das Problem einer britannischen Gründungssage (Brutus, Boudica, Artus) und c. der besondere Charakter der als Orientierung und Nobilitierung prinzipiell so geschätzten antiken Überlieferung. Über Boudica wird (wie im Übrigen auch über Vercingetorix, Cleopatra und Arminius) ausschließlich von ihren siegreichen Feinden, den Historikern Roms, berichtet, die sie darüber hinaus als das bedrohliche, barbarische, weibliche ‚Andere‘ konzeptualisierten; antike literarische Quellen, die sie und ihre Per10 Vgl. Carroll (1979). 11 Vgl. insgesamt auch Hingley / Unwin (2006), xvi: „With the rediscovery of the classical sources during the Renaissance, the views that were expressed by the classical authors appealed to the later writers who took up her story. Writers and artists, with different aims and ambitions, made moral observations about their own societies by developing the story of Boudica. From the sixteenth century onwards writers and artists portrayed Boadicea in a wide variety of ways. She became a popular figure in history books and plays.“ 12 Vgl. zur Frage weiblicher Herrschaft und ihren historischen / metaphorischen / symbolischen Repräsentationen Allason-Jones (1989); Chapman (1994); Cunliffe (1999); DeJean (1992); Dixon (2002); Ellis (1995); Elshtain (1981); Fletcher (1995); Gallagher (1988); Hall (1995); Henderson / McManus (1985); Jordan (1987); Jordanova (1989); King (1990); Kroll (2004); MacDougall (1982); Maurer (1989); McLeod (1991); Mikalachki (1998); Montrose (1983); Normand (1997); Orgel (1990); Pastre (1996); Schleiner (1978); Shepherd (1981); Slater (2001), bes. 81–101 & 244–253; Strong (1977, 1980, 1987); Turner Wright (1940, 1946); Weiand (2015); Woodbridge (1984); Yates (1975). 13 Vgl. allgemein Baumann (1996), bes. 253–266; Belsey / Belsey (1990); Boling (1999); Colley (1992); Crawford (1999); Curran (1996, 2002); DeJean (1992); Dixon (2002); Faulkner (1991); Ferguson (1979, 1993); Frénée (2012a, 2012b); Frénée-Hutchins (2014); Frye (1992,1993); Green, J. (1997); Green, P. D. (1982); Helgerson (1992); Hickman (1989); Jowitt (2003); King (1990); Levin (1994); Maurer (1989); McEachern (1996); McMullan (1994); Mendyk (1989); Mikalachki (1995, 1998); Miller-Tomlinson (2007, 2008); Nielson (2009); Patterson (1994); Piggott (1989); Schleiner (1978); Strong (1973, 1977, 1980, 1987, 1991); Turner, R. (1989); Williams (1999, 2009); Woolf (1987, 1990); Yates (1975).

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spektive aus eben dieser Perspektive heraus beschreiben, analysieren und würdigen, gibt es nicht. Andererseits vermitteln die Notizen der römischen Historiker primär eine in vielen Details durchaus widersprüchliche Rahmenerzählung über Boudica und ihre Revolte und verdichten die Motivation für das jeweilige Handeln zu rhetorisch beeindruckenden wiewohl fiktiven Reden, die den Protagonisten in den Mund gelegt werden.14 Zugleich bieten die römischen Historiker sehr viel Raum für Ergänzungen,15 Interpretationen und Wertungen, fordern diese angesichts der brisanten, zentralen Kategorien, die durch Boudica exemplarisch fokussiert werden – u. a. (Römischer) Imperialismus, Nation, Widerstandsrecht, Freiheit, weibliche Herrschaft – geradezu ein. Seit der Renaissance gehören Boudica und die Icener-Revolte in durchaus unterschiedlicher Wertung, u. a. auch als Amazone oder Virago, zum festen Bestand des kulturellen Gedächtnisses Großbritanniens,16 und speziell seit dem 19. Jahrhundert unter Königin Victoria (eine mögliche Übersetzung von Boudica)17 ist sie als keltische Freiheitskämpferin überaus populär18 und wird in

14 Vgl. die Reden Boudicas bei Tac. Ann. XIV,35,1–2; Cass. Dio 62,3,1–5,5 und 62,6,2–4; vgl. bes. Adler (2008); vgl. ebenfalls die Reden des römischen Feldherrn C. Suetonius Paulinus bei Tac. Ann. XIV,36,1–2 und Cass. Dio 62,9,1–11,5. 15 Die Notizen der römischen Historiographie sind insgesamt sehr spärlich; vgl. insgesamt mit den Kontexten Tac. Ann. XIV,29,1–38,3; Tac. Agr. 16,1–2; Cass. Dio (Xiphilinos 158,24– 165,20) 62,1,1–12,6. 16 Vgl. hierzu die ausgewogene Schlusswürdigung Boudicas von Frénée-Hutchins (2014), 201: „A lasting irony must lie in the fact that Boudica did not actually see herself as British. A British national identity did not exist in prehistoric Britain. She was leader, or Queen Regent, of the Iceni, and any cultural and political identity she did have was firmly rooted in her regional tribe. She may have succeeded in unifying a number of other British tribes in her revolt against Rome, but in reality her rebellion failed because many of the tribes did not rally to her cause. For example, the two other client kingdoms of Rome, that of Cartimandua’s Brigantian confederacy in Yorkshire and that of Cogidubnus’s Regni in the south, stayed loyal to Rome. Yet despite her rather obscure and tragic beginnings Boudica’s career has taken her from the regional identity of the Iceni tribe in 60 AD to the national identities of the English and British in the sixteenth century, on to its imperial aspirations of the nineteenth century and its global range in the present day.“ Dass Boudica primär Teil des kulturellen Gedächtnisses / Erbes Großbritanniens ist, dokumentiert ebenfalls eine bibliographische ‚Kuriosität‘: Ein populärer ‚feministischer‘ Ratgeber mit biographischen Essays zu berühmten außergewöhnlichen, selbstbewussten, starken Frauen der Welt- und Kulturgeschichte wurde von Foley / Coates (2018a) in Großbritannien unter dem Titel What would Boudicca Do? veröffentlicht; die nur geringfügig in der Ausstattung und in vier Essays davon abweichende Ausgabe in den USA unter dem Titel What would Cleopatra Do? (Foley / Coates (2018b), obwohl in beiden Ausgaben der Boudica-Essay „Boudicca and Sticking Up for Yourself“ den ‚Reigen‘ der biographischen Essays eröffnet. 17 Vgl. Hingley / Unwin (2006), xvi–xviii: „Boudica has been given a variety of other names over the past few hundred years, in particular ‚Boudicca‘ and ‚Boadicea‘, but Boudica appears to be the correct form of the spelling of her name. Research on Celtic languages in Europe has indicated that Boudica’s name means ‚victory‘.“

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Gemälden, Kupferstichen, Kirchenfenstern, Dramen, Novellen, historischen Romanen, Gedichten und Liedern, modernen Cartoons und Comics, mit einer gigantischen Statue vor den Houses of Parliament19 und im modernen Film gefeiert. Die Grundzüge der Rezeption Boudicas, ihre Repräsentationen in der Historiographie, der Kunst und der Literatur sind insgesamt vergleichsweise gut erforscht und bekannt,20 mit zwei bemerkenswerten Forschungslücken, dem modernen Comic und dem modernen und zeitgenössischen historischen Roman.

II.

Boudica im Comic

Als erstes bleibt zu konstatieren, dass es wohl – im Unterschied zu Vercingetorix oder Arminius – keinen von professionellen Textern, Illustratoren und Verlagen verantworteten Boudica-Comic gibt, stattdessen vermittelt das Internet einige kurze didaktische, Kinder und Jugendliche adressierende, mit Comics bzw. Cartoons illustrierte Einführungen in die Zeit Boudicas und die Geschichte der Eroberung Britanniens durch die Römer.21 Simon Roccas und Jean-Yves Mittons berühmte 15-bändige Serie Vae Victis! (1995 bei Splitter – 2007 Kult-Editionen) ist kein Boudica-Comic, obwohl Bd. 6 den Titel Boadicca, die rasende Kriegerin trägt,22 da die gesamte Reihe chronologisch in der Zeit der Britannien-Expedition Julius Caesars angesiedelt ist, mehr als 100 Jahre vor der historischen Boudica und ihrer Rebellion. Zwei erzählerisch wie zeichnerisch gleichermaßen herausragende Comic-Serien, die in neronischer Zeit spielen, die zehnbändige Reihe Murena von Jean Dufaux und Philippe Delaby wie auch die bisher vierbändige Serie Britannia von Peter Milligan, Juan José Ryp, Ryan Lee; Roberto de la Torre, Robert Gill, Juan

18 So wurden z. B. in der Geschichte der Royal Navy vier Kriegsschiffe nach Boudica (Boadicea) benannt; das erste lief 1797 vom Stapel, das letzte, ein Zerstörer (in Dienst gestellt 1930), wurde 1944 durch einen Torpedotreffer in der Lyme Bay versenkt. 19 Vgl. Priddle (1902) und zuletzt Vandrei (2014). 20 Vgl. in Ergänzung der oben (Anm. 8, 12, 13) zusammengestellten Materialien noch Maxwell (1928); Smiles (1994); vgl. insbesondere Hingley / Unwin (2006), 147–221; vgl. allgemein auch Holmes (1997). Es ist natürlich auch kein Zufall, dass in einem klassischen Roman alternativer Geschichte der britische Widerstand gegen die spanische Herrschaft auf der britischen Insel 1597 sich an den Proben und Aufführungen eines Boudica-Dramas entzündet (vgl. Turtledove (2002)). 21 Vgl. eine im historischen Urteil ausgewogene und zugleich analog konzipierte Cartoon-Serie von Martin Brown (für Terry Deary, Horrible Histories: The Rotten Romans, 1994 u. ö., 46–47), nachgedruckt in Hingley / Unwin (2006), 192. 22 Vgl. Mitton / Rocca (1995): Vae Victis, Bd. 6: Boadicca, die rasende Kriegerin.

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Castro und Brian Thies, erwähnen weder Boudica als Person noch die BoudicaRevolte.23 Die Aufstände gegen die römische Herrschaft in Britannien unter Nero schildert in überaus beeindruckenden Illustrationen und Texten Ron Embletons Wulf the Britain (ursprünglich vom 25. Mai 1957 bis zum 16. April 1960 in Express Weekly).24 Unmittelbar in die Zeit der Boudica-Revolte fallen vier Erzählsequenzen (Embleton (2010): „Iceni Tribute“, S. 89–107; „The Wrath of Vellocatus“, S. 184–204; „The New Centurion“, S. 205–221 und „The Fall of Cartamandua“, S. 222–234). Boudica selbst kommt als Figur nicht vor. Die Hauptfigur dieses großartigen englischen Comics ist der tapfere, ritterlich-faire Kämpfer Wulf, der die britannische Identität durchgängig betont und sich der überlegenen römischen Truppenmacht nicht beugt; er bleibt in zahllosen Scharmützeln und Schlachten jeweils siegreich. Cartamandua hingegen, historisch die Königin der Briganten und Gegenspielerin Boudicas,25 ist im Comic die personifizierte, mit dem Feind Rom paktierende schöne, natürlich dunkelhaarige Verräterin, der aber letztlich auch die Unterstützung römischer Legionäre gegen den nationalen Widerstand einer britannischen Stammesallianz die Herrschaft nicht auf Dauer sichern kann.26 Die ausführlichste und detailreichste Schilderung Boudicas und ihres Aufstands im Comic enthält die amerikanische Prince-Valiant-Saga (oder PrinzEisenherz-Saga) der Jahrgänge 1990 und 1991.27 Der gelehrte Sohn des Titelhelden, Galan, bekommt von König Artus einen Spezialauftrag: Er soll das gesamte Diebesgut einer über Jahre erfolgreichen Räuberbande untersuchen und die ehemaligen Besitzer identifizieren (vgl. Prince Valiant, S. 2809,5). Ein sehr alter, arg ramponierter Teil eines Schildes versetzt Galan in helle Aufregung; er glaubt, Boadiceas Schild entdeckt zu haben (vgl. Prince Valiant, S. 2810,1–3). Auf den 23 Vgl. Milligan / Ryp / Lee / de la Torre / Gill / Castro / Thies (2019); Dufaux / Delaby (2016a, 2016b, 2017a, 2017b, 2017c); Dufaux / Theo (2018). 24 Leichter zugänglich wurde dieser bedeutende Comic erst durch einen sehr gut edierten Nachdruck von 2010, der ebenfalls spätere Ergänzungen einbezog und alle Seiten sorgfältig digital rekolorierte (vgl. Embleton (2010)). 25 Vgl. Embleton (2010), 193,2–4; 197,7–9; 200,6–7; 201,5–7; 224,4–233,6; vgl. zur historischen Cartimandua und den Briganten Braund (1984, 1996); Hanson / Campbell (1986); Higham (1987); Richmond (1954); 26 Vgl. das Schlusspanel, das die Cartamandua-Handlung beschließt (Embleton (2010), 233,6: [Cartamandua steht in einen roten Mantel gehüllt auf einem Hügel.] „And on a hill some miles away, Cartamandua watches her kingdom burn and tastes the bitterness of defeat. ‚My kingdom gone … that smoke might as well be my funeral pyre. I am finished … thanks to Wulf the Briton.‘“ 27 Vgl. Murphy (2014, 2015); für das Folgenden greife ich auf zwei frühere, anders fokussierte Veröffentlichungen zurück, deren Ergebnisse wie auch Formulierungen ich teilweise übernehme (Baumann (2014, 2015). Im Folgenden Referenzen auf die Prince-Valiant-Saga nur mit Prince Valiant und Seitenzahlen (S.) im Text.

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nächsten Seiten der Saga liefert Galan in seinen Erklärungen für Yuan Chen ein Musterbeispiel historisch gründlicher Quellen-Recherche und umsichtig ausgewogen wertender Geschichtserzählung (vgl. Prince Valiant, S. 2810,4–2812,6). Ausgehend von Caesars Britannien-Expedition schildert Galan die römische Eroberung Britanniens bis zur Revolte der Icener und Trinovanten unter der Icener-Königin Boadicea in den Jahren 60/61 n. Chr. Die Einzelheiten des Aufstands, die Vernichtung einer römischen Legion, die Zerstörung der römischen Städte Camulodunum, Londinium und Verulamium bis hin zur vernichtenden Niederlage Boadiceas gegen die zahlenmäßig unterlegenen, aber disziplinierteren und kampfkräftigeren Truppen Roms schildert Galan exakt so wie sie Tacitus und Cassius Dio überliefern. Nach der Niederlage (so übernimmt Galan die Version aus Tacitus’ Annalen XIV,37,3) nahm sich Boadicea mit Gift das Leben. Diese Schilderung des Boadicea-Aufstands durch Galan gründet nicht nur in gründlicher historischer Forschung, sie nutzt darüber hinaus Motive der reichen medial-bildlichen Darstellungen als Anregungen für einzelne Illustrationen. Randlose Illustrationen in der Saga verweisen formal auf die Differenzierung von der Repräsentation einer Gesprächssituation in der erzählerischen Gegenwart und den Inhalten der jeweiligen Erzählung(en) der Protagonisten, wie der Bericht eines der gefangenen Schurken verdeutlicht, in dem er erläutert, wie und wo er in den „Besitz“ des von Galan identifizierten Schildes der Icener-Königin Boadicea gelangt ist (vgl. Prince Valiant, S. 2813,5–2814,5), wobei zwei von Linien gerahmte Illustrationen die konkrete Verhörsituation durch Eisenherz und Galan in der erzählerischen Gegenwart explizieren (vgl. S. 2813,4 und 2814,6). Die Informationen des Diebes zeitigen in Camelot etliche Gerüchte; Galan formuliert im Zwiegespräch mit Eisenherz seine Theorie: Ich wette, der Schild enthält einen Hinweis auf das Versteck von Boadiceas Schatz. Es wurde vom Vater auf den Sohn vererbt, in der Hoffnung, dass die Zeit heranreift … / in der die Britannier den Schatz holen und mit Hilfe des neuen Reichtums Krieg gegen Rom führen könnten. (Prince Valiant, S. 2815,1–2).

Konsequent ist dieser letzte Teil von Galans Theorie (vgl. Prince Valiant, S. 2813,2: „Die Legenden besagen, der Leichnam und der Schatz seien versteckt worden. Sicher ist, dass beides nie gefunden wurde“) als bisher nicht realisierte historische Möglichkeit, als lediglich antizipierte patriotische Hoffnung als rahmenlose Illustration wiedergegeben (Prince Valiant, S. 2815,2). Die Überprüfung dieser vielversprechenden Hypothese Galans (die Aussicht auf den Schatz Boadiceas begeistert auch den König, der Gerüchten zufolge „mütterlicherseits mit Boadicea verwandt“ ist) wird zur ersten ‚quest‘ des Jahrgangs 1991. Wichtige konkrete Hinweise zur Lösung des Rätsels um das Grab und den Schatz der Boadicea liefert die Witwe des ehemaligen Besitzers des Schildes, der um die Bedeutung des Schildes wohl wusste oder zumindest etwas ahnte (vgl.

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Prince Valiant S. 2814,5: „Das ist der Schlüssel zur Freiheit meines Volkes“). Der sorgfältig von Generation zu Generation weitervererbte Schild war bei der Übergabe vom Vater an den Sohn mit einer merkwürdigen Zeremonie verbunden, in der der Sohn ein auswendig gelerntes, rätselhaftes Gedicht aufsagen musste (Prince Valiant, S. 2816,5): „Liegst auf dem Schildkrötenhügel Du / Und blickst den Meereswellen zu, / So zeigt ein kleines Loch ihn Dir / Den Weg zum Schatz und auch zu mir.“ Für die Witwe ist das Ganze nur Unsinn, für ihren ermordeten Mann war es ungleich wichtiger, aber er wusste mit der Ortsangabe „Schildkrötenhügel“ trotz allen Grübelns nichts anzufangen,28 Galan hingegen ist von der Geschichte und dem Gedicht hellauf begeistert: Er vermutet, dass das Gedicht und die darin verborgenen Informationen über viele Generationen zurückreichen. Die Suche nach dem Schildkrötenhügel führt Galan, Eisenherz und Yuan Chen durch das Fennland, durch seine riesigen Sumpfflächen, Schilfgürtel und kleinen Inseln. Der Zufall schließlich führt sie zu einer Insel, die von Yuan Chen als exakt schildkrötenförmig erkannt wird (Prince Valiant, S. 2817,6): „Betrachtet diese Insel so, wie sie ein Vogel sähe.“ Nachdem Yuan Chens Klugheit die Insel identifiziert hat, trägt auch Eisenherz seinen Teil zur Lösung des Rätsels bei, indem er den Schild, seewärts ausgerichtet, als Abbild der Sumpf- und Insellandschaft erkennt; und Galan entdeckt das kleine Loch im Schild, das auf eine nicht allzu weit entfernte Insel weist. Dort angekommen, legen sie mühsam den Weg in eine geräumige Höhle frei. Einige jeweils in lateinischen Versen angekündigte Fallen (Prince Valiant, S. 2819,3 und 2820,1) können die Entdecker überwinden; die Imitation des mythischen Hirschsprungs eröffnet ihnen schließlich den Zugang zum Grab der Boadicea und ihren Schätzen, wie sie die Großillustration Prince Valiant, S. 2820,3 eindrucksvoll ins Bild setzt. Ungeachtet aller Pracht der angehäuften Schätze, die Camelot für ein ganzes Jahrhundert finanziell sanieren würden, ist es erstaunlich, dass das Skelett Boadiceas nicht die traditionelle keltisch-icenische Königshalskette aus geflochtenem Gold (Torques) trägt, sondern eine Krone und die überaus prächtigen Gewänder einer Frau. Eine letzte lateinische Warnung bemerken die Entdecker zu spät: „Sacer esto qui offa movet“ / „Verflucht sei, wer meine Gebeine nicht ruhen lässt“ 28 Solche Zeremonien und auch die einfach zu memorierenden und dennoch kryptischen Verse haben in der englischen Literatur durchaus Vorbilder. Im Korpus der Sherlock HolmesKurzgeschichten, die für den Skriptschreiber der Prince Valiant Saga Cullen Murphy schon zuvor als Anregung dienten, findet sich z. B. die Geschichte „The Musgrave Ritual“ [dt. „Das Familienritual“], in der eine durchaus vergleichbare Zeremonie und ähnlich leicht zu memorierende (wenngleich in ihrer wahren Bedeutung dunklen) Verse über viele Generationen das Versteck der alten Königskrone Englands überlieferten, die von einem königstreuen Stuartanhänger für die erhoffte Rückkehr Karls II. als patriotisches Symbol der Herrschaftskontinuität gerettet worden war (vgl. Baumann (2015), 5).

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(Prince Valiant, S. 2821,2 und 2821,3). Eisenherz lässt die Skeletthand der toten Königin sofort los, aber es ist bereits zu spät: Eindringende Wasser vertreiben die Entdecker und verbergen den Schatz der Boadicea erneut; einzig Galan kann einen kleinen kostbaren geheimnisvollen Dolch aus dem ehemaligen Besitz der Königin retten (vgl. Prince Valiant, S. 2822,3–6). Die ‚Wanderin‘, das geisterhafte Wesen, das dazu verflucht ist, immer die Wahrheit zu sagen, taucht schemenhaft wie aus dem Nichts auf, weist Galan auf die Inschrift der Klinge hin und resümiert die historisch-kulturelle Bedeutung Boadiceas: „Boadicea war nicht die erste Frau, die Britannien mit eiserner Faust regierte. Sie wird auch nicht die letzte sein.“ (Prince Valiant, S. 2822,5). Wie schon die inschriftliche Verfluchung des Störers der Totenruhe in der Kulturgeschichte Englands vorgeprägt ist – erinnert sei nur an die analoge Verfluchung in der Grabinschrift William Shakespeares der Holy Trinity Church („Good frend for Jesus sake forbeare, / To digg the dust enclosed heare: / Bleste be [the] man [that] spares thes stones, / And curst be he [that] moves my bones“) –, so verweist die Würdigung Boadiceas durch die mythische, auch prophetisch die Zukunft antizipierende ‚Wanderin‘ explizit auf eine moderne ‚Nachfahrin‘ der nach Unabhängigkeit strebenden, kriegerischen, eisernen Icener-Königin: die zum Zeitpunkt des Erscheinens 1991 erst seit kurzem ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher (1925–2013, Premierministerin 1979–1990, Spitzname Iron Lady). In der Tat hatten schon während der Regierungszeit Margaret Thatchers etliche Romane, Biographien und journalistische Analysen und Essays sie mit Boudica verglichen, besonders einprägsam und pointiert in zwei Cartoons, in denen Margaret Thatcher nach dem Vorbild von Thomas Thornycrofts Denkmal vor den Houses of Parliament in einem Streitwagen porträtiert wurde, die sie als siegreiche Kriegerin während des Falklandkriegs (The Daily Express vom 24. Juni 198229) und als Siegerin über ihre innenpolitischen, ausschließlich männlichen Gegner am Wahltag (The Daily Telegraph vom 11. Juni 198730) zeigten.31 29 Vgl. den Nachdruck der Abbildung bei Frénée-Hutchins (2014), 190. Vgl. Frénée-Hutchins (2014), 189: „Figure 5.5 shows a breast-plated Thatcher driving a Roman style, but scythewheeled, chariot just after her appearance on American television at the conclusion of the Falklands war. Behind her we can identify the cowboy-figure of Ronald Reagan who is sitting on a small pony watching Thatcher’s fiery passage with perplexed astonishment.“ 30 Vgl. den Nachdruck der Abbildung bei Frénée-Hutchins (2014), 191. Vgl. Frénée-Hutchins (2014), 189–190: „Figure 5.6 shows a rather imperious looking Margaret Thatcher driving a Roman style, Boudican chariot again and wearing the laurel leaf crown of victory as she enters Rome under a shower of flowers, thrown by an invisible crowd. This cartoon, published on polling day, 11 June 1987, represents Margaret Thatcher as a Roman senator and military general after her political victory. Here she is shown dragging her political opponents (all men) behind her chariot in chains, and these enemies, now her prisoners, are to be displayed in a public victory before the people. This seems to be a major irony since the historical Boudica was neither victorious nor an imperialist.“

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Zusammenfassend muss man konstatieren, dass ausnahmslos alle BoudicaEpisoden und Boudica-Referenzen im Comic und Cartoon episodischen Charakter haben, die Bekanntheit / Popularität der Icener-Königin und ihrer kulturellen Repräsentationen nutzen, um beispielsweise in Cartoons tagesaktuelle Kommentare zu formulieren. Einzig der gelehrte Jüngling Galan präsentiert in der Prince-Valiant-Saga eine historiographisch gewissenhafte, wenngleich sehr knappe Analyse Boudicas und ihrer Rebellion in ihrer Bedeutung für die Geschichte Britanniens, aber auch dort bleiben die Boudica-Referenzen (in Text und Illustration) episodenhafte historische Digressionen, die primär die quest der erzählerischen Gegenwart kontextualisieren und fokussieren.

III.

Boudica im modernen und zeitgenössischen historischen Roman

Die insgesamt mehr als 70 historischen Romane über Boudica32 sind – wie die Comics – bisher von der anglistischen Forschung weitgehend ignoriert worden; lediglich mit Carolyn D. Williams’ Studie Boudica and Her Stories. Narrative Transformations of a Warrior Queen33 liegt eine erste weitausgreifende und systematische Untersuchung vor. Williams gliedert ihre Studie zunächst historisch („Textual Origins“, 27–55) und dann motivgeschichtlich („Boudica the Woman“, 57–101; „A Call to Arms“, 103–158; „Broader Horizons“, 159–202) und ermöglicht es so, bis ins Detail z. B. motivgeschichtlich zu verfolgen wie Boudicas Körper (vgl. bes. 57 ff) oder die Grausamkeiten der Aufständischen (vgl. bes. 146 ff) vom 16. bis ins 20. Jahrhundert geschildert, konzeptualisiert und narrativ funktionalisiert werden. Die individuelle literarische Repräsentation Boudicas und ihrer Revolte in einzelnen Romanen wird hingegen marginalisiert, zumal auch die für die Wertung und Einordnung der jeweiligen Detailinformationen so zentralen, im Grunde unverzichtbaren Kategorien wie Erzählperspektive und Fokalisierung kaum Berücksichtigung finden.

31 Vgl. einzelne weitere Abbildungen, etwa auch aus der Werbung für Bier, für moderne PKWs, und die insgesamt überzeugenden Interpretationen von Frénée-Hutchins (2014), 189–195. 32 Es ist dabei von Vornherein klar, dass die sichere und trennscharfe Unterscheidung von historischem Roman und populärer (pseudo-)historiographischer Darstellung im Einzelfall nicht einfach ist (vgl. Nünning (1995), bes. 90–205)), zumal auch einzelne Romane / Darstellungen sich bewusst im Grenzbereich von Historiographie und narrativ-fiktionaler Geschichtsdarstellung ‚verorten‘ (vgl. z. B. Hunt (2003), Klappentext: „This is a book that will appeal to all those interested in military or early British history, whether as an academic or an historian, as well as those who just enjoy a good thrilling story“). Vgl. ebenfalls fokussiert auf die Boudica-Rezeption Hingley / Unwin (2006), bes. 214–221. 33 Vgl. Williams (2009).

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Alle mehr als 70 historischen Boudica-Romane34 repräsentieren nach der grundlegenden typologischen Differenzierung von Ansgar Nünning Romane der Typen I (der dokumentarische historische Roman), II (der realistische historische Roman) und III (der revisionistische historische Roman),35 wobei die fiktionalen Privilegien bei der Selektion und literarischen Vermittlung sehr unterschiedlich realisiert sind. Zentrales Kriterium für die typologische Einordnung ist für Nünning u. a. das jeweilige Verhältnis der spezifischen literarischen Repräsentation zum „Wissen“ der Historiographie.36 Im Folgenden möchte ich insgesamt acht moderne und zeitgenössische Romane in den Mittelpunkt der Überlegungen rücken, die sich für die zentrale Frage nach der literarischen Repräsentation Boudicas und deren Verhältnis zum „Wissen“ der Historiographie, der Überlieferung als strukturell (zumindest punktuell) kreativ und innovativ zeigen. Dieser Analyse-Fokus impliziert zugleich, dass die für die Analyse historischer Romane unverzichtbaren Kategorien wie Selektion historischer und fiktionaler Elemente, Erzählperspektive und Fokalisierung angemessene Berücksichtigung finden. Ein eher randständiges Auswahlkriterium für die acht Romane ist, dass sie in Williams’ Studie – von einer Ausnahme abgesehen (Gedge (1978/2007) – nicht berücksichtigt werden. Aus darstellungs-pragmatischen Gründen stelle ich die acht ausgewählten Romane aufgrund formaler und struktureller Gemeinsamkeiten und Parallelen jeweils zu Zweiergruppen zusammen.

1.

Lindsey Davis, The Silver Pigs (1989) & Simon Scarrow, When the Eagle Hunts (2002)

Beide Romane verbindet, dass die jeweiligen Boudica-Referenzen bzw. BoudicaEpisoden nicht im Zentrum der Romane stehen, im ersten Fall (Davis (1989)) sind sie Teil der traumatischen Erinnerung des Protagonisten und Ich-Erzählers, im zweiten (Scarrow (2002)) eine weitgehend fiktionale Episode aus dem Leben Boudicas, lange bevor sie als Icener-Königin und Anführerin der Revolte gegen Rom in das ‚Licht‘ der Überlieferung gerückt wird. Beide Roman verbindet darüber hinaus, dass sie frühe Einzelbände aus überaus erfolgreichen Romanserien sind: Silver Pigs (1989) ist der erste Band der 20-bändigen Reihe historischer Kriminalromane37 um den Privatermittler Marcus Didius Falco, der im Rom des Kaisers 34 Vgl. dazu die Bibliographie (1. Primärliteratur, oben), S. 244–249. 35 Vgl. insgesamt Nünning (1995), bes. 206–296. 36 Vgl. insgesamt wie auch verdichtet zu überzeugenden Merkmalsmatrixen Nünning (1995), bes. 259–296. 37 Vgl. zur modernen hybriden Gattung des historischen Kriminalromans allgemein Baumann (1998), bes. 7–9; Dappert (2004); vgl. allgemein auch Korte / Paletschek (2009a, 2009b).

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Vespasian Verschwörungen und Verbrechen aufklärt, When the Eagle Hunts (2002) ist der dritte Band der bisher 18-bändigen Reihe, die die Abenteuer der römischen Zenturios Macro und Cato (in Bd. 3 When the Eagle Hunts noch Optio) im Römischen Reich unter Claudius und Nero, in den ersten Bänden zunächst noch während der Eroberung Britanniens, schildert. Boudica und der Aufstand der Icener stehen nicht im Zentrum der jeweiligen Romane, gleichwohl vermitteln sie höchst interessante, ungewöhnliche Details über die Wahrnehmung und Wertung Boudicas durch die römischen Protagonisten der Romane. Ein brutaler Mord im Rom des Sommers 70 n. Chr. führt den in der Fiktion im Jahre 41 n. Chr. geborenen „hard-boiled“ Ermittler Marcus Didius Falco38 auf die Spur einer bis in höchste Kreise reichenden Verschwörung und dabei nach Britannien, „a gloomy, uncivilised place“ (Davis, 2010, 43), wo er mit den traumatischen Erinnerungen an seine Militärzeit in Britannien konfrontiert wird.39 Den Anlass bietet der Antrittsbesuch bei Gaius Flavius Hilaris, dem Finanzprokurator Britanniens, der Falco daran erinnert, dass sie beide in der gleichen Legion gedient hätten, was die folgende innere Reflexionssequenz des Ich-Erzählers provoziert (Davis, 1989, 77–79): Well, I knew that. He must have realized. Twenty years apart. Same legion, same province. He served when the glorious Second Augusta were the crack troops in the British invasion force. Vespasian was his commander – that was how they met. I served in the Second at Isca, at the time when Paulinus the British governor decided to invade Mona – Druids’ for all. Paulinus left us at Isca, guarding his back, but was accompanied by our commandant among his advisory corps. We were stuck therefore with an incompetent Camp Prefect named Poenius Postumus, who called Queen Boudicca’s Revolt ‚just a local tiff‘. When the governor’s frantic orders arrived informing this halfwit that the Iceni had swept a bloody swathe all through the south, instead of haring off to join the beleaguered field army, either from terror or further misjudgment Postumus refused to march out. I served in our legion when its glorious name stank. ‚Not your fault!‘ remarked my new colleague gently, reading my mind. I said nothing. After the rebels were annihilated and the truth came out, our peabrained Camp Prefect fell on his sword. We made sure of that. But first he had forced us to abandon twenty thousand comrades in open country with no supplies and nowhere to retreat, facing two 38 Vgl. Korthaus (2004); Schröder (2004) und insbes. Davis (2010). 39 Vgl. zur Biographie Falcos Davis (2010), 98–109; vgl. ebenfalls den zurückschauenden analytischen Bericht über den Schreibprozess von Silver Pigs (Davis, 1989) von Davis (2010), 44: „By the end of this book, I had established the Falco genre: a mix of ‚gumshoe‘ pavementpounding and overseas adventure, glances at ‚police procedure‘, occasional set pieces from history, archaeologically authentic Roman life, nods to more modern concepts, the love between Falco and Helena, the importance of family, and the tussle between a pragmatic establishment and one man’s dogged morality. I had also established that all of this could be – should be – funny.“

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hundred thousand screaming Celts. Eighty thousand civilians had been massacred while we polished our studs in barracks. We might have lost all four British legions. We might have lost the governor. We might have lost the province. If a Roman province had fallen, in a native rebellion, led by a mere woman, the whole Empire might have blown away. It could have been the end of Rome. That was the kind of ‚local tiff‘ the British rebellion was. Afterwards we witnessed what the barbarians had done. We saw Camulodunum, where the huddled townsfolk had melted in each other’s arms during a four day inferno at the Temple of Claudius. We choked in the black dust of Verulamium and Londinium. We cut down the crucified settlers at their lonely country villas; we flung earth on the burned skeletons of their strangled slaves. We stared in shock and horror at mutilated women hanging like crimson rags from the trees in the pagan groves. I was twenty years old. That was why, when I could, I left the army. It took five years to arrange, but I had never had second thoughts. I worked for myself. Never again would I entrust myself to orders from a man of such criminal ineptitude. Never again would I be part of the establishment that foists such fools into positions of command. Flavius Hilaris was still watching me in my reverie. ‚None of us will ever quite recover,‘ he acknowledged, sounding pretty hoarse himself. His face had shadowed too.

Dieser innere Reflexionsmonolog Falcos ist zunächst aus der Perspektive des entsetzten, sich seiner Schuld bewussten, erlebenden Ichs, des einfachen Legionärs der II Augusta wiedergegeben, bevor das reflektierende Ich mögliche, nicht realisierte Folgen des Boudica-Aufstands durchspielt. Die traumatischen Erinnerungen des erlebenden Ichs an die grausigen Details des Aufstands, mit denen er als Zwanzigjähriger als Augenzeuge konfrontiert war, gründen allesamt in den Berichten der römischen Historiker, ebenso wie die Konzeptualisierung der Aufständischen als Barbaren oder auch die besondere Betonung, dass es eine von einer Frau angeführte Revolte war, die für dieses Desaster verantwortlich zeichnete. Ein wichtiges Detail jedoch, das sich vorzüglich in die düsteren Erinnerungen Falcos einfügt, ist eine Erfindung der Autorin, die damit die nahezu einzige positive Nachricht über den unfähigen Lagerpräfekten Postumus, die die römische Überlieferung kolportiert,40 sein ritueller Freitod als Eingeständnis des Versagens, dekonstruiert: Dieser ‚Freitod‘ wurde, wie der reflektierende Falco mit der Autorität des beteiligten und unmittelbaren Augenzeugen betont, von den Legionären erzwungen (Davis (1989), 78): „[…] our peabrained Camp Prefect fell on his sword. We made sure of that.“ Der Roman Simon Scarrows When the Eagle Hunts (2002) spielt im Jahre 44 n. Chr., zunächst in Camoludunum; während General Plautius seine nächsten militärischen Aktionen plant, geraten sein Frau und Kinder nach einem Schiffbruch vor der Küste in die Gefangenschaft der fanatischen Druiden des Dunklen 40 Vgl. bes. Tac. Ann. XIV,37,3.

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Mondes.41 Zwei Freiwillige der ehemaligen Legio II des Plautius, jetzt von Vespasian befehligt, der Zenturio Macro und der Optio Cato, machen sich auf den gefahrvollen Weg in die feindlichen Territorien der Atrebaten und Durotrigen, um die Geiseln zu befreien, bevor diese den Göttern geopfert werden. Die einzige Unterstützung, die ihnen bei diesem Himmelfahrtskommando zuteilwird, sind zwei einheimische Führer: Prasutagus und Boudica. Die Tatsache, dass die Historiographie und die Archäologie nur äußerst spärliche Informationen über Boudica vermitteln, ermöglicht / plausibilisiert im besten Sinne erst solche eindeutig fiktiven Handlungsstränge, die dennoch nicht als kontrafaktisch klassifiziert werden können.42 Speziell mit der jungen, attraktiven Boudica verbinden Macro und Cato die Erinnerung an eine kurze, leidenschaftliche Liaison zwischen Boudica und Macro in Camoludunum,43 die von dem eifersüchtigen Prasutagus zum Teil 41 Vgl. Scarrow (2002), 432–433 („Author’s Note“): „The Dark Moon Druids are fictional, but they represent the extremist fringe that exists within any religious movement. They stand as a corrective to that naive and nostalgic re-invention of Druid culture that parades around Stonehenge at certain times of the year. And, as I complete this work, they stand as a timely reminder of the extremities to which religious fanaticism can be taken.“ 42 Vgl. nochmals zum ‚Wissen‘ der Historiographie Hingley / Unwin (2006), xv–xvi: „In brief, Boudica was a woman who appears to have been the wife of the king (or leader) of one of the British tribes (or peoples), the Iceni. She led a rebellion against the Roman government seventeen years after the initial invasion of Britain by the Romans. We know that she lived through the first sixteen years of the Roman occupation of Britain and that she died resisting Roman rule, with the aid of her own tribe and others, probably in AD 60 to 61. Boudica did this through direct action that led to the destruction of several towns and thousands of deaths. She was eventually defeated by the Roman army and died, either from ill health or by suicide. She is one of a number of native leaders who, according to Roman literary sources, led opposition, revolts or rebellions against Roman rule in the early years of the empire. These included Viriatus in Iberia, Vercingetorix in Gaul, Civilis and Arminius (Herman) in Germany, and Caratacus in Britain. […] The detail provided by the two classical authors does not mean, however, that we actually know very much about her.“ Vgl. ebenfalls einen weiteren historischen Roman über Boudicca, dessen vollständiger Titel sowohl sein Programm als auch seine weitgehende Fiktionalität enthüllt (Daniels (2000)): Young Boudicca. Early adventures of the queen who almost ended the Roman conquest of Britain. 43 Vgl. insbes. Scarrow (2002), 269–271: „Macro did not regret his remark, but at the same time he could not make himself dislike Boudica enough to enjoy insulting her. He wished he could find some hint of the brassy, affectionate girl he had fallen for back at Camulodunum. ‚Are you really so cold-blooded?‘. ‚Cold-blooded?‘ The idea seemed to surprise her. ‚No. I’m not cold-blooded. I’m just making the most of what has been forced on me. If I was a man, if I had power, then things would be very different. But I’m a woman, the weaker sex, and I have to do what I’m told. That’s the only choice I have, for now.‘ [Macro erinnert Boudica an seinen früheren Antrag, worauf Boudica selbstbewusst antwortet …] ‚Despite what I’ve learned of life beyond the lands of the Iceni, I’m still Iceni through and through. And you’re Roman. I might speak your language well enough, but that’s as far as I want Rome to penetrate my being – and none of your filthy innuendo, please!‘ They both smiled for a moment, and then Macro raised his rough soldier’s hand to her cheek, marveling at its softness. Boudica remained still. Then, very tenderly, her lips brushed his palm in a soft kiss that sent tingles up Macro’s arm.

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handgreiflich erschwert und schließlich auch verhindert wurde; nicht die günstigsten Voraussetzungen also für ihren lebensgefährlichen Auftrag. Ohne die Details der überaus spannenden quest der Gruppe zur Befreiung der Geiseln hier rekapitulieren zu müssen, darf man konstatieren, dass sich Prasutagus als treuer, kampfkräftiger, loyaler Verbündete und Boudica als temperamentvolle, selbstbewusste, kluge44 und politisch nüchtern abwägende, überaus eloquente, bisweilen zynische junge Frau erweist,45 wie exemplarisch ein kurzer Ausschnitt aus einem Gespräch mit Cato bezeugt (Scarrow (2002), 328–330): ‚I’ve heard how Rom is inclined to treat its allies.‘ Boudica looked up from the fire with glinting eyes. ‚I think the elders are out of their depth. It’s one thing to make a treaty with a neighbouring tribe, or to grant trade rights to some Greek merchant. It’s quite another to play politics with Rome.‘ ‚Rome is usually grateful enough to its allies,‘ Cato protested. ‚I think Claudius would like to see his empire as a family of nations.‘ ‚Oh really?‘ Boudica smiled at his naivety. ‚So your Emperor is a kind of father figure, and I suppose you strapping legionaries are his spoiled sons. The provinces are his daughters, fertile and productive, mothers to the empire’s wealth.‘ Cato blinked at the absurd metaphor, and nearly laughed. ‚Don’t you see what being an ally of Rome means?‘ Boudica continued. ‚You unman us. How do you think that goes with people like Prasutagus? Do you really think he’ll meekly slip into whatever role your Emperor provides for him? He’d rather die than hand over his weapons and become a farmer.‘ […] ‚I mean what I say, Cato. But that’s not enough. He’s [sc. Macro] Roman, I’m of the Iceni, the difference is too great. Anyway, Prasutagus is a prince of my people, and may one day be king. He has slightly more to offer than the billet of a centurion. So, I must do as my family wish and wed Prasutagus, and be true to my people. And I must hope that Rome is true to her word and lets the kings of the Iceni continue to rule their own people. We’re a proud nation, and we can stomach the alliance our elders have negotiated with Rome only as long as we’re treated like equals. If the day ever comes when we are dishonoured in any way, then you Romans will learn just how dreadful our wrath can be.‘ Cato regarded her with open admiration. She would be wasted as an army wife; there was no doubt about that. If ever there was a woman born to be queen, it was Boudica, though her casual, even cynical, dismissal of Macro pained him greatly. He slowly leaned forward. There was a heavy thud outside the lodge. The leather flap hanging across the entrance was flung to one side. Macro and Boudica sprang apart.“ 44 Vgl. z. B. wie klug und energisch Boudica die Vorteile mündlicher Überlieferung gegenüber Catos Hochschätzung schriftlicher Überlieferung verteidigt (Scarrow (2002), 324–325). 45 Es ist bemerkenswert, mit welchem Scharfsinn die junge Boudica die imperialistische Propaganda Roms entlarvt und konsequent die unabweislichen Folgen kultureller und religiöser Differenzen betont, so dass die Leserschaft eingeladen wird, darin den intellektuell-charakterlichen und individualisierten ‚Wurzelgrund‘ der späteren Rebellion von 60/61 zu sehen; vgl. bes. Scarrow (2002), 330: „[Boudica] ‚If the day ever comes when we are dishonoured in any way, then you Romans will learn just how dreadful our wrath can be.‘“

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In struktureller Perspektive insgesamt bemerkenswert ist, wie Boudica als ernsthafte, selbstbewusste, charismatische, erotische, stolze und vor allem politisch kluge junge Frau sowohl im Dialog als auch in der Wahrnehmung Catos inszeniert wird, wobei das Lesepublikum implizit aufgefordert wird, sein Wissen um die zukünftigen Ereignisse der Rebellion einzubringen, die aus der die Zukunft antizipierenden Perspektive schon der jungen Boudica moralisch wie politisch eingeordnet, eindeutig bewertet und gerechtfertigt wird (Scarrow (2002), 330): „‚If the day ever comes when we are dishonoured in any way, then you Romans will learn just how dreadful our wrath can be.“‘

2.

Simon Young, Farewell Britannia. A Family Saga of Roman Britain (2007) & Pauline Gedge, The Eagle and the Raven (1978/2007)

Beiden Romanen gemeinsam ist, dass die Boudica-Sequenzen jeweils Teile größerer Erzählzusammenhänge sind, im Falle Youngs (2007) einer weit ausgreifenden Familiengeschichte, bei Gedge (1978/2007) die detail- und wendungsreiche ‚Geschichte‘ der römisch-britannischen Beziehungen von der römischen Invasion und Eroberung Britanniens bis zur Niederschlagung des BoudicaAufstands und des Verlusts der Unabhängigkeit und Freiheit Britanniens. Simon Youngs Farewell Britannia. A Family Saga of Roman Britain (2007) ist in der Fiktion eine im Jahr 430 n. Chr. niedergeschriebene Familiengeschichte aus der Perspektive eines alten Mannes Atrebatisch-Römischer Herkunft, der schmerzvoll realisieren muss, dass die Welt seiner Kindheit und Jugend in Trümmern liegt; die einstige römische Provinz Britannien scheint den barbarischen Invasoren vom Festland hilflos ausgeliefert zu sein.46 Der anonyme Chronist fühlt sich aufgerufen, die bewegte, abwechslungsreiche Geschichte seiner Familie aufzuzeichnen, gegen das kulturelle Vergessen anzuschreiben und dabei zugleich unbekannte Tatsachen zu erfahren, Unbekanntes, was zugleich Teil seiner selbst geworden ist (Young (2007), 3): I have nephews who have never seen a newly minted coin or a recently baked pot – the factories and workplaces are deserted and have been for most or all of these young men’s lives. Indeed, they marvel at my descriptions of Roman aqueducts and heated floors, believing that I am speaking of a far-off magical land. It is as if the Empire had 46 Vgl. Young (2007), 2: „Over twenty years have passed since the writ went out that Rome no longer ruled the island and that Britain would have to defend itself from the fast-approaching barbarian storm: a writ causing panic in the streets and alleys of the cities. And, in that time, we have told ourselves over and over again that soon the Emperor will bring order, that Roman officials and soldiers will disembark on Britain’s shores and drive away the Picts, the discontented peasants, the oily Saxons, the tyrant warlords and the Gael pirates. But we have told ourselves lies and peddled delusions.“

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never been and that we Britons are returning to the world of tribes and primitives that was ours before the Romans walked among us. And it was, in fact, as the fire started to tear apart the shroud of my father, revealing for the last time his face, that I decided that it fell on me, before it was too late, to preserve what I could of the history of our family and its noble origins. And, to give myself courage in this task, I remembered the adage that my father had always offered to the young Atrebates before he told his stories. Namely, that the greatest adventurer is not the hero who travels to places beyond the seas or into the forests and mountains of monsters. But rather he is the one who descends into the cellar or opens the chest where his family keeps its heirlooms; for that traveler is doubly-blessed, discovering not only unknown things, but unknown things that are already a part of him.

Ein frühes Kapitel der Familien-Saga rückt Catuarus, den fähigsten seiner Generation und Neffen des romfreundlichen Atrebatenkönigs Togidubnus,47 in den Mittelpunkt, insbesondere die Geschichte seines klugen, umsichtigen und tapferen Verhaltens während seiner diplomatischen Mission am Vorabend der Boudica-Revolte, eine Geschichte, die in der Familie von Generation zu Generation weitererzählt wurde (vgl. Young (2007), 53). Catuarus wird eines Abends zu Togidubnus gebeten, der einen offensichtlich verstörten Gast bewirtet, einen Griechen und Abgesandten Senecas, der bei seiner Rückkehr aus den Fennlanden und der Kolonie unwissentlich Spuren eines uralten druidischen Rituals, das Ritual des dreifachen Todes, entdeckt hat (vgl. Young (2007), 54–56). Von den Stämmen der Fenns überbringt er ein Geschenk für Togidubnus, eingehüllt in ein Säckchen mit rotem Rand. Catuarus öffnet das Säckchen … und entdeckt einen Hasen mit durchschnittener Kehle: „It was not a conventional gift: the hare was the animal that augured war“ (Young (2007), 56). Das Geschenk stamme von der Frau des verstorbenen Herrschers der Fennbritannier,48 erklärt der Gast, der über seinen eigentlichen Auftrag, irgendetwas mit Schulden und Schuldentilgung, Stillschweigen bewahren möchte (vgl. Young (2007), 56). So wenig wie der Grieche die politischen Verhältnisse bei den Fennbritanniern kennt, so wenig versteht er die Botschaft des Geschenks; Togidubnus hingegen versteht sofort. Er schickt Catuarus noch in der Nacht los, in die Kolonie und zu den Icenern, und wie es üblich war gibt der König seinem Neffen ein Gegengeschenk für die Königin der Icener mit (vgl. Young (2007), 56– 47 Vgl. zu Togidubnus Young (2007), bes. 35–52. 48 Vgl. Young (2007), 56: „Catuarus understood that his uncle’s lapse was deliberate. He was testing his visitor’s knowledge. ‚Quite impossible, Majesty. The monarch of the Fen Britons died five months ago – a man called Pran … Prius‘ (‚Prasutagus‘ supplied the two Atrebates). ‚Indeed. The death of this man was one of the reasons that the Lord Seneca sent me to Britain – a question of debts you understand; though I should not talk of that. But, yes, in a manner of speaking, this ghastly thing came from the Briton you mentioned, for it was from his family, from a woman: a sister or a wife I believe. I apologise again. But I thought that it was something precious.‘“

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57). Ohne die spannend erzählten Details der gefahrvollen Reise, die atemverschlagende Schnelligkeit der Eskalation des Krieges, des Grauens, der Vernichtung, Catuarus erreicht die Kolonie erst am Vorabend ihrer – entsprechend der Überlieferung – kurz geschilderten völligen Zerstörung, rekapitulieren zu müssen (vgl. Young (2007), 57–69): Entscheidend ist, dass Catuarus’ Mission damit für ihn lebensgefährlich, zum Himmelfahrtskommando geworden ist: Er befindet sich als Neffe eines romfreundlichen Königs im Lager, in der Gewalt der Aufständischen; einzig das Geschenk kann ihn noch retten: Catuarus took the sack and rolled the object out onto his palms. ‚It is a gift from the Lord Togidubnus, to the Queen of the Fen Britons and the leader of our holy war for freedom. It is a sign of esteem and brotherhood.‘ Faustinus reached and took the severed head by the hair. The expression of the Greek was one of mystification, not outrage, as is often found on those who share that fate: maybe because the operation had been performed quickly in the kitchen, while Catuarus’ horse was being prepared. […] Faustinus allowed a smile. ‚You will not see our Queen. But tell your King it is a good gift. By the morning this man’s head will hang with the heads of those in the Colony who die quickly! The order to storm the last confines is about to be given. After that there will be Londinium and the other cities. For the Romans the sky will fall. Britain will soon be free.‘

Diese Episode aus der Familien-Saga um Catuarus und Togidubnus geht mit dem Motiv des Hasen als Tier der Zukunftsschau auf eine kurze Notiz des Cassius Dio zurück,49 zugleich expliziert dieses Geschenk in der Fiktion interessante – auch wohl in der Historie durchaus vorstellbare – Kommunikationsmöglichkeiten, eine Allianz der britannischen Stämme gegen Rom zu schmieden, wobei die selbst traditionell romfreundlichen Atrebaten sich diesem Aufruf nicht verweigern konnten. Zugleich verweist der Grieche mit seinem insgesamt törichten Verhalten, kaum von irgendwelchen Kenntnissen über die Menschen, mit denen er seine unspezifizierten Finanzangelegenheiten zu regeln versucht hatte, modifiziert, geradezu prototypisch auf auch historisch zentrale Ursachen der Boudica-Revolte: dümmliche Arroganz gegenüber den barbarischen Briten und schamlose finanzielle Gier.50 49 Vgl. Cass. Dio 62,6,1: „Nachdem Buduica so gesprochen hatte, bediente sie sich einer Art Zukunftsdeutung und ließ aus dem Bausch ihres Gewandes einen Hasen entwischen. Der rannte nun auf die Seite, welche sie für günstig hielten, worauf die Masse in ein Freudengeschrei ausbrach.“ Vgl. zu bildlichen Darstellungen dieser Szene in der englischen Historiographie der Renaissance Frénée (2012a) und Frénée-Hutchins (2014), bes. 32–40. 50 Vgl. die Informationen über die Geschehnisse / die ungesetzlichen Übergriffe bei den Icenern, die Catuarus von den Aufständischen Detail für Detail erfährt (Young (2007), 64: „Then, when there was the problem of repaying Lord Seneca, the soldiers had been sent out. Among the Iceni, the Royal Clan had been humiliated: men roughed up, two of the princesses raped and one of the king’s wives had been given the strap by a centurion – they had publicly whipped her. Catuarus shook his head at the stupidity of it. First the news that Rome was considering

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Die Schilderung des Boudica-Aufstands nimmt in Pauline Gedges anerkanntem Klassiker51 des historischen Romans The Eagle and the Raven (1978) vergleichsweise wenig Raum ein, gut 90 von insgesamt rund 700 Seiten, auf denen die Geschichte der römischen Eroberung und ersten Jahrzehnte der Besetzung Britanniens, von 32 bis 61 n. Chr., erzählt wird. Boudicca ist eine Freiheit und Unabhängigkeit liebende, selbst- und ehrbewusste, politisch kluge Frau und eine erfahrene Kriegerin,52 die zwar ihre Schwierigkeiten mit der strikten Friedenspolitik ihres Mannes Prasutugas hat, diese aber als seine liebende Ehefrau mitzutragen verpflichtet ist (vgl. Gedge (1978/2007), 590–591), obwohl sie in ihrem feurigen Temperament eher die Widerstandskämpfer im Westen der Insel unterstützen möchte. Die politische Klugheit und besondere Antizipationsfähigkeit Boudiccas zeigt sich u. a. bei einem Gastbesuch in der römischen Kolonie im Herbst 59 n. Chr.: Erzählungen des Statthalters, General C. Paulinus Suetonius, über seine Strategie im Kampf gegen die Nomadenstämme Mauretaniens, Zerschlagung der Nachschubwege und Zerstörung der Nahrungsquellen, verknüpft sie sofort mit der gegenwärtigen Situation in Britannien und schließt daraus auf das Ziel der Feldzüge des nächsten Jahres, die Druideninsel Mona mit ihren abandoning its newest province and now these absurd scenes. What would his uncle say when he learnt?“ Vgl. ebenfalls Young (2007), 68–69. Vgl. insgesamt auch Tac. Ann. XIV,31,1–3; Cass. Dio 62,2,1–2. 51 Vgl. die literarhistorische Würdigung durch Donna Gillespie, in: Gedge (1978/2007), ix–x: „In 1978, when The Eagle and the Raven was first published, historical novels set in Roman times were not so common as they are today; even more uncommon was the Roman novel that revealed empire building from the perspective of the conquered tribes who left no record. In this pioneering book, Albion’s struggle is told through the story of Caradoc, the war leader who for a decade managed a brilliant guerilla campaign against the new overlords – and then ultimately through the better-known Boudicca, the warrior queen who leads the resistance into its titanic final act. In the novel, these two embody the passion for freedom. Their homegrown antagonist, personifying those who believed the imperial occupation would bring a better way of life, is realized in the character of Aricia (history’s Queen Cartimandua) who sets in motion a ruthless plot to make certain her own vision for the island is carried out. Of these three figures the ancient historians give us maddeningly little – Boudicca is of ‚terrifying‘ appearance; we are told that ‚a great mass of tawniest hair fell to her hips.‘ Of Caratacus and Cartimandua we are given even less. From tantalizing scraps Gedge evokes living individuals; she shows us the darker working of their minds, probes their psyches with a thoroughness that brings out their common humanity. She illustrates well how ambiguous the day’s choices would have appeared to a first-century Briton. […] Despite her tale’s solid grounding in history, Gedge never forgets that a novel is foremost a work of art. With her lyrical descriptions of place, she splashes colors onto the page that rouse the senses, bring the moist forest close, allow us to feel the lonely spaces between settlements, in the characters’ hearts. […] In tales spun from history’scattered remains, a novelist must know what to select if she’s to craft a story that feels like a living whole. The Eagle and the Raven ends where it begins – in the soul of Caradoc, who birthed the resistance.“ 52 Bemerkenswerterweise begegnen solche oder analoge Charakterisierungen Boudiccas in einer Vielzahl von Romanen, die die überaus spärlichen Informationen der antiken Historiographie zu wirkmächtigen aber weitgehend fiktionalen Stereotypen verdichten.

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fruchtbaren Äckern, die Nahrungsbasis für die Widerstand leistenden Stämme des Westens (vgl. Gedge (1978/2007), 592–596). Der eigentliche Aufstand Boudiccas wird von einer auktorialen Erzählinstanz abwechslungs- und detailreich erzählt (vgl. Gedge (1978/2007), 601–692), mit klaren individuellen Schwerpunktsetzungen, die etwa die brutalen Übergriffe der Mordbrenner des Finanzprokurators auf Boudicca und ihre Töchter weitgehend aus ihrer Wahrnehmung heraus schildern, oder der erste kriegerische Akt der Aufständischen, die Vernichtung der kleinen römischen Garnison bei den Icenern. Boudicca ist das Herz, das Zentrum des Aufstands, sie plant umsichtig und vorausschauend; das ihr widerfahrene Unrecht, die Schmach und Schmerzen, die sie erleiden musste, sind Fanal für den Aufstand, der schnell nahezu alle Stämme des Südens zu einer starken Allianz zusammenführt (Gedge (1978/2007), 658):53 She [sc. Boudicca] rose, held up her arms, and the talking died away. She stepped forward, unbuckled her sword and handed it to Aillil, then she shook back her fiery and flame-haloed hair and began to speak. ‚Chiefs and people of the tuaths! You see before you a woman who has lived all her life in obedience to Rome, in cooperation with Rome, a woman who believed and trusted in the justice of the emperor of Rome to bring peace and prosperity to her people. Yet you also see before you a woman who has been grievously and cruelly wronged. In exchange for my full trust and cooperation, people of Albion, my tuath was robbed, my people dragged into slavery, my daughters outraged, and my own body tied to a stake and whipped without mercy. Do my words fall on ears already ringing with the same sad tales? Is it not true that each one of you carries a similar burden of pain? You are here because you are afraid. […] ‚What has happened to the Iceni,‘ she shouted, ‚can happen to you in spite of your craven submissions, it can come with no warning. The Iceni have learned a bitter lesson. Rome is faithless, greedy, and lying!‘ She dropped her arms and lowered her voice. ‚So I will tell you what I will do. I will avenge this terrible wrong. On behalf of my poor, despoiled children I will burn Camulodunum, I will burn Londinium, burn, burn them all, and then I will turn to meet Paulinus as he marches home, I will burn him too. I speak as a woman and a mother. If you wish to come with me and avenge your own wrongs, then let us march and fight together. Is there any tribe that will not come?‘ No one stirred. No one spoke. Her words were true, and every silent chief was pondering them with a frightened loneliness. If this could happen to the Iceni it could happen to all of them.

Die weiteren Ereignisse der Revolte werden wie von der historischen Überlieferung vorgegeben erzählt, mit Abwechslung schaffenden Schauplatz- und Perspektivenwechseln und auch mit plausiblen Ergänzungen unseres historischen Wissens; so kann es z. B. durchaus sein, dass sich General Paulinus, als er unmittelbar nach seinem Sieg über Mona die ersten Nachrichten über den Icener53 In bewusster Analogie zur klassischen Historiographie, die die jeweiligen politischen Positionen in fiktiven rhetorisch überzeugenden Reden prägnant zusammenfasste (vgl. oben, Anm. 14), präsentiert die auktoriale Erzählinstanz die brillante Selbstinszenierung Boudiccas mit einer rhetorisch glänzenden fiktiven Rede und klug eingesetzten, großen Gesten.

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Aufstand erhielt, wie in der Fiktion geärgert hat, dass er frühere Nachrichten über das Treiben des Finanzprokurators und erste Unruhen bei den Icenern nicht ernst genommen hatte (vgl. Gedge (1978/2007), 668–670). Ebenso plausible Ergänzungen der nüchternen Berichte der antiken Quellen akzentuieren immer wieder die vorausschauende politische Klugheit Boudiccas, die sich jedoch zum Nachteil der Britannier nicht immer durchsetzt. So scheitert ihr Versuch, nach der Vernichtung Londons ohne Zeitverzug die Truppen des Paulinus zu stellen (vgl. Gedge (1978/2007), 679–681); die Beutegier der Aufständischen lässt eine geregelte Verfolgung erst nach der Plünderung und Zerstörung Verulamiums zu; und selbst in der Entscheidungsschlacht werden ihre Befehle missachtet, die von den Hilfstruppen und der Reiterei gebildeten Flügel der römischen Stellung anzugreifen, um so das Zentrum einschließen zu können (vgl. Gedge (1978/ 2007), 686–689). In konsequenter Fortsetzung der Präsentation Boudiccas als persönlich tapfere, politisch nüchtern urteilende Königin, die in dieser Welt zwischen keltisch-druidischer Tradition und römischer Machtpolitik mit ihrem nationalen Freiheitskampf gescheitert ist, zelebriert sie selbst – entgegen der historiographischen Überlieferung – ihren Freitod als einen in der historischen Tradition primär männlich konnotierten Selbstmord durch das Schwert (Gedge (1978/2007), 691–692): Bending, she [sc. Boudicca] dug in the rich damp loam; then she tossed the knife away, swept up her sword, and rammed it hilt down in the hole she had made. She secured it with small stones, her hands fumbling, her eyes blinded by tears. ‚Where are you going, Boudicca?‘, the voice of Subidasto the Raven croaked in her ear. She straightened, ‚I do not know,‘ she whispered aloud, ‚I do not know.‘ Like a withering leaf lifted from the branch of a dying tree and whirled onto the surface of a river, she spread out her arms, and fell.

Das letzte Wort des Romans gehört Caradoc, dem langjährigen Führer und Herrscher Britanniens, der nach zehnjährigem Kampf um die Unabhängigkeit Britanniens, in Rom ein respektables Exil gefunden hat. Die Nachrichten aus Britannien deprimieren ihn und seine Familie, verbinden ihn in seinen schmerzvollen Erinnerungen mit Boudicca (Gedge (1978/2007), 694): „‚All we wanted was to be left alone,‘ he said quietly. ‚Such a little word, freedom, such a small request, and yet the asking of it has consumed the soul of a people.‘ […] Far away, in the swirling autumn mists of Albion, the light of freedom flickered and went out.“ Diese den Roman endgültig beschließende Bemerkung der auktorialen Erzählinstanz ordnet das gesamte Geschehen nochmals ein und formuliert eine unmissverständliche politisch-moralische Wertung: Mit der Niederlage und dem Tod Boudiccas ist das Licht der Freiheit für Britannien erloschen.

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David Wishart, The Horse Coin (1999) & Mike Ripley, Boudica and the Lost Roman (2005)

David Wishart ist primär als Verfasser einer von der Kritik zu recht gerühmten bisher 20-bändigen Serie von historischen Kriminalromanen um den hard-boiled Ermittler Marcus Corvinus bekannt. Diese Serie spielt in den ersten Jahrzehnten der römischen Kaiserzeit; mit seinem historischen Roman The Horse Coin (1999) führt Wishart die Leser/innen nach Camoludunum, die römische Kolonie, wo Mitte Dezember 59 n. Chr. der Geburtstag Neros mit einer Demonstration reiterlichen Könnens gefeiert wird. Gerüchte machen die Runde, ein Druide soll in der Nähe gesehen worden sein (vgl. Wishart (1999), 18–20). Zum Entsetzen des in der Kolonie aufgewachsenen Protagonisten und Führers einer römischen Kavallerieeinheit Marcus Julius Severinus und seines Vaters Julius Aper, eines erfahrenen ehemaligen Kavallerie-Offiziers, beabsichtigt General Paullinus, römische Truppen auch in den Dörfern der Trinovanten nach dem Druiden suchen zu lassen. Speziell Julius Aper macht sich keine Illusionen, wie gefährlich eine solche Aktion angesichts des ohnehin mehr als angespannten Verhältnisses zwischen Trinovanten und der Kolonie sein kann (Wishart (1999), 17–18): We’ve taken a sizeable chunk of their best land to set up our Colony, we tax them to pay for the building and when they can’t pay the taxes we force them to accept loans from us at a rate of interest that’s little short of crippling. Now the emperor’s strapped for cash these loans are being called in. When the poor beggars default, which they invariably do, we take more land in forfeit and feelings run even higher. Now can’t you see that a policy like that’s idiotic?

So illusionslos wie Aper die römische Politik gegenüber den Trinovanten analysiert, so ernsthaft sind seine Bemühungen um die Akzeptanz kultureller Differenz, was ihm zwar den Respekt des Stammesfürsten der Trinovanten, Brocomaglos, sichert (vgl. Wishart (1999), 21–28), die überaus brisante Situation jedoch nicht entschärfen kann. Und auch die Bemühungen des Brocomaglos, zunächst den labilen „Frieden“ zu wahren, indem er dem Druiden keine Unterstützung zuteilwerden lässt, sind letztlich vergeblich, mehr noch, sie verdeutlichen, wie tief die Gräben zwischen Trinovanten, römischen Kolonisten, romanisierten Kelten und Romfeinden sind,54 Differenzen, die bis in die einzelne Familie hinein ihre fatalen Konsequenzen zeitigen (vgl. Wishart (1999), 21–60). 54 Vgl. die historische Analyse in der „Author’s note“ (Wishart (1999), 289): „Later writers, including Tacitus himself, use the name Camulodunum to include both Roman colony and British settlement; understandably so, since following the revolt the latter – as such – ceased to exist as a separate entitiy. Contemporary Colonists and natives, however, would have made a clear distinction. Camulodunum /(‚the Fort of the War-god Camulos‘) was the original tribal capital, occupying an area of some ten square miles bounded for the most part by the Colne and Roman River valleys; […]. In contrast, the Colony […] was purely Roman. It

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Ein Schauplatzwechsel, der die Gleichzeitigkeit des Geschehens akzentuiert, zum Stamm der Icener, wo Königin Boudica nach dem Tod ihres Mannes durchaus Verständigungswillen zeigt (vgl. Wishart (1999), 91–92; 110–114),55 dokumentiert, dass eine „Politik“ des Ausgleichs ganz konkret an römischer Geldgier, Arroganz und politischer Dummheit scheitert,56 mit den hinlänglich bekannten Folgen, Mord, Raub, öffentliches Auspeitschen der Königin und Vergewaltigung ihrer Töchter, blutige Rebellion (vgl. Wishart (1999), 109–115; 125–172).57 Der gesamte Roman The Horse Coin fokussiert aus immer wieder unterschiedlichen Perspektiven, indem er die Schilderung einer auktorialen Erzählinstanz um Darstellungen aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Fokalisationsinstanzen, des Druiden, des Tigirseno, Sohn des Brocomaglos, Senovaras, der ältesten Tochter des Brocomaglos, und immer wieder des Reiterführers Marcus Julius Severinus ergänzt, das Ringen um die beiderseitige Akzeptanz von kultureller Differenz und politischem Interessenausgleich. So beklemmend und beeindruckend, grausig und brutal einzelne Szenen auch sind, etwa die völlige Zerstörung der Kolonie aus der Perspektive der hilflosen, zumeist zivilen Opfer (vgl. Wishart (1999), 215–246) oder der blutige Vernichtungskrieg des Paullinus gegen die Aufständischen und deren Frauen, Kinder und Vieh; der Roman originated with the decommissioning of the post-Conquest legionary fortress to the south of the Colne and its adaptation to civilian use. In common with other coloniae throughout the empire, it was not strictly a town per se but a military settlement of time-served veterans placed in occupied territory. As part of their discharge settlement, the ex-soldiers would receive tracts of land outwith the colony itself, and these would naturally be requisitioned from the tribe in whose territory the colony was sited: in this case, the Trinovantes. Hence, partly, the friction.“ 55 Vgl. die erneut nüchtern-kluge politische Analyse Apers, der auf die Frage seines Sohnes, ob er glaube dass die Icener Widerstand leisten würden, repliziert (Wishart (1999), 92): „Who knows? It’s in the gods’ hands. Paullinus could be right. When the campaign gets under way he’s leaving the Ninth intact, and an Eagle on your doorstep’s a big disincentive to trouble. By all accounts Boudica’s no fool, and she’d think twice before breaking the peace.“ Im römischen Hauptquartier in Braniacum hingegen wird Boudica als signifikant gefährlicher eingeschätzt, wie der Reiterführer Publius Clemens unmissverständlich Severinus entgegenhält (Wishart (1999), 104): „‚Forget the helpless widow, that one’s twice as sharp as her husband ever was, three times as tough and ten times the better ruler. In that sense Catus is right. We’d be safer without her.‘“ 56 Vgl. die politisch klarsichtige und vorausschauende Analyse von Aper im privaten Gespräch mit Marcus (Wishart (1999), 73): „‚For the procurator and the merchants Prasutagus’s death is godsend. The Iceni have governed themselves up to now, and they’ve taken just as much from us as they want and no more. The will changes that. With the emperor as co-ruler the kingdom’s wide open for the first time since the Conquest. And if I’m any judge of character Catus intends to make the most of it.‘“ Vgl. ebenfalls Wishart (1999), 91–92. 57 Vgl. die knappe politische ‚Würdigung‘ aus der Reflexionsperspektive des Druiden Dumnocoveros (Wishart (1999), 141): „It would seem that the gods did not need a Druid’s help to rouse the tribes. They had arranged for the Wolves to do it themselves.“

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nimmt – in beklemmend grausiger illustrierender Ergänzung der historiographischen Überlieferung – die Leiden der Opfer beider Seiten ernst und vermittelt in seiner Multiperspektivität keine einfache oder einseitige Sicht auf das brutale Geschehen. Und der Roman, nach den schonungslosen Schilderungen des Wütens und Leidens‛ schließt mit einem Ausblick auf Hoffnung; Julius Alpinus Classicianus, der neue Finanzprokurator Britanniens, hofft nach der Ablösung des Statthalters Paullinus auf eine intelligentere Politik Roms (Wishart (1999), 283–284): ‚We’re not all fools by any means. This revolt has come very close to losing Rome a province. We have just witnessed seventeen years of work undone in two short months followed by a further five months of calculated, systematic barbarity which will ensure that we are hated for at least another generation. […] Paullinus has been recalled. The new governor will arrive, all being well, early in the new year. Who he will be I’m not sure as yet, but he will not have his predecessor’s taste for blood. There has been enough of that spilled these last few months, Severinus. […] Britain is unique. We stand at the beginning here. If I can build a working relationship now with the tribes then the province will become a worthy part of the empire. That will take time, patience and – I repeat the word – sympathy, and I cannot do it without help. Intelligent help. There are enough Catuses and Paullinuses ready and waiting to use their methods even in this comparatively enlightened age, and the emperor, as you know, judges by results.

Der politischen Hoffnung für die Provinz Britannien korrespondiert die private Zuversicht des Marcus Julius Severinus, der Classicianus nach Kräften zu unterstützen zusagt und der sich zugleich, nach all dem sinnlos vergossenen Blut, mit Senovora, der ältesten Tochter des Brocomaglos, in auf Respekt und Vertrauen gegründeter Liebe und Ehe verbindet,58 Symbol der Hoffnung auf eine neue Zeit, wie abschließend Senovaras Reflexionsmonolog expliziert (Wishart (1999), 288): After they had eaten Senovara sat watching the Samhain lamps, her hands folded across her stomach. The flames burned straight and bright, and the shadows around her were at rest. She, too, felt contented: both his dead and hers, Roman and British, had had their cakes and their wine, and tomorrow they would be gone beyond the River to wherever ghosts went, leaving the future for the living to take care of as best they could, as they had always done. That was the purpose of ghosts, whatever language they spoke and whatever they had believed in life; not to act, but to remind the point the way forward, however difficult it was and whatever changes it involved. The future might not be easy, she knew, but then it never had been. 58 Eine durchaus ähnliche, alle kulturellen Differenzen überwindende tiefe (unmögliche) Liebe verbindet in den Romanen von Minette Meador (2008a, 2008b) den ehemaligen PrätorianerZenturio Marius und die keltische Prinzessin Delia, die sich in den chaotischen Wirren der Boudica-Rebellion und der brutalen römischen Rachefeldzüge des General C. Suetonius Paulinus bewährt.

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Die Geschichte Boudicas und der blutigen Icener-Rebellion verdeutlicht in Wisharts Präsentation, die über weite Strecken die kargen Informationen der historischen Überlieferung zu eindringlichen, durchaus plausiblen Schilderungen der Gräueltaten auf und von beiden Seiten ergänzt, zugleich wie nach der Niederschlagung der Rebellion die bereits seit Jahrzehnten begonnenen Prozesse einer von gegenseitigem Respekt geprägten kulturellen Annäherung zwischen Römern und Britanniern neue Hoffnungen konstituieren. Die Geschichte Boudicas und ihres Aufstands wird in Mike Ripleys Boudica and the Lost Roman (2005) alternierend von zwei Augenzeugen der wichtigsten Ereignisse erzählt, von einem romanisierten griechischen Händler namens Olussa, der von Agenten des römischen Finanzprokurators gezwungen wird, für Rom im Feindesland zu spionieren (vgl. Ripley (2005), 1–13; 16–28; 34–47), und von Roscius, einem zynischen, ehemaligen Zenturio der legio XX. Valeria Victrix, Vertrauter und Stabsoffizier des Generals Paulinus, der etwa 30 Jahre nach den Ereignissen seine Sicht der Geschichte dem Geschichtsschreiber Tacitus berichtet (vgl. Ripley (2005), 13–16; 28–34; 52–54). Über weite Strecken eröffnen die Erzählsequenzen des Olussa den Blick auf die schicksalhaften Ereignisse aus der Perspektive eines unfreiwilligen Zeit- und Augenzeugen, aus der Perspektive eines ängstlichen, erlebenden Ichs, das gezwungen wird, die Geschichte aus der Perspektive Boudicas aufzuschreiben: „‚I cannot read or write, but I am Boudica, Queen of the Iceni‘. That’s what the bitch told me to write when she had my balls in one hand and a dagger in the other. So I wrote. And wrote and wrote. I scribbled for my life‘“ (Ripley (2005), Titelverso).59 Diese fiktive Schlüsselszene (vgl. auch Ripley (2005), 177) etabliert im Romankontext Olussa als Historiographen Boudicas, referiert zugleich jedoch auch auf die stereotypen Kastrationsphantasien männlicher Erzählinstanzen angesichts machtvoller, gewaltbereiter Frauen. Olussas Erzählsequenzen jedenfalls vermitteln eindringlich und schonungslos das tief empfundene Grauen, die kaum vorstellbare Brutalität des unmittelbar erlebten Geschehens, von den Übergriffen des Finanzprokurators und seiner Mordbrenner auf Boudica, die Ermordung ihrer Leibgarde, ihre Auspeitschung, die Vergewaltigung ihrer Töchter, den eigentlichen Aufstand, die Vernichtung Camulodunums, Londiniums und Verulamiums, die vernichtende 59 In seinem weitgehend der Chronologie folgenden Bericht kommt Olussa auf diese fiktive Schlüsselszene, die seine ‚Beziehung‘ zu Boudica für die Zukunft definieren sollte, zurück (Ripley (2005), 177): „This produced a cheer all round, but Boudica did not pause in her purposeful stride until she was face-to-face in front of me, so close I could smell the pine sap on her. And then I knew that I should be very afraid, for in one hand she held a dagger which had appeared as if from the night air. Her other hand lunged forward and grabbed my private parts through my newly darned trousers. Needless to say, this brought another cheer from her chiefs. ‚I cannot read or write‘ she announced, ‚but I am Boudica, Queen of the Iceni and from today I shall decide what is to be written. You, merchant, trader, spy, whatever you are, you will write for me.‘ I nodded enthusiastically as the pressure of her grip forced me on my toes.“

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Niederlage der Aufständischen bis hin zum Selbstmord Boudicas (vgl. Ripley (2005), 96–256). Mehrere in die alternierenden Erzählungen eingeschalteten geheimen Depeschen eines Agenten des Prokurators, Valerius Lupus, ergänzen und intensivieren die Erzählsequenzen des Olussa, indem sie zunehmend die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit eines in Camoludunum bedrohten und dem Feind wehrlos ausgelieferten Römers schildern (vgl. Ripley (2005), 48–52; 75–77; 98–100; 113; 117–118; 141–142; 168–169; 210). Im historischen Rückblick, nach 30 Jahren, ohne jedoch erzählerisch die Perspektive des erlebenden Ichs völlig zu marginalisieren, erzählt und wertet der ehemalige Zenturio Roscius die Geschichte des blutigen Aufstands und seiner nicht minder brutalen Niederschlagung; zu Ereignissen, die er nicht als Augenzeuge miterlebt hat, verfügt er als Stabsoffizier des Generals über hervorragende Detailkenntnisse. Einige seiner Wertungen sind angesichts seiner zynischen Arroganz, des Bewusstseins der eigenen kulturellen Überlegenheit höchst bemerkenswert. Zunächst einmal erkennt selbst er an, dass die ungerechtfertigten, brutalen Übergriffe des Prokurators ein mehr als berechtigter Grund für die Empörung der Icener waren (Ripley (2005), 121): After all, the Iceni were supposed to be disarmed and they had no king to rally round. The widow Boudica was no natural leader and certainly no general – didn’t know the first thing about organizing an army and had never seen a battle, let alone been in one. There was no reason for her to be made their War Queen, she would probably have been happy wearing widow’s weeds and ashes or whatever it is they do, for the rest of her life. After all, she wasn’t even mentioned in the king’s will. Nobody expected her to step up like that and take command – there was no reason for her to. Not until the Procurator gave her a reason to get mad – and the rest of the tribe with her. A damned good reason, come to think of it.

Als einzigen wirklichen militärischen Erfolg der Aufständischen wertet er die Vernichtung der rund 3.000 Legionäre der IX. Legion,60 womit zugleich Boudicas Schicksal besiegelt gewesen wäre (Ripley (2005), 187): But after that victory, her fate was sealed. Whatever the political situation, and we heard all the rumours about how much it cost to keep four legions in Britannia […]. We couldn’t allow a Roman army to be defeated by a woman, could we?

Plünderung, Zerstörung und Vernichtung Londiniums und Verulamiums wären von General Paulinus bewusst in Kauf genommen worden, den Zug der Aufständischen zu verlangsamen und damit Zeit für die logistische und taktische Vorbereitung der Entscheidungsschlacht zu gewinnen (vgl. Ripley (2005), 199; 207). Als Augenzeuge, als zum Teil maßgeblich an den Ereignissen Beteiligter erzählt Roscius seine Geschichte und diese Geschichte ergänzt immer wieder die 60 Vgl. Ripley (2005), 143 und bes. 186–187.

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durch die historiographische Überlieferung vermittelte Rahmenerzählung um interessante Details aus dem Alltagsleben oder um kluge, zynische politische Wertungen, und orientiert sich weitgehend an dieser Überlieferung, mit zwei bedeutsamen Ausnahmen. Zunächst enthüllt er Tacitus, dass er noch vor der Entscheidungsschlacht einen geheimen Auftrag für General Paulinus ausgeführt hat (Ripley (2005), 212): „The General’s next lot of orders were for me, and me alone, which is why you won’t find them mentioned in the official reports“. Dieser Auftrag, der so explizit nicht in den Quellen (des Tacitus und auch unseren) verifizierbar ist, war ein Mordbefehl, eine Exekution, zugleich aber auch ein Akt historischer und poetischer Gerechtigkeit, eine Tat, die für eine offene Frage der Geschichtswissenschaft eine interessante fiktionale Lösung bietet: die Beseitigung des nach Gallien geflohenen Finanzprokurators, Decianus Catus (Ripley (2005), 223): ‚The Governor expects me to kill myself ?‘ he (sc. Decianus Catus) asked me, as if it was negotiable. ‚Your rapacity has goaded the province into war. Britannia is a disaster area thanks to you,‘ I told him. ‚For that, the Governor expects your life. He does not necessarily expect you to take it yourself.‘ […] I gutted him where he stood before he had drawn his sword an inch and I managed to wipe my blade clean of blood on his toga and put it back in its scabbard before his body fell backwards and hit the floor. He was not quite dead; blood bubbled from his mouth for another fifteen minutes or so; long enough for Sextilius and I to eat the bowl of chestnuts and some pickled dates we found on the table.

Die zweite Ausnahme, ein weiteres vom Autor erfundenes fiktionales Detail in der Erzählung des Roscius, ist die Entdeckung eines Gefangenen der Icener bei der Suche nach dem Leichnam der Boudica, eines Gefangenen, dem die Zunge herausgeschnitten und die Hände abgehackt wurden (vgl. Ripley (2005), 257– 261). In seinem Gepäck wurden vollgekritzelte Baumrindenstücke, Pergamente, Papyri und Wachstafeln gefunden, offensichtlich die Notizen des Olussa. Seine (d. h. Olussas) Verstümmelung – so die Logik der Fiktion – sollte somit die Erzählung des Boudica-Aufstands aus ihrer Perspektive vor einer nachträglichen Bearbeitung, einem nachzeitigen Umschreiben oder Kommentieren schützen, ihr die unmittelbare Authentizität des Augenzeugen-Erlebnisses sichern, wie sie es selbst nach der verlorenen Entscheidungsschlacht festgelegt hatte (Ripley (2005), 251–252): ‚Have not the Iceni made the Romans tremble?‘ ‚At a price,‘ I said, looking around me, ‚at a terrible price.‘ ‚Which is why your history is important, my Lost Roman. We will have no story-tellers left. Yours will be the only story of the Iceni. You have it safe?‘ I showed Boudica the inside of my battered carriage and the piles of wax tablets, papyri and sheets of writing bark, things which she valued highly but understood not at all. She ran her fingers over a hinged double wax tablet as if it was the most precious jewel she had ever seen. ‚They will see this and know our story?‘ she whispered. ‚Anyone who can

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read will know the story of the Iceni and of their Queen Boudica and her fight against Roman tyranny.‘ Her eyes turned on me and they were like knives, and there was iron in her voice: ‚Her fight to regain her honour,‘ she corrected me. ‚Of course, my Queen, of course,‘ I said quickly. All I have seen; all I have suffered; all I have sacrificed for them; and no matter how long I live, I will never understand these bloody savages.

Zugleich verweist die grausige Verstümmelung Olussas, die auf präzise Befehle Boudicas zurückgeht (vgl. Ripley (2005), 254; 256: „‚You will finish the story and then my Lord Tarax will take care of you,‘ she said to me and those were the last words she spoke in her life“) nochmals auf die entmenschlichte Brutalität der geschilderten Ereignisse; und das bewusste Verbrennen der Notizen des Olussa in der Fiktion (vgl. Ripley (2005), 260) erklärt, warum die Geschichte Boudicas und ihres Aufstandes nur aus der Perspektive ihrer siegreichen Feinde erzählt wird (Ripley (2005), 261): „Well it was all a long time ago and it does not really matter now, does it? Boudica would have been forgotten already if fellows like you had not come round asking questions.“ Beide Romane (Wishart (1999); Ripley (2005)) verdeutlichen im Rückblick, in welchem Maße die Selektion historischer und fiktionaler Elemente, die bewusst gewählten Erzählperspektiven und Fokalisationsinstanzen, die explizit akzentuierten fiktiven Modulierungen der Überlieferung die Rezeption Boudicas und der Icener-Rebellion des Lesepublikums beeinflussen und prägen.

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Patrick Man, The Great Rebellion of Queen Boudicca (2009) & Ruth Downie; Stephanie Dray; E. Knight; Kate Quinn; Vicky Alvear Shecter; S. J. A. Turney; Russell Whitfield, A Year of Ravens. A Novel of Boudica’s Rebellion (2015)

Diese beiden Romane verbindet, dass sie in struktureller Perspektive konsequent fortsetzen bzw. nochmals intensivieren, was die Romane von Wishart (1999) und Ripley (2005) bereits gezeigt haben: Boudica und den Aufstand der Icener aus einer Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven zu präsentieren. Patrick Man, ein ehemaliger General Major und anerkannter Privatgelehrter der Geschichtswissenschaft (vgl. Man (2009), 217), lässt insgesamt sieben unterschiedliche Erzähler und eine Erzählerin, die ihre individuellen Rollen in der Boudica-Rebellion gespielt haben, ihre je eigene Geschichte erzählen. Den acht voneinander unabhängigen Erzählungen vorgeschaltet ist eine kurze Introduction (Man (2009), xi–xii): The aim of this introductory chapter is to sketch the history of the rebellion and so lay the solid foundation upon which are based the stories that follow. These portray events as seen through the eyes of eight very different individuals – seven men and one woman – who played their separate parts in the Great Rebellion. Four are Britons and the other

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four are either Romans or in the service of Rome; in this way I have made at least some attempt to present a balanced picture. […] At the end of each story there are some notes. These are intended either to explain a term or phrase used by the narrator, or to emphasise some historical connection which could be of interest to the reader.

Alle individuellen (und damit subjektiven) Erzählungen der sieben Erzähler vereint, dass nicht eine aus der unmittelbaren politischen Umgebung Boudicas, etwa ihrem Beraterstab oder dem Kreis der Stammesführer ihrer Kriegsallianz stammt, d. h., die persönliche Perspektive der Königin, ihre Empfindungen, ihre Motive für ihre Befehle, ihre Aktionen können bestenfalls aus einer Außenperspektive erschlossen werden. Der erste Erzähler ist ein sich Gweir nennender Britannier aus einer ehemaligen Königsfamilie der Trinovanten, der ungeachtet seines verkrüppelten rechten Arms ein gefürchteter Schwertkämpfer ist (vgl. Man (2009), 21–47, bes. 24–25). Nachdem er dem brutalen Überfall auf seinen Familiensitz, den ein Zenturio organisiert hatte, um sich die Ländereien der Familie anzueignen, so gerade lebend entkommen ist, gelingt es Gweir im Auftrag eines Iceners als Spion die Aufmarschpläne des General Paulinus für das nächste Jahr in Erfahrung zu bringen und damit für die geplante Revolte wichtige Informationen zu beschaffen (vgl. Man (2009), 37–38; 44–46). Als Belohnung erwartet ihn das Wohlwollen Königin Boudiccas (vgl. Man (2009), 46), zugleich ist es für Gweir Vollzug der Rache für das brutale Unrecht, das seiner Familie durch einen Zenturio und seine Legionäre gegen alle Gesetze zugefügt worden ist.61 Die Rebellion Boudiccas mit ihren Detailplänen (vgl. Man (2009), 37) wird damit in der Fiktion zu einem vom Council der Königin durch umfassende Aufklärungsarbeiten klug vorbereiteten Coup, was freilich in den Notizen der Historiographie keine Stütze findet. Ganz auf dem Boden des Wissens der Historiographie steht die nächste Geschichte (vgl. Man (2009), 48–65), die des Myron, eines griechischen Freigelassenen aus dem Stab des Finanzprokurators Catus Decianus, der als Augenzeuge der grausig-brutalen Übergriffe im Palast der Icener-Königin sich sowohl der politischen Bedeutung dieses römischen ‚Eingreifens‘ (vielfacher Mord, Vergewaltigungen, Auspeitschen Boudiccas,62 Raub) als auch seiner persönlichen Schuld bewusst ist (Man (2009), 63): 61 Vgl. den eindringlichen Appell des Iceners (Man (2009), 29): „‚You have a clear duty to avenge your father and this you may achieve alone, in your own time and in such manner as you choose. Should you work for me, and should we succeed, as under the gods we surely shall, you will be avenged most fittingly: for the blood not of one centurion but of thousands of his like will mingle with, and avenge, that of your father.‘ In truth I had no choice, and this he knew; I saw it in his cold unblinking stare.“ 62 Vgl. bes. Man (2009), 59: „Two troopers seized the queen. She did not struggle; perhaps she felt it beneath her dignity to do so. They led her to one of the timber uprights nearest the stage, and tied her wrists and ankles to it, passing the rope round her waist and securing the end of the timber, so that she could not move her body. A third trooper slid his dagger down her back cutting her garments free, and so stripping her to the waist. Then in turn they flogged her with

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So started the Great Rebellion, for within a few short weeks the Colonia at Camulodunum had been utterly destroyed, and ten thousand Romans and their lackeys butchered. Much of the blame lies upon the head of the Procurator, and a lesser burden upon that of Clodius – his slave. I am not without guilt for, in fear, I said and did nothing to dissuade them from their plans or thwart their purpose. Of all our delegation I believe that only I, and Catus Decianus, still live, and he an exiled, broken man bereft of all honour and estate. When news of disaster reached Suetonius Paulinus, who was campaigning in the west, he rode to Londinium but could not hold the town against Boudicca and her angry rebels. When he left, he took with him such of the citizens as were able-bodied and willing to ride; I was among them.

Wie die Erzählung Myrons die historiographische Überlieferung mit grausigrealistischen Details weiter illustriert, so beklemmend realistisch wirken die Beschreibungen und Analysen der kriegerischen Auseinandersetzungen und Gräueltaten in den nächsten beiden Geschichten, zunächst in der des Sergius, des Anführers eines Contuberniums der legio XX Valeria in der ersten Welle des Angriffs auf die Druideninsel Mona (vgl. Man (2009), 66–86), und dann in der des Caradoc, eines Pferdehändlers vom Stamm der Coritani, der ungeachtet seiner zufälligen Anwesenheit in Camulodunum sich der Armee der Rebellen anschließt und als ausgezeichneter Bogenschütze entscheidenden Anteil daran hat, durch Brandpfeile das Tempeldach in Brand zu setzen und damit das Schicksal der in den Tempel geflüchteten Kolonisten zu besiegeln (vgl. Man (2009), 87– 104).63 Die Erzählung von Corvio (vgl. Man (2009), 105–141), einem der Leibwächter und Liebhaber Cartimanduas, der über die blutigen Auseinandersetzungen zwischen der Königin und ihrem intriganten Ehemann Vellocatus genauso lebendig erzählt wie von der Vernichtung der Hälfte der legio IX Hispania, an der er als Teil einer Gesandtschaft zu Boudiccas Rebellen seinen Anteil hat, der Brief des Lucius Aemilianus Silvanus, Tribun im Stab des C. Suetonius Paulinus (vgl. Man (2009), 142–164) wie auch die Erzählung des Rufinus, eines Legionärs der II a knotted length of rope until her back was cut to ribbons, the blood spurting at every blow. There was utter silence in the hall except for the thud of the rope and the heavy breathing of the trooper who wielded it. Although she must have suffered agonies she made no sound. At last her knees buckled beneath her body and she hung insensible, while I watched as if turned to stone.“ 63 Viele Jahre später, Caradoc erhielt mittlerweile das römische Bürgerrecht, erfreut sich eines gewissen Wohlstands und lebt mit seiner kleinen Familie in der Nähe von Ratae, hält er als erzählendes Ich im Rückblick fest (Man (2009), 104): „Men say that Camulodunum and its temple have been rebuilt and stand more splendid even than before. I cannot speak of this for I have never returned thence and never shall. I have no love for ghosts; in Camulodunum there are many such, and there are some who could be angered should I now disturb them. For although it was not I who caused the deaths of any, yet it was my hand which aided the Destroyer more quickly to grasp them as his victims.“

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Augusta und Ordonanz des Lagerpräfekten Poenius Postumus (vgl. Man (2009), 165–186), zeichnen sich durch analoge Qualitäten aus: Sie illustrieren, explizieren zumeist mit der Autorität der unmittelbaren Augenzeugen Details der Rebellion, sie analysieren jeweils im Rückblick und formulieren subjektive historische Urteile,64 alles cum grano salis im Einklang mit der historiographischen Überlieferung; Boudicca selbst jedoch, ihre Empfindungen, Motive, Pläne und Handlungen bleiben dabei weitgehend im Hintergrund, obwohl sie und ihre Rebellion für die einzelnen Geschichten die konkreten politischen Rahmenbedingungen konstituieren. Die letzte Geschichte (vgl. Man (2009), 187–214), von der alt gewordenen Ailis, der Amme und dem Kindermädchen Boudiccas, erzählt, präsentiert nahezu exklusiv auf Boudicca konzentrierte, teils intime und sehr persönliche Erinnerungen an die Icener-Königin. Ailis war wesentlich für die Erziehung ihres schon als junges Mädchen wissbegierigen, reifen und immer zur Ehrlichkeit angehaltenen Schützlings verantwortlich (vgl. Man (2009), 192–193),65 die nach Absprache mit dem Vater Reiten, Wagenlenken, Jagen und Bogenschießen einbezog (vgl. Man (2009), 193–194). Auch nach der Eheschließung mit Prasutagus behält Boudicca Ailis in ihren Diensten und vertraut ihr die Erziehung ihrer Töchter Sevira und Vodicia an; die Ehe mit Prasutagus war – wie Ailis als Vertraute festhält – durchaus glücklich (vgl. Man (2009), 197: „At her husband’s side Boudicca was to know full seventeen years contentment, if not true happiness“), obwohl Boudicca im Gegensatz zu ihrem Ehemann, formal ein römischer Klientelkönig, deutliche Reserven gegenüber Rom, den Römern und römischen Sitten hat (Man (2009), 199): Boudicca, however, had no love for Romans and in this her woman’s wit was wiser than that of her husband. She was angered by the contempt which she read in their cold eyes and by the disdain which seemed never far from their thin lips. Her hatred was matched 64 Vgl. z. B. die Reaktion(en) in der Geschichte des Rufinus auf den offenkundigen Freitod des Poenius Postumus (Man (2009), 184): „I closed his eyes, wished his brave spirit a safe journey and, for the first time since I became a man, I wept. II Augusta, albeit grudgingly, gave him the funeral due to his rank, but none would have marked the place, or accorded him any memorial, had not the citizens of Glevum and the chiefs of the Dobunni erected a funerary stone as a token of the love and respect they bore my officer. In very truth he gave his life, and threw away his honour, that they might live.“ 65 Vgl. bes. Man (2009), 192: „I taught her always to speak truth, since a liar is ever despised; to keep faith, since upon faith is built the whole fabric of life within a family, a nation and between nation; and ever to have courage, for a woman or man who lacks for courage is a poor thing, without honour and fit only to be mocked. I taught her of our gods and goddesses; of how they may best be honoured in ritual and sacrifice, of spirits and demons, of nymphs and sprites, of witchcraft and magical arts and of the ever-watchful shades of our fathers and our fathers’ fathers. I taught her also the folklore of our people and spoke what I knew of the nations whose borders marched with ours, and of those others, more shadowy, who dwelt in the wilder parts of Britain.“

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only by her distrust of their true intent, and although she spoke them fair, out of duty to her husband, her hatred and distrust grew ever keener and more bitter. Indeed, she would permit nothing Roman in the women’s quarters, save only wine, which she drank but sparingly having no love for mead which, in truth, is fit only for men, being both rough and coarse.

Nach dem Tod des Prasutagus sollten sich die Reserven Boudiccas gegenüber Rom als nur zu berechtigt erweisen: Als Augenzeugin muss Ailis im Zimmer der Töchter Boudiccas deren brutale Vergewaltigung durch die Schergen des Catus Decianus erleben (vgl. Man (2009), 203–205); erst sehr viel später, die Römer sind mittlerweile abgerückt, kann sich Ailis gemeinsam mit einem heilkundigen Druiden um die fürchterlichen Wunden Boudiccas kümmern (vgl. Man (2009), 205–207). Nachdem sich Boudicca von ihren grausamen Wunden erholt hat, zeigt sie sich im vertrauten Zwiegespräch mit Ailis schnell entschlossen, gegen Rom in den Krieg zu ziehen, nicht aus Rache für das, was ihr und ihren Töchtern angetan wurde, sondern primär zum Wohl ihres Stammes und Britanniens (Man (2009), 208):66 ‚I have ever hated Romans but in my heart I have no wish to war against them. They whipped me, a queen, and this I neither forget nor forgive; from my daughters, who did them no ill, they stripped their virtue, the sole possession which every woman can truly call her own; for this they are shamed and accursed for all eternity. But were this all, and many would say that it is cause enough, I would not war. But they are bent on plundering this land and will destroy my people. Even now Romans and their lackeys harry our borders, seek by force the return of their gifts which now they hold were loans, steal our lambs and our cattle, despoil our farms and kill or enslave all whom they encounter. Thus it is that I have no choice. My people are already marked for death, but in our dying those who murder us will pay a price in blood, in grief, in agony for their broken faith, lust, greed and savagery. […] It could be, if Andraste wills it, that we shall overmatch them. Were they beset by but half the tribes in Britain, and were each war band staunch enough to set its teeth in Roman flesh and there lock its jaws, never to release them come wounds, come death, come agony, we could drag Paulinus down and with him smash his legions. This done, I doubt the Romans would return, not even to avenge their comrades. So this I must contrive with my woman’s body and woman’s wit; ever steadfast, ever courageous, never cast down, until it is done.‘

In Ergänzung bzw. Modifikation der historiographischen Überlieferung schreibt Ailis Boudicca aus ihrer intimen Kenntnis der persönlichen Überzeugungen der Königin dieser klar formulierte politische Motive und Zielsetzungen für ihre Revolte zu. Die einzelnen Phasen der Rebellion werden von Ailis, die am Kö66 In Analogie zur antiken Historiographie formuliert Boudica nach der erlittenen Schmach ihre politischen Überzeugungen und Pläne in einer rhetorisch glänzenden fiktiven Rede, die in der Fiktion durch die Autorität der Ohren- und Augenzeugenschaft ihrer Vertrauten Ailis überzeugend plausibilisiert wird.

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nigssitz bei den Icenern bleibt, nur in aller Kürze und entsprechend der historiengraphischen Überlieferung (gestützt auf Gerüchte, einzelne Boten und Nachrichten Geflüchteter) referiert (vgl. Man (2009), 209–211). Erneut mit der Autorität persönlicher unmittelbarer Zeugenschaft erzählt Ailis über die letzten Tage Boudiccas, die nach der vernichtenden Niederlage in der Entscheidungsschlacht gegen Paulinus mit wenigen Getreuen zur Königshalle der Icener fliehen konnte (vgl. Man (2009), 211–212). Die Verantwortung für die Tausende von Toten, insbesondere ihre britannischen Stammeskrieger, lastet deprimierend schwer auf ihr (vgl. Man (2009), 212); bei der Erfüllung ihrer letzten Wünsche, einem letzten kleinen Triumph über ihre römischen Feinde, kann sich Boudicca auf die treue Ailis verlassen, die alles exakt wie von Boudicca angeordnet ausführt (Man (2009), 212): ‚This night I die by my own hand; in very truth I can do naught else. You will pour me a cup of wine, most faithful Ailis, for the poison I hold is bitter. I wish none to watch me, lest my body struggles, and none must hear me, lest my mouth cries out, so you must keep my daughters from me. When he knows that I am dead it could be that Paulinus will lift his vengeance from my poor people and the killing could cease. Come to me at sunrise and, when you find me dead, fire the hall having a care that what remains of me is burned away to nothingness. The Romans mistreated my body when I was yet alive; were I to be buried they could, perhaps, learn the place and defile anew what remains of me, so nothing must remain. When all is burned take Sevira and Vodicia with you and seek safety among the Parisii but, as you journey, tell all whom you encounter that I am dead and that my body lies in an unmarked grave. Thus will Paulinus learn of it and the remnant of my people profit. Eiliffer, leader of the five still true to me, knows my intent and will go with you to guard you on your journey.‘

Ailis erfüllt getreu alle Wünsche Boudiccas. Aus der Stimmen- und Perspektivenvielfalt des Romans ist es das einprägsame Porträt der Königin durch Ailis, gegründet auf die Autorität persönlicher und intimer Vertrautheit und Augenzeugenschaft, das das Bild Boudiccas überzeugend um die spezifisch menschlichen, politischen und patriotischen Dimensionen ihrer Revolte, ihres Handelns ergänzt. A Year of Ravens. A Novel of Boudica’s Rebellion (Downie / Dray / Knight / Quinn / Shecter / Turney / Whitfield (2015))67 ist das kongeniale Gemeinschaftswerk von sieben renommierten, mit etlichen Literaturpreisen gefeierten britischen und amerikanischen Verfasser(inne)n historischer Romane und historischer Kriminalromane: Ruth Downie, Stephanie Dray, Eliza Knight, Kate Quinn, Vicky Alvear Shecter, S. J. A. Turney und Russell Whitfield.68 Die Pro67 Im Folgenden zitiere ich diesen Roman als Ravens (2015) und ergänze jeweils die Verfassernamen (z. B. Ravens [Dray] (2015); die jeweiligen Erläuterungen der Autor(inn)en („Notes from the Authors“) zitiere ich mit dem Zusatz „Notes“, z. B. (Ravens [Dray/Notes] (2015)). 68 Vgl. insgesamt die kurzen biographischen Notizen Ravens (2015), 443–445.

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grammatik des Gemeinschaftswerks expliziert Ben Kane, ebenfalls ein sehr erfolgreicher Verfasser historischer Romane, im Vorwort (Ravens (2015), ix–xi): The warrior queen Boudica is for many one of the standout characters from the ancient world. A woman violated, the leader of a people wronged by Rome – their erstwhile ally – she ignited a rebellion in first century AD Britain that saw panic sown the length and breadth of the land, London burned and tens of thousands of citizens killed. The uprising failed, but its effects reverberated through the empire. Ancient sources tell us that the cataclysmic events almost persuaded the emperor Nero to abandon Britain, and that punitive operations conducted in the months afterwards were stopped, for fear of causing another tribal backlash. After the fall of the Roman Empire, Boudica’s name was lost to history until the late fifteenth century. Since that time, she has been romanticized somewhat, and identified as a symbol of the small who take on the large, of the wronged who fight evildoers, and as a doomed hero who did what she thought was right, regardless of the consequences. As with the gladiator Spartacus, another historical character who almost brought Rome to its knees, it’s likely that Boudica herself had no great guiding ideals, no sense of the divine guiding her actions. She may have been plain and simple, a strong, charismatic character who wanted revenge for the violent and unjust wrongs done not just to her and her family, but to her people as well. In the past, historians have been known to describe Boudica’s rebellion as a war for national independence, with the ‚good‘ British tribes lined up against the ‚bad‘ imperialist Romans. This couldn’t be further from the truth. […] A Year of Ravens is the compelling story of one of history’s bravest women, and of her fight against injustice. Visceral, tragic, gripping, it propels the reader straight into the harsh and unforgiving world of first century AD Britain, and holds them there until the final, emotional page.

Im Unterschied zu Man (2009), der acht voneinander unabhängige Einzelerzählungen und deren subjektive Perspektiven auf das Geschehen präsentiert, erzählt Ravens (2015) eine sorgfältig geplante, in sich sowohl in der Konzeptionen der einzelnen Charaktere als auch in der peniblen Logik der zeitlichen Abfolgen konsistente Geschichte, deren ‚Harmonisierung‘ wesentlich Kate Quinn zu verdanken ist.69 Diese Geschichte folgt insgesamt dem Wissen der Historiographie, modifiziert und ergänzt jedoch die Lücken der nur spärlichen historiographischen Überlieferung – ohne explizit kontrafaktische Realitätsreferenzen – um fiktionale Charaktere, plausible persönliche Motive und psychologisch überzeugend konzipierte Konflikt-Situationen. In das dramatische Geschehen hinein führen die Geschichte und die Stimme Cartimanduas, die als Stammesfürstin und Politikerin eine Alternative zur Politik Boudicas verkörpert; Cartimandua ist – nach den Begräbnisfeierlichkeiten für Prasutagus – entschlossen, ungeachtet ihres Respekts, ihrer Bewunderung für 69 Vgl. Ravens [Whitfield/Notes] (2015), 432.

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Boudica,70 weiterhin eine treue Verbündete Roms zu bleiben (vgl. Ravens [Dray] (2015), 52–53). Eingelegt in die Geschichte Cartimanduas, die mit etlichen flashbacks erzählt wird, sind wiederholt die Reflexionen des Decianus (vgl. Ravens [Dray] (2015), 6–14; 27–31; 36–41; 53–62), der die brutalen Übergriffe, die dann die Auslöser für die Revolte werden, aus seiner Perspektive schildert, dabei zugleich allerdings auch zeigt, dass die konkrete Situation und das Verhalten Boudicas vor und während des Auspeitschens traumatische Erinnerungen an das Schicksal seiner eigenen Mutter wachruft, die ihn so erschüttern, dass er den grausig-brutalen weiteren Aktionen seiner Schergen ihren Lauf lässt (Ravens [Dray] (2015), bes. 59–62).71 Diese psychologisch interessante, wenngleich fiktionale ‚Erklärung‘ für das unmenschlich brutale und auch politisch mehr als törichte Agieren des Catus Decianus, ergänzt dennoch das ansonsten in der historiographischen (und auch populären) Überlieferung gezeichnete stereotype Bild des kalten, geldgierigen Finanzprokurators; ob es plausibel ist, muss offen bleiben; kontrafaktisch ist es jedenfalls nicht. Mit der panikartigen Flucht des Decianus aus dem Lager der Icener beschließt Cartimandua ihre Erzählung (Ravens [Dray] (2015), 65): Far to the south, a weeping Roman procurator had galloped away from a whipping post as his centurions stormed through roundhouses full of screaming girls, and the ravens were beginning to circle. Far to the south, a queen’s back was laid bare, those bloody stripes the first lines to be sung in her legend. The mantle of Caratacus lay on the ravaged ground and, as he hoped, it was about to be taken up by a red-haired lady of iron will. But what happened after Catus Decianus rode away on that cold wintry day is now, of course, all part of Boudica’s legend. Not mine.

Mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten und aus jeweils differenzierten, von persönlicher Nähe oder Ferne und/oder Interessen geleiteten Perspektiven werden in den auf Cartimanduas Geschichte folgenden Erzählsequenzen die Ereignisse der Revolte berichtet, durchgängig im Einklang mit der historiographischen Überlieferung. Auf Cartimanduas Erzählung folgt zunächst die Geschichte Rias, der dritten und unehelichen Tochter des Prasutagus, die als Sklavin 70 Vgl. Ravens [Dray] (2015), bes. 53: „Indeed, maybe she [sc. Boudica] was not only a healer but also a bard because even I was stirred when she said, ‚We are no sheep. We are Britons. Someone must remind us of it. And when the tome comes that my tribesmen remember there are some transgressions against honor that cannot be tolerated, what will you do, Cartimandua?‘ ‚What will I do?‘ I met her eyes, seeing in her a mirror of myself. She was the queen I might have been if I had chosen a different path. A different outlook – one that doubtless made her much loved by her people. I liked her. I respected her. In another life, I might have allied myself with her. Even in this life, some part of me hoped she might triumph. But the rest of me hardened in terrible resolve. ‚I will do what I have always done. I will be a faithful queen, wife, and ally.‘ To the Romans. I would not start a war, not even for the sake of Prasutagus’ beloved memory. Not for the love of my people. No, not even for that.“ 71 Vgl. hierzu auch Ravens [Dray/Notes] (2015), 429.

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im Haushalt Boudicas lebt, hilflose Augenzeugin der brutalen Vergewaltigung ihrer Halbschwestern (Sorcha und Keena) und der Auspeitschung Boudicas wird und in den ersten Wochen der Rebellion die Nachrichten und Gerüchte genauso sorgfältig registriert wie die Gespräche und Reden der Königin. Insgesamt dokumentiert die Erzählung Rias die Autorität der unmittelbaren Augenzeugenschaft72 und zugleich auch das nahezu verzweifelte Ringen der Erzählerin um moralische Integrität in ihrem – von kulturellen wie persönlichen Zerrissenheiten geprägten – Handeln, wie exemplarisch ihr Reflexionsmonolog zeigt, nachdem ihr von Boudica (am Vorabend des Aufbruchs gegen Camulodunum) als Vermächtnis des Prasutagus schwere metallene Broschen als Zeichen ihrer Freilassung überreicht wurden (Ravens [Downie] (2015), 118–119): It was a moment before I felt the queen’s hands on either side of my face, lifting it so she could look into my eyes. ‚We might all have done things differently,‘ she said. Do not cry, I told myself. Do not … After a moment, she let go of me and delved into a wooden box beside her. ‚I was going to grant your freedom, when Andecarus was whole, but the gods alone know where we will be by then.‘ She was placing things into my hands, things that were heavy and metallic and cold. ‚Your father wanted you to have these,‘ she said as I stared at my brooches. ‚You are a free woman, Ria. You may leave in the morning if you wish.‘ I am still sorry for what I said to her. It sounded grudging and ungracious. What I should have said was, There are thousands of people wanting your attention tonight, and the whole future of our people is resting with you, and still you take time to think of a slave. That is why I will not – cannot – leave you now, even though I am afraid of the terrible things that lie ahead. You are my queen, and the allegiance I swore before on pain of death I would willingly swear again now. Or I could simply have said, Thank you. Instead, I said stupidly, ‚Where else could I go?‘ She pressed her hand on my shoulder, and I stepped out into the moon-light a free woman, clutching the gift from my father that I had never expected to receive.

Szenen vergleichbarer Intensität, die jeweils Sympathie oder Antipathie stiftende atmosphärische Schlaglichter auf Boudica und ihre Revolte werfen, zeichnen auch die weiteren Erzählsequenzen aus, einerlei ob der römische Tribun Gnaeus Julius Agricola (Ravens [Whitfield] (2015), 121–183), der junge Druide Yorath (Ravens [Shecter] (2015), 185–234), die ehemalige römische Geisel Andecarus,73 Sohn des Duro, eines der Stammesführer Boudicas (Ravens [Turney] (2015), 235– 295) oder Duro selbst oder auch die von ihm versklavte Ehefrau des Decianus, Valeria, (Ravens [Quinn] (2015), 297–359), im Mittelpunkt stehen. Erzählper72 Vgl. Ravens [Downie/Notes] (2015), 430. 73 Vgl. Ravens [Turney/Notes] (2015), 435: „The Roman practice of taking hostages has a long and illustrious history and helped to Romanize new lands, giving the sons of native nobility a taste of Rome and then sending them back to their people to influence the locals. Andecarus is clearly conflicted by his ability to see the horrors of the rebellion from both sides. He seemed the perfect pair of eyes through which to view the moments of war that were both great and terrible, to give a more objective view than either side alone might achieve.“

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spektive, kulturelles Selbstverständnis, persönliche Sympathie und Antipathie bestimmen jeweils Fokus und Auswahl des geschilderten, teils beklemmend grausigen Geschehens, wiewohl das tragische Ende der Rebellion sich durch untrügliche Naturzeichen in der Symbolik von Rabe und Adler schon früh ankündigt (Ravens [Turney] (2015), 285–286; 295):74 The gathered warriors waited, pensive for an announcement, but Andecarus’ attention had been grabbed by the sound of a kraa from above. His eyes quickly picked out the raven in the blue, the columns of smoke not yet having fully obscured the beautiful latesummer sky. The gleaming black bird circled the fort again and again, as though personally endorsing their victory on behalf of great Andraste. And suddenly the raven was gone. Black feathers whirled and tumbled, and his eyes were drawn by a screech to the eagle that even now swooped off to the north with the prize champed in its beak. Andecarus felt an icy shiver run up and down his spine. His senses spun. No one else seemed to have noticed the aerial exchange. […] The kraa of the raven in the tree was loud and almost – almost – drowned out the distant screech of the eagle.

Den letzten Teil der gesamten Erzählung übernehmen Keena und Sorcha, die Töchter Boudicas, nachdem die heroische Selbstaufopferung des Duro, des Andecarus und noch einiger weniger anderer ihrer Leibgarde (vgl. Ravens [Quinn] (2015), 354) Boudica und ihren Töchtern die Flucht nach der verlorenen Entscheidungsschlacht gegen Paulinus ermöglicht hatte. Keena und Sorcha rekapitulieren zunächst in aller Kürze alternierend die Ereignisse der letzten Monate, von den römischen Übergriffen, ihrer Schändung, den blutigen Siegen und der entscheidenden Niederlage, bevor Sorcha die letzten Minuten ihrer Mutter Boudica schildert, in einer bewegenden, einprägsamen, insgesamt nicht unplausiblen, jedoch in dieser Form nicht explizit von der historiographischen Überlieferung gestützten Version (Ravens [Knight] (2015), 408): ‚We must make haste to Andraste’s arms.‘ Mother bent closer. I embraced her as she reached out to us, suddenly afraid that she would stab us both, thinking it a final kindness. But instead, she kissed us on our foreheads. […] Then she raised the dagger and brought it up beneath her ribs. A guttural cry rushed from her throat, though she quickly cut it off with a press of her lips as the blade pierced her body and entered her heart. At the sight of our mother’s mortal agony, Keena wavered on her feet. An otherworldly whimper issued from my sister’s throat, eyes drawn to the blood seeping from Mother’s wound. I leapt, catching my mother’s body as she fell forward. I laid her onto the bed of fur pelts. I knelt, her head in my lap. She looked up at me, eyes wide, lips moving. ‚Do it,‘ she said. ‚Do it now.‘ I nodded, yanking the dagger from her chest and watching her take her last breath. All the life of a great warrior woman evaporated within 74 Vorausdeutungen dieser oder analoger Art begegnen in den übrigen Romanen ebenfalls gelegentlich, sie sind jedoch auch aufgrund der jeweiligen kulturellen Implikationen naheliegend wie z. B. der Titel von Gedge (1978/2007) exemplarisch zeigt: The Eagle and the Raven.

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the span of two heartbeats. I choked on a sob, recalling every touch of my mother’s hand upon my cheek, every word she spoke, every brave deed of her glorious life. Mother reached up to touch my cheek, her fingers faltering, sliding down to drop beside her. She issued a great, shuddering sigh, her spirit melding momentarily with mine. I closed my eyes, unable to breathe. Unable to move. But only for a moment. There was no time to mourn. She was … gone. And the enemy still lurked outside.

Nach diesem heroischen und traditionell männlich konnotierten Freitod Boudicas mit dem Dolch erweist sich Sorcha als Kämpferin ganz in der Tradition ihrer Mutter, indem sie ihren einstigen Schänder tötet, dann aber letztlich doch der Übermacht der übrigen Legionäre unterliegt und stirbt; zugleich hat sie mit ihrem heroischen Kampf ihrer jüngeren Schwester Keena die Flucht ermöglicht (vgl. Ravens [Knight] (2015), 409–413). In ihren ‚Notes‘ begründet Eliza Knight detailliert diesen Schluss und kommentiert auch überzeugend das Verhältnis dieses Schlusses zur historiographischen Überlieferung (Ravens [Knight/Notes] (2015), 440): Tacitus and Dio both differ on how Boudica died. Dio states that though she escaped the final battle, Boudica died on her wounds, and there is no mention of her daughters’ deaths. Tacitus says she and her daughters poisoned themselves. I decided to take a bit of both of these accounts for Boudica and make it hers. The truth is, we have yet to find a final resting place for Boudica (though there are guesses and suspicions) and since the two accounts give different ways in which she died, and we have no proof, there is truly no way to know for certain. […] I believed that a warrior queen would have chosen a death by her own blade.

Mit dem Privileg der Verfasser/innen historischer Romane, Widersprüche und Lücken der historiographischen Überlieferung kreativ aufzulösen bzw. aufzufüllen, präsentieren neben dem Freitod Boudicas insbesondere der heroische Kriegertod Sorchas und das Überleben Keenas durchaus plausible Ergänzungen / Modifikationen der lückenhaften Überlieferung. In der Fiktion des Romans ist es bezeichnenderweise Cartimandua, die das letzte Wort hat; zu ihr und den Briganten hat sich Keena durchschlagen können und sie wird fortan unter dem persönlichen Schutz Cartimanduas stehen, die fest entschlossen ist, Keena und das Andenken Boudicas für die Zukunft zu bewahren (vgl. Ravens [Dray] (2015), 422). Für ihr neues Leben bei den Briganten wählt sich Keena den neuen Namen Branna, was Cartimandua den gesamten Roman beschließend kommentiert (Ravens [Dray] (2015), 423): Raven, it means. And it’s a good choice, too. For the Romans are wrong; it does not all begin and end with them. It all begins and ends with ravens. Ravens, who have seen all the great tragedies of the world unfold, and whose cry is eternal.

Diese beiden historischen Romane (Man (2009), Ravens (2015)), dokumentieren mit ihrer explizierten Perspektivenvielfalt nicht nur, wie nachhaltig kulturelles

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Selbstverständnis, persönliche Sympathie und Antipathie, die Wahl der Erzählund Fokalisationsinstanzen, die Selektion und die interne fiktionale Plausibilisierung einzelner Elemente die Rezeption Boudicas und der Icener-Revolte für das Lesepublikum prägen und steuern, sie stellen mit ihrer Perspektivenvielfalt zugleich die Verbindlichkeit jeder einzelnen Perspektive in Frage oder vielleicht sogar zur Disposition.

IV.

Fazit

Die detaillierten und in vielen Einzelheiten innovativen Ergebnisse aus den exemplarischen Analysen fasse ich nicht nochmals zusammen, sondern biete eine knappe überblicksartige, auf strukturelle Aspekte fokussierte Zusammenschau. Ein einzelner Comic (Prince Valiant), insbesondere jedoch die en détail untersuchten acht historischen Romane akzentuieren, neben vielen anschaulichen Details des Alltagslebens, in welchem Maße die gewählte Erzählperspektive, die inszenierte Fokalisation Wertungen und Urteile prägt, die Empathie und Sympathie des Lesepublikums lenkt, und im Nebeneinander unterschiedlicher Perspektiven die Verbindlichkeit historischer Sinnstiftung konsequent relativiert.75 Die hier analysierten Romane sind typologisch allesamt zunächst einmal als Repräsentanten der Typen I (dokumentarische historische Roman), II (realistische historische Roman) und / oder III (revisionistische historische Roman) zu werten. Darüber hinaus explizieren die letzten vier der analysierten historischen Romane, Wishart (1999), Ripley (2005), Man (2009) und Ravens (2015), insgesamt wie im Detail, in welchem Maße plausible, alternative Motive und Szenarien das teils spärliche, lückenhafte Wissen der Historiographie ergänzen und damit die argumentative Reichweite und Überzeugungskraft auch historischer / historiographischer Hypothesen überprüfen. Aus typologischer Perspektive können diese vier historischen Romane zugleich als realistische wie auch als revisionistische historische Romane gewertet werden. Der konsequente Verzicht auf kontrafaktische Realitätsreferenzen, Anachronismen sowie Infragestellung / Leugnung von logischen und / oder physikalischen Gesetzen der empirischen Welt76 begründet, dass die Romane weder als metahistorische Romane (Typ IV) noch als historiographische Metafiktion (Typ V) gewertet werden können. Mehr noch, ungeachtet aller grundsätzlichen Unterschiede zwischen historischem Roman und wissenschaftlicher Historiographie77 entsprechen einige der 75 Vgl. zur Typologie Nünning (1995), 206–296. 76 Vgl. Nünning (1995), 281. 77 Vgl. zur Differenzierung von Historiographie und narrativ-fiktionaler Geschichtsdarstellung im Roman allgemein Nünning (1995), 129–205.

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zeitgenössischen historischen Romane über Boudica und den Boudica-Aufstand exakt den Forderungen, die Christian Meier, der spätere langjährige Vorsitzende des Deutschen Historikerverbandes vor mehr als 40 Jahren für eine moderne, theoriebewusste Historiographie formuliert:78 Die Verschiedenheit der Perspektiven des Handelnden und des Betrachters ist schon von Herodot zum Thema historiographischer Darstellung gemacht worden. Wir sind auch in Hinsicht auf die Perspektive an einem Punkt angelangt, an dem mit den überkommenen Konventionen der Historiographie nichts mehr anzufangen ist. Es gilt nicht nur, ‚den allwissenden Erzähler durch standortbezogene Perspektiven zu ersetzen‘, sondern es geht insbesondere auch um die gegenseitige Relativierung der Perspektiven. […] Nur durch eine bewußt multiperspektivische Darstellung läßt sich meines Erachtens auch das von W.-D. Stempel angesprochene Problem des ‚reel concret‘ sinnvoll anpacken. Denn es fragt sich doch, ob die ästhetische Gesetzmäßigkeit der Sinnstiftung nicht derart zwingend ist, daß man nur vor der Wahl steht, entweder Sinnlosigkeit zu demonstrieren (und dann fragt sich, was das ganze anspruchsvolle historische Unternehmen noch soll) oder den entstehenden Sinn zu relativieren. Meines Erachtens ist das zweite die einzige Möglichkeit innerhalb einer historischen Darstellung. Das dritte formale Problem besteht darin, die Menschen der behandelten Zeit, in exemplarischer Betrachtung, dem Leser nahezubringen, ihn Anteil nehmen zu lassen an ihrem Tun und Leiden, ihn betroffen zu machen, ihn in den ganzen blutigen Ernst ihrer Situationen und ihrer Befangenheiten zu engagieren. Wie man auf Grund dieser Postulate eine Geschichte schreiben kann, das läßt sich nur praktisch erweisen.

V.

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Martin Lindner (Göttingen)

Vorbildhaft anders? – Junge Heldinnen und der Antikfilm1

Während sich die einschlägige Forschung in verdienstvoller Detailarbeit bemüht, aus antiken Quellen die Feinheiten von Helden- oder Heldinnenerzählungen herauszuarbeiten,2 scheint der Antikfilm das Potential zum ‚Spielverderber‘ zu besitzen. Bei Titeln wie Coriolano, eroe senza patria wirkt die Aufgabe erledigt, bevor auch nur die ersten Bilder angelaufen sind.3 Die einschlägigen Produktionen sind so stark über ihre Helden definiert, dass sie umgangssprachlich mit Bezeichnungen wie ‚Muskelmänner-Filme‘ belegt werden. Trotz (oder gerade wegen) der Masse an starken Figuren wie Hercules, Goliath, Maciste, Samson und Spartacus sind es die ‚unwahrscheinlichen‘ Heldinnen, deren Analyse sich als besonders aufschlussreich erweist. Kaum irgendwo wird diese Kontrastwirkung deutlicher als bei den jugendlichen Detektivinnen des Antikfilms. Welche Funktion die jungen Heldinnen in dieser Tradition besitzen, soll im Folgenden in fünf Schritten herausgearbeitet werden: Für das Verständnis der Sonderrolle bedarf es einer kurzen Zusammenfassung des medialen Kontextes. 1 Der Text geht zurück auf einen Beitrag zur 2015er Tagung „Heroinnen und Heldinnen“ des Bonner Centre for the Classical Tradition und wurde unabhängig davon in einer ersten Fassung als Lindner (2018) publiziert. Für die vorliegende Neuversion wurden die ersten der vier unten genannten Teile durchgesehen, insbesondere bibliographisch aktualisiert sowie der Schlussteil neu verfasst. Ich danke allen Beteiligten für die zahlreichen Anregungen sowie Jörg Fündling, Antje Kuhle und Sylvia Lindner für ihre Anmerkungen zur ersten Fassung des Manuskripts, Ramona Steinbrink und Vanessa Villavicencio Kirscht für das Feedback zum neuen Schlussteil. 2 So hat beispielsweise der Freiburger SFB 948 mit helden. heroes. héros ein eigenes Journal zu den ‚Kulturen des Heroischen‘ ins Leben gerufen (http://www.sfb948.uni-freiburg.de/de/publi kationen/ejournal/index.html; Zugriff: 24. 07. 2020). 3 Für die deutsche Kinofassung wurde aus der eigentlichen Übersetzung „Coriolanus, Held ohne Vaterland“ irreführenderweise entweder Der Tribun von Rom oder Die Schlacht der Gladiatoren. Im Folgenden sind bei allen Filmen immer die Originaltitel in Kursivsetzung benannt, bei mehreren namensgleichen Filmen ergänzt durch Jahreszahlen in Klammern. Stellen werden angegeben nach angefangenen Minuten, möglichst in Fassungen, die nicht dem sog. ‚PAL-Speedup‘ unterworfen sind. Die benutzte Version wird bei der ersten Nennung gekennzeichnet durch die Global Trade Item Number (GTIN) bzw. deren Vorläufer; für die Begründung und weitere Details zum Vorgehen siehe Lindner (2007), 22–27.

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Martin Lindner

Die jugendlichen Detektivinnen selbst werden anschließend in zwei Fallstudien vorgestellt, mit denen zugleich unterschiedliche Endpunkte in einer Entwicklung von ‚Heldinnen der Geschichte‘ sichtbar werden. Der vierte Teil kehrt zu den medialen Traditionen wie den etablierten Geschlechterrollen zurück und versucht das Phänomen als nur vermeintliches Paradoxon zu erklären: ein Gegensatz, der sich durch das Fehlen eines Widerparts erklärt. Zum Abschluss werden erste Schritte zu einer Überprüfung der Funktionsweise mit Methoden der audience reception studies vorgestellt. Der Auftakt gehört jedoch einer Geschichte voller männlicher Heldenfiguren.

1.

Der (junge) Antikfilm

Der Antikfilm ist nahezu so alt wie das Medium Film überhaupt. Um die Seltenheit von Frauen oder gar Mädchen als Protagonistinnen zu verstehen, hilft ein Blick auf die entsprechenden Zahlen aus rund 120 Jahren Produktionsgeschichte: Wir können von etwa 1200 bis 1400 einschlägigen Filmen und Serien ausgehen; dazu kommen noch einige Tausend Dokumentationen, Lehrfilme etc.4 Grob gesprochen verteilen sich diese Produktionen vor allem auf drei annähernd gleich starke ‚Wellen‘. Die erste umfasst den Stummfilm und frühen Tonfilm bis in die 1930er Jahre. Die zweite beginnt in den späten 1940er Jahren und ebbt Mitte der 1960er allmählich ab. Die dritte entspricht der filmischen Gegenwart seit der Wiederentdeckung des Antikfilms um das Jahr 2000. Anfangs- und Endpunkte dieser Periodisierung werden gerne an herausragenden Beispielen wie The Fall of the Roman Empire oder Gladiator festgemacht. Methodisch ist dieses Verfahren nur bedingt haltbar,5 vor allem aber verhält sich der Sonderbereich der Antike im 4 Andere Schätzungen variieren zwischen 800 und 1500 Filmen; zur allgemeinen Entwicklung siehe u. a. Richards (2008), Solomon (2001) und die einleitenden Beiträge des neuen Blackwell Companion to Ancient Greece and Rome on Screen [Pomeroy (2017)]. Abseits der üblichen allgemeinen Filmdatenbanken liefern die Aufstellungen von Smith (2004), Verreth (2003) und Zewadski (o. J.) sowie für den deutschsprachigen Bereich Juraske (2006) und Juraske (2007) die beste Übersicht über zumindest einen gewissen Teil des Materials. Zunehmend verwischen auch die Grenzen zwischen Dokumentar- und Spielfilm, zu sehen etwa in den ‚Dokudramen‘ der BBC wie Atlantis – End of a World, Birth of a Legend oder Hannibal, die bezeichnenderweise in verschiedenen lokalisierten Versionen wechselweise der einen oder anderen Seite zugeschlagen werden. 5 Die Probleme sind vielfältig und können hier nur angerissen werden: Fernsehserien, Sunday School Specials, pornographische Produktionen und viele Teilbereiche mehr verlaufen teilweise ohne oder mit anders gelagerten ‚Wellen‘. Vermeintliche Endpunkte wie The Fall of the Roman Empire ziehen oft noch eine Reihe von Zweitverwertungen und Imitationen nach sich. Gladiator ist nur der bekannteste einer Reihe von Großproduktionen um die Jahrtausendwende, obgleich sicher der folgenreichste Blockbuster dieser Zeit. Für eine kurze Einführung in weitere Probleme der Erfassung siehe Lindner (2016), 201–205.

Vorbildhaft anders? – Junge Heldinnen und der Antikfilm

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Kinderfilm in diesem Modell ausgesprochen ‚antizyklisch‘ – doch mehr dazu später. Im Folgenden wird für alle Produktionen durchgehend von ‚dem Antikfilm‘ gesprochen, wobei der Sammelbegriff ausdrücklich auch Miniserien, Filmfragmente oder TV-Serien umfasst. Zudem sind die Grenzen in Sachen Antike sehr weit gefasst. Letzteres lässt sich am besten mit zwei Beispielen veranschaulichen: Orfeu Negro ist eine Erzählung des Mythos von Orpheus und Eurydike, der fast nur im Setting (Brasilien Mitte des 19. Jahrhunderts) von der Vorlage abweicht. Plebs dagegen ist eine eindeutig im antiken Rom verortete Serie, die sich jedoch in allen anderen Belangen als ganz und gar nicht antike Sitcom zeigt. An anderer Stelle habe ich hierfür die Begriffe eines Antikfilms im engeren bzw. weiteren Sinne vorgeschlagen.6 Der Einfachheit halber werden auf den nächsten Seiten keine entsprechenden terminologischen Ausdifferenzierungen versucht, sondern summarisch ‚Antikfilme‘ angesprochen – auch wenn in einer der Fallstudien die Antike nur über Zeitreisen zum Schauplatz wird. Trotz dieser recht lockeren Eingrenzung bleibt die absolute Zahl von Heldinnenfiguren gering. Der Antikfilm ist ohnehin geprägt von einem kontrastiven Figureneinsatz: Statisten werden in der Masse als Schauwert eingesetzt; die Zahl der Hauptfiguren ist aber meist sehr klein. Dabei liebt der Antikfilm die soziale Spreizung, so dass häufig Herrscher oder Angehörige der Oberschicht im Gegensatz zu Gladiatoren oder einfachen Sklaven inszeniert werden.7 In diesen Gegensätzen fanden (und finden oftmals immer noch) weibliche Hauptfiguren nur wenig Raum. Die beiden häufigsten Archetypen waren und sind die Märtyrerin und die ‚femme fatale‘. Die Märtyrerin kann dabei durchaus ‚protochristlich‘ inszeniert werden und zeichnet sich trotz ihrer hohen Präsenz und Handlungsrelevanz vor allem durch ihre Passivität aus.8 Im weiteren Sinne kann selbst die treue Ehefrau Calpurnia zur Märtyrerin in der Geschichte des Frauenhelden Caesar werden.9 Gleiches gilt für die ‚damsels in distress‘, die in zahllosen mythologischen Antikfilmen auf die Rettung etwa durch Hercules/Hera-

6 Lindner (2007), 15–17 (auch mit Verweis auf die unterschiedlichen fremdsprachigen Begriffstraditionen); zur Einordnung von Plebs vgl. Lindner (2015b). 7 Vgl. Rother (2004), v. a. 35. Es ist auch kein Zufall, dass im Überblickswerk zum US-amerikanischen Historienfilm von Robert Burgoyne die Antike ausschließlich mit entsprechenden Filmen vertreten ist (Burgoyne [2008], 74–99). 8 Die noch immer beste Einführung in den entsprechenden Kontext bieten Babington/Evans (1993), 177–205. Anders als von Weinelt (2015), 16–17 als Kriterium der „Nichtheldin“ ausgemacht, ist Passivität in diesem Zusammenhang angelegt als standhafter Handlungsverzicht oder selbstbeherrschte Akzeptanz angesichts eines unausweichlichen Schicksals, nicht als Handlungsunwilligkeit oder fehlendes Handlungsverständnis. 9 So unlängst noch in der HBO-Serie Rome, zum Kontext vgl. Augoustakis (2013) und Späth / Tröhler (2012), zum Gegenbild der Atia siehe Cyrino (2008) und Harrisson (2015).

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kles warten.10 Der Heroismus dieser Figurengruppe speist sich aus dem schicksalsergebenen Erleiden. Die ‚femme fatale‘ ist umgekehrt meist sehr aktiv, wobei ihr Spiel mit den Reizen nicht nur erotischer Natur sein muss. Um im obigen Beispiel zu bleiben: Kleopatra kann Caesar ebenso mit Macht, Gold und Ruhm locken wie mit ihrer physischen Anziehungskraft. Ein Großteil der als Hauptfiguren auftretenden Kaisergattinnen – Livia, Messalina, Agrippina und andere – folgt dem gleichen Muster.11 Mehr als eine zentrale weibliche Hauptfigur pro Film ist eine relativ seltene Erscheinung; noch seltener sind kriegerische Heldinnen. Zunehmend werden jedoch die oben beschriebenen Kategorien aufgeweicht, wiederum sehr gut zu sehen am Beispiel der Kleopatra: In den ersten beiden Produktionswellen ist die Herrscherin Ägyptens praktisch nur als Vamp sowie in der Umkehrung als kindlich-komisch oder als übersexualisierte „Bimbo“ präsent.12 Seit den 1990er Jahren stößt sie häufiger in ungewohnte Domänen vor und darf als gute Kämpferin oder als kluge Beschützerin ihrer Familie auftreten.13 Untypische Formen von weiblichem Heroismus finden sich in anderen Beispielen durchaus auch früher. Zu denken wäre etwa an die kämpferische Sklavin Antea in La schiava di Roma oder die selbstbewusste Kaiserin Theodora in Teodora, imperatrice di Bisanzio.14 Derartige starke weibliche Hauptcharaktere abseits der dominanten Dichotomie blieben aber bis in die jüngere Vergangenheit des Antikfilms eher die Ausnahme – und sind zudem nur sehr eingeschränkt als ‚heroisch‘ zu bezeichnen.15 Eine nur scheinbare Sonderrolle bilden Produk10 Eine nicht repräsentative Stichprobe meiner eigenen Sammlung ergab über 50 einschlägige Beispiele, darunter nur eine Minderheit, die auf antike mythologische Vorbilder zurückgeführt werden können. 11 Siehe unten sowie in unterschiedlicher Schwerpunktsetzung Wyke (2002) und die einschlägigen Beiträge in Cyrino (2013) und Nikoloutsos (2013). 12 Kategorien nach Wenzel (2005), der neben den o.g. Studien weiterhin umfangreichsten Aufstellung; „Bimbo“ ist dabei in Anlehnung an die angelsächsische Forschung als „süße junge Frau, deren Dummheit nicht von ihrer sexuellen Anziehungskraft ablenkt“ definiert (ebd., 114). 13 So inszeniert etwa die Mini-Serie Cleopatra (1999) die Herrscherin als Männern gleichwertige Kämpferin (30 und 133, GTIN: 685738125029). 14 Antea kämpft nur solange gegen römische Soldaten, bis ihre Verkleidung fällt und ihr Geschlecht deutlich wird (La schiava di Roma 26–30, keine GTIN, TV-Ausstrahlung: MDR, 18. 05. 2007). Theodora behauptet sich physisch und politisch, ist aber letztlich von der Einsicht und Gnade Justinians abhängig (Teodora, imperatrice di Bisanzio v. a. 68–86, keine GTIN, PAL-VHS-Version: Wonderworld, Art.-Nr. 228). 15 Zu Recht hat Anja Wieber eine entsprechende Untersuchung unter den Titel „Herrscherin und doch ganz Frau“ gestellt [= Wieber-Scariot (1998)]. Zu den Wegbereiterinnen der ‚neuen Heldinnen‘ des Antikfilms gehörten u. a. die Figuren der überwiegend mythologisch-phantastischen Serie Xena – Warrior Princess, ohne dass an dieser Stelle Raum genug wäre, den Einfluss oder die zahlreich vorliegende Literatur einzuordnen. Vgl. zu Xena – Warrior Princess den Beitrag von Marion Gymnich in diesem Band.

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tionen, die in der Filmhistorie mit dem bezeichnenden Etikett ‚Exploitation‘ belegt worden sind. The Arena oder Barbarian Queen sind typische Vertreter dieser in den 1960er bis 1980er Jahren besonders populären Richtung. Die weiblichen Hauptfiguren dieser Filme werden betont als kampfstark und selbstbestimmt eingeführt – in der Folge aber mit zahlreichen Nacktszenen oder Vergewaltigungsgeschichten vorrangig als Sexobjekte ins Bild gesetzt.16 Erst in jüngerer Zeit hat sich der Idealtypus einer neuen Heldinnenfigur etabliert, wie ihn zuletzt etwa Ariadne in der gerade eingestellten BBC-Serie Atlantis verkörpert hat. Die neue Heldin ist dabei ein Spiegelbild des schon bekannten männlichen Helden: von Natur aus friedliebend und (prinzipien-)treu, im Gefahrenfall aber auch zielstrebig und kampfstark. Gewissermaßen außer Konkurrenz scheint jedoch ein anderer Bereich zu laufen: Heldinnen in Produktionen für ein kindliches oder jugendliches Publikum. Der Status ‚außer Konkurrenz‘ bezieht sich dabei nicht nur auf das Material selbst, über dessen Einordnung in diesem Sinn noch zu sprechen sein wird, sondern auch auf die Forschung. Passend zur oben geschilderten Geschlechterverteilung gibt es mehr Studien über die Männlichkeit von Helden im Antikfilm als sich hier aufzählen ließen.17 Dem gegenüber stehen Arbeiten, in den bisherigen Fußnoten ohne Anspruch auf Vollständigkeit genannt, die im Sinne moderner ‚gender studies‘ etwa Sexualität als Marker für Geschlechterrollen im Antikfilm untersuchen. All diese Studien klammern jedoch den Kinder- und Jugendfilm praktisch komplett aus. Dies ist umso bedauerlicher, als damit die Möglichkeit versäumt wird, bestimmte Thesen an einer Gruppe von Filmen zu erproben, die unter anderen Bedingungen arbeiten als das große BlockbusterKino oder das Mainstream-Fernsehen. Es wäre denkbar, in diesem Sinne von einer „geborenen Kämpferin“ wie Annabeth Chase, der Tochter von Athena in den Percy Jackson-Filmen, auszugehen.18 Markanter sind jedoch die heroischen Detektivinnen in AntikfilmKinderserien, von denen im Folgenden zwei herausragende Beispiele vorgestellt werden sollen. Einige letzte Anmerkungen zum Kontext seien aber zuvor noch erlaubt: Erstens ist der Kinderfilm an sich natürlich weit älter als die ausgewählten Exempla. Das 1900 erschienene Kinderbuch The Wonderful Wizard of Oz etwa wurde seit den 1910er Jahren mehrfach verfilmt. Die im Folgenden be16 Die Tradition wird fortgeführt durch Neo-Exploitation-Filme wie Amazons & Gladiators oder Caligula’s Spawn. Zu den nur teilweise heroischen Frauenfiguren in der Serie Spartacus vgl. Lindner (2016), 218–220 sowie die einschlägigen Beiträge in Cornelius (2015). 17 Neben den bereits genannten Titeln vgl. ohne Anspruch auf Vollständigkeit auch Hunt (1993), Kelly (2014), insbes. 157–248, sowie die einschlägigen Beiträge in Cohan / Hark (2008), Cornelius (2011), Hißnauer / Klein (2002), Renger / Solomon (2013) und anderen. 18 Vgl. Fündling (2013), 69–82 mit weiterführender Literatur sowie die in Abschnitt 5 erwähnten Publikumsbefragungen.

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handelten Geschichten um Flavia aus Roman Mysteries und Lisa aus Wondrous Myths and Legends gehören somit zu einem sehr alten Marktsegment. Dennoch sind die beiden Heldinnen nicht wirklich ‚Nachzüglerinnen‘: Der Kinder- und Jugendfilm hat erst recht spät – vor allem in seinem Boom der letzten gut 20 bis 25 Jahre – die Antike im großen Stil für sich entdeckt.19 Zweitens ist ein Etikett wie ‚Kinderfilm‘ stets relativ. Schon das Beispiel Wizard of Oz zeigt, dass ein Publikum im doppelten Wortsinn aus ‚children of all ages‘ bestehen kann. Ähnlich zog in den letzten Jahren die Harry-Potter-Reihe Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen in die Kinos. Kinderfilme im Sinn der vorliegenden Untersuchung sind daher vor allem Produktionen, die vorwiegend auf ein minderjähriges Zielpublikum ausgerichtet sind, ohne damit aussagen zu wollen, dass ihr Publikum nur aus Kindern und Jugendlichen bestehen muss.20 Aus sprachökonomischen Gründen wird im Folgenden ‚Kinderfilm‘ als Sammelbegriff verwendet, selbst wenn erkennbar ein Publikum von Jugendlichen oder Heranwachsenden (mit) angesprochen wird.21 Nach diesem kurzen ‚Vorspann‘ werden sich die nächsten Abschnitte auf die angekündigten zwei weiblichen Heldinnen konzentrieren, oder genauer: auf die Fragen, wie ihr Heroismus konstruiert wird bzw. wie sich dieser zu den üblichen ‚Regeln‘ des Antikfilms verhält.

2.

Geheime Geschichten: Roman Mysteries

Die filmische Darstellung der Detektivin Flavia basiert auf einer Reihe von Kinder- bzw. Jugendbüchern der britischen Autorin Caroline Lawrence. In den 2000er Jahren entstanden 17 Romane, einige Kurzgeschichten und eine Vielzahl von ‚spinoffs‘, darunter etwa Flavias fiktiver ‚Reiseführer‘ durch die antike Welt. Historischer Kontext ist das Römische Reich zur Zeit der Flavier, genauer: die Jahre 79 bis 81 nach Christus. Eine Gruppe junger Hauptcharaktere reist zwar in verschiedene Gebiete des Imperiums, der Fokus liegt jedoch auf Vorgängen im italischen Kernland. 19 Schwerpunkt ist hierbei eindeutig der antike Mythos, der oftmals als antike Entsprechung zum modernen Märchen rezipiert wird; vgl. Lindner (2008) und Lindner (2017). Der Themenkomplex der Antike im Kinder- und Jugendbuch ist zu umfangreich, um ihn hier angemessen darstellen zu können. Zur Einführung siehe Geerts/Van den Bossche (2014), Kunze (2005), Lovatt (2009), Maurice (2015), Marciniak (2016) und Morris (2000). Zum Kinderfilm bzw. der Kinderbuchverfilmung vgl. außerdem Home (1993), Staples (1997), Völker (2005) und Wojcik-Andrews (2000). Zur Verbindung zwischen Kriminal- und (antiker) Historienfiktion vgl. Maurice (2017) sowie die einschlägigen Beiträge in Brodersen (2009). 20 Vgl. Kenway / Bullen (2008); siehe auch die Diskussion des „versteckten Erwachsenen“ in (vermeintlicher) Kinder- und Jugendliteratur bei Nodelman (2008). 21 Zu Abgrenzungsversuchen wie Jugendfilm oder Adoleszenzfilm siehe Jerslev (2008).

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Die Verfilmungen der erfolgreichen Romane entstanden 2006 und 2007 in zwei Staffeln als Produktion der Little Entertainment Group im Auftrag der BBC, wo die Sendung zwischen Frühjahr 2007 und Herbst 2008 erstmals ausgestrahlt wurde. Das Setting und die Handlung sind im Verhältnis zu den Büchern teilweise umarrangiert; Nebenerzählungen und Figurenkonstellation werden gestrafft. Vor allem aber sind die kindlichen Charaktere erwachsener als in der Vorlage geraten (nicht nur durch die Wahl der Schauspieler/innen),22 während im Gegenzug die erwachsenen Figuren der Romane weitgehend marginalisiert werden. Genau wie die international erfolgreiche Buchreihe setzt die Serie auf episodenhaft abgeschlossene Kriminalfälle. Jede Staffel umfasst dabei zehn Folgen, von denen immer zwei zusammen eine ‚Scroll‘23 von knapp einer Stunde bilden. Die einzelnen ‚Scrolls‘ besitzen üblicherweise eine Doppelstruktur: Den einen Teil bildet die Erzählung eines mehr oder minder historischen Ereignisses (Vesuvausbruch, Piratenbedrohung im Mittelmeer, Attentat auf Kaiser Titus etc.). Der andere besteht aus dem eigentlichen Kriminalfall, der in unterschiedlicher Intensität mit dem Strang der historischen Erzählung verwoben ist. Mit der Fortdauer der Serie zeigt sich eine Verschiebung hin zu mehr ‚Charakterentwicklung‘; die Geschichten widmen sich etwa verstärkt den Familienschicksalen einzelner Figuren. Die Herausforderung der Bücher und fast noch mehr der Serie ist die Balance zwischen historischem Vermittlungsanspruch und sozialer Botschaft oder ‚political correctness‘.24 Nur am Rande sei an dieser Stelle auf die Biographie von Caroline Lawrence hingewiesen: Die Autorin der Roman Mysteries war nach einem Studium der klassischen Altertumswissenschaften als Lateinlehrerin aktiv. Zeitweise fungierte sie sogar als Präsidentin der ‚Joint Association of Classical Teachers‘, die unlängst in der ‚Classical Association‘ aufgegangen ist. Erklärte Zielsetzung der ‚JACT‘ war eben jene Verbindung, klassisches Bildungsgut nicht nur zu bewahren, sondern über den Schulunterricht allen Bevölkerungsgruppen einen vorurteilsfreien Zugang dazu zu verschaffen.25 In der 22 Ironischerweise hatte sich die Autorin noch 2001 unter Hinweis auf zu schnell alternde Kinderschauspieler für eine Umsetzung als Animationsfilm ausgesprochen (http://flavias. blogspot.de/2010/09/caroline-lawrence-author-interview-nov.html; Zugriff: 24. 07. 2020). Zum Kontext der Romane in der Genretradition vgl. Rutenfranz (2009), 38–40 und 43–44. 23 Anders als die Serie benutzen die Romanvorlagen den Begriff nicht für einen kompletten Handlungsbogen bzw. Fall, sondern verwenden ihn (nach dem Vorbild antiker Literatur) für die jeweiligen ‚Hauptkapitel‘. 24 Zu diesem Grundproblem der Vermittlung antiker Inhalte in der Kinder- und Jugendliteratur vgl. Murnaghan (2011). 25 Die Verbindung mit der Classical Association war im Sommer 2015 abgeschlossen; die ursprüngliche Selbstdarstellung der Joint Association of Classical Teachers ist aber – Stand Februar 2020 – noch einzusehen auf Archivversionen der alten Verbandsseite http://www. jact.org/.

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Serie Roman Mysteries führen ähnliche Zielsetzungen zum letztlich ungelösten Dilemma kollidierender Darstellungsabsichten. Einerseits kämpfen die Hauptfiguren – durchaus historisch – beispielsweise mit dem früheren Eintritt in die Erwachsenenwelt oder mit den Risiken von essentiellem Statusverlust, wie sie zur Welt des kaiserzeitlichen Roms gehörten. Andererseits wird großer Wert darauf gelegt, die Charaktere möglichst gleichmäßig und gleichrangig nach Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft und anderen Aspekten zu besetzen. Unter den vier Hauptfiguren sind je zwei Mädchen und zwei Jungen; es gibt eine Farbige, einen Juden und sogar einen Behinderten. (Anders als in den Romanen wird der Junge Lupus nicht als an der Zunge verstümmelt eingeführt, sondern schlicht als stumm.)26

Die vier Hauptcharaktere von Roman Mysteries: Die farbige Nubia, der stumme Lupus, die Hauptheldin Flavia und der jüdische Jonathan bilden eine betont vielfältige und wenig hierarchisch wirkende Gruppe. (© BBC / HL Television / The Little Entertainment Group Ltd.)

Das Resultat vermittelt fast den Eindruck eines modern-kindgerechten Freundeskreises, obwohl beispielsweise Flavia und Nubia über mehrere Folgen im Verhältnis Eigentümerin – Sklavin stehen. Dabei entspricht die soziale Spreizung zwischen Flavia, einer Angehörigen der vermögenden Schicht, und Nubia, der unfreien Fremden, den Gepflogenheiten des Antikfilms. Anders als dort üblich,27 generiert Roman Mysteries daraus jedoch wenig Konfliktpotential ‚innerhalb‘ der 26 Die Vorgeschichte mit traumatisierendem Erlebnis in Roman Mysteries, Staffel 1, Episode 8: The Dolphins of Laurentum II 17–21. Die folgenden Nachweise beziehen sich auf die britische DVD-Ausgabe (GTIN Staffel 1: 5027182613984, Staffel 2: 5027182613991) und zählen analog zu derselben nach Teilfolgen, nicht wie bei anderen lokalisierten Fassungen in Doppelfolgen. 27 Siehe oben mit Anm. 5.

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Gruppe von Hauptfiguren. Soziale Diskrepanzen spielen nur etwa bei Problemen mit dem Statusnachweis eine Rolle.28 Auch das Motiv der Sklavenflucht wird für Nubia lediglich an zwei Stellen angesprochen, wobei sich der Konflikt jeweils rasch ins Positive wendet.29 Selbst nach ihrer Freilassung tritt sie fast ausschließlich als stille Helferin in Erscheinung, die ihrer belesenen Herrin aufrichtig zugeneigt zu sein scheint. Das Stichwort ‚belesen‘ führt uns zur Hauptaufgabe des jugendlichen Quartetts, aus dem die Detektivin Flavia als die zentrale Figur herausragt. Die Doppelfolgen sind eher im weiteren Sinne Kriminalfälle, wie der ‚Fall Pompeji‘ unten zeigen wird. Ihnen ist jedoch gemein, dass sie sich meist nur mit einer Mischung aus Wagemut, Intelligenz und Wissen lösen lassen. Letzteres kann dabei den Charakter von kulturellem Wissen annehmen, aber immer wieder auch von Fachwissen, das sich insbesondere Flavia durch Unterricht oder Lektüre angeeignet hat. Überspitzt gesagt, ist die Heldin zielgruppengerecht ebenso sehr Detektivin wie Schulmädchen. Selten wird dies in der Serie so deutlich erzählt wie in den Teilfolgen von The Secrets of Vesuvius, die kurz vor dem Ausbruch des Vulkans einsetzen: Die Freunde reisen zu Flavias Onkel, dessen Landgut an der Küste unweit des Vesuvs liegt. Durch Zufall retten sie unterwegs Plinius den Älteren, den bekanntesten Enzyklopädisten der Antike, aus akuter Seenot.30 In den kommenden Tagen treten immer mehr untypische Phänomene – plötzliches Fischsterben, Beeinträchtigung des Brunnenwassers oder Flucht von erdbewohnenden Tieren – auf. Die lokale Bevölkerung reagiert mit einer umso genaueren Beachtung der üblichen Rituale und ist beunruhigt, als ein solches misslingt.31 Einzig Flavia erkennt die Parallelen zu einem Bericht des (historischen) Autors Diodorus Siculus. Glücklicherweise hat sie eine Lesefassung von Diodors Werk dabei, mit deren Hilfe sie die Ähnlichkeiten zu einem Vorfall in Korinth herausstellen kann. Außerdem zieht sie die korrekte Verbindung zu einem Bericht des Plinius über 28 Zwischen der Gruppe und der Außenwelt wird dieses Potential dagegen stärker ausgeschöpft, beispielsweise im Fall um Nubias Bruder, der als Gladiator versklavt wurde, und den späteren Kaiser Domitian (Staffel 2, Episoden 1 und 2: The Gladiators from Capua I bzw. II). 29 Gleich nach ihrem Kauf erwägt Nubia kurz die Flucht, wird von einer anderen Sklavin aber mit pragmatischen Argumenten vom Gegenteil überzeugt und anschließend gut behandelt (Staffel 1, Episode 1: The Secrets of Vesuvius I 10–11). In einer späteren Folge lässt sich Flavia zu einem ungewohnt herrischen Umgang mit Nubia verleiten, die daraufhin flüchtet (Staffel 1, Episode 4: The Pirates of Pompeii II 2–9). Flavia bereut sofort ihr Verhalten, löst mit ihren Gefährten den Fall um eine gefährliche Bande von Sklavenjägern und lässt die zurückgeführte Nubia frei. Diese akzeptiert erst, als ihr auch weiter ein Platz im Freundeskreis zugesichert wird (ebd. 24–26). 30 Staffel 1, Episode 1: The Secrets of Vesuvius I 14–17. 31 Ritual in Staffel 1, Episode 2: The Secrets of Vesuvius II 6–8. Später verortet der für die misslungene Durchführung Verantwortliche den Wendepunkt der Geschichte folgerichtig auch genau hier: „It started, when I dropped the fish“ (ebd. 22).

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vulkanische Aktivität in Italien.32 Die erwachsenen Männer in ihrem Umfeld sind zuerst skeptisch, ermöglichen ihr aber doch eine erneute Begegnung mit Plinius, der als Präfekt auch der höchste Repräsentant des Staates vor Ort ist. Anfangs erscheint er mehr amüsiert als besorgt und diskutiert mit Flavia griechische Autoritäten. Sein Respekt für die junge Scholarin verhindert jedoch nicht, dass er aus einem naturwissenschaftlichen Irrtum heraus einen Ausbruch des Vesuvs für unmöglich erklärt. Noch während seiner Rede bestätigt eine erste Aschewolke Flavias Theorie. Plinius sieht sich zu einer fast schon komischen Kehrtwende gezwungen, erkennt Flavias Leistung an und mobilisiert Hilfe.33 In der Folge ist die jugendliche Detektivin eher mittelbar an der Rettungsaktion beteiligt; am Ende jedoch ist die Rettung aller wiederum Flavias klarem Verstand zu verdanken. Sie versteht als Einzige, wie die tödliche Feuerwalze durch Tauchen im Meer überlebt werden kann. Die verunsicherte Gruppe folgt ihren Anweisungen erst in letzter Sekunde, erkennt am Resultat aber sofort, wie richtig Flavia die Situation gelesen hat.34 Die physische Bedrohung wird in Roman Mysteries nur selten derart drastisch in Szene gesetzt. Die Serie setzt eher auf gedämpfte Gewaltdarstellungen und latente Gefährdungsszenarien mit vereinzelten „Spitzen“. Der Heroismus von Flavia und ihren Helfern zeigt sich in diesem Zusammenhang durch ein meist gewaltloses Einstehen für Bedrohte, Rechtlose oder Schwache – sowie durch die bedingungslose Treue zu Familie und Freunden, unabhängig von deren Status und Situation. Ein gutes Beispiel für diese Form heroischer Detektivarbeit ist die Doppelfolge The Slave Girl From Jerusalem: Flavia kommt auf Umwegen mit der Freigelassenen Hepzibah in Kontakt, einer alten Freundin der Schwester von Flavias jüdischem Freund Jonathan. Die Angehörigen ihres früheren Herren haben Hepzibah vor Gericht gebracht. Der jungen Frau drohen der erneute Verlust der Freiheit und eine Verurteilung wegen angeblicher Beteiligung am Tode ihres Freilassers.35 Trotz gefährlicher Umstände (Ermordung eines Zeugen, Bedrohung der jüdischen Freunde und Verhaftung Nubias) lässt Flavia sich nicht in ihrem Kampf für die wahre Geschichte beirren.36 Am Ende vollbringt sie eine Wendung im Stile des klassischen Detektivromans: Mit ihren Freunden spürt sie das entscheidende Dokument in einem Tempelarchiv auf. Den Beweis in Händen platzt sie in die laufende Verhandlung und entlarvt die wahren Schuldigen.37 32 Ebd. 9–10. 33 Ebd. 16–18 („Gelehrtenwettstreit“) bzw. 18–20 (vulkanische Aktivität und Beginn der Hilfsmaßnahmen). 34 Ebd. 24–25. 35 Staffel 2, Episode 9: The Slave Girl from Jerusalem I 3–7. 36 Ebd. 19–20 (Tod des Entlastungszeugen) bzw. 23–27 (Bedrohung und Verhaftung Nubias). 37 Staffel 2, Episode 10: The Slave Girl from Jerusalem II 22 (Fund des Testaments) bzw. 23 (Wendung bei der Gerichtsverhandlung).

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Bei all diesen Abenteuern tritt die Besonderheit einer weiblichen Hauptfigur kaum einmal hervor. Vereinzelt wird etwa die verbreitete Praxis angesprochen, Frauen bereits sehr früh zu verheiraten.38 Diese Momente werden jedoch weitgehend überlagert durch die im Antikfilm so ungewöhnliche Detektivinnenrolle. Die Existenz einer ‚Aufklärerin der Geschichte hinter der Geschichte‘ ist weit stärker betont als die Frage nach Geschlechterrollen und entsprechenden Erwartungshaltungen, Zwängen oder Einschränkungen. In diesem Sinne steht Roman Mysteries älteren Serien wie The Eagle of the Ninth – produziert 1977 von der BBC nach dem 1954er Jugendroman von Rosemary Sutcliff – recht nahe. Dort wird der historische Fund der flügellosen Adler-Statue von Silchester zum Ausgangspunkt einer Erzählung um das Verschwinden der namengebenden 9. Legion. Im Gegensatz zu Roman Mysteries wird jedoch das aufgeklärte Rätsel bewusst nicht öffentlich gemacht. Die ‚Geschichte hinter der Geschichte‘ bleibt durch Konsens aller Eingeweihten – zu denen indirekt auch das Publikum zählt – geheim. Bevor dieser Punkt aber weiter ausgeführt werden kann, ist es an der Zeit für den Auftritt unserer zweiten Detektivin.

3.

Gerettete Geschichten: Wondrous Myths and Legends

Die amerikanischen Geschwister Lisa und Nick sind die Hauptfiguren dieser 1998/99 von D’Ocon Films produzierten Animationsserie. Die 13 Folgen zu je 23 Minuten werden bis heute von Sony vertrieben, wobei zahlreiche lokalisierte Versionen mit oft geändertem Aufbau existieren. In der ersten deutschen DVDEdition folgt etwa auf die zweite Episode (The Riddle of the Sphinx) direkt die Schlussepisode (The Lost City of Atlantis). Angesichts derartiger Eingriffe muss vorweggeschickt werden, dass sich die anschließenden Bemerkungen nur auf die originale Fassung in der ursprünglichen Abfolge beziehen.39 Die abgeschlossene Erzählform der einzelnen Episoden begünstigt durchaus die beschriebenen Umstellungen der Reihenfolge. Die Serie selbst kennt jenseits dieser kurzen Spannungsbögen nur eine minimale Rahmenerzählung um den 12-jährigen Nick und die 14-jährige Lisa. Die beiden klettern, anscheinend ohne 38 Am deutlichsten im Streit um die Planungen des Vaters für Flavias Verlobung in Staffel 1, Episode 10: The Enemies of Jupiter II 25–27 sowie Staffel 2, Episode 4: The Trials of Flavia Gemina II 2–3. Die im Roman The Man from Pomegranate Street beschriebene Heirat Nubias wurde dagegen in der Serie nie umgesetzt. 39 Die eigenwillige Vermarktungspraxis des langjährigen deutschen Lizenzinhabers TV Loonland verkompliziert auch die Nachweise: Die Serie ist in Einzel-DVDs zu je zwei bis drei Folgen erschienen; die zugehörigen GTINs sind 4260057812377 (Episoden 1 und 8), 4260057812384 (2 und 13), 4260057812407 (3 und 4), 4260057812360 (5 und 10) 4260057812353 (6 und 11) sowie 4260057812391 (7, 9 und 12). Zusätzlich kursieren diverse Sampler, die einzelne Episoden im Stile eigenständiger Kurzfilme verwenden.

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Beteiligung ihrer Eltern und ungefähr in den 1990er Jahren, in einem nicht weiter spezifizierten amerikanischen Canyon. Beim Abseilen stoßen die Geschwister zufällig auf eine Höhle und erkunden diese aus Neugier weiter. Daraus ergibt sich der Ausgangs- und Endpunkt für episodale Abenteuer – in den Worten der Hauptfiguren im Vorspann:40 L: We’ve discovered the Cavern of Mythos, where the great myths and legends of the world are treasured. N: We cracked the Cavern Code and discovered the key crystal … L: … which unlocks us into a world of myth … N: … and sends us on a mission, … L: … a mission into Wondrous Myths … N: … and Legends!

Die angesprochene ‚Mission‘ bezieht sich auf zwei Hintergrundgeschichten, die wegen des vorzeitigen Absetzens der Serie nie gänzlich aufgeklärt werden. Einerseits sind Lisa und Nick offenbar mit dem Erbauer der Mythenhöhle verwandt und fungieren damit als eine Art erbliche Schatzhüter.41 Andererseits ist die Mythenhöhle akut bedroht von einem Saboteur, der ebenfalls durch die Geschichten reist und deren ‚Erfolg‘ bedroht.42 Die meisten Episoden behandeln dabei einen mythischen oder legendären Erzählkomplex, der in der Regel über eine kindliche oder jugendliche Bezugsperson aus diesem Setting eingeführt wird. Sobald Lisa und Nick die jeweilige Geschichte aufgeklärt bzw. gerettet haben, kehren sie in die Gegenwart der Mythenhöhle zurück. Der Titel Wondrous Myths and Legends ist bei all dem in einem sehr weiten Wortsinn zu verstehen und kann etwa auch das Aztekenreich unter Montezuma einbeziehen.43 Ohnehin sind die Thematiken stark gemischt mit Episoden über das schottische Loch Ness, den nordischen Gott Thor oder irische Kobolde.44 Der Großteil der Erzählungen entstammt aber den Mythen der klassischen Antike oder bezieht sich unmittelbar auf sie. Neben den oben bereits erwähnten Folgen über die Sphinx und Atlantis gibt es weitere über das geflügelte Pferd Pegasus, König Midas und seinen ‚goldenen Fluch‘, das Land der Zyklopen, den Troja-

40 Episode 1: The Magic of Pegasus, the Winged Horse 1, andere Episode analog; für das Folgende: L = Lisa, N = Nick. 41 Der Kontext wird teilweise erklärt in Treffen mit dem Erbauer und Vorfahren in Episode 9: The Mischievous Arrows of Cupid 13 und 22–23; vgl. auch Episode 12: The Wish of the Wee Leprechauns 19. 42 Siehe unten mit Anm. 51. 43 Episode 10: The Lost Gold of the Aztecs. 44 Episode 3: The Mystery of the Loch Ness Monster, Episode 8: The Mighty Hammer of Thor und Episode 12: The Wish of the Wee Leprechauns.

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Die Mythenhöhle von Wondrous Myths and Legends: Eintrittspunkte werden grafisch markiert und deuten auf die zu „lösende“ Geschichte hin. (© D’Ocon Films / Sony Music Entertainment Inc.)

nische Krieg und die Liebesgeschichte von Amor und Psyche.45 Die Nähe zu den mythischen Stoffen fällt sehr unterschiedlich aus, kann aber wie in der MidasFolge auch sehr spezifische Details übernehmen.46 Entsprechend dem Zielpublikum werden die Aspekte Gewalt und Sexualität in ihrer Bedeutung weitgehend zurückgefahren. Teilweise hilft hierbei die Fokussierung auf ikonische Motive: Die Troja-Episode dreht sich um das hölzerne Pferd und blendet die Kriegshandlungen davor und danach praktisch aus. Jenseits solcher Zuschnitte entstehen die meisten größeren Änderungen an den Vorlagen durch Versuche, die kindlichen Charaktere in handlungsrelevanten Rollen zu zeigen. Das zentrale Motiv aller Episoden ist die Gefährdung der Geschichte – sei es durch interne Faktoren oder durch den geheimnisvollen Saboteur. Der Gedanke, dass Geschichte(n) durch Zeitreisende gefährdet werden können, ist nun nicht sonderlich originell. Filme wie Time Bandits oder Serien wie Doctor Who spielen die verschiedensten Effekte durch, die Zeitreisende auf – nicht nur antike – Szenarien haben könnten. Selbst im Bereich des Kinder- und Jugendfilms ist Wondrous Myths and Legends kein Einzelfall.47 Die Besonderheit liegt vielmehr in 45 In Reihenfolge der Ausstrahlung: The Magic of Pegasus, the Winged Horse (Episode 1), The Riddle of the Sphinx (2), The Golden Touch of King Midas (5), The Battle of the Cyclopes (6), The Secret of the Trojan Horse (7), The Mischievous Arrows of Cupid (9) und The Lost City of Atlantis (13). 46 So erläutert etwa Episode 5: The Golden Touch of King Midas 20–21 ausführlich die mystische Wirkung, die Wasser aus dem Fluss Paktolos im Zusammenhang mit Midas’ Gabe besitzt. 47 Die britisch-deutsche Serie Adventurers – Mission Zeitreise von 2003/2004 etwa trägt die Kernerzählung schon im Titel: Die vier jungen Hauptfiguren spüren einem Cyberkriminellen

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der Verbindung von Geschichte und Geschichten: Die Serie konzentriert sich auf ikonische Einzelerzählungen wie St. Georg und der Drache, nutzt diese aber nicht nur wegen ihres Wiedererkennungswertes. Der herausragende Charakter der Geschichten ermöglicht erst das besondere Heldentum, das insbesondere die Detektivin Lisa an den Tag legt. Die ‚großen Stories‘ dienen gewissermaßen als Begründung der Historie. In The Riddle of the Sphinx löst Lisa das bekannte Rätsel um den Menschen als Tier mit – je nach Lebensalter – vier, zwei und drei Beinen.48 Das besiegte Monster wird nicht nur zu Stein; es erleidet auch die markanten Bruchstellen, die aus ihm erst die ikonische Sphinx von Gizeh machen (statt der Sphinx von Theben, die wie die Rätselgeschichte zum Ödipusmythos gehört).49 Lisas Einsatz geht hier, wie in anderen Fällen, mit einer gehörigen Portion Altruismus einher: Sie bewältigt die Rätsel der Geschichten um der Geschichten willen und zur Hilfe für andere, ohne Anerkennung oder Belohnung zu verlangen. So gehört in The Riddle of the Sphinx der letzte Schritt zum Erfolg einem Bauernjungen, dem Lisa die korrekte Lösung aufgezeigt hat.50 Die großen Geschichten in Wondrous Myths and Legends haben überdies ein Eigenleben. Sie laufen eigenständig ab und sind zwar durch die Mythoshöhle bereisbar, existieren aber außerhalb von ihr und außerhalb unserer konventionellen Zeitlinie. Der Effekt wird besonders eindrücklich in der Episode The Lost City of Atlantis: Die Geschwister reisen in den antiken Mythos des versunkenen Utopia, das in der Folge vage mit der Sintflut in Verbindung gebracht wird.51 Die Bevölkerung besitzt angemessen archaische Züge mit dem Höhepunkt eines an Neptun gemahnenden Königs; die Stadt unter ihrer Kuppel ist dagegen futuristisch und hochtechnisiert. Die Geschwister retten dieses doppelgesichtige Atlantis vor dem (erneuten) Untergang und erhalten eine unerwartete zeitliche Verortung:52 King: I can’t thank you enough for all you’ve done. L.: We are just glad Atlantis survived. N: And now your legend will live on. King: Proof is, this happened once before. Only that rebellion was led by a stranger that

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nach, der seine ‚Schadprogramme‘ in die Vergangenheit schickt, um den Lauf der Geschichte zu manipulieren. Im Vergleich zu Wondrous Myths and Legends ist der Ansatz wenig originell und fokussiert stärker auf historische (überwiegend neuzeitliche) Szenarien. Auffallende Ähnlichkeit besteht dagegen zwischen Adventurers und dem zeitnah erschienenen Edutainment-Computerspiel Historion (http://www.braingame.de/historion_game/). Die anhaltende Popularität des Erzählmusters im Jugendroman zeigt der Erfolg der inzwischen auch verfilmten „Edelstein-Trilogie“ von Kerstin Gier. Episode 2: The Riddle of the Sphinx 18. Ebd. 20. Ebd. 18–19. Episode 13: The Lost City of Atlantis 9. Ebd. 21–22.

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looked like you two, named Lando. […] He nearly destroyed Atlantis before vanishing, thousands of years ago – right around the 21st century.

Nur als kleiner Exkurs: Der futuristische Einschlag der Atlantis-Folge zeigt sehr gut die Zwischenposition, in der das Etablieren der Antike im Kinder- und Jugendfilm erfolgte. Seit Mitte der 1990er Jahre wurden als Alternative zu den verbreiteten Science-Fiction-Erzählungen mehr und mehr antike Mythen adaptiert. Eine Strategie bestand darin, den Mythen durch betonte Historisierung einen ‚Mehrwert‘ zu verschaffen. Die gegenläufige Strategie vermischte antike und futuristische Elemente im Stile zeitloser Märchenerzählungen.53 So gesehen gehört Lisa zu einem Produkt, das an einer Nahtstelle steht und Spuren zweier medialer Traditionen verbindet. Ob nun futuristisch oder rein antik, wichtig ist in der Lesart von Wondrous Myths and Legends vor allem der Erfolg der Geschichten im Sinne eines ‚richtig‘ ablaufenden Hauptplots und Endes. Als Heldin ist Lisa deswegen so bedeutsam, weil sie als Einzige das Wesen der Erzählungen durchschaut und von Anfang an deren korrekten Verlauf kennt. Während sie detektivisch den Sabotageversuchen nachspüren kann, erweist sich ihr Bruder eher als ‚comical sidekick‘, dessen größtes Defizit die fehlende Geschichteneinsicht darstellt. In einigen wenigen Momenten helfen Lisa klassische Mädchenklischees – so sind etwa alle Mädchen automatisch tierlieb, weswegen sie sofort mit Pegasus umgehen kann.54 Allerdings steht sie auch bei physischen Herausforderungen ihrem Bruder nicht wirklich nach. Ihre stärkste Waffe bleibt jedoch ihre ‚Geschichtenkompetenz‘, die in der Serie fast schon komische Züge annehmen kann: In The Secret of the Trojan Horse drohen die Angreifer trotz aller Unterstützung zu scheitern. Schließlich zeichnet Lisa das Trojanische Pferd auf ein Tongefäß, nur um zu erleben, wie der Hinweis missverstanden wird als Rat, sich mit Töpferware zu tarnen.55 Erst nachdem drei Charaktere gescheitert sind, versteht Odysseus die zunehmend verzweifelten Hilfen und rät zum Bau eines Holzpferdes.56 Die Bestätigung der detektivischen Leistung im Sinne der Geschichten kommt in objektiver Form durch die Geschichten selbst. Sobald der Fall gelöst und die Hindernisse für das richtige Ende beseitigt sind, tut sich ein Ausgang auf, der 53 Zu den kuriosesten Mischungen gehörte die französisch-japanische Trickserie Uchuu Densetsu Ulysses 31, vgl. Castello / Scilabra (2015); für andere ‚Mischungen‘ etwa im südkoreanischen Kinderfilm Yullisijeu und den märchenhaften Antikfilm vgl. Lindner (2017). Wie gut Science Fiction und Antikenrezeption in anderen Kontexten zusammengehen, illustriert anschaulich der Band von Rogers / Stevens (2015). 54 Episode 1: The Magic of Pegasus, the Winged Horse 7–8. Pegasus als menschenfreundliches Pony mit Flügeln mag angesichts des antiken Mythos eine eigenwillige Vorstellung sein. Im Kinderfilm trägt das Konzept allerdings sehr gut, wie sich aus Filmen wie Barbie and the Magic of Pegasus auch jenseits eines antiken Settings zeigt. 55 Episode 7: The Secret of the Trojan Horse 15–17. 56 Ebd. 17–18.

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Nick und Lisa wieder in die Mythenhöhle zurückführt.57 Die Rolle, die der Hauptakteurin dabei zukommt, ist in der populären Fiktion am ehesten mit einem (allerdings weit komplexeren) Beispiel literarischer Metaerzählung zu vergleichen: der „Bookworld“ von Jasper Fforde.58 Der entscheidende Eingriff der Detektivin in die Geschichte muss weder besonders groß noch drastisch sein. Die Heldinnenrolle entsteht vielmehr aus dem bedingungs- und selbstlosen Einsatz für das unstrittig richtige Resultat. Es ist ein Heroismus im Sinne der Geschichte, deren Bedeutung allein das Handeln schon ausreichend motiviert und begründet. Wie aber lassen sich die zwei skizzierten Varianten weiblichen Heldentums im Vergleich einschätzen?

4.

Jugendliche Detektivinnen und der Antikfilm

Auf den ersten Blick scheint es schwierig, die Römerin Flavia und die Zeitreisende Lisa in Bezug zueinander zu setzen. Mit Blick auf die Kriterien und Form ihres Heroismus – sowie die Bedeutung des Gender-Aspekts – wird der Vergleich aber durchaus sinnvoll. Beide Figuren sind ‚detektivisch‘ eher im Sinne von Miss Marple (in der Margaret-Rutherford-Interpretation) als von Sam Spade oder Philip Marlowe. Es geht weniger um Nehmerqualitäten oder zynischen Pragmatismus als um einen freien und flexiblen Geist, verbunden mit einer positiven Neugier und moralischen Grundüberzeugung. Die Art der Auflösung von Fällen zeigt Einflüsse des Musters vom ‚armchair detective‘, geht aber betont darüber hinaus. Die jungen Detektivinnen sind notfalls gewissen physischen Herausforderungen gewachsen, setzen jedoch bewusst auf andere Fähigkeiten. Flavia und Lisa sind auf unterschiedliche Weise am Gleichen interessiert, der ‚Geschichte hinter der Geschichte‘. Beide sind überzeugt von der Möglichkeit und Notwendigkeit eines richtigen Endes. Zugleich sind beide aber nicht fehlerfrei in ihrem Heldentum: Flavias Neugier verschärft oder provoziert manche Gefah57 Praktisch immer um Minute 22 der Folgen, so beispielsweise in Episode 5: The Golden Touch of King Midas, in Episode 6: The Battle of the Cyclopes, in Episode 7: The Secret of the Trojan Horse oder in Episode 9: The Mischievous Arrows of Cupid. 58 Ffordes Thursday Next-Romane erzählen in einer alternativen Zukunft die Abenteuer der gleichnamigen Heldin, die als Detektive in einer Art ‚Literaturpolizei‘ arbeitet. Dank ihrer speziellen Fähigkeiten kann sie sich in die Texthandlung regelrecht hineinlesen und teilhaben an deren Fortgang, der sich bei jedem Leseprozess automatisch wiederholt. Ähnlich zu Wondrous Myths and Legends besteht die Hauptaufgabe der externen Heldin darin, die Funktionsweise der Plots zu bewahren und das Eintreten des vertrauten Endes zu sichern (was hier allerdings nicht immer gelingt). Im Archäologiefilm kommt dem noch The Quest am nächsten. In dieser Serie können sog. ‚Fictionals‘ aus ihren Werken in die reale Welt ‚gelesen‘ werden (bislang allerdings ohne antikes Beispiel). Vgl. allgemein zur Entwicklung des Kinder- und Jugendkrimis im späten 20. und 21. Jahrhundert van Nahl (2019).

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rensituation erst.59 Lisa lässt sich in einem Fall ausspielen, indem eine Protagonistin Lisas Eitelkeit ausnutzt, die ihr kein Zugeständnis von Wissenslücken gestattet.60 Flavia und Lisa sind heroisch trotz ihrer Fehler – oder manchmal auch erst durch deren Erkenntnis und Überwindung. Unabhängig von diesen Abstrichen am Heroismus ist letzterer in seiner Bewertung nur schwach über das Geschlecht festgelegt. Es gibt einige wenige Momente, in denen beide Detektivinnen mit ihrer Rolle als Mädchen kokettieren oder sich sogar ernsthaft darin gefallen.61 In Sachen logisches Denkvermögen, Wagemut und oftmals sogar bei der physischen Bewährung erweisen sie sich gegenüber ihren männlichen Altersgenossen dennoch als mindestens gleichwertig (ohne dass durchgängig Geschlechtererwartungen thematisiert werden müssten). Relativierend ließe sich allenfalls anbringen, dass Flavia und Lisa älter als ihre Gefährten sind und ihre besondere Position schlicht einem Entwicklungsvorsprung verdanken. Allerdings fällt die Differenz sehr gering aus und erklärt keine grundsätzlichen Charakter- und Kompetenzunterschiede. Beide Heldinnen sind ohnehin weit entfernt davon, eine echte Erwachsenenrolle zu übernehmen und fast schon als ‚Mutter der Gruppe‘ aufzutreten. Wem oder was gegenüber kann nun aber in der jeweiligen Erzählwelt Heroismus entstehen? Erstes Kriterium sind nennenswerte und bewusst angegangene Gefahren, gleich ob physisch durch Naturgewalten und Räuber oder sozial durch drohenden Statusverlust. Der zweite Baustein ist das Kämpfen gegen jegliche Form von Ungerechtigkeit. Die Bezugspunkte – Auswüchse der Sklaverei, Undankbarkeit gegen Getreue, Gesetzesverstöße – sind nahezu austauschbar. Das dritte Element ist die altruistische Motivation, die zur Rettung von Freunden, Verwandten, der staatlichen Ordnung oder allgemein ‚der Geschichte‘ führt. Das Heldentum wird über zwei unterschiedliche Erzählstrategien konstruiert: Roman Mysteries gibt einen historischen Kontext als letztlich unveränderliche Größe vor und will deren Entstehung oder Beschaffenheit durch die geheime Geschichte dahinter ergänzen und begründen. Die antiken Zeugnisse liefern Rahmen und Ergebnis der Aktionen, im obigen Beispiel den Vesuvausbruch und Plinius’ Tod bei der Rettungsaktion. Die Erzähllogik macht aber die junge Heldin zur Initiatorin, ohne die Plinius womöglich nicht rechtzeitig ausgelaufen oder unheroisch auf dem Weg verstorben wäre. Das historische Gegenstück bildet die Darstellung der Ereignisse, wie sie in einem Brief von Plinius’ Neffen an den römischen Historiker Tacitus überliefert ist.62 Die antike Quelle ist erkennbar um 59 Vgl. die äußerst selbstbewusste „I am chief mystery solver“-Rede in Staffel 2, Episode 3: The Trials of Flavia Gemina I 14–15. 60 Episode 11: The Brave Knights of Camelot (mit Morgana als falscher Garantin der Geschichte). 61 So beispielsweise ebd., 11–12. 62 Plin. epist. 6,16.

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Lob für das Verhalten des Hauptakteurs bemüht, erzeugt in diesem Zusammenhang aber genügend erzählerische ‚Leerstellen‘, die in der Lawrence’schen Version ausgefüllt werden können. Eine weniger heroisierende Gegenerzählung ist ebenfalls antik belegt, allerdings fragmentarisch in einem Überrest von Suetons De viris illustribus:63 Von Neugier getrieben manövriert sich Plinius direkt in die Katastrophe und lässt sich in auswegloser Lage von einem Sklaven töten, mutmaßlich da er selbst zum Suizid zu schwach ist. Roman Mysteries schlägt sich nicht nur eindeutig auf die Seite der plinianischen Version, sondern verschafft dieser noch eine zweite Heldin hinter den Kulissen. Umgekehrt gesehen entsteht Flavias Heroismus unter den Leistungserwartungen, die beim Publikum aus historischem Vorwissen erwachsen können. Innerhalb dieser Kriterien können auch andere Faktoren, etwa politisch korrekte Zivilcourage als Motivation der Heldin, die Bewertung der richtigen Ausführung der Geschichte beeinflussen. Wondrous Myths and Legends geht dagegen von einem ‚story universe‘ aus, in dem Mythen mit Historie verwischen und jede Geschichte für sich ‚wirklich‘ existiert. Dies sorgt auch für den – aus Sicht eines Althistorikers – wohl kuriosesten Effekt: Mythen haben in der Serie eine aus sich selbst bestätigte Orthodoxie. In deren Sinne wird nur der richtige Verlauf der Handlung mit einem geöffneten Ausgang zurück in die Mythenhöhle belohnt. Wer um die Dynamik und Widersprüchlichkeit der antiken Sagenwelt weiß, versteht die Eigenwilligkeit der Idee, die Antike sei vor allem durch korrekte Mythen zu retten. Lisa ist hier deutlich näher am Ideal der klassischen Detektivgeschichte mit ihrer doppelten Erzählstruktur: Eingangs mag die Ausgangsgeschichte (der Fall) noch so unscharf und verworren wirken – im Verlauf der gezeigten Geschichte (der Ermittlung) kann die Heldin die Ereignisse und Motive auf die einzig richtige Deutung hin nacherzählen (aufklären). Der Blick auf die Funktionen der Heldinnen in der Geschichte führt uns zurück zu den Fragen nach Darstellungsmotivation und -gepflogenheiten aus dem ersten Kapitel. Ein Grund für das Auftauchen weiblicher Detektivinnen als Heldinnen könnte einfach ökonomischer Natur sein. Die Serien offerieren jeweils verschiedene Identifikationsfiguren, um alle Teile ihrer Zielgruppe ansprechen zu können. Flavia und Lisa sind aber mehr als nur ‚Mädchen als strategische Notwendigkeit‘. Zumindest bei der ersten der beiden spielen sicher auch persönliche Vorlieben eine Rolle. Die Urheberin der Figur, Caroline Lawrence, hat in Interviews wiederholt Flavia als ihr antikes Alter Ego beschrieben: „I totally identify myself with Flavia. I am like her in being bossy, impulsive, opinionated and enthusiastic about learning.“64 Zugleich sei Flavia ein gutes Instrument, um

63 Frg. 80 [= de historicis VI] Reifferscheid. 64 http://www.unrv.com/book-review/interview-lawrence.php (Zugriff: 24. 07. 2020).

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Begeisterung für die Antike zu vermitteln,65 aber auch ein Mädchen „like many British and American children“,66 das seinen eigenen Weg in der Welt finden müsse. Für Wondrous Myths and Legends lässt sich nicht nur wegen der vielen verschiedenen Urheber kein vergleichbarer Befund über persönliche Beweggründe vorbringen. Es sei allerdings darauf verwiesen, dass sich unter den Autoren (und damit Schöpfern der Heldin Lisa) keine einzige Frau findet. Vielleicht sind die für den Antikfilm so ungewöhnlichen zwei Heldinnen ohnehin mehr aus einem anderen Grund zu verstehen, der nur aus dem medialen Vorlauf erklärlich wird: Der lange so konservative Antikfilm wandelt sich seit den 2000er Jahren zunehmend. Sowohl beim ‚cross-over‘ (wie eben Detektivgeschichten in der Antike) als auch bei den Geschlechterrollen sind jedoch beachtliche Beharrungstendenzen zu bemerken.67 Antike in Kinder- und Jugendfilmen ist im Vergleich zum sonstigen Antikfilm eine recht junge Erscheinung und dadurch vielleicht schlicht weniger ‚vorbelastet‘. So gesehen, ist die kleine Schar junger Detektivinnen in eine Art unbesetzte Nische vorgestoßen, in der sie sich nicht gegen eine lange Tradition aus männlichen Vorgängern abgrenzen musste. Flavia und Lisa sind nicht Heldinnen trotz oder wegen eines Kontrasts zum Heroismus von Hercules und Spartacus. Sie sind Heldinnen einer eigenen fiktionalen Welt, der Antike des Kinder- und Jugendfilms, in der vielfach andere Regeln gelten, die sie nicht unerheblich mitgestaltet haben.

5.

Antikes Heldentum im „Realitätstest“ zielgruppenorientierter audience reception studies

Die Forschung zum weiten Phänomen der Antikrezeption hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend von der Trennung in ‚ernsthafte‘ und ‚populäre‘ Zeugnisse – vorzugsweise mit Desinteresse an Letzteren – gelöst. Inzwischen können sogar erste Versuche gemacht werden, die Resultate und Methoden rezeptionswissenschaftlicher Ansätze in ‚klassische‘ Arbeiten zurückzuspiegeln.68 Arbeiten zur Antike in aktuellen Videospielen, populärer 65 http://popclassicsjg.blogspot.de/2011/02/following-yesterdays-review-of-man-from.html (Zugriff: 24. 07. 2020). 66 http://www.ostia-antica.org/biblio/pages/lawrence.htm (Zugriff 01. 08. 2018). Ein Vorbild waren laut der Autorin amerikanische Kinderkrimis wie die seit den 1930er Jahren erscheinenden Nancy Drew Mystery Stories; vgl. Lowe (2009), 225. Auch dieser Reihe war nur mäßiger Erfolg auf Bildschirm und Leinwand beschieden, trotz diverser Adaptionsversuche wie der TV-Serie The Hardy Boys/Nancy Drew Mysteries aus den späten 1970er Jahren oder dem Kinofilm Nancy Drew – Girl Detective von 2007. 67 Zu den Möglichkeiten des neuen cross-over vgl. Lindner (2015a). 68 So exemplifizieren etwa die Beiträge zu Held (2017) philosophische Ansätze anhand der Transformation der Antike im Comic und Film (am Beispiel der fiktiven Amazone und

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Musik oder TV-Serien sind dagegen längst akzeptiert,69 erreichen aber häufig ihre Grenze bei der Frage nach der Aussagefähigkeit: Die Programmierer oder Regisseurinnen leisten nur einen Teil des dialogischen Rezeptionsprozesses, und diese Angebotsseite in Form von Spielen oder Filmen ist gut untersucht. Was in der Regel fehlt, ist die Auseinandersetzung mit dem nicht minder kreativen Prozess, der bei der Aneignung durch das Publikum abläuft.70 An dieser Stelle setzen erste Projekte des seit August 2017 in Göttingen beheimateten Altertumswissenschaftlichen Filmarchivs Sammlung Stern an.71 Die Sammlung Stern geht zurück auf eine Stiftung aus dem Nachlass des Archäologen, Filmforschers und Museumspädagogen Tom Stern (1958–2016). Bei den Beständen handelt es sich um die wohl umfangreichste Privatsammlung an Schul- und Dokumentarfilmen zu althistorischen und archäologischen Themen. Ein kleinerer zweiter Sammlungsteil besteht aus thematisch verwandten Spielfilmen und Serien. Hinzu kommen unpublizierte Schnittfassungen, Festivalbeiträge und -mitschnitte sowie begleitendes Material und Projektionstechnik. Die Filme stammen aus den 1920er bis in die frühen 2010er Jahre. Das Material liegt auf einer Vielzahl von Medien von der originalen Filmrolle bis zur DVD vor. Durch Zuspenden ist der Bestand mittlerweile auf rund 1.000 Filme gewachsen; zudem hat die Sammlung Stern eine eigene Handbibliothek mit knapp 1.500 Büchern und Zeitschriften zu Filmgeschichte, Theorie des Films und nationalen Filmtraditionen erhalten. Die Filme werden sukzessive digitalisiert, über den Göttinger Bibliothekskatalog recherchierbar gemacht und stehen zu Forschungswie Lehrzwecken zur Verfügung. Darüber hinaus bringt sich die Sammlung Stern mit eigenen Aktivitäten wie Lehrerfortbildungen, Workshops oder öffentlichen Vorträgen in den nicht-universitären Diskurs ein. In diesem Zusammenhang wurden und werden erste systematische Publikumsbefragungen im Rahmen von schulischen Vorführungen angegangen. Hervorgegangen aus einem Lehrprojekt im Jahr 2019 entstehen auf dieser Basis

Superheldin Wonder Woman). Die jüngste Ausgabe des Classical Receptions Journal wendet rezeptionshistorische Konzepte von ‚Anachronismus‘ auf die Werke antiker Autoren wie Hesiod, Platon oder Thukydides an (siehe Umachandran / Rood 2020). 69 Beispielsweise Cornelius (2015), Fletcher / Umurhan (2020) oder Rollinger (2020). 70 Zu den wenigen Ausnahmen gehören etwa Analysen von fan fiction und Diskussionsforen wie Potter (2015), die aber notgedrungen nur einen sehr kleinen und noch dazu ‚schlagseitigen‘ Ausschnitt erfassen können. Der Versuch bei Junkelmann (2004), 9–11 scheitert an der Methodologie: Befragt wurde nur das Publikum bei zwei Fachvorträgen mit einem nicht einheitlichen Set von sieben Fragen, zu denen nur eine von je zwei vorgegebenen Antworten angekreuzt werden konnte. Die theoretischen Ansätze und die daraus entstehenden Probleme fasst Campbell (2005) zusammen. 71 Hintergründe und Aktivitäten unter https://www.uni-goettingen.de/sammlung-stern.

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derzeit zwei Abschlussarbeiten im Lehramtsstudiengang Geschichte.72 Die Größe des Samples beträgt – Stand Ende Februar 2020 – 293 Personen. Für den Bereich der Unter- und Mittelstufe wurden bislang am Tilmann-RiemenschneiderGymnasium in Osterode am Harz insgesamt 131 Schülerinnen und Schüler befragt, davon 44 aus Klassenstufe 6, 49 aus Klassenstufe 7, 21 aus Klassenstufe 8 und 17 aus Klassenstufe 9. Aus den älteren Jahrgängen beteiligten sich bisher an der gleichen Schule sowie am Leo-Sympher-Berufskolleg in Minden und an der Geschwister-Scholl-Gesamtschule Göttingen insgesamt 162 Schülerinnen und Schüler. Diese verteilen sich auf 38 aus Klassenstufe 10, 41 aus Klassenstufe 11, 70 aus Klassenstufe 12 – davon 33 am Berufskolleg – und 13 aus Klassenstufe 13. Durch die Bandbreite von Schulorten, -formen und -klassen ist zumindest eine gewisse Repräsentativität der Ergebnisse zu erwarten, insbesondere mit Blick auf die Aufnahme durch ein konsistentes Zielpublikum. Als Fallbeispiele haben sich die Studierenden zwei Verfilmungen von Jugendromanen aus der Feder von Rick Riordan gewählt: Percy Jackson & the Olympians – The Lightning Thief von 2010 und Percy Jackson – Sea of Monsters von 2013. Diese werden in der jeweiligen Unterrichtseinheit in Auszügen gezeigt und fallweise mit Vergleichsstellen aus dem antiken Mythos kontrastiert. Zu den Filmpassagen wird ein Fragebogen ausgeteilt, der zuerst die üblichen Grunddaten wie Klassenstufe, Geschlecht und Vorkenntnisse hinsichtlich der Filme und ihrer Vorlagen erfasst. Für die Unter- und Mittelstufe wird danach mit vier kurzen Aufgabenteilen gearbeitet: Am Anfang steht eine Liste mit ankreuzbaren Adjektiven, die aus Sicht der Schülerinnen und Schüler das Handeln der jugendlichen Charaktere am besten beschreiben. Im zweiten Teil sind Halbsätze zur Bedeutung von Eltern, Freunden, Ausbildung, Herausforderungen und magisch-mythischen Hilfsmitteln für das Handeln der Figuren zu vervollständigen. Im dritten Abschnitt können die Schülerinnen und Schüler einen Lieblingscharakter auswählen und ihre Entscheidung begründen. Im vierten Part wird konkret nach Vorbildfunktionen der heroischen Erzählung gefragt. Im Fokus dieser Befragungen in der Sekundarstufe I steht der Aufbau von Heldenerzählungen, die in den umgebenden Unterrichtseinheiten als zeitgebundene oder überzeitliche Erscheinungen in ihrer Relevanz reflektiert werden. Für die älteren Jahrgänge in der Sekundarstufe II liegt das Hauptaugenmerk stärker auf der Medienkompetenz und dem Wandel von Heldenerzählungen bei der Adaption durch ein anderes Medium. Entsprechend hebt der dort verwendete Fragebogen mit ähnlichen Elementen, aber mehr Freifeldern auf den Vergleich zwischen antiker mythologischer Dichtung, den Riordan-Romanen und 72 Ich danke Ramona Steinbrink und Vanessa Villavicencio Kirscht für die Bereitstellung der im Folgenden angeführten Eckdaten. Eine ausführlichere Version wird im Laufe des Jahres auf der in Anm. 71 genannten Website der Sammlung Stern publiziert werden.

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deren Verfilmungen ab. In den Abschnitten zur eigenen Stellungnahme werden nicht vorrangig nach Charaktervorlieben, sondern auch nach bestimmten Aspekten der Quellenauswahl gefragt, die vor allem auf die Eignung für den Unterrichtseinsatz aus Schülerperspektive abzielen. Vor allem wegen der Freifeld-Antworten, die vor einer Systematisierung erst in mühevoller Einzelarbeit erfasst werden müssen, ist die Auswertung der im Frühjahr 2020 durchgeführten Erhebungen noch nicht abgeschlossen. Unter diesem Vorbehalt lassen sich allerdings bereits einige Grundtendenzen absehen: Mythisches Heldentum wird unabhängig vom Geschlecht der betrachtenden Schülerinnen und Schüler als vorbildhaft oder als nicht exemplarisch beurteilt. Bei der Wahl eines einzelnen individuellen Vorbilds werden jedoch geschlechterspezifische Unterschiede in der Präferenz erkennbar. So benannten in der gesamten Sekundarstufe I nur 6 % der bislang befragten Schüler mit Annabeth eine Heldin, bei den Schülerinnen dagegen 23 %. In beiden Fällen liegt – wegen der höheren Präsenz in der Filmhandlung wenig überraschend – der Titelheld Percy an erster Stelle. Bei den ersten Auszählungen für die Sekundarstufe II zeichnet sich in Klassenstufe 10 eine noch deutlichere Vorliebe der Schülerinnen für weibliche Vorbilder ab, die in den höheren Jahrgängen ebenfalls vorhanden, allerdings geringer ausgeprägt ist. Eine größere Rolle für die Identifikationswirkung spielt die altersmäßige Nähe zwischen Figuren und Publikum, weswegen sich Percy Jackson mit seiner breiten Auswahl an nicht erwachsenen Heldinnen und Helden als besonders gutes Beispiel erwiesen hat. Moralische und soziale Qualitäten werden von den Schülerinnen und Schülern zeitübergreifend als Hauptmerkmale „echten“ Heldentums ausgemacht. Je intensiver der Medienvergleich zwischen Mythos, Roman und Film durchgeführt wurde, desto mehr werden auch negative Eigenschaften wie Unzuverlässigkeit oder Selbstsüchtigkeit identifiziert – und oft als notwendige Kehrseite des Heroismus akzeptiert. Ein Mehr an Vorwissen sorgt nicht zwangsläufig für eine kritischere Einschätzung der jeweiligen Darstellung als solcher. Vielmehr sind die Schülerinnen und Schüler bereit, jedem Medium eine eigene Leistungsfähigkeit zu attestieren und diese gerade in den älteren Jahrgangsstufen auch zu reflektieren. Eine Ausnahme bildet hier lediglich das Berufskolleg, das in den bisherigen Ergebnissen näher an denen der gymnasialen Sekundarstufe I liegt. Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich Antikfilme – gleich ob für die Vermittlung von Heldennarrativen oder für die Schulung von Medienkompetenz – als gut für den Unterricht geeignet erweisen und eine hohe Akzeptanz bei den Schülerinnen und Schülern finden. Hierbei sind Spielfilme den ursprünglich ebenfalls getesteten Dokumentarfilmen überlegen, da Letztere mit ihrer großen Informationsdichte, distanzierteren Erzählweise und schlechteren Segmentierbarkeit den Befragten das ‚sich Einsehen‘ erschweren.

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Bei all dem wirkte sich positiv aus, dass sich antike Mythen und ihre ( jugendlichen) Heldinnen und Helden leicht für zwei Strategien, die in der Fremdsprachendidaktik als Aktivierung gegensätzlicher Erlebnisperspektiven vertraut sind,73 einsetzen lassen. Die einfachen Erzählmuster und idealtypischen Charaktere ermöglichen rasch ‚Vertrautheitserfahrungen‘. Wer ohne lange zu grübeln Bezüge zu einem Aspekt der Antike herstellt, wird sich wahrscheinlicher auch mit anderen damit verbundenen Inhalten und Aussagen beschäftigen. Die dennoch spürbare Andersartigkeit löst ‚Fremdheitserfahrungen‘ aus. Die wahrgenommene Alterität schafft nach diesem Konzept ein Verständnis für die Zeitbedingtheit eines Textes oder einer sonstigen Quelle, die es nun als historische Zeugnisse zu erschließen gilt. Nicht immer lassen sich diese Reaktionsformen perfekt einplanen: Bei den jüngeren Jahrgängen sorgten im bisherigen Design des Fragebogens Begriffe wie ‚Held‘ in Abgrenzung zu ‚Vorbild‘ für unvorhergesehene Irritationen und mussten gegebenenfalls in einer zusätzlichen Reflexionsphase geklärt werden. In den älteren Jahrgängen war und ist dagegen die Bereitschaft zur kritischen Beurteilung von Narration und Medium in der jeweils eigenen historischen Bedingtheit so groß, dass einer gezielten Verwendung von Antik(spiel)filmen im Unterricht nichts entgegenstehen sollte. Die jungen Heldinnen und Helden „funktionieren“ also auch in ihrer modernen Adaption und erweisen sich als das, was antiker Mythos von jeher ist: vielfältig sinnstiftend und anschlussfähig.

Bibliographie 1.

Primärliteratur (begrenzt auf die Filme & TV-Serien, aus denen zitiert wurde)

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73 Zum Konzept siehe Kuhlmann (2013), 15–18, zum entsprechenden Einsatz antiker Mythen Stephens / McCallum (2013) 61–90.

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Mythen und Legenden: Pegasus das fliegende Pferd / Thors mächtiger Hammer, DVDFassung: TV Loonland AG / Best Entertainment AG 2005 (MiB 1237), GTIN: 4260057812377. Mythen und Legenden: Das Rätsel der Sphinx / Atlantis die verlorene Stadt, DVD-Fassung: TV Loonland AG / Best Entertainment AG 2005 (MiB 1238), GTIN: 4260057812384. Mythen und Legenden: Das trojanische Pferd / Cupidos schelmische Pfeile / Der Wunsch der kleinen Kobolde, DVD-Fassung: TV Loonland AG / Best Entertainment AG 2005 (MiB 1239), GTIN: 4260057812391. Mythen und Legenden: Das Geheimnis von Loch Ness / St. George, der tapfere Drachentöter / Der Wunsch der kleinen Kobolde, DVD-Fassung: TV Loonland AG / Best Entertainment AG 2005 (MiB 1240), GTIN: 4260057812407. Roman Mysteries – The Complete Series One, DVD-Fassung: HL Television / The Little Entertainment Group 2008 (Revelation Films PAR61398), GTIN: 5027182613984. Roman Mysteries – The Complete Season Two, DVD-Fassung: HL Television / The Little Entertainment Group 2009 (Revelation Films PAR61399), GTIN: 5027182613991. Theodora (Teodora, imperatrice di Bisanzi), PAL-VHS-Fassung: Wonderworld 1985 (WO 228), keine GTIN.

2.

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Alheydis Plassmann (Bonn)

Gründungsheldinnen – Die Rolle von Frauen in frühmittelalterlichen Ursprungserzählungen

Unter diesen war ein kleines Volk, das man Winniler nannte, und bei ihnen war eine Frau mit Namen Gambara, die hatte zwei Söhne, der eine hieß Ybor und der andere Ajo. Die herrschten mit ihrer Mutter über die Winniler. Es erhoben sich gegen sie nun die Herzöge der Wandalen, nämlich Ambri und Assi mit ihrem Volk und sprachen zu den Winnilern: ‚Entweder zahlt und entrichtet Tribut oder rüstet Euch zum Kampf und kämpft mit uns!‘ Darauf antworteten Ybor und Ajo mit ihrer Mutter Gambara: ‚Es ist besser für uns zum Krieg zu rüsten, als den Wandalen Tribut zu zahlen‘. Da baten Ambri und Assi Wodan, dass er ihnen den Sieg über die Winniler verleihe. Wodan antwortete und sprach: ‚Die ich bei Sonnenaufgang zuerst sehe, denen will ich den Sieg verleihen‘. Zu derselben Zeit baten auch Gambara und ihre Söhne, Frea, Wodans Frau, dass sie den Winnilern helfe. Da gab Frea den Rat, wenn die Sonne aufgehe, sollten die Winniler kommen, und die Frauen sollten ihr Haar wie einen Bart ins Gesicht hängen lassen, und mit ihren Männern kommen. Da ging, als der Himmel hell wurde und die Sonne aufgehen wollte, Frea, die Frau Wodans um das Bett, auf dem ihr Mann lag und richtete sein Antlitz gen Morgen und weckte ihn auf. Als er aufsah, erblickte er die Winniler und ihre Frauen, denen das Haar um das Gesicht hing. Und er sprach: ‚Wer sind diese Langbärte?‘ Da sprach Frea zu Wodan: ‚Du hast ihnen den Namen gegeben, dann gib ihnen auch den Sieg!‘1

Diese Erzählung aus der Origo gentis Langobardorum ist uns deutlich später überliefert als das Ereignis, von dem sie berichtet, nämlich die Werdung der Langobarden und ihre Benennung, die in der Origo selbst und beim späteren Überarbeiter Paulus Diaconus in eine mystische Frühzeit verlegt wird, die in Zeit und Raum nur grob verortet wird.2 Es ist durchaus ein Kennzeichen der Geschichtsschreiber der ersten Generation in den Nachfolgereichen des römischen Imperium und auch den hochmittelalterlichen Reichen, die in zweiter Generation entstanden, dass sie sich intensiv Gedanken über die Identität ihrer ‚gens‘ und die Legitimität ihrer Reiche machten, in denen sie lebten und häufig, wenn

1 Origo gentis Langobardorum (1998), cap. 1, 105 (Übersetzun der Vf.in). 2 Zur Origo gentis Langobardorum und Paulus vgl. Plassmann (2006), 191–242; Coumert (2007), 197–240.

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Alheydis Plassmann

auch nicht immer, erwuchsen daraus Ursprungserzählungen.3 Diese sind uns vielfältig überliefert, von den Franken und Langobarden über Sachsen und Normannen bis zu Polen und Tschechen. Diese Ursprungserzählungen oder ‚Origo gentis‘ fallen oft recht unterschiedlich aus, ihre Gemeinsamkeit ist lediglich, dass sie Stellung nehmen zu der Frage, wie man sich gegenüber dem römischen Reich in der Identität positionierte und wie man sich abgrenzend oder nachfolgend legitimierte. Es galt die eigene Beziehung zu den Römern zu definieren, die Ehrwürdigkeit und Auserwähltheit der eigenen ‚gens‘ im Verhältnis zu Gott zu betonen, die Eroberung und die Herrschaft im eigenen ‚regnum‘ zu legitimieren und den Zustand der Gesellschaft unter einem König resp. Herrscher zu rechtfertigen. Die Notwendigkeit für diese ‚causae scribendi‘ ergab sich zunächst aus der spezifischen Situation in der Transformation der römischen Welt, dann aber auch für die ‚regna‘ des Hochmittelalters.4 In Geschichten vom Ursprung ist häufig von kriegerischen Auseinandersetzungen die Rede und dort haben Heldinnen eine Rolle am Rande des kriegerischen Geschehens, unter Umständen, wie unsere Erzählung von Gambara und Frea zeigt, aber durchaus eine entscheidende. Im Folgenden sollen daher die weiblichen Rollen in den Ursprungserzählungen auf ihre Funktion hin untersucht werden. Nehmen sie Schlüsselrollen ein, sind sie austauschbar, wenden sie die Dinge zum Guten oder zum Schlechten? Die zentrale Rolle kommt ihnen – und das wird kaum jemanden für das Früh- und Hochmittelalter überraschen – nicht zu. Diese ist den männlichen Helden und Königen vorbehalten, aber Scharnierfunktionen nehmen die Frauen gelegentlich doch ein. Es ist auch die Frage zu stellen, ob dies spezifische Rollen sind, die nur von Frauen ausgefüllt werden können, ob es also einen weiblichen Aspekt der Gründungserzählung gibt.5 An erster Stelle wäre als Typus die Frau als ‚Spitzenahnin‘ zu nennen. Die Rolle einer Mutter in der Genealogie ist natürlich nur von einer Frau auszufüllen, sie wird in der Reihung der Ahnenfolge indes nur sehr selten ausdrücklich namentlich besetzt und noch seltener wird sie innerhalb der Reihe mit ausführlichem Beiwerk bedacht. Die typische Vater-Sohn-Folge6 lässt eben nur Platz für Frauen, die ungewöhnlich sind. Der Ahnherrin an der Spitze der Genealogie ist jedoch etwas Besonderes. Daher wird sie auch selten ganz weggelassen, wie z. B. in 3 Zu den Origo-Erzählungen insgesamt zusammenfassend Plassmann (2016). Vgl. auch Wolfram u. a. (2003); Plassmann (2006); Coumert (2007). 4 Plassmann (2013); Plassmann (2014). 5 Bisher sind die weiblichen Figuren noch nicht häufig untersucht worden: Eine Ausnahme bilden etwa Geary (2004) und Geary (2009). Hartmann (2008) konzentriert sich lediglich auf die fränkischen Königinnen. 6 Hierzu Kellner (2004); Plassmann (2007); Zur dynastischen Legitimation vgl. jetzt den Sammelband Andenna, Melville (Hg.) (2015).

Die Rolle von Frauen in frühmittelalterlichen Ursprungserzählungen

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den Königsgenealogien in England, in denen es keine Frauen gibt.7 Zumal bei Franken und Langobarden werden die Erzählungen über die Spitzenahnin ausgeführt. Die Erzählung von Gambara, deren Mann übrigens in der Erzählung gar nicht existiert, erwähnten wir bereits. Auch die Langobardenkönigin Theudelinde nimmt als Vorfahrin vieler langobardischer Könige eine wichtige Rolle ein: Theudelinde, als Nachfahrin des Langobardenkönigs der Frühzeit Wacho wohl auch eine Trägerin von königlicher Legitimation, wird nicht nur in einer spektakulären Brautfahrt von König Authari gewonnen, sondern wählt nach dessen Tod den nächsten König der Langobarden aus.8 Dass ihre Wahl auf Agilulf fällt, macht seine Befähigung offensichtlich. Diese Verbindung von Eignung als Bräutigam und Eignung als König findet sich auch bei den Franken: Die thüringische Königin Basina, Ahnherrin der merowingischen Könige, verliebt sich wegen seiner großen ‚utilitas‘ in den Frankenkönig Childerich, der im Exil am Hof ihres Gemahls weilt und geht kurzerhand mit ihm ins Frankenreich zurück und verlässt ihren Ehemann.9 Der Ehebruch der Basina bleibt moralisch unkommentiert. Glauben wir Fredegar, hatte sie sogar prophetische Gaben, die ihr die Zukunft ihres mit Childerich gezeugten Sohn Chlodwig und dessen Nachfolgern offenbarten.10 Eine solche Ahnherrin, die sich den eigenen Ehemann aussucht und mit dieser Wahl den Herrscher erhebt, findet sich auch in der Erzählung von Libuse, der tschechischen Ahnherrin, die zunächst allein herrscht, dann aber genötigt wird, sich einen Mann zu suchen, weil die weibliche Herrschaft abgelehnt wird.11 Dass der am Pflug stehende Premysl tatsächlich nur durch Libuses Wahl die Eignung zum Herrscher erlangt, liegt in der Logik der Erzählung auf der Hand. Eine ähnliche Rolle spielt die Tochter eines ägyptischen Pharao, die sich mit ihrem Vater wegen der Behandlung der Israeliten überwirft und einen einfachen Mann aus Skythien wählt und mit ihm ins Exil geht.12 Als Scota kann sie sogar die für Frauen seltene Rolle einer namengebenden Heroin für die Schotten einnehmen.13 Die Ahnfrau kann also drei wichtige Funktionen übernehmen: Zum einen kann sie auf das Alter und den Adel der ‚gens‘ oder auch der Könige verweisen. Damit hat sie natürlich eine ähnliche Funktion wie der Spitzenahn, zum anderen kann sie Identität durch Namengebung vermitteln, wie Gambara im Gespann mit Frea und Scota als namengebende Heroin. Schließlich kann sie durch Wahl eines Bräutigams Legitimität vermitteln, indem ihre Aus7 Vgl. etwa Beda, Historia eccleciastica I/15, 50. 8 Vgl. Paulus, Historia Langobarorum III/30, 133–136 und III/35, 140f. Hierzu Plassmann (2006), 217f. 9 Liber Historiae Francorum, cap. 7, 249; dazu Plassmann (2006), 181. 10 Fredegar, Chronik III/12, 97, dazu Plassmann (2006), 159. 11 Cosmas, Chronik, I/4, 11–14; dazu Plassmann (2006), 326ff.; Geary (2004). 12 Historia Brittonum, cap. 15, S. 156ff.; dazu Plassmann (2006), 94f. 13 Leabhair Gabhala, cap. 18, Bd. 1, 38f.

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wahl als Beleg für die Eignung eines Bräutigams dienen kann. In all diesen Fällen ergibt sich ein gewisses Gefälle zwischen der sozialen Situation der Frau und der des ausgewählten Ehemannes: Basina und Scota wählen einen Flüchtling, Libuse einen einfachen Bauern, nur Theudelinde wählt immerhin einen Adligen. Diese Funktionen können in Ursprungserzählungen auch andere Figuren übernehmen, im Liber historiae Francorum etwa wird der Name der Franken und ihre Einsetzung als tüchtige Krieger auf den römischen Kaiser zurückgeführt.14 Diese Rolle muss also nicht notwendigerweise von einer Ahnherrin ausgefüllt werden. Wenn diese Funktion allerdings von einer Frau ausgefüllt wird, dann kommt ihr auch eine Schlüsselrolle zu. Bei einem weiteren Element der Ursprungserzählung, das für die Entwicklung einer ‚gens‘ fast notwendig zur Erzählung dazugehört, ist die Schlüsselrolle der Frau nicht ganz so deutlich, nämlich wenn die Frau für die Vermittlung des Christentums an die noch Unbekehrten tätig wird. Dies ist ein Topos der im Grunde in den Paulusbriefen und seiner Vorstellung, dass die christliche Frau die Ehe heiligt, schon vorhanden ist.15 Cordula Nolte hat herausgearbeitet, dass Frauen als Vermittlerinnen des Glaubens recht häufig vorkamen.16 Trotzdem ist unabhängig von dem tatsächlichen Einfluss der christlichen Frau auf ihren noch unbekehrten Mann die Frage zu stellen, welche Funktion ihr in der Erzählung von der Bekehrung zukam. Die Christianisierung einer ‚gens‘ wird oftmals, aber keinesfalls immer an besonderer Stelle in die Ursprungs- und Werdenserzählung einer ‚gens‘ eingebettet. Erst die Bekehrung zum Christentum bringt einen zivilisatorischen Prozess zum Abschluss und kann so die Legitimität des jeweiligen ‚regnum‘ erhöhen. Also ist es nicht erstaunlich, dass dieses Motiv in den meisten der Origines auftaucht, die hier gar nicht alle aufgeführt werden sollen.17 Ein paar Beispiel sollen reichen: In Bedas Geschichte der Angelsachsen taucht gleich dreimal eine christliche Frau auf, deren Einfluss zur Verbreitung des Christentums beiträgt. Zu allem Überfluss bilden diese drei auch noch eine weibliche Generationenfolge. Die fränkische Königstochter Berta heiratet Aethelbert von Kent,18 deren Tochter Aethelburh wiederum heiratet den dann noch heidnischen Edwin von Northumbria,19 und die Tochter Eanfled aus dieser Verbindung heiratet zwar den Christen Oswiu, muss bei diesem aber für die Annahme des

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Liber Historiae Francorum, cap. 2, 242; dazu Plassmann (2006), 176f. 1 Kor 7, 14; dazu Nolte (1995), 24–28. Nolte (1995). Dazu Plassmann (2006), 360–369: Die Christianisierung ist oftmals mit anderen Momenten der Identitäts- und Legitimitätsstiftung verwoben. 18 Beda, Historia eccleciastica I/25, 74. 19 Beda, Historia eccleciastica II/9, 162.

Die Rolle von Frauen in frühmittelalterlichen Ursprungserzählungen

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römischen, also des richtigen Osterfestes werben.20 Aufschlussreich ist indes, dass all diese christlichen Ehefrauen bei Beda nie allein für die Bekehrung ihres Gatten sorgen, sondern im Grunde nur den Boden bereiten. Aethelbert von Kent wird durch den aus Rom gesandten Augustinus endgültig überzeugt,21 und Edwin von Northumbria erfährt eine dreifache Bekehrung, die ihren Höhepunkt eben nicht in der Überzeugung durch seine Frau, sondern im gemeinsamen Beschluss aller Adligen seines Reiches zur Konversion erfährt.22 Auch Oswiu wird auf einer Synode von der Richtigkeit des römischen Ostern überzeugt.23 Von einer Schlüsselrolle kann also keine Rede sein, die christlichen Ehefrauen bei Beda runden das Bild der Bekehrung aber immerhin ab. Etwas prominenter ist dann schon die Rolle der Chrodechilde bei der Bekehrung der Franken. Gregor von Tours gibt ihrer Erklärung des Christentums breiten Raum, so dass ihr typische spätantike Missionarsreden in den Mund gelegt werden,24 aber auch Chlodwig wird durch weitere Faktoren zur Bekehrung gebracht: Da ist der Schlachtensieg über die Alemannen, aber auch die Instruktion durch Bischof Remigius von Reims. Die außerordentliche Rolle, die Chrodechilde hier spielt, mag auf die Überlieferungssituation zurückzuführen sein, da Gregor möglicherweise in Tours noch auf eine Chrodechilde-Tradition zurückgreifen konnte. Aber auch sie ist nicht alleinentscheidend und das wäre bei einer Erzählung aus der Feder eines Bischofs, der Wert darauf legte, das es sein Stand war, der zur Beratung des Herrschers prädestiniert war, wohl auch nicht zu erwarten.25 Die besondere Rolle der Chrodechilde als christlicher Missionarin spiegelt sich dann auch noch in der späteren Erzählung bei Fredegar über die Brautwerbung Chlodwigs wider.26 Diese wird als ein Teil des göttlichen Heilsplanes stilisiert. Die katholische Chrodechilde wird von Chlodwig vom Hof ihres Onkels, des arianischen Burgunderkönigs gerettet und kann dann ihrerseits Chlodwig das Heil vermitteln. Möglicherweise spielt hier das Bild von der ‚Ecclesia‘ als Braut schon in die Stilisierung dieser Erzählung hinein,27 weil Chlodwig zwar nach einer weltlichen Braut Ausschau hält, aber mit ihr zugleich das Christentum und damit die ‚Ecclesia‘ gewinnt. Die Stilisierung der Liebe zu Gott im Bild der Vereinigung von Mann und Frau mag insgesamt bei der häufigen Nennung von christlichen 20 Beda, Historia eccleciastica III/15, 260 über die Heirat und III/25, 294–308 über die Synode von Whitby, auf der das richtige Osterfest angenommen wird. Zu Beda auch Plassmann (2009). 21 Beda, Historia eccleciastica I/26, 76–78. 22 Beda, Historia eccleciastica II/9, 164ff.; II/12, 174–182 und II/13, 182–186; dazu Plassmann (2006), 74f. 23 Beda, Historia eccleciastica III/25, 294–308; dazu Plassmann (2006), 78f. 24 Gregor von Tours, Historiarum Libri Decem II/29, 74. 25 Dazu Plassmann (2006), 132–134. 26 Fredegar, Chronik III/17–19, 99ff.; dazu Plassmann (2006), 160. 27 Greisenegger (1994), 563f. (Ecclesia als Braut).

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Frauen, die ihre Männer zur Bekehrung brachten, eine Rolle spielen, und möglicherweise ist dies ein Widerhall einer Entscheidung für das Christentum, die auf rationaler und emotionaler Ebene stattfindet. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass eine solche Konstellation auch in anderen Origo-Erzählungen auftaucht, wenn auch in keinem Fall so ausgeschmückt wie bei den Franken. Eine Ausnahme stellen die Langobarden dar: Weder in der Origo gentis Langobardorum noch bei Paulus Diaconus wird der Christianisierungsprozess thematisiert.28 Es ist, als ob die Langobarden eines Tages aufwachen und Christen sind. Dennoch wird die bedeutende Königin Theudelinde explizit im katholischen Glauben verortet und ihre Frömmigkeit betont. Sie gründet eine Kirche, deren Zustand den Status des langobardischen Reiches widerspiegelt.29 Hier wird die Verbindung zwischen Braut und ‚Ecclesia‘ dann doch wieder augenfällig. Insgesamt spielt die Ehefrau als Vermittlerin des Glaubens zwar keine entscheidende Rolle für diesen wichtigen Schritt im Werden der ‚gens‘, aber doch eine wichtige. Zudem ist diese Rolle tatsächlich eine ‚Frauenrolle‘, da dieser sozusagen intime Kontakt mit dem Christentum kaum durch andere Konstellationen zu bewerkstelligen ist. Im Gegensatz zur Legitimierung und Benennung durch die Ahnherrin ist die christliche Ehefrau nicht durch andere Erzählkonstellationen ersetzbar. Die christliche Ehefrau taucht aber in keiner Origo-Erzählung als alleiniger Anstoß zur Bekehrung auf. Neben der Ahnherrin und der christlichen Ehefrau gibt es auch Frauen, die die Erzählung zum Bösen wenden und Auslöserin von Unheil sein können. Das kann mit voller Absicht geschehen, wenn die Frau sich als schlechte Ratgeberin erweist, oder von vorneherein Böses im Sinn hat, oder sie kann schuldlos das Unglück auslösen. Bei Widukind von Corvey findet sich Amalaberga, die Gemahlin des Thüringerkönigs. Die Thüringer werden bei Widukind in der Ursprungserzählung zu Feinden stilisiert, die die Entwicklung der Sachsen zu einer ruhmreichen, den Franken ebenbürtigen ‚gens‘ erst möglich machen.30 Dies geschieht in drei Schritten und nur im Abschnitt der Origo, in dem man die Reste eines Heldenliedes, des Iringliedes erkennen wollte, kommt Amalaberga ins Spiel: Der Frankenkönig Theuderich möchte sich mit Irminfried verbünden, aber Amalaberga rät ihrem Gemahl davon ab. Der Grund dafür ist ihr Hochmut, weil sie nicht anerkennen will, dass ihr Bastardhalbbruder ihr gleichgestellt ist, im Gegenteil sieht sie sich als rechtmäßige Erbin ihres verstorbenen Vaters. Die Folgen dieses Hochmutes sind für die Thüringer verderblich, denn die Franken halten nun Ausschau nach Bündnispartnern und werden auf die Sachsen, Feinde der Thüringer, aufmerksam. Nach dem Bündnis von Franken und Sachsen werden die 28 Hierzu Jarnut (2003); Plassmann (2006), 203f. 29 Paulus, Historia Langobardorum IV/21, 154f. 30 Plassmann (2006), 267–277.

Die Rolle von Frauen in frühmittelalterlichen Ursprungserzählungen

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Thüringer vernichtend geschlagen.31 Das Ziel Amalabergas ist hier keinesfalls die Vernichtung der Thüringer, sondern lediglich die Anerkennung ihrer eigenen Stellung, die besser sei als die des Bastardhalbbruders, aber die Erzählung folgt altbewährten Mustern von der Bestrafung des Hochmuts. Den Rat hätte der Thüringerkönig auch von einem anderen (männlichen) Ratgeber erhalten können, aber dass der Thüringerkönig hier dem falschen Rat einer Frau folgt, hat möglicherweise auch den Beigeschmack, dass es seine Tauglichkeit als König in Frage stellt. Entscheidend ist, dass die Thüringerkönigin hier natürlich auf der Seite der Gegner der Sachsen steht, also nicht Bestandteil der ‚gens‘ ist, um die es geht. Anders sieht dies bei der Langobardenkönigin Rosamunde aus. Sie war zwar Tochter des Gepidenkönigs und damit einer ‚gens‘, die mit den Langobarden verfeindet war, gleichzeitig aber Gemahlin König Alboins, der an der Spitze der Langobarden Italien eroberte. Der Tod Alboins nach nur drei Jahren, an dem seine Gattin nicht unbeteiligt war, hatte, wenn wir Paulus Diaconus glauben wollen, zur Folge, dass das langobardische Königtum und mit ihm das neu gegründete Reich der Langobarden in eine tiefe Krise geriet, aus der es erst Authari, der erste Gemahl der bereits erwähnten Theudelinde, befreien konnte.32 Im Gegensatz zu Amalaberga, deren Hochmut nur den Nebeneffekt hatte, dass die Thüringer von den Sachsen besiegt wurden, hat Rosamunde den Untergang Alboins direkt im Sinn: Sie verbündet sich mit ihrem Geliebten, dem sie die Krone verspricht, um Alboin zu töten. Immerhin verschweigt Paulus nicht, dass Rosamunde durchaus Rache als Grund für diese Aktion anführen konnte: Schließlich hatte Alboin von ihr verlangt, aus dem Schädel ihres Vaters zu trinken. Aber am Ende ist auch sie die betrogene Betrügerin. Sie und ihr Geliebter, die gemeinsam den Tod Alboins planten, werden am Ende selbst von den Byzantinern hintergangen, was Paulus Diaconus als göttliche Strafe versteht.33 Auch wenn Rosamunde die Trunksucht ihres Gemahls bestraft hat, wird sie nun selbst für ihren Betrug und Ehebruch zur Rechenschaft gezogen.34 Rosamunde und Theudelinde können durchaus als bewusst einander gegenübergesetzte Gegenbilder verstanden werden. Rosamunde vernichtet zum Verderben des Langobardenreiches ihren ersten Gemahl und geht mit dem zweiten unter, den sie als König sehen wollte, während Theudelinde ihren ersten Mann zu großen Taten anspornt und zum Nutzen des Langobardenreiches den tüchtigsten Mann auswählt. Also abgesehen davon, dass die Erzählung von Rosamunde und Alboin sicher so bekannt war, dass Paulus Diaconus sie kaum 31 32 33 34

Widukind, Rerum gestarum Saxonicarum Libri Tres I/9, 11–19. Paulus, Historia Langobardorum II/28, 104–106 und III/16, 123: Frieden unter Authari. Paulus, Historia Langobardorum II/29, 107. Rogan (1992), 46–68.

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auslassen konnte,35 kommt den beiden Frauen hier eine positive und negative Funktion für die langobardische ‚gens‘ zu. Während die Legitimität, die Theudelinde vermittelt, auch auf anderem Wege zu den Langobarden hätte gelangen können, ist eine andere Wendung für die Erzählung von Alboin und Rosamunde kaum denkbar. Die Rache der Frau an ihrem Mann mit Hilfe des Liebhabers kann kaum durch ein anderes Motiv ersetzt werden. Es wird von Paulus Diaconus unter anderem Vorzeichen sogar noch einmal aufgenommen: Romilda, die Frau des Herzogs von Friaul, bietet den einfallenden Awaren sich selbst als Braut dar. Der Awarenanführer lässt sich zwar von ihr bereitwillig die Schlüssel zur Stadt übergeben, aber wie Rosamunde erwartet Romilda der Tod und nicht etwa eine zweite Heirat.36 Die schlechte Ratgeberin, die den eigenen Untergang heraufbeschwört, findet sich auch in der fränkischen Tradition. Die austrasische Königin Brunichilde wird im Liber Historiae Francorum als die intrigante Gegnerin des neustrischen Königs Chlothar II. inszeniert. Sie ist es, die ihren Sohn und dann ihre Enkel zum Kriege gegen den Vetter aufstachelt und am Ende den Preis dafür bezahlen muss.37 Wie die Thüringerkönigin ist sie aber die Gegnerin der im Liber Historiae Francorum positiv dargestellten Neustrier, die als die wahren Franken stilisiert werden,38 und von daher deutlich weniger erklärungsbedürftig als Rosamunde und Romilda. Frauen, die Böses bewirken, werden üblicherweise außen vor gelassen, gelegentlich sogar im wörtlichen Sinne: Laut Jordanes Gotengeschichte ließen die Goten ihre mit magischen Fähigkeiten begabten Hexen auf der Wanderung zurück, die sich mit bösen Geistern verbanden und Vorfahrinnen der Hunnen wurden.39 Es ist meines Erachtens aufschlussreich, dass ausgerechnet Paulus Diaconus negative Frauenrollen bei den Langobarden verortet, denn seine Erzählung fällt aus den Schemata einer üblichen Identitätsstiftung auch in vielerlei anderen Hinsichten hinaus. So vermeidet Paulus an vielen Stellen die explizite Nennung des Eingreifens Gottes zugunsten langobardischer Könige. Bei Paulus greift Gott explizit nur zugunsten fränkischer Könige ein.40 So ist es nicht erstaunlich, dass bei Paulus Frauen, die nicht nur verblendet, sondern böse handeln, bei den Langobarden zu finden sind und entsprechende Krisen hervorrufen. Daneben gibt es noch Frauen, die unabsichtlich und schuldlos zu Auslöserinnen wichtiger Entwicklungen werden: Bei Fredegar führt die Vergewaltigung einer Senatorengattin dazu, dass die Franken nach Gallien gerufen und einge35 36 37 38 39 40

Sie findet sich auch in der Origo gentis Langobardorum, cap. 5, 114. Paulus, Historia Langobardorum IV/37, 161–164. Liber Historiae Francorum, cap. 37–40, 306–311. Zur positiven Darstellung der Fredegunde und der Neustrier: Hartmann (2004). Jordanes, Getica, 89. Dazu Plassmann (2006), 215–233.

Die Rolle von Frauen in frühmittelalterlichen Ursprungserzählungen

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laden werden.41 In der Historia Brittonum ist es die schöne Tochter des Hengist, der Tradition nach eine gewisse Rowena, die den britischen König Vortigern dazu verleitet, sie zu heiraten und den Sachsen alle möglichen Versprechungen zu geben, wobei es nicht sie selbst ist, die den König verführt, sondern ihr Vater, der ihre Schönheit ausnutzt.42 Die vom Langobardenkönig Arioald unschuldig eingesperrte Gundeberga löst eine Auseinandersetzung mit den Franken aus.43 In diesen Fällen wird an den Frauen als Opfer von Vergewaltigung, Einsperren oder als Heiratsobjekt die Untugend der Männer deutlich, die das eigentliche Problem darstellt. Es ist die Unbeherrschtheit und Tyrannei, die in der Logik der Geschichte das eigentlich auslösende Moment ist und das sich in diesen Fällen z. B. an der sexuellen Zügellosigkeit bemerkbar macht. Motiv der Erzählung ist hier also die gerechte Strafe, die der durch das Laster ausgelösten Sünde auf dem Fuß folgt. Umgekehrt kann sich am Verhältnis zu Frauen auch die Tugend und Geduld des Mannes beweisen, so dass das Motiv der Brautheimführung als Belohnung des Tüchtigen inszeniert werden kann. Dies ist etwa bei der stilisierten Erzählung von Chlodwigs Brautwerbung zu bemerken, auf die wir schon eingegangen sind,44 etwa aber auch an der deutlich späteren Erzählung von der Werbung von Bretislav I. von Böhmen um Judith von Schweinfurt.45 Im Gegensatz zu der schuldlosen Anstifterin hat der Erwerb einer offenbar edlen und guten Braut natürlich auch legitimitätsstiftende Rückwirkung auf den Werber, die bereits angesprochen wurde. Dies gilt nicht nur für Bräute, sondern auch für Mütter, wenn sie denn jenseits der bereits erwähnten Ahnherrin genannt werden. Die herausragende Mutter adelt den Sohn und ist daher auch in Bezug auf die Legitimation des Herrschers zu verstehen, auch wenn sich ihre Rolle damit nicht erschöpft. Bei Widukind von Corvey kommt Mathilde die Rolle der adelnden weiblichen Figur gleich zweimal zu, einmal als würdige Braut Heinrichs I. und dann als Mutter Ottos und Heinrichs.46 Ähnlich ist es bei der Langobardenkönigin Theudelinde.47 In der Chronik der Polen des Gallus Anonymus wird dieses Motiv noch in Verbindung mit der Besonderheit der Zeugung des rechtmäßigen Herzogs in Verbindung gebracht: Judith und ihr Gemahl Wladislaw II. von Polen mussten laut der Erzählung des Gallus ein Bildnis aus Gold in Form eines Kindes an das Kloster von St. Aegidius in Noyon senden, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Die edle 41 Fredegar, Chronik, III/7, 94. 42 Historia Brittonum, cap. 37, 178; Plassmann (2006), 97. 43 Paulus, Historia Langobardorum IV/47 und 48, 171f. Paulus verwechselt hier Arioald mit einem späteren Nachfolger Rodoald. 44 S. o., S. 289. 45 Cosmas, Chronik I/40, 73–75. 46 Widukind, Rerum gestarum Saxonicarum Libri Tres, I/31, 43f. 47 S. o., S. 287.

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Abkunft der Judith ist es jedenfalls, die ihrem Sohn Boleslaw III. einen Vorteil gegenüber dem Halbbruder Zbigniew gab.48 Die Erzählung von der Frau des Frankenkönigs Chlodio, die laut Fredegar von einem ‚Meervieh‘ vergewaltigt wurde und aus dieser Verbindung Merowech, den ersten Merowinger gebar, ist indes kaum positiv zu deuten, sondern eher ein Hinweis des Fredegar auf den vorherbestimmten Niedergang der Merowinger.49 Umgekehrt kommt eine schlechte Mutter bei positiv stilisierten Herrschern überaus selten vor: Der Langobarde Lamissio hat eine Hure zur Mutter, die ihn und seine Geschwister aussetzt. Er wird von König Agelmund aus dem Teich gefischt, in dem er ertrinken sollte und kann wegen seiner Tüchtigkeit bis zum Königsamt aufsteigen.50 Lamissios Aufstieg zum Königsamt findet also trotz seiner Mutter statt, sie reiht sich also in eine Reihe von (vor allem kriegsbedingter) Widrigkeiten, die überwunden sein wollen. Dragomira, die Mutter der böhmischen Herzöge Wenzel und Boleslaw, wird schon vor der Chronik des Cosmas in den Überlieferungen der Wenzelslegende als verstockte Heidin stilisiert, die ihren Gegenpol in der christlichen Großmutter Ludmilla hat.51 Hier spielen im Grunde spezifische Erfordernisse von Heiligenleben eine größere Rolle als die Stilisierung von Gründungslegenden. Wie bei der Braut können wir feststellen, dass die positive Muttergestalt eine legitimitätsstiftende Funktion hat, während die schlechte Mutter kein spezifisches Element von Gründungslegenden ist und vielleicht einfach nur unterhaltende Funktion hat. Werfen wir schließlich noch einen Blick auf die Frage, ob in den Erzählungen vom Werden der ‚gens‘ Frauen durch eigenständiges Handeln die Dinge vorantreiben. Auffällig häufig finden sich solche Frauen zu Beginn der Erzählung, wenn die Ereignisse ihren Anfang nehmen. Da wäre die eingangs erwähnte Gambara zu nennen, die für die Langobarden im Einklang mit Frea sozusagen ‚kriegsentscheidend‘ tätig wird.52 Basina,53 Libuse,54 Theudelinde55 und Scota56 wählen den zukünftigen Herrscher, oder haben bei der Entscheidung darüber zumindest eine gewichtige Stimme. Auffällig ist, dass allein bei den Franken diese Entscheiderin, nämlich Basina, als Ehebrecherin eingeführt wird, eine Rolle, die üblicherweise negativ konnotiert ist.

48 49 50 51 52 53 54 55 56

Gallus, Chronik I/30 und 31, 56–59; dazu Plassmann (2006), 305f. Fredegar, Chronik III/9, 95; dazu Plassmann (2006), 157–160. Paulus, Historia Langobardorum I/15, 61f. Cosmas, Chronik I/15, 34f. S. o., S. 285. S. o., S. 287. S. o., S. 287. S. o., S. 287. S. o., S. 287.

Die Rolle von Frauen in frühmittelalterlichen Ursprungserzählungen

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Dies trifft sich mit dem Befund über die besondere Rolle der Ahnherrin. Einzige Ausnahme wäre Königin Fredegunde, der im Liber Historiae Francorum eine wichtige Rolle zukommt und die teilweise im Alleingang und nicht immer auf festem moralischem Boden, die Geschicke der neustrischen Franken lenkt.57 Nicht von ungefähr ist indes der Liber die einzige unserer Quellen, die man mit recht überzeugenden Argumenten einer Frau als Verfasserin zugeschrieben hat.58 Fassen wir zusammen: Die Rolle der Ahnherrin wird in den Origo-Erzählungen häufig von Frauen ausgefüllt und funktioniert im Kontext von Identität und Legitimitätsstiftung von ‚gens‘ und ‚regnum‘ ganz wie man es von einer Ursprungserzählung erwartet. Die von der Ahnherrin ausgefüllten Funktionen können auch anders erzählt werden, wenn eine Ahnherrin auftaucht, kommt ihr indes tatsächlich eine Schlüsselrolle zu. Ob die Autoren eine Ahnherrin verwendeten, um diese Funktion auszufüllen, mag mit der Situation der mündlichen Tradition zusammenhängen, die der jeweilige Autor vorfand. Im Falle der Langobarden lässt sich das wegen der vielfältigen Überlieferung der Geschichte von den Langbärten plausibel machen, in anderen Fällen wie bei Scota oder Libuse kann man es nur vermuten. Die Funktionen einer Ahnherrin konnte auch durch andere Erzählelemente übernommen werden, eine Festlegung dieser Funktion auf den Typ der Ahnherrin ist daher nicht festzustellen. Die Legitimitätsstiftung eines Herrschers über die Mutter oder gegebenenfalls auch eine Braut konnte auch noch nach der eigentlichen Gründungslegende wieder aufgegriffen werden. Die Rolle der christlichen Ehefrau, die in Maßen missionarisch tätig wird, wird in den Erzählungen vielfältig aufgegriffen, für den Christianisierungsprozess ist sie nur ein Moment von vielen, indes eines, das selten ausgelassen wird, womöglich schon deshalb, weil die entsprechende Paulusstelle sicher so bekannt war, dass man darauf gar nicht explizit zurückgreifen musste. Diese Funktion der christlichen Ehefrau konnte kaum anders als mit einer Frau erreicht werden, ist aber kein Schlüsselelement. Negative Frauengestalten fügen sich oft in andere Erzählschemata ein, die nicht notwendigerweise mit Frauen besetzt werden müssen, wie etwa den bestraften Hochmut. Schuldlose Auslöserinnen von Unheil dienen dazu, die negativen Eigenschaften der Männer hervorzuheben. Häufig sind Frauen, die Unheil hervorrufen, nicht Bestandteil der ‚gens‘, die im Mittelpunkt der Erzählung steht. Eine Ausnahme bildet hier lediglich Paulus Diaconus, der offenbar seine eigenen Gründe dafür hatte, Unheilstifterinnen in der ‚gens‘ der Langobarden zu verorten.59 Auch bei diesen Frauenrollen, die an Wendepunkten der Geschichte der ‚gens‘ besetzt werden, mag die parallele 57 Plassmann (2006), 185; Hartmann (2004). 58 Hartmann (2004). Zu Frauenchroniken Nelson (1996). 59 Zur profränkischen Einstellung des Paulus vgl. McKitterick (1999), Plassmann (2006), 191– 242; anders Pohl (2000a) sowie Pohl (2000b).

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mündliche Überlieferung, die wir so selten fassen können, ausschlaggebend für die Verwendung der Frauengestalten gewesen sein. Lenkt man den Blick auf Frauen als eigenständige Akteurinnen, liegt der Befund auf der Hand, dass solche vor allem in der Gründungsphase der ‚gens‘ zu finden sind. Es gibt also in den ‚Origines gentium‘ keine Funktion, die allein von einer Frau erfüllt werden kann. Von daher weist die Verwendung von Frauenfiguren durchaus ein weites Spektrum auf, da sie für diverse Motive und Erzählschemata verwendet werden können und auch eine an sich negativ besetzte Handlung wie der Ehebruch genauso gut ins Positive gewendet werden konnte. Vor dem Hintergrund dieses Befundes drängt sich der Schluss auf, dass Geschichtsschreiber bei der Verwendung bestimmter Erzählungen mit Frauen von der vorhandenen mündlichen Parallelüberlieferung beeinflusst worden sind und ihre Entscheidung, bestimmte Frauengestalten einzufügen, einer Rücksichtnahme auf das wohl nicht nur klerikale Publikum geschuldet war. Welche Funktion diese Frauengestalten dann in der Erzählung spielten, stand dennoch im Belieben des Autors.

Bibliographie Primärliteratur Beda, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, ed. Bertram Colgrave/R. A. B. Mynors (Oxford Medieval Texts) Oxford: Oxford University Press 1969. Cosmas von Prag, Chronica Boemorum, ed. Bertold Bretholz (MGH SS rer Germ NS 2) Berlin: Hahnsche Buchhandlung 21955 Fredegar, Chronik, ed. Bruno Krusch, in: MGH SS rer Merov 2, Hannover: Hahnsche Buchhandlung 1888, 1–193. Gallus Anonymus, Cronicae et gesta ducum sive principum Polonorum, ed. Karol Maleczýnski (MPH NS 2) Krakau: Polskiej Akad. Umieje˛tnos´ci 1952. Gregor von Tours, Libri Historiarum Decem, ed. Bruno Krusch/Wilhelm Levison (MGH SS rer Merov 1,1) Hannover: Hahnsche Buchhandlung 21951. Historia Brittonum cum additamentis Nennii, ed. Theodor Mommsen, in: MGH AA 13, Berlin: Hahnsche Buchhandlung 1898, 111–212. Jordanes, Getica, ed. Theodor Mommsen, in: MGH AA 5, Berlin: Hahnsche Buchhandlung 1882, 53–138. Leabhair Gabhala Erenn, ed. R. A. Stewart MacAlister, 5 Bde. (Irish Texts Society 34, 35, 39, 41 und 44) Dublin 1938–1956. Liber Historiae Francorum, ed. Bruno Krusch, in: MGH SS rer Merov 2, Hannover: Hahnsche Buchhandlung 1888, 215–328. Origo Gentis Langobardorum, ed. Annalisa Bracciotti, Rom: Herder1998 (Biblioteca di Cultura Romanobarbarica diretta da Bruno Luiselli 2). Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, ed. Ludwig Carl Bethmann/Georg Waitz (MGH SS rer Germ [48]) Hannover: Hahnsche Buchhandlung 1878.

Die Rolle von Frauen in frühmittelalterlichen Ursprungserzählungen

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Widukind von Corvey, Rerum gestarum Saxonicarum libri tres, ed. Hans-Eberhard Lohmann/Paul Hirsch (MGH SS rer Germ [60]) Hannover: Hahnsche Buchhandlung 1935.

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Alheydis Plassmann

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Nicole Meier (Bonn)

Die altenglische Elene als christliche Heldin?

In der altenglischen Literatur finden sich einige Frauenfiguren, z. B. in Beowulf als Gastgeberinnen und Königinnen (Wealhþeow und Hygd) und als Friedensweberinnen (Hildeburh und Freawaru) oder gar als Monster (Grendels Mutter und Thryth). Sie haben zum Teil wichtige Rollen im Text, können jedoch nicht als Protagonistinnen klassifiziert werden. Dies scheint v. a. in einigen religiösen Texten anders zu sein: bei Judith, Juliana und Elene haben sich ihre (frühen) Herausgeber für eine Benennung der Texte nach ihren Protagonistinnen entschieden – bei Judith die biblische Figur des Buches Judit, bei Juliana die heilige Juliana von Nikomedia, und bei Elene die Mutter des Kaisers Konstantin, die im Heiligen Land das wahre Kreuz Christi auffindet. In der altenglischen geistlichen Dichtung scheint also durchaus Raum für weibliche Protagonistinnen zu sein – inwiefern diese auch als Heldinnen tituliert werden können, soll eine Untersuchung der altenglischen Elene zeigen. Ebenso wie Juliana wird Elene Cynewulf zugeschrieben – Cynewulf ist einer der wenigen altenglischen Dichter, die uns namentlich bekannt sind und dies ausschließlich durch vier Runensignaturen am Ende seiner religiösen Werke, nämlich den Epilogen zu Elene, Fates of the Apostles, Christ II und Juliana. Mit der Ausnahme von Christ II handelt es sich bei allen diesen Texten um Heiligenlegenden in Versform. Daher können nur diese Texte Cynewulf mit Sicherheit zugeschrieben werden. Zudem ist Cynewulf der einzige altenglische Dichter, der so seine Autorenschaft überliefert. Dies ist ein Sonderfall, denn somit schreibt Cynewulf seinen Namen in seine Dichtung ein und tritt nicht hinter sein Werk zurück, zudem verweisen die Runen wohl auf ein Lesepublikum, da nur beim Lesen die Synthese von Runen als Buchstaben zu Wörtern erfolgen kann. Es ist aber nicht möglich, den Dichter Cynewulf mit Sicherheit einem historisch belegten Cynewulf zuzuordnen, da der Name Cynewulf recht häufig in altenglischer Zeit ist.1 Wahrscheinlich wirkte Cynewulf im späten 8. bzw. im 9. Jahrhundert in Merzien/Nordhumbrien und schrieb im anglischen Dialekt.2 1 Anderson (1983), 16.

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Nicole Meier

Elene ist das längste Gedicht des Cynewulf, es ist eine Verslegende aus 1321 alliterierenden Langzeilen und zugleich die erste englische Version der Kreuzesauffindung durch Helena. Elene ist in einer einzigen Handschrift überliefert – auf fol. 121r–133v des Vercelli Book (Vercelli, Biblioteca Capitolare CXVII). Es ist somit das letzte Gedicht im Vercelli Book zwischen zwei Predigttexten (Homily XXII und Homily XXIII). Die historische Helena wurde wohl um 248 in Bithynien geboren und kam aus einfachen Verhältnissen; man findet nur wenig über ihr Leben in zeitgenössischen Quellen, „most details of her biography are obscure“,3 was wohl an ihr niederen Herkunft wie auch an späterer Propaganda ihre Sohnes Konstantin liegt.4 Über ihre Herkunft existieren verschiedenen Legenden, sie war laut Ambrosius „stabularia“ (Stallwirtin, Hausmagd),5 andere Legenden bezeichnen sie als englische Königstochter oder als Konkubine.6 Sie geht 273 eine Beziehung mit Constantinus Chlorus ein, der sie jedoch aus politischen Gründen verlässt. Der spätere Kaiser Konstantin geht aus dieser Verbindung hervor. Im Jahr 312 ließ sich Helena christlich taufen und beeinflusste die Hinwendung ihres Sohnes zum Christentum. Dieser handelte mit seinem Bündnispartner Licinius das Toleranzedikt von Mailand (313) aus, wodurch Konstantin den Christen freie Religionsausübung garantierte. Konstantin erkennt Helena im Jahr 324 den Ehrentitel „Augusta“ zu und lässt ihr sogar eigenes Münzrecht zuteilwerden, nachdem er nach dem Tod seines Vaters Heerführer von dessen Legionen wurde und sich in Britannien zum Kaiser ausrufen ließ. Helenas Fahrt ins Heilige Land fand laut frühen Legenden um 326, also im Alter von ungefähr 78 Jahren statt, diese Fahrt wird z. B. in der Vita Constantini des Eusebius von Caesarea (ca. 260–339 n. Chr.) beschrieben, welche Konstantin als christlichen Kaiser nach den Regeln des antiken Herrscherlobs feiert. Eusebius gibt als Motiv für die Fahrt Helenas Frömmigkeit an, Helena möchte Gott ihre Dankbarkeit zeigen. Eusebius spricht jedoch nicht von der Kreuzesauffindung, dies findet sich erst in der späteren Tradition z. B. von Rufinus und Socrates Scholasticus.7 Für die Kreuzesauffindung durch Helena gibt es keine 2 Dies legt eine linguistische und metrische Analyse nahe, denn so wird z. B. ein vermeintlich unreiner Reim zum reinen Reim, wenn man die westsächsischen Formen durch die anglischen Formen (unten in runden Klammern) ersetzt, z. B. Elene 1240–41: be ðære rode riht (recht) ær me rumran geþeaht (geþæht) þurh ða mæran miht (mæht) on modes þeaht (þæht). Ich habe Gradons Edition (1958) verwendet, ƿ (wynn) habe ich dabei durch w ersetzt. 3 Harbus (2002a), 9. 4 Harbus (2002a), 13. 5 In De obitu Theodosii 42, Faller (1955). 6 Aldhelm in De Virginitate; Lapidge und Herren (1979), 115. In Cynewulfs Elene findet sich kein Hinweis auf Helenas niedere Herkunft. 7 Zu den Legenden siehe v. a. Drijvers (1997) und Harbus (2002a).

Die altenglische Elene als christliche Heldin?

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(zeitgenössischen) Belege, aber „by the end of the fourth century, the Inventio was accepted as fact.“8 In England fand das Fest der Kreuzerhöhung ab dem frühen 8. Jahrhundert seinen Eingang in die Liturgie,9 und Helena taucht in angelsächsischen Litaneien auf 10 und ebenso in Kirchenkalendern. Die HelenaLegende(n) waren sehr populär in der Spätantike wie im frühen Mittelalter, dies bezeugt eine große Anzahl von griechischen und lateinischen Versionen der Kreuzauffindung wie z. B. die Trauerrede des Bischofs Ambrosius von Mailand auf den römischen Kaiser Theodosius De obitu Theodosii (hier wird zum ersten Mal Helena als Finderin des Kreuzes genannt) oder die verlorene Version des Bischofs Gelasius von Caesarea in griechischer Sprache von 390 oder die lateinische Übersetzung dieses Textes von Rufinus von Aquileia (Anfang des 5. Jahrhunderts), die er in seine Kirchengeschichte einband. Der Text von Rufinus ist dann auch die Grundlage für weitere Überlieferungen in lateinischer und griechischer Sprache. In diesen Texten macht sich Helena motiviert durch göttliche Inspiration und/oder Frömmigkeit auf die Suche. Cynewulfs Quelle ist also wohl eine Legende von der Auffindung des Kreuzes, und zwar eine Rezension der Acta Cyriaci oder Acta Quiriaci in den Acta Sanctorum.11 Diese Version der Inventio crucis entsteht im 5. Jahrhundert und zeigt eine veränderte Akzentuierung der Legende (Judas der Jude erscheint als Antagonist Helenas). Cynewulf konnte bei seiner Leserschaft die Bekanntheit der Legende wohl voraussetzen, denn diese wurde im angelsächsischen England auch oft in Predigtliteratur verwendet, so spricht Harbus von „frequent treatment in sermon literature, particularly in Anglo-Saxon England“.12 Cynewulfs Elene beginnt jedoch nicht mit Elenes Aufbruch nach Jerusalem, sondern eröffnet mit Kaiser Konstantin und seinem Feldzug gegen das Heer der Barbaren – Hunnen, Goten und Franken – welche die Donau überrennen und das Reich bedrohen. Diese Ereignisse werden vom Erzähler auf das Jahr 233 datiert („tu hund ond þreo geteled rimes, swylce XXX eac“, Elene 2–3).13 Die Überzahl 8 9 10 11

Harbus (2002a), 21. Harbus (2002a), 30. Lapidge (1991), 25. Eine direkte Quelle konnte in der Forschung bisher nicht identifiziert werden. Gradon (1958) und Whatley (1981) argumentieren, dass die Handschrift, welche am ehesten Cynewulfs Quelle repräsentiert, Sankt Gallen Stiftsbibliothek 225 ist. Auf dieser basiert hauptsächlich die Ausgabe von Holder (1889). 12 Harbus (2002a), 22. 13 Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um einen Anachronismus: wenn die Schlacht auf 233 datiert wird, wäre Helena eine Zeitgenossin des Hl. Stephan. Gemeint ist wohl das Jahr 333 als Konstantin die Goten an der Balkangrenze bekämpfte. Diese Feldzüge werden in Elene wiederum vermischt mit der Schlacht an der Milvischen Brücke (28. Oktober 312) in der Konstantin seinen Rivalen Maxentius besiegte und damit zum alleinigen Herrscher im römischen Westreich wurde. Eine andere Erklärung liefert Bjork (2013, 254): nach einer syrischen Legende wurde das Kreuz erstmals durch Protonike, Frau des Kaisers Claudius (41–54)

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Nicole Meier

der Feinde lässt wenig Aussicht auf Sieg, der heidnische Konstantin wird von Furcht ergriffen, hat in der Nacht vor der Schlacht die Vision einer Lichtgestalt und eines mit Gold und Juwelen verzierten Kreuzes mit der Inschrift „Mid þys beacne ðu / on þam frecnan fære feond oferswiðesð, / geletest lað werod.“ (Elene 92–64). Konstantin lässt daraufhin ein Kreuz herstellen und mit in die Schlacht tragen; das neue Heereszeichen bringt Konstantin den Sieg. Die Schlachtbeschreibung ist eine typische germanische Kampfschilderung mit einer Beschreibung des Lärms der Waffen und der Pferde, dem Klang der Schilde, dem Ruf der Hörner; ebenso finden die Walstatttiere Adler, Rabe und Wolf Erwähnung. Das Kreuz verhilft den Truppen Konstantins zum Sieg, er erfragt, welcher Gott ihm diesen Sieg eingebracht hat, erfährt mehr vom christlichen Gott und empfängt bald darauf die Taufe. Danach schickt der Kaiser seine Mutter mit einem Heer, das Kreuz Christi zu finden. Sie zögert nicht, es erfolgt die Schilderung einer Meerfahrt und in Jerusalem angekommen spricht Elene zu den weisesten Juden und trägt ihnen auf, aus ihren Reihen 1000 auszuwählen, dann 500, aber auch diese wissen nicht, was Elene möchte. Schließlich erinnert sich einer der Juden, Judas, Sohn des Simon, Bruder des Märtyrers Stephanus,14 an eine Weissagung, dass die Juden untergehen werden, wenn sich jemand nach dem Kreuz erkundigt. Nach erneuter Befragung und Bedrohung durch Elene geben die Juden Judas preis, dieser schweigt lange, aber nach seelischen und körperlichen Qualen im Gefängnis und dem drohenden Hungertod gibt er nach. Auf dem Kreuzigungshügel betet Judas zu Gott um ein Wunderzeichen und Enthüllung des Ortes, an dem die Kreuze begraben sind. Rauch steigt auf und durch ein weiteres Wunder, der Erweckung eines Toten durch die Berührung mit dem wahren Kreuz, wird offenbart, welches der drei Kreuze das Kreuz Christi ist. Judas entscheidet sich, zum Christentum zu konvertieren. Sogleich erscheint der Teufel und führt mit Judas ein Wortgefecht, in dem Judas seine Treue zum neuen Glauben unter Beweis stellt. Judas wird getauft, nimmt den Namen Cyriacus an und wird von Eusebius zum Bischof von Jerusalem ernannt. Elene benachrichtigt Konstantin, welcher befiehlt, eine Kirche auf der Fundstelle zu errichten. Elene lässt das Kreuz mit Gold und Edelsteinen schmücken. Dann wird Cyriacus von Elene gebeten, bei der Auffindung der Kreuzesnägel behilflich zu sein. Sie werden wundersam nach einem Gebet des Cyriacus durch ein göttliches Zeichen enthüllt und leuchten aus der Grube, in der sie verborgen waren. Die Kreuzesnägel werden ins Zaumzeug von Konstantins Pferd eingearbeitet (dies veranlasst Elene auf Rat des Cyriacus) und demonstrieren ihre Macht, da sie Konstantin in die Lange versetzen, seine Feinde zu besiegen. Vor ihrer Abfahrt ermahnt Elene die aufgefunden, daher bezieht sich 233 auf die Anzahl von Jahren, die seit der ersten Auffindung vergangen waren. 14 Dies ist ebenso ein Anachronismus, zu seiner Symbolik s. u.

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Juden Cyriacus zu folgen (≠ Quelle: hier lässt sie die Juden verfolgen) und setzt das Fest der Kreuzauffindung ein. Jedem, der das Fest feiert, wird die Hölle verschlossen sein und die Tore des Himmels werden offenstehen. In der Handschrift schließt das Gedicht mit dem Wort „finit“ – es folgt aber noch der anscheinend autobiographische Epilog des Cynewulf. Der Dichter denkt reumütig an sein früheres sündhaftes Leben, die eitlen Freuden der Jugend, er beschwört die Vergänglichkeit der Welt. Cynewulf spricht von seiner Erleuchtung durch die Gnade Gottes im Alter, als Gott „bancofan onband, breostlocan onwand“ (Elene 1249 „seinen Körper entfesselte, seine Seele öffnete“). Göttliche Inspiration ermöglicht dem Dichter das Schreiben, die Dichtung bzw. Texte wiederum bewirken, die wahre Bedeutung des Kreuzes zu erkennen. Cynewulf skizziert ferner das Schicksal, was uns am Tag des Jüngsten Gerichtes erwartet. Besondere Bedeutung kommt dem Epilog auch durch die Runensignatur Cynewulfs zu: er verwendet die Anfangsbuchstaben seines Namens als Runenzeichen. Schaut man sich also die Handlung von Cynewulfs Elene an, wird bereits deutlich, dass Elene eine zentrale Figur des Textes ist – Campbell konstatiert zwar „the title is a grave misnomer“,15 da es doch um das Kreuz gehe, jedoch wird die eigentliche Auffindung des Kreuzes nur kurz geschildert. Welche Funktion hat also die heilige Helena in Elene, (wie) wird sie als heilige Heldin konstruiert? Cynewulfs Elene hat sicherlich deutliche Nähe zu den im Mittelalter äußerst populären Heiligenlegenden. Diese weitgefächerte Gattung umfasst Passiones (Leidensgeschichten von Märtyrern) wie auch Viten, also Lebensbeschreibungen von Heiligen. Elene ist keine typische Heiligenvita, denn „it deals more with a single key event in the life of St Helena“,16 es gibt nur relativ wenig Handlung, dafür viel Dialog, Elene erleidet weder einen gewaltsamen Tod noch Folter zu Lebzeiten (wie in einer Passio), dennoch wird sie, typisch für Heiligenlegenden, als Mittlerin zu Gott portraitiert. Christliche Heilige zeichnen sich v. a. durch ihren frommen, tugendhaften und vorbildlichen Lebenswandel aus. Sie erscheinen oft übermenschlich und haben eine besondere Beziehung zum Göttlichen. Die göttliche Begnadung des Heiligen und seine oder ihre Taten verweisen wiederum auf die Herausgehobenheit des Heiligen – hier zeigt sich die Nähe von Heiligen und Helden/Heldinnen, beide gehören in den Bereich des Außeralltäglichen und Außerordentlichen. Der Ausnahmestatus von Helden/Heldinnen wie Heiligen ruft Bewunderung und Anerkennung hervor, sie sind oft furchtlos, ausgezeichnet durch Wille, Stärke, Selbstvertrauen oder Hilfsbereitschaft, assoziiert mit Ruhm und Glanz (Licht). Figurationen des Heroischen und Heiligen haben im frühen Mittelalter eine große Nähe zueinander, Exzeptionalität kann 15 Campbell (2001), 229. 16 Harbus (2002b), 98.

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sowohl profan wie auch religiös konstruiert werden. So kann eine Überblendung beider Leitbilder stattfinden – vor allem im Zuge der Bekehrung der Angelsachsen findet sich in vielen Texten eine Verbindung von Techniken und Formeln aus der mündlichen volkssprachlichen Heldendichtung mit den Stoffen und Themen der christlichen, lateinisch-literarischen Tradition: „[d]ie Kirche nutzt zur Bekehrung der Angelsachsen auch die Wirksamkeit der Heldendichtung, indem sie nach deren Muster den heroischen Kämpfer für den Glauben schafft.“17 Dieser Synkretismus bringt verschiedene Wertordnungen zusammen und lässt Heilige als Helden und Heldinnen in der altenglischen Literatur auftreten. Dieser Rekurs des mittelalterlichen Heiligendiskurses auf die heroisierende Terminologie der germanischen Heldendichtung wird in der Forschung oft kritisch bewertet; so kommt Rosemary Woolf zu folgendem Schluss: „The heroic formulae were, however, usually merely decorative, for any more integral use of the old style would have resulted in a deep-rooted incongruity; but nevertheless, even this superficial usage is unsatisfactory: the apostles, for instance, […] are ill at ease in their disguise of Germanic retainers, Cristes þegnas.“18 Greenfield beschreibt den Synkretismus als „geliehene Roben“ (Macbeth I.iii.115): The Christian epic hero has been viewed as garbed in the borrowed robes, or rather armour, of his Germanic counterpart, as a warrior venturing into battle against spiritual evil and the forces of Satan even as the secular lord and his comitatus engaged the armed forces of predatory enemies […] Christ and his saints come marching in with many of the qualities of a Beowulf or a Byrhtnoth. And the phraseology and tone in which these qualities and actions are depicted in the poetry are similar to those arraying the heroes of the Anglo Saxon secular world.19

Für Magennis ist ein wesentliches Merkmal der altenglischen Vers-Heiligenleben deren „adaption of hagiography with reference to the Germanic traditions of Anglo-Saxon secular heroic poetry.“20 Beide Traditionen und ihre Helden und Heilige haben Gemeinsamkeiten, wie z. B. die Übermenschlichkeit der Helden/ Heiligen, deren Vorbild- oder Maßstabfunktion, ihre Suche nach Ruhm – wobei beim weltlichen Helden es ein Streben nach irdischem Ruhm ist, beim Heiligen nach himmlischer Herrlichkeit.21 Es wird sich der kriegerischen Sprache der Epen bedient – bei den Heiligenviten geht um einen metaphorischen „Kampf“ der Heiligen als ‚milites Christi‘.

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Seeber (2012), 11. Woolf (1953), 1. Greenfield (1965), 102. Magennis (2004), 170. Vgl. Widsith 142–143 „lof se gewyrceð, / hafað under heofonum heahfæstne dom.“

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Cynewulfs Elene beginnt, wie schon erwähnt, nicht mit einer Beschreibung der Herkunft oder Kindheit von Elene,22 sondern mit Elenes Sohn, Kaiser Konstantin, der das Reich vor Barbareninvasionen verteidigen muss23 – die Schilderung der Kampfesvorbereitungen und des Kampfes ist im Stil und Idiom der germanischen Heldendichtung gehalten und verweist bereits auf ein Thema von Cynewulfs Elene – den Kampf (physisch wie spirituell). Ferner unterstreicht die Vision des Konstantin am Vorabend der Schlacht die Zentralität des Kreuzes in der Elene. Elene zieht ins Heilige Land, um das Kreuz zu finden, jedoch geschieht dies auf Geheiß ihres Sohnes Konstantins: „ond þa his modor het / feran foldwege folca þreate / to Iudeum“ (Elene 214b–216a). Bevor also Elene beim Namen genannt wird (Elene, 221), begegnen wir ihr als Mutter Konstantins. Dies ist eine von verschiedenen Mutterrollen, die Elene im Text einnimmt, sie ist biologische Mutter Konstantins, geistige Mutter des Judas, und mütterliche Muse des Cynewulf.24 Stacy Klein wertet dies als Infragestellung stereotypischer Bilder von Mutterschaft: „As he transports Helena out of an imagined Roman past into an Anglo-Saxon present, Cynewulf creates an image of motherhood that challenges cultural myths of maternity as synonymous with self-sacrifice, domesticity and loss of personal identity.“25 Elene nimmt keine passive Mutterrolle ein, sie wird sofort aktiv und zögert nicht, ins Heilige Land zu reisen. Die Beschreibung der Seefahrt und auch die Vorbereitungen auf die Reise zeigen deutliche Parallelen zu Beowulf (212–218) – so findet sich die Seereise auch nicht in Cynewulfs Quelle.26 Konstantin initiiert zwar die Suche, und so verbindet die Sprache der Heldenepik auch den Kaiser mit Elene, die Expedition ist aber absolut einzigartig: Elene reist mit einem bewaffneten Heer, Frauen begleiten die Krieger und den Oberbefehl hat Elene, die Kriegskönigin („guðquen“, Elene 254). Das unterstreicht auch der Erzähler: „Ne hyrde ic sið ne ær / on egstreame idese lædan, / 22 Verweise auf Helenas niedere Herkunft fehlen in Cynewulfs Text, in dem Elene durchgehend als mächtige Königin portraitiert wird. 23 Interessant ist, dass die Vision des Konstantins sich hier von jener in der Judas Cyriacus Legende (z. B. bei Eusebius) unterscheidet; die ursprüngliche Vision wird Konstantin vor der Schlacht an der Milvischen Brücke am 28. Oktober 312 zuteil, in der Konstantin I. seinen Rivalen Maxentius besiegt und somit zum alleinigen Herrscher im römischen Westreich wurde. Hier aber empfängt Konstantin die Vision an der Donau, nicht am Tiber, es geht um die Verteidigung des Reichs vor Barbareninvasionen. Zollinger liest dies als einen Verweis auf die Situation der Angelsachsen: „In the encounters of Romans and barbarians, Christians and Jews, the poet finds conflicts of faith and cultural identity that reflect England’s own experience of conversion.“ (Zollinger (2004), 196). 24 Clarke (2012), 116. 25 Klein (2005), 151. 26 Cynewulfs Quelle sagt hierzu nur kurz „When Constantine had learned from them where the Lord had been crucified, he sent Helena, his mother, to seek the holy wood of the Lord’s Cross ad to build a church in the same place.“ Allen und Calder (1976), 61.

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on merestræte, mægen fægerre“ („Ich hörte nie, weder vorher noch nachher, dass eine Frau auf dem Meer, auf dem Seewege, ein stattlicheres Heer anführte“ Elene, 240–242). Dies ist die einzige Stelle in Elene (mit Ausnahme des Epilogs), an der das Erzähler-Ich hervortritt. Zudem ist „guðquen“ im gesamten altenglischen Korpus nur zweimal belegt, ausschließlich in Elene (Zeilen 254 und 331) – als Frau eine Armee anzuführen ist offensichtlich eine Ausnahmesituation, so dass sich Cynewulf veranlasst sieht, das neue Kompositum „guðquen“ zu kreieren. Elenes Eigenname taucht im Text an verschiedenen Stellen auf,27 sie wird aber häufiger mit verschiedenen Epitheta tituliert, was natürlich auch dem Stilelement der Variation in der altenglischen Dichtung geschuldet ist. Am häufigsten wird sie als Königin („cwen“) bezeichnet, dies bezeugt, so Klein, „an interest in transforming Elene from a particular queen into a more generic example of queenship“28 (56), unterstreicht aber auch ihre Außeralltäglichkeit.29 Manchmal qualifizieren Adjektive die Bezeichnung als ‚cwen‘ und unterstreichen v. a. Elenes Macht, Ruhm und außergewöhnliche Stellung (Elene 411: „rice cƿen“ [mächtige Königin]; 605: „tireadig cƿen“ [glorreiche Königin]); 275 und 662: „æðelan/ æðele cwen“;30 1169: „cwen seleste“ [beste Königin]). Elene sitzt goldgeschmückt auf einem Thron als sie zu den Juden spricht (Elene 330), also in erhöhter Position, was nicht nur ihre Macht unterstreicht, sondern auch zu Assoziationen mit Maria (u. a. als Himmelskönigin) einlädt und damit Elenes Heiligkeit und Prominenz betont.31 So ist sie auch „cristenra cwen“ (Elene 1068 „Königin der Christen“) und zudem in weiteren Komposita, welche nur in Elene belegt sind, „Þeodcwen“ (Elene 115 „Königin des Volkes“) und „siȝecwen“ (Elene 260, 997 „Siegkönigin“). Auch verschiedene Adjektive und Adverbien, die Cynewulf in Verbindung mit Elene verwendet, portraitieren sie als entschlossene, mutige Frau, wie z. B. „ȝeorn(e)“ (Elene 216, 268 „eifrig, schnell“) bzw. „geornlice“ (Elene 1147) oder „ofstlice“ (Elene 1196 „schnell, eilig“).32 Elene „wæs sona ȝearu“ (Elene 222 „war bald bereit“), sie ist kühn und mutig (Elene 412, 1972 „bald“) und kriegserprobt 27 Ihr Eigenname findet sich in Zeilen 219, 266, 332, 404, 573, 604, 620, 642, 685, 952, 1050, 1197, 1217. 28 Klein (2003), 56. 29 Elene als „cwen“ (ohne qualifizierenden Adjektive): Elene 247, 324, 324, 378, 384, 416, 533, 551, 558, 587, 610, 715, 848, 979, 1017, 1129, 1135, 1151, 1204. 30 Auch von den Juden und von Judas wird Elene als edle Dame tituliert: „hlæfdige“ (Elene 400) „æðelan“ (Elene 545), „hlæfdige min“ (Elene 656), „æðele“ (Elene 1130). 31 Die Verbindung Elene-Maria findet sich schon bei Ambrosius (in De obitu Theodosii 46): „ut, quia iam feminam uisitauerat Christus in Maria, Spiritus in Helena visitaret“ „Und da schon Christus in Maria eine Frau heimgesucht hatte, suchte der Geist in Helena eine solche heim“; Faller (1955), 395. Klein bewertet dies auch als Aufwertung der Mutterrolle: „Cynewulf reminds readers of the importance of biological mothers within Christian culture“ Klein (2005), 152. 32 Elene ist nicht v. a. durch Schönheit oder Mut charakterisiert, als vielmehr durch ihren Eifer; ihr willa ist dabei Motor für ihren Eifer (Elene 681, 962, 1084, 1131, 1135, 1152).

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(Elene 1003 „beadurof“). Auch die aktiven Verben sprechen diese Sprache, Elenes Autorität drückt sich oft in Verben des Befehlens aus wie auch in direkten Befehlen in ihrer Rede („heht“ Elene 276, 691, 1022, 1197, 1201; „beboden hæfde“ Elene 412; „bebead hraðe“ Elene 710; „bebead“ Elene 979, 1017; „forlet….georne bæd“ Elene 598–600). Elene hat einen großen Redeanteil in Cynewulfs Text, so finden sich häufig Formen des Verbs ‚maþelian‘, welches impliziert, dass es sich um eine wichtige oder öffentliche Rede handelt („maþelode/maðelade“ Elene 332, 572, 604, 642, 686). Elene ist nicht nur mächtig, sondern übt auch Gewalt aus, dies triff v. a. natürlich Judas: „he wæs on þære cwene gewealdum“ (Elene 610; „er/Judas war in der Gewalt der Königin“). Auch wenn sie als weltliche Königin und Mutter Kaiser Konstantins auftritt, ein weltliches Herr anführt und als heroische Kämpferin beschrieben wird, ist Elene „eadige“ (Elene 619), also gesegnet. Sie ist erfüllt vom heiligen Geist und gesegnet mit Gaben der Weisheit, wird beschützt von Gott: „Heo gefylled wæs wisdomes gife, ond þa wic beheold halig heofonlic gast, hreðer weardode, æðelne innoð, swa hie ælmihtig sigebearn godes sioððan freoðode“ (Elene 1142–46). Bereits während ihrer Fahrt nach Jerusalem bemerkt der Erzähler: „Wæs seo eadhreðige Elene gemyndig, þriste on geþance, þeodnes willan georn on mode“ (Elene 266). Elene möchte nicht das Wort des Herrschers missachten, „ðæs wilgifan word gehyrwan“ (Elene 222). In der Forschung wurden diese Stellen manchmal als Abhängigkeit Elenes von Konstantin gewertet und konstatiert, sie handele nicht selbstständig, sondern nur auf Geheiß ihres Sohnes,33 jedoch kann ‚þeoden‘ wie auch ‚wilgifa‘ sich auf einen irdischen wie auch himmlischen Herrscher, also Gott, beziehen. Für Klein konstruiert dies „the fulfilment of maternal duty as synonymous with Christian obedience.“34 Elene ist eine christliche Heldin, aber in Elene scheint dies zu einer Umkehr der Rollen der Heiligenlegende zu führen: Elene ist nicht schwach, sondern in einer Machtposition. Sie stellt traditionelle Geschlechterrollen in Frage, zitiert „masculine perfomative categories“,35 sie schlüpft in die Rolle eines Kämpfers der Heldenepen: „Elene assumes many of the heroic, warrior roles associated with men.“36 Konstantin ist im Gegensatz dazu eher passiv, er bleibt in Rom. So auch Judas: „Elene’s Christianity renders her spiritually male, while Judas’s Judaism renders him spiritually female.“37 Nach seiner Konvertierung und seiner Weihe zum Bischof ändert sich das und Judas nähert sich, v. a. in seinen Reden, der Sprache der Elene: „his speech resembles Elene’s (masculine, Christian).“38 Cynewulfs 33 34 35 36 37 38

z. B. Olsen (2001). Klein (2005), 152. Lionarons (1998), 58. Doubleday (1975), 116. Klein (2003), 77. Lionarons (1998), 63.

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Text erschöpft sich jedoch nicht darin, Elene in „borrowed robes“ zu kleiden und sie mit Mitteln der germanischen Heldendichtung zu heroisieren, und damit Geschlechterrollen zu invertieren, sondern die Figur der Elene ermöglicht es Cynewulf, zentrale Themen seines Werkes zu präsentieren. Das Thema des Kampfes, das bereits eingangs durch Konstantins Konfrontation mit den barbarischen Heeren thematisiert wird, ist in Elene v. a. auch das eines spirituellen Kampfes. So bemerkt Hermann richtig: „a large part of the battle diction of Elene has spiritual overtones“39 – „military battle […] is eventually transmuted by the power of God into spiritual warfare.“40 Fluchtpunkt ist hierbei die Figur der Elene, ihr kämpferisches königliches Wesen verweist und erinnert an die Entschlossenheit der ecclesia militans. In der Forschung wird Elene daher oft als Mater Ecclesia gelesen – „as a figure of the Church confronting Synagogue“,41 welche nicht nur mit einer Mutter (‚mater‘), sondern auch mit einer Königin identifiziert wird, daher auch die Häufigkeit des Epitheton ‚cwen‘. Und so erscheinen die Juden und Judas als Symbol der Synagoge,42 mit deren Attribut Blindheit die Juden in Elene konfrontiert werden (Elene 293–312; Vorwurf der Blindheit). In Elenes Rede findet eine Assoziation von Blindheit und Dunkelheit statt; so wie die Juden mit Blindheit und Dunkelheit geschlagen sind, ist das Kreuz in dunkler Erde verborgen, wenn es aber ans Licht kommt, erhellt es – z. B. Judas, der auch sieben Tage im dunklen Gefängnis zwangsläufig fastend zubringt.43 Somit ist das Kreuz ein Weg, eine Brücke aus der Dunkelheit ans Licht: „the dichotomy between darkness and light […] extends thought multiple levels of the poem and finally finds its resolution in the sign of the Cross.“44 Typologische und symbolische Lesarten spielen in Elene eine wichtige Rolle,45 denn die Blindheit der Juden ist durch deren Festhalten am wörtlichen Sinn bedingt – so sehen sie Elene lediglich als weltliche Königin. Hill sieht dies als „confrontation of two kinds of wisdom“,46 jedoch haben wörtliche wie symbolische Lesarten ihre Berechtigung – ohne physische Auffindung und Entdeckung des Kreuzes ist auch

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Hermann (1975), 122. Hermann (1975), 124. Hill (1996), 213. In mittelalterlichen Ecclesia-Darstellungen tritt die Kirche als Frau der ebenfalls in weiblicher Gestalt erscheinenden Synagoge gegenüber; Ecclesia ist immer als triumphierende Siegerin mit Krone auf dem Kopf dargestellt, Synagoga hingegen ist demütig unterlegen und hat die Augen zum Zeichen ihrer Blindheit verhüllt. „nearu“ (Elene 711); Nicht ganz ungewollt ist dies sicherlich eine Parallele zu Paulus, auch zu Jesus und zum Kreuz selber. Ferner leidet Cynewulf ebenso metaphorisch an „neorosorg“ (Elene 1260), da er unfähig ist, die wahre Botschaft des Kreuzes zuerkennen. Stepsis (1969), 274. Dies erklärt auch einige Anachronismen (der hl. Stephan als Bruder des Judas siehe S. 302) – es kommt hier weniger auf die historische Korrektheit als auf die symbolische Bedeutung an. Hill (1996), 212.

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keine spirituelle Enthüllung und Erhellung möglich. Elene erkennt diese spirituelle Bedeutung und ermöglicht damit die Bekehrung des Judas: Elene’s quest goes beyond the revelation of the physical ‚beacen‘ of the cross [.. ] the transformation of the cross from a physical literal image to a spiritual symbol corresponds to the spiritual progress of the Jews from bondage to the Letter to their final conversion to Christianity.47

Obwohl in der Handschrift der Epilog von der Erzählung durch ein „Finit“ getrennt ist (Elene 1235), steht er in direkter Beziehung zu Elene und spiegelt auch zentrale Themen wieder. Wie Zollinger treffend bemerkt, macht der Epilog den Schritt vom Historischen zum Persönlichen: „The epilogue dramatically reenacts on a personal level the historical narrative of the poem.“48 Themen wie Entdeckung bzw. Enthüllung und Bekehrung werden im Epilog aufgegriffen. Auch Cynewulf muss erst erhellt und bekehrt werden – er ist befleckt durch seine Taten, von Sünden gefesselt, von Sorgen bedrängt bevor der mächtige König ihm lare („Weisheit, Wissen“; Elene 1245) zuteilwerden lässt und die Dichtkunst in ihm entfesselt.49 Elene fungiert hierbei als mütterliche Muse für die männliche Tätigkeit des Schreibens,50 welche jedoch im Altenglischen mit der weiblichen Tätigkeit des Webens assoziiert wird („wordcræftum wæf“; Elene 1237). So errettet sich Cynewulf durch das Schreiben von Elene, nachdem er die Bedeutung des Kreuzes erkannt hat.51 Der Epilog nimmt dann einen homiletischen Ton an, mutet fast wie eine Predigt an und endet in einer Beschreibung des Jüngsten Gerichts. Obgleich also Kreuz und Konversion zentrale Motive von Elene sind, ist Elene als Kämpferin für das Christentum Fokus sowie Dreh- und Angelpunkt von Cynewulfs Text.52 Sie tritt als christliche Heldin auf, aber nicht als passive, er47 Fish (1975), 8, 10. 48 Zollinger (2004), 190. 49 „Ic wæs weorcum fah, / synnum asæled, sorgum gewæled, / bitrum gebunden, bisgum beþrungen,/ ær me lare onlag þurh leohtne had/ gamelum to geoce, gife unscynde / mægencyning amæt ond on gemynd / begeat, torht ontynde, tidum gerymde,/ bancofan onband, breostlocan onwand,/leoðucræft onleac“ (Elene 1242b–1250a). Dumitrescu (2018) konstatiert ganz richtig, dass es sich bei Elene (auch) um „a poem about the desire for and process of learning“ handelt (104); in Elene werden mehrere persönliche Lernprozesse (des Judas, des Cynewulf) beschrieben. Elene fungiert auch selbst als Lehrerin: „Þa seo cwen ongan læran leofra heap…“ (Elene 1204–2015). 50 Lionarons (1998), 66. 51 So versteht Regan Elene als „product of the poet’s meditation on the Acta Cyriaci, not merely as a versification of his Latin source“ Regan (1973), 253. Im Epilog wird sehr deutlich, dass Cynewulf sich nicht lediglich als Übersetzer, sondern als Dichter versteht. 52 Und so kann für Elene zu Recht eine Kette des Heroischen postuliert werden: „In the linear development of heroizing events, God through the Cross begets Constantine, Constantine thought the Cross begets Elene, Elene thought the Cross begets Cyriacus“; Bourquin (1994), 11.

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leidende Märtyrerin, sondern im Stil des germanischen Heldenepos. Obwohl die Heldendichtung eigentlich Modelle exzeptioneller Männlichkeit liefert, dient in Elene eine Protagonistin als Leitfigur und Vorbild. Cynewulf gelingt, auch durch Assoziation der Elene mit der Mater Ecclesia, die Betonung der Bedeutung der symbolischen Ebene und des Erfassens der ‚sententia‘ eines Textes. Nur so kann Bekehrung und Erleuchtung geschehen, welche Judas wie auch Cynewulf zuteilwerden und für den Tag des Jüngsten Gerichtes wappnen (und die Leser von Elene ebenso inspirieren wie Cynewulf selbst).

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Amazonen als Heldinnen? Marîne in Wirnts von Grafenberg Wigalois

1.

Amazonen im Artusroman

Amazonen haben eine sehr lange Tradition, der Artusroman hat eine lange Tradition. Der um 1220 entstandene Wigalois von Wirnt von Grafenberg ist der einzige Artusroman, in dem eine Amazone auftaucht. 39 noch erhaltene Textzeugen, 13 davon vollständig, erweisen das Werk als ebenso beliebt wie Hartmanns von Aue Iwein und auch das Nibelungenlied.1 Eine der Handschriften (heute Leiden, Universitätsbibl., LTK 537)2 enthält 46 Illustrationen zum Text.3 Einem mehr oder weniger großen Zufall ist es geschuldet, dass der Wortschatz des Wigalois der Grundstock für den Benecke-Müller-Zarncke (BMZ), eines der noch heute wichtigsten mittelhochdeutschen Wörterbücher ist.4 In der mittelalterlichen Forschung spielt die Amazone Marine5 kaum eine Rolle, wie jüngst Cordula Böcking festgestellt hat,6 die die Amazone mit der Wilden Ruel kontrastiert. Sie geht davon aus, dass die Figuren in ihrer Nicht-Normativität einen Schlüssel zur höfischen Selbstdeutung im Roman liefern können.7

1 Vgl. auch Schiewer (2005), 68. 2 http://www.handschriftencensus.de/2840, (30. 11. 2021). 3 Im Gegensatz etwa zu der Wilden Ruel, einer starken gleichwie „maßlos häßlichen Frau“, so Schiewer (2005), 69, findet sich Marine in keiner der Miniaturen. 4 Das wiederum mag dem Zufall geschuldet sein, dass Georg Friedrich Benecke im Jahr 1819 die erste Ausgabe des Wigalois vorgelegt hat. Entstanden ist dieser zwischen 1208 (Hochzeit der Beatrix von Burgund mit Otto VII. von Andechs-Meranien) und ca. 1210 (vor Vollendung des Parzival Wolframs von Eschenbach). 5 Die Graphie der Namen (mhd. und nhd.) richtet sich nach Wigalois (2014). 6 Böcking (2013), 365 Anm. 7 Übrigens hat auch Cordula Böcking zu Marine nicht so viel zu sagen. Eine rein quantitative Betrachtung ihres Beitrags zeigt, dass der Figur der Ruel über elf Seiten Raum gegeben wird, Marine nur drei.

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Im Folgenden soll gefragt werden, warum die Amazone erst im sogenannten nachklassischen Artusroman8 bzw. überhaupt im Artusroman auftritt, welche Rolle sie dort spielt und auch, wie sie und ihre Mitstreiterinnen bezeichnet, charakterisiert und attribuiert werden. Hat Marine als Amazonentyp Zukunft? Und schließlich die für den vorliegenden Rahmen zentrale Frage: Ist sie eine Heldin?

2.

Wirnts von Grafenberg Wigalois

Einleitend wird das näher betrachtete Werk Wirnts von Grafenberg kurz in die Tradition eingeordnet: Der Wigalois gehört zur Kategorie des nachklassischen Artusromans.9 Er steht in der Bel Inconnu-Tradition10 und gehört damit zu den sogenannten Gawaniden-Romanen. Die Gawan-Sippe zeichnet sich dadurch aus, dass sie (trotz z. T. signifikanter Unterschiede) die folgende Exposition aufweist: Ein schöner Unbekannter erscheint am Artushof und dient dort. Er wird von Artus dazu bestimmt, einer für ihre Herrin bittenden Jungfrau, die gemeinsam mit einem Zwerg auftritt, Hilfe zu gewähren. Die Herrin muss aus den Händen eines unerwünschten Bewerbers oder Zauberers befreit werden. Der Weg dorthin ist mit Bewährungsproben gepflastert. Im Wigalois wird Artus von Nereja, einer Botin der Königin Amena, und ihrem Zwerg gebeten, seinen besten Ritter abzustellen, um ‚ein grôziu âventiure‘ (V. 1762 ‚eine bedeutende Aventiure‘) zu bestehen: Es geht darum, den Heiden Roaz von Glois zu besiegen, der Amena und ihre Tochter aus ihrem Land Korntin vertrieben hat (V. 3782–3802). Nereja geht davon aus, dass nur Wigalois’ Vater Gawain als erfahrener Ritter ihr helfen kann. Auf Wigalois’ Bitte an Artus, der dieser stattgibt, bekommt sie stattdessen ihn, den jungen und noch unerfahrenen Ritter an die Seite gestellt.11 Auf Roimunt (V. 3755f.: ‚entiuschen […] Künigesberc‘), der Zufluchtsstätte der Königin, lernt Wigalois auch die Königstochter, Larie, kennen. Um sie als Gemahlin zu bekommen, muss er erst Korntin, das Reich ihres in ein wundersames Tier (einen Leoparden) verwandelten Vaters Jorel befreien. Zuerst informiert ihn Nereja darüber (V. 3786–3796): 8 Zur Terminologie s. zentral Ch. Cormeaus einschlägige Studie „‚Wigalois‘ und ‚Diu crône‘. Zwei Kapitel zur Gattungsgeschichte des nachklassischen Aventiureromans“, Cormeau (1977), 5 u. ö.; s.a. Kern (1990), bes. 75–78. 9 In der Forschungsliteratur wird diese Klassifizierung insbesondere insofern hinterfragt, als der nachklassische Roman noch in der klassischen Zeit entstanden ist, s. z. B. Wigalois (2014), 269. 10 Renaut de Bâgé: Le Bel Inconnu, um 1200. 11 Nach dem Bestehen von fünf ‚âventiuren‘ der ersten Aventiure-Sequenz hat Wigalois schließlich den Tauglichkeitsnachweis für Nereja erbracht.

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wirn wellen die juncvrouwen mîn ân daz lant ze Korntîn nieman geben ze wîbe, wan der mit sînem lîbe daz guote lant erwerben mac; […] sô wirt im daz beste spil daz man im gît ze wîbe eine magt diu sînem lîbe wirt ein übergulde: […]12

Später weist ihn auch der Vater in Tiergestalt darauf hin (V. 4703–4706): dâ mit erwirbestu den solt des du immer vrô maht sîn: Lârîen, die tohter mîn, dar zuo ditz lant ze Korntîn.13

Aventiuren, in denen es um die Bewährungsproben des Wigalois geht, sieht Wirnt – anders etwa als in mittelalterlichen Texten mit amazonenhaften Figuren wie Brünhild im Nibelungenlied14 – für Marine nicht vor. Sie erscheint erst gegen Ende des 11.708 Verse umfassenden Romans.15 In der Forschung stellt die Episode, in der Marine eine zentrale Rolle spielt, insofern „ein zentrales Problem dar, weil sie aus dem Zusammenhang des Romans gleich in mehrfacher Hinsicht herauszufallen scheint“, so Jutta Eming.16 Sie setzt ein, als das im Artusroman zu Bewältigende bewältigt ist, sie ist in der Darstellung der Stadtbelagerung sehr realistisch im Gegensatz zur vorausgehenden, phantastischen Aventiurewelt. Der Autor Wirnt von Grafenberg formuliert das im Wigalois ganz explizit (V. 10182): ‚hie enist niht âventiure‘. Anleihen für die Figur der Marine machte Wirnt vermutlich beim Eneasroman (Eneit) Heinrichs von Veldeke.17 Auch die Amazone Camilla in Vergils Aeneis tritt vergleichsweise spät auf, im elften von zwölf Büchern, in dem es um Lei12 Die Textstellen aus dem Wigalois sowie die Übertragung ins Neuhochdeutsche werden nach Wigalois (2014) zitiert. ‚Wir werden meine junge Herrin niemandem ohne das Land Korntin zur Frau geben, nur jenem, der mit eigener Hand das vortreffliche Land erobern kann. […] Doch wird ihm dies das schönste Vergnügen sein, dass man ihm zur Gattin eine Jungfrau gibt, die ihm als das Höchste gelten wird: […].‘ 13 ‚Damit erwirbst du den Lohn, auf den du stets stolz sein kannst, nämlich Larie, meine Tochter, darüber hinaus dieses Land Korntin.‘ 14 Die wie Marine als Amazone erkennbar ist, aber nicht so bezeichnet wird; s. Schulze (2002) und (2004). 15 Registereintrag in Wirnt (2014), 357: Marîne, von Alarîe; Amazone, Enkelin des Grafen Adan: 9165, 9356, 9511, 9513, 10108, 10799, 11001, 11271. In Joachim Ziegelers einschlägigem Artikel im Verfasserlexikon (Ziegeler (1999), 1252–1267) kommt Marine nicht vor, was ihren Status als Nebenfigur manifestiert. 16 Eming (1996), 91. 17 Cormeau (1977), 118.

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chenfeiern, einen Waffenstillstand und weitere Kämpfe geht: Camilla kämpft für die italische Seite. Als sie hinterhältig von einem gegnerischen Speer getötet worden ist, wird ein 40-tägiger Waffenstillstand anberaumt; dann wendet sich der Kampf. Wirnts Marine ist dabei in der germano-skandinavisch-slawischen Tradition zu verorten, in Abgrenzung zur arabisch-orientalischen Tradition.18 Diodor von Sizilien beschreibt in seiner Universalgeschichte Bibliothéke historiké (Bibliotheca historica) aus dem 1. Jh. v. Chr. einen afrikanischen Amazonenstamm im westlichen Teil Libyens, an der äußersten Grenze der Erde mit einer namensähnlichen Königin, Myrina (III, 52–55). Wenn die Vorstellung von der starken Frau eine universale, überregionale und überzeitliche Denknotwendigkeit ist, so muss die Frage gestellt werden, warum der Artusroman sich ihrer, im Gegensatz zum Heldenepos, nur einmal bedient. Wirnt selbst deutet den Zusammenhang mit der Aeneis mit der Figur der Marine nicht nur an, sondern er integriert auch das Werk des Vergil in seinen Versroman, und zwar in der Version der Eneit Heinrichs von Veldeke. Im Gegensatz zur Figur der Marine spielt die Eneit in Wirnts Artusroman schon recht früh eine Rolle: ‚ein schœniu maget‘ (V. 2713 ‚eine schöne Jungfrau‘) liest Nerejas Cousine, der Tochter des persischen Königs, Teile aus der Aeneis in der Version Heinrichs (V. 2714–22; Wirnt (2014), 315) vor, wohingegen, die Amazone Marine19 erst in der zweiten Aventiuren-Reihe erscheint, und zwar bei der Vermählung von Larie und Wigalois und dessen Krönung20 sowie im abschließenden Feldzug, in dem sie fällt. Marine kommt im Gefolge der zur Vermählungs- und Krönungsfeier eingeladenen Königin von Tyrus, Elamie (V. 9126–9177): Dar kom vrouwe Êlamîe geriten, […] vil werde geselleschaft vuorte diu maget rîche: zwelf mägde sûberlîche, wol gekleit unde geriten; niht nâch wîplîchen siten: si vuorten mannes kleider an und hêtenz ofte guot getân an manger rîterschefte mit wîplîcher krefte. vil schœniu ors zôch man vor in. vrouwe Êlamîe, diu künigin, brâhte die wünniclîchen schar in ir geselleschefte dar. 18 Wobei beide auf die griechische und römische Antike zurückgeführt werden, s. Kroll (2004), 57. 19 Cordula Böcking (2013), 363, bezeichnet sie als Kriegerin und grenzt sie damit von Ruel als einer Wilden ab. 20 Wigalois (2014), 209ff., Abschnitt 23.

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si wârn von Âlârîe geborn und hêten ir wîpheit verkorn und rîterschaft an sich genomen. ich sagiu wâ von daz was komen: diu ir aller vrouwe was, der en wart vor Dômas gevangen an einem strîte. nâch dem selben zîte nam si an sich rîters leben; des wart ir hôher prîs gegeben. si was ein maget wol getân. […] Diu schœne magt Marîne hiez. deheine rîterschaft si enliez dâ man prîs sole bejagen, man müese von ir getât dâ sagen und von ir gesellen. sie kunde wol gevellen mit rehter jost die rîter nider. beidiu vor des und ouch sider an rîterschefte ir magetuom bejaget rîterlîchen ruom. […] ûf kleidern und ûf schilte truoc si lewen guldîn.21

Wie mit dem umfangreichen Zitat dokumentiert, ist Marine von Wirnt einerseits mit amazonenhaften Attributen ausgestattet, andererseits mit ritterlichen. Marine und ihre zwölf Jungfrauen sind in den Hof integriert; sie finden ein Gegenstück in Larie, die ebensfalls von ‚zwelf juncvrouwen‘ (V. 10352) begleitet wird. Namentlich wird Marine noch weitere sieben Mal genannt:22 Wigalois nimmt Korntin in Besitz, Larie ist gekrönt, ‚ein ander krône guldîn / truoc vor ir 21 ‚Dorthin kam Frau Elamie geritten, […] Vornehmste Gesellschaft führte die edle Jungfrau mit sich: zwölf schön herausgeputzte Jungfrauen, gut gekleidet und auf besten Pferden, doch nicht nach Frauenart: Sie trugen Männerkleidung und hatten sich oft schon bewährt in vielen Turnieren mit ihrer Schar von Frauen. Sehr schöne Streitrosse führte man ihnen voran. Die Herrin Elamie, die Königin, brachte die anmutige Schar in ihrer Gesellschaft dorthin. Sie waren in Alarie geboren [in der Grafschaft von Marines Großvater Adan, CWR], hatten ihrem Frausein entsagt und sich ritterlichem Kampf verschrieben. Ich erzähle euch, wie es dazu kam: Die Herrin über sie alle war, deren Großvater wurde vor Damascus bei einem Kampf gefangen genommen. Nach diesem Vorfall nahm sie die Lebensweise eines Ritters an; dafür lobte man sie sehr. Sie war eine schöne Jungfrau. […] Die schöne Jungfrau hieß Marine. Sie ließ keine Gelegenheit zu ritterlichem Kampf aus, wo man Ruhm erringen konnte, so dass man Anlass hatte, von ihren Taten und Gefährtinnen zu sprechen. Sie vermochte wohl mit kunstgerechter Tjost die Ritter zu Fall zu bringen. Sowohl zuvor als auch danach errang die Jungfrau im Kampfe ritterliches Lob. […] Auf ihrer Kleidung und auf dem Schild führte sie goldene Löwen.‘ 22 Yokoyama (2006).

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vrouwe Marîne‘ (V. 9356)23. Marine wird als makellose Jungfrau beschrieben, die um des Ruhmes willen ein ritterliches Leben führen will (V. 9358–9368). ‚[N]âch ir bet toufte man‘ […] / (V. 9510)24 vor der Krönungsmesse ‚vrouwen Marînen und grâven Adân, / dar nâch die mägde wol getân / die vrouwe Marîne brâhte dar‘ (V. 9511–9513)25. Sie wird in die Nähe von Larie gestellt; Lion, der Herzog von Namur, ersticht König Amire von Libyen und raubt ‚sîne vriundin‘ (V. 9835) Liamere. Diese, Laries Cousine zweiten Grades, stirbt daraufhin vor Kummer. Lion wird von einem Boten über die Reaktionen in Korntin informiert: Viele kündigen ihm die Freundschaft auf. Noch mehr: ‚vrouwe Marîne und ir gespiln / die wellent hie mit [ihm] spiln / dâvon manic ouge wirdet rôt / daz spil wirt manges mannes tôt.‘ (V. 10108–10111).26 Nach einem Exkurs über echte und falsche Minne und die Abkehr von Gott kehrt der Erzähler zur Handlung zurück: Mit einem Freiwilligenheer von über 6.000 Rittern zieht Wigalois gegen Lion ins Feld. Der Zug wird ausführlich beschrieben, ohne dass Marine genannt würde. Sie tritt erst wieder in Erscheinung, als es um die Belagerung der Tore geht. Vier der Tore Namurs werden von Männern belagert, von Rial (V. 10773), von Zaradech und Panschavar (V. 10780), von Iwein und Erec (V. 10785) und von Wigalois (V. 10791). ‚[E]in küniginne –nämlich Elamie – wol geborn / vor der vünften porte lac; / der geselleschefte pflac / vrouwe Marîne und grâve Adân;‘ (V. 10796– 10799).27 Ein sechstes Tor belagert, gewissermaßen in Stellvertretung von Larie, die natürlich nicht kämpft, der Truchsess von Roimunt (V. 10820). Marine dient hier wie der Truchsess als Mittel zum Zweck: Eine verhöfischte Amazone und ein Amtmann führen die Königinnenheere in den Kampf.28 Da (V. 10999–11004) wart vil manger abe gevalt der sînen lîp zehant verlôs. vrouwe Marîne ir erkôs einen grâven von Turkîe. er und sîn kumpanîe tâten guote rîterschaft.29

23 ‚Eine zweite goldene Krone trug ihr Frau Marine voran.‘ 24 ‚Auf ihren Wunsch taufte man […].‘ 25 ‚Frau Marine, Graf Adan und hernach die schönen Jungfrauen, die Frau Marine mit sich geführt hatte.‘ 26 ‚Frau Marine und ihre Gespielinnen werden hier ein Spiel mit [ihm] treiben, das so manches Auge röten und vielen Männern den Tod bringen wird.‘ 27 ‚Eine hochgeborene Königin belagerte das fünfte Tor; bei ihr befanden sich Frau Marine und Graf Adan.‘ 28 Wie Elisabeth Lienert hervorhebt, kämpfen Frauen in der mittelhochdeutschen Literatur in kriegerischen Auseinandersetzungen nur gelegentlich selbst, „traditionell die Amazonen“ (Lienert 2000), 132, wobei Frauen in allen Phasen des Krieges vorkommen. 29 ‚Dabei wurden viele vom Pferd gestoßen und starben auf der Stelle. Frau Marine wählte sich einen türkischen Grafen aus, der mit seiner Schar ganz ansehnlich zu kämpfen verstand.‘

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Die Figur der Marine – das scheint mir die wichtigste Stelle für die Bewertung des Amazonenseins im Wigalois – wechselt in der Darstellung zwischen Männlichund Weiblichkeit. Sie kämpft wie ein Mann, darf aber nicht töten: ‚si beschutte in‘ – den türkischen Grafen – ‚âne vellen‘ (V. 11007),30 sie schlägt sich im Kampf hervorragend, sie „steht ihren Mann“, – diese Redensart bemüht Renate Kroll31 für das Nibelungenlied, wenn sie die Figur der Brünhild im Rahmen eines Beitrags zur literarischen und bildlichen Darstellung der Amazone (in der Frühen Neuzeit) beschreibt.32 Bei Wirnt heißt es zu seiner Amazonenfigur (V. 11017– 11025): Marine […] truoc mänlîchen muot und vil reinen magetuom. si erwarp dâ rîterlîchen ruom mit sper und ouch mit schilte. […] sus lebt diu maget schône mit vil ganzer werdicheit, unz si ein scharfez sper versneit.33

Marine verlässt den höfischen Kontext nie, selbst im Angesicht des Todes bleibt sie eine reine makellose Jungfrau, ganz im Gegensatz zu Brünhild, die schon bei der ersten Erwähnung durch Hagen34 als anders, von höfischen Konventionen abweichend dargestellt ist. In Vers 11023 (‚sus lebt diu maget schône‘) wechselt Wirnt mit dem Gebrauch des Verbs ‚lëben‘ sowohl Schauplatz als auch Genre. Ein kursorischer Blick über die 1.593 vom Mittelhochdeutschen Wörterbuch (MWB) elektronisch bereitgestellten Belege35 (die für eine ganz valide Analyse um die als Adjektivattribute gebrauchten Partizipien bereinigt werden müssten), bestätigt den Eindruck, dass ‚lëben‘ im Kontext von Kampfeshandlungen ein außergewöhnliches Prädikat ist. Der Tod Marines muss natürlich gerächt werden. Diese Rolle übernimmt ihr Großvater Adan (V. 11036), der sie schließlich gramgebeugt

30 ‚sie überwältigte ihn, ohne ihn zu töten.‘ 31 Kroll (2004), 58. 32 Signifikante Unterschiede zu Brünhild zeigen sich darin, dass Marine bei ihrer Einführung als Mitglied der höfischen Gesellschaft präsentiert wird, während Brünhild als weit entfernt vom Hof an einem unbestimmten Ort lebend (326,1 ‚über sê‘) situiert wird und erst nachdem sie von ihrem Brautwerber (bzw. Siegfried) besiegt ist, an den Hof kommt. 33 ‚[…] war von männlicher Tapferkeit und jungfräulicher Reinheit. Mit Schild und Lanze erlangte sie dort ritterlichen Ruhm. […] So lebte die schöne Jungfrau in vollkommenstem Ansehen, bis eine scharfe Lanze sie tödlich verwundete.‘ 34 Vgl. Anm. 27. 35 http://www.mhdwb-online.de/konkordanz.php?lid=100242000&seite=1, (30. 11. 2021).

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über ihren Tod36 mit nach Alarie nimmt. Laries Truchsess übrigens kämpft und überlebt.

3.

Das Wort Amazone und die Bezeichnung(en) für Amazonen im Wigalois

3.1.

Das Wort Amazone

Mit Abschnitt 2 konnte klar herausgearbeitet werden, warum die Marine im Wigalois keine Amazone nach griechisch-römischem Vorbild sein kann. In einem nächsten Schritt soll zur Stützung des dort Formulierten vor einer zusammenfassenden Bewertung vorgestellt werden, wo das Wort ‚Amazone‘, das im Wigalois nicht gebraucht wird, überhaupt in mittelhochdeutschen Texten vorkommt: Die einschlägigen mittelhochdeutschen Wörterbücher enthalten ein Stichwort ‚amazône‘ (Lexer), ‚Amazones‘ (BMZ) bzw. ‚amazônes‘ (MWB). Die drei Belege aus dem Lexer stammen aus Konrads von Megenberg Buch der Natur, das um 1350 entstanden ist, aus Herborts von Fritzlar Liet von Troye, das zwischen 1190 und 1217 datiert ist, und aus dem Willehalm des Ulrich von dem Türlin aus dem dritten Viertel des 13. Jahrhunderts, und zwar aus der Kasseler Handschrift.37 Von den insgesamt drei Belegen im BMZ stammt neben dem genannten ein zweiter Beleg aus Herborts von Fritzlar Liet von Troye, daneben bietet es einen Beleg aus dem um 1170 entstandenen Straßburger Alexander. Das MWB, das nicht nur Stellenangaben liefert, sondern die Belege eingebettet in den Kontext, bietet in der Online-Version insgesamt sechs Textstellen und zwar aus dem Buch der Natur (BdN; 2 Belege), aus Herborts von Fritzlar Liet von Troye (Herb; 3 Belege) und aus dem um 1190 entstandenen Lucidarus (Lucid; 1 Beleg). Der Einblick soll neben einer textsortenorientierten Information über die Werke veranschaulichen, in welche syntaktisch-semantischen Gefüge das Lexem integriert ist:38

36 V. 11271–11275 ‚des twanc in vil strengiu nôt / umb der vrouwen Marînen tôt / diu an dem strîte was gelegen.‘ ‚denn er betrauerte schmerzlich den Tod der Frau Marine, die im Kampf gefallen war.‘ 37 Willehalm-Kodex, http://orka.bibliothek.uni-kassel.de/viewer/image/1300457892891/139/, (30. 11. 2021). 38 Die Belege aus den einschlägigen Editionen sind der Online-Version des MWB entnommen (http://www.mhdwb-online.de/wb.php?buchstabe=A&portion=1080&link_lid=5112000#51 12000, 30. 11. 2021).

Amazonen als Heldinnen? Marîne in Wirnts von Grafenberg Wigalois

BdN 22, 12 BdN 492, 31 Herb 14322 Herb 14490 Herb 14593 Lucid 31, 6

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wan der frawen pain, ân allain an den frawen, die Amazône haizent: dâ sint der frawen pain sterker wann der manne aufganch pei den pergen, die Caspii haizent, die frawen haizent amazones und die reitent in den wâpen und streitent und wonent man queme in ir lant,/ Die wip erslugen in zv|hant./ Amazones heizzent die wip/ Vnde zierent irn lip/ Mit siden gewande/ steine,/ Ir were genesen kleine./ Eez riten vnder=des/ Die frowen amazones/ Von amazonien|lande./ Ez en=duchte deheine schande,/ Als ez hie zv tranke./ Er vorte ouch mit minnen/ Ir gesellinnen,/ Die wichaften amazones,/ Vnde gnadete in des,/ Daz sie mit eren/ Zv felde daʒ rote mer. Uf den berge ſint wip, die heiʒent amaſoneſ. Die vehtint alſe die rittere. Da bi iſt ein burc,

Tab. 1: MWB. Online-Version, Belegstellen für das Lexem ‚Amazône‘

Das Buch der Natur, eine weit rezipierte naturkundliche Schrift,39 in der es um die Beschreibung des Aussehens und der Lebenswelt des Amazonen-Volkes geht, ist ein Prosa-Sachtext. Auch der in Frage-Antwort-Sequenzen verfasste Lucidarius ist dieser Textsorte zuzuordnen. Herborts Trojaepos ist ein auf einem antiken Mythos basierender literarischer Text in Versen, zu dessen Rezeption Klaus Grubmüller lakonisch formuliert: „Eine erhaltene Handschrift und 2 Fragmente bezeichnen das geringe Interesse, das H.s Trojanerkrieg im Mittelalter gefunden hat“.40 Für die Druckfassung des MWB wurde eine etwas breitere Textauswahl getroffen, die im Wesentlichen eine Kombination aus den älteren mittelhochdeutschen Wörterbüchern, ergänzt um eine Stelle aus Konrads von Würzburg Trojanischem Krieg, mit aussagekräftigen Belegstellen ist: amazônes F. nur im Pl. ‚die Amazonen‘ und hiez briebe scrîben / zô den urlûges wîben, / di sîn Amazones genant, / Amazonia hîz ir lant SAlex 6471; swelich man queme in ir lant, / die wip erslugen in zv hant. / Amazones heizzent die wip Herb 14322. 14490. 14593; uf den berge sint wip, die heizent amasones. die vehtint alse die rittere Lucid 31,6; KvWTroj 15199; die frawen haizent amazones und die reitent in den wâpen BdN 492,31; der manne pain sint sterker wan der frawen pain, ân allain an den frawen, die Amazône haizent ebd. 22,12. (MWB. 1: 193)

Die Aufnahme eines Belegs des Trojanischen Kriegs von Konrad von Würzburg (KvWTroj) erscheint mit Blick auf die „Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank“ (MHDBDB) mehr als angemessen, liefert dieses Werk doch die meisten Amazonen-Belege überhaupt (s. u.). Der Hinweis darauf, dass das Lexem nur im Plural belegt ist, zeigt, dass es in den Belegstellen nie um eine einzelne Person bzw. Figur geht, sondern stets um die Vorstellung, die Bekanntmachung oder die Beschreibung einer Gruppe bzw. eines Volkes: Die Amazonen werden als ‚urlû39 „Die Schrift gehört mit nahezu 140 Textzeugen zu den am besten und am breitesten überlieferten deutschsprachigen Naturkompendien des Mittelalters“ (http://digi.ub.uni-heidelbe rg.de/de/bpd/glanzlichter/oberdeutsche/lauber/cpg300.html, 30. 11. 2021). 40 Grubmüller (1969), 587.

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ges41 wîben‘, wörtlich ‚Frauen des Krieges‘, also ‚Kriegerinnen‘ beschrieben, die in einem Land leben, das nach ihnen benannt ist oder nach dem sie benannt sind. Mit denjenigen, die in ihr Land eindringen, machen sie kurzen Prozess: Sie erschlagen sie. Im Lucidarius werden sie mit Rittern, mit reitenden Kriegern verglichen und damit in einen höfischen Kontext gestellt, während sie im Buch der Natur als mit Waffen reitend beschrieben werden und auch als Frauen, deren Beine so kräftig wie Männerbeine sind.42 Dieses Bild wiederum entspricht der Darstellung amazonenhafter Kämpferinnen im Eneasroman Heinrichs von Veldeke. Die Amazonen sind nur über die Beischrift von den Männern in Rüstungen unterscheidbar.43 Die folgende Übersicht stellt das Recherche-Ergebnis der Mittelhochdeutschen Begriffsdatenbank zum Suchbegriff ‚amazon‘ dar,44 wobei aus dem Gesamtergebnis von insgesamt 52 Belegstellen nur die für die vorliegende Fragestellung relevanten aufgelistet sind: Text45 Amasonen Amasônen Amasones Amasônes Amazône Amazônen Amazones Amazônes Amâzones Gesamtzahl 24

AXR

AXS

HTR

KVM

PUC 1

SAX

2

2

1

2 2

1

1

1

1

1

3

2

TRO

TRY

ZUK

3 1 4

3

1

10

3

1

1 1

Tab. 2: Belege nach den Ergebnissen der Mittelhochdeutschen Begriffsdatenbank (MHDBDB)46

Insgesamt sind in die Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank 16 Texte eingepflegt, die das Amazonenvolk bzw. ihr Land mit ‚Amason‘, ‚Amasonen‘, ‚Amasônen‘, ‚Amasones‘, ‚Amasônes‘, ‚Amazanes‘, ‚Amazon‘, ‚Amazôn‘, ‚Amâzon‘, ‚Amâzôn‘, 41 mhd. ‚urliuge‘, ‚urloug‘ (< ahd. ‚urlag‘). 42 Der Text geht folgendermaßen weiter: ‚dâ sint der frawen pain sterker wann der manne und der frawen lant haizt von etleichen der maide lant.‘ ‚Da sind die Beine der Frauen kräftiger als die der Männer, und das Land der Frauen wird von manchen Land der Jungfrauen genannt.‘ 43 Vgl. auch Fromm (1992). 44 Die Suche nach ‚amazone‘ ergibt 0 Belege. 45 Auflösung der Siglen nach der Mittelhochdeutschen Begriffsdatenbank: AXR Alexander R. v. E. Rudolf von Ems; AXS Lambrechts Alexander (Strassburger Hs.); HTR Hugo von Trimberg, Der Renner; KVM Konrad von Megenberg, Das Buch der Natur (Buch 1); PUC Pulkava Chronik; SAX Seifrits Alexander; TRO Konrad von Würzburg, Der Trojanische Krieg; TRY Herbort von Fritslâr, Liet von Troye; ZUK Heinrich von Neustadt, Gottes Zukunft. 46 http://mhdbdb.sbg.ac.at:8000/mhdbdb/App?action=TextQueryModule&string=amason, (20. 11. 2021).

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‚Amazône‘, ‚Amazônen‘, ‚Amazones‘, ‚Amazônes‘, ‚Amâzones‘, ‚Amazonia‘, ‚Amazonie‘, ‚Amazonien‘, ‚Amazonum‘, ‚Amazûn‘, ‚Ammasones‘ oder ‚Ammosoniam‘ bezeichnen.47 In der Tabelle sind nur die neun Texte mit insgesamt 24 Belegen erfasst, in denen das entsprechende Lexem als Anthroponym verwendet wird. Weitere der insgesamt 52 Belege, die die Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank verbucht, sind Toponyme.48 In den entsprechenden Texten wird das Land benannt, in dem das Amazonenvolk lebt; die Amazonen werden in Relation zum Land gesetzt und als ‚Frauen‘ (und nicht als Amazonen) bezeichnet. Das ist auch die Strategie, die Wirnt von Grafenberg verfolgt. Das Lexem ‚Amazone‘ wird für Marine kein einziges Mal verwendet. Mehr noch: Erscheint ihr Name, wird er mit Attributen versehen, die nicht an den Rand der bekannten Zivilisation und die Grenzen zur Wildnis weisen, sondern in die Nähe des Hofes. Ein Beleg mit der Bedeutung ‚Brust‘ aus Konrads von Würzburg Trojanerkrieg (V. 42301–42303; zit. nach MHDBDB) under in dô über al daz lant ist diu brust Amazôn genant,

ist ein Beispiel der volksetymologischen Deutung des Namens, die auf eine Herleitung aus griech. ‚mazós‘ (‚μαζός‘) ‚Brustwarze, Mutterbrust‘ mit negierendem a- (ἀ- privativum) ‚brustlos, einbrüstig‘ hinweist und mit der Vorstellung in Verbindung gebracht wird, dass die Amazonen eine verstümmelte rechte Brust hatten, um ungehindert den Bogen spannen zu können. Gestützt wird diese Interpretation u. a. durch Diodor, der über die im Kampf störenden Brüste informiert und auch noch einen Schritt weitergeht, indem er die Hellenen als Namengeber identifiziert.49 Wolfgang Pfeifer definiert ‚Amazone‘ als ‚Angehörige eines kriegerischen, berittenen Frauenvolkes in Kleinasien‘.50 Tatsächlich bleibt die Herkunft des Namens ebenso geheimnisvoll wie seine Trägerinnen. Klar ist nur, dass das Lexem in mittelhochdeutscher Zeit als Entlehnung aus dem Lateinischen Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat (mhd. ‚amazo¯ne‘ < lat. ‚Ama¯zo¯n‘ < griech. ‚Ama¯zo¯´n‘, ‚Άμαζών‘). Der vergleichsweise späte Lemmaansatz in deutschen Wörterbüchern, so der Hinweis in den einschlägigen etymologischen Wörterbüchern von Kluge51 und Pfeifer52, stimmt mit dem Befund in anderssprachigen Wörterbüchern und Enzyklopädien überein.53

47 Es bliebe noch zu überprüfen, inwiefern die originalen Texte den Graphien der Editionen entsprechen, die Grundlage für die MHDBDB sind. 48 So in Ulrichs von Eschenbachs Alexander V. 7776 ‚die frowe von Amâzôn‘, V. 17421 ‚die künigîn von Amâzôn‘ (zit. nach MHDBDB). 49 Diodor (1867), 94. 50 Pfeifer (2012), 32. 51 Kluge (2002), 36. 52 Pfeifer (2012), 32f.

324 3.2.

Claudia Wich-Reif

Die Bezeichnung(en) für Amazonen im Wigalois

Ausgehend vom Namen, von den Bezeichnungen und den Attribuierungen für Amazonen im Wigalois soll geprüft werden, inwiefern Marine und ihre Begleiterinnen weibliche Ritter oder aber noch der griechischen Mythologie verhaftet sind. Damit einher geht die Frage, ob weibliche Ritter anders bezeichnet werden als ihre männlichen Pendants. Der Name ‚Marine‘ ist klug gewählt, weist er doch auf Diodors von Sizilien afrikanische Amazone Myrina hin. Über ihre Benennung erinnert Marine an den Amazonenstamm, der von alters her in Libyen angesiedelt war. Im Kampfeinsatz in Namur rächt sie den Tod des Königs von Libyen und zahlt dafür mit ihrem Leben. Ihre Vorfahrinnen werden als Stammeszugehörige beschrieben, die eine ganz andere Lebensweise pflegen als die in der zivilisierten Welt übliche.54 Sie selbst ist voll in die höfische Welt integriert: Bei der ersten Erwähnung reitet die ‚viel werde geselleschaft‘55 der Amazonen zusammen mit ‚vrouwe Êlamîe‘. Die ‚zwelf mägde sûberlîche‘, also die ‚zwölf schön herausgeputzten Jungfrauen‘, sind ‚niht nâch wîplîchen siten‘, also nicht nach Frauenart gekleidet, sondern sie tragen ‚mannes kleider‘, also ‚Männerkleidung‘. Die Zwölfzahl weist auf die christliche Einbettung der Amazonen und die Rolle des Christentums im Wigalois hin. Mit Gegenüberstellungen wie ‚wîplîche siten – mannes kleider‘ und ‚rîterschefte‘ – ‚wîplîcher krefte, wîpheit verkêren – rîterschaft an sich nehmen‘56, ‚rîterschefte – magetuom‘ werden die gegensätzlichen Aspekte betont, die die Amazonen verkörpern. Wirnts Amazone Marine ist nicht in ein Amazonenvolk hineingeboren. Die Lebensweise eines Ritters hat sie sich erst zu eigen gemacht, als ihr Großvater im Kampf gefangen genommen wurde. Auch wenn sie ein ‚rîters leben‘ (V. 9154) führt, bleibt sie ‚ein maget wol getân‘57. Sie erlangt mit ihren Gefährtinnen ‚prîs‘ ‚Ruhm‘ (V. 9155) im Kampf und sie kann Ritter im Zweikampf mit der Lanze niederstechen (V. 9170f. ‚sie kunde wol gevellen / mit rehter jost die rîter nider‘). Die mit männlichen Fähigkeiten ausgestattete Marine, die im Gegensatz zu Elamie und Larie kämpfen darf, und ihre Gefährtinnen bleiben ‚vrouwen‘ und ‚mägde‘, trotz der Absage an ihre ‚wîpheit‘. Folgt man der von Renate Kroll von den griechisch-lateinischen Anfängen bis in die Moderne entworfenen binären Konzeption der Amazone als Wunsch- und/oder Schreck-

53 Vgl. etwa die Hinweise bei Kroll (2004), 58f., die darauf aufmerksam macht, dass der Begriff ‚Amazone‘ erst seit dem 16. Jahrhundert lemmafähig ist. Beispielhaft führt sie den Thesaurus Linguae Romanae et Britannicae von 1565 von Thomas Cooper an. 54 Diodor (1867), 95. 55 V. 9133 ‚die vornehmste Gesellschaft.‘ 56 ‚dem Frausein entsagen – sich dem ritterlichen Kampf verschreiben.‘ 57 V. 9156 ‚eine schöne Jungfrau.‘

Amazonen als Heldinnen? Marîne in Wirnts von Grafenberg Wigalois

325

bild,58 so entspricht Marine dem Wunschbild, indem sie, wie dargestellt, in vielem Abbild ihrer Herrin ist. Eine „‚widerspenstige Zähmung‘“59 wie sie im Heldenlied von Brünhild verkörpert wird und auch noch am Übergang vom Heldenlied zum höfischen Roman zu finden ist, ist in Wirnts Artusroman nicht vorgesehen. Die Amazone Marine ist eine Nebenfigur, eine unter vielen. Und als solche glänzt sie kaum selbst. Ihre Funktion ist es den Glanz Elamies zu unterstreichen, der sie verpflichtet und treu ergeben ist.

4.

Marine als Heldin?

Von traditionellen Rollenmodellen ausgehend, wäre zu erwarten, dass Wirnt Marine nicht als ihrem Geschlecht nahestehend darstellt, dass sie aber auch kein wahrer oder siegreicher Held sein kann, weil ihr natürliches Geschlecht nicht das männliche ist. Echte Helden sind unbesiegbar, wohingegen echte Heldinnen unbesiegbar scheinen. Die Heldinnen im mittelhochdeutschen Versroman wie im Epos dürfen nicht töten: Das sehen wir im Wigalois, das sehen wir auch im Nibelungenlied, das im Kontext von Heldentum wie Amazonenhaftigkeit im Mittelalter schnell in den Blick gerät. Brünhild wirkt bedrohlich, ihr Reich ist in einer archaischen Welt angesiedelt, sie ist unabhängig, sie verfügt über ungezügelte und unbeherrschbare Kräfte, zumindest bis der Mann, der sie erobern will, Beistand bekommt. Marine ist von Anfang an höfisch akzeptabel. Als Kriegerin hat sie einen guten Ruf, sie kämpft, wenn es von ihr verlangt wird, und zwar stets für eine gute Sache, um Ruhm zu erhalten. Sie entspricht nicht dem typischen Amazonenbild, da sie mehr oder weniger alleine auftritt. Die zwölf sie begleitenden Jungfrauen gehen im Heer unter. Nicht die Kampfkraft eines Amazonenvolkes wird hervorgehoben, sondern die Kampfkraft Marines. Sie wird erst zur Amazone. Die Suche nach dem Mann, der dazu beiträgt, dass das Amazonenvolk nicht ausstirbt, wird von vornherein ausgeblendet (V. 9363– 9368): ir kiusche behielt si alsô daz diu nie besprochen wart; sus was ir wîpheit bewart âne valsch unz an die zît daz si zer ê sich habte sît; des was ir ganzez lop vil wît.60 58 Kroll (2001), 528. 59 Ebd., 529. 60 ‚Ihre Sittsamkeit bewahrte sie so, dass diese nie in Zweifel gezogen wurde. So blieb ihre Frauenehre unverfälscht bis an die Zeit, da sie sich zur Ehe entschließen würde. Dafür erntete sie weithin großen Ruhm.‘

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Die an ihrem ‚magetuom‘ festhaltende Marine ist eine ‚virago‘ im besten Sinn. Wirnt hat an alles gedacht: Durch diese Information ist klar, dass es nicht um die Eroberung von Männern gehen kann, nicht um das Töten von Söhnen, nicht um Verstümmelung. Um Höfisierung muss es gar nicht gehen, da Marine nicht gebändigt werden muss: Sie wird ja erst zur Amazone. Einzig die Provokation des Dominanzbegehrens der Männer im Kampf bleibt, sie ist aber nur schwach ausgebildet: Nicht der Mann sucht Marine aus, sondern umgekehrt, wobei es nie um die Eroberung des männlichen Geschlechts geht, sondern diese ganz im Dienst der Sache steht, nämlich einen Feldzug siegreich zu beenden – abgesehen davon, dass Marine zwar als Anführerin der zwölf Jungfrauen dargestellt wird, aber im Dienst einer Königin bzw. eines Königs steht:61 In den Versen 11001– 11002 erfahren wir, dass ‚vrouwe Marîne ir erkôs / einen grâven von Turkîe.62 Dieser und sîn kumpanîe / tâten guote rîterschaft‘ (V. 11003–11004). Wenn ich bisher die Übersetzung von Sabine und Ulrich Seelbach63 kommentarlos übernommen habe, so finde ich die Übertragung ‚der mit seiner Schar ganz ansehnlich zu kämpfen verstand‘ hier zu schwach. ‚guote‘ darf m. E. getrost mit ‚gut‘ übersetzt werden. Wenn die Amazone generell Objekt der Bewunderung, Vorbild-, Propaganda- und Leitfigur und Objekt der Dekonstruktion, Exempel für die im Geschlechterkampf unterliegenden Frauen ist,64 trifft Erstgenanntes für Marine gewissermaßen in abgeschwächter Form zu: Sie wird immer im Vergleich mit anderen gesehen, im direkten Vergleich mit Elamie und Larie, im generellen Vergleich mit Männern. Das Unterliegen im Geschlechterkampf wird explizit formuliert, es muss explizit formuliert werden; die Stelle wurde wegen der eigentümlichen Formulierung bereits genannt: ‚sus lebt diu maget schône / mit vil ganzer werdicheit, / unz si ein scharfez sper versneit‘ (V. 11023–11025).65 Natürlich wird Marine sofort gerächt, von ihrem Großvater, wegen dem sie zur Amazone wurde.

5.

Fazit

Das Fazit kann ganz kurz ausfallen: Wirnts von Grafenberg Integration einer Amazonenfigur in den Artusroman ist zweifelsohne eine Innovation. Sie lässt sich als Experiment beschreiben, das mit Blick auf die höfischen und die lite61 Während nach dem Tod der Amazone Camilla in der Eneide ein vierzigtägiger Waffenstillstand vereinbart wird, geht der Kampf im Wigalois einfach weiter. 62 ‚Frau Marine wählte sich einen türkischen Grafen aus.‘ 63 Wigalois 2014. 64 So Kroll (2004), 59; vgl. auch Kroll (2001). 65 ‚So lebte die schöne Jungfrau in vollkommenstem Ansehen, bis eine scharfe Lanze sie tödlich verwundete.‘

Amazonen als Heldinnen? Marîne in Wirnts von Grafenberg Wigalois

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rarischen Konventionen – Freiheiten wie Zwänge – gelungen ist, ein Experiment, das keine Fortsetzer gefunden hat, womit sich die Frage gar nicht stellt, ob es zu einem Rollenmodell hätte werden können. Wenn Claudia Brinker-von der Heyde an den Anfang ihrer Überlegungen zu Amazonen in mittelalterlicher Dichtung ein Zitat des Predigers Berthold von Regensburg, eines Zeitgenossen Wirnts von Grafenberg stellt, so kann dies nach eingehender Betrachtung der Amazone im Artusroman auch am Ende dieses Beitrags stehen: ‚Man suln strîten unde vrouwen suln spinnen‘.66 Damit würde man der Marine letztlich aber doch nicht gerecht: Sie ist ein Bindeglied zwischen der Frauen- und der Männerwelt, sie ist selbstlos (im Gegensatz zu Brünhild), sie ist höfisch, sie handelt wie ein Mann im Kampf und stirbt – in logischer Konsequenz – einen Heldinnen-Tod.

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66 Brinker-von der Heyde (1997), 399.

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Marthe-Siobhán Hecke (Bonn)

“With fire and blood, I will take it.” – The Hero’s Journey of Daenerys Targaryen?

George R. R. Martin’s epic fantasy series A Song of Ice and Fire started in 1996 with the first book, A Game Of Thrones, and the last two novels are yet to be published. The novels are bestsellers worldwide, not only because of their amount of focalizers (more than thirty) or their length (4.197 pages in five books), but also because of their intricate mixture of “deep characters, a beautifully crafted and compelling story, passion, violence, intrigue, humanity, and all the ambiguities that come with a fully realized world,”1 as D. B. Weiss, executive producer and head writer of the TV series, puts it. The book and TV series feature one main plot (and hundreds of subplots): the families in Westeros and Daenerys Targaryen in Essos are fighting for the Iron Throne, while Jon Snow is facing the threat of the White Walkers in the far North. Even though fans eagerly await the next two instalments, The Winds of Winter and A Dream of Spring, the HBO screen adaptation Game of Thrones was finished after eight highly successful seasons in 2019 with mixed reactions, while deviating from the course of the novels. One of the central characters in the series is Daenerys. Her transformation from a young, passive girl to a fierce and strong (mad) queen lies at the heart of the story. As the last two books by Martin have not been published yet, this article will focus on the show, specifically on the hero’s journey of Dany (as she is affectionately called by her close friends), with special regard to the plot twist in the final season that shocked and surprised many fans. Up to Season 7 one could have thought Daenerys to be the typical yet flawed heroine2 of the series as she went through a typical hero’s journey. This paper will follow Daenerys through the typical stages of the hero (as established by Vogler) and will show that the hero’s journey can be applied to Daenerys. It will also be explained why the 1 Cogman (2012), 7. 2 Even though Campbell & Vogler use the term ‘hero’ to refer to heroes of all sexes and genders, ‘heroine’ will be used for Daenerys Targaryen as it seems more fitting. Pronouns in the general parts will be randomly applied including ‘they / them’. Hero’s Journey will be used to refer to the concept even though Heroine’s Journey would be as legit.

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ending (of the series) was not perceived favourably by the fans. As the last two instalments of the book series are yet to be published, the limitations of this article are obvious as the HBO series not only deviates from Martin’s story but also shortened things drastically. The so-called hero’s journey was made famous by Joseph Campbell (1904– 1987) with The Hero With A Thousand Faces, first published in 1949 and inspired by Carl Jung, in which he describes the typical journey of a hero in world myths such as the stories of Jesus, Buddha, Mohammed or Odysseus. Using the term monomyth, inspired by James Joyce,3 Campbell establishes the archetypical hero as “the man of self-achieved submission.”4 Thus, the hero is “the man or woman who has been able to battle past his personal and local historical limitations to the generally valid, normally human forms.”5 The typical hero would successfully complete all or parts of the 17 stages in three major categories (Departure, Initiation, Return) established by Campbell, laying emphasis on the necessary and literal journey a hero-to-be has to go through and also mirroring the stages of a rites of passage – separation, initiation, return.6 Even though Campbell’s version was heavily criticised not only from a feminist point of view but also for its ambiguousness, vagueness or looseness,7 the concept itself remains very potent and popular as many stories, like the Harry Potter Series, follows this pattern closely. A hero (or heroine) has to go on an adventure, is being transformed by it, and comes back home changed, bringing new powers or abilities with them. Adaptions of this concept are numerous despite its critique, and the variation by Christopher Vogler (*1949), a Hollywood screenplay writer, development executive and author, relates the ideas from Campbell and Jung to contemporary storytelling. In The Writer’s Journey: Mythic Structure for Writers (2007) he postulates that also most recent stories can be reduced to his twelve-step hero’s journey and most characters to certain archetypes (for example the Hero, the Mentor or Trickster), holding true for Disney movies such as The Lion King8 or 3 4 5 6 7

Cf. Estés in the Introduction of Campbell (2007), xxv. Campbell (2007), 15. Campbell (2007), 18. Cf. Campbell (2007), 28. For example, Brin (1999) argues that Campbell’s “standard fable-template was co-opted by kings, priests and tyrants, extolling the all-importance of elites who tower over common women and men” (n.p.) leading to tyranny in narratives, not allowing any positive development in these stories. Northup analyses that since Campbell myths have become the property of “pop culture” (2006, n.p.), they are over-used in many different fields disregarding Campbell’s problematic background. Murdock (2013) proposes an entirely different journey from the Hero’s Journey, the so-called Heroine’s Journey, in order to tackle the “androcentric society” (Preface) and allow female narratives. This paper will show that Vogler’s Hero’s Journey can be used for female protagonists without much ado. It would, however, be interesting to compare the two journeys and whether both could be applied to Daenerys. 8 Cf. Vogler (2007), 258.

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other screenplays like Fight Club.9 Although Vogler’s concept was originally aimed at movies and not at episodic narration, like a TV series, this paper will show that it can also be used for a long running show like Game of Thrones. Vogler takes care to mention the journey of villains, or anti-heroes, as they are also a common element of stories with heroic characters. A heroic character arc consists of the following twelve steps: Our character has limited awareness of a problem (1), increased awareness (2), reluctance to change (3), overcomes this reluctance (4), commits to change (5), experiences this change (6), prepares for a big change (7), attempts the big change (8), experiences the consequences of the attempt with improvements and setbacks (9), rededicates herself to change (10), tries a final attempt at big change (11), and finally masters the problem (12),10 which could also be structured into three Acts. Act I consists of the stages 1–4, Act II of the stages 5–9, and Act III of the stages 10–12. The different steps will be explained in detail in connection to Daenerys’ journey. Vogler assesses that “the principles of the Hero’s Journey have had a deep influence over the shaping of stories in the past and will reach even deeper in the future as more storytellers become consciously aware of them,”11 because this structure (which is not to be understood as a formula) should be transformed (and not merely repeated) to “make amazing new forms and original designs from the ancient, immutable parts.”12 Archetypes themselves are not mere characters that are not insusceptible to change but can also be understood as emanations of the hero or as “symbols of various human qualities.”13 Exhausting the rich and complex history of heroism over cultures and centuries is not possible in this paper, yet it has to be acknowledged that the influence, predominance, impact, and fascination of heroes and heroines remain unbroken.14 Heroes are willing to sacrifice themselves for others or their ideals,15 while searching for “identity and wholeness”16 in reference to Freud’s Ego (Vogler is using outdated psychoanalytic terms and ideas just like Campbell). Hence, all archetypes can be found within the hero, fighting for balance and completeness.17 In order for the audience to identify and thus become the hero for a while, heroes need to display universal qualities such as “revenge, anger, lust, competition, territoriality, patriotism, idealism, cynicism, or despair.”18 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Cf. Vogler (2007), x. Cf. Vogler (2007), 205. Vogler (2007), xv. Vogler (2007), xv. Vogler (2007), 26. Cf. Rolshoven (2018), 11–12. Cf. Vogler (2007), 29 & 32. Vogler (2007), 30. Cf. Vogler (2007), 30. Vogler (2007), 30.

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Conflicts within these qualities are making characters more complex and interesting. In addition, heroes do not only have the most growth of all characters, but also drive the plot forward the most.19 A specific feature of heroes seems to be their relation to death which can either be actual or symbolic experiences with death,20 allowing them to transform beyond themselves. A hero’s character flaws not only make them interesting, but also explain the variety for heroic types that can be found, depending on the influence of archetypes in their psyche. There are: “willing and unwilling Heroes, group oriented and loner Heroes, Anti-heroes, tragic Heroes, and catalyst Heroes.”21 For Vogler, Anti-heroes are considered outlaws or villains by the society in the narrative, but the audience sympathises with them.22 Loki in the Marvel movies, for example, is a mischievous trickster, yet the audience loves him. Villains, however, as the Shadow aspect of archetypes, “are usually dedicated to the death, destruction, or defeat of the hero.”23 A prime example is Lord Voldemort, where all hopes for a different behaviour are nil. “The arcs of their stories are mirror images: When the hero is up, the villain is down.”24 In order to understand Daenerys’ motivation, it is necessary to briefly recall her family history and why she lives in exile at the start of the story. Daenerys stems from a family of dragon riders with magical abilities from Old Valyria, “a once-mighty kingdom that ruled Essos for five thousand years.”25 Even when the Freehold of Valyria was destroyed and the empire there collapsed, House Targaryen “survived, having settled on the distant fortress of Dragonstone years before.”26 The Targaryens conquered the Seven Kingdom on the continent Westeros with the help of their dragons while also using incest27 to keep their bloodline supposedly pure.28 Daenerys’ father, Aerys the Second, after descending into madness and growing more and more paranoid, was killed by Jaime Lannister before the series begins in an uprising led by Robert Baratheon.29 Aerys’ son and heir Rhaegar was also killed, supposedly childless, leaving

19 20 21 22 23 24 25 26 27

Cf. Vogler (2007), 31. Cf. Vogler (2007), 32. Vogler (2007), 34. Cf. Vogler (2007), 35. Vogler (2007), 65. Vogler (2007), 165. Cogman (2012), 152. Cogman (2012), 152. This also sets the Targaryens apart from other Westerosi families, as they do not practice incest that openly (Cersei and Jaime of course have an incestuous relationship). There are, however “instances of Targaryens marrying outside the family, but the overall tendency was to preserve the royal bloodline,” (Finn (2017), 20). 28 Cf. Cogman (2012), 152. 29 Cf. “Aerys Targaryen” HBO Viewer’s Guide, n.p.

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Daenerys and her brother Viserys (the Third) as the “only surviving members of the Targaryen dynasty”30 in exile in the Free Cities of Essos. To keep it concise, Vogler’s version of the Hero’s Journey will be explained and directly applied to Daenerys’ transformation from a vulnerable, controlled girl to both heroine and then villain of the series. It has to be noted though that the stages could be applied to single seasons too (especially the first season), as the categories are very broad and can be used on a larger or smaller scale. Moreover, steps can be left out or merged together. The presented heroine’s journey here is just one example, the steps can be applied to different milestones of her journey with a slightly different argumentation. 1. The Ordinary World describes the heroine’s “context, home base, and background,”31 presenting their everyday life in stark contrast to the Special Worlds the heroine must then cross on her journey. The Ordinary World is often used to foreshadow events in the Special World later on in the story while introducing the audience to inner and outer problems of the heroine herself, creating an awareness for the character, background, her flaws and hurdles.32 At the beginning of the series, Daenerys Targaryen lives in exile together with her brother Viserys, the heir to and ‘legitimate’ ruler of the Seven Kingdoms, who also tells her about her Targaryen heritage. He plots to overthrow the usurper Robert Baratheon, seeking alliances on the continent to raise an army. When he brokers a marriage between Dany and a powerful khal,33 he hopes to gain the military power needed to reclaim the Iron Throne. Dany is subsequently married off without her consent and is even told by her brother how to dress for the occasion (“I need you to be perfect today”34). The scene depicts the complete control Viserys has over her.35 While her brother undresses her and assesses her new, womanly body, she looks defeated, subjugated and scared and does not raise her voice; she just stares off into the distance letting it happen.36 When Dany eventually confides in her brother, telling him that she is scared of her future and wants to go home, Viserys says that he “would let his whole tribe fuck you, all 40.000 men and horses, too, if that’s what it took.”37 After Daenerys’ subsequent marriage, she is gifted books from the Seven Kingdoms by exiled Ser Jorah Mormont (who will become her friend and an important mentor figure later), 30 31 32 33 34 35 36 37

Cogman (2012), 152. Vogler (2007), 87. Cf. Vogler (2007), 87–95. Cf. S1 E1 “Winter is Coming”. S1 E1 “Winter is Coming”, 34:44–34:46. Cf. Cogman (2012), 158. Cf. S1 E1 “Winter is Coming”. S1 E1 “Winter is Coming”, 39:11–39:19.

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and receives three petrified dragon’s eggs.38 On her wedding night, Khal Drogo rapes the crying Daenerys who does not defend herself. She then travels with her brother, husband Khal Drogo and his khalasar (his clan, or tribe) to Vaes Dothrak while Viserys becomes visibly impatient to gain control of the army and conquer the Seven Kingdoms.39 Daenerys resigns herself to her new life, but is unhappy in her marriage. Because she does not know how to please a man, wanting to connect with her future husband and thus gaining liberty from her brother, she seeks education from her maids.40 2. The Call to Adventure drives the story forward after the exposition of the heroine is finished: it can be described as the “inciting or initiating incident, the catalyst, or the trigger” (Vogler 2007, 99). The Call is often accompanied by one or several Heralds, bringing about change. It can leave the heroine to experience disorientation and discomfort, leading to the next step, the Refusal. When Daenerys finds she is pregnant with a boy,41 her behaviour starts to change. She befriends Ser Jorah and starts plotting with him: they agree that Viserys, growing more impatient and physically threatening towards Dany, would be a poor ruler and that she should rule instead42 (“Do you want to see your brother sitting on the Iron Throne?”43). Ser Jorah is thus a herald of change, shaking her discomfort at her own agency and making her see her goal: becoming Queen and ruling the Seven Kingdoms. Daenerys is able to take matters into her own hands, driving the plot forward by further connecting to Khal Drogo through learning his language and how to please him, and herself, in bed. It is now Daenerys’ overall quest to conquer the Seven Kingdoms. She wants to unite the Khalasars (all of the Dothraki clans led by other Khals) and to rule them. Her son is supposed to be the khal that will unite the entire world.44 Daenerys is also looking for revenge (against both her brother and the usurper Robert Baratheon, and when he dies against his supposed offspring and later Queen Cersei). Now, that her relationship to Khal Drogo has improved, she no longer needs her brother. Viserys is angry at this change and his loss of power and threatens her, choking her with his sword in hand: “You dare give commands to me? To me? You do not command the dragon. […] I don’t take orders from

38 39 40 41 42 43 44

Cf. S1 E1 “Winter is Coming”. Cf. S1 E2 “The Kingsroad”. Cf. S1 E2 “The Kingsroad”. Cf. S1 E3 “Lord Snow”. Cf. S1 E4 “Cripples, Bastards, and Broken Things”. S1 E4 “Cripples, Bastards, and Broken Things”, 44:46–44:49. Cf. S1 E6 “A Golden Crown”.

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savages or their sluts.”45 She is saved by the khalasar and refuses to have him killed right away, showing that he has not lost all influence over her (and he is her last living relative that she knows of and that she somewhat loves). Daenerys is able to stand up for herself later on though, telling her brother: “the next time you raise a hand to me will be the last time you have hands.”46 She is visibly angry, speaking loudly, showing emotions and a will of her own. When she is celebrated by the entire khalasar shouting “Rhaego”, carried through the crowd by Khal Drogo, Ser Jorah says that “she truly is a queen today”47 – Viserys leaves the room. Khal Drogo finally executes Viserys after he had unsuccessfully tried to reassert his dominance over Daenerys by insulting her in front of the Dothraki leadership. Her brother’s death does not seem to visibly move Daenerys, she does not look away but seems calm, almost serene.48 3. The Refusal of the Call describes the heroine’s unwillingness to answer the call as she is standing on a “threshold of fear […] temporarily”49 refusing or delaying a reaction to the Call. Threshold Guardians can show up, “powerful figures who raise the banner of fear and doubt, questioning the hero’s very worthiness to be in the game”,50 while posing dramatic questions for the audience, leading to emotional suspense.51 Daenerys wants to conquer the Seven Kingdoms with Khal Drogo,52 but when he is wounded she desperately tries to have a witch save him using blood magic.53 The underlying conflict arises from Khal Drogo’s willingness to support Daenerys, who wanted the females of the sacked village to be married to members of the Khalasar, in contrast to the traditions of the conquering Dothraki, usually enslaving all the females.54 Thinking that she needs Khal Drogo and the Dothraki to fight for the Iron Throne, Dany does not want to lose him. By now she is also in love with her former rapist, she tries to substitute Khal Drogo as a leader, but cannot. A member of the khalasar tells her that “A woman does not give us orders. Not even a Khaleesi.”55 Even after she goes into premature labour56 and

45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56

Cf. S1 E3 “Lord Snow”, 36:33–36:46. S1 E4 “Cripples, Bastards and Broken Things”, 38:26–38:32. S1 E6 “A Golden Crown”, 19:29–19:31. Cf. S1 E6 “A Golden Crown”. Vogler (2007), 107. Vogler (2007), 111. Cf. Vogler (2007), 111. Cf. S1 E7 “You Win or You Die”. Cf. S1 E9 “Baelor”. Cf. S1 E8 “The Pointy End”. S1 E9 “Baelor”, 22:05–22:08. Cf. S1 E9 “Baelor”.

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the subsequent loss of her son,57 she struggles to make a decision on whether or not to mercy kill Khal Drogo. In the end she does,58 even though she might lose the last followers of Khal Drogo due to his catatonic state. 4. When Meeting with the Mentor, our heroine receives help from a person, which can happen in the form of “protecting, guiding, teaching, testing, training, and providing magical gifts,” giving her the “confidence, supplies and knowledge”59 to commit to the waiting adventure. Heroine and mentor can also be in conflict, yet the mentor still provides critical influence.60 Daenerys will meet several mentors along the way. One of the most important ones is Ser Jorah, who will stay with her for several seasons, or in the story’s timeline, years. He not only gifts her books, but educates her as well. He also saves her from assassination attempts.61 He ultimately gives his life for her, saving her from almost certain death in the last season.62 Apart from being a mentor figure, Ser Jorah is also in love with Daenerys, who yet never explicitly acknowledges or returns his feelings for the entirety of the series.63 Even though he was initially sent to spy on Dany by Robert Baratheon64 and is exiled by Daenerys for it, he always comes back to Daenerys – even if ‘Lord Friendzone’ has to overcome a lethal condition first.65 Jorah gives Daenerys the confidence and help she needs to pursue her path from the very start and supplies her with knowledge along the way. Oftentimes Daenerys and Jorah disagree,66 for example, when Jorah is distrustful of Ser Barristan67 (another mentor figure) and doubts his motivations. Jorah also manages to persuade Daenerys to be more clement when she decides to kill all the masters in Yunkai68 and she ends up giving advice rather than killing everybody. Another important mentor figure, Tyrion Lannister, can actually also 57 Cf. S1 E10 “Fire and Blood”. Frankel analyses that, from a feminist point of view, “Dany must lose her child, dismantling the male power structure that surrounds her as brother, husband, and conqueror-son to create a newer form of rule, one centered in willing cooperation and freedom.” (Frankel (2012), 152) 58 Cf. S1 E10 “Fire and Blood”. 59 Vogler (2007), 117. 60 Cf. Vogler (2007), 123. 61 Cf. S1 E7 “You Win or You Die”, S5 E9 “The Dance of Dragons”. 62 Cf. S8 E3 “The Long Night”. 63 Cf. S6 E5 “The Door”. 64 Cf. S4 E8 “The Mountain and the Viper”. 65 Cf. S6 E5 “The Door” where he reveals his Greyscale infection and is ordered by his Queen to find a cure. 66 Cf. S2 E8 “The Prince of Winterfell” in which Jorah does not want Dany to enter the “House of the Undying”. 67 Even though Sir Barristan saves Dany from yet another assassination attempt in S3 E1 “Valar Dohaeris”, Ser Jorah remains vigilant. 68 Cf. S4 E7 “Mockingbird”.

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be considered as another gift from Ser Jorah.69 Tyrion becomes her advisor70 and later Hand of the Queen,71 not giving up on her until the ultimate episode of the last season72 and is even willing to sacrifice Varys (his friend, adviser to the Queen with dubious motives) for her; then again, it is implied, he might also be in love with her, which could explain his behaviour.73 Even though he doubted her decisions in many instances, he still had hope for her until the very last episode. Minor mentor figures such as her Dothraki handmaidens, Missandei or Daario Naharis will not be considered further even though they of course also function as mentors in various regards. In general, however, Daenerys does not like to be questioned by either mentor figures, friends, lovers or allies: “You’re both here to advise me. I value your advice, but if you ever question me in front of strangers again, you’ll be advising someone else. Is that understood?”74 5. When Crossing the First Threshold, the heroine commits to their adventure as a decision of her own, but “[o]ften their final commitment is brought about through some external force which changes the course or intensity of the story.”75 Once again, Threshold Guardians can be encountered and the heroine needs to make a leap of faith.76 Daenerys kills Khal Drogo, losing his protection77 as she was only safe as long as the khal of the khalasar lived – in this patriarchal society female khals are unthinkable. Daenerys joins the witch that cursed Khal Drogo, her husband and her three dragon eggs on the pyre in the season’s finale. Even though Dany suspected that she cannot be harmed by fire – a Targaryen trait that her brother did not share, as he was executed by molten gold being poured over his head,78 – she has to cross the threshold and step into the flames first. When she emerges unscathed in the morning, accompanied by three newly hatched dragons, she becomes the female khal, a khaleesi, without needing brother or husband to guide and / or protect her: “She redefines the title Khaleesi, from meaning concubine and Khal’s counterpart to meaning the queen over the men who have never served a woman, only warriors.”79 Daenerys now has her own agenda and is 69 70 71 72 73 74 75 76 77

Cf. S5 E7 “The Gift”. Cf. S5 E8 “Hardhome”. Cf. S6 E10 “The Winds of Winter”. Cf. S8 E6 “The Iron Throne”. Cf. S8 E5 “The Bells” and Cf. S8 E6 “The Iron Throne”. S3 E3 “Walk of Punishment”, 33:55–34:03. Vogler (2007), 128. Cf. Vogler (2007), 130. Cf. S1 E10 “Fire and Blood”, preventing being killed by his potential successor cf. S1 E9 “Baelor”. 78 Cf. S1 E6 “A Golden Crown”. 79 Frankel (2014), 151.

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not afraid to take what she deems hers while protecting those more vulnerable. Before stepping into the flames she says: “I am Daenerys Stormborn, of House Targaryen, of the blood of Old Valyria – I am the Dragon’s Daughter. And I swear to you, that those who would harm you will die screaming.”80 6. Tests, Allies, and Enemies describes the heroine’s encounters with the special world for which she is woefully unprepared, yet manages to make friends and enemies alike whilst being tested.81 In addition to the optional help of a Mentor, the “new rules of the Special World must be learned quickly by the hero and the audience”82 in order to survive the trials. Daenerys spends a long time on the continent of Essos83 and especially in Slaver’s Bay, freeing the cities from slavery, as her ultimate plan is freeing the Seven Kingdoms from the Houses terrorising them in their game of thrones: “I’m not going to stop the wheel. I’m going to break the wheel.”84 This, however, is not an easy feat. Tests include (among others) crossing a desert and finding a city, Qarth,85 seeking shelter in said city without marrying one of the thirteen rulers of the city,86 having her dragons stolen and allies killed,87 encountering crucified children on her way to Meereen,88 having the chance to sail to the Seven Kingdoms and deciding against it because Astapor and Yunkai, which were previously freed by her, had reintroduced slavery.89 She is also being betrayed by Jorah,90 temporarily loses her dragon Drogon,91 sees her husband-to-be killed and has to flee Meereen due to an attack of the Sons of the Harpy,92 and ultimately gets lost in the desert after being abandoned by her dragon and encountering another 80 81 82 83

84 85 86 87 88 89 90 91 92

S1 E10 “Fire and Blood”, 47:41–47:58. Cf. Vogler 2007, 136. Vogler 2007, 139. Hardy assesses a strong link between slavery and the east, which was inspired historically as it “align[s] with the stereotype that Europeans had of the Ottoman Empire” (Hary (2017), 104). The Sellswords in Essos are also “emphasizing the overriding stereotype that easterners are a treacherous and cowardly bunch” (Hary (2017), 102). That a white Queen-to-be is needed to free these easterners seems a bit problematic when thinking in his historical dimension. Slavery has been banned in the Seven Kingdoms, yet Daenerys also buys and frees the Unsullied, making them “a core element of her army” (Haug (2017), 111). Haug also shows that Slave armies where much more common in the Islamic World than modern audiences might imagine (cf. Haug (2017), 111–114). S5 E8 “Hardhome”. Cf. S2 E1 “The North Remembers”. Cf. S2 E4 “Garden of Bones”. Cf. S2 E6 “The Old Gods and the New”. Cf. S4 E1 “Two Swords”. Cf. S4 E5 “First of His Name”. Cf. S4 E8 “The Mountain and the Viper”. Cf. S4 E10 “The Children”. Cf. S5 E9 “The Dance of Dragons”.

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khalasar that kidnaps her93, so that she loses her position of power and her naval fleet in Meereen.94 In Vaes Dothrak, where she is held captive, a place where nobody is allowed to carry weapons,95 Dothrakis try to gang-rape Daenerys and strip her of her title of Khaleesi.96 As she cannot be burned by fire, she burns her enemies without the need of any other weapons. After this long period of struggle, failure and loss, Daenerys is able to regain power by owning her Targaryen heritage: fire. During the course of her journey, her Targaryen heritage becomes more and more obvious as she embraces it further and employs it for her aim. The plurality of enemies, from the Sons of the Harpy, to the Masters of the various cities in Slaver’s Bay, to the assassins from the Seven Kingdoms seeking to end her life, also cause Daenerys to rely on her allies a lot: After Daenerys breaks down because she could not prevent the death of some of her allies and she says that she has nobody, Ser Jorah explains to her: “No one can survive in this world without help. No one. Let me help you, please.”97 Among her allies are not only Jorah and Tyrion, but she also wins the trust and fealty of Grey Worm of the Unsullied,98 Missandei,99 and Ser Barristan who subsequently gives his life for her.100 Daario Naharis not only becomes one of her closest allies killing the members of the Second Sons in Yunkai for her,101 but also becomes her first love interest after Khal Drogo.102 This time, however, she is the one in power in the relationship, showing furthermore that Daenerys has evolved from the passive and scared girl in the first season. Daario, coming to her private chambers, asks her to let him do what he does best (war and women), to which Daenerys replies: “Do what you do best. Take off your clothes.”103 In this scene with a distinct female gaze, she watches him strip while drinking a cup of wine, letting her eyes casually wander down before the scene ends. Daenerys later also leaves him behind when she starts her journey to Westeros, showing that she does not need his love or support on her way to reclaim the Iron Throne.104 Daenerys knows how to gain the support of the formerly oppressed, maybe because she has been oppressed herself: She frees the slaves who then begin to call 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104

Cf. S6 E3 “Oathbreaker”. Cf. S6 E1 “The Read Women”. Cf. Larrington 2016, 236. Cf. S6 E4 “Book of the Stranger”. S2 E7 “A Man Without Honor”, 25:26–25:32. Cf. S3 E5 “Kissed by Fire”. Cf. S3 E3 “Walk of Punishment”. Cf. S5 E5 “Kill the Boy”. Cf. S3 E8 “Second Sons”. Cf. S4 E7 “Mockingbird”. S5 E7 “Mockingbird”, 20:04–20:15. Cf. S6 E10 “The Winds of Winter”.

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her mhysa, which is the Ghiscarian word for “Mother”,105 underlining that she is not perceived as a mere conqueror, but a saviour and motherly figure. The newly freed slaves carry her on their shoulders; Daenerys becomes the chosen one, the saviour and an almost God-like figure. She promises them that “I will not let those I have freed slide back into chains.”106 She goes even further in proclaiming “Slavery is real. I can end it. I will end it. And I will end those behind it.”107 Daenerys now knows how to play the game of thrones and in mid-season six, she gains the support of a huge khalasar and thus reclaims her agency. By now she has mastered Dothraki, and she can convince the Khalasar to cross the Narrow Sea with her.108 “You are small men. None of you are fit to lead the Dothraki. But I am. So I will.”109 After ending the riots in Meereen,110 she is now ready to sail to the Seven Kingdoms, accompanied by new allies such as the Unsullied, the Dothrakis, the Ironborn, Higharden, and forces from Essos and Dorne.111 Daenerys has now become the threat112 that those in power in Westeros had feared her to become – a Targaryen queen113 with full grown dragons and experience in conquering cities: “When my dragons are grown, we will take back what was stolen from me and destroy those who have wronged me. We will lay waste to armies and burn cities to the ground.”114 Even though this sounds much like a revenge tragedy, Daenerys is – at this point – not a megalomaniacal dictator. She has shown to be able to both be violent and merciful, while having a clear goal in mind: “Our fathers were evil men, all of us here. They left the world worse than they found it. We’re not going to do that. We’re going to leave the world better than we found it.”115 Her plan is freeing the slaves, fighting for the innocent and also, by ascending the Iron Throne (which is rightfully hers), ending the civil war in Westeros.

105 106 107 108 109 110 111 112

Cf. S3 E10 “Mhysa”. S4 E5 “First of His Name”, 09:47–09:51. S4 E7 “Mockingbird”, 26:39–26:45. Cf. S6 E6 “Blood of My Blood”. S6 E4 “Book of the Stranger”, 53:27–53:41. Cf. S6 E8 “No One”. Cf. S6 E10 “The Winds of Winter”. Her initial threat, as Liedl emphasises, lies in her potential to bear children in the first place (cf. Liedl (2017), 125), which is why she should be killed before she can have children with Khal Drogo – making her children both Targaryens and Dothraki. That she later becomes the mother of dragons, which are much more dangerous than children for the first few years of their lives, is quite ironic. 113 She is also the only “woman in the story’s world who is completely independent and empowered to do as she wishes” (Jones (2012), 21). One might add, however, that Arya achieves this as well. 114 S2 E4 “Garden of Bones”, 35:09–35:20. 115 S6 E9 “Battle of the Bastards”, 29:08–29:16.

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7. The Approach to the Innermost Cave precedes the Ordeal, which is why the heroine has to “make final preparations for the central ordeal of the adventure.”116 Heroines are almost at the heart of “the Special World, they may take time to make plans, do reconnaissance on the enemy, reorganize or thin out the group, fortify and arm themselves.”117 Courtship or romance, reconnaissance with allies and enemies or simple preparation may take place in this phase.118 Moreover, “[n]ew perceptions are put to the test, and the final obstacles to reaching the heart are overcome, so that the Supreme Ordeal may begin.”119 Daenerys’ goal was to reach Westeros and reclaim the throne. She has arrived in Dragonstone and now starts plotting the war, wanting to overthrow Queen Cersei.120 She is, however, not willing to destroy King’s Landing as proposed by some of her allies but rather wants to lay siege to it.121 Daenerys, equipped with the knowledge and experiences from her journey so far, is ready to be queen: “So many men have tried to kill me, I don’t remember all their names. I have been sold like a broodmare. I’ve been chained and betrayed, raped and defiled. Do you know what kept me standing through all those years in exile? Faith. Not in any gods, not in myths and legends. In myself. In Daenerys Targaryen.”122 She has come very close to her aim, but another threat has arisen: the White Walkers endanger humanity from the North and Jon Snow seeks her help.123 Dany agrees to support him as long as he, as King in the North, bends the knee, which he refuses to do. Jon himself becomes an unintentional advisor for Dany, telling her that she must not destroy King’s Landing as it would make her just another tyrant.124 But Daenerys also shares a personal connection with Jon, which is also shown in the dragon’s acceptance of him; he is even allowed to pet Drogon. Eventually, Daenerys agrees to his proposed mission to travel north of the Wall to bring Cersei and herself proof of the White Walkers.125 When Jon and his companions are close to dying beyond the Wall, Dany flies north and saves them, losing her dragon Viserion to the Night King.126 Daenerys sees that the Night King, her new enemy, must be defeated before she can ascend the Iron Throne.

116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126

Vogler (2007), 143. Vogler (2007), 144. Cf. Vogler (2007), 143–144. Vogler (2007), 152. Cf. S7 E1 “Dragonstone”. Cf. S7 E2 “Stormborn”. S7 E3 “The Queen’s Justice”, 13:52–14:28. Cf. S7 E3 “The Queen’s Justice”. Cf. S7 E4 “The Spoils of War”. Cf. S7 E5 “Eastwatch”. Cf. S7 E6 “Beyond the Wall”.

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Jon bends the knee and they become allies (and lovers) on their way to Winterfell.127 Daenerys’ army pledges to fight against this new threat in the North. Even though Daenerys did not take the threat from the North serious at first, she now sees that the heart of the Special World that she seeks to rule and protect does not lie in King’s Landing at the moment. Humanity in Westeros needs to be saved before she can try to take over rule of the Seven Kingdoms. She also needs the support of the North, which is not guaranteed by Jon’s submission. In the first episode of the eighth season, Dany and Jon arrive at Winterfell, getting ready for the final battle of the living against the dead, after White Walkers breached the Wall with the help of the resurrected dragon.128 She is met by new obstacles. The Northerners are an independent folk and are sceptical or even hostile towards her, like Sansa, who wants a free North. She is also threatened from her innermost circle: Jon reveals his true parentage to her (which makes him the heir to the Iron Throne, and actually reveals Daenerys to be his aunt), which forfeits her claim to the Iron Throne.129 Even though Jon ensures her that he does not want to rule, Dany does not believe him. 8. In the Ordeal the heroine faces her greatest challenges which are the key to heroism.130 The Ordeal can describe battles, (attempted) killing of the villain, selfsacrifice, or the heroine’s fight with herself: “A villain may be an external character, but in a deeper sense what all these words stand for is the negative possibilities of the hero himself. In other words, the hero’s greatest opponent is his own Shadow.”131 This Shadow is understood as the demonized part of the heroine’s self that had been suppressed and which had been projected on other people.132 Death and Rebirth are common elements of this part, leading to change within the heroine after she had to face her greatest fear. Even though Dany is not as respected in the North and no longer has the only claim to the Iron Throne, she stands with the North against the White Walkers. During the battle Dany nearly dies after her dragon is wounded and she loses sight of Jon.133 While she leaves her doubts and fears behind, and is willing to give up her army, dragons, and life for the cause of saving humankind, the entire battle is an ordeal for Dany. She may once have asked “What kind of a queen am I if I’m not willing to risk my life to fight them?”134 but she has no real experience 127 128 129 130 131 132 133 134

Cf. S7 E7 “The Dragon and the Wolf”. Cf. S8 E1 “Winterfell”. Cf. S8 E2 “A Knight of the Seven Kingdoms”. Cf. Vogler (2007), 155. Vogler (2007), 163. Cf. Vogler (2007), 163. Cf. S8 E3 “The Long Night”. S7 E4 “The Spoils of War”, 25:44–25:47.

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fighting. She is unable to wield a sword, completely relying on her dragons (or Ser Jorah). When Arya kills the Night King, the battle ends and Daenerys has barely survived. She does not only lose the majority of her Dothraki warriors but also Ser Jorah, her mentor and close friend. Witnessing his death further triggers her anxiety in her already precarious situation in the North. 9. The Reward may include celebration, campfire or love scenes, yet the heroine also has to process her encounter with death in the Ordeal.135 She might find that the ordeal has granted her new perceptions, clairvoyance, epiphanies or selfrealization which can lead to distortions of reality and trauma.136 She can also take possession of an artefact, e. g. a sword or elixir that had been sought before. The dinner, speeches and general merriment after the Battle of Winterfell take all night, yet Dany dislikes how the Wildlings celebrate Jon and she leaves the feast.137 There is an opportunity for the typical love scene of the Reward stage: Daenerys visits drunken Jon after the feast. They kiss, Daenerys even says that she could not have loved Ser Jorah “the way I love you”138, and then starts to undress Jon. Jon stops this with a pained expression, however, and Daenerys looks hurt and states: “I wish you’d never told me. If I didn’t know, I’d be happy right now. I tried to forget. Tonight I did for a while, and then I saw them gathered around you.”139 Daenerys does not spark the same adoration and she fears Jon for his popularity among the Northerners. Jon remains loyal, loving and unwilling to take the throne from her (“I refuse. You are my queen!”140). She urges and begs (“I’ve never begged for anything, but I’m begging you”141) Jon to not reveal his true parentage to anyone,142 however, Jon does not swear this, and later instructs Bran to inform his two sisters. Daenerys’ hurt, distrust and jealousy go too deep and she leaves him without another kiss, foreshadowing the conflict between the two is not resolved yet. Daenerys fears that everything will be taken from her and realises she cannot trust Jon. 10. The Road Back describes the heroine’s decision to whether “remain in the Special World or begin the journey home to the Ordinary World.”143 Vogler writes, that this “stage represents the resolve of the hero to return to the Ordinary 135 136 137 138 139 140 141 142

Cf. Vogler (2007), 176–177. Cf. Vogler (2007), 178–182. Cf. S8 E4 “The Last of the Starks”. S8 E4 “The Last of the Starks”, 27:15–27:18. S8 E4 “The Last of the Starks”, 27:58–28:12. S8 E4 “The Last of the Starks”, 28:40–28:42. S8 E4 “The Last of the Starks”, 29:50–29:52. “You can say nothing. To anyone, ever. Never tell them who you really are.” S8 E4 “The Last of the Starks, 28:44–28:50. 143 Vogler (2007), 187.

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World and implement the lessons learned in the Special World.”144 Motivation to go on can be varied: retaliation, chase / flight, villain escape, pursuit by admirers, or setbacks can occur.145 “They set themselves a new goal, to escape, find further adventure, or return home. But before any of those goals are achieved, there is another test to pass, the final exam of the journey: Resurrection.”146 The literal way back to King’s Landing and the actual goal, the Iron Throne, is depicted very shortly: Jon is to lead the army south, Daenerys will take the dragons and fleet. Dany now wants to implement her experiences in battles to lead the final fight for the Iron Throne, seeking retaliation for Cersei abandoning the humans in the North to fight the White Walkers alone and emphasising her resolve to kill Cersei. Before arriving in Dragonstone, however, Dany’s dragon Rhaegal is killed in a surprise attack planned by Cersei, her fleet destroyed and her friend Missandei captured and executed.147 These setbacks also influence Dany’s mental health. Having been distrustful, violent and strong headed before, her advisor Varys now fears that after all her losses Dany is descending into madness, with a revived desire for vengeance by burning King’s Landing down after all, no matter the cost.148 She is visibly distressed, not eating and looking dishevelled. Daenerys’ final test is now right in front of her: will she apply everything she has learned along the way and conquer King’s Landing without bloodshed, saving the innocent as she has done so many times before, or will she throw her ethics over board and just burn them all? 11. “For a story to feel complete, the audience needs to experience an additional moment of death and rebirth, similar to the Supreme Ordeal but subtly different,”149 called the Resurrection, incorporating the climax of the story (where catharsis also remains a possibility). Heroines need to change some more as “final purging and purification before re-entering the Ordinary World.”150 Oftentimes, “[a] new self must be created for a new world” and the self has to be cleansed of the trauma of previous events “yet help them retain the lessons of the ordeal.”151 In addition, a physical ordeal and a final showdown are employed at this stage when “danger is usually on the broadest scale of the entire story.”152 144 145 146 147 148 149 150 151 152

Vogler (2007), 189. Cf. Vogler (2007), 189–193. Vogler (2007), 193. Cf. S8 E4 “The Last of the Starks”. Cf. S8 E4 “The Last of the Starks”. Vogler (2007), 197. Vogler (2007), 197. Vogler (2007), 198. Vogler (2007), 199.

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Choice is crucial at this point: “Will he choose in accordance with his old, flawed ways, or will the choice reflect the new person he’s become?”153 This last chance is the heroine’s “final attempt to make major change in attitude or behaviour” and often another sacrifice, with the possibility of failure, creating suspense.154 Daenerys executes Varys for treason because he doubts her leadership and told Tyrion that he considers poisoning her, so that Jon can become King of the Seven Kingdoms. Daenerys seeks Jon’s council once more, telling him: “Far more people in Westeros love you than me. I don’t have love here. I only have fear.”155 He replies that he loves her, yet refuses to really kiss her. He cannot give Daenerys the emotional comfort she seeks before the battle begins:156 Dany seems to feel she has now lost her closest allies. She says: “Is that all I am to you? Your queen? All right, then. Let it be fear.”157 Tyrion tells her that “[t]housands of children will die if the city burns”158, trying to make her aware of the consequences of her actions. She cannot be brought to utter the promise to stop the battle even though Tyrion tells her: “Give them that chance.159 If the city surrenders, they will ring the bells and raise the gates. Please, if you hear them ringing the bells, call off the attack.”160 The Unsullied then breach the city, taking it over, and everyone awaits the decisive moment / moment of truth: the bells of the city ring, indicating surrender. The climax is now completely up to Daenerys’ decision to immediately stop burning down the city, saving the innocent, or to finally get the revenge she has sought for such a long time, leaving her ethics behind. Daenerys ponders her options while the battle halts after the city’s surrender and ultimately chooses the latter: she brutally burns the city and aimlessly kills the population of King’s Landing, while her army massacres the surrendered Lannister soldiers, rapes the women and loots the city.161 The city and the Iron Throne are now Daenerys’, but she has alienated Jon and Tyrion – and everyone else – who are shocked by this turn of events and her actions. 12. Return with the Elixir describes the heroine’s return to the starting point: “they always proceed with a sense that they are commencing a new life, one that will be forever different because of the road just travelled [sic].”162 True heroes bring the elixir from the Special World to the Ordinary World, enabling healing in 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162

Vogler (2007), 201. Vogler (2007), 207. S8 E5 “The Bells”, 16:12–16:25. Cf. S8 E5 “The Bells”. S8 E5 “The Bells”, 16:42–17:35. S8 E5 “The Bells”, 18:06–18:09. Giving the city a chance to surrender is also reminding of Genghis Khan. S8 E5 “The Bells”, 18:40–18:50. Cf. S8 E5 “The Bells”. Vogler (2007), 215.

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all meanings.163 The ending can either provide closure or be left open while surprises are still possible.164 In addition, rewards and punishments as “part of restoring balance to the world of the story, giving a sense of completion” are important.165 The world might have been changed by the elixir or the entire journey might have been psychological, leading to the elixir of love, responsibility or tragedy, yet the important step is that the world has been changed. In the ultimate episode of Game of Thrones, Daenerys has all surviving Lannister soldiers executed in the wasteland of King’s Landing, Tyrion is thrown into prison for letting his brother go free, so he could try to prevent the bloodshed by talking Cersei into surrender before the battle. She proclaims herself Queen of the Seven Kingdoms. In a very Hitler-esque speech with Third Reich aesthetics (a black flag with a red dragon and the huge army ready for further deployment) – for which the actress actually prepared for by watching Hitler videos166 – she tells the rest of her army that she will “liberate the entire world”, turning her back on Jon who no longer supports her.167

Still of Daenerys in “The Iron Throne” at 13:27.

In her speech (held in Dothraki), she looks powerful, triumphant, fear and awe inspiring, but mostly ruthless and cold. She is breathing heavily, her hair is almost greyish white, her slightly red-rimmed eyes are wide open and lack their usual softness. She looks like the maniac and dictator she has become. 163 164 165 166 167

Cf. Vogler (2007), 215. Cf. Vogler (2007), 216–219. Vogler (2007), 220. Cf. Bailey in “Elle” (2019), n.p. Cf. S8 E6 “The Iron Throne”.

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‘Blood of my blood. You kept all your promises to me. You killed my enemies in their iron suits. You tore down their stone houses. You gave me the Seven Kingdoms! You are the bravest of men, the most loyal of soldiers. I name you commander of all my forces, the Queen’s Master of War. Unsullied, all of you were torn from your mother’s arms and raised as slaves. Now, you are liberators! You have freed the people of King’s Landing from the grip of a tyrant! But the war is not over. We will not lay down our spears until we have liberated all the people of the world! From Winterfell to Dorne, from Lannisport to Qarth, from the Summer Isles to the Jade Sea! Women, men and children have suffered too long beneath the wheel. Will you break the wheel with me?’168

She stands elevated in the post-apocalyptic, grey, snowy debris of King’s Landing in front of her followers. Behind her the dragon spreads his wings making her look like a fallen angel or a demon, in her a leathery dress resembling dragon’s scales, symbolically supporting the claim that Targaryens are dragons themselves. It shows that Daenerys has become the dragon her ancestors had claimed to be, a monster to be feared, without conscience herself. Just as the dragon fed on children on the continent without mercy, Daenerys has burned down King’s Landing without second thoughts. Jon visits Tyrion in prison who tells him that he, Jon, has to kill Dany to save Westeros from yet another tyrant. Jon confronts Dany. She, however, blames Cersei on using the population of King’s Landing as a human shield, and fails to see herself at fault. Instead, she is elated and considers herself the saviour of all the unfree peoples of the entire world (not only Westeros). From Daenerys’ point of view, a sense of completion can be found. She is commencing a new life, as Vogler puts it, meaning to not only heal Westeros but everyone. She has finally conquered the Seven Kingdoms and thus implemented the plan she made early on in the series: “The Iron Throne is mine and I will take it.”169 However she fails to “answer injustice with justice” as she initially planned, as she lost her sanity and moral compass along the way.170 Hence, her elixir to save the world is not morally justifiable: Jon sees no other way than to renew his fealty, kiss an almost maniacally contented Dany and stab her, ultimately betraying her because of his altruistic motives. Even though he thought Daenerys to be the right Queen for the Seven Kingdoms, he always wanted what is best for everyone – and Daenerys no longer fits that description. Dany has freed the world from both the White Walkers and Cersei, but lost herself along the way. Her dragon Drogon arrives, mourns his ‘mother’, melts the Iron Throne and carries Daenerys’ corpse away, providing a first literal and metaphorical closure for the audience as she, the mother of dragons, is taken away by one of her children. 168 S8 E6 “The Iron Throne”, 14:01–16:21. 169 S2 E5 “The Ghost of Harrenhal”, 48:27–48:30. 170 S4 E4 “Oathkeeper”, 09:14–09:16.

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With her death, however, balance has somewhat been restored: many of the formerly important houses have been destroyed by the civil wars all over Westeros, which leaves only a handful of potential rulers; Jon’s claim as queen-slaying Targaryen is, coherent with his wish to not be king, ignored. When the idea to introduce a democratic system (a council) to Westeros is uttered by Sam, he is being laughed at. Eventually Bran becomes King of the Seven Kingdoms and wants to find Drogon, Jon is sent back to join the Night’s Watch once again (somewhat free at last), Arya sails away to explore the world and Sansa is crowned Queen in the North, providing even more closure. Thus, the main plot of the whole series (who will sit on the throne?) is finally resolved at the death of Daenerys Targaryen, her death being a major catalyst for it. Without her death and Jon’s banishment to the Wall, the Targaryen line would not have ended and Bran would have never ascended the Iron Throne. The aim of this article was to show that the twelve steps on the Hero’s Journey171 as described by Vogler can be applied to Daenerys Targaryen’s journey from an exiled princess to Queen of the Seven Kingdoms. Even Daniel Minahan, director of Season One, described her journey as “so archetypal – how she’s sold into slavery and turns it around and becomes a queen, determined to take back the throne for her family” and all who stand behind her.172 We saw that Daenerys is being transformed by her journey, learning how to be a Queen, both violent and merciful. She is “timid and innocent”173 at first, but becomes a “leader and a warrior with an otherworldly poise and strength.”174 Heroism and leadership are often connected,175 regardless of a certain journey. Daenerys “attempts at ethical leadership are […] more ambiguous.”176 She is understood as one of the most feminine warriors of the series, and “her leadership is femaled through metaphors of motherhood – by her epithet “mother of dragons”, and through her role as a white messianic figure in a mythically Middle Eastern / Mediterranean economy dominated by the slave trade.”177 Up to the very last season, Daenerys was perceived as a heroine, an idol for young girls, a poster child of feminism – people even named their baby girls

171 Frankel already assessed in 2014 that: “[s]he undergoes the full arc of the heroine’s journey, while Brienne and Arya are rejecting their femininity. As such, most of the feminism on the show must be attributed to her. However, her role in the first episode is the most subjugated pawn seen on the series.” (Frankel (2014), 148) 172 Cogman (2012), 155. 173 Cogman (2012), 155. 174 Cogman (2012), 155. 175 Cf. Alison and Goethals (2011), 9. 176 Tasker and Steenberg (2016), 187. 177 Tasker and Steenberg (2016), 187.

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Daenerys, regretting that choice after the last season at the latest.178 The actress playing Daenerys, Emilia Clarke, praised the character for the multidimensionality: “You’re often pigeonholed – she’s either a shrew or an innocent. But with Dany, you’ve got it all. You have a real human being who is scared but manages to overcome it.”179 Yet in the end, Daenerys becoming the very mad tyrant everyone who did not know her had feared her to become, left fans incredibly unhappy, even leading to petitions to redo the entire eighth season, that many perceived to be rushed and presenting out-of-character performances.180 Being a hero means to do “a right thing at a critical moment”,181 which is what Daenerys had done so many times before, but fails to do in King’s Landing. She has become a female Machiavellian leader,182 comparable to Cersei Lannister.183 If we have a look at the length of her hero’s journey, we can see that a lot of (screen) time and care was spend to show Daenerys’ development (at least in the first six seasons): Not only exposition was given a lot of time, but especially Test, Enemies and Allies spanned several seasons. Her journey is also mirrored in her appearance: from a helpless girl with fair flowing hair and white, revealing dresses to a queenlier attire with long gowns and braided hair. She acknowledges her transformation herself, too: “I am not your little princess.”184 Daenerys always stayed true to her moral convictions, even though she was prone to react to violence with violence, but never killed innocents blindly en masse. From time to time the series may have hinted at her turn, showing that she is not only merciful, grand and open-hearted, but also paranoid, hot headed and easily offended or triggered to react with violence. The latter is understandable given her family background, childhood and life as a young adult (she is thirteen years old when she is married to Khal Drogo in the books and seems to be a young adult in the series). She is not a perfect heroine, but flawed and therefore interesting for the audience and relatable to a certain degree. Who would not have burned the masters who crucified innocent children if one had the chance and fair trials were not a real alternative? Nevertheless, after fans had rooted for her for so long, especially because she was a woman that came to mess with the man’s world in

178 179 180 181 182

Cf. Shepherd, “The Independent” (2019), n.p. Cogman (2012), 156. Cf. O’Neil, “The Guardian” (2019), n.p. Cf. Alison and Goethals (2011), 10. Della Quercia compares Daenerys’ dragons with mentions of Hannibal’s elephants in Machiavelli’s The Art of War, as they both lead to intimidation and confusion (Della Quercia (2017), 42). 183 Both Queens also show their power via their clothes, especially Daenyers’ change of clothing could indicate her Hero’s Journey further (cf. Beaton (2016), 202). 184 S2 E6 “The Old Gods and the New”, 35:50–35:53.

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Game of Thrones,185 the finale was incredibly unsatisfactory: her entire journey, struggles and an almost Bildungsroman-like development were perceived to have been for naught while undermining the feminist186 message (at least/even though we still have Brienne of Tarth to root for). The main problem was the lack of screen time dedicated to show when exactly Daenerys lost control over her flaws: she was deeply traumatised from the beginning, but able to leave that past behind and become someone different, while being immensely insecure and compensating this lack of trust and a supporting, loving (family) background (or even world) with fierceness. When one looks at the facts, one could understand why Daenerys finally ‘lost’ it in the last episodes of the last season: two of her three ‘children’ (= dragons) are dead, Ser Jorah is dead, Missandei is dead, she can no longer trust anyone (Tyrion, Varys), not even her lover (Jon), all of this making her feel utterly alone. When her one goal in the world, a goal that had kept her going from the very start, is taken away from her, namely being rightful heir to the Iron Throne, she resorts back to what she did before: freeing those in need of freeing (or her perception of that), purging perceived evil and becoming ruler of the world, substituting the Iron Throne as just another step on her journey. She was willing to sacrifice thousands of lives in King’s Landing to achieve this goal as ‘bringer of freedom and a better way of living’ – a kind of utilitarian argumentation, while blaming Cersei for forcing her to make this decision in the first place. The pacing of the story in connection to the episodic narration also explains why the ending felt wrong for many fans:187 Stages of the Hero’s Journey (Vogler) Ordinary World Call to Adventure Refusal of the Call Meeting with the Mentor Crossing the First Threshold Tests, Allies, and Enemies Approach to the Innermost Cave

Where it can be approx. found in Game of Thrones Season 1 Season 1 Season 1 Season 1 + other seasons for more mentors Season 1 Episode 10 Season 2 – Seasons 6 Season 7

185 Daenerys: “All men must die. But we are not men.” in S3 E3 “The Punishment”, 36:34–36:41. 186 The Targaryens in general had mighty Queens before Daenerys as dragons “are a gender equalizer, as queens and kings, princes, princesses, and royal bastards alike ride their fiery mounts to battle – more often than not to their deaths”, but then the dragons supposedly died out. It is really an “unusual balance of power” (Finn (2017), 22), which can again be found in connection to Daenerys: her dragons are the only real advantage she has over the other Houses of Westeros and when they find weapons to kill her dragons, she struggles even more. 187 Eder explains that a balance of plot to story time is important for audio-visual narration (cf. Eder (2009), 19–20).

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(Continued) Stages of the Hero’s Journey (Vogler) The Ordeal Reward The Road Back The Resurrection Return with the Elixir

Where it can be approx. found in Game of Thrones Season 8 Episode 1 Season 8 Episode 4 Season 8 Episode 4 Season 8 Episode 5 Season 8 Episode 6

When the exposition of the story up to the point where the heroine crosses the threshold takes an entire season to establish and the most crucial parts of the ending of both series and hero’s journey can be found in just a few episodes, the pacing is off. If Daenerys’ transformation to the dark side had been shown in more than just a few episodes, it would have been more believable. The most crucial plots were resolved in just one episode, e. g. the threat of the White Walkers. Daenerys’ journey as a failed heroine in the end, should have been expanded and explained more. Her potential for madness should have been made obvious a lot sooner. Going back to Vogler’s initial ideas for a heroine: it was shown that while she is willing to sacrifice herself and her resources for others, Daenerys was flawed as well. She does not travel to Westeros directly when she has the chance, but stays in Slaver’s Bay to end the slavery there before going on. She struggles to implement a fair and somewhat democratic system while trying to win the hearts of the population through her reasonable approach.188 For example, Daenerys is shocked when somebody wants to be resold into slavery, as without a master they have neither food nor shelter now, and even Daario wants the fighting pits to be reopened as a way to appease the masses. Daenerys also has features of more than one archetype: she is not only a Hero in Vogler’s conceptualisation but also fights her flaws, her Shadow part, and ultimately loses. If her hero’s journey and especially her turn to the dark side had been presented with more screen time, care and suspense, this plot twist (which was also one of the most famous fan theories) would not have been as surprising, rushed and out-of-character for her. She has the most growth of all the characters, and also drives the plot forward the most even though she spends the first seasons exiled on a different continent and does not meddle with the Houses directly in Westeros. Daenerys also fulfils the specific relation to death: she not only survives fire multiple times but also assassination attempts and other near-death experiences (like being lost in the desert). She loses everyone and everything close to

188 Cf. Larrington (2016), 246.

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her: her dragons, her lovers, her friends, her followers, and her goal. And finally, she is killed by the one she loves. As we have seen, the Hero’s Journey remains – despite its age – a potent concept due to its vast and unconcise focus, which works very well for many characters. Hero’s Journeys would also work well for Arya, Sansa, Brienne of Tarth, or Theon Greyjoy. Jon Snow’s hero’s journey would be just as interesting to look at as well. Again and again he is put in leading position, all the while declaring his unwillingness to lead (his muttering “I don’t want it” has become a meme in the meantime). Another interesting Hero’s Journey is that of Jaime Lannister (a sort of incomplete redemption arc). He starts out as a villain, becomes a hero in parts and yet succumbs to his flaws in the very end. George R. R. Martin himself even quoted William Faulkner in connection to Game of Thrones: “The only thing worth writing about is the human heart in conflict with itself.”189 One could speculate that George R. R. Martin tried to deconstruct the concepts of villains and heroes altogether, when crafting A Song of Ice and Fire. When writers David Benioff and D. B. Weiss were casting actresses for Daenerys in the series, they were looking for somebody to “play a combination of Joan of Arc, Lawrence of Arabia, and Napoleon.”190 This quote illustrates the complexity191 of the character of Daenerys Targaryen: She presents the duality of Joan of Arc, being a saviour yet war hero. Like Lawrence of Arabia, she too needed to cross the desert, make herself a home and rule foreign / other tribes, all with massively inflated self-esteem / a massively inflated ego. And in the last season she is finally revealed a sort of Napoleon, as well192: a relentless conqueror and tyrant with delusions of grandeur.

189 Martin via “Twitter” (2019), n.p. 190 Robinson in “Vanity Fair” (2018), n.p. 191 Frankel notes that “Daenerys by contrast cycles through many archetypes” (Frankel (2012), 157), in contrast to, for example, Brienne of Tarth according to Frankel in 2012, but who later in the series does gain a love interest and even has sex, transgressing the chaste warrior trope. Book Daenerys, on the other hand, is: “the child bride and helpless princess, then warrior woman and conqueror queen. Sometimes she dresses in sky blue silk with gold filigree armor, sometimes she wears Dothraki leathers. She is a sensual lover in the first and fifth books (and tries a lesbian relationship on rare occasions). She’s a loving wife as she struggles for a night to return Drogo to life. She is a mother to her dragons and to the people under her protection. And she’s a medium when she has visions of future and past in the House of the Undying and in her dreams. As such, she’s a fully rounded character, rather than a stereotype on curvaceous legs.” (Frankel (2012), 157–158) 192 Timm explains that the boundary between sanity and insanity are in flux in George R.R. Martin’s world: where does power stop and insanity begin? Daenerys is not the only character behaving in a violent manner, yet she is – because of her Targaryen heritage – deemed mentally unstable whereas, e. g. Jaime Lannister throwing Bran out of the window, is not understood to be insane (cf. Timm (2014), 242).

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Bibliography Primary Source Benioff, David / Daniel Brett Weiss, creators. Game of Thrones. HBO, 2011–2019.

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Irina Dumitrescu (Bonn)

Charismatic Heroines in Chaucer’s Legend of Good Women

The protagonists of Geoffrey Chaucer’s Legend of Good Women seem at first doomed to disappoint typical heroic expectations. Not only are they women, which ought to exclude them from the masculine fields of action where heroism is usually performed and defined, but most are victims, icons of feminine powerlessness in the face of male betrayal and aggression. In this collection of narratives about abused and abandoned women, we are unlikely to find much of the heroic virtue that renders certain individuals godlike.1 Indeed, many of them are not even particularly virtuous. Still, the “good women” of Chaucer’s Legend are heroines, albeit unorthodox ones. They embody a particular kind of charisma, one based in both strength and vulnerability. On the one hand, they inspire by taking forceful and intelligent action in pursuit of their goals, even serving as political leaders and military strategists. On the other hand, they enthrall by suffering grandly, gaining power by performing their powerlessness. This blended charisma is already hinted at by the work’s title, since legends tell stories of saints, and saints are heroes who are most potent when enduring spectacular torment.2 By tracing the contradictory aspects of feminine heroism, Chaucer’s poem offers a close study of what it takes to make a woman into a legend.3 Chaucer began writing the Legend of Good Women around 1386, having already produced a considerable body of work.4 He had written his early dream 1 Aristotle describes this heroic virtue in Book 7 of the Nichomachean Ethics, Crisp (2004), 119. For a study of Christian commentary on virtus heroica, see Saarinen (1990). 2 Middle English Dictionary Online, (Ann Arbor: University of Michigan Press), http://quod.li b.umich.edu/m/med/. “legende (n.)”. 3 In its draft addition of 1997, the Oxford English Dictionary updates the definition of “legend” by adding the following meaning, first attested in 1918: “A person of such fame or distinction as to become the subject of popularly repeated (true or fictitious) stories.” Oxford English Dictionary Online, (Oxford: Oxford University Press), www.oed.com. “legend, n.”. 4 Frank Jr. (1972), 2–3. Chaucer revised his Prologue for the Legend of Good Women. The earlier version is generally accepted to be F, and due to a reference to the queen at Eltham or Sheen in lines 496–7, is thought to have been written before Anne of Bohemia’s death in 1394. In the

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visions — The Book of the Duchess, The House of Fame, The Parlement of Foules — as well as his magnificent Troilus and Criseyde and several stories that would later be incorporated into the Canterbury Tales. When he came to write the Legend of Good Women he was an established poet, which makes the awkward qualities of the poem so much more puzzling. The Legend begins with one of Chaucer’s typically bookish narrators describing how passionately he worships the daisy, thus placing himself firmly in the tradition of courtly flower poems. When night falls, he goes to bed and dreams that the God of Love and a mysterious queen approach him. The God of Love is not pleased with the narrator: he has translated the Roman de la Rose and adapted the story of Criseyde, thus turning people against both love and women. The queen intercedes, arguing that the poet is “nyce” (F 362, foolish) — he either does not pay attention to the material he uses to compose poetry, or he was asked to write poems on particular topics and could not refuse. She runs through all the poetry Chaucer had written up to that point (our evidence, in fact, for his curriculum vitae), and identifies herself as “Alceste, whilom quene of Trace” (F 432, “Alceste, once queen of Thrace”), a classical figure of wifely devotion. Alceste and Cupid agree to grant the wayward poet grace, as long as he accomplishes a certain task: Thow shalt, while that thou lyvest, yer by yere, The most partye of thy tyme spende In makyng of a glorious legende Of goode wymmen, maydenes and wyves, That weren trewe in lovyng al hire lyves; And telle of false men that hem bytraien, That al hit lyf ne don nat but assayen How many women they may doon a shame (F 481–8) [You will, as long as you live, year by year, spend the greatest part of your time composing a glorious legend of good women, maidens and wives, who were true in loving all their lives. And tell of false men who betrayed them, who did nothing their whole life but test how many women they could shame.]

The Prologue concludes with Cupid advising the poet-narrator to keep it short: “For whoso shall so many a story telle, / Sey shortly, or he shal to long dwelle” (F 575–6, For whosoever must tell so many stories should speak briefly, or he will dwell too long). What follow are “legends” of not particularly saintly women: Cleopatra, Thisbe, Dido, Hypsipyle and Medea, Lucretia, Ariadne, Philomela, Phyllis, and later version, G, this reference is excised, likely placing the revision after 1394. Benson (1987), 1060. I primarily cite the F prologue, and I use the Riverside Chaucer for the text of the Legend. Translations of the Middle English are mine. For more on the text and its date, see Minnis, Scattergood, and Smith (1995), 325–30.

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Hypermnestra. The poet follows Cupid’s instructions and keeps them short — in fact, at many points he seems to be tired with his task, abbreviating the stories in order to move them along. In some cases, he also edits the biographies radically in order to bring them in line with his assignment, either rendering a character like Medea more palatable by leaving out the child murder, or leaving out Hypermnestra’s rescue in order to make her more pathetic.5 In focusing on stories of women, Chaucer follows the models of Ovid’s Heroides and perhaps also of Boccaccio’s De mulieribus claribus,6 but he acknowledges only Ovid, and that with offhand statements that undermine any seriousness or pathos he might have built up beforehand: “Wel can Ovyde hire letter in vers endyte, / Which were as now to long for me to wryte” (1678–9, Well can Ovid compose her letter in verse, which would be too long for me to write right now). The Legend of Good Women thus poses radical problems of interpretation. Is it meant to be read seriously or as parody? Was Chaucer given an assignment he did not like, and deliberately undercut his patron by writing a bad poem? 7 Is the Legend proto-feminist, giving voice to women’s complaint, or does it simply reinforce a notion of women as passive sufferers of masculine violence? And how seriously should we take the word “legend”, with its implication that a series of pagan women’s lives from the classical tradition could be understood as a hagiographical collection? The difficulty of determining the genre and tone of the Legend of Good Women naturally makes it challenging to argue that it presents us with heroines in any uncomplicated sense. But it would be a mistake to search for anything uncomplicated in Chaucer anyway, who is being his usual slippery self in the Legend.8 What seems certain is that the poem is interested in women, in how they exercise influence, and in how they are idealized by their audiences. These concerns are introduced by the poet-narrator’s description of the emotional hold the daisy has on him, and continued with Alceste’s intercession with the God of Love and the penitential poetic task she assigns the narrator. So how do we define a heroine, at least in the Legend? One option, as I suggested above, is to look for those female characters who act most like male 5 Kiser (1983), 100, 11. 6 Benson (1987), 1059. 7 Early critics thought the Legend’s Prologue must have represented real-life events, and that Chaucer became bored with his monotonous task of glorifying women and abandoned it. Some suggested that he deliberately undermined his own project by doing it badly. Goddard (1908), 87–129, at 94–101; Garrett (1923), 64–74; Fyler (1979), 98–115; Kiser (1983), 97–101; Rowe (1988), 80; Dinshaw (1989), 84–7; Kruger (1989), 219–35, at 20; Percival (1998); Hume (2012), 179. Quinn (1994) reads the Legend as an entirely comic script intended for performance. 8 The Legend’s narrator, for example, resembles Chaucer, but to confuse his characterization and attitudes with Chaucer’s would be to fall prey to a frequent Chaucerian trick. Kiser (1983), 96.

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heroes — for women who are active in shaping the world around them, or who move others to action. They might possess extraordinary qualities of endurance and intelligence, if not necessarily of physical strength. We might even search for hints of godliness or superhuman qualities. The alternative is to redefine heroism to include passive suffering, a notion not foreign to medieval thought. Such a heroine might be heroic precisely in the measure and expression of her woes, elevated by wretchedness beyond mortal compass. I argue here that Chaucer shows us women occupying both heroic modes in the Legend of Good Women, and that it is by combining agency and adversity that he creates specifically feminine charismatic effects. Employing the term “charisma” to describe Chaucer’s protagonists in the Legend is, of course, a conscious anachronism. Originally used by the Apostle Paul to refer to spiritual gifts granted by God to members of a community,9 the term maintained its restricted meaning of gift or grace of God until the twentieth century. The sociologist Max Weber adapted it to refer to a type of leadership, calling it a “quality of an individual personality by virtue of which he is considered extraordinary and treated as endowed with supernatural, superhuman, or at least specifically exceptional powers or qualities.”10 Weber based his definition of charisma exclusively on male leaders, and, more importantly, considered charisma to be a quality dependent on success: the hero who cannot protect his people or deliver military victory loses his charisma.11 While Weber’s expansion of the term’s range made it adaptable to other areas of human endeavour, such as commerce or theatre, at its core it seems to be a quality possessed by strong male heroes, not by vulnerable women. Scholars describing charisma in late antiquity and the Middle Ages have maintained Weber’s focus on masculinity and strength. In a discussion of late antique saints, Peter Brown defines charisma as “the convincing concentration in an event, in an institution, in a discipline or in a person of lingering senses of order and higher purpose.”12 C. Stephen Jaeger, who has devoted two monographs to charismatic manifestations in the Middle Ages, also understands it as an essentially positive quality, “a kind of force and authority exercised by people with an extraordinary personal presence, either given by nature, acquired by calculation, training, or merit. […] charisma is always seen as benevolent and life-affirming, at least until disenchantment sets in.”13 Jaeger’s focus is, like Weber’s and Brown’s, on charismatic men and their positive power.

9 10 11 12 13

Potts (2009), 5. Weber (1978), 241. Ibid., 242–43. Brown (1983), 9. Jaeger (2012), 9.

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One way to define charisma is as the embodiment of higher powers or purpose, but a different approach is to describe the effect a charismatic person has on observers. John Potts notes that Paul adapted his term from the Greek ‘charis’, a word whose meanings range from “outward grace or favour, beauty” to “kindness, goodwill” and “gratification, delight.”14 Charis was also a deity, the wife of Hephaestus, “lithe and lovely in all her glittering headdress” as Robert Fagles’ translation of the Iliad describes her.15 In the Odyssey, Athena confers grace or ‘charis’ onto Telemachus: “And Athena lavished a marvelous splendor on the prince / so the people all gazed in wonder as he came forward.”16 Modern uses of the word “charisma” have tended to keep in mind that charisma exists in the eye of the beholder. Charles Lindholm sees it as a “compulsive, inexplicable emotional tie linking a group of followers together in adulation of their leader, or tying the lover to the beloved,” while Jaeger explains that charismatic people have varying effects on others, starting with “an evanescent buzz and a brief affection,” moving through “love, passionate devotion, elevation, and transformation” and reaching “destructive obsession.”17 By thinking of charisma as the power to elicit powerful emotions in others, even to move others to action, we can expand the qualities we understand as charismatic: a charismatic individual may be strong and successful and thus inspire others to follow and obey, but he or she may also gain admirers and acolytes by suffering exquisitely and perishing grandly. The individual who succeeds in combining both superhuman power and tremendous torment becomes abnormally charismatic. Here I adapt a notion of charisma used by Joseph Roach to describe the appeal of kings and actors: […] these double-bodied persons foreground a peculiar combination of contradictory attributes expressed through outward signs of the union of their imperishable and mortal bodies. These include the simultaneous appearance of strength and vulnerability in the same performance, even in the same gesture. Let those marks of strength be called charismata; the signs of vulnerability, stigmata. They work cooperatively, like muscles in opposable pairs […]18

Roach remarks that “Achilles was a more compelling hero because of his heel, not in spite of it,”19 thus highlighting an aspect of charisma often ignored in “strong 14 Liddell and Scott (1996), “χάρις”. I draw on Potts’ references and explanation in this passage, though use different translation of Homer. Potts (2009), 13. 15 Liddell and Scott (1996), “Χάρις”; Homer, The Iliad, trans. Fagles (New York: Penguin Books), 480, Book 18, line 47. 16 The Odyssey, trans. Robert Fagles (1996), 93, Book 2, lines 12–13. 17 Lindholm (1990), 6; Jaeger (2012), 9. On the page cited here, Lindholm apologetically admits that his model is “male-centered,” noting the “male bias in the theoretical and popular models of charisma.” 18 Roach (2007), 36. 19 Ibid., 37.

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man” models. Moreover, as the sacral colouring of Roach’s language reveals, one of the most charismatic men in recorded history combined godlike strength and tragic annihilation in one memorable act. Saints, to whose lives Chaucer alludes by calling his collection a “legend,” imitate Christ’s charismatic alloy of power and pain, and by doing so evoke compassion and faith in their observers. While male mythical and historical figures do exhibit this type of paradoxical charisma, I argue that this mode of enchantment is one particularly amenable to the needs of heroines. Chaucer combines strength and suffering in his depictions of legendary women, and for modern readers of the work their strength may come as a surprise. Although the primary mood of the Legend is one of lament, the women depicted within it do more than complain. In fact, they are often presented as powerful, either due to the royal authority they enjoy, or because of their own wiles and bravery.20 His introduction of Dido, for example, demonstrates his interest in a particularly feminine form of charismatic leadership: This noble queen that cleped was Dido, That whilom was the wif of Sytheo, That fayrer was than is the bryghte sonne, This noble toun of Cartage hath bigonne; In which she regneth in so gret honour That she was holden of alle queenes flour Of gentillesse, of fredom, of beaute, That wel was hym that myghte hire ones se; Of kynges and of lordes so desyred That al the world hire beaute hadde yfyred, She stod so wel in every wightes grace. (1004–14) [This noble queen who was called Dido, who once was the wife of Sychaeus, who was fairer than the bright sun, founded this noble town of Carthage. In which she reigns in such great honour, that she was considered the flower of all queens, of nobility, of generosity, of beauty, so that he was fortunate who might once see her. Of kings and lords so desired that her beauty had set the whole world on fire, she stood so well in every man’s grace.]

Dido appears here as a model medieval queen: not only as the founder of a city, but outstanding in her nobility and gentle behaviour. She is also beautiful, as we might expect. There are, however, a few details about this stock description that give us more interesting clues to the precise nature of her charismatic appeal. The first is the comparison of Dido to the sun, which seems on its surface like a cliché. Indeed, Dido is not the only woman in the Legend whose beauty is compared to 20 Overbeck (1967), 91. The women of the Legend is described as nearing the ideal of the Wife of Bath and the Roman de la Rose’s Duenna, namely “free and willing to choose between alternative courses of action.”

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the sun — Phyllis is later described as “fayrer on to sene / Than is the flour ageyn the bryghte sonne” (2425–6, fairer to see than is the flower against the bright sun), perhaps giving the impression of a poet too lazy to invent fresh descriptions of beauty. In the context of the Legend, however, the sun and flower imagery is meaningful. The poem begins, after all, with the poet worshipping the daisy, “of alle floures flour” (F 53, the flower of all flowers), a bloom that opens when the sun shines and closes at night. Nor is the sun imagery simply naturalistic. The God of Love, when he appears, shines so brightly that the poet cannot look at him directly: His gilte heer was corowned with a sonne Instede of gold, for hevynesse and wyghte. Therwith me thoghte his face shoon so bryghte That wel unnethes myghte I him beholde (F 230–4) [His golden hair was crowned with a sun, instead of gold, because of heaviness and weight. And so it seemed to me that his face shined so brightly, that I could only look at him with great difficulty.]

Lisa Kiser has argued that Cupid’s brightness here draws on a Platonic association of the sun with truth and God, difficult to perceive from a fallen state. This motif was available to Chaucer through the Christian tradition, but more directly through Boethius’ Consolation of Philosophy, which he translated into English.21 Kiser reads the daisy as a “model for poetry’s symbolic method,”22 an intermediary between the poet and an unapproachable truth. It is worth remarking, however, that Dido’s sunlike qualities make her resemble the God of Love, and by extension, hint that she is in some way unknowable, untouchable, beyond the sensuous ken of regular men. At the same time, news of her beauty travels in a way we might expect from a more mediatized age, kindling the entire world. Despite her divine qualities and famed beauty, Dido is also powerful in practical ways. She is ascribed “fredom”, which in context is best glossed as noble liberality; she is, after all, generous and hospitable to Eneas. But Middle English “fredom” could also refer to royal prerogative, or to the special rights and privileges claimed by individuals or groups of people. It could also quite simply mean “freedom of action” or “free choice.”23 Dido may be a divinely beautiful queen, but she is also someone who acts by choice, who deliberately pursues the object of her desire and, until his betrayal, attains it. The poet-narrator’s assignment is to tell stories about women who are true and the men who betray them, which seems to imply that he will write about

21 Kiser (1983), 35–42. 22 Ibid., 43. 23 Middle English Dictionary Online. “fredom (n.)”.

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weak, helpless women. In fact, like Dido, many of the Legend’s heroines are lusty and energetic in pursuing their desires; in turn, many of the men are helpless until the women come to their rescue. In the Legend of Hypsipyle and Medea, Jason flirts his way through two marriages. When Jason arrives at Colchis on his quest for the Golden Fleece, Chaucer is careful to underscore how powerless Jason would be without Medea’s help: Tho gan this Medea to hym declare The peril of this cas from poynt to poynt, And of his batayle, and in what disjoynt He mote stonde, of which no creature Save only she ne myghte his lyf assure. (1629–33) [Then this Medea began to declare to him the danger of this situation, point by point, and of his battle, and in what plight he might stand, from which no creature might save his life except for her.]

Medea, who is “so wis and fayr” (1399, so wise and fair) acts as teacher and tactician, one who makes it clear to Jason that if he continues to seek the Fleece without her advice he will be in grave danger. If he is to have any success at all in his quest, it will be because she has decided to help him — “it is my wylle […] to fortheren yow so that ye shal nat die” (1617–8, it is my will […] to support you so that you will not die). Jason, on the other hand, comes across as someone whose main skills are seduction and fraudulent love, who is heroic only in the magnitude of his betrayal: “in love a chef traytour he was” (1659, he was a supreme traitor in love). While the story ends with Medea’s formal lament, it begins with Jason’s complaints — one of the ways he entices innocent women is with “contrefeted peyne and wo” (1376, counterfeited pain and woe). In this tale as in several others, helplessness and cannily performed suffering are the man’s purview. Strategic thinking is the province of heroines. Nowhere is this pattern as obvious, nor as funny, as it is in the Legend of Ariadne. Theseus, chosen by lot to be sacrificed to the Minotaur, is imprisoned by Minos. His accommodations are less than noble: The tour there as this Theseus is throwe Doun in the botom derk and wonder lowe, Was joynynge in the wal to a foreyne (1960–2) [The tower where this Theseus was thrown, down in the dark bottom, and excessively low, was joined in the wall to a privy.]

The details of Theseus’ imprisonment here seem to be Chaucer’s invention. Not only is Theseus imprisoned next to an outhouse, but this privy belongs to Minos’ two daughters, whose chambers are above his, facing the main street. This unfortunate connection allows them to hear Theseus lamenting at night:

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Noot I not how, it happede par cas, As Theseus compleynede hym by nyghte, The kynges doughter, Adryane that highte, And ek hire syster Phedra, herden al His compleynynge as they stode on the wal And lokeden upon the bryghte mone. Hem leste nat to go to bedde so sone; And of his wo they hadde compassioun. (1967–74) [I do not know how, it happened by chance, while Theseus was complaining at night, the king’s daughter, who was named Ariadne, and also her sister Phaedra, heard all his complaining as they stood on the wall and looked at the bright moon. They did not want to go to bed so soon, and they had compassion for his woe.]

The architecture of the situation is a little difficult to interpret — are the women taking care of bodily needs when they hear Theseus weeping? Are they simply gazing at the moon, and overhear him? What seems certain is Theseus’ abjection at this point, his only conduit to the outside world being an outhouse. For, as Sheila Delany points out, if the princesses can hear him through the privy, then ‘he’ can also hear ‘them’ as they go about their business.24 As Lee Patterson argues, this scene is a “mocking prefiguration, or echo” of the Knight’s Tale, in which the knights Arcite and Palamoun are imprisoned in a tower and fall in love with Emelye, who is in an adjoining garden.25 The Legend’s Theseus is not only trapped in a coarse parody of courtly love, but he finds himself in the feminine position. High above, Ariadne and Phaedra are planning his future before they have even met him.26 And plan they do. While Theseus weeps below, the two sisters energetically set to work. They decide that the only way for poor, lamenting Theseus to escape is to kill the “beast,” the Minotaur. They will have the jailer bring Theseus along so they can test him to see if he is up to the job, as Ariadne puts it: Lat us wel taste hym at his herte-rote, That if so be that he a wepen have, Wher that he dar, his lyf to kepe and save, Fyghten with the fend, and hym defende. (1993–96) [Let us test him well in his deepest heart, whether, if he had a weapon, he would dare to fight with the fiend and defend himself in order to save and protect his life.]

In this remarkable scene, Ariadne and Phaedra are concerned that their chosen hero might not be up to the task of defending himself. Their discussion here and

24 Delany (1994), 147. 25 Patterson (1991), 240. 26 Frank (1972), 121. He argues that the tale is constructed to deflate Theseus’ heroism.

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afterward is filled with double-entendres.27 “Herte-rote” means the core of the heart or, figuratively, the vital center of courage,28 but it also suggests a phallus — an implication reinforced by “wepen,” which could be used for male genitalia.29 “Taste” means “test” figuratively, but more primarily means to taste, to touch, or to experience sexually. The irony is that while the sisters wonder how to test if Theseus is “man enough” to fight the Minotaur, the true heroes of the story are the women who plan every detail of his escape. Like Medea, they are careful battle tacticians, with an ability to imagine the practical details of fighting a monster that one might not expect from two princesses in a tower: For in the prysoun ther he shal descende, Ye wote wel that the beste is in a place That nys nat derk, and hath roum eek and space To welde an ax, or swerd, or staf, or knyf; So that, me thynketh, he shulde save his lyf. (1997–2001) [For in the prison where he must descend, you know well that the beast is in a place that is not dark, and has room also and space to wield an axe, or sword, or staff, or knife. So that it seems to me he could save his life.]

Here Chaucer makes the scene slightly ludicrous, even as he makes a serious point. The sisters are considering the quality of lighting in the labyrinth, how much room for movement a warrior would have, and what possible weapons he might use. They imagine that Theseus could save his life, but it is now clear that if there are to be any heroics in this story, they will be closely scripted by Ariadne and Phaedra — that they will be the ones to save him. They plan the ball of twine with which Theseus will eventually escape, and, in a detail Chaucer has from commentators on Ovid, they also provide him with balls of wax and flax, in order to quell the beast’s hunger and encumber his teeth. Ariadne’s line has the same double meanings as in modern English, and conveys the power relations fittingly: “we shul make hym balles” (2003, we shall make him balls). When they plan battles and exude royal authority, the women of Chaucer’s Legend seem to be heroines in the sense of possessing extraordinary virtues and qualities. At the same time, it might well be argued that their appeal lies as much in their vulnerability as in their strength. Let us stay with Theseus, Ariadne, and Phaedra for a little longer. Their first encounter, if we may call it that, is lightly farcical — Theseus’s cries resounding through a privy, the two sisters plotting the rescue of a man they have never met, and who may or may not be up to the task, their language betraying the sexual desire that underlies their good deed. Theseus later abandons Ariadne on a deserted island while she is sleeping, having decided 27 Delany (1994), 147–48. 28 Middle English Dictionary Online. “herte-rote (n.)”. 29 Ibid., “wepen (n.)”.

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to run off with her more beautiful sister. Ariadne’s complaint on the beach as she watches Theseus’s barge sail away echoes the earlier scene, but now levity turns to pathos: “Allas,” quod she, “that evere I was wrought! I am betrayed!” and hire her torente, And to the stronde barefot faste she wente, And cryed, “Theseus, myn herte swete! Where be ye, that I may nat with yow mete, And myghte thus with bestes ben yslayn?” The holwe rokkes answerde hire agayn. No man she saw, and yit shyned the mone, And hye upon a rokke she wente sone, And saw his barge saylynge in the se. Cold wex hire herte, and ryght thus seyde she: “Meker than ye fynde I the bestes wilde!” (2187–98) [“Alas,” she said, “that ever I was made! I am betrayed!” and she tore her hair, and went quickly barefoot to the beach, and cried, “Theseus, my sweet heart! Where are you, that I cannot find you, and might thus be slain by beasts?” The hollow rocks answered her back. She saw no man, and still the moon shined, and she went straightaway to a high rock, and saw his barge sailing in the sea. Her heart waxed cold, and she spoke just so: “I find the wild beasts gentler than you.”]

I quote this passage at length because it demonstrates how Chaucer uses dense verbal echoes to establish a contrast between this scene and the earlier one. Both scenes take place at night. In the first, Ariadne will not go to bed, for she is listening compassionately to Theseus’ laments while she looks at the moon (1972); in the second, Ariadne has left her empty marital bed and cannot find Theseus, despite the brightness of the moon (2194). The rhyme “mone / sone” is repeated, reinforcing the connection between the two passages. In the first, she stood upon the tower wall (1971), the height emphasizing her freedom to act and think; now, she stands upon a high rock (2195), desolate and helpless. While she had earlier imagined she could see within Theseus’ heart and courage, now “heart” takes on a bitter tone — he is not really her “herte swete,” and her own heart has turned cold with fear and anger. When Theseus was imprisoned, the hollow privy conveyed his words to Ariadne and Phaedra, who answered his woe with compassion and assistance. On her own island prison, Ariadne’s only audience is the hollow rocks, which echo her own words back to her. The most powerful contrast lies in the use of the word “beste.” The woman who helped Theseus vanquish the “wiked best” (1928, wicked beast) in the labyrinth is now surrounded by wild beasts, ruthless but still gentler than Theseus himself. A slight pun reinforces the opposition: Ariadne had given Theseus wax balls to conquer the beast (2003–4), now her conquered heart waxes cold (2197).

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Over the course of the tale, Chaucer turns Ariadne from a heroine remarkable for her compassion and military cunning, not to mention her off-color wordplay, to a tragic figure whose speech and gestures convey her helpless distress. When she awakens, she “gropeth in the bed, and fond ryght nought” (2186, feels around in the bed, and found nothing at all). She pulls her hair and runs barefoot to the beach, a poignant glimpse of skin afforded us in the haste of the moment. After her first speech, she swoons, rises, kisses Theseus’ footsteps in the sand, then turns to her bed and addresses it, asking it where her lover is: “Thow bed,” quod she, “that hast receyved two, Thow shalt answere of two, and not of oon! Where is thy gretter part awey ygon?” (2211–13) [“You bed,” she said, “that has received two, you will answer for two, and not for one! Where has your greater part gone?”]

While the narrator of the Legend often claims to be an unskilled or a tired poet, here, both he and Ariadne are rhetorically deft, transforming her sorrow into a work of art. While Ariadne was previously a capable, wise heroine, she is now impotent and overwhelmed by emotion. And yet she now possesses a different kind of charisma, the ability to provoke an emotional reaction in her viewer. The description of Ariadne’s reaction to her abandonment follows quite closely Ariadne’s letter to Theseus in Ovid’s Heroides,30 but the narrator also inserts his reaction to her woe: “Allas, for thee myn herte hath now pite!” (2184, Alas, my heart has pity for you now!). He then adduces a detail from Ovid’s Metamorphoses:31 The goddes han hire holpen for pite, And in the signe of Taurus men may se The stones of her corone shyne clere. (2222–24) [The gods helped her for pity, and in the sign of Taurus men may see the gems of her crown shine brightly.]

In Ovid, it is the god Liber who cherishes and helps Ariadne: “amplexus et opem Liber tulit.”32 In Chaucer’s reworking, a nameless host of gods take pity on Ariadne’s suffering and place her crown among the stars, rendering her regal and her legacy immortal. Through his narrator and through the gods, Chaucer reveals what a powerful affective reaction the sight of a powerful woman in pain can provoke.

30 Meech (1931), 200. Compare with Ovid (1914), 120–27, Book 10, lines 1–74. 31 Meech (1931), 201. 32 Ovid (1971), 418, Book 8, line 177.

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If the heroines of Chaucer’s Legend are sometimes strong, smart, careful planners and tacticians, women who know and deliberately follow their own will, they are at other times icons of studied artlessness, most appealing when most undone. Earlier, we saw Dido’s royal, unapproachable, even godly qualities exemplified at the beginning of her tale. When Aeneas informs her that he must leave her, she kneels, begs him to stay by her, offers to be his servant and slave: She falleth hym to fote and swouneth ther, Dischevele, with hire bryghte gilte her (1314–5) [She falls to his feet and swoons there, dishevelled, with her bright golden hair.]

Earlier I argued that Dido’s sunlike appearance connects her to the God of Love. Here, she resembles him again, his brightness and his “gilte heer” (F 230). If she was previously godlike in her strength, she is now divine in her anguish, and in her willingness to lose her “fredom.” And while she was like the God in her unattainability, now it is her distress that is indescribable. The narrator tells of Dido’s complaint to her sister Anne, but adds, “of which I may nat wryte, / So gret a routhe I have it for t’endite” (1344–5, “of which I cannot write / Too great a pity I feel to thus indite”). Dido remains marvellous and out of reach, but in her sorrow, not her strength. In the tragic conclusions to his tales of Ariadne and Dido, Chaucer explores the ability of an abject woman to arouse pity, desire, and provoke action. Nowhere is this more visible than in his legend of Lucrece. After Collatinus boasts about his wife’s merits to Tarquin, the two hasten to Collatinus’ home and spy on Lucretia, catching her in a moment of intimate repose: The noble wif sat by hire beddes side Dischevele, for no malyce she ne thoughte (1719–20) [The noble wife sat by her bedside, disheveled, for she suspected no malice.]

As the men watch, Lucretia laments the length of the siege and describes the fear she feels for her husband’s well being. Tarquin, who like the narrator of the Legend, seems to like disheveled women, is immediately inflamed: Tarquinius, this proude kynges sone, Conceyved hath hire beaute and hyre cheere, Hire yelwe her, hire shap, and hire manere, Hire hew, hire wordes, that she hath compleyned And by no craft hire beaute nas nat feyned, And caughte to this lady swich desyr That in his herte brende as any fyr, So wodly that his wit was al forgeten. (1745–52) [Tarquin, this proud king’s son, has observed her beauty and her expression, her yellow hair, her shape, and her manner, her colour, her words, that she has complained, and

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that her beauty was not feigned with any craft, and caught such a desire for this lady that it burned in his heart like any fire, so madly that his wit was all forgotten.]

We might expect Lucretia’s natural beauty to attract Tarquin, but so do her complaining words. Her yellow hair is disheveled or disordered, though her words are not. What renders Tarquin mad with desire is the combination of crafted speech and artless appearance in Lucretia’s performance of sorrow. Unsurprisingly, when Lucretia stages her own death as proof of her virtue, she constructs her performance using the same qualities that attracted Tarquin: This lady sente after hire frendes alle, Fader, moder, husbonde, alle yfeere; And al dischevele, with hire heres cleere, In habit swich as women used tho Unto the buryinge of hire frendes go, She sit in halle with a sorweful sighte. (1827–32) [This lady sent for all her friends, father, mother, husband, all together. And all disheveled, with her bright hair, in such clothing as women used to wear to the burials of friends, she sat in the hall a sorrowful sight.]

Lucretia, whose loose hair and weeping lament previously sparked an uncontrollable desire in Tarquin, now presents herself to her family this way in order to ensure her reputation and revenge. One might say, crudely, that she has learned both the power of her charismatic appeal and how to channel it to her own ends. That Lucretia’s performance is deliberate in all its details is betrayed after she stabs herself, by her exquisitely choreographed fall: And as she fel adoun, she kaste hir lok, And of hir clothes yet she hede tok, For in hir fallynge yet she had a care, Lest that hir fet or suche thyng lay bare; So wel she loved clennesse and eke trouthe. (1856–61) [And as she fell down, she directed a glance, but still she took heed of her clothes, for while falling, she still took care that neither her feet nor such a thing should lie bare. That is how much she loved purity and also truth.]

Chaucer adapts Ovid’s detail that Lucretia took care to remain modest even while falling,33 but makes it tantalizingly specific, leading the reader’s imagination to the exposed skin of Lucretia’s feet and beyond – one wonders what other “such thing” might be laid bare. By rendering Ovid’s “respicit” as “casting a look” 33 The material is from Ovid’s Fasti: “tum quoque iam moriens ne non procumbat honeste, / respicit; haec etiam cura cadentis erat” (even then, while dying, she took care not to sink down immodestly; this was her care even as she was falling). Ovid (1989), 116, Book 2, lines 833–34. Reference from Percival (198), 277.

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rather than taking care, Chaucer underscores the fact that Lucretia gives a pointed glance, one that will ensure her audience pays attention to her deliberate death. There may even be slight wordplay with “lok,” recalling locks of disheveled hair, the closed lock of chastity, and, archaically, “a religious offering or sacrifice.”34 Lucretia’s performance is effective, melting the hearts of her audience: “Al hadde folkes hertes ben of stones, / Hyt myght have maked hem upon hir rewe” (1841–2, Even if the people’s hearts had been made of stone, it would have made them take pity on her). Brutus has her body carried openly on a bier throughout Rome, the sight of which not only causes the townspeople to overthrow the kingship, but also sanctifies her: “she was holden there / A seynt” (1870–1, she was held as a saint there). While Lucretia’s charisma seems at first glance to be based in her exceptional virtue and even in her fearless action – she commits suicide to protect her good name – in Chaucer’s version it is grounded in her suffering, and the spectacle of her suffering both seduces and moves others to action. The vision of Lucretia that so appeals to Tarquin is taken nearly wholesale from the Fasti, as is his meditation on her beauty afterwards. But while Ovid’s Tarquin also lusts for Lucretia’s “forma […] niveusque color flavique capilli […] verba […] et vox” (figure […] and snowy complexion and blond hair […] words and voice), as well as for her artlessness and virtue,35 Chaucer’s Tarquin adds an important detail: “that she hath compleyned” (1748, that she has complained). Even before she martyrs herself, Lucretia is enchanting in her anguish. The troubling implication of course is that the friends and townspeople of Rome who react to the charismatic spectacle of Lucretia’s death resemble Tarquin, moved to act by the erotic appeal of a woman both resolute and vulnerable. I have tried in this essay to trace two forms of power available to the heroines of the Legend of Good Women: one in which they resemble male heroes in their ability to act on their will, and another in which they exercise special power through a performance of their own vulnerability. This special power or charisma has multiple histories. One is the tradition of rhetorical training, especially the ‘ethopoeia’ exercises in which students, mostly boys, learned to write speeches for various characters, including the lamenting women of myth.36 It is still debated whether this particular kind of exercise would have been part of Chaucer’s education, but he would have known its textual products from Augustine and of course from Ovid’s Heroides. At the same time, late medieval English literature featured a different tradition of women’s complaint in the practice of affective piety, with its focus on Mary’s laments, highly emotional and intended to elicit 34 Middle English Dictionary Online. “lok (n.(1))”, “lok (n.(2))”, “lok (n.(3))”, “lok (n.(4))”. 35 Ovid (1989), 112, Book 2, lines 763–5. 36 Specht (1986); Woods (1996); Woods (2002).

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compassion and spiritual action from listeners and readers.37 It is difficult to read the women of Chaucer’s collection as saints as the title Legend might suggest, but their tales would have resonated with spiritual practices that focused on cultivating compassion for Jesus and Mary’s suffering.38 Furthermore, the tension we find in many of these stories between agency and passive suffering is also at the core of much writing on saints or other holy figures — one might think of the Old English Dream of the Rood, or of any number of Middle English lyrics or verse saints’ lives. Chaucer draws on both classical and Christian traditions to endow his heroines with a complex, specifically feminine charisma, one that combines power and vulnerability to elicit pity, admiration, and desire. In their ability to suffer, they equal, perhaps even overtake, masculine heroes. As the God of Love puts it in the Prologue, praising Cleopatra and through her the other women of the Legend: For lat see now what man that lover be, Wol doon so strong a peyne for love as she. (F 568–9) [For let us see now what man that lover is who will undertake such strong pain for love as she.]

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37 On Marian lament, see McNamer (2010), 155–73. 38 Sanok (2007) argues, against the usual ironic reading of the Legend’s hagiographical implications, that framing the collection as a legendary creates an imagined female audience for the work, and constructs “a distinctively ‘feminine’ response.” I propose that such a response is, while implied, in tension with responses modeled and elicited by the narrator and by other male figures in the poem 42 to 48, at 43. See also her more detailed discussion in Sanok (2001).

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Imke Lichterfeld (Bonn)

‘Assigned am I to be the English scourge’. The ambiguous power of Joan of Arc and Margaret of Anjou

In 2007, Michael Boyd cast Katy Stephens in the roles of both Joan of Arc as well as Margaret of Anjou in his RSC production of The Histories. The Guardian critic Michael Billington comments on Stephens’ performance: “her change, magically transformed from a quasi-spiritual Joan la Pucelle to a sensuous Margaret of Anjou, expresses male-dominated England’s preoccupation with the feminised French.”1 The doubling stresses the fervent immediacy of both characters’ danger for England’s politics. It also highlights parallels in their powerful roles in destructive diplomacies, not only in the Hundred Years War but also in the War of the Roses. Both female (anti-)heroines cause havoc to English stability.2 This essay suggests an analysis of the two characters from a dramaturgical perspective in order to understand their function as influential, powerful women. It will look into the agency of both Joan of Arc and Margaret of Anjou, their performative relations, their heroic status, and it will also consider their curses. The following analysis will also include their provocative ambiguity in questioning the legitimacy of patriarchal rule. It is concerned with aspects of how Joan’s and Margaret’s dangerous power manifests itself not simply through supernatural elements but mostly political displays, and will assess how their characters – often appreciated as pernicious and dangerous – threaten the royal regime. This essay thus proposes to discuss their dynastic agency and their prophecies from a pragmatist perspective in order to understand and question early modern concepts of the transgressive, referring to these very different women: the saint/witch Joan and the scheming politician Margaret, and the way Shakespeare empowers both of them.3 It is concerned with their portrayal as strong women who personify different aspects of threats to the regime and challenges to the legitimacy of patriarchal power. 1 Billington (2008), n.p. 2 Cf. Howard and Rackin (1997). 3 There will be no analysis of Margery Jourdain who shows a ‘clairvoyant knowledge of the future’. Purkiss (1996), 212.

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The first tetralogy offers, among other aspects, a glimpse into the supernatural beliefs of the early modern age and how they were employed on stage, especially with regards to puissant women: “In an age that was deeply religious and superstitious, highly alert to the concept of spiritual worlds and forces beyond the known, the stage, like other cultural media, reflected society’s fears and desires”.4 These fears are represented by women not being placatory, not being patient and pliant. They are addressed in the tetralogy and they represent what lies at the centre of these two female roles: a threat to patriarchy. Shakespeare portrays both characters as supernaturally inspired, transgressive and nonconforming to gender norms, albeit in very different ways: Joan of Arc certainly renders the distinction between divine or supernatural inventiveness, and prolific military prowess all but clear; while Margaret of Anjou turns into a further ‘bloody scourge’ of England by becoming a cursing she-wolf disrupting dynastic politics by leading armies and directing military action. At a time when Reginald Scot and James VI of Scotland questioned the idea of the supernatural, its theatrical function is not diminished. Ideas of witches, hellish creatures, familiars, or devilish spirits, and superstition were nevertheless strangely alluring and therefore appealing to playwrights. They continuously influenced daily life, as James Sharpe confirms: “[E]ven a brief review of the scientific and medical world of the Elizabethan and Jacobean periods demonstrates the frequency with which magic and witchcraft intruded into everyday activities.”5 Supernatural elements contribute to the fascination of early modern drama, and raise questions of how superstitious ideas are portrayed within plays. The central aspect that has to be targeted when focussing on Joan and Margaret is how strong gender roles converge with the supernatural, and in what way this feeds into the debate surrounding the transgression of masculinity. In how far are the portrayals ambivalent through supernatural associations and threatening patriarchal power? Saint Joan’s universal myth was mostly created in the twentieth century. She is an outsider in Shakespeare’s history, her status is ambiguous. Her portrayal as a woman represents a puzzle: “The word pucelle […] is powerful in emphasizing both virginity and incipient sexuality […] a summation of binary categories normally seen as discrete – saint/witch, peasant/gentry, villain/hero, man/ woman, virgin/whore.”6 It is these binary categories that will also be questioned when Margaret is addressed. In the beginning of Henry VI Part 1, Joan of Arc is introduced as a holy, prophetic visionary from heaven (cf. I.2.51–59), yet simultaneously, she is attributed with martial qualities to “drive the English forth 4 Bladen (2015), 95. 5 Sharpe (1997), 41. 6 Burns (2000), 25–26.

The ambiguous power of Joan of Arc and Margaret of Anjou

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the bounds of France” (1.2.54). The Bastard of Orleans, a French courtier, stresses her strength and her infallible, super-temporal knowledge: “What’s past and what’s to come she can descry” (1.2.57). She is indeed unusual, convinced of her own importance, supernaturally inspired, possibly a witch endowed with knowledge of past, present, and future. Jean Howard and Phyllis Rackin extensively elaborate on Joan’s status as well as Margaret’s, concentrating on their martial nature: In the early history plays Joan and Margaret […] do usurp masculine prerogatives and turn soldier, but always at the risk of stigmatization. The most powerful of these female warriors, Joan, is also the most demonic. Her inexplicable military power, first explained as deriving from the Blessed Virgin, is finally defined as witchcraft and punished with burning.7

Military prowess is thereby addressed as inexplicable as far as women are concerned. Transgressing female boundaries, Joan is indeed not a maid with a maiden blush; instead she is a self-assertive creature, who, on stage, must have been portrayed by a young and very athletic actor,8 and portrays herself as a divinely inspired warrior: And, whereas I was black and swart before, With those clear rays which she infused on me, That beauty am I blest with, which you may see. Ask me what question thou canst possible And I will answer unpremeditated; My courage try by combat, if thou dar’st, And thou shalt find that I exceed my sex. Resolve on this: thou shalt be fortunate, If thou receive me for thy warlike mate. (1.2.84–92)

She proves herself easily in combat against the Dauphin and thereby underlines the truth of her words, as Charles declares: “In single combat thou shalt buckle with me, / And, if thou vanquishest, thy words are true;” (1.2.95–96). Once he is defeated, he declares in admiration: “Thou art an Amazon / And fightest with the sword of Deborah […] No prophet will I trust, if she prove false.” (1.2.104–105, 150). Thus, he grants her a status of divinely inspired martial heroism. Similarly, Joan asserts to be influenced by “God’s mother” (1.2.78) who “willed” her to “free” her “country from calamity” (1.2.80–81). She trusts in her divinely or supernaturally inspired physical prowess: “Christ’s mother helps me, else I were too weak” (1.2.106). Her self-perception is supported by an assertive confidence in her psychological and physical power. Diane Purkiss highlights the physical

7 Howard and Rackin (1997), 44. 8 Burns (2000), 17.

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aspect of calling Joan an amazon, therefore defying the idea of virginity and witchcraft: It is as an amazon that Joan manages to conceal her witchcraft; far from being allied, the images of virago and witch are opposed, because the play is not driven by gender anxiety but by political fears with a less direct relation to gender. In terms of nationhood, witchcraft and Amazonian invasion are opposite threats; one is invisible, the other visible. Since one is public, the other private, one could interpret these as gendered; certainly it was the sphere of witchcraft that marked the witch as feminine.9

The amazon is then a further transgression: while the witch evokes feelings of superstitious anxiety, the amazon in contrast emphasises her transgression of medieval and early modern female boundaries into the masculine, militaristic sphere. Joan displays no hesitation about this breaking of boundaries. The saintly warrior peaks in self-confidence with her famous utterance of becoming the blessing of the French and terror of the English: “Assigned am I to be the English scourge” (1.2.129). These are followed by other quite haughty remarks towards her opponents: “If Talbot do but thunder, rain will follow” (3.2.58). Edward Burns calls her linguistic art a self-creation;10 he underlines “her rhetorical power, and […] her artful construction of the puzzle of herself”,11 but it is her martial acts as a female warrior12 which reveal her truly dangerous nature. At the beginning of the play, when the late Henry V, “too famous to live long” (1.1.6), is mourned, he is equipped with a mystical and almost supernatural aura. Joan can be seen as an invocation that seems like his complimentary counterpart. Lee Rooney argues rightly that Henry V provides Shakespeare with a template of mythical power with which to fashion that king’s nemesis, one who is both his antithesis and uncanny double: Joan la Pucelle, who almost seems to rise from the ashes of Henry’s prophetic status and who presents the English with what Lisa Dickson calls a conceptual nightmare.13

However, Joan is soon no more contrasted with the myth of the deceased king, but with an active, physical counterpart. The contrasting figure on the English side to compete with Joan in the context of the play Henry VI Part 1 is the bravest warrior in the English camp: their heroic champion Talbot.14 He is consistent in his behaviour, ever loyal to his country, patriotic, proud of his fighting powers, and he despises his opponents: “Wretched shall France be only in my name” (1.4.96). Talbot is also the only other character in the Henry VI plays who is also 9 10 11 12 13 14

Purkiss (1996), 191. Burns (2000), 27. Ibid. Gutierrez (1990), 183–193. Rooney (2014), 3; Dickson (2000), 143. Howard and Rackin (1997), 54.

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branded a ‘scourge’ (next to Joan and Margaret), once being questioned by the Duchess of Auvergne (2.3.14), once by the Captain of Bordeaux (4.2.16). Still, Talbot too, needs to accept the immitigable influence and insurmountable force of Joan who appears to him with an impressive alarum of thunder and lightning. “Just before Talbot hears of Joan, […] thunder and lightning […] signal a blurring between the natural, the ominously supernatural, the diabolic and the straightforwardly militaristic.”15 Talbot introduces this as “tumult’s in the heavens” (1.4.97) which, on the early modern stage, is precursive to other storm scenes in Shakespeare like King Lear or Macbeth. Immediately, this invokes disturbances in the sublunar microcosm that is the English rule over France;16 in this case how a woman can overcome English domination and tactics. Interestingly, Joan is reported to Talbot to be a ‘holy prophetess’ with ‘great power’ (1.4.101–102), yet Talbot shows no respect towards a supernatural status that might strengthen his enemy: “Puzel or pussel, […] / Your hearts I’ll stamp out with my horse’s heels, / And make a quagmire of your mingled brains.” (1.4.106–108). Only after he has confronted Joan as a puissant warrior in the field, does he, too, grant her an inexplicable influence and martial prowess that he nevertheless – and very likely because of this demonstration – still intends to chastise: Where is my strength, my valour and my force? Our English troops retire, I cannot stay them; A woman clad in armour chaseth them. […] Devil or devil’s dam, I’ll conjure thee. Blood will I draw on thee – thou art a witch – And straightway give thy soul to him thou serv’st. (1.5.1–7)

This shows that Talbot does not really believe in her supernatural origins, if he should easily be able to act as her conjuror, he sees himself not only figuratively as her better but also her master. Calling her a frightening ‘witch’ (1.5.21), and a ‘strumpet’ (1.5.12), – all seemingly interchangeable swearwords from his mouth – Talbot yet cannot overcome her and indeed becomes deeply impressed and confused by Joan’s power: “My thoughts are whirled like a potter’s wheel” (1.5.19). Meanwhile, she has nothing but disgraceful scorn for him (1.5.8–15) and true confidence about her own skills: “This day is ours, as many more shall be” (1.5.18). It appears as if the supernatural element of prophecy must be the true source of her heroic and seemingly masculine strength. She shows invincible trust and faith in sure victory: “Thus Joan de Puzel hath performed her word” (1.5.42). Her strong words persuade, i. e. her prophetic speech entices the Duke of 15 Burns (2000), 16. 16 Sisson (1991), 118.

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Burgundy to switch sides and ally himself with the French. She does indeed enchant him with her words: “Look on thy country, look on fertile France, / […] Behold the wounds, the most unnatural wounds, / Which thou thyself hast given her woeful breast. / O turn thy edged sword another way” (3.3.44–52). Joan’s voice speaks the truth – her intentions come true, Burgundy’s resolve to support the English is easily shaken: “Either she hath bewitch’d me with her words, / Or nature makes me suddenly relent” (3.3.58–59). Joan, the self-proclaimed prophetess speaks true; the self-proclaimed warrior wins battles. This confidence allows her to not only dominate the field but also entice and govern the French court and be admired by Charles the Dauphin as the “[d]ivinest creature, Astraea’s daughter” (1.5.43). He insists on her powerful defeat of the English which marks her, according to Charles, as the new French saint: “No longer on Saint Denis will we cry, / But Joan de Puzel shall be France’s saint” (1.5.67–68). Lee Rooney points out that “[i]n historical drama, prophecy often serves to reaffirm the inevitability of a future that has already been written.”17 Joan shows knowledge of the future and therefore appears supernatural and strong. Additionally, Burns claims that the “female sorcerer represents a different idea […], she has access to a knowledge of past, present and future, and to a powerful language in which to activate that knowledge, scrambling or reworking the pattern of action.”18 Joan is supernaturally inspired; her powers derive either from below, as the English continually call her a witch, or from above. Certainly, there is a correspondence to a prophetic nature, and this power earns her the title of France’s new saint. This evaluation of Joan’s attributes is further reinforced throughout most of the play. Shortly after her first victory though, Talbot, Burgundy, and Bedford question the nature of her female warrior status anew: “A maid! and be so martial!” (2.1.21). Questions of her maidenhood and virginity are posed early on when Talbot had called her a puzzle; Burgundy applies the derogatory term ‘trull’ (2.2.28) – a prostitute – to her and hints at her having a sexual relationship with the Dauphin. However, Joan proves a clever strategist in Rouen, treacherously finding entrance into the city gates by posing as a poor peasant. Talbot labels her “Puzel, that witch, that damned sorceress” (3.2.37), a ‘railing Hecate’ (3.2.63), and confronting her, a “Foul fiend of France and hag of all despite, / Encompassed with thy lustful paramours” (3.2.51–52). His argument takes the idea of intercourse with the devil into account when he also uses the word ‘familiar’ (3.2.120), a creature associated with the devil, though his implications divert from the association again when he addresses the harmless Charles as her companion.

17 Rooney (2014), 1. 18 Burns (2000), 38.

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Joan’s association with the powers of hell is nevertheless certainly influential in historiography, as Rooney confirms: From the very beginning, Halle describes her as “an enchanteresse, an orgayne of the devill, sent from Sathan, to blind the people and bryng them in unbelife” – an aggressively reductionist explanation that reaffirms both the English’s righteousness and the French’s heathenism.19

In contrast to the English association of Joan with hell, similarly the French in turn call Talbot a ‘fiend of hell’ (2.1.46), a creature from hell. This verdict marks him out as the proficient, heroic fighter that he is, but it also makes him comparable to Joan in the terminology associated with the devil, though he too calls upon “God [as] our fortress” (2.1.26). Yet the labelling of Talbot continues like this, as Reignier – another French nobleman – concedes: “If not of hell, the heavens, sure, favour him” (2.1.47). Again, a question that might be posed is whether the application of devilish associations is in both cases purely inimical; but with Talbot there is no prophetically inspired transgression of female virtue, instead there is pure masculinity. However, a quick, fickle swaying of opinions seems to sustain French politics. Easily swayed by the first French defeat, Charles then denies Joan the status of a heroine and blames her as a ‘deceitful dame’ (2.1.50), even though he later announces he could never be moved in his support. “We have been guided by thee […] One sudden foil shall never breed distrust” (3.3.9–11). The trust she gained seems to shine divinely and gloriously; the Bastard promises to “make [her] famous through the world” (3.3.13). Even the Frenchman Alençon seems converted: “We’ll set thy statue in some holy place, / And have thee reverenced like a blessed saint: / Employ thee then, sweet virgin, for our good” (3.3.14–16). Saintliness and virginity grant her a raised and accepted status, one that prevails today. Joan’s victories turn sour before the end of the play; the scenery changes when the audience witnesses Joan in conversation with her spirits before Angiers (5.2.22–50): Joan invokes her helpers – who turn out to be hellish fiends – to give her “signs of future accidents” (5.2.25). Thunder heightens the cosmic upheaval in this scene, but instead of answering diligently, her ‘familiar spirits’ (5.2.31) keep silent and ‘shake their heads’ (5.2.41). Joan offers that her “body shall / Pay recompense” and ‘blood-sacrifice’ (5.2.39–41): “Then take my soul – my body, soul and all –” but ‘[t]hey depart’ (5.2.43–44) and forsake her indeed. The prophet’s work seems done. She is captured by York, left “to curse awhile” (5.2.64).

19 Rooney (2014), 4; Bullough (1957–1975).

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Joan, historically determined, is tried as a witch: “Bring forth that sorceress condemned to burn” (5.3.1). The glory and heroic splendour that the spectator has witnessed in her demeanour as well as her proud self-confidence turns into female wailing. Frightened she lunges at her surroundings. The supernatural quality of inspiration and strength has left her and she seems to end ‘[w]icked and vile’ (5.3.16), as York concludes. She condemns her shepherd father in derogatory terms as a “[d]ecrepit miser, base ignoble wretch, / I am descended of a gentler blood” (5.3.7–8), and clings to life by naming various French nobles as fathers to her proclaimed unborn child. Yet, paradoxically, Joan speaks some words in her defence as well, insists on her virginity, and that her past task was divinely inspired: Virtuous and holy, chosen from above By inspiration of celestial grace To work exceeding miracles on earth. I never had to do with wicked spirits; […] Joan of Aire hath been A virgin from her tender infancy, Chaste and immaculate in very thought, Whose maiden-blood, thus rigorously effused, Will cry for vengeance at the gates of heaven. (5.3.39–53)

This speech seems oddly contradictory, and must prove her wrong, as she later asserts the opposite by claiming to be pregnant: Though her chastity might truly recall the Virgin Mary, naming potential French fathers certainly does not. However, the audience has also just witnessed fiends, hellish creatures, being called by her. This seems to assert the opposite of divine inspiration. However, contrastingly, her next utterance confirms a prophetic strain in the cursing of York: May never glorious sun reflex his beams, Upon the country where you make abode, But darkness and the gloomy shade of death Environ you, till mischief and despair Drive you to break your necks, or hang yourselves. (5.3.87–91)

This hateful utterance is an ominous, gloomy harbinger of the War of the Roses yet to ensue, and reminds the audience of what they can expect in the aftermath of the dispute with France. Her curse implies future history. Certainly, the point of view displayed by Shakespeare is that of an English playwright, yet his Joan continues to be an enigmatic and ambiguous character. Her speech is often beautifully emotional, her plea for life is a solemn cry for help and shows Joan at her weakest, distrustful of hope. It is a situation of disadvantage, loss, and vulnerability.

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This self-same vulnerability, albeit connected to a backbone of strength, resurfaces with the second character this essay is concerned with. As much as Joan threatens England, she is burnt by the time the War of the Roses dominates the scene. The internal struggles that England experiences are witnessed and incensed by a very different strong, female figure: Margaret of Anjou. The following pages will highlight both characters’ parallels in Henry VI. Cox and Rasmussen, editors of Henry VI Part 3, criticise that Margaret of Anjou is often denied attention in lieu of Joan of Arc and claim the following: “Neglect of Margaret is all the more surprising in view of attention to Joan la Pucelle in Henry VI Part 1, who was the first character to attract feminist commentary, and who remains its principal object in the first tetralogy, though she appears briefly in only one play […] Joan would logically […] be a thematic adjunct of Margaret.”20 Therefore it is all the more fitting to compare their roles and their influence as female protagonists in the histories demonstrating aspects of those often neglected in questions of political influence. Margaret of Anjou, daughter to the King of Naples, is equally assigned to be an English ‘scourge’ – like Joan. For the Yorkists, this is exactly who she turns out to be. The ‘she-wolf ’ of France, as York names her, is driven into a practice of control-taking, as she soon learns the limitations of her naïve, childish, and innocent husband Henry VI, who turns out to be a weak governor of the realm. Throughout the plays, Margaret learns how to instrumentalise, scheme, and rule. Ian Shuttleworth calls her “a figure of steel and fire, manipulating the politicking courtiers and finally almost incandescent in her grief.”21 Margaret is Joan’s successor;22 she takes over similar aspects of heroic femininity and thus a comparable role to the one that Joan had portrayed. In addition to her appearance towards the end of the Henry VI Part 1 when Joan is in decline, “Margaret is the only character who appears in all four plays of the tetralogy.”23 Until she enters the stage in Richard III and is called a “[f]oul wrinkled witch” (Richard III, 1.3.163) by Richard of Gloucester, Margaret’s powers are congruent with Joan in military regard. The image of a witch conveys sterility, of a maid virginity. Margaret is neither but she too embodies the idea of a transgression of gender conventions as she is an open-mouthed, strong fighting character. In the Henry VI plays, Margaret shows herself an ample strategist, a scornful and scheming ‘realpolitician’, and the most impressive female figure in Shakespeare’s histories. She quickly apprehends the policies of the English nobility and thus aptly understands the limitations of the monarch. It is these qualities that 20 21 22 23

Cox and Rasmussen (2001), 143. Shuttleworth (2008), n.p. Cox and Rasmussen (2001), 143; Fiedler (1972), 48; French (1981), 31. Cox and Rasmussen (2001), 141.

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make her seem comparable to Joan and even supersede her in influence. She takes the stage when Joan no longer has an impact. Through Margaret, the audience has to understand that a threat is now not only coming from the enemy’s power but she has somehow infiltrated the English court. Margaret – throughout the first tetralogy – stays an ambiguous character. The stage thus loses some of the female supernatural inventiveness that infiltrated it via Joan, however, it gains added female military prowess. Margaret is as outspoken as Joan, her dramatic value impressive. She too has a voice. Margaret enters the stage for the first time at the end of Henry VI Part 1, captured by the Duke of Suffolk who seems enchanted by her beauty: her looks must be enticing. Suffolk ‘[g]azes on her’ (5.2.66) and names her ‘fairest beauty’, ‘[n]ature’s miracle, and gorgeous’ (5.2.67, 75, 85). Her beauty seems ordained to capture him with a persuasive capacity: “I have no power to let her pass”; she “[c]onfounds the tongue and makes the senses rough” (5.2.81, 92), displaying Suffolk’s admiration. Margaret – unlike Joan – seems better equipped with courtly manners when she diplomatically sends “a pure unspotted heart” (5.2.203) to Henry, yet quips charmingly when Suffolk kisses her: “That for thyself” (5.2.206). It will become clear throughout the play that these two, Margaret and Suffolk, will keep a loving bond. Suffolk can easily convince Henry to marry Margaret when the king shows himself joltingly moved being wooed: “I feel such sharp dissension in my breast, / Such fierce alarums both of hope and fear, […] That Lady Margaret […] be crownd / King Henry’s faithful and anointed queen” (5.4.84–91). Though according to his counsellors King Henry is meant to marry a different bride, Suffolk is ready to “undertake to make [her] Henry’s queen” (5.2.138). The king indeed accepts this change of policy and affronts his counsellor and uncle Gloucester by the shocking reversal of a dowry: he agrees to provide for Margaret’s father instead of receiving land or money; to underpin this he later derogatorily calls a traditional dowry a ‘disgrace’ (5.4.48). Thus Margaret of Anjou becomes Queen of England and attempts to rule the court. She very cleverly sees through diplomacy and alliances when she complains loudly of “surly Gloucester’s governance” (Henry VI Part 2, 1.3.48)24 as well as of her husband’s weakness and preoccupation with “prophets and apostles, / His weapons, holy saws of sacred writ” (1.3.58–59). She is an active, puissant character, insulted by being intimidated, and vengeful towards those she feels disrespected by, even when it concerns her husband. Though she criticises her husband’s Christian humility, she pointedly insists on Henry’s governance and vehemently protects

24 Quotations from William Shakespeare, King Henry VI. Part Two, ed. Ronald Knowles (London: Arden Shakespeare, 1999).

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his rights. Like Joan, Margaret is willing to lead; unlike Joan, she is a power politician. Yet, Margaret is not without feelings. Defending Henry officially, she is privately overwhelmed by her emotions towards Suffolk. When he is banished, she wishes doom upon herself: “Might in thy palace perish Margaret. […] Ay me, I can no more! Die, Margaret” (3.2.100 and 120) and when he dies, she grieves, yet nevertheless stays determinedly resolved: “Think therefore on revenge and cease to weep” (4.4.3). Indeed her motivation seems to be spurred by revenge and – much more than Joan’s whose determination was aiming for liberty – she finds an oppositional target in the Yorkist faction who themselves willingly make her the personification of their wrath. Richard of York famously declares the following lines: “O blood-besotted Neapolitan, / Outcast of Naples, England’s bloody scourge!” (5.1.117–118). Treated as an outsider by many English noblemen, she nevertheless becomes the head of the Lancastrian army, as Henry – the historically ill and weak monarch – withdraws from military politics and offers the crown to the Yorkists in Henry VI Part 3. Margaret despises Henry’s debility and displays a keen determination to influence dynastic politics over her husband’s head: Who can be patient in such extremes? Ah, wretched man, would I had died a maid And never seen thee, never borne thee son, Seeing thou hast proved so unnatural a father. […] I here divorce myself Both from thy table, Henry, and thy bed, Until that act of parliament be repealed Whereby my son is disinherited. (Henry VI Part 3, 1.1.215–250)25

Her dramaturgical function in this regard does not seem one of supernatural or prophetic quality as that of Joan. She is a warrior. She lashes out against her husband and she excels on the battlefield when she encounters her enemy York. Having killed York’s youngest son Rutland before in a crude and beastly scene, she glories in her triumph and loudly scorns his defeat and despair: “What, was it you that would be England’s king? / […] Thou shouldst be mad; / And I to make thee mad do mock thee thus” (1.4.70–90). It is at this moment of mocking superiority, that Margaret is addressed by York as the “She-wolf of France, but worse than wolves of France, […] How ill-beseeming is it in thy sex / To triumph, like an Amazonian trull” (1.4.111–114). The audience cannot quite fathom the depth of her cruelty towards the enemy and it is this transgressive violence that makes it difficult to only sympathise with this strong and self-confident woman. 25 Quotations from William Shakespeare, King Henry VI. Part Three, ed. John D. Cox and Eric Rasmussen (London: Arden Shakespeare, 2001).

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Surprisingly, it is not the ‘wolf ’ accusation – which has minted Margaret’s name ever since – and which Margaret later applies to York (5.4.80), but the ‘Amazonian trull’ which puts her in the Joan tradition. Joan had been called an ‘Amazon’ by Charles the Dauphin, and a ‘trull’ by Burgundy; one in awe, the other in disrespect. The echo might be elusive but the choice is nevertheless striking in this comparative study. The charge by York is yet contemptuous in his acceptance of her Amazonian, female fighting qualities. He highlights the difficulty of the treatment of her character by the English aristocracy. Calling her ‘abominable’ (1.4.133), he insists that “[w]omen are soft, mild, pitiful and flexible; / Thou stern, obdurate, flinty, rough, remorseless” (1.4.141–142). Women are to be chaste, silent and obedient. Margaret is neither. Joan was not ‘soft, mild, pitiful’ either. These qualities then manifest both outsiders’ status. York calls Margaret a ‘false Frenchwoman’ (1.4.149), ‘inhuman’ […], ‘ruthless queen’ (1.4.154–156) and curses her for her unnatural attributes. Warwick, however, almost in admiration of his enemy applies the term ‘warlike’ to Margaret (2.1.122); while Edward of York uses the adjective ‘bloodyminded’ (2.6.33). Margaret truly sees herself as a warrior, too: “I am ready to put armour on” (3.3.230). To emphasise this military aspect of the female antagonist, her declaration is repeated verbatim by the messenger when back at Edward’s court: “‘Tell him,’ quoth she, ‘my mourning weeds are done, / And I am ready to put armour on’” (4.1.104–105). And in response, Edward of York now calls her an ‘amazon’ as well, accepting her military energy, albeit not her cause. About to encounter her powers on the battlefield, he spies “a black, suspicious, threatening cloud, […] those powers that the Queen / Hath raised” (5.3.4–8). Margaret’s power, however, is finally at its end when her beloved son and King Henry’s true heir Prince Edward dies and Margaret begs: “O, kill me too!” (5.5.41) while cursing the Yorkists: “Butchers and villains! bloody cannibals!” (5.5.61). However, they do not kill her and Margaret continues to rail against the York family and echoes her curses throughout Richard III against its eponymous hero: “Out, devil!” and “A murderous villain.” (Richard III, 1.3.118 and 133).26 It is only in this play that she is – for the first time – addressed as a witch by Richard of Gloucester: “Foul wrinkled witch, what mak’st thou in my sight?” (1.3.163). Here then another likeness to Joan seems to be brought to the surface. This remark, however, does not underline a positive superstition or a belief in true supernatural powers. It is a derogatory term towards the ageing female politician. What follows is a rhetoric battle on who curses whom. Margaret is set to suffer by the Yorkists which might be explained as the righteous consequence to Gloucester’s deceased father York’s curse against her. But Margaret, too, now 26 Quotations from William Shakespeare, Richard III, ed. James R. Siemon (London: Arden Shakespeare, 2009).

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throws about prophetic accusations. Her ranting could be labelled hysterical, however, her reasoning is just as understandable as that of other opponents’ enmity. It is nevertheless here in Richard III that Margaret’s power experiences an air of supernatural quality and prophetic value. Like a ghost from the past in a revenge tragedy – the historical Margaret was not present at the English court at the time of Richard III’s reign – she demands vengeance through her prophetic cursing.27 Her aggressive invocations will prove true in that those suffering from her wrath do fall. The curses are the first act of revenge, while her retaliation is achieved at the end of the play. Can curses pierce the clouds and enter heaven? Why then give way, dull clouds, to my quick curses. Though not by war, by surfeit die your king, As ours by murder, to make him a king. – Edward thy son, […] Die in his youth, by like untimely violence. Thyself a queen, […] Die neither mother, wife, nor England’s queen. – Rivers and Dorset, you were standers-by, And so wast thou, Lord Hastings, when my son Was stabbed with bloody daggers. God, I pray Him, That none of you may live his natural age, But by some unlooked accident cut off. (1.3.194–213)

In the structural dramaturgy of the play, these words by the “hateful wither’d hag!” (1.3.214) are uttered as providential and as a historiographical truth, along with her ominous curse of Richard of Gloucester to be conscience-tortured and unhappy: “Thy friends suspect for traitors while thou liv’st, / And take deep traitors for thy dearest friends” (1.3.222–223). She also invites Queen Elizabeth into her company who shall wish to be joined by Margaret “To help thee curse this poisonous bunch-backed toad” (1.3.245). What Margaret asks for is a revival of the War of the Roses, more bloodshed and retribution: “As it is won with blood, lost be it so” (1.3.271). In a certain way, Margaret asks – like Joan – that the English and its royal court, which she is not part of anymore, be defeated. Margaret’s reasons to blame the English ruling dynasty are different to Joan’s and what she ignites is not a national but a civil war, yet the parallel effects between her and Joan must be acknowledged. To highlight a vital aspect, it is Margaret who also calls herself a prophetess when warning everybody about Richard of Gloucester. She then puts herself into the position of a somewhat ambiguous figure as far as power and English rule is concerned: “What, dost thou scorn me for my gentle counsel, / And soothe the devil that I warn thee from? / O, 27 Cf. Cox and Rasmussen (2001), 141.

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but remember this another day, / When he shall split thy very heart with sorrow, / And say poor Margaret was a prophetess” (1.3.296–300). To align her even further with the established tradition of Joan in this regard, the curses that she utters come true: every single character in Richard III does suffer from Richard’s actions. Margaret thereby manifests her dangerous potential for history. This reflects one aspect of historiographical writing on the early modern stage. It is repeated in the dramaturgically composed history play that puts an emphasis on the workings of fortune in the state of England. Margaret thus becomes a reminder – as the sole living Lancastrian – from the past. Having witnessed her own decline, she now lurks in the shadows to “watch the waning of [her] enemies” (4.4.4). The “bloodthirsty warrior […], is transformed into a bereaved and suffering prophet of divine vengeance”.28 Throughout the plot, the addressed characters indeed suffer according to Margaret’s words; Rivers and Grey acknowledge her puissance. “Now Margaret’s curse is fall’n upon our heads” (3.3.14). Similarly, Hastings accepts Margaret as the cause of his downfall. “O Margaret, Margaret, now thy heavy curse / Is lighted on poor Hastings’ wretched head!” (3.4.91–92). They all affirm Margaret’s everinfluential power when they declare her curse to have come upon them. Later in the tragedy, Buckingham becomes aware of this, too, and quotes the self-characterisation of the professed before: “Remember Margaret was a prophetess” (5.1.27). Thus this kind of self-determination is not only proven but repeated to remind the audience of Margaret’s seemingly everlasting powers. Like the repetition of her mind being set on revenge in Henry VI Part 3, this repetition now fosters the idea of Margaret having a supernatural, i. e. prophetic quality to impact upon the theatrically portrayed historical events and dramaturgically influencing the plot’s outcomes. Queen Elizabeth, too, realises the “thrall of Margaret’s curse”, and how it seems to affect each of the dramatis personae. Elizabeth and the Duchess of York finally understand the futility of bloodshed but also its urgency; both learn from Margaret to have their mind set on revenge: “Bear with me. I am hungry for revenge” (4.4.61). Margaret has lost everything; she is left truly bitter, her only quality being the supernatural ability to ‘curse’ (4.4.117 and 123). Both Joan and Margaret are historical figures portrayed by Shakespeare as personifying nemesis, they are characters that trouble the English stage. As warriors, they usurp a man’s place and thus occupy positions that make them appear inherently problematic and increasingly unsettling; as female prophetesses they cause superstitious qualms about the events on stage. They raise their voice and thereby disturb the patriarchal systems, they disrupt. They transgress.

28 Howard and Rackin (1997), 106.

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Change of patriarchal rule often means crisis; this is mirrored in the plays. These two women are transgressive in that they are somehow both man and woman, villain and hero, to a certain extend supernaturally inspired, powerful and ambiguous characters. They take over legitimate rule but threaten the regime through their illegitimate status. They render the distinction between political decision-making all but clear; their power provokes dynastic disturbances. Aspects of misogyny are addressed in these plays that associate these women with lust, pose the question of subordination, and the imbalance of patriarchal power. The assertion of male power is certainly called into question by Joan and Margaret. Both characters offer dramaturgical opportunities: they offer political, historical, and religious implications; they remain ambiguous as the audience develops partly sympathy, and partly antipathy towards them. Their performances create doubt; their seeming witchcraft and prophecy are enticing. What is fascinating in contrast to Joan, who seems a somewhat naïve, courageous, and admirable figure in the French camp, is that the audience often might sympathise more with Margaret. Throughout Richard III, she becomes a choric outsider personality, yet her impact on the events is striking. The English scourge transforms from the naïve, quasi-spiritual Joan into a fighting Margaret of Anjou, which indeed “expresses male-dominated England’s preoccupation with the feminised French”, as Billington argued, but more so with the masculine female. This becomes increasingly important when the question of casting is concerned. Their doubling stresses the parallels and potential urgency of both characters. This addresses the idea of how feminine the male actor would have been on the early modern stage; and whether a woman would have to be sensuous and/or masculine to play the role(s) in a performance. Though Shakespeare’s histories might be officially men’s plays, these two women are – in all their misadventure and suffering – women of power, influence, and danger, always surrounded with an aura of the mysterious. Through an association with the prophetically known, the historical plays demand scepticism towards Joan’s and Margaret’s strength. For a superstitious audience, this strength is readily comprehensible and thus theatrically performable via the supernatural association; misogynistic perspectives might underline the characters as subversive types of women. As Joan’s and Margaret’s powers are originating in their historical roles, not only strength but also prophetic inspiration are a perfect dramaturgical explanation for their transgression, the warriors and prophetesses Joan and Margaret offer fascinating staging opportunities. Casting one actor in both roles can truly highlight the connection between both characters; doubling underlines their transgressive puissance and both characters’ value for the strategic shaping of the dramatic plot.

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Gerd Krumeich (Düsseldorf)

Jeanne d’Arc: Kriegsheldin und Heilige

Die Spannung zwischen beiden Begriffen könnte größer nicht sein. Helden gibt es ‚en masse‘, Heilige auch, aber ein Kriegsheld, der zum Heiligen wird, oder noch mehr zugespitzt: eine Kriegsheldin als Heilige? Ein paar heilige Krieger hat es gegeben, etwa den Heiligen Kornelius Caesarea aus der Apostelgeschichte, der vom Rang her Hauptmann der römischen Armee war und der erste Heide, der in die Kirche aufgenommen wurde – ein Kriegsheld aber war er nicht. Oder Ferdinand von Kastilien (1199–1252), der 26 Jahre gegen die Mauren „zu Kreuze zog“. Auch Ignatius von Loyola (1491–1556) hat einen militärischen Rang gehabt, bevor er sich Heiligerem zuwandte. Diese Namen und Fakten stammen aus Hans Hümmelers Helden und Heilige, ein 1933 zuerst erschienenes Werk, das in katholischen Familien noch bis in die 1970er Jahre hinein weit verbreitet war. Die „Volksausgabe“ von 1954 will im 430. Tausend sein, und die letzte Ausgabe von 1983 verzeichnet das 588. Tausend.1 Zum Aspekt der Kriegsheldin und Heiligen Jeanne d’Arc liest man dort Folgendes: In ihren Prozessen habe sich erwiesen, dass ihr Vorleben untadelig, ihre Waffenehre unbefleckt [war]. Sie hat vor jeder Schlacht durch Fasten und Empfang der heiligen Sakramente den Beistand Gottes auf ihr Volk herbeigerufen, sie hat persönlich niemanden getötet und auch ihren Truppen jede Grausamkeit verwehrt. Schonung der Gefangenen, Buße für die Plünderungen, Dankgottesdienst nach gewonnenem Sieg waren andere Seiten ihrer heiligen Menschlichkeit.2

Und etwas weiter: „Die Richter und Helfershelfer dieses Blutprozesses starben eines schmählichen Todes. Der Opfermut Jeanne d’Arcs aber wurde von Gott durch viele Wundertaten verherrlicht.“3

1 Erschlossen nach dem Karlsruher virtuellen Katalog (kvk). 2 Hümmeler (1948), 295. 3 Hümmeler (1948), 296.

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Aus letzterem Grunde konnte sie schließlich auch heiliggesprochen werden, braucht es doch – auch heute noch – zwei dem präsumtiven Heiligen zuzusprechende Wunder, deren Authentizität von einer dazu berufenen Kommission geprüft werden muss.4 Es sei bemerkt, dass diese Erzählung genauestens dem Duktus der populären katholischen Literatur in Frankreich seit den 1870er Jahren folgt. Vorher war Jeanne d’Arc für die katholische Welt jahrhundertelang eine eher unbequeme Person gewesen, wie weiter unten noch ausgeführt werden soll.5

Ein Blick auf die Lebensdaten Geboren wurde Jeanne d’Arc um 1412, mehr wissen wir nicht. Das oft angegebene Datum vom 6. Januar 1412, Epiphanie, ist Teil des Mythos. Es wird in den Quellen nur ein einziges Mal genannt, nämlich in einem Brief eines französischen Adligen vom Juni 1429, wo berichtet wird, wie die Hähne und Schafe in den Ställen und Weiden von Domremy frohlockt hätten, als das Gotteswunderkind in der Nacht auf Epiphanie geboren wurde.6 Jeanne selber und ihre Bekannten wussten nur, dass sie zur Zeit ihres Prozesses, 1431, „ungefähr 19 Jahre alt“ war.7 Kurioserweise haben sich für die „600 Jahre“ von Jeanne d’Arc, die der damalige Staatspräsident Nicolas Sarkozy unbedingt am 6. Januar 2012 festlich begehen wollte, die allerbesten französischen Spezialisten, die natürlich auch den Quellenstand zum Geburtsdatum kennen, doch dazu bewegen lassen, ihre Stimme diesem Ereignis zu leihen und an der Seite des Präsidenten in Domrémy-laPucelle (so heißt der Ort heute offiziell) dieses Datum zu beglaubigen.8 Jeanne war das vierte Kind von begüterten und über das Dorf hinaus respektierten Bauern, Jacques d’Arc und Isabelle Romée. Die Mutter wurde „die Römerin“ genannt, da sie wahrscheinlich einmal eine Wallfahrt, vielleicht sogar tatsächlich bis nach Rom, mitgemacht hatte.9 Im Alter von ungefähr 13 Jahren, um 1423, hörte das Mädchen zum ersten Mal Stimmen, die ihr auftrugen, die Stadt Orleans zu befreien und den König zu seiner Krönung nach Reims zu bringen. Seitdem war ihr Verhalten stark verän4 5 6 7

Sieger (1995). Vgl. insgesamt: Krumeich (1989); Winock (1992); Müller (2005; 2011). Hierzu im Einzelnen: Krumeich (2013), 21–32. So Jeanne im Verhör am 21. 02. 1431, vgl. die heute am bequemsten zugängliche, leicht gekürzte Edition der Prozesse, Duby / Duby (1973), 27; von diesem Werk gibt es auch eine deutsche Übersetzung: Georges Duby / Andrée Duby, Die Prozesse der Jeanne d’Arc, aus dem Französischen von Eva Moldenhauer, Berlin: Wagenbach 1985. 8 Hierzu mehr in Krumeich (2013). 9 Vgl. den ausführlichen Beitrag zu „Romée, Isabelle“, in: Ambrogi / Le Tourneau (2017), 1654– 1655.

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dert, wie Jugendfreunde später berichtet haben. Sie vermied den üblichen geselligen Umgang, ging so häufig wie möglich in die Kirche und wollte sogar – zum Entsetzen des Pfarrers – bald täglich zur Beichte gehen, wo doch diese für die Gläubigen eigentlich nur zu Weihnachten und Ostern schicklich war. 1428 vertraute sie schließlich ihrem entfernten Vetter (sie selber nennt ihn „Onkel“), Durant Laxart, ihr Geheimnis an, der sie dann auch nach einigem Zögern zum Bezirkshauptmann Baudricourt nach Vaucouleurs brachte. Wochenlang harrte sie vor der Burg aus. Der Hauptmann, der ihrem Vetter-Onkel zunächst nur riet, sie schleunigst nach Hause zurückzubringen und ihr zur Strafe ein paar Ohrfeigen zu verpassen, ließ sich auf Dauer doch von diesem Auftritt beeindrucken. Denn die Bürger von Vaucouleurs begannen, sich für das Mädchen zu interessieren und Baudricourt aufzufordern, ihr doch Gehör zu schenken. Denn jedermann wusste damals, dass Gott nach Belieben in das Leben der Menschen und die Geschichte der Staaten eingreift und ohne weiteres auch fähig ist, die „Eiche mit einem Schilfhalm zu fällen“ – so ein damals geläufiger Ausdruck. „Vertrauensbildend“ war dabei vor allem, dass es schon ältere Sagen gab, in denen es hieß, eine Jungfrau werde „aus dem Walde“ kommen, um Frankreich zu retten.10 Und bereits ungefähr 10 Jahre zuvor hatte die Universität Paris einen Aushang veröffentlicht, in welchem alle Jungfrauen, die sich imstande sähen, den Bürgerkrieg zu beenden, sich bei der Verwaltung melden sollten […].11 Die Zeit war also in gewisser Weise reif für das Erscheinen Jeanne d’Arcs, wozu auch der Proto-Nationalismus gehörte, auf den später zurückzukommen sein wird. Als sich im Februar 1429 der englische Belagerungsring um Orleans so zuzog, dass kaum noch Hoffnung bestand, diese strategisch so wichtige Stadt an der Loire und quasi letzte Bastion des französischen Königtums zu retten, versah Baudricourt Jeanne schließlich mit ein paar Begleitern, die sie nach Chinon bringen sollten, wohin sich der Dauphin Karl, den die Engländer und Burgunder aus Paris vertrieben hatten, zurückgezogen hatte, von seinen Gegnern nur verächtlich als „le petit roi de Bourges“ apostrophiert. Mehr noch: 1420 war in einem Vertrag zwischen Burgundern und Engländern festgelegt worden, dass der Kronprätendent wegen Anstiftung zum Mord an seinem burgundischen Cousin und anderer schwerer Vergehen aller seiner Rechte verlustig sei, und dass der englische König in Personalunion auch König von Frankreich sein solle und zu diesem Zwecke auch mit einer Tochter des Königs verheiratet wurde.12

10 Die sog. Merlin-Sage. 11 Vgl. hierzu Beaune (2004), 87ff. 12 Vertrag von Troyes, 21. 05. 1420: Am Rande sei bemerkt, dass sich seitdem, bis 1802, die englischen Könige auch als König von Frankreich bezeichnet haben.

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In Chinon angekommen, wurde Jeanne zunächst einem Test unterworfen: Sie sollte den Dauphin Karl, der sich in der Menge seiner Getreuen versteckt hielt, erkennen – was ihr auch gelang, obgleich sie niemals ein Konterfei von ihm gesehen hatte. Dann wurde sie nach Poitiers gebracht und einem Rat von Gelehrten übergeben, die sie wochenlang befragten. Auch wurde sie auf ihre Jungfräulichkeit untersucht, weil für den mittelalterlichen Menschen evident war, dass eine Jungfrau nicht vom Teufel besessen sein kann, weil der Teufel sie eben geistig und körperlich „besitzen“ will. Es wurde bestätigt, dass sie ‚virgo intacta‘ war und auch rechten Glaubens, wie die Kommission in einer Entscheidung, die erhalten geblieben ist, festhielt: Der König darf in Anbetracht seiner und seines Reiches Notlage und mit Rücksicht auf die andauernden Gebete des armen Volkes und aller, die Frieden und Recht lieben, die Jungfrau, die sagt, dass sie von Gott gesandt sei, um ihm Hilfe zu bringen, nicht zurückweisen und nicht verwerfen, auch wenn es möglich ist, dass die Versprechen nur menschliche Erfindung sind […].13

Nachdem sie von den Gelehrten in Poitiers „akkreditiert“ worden war, wurde sie mit einem kleinen Trupp Bewaffneter dem königlichen Heer zugesellt. Vor Orleans Mai 1429 riss sie in ihrem Elan die zunächst sehr skeptischen Berufsmilitärs mit zur Erstürmung der Engländerforts vor der Stadt, sie schlug die englischen Truppen in weiteren Gefechten zurück, so dass der Weg frei wurde zur Königskrönung in Reims, einer Salbung, die Karl brauchte, um überall – auch von seinen Gegnern und Feinden – als König Frankreichs anerkannt zu werden. Weiterhin versuchte die Jungfrau, das von den Burgundern und Engländern gehaltene Paris zu erstürmen, scheiterte aber, weil die Einwohnerwehren fest zusammenrückten, um den Angriff der vermeintlichen Hexe abzuwehren (23. 8. 1429). Es folgten eine Reihe kleinerer Gefechte; schließlich wurde sie Ende Mai 1430 vor Compiègne gefangen genommen und nach einem Ketzerprozess am 31. 5. 1431 in Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. 1456 erfolgte ihre Rehabilitierung und 1920 die Heiligsprechung. Ein zutiefst erstaunliches Menschenleben also, so erstaunlich, dass noch heute nicht aufgehört wird, hinter dieser Geschichte alle möglichen Geheimnisse und Intrigen zu vermuten. War sie wirklich eine Jungfrau, war sie überhaupt eine Frau? Oder gar ein Bastard aus königlichem Haus? Hatte Isabeau von Bayern, die Gemahlin des Königs Karl VI., nicht 1407 tatsächlich einen außerehelichen Jungen zur Welt gebracht, der bald nach der Geburt verstarb, bzw. vielleicht doch gar nicht verstarb, sondern auf dem Land in Pflege gegeben wurde?14 Aber wenn dem so wäre, dann müsste Jeanne d’Arc nicht „um 1412“ geboren worden sein, 13 Hier zit. nach: Krumeich (2021), S. 74. Das gesamte Dokument ebd., S. 74f. 14 Zu dieser seit Beginn des 19. Jhds. immer wieder vorgebrachten These, zuerst aufgebracht von Caze (1819), vgl. Contamine / Bouzy / Hélary (2012), 602f.

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sondern 1407. Alle Zeitgenossen, die sie gekannt haben, sagen aber – mit einer einzigen Ausnahme –, sie sei um 1412 geboren. Wie man sich dann noch helfen kann, wenn man historisch etwas beweisen will, aber die Fakten nicht passen, haben Senzig und Meissonnier im ARTE-Film über Jeanne d’Arc aus dem Jahre 2008 gezeigt: Man fälscht Quellenaussagen, indem man, wenn in einem zeitgenössischen Bericht gesagt wird, Jeanne sei 17 Jahre alt gewesen, als sie versuchte, Paris zu erstürmen, einfach aus den 17 Jahren 27 Jahre macht.15 Zurück zur Eingangsfrage: Inwiefern war Jeanne d’Arc also eine Kriegsheldin? Das vom Glauben und ihren Visionen geführte junge Mädchen aus Lothringen wurde in kurzer Frist zu einer wahren Kriegsheldin, auch wenn sie im Verdammungsprozeß von 1431 kategorisch verneinte, sich jemals selber als „chef de guerre“ bezeichnet zu haben. Auch habe sie „niemals jemanden getötet“, so eine weitere stolze Aussage.16 Aber genau das wurde von ihren Feinden und von den Richtern im Verdammungsprozess von 1430 bestritten, denn schließlich hatte sie einen – berühmt gewordenen – Brief an die Engländer diktiert, nachdem sie in Poitiers die Prüfungen durch die geistlichen Herren bestanden hatte: König von England und Ihr, Herzog von Bedford, der Ihr Euch als Regent des Königreichs Frankreich bezeichnet, und Ihr William Pole, Graf von Suffolk, John Talbot und Ihr, Thomas Lord von Scales, die Ihr Euch Feldherren des besagten Herzogs von Bedford nennt, gebt dem König des Himmels sein Recht; übergebt der Jungfrau, die von Gott, dem König des Himmels, hierher gesandt worden ist, die Schlüssel aller guten Städte, die Ihr in Frankreich eingenommen und geschändet habt. Sie ist durch Gott hierher gekommen, um dem königlichen Blut zu seinem Recht zu verhelfen. Sie ist gern bereit, Frieden zu schließen, wenn Ihr ihrer Forderung nachkommt und Frankreich verlasst und das, was Ihr Euch angeeignet habt, zurückgebt. Und Ihr, Bogenschützen, Kriegsleute, Männer des Hofes und andere, die Ihr vor der Stadt Orleans liegt, geht im Namen Gottes in Euer Land zurück; und wenn Ihr das nicht tut, wartet auf Nachrichten von der Jungfrau, die Euch in Kürze zu Eurem großen Schaden heimsuchen wird. König von England, wenn Ihr das nicht tut, so wisset: ich bin Kriegsherr und wo immer ich Eure Leute in Frankreich finde, werde ich sie verjagen, ob sie wollen oder nicht, und wenn sie sich widersetzen, lasse ich sie alle töten. Ich bin von Gott, dem König des Himmels, hierher gesandt, um Euch Mann für Mann aus Frankreich hinauszuschlagen.17

15 Vraie Jeanne, fausse Jeanne, ARTE, 29. 03. 2008; vgl. hierzu und vielen anderen Fälschungen betr. das Alter von Jeanne d’Arc: Beaune (2008), 54ff. 16 Hierzu, mit allen Einzelbelegen: Krumeich (2011). 17 Der sog. „Engländerbrief“, hier zit. nach: Krumeich (2021), S. 78f.; der Brief wurde bereits im Prozess verlesen und findet sich sogar in zeitgenössischer deutscher Übersetzung in der sog. Windecke-Chronik. Zur Entstehung und europäischen Verbreitung dieses Briefes: meinen in FN 16 genannten Aufsatz Krumeich (2011).

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Wenn Jeanne d’Arc sich also nicht selber als „Kriegsherrin“ ansah, war sie aber nicht doch de facto eine solche? Wir wissen, dass sie in der königlichen Armee im Rang eines „capitaine“ geführt wurde, also Befehlsgewalt über ein variables Kontingent an Bewaffneten hatte und auch tatsächlich selbstständig große Einheiten von 3000 bis 4000 Mann anführte. Und nach eigener Aussage hat sie vor Orleans sogar ein großes Heer von ca. 8.000 Mann befehligt, war also faktisch zweifellos doch eine „Kriegsherrin“. Nicht von ungefähr hat die Dichterin Christine de Pizan, eine frühe Vorkämpferin für Frauenrechte, Jeanne d’Arc in ihren berühmten zeitgenössischen Versen, die einen Monat nach den Ereignissen von Orleans, also auf dem Höhepunkt der Erfolge der Jungfrau, geschrieben wurden, als „cheftaine“18, also als „Haupt-Chefin“ bezeichnet. In diesem 61 Strophen umfassenden Gedicht über Jeanne d’Arc bindet Christine de Pizan die militärischen Fähigkeiten und den Rang Jeannes in ihre Sicht der Ehre des weiblichen Geschlechts ein: 5000 Männer hätten nicht schaffen können, was die Jungfrau im Namen Gottes für Frankreich und ihren König leistete. Und weiter: Ein junges Mädchen von 16 Jahren – ist das nicht ganz übernatürlich – das das Gewicht der Waffen, die sie trägt, kaum spürt – ihre ganze Erziehung scheint nur für diese Mission angelegt gewesen zu sein, so stark und entschlossen ist sie. Und ihre Feinde fliehen vor ihr, nicht einer kann ihr widerstehen. Sie tut das so, dass alle es sehen können, und verjagt ihre Feinde aus Frankreich, erobert Festungen und Städte zurück. Sie ist der oberste Heerführer über all unsere tapferen und fähigen Männer. Weder Hektor noch Achilles hatten solche Stärke! Das hat Gott bewirkt. Er führte sie. (Vers 35f.). […] Ich habe von Esther, Judith und Deborah gehört, die Frauen von großer Bedeutung waren und durch die Gott sein Volk aus der Unterdrückung rettete, und ich habe auch von anderen tapferen Frauen gehört, die alle Heldinnen wurden, und durch die Gott viele Wunder geschehen ließ, doch die größte Heldentat vollbrachte die Jungfrau Jeanne. (Vers 38).19

Was Christine de Pizan hier in kurzer Form andeutet, hat selbstverständlich auch die anderen Zeitgenossen stark bewegt, fasziniert oder mit Abscheu erfüllt. Es gab schlicht keine historischen Vorbilder, entlang derer man erklären und einordnen konnte, was hier vor aller Augen geschah: ein junges Mädchen aus einfachem Stand verwandelte sich in eine überaus erfolgreiche militärische Führerin. Der Rückgriff auf die Tradition des Mythos der „starken Frauen“ bzw. auch der Amazonen linderte deshalb auch nicht die Erklärungsnot, in die das Phä-

18 Kontamination aus „chef“ und „capitaine“. 19 Ich folge der Übersetzung von Claudia Opitz (1996), 11–136, zit. 119f.

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nomen der Jungfrau alle Zeitgenossen – auch ihre Anhänger – brachte. Dies, obwohl die „klassischen“ Heldinnen Esther, Judith, Deborah zu den Heldinnen gehören, die auch im späten Mittelalter bekannt waren und verehrt wurden. Königin Esther aus dem „Buch Esther“ des Alten Testaments hatte geholfen, einen von den Persern geplanten Völkermord an den Juden zu verhindern – allerdings dabei nicht selber zu den Waffen gegriffen.20 Jeanne d’Arc war bei der Erstürmung der Engländer-Festungen vor Orleans im Mai 1429 nicht Oberste Kriegsherrin (das war Graf Dunois, Bastard der ‚Maison d’Orleans‘, ein Cousin des Königs). Gleichwohl waren die hohen Herren, die Ritter und Fürsten, doch gezwungen, ihrem Ratschlag zu folgen, der auch die Form von ziemlich rauh gefassten Befehlen annehmen konnte. So berichtet Jean d’Aulon, damals als einer der ehrenhaftesten Ritter berühmt und vom König als persönlicher Begleiter der Jungfrau erwählt, im Revisionsprozeß 1455 u. a.: Er sagt, dass jene Pucelle, der Marschall von Dunois, La Hire, er selbst und ihre Leute vor den Augen der Engländer ungehindert in Orleans einzogen. Weiter sagt er, dass am selben Tag nach dem Mittagessen Monseigneur de Dunois in der Herberge erschien, wo der Sprechende und besagte Jungfrau gerade gegessen hatten. Der Graf von Dunois wandte sich an sie und sagte ihr, dass ein gewisser Falstaff, Hauptmann der Feinde, in Kürze den belagernden Feinden Verstärkung und Proviant bringen werde, und der sei schon in Janville21 angekommen. Über diese Worte war die Jungfrau höchst erfreut, wie ihm schien. Sie sprach zu Herrn von Dunois etwa so: ‚Bastard, Bastard, im Namen Gottes, ich befehle dir, sobald du hörst, dass dieser Falstaff sich nähert, lass es mich wissen; denn wenn er vorbei zieht, ohne dass ich es weiß, lasse ich Dir den Kopf abreißen.‘ Worauf besagter Herr von Dunois antwortete, sie solle ganz ruhig sein, er würde es sie wissen lassen.22

Graf Dunois selber berichtete im Revisionsprozeß von ganz ähnlichen Grobheiten und dazu von Jeannes unvergleichlichem und mitreißendem Elan, weshalb die Passage über die Erstürmung der wichtigsten Engländerfestung vor Orleans, Les Tourelles, am 7. 5. 1429, hier ebenfalls kurz zitiert sei: Als Johanna ihm vorgestellt wurde, sagte sie die folgenden Worte: ‚Seid Ihr der Bastard von Orleans?‘ Er antwortete: ‚Das bin ich und ich freue mich über Euer Kommen‘. Da sagte sie zu ihm: ‚Seid Ihr es, der geraten hat, ich sollte hier an diesem Ufer des Flusses ankommen und nicht direkt dorthin gehen, wo Talbot und die anderen Engländer sind‘?

20 Das Buch Judit ist eine Erzählung aus dem Alten Testament. Judit, einer schönen jüdischen Witwe, gelingt es, in das Lager des babylonischen Unterdrückers Holofernes zu gelangen, wo sie ihm den Kopf abschlägt und damit die Truppen so verunsichert, dass sie sich zurückziehen. Deborah ist eine Gestalt aus dem 12. Jhd. v. Chr, D. war eine jüdische Prophetin, eine „Richterin“, die tatkräftig half, die Juden aus der Unterdrückung zu befreien. 21 Ein Städtchen ganz in der Nähe von Orleans. 22 Duby / Duby (1973), 157.

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Er antwortete ihr, dass er selbst und Andere, Klügere, diesen Rat gegeben hätten, in dem Glauben, damit besser und sicherer zu handeln. Da sagte Jeanne: ‚Im Namen Gottes, der Rat Unseres Herrn ist sicherer und klüger als der Eure. Ihr habt geglaubt, Ihr könntet mich täuschen, aber Ihr habt Euch selber mehr getäuscht, denn ich bringe Euch bessere Hilfe als je ein Ritter oder eine Stadt erhalten hat, denn die Hilfe kommt vom König des Himmels.‘ […]. Der Zeuge sagt weiter, dass der Wind der entgegenkam und die Boote stark behinderte, in denen der Proviant war, sich augenblicklich drehte und günstig wurde. Am 7. Mai, früh morgens, wurde Jeanne zu Beginn des Angriffs gegen das Bollwerk an der Brücke von einem Pfeil verwundet, der ihr zwischen Hals und Schulter tief ins Fleisch drang. Trotzdem kämpfte sie weiter und ließ ihre Wunde nicht behandeln. Der Angriff dauerte von morgens bis acht Uhr abends, und es gab kaum Hoffnung auf einen Sieg. Der Herr Zeuge machte sich Sorgen und wollte, dass das Heer sich zur Stadt hin zurückzöge. Da kam Jeanne zu ihm und bat, man möge noch ein wenig warten; sie schwang sich aufs Pferd und zog sich allein in einen Weinberg zurück, ein gutes Stück vom Getümmel der Männer entfernt. Dort verharrte sie im Gebet etwa eine Viertelstunde lang. Dann kehrte sie zurück, ergriff sogleich ihre Fahne, stellte sich an den Rand des Grabens, und alsbald zitterten die Engländer und gerieten in Angst, aber die Soldaten des Königs fassten neuen Mut und begannen das Bollwerk zu erklettern und anzugreifen, wobei sie auf keinen Widerstand stießen. Und so wurde das Bollwerk genommen. Die Engländer, die sich dort befanden, ergriffen die Flucht, aber sie starben alle.23

Es ist eindeutig, dass die Jungfrau ein ganz besonderes Elixier hatte. Ihr Auftreten muss ebenso natürlich wie bestimmt gewesen sein, Zweifel an der Mission wurden nicht erlaubt, bzw. wenn es denn sein musste, auch mit Wundern widerlegt – bestes Beispiel ist der sich drehende Wind von Orleans. Sie hatte einen sehr klaren Blick für militärische Konstellationen und ist wegen ihrer Begabung, im Gewirr der Entscheidungen und Wirren der Schlacht das Wesentliche zu erkennen, oft mit Napoleon verglichen worden.24 So wie später Napoleon suchte sie immer die rasche Entscheidung, auch wenn Finten nicht ausgeschlossen waren. Entscheidend war ihr Wille und Elan, der nicht nur die abgebrühtesten Ritter und deren Söldner mitzureißen vermochte, sondern auch dem Volk ungemein gefiel und die Gegner oft hilflos werden ließ. Die Fahne ergreifen, bzw. mit dem gezogenen Schwert die Abteilung anführen, Leitern an eine Stadtmauer anlegen lassen und diese als erste hochsteigen, mit dem Ruf „Folgt mir“ und mit dem Schwung eines Führers vorgehen, der sich von Gott gewollt fühlt: das war ihr Charisma und deshalb fand sie, solange sie erfolgreich war, immer mehr Anhänger. Ritter kamen mit ihren Kompanien, um bei diesen Erfolgen dabei zu sein, Bürgermilizen schlossen sich an. Im Zuge der Befreiung von Orleans und dem Weg zur Königskrönung in Reims, also zwischen Anfang Mai und Ende Juni

23 Zit. nach Duby / Duby (1973), 160f., Übersetzung stellenweise von mir korrigiert. 24 Vgl. u. a. Pernoud / Tulard (1997); Richey (2003), 73.

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1429, konnte ihr Heer auch schon einmal – wie bei der Entsetzung von Orleans – um die 8000 Mann stark sein. Zeitweilig scheint ihr dieser Erfolg auch etwas zu Kopf gestiegen zu sein, etwa wenn sie noch am Tage der Königskrönung von Reims, 17. Juli 1429, einen Brief an den Burgunderfürsten Philippe – den zumindest zweit-mächtigsten Herrscher in Frankreich – richtete mit den Worten: Fürst von Burgund, ich gebiete Euch, ich fordere, ich bitte, ich flehe … dass Ihr nicht ferner wider Frankreich, das heilige Königsland, im Streite stehet, heißt Eure Leute zur Stelle und unverzüglich aus den Städten und Burgen des besagten heiligen Reiches heimzukehren. […] Und ich tue Euch kund, durch den König des Himmels, meinen rechtmäßigen obersten Herren, zu Eurem Besten und um Eurer Ehre und Eueres Lebens willen, dass Ihr gegen die getreuen Franzosen keine Schlacht gewinnen werdet, und dass Alle, die da Krieg führen, wider das heilige Königreich Frankreich, Krieg führen wider den König Jesus, den König des Himmels und der ganzen Welt, meinen rechtmäßigen und obersten Herren […].25

Deshalb warfen ihr ihre Gegner und dann die Richter von Rouen auch Hochmut und Eitelkeit vor, was sie in ihrem Ketzerprozess in Lebensgefahr brachte. Zudem wurde ihr im Verdammungsprozess vorgeworfen, ihre Schlachten auf blutrünstige, die Regeln des Krieges missachtende grausame Weise betrieben zu haben. Beispielsweise nach der Erstürmung der Stadt Jargeau, in die sich die englischen Truppen nach der Niederlage von Orleans zurückgezogen hatten, wo sie den Bitten der Engländer um einen Waffenstillstand nicht entsprochen habe und wo deshalb über 1000 Mann von ihren entfesselten Bürgermilizen und Söldnern schlicht erschlagen worden seien. Man glaubte ihr nicht, als sie – hier einmal zögerlich – einwandte, sie habe das Massaker leider nicht verhindern können und doch sogar versucht, einige der englischen Ritter auf dem Flußweg an den wütenden Milizen vorbei in Sicherheit zu bringen.26 Aber eines ist sicher: das Schwert war ihr – wie angedeutet – eher ein symbolisches Accessoire des Voranstürmens. Nie hat die Jungfrau es zum Töten benutzt. Wie sie im Prozess selber sagte, war ihr die Fahne hundertmal lieber als ihr Schwert. Und auf diese Fahne hatte sie die Worte Jhesus Maria sticken lassen. Sie stürmte also mit Gott mit dem klar ausgesprochenen Ziel, alle Engländer aus Frankreich zu vertreiben – und dies zu einer Zeit, in der es zwar überall schon Formen des Proto-Nationalismus gab, wo aber die Internationalität von Klerus und Rittertum noch ganz unwidersprochen blieb. Noch im Jahre 1420 (9 Jahre bevor Jeanne zu ihrem Befreiungszug aufbrach), war ja, wie schon bemerkt, im Vertrag von Troyes die sog. „Doppelmonarchie“ von England und Frankreich

25 Ich zitiere nach der deutschen Übersetzung von Görres (1834), 180. 26 Näher hierzu mit den einzelnen Quellen: Krumeich (2021), S. 123–128.

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festgelegt worden – der englische König sollte qua Geblüt, Heirat und Erbrecht auch König von Frankreich sein! Es bedarf im Rahmen des hier verfolgten Themas keiner längeren Ausführungen über Gefangennahme 1430, Ketzerprozeß 1431 und Rehabilitation, die ja 1456 nach einem zweiten umfänglichen und nicht weniger als vier Jahre andauernden Kirchen-Prozess ausgesprochen wurde. Es sei nur darauf hingewiesen, dass Jeannes grausamer Feuertod auf dem Scheiterhaufen von Rouen schon von den Zeitgenossen zum Teil als christliches Martyrium gedeutet wurde. Denn wie im Revisionsprozess (1450–1456) glaubwürdig berichtet wurde, verlangte die schon an den Pfahl gebundene Heldin nach dem Kreuz, das ihr ein englischer Soldat aus einer nahen Kirche gebracht haben soll, und bereits umlodert von den Flammen des Scheiterhaufens haben mehrere Anwesende sie den Namen Jesu rufen hören, das waren ihre letzten Worte. Der bei der Hinrichtung anwesende Sekretär des englischen Königs soll nach ihrem Feuertod ausgerufen haben: „Wir sind verloren. Wir haben eine Heilige verbrannt“.27 Das Epithet „heilig“ ist in den folgenden Jahrhunderten immer wieder auf Jeanne d’Arc angewandt worden, ohne dass damit in irgendeiner Weise eine Heiligkeit im kanonischen Sinne verstanden wurde. Insbesondere in den seit dem 17. Jahrhundert überlieferten „Panégyriques“, nämlich den in der Kathedrale von Orleans jährlich am 8. Mai, dem Tag der Befreiung der Stadt durch Jeanne d’Arc, gehaltenen Festpredigten, lassen sich Bemerkungen über Jeannes „Heiligkeit“ zuhauf finden. Mitte des 17. Jahrhunderts gibt es mehrfach Charakterisierungen von Jeanne d’Arc als einer Heiligen, „une sainte fille, envoyée de Dieu“.28 Aber diese Charakterisierung war keineswegs beschränkt auf die katholische Seite – im Gegenteil! Sie wurde häufiger noch von aufklärerischen Literaten oder Philosophen verwendet. Ein Erzskeptiker wie Voltaire konnte ohne weiteres von Jeanne d’Arc als einer „sainte fille“ sprechen, die „zu den Zeiten als die Menschen ihren Befreiern noch Altäre bauten, einen solchen erhalten hätte.“29 Besonders auffallend ist, dass mit Beginn des 19. Jahrhunderts und der allmählichen Vereinnahmung Jeanne d’Arcs als französische Nationalheldin, ja, als Erschafferin der Nation Frankreich, auch die Heiligkeit gleich mit assoziiert werden konnte. Es ist wichtig zu bemerken, dass dies eine „Heiligkeit“ war, die zunächst einmal auf eher metaphorische Weise eingebracht wurde, in Ausdrücken wie „La Sainte de la Patrie“. Denn es ist allgemein beachtenswert, dass diese „Heiligkeit“ 27 So in Michelets Jeanne d’Arc. (Michelet (1974). Noch heute gehört dieser Satz zu den in Frankreich geläufigen Sentenzen: vgl. https://www.histoire-en-citations.fr/citations/nous-s ommes-perdus-nous-avons-brule-une-sainte (Zugriff 05. 11. 2018). 28 Vgl. Krumeich (1989), 108ff. 29 So im Essai sur les mœurs (1756) hier zit. nach: Lanéry d’Arc (1894), 105.

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gleichzeitig mit der Erhebung Johannas in den Stand einer Nationalheiligen geschah, ein Aspekt, der hier ein wenig erläutert werden soll: Die Heiligkeit der Nation ist ein erst mit dem 19. Jahrhundert aufkommender Topos, allmählich noch verstärkt durch die Behauptung der ganz besonderen Heiligkeit, sei es der deutschen, sei es der französischen, sei es schließlich der englischen Nation als „God’s own country“. Was Jeanne d’Arc angeht, so wurde sie im Laufe der sog. romantischen Erneuerung ihres Bildes (also ab den 1820er Jahren) entweder zum Symbol der Besonderheit der „gallischen Rasse“ oder aber als französische Variante einer europäisch oder menschheitsgeschichtlich gefassten Exzellenz gewertet. Ihre Existenz und Taten bewiesen, so konnte man etwa in den Orleaneser Festpredigten hören, die ganz besondere Liebe Gottes zur französischen Nation. Aber weit verbreitet war auch die Auffassung, dass Jeannes Heldentaten sicherlich gallischer Natur seien (insofern also eine Vorform von Asterix), aber dass sie zweifellos darüberhinausgehend große Bedeutung hätten. Jeanne d’Arc, so hieß es vor allem auf konservativer Seite, sei eine echt europäische Gestalt, oder auch, unabhängig von ihrer Herkunft aus Frankreich, eine Heldin universalen Zuschnitts. Im Kern findet sich hier also die Differenz zwischen inklusivem und exklusiven Nationalismus wieder, die in der Forschung ja alles andere als unumstritten ist, die man aber auch am Helden-Topos ausgiebig exemplifizieren und studieren könnte.30 Die Nationalisierung von Jeanne d’Arc begann zaghaft mit der französischen Revolution, die ja nicht zuletzt eine Revolution des als „Nation“ konstituierten Dritten Standes, nämlich des Bürgertums gewesen war. Zwar haben die Revolutionäre von 1789 keinen regelrechten Jeanne-Kult entwickeln können – zu sehr stand in der Erinnerung der Revolutionäre die Heldin bei aller Bewunderung für ihre „patriotischen“ Taten wohl noch als Vertreterin der verhassten Monarchie. Diese Ambivalenz tritt in der bizarren Tatsache zutage, dass einerseits die JeanneStatue in Orleans eingeschmolzen wurde, um aus dem Eisen Kanonen und Kugeln zu gießen – dass aber andererseits in eine dieser Kanonen auf Wunsch der Nationalversammlung der Name der Jungfrau eingraviert wurde.31 Und Napoleon, auch hier wie so oft am Puls des Volkes, befahl 1803, die Quellen ihrer Geschichte zu sammeln mit der Begründung: Die berühmte Jeanne d’Arc hat bewiesen, dass es kein Wunder gibt, das der französische Genius nicht zu vollbringen vermöchte, wenn die nationale Unabhängigkeit gefährdet ist. Wenn sie vereint war, dann ist die französische Nation noch nie besiegt worden.32 30 Vgl. hierzu insgesamt: Jeismann (1992); Beaune (1986). 31 Lanéry d’Arc (1894), 612. 32 Hier zit. nach: Krumeich (1989), 31, ebd. 32 ein Faksimile des entsprechenden Erlasses von 1803.

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Jeanne d’Arc war somit also auch offiziell als Nationalheldin anerkannt, und in den folgenden Jahrzehnten kam es zu einer Flut von Feiern und Veröffentlichungen. Um l860 dann nahm die Jungfrau einen zentralen Platz in der Nationalgeschichtsschreibung ein. Bemerkenswert ist, dass auch die sich in jener Zeit erst langsam zu Fachwissenschaftlern entwickelnde historische Zunft sich diesem ihr neuen Sujet mit ungeheurer, oft tränenreicher Emotion und Emphase widmete. So beispielsweise, wenn der heute noch hochgeschätzte erste Herausgeber ihrer Prozesse und anderer zeitgenössischer Schriftstücke, der Chartist Jules Quicherat, berühmt-berüchtigt als antiklerikaler „Freigeist“, in der Einleitung zu seiner großen Edition der Prozesse Jeanne d’Arcs schrieb: Die Heilige des Mittelalters, die das Mittelalter verstoßen hat, muss die Heilige der Moderne werden. Durch ihren Tod hat sie sich zu Gefühlen bekannt, für die es auch heute noch Märtyrer geben sollte. Aus den untersten Volksschichten hervorgegangen, hat sie nicht die eigene Person in den Vordergrund gestellt, sondern die Aufgabe, die sie nicht sich selber zuzuschreiben wagte, nämlich ein großes Volk, das darniederlag, wieder aufzurichten.33

Jules Michelet wiederum, der größte der Nationalhistoriker Frankreichs, hat ab den 1830er Jahren eine Jeanne d’Arc geschaffen, die noch heute die französischen Schulbücher beherrscht. Jeanne d’Arc, das einfache Mädchen aus dem Volk, das zur Kriegsheldin wird und als Märtyrerin endet, war für ihn der Prototyp des heiligen Nationalhelden. So schrieb er zum Abschluss seiner Darstellung der Geschichte Jeanne d’Arcs: Ihr leiderfülltes Ende gemahnte das Volk an die Passion Christi und ließ die von allen bewunderte Heldin zur Heiligen werden (!). Die frommen Tränen der Jungfrau bedeuten die Wiederherstellung Frankreichs. Auf dem Scheiterhaufen von Rouen endete das Mittelalter und begann die Neuzeit. Jeanne d’Arc ist die letzte Märtyrerin und zugleich die erste Patriotin.34

Dabei war Michelet alles andere als ein gläubiger Christ. Es gab keine Vorlesung oder Unterrichtsstunde, in der er nicht die Peitsche gegen die klerikale „Reaktion“ schwang – wie so viele bürgerliche Historiker seiner und der folgenden Generation. Hierdurch ergab sich auch quasi als Standard der „aufgeklärten“ Erzählung der französischen Nationalgeschichte, die „Heiligkeit“ der Jungfrau gerade aus ihrem Leiden an den dunklen Mächten der Kirche und des feudalen Staates abzuleiten. Pars pro toto sei hier eine Passage aus Theophile Lavallées Histoire de France zitiert, eines heute vollkommen vergessenen Autors, der aber

33 Quicherat (1850), 166f. 34 Michelet (1974), 300f.

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zwischen 1850 und 1880 der zweifellos meistverbreitete französische Nationalhistoriker war:35 Das heilige Mädchen hatte dem Volk gezeigt, was es war, es hatte in ihm das heilige Feuer entzündet. Sie hatte es Leid, Hingabe und Tod für die Heimat gelehrt. Sie selbst ist die Verkörperung Frankreichs! …. Dieses Epos von 15 Monaten kann man kaum erzählen, ohne von der Begeisterung des Jahrhunderts mitgerissen zu werden, das jene edle Gestalt sah, ohne einen Fußfall vor diesem Engel zu machen, ohne sich empört aufzulehnen gegen die hohen Herren, die sie verrieten, den König, der sie im Stich ließ und die so moralisch verkommene geistliche Gewalt, welche nicht in der Lage war, der Märtyrerin des Vaterlandes Altäre zu errichten und die Patronin Frankreichs in die Reihe ihrer Heiligen aufzunehmen.36

Diese Sätze sind 1855 veröffentlicht worden, und wenige Jahre später geschah genau das, was Lavallée rhetorisch beklagt hatte: Die offizielle Kirche kam – ziemlich unvermutet – auf die Idee, dass Jeanne nicht nur metaphorisch als „Heilige“ zu bezeichnen sei, sondern dass die Kriegsheldin Frankreichs vielleicht sogar zu einer Heiligen der Katholischen Kirche werden, dass sie also regelgerecht heiliggesprochen werden könne. Die Idee der Heiligsprechung Jeanne d’Arcs stammt von Bischof Felix Dupanloup, seit 1849 Bischof der Diözese Orleans. Er deutete sein Vorhaben bereits 1855 bei einer Festpredigt zum 8. Mai, dem Jahrestag der Befreiung von Orleans durch Jeanne d’Arc, an: „In ihrer ganzen Lebensführung war Jeanne eine Heilige, und durch ihren Tod ist sie zur Märtyrerin geworden, eine Märtyrerin aus Vaterlandsliebe und aus dem Glauben an den, der sie gesandt hat, um Frankreich zu retten.“37 Bischof Dupanloup war ein Mann der Tat und in den folgenden Jahren ließ er sich auch von dem katholischen Historiker Henri Wallon beraten, der selber 1860 eine zweibändige Geschichte der Jungfrau geschrieben hatte, ein Werk, das noch heute die katholische Tradition der Jeanne d’Arc Historiographie in Frankreich beherrscht.38 Es gelang Dupanloup auch, die übrigen französischen Bischöfe von der kanonischen und kirchenpolitischen Nützlichkeit einer solchen Initiative zu überzeugen, die schließlich 1869 mit einer formellen Bitte der französischen Bischöfe an den Heiligen Stuhl endete, den Heiligsprechungsprozess in Gang zu setzen. Interessant ist das von Dupanloup verfasste Begleitschreiben an den Papst:

35 36 37 38

Zu Lavallée vgl. Voss (1972), 352f. Lavallée (1838), Bd. 2, 151. Vgl. zu Dupanloup und zum Panégyrique von 1855: Krumeich (1989), 133ff. Zu Wallon: Krumeich (1989), 146f., vgl. auch: Ambrogi / Le Tourneau (2017), 1954f.

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Darf ich sagen, Heiligster Vater, dass in Frankreich und überall sonst nichts populärer sein würde [als eine Heiligsprechung Jeanne d’Arcs]? Darüber hinaus wäre ein solcher Schritt unter den aktuellen Umständen äußerst opportun und würde dem Heiligen Stuhl und der Kirche selber zur Ehre gereichen […]. Viele Leute, die das Unglück unserer Zeit von der Kirche weggeführt hat, würden sich veranlasst sehen, die christliche Heiligkeit in den [patriotischen] Tugenden wiederzufinden, die sie bewundern. Und schließlich, Heiligster Vater, würde der Heilige Stuhl hierdurch in Frankreich und in der ganzen Welt sicherlich an Popularität gewinnen.39

Tatsächlich wurde 1874 dieses Begehren der Bischöfe Frankreichs vom Vatikan angenommen, und es begann der – in diesem Fall sehr langwierige – Prozess der Untersuchung der „causa“. Ohne hierauf im Einzelnen einzugehen, seien nur knapp die Hauptprobleme und Etappen genannt, wobei hier die drei Phasen der Kanonisierung zusammenfasst werden, nämlich die Feststellung des Status einer „verehrenswerten Person“ (venerabilis-Dekret, 1894), die Seligsprechung (Beatifikation, 1909) und schließlich die Heiligsprechung, die Kanonisierung, im Jahre 1920. Das Wichtigste war herauszufinden, ob Jeanne d’Arc, wie es für eine Heiligsprechung zwingend ist, niemals im Glauben schwankend geworden war. Nun ist ja kaum eine konstantere Glaubensüberzeugung denkbar als bei der Jungfrau von Orleans, aber es gab und gibt ein großes Problem: hatte sie doch nachweislich am Ende des Prozesses ihren vorgeblich häretischen Überzeugungen und Gesichten abgeschworen. Diese Fehlstelle hat die Kirche und die historische Wissenschaft jahrzehntelang beschäftigt und wird noch in den heutigen Darstellungen ihres Lebens und Sterbens ganz kontrovers behandelt.40 Dann bestand weiterhin das Problem, dass eine Heilige niemals grausam gewesen sein darf oder gar mordlustig. Genau das aber war ihr im Verdammungsprozeß besonders vorgeworfen worden. Hier konnten sich die Verantwortlichen des Kanonisierungsprozesses – der ‚Promotor fidei‘ und der ‚Promotor causae‘ – aber auf die Akten des Revisionsprozesses berufen, die eben das verneint (bzw. verschwiegen) hatten: Jeanne als Kriegsheldin hatte ja nie jemanden getötet. Sie soll sogar, wie im Revisionsprozess ausgesagt worden war, angesichts der Leiche eines gefallenen englischen Soldaten in Tränen ausgebrochen sein. Andererseits war und ist aber nicht zu bestreiten, dass sie ihre Soldaten zum Losstürmen aufgefordert und gesagt hatte, dass man nur mit gezücktem Schwert siegen könne. Aber diese Fakten wurden im Heiligsprechungsprozess schließlich beiseitegelassen. Auch ein dritter Punkt ist wichtig: Wer heilig gesprochen werden soll, muss mindestens zwei Wunder bewirkt haben: Diese fand man nach langem Suchen 39 Nach dem Archiv Dupanloup, zit. bei Krumeich (1989), 154 (Übersetzung ebd. 258). 40 Vgl. dazu: Krumeich (2014), 75–86.

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und vielen Befragungen: das erste Wunder war das Kind, das quasi totgeboren war und das die Jungfrau auf Bitten der Mutter berührt hatte, und welches dann rosig wurde, atmete und kurz darauf getauft im Herrn entschlief.41 Das zweite Wunder war noch schwieriger zu finden. War der sich plötzlich drehende Wind bei der Entsetzung von Orleans ein echtes Wunder? Oder eher ihre Voraussage, dass binnen sieben Jahren die Engländer aus Frankreich herausgetrieben sein würden? Man entschloss sich schließlich, auf die Suche nach Menschen zu gehen, die der Überzeugung waren, durch eine Fürsprache Johannas von ihren Krankheiten geheilt worden zu sein. Selbstverständlich fand man diese zwei Personen, und die ‚causa‘ der Heiligsprechung war damit vorerst gerettet. 1909 wurde Jeanne dann schließlich mit großen Feierlichkeiten seliggesprochen. Aber Papst Pius X. war im Grunde gegen die Heiligsprechung und nicht überzeugt von der Stichhaltigkeit der zwei Wundertaten der Jungfrau. 1914 wurde das Verfahren wieder unterbrochen, denn der Vatikan wollte in Kriegszeiten keine besondere Präferenz für Frankreich zeigen. Aber sein Nachfolger Benedikt XV. nahm die Fühler auf, die ihm die Französische Republik, die doch 1907 die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan abgebrochen hatte, im Krieg entgegenstreckte. Ab 1919 wurde der Kanonisierungsprozeß schließlich ganz zielstrebig als Unterpfand der Versöhnung von Heiligem Stuhl und laizistischer Republik wieder weitergeführt und bald darauf abgeschlossen. Im Mai 1920 erfolgte die Heiligsprechung und seitdem ist Jeanne d’Arc eine Heilige der Katholischen Kirche. Durch die Heiligsprechung hat es eine Art Gestaltwandel der Jungfrau gegeben. Seit den 1920er Jahren ist sie in der Literatur fast keine Kriegsheldin mehr, auch nicht mehr so politisch kontrovers, wie sie es im 19. Jahrhundert gewesen war. Nun wurde sie vor allem der unter der Brutalität der Mächtigen leidende Mensch (Dreyer, Bernanos) oder das sich verzweifelt gegen die Ausbeutung durch die Mächtigen und Reichen wehrende einfache Volk (Brecht) oder schließlich ein ganz außergewöhnlich kluger Mensch, der sich auch durch die List und Tücke der Großen Herren nicht einschüchtern lässt (Shaw). Das früher so stark beachtete und kontrovers diskutierte Thema der Kriegsheldin Jeanne d’Arc wird nur noch in den großen Jeanne-Filmen, von Bresson (1962) über Jacques Rivette (1993) und Luc Besson (1999) evoziert, wo sie eine mehr oder weniger erfolgreiche Schlachtenlenkerin mit mehr oder weniger gut gelungener Staffage ist.42 Das Thema der Heiligkeit hingegen ist aus unserem zeitgenössischen Diskurs über die Jungfrau von Orleans zur Gänze verschwun41 Die Geschichte des „enfant de Lagny“ spielt im Verdammungsprozess in der Jeanne-Literatur eine große Rolle, vgl. den umfangreichen Eintrag „Lagny“ in: Ambrogi / Le Tourneau (2017), mit der Forschungsliteratur. 42 Vgl. die substantielle „Filmographie“ von Olivier Bouzy, in: Contamine / Bouzy / Helary (2012), 1153–1165.

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den. Deshalb mag es nützlich sein, sich der Dimension der gesteigerten Menschlichkeit und Hingabe dieser so außergewöhnlichen Gestalt der Geschichte der Menschheit wieder neu zu vergewissern.

Forschungsliteratur Ambrogi, Pascal-Raphael / Dominique Le Tourneau (Hgg.), Dictionnaire encyclopédique de Jeanne d’Arc, Paris: Groupe Elidia 2017. Beaune, Colette, Naissance de la Nation France, Paris: Gallimard 1986. Beaune, Colette, Jeanne d’Arc, Paris: Librairie Académique Perrin 2004. Caze, Pierre, La vérité sur Jeanne d’Arc, Paris: Rosa 1819. Contamine, Philippe / Olivier Bouzy / Xavier Hélary (Hgg.), Jeanne d’Arc. Histoire et Dictionnaire, Paris: Laffont 2012. Duby, Georges / Duby, Andrée, Les Procès de Jeanne d’Arc, Paris: Gallimard 1973; von diesem Werk gibt es auch eine deutsche Übersetzung: Duby, Georges und Andrée, Die Prozesse der Jeanne d’Arc, aus dem Französischen von Eva Moldenhauer, Berlin: Wagenbachs Taschenbücher 129, 1985. Görres, Guido, Die Jungfrau von Orleans, Regensburg: Pustet 1834. Hümmeler, Heinrich, Helden und Heilige, Erster Band. Januar bis Juli, Siegburg: Verlag Haus Michaelsberg 1948. Jeismann, Michael, Das Vaterland der Feinde. Studien zum nationalen Feindbegriff und Selbstverständnis in Deutschland und Frankreich 1792–1918, Stuttgart: Klett-Cotta 1992. Krumeich, Gerd, Jeanne d’Arc in der Geschichte. Historiographie – Politik – Kultur, Sigmaringen: Thorbecke 1989. Krumeich, Gerd, „Auf dem Weg zum Volkskrieg? Jeanne d’Arc als ‚chef de guerre‘“, in: Klaus Latzel / Franka Maubach / Silke Satjukow (Hgg.): Soldatinnen. Gewalt und Geschlecht im Krieg vom Mittelalter bis heute, Paderborn (u. a.): Schöningh 2011, 113–128. Krumeich, Gerd, Jeanne d’Arc en vérité, Paris: Tallandier 2012. Krumeich, Gerd, „La date de la naissance de Jeanne d’Arc“, in: Catherine Guyon / Magali Delavenne (Hgg.): De Domrémy à Tokyo: Jeanne d’Arc et la Lorraine, Nancy: Presses universitaires de Nancy 2013, 21–32. Krumeich, Gerd, „La guerre des cédules. Le problème de l’abjuration de Jeanne d’Arc“, in: Jean-Patrice Boudet / Xavier Hélary (Hgg.): Jeanne d’Arc. Histoire et mythes, Rennes: Presses Universitaires de Rennes 2014, 75–86. Krumeich, Gerd, Jeanne d’Arc. Seherin, Kriegerin, Heilige. Eine Biographie, München: C. H. Beck, 2021. Lanéry d’Arc, Pierre, Le live d’Or de Jeanne d’Arc, Paris: Librairie Techener 1894. Lavallée, Théophile, Histoire des Français, Paulin et Hetzel (Ed.), 2. Band, Paris: Charpentier 1838. Michelet, Jules, Jeanne d’Arc et autres textes, hg. Von Paul Viallaneix, Paris: Folio 1974. Müller, Heribert, „Die Befreiung von Orléans (8. Mai 1429). Zur Bedeutung der Jeanne d’Arc für die Geschichte Frankreichs“, in: Wolfgang Krieger (Hg.): Und keine Schlacht bei Marathon. Große Ereignisse und Mythen der europäischen Geschichte, Stuttgart: Klett Cotta 2005, 114–146.

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Müller, Heribert, „Jeanne d’Arc“, in: Johannes Fried / Olaf B. Rader (Hgg.): Die Welt des Mittelalters. Erinnerungsorte eines Jahrtausends, München: Beck 2011, 276–291 u. 511– 515. Opitz, Claudia, „Eine Heldin des weiblichen Geschlechts. Zum Bild der Jeanne d’Arc in der frühneuzeitlichen querelle des femmes“, in: Hedwig Röckelein / Charlotte SchoellGlass / Maria E. Müller (Hgg.): Jeanne d’Arc. Oder wie Geschichte eine Figur konstruiert, Band 4, Freiburg / Basel / Wien: Herder (Frauen-Kultur-Geschichte) 1996, 111–136. Pernoud, Régine / Jean Tulard, Jeanne d’Arc Napoléon. Le paradoxe du biographe, Paris: Editions du Rocher 1997. Quicherat, Jules, Aperçus nouveaux sur l’Histoire de Jeanne d’Arc, Paris: Hachette Livre BNF, 1850. Richey, Stephen W., Joan of Arc. The Warrior Saint, London: Praeger 2003. Sieger, Marcus, Die Heiligsprechung. Geschichte und heutige Rechtslage, Würzburg: Echter 1995. Viallaneix, Paul (Hg.), Jules Michelet, Jeanne d’Arc et autres textes, Paris: Folio, 1974. Voltaire, Essai sur les mœurs (1756), hier zit. nach Lanéry d’Arc, Pierre, Le livre d’Or de Jeanne d’Arc, Paris: Librairie Techener 1894. Voss, Jürgen, Das Mittelalter im historischen Denken Frankreichs, München: Fink 1972. Winock, Michel, „Jeanne d’Arc“, in: Pierre Nora (Hg.), Les Lieux de Mémoire, 3. Band, Paris: Gallimard 1992, 675–733.

Online Quellen Vraie Jeanne, fausse Jeanne, Histoire, ARTE, 29. 3. 2008, online verfügbar unter: https://bou tique.arte.tv/detail/vraiejeannefaussejeanne. L’histoire en Citations, „Nous sommes perdus, nous avons brûlé une sainte.“ https:// www.histoire-en-citations.fr/citations/nous-sommes-perdus-nous-avons-brule-une-sa inte (Zugriff 05. 11. 2018).

Bernd Roling (Berlin)

Die barocke schwedische Heroin in Theorie und Praxis: Prinzessin Disa auf der Bühne

I.

Einleitung

Wie akademische Theorie und ästhetische Praxis im Konzept des Heldentums ineinandergreifen konnten, ist für die Universitätskultur der Frühen Neuzeit bisher noch wenig gefragt worden, obgleich Philosophen und Schriftsteller, Ethiker und Bühnenautoren im 17. Jahrhundert oft nicht nur im gleichen Sozialgefüge agierten, sondern nicht selten auch persönlich identisch waren. Wie sich theoretische Durchdringung und mediale Umsetzung der Heldin miteinander verbinden konnten, soll hier im Folgenden eine Fallstudie zeigen, ein Beispiel, das im Milieu der barocken schwedischen Universitäten im 17. Jahrhundert angesiedelt ist. Protestantische Theoretiker des Heldentums und der Heldin im Besonderen hatten hier ebenso ein Zuhause, wie die Sehnsucht nach nationaler Überhöhung, die nach Heldinnen und Helden verlangte und akademisch befriedigt werden wollte. Hinzu kam jedoch eine außerordentlich lebendige Theaterkultur, die auf beide Bedürfnisse eingehen und der Theorie die notwendige Konkretisierung verleihen konnte. Der erste Teil dieses Beitrags wird mit den theoretischen Grundlagen des Heldentums vertraut machen, wie sie in der barocken Schulphilosophie in Skandinavien gelegt worden waren. Sein zweiter Teil befasst sich mit der theatralischen Umsetzung dieser Konzeption und wird vor allem versuchen, sie an einer Bühnenfigur nachvollziehbar werden zu lassen, der Gestalt der schwedischen Prinzessin Disa, der in Schweden im 17. Jahrhundert gleich mehrere Theaterstücke Rechnung getragen hatten.

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II.

Bernd Roling

Grundlagen des Heldentums: die virtus heroica an den schwedischen Universitäten

Seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert hatten sich die lutherschen Ethiker im Netzwerk der mitteldeutschen und skandinavischen Universitäten um eine Terminierung des Heldentums bemüht. Im Zentrum stand hier die heroische Tugend, die ‚virtus heroica‘, deren Natur mit Hilfe der aristotelischen ‚Ethik‘ bestimmt wurde. Wer ein Held war, musste im Besitz der heroischen Tugend sein.1 Von Jena, Wittenberg, Altdorf oder Rostock gelangte die Frage nach dem Heldentum, wie Risto Saarinen hat zeigen können, Schritt für Schritt auch an die schwedischen Universitäten, nach Uppsala, Lund, Turku, Dorpat oder Greifswald, wo sie nicht minder konsequent debattiert wurde.2 Moralphilosophen wie Balthasar Keckermann, Martin Wendelin, Adrian Heereboord oder Francesco Piccolomini, die auch in Schweden eifrig gelesen wurden, hatten das Konzept des Helden geprägt. Der Held war, so die allgemeine an Aristoteles ausgerichtete Definition, ein mit göttlicher Gnade begabter Mensch, der über einen besonderen Habitus verfügte, einen Habitus, der ihn in die Lage versetzte, Aufgabe zu bewältigen, die über das gewöhnliche Maß weit hinausgingen und die er zum Nutzen aller vollbrachte.3 Für die protestantischen Ethiker lag die Letztbegründung dieses Habitus in Gott, der den heldenhaften Menschen in einem besonderen ‚afflatus‘, einer Eingebung, über die übrigen Mitglieder einer Gemeinschaft hinaushob. Gott sorgte dafür, dass der Held in seiner besonderen Tapferkeit, seiner Unerschrockenheit und Gradlinigkeit zum Vorbild aller Menschen werden konnte. Seine Rolle war also zuvorderst eine soziale, sein Rang darin begründet, dass er die Tugend exemplarisch manifestierte, indem er sie übererfüllte.4 Mit dem Anforderungskatalog an den Helden verband sich im 16. und 17. Jahrhundert jedoch auch eine physiologische Komponente, ja für die Ethiker wie Keckermann oder Adrian Heereboord war dieses körperliche Element mindestens ebenso wichtig wie das Moment der Gnade. Das Mehr an Tugend, an Tapferkeit oder Großherzigkeit, das den Helden auszeichnete, ging einher mit einer besonderen körperlichen Konstitution, einem Gleichgewicht der Körpersäfte, einer idealen Eukrasie, die den Heroen auch organisch für seine Aufgaben 1 Zum Konzept der heroischen Tugend im Protestantismus allgemein Saarinen (1990), 96–114, Saarinen (1996), 450–463, in katholischer Perspektive Hofmann (1933), dort bes. 30–112, und besonders Disselkamp (2002), 24–54, der als einziger den Bezug zum barocken Theater herstellt. 2 Saarinen 2001, 129–138. 3 Aristoteles (1988), 1145a, 15–20. Lateinisch als Aristoteles latinus (1973), Liber VII, c. 1, 494. 4 Keckermann (1619), Liber III, c. 5, 344–357; Piccolomini (1601), Pars I, gradus VI, c. 1–23, 529– 572; Wendelin (1654), Liber I, c. 3, §§ 1–22, 99–110.

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qualifizierte.5 Hinzu kamen, so der Konsens, eine solide Erziehung, die gleichsam für die Heldenrolle die Grundlage legte, eine natürliche ‚constantia‘, und schließlich jenes Maß an Glück, das einen Caesar zum Beispiel oder einen Alexander von seinem Umfeld abheben musste. Nie ganz klar war, ob die körperlichen Eigenschaften zum Ende Konsequenz des Heldentums waren und sich aus der göttlichen Gnade heraus gleichsam automatisch einstellten, oder ob sie nur die Vorbedingungen lieferten, aus denen die Blume des Heldentums sprießen durfte.6 Das Heldentum hatte nicht nur eine klar bestimmbare Ursache, Gott und eine ideale Physis, sondern es erfüllte für die Philosophen auch einen fest umrissenen Zweck. Der Held erfüllte, wie schon angedeutet, den göttlichen Normenkatalog in übergroßem Maße und dokumentierte seiner Umwelt auf diese Weise, dass die Tugend von jedem Menschen erreicht werden konnte. Helden traten daher, wie man glaubte, in Erscheinung, wenn ein Gemeinwesen in Gefahr war und es eines kollektiven Vorbildes bedurfte. Die Geschichte konnte dieses Heldentum im Anschluss verifizieren. Hatte sich das Gemeinwesen nicht zum Besseren gewendet, hatte sich der Held gleichsam demaskiert. Wie die übrigen Produkte der Gnade musste sich der Held an seinen Früchten erkennen lassen.7 Wichtig für die theoretische Grundierung der Heldin ist natürlich die Frage, ob jeder ein Held sein konnte, oder ob, noch konkreter gefragt, in den Augen der barocken Moralphilosophen auch Frauen diese vergleichsweise eng umrissene Rolle ausfüllen konnten? Auf den ersten Blick war der Held eher von aristokratischer Abkunft, als dass er aus dem einfachen Volk hervorging, er war erwachsen und darüber hinaus eher männlich als weiblich.8 Aristoteles, dessen heroische Tugend Fundament aller Überlegungen sein musste, hatte in seiner Politik Zweifel daran geäußert, ob Frauen überhaupt für das Heldentum in Frage kamen, denn ihre mangelnde physische ‚constantia‘, das Fehlen von Beharrlichkeit und ihr fragiles Temperament schienen sie als mögliche Heldin zu disqualifizieren.9 Schon Piccolomini aber, und andere seiner Zeitgenossen hatten dem Stagiriten hier widersprochen. Wenn die Gnade Gottes die Hauptursache des Heldentums war, konnte sie nicht an ein Geschlecht gebunden sein. Zum zweiten war eine Frau, wie das Beispiel der Medea zeigte, zur völligen Degeneration imstande, zum Gegenteil des Heldentums, das Aristoteles als feritas, als völlig Barbarei um5 Keckermann (1619), Liber III, c. 5, § 3, 345f.; oder z. B. Isendoorn (1659), Liber II, c. 19, 375. 6 Pichler/Reuter (1650), § 11, fol. A3v–A4v, oder Schultz/Schubart (1674), q. 5, fol. B2rf. 7 Heider (1629), Pars II, Divisio III, 415f.; Pichler/Reuter (1650), § 19, fol. B2r, und z. B. Lang/ Allgöwer (1700), c. 1, §§ 14–15, 10f. 8 Hierzu unter vielen mitteldeutschen Arbeiten zum Thema z. B. Hillischer/Schütze (1683), § fol. B2rf.; Wendeler/Rinckhammer (1662), q. 12, §§ 64–67, fol. C2rf. 9 Aristoteles (1964), 1259b, 10–16. Auch lateinisch als Aristoteles latinus (1562–74), Bd. 3, Liber I, c. 3, 228b.

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schrieben hatte; sie musste also auch zur Heldin geeignet sein. Biblische Heldinnen wie Judith oder Esther konnten dies, wie man glaubte, hinreichend unter Beweis stellen.10 In Schweden waren diese Überlegungen der lutheranischen Ethik auf fruchtbaren Boden gefallen und in eigenen Arbeiten, vor allem in Gestalt von Universitätsdisputationen, verhandelt worden, die vom 17. bis zum beginnenden 18. Jahrhundert in Uppsala, Turku oder Dorpat zu diesem Thema abgehalten worden waren. Unter ihren Betreuern finden sich große Figuren der Zeit, unter ihnen Haquin Spegel, der spätere Erzbischof von Uppsala und bekannte Bibeldichter, aber auch Männer wie Anders Nordenhielm, Johann Upmarck, Hemming Forelius oder Johann Ihre, sie alle Professoren für Rhetorik oder Geschichte und wichtige Intellektuelle ihrer Zeit. Das Thema erfreute sich in Schweden erstaunlicher Beliebtheit, sicher auch, weil es den jungen Respondenten die Gelegenheit gab, ihre rhetorischen Fähigkeiten unter Zuhilfenahme der üblichen klassischen Beispiele unter Beweis zu stellen. Die Thesen sind nicht immer wirklich originell, doch dokumentieren sie, dass Heldentum in Schweden nicht weniger gründlich definiert werden wollte als im lutheranischen Kontinentaleuropa.11 Auch für einen Gelehrten wie Nordenhielm, der an der Erziehung des jungen Karl XII. erheblichen Anteil hatte, oder Forelius zeichnet sich der Held durch die richtige Kombination von Gnade, Glück und Natur aus, durch eine ideale körperliche Verfassung und den gottgesandten Mehrwert, die außergewöhnliche Ausfaltung einer Tugend, die allein Gott in seiner Gnade ermöglichen konnte.12 Aristoteles blieb auch in Schweden der Gewährsmann für die Definition des Heldentums. Es war eine Kette von ungewöhnlichen Eigenschaften, die den Helden darüber hinaus begleiten sollte, eine überdurchschnittliche Geistesgegenwart und ein besonderer ‚vigor‘, eine ‚ignea velocitas‘, wie es Forelius formuliert, die im Kriegsfall zur Durchsetzungsstärke führte.13 Vorangegangen war auch für Nordenhielm oder Forelius beim Helden eine solide Erziehung, teils durch aristokratischen Hintergrund, teils, was in Schweden häufiger erwähnt wurde als in Mitteleuropa, durch besondere Formen der körperlichen Ertüchtigung, unter denen die Jagd an erster Stelle zu nennen war.14 Helden traten, wie 10 Piccolomini (1601), 545f., oder Pichler/Reuter (1650), q. 4, fol. B4v; Hillischer/Schütze (1683), § 10, fol. B2r–B3r, oder noch Schottel (1669), Liber III, c. 18, 586. Skeptischer ist z. B. Prückner (1664), c. 19, § 3, 103. 11 Neben den im Weiteren nicht zitierten Arbeiten z. B. Lidenius/Alinus (1655), passim, Sjoeberg/Ramnelius (1694), passim, Ihre/Juringius (1770), passim. 12 Nordenhielm/Clewberg (1685), c. 1, 3f.; Forelius/Barchius (1698), 16f. 13 Forelius/Barchius (1698), 6f. 14 Ebd., S. 39f., Nordenhielm/Rudbeck (1675), c. 2, §§ 9–10, fol. B2rf. Zur Jagd als Tugendschule in Schweden z. B. auch Törner/Burman (1719), passim.

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auch Nordenhielm vermerkt, in der Regel in gesellschaftlichen Krisensituationen in Erscheinung, denn ihre letzte Existenz verdankten sie Gott, der sie zum Nutzen aller ins Leben rief.15 Glaubte man Johann Upmarck, so war ein weiteres wichtiges Merkmal des Helden die ‚prudentia‘, eine praktische Lebensklugheit. Der Held erkannte die Situation und die Gefahren, die sie mit sich brachten, intuitiv, und es gelang ihm sofort, seine Schlüsse daraus zu ziehen und als Führungspersönlichkeit hervorzutreten.16 Caesar oder Alexander hatten dieses Ensemble an Gaben besessen, aber auch Gustaf Adolf und natürlich Karl XII.17 Zu den moralischen Qualitäten, die sich mit dem Besitz der ‚virtus heroica‘ verbanden und das spezifische Mehr des Heldentums charakterisierten, kam auch in den Augen der schwedischen Gelehrten die besondere körperliche Veranlagung, das optimale ‚temperamentum‘. Nordenhielm und Upmarck kommen darin überein, dass ein ideales Gleichgewicht der Säfte unabdingbar war, ein Gleichgewicht, so Nordenhielm, das dem Helden einen wohlgeformten Körper verlieh, ja sogar einen Wohlgeruch, der seinen Leib durchgehend umwehen konnte. Die richtige Konstellation bei der Geburt, aber auch eine ausgewogene Diät konnte einem solchen idealen Körper, der diese Qualitäten auf sich vereinigen konnte, Vorschub leisten.18 Die Frage ist natürlich, ob auch Frauen in Frage kamen. Nordenhielm gesteht zwar zu, dass Frauen in ihrer Körpernatur leichter anfechtbar waren als Männer, also die erforderliche Synkrasie oft nicht besaßen. Richtige Erziehung musste ihrem Heldentum jedoch ebenso vorarbeiten können, wie sie, wie die Erfahrung zeigt, über natürliche Klugheit verfügten und Geistesgegenwart. Gott konnte ihnen also mit gleichen Recht die ‚virtus heroica‘ zugestehen wie den Männern.19 Haquin Spegel nennt in seiner Arbeit zur heroischen Tugend aus dem Jahre 1669 sogleich eine ganze Reihe von bekannten skandinavischen Heroinen, Königin Margarethe von Dänemark, die vor einigen Jahren verstorbene Christine von Schweden, aber auch, was auf den ersten Blick vielleicht verblüfft, die Amazonenkönigin Penthesilea.20

15 Nordenhielm/Clewberg (1685), c. 5, 39–41. 16 Upmarck/Palmstierna (1715), c. 1, § 7, 18f., § 11, 36f. 17 Forelius/Barchius (1698), 32–34, Upmarck/Palmstierna (1715), c. 1, § 22, 48–52, c. 2, § 6, 68– 71. 18 Nordenhielm/Clewberg (1685), c. 4, 28f., Forelius/Barchius (1698), 46–48. 19 Nordenhielm/Clewberg (1685), c. 4, 23f. 20 Spegel/Elfvedalius (1669), § 11, fol. B3r. Das Beispiel der Margartha von Dänemark stammte wohl vom Dänen Bartholin (1630), c. 9, 210.

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III.

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Archetypen der schwedischen Heldin: Amazonen und die Frauen von Småland

Um die Bemerkung Spegels, den Bezug auf die Amazonin als vollkommene schwedische Heldin zu verstehen, müssen wir uns eine besondere Eigenheit der schwedischen Nationalmythologie in Erinnerung rufen. Schwedens heldenhafte Frauen hatten einen historischen Archetyp, der sie aus der griechisch-römischen Vergangenheit heraus adeln konnte. Dass die Amazonen in Wirklichkeit Germaninnen gewesen waren, war eine schon unter Humanisten des 16. Jahrhunderts gern repetierte These gewesen.21 Johannes Aventinus hatte dieser Annahme in seinen Bayerischen Annalen lange Ausführungen gewidmet.22 Die schwedischen Gelehrten hatten für die Behauptung, die seit Homer bekannten Amazonen seien in Wirklichkeit aus Schweden gekommen, eine besondere Autorität auf ihrer Seite, Adam von Bremen, der sie in seiner Hamburgischen Kirchengeschichte im Norden Skandinaviens verortet hatte.23 Für die Gotizisten waren alle gotisch-skythischen Völkerschaften in großen Strömen aus Schweden nach der Sintflut gen Osten gezogen und hatten die von Herodot geschilderten Stämme begründet. Herodot selbst und nach ihm Plinius und viele andere hatten die Amazonen nicht unweit der Skythen im Gebiet von Don und Wolga beheimaten wollen.24 Warum sollten die berühmten Kriegerinnen ihre ursprüngliche Heimat also nicht in Schweden besessen haben? Olaus Magnus, der letzte katholische Bischof von Uppsala, war in seinem monumentalen Werk nur zu schnell bereit, diese Vermutung zu bestätigen;25 Olaus Rudbeck, Schwedens großer Nationalmythologe aus dem Ende des 17. Jahrhunderts, durchforstet den Norden Schwedens nach möglichen Ortsnamen, die auf die Anwesenheit der Kriegerinnen in der Region einen Hinweis geben konnten und wird tatsächlich fündig. Trug nicht auch die ostfinnische Landschaft Quenland noch immer den Namen der ‚Frau‘, ‚quinna‘, in sich, war also in Wirklichkeit die Heimat der Frauen gewesen?26

21 Inzwischen liegen zahlreiche Studien zu den Amazonen in der vormodernen und modernen Literatur vor. Antike Quellen sichtet und bilanzieren z. B. Blok (1995), 145–430, oder Taube (2013), passim. Einen guten Überblick über die Verwendung der Amazone als Bühnen- und Opernstoff in der Zeit des Messenius gibt Villarama (2015), 69–290. 22 Unter vielen Ausgaben z. B. Aventinus (1615), Liber I, 16–18. 23 Adam von Bremen (1978), Liber IV, c. 14–19, lateinisch und deutsch, 452–459. 24 Plinius Secundus (1976–2004), Liber VI, c. 38, 34–37, später z. B. Isidor von Sevilla (1964), Liber IX, 2, 64. 25 Olaus Magnus (1555), Liber V, c. 28–31, 195–201, auch englisch Olaus Magnus (1996), Bd. 1, Book V, c. 28–33, 273–280. 26 Rudbeck der Ältere (1679–1702), Bd. 3, c. 12, § 3, schwedisch und lateinisch, 601–607, und öfter.

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Für das Heldentum der schwedischen Frau lagen damit, wie Rudbeck und seine Anhänger in Uppsala glaubten, die Konsequenzen auf der Hand. Durch die schwedische Geschichte hindurch musste das Blut der griechisch-nordischen Kriegerinnen spürbar sein; ihr Erbe war allgegenwärtig. Schwedens Frauen waren, wie die Gotizisten glaubten, zur Heldin geboren. Schon die Gelehrten des carolinischen Imperiums, die sich unmittelbar mit den Amazonen beschäftigt hatten, unter ihnen Olaus Rudbeck selbst, Fabian Törner, Professor für Rhetorik in Uppsala, sein Kollege Johann Hermansson, ebenfalls Professor für Rhetorik, oder Magnus Rydelius, der in Lund tätig war, hatten sich um Veranschaulichungen ihrer These bemüht. Wo waren sie, die Abkömmlinge der urschwedischen Heroinen, die Zierde des skytho-gotischen Volkes? Gern berief man sich auf ein Beispiel, das die Frauen von Småland gegeben hatten.27 Als die Dänen im Frühmittelalter die Region in Südschweden mit ihren Heeren heimsuchten und unter Führung von König Faxe plünderten und brandschatzten, waren weite Teile der männlichen Bevölkerung, wie berichtet wurde, bereits im Kampf gefallen oder hatten die Flucht ergriffen. Die junge Blenda jedoch, eine Adelige aus dem Gebiet um Bråwalla in Småland, versammelte die Frauen aus den umliegenden Dörfern und vereinbarte mit den dänischen Heerführern ein großes Gastmahl, nach dessen Ende die feindliche Armee endgültig das Land verlassen sollte. Unmengen von Nahrung und Bier wurden von den Frauen herbeigeschafft, die Dänen hielten sich gütlich und schliefen betrunken ein. In der Nacht werden die Männer von den schwedischen Frauen allesamt erschlagen, nicht anders als Jael einst dem Kaaniterfeldherren Sisera das Leben hatte nehmen können. Die Gräber der toten dänischen Recken zeigte man in Schweden noch im 17. Jahrhundert, die Frauen von Bråwalla wurden sprichwörtliche Vertreterinnen der schwedischen Unerschrockenheit. Für die Töchter dieser Region war ihre historische Verteidigungsleistung lange Zeit sogar mit einer besonderen Serie von Privilegien verbunden, darunter auch ein Erbrecht, das die Frauen mit ihren Brüdern gleichstellte, und die Option, ungeführt und selbständig als Braut die Kirche zu betreten. Erst im Jahre 1698 wurden diese Vorrechte unter König Karl XI. im Zuge der Reform der schwedischen Landrechte aufgehoben. In Gedichten und schwedischen Volksbüchern konnten die Heldinnen von Småland noch im 18. Jahrhundert gefeiert werden.28 27 Zum folgenden fast ohne Variation Rydelius/Wåhlin (1734), dort zu den schwedischen Amazonen § 2, 4f., Törner/Sundius (1716), dort zu den Amazonen passim, zu Blenda und ihren Mitstreiterinnen § 9, 31–38, Hermansson/Wollenius (1721), dort allgemein zur Geschichte der Amazonen und den Frauen von Småland, §§ 2–3, 5–9, § 13, 35–39, oder auch zu Blenda Hermansson/Rogberg (1721), c. 1, § 4, 22–24. 28 Als Beispiel Rudebeck (1789), dort die Geschichte der ‚Hjeltinnan‘ fol. Av–A6r, Blendas ‚Krigs-Wisa‘ fol. A6tf., und als Anhang eine Beschreibung Schwedens als Heimat der Amazonen fol. A7r–A8r.

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IV.

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Disa: Eine Märchenfigur als Tugendheldin auf der Bühne

Das zweite, noch weitaus bekanntere Anschauungsobjekt der urschwedischen Heldin, in der sich die heroische Tugend manifestiert hatte, lohnt eine ausführlichere Betrachtung, die Königstochter Disa, eine rein schwedische Konstruktion. Erzähltechnisch variiert sich in ihr das Märchen von der klugen Bauerntochter, das in ganz Europa verbreitet war.29 In den Augen ihrer Apologeten vereinigte sie genau die Eigenschaften, die eine ideale Heldin einforderte. Sie war von aristokratischer Geburt und hatte eine gute Erziehung genossen, sie war gutaussehend und von bestechender Klugheit, also von jener praktischen welterfahrenen ‚prudentia‘, die in Krisensituationen vonnöten war. Sie war unerschrocken und von großer Entschlusskraft. Sie war also die ideale Trägerin der ‚virtus heroica‘. Zugleich stand sie für diejenigen, die sich mit ihrer Gestalt beschäftigten, in direktem Bezug zu den Amazonen. Disa liefert ein Musterbeispiel einer idealkonstruierten Nationalheldin, die binnen kurzer Zeit in diversen Medien gefeiert wurde, in der Geschichtsschreibung ebenso wie im Theater, in der Malerei ebenso wie in der Dichtung, ein Identifikationssymbol, das fast aus dem Nichts in Erscheinung treten konnte.

1.

Amazonen in Uppsala: die ‚Disa‘ des Johannes Messenius

Sucht man den Anfängen dieser Gestalt, stellt man fest, dass die eigentliche Autorität der Zeit, die altnordische Saga-Literatur, die man in dieser Zeit herauszugeben begonnen hatte, sie kaum mit Bedeutung füllen konnte. Disas Name erscheint als Eigenname auf einigen schon von Ole Worm im 17. Jahrhundert herausgegebenen Runensteinen, doch taucht er in der Saga-Literatur an keiner Stelle auf.30 In Verbindung gebracht wurde die Figur der Disa mit den in Uppsala seit altersher jährlich im Februar durchgeführten Wintermärkten, auf denen auch Gerichtstag gehalten wurde. Der Name dieser Märkte war ‚Disting‘, ein Begriff, der schwer zu erklären war. Antiquare des 17. Jahrhunderts wie Olaus Verelius waren nur zu schnell bereit, die Gestalt der Disa mit den besonderen Opfern zu assoziieren, den ‚disablot‘, die man in Schweden, wenn man den Sagas Glauben schenken konnte, jährlich für die Fruchtbarkeitsgöttinnen des Frühlings, die ‚disir‘, abgehalten hatte. Von einer Einzelgöttin dieses Namens fehlte jedoch jede Spur, einen Kult konnte sie nicht für sich verbuchen und die Zeit der Opfer, der Winteranfang, fiel nicht mit der Zeit der Märkte, dem Februar zu29 Eine Zusammenstellung vergleichbarer Erzählungen, mit Bezugnahme auf Messenius, schon bei Bolte (1915), Bd. 2, 349–373. 30 Worm (1643), Liber I, c. 18, S. 51f.

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sammen. Als Gestalt musste Disa dennoch, so glaubt es zum Beispiel der Skandinavist Lars Bygdén, eine denkbar bekannte Figur gewesen sein, doch vielleicht hatte ihre Tradition bis zur Neuzeit nur als mündliche Heldengeschichte existiert.31 In der Literatur begegnen wir Disa zum ersten Mal im Jahre 1555 in der ‚Historia gentium septentrionalium‘ des Olaus Magnus. Auch der Bischof von Uppsala möchte erklären, wie der ‚Disting‘, der Frühjahrsmarkt, eigentlich zu seinem Namen gekommen war. In Schweden hatte es in grauer Vorzeit, so Olaus, eine grausame Hungersnot gegeben, die eine große Zahl von Menschen bedrohte. Einige Aristokraten fassten daraufhin den Plan, einen Teil der Bevölkerung zu töten, um die überzähligen Esser aus dem Weg zu räumen. Disa jedoch, eine ebenso kluge wie barmherzige Prinzessin, wie es heißt, hatte einen besseren Einfall. Man warf das Los und ein Teil der Einwohnerschaft des Südens hatte in andere Teile des Landes aufzubrechen, um es urbar zu machen. In diesen Zeiten, so Olaus, hatte das alte Schweden begonnen, sich auszudehnen und Kolonien zu errichten. Mit dieser Entscheidung Disas hatten auch die alljährlich abgehaltenen Märkte, denen sie ihren Namen gegeben hatte, ihren Anfang genommen.32 Die von Olaus Magnus geschilderte Episode um die ebenso hochherzige wie kluge Königstochter konnte jedoch nur das Grundgerüst der Geschichte gebildet haben. Berühmt und zur schwedischen Nationalheldin macht Disa ein anderer schwedischer Gelehrter aus Uppsala, Johannes Messenius, der scheinbar alle verfügbaren Materialien zu ihrer Person zusammengeführt hatte. Messenius war weitaus mehr als nur eine Schlüsselfigur der Universitäts- und Bildungsgeschichte des schwedischen Barock; er war einer der Begründer der schwedischen Geschichtsschreibung und sicher der erste große Theaterdichter, den Schweden hervorgebracht hatte.33 Massive Konflikte um seine Person und zum Ende der Vorwurf, mit den Jesuiten konspiriert zu haben, sollten später für seine Verbannung nach Nordfinnland sorgen, wo er die letzten 20 Jahre seines Lebens in produktiver Haft verbrachte. Während seiner Jahre in Uppsala versorgte Messenius die lokale Bühne, die von den Studenten der Universität bespielt wurde, mit Theaterstücken. Seine Schauspiele, die in leichtfüßigen schwedischen Versen geschrieben waren, verdanken sich der Tradition der deutschen Schulbühne, aber auch dem Jesuitentheater, das Messenius in Polen kennengelernt hatte. Die meisten seiner Stoffe waren dem protestantischen Bildungsideal verpflichtet und, wie zu der Zeit üblich, mit burlesken Interludien durchsetzt, um das Pu31 Bygdén (1896), 21–74. Bygdéns Studie ist noch immer maßgebend. 32 Olaus Magnus (1555), Liber IV, c. 6, 138f., auch englisch Olaus Magnus (1996), Liber IV, c. 6, Bd. 1, 203. 33 Ein Panorama der Figur des Johannes Messenius gibt Giese (2009), 223–244, oder kurz Schück (2009), 96–102. Zu seinen übrigen Schriften ist noch immer grundlegend Lidell (1935), passim.

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blikum bei Laune zu halten. 1611 bringt er das Stück ‚Disa‘ auf die Bühne, dem ein enormer Erfolg beschieden war.34 Es wurde ein halbes Dutzend Mal nachgedruckt und später scheinbar auch in deutscher Sprache aufgeführt.35 Wie gelingt es Messenius nun, die Figur der Disa in Szene zu setzen und sie zugleich zur idealen schwedischen Heroin werden zu lassen? Die Hungersnot und das mögliche Blutopfer der Bevölkerung bilden den äußeren Rahmen der Handlung, im Zentrum findet sich Disa, die ihre Klugheit im Laufe des Stückes dokumentieren wird. Messenius lässt seine Komödie, die sich ausdrücklich an Adel, Klerus und Kaufmannschaft, aber auch an die schönen Jungfrauen und edelen Matronen der Stadt wendet,36 mit dem Szenario des archaischen Heidentums beginnen. Odin, Thor und Frigga, deren Nachkommen im Geschlecht der Ynglinge noch immer Schweden regierten, verkünden eine große Hungersnot, die mit Opfern besiegelt werden muss.37 Ein Traumdeuter verheißt in einer weiteren Szene zugleich eine Frau, durch deren Weisheit die Katastrophe abgewendet werden wird und die Schwedens neue Königin werden soll.38 Zunächst leidet die Bevölkerung gar schrecklich. Als eine Familie zu Frigga um Errettung betet, gibt ihr die Göttin zur Antwort, eine Jungfrau bei Hofe wird für sie die Rettung sein.39 Als sich das Ehepaar jedoch in die Burg des Königs Sigtrud begibt, ist von dieser Hilfe noch wenig zu spüren. Gerade hatte der Sekretär dem Regenten den Rat gegeben, alle Alten, Schwachen und Kranken töten zu lassen. Der Reichstag verabschiedet den entsprechenden Beschluss, ein Herold verkündet die Entscheidung zum Entsetzen der Bevölkerung.40 Disa begegnet uns in der Anschlussszene zum ersten Mal. Ihr Vater, der Ratsherr Sixten, Burgherr zu Venngarn, trifft mit dem Sekretär bei seiner Familie ein und berichtet der Tochter von den Plänen des Königs. Disa ist empört: Das soll die ganze Weisheit des Rates sein? Sie, so gibt sie zurück, will ihre ‚Wijshet‘ auf bessere Weise unter Beweis stellen.41 Der Sekretär begibt sich zum König zurück und erstattet Bericht, der Regent, teils erzürnt, teils beeindruckt vom Selbstvertrauen der jungen Frau, fordert sie auf, einen Beleg ihrer Intelligenz zu geben.42 Disa, so die Order, soll an seinen Hof kommen, doch weder zu Fuß, zu Pferde, noch auf einem Schiff, weder bekleidet, noch unbekleidet, weder zu Tage noch in der Nacht, weder in einem

34 Messenius (1611). Neuauflagen erschienen in Uppsala unter anderem 1635, 1648, 1692 und 1718. 35 Als moderne Edition Messenius (1886–1952), Bd. 1/1, 1–35. 36 Ebd., Prolog und Vorrede, 1–3. 37 Ebd., Actus I, Scena 1–3, 4–6. 38 Ebd., Actus I, Scena 4, 6f. 39 Ebd., Actus I, Scena 5, 8f. 40 Ebd., Actus II, Scena 1–3, 9–12. 41 Ebd., Actus II, Scena 4, 13. 42 Ebd., Actus II, Scena 5, 14.

Prinzessin Disa auf der Bühne

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Jahr noch in einem Monat.43 Als ihr Vater den königlichen Brief vorliest, scheint Disa nicht lange überlegen zu müssen, wie sie den Wünschen des Königs Herr wird, sondern lässt sich sofort alle erforderlichen Hilfsmittel beschaffen. Vor dem Tor der Königsburg erscheint sie, den einen Fuß auf einem Schlitten, der von zwei Jungen gezogen wird, den anderen auf einem Ziegenbock. Bekleidet ist sie mit einem Netz; sie kommt in der Morgendämmerung nach dem Vollmond des Julfestes, als Monat und Jahr gleichermaßen zu Ende gehen. Sie trifft also ein, weder geritten noch zu Fuß, weder bekleidet noch nackt, und zu einem Zeitpunkt, der gleichsam außerhalb des Jahres lag, wie sie König Sigtrud zu verstehen gibt.44 Der König ist hingerissen: was für eine phantastische Regentin wäre Disa doch an seiner Seite.45 Doch hat sie auch für die Hungersnot eine bessere Lösung? Disa macht den schon bei Olaus Magnus referierten Vorschlag; die Neusiedler sollen Hilfsmittel für Jagd, den Vogelfang und die Urbarmachung des Landes erhalten, sich im Norden niederlassen, und die überschüssigen Einkünfte als Tribute nach Südschweden zurückschicken.46 Im vierten Akt zeigt Messenius, wie Disa zur neuen Königin gekrönt wird und die Bauern in heiterem Durcheinander die Würfel werfen, um die Kolonisten auszuwählen. Der erste Thing des Jahres wird zu Ehren der Regentin nach Disa benannt.47 Eigentlich wäre das Stück jetzt zu Ende gewesen. Messenius jedoch bemüht sich im letzten Akt, seiner Disa-Figur nach der Königskrone auch die Krone der Heroin zu verleihen. Nordische und antike Historie müssen miteinander verflochten werden. Penthesilea, die Königin der Amazonen tritt auf, nach ihrer Niederlage im Trojanischen Krieg sucht sie, wie sie proklamiert, eine neue Heimat. Der König von Uppsala soll ein gerechter Mann sein, der sie aufnehmen kann48. Sigtrud und Disa lassen den Hof versammeln und die Amazonenkönigin schildert ihr Schicksal ausgiebig, vor allem die Schlachten vor den Mauern der Metropole und ihren Zweikampf mit Achilles. Disa erscheint wie ihre natürliche Erbin, eingeschrieben in die Geschichte des schwedischen Heldentums.49 Gemeinsam wird das Urteil des Paris in einer Hymne besungen,50 dann werden die Bauern endgültig auf die Provinzen des Nordens verteilt.51 In seinem Epilog fordert Messenius, das Stück fortan zu jedem Frühjahrsmarkt neu aufzuführen.52

43 44 45 46 47 48 49 50 51 52

Ebd., Actus III, Scena 1, 14f. Ebd., Actus III, Scena 2–3, 15–17. Ebd., Actus III, Scena 4, 17f. Ebd., Actus III, Scena 5, 19–21. Ebd., Actus IV, Scena 1–5, 21–26. Ebd., Actus V, Scena 1, 26f. Ebd., Actus V, Scena 2, 27f. Ebd., Actus V, Scena 2, 28–31. Ebd., Actus V, Scena 3–4, 31f. Ebd., Epilogus, 33.

422 2.

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Tugendburlesken: Die Disa-Komödie des Johan Celsius

Disa war eine Heroin wie aus dem Baukasten, gleichsam geschaffen von einem Universitätsgelehrten. Im Unterschied zu den anderen möglichen Heldinnen der Saga-Literatur fehlte ihr das Blutrünstige, übrig blieben Unerschrockenheit und eben jene Form der gesellschaftstauglichen ‚prudentia‘, die das wichtigste Merkmal der ‚virtus heroica‘ sein mußte. Es wundert so nicht, dass Disa auch im Anschluss ein enormer Erfolg beschieden war. Messenius selbst historisiert ihre Gestalt, in dem er seine Kreation in seine Reimchronik der schwedischen Geschichte einfügt und in sein großes, erst posthum gedrucktes lateinisches Geschichtswerk, die ‚Scondia illustrata‘.53 1687 bringt Johannes Celsius aus der Familie der Celsii, der vor allem als Verfasser patriotischer Theaterstücke in Erscheinung getreten war,54 anlässlich des Frühlingsmarktes in Uppsala ein neues Disa-Stück auf die Bühne, das ihre Geschichte nun in schwedischer Prosa erzählen möchte.55 Die Hauptrolle sollte sein damals siebzehnjähriger Bruder Olof spielen, der spätere Professor. In Celsius Bühnenwerk trägt der König wieder den Namen Sigtrud, Vater und Mutter der Heldin heißen Ingewald und Thoreborg. Als der Reichsrat den tödlichen Beschluss zur Dezimierung der Bevölkerung gefasst hat und Disa von ihrem Vater, dem Ratsherren, darüber in Kenntnis gesetzt wird, ist sie bei Celsius nicht minder entsetzt als bei seinem Vorgänger Messenius.56 Celsius jedoch kontrastiert ihre Entschlossenheit, der würdelosen Situation beizukommen, mit dem Kleinmut ihres Vaters, der um seine Familie fürchtet und Disa ausdrücklich wegen ihrer Anmaßung tadelt.57 Als die Antwort aus dem Königshaus, mit der entsprechend komplexen Forderung, beim Monarchen einzutreffen, die Familie erreicht, verstärkt sich die Panik des Vaters noch. Die Szene trägt Züge eines Generationenkonfliktes: Hält sich Disa denn für den klügsten Menschen der Welt? Wie soll sie als Frau die absurden Wünsche des Königs erfüllen?58 Als sich Disa, die sofort erkennt, was zu tun ist, die notwenigen Materialien beschafft, das Netz und den Ziegenbock, erweist sich auch ihr begriffsstutziger Diener mit dem einschlägigen Komödiantennamen Pickelhering als keine große Hilfe. Warum das Netz? Um unterwegs fliegende Fische zu fangen? Warum der Ziegenbock? Wäre eine Ziege, die man unterwegs melken könnte, nicht eine bessere Idee? Auch dass die junge Adelige in der Kälte des schwedischen Februars halbnackt zum König geht, lässt den Hanswurst

53 54 55 56 57 58

Messenius (1700–05), Bd. 1, 4, Bd. 13, 18. Als Beispiel Celsius (1903), 39–70. Celsius (1892), 5–90, hier 21–46. Ebd., Actus I, Scena 2, 24–28. Ebd., Actus II, Scena 1–2, 28–31. Ebd., Actus III, Scena 1, 34–36.

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ratlos zurück. Will sie nicht vielleicht doch noch einen Mantel überwerfen?59 Der Regent erkennt Disas Klugheit sofort, auch ihr Vorschlag, der Hungersnot durch Umsiedelung beizukommen, findet unmittelbar Anerkennung; sie soll Königin werden. Erst will Disa jedoch ins Warme, denn auch sie hat der schwedische Winter erheblich frieren lassen.60 Der letzte Akt zeigt noch, wie die Strategie der jungen Königin in die Tat umgesetzt wird, dann darf das bäuerliche Marktvolk noch gemeinsam die Bühne betreten.61

3.

Disa als Göttin der Gotizisten

Einen wichtigen Schritt weiter auf dem Weg zur idealen Heldin formte die ikonographische Umsetzung der Erzählung im schwedischen Barock. Schwedens wichtigster zeitgenössischer Maler, der aus Hamburg stammende David Klöcker Ehrenstrahl kreierte Ende des 17. Jahrhunderts eine Serie von acht Radierungen, die 1700 als ‚Historia der Königin Disa‘ in Stockholm in Druck ging. Eine kurze deutsche Version der Heldengeschichte ist ihr vorangestellt, den acht Zeichnungen sind je lateinische und schwedische Epigramme beigegeben.62 Für die lateinischen Verse hatte sich der bekannte schwedische Dichter und Universitätsprofessor Petrus Lagerlöf verantwortlich gezeigt, die schwedischen besorgte der bekannte Dichter Samuel Columbus.63 Doris Gerstl hat diese Zeichnungen vor einigen Jahren ausführlich besprochen und ihre Genese rekonstruiert.64 Als Disa dem Regenten kostümiert ihre Aufwartung macht, heißt es bei Lagerlöf zu Bild Fünf sehr schön: ‚Et venit et veniens pavorem mox et amorem, / incutit en Regi foemina virgo viro.‘ Ehrfurcht und Zuneigung des Fürsten kann Disa zu gleichen Teilen auf sich vereinigen.65 Einige Jahre nach der Entstehung der Radierungen, doch noch vor ihrem Druck lässt der große Mäzen der Universität von Uppsala, der Feldherr Magnus Gabriel de la Gardie, in Anlehnung an Klöcker Ehrenstrahl auf seinem Schloß Venngarn, dem angeblichen Stammschloss der Prinzessin, einen Saal mit großformatigen Gemälden aus der Disa-Serie schmücken. Er trägt noch heute den Namen ‚Disa-Saal‘. Die Figur der schwedischen Heldin musste in Zwischenzeit eine neue Konnotation erhalten haben, 59 60 61 62 63 64

Ebd., Actus III, Scena 2–3, 36–40. Ebd., Actus III, Scena 4, 40–42. Ebd., Actus IV–V, 42–46. Historia von der Königin Disa (1700). Columbus (1994–96), Bd. 1, 187–189. Gerstl (1995), 78–94. Die Epigramme werden in Gerstls sehr gelungenem Beitrag leider nicht besprochen. 65 Historia von der Königin Disa (1700), zu Tafel 5, schwedisch Tafel 5, 188, heißt es: Af nÿtt Spectakel hær en Kung nÿ ögon får, / J thÿ at Quinnefund hans pund widtt öfwergår.

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denn de la Gardie war Feldherr und vielleicht auch Geliebter einer anderen klugen und durchsetzungsstarken Regentin gewesen, Königin Christine. Dass sie in der ebenso furchtlosen Amazonin der Vergangenheit ihr Gegenstück hatte, ist vielleicht nicht ganz von der Hand zu weisen. Olaus Rudbeck fügt die Geschichte der Disa in seine ‚Atlantica‘ ein, seine monumentale Verherrlichung der schwedischen Urgeschichte, die auch den Amazonen einen festen Platz eingeräumt hatte. Unter den Händen Rudbecks wird Disa zu weitaus mehr als einer nationalschwedischen Heldin der Frühgeschichte seines Landes, sie verwandelt sich wieder in eine Göttin. Für den antiquarischen Großgelehrten aus Uppsala ist Disa eine Variante der Göttin Diana, ja ihr wahres Urbild, deren Jagd- und Fruchtbarkeitskulte in Schweden ihren Anfang genommen hatten. Mehr noch, auch die Göttin Isis musste ihr, wie Rudbeck glaubte, denkbar verwandt sein; war die ägyptische Göttin doch auf ihren Darstellungen in das gleiche Netz gehüllt, mit dem auch Disa vor ihrem König erschienen war.66 Damit freilich war der Figur der Disa vielleicht zuviel des Guten getan worden. Rudbecks Anhänger wiederholten die Thesen des Meisters zwar in diversen Abhandlungen.67 Als sich der schwedische Dichter Johan Gabriel Oxenstierna, der auch Milton ins Schwedische übersetzt hatte, zum Ende des 18. Jahrhunderts jedoch ein weiteres Mal der Disa-Gestalt zuwendet, kann er diesen Überhöhungen der schwedischen Heroin nur noch mit milder Ironie begegnen. Was wäre, so Oxenstierna, wohl einem Voltaire zu diesen Konstruktionen eingefallen?68 Als Stoff einer poetischen Bearbeitung erscheint auch sie dem Dichter jedoch noch immer als ausreichend würdiger Gegenstand.

V.

Fazit

Disa mochte ihren Ursprung, ähnlich wie ihre Verwandte Blenda, im schwedischen Erzählgut haben; ihre eigentliche Heimat aber war, wie deutlich geworden ist, das akademische Milieu der Universität gewesen. Auf ihren Bühnen waren die Stücke über ihre Person aufgeführt worden, ihre Studenten, selbst oft angehende Professoren, hatten ihre Rollen gespielt, und ihre Dozenten sie in ihren Disputationen und Traktaten verhandelt und verklärt; der wichtigste Förderer der Universität im 17. Jahrhundert hatte eine Bilderserie ihrer Person bezahlt. Schon ihre auf den ersten Blick etwas bemühte Assoziation mit den Amazonen und ihre Einbindung in die nationale Genealogie und die Geschichtskonstruktionen ihrer Epoche verrät Disas akademische Natur. Ihr vergleichsweise offener und junger 66 Rudbeck der Ältere (1679–1702), Bd. 2, c. 5, lateinisch und schwedisch, 205–213. 67 Als Beispiel selbst noch Celsius/Norlin (1742), §§ 1–4, 2–7. 68 Oxenstierna (1804–15), Bd. 2, 287–316, dort zu Rudbeck 290f.

Prinzessin Disa auf der Bühne

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Charakter bot die Möglichkeit, ihre Gestalt auf das zu Beginn skizzierte und an den Universitäten ventilierte Heldenprofil hin anzulegen, das die Philosophie außerhalb Schwedens schon lange vorher entwickelt hatte, die ‚virtus heroica‘. Disa war klug, ja gewitzt im besten Sinne, doch setzte sie ihre Klugheit, ihre von Messenius und Celsius so herausgestellte ‚Wijshet‘, wie der ideale Held, für die Gemeinschaft ein, nicht für sich selbst; sie agierte solidarisch und zugleich voraussehend, wie man es von einem Träger der ‚virtus heroica‘ einfordern durfte. Ihr Vorschlag, die Umsiedlung der überzähligen Bevölkerung, vermehrt um die Steuerpflicht und die wechselseitige Solidarität von Neu- und Altsiedlern, formte darüber hinaus für das schwedische Imperium ein zeitloses Projekt, das sich immer wieder neu mit pragmatischem Leben erfüllen ließ; dass das Stück ein so großer Bühnenerfolg werden konnte, lag auch darin sicher mitbegründet. Das nördliche Lappland, das Norrland des Olaus Magnus, musste im 16. und 17. Jahrhundert ebenso durch schwedische Herren kultiviert werden, wie im Anschluss Livland, Karelien, Pommern und das übrige Beutegut des Dreißigjährigen Krieges, auch Neuschweden in Virginia und Delaware verlangte nach opferbereiten schwedischen Kolonisten. Auf jedem Markttag in Uppsala war mit dieser Forderung nach der Universität auch die zweite, der Latinität nicht mächtige Adressatengruppe angesprochen worden, die Bauernschaften, die sich das schwedischsprachige Stück, wenn sie im Februar aus ihren Sprengeln den Weg nach Uppsala gefunden hatten, ohne Zweifel mit gleicher Anteilnahme angesehen hatten. Disa hielt mit der entsprechenden ‚constantia‘ und dem notwendigen ‚vigor mentis‘ an ihren Entscheidungen fest und ließ sich weder durch ihre Eltern, noch von ihrer stupiden Umwelt vom einmal eingeschlagenen Weg abbringen. Die Konsequenzen ihrer Handlungen bewahrheiteten die Richtigkeit ihrer Entscheidungen; der Reichtum der schwedischen Gemeinschaft vermehrte sich und das von ihm beherrschte Gebiet nicht minder. Mit den Prophezeiungen der Astrologen und der Weissagung Freyas war es Messenius sogar gelungen, ein Moment der heidnischen Gnade und der göttlichen Vorsehung zu integrieren, das für den wahren Helden unerlässlich war. Zu guter Letzt erschien Disa als Frau königstreu und hatte, wie man sehen konnte, keine Schwierigkeit, sich ihrem Manne und Regenten zum Ende des Stückes als gute Ehefrau zu unterwerfen. Hätte es ihre Figur also nicht gegeben, man hätte sie in ihrer Modellhaftigkeit und Fähigkeit, allen Vorgaben der zeitgenössischen Moralphilosophie im Detail nachzukommen, erfinden müssen.

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Literatur Primärliteratur Adam von Bremen, Gesta Hammburgensis Ecclesiae pontificum, hg. von Werner Trillmich, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1978. Aristoteles, Ethica Nicomachea, hg. von Ingram Bywater, Oxford: Oxford University Press 1988. Aristoteles latinus, Ethica Nicomachea – Translatio Roberti Grosseteste (Aristoteles latinus 26, 1–3), hg. von René Antoine Gauthier, Leiden: Brepols 1973. Aristoteles, Politica, hg. von W. D. Ross, Oxford: Oxford University Press, 1964. Aristoteles, Politicorum libri octo, Leonardo Aretino interprete, in: Aristotelis opera omnia (13 Bde.), Venedig: Junctae 1562–74, ND Frankfurt: Minerva 1962, Bd. 3. Aventinus, Johannes, Annalium Boiorum libri VII, Basel: Ludovicus Regis, 1615. Bartholin, Caspar, Enchriridion ethicum seu Epitome philosophiae moralis, Straßburg: Ledertz 1630. Celsius, Anders / Johann Benedict Norlin (resp.), Dissertatio academica de festo veterum Svio-Gothorum disano, Uppsala: Werner 1742. Celsius, Johan, „Festspel på Karl XI:s födelsedag (1686)“, in: Sigrid Leijonhufvud, „Några kvarlefvor af svensk dramatik från sextonhundratalets slut“, in: Samlaren 24 (1903), 39– 70. Celsius, Johan, „Disa“, in: Henrik Schück, „Bidrag till kännedomen om 1600-talets dramatik“, in: Samlaren 13 (1892), 5–90, hier 21–46. Columbus, Samuel, Samlade dikter (2 Bde.), hg. von Bernt Olsson – Barbro Nilsson, Stockholm: Svenska Vitterhetssamfundet 1994–96. Forelius, Hemming / Nicolaus L. Barchius (resp.), De indole heroica dissertatio gradualis, Uppsala: Keyser 1698. Heider, Wolfgang, Philosophiae moralis systema seu Commentationes in universam Aristotelis ethicen, Jena: Reiffenberger 1629. Hermansson, Johann / Petrus O. Wollenius (resp.), De republica Amazonum, Uppsala: Werner 1721. Hermansson, Johann / Samuel Rogberg (resp.), Dissertatio historico-politica de memorabilibus Smolandiae, Uppsala: Werner 1721. Hillischer, Georg Daniel / Christian Friedrich Schütze (resp.), Disputatio moralis de virtute heroica, Wittenberg: Schrödter 1683. Historia von der Königin Disa, kürtzlich beschrieben und in acht Kupfer-Bildnussen vorgestellet, o.O. 1700. Ihre, Johan / Paulus Zacharias Juringius (resp.), De virtute heroica quam dissertatione graduali sistit, Uppsala: Johan Edman 1770. Isendoorn, Gisbert, Ethica peripatetica in duos libros tributa per succinctas tabulas et quaestiones ex variorum auctorum monumentis collecta, Harderwijk: Tollius 1659. Isidor von Sevilla, Etymologiarum sive originum libri XX, hg. von W. M. Lindsay, Oxford: Oxford University Press 1964. Keckermann, Bartholomäus, Systema ethicae tribus libris adornatum et publicis praelectionibus traditum, Hannover: Antonius 1619.

Prinzessin Disa auf der Bühne

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Lang, Johann Michael / David Allgöwer (resp.), De virtute heroica fidelium, quatenus ex Scripturis Sacris definiri potest, et vindicari debet, exercitatio positivo polemica, Altdorf: Meyer 1700. Lidenius, Petrus / Sven Alinus (resp.), Disputatio philosophica de virtute heroica, Dorpat: Johannes Vogel 1655. Magnus, Olaus, Historia de gentibus septentrionalibus, earumque diversis statibus, conditionibus, moribus, ritibus, superstitionibus, disciplinis, necnon universis pene animalibus in Septentrione degentibus eorumque natura, Rom: De Viottis 1555. Magnus, Olaus, Description of the Northern Peoples (3 Bde.), hg. von Peter Fisher, Humphrey Higgins, London: Hakluyt Society 1996. Messenius, Johannes, Disa. Thet är en lustigh comoedia om then förståndighe och höghberömde Sveriges drotningh, Fru Disa, hvilken sanferdelighen på rim vthsatt, och hållen ähr i Ubsala marknad, Uppsala: Oloffson Helsing 1611. Messenius, Johannes, Scondia illustrata seu Chronologia de rebus Scondiae, hg. von Johan Peringskiöld (15 Bde.), Stockholm: Enaeus 1700–05. Messenius, Johannes, Samlade Dramer, hg. von Henrik Schück, Hilding Lidell (2 Bde.), Uppsala: Akademiska boktryckeriet 1886–1952. Nordenhielm, Anders / Nicolaus Clewberg (resp.), Instar academicum quo character Heroum delineans, Stockholm: Wankijf 1685. Nordenhielm, Anders / Johannes Rudbeck (resp.), Iter in Scandinaviam ad regni regumque priscorum Sviogothorum instituta quaedam et mores cognoscendos institutum, Uppsala: Wankijf 1675. Oxenstierna, Johan Gabriel, „Disa. Skaldebref til Frau Printzensköld på Vengarn“, 1795, in: ders., Arbeten (4 Bde.), Stockholm: Delén 1804–15, 287–316. Piccolomini, Franciscus, Universa philosophia de moribus, Frankfurt: Fischer 1601. Pichler, Sigismund / Johannes Reuter (resp.), Disputatio philosophica de virtute heroica, Königsberg: Reusner 1650. Plinius Secundus, Gaius d. Ä., Naturalis historiae libri XXXVII – Naturkunde, lateinisch – deutsch, hg. und übersetzt von Roderich König (38 Bde.), Darmstadt: Artemis und Winckler 1976–2004. Prückner, Andreas, Compendium Ethicae, Jena: Birckner 1664. Rudbeck der Ältere, Olof, Atland eller Manheim, dedan Japhetz afkomne, de förnemste Keyserlige och Kungelige Slecht. Atlantica sive Manheim, vera Japheti posterorum sedes ac patria (4 Bde.), Uppsala: Curio 1679–1702. Rudebeck, Peder, Det Svenska Fruntimrets uråldrige Beröm, för Trohet, Tapperhet, och Adelmot, Bäde, uti Fält och i Krig, i Hedendomstiden, Seste: 1789. Rydelius, Magnus / Petrus Wåhlin (resp.), Dissertatio gradualis de Amazonibus, Lund: Decreaux 1734. Schottel, Justus Georg, Ethica. Die Sittenkunst oder Wollebenskunst, zu teutscher Sprache vernemlich beschrieben in dreyen Bücheren, Wolfenbüttel: Weiß 1669. Schultz, Johann Friedrich / Johannes Georg Schubart (resp.), De virtute heroica, Wittenberg: Borckard 1674. Sjoeberg, Gabriel / Johannes Ramnelius (resp.), De virtute heroica disputatio philosophica, Dorpat: Johannes Vogel 1694. Spegel, Haquin / Eric Elfvedalius (resp.), Ethica disputatio de virtute heroica, Lund: Haberegger 1669.

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Törner, Fabian / Abraham Burman (resp.), De venatione heroicae virtutis tirocinio dissertatio academica, Uppsala: Werner 1719. Törner, Fabian / Andreas Sundius (resp.), Exercitium academicum de patria Amazonum, Uppsala: Werner 1716. Upmarck, Johann / Nicolaus Palmstierna (resp.), Dissertatio philosophica de vera animi magnitudine heroica, Uppsala: Werner 1715. Wendeler, Michael / Johannes Christoph Rinckhammer (resp.), Ex philosophia morali de virtute heroica, Wittenberg: Wendt 1662. Wendelin, Markus Friedrich, Philosophia moralis praeceptis succinctis methodice comprehensa, Harderwijk: Tollius 1654. Worm, Ole, Fasti danici universam tempora computandi rationem antiquitus in Dania et vicinis regionibus observatam libris tribus exhibentes, Kopenhagen: Salomon Sartorius 1643.

Forschungsliteratur Blok, Josine H., The Early Amazons. Modern and Ancient Perspective on a Persistent Myth, Leiden: Brill 1995. Bolte, Johannes, Georg Polívka, Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm (2 Bde.), Leipzig: Dietrichsche Verlagsbuchhandlung 1915. Bygdén, Anders Lars, „Några studier rörande Disa-sagan“, in: Samlaren 16 (1896), 21– 74. Gerstl, Doris, „Ein schwedischer Auftrag für den Nürnberger Kupferstecher Georg Christoph Eimart (1638–1705). Zur Entstehung der Disa-Serie“, in: John Roger Paas (Hg.), Der Franken Rom. Nürnbergs Blütezeit in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Wiesbaden: Harrassowitz 1995, 78–94. Disselkamp, Martin, Barockheroismus. Konzeptionen politischer Größe in Literatur und Traktatistik des 17. Jahrhunderts, Tübingen: Max Niemeyer Verlag 2002. Giese, Simone, „Johannes Messenius, ein schwedischer Gelehrter im Konflikt mit überkommenen Traditionen“, in: Barbara Krug-Richter/Ruth E. Mohrmann (Hgg.), Frühneuzeitliche Universitätskulturen. Kulturhistorische Perspektiven auf die Hochschulen in Europa, Köln: Böhlau 2009, 223–244. Hofmann, Rudolf, Die heroische Tugend. Geschichte und Inhalt eines theologischen Begriffes, München: Kösel und Pustet 1933. Lidell, Hilding, Studier i Johannes Messenius dramer, Uppsala: Uppsala Universitet 1935. Saarinen, Risto, „Virtus heroica. ‚Held‘ und ‚Genie‘ als Begriffe des christlichen Aristotelismus“, in: Archiv für Begriffsgeschichte 33 (1990), 96–114. Saarinen, Risto, „Die heroische Tugend als Grundlage der individualistischen Ethik im 14. Jahrhundert“, in: Jan A. Aertsen/Andreas Speer, Individuum und Individualität im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 24), Berlin: De Gruyter 1996, 450–463. Saarinen, Risto, „Die heroische Tugend in der protestantischen Ethik. Von Melanchthon zu den Anfängen der Universität Turku“, in: Günter Frank/Martin Treu (Hgg.), Melanchthon und Europa. 1. Teilband: Skandinavien und Mittelosteuropa, Stuttgart: Thorbecke 2001, 129–138.

Prinzessin Disa auf der Bühne

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Schück, Hermann, „Johannes Messenius“, in: Ragnar Björk/Alf W. Johansson (Hgg.), Svenska historiker från medeltid till vara dågar, Stockholm: Norstedts 2009, 96–102. Taube, Christine, „Literarische Amazonenbilder der Antike“, in: Charlotte Schubert/ Alexander Weiß (Hgg.), Amazonen zwischen Griechen und Skythen. Gegenbilder in Mythos und Geschichte, Berlin: De Gruyter 2013 39–56. Villarama, Jennifer, Die Amazone. Geschlecht und Herrschaft in deutschsprachigen Romanen, Opernlibretti und Sprechdramen (1670–1766), Frankfurt am Main: Peter Lang 2015.

Beiträgerinnen und Beiträger

Uwe Baumann, Dr. phil., ist Professor für Anglistik: Literatur- und Kulturwissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Elke Brüggen, Dr. phil., ist Professorin für Ältere Germanistik mit besonderer Berücksichtigung der deutschen Literatur des Mittelalters an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Irina Dumitrescu, Ph.D., ist Professorin für Anglistik: Mediävistik / Medieval Studies an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Marion Gymnich, Dr. phil., ist Professorin für Anglistik: Literatur- und Kulturwissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Marthe-Siobhán Hecke, M. A., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Anglistik, Amerikanistik und Keltologie der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität in Bonn. Gerd Krumeich, Dr. phil., war Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Marc Laureys, Dr. phil., ist Professor für Mittel- und Neulateinische Philologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Imke Lichterfeld, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Studiengangsmanagerin im Institut für Anglistik, Amerikanistik und Keltologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Martin Lindner, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Althistorischen Seminar der Herzog-August-Universität Göttingen.

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Beiträgerinnen und Beiträger

Nicole Meier, Dr. phil., ist Akademische Oberrätin und Kustodin im Institut für Anglistik, Amerikanistik und Keltologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Alheydis Plassmann, PD, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Geschichtswissenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Christine Posselt-Kuhli, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg. Bernd Roling, Dr. phil., ist Professor für Mittel- und Neulateinische Philologie an der Freien Universität Berlin. Konrad Vössing, Dr. phil., ist Professor für Alte Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Claudia Wich-Reif, Dr. phil., ist Professorin für Geschichte der Deutschen Sprache und Sprachliche Variation an der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität in Bonn.