Heinrich Heine Säkularausgabe: BAND 10/11 K2 Pariser Berichte 1840-1848 und Lutezia. Berichte über Politik, Kunst und Volksleben. Kommentar. Teilband II 9783050053226, 9783050010236

Aus seinen 1840 bis 1848 geschriebenen Pariser Presseberichten "Über Politik, Kunst und Volksleben" (Band 10 d

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German Pages 409 [412] Year 1991

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Heinrich Heine Säkularausgabe: BAND 10/11 K2 Pariser Berichte 1840-1848 und Lutezia. Berichte über Politik, Kunst und Volksleben. Kommentar. Teilband II
 9783050053226, 9783050010236

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HEINRICH HEINE SÄKULARAUSGABE Bandaufteilung:

ABTEILUNG I X

2 3 4 5

6 7

8 9

10 II

12

Gedichte 1812—1827 Gedichte 1827—1844 und Versepen Gedichte 1845—1856 Tragödien. Frühe Prosa Reisebilder I Reisebilder II Über Frankreich Über Deutschland. Kunst und Philosophie Prosa Pariser Berichte Lutezia Späte Prosa

ABTEILUNG II ij

Μ 15

16 17

18 19

Pommes et ldgendes Tableaux de voyage I Tableaux de voyage II Italie De l'Allemagne I De l'Allemagne II De la France Lutece

ABTEILUNG III 20—2 j Briefe 24—27 Briefe an Heine

ABTEILUNG IV 28—29 Lebenszeugnisse 30 Gesamtregister

HEINES WERKE SÄKULARAUSGABE · BAND 10/11 KOMMENTAR II

HEINRICH

HEINE SÄKULARAUSGABE

WERKE · BRIEFWECHSEL LEBENSZEUGNISSE

Herausgegeben von den Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar und dem Centre National de la Recherche Scientifique in Paris

HEINRICH

HEINE BAND 10/11

P A R I S E R B E R I C H T E 1840—1848 und LUTEZIA Berichte über Politik, Kunst und Volksleben KOMMENTAR Teilband II

Bearbeiter Lucienne Netter

A K A D E M I E VERLAG · BERLIN E D I T I O N S D U CNRS · PARIS 1991

Die Ausgabe stützt sich auf die Bestände der B I B L I O T H f c Q U E NATIONALE · PARIS (Cabinet des Manuscrits), des HEINRICH-HEINE-INSTITUTS · DÜSSELDORF und dec NATIONALEN FORSCHUNGS- UND GEDENKSTÄTTEN DER KLASSISCHEN DEUTSCHEN LITERATUR IN WEIMAR (Goethe- und Schiller-Archiv)

Redaktoren dieses Bandes Felicitas Marwinski und Jacques Voisine

Akademie Verlag HSA: ISBN 3-05-000450-9 Band 10/11 K/II: ISBN 3-05-001023-1 Editions du CNRS Band 10/11 K/II: ISBN 2-222-04557-6 © Akademie Verlag GmbH, 1991 Erschienen in der Akademie Verlag GmbH, O - 1 0 8 6 Berlin (Federal Republic of Germany), Leipziger Straße 3—4 Gesamtherstellung: Maxim Gorki-Druck GmbH, Ο-7400 Altenburg Lektor: Eberhard Kerkow Bestellnummer: 3057/10/11 Κ Π Printed in the Federal Republic of Germany

INHALT

Zu diesen Bänden

7

Pariser Berichte 1840—1848 und Lutezia. Berichte über Politik, Kunst und Volksleben Einleitung

9

Erläuterungen

32

Anhang zu Band 10. Fragmente 1844 [Briefe über Deutschland] Erläuterungen

519 ANHANG

Verzeichnis der Periodik» Konkordanz zwischen Band 10 und Band 11 Personenregister

331 340 351

ZU DIESEN

BÄNDEN

Die Bände 10 und u der Heine-Säkularausgabe enthalten die Pariser Berichte der Jahre 1840—1848 in chronologischer Folge (Band 10) und die Bucbfassung dieser Artikel, die I8J4 erschienene Lutezia. Berichte über Politik, Kunst und Volksleben {Band 11). Außerdem werden im Anhang von Band 10 die „.Fragmente 1844 [Briefe über Deutschland]", die diesem Zeitraum zuzuordnen sind, dargeboten. Die Überlieferung %u diesen beiden Bänden ist die umfangreichste, die %u einem Werkkomplex Heines überhaupt existiert. Schon zu Beginn seiner Korrespondententätigkeit hatte Heine an eine Buchfassung seiner Artikel gedacht und deshalb zahlreiche Vorarbeiten aufbewahrt: So ergeben die Abschnitte „Entstehung„Überlieferung' und „Mitteilungen zum Text" bereits einen Band. Die historischen Ereignisse, die Heine schildert, erfordern von dem Abschnitt „Erläuterungen" eine gegenüber anderen Bänden der Ausgabe wesentlich ausführlichere Darstellung. Da dieser Abschnitt allein ebenfalls einen Band füllt, haben sich Herausgeber, Verlag und Bearbeiter entschlossen, den gesamten Kommentar in zwe* gesonderten und in sich geschlossenen Teilbänden herauszugeben. Zunächst wird hier der Abschnitt „Erläuterungen" mit dem dazu gehörenden erläuternden Personenregister vorgelegt, ergänzt durch eine Einleitung, die die Entstehung der Aufsätze und ihrer Bucbfassung in einem Überblick darstellt, durch eine Konkordanz Ziehen Band 10 und 11 und durch ein Verzeichnis der zeitgenössischen Periodika (Band 10J11KΙΓ). Als „Erläuterungen" werden zum besseren Verständnis des Textes notwendige Informationen über historische, literarische und biographische Tatsachen und Zusammenhänge sowie über sprachliche und formale Eigenheiten gegeben, wobei auf Textinterpretation grundsätzlich verzichtet wird. Direkte und indirekte Zitate sowie die von Heine benutzten Quellen werden nachgewiesen, sofern sie eindeutig zu ermitteln waren. Querverweise deuten auf ähnliche oder weiterführende Stellen im Gesamtwerk des Dichters oder auf vorangegangene oder folgende Erläuterungen im Kommentar hin. Sie werden beim Bezug auf den Text mit der betreffenden Seiten- und Zeilenangabe des Textbandes (ζ- B. vgl. Bd. 10, S. 141,15 oder vgl. Bd. 11, S. 143,i7f. oder vgl. S. 13,36/^. 14,3), beim Bezug auf den Sacbkommentar mit der betreffenden Seiten- und Zeilenangabe der Texterläuterung (z-B.vgl. zu Z96,ß8fli8j,22f) versehen. — Der Nachweis von Sekundärliteratur erfolgt dort, wo durch sie ein spezieller Sachverhalt erklärt wird oder wo bei der Erläuterung des Sachverhaltes widersprüchliche Auffassungen in der Forschung bestehen. Nicht erläutert werden Begriffe und Fakten, die Zum Allgemeinwissen gehören bzw. mit Hilfe moderner, allgemein zugänglicher lexikalischer Nachschlagewerke leicht zu ermitteln sind. Um die zahlreichen Fragen zu klären, die die Schilderungen in Band 10 und 11 aufgeben, und um die Lebenssituation Heines zu verdeutlichen, war es erforderlich, eine systematische

8

Zu diesen Bänden

Lektüre der zeitgenössischen französischen und deutschen Presse sowie zeitgenössischer Briefwechsel, Tagebücher, Memoiren und literarischer Werke vorzunehmen. Um diese Quellen, die oft schwer finden und zu bekommen sind, zu erschließen und um einen Einblick in Heines Umwelt zu geben, wird häufig umfangreicher, als dies sonst in dieser Ausgabe üblich ist, aus diesen Texten zitiert. Zitate bieten eine bessere Grundlage als Übertragungen und Übersetzungen und ersparen in vielen Fällen dem Leser die Mühe, sich noch einmal ein oft nur noch in wenigen Exemplaren vorhandenes und daher schwer zu erreichendes Werk zu verschaffen. Die Rechtschreibung bet diesen Zitaten, insbesondere bei den aus französischen Texten, wurde modernisiert. Bei den französischen Periodika, die zusätzlich zum Datum numeriert sind, wird diese Nummer mit zitiert. Die Kennzeichnung der zu erläuternden Textstelle erfolgt durch die Angabe der Seiten- und Zeilenzahl und eines oder mehrerer dem Text entnommener Bezugsworte, die halbfett gedruckt sind. Umfangreichere Bezugsstellen werden verkürzt wiedergegeben, die Auslassungen durch drei Punkte markiert, die selbst nicht zum edierten Text gehören. Die Sacherläuterungen folgen dabei der Textabfolge in Band 10 mit Ausnahme der Artikel XXV und XL sowie dem „Zueignungsbrief" und der „Retrospectiven Aufklärung' der „Lutezia", wo sie, bedingt durch die Überlieferungssituation, Band Ii folgen. Da die Bezugsstellen in ihrer Mehrzahl in beiden Bänden die gleichen sind, werden sie nur einmal angeführt, indem die Seiten- und Zeilenzahlen aus Band ι ο und 11 nebeneinander erscheinen. Die Bezugsworte sind dabei grundsätzlich Band 10 entnommen; wenn die entsprechende Stelle in Band u im Wortlaut allerdings abweicht, wird sie zusätzlich angeführt. Ist die z« erläuternde Stelle dagegen nur in einem der beiden Bände enthalten, wird das Fehlen im anderen Bande durch einen Strich markiert. Auch im Kommentarband sind alle Heine-Texte recte, alle vom Bearbeiter stammenden Ausführungen kursiv gesetzt. Eine Ausnahme bilden die sich auf den Textband beziehenden Seitennachweise, die ebenfalls recte gesetzt sind. Das Personenregister enthält alle in den Textbänden und in diesem Kommentar (teil) band vorkommenden Personennamen mit Ausnahme der von mythologischen und literarischen Figuren sowie der von Verfassern von Sekundärliteratur. Zur eindeutigen Bestimmung der Personen dienen Angaben wie Vornamen, Lebensdaten, Tätigkeit u. a. m. Soweit Erklärungen im Text erwähnter biographischer Einzelheiten, Bezüge u. ä. notwendig sind, erfolgen diese im Abschnitt Erläuterungen

PARISER

BERICHTE 1840-1848 und

LUTEZIA Berichte über Politik, Kunst und Volksleben

EINLEITUNG Seine 1831 bis 1832 in der Augsburger Allgemeinen Zeitung' erschienenen Artikel gab Heine ein Jahr später als Buch mit dem Titel Französische Zustände heraus. Im gleichen Jahr 1833 veröffentlichte er auch dessen Übersetzung ins Französische: De la France. Als er Anfang 1840 die Feder für die „Allgemeine Zeitung' wieder ergriff und eine Folge von Artikeln begann, die er mehrere Jahre fortsetzte, hat er wohl auch an eine Buchausgabe gedacht, denn er behielt seine Brouillons. Die Absicht einer Buchausgabe kam dann in einem Brief an Kolb vom 23. Juni 1843 Vm Ausdruck: Für diese Fälle aber bitte ich Sie das Manuskript gefälligst für mich aufzubewahren, da ich meine besseren Artikel späterhin gesammelt und unverkürzt herausgeben möchte. ( H S A Bd. 22, S. Lutezia, die Buchfassung, die erst 18j4 erschien, und Lutfcce, die 18JJ entstandene französische Übertragung, haben eine lange Entstehungszeit, und es gibt zahlreiche Unterschiede ZU den ursprünglichen Artikeln. — Es ist daher besonders lehrreich und sogar notwendig, über beide Texte zu verfügen, d. h. nicht nur wie gewöhnlich über die Lutezia, sondern auch über einen Band, der Heine als Publizisten zeigt, alle Artikel in ihrem Zusammenhang, ihrer chronologischen Folge darstellt, ihre Arbeitsstufen dokumentiert und ihren ersten Druck angibt. — Erst so wird eine klare Einsicht in Heines Denken und Schaffen möglich, erst so gelangt der Leser zu einer genaueren Kenntnis von Heines Interessen an verschiedenen Perioden, erst so gewinnt er einen Überblick über seine tagtägliche Arbeit, bekommt er die Mittel zu einem genauen Vergleich, der es ihm erlaubt, seine Entwicklung z» verfolgen. Erbittert durch die Reaktionen in Augsburg auf seine erste Artikelserie {vgl. Heine an J. F. v. Cotta, 1. 1. 18jj), hatte Heine tatsächlich aufgehört, neue Artikel für die „Allgemeine Zeitung' zu verfassen, hütete sich aber, mit Cotta zu brechen. Er unterhielt zu Johann Friedrich von Cotta und später zu dessen Sohn und Nachfolger Johann Georg von Cotta gute, wenn auch lose Beziehungen. Er gab im gleichen Brief J. F. von Cotta die Versicherung, gegebenenfalls wieder für die „Allgemeine Zeitung' zu schreiben: Auf die Gemäldeausstellung, die in 4 Wochen beginnt, bin ich sehr gespannt und halte dafür die Feder bereit. (HSA Bd. 21, S. 47,2;—27) — Doch wartete er bis Anfang i8ß6, ehe er der „Allgemeinen Zeitung' einen Artikel über Meyerbeers „Hugenotten" schickte, den einzigen Artikel zwischen 1832 und 1840 (vgl. Für die schöne Welt von Paris . . . ; HSA Bd. 7, S. 230—232). Von nun an erklärte er mehrmals seine Bereitschaft zur Mitarbeit — so im Brief an J. G. v. Cotta vom 28. März 1836: Gern will ich wieder für die Allgemeine arbeiten, so wie auch für das Morgenblatt, [...] (HSA Bd. 21,

ΙΟ

Pariser Berichte

1840—1848/Lutetia

S. i4j,2?f.) und an Gustav Kolb vom 28. April 1836: Für die KWge meine kann ich doch in diesem Augenblick nichts liefern, da wenig wichtiges v o r f ä l l t . . . ich stehe aber immer Schildwacht und sobald es nöthig wird, wird auch meine Feder nicht feyern. ( H S A Bd. 21, S. 1/3,11—13) Er bedauerte, daß das damalige Pariser Leben sieb für große Darstellungen nicht eignete (vgl. Heine an J. G. v. Cotta, 29. 1. und 8. 11. 1837; HS Α Bd. 21, Nr. 613 und Nr. 668), beteuerte aber am 8. November 1837: [...] sobald der Zeitgeist wieder die Anker lichtet, soll auch meine Feder flott werden. (HSA Bd. 21, S. 239,27f.) Anfang des fahres 1840 nahm er seine Mitarbeit an der „Allgemeinen Zeitung' wieder auf. Warum gerade im Jahre 1840? In Frankreich wurde Thiers nach dem republikanischen Aufstand vom 12. Mai 1839, nach dem schwachen Ministerium Soult und einer langen ministeriellen Krise mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauftragt. In Preußen trat Friedrich Wilhelm IV. die Nachfolge an und erweckte große Hoffnungen. In Europa löste die orientalische Frage eine internationale Krise aus, die eine dauernde Spannung ^wischen Frankreich und Deutschland %ur Folge hatte. Auch für Heine war das Jahr 1840 ein Wendepunkt. Seit dem Bundestagsdekret von i8ßj hatte er wenig veröffentlicht. In seinem 1840 erschienenen Buch Heinrich Heine über Ludw i g Börne hatte er seine Haltung %ur deutschen Opposition klargestellt und war nun %u neuen Kämpfen bereit. Die Bedeutung der wichtigen Ereignisse des Jahres 1840 hob Heine in einem Brief an Kolb vom 1. Dezember 1840 hervor: Ich glaube den Lerm dieses Jahrs zu rechter Zeit vorausgesehen zu haben. ( H S A Bd. 21, S. β89,23f.) Ähnlich heißt es im Brief an J. G. v. Cotta vom 3. Märs^ 1841: Im Anfang des vorigen Jahrs eilte ich die abgebrochene Correspondenz wieder anzuknüpfen, als ich die große Bewegung heranwogen sah — [..·] (HSA Bd. 21, S. 393,18ft) 1840 Im Februar 1840 verfaßte Heine mehrere Artikel, die ein ganz unterschiedliches Schicksal erfuhren. Zwei davon, der vom /. und der vom 22. Februar datierte Artikel, erschienen am 10. b%w. am 29. Februar in den Nummern 41 b^w. 60 der Allgemeinen Zeitung', wo sie das Zeichen Sty trugen (Bd. 10, S. 12 und S. 17f.). Sie umfaßten nur einige Zeilen, möglicherweise hatte die Zensur sie gekürzt; Handschriften sind nicht überliefert, und Heine schien ihnen keine Bedeutung beigemessen %u haben. Der erste, anläßlich eines Festabends am Hof geschrieben, enthielt eine Anspielung auf eventuelle diplomatische und ministerielle Veränderungen; der andere besprach eine Neubildung des Ministeriums mit eventuellen Neuverteilungen der Portefeuilles. Im Februar 1840 schrieb Heine drei weitere, auf den 4., 12. und 27. datierte Artikel (Bd. 10, S. 9 — 1 2 , S. 15 — 17 und S. 18). Vom letztgenannten blieb bloß ein Fragment, das eine Antwort an die «Quotidienne » über Heines Anwesenheit — oder richtiger Abwesenheit — auf dem Ball des Hauses Rothschild enthielt und die gefahrvolle innere Lage Frankreichs schilderte. Die beiden anderen Artikel waren länger und interessanter. Außer dem den Pariser Aufenthalt Laubes betreffenden Schluß des ersten Artikels beschrieben die beiden ersten Artikel sowie die letzten Zeilen des Artikels vom 27. Februar 1840 die durch den Gesetzentwurf über die Dotation des Herzogs von Nemours verursachte Unruhe sowie

Einleitung

IX

die finanzielle Lage Louis-Philippes. Der Vergleich ζwischen dem Konzept und der Reinschrift des Artikels vom 12. Februar ist höchst interessant, belegt er doch, daß Heine selbst die unfreundlichsten Stellen über Louis-Philippe gestrichen hatte. Das genügte aber nicht; Kolb reagierte ablehnend auf diese Artikel. In seinem Brief an Heine vom 27. Februar 1840 erklärte er, sie nicht aufnehmen zu können, eine Verstümmelung durch die Zensur sei unvermeidlich, denn „Die Zeit der französischen Zustände, wo man über dasfranzösische Regiment so gut als Alles sagen durfte, ist vorüber, obgleich im Ganzen der Zustand unserer Pressfreiheit (/) nicht schlimmer geworden ist als damals(HSA Bd. 2j, S. 24j, 17—20) Außerdem war der Zensor von Louis-Philippe zum Offizier der Ehrenlegion ernannt worden und wollte sich dafür dankbar ζ?'&η· Dagegen wünschte Kolb eine Reihe Berichte über Kunst und Literatur: „Am liebsten warn mir streng abgeschloßene Charakterbilder, Portraits, Gemälde in engem Rahmen, wo Sie die Person, den Gegenstand aus sich heraus erklären, von Innen jedem Zuge Leben geben, mit möglichster Vermeidung blos äußerlich hinzukommender Ketzereien." (HSA Bd. 2/, S. 241,33—246,3) Diese wohlwollenden Ratschläge Kolbs erlaubten es Heine, sich den neuen Verhältnissen anzupassen. Schon am 1. März, dem Antrittstag der Regierung Thiers, begann er als versierter Pressekorrespondent eine Reihe Artikel zu verfassen. Vom 1. März 1840 bis zum Ende dieses ereignisreichen fabres veröffentlichte er 26 Artikel in der Allgemeinen Zeitung Unter den Artikeln, die sich nicht unmittelbar mit der Tagespolitik befaßten, befand sich eine Rezension über George Sand, den Mißerfolg ihres Dramas „Cosima" betreffend, und über das damalige Theater (Bd. 10, S. 27—30), außerdem eine Rezension über den von Spontini bei der Wiederaufführung seines „Fernand Cortez" gegen die Oper eingeleiteten Prozeß (Bd. 10, S. 46—49). Sie bot eine ergötzende Karikatur des von der Kaiserin fosephine und von Napoleon hochgeschätzten Tonkünstlers, die Heine mit einer Studie über den Bonapartismus geschickt verband. Es gab auch zj»ei Reisebilder aus der Normandie und aus der Bretagne (Bd. 10, S. 60—64 und S. 64—66), in denen die internationale Spannung und die durch die Orientkrise ausgelöste Kriegsgefahr zu spüren waren, und schließlich eine lange Passage über das Gerichtsverfahren gegen die des Giftmordes an ihrem Ehemann angeklagte Madame Lafarge (Bd. 10, S. 66—69), ein Verfahren, das Frankreich damals bewegte und in zwei Lager teilte. Alle anderen Artikel behandelten tagespolitische Fragen und kreisten um einige Hauptthemen: die Opposition, Thiers' faszinierende Persönlichkeit, seine parlamentarische Tätigkeit, die Affäre der fuden von Damaskus, die Rückführung der Asche Napoleons. Im Artikel vom 9. April 1840 (Bd. 10, S. 19—22) war es Heine schließlich gelungen, sich über die Dotation des Herzogs von Nemours auszusprechen und Louis-Philippe ironisch zu schildern, wenn auch weniger scharf als im Artikel vom 12. Februar 1840 (Bd. 10, S. ij — 17). — Seit Ende Juli 1840, als die Konsequenzen des Londoner Vertrags spürbar wurden, konzentrierte er seine Aufmerksamkeit auf die Krise der internationalen Beziehungen und die Anzeichen von Nationalismus diesseits undjenseits des Rheins. In drei Artikeln — vom 27., 29. und 30. Juli 1840 (Bd. 10, S. 54—60) — befaßte er sich mit den Nachwirkungen des Londoner Vertrags, in zj»ei anderen — vom 3. und 7. Oktober 1840 (Bd. 10, S. 69—72) — schilderte er die durch die Beschießung von Beirut verursachte Lage und Stimmung. Als die innere Krise in Frankreich überwunden war und die Gemüter sich beruhigt hatten,

12

Pariser Berichte 1840—1848/Lutetia

als das Ministerium vom 2p. November, in dem Gui^ot als Außenminister die Hauptrolle spielte, das Ministerium Thiers ersetzt hatte, schrieb Heine vier kurvte Artikel (vom )0. Oktober, 4., 7. und 12. November; Bd. 10, S. 72—79) über Frankreichs innere Probleme. Mit einer gewissen Zurückhaltung erwähnte er den Ministerwechsel, hütete sich aber, von einem parlamentarischen Zweikampf ζwischen Thiers und Gui^ot zu berichten, obwohl er versprochen hatte, darüber zu schreiben. Er lobte Louis-Philippes Friedenspolitik und fügte einige Bemerkungen über dessen Familiengefühl hinzu. Übrigens meldete er Kolb am 1. Dezember 1840, daß, seiner Meinung nach, die Dinge wieder ihren ruhigen Lauf nehmen würden (.HSA Bd. 21, S. 389,24^. Im Laufe dieses bewegten Jahres war Heine auf manche Schwierigkeiten gestoßen. Nach den Versuchen des Monats Februar hatte er noch ζwet Artikel geschickt, die nicht gedruckt wurden. Vom ersten liegt außer einem Konzept — ζwei mit Tinte geschriebene Seiten mit vielen Streichungen und Korrekturen — eine eigenhändige, mit Tinte geschriebene Reinschrift von sechs Seiten vor, datiert 11. Juni 1840, mit dem Titel Die Juden und die Presse in Paris. Zweiter Artikel (Bd. 10, S. 43—45), vom ζweiten die Reinschrift mit dem Datum vom 20. November 1840 (Bd. 10, S. 79—82). Kein Dokument erklärt, warum sie nicht gedruckt wurden. Nicht die Bemerkungen des ersten über die von Balzac in einem aufsehenerregenden Artikel der «Revue Parisienne» (Lettres russes, avril 1840, in: Revue Parisienne, dirigee par Μ. de Balzac, S. 119) schon denunzierte Käuflichkeit der französischen Presse und über die verhältnismäßige Milde der deutschen Zensur, nicht die Anspielungen auf die Leiden der Juden von Damaskus, die in der „Allgemeinen Zeitung' einen verständnisvollen Widerhall gefunden hatten, aber wohl die heftigen Angriffe gegen den Zaren von Rußland dürften ein Hindernis gebildet haben: Höchstwahrscheinlich hatte Heine es vorgezogen, den Artikel nicht abzuschicken, um dessen Verstümmelung z« vermeiden. — Die Reinschrift enthält nämlich einige mit Bleistift geschriebene Korrekturen für die Lutezia — ein Beweis, daß Heine sie aufbewahrte, denn Kolb erfüllte seinen Wunsch nicht, ihm seine Reinschriften zurückzuschicken. Dagegen ist es offensichtlich, warum Kolb den Artikel vom 20. November nicht zum Setzen gab, denn Heine behauptete darin: Wüßte ich nicht, daß die herrschende Idee unserer Tage — und ich will sie bey ihrem Namen nennen: die Demokratie — im Boden Frankreichs tiefer wurzelt als jede andre Herrschaft, so würde ich ihre Zukunft sehr gefährdet glauben; [ . . . ] Daß die Idee der Demokratie in Frankreich herrschend ist, unterliegt keinem Zweifel. (Bd. 10, S. 80,1 — 8) Ein solches Glaubensbekenntnis konnte der Vorsicht des Chefredakteurs oder der Aufmerksamkeit des Zensors nicht entgehen. Außerdem nutzte Heine die Gelegenheit, um eine Reihe von damaligen demokratischen Broschüren mit Texten von Louis Blanc, Lamennais und Esqutros zu Z't'eren- Die spöttische Weise, womit er manche Stellen, besonders aus und im einzelnen die Ausführungen in Bd. iojuK I.) Wie weit Campe Heine darüber unterrichtete oder ob er auf diese Weise hoffte, das versprochene Honorarfür die „Zweite Auflage"' zu sparen, ist nicht eindeutig zu entscheiden, da Heine im II. Quartal 18;j von Campe exakt eine Summe von 2000 Μ erhielt (vgl. HSA Bd. 27, Nr. 1226, und Bd. 27K, S. 2 j2), die als Honorar für ein anderes Werk nicht nachgewiesen werden konnte. Unserem Text liegt der Erstdruck zugrunde (im einzelnen vgl. dazu Bd. 10/11 KT). Publizist und Dichter Die Buchfassung fand also einen ebenso großen Erfolg wie die in der „Allgemeinen Zeitung' erschienenen Artikel. Von Anfang an hatte Heine eine bedeutende Rolle in der Darstellung des Tagesgeschehens und in der Darlegung der neuen, führenden Ideen seiner Zeit gespielt. Im Laufe der Zeit hatte er die ihn dabei leitenden Prinzipien und seine Auffassung von der Wirkung eines schriftstellerisch begabten Publizisten zum Ausdruck gebracht. Zunächst wollte er kein fournalist der üblichen Art sein. Den bei der „Allgemeinen Zeitung1 angestellten Pariser Korrespondenten überließ er die regelmäßige, langweilige Arbeit, nämlich, die täglichen Begebenheiten darzustellen und die wichtigsten Presseartikel zusammenzufassen: Schon am 20.fanuar 18)2 hatte er an Cotta geschrieben: [...] die kleinen Lumpereyen weiß Donndorff doch immer eine Stunde früher als ich, da er sie mir erst bey Tisch erzählt. (HSA Bd. 21, S. 28,19—21) Und am 29. fanuar i8}j wiederholte er ihm: [...] für die gewöhnlichen Vorfälle ist Ihr dreygestirnter Chiffonier [Derndorf] schon hinreichend. (HSA Bd. 21, S. 180,nf.) — Heine wartete auf bedeutende Ereignisse, so äußerte es schon der erste Brief aus Paris an fohann Friedrich v. Cotta vom ßi. Oktober 1831: Wird es lebhafter und passirt etwas bedeutendes, so sollen Sie darüber Berichte für die Allgemeine Zeitung erhalten, wie ich Kolb versprach, [...] (HSA Bd. 21, S. 2j,n—if) Am 20. Januar 18}2 bestätigte er Cotta, daß er nach Paris gekommen sei, um große Dinge zu beschreiben (HSA Bd. 21, S. 28,22); Ähnliches wiederholte er in den Briefen an Kolb vom 28. April 1836 und vom 8. November 1837 (HSA Bd. 21, Nr. j8i und Nr. 668). Und mit den gleichen Gründen rechtfertigte er Anfang 1841 die Wiederaufnahme seiner regelmäßigen Mitarbeit an der „Allgemeinen Zeitung' (Heine an Cotta, 3. }. 1841; HSA Bd. 21, Nr. 84}). Die bedeutenden Ereignisse wollte Heine als politischer Schriftsteller behandeln; darauf bestand er immer. Schon Mitte Mai 1832 äußerte er, daß er trotz Intrigen seiner Feinde



Pariser Berichte 1840—1848jLutetia

keine Lust habe, als Tribun abzudanken (Heine an Varnhagen, Mitte Mai 1832; HS A Bd. 21, S. 36,30). Zehn Jahre später schrieb er an Laube, der soeben die Leitung der Leitung für die elegante Welt" übernommen hatte: [...] wir müssen unsre politischen Sympathien und socialen Antipathien nirgens verhehlen, wir müssen das Schlechte beim rechten Namen nennen und das Gute ohne Weltrücksicht vertheidigen, [...] {Heine an Laube, 7. 11. 1842; HSA Bd. 22, S. 36,31—33) Und am Ende seines Lebens, als er in der Preface der Lutibce auf seine publizistische Tätigkeit zurückblickte, drückte er seine unwandelbare Liebe für die Sache der Menschheit, für die demokratischen Ideen der Revolution aus: Mais celui qui saisit l'esprit de mes paroles, y reconnaitra partout la plus stricte unit6 de pensie et un attachement invariable pour la cause de l'humanit6, pour les iddes d6mocratiques de la rdvolution. ( H S A Bd. 19, S. 13,26—29) Zum Begriff eines fortschrittlichen politischen Publizisten gehörte damals der Haß gegen die Teutomanen und die Vorliebe für Frankreich (vgl. Lutfcce. Preface; HSA Bd. 19, S. 16,11— i j , 16). Daß[...] das aufrichtige und großmüthige, bis zur Fanfaronade großmüthige Frankreich unser natürlicher und wahrhaft sicherster Alliirter ist, war die Ueberzeugung meines ganzen Lebens, [...] — so sprach Heine im Zueignungsbrief der Lutezia (Bd. 11, S. 10,2—4). Seine Artikel waren immer voller Sympathie für Frankreich, und oft %eigte er seinen Lesern die Tatsachen vom Standpunkt der Franzosen aus. Seine Einstellung zu den Verhältnissen in Frankreich formulierte er in einem Zusatz für den in der Lutezia umdatierten Artikel vom 21. März 1843 (ßd· I0> S. 192—194), worin er von der Guizot'schen Corruption (Bd. 11, S. 191,8) sprach; darin heißt es: [...] nur Acte der Politik, die auch auf unser eignes Vaterland einen Einfluß üben könnten, soll ein Correspondent besprechen. Ich werde daher die jetzige Corruption, das Bestechungssystem, womit meine Collegen in deutschen Zeitungen so viele Colonnen anfüllen, weder in Frage stellen noch rechtfertigen. [ . . . ] Warum sollen wir jetzt über den Splitter, den wir in französischen Augen bemerkt, so viel Zeter schreien, wenn wir uns über den Balken in den blauen Augen unsrer deutschen Behörden entweder gar nicht oder sehr kleinlaut äußern dürfen? (Bd. 11, S. 190,18 — 33) Auch in dieser Hinsicht unterschied sich Heine von den anderen Korrespondenten. Aber seine Eigenart besteht vor allem in der Vermittlung von Journalistik und Literatur, in der Überwindung der Kluft zwischen der Schilderung des Tagesgeschehens und Kunst. Er war der erste Feuilletonist moderner Art und erhob das Feuilleton zur Kunstform. Mit ihm begann jenes Zeitalter, das Hermann Hesse „das feuilletonistische" nannte (H. Hesse, Das Glasperlenspiel. Berlin 1961, S. 18). Das Feuilleton, das seit Ende des 18. Jahrhunderts einen Platz im unteren Teil eines Journals gehabt hatte, erhielt jetzt immer größere Bedeutung, besonders seit dem außergewöhnlichen Aufschwung, den die Presse in Frankreich seit der Julirevolution und der Gründung der Zeitung « La Presse » durch Emile de Girardin im Jahre 1836 erfahren hatte. Diese „Franzosenkrankheit" hatte Heine nach Deutschland eingeschleppt, was Karl Kraus ihm vorwarf (vgl. Heine und die Folgen. In: Untergang der Welt durch schwarze Magie. München i960, S. 189).

Einleitung

31

Seinejournalistischen Leistungen gehören schon %ur Literatur. Er war zugleich ein brillanter Publizist, ein hervorragender Denker, ein genialer Dichter. Bei ihm vereinigen sich diese Eigenschaften in einem und demselben Menschen und sind nicht voneinander %u trennen. Die vorliegende Ausgabe erlaubt es, Heines Denken und seine Prosa von der vom Tagesgeschehen ausgelösten ersten Anregung bis %um ausgefeilten, geschliffenen Satζ, vom ersten Brouillon bis %um Druck in der ,^Allgemeinen Zeitung' und schließlich bis %ur Veröffentlichung des geschlossenen Werkes, der Lutezia, verfolgen. Sie bietet eine neue, eine bessere Möglichkeit, das besonders gelungene Zusammentreffen von Publizistik und Literatur und dabei Heines Denken und Kunst bewundern.

ERLÄUTERUNGEN

Zueignungsbrief —ff,4

Pückler-Muskau — Heine stand mit dem Fürsten Hermann von PückltrMuskau seit langem in freundschaftlicher Beziehung und setzte sich im Dezember 1839 für eine Übersetzung seiner Schriften ins Französische und für die Veröffentlichung von Pücklers „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei" {Stuttgart 1834) — Pückler versuchte im fanuar 1846 im Sinne Heines — durch Vermittlung bei Carl Heine — eine Beilegung des Erbschaftsstreites erwirken. Im April 18J4 machte Pückler bei Heine einen Krankenbesuch. —}η,ιζ wähl verwandter Zeitgenosse — Heine weist, nach Pücklers Besuch, in seinem Brief vom 3. April 18^4 auf ihre „Wahlverwandtschaft" hin (HSA Bd. 23, S. 316,28), und auch Pückler schreibt ihm Ende Mai 18^4: „In der That, es existirt eine Wahlverwandtschaft \wischen uns [...]" (HSA Bd. 27, S. 190,3) — B r i e f e eines Verstorbenen — Pücklers Briefe eines Verstorbenen" (Untertitel %u Bd. 1 und 2: Ein fragmentarisches Tagebuch aus England, Wales, Irland und Frankreich, geschrieben in den Jahren 1828 und 1829; Untertitel %u Bd. 3 und 4: [...] aus Deutschland, Holland und England, geschrieben [...] 1826, 1827 und 1828), waren 1830 (in München) und 1831 (in Stuttgart) anonym erschienen. — Heine kannte und schätzte das Werk seit 1830 (s. Heine an Varnhagen, 19. und 30. November 1830; HSA Bd. 20, S. 423,2if. und 42^,24—26), auf das ihn Varnhagen Zuvor ausdrücklich aufmerksam gemacht hatte (j·. Varnhagen an Heine, /. November 1830; HSA Bd. 24, S. 66). Er erwähnt es im V o r w o r t vom IJ. November 1830 %um vierten Teil der Reisebilder (HSA Bd. j, S. 200,28—30) und entnahm ihm das Motto zur Stadt L u k k a (HSA Bd. 6, S. 137,3—17)· Vgl. auch Französische Zustände. Artikel I V (HSA Bd. 7, S. 104,3^. —/8,j f. das Augsburgische Prokrustesbett — Prokrustes, in der griechischen Sage Beiname des Räubers Damastes oder Polypemon, der bei ihm einkehrende Reisende durch Verstümmelung oder Streckung dem zur Verfügung stehenden Bett anpaßte. Er wurde von Theseus bezwungen. Vgl. auch S. 67,22/5. 74,5 f. —/8,6 aus Tagesberichten — Vgl. den ursprünglich von Heine für die Lutezia vorgesehenen Untertitel Tagesberichte (s. Heine an Campe, 12. August 18}2; HSA Bd. 23, S. 222).

Zueignungsbrief —/8,2i—23

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Herne, Bd. i o / i i

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Indem ich ... hinzufügte — Heine bezieht sieb u. a. auf die Artikel X I , LIV und Gefängnißreform und Strafgesetzgebung. Vgl. seinen Brief an Campe vom 12. August 18/2 (HSΑ Bd. 23, S. 220, 29f.), wo er auf ganz ungedruckte Aufsätze und einen großen Theil Neues hinweist. die „parlamentarische" nannte — Heine schlug Campe in seinem Brief vom 2. Mai 18J4 (HSA Bd. 23, S. 328) als Einzeltitel für die Lutezia u. a. vor: Pariser Berichte aus der parlamentarischen Periode. (1840 bis 1843.) parlamentarisches Gouvernement — Nach englischem Vorbild ist ein parlamentarisches Gouvernement vor den Kammern verantwortlich und kann durch eine ungünstige Abstimmung des Parlaments zum Rücktritt gezwungen werden. Der Begriff kam in einer Adresse an Louis-Philippe vor, die am 7. fanuar 1840 in der Deputiertenkammer verlesen wurde: „Voilä bientSt dix ans que la France s'est decidee ä chercher, a travers les hasards d'une revolution, deux biens inappreciables, une dynastie nationale, un gouvernement parlementaire." (Vgl. Le Moniteur universel, Nr. 8 vom 8. fanuar 1840, S. 40). Die Formulierung erregte Aufsehen, weil sie die Macht der Kammer gegenüber dem König hervorhob. — Vgl. auch S. 20,19/ S. 18,9 undS. 50,25jS. 58,23. Am 24. Februar 1848... zu Boden — Heine bezieht sich auf das revolutionäre Geschehen am 24. Februar 1848 in Paris: Am Vormittag hatte der König zugunsten seines Enkels, des Grafen von Paris, abgedankt. Gegen 14 Uhr erschien die Herzogin von Orleans mit ihren beiden Kindern und dem Herzog von Nemours in der Deputiertenkammer in der Hoffnung, als Regentin anerkannt %u werden. Ihr Plan ζerschlug sich. Ein Abgeordneter (Marie) verlangte die Bildung einer provisorischen Regierung, während das bewaffnete Volk in den Sitzungssaal eindrang. Lamartine bestieg die Rednertribüne und erklärte sich für die provisorische Regierung, deren Mitglieder ausgerufen wurden (vgl. Le Moniteur universel, Nr. j6 vom 2/. Februar und Nr. 77 vom 26. Februar 1848) und sich daraufhin s^um Rathaus begaben. Die neue Regierung beschieß, daß am 9. April 1848 eine verfassunggebende Versammlung von allen Bürgern über 20 fahre gewählt werden sollte. — Vgl. auch %u 2jy,if.\—. Ministerium vom 1. März 1840... vom 29. November 1840 — Thiers war der Präsident des Ministeriums vom 1. März 1840, Soult Präsident der (nach dem Sturze von Thiers) neugebildeten Regierung vom 29. Oktober 1840 (nicht 29. November, wie Heine irrtümlich schreibt). — Der gleiche Fehler unterlief Heine in der Retrospectiven Aufklärung von 18 J4 (Bd. 11, S. 200,3). Thiers . . . auf die Beine — Anspielung auf die infolge der Londoner Übereinkunft ohne Mitwissen Frankreichs ^wischen England, Österreich, Rußland und Preußen zur Lösung der orientalischen Frage vom 1 j. fuli 1840 entstandene Krise, die in Frankreich unter Thiers die Aufrüstung

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Zueignungsbrief

forcierte und die Forderung nach dem linken Rheinufer erneuerte. In Deutschland lösten diese Vorgänge eine heftige Protestbewegung aus. —/9,38 Erisapfel der orientalischen Frage — Anspielung auf den Richterspruch des Paris, der mittelbarer Anlaß zum Trojanischen Krieg wurde. —/io, 5 f. Franzosenfresser — Der Ausdruck wurde von Börne in seiner Auseinandersetzung mit W. Mendel geprägt; s. „Gallophobie de M. Mendel" in « La Balance », Januar 1836, und „Mendel, der Franzosenfresser", Paris 1837. (Vgl. L. Börne: Sämtliche Schriften. Bd.3. Düsseldorf 1964, S. 871—984) — Vgl. auch Bd. 10, S. 294,iof. —/io,6 Rheinliedbarden — Anspielung auf Nikolaus Becker, den Verfasser des „Rheinliedes" („Sie sollen ihn nicht haben,..."; 1840) und Max Schneckenburgers „Die Wacht am Rhein" („Es braust ein Ruf wie Donnerhall.. ."; 1840) sowie auf andere Dichter, die das gleiche Thema in derselben Art bebandelten. Vgl. Deutschland. Ein Wintermährchen. Caput V (HSA Bd. 2, S. 30 j-308). —/10,7t. namentlich ... die Engländer — Vgl. Kolbs Kritik an Lutezia L I in seinem Brief vom 7. Oktober 1842 (HSA Bd. 26, S. 34). —/io,38 — ι ι , ι Man hat ... größte Anerkennung gezollt — s. Laubes Artikel über Heine in Brüggemanns „Neuestem Conversationslexikon für alle Stände" (Bd. 4. Leipzig 1834, S. 473): „[...] nicht die Begriffe, sondern das Antlitz einer neuen Geschichte brachte er in diesen ,französischen Zuständen'. Er war der rechte Mann für diesen Zweck, er dichtete Geschichte, und drängte das poetische Auge tief hinein in noch dunkele, zukünftige Räume, welche für den trockenen Historiker doch nicht existirten." Vgl. auch hinsichtlich der Rezeption der Französischen Zustände (HSA Bd. 7) und von De la France (HSA Bd. 18) den Entwurf z? einem Vorwort zur Zweiten Auf läge der Reisebilder. Vierter Theil (HSA Bd. j, S. 20 /). —/i 1,1 f. die französische Uebersetzung ... benutzt — Wen Heine gemeint hat, ließ sich nicht ermitteln. —/n,i2 der romantische Anacharsis — Der Hauptheld von Abbe Jean-Jacques Barthelemjs Erfolgsroman ,Voyage du jeune Anacharsis en Grice" (1788), in dem ein junger Skythe eine kulturgeschichtlich aufschlußreiche Reise durch das Griechenland Philipps II. von Macedonien unternimmt. —/ιι,ι j in Sandomir, oder in Sandomich — Heines Wortspiel bezieht sieb auf das auf sandigem Boden erbaute Berlin, wo mundartlich die Pronomina „mir" und „mich" verwechselt werden. —/ιι,ι 8 Hut-Hut — Die arabische Bezeichnung für den Wiedehopf, der in der persischen Sage als der Liebesbote zwischen König Salome und der Königin von Saba galt. Vgl. Französische Zustände. Vorrede (HSA Bd. 7, S. γ8,31 f.) und Atta Troll. Caput X I X , 69-88 (HSA, Bd. 2, S. 213). —/ιι,ι8 Dragomanen — Als Dragoman wurde im Orient in den Kreisen der Europäer ein Dolmetscher bezeichnet.

Zueignungsbrief 11.24

11.25

11.33 11.34 11.35 11.36

12.1 f. 12.2

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Lady Esther Stanhope — Nichte und Mitarbeiterin von William Pitt, ließ sich 1814 nach vierjährigen Reisen durch den Vorderen Orient in Dschihun {Libanon) nieder, wo sie wie eine Sultanin der Wüste (vgl. die Formulierung Bd. 11, S. 283,30, Madame de Stael betreffend) verehrt wurde und auch politischen Einfluß ausübte. aus den Memoiren — j·. „Memoirs of the Lady Hester Stanhope, as related by herself in Conversations with her Physician." 2. ed. Bd. 3. London 1846, S. 8j: „At Lady Hester's desire, I requestedfrom him some information respecting the polytheistic school, which, from a biographical notice of Heyne, inserted in the Revue de Paris, she had learned existed in Germany. The prince told me Heyne was the chief of that sect, and that its tenets were of a rather general and vague nature, implying the probability of the existence of many intermediate links in the chain of beings between God and man, and of many subordinate deities." — Diese Textstelle bezieht sich auf die Schilderung des Besuchs des Fürsten Pückler-Muskau bei Lady Stanhope im April 1838. — Wahrscheinlich las Heine die 1846 in deutscher Übersetzung erschienenen „Denkwürdigkeiten der Lady Esther Stanhope. Erzählt von ihr selbst in Unterredungen mit ihrem Arzte; Anekdoten u. Meinungen über d. bemerkenswertesten Personen ihrer Zeit. Nach d. 2. Ausg. für dt. Leser bearb. u. übers, von Dr. Birch" (Bd. 1—4. Stuttgart 1846), denn dort heißt es in der Anmerkung des Übersetzers (Bd. ß, S. 42f.) %u dieser Stelle: „Eine ganz wunderbare Neuigkeit![...] Heyne ein Sektenhaupt, eine Art von Marabut des neunzehnten Jahrhunderts, und noch dazu mit einer Doctrin am Halse! Jedenfalls verwechselte der Doctor oder die Lady Polytheismus mit Pantheismus. Es ist mir allerdings bekannt, daß Heyne gesagt hat, daß die meisten Gebildete in Deutschland Pantheisten seyen, aber damit hat er doch zuverläßig weder eine neue Lehre [...] und noch viel weniger eine Sekte begründen wollen noch können." ehe es zu spät ist — Anspielung auf den ersten, von England gegen China geführten Opiumkrieg (1840—1842). der rothhaarigten Barbaren — Bei den Chinesen gebräuchlicher Ausdruck zur Bezeichnung der Engländer bzw. Europäer. Porcellan-Kaiser — Tao-Kuang herrschte über China von 1821 bis i8jo (Dynastie der Tsing). Calcutta advertiser — Es könnte sowohl die „Bengal Gazette or Calcutta General Advertiser" als auch die „Indian Gazette or Calcutta Advertiser" gemeint sein. nach dem Berge Kaf — Der Kaukasus wurde von den Tartaren Kok-Kaf und von den Türken Kafdagh genannt. Vogel Simurgh — Dieser Riesenvogel der persischen Mythologie galt als Ratgeber Salomes. Heine bezeichnet damit hier und auch an anderer Stelle (j·. Französische Zustände. Vorrede; HS Α Bd. 7, S. γ 8, 2jf.) den österreichischen Staatskanzler Metternich.

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Artikel

weiße Röcke und rothe Hosen — Uniform der höheren österreichischen Offiziere. Schloß Johannisberg am Rhein — Das unweit von Wiesbaden gelegene, durch den dort angebauten Wein bekannte Schloß Johannisberg war seit 1816 als kaiserlich-österreichisches Lehen im Besitz des Fürsten Metternich. meine Gedichte liebt — Heine war bekannt, daß Metternich ein Verehrer seiner Gedichte war. In dem Briefentwurf an einen unbekannten Adressaten von Anfang Juli I8J/ (HSA Bd. 23, S. 4)0,2$f.) weist er ausdrücklich darauf hin. Vgl. auch Die Bäder von Lukka, Paralipomena Capitel VIII (HSA Bd. 6, S. 248,23f.), Heine an Campe, 23. Januar 1837 (HSA Bd. 21, S. 17},22—24) und Heine an Lewald, 2}. Januar 1837 (HSA Bd. 21, S. 179,7f.) sowie Varnhagen an Heine, 8. Februar 1846 {HSA Bd. 26, S. 146,18). — Metternichs Sekretäre Gent% {s. R. Varnhagen von Ense: Röbel. Ein Buch des Andenkensfür ihre Freunde. Bd. 3. Berlin 1834, S. 4J3) und Zedlitz (s. Laube an Heine, 11. Juni 1847; HSA Bd. 26, S. 20j) schätzten ihn ebenfalls. daß er einst Ew. Durchlaucht erzählte . . . vergossen habe — Vgl. Pückler-Muskaus Brief an Heine vom 21. März 18J4 (HSA Bd. 27, S. 162,1—/), in dem er von der Hoffnung spricht, „den Mann baldpersönlich kennen lernen, der es eben so gut vermag einem Fürsten Metternich Thränen der Rührung in's Auge vyt drängen, als Mephistopheles selbst %um Lachen zwingen." Kyritz — Kleinstadt in der Nähe Potsdams; seit dem Ausruf „Oh Kyritiζ, mein Vaterland" in Karl Ludwig Blums Vaudeville „Ein Stündchen vor dem Potsdamer Tor" (Berlin 1836) galt sie als Typus kleinstädtischen Wesens (vgl. auch HSA Bd. 7, S. 77,2). Tombuktu — Auch Timbuktu, alte Handelsstadt im heutigen Mali, am Niger; früher Ausgangs- und Endpunkt wichtiger Karawanenstraßen durch die Sahara, Synonym für „gan% weit weg".

Artikel

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vom 4. Februar 1840

vom 4. Februar

1840

Ernennung Guizots als Gesandter in London — Am j. Februar 1840 wurde Gui^ot %um Botschafter in England ernannt; vgl. auch S. 50,28/ S. 58,26. Rückruf Sebastianis — Sebastiani war seit 183/ als Nachfolger Talleyrands Botschafter in London. — Vgl. «Le Courrier fran(ais» vom 30. Januar 1840: „Le Constitutionnel et le Commerce font mention d'un incident qui aurait mis en emoi les salons ministeriels [...] Les ministres ne pouvant pas obtenir du rot le renvoi de Μ. Sebastiani avaient tous offert leur demission; quelques-uns meme I'avaient donnee. Le rot, dans un premier mouvement, etait dispose a I'accepter et avait charge le marechal Soult, selon

Artikel vom 4. Februar 1840

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l'invariable usage, de former un cabinet. Mais le marechal, ä qui les missions de ce genre ne reussissent pas, a repondu que, partageant Γopinion de ses colligues, il ne pouvait pas se separer d'eux. C'est alors que le rot a cede. La nomination de Μ. Gui^ot ä l'ambassade de Londres est aujourd,bui officielle." — Vgl. auch « Le National» vom 30. Januar 1840. gegen den allerhöchsten Willen des Königs — Der König vertrieb Gui^ot nicht, an der Koalition teilgenommen %u haben, die das Ministerium Mole %um Rücktritt genötigt hatte (