Heimliche Freunde: Die Beziehungen Österreichs zu den Diktaturen Südeuropas nach 1945: Spanien, Portugal, Griechenland 9783205203568, 9783205201014


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German Pages [336] Year 2016

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Heimliche Freunde: Die Beziehungen Österreichs zu den Diktaturen Südeuropas nach 1945: Spanien, Portugal, Griechenland
 9783205203568, 9783205201014

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Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für politisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Salzburg

Herausgegeben von Robert Kriechbaumer · Franz Schausberger · Hubert Weinberger Band 54

Stefan A. Müller · David Schriffl · Adamantios T. Skordos

Heimliche Freunde Die Beziehungen Österreichs zu den Diktaturen Südeuropas nach 1945: Spanien, Portugal, Griechenland

2016 Böhlau Verlag Wien · Köln · Weimar

Gedruckt mit der Unterstützung des Zukunftsfonds der Republik Österreich

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildungen: Papadopoulos © Personalities/TopFoto/picturedesk.com Salazar © akg-images/picturedesk.com Franco © ÖNB/P 264/3

© 2016 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A–1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Ernst Grabovszki, Wien Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung: Theiss, St. Stefan im Lavanttal Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-20101-4

Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   9 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   11 Stefan A. Müller Die Beziehungen Österreichs zu Spanien  : 1945–1978.. Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Radikale Utopisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untergang und Neubeginn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fluchthilfe für Nationalsozialisten . . . . . . . . . . . . . . . . Die Vertretung der Österreicher.. . . . . . . . . . . . . . . . . Verhinderte Freunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Österreichische Mädchen für den Caudillo . . . . . . . . . . . . Die Beurteilung des Regimes.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Gründung des cedi und schwarze Sympathien . . . . . . . Der steinige Weg zur Wiederaufnahme der Beziehungen . . . . Unkritische Partner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bedeutung des cedi. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Mariazeller Elefant im diplomatischen Porzellanladen.. . . Die Botschafter und ihr Bild von Franco-Spanien.. . . . . . . . Wien als Brücke nach Osten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stockende Wirtschaftsbeziehungen.. . . . . . . . . . . . . . . . Die Kultur als natürliche Verbindung. . . . . . . . . . . . . . . Sozialistischer Widerstand, Koalitionskrise und das Ende des cedi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gutes Klima und Schwenk der spö . . . . . . . . . . . . . . . . Das Ende der Flitterwochen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kulturkampf mit Windmühlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernüchterung und Distanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wandel durch Annäherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontakte zur Opposition und die Proteste von 1975.. . . . . . . Der König nimmt Kontakt auf . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Aufbruchsjahr und der Mallorca-Bonus . . . . . . . . . . . Freundschaftsdienste für Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . Staatsbesuch von Juan Carlos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6 Abbildungen Spanien . . . . . . Literaturverzeichnis Spanien. . Quellen aus dem Internet.. . . Sonstige Quellen . . . . . . . .

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David Schriffl Die Beziehungen Österreichs zu Portugal  : 1945–1974 . . . . . . . Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachkriegsverhältnisse und Kinderhilfsaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Frage der Anerkennung Österreichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . Weitere diplomatische Beziehungen und die Südtirolfrage . . . . . . . . . . Wirtschaft und Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Wiederbeginn wirtschaftlichen Austausches . . . . . . . . . . . . . . . . Institutionalisierte Wirtschaftskooperation – die efta . . . . . . . . . . . . . Die Vereinten Nationen als Prisma der Beziehungen . . . . . . . . . . . . . Das Bild Portugals in Österreich.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Regime, sein Führer und die Portugiesen. . . . . . . . . . . . . . . . . . Die (linke) Opposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Haltung zur Monarchie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blockkonfrontation und Militär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Dass hiebei Blut vergossen werden musste, braucht nicht so ernst genommen werden.« Die Kolonialfrage und Portugals »zivilisatorische Mission« . . . . . Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Bild Österreichs in Portugal.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungen Portugal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis Portugal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Adamantios T. Skordos Die Beziehungen Österreichs zur griechischen Junta (1967–1974)  : zwischen Verachtung und Pragmatismus . . . Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Griechischen Bürgerkrieg zur Militärdiktatur . . . . . . . . . Der Staatsstreich und die »Verantwortung« Andreas Papandreous . Die Anerkennungsfrage.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfrieren der Besuchsdiplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die griechische Frage im Europarat. . . . . . . . . . . . . . . . . . Spannungen zwischen Wien und Athen  : prominente Besuche . . . »Geschäfte« mit den Obristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Das Argument des »kleinen Staates« . »Humanitäre Interventionen« . . . . . Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . Abbildungen Griechenland. . . . . . . Literaturverzeichnis Griechenland.. .

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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331

Vorwort

Diese Publikation ist das Ergebnis eines Forschungsprojekts, dessen Ziel es war, die diplomatisch-politischen Beziehungen Österreichs zu den autoritären Regimen in Spanien, Portugal und Griechenland zu untersuchen – also die Beziehungen der Zweiten Republik zu heutigen Partnerländern der Europäischen Union, die nach 1945 noch Diktaturen waren oder solche ausprägten und nicht dem Ostblock angehörten. Der Umgang mit diesen Staaten, diesbezügliche Brüche und Kontinuitäten sind erstmals im Detail und auf Basis bisher unbearbeiteter Quellen – vorwiegend des österreichischen Außenministeriums – untersucht worden. Der Zukunftsfonds der Republik finanzierte die Arbeit, Projektträger war die Dr.Wilfried-Haslauer-Bibliothek Salzburg. Ihrem wissenschaftlichen Vorstand, Robert Kriechbaumer, gebührt neben allen anderen Verantwortlichen besonderer Dank – für seine wertvollen Hinweise und Korrekturen. Manfried Rauchensteiner und die Neogräzistin Maria A. Stassinopoulou zählten zu den Unterstützern des Projekts. Danke für die Möglichkeit, Terra incognita zu betreten und beim Schließen einer Forschungslücke mitwirken zu können. Im Außenministerium ermöglichte Gudrun Graf, Leiterin der Informationsabteilung, den Zugang zu Akten, die noch nicht ihren Weg ins Staatsarchiv gefunden hatten. Rosemarie Profohs sei zudem für ihre liebenswürdige Unterstützung bei der Sichtung dieser Dokumente gedankt. Die Beiträge zu den drei Ländern bringen Neues, teilweise Überraschendes und bieten Ausgangspunkte für weitere Forschungen. Wir hoffen mit dieser Lektüre das Interesse daran zu wecken. Stefan A. Müller, David Schriffl, Adamantios T. Skordos, Wien und Leipzig, im Oktober 2015

Einleitung Die Außenpolitik der Zweiten Republik1 war zunächst von äußeren Zwängen bestimmt. In der unmittelbaren Nachkriegszeit hatte die Sicherung der Vorkriegsgrenzen gegenüber Ansprüchen der Nachbarstaaten – etwa Jugoslawiens2 oder der Tschechoslowakei3 – sowie die Versorgung der Bevölkerung mit dem Nötigsten Priorität. Zur Erhaltung der für die Erfüllung dieser Aufgaben notwendigen inneren Einheit wurde nach den ersten freien Wahlen im November 1945 zunächst eine Konzentrationsregierung aus övp, spö und kpö gebildet. Letztere zog ihren Minister Ende 1947 aber bereits wieder aus der Regierung zurück, womit sich der in den Jahrzehnten danach oft quasi als naturgegeben empfundene Zustand der Großen Koalition einstellte.4 Die ersten regelrechten diplomatischen Beziehungen wurden mit den Besatzungsmächten unterhalten, die der Souveränität des befreiten Landes in den Alliierten Kontrollabkommen enge Grenzen setzten. Mangels Devisen war die Wirtschaft auf den Tauschhandel mit den Nachbarländern angewiesen. Im ersten Schritt wurden die Beziehungen zu diesen wieder aufgenommen, um Kompensationsgeschäfte voranzutreiben und die Belange österreichischer Staatsbürger zu schützen, deren Wohl1 Es existiert eine Fülle von Literatur zum Thema, wobei die drei hier behandelten Staaten kaum vorkommen. Vgl. u. v. a. Klaus Fiesinger, Ballhausplatz-Diplomatie 1945–1949. Reetablierung der Nachbarschaftsbeziehungenund Reorganisation des Auswärtigen Dienstes als Formen außenpolitischer Reemanzipation Österreichs (München 1993)  ; Gerald Stourzh, Um Einheit und Freiheit. Staatsvertrag, Neutralität und das Ende der Ost-Westbesetzung Österreichs 1945–1955, 5. Aufl. (Graz/Wien/Köln 2005)  ; ManfriedRauchensteiner, Stalinplatz 4. Österreich unter alliierter Besatzung (Wien 2005)  ; Oliver Rathkolb, Otto Machke, Stefan August Lütgenau (Hg.), Mit anderen Augen gesehen. Internationale Perzeptionen Österreichs 1955–1990 (Wien/Köln/Weimar 2002)  ; Günter Bischof, Anton Pelinka, Michael Gehler (Hg.), Austrian Foreign Policy in Historical Context (= Contemporary Austrian Studies 14 (New Brunswick/London 2006)  ; Michael Gehler, Österreichs Außenpolitik der Zweiten Republik. Von der alliierten Besatzung bis zum Europa des 21. Jahrhunderts(Innsbruck/Wien/Bozen 2005). 2 Vgl. Arnold Suppan, Austria and its Neighbors in the East, 1945–1989, in  : Arnold Suppan, Wolfgang Mueller (Hg.), Peaceful Coexistence or Iron Curtain  ?Austria, Neutrality, and Eastern Europe in the Cold War and Détente, 1955–1989 (= Europa Orientalis 7, Wien/Berlin 2009) 30–65. 3 Vgl. Renate Tuma, Das Problem der territorialen Integrität Österreichs 1945–1947. Unter besonderer Berücksichtigungder Grenzproblematik mit Deutschland, der Tschechoslowakei und Ungarn (Phil. Diss. Wien 1989). 4 Vgl. z. B. Manfried Rauchensteiner, The »Big Two«  : The Grand Coalition, 1945–1966 and 1987–2000, in  : Rolf Steininger, Günter Bischof, Michael Gehler (Hg.), Austria in the Twentieth Century (New Brunswick/London 2002) 235–262.

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ergehen zumindest in den östlichen Nachbarländern einen solchen Schutz dringend nötig hatten. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit weiteren Staaten erfolgte  : nach faktischen Notwendigkeiten, vor allem in Bezug auf wirtschaftlichen Austausch  ; unter Berücksichtigung der von den Besatzungsmächten – besonders der Sowjetunion – auferlegten Einschränkungen  ; und nach Maßgabe der budgetären und personellen Möglichkeiten. Griechenland, Portugal und Spanien rangierten gemäß dieser Kriterien weit unten auf der Prioritätenliste des wiedererrichteten Außenamtes auf dem Wiener Ballhausplatz. Aufgrund ihrer geographischen Entfernung am jeweiligen Rande Europas war der wirtschaftliche Austausch schon vor 1945 gering gewesen. Aufgrund der vergleichsweise geringen österreichischen Interessen in den genannten Ländern war auch die Bereitstellung der notwendigen budgetären Mittel zur Errichtung diplomatischer Vertretungen keine Selbstverständlichkeit. Bevor der Kalte Krieg neue Parameter schuf, blieben Spanien und Portugal auf der internationalen Bühne vorerst isoliert. Mit ihren autoritären Regimen, die den Zweiten Weltkrieg – wenn auch stark verändert – wie Relikte aus faschistischen Zeiten überdauert hatten, galten sie als unberührbar. Und da sie noch keine Mitglieder der uno waren, bedurfte die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit ihnen der Zustimmung des Alliierten Rates.5 Dort sorgte das »Njet« der Russen dafür, dass Beziehungen mit den iberischen Diktaturen Tabu blieben. Es war und konnte daher kein vorrangiges Ziel der österreichischen Außenpolitik sein, mit diesen Staaten ein besonders freundschaftliches Verhältnis aufzubauen. Und doch kam es zunächst beim Thema der Kinderverschickungen zu einer guten Kooperation sowohl mit Portugal als auch mit Spanien, während sich vor allem gegenüber Madrid alle anderen europäischen Länder bewusst zurückhielten. Aus gutem Grund. Denn als Österreich tausende Kinder zur Erholung auf die iberische Halbinsel schickte, schlachtete Diktator Franco, der selbst zwei Mädchen bei sich aufnahm, die Aktion für seine Propagandazwecke aus. In den Jahren danach strebte Österreich die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Portugal und Spanien an. Aber warum  ? Zunächst ist hier als »Annäherungsfaktor« der Antikommunismus zu nennen. Das für die Sowjets überraschend schlechte Abschneiden der Kommunisten mit nur fünf Prozent der Stimmen hatte bereits 1945 den antikommunistischen Konsens der österreichischen innenpolitischen Landschaft widergespiegelt. Alle drei untersuchten Länder sahen in Österreich einen »Frontstaat« gegen die kommunistische Bedrohung Europas, was auch dem österreichischen Selbstbild entsprach.6 Darin und in 5 Vgl. Wolfgang Mueller, Die sowjetische Besatzung in Österreich und ihrepolitische Mission (Wien 2005). 6 Vgl. Manfried Rauchensteiner (Hg.), Zwischen den Blöcken. NATO, Warschauer Pakt und Österreich (Wien 2010).

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gewissen personellen Kontinuitäten zwischen der Ersten und der Zweiten Republik boten sich Anknüpfungspunkte für die Beziehungen zu den iberischen Diktaturen, aber auch zu den antikommunistischen Siegern des griechischen Bürgerkriegs der Jahre 1946–1949. Der Katholizismus war im Verhältnis zu Spanien und Portugal ein zusätzliches verbindendes Element. Die Beziehungen zu allen drei Staaten haben noch etwas anderes gemeinsam, das in Österreich selbst begründet liegt  : Und zwar in dem durch die eigene Vergangenheit bedingten besonderen Verhältnis zu diesen Nationen. Österreichwar von 1934 bis 1945 selbst diktatorisch regiert worden und hatte dadurch eine faschistische Prägung erfahren, die nach 1945 in mancherlei Hinsicht nachwirkte. Im Außenamt konnten vergleichsweise viele ehemalige Nationalsozialisten und Mitläufer des NS-Systems Karriere machen.7 Hinzu kam, dass besonders die Beziehungen mit Spanien und Portugal inhaltlich wenig umfangreich waren, sodass die Außenpolitik diesen Ländern gegenüber oft weniger von strukturellen oder systemischen Faktoren bedingt wurde, als von persönlichen Interessen und Prägungen. Mit Spanien und Portugal gab es zudem eine gemeinsame dynastische Vergangenheit. Genug Nährboden also für Verbindendes. Freilich gab es auch wirtschaftliche und industrielle Lobbys, die, wie das Beispiel Steyr-Daimler-Puch-AG zeigt, sowohl im spanischen als auch im griechischen Fall Druck in Richtung einer Intensivierung der Beziehungen ausübten. Doch die treibende Kraft hinter der Etablierung und Pflege solcher Beziehungen, beziehungsweise eines durchaus positiven Bildes der iberischen Diktaturen, waren eben jene ideologischen Naheverhältnisse, die als Überbleibsel autoritärer Regime in Österreich gewertet werden müssen. Dass diese in Berichten österreichischer Diplomaten einen solch deutlichen und durchgängigen Niederschlag fanden – etwa in Form gewisser Ordnungsvorstellungen – ist eine der interessanten Erkenntnisse dieses Projekts. Waren die Beziehungen einmal etabliert, konnten diese Kontinuitäten und Sympathien wirkmächtig werden. Die griechische Junta-Diktatur der Jahre 1967– 1974 rief dagegen weit weniger positive Konnotationen hervor, hatten doch die von Georgios Papadopoulos angeführten Obristen gegen eine bürgerliche Demokratie geputscht, die in ihrer Grundausrichtung bereits antikommunistisch war und dann auch noch zu einem Zeitpunkt, als das Modell der freiheitlichen »westlichen« Demokratie Hochkonjunktur hatte. Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten fanden die österreichischen Regierungen nach 1945 nichts dabei, ein gutes Verhältnis zu den südeuropäischen Nachkriegsdiktaturen zu unterhalten – zunächst oft sogar heimlich, um die Sowjets im Alliierten 7 Rudolf Agstner, Gertrude Enderle-Burcel, Michaela Follner (Hg.), Österreichs Spitzendiplomaten zwischen Kaiser und Kreisky  : biographisches Handbuch der Diplomaten des Höheren Auswärtigen Dienstes 1918 bis 1959 (Wien 2009).

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Rat nicht zu reizen, im Falle Spaniens weit mehr als mit Portugal. Das Franco-Regime stand noch lange in dem Verdacht, faschistisch zu sein, während Portugal als abgeschwächte Version eines repressiven Systems wesentlich milder beurteilt wurde. Nach innen freilich taten sich spürbare Risse zwischen den Koalitionspartnern övp und spö in der Beurteilung der autoritären Partner auf. Während sich in den Reihen der konservativen övp klare Unterstützer des spanischen und portugiesischen Weges fanden, bildete sich in der spö in alter Parteitradition eine schmale Protestbewegung gegen die Antidemokraten – besonders gegen Franco. Zu gut war der eigene Kampf manches Genossen im Spanischen Bürgerkrieg noch in Erinnerung. Außenpolitik wurde in Bezug auf diese Länder oftmals zur Innenpolitik – und umgekehrt. In so manchem Scharmützel um die richtige Haltung gegenüber Diktaturen schien das Signal nach innen wichtiger zu sein als die tatsächliche Wirkung nach außen. Den politischen Glaubensbekenntnissen entsprechend organisierten sich einige Politiker in Unterstützungsvereinen. Die Konservativen, Rechten und Monarchisten trafen sich unter dem Dach des Europäischen Dokumentations- und Informationszentrums von Otto Habsburg, das Franco als Verteidiger des christlichen Abendlandes unterstützte – und alle Feindbilder der Sozialisten bündelte. Letztere wiederum gedachten der roten Spanienkämpfer oder trafen sich in den Jahren 1967–1974 im Verein der Freunde der Griechischen Demokratie, wo prominente spö-Mitglieder eine führende Rolle spielten. Im Falle Portugals kam die öffentliche Unterstützung antikolonialer Bewegungen durch die spö im innenpolitischen Diskurs zum Tragen, an der Außenpolitik – etwa im Rahmen der uno – änderte dies jedoch wenig. Je nach den Machtverhältnissen in der Großen Koalition kamen diese Tendenzen unterschiedlich stark zum Tragen. Das Ergebnis war oftmals ambivalent. Der konservative Grundton führte zur Unterstützung der »Freunde« – die Solidarität mit den demokratischen Strömungen im jeweiligen Land sorgte im Gegensatz dazu wieder für Ernüchterung, diplomatische Abkühlung und das Herunterfahren der Besuchsdiplomatie. In diesem Zusammenhang blieb es natürlich nicht ohne Wirkung, dass die Große Koalition zwischen 1966 und 1970 durch eine sehr pragmatische övp-Alleinregierung abgelöst wurde8 und 1970 die Zeit der spö-Alleinregierungen begann.9 Doch die Schwungkraft dieses Pendels reichte nicht aus, um einen wesentlichen politischen Richtungswechsel herbeizuführen. Die Sozialisten hatten zwar schon im8 Vgl. u. a. Reinhard Meier-Walser, Die Außenpolitik der monocoloren Regierung Klaus in Österreich 1966–1970 (München 1988). 9 Vgl. u. a. Elisabeth Röhrlich, Kreiskys Außenpolitik. Zwischen österreichischer Identität und internationalem Programm (Göttingen/Wien 2009)  ; Erich Bielka, Peter Jankowitsch, Hans Thalberg (Hg.), Die Ära Kreisky. Schwerpunkte der österreichischen Außenpolitik (Wien 1983)  ; Oliver Rathkolb, The Kreisky Era  : 1970–1983, in  : Rolf Steininger, Günter Bischof, Michael Gehler (Hg.), Austria in the Twentieth Century (New Brunswick/London 2002) 263–294.

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mer eine polemische Haltung gegen die drei Regime eingenommen, in der täglichen Arbeit der Regierungbestimmte aber realpolitischer Pragmatismus das Handeln – besonders auf dem internationalen Parkett. Österreich war als neutrales Land an guten Kontakten zu allen Staaten, ganz gleich welcher Regierungsform, interessiert. Das Überwinden der internationalen Kontrolle, der Einmischung von außen, war der große Erfolg der österreichischen Nachkriegspolitik gewesen. Isolation war nichts, an dem man in der eigenen Außenpolitik interessiert war. Diese zielte nach 1955 vielmehr darauf ab, sich in einer Kombination aus Neutralitätspolitik und Verankerung in internationalen Organisationen Gehör auf der Weltbühne zu verschaffen – nicht zuletzt wegen der Südtirol-Frage.10 Hinzu kam der von allen Parteien – wenn auch in unterschiedlicher Intensität – mitgetragene Wunsch, an der europäischen Integration teilzunehmen. Auch diese Bemühungen wurden zunächst durch den Einfluss vor allem der Sowjetunion und nach 1955 durch die sowjetische Interpretation der für Österreich aus seiner Neutralität erwachsenen Verpflichtungen gehemmt. Ein Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ewg wurde so verhindert und die efta-Gründung, unter anderem gemeinsam mit Portugal, zu einem Ausweg, um nicht ganz vom Integrationspfad abzukommen. Die österreichische Unterstützung für die Diktaturen in Griechenland, Portugal und Spanien manifestierte sich hauptsächlich auf europäischer Ebene und in den internationalen Organisationen. Österreich kam allen drei Regimen in zentralen Fragen entgegen und grenzte sich somit von manch anderen europäischen Staaten deutlich ab, vor allem von den skandinavischen, die sich vorwiegend in Menschenrechtsfragen unversöhnlich zeigten. 1952 setzte sich Österreich etwa für die Aufnahme des Franco-Regimes in die unesco ein. Später fanden die Spanier in Außenminister LujoTončić-Sorinj (övp) einen treuen Fürsprecher, der von 1969 bis 1974 amtierender Generalsekretär des Europarates war. Tončić-Sorinj ist auch im Falle Portugals eine Schlüsselfigur, wenn es um die Pflege freundschaftlicher Beziehungen zum Salazar-Regime ging. Der portugiesische Diktator stand ab den frühen Sechzigerjahren aufgrund seiner Kolonialpolitik am Pranger der internationalen Gemeinschaft. Österreich versuchte in den uno-Gremien so portugalfreundlich wie möglich abzustimmen, ohne dabei eigenen Interessen, wie der internationalen Unterstützung in der Südtirol-Frage oder dem guten Image bei den Blockfreien, zu schaden. Und dies obwohl eine Gegenleistung von Portugal, das einer Autonomie Südtirols ablehnend gegenüber stand, nicht zu erwarten war. Es handelte sich also um keinen politischen Kuhhandel, sondern um eine Unterstützung freundschaftlicher Natur, auch aus inhaltlicher Überzeugung 10 Vgl. Rolf Steininger, Südtirol zwischen Diplomatie und Terror 1947–1969. Darstellung in drei Bänden (Bozen 1999).

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heraus. Hier gibt es Parallelen zu den erfolglosen Anstrengungen, die Kurt Waldheim 1969 im Europarat unternahm, um in allerletzter Minute den griechischen Austritt abzuwenden, ohne zugleich bereit zu sein, einen Bruch mit den anderen Staaten zu riskieren. Österreichs grundlegende Politik den Diktaturen gegenüber veränderte sich – wie bereits erwähnt – kaum. Sie überdauerte sowohl Regierungswechsel als auch Österreichs internationale Neupositionierung hin zu einer Haltung, die sich dezidiert gegen Regime wie jene der drei behandelten Staaten aussprach. Als »Glanzleistung« ist dabei wohl Folgendes zu sehen  : Österreich vermied es stets, zu sehr als Kritiker der diktatorischen Regime in Erscheinung zu treten, schaffte es aber dennoch, bei deren Ende als Freund und Helfer der demokratischen Opposition sowie der neuen Machthaber dazustehen. Das Argument der Neutralität wurde zu diesem Zwecke ebenso flexibel wie ambivalent eingesetzt. Ein Teil des Erfolges der österreichischen »Sowohl-als-auch«-Politik ist sicher auch dem Nimbus des Sozialistenführers Bruno Kreisky zuzuschreiben. Trotz einer pragmatischen, um nicht zu sagen opportunistischen Politik war seine Regierung 1974–76, zu Zeiten des Umbruchs in den untersuchten Staaten, ideologisch gesehen ein Hoffnungsträger geworden. Und das trotz der Vergangenheit Österreichs als partieller Unterstützer der alten Regime. Im Fall Spaniens stellte sich allerdings Österreichs Hilfe, möglichst rasch in den demokratischen Klub des Europarates aufgenommen zu werden, als bedeutend heraus. Dies geschah aber weniger aufgrund einer konzisen Politik als auf spanische Initiative hin und war dem persönlichen Einsatz von Bundeskanzler Kreisky für König Juan Carlos zu verdanken. Das Verhältnis zur Militärjunta in Griechenland, die erst 1967 an die Macht kam, ist in mancherlei Hinsicht von den iberischen Diktaturen zu trennen. In diesem Fall bemühte sich nicht Österreich um eine Aufnahme diplomatischer Beziehungen – es war umgekehrt  : Die Athener Militärdiktatur bemühte sich um die Aufrechterhaltung diplomatischer Beziehungen. Wien konnte im Übrigen auf die »griechische Erfahrung« zurückgreifen, als sich 1974 die Frage der Anerkennung des linken revolutionären portugiesischen Militärregimes stellte, das gegen die alte Diktatur geputscht hatte. Im April 1967 hatte man sich im österreichischen Außenamt auf die Frage der Anerkennung der ersten griechischen Junta-Regierung bezugnehmend auf die Position festgelegt, dass nach österreichischer Praxis nur Staaten, nicht aber Regierungen anerkannt würden. Dieser Grundsatz wurde dann 1974 auch im Fall Portugals angewandt. An diesem Beispiel wird deutlich, dass es zwischen den drei Untersuchungsfällen interessante Querverbindungen gibt, die zu weiteren Forschungen einladen. Auch wenn Österreich in den sieben Jahren ihrer Regentschaft »korrekte und normale Beziehungen« mit der griechischen Junta unterhielt, unterschied sich das Verhalten Wiens doch beträchtlich von jenem gegenüber den Regimen Francos und

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Salazars. Letztere hatten sich zum Zeitpunkt der Aufnahme diplomatischer Beziehungen in vielerlei Hinsicht institutionalisiert, sodass sie als »stabile Partner« betrachtet wurden. Entsprechend war auch das Verhalten Wiens ihnen gegenüber. Das Athener Obristen-Regime hingegen wurde selbst in seiner Konsolidierungsphase, in der eine Zunahme der österreichisch-griechischen Wirtschaftsbeziehungen erfolgte, als »vorübergehend« behandelt. Die Tatsache, dass Österreich an der autoritären Ausrichtung der beiden iberischen Regime so gut wie nie öffentliche Kritik übte, kann auch als direkteFolge dieser differenzierten Einstellung verstanden werden. Im Gegensatz dazu brandmarkte Wien wiederholt die politische Situation Griechenlands unter den Obristen und forderte Letztere auf, die demokratischen Verhältnisse im Lande so schnell wie möglich wiederherzustellen. Auch das Bild von Franco und Salazar, das die österreichische politische und diplomatische Klasse hatte, ist kaum mit dem von den griechischen Militärmachthabern vergleichbar. Während die beiden Staatsmännerder iberischen Halbinsel den Respekt der österreichischen Regierungen und ihrer Botschafter in Madrid und Lissabon genossen, war die österreichische Haltung zu Diktator Papadopoulos und seinen Komplizen von Abneigung und Verachtung bestimmt. Im Unterschied zu Österreich, das von außen befreit worden war, geschah der Wandel in Spanien, Portugal und Griechenland von innen heraus, und das weitgehend unblutig – sieht man davon ab, dass im portugiesischen und griechischen Fall die militärischen Niederlagen in Angola und auf Zypern für das Ende der Diktaturen von zentraler Bedeutung waren. Unter dem wachsamen Auge der Weltöffentlichkeit wurde Europa ein zunehmend demokratischer Kontinent. Der Preis für den friedlichen Systemwandel war freilich einmal mehr die mangelnde Aufarbeitung der Vergangenheit. In Spanien befreite eine Amnestie die Täter von jeglicher Schuld, während in Portugal Diktator Salazar in einem patriotischen Grundkonsens, der teils auch den Kolonialkrieg umfasste und noch immer umfasst, zum wohlmeinenden Vater der Nation verklärt wurde. Im griechischen Fall zählt hingegen der juristische Aufarbeitungsprozess der siebenjährigen Militärdiktatur, der unmittelbar nach ihrem Ende einsetzte, zu den Erfolgsfaktoren der demokratischen Transition. Allerdings beschränkte sich die strafrechtliche Verfolgung auf die Anführer des Regimes und exzessive Fälle von Menschenrechtsverletzungen. Die vielen Mitläufer und Nutznießer des Regimes kamen ungestraft davon. Eine umfassende Säuberung des Staatsapparates blieb ebenso aus. Umso mehr ein Auftrag für Historiker, den Blick zurück zu richten. Die Aufarbeitung der Geschichte zwischenstaatlicher Beziehungen, mit all ihren Implikationen und Einflüssen, kann hier lohnend sein und Aufklärung bringen. Letztlich lernt man beim Blick auf andere mindestens genauso viel über sich selbst.

Stefan A. Müller

Die Beziehungen Österreichs zu Spanien  : 1945–1978 Vorwort Die Untersuchungen der Beziehungen Österreich-Spanien blieben lange der monarchischen Zeit verhaftet. Die Ära der Weltkriege ist einigermaßen gut bestellt. Zwar ist in den letzten Jahrzehnten immer mehr Sekundärliteratur über diverse Themen nach Ende des Zweiten Weltkrieges hinzugekommen, der Schwerpunkt lag jedoch auf Kultur, Gesellschaft, Medienberichterstattung und Wirtschaft. Ferdinand Opll und Karl Rudolf legten 1991 eine Monographie vor, die eine knappe Gesamtschau der Beziehungen bis in das 20. Jahrhundert liefert.1 Im Rahmen des Spanisch-Österreichischen Symposiums, das 1980 etabliert worden war, skizzierte Oliver Rathkolb 2001 die politischen Beziehungen in der Transformationsphase der Siebzigerjahre.2 Die vorliegende Arbeit ist die erste tiefergehende Analyse der diplomatisch-politischen Beziehungen für die Zeit nach 1945. Sie stützt sich im Wesentlichen auf Quellen des österreichischen Staatsarchivs und des Bruno Kreisky-Archivs. Zeitzeugengespräche und Akten aus dem spanischen Archivo General de la Administración komplettieren das Bild. Allen Gesprächspartnern und Mitarbeitern der Archive sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Danke auch an Rudolf Lennkh, Rudolf Agstner, Gerhard Heible und Franz Matscher für die Unterstützung. Zum Zeitpunkt der Recherche waren die Akten des spanischen Außenministeriums wegen einer Übersiedelung der Bestände nicht zugänglich.

Radikale Utopisten Österreich und Spanien, das waren einst stolze Monarchien, die über die Habsburger miteinander in Verbindung standen. Gerne schlendern Touristen in Madrid über die Plaza Mayor, am Reiterstandbild Philipps III. vorbei, um im Viertel Madrid de los Austrias in der Vergangenheit zu schwelgen. Der Gedanke an das Weltreich Karls V., in dem die Sonne nie unterging, mag für viele heute noch erhebend wirken. Etwas 1 Karl Rudolf, Ferdinand Opll, Österreich und Spanien (Wien 1991). 2 Oliver Rathkolb, Österreichisch-spanische politische Beziehungen in der Transformationsphase in den siebziger Jahren, in  : Wolfram Krömer (Hg.), Spanien und Österreich im 20. Jahrhundert, direkte und indirekte Kontakte. Akten des neunten Spanisch-Österreichischen Symposions (Anif/Salzburg 2002), 69–78.

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nüchterner fällt der Blick in das 20. Jahrhundert aus, als Österreich und Spanien nur mehr kleine Mitspieler im internationalen Machtgefüge waren und scheinbar nichts mehr miteinander zu tun hatten. Österreich war nach dem Ersten Weltkrieg zu einer Republik des Mangels zerbröselt und vorwiegend mit sich selbst beschäftigt. In Spanien konservierte die Militärdiktatur von Miguel Primo de Rivera die alten Zustände, bevor 1931 die Republik ausgerufen wurde. Nun erst erfolgte eine Entwicklung, die Wien und Madrid wieder stärker in das gegenseitige Blickfeld rücken ließ. Da wie dort mündeten die Konflikte zwischen den großen politischen Lagern in Gewalt  : Österreich und Spanien sind die zwei einzigen Staaten Westeuropas, die die Erfahrung eines Bürgerkrieges im 20. Jahrhundert verbindet. Die europäischen Staaten, die in den Dreißigerjahren autoritär-halbfaschistische Regime errichteten – also Spanien, Österreich und Portugal – haben noch etwas anderes gemeinsam  : Es handelt sich um ehemalige Kreuzzugsländer, katholische Reiche der Gegenreformation, die vom Zentrum in die Peripherie rückten.3 Ein Umstand, der die politische Kultur dieser Länder stark prägte. In Österreich eskalierte der Konflikt zwischen Sozialisten und der Regierung im Februar 1934. Nach einem dreitägigen Bürgerkrieg errichtete Engelbert Dollfuß mit Unterstützung der Kirche eine Diktatur, die auf den Christlichsozialen und der Heimwehr basierte. Die sozialistische Partei wurde verboten. Den zwei bestimmenden Massenparteien Spaniens war das auf unterschiedliche Weise eine Lehre. Die Katholizisten der rechtsgerichteten Confederación Española de Derechas Autónomas (ceda) vertraten einen korporativen Autoritarismus und nahmen sich den »Ständestaat« zum Vorbild, der ihnen als Beispiel eines dritten, katholisch-sozialen Weges galt. Ihr Vorsitzender, José María Gil Robles, erhielt sogar den Spitznamen spanischer Dollfuß. Die sozialistische Arbeiterpartei psoe hingegen empfand den Aufstieg der ceda als faschistische Bedrohung. Nach dem Motto »lieber Wien als Berlin« nahm sie sich vor, gegen den politischen Gegner kämpfen zu wollen, anstatt ohne Gegenwehr unterzugehen.4 Als Dollfuß bei einem Putsch von Nationalsozialisten getötet wurde, feierten ihn rechte spanische Zeitungen als Helden, während ihn linke Blätter als Scharfrichter und Mörder brandmarkten.5 Im Oktober 1934 eskalierte die Gewalt in Spanien, als ceda-Minister in die Regierung eintraten, die Sozialisten einen revolutionären Generalstreik ausriefen und ein Arbeiteraufstand in Asturien ausbrach. Zwei Wochen lang kämpften marxis3 Ernst Hanisch, Der Politische Katholizismus als ideologischer Träger des »Austrofaschismus«, in  : Wolfgang Neugebauer, Emmerich Talos (Hg.), Austrofaschismus (Wien 2005), 75. 4 Gabriel Jackson, Fascismo y antifascismo 1922–1939, in  : Gabriel Jackson (Hg.), Octubre 1934. Cincuenta años para la reflexión (Madrid 1985), 3–8. 5 María Alicia Langa Laorga, The Image of Austria in Spain. A Historical Perspective, in  : Oliver Rathkolb (Hg.), Außenansichten. Europäische (Be)Wertungen zur Geschichte Österreichs im 20. Jahrhundert (Innsbruck 2003), 101–118, 109.

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tische Sozialisten, Anarchisten und Kommunisten gegen die Armee und Truppen der Fremdenlegion. Der Antifaschismus war stark und gewalttätig. Der Faschismus hingegen blieb lange Zeit völlig wirkungslos, weil es keine Basis dafür gab. Ähnlich wie in Österreich fehlte ein entwickelter Nationalismus, und durch die begrenzte Säkularisierung der ländlichen und provinziellen Gesellschaft war der Katholizismus die nächstliegende Alternative zu liberaler oder linker Politik.6 Bei den Wahlen von 1936 erreichte die faschistische Falange lediglich 0,7 Prozent der Stimmen. Die Wahlsieger, ein Bündnis linker Parteien, verordneten dem Land eine Rosskur an liberalen Reformen, wodurch sie die reaktionären Kräfte gegen sich aufbrachten. Als sich General Franco 1936 von Spanisch-Marokko aus erhob, war es historisch gesehen ein für spanische Verhältnisse normaler Putsch, bei dem sich die Armee, wie so oft, als Beschützerin der Nation gegen eine politische Klasse ausgab.7 Doch diesmal überlagerte sich der Kampf zwischen Armee und Regierung mit den regionalen Spannungen im Land. Katalonien gegen Madrid, landlose Arbeiter gegen Landbesitzer, Katholiken gegen Antiklerikale  : Die Bruchlinien waren vielfältig. Doch weil Franco kriegsentscheidende Unterstützung von Hitler und Mussolini bekam und in den republikanischen Zonen mit Unterstützung Stalins der Einfluss der Kommunisten wuchs, wurde der komplexe Konflikt im Ausland zum Kampf der Systeme hochstilisiert, zur Schicksalsschlacht zwischen Faschismus und Kommunismus. Berühmte Schriftsteller und Intellektuelle, die ganze Welt schien daran Anteil zu nehmen. In Österreich solidarisierte sich die antifaschistische Arbeiterbewegung mit der spanischen Regierung, und 1380 Freiwillige zogen als Bataillon »12. Februar 1934« für die Republik in den Krieg. Die Heldenliteratur über ihre Schicksale füllt ganze Bücherregale. In Vergessenheit gerieten hingegen jene Österreicher, die für Franco zur Waffe griffen, weil sie genauso der Meinung waren, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Viele von ihnen waren katholisch und wütend darüber, mit welcher Kompromisslosigkeit die Republikaner gegen die Kirche, den Besitz der Oligarchie und die sozialen Hierarchien vorgingen. Vor allem aber wollten sie den Kommunismus bekämpfen. Jedenfalls standen sich in Spanien die Sieger und Verlierer des österreichischen Bürgerkrieges erneut gegenüber. Die meisten österreichischen Franco-Söldner dürften aus der Österreichischen Legion gekommen sein – jenem Kampfverband, der zeitweise aus bis zu 15.000 österreichischen Nationalsozialisten bestand, die nach dem fehlgeschlagenen Putsch von 1934 nach Deutschland geflohen waren. Zeitungsberichten zufolge kämpften

6 Stanley Payne, Geschichte des Faschismus. Aufstieg und Fall einer europäischen Bewegung (Wien 2006), 322. 7 Timothy Snyder, Tony Judt, Nachdenken über das 20. Jahrhundert (München 2013), 195.

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bis zu 3.800 Mann von ihnen in Spanien.8 Aus den Reihen des Bundesheeres, das 1938 in der Wehrmacht aufging, dienten zumindest 108 Österreicher in der Legion Condor, einem Verband deutscher Flieger und Spezialtruppen. Darunter zwei Offiziere, 46 Unteroffiziere, sechs Feldwebel, 40 Obergefreite und 11 Gefreite, von denen die meisten erst 1938 nach Spanien gelangten und ihrer Eignung entsprechend hauptsächlich als Techniker und Servicekräfte eingesetzt wurden.9 Andere waren direkt an Kriegsverbrechen beteiligt, wie Graf Maximilian Hoyos, ein Vertreter des schlesischen Zweiges der deutsch-österreichischen Hoyos-Familie, geboren 1913 in Niederbaumgarten. Als Bombenschütze erprobte er mit der Legion Condor den modernen Luftkrieg über Spanien. Im September 1936 unterstützte seine Maschine die Einnahme von Siguenza nordöstlich von Madrid. Dabei bombardierte Hoyos die Kathedrale, wie er in einem Buch berichtete. »Punkt 12.30 Uhr krachte die letzte Bombe, dann im Tiefflug über die Stadt und die Maschinengewehre in die flüchtenden Haufen hineinhalten.«10 Über die Auslöschung Guernicas, die von den Deutschen lange geheim gehalten wurde, schrieb er nichts, publizierte aber zwei Fotos der zerstörten baskischen Stadt. Weite Teile der österreichischen Gesellschaft ergriffen für Franco Partei. Seine Anhänger waren im konservativen und monarchistischen, aber auch im rechtsradikalen und faschistischen Lager zu finden. Der Präsident des Staatsrates, Rudolf Hoyos-Sprinzenstein, pries die Sache der Nationalen als heroische Schlacht gegen den Bolschewismus.11 In den Reihen der Politiker fand der ehemalige spanische Botschafter, Eduardo García Comín, breitwillige Abnehmer für seine Propaganda. Dabei arbeitete er eng mit der Amtlichen Nachrichtenstelle und dem Chef des Bundespressedienstes, Walter Adam, zusammen.12 Die rechtskonservative Presse übernahm zunächst scheinbar ungefiltert die Propaganda der Rebellen.13 Friedrich Funder, Herausgeber der katholischen Reichspost und Politiker der Christlichsozialen, erntete Anfang Dezember 1936 tosenden Applaus für eine Rede im Bundestag über den Krieg des »wahren Spanien« Francos gegen seine Feinde  : »Wir können uns (…) nicht der eigenen Sorgen erinnern, ohne auch der Sorgen und Leiden eines   8 Das berichtete die KPÖ-Zeitung Rote Fahne in Berufung auf die englische Zeitung News Chronicle. Jakob Matscheko, Österreicher im Spanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Nationalisten, Dipl. Phil. (Graz 2013), 176.   9 Ebd., 200f. 10 Max Graf Hoyos, Pedros y Pablos. Fliegen, erleben, kämpfen in Spanien. (München 1939), 49, 50. Max Hoyos starb am 12. August 1940 im Luftkampf über dem Ärmelkanal. Seine Eltern und seine Schwester fanden nach dem Krieg Zuflucht in Bad Ischl. Auskunft Hoyos’sche Forstverwaltung, Dr. Getrud Buttlar. 11 Johannes Leichtfried, Österreich und Spanien in den 1930er-Jahren. Gegenseitige Wahrnehmung, diplomatische Beziehungen, politisch-ideologische Beeinflussungen, Phil. Diss. (Innsbruck 2012), 201. 12 Ebd., 195. 13 Klaus Köb, Der spanische Bürgerkrieg im Spiegel der österreichischen Presse, Dipl. phil. (Innsbruck 1990).

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Volkes zu gedenken, dem wir uns durch christliche Gesittung und Kultur und auch heute noch durch einstige enge staatliche und dynastische Beziehungen verbunden fühlen. Mit tiefer Zuneigung und heißem Mitempfinden gedenken wir Österreicher des spanischen Volkes, das heute sich unter beispiellosen Opfern eines grausamen und barbarischen Feindes erwehrt. (…) In seiner Freiheit verteidigt das heroische Spanien auch das christliche Abendland. Möge sein Martyrium das Unterpfand seines Sieges und seines Auferstehens sein zu neuer Glorie  !«14 Trotz der ideologischen Nähe zu den Nationalisten sah die Regierung Schuschnigg, wie Leichtfried gezeigt hat, keine Veranlassung, die Regierung Franco vorzeitig anzuerkennen. Noch stand das Bemühen im Vordergrund, in einem politischen Spagat zwischen Deutschland, Italien und den Westmächten die eigene Unabhängigkeit zu wahren. Bundeskanzler Kurt Schuschnigg hatte zunächst nichts dagegen, dass trotz eines Waffenembargos Munition aus der Hirtenberger Patronenfabrik nach Spanien geliefert wurde – und zwar an die Republik. Mexiko deponierte als Vermittler wiederholt große Bestellungen. Im Februar 1937 teilte der mexikanische Sonderbeauftragte Adalberto Tejeda Schuschnigg in einem Gespräch mit, dass Mexiko interessiert sei, große Mengen an Kriegsmaterial zu kaufen, das wahrscheinlich an die Spanische Republik gehen werde. Schuschnigg erkundigte sich über die Siegeschancen der Republik und die gewünschte Ware und meinte, die österreichische Regierung verfüge über kein Kriegsmaterial, das sie verkaufen könne, hätte aber nichts dagegen, dass solche Geschäfte inoffiziell abliefen. Dabei könne Österreich jedoch nicht für Zwischenfälle außerhalb der eigenen Grenzen verantwortlich gemacht werden. Die Festsetzung der Geschäftsbedingungen sei eine Sache der Fabriken, an die sich Mexiko zu wenden gedenke.15 Bereits im Oktober 1936 hatte Tejeda über einen französischen Mittelsmann 60 Millionen Mauser-Patronen Kaliber 7 Millimeter sowie 5.250.000 Patronen vom Kaliber 7,92 Millimeter in Hirtenberg bestellt. In einem Schreiben vom 16. November wies er den mexikanischen Präsidenten Lazaro Cárdenas auf das Flehen des spanischen Botschafters hin, dass das Material »extrem dringend« für den Erfolg der »heldenhaften Verteidigung Madrids« gebraucht werde.16 Im Februar, März und April 1937 wurden die 60 Millionen Stück Patronen in Marseille an Bord von drei Frachtern verschifft, von denen einer nachweislich den Hafen von Valencia erreichte. Der Rest der Lieferung, zu der noch 40 Millionen Gewehrpatronen und vier Millionen Stück Pistolenmunition hinzukamen, geriet aber ins Stocken – weil Deutschland 14 Rede Friedrich Funders im Bundestag am 3.12.1936, wiedergegeben in Reichspost, 4.12.1936, 3, zitiert in Leichtfried, Österreich und Spanien in den 1930er-Jahren, 201. 15 Ebd., 164. Sowie Stefan A. Müller, Die versäumte Freundschaft, Österreich-Mexiko 1901–1956. Von der Aufnahme der Beziehungen bis zu Mexikos Beitritt zum Staatsvertrag (Lateinamerikanistik 3, Wien 2006) 16 Die versäumte Freundschaft, Österreich-Mexiko 1901–1956, 140f.

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von den Geschäften erfahren hatte. Die österreichische Regierung weigerte sich in der Folge, die Exporterlaubnis zu erteilen und stellte Bedingungen auf, die den Deal erschwerten.17 Langsam bröckelte der Widerstand in der Frage der Anerkennung der FrancoRegierung. Österreich beugte sich den Wünschen Deutschlands und Italiens. Ab September 1937 wurde García Comín de facto als Vertreter Spaniens behandelt.18 Im November, als die roten Truppen vor Madrid standen und Franco, um die Moral der Truppe zu heben, an einer Messe im Zentrum teilnahm, beglückwünschte ihn die Regierung dazu in einem Telegramm.19 Am 31. Jänner 1938 vollzog Österreich auf der Konferenz der Staaten der Römischen Protokolle in Budapest die Anerkennung der Franco-Regierung. Es sollte sogar ein in Portugal mitbeglaubigter Gesandter nach Salamanca geschickt werden,20 doch der Einmarsch deutscher Truppen machte den Plan zunichte. Nach dem Anschluss wurde es für Mexiko unmöglich, die zum Teil schon bezahlte Munition freizubekommen. Während die spanische Republik die Eingliederung Österreichs in das deutsche Reich nicht anerkannte und Mexiko dagegen schriftlich beim Völkerbund protestierte, beglückwünschte Franco Hitler in einem Telegramm zu dem Schritt, mit dem er Europa viel Blutvergießen erspart habe.21 Noch vor dem Anschluss hatten die spanischen Nationalisten damit begonnen, an den Aufbau eines »neuen Staates« zu denken. Dabei dienten Italien und Deutschland als Vorbilder, aber auch die Konzeption des autoritären Österreich stieß auf Interesse. An der Universität Zaragoza beschäftigte sich eine Reihe von Professoren in einer vergleichenden Studie mit Österreich. Sie kamen zu dem Schluss, dass der »Ständestaat« den Liberalismus zwar abgelehnt, es aber im Gegensatz zu Italien und Deutschland mit dem Autoritarismus nicht übertrieben habe. Zudem habe es durch die Tradition berufsständischer Ideen beste Voraussetzungen gegeben, auch sei der Einfluss der päpstlichen Enzyklika Quadragesimo anno klar erkennbar.22 In der Realität verschmolz Franco im April 1937 die Falange und die Carlisten, welche Dollfuß besonders verehrten, zur neuen Einheitspartei des Regimes, das durchaus der katholischen Utopie eines autoritären, korporativen Staates nachempfunden war. Allerdings ließ es, ähnlich wie der »Ständestaat« in Österreich, jeden Antikonservativismus vermissen, verherrlichte die Vergangenheit und festigte die Rechte alter Eliten. 17 Leichtfried, Österreich und Spanien in den 1930er-Jahren, 175. Sowie Müller, Die versäumte Freundschaft, Österreich-Mexiko 1901–1956, 142f. 18 Leichtfried, Österreich und Spanien in den 1930er-Jahren,153. 19 Paul Preston, Franco, Caudillo de España (Barcelona 1999), 258. 20 Vgl. David Schriffl, Der österreichische Ständestaat und Portugal unter Salazar  : Vergleiche, Verbindungen, Gegensätze – Eine Sondierung, in  : Michael Dippelreiter, Christian Prosl (Hg.), Die Folgen von 1914  : Das Jahr 1934 (Wien 2015). 21 Leichtfried, Österreich und Spanien in den 1930er-Jahren, 224, 234. 22 Ebd., 239.

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Nur zu Beginn des Franquismus sprechen spanische Historiker von einem totalitären Projekt, das dem Faschismus ähnelt.23 Die Niederlage der Achsenmächte hatte den Einfluss der Falange geschwächt, und als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, war Spanien auf dem Weg des Übergangs zu einem zunehmend demobilisierten autoritären Regime schon weit fortgeschritten.24 Wie in Österreich galt das faschistische Modell eine Zeit lang als Vorbild, voll umgesetzt wurde es aber nie. Im Ausland stand Spanien trotzdem länger als jeder andere Staat der Welt in dem Ruf faschistisch zu sein. Die Kämpfe des spanischen Bürgerkrieges forderten rund 150.000 Tote, durch Justizwillkür und politische Säuberungen stieg die Gesamtopferzahl aber auf etwa eine halbe Million Menschenleben an. Die schärfste Repressionswelle fegte erst nach Kriegsende durch das Land, als die Sieger daran gingen, die »Roten« systematisch auszulöschen. Über viele Erschießungen wurde gar nicht erst Buch geführt, und noch heute beschäftigt das Ausheben von Massengräbern die spanische Gesellschaft. Schätzungen zufolge kostete alleine die Nachkriegs-Repression der Nationalisten bis zu 50.000 Todesopfer,25 Hunderttausende flüchteten ins Exil. Der österreichische Bürgerkrieg forderte im Gegensatz dazu »nur« ein paar hundert Tote. Die Dimension des dadurch ausgelösten Traumas ist nicht vergleichbar, aber trotzdem beeinflusste es nach 1945 die politischen Beziehungen mit Spanien. Natürlich verlief sich der Konflikt zwischen den »zwei Österreichs«, der vom Nationalsozialismus überdeckt worden war, im Zweckbündnis der Großen Koalition. Doch im Grunde sympathisierten die Gewinner des Bürgerkrieges von 1934 mit Spanien, wo eine konservative Diktatur Realität blieb, während Franco für die Verlierer ein rotes Tuch war. Das gut gepflegte Andenken an die Spanienkämpfer konservierte diese Abwehrhaltung. Genau wie die Erinnerung an mehr als 5000 Spanier, die im Konzentrationslager Mauthausen ihr Leben lassen mussten. Sie waren 1939 nach Frankreich geflohen und dort von den deutschen Besatzern deportiert worden. So schwang die eigene Vergangenheit im Blick auf Spanien immer mit, wie eine Stimmgabel, die nur langsam zur Ruhe kommt.

Untergang und Neubeginn Es herrschte Unruhe in dem riesigen Gebäudekomplex in der Calle Juan Bravo Nummer fünf. Das Führungspersonal der deutschen Botschaft in Madrid war ver23 Donato Fernández Navarrete, José R. Díaz Gijón, Historia de la España actual  : 1939–1996 (Madrid 1998), 7. 24 Payne, Geschichte des Faschismus. Aufstieg und Fall einer europäischen Bewegung, 326. 25 Javier Tusell, Charles J. Esdaile, Época Contemporánea – 1808–2004. John Lynch (Hg.), Historia de España  ; A history of Spain, Bd. 6 (Barcelona 2007), 468.

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unsichert. Auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkrieges gab es nicht mehr viel zu gewinnen, so viel war klar. Reinhard Spitzy, ein gebürtiger Grazer, wälzte bereits Fluchtpläne und fuhr in die spanische Hauptstadt, um seinen bmw zu verkaufen. »Dort sah ich zum letzten Mal die wichtigsten deutschen Amts-, Wirtschafts- und NS-Größen, die zwar alle noch vom Endsieg faselten, sich aber in Wirklichkeit schon für die Zeit nach dem Kriege rüsteten. (…) Der Zusammenbruch war nicht nur im Reich, sondern auch an der Madrider Botschaft total.«26 Alle Akten fielen in Feindeshand, und schon bald fand sich das Personal auf den Fahndungslisten der Alliierten wieder. Darunter einige Österreicher, die noch eine Rolle für die Beziehungen zwischen Österreich und Spanien spielen sollten, besonders von 1945 bis 1955, als es noch keine diplomatischen Vertretungen auf beiden Seiten gab. Das Weihnachtsfest 1945 fiel für Spitzy noch geruhsam aus. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis die Behörden auf Druck der Alliierten nach ihm suchen würden. Zur Vorsicht hatte er sich in ein Haus in Santillana del Mar zurückgezogen, das der Frau seines Freundes Max Egon Hohenlohe-Langenburg gehörte – jenem österreichischen Adeligen, der sich als Geheimverhandler zwischen den Fronten einen Namen machte. »Von Max Hohenlohe hatte ich die Zusicherung, rechtzeitig gewarnt zu werden  ; er verfügte schließlich über beste Kontakte im spanischen Außenministerium.«27 Spitzy hatte im NS-System eine beachtliche Karriere hingelegt. Bereits im Oktober 1931 war er der österreichischen nsdap und der SA beigetreten, im Jänner 1932 der SS. Von 1936–1938 arbeitete er als Sekretär Joachim Ribbentropps in London, diente danach im Abwehramt und wurde 1942 zur nachrichtendienstlichen Tätigkeit nach Spanien abkommandiert. Dort wirkte er zudem als Vertreter der Škoda-Werke.28 Nun grübelte er mit seinem Freund und Vetter Otto Peter Pirkham, der im Nachbardorf Unterschlupf gefunden hatte, über Möglichkeiten, den Alliierten zu entkommen. Pirkham, ebenfalls aus Graz, war Gesandtschaftsrat an der deutschen Botschaft gewesen. Er stellte sich, wurde repatriiert und in ein Internierungslager in der britischen Besatzungszone gebracht. Nach seiner Entlassung trat er in die Dienste der Deutschen Bank. Spitzy fürchtete nach einer Überstellung nach Österreich in der sowjetischen Zone zu landen und entschied sich zu fliehen. Am 4. März 1946 saß er gerade beim Pfarrer zum Essen, als ein Telegramm von Hohenlohe mit dem vereinbarten Zeichen eintraf, sofort unterzutauchen. Ein Jahr lang hielt er sich bei Priestern und in 26 Reinhard Spitzy, So entkamen wir den Alliierten (München 1989), 19. 27 Ebd., 27. Spitzy beschreibt Hohenlohe als »überzeugten Patriot im Sinne des Großdeutschen Reiches alter und neuer Prägung«, in Spanien knüpften sie in Abstimmung mit SS-Brigadeführer Schellenberg (Leiter des Amtes VI. Ausland) Kontakte zu den Alliierten und hätten an einem Ausgleich mit dem Westen gearbeitet. Siehe Reinhard Spitzy, So haben wir das Reich verspielt. Bekenntnisse eines Illegalen, 4 ed. (München 1994), 437, 433. 28 Martin Kröger, Gerhard Keiper (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945, Bd.4, S (Paderborn/München et. al. 2008).

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Klöstern versteckt, bis er dem Militär Pläne für ein Flakgeschütz ZB 60 der Brünner Waffenwerke anbot und sich so die Beihilfe zur Flucht nach Argentinien erkaufte.29 Doch es gab wichtigere Personen in dem eingeschworenen Freundeskreis, in dem Spitzy und Pirkham verkehrten. Ekkehard Tertsch zum Beispiel, der in Wien die konsularische Akademie absolviert und danach eine Karriere als Journalist begonnen hatte. Schon im März 1933 trat er der nsdap Wien bei und stellte sich nach deren Verbot deutschen Stellen als Spitzel zur Verfügung. Die Gestapo vermutete, er habe das im Auftrag von Geheimdiensten oder der österreichischen Polizei getan. Vorübergehend ging Tertsch nach London, kehrte nach dem Anschluss zurück und wurde Mitglied der SA-Reiterstandarte.30 Im Februar 1940 trat er in den diplomatischen Dienst ein und wurde 1943 stellvertretender Pressechef an der Botschaft in Madrid. Wegen des Verdachts, am Stauffenberg-Attentat im Juli 1944 beteiligt gewesen zu sein, landete er in Haft und erlebte das Kriegsende im Konzentrationslager Sachsenhausen. Danach floh er – als Priester verkleidet – nach Spanien und wurde später zum gern gesehenen Gast in der österreichischen Botschaft, wo seine regelmäßig erscheinenden Bulletins des Spanish Economic News Service eine Rolle bei der Verfassung politischer Berichte spielten.31 Für 40 Peseten erhielten die Abonnenten auf Englisch, Französisch oder Deutsch die neuesten Informationen aus Industrie, Handel und Wirtschaftspolitik. Zudem wurde Tertsch Korrespondent der Zeitung Die Presse, ab 1949 Berater der diplomatischen Vertretungen Österreichs in Spanien und 1959 ehrenamtlicher Korrespondent des Bundespresseamtes. Ein Jahr später erhielt er das silberne Ehrenzeichen der Republik Österreich. Ins KZ Sachsenhausen war er wegen seines Kontaktes zu Graf Josef von Ledebour gekommen, einem anderen Österreicher in Diensten des Abwehramtes, der sich vor dem Stauffenberg-Attentat bei ihm in Madrid aufgehalten hatte. Laut der deutschen Botschaft hegten beide Sympathien für eine österreichische Unabhängigkeitsbewegung.32 Die schillerndste Person an der deutschen Botschaft war aber Josef Hans Lazar, Spitzname »Bam«, Tertschs mächtiger Vorgesetzter. Geboren 1895 in Kons29 Dort eröffnete er eine Farm und werkte als Coca-Cola-Vertreter, bis er 1958 nach Österreich zurückkehrte und sich in Maria Alm bei Salzburg niederließ. Siehe Spitzy, So entkamen wir den Alliierten, 26, 37, 92f. 30 Zunächst als Obertruppführer, dann als Sturmführer. Siehe Verschwörer im KZ  : Hans von Dohnanyi und die Häftlinge des 20. Juli 1944 im KZ Sachsenhausen, Winfried Meyer (Hg.) (Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten 5, Berlin 1999). 31 Gerhard Heible, Geliebter Ballhausplatz. Rückblicke und Einblicke, Bd. 2 (Wien 2003), 169. Briefkopf des Bulletins  : Avenida José Antonio, 31,7,12, Madrid. Eine Ausgabe vom 14.6.1949 ist sehr faktenbasiert, informiert über Lizenzen und Kontingente, Schiffsbewegungen und Wirtschaftspolitik. Siehe ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 102.556 WPol/49. 32 Verschwörer im KZ  : Hans von Dohnanyi und die Häftlinge des 20. Juli 1944 im KZ Sachsenhausen, 358, 359.

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tantinopel, als Sohn eines österreichischen Konsulatsbeamten, leistete er im Ersten Weltkrieg seinen Militärdienst, zuletzt beim k. u. k. Militärbevollmächtigten in der Türkei. Dann wurde er freier Korrespondent für die Die Presse, schrieb ab 1927 für deutsche Agenturen und die österreichische Nachrichtenstelle in Bukarest, erhielt 1931 einen Beratervertrag für den Bundespressedienst und trat am 27. September 1937 in den Auswärtigen Dienst ein  : als Legationsrat und späterer Presseattaché der österreichischen Gesandtschaft in Berlin.33 Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich rief ihn Außenminister Wilhelm Wolf nach Wien, wo er am 13. März 1938 der Weltpresse das Anschlussgesetz präsentierte. Da er keinen Posten im neuen Außenministerium anstrebte, fuhr er auf Urlaub nach Spanien. Dort sei er eigenen Angaben zufolge dazu aufgefordert worden, die Presseabteilung der deutschen Botschaft in Madrid zu übernehmen.34 In kurzer Zeit stellte er den wohl effektivsten Propagandaapparat aller deutschen Auslandsvertretungen auf die Beine.35 Zudem übernahm er mit 21. Juni 1938 die Vertretung der Nachrichtenagentur Transocean, die dem Reichspropagandaministerium von Joseph Goebbels unterstellt war. Neben der Beeinflussung der Presse entwickelte Lazar besondere Meisterschaft in der Verbreitung von Inhalten zur Unterstützung der deutschen Kriegsziele. Dazu bekam er präzise Anweisungen aus Berlin, was er wo zu veröffentlichen hatte. Waren »Rückzitate« erwünscht, fertigte Lazar entsprechende Nachweise an. Und fast immer war er in der Lage, den Wünschen innerhalb von 48 Stunden nachzukommen. Nicht umsonst versammelte er jeden Morgen die Chefredakteure der großen Madrider Zeitungen in seinem Büro. Im Sommer 1942 startete Lazar den »großen Plan«, indem er mit Hilfe der Falange-Partei und spanischer Postbehörden für die landesweite Verteilung seiner Schriften sorgte und die Kommunikation der Alliierten zu unterbinden suchte.36 Es gelang ihm, zahlreiche Gemeinde- und Pfarrblätter unter seine Kontrolle zu bringen – mit Hilfe von Inseraten, die von deutschen Unternehmen wie Siemens, Mercedes oder Merck im Rahmen von sofindus bezahlt wurden. In der Holding Sociedad Financiera e Industrial Limitada liefen die Kontakte der deutschen und spanischen Industrie zusammen. Manche Pfarrgazetten hatte Lazar selbst gegründet. »Fäden dieses sensiblen Netzes zu Kirche, Staat und Partei, Finanz- und Wirtschaftskreisen, zur Aristokratie und zu bürgerlichen Sympathisanten hielt Lazar 33 Gerhard Keiper, Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945, Bd 3., L-R, 33. 34 Rudolf Agstner, Handbuch des Österreichischen Auswärtigen Dienstes 1918–1938. Die Gesandtschaften und Konsulate (Forschungen zur Geschichte des österreichischen Auswärtigen Dienstes, Bd. 11, Wien 2015). 35 Peter Longerich, Propagandisten im Krieg. Die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes unter Ribbentrop (Studien zur Zeitgeschichte 33, München 1987), 305. 36 Ebd., 202, 203.

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allein und souverän in der Hand«, schrieb Spitzy. »Mehrfach wurde versucht, ihn als Reaktionär und Antinazi zu verdächtigen. In Berlin wurde er heftig beschossen, ja sogar Hitler selbst soll sich gegen ihn ausgesprochen und seine Abberufung gewünscht haben. Doch Lazar war stärker. Nur er kannte die Zusammenhänge dieses Apparates, und je schwieriger die Frontlage wurde, desto weniger konnte man auf einen solchen Akrobaten verzichten.«37 Strategisch war Spanien wichtig für Deutschland und die Botschaft ein Tummelplatz von Agenten, Militärs und Spezialbeamten. Hier lief der Funkverkehr aus Amerika und Afrika zusammen. Vor allem aber wollten sowohl die Nationalsozialisten als auch die Franco-Kritiker in den Reihen der Falange den Staatschef dazu bringen, etwas kriegsfreudiger zu werden. Nach der Landung alliierter Truppen in Nordafrika 1942 wollte Hitler Franco zu einem Abkommen überreden, das ihn im Fall eines amerikanisch-englischen Angriffs auf spanisches Hoheitsgebiet zum Krieg gegen die Westmächte verpflichtet hätte. Als Druckmittel stand die Möglichkeit eines Einmarsches der Wehrmacht in Spanien im Raum. Im Jänner 1941 informierte Gamero del Castillo, stellvertretender Generalsekretär der Falange, seinen Vertrauten Lazar über die Forderung, dass eine aktivistische, homogene Regierung unter Falange-Führer Ramón Serrano Súñer gebildet werden müsse, der für eine Annäherung an Deutschland eintrat.38 Doch Franco parierte dieses Aufbegehren. Im Mai wurde Serrano Súñer seines Postens als Innenminister enthoben, ein Jahr später verlor er auch sein Amt als Außenminister. Mit dem wachsenden Erfolg der Alliierten stieg der deutsche Druck auf Spanien aber wieder, sich am Krieg zu beteiligen. Anfang 1943 bot Franco, um sich aus der Schusslinie zu nehmen, eine Vermittlung zwischen den Westmächten und Deutschland an, wovon Berlin nichts wissen wollte. Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Madrid waren es dann, die eine Falschmeldung in Umlauf brachten, um den Einmarsch deutscher Truppen in Spanien zu provozieren. Franco verhandle heimlich mit Churchill in Lissabon, lautete jene Meldung, die der deutsche Botschafter Hans-Adolf von Moltke in letzter Sekunde entlarven konnte. Hätte er das nicht geschafft, wären »die deutschen Kräfte (…) in jener Nacht so gut wie sicher in Spanien einmarschiert«, schrieb Hans Lazar in seinen Memoiren.39 Bekanntlich wurde nichts daraus und Deutschland musste kapitulieren. Gemeinsam mit anderen Nationalsozialisten und Angehörigen der deutschen Botschaft wurde Lazar im Jänner 1946 interniert. Seine Anfrage vom 6. Februar an das Außenministerium in Wien, ob man nicht Verwendung für ihn habe, wurde höflich zurückgewiesen, da an die Angehörigen des neuen Auswärtigen Dienstes 37 Spitzy, So entkamen wir den Alliierten, 471,472. 38 Stanley G. Payne, Fascism in Spain 1923–1977 (Wisconsin 1999), 354. 39 Josef Lazar, Erinnerungen, ca. 1960. Kopie aus der Hand von Lazars Witwe. Zitiert in Olaf Jessen, Die Moltkes. Biographie einer Familie (München 2010), 435, 349f.

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»hinsichtlich ihrer Antecedentien ein besonders strenger Maßstab angelegt werden muss«.40 Lazar gelang die Flucht aus einem Krankenhaus und er tauchte unter. 1950 wurde er Geschäftsführer einer spanischen Handelsgesellschaft, deren Präsident Serrano Súñer war.41 Ein anderer ehemaliger Mitarbeiter der deutschen Botschaft, Wolfgang Höller, kehrte von 1968 bis 1974 als österreichischer Botschafter nach Madrid zurück. Doch scheint er am wenigsten ein überzeugter Nationalsozialist gewesen zu sein. Er war erst 1942 der nsdap beigetreten und weilte nur von Juli 1942 bis Februar 1943 in Madrid. Danach wurde er Vizekonsul in Larache, Marokko, legte seinen Posten aber im Oktober 1944 nieder. Am 4. Jänner 1945 wurde er mit der Begründung entlassen, dass er ohne Zustimmung der Dienstbehörde seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt hatte.42 Im Freundeskreis um Lazar taucht sein Name nicht auf. Dafür gab es eine Person mit guten Kontakten zu Diktator Franco selbst  : Franz Josef Seefried. Der Graf war ein Urenkel von Kaiser Franz Joseph.43 Diese Tatsache alleine öffnete ihm so manche Türen des spanischen Hochadels. Er wurde am 29. Juli 1904 im slowakischen Rosenburg geboren. Katholische Erziehung in Wien, Hochschule für Welthandel, Doktor der Staatswissenschaften und Volkswirtschaftslehre 1929  : Danach machte er Karriere bei der Handelskammer – als Fachreferent und Präsidialsekretär von 1930–1936 und Beamter der Exportabteilung bis 1939. Mit Datum vom 10. Juli 1938 vermerkt ihn der Personalakt der Handelskammer als aktives Mitglied des Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps nskk, Standarte 98, Sturm 15, Trupp 3 in Melk.44 Im Juni 1939 trat er der nsdap bei. 1941 lernte er bei einem Essen im Hause von Hans-Georg Studnitz, einem führenden Funktionär der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes, Gabriele von Schnitzler kennen, die Tochter des I.G.-Farben-Vorstands Georg von Schnitzler, der in Nürnberg als NS-Kriegsverbrecher verurteilt wurde. »In der gleichen Nacht hat er mir einen Brief mit einem Heiratsantrag geschickt«, erinnert sich seine Witwe Gabriele Seefried, die sich 1970 in Wien niederließ. »Zuerst habe ich gedacht, er ist verrückt. Dann habe ich gemerkt, dass es ihm absolut ernst war. Dann ist er nach Spanien versetzt worden.«45 40 Agstner, Handbuch des Österreichischen Auswärtigen Dienstes 1918–1938. Die Gesandtschaften und Konsulate. 41 Ebd. 42 Gerhard Keiper, Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945, Bd. 2, G–K, 329. 43 Seine Mutter, Prinzessin Elisabeth von Bayern, war eine Enkelin von Kaiser Franz Joseph. Sie heiratete Otto von Seefried auf Buttenheim. 44 Laut Polizeidirektion war er am 27.1.1938, 14 Uhr, wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit auch vorbestraft worden. Dafür fasste er 48 Stunden bedingten Arrest aus. Siehe ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 110.953-pol. 46. Bericht über Graf Dr. rer. pol. Franz Josef Seefried, Wien, 29. Juli 1946. 45 Hier und in Folge  : Zeitzeugengespräch Gabriele Seefried, Wien, Dienstag, ‎26.‎11.‎2013, WMA Audio File.

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Frisch vermählt zog das Paar 1942 nach Madrid und Seefried übernahm die Vertretung des Chemiekonzerns Schering, eines kriegswichtigen Unternehmens. »Die hatten eine Fabrik bei Valencia«, erinnert sich seine Frau. Auch die Namen der illustren Bekannten, die zum Teil im Hause ein- und ausgingen, sind ihr noch im Gedächtnis  : Hans Lazar  ; Otto Skorzeny – der »Mussolinibefreier« aus Wien  ; Oscar Dignös – ehemaliger Soldat der Wehrmacht, der das Büro des Österreich-Tourismus in Madrid übernahm  ; Graf Josef Ledebour, der von Wien aus Kontakt mit Seefried hielt  ; Prinz Max Hohenlohe  ; zahlreiche Adelige der spanischen Gesellschaft, viele von ihnen Jagd-, Golf- oder Tennisfreunde, sowie ranghohe Regierungsmitglieder, wie die Außenminister Serrano Súñer und Alberto Martín-Artajo, der die Seefrieds auch in ihrem Haus auf Mallorca besuchte. Mit dem Staatschef ging Seefried laut seiner Frau öfter auf die Jagd  : »Das war sehr lustig. Franco war ja passionierter Jäger, aber er hat nicht gewollt, dass sich die Leute über seine Leidenschaft lustig machen (…). Da wurde er immer gefragt, wen er gerne neben sich hätte. Dann hat er gesagt den österreichischen Grafen – denn der hat kein Interesse mich totzuschießen und hebt auch schlecht auf« – soll heißen, dass er nicht besonders treffsicher war und sich deshalb nicht oft nach Beute bückte. So blieb Franco in jedem Fall Jagdkönig. Auch im portugiesischen Estoril waren die Seefrieds anzutreffen, wo sich der spanische König Juan de Borbón y Battenberg seit 1941 im Exil befand. Auch ihn habe ihr Mann gut gekannt, erzählt Gabriele Seefried  : »Der Vater des jetzigen Königs hat ihn sehr geschätzt und manchmal um Rat gefragt. Er war auch auf unserem Anwesen in Gresten zu Gast, das muss so drei, vier Jahre nach dem Krieg gewesen sein. Ein irrsinnig angenehmer und gemütlicher Hausgast.« Lazar selbst habe sie nicht so geschätzt, dafür dessen Frau Lenta umso mehr  : »Die hat phantastische Menüs zusammengestellt. Er hat politisch stark gewirkt, keine Frage. Ich glaube, er hat geschickt auf zwei Seiten laviert. Er war auf der einen Seite noch mit dem Nazi-Regime gut, hatte aber auf der anderen Seite schon Kontakte im Ausland.« Über einen Jagdfreund, dessen Frau aus der spanischen Adelsfamilie Urquijo stammte, kam Seefried zu einem Vorstandsposten in der gleichnamigen Privatbank. Dort half er in der »Grupo Urquijo« dabei mit, dass der deutsch-spanische Handelskomplex, der sich während des Krieges gebildet hatte, im Kern seiner Substanz erhalten werden konnte – was auch im Interesse Spaniens lag.46 Die Verstaatlichung des deutschen Eigentums in Spanien beeinträchtigte die deutsch-spanischen Beziehungen, jene mit Österreich allerdings kaum. Nach der Liquidation des deutschen Vermögens erwarb die Banco Urquijo die spanische Tochtergesellschaft des Schering-Konzerns und sicherte sich maßgeblichen Einfluss auf die spanischen Betriebe

46 Nuria Puig, La conexión alemana  : redes empresariales hispano-alemanas en la España del siglo XX, RedeManuskript am VIII. Congreso de la Asociación Española de Historia Económica (Galicia, 16.–18.9.2005).

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der IG Farben.47 Seefried übernahm zudem die Leitung der österreichischen Außenhandelsstelle. Diese wurde am 1.  10.  1949 als Ehrenamtliche Korrespondenzstelle gegründet und war ab 1. 11. 1950 eine Expositur. 1969 starb Graf Seefried bei einem Autounfall in Madrid. Erst danach wurde das Madrider Büro am 1. 7. 1969 in eine ordentliche Außenhandelsstelle umgewandelt.48 Fluchthilfe für Nationalsozialisten Was die Ausweisung ehemaliger Nationalsozialisten betraf, setzte sich der spanische Außenminister Martín-Artajo für den Verbleib all jener ein, die beim Aufbau der Wirtschaft helfen konnten.49 Viele andere genossen anderweitige Protektion. So entwickelte sich Spanien zu einem sicheren Aufenthaltsort für Nazis kleineren und größeren Kalibers. Nur in den ersten Nachkriegsjahren hatten belastete Personen zu befürchten, ausgeliefert zu werden. Dann lebte es sich vorzüglich unter der Sonne Spaniens. Im November 1946 hatten von 255 vordringlich gesuchten Personen nur 105 das Land verlassen.50 Es gab zwar Gerüchte von einer Organisation Werwolf, die zur Aufgabe gehabt habe, die nationalsozialistischen Kräfte in Spanien zu sammeln und für die Fortexistenz der NS-Organisationen zu sorgen, doch letztendlich maßen die Briten und Amerikaner dem nicht allzu viel Bedeutung bei. Im beginnenden Kalten Krieg hatten sie bald andere Sorgen, als diesen Sack Flöhe zu hüten.51 Sehr wohl aber waren die Netzwerke ehemaliger Nationalsozialisten erfolgreich gewesen, einer Reihe ihrer Kameraden zur Flucht zu verhelfen. Durch den Film Hafners Paradies (2007) von Günter Schwaiger wurde der Südtiroler Paul Maria Hafner bekannt. Der ehemalige Waffen-SS-Offizier arbeitete in Madrid für Mannesmann, eröffnete eine Schweinezucht und gab in seinem Restaurant Cortijo Tiroles alte Geschichten zum Besten. Andere Alt-Nazis verbrachten ihren Lebensabend an der Costa Blanca südlich von Valencia. Darunter der Österreicher Anton Galler. Ein SS-Regiment unter seinem Kommando hatte 1944 im italienischen Dorf Sant’ Anna di Stazzema hunderte Zivilisten massakriert. Die Stadt Dénia, wo er begraben liegt, wurde zum Treffpunkt gesuchter Personen. Dort besaß Otto Skorzeny ein kleines Hotel, von dem aus offenbar Fluchtnetzwerke nach Afrika, Südamerika und in die arabischen

47 »Mit offener Hand«, Der Spiegel, 1.4.1959, No. 14. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42624941. html, 15.2.2015. 48 Auskunft Archiv der Wirtschaftskammer Österreich. Aufgrund Seefrieds ehrenamtlicher Tätigkeit gibt es keinen Personalakt. 49 Carlos Collado Seidel, »Zufluchtsstätte für Nationalsozialisten  ? Spanien, die Alliierten und die Behandlung deutscher Agenten 1944–1947« In  : Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 43, 1 (1995)  : 131–157, 155f. 50 Ebd., 155f. 51 Ebd., 157.

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Länder etabliert wurden.52 Bis zu seiner Flucht nach Südamerika 1953 lebte auch Johannes Bernhardt, der ehemalige sofindus-Geschäftsführer, in Dénia.53 Hier wurde noch 2005 nach dem KZ-Arzt Aribert Heim, dem »Schlächter von Mauthausen«, gefahndet. Von den größeren Kalibern ließen sich Léon Degrelle und Pierre Laval in Spanien nieder. Nur Laval, der Ex-Ministerpräsident der Vichy-Regierung, wurde tatsächlich ausgeliefert. Degrelle, ehemaliger SS-Offizier und Führer der belgischen Rexisten, blieb unbehelligt und belastete fortan die Beziehungen Spaniens zu Belgien. Auch sein Bekannter Skorzeny, der später einen österreichischen Pass bekam, sorgte weiter für Gesprächsstoff.54In der Avenida José Antonio, der heutigen Gran Vía, eröffnete er ein Ingenieursbüro, das zum Treffpunkt faschistischer Eiferer wurde. Skorzeny wälzte abenteuerliche Pläne zur Verteidigung Westeuropas im Fall eines kommunistischen Angriffs und wurde ein prägender Kopf des »Neo-Nationalsozialismus«. Zudem übernahm er in geheimem Auftrag die Vertretung der Vereinigten Österreichischen Eisen- und Stahlwerke (voest).55 Die Vertretung der Österreicher Am sichtbarsten politisch aktiv blieb Franz Josef Seefried. Als es noch keine offizielle österreichische Vertretung in Spanien gab, bot er sich immer wieder als Vermittler an. Bereits im Frühjahr 1945 gründete er die »Asociación Beneficia Austriaca en España«, um Geld und Lebensmittel für Österreich zu sammeln  ; und danach eine Vereinigung der Österreicher in Spanien. Viele im Land verbliebene Landsleute hätten sich, wie er am 20. Dezember nach Wien berichtete, an ihn um Hilfe gewandt. Zunächst jene, »die als Grenzwache oder Zollbeamte an der französisch-spanischen Grenze standen und vor oder nach dem Rückzug der deutschen Truppen aus Frankreich auf spanisches Gebiet übergetreten sind«.56 Sie fanden sich in Konzentrationslagern wieder, in denen Regimegegner inhaftiert waren  : Im Lager Miranda de Ebro  : 19 Österreicher  ; im Lager Molinar de Carranza  : 22 Österreicher  ; im Lager Balnea52 Robert S. Wistrich, Who’s Who in Nazi Germany (New York 2002), 235. 53 José María Irujo Joaquín Gil, »El socialista que abrazó al nazi amable«, El Pais, 26.6.2013, http://politica. elpais.com/politica/2013/07/26/actualidad/1374837963_402106.html, 3.11.2014. 54 Skorzeny, geboren 1908 in Wien, starb am 6. Juli 1975 in Madrid als österreichischer Staatsbürger mit 65 Jahren an Lungenkrebs. Er wurde eingeäschert und seine Urne in Wien beigesetzt. Siehe ÖStA, AA, Gr. Zl. 187.15.01/1-II.2/pol 75, Zl. 187.15.01. 55 Birgit Aschmann, »Treue Freunde…«  ?  : Westdeutschland und Spanien 1945–1963, Jürgen Elvert, Michael Salewski (Hg.) (Historische Mitteilungen 34, Stuttgart 1999), 146. Sowie »Eine typische Landsknechtsnatur«, Profil, 26.8.2013, No. 35, 32–35. 56 ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 110.953-pol 46. F. J. Seefried. Bericht über die Vereinigung der Österreicher in Spanien und die notwendige Unterstützung der Österreicher, Madrid, 20.12.1945.

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rio de Sobrón  : 32 Österreicher. Für sie verlangte Seefried einen Rücktransport. Erst dann erwähnte er andere Österreicher und hilfsbedürftige Emigranten. »Zusammen dürften in Spanien heute ungefähr 400 Österreicher leben. Alle leiden jedoch unter dem Fehlen einer offiziellen oder wenigstens offiziösen Vertretung.«57 Ihm sei bewilligt worden, eine Stelle unter der Bezeichnung »Hilfe für das Österreichische Rote Kreuz, Filiale des Spanischen Roten Kreuzes« zu eröffnen, welches aus einem Zimmer in seinem Büro bestand. Eine freiwillige Tätigkeit, der er sich verpflichtet fühle. Um dem Ganzen noch mehr Gewicht zu geben, bat er um die Nominierung zum Delegierten des Österreichischen Roten Kreuzes in Spanien. Seefrieds Wiener Kontaktmann Graf Josef Ledebour setzte sich im Außenministerium dafür ein. Vor dem Hintergrund, dass Reisepapiere des Internationalen Roten Kreuzes gesuchten Nationalsozialisten als probates Fluchtmittel dienten, könnte die Angelegenheit delikat gewesen sein. Ob Seefrieds Nominierung erfolgte, ist unklar. Jedenfalls erhielt Außenminister Karl Gruber im Frühjahr 1946 das Schreiben eines Cartellbruders, der aus Amerika den Hinweis bekommen hatte, dass sich Seefried »als offizieller Vertreter Österreichs in Spanien aufführt und absolut nur Nazi empfängt. Desgleichen betätigt sich ein Hohenlohe-Schillingfürst, der schon im Jahre 1938 als Gestapo-Spitzel in Paris war«.58 Im Ministerium wurden daraufhin Erkundigungen über Seefried eingeholt, dessen Wirken aber grundsätzlich als positiv beurteilt. Fortan schien eine andere Vereinigung mehr Anerkennung zu bekommen, die sich vom Madrider Hilfsverein abgespalten hatte  : das Komitee zum Schutze der Interessen der Österreicher in Spanien. Es wurde auf Initiative von Juan Rauter-Schurian in Barcelona gegründet und war per Dekret des Außenministeriums dazu ermächtigt worden.59 In der katalanischen Hauptstadt habe sich die numerisch und finanziell stärkste österreichische Kolonie in Spanien befunden, berichtete Arno Halusa, Legationsrat der österreichischen Botschaft in Paris.60 Dort tummelten sich Künstler wie der Theaterdirektor Artur Kaps oder der Komiker Franz Joham. Rauter-Schurian, geboren 1917 in Villach, betrieb eine Druckerei, versuchte Wirtschaftsbeziehungen anzubahnen, fungierte als ehrenamtlicher Delegierter der Stelle für den Wiederaufbau der österreichischen Fremdenverkehrswirtschaft und erreichte die Zulassung der Zeitung Die Presse in Spanien. Im Juli 1947 wurde ihm im Auftrag des Bundeskanzleramtes Informationsmaterial über Österreich zugesandt, mit der Bitte, es den Landsleuten in Spanien zukommen zu lassen.61 57 Ebd. 58 ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 110.953-pol 46, 15.3.1946. 59 Laut Briefpapier des Vereins, Rambla de Cataluna, No. 17,2, 1, Barcelona. ÖStA/AdR, AA, W-Pol, 1946, Barcelona, 9.10.1946. 60 ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 82.103-pol 49, Halusa, Lissabon, 28.9.1949. 61 ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 113.192-pol 46, sowie Gr. Zl. 105.646-pol 47, Schreiben des Leiters des Bundespressedienstes, 4.7.1947.

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Für die Spanier betreute die Vertretung in Bern inoffiziell die österreichischen Angelegenheiten  ; unter der Mithilfe von Gesandtschaftsrat Guillermo Pecker Cardona, der vor dem Zweiten Weltkrieg die spanische Vertretung in Wien geleitet hatte und danach Generalkonsul war.62 Auch auf österreichischer Seite war zwischen 1946 und 1948 die Botschaft Bern für die Ausstellung von Reisepässen für in Spanien lebende Österreicher zuständig, danach übernahm die Botschaft in Paris die Wahrnehmung der österreichischen Interessen in Spanien. Das musste inoffiziell, unter Geheimhaltung passieren, um die Russen im Alliierten Rat nicht zu reizen. Dort musste die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Staaten, die nicht Mitglied der uno waren, genehmigt werden – und die Sowjets sprachen sich gegen jedes Anstreifen an Franco aus. Die Nachkriegsziele Stalins stellten sich gegen die Integration Österreichs in einen katholisch-konservativen und antikommunistischen Block. Zudem stellte Spanien ein potentielles Aufmarschgebiet für nato-Truppen dar. Nicht zuletzt stellte Franco auf symbolischer Ebene ein unerwünschtes Relikt aus finsteren Zeiten dar. Der Diktator war ein faschistischer Staatsmann, der den Zweiten Weltkrieg im Amt überlebt hatte. Im Dezember 1946 hatte die uno ihren Mitgliedern einen Abzug der diplomatischen Vertreter empfohlen und Spanien aus der internationalen Gemeinschaft verstoßen. Bis auf Portugal, Argentinien, die Schweiz und den Vatikan zogen alle Staaten ihre Diplomaten ab. Eine Schmach für Franco und seine erste Niederlage seit dem 18. Juli 1936. Im Gegensatz dazu galt Österreich zwar als befreites Land, hatte aber eine Mitschuld am Krieg und wurde deshalb – wie Deutschland – von den Siegermächten besetzt und auf seinem Rückweg zur Demokratie unter Kuratel gestellt. So sahen sich beide Staaten – das Schmuddelkind und der Sonderling – mit einer unterschiedlichen Art der Isolation konfrontiert.

Verhinderte Freunde Grundsätzlich wollte die övp-dominierte Regierung von Bundeskanzler Leopold Figl Beziehungen mit Spanien aufnehmen, obwohl es inhaltlich keine zwingenden Gründe dafür gab und das oberste außenpolitische Interesse der Wiederherstellung der vollen Souveränität galt, wofür die Stimme der Sowjets von großer Bedeutung war. »Vom Ballhausplatz aus wollten wir natürlich Beziehungen mit Spanien haben«, erinnert sich Wolfgang Schallenberg, der von 1953–1958 der Botschaft Paris zugeteilt war. »Aus historischen Gründen, und wegen der Präsenz Spaniens in Europa. Wir wollten Spanien unterstützen und hatten da weniger ideologische Hemmungen 62 AGA 82/9300, E. 34. Propuesta Embajada espanola en Bonn encargarse informacion en Austria, 10.6.1954.

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als andere Europäer, trotz der Sozialdemokraten, die sehr skeptisch waren.«63 Der damalige Botschaftssekretär und Zimmergenosse Schallenbergs, Franz Matscher, bestätigt  : »Wir haben Spanien als befreundetes Land angesehen, das international Schwierigkeiten hat. Wo wir schon in internationalen Organisationen waren, haben wir uns sehr bemüht, die Spanier zu unterstützen.«64 Auf dem internationalen Parkett fand Spanien in Lujo Tončić-Sorinj einen treuen Fürsprecher. Der Salzburger övp-Abgeordnete war Mitglied der unesco-Kommission und Delegierter zum Europarat, dem er, nach einer zweijährigen Amtszeit als Außenminister, von 1969 bis 1974 als Generalsekretär vorstand. »In jedem Moment konnte unser Vertreter in Straßburg auf die Hilfe des Dr. Tončić zählen, um die Machenschaften zu entkräften, die ständig gegen unser spanisches Regime aufgebaut wurden«, fasste es später ein spanisches Memorandum zusammen.65 Im November 1952 sprach sich Österreich für die Aufnahme Spaniens in die Organisation für Kultur der Vereinten Nationen (unesco) aus. Es war erst die zweite internationale Organisation, der Spanien beitreten konnte – ein wichtiger symbolischer Schritt der politischen Rehabilitierung. Sieben Staaten enthielten sich der Stimme, vier stimmten gegen eine Aufnahme, 44 dafür. Schritt für Schritt musste das Franco-Regime anerkannt werden, schließlich gab es auch andere undemokratische Staaten des Ostblocks oder die udssr selbst, die Mitglieder der uno waren. Die Abstimmung beweise, schrieb Legationsrat Halusa am 20. November an den österreichischen Botschafter in Paris, dass sich nur noch wenige Länder zur »Fiktion der politischen Unberührbarkeit Franco-Spaniens« bekannten. »Dass Österreich sich bei der gestrigen Abstimmung auf der Seite der Vernunft und des Realismus befand, ist, wie ich bei meinem heutigen Besuch im Außenministerium feststellen konnte, hier wohl beachtet worden und wird zweifellos dazu beitragen, mit der etwas überheblichen spanischen Vorstellung, im Verhältnis zu Österreich stets der gebende Teil zu sein, aufzuräumen.«66 Ein erster Versuch, die Handelsbeziehungen vertraglich zu regeln, schlug fehl. Die Entsendung einer elfköpfigen Verhandlungsdelegation nach Madrid im Frühjahr 1953 blieb ohne Ergebnis. Fortan wurde der Warenaustausch, wie mit anderen Staaten auch, auf Kompensationsbasis abgewickelt.67 Die Kontakte auf politischer Ebene verliefen reibungsfrei, wie unter alten Freunden. Dabei habe, so Matscher, wohl noch ein wenig der Gedanke an die alten HabsburgerBeziehungen mitgespielt. »Obwohl die Unkenntnis über unser Land hier praktisch 63 Zeitzeugengespräch Wolfgang Schallenberg, Wien, 4.9.2013, WMA Audio File. 64 Zeitzeugengespräch Franz Matscher, Wien, 5.9.2013, WMA Audio File. 65 AGA 82/22919 E.33. MAE, Nota Informativa Austria. Vor Castiella-Besuch 1966. 66 Akten ÖB Madrid, Res/Pol, Zl. 23-Pol, 3II-Res/51, Aufnahme Spaniens in die UNESCO, Halusa an Schmid, Madrid, 20.11.1952. 67 ÖStA, AdR, Mrp, Raab I, Sitzung 115, 20.12.1955. Zl. 431.104-Wpol/55. Österreichisch-spanische Handelsvertragsverhandlungen, Wien, 9.12.1955.

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absolut ist, existiert in Österreich eine generelle Sympathie für Spanien«, schrieb der spanische Vertreter in Triest, Carlos Manzanares, im Jänner 1954. »Aber dem Österreicher genügt es schon, das Grabmal seiner alten Kaiser zu besuchen, in der KaiserGruft, oder die Spanische Hofreitschule, um in ihm die Idee eines legendären Landes zu wecken, das eines Tages mit Österreich vereint war. (…) Wien würde sich wünschen erneut diplomatische Beziehungen mit Madrid aufzunehmen, aber kann schlicht und einfach nicht.«68 Auch mit Deutschland verhalte es sich ähnlich. Spanien werde zudem als natürliche Verbindung nach Lateinamerika und als Bastion des Katholizismus betrachtet, als dessen Vorposten sich Österreich verstünde  : Das seien weitere Gründe für den Wunsch, Beziehungen mit Spanien aufzunehmen. Österreichs Unterstützung für Spanien deckte sich mit der Freundschafts-Politik der westdeutschen Nachkriegsregierungen, die Spanien an Europa und die nato heranführen wollten. Konrad Adenauer versprach sich davon eine Stärkung der Verteidigung Westeuropas gegen die sowjetische Bedrohung mit dem Gedanken an das eigene Recht auf Nichteinmischung. Immerhin hielten ja die Russen Ostberlin besetzt.69 Madrid kam Österreichs Sympathie natürlich entgegen, besonders in den ersten Nachkriegsjahren, als Spanien ein vollkommen geächteter Staat war. Zwar hatte Franco den politischen Einfluss der Falange eingeschränkt und Zugeständnisse gegenüber dem demokratischen Westen gemacht, um sein Überleben zu sichern. So entließ er politische Häftlinge, verabschiedete das »Grundgesetz der Spanier« und zog seine Truppen aus Tanger zurück, das er 1940 besetzt hatte. Die Vereinten Nationen hatten sein Regime trotzdem verstoßen und als Bedrohung für den Frieden bezeichnet. Derart vom Weltgeschehen abgekoppelt suchte Spanien sein Heil in einer Autarkie-Politik, die der Bevölkerung große Opfer abverlangte. Im Gegensatz zu Österreich, das Marshall-Plan-Hilfe erhielt und sich rasch erholte, sah sich Spanien mit großen wirtschaftlichen Problemen konfrontiert. Franco gab einer Weltverschwörung aus Bolschewisten und Freimaurern die Schuld und schaffte es so, seinen innenpolitischen Rückhalt sogar noch zu stärken. Oberstes Ziel seiner Außenpolitik blieb es aber, Risse in den Vorhang der internationalen Isolation zu schlagen. Diesem Zweck sollten auch tausende Kinder aus Österreich dienen. Österreichische Mädchen für den Caudillo Im Oktober 1945 hatte die Konferenz der Unterrichtsminister der freien europäischen Länder ihre Teilnehmer aufgefordert, Kinder aus zerstörten Kriegsgebieten 68 AGA 82/9300, E. 34. Representación de España en Trieste, Manzanares an Außenministerium, 9.1.1954. 69 Natalia Urigüen López de Sandaliano, »Von der traditionellen Freundschaft zur notwendigen Nähe  : Entwicklung der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Spanien (1949–1979)«, In  : Historisch-Politische Mitteilungen 20, 1 (2013)  : 71–102, 72ff.

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zur Erholung aufzunehmen. Diese »Kinderverschickungen« sollten auch sozialpolitischen Zielen dienen und die europäische Versöhnung vorantreiben. Das Rote Kreuz und kirchliche Organisationen waren daran beteiligt. Die ersten Kindertransporte der österreichischen Caritas in die Schweiz begannen im September 1945. Das Mindestalter betrug 10 Jahre. Ab 1947 wurden auch längere Auslandsaufenthalte in anderen europäischen Ländern organisiert, an denen bis zu 40.000 Kinder teilnahmen.70 Für die Empfängerstaaten bot diese Form des Austauschs natürlich auch die Möglichkeit, sich als Wohltäter zu profilieren. Ein Motiv, das für Spanien besonders wichtig war. Sofort nach dem Aufruf der Konferenz der Unterrichtsminister war aus Madrid das Angebot gekommen, 50.000 Kinder aufzunehmen. In einem Schriftverkehr mit der spanischen Botschaft Bern, in dem es um Unterstützung durch die Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen (unrr a) ging, ist von 10.000 Kindern aus Österreich die Rede  ; die unrr a teilte mit, es würde sich bloß um bis zu 3.000 handeln. Per Dekret ließ Franco am 24. November 1945 einen staatlichen Fonds zur Finanzierung der Aktion einrichten und schuf eine Delegation zu ihrer Abwicklung, die direkt an ihn berichten sollte.71 Doch die notleidenden Staaten schickten ihre Kinder nicht  : Norwegen, Jugoslawien, Griechenland, Schweden, Dänemark, Belgien und Holland lehnten ab. Der Grund waren administrative Probleme und die berechtigte Sorge, dass das Ganze bloß der Propaganda dienen solle. Daher ging Spanien dazu über, vorzugsweise Kirchenvertreter einzubinden, von denen man sich mehr Entgegenkommen erhoffte.72 Mit Portugal hatte Österreich bereits eine Kinderaktion realisiert. Im Frühjahr 1948 begleitete der Wiener Caritas-Direktor Jakob Weinbacher österreichische Kinder auf ihrer Fahrt von Genua nach Lissabon  : auf einem spanischen Schiff. Mit an Bord auch ein junger Beamter des spanischen Außenministeriums namens Canu, der sich beflissen um ihn bemühte und die Hoffnung bekräftigte, bald nach Wien kommen zu können, um die Details einer Aktion mit Österreich zu besprechen.73 Canu gab Weinbacher zu verstehen, dass man mit der baldigen Aufnahme konsularischer Beziehungen rechne. In Portugal ließ man Weinbacher ausrichten, er solle doch auf seiner Rückreise in Toledo den Primas von Spanien, Kardinal Enrique Pla y Deniel, besuchen. Dieser teilte ihm mit, dass Spanien im November und Dezember jeweils 1.000 Kinder aus Österreich aufnehmen wolle – als reine Sache der Caritas-Organi70 Christine Maisel-Schulz, Kinderlandverschickungen österreichischer Kinder nach Spanien in den Mangeljahren nach dem Zweiten Weltkrieg (Wien 2010), 276ff. 71 Ebd., 130f. 72 Letztlich sollte es bis 1949 dauern, bis – mit Ausnahme eines Transports 40 polnischer Flüchtlingskinder aus Salzburg – die ersten größeren Kindertransporte eintrafen – zuerst nur mit österreichischen, dann auch mit deutschen Kindern. Ebd., 136. 73 Hier und in Folge siehe ÖStA/AdR, AA, BMAA, Pol, Gr. Zl. 113.556-pol 48, Spanische Kinderaktion, Wildner, 24.5.1948.

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sationen –, und  : Er solle doch bei Außenminister Martín-Artajo vorsprechen. Dieser empfing ihn in Madrid und unterstrich die Bereitschaft für eine solche Aktion, bei der die Regierung nur als Genehmigungsstelle auftreten würde. Auf den Straßen sah Weinbacher laut einem Bericht Heinrich Wildners »viel Elend und Ärmlichkeit (…), während in Portugal geradezu auffallend Ordnung, Reinlichkeit, Aufgeräumtheit und ein höherer Wohlstandsstandard überall zu bemerken war«. Der Geistliche bat den Sektionschef des Außenamtes um einen Wink, wie er sich weiter verhalten sollte. »Ich habe ihm zunächst erwidert«, schrieb Wildner, »dass wir noch immer keine geordneten Beziehungen mit Spanien hätten und dass auch nicht abzusehen sei, wann es zu solchen kommen werde. Deswegen hätte ich bisher auch immer davon abgeraten, die spanischen Angebote mit besonderem Eifer zu verfolgen.«74 Sozialminister Karl Maisel von der spö äußerte keinerlei Bedenken. Allerdings hegte die Caritas selbst, von Beginn an um politische Unabhängigkeit bemüht, nun Zweifel. Als Pater Hartwig Balzen, der die Aktion betreute, im Juni 1948 in Madrid weilte, äußerte er gegenüber dem Delegierten der Acción Católica , dem spanischen Caritas-Pendant, Bedenken, es könne in Österreich bekannt werden, dass auch andere Organisationen mithelfen wollten die Sache durchzuführen – gemeint war die faschistische Falange.75 Da die Bedenken nicht ausgeräumt werden konnten, sagte Weinbacher die Aktion ab. Sein diesbezüglicher Brief traf aber erst im Oktober in Madrid ein, worauf die regimetreue Acción Católica alle Hebel in Bewegung setzte, das Projekt noch auf Schiene zu bringen. Nach Rücksprache zwischen Weinbacher, Sozialminister Maisel und Außenminister Karl Gruber gab das Außenministerium grünes Licht für die Aktion, wenn sie ausschließlich zwischen Caritas und Acción Católica erfolgen würde. Der spanische Außenminister, der bis zu seiner Ernennung am 20. Juli 1945 eben jene Acción Católica geleitet hatte, willigte ein. Die spanischen Behörden, hieß es, würden lediglich Visa ausstellen und Bahntickets zur Verfügung stellen. Im Dezember 1948 verhandelte die Caritas die letzten Details und sandte Pater Balzen für einen Lokalaugenschein nach Spanien.76 Bedenken angesichts einer ärmlich wirkenden Jugend wurden weggewischt  : Die Sprösslinge sollten ja bei reichen Familien unterkommen. Am 18. Februar 1949 rollte der erste Kindertransport von Wien ab. Und es kam wie befürchtet  : Das Regime schlachtete die Aktion für seine PR-Zwecke aus. Die staatlich kontrollierte Presse war voll des Lobs für die humanitäre Großtat. Dort wurde berichtet, dass die Kardinäle Enrique Pla y Deniel und Theodor Innitzer vereinbart hätten, 20.000 Kinder für rund sechs Monate in Spanien aufzunehmen. Der Staat kam für die Transportkosten auf spanischem Boden auf, während die Acción Católica einen Großteil ihrer Kosten aus 74 Ebd. 75 Maisel-Schulz, Kinderlandverschickungen österreichischer Kinder nach Spanien, 154. 76 ÖStA/AdR, AA, BMAA, Pol, Gr. Zl. 119.252-pol 48, 3.12.1948.

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dem Staatsfonds rückerstattet bekam. Der Diktator selbst nahm drei österreichische Mädchen im El-Pardo-Palast auf. Leopoldo Eijo Garay, der Bischof von Madrid-Alcalá, präsentierte sie ihm in einer feierlichen Zeremonie.77 Bis 1950 wurden in sieben Transporten 3.456 österreichische Kinder zu Pflegeeltern nach Spanien gebracht.78 Doch noch im selben Jahr fanden die Fahrten ein Ende, als Spanien im beginnenden Kalten Krieg als Torwächter an der Westflanke Europas neue strategische Bedeutung bekam. Nach Ausbruch des Koreakrieges 1950 hob die uno die Ächtung des FrancoRegimes auf und ein Jahr später flossen erste Dollar-Kredite aus den usa.

Die Beurteilung des Regimes 1951 durfte Franco auf die Weltbühne zurückkehren und Beziehungen mit Washington, London und Paris aufnehmen. Selbst die skandinavischen Staaten normalisierten ihr Verhältnis. Belgien, das starke wirtschaftliche Interessen in Spanien hatte, entsandte im März einen Botschafter – gegen den Widerstand der Sozialisten. 1953 unterzeichnete Spanien ein Truppenstationierungsabkommen mit den usa. Eine Aufnahme in die nato scheiterte aber vor allem am Widerstand Frankreichs und Englands. Und zwar, wie Legationsrat Arno Halusa schrieb, weil unter den Führern der britischen, französischen und belgischen Sozialisten noch vielfach der alte »Spanienkämpferkomplex« herumgespukt habe.79 Auch in Österreich waren diese Ressentiments noch lebendig. In der Sozialdemokratie bildete sich eine schmale, zu gewissen Anlässen aber deutlich spürbare Protestbewegung gegen Franco. Immer wieder demonstrierten die Gewerkschaften ihre Abscheu gegen Polizeiterror und Staatswillkür. 1948 appellierte der ögb an die Regierung, für einen spanischen Genossen Protest einzulegen, der wegen geheimer gewerkschaftlicher Tätigkeit zum Tode verurteilt worden war.80 Drei Jahre später, nach einem Streik in Barcelona, protestierten der Betriebsrat der Eisenwerke Krieglach und die Alpine Montan-Arbeiter des Erzberges gegen die Verurteilung spanischer Streikführer und forderten energische Schritte. »Das Bluturteil gegen die 34 spanischen Streikführer hat bei unserer Belegschaft wie beim Arbeiterbetriebsrat größte Empörung hervorgerufen und erinnert an das Jahr 1934«, schrieb der Betriebsrat der Bergarbeiter im steirischen

77 Maciá Riutort i Riutort, Zu den sogenannten Spanien-Kindern, in  : Wolfram Krömer (Hg.), Spanien und Österreich im 20. Jahrhundert. Direkte und indirekte Kontakte. Akten des Neunten Spanisch-Österreichischen Symposions (Anif/Salzburg 2002), 61–68, 62. 78 Maisel-Schulz, Kinderlandverschickungen österreichischer Kinder nach Spanien, 214, 229. 79 ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 84.984-pol 49, Halusa an Alois Vollgruber in Paris, 24.5.1949. 80 José Satue, Sekretär des Radio- und Elektrizitätsverbandes. ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 117.912-pol 48, Eingabe vom 21.10.1948.

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Pölfing-Brunn.81 Gerne verwies das Außenministerium in solchen Fällen darauf, angesichts der fehlenden Beziehungen nicht viel tun zu können. Die Charakterisierung des Franco-Regimes durch die Diplomaten, die mit der Betreuung Spaniens beauftragt worden waren, fiel durchwachsen aus. Arno Halusa kritisierte die Zustände in der »Militärdiktatur«. Jede Opposition werde unterdrückt. Mündliche Kritik sei allerdings zugelassen, sofern sie keine revolutionären Schlüsse ziehe. So könne man »überall und zwar auch von ganz zufälligen Bekannten in freimütiger Weise über die Dummheit, Unfähigkeit und Bestechlichkeit des Regimes unterrichtet werden«. Franco habe aber nun einmal einen klaren militärischen Sieg erfochten und sitze dank Militär und seiner Polizeitruppe Guardia Civil fest im Sattel.82 Im Februar 1953 reiste Erich Filz nach Madrid, um Beamte im Außen- und Wirtschaftsministerium zu treffen. Mit dem Europadirektor der politischen Abteilung führte er ein langes Gespräch. Dieser fragte ihn, ob nicht »ein der spanischen Gesandtschaft in Bern zugeteilter Legationsrat offiziös« nach Österreich entsandt werden könnte. »Ich verwies auf den Wortlaut des Kontrollabkommens und bemerkte, dass hierdurch unsere Handlungsfreiheit begrenzt sei, sodass wir nicht, wie die spanische Regierung, einen uns genehmen Verbindungsmann auch schon aufnehmen könnten. (…) Immerhin wird unsere Existenz seit unserer Stimmabgabe für die Aufnahme Spaniens in die unesco, an die man sich sofort erinnerte, zur Kenntnis genommen«, bemerkte Filz in seinem Bericht weiter, um anschließend die Baumängel im Land zu kritisieren, »die auch im Vorkriegsrumänien nicht überboten wurden. Nirgends sieht man so viele halbfertige Bauten, die dies deutlich schon seit Jahrzehnten sind, als hier«. Im krassen Gegensatz dazu sah er den Bau einer Heldenkrypta samt überdimensionalem Steinkreuz im Tal der Gefallenen vor den Toren der Hauptstadt, des Siegerdenkmals der Nationalisten. Für Filz eine »groteske Anlage des Sühnemales für den Bürgerkrieg«, die bisher »800 Millionen Pesetas verschlungen haben soll. Das zu einer Zeit, in der ein wesentlicher Prozentsatz der Bevölkerung durch den jahrelangen ungenügenden Niederschlag in Gefahr stand, zugrunde zu gehen, was übrigens, in diesem geduldigen Land sogar, viel böses Blut gemacht hat«. Im Bezug auf Spaniens Zukunft sah er schwarz  : »Eine wirkliche wirtschaftliche und machtpolitische Renaissance erscheint dem Beobachter spanischer Verhältnisse kaum denkbar. Das Sich-Gehenlassen und die Unterschiede zwischen arm und reich sind zu groß. Zu dem unleugbaren Charme des Landes und der Leute trägt vielleicht gerade die Hoffnungslosigkeit bei, die hier allenthalben die herrschenden Verhältnisse begleitet. Für Spanien gilt das von Mussolini in so ungerechtfertigter Weise für Österreich geprägte Wort  : Spanien ist, was es ist.«83 81 ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 141.300-pol 51, Betriebsrat Feldhofer, 21.11.1951. 82 ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 137.923-pol 51, Halusa an Schmid in Paris, Lissabon, 4.10.1951. 83 ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 318.161-pol/53, Madrid, 21.2.1953.

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Am 28. April präsentierte Filz sein »Einführungsschreiben« bei Außenminister Martín-Artajo.84 Zwei Monate später konnte er dem Regime schon mehr abgewinnen. Es habe auch »unleugbar günstige Ergebnisse« vorzuweisen, schrieb er am 25. Juni. Er verwies auf die Verfehlungen der Republikaner, die auch mit unsauberen Methoden an die Macht gekommen wären und ihre Gegner verfolgt hätten, und auf die Tradition von Staatsstreichen in Spanien. Ebenfalls erwähnte er die Ermordung des faschistischen Politikers Calvo Sotelo als angeblichen Auslöser des Bürgerkrieges, um dann die Ermordung von Priestern, Mönchen und Nonnen zu erwähnen  : »Derartige Vorkommnisse erklären einigermaßen die unmenschliche Strenge, die auch Franco nach seinem Sieg an den Tag legte. Selbst die Gegner des Regimes Francos müssen zugeben, dass es mehr an sozialer Gesetzgebung als irgendeines der vorhergehenden geleistet hat. Dass trotzdem nicht genug geschehen ist, liegt auf der Hand. Weite Volksschichten leben immer noch an der Hungergrenze.«85 Schlussendlich sah Filz Diktator Franco in einem pragmatischen Licht. Ganz so, wie es der Einstellung vieler Christlichsozialer entsprach. Die Gründung des cedi und schwarze Sympathien Im Gegensatz zur Sozialdemokratie bildete sich in der Volkspartei eine Unterstützungsbewegung für Franco. Deren wichtigste Protagonisten engagierten sich für einen Verein, den spanische Regierungsvertreter mit Otto von Habsburg aus der Taufe hoben  : Das Centro Europeo de Documentación e Información (cedi). Der Elitezirkel wurde zu einem bedeutenden Treffpunkt rechtskonservativer Politiker, denen eine reaktionäre Neuordnung Europas vorschwebte – ganz anders, als es die laizistischen Europakonzepte von Robert Schuman oder Richard Coudenhove-Kalergi vorsahen. Die Idee zur Gründung des cedi entstand im Rahmen des 35. Eucharistischen Weltkongresses in Barcelona, der am 27. Mai 1952 begann. Dort war neben Otto Habsburg auch Alfredo Sanchez Bello zu Gast. Der Leiter des spanischen Kulturinstitutes zeigte sich tief beeindruckt von Otto, der in der Prozession des Kongresses ein Kreuz vor sich her trug  : »Ich glaube, es war im Hotel Aricasa, wo mich mein Freund Jean Vilnet dem Erzherzog vorstellte. Und dann dachten wir darüber nach parallel zum Instituto de Cultura Hispanica ein Zentrum zu schaffen, das sich mit der Mobilisierung der christlichen Kräfte in Europa befassen sollte.«86 Im Sommer lud das spanische Kulturinstitut eine Reihe von Persönlichkeiten zu Gesprächen nach Santander. Aus Deutschland kamen Gerhard Kroll, Mitbegründer der csu und 84 ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 318.161.pol53, Filz an Schmid, 28.4.1953. 85 ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 318.972-pol53, Filz an Schmid, Lissabon, 25.6.1953. 86 Ramón Pérez-Maura, Del Imperio a la Unión Europea  : la huella de Otto de Habsburgo en el siglo XX (Madrid 1997), 281f.

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der Abendländischen Aktion, sowie Erich von Waldburg-Zeil, das Oberhaupt einer süddeutschen Adelsfamilie, welche die Abendländische Bewegung finanzierte.87 Auch Habsburg war ein Vertreter jener Bewegung, die den Parteienpluralismus ablehnte, den westlichen Liberalismus verteufelte und in den autoritären Gesellschaftsmodellen Spaniens und Portugals Vorbilder für staatliche Ordnungen sah. Aus Frankreich nahmen mit den Professoren Achille Dauphin-Meunier und Paul Lesourd ebenfalls Vertreter der Abendländischen Aktion teil, dazu der katholische Schriftsteller Louis Salleron und der Historiker Bernard Faÿ, ein ehemaliger Kollaborateur des VichyRegimes.88 Im Palacio de la Magdalena wurde die Gründung des cedi besiegelt, das sich die Einigung Europas unter christlichen Vorzeichen auf die Fahnen schrieb, der spanischen Regierung aber vor allem als Brückenkopf dienen sollte, um die politische Isolation zu entkräften. Der spanische Außenminister Martín-Artajo erschien persönlich, um Habsburg, der zum Präsidenten auserkoren wurde, die Unterstützung Spaniens zu versichern.89 Wenn es nach Sanchez Bello gegangen wäre, hätte der Erzherzog sogar an die katholische Tradition jenes habsburgischen Spaniens anschließen sollen, das mit dem Sieg der Bourbonen im Spanischen Erbfolgekrieg sein Ende gefunden hatte  : Er brachte Habsburg als Anwärter auf den spanischen Thron bei Staatschef Franco ins Gespräch. Dieser hätte ihn als Schachfigur gegen den jungen Bourbonen Juan Carlos ausspielen können. Doch vor allem Otto selbst konnte der Idee eines HabsburgRevivals wenig abgewinnen.90 Das cedi entwickelte sich gut. Nach und nach gründeten sich in mehr als zehn europäischen Ländern nationale Ableger, die Delegationen zu jährlichen Kongressen in Spanien entsandten.91 Im Oktober 1953 wurde ein Generalsekretariat in Madrid eingerichtet, dessen Leitung mit José Ignacio Escobar, Marqués de Valdeiglesias, ein Mitglied des spanischen Ständeparlamentes übernahm. Ausgerechnet ein Adeliger, 87 AGA 82/11612/E.17. Nota sobre la asistencia al almuerzo de hoy en Viana, 30.5.1955. Sowie Vanessa Conze, Das Europa der Deutschen (Studien zur Zeitgeschichte 69, München 2005), 133. Waldburg-Zeil besaß ein Schloss an der Grenze zur Schweiz, in dem sich Philippe Pétain versteckte, bevor er nach Frankreich zurückkehrte. Siehe AGA 82/11612, E. 17, nota sobre la asistencia al almuerzo de hoy en Viana, 30. Mai 1955. 88 Weiters aus Frankreich  : Alberto de la Pradelle, M. Clemen, Henry Germain Martin. Aus Portugal  : José Dinis da Fonseca. Siehe AGA 82/11612/E.17, Informe sobre el objeto del CEDI, Madrid, Mayo de 1955. Zu den ersten CEDI-Mitgliedern gehörten auch Waldburg-Zeils österreichischer Sekretär Georg GauppBerghausen und der erzkonservative deutsche Theologe Michael Schmaus. Siehe Ebd., Conze, 173. 89 Pérez-Maura, Del Imperio a la Unión Europea  : la huella de Otto de Habsburgo en el siglo XX, 283f. 90 Ebd., 285, 290. 91 Darunter Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, die Benelux-Länder, Spanien, Schweiz, England, Schweden, Liechtenstein, Portugal und Finnland. Siehe Conze, Das Europa der Deutschen, 174. Sowie AGA 82/11612/E.17. Informe sobre el Congreso del dia 31 de Mayo al 4 de junio 1955, Valdeiglesias, Juni 1955.

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der einst nach Berlin geschickt worden war, um bei Hitler um militärische Unterstützung für den Militär-Putsch zu bitten. Er fungierte als Bindeglied zur Regierung, die das cedi mit Geld unterstützte. Gelegentlich fuhr er ins Ausland, etwa zum deutschen Ableger im bayrischen Eichstätt, um die spanische politische Ideologie unter Intellektuellen und Akademikern zu verbreiten, wie er es formulierte.92 Der Aufbau eines Netzwerks zu gleichgesinnten europäischen Freunden brachte dem Regime ein Stück mehr Anerkennung und Sicherheit. Generell stand Franco dem liberalen, demokratischen Europa aber ablehnend gegenüber. Christlich-Soziale, Rechte und Monarchisten, Minister, Abgeordnete, Professoren, Publizisten und Journalisten störte es als Gäste in Spanien nicht, dass bei den cediKongressen regelmäßig hohe Franco-Funktionäre, Faschisten und vereinzelt ehemalige Nationalsozialisten mit am Tisch saßen. Sie alle fanden sich unter der diffusen Vision eines übernationalen Europa zusammen, welches dem Kommunismus – mit christlichen Werten geharnischt – die Krallen zeigen sollte. Bei den Versammlungen wurden Resolutionen erlassen, ein klar definiertes politisches Programm gab es aber nicht. Beim dritten cedi-Kongress 1954 forderte Generalsekretär Escobar die sofortige Errichtung eines geeinten Europa auf christlichen Prinzipien und die Schaffung einer europäischen Armee. Otto Habsburg sprach sich gegen die Verankerung des freien Wahlrechts in europäischen Verfassungen aus, weil diese »schon mehr als einmal in der Geschichte versagt« hätten. Nur ein Zugeständnis an die besonderen Erwartungen Spaniens, wie Birgit Aschmann diese Aussage interpretiert hat  ?93 Jedenfalls trifft auf Österreich das zu, was Petra-Maria Weber auch für Deutschland vermutet  : dass die Spanienpolitik von der Konkursmasse antidemokratischer Gesinnungen profitieren konnte.94 Nicht umsonst bildete sich der harte Kern von cedi-Unterstützern in Westösterreich, wo sich in Opposition zur Entnazifizierungspolitik der Regierung ein solides Fundament zur Gründung von Rechtsparteien gebildete hatte. Gustav Canaval, Mitgründer der Salzburger Nachrichten (SN), war die bestimmende Person in dieser Gruppe. Er hatte seine Karriere unter Friedrich Funder bei der Reichspost begonnen, war Pressesprecher Julius Raabs in Heimwehrzeiten und Propagandist der Ostmärkischen Sturmscharen gewesen. Raab, Figl, Schuschnigg und Dollfuß waren seine Bundesbrüder in der katholischen Studentenverbindung Norica. Er war Monarchist, ein Verehrer Otto Habsburgs, Kuratoriumsmitglied der Abendländischen Akademie und bis zu seinem Tod 1959 Präsident des cedi Österreich.95

92 AGA 82/11612/E.17, Informe sobre el Congreso, Valdeiglesias, Juni 1955. 93 Aschmann, »Treue Freunde…«  ?  : Westdeutschland und Spanien 1945–1963, 430. 94 Petra-Maria Weber, Spanische Deutschlandpolitik  : 1945–1958. Entsorgung der Vergangenheit (Saarbrücken 1992), 206. 95 Georg Gaupp-Berghausen (Hg.), 20 años C.E.D.I. Centro Europeo de Documentación e Información (Madrid 1971), 316.

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Auch im Dritten Lager erfreute sich der Gedanke einer übernationalen europäischen Ordnung großer Beliebtheit – wenn auch das Großraum-Denken des Nationalsozialismus bestimmendes Moment war, da ein Näherrücken an Deutschland nur auf dem Weg der europäischen Integration möglich blieb. So sprach die extreme Rechte von Europa, meinte aber den Anschluss, wie Höbelt es formulierte.96 Mit Canavals Unterstützung gründete Ernst Strachwitz, der sich zuvor für die övp bemüht hatte, das Wählerpotential der Kriegsheimkehrer zu erschließen, die Aktion zur politischen Erneuerung, die mit dem Verband der Unabhängigen (VdU) kooperierte, bevor sie in der fpö aufging. Die von Strachwitz herausgegebene Wochenzeitung Aktion setzte alteuropäisch-abendländische Akzente. Mitgründer des VdU war Viktor Reimann, stellvertretender Chefredakteur der SN, der auch die Parteizeitung Neue Front verantwortete. Ein Mitarbeiter des zweiten Parteigründers, Herbert Kraus, war Lujo Tončić-Sorinj, der zum Heimwehr-Flügel um Major Fey gezählt hatte und später zur övp wechselte. Canaval prägte eine ganze Generation von Journalisten, von denen einige ebenfalls im cedi aktiv waren oder dessen Kongresse besuchten. Hans Thür, Alfons Dalma und Gerhard Bacher  : Alle drei arbeiteten bei den Salzburger Nachrichten und stiegen dann in einflussreiche Positionen auf. Dalma ging 1967 als Chefredakteur zum orf und saß im Beirat des cedi International,97 während Bacher 1954 nach Wien wechselte und 1967 Generalintendant des orf wurde. Die Wiener Willy Lorenz, Franz Ferdinand Wolf und Fritz Molden  : Lorenz war von 1954 bis 1975 Generaldirektor des Herold Verlages und Chefredakteur der katholischen Wochenzeitung Die Furche, Wolf arbeitete in Führungspositionen bei orf, profil und Kurier, während Molden Herausgeber der Zeitung Die Presse war. Auch övp-Politiker wie Ernst Hefel oder die Nationalratsabgeordnete Eleonora Hiltl fuhren regelmäßig zu cedi-Treffen, genau wie Heinrich Starhemberg, der Sohn des gleichnamigen Heimwehrführers. Als Medienberater von Julius Raab und Josef Klaus wurde Canaval auch politisch wirksam. Zunächst beschränkten sich die Bemühungen der Franco-Sympathisanten aber darauf, Spanien wieder salonfähig zu machen und die Aufnahme der Beziehungen voranzutreiben. Zum zweiten cedi-Kongress nahe Madrid, vom 21.–30. September 1953, reisten drei Personen aus Salzburg an. August Lovrek, der 1959 Obmann der Monarchistischen Bewegung wurde, Alfons Dalma und Gustav Canaval. Am 31. Oktober erschien in der SN ein Artikel Canavals über »Spanien als europäische Kraft«.98 Das 96 Lothar Höbelt, Daß der nationale Gedanke eine Ausweitung auf das Europäische erfahren hat, in  : Rolf Steininger, Michael Gehler (Hg.), Österreich und die europäische Integration 1945–1993, Historische Forschungen  : Veröffentlichungen (1993), 346. 97 Gaupp-Berghausen, 20 años C.E.D.I. Centro Europeo de Documentación e Información. 98 Zitiert in Ebd., 44f.

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Madrider Dokumentations-Zentrum, schreibt er darin, habe sich die Rettung des geistigen Erbes des Kontinents zur Aufgabe gemacht. »Der Gefahr der Aushöhlung unserer Widerstandskräfte durch Liberalismus, Materialismus und diesseitige Egozentrik soll gemeinsam entgegengetreten werden. Der europäische Mensch soll wieder ein menschliches und politisches Ideal erhalten und wissen, wofür er lebt.« Über einen Empfang bei Außenminister Martín-Artajo berichtete Canaval, wie dieser »warme Worte der Anerkennung für unser Land fand, das sich für den Eintritt Spaniens in die unesco eingesetzt hatte. Bekanntlich bestehen bedauerlicherweise bis zur Stunde noch immer keine direkten diplomatischen Beziehungen zwischen Spanien und Österreich, aber es wäre an der Zeit, dass auch hier Wandel geschaffen würde, um mitzuhelfen, die Mauern des Unverständnisses und der Missgunst niederzureißen, die eine überlebte Linkspropaganda, die von gänzlich falschen und einseitigen Vorurteilen ausgeht, auch heute noch aufrechterhalten zu müssen glaubt«. Am letzten Kongresstag wurden die Österreicher von General Franco im königlichen Palast empfangen. Dabei betonte der Diktator, wie sehr er die Bedeutung der cediKongresse schätze. Die Spanier betrachteten Canval als jemanden, der noch nützlich sein könnte. »Er hat ausgezeichnete Verbindungen zur aktuellen Regierung«, fasste es ein cediPapier zur Vorbereitung eines Frühstücks am 30. Mai 1955 zusammen, an dem auch Alfons Dalma und weitere Gäste des vierten cedi-Kongresses teilnahmen. Darunter der spanische Außenminister und José Sebastian de Erice, Spaniens erster Botschafter nach 1945 Wien.99 »Und er kann eine sehr wichtige Figur zur Wiederherstellung und Normalisierung der Beziehungen zwischen Österreich und Spanien sein, eine Frage, an der er sich sehr interessiert zeigt und für welche man ihm Instruktionen geben müsste, um die Standpunkte der spanischen Regierung klarzumachen. (…) Sowohl Dalma als auch Canaval sind ehrliche Hispanisten und große Freunde des Spaniens von Franco.«

Der steinige Weg zur Wiederaufnahme der Beziehungen Das Argument der wirtschaftlichen Notwendigkeit sollte dazu dienen, Druck für die Wiederherstellung diplomatischer Beziehungen aufzubauen, obwohl die Wirtschaftsbeziehungen kaum Substanz hatten. Im März 1954 setzte sich die Wirtschafts­ kammer für eine rasche Wiederaufnahme der Beziehungen ein und bekam dabei Unterstützung von der wirtschaftspolitischen Abteilung des Außenministeriums. Diese plädierte für die Aufnahme diplomatischer und konsularischer Beziehungen 99 AGA 82/11612, E.17, nota sobre la asistencia al almuerzo de hoy en Viana, 30.5.1955. Sowie AGA 82/17187, E59.

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mit sämtlichen europäischen Staaten, ungeachtet der Regierungsform.100 Doch bezüglich Spanien stand ein prinzipieller Beschluss der Bundesregierung noch aus. Im Sommer plante die Steyr Daimler Puch AG sich an einer Ausschreibung für eine Traktoren-Lieferung an Spanien im Wert von 700.000 Dollar zu beteiligen. Dabei konnte lediglich die Außenhandelsstelle in Madrid helfend zur Seite stehen. Erneut wies die wirtschaftspolitische Abteilung in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit der Errichtung einer Vertretungsbehörde in Spanien hin.101 Unter den Sozialisten regte sich freilich Widerstand gegen eine Aufnahme von Beziehungen mit Spanien, der Wirkung zeigte. In Madrid, wo man immer weniger Verständnis für die besondere Lage Österreichs aufbringen konnte, fiel das besonders ins Gewicht. Auch deshalb, weil die Sowjets der Wiederaufnahme von Beziehungen zu Japan und Portugal bald ihre Zustimmung gegeben hatten. Im Juni erschien in der größten Madrider Tageszeitung Ya ein Artikel über Österreich, der schon im Untertitel klar machte  : »Die Vorurteile der sozialistischen Partei verhindern normale Beziehungen.«102 Wenig später zeigte sich Spanien verstimmt, als Österreich Angehörige der spanischen Exilregierung zur 43. Konferenz der Interparlamentarischen Union Ende August in Wien einreisen ließ. In Paris bestellte daraufhin der spanische Botschafter José de Casa Rojas den österreichischen Legationsrat Johann Tursky zu sich, um ihn wissen zu lassen, dass die Angelegenheit in Madrid »sehr übel« aufgenommen werde, und geeignet sei, die Beziehungen zwischen Spanien und Österreich »ernstlich ungünstig« zu beeinflussen. Die usa und die Schweiz seien dem Wunsche Madrids nach Zurückweisung der republikanischen Spanier nachgekommen. »Ob wir nicht doch bereit wären, Madrid irgendwie entgegenzukommen«, habe Casa Rojas wissen wollen, berichtete Tursky  : »Wir müssten doch schließlich auch ein Interesse daran haben, mit Spanien wenigstens erträgliche Beziehungen zu unterhalten, wenn nicht aus anderen Gründen, so doch aus wirtschaftlichen, denn er glaube zu wissen, dass verschiedene unserer Unternehmungen, darunter auch die nationalisierten, in Spanien ganz gute Geschäfte machten.«103 Der Legationsrat empfahl, den spanischen Wünschen Rechnung zu tragen. In einer Antwort vom 17. August ließ das Außenministerium Tursky wissen, dass eine Verweigerung des Sichtvermerks in den Pässen gar nicht möglich gewesen wäre, da die Republikaner mit Nansen-Pässen und französischen Permits eingereist wären. »Man möge sich in Madrid freundlicherweise vor Augen halten, dass wir gewiss leider noch nicht das volle Ausmaß unserer Souveränität besitzen und daher nicht verhindern können, wenn sich unliebsame Elemente diesen bedauerlichen Zustand 100 ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 142.382-pol 54, 31. März 1954 101 ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 142.382, Gz. 228.284-Wpol/54. Wpol an VR, 2.9.1954. 102 José Maria Javierre, 23.6.1954, zitiert in ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 142.382-pol54. 103 ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 142.382-pol54, Zl. 145.860-pol54, Tursky an Karl Wildmann, Paris, 10.8.1954.

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zunutze machen.« Auch bei den Funktionären kommunistischer Weltorganisationen verhalte es sich ähnlich. Tursky solle ausrichten, »dass wir uns mit der Kongressleitung ins Einvernehmen gesetzt und sie nachdrücklich ersucht haben, darauf hinzuwirken, dass ein Hervortreten dieser spanischen Delegierten auf dem Kongress verhindert werde«. In puncto der Beziehungen wurde einmal mehr auf die schwierige Situation mit den Sowjets verwiesen.104 Als sich die Wogen geglättet hatten, ließ Casas Rojas Legationsrat Tursky wissen, dass man es in Madrid nicht verstehe, warum Spanien der einzige bedeutendere Staat sei, mit dem Österreich keine normalen Beziehungen unterhalte. Tursky verwies auf Japan und China. »Wie immer dem sei, meinte der Herr spanische Botschafter, wir seien nunmehr über den dringenden Wunsch Spaniens, mit uns normale diplomatische Beziehungen aufzunehmen, informiert.«105 Bis 1955 galt Österreich in Spanien als ein Land, das im Schatten der sowjetischen Besatzer stand und wie eine Region hinter dem Eisernen Vorhang betrachtet wurde.106 Tatsächlich war es ungewöhnlich, dass Österreich noch keine Beziehungen mit Spanien aufgenommen hatte. Mit Ausnahme der udssr und der Staaten in ihrem direkten Einflussbereich hatten im Herbst 1954 die meisten überseeischen und europäischen Länder Vertretungen in Madrid eröffnet – darunter auch die skandinavischen Staaten oder die neutrale Schweiz. Doch Spanien blieb für Russland ein Sonderfall. Das »Njet« im Alliierten Rat hing mit größeren politischen Fragen zusammen. Zudem war Moskau noch im Besitz einer Goldreserve im Wert von 116 Millionen Dollar, welche die spanischen Republikaner während des Bürgerkrieges in Odessa hinterlegt hatten. Am Freitag, den 5. November 1954, sprach sich övp-Abgeordneter Lujo TončićSorinj im Budgetausschuss des Nationalrates dafür aus, dass man die Frage diplomatischer Beziehungen zu Spanien nüchtern prüfen solle. »Wir sollten uns von gefühlsmäßigen Einschränkungen befreien und den Schritt tun, den alle Staaten diesseits des Eisernen Vorhanges gemacht haben.«107 Außenminister Leopold Figl sagte, er werde der Regierung den Wunsch des Ausschusses, in Spanien eine Gesandtschaft zu errichten, zur Kenntnis bringen. »Der Herr Minister hat da den Wunsch seiner Parteifreunde in einen Wunsch des ganzen Ausschusses verwandelt«, schrieb die Arbeiter-Zeitung. »Ein solcher Wunsch besteht gewiss nicht  !«108 Hinter den Kulissen begann die Regierung trotzdem mit französischer Hilfe bei den Russen vorzufühlen, wie sie einer Aufnahme der Beziehungen Österreichs zu 104 Antwort vom 17.8.1954, Ebd. 105 ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 142.382-pol54. 106 Heible, Geliebter Ballhausplatz. Rückblicke und Einblicke, 158. 107 Parlamentskorrespondenz, 5.11.1954, Bogen 5,Tončić. 108 Arbeiter Zeitung (AZ), No. 258, Wien, Samstag, 6.11.1954. Titelseite.

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Spanien gegenüber stünden. Auf die Frage, ob die Sowjets einem entsprechenden Antrag im Alliierten Rat zustimmen würden, gab Sergei M. Koudriavzev, einer der Staatsvertragsverhandler, seinem französischen Gegenüber Roger Lalouette am 3. Dezember im Rahmen einer Veranstaltung eine negative Antwort. Auf die Erwiderung, dass Moskau im Falle Portugals doch auch die Zustimmung erteilt habe, antwortete Koudriavzev  : »Portugal ist eine Sache, Spanien aber eine andere.« Lalouette empfahl den Österreichern dennoch, direkt Fühlung aufzunehmen, da er es nicht für ausgeschlossen halte, dass eine Lockerung der russischen Haltung erreicht werden könne.109 Also insistierte Außenminister Figl beim sowjetischen Hochkommissar Iwan Iljitschow und unterstrich die Notwendigkeit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen aus wirtschaftspolitischen Gründen. Daraufhin sagte ihm Iljitschow eine nochmalige Überprüfung der sowjetischen Haltung zu.110 Als es Figl bis Ende Jänner 1955 nicht gelang, eine positive Antwort zu erhalten, wurde der Plan gefasst, der Botschaft Paris einen Legationsrat zuzuteilen, der sich dauerhaft in Madrid aufhalten sollte.111 Der österreichische Botschafter in Frankreich, Alois Vollgruber, begab sich zu diesbezüglichen Sondierungsgesprächen nach Madrid. Am 4. Februar sprach er bei Juan Barcenas, dem Unterstaatssekretär im Handelsministerium, vor. »Als ich von unserem Wunsche der Wiederherstellung normaler diplomatischer Beziehungen sprach, bemerkte Herr de las Barcenas leichthin, dieser Wunsch sei bei uns wohl nicht immer vorhanden gewesen, was ich einfach überhörte.«112 Vollgrubers Vorschlag, einen in Paris geführten Vertreter nach Madrid zu entsenden, beurteilte Barcenas positiv – unter der Voraussetzung, dass auch Spanien so eine Art Vertreter nach Wien entsenden könne. »Ich erwiderte, dass wir uns gewiss freuen würden (…), dass aber gewisse Schwierigkeiten und Gefahren bestünden und wir sicherlich keine Garantien übernehmen könnten. (…) Ich hatte in der Zwischenzeit den sicheren Eindruck gewonnen, dass die Spanier in ihrem mir in Madrid vollkommen zu Bewusstsein gekommenen Prestigebedürfnis und ihrem Misstrauen sofort die Entsendung eines Vertreters nach Madrid ablehnen würden, wenn ich auch nur irgendwie merken ließe, dass uns die Entsendung eines spanischen Vertreters nach Wien allenfalls von uns aus unangenehm sein könnte. Ich sprach daher immerfort nur von den Russen.« Tatsächlich hatte Vollgruber den Spaniern bereits bestätigt, dass die Opposition der Sozialisten der Grund dafür war, nicht schon früher an die Sowjets heranzutreten. Nun sei der Widerstand aber »besiegt« worden, indem man den AustroMarxisten die wirtschaftlichen Vorteile eines noch engeren Kontakts mit Spanien 109 ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 142.382-pol54, Zl. 148.167-pol54 110 ÖStA/AdR, AA, Gr. Zl. 142.382-pol54, Zl. 148.318-pol54 111 ÖStA, AA, Gr. Zl. 319.260-pol55, Zl. 319.451 112 ÖStA, AA, Gr. Zl. 319.260, pol55, Zl. 320.603. Vollgruber an Wildmann, Paris, 12.2.1955.

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näher gebracht hätte.113 In einem Zeitungsartikel in der Furche vom 19. Februar 1955 deklinierte Tončić-Sorinj noch einmal die Argumente für eine Wiederaufnahme der Beziehungen durch.114 Spanien habe sich nie einer Aggression schuldig gemacht, sei Verbündeter der nato, könne als Medium zur iberoamerikanischen Welt dienen und der Wirtschaft nützlich sein. Zwar handle es sich um eine Diktatur, doch Österreich unterhalte auch Beziehungen zu anderen Diktaturen in Südamerika, den Oststaaten, oder gewissen orientalischen Staaten. »Nun könnte man aber den Standpunkt vertreten, dass diplomatische Beziehungen zu Linksdiktaturen zum Teil unvermeidlich, zum Teil erträglicher seien als mit einem sogenannten faschistischen Land. Ganz abgesehen davon, dass alle diese Begriffe sehr verschwommen, juristisch unklar und meistens nur gefühlsmäßig sind, muss man daran erinnern, dass Österreich mit einem dem heutigen Spanien verwandten Regime, nämlich mit dem Argentinien des Generals Peron, seit langem Beziehungen aufgenommen hat. (…) Man kann das Regime ablehnen, man kann aber Spanien nicht übersehen. Das haben andere, mächtigere Staaten bereits erkannt, je früher wir es erkennen desto besser.« Am 7. Februar bot der spanische Außenminister Martín-Artajo von sich aus Vollgruber an, dass Spanien einen Vertreter nach Wien entsenden könne, der auf der Liste der Botschaft in Bern geführt werde. Wenn das möglich wäre, ließ Barcenas Vollgruber vor dessen Abreise wissen, würde er glauben, dass man so manches für den Ausbau der Handelsbeziehungen tun könne. Doch nichts geschah. »Meine persönliche Meinung ist, dass das noch sehr lange dauern könnte«, schrieb Barcenas an den spanischen Botschafter in Paris. »Ich weiß nicht, ob es ein Erbe der Habsburger ist, aber ›morgen‹ ist ein genauso wienerisches wie madrilenisches Wort.«115 Am 4. April schrieb Vollgruber an den Generalsekretär im Außenamt, Karl Wildmann, dass er glaube den Spaniern eine Mitteilung machen zu müssen, wenn man Madrid nicht endgültig verstimmen wolle.116 Franz Josef Seefried hatte ihm zuvor in einem Brief von einem Abendessen bei Juan Barcenas berichtet. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass die Sache wohl endgültig zu begraben wäre, weil er persönlich und vertraulich aus Wien erfahren habe, dass sich die sozialdemokratische Partei gegen Vollgrubers Vorschlag ausgesprochen hätte. So ähnlich schilderte es Barcenas dem Gesandten der spanischen Botschaft in Paris, Federico Diez de Isasi, in einem Brief vom 5. April. Er glaube nicht, dass die Sache Form annehmen würde, weil die Sozialisten, »die zu Beginn gegen die Auf113 AGA 82/9300, E. 34, Entrevista con el Embajador de Austria en Paris, Madrid, 4.2.1955. 114 Ein österreichischer Gesandter in Madrid  ? Die offene Frage der diplomatischen Beziehungen zu Spanien. Die Furche, 19. Februar 1955. 115 AGA 82/10268/MAE, E. 24, Barcenas an José Rojas, Madrid, 23.3.1955. 116 ÖStA, AA, Gr. Zl. 319.260-pol55, Zl. 321.155, Vollgruber an Wildmann, Paris, 4.4.1955.

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nahme von Beziehungen mit Spanien waren und sich dann durch wirtschaftliche Vorteile überzeugen ließen, wieder einen Rückzieher gemacht haben, besonders im Verbindung mit dem Widerstand der Christdemokraten, Gespräche mit Russland aufzunehmen«.117 In einem Schreiben vom 8. April bekräftigte Vollgruber erneut das Vorhaben, einen in Paris akkreditierten offiziellen Vertreter dauerhaft nach Madrid zu entsenden.118 Dann erhielt Österreich mit dem Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 seine volle Souveränität zurück. »Spanien, das durch unser bisheriges Verhalten bereits sehr ägriert ist, würde nunmehr eine neuerliche Verzögerung der Angelegenheit als Affront betrachten«, warnte Vollgruber. Eine Zwischenlösung sei nicht mehr zweckmäßig, selbst im vergleichsweise unbedeutenden Chile sei man durch eine Botschaft vertreten.119 Schließlich wurde der österreichische UN-Beobachter in New York, Heinrich Haymerle, dazu bestimmt, die Angelegenheit in Madrid zu regeln, während die Spanier ihren Vertreter in Triest, Carlos Manzanares, mit dieser Aufgabe betrauten. Am 30. Juni machte sich dieser auf den Weg nach Wien, wo er im Hotel Ambassador Quartier bezog.120 Am 14. Juli verfasste er den ersten Bericht an Juan Barcenas  : »Ich habe Wien sehr abgestorben vorgefunden. (…) Man lebt hier immer noch vom Glanz der Monarchie, aber das ist nicht mehr möglich. (…) Jetzt denken sie an die Einheit Europas, ich weiß nicht, ob als Korrektur ihrer Nostalgie gegenüber der alten österreichisch-ungarischen Konföderation oder aus dem Erkenntnis ihrer Insuffizienz heraus. Es ist ein Unglück, dass das Erbe einer großen politischen Tradition nicht irgendeine passende Form gefunden hat, in der es sich definitiv hätte festigen können. All diese Überlegungen kommen nicht ohne mit vielen Leuten gesprochen und gesehen zu haben, wie heftig sie auf den Hitlerismus reagieren.«121 Am 29. Juli traf Manzanares mit Figl zusammen. Dieser bestätigte ihm, dass die internen Schwierigkeiten ausgeräumt seien und es einen Botschafter in Madrid geben werde.122 Anfang August reiste Haymerle nach Madrid, um Juan Barcenas, mittlerweile politischer Direktor im Außenministerium, mitzuteilen, dass mit der Errichtung einer österreichischen Vertretungsbehörde aus budgetären Gründen nicht vor Beginn des Jahres 1956 gerechnet werden könne. Aus einem Schreiben Haymerles geht hervor, dass die Spanier mit Ende Oktober, nach dem Abzug der letzten Besatzungstruppen aus Österreich, einen Notenaustausch in Paris erwarteten. Handschriftlich vermerkte Generalsekretär Karl Wildmann auf dem Akt  : »Der Herr StS.

117 AGA 82/10268. MAE, E. 24. 118 AGA 82/10268. MAE, E. 24, Vollgruber an José Rojas. 119 ÖStA, AA, Gr. Zl. 319.260-pol55, Zl. 322.563, 18.5.1955. 120 AGA 82/10268. MAE, E. 24, Jose Rojas Moreno an Außenminister. Paris, 28.6.1955. 121 AGA 82/10268. MAE, E. 24. 122 AGA 82/10268. MAE, E. 24, Manzanares an Barcenas, Wien, 29.7.1955.

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hat mir telefonisch mitgeteilt, dass er die sofortige Errichtung einer Botschaft nicht für notwendig halte. Vorerst würde eine Gesandtschaft genügen, die Sache müsse noch reiflich überlegt werden.«123 Der junge Staatssekretär Bruno Kreisky von der spö stand auf der Bremse. Im Spätsommer berichtete Haymerle über die Lage in Spanien, wo man nach wie vor »verschnupft« sei und auf eine Initiative Österreichs warte.124 Er schrieb vom Prestigebedürfnis der Spanier, ihrem Stolz, der durch die Isolation noch verstärkt worden sei – und dessen Kehrseite, der Empfindlichkeit. Was die Freundschaft mit anderen Staaten betreffe, habe Spanien viele Vorbehalte, auch die lateinamerikanischen Staaten würden irgendwie »als Rebellen« betrachtet. Und obwohl es kein realistisches Bild von Österreich gebe, habe er »ein latent vorhandenes, ich möchte beinahe sagen freundschaftliches Gefühl Österreich gegenüber« feststellen können. Die Wurzeln dafür sah er in der gemeinsamen Religion und Geschichte. »Mit keinem anderen Land hat Spanien in der Zeit seiner Blüte, von der es heute noch zehrt, so enge Beziehungen gehabt wie mit Österreich. Für die gesellschaftlich gehobeneren Schichten, deren Lebensform und Gedankenwelt sich überhaupt bis zu einem gewissen Grade in Kategorien zu bewegen scheinen, die ungefähr denen des übrigen Europa um die Jahrhundertwende entsprechen, – aber auch, wie mir hier versichert wird, zum Teil für die breite Masse der Bevölkerung, verbinden sich mit dem Begriff Österreich historische Reminiszenzen, die in der Spanischen Hofreitschule in Wien, nach der ich fast bei jeder Unterhaltung gefragt werde, ihren heute noch lebendigen Ausdruck finden. Es gibt allerdings auch Kreise, die teils in der Wirtschaft, teils in der Intelligenz, teils in der Falange zu finden sind, für die Österreich nur mehr ein historischer Begriff zu sein scheint. Für sie ist Österreich im Jahr 1938 verschwunden und nach dem Jahr 1945 nicht wieder auf der hiesigen politischen Bildfläche aufgetaucht.« Ansonsten, räumte Haymerle ein, sei Österreich in der öffentlichen Meinung faktisch nicht vorhanden. Man könne trotzdem versuchen, den »Goodwill« zu mobilisieren, um zu erreichen, dass Österreich mehr in den »grauen und schwarzen spanischen Osthandel« einbezogen werde, der bisher über die Schweiz, Holland und Belgien abgewickelt habe. Das potentielle Handelsvolumen schätzte er gering ein, mahnte aber, dem gegenwärtigen Zustand rasch ein Ende zu setzen, »da im Augenblick der Handelsverkehr durch die Haltung der spanischen Stellen, die nicht einmal die Einfuhrlizenzen für bereits genehmigte Kompensationen erteilen, praktisch vollkommen zum Stillstand gekommen ist«. Spanien blockierte den Handelsverkehr, der im Wesentlichen darin bestand, dass Österreich Fertigwaren lieferte und im Gegenzug Rohstoffe für die verstaatlichte Industrie importierte. »Die staatlichen Stellen haben es in der Hand, durch Nicht123 ÖStA, AA, Gr. Zl. 319.260-pol55, Zl. 324.435-pol55. 124 ÖStA, AA, Gr. Zl. 319.260-pol55, Zl. 324.679, 30.8.1955.

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erteilung von Bewilligungen für die erwähnten Kompensationsgeschäfte den Handel lahmzulegen, was sie derzeit wegen des Nichtbestehens diplomatischer Beziehungen bereits in hohem Maß tatsächlich tun«, berichtete Außenminister Leopold Figl am 30. September dem Ministerrat.125 Seinen Antrag zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Spanien begründete er damit, diesen Zustand zu sanieren. Die Exportchancen beurteilte er deutlich positiver als Haymerle. Am 4. Oktober 1955 beschloss der Ministerrat, die Errichtung wechselseitiger Vertretungen in Madrid und Wien in die Wege zu leiten – allerdings im Range einer Gesandtschaft. Noch vor der Sitzung hatte Kreisky Figl wissen lassen, dass seine Partei einem Antrag auf Errichtung einer Botschaft nicht zustimmen würde.126 Carlos Manzanares war einigermaßen erstaunt, dass es nun doch keine Botschaft in Madrid geben sollte, wie Figl angekündigt hatte. Verwundert berichtete er seinem Außenminister von diesem »absurden Faktum«. Figl hätte eine Botschaft gewollt, aber der Ministerrat sei dagegen gewesen, bestätigte ihm der Protokollchef.127 Der Beschluss sorgte für Ärger. Unter diesen Umständen wisse man noch gar nicht, ob man überhaupt einen Gesandten nach Wien schicken könne, teilte Juan Barcenas Haymerle am 4. November mit.128 Drei Tage später akzeptierte Außenminister Martín-Artajo den Vorschlag aber – als »ersten Schritt«. Haymerle bat er in Wien mitzuteilen, dass dies ein Opfer für Spanien darstelle. Österreich sei das einzige Land, in dem Spanien als »Mutterland« eine Gesandtschaft unterhalten werde, während seine ehemaligen Kolonien durch Botschaften vertreten seien. Martín-Artajo unterstrich daher seine Hoffnung, dass die Gesandtschaften in kürzester Zeit in Botschaften umgewandelt werden könnten.129 Ein kurioser Kuhhandel mit den Sozialisten sorgte dafür, dass diesem Wunsch entsprochen werden konnte. Bereits in einem Gespräch am 12. Oktober hatte Kreisky gegenüber Manzanares erklärt, dass die Kommunisten Druck auf die Sozialisten ausgeübt hätten. Als Grund dafür nannte er Josef Orlitsch, den ehemaligen KP-Gemeinderat von St. Ruprecht bei Klagenfurt, der im Gefängnis von Burgos saß. »Offensichtlich ist dieser Fall das größte Ärgernis, das zwischen Österreich und Spanien existiert«, berichtete Manzanares von dem Gespräch mit Kreisky, »und deshalb bat er mich meiner Regierung die Zweckmäßigkeit darzulegen, Orlitsch der österreichischen Regierung auszuhändigen, was sicherstelle, dass er keine politische Aktivität mehr ausüben würde«.130 Kreisky fügte an, dass wegen Orlitsch erst kürzlich eine spanienfeindliche Demonstration in Wien hätte verhindert werden müssen. 125 ÖStA, AdR, MRang, MR 2. Rep., Mrp, Raab I, Prot. 105, 4.10.1955. Zl. 317.842-Prot/55. 126 AGA 82/10268, MAE, E. 24. Manzanares an Außenminister, 4.11.1955. 127 AGA 82/10268. MAE, E. 24, Sobre restablecimiento Legacion Austria en Madrid, Wien, 10.10.1955. 128 ÖStA, AA, Gr. Zl. 319.260-pol55, Zl. 326.164. Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Spanien. Madrid, 4.11.1955, Haymerle. 129 Ebd., Zweiter Bericht Haymerle, Madrid 8.11.1955. 130 AGA 82/10268. MAE, E. 24, Manzanares an Außenministerium, Wien, 12.10.1955.

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Erst ein Jahr zuvor hatte sich der Staatssekretär über den Fall informieren lassen.131 Orlitsch, der für die Republik gekämpft und in Spanien geheiratet hatte, war nach dem Sieg Francos nach Frankreich geflohen, wo er sich der Résistance anschloss. Nach der Befreiung Frankreichs reiste er mit Partisanen zurück nach Spanien, wo er von der Polizei aufgegriffen und im März 1945 wegen »rebelión militar« zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Seine Angehörigen gaben stets an, er habe nur seine Frau gesucht. Seit Herbst 1951 waren mehrere Interventionen fehlgeschlagen, ihn freizubekommen. Nun bot sich die passende Gelegenheit  : Kreisky hatte den Spaniern das Stöckchen hingeworfen. Am 4. November schrieb Manzanares nach Madrid, dass es ein »sehr effizientes Mittel« sein könne, Orlitsch zu erwähnen, um eine Richtigstellung der politischen Geringschätzung Spaniens zu erreichen. Haymerle selbst hätte ihn darauf hingewiesen, welch positiven Effekt dessen Befreiung auf die sozialistische Partei haben würde.132 Drei Tage später kam die Autorisierung, gegenüber Kreisky in Aussicht zu stellen, dass die Unterlagen zur Begnadigung Orlitschs nach der Wiederherstellung der Beziehungen bereits vorbereitet würden. »Du kannst Kreisky gegenüber trotzdem andeuten, dass wenn man das berichtigt, und sie uns eine Vertretung von derselben Kategorie wie Belgien, Argentinien, Brasilien und Chile zubilligen (…) der Akt mit Aussichten auf Erfolg erneut weitergeleitet werden könnte.133 Am 12. November nahm Kreisky das Angebot entgegen, nicht ohne zu betonen, dass der Fall nicht mit der Aufnahme der Beziehungen in Verbindung gebracht werden sollte. Das wolle auch Spanien nicht, erwiderte Manzanares, und das Gespräch klang freundschaftlich aus.134 Die kpö wälzte Pläne, mithilfe einer dritten Macht – gemeint war die Sowjetunion – eine Initiative zur Freilassung Orlitschs zu starten, und in der spö wurden Meinungen laut, erst den Beitritt Spaniens zur uno abwarten zu wollen. Doch Kreisky versprach Manzanares, die Sache in die Hand zu nehmen, aber dass die Freilassung von Orlitsch unabhängig davon behandelt werden müsse.135 Und so geschah es. Am 29. November 1955 nahm der Ministerrat die Mitteilung von Außenminister Figl zustimmend zur Kenntnis, wonach die Vertretungsbehörden in Spanien und Österreich doch im Range von Botschaften vorzusehen seien.136 Am 1. Dezember erklärte Außenminister Figl die diplomatischen und konsularischen Beziehungen für wiederhergestellt, und noch im gleichen Monat kehrte Orlitsch nach Hause zurück.137 131 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 147.987-pol54, Zl. 147.987. 132 AGA 82/10268. MAE, E. 24. 133 AGA 82/10268. MAE, E. 24., 7.11.1955. 134 AGA 82/10268. MAE, E. 24., Manzanares an Barcenas, Wien, 12.11.1955. 135 AGA 82/10268. MAE, E. 24, Manzanares an Barcenas, Wien, 22.11.1955. 136 Agstner, Handbuch des Österreichischen Auswärtigen Dienstes 1918–1938. Die Gesandtschaften und Konsulate. 137 AGA 82/10268 MAE/ E. 24, Figl an Martín-Artajo, Wien, 1.12.1955. Rückkehr Orlitsch laut »Josef

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Unkritische Partner Es war ein kalter Tag im Jänner 1956, als der spanische Botschafter in Österreich eintraf. In einem Schneesturm setzte die Maschine am Flughafen Wien Schwechat auf, der sich nach wie vor in Bau befand. Unter einem provisorischen Dach warteten der österreichische Protokollchef, Botschaftsrat Carlos Manzanares, ein Journalist der United Press und ein Schaulustiger auf José Sebastian de Erice. Bei zwei Metern Neuschnee kämpfte sich das Auto in die Stadt. »Wohin fahren wir  ?«, fragte der Botschafter.138 Manzanares antwortete, dass die alte spanische Botschaft einen Bombentreffer abbekommen habe und nicht viel davon übrig sei. Zur Sicherheit der Fußgänger musste die Stadtverwaltung die löchrigen Mauern und das Dach notdürftig reparieren.139 Auf den Ruinen in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone hing ein Schild mit der Aufschrift »Nye Kurit«, Rauchen verboten, da noch viele Blindgänger im Boden schlummerten. So bezogen die Spanier im Hotel Bristol Quartier. Eine Übergangslösung, die fünf Jahre dauern sollte. Erst danach übersiedelte das Botschaftsbüro in ein Gebäude in der Prinz-Eugen-Straße. Am Tag nach seiner Ankunft traf Erice Außenminister Figl, von dem er in den höchsten Tönen schwärmte. »Nach kurzer Zeit nannte ich ihn Poldi, genau wie es seine intimsten Freunde machten. (…) Er sprach keine andere Sprache als das ›Österreichisch‹ (…), aber wir verstanden uns perfekt.« Erice brachte das Fehlen eines juristischen Gerüsts der Beziehungen zur Sprache. »Er gab seinen großartigen Mitarbeitern Anweisung, damit wir uns an die Arbeit machten, diese wichtige Lücke zu füllen, und wir einigten uns darauf, Abkommen, Übereinkünfte und ›modi vivendi‹ in den Bereichen Wirtschaft, Arbeit und Wissenschaft abzuschließen.«140 Im Außenministerium traf Erice »eine ganze Schar von Freunden, unermüdlich in ihrem Einfühlungsvermögen und ihrer Hilfe  : die Generalsekretäre Schöner, Bielka und Steiner  ; die Generaldirektoren für Außenpolitik Haymerle und Waldheim, die Kollegen vom selben Rang in der wirtschaftlichen Abteilung, Platzer und Höller  ; den reizenden und sachkundigen Chef der juristischen Abteilung, Rudolf Kirchschläger, und viele, viele andere«.141 Die guten Kontakte stammten von der Zusammenarbeit in internationalen Organisationen. Nur Monate zuvor hatten sich Erice und Kurt Waldheim in New York getroffen, wo im Herbst 1955 über die Aufnahme neuer Mit-

Orlitsch«, ÖsterreicherInnen für Spaniens Freiheit 1936–1939, DÖW, http://www.doew.at/erinnern/ biographien/spanienarchiv-online/spanienfreiwillige-o/orlitsch-josef, 19.11.2014. 138 Jose S. de Erice, De U.N.O. en U.N.O. Memorias de mis 50 anos de diplomatico (Madrid 1974), 164. 139 AGA 82/9300, E. 34, Manzanares an AA, Madrid, 4.2.1955. 140 Erice, De U.N.O. en U.N.O. Memorias de mis 50 anos de diplomatico, 164, 165. 141 Ebd.

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glieder in die uno abgestimmt worden war. Für Erice, der 1952 Spaniens Aufnahme in die unesco erreicht hatte, gab es zunächst wenig Hoffnung, weil die Sowjetunion mit einem Veto drohte. »Andererseits zeigten mir die betrüblichen, aber nicht verzweifelten Gesten meiner Kollegen, ausländischen Begleiter und momentanen Leidensgefährten, unter ihnen mein herzlicher Freund Waldheim (…), der auch ›in der Tür‹ stehen gelassen wurde, dass man etwas unternehmen musste.«142 Schließlich brachte ein Gespräch mit einem Mitarbeiter des russischen Delegierten den Durchbruch, und die Russen brachten ihr Veto gegen Japan ein. So wurde Spanien gemeinsam mit Österreich und einer Reihe anderer Staaten am 14. Dezember 1955 in die uno aufgenommen. Dort ergaben sich weitere Kontakte der Zusammenarbeit, etwa beim Thema Geburtenkontrolle.143 Als Erice sein Beglaubigungsschreiben bei Bundespräsident Theodor Körner präsentierte, bat dieser um Entschuldigung  : Die Militärkapelle war angetreten, konnte aber nicht spielen, weil die Lippen der Musiker bei minus 20 Grad an den Instrumenten anzufrieren drohten. Das Protokoll außer Acht lassend lud Körner den Botschafter und seine Frau zu Tee und Kuchen in die Hofburg, schnitt selbst den Gugelhupf an und zeigte seinen Gästen Erinnerungsstücke von Maria Theresia. »Ja, es war schön damals«, bemerkte Körner und lachte. »Es gab sogar Generäle und Marschälle.« Figl fuhr fort, den Gästen Anekdoten zu erzählen.144 Für die bilateralen Beziehungen gab es keine Punkte großer Priorität, aber auch keine Altlasten – ganz im Gegenteil. In der klischeebeladenen Sicht, die man voneinander hatte, schwangen Reminiszenzen an dynastische Zeiten mit. Österreichs erstem Botschafter in Spanien, Clemens Wildner, bot sich ein anderes Bild, als er in Madrid eintraf. Spanien hatte zwar als Gesellschaft tiefe Wunden aus dem Bürgerkrieg davongetragen, nach außen hin stachen aber keine sichtbaren Schäden mehr ins Auge. Dafür traf Wildner in einem nach wie vor relativ isolierten Land ein, das große wirtschaftliche Probleme hatte. Als Mitglied der höheren Gesellschaft bekam er davon freilich wenig mit. Wildner kam als altgedienter Diplomat und verbrachte die letzten zwei Jahre seiner Karriere in der spanischen Hauptstadt. »Neben Ankara einer meiner schönsten Posten«, lobte er die Atmosphäre.145 Das neue Österreich, schrieb er, sei mit der alten Habsburgermonarchie gleichgesetzt worden. »In der Zeit meines Aufenthaltes schien es mir manchmal, als ob auf der Iberischen Halbinsel die Zeit stehen geblieben wäre.« Die alten Bräuche, das privilegierte Auftreten des Adels, die besondere Stellung der Kirche  : All das stand im Ge142 Ebd., 138ff. 143 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 37021, 4/pol 66, Zl. 39.478, Information aus Anlass des Besuches des spanischen Außenministers Castiella in Wien, Haymerle, Wien, 30.6.1966. 144 Erice, De U.N.O. en U.N.O. Memorias de mis 50 anos de diplomatico, 166. 145 Clemens Wildner, Von Wien nach Wien. Erinnerungen eines Diplomaten (Wien/München 1961), 263f.

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gensatz zu den schwierigen sozialen Verhältnissen und der Armut vieler Menschen. Über die politische Entwicklung des Landes war sich Wildner im Unklaren. Der Polizei sei es nicht möglich gewesen, »die neuen politischen und sozialen Auffassungen, die an dem wohlgehüteten Bau der gesellschaftlichen Ordnung rüttelten, fernzuhalten. Aber ebenso musste ich immer wieder feststellen, dass die spanische Bevölkerung eine von dem europäischen Denken und Fühlen grundverschiedene Mentalität besitzt und dass in diesem Lande die Dinge mit einem anderen Maße gemessen werden müssen als in Europa. Sagen doch die Nachbarn im Norden, die Franzosen, leicht scherzend zwar, aber innerlich doch sehr überzeugt  : Spanien  ? Sie wissen, es ist Afrika, das jenseits der Pyrenäen beginnt.« Die Bedeutung des cedi Sowohl Österreich als auch Spanien konnten nicht nach Belieben am europäischen Einigungsprozess teilnehmen. Die Regierung Raab hielt sich strikt an das Neutralitätsgebot, später waren es die russischen und französischen Bedenken, die eine Annäherung an die ewg verhinderten. Spanien war zwar auf Betreiben der usa ein Mitglied der westlichen Verteidigungspläne gegen die Sowjetunion geworden, blieb aber – paradoxerweise – von jenem demokratischen Westeuropa, das Schritt für Schritt näher zusammenrückte, ausgeschlossen. Die europäische Integration fand ohne Spanien statt, das sich erst einen Umgang mit Europa überlegen musste. Dabei spielte auch das cedi eine bedeutende Rolle. Vor allem in den deutsch-spanischen, aber auch den deutsch-französischen Beziehungen entwickelte sich im Rahmen des Elitezirkels eine regelrechte Substitutionsdiplomatie, die in der Politik des kleinen Kreises, der persönlichen Kontakte, eine nicht unerhebliche Rolle spielte.146 Die Tagungsteilnehmer unterstrichen zwar, dass ihr Agitieren nicht als Konkurrenz zu Straßburg gedacht sei. Zumindest der deutsche Botschafter Knappstein konnte sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die cedi-Politik »im Gegensatz zu den Straßburger Vorstellungen und Bestrebungen eines demokratischen Europa« befand.147 Der vierte cedi-Kongress von 31. Mai bis 5. Juni 1955 fand in El Escorial vor den Toren Madrids statt. Die riesige Schlossanlage aus der Zeit des katholischen Habsburgers Philipp II. und die faschistische Gedenkstätte im Valle de los Caídos bildeten den symbolischen Rahmen. Insgesamt kamen 145 Gäste aus 17 europäischen Ländern, darunter die Gaullisten Edmond Michelet und François de la Noë. Aus Deutschland waren Friedrich Janz angereist, Ministerialdirektor im Bundeskanzleramt, die zwei Minister Hans-Joachim von Merkatz und Franz Joseph Strauß und der 146 Conze, Das Europa der Deutschen, 388. 147 Aschmann, »Treue Freunde…«  ?  : Westdeutschland und Spanien 1945–1963, 430.

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Präsident des Bundestages und sein Stellvertreter, Eugen Gerstenmaier und Richard Jäger.148 Gerstenmaier, wie Merkatz Mitglied des Europarates, traf sich zu einem Gespräch mit General Franco. Dabei soll der Staatschef erklärt haben – wie Legationsrat Haymerle an Figl berichtete –, »dass man das zukünftige Europa nicht auf den von vornherein zum Scheitern verurteilten Strassburger und Luxemburger Versuch der Westeuropäischen Demokratie, sondern nur auf die drei katholischen Ordnungsfaktoren Spanien, Deutschland und Österreich werde aufbauen können«.149 Auch aus seiner Abneigung gegenüber den christdemokratischen Gruppen Europas hätte Franco keinen Hehl gemacht, was Gerstenmaier einigermaßen schockierte. Haymerle empfahl, die Darlegungen nicht allzu wörtlich zu nehmen  : »Die spanische Regierung hat zwar bewiesen, dass sie es in realistischster Weise versteht, sich den politischen Gegebenheiten der Umwelt anzupassen und die für sie arbeitende Zeit auszunutzen. Das hindert sie selbstverständlich nicht daran, gelegentlich auch offiziell von einem Europa zu träumen, das von dem Kraftzentrum Spanien aus erneuert werden müsste. Solche Träume sind in einem Lande selbstverständlich, das neben Sancho Panza auch die Gestalt des Don Quijote geschaffen hat. (…) Der Spanier spielt gern mit derartigen Ideen, ist jedoch in Wahrheit ein viel zu großer Realist, um sich nicht der Grenzen seiner Macht und Möglichkeiten voll bewusst zu sein.«150 Das cedi bildete den aktivsten Nukleus einer franquistischen Beschäftigung mit Europa, ein Forum, um über dessen mögliche Organisationsform nachzudenken. So unterstützte die spanische Sektion die Idee einer Konföderation von Staatchefs – nach Möglichkeit Monarchen –, mit einem Oberhaus und einem starken Präsidenten. Die ökonomischen Aspekte wurden in diesen Plänen aber oftmals ignoriert.151 Ein Bericht des Generalsekretärs vom Juni 1955 unterstreicht, dass für die Regierung und das cedi der Europagedanke zunächst sogar eher zweitranging war. Wichtiger schien, dass überhaupt viele hochrangige Politiker nach Spanien kamen, nach all den Jahren der Isolation. »Ohne dass wir auch nur eine unserer Positionen geändert hätten, welche die feindliche Deklaration der 1945 siegreichen Welt bewirkt hatte, ist es diese selbe Welt, die jetzt kommt und um die Freundschaft Spaniens bittet«, schrieb Escobar.152 Da das cedi mit dem Ziel geschaffen worden wäre, eine Annäherung Spaniens an Europa herbeizuführen, sei dessen Tätigkeit zweifellos effizient gewe148 AGA 82/11612, E. 17, Informe sobre el Congreso del dia 31 de Mayo al 4 de junio 1955. El Secretario General, Marqués de Valdeiglesias, Madrid, Juni 1955, sowie AGA 82/17187, E.60. 149 ÖStA, AdR, Gr. Zl. 511.592-pol56, Zl. 511.592, Haymerle an Figl, Bericht vom 23.1.1956. 150 Ebd. 151 Julio Crespo MacLennan, España en Europa 1945–2000, Del ostracismo a la modernidad (Madrid 2004), 45. 152 AGA 82/11612, E. 17, Informe sobre el Congreso, Valdeiglesias, Madrid, Juni 1955.

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sen. Die Präsenz der zahlreichen Politiker interpretierte er als Akzeptanz der Tatsache, dass sich Europa auf einer Vielfalt von politischen Systemen gründen müsse, »und dass das unsere, welches ausgehend von der historischen Konjunktur des 18. Juli 1936 entstand, eine der bestimmten Modalitäten des europäischen Denkens darstellt, das alle respektieren müssen«. Man solle mit diesem »moralischen Sieg« aber keinesfalls prahlen, da die Freunde in Europa sonst umso stärker mit internem Widerstand von Spanien feindlich gesinnten Gruppen zu kämpfen hätten. »Der erste zu lösende Punkt ist nun der, ob uns eine europäische Politik tatsächlich interessiert.« Für das cedi forderte Escobar mehr Mittel und Kompetenzen. Der Generaldirektor für kulturelle Beziehungen im Außenministerium, Antonio Villacieros, bekräftigte ihn in seiner Arbeit. Zugleich wies er darauf hin, dass jede Aktivität von internationalem politischen Charakter über die Generaldirektion für Außenpolitik laufen müsse, und jede Aktivität kulturellen Charakters durch die Generaldirektion für kulturelle Beziehungen – um Verwirrungen zu vermeiden. Zudem dürfe das Zentrum im Budget nicht als Teil der Administration aufscheinen.153 Escobar war einverstanden. Noch im Juni 1955 beauftragte der Generalsekretär des Außenministeriums den Gouverneur der Banco de España, ein Konto auf den Namen des cedi-Generalsekretärs zu eröffnen. Auf dieses floss Geld für die Ausgaben des Zentrums. Im Mai 1957 etwa wurde eine Zuwendung in der Höhe von einer Million Peseten freigegeben.154 Zum vierten cedi-Kongress vom 4.–6. Juni 1955 hatte sich aus Österreich eine beachtliche Delegation eingestellt  : Willy Lorenz, Generaldirektor des Herold Verlages. Karl Maria Stepan, Generaldirektor der Styria Medien AG. Gustav Canaval und Alfons Dalma, Paul von Brandstetten und der Rechtsanwalt Reinhold Möbius aus Salzburg. Gerd Bacher, Chefredakteur des Bildtelegraf. Guido Jakoncig, Handelsund Verkehrsminister a. D. der Regierung Dollfuß. Und von der övp  : die Nationalratsabgeordnete Nora Hiltl, der Landtagsabgeordnete Wilhelm Reichart aus Vorarlberg und Josef Scheidl, stellvertretender Generalsekretär und Parteigeschäftsführer. Nicht weit fahren musste der in Madrid wohnhafte Josef Hans Lazar, der auch auf der Gästeliste stand.155 Die Botschafter Deutschlands und Frankreichs nahmen ebenfalls teil. Die Briten und Amerikaner schickten zwei Delegierte als Beobachter. Auch für die österreichischen Botschafter war das cedi immer wieder ein Thema. Sie besuchten Veranstaltungen und tauchten im näheren Umfeld auf – wenngleich 153 AGA 82/11612/ E. 17, Nota informativa para el Senor Ministro, Madrid, 12.5.1955. 154 Ebd. 155 Nach einer Einladung entschuldigen ließen sich Alfred Demelmayer, Friedrich Funder, Prinz Max Fürstenberg, Robert Harmer, Theodor Hornbostel, Carl Karwinsky, Erik Maria von Kühnelt-Leddihn, Hans Lauda, August Lovrek, Peter Reininghaus und Otto Schulmeister. Siehe AGA 82/17187, Protocollo 1955, Leg. 6949, E. 60 sowie AGA 82/11612, E. 17, Informe sobre el Congreso, Valdeiglesias, Madrid, Juni 1955.

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das keinen Niederschlag in den Akten fand. Offiziell war der Elitezirkel für die Botschaft kein Thema.156 Ein Mariazeller Elefant im diplomatischen Porzellanladen Gegenüber dem cedi hielt sich die österreichische Botschaft etwas auf Distanz. Umso überraschter muss Clemens Wildner gewesen sein, als er am 14. Dezember 1956 die katholische Zeitung Ya aufschlug. Einem Bericht zufolge hatte Pater Gabriel Beda-Döbrentei, der Abt des Stiftes Mariazell, Staatschef Franco am 11. Dezember »für Österreich« die goldene Medaille des Stiftes verliehen. Die Presse berichtete ausführlich, auch der diplomatische Informationsdienst verbreitete die Meldung.157 Bei der Überreichung hielt der Benediktiner-Pater eine flammende Rede. »Unsere Länder«, sagte der Bekannte Otto Habsburgs, »sind durch die glühende Liebe zur Gottesmutter, der Herrscherin der Welt, (…) fest vereint. (…) Ich möchte meinem Wunsche Ausdruck geben, dass diese Medaille, die ich die Ehre habe, Eurer Majestät zu überreichen, das Symbol für eine tiefe Freundschaft zwischen dem katholischen Spanien und dem katholischen Österreich sein möge«. Der Caudillo dankte für das Zeichen der Zuneigung. Tags zuvor hatte Beda-Döbrentei eine Pressekonferenz gegeben, zu der auch cedi-Generalsekretär Escobar erschien. Am 15. Dezember schrieb Wildner an Außenminister Leopold Figl, er müsse »pflichtgemäß darauf aufmerksam machen, dass die Art und Weise der Überreichung weit über den Rahmen einer privaten Angelegenheit hinausgegangen und (…) auch in diesem Sinne von spanischer Seite aufgefasst und ausgewertet worden ist. Ob es weiter taktvoll und geschickt war, gerade hier in Spanien, im Lande einer Diktatur, welche in keiner Weise von der Majorität der Bevölkerung getragen wird, eine solche Geste zu machen, und noch dazu in dieser Form, mit allem drum und dran, muss ich sehr bezweifeln«. Zahlreiche seiner Kollegen hätten Erklärung verlangt. Beda-Döbrentei habe mitgeteilt, »dass die Verleihung durch Vermittlung Otto von Habsburg arrangiert worden sei. Da die Angelegenheit jedoch innerpolitisch einigermaßen delikat sei, habe das Stift von einer Befassung offizieller Stellen abgesehen  ; in diesem Sinne sei übrigens auch die Angelegenheit mit Angehörigen des Kabinetts des Herrn Bundesministers privat besprochen worden, wobei man übereingekommen sei, die Botschaft draußen zu halten. (…) Nicht zuletzt auch deswegen, weil Staatssekretär

156 Laut dem Botschaftsmitarbeiter Gerhard Heible waren Filz und Gruber ein oder zweimal im Jahr eingeladen. Er selbst habe nichts damit zu tun gehabt. Matscher misst dem CEDI keine große Bedeutung für die Beziehungen bei. Zeitzeugengespräch Gerhard Heible, Wien, 27.9.2013, WMA Audio File. Sowie Zeitzeugengespräch Franz Matscher, Wien, 5.9.2013, WMA Audio File. 157 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 792.368-pol56, Zl. 792.368-pol56, Mariazeller Goldmedaillen  ; Überreichung an Generalissimo Franco. Wildner an Figl, Madrid, 19.12.1956.

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Dr. Kreisky ihm gesagt habe, die Beziehungen zu Spanien seien korrekt, aber nicht freundschaftlich«.158 Am Ende des Schreibens bat Wildner darum, in Mariazell ein Machtwort zu sprechen. Der Wirbel war ihm peinlich. Mariazell genoss einen guten Draht nach oben. Laut Beda-Döbrentei gehörten Julius Raab, Felix Hurdes und Leopold Figl zu treuen Unterstützern des Stiftes. Außenminister Figl war auf Bitten des Paters an die Spitze eines Komitees getreten, das sich erfolgreich bemühte, Subventionen für die Renovierung der Basilika aufzutreiben.159 Zusätzlich sollten speziell geprägte Gedenkmünzen in Gold und Silber mächtige Herren im Ausland auf Mariazell aufmerksam machen, ihnen als Dankeschön für Spenden überreicht werden und Pilger aus Europa anlocken. Beda-Döbrentei wollte das alte »Reichsheiligtum« der Donauländer wieder ins Gedächtnis rufen, das nun »in die Rolle eines Heiligtums des kommenden Vereinten Europa hinein wachsen« sollte.160 In die Münzen hatte der Pater das reaktionäre Geschichtsbild ganzer Epochen prägen lassen. In Erinnerung an den Mariazeller Türkenpfenning, der 1684 zum Dank für die Errettung Wiens vor den Türken mit dem Bild der »Zeller Mutter« geprägt worden war, wurden die ersten Münzen anlässlich des Abzugs der Besatzungstruppen aus Österreich, der laut Döbrentei einer »unblutigen Befreiung« gleichkam, im Jahr 1955 als »Mariazeller Freiheitstaler« geprägt.161 Neben Franco sind Portugals Diktator Salazar, Julis Raab und Konrad Adenauer, der deutsche Bundespräsident Heinrich Lübke, Robert Schuman, Papst Pius XII., die Kardinäle Innitzer, Frings und Wendel, verschiedene Bischöfe, auch Otto Habsburg und dessen Mutter Zita damit ausgezeichnet worden. Mit Unterstützung des Fremdenverkehrsbüros Mariazell tourte Beda-Döbrentei durch Italien und die Schweiz, durch Frankreich, Belgien, Holland, Luxemburg, Deutschland und Spanien, und stieß mit dieser Aktion nicht immer auf wohlwollendes Echo. Nach seinem spanischen Intermezzo konnte er sich nur durch einen Besuch beim Leiter des Benediktinerordens in Rom, Bernard Kaelin, vor Unannehmlichkeiten bewahren.162 Die Botschafter und ihr Bild von Franco-Spanien Für Österreich blieb die Botschaft in Madrid ein wenig bedeutender Zwei-MannPosten, der nach und nach mehr Hilfspersonal bekam. Clemens Wildner war aus

158 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 792.368-pol56, Zl. 22, Mariazeller Goldmedaillen  ; Überreichung an Generalissimo Franco. Wildner an Figl, Madrid, 15.12.1956. 159 Gabriel Beda-Döbrentei, Das Prioriat Mariazell 1949–1966, Phil. Dipl. (Wien 1971), 59, 71. 160 Ebd., 14,15. 161 In Gold, Silber, Silber vergoldet, Messing versilbert und Eloxal. Ebd., 72. 162 Ebd., 74.

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Brasilien gekommen, Botschaftssekretär Franz Matscher aus Paris, wo er die SpanienAgenden betreut hatte. Nach der Schließung der k. und k. Botschaft in Madrid 1919 war in der Ersten Republik der Gesandte in Paris in Spanien mit beglaubigt gewesen. Im März 1956 mietete Wildner ein Appartement im Hotel Ritz, wo die Geschäfte erledigt wurden. Erst im Sommer übersiedelte die Botschaft in eine kleine Wohnung in der Calle Nuñez de Balboa. »Es war eine interessante Aufgabe«, erinnert sich Matscher. »Wir mussten neu anfangen, aber es gab kaum echte Probleme.«163 Gute Kontakte zur schweizerischen, vor allem aber zur deutschen Botschaft halfen dabei, eine rasche Orientierung über die lokalen Gepflogenheiten zu bekommen. »Mit Botschaftsrat Ruprecht Keller und seinen Sekretären Norbert Berger, Dedo von Schenk und Lothar Lahm hatte ich fast täglich Kontakt. Sie haben uns in allem gut beraten.« Wildner selbst, der kein Spanisch sprach, sei aufgrund seiner ablehnenden Art in Spanien nicht sehr geschätzt worden  : »Er war ein schwieriger, zurückgezogener Mann, der enttäuscht war, seine Karriere in Madrid beenden zu müssen.« Der jüngere Bruder des großen Heinrich Wildner, des legendären Generalsekretärs im Außenamt, hätte sich Größeres erhofft. »Er hat kaum jemanden gern gehabt. Man hat selten etwas Positives von ihm über irgendjemanden gehört. Seine Persönlichkeit hat ganz eindeutig die Arbeit beeinflusst.« Viele von Wildners Berichten sind von einem zynischen Unterton geprägt, treffen den Nagel aber oft auf den Kopf. Franco beschrieb er als umstrittenen Diktator, der uneingeschränkt herrschte, bis in kleinste Details in Politik und Verwaltung eingriff, dabei in den Gründen seines Handelns aber oft augurenhaft blieb. Den Monarchisten habe er versprochen, es werde einen König geben, den Falangisten, dass ihre Prinzipien gesichert blieben  : »Jeder kann sich daraus herauslesen, was er will und präzise ist nichts gesagt. So sieht also das offizielle Geleise aus, das die spanische ›Staatsbahn‹ nach den Plänen Francos befahren soll. Die Möglichkeit einer ›Entgleisung‹ kann man nicht ausschließen.«164 Nach der Ungarn-Krise 1956 sorgte Außenminister Martín-Artajo für Aufsehen. Beim Ausbruch des Volksaufstandes waren in der Armee offenbar Freiwilligenkommandos zum Einsatz in Ungarn gebildet worden. Im Februar hatte Wildner Besuch eines »bekannten Herren der Gesellschaft« bekommen, der ihm von einem Essen mit Prinz Nikolaus von Rumänien berichtete, bei dem Martín-Artajo dabei gewesen wäre. Dieser habe erzählt, dass er in Ungarn ein Eingreifen der nato, ja der uno erwartet hätte, und Spanien sich deshalb an die usa gewandt und militärische Hilfe angeboten habe. Martín-Artajo glaube zudem, dass die br d in Ostdeutschland einmarschieren werde und dies der richtige Zeitpunkt sei, um auch in Polen und Ungarn einzugreifen. »Alles dies werde mit Unterstützung und dem Placet der usa 163 Zeitzeugengespräch Franz Matscher, Wien, 5.9.2013, WMA Audio File. 164 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 222.823-pol57, Zl. 222.823, 19.7.1957.

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erfolgen, wobei aus strategischen Gründen natürlich auf die Neutralität Österreichs keine Rücksicht genommen werden könne.«165 Wildner zog eigene Schlüsse  : »Vielleicht ist das, was Herr Martín-Artajo, der ein geschwätziger und nicht sehr intelligenter Herr ist, von sich gegeben hat, insofern wahr, als Madrid, welches in Punkto Außenpolitik ja im Monde lebt und 100 Jahre zurück ist, tatsächlich solche Ideen hat, Ideen, die vielleicht aus hingeworfenen und ganz anders gemeinten Bemerkungen amerikanischer Diplomaten entstanden sind, oder vielleicht, weil man hier wirklich glaubt, dass sich die politische Lage in den nächsten Jahren in dieser Form entwickeln wird.« Anfang 1957 wurde Martín-Artajo von Fernando María Castiella als Außenminister abgelöst, der für eine offenere, konsensorientierte Europapolitik stand. 1958 übernahm Erich Filz das Amt des Botschafters in Madrid. Sein Antrittsbesuch am 27. März hinterließ bleibenden Eindruck. »Das Schauspiel war nicht weniger prunkvoll als zur Zeit der Maurischen Garde. Berittene Lanzenreiter begleiteten die Karosse in derselben Art wie seinerzeit und die lichtblauen Uniformen und vernickelten Pickelhauben mit goldenem spanischen Wappen gaben dem Glanz der vergangenen Jahre nichts nach.« Franco machte »einen sehr gesunden und trotz seiner Kleinheit, infolge des ihn umgebenden Prunks, würdigen Eindruck«.166 Das Gespräch mit dem Caudillo sei lebhaft gewesen und berührte folgende Themen  : »Gründe der besonderen spanischen Sympathie für Österreich, die in der so glorreichen Herrschaft des ›Casa Austria‹ lägen  ; Besondere Bewunderung des Staatschefs für die Regentin während der Minderjährigkeit Alfonso XIII., Königin Maria Christina, Schwester des Erzherzogs Friedrich, die sich übrigens zu der Zeit, als er, Franco, Oberst der Fremdenlegion gewesen sei, stets sehr für die in der Legion befindlichen Österreicher interessiert habe und ihnen jede mögliche Fürsorge habe angedeihen lassen  ; wirtschaftliche Lage Österreichs  ; Mitspracherecht der Arbeiterschaft bei der Leitung der Fabriken. (…) Er wies darauf hin, dass Betriebsräte bereits eine Selbstverständlichkeit seien, die durch Teilnahme an Aufsichtsräten auch Einfluss auf die Geschäftsgebarung ausüben könnten.« Ebenfalls fragte der Staatschef, ob die Herrschaft der Russen in Österreich in der Mentalität der Bevölkerung Spuren hinterlassen hätte. Filz bejahte das zu seinem Erstaunen und fügte hinzu, »dass diese Anwesenheit nämlich die Entstehung einer ins Gewicht fallenden kommunistischen Bewegung im Keime erstickt habe. (…) Ich bemerkte, dass wir in Österreich die älteste oder jedenfalls eine der ältesten sozialdemokratischen Parteien hätten, die fast alle linksgerichteten Tendenzen vereine und das Aufkommen des Kommunismus zu einer Unmöglichkeit mache. Infolge der im großen Ganzen zufriedenstellend 165 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 216.649-pol57, Zl. 216.649, Wildner an Figl, 2.2.1957. 166 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 547.285-pol58, Zl. 547.567, Überreichung Beglaubigungsschreiben Filz, Madrid, 27.3.1958.

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funktionierenden Regierungskoalition seien bei uns Streiks so gut wie unbekannt, es gäbe wohl noch soziale Probleme, aber kaum mehr eine soziale Frage«. Im Alltag repräsentierte Filz lieber, als sich mit Papierkram herumzuschlagen. »Ich glaube die Filz’schen Tage in Madrid waren die ersten und letzten in meiner Karriere, in denen ich Diners beiwohnte, die mit Straßburger Gänseleber begannen, mit großem Bordeaux bespült und mit haargenau reifem Camembert und Chateau Yquem beschlossen wurden  ; auch ein Schwarzenberg hat es dem nicht gleichgetan«, schrieb Botschaftssekretär Gerhard Heible, der 1960 nach Madrid kam.167 Die tägliche Arbeit überließ Filz getrost seinem Mitarbeiter. »Wirkliche Probleme bilateraler Art gab es zum Glück keine  ; man erledigte das Anfallende, schrieb Berichte über dieses und jenes, verkehrte im Außenministerium, betreute Besucher und kümmerte sich um die niemals fehlenden Sozialfälle.«168 Nur gelegentlich ließ Filz sich dazu herab, politische Berichte zu verfassen. Als schlechten Botschafter will ihn Heible trotzdem nicht verstanden wissen, da er es wie kein zweiter verstanden habe, exquisite Gastlichkeit in stilvollem Rahmen zu pflegen, »und in einem Land, in dem auf das Äußere (…), auf die Haltung und die große Geste so viel Wert gelegt wird, ein hervorragendes Bild von österreichischer Lebensart zu projizieren. Und das ist mehr, als von manchen anderen Botschaftern, damals wie heute, gesagt werden kann«.169 Karl Gruber, der Filz 1961 als Botschafter ablöste, habe sich selbst und Österreich geschadet  : mit seiner schrulligen Tiroler Art.170 Gruber war erster Außenminister der Zweiten Republik, bis er sich mit Granden seiner Partei überwarf. Er war Botschafter in Washington und Sonderberater bei der Internationalen Atomenergie-Organisation gewesen. Nun saß er in einem für Österreich recht unbedeutenden Land und schwadronierte lieber über die Weiten der Weltpolitik, als in das Labyrinth der spanischen Innenpolitik vorzudringen. Allerdings habe ihm niemand mehr zugehört, sagt Heible  : »Er war zu groß für den Posten.«171 Gruber sei ein Mann von hellem Verstand gewesen. »Andererseits war sein Wesen alpenländisch-rau, ohne Geschmeidigkeit und, ich fürchte, auch ohne Toleranz  ; seinen jeweiligen Willen setzte er erforderlichenfalls auch mit Brutalität durch.«172 Gleich nach seiner Ankunft gab Gruber die Residenz seines Vorgängers auf, noch bevor er sie gesehen hatte, um eine neue zu suchen. Viel Auslauf für seine geliebten Hunde musste jedenfalls vorhanden sein. »Alles Übrige war ihm eigentlich gleichgültig.« Das ausgesuchte Domizil in einem Vorort von Madrid besaß einen großen

167 Heible, Geliebter Ballhausplatz. Rückblicke und Einblicke, 160. 168 Ebd., 163. 169 Ebd., 159. 170 Ebd., 173. 171 Zeitzeugengespräch Gerhard Heible, Wien, 27.9.2013, WMA Audio File. 172 Hier und in Folge  : Heible, Geliebter Ballhausplatz. Rückblicke und Einblicke, 173f.

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Garten, hatte aber sonst den Charme eines Einfamilienhauses. Eine Kuriosität für die hochfahrende Madrider Gesellschaft. Empfänge gab Gruber, der die späten spanischen Essenszeiten verabscheute, im Hotel Ritz. Weil er Frühaufsteher war und gerne zeitig zu Bett ging, tendierte er dazu, seine Gäste bald wieder loszuwerden. »Die Geschichte, er habe einmal zu seiner Tisch- und Ehrendame relativ bald nach dem Dessert ›Sie werden sicher schon müde sein, gnädige Frau‹ gesagt, ist vielleicht apokryph, würde aber bestens zu ihm passen.« Was die politische Einordnung des Franco-Regimes betraf, vertraten sowohl Wildner als auch Filz und Heible die These, dass es an der Diktatur Francos zwar einiges auszusetzen gäbe, diese aber immerhin Stabilität gebracht habe. Wildner war der Meinung, dass ohne Franco das Chaos ausgebrochen wäre.173 Man müsse auch Francos Leistungen anerkennen, schrieb Filz an Staatssekretär Kreisky, und ihm zugestehen, »dass er der Garant einer wenn auch nicht idealen, sondern doch akzeptablen Ordnung ist, die sich in der Praxis als besser als manche der Regierungsformen, die durch die letzten Generationen in Spanien ausprobiert wurden, erwiesen hat«.174 Heible ging noch weiter und lobte Francos Wirtschafts-, Sozial- und Neutralitätspolitik  : »Die von keiner Seite geleugnete persönliche Integrität Francos und die von ihm mehrfach an den Tag gelegte Humanität – unvergessen ist der Empfang, der (im Jahre 1939  !) den aus Deutschland geflüchteten Juden bereitet wurde – sind auch gewichtige Steine in seinem Brett. Letztlich mag nicht vergessen werden, dass der Spanier katholisch und im Grunde seines Herzens konservativ ist und die Exzesse des Bürgerkrieges (für die er nach wie vor vor allem Russland verantwortlich macht) in böser Erinnerung hat. Franco ist für ihn trotz aller oft kritisierten Schattenseiten das beste Bollwerk gegen eine Wiederholung dieser Ereignisse (…). Ich habe im obigen nicht versucht, das Regimes Francos zu rechtfertigen, sondern lediglich die Gründe zu beleuchten, aus denen er sich solange in seiner Stellung halten konnte.«175 Karl Gruber bemühte sich in seinen Berichten um Distanz. Er warnte das Außenamt, die Agenturmeldungen über die Vorgänge in Spanien für bare Münze zu nehmen, da sie oftmals durch Spanien feindlich gesinnte Korrespondenten aufgebauscht würden – und meinte, »dass es oft zweckmäßig ist, die Agenturmeldungen über Spanien durch fünf zu dividieren, dann dürfte man vermutlich der Wahrheit ziemlich nahe kommen«.176 Er gab vor, Wien zu einer realistischeren Sichtweise verhelfen zu wollen. Wirklich kritisch sah er die Franco-Diktatur aber nicht. Wer viel

173 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 216.054-pol57, Zl. 219.084, Wildner an Figl, Madrid, 29.3.1957. 174 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 236.503-pol59, Zl. 236.503, Filz an Kreisky, Madrid, 13.1.1959. 175 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 28.864/ pol 61, Zl. 28864, Zum 25. Jahrestag der Erhebung Francos, Heible an Kreisky, Madrid, 20.7.1961. 176 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 675.82/pol-62, Zl. 73779, Bericht über die Lage in Asturien, Gruber an Kreisky, Madrid, 26.9.1962.

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in der Welt herumkomme, schrieb er in seinen Memoiren, »weiß, dass jene Staaten, deren Demokratieverständnis am Ausgeprägtesten ist, ihre Bürger auch am meisten ›regulieren‹. In Washington zum Beispiel würde es unnachsichtlich verfolgt werden, würde es jemand wagen, im Potomac zu baden oder schräg über die Straße zu gehen. In südlichen Ländern, also in Spanien zum Beispiel, gibt es das alles nicht, auch dann nicht, wenn so ein Land noch so autoritär geführt wird. Die Diktatur ist durch Gemütlichkeit gemildert (oder durch Schlamperei, wie es im alten Österreich hieß)«.177 Völlige Willkür, wie in den üblichen faschistischen oder kommunistischen Diktaturen, gebe es in Spanien nicht, selbst die Polizei zeige sich bei Demonstrationen tolerant  ; es sei gar nicht möglich, in einem Land, in das jedes Jahr Millionen an Touristen strömten, einen echten Polizeistaat zu unterhalten. Die streng katholischen, meist sehr gebildeten Offiziere und Technokraten, die Spanien regierten, wollten niemanden mit ihrer Formel beglücken  : »Diese Menschen sind keine Faschisten.«178 Dass das spanische Regime seine faschistischen Züge weitgehend abgelegt hatte, und ein gewisses Maß an persönlicher Freiheit möglich war, steht außer Frage. In den späten Sechzigerjahren sollte sich aber mit aller Deutlichkeit zeigen, dass Grubers Analyse mehr als verharmlosend war. Was die in Spanien herrschende Einstellung gegenüber Österreich betraf, kam er zu demselben Schluss wie seine Vorgänger  : »Es gibt hier eigentlich nur ein Land, das restlos bewundert wird, und das ist Österreich. Ich habe bis jetzt noch keinen Spanier getroffen, der nicht die politische Stabilität, die kulturelle Tradition, den wirtschaftlichen Fortschritt, die Lebensart der Österreicher hervorgehoben hatte und nicht spontan seinen freundschaftlichen Gefühlen uns gegenüber Ausdruck gegeben hätte.«179 Wien als Brücke nach Osten Während die Auswahl der österreichischen Botschafter nicht immer höchsten Ansprüchen genügte, war der Posten in Wien von Beginn an hochkarätig besetzt. Mit José Sebastian de Erice war ein renommierter Völkerrechtsprofessor als Botschafter entsandt worden, der fast neun Jahre auf seinem Posten blieb. Ein erfahrener Mann, seit 1931 im diplomatischen Dienst und zugleich Spaniens ständiger Beobachter bei den Vereinten Nationen in New York. Über die Wiener Botschaft wurde der Schutz der spanischen Landsleute in Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, der Tschechoslowakei und ddr organisiert und deren Rechtsangelegenheiten abgewickelt, da Spanien in diesen Ländern keine eigenen Vertretungen unterhielt. Die spanische 177 Karl Gruber, Ein Politisches Leben. Österreichs Weg zwischen den Diktaturen (Wien/München/Zürich 1976), 202. 178 Ebd., 203. 179 ÖStA, Adr, AA, Gr. Zl. 60065, pol62, Zl. 60065, Zur weltpolitischen Lage, Madrid, 14.12.1961.

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Kolonie in Wien wuchs von einer Handvoll Studenten auf einige Hundert Arbeiter, Angestellte und Hilfskräfte an.180 Von Wien aus ergaben sich die ersten spanischen Kontakte in den kommunistischen Osten. Nach Ausbruch der Ungarn-Krise 1956 strömten tausende Flüchtlinge nach Österreich. Auf Vorschlag von Erice, dessen Tochter Paloma an der jugoslawischen Grenze als Krankenschwester zum Einsatz kam, stellte die spanische Regierung Reis für die Flüchtlinge bereit, während in Spanien eine Kollekte gestartet wurde, um Kleider, Schuhe und Medikamente zu sammeln. Im Februar 1957 reiste der Botschafter selbst nach Ungarn, um sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen.181 Wenig später führte er eine spanische Delegation zum uno-Kongress für Telekommunikation in Warschau an. Offiziell konnte er dort nicht empfangen werden, da es keine Beziehungen zu Polen gab. Doch im Hotel Bristol lag ein Blumenstrauß des Vizeaußenministers mit Grüßen an seine Gattin bereit. Auf der Konferenz bestand Erice darauf, dass neben den Direktverbindungen in andere europäische Hauptstädte auch eine Telefonkabine mit Draht nach Madrid eingerichtet wurde. »Mit emotionaler Stimme begrüßte ich den damaligen Außenminister, und ich erinnere mich an seine Überraschung – wir hatten 1956, 57 – als ich ihm erklärte, dass ich aus Warschau anrief.«182 Nach Prag und Budapest reiste Erice mit dem Auto, um Handelsverträge abzuschließen. In Wien richtete sein Mitarbeiterstab, der über die Jahre aufgestockt wurde, eine Ausstellung ein, in der die Produkte der spanischen Industrie und Landwirtschaft in Szene gesetzt wurden. Stockende Wirtschaftsbeziehungen Im Zuge der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen hatte der Ministerrat am 20. Dezember 1955 beschlossen, eine Delegation nach Madrid zu entsenden, die am 9. Jänner 1956 Verhandlungen über einen Handelsvertrag aufnahm.183 Das Abkommen vom April umfasste einen Wert von mehr als acht Millionen Dollar. Österreich werde aus Spanien hauptsächlich landwirtschaftliche Produkte beziehen, berichtete die Austria Presse Agentur  : Reis, Mandeln und Haselnüsse, Kork, Fischkonserven, Eisenerz, Wolfram und Pyrit.184 Im Gegenzug sollte Kunstdünger geliefert werden, Walzwerksprodukte, Traktoren, Maschinen, Chemikalien, Fahrzeuge, Zel180 Erice, De U.N.O. en U.N.O. Memorias de mis 50 anos de diplomatico, 168f. 181 Ebd., 171. 182 Ebd., 172. 183 ÖStA, AdR, MRang, MR 2. Rep., Mrp, Raab I, Sitzung 115, 20.12.1955. Zl. 431.104-Wpol/55. Öster­ reichisch-spanische Handelsvertragsverhandlungen, Wien, 9.12.1955. Sowie Datenbank »APA 1955 1985« (beinhaltet sämtliche Meldungen der Austria Presse Agentur aus diesen 30 Jahren), AHI0101 5 II, 20.12.1955. 184 APA 1955 1985, AHI0170 5 WI, 27.04.1956.

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lulose, Papier und Elektro-Schwermaschinen. Doch der Handel entwickelte sich zäh, und das Ausschöpfen der festgelegten Kontingente gestaltete sich schwierig. Grund dafür war das komplizierte Regelwerk des spanischen Wirtschaftssystems. Das Handelsministerium prüfte einen Exportantrag vom wirtschaftspolitischen Standpunkt aus und erteilte eine Lizenz. Danach lag es am Deviseninstitut diese in Umlauf zu setzen. Erst dann konnte der Handel tatsächlich stattfinden. Und für ausländische Währungen gab es insgesamt 19 festgelegte Wechselkurse, die je nach Bedarf die Ein- und Ausfuhr erleichtern oder erschweren sollten. Die Wirtschaft funktionierte so schlecht, dass Franco handeln musste, um einen Staatsbankrott zu verhindern. Im Zuge einer Regierungsumbildung im März 1957 wurden 12 von 18 Ministerposten neu besetzt. Die Ministerien für Handel und Finanzen gingen mit Alberto Ullastres bzw. Mariano Navarro Rubio an zwei Vertreter des Opus Dei, das nun mehr Macht bekam. Die Technokraten der katholischen Laienorganisation betrieben im Gegensatz zu den Isolationisten der Falange eine Annäherung an Europa und predigten die liberale Öffnung der Wirtschaft. Noch bevor in Rom die ewg gegründet wurde läutete Spanien das Ende der Autarkie ein, wohl wissend, dass man in wirtschaftlichen Belangen den Anschluss an Westeuropa nicht verpassen durfte und die Stabilität und Konvertierbarkeit der Peseta für die Zukunft wichtig war.185 Im Sommer 1957 reiste Handelsminister Fritz Bock nach Frankreich und Spanien. In Madrid versicherte ihm Ullastres, dass die spanische Regierung ebenfalls an einer Ausweitung der Handelsbeziehungen mit Österreich interessiert sei. Nach seiner Rückkehr nach Wien am Abend des 7. Juni berichtete Bock, dass die österreichischen Aussteller auf einer Wirtschaftsmesse in Barcelona gute Geschäfte gemacht hätten, vor allem auf dem Maschinensektor, die eingeschränkte Devisen-Zuteilung in Spanien aber Probleme mache. Er gab an, mit seinem Amtskollegen, den er nach Wien einlud, weiter über eine Erleichterung der Zahlungsmöglichkeiten sprechen zu wollen.186 Anfang September traf Ullastres in Wien ein, um eine Wirtschaftsmesse zu besuchen und die Gespräche fortzusetzen.187 Doch auch dieser Besuch brachte keine nennenswerte Steigerung des österreichisch-spanischen Außenhandels, der auf einem niedrigen Niveau verharrte. Spanien peitschte Reformen durch und wurde Teil des internationalen Finanzsystems. 1958 erfolgte die Aufnahme in den iwf und die Weltbank, 1959 trat Spanien der oeec als Vollmitglied bei. Wichtig für die Beseitigung interner Widerstände gegen die zum Teil schmerzhaften Reformen war auch die Rückkoppelung mit Paris 185 Charles T. Powell, España en Europa  : de 1945 a nuestros días, in  : Florentino Portero (Hg.), La política exterior de España en el siglo xx (Madrid 2003), 81-119, 86. 186 APA 1955 1985, AHI0110 5 II, 08.06.1957. 187 APA 1955 1985, AHI0144 5 II, 07.09.1957.

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und Bonn. Deutschland war der Auffassung, eine europäische Integration Spaniens würde unweigerlich einen Demokratisierungsprozess nach sich ziehen und unterstützte Spaniens Aufnahme in die oeec.188 Die Österreicher spielten keine derart wichtige Rolle in diesem Prozess, galten aber als willkommene Gesprächspartner. Immerhin hatte die Regierung Raab die Öffnung der Wirtschaft erfolgreich vollzogen, die Devisenwirtschaft abgeschafft, und mit einer Reihe liberaler Reformen den Anteil am Welthandel erhöht. Der Raab-Kamitz-Kurs war ein wichtiges Element des Wiederaufbaus. So wurde Reinhard Kamitz bei einem Besuch in Spanien mit großem Interesse empfangen. Am 14. März 1960 traf der Finanzminister in Madrid ein. Am Bahnsteig erwartete ihn sein Amtskollege Mariano Navarro Rubio bereits. Der anschließende Empfang in der Privatbank Urquijo sei so herzlich gewesen, berichtete Botschafter Filz, dass sich Kamitz beeindruckt gezeigt habe. »Wenn ein Vergleich erlaubt ist, so wurde er hier so betrachtet, wie ein eben seine Reifeprüfung abgelegt habender Student von seinen ehemaligen Mitschülern, denen dies im kommenden Jahr bevorsteht. Auch beim darauf folgenden, vom spanischen Finanzminister gegebenen Mittagessen in der Nationalbank herrschte dieselbe Atmosphäre. Der Speisesaal war in einen Blumengarten verwandelt worden.«189 Die Freude über den Besuch war deutlich spürbar. Während einer einstündigen Audienz bei Staatschef Franco wollte dieser von Kamitz wissen, ob die erstarkende Wirtschaft der udssr eine Gefahr darstelle. Der Finanzminister beruhigte ihn  : Es habe sich schon in allen Ländern mit größeren Verstaatlichungen gezeigt, dass die davon ergriffenen Industrien mit Schwächen behaftet seien. Bei einem Vortrag in der Handelskammer erwies sich der 200 Personen fassende Saal als zu klein. Auch das Medienecho war groß, und der österreichische Minister zierte die Titelseite der größten Tageszeitung ABC. Jahre später sagte Franco, das in der Kamitz-Periode in Österreich durchgeführte Sanierungsprogramm sei ein wertvolles Vorbild für sein Land gewesen.190 Botschafter Filz warf trotz der freundschaftlichen Beziehungen einen pessimistischen Blick in die Zukunft  : »Da in den letzten Jahren auf Grund der bei uns herrschenden divergierenden Ansichten über das Verhältnis zum heutigen Spanien wenig getan werden kann, um diese Freundschaft zu vertiefen, sieht die Botschaft ihre vornehmste Aufgabe in der Erhaltung des bisherigen Zustandes.« Der Handelsverkehr habe ein Volumen von 8 bis 10 Millionen Dollar erreicht. Ein weiterer Ausbau sei aber auf Grund »der Wirtschaftsstruktur der beiden Länder und der Konkurrenzlage seit dem Eintritt Spaniens in die oeec nicht zu erwarten. Es wird sogar ernstere 188 Aschmann, »Treue Freunde…«  ?  : Westdeutschland und Spanien 1945–1963, 295. 189 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 74.808-pol60, Zl. 74808-4, Filz an Kreisky, Madrid, 19.3.1960. 190 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 31752, Zl. 31752 pol66, Tour d’Horizon bei Franco, Heinz Standenat.

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Anstrengungen seitens der in Frage kommenden österreichischen Firmen bedürfen, um das bisherige Niveau aufrechtzuerhalten«.191 Mit rund einem Jahrzehnt Verspätung erlebte auch Spanien in den Sechzigerjahren sein Wirtschaftswunder, welches das Land und die Gesellschaft veränderte. Die Entwicklung des Handelsvolumens mit Österreich stagnierte aber weiterhin. Daran konnten auch die spanisch-österreichischen Industrie-Kommissionen nichts ändern, die im März 1963 beschlossen wurden und bis 1988 sechs Mal tagten.192 Erst 1983 erreichte die Menge der zwischen Österreich und Spanien gehandelten Waren erstmals einen Wert, der mehr als zwei Prozent des gesamten österreichischen Warenstromes ausmachte. Nur der tatsächliche Wert der gehandelten Waren steigerte sich von 100 Millionen Schilling im Jahr 1955 auf knapp 25 Milliarden Schilling 1996.193 Sowohl Österreich als auch Spanien hatten das Problem zu lösen, dass sich ihre wichtigsten Handelspartner, wie Deutschland, Frankreich oder Italien, in der ewg organisierten, zu der man noch keinen Zutritt hatte  : Spanien aufgrund seiner demokratischen Defizite, und Österreich, weil es als neutrales Land mit gewissen Beschränkungen konfrontiert war. Auch das Gastarbeiterabkommen zwischen Öster­reich und Spanien, das 1962 in Madrid unterzeichnet wurde, hatte nicht den erwünschten Effekt.194 Für die spanischen Arbeiter war das Lohnniveau in Österreich, verglichen mit jenem in Deutschland oder in der Schweiz, wenig verlockend. Erst die Abkommen Österreichs mit der Türkei (1964) und Jugoslawien (1966) brachten den gewünschten Zustrom an Arbeitskräften für die boomende Wirtschaft. Die Kultur als natürliche Verbindung Ein Bereich, in dem im Gegensatz zur Wirtschaft rasch eine Annäherung gelang, waren die kulturpolitischen Beziehungen. Die Initiative hierfür kam, wenig überraschend, aus dem konservativen Lager. Heinrich Drimmel, seit 1954 amtierender Unterrichtsminister, war Ehrenpräsident der Österreichisch-Spanischen Gesellschaft, in der sich Personen wiederfanden, die zum Teil auch im cedi aktiv waren  : Nora Hiltl (övp) als Generalsekretärin und Gustav Canaval als Präsident. Im Vorstand saß Luis de Urquijo, Vizepräsident der Banco de Urquijo, für die Graf

191 ÖStA, AdR, Gr. Zl. 77.900-4 pol60, Grundbericht Spanien, 31.12.1959. 192 Und zwar in  : 1963 Madrid, 1965 Wien, 1967 Madrid, 1970 Wien, 1974 Madrid, 1976 Wien, 1988 Wien. Die österreichische Industriellenvereinigung und der spanische nationale Unternehmerverband ernannten die Teilnehmer. Siehe Herbert Stefan Hadler, Die Außenwirtschaftsbeziehungen zwischen Spanien und Österreich von 1955 bis 1995, Phil. Diss. (Salzburg 1998), 211f. 193 Ebd., 116. 194 Die Verhandlungen dazu begannen am 8.3.1962 in Madrid. AGA 82/15816 E. 43, Delegacion espanola en las negociaciones para la preparacion de un Convenio hispano-austriaco de Emigracion.

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Seefried tätig war.195Bei einem Tanz- und Kulturabend im Kammersaal des Wiener Musikvereins stellte sich die Vereinigung am 2. März 1957 der Öffentlichkeit vor. Der spanische Botschafter sowie die Gesandten Portugals und Mexikos waren erschienen.196 Zum Ziel der Gesellschaft, die kulturellen Beziehungen zu vertiefen, trug Drimmel auch kraft seines Amtes als Minister bei. Für Oktober 1958 war eine Gedenkwoche für den spanischen Habsburger Karl V. geplant, der vierhundert Jahre zuvor gestorben war. Die Vorbereitung dazu erfolgte in Abstimmung mit der spanischen Botschaft, die sich aber mit Rücksicht auf ihre begrenzten Mittel zurückhaltend zeigte. »Ich habe, für meinen Teil, sorgfältig die Instruktionen ihrer Exzellenz befolgt, keine Verpflichtung einzugehen«, schrieb Botschafter Erice am 28. Februar 1958 an den spanischen Außenminister. »Aber die österreichische Regierung, und, im Einzelnen, Unterrichtsminister Dr. Drimmel, der sich immer als unser Freund zeigt, gibt die Angelegenheit nicht aus den Händen.«197 Man kam überein, jeweils drei Wissenschaftler zu den Gedenkveranstaltungen in das andere Land zu entsenden. Auch die Idee Drimmels, Spanien zu besuchen, stieß auf Zustimmung in Madrid. Bereits im Juli lud er seinen Amtskollegen Jesús Rubio García-Mina zu einem Gegenbesuch ein. Am Abend des 4. Oktober 1958 landete Drimmel in Begleitung der Ministerialräte Heinz Pruckner und Alfred Weikert in Madrid, besuchte Granada und Sevilla, um danach zwei Tage in der spanischen Hauptstadt zu verbringen, bis er am 10. Okto­ ber wieder abreiste. Die Gäste wurden mit Orden ausgezeichnet.198 Am 12. November traf der spanische Unterrichtsminister in Wien ein, wo er in jungen Jahren Jus studiert hatte. Er wurde von Bundespräsident Schärf empfangen und eröffnete eine Ausstellung über Karl V. – sehr zum Missfallen der Sozialisten, die dadurch die Feiern zur Gründung der Republik 1918 gestört sahen. Die Karl-V.-Feierlichkeiten seien eine »provokatorische Demonstration der Ewig-Vorgestrigen«, urteilte der Kommentator der Arbeiter-Zeitung. Gleichzeitig schere sich in Wahrheit keine Katz darum  : »Die Herren wissen ganz gut, (…) dass das ganze Getue der Habsburg-Historiker sich sozusagen in der Kapuzinergruft abspielt.«199 Zur Eröffnung der Schau in der Hofburg erschienen am 15. November der Präsident des Nationalrates, Fe195 1959 wurde Luis de Urquijo y Landecho, Marqués de Bolarque, spanischer Botschafter in Bonn. ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 240.468-pol59, Zl. 240.468, Madrid, 3.4.1959. Sowie »Mit offener Hand«, Der Spiegel, 1.4.1959. 196 APA 1955 1985, AHI0130 5 II, 2.3.1957 197 AGA 82/13927, E. 12. 198 Mit dem Großkreuz sowie zwei Groß-Offizierskreuzen des Ordens Alfons X. Madrid. ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 555.575 pol58, Zl. 555.575, Filz an AM, 13.10.1958. Zur Chronologie des Besuchs siehe AGA, Ebd. 199 Karl V. und die Mißvergnügten, AZ, 16.11.1958, 1.

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lix Hurdes, Fritz Bock, Drimmel selbst und zahlreiche Diplomaten. In den Reden wurde mit viel Pathos die gemeinsame Vergangenheit beschworen. Rubio betonte, er wolle kein Inventar der jahrhundertelangen Beziehungen erstellen, die ähnliche Anlagen der Bewohner beider Länder zum Ausreifen gebracht hätten – ganz besonders auf den Gebieten der Literatur und Kunst. Grillparzer und Hofmannsthal hätten als Nachschöpfer der Werke Lope de Vegas und Calderons den Spaniern dazu verholfen, ein besseres Verständnis von deren Dichtungen zu finden. Drimmel bezeichnete die Schau als Gedächtnisausstellung, da sie den geistigen Besitzstand Österreichs und Spaniens zum Ausdruck bringe, und als Verbindungsglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart fungiere.200 Ein spanisches Memorandum, das nach dem Besuch verfasst wurde, beschäftigte sich mit der politischen Lage in Österreich. Die Sozialisten seien stark, heißt es darin. »Obwohl man nicht vergessen darf, dass das, was wir in Österreich Linksgerichtet nennen, in anderen Ländern Konservativismus sein könnte.«201 Die spö sei antikommunistisch und vielmehr an den Prinzipien von Eigentum und freiem Handel orientiert, als an jenen von Marx. Neben den großen Unterstützern Figl, Drimmel und Bock führt das Papier auch Sozialisten an, welche die Positionen Spaniens durchaus positiv aufgenommen hätten  : Vizekanzler Bruno Pittermann, Justizminister Otto Tschadek und Wiens Bürgermeister Franz Jonas. Als größte Gefahr wurde die Schwächung der övp durch einen möglichen Abgang von Julius Raab empfunden  : »Sein Verschwinden könnte eine Spaltung der katholischen Partei und somit eine sozialistische Vorherrschaft mit sich bringen.« Im März 1960 folgte eine besondere Auszeichnung für die Österreichisch-Spanische Gesellschaft  : Im Figaro-Saal des Palais Palffy verlieh der spanische Botschafter Nora Hiltl den Orden »Lazo de dama del merito civil«. Zu dem Festakt hatte sich neben Drimmel auch Bundesrat Josef Scheidl eingefunden, der stellvertretende Generalsekretär der övp. Erice hob in seiner Festrede Drimmels Verdienste hervor, betonte die Bedeutung der Gesellschaft und dankte Hiltl für ihre Leistungen im Interesse der Vertiefung der Freundschaft zwischen Spanien und Österreich.202

200 APA 1955 1985, AHI0181 5 KI, 15.11.1958. 201 AGA 82/20438, E. 38, Informe politico, Oficina de Informacion, Viena. Situacion del Partido Popular Austriaco despues del VII. Congreso celebrado en Innsbruck y frente a la campana electoral, 13.12.1958. 202 APA 1955 1985, AHI0101 5 II, 11.3.1960.

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Sozialistischer Widerstand, Koalitionskrise und das Ende des cedi Doch auch die Franco-Gegner, denen diese konservativen Allianzen ein Dorn im Auge war, machten sich in Österreich stärker bemerkbar. Nachdem in Spanien zahlreiche politische Gegner, darunter Gewerkschafter, inhaftiert worden waren, und es zur Hinrichtung eines Mannes kam, den man eines Bombenanschlages auf das Zentralbüro der Falange bezichtigt hatte, rief der Internationale Bund Freier Gewerkschaften seine Mitglieder zu Protesten auf. Der ögb wollte im orf-Hörfunk ein Zeichen setzen. Wie anderen Interessensvertretungen auch stand dem Gewerkschaftsbund regelmäßig Sendezeit zur Verfügung. Das Manuskript für einen zehnminütigen Beitrag am 13. Juni 1960 thematisierte das Schicksal Federico García Lorcas. Der spanische Schriftsteller war nach dem Militärputsch 1936 von Nationalisten ermordet worden. »Kaum 38 Jahre alt, musstest du, Spaniens großer Dichter, sterben, wurdest du im Sande, hinter einer Mauer, elend verscharrt  ! Ohne Anklage  ! Ohne Gericht – einfach ermordet von den Falangisten Francos  ! Muss nicht dieses Spanien unentwegt im Blickfeld der freien Menschen unserer Erde stehen, mit seinem Regime der Unterdrückung und des Terrors, muss es nicht den Internationalen Bund Freier Gewerkschaften immer wieder beschäftigen  ? (…) Spanien, dieses schöne, von südlicher Sonne geküsste Land, ist somit leider eines der letzten Bollwerke des Faschismus, das seinen kleinen Leuten, der Masse von Arbeitern, Angestellten, Bauern unter der Fuchtel des Terrorregimes keinen einzigen Atemzug wahrer Freiheit gestattet…Kerker und Tod erwarten sie, die es wagen, sich öffentlich zur Freiheit zu bekennen.«203 Hörfunkdirektor Alfred Übelhör, der für die övp im Bundesrat gesessen war, wies das Manuskript mit dem Hinweis zurück, dass der Inhalt die Verhältnisse mit Spanien stören könne. Daraufhin bat ögb-Sekretär Alfred Ströer Außenminister Kreisky um seine Meinung, ob er das für möglich halte. Die politische Abteilung des Außenamtes bejahte das gegenüber Kreisky. Dieser selbst antwortete seinem Parteigenossen, er hätte von einer Prüfung des Textes durch das Ministerium abgesehen, um nicht den Eindruck von Zensur zu erwecken  : »Ich habe jedoch selbst das Manuskript durchgesehen und würde Ihnen persönlich raten, die namentliche Erwähnung des spanischen Staatschefs zu vermeiden (und einige weitere Formulierungen etwas zu mildern. Handschriftlich in blau eingefügt). Ich bitte Sie, dies aber nur als meinen persönlichen Rat zu betrachten.«204 Im sozialistischen Lager wuchs die Abwehrhaltung gegenüber Spanien. Anlässlich des Jahrestages des Franco-Putsches erinnerte spö-Zentralsekretär Otto Probst in 203 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 80473-4 pol60, Zl. 82.103-4. 204 Ebd., Schriftsatz Kreisky an Ströer.

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einem Artikel in der Arbeiter-Zeitung an den »Heldenkampf des spanischen Volkes gegen die faschistische Invasion« und bemühte sich, historische Vergleiche zu Österreich herzustellen. »Wir bekräftigen an diesem Jahrestag des Franco-Überfalls auf die spanische Republik unsere Forderung, dass der spanische Faschismus verschwinden muss. Wir bekräftigen aber auch unsere Wachsamkeit gegenüber alle reaktionären Tendenzen im eigenen Land.«205 Das Klima in der Großen Koalition verschlechterte sich. Eines der Themen, an denen sie 1963 zerbrechen sollte, war die Habsburg-Frage. Am 13. Juni 1961 verweigerte die spö die Zustimmung zu einem Antrag Bundeskanzler Gorbachs im Ministerrat, einen Herrschaftsverzicht von Otto Habsburg zu akzeptieren, der eine künftige politische Tätigkeit nicht ausschloss. Die spö, seit Kriegsende sehr habsburgkritisch eingestellt, malte eine drohende monarchische Restauration an die Wand, während die övp entspannter damit umging. Die Verbindungen der Volkspartei zum cedi trugen dazu bei, die Spannungen zwischen den Großparteien weiter zu verschärfen. Vor allem, weil dort mit Lujo Tončić-Sorinj und Josef Klaus zwei führende övp-Politiker aktiv waren. Besonders das Engagement von Josef Klaus musste Misstrauen beim Koalitionspartner hervorrufen. Er galt zwar als Reformer und vertrat eine moderne Gesellschaftspolitik, forderte aber zugleich eine stärkere Rückbesinnung auf christliche und ideologische Werte. 1960 hatte er ein Programm unter dem Motto »Österreich für Europa rüsten« vorgelegt und nahm auf Anregung seines Cartellbruders Canaval mit dem cedi Kontakt auf – das er für eine »lose Vereinigung christlich-konservativer Politiker mit dem Zentrum in Paris« gehalten habe.206 So nichtsahnend, wie er in seinen Memoiren schrieb, wird Klaus nicht gewesen sein. Offenbar waren ihm die Kontakte zu den französischen Protagonisten besonders wichtig, die überwiegend der Sammelbewegung um de Gaulle angehörten – wie der französische Finanzminister Edmont Michelet. Im März 1962 fand die Generalversammlung des cedi-International in Salzburg statt und Klaus wurde als amtierender Finanzminister zum Vizepräsidenten gewählt. Eine Position, die er laut Rainer Prandstetten bereits 1959 innehatte.207 Bei dieser Gelegenheit sprach er über Österreichs Vorbereitungen auf die europäische Integration. Er lobte den Pluralismus auf dem Kontinent und dass die Vielfalt der neutralen europäischen Staaten die Grundlage eines echten Föderalismus darstelle  : »Es ist erfreulich, dass diese Wünsche auf einer Gedankenlinie liegen, die nun schon seit sieben Jahren vom europäischen Dokumentationszentrum mit viel Nachdruck und 205 AZ, No. 163, Sonntag, 31.7.1961. 206 Josef Klaus, Macht und Ohnmacht in Österreich. Konfrontationen u. Versuche, 2 ed. (Wien/München/ Zürich 1971) 464. 207 Damals als Salzburger Landeshauptmann. Siehe Rainer Prandstetten, Dr. Gustav Adolf Canaval  : Analyse einer publizistischen Persönlichkeit, Univ. Diss. (Wien 1971), 161.

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Überzeugung vertreten wird. Nichts würde mir mehr Befriedigung geben als das Gefühl, dass Österreich etwas zu ihrer Realisierung beitragen könnte.«208 Aus Sicht der Sozialisten bündelte das cedi alle nur denkbaren Feindbilder. Die Arbeiter-Zeitung schoss aus allen Rohren gegen die »blaublütige Verschwörung« des »reaktionären und zum Teil sogar faschistischen Flügels der konservativen Parteien Europas« und publizierte die Namen weiterer Mitglieder der österreichischen Sektion  :209 Ernst Hefel, Präsident, die Vizepräsidenten Josef Klaus, Hans Lechner, Johann Allmayer-Beck und Thomas Michels, Hans Thür-Porta, Generalsekretär, Alexander Randa, Sekretär, die Schatzmeister Peter Winterstein und Hermann Rippel sowie Elsa Gräfin von Thurn-Valsassina. Daneben gebe es noch eine »große Zahl von österreichischen Finanzleuten, Managern, övp-Politikern«, welche die Macht der Organisation ausmachten. Das Ansinnen, Portugal und Spanien unbedingt nach Europa zu holen, sei ein klares Bekenntnis zu Diktatur und Faschismus, mit Informationen werde dort Politik gemacht. »Und wie man hört sollen manche cediLeute bei ihren Tauschgeschäften nicht einmal vor Staatsgeheimnissen haltmachen.« Das cedi würde Wahlkämpfe konservativer und faschistischer Parteien finanzieren, besonders ein paar Industriekapitäne des Ruhrgebiets hätten sich spendabel gezeigt. »Wie man aus zuverlässiger Quelle erfährt, soll mit ihnen auch schon über eine Spende in der Höhe von einigen Millionen D-Mark für den bevorstehenden Wahlkampf in Österreich verhandelt worden sein.«210 Bei den Nationalratswahlen im November 1962 konnte die övp den ersten Platz behaupten. Alfons Gorbach blieb Bundeskanzler und schloss im April 1963 ein Arbeitsübereinkommen mit den Sozialisten. Doch die Krise mit dem Regierungspartner riss nicht ab. Im September verkündete die övp auf einer Pressekonferenz Zugeständnisse, um das Weiterbestehen der Großen Koalition zu gewährleisten  : Generalsekretär Withalm untermauerte die Gültigkeit des Arbeitsübereinkommens, und Josef Klaus, der zum neuen Parteiobmann gewählt worden war, gab bekannt, seine Funktionen als Vizepräsident des internationalen cedi und der ÖsterreichSektion niederzulegen – »um Missverständnissen aus dem Weg zu gehen«.211 Im vorerst letzten Anlauf der Großen Koalition wurde Klaus 1964 Bundeskanzler. Das cedi erlebte eine letzte Renaissance. Zum Madrider Kongress vom 8.–10. Juni 1963 erschienen hochrangige Regierungsmitglieder, Informationsminister Manuel Fraga Iribarne, Wirtschaftsminister Alberto Ullastres oder Luis Carrero Blanco, Francos rechte Hand. Aus Deutschland kam Franz Josef Strauß, um über Europa 208 Generalversammlung vom 16.–18.3 in Salzburg. Rede abgedruckt in den SN vom 19.3.1962. Zitiert in Gaupp-Berghausen, 20 años C.E.D.I. Centro Europeo de Documentación e Información, 309f. 209 CEDI – eine blaublütige Verschwörung. AZ, 7.7.1962, 3. 210 Ebd. 211 APA 1955 1985, AHI0137 5 II 24.09.1963.

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und die nato zu sprechen. Er forderte die Zusammenlegung der britischen und französischen Atomstreitkräfte – ein europäisches Atomwaffenpool. Richard Jäger, Vizepräsident des Bundestages, plädierte für die Ausweitung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages auf weitere Staaten, darunter Spanien, und sprach sich für dessen Aufnahme in die nato und ewg aus. Spaniens Verfemung durch die Linke solle endlich beendet werden, und mehr Beachtung als die Kritik an der Hinrichtung des »spanischen Massenmörders Julian Grimau« verdiene zweifellos die Tötung Unschuldiger an der Berliner Mauer. Trotz weltweiter Proteste war Grimau, einer der Führer der spanischen Kommunistischen Partei, wegen »bewaffneter Rebellion« im Bürgerkrieg im April hingerichtet worden. Aus Österreich sprach Carl Heinz Bobleter, Staatssekretär im Außenministerium. Im Umfeld des Treffens kam es zu einem Abendessen zwischen Edmont Michelet und Botschafter Karl Gruber.212 Zum Kongress ein Jahr später entsandten die Öster­ reicher »nach eingehender Beratung und Aussprache auch mit den uns nahestehenden Herren der österreichischen Bundesregierung« aber schon keine Delegation mehr.213 Die Österreich-Sektion war am Streit über die Habsburg-Frage zerbrochen. Im Gegensatz zur Regierung, die trotz anders lautender Gerichtsurteile eine Einreise Habsburgs bis zum Ende der Legislaturperiode ablehnte, stand der Vorstand hinter seinem Ehrenpräsidenten Otto Habsburg und beschloss am 7. Juli 1964 die sofortige Auflösung der Rechte und Pflichten des cedi Österreich gegenüber dem cedi international und seines Status als nationales Zentrum. Ab Mitte der Sechzigerjahre verlor das cedi generell an Bedeutung. Auch in anderen nationalen Sektionen kam das Vereinsleben nach und nach zum Erliegen. Gutes Klima und Schwenk der spö In Österreich blieb die Stimmung gegenüber Spanien ambivalent. Besonders die sozialistische Basis verlieh ihrer Abneigung gegenüber dem Franco-Regime immer wieder lautstark Ausdruck, sobald es zu neuen Repressalien kam. »Franco an den Galgen«, skandierte die sozialistische Jugend 1964 und 1965 bei Demonstrationen vor der spanischen Botschaft, oder »Nieder mit dem Faschismus«. In seinen Memoiren schreibt Botschafter de Erice sogar über einen Attentatsversuch auf ihn. Vor der Tür, die er in der Früh benutzte, um in die Kirche zu gehen, war ein Sprengsatz deponiert worden, der jedoch nicht detonierte.214 Demgegenüber stand die Freundlichkeit, welche die Regierung Klaus I samt ihrer sozialistischen Mitglieder Spanien gegenüber an den Tag legte. Vom 5. bis 9. 212 Gaupp-Berghausen, 20 años C.E.D.I. Centro Europeo de Documentación e Información, 379. 213 Conze, Das Europa der Deutschen, 201. 214 Erice, De U.N.O. en U.N.O. Memorias de mis 50 anos de diplomatico, 190.

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September 1964 war der Falange-Generalsekretär und Chef der spanischen Einheitsgewerkschaft, José Solis Ruiz, in Wien zu Gast, wo er von Bundespräsident Adolf Schärf empfangen wurde.215 Solis Ruiz hatte gute Kontakte zu Willy Brandt. Grundsätzlich fühlte sich die staatskapitalistisch eingestellte spanische Bürokratie den Programmpunkten der neuen spd durchaus nahe, seit diese Verstaatlichungen und den Klassenkampf in die Requisitenkammer verbannt hatte. Noch im Dezember wurde de Erice zum neuen spanischen Botschafter in Bonn ernannt und von Segismundo Royo Villanova abgelöst. Bei einem Abschiedsessen im Hotel Sacher versammelten sich Außenminister Bruno Kreisky, Vizekanzler Bruno Pittermann, Heinrich Drimmel, Fritz Bock, Rudolf Kirchschläger und weitere Politiker  ; auch der Wiener Bürgermeister Franz Jonas und der Abt von Mariazell waren zur Verabschiedung des langjährigen Botschafters gekommen.216 Nachdem Royo Villanova am 29. April 1965 überraschend in Madrid gestorben war, begab sich Kreisky am 6. Mai in die spanische Botschaft, um sich in die Kondolenzliste einzutragen. Bei dieser Gelegenheit teilte er Geschäftsträger Antonio Cirera Prim mit, dass er sich sehr freuen würde, den Außenminister Spaniens einmal in Wien zu sehen  : Er lud ihn zu einem Besuch ein und erneuerte damit eine bereits von seinem Vorgänger ausgesprochene Einladung. Das wurde intern auch als Signal verstanden, um zu zeigen, dass sich die in Österreich bestehenden Ressentiments gegenüber Spanien abgeschwächt hatten.217 Ähnlich wie die spd in Deutschland wich die spö-Führung nun vom Kurs der strikten Ablehnung Spaniens ab und setzte auf vorsichtige Annäherung. Ab Mitte der Sechzigerjahre änderte Kreiskys Parteifreund Willy Brandt die deutsche Spanienpolitik und rückte von der Isolierung Francos ab. Von nun an verfolgte die spd die Strategie, die Modernisierungs- und Demokratisierungstendenzen in Spanien durch eine engere Bindung an das übrige Europa zu fördern. Diese Neuausrichtung verlief inhaltlich und zeitlich parallel zur Ausarbeitung der Neuen Ostpolitik, die ebenfalls auf Wandel durch Annäherung setzte.218 Hinter den Kulissen hatte die spö bereits ab 1963 einer Gruppe um Erich Weisbier ermöglicht, die demokratischen Kräfte in Spanien zu unterstützen. Der Jungfunktionär organisierte finanzielle und materielle Hilfe (Druckmaschinen) bei der Herstellung von Propagandamaterial und suchte den direkten Kontakt zu sozialis215 ÖStA, Adr, AA, Gr. Zl. 70123 pol64, Zl. 77593, sowie ebd., 190. 216 Ebd., 169. 217 ÖStA, Adr, AA, Gr. Zl. 136.303, Zl. 136.243, pol65. ÖStA, AdR, AA, Spanien, Gr. Zl. 37021, 4/pol66, Zl. 39.478, Information aus Anlaß des Besuches des spanischen AM Castiella in Wien, 6.–7.7.1966. ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 37021 4/pol66, Zl. 37021, Besuch Castiella in Wien. 218 Muñoz Sánchez, El amigo alemán, El SPD y el PSOE de la dictadura a la democracia (Barcelóna 2012). Rezension von Bernd Rother, in  : Archiv für Sozialgeschichte (online) 53, 2013, URL  : http://www.fes.de/ cgi-bin/afs.cgi  ?id=81420, 11.12.2012.

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tischen Untergrundfunktionären. Fallweise wurden deren Reisen ins Ausland mitfinanziert. Verglichen mit den großzügigen Zahlungen der spd, die vor allem später, von 1974 bis 1982, 30 bis 40 Millionen Mark aus einem Regierungsfonds für Parteien in Spanien und Portugal bereitstellte, war dieser Beitrag natürlich gering – die Unterstützung setzte jedoch schon früh ein und war damit auch psychologisch wichtig.219 1983 erhielt der damalige Volkshilfe-Generalsekretär Weisbier aus den Händen des spanischen Ministerpräsidenten Felipe González das Komtur-Kreuz Spaniens für zivile Verdienste.220 Mit Heinrich »Heinz« Standenat war 1965 auch ein Sozialdemokrat als Botschafter nach Madrid entsandt worden.221 Erstmals wich ein Botschafter von der These ab, dass in Spanien ohne Franco das Chaos ausbrechen würde. »Die ›Wohlstandsexplosion‹ der letzten Jahre, die an das ›Siglo d Oro‹ der katholischen Könige erinnert, hat dem Bürgerkriegsgespenst seine Schrecken genommen und auch die Erinnerung an jahrhundertelange Missregierung verblassen lassen«, schrieb Standenat. »Die These, dass der anarchistische Spanier ›nicht gouvernabel‹ sei und Franco nur eine einmalige Ausnahmeerscheinung darstelle, auf die wieder das Chaos folgen müsse, hat jedenfalls inmitten der Autokolonnen, der Fernsehantennenwälder und der vielfältigen Annehmlichkeiten des Lebens, die jetzt auch dem kleinen Mann zugänglich sind, an Glaubhaftigkeit verloren. Die junge Elite des Landes meint daher vielleicht nicht zu Unrecht, dass das Spanien der Gegenwart sehr wohl einer echten Demokratisierung nach westlichem Vorbild fähig sei, ohne dass Schutzdämme für die Nachfolge Francos gebaut werden müssten.«222 Auch in Spanien blieb der Politikwandel vor allem Deutschlands nicht ohne Wirkung. Da man im Westen Europas nicht abseits stehen wollte und handelspolitische Alternativen neben der wirtschaftspolitischen Verankerung im ewg-Raum kein Nachteil sein konnten, begann nun auch Spanien seine Ostpolitik neu zu bewerten. Im Jänner 1964 erhielt Ungarn über die Botschaft in Wien die Erlaubnis, eine Handelsdelegation in Madrid zu eröffnen. Spanische Zeitungen berichteten, dass auch die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Sowjetunion nicht ausgeschlossen sei. Bei einem Diner in der österreichischen Botschaft in Madrid hatte Handelsminister Alberto Ullastres jedoch kurz zuvor betont, dass es wohl zunächst zu intensiveren wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu den Satellitenstaaten kommen würde.223 219 Rathkolb, Österreichisch-spanische politische Beziehungen in der Transformationsphase in den siebziger Jahren, 71,72. 220 Sozialistische Korrespondenz (International) 1983, Dienstag, 8.11., 6. 221 Am 4.2.1965 präsentierte er seine Beglaubigungspapiere. AGA 82/22919 E.33, Nota Informativa Austria, MAE. 222 ÖStA, AdR, AA, Zl. 36267, Gr. Zl. 36267-4/pol66, Standenat an Außenminister, Madrid, 22.4.1966. 223 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 66466-pol64, Zl. 66466, Madrid, 21.1.1964.

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Österreich interessierte sich für Spaniens Ostpolitik und war gut darüber informiert. Seinerseits schätzte Franco Wien als wertvollen Horchposten gegenüber den kommunistischen Ländern. Österreich selbst maß er in der Ostpolitik aufgrund seiner Erfahrung und geographischen Lage besonderes Urteilsvermögen bei.224 Botschafter Standenat wurde in Madrid oft auf zwei Dinge angesprochen  : den russischen Osten und die klassische Musik. »Es ist hierzulande eine Schablonenvorstellung, dass ein österreichischer Diplomat die Eigenschaften eines Kreml-Astrologen und eines Musiksachverständigen in sich vereinen müsse«, berichtete er. »Jedenfalls werde ich von jedem Spanier, vom Minister bis zum Zeitungsverkäufer, auf beide oder eines dieser Themen angesprochen. Da die oben erwähnten Prädikate auf mich nicht zutreffen, ist es manchmal schwierig, keine Illusionen zu zerstören. Allerdings wäre es jetzt an der Zeit den Spieß umzudrehen und die ausländischen Schablonenvorstellungen über die Unveränderlichkeit der spanischen Ostpolitik, die inmitten einer opportunistischen Welt am strikten Dogma des Antikommunismus festhält, zu überprüfen.« Es gebe regen Verkehr zwischen Spanien und den kommunistischen Ländern, »der von Ostdrang erfüllten Flamenco-Tänzern bis zum Škoda-fahrenden Madrileño reicht, während die Russen sich durch die Entdeckung der Schönheit Malagas revanchieren, Rumänen und Ungarn um die Palme spanischer Filmfestspiele ringen und Frachtschiffe mit Hammer- und Sichelflaggen andalusische Orangen laden. Es bestehen somit de facto Beziehungen, deren Intensität ständig zunimmt und die kaum hinter dem östlichen Geistes-, Leistungs- und Güterverkehr anderer Weststaaten zurückbleiben.«225 Mit feinem Sinn für Humor ließ Standenat aber keinen Zweifel daran aufkommen, dass mit Franco keine echte Demokratisierung zu machen sei. Im Dezember 1966 wurde ein neues Staatsgrundgesetz beschlossen, von dem behauptet wurde, es gewähre mehr Freiheiten. Doch viele Beobachter scheiterten bereits an der Interpretation des komplizierten Gesetzestextes. Standenat schrieb folgendes nach Wien  : »Herr Bundesminister  ! Ein Epigone von Karl Kraus würde vielleicht den Prolog zur ›neuen Ordnung Spaniens‹ szenisch wie folgt fassen. 1. Szene (Deck der Yacht Francos im September 1966). Franco  : ›Herr Kapitän, lesen sie diesen wichtigen Verfassungsartikel, den ich soeben redigiert habe  !‹ Kapitän  : (liest) Ich bedaure, ich verstehe ihn nicht  ! Franco  : Lesen sie ihn aufmerksam noch einmal  ! K  : (liest wieder) Ich bitte zu entschuldigen, aber ich verstehe ihn noch immer nicht. F  : Ausgezeichnet. Dieser Artikel bleibt wie ich ihn geschrieben habe.«226 Standenats Kollege, der deutsche Botschafter Helmut Allardt, hatte sich zur Textanalyse die Nacht um die Ohren geschlagen und einen »Hauch von Demokratie« 224 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 31752-pol66, Zl. 31752, Tour d’Horizon bei Franco, Heinz Standenat. 225 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 31154-pol66, Zl. 38420, Standenat an Kreisky, Madrid, 27.5.1966. 226 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 36714, Zl. 49685, Madrid, 1.12.1966.

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nach Bonn gemeldet. Für Standenat bloß eine Illusion  : »Was Franco hunderte Nächte überschlafen hat, kann ein Außenseiter kaum in einer einzigen Nacht enträtseln. Angesichts des politischen Genies des größten ›Überdauerers‹ der Zeitgeschichte geziemt wohl Bescheidenheit.« Die neu beschlossene Ordnung war für ihn nichts als der Ausdruck einer »Gefälligkeitsdiktatur in homöopathischen Dosen. Der Caudillo gibt nämlich fast jedem etwas, jedoch wenig, wobei er sich nur selbst ausschließt, da er im Wesentlichen alles behält, nämlich die Funktion des Staatschefs auf Lebenszeit.«227

Das Ende der Flitterwochen Nachdem die övp bei den Nationalratswahlen im März 1966 die absolute Mehrheit gewann, bildete Josef Klaus die erste Alleinregierung der Zweiten Republik. Die österreichische Außenpolitik wurde nun von einem kleinen Kreis an Entscheidungsträgern entwickelt, die sich Spanien gegenüber stets freundlich gezeigt hatten. Mit Klaus als Kanzler, Lujo Tončić-Sorinj als Außenminister und Fritz Bock als Vizekanzler und Handelsminister. Im zweiten Glied wirkte der Direktor der politischen Abteilung, Heinrich Haymerle. Tončić-Sorinj hatte sich stets für die Aufnahme der Beziehungen mit Spanien ausgesprochen und war 1959 beim achten cedi-Kongress als Redner aufgetreten.228 Nun stattete der spanische Außenminister von 6. bis 7. Juli 1966 Österreich den Besuch ab, zu dem ihn noch Kreisky eingeladen hatte, um danach drei Tage privat im Land zu verbringen. Legationsrat Laube wurde in Madrid von Kollegen aus den usa, Deutschland oder der Schweiz um Informationen dazu gebeten. Der holländische Vertreter gratulierte zu dem außenpolitischen Erfolg, der zeige, dass es die politischen Parteien in Österreich verstünden, dynamisch zu denken. In Holland sei man beim Versuch, einen Kontakt zu Spanien herzustellen, an den sozialistischen Parteiführern gescheitert.229 Am Mittwoch, den 6. Juli, lud Außenminister Tončić-Sorinj zum Abendessen ins Hotel Imperial. In den Ansprachen wurde die gemeinsame Freundschaft beschworen. Bundeskanzler Klaus würdigte die Bestrebungen beider Staaten zur Aufrechterhaltung des Friedens in Europa. Außenminister Castiella betonte, dass man Österreich als einen besonderen Faktor der Mäßigung, des Ausgleichs und der Verständigung betrachte.230 In seiner Tischrede lobte er den Beitrag, den beide Länder für Europa geleistet hätten  : Spanien, als es sich dreißig Jahre zuvor mit Waffengewalt gegen die 227 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 36714, Zl. 49685, Madrid, 1.12.1966, Madrid, 24.11.1966. 228 Gaupp-Berghausen, 20 años C.E.D.I. Centro Europeo de Documentación e Información, 309. 229 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 37021,4,pol66, Zl. 41.524, Laube an BMAA, Madrid, 28.7.1966. 230 APA 1955 1985, Spanischer Ministerbesuch 3. AHI0127 5 II, 07.07.1966.

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kommunistische Bedrohung verteidigt habe. Und Österreich, als diese Bedrohung Jahre später vor seine Türen gekommen sei. »Aber dann, zum Glück – und das können wir nicht vergessen – wurde in Wien das erste Licht (…) der Möglichkeit eines Zusammenlebens in Frieden angezündet. Österreich, sodann, lieferte eine bewundernswerte Schlacht, eine europäische Schlacht, für die Freiheit und die Unabhängigkeit, aber nicht mit den Waffen des Krieges, sondern mit denen der Intelligenz, des politischen Bewusstseins, des Talents zum menschlichen Umgang.« Auch Russland habe sich an die Übereinkünfte mit Österreich gehalten  : »Wir, die Spanier, ignorieren diese Lektion des Friedens nicht.«231 Die dynastische Vergangenheit strapazierte er nur ein wenig. Umso mehr sorgte Tončić-Sorinj für Verwunderung, als er ausdrücklich in Erinnerung rief, dass Österreich und Spanien im 16. Jahrhundert ein Drittel des Planeten beherrscht hätten. Den Spaniern erschien das angesichts dessen, dass Österreich ein neutrales Land war, etwas seltsam.232 Inhaltlich war in den Gesprächen das Verhältnis beider Länder zu den europäischen Institutionen ein wichtiges Thema. Spanien strebte ein Abkommen mit der Europäischen Freihandelsassoziation (efta) an, wobei Österreich als Gründungsmitglied der efta als möglicher Ratgeber galt. Seinerseits versuchte Österreich schon seit längerem vergeblich, einen Brückenschlag zur EG zu schaffen. Besonders im Weg war dabei das ungelöste SüdtirolProblem. In diesem Punkt erhoffte man sich aber keine Hilfe von Spanien, das gute Beziehungen zu Italien unterhielt. Bereits 1960, als Österreich die Südtirol-Frage vor die uno gebracht hatte, baten sowohl die italienische als auch die österreichische Regierung um Unterstützung. Spanien verhielt sich unparteiisch, aber schloss sich in der Debatte eher der italienischen These an. Das habe für Missfallen bei den Österreichern gesorgt, fasste es ein spanisches Papier vor dem Castiella-Besuch zusammen.233 Auch sechs Jahre später könne man keine Sympathie Spaniens für die Autonomiebestrebungen der deutschsprachigen Südtiroler erwarten, wurde auf österreichischer Seite analysiert  : »In der spanischen Innenpolitik bilden nämlich die auch heute noch latenten, zum Franco-Regime oppositionellen autonomen Strömungen unter den ethnischen Minderheitengruppen der Katalanen (6 Millionen Menschen) und Basken (etwa 1,5 Millionen) ein heißes Eisen. (…) Erfolge der Südtiroler mit ihren Autonomiewünschen könnten daher als ein für die spanische Innenpolitik bedenklicher Analogiefall angesehen werden.«234

231 AGA 82/22919 E.33, Viaje a Viena del Sr. Ministro de Asuntos Exteriores. 5.–10.7.1966. 232 AGA 82/20438, E. 38, Oficina de Informacion Diplomatica. Informacion recibida por Telex de la Embaja de España en Bonn, 11.7.1966. 233 AGA 82/22919 E.33, Nota Informativa Austria, MAE. 234 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 37021-pol66, Zl. 39.478, Information aus Anlass des Besuches des spanischen Außenministers Castiella in Wien, 6.–7.7.1966. Wien, Haymerle, 30.6.1966.

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Generell war Österreich für Spanien wegen seiner Rolle in Osteuropa interessant, während die spanischen Kontakte umgekehrt als möglicher Türöffner im Mittelmeerraum galten. Als Ergebnis des Besuchs seien keine besonderen Veranlassungen zu treffen, resümierte Tončić-Sorinj. Spanien sei jedoch an wichtigen Informationen aus den Ostblockländern interessiert, etwa an der Entwicklung in Rumänien. Botschafter Standenat solle, nachdem der spanische Botschafter in Wien diesbezüglich nicht sehr initiativ gewesen sei, gelegentlich mit entsprechenden Informationen zur vertraulichen Weitergabe an das Außenministerium in Madrid versehen werden.235 Im Jänner 1967 schlossen Spanien und Rumänien einen Vertrag zur beiderseitigen Errichtung von konsularischen Handelsvertretungen. »Wir errichten diplomatische Missionen mit Konsulatsfassade«, kommentierte das ein hoher Beamter gegenüber Standenat. Sollte dieser Versuch gelingen, würde man dasselbe auch in anderen Oststaaten tun.236 Damit war Spaniens neuer Kurs in der Ostpolitik besiegelt. Im gleichen Jahr vereinbarten Spanien und Deutschland periodische Treffen der Außenminister. 1967 trafen sie sich in Bonn, 1968 fuhr nach Protesten der Sozialisten Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger statt Willy Brandt nach Madrid. Er war der einzige Regierungschef der ewg, der Spanien während der gesamten Franco-Zeit einen offiziellen Besuch abstattete. 1969 fand das Treffen in Bonn statt, 1970 wieder in Madrid. Österreich gelang keine ähnliche Institutionalisierung der politischen Kontakte. Inhaltlich gab es keine Punkte von großem Gewicht, auch keine konzise Spanien-Politik. Vielmehr folgte man instinktiv dem deutschen Beispiel. Dafür gelang es in der Kulturpolitik, eine letzte Duftmarke zu setzen, ein sichtbares Zeichen für die alten historischen Bande  : in Form einer Windmühle, die Franz Grillparzer gewidmet war. Kulturkampf mit Windmühlen Noch immer steht sie in Kastilien-La Mancha, auf einer Anhöhe mit schönem Blick über den Ort Mota del Cuervo, ganz außen in einer Reihe baugleicher Windmühlen. Weiß leuchten die dicken Mauern, die Tür ist gedrungen, die Fenster sind klein. Starr ragen die riesigen Holzflügel in den Himmel. Im Inneren hatte die Republik Österreich, der das Bauwerk übertragen worden war, ein Museum einrichten lassen. Im Erdgeschoss, wo früher Schautafeln von der gemeinsamen Kultur und den spanischen Spuren in Wien zeugten und ein Foto an das Maximilian-Grab in Innsbruck erinnerte, sind heute die Toiletten des Windmühlenparks untergebracht. Im ersten Stock liegt etwas Unrat herum  : Keine Spur mehr von Grillparzer und seiner Liebe zu Spanien, die dort thematisiert wurde. Den Schlusspunkt der Schau in der obe235 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 37.021-pol66, ZL 45.112, Ergebnis des Besuchs, 27.9.1966. 236 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 13927-pol67, Zl. 13927, Madrid, 12.01.1967.

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ren Etage bildete eine Schautafel, auf der Grillparzers Rede am Grab Beethovens zu lesen stand  : »Drum sind ja von jeher Dichter gewesen und Helden, Sänger und Gotterleuchtete, dass an ihnen die armen zerrütteten Menschen sich aufrichten, ihres Ursprunges gedenken und ihres Zieles.«237 Zur feierlichen Eröffnung am 14. Mai 1967, einem Pfingstsonntag, kamen Botschafter Standenat, Johann Gunert, Vizepräsident der Grillparzergesellschaft, der die Ausstellung kuratierte, sowie lokale und regionale Politprominenz. Ein eiskalter Wind fegte über die Hochebene und machte jede Konversation schwierig. Die Ansprachen wurden deshalb im Meson de Quijote, dem Gasthaus im Ort, gehalten. Die Redner betonten die Bedeutung der Mühle, die »als lebendiges Zeichen Jahrhundertelanger geistiger und freundschaftlicher Beziehungen zwischen Österreich und Spanien nunmehr für alle Zeiten ein Stück österreichischen Geisteslebens in das Land des Don Quijote verpflanzt habe«.238 Gunert und Standenat wurden zu Ehrenwindmüllern von La Mancha ernannt, und der Botschafter überreichte Bürgermeister Cipriano Palacios eine Lithographie von Hans Fronius. Darauf zu sehen  : Don Quijote. Danach wurde ein Film über das Leben Franz Grillparzers gezeigt. Eine Straße im Ort erhielt zudem den Namen Calle Austria. Es war die symbolische Verschmelzung zweier Staatspoeten, Grillparzer und Cervantes, die Mitte der Sechzigerjahre nationale Ziele zu erfüllen hatten. Mit Grillparzer war nach 1945 die österreichisch-nationale Gesinnung eingeläutet worden. Durch die Überbetonung seiner Werke, die als echt österreichisch galten, hatte sich das konservative Lager kulturpolitisch durchgesetzt.239 In der Mentalität FrancoSpaniens stand Don Quijote für den edlen, tapferen Ritter, den Charakterträger des Spaniers schlechthin. Dieser Zwangshochzeit nach habsburgischer Tradition wohnt natürlich eine komische Ambivalenz inne. Don Quijote verkörpert in Cervantes Meisterwerk einen närrischen Sonderling, der Mühlen für Riesen hält. Sein fetter Freund Sancho ist wenigstens bei Verstand. Er selbst hingegen hat zu viele Ritterromane gelesen und kann nicht mehr zwischen Wahrheit und Fiktion unterscheiden. Sehr wahrscheinlich persiflierte Cervantes in seinem Roman, den die Falange-Funktionäre zum nationalen Schmus verbrämten, den Idealismus schlechthin.240 Und Grillparzer, der als großer Spanien-Aficionado gefeiert wurde  ? 237 Jahrbuch der Grillparzer Gesellschaft, 3. Folge, 6. Band, Wien 1967. 238 APA 1955 1985, Franz Grillparzer Mühle in Spanien eröffnet. AHI0090 5 CI, 19.5.1967. 239 Helmut Koopmann, Hans-Jörg Knobloch (Hg.), Das verschlafene 19. Jahrhundert  ? Zur deutschen Literatur zwischen Klassik und Moderne (Würzburg 2005), 199. 240 Isabel Hernández, Ganz Europa voller Narren …  : Einzelbetrachtungen zur Figur des Sonderlings in der spanischen und der österreichischen Literatur am Beispiel des Don Quijote de La Mancha, in  : K.-D. Ertler, P. Danler, W. Krömer, E. Pfeiffer, E. Rodrigues-Moura (Hg.), Österreich, Spanien und die europäische Einheit (Innsbruck 2007), 185–189.

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Tatsächlich hatten ihn die Werke Calderóns und Lope de Vegas stark beeinflusst. Folgerichtig erinnerte Johann Gunert in einem Vortrag vor der ÖsterreichischSpanischen Gesellschaft 1969 an die Worte, die der Dichter 1836 in sein Tagebuch schrieb  : »Die Angelegenheiten von Spanien interessieren mich bis zum Lächerlichen.« Dass Grillparzer dabei an die Carlistenkriege um die spanische Thronfolge dachte, erwähnte Gunert noch,241 nicht aber, was er weiter schrieb  : »Ich kann mich kaum der Freudentränen enthalten, dass Bilbao entsetzt und die Sache des Karlismus in Spanien sich zum Untergange neigt.« Als Josefinist drückte er den Liberalen die Daumen, und nicht den absolutistischen Carlisten, die traditionell von Österreich unterstützt wurden. »Das wäre rein lächerlich, hätte ich nicht die Überzeugung, dass die Sache meines eigenen Vaterlandes dort verfochten wird. Wie nämlich Österreich in religiöser Hinsicht, ohne selbst reformiert zu werden, doch durch die Fortschritte der Reformation in den Nachbarländern gezwungen auf die gegenwärtige Stufe der Duldung und Leidlichkeit gestellt wurde, so kann auch nur das Fortschreiten der politischen Regeneration in dem übrigen Europa dieses Land aus seinem gegenwärtigen Zustand herausnötigen. Österreich wird immer im Nachzuge bleiben.«242 Die spanische Regierung stand nicht zufällig hinter dem Quijote-Kult mit seinen Mühlen. Ende des 19. Jahrhunderts waren die altmodischen Mahlwerke dem Verfall preisgegeben worden. Wehmütig betrachtete Ramón Serrano Súñer eine der Ruinen, als er auf der Durchreise im Februar 1941 in Mota del Cuervo vorbeikam. Kurzerhand kaufte der Minister und Falange-Funktionär die steinernen Überreste, um sie restaurieren zu lassen.243 Diesem Vorbild folgend ließen die Gemeinde und die Asociación de Amigos de los Molinos, die sich 1955 gegründet hatte, 1962 und 1963 zwei weitere Mühlen errichten, als der Gedanke aufkam, europäische Länder als Partner für weitere Neubauten zu gewinnen. Eine wichtige Rolle dabei spielte der Leiter des österreichischen Fremdenverkehrsbüros in Madrid, Oskar Dignös. Er war Mitglied im Verein der Mühlenfreunde und ein Bekannter des Generaldirektors für Tourismus, León Herrera Esteban.244 Zudem pflegte er gute Kontakte zur Kulturbeauftragten der deutschen Botschaft, Gräfin Herberstein. Er hatte im Zweiten 241 Die Grillparzer-Mühle in Mota del Cuervo, ein Wahrzeichen der Beziehungen zwischen Österreich und Spanien, Vortrag von Johann Gunert auf einer Veranstaltung der Österreich-Spanischen Gesellschaft, Österreichische Mediathek, mp3 Audiodatei, Wien, Palais Palffy, 26.11.1969. http://www.mediathek.at/ atom/01782A52-374-00A78-00000BEC-01772EE2, 24.7.2014. 242 Hans Hinterhäuser, Spanien und Europa  : Texte zu ihrem Verhältnis, von der Aufklärung bis zur Gegenwart (München 1979), 139. 243 Mota del Cuervo y los personajes de »el tiempo entre costuras«, 27.11.2013, Oficina de Turismo Mota del Cuervo, http://turismomota.blogspot.co.at/2013/11/mota-del-cuervo-y-los-personajes-de-el.html (20.11.2014) 244 Ayuntamiento de Consuegra (Hg.), XLVII Fiesta de la Rosa del Azafrán, 23/24/25 Octubre 2009 (Consuegra/Toledo  : 2009), 22–24.

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Weltkrieg als Soldat der deutschen Luftwaffe gedient und war 1953 nach Spanien gekommen.245 Noch 1963 wurde der Grundstein für die Mühle »Goethe« gelegt, die von der franquistischen Jugendorganisation Delegación Nacional de Juventudes errichtet und im Mai 1966 der deutschen Botschaft übergeben wurde. León Herrera Esteban und der Gouverneur der Provinz erschienen zu den Feierlichkeiten im Rathaus. Ebenfalls anwesend  : der nationale Delegierte der Jugendorganisationen, Eugenio López López.246 Im Sommer 1966 reiste Standenat nach Wien, um zu verkünden, dass eine Mühle für Österreich bestimmt war und Grillparzer gewidmet werden sollte. Gemeinsam mit Vertretern des Außen- und Unterrichtsministeriums wurde die Grillparzer-Gesellschaft zum Treuhänder des Objekts ernannt.247 Die Realisierung der Schau mit 23 Wandtafeln finanzierte das Unterrichtsministerium mit Unterstützung der Ersten Wiener Walzmühle Vonwiller, Schoeller KG Schwechat, die später in den Besitz des Raiffeisen-Konzerns überging. Von nun an bezahlte die Botschaft die Betriebskosten und anfallende Reparaturarbeiten. Jedes Jahr stellte der Verein der Mühlenfreunde eine Sammelrechnung über umgerechnet einige hundert Euro248 – bis in die Neunzigerjahre. Als Leopold Knobloch Präsident der Grillparzergesellschaft war, traf eine Anfrage des Außenministeriums ein, ob weiterhin Interesse an der Mühle bestünde, wobei im positiven Fall die Erhaltung und der Betrieb als Kulturstätte selbst zu tragen wäre. Der Vorstand lehnte ab. Daraufhin wurden der Gesellschaft einige Möbelstücke und Materialien rückerstattet.249 Ernüchterung und Distanz Anders als gedacht brachte die Grillparzer-Mühle keinen frischen Wind in die Beziehungen Österreich-Spanien. Vielmehr sorgte der gesellschaftliche Wandel für ein schleichendes Ende der konservativen Flitterwochen. Die spanische Regierung beförderte sich selbst ins internationale Abseits, indem sie mit Repression und Un245 Don Oskar A. Dignös Danchakova, gestorben in Madrid. Geboren am 29.12.1921 nahe Salzburg. Nach 1945 am Aufbau des Wintersportvereins St. Wolfgang beteiligt. 1957 heiratete er María Lourdes TorresQuevedo y Marin, die Tochter eines bekannten Ingenieurs. Sterbeanzeige in Zeitung ABC, 15.2.2009, 71. Hochzeitsanzeige ABC, 20.2.1957, 40, sowie Unterlagen der Asociación de Amigos de los Molinos, Zeitzeugengespräch Ehrenpräsident José Zarco Castellano, Mota del Cuervo, 18.10.2013, WMA Audio File. 246 ABC, Madrid, 29.5.1966, 87. http://hemeroteca.abc.es/nav/Navigate.exe/hemeroteca/madrid/abc/1966/ 05/29/087.html, 21.11.2014 247 Die Grillparzer-Mühle in Mota del Cuervo, ein Wahrzeichen der Beziehungen zwischen Österreich und Spanien, Vortrag von Johann Gunert. 248 Zeitzeugengespräch Enrique Tirado-Zarco, Präsident des Vereins der Mühlenfreunde, Mota del Cuervo, 18.10.2013. 249 Auskunft Robert Pichl, Vizepräsident der Grillparzergesellschaft, Mail vom 8.10.2013.

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terdrückung auf die revolutionären Tendenzen der 68er-Generation reagierte, die sich in Spanien vor allem an den Universitäten bemerkbar machten. Seit Castiellas Österreich-Visite 1966 stand noch die Frage eines Gegenbesuchs im Raum, zu dem die Spanier geladen hatten. Aufgrund einer Regierungsumbildung im Jänner 1968, bei der Kurt Waldheim neuer Außenminister wurde, war der Besuch aber auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Der Standpunkt am Ballhausplatz war nun, dass die Spanier ihre Einladung erneuern müssten.250 Da half auch alles Drängen von Wolfgang Höller nichts, des neuen Botschafters ab 1969. Er machte sich Sorgen, Österreich könne den Goodwill, über den es in Spanien verfüge, wieder verlieren. Es sei an der Zeit, eine Höflichkeitsgeste zu machen.251 Höller kritisierte, dass seit Fritz Bock 1963 kein Regierungsmitglied mehr Spanien besucht hatte. Nach den Besuchen von Außenminister Castiella und Industrieminister López Bravo 1966 war 1968 José Sirvent, Präsident des Institutes der verstaatlichen Industrie, in Österreich zu Besuch gewesen. Sein Gegenüber, Josef Taus, sagte die Gegenvisite im letzten Moment ab, ohne sich zu entschuldigen. 1969 lehnte Landwirtschaftsminister Karl Schleinzer eine Einladung aus Spanien mit der Begründung ab, dass sein Terminkalender zu voll sei. Verkehrsminister Ludwig Weiss nahm eine Einladung nach Spanien zwar an, sagte dann aber unter dem Hinweis auf starke berufliche Inanspruchnahme ab.252 Die Lust an Dienstreisen nach Spanien schien sich in Grenzen zu halten  : Die veränderte politische Lage hatte sich auf die Besuchsdiplomatie durchgeschlagen. Nach erneuten Studentenunruhen verhängte die spanische Regierung 1969 den Ausnahmezustand, schränkte Grundrechte ein und griff teilweise wieder auf die Zensur zurück. Arbeiter und Intellektuelle protestierten, selbst in der Kirche schwand der Rückhalt für diese Politik. Um sich Luft zu verschaffen und die »politischen Familien« zu besänftigen, bildete Franco im Herbst 1969 sein Kabinett um, gab dem Opus-Dei noch mehr Macht und ernannte Juan Carlos zu seinem Nachfolger. Nach 13 Jahren Amtszeit wurde Castiella von Gregorio López Bravo als Außenminister abgelöst. Doch die Zerrissenheit zwischen den reaktionären und reformorientierten Kräften blieb weiterhin virulent. Als Vorsitzender der spö schlug Bruno Kreisky nun kritischere Töne gegenüber Spanien an. Nach der Wahlniederlage 1966 war es der Partei ein Anliegen, neben der inhaltlichen Öffnung auch wieder mehr Kernwähler anzusprechen. In einer Rede im Februar 1969 kritisierte Kreisky, dass sich Österreich mit seiner Außenpolitik in bedrohliche Nähe der reaktionärsten Regierungen Europas begeben habe, indem es 250 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 120.761-pol71, Zl. 120.761, Allfälliger Gegenbesuch des Herrn Bundesministers in Spanien. 251 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 80361-pol70, Zl. 81731, Hinteregger an Außenministerium, Madrid, 30.1.1970. 252 Ebd.

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enge Beziehungen zu den Diktaturen in Spanien und Griechenland unterhalte.253 Als Bundeskanzler Klaus seinen Weihnachtsurlaub 1970 auf den kanarischen Inseln verbrachte und dort offenbar einen Empfang für lokale Autoritäten gab, interpretierte das die Arbeiter-Zeitung als »Hofknicks« vor der Diktatur.254 Kreisky selbst hatte 1966 zum ersten Mal Urlaub auf Mallorca gemacht, sich aber bemüht, das geheim zu halten. Sein Cousin Kurt, der auf der Insel ein Haus besaß, hatte einen Freund mit guten Kontakten zur spanischen Regierung  : den Mallorquiner Rechtsanwalt Damían Barceló Obrador. Dieser ließ für Kreisky bei Gregorio Lopez Bravo, der mit Außenminister Castiella Rücksprache hielt, die Versicherung einholen, dass über seinen Besuch Stillschweigen bewahrt werden würde.255 Kreisky wohnte in der Villa seines Schulfreundes Kurt Tandler, und Barceló, den Kreisky als Gegner Francos betrachtete,256 stand bereit, um ihm etwaige Wünsche zu erfüllen. Er wolle nur Urlaub machen, betonte Kreisky. Ein paar Tage vor seiner Abreise äußerte er aber doch den Wunsch, ein Spital der Sozialversicherung zu besuchen. Gemeinsam mit Barceló besichtigte er das Krankenhaus Son Dureta und stellte viele Fragen, etwa zum Gesundheitssystem oder zur spanischen Geschichte. Der Wahlsieg im März 1970 kam dann selbst für die spö überraschend. Während die övp letztlich an den inneren Strukturen scheiterte, eine moderne »Catch-allParty« zu werden, stieg die spö für mehr als ein Jahrzehnt zur bestimmenden Kraft des österreichischen Parteiensystems auf. Die Spanien-freundliche övp war ins Hintertreffen geraten. Neuer Außenminister wurde der parteilose Rudolf Kirchschläger. Noch sein Vorgänger Waldheim hatte einen Besuch in Spanien im Frühjahr 1970 in Aussicht gestellt.257 Im Mai erging nun von Kirchschläger die Weisung an Botschafter Höller, dass keine Initiative zu ergreifen sei.258 Daran war nicht mehr zu denken  : Ein Verfahren gegen Mitglieder der baskischen Terrororganisation eta geriet mit sechs Todesurteilen zur Abschreckungsjustiz, die Spanien weitere Sympathien kostete. Sechzehn eta-Mitglieder mussten sich wegen Nötigung, Bankraub, Gefährdung der nationalen Einheit und der Ermordung des baskischen Polizeichefs Melitón Manzanas vor einem Militärtribunal verantworten. Anstatt sich zu verteidigen, erklärte die eta den Prozess zur Anklage gegen die Diktatur, wofür sie im In- und Ausland viel Zustimmung erhielt. Vor 253 APA 1955 1985, AHI0198 5 II, 26.2.1969. 254 AZ, 6.1.1970, 2. 255 Stiftung Bruno Kreisky Archiv (SBKA), Länderbox Spanien VII. 1, Bericht von Damían Barceló Obrador an D. Günter Pauli, Brüssel, über seine Beziehung zu Kreisky. 256 Bruno Kreisky, Der Mensch im Mittelpunkt. Der Memoiren dritter Teil. Oliver Rathkolb (Hg.) (Wien 2000), 292. 257 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 150.816-4-pol69, Zl. 167.216, Gregorio López Bravo, neuer spanischer AM  ; Frage der Gegeneinladung. Madrid, 18.11.1969. 258 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 80361, 4-pol70, Zl. 86706.

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allem aber wurden Europas Hauptstädte zum Schauplatz heftiger Proteste gegen Spanien. Die österreichischen Tageszeitungen bewerteten den Prozess als politisches Verfahren und kritisierten die schlechten Haftbedingungen. Einzig Die Presse verurteilte die Gewaltanwendung durch die eta. Zur Zeit der Diktatur die Terrororganisation als Opfer des Regimes dargestellt, stets war von Basken, Separatisten oder Untergrundkämpfern die Rede.259 In einem Protesttelegramm an Franco sprach der Parteivorstand der spö ausdrücklich von der »Missachtung der elementarsten Menschenrechte der Angeklagten (…) der baskischen Freiheitsbewegung«.260 Zahlreiche Staaten intervenierten in Madrid. Die Reaktion der österreichischen Regierung fiel allerdings moderat aus, was in Spanien einen positiven Eindruck hinterließ.261 Im Auftrag von Außenminister Kirchschläger bestellte Generalsekretär Walter Wodak am 28. Dezember 1970 den spanischen Botschafter ins Ministerium, um die Erwartung der Bundesregierung zum Ausdruck zu bringen, dass von einer Vollstreckung der Todesurteile Abstand genommen werde.262 Erst nachdem diese in lange Haftstrafen umgewandelt worden waren, entspannte sich die Lage. Der Image-Schaden für Spanien war freilich nicht mehr wettzumachen. Viel war die Rede gewesen von Spaniens Weg nach Europa, von Liberalisierungstendenzen, einer Autorität der Milde des greisen Staatchefs Franco. Doch mit einem Schlag wurde erneut die Wirklichkeit eines autoritären Regimes offenbar.

Wandel durch Annäherung Ab 1970 ging in Spanien schleichend eine Ära zu Ende, während in Österreich eine neue begann. Franco, so treffend als Sphinx ohne Geheimnis bezeichnet, ein durchschnittlicher Mensch ohne besondere Interessen, litt zusehends unter gesundheitlichen Problemen, an Parkinson. Früher hatte er stundenlang im Ministerrat gesprochen. Ab 1968 wurden seine Reden jedoch immer kürzer. Da geriet es zum echten Ereignis, als er zum ersten Mal den Saal verlassen musste, um seine Notdurft zu verrichten.263 In der Innenpolitik war der 78-Jährige nicht mehr in der Lage, seine Schiedsrichterrolle wie früher auszufüllen. Der politische Tangotänzer lahmte und die Konflikte zwischen den politischen Familien wurden zum Dauerzustand. 259 Lorena Descalzo Jorro, Die ETA-Berichterstattung in den österreichischen Tageszeitungen 1970–1997, Phil. Diss. (Salzburg 2000), 339–341. 260 Ebd., 184. 261 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 166.144-pol71, Zl. 106.144, Innen- und außenpolitische Probleme nach dem Burgosproblem. Madrid, 20.1.1971. 262 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 97485-pol70, Zl. 97.904, Kirchschläger im Ministerrat, 2.1.1971. 263 Charles J. Esdaile, Época Contemporánea – 1808–2004, 457.

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Im Gegensatz dazu führte Bruno Kreisky, ein telegener, intellektueller Kosmopolit, Österreich zu einer neuen Bedeutung in der Welt, die weit über das für einen Kleinstaat übliche Potential hinausging. Besonders in der Außenpolitik erlangte er eine umfangreiche Machtfülle, die er als Bundeskanzler, als Vorsitzender der Sozialistischen Internationale oder als Privatmann und Freund ausländischer Staatsoberhäupter ausübte. Besonders in den Themen der Ost-, Nahost- und Entspannungspolitik fanden sich inhaltliche Übereinstimmungen mit Spanien. Das betraf die Normalisierung der Beziehungen mit dem Osten, eine Dialogpolitik im Rahmen des ksze-Prozesses sowie eine pro-arabische Haltung im Blick auf das PalästinaProblem. Sowohl Spanien als auch Österreich wollten die arabischen Staaten in die Lösung des Nahostkonfliktes einbinden. Österreich stand Spaniens Ziel, durch eine Abrüstung in Europa den Druck ausländischer Mächte auf den Mittelmeerraum zu mildern, positiv gegenüber. Im Oktober 1971 traf der neue, parteifreie Außenminister Kirchschläger zum ersten Mal seinen spanischen Amtskollegen im Rahmen der uno-Vollversammlung in New York. Noch als Industrieminister hatte Gregorio López Bravo 1966 Wien besucht und Österreich auch privat kennengelernt. Zur Hirschbrunft war er bei Familie Krupp auf Schloss Blühnbach inWerfen zu Gast gewesen und hatte mehrmals die Salzburger Festspiele besucht.264 Bravo, ein Schiffsbauingenieur Jahrgang 1923, vertrat eine weitere Öffnung Spaniens in Richtung Europa. Nach dem Gespräch vermerkte Kirchschläger auf dem diesbezüglichen Akt  : »In mehreren Gesprächen mit Außenminister Lopez Bravo aus Anlass gesellsch. Veranstaltungen in NY ergab sich ein so gutes Klima und ein so interessanter Gedankenaustausch über europäische Fragen, dass ich Besuch in Madrid in Aussicht stellte.«265 Die Spanier erneuerten daraufhin jene Einladung zu einem Besuch, den Bravos Vorgänger Castiella bereits 1966 ausgesprochen hatte. Am 19. November kam Unterstaatssekretär Gabriel Fernández de Valderrama nach Wien, um den Vorsitz bei einer Konferenz der spanischen Vertreter in den Oststaaten zu führen. Am nächsten Tag traf er Kirchschläger. Das große Interesse Valderramas an der Entwicklung im Osten sei auffallend gewesen, bemerkte dieser, und die starke Aufmerksamkeit gegenüber der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. »Gegenüber Österreich wurde sehr deutlich ein Interesse an einer Intensivierung der Beziehungen offenbar. Der Anlass hierzu dürfte ein guter persönlicher Kontakt, der zwischen Minister Bravo und mir in New York zustande kam sein  ; der tiefere Grund aber scheint nicht nur im außenpolitischen Gebiet, sondern auch in der innenpolitischen Situation Spaniens zu liegen (Demonstration des 264 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 150.816-pol69, Zl. 167.216, Gregorio López Bravo, neuer spanischer Außenminister  ; Frage der Gegeneinladung. Madrid, 18.11.1969. 265 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 120.761-pol71, Zl. 120.761.

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guten Verhältnisses der gegenwärtigen Regierung mit einem Staat mit sozialdemokratischer Regierung).«266 Kirchschläger versprach sich zu bemühen, einen Besuch 1972 möglich zu machen. Bis dahin solle ein weiterer Gedankenaustausch auf der Ebene der Staatssekretäre stattfinden. Valderrama kündigte an, erneut nach Wien kommen zu wollen. Bei seinem nächsten Besuch im Herbst 1972 war Spanien im Begriff, seine Wirtschaftsbeziehungen zu den Rest-efta-Staaten neu zu verhandeln und hoffte dabei auf Unterstützung. Wieder war der Anlass des Besuchs eine Konferenz der spanischen Diplomaten in Osteuropa. Am 18. September führte Valderrama Gespräche im Außenministerium und mit dem Sektionschef des Handelsministeriums, am Tag darauf traf er Kirchschläger. Nur spö-Wirtschaftsminister Josef Staribacher weigerte sich, ihn zu empfangen, weil er zur Anwesenheit im Parlament verpflichtet sei, wie es offiziell hieß.267 Auf dem Parteitag in Villach im April hatte der spö-Vorstand in einer Resolution die Militärdiktatur in Griechenland verurteilt, die sich angebliche Interessen der nato zunutze machen würde, um dem Volk Recht und Freiheit vorzuenthalten. »Auf den gleichen Vorwand stützen sich die alten faschistischen Diktaturen in Spanien und Portugal. Die Überwindung dieser Diktaturen bleibt ein unverrückbares Ziel aller Demokraten.«268 Nach den Besprechungen in Wien unterstützte Spanien in der uno-Vollversammlung Österreichs Kandidatur um einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat sowie Wiens Bewerbung als Austragungsort der internationalen Seerechtskonferenz und als Sitz für das Umweltschutzsekretariat der Vereinten Nationen. Kirchschlägers Besuch in Madrid, auf den die Spanier viel Wert legten, sollte im Frühjahr 1973 stattfinden.269 Bei der Beurteilung der Vorbereitungen für die erste ksze-Konferenz, die am 3. Juli 1973 in Helsinki begann, ortete Botschafter Höller »nicht unerhebliche Übereinstimmungen in der Beurteilung verschiedener Fragen« und begab sich zum Leiter der Osteuropa-Abteilung, de la Morena, um näheres zu erfahren.270 Dieser bestätigte ihm, dass sich ein Zusammenspiel der Delegationen ergeben habe. Dies betraf nicht nur den Wunsch, den Nahost-Konflikt auf die Tagesordnung zu setzen, sondern auch Detailfragen, wie die Idee, den arabischen Anrainerstaaten des Mittelmeerraumes mit einer Art Vertretung die Möglichkeit zu einer Einflussnahme zu geben. »Überflüssig zu sagen, dass sich der erwähnte politische Subdirektor über die gute 266 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 120.531-pol71, Zl. 122.028, Amtsvermerk Kirchschläger, 6.12.1971 267 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 152.464-pol72, Zl. 162.748, Besuch Valderrama in Wien. 268 APA 1955 1985, AHI0136 5 II, Villacher Parteitag 6, Resolution des Parteivorstandes, 18.4.1972. 269 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 152.464-pol72, Zl. 154.921, Gregorio López Bravo an Kirchschläger. 270 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 31.806-pol73, Zl. 31.987, Höller an Außenminister, 5.2.1973.

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Zusammenarbeit mit der österreichischen Delegation höchst befriedigt zeigte, ist Spanien doch für jede, aus welchem Grund auch immer gegebene Unterstützung seiner pro-arabischen Politik dankbar«, schrieb Höller.271 De la Morena habe weiter verdeutlicht, dass Spaniens langsame aber stetige Verbesserung der Beziehungen mit dem Osten auf eine völlige Normalisierung abziele, und der Botschaft in Wien deshalb eine wachsende Bedeutung zukomme. Diese sei dabei, sich in einer ganzen Reihe von Bereichen als Mittelpunkt, Kontrollbehörde bzw. Clearing-Stelle zu entwickeln. Innenpolitisch kam Spanien nicht zur Ruhe. Unruhen, Proteste der Bevölkerung und Scharmützel zwischen Reformwilligen und beharrenden Kräften in der Regierung führten dazu, dass Franco das Kabinett erneut umbildete und seinen bisherigen Stellvertreter Luis Carrero Blanco im Sommer 1973 zum Regierungschef ernannte. Ein »Demokratisierungsprozess« sollte dafür sorgen, die Regierungsmacht weiter zu erhalten. Ein bremsendes Signal an die Reformer  : Niemand stand so sehr für die alte Politik wie Carrero Blanco. Für den designierten Staatschef Juan Carlos wurde es umso schwerer, einen Kurs zu finden, der allen Seiten gerecht wurde. »Einer so heiklen, so schwierigen Situation ist der Prinz und seine unmittelbaren Ratgeber gewiss nicht ohne weiteres gewachsen«, schrieb Botschafter Höller. »Er wird daher, so muss angenommen werden, den Weg des geringen Widerstandes gehen, der darin besteht, den Lauf der Dinge vorläufig nicht zu ändern. Ich glaube daher, dass, rebus sic stantibus, die Vorhersage gewagt werden kann, dass der Übergang in die post-Franco Ära ohne größere Erschütterungen vor sich gehen wird und dass das Tauziehen um die zukünftige Gestaltung des spanischen Regierungssystems erst dann beginnen wird, wenn der heute 69-jährige Admiral Carrero Blanco (…) von der politischen Bühne Spaniens abtreten wird.«272 Nach dieser Trendwende ging Kirchschläger auf Distanz zum neuen spanischen Außenminister Laureano López Rodó. Noch vor der uno-Vollversammlung in New York hatte dieser Botschafter Höller an den ausstehenden Besuch in Madrid erinnert. Er verstünde ja die Bedenken, aber ob man nicht trotzdem eine Kurzvisite einplanen könne  ?273 Kirchschläger fand keine Zeit für ihn in New York. Auf die schriftliche Erneuerung der Einladung ließ er ausrichten, dass er aufgrund anderer Verpflichtungen und der Parlamentsarbeit nicht im Stande sei, dieser in voraussehbarer Zukunft nachzukommen.274 271 Ebd. 272 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 150.273-72, Zl. 160.967, Weichenstellung in die Post-Franco Ära, Höller, Madrid, 26.7.1972. 273 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 43.997-pol73, Spanien, Zl. 44991, Madrid, 27.8.1973. 274 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 43.997-pol73, Zl. 48.725, Kirchschläger an López Rodó, 13.11.1973.

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Dann veränderte ein Anschlag den Lauf der Dinge. Regierungschef Carrero Blanco war am 20. Dezember 1973 auf dem Weg zur Morgenmesse, als eine gewaltige Bombe sein gepanzertes Auto zerstörte und meterhoch in die Luft schleuderte. Die eta war für das Attentat verantwortlich. Ein Paukenschlag  : Nun hatte der Franquismus keine Zukunftsperspektive mehr. Für die Beziehungen Österreich-Spanien änderte sich vorerst wenig. Ergänzend zu einem Grundbericht über Spanien fügte Botschafter Höller hinzu  : »Die österreichisch-spanischen Beziehungen im Jahre 1973 wurden vorwiegend von einer in dauerndem Ansteigen begriffenen Zahl österreichischer Touristen in Spanien sowie einem vermehrten Warenaustausch getragen. Die öffentlichen Kontakte verzeichneten bedauerlicherweise keine Steigerung.«275 Ohne auf die Wahrung seiner Interessen zu vergessen, blieb die österreichische Regierung politisch auf Distanz. Im Gegensatz dazu pflegte Deutschland gute Kontakte zu Regierung und Opposition. Im Rahmen der ksze-Konferenz in Helsinki hatte Regierungschef Navarro Gespräche mit Bundeskanzler Helmut Schmidt geführt, und im Mai 1975 war der psoe-Vorsitzende Felipe González bei Willy Brandt in Bonn zu Gast. Aus Österreich weilte lediglich Landwirtschaftsminister Oskar Weihs vom 23. bis zum 29. Mai 1975 in Spanien, allerdings aus rein fachlichen Gründen. Am 28. Mai vereinbarten die Landwirtschaftsminister eine technisch-agrarische Kooperation mit regelmäßigen Expertentreffen.276 Kontakte zur Opposition und die Proteste von 1975 Die Ernennung Gerald Hintereggers zum neuen Botschafter brachte eine Veränderung. Im Februar 1975 traf der junge, ambitionierte Diplomat in Madrid ein. Er hatte drei Außenministern gedient und sah seine Aufgabe weniger im Repräsentieren oder der klassischen Pflege der Beziehungen, sondern im Politischen begründet. Seinen Vorstellungen zufolge war es höchst an der Zeit, wie seine Kollegen aus Schweden, Frankreich oder Deutschland, Kontakte mit Vertretern der legalen und teilweise illegalen Opposition aufzunehmen, denen in der Entwicklung nach Franco eine entscheidende Rolle zukommen würde. Für dieses scheinbar heikle Unterfangen bekam er den Segen aus Wien. Kanzler Kreisky bat ihn aber, vorsichtig vorzugehen, um die offiziellen Beziehungen zur gegenwärtigen Regierung nicht unnötig zu irritieren.277

275 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.1601-pol74, Zl. 187.1601, Madrid, 30.1.1974. 276 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.0301/98-II 2-pol75, Zl. 187.0301, Information für den Herrn Bundesminister, 7.11.1975. Sowie AGA 51/09492, Ministerio de Informacion, SEI, 1970–1975, Politica Exterior. Relaciones. España-Austria. Artikel in Ya, 24.5.1975. 277 Gerald Hinteregger, Im Auftrag Österreichs. Gelebte Außenpolitik von Kreisky bis Mock (Wien 2008), 172, 181.

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Zu Hintereggers Überraschung zeigte sich Franco gut über Österreich informiert. Frack mit Orden lautete der Dress-Code für die Präsentation des Beglaubigungsschreibens im Palacio Real. Unter dem Begleitschutz maurischer Reiter ging es in prächtigen Kutschen durch die gesperrten Straßen der Madrider Innenstadt. Der Staatschef werde wortkarg sein, war ihm prophezeit worden, also hatte Hinteregger nur eine kurze Rede vorbereitet. »Wobei es nicht ganz einfach war, in Anbetracht der kritischen Haltung der österreichischen Regierung die richtigen Worte zu finden.«278 Nach dem Weg durch unzählige Prunkgemächer wartete Franco im Thronsaal – neben dem Thron stehend – auf Hinteregger. Nachdem dieser gesprochen hatte, stellte der Diktator viele Fragen  : über Österreichs Erfahrungen mit den kommunistischen Nachbarn, die Entwicklung in Jugoslawien, die sowjetisch-chinesischen Verhältnisse. Das Gespräch dauerte länger als geplant. Halb im Ernst, halb im Scherz warf der Protokollchef Hinteregger vor, er habe das ganze Besuchsprogramm durcheinandergewirbelt. Ausgerechnet der US-Botschafter hatte warten müssen. Der Antrittsbesuch bei Francos designiertem Nachfolger, Juan Carlos, verlief im Kontrast dazu sehr informell. Schlichtes Zeremoniell, normaler Straßenanzug. Am 17. April empfing er Hinteregger in seinem Amtssitz unweit des Palacio Real. Er erwähnte einen Kurzbesuch in Österreich mit 19 Jahren, der ihm die große Sympathie der Österreicher für Spanien demonstriert hätte, betonte sein Interesse an einer Vertiefung der Beziehungen und vergaß nicht zu erwähnen, dass er und Prinzessin Sofía große Anhänger des Skisports seien und gerne einmal in Österreich Urlaub machen würden.279 Lobende Worte fand er für Ex-Außenminister López Rodó, der im Zuge der internen Machtkämpfe mit Ministerpräsident Arias schon zu Beginn des Jahres zum Botschafter in Österreich degradiert worden war – eine echte Erniedrigung. Nun saß allerdings ein enger Vertrauter des Königs in Wien. Ein erstes Vorfühlen, ob Bundespräsident Kirchschläger nicht bereit wäre, den international noch wenig profilierten Monarchen zu einem halboffiziellen Besuch in Verbindung mit den Salzburger Festspielen einzuladen, wurde zurückgewiesen. »Persönlich bedauerte ich diese Absage«, schrieb Hinteregger, »da damit eine Gelegenheit versäumt wurde, dem künftigen Staatsoberhaupt gegenüber eine Geste zu setzen  ; offenbar war dafür in Österreich, politisch gesehen, die Zeit noch nicht reif.«280 In einer politisch heiklen Phase schlitterte Spanien erneut in eine internationale Isolation, die an die Jahre der Nachkriegszeit erinnert. Die Stimmung war aufgeheizt, seit es in einem Sammelprozess gegen Angehörige der eta und der maoistischen Terrororganisation fr ap zu 11 Todesurteilen gekommen war, darunter gegen 278 Ebd., 175. 279 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 1870301,13-II.2-pol75, Zl. 1870301, Antrittsbesuch bei Juan Carlos, Hinteregger an Außenminister, Madrid, 24.4.1975. 280 Hinteregger, Im Auftrag Österreichs, 178.

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eine schwangere Frau. Aus dem Ausland trafen Gnadenappelle ein, am 23. September auch aus Österreich. Darin wurde allerdings ausdrücklich festgehalten, dass dies aus humanitären Gründen passiere und man sich nicht in die inneren Angelegenheiten Spaniens einmischen wolle.281 Nach einigen Begnadigungen blieben fünf Todesurteile aufrecht. Zwar sollte die barbarische Garotte, mit der noch im Jahr zuvor zwei Personen erdrosselt worden waren, nicht mehr zum Einsatz kommen  : Doch am 27. September wurden fünf Personen exekutiert. Daraufhin entluden sich wütende Proteste in Europa. In Wien drangen noch am selben Tag rund 30 radikale Demonstranten, darunter der Obmann der Jungen Generation der spö, Albrecht Konecny, in die spanische Botschaft ein, bedrohten das Personal, beschmierten die Wände, richteten erheblichen Schaden an und demolierten das Auto des Botschafters. Die Polizei nahm niemanden fest und die Staatsanwaltschaft stellte ein späteres Verfahren gegen Konecny ein. Die Regierung drückte ihr Bedauern aus und erklärte sich bereit, alle Schäden zu ersetzen.282 Erst am 15. Dezember 1976 wurden dafür auf ein Konto bei der Creditanstalt 44,733,60 Schilling überwiesen.283 Der Bund sozialistischer Freiheitskämpfer, die junge Generation der spö und der Verband sozialistischer Studenten spannten in einer gemeinsamen Resolution den Bogen von Dollfuß bis zu Franco  : »So wie 1934 dutzende österreichische Sozialdemokraten und Schutzbündler durch eine weltweite Protestwelle vor dem Galgen des Dollfußregimes gerettet werden konnten, ist es heute Aufgabe und Pflicht der österreichischen Sozialisten und aller anderen Demokraten, auf das Schärfste gegen das spanische Terrorregime und seine Mordmaschinerie zu protestieren.«284 Der ögb und 25 weitere Gewerkschaften des europäischen Gewerkschaftsbundes erklärten den 2. Oktober zum internationalen Kampftag gegen die spanische Diktatur. Eine Demonstration von rund 5.000 Menschen auf dem Schwarzenbergplatz, die der Journalist Günter Nenning mit dem Sozialisten Klaus Derkowitsch und anderen angemeldet hatte, verlief zunächst friedlich. Dann zogen bis zu 1.000 Gewaltbereite zum nahe gelegenen Büro der staatlich-spanischen Fluglinie Iberia, wo es zu schweren Ausschreitungen kam. 66 Polizisten wurden dabei verletzt.285 Die »Gruppe revolutionärer Marxisten« fand positive Worte für die Aktion. In einer Pressekonferenz 281 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.0301/31-II.2-pol75, Zl. 187.0301, Appell der Bundesregierung. Sowie ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.0301/61-II 2-pol75, ZL 187.0301, Gespräch des Bundesministers mit dem spanischen Botschafter. 282 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187 51-100, 01/03-pol75. Sowie ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.0301/66-II 2-pol75., Zl. 187.0301. 283 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.0201/ 1-II 2-pol77. Spanien, Protestdemonstrationen in Wien im September und Oktober 75, Schadensvergütung an die spanische Botschaft. 284 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.0301/48-II 2-pol75, Zl. 187.0301. 285 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.0301 – 67 II 2-75pol, Zl. 187.0301, Information an den Herrn Bundesminister.

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am nächsten Tag verurteilte Kanzler Kreisky die Gewalt, sprach von der terroristischen Aktion einer radikalen Gruppe und distanzierte sich klar von den Kommunisten. Der von övp-Obmann Taus ventilierte Vorwurf, es gebe eine Aktionseinheit zwischen spö und kpö, wies spö-Zentralsekretär Marsch vehement zurück  : Die spö verurteile politischen Terror, in jeder Form, in jedem Land.286 Hunderte Journalisten und Medienmacher, angeführt vom Vorsitzenden der Journalistengewerkschaft, Günther Nenning, forderten in einer Resolution die Regierung dazu auf, die Beziehungen zu Spanien abzubrechen und den Botschafter aus Madrid einzuberufen. Der Präsident des Europarates, Karl Czernetz von der spö, protestierte gegen die Unmenschlichkeit des Franco-Regimes und wies darauf hin, dass die Prozesse, die zu den Todesurteilen führten, allen Regeln der Menschenrechtskonvention widersprochen hätten. In Resolution 599 forderte die Versammlung des Europarates ihre Mitglieder dazu auf, die Zusammenarbeit mit dem spanischen Regime zu überprüfen, wies aber darauf hin, dass der Eintritt eines demokratischen Spanien in die europäischen Organisationen für das Land günstig wäre. Viele Verbände und Institutionen protestierten, auch övp und kpö forderten den Abbruch der Beziehungen.287 Das Außenamt wollte dies vermeiden. Bereits in ähnlichen Situationen in Chile oder Griechenland hatte man zurückhaltend reagiert. Österreich gehöre nicht zu jenen Ländern, die eine »demonstrative Politik« bevorzugen, sagte Kreisky in einem Interview mit dem steirischen SP-Blatt Neue Zeit. Natürlich liege Österreichs Sympathie nicht bei Diktaturen, aber unter Umständen könne durch die Aufrechterhaltung der diplomatischen Beziehungen mehr geholfen werden. »Gerade weil wir die Beziehungen mit Chile pflegen, gelingt es uns immer wieder, den Verfolgten in Chile zu helfen.«288 Schließlich folgte Kreisky am 30. September aber dem Vorbild fast aller europäischen Staaten und berief Hinteregger nach Wien – wollte das aber nicht als »Geste im üblichen Sinn« verstanden wissen, sondern nur als Maßnahme, um sich aus erster Hand informieren zu können.289 Dennoch wurde die Ratifizierung eines am 17. September unterzeichneten Kulturabkommens vorerst ausgesetzt und die Aufnahme von Verhandlungen über ein Auslieferungsabkommen sowie anderer Rechtshilfeabkommen wegen »Terminschwierigkeiten« verschoben.290 Doch bereits am 10. Oktober kehrte Hinteregger – als erster aller einberufenen Botschafter – wieder nach Madrid zurück. Die har-

286 AZ, 4.10.1975, 1, 2. 287 APA 1955–1985, AHI0168 5 II, 29.9.1975. 288 APA 1955–1985, AHI0141 5 II, Weitere österreichische Reaktionen auf Hinrichtungen 2, 28.9.1975. 289 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 1870301/37-II.-pol75, Zl. 187.0301. 290 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.0301/98-II 2-pol75, Zl. 187.0301, Information für den Herrn Bundesminister, 7.11.1975.

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ten internationalen Reaktionen hätten einen Schock hinterlassen, berichtete er nach Wien. Die gemäßigte Haltung der deutschen und österreichischen Regierung habe man aber sehr wohl registriert. Insbesondere hätte die dezidierte Abgrenzung des Herrn Bundeskanzlers von den kommunistischen Demonstranten starken Eindruck gemacht, verriet ihm eine ungenannte Quelle seines Vertrauens aus der Umgebung von Ministerpräsident Navarro.291 Hintereggers Absicht, mit der Opposition Kontakt aufzunehmen, war der spanischen Regierung willkommen, sie lud sogar förmlich dazu ein. Im Oktober 1975 gab seine Vertrauensquelle zu verstehen, dass sich der Draht zu manchen Reformgruppen abgekühlt und die psoe radikalisiert hätte, aber aus Sicht der Regierung die Teilnahme aller Kräfte nötig sei, um den friedlichen Übergang zu einem demokratischen System zu schaffen. Im Versuch, die zersplitterten Gruppen der Linken zu einem Zusammengehen in diesem Sinne zu bewegen, könnten gemäßigte Länder wie Deutschland oder Österreich eine besonders nützliche Rolle spielen, führte Hintereggers Gesprächspartner weiter aus. Außerdem könne einem künftigen demokratischen Spanien ein großer Dienst erwiesen werden, wenn Prinz Juan Carlos in seiner Rolle als künftiges Staatsoberhaupt gestärkt werden könnte, sei es auch nur in Form einer Einladung zu einem inoffiziellen Besuch, etwa einem Jagdaufenthalt. Letzerer Vorschlag erschien Hinteregger »unter den gegenwärtigen Umständen, soweit es Österreich betrifft«, nicht realisierbar.292 Unbeirrt fuhr der Botschafter fort, ein Netzwerk zu den politischen Akteuren des politischen Übergangs zu knüpfen. Am 31. Oktober traf er Felipe González, den Vorsitzenden der sozialistischen psoe, damals noch Teil der verbotenen Opposition. Der Journalist Hugo Portisch, der mit einer Empfehlung des Sekretärs der Sozialistischen Internationale in Madrid weilte, hatte das Treffen vermittelt.293 Derzeit wolle die psoe, erklärte González bei einem Mittagessen in der Botschaft, das Ausland über die tatsächlichen Gegebenheiten in Spanien informieren und Klischeevorstellungen korrigieren. So sei es völlig unrichtig, das Regime Franco mit den Diktaturen Hitlers oder Mussolinis zu vergleichen. Die Bedeutung der vielen Kleinparteien schätzte er als gering ein und betonte, dass in einem künftigen demokratischen Spanien vor allem mit den Christdemokraten, Sozialisten und Kommunisten zu rechnen sei – diese aber nicht verboten werden sollten, da sie davon nur profitieren würden.294 Zu Juan Carlos gebe es für gewisse Zeit keine Alternative  : Die psoe sei zwar keineswegs

291 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.0301/92-II 2-pol75, Zl. 187.0301, Spanien unter dem Schock der Ereignisse um den 1. Oktober 1975, Hinteregger an Bielka, 22.10.1975. 292 Ebd. 293 Hinteregger, Im Auftrag Österreichs, 184. 294 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.0301, 100-II 2-pol75, Zl. 187.0301, Hinteregger an Außenminister, 5.11.1975.

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monarchistisch eingestellt, doch der König könne mit einer Unterstützung von etwa 80 Prozent der machtpolitisch entscheidenden Kräfte rechnen. Jede Polarisierung müsse vermieden werden. Ebenso betonte González großes Interesse, mit sozialdemokratischen Parteien, insbesondere der spö, in Kontakt zu treten. Hinteregger empfahl Kreisky daher, so bald wie möglich mit González Kontakt aufzunehmen.295 Im November traf er den einstigen ceda-Mitgründer und Christdemokraten José María Gil-Robles, der mit einem friedlichen Übergang zur Demokratie rechnete und die christlich-demokratischen und sozialistischen Strömungen als staatstragende Kräfte nannte.296 Im Dezember aß er mit Manuel Fraga Iribarne zu Mittag, dem Vorsitzenden der konservativen Alianza Popular, die nach der Wende – im Gegensatz zu den Christdemokraten – tatsächlich zur Oppositionskraft werden sollte. Nur eine schrittweise Entwicklung zur Demokratie habe Aussicht auf Erfolg, sagte dieser. Auch eine starke sozialdemokratische Partei sei dafür wichtig. Zuerst müssten sich aber alle sozialistischen und sozialdemokratischen Gruppen auf einen gemäßigten Kurs einigen. Was immer hierzu aus dem Ausland dazu beigetragen werden könne, sei ein echter Beitrag zur Demokratisierung des Landes  ; Hier könnten vor allem Länder wie Österreich gute Dienste leisten.297 Hinteregger hatte auch den Führer der linkssozialistischen Partei, Tierno Galván, getroffen, mit dem Erzbischof von Madrid gesprochen, der die Trennung von Kirche und Staat bekräftigte, sich über die Armee informiert und die großen Gewerkschaften kontaktiert. Er sondierte bei allen Kräften, die im Übergang zur Demokratie noch eine Rolle spielen würden. Der König nimmt Kontakt auf Auf spanischer Seite hatte sich ein Netzwerk an Personen um Juan Carlos gebildet, in dem Österreich ein gewisser Stellenwert zufiel. Während Franco im Herbst 1975 mit dem Tod rang, wurde ein enger Freund von Juan Carlos bei Kreisky in Wien vorstellig  : der ehemalige König von Bulgarien, Simeon (Sakskoburggotski) II., der in Madrid lebte. Simeon führte aus, man habe in seiner Umgebung registriert, dass die neue Staatsform Spaniens, nämlich die Monarchie, ihre größte Stabilität in Ländern erlangt hätte, die in eindeutiger Weise von sozialdemokratischen Parteien regiert würden.298 Er meinte die Labour Party, die schwedischen, norwegischen, dänischen, holländischen und belgischen Parteien. Die Sozialisten seien zwar republikanisch eingestellt, würden in der Praxis aber nicht so handeln  : Das hätte ihn und seine Um295 Hinteregger, Im Auftrag Österreichs, 185, 186. 296 Ebd., 182. 297 Das Gespräch hatte der CEDI-Mann Gaupp-Berghausen vermittelt. ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.0301/114-II 2-pol75, Zl. 187.0301, Madrid, 10.12.1975. 298 Kreisky, Der Mensch im Mittelpunkt, 292.

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gebung zu einem europäisch-politischen Weltbild geführt. Am Ende des Gesprächs kam Simeon II. zur Sache  : Man sei sich bewusst, dass die europäischen Demokratien nach Francos Tod wenig Wert auf eine hohe Repräsentation bei seinem Begräbnis legen würden, seine Ansicht sei es aber, dass man der Monarchie in Spanien einen Vertrauensvorschuss geben sollte. Nun hatte Kreisky verstanden  : »Wir verabschiedeten uns, und ich hatte das Gefühl, dass mir hier unter Umständen eine besondere Aufgabe, wenn auch nicht von sensationellem Charakter, zufallen könnte.«299 Der Kanzler bat den Vertreter der spanischen Sozialisten im Exil, Adolfo Lopez, zu sich nach Wien und erzählte ihm von dem Gespräch. Ob er der gleichen Meinung sei, weil er dann versuchen würde, seine Freunde in den verschiedenen Parteien dahingehend zu beeinflussen, bei der Krönung des neuen Königs eine Spur zahlreicher vertreten zu sein. Das allerdings nur unter der Voraussetzung, dass das eine Vorleistung wäre, wenn es Gegenleistungen gäbe.300 Lopez stimmte zu. Am 20. November 1975 wurde Franco nach wochenlangem Siechtum von den lebenserhaltenden Maschinen getrennt und für tot erklärt. Am Trauerzug bis zum Stadtrand nahm Botschafter Hinteregger teil, nicht jedoch am Begräbnis im Valle de los Caídos – so wie die meisten seiner Kollegen. Sollte nun neben ihm am 27. November noch ein weiterer Vertreter an den Feierlichkeiten zur Inthronisierung von Juan Carlos teilnehmen  ? Die Antwort schien trotz Kreiskys Versprechen gegenüber Lopez nicht so einfach. Außenminister Erich Bielka war laut Hinteregger dagegen und teilte die Skepsis all jener spö-Parteikollegen, die in dem jungen Bourbonen ein Geschöpf Francos sahen und abwarten wollten.301 Aus einer Weisung an die Botschaft ging klar hervor, dass Österreich keinen Sonderrepräsentanten entsenden würde.302 Hinteregger aber glaubte, dass eine Minimalvertretung schaden würde. Am 25. November gab er nach Wien durch, wer sich bereits angekündigt hatte  : Prinz Phillip aus England, Prinz Albert aus Belgien, Vizepräsident Rockefeller aus den usa, die deutschen und französischen Staatspräsidenten.303 Da sich Bielka gerade auf Reisen befand, machte sich Hinteregger noch einmal direkt bei Kreisky für die Entsendung eines Sonderrepräsentanten stark. Dieser teilte schließlich mit, dass Verteidigungsminister Karl Lütgendorf nach Madrid reisen werde – ein Adeliger, parteifreies Mitglied der Regierung, und einer der höchsten Offiziere des Bundesheeres.304 Mit Hilfe des cedi-Mitgliedes Georg von Gaupp-Berghausen gelang es Hinteregger, am Vorabend der Feierlichkeiten ein Abendessen in der Botschaft zu arrangieren, an dem hohe

299 Ebd., 293. 300 Ebd. 301 Hinteregger, Im Auftrag Österreichs, 191. 302 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.01.04, 23-pol75, Zl. 187D1.04, Hinteregger nach Wien, 24.11.1975. 303 ÖStA, AdR, AA, Zl. 187.0104-pol75. 304 Hinteregger, Im Auftrag Österreichs, 191.

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Repräsentanten der spanischen Streitkräfte teilnahmen. Darunter Generalstabschef Santiago, der zum stellvertretenden Ministerpräsidenten ernannt worden war. Auch die Armee würde volles Vertrauen in den König setzen, bekräftigte er, die Einheit des Landes habe Priorität.305 Nach einer Zeremonie im Parlament fand ein Empfang im Palacio Real statt. In persönlich gehaltenen Worten bemerkte der König, wie sehr er es schätze, dass Österreich durch ein Regierungsmitglied vertreten sei, und bat Lütgendorf, dem Bundeskanzler seinen besonderen Dank zu übermitteln.306 Ein Aufbruchsjahr und der Mallorca-Bonus Von da an intensivierten sich die informellen Gespräche Kreiskys mit seinen Freunden auf Mallorca, die offiziellen diplomatischen Kontakte und die Beziehungen zwischen den spanischen und österreichischen Sozialisten  ; in einer Phase, als es darum ging, die Transición, Spaniens Übergang zur Demokratie, voranzutreiben. 1976 war ein echtes Aufbruchsjahr in den Beziehungen Österreich-Spanien. Am 12. Februar fanden sich Felipe González und Mário Soares, die Sozialistenführer Spaniens und Portugals, zu den Bürgerkriegs-Gedenkfeiern der spö in Wien ein, »an jenem Tag«, so der Wiener Bürgermeister und stellvertretende spö-Vorsitzende, Leopold Gratz, »der uns an unseren eigenen Kampf gegen den Faschismus erinnert«.307 Doch Kreisky hatte keine politischen Berührungsängste in andere Richtungen. Ende Februar empfing er den Führer der absolutistischen Carlisten, Carlos Hugo, der ihm erzählte, dass von Juan Carlos keine Änderung zu erwarten sei, da er Franco geschworen habe, das System zu verteidigen.308 Aber ausgerechnet Kreisky sollte einen besonderen Draht zum spanischen König entwickeln, obwohl ihm berichtet worden war, dass sich der junge Thronfolger mit einem Heer von Playboys umgab und nicht besonders an Politik interessiert war. Die Botschafter Höller und Hinteregger hatten freilich einen positiveren Eindruck des jungen Thronfolgers vermittelt. Ein Mann im Hintergrund erfüllte eine besondere Rolle, wenn es darum ging, zwischen Kreisky und Juan Carlos zu vermitteln  : Der Mallorquiner Rechtsanwalt Damián Barceló. Er kannte Kreisky seit dessen Urlaub auf Mallorca 1966 und stand seitdem mit ihm in Verbindung. Auch zum spanischen König, einem Bekannten aus Kindheitstagen, hielt er regelmäßig Kontakt. »In einer meiner Unterredungen mit dem König sagte er mir, dass es der Transición zuträglich wäre, einen Schritt auf ein europäisches Land zuzugehen, das eine sozialistische Regierung hätte, aber zwischen 305 Ebd., 192. 306 Ebd., 193. 307 AZ, 6.2.1976, 1. Sowie AZ, 13.2.1976, 3. 308 AZ, 29.2.1976, 2.

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den zwei Ost-West-Blöcken neutral wäre, und dass Österreich das Land sei, welches diese Voraussetzungen am besten vereine – weil die Ratschläge von Kanzler Kreisky an seine Parteigenossen sehr wertvoll für die Aushandlung der nötigen Kompromisse sein könnten, um die Transición durchzuführen – ohne Brüche, durch den Dialog, basierend auf der Toleranz.«309 Ab diesem Zeitpunkt, schrieb Barceló, habe er begonnen als Bote zwischen dem König und Kreisky gebraucht zu werden. Über seine politischen Hilfsdienste führte er genaue Aufzeichnungen. Am 7. Mai 1976 befand er sich in Wien, weil er Gespräche mit Kreisky arrangiert hatte. Morgens redete er eine halbe Stunde allein mit dem Kanzler und teilte ihm mit, dass der König ob des Drucks, den die Sozialisten auf seine Verhandlungen mit der Regierung ausübten, genauso beunruhigt sei wie über deren rigorose politische Forderungen  ; und dass seine Majestät um Mäßigung durch seinen Rat bitte – mit dem erneuten Versprechen, eine echte Demokratie anzustreben. »Was hältst du davon  ?«, fragte Kreisky Barceló. Dieser bekräftigte die ehrlichen Absichten des Königs. »Kreisky versprach, dass er mit Willy Brandt reden würde und sie sicherlich eine gemeinsame Haltung zur Unterstützung der Wünsche des Königs einnehmen und ihm Mut machen würden. (…) So war es tatsächlich.«310 An einem Gespräch im Hotel Imperial, später an diesem Tag, nahm Rafael Pérez Escolar teil – ein für die Transición bedeutender Jurist. Er hatte in Madrid ein Büro mit Francisco Fernández Ordóñez eröffnet, der Präsident des Industrieinstitutes gewesen war, dann die kleine sozialdemokratische Partei gründete, und für die Union des Demokratischen Zentrums (ucd) Minister im Kabinett Suárez und später unter González wurde. Zudem war Escolar Generalsekretär der Firma Gabinete de Orientación y Documentación S.A. (godsa), die der spanische Innenminister Fraga Iribarne mit dem Ziel gegründet hatte, den organisatorischen Unterbau für eine große Sammelpartei des Zentrums zu schaffen – unter Einbeziehung der Christdemokraten und Sozialdemokraten. Fraga trat als Mitgründer der Alianza Popular bei den ersten freien Wahlen an. Kreisky lauschte den Ausführungen von Pérez Escolar über die Situation in Spanien. Dann sprach er über seine Standpunkte, dass er den spanischen Kameraden helfen wolle, die noch nicht als Partei anerkannt wären. Dass er bereit sei, beim Übergang zur Demokratie mit seinem Rat zur Verfügung zu stehen. »Er erklärte die Position Österreichs als neutrales Land (…), die Politik, welche die sozialistische Partei unter den Vorzeichen der Anerkennung von Freiheiten und dem Respekt der Menschenrechte führe, mit staatlichen Interventionen wenn diese notwendig seien, aber ohne großes Verlangen wirtschaftlicher Positionierung, weil die öffentliche Verwaltung immer langsamer sei als die private, und darüber hinaus weniger 309 SBKA, Länderbox Spanien VII 1. Bericht von Damían Barceló Obrador an D. Günter Pauli, Brüssel, über seine Beziehung zu Kreisky. 310 Ebd., 40.

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effizient.«311 Auch die Sozialpartnerschaft war ein Thema. Mit dem föderalen Bundesstaat sei man sehr zufrieden, meinte Kreisky, und es wäre nicht vernünftig, die Einheit Spaniens als Konzert von Regionen in Frage zu stellen, eine Auflösung entspreche auch nicht dem Geist der europäischen Gemeinschaft. Am 11. Mai 1976 bedankte sich Barceló schriftlich bei Kreisky für das Gespräch  : »Meine Freunde und ich beglückwünschen dich für das schöne Bild des Bürgerfriedens in Österreich. Ein Sozialismus wie der deine kann sich perfekt mit dem Zentralismus verstehen, den wir vertreten, vorausgesetzt, dass die einen und die anderen ehrlich und in den Übereinkünften sehr darauf bedacht sind, die Programme und Allianzen exakt zu definieren.«312 In Spanien rumorte es, doch allmählich schwenkte die Opposition auf den Kurs von Juan Carlos ein, die Öffnung des Regimes nicht durch einen Bruch, sondern durch einen mit den Franquisten paktierten Übergang vorzunehmen. Anfang Juli 1976 trat Premierminister Arias, der als Hindernis dafür galt, auf Druck des Königs zurück. Der wenig erfahrene Adolfo Suárez folgte ihm nach. Der neue Außenminister, Marcelino Oreja, galt als ausgewiesener Reformer. Auf dessen Agenda standen Visiten in Rom und Paris, für August waren Besuche in der Schweiz und in Deutschland geplant. Doch seine erste Auslandsreise, nur 48 Stunden nach der Amtsübernahme, führte ihn am 10. Juli nach Wien. Dort konferierten erneut die spanischen Ost-Diplomaten und Oreja nutzte die Gelegenheit für Gespräche mit Kreisky, Bielka, Nationalratspräsident Anton Benya, övp-Obmann Josef Taus und Bundespräsident Kirchschläger. Österreichs aktive Neutralität, seine Stellung im Ost-West- wie im Nord-Süd-Dialog seien für Spanien von großem Interesse, betonte er auf diesem inoffiziellen Besuch und bekräftigte den europäischen Kurs seines Landes.313 Das klare Ziel seien eine rasche Integration in die EG und die Normalisierung der Beziehungen mit allen Staaten. Voraussetzung dafür war natürlich eine Demokratisierung Spaniens. Am 28. September kam Gewerkschaftsminister Enrique de la Mata nach Wien. Offiziell ein Privatbesuch, den er zu Gesprächen mit ögb-Präsident Benya, Außenminister Bielka und övp-Obmann Taus nutzte.314 Bald reiste spö-Klubobmann Heinz Fischer mit einer Delegation der Interparlamentarischen Union nach Madrid. Auch die övp knüpfte wieder Kontakte nach Spanien  : zur christlichsozialen Fe­ de­ ración Popular Democrática (fpd) des einstigen ceda-Gründers José María 311 Ebd., 42f. 312 SBKA, VII.12 Reisen nach 1983, Box 10  : Spanien (Mallorca  !), Barceló an Kreisky, 11.5.1976. 313 Zeitungsartikel zitiert in ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187, 18-03, Zl. 187.18.06/11-II.2-pol76, Spanischer Außenminister Oreja in Wien. 314 Am 30. September gab er ein Pressegespräch in der spanischen Botschaft. ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.18.12/1-II.2-pol76, Besuch des spanischen Ministers für gewerkschaftliche Beziehungen bei Bundesminister Bielka.

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Gil-­Robles. Auf Einladung der övp kam dieser am 12. Oktober nach Wien. Dort verunglimpfte er seine Konkurrenzpartei, die rechte Alianza Popular, deren Führung der spanische Botschafter in Wien, Laureano López Rodó, übernahm, als »faschistisch«.315 Im Februar 1977 reiste övp-Generalsekretär Sixtus Lanner, damals Vizepräsident der Union Europäischer Christdemokraten, zu einer Tagung ranghoher Parteikollegen nach Madrid, wo er Gespräche mit Ministerpräsident Suárez, Außenminister Oreja und Handelsminister Llado führte. Dabei sei über die Zusammenarbeit aller nicht-sozialistischen Kräfte in Europa diskutiert worden, berichtete die Austria Presse Agentur. Lanner betonte, dass die Volkspartei die Entwicklung in Spanien begrüße und die Bemühungen ihrer Schwesterpartei beim Aufbau demokratischer Einrichtungen unterstütze.316 In den ersten freien Wahlen erhielt die fpd aber nur wenig mehr als ein Prozent aller Stimmen, und die övp unterstützte fortan den Wahlsieger, die Union des Demokratischen Zentrums (ucd). Bruno Kreisky fuhr fort, den König zu unterstützen, obwohl er auch die internen Protestaktionen seiner Partei mittrug. Nach neuerlichen Verurteilungen von Gewerkschaftern vor spanischen Militärgerichten richtete die spö Ende April eine Resolution an die spanische Regierung, in der die Wiederherstellung demokratischer Rechte und das Selbstbestimmungsrecht der Völker in Katalonien, Galicien und im Baskenland gefordert wurde. Botschafter López Rodó wies das als Einmischung in innere Angelegenheiten zurück.317 Im Sommer nahm Kreisky, nachdem er in den Jahren zuvor stets abgelehnt hatte, schließlich die Einladung Damián Barcelós an, am 29. Oktober 1976 auf einer Veranstaltung des Instituto Balear de Direccion de Empresas auf Mallorca zu sprechen. Nicht nur Managementexperten waren zuvor Gäste bei Veranstaltungen des Wirtschaftsinstitutes gewesen, sondern auch politische Referenten aus Reform- und Oppositionskreisen. Barceló war mit Pérez Escolar befreundet, und auch sonst schien es für Botschafter Hinteregger gute Kontakte des Instituts zur politischen Reformgruppe um Fraga Iribarne zu geben. Er hatte Kreisky empfohlen, die Einladung zu dem Vortrag anzunehmen  : »Ich stelle immer wieder fest, dass das österreichische Modell der ›Convivencia Democratica‹ zunehmend an Attraktivität gewinnt«, schrieb er dem Kanzler.318 »Eigentumsstrukturen im demokratischen Europa« sollte der Titel des Vortrags lauten, und auf der Gästeliste standen namhafte Reformer aus dem gesamten Parteienspektrum, die alle am Aufbau neuer Parteien beteiligt waren  : Felipe González, Manuel Fraga Iribarne, Federico Silva Muñoz, Joaquín Garrigues Walker oder

315 SBKA, VII 1 Länderboxen. Spanien, Information für den Herrn Bundeskanzler, 12. 316 APA 1955–1985, AHI0077 5 AA, 03.2.1977. 317 Berichte der Agenturen DPA und EFE, zitiert in AGA 42/08912, E.3. 318 SBKA, VII.12 Reisen nach 1983 Box 10  : Spanien (Mallorca  !). Hinteregger an Kreisky, 22.4.1976.

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Enrique Tierno Galván.319 Kreisky gefiel die Idee, den Spaniern nach Jahren der Propaganda die Angst vor einer sozialistischen Regierung zu nehmen.320 Allerdings knüpfte er sein Kommen an die Zusage, dass auch der für 4. November geplante Parteitag der spanischen Sozialisten stattfinden könnte. Als der Innenminister seine Zustimmung nicht gab, verweigerte auch Kreisky seine Rede und lehnte den durch Barceló unterbreiteten Vorschlag ab, Juan Carlos im Madrider Zarzuela-Palast zu besuchen. Er werde aber, wie geplant, am 28. Oktober nach Palma kommen, ließ er ausrichten. Nach Rücksprache mit Juan Carlos arrangierte Barceló ein Treffen mit Manuel Prado y Colón de Carvajal. Am 29. Oktober erklärte der Vertraute des Königs Kreisky im Hotel San Vida die Hintergründe der Entscheidung  : dass die Regierung alle Parteien legalisieren wolle, aber erst nachdem über das Gesetz der politischen Reform abgestimmt worden wäre, um die Franquisten nicht zu verprellen – die ja, sozusagen, ihrer eigenen Entmachtung zustimmen sollten. Dann würde man mit der Rechten und Linken eine Verfassung ausarbeiten und darüber abstimmen lassen, was etwa ein Jahr dauern werde. »Bruno antwortete (…), dass der König, wenn die Transición so vor sich gehen sollte, mit der Hilfe von ihm und seinen Freunden rechnen könne um ihm den eingeschlagenen Weg zu erleichtern, dem er nicht nur für Spanien, sondern auch für Europa allen Erfolg wünsche.«321 Er habe nun die Probleme besser verstanden, sagte Kreisky zu Barceló, während sie am nächsten Tag zu Mittag spazieren gingen, und er würde das auch seinen Kollegen näher bringen. Er stellte noch viele Fragen, und sein großer mallorquinischer Freund, wie er Barceló einmal bezeichnete, gab ihm Auskunft über seine persönlichen Ansichten und die der Regierung, die vor allem eines nicht wollte  : eine erneute Teilung des Landes in Sieger und Besiegte. Kreisky traf noch Felix Pons, den sozialistischen Parteichef von Mallorca, der ihm versicherte, dass die sozialistische Partei, obwohl noch nicht legalisiert, das volle Recht auf Versammlungsfreiheit genieße. Und er blieb, um Urlaub zu machen. Von Martin Ferriol, einem Freund Barcelós, ließ er sich Appartementhäuser zeigen. Am Ende gefiel ihm eines an der Costa d’en Blanes, in der Gemeinde Calviá, besonders gut  : Mit dem Bau war schon begonnen worden, doch der deutsche Käufer hatte angesichts der politischen Entwicklung in Spanien vor einer möglichen Revolution Angst bekommen. Kreisky erwarb das Haus um umgerechnet eine Million Schilling322 – und brach damit seinen Vorsatz, sich unter keinen Umständen in einem 319 SBKA, Länderbox Spanien. VII. 1 Länderboxen. Spanien, Hinteregger an Friedrich Gehart, Madrid, 6.10.1976. 320 SBKA, Bericht von Damían Barceló Obrador. 321 Ebd., 22. 322 Ebd., 30. Sowie Kreisky, Der Mensch im Mittelpunkt, 290, 291.

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Land ein Sommerhaus zu kaufen, in dem es eine Diktatur gibt. Jugoslawien, wo man ihm des Öfteren kleine Bungalows anbot, kam nicht in Frage, auch Griechenland nicht. »Zu Spanien habe ich aber eine besondere Beziehung«, schrieb er in seinen Memoiren. »Dieses Land hatte schon in meiner Jugend große Bedeutung für mich  ; der spanische Bürgerkrieg war ein aufregendes Erlebnis.« Die Schicksale mancher Spanienkämpfer blieben ihm präsent. »Ich kannte auch einige Schweden, die im spanischen Bürgerkrieg waren, mit denen ich später, vor allem schriftlich, verbunden war.«323 Der Parteitag der psoe fand schließlich von 5.–8. Dezember in Madrid statt. Neben Olof Palme und Willy Brandt, der mit »Willy, Willy«-Sprechchören gefeiert wurde, nahm Finanzminister Hannes Androsch für die spö teil, um eine Grußbotschaft Kreiskys zu überbringen.324 Der Kanzler war zur Budgetberatung im Parlament in Wien geblieben. Die Unterstützung der spö für die psoe war mittlerweile weithin sichtbar. »Solidarität mit Spanien, Portugal  : Spenden auch Sie  !«, lautete ein Inserat in der Arbeiter-Zeitung am 1. Mai 1976. 1,8 Millionen Schilling hätte man schon gesammelt, zwei Millionen seien das Ziel.325 Für den Sommer 1977 waren die ersten freien Wahlen in Spanien angesetzt, nur der Termin stand noch nicht fest. Eine wichtige Frage war, ob das Andocken an Europa gelingen würde, das zweite heiß diskutierte Thema war eine Amnestie für politische Häftlinge. In dieser Situation war Willibald Pahr der erste Außenminister eines westlichen Landes, der am 7. März 1977 offiziell nach Madrid reiste. Spanien hatte keine große Priorität für die österreichische Außenpolitik. »Aber wir dachten es wäre sinnvoll, Spanien dabei zu helfen, den Weg in die Demokratie zurückzufinden«, erinnert sich Pahr.326 »Wir haben uns entschieden möglichst früh nach Spanien zu reisen, um gute Beziehungen zu etablieren. Je früher man in so einer Situation kommt, umso besser wird man erfahrungsgemäß empfangen, und so war es auch.« Gleichsam jeder Wunsch wurde ihm erfüllt, auch ein Geheimtreffen mit Felipe González in einem Hotel in Barcelona – das allerdings Botschafter Hinteregger organisieren musste. Es war der erste offizielle Kontakt des Sozialistenführers mit einem österreichischen Regierungsmitglied. Pahr, gelernter Verfassungsrechtler, wollte im Gedanken an die Bedeutung des Föderalismus auch Katalonien bereisen. Im gotischen Palast der Generalitat empfing der Präsident der katalanischen Regionalversammlung, Juan Antonio Samaranch, die österreichische Delegation. Die Tischgespräche kreisten um regionale Fragen. Auch die Unterhaltungen in Madrid waren für Pahr sehr aufschlussreich  :»Mit dem König habe ich ein sehr langes Ge323 Ebd., 287. 324 AZ, 6.12.1976, 1. 325 AZ, 1.5.1976, 2. 326 Hier und in Folge  : Zeitzeugengespräch Willibald Pahr, Wien, 29.4.2013. WMA Audio File.

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spräch geführt, das für mich unglaublich interessant war, weil er mir erzählte, wie er den Übergang zur Demokratie langfristig geplant hatte. Das war neu für mich.« Deutlich ließ Juan Carlos sein Interesse an einem Besuch in Österreich erkennen. Ministerpräsident Suárez sprach sich für die baldige Legalisierung der Kommunistischen Partei aus und gab zu erkennen, dass er der Alianza Popular keine Sympathien entgegenbrachte, da sie versuche, aus der Angst großer Bevölkerungskreise vor einer Radikalisierung Kapital zu schlagen.327 Wie er betonte auch Außenminister Oreja, dass es Ziel für die Parlamentswahlen sei, ein starkes politisches Zentrum zu schaffen.328 Freundschaftsdienste für Spanien Vorrang in der Außenpolitik hatte zunächst, möglichst rasch in den Europarat zu kommen, einem damals wichtigen Gremium, in das nur demokratische Staaten mit hohen Menschenrechtsstandards aufgenommen wurden. Spanien wollte seine Eintrittskarte nach Europa lösen. Nur  : Die ersten Kontakte waren nicht sehr positiv verlaufen. Noch hatte Spanien kaum etwas vorzuweisen, von einer Verfassung ganz zu schweigen. Es war gegen Ende des Besuchs von Pahr, als der spanische Außenminister – auf dem Weg zum Flughafen – darauf zu sprechen kam. »Oreja und ich fuhren im Auto, da hat er mich gefragt, ob wir nicht behilflich sein könnten«, erinnert sich Pahr.329 Er erwiderte ihm, dass ein Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention (emrk) nützlich wäre und er mit Kreisky reden würde. Es traf sich gut, dass der Präsident der parlamentarischen Versammlung des Europarates, Karl Czernetz, Parteimitglied der spö war. »Pahr versprach mir eine rasche Antwort«, schrieb Oreja, »die nach einer Woche kam, indem er mir die Formel durchgab, die der Präsident der Versammlung vorgeschlagen hatte«.330 Der Text sah eine Garantie aller Parteichefs Spaniens vor, dass die künftige Verfassung die in der emrk verankerten Menschenrechte garantieren würde. »Der Vorschlag Kreiskys erschien mir perfekt  ; so leitete ich ihn dem Regierungspräsidenten weiter.«331 Der Besuch einer Delegation der spanischen Oppositionsführer in Straßburg half dabei, letzte Bedenken auszuräumen. Mitte Oktober sprach Kreisky mit dem luxemburgischen Ministerpräsidenten Gaston Thorn in Wien, der Ende November den Vorsitz bei der entscheidenden Minsterratskommitee-Sitzung führte. Auch dieser signalisierte, dass alles glatt 327 Hinteregger, Im Auftrag Österreichs, 204. 328 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.03.00/ 14-II 2-pol77, Hinteregger an Außenminister, Madrid, 16.3.1977. 329 Zeitzeugengespräch Willibald Pahr, 29.4.2013. 330 Marcelino Oreja, Memoria y Esperanza, Relatos de una vida (Madrid 2011), 212. 331 Ebd., 213.

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gehen würde.332 Nun war der Weg frei. Am 24. November 1977 unterzeichnete Oreja in Straßburg sowohl den Beitrittsvertrag zum Europarat als auch die emrk. Ein innenpolitisch wichtiges Signal  : »Insofern, dass auch die Franquisten gesehen haben, ja, Europa will uns, und wir gehören dazu«, sagt Pahr. »Ich glaube, mit unserer Hilfe haben wir zu einem Stimmungswechsel in Spanien beigetragen.«333 Der Beitritt Spaniens zum Europarat sei wie das Öffnen einer Tür gewesen, die für viele Jahre verschlossen geblieben war. »Das stimmt ohne Zweifel«, stimmt ihm Oreja zu. »Ich war überzeugt, dass es eine Geste mit Gewicht brauchte, und das war dieser Beitritt.«334 Auch beim zweiten heiklen Thema stand Österreich Spanien zur Seite  : in der Frage der von der Opposition geforderten General-Amnestie für politische Gefangene. 160 verbliebene Häftlinge wurden freigelassen  ; bis auf 16 Personen, hauptsächlich Basken, die schwere Gewaltverbrechen begangen hatten. Wollte oder konnte man diese Leute überhaupt freilassen  ? Eine heikle Frage, die das Land aufwühlte. Bei einer Massendemonstration im Baskenland starben fünf Menschen. Die eta begann wieder Anschläge zu verüben. Ein Generalstreik wurde ausgerufen – und das kurz vor den Wahlen, die am 15. Juni über die Bühne gehen sollten. Da der Regierung eine Freilassung der verbliebenen Häftlinge unmöglich schien, sollten sie für die Restdauer ihrer Strafe des Landes verwiesen werden. Außenminister Oreja trat zunächst an die Botschafter aus Holland, Belgien, Deutschland, der Schweiz, Norwegen und Schweden mit der Bitte heran, diese Leute aufzunehmen, stieß aber auf wenig Entgegenkommen.335 Nur Belgien äußerte sich positiv und nahm fünf Basken auf. In dieser Zeit, von April bis Mai 1977, befand sich Damián Barceló öfters in Österreich und fungierte als inoffizieller Kontaktmann bei Bruno Kreisky. »Er verstand und berücksichtigte die häufigen verbalen Nachrichten des Königs, deren Überbringer ich war  : Mäßigung, Mäßigung, Geduld, Geduld, Flexibilität, Flexibilität. Das bat der König Kreisky seinen spanischen Genossen zu empfehlen. Und ich glaube, Kreisky erledigte diese Arbeit zur großen Zufriedenheit des Monarchen.«336 Als sich Barceló am Freitag, den 19. April, zur Eröffnung des Casinos Klessheim mit Freunden in Salzburg befand und zuerst mit dem König und dann mit Kreisky telefonierte, sagte ihm dieser, dass er schon einen Weg finden werde, die Evolution Spaniens zur Demokratie in ehrlicher Anstrengung zu unterstützen.337 Noch am selben Tag besuchte Botschafter Hinteregger Barceló im Hotel Goldener Hirsch, um ihm mitzuteilen, 332 SBKA, VII 1 Länderboxen. Spanien, Unterredung des Herrn Bundeskanzlers mit Ministerpräsident Suárez, Botschaft an Außenministerium, Madrid, 19.10.1977. 333 Zeitzeugengespräch Willibald Pahr, Wien. 334 Zeitzeugengespräch Marcelino Orjea, Madrid, 16.10.2013, WMA Audio File. 335 ÖStA, AdR, AA, 187.03.05/1-II 2-pol77, Hinteregger an Außenministerium, 25.5.1977. 336 SBKA, Bericht von Damían Barceló Obrador, 35. 337 Ebd., 37.

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dass sich der Kanzler im Mai auf Mallorca befinden werde und dass er den König sehen könnte, wenn dieser zufällig auch da sei. Das erste Treffen der beiden fand am 22. Mai im Palast von Miravent statt, noch vor den Wahlen. Die Unterredung dauerte von kurz nach sechs bis etwa zehn Uhr abends. Über den Inhalt erzählte Kreisky gegenüber Barceló nicht viel, teilte aber ein paar Eindrücke von Juan Carlos mit ihm  : »Ehrlich, jung und intelligent (…) sehr gebildet und gut informiert.«338 Beim Abendessen sprach er von einer begabten, jungen Politikergeneration und nannte Carter, Mondale und Juan Carlos. Bei einem Essen mit vier mallorquinischen Sozialisten unterstrich er die guten Absichten des Monarchen. »Es war dies der Beginn einer sehr freundschaftlichen Beziehung zwischen uns«, schrieb Kreisky in seinen Memoiren.339 Nach diesem Treffen erklärte sich Österreich bereit, fünf der 16 spanischen Terroristen aufzunehmen, für die Madrid noch einen Abnehmer suchte.340 Der österreichische Innenminister hatte zunächst gezögert, nur drei Spanier aufzunehmen. Da griff Juan Carlos zum Telefon, bat Damián Barceló, bei Kreisky zu intervenieren, und schon wurde dem spanischen Wunsch entsprochen.341 Wieder einmal brachte Kreisky einen Minister auf die gewünschte Linie. Die nach Österreich expatriierten Terroristen kehrten bald wieder illegal nach Spanien zurück.342 Die übrigen Häftlinge waren nach Norwegen und Dänemark gebracht worden. Bei den ersten freien Parlamentswahlen nach 40 Jahren am 15. Juni 1977 gewann ein Wahlbündnis von Zentrumsparteien, die Union des Demokratischen Zentrums (ucd), für das Ministerpräsident Suárez kandidierte, mit 34,7 Prozent der Stimmen. Bereits an zweiter Stelle, und das war überraschend, kam die psoe mit 28,8 Prozent. Die rechte Alianza Popular landete mit 8,3 Prozent sogar hinter den Kommunisten, die 9,2 Prozent erzielten. Die Christdemokraten verloren auf ganzer Linie, die extreme Rechte erreichte nur ein Prozent der Stimmen. Mehr als das Regime selbst hatte die faschistische Bewegung schon lange vor dem Tod Francos seine kulturelle und soziale Basis verloren. Es war ein Votum für die Mitte, den Konsens, die Mäßigung. Der Mythos der politischen Unreife der Spanier war damit zertrümmert und die Weichen in Richtung einer sozialen Demokratie europäischen Zuschnitts gestellt worden.343 338 Ebd., 39. 339 Kreisky, Der Mensch im Mittelpunkt, 294. 340 Jose Maria Arruabarrena Esnaola, Jose Ignacio Egana Aristi, Antonio Gonzales Terron, Mariano Ibarguren Azcue und Jose Menchacatorre Aguirre. SBKA, VII. 1 Länderboxen. Spanien, Chiffre Außenamt an Botschaft Madrid, 31.5.1977. Aristi und Aguirre trafen am 9. Juni in Wien ein, berichtete die ArbeiterZeitung. AZ, 10. 6. 1977, 1. 341 SBKA, Bericht von Damían Barceló Obrador, 42f. 342 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.03.05/2-II 2/pol72, Geschäftsträger Siegl an Außenministerium, Madrid, 3.8.1977. 343 Walther L. Bernecker, Spaniens Geschichte seit dem Bürgerkrieg, Bd. 284 (Beck’sche Reihe, München 2010), 231.

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Ende Juni oder Anfang Juli, berichtet Barceló, habe Juan Carlos Kreisky angerufen, um ihm für die Unterstützung beim politischen Übergang zu danken. Wenig später, als Kreisky seinen Urlaub auf Mallorca verbrachte, trafen beide zu einem einstündigen Gespräch an Bord der »Fortuna« im Hafen von Palma zusammen. Dabei lud der Kanzler den König zu einem Besuch ein. Als Termin schlug er den Jänner 1978 vor, in dem der Opernball stattfinden würde, den Königin Sofia als junge Prinzessin einmal tanzend eröffnet hatte. Es sollte ein vorläufiger Höhepunkt der Beziehungen werden, die nun rasch an Dynamik gewannen. Möglich gemacht hatte das eine von außen angestoßene österreichische Politik und das gute Verhältnis zwischen Juan Carlos und Kanzler Kreisky, der dem spanischen König einen Vertrauensvorschuss gab. Der Dialog war auf Betreiben Spaniens entstanden und zunächst zeigte sich Kreisky noch misstrauisch. Aber tatsächlich entsprachen die in der Praxis gesetzten Schritte exakt dem Plan, den Juan Carlos für den Übergang zur Demokratie angekündigt hatte. »Sobald Bruno merkte, dass es möglich war, einen friedlichen Übergang ohne Brüche zu erzielen, leistete er seiner Majestät Hilfe und wurde zum Gewährsmann des Königs vor seinen sozialistischen europäischen Kameraden höchsten Ranges«, fasste es Barceló zusammen. Kreisky habe dazu beigetragen, dass der Übergang Spaniens zur Demokratie mit Abgeklärtheit und ohne Arroganz stattfinden konnte, »im Rahmen des Möglichen, seine Gesinnungsgenossen bittend, dass sie in dieser Angelegenheit kollaborieren würden«.344 Auf einer Konferenz der Sozialistischen Internationale in Berlin, kurz vor Spaniens Übergang zur Demokratie, traf Kreisky zum ersten Mal Felipe González. Das österreichische Beispiel mit Karl Renner und den Alten sei eine Ausnahme gewesen, meinte er dort gegenüber anderen altgedienten Politikern, die die Zukunft solch junger Leute in Frage stellten. Untergrundbewegungen gehörten in junge Hände.345 Und Kreisky trat der Meinung entgegen, dass ein neuer Bürgerkrieg die Verhältnisse ändern würde. Nur eine »Revolution ohne Tränen« habe Aussicht auf einen echten, dauernden Erfolg. »Friedliche Umwälzungen, wie in Griechenland, in Spanien, sogar in Portugal, haben mich in meiner Ansicht immer wieder bestärkt.« Die Zahl der Opfer in Portugal und Griechenland sei sehr gering gewesen. »Dieser Teil Europas ist also eigentlich auf unblutigem Wege demokratisch geworden. Ich bin froh, dass ich damals zu diesen Schlüssen kam, weil sie auch mich und mein Denken, was meine Erwartungen für das kommende Europa betraf, auf eine andere Bahn führten.«346

344 SBKA, Bericht von Damían Barceló Obrador, 42f. 345 Kreisky, Der Mensch im Mittelpunkt, 290. 346 Ebd.

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Staatsbesuch von Juan Carlos Im Vorfeld des Staatsbesuchs von Juan Carlos intensivierten sich die Kontakte auf vielen Ebenen. Der Prado und das Kunsthistorische Museum bereiteten Kooperationen vor. Im Oktober 1977 reiste Kreisky zu einer Sitzung der Sozialistischen Internationale nach Madrid und traf mit Regierungschef Suárez zusammen. Bei dem Treffen am 15. Oktober sprach Kreisky davon, mit wie viel Bewunderung in Österreich und Westeuropa die historische Leistung des friedlichen Überganges von der Diktatur zur Demokratie verfolgt worden sei. Suárez dankte für das Interesse und Verständnis, das er der Entwicklung in Spanien entgegengebracht habe, was wiederum zu einem besseren Verständnis gewisser politischer Gruppen in Spanien für die tatsächliche Situation beigetragen habe. Eine starke sozialistische Partei bezeichnete er als wesentliche Voraussetzung für die weitere demokratische Entwicklung Spaniens.347 Am Ende des Gesprächs lud ihn Kreisky zu einem Besuch nach Wien ein. Inzwischen hatten Österreich und die Schweiz auch die anderen efta-Länder von der Notwendigkeit überzeugen können, ein Freihandelsabkommen mit Spanien zu verhandeln, um nicht wie im Fall Griechenlands, wo das verabsäumt worden war, wieder Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Erst ein Jahr zuvor hatte auch ögbSekretär Alfred Ströer, der mit dem Europäischen Gewerkschaftsbund dagegen gewesen war, grünes Licht dafür gegeben.348 Es gelang aber nicht, die Verhandlungen unter dem Vorsitz Österreichs im ersten Halbjahr 1978 abzuschließen. Erst im Sommer 1979 konnte das Abkommen unterzeichnet werden. In der innerspanischen Auseinandersetzung um die Vertretung der Arbeiter unterstützte der ögb die psoe-nahe ugt. Diese bekam zwar immer mehr Zuwachs, erhielt aber im Vergleich zu den Gewerkschaften, die etwa Unterstützung von den kommunistischen Gewerkschaften Italiens und Frankreichs bekamen, wenig Hilfe aus dem Ausland. Nach Gesprächen mit ugt-Generalsekretär Nicolas Redondo am 27. Oktober 1977 in Wien sagte ögb-Chef Anton Benya eine einmalige Unterstützung von 200.000 Schilling zu und kündigte den Besuch einer österreichischen Delegation an.349 Österreich galt in Spanien als Beispiel dafür, wie ein sozialistisch regiertes Land im Konsens zwischen Links und Rechts, zwischen Wirtschaft und Gewerkschaften geführt werden konnte. Im Herbst 1977 berichtete Botschafter Hinteregger über ein Gespräch mit Enrique de la Mata. Die Legalisierung der Gewerkschaften stand kurz bevor, und der spanische Syndikatsminister machte sich Sorgen über das künftige Verhältnis zwi347 SBKA, VII. 1 Länderboxen. Spanien, Unterredung des Herrn Bundeskanzlers mit Ministerpräsident Suárez, Botschaft an Außenministerium, Madrid, 19.10.1977. 348 SBKA, VII. 1 Länderboxen. Spanien, Information für den Herrn Bundeskanzler, Spanien. 15. 349 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.03.00/38-II.2-pol77, Zur Lage der spanischen Gewerkschaften.

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schen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. »Vor allem müsste die spanische Unternehmerschaft sich dessen bewusst werden, dass sie künftig in erster Linie selbst den Interessensausgleich mit der Arbeiterschaft werde suchen müssen und diese Funktion nicht mehr zur Gänze der Staatsgewalt überlassen könne. Die in Österreich gefundene Lösung der Sozialpartnerschaft bezeichnete Minister de la Mata als geradezu ideal. Wenn sich solche Modelle auch nicht von einem Land auf das andere übertragen ließen, so könne Spanien auf diesem Gebiet doch sehr viel von Österreich lernen. Alles, was von Österreich komme, finde in Spanien a priori positive Aufnahme, was man bezüglich anderer Länder wie etwa der br d, Frankreichs oder Großbritanniens nicht in diesem Maße behaupten könne.«350 Von 1. bis 6. Oktober 1977 besuchte der spanische Landwirtschaftsminister José Enrique Martínez Österreich und reiste durch die Bundesländer. Von 20. bis 22. November besuchte Wirtschaftskammerpräsident Rudolf Sallinger Madrid und eröffnete Österreich-Werbewochen im Kaufhaus Corte Ingles. Unmittelbar danach eröffnete der Wiener Bürgermeister Leopold Gratz, damals stellvertretender Vorsitzender der spö, Wien-Werbewochen in Madrid und Barcelona. Die Schau bot neben historischen und kulturellen Aspekten auch einen Eindruck des modernen Wien – was Botschafter Hinteregger ganz wichtig war. Zu sehr sah er das Bild, das die Spanier von Österreich hatten, von Reminiszenzen an dynastische Zeiten, von klassischer Musik und Kultur dominiert.351 Wenn es nach ihm ging, sollte Österreich mehr als konsolidierte Demokratie und prosperierendes Industrieland wahrgenommen werden. In einem neuen Versuch, die bilateralen Geschäfte anzukurbeln und gemeinsam mit den Spaniern Konsortiumprojekte in Lateinamerika anzubieten, reisten die Direktoren von öiag, voest Alpine und Simmering Graz Pauker AG vom 5. bis 7. Dezember nach Spanien, um mit Vertretern der Banco Central und des staatlichen Industrieverbandes ini zu sprechen.352 Anfang der Sechzigerjahre hatte die voest ein LD-Stahlwerk in Bilbao errichtet, sich aber kaum um Folgeaufträge bemüht. Nun wurde ein ständiges Büro in Madrid eröffnet. Nach ersten Besuchen 1975 trafen wieder von der Wirtschaftskammer organisierte Delegationen österreichischer Unternehmer ein, um mit potentiellen spanischen Partnern Gespräche zu führen. Weil es noch kein Budget für ein Kulturinstitut in Spanien gab, gründete Hinteregger das Instituto Hispano-Austriaco. Zwei weitere Faktoren erschienen ihm für den Ausbau der bilateralen Beziehungen sehr wichtig  : Die Einrichtung einer direkten Flugverbindung Wien-Madrid und die Präsenz österreichischer Banken in Spa350 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.03.00/19-II. 2-pol77, Das Problem der Gewerkschaften in Spanien, Hinteregger an Außenministerium. 351 Hinteregger, Im Auftrag Österreichs, 214. 352 SBKA, VII. 1 Länderboxen. Spanien, Aktenvermerk ÖIAG Generaldirektion, Wien, 13.12.1977.

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nien. Beide Anliegen brachte er bei Finanzminister Hannes Androsch vor, der sofort tätig geworden sei.353 Bald flog die aua direkt nach Madrid und der stellvertretende Generaldirektor der CA, Franz Vranitzky, reiste nach Madrid. Anfang Dezember 1977 billigte die spanische Bevölkerung mit 87,8 Prozent der Stimmen eine neue Verfassung, die Spanien als demokratische Monarchie deklarierte. Durch die Wiedererrichtung der Monarchie gelang der Übergang zur Demokratie, nicht durch ihre Abschaffung, wie in den Dreißigerjahren. In der Vorbereitung auf den Staatsbesuch von Juan Carlos analysierten die Sektionen des Außenministeriums die spanische Außenpolitik und verfassten ein umfangreiches Papier dazu. Darin kommt besonders die Entspannungspolitik zur Sprache, die als Voraussetzung dafür galt, dass Österreich eine besondere Rolle in der Weltpolitik einnehmen konnte. Die Entspannungspolitik auf den verschiedenen Konfliktherden des Kontinents galt am Ballhausplatz als unteilbar. »Gerade deshalb war Österreich – wie auch Spanien – immer der Meinung, dass die Sicherheit Europas u. a. auf das engste mit der Sicherheit im Mittelmeerraum verflochten ist, dass der Konflikt im Nahen Osten, gleichsam vor unserer Haustür, unsere eigene Sicherheit direkt bedroht.«354 Spanien vertrat zum Teil ähnliche Positionen wie die neutralen Staaten, forderte zum Beispiel einen Abzug Israels aus den besetzten Gebieten und die Anerkennung der nationalen Rechte der Palästinenser. Spanien wollte aktiv in der westlichen und europäischen Welt mitarbeiten, aber zugleich seine traditionell guten Beziehungen zu den Staaten der iberoamerikanischen Welt und des Mittelmeerraumes stärken. Marcelino Oreja betonte vor der 32. Generalversammlung der uno, dass Entspannung und Abrüstung, die Verteidigung der Menschenrechte und das Anstreben einer gerechten Wirtschaftsordnung zu den Eckpfeilern der spanischen Außenpolitik gehörten. Seine rege Besuchsdiplomatie hatte den spanischen König bereits in die usa und nach Lateinamerika, nach Ägypten und Jordanien, nach Frankreich und Deutschland geführt, bevor er nach Österreich kam. Immerhin war es in Europa der erste Besuch in einem Nicht-EG-Mitgliedsland. Nicht alle in der Umgebung des Königs seien glücklich darüber gewesen, schrieb Hinteregger  : »Einige befanden, es gäbe wichtigere Länder, die der König besuchen müsse. Doch Juan Carlos hielt daran fest, dass ihm der Besuch in Österreich sehr viel bedeute.«355 Am Dienstag, den 31. Jänner 1978, landete die spanische Entourage am Flughafen Wien Schwechat. Beim Galadiner am Abend, in der Hofburg, lobte Bundespräsi353 Hinteregger, Im Auftrag Österreichs, 213. 354 Die Auslandsösterreicher in Spanien beziffert es mit Stichtag 1.1.1975 mit 1322 Personen. ÖStA, AdR, AA, Zl. 187.01.01/16-II.7-pol77, Besuch des Königs Juan Carlos von Spanen in Österreich vom 31.1– 3.2.1978, 42. Auch zu finden in SBKA, VII. 1 Länderboxen. Spanien. 355 Hinteregger, Im Auftrag Österreichs, 218.

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dent Rudolf Kirchschläger die Rolle des Königs beim Übergang zur Demokratie. »Wir Österreicher können die Größe ihrer Leistung für Spanien und für Europa, ja auch für die anderen Kontinente ermessen, mussten doch auch wir erleben, wie in den dreißiger Jahren die von schweren Krisen erschütterte Demokratie in unserem Lande den ungeheuren internen und externen Belastungen nicht standhielt und in der Diktatur endete. Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war es uns vergönnt, unter sehr schwierigen Bedingungen das demokratische System zu errichten. Vielleicht erklärt gerade der Umstand, dass uns das Erlebnis unserer eigenen demokratischen Wiedergeburt noch so lebendig in Erinnerung ist, warum wir Österreicher die jüngste Entwicklung in Spanien mit so lebhaftem Interesse und so tiefer Sympathie verfolgt haben.«356 Juan Carlos führte persönliche Gründe für seine Liebe zu Österreich an. Bereits sein Urgroßvater, König Alfons XII., habe seine Jugendjahre in Wien verbracht, jener Stadt, die den Spaniern Königin Maria Cristina schenkte. Und beide Völker würde eine ehrliche, tiefe Sympathie verbinden. »Die gemeinsamen Ideale, die im Glauben an eine weltweite Verbundenheit der Menschheit entstanden waren, fanden ihren Niederschlag in einer gemeinsamen Kultur, von der diese Stadt, in der einige der schönsten Gemälde von Velazquez bewundert werden können, unzählige Zeugnisse ablegt. Mit den Worten eines zeitgenössischen österreichischen Schriftstellers ausgedrückt  : »Es ist doch alles ganz einfach  : Im Geist mündet der Ebro eben in die Donau. (…) Wenn unsere Länder auch keine großen politischen Mächte mehr sind, sind wir doch nach wie vor zwei der großen Vertreter der westlichen Kultur und unsere besonderen Beziehungen sind in diesem Sinne von spezieller Bedeutung.«357 Am nächsten Tag folgten Besuche im Parlament, in der Spanischen Hofreitschule und in der Schatzkammer sowie ein Mittagessen mit Kanzler Kreisky. Am Donnerstag, den 2. Februar, fuhr Juan Carlos in einem Salonwagen der Bundesbahnen nach Linz, um die voest zu besichtigen. Politisch heikel war die Frage des Umgangs mit dem ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen, das am Weg lag. Dort waren mehr als 5.000 republikanische Spanier, die nach der Eroberung Frankreichs durch die Wehrmacht nach Österreich deportiert worden waren, ermordet worden. Schließlich legte der Protokollchef, Antonio Villacieros, als Abgesandter des Königs einen Kranz am Mahnmal für die spanischen Häftlinge nieder. Es muss ein bewegender Moment gewesen sein, als er das Wort an Manuel García Barrado richtete, jenen Überlebenden, der nach der Befreiung des Lagers dessen Verwalter geworden war  : »Ich möchte Sie bitten, dieses Zeichen des Königs von Spanien immer in Erinnerung

356 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl., 187.01.01/4-II.2-pol78, Staatsbesuch des spanischen Königs in Österreich  ; Entwurf für eine Tischrede. ÖB Madrid, do. Zl. 4516-A/77 vom 28.12.1977. 357 Ebd.

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zu behalten, welcher der König aller Spanier sein will.«358 Es war die erste offizielle Ehrung spanischer Antifaschisten, schrieb die katalanische Zeitung Pueblo. »Staatsakt in Mauthausen drängt voest-Besuch vielfach in den Hintergrund«, berichtete Botschaftsmitarbeiter Ortner über das große Medienecho aus Madrid nach Wien.359 Am Abend dann das gesellschaftliche Highlight  : der Wiener Opernball. Placido Domingo sang in der Kanzlerloge, wo sich das diplomatische Korps vollzählig versammelt hatte. Ein brillanter Rahmen, um auf die neuen Beziehungen anzustoßen. Es gelang sogar, dass König und Königin, trotz des beängstigenden Gedränges auf dem Tanzparkett, ein paar Walzerdrehungen absolvieren konnten, stets umringt von tanzenden Sicherheitsleuten. In den politischen Gesprächen interessierten sich die Spanier besonders für die österreichische Variante der Neutralität, den ksze-Prozess, Österreichs Erfahrungen in Osteuropa und Möglichkeiten einer Unterstützung in den efta-Verhandlungen während der Phase des österreichischen efta-Vorsitzes. Die Österreicher zeigten Interesse an einer verstärkten Kooperation in Lateinamerika und im arabischen Raum.360 In den Arbeitstreffen war es auf wiederholten Wunsch der Spanier aber auch um möglichst konkrete Inhalte gegangen  : um Verträge über Auslieferungen, Personenverkehr, Rechtshilfe in Strafsachen, Gesundheit, Fremdenverkehr, die Gleichwertigkeit bei Zeugnissen, Prüfungen und akademische Grade, über die technisch-wissenschaftliche Zusammenarbeit – um das Fixieren von Rahmenbedingungen, welche die bilateralen Beziehungen weiter normalisierten. Beim Übergang Spaniens zur Demokratie war die Unterstützung Frankreichs, Deutschlands und der usa entscheidend. »Aber auch der Beitrag Österreichs wird, wie anlässlich meiner Abschiedsbesuche deutlich zum Ausdruck kam, sehr gewürdigt«, schrieb Botschafter Hinteregger im Herbst 1978. »So sagte Außenminister Oreja, die Hilfestellung, welche Österreich Spanien bei der Aufnahme in den Europarat gewährt habe, sei etwas ganz Einmaliges gewesen, da die spanische Regierung selbst zu diesem Zeitpunkt nicht mit dieser Möglichkeit gerechnet habe. Der neue Unterstaatssekretär im Außenministerium, Puig de la Bellacasa, welcher während zweier Jahre Privatsekretär zuerst des Prinzen und dann des Königs Juan Carlos gewesen war, meinte, die Begegnung des Herren Bundeskanzlers mit dem König im Mai 1977 und die daraus resultierenden Aktivitäten seien ein außerordentlich wichtiges Ereignis in dieser Übergangsperiode gewesen. Und König Juan Carlos

358 El País, 3.2.1978. Editorial  : Una corona en Mauthausen. http://elpais.com/diario/1978/02/03/, 16.11.2014. 359 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.01.01/20-II 2-pol78, Madrid, Ortner an Außenministerium, 4.2.1978. Sowie ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.01.01/19-II2-pol, 78. Spanischer Königsbesuch in Österreich, Presse, Botschaft an Außenministerium, 3.2.1978. 360 ÖStA, AdR, AA, Gr. Zl. 187.01.01/12-II2-pol78, Vanek an Hoyos, 17.1.1978.

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selbst sprach mit großer Eindringlichkeit von der großen Bedeutung, die Politik der Freundschaft zwischen Spanien und Österreich fortzusetzen.«361 Kreisky war von der Rolle des Königs beim Übergang zur Demokratie so begeistert, dass er ihn 1980 für den Friedensnobelpreis vorschlug. »Herr Präsident«, schrieb er an den Vorsitzenden des Nobelpreiskomitees, »ich bin Sozialdemokrat und Republikaner aus Überzeugung. Wenn ich mich entscheide, für einen König zu plädieren, mache ich das aus tiefster Überzeugung über die menschliche Größe der Persönlichkeit von Juan Carlos.«362 Als am 23. Februar 1981 Soldaten der Guardia Civil mit Unterstützung bedeutender Offiziere das Parlament stürmten und einen Putsch versuchten, bat der König im Fernsehen um Ruhe und Vertrauen  : Die Krone werde keinen Akt der Gewalt gegen den Demokratisierungsprozess dulden. Zwei Tage später gratulierte ihm Kreisky in einem Brief zu seiner Haltung. »Sie sind durch Ihre Botschaft und Ihren historischen Befehl zu einer der großen Persönlichkeiten der Geschichte unserer Zeit geworden, für die Ihnen alle Demokratien Europas zu besonderem Dank verpflichtet sind.«363 Noch einmal machte er sich in Stockholm dafür stark, dem König den Friedensnobelpreis zu verleihen. Marcelino Oreja, der sich für einen Beitritt Spaniens zur nato aussprach, musste bald aus der Regierung ausscheiden. Vor allem die psoe war zunächst gegen einen Beitritt zum Atlantischen Bündnis. Botschafter Hinteregger berichtet, er habe noch Ende 1976 das erste Treffen ranghoher Militärs mit Vertretern der sozialistischen Partei in der österreichischen Botschaft arrangiert. Zu einem anderen Essen lud er neben Vertretern der Sozialisten die Botschafter aus der Schweiz und Schweden, um die Themen nato-Beitritt und Neutralität zu erörtern, »was von den Vertretern der psoe als ein nützlicher Beitrag zur Klärung ihrer Position begrüßt wurde«.364 Schließlich änderten die Sozialisten aber ihre Meinung, und unter Ministerpräsident Felipe González trat Spanien 1982 der nato bei. Die Aufnahme in die EG folgte 1986 – neun Jahre vor dem Beitritt Österreichs. Durch seine rasche Demokratisierung erhielt Spanien die wichtige Rolle in Europa zurück, die es in der Vergangenheit stets innegehabt hatte. Mit einem Schlag waren die Aussätzigen wieder geschätzte Mitglieder der internationalen Gemeinschaft geworden. Wie es sich anfühlt, ausgestoßen zu werden, musste Österreich im Jahr 2000 nach der Regierungsbeteiligung von Jörg Haiders fpö am eigenen Leib erfahren. Der Rest Europas reagierte mit einer diplomatischen Isolierung. Es mutet fast wie eine Ironie der Geschichte an, dass es diesmal an einem Spanier lag, die Wiener Buhmänner wieder für salonfähig zu erklären. Marcelino Oreja war einer jener drei Weisen, 361 ÖStA, AdR, AA, Zl. 187.03.00/7-II.2-pol78, Hinteregger an Außenminister, Madrid, 16.8.1978. 362 SBKA, X3. Prominentenkorrespondenz. Box 32 Je-JzVe. 363 SBKA, VII. 1 Länderboxen. Spanien, Wien, 25.2.1981. 364 Hinteregger, Im Auftrag Österreichs, 210.

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die im Auftrag der EU darüber zu urteilen hatten, wie man weiter mit Österreich verfahren sollte. Sein Eindruck der intensiven Gespräche mit Politikern und Vertretern der Zivilgesellschaft war sehr positiv. Die »Sanktionen« wurden bald aufgehoben, und auch Österreich konnte wieder seinen angestammten Platz einnehmen.

Zusammenfassung Die Beziehungen zwischen Österreich und Spanien nach 1945 waren weder konfliktiv noch besonders inhaltsreich  : Zunächst dominierten nostalgisch aufgeladene Reminiszenzen an längst vergangene Zeiten die Wahrnehmung des Gegenübers. In der Außenpolitik beider Länder blieb die Überwindung des belastenden Erbes faschistischer Zeiten ein wichtiges Thema – die Rückkehr auf die internationale Bühne, das Ende der Isolation in Europa. Spanien hatte es im Gegensatz zu Österreich geschafft, dem Druck HitlerDeutschlands standzuhalten, obwohl Josef Hans Lazar sich redlich bemühte, Francos Eintritt in den Zweiten Weltkrieg zu erreichen und den Einmarsch deutscher Truppen zu provozieren. Als Pressechef der deutschen Botschaft in Madrid war Lazar der wohl einflussreichste PR-Mann der Nazis an einer ausländischen Vertretung. Für ihn und andere österreichische Nationalsozialisten wurde Spanien nach 1945 zu einem sicheren Refugium. Lazars ehemaliger Stellvertreter, Ekkehard Tertsch, gab fortan ein wirtschaftliches Bulletin heraus, das der österreichischen Botschaft als Vorlage für Berichte diente. Die deutsch-österreichischen Netzwerke aus der Kriegszeit blieben für die Beziehungen relevant, besonders von 1945 bis 1955, als es wegen des russischen Vetos im Alliierten Rat noch keine offiziellen diplomatischen Vertretungen geben durfte. Die zentrale Figur des einschlägigen Freundeskreises mit besten Kontakten zu spanischen Ministern war Franz Josef Seefried, ein Urenkel von Kaiser Franz Joseph. Er ging mit Franco auf die Jagd und trug maßgeblich dazu bei, dass der deutsch-spanische Handelskomplex auch nach Kriegsende in seiner Substanz erhalten werden konnte. Ehemalige Nationalsozialisten mit guten Kontakten gaben hervorragende Wirtschaftsvertreter ab. Otto Skorzeny, der nach Madrid geflohene »Mussolinibefreier« aus Wien, vertrat die Interessen der voest. Auch bei der Organisation der Flucht gesuchter Kameraden nach Afrika, Südamerika und in die arabischen Länder spielte er eine Rolle. Die österreichischen Nachkriegsregierungen fühlten sich Spanien in einer unreflektierten Freundschaft verbunden – aus einer historisch begründeten Nähe heraus, die sich vor allem aus katholisch-konservativen und antikommunistischen Impulsen speiste. Auf der internationalen Bühne versuchte Österreich Spanien zu helfen, etwa beim Beitritt zur unesco 1952. Ein gutes Beispiel dafür, wie kollektive Bewusstseins-

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lagen und ideologisch bestimmte Perzeptionsmuster auf staatliche Außenpolitik wirkten. Für viele österreichischen Diplomaten war die These der Unberührbarkeit Spaniens bloße Fiktion. Deutschland und Österreich waren auch die einzigen Staaten, die sich an Kinderverschickungen nach Spanien beteiligten. Alle anderen hatten dankend abgelehnt, da sie schon ahnten, dass das Regime die Aktion für seine PR-Zwecke ausschlachten und sich als Wohltäter präsentieren wollte. Auch in der österreichischen Bevölkerung gab es Sympathie für ein Land, dessen Realität man nicht kannte – nur unter jenen Sozialisten nicht, die jedes Jahr am 12. Februar mit roten Bannern durch die Straßen marschierten und sich an ihren eigenen Kampf gegen den Faschismus erinnerten. Für sie blieb Franco jemand, an dem man nicht anstreifen durfte. Eine Organisation, die alle linken Feindbilder bündelte, war das Europäische Dokumentationszentrum cedi (Centro Europeo de Documentación e Información), das Otto Habsburg mit Regime-Funktionären gegründet hatte. Der spanischen Regierung, die den Verein finanzierte, diente der Elitezirkel als ideeller Brückenkopf nach Westeuropa, als Mittel zum Zweck, um mehr Anerkennung für den eigenen Weg zu finden. Erst danach ging es um eine Beschäftigung mit Europa – aber im Grunde lehnte Franco die liberalen, demokratischen Europaideen rundweg ab. Dementsprechend klang das, was an Diskussionsbeiträgen von den jährlichen cedi-Treffen kam, mitunter reaktionär. Im Rahmen des cedi waren einige övp-Politiker aktiv – allen voran Josef Klaus und Lujo Tončić-Sorinj, die Bundeskanzler und Außenminister wurden. Die Schnittmenge für dieses Engagement bildeten konservative gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen und die diffuse Idee, Europa auf einem christlichen Fundament zu errichten. Während das spanische Regime von Links verteufelt wurde, betrachteten es die Rechtskonservativen mit wohlwollender Gesinnung. Die tatsächlichen Verhältnisse blieben unbekannt, sie interessierten auch nicht weiter. Über eine Gruppe aus Verlegern und Journalisten, die im cedi aktiv waren, wurde eine verharmlosende, positive Spanien-Erzählung auch öffentlichkeitswirksam. Gustav Canaval, der Gründer der Salzburger Nachrichten, führte das Who is who der konservativen Journalisten seiner Zeit an, von denen Gerd Bacher, Alfons Dalma, Willy Lorenz, Franz Ferdinand Wolf und Fritz Molden in einflussreiche Posten aufstiegen. Den österreichischen Sozialisten erschien das von der abendländischen Bewegung inspirierte cedi nicht zu Unrecht als Anti-Straßburg-Unternehmen mit antidemokratischem Mundgeruch. Gefahr ging jedoch keine von dem als blaublütige Verschwörung verunglimpften Verein aus, der den Franquisten immerhin eine Plattform zur Beschäftigung mit Europa bot und die Möglichkeit gab, ihre Abscheu vor dem liberalen Westen zu hinterfragen und zu relativieren. Trotz wenig bedeutender Handelsbeziehungen führten die Franco-Befürworter die wirtschaftliche Notwendigkeit als Hauptargument ins Feld, um Druck für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu machen. Noch vor Abschluss des Staatsvertrages gab es Initiativen dazu. Doch erst im Tausch gegen die Freilassung des

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Ex-KP-Funktionärs Josef Orlitsch, der im Gefängnis von Burgos saß, stimmten die Sozialisten einer Aufnahme der Beziehungen im Botschaftsrang zu. Auch weiterhin gewannen die wirtschaftlichen Beziehungen aber nicht an Bedeutung. Ein bemerkenswerter Kuhhandel. Von 1956 bis 1966, als Spanien sein verspätetes Wirtschaftswunder erlebte und Finanzminister Reinhard Kamitz als Architekt des österreichischen Aufschwunges in Madrid voller Anerkennung empfangen wurde, gab es keine wirklich wichtigen Punkte der politischen Zusammenarbeit  ; doch als Gesprächspartner waren die Österreicher stets geschätzt. Eines der Zugeständnisse, das övp-Parteiobmann und Finanzminister Josef Klaus 1963 der spö machte, um den Fortbestand der Großen Koalition zu sichern, war der Rückzug aus seiner Funktion als Vizepräsident des cedi. Der Dauerstreit um eine Einreiseerlaubnis für Otto Habsburg wurde dadurch gelöst, dass sich die Regierung gegen eine Einreise bis zum Ende der Legislaturperiode aussprach. Die österreichische cedi-Sektion wollte diesen Beschluss nicht mittragen und zerbrach an der Habsburg-Frage. In der Beurteilung des Franco-Regimes stimmten die österreichischen Botschafter überein, dass es an der Diktatur zwar einiges auszusetzen gäbe, Franco dem Land jedoch Stabilität und Ordnung gebracht hätte. Ohne ihn, so die Vorstellung, wäre schlichtweg das Chaos ausgebrochen. In gewissem Maße wurde die undemokratische Regierung Spaniens legitimiert. Karl Gruber sprach sogar von einer Diktatur, die durch Gemütlichkeit abgemildert sei – was einer glatten Verharmlosung gleichkommt. Die chaotischen Spanier bräuchten eine harte Hand, lautete die Standarderklärung. Erst der sozialdemokratische Botschafter Johann Standenat rückte ab 1965 vom Mythos des unregierbaren Spaniers ab. Mit der Alleinregierung Klaus setzten ab 1966 kurze konservative Flitterwochen ein. Der spanische Außenminister Castiella besuchte Wien. Man begann sich politisch öfter auszutauschen, etwa in Fragen der Ostpolitik oder der europäischen Integration. Eine Windmühle in La Mancha, die Franz Grillparzer gewidmet wurde und Österreich geschenkt worden war, bildete das kulturpolitische Ausrufezeichen dieser Annäherung im Geiste. Ein kleines Museum darin zeugte von den spanischen Spuren in Wien, der ach so verbindenden Kunst und Kultur und erinnerte an glorreiche Habsburger. Doch die Zukunft in Spanien gehörte den Demokraten und in Österreich der reformfreudigen spö unter Kanzler Bruno Kreisky. Ende der Sechzigerjahre, als das Franco-Regime zur Niederschlagung von Studentenprotesten wieder massiv zur Keule der Repression griff, war die österreichische Regierung längst auf Distanz zur spanischen Regierung gegangen und hatte die Besuchsdiplomatie zurückgefahren. Nach dem Wahlsieg 1970 schlug nicht nur die Basis, sondern auch die spö-Spitze kritische Töne gegenüber Spanien an. Wohl auch wegen der parteiinternen Mobilisierung gegenüber dem politischen Gegner. Gleichzeitig war Kreiskys Realpolitik ab

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Mitte der Sechzigerjahre sachte auf den Kurs der deutschen spd geschwenkt, einen Wandel durch Annäherung zu favorisieren und Kontakte zur demokratischen Opposition aufzunehmen. Spanien die Tür zuzuschlagen war kein Thema mehr. Eine Haltung, die in Madrid sehr positiv Beachtung fand. Eine konzise Spanienpolitik, die aktiv Ziele verfolgte, resultierte daraus aber nicht. Sie blieb, wenn überhaupt, bestenfalls Stückwerk. Als hinreichend klar war, dass der Franquismus keine Zukunft mehr haben würde, kam es in der heiklen Phase des paktierten Übergangs zur Demokratie besonders auf die handelnden Personen an. Der aktive und ehrgeizige Botschafter Hinteregger – das Wort »Ich« taucht in seinen Memoiren auffallend häufig auf – nahm Kontakt zu allen politischen Kräften auf. Parallel dazu entwickelte Kreisky einen besonders guten Draht zu Francos designiertem Nachfolger, Juan Carlos. Des Kanzlers Urlaube auf Mallorca zahlten sich doppelt aus  : Dort hatte er den Rechtsanwalt Damian Barceló kennengelernt, über den der König Kontakt mit ihm aufnahm. Diesen Gesprächskanal nutzte dieser dazu, sich dem in Europa bestens vernetzten Sozialdemokraten mitzuteilen, um so um Verständnis für seine Politik in der Phase des paktierten Überganges zur Demokratie zu werben – und auf diesem Weg auch mäßigend auf die Forderungen der Sozialisten im eigenen Land einzuwirken. Juan Carlos hatte von sich aus geplant, auf eine sozialistisch geführte Regierung zuzugehen, die zwischen den Ost-West-Blöcken neutral ist, und Österreich erschien ihm als idealer Kandidat. Nun intensivierten sich die politischen Kontakte schlagartig. 1976 weilten der spanische Außenminister Marcelino Oreja und Gewerkschaftsminister Enrique de la Mata zu politischen Gesprächen in Wien. Im März 1977 besuchte der österreichische Außenminister Willibald Pahr Madrid, und im Mai traf Kreisky auf Mallorca mit Juan Carlos zu einem mehrstündigen Gespräch zusammen. Natürlich kam es in den Schicksalsjahren Spaniens, als Europa den Atem anhielt, in erste Linie auf die Haltung der usa, Deutschlands und Frankreichs an. Aber auch Österreich leistete einen wertvollen Beitrag zum friedlichen Übergang zur Demokratie. Nicht nur durch Werbung für die ehrlichen Absichten des Königs. Die österreichische Hilfe machte es möglich, dass Spanien 1977 rasch dem Europarat beitreten konnte – ein wichtiges innenpolitisches Signal und zugleich Spaniens Eintrittskarte in den Klub der europäischen Demokratien. Auch die Aufnahme baskischer Terroristen, die in Spanien für viel Unruhe sorgten, war ein echter Freundschaftsdienst. In der spanischen Politik und Öffentlichkeit tauchte Österreich in jenen Jahren als Vorbild einer konsensbasierten Demokratie mit einer starken sozialdemokratischen Partei auf, als gut funktionierender föderaler Bundesstaat, der von der Sozialpartnerschaft profitierte. Natürlich waren es aber die besonnenen spanischen Politiker selbst, die ihr Land friedlich in die Demokratie führten. Das liberale Europa, das in Spanien lange ein spaltendes Thema gewesen war, war nun nicht mehr das Problem, sondern die Lösung der politischen Misere.

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Juan Carlos nahm die Einladung Kreiskys gerne an, im Februar 1978 Österreich einen Staatsbesuch abzustatten, obwohl einige Kabinetts-Mitglieder meinten, man hätte anderen Ländern mit mehr politischer Bedeutung den Vorzug geben müssen. Doch der König wollte es so. Am Opernball sang Placido Domingo und das Königspaar wagte ein paar Tanzschritte. Viel Beachtung in Madrid fand die Niederlegung eines Kranzes am Mahnmal für die spanischen Opfer im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen. Es war die erste offizielle Ehrung spanischer Antifaschisten. Juan Carlos hatte bewiesen, dass er der König aller Spanier sein wollte. Auch einen Putschversuch 1981 parierte er mit Bravour. Zweimal schlug ihn Kreisky im Anschluss deshalb für den Friedensnobelpreis vor. Spanien hatte bewiesen, dass ein Systemwandel auch ohne Blut und Tränen möglich ist. Eine Erkenntnis, die für das Ende der Diktaturen im Jahr 1989 von einiger Bedeutung war. Die Beziehungen Österreichs mit Spanien konnten nun in all ihren Facetten vom klebrigen Anti-Franco Film vergangener Zeiten befreit werden. Nachdem der historische Staub entfernt war kehrte schnell Normalität ein, und beide Länder konnten mit einem Schlag dazu übergehen, die normalen Beziehungen zweier westlicher Industriestaaten zu führen.

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Abbildungen Spanien

Abb. 1  : Franz Matscher, Botschafter Clemens Wildner, Protokollchef de las Torres (v. l. n. r.), vor der Beglaubigung der Papiere im April 1956; Foto  : Privat/ Franz Matscher

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Abb. 2  : Diktator Franco, Botschafter Wildner und Sekretär Franz Matscher (v.l.n.r.) bei der Beglaubigung der Papiere im April 1956; Foto  : Privat/Franz Matscher Abb. 3  : General Franco, Botschafter Erich Filz, Franz Matscher (v. l. n. r.) bei der Beglaubigung der Papiere am 27. 3.1958; Foto  : Privat/Franz Matscher

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Abb. 4  : Eröffnung des CEDI-Kongresses am 6. August 1963 in El Escorial  : Der exilierte König Simeon von Bulgarien, Otto von Habsburg und der stellvertretende Ministerpräsident Spaniens, Agustín Muñoz Grandes, General und erster Kommandeur der blauen Division (v.l.n.r.). Foto  : AP/picturedesk.com

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Abb. 5  : El Pardo-Palast Madrid, 12 Juni 1975  : UN-Generalsekretär Kurt Waldheim trifft den greisen Staatschef Franco. Foto  : Imagno/picturedesk.com

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Abb. 6  : Anti-Franco-Demonstration auf der Wiener Ringstraße, 1975. Foto  : ÖNB/Kern, F

Abb. 7  : Ankunft des spanischen Königs am Flughafen Wien-Schwechat, 1978. Bruno Kreisky, Juan Carlos, Rudolf Kirchschläger (v.l.n.r.). Foto  : ÖNB

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Abb. 8  : Kanzlerloge am Opernball, 3 Februar 1978  : Herma Kirchschläger, König Juan Carlos, Bruno Kreisky, Königin Sophia und Bundespräsident Rudolf Kirchschläger (v.l.n.r.); Foto  : Votava

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Sonstige Quellen Datenbank »APA 1955 1985« (beinhaltet sämtliche Meldungen der Austria Presse Agentur aus diesen 30 Jahren)

David Schriffl

Die Beziehungen Österreichs zu Portugal  : 1945–19741 Vorwort Dieser Beitrag basiert im Wesentlichen auf österreichischen Akten aus dem Außenministerium und dem Staatsarchiv. Der Nachvollzug der Umstände der Wiederaufnahme der Beziehungen wäre ohne die Aktenbestände der Protokollabteilung, die sich noch im Archiv des bmeia befinden, in dieser Form nicht möglich gewesen. Interessanterweise behandeln die portugal-spezifischen Bestände des Kreisky-Archives erst die Zeit ab 1975. Portugiesische Akten wurden nur herangezogen, wenn sie als Korrektiv notwendig waren.

Nachkriegsverhältnisse und Kinderhilfsaktion Das Verhältnis Österreichs zu Portugal war nach 1945 selbstverständlich von ganz anderen Bedingungen geprägt als etwa jenes zu den Nachbarstaaten. Die österreichische Regierung war nach Kriegsende vorrangig mit der Wiederherstellung der Versorgung beschäftigt. In der ersten Zeit war die Sicherstellung einer minimalen Kalorienversorgung der Bevölkerung vorrangig. Die entsprechenden Werte wurden dabei 1945 immer wieder nach unten angepasst.2 Der diesbezügliche Warenverkehr mit Lebensmitteln war mit den Nachbarländern daher natürlich wichtiger. Trotzdem regten immer wieder Privatpersonen oder Firmen die Wiederaufnahme von Handelsbeziehungen mit Ländern an, zu denen sie entweder vor dem Kriege Geschäftsbeziehungen hatten oder in denen sie sich gerade aufhielten. So auch im Falle Portugals und Spaniens. Im August 1945 wurde ein entsprechender Vorschlag der Wiener Firma Pawlik, Rohstoffe von der Iberischen Halbinsel nach Österreich 1 Für einen Überblick über Wesen und Entwicklung des portugiesischen Estado Novo sowie weiterführende Literatur vgl. Ursula Prutsch, Iberische Diktaturen. Portugal unter Salazar, Spanien unter Franco (Innsbruck/Wien/Bozen 2012)  ; allg. zur portugiesischen Geschichte  : Walther Bernecker, Horst Pietschmann, Geschichte Portugals (München 2001)  ; Rui Ramos, Bernardo Vasconcelos e Sousa, Nuno Gonçalo Monteiro, História de Portugal (Lissabon 2012)  ; zur prägenden Persönlichkeit des Regimes vgl. Filipe Ribeiro de Meneses, Salazar. A political biography (New York 2010). 2 Thomas Weidenholzer, Alles drehte sich um Kalorien. In  : Erich Marx (Hg.), Befreit und besetzt. Stadt Salzburg 1945–1955 (Salzburg/München 1996) 46–51, 50. Für allg. Literatur zu Österreichs Nachkriegspolitik und Außenbeziehungen s. Einleitung.

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zu importieren, in der Staatskanzlei/Abteilung für Auswärtige Angelegenheiten (im Folgenden StKa/AA) nicht rundweg abgelehnt, sondern die Firma ersucht, einen »informierten Vertreter« zu weiteren Besprechungen ins Amt zu schicken.3 Kreative Maßnahmen zur Vermeidung von in Wien befürchteten Problemen an den Grenzen der Besatzungszonen, wie die Einschaltung des Roten Kreuzes oder gar der Deklarierung der Waren als »päpstliches Gut«, wurden jedoch abgelehnt.4 Österreich war auf Hilfe von außen angewiesen. Entsprechende Aufrufe an die internationale Gemeinschaft wurden auch durch den wiedererstandenen österreichischen auswärtigen Dienst5 über diplomatische Kanäle verbreitet. Entsprechende Hilfsangebote kamen von staatlicher Seite oder privaten Organisationen etwa aus Schweden und der Schweiz, Belgien und Holland in Form von Hilfslieferungen und der Aufnahme besonders bedürftiger Kinder.6 Diese Aktionen sind auch in den Akten der StKa/AA dokumentiert, wo eine eigene Aktenrubrik »Hilfsaktionen« angelegt ist. Die wohl umfangreichste Hilfe kam aus den usa in Form von Care-Paketen. Die Schweizer und schwedischen Aktionen fanden sogar ihren Niederschlag im Wiener Straßenbild etwa mit der Per Albin Hansson-Siedlung. Ein nicht zu unterschätzender Teil dieser Hilfe kam auch aus Portugal. Bereits ab 1947 wurden österreichische Kinder nach Portugal zur Erholung geschickt. Organisiert wurden die Transporte von der portugiesischen Caritas in Kooperation mit ihrer österreichischen Schwesterorganisation. Erstere sprach die entsprechenden Einladungen an die österreichische Caritas aus. Zwischen 1947 und 1956 wurden insgesamt 5.402 Kinder nach Portugal auf Erholung geschickt, der Schwerpunkt lag dabei auf den Jahren zwischen 1948 und 1950. 1948 handelte es sich dabei um 1.486, 1949 um 1.989 und 1950 um 1.172 Kinder. Um für einen solchen Transport ausgewählt zu werden, war der Gesundheitszustand der etwa sechs- bis zwölfjährigen Kinder entscheidend  : Sie mussten erholungsbedürftig, durften aber nicht akut krank sein. Wurde dies ärztlich bestätigt, wurde von den Eltern eine Vollmacht für den sechsmonatigen Aufenthalt ausgestellt, während dem die Verfügungsgewalt über die Kinder bei der Caritas bzw. den jeweiligen Pflegefamilien liegen sollte. Im Falle einer 3 Österreichisches Staatsarchiv/Archiv der Republik (im Folgenden ÖStA/AdR), Staatskanzlei-Auswärtige Angelegenheiten (im Folgenden StKA-AA), Gr.Zl. 1025-pol/45, Zl. 1025-pol/45. Import von Lebensmitteln aus Spanien und Portugal. AV vom 14.9.1945. 4 ÖStA/AdR, StKA-AA, Gr.Zl. 1025-pol/45, Zl. 1309-pol/45. Import von Lebensmitteln aus Spanien und Portugal. AV vom 27.9.1945. 5 Dieser wurde zunächst als »Abteilung für Auswärtige Angelegenheiten« der Staatskanzlei eingerichtet (bis November 1945) und dann als ebensolche innerhalb des wiedererrichteten Bundeskanzleramtes weitergeführt. Als eigenes Ministerium wurden die auswärtigen Angelegenheiten erst 1953 wieder konstituiert. 6 Letztere sind noch völlig unerforscht. Susanne Mayr, Kinderverschickungen nach Portugal. Erholungsaufenthalte in einer fremden Welt. 1947–1956, in  : historioPLUS 1 (2014), 93–121, 114. http://www.his torioPLUS.at/?p=217.

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Krankheit sollten die Kinder in Portugal bleiben und im Todesfall war auch vorgesehen, dass sie nicht nach Österreich rücküberführt, sondern in Portugal bestattet werden sollten. Die aufnehmenden Familien in Portugal scheinen vor allem vom Motiv christlicher Nächstenliebe geleitet worden zu sein sowie von Dankbarkeit über den Umstand, dass Portugal vom Krieg verschont geblieben war. Die Kooperation der beiden Caritasverbände führte dazu, dass viele der Pflegefamilien in örtliche kirchliche Gemeinschaften eingebunden waren. Die Reise selbst sollte grundsätzlich von den entsendenden Familien bezahlt werden, bei sozial sehr schwachen Familien wurde der Betrag aber nicht eingehoben. Die Caritas Österreich legte aber auch Wert auf die »moralischen Eigenschaften« der Kinder, wenn sie in einem Informationsschreiben vor der Abfahrt von den Eltern forderte  : »Schärfen Sie Ihrem Kinde ein, dass es sich in Portugal recht gut benimmt, da aus dem Verhalten der Kinder Rückschlüsse auf die österreichische Bevölkerung gezogen werden. Es ist wohl selbstverständlich, dass Ihr Kind ein kurzes Morgen-, Tisch- und Abendgebet kennt und gewöhnt ist, es zu beten.«7 Der christlich-katholische Hintergrund der Aktion wird hier nochmals sehr deutlich. Die Transporte gingen per Zug direkt über den Landweg oder per Zug nach Genua und von dort unter Aufsicht der portugiesischen Caritas per Schiff weiter nach Portugal. Einige wenige Kinder des ersten organisierten Transports wurden sogar von der Schweiz aus in ihr Erholungsland geflogen. In Portugal wurden die Kinder auf verschiedene Diözesen aufgeteilt und dort ohne besondere Regelungen eher zufällig an die Pflegefamilien weitergegeben bzw. wurden die Kinder von diesen »ausgesucht«. Durchschnittlich verblieben die Kinder zwölf bis zwanzig Monate bei den meist eher wohlhabenden Pflegefamilien. Im Gegensatz zu den Dokumentenbeständen im Außenamt hinterließen die Aufenthalte medial in Österreich durchaus einen Eindruck. Für die Kinder blieben die Aufenthalte fast durchwegs in bester Erinnerung. Viele verlernten schnell Deutsch zu sprechen oder zumindest zu schreiben und fürchteten fast die Caritas-Kommissionen, die kontrollieren sollten, ob ihnen an nichts fehle, aus Angst, man könnte sie wieder nach Österreich zurückbringen.8 In manchen Fällen stand eine mögliche Adoption durch die portugiesische Pflegefamilie im Raum, der aber von den Eltern im Normalfall nicht zugestimmt wurde. Darüber hinaus gab es von österreichischer offizieller Seite den Wunsch, Kinder nach dem Erholungsaufenthalt nicht zur Adoption freizugeben, man wollte vermeiden, dass die Kinder »dem österreichischen Staat verloren gehen«.9 7 Kinder und Jugendhilfe Caritas Wien, Informationsschreiben vor der Abfahrt, Brief, Privatbesitz Hannelore Mauracher, Wien, 1948. Hier zitiert nach Susanne Mayr, Kinderverschickungen nach Portugal  : Erholungsaufenthalte für österreichische Kinder in Portugal von 1947 bis 1956 (Wien Dipl. 2013) 101. 8 Mayr, Kinderverschickungen (2014) 98ff. 9 ÖStA/AdR, BM f. Soz.Verw., Jugendfürsorge, Kt. 2603, BM f. Soziale Verwaltung, Protokoll über die

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Dokumente über diese Aktion gibt es in den Akten des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung, der wohl wichtigste Bestand sind aber Akten der Caritas im Archiv der katholischen Privatuniversität Linz. In den Unterlagen der StKa/AA finden sich keinerlei Schriftstücke über diese umfangreiche Hilfsaktion. Auch wenn man bedenkt, dass es sich um private Organisationen handelte, die diese abwickelten, scheint dieser Umstand doch erstaunlich. Einen Hinweis auf mögliche Gründe dafür gibt ein Akt in Bezug auf Spanien  : 1946 regten zwei Privatpersonen in einem Schreiben an die StKa/AA neben der Wiederaufnahme wirtschaftlicher Beziehungen mit Spanien auch eine »Kinderferienverschickung« in dieses Land an. Die Kinderhilfsaktion wird ohne weitere Angabe von Gründen abgelehnt und in Hinblick auf die Wirtschaftsbeziehungen »wird bemerkt, dass diese nicht nur wegen der äußerst ungünstigen Preise (…), sondern auch aus gewichtigen Erwägungen anderer Natur im Augenblick untunlich erscheint«.10 Portugal wird man aus politischen Gründen ähnlich skeptisch gegenübergestanden sein, allerdings wohl gebrochen durch die Rolle des Landes als Fluchtpunkt und Durchreiseland für Flüchtlinge vor dem NSRegime und die enge militärische Kooperation mit den Alliierten ab 1943. Zumindest legte man der portugiesischen Aktion keine Steine in den Weg, wie es die Akten des Ministeriums für soziale Verwaltung nachvollziehbar machen. Zu dieser Kinderverschickung existiert bis jetzt im Wesentlichen eine Diplom­ arbeit,11 eine Dissertation zum Thema ist in Planung12. In den Beziehungen der beiden Länder wurde diese Aktion zumindest immer wieder positiv erwähnt, auch die portugiesische Presse erinnerte sich gern daran, etwa in einem emotional gefärbten Bericht über das weitere Schicksal der Portugalkinder in Österreich aus dem Jahr 1958. Autor war Ramiro Valadão, Pressechef der União Nacional und zu dieser Zeit immer wieder mit der Berichterstattung aus Österreich betraut.13 Salazar selbst eröffnete eine Audienz des österreichischen Botschafters 1962 etwa mit der Bemerkung, dass er selbst noch immer viele Briefe von Caritas-Kindern aus Österreich erhalten würde. Laut damaligen Informationen hatten zu diesem Zeitpunkt etwa 12 in Portugal geheiratet und rund 30 ledige ehemalige Caritas-Kinder waren noch im Land. Einige der inzwischen Verheirateten seien in Évora und ihm auch persönlich bekannt. Salazar merkte auch an, dass ihm aus der konstituierende Sitzung des Beirates der »Österreichischen Wohlfahrtsstelle« am 17. Dezember 1946, Wien, 17.12.1946. Hier zit. nach Mayr, Kinderverschickungen (2014) 112. 10 ÖStA/AdR, StKA-AA, Gr.Zl. 100.174-WPol/46, Zl. 101.621-WPol/46. Anton Paukner, Madrid, Kinderhilfsaktion und Handelsbeziehungen mit Spanien. AV und EB vom 5.7.1946. 11 Susanne Mayr, Kinderverschickungen nach Portugal  : Erholungsaufenthalte für österreichische Kinder in Portugal von 1947 bis 1956 (Wien Dipl. 2013). 12 An dieser arbeitet Mag. Ingo König. 13 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl., o.Zl. Erinnerung an Wien von Ramiro Valadão. Diário da Manhã vom 4.4.1958, do. Zl. 712-A/58.

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Caritas-Tätigkeit bekannt sei, »wie merkwürdig verschieden der Österreicher vom Deutschen sei, umgänglicher, gefälliger«. Es sei erstaunlich gewesen, wie leicht sich die österreichischen Kinder eingelebt hätten. Es war eine der wiederholten Gelegenheiten, bei denen von österreichischer Seite Dank für die geleistete Hilfe ausgesprochen wurde.14 Neueste Forschungen deuten im Übrigen darauf hin, dass Salazar selbst der Hauptfinancier der gesamten Aktion gewesen sein könnte.15 Unverständlicherweise weist bis heute weder ein Name einer Straße noch eines Platzes etwa in Wien auf diese selbstlose Geste portugiesischer Pflegefamilien hin. Es kann hier nur spekuliert werden, dass die größere ideologische Nähe der Wiener Stadtregierung zu Schweden als zum autoritär regierten Portugal den Ausschlag gegeben hat,16 die einen zu ehren und die anderen zu vergessen. Oder aber einer staatlich konzertierten Aktion wird eher eine Ehrbezeugung zuteil als einer von privaten Organisationen ermöglichten. Ich kann trotzdem nicht umhin, dies als Versäumnis zu bezeichnen, das schnellstmöglich korrigiert werden sollte. Dies schon deshalb, weil die Aufnahme bei portugiesischen Familien persönliche und herzliche Gefühle der Hilfsbereitschaft abseits politischer Einstellungen oder staatlicher Strukturen zum Ausdruck gebracht hat.

Die Frage der Anerkennung Österreichs Die ersten offiziellen Kontakte Österreichs zu Portugal nach dem Ende des Krieges liefen über Paris. Dort hielt die politische Vertretung der Bundesregierung unter Norbert Bischoff Kontakt zum lokalen portugiesischen Gesandten bzw. ab 1948 Botschafter. Das bk a-a a bzw. seine Völkerrechtsabteilung hatten Ende Juli 1946 Bischoff angewiesen, Schritte zu unternehmen, um eine diplomatische Anerkennung Österreichs durch Portugal zu erreichen.17 Dieser nahm Kontakt mit dem portugiesischen Gesandten de Castro auf. De Castro äußerte sich »in besonders freundlicher Weise« über Österreich, woraufhin Bischoff darlegte, eine offizielle Anerkennung wäre der beste Weg, um diesen Sympathien Ausdruck zu verleihen, zumal bereits fast alle anderen europäischen und viele außereuropäische Regierungen die Zweite Republik anerkannt hätten. Zudem sei die Anerkennung für österreichische Staatsbürger in Portugal und seinen Kolonien wichtig, »die, nachdem sie während des Krieges 14 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 78.172-Pol/62, Zl. 78.172-Pol/62. Audienz bei Ministerpräsident Salazar. Ender an Kreisky vom 13.12.1962, do. Zl. 47-Pol/62. 15 Ich danke Mag. Ingo König für diesen Hinweis aus seinen laufenden Forschungen zu diesem Fragenkomplex. 16 Vgl. die Bedenken des AA in Bezug auf eine solche Aktion mit Spanien. 17 Archiv BMEIA, StKA-AA, Gr.Zl. 119.999-Prot/46, Zl. 144.347-Prot/46. Anerkennung Österreichs durch Portugal. BKA-AA an Pol. Vertr. d. öst. Bundesreg. i. Paris vom 7.12.1946.

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vielfach das gastfreundlichste Asyl gefunden hatten, nun den deutschen Reichsangehörigen gleichgestellt werden und allerhand Härten und schwere Benachteiligungen zu erdulden haben.« Der portugiesische Gesandte sagte eine schnellstmögliche Antwort nach Rücksprache mit seiner Regierung zu.18 19 Eine gute Woche später hatte de Castro noch immer keine Antwort aus Lissabon. Er erklärte dem Österreicher, dass der einzig denkbare Grund dafür Salazars schlechter Gesundheitszustand sei. Ein Herzleiden führe dazu, dass er nur eine Stunde am Tag arbeiten dürfe. Daher seien so gut wie alle politischen Entscheidungen blockiert. Er hätte allerdings die Weisung erhalten, dass die portugiesische Regierung »mit Vergnügen« bereit sei, Gespräche über die Wiederaufnahme von Handelsbeziehungen zu führen. Dies wäre problemlos möglich, da dafür keine Entscheidung des Ministerpräsidenten Salazar eingeholt werden müsste. De Castro erneuerte die positive Einstellung Lissabons Österreich gegenüber, indem er betonte  : »Dass die Verzögerung der Anerkennung der österreichischen Regierung irgendwelche politische [sic  !] Gründe haben könne, sei bei den sehr großen und warmen Sympathien ganz Portugals und seiner Regierung für Österreich vollkommen undenkbar.«20 Nach drei Monaten wies der Ballhausplatz die Vertretung in Paris an, bezüglich der Anerkennung beim portugiesischen Vertreter nachzufragen.21 Der österreichische Geschäftsträger versuchte in der Folge beim portugiesischen Gesandten oder dessen erstem Sekretär empfangen zu werden, blieb jedoch trotz mehrfachen Insistierens erfolglos.22 Als es gelang, einen in der Sache informierten Legationssekretär zu befragen, bedauerte dieser, dass noch immer keine Entscheidung aus Portugal vorliegen würde. Der österreichische Geschäftsträger vermerkte sohin  : »Ich kann mich täuschen, aber ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass portugiesischerseits ein gewisses Ressentiment vorliegt, weil wir nicht (…) einen Vertreter zur Besprechung handelspolitischer [Hervorhebung i. O., Anm. d. Verf.] Fragen entsendet haben, dies obwohl zwischen den beiden Pro-

18 Archiv BMEIA, StKA-AA, Gr.Zl. 119.999-Prot/46, Zl. 119.999-Prot/46. Anerkennung Österreichs durch Portugal. Stellung österr. Staatsbürger in Portugal und in den port. Kolonien. Bischoff an BKA-AA vom 8.10.1946, do. Zl. 3268-A/46. 19 Castro erwähnte in seinem eigenen Bericht über dieses Gespräch, dass Bischoff ihm auch noch mitgeteilt habe, dass die österreichische Regierung bis zu diesem Zeitpunkt keine Anstrengungen unternommen hätte, mit Spanien diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Arquivo Histórico Diplomático do Ministério dos Negócios Estrangeiros (im Folgenden AMNE), 2do Piso A48 Maço 196, Telegramm Nr. 617, Portugiesische Botschaft Paris, Castro an Ministério dos Negócios Estrangeiros (Außenministerium, im Folgenden MNE) vom 8.10.1946. 20 Archiv BMEIA, StKA-AA, Gr.Zl. 119.999-Prot/46, Zl. 144.068-Prot/46. Anerkennung Österreichs durch Portugal. Bischoff an BKA-AA vom 17.10.1946, do. Zl. 414/Res. Vertraulich. 21 Archiv BMEIA, StKA-AA, Gr.Zl. 102.033-Prot/47, Zl. 102.033-Prot/47. Anerkennung Österreichs durch Portugal. BKA-AA an öst. Pol. Vertr. i. Paris vom 13.1.1947. 22 Der diesbezügliche Absatz ist im Dokument mit zwei roten Rufzeichen markiert.

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blemen keinerlei Zusammenhang besteht.«23 Man nahm am Ballhausplatz diesen Verdacht durchaus ernst und wies Paris an, solche etwaigen Ressentiments zu zerstreuen, indem man die Portugiesen darauf hinweisen wollte, dass die eingetretenen Verzögerungen bei der Entsendung einer Delegation nach Lissabon »ausschließlich Personal- und Devisenschwierigkeiten« als Ursache hätten.24 Dieser Verdacht des österreichischen Geschäftsträgers scheint aber unbegründet gewesen zu sein. Zum einen hatten die Portugiesen selbst erklärt, noch keine Weisung aus Lissabon erhalten zu haben und zum anderen hatte der portugiesische Gesandte de Castro bereits Bischoff die Lage in Bezug auf Salazars Gesundheitszustand erklärt und von sich aus darauf hingewiesen, dass sich in außenpolitischen Fragen Salazars eingeschränkte Arbeitsfähigkeit »wiederholt auf das peinlichste fühlbar gemacht habe«, man habe sogar daran gedacht, dem Regierungschef deswegen zumindest das Außenamt »abzunehmen«.25 Ein weiterer Meinungsaustausch ergab sich durch den erneuten Auftrag Wiens an Bischoff herauszufinden, wie Lissabon einer Wiederaufnahme geregelter Handelsbeziehungen gegenüberstehen würde. Der portugiesische Gesandte fragte bei seiner Regierung nach und konnte Bischoff eine mehr als freundliche Antwort übermitteln. Er teilte mit, der »österreichische Unterhändler oder die österreichische Delegation würden in allen Ehren und mit größtem Vergnügen in Lissabon empfangen werden«.26 Dies bedeutete eine De-facto-Anerkennung der Bundesregierung und damit der Republik Österreich durch die portugiesische Regierung. In der Vorgehensweise wird ein Pragmatismus deutlich, der uns auf portugiesischer Seite noch öfter begegnen wird. Falsche Rücksichten auf Formalia waren nicht das hervorstechendste Merkmal der portugiesischen Außenpolitik Österreich gegenüber.27 Dieser Pragmatismus diente jedoch offenbar auch dazu, nicht alle eigenen Beweggründe preisgeben zu müssen  : Im März 1947 verdeutlichte der österreichische Vertreter in 23 Archiv BMEIA, StKA-AA, Gr.Zl. 102.033-Prot/47, Zl. 102.194-Prot/47. Anerkennung Österreichs durch Portugal. Schwarzenberg an BKA-AA vom 25.1.1947. Am Rand des Dokuments wurde u. a. handschriftlich vermerkt »Hätten wir Zeit  ? Wann  ? Reisemögl.  ?« 24 Archiv BMEIA, StKA-AA, Gr.Zl. 102.033-Prot/47, Zl. 102.194-Prot/47. BKA-AA an Gesandtschaft Paris vom 17.2.1947. 25 Archiv BMEIA, StKA-AA, Gr.Zl. 119.999-Prot/46, Zl. 144.068-Prot/46. Anerkennung Österreichs durch Portugal. Bischoff an BKA-AA vom 17.10.1946, do. Zl. 414/Res. Vertraulich. 26 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 100.774-WPol/46, Zl. 103.024-WPol/46. Handelsverkehr mit Portugal. Bischoff an BKA-AA vom 17.10.1946. 27 Dass im österreichischen Auswärtigen Dienst oftmals »strengere« Kriterien angewandt wurden, vermag der Kommentar des österreichischen Gesandten in Paris Vollgruber auf die Erhöhung der gegenseitigen diplomatischen Vertretungen Frankreichs und Portugals zu Botschaften famos zu illustrieren  : »Die Entwertung des Botschaftertitels geht also weiter.« ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 112.621-Pol/48, Zl. 112.621-Pol/48. Portugiesischer Botschafter in Paris. Vollgruber (?) an Gruber vom 10.4.1948, do. Zl. 44Pol/48.

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London seinem portugiesischen Gesprächspartner ebenfalls, dass die Bundesregierung eine diplomatische Vertretung in Lissabon eröffnen wolle, »sobald dies die Umstände zulassen würden«.28 Die Antwort des portugiesischen Außenamtes auf die Anfragen seiner Vertretungen in London und Paris bringt diese anderen Beweggründe zutage. »Wir glauben hingegen, dass eine Anerkennung von unserer Seite und die Errichtung unserer diplomatischen Vertretung so lange nicht ratsam wären, als noch kein Friedensvertrag mit Österreich abgeschlossen ist und es nicht von den Besatzungstruppen verlassen worden ist. Dies umso mehr, als es uns der Mangel an Personal verunmöglicht, Repräsentanten in anderen Ländern zu unterhalten, die für uns von größerem politischem und wirtschaftlichem Interesse sind.«29 Vermutlich auch deshalb sollte die De-iure-Anerkennung noch über ein Jahr auf sich warten lassen. Als Bischoff Anfang 1947 in Paris als österreichischer Gesandter durch Alois Vollgruber abgelöst wurde, hoffte dieser, seinen Antrittsbesuch beim portugiesischen Gesandten nutzen zu können, um über die Anerkennung und handelspolitische Fragen sprechen zu können.30 Zu diesem Antrittsbesuch kam es erst Anfang Mai. Der portugiesische Gesandte erklärte, auf seine Anfrage nach Lissabon keine Antwort erhalten zu haben und hatte – nachdem Österreich nicht urgiert hätte – ebenfalls nicht nachgefragt. Er wollte »die Sache« aber wieder aufgreifen. Dabei versicherte er Vollgruber, dass »in Portugal nur Sympathien für Österreich bestünden, die zum Teil noch auf die dynastischen Zeiten zurückgingen«.31 Der österreichische Vertreter blieb auch weiterhin hartnäckig und fragte bei sich bietenden Gelegenheiten beim portugiesischen Gesandten nach, bis dieser im August 1947 in Pension ging und Paris verließ. Dieser entschuldigte sich jedes Mal, versprach nachzufragen und erklärte, dass in südlichen Ländern eben alles etwas länger dauern würde.32 Der nächste Schritt Österreichs war, bei der Schlusssitzung der Marshallplan-Konferenz mit dem dort anwesenden portugiesischen Außenminister Caeiro da Mata selbst Kontakt aufzunehmen. Dieser versprach, sich der Sache selbst anzunehmen und sich »in einigen Wochen« zu melden.33 Dem österreichischen Wunsch stand eine bemer28 AMNE, 2do Piso A48 Maço 196, Telegramm Nr. 147, Portugiesische Botschaft London, Palmella an MNE vom 27.3.1947. 29 AMNE, 2do Piso A48 Maço 196, Telegramm Nr. 119, MNE, Außenminister an Botschaft London vom 28.3.1947. 30 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 102.033-Prot/47, Zl. 102.382-Prot/47. Anerkennung Österreichs durch Portugal  ; Handelspolitische Verhandlungen. Vollgruber an BKA-AA vom 1.3.1947, do.Zl. 1046-A/47. 31 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 102.033-Prot/47, Zl. 102.807-Prot/47. Anerkennung Österreichs durch Portugal. Vollgruber an BKA-AA vom 3.5.1947, do. Zl. 1888-A/47. 32 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 102.033-Prot/47, Zl 103.607-Prot/47. Anerkennung Österreichs durch Portugal. Vollgruber an BKA-AA vom 21.8.1947, do. Zl. 4911-A/47. 33 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 102.033-Prot/47, Zl. 103.785-Prot/47. Anerkennung Österreichs durch Portugal. Vollgruber an Gruber vom 23.9.1947, do. Zl. 139-Pol/47.

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kenswerte Langsamkeit der portugiesischen Seite gegenüber. Man muss allerdings nicht die vom portugiesischen Gesandten selbst ins Treffen geführte südliche Langsamkeit in bürokratischen Dingen bemühen, um einen Erklärung dafür zu finden. Viel wahrscheinlicher ist, dass der schon bei früherer Gelegenheit gemachte Hinweis auf die eingeschränkte Handlungsfähigkeit Salazars und die Notwendigkeit seiner Zustimmung zu allen prinzipiellen Fragen ein Grund dafür war. Konflikte oder Divergenzen zwischen den beiden Ländern gab es keine und wenn man neben den ostentativen Sympathiebekundungen der portugiesischen Seite noch bedenkt, dass zur selben Zeit das Kindererholungsprogramm der Caritasorganisationen der beiden Länder begann, muss mit einiger Berechtigung auch von strukturellen Ursachen ausgegangen werden, die eine schnellere De-iure-Anerkennung verhinderten. Diese wurden in Portugal selbst ebenso geltend gemacht wie gegenüber den Österreichern. Mindestens ebenso wichtig war aber zunächst, dass Lissabon den Staatsvertrag und das Ende der Besatzung Österreichs abwarten wollte. Das Einschreiten des Ministers brachte die Anerkennungsfrage schließlich in die Zielgerade. Im Jänner 1948 wurde ein Mitarbeiter der österreichischen Gesandtschaft in Paris zum portugiesischen Gesandten gebeten, um die Details der Anerkennung zu besprechen und teilte mit, dass ein entsprechendes offizielles Schreiben in einigen Tagen ergehen würde.34 Mündlich teilte der portugiesische Gesandte seinem österreichischen Kollegen am 27. Jänner 1948 die Anerkennung Österreichs durch Portugal mit und dass man zu einem entsprechenden Notenaustausch bereit sei.35 Gesandter Vollgruber teilte dem portugiesischen Gesandten weisungsgemäß mit, »dass Österreich die Anerkennung durch Portugal, als einem Staate, mit dem es stets in freundschaftlichen Beziehungen gestanden ist, auf das lebhafteste begrüßt«.36 Mit der Mitteilung an den portugiesischen Gesandten wurde die Anerkennung Österreichs durch Portugal mit 4. Februar 1948 wirksam.37 Damit war die grundlegendste Voraussetzung geschaffen, einen Vertreter Österreichs an den Tejo zu entsenden. Die de iure-Anerkennung bedeutete jedoch noch nicht die Aufnahme offizieller diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Das internationale Umfeld dieser Ereignisse wirft ein interessantes Licht auf diese. Zum Zeitpunkt der Anerkennung Österreichs stand die kommunistische Machter34 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 105.117-Prot/48, Zl. 105.117-Prot/48. Anerkennung Österreichs durch Portugal. Vollgruber an BKA-AA vom 7.1.1948, do. Zl. 57-A/48. 35 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 105.117-Prot/48, Zl. 105.309-Prot/48. Telegramm öst. Gesandtschaft an BKA-AA vom 27.1.1948. 36 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 105.117-Prot/48, o.Zl. Anerkennung Österreichs durch Portugal. Aufnahme diplomatischer und konsularischer Beziehungen. Konzept BKA-AA an Vollgruber vom 31.1.1948. 37 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 105.117-Prot/48, Zl. 105.444-Prot/48. Anerkennung Österreichs durch Portugal. Aufnahme diplomatischer und konsularischer Beziehungen. Vollgruber an Gruber vom 5.2.1948, do. Zl. 802-A/48. Vertraulich.

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greifung in der Tschechoslowakei kurz bevor. Diese war für den Beobachter durch die dortige innenpolitische Entwicklung auch absehbar  : Bereits im Herbst 1947 hatten die Kommunisten den slowakischen »Rat der Beauftragten«, eine Art Landesregierung, putschartig übernommen, es ergoss sich eine regelrechte Flüchtlingswelle slowakischer politischer Funktionäre der Demokratischen Partei und Antikommunisten nach Österreich und dort vor allem in die westlichen Besatzungszonen.38 In Österreich bestand zunehmend die Angst, ebenfalls das Ziel von kommunistischen Putschversuchen zu werden. Die Anerkennung durch Portugal, das als faschistisches Regime galt und den Antikommunismus bzw. die Verteidigung Europas vor sowjetischen Machtansprüchen auf seine ideologischen Fahnen geheftet hatte, geschah daher in einer sensiblen Phase. Ob der fast eineinhalb Jahre nach ersten diesbezüglichen österreichischen Vorstößen und fast drei Jahre nach Kriegsende erfolgende Schritt gerade zu diesem Zeitpunkt auch mit diesem portugiesischen Selbstverständnis zu tun hatte oder ausschließlich durch die Blockierung der inneren Entscheidungsprozesse Lissabons hervorgerufen wurde, muss noch geklärt werden.

Die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen Vollgruber hatte in Bezug auf die Bemühungen zur Anerkennung Österreichs auch den Auftrag erhalten, vorzufühlen, ob seitens der Portugiesen auch die Aufnahme diplomatischer und konsularischer Beziehungen erwünscht wäre. Österreich würde in diesem Fall »diesen Schritt gerne unternehmen«. Dies, obwohl gemäß Kontrollabkommen 1946 dazu die Genehmigung der Alliierten notwendig wäre, dass Portugal nicht den un angehören würde.39 Anlässlich der Anerkennung Österreichs konnte der portugiesische Gesandte Marcello Mathias Vollgruber auch versichern, dass Lissabon dies »ehestens« wünschen würde. Als er aber über die notwendige alliierte Genehmigung zu diesem Schritt informiert wurde, wollte er »doch lieber vorher noch mit seiner Regierung das Einvernehmen pflegen, weil er fürchten müsse, dass von einer Seite der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Portugal nicht zugestimmt werden dürfte«.40 Er sollte recht behalten. Wie zuvor in der Frage der Anerkennung ließ die Antwort aus Lissabon auf sich warten  ; man urgierte, woraufhin der portugiesische Gesandte Anfang März vorschlug, die Angelegenheit dem 38 David Schriffl, Tote Grenze oder lebendige Nachbarschaft  ? Österreichisch-Slowakische Beziehungen 1945–1968 (= Zentraleuropastudien 17, Wien 2012) 211ff., 360ff. 39 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 105.117-Prot/48, o.Zl. Anerkennung Österreichs durch Portugal. Aufnahme diplomatischer und konsularischer Beziehungen. Konzept BKA-AA an Vollgruber vom 31.1.1948. 40 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 105.117-Prot/48, Zl. 105.444-Prot/48. Anerkennung Österreichs durch Portugal. Aufnahme diplomatischer und konsularischer Beziehungen. Vollgruber an Gruber vom 5.2.1948, do. Zl. 802-A/48. Vertraulich.

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Außenminister vorzutragen, der zur Konferenz am 15. März nach Paris kommen sollte.41 Inzwischen ließ Außenminister Karl Gruber erheben, ob zur Bewilligung der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zu Portugal ein einstimmiger Beschluss des Alliierten Rates notwendig wäre.42 Gruber persönlich wollte Anfang April schon bei der Gesandtschaft in Paris eine Nachfrage bei den Portugiesen über den Stand der Dinge urgieren,43 als Vollgruber einen schon etwas gereizt klingenden Bericht nach Wien sandte. Gruber und Vollgruber hatten sich bei der Marshallplan-Konferenz im März in Paris mit dem portugiesischen Außenminister und dem Gesandten unterhalten. Dabei wurde vereinbart, dass der portugiesische Vertreter in Paris an den dortigen österreichischen Vertreter ein Schreiben richten würde, das den Wunsch der Lissaboner Regierung nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zum Ausdruck brächte. Als dieses nach zwei Wochen noch nicht eingetroffen war, schlug Vollgruber seinem portugiesischen Pendant Mathias vor, dass er selbst ein solches Schreiben verfassen könnte, dass dann nur mehr beantwortet werden müsste. Mathias akzeptierte erfreut und sicherte eine schnelle Antwort »vielleicht innerhalb 24 Stunden« zu und wollte in Lissabon nachfragen, ob sich der Außenminister inzwischen, wie beabsichtigt, mit dem Präsidenten der Republik besprochen hätte. Vollgruber äußerte Zweifel, ob er »nach seinen bisherigen Erfahrungen«, das gewünschte Schreiben erhalten würde.44 Eine Woche später war es soweit und die erwünschte Note der portugiesischen Regierung traf ein.45 Man machte sich umgehend daran, einen entsprechenden Antrag an den Alliierten Rat zu stellen. Der Ministerrat beschloss am 27. April 1948 die Wiederaufnahme der Beziehungen zu Portugal und ein entsprechendes Ersuchen um Genehmigung derselben an den Alliierten Rat.46 Am 3. Mai wurde der Antrag der Bundesregierung viersprachig an das Sekretariat des Alliierten Rates am Schwarzenbergplatz 4 übergeben.47 Dieser lehnte in seiner regu41 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 105.117-Prot/48, Zl. 105.760-Prot/48. Telegramm Ges. Paris an BKAAA vom 6.3.1948. 42 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 105.117-Prot/48, Zl. 105.802-Prot/48. Aufnahme diplomatischer und konsularischer Beziehungen mit Portugal. AV vom 10.3.1948. Verschluss. 43 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 105.117-Prot/48, Zl. 106.087-Prot/48. Aufnahme diplomatischer und konsularischer Beziehungen mit Portugal. AV und Telegramm vom 3.4.1948. Verschluss. 44 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 105.117-Prot/48, Zl. 106.130-Prot/48. Anerkennung Österreichs durch Portugal, Aufnahme der diplomatischen Beziehungen. Vollgruber an Gruber vom 2.4.1948, do. Zl. 2694A/48. Verschluss. 45 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 105.117-Prot/48, Zl. 106.290-Prot/48. Note der portugiesischen Gesandtschaft/Mathias an Vollgruber vom 9.4.1948. 46 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 105.117-Prot/48, Zl. 106.463-Prot/48. Abschrift des Ministerratsbeschlusses vom 27.4.1948. 47 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 105.117-Prot/48, Zl. 106.290-Prot/48. Aufnahme der diplomatischen und konsularischen Beziehungen mit Portugal. Entwurf an den Hauptsekretär des Alliierten Sekretariates vom 20.4.1948.

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lären Sitzung am 11. Juni 1948 das Begehren aufgrund sowjetischen Einspruchs ab. In den von der Wiener Zeitung veröffentlichten Separatberichten der vier Mächte kam das Thema nicht einmal vor. Das Außenamt lancierte daher in derselben Ausgabe der Wiener Zeitung eine Stellungnahme, um seine Haltung zu der Frage veröffentlicht zu sehen. Darin hieß es  : »Die Westmächte sind offenbar im Begriffe, sich mit der Sowjetunion darüber auseinanderzusetzen, ob künftighin nur solche Staaten als fähig angesehen werden sollen, diplomatische Beziehungen mit den übrigen Mächten zu unterhalten, die von der Regierung der UdSSR den Stempel demokratischer Zuverlässigkeit erhalten haben.«48 Im Entwurf zum Kommuniqué hieß es noch »volksdemokratischer Zuverlässigkeit«, diese Formulierung schien dann aber letztendlich doch als zu kritisch eingeschätzt worden zu sein, weswegen das Präfix gestrichen wurde. Weiters hielt man fest, dass für die österreichische Regierung die erfolgte Ablehnung des Ansuchens der Beweis dafür sei, dass die Bestimmung, dass die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Nicht-UN-Mitgliedern laut Kontrollabkommen 1946 der Genehmigung des Alliierten Rates bedürfte, »den durch die Entwicklung der allgemeinen Weltlage entstandenen Verhältnissen nicht mehr entspricht. Es versteht sich von selbst, dass trotz der Verhinderung offizieller Beziehungen Österreichs aufrichtige Gefühle der Freundschaft zum portugiesischen Volk in keiner Weise berührt werden«.49 Man war sehr deutlich, vermied aber zu scharfe Worte. Auch dass das portugiesische Volk und nicht Portugal als Staat oder gar seine Regierung als Ziel der Freundschaft bemüht wird, ist wohl einer Rücksichtnahme auf die Sowjets geschuldet. Mit dem portugiesischen Gesandten war durch das bk a-a a bereits zuvor vereinbart worden, dass man im Fall eines sowjetischen Vetos gegen die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen trotzdem »Agenten« austauschen würde. Bischoff in Paris wurde umgehend instruiert, seinen portugiesischen Kollegen in Paris zu informieren und mit ihm über mögliche Formen dieses »Agentenaustausches« zu sprechen. Österreich war inzwischen in Bezug auf die Sowjets ein gebranntes Kind und so befürchtete man, dass sich auch dabei »Schwierigkeiten ergeben könnten«, wenn »das russische Element beim Einreisevisaverfahren Umstände bereitet«.50 Man war in Wien also entschlossen, sich die Intensivierung der Beziehungen mit Portugal trotz oder gerade wegen des sowjetischen Vetos nicht verunmöglichen zu lassen und startete Geheimverhandlungen mit den Portugiesen über die Gesandtschaft in Paris. Bald wurde auch ein österreichischer Beamter nach Lis-

48 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 105.117-Prot/48, Zl. 107.024-Prot/48. Kommuniquéentwurf vom 12.6.1948. Panzerschrank. Sofort. 49 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 105.117-Prot/48, Zl. 107.024-Prot/48. Kommuniquéentwurf vom 12.6.1948. Panzerschrank. Sofort. 50 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 105.117-Prot/48, Zl. 107.035-Prot/48. Konzept BKA-AA an Bischoff vom 12.6.1948. Panzerschrank. Sofort.

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sabon entsandt. Schließlich wurde eine recht simple Lösung gefunden  : Der Legationssekretär der Pariser Gesandtschaft Arno Halusa wurde nach Lissabon beordert, um von dort regelmäßig über die politische Lage und anderes zu berichten. Er war der Gesandtschaft in Paris aber weiter zugeteilt und übte keine diplomatische Funktion aus. Sein erster überlieferter Bericht stammt von Juli 1949,51 sodass angenommen werden kann, dass Halusa recht bald nach dem geplatzten Anerkennungsversuch nach Lissabon entsandt worden ist. Aus den portugiesischen Akten geht dieser Zeitpunkt leider nicht hervor. Die ersten erhaltenen Übermittlungen tragen noch den Vermerk »Panzerschrank«, möglicherweise fürchtete man eine Reaktion von Seiten der Sowjets auf die faktische Aufnahme der eigentlich untersagten Beziehungen, sollten sie dies allzu bald mitbekommen. Anfang 1953 wurde Erich Filz als sogenannter »außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister« der Pariser Botschaft nach Lissabon entsandt. Er überreichte am 3. Februar 1953 dem portugiesischen Außenminister sein Einführungsschreiben.52 Trotz des sowjetischen Verbots verfügten die Beziehungen der beiden Länder also sogar über fast alle äußeren Anzeichen regelrechter diplomatischer Beziehungen, Halusa sollte sogar einen portugiesischen Orden erhalten. Filz wurde bei seinem Antrittsbesuch besonders nach der Rolle der sowjetischen Besatzung in Österreich gefragt, wobei er einige auf portugiesischer Seite vorhandene »phantastische Meinungen« korrigiert habe. Daneben wurde das geringe Interesse Portugals an einem Beitritt zu den un thematisiert, von dem man sich nicht viel erwarten würde. Die portugiesische Seite betonte auch, das Land habe kein klerikales Regime. Salazar sei zwar praktizierender Katholik, er lege aber sehr großen Wert auf die Trennung von Kirche und Staat. Filz’ Vorgänger kommentierte und relativierte diese Schilderung  : Er habe im Laufe der Jahre mit denselben Herren über Stunden zu ebendiesem Thema der sowjetischen Besatzung konferiert, zuletzt erst bei seinem Abschiedsbesuch. Zudem wären der portugiesische Außenminister und sein Generalsekretär auch durch die etwa zwölf Emissäre, die 1952 nach Wien entsandt worden wären, mündlich unterrichtet worden. »Ihre Unwissenheit ist daher nicht reell, sondern nur taktischer Natur.« Die Belehrung über das Verhältnis des Staates zur Kirche würde jedem Neuankömmling erteilt und diene vor allem dazu, »den Unterschied zu Spanien zu unterstreichen«.53 Ebenso wie bei der Frage der Wiederaufnahme der Beziehungen muss hier also konstatiert werden, dass die Portugiesen ihren jeweiligen österreichischen Gesprächspartnern

51 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 86.264-Pol/49, Zl. 86.264-Pol/49. Vollgruber an Wildner vom 27.7.1949. Panzerschrank. 52 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 317.414-Pol/53, Zl. 317.414-Pol/53. Antrittsbesuche in Lissabon  ; Erste Eindrücke. Filz an Schmid vom 5.2.1953, do. Zl. 1/Pol. 53 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 317.414-Pol/53, Zl. 317.414-Pol/53. Gesandter Filz  ; Antrittsbesuche in Lissabon und erste Eindrücke. Filz an Schmid vom 5.2.1953, do. Zl. 1/Pol und AV Halusa vom 14.2.1953.

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gegenüber nicht ganz ehrlich waren, was Beweggründe und Wissensstand betrifft, das gehört aber wohl mit zum diplomatischen Geschäft. Noch im Jänner 1953 hatte die österreichische Botschaft Paris unter Heinrich Schmid einen Vorstoß gewagt und fragte in Wien an, ob Filz bei seinem Antrittsbesuch in Lissabon nicht nachfragen solle, ob die Portugiesen »de facto« diplomatische Beziehungen mit Österreich aufnehmen wollten.54 Gemeint war damit die Schaffung eines »Politischen Vertreters der Bundesregierung«, eine Form, die kurz nach dem Krieg in mehreren Hauptstädten noch vor der Errichtung regelrechter diplomatischer Vertretungen gewählt worden war. Die Völkerrechtsabteilung im Außenamt erklärte jedoch, dass auch eine solche Einrichtung aufgrund einer Entscheidung des Alliierten Rates noch vor Abschluss des Kontrollabkommens von 1946 für die österreichische Regierung genehmigungspflichtig wäre.55 Die Anfrage Botschafter Schmids wurde daher negativ beantwortet.56 Dabei hatte es schon im Jahr zuvor ein »G’riß« um den bei Errichtung von Vertretungen neu zu besetzenden Posten in Wien gegeben. Der portugiesische Gesandte in Chile intervenierte bei seinem österreichischen Kollegen und empfahl sich als Gesandter in Wien. Er saß dabei der irrigen Meinung auf, dass Portugal inzwischen in die un aufgenommen worden wäre (!).57 Aber bereits einige Monate nach Schmids Vorstoß vom Jänner 1953 ergriff Außenminister Gruber erneut die Initiative und startete einen zweiten Versuch beim Alliierten Rat. Inzwischen hatte dieser der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen Österreichs zu Japan zugestimmt – ein Land, das zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nicht Mitglied der un war. Dies ließ das Außenamt hoffen, diesmal auch bei Portugal erfolgreich zu sein.58 Der Tod Stalins war diesbezüglich jedenfalls ein Faktor und hatte den Weg zu einer entspannteren sowjetischen Außenpolitik geebnet. Der Ministerrat beauftragte am 14. Juli 1953 Minister Gruber zur Einleitung der notwendigen Schritte.59 Der Gesandte in Paris, Vollgruber, wurde beauftragt, seinen bevollmächtigten Minister in Lissabon, Erich Filz, zu instruieren, erneut bei den Portugiesen anzufragen, ob die Wiederaufnahme diplomatischer 54 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 304.417-Prot/53, Zl. 304.417-Prot/53. AV vom 27.1.1953. Verschluss  ! Vertraulich  ! 55 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 304.417-Prot/53, Zl. 310.138–6VR/53. Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Nichtmitgliedstaaten der Vereinten Nationen. Inf. f. d. Hr. Generalsekretär vom 22.1.1953. Verschluss  ! Vertraulich  ! 56 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 304.417-Prot/53, Zl. 304.417-Prot/53. Entwurf BKA-AA an Schmid vom 27.1.1953. Vertraulich  ! 57 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 135.500-Prot/52, do. Zl. 149.458. Hudeczek an BKA-AA vom 19.3.1952. 58 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 304.417-Prot/53, Zl. 308.037-Prot/53. Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit Portugal. Vollgruber an Filz vom 28.7.1953, do. Zl. 183-RES/53. 59 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 304.417-Prot/53, Zl. 307.370-Prot/53. Antrag an den Ministerrat vom 10.7.1953.

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Beziehungen (noch immer) in deren Interesse läge und erneut – wie 1948 – darauf hinzuweisen, dass im positiven Falle eine Genehmigung des Alliierten Rates notwendig wäre. Die positive Antwort erfolgte noch während Filz’ Vorsprache, der portugiesische Außenminister habe die Nachricht vom österreichischen Wunsch nach Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen »mit Freude [Hervorhebung i. O.]« erhalten.60 Am 31. August 1953 wurde der entsprechende Antrag an den Alliierten Rat gestellt.61 In der Sitzung vom 9. Oktober 1953 beschloss das Exekutivkomitee des Alliierten Rates, dagegen keine Einwände zu erheben.62 Filz in Lissabon agierte nun quasi schon als diplomatischer Vertreter Österreichs, wenngleich er seine Order noch immer aus Paris erhielt. Er wurde via Vollgruber in Paris angewiesen, die Wiederaufnahme der Beziehungen durch einen offiziellen Briefwechsel herbeizuführen und diesen so anzulegen, dass Wien zeitgleich eine entsprechende Notiz in der Presse erscheinen lassen konnte.63 Filz begegnete in der Sache zum wiederholten Male dem Generalsekretär im portugiesischen Außenamt Vasco Pereira da Cunha. Während die Protokollabteilung in Wien noch den Text der auszutauschenden Briefe überprüfte und schließlich meinte, der Briefwechsels »könnte« als Form der Wiederaufnahme der Beziehungen geeignet sein und der Text »scheint den Umständen angemessen, vorausgesetzt, dass die portugiesische Antwort meritorisch inhaltsgleich ist«,64 gab sich der Portugiese weit weniger vom Formalen beseelt  : Er meinte, der Briefwechsel hätte für Portugal nur formelle Bedeutung, da man die Beziehungen durch die Anwesenheit Filz’ »als de facto bestehend« ansehen würde. »Er überlasse uns daher gerne die Bestimmung der Formalitäten, die, wie er hoffe, bald zu meiner Akkreditierung führen werden.«65 Der oben erwähnte großzügigere Umgang mit den Formalia der Welt der Diplomatie zeigt sich hier erneut ganz deutlich. Die portugiesische Regierung schlug einen Notenwechsel mit Pressefotografen im Lissaboner Außenamt am 20. November um 15  :30 vor.66 Wien zeigte sich mit der Vorgangsweise einverstanden und plante ein Pressecommuniqué für die Morgenblätter 60 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 304.417-Prot/53, Zl. 308.037-Prot/53. Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit Portugal. Vollgruber an Generalsekretär Wildmann vom 19.8.1953, do. Zl. 221-Res/53. 61 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 304.417-Prot/53, Zl. 308.037-Prot/53. Raab an Hauptsekretär des Alliierten Sekretariates vom 31.8.1953. 62 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 304.417-Prot/53, Zl. 308.706-Prot/53. Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Portugal. Zustimmung des Alliierten Rates. Alliierte Kommission für Österreich an Raab vom 9.10.1953, do. Zl. SECA 53/107. 63 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 304.417-Prot/53, Zl. 308.744-Prot/53. Wiederaufnahme der diplomatischen und konsularischen Beziehungen mit Portugal. AV vom 14.10.1953. 64 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 304.417-Prot/53, Zl. 309.282-Prot/53. AV vom 17.11.1953. 65 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 304.417-Prot/53, Zl. 309.282-Prot/53. Filz an Vollgruber vom 4.11.1953, do. Zl. 52/Res. Dringend  ! 66 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 304.417-Prot/53, Zl. 309.282-Prot/53. Telegramm österr. Botsch. Paris an Generalsekr. Wildmann vom 14.11.1953. Statissime.

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des 21. November.67 Dieses spiegelte den Pragmatismus des Ballhausplatzes wider  : »Die durch die Kriegsereignisse unterbrochenen diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Portugal wurden am gestrigen Tage durch einen Briefwechsel zwischen der Bundesregierung und der portugiesischen Regierung wieder­aufgenom­ men.«68 Filz war zwar weiterhin nur als »außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister« des österreichischen Botschafters in Paris in Lissabon stationiert, jedoch bestanden nun auch de jure diplomatische Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Seine Tätigkeit neigte sich aber dem Ende zu, da als erster akkreditierter Gesandter in Lissabon Rudolf Seemann vorgesehen wurde. Bei Filz’ Abschiedsbesuch beim portugiesischen Außenminister im Jänner 1954 kam die naheliegende Frage der Errichtung einer portugiesischen Gesandtschaft in Wien zur Sprache. Die Auskunft Paulo Cunhas war ernüchternd  : Man habe im Moment leider nicht die finanziellen Mittel, um einen Gesandten in Wien zu ernennen. Wien könne sich aussuchen, ob es vorziehe, dass der portugiesische Gesandte in Bern in Wien mitakkreditiert würde und in die österreichische Hauptstadt ein ständig anwesender Chargé d’Affaires ad interim entsandt oder nur ein Chargé d’Affaires en pied ernannt würde.69 Der Bericht blieb ohne Reaktion aus Wien, da man das Ersuchen Filz’ um eine möglichst umgehende Weisung an seinen Nachfolger Seemann in der Sache negativ entschied. Es sollte auf Weisung des Generalsekretärs Wildmann keine Stellungnahme zu den portugiesischen Vorschlägen abgegeben werden.70 Der Grund dafür sollte Rudolf Seemann alsbald sehr deutlich gemacht werden. Bei seinem Antrittsbesuch bei Außenminister Cunha wurde erneut die Frage der Errichtung einer portugiesischen Gesandtschaft in Wien erörtert. Seemann erklärte dabei, dass die Entsendung »eines der rangältesten Beamten« ein Zeichen sei, welche Bedeutung die Wiener Regierung der Aufnahme der Beziehungen mit Portugal beimessen würde. Cunha entgegnete ihm, dass man in Lissabon sehr zu schätzen wisse, welche Schwierigkeiten Österreich überwinden hätte müssen, um diese Wiederaufnahme zu erreichen. Cunha hatte gehofft, von Seemann bereits eine Antwort auf die Frage nach der gewünschten Form der portugiesischen diplomatischen Vertretung in Wien zu bekommen. Dem war aber nicht so. Portugal – so Cunha weiter – habe Schwierigkeiten, alle notwendigen Gesandtenposten zu besetzen. So wären sowohl die 67 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 304.417-Prot/53, Zl. 309.282-Prot/53. AV vom 17.11.1953. 68 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 304.417-Prot/53, Zl. 309.319-Prot/53. Pressecommuniqué vom 19.11.1953. 69 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 135.336-Prot/54, Zl. 135.336-Prot/54. Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Portugal  ; Errichtung einer portugiesischen Gesandtschaft in Wien. Filz an Vollgruber vom 23.1.1954, do. Zl. 7-Pol/54. Dringend  ! 70 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 135.336-Prot/54, Zl. 135.336-Prot/54. Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Portugal  ; Errichtung einer portugiesischen Gesandtschaft in Wien. Vollgruber an Wildmann vom 2.2.1954, do. Zl. 61-RES/54, handschriftl. AV vom 16.2.1954.

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nato-Partner Türkei und Griechenland als auch Kuba und Bolivien teils bereits seit Jahren in Lissabon vertreten, ohne dass es umgekehrt möglich gewesen wäre, portugiesische Gesandte zu entsenden. Die Personaldecke wäre aufgrund sehr rigider Richtlinien des Außenamts und strenger Prüfungen einfach zu dünn. Man wiederholte das bereits Filz gemachte Angebot. Seemanns zweiter Gesprächspartner, der Generalsekretär des Außenamts, Vasco Pereira da Cunha, kritisierte sogar vor seinem österreichischen Gesprächspartner die Praxis streng reglementierter Karriereverläufe, die zu einer solch unangenehmen Situation geführt hätte, er wolle sich bemühen, seinen Chef zur Einbringung eines entsprechenden Antrages im Ministerrat zu bewegen, um die Zahl der Gesandten zu erhöhen. Sowohl er als auch sein vorgesetzter Außenminister betonten den Wunsch der Regierung in Lissabon, die formale Balance in den diplomatischen Beziehungen möglichst bald herzustellen. Man zeigte sich sehr erfreut darüber, dass mit der Akkreditierung Seemanns der abnorme Zustand in den Beziehungen beendet sei und zum ersten Mal seit dem Ende des Ersten Weltkrieges nun wieder ein österreichischer Gesandter in Lissabon residieren würde. Seinen Hinweis auf die »freundschaftlichen Gefühle«, die Portugal für Österreich hege, garnierte der portugiesische Außenminister mit der Bemerkung, dass er zuletzt 1934 zum Zeitpunkt der Ermordung Dollfuß’ in Wien gewesen wäre und auch an dessen Sarg gestanden hätte.71 Auch wenn der letzte Hinweis als Verbundenheitsgeste wohl nicht ganz nach dem Geschmack der großkoalitionär verfassten Zweiten Republik sein konnte, war die portugiesische Haltung den Österreichern gegenüber jedenfalls sehr freundlich und durchaus offen. Schon 1950 hatte man vom eigenen Vertreter Berichte aus Lissabon erhalten, dass Portugal, das nur über die Hälfte des Staatshaushaltes Österreichs verfügte, einen Personalstand im Außenamt hätte, der für die »Bespielung« des Vertretungsnetzes nicht ausreichen und daher ständig mindestens ein Viertel der portugiesischen Vertretungen ohne Titulär wären.72 Der Ballhausplatz ließ in seiner Beurteilung die freundschaftlichen Gesten weitgehend außer Acht und beschränkte sich in seiner Analyse auf die Fakten formeller Diplomatie. Als Reaktion auf seinen ersten Bericht aus Lissabon als Chef der neu errichteten Gesandtschaft wurde Seemann zunächst einmal der Kopf gewaschen. Er wäre nicht berechtigt gewesen, die Ernennung »eines der rangältesten Beamten« als ein besonderes Zeichen der österreichischen Bundesregierung zu interpretieren, dies umso weniger, als keine entsprechende Reaktion der Portugiesen erfolgt sei, denn es entspräche den Gepflogenheiten, »die Entsendung selbst eines minder hochrangigen Gesandten mit der Nominierung eines portugiesischen Gesandten mit dem Sitz in Wien zu beantworten.« Der bereits über Filz gemachte Vorschlag »muss selbstver71 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 135.336-Prot/54, Zl. 135.390-Prot/54. Gespräch mit dem portugiesischen Außenminister. Seemann an Raab vom 10.2.1954, do. Zl. 1/P–54. Dringend  ! 72 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 122.331-Pol/50, Zl. 122.331. Halusa an Gen.Sekr. vom 15.3.1950.

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ständlich unsererseits ignoriert werden, denn es kann Österreich doch wohl nicht zugemutet werden, nachdem bereits die Ernennung eines österr. Gesandten mit dem Sitz in Lissabon erfolgt ist, zu einem Vorschlag Stellung zu nehmen, der die Erwiderung dieser Nominierung durch die Mitbeglaubigung oder durch die Ernennung eines Chargé d’Affaires in Österreich vorsieht.« Seemann hätte demnach den Portugiesen mitteilen müssen, ihre Regierung hätte selbst zu entscheiden, in welcher Weise sie in Wien vertreten sein wollten, wenn sie »keine Möglichkeit sehe, die Entsendung eines österr. Gesandten nach Portugal in der von Österreich erwarteten Weise zu erwidern«.73 Das klingt eher nach einer Kriegserklärung als nach der Aufnahme freundschaftlicher diplomatischer Beziehungen. Man dachte gar an Retorsion  : »Die Maßnahmen, die für den Fall zu treffen wären, dass eine solche Ernennung nicht in entsprechender Form bzw. in angemessener Zeit erfolgt, kommen im derzeitigen Stadium der Angelegenheit nicht zur Erörterung.«74 So sieht wohl eine schwere diplomatische Verstimmung aus, von der die portugiesische Seite wahrscheinlich gar nichts mitbekommen hat. Im Nachhinein ist man versucht zu sagen, das »Fehlverhalten« des Gesandten Seemann wäre ein Glücksfall gewesen. Denn so konnte er ohne die Verpflichtung, seinem Gegenüber Vorwürfe machen zu müssen, noch vor besagter »Kopfwäsche« bereits am 15. Februar 1954 dem portugiesischen Staatspräsidenten Francisco Craveiro Lopes mit feierlichem Zeremoniell seitens der Portugiesen sein Beglaubigungsschreiben überreichen. Bei dem folgenden halbstündigen Gespräch mit dem Staatspräsidenten unter Beisein des Außenministers nahm Lopes Bezug auf die Lage Österreichs und erklärte, »er verfolge mit besonderem Interesse und mit Bewunderung den Kampf der österreichischen Bundesregierung und Bevölkerung um die Wiedergewinnung der Freiheit und Unabhängigkeit«. Seine Regierung »sei sich bewusst, dass Österreich infolge seiner geographischen Lage einen äußerst wichtigen Grenzwall gegen den Osten bilde«. Er gab auch seiner Hoffnung Ausdruck, dass Österreich bei der Berliner Konferenz endlich seine Freiheit wiedererlangen würde und dass Portugal bald ebenfalls einen entsprechenden diplomatischen Vertreter entsenden könne. Seemann nutze die Gelegenheit, um sich für die »wiederholte Aufnahme zahlreicher österreichischer Kinder« zu bedanken, woraufhin Lopes meinte, diese hätten »das allerbeste Gedenken« zurückgelassen.75 Es dauerte also nach Ende des Krieges fast neun Jahre, bis formell diplomatische 73 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 135.336-Prot/54, Zl. 135.390-Prot/54. Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Portugal  ; Gespräch mit dem portugiesischen Außenminister. BKA-AA an Seemann vom 25.2.1954. 74 Archiv BMEIA, BKA-AA, Gr.Zl. 135.336-Prot/54, Zl. 135.390-Prot/54. Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Portugal  ; Gespräch mit dem portugiesischen Außenminister. BKA-AA an Seemann vom 25.2.1954. 75 Archiv BMEIA, BKA-AA, o. Gr.Zl., Zl. 179.210–7pers/54. Überreichung des Beglaubigungsschreibens. Seemann an Raab vom 16.2.1954, do. Zl. 2/P–54.

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Beziehungen zwischen den beiden Ländern aufgenommen worden waren und ein österreichischer Gesandter in Lissabon beglaubigt wurde, obwohl am freundschaftlichen Charakter derselben nie ein Zweifel bestanden hatte. Aber auch dann bestand durch die fehlende Anwesenheit eines portugiesischen Vertreters in Wien kurzzeitig noch ein Ungleichgewicht. Das ist umso überraschender, als sich nicht nur durch wirtschaftliche Fragen Berührungspunkte ergeben hatten, sondern durch die Kindererholungsaktion der Caritas der beiden Länder ein reger persönlicher Austausch bereits stattgefunden hatte. Größtes Hindernis war natürlich das sowjetische Veto gegen die Wiederaufnahme der Beziehungen 1948, das faktisch erst mit Stalins Tod wegfallen sollte. Dass allerdings der Staat, der nicht an Kriegszerstörungen zu leiden hatte, Portugal, dann aber jener war, der aus personellen Schwierigkeiten, d. h. im weiteren Sinn aus Ressourcenmangel, nicht sofort in der Lage war, einen gleichrangingen diplomatischen Vertreter zu entsenden, ist ein durchaus bemerkenswerter Befund. Allerdings sollte es nicht lange dauern, bis an der diplomatischen »Front« positivere Nachrichten zu vernehmen waren  : Bereits Anfang Juni 1954 versprach Außenminister Paulo Cunha, in etwa zwei Monaten einen Gesandten für Wien stellen zu können, sodass die angedachte provisorische Lösung nicht notwendig wäre. Dies habe man durch Umbesetzungen und die Entscheidung erreicht, zwei andere Staaten, die bereits seit über einem Jahr in Lissabon vertreten waren, weiter auf einen Gesandten warten zu lassen.76 Bereits knapp zwei Wochen später präsentierte der portugiesische Außenminister Cunha Gesandten Seemann bei seiner Vorsprache im Ministerium Miguel de Almeida Pile als zukünftigen Gesandten in Wien und schlug vor – das österreichische Einverständnis vorausgesetzt – Anfang August ein gemeinsames Communiqué herauszugeben. Pile war u. a. während des Krieges in Washington und Berlin zugeteilt, hatte zuvor aber außer als interimistischer Geschäftsträger noch keine diplomatische Vertretung geleitet.77

Weitere diplomatische Beziehungen und die Südtirolfrage Portugals Anteilnahme galt Österreich bei der Wiedergewinnung seiner Souveränität (wohl vor allem von sowjetischer Besatzung). Entsprechende Gelegenheiten am diplomatischen Parkett wurden – etwa vom portugiesischen Präsidenten 1955 – ge-

76 Archiv BMEIA, BKA-AA, o.Gr.Zl., Zl. 137-414-Prot/54. Port. dipl. Vertr. in Österreich. Seemann an Figl vom 7.6.1954, do. Zl. 4/P–54. 77 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl., Zl. 138.011-Prot/54. Port. dipl. Vertr. in Österreich. Seemann an Figl vom 16.7.1954, do. Zl. 6-P/54.

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nutzt, um Wien zu Fortschritten beim Abschluss des Staatsvertrages zu gratulieren.78 Im September 1955 absolvierte Claus Winterstein seinen Antrittsbesuch als neuer Gesandter Österreichs in Portugal beim Außenminister, bei dem daher umso mehr die bereits übliche Nachfrage nach der Haltung der Sowjets als abziehender Besatzungsmacht im Mittelpunkt stand.79 Ebenso war dies bei der bald darauf erfolgenden Überreichung des Beglaubigungsschreibens an Staatspräsidenten Lopes der Fall.80 Im Nachhang des Staatsvertrages verabschiedete der Nationalrat am 26. Oktober 1955 das Gesetz über die immerwährende Neutralität Österreichs. Dies wurde auf diplomatischen Kanälen jeweils mit der Bitte um Anerkennung dieses Umstandes notifiziert. Gesandter Winterstein überreichte die Note am 14. November 1955 dem Generalsekretär im portugiesischen Außenamt Vasco da Cunha. Betreffend Neutralität war die Antwort des Portugiesen eine amüsante. Er erklärte, dass die Portugiesen Salazar stets dankbar seien, da er (!) es verstanden habe, das Land »aus den zwei Weltkriegen« (!) herauszuhalten. Der Ministerpräsident sei aber der Meinung, dass es nicht möglich sein würde, Portugal von einem Dritten Weltkrieg fernzuhalten. Es ist nicht ganz klar, ob der Portugiese diese faktographischen Fehler selbst beging, oder der Bericht fehlerhaft ist. Jedenfalls vermeldete der österreichische Gesandte stolz, dass er seinem Kollegen erklären konnte, dass die österreichische Neutralität eine »rein militärische und keine ideologische« sei.81 Die Portugiesen brauchten zunächst Zeit, um eine Stellungnahme der Regierung – vermutlich von Salazar selbst – einzuholen und waren sich zunächst unsicher, ob die Angelegenheit nicht nato-Interessen berühren würde und daher mit den nato-Partnern zu besprechen wäre.82 Bei einem weiteren Zusammentreffen knapp drei Wochen später machte der österreichische Gesandte – nachdem noch immer keine Reaktion erfolgt war – sein portugiesisches Gegenüber darauf aufmerksam, dass inzwischen mehr als 20 Staaten, darunter auch die Signatarmächte des Staatsvertrages, die Neutralität Österreichs anerkannt hätten. »Mit einer hier fast unwahrscheinlichen Promptheit« übergab Generalsekretär Cunha Winterstein bereits einen Tag später eine dem Text der Signatarmächte entsprechende Note.83 78 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 321.930-Pol/55, o.Zl. Glückwunsch des port. Staatspräs. Zur letzten Entwicklung in der Frage des öst. Staatsvertrages. Fischer an Figl vom 30.4.1955, do. Zl. 6-Pol/55. 79 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl., Zl. 413.116–7/55. Antrittsbesuch beim port. Außenminister. Winterstein an Figl vom 29.9.1955, do. Zl. 19-Pol/55. 80 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl., Zl. 416.057–7/55. Überreichung des Beglaubigungsschreibens. Winterstein an Figl vom 8.10.1955, do. Zl. 20-Pol/55. 81 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 326.299-Pol/55, o.Zl. Anerkennung der Österr. Neutralität. Winterstein an Figl vom 15.11.1955, do. Zl. 24-Pol/55. 82 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 326.434-Pol/55, o.Zl. Anerkennung der österr. Neutralität. Winterstein an Figl vom 25.11.1955, do. Zl. 26-Pol/55. 83 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 326.880-Pol/55, o.Zl. Neutralität Österreichs. Winterstein an Figl vom

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1959 wurden die Gesandtschaften schließlich zu Botschaften erhoben. Der österreichische Gesandte Winterstein wurde Botschafter, in Wien übergab ein neuer Vertreter, Abílio de Andrade Pinto de Lemos, Außenminister Kreisky sein Beglaubigungsschreiben.84 Ein für Österreich auf dem internationalen Parkett wichtiges Problem stellten natürlich Südtirol und seine Autonomie innerhalb Italiens dar. Bei einem Besuch des damaligen politischen Direktors des portugiesischen Außenministeriums (und späteren Außenminister) Franco Nogueira nutze Winterstein die Gelegenheit, um seinem Gegenüber das Problem zu erörtern. Dabei zog er Parallelen zur Goa-Frage und erklärte, dass beide Probleme nur mit entsprechender Hintergrundinformation zu verstehen seien und beide auf dem großen internationalen Parkett keine große Bedeutung hätten, aber für die Staatenbeziehungen doch sehr wichtig wären. Nogueira fragte nach, ob Österreich Südtirol vor die un bringen wolle und dass dann wohl die Sowjetunion und ihre Satelliten gegen Italien stimmen würden, um einem natoLand zu schaden, die nato-Staaten aber in ein Dilemma zwischen ihrer Freundschaft zu Österreich und ihrer Bündnissolidarität kommen würden. Österreich bekäme dann Zuspruch von einer Seite, auf die es wohl keinen großen Wert legen würde. Winterstein meinte darauf, sollte der internationale Weg beschritten werden, könne Österreich doch nicht darauf verzichten, nur weil seine Unterstützer bei den un der ideologischen Einstellung Österreichs nicht entsprechen würden.85 Jedenfalls stieß der Vergleich mit Goa – wenig überraschend – beim Portugiesen auf Interesse. Das Dilemma zwischen Bündnissolidarität und Stimmverhalten bei den un sollte sich in der Zukunft jedoch mit umgekehrten Vorzeichen für Österreich in der Kolonialfrage stellen. Bald darauf kam es zu einem Wechsel im Ministerium. Nachfolger Nogueiras wurde Luis Norton de Matos, dem bei erster sich bietender Gelegenheit ebenfalls das Südtirolproblem nähergebracht und erneut ein Vergleich zu Goa gezogen wurde. Zudem wurde Matos eine Rede Figls vor dem Nationalrat zum Thema überlassen. Wichtigste Aufgabe des Missionschefs war dabei, die in Portugal praktisch unbekannte Südtirolfrage bekannt zu machen.86 Man kann also in diesem Fall durchaus von einer Art Strategie sprechen, die Aufmerksamkeit der Portugiesen über diesen rhetorischen Umweg des Vergleichs zu wecken. Diese wurden dabei – ebenso wenig überraschend – sowohl von Wien als auch von Rom mit den jeweiligen Darstellungen des Problems versorgt. Ganz offen gab man den Österreichern 14.12.1955, do. Zl. 28-Pol/55. 84 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 236.270-Pol/59, Zl. 250.248-Pol/59. Vorlage div. Zeitungsausschnitte für die Zeit vom 10.10. bis 6.11.1959. Winterstein an BKA-AA vom 6.11.1959, do. Zl. 390-A/59. Diário da Notícias vom 17. und 18.10.1959. 85 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl, o.Zl. Südtirolerproblem – Unterredung mit dem pol. Direktor im Außenamt. Winterstein an Figl vom 23.3.1959, do. Zl. 8-Pol/59. 86 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl, o.Zl. Südtirol. Winterstein an Figl vom 27.4.1959, do. Zl. 11-Pol/59.

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dabei zu verstehen, dass man es in Lissabon nicht leicht habe Stellung zu beziehen, da im einen Fall auf einen nato-Partner, im anderen Fall auf einen efta-Partner Rücksicht genommen werden müsste.87 Auch beim Abschiedsbesuch Wintersteins beim portugiesischen Außenminister war Südtirol ein Thema. Dabei wurde ihm von verschiedenen Stellen klargemacht, dass 1960 der Zeitpunkt für den Gang vor die un ein denkbar ungünstiger sei, man das Anliegen aber mit Wohlwollen prüfen würde.88 Als im November 1961 die österreichischen Missionschefs angewiesen wurden, in den Außenministerien ihrer Empfangsstaaten ein Memorandum zur Südtirolfrage vor den un zu übergeben, stellte der neue Botschafter Rudolf Ender einen direkten Bezug zur jüngsten portugiesischen Geschichte her. Österreich hoffe, so Ender, bei Portugal auf Verständnis bei der Befassung der un zu stoßen, da es selbst mit dem Versuch einer Streitbeilegung vor dem Internationalen Gerichtshof im Falle seiner indischen Besitzungen keine positiven Erfahrungen gemacht habe. Portugal hatte zwar das Verfahren gewonnen, Indien wurde aber nicht zu einer Änderung seiner Haltung gezwungen. Der Generalsekretär des portugiesischen Außenamtes betonte sein Verständnis, wies auf die guten Beziehungen zu beiden Streitparteien hin und bot Vermittlungsdienste in der Frage an.89 Portugal interessierte sich allerdings nicht sehr für das Thema und blieb in dieser Frage aus naheliegenden Gründen sehr zurückhaltend, denn die Frage des Selbstbestimmungsrechtes war für Portugal aufgrund seiner Kolonien eine heikle.90 Im Spätsommer 1963 besuchte der 2. Nationalratspräsident Karl Waldbrunner auf Einladung des portugiesischen Verkehrsministers für rund zwei Wochen Portugal. Die Einladung ging noch auf seine Zeit als Minister für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft zurück. Trotz eines Treffens mit dem Staatspräsidenten und dem Ministerpräsidenten wurden keinerlei politische Fragen berührt und der Besuch daher als völlig unpolitisch eingestuft.91 Überhaupt hielt die Botschaft den Ball am Tejo flach. Im Tätigkeitsbericht für 1962 heißt es etwa, dass »der Kleinheit der Botschaft wie des Landes entsprechend« der Bericht kurz gehalten werden könnte, »zumal keine wirklich besonderen Tätigkeiten zu verzeichnen sind«. Auf politischem Gebiet »musste die Botschaft keine besondere Tätigkeit entwickeln, es sei denn eine aus87 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl, o.Zl. Portugal und die Südtirolerfrage. Winterstein an Kreisky vom 18.8.1960, do. Zl. 10-Pol/60. 88 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl, o.Zl. Südtirol – Unterredungen im Außenamt. Winterstein an Kreisky vom 28.9.1960, do. Zl. 12-Pol/60. 89 ÖStA/AdR, BMfAA, o.Gr.Zl., o.Zl. Südtirolmemorandum. Ender an Kreisky vom 14.11.1961, do. Zl. 58Pol/61. 90 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 78.567-Pol/64, Zl. 78.571-Pol/64. Neuer Missionschef in Portugal  ; Information. Ergänzung des UN-Referats. 91 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 33.580-Pol/63, Zl. 33.580-Pol/63. Besuch des 2. Präs. D. NR BM a.D. Karl Waldbrunner in Portugal. Ender an BMfAA vom 30.8.1963, do. Zl. 48-Res/63.

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führliche Berichterstattung über Angola (…). [Hervorhebungen i. O.]«92 Trotzdem ergaben sich insgesamt neun Seiten Bericht. Die Beziehungen zu Portugal intensivierten sich, als Lujo Tončić-Sorinj im April 1966 Außenminister der konservativen Regierung Klaus wurde. Er war für die portugiesische Regierung wegen seiner publizistischen Tätigkeit in den 50ern kein unbeschriebenes Blatt, sondern hatte im Gegenteil einen sehr guten Ruf, da er für die portugiesische Kolonialpolitik großes Verständnis aufbrachte. Wenige Monate nach Übernahme des Außenamtes konnte er seinen portugiesischen Amtskollegen im Februar 1967 schon in Wien begrüßen. Bereits sein Vorgänger Bruno Kreisky hatte eine offizielle Einladung an den nunmehrigen Außenminister Franco Nogueira ausgesprochen. Wegen der Vorbereitungen zu den Nationalratswahlen 1966 war der Besuch aber verschoben worden.93 Anlässlich der Vorbereitungsarbeiten wurden alle wesentlichen Informationen über Portugals gegenwärtige Lage für die österreichischen Gesprächspartner zusammengefasst, die im Rahmen des sattsam Bekannten eines wirtschaftlich und sozial unterentwickelten Landes blieben, das alles daran setzt, seine Überseeterritorien nicht zu verlieren.94 Nach seiner Rückkehr nach Portugal gab Nogueira eine Pressekonferenz, auf der er u. a. die Beziehungen zu Schweden und Österreich thematisierte, was er – wie informierte Kreise bestätigten – im schwedischen Fall mit ungekannter Heftigkeit tat. Die Beziehungen zu Österreich und vor allem sein Besuch in Wien wurden sehr gelobt und die herzliche Atmosphäre hervorgehoben. Denkt man an die Lobeshymnen österreichischer Diplomaten auf Salazar und das portugiesische System (vgl. das Kapitel über das Bild Portugals in Österreich), dann verwundert es nicht mehr, wenn Nogueira schließlich – ohne indiskret sein zu wollen – vermeldet, dass »ich in Wien in vielen Kreisen Auffassungen gefunden habe, die unseren ähnlich sind (…).« Dies wird umso deutlicher, wenn er gleich darauf Außenminister Tončić-Sorinj »einen großen Freund Portugals, einen großen Kenner und Bewunderer unserer Geschichte, unserer Kultur und unserer jetzigen Gegebenheiten« nennt. Ebenso gezielt war auch die Tirade, die er bei derselben Gelegenheit gegen Schweden losließ, das in der Frage der portugiesischen Kolonien – trotz efta-Partnerschaft – eine sehr kritische Haltung einnahm.95 Als Schweden 1969 auch noch begann, finanzielle Unterstützungen an die Rebellengruppen in Afrika auszuzahlen, kochte der 92 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 35.257-Pol/63, Zl. 35.257-pol/63. Tätigkeitsbericht der Botschaft Lissabon für das Jahr 1962. Ender an BMfAA vom 18.2.1963, do. Zl. 267-A/63. 93 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 37.254-Pol/67, Zl. 49.909-Pol/66. Besuch des port. Außenministers Nogueira in Österr. vom 20. bis 25.2.1967. Vortrag an den Ministerrat vom 20.12.1966. 94 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 37.254-Pol/66, Zl. 50.742-Pol/67. Besuch des port. Außenministers in Wien vom 20. bis 25. Feber 1967. AV vom 19.1.1967. 95 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 18.117-Pol/67, Zl. 18.256-Pol/67. Pressekonferenz des port. Außenministers  ; Beziehungen zu Schweden und Österreich. Gohn an Tončić-Sorinj vom 17.3.1967, do. Zl. 7-Pol/67.

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Zorn in Portugal über. Schwedische Waren wurden in Portugal und in Afrika boykottiert und der österreichische Handelsdelegierte berichtete von »einer Fülle von Anfragen« an österreichische Unternehmen und Importeure, ob österreichische Waren nicht die schwedischen ersetzen könnten.96 Der Besuch Anfang 1967 war jedenfalls ein Erfolg – indirekt auch der österreichischen Haltung vor den un. Der österreichische Konsul in Luanda meldete nämlich, dass sich die stabile Haltung Österreichs zur Frage der portugiesischen Überseegebiete und der Nachhall des Besuchs Nogueiras in Österreich in Angola bereits wirtschaftlich positiv auswirken würden und dass bei entsprechendem Interesse der österreichischen Wirtschaft der Boden für noch größere Kooperationen bereitet wäre.97 Nogueira sprach natürlich eine Gegeneinladung für Tončić-Sorinj aus und dieser Besuch hätte wohl ähnlich erfolgreich sein können wie jener des Portugiesen in Wien. Bevor dies aber in die Tat umgesetzt werden konnte, wurde Tončić-Sorinj durch Kurt Waldheim, den schwer zu kontrollierenden vormaligen Delegationschef in New York, ersetzt. Der Portugalfreund hatte es als Außenminister nicht mehr geschafft, dem Land einen Besuch abzustatten. Nogueira betonte selbstverständlich, dass diese Einladung auch für jeden Nachfolger gelten würde.98 Auf beiden Seiten war das Interesse jedoch geringer geworden. Waldheim hatte keinen Bezug zu Portugal und Nogueira räumte ebenfalls bald seinen Posten. Nachdem schon mehrere westeuropäische Staaten Befreiungsbewegungen auf dem Gebiet Portugiesisch-Afrikas finanziell unterstützten – offiziell natürlich nur auf humanitärem Gebiet – trat 1972 eine solche Bewegung auch an Österreich heran. Die molimo – »Mozambique Liberation Movement« – beschrieb in einem Aufruf an die österreichische Regierung, den sie der Botschaft in Nairobi zukommen ließ, ihr Streben nach einem friedlichen Prozess der Sezession ohne Blutvergießen mit Hilfe der Vermittlung dritter Staaten auf christlicher Grundlage.99 Dieser ideologische Hintergrund war es auch, der die Österreicher dazu brachte, die molimo nicht völlig zu ignorieren, obwohl sie offenbar nur eine Splittergruppe der frelimo darstellte. Der Botschafter in Nairobi empfahl, den Verfasser der Petition vorzuladen und ihm darzulegen, dass Österreich mit den Zielen der molimo sympathisiere und auch 96 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 150.719-Pol/69, Zl. 165.745-Pol/69. Zur schwedischen Unterstützung der terroristischen Aktionen gegen die port. Gebiete in Afrika. Gohn an Waldheim vom 23.10.1969, do. Zl. 15-Pol. 97 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 13.520-Pol/67, Zl. 21.261-Pol/67. Auswirkungen des Besuches des port. Außenministers in Österr. auf die Beziehungen zwischen den beiden Staaten. Dörrer an Österr. Botschaft Lissabon vom 18.4.1967, do. Zl. 1004-Pol/67. 98 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 30.488-Pol/68, Zl. 111.233-Pol/68. Geplanter offizieller Besuch des Herrn Bundesministers in Portugal. Gohn an BMfAA vom 18.1.1968, do. Zl. 5-A/68. 99 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 152.031-Pol/72, Zl. 156.398-Pol/72. Unterstützungsersuchen des »Mozambique Liberation Movement« (MOLIMO). ÖB Nairobi an BMfAA vom 28.4.1972, do. Zl. 47-Res/72.

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Geld zum »UN-Trust-Fund for South Africa« beitrüge, aber nicht in Töpfe außerhalb der un, da die Verwendung dieser Gelder nicht kontrolliert werden k­ önne.100 Es war ein weiter Weg der österreichischen Außenpolitik von der Verurteilung der Terroristen und »Hitzköpfe« zur Anerkenntnis einer legitimen Unabhängigkeitsbewegung gewesen, wobei beide Aspekte oft parallel existierten. Die molimo war nicht die einzige solche Bewegung, die nun auch offiziell an Österreich herantrat. In Österreich selbst tat dies auch die unita 1971. Sie wollte mit der »spö-Regierung« in Kontakt treten und wandte sich an die spö-Parteiorganisation. Dort verwies man die Herren – Studenten in Graz – ans Außenministerium.101 Nachdem eine polizeiliche Auskunft eingeholt worden war, die nichts Nachteiliges über die beiden Einschreiter ergeben hatte, wurden die unita-Vertreter in die Politische Abteilung im Außenministerium geladen. Das Gespräch war dann allerdings ein weniger politisches als ein »humanitäres«, sie ersuchten um »material and humanitarian assistance«. Nach ihren bisherigen Kontakten befragt, gaben sie die schwedische SP und die englische Labour Party sowie den Nationalratsabgeordneten Leopold Gratz an. Schließlich verwies man die Herren auf das Stipendienprogramm der un für Bewohner aus nichtselbständigen Gebieten und ähnliche Möglichkeiten.102

Wirtschaft und Handel Der Wiederbeginn wirtschaftlichen Austausches 1945 galt es für Österreich zunächst das Überleben der Bevölkerung sicherzustellen und mit jenen Ländern wirtschaftliche Beziehungen aufzunehmen, die in der Lage waren, vor allem Lebensmittel zu liefern. Naheliegend waren schon aus Transportgründen die Nachbarländer, mit denen auch Kompensationsgeschäfte auf Basis der Vorkriegsbeziehungen durchgeführt werden konnten. Portugal stellte aus Gründen der geographischen Entfernung keinen solchen Handelspartner dar. Wie auch bei anderen Ländern, auf die die österreichische Regierung – meist aus Ressourcenmangel – nicht selbst zugegangen ist, stammten die ersten Stimuli zur Wiederaufnahme stringenter Handelsbeziehungen von Personen und Firmen, die früher solche Geschäfte betrieben hatten oder sich aufgrund persönlicher Beziehungen in der Lage sahen, solche anzuknüpfen. Oft ging dies mit persönlichen Fluchtgeschichten einher 100 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 152.031-Pol/72, Zl. 156.398-Pol/72. Unterstützungsersuchen des »Mozambique Liberation Movement« (MOLIMO). AV vom 26.5.1972. 101 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 105.503-Pol/72, Zl. 150.503-Pol/72. Befreiungsbewegung für Angola (UNITA)  ; Ersuchen um Vorsprache durch Vertreter. José Pascoal und Rafael Motta an BMfAA vom 11.1.1972. 102 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 105.503-Pol/72, Zl. 158.053-Pol/72. Befreiungsbewegung für Angola (UNITA)  ; Vorsprache einer Delegation. AV vom 6.6.1972.

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wie auch im folgenden Fall, wo ein österreichischer Staatsbürger namens Lehmann, der bis Oktober 1940 in Mailand Vertreter einer Wiener Firma war und infolge der faschistischen »Rassengesetze« Italien Richtung Portugal verlassen musste, aktiv wurde. Er hatte Kontakte zu portugiesischen Exportfirmen geknüpft, die österreichische Waren nach Übersee weiterexportieren wollten und diese Geschäfte auch vorfinanzieren konnten. Diese Möglichkeiten wurden vom Bundeskanzleramt – Abteilung Auswärtige Angelegenheiten (im Folgenden bk a-a a) dem Österreichischen Warenverkehrsbüro und der Exportabteilung der Wiener Handelskammer aufgezeigt.103 Ein zweiter wichtiger Impuls zur Wiederaufnahme geregelter Handelsbeziehungen wurde in der Folge auf diplomatischer Ebene angestoßen. Der Beginn klingt recht österreichisch  : Vom Ministerium für Handel- und Wiederaufbau wurde die Abschrift einer Liste von Produkten, die Portugal liefern und solcher, die Österreich im Gegenzug exportieren könnte, an das bk a-a a übermittelt.104 Diese Liste war allerdings schon in verschiedenen Ministerien zirkuliert und man konnte nicht mehr feststellen, von wem diese Aufstellung an die Behörden geschickt worden war. An erster Stelle standen dabei Fischkonserven, Walöl und Südfrüchte aus Portugal. Bei den in Portugal begehrten Produkten wurde ein Potpourri von Luxusartikeln, Präzisionsmaschinen über technisches Porzellan bis zu Devotionalien präsentiert und mit konkreten Vorschlägen zur Lohnverarbeitung österreichischer Grundstoffe in portugiesischen Fabriken – etwa zu Schokolade oder Zigaretten – abgerundet.105 Die Aufstellung lässt jedenfalls einen informierten Autor vermuten, der wahrscheinlich selbst in Kontakt mit interessierten Firmen auf beiden Seiten gestanden haben könnte. Trotzdem passierte zunächst wenig. Die Beamten des Außenamtes maßen Vorschlägen und Eingaben aus (halb-)offizieller Quelle – wenig überraschend – meistens eine viel größere Bedeutung bei als noch so konkreten Plänen von privater Seite. Vor allem ehemalige Funktionsträger wurden mit ihren Eingaben sehr ernst genommen. Zu nachhaltiger Aktivität zuerst im Ministerium für Handel und Wiederaufbau und in der Folge im Außenamt führte daher erst eine »Anregung« des »ehemaligen Generalsekretärs des Österreichischen Exportförderungsinstitutes, der sich gegenwärtig in Lissabon aufhält (…), die Handelsbeziehungen mit Portugal aufzunehmen«. Daneben waren auch einige Firmen an das Österreichische Warenverkehrsbüro herangetreten und hatten entsprechendes Interesse bekundet. Man erhob in der Folge Zahlen über den Warenaustausch 1937. Dieser umfasste Einfuhren im Wert von 3,2 Mio. Schilling und Ausfuhren von 2,9 Mio. Schilling. Eingeführt wurden vor 103 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 100.774-WPol/46, Zl. 102.928-WPol/46. Friedrich Lehmann. Wirtschaftsbericht aus Portugal. AV vom 18.10.1946. 104 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 100.596-WPol/46, Zl. 50.323–13/1946. Liste der Hauptprodukte, die Portugal liefern kann. BM f. Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung an BKA-AA vom 10.4.1946. 105 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 100.596-WPol/46, Zl. 100.774-WPol/46. AV vom 23.4.1946 und Abschrift.

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allem Fischkonserven (und mit wertmäßig weitem Abstand Roheisen), ausgeführt Papier-, Eisen- und Metallwaren sowie verschiedene Maschinen und Kraftfahrzeuge. Man befand, dieser Handel hätte zwar »keine bedeutenden Zahlen aufgewiesen«, wäre aber »bemerkenswert«, vor allem da die für die Ernährung wichtigen Fischkonserven in großem Umfang eingeführt worden wären. Das Ministerium für Handel und Wiederaufbau ersuchte daher das Außenamt, die österreichische Vertretung in Paris anzuweisen, bei der dortigen portugiesischen Gesandtschaft nachzufragen, ob ein Interesse daran bestünde, »den Wirtschaftsverkehr mit Österreich auf breiterer Basis aufzunehmen«.106 Dieser Vorschlag wurde unverzüglich in die Tat umgesetzt und der Vertreter der Bundesregierung in Paris, Norbert Bischoff, entsprechend beauftragt.107 Er berichtete in Ausführung dieses Auftrages Mitte Oktober 1946 von einem Besuch des portugiesischen Botschafters. Dieser erklärte, er wäre inzwischen von Lissabon verständigt worden, »dass man dort mit besonderem Vergnügen die Wiederherstellung des Handelsverkehrs mit Österreich begrüßen würde«. Gleichzeitig wies der portugiesische Botschafter darauf hin, dass man leider nicht über das Personal verfügen würde, um diese Verhandlungen in Wien zu führen, österreichische Unterhändler müssten hierzu nach Lissabon kommen. Dies wäre nicht nur bei Österreich so, sondern bei allen Staaten, mit denen Verhandlungen geführt werden müssten. Der Umstand, dass Österreich von Portugal formal noch nicht anerkannt worden sei, würde dabei »gar keine Rolle« spielen. Um die ebenso knappen Ressourcen Österreichs wissend informierte Bischoff direkt die zu diesem Zeitpunkt in Paris befindliche österreichische Handelsdelegation.108 In der Zwischenzeit hatte das Handelsministerium bereits im Juli beim bk a-a a urgiert, dass Wirtschaftsverhandlungen mit Portugal erwünscht wären und führte Mitte November erneut Klage darüber, dass Österreich Nachteile durch die Inexistenz eines bilateralen Handelsvertrages erwachsen würden. So hätte die Exportabteilung der Handelskammer berichtet, österreichische Waren – im gegenständlichen Fall Sensen – wären aus diesem Grund mit dem »doppelten Zollsatz« belastet worden.109 Ende Oktober 1946 ließ das bk a-a a bei verschiedenen staatlichen Stellen Erhebungen über Ausmaß und Möglichkeiten eines solchen Handelsverkehrs anstellen. Die Ministerien für Handel und Wiederaufbau, Land- und Forstwirtschaft, Volksernährung, Finanzen und jenes für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung wurden um Stellungnahmen ersucht. Zunächst antwortete nur das Ministerium für 106 Ebd. ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 100.596-WPol/46, Zl. 101.727-WPol/46. Handelsverkehr mit Portugal. BM f. Handel und Wiederaufbau an BKA-AA vom 4.7.1946. 107 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 100.596-WPol/46, Zl. 101.727-WPol/46. Weisung vom 19.7.1946. 108 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 100.774-WPol/46, Zl. 103.024-WPol/46. Handelsverkehr mit Portugal. Bischoff an BKA-AA vom 17.10.1946. 109 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 100.596-WPol/46, Zl. 103.329-WPol/46. Handelsvertrag mit Portugal. BM f. Handel und Wiederaufbau an BKA-AA vom 18.11.1946, do. Zl. 196.937-V/18/46.

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Land- und Forstwirtschaft. Es wies auf den nur sehr geringen Umfang der Einfuhren aus Portugal vor 1938 hin, meldete aber Interesse an Sämereien, Düngemitteln und landwirtschaftlichen Maschinen sowie einer Liste möglicher portugiesischer Exportgüter an.110 Mangelnde weitere Rückmeldungen ließen das bk a-a a nachhaken. Es stellte dabei zur Diskussion, ob es »bei dem reichhaltigen handelspolitischen Aktionsprogramm der nächsten Monate angezeigt erscheint, die baldige Aufnahme von Wirtschaftsbeziehungen mit Portugal in Aussicht zu nehmen«.111 In einem offenbar parallel verfassten Schreiben des Handelsministeriums wurde inzwischen auf deren besondere Wichtigkeit hingewiesen. Gleichzeitig erklärte man, dass zu wenig personelle Ressourcen zur Verfügung stünden, um dafür eine Reise nach Portugal anzutreten.112 Natürlich stand Portugal aus den genannten Gründen nicht im handelspolitischen Fokus österreichischer Außenhandelsbemühungen. Trotzdem ist hier der allseits endemische Ressourcenmangel der unmittelbaren Nachkriegszeit schön zu erkennen, der mancher Initiative den Boden entzog. Interessanterweise sind es dieselben Argumente, die auch Portugal als Hemmnis einer schnellen Verbindungsaufnahme vorbringt. Ein Argument, dass uns schon bei der Frage der Aufnahme diplomatischer Beziehungen begegnet ist. Dies obwohl das Land nicht, wie Österreich kurz zuvor, Schauplatz militärischer Auseinandersetzungen geworden war. Portugals langsame wirtschaftliche Entwicklung und der Primat des ausgeglichenen Haushalts ließen eine vielleicht wünschenswerte bessere personelle Ausstattung der mit den Außenbeziehungen befassten Institutionen offenbar nicht zu. Trotz aller Widrigkeiten gab es einen Warenverkehr zwischen den beiden Ländern. Ein Bericht des Österreichischen Warenverkehrsbüros meldet bis Ende November 1946 durchgeführte Exporte nach Portugal im Wert von 75.600 S und Importe im Wert von 66.000 S. Im selben Zeitraum waren Verträge über einen Exportwert von 182.312,31 S und einen Importwert von 116.000 S geschlossen worden. Das mag – vor allem im Vergleich zu den Nachbarländern Österreichs – gering erscheinen. Der Anteil Portugals am österreichischen Export (geschlossene Verträge) betrug in diesem Zeitraum nur 0,038% ( !), am Import nur 0,027%. Vergleicht man die Zahlen aber z. B. mit Spanien, so ist das Volumen der abgeschlossenen Verträge mit Portugal im selben Zeitraum 2,4-fach (Export) bzw. 1,7-fach (Import) so hoch. Bei den durchgeführten Lieferungen wurde sogar ein 9-Faches an Warenwert nach Portugal exportiert, den durchgeführten Importen aus Portugal stehen im selben Zeitraum gar

110 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 100.774-WPol/46, Zl. 103.245-WPol/46. Handelsverkehr mit Portugal. BM f. Land- und Forstwirtschaft an BKA-AA vom 14.11.1946. 111 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 100.774-WPol/46, Zl. 103.329-WPol/46. Handelsvertrag mit Portugal. AV und Konzept vom 9.12.1946. 112 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 100.774-WPol/46, Zl. 103.596-WPol/46. Handelsverkehr mit Portugal. BM f. Handel und Wiederaufbau an BKA-AA vom 10.12.1946, do. Zl. 198.230-V–18/1946.

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keine durchgeführten Lieferungen aus Spanien gegenüber.113 Portugal war handelstechnisch also weit wichtiger als Spanien, der geringe absolute Umfang war aber mit ein Grund, warum direkte Verhandlungen mit Portugal auch weiter nicht zustande kamen. Bischoff schlug vor, im Zusammenhang mit der Anerkennung Österreichs durch Portugal dem portugiesischem Vorschlag gemäß eine kleine Handelsdelegation von den geplanten österreichisch-französischen Verhandlungen, die Mitte April 1947 in Paris stattfinden sollten, nach Lissabon weiterzuschicken. Dies scheiterte aber daran, dass diese Delegation bereits Termine für die Weiterreise zu Verhandlungen mit der Schweiz und Italien hatte.114 Auch das Bundesministerium für Volksernährung maß dem Handel mit Portugal für seinen Bereich – mit Ausnahme von Fischkonserven – nur untergeordnete Bedeutung bei.115 Die Umstände diktierten das Ergebnis, wenn das Außenamt schließlich feststellte  : »Mit Rücksicht auf die bekannten Personal- und Devisenschwierigkeiten schiene es jedoch nicht gerechtfertigt, eine Delegation zu – zweifellos minder wichtigen – Wirtschaftsverhandlungen nach Lissabon zu entsenden.« Der Gedanke, einen Teil der nächsten Delegation in Paris nach Lissabon weiterfahren zu lassen, fiel ebenso aus  : »Da aber die nächste Sitzung der österr.-franzsösischen [sic  !] Gemischten Kommission in Wien stattfinden wird, ist jedenfalls auf viele Monate hinaus wenig Aussicht gegeben, dass Wirtschaftsverhandlungen mit Portugal aufgenommen werden können.«116 Aus der Privatwirtschaft kamen jedoch auch weiterhin Ersuchen, endlich zu einem Abkommen zu kommen, um Nachteile für den österreichischen Handel hintanzuhalten. Eine Wiener Handelsgesellschaft intervenierte diesbezüglich etwa im Juni 1947 erneut mit einem Schreiben, das gleichzeitig an mehrere Ministerien versandt wurde. Man habe sich schon länger bemüht, verschiedene Geschäfte mit Portugal abzuschließen, wäre aber aufgrund der fehlenden Rahmenvereinbarung nicht erfolgreich gewesen. Der »Lissaboner Korrespondent« der Firma wurde zitiert, der in Verbindung mit dem Korrespondenten der österreichischen Handelskammern die Lage vor Ort beobachtete. Das bereits bekannte Problem des doppelten Importzolls für österreichische Waren wurde ebenso ventiliert wie die Möglichkeiten zu günstigem Lebensmittelimport aus Portugal wie Exportchancen in die portugiesischen Kolonien.117 Der Auswärtigen Abteilung wa113 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 100.057-WPol/46, o.Zl. Zusammenfassung der bis 30.11.1946 durch das Oe.W.V.B. und seine Zweigstellen abgeschlossenen Auslandsgeschäfte (…), und deren Auslieferung, soweit diese dem Oe.W.V.B. gemeldet wurde. 114 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 116.044-WPol/47, Zl. 122.357-WPol/47. Wirtschaftsverhandlungen mit Portugal. AV und Briefkonzept an die Ges. Paris vom 8.4.1947. 115 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 116.044-WPol/47, Zl. 118.397-WPol/47. Handelsvertrag mit Portugal. BM f. Volksernährung an BKA-AA vom 27.2.1947, do. Zl. I/2–15.723/46. 116 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 116.044-Wpol/47, Zl. 116.044-Wpol/47. AV und EV vom 10.2.1947. 117 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 116.044-Wpol/47, Zl. 13.232-Wpol/47. Öst. Transitverkehr- u. Handelsges. an BKA-AA vom 12.6.1947.

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ren aber aufgrund der unveränderten Umstände auch weiterhin die Hände gebunden und sie nahm dieses Schreiben nicht zum Anlass für weitere Aktivitäten.118 Abseits des Außenamtes verfügte allerdings die Bundeskammer der Gewerblichen Wirtschaft bereits 1948 über einen ehrenamtlichen Vertreter in Lissabon, der diese Funktion in der Folge auch für die »Stelle für den Wiederaufbau der österreichischen Fremdenverkehrswirtschaft« übernahm.119 Das Problem der Maximalzölle für österreichische Waren blieb bestehen. Ende 1948 intervenierte auch die Semperit-AG beim Außenamt, dass der vertragslose Zustand bereits angebahnte umfangreichere Handelsbeziehungen verhindern würde.120 Auch Schienen außerhalb des bk a-a a waren an der Ausweitung des österreichischen Handels beteiligt, etwa der ehrenamtliche Mitarbeiter des Bundespressedienstes in Lissabon, Aba Ehrlich, der mit seinem Bruder Verhandlungen über eine Lieferung Hämatitroheisen und Schiffsbleche mit ermöglichte (s. das Kapitel über das Bild Österreichs in Portugal). 1951 wurde ein erstes Abkommen zwischen den beiden Ländern abgeschlossen. Ein wichtiger Punkt in der Normalisierung der Beziehungen der beiden Länder war 1951 die offizielle Bestätigung, dass das Vermögen von Österreichern bzw. österreichischen Firmen nicht mehr der Beschlagnahme unterläge, die per Dekret (Nr. 34.600) am 14. Mai 1945 gegen deutsches Vermögen ausgesprochen worden war. Es entsprach dem schon mehrfach angesprochenen Pragmatismus der Portugiesen, dass solche Vermögen sowohl Personen als auch Firmen bereits »seit längerem« individuell freigegeben worden war.121 Im Kampf gegen den Kommunismus fehlte Portugal ein solch pragmatischer Zugang. 1952 wurde über Anweisung aus Lissabon die Ausstellung von Visa für österreichische Geschäftsreisende in der Gesandtschaft in Bern und im Konsulat in Zürich erschwert. Es musste nun jeweils zunächst in Portugal rückgefragt werden, ob gegen die betreffende Person auch nichts vorliege. Die Maßnahme sollte der Verhinderung einer kommunistischen Infiltration dienen und wurde gegenüber anderen westlichen Staaten nicht angewandt. Entsprechende österreichische Demarchen blieben unbeantwortet, die Situation entspannte sich allerdings auch nach einigen Monaten von selbst. Die Maßnahme war nicht zurückgenommen worden, die Abwicklung wurde aber offenbar beschleunigt.122 Vermutlich war die teilweise Besetzung Österreichs durch sowjetische Truppen hier mit ausschlaggebend. 118 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 116.044-WPol/47, Zl. 13.232-WPol/47. EB vom 12.7.1947. 119 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 162.048-WPol/48, Zl. 162.048-WPol/48. Stelle für den Wiederaufbau der österr. Fremdenverkehrswirtschaft an BKA-AA vom 17.6.1948. 120 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 185.621-WPol/48, Zl. 185.621-WPol/48. Export nach Portugal. Semperit an BKA-AA vom 8.10.1948. 121 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 138.535-Pol/51, Zl. 138.535-Pol/51. Freigabe des österr. Vermögens in Portugal. BKA-AA an BM f. Finanzen vom 30.8.1951. 122 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl.156.433-Pol/52, Zl. 156.433-Pol/52. Portugal, Einreiseschwierigkeiten. AV vom 4.10.1952.

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1957 wurde schließlich ein Handelsvertrag zwischen Portugal und Österreich in Lissabon unterzeichnet. Dazu passend wurde medial verstärkt Werbung für die Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft gemacht.123 Institutionalisierte Wirtschaftskooperation – die efta Bei der Frage der Integration in europäische Organisationen zur wirtschaftlichen Kooperation hatten Österreich und Portugal unterschiedliche Ausgangspunkte. Während Österreich eine möglichst rasche und eher weitergehende Integration für sich als besten Weg sah, seine Westbindung zu verstärken, versuchte Portugal seinen Markt tendenziell abzuschotten und öffnete sich nur so weit, als es notwendig war, um den Warenaustausch mit seinem wichtigsten Handelspartner Großbritannien nicht zu schädigen. Auch das Vereinigte Königreich war darauf bedacht, seine überragende Position in der portugiesischen Wirtschaft und im Handel mit ihm nicht zu verlieren. Versuche Portugals, sich wirtschaftlich an die br d anzunähern, die von Bonn sehr forciert wurden, wurden von London sehr kritisch gesehen. 1955 intervenierte etwa der britische Botschafter zweimal bei Salazar gegen eine als solche empfundene Abwendung Portugals von Großbritannien und seine wirtschaftliche Hinwendung zur br d, nachdem im März 1955 eine große Wirtschaftsdelegation diese besucht hatte. Man nahm sogar an, dass die Einladung des portugiesischen Präsidenten Craveiro Lopes nach London ein Teil der Strategie zur weiteren Bindung Portugals an Großbritannien gewesen sei.124 In der Frage der »Wahl« des richtigen Weges zur Teilnahme am europäischen Markt ging es für Portugal und Großbritannien jedenfalls stark um diese gemeinsame Dimension. Österreich blieb die Teilnahme am »Markt der Sechs«, der späteren Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ewg zuvorderst durch ein sowjetisches Veto verwehrt. Moskau schätzte eine solche Integration Österreichs als mit seinem Status als neutraler Staat nicht vereinbar ein und verhinderte sie faktisch als Signatarmacht des Staatsvertrages. Auch Teile der spö waren derselben Meinung. Portugal wusste um die mangelnde Konkurrenzfähigkeit seiner Wirtschaft – sowohl der Industrie als auch der Landwirtschaft –, die auf den geschützten Austausch mit den Kolonien eingestellt, durch mangelnde Investitions- und Modernisierungsbereitschaft gekennzeichnet und durch eine ausufernde Bürokratie behindert war. Wenige Familien vereinigten große Teile des Produktionssektors im Mutterland oder den Rohstoffab­ 123 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 225.750-Pol/57, Zl. 227.940-Pol/57. Vorlage von diversen Zeitungsausschnitten für die Zeit vom 1. Bis 15.12.1957. Winterstein an BKA-AA vom 16.12.1957, do. Zl. 2919A/57. 124 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 321.656-Pol/55, o.Zl. Betrachtungen zum Staatsbesuch des port. Präsidenten Gen. Craveiro Lopes in England. Fischer an Figl vom 20.4.1955, do. 5-Pol/55.

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bau in den Kolonien in ihren Händen und hatten kein Interesse an einer Öffnung des Landes für ausländische Konkurrenz. Stimmt man dem Urteil vieler Autoren zu, dass das Salazar-Regime im Vergleich zur Ersten Republik nur einen Austausch der politischen Elite bedeutete, dieses aber weiterhin die Oligopole des Landes zum Machterhalt brauchte und sie schützte, dann wird die Ablehnung des Regimes einer wirtschaftlichen Integration gegenüber nur zu verständlich. Die Abneigung gegen supranationale Entscheidungsstrukturen war in dem vielfach abgeschotteten und auf partielle Autarkie ausgerichteten, seit Jahrzehnten diktatorisch regierten Land, systemimmanent. Die Entwicklung verschiedener Modelle europäischer Integration im wirtschaftlichen Bereich brachte Portugal aus den genannten Gründen weg vom »Markt der Sechs«, der späteren Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hin zur als Gegengewicht gedachten Freihandelszone – der entstehenden efta. Den Portugiesen war die Verwundbarkeit ihrer Wirtschaft und Industrie bewusst. Portugal strebte daher einen langsameren Zollabbau innerhalb dieser zu gründenden Gemeinschaft an, als dies bei industrialisierten Ländern der Fall sein sollte. In bilateralen Gesprächen betonte die österreichische Seite dabei den Portugiesen gegenüber, dass auch Österreich gewisse Probleme in einer solchen Freihandelszone zu überwinden hätte. Nicht im Industriesektor, dafür aber im landwirtschaftlichen Bereich. Zumindest atmosphärisch wird bereits zu diesem frühen Zeitpunkt vor der Gründung der efta eine Art »Solidarität der Ausgeschlossenen« deutlich. Wie im folgenden Kapitel beleuchtet wird, hatte diese »efta-Solidarität« auch handfeste Auswirkungen am internationalen Parkett. Verständnis dafür, dass Portugal die Umsetzung der Freihandelszone »nicht nur mit Rücksicht auf die unterentwickelte Industrialisierung, sondern auch im Hinblick auf die Rückständigkeit in sozialer Beziehung (…) besonders schwer fallen wird«,125 war jedenfalls vorhanden. Fokus der portugiesischen Politik blieb aber – auch in der Phase der Errichtung der efta – die Frage nach dem Erhalt der afrikanischen Kolonien.126 Die Probleme Portugals in Bezug auf die »kleine Freihandelszone« wurden vom portugiesischen Verhandlungsführer in Stockholm, José Correia de Oliveira, klar ausgesprochen  : Es sollte durch die Gründung keine Blockbildung entstehen, sondern ein Instrument zur Abfederung des Umstandes, dass es nicht gelungen war, eine Freihandelszone für alle Länder zu schaffen, die nicht der ewg angehören würden. Daneben war auch klar, dass Portugal seine erst kürzlich aufgebauten Märkte für Wein und landwirtschaftliche Produkte in Deutschland verlieren würde. Oliveira kri125 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl., Zl. 218.380-Pol/57. Freihandelszone – Portugiesische Stellungnahme. Winterstein an Figl vom 20.3.1957, do. Zl. 5-Pol/57. 126 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl, o.Zl. Rede des Ministerpräsidenten Salazar vom 23.5.1959. Winterstein an Figl vom 2.6.1959, do. Zl. 13-Pol/59. Vertraulich.

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tisierte indirekt die portugiesischen Unternehmen und das dahinterstehende System, da sie nicht in der Lage seien, sich der Konkurrenz anzupassen. Durch die sinkenden Zölle würden aber jene, die dies nicht schafften, vom Markt verschwinden. Wichtig für Portugal war die langsamere Senkung der Zölle als für die anderen Mitglieder der Zone und der Umstand, dass die portugiesischen Fischkonserven und Kork zollfrei an die »Seven-non-Six« geliefert werden konnten. Der wesentliche Grund für die Nicht-Teilnahme Portugals an der ewg war deren supranationaler Charakter. Sehr offen hat Oliveira auch darauf hingewiesen, dass Portugal noch nicht so hoch entwickelt wäre, wie die anderen Mitglieder der Stockholmer Gruppe. Das Land hätte eine Chance aufzuschließen, wenn es seine protektionistische Politik aufgeben würde und »aufhört, in der Landwirtschaft, in der Industrie und im Handel Amateur zu sein«.127 Oliveira betonte die für Portugal getroffenen und so notwendigen Sondervereinbarungen der späteren Zollreduktion nach Abschluss des Vertrages von Stockholm besonders und wiederholte, dass eine supranationale Organisation wie die ewg für Portugal nicht in Frage gekommen wäre. Portugiesische Wirtschaftskreise lehnten zu diesem Zeitpunkt offenbar jede wirtschaftliche Integration ab. Um die mangelnde Konkurrenzfähigkeit wissend, war die efta für sie lediglich das kleinere Übel.128 Die ersten Zollsenkungen um 20% machte Portugal innerhalb der efta 1960 mit, danach durfte es aber einen langsameren Weg des Abbaus der Zollschranken gehen. 1970 sollten bei den efta-Mitgliedern alle Zölle wegfallen, während Portugal zu diesem Zeitpunkt noch immer 50% einheben durfte, erst 1980 hatte auch am Tejo dieser Wert auf Null zu fallen. Österreichischerseits hoffte man auf Kooperationen mit der portugiesischen Industrie, da durch diese Sonderstellung vermehrt Produktionskapazitäten nach Portugal verlegt werden sollten. Bereits vor der efta entwickelte sich der Handel Österreichs mit Portugal positiv  : Man exportierte 1954 im Wert von ca. 82 Mio. Schilling an den Atlantik, 1959 ca. 98 Mio., dabei waren die Überseeprovinzen noch nicht eingerechnet. Die Exporte nach Moçambique erhöhten sich etwa von 10 Mio. Schilling 1957 auf ca. 22 Mio. Schilling 1959, also mehr als eine Verdoppelung, in Angola blieb dieser Wert konstant auf 10 Mio. Schilling, da dort kein eigener österreichischer Handelsdelegierter stationiert war.129 Als Großbritannien bereits im Jahr nach der efta-Gründung um Mitgliedschaft bei der ewg ansuchte, kam auch Portugal unter Zugzwang, sich nicht zu weit von seinem wichtigsten Handelspartner zu entfernen. Es musste aber bald erkennen, dass es für einen

127 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl, o.Zl. Portugal und die kleine Freihandelszone. Winterstein an Kreisky vom 30.7.1959, do. Zl. 16-Pol/59. 128 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl, o.Zl. Portugals Stellung in der EFTA. Winterstein an Kreisky vom 30.11.1959, do. Zl. 21-Pol/59. 129 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl, 85.838-Pol/60, Zl. 85.838-Pol/60. Fünf Jahre Portugal. Winterstein an Kreisky vom 30.9.1960, do. Zl. 13-Pol/60.

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ewg-Beitritt keinesfalls reif gewesen wäre, dies noch verstärkt durch die Probleme bei der Schaffung eines gemeinsamen Marktes mit seinen Kolonien und den Umstand, dass die ewg-Mitglieder zur Frage der Unabhängigkeit von Kolonialgebieten eine den Portugiesen entgegengesetzte Meinung vertreten würden. Wie sehr der efta-Gedanke trotzdem unter dieser Abkehr der Portugiesen und ihrem Assoziierungswunsch an die ewg zu leiden hatte, zeigte der Umstand, dass beim Besuch des efta-Generalsekretärs Frank Figgures in Lissabon 1961 alles getan wurde, um zu verhindern, dass dieser mit den efta-Missionschefs in Lissabon zusammenträfe. Ein Versuch des österreichischen Botschafters, ein solches efta-Treffen zu arrangieren, verlief deswegen erfolglos.130 1962 erfolgte ein portugiesisches Aufnahmegesuch an die ewg, wobei auch die Möglichkeit einer Assoziierung in Betracht gezogen wurde.131 Im selben Jahr begann auch Österreich Verhandlungen um die Aufnahme in die ewg. Nachdem die Beitrittsverhandlungen Großbritanniens zur ewg im Jänner 1963 gescheitert waren, verfolgte auch Portugal das Ziel einer ewg-Assoziierung nicht mehr weiter. Wie sehr bzw. wie wenig die efta im Zweifelsfall von der portugiesischen Seite ernstgenommen wurde, zeigt ein Beispiel aus dem Düngemittelhandel vom Beginn der 1960er. 15.000 Tonnen Stickstoffdünger sollten aus Österreich geliefert werden. Diesen wurde aber die Einfuhrlizenz von portugiesischer Seite verweigert, was Interventionen bei diversen Behörden bis auf Ministerebene notwendig machte. Trotzdem musste der Sachverhalt durch Österreich schließlich dem efta-Rat zur Entscheidung vorgelegt werden. Als Reaktion darauf entschlossen sich die portugiesischen Behörden, die Einfuhr von 20.000 Tonnen Amonsulfat gegen Zurückziehung des inkriminierten Vertrages über 15.000 Tonnen Stickstoffdünger zu gestatten. Auch dazu war man nur bereit, weil die portugiesischen Stickstofffabriken wegen eines durch Trockenheit verursachten Strommangels selbst gerade nicht genug produzieren konnten. Die Basis des Geschäfts, dass österreichischer Dünger billiger war als portugiesischer, plante die portugiesische Regierung durch Hinaufsetzung des entsprechenden Zolltarifs zu neutralisieren, wozu sie laut efta-Vertrag aber vermutlich gar nicht berechtigt gewesen wäre. Allein dieses Problemgeschäft zog sich über zwei Jahre hin.132 Erneut wird hier deutlich, dass Portugal nicht dem Wunsch nach wirtschaftlicher Integration folgte, als es der efta beitrat, sondern nur Schadensbegrenzung versuchte, indem es mit Großbritannien mitzog. Der Han-

130 ÖStA/AdR, BMfAA, o.Gr.Zl., o.Zl. EFTA-Generalsekretär Frank E. Figgures in Portugal. Ender an Kreisky vom 27.10.1961, do. Zl. 55-Pol/61. 131 ÖStA/AdR, BMfAA, o.Gr.Zl., o.Zl. Portugals Aufnahmegesuch in die EWG. Ender an Kreisky vom 9.5.1960, do. Zl. 27-Pol/62. 132 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 35.257-Pol/63, Zl. 35.257-pol/63. Tätigkeitsbericht der Botschaft Lissabon für das Jahr 1962. Ender an BMfAA vom 18.2.1963, do. Zl. 267-A/63.

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del zwischen beiden Ländern entwickelte sich zu diesem Zeitpunkt nur mäßig und geriet gegenüber europäischen Mitkonkurrenten auch deswegen ins Hintertreffen, weil deren Unternehmen an den portugiesischen Geschäftspartnern oft Beteiligungen hielten, österreichische Unternehmen hingegen im Normalfall nicht. Im Handel mit den portugiesischen Überseeterritorien machten sich ebenfalls zusätzliche Einfuhrrestriktionen bemerkbar, sodass der österreichische Außenhandel mit dem gesamtportugiesischen Raum 1962 zum ersten Mal mit einem Passivum abschloss. Zumindest wurde in Luanda ein Honorarkonsulat eingerichtet, das mit dem dortigen Handelsdelegierten der Bundeswirtschaftskammer besetzt wurde.133 Der Anteil der beiden Länder am jeweiligen Handelsvolumen war stets recht gering. Portugals Anteil an Österreichs Importen lag bei etwa 0,2%, an den Exporten bei etwa 0,4%, Österreichs Anteil an Portugals Import und Export betrug jeweils etwa 0,8%.134 Die efta-Regelungen sorgten aber dafür, dass der portugiesische Export nach Österreich anstieg (stärker als umgekehrt, da Portugal seine Zollschranken nicht so schnell abbauen musste). So nahmen die portugiesischen Lieferungen nach Österreich allein im ersten Halbjahr 1967 um ein Drittel zu. Das österreichische Stimmverhalten in den un führte zudem dazu, dass Österreich von den übrigen eftaStaaten die besten Beziehungen zu Salazars Portugal unterhielt.135 Teil dieser guten Beziehungen war der Besuch Außenminister Nogueiras Anfang 1967 und Teil des Arbeitsgespräches mit ihm war auch die Rohstoffproduktion in den Überseeprovinzen. Hier ergab sich die Möglichkeit, von österreichischer Seite Eisenbahnwaggons zum Transport von Eisenerz in Angola und Moçambique anzubieten. Nogueira war sofort der Meinung, dies wäre unterstützenswert, vor allem würde man es schätzen, in einem befreundeten Land zu kaufen.136 Die portugiesischen Eisenbahnen kauften dann auch wirklich, trotz starker Konkurrenz, 700 Waggons der Firma SimmeringGraz-Pauker. Der portugiesische Außenminister hatte zugunsten der Österreicher interveniert.137

133 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 35.257-Pol/63, Zl. 35.257-pol/63. Tätigkeitsbericht der Botschaft Lissabon für das Jahr 1962. Ender an BMfAA vom 18.2.1963, do. Zl. 267-A/63. 134 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 55.378-WPol/64, Zl. 55.378-WPol/64. Die wirt. Beziehungen zwischen Österreich und Portugal. Information vom 18.8.1964. 135 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 32.444-Pol/67, Zl. 35.529-Pol/67. Grundbericht über Portugal, Neufassung. Gohn an BMfAA vom 9.12.1967, do. Zl. 2648-A/67. 136 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 13.520-Pol/67, Zl. 18.418-Pol/67. Staatsbesuch des port. Außenministers in Österr., Arbeitsbesprechung am 21.2.1967. Resumé-Protokoll S. 23. 137 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 32.444-Pol/67, Zl. 35.529-Pol/67. Grundbericht über Portugal, Neufassung. Gohn an BMfAA vom 9.12.1967, do. Zl. 2648-A/67.

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Die Vereinten Nationen als Prisma der Beziehungen Schon bei der Frage der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen hatten die Vereinten Nationen – zumindest formal – eine Rolle gespielt. Die ursprüngliche Weigerung Moskaus fußte argumentativ darauf, dass Portugal zum fraglichen Zeitpunkt kein Mitglied der un gewesen war, auch wenn andere Gründe – namentlich die Natur des portugiesischen Regimes und das daraus resultierende Fehlen diplomatischer Beziehungen zwischen der Sowjetunion und Portugal – vermutlich eher den Ausschlag gegeben hatten. Portugals Beitritt zu den un war gegen einige Skepsis bei Salazar und seinen Ratgebern vollzogen worden. Schon bei der Überreichung der Note zur Anerkennung der österreichischen Neutralität hatte der portugiesische Generaldirektor des Auswärtigen Amtes durchblicken lassen, dass der Beitritt Portugals zu den un, der auf Drängen Großbritanniens und der usa zustande komme, wegen der Frage der Kolonien mit gemischten Gefühlen gesehen werden würde. Zudem fürchte man sich vor den Kosten der notwendigen Präsenz in den verschiedenen Gremien.138 Diese Skepsis sollte sich aus Lissaboner Sicht in späteren Jahren als berechtigt erweisen. Österreich hingegen bemühte sich schon unmittelbar nach dem Krieg um einen möglichst vollständige Integration des Landes in das Geflecht internationaler Institutionen, um die eigene Souveränität zu unterstreichen und ein Gegengewicht zur so empfundenen sowjetischen Dominanz zu schaffen. Beide Länder traten gleichzeitig 1955 den un bei. Für Österreich war dies eben auch Ausdruck seiner wiedergewonnenen vollen Souveränität. Hinzu kam bald auch die Möglichkeit, durch die un das »Südtirolproblem« zu internationalisieren. Die Sechzigerjahre boten für Österreich in den un also zusätzliche Möglichkeiten, einen Hebel zugunsten der eigenen Politik einzusetzen, wie dies in den Folgejahren auch erfolgreich geschehen sollte. Mit Beginn der Sechzigerjahre nahmen allerdings auch Portugals Kolonialprobleme zu. Zwar wurden die Kolonien nicht mehr als solche, sondern als Überseeterritorien bezeichnet und als integrale Bestandteile des Staatsgebietes verstanden, dies änderte aber nichts an den faktischen Folgen der Dekolonisierungsbewegung dieser Zeit für das portugiesische Überseegebiet. Die un wurden immer mehr zur Bühne für Resolutionen der Generalversammlung, die gegen den portugiesischen Kolonialkrieg, wie er genannt wurde, Stellung bezogen. Faktisch war die Lage selbstverständlich komplexer und die Berichte der österreichischen Gesandten behandelten das Thema aus einer neutraleren Position heraus. Österreich sah sich jedoch zunehmend in einer diplomatischen Zwickmühle  : Man wollte die guten Beziehungen zu Portugal möglichst wenig belasten, gleichzeitig aber in den un ein akzeptierter Player sein und auch bei den neuen, in die 138 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 326.299-Pol/55, o.Zl. Anerkennung der Österr. Neutralität. Winterstein an Figl vom 15.11.1955, do. Zl. 24-Pol/55.

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Unabhängigkeit entlassenen Staaten nicht unnötig viel Porzellan zerschlagen. Österreichs – schließlich erfolgreicher – Versuch, einen ständigen un-Sitz nach Wien zu holen, verstärkte die Notwendigkeit, die Politik der un, die über ihren Dekolonisierungsausschuss zunehmend und vornehmlich Partei für die Unabhängigkeit vormals »abhängiger Territorien« ergriff, zu unterstützen. Faktisch orientierte man sich dabei an den westeuropäischen Staaten und verfolgte eine Abstimmungslinie, die möglichst wenig Kritik an der portugiesischen Politik vernehmen ließ, und zwar immer gerade so weit, wie dies noch mit dem gewünschten Bild Österreichs in der Staatengemeinschaft in Einklang zu bringen war und insoweit, als Österreich bei Abstimmungen und Resolutionen nicht den gesamten »Westen« gegen sich hatte. Dies galt ungeachtet der politischen Farbe der jeweiligen österreichischen Bundesregierung. Es lässt sich nun die Frage stellen, ob dies vor allem aus dem Wunsch heraus geschah, im Verhältnis zu Portugal möglichst wenig Schaden anzurichten oder eher aus einer prinzipiellen Abneigung der Veränderung des Status quo gegenüber. Gegen Zweiteres spricht, dass in der fraglichen Zeit Österreich aus der Südtirolfrage heraus auf dem internationalen Parkett eigentlich ein Unterstützer des Selbstbestimmungsrechtes und vor allem der Internationalisierung von Konflikten sein hätte müssen, die in Zusammenhang mit der Behandlung von Minderheiten und deren territorialem Status standen. Zudem hatte Österreich erkannt und akzeptiert, dass es auf internationaler Ebene von Portugal keine Unterstützung in der Südtirolfrage erwarten konnte, da das Land damit der Internationalisierung seiner eigenen Kolonialfragen das Wort reden würde. Dass trotzdem versucht wurde, »so portugalfreundlich wie möglich« abzustimmen, ist bemerkenswert. Zumindest drei Faktoren haben hier eine Rolle gespielt  : zum einen die Rolle Lujo Tončić-Sorinjs, zum anderen die Berichterstattung der österreichischen Vertreter aus Lissabon und vor allem aus den Kolonien und drittens die Überzeugung Österreichs, einem eftaMitglied eine besondere Solidarität zu schulden. Fast unmittelbar nach dem Beitritt der beiden Länder zu den un wurde die Frage der portugiesischen Kolonien zum Thema am internationalen Parkett und damit auch zum direkten Thema der Beziehungen. Neben der interessanten Frage des Blickes österreichischer Diplomaten auf die Zustände in den portugiesischen Kolonien ist auch dieser Umstand der Beteiligung beider Staaten an den Auseinandersetzungen mit ein Grund für die Aufnahme des Themas in diesen Beitrag. Bereits 1957 wurde von Liberia, Syrien, Ceylon, Nepal und Griechenland eine Resolution eingebracht und mit knapper Mehrheit angenommen, die eine Untersuchung forderte, ob es noch Mitgliedsstaaten gäbe, die über nichtautonome Gebiete verfügen würden. Portugal empfand dies als gegen sich gerichtete Aktion und die weitere Entwicklung sollte ihm Recht geben. Die Position Lissabons war in der Zukunft jene, dass das Land inklusive seiner Überseeterritorien ein integriertes Ganzes sei, die entsprechenden Resolutionen also eine Einmischung in innere Angelegen-

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heiten darstellen würden. Griechenland hatte wegen der erhofften Unterstützung aus Afrika und Asien in der Zypern-Frage der Resolution zugestimmt, was nicht nur in Lissabon »merkwürdig berührt hat«, sondern auch den Gesandten zur Bemerkung veranlasste, es wäre »also wieder das berüchtigte, aber leider übliche Feilschen um Stimmen bei den Vereinten Nationen, das Griechenland bewogen hat, für die gegenständliche Resolution zu stimmen«.139 Es ist interessant zu sehen, wie sich Öster­reich in weiterer Folge vor den un verhalten hat, als es selbst mit der Südtirol­ frage im Blickpunkt der Staatengemeinschaft stand. Die Portugiesen wurden von Österreich über die Südtirolfrage, die dort kaum bekannt war (s. o.), aktiv informiert. Ganz klar war dabei, dass diese Information der Portugiesen eine »Vorbereitung für eine eventuelle Aktion Österreichs vor den Vereinten Nationen« darstellte. Man versuchte früh, eine gute Basis für Kooperationen aufzubauen, was auch gelang. So wurde etwa die Kandidatur Österreichs für den Vorsitz der politischen Kommission der un 1959 auch von Portugal unterstützt.140 Umgekehrt trat Portugal 1960 an Österreich heran, da es sich um einen Sitz im Sicherheitsrat der un beworben hatte. Der österreichische Botschafter analysierte dieses Ansinnen und stellte fest, dass von den sechs westeuropäischen Staaten, die 1955 un-Mitglieder geworden waren (Österreich, Irland, Spanien, Italien, Finnland und Portugal), im Moment aus verschiedenen Gründen nur Portugal für eine Kandidatur in Frage käme (Österreich hätte sich »vielleicht infolge seiner Neutralität«, Finnland »wegen seiner besonderen politischen Lage« nicht beworben). Die portugiesische Kandidatur stand jedoch in Konkurrenz zu einer solchen aus den Niederlanden. Um in diesem Dilemma zu entscheiden, betonte Winterstein, dass die Niederlande u. a. bereits zweimal im Sicherheitsrat gesessen wären, Portugal jedoch noch gar nicht. Portugal ersuchte Österreich um seine Stimme, da es »dafür bekannt ist, seine Entscheidungen in den V.N. ausschließlich nach rein sachlichen Erkenntnissen zu treffen«. Diese Argumentation fruchtete zumindest beim österreichischen Botschafter. Er drückte zwar sein Bedauern über den Streit innerhalb der westeuropäischen Gruppe aus, empfahl dem Ballhausplatz aber die Unterstützung der portugiesischen Aspirationen. Dabei wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man in der Südtirolfrage »– falls sie einmal vor die V.N. kommen sollte –« Portugal auf seiner Seite wissen sollte, da es »auf die südamerikanischen Staaten einen besonderen Einfluss ausüben kann«.141 Der Verdacht, dass eine Verknüpfung der beiden

139 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl., Zl. 216.783-Pol/57. Vereinte Nationen – Kommission über nichtautonome Gebiete. Winterstein an Figl vom 11.2.1957, do. Zl. 2-Pol/57. 140 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 76.575-Pol/60, Zl. 76.575-Pol/60. Tätigkeitsbericht Botschaft Lissabon für 1959. Winterstein an BMfAA vom 6.1.1960, do. Zl. 121-A/60. 141 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl, o.Zl. Portugals Kandidatur für den Sicherheitsrat 1960. Winterstein an Kreisky vom 23.3.1960, do. Zl. 2-Pol/60.

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Fragen auch für Portugal nicht ausgeschlossen war, verhärtete sich für den österreichischen Botschafter bald. Denn kurz darauf wurde er von Nogueira informiert, dass der italienische Geschäftsträger ihn anlässlich eines kurzen Aufenthaltes des österreichischen Vizekanzlers gefragt hätte, ob Südtirol dabei ein Thema gewesen wäre und im selben Gespräch über die österreichische Haltung zur portugiesischen Kandidatur für den Sicherheitsrat befragte. Winterstein betonte daher nochmals seine Überzeugung, dass mit einer schnellen Entscheidung zugunsten Portugals dessen Unterstützung in der Südtirolfrage gesichert werden könnte. Sollte dies allerdings erst geschehen, nachdem sich die Mehrheit der Westeuropäer dazu durchgerungen hätte, wäre kein positiver Effekt für das österreichische Anliegen mehr zu erzielen, es wäre dann, so Winterstein Churchill zitierend, »Too little and too late«.142 Er sollte mit seiner Befürchtung Recht behalten. Österreichs Chance auf einen »bargain« mit Portugal waren tatsächlich vorhanden, denn bereits einen Tag später wurde er wieder zum politischen Direktor Nogueira gebeten, der die Argumente Portugals noch einmal ausführlich darlegte und schriftlich dokumentierte. Auf Nachfrage Wintersteins erklärte er, dass sich bereits 38–40 Staaten mehr oder weniger sicher für Portugal ausgesprochen hätten, die Wahl der Niederlande damit also zumindest schon blockiert wäre. Nogueira fuhr fort, dass Österreich zu diesem Zeitpunkt noch einen Akt von politischer Bedeutung setzen könnte, den »Portugal gewiss nicht vergessen wird«, eine positive Stimmabgabe zu einem späteren Zeitpunkt zwar wohl gerne gesehen würde, diese aber vom politischen Standpunkt aus nicht mehr ins Gewicht fallen würde. Der österreichische Botschafter stellte dem Ballhausplatz gegenüber fest, dass es mehrere Gründe gebe, die für eine Stimmabgabe für Portugal sprechen würden  : 1. sollten nicht nur Benelux-Staaten Westeuropa im Sicherheitsrat vertreten, 2. eine mögliche Unterstützung bezüglich Südtirols durch ein nato-Mitglied, 3. wären die portugiesischen Argumente auch rein sachlich überzeugend und 4. sollten durch eine solche Entscheidung auch die politischen Beziehungen zu einem eftaMitglied gestärkt werden. Er ersuchte um eine schnelle Entscheidung, unterstützte Portugals Kandidatur ausdrücklich »auf das Wärmste«, warnte erneut und mit demselben Ausspruch, dass es bald zu spät sein könnte und die Beziehungen zu Portugal ansonsten getrübt würden.143 Die Abstimmung über Portugals Kandidatur wurde dann mehrfach verschoben und seine Chancen sanken aufgrund der zunehmenden Kritik wegen seiner Überseegebiete.144

142 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl, o.Zl. Gespräch mit dem Leiter der Pol. Abt. im hiesigen Außenamt. Winterstein an Kreisky vom 21.4.1960, do. Zl. 5-Pol760. 143 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl, o.Zl. Kandidatur Portugals für den Sicherheitsrat. Winterstein an Kreisky vom 22.4.1960, do. Zl. 7-Pol/60. 144 ÖStA/AdR, BMfAA, o.Gr.Zl., o.Zl. Portugal zur Frage Südtirol. Ender an Kreisky vom 5.12.1960, do. Zl. 16-Pol/60.

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Im November 1960 wurde in der Treuhandschaftskommission der un eine Resolution genehmigt, nach der Portugal unverzüglich Auskünfte über seine überseeischen Besitzungen zu geben hätte. Von diesem Zeitpunkt an sah sich Portugal fast jährlich mit neuen Resolutionen in Bezug auf seine Überseeprovinzen (1951 wurden die Kolonien in solche umbenannt bzw. umgewandelt) konfrontiert. Man zeigte sich in Lissabon besonders erschüttert, dass drei nato-Staaten (Dänemark, Griechenland und die Türkei) für die Resolution stimmten und auch Argentinien und Schweden in dieser Gruppe zu finden waren. Den usa und Großbritannien warf man ihre Stimmenthaltung vor.145 Sowohl nato- als auch efta-Bande zählten hier teils offenbar nicht viel. Der neue österreichische Botschafter nannte die Vorwürfe vor den un »Verunglimpfungen«, auf die in Portugal große Demonstrationen folgten. Trotz des Umstandes, dass diese vom Regime organisiert worden wären, »muss doch zugegeben werden, dass die Portugiesen mit Leib und Seele mitgetan haben«.146 Es ist bemerkenswert, mit welcher Konstanz die österreichischen diplomatischen Vertreter der portugiesischen Position wohlwollend gegenüberstanden und sie zu rechtfertigen versuchten. Als die Indische Union im Dezember 1961 die portugiesischen Kolonien Goa, Damão und Diu erstürmte, beantragte Portugal eine außerordentliche Generalversammlung der un, scheiterte mit seinem Vorhaben jedoch147 und wurde darüber hinaus aufgefordert, mit der Indischen Union zu kooperieren, um seine Besitzungen am Subkontinent aufzulösen.148 Bei Beginn der Feindseligkeiten übergaben die diplomatischen Vertreter Portugals im Ausland dem jeweiligen Außenminister eine Note des Amtes des Ministerpräsidenten, in der es hieß  : »Gemäß den erteilten Weisungen sind die Streitkräfte zur Verteidigung des Gebietes in Aktion getreten. Die Regierung erwartet, dass alle ihre Pflicht zu erfüllen verstehen werden.«149 Schon zuvor setzte die un-Generalversammlung am 20. April 1961 mit Resolution 1603 eine Verurteilung Portugals u. a. wegen der »Verletzung grundlegender Menschenrechte« und der Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts in Angola durch.150 Österreich stimmte, wie die große Mehrzahl der Staaten, für die Resolution, was eine 145 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl, o.Zl. Die Sorgen Portugals um seine überseeischen Kolonien. Ender an Kreisky vom 25.11.1960, do. Zl. 15-Pol/60. 146 ÖStA/AdR, BMfAA, o.Gr.Zl., o.Zl. Die Sorgen Portugals um seine überseeischen Kolonien. Ender an Kreisky vom 25.11.1960, do. Zl. 15-Pol/60. 147 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 21.667-Pol/61, Zl. 37.105-Pol/61. Chiffrefernschreiben der österr. Vertr. bei den UN vom 20.12.1961. 148 Resolution des Sicherheitsrates der UN S/5032 vom 18.12.1961. http://daccess-dds-ny.un.org/doc/ UNDOC/GEN/N61/313/20/PDF/N6131320.pdf  ?OpenElement 149 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 21.667-Pol/61, Zl. 36.936-Pol/61. Note der port. Botschaft Wien vom 18.12.1961. 150 Resolution der Generalversammlung der UN 1603 vom 20.4.1961. http://www.un.org/en/ga/search/ view_doc.asp  ?symbol=A/RES/1603%28XV%29

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scharfe Reaktion des neuen portugiesischen Außenministers nach sich zog. Nur drei Stunden nach seiner Ernennung warf er dem österreichischen Botschafter in Lissabon bei einem gesellschaftlichen Anlass vor, dass die negative Haltung Österreichs Portugal gegenüber völlig unverständlich sei. Es sei schade, dass Österreich offenbar die portugiesischen Überseegebiete als Kolonien betrachte und es sich nicht mehr auf seine Pflichten als Neutraler besinnen würde. »Sind wirklich Ghana, Guinea und alle diese neuen afrikanischen Staaten Ihre besseren Freunde als Portugal  ? Haben Sie intimere Beziehungen geschichtlicher, kultureller und wirtschaftlicher Natur mit diesen schwarzen Staaten als mit einem seit Jahrhunderten in vielen Beziehungen mit Österreich verbundenen Portugal  ? Weiß Ihre Regierung denn tatsächlich, was in Angola vorgeht  ? Ja, sind Sie, Herr Botschafter, selbst in der Lage, Ihre Regierung über die dortigen Ereignisse in einer Weise zu informieren, die Ihre Regierung wirklich in die Lage versetzt, sich daraufhin in der uno-Generalversammlung auf eine Stimmabgabe festzulegen  ? (…) Genügt das katastrophale Kongo-Beispiel immer noch nicht, den Europäern die Augen zu öffnen, um zu erkennen, was wirklich gespielt wird  ?« Ähnliche Vorwürfe wurden auch anderen Diplomaten vorgetragen, Österreich stand diesbezüglich nicht alleine da. Darüber hinaus konnte der Botschafter vermelden, dass auch solche Ausbrüche die freundschaftliche Atmosphäre nicht trüben würden. Bei Ausbruch des Aufstandes im Norden von Angola musste er vermelden, es gäbe eine große Anzahl weißer Todesopfer in Angola und bereits 2–3.000 Frauen und Kinder, die, aus Angola kommend, in Lissabon eingetroffen seien, »darunter viele Witwen und Waisen nach den einem brutalen schwarzen Terror zum Opfer gefallenen Farmern«.151 Die un-Subkomitees, die die Lage in den Kolonien untersuchen sollten, kamen zu einer anderen Gewichtung der Umstände. Der österreichische Botschafter stellt denn auch die rhetorische Frage  : »Sollen die Portugiesen einfach die Segel einziehen  ? Das Kongobeispiel ist zu nahe, als dass auch nur ein Eingehen auf die uno-Deklarationen sehr rasch Zustände herbeiführen würde, die sich in nichts von den schlimmsten Lumumba-Zeiten unterscheiden würden.«152 Interessanterweise schreibt das der lokale Vertreter jenes Landes, das in genau diesen un-Institutionen für die Unabhängigkeit der portugiesischen Kolonien und die Einstellung der portugiesischen militärischen Aktionen seine Stimme abgegeben hatte. Ausgehend davon, dass die Einschätzung des Botschafters in Lissabon in Wien in die Entscheidungsfindung einbezogen wurde – und diese über die Jahre auch bei wechselnden Missi-

151 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 24.063-Pol/61, Zl. 24.063-Pol/61. Der neue port. Außenminister Franco Nogueira über die österr. Stellungnahme in der UNO Portugal gegenüber. Ender an Kreisky vom 4.5.1961, do. Zl. 30-Pol/61. Streng vertraulich. 152 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 24.063-Pol/61, Zl. 24.063-Pol/61. Der neue port. Außenminister Franco Nogueira über die österr. Stellungnahme in der UNO Portugal gegenüber. Ender an Kreisky vom 4.5.1961, do. Zl. 30-Pol/61. Streng vertraulich.

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onschefs erstaunlich konstant geblieben ist – darf angenommen werden, dass für die Stimmabgabe Österreichs nicht nur die Resolutionen betreffendes Faktisches, sondern auch rein Politisches eine Rolle gespielt hat. Das ist zwar nicht weiter verwunderlich, bedeutet in diesem Fall jedoch einen doch recht großen Spagat. Österreich behielt vor den un zunächst seine Position bei, so stimmte es beispielsweise auch mit der Mehrheit (87 dafür, 5 dagegen, eine Enthaltung) dafür, zwei Zeugen (Petitioners) aus Portugiesisch-Guinea in einer un-Kommission anzuhören.153 Die Resolution der Generalversammlung des Jahres 1962 Angola betreffend wurde ebenfalls angenommen, doch nun schon mit 7 Gegenstimmen und 12 Enthaltungen, zu denen nun auch Österreich gehörte.154 Ein Novum in der Debatte vor den un waren nun Vorwürfe, die nato würde durch ihre Waffenlieferungen den portugiesischen Kolonialkrieg erst ermöglichen. Die Oststaaten traten für Sanktionen gegen Portugal ein. Großbritannien stimmte gegen die Resolution und war interessanterweise vor der Abstimmung an Österreich herangetreten, um zu sondieren, ob auch die österreichische Delegation mit Nein stimmen könnte.155 Die Resolution wurde von der österreichischen Delegation als »äußerst scharf formuliert« eingestuft, trotzdem stimmten Schweden, Finnland und Irland für die Resolution, obwohl sie sich beim sogenannten Operativparagraphen, der Sanktionen der Mitgliedsstaaten verlangte, enthielten. Die Weisung aus Wien lautete auf Stimmenthaltung  : wegen der Isolierung Portugals und seiner Weigerung zur Zusammenarbeit erwog Wien jedenfalls zuvor auch die Möglichkeit, ein positives Votum offenzulassen.156 Die Delegation in New York schlug vor, bei dieser Stimmenthaltung zu bleiben und verwies dabei ausdrücklich auf die Solidarität mit einem efta-Partner. Sollten auch andere Westeuropäer für die Resolution stimmen, ersuchte New York aber um Ermächtigung für ein positives Votum.157 Für den Fall einer absatzweisen Abstimmung schlug die Delegation eine positive Abstimmung nur für jene Paragraphen vor, die das Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit beinhalteten, nicht jedoch für jene, die Portugal scharf verurteilten und Sanktionen forderten.158 Hier wird die 153 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 43.907-Pol/61, Zl. 34.907-Pol/61. XVI. GV  ; 4. Kommission  ; Anhörung von Petitioners aus Port.-Guinea. Matsch an BMfAA vom 14.11.1961, do. Zl. 3060-A/61. 154 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 77.545-Pol/62, Zl. 77.780-Pol/62. FS der österr. Delegation bei den UN an BMfAA vom 12.12.1962. 155 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 77.545-Pol/62, Zl. 77.780-Pol/62. Depesche der österr. Delegation bei den UN an BMfAA vom 8.12.1962, do. Zl. 21687. 156 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 77.545-Pol/62, Zl. 77.545-Pol/62. XVII. GV  ; Resolutionsentwurf betreffend port. Kolonie. AV vom 4.12.1962. 157 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 77.545-Pol/62, Zl. 77.545-Pol/62. FS der öst. Vertretung bei den UN vom 10.12.1962, do. Zl. 21699. 158 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 77.545-Pol/62, Zl. 77.545-Pol/62. FS der öst. Vertretung bei den UN vom 8.12.1962, do. Zl. 21686.

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Motivationslage Österreichs klar  : Mit Rücksicht auf die Südtirolfrage musste man das Recht auf Selbstbestimmung vor den un stärken, man wollte dabei aber dem befreundeten Portugal so wenig wie möglich schaden. Salazar selbst zeigte sich im Rahmen einer Audienz Botschafter Enders erfreut über dieses geänderte Abstimmungsverhalten der Österreicher, vor allem im Gegensatz zu Schweden und Irland. Er benutzte die Gelegenheit auch zu entsprechender Kritik  : »Was wissen denn die Schweden von diesen afrikanischen Angelegenheiten, was wissen sie von den moralischen und geistigen Qualitäten des schwarzen Mannes und in einer Überheblichkeit ohnegleichen glauben sie, ihr soziales Konzept, das für Schweden gut sein mag, nach dem schwarzen Erdteil exportieren zu müssen.«159 Jedenfalls wog bei den Schweden die efta-Solidarität offenbar weniger schwer als bei den Entscheidungen der Österreicher. Mitte 1963 beschloss der Sicherheitsrat, dass die portugiesischen Überseeterritorien als »nichtselbständige Gebiete unter portugiesischer Verwaltung« anzusehen wären,160 was die Stellung Portugals am internationalen Parkett noch weiter untergrub. Ende 1963 verlangte eine erneute Resolution der gv der un das Selbstbestimmungsrecht für die portugiesischen Überseeterritorien. Österreich stimmte wiederum für diese Resolution.161 1964 wurde durch eine portugiesische Handelsfirma angefragt, welche österreichischen Firmen automatische Gewehre, Karabiner und Pistolen nach Portugal liefern könnten. Bereitwillig gab man die Steyr-Daimler-Puch AG als Kontakt an, legte aber Wert darauf, selbst kein Geschäft zu vermitteln.162 Dies wohl deshalb, weil im Sicherheitsrat der un bereits 1963 eine Resolution beschlossen worden war, wonach alle Mitgliedsländer ein Waffenembargo gegen Portugal verhängen und eine Art Offenbarungseid leisten sollten, ob sie Waffen an Portugal liefern und damit indirekt zur Weiterführung des Kolonialkrieges beitragen würden. Österreich hatte dem Generalsekretär daraufhin mitgeteilt, dass es keine Waffen an Portugal liefern würde. 1965 verabschiedete der Sicherheitsrat der un erneut eine Resolution, in der Portugal verurteilt wurde und gleichzeitig die Mitgliedsstaaten aufgerufen wurden, Maßnahmen zu ergreifen, um einen Verkauf von Waffen und anderem militärischen Material an Portugal zu unterbinden und dem gs darüber zu berichten. Österreich sah die Wichtigkeit der Resolution für die afrikanischen Staaten, gleichzeitig wollte es den Beziehungen zu Portugal, »insbesondere im Hinblick auf die gemeinsame 159 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 78.172-Pol/62, Zl. 78.172-Pol/62. Audienz bei Ministerpräsident Salazar. Ender an Kreisky vom 13.12.1962, do. Zl. 47-Pol/62. 160 Resolution des Sicherheitsrates der UN S/5380 vom 31.7.1963. http://daccess-dds-ny.un.org/doc/ UNDOC/GEN/N63/164/91/PDF/N6316491.pdf  ?OpenElement 161 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 78.567-Pol/64, Zl. 78.571-Pol/64. Neuer Missionschef in Portugal  ; Information. Ergänzung des UN-Referats. 162 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 71.236-Pol/64, Zl. 71.236-Pol/64. Anfrage einer port. Handelsges. über österr. Lieferfirmen von Waffen. AV vom 5.5.1964.

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efta-Mitgliedschaft«, keinen unnötigen Schaden zufügen. Bei der Abstimmung der entsprechenden Resolution der gv vom 21. Dezember 1965, in der im operativen Teil der Abbruch der diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit Portugal gefordert wurde, stimmte Österreich daher mit Nein, da es zu weitgehenden Sanktionen gegenüber Portugal nicht bereit war. Eine Einstellung der Waffenlieferungen an Portugal konnte man sich vorstellen, da diese im Jahr 1964 nur 19,5 Mio. Schilling betrugen und vor allem Jagdwaffen umfassten. Vor dieser Entscheidung hatte man noch versucht, in den Hauptstädten der anderen fünf efta-Staaten deren Haltung zu erkunden.163 Ebenso hatte der portugiesische Botschafter noch am Tag vor der Abstimmung im Plenum in New York in Wien interveniert. Dort wurden ihm die Motive Österreich dargelegt, die er dankbar zu Kenntnis nahm.164 Portugal wollte verhindern, dass die Sanktionen der Resolution mit Zweidrittelmehrheit beschlossen würden und ersuchte daher Österreich um ein negatives Votum.165 Die besondere Hervorhebung der efta-Solidarität als Grund für die Ablehnung der Resolution kam in diesem Fall direkt von Außenminister Kreisky.166 Dieser hatte bereits vor der portugiesischen Intervention am 18. des Monats so entschieden.167 Ein Beweggrund dafür dürfte die besorgte Nachfrage des norwegischen Botschafters Sommerfelt in allen efta-Hauptstädten zu dieser Frage gewesen sein. Dieser war seit der efta-Ratstagung in Genf am 16. Dezember Ratspräsident und sorgte sich um den Zusammenhalt der Organisation, wenn eine un-Resolution den Abbruch aller Beziehungen mit Portugal fordern würde. Norwegen – so Sommerfelt – könnte unter diesen Umständen jedenfalls nicht für die Resolution stimmen.168 So sehr Portugal (bzw. seine politische und wirtschaftliche Elite mit Ausnahme Correias de Oliveira) seine efta-Mitgliedschaft manchmal als Bürde sah, so sehr half sie dem Land in seinem wichtigsten außenpolitischen Kampf auf internationalem Parkett, ohne dass dies von Lissabon so erwartet worden war. Österreich verfolgte bei den un Portugal gegenüber eine Linie, die es selbst als »vernünftig« und »etwas gemäßigter als jene der skandinavischen Staaten« bezeich163 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 131.170-Pol/65, Zl. 147.330-Pol/65. UN  ; 20. GV  ; Territorien unter port. Verwaltung  ; SR-Beschluss vom 23.11.1965. AV vom 20.1.1966. 164 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 131.170-Pol/65, Zl. 146.929-Pol765. XX. UN-GV  ; Resolution gegen Portugal. AV vom 21.12.1965. 165 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 131.170-Pol/65, Zl. 146.860-Pol/65. XX. UN-GV, Resolution gegen die Kolonialpolitik Portugals. Intervention d. port. Botschafters. AV vom 20.12.1965. 166 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 131.170-Pol/65, Zl. 146.861-Pol/65. XX. UN-GV, Resolutionsantrag gegen die Kolonialpolitik Portugals. AV vom 20.12.1965. 167 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 131.170-Pol/65, Zl. 146.860-Pol/65. Kabinett des Außenministers. Entscheidung BM Kreisky vom 18.12.1965. 168 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 131.170-Pol/65, Zl. 146.860-Pol/65. Chiffrefernschreiben d. österr. Delegation in Genf an BMfAA vom 16.12.1965, do. Zl. 23338.

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nete. Es müsse jedoch zu scharfe Stellungnahmen vermeiden, um bei der Mehrheit der Mitgliedsstaaten nicht als »getarnte Kolonialmacht« zu erscheinen und damit die über Jahre mühsam errungene Position bei den un zu gefährden.169 Die Resolution der gv der un des Jahres 1966 über die portugiesischen Überseeterritorien brachte eine weitere Konturierung der Haltung Österreichs bzw. – wenn man die internen Abläufe betrachtet – des neuen Außenministers Tončić-Sorinj und des Leiters der österreichischen Delegation in New York und späteren Außenministers und un-Generalsekretärs Kurt Waldheim. Inhaltlich hatte sich nicht viel geändert, es wurde vor allem die Selbstbestimmung für die von Portugal verwalteten afrikanischen Gebiete gefordert, im »Operativparagraphen« wurde gefordert, die Mitgliedsstaaten sollten die Beziehungen zu Portugal abbrechen. Die österreichische Delegation bei den un unter Führung Waldheims ersuchte um Weisung und schlug Stimmenthaltung vor, da die skandinavischen Staaten und Irland sich der Stimme enthalten würden.170 Wien entschied mit Rücksicht auf die efta-Partnerschaft und den bevorstehenden Besuch des portugiesischen Außenministers in Wien, wie schon 1965, gegen die Resolution zu stimmen und gab entsprechende Weisung an New York.171 Waldheim gab sich damit nicht zufrieden und rekurrierte in seiner Antwort auf die Weisung aus dem Jahr davor, dass Stimmenthaltung für die Gesamtresolution geübt werden könnte, wenn es möglich wäre, den Operativparagraphen extra abzustimmen. Zudem würden die Skandinavier und Irland jedenfalls Stimmenthaltung üben.172 Tončić-Sorinj erließ erneut Weisung, aus den genannten Gründen gegen die Resolution zu stimmen.173 Nunmehr trat der in New York weilende Generalsekretär des Außenamtes auf den Plan und erläuterte, dass die Weisung Tončić-Sorinjs gegen die Resolution auch bei einer etwaigen Separatabstimmung der Absätze zu stimmen eine programmierte Enttäuschung für die afro-asiatische Gruppe und Verschärfung des Standpunktes wäre, da Österreich im Jahr zuvor zudem eine Votumserklärung abgegeben und seinen Standpunkt dadurch erläutert hätte. Die Bewerbung Wiens um die unido und die Abhaltung zweier Vertragsrechtskonferenzen waren für Generalsekretär Erich Bielka in Gefahr. Tončić entschied trotzdem, gegen die Resolution zu stimmen. Sollte über die Absätze sepa169 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 37.254-Pol/66, Zl. 50.757-Pol/66. Besuch des port. Außenministers in Wien vom 20.–25.2.1967. Information vom 2.1.1967. 170 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 30.110-Pol/66, Zl. 49.618-Pol/66. XXI. UN-GV, port. Territorien. Chiffrefernschreiben Waldheim an BMfAA vom 2.12.1966, do. Zl. 23508. 171 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 30.110-Pol/66, Zl. 49.618-Pol/66. XXI. UN-GV, port. Territorien. AV vom 2.12.1966. 172 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 30.110-Pol/66, Zl. 49.618-Pol/66. XXI. UN-GV, port. Territorien. Chiffrefernschreiben Waldheim an BMfAA vom 2.12.1966, do. Zl. 23516. 173 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 30.110-Pol/66, Zl. 49.619-Pol/66. Port. Territorien. Depesche in Ziffern vom 3.12.1966, do. Zl. 55359.

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rat abgestimmt werden, sollten vier Absätze abgelehnt werden.174 Auch ein weiterer Versuch, das Abstimmungsverhalten Österreichs »afrikafreundlicher« zu machen, wurde von Tončić – fast schon säuerlich – abgewiesen  : »Bei aller Würdigung der (…) einberichteten Argumente kann der Herr Bundesminister von seiner Haltung nicht abgehen.«175 Als wären die schon erfolgten Versuche nicht genug, regte Waldheim einen Tag später an, Österreich könnte – um den afrikanischen Staaten gegenüber good will zu beweisen, die wegen der angeblichen Haltungsänderung Österreichs bei ihm rückgefragt hätten – der Abstimmung überhaupt fernbleiben. Die erneute Antwort des Ministers  : »Die Weisungen bleiben jedoch vollinhaltlich aufrecht.«176 Das ist Gegenwind aus der Beamtenschaft. Österreich stimmte gegen die Portugalresolution. Warum diese detailreiche Schilderung der Abläufe  ? Hier wird deutlich, dass Österreichs Haltung bei den un dem isolierten Portugal gegenüber viel solidarischer war, als jene anderer efta- oder sogar nato-Partner. Es fand sich mit Portugal und wenigen anderen Unterstützern in der krassen Minderheit, und das, obwohl die un ein wichtiges Werkzeug österreichischer Außenpolitik darstellte. Beim Abstimmungsverhalten spielte neben der Frage der efta auch noch anderes mit. Im gegenständlichen Fall sicher der bevorstehende Besuch des portugiesischen Außenministers, aber auch noch zwei weitere gesondert zu betrachtende Faktoren  : Betrachtet man die persönliche Haltung Tončićs gegenüber Salazar und seinem Regime dann wird sein Beharren zugunsten Portugals sogar gegen seine eigenen Beamten bei den un eher verständlich. Bedenkt man die in internen Papieren vorgenommene Abgrenzung von den skandinavischen Staaten im Sinne einer »vernünftigeren« Politik, dann geht das meines Erachtens nach auf den Versuch zurück, die Fakten, die die eigenen Vertreter aus den umstrittenen Gebieten einberichteten, zu einer wesentlichen Grundlage der Entscheidung zu machen, somit eine Versachlichung anzustreben. De facto waren die Berichte österreichischer Diplomaten vom Tejo der portugiesischen Haltung gegenüber – wie in diesem Beitrag an vielen Beispielen gezeigt wird – von grundsätzlichem Wohlwollen auch in ideologischen bzw. gesellschaftspolitischen Fragen geprägt. So trugen sie zu einer verständnisvolleren Haltung Österreichs gegenüber Portugal vor den un bei. 1967 wiederholte sich das Spiel  : Einige Westeuropäer, die 1966 noch gegen die fast gleichlautende Resolution gestimmt hatten, enthielten sich nun in der Abstimmung innerhalb der 4. Kommission. Waldheim ersuchte umgehend erneut um Er-

174 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 30.110-Pol/66, Zl. 49.760-Pol/66. XXI. UN-GV, Resolution betr. Port. Territorien. AV vom 5.12.1966. 175 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 30.110-Pol/66, Zl. 49.881-Pol/66. 21. GV Port. Territorien  ; österr. Haltung. Depesche vom 6.12.1966, do. Zl. 55364. 176 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 30.110-Pol/66, Zl. 49.966-Pol/66. 21. GV Port. Überseeterritorien österr. Haltung. AV und Depesche vom 7.12.1966, do. Zl. 55368.

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laubnis zur Stimmenthaltung für Österreich.177 Das Außenamt erteilte wegen der unveränderten sachlichen Lage wiederum Weisung, mit Nein zu stimmen und fügte hinzu  : »Zu Ihrer persönlichen Information  : Im Hinblick auf unsere Beziehungen zu Portugal (Außenministerbesuch in Wien, bevorstehender Besuch des Herrn Bundesministers in Lissabon, gemeinsame Mitgliedschaft in der efta) ist es ausgeschlossen, dass wir uns bei einer Resolution, die eine Bestimmung wie jene des §11 enthält [Abbruch der Beziehungen, Anm. d. Verf.], auch nur der Stimme enthalten.«178 Das war Waldheim wiederum nicht genug  : In der Nacht vom 10. auf den 11. November rief er in Wien an und teilte mit, Belgien und wahrscheinlich die Niederlande würden ebenfalls Stimmenthaltung üben. Er wollte Tončić-Sorinj sprechen. Dieser war aber nicht erreichbar. Nach Rücksprache mit dem Generalsekretär wurde Waldheim Weisung erteilt, an der Abstimmung überhaupt nicht teilzunehmen, man könne ja noch in der Plenarversammlung Stellung beziehen.179 Am darauffolgenden Tag meldete Waldheim, Österreich habe an der Abstimmung in der Kommission, wie vereinbart, nicht teilgenommen und ersuchte für die Abstimmung im Plenum ebenfalls um die Möglichkeit zur Stimmenthaltung.180 Stimmenthaltung wurde dann auf Anweisung des Ministers – wegen des so eindeutigen Abstimmungsergebnisses in der Kommission – auch im Plenum geübt. Der portugiesische Botschafter wurde informiert, dass unter den gegebenen Umständen »eine österreichische Gegenstimme keinerlei Wirkung habe und daher wohl auch kaum erwartet werde.«181 Das Verbot, Waffen an Portugal zu liefern, die für den Kolonialkrieg verwendet werden könnten, stellte Österreich bald vor ein Dilemma. 1967 ersuchte eine oberösterreichische Firma um die Genehmigung zur Lieferung von 80.000 Handgranaten an Portugal. Dabei gab man von Seiten des Erzeugers an, dass sich schon aus der Anzahl ergeben würde, dass die Granaten für das Mutterland und nicht für die Kolonien bestimmt seien. Das Außenamt bemühte neutralitätspolitische Überlegungen – ein neutrales Land brauche eine zumindest minimale eigene Rüstungs-

177 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 14.676-Pol/67, Zl. 33.726-Pol767. XXII. UN-GV, 4. Kommission, Resolution betr. Port. Territorien. Chiffrefernschreiben österr. Del. NY Waldheim an BMfAA vom 9.11.1967, do. Zl. 25620. 178 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 14.676-Pol/67, Zl. 33.726-Pol767. XXII. UN-GV, 4. Kommission, Resolution betr. Port. Territorien. Depesche in Ziffern für den Missionschef Del. NY vom 10.11.1967, do. Zl. 55403. 179 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 14.676-Pol/67, Zl. 33.765-Pol/67. XXII. UN-GV, 4. Kommission, Resolution betr. Port. Territorien. AV vom 11.11.1967. 180 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 14.676-Pol/67, Zl. 33.824-Pol767. XXII. UN-GV, 4. Kommission, Resolution betr. Port. Territorien. Chiffrefernschreiben österr. Del. NY Waldheim an BMfAA vom 11.11.1967, do. Zl. 25633. 181 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 14.676-Pol/67, Zl. 33.824-Pol767. XXII. UN-GV, 4. Kommission, Resolution betr. Port. Territorien. Depesche in Ziffern vom 13.11.1967, do. Zl. 55402.

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industrie, die ohne Export nicht existieren könne – um anzudenken, von Lissabon eine Zusage zu erbitten, dass die Waffen nicht in Übersee eingesetzt würden. Man entschied dann jedoch, dem Geschäft eher nicht nähertreten zu wollen, da es kaum glaubhaft gemacht werden könnte, dass die Verpflichtungen, die vor den un eingegangen worden waren, nicht verletzt würden.182 1968 war die Portugal-Resolution wesentlich entschärft worden, u. a. war nicht mehr von der Forderung nach Abbruch der Beziehungen zu Portugal die Rede. Diese Entschärfungen konnten in Verhandlungen europäischer Staaten mit dem afro-asiatischen Block erzielt werden. Österreich konnte unter diesen Umständen eine Stimmenthaltung oder Zustimmung ins Auge fassen. Das Außenamt wollte aber aufgrund der guten Beziehungen wiederum höchstens eine Stimmenthaltung.183 Allerdings wurde die Weisung aus Wien erstens missverständlich formuliert184 und zweitens von der Delegation in New York falsch verstanden, sodass schon in der Kommission für die Resolution gestimmt wurde, was im Plenum dann ebenfalls getan werden musste, um nicht das Gesicht zu verlieren. Dem entsetzten portugiesischen Botschafter sollte erklärt werden, man habe mit Blick auf das eigene Südtirolproblem für das Selbstbestimmungsrecht stimmen müssen, das österreichische Stimmverhalten wäre aber keinesfalls als unfreundlicher Akt gegen Portugal zu verstehen.185 Ein feines Equilibrium aus Motivlagen wurde durch eine Abstimmungspanne zum Schaden der österreichischportugiesischen Beziehungen zerstört. Dieses überraschende Abstimmungsverhalten schlug auch innenpolitisch zumindest kleine Wellen  : In einer parlamentarischen Anfrage von fpö-Abgeordneten unter Federführung von Otto Scrinzi an Außenminister Waldheim wurde nachgefragt, warum Österreich als Neutraler nicht Stimmenthaltung geübt hätte, da die Resolution »der Aufforderung nach einem weltweiten Boykott gegen Portugal bedenklich nahe kommt«.186 Das Außenamt erklärte, dass die Resolution bereits abgemildert sei, andere Neutrale auch dafür gestimmt hätten und – wie man auch den Portugiesen gegenüber argumentierte – das Selbstbestimmungsrecht für Ös-

182 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 34.029-Pol/67, Zl. 34.029-Pol/67. Fa. Armaturen-GesmbH Rüstorf, O.Ö. Ausfuhr von Handgranaten nach Portugal. AV und EB vom 16.11.1967. 183 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 110.063-Pol/68, Zl. 129.649-Pol/68. XXIII. GV  ; 4. Kommission  : Resolutionsentwurf betr. Territorien unter port. Verwaltung  ; österr. Haltung. AV vom 19.11.1968. 184 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 110.063-Pol/68, Zl. 129.649-Pol/68. XXIII. GV  ; 4. Kommission  : Resolutionsentwurf betr. Territorien unter port. Verwaltung  ; österr. Haltung. Depesche an Del NY vom 19.11.1968, do. Zl. 55491. 185 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 110.063-Pol/68, Zl. 129.975-Pol/68. XXIII. GV  ; 4. Kommission  : Resolutionsentwurf betr. Territorien unter port. Verwaltung  ; österr. Haltung. AV und Depesche vom 25.11.1968, do. Zl. 55502. 186 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 110.063-Pol/68, Zl. 130.573-Pol/68. Parlamentarische Anfrage der Abg. Dr. Scrinzi und Genossen betr. Beteiligung Österreichs an Boykottmaßnahmen gegen Portugal vom 3.12.1968.

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terreich wichtig sei.187 Man erzählte in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung dieselbe halbwahre Geschichte wie den portugiesischen Partnern. Die Portugal-Resolution des Jahres 1969 fand im Vergleich zu den Jahren 1966 und 1967 mit Tončić-Sorinj keinen Bundesminister, der ein besonderes Interesse an Portugal gehabt hätte. Waldheim entschied – so wie er es als Delegationsleiter in New York hartnäckig versucht hatte – vor allem nach dem Nutzen für Österreichs Ruf in den un. Während diesmal die Beamten des Ballhausplatzes wegen einer Verschärfung der Resolution Stimmenthaltung vorschlugen, wurde die Weisung auf direkten Auftrag Waldheims hin auf Zustimmung geändert, sollte außer den skandinavischen Staaten noch ein anderes Land dafür stimmen.188 Der portugiesische Geschäftsträger zeigte sich nach der Abstimmung über die Haltung Österreichs enttäuscht.189 Zudem war er überrascht, da man ihm erst wenige Tage zuvor gesagt hatte, es wäre »unwahrscheinlich, dass wir für die Resolution stimmen«.190 Der Hinweis auf die Weisung des Ministers ließ den Portugiesen einen rhetorischen Seitenhieb auf Österreich loslassen  : Er meinte, dass man bei den Skandinaviern wisse, warum sie für die Resolution stimmten, sie würden die Terrorgruppen auch offen finanziell unterstützen.191 Was nicht dazu gesagt, aber dazu gedacht wurde, war das völlige Unverständnis über die Kehrtwendung Österreichs. Es war ein Paradigmenwechsel  : Wurde zuvor versucht möglichst portugalfreundlich abzustimmen, ohne die eigene Reputation zu beschädigen, wurde nun versucht, möglichst nach der Mehrheit zu stimmen. Waren zuvor die un noch ein Positivum für die Beziehungen zwischen Österreich und Portugal, fiel diese Funktion mit dem Auftauchen Waldheims an entscheidender Stelle weg. Trotzdem wurde 1970 für den neuen Missionschef in Lissabon festgehalten, dass auch durch diese Haltung Österreichs bei den un die Beziehung »keine ernste Trübung erfahren hat«.192 1970 wurde bei einer wesentlich verschärften Resolution wieder Stimmenthaltung geübt.193 Waldheim war zu diesem 187 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 110.063-Pol/68, Zl. 131.137-Pol/68. Anfragebeantwortung vom 20.12.1968. 188 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 150.719-Pol/69, Zl. 166.590-Pol/69. 24. UN-GV  ; 4. Kommission. Resolutionsentwurf betr. die port. Territorien. AV und Depesche vom 14.11.1969, do. Zl. 55322. 189 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 150.719-Pol/69, Zl. 166.907-Pol/69. 24. UN-GV  ; 4. Kommission. Resolutionsentwurf betr. die port. Territorien, Abstimmungsergebnis  ; Vorsprache des port. Geschäftsträgers. AV vom 19.11.1969. 190 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 150.719-Pol/69, Zl. 166.521-Pol/69. Portugalresolution, Vorsprache des port. Botschafters. AV vom 10.11.1969. 191 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 150.719-Pol/69, Zl. 166.907-Pol/69. 24. UN-GV  ; 4. Kommission. Resolutionsentwurf betr. die port. Territorien, Abstimmungsergebnis  ; Vorsprache des port. Geschäftsträgers. AV vom 19.11.1969. 192 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 95.384-Pol/70, Zl. 95.384-Pol/70. Neuer Missionschef in Portugal. Dienstzettel vom 23.11.1970. 193 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 80.648-Pol/70, Zl.95.902-Pol/70. Chiffrefernschreiben Del. NY Waldheim an BMfAA vom 20.11.1970, do. Zl. 25441.

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Zeitpunkt als Außenminister schon wieder abgelöst und stand kurz vor seiner Wahl zum Generalsekretär der un. 1972 stimmte Österreich für eine entschärfte Portugalresolution.194

Das Bild Portugals in Österreich Das Regime, sein Führer und die Portugiesen Bereits ab 1948 wurden mehr oder weniger regelmäßig Berichte über Portugal entsprechend der Zuordnung des nach Lissabon entsandten Legationssekretärs zunächst über Paris nach Wien gesandt. Im Oktober 1949 berichtete Legationssekretär Halusa über eine Rede Salazars vor den im November anstehenden Wahlen. Er gab diese weitgehend kommentarlos wieder und schloss auch noch einen Zeitungsausschnitt mit vollständigem Text bei. Salazar betonte dabei, dass sich die Nationalversammlung – fest in der Hand der Einheitspartei União Nacional – auch weiterhin auf die Budgetbewilligung und Grundsatzgesetze beschränken, die Regierung unter seiner Führung dagegen die Detailgesetzgebung durchführen solle. Die Korporationenkammer solle dagegen verstärkt in den Gesetzwerdungsprozess eingebunden werden. Dadurch würde sich zwar manches verlangsamen, die Qualität und Stabilität der Gesetzgebung jedoch steigen. Hierzu passe die Umwandlung des Unterstaatssekretariates für Korporationen in ein eigenes Ministerium. Darüber hinaus wurde noch die prekäre Lage der portugiesischen Kolonien Goa, Macau und Timor thematisiert und die portugiesische Entschlossenheit diese zu verteidigen.195 Die Reden Salazars und die Inhalte der Regierungsproklamationen vom Regierungschef hinunter bis zum einfachen Beamten zeigten in den folgenden Jahrzehnten bis zur Nelkenrevolution – selbst vor dem Hintergrund eines autoritären Regimes unter Führung eines Langzeitdiktators – eine erstaunliche Stabilität. Die Themen blieben immer dieselben  : Optimierung der Staatsverwaltung (man könnte auch sagen schlussendliche Verwirklichung des Ständestaates), Stabilität im Inneren und Erhalt der Kolonien bzw. später überseeischen Provinzen. Alle Veränderungen im strategischen und politischen Umfeld zwischen 1945 und 1974 waren nicht dazu geeignet, der portugiesischen Regierung einen wesentlichen Kurswechsel auch nur in Teilen ihrer Politik abzunötigen. Man könnte auch etwas zynisch formulieren  : Österreich sah sich einem stabilen Partner gegenüber. Wesentliche Eckpunkte der österreichischen Außenpolitik blieben – trotz 194 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 152.031-Pol/72, 166.545-Pol/72. XXVII. GV  ; 4. Kommission  ; Resolutionsentwurf betr. Territorien unter port. Verwaltung. Fernschreiben Del. NY vom 14.11.1972, do. Zl. 10165. 195 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 86.264-Pol/49, Zl. 88.633-Pol/49. Ansprache des Ministerpräsidenten Salazar. Halusa an Vollgruber vom 24.10.1949, do. Zl. 16/Pol. Panzerschrank.

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demokratischer Regierungswechsel – ebenso stabil. Es war auch kein wesentlicher Richtungswechsel Österreichs in seinen Reaktionen auf die portugiesische Politik auszumachen, außer in Bereichen, wo es unumgänglich war, wie bei der Frage mancher un-Resolutionen zu den portugiesischen Überseeprovinzen. Der Wechsel von einer övp-dominierten Regierung zur spö-Alleinregierung führte dabei zu keiner wesentlichen Änderung der österreichischen Portugalpolitik. Bereits einige Monate zuvor hatte Halusa ein umfassendes Urteil über Portugal abgegeben, das an Deutlichkeit wenig zu wünschen übrig lässt. Da ist etwa die Rede davon, dass Portugal während des Krieges »mit wenig Anstrengung reichlich verdient«, diesen Reichtum aber statt für nachhaltige Entwicklung für Luxusgüter »verschleudert« hätte. Investitionen wären in falsche Projekte geflossen, die Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig und das Land stünde daher »im Anfangsstadium einer Krise ernstester Art«. Die Unzufriedenheit würde steigen, auch wenn »das im Analphabetismus dahindaemmernde Bauerntum und die unter starkem Druck stehende Arbeiterschaft (…) nicht im Stande [wären], ihre Misstimmung [sic  !] politisch zu artikulieren«. Halusa liefert auch gleich noch eine Einschätzung des portugiesischen Temperaments, indem er »den Portugiesen« als »von Natur aus misstrauisch und vorsichtig« beschreibt, der »im Gegensatz zum Spanier Ausländern gegenüber mit seiner Meinung zurückhält«. Die althergebrachte Ordnung würde durch bewussten Verzicht auf wirtschaftliche Entwicklung aufrechterhalten, Fremdenverkehr und Wirtschaft durch Schikanen behindert, die Sittenpolizei würde mit »vormaerzlichen Begriffen« – ein Rückgriff auf die österreichische Geschichte – operieren und sogar die Länge der Badekostüme der Frauen kontrollieren, die offiziell alle Rechte hätten, faktisch aber in der »patriarchalischen Großfamilie eine orientalische Stellung« einnehmen würden. Salazar wird das »unbestreitbare Verdienst« zugesprochen, Portugal »zum ersten Mal in seiner Geschichte eine saubere und sparsame Verwaltung gegeben zu haben«.196 Dieser Topos kehrt in fast allen österreichischen Berichten über Portugal wieder und übernimmt damit bis zu einem gewissen Grad die Propaganda des portugiesischen Regimes (auch wenn diese natürlich nie von der »ersten« sparsamen Verwaltung sprach, sondern von der »Wiederrichtung« einer effektiven Verwaltung nach dem Vorbild des portugiesischen Heldenzeitalters). Die persönliche Integrität des Regierungschefs wird hervorgehoben und alle Probleme, die sich aus seiner Politik ergeben – etwa Repression oder bewusste Verschleppung bildungspolitischer Fortschritte auf breiter Front – werden widrigen äußeren Umständen zugeschrieben, als ob es einen inneren Wunsch der Autoren dieser Berichte gäbe, die Art der Staatsführung Salazars als erfolgversprechend einschätzen zu wollen, das Bild des persönlich bescheidenen guten Herrschers oder ersten Beamten (Joseph II.), der 196 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 86.264-Pol/49, Zl. 88.633-Pol/49. Portugal  : Allgemeine Lage. Halusa an Vollgruber vom 21.6.1949, do. Zl. 8/Pol.

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den Staat weise lenkt, ohne der Partizipation breiter Bevölkerungskreise zu bedürfen. Diese Wahrnehmung passt auch zur Selbsteinschätzung Salazars bzw. seinen Wünschen. Die Beschreibung der Rolle der Frau ist nicht ganz unzutreffend, wenn auch die Einschätzung, sie hätte »alle Rechte« insofern nicht ganz richtig ist, als Frauen nur wahlberechtigt waren, wenn sie über höhere Bildung verfügten oder die Rolle des Haushaltsvorstandes (!) innehatten. Überhaupt wurde auf die eingeschränkte politische Partizipationsmöglichkeit immer wieder hingewiesen. 1951 waren etwa nur 14,6% der Bevölkerung wahlberechtigt.197 Die Westorientierung Portugals wird weniger ideologisch als strategisch begründet  : Die Verteidigung der überseeischen Besitzungen verlangte nach dem »jahrhundertealten« Bündnis mit England und daraus resultierte die »Unvermeidlichkeit der Teilnahme Portugals an jedem Weltkrieg auf Seiten der Seemaechte.« Im Zweiten Weltkrieg wäre dies aufgrund der Zurverfügungstellung der Azoren für die Alliierten nicht anders gewesen. Die Möglichkeit zur wirtschaftlichen Entwicklung der afrikanischen Kolonien mit amerikanischem Geld würde nicht genutzt, man zöge es vor, »das Feld brach liegen zu lassen, statt seine Nutzung mit einem Helfer zu teilen«.198 Auch diese letzte Einschätzung der portugiesischen Politik sollte sich in den österreichischen diplomatischen Berichten über die Jahrzehnte nicht ändern. Ein weiteres Feld der Stabilität in der Berichterstattung war jenes der wiederkehrenden Amtsmüdigkeit Salazars und der Spekulationen über seinen möglichen Nachfolger. Es spricht für diese nur geringe Amplitude in den Wellen des politischen Lebens, dass bereits 1950 Marcello Caetano, damals Präsident der Korporationskammer, als möglicher neuer Ministerpräsident gehandelt wurde.199 18 Jahre später sollte dies dann auch wirklich eintreten. Die portugiesischen Wahlen wurden selbstverständlich interessiert beobachtet und dabei hervorgehoben, dass Oppositionsgruppen und -kandidaten durchaus zugelassen wurden, jedoch jeweils ihre Möglichkeiten zur Wahlwerbung praktisch auf Null beschränkt wurden. Regelmäßig war ein Rückzug der Kandidaten der Opposition kurz vor der Wahl die Folge. Die Einflussnahme Salazars auf alle wichtigen Entscheidungen inklusive der Auswahl der Kandidaten etwa für das Präsidentenamt blieb den Österreichern nicht verborgen. So beschreibt Legationsrat Halusa die Auswahl Francisco Craveiro Lopes’ als Präsidentschaftskandidat als pragmatische Auswahl eines geeigneten Kandidaten, der vor allem international in Richtung der

197 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 135.072-Pol/51, Zl. 137.925-Pol/51. Wahl des portugiesischen Staatspräsidenten. Halusa an Schmid vom 23.7.1951, do. Zl. 33/Pol. 198 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 86.264-Pol/49, Zl. 88.633-Pol/49. Portugal  : Allgemeine Lage. Halusa an Vollgruber vom 21.6.1949, do. Zl. 8/Pol. 199 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 120.892-Pol/50, Zl. 123.686-Pol/50. Aufhebung der Verbannung der Familie Bragança und Amnestie für Monarchisten. Halusa an Schmid vom 24.4.1950.

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usa ein Symbol darstellte, denn er war 1941 maßgeblicher Verhandler mit den Amerikanern über die Luftwaffenbasis Lajes auf den Azoren, deren Kommandant er auch lange war.200 Seine Auswahl war also auch ein Schritt der Festigung der West- und nato-Bindung des Landes. Über die feste Kontrolle des Regimes über seine Gremien kam auch beim ausländischen Beobachter selten ein Zweifel auf. Diese »Unterwürfigkeit« wurde nur zu deutlich, wenn etwa bei der Verfassungsreform 1951 sogar Abgeordnete verlauten ließen, gegen ihre Überzeugung für die Regierungsvorlage zu stimmen.201 Die ideologische Bindung an Spanien war ebenso eine Konstante in der Berichterstattung über Portugal. Die Hilfe des Landes für Francos Partei im Bürgerkrieg drückte sich in einem zumindest nach außen sehr engen Verhältnis auch nach dem Krieg aus. Die Einschätzung der beiden Regime im Vergleich durch Erich Filz, der beide aus eigener Anschauung als Vertreter Österreichs gut kannte, sei an dieser Stelle erwähnt. Francos Regime halte sich demzufolge nur aufgrund der »Furcht des spanischen Volkes« und der »kalte[n] Ausnutzung der (…) Macht«. Bei freien Wahlen hätte Franco kaum jemanden außer seinen direkten Anhängern und Nutznießern des Systems hinter sich. Salazar dagegen hätte außer dem »politisierenden Mittelstand« kaum jemand gegen sich, mehr als die Hälfte der Bevölkerung würde für ihn stimmen. Die Spanier schätzten Franco nicht, die breite Masse des portugiesischen Volkes hingegen würde Salazar verehren »und anerkennt die glückliche Ruhe und verhältnismäßige Sauberkeit der staatlichen Verwaltung«. 202 Der direkte Vergleich der beiden Regime fällt hier sehr zugunsten Portugals aus, wie die österreichische Diplomatie das von portugiesischen Medien und Gesprächspartnern tradierte Bild des »guten Vaters der Nation« nur zu gerne übernahm. Dies mag auch ein Teil der Erklärung für den Umstand sein, dass Österreichs Außenpolitik an Portugals Regime bis 1974 so gut wie nie – und wenn dann nur intern – Kritik übte. Das Außenamt relativierte die Möglichkeit eines Vergleichs der relativen Beliebtheit der beiden Regime, und zwar mit der Begründung, die beiden Völker wären charakterlich unterschiedlich, »da der dumpfe, geduldige und furchtsame Portugiese weniger schimpft, besonders Ausländern gegenüber, als der sanguinische Spanier. Andererseits sind bei Revolutionen die Massen in Portugal viel leichter mitzureißen, als die Spanier, wo Aufstände häufig am Individualismus der Teilnehmer scheitern.« Aber auch der Autor dieses Aktenvermerks – der Vorgänger Filz’ in Lissabon. Halusa – kann sich dem

200 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 135.072-Pol/51, Zl. 136.934-Pol/51. Portug. Präsidentschaftskandidaten. Halusa an Schmid vom 22.6.1951, do. Zl. 26-Pol. 201 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 135.072-Pol/51, Zl. 135.072-Pol/51. Ableben des portugiesischen Staatspräsidenten. Halusa an Schmid vom 21.4.1951, do. Zl. 15/Pol. 202 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 320.945-Pol/53, Zl. 321.404-Pol/53. Der portugiesische Staatsbesuch in Madrid  ; Vergleich der beiden Regime. Filz an Schmid vom 23.5.1953, do. Zl. 19/Pol.

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relativierenden Urteil Filz’ nicht ganz entziehen, wenn er schließt  : »Jedenfalls bleibt die Tatsache bestehen, dass die Portugiesen mehr Grund zur Zufriedenheit mit ihrer Regierung haben, als die Spanier.«203 Aus heutiger Sicht muss man dem zumindest in der Form zustimmen, dass das franquistische Regime im Inneren wesentlich höhere Opferzahlen zu verantworten hatte (wenn man die Opfer des Kolonialkrieges ab 1961 nicht zu diesen Opfern politischer Repression zählt). Heutige Vergleiche zwischen den beiden sprechen bei Franco von »maximalem Terror« im Vergleich zu »optimalem Terror« bei Salazar.204 Schon in seinem ersten Bericht hatte Filz einen sehr wohlwollenden Blick auf das Regime geworfen. Seiner Meinung nach wäre die persönliche Freiheit in Portugal eine sehr große und der Staat würde sich in die »privaten Verhältnisse bedeutend weniger« einmischen, »als in den mir näher bekannten reinen Demokratien, wie etwa Schweden«, ohne dass dadurch eine große Ungleichheit entstehen würde. Auf ihn machte die Landbevölkerung sogar einen »zufriedenen Eindruck« und »wirkliches Elend, wie man es in Spanien auf Schritt und Tritt bemerkt«, wäre weder in der Stadt noch auf dem Land zu entdecken.205 Eine gewisse ideologische Nähe ist hier wohl nicht zu übersehen. Die positive Einstellung zur Person Salazars war dabei nicht auf die in Portugal diensttuenden Diplomaten beschränkt. So übermittelte die österreichische Botschaft beim Heiligen Stuhl 1953 eine Rede des portugiesischen Ministerpräsidenten aus eigenem Antrieb als »Auffassung des bedeutenden portugiesischen Staatsmanns über die augenblickliche Weltlage«.206 Unübertroffen bleibt aber wohl Erich Filz in seinen Lobeshymnen auf Salazar, die streckenweise klingen wie Auszüge aus der Regierungspresse. Anlässlich der Feierlichkeiten zu Salazars 25-jährigem Regierungsjubiläum 1953, an denen er nicht selbst teilnehmen konnte, da er in seiner Rolle als halboffizieller Vertreter Österreichs in Spanien an Handelsvertragsverhandlungen teilnehmen musste, rückte er die Weigerung des portugiesischen Ministerpräsidenten ins Rampenlicht, keinen Escudo Steuergeld für die Feiern ausgeben zu wollen. Daneben schilderte er die spontanen Huldigungen des Volkes für den Jubilar und den Umstand, dass beim Bad in der Menge fast keine Vorkehrungen für seine persönliche Sicherheit getroffen worden waren. Anlässlich immer wiederkehrender Gerüchte über eine Amtsmüdigkeit Salazars geriet er schließlich in eine Eloge auf das Wirken des Portugiesen  : »Es 203 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 320.945-Pol/53, Zl. 321.404-Pol/53. Der portugiesische Staatsbesuch in Madrid  ; Vergleich der beiden Regime. AV vom 5.6.1953. 204 Ursula Prutsch, Iberische Diktaturen, Portugal unter Salazar, Spanien unter Franco (Innsbruck 2012) 207. 205 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 317.414-Pol/53, Zl. 317.414-Pol/53. Antrittsbesuche in Lissabon  ; Erste Eindrücke. Filz an Schmid vom 5.2.1953, do. Zl. 1/Pol. 206 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 321.908-Pol/53, Zl. 322.542-Pol/53. Äußerungen des Port. Min. Präsidenten Salazar über die Weltlage. Österr. Botschaft b. Hl. Stuhl an Gruber vom 23.6.1953, do. Zl. 41-Pol/53.

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ist unmöglich, in Anbetracht der hier herrschenden Ordnung und im Hinblick auf die in die Augen fallenden positiven Leistungen der Regierung Salazars dem Lande nicht zu wünschen, dass sich die gegenwärtigen Zustände noch weiter fortsetzen. Auch geht es nicht an, es ganz einfach einen Glücksfall zu nennen, dass Portugal einen Salazar gefunden habe. Wenn jedes Volk das Regime hat, das es verdient, so besteht das Verdienst des portugiesischen Volkes immerhin darin, dass es möglich war, dass ein Mann wie Salazar an die Spitze kam und sich dort ohne sonderliche Gewaltanwendung ein Vierteljahrhundert halten konnte. Die Feststellung dass vor 1928 die Finanzen total zerrüttet waren und sich die Kraft der Nation in politischen Streitereien erschöpfte, während heute ohne harten Steuerdruck Riesenbauten (…) gebaut werden können, spricht für sich selbst.«207 Die Schlüsselthemen »Ordnung« und »politische Streitereien in denen sich die Kraft der Nation erschöpften« sind mit dem relativierenden »ohne sonderliche Gewaltanwendung« wohl ein ausreichendes Indizienbündel, um ideologische Sympathien des Schreibers mit dem Regime Salazars auszumachen. Natürlich ist Filz eine Einzelperson. Seine Lobeshymnen blieben aber auch im zusammenfassenden Aktenvermerk zum Bericht unwidersprochen.208 Zusammen mit dem in Jahrzehnten sehr milde bleibenden Duktus des österreichischen Außenamts bei der Beschreibung der Zustände am Tejo und der Ähnlichkeit dieser Topoi mit der politischen Rhetorik der Zwischenkriegszeit in Österreich muss hier wohl – ebenso wie bei der Kolonialfrage – von Resten autoritärer Gesinnung auf österreichischer Beamtenseite gesprochen werden, die ihr Projektionsfeld in der »erfolgreichen« Wahrung von Ruhe und Ordnung in einem nationalen Sinn in Portugal findet, zu deren Erhaltung auch ein bestimmtes Maß an Gewaltanwendung zulässig scheint. Anlässlich der Wahlen 1953 berichtet Filz davon, dass die Opposition zumindest vier Wochen vor der Wahl bis auf kleinere organisatorische Fragen frei in ihrer Entfaltung wäre und dass ihr geringer Erfolg seinen Grund zum einen in ihrem eigenen Unvermögen habe und zum anderen in der Qualität des Regimes, das alle wesentlichen Probleme des Landes zu lösen im Stande wäre. Der Umstand, dass nur Haushaltsvorstände, die lesen und schreiben können mussten, wahlberechtigt waren, sowie das allgemeine Desinteresse selbst dieser potentiell wahlberechtigten Gruppe, sich in die Wahllisten eintragen zu lassen, wird zwar bemerkt, ändert aber nichts am positiven Urteil. Der erwartbare Erfolg der Einheitsliste der União Nacional wird dem Bericht zufolge als »Große Koalition« verstanden, da oppositionelle Gruppierungen in der Einheitsliste vertreten wären. Der Ausgang der Wahl wäre 207 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 319.630-Pol/53, Zl. 320.943-Pol/53. 25-jähriges Ministerjubiläum Salazars. Filz an Schmid vom 5.5.1953, do. Zl. 16/Pol. 208 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 319.630-Pol/53, Zl. 320.943-Pol/53. 25-jähriges Ministerjubiläum Salazars. Schmid an Gruber vom 12.5.1953, do. Zl. 38-Pol/53. AV vom 28.5.1953.

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»eine glänzende Rechtfertigung des Regimes Salazar, dessen Beurteilung durch die Weltmeinung sich jetzt wesentlich bessern dürfte.« Die Führung des Landes wird vom österreichischen Diplomaten als so gut erachtet, dass es gar nicht notwendig wäre, auf jede Kritik der Opposition zu reagieren, »da ein Regime wie das seine, das so überwältigende Beweise seiner Tauglichkeit erbracht hat, es sich erlauben könnte, gewisse Kritiken unbeachtet zu lassen«. Vorhandene Missstände würde der Regierungschef wohl oft gar nicht erfahren, daher wäre die Kritik von ihm »geradezu erwünscht (…). Die Wahlen waren daher zweifellos überaus wohltätig«. Ein Programm hätte die Opposition nicht, sie ginge von den Verhältnissen vor 1926 aus, »wofür dem Volke heute jedes Verständnis fehlt«, solange Salazar als »von allen als überragend anerkannte Persönlichkeit als Regierungschef ihres Amtes waltet«.209 In einem anderen Bericht meint er  : »Im Grunde will niemand, kaum die ärgsten Raunzer, die Person Salazars mit den früheren ›parlamentarischen‹ Politikern tauschen.«210 Demokratisierung, eine stärkere politische Beteiligung breiterer Bevölkerungsgruppen durch Alphabetisierung o. Ä. kommen im Urteil des österreichischen Diplomaten nicht vor. Es ist die Schilderung eines politischen Idealzustandes. Der persönlich integre, »gute Herrscher«, der im Sinne eines Gesellschaftsvertrages so lange die absolute Macht zu Recht ausübt, als ihm das Wohl der ihm Anvertrauten im Auge behält, ist ein Topos, der Anfang der 1950er doch überraschend ist. Nicht aus amtlicher portugiesischer Quelle, denn dies war die Rolle, die sich Salazar selbst zuschrieb, aber aus der Sicht eines sich selbst als westlich-liberale Demokratie definierenden Staates wie der Zweiten Republik. Schon zuvor waren bei einer Beschreibung des Systems im Vorfeld der Wahlen recht deutliche Worte gefallen  : Abseits des Politischen »herrscht hier ein selbst in demokratischen Ländern kaum gekanntes Maß an persönlicher Freiheit [Hervorhebung durch das bk a-a a, Anm. d. Verf.]«.211 Die União Nacional sei keine Partei, sondern eine Sammelbewegung, die auch versuche, oppositionelle Strömungen zu integrieren. Zudem seien nicht alle Regierungsfunktionäre Mitglieder dieser Bewegung. Die fast absolutistischen Befugnisse des »durch geheime, direkte Wahl des Volkes« alle sieben Jahre bestimmten Staatspräsidenten sollen eine Kabinettsdiktatur verhindern. Es gäbe sozusagen Verfassungsgegner, welche mit Polizeimethoden verfolgt würden und »zugelassenen Gegner« wie die Monarchisten, welche allerdings, nachdem das Regime Dom Duarte Nuno den Aufenthalt in Portugal gestattete, zur Stütze des Systems geworden waren. Man könne

209 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 323.055-Pol/53, Zl. 325.467-Pol/53. Wahlen in Portugal. Filz an Vollgruber vom 10.11.1953, do. Zl. 50/Pol. 210 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl., Zl. 323.058-Pol/53. Wahlauftakt in Portugal  ; Rede Herrn Salazars. Filz an Vollgruber vom 13.7.1953, do. Zl. 21/Pol. 211 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 323.055-Pol/53, Zl. 324.176-Pol/53. Wahlen in Portugal. Filz an Vollgruber vom 7.9.1953, do. Zl. 45/Pol.

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aber »die Staatsidee Salazars« nur verstehen, wenn man weiß, dass er eine »diktatorische Erziehung« des Volkes für notwendig hält. Filz erklärt dies mit der auf der Iberischen Halbinsel »immer vorhandenen anarchistischen Unterströmung«.212 Als 1955 Marcello Caetano zum Ministro da Presidência ernannt wurde, wurde dies von der österreichischen Diplomatie als Linksruck und Absage an eine etwaige Restauration der Monarchie gedeutet und Caetano – zu Recht, wie sich herausstellen sollte – als künftiger Nachfolger Salazars angesehen.213 1956, zum 30-jährigen Jubiläum der »Nationalen Revolution«, versuchte sich ein neuer österreichischer Vertreter – Claus Winterstein – an einer Charakteristik Salazars. Sein Ton blieb ähnlich dem seiner Vorgänger. Salazar hätte Ordnung in einen zerrütteten Staat gebracht, wäre mit Hitler, Mussolini oder Stalin nicht zu vergleichen und würde alles ablehnen, »was einen richtigen Diktator kennzeichnet«. Sein asketisches Wesen machte ihm der Berichterstatter zum Vorwurf, dass er deswegen die Sorgen der Bevölkerung nicht kennen würde, an denen er »wie ein Träumer vorbeigeht«. Aus dem Umstand, dass der Ministerpräsident laut Verfassung nur dem Präsidenten, nicht jedoch dem Parlament verantwortlich sei, habe sich durch die Persönlichkeit Salazars die faktische Ausschaltung des Parlaments ergeben. Kritik an seiner Person wäre möglich und »gar nicht so schlimm«, nur der Verdacht kommunistischer Ideen oder gar Betätigung wäre gefährlich. Es wäre »für einen Mitteleuropäer eigentlich unverständlich, dass an dem Mangel an sozialen Einrichtungen bzw. dessen Behebung nicht rascher gearbeitet wird«. Es würden zwar z. B. verstärkt Wohnungen errichtet, »aber man hat letzten Endes leider manchmal das Gefühl, dass man hier um fünfzig Jahre zurück ist«. Die Schilderung von Kritikern Salazars aus der Wirtschaft und intellektuellen Kreisen, die den Mangel an Demokratie kritisieren würden, und jenen, die selbst an die Macht kommen wollten, schließt mit der Bemerkung, dass jede Kritik an »zwei bedeutenden Tatsachen halt machen« würde  : »1. Sein unbestreitbarer, einmaliger Erfolg auf finanzpolitischem Gebiet, die Schaffung einer starken Währung und die politische und wirtschaftliche Stabilität seit 30 Jahren  ; 2. Seine persönliche, über alle Zweifel erhabene Integrität.«214 Sein Nachfolger Ender beschreibt Salazar anlässlich dessen 33-jährigen Regierungsjubiläums ganz ähnlich und fügt dem noch hinzu, dass »erst Salazar entdeckt« hat, dass Portugal über reiche Kolonien verfügen würde und ein entsprechendes Investitionsprogramm initiiert wurde. Anspielend auf den internationalen Gegenwind meinte

212 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 323.055-Pol/53, Zl. 324.176-Pol/53. Wahlen in Portugal. Filz an Vollgruber vom 7.9.1953, do. Zl. 45/Pol. 213 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 321.421-Pol/55, Zl. 323.624-Pol/55. Personelle Veränderungen innerhalb der port. Regierung. Fischer an Figl vom 8.7.1955, do. Zl. 10-Pol/55. 214 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 511.545-Pol/56, Zl. 516.234-Pol/56. Dr. Oliveira Salazar. Winterstein an Figl vom 23.6.1956, do. Zl. 6-Pol/56.

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er  : »Es entbehrt nicht der Tragik, dass dieser ausgezeichnete Staatsmann nach 33 Jahren harten Ringens seine gewaltige Arbeit in Frage gestellt sehen muss.«215 Der Verlust von Goa, der Aufstand in Angola und schließlich ein Putschversuch in Beja in Portugal ließen unter der ruhigen Oberfläche vermehrt Spannungen erkennbar werden und erneut wurden Gerüchte über das baldige Ende eines Salazar laut, der auch nach solchen Ereignissen seine Haltung in Bezug auf die Überseeprovinzen nicht ändern wollte. Sogar Nervosität wollte der Beobachter beim Regierungschef erkennen.216 Seiner Einschätzung nach war auch ein Austritt Portugals aus den un nicht mehr auszuschließen.217 Größere Demonstrationen und sogar kritische Reden von Abgeordneten in der Nationalversammlung zeigten die Krise des Regimes nur zu deutlich.218 Dort wurden diverse Reformideen vorgebracht – wohl durchaus als Ventil für die zunehmende Unzufriedenheit – um das Kolonialproblem zu lösen. Etwa wurde vorgeschlagen, die Regierung in Lissabon zu belassen, die Nationalversammlung aber nach Luanda und das Oberste Gericht nach Lourenço Marques zu verlegen, um vor den un die Einheit des Staates zu demonstrieren. Nach Meinung des Beobachters »knisterte es im Gebälk Portugals«.219 Ende 1962 erhielt Botschafter Ender die Gelegenheit zu einer Audienz bei Salazar. Seiner Achtung für den Ministerpräsidenten entsprechend, war er, wenig verwunderlich, »von der Persönlichkeit dieses Staatsmannes stark beeindruckt«. In der ruhigen Art Salazars und seinen überlegten Gedankengängen kämen »philosophisch fundierte Grundsätze« zum Vorschein, die keine Diskussion oder Widerspruch dulden würden. Doch nach über drei Jahrzehnten seiner Herrschaft kamen schließlich auch Botschafter Ender so manche Zweifel an der »Unfehlbarkeit« Salazars. Denn die Ruhe Salazars hätte dem Land zwar eine ruhige Entwicklung verbürgt, allerdings eine »allzuruhige und sehr langsame«, die das Land auf einen Weg festlegen könnte, »der verhängnisvoll sein kann«. Ender erinnerte daran, dass nach 33-jähriger Regierungszeit noch immer nur vier Jahre Pflichtschule in Portugal vorgeschrieben waren  : »Bei mehr als 50% Analphabeten finden manche wahrscheinlich mit Recht eine echte Demokratie nicht mehr gangbar, aber angesichts dieser katastrophalen Schulverhältnisse ist die Frage berechtigt, ob Absicht oder Unvermögen sich hinter diesen 215 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 24.064-Pol/61, Zl. 24.064-Pol/61. Salazar  : 33 Jahre in der Regierung. Ender an Kreisky vom 27.4.1961, do. Zl. 28-Pol/61. 216 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 60.062-Pol/62, Zl. 61.105-Pol/62. Nach Goa und Beja-Putsch  : Malaise. Ender an Kreisky vom 11.1.1962, do. Zl. 3-Pol/62. 217 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 60.234-Pol/62, Zl. 61.006-Pol/62. Salazar über Goa. Ender an Kreisky vom 4.1.1962, do. Zl. 2-Pol/62. 218 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 62.760-Pol/62, Zl. 62.760-Pol/62. Demonstration der Opposition in der Stadt Porto. Ender an Kreisky vom 3.2.1962. 219 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 63.839-Pol/62, Zl. 63.839-Pol/62. Frischer Wind in der Nationalversammlung. Ender an Kreisky vom 22.2.1962, do. Zl. 11-Pol/62.

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Verhältnissen verbergen.«220 Diese »Geradlinigkeit« bestätigte sich mit jedem neuen Jahr. Salazars eineinhalbstündige Rede zum Kolonialproblem im August 1963 wurde von Ender sehr eindeutig kommentiert  : »Nichts Neues  ! Kein neuer Gesichtspunkt, nicht das leiseste Einschwenken in einen Wind der Zeit. Hart und geradlinig geht Salazar seinen Weg, als ob Portugal die Welt aus den Angeln heben könnte.«221 Die Unruhe, die mit dem Erfolg Humberto Delgados bei den Präsidentschaftswahlen 1958 einherging, der Streit mit dem Kardinal von Lissabon, die Probleme mit den un, der große Einsatz an Soldaten in Afrika, der Verlust Goas, der Putschversuch in Beja, zunehmend Demonstrationen, all das hatte das Regime erschüttert, allerdings zumindest die Rechtsopposition in einem nationalen Schulterschluss geeint. Ein Übergang zur Demokratie könne nur von einem starken Militär gewährleistet werden. Trotz allem blieb die Person des Ministerpräsidenten auch für den österreichischen Botschafter fast sakrosankt  : »Salazar kann niemals beschuldigt werden, er habe die Portugiesen irreführen wollen. Er ist moralisch unangreifbar.« Zudem blieb er für den Diplomaten ein Aktivposten für Europa. Wenn Portugal seinen Überseebesitz behalten könnte und gleichzeitig im Mutterland den Lebensstandard anderer europäischer Länder erreichen, »so wäre damit Europa am besten gedient. Die Regierung leistet, was sie kann. (…) Im anderen Falle ist nicht auszudenken, was in Portugal geschehen könnte. Sollten die Volksmassen in Aufruhr geraten, so wäre das Schlimmste zu befürchten«.222 Die Erhaltung der Ruhe und Ordnung und das Abwehren eines Umsturzes ist hier oberste Priorität, nicht etwa bürgerliche Freiheiten. Salazar hielt bis zum eigenen Zusammenbruch an der Macht fest. 1968 beendete ein Schlaganfall seine Herrschaft. In Wien war der in Kitzbühel auf Urlaub befindliche Botschafter unauffindbar, der Österreich bei einem etwaigen Begräbnis vertreten sollte.223 Die Volksmassen gerieten nicht wie befürchtet in Aufruhr, der österreichische Botschafter konnte sogar feststellen, dass die allgemeine Ruhe im Land Portugal eine Militärregierung erspart habe. Diese hänge wiederum einerseits mit der Apathie der Bevölkerung zusammen, die auch ein Ergebnis der Ära Salazar wäre, und andererseits mit der Arbeit der Polizei.224 Die allgemeine Annahme, dass Marcello Caetano vom Staatspräsidenten als Nachfolger bestellt werden würde, be220 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 78.172-Pol/62, Zl. 78.172-Pol/62. Audienz bei Ministerpräsident Salazar. Ender an Kreisky vom 13.12.1962, do. Zl. 47-Pol/62. 221 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 32.792-Pol/63, Zl. 32.911-Pol/63. Rede Salazars vom 12.8.1963 über das Überseeproblem. Ender an Kreisky vom 13.8.1963, do. Zl. 22-Pol/63. 222 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 71.500-Pol/64, Zl. 79.297-Pol/64. Das Salazar-Régime. Ender an Kreisky vom 6.10.1964, do. Zl. 25-Pol/64. 223 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 125.743-Pol/68, 126.133-Pol/68. Teilnahme an allfälligen Begräbnisfeierlichkeiten im Falle des Ablebens des port. Ministerpräsidenten Slazar. AV und Depesche vom 19.9.1968. 224 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 125.743-Pol/68, Zl. 126.954-Pol/68. Ernennung von Prof. Marcello Caetano zum neuen port. Ministerpräsidenten. Seifert an Waldheim vom 27.9.1968, do. Zl. 19-Pol/68.

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stätigte sich. Neben anderen Funktionen im Salazar-System war er in den 1930er Jahren führend an der Konzeption des portugiesischen Ständestaates beteiligt, was der österreichische Beobachter als »für Österreich von Interesse« identifizierte.225 Schon bei seiner ersten Rede vor der Nationalversammlung wurde klar, dass die Leitlinien der portugiesischen Politik dieselben bleiben würden und die Verteidigung der Überseegebiete Priorität habe. Daneben wurden erste Töne einer sanften Liberalisierung laut.226 Botschafter Hermann Gohn, der mit Caetano schon bekannt war, erhielt bald die Möglichkeit zu einer offenen Aussprache. Der Gesundheitszustand Salazars erlaubte es Caetano nicht, etwa in die Überseeprovinzen zu reisen, da unklar war, wie sich dieser weiter entwickeln würde. Der österreichische Botschafter wies sogar darauf hin, dass es unangebracht wäre, von österreichischer Seite ein Glückwunschtelegramm an Caetano zu schicken, wie dies andere Regierungen getan hätten. »Ich glaube, solange Prof. Salazar, der immerhin 40 Jahre regiert und dem Lande die Ruhe geschenkt hat, in diesem Zustand lebt, wie das jetzt der Fall ist, wäre ein Glückwunschtelegramm an seinen Nachfolger ungeeignet.«227 Der Respekt blieb über die Funktion hinaus erhalten. Die (linke) Opposition Die Artikulationsmöglichkeiten der Opposition, der Umstand, dass nicht nur in Vorwahlzeiten so mancher Artikel die Zensur passierte, der als Kritik am Regime gedacht war, überraschten immer wieder. Ein solcher Artikel, der mit metaphorischen Mitteln arbeitete, Salazar als Fisch darstellte und für Heiterkeit sorgte, dass sich die Zensur dadurch hatte täuschen lassen, führte zum Urteil, der Artikel zeige, »wie weit sich die Opposition in dem so milden Regime Salazars immerhin tarnen muss, um ihn zu kritisieren«.228 Die linke Opposition fand in den österreichischen Diplomaten keine milden Richter. Bei den Wahlen 1953 bezeichnete Filz den portugiesischen Kommunismus als »einigermaßen weltfremden Salonkommunismus«, der nicht in der Lage sei, bei – in den Augen des Berichterstatters quasi freien – Wahlen zu reüssieren.229 Anfang der 225 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 125.743-Pol/68, Zl. 126.954-Pol/68. Ernennung von Prof. Marcello Caetano zum neuen port. Ministerpräsidenten. Seifert an Waldheim vom 27.9.1968, do. Zl. 19-Pol/68. 226 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 121.876-Pol/68, Zl. 130.525-Pol/68. Offizielle Erklärungen des neuen port. Regierungschefs vor der Nationalversammlung. Gohn an Waldheim vom 28.11.1968, do. Zl. 14-Pol/68. 227 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 121.876-Pol/68, Zl. 128.706-Pol/68. Besuch beim neuen Regierungschef Prof. Marcello Caetano. Gohn an Waldheim vom 22.10.1968, do. Zl. 21-Pol. 228 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 323.894-Pol/53, Zl. 323.894-Pol/53. Zeitungsartikel über Salazar. Filz an Vollgruber vom 18.8.1953, do. Zl. 39/Pol. 229 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 323.055-Pol/53, Zl. 325.467-Pol/53. Wahlen in Portugal. Filz an Vollgruber vom 10.11.1953, do. Zl. 50/Pol.

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1950er konnte eine weitere Zersplitterung der linken Opposition festgestellt werden. Die größten linken Oppositionsgruppen brachen mit den moskautreuen Kommunisten und deren gewaltsamen Umsturzplänen und standen der nato-Mitgliedschaft ihres Landes zunehmend positiv gegenüber.230 Die Opposition wurde von Österreich aus stets als schwach und zersplittert wahrgenommen. Trotz oder gerade wegen der Möglichkeit, während der Wahlkampagne eine gewisse Unzufriedenheit zu äußern, die als Ventil gesehen wurde, gestand man ihr geringe Chancen auf Erfolg zu. Man reagierte fast überrascht, als sich die Unruhe in der Bevölkerung nach den Präsidentenwahlen des Jahres 1958 mit dem relativen Erfolg des Oppositionskandidaten Humberto Delgado, der etwa 25% der Stimmen erreichte, nicht gleich wieder legte. Gerüchte über Streiks und passiven Widerstand der Arbeiter – etwa durch Dienst nach Vorschrift, wurden als Zeichen der Unzufriedenheit gedeutet, »die sich (…) an und für sich nicht gegen Salazar richtet, sondern gegen einen Teil seiner Mitarbeiter«. Der Ministerpräsident wurde trotzdem nicht als eigentliches Problem identifiziert. Dies wird auch in Bezug auf das Bild der portugiesischen Bevölkerung deutlich, das sich in den diplomatischen Berichten findet, wenn etwa konstatiert wird  : »Diese Rede, die wie stets den Theoretiker und Gelehrten Salazar widerspiegelt, hat gewiss nur in einem Punkte [gemeint ist eine geplante Lohnerhöhung, Anm. d. Verf.] das portugiesische Volk angesprochen, das in seiner Mehrheit Salazars Ausführungen wohl nicht ganz begriffen haben wird.«231 Dies wird nur einige Wochen nach der Feststellung verfasst, dass die Unzufriedenheit in der Bevölkerung nicht mehr nur die »ewig Unzufriedenen« beträfe, sondern bereits auch Salazar grundsätzlich positiv gegenüberstehende Kreise.232 Die Haltung Delgado gegenüber war dabei von vornherein eine kritische. Seine Ankündigung, im Falle seines Wahlsieges Salazar als Ministerpräsidenten zu entlassen, wurde mit einem »Elefanten im Porzellanladen« verglichen und gewarnt, dass »durch seine Hemmungslosigkeit, die bei einem Präsidentschaftskandidaten schon gar nicht angebracht ist, das bisher auf wirtschaftlichem Gebiet Erreichte in Bahnen gelenkt werden könnte, die von keiner Seite gewünscht werden«.233 Als es zu Ausschreitungen im Zusammenhang mit Wahlversammlungen Delgados gekommen war, deren gewaltsame Auflösung durch die Sicherheitskräfte nach offiziellen Angaben 70 bis 230 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 323.055-Pol/53, Zl. 324.176-Pol/53. Wahlen in Portugal. Filz an Vollgruber vom 7.9.1953, do. Zl. 45/Pol. 231 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 548.848-Pol/58, Zl. 551.514-Pol/58. Ausklingen der port. Präsidentschaftswahlen. Rede des Ministerpräsidenten. Winterstein an Figl vom 7.7.1958, do. Zl. 14-Pol/58. 232 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 548.848-Pol/58, Zl. 549.911-Pol/58. Wahlkampf in Portugal (Präsidentschaftswahlen). Winterstein an Figl vom 4.6.1958, do. Zl. 12-Pol/58. Streng vertraulich. 233 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 548.848-Pol/58, Zl. 549.193-Pol/58. Die port. Präsidentschaftswahlen im Juni 1958. Erklärungen der beiden Oppositionskandidaten. Winterstein an Figl vom 16.5.1958, do. Zl 10-Pol/58.

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80 Verletzte forderte, fühlte sich Winterstein bestätigt, »dass die zügellosen Ausführungen des General Delgado« dafür verantwortlich gewesen wären. Die niedrigen Gehälter bei hohen Lebenshaltungskosten hätten eine Unzufriedenheit geschaffen, »die durch Delgado leider demagogisch ausgenutzt wird«.234 Eine Folge des unerwarteten Erfolges Delgados war die Abschaffung der Volkswahl des Staatspräsidenten. Man wollte eine solche Erschütterung des Systems, wie sie etwa in Demonstrationen zum Ausdruck gekommen war, nicht noch einmal riskieren und beschloss, dass nun ein Kollegium, bestehend aus Nationalversammlung, Korporativkammer und Vertretern der Überseeprovinzen, diese Wahl vornehmen sollte. Der österreichische Gesandte bemerkte zudem, dass »der Wahlkampf nicht in der bisher üblichen, fairen Art geführt worden [ist], sondern Verunglimpfungen und Herabsetzungen der Kandidaten waren an der Tagesordnung. Um dies nun zu verhindern wurde diese Neuregelung eingeführt«.235 Es ist schon verwunderlich, dass – obwohl das Regime als Polizeistaat erkannt und bezeichnet wurde – die Wahlen bzw. der Wahlkampf desselben in diesem Zusammenhang als »fair« bezeichnet wird. In der Folge wurden politische Manifeste der Opposition auch an die diplomatischen Vertretungen in Lissabon geschickt. Dabei verwunderte den Beobachter, dass diese mit vollem Namen unterzeichnet worden waren. Nicht nur diese Offenheit in einem Polizeistaat fiel auf, sondern auch dass es vermehrt Gerüchte um einen Rücktritt Salazars gab, der von immer weiteren Kreisen gewünscht würde.236 Er sollte noch fast 10 Jahre die Zügel in der Hand behalten. In seinem Abschiedsbericht über fünf Jahre in Portugal stellte Botschafter Winterstein auch fest, dass die Opposition zersplittert und ohne Führung sei, gar Teile der Unzufriedenen, trotz allem mangels Alternative, für Salazar seien.237 Delgados Name sollte noch einmal in Österreichs diplomatischer Korrespondenz auftauchen. 1961 berichtete der portugiesische Botschafter in Wien, Abílio Pinto de Lemos, am Ballhausplatz von angeblichen Plänen des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten nach Österreich einreisen zu wollen, nachdem ihm die Niederlande und Frankreich die Einreise verwehrt hätten. Portugal würde von Österreich erwarten, Delgado im Falle seiner Einreise von »portugalfeindlichen« Tätigkeiten abzuhalten. Man beschied dem portugiesischen Botschafter zu seinem Bedauern allerdings, dass Delgado in Österreich »auf Grund unserer sehr liberalen Gesetzeslage« behandelt werden

234 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 548.848-Pol/58, Zl. 549.377-Pol/58. Präsidentschaftswahlen – Ausschreitungen in Portugal. Winterstein an Figl vom 20.5.1958, do. Zl. 11-Pol/58. Vertraulich. 235 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 244.716-Pol/59, Zl. 244.716-Pol/59. Verfassungsänderung bzgl. der Wahl des port. Staatspräsidenten. Winterstein an Raab vom 10.7.1959, do. Zl. 14-Pol/59. 236 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl., o.Zl. Gerüchte über den Rücktritt des Ministerpräsidenten Salazar. Winterstein an Figl vom 7.4.1959. Streng vertraulich. 237 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl, 85.838-Pol/60, Zl. 85.838-Pol/60. Fünf Jahre Portugal. Winterstein an Kreisky vom 30.9.1960, do. Zl. 13-Pol/60.

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­würde.238 Man verabsäumte es aber nicht, die österreichische Botschaft in Rio de Janeiro anzuweisen, Delgado im Fall der Fälle nur nach Rückfrage ein Visum auszustellen.239 Zu einer faktischen Einreise kam es aber in der Folge nicht mehr. 1965 wurde Delgado gemeinsam mit seiner Sekretärin von Agenten der pide ermordet. Die zunehmenden Spannungen innerhalb des Regimes und in der Bevölkerung, die etwa in den Studentenunruhen im Portugal der frühen 60er zum Ausdruck kamen, hatten in einer Zeit zunehmender Internationalisierung und Medialisierung der Kolonialfrage und überhaupt der Natur des portugiesischen Regimes auch direkte Rückwirkungen auf Österreich. Als Arbeiterproteste in Lissabon Anfang Mai 1964 mit Gewalt unterdrückt wurden, bewegte sich eine Gruppe des Verbandes Sozialistischer Mittelschüler nach einer Kundgebung in der Nacht zum Sonntag, den 3. Mai, zur portugiesischen Botschaft in der Strauchgasse in Wien, um gegen das Regime zu protestieren, wurde aber von der Polizei daran gehindert. Daraufhin wurde eine Kundgebung in unmittelbarer Umgebung abgehalten, bei der Karl Blecha eine kurze Ansprache hielt. Die Kundgebung von rund 150 (lt. Arbeiter-Zeitung) bzw. etwa 100 Jugendlichen (lt. Staatspolizei) löste sich danach rasch auf.240 Auch die Haltung des Wiener Außenamtes eigenen linksgerichteten Gruppierungen gegenüber stand durchaus im Zusammenhang mit der Art des Regimes in Portugal. Der »Bund demokratischer Frauen Österreichs«, eine der kpö nahestehende Organisation, schickte im Februar 1965 ein Protesttelegramm, in dem er im Namen von »10.000 österreichischen Frauen« die Freilassung von in Portugal inhaftierten Frauen, die wegen ihres Kampfes um bürgerliche Rechte und Demokratie eingesperrt worden waren, forderte. Das Telegramm war an den portugiesischen Justizminister gerichtet, trug aber die Anschrift der österreichischen Botschaft in Lissabon.241 Die Frauen gingen offenbar davon aus, dass die Vertretungsbehörde ihr Schreiben an den geplanten Empfänger weiterleiten würde. Die Botschaft ersuchte in Wien um Weisung, ob der »kommunistischen Organisation« die genaue Adresse mitgeteilt werden solle, wollte dies aber »im Hinblick auf die politische Struktur Portugals (…) nicht befürworten«.242 Der Ballhausplatz schloss sich dieser Meinung an, das Telegramm ging zu den Akten.243 238 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 30.073-Pol/61, Zl. 30.073-Pol/61. Port. Anfrage wegen angebl. Einreise des ehem. port. Präsidentschaftskandidaten General Del Gardo [sic  !]. AV vom 6.9.1961. 239 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 30.073-Pol/61, Zl. 30.435-Pol/61. Angebl. Einreise des ehem. port. Präsidentschaftskandidaten General Delgado. AV vom 23.9.1961. 240 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 71.172-Pol/64, Zl. 71.172-Pol/64. Information des BMI vom 3.5.1964  ; »VSM demonstriert gegen Portugal« Arbeiter-Zeitung vom 5.5.1964, 1. 241 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 132.889-Pol/65, Zl. 132.889-Pol/65. Telegramm des Bundes Demokratischer Frauen Österreichs vom 25.2.1965. 242 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 132.889-Pol/65, Zl. 132.889-Pol/65. Intervention des Bundes Demokratischer Frauen Österreichs. Gohn an BMfAA vom 26.2.1965, do. Zl. 445-A/65. 243 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 132.889-Pol/65, Zl. 132.889-Pol/65. AV vom 3.3.1965.

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Die Beurteilung der portugiesischen Opposition unterlag einer fast ebenso großen Stabilität wie die Doktrinen des Salazar-Regimes. Stellvertretend für die österreichische Einschätzung sei der Grundbericht über Portugal des Jahres 1967 zitiert, der über sie sagt  : »Die Opposition ist nicht sehr bedeutend, da sie aus den verschiedensten Richtungen besteht, in sich selbst uneinig und daher wenig wirksam ist. (…) Die Opposition besteht zumeist aus liberalen Intelligenzlern, die sich mit dem Diktatorialsystem, Pressezensur usw. nicht abfinden können. Ihre Doktrin biete aber wenig konstruktives, sodass die regierungstreuen Kreise es zumeist nicht schwer haben, für den status quo zu plädieren.«244 Die Haltung zur Monarchie Aufgrund historischer Verbindungen und Vergleichbarkeiten ist die Frage nach der Monarchie bzw. den vormals regierenden Häusern für Österreich und Portugal von besonderem Interesse. Beide Länder hatten zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Monarchie abgeschafft und dabei die Monarchen und ihre Familien aus dem Lande verbannt. Dass ein Teil der Familie Bragança bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Österreich residiert hatte und darüber hinaus enge verwandtschaftliche Beziehungen mit den Habsburgern bestanden, verstärkte diese Verbindungen nur noch. Besonders vermerkt wurde daher in Wien 1950 auch die Nachricht von der Aufhebung der Verbannung des Hauses Bragança durch die portugiesische Nationalversammlung. Gleichzeitig wurden die Teilnehmer an den monarchistischen Umsturzversuchen Ende der 1910er und der 1920er-Jahre amnestiert. Man stellte ein Werben des Regimes um monarchistische Kreise fest. Zudem sollte die Volkswahl des Präsidenten durch eine Wahl durch die Nationalversammlung ersetzt werden, was Spekulationen Raum gab, der Thronprätendent Dom Duarte Nuno de Bragança könnte so durch einfachen Parlamentsbeschluss zum Staatsoberhaupt gemacht werden.245 Bereits in einer Rede vor den Novemberwahlen 1949 hatte Salazar bekanntgegeben, dass der im Parlament eingebrachte Antrag auf formelle Aufhebung des Verbannungsgesetzes gegen den »portugiesischen Zweig« der Familie Bragança, »das in der Praxis schon lange nicht mehr beachtet werde«, von der Regierung nicht beeinsprucht würde.246 Ein klares Werben um monarchistische Kreise wird hier nur zu deutlich und es ist bemerkenswert, wenn der Langzeitregierungschef einer Diktatur, in der politisch missliebige Personen we-

244 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 32.444-Pol/67, Zl. 35.529-Pol/67. Grundbericht über Portugal, Neufassung. Gohn an BMfAA vom 9.12.1967, do. Zl. 2648-A/67. 245 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 120.892-Pol/50, Zl. 123.686-Pol/50. Aufhebung der Verbannung der Familie Bragança und Amnestie für Monarchisten. Halusa an Schmid vom 24.4.1950. 246 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 86.264-Pol/49, Zl. 88.633-Pol/49. Ansprache des Ministerpräsidenten Salazar. Halusa an Vollgruber vom 24.10.1949, do. Zl. 16/Pol.

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gen geringster Vergehen im Gefängnis verschwanden, die Nichtbeachtung von Gesetzen nicht nur bekanntgibt, sondern diese auch ohne Konsequenzen lässt. Strenge wurde naheliegenderweise vor allem nach links geübt. Man verfügte auf Seiten der österreichischen Diplomatie auch über Kanäle zum Thronprätendenten Dom Duarte Nuno, der nach dem Tod Präsident António Carmonas kurzzeitig gerüchteweise als »Prince-Président« gehandelt worden war.247 Die Frage war sogar umstritten genug, um in der Nationalversammlung so etwas wie eine Opposition aufkommen zu lassen. Elf von 120 Abgeordneten stimmten 1951 gegen die Beibehaltung jenes Verfassungsartikels, der die Bragança vom Präsidentenamt ausschloss.248 Im April 1953 absolvierte Otto Habsburg einen seiner Besuche in Portugal. In Lissabon war er von der dortigen Geographischen Gesellschaft eingeladen worden, einen Vortrag zu halten. Über seine Anwesenheit wurde in den Zeitungen in großer Aufmachung berichtet, der Vortragssaal war überfüllt, die Gäste laut Augenzeugen begeistert und die Dankesrede des Präsidenten der Gesellschaft geriet zu einem flammenden Protest gegen den »schandbaren Zustand der Besetzung Österreichs«, der Aufruf zu ihrer Beendigung wurde mit großem Applaus quittiert.249 Diese Haltung der alliierten Besatzung gegenüber war dabei auch jene der portugiesischen Regierung. 1954 drückte Außenminister Cunha Gesandten Seemann das Mitgefühl seiner Regierung anlässlich der Hochwasserkatastrophe in Österreich aus. Dabei benutzte er auch diese Gelegenheit, Österreich die baldige Wiedererlangung von Freiheit und Unabhängigkeit zu wünschen.250 Nicht nur Privatleute und monarchistische Kreise nahmen an der Veranstaltung mit Otto Habsburg teil, sondern auch viele portugiesische Funktionsträger und »ein großer Teil der hiesigen Missionschefs« unter Einschluss des us- und des (west-)deutschen Gesandten. Es ist interessant zu sehen, dass der österreichische Vertreter Filz – der österreichischen Rechtslage wohl Rechnung tragend – den Vortragenden dabei nur mit »Otto Habsburg-Lothringen« bezeichnet und betont, dass er selbstverständlich weder dem Vortrag beigewohnt noch Einladungen angenommen habe, die eine Begegnung mit Habsburg zur Folge hätten haben können. Denn im sehr positiv gehaltenen Aktenvermerk des bk a-a a (Autor Arno Halusa) – gegen den Vortrag wäre inhaltlich nichts einzuwenden und er wäre zudem eine Werbung für Österreich gewesen – wird Otto schlicht als »der Erzherzog« tituliert. Der Vortrag über »Probleme der europäischen Sicherheit« wurde 247 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 135.072-Pol/51, Zl. 135.072-Pol/51. Ableben des portugiesischen Staatspräsidenten. Halusa an Schmid vom 21.4.1951, do. Zl. 15/Pol. 248 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 135.072-Pol/51, Zl. 135.072-Pol/51. Ableben des portugiesischen Staatspräsidenten. Halusa an Schmid vom 21.4.1951, do. Zl. 15/Pol. 249 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 320.010-Pol/53, Zl. 320.010.-Pol/53. Otto Habsburg-Lothringen  ; Vortrag in Lissabon. Filz an Schmid vom 17.4.1953, do. Zl. 13/Pol und AV vom 25.4.1953. 250 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl., Zl. 145.309-Pol/54. Gespräch mit dem Außenminister. Seemann an Figl vom 17.7.1954.

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im Diário de Notícias wiedergegeben. Auch hier wurde Otto als »Erzherzog von Österreich und Ungarn« bezeichnet, unter den Anwesenden wurden die Infantinnen D. Filipa und D. Adelaide von Bragança, »Erzherzog Josef und Erzherzogin Anna von Österreich, Onkel und Tante des Redners« sowie Admiral Horthy hervorgehoben. Unter Anwesenheit von hohen Vertretern des portugiesischen Außenministeriums wurde lebhaft applaudiert, als bei der blumigen Vorstellung Ottos versichert wurde, »dass Erzherzog Otto als Prinz des Hauses Habsburg von uns voll Rührung und Stolz auch als Prinz portugiesischen Blutes angesehen wird«. Die engen verwandtschaftlichen Beziehungen der beiden früheren Herrscherhäuser wurden auch von Otto betont. Neben einer Analyse der Blockkonfrontation zwischen Ost und West sprach er von den Potentialen Europas zur Abwehr einer sowjetischen Hegemonie und führte Portugal und Spanien als positive Beispiele »moralischer und militärischer Tugenden« an, die »sonst nur bei sogenannten jungen Nationen zu finden sind. Die Entwicklung Portugals unter der Leitung Salazars stellt sich hiebei würdig an die Seite der bewundernswerten spanischen Leistung seit der nationalen Erhebung von 1936«. Nach einer Würdigung des schnellen Aufstiegs der usa lobte er noch einmal seine Gastgeber  : »Portugal gelang es, die Gefahren zu überwinden und seinen Weg zum Aufstieg einzuschlagen, ohne irgendjemanden, wer es auch sei, um Hilfe zu bitten, abgesehen von Gott und seiner eigenen Kraft. Ihr Land zeigt der Welt und vor allem den Völkern unseres Kontinents den Weg in die Zukunft, weil es beweist, dass es letzten Endes immer der Geist ist, der den Sieg davonträgt.«251 Dass Otto ein so positives Echo erhielt, ist aufgrund der Ähnlichkeit seiner Thesen mit den Anschauungen des Regimes wenig überraschend. Die Frage des Umgangs mit Otto durch das bk a-a a zeigt das Dilemma zwischen den Möglichkeiten zur Nutzung von Kontakten und Aufmerksamkeit, über die Otto in Portugal und Spanien verfügte und der offiziellen Haltung des republikanischen Österreich. Schließlich war zu diesem Zeitpunkt der Landesverweis Ottos noch aufrecht und von einem Verzicht auf seine Rechte von seiner Seite keine Rede. Trotzdem Portugal ebenfalls als Republik konstituiert war, gestaltete sich der Umgang des Landes unter Salazar mit monarchistischen Strömungen und der vormaligen Herrscherfamilie wesentlich entspannter. Antimonarchistische Gesetze wie jenes zum Landesverweis wurden nur lax oder gar nicht exekutiert und Anhänger der Monarchie wurden ins politische System kooptiert. Dies, obwohl die Anhängerschaft der Monarchie in Österreich eine weit kleinere war als in Portugal. Otto wurde immer wieder auch publizistisch hofiert. Als »Prinz, der nur vom Journalismus lebt« etwa oder als »Kämpfer für die Einheit des Westens als Staudamm gegen den Kommunismus«. Natürlich fehlten dabei auch Hinweise auf seine 251 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 320.010-Pol/53, Zl. 320.010.-Pol/53. Otto Habsburg-Lothringen  ; Vortrag in Lissabon. Filz an Schmid vom 17.4.1953, do. Zl. 13/Pol und AV vom 25.4.1953.

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engen verwandtschaftlichen Beziehungen zu Portugal als Urenkel des portugiesischen Königs Miguel I. nicht.252 Otto stand Portugal (gemeinsam mit der spanischen Presse) wie zum Dank auch in PR-technisch schwierigen Zeiten zur Seite. Als im Frühjahr 1961 Unruhen in Angola ausbrachen und Portugal vor allem in Afrika, aber auch anderswo in der Welt politisch isoliert wurde, verteidigte Otto publizistisch Portugals jahrhundertelange Anwesenheit in Afrika als »Ruhmesblatt der portugiesischen Geschichte«. Die Kampagne gegen Portugal werde vor allem von Indien geschürt, um ein günstiges Klima für einen Angriff auf Goa zu schaffen und es sei »bedauerlich, dass auch die katholische und bürgerliche Presse Deutschlands und Österreichs auf Grund von ›Tatsachen‹, die von ungenannten Missionaren« stammen, ebenfalls gegen Portugal Stellung beziehen würde.253 Nach dem Ausscheiden Salazars aus dem Amt stellten sich die Monarchisten in Person des Thronprätendenten Dom Duarte demonstrativ hinter das Regime und das gemeinsame Ziel der »Verteidigung Portugals in Afrika«.254 Blockkonfrontation und Militär In einer Zeit der Blockkonfrontation gehörte die Berichterstattung über das militärische Potential Portugals bereits zu den Aufgaben des Legationsrates Halusa, noch bevor regelrechte diplomatische Beziehungen bestanden. Über den Beobachtungszeitraum ist hier eine starke Veränderung bemerkbar, die durch die zunehmende terroristische und militärische Bedrohung der Kolonien und schließlich den Kolonialkrieg selbst bedingt war. Der erste diesbezügliche Bericht aus dem Jahr 1950 spricht klare Worte  : Das portugiesische Militär sei auf dem Niveau des 1. Weltkrieges, da nur sehr geringe Rüstungsausgaben getätigt würden. Die Luftwaffe bestand hauptsächlich aus Fliegern, die im Zuge des Azorenvertrages von den usa geliefert worden waren. Ein erklecklicher Teil dieser Flieger wäre aber bereits unbrauchbar und die Fliegerausbildung würde wegen zu geringer Geldmittel bereits unter Treibstoffmangel leiden. Auch eine etwaige Verstärkung durch us-Waffenhilfe würde aber vermutlich nicht dazu führen, dass den Portugiesen in den Planungen der nato eine aktive Rolle zugewiesen werden würde. Die portugiesische Armee hätte seit der Jahrhundertwende nur einen einzigen Tag »im Kampf gegen einen auswärtigen Feind gestanden und dabei eine völlige Déroute

252 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl., o. Zl. »Diário Ilustrado« vom 5.1.1959. »Ein Prinz als Journalist«, do. Zl. 208-A/59. 253 ÖStA/AdR, BMfAA, o.Gr.Zl., o.Zl. Portugal zum Angolaproblem. Ender an Kreisky vom 3.8.1961, do. Zl. 49-Pol/61. 254 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 160.658-Pol/69, Zl. 160.658-Pol/69. Erklärung des portugiesischen Kronprätendenten. Seifert an BmfAA vom 9.7.1969, do. Zl. 1293-A/69.

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erlitten«. Gemeint ist der 12. April 1918. Seither wäre sie nur noch innenpolitischer Machtfaktor gewesen und insbesondere seit der Revolution von 1926 ein Element innenpolitischer Stabilität.255 Erneut wird hier die Stabilität zum wichtigen Merkmal der Beschreibung, wenngleich das Urteil über den portugiesischen Einsatz im Ersten Weltkrieg etwas hart ausfällt, bedenkt man die taktische Lage der Portugiesen an der Front. Besonders im Hinblick auf die Situation der nato wurde der Bericht in Wien als wertvoll eingeschätzt. Entsprechend seiner antikommunistischen Einstellung sah sich Portugal der nato als westlichem Verteidigungsbündnis nicht nur aufgrund geographischer Notwendigkeiten – dem Bündnis mit dem Vereinigten Königreich und den usa in Bezug auf die Überlassung der Azorenbasis Lajes – verbunden. Die Integration Spaniens und der br d in das Verteidigungsbündnis wurde daher 1951 lebhaft begrüßt.256 Spanien sah man ebenso geographisch wie ideologisch als logischen Verbündeten, was auch bereits im sogenannten Iberischen Freundschaftspakt, der immer wieder verlängert worden war, zum Ausdruck kam. Eigene Bodentruppen blieben zahlen- und ausrüstungsmäßig lange unter nato-Niveau, obwohl Portugal nach dem Krieg durchschnittlich ein Fünftel seines Budgets für das Militär ausgab.257 Die geringe Wirtschaftskraft führte aber im Endeffekt zu, im internationalen Vergleich, nur geringer Qualität der Rüstung. Es ist bezeichnend, dass trotz dieses hohen Prozentsatzes sogar die militärische Ausbildung unter Treibstoffmangel zu leiden hatte. Halusa berichtete en detail über die Ausrüstung von Heer und Marine, wobei besonderes Augenmerk auf ihre Integration in das westliche Verteidigungsbündnis gelegt wurde. Der technische Stand aller 35 Einheiten der portugiesischen Marine wurde ebenso gemeldet wie ihr Budget und ihre Beteiligung an Übungen der nato-Flotte.258 Ein wichtiger Punkt in diesem Fragenkomplex war der Azorenvertrag Portugals mit den usa, der in den Fünfzigern genutzt wurde, um bei seiner Verlängerung 1951 von den usa im Gegenzug Rüstungsgüter, vor allem Flugzeuge,259 sowie in späteren Jahren eine positive Haltung der usa zu den Erhaltung der portugiesischen Kolonien zu erwirken. Portugals Beitrag zur nato-Rüstung war dabei, gemessen an seinem BIP, sehr

255 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 128.759-Pol/50, Zl. 128.759-Pol/50. Die portugiesische Armee. Halusa an Vollgruber vom 22.10.1950, do. Zl. 30-Pol. 256 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl.132.453-Pol/51, Zl. 132.453-Pol/51. Portugal und die Aufnahme Westdeutschlands in den Atlantikpakt. Halusa an Schmid vom 13.2.1951, do. Zl. 52-Res/51. 257 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 131.359-Pol/51, Zl. 135.127-Pol/51. Portugal  : militärische Bereitschaft. Halusa an Schmid vom 20.4.1951, do. Zl. 14/Pol. 258 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 131.359-Pol/51, Zl. 131.359-Pol/51. Die portugiesische Marine. Halusa an Gen.Sekr. Vollgruber vom 27.12.1950, do. Zl. 31-Pol/50. 259 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 153.163-Pol/52, Zl. 154.390-Pol/52. Azorenvertrag, Vorlage des Vertragstextes. Halusa an Schmid vom 10.1.1952, do. Zl. 1-Pol/52.

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hoch, 1952 erreichte es bereits 27,5% des Staatshaushaltes.260 Dabei war Portugal nur unter Druck der usa bereit, dem atlantischen Bündnis beizutreten. Legationsrat Fischer von der österreichischen Gesandtschaft in Lissabon meinte u. a. psychologische Gründe als Mitverursacher der emotionalen Ferne der portugiesischen Bevölkerung und Regierung von der nato ausmachen zu können  : Zum einen hätte das Land stets versucht, »sich aus Kriegen herauszuhalten und bei dieser Gelegenheit nolens volens blendende Geschäfte mit allen Kriegsteilnehmern zu machen.261 (Portugal hat wohl während des Ersten Weltkrieges an der Seite der Alliierten am Kriege teilgenommen, ist jedoch kaum am Kriegsschauplatz in Erscheinung getreten.) (…) Was nicht so offen zutage tritt, aber fast aus jedem Gespräch mit portugiesischen Persönlichkeiten herausgefühlt werden kann, ist die Tatsache, dass sich der sprichwörtliche portugiesische Stolz (der sichtlich die Reaktion eines in der Bevölkerung stark verbreiteten Minderwertigkeits-Komplexes darstellt) gegen eine Anerkennung der Superiorität der Vereinigten Staaten wehrt«.262 Die Einschätzung des portugiesischen Einsatzes im Ersten Weltkrieg wird wohl in Portugal selbst anders gesehen worden sein (und noch immer gesehen), ist aber aus der Sicht Wiens mit 9 Millionen Soldaten im Feld, 1,2 Mio. Gefallenen und 3,6 Mio. Verwundeten gegen etwas über 7.000 toten Portugiesen und rund 13.000 Verwundeten vielleicht subjektiv aus Sicht des Schreibers verständlich. Der Ausbau der nato-Infrastruktur, wie er etwa auch nach 1956 für Portugal angekündigt worden war, gab zu Hoffnungen Anlass, dass auch die österreichische Wirtschaft davon profitieren könnte. Öffentliche Ausschreibungen sollten für Alpine-Montan und voest Aufträge bringen, ohne dass diese Unternehmen eigene Repräsentanzen in Portugal hatten.263 Der Primat der »afrikanischen Politik« Portugals zeigte sich auch in seiner Rolle innerhalb der nato und der westlichen Wertegemeinschaft. Die Bestrebungen zur Verselbständigung der afrikanischen Staaten wurden – da sie durch die Sowjetunion maßgeblich unterstützt wurden – als Teil der Blockkonfrontation gesehen. Das freie Europa würde auch in Afrika verteidigt, da die neuen Staaten fast zwangsläufig ins Fahrwasser der Sowjetunion geraten würden. Portugal sah Österreich nicht nur als Schauplatz der nahen Tragödien im Ostblock – wie etwa der Ungarnkrise 1956. Das Land wurde auch zur Informations260 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 153.163-Pol/52, Zl. 154.390-Pol/52. Azorenvertrag, Vorlage des Vertragstextes. Halusa an Schmid vom 10.1.1952, do. Zl. 1-Pol/52. 261 Dies wird auch von der modernen historischen Forschung so gesehen, vgl. História de Portugal, 664. 262 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 323.470-Pol/55, Zl. 323.470-Pol/55. Portugal und seine Beziehungen zu Brasilien, den USA und zur NATO. Fischer an Figl vom 23.6.1955, do. Zl. 8-Pol/55. 263 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 520.693-Pol/56, Zl. 520.693-Pol/56. Österr. Exportmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Errichtung von amerikan. Stützpunkten in Portugal. Winterstein an Figl vom 16.11.1956, do- Zl. 10-pol/56.

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quelle für Moskaus außenpolitische Pläne. Die Botschaft in Wien bekam den Auftrag aus Lissabon, Informationen über die sowjetischen Absichten betreffend Afrika und die Iberische Halbinsel zu sammeln, da Portugal weder mit der Sowjetunion noch mit einem ihrer Satellitenstaaten diplomatische Beziehungen unterhielt.264 »Dass hiebei Blut vergossen werden musste, braucht nicht so ernst genommen werden.« Die Kolonialfrage und Portugals »zivilisatorische Mission« Das portugiesische Kolonialreich265 war als erstes der europäischen Kolonialreiche schon ab Anfang des 15. Jahrhunderts entstanden und hatte sich durch die Schutzmachtfunktion der englischen bzw. britischen Krone jahrhundertelang relativ stabil gehalten. Der größte Einbruch vor dem 20. Jahrhundert war die Unabhängigkeit Brasiliens im Jahr 1822.266 Portugal integrierte sein Kolonialreich in sein nationales Bewusstsein ohne im 20. Jahrhundert daraus weitere Expansionsbedürfnisse abzuleiten. Nach einem etwas liberaleren Zwischenspiel nach Ende der Monarchie 1910 wurden 1926 mit dem Beginn der Militärdiktatur die Bases Orgânicas da Administração Colonial und 1930 der Acto Colonial erlassen. Darin wurde der Kolonialstatus festgeschrieben und das Ziel der »Zivilisierung« der eingeborenen Bevölkerung unter Achtung gewisser Rechte als Auftrag Portugals in seinen Kolonien festgelegt. Die wesentlichen Teile waren Angola, Moçambique, Guinea-Bissau, die Kapverden, Macau, Osttimor und schließlich der Estado da India mit Damão, Diu und Goa als wichtigstem Teil. Die weißen Portugiesen waren in den afrikanischen Kolonien bis Anfang der 1960er eine kleine Minderheit, danach fand eine zahlenmäßig stärkere und vom Regime geförderte Zuwanderung aus dem Mutterland statt. Im Zuge zunehmender internationaler Kolonialismuskritik und Vorgaben der un wurde der Acto Colonial 1951 verändert und die Kolonien in »Überseeprovinzen« umgewandelt. Faktisch waren die Veränderungen jedoch nur graduell. Die Unabhängigkeit von Belgisch-Kongo 1960 gab den Impuls für den Aufstand in Angola 1961. Erste Proteste richteten sich gegen Zwangsanbau von Baumwolle, entwickelten sich aber zu einem Massaker an weißen Siedlern. Ein legistisches Entgegenkommen Lissabons (etwa ein neues Wahlrecht) konnte den Guerillakrieg nicht mehr stoppen. Dieser Konflikt war der Beginn eines Kolonialkrieges, der bis 1974 dauern sollte

264 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 18.975-Pol/61, Zl. 18.975-Pol/61. Zur Lage in den portugiesischen Kolonien. Österr. Botschaft Bonn an BMfAA vom 22.2.1961, do. Zl. 201-Res/61. Auch andere Staaten nutzten Wien in diesem Sinne. Vgl. Schriffl, Grenze, 103f. 265 Vgl. António Henrique de Oliveira Marques, Geschichte Portugals und des portugiesischen Weltreichs (Stuttgart 2001). 266 Dies allerdings als Monarchie unter einem Vertreter des portugiesischen Königshauses mit habsburgischer Ehefrau, Kaiserin Leopoldina.

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und hauptverantwortlich für den Zusammenbruch des Regimes war.267 Im Dezember desselben Jahres 1961 ließ der indische Präsident Goa, Damão und Diu unter Einsatz von Waffengewalt stürmen. 1963 begann die Revolte in Guinea-Bissau unter ihrem Anführer Amílcar Cabral. 1964 begann die Frelimo (Frente de Libertação de Moçambique/Front zur Befreiung von Moçambique) unter Eduardo Mondlane den Kampf. In Angola waren fnla, mpla und unita aktiv, sowie eine eigene Bewegung für die Unabhängigkeit der Provinz Cabinda (flec).268 1966 kam es zu kommunistischen Unruhen in Macau, die eine faktische Machtübernahme Chinas in dem portugiesischen Territorium bedeutete (obwohl die portugiesische Souveränität über das Gebiet bis 1999 bestehen blieb). Portugal wurde nicht nur vor den un unter Druck gesetzt, seine Kolonien aufzugeben, wobei die nordeuropäischen Staaten federführend waren, sondern auch von den usa. Salazar widersetzte sich jedoch dem Druck und führte seine Politik ebenso wie sein Nachfolger Caetano unbeirrt weiter. Die zunehmende Missstimmung im Militär und die hohen Ausgaben für den Krieg waren schließlich ein Hauptgrund für das Ende des Regimes 1974 und den folgenden Verlust der Kolonien 1975. Es ist hochinteressant, die Eindrücke zu sichten, die die österreichische Diplomatie vom Streben Portugals zur Erhaltung seines Kolonialreiches im Laufe der Jahre sammeln konnte und wie sich das Bild dieses Überseebesitzes erstaunlich langsam verändert. In deren Haltung in Bezug auf portugiesische Herrschaft über afrikanische und asiatische Gebiete wird eine ähnlich milde Position – man ist oft versucht zu sagen des Wohlwollens – eingenommen, die auch die Kritik an den diktatorischen Verhältnissen prägt  : Ihr Anachronismus im Vergleich mit der österreichischen Demokratie ist nicht zu leugnen, der Vergleich mit »noch schlimmeren« Verhältnissen anderswo scheint aber sowohl für das europäische Mutterland als auch für die Kolonien das entscheidende Kriterium gewesen zu sein. Die Änderungen des Jahres 1951 im Acto Colonial, der seit 1930 die Beziehungen der Metropole zu den Kolonien regelte, wurden zu Recht als »rein formaler Natur« erkannt. Die Kolonien wurden nun in »überseeische Gebiete« bzw. »überseeische Provinzen« umbenannt, zumindest in Indien und Macau wurde der Terminus »Eingeborener« abgeschafft, weiter hatte dieser jedoch in Afrika Bestand. Zudem wurde trotz Vorstößen von Abgeordneten der Nationalversammlung in dieser Richtung keine völlige Rechtsangleichung zwischen den Bewohnern des Mutterlandes und den Kolonien vorgenommen.269 267 Vgl. John Cann, Counterinsurgency in Africa  : the Portuguese way of war, 1961–1974 (Westport, Conn. 1997). 268 Elmar Windeler, Angolas blutiger Weg in die Moderne  : portugiesischer Ultrakolonialismus und angolanischer Dekolonialisationsprozess (Berlin 2008)  ; Dalila Cabrita Mateus, A Luta pela Independência. A Formação das Elites Fundadoras da Frelimo, MPLA e PAIGC (Lissabon 1999). 269 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 136.199-Pol/51, Zl. 136.199-Pol/51. Änderung der port. Verfassung. Halusa an Schmid vom 7.6.1951, do. Zl. 22-Pol.

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Eine ganz ähnliche Haltung wie jene gegenüber dem Regime im Allgemeinen ist bei der Frage der Herrschaft Portugals und seines Kolonialsystems über die lokalen schwarzen Bevölkerungen zu bemerken. Einerseits wird hier das erwähnte milde Urteil über das System selbst (das zumindest formal als weit weniger rassistisch zu bezeichnen ist, als die entsprechenden Regelungen im Rest Afrikas) einen Beitrag leisten, zum anderen müssen hier auch Bild und Umgang mit Menschen afrikanischer Herkunft im jeweils zeitgenössischen Umgang ins Kalkül gezogen werden. Doch trotz dieser Einschränkungen ist es hochinteressant, die Einschätzung der Diplomaten eines demokratischen Landes nach dem Zweiten Weltkrieg, das selbst keine umfangreiche oder dauerhafte Kolonialerfahrung mitbringt, gerade in ihrem sprachlichen Duktus zu beleuchten. Die ersten Erwähnungen der portugiesischen Kolonien in österreichischen Nachkriegsdokumenten bezogen sich noch auf reine Handelsfragen. Welche Güter und vor allem Rohstoffe von dort importiert werden konnten, hatte Priorität. Die Auseinandersetzung mit Wesen und Charakter der »Eingeborenen« begann erst mit auftretenden Konflikten zwischen Kolonialmacht und Lokalbevölkerung, die ein internationales Echo fanden. Ein erstes Beispiel dafür sind die Unruhen in São Tomé und Príncipe im Golf von Guinea Anfang 1953. Nach deren Ende berichtete Filz über Ursachen und Umstände  : »Dass hiebei Blut vergossen werden musste, braucht nicht so ernst genommen werden. Je nach den Breitengraden herrschen verschiedene Ansichten über den Wert und Unwert der Dinge. Die Ursache war folgende  : Die einheimischen Neger ›Tongas‹ sind nur schwer dazu zu bringen zu arbeiten (…). Nun hat kürzlich der Gouverneur, ein energischer Artillerieoffizier, zu den Erweiterungsarbeiten des Hafens zwangsweise die eingeborenen Tongas rekrutieren wollen, was einigen intellektuellen Hitzköpfen die Gelegenheit gegeben hat, die dadurch entstandene Unzufriedenheit zu einer Revolte zu entfachen. Die Staatspolizei des Mutterlandes wird zwar eine [nicht zu entziffern, Anm. d. Verf.] veranstalten, um festzustellen, ob nicht kommunistische Quertreibereien dabei eine Rolle gespielt haben  ; es handelt sich jedoch um einen Sturm im Wasserglas. (…) Der entstandene Lärm ist keineswegs symptomatisch.«270 Viel interpretatorisches Feingefühl ist hier nicht vonnöten. Ob es ernstgenommen werden muss, ob Blut fließt oder nicht, hängt demnach vom Breitengrad ab, im Süden ist es offenbar nicht so schlimm. Die Zwangsarbeit wird als notwendige Maßnahme, derjenige, der sie durchsetzt, als »energisch« positiv apostrophiert. Organisierter Widerstand dagegen ist »intellektuellen Hitzköpfen« zuzuschreiben. Dies aus der Feder eines Mannes, in dessen Land es zu diesem Zeitpunkt wohl sehr ernstgenommen worden wäre, wenn in einem Arbeitskonflikt Blut geflossen wäre und wo Zwangsarbeit nicht nur ver270 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 318.130-Pol/53, Zl. 318.130-Pol/53. Unruhen in S. Tomé und Principe. Filz an Schmid vom 27.2.1953, do. Zl. 4/Pol.

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boten, sondern die Arbeiterrechte von Gewerkschaften und öffentlich-rechtlichen Körperschaften wahrgenommen wurden. Das Auftreten gegen Zwangsarbeit wäre in Mitteleuropa wohl nicht als »intellektuelle Hitzköpfigkeit« qualifiziert worden. Es bestand also ein Unterschied in der Wahrnehmung der Dinge »je nach Breitengrad«. Dass allerdings Österreich bzw. seine Diplomatie und Politik in internen Papieren dem portugiesischen Regime wohlwollender gegenüberstand und sich auch nur viel langsamer von ihm distanzierte als vergleichbare Länder wie etwa Schweden, ist bemerkenswert und nicht nur taktischen Überlegungen etwa im Rahmen der un geschuldet. Ein gewisses autoritäres Erbe kann hier anhand der Indizien bei aller Vorsicht wohl in Rechnung gestellt werden. Bei der Beurteilung der Religionsverhältnisse in den Kolonien ist die Herkunft des Berichterstatters aus dem katholischen Europa unverkennbar, wenn beklagt wird, dass die »Versäumnisse« einer unzureichenden katholischen Missionstätigkeit sich besonders in Moçambique insofern »rächen« würden, »als dort inzwischen die islamische Religion (…) so an Boden gewonnen hat, dass ihr bereits fast 1/5 der gesamten eingeborenen Bevölkerung Moçambiques angehört«. Die dort bei Indern verbreitete Sekte des Aga Khan wäre »eine aktive Vorhut der mohammedanischen Expansion«.271 Bei Wahlen wurden in den Kolonien nur solche Schwarze zugelassen, die als »civilisados« galten. Dafür mussten sie in festen Ansiedlungen nach europäischem Muster leben. Zu diesem Leben gehörte nach verschiedenen Quellen »in erster Linie sonntäglicher Kirchenbesuch«.272 Die Lage in den portugiesischen Kolonien sollte einer der wichtigen Berührungspunkte zwischen den beiden Ländern werden, vor allem wegen der zunehmenden Internationalisierung der mit diesem Fragenkomplex zusammenhängenden Konflikte und Probleme vor den un. Der erste Konfliktherd in diesem Zusammenhang war der Estado da India mit Goa, Diu und Damão auf dem indischen Subkontinent. Die Haltung Portugals war kompromisslos, auf historische Rechtstitel gegründet und sollte bis zur Nelkenrevolution auch nicht mehr geändert werden. Wie dem österreichischen Gesandten im portugiesischen Außenamt vertraulich mitgeteilt wurde, war man sich in portugiesischen Regierungskreisen bereits 1954 bewusst, dass der Estado da India nicht zu halten sein würde, allerdings wäre dies eine Frage des Prestiges und möglicher Auswirkungen auf die anderen portugiesischen Übersee­gebiete.273 Bereits Mitte 1953 war die indische Gesandtschaft in Lissabon geschlossen worden (die Tätigkeit

271 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 133.443-Pol/51, Zl. 133.443-Pol/51. Die katholische Kirche in Portugal und seinen Kolonien. Halusa an Schmid vom 3.3.1951, do. Zl. 7-Pol/51. 272 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 323.055-Pol/53, Zl. 325.467-Pol/53. Wahlen in Portugal. Filz an Vollgruber vom 10.11.1953, do. Zl. 50/Pol. 273 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl., Zl. 145.582-Pol/54. Besetzung portugiesischer Gebietsteile in Indien. Seemann an Figl vom 26.7.1954, do. Zl. 8/P–54.

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wurde schon Ende 1952 eingestellt), ohne die diplomatischen Beziehungen ganz abzubrechen, da Portugal nicht über die Übergabe verhandeln wollte. Die portugiesische Gesandtschaft in Neu-Delhi blieb zunächst (bis Mitte 1955) ebenso geöffnet wie das indische Generalkonsulat in Goa. Das portugiesische militärische Personal in Indien bestand – alten Handels- und Logistikwegen entsprechend – aus »Negern von Mozambique«, die »gefürchtet und keineswegs beliebt« wären, da sie »einer hochgewachsenen Rasse angehören und der indischen Bevölkerung gegenüber einen etwas verächtlichen Hochmut zur Schau tragen« würden. Die geplanten Verstärkungen sollten daher aus weißen Soldaten aus dem Mutterland bestehen. Trotzdem ortete man Anfang der 1950er keine »wirkliche Irredenta«, zumal sich in Moçambique zahlreiche Inder angesiedelt hätten, an deren Loyalität zu Portugal kein Zweifel bestünde.274 Portugal sah sich, was seine Kolonien betraf, quasi von der Unabhängigkeit Indiens vom Vereinigten Königreich bis zur Nelkenrevolution in Verteidigungshaltung. Österreichs Haltung war intern von Verständnis für Portugal geprägt, auf der Weltbühne auch von politischem Kalkül  : Man kritisierte Portugal so viel wie notwendig, um eigene politische Interessen (Südtirol, Image bei den afrikanischen Staaten etc.) nicht zu gefährden, ansonsten aber so wenig wie möglich. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit diese Haltung aus reiner Konfliktvermeidung oder aus ideologischer Nähe mancher Diplomaten und Funktionsträger auf österreichischer Seite resultierte. Nachdem sogenannte »Freiwilligenverbände« Angriffe auf portugiesische Gebiete in Indien, namentlich in Damão, durchgeführt hatten, der befürchtete Sturm auf Goa aber ausblieb, schlug die portugiesische Regierung zunächst eine Beobachtermission im umstrittenen Gebiet vor und versuchte, internationale Unterstützung zu mobilisieren. Am 28. August 1954 wurde auch Österreichs Vertreter (zu diesem Zeitpunkt Herr Fischer) ins Außenamt gebeten und ihm erklärt, die Portugiesen hofften, dass erstens diplomatische Vertreter dritter Staaten bei der indischen Regierung intervenieren mögen und diese auf die Folgen ihres Vorgehens aufmerksam machten oder die Bundesregierung in der österreichischen Presse eine Deklaration veröffentlichen würde, in der sie die Politik Portugals gutheißt oder zumindest ihrer Hoffnung auf eine friedliche Lösung Ausdruck verleiht. Fischer sollte der österreichischen Regierung auch mitteilen, dass Portugal im Notfall auch Waffengewalt zur Verteidigung seiner Rechte anwenden würde. Der Österreicher übermittelte sogar auf eigene Initiative eine Presseaussendung der Portugiesen über die philippinische Haltung, »die allenfalls als Muster für eine derartige Aussendung der österreichischen Regierung dienen könnte«.275 Die Reaktion des Ballhausplatzes ist nicht über274 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl., o.Zl., Portugiesisch-indische Spannung. Filz an Schmid vom 16.6.1953, do. Zl. 23/Pol. 275 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl., Zl. 146–844-Pol/54. Bitte der portugiesischen Regierung um Unterstützung. Fischer an Figl vom 28.8.1954, do. Zl. 12-P/54. Sehr dringend  !

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liefert, es dürfte aber zu keiner dementsprechenden Aktion Wiens gekommen sein, zumal eine solche für Österreich auch insofern ungewöhnlich bis schwierig gewesen wäre, als es zu diesem Zeitpunkt noch nicht seine volle außenpolitische Handlungsfreiheit wiedererlangt hatte. Mit solchen Formalitäten – zumal in einer solch krisenhaften Situation – hielten sich die Portugiesen allerdings nicht lange auf. Im folgenden Jahr wurde aus dieser Frage heraus auch der Besuch Nehrus in Wien zum Thema der österreichisch-portugiesischen Beziehungen. Im Vorfeld dieses Besuches sprach der portugiesische Gesandte in Wien im Auftrag seiner Regierung beim Generalsekretär des bk a-a a Heinrich Wildner vor. Portugal verstünde das österreichische Interesse an diesem Staatsbesuch, Gesandter Pile wies aber darauf hin, dass seine Regierung eine sofortige Gegenerklärung abgeben würde, wenn während des Besuches die Frage der portugiesischen Kolonien in Indien zur Sprache komme. Außerdem wies er auf eine geplante Reise des indischen Kardinals von Bombay durch Europa inklusive Österreich bin, bei der dieser angeblich bei den Katholiken der besuchten Länder Verständnis für den indischen Standpunkt wecken solle276. Zumindest im den Besuch Nehrus verkündenden Artikel der Arbeiter-Zeitung war zwar viel von Antikolonialismus und der Neutralität beider Länder die Rede, nicht aber vom Konflikt Indiens mit Portugal.277 Kurz nach dem Besuch in Wien begann die »heiße Phase« der Auseinandersetzungen  : Zum indischen Nationalfeiertrag am 15. August 1955 marschierten Tausende unbewaffnete Inder auf die portugiesischen Gebiete in Indien zu, um diese friedlich zu besetzen. Die portugiesischen Behörden antworteten mit Waffengebrauch, was Tote und Verletzte zur Folge hatte und zum Scheitern der Aktion führte.278 Daraufhin wurden auch das indische Generalkonsulat in Goa und die portugiesischen General- bzw. Honorarkonsulate in Bombay, Kalkutta und Madrasta geschlossen und die Beziehungen mit 1. September abgebrochen.279 Hätte Nehrus Besuch in Wien drei Monate später stattgefunden, wäre dieses Thema wohl auch dort zur Sprache gekommen. Mit den Krisen im Kolonialreich begann auch der Kampf Portugals um die öffentliche Meinung zum Thema im In- und Ausland. Pompöse Inspektions- und Informationsreisen des Staatspräsidenten und anderer Würdenträger sollten die Einheit Portugals mit seinen Überseegebieten demonstrieren. Deren »Ergebnis« war die Einschätzung der Lage durch ausländische Beobachter und diplomatische Vertreter, die den Versuch unternehmen mussten, zwischen Propaganda und Wirklichkeit zu 276 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 322.690-Pol/55, Zl. 322.690-Pol/55. Vorsprache des portugiesischen Gesandten. AV vom 6.6.1955. 277 Arbeiter-Zeitung vom 26.6.1955, Nehrus Besuch, 3. 278 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 324.466-Pol/55, o.Zl. Verlauf des 15. August 1955 im »Estado da India«. Fischer an Figl vom 20.8.1955, do. Zl. 16-Pol/55. 279 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 324.467-Pol/55, o.Zl. Schliessung der port. Konsulate in Indien und des ind. Generalkonsulates in Goa. Fischer an Figl vom 20.8.1955, do. Zl. 17-Pol/55.

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unterscheiden. Dabei floss auch deren subjektive Erfahrung und wohl auch Einstellung mit ein. Anlässlich der Reise des Präsidenten Craveiro Lopes durch Angola, Moçambique, São Tomé und Príncipe übermittelte im Mai 1955 nach dem bereits abgelösten Filz nun Fischer seine Einschätzungen zur portugiesischen Afrikapolitik nach Wien. Es sei – so der Berichterstatter – aufgrund des autoritären Charakters des Regimes nicht verwunderlich, dass der Besuch ohne besondere Vorkommnisse abgelaufen sei, man müsse dabei aber auch berücksichtigen, dass es Portugal die Bevölkerungen seiner überseeischen Gebiete »seit jeher (…) einerseits durch eine überaus weitgehende rassische Toleranz an sich zu fesseln [versuche] und andererseits, speziell auf dem afrikanischen Kontinent, durch eine sehr mäßige und zögernd durchgeführte Erziehung (Schulen) die einheimische Bevölkerung schädlichen auswärtigen Einflüssen gegenüber immun zu erhalten. So ist Portugal wohl heute noch einer der ganz wenigen europäischen Staaten, der mit der Bevölkerung seiner überseeischen Besitzungen im besten Einvernehmen lebt und der es erreicht hat, dass jeder angolanische Neger oder Angehöriger von Volksstämmen, die Moçambique oder Guiné bewohnen, in erster Linie – auch wenn er weder lesen noch schreiben kann – überzeugter Portugiese ist und sich somit als gleichwertiges Mitglied einer bedeutenden Nation fühlt«.280 Mangelnde bzw. bewusst vorenthaltene Bildung stellt sich hier also als »Schutz vor schädlichen Einflüssen« dar. Ein – vorsichtig formuliert – sehr paternalistischer Ansatz, der einer Broschüre der União Nacional entnommen sein könnte. Es ist auch interessant zu sehen, dass es nicht aufzufallen scheint, dass auch im Mutterland zu dieser Zeit noch eine Analphabetenquote von rund 50 Prozent herrschte und diese – da das Wahlrecht auch an die Fähigkeit des Lesens und Schreibens gebunden war – dazu führte, dass ein großer Teil des europäischen Portugal nicht einmal zu den abgehaltenen Scheinwahlen zugelassen werden konnte. Die Selbstverständlichkeit der Annahme, dass ein »Neger«, der des Lesens und Schreibens mächtig war und – wie oben zitiert – den sonntäglichen Kirchgang pflegte, zivilisatorisch zu den »echten« Portugiesen aufgeschlossen hätte, die doch zu einem erklecklichen Prozentsatz ebensolche Analphabeten waren wie jene »Neger«, die es »vor schädlichen Einflüssen von außen« zu schützen galt, zeigt die damals noch allgegenwärtige Überzeugung von der Ungleichwertigkeit der Menschen in Afrika im Vergleich zu den Europäern. Dieser »koloniale« Blick bedurfte also keiner eigenen Kolonialerfahrung  ; wie das Beispiel Österreich hier zeigt, genügte ein christlicheuropäisch-weißer Blickwinkel. Der Staatsbesuch des portugiesischen Präsidenten in London 1955, der nicht nur mit großem Pomp, sondern auch unter Beteiligung hochrangiger portugiesischer 280 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 322.780-Pol/55, Zl. 322.780-Pol/55. Reise des Staatspräsidenten nach den überseeischen port. Territorien Guiné, Cabo Verde und Madeira. Fischer an Figl vom 31.5.1955, do. Zl. 7-Pol/55.

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Außenamtsbeamten durchgeführt wurde, diente neben der erwähnten Befestigung der wirtschaftlichen Beziehungen im Interesse Großbritanniens auch der Befestigung des Status Portugals als Kolonialmacht und als ältestem Verbündeten des Vereinigten Königreichs, dessen Hilfe man sich für die Auseinandersetzungen um die überseeischen Gebiete erwartete. Für den österreichischen Beobachter »zwang« dabei die französische Afrikapolitik, die »einen Unruheherd von nicht unbedeutendem Ausmaß ausgelöst hat, (…) zu einem Vergleich mit der portugiesisch-afrikanischen Politik, die in ihren überseeischen Gebieten eine Stabilität erreicht hat, an der auch die englische Politik nicht vorübergehen kann.«281 Eine für heutige Begriffe wohl – vorsichtig formuliert – als überholt zu bezeichnende Haltung der Beziehung des Nordens zum Süden kam dabei auch in allgemeineren Fragen zum Ausdruck. Bei Gesprächen im portugiesischen Außenministerium mit dem dortigen politischen Direktor betreffend die Suezkrise und die portugiesische Kritik an der Desavouierung Großbritanniens und Frankreichs durch die usa widersprach der österreichische Gesandte. Er meinte einwenden zu müssen, »dass man die Vereinigten Staaten in eine Lage hineinmanövriert hat, in der sie sich unter Berücksichtigung der Präsidentenwahlen und im Hinblick auf die gesamte zum Ausdruck gekommene Haltung der Weltöffentlichkeit schwer anders verhalten konnten, um nicht den Rest des Prestiges der weißen Rasse gegenüber dem afrikanischen Block zur Gänze auf das Spiel zu setzen«.282 Ein bisschen klingt das, als wäre der Österreicher der Vertreter einer Kolonialmacht und nicht umgekehrt. Bald nach der Aufnahme der beiden Länder in die un und der damit verbundenen Internationalisierung der Frage der portugiesischen Überseegebiete verstärkten sich Bestrebungen der portugiesischen Regierung, diplomatischen Vertretern ebenso wie der Weltöffentlichkeit zu zeigen, wie stabil und ruhig die Lage auch in den Kolonien wäre. Gesandter Winterstein konnte daher schon 1957 von seiner ersten Dienstreise nach Angola berichten. Zuvor erkundigte er sich beim »Vertreter einer Großmacht« über Angola. Dieser meinte, von kommunistischer Tätigkeit wäre nichts zu bemerken, die »Neger stehen den Weißen misstrauisch aber lethargisch gegenüber« und die Behandlung der Eingeborenen durch die Portugiesen wäre »protective but sometimes brutal«.283 Dies sei hier deswegen erwähnt, da in zukünftigen Berichten der österreichischen Diplomaten nur mehr von der »protectiveness«, aber nie von der »brutality« die Rede sein sollte. Die Portugiesen versuchten die Einwanderung

281 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 325.682, o.Zl. Staatsbesuch des port. Präsidenten General Craveiro Lopes in England. Winterstein an Figl vom 19.10.1955, do. Zl. 21-Pol/55. 282 ÖStA/AdR, BKA-AA, o-Gr.Zl., Zl. 792.360-Pol/56. Port. Stellungnahme zur int. Lage. Winterstein an Figl vom 15.12.1956, do. Zl. 11-Pol/56. 283 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 223.211-Pol/57, Zl. 223.212-Pol/57. Angola – Dienstreise Gesandten Wintersteins. Berichtsauszug.

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vom Mutterland in die Kolonien zu forcieren, um den portugiesischen Charakter der Gebiete zu stärken, allerdings mit recht wenig Erfolg. Auswanderer gingen lieber nach Brasilien oder ins europäische Ausland als in die Überseegebiete. Jedenfalls stimmte der österreichische Gesandte der portugiesischen Regierung insofern zu, als er meinte, man könne die »portugiesische Mentalität, ihre Handlungsweise und Politik« nur verstehen, wenn man einmal in Angola gewesen sei.284 Der Gesandte besuchte auf seiner Reise auch Moçambique. Befreundete Diplomaten vor Ort erklärten ihm, dass es eine – wenn auch geringe – Unabhängigkeitsbewegung gäbe, die vor allem von Südafrika und Rhodesien beeinflusst wäre. Der Gesandte war jedoch der Meinung, dass sich gerade Moçambique »hüten sollte, nicht zu sehr in das Schlepptau der angrenzenden südafrikanischen Union zu kommen«. »Die Neger sprechen neben portugiesisch auch englisch (…). In Angola ist das ganz anders. Die Eingeborenen, die noch viel ursprünglicher und naturverbundener sind und auch so gehalten werden, sprechen portugiesisch und sind gewissermaßen stolz, als solche bezeichnet zu werden. (…) Zum besseren Verständnis des Eingeborenenproblems sei erwähnt, dass eine große Gruppe von Eingeborenen, die in den Diamantenminen in Johannesburg arbeiten, Kontakt mit der Außenwelt haben, von der Zivilisation bereits angesteckt sind (…). In Angola ist von dieser ›restlessness‹ überhaupt nichts zu bemerken (…). Man hat den Eindruck, als ob die Eingeborenen, die ja noch viel primitiver sind, zufriedener und insbesonders viel portugiesischer sind als in Moçambique.«285 Der österreichische Vertreter versucht einen objektiven Zugang zur Frage der Kolonien Portugals und seiner Bewohner, bleibt dabei aber dem paternalistischen Diskurs verhaftet, den auch die portugiesische Regierung pflegte. Dies wird besonders in der Gleichsetzung von Primitivität mit Zufriedenheit und Zivilisation und Ansteckung deutlich. Anfang der 1960er begann zunehmend der bewaffnete Konflikt in PortugiesischAfrika, wobei Waffenlieferungen etwa aus der Tschechoslowakei eine bedeutende Rolle einnahmen. Die Verschiebung des Fokus der portugiesischen Außenpolitik von Europa nach Afrika verstärkte sich noch weiter. Auch die beginnenden gewaltsamen Auseinandersetzungen veränderten das Bild der Österreicher von der portugiesischen Kolonialherrschaft nicht. Es wurde wiederholt auf die »im Laufe von mehreren Jahrhunderten gesammelte Erfahrung in der Behandlung eingeborener Bevölkerungen«, den Umstand, dass diese seit Jahrzehnten die gleichen Rechte genießen würden wie weiße Portugiesen, hingewiesen, auch wenn dies – wie eingeräumt wurde – faktisch nur dann zutraf, wenn der Eingeborene als »assimilado« »ein 284 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 223.211-Pol/57, Zl. 223.212-Pol/57. Angola – Dienstreise Gesandten Wintersteins. Berichtsauszug. 285 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 223.211-Pol/57, Zl. 223.211-Pol/57. Moçambique – Dienstreise Ges. Wintersteins. Berichtsauszug.

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gewisses Maß von Lebensstandard und Zivilisation erreicht hat«. Zwar müsste jeder Eingeborene sechs Monate pro Jahr arbeiten, dürfte dann aber zu seinem Stamm zurückkehren, sohin wären Vorwürfe der Unterdrückung und Zwangsarbeit in Angola und Moçambique unrichtig. Portugal würde seine Aufgabe in der »Erziehung« der Eingeborenen sehen, »eine Aufgabe, die natürlich nicht in einigen Jahren durchgeführt werden kann«. Der österreichische Gesandte konnte diesem Punkt einiges abgewinnen, wenn er ausführt, dass die »Ereignisse im Kongo (…) wiederum bewiesen [haben], wie vorsichtig vorgegangen werden sollte, wenn man den afrikanischen Völkern die Unabhängigkeit, insbesonders in einem Zeitpunkt ihrer Unreife, gewährt«. Zudem gäbe es keine Rassendiskriminierung wie in Südafrika und einen Anteil von 20 Prozent Mischehen. Das Land sah sich als »Vorposten der europäischen Verteidigung in Afrika« und gab bereits damals rund 30 Prozent seines Budgets für Verteidigung aus. Die österreichische Einschätzung in Bezug auf den Kampfeswillen Portugals in den Kolonien sollte sich als richtig herausstellen  : »Portugal wird einen Angriff auf seine überseeischen Besitzungen als einen Angriff auf Portugal selbst betrachten und für die Verteidigung mit der Waffe in der Hand kämpfen.«286 Die Topoi der »Unreife« und der »Erziehung« kommen in diesem Diskurs immer wieder vor. Auch wenn etwa die »jahrhundertelange Erfahrung« ein Widerspruch zu der immer noch nicht erreichten »Zivilisierung« ist, wird die Gesamtsicht auf die portugiesische Kolonialherrschaft nicht verändert. Dies mag zum einen daran gelegen haben, dass man diese Sicht bis zu einem gewissen Grad geteilt hat und zum anderen das Bild der noch wesentlich härteren Kolonialregime im Rest Afrikas vor Augen hatte. Die Einschätzung einer gewissen »Unreife« der afrikanischen politischen Klasse ist aber nicht exklusiv im eher konservativen österreichischen Außenamt zu finden. In einem Leitartikel über die Zustände im Kongo fallen in der Arbeiter-Zeitung ähnliche Worte, wenn auch in semantisch geschickter Abwandlung. Zwar heißt es  : »Zweitens sind die neuen Politiker im Kongo wie die Kinder.« Um sich von der konservativen Seite abzugrenzen, heißt es aber gleich darauf  : »Es ist eine alte reaktionäre Phrase, dass die afrikanischen Völker für die Unabhängigkeit noch nicht ›reif‹ sind. Die Kongoneger sind ›reif‹, sie haben nur keinerlei Erfahrung. (…) Die Wilden bleiben aber wild, auch wenn man sie über Nacht selbständig erklärt. (…) Diese Politiker werden einige Monate oder vielleicht sogar einige Jahre brauchen, um das nachzuholen, was die belgischen Kolonialisten an ihnen versäumt haben. (…) Die Kinder müssen rascher heranwachsen, die Wilden müssen sich rascher zivilisieren als bisher.«287 Abseits einer etwas bemüht wirkenden Abgrenzung zur »Reaktion« schimmert hier ein doch sehr ähnliches Menschenbild im Zentralorgan der spö durch. 286 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 82.067-Pol/60, Zl. 82.067-Pol/60. Portugal und die Ereignisse in Afrika. Winterstein an Kreisky vom 10.8.1960, do. Zl. 9-Pol/60. 287 »Das Tohuwabohu im Kongo«, Arbeiter-Zeitung vom 10.8.1960, 1f.

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1960 wurde Portugal – wie oben bereits erwähnt – von den un zur Auskunftserteilung über seine überseeischen Gebiete verpflichtet. Die zugrundeliegenden Vorwürfe lauteten auf Sklaverei, Zwangsarbeit, Afrikaner müssten ihre eigen Kultur aufgeben, um assimiliert zu werden und dadurch die gleichen Rechte wie weiße Portugiesen zu erhalten, der Lebensstandard wäre äußerst schlecht, die Hälfte der Neugeborenen in Moçambique würde in den ersten sechs Lebensmonaten sterben u. v. m. Das Urteil des neuen österreichischen Botschafters in Lissabon, Ender, war eindeutig  : »In Wirklichkeit ist es nicht halb so schlimm  !« Auch wenn »manchmal die Methoden, mit denen die Eingeborenen zum sechsmonatigen Arbeitsvertrag veranlasst werden, keiner strengen Kritik standhalten. Körperliche Strafen sind erst seit kurzem aufgehoben worden und noch heute sind Ohrfeigen das natürlichste und approbateste Mittel, um die Schwarzen zur Arbeit anzuhalten. Alle Schwarzen in den Hauptstädten von Angola und Moçambique müssen sich durch eine vom Arbeitgeber täglich abgestempelte Identitätskarte ausweisen können, sogar die schwarzen Diener der dortigen Konsulate  ! Eine sicherlich strenge Maßnahme, durch die jedoch die portugiesischen Behörden – das ist in diesem Falle die überaus tüchtige, alle Bevölkerungskreise erfassende und streng disziplinierte Polizei – die Ansammlung gefährlicher Elemente und eines Proletariates verhindern«.288 Auch wenn die koloniale Herrschaft Portugals sicher mit anderen Methoden vorging als etwa jene Belgiens im Kongo, ist doch interessant, wie wenig hier die portugiesische Politik hinterfragt wird und wie sehr die gesellschaftlichen und sozialen Positionen geteilt werden. Nicht zuletzt ist es fast eine Ironie, dass der österreichische Botschafter seinem Minister Kreisky von der spö begeistert berichtet, wie effizient die portugiesische Polizei die »Ansammlung eines Proletariates« verhindert. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein Bericht etwa aus Osteuropa über solche polizeilichen Maßnahmen anders gefärbt gewesen wäre. Natürlich erkannte man auch von österreichischer diplomatischer Seite, dass die Propaganda über das Zusammenleben von Schwarz und Weiß in Afrika nicht der Wahrheit entsprach.289 Umso valider ist jedoch die Beobachtung, dass das portugiesische Kolonialregime im Vergleich als milde und zumindest in seinen Ansätzen als nicht ganz verdammenswert empfunden wurde. Anfang 1963 war die Lage in den Überseegebieten militärisch wegen vieler kleinerer Überfälle und Gefechte dramatisch und finanziell kaum noch tragbar. Portugal verwendete zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als ein Drittel seines Budgets für Militärausgaben und dabei vor allem für die Aktionen in Angola. Zusammengefasst 288 ÖStA/AdR, BMfAA, o.Gr.Zl., o.Zl. Die Sorgen Portugals um seine überseeischen Kolonien. Ender an Kreisky vom 25.11.1960, do. Zl. 15-Pol/60. 289 ÖStA/AdR, BMfAA, o.Gr.Zl., o.Zl. Angola vor dem Sicherheitsrat. Ender an Kreisky vom 14.3.1961, do. Zl. 17-Pol/61.

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klang das im Bericht nach Wien so  : »Überall Sorgen, nichts als Sorgen  ! Und eine Hartköpfigkeit, alle Reserven, alles noch vorhandene Geld aufs Spiel zu setzen, um vielleicht doch noch zu retten, was zu retten ist.«290 Ähnlich wie in Bezug auf die Lage im Mutterland trat auch in Bezug auf die Lage in den Überseegebieten und Portugals Rolle mit 1963 berichtsmäßig eine gewisse Ernüchterung ein. Die wiederholten Erklärungen über eine vielhundertjährige »convivência« und Aufbauarbeit werden nicht mehr so unkritisch gesehen, der Umstand, dass die Zwangsarbeit erst kürzlich abgeschafft worden sei und die lokalen Verwaltungen in Afrika gegenüber der Zentrale in Lissabon keinerlei Rechte besäßen. Das Urteil, dass von einem Portugal, das auch im Mutterland nicht über eine vierjährige Pflichtschule hinausgekommen sei und auch der Bevölkerung im europäischen Teil des Landes kaum Freiheiten einräumt, nicht viel für die Hebung des Bildungsniveaus der afrikanischen Bevölkerung erwartet werden kann,291 klingt im Vergleich zu den Lobeshymnen wenige Jahre zuvor reichlich desillusioniert. Und in Bezug auf vorgenommene Reformen lautet das Urteil »too little, too late«.292 1962 genehmigte man Botschafter Ender wieder eine Dienstreise nach Angola und Moçambique, um sich selbst ein Bild von den dortigen Zuständen zu machen. Seit dem letzten Besuch eines österreichischen Vertreters 1957 hatte sich an der (geopolitischen) Lage in Afrika und in den dortigen portugiesischen Provinzen einiges geändert. Erst Mitte 1964 besuchte Botschafter Ender auch wirklich Angola und Moçambique. Er setzte zunächst einen Vergleich, nämlich dass für die portugiesischen Überseeprovinzen die Unruhen von 1961 eine »Stunde Null« gewesen wären wie 1945 für Österreich. Seitdem sei der Glaube in das friedliche Zusammenleben von Weiß und Schwarz sehr erschüttert gewesen. Die Lage hätte sich inzwischen wieder verbessert, wäre aber nicht mehr wie zuvor. Dies sei auch notwendig gewesen, um Reformen anzustoßen. »Kurzum, es weht ein neuer, gesunder, wenn auch aus der Not geborener Wind  !« Trotz der Versuche, die Schulbildung für Eingeborene zu verbessern und dem – so Ender – Fehlen von Rassenvorurteilen bei den Portugiesen »muss doch festgestellt werden, dass dem Schwarzen überall die dienende Rolle zukommt und der Weiße der Meister ist«. Die Begeisterung eines schwarzen Provinzsekretärs, der im Gespräch mit dem Besucher von der Veränderung der sozialen Verhältnisse durch den Schulbesuch der Kinder vorschwärmte, quittierte Ender mit der Bemerkung  : »Beinahe möchte ich befürchten, dass sich dieser energische Mann

290 ÖStA/AdR, BMfAA, o.Gr.Zl., o.Zl. Die port. Überseeprovinzen zum Jahresanfang. Ender an Kreisky vom 29.1.1963, do. Zl. 3-Pol/63. 291 ÖStA/AdR, BMfAA, o.Gr.Zl., o.Zl. Abbruch der dipl. Beziehungen zwischen Äthiopien und Portugal. Ender an Kreisky vom 10.7.1963, do. Zl. 18-Pol/63. 292 ÖStA/AdR, BMfAA, o.Gr.Zl., o.Zl. Malaise nach der Entscheidung des Sicherheitsrates. Ender an Kreisky vom 10.8.1963.

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mit der Zeit zu einem kleinen Lumumba entwickeln könnte  !« Der Norden Angolas sei noch vom Aderlass des Sklavenhandels gezeichnet, der Süden jedoch von stolzen Farmern oder Viehzüchtern bewohnt. Moçambique wäre viel in den Städten stärker entwickelt, Lourenço Marques wirke eher international denn portugiesisch.293 Alles in allem zeichnete er ein positives Bild einer verstärkten Entwicklungsanstrengung, die nur sporadisch durch terroristische Angriffe gestört würde. Enders Nachfolger Hermann Gohn meinte sogar, da militärisch seit 1961 das Schlimmste überstanden sei, man sich an die regelmäßigen Verurteilungen durch die un gewöhnt hätte, die portugiesischen Militärausgaben wieder der Wirtschaft zugutekämen, die lächerlich niedrigen Steuern in Portugal noch Spielraum für eine Erhöhung böten und die usa unter Johnson eine pragmatischere Haltung einnähmen, könne er »vom Standpunkt einer neutralen Beobachtung« sagen, dass die beiden großen afrikanischen Besitzungen bis auf weiteres bei Portugal verbleiben würden. Auch er rief dabei die lange Anwesenheit der Portugiesen in Afrika in Erinnerung und den Umstand, dass »Portugal (…) keine Rassenvorurteile kennt«.294 Der Botschafter war schon bei seinem Antrittsbesuch beim Außenminister gedrängt worden, Portugiesisch-Afrika zu besuchen, die entsprechenden Einladungen würden so bald als möglich ergehen.295 Man war sich der Wichtigkeit der Information anderer in den un vertretenen Staaten durchaus bewusst. Er bereiste Portugiesisch-Afrika schließlich Mitte 1966 und berichtete, dass sich die Lage verbessert hätte, besondere Leistungen wären auf dem Schulsektor vollbracht worden, die Anwesenheit von Militär sei zwar da und dort notwendig, die Provinzen wären aber von innen her konsolidiert, die meisten Schwarzen würden eine Unabhängigkeit gar nicht wollen, Unruhe würde von außen hineingetragen.296 Gohn zog bei seiner Reise sogar quasi mitteleuropäische Vergleiche  : Er habe bei seinen Fahrten durch Angola und Moçambique unter den Schwarzen nur fröhliche und anscheinend zufriedene Menschen gesehen. Die wären ihm im Vergleich mit der Bevölkerung der Oststaaten positiv aufgefallen, »bei der ich den Eindruck hatte, dass sie jede Lebensfreude verloren hat«.297 Anfang 1969 konnte Botschafter Gohn seine Reise wiederholen und versuchte, dieselben Orte zu besuchen, die er schon drei Jahre zuvor gesehen 293 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 72.481-Pol/64, Zl. 74.988-Pol/64. Angola und Mocamique. Eindrücke einer Reise. Ender an Kreisky vom 10.7.1964, do. Zl. 17-Pol/64. 294 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 142.957-Pol/65, Zl. 14.641-Pol/65. Portugal und seine afrikanischen Besitzungen. Gohn an Kreisky vom 7.12.1965, do. Zl. 17-Pol/65. 295 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 131.132-Pol765, Zl. 131.132-Pol/65. Gespräch mit dem Außenminister Dr. Franco Nogueira. Gohn an Kreisky vom 22.1.1965, do. Zl. 1-Pol/65. 296 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 37.254-Pol/66, Zl. 50.757-Pol/66. Besuch des port. Außenministers in Wien vom 20.–25.2.1967. Information vom 2.1.1967. 297 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 31.411-Pol/66, Zl. 38899-Pol/66. Eindrücke aus Angola und Moçambique. Gohn an Tončić-Sorinj vom 8.6.1966, do. Zl. 13-Pol/66.

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hatte, um einen Vergleich ziehen zu können. Er fand dabei dasselbe Bemühen der Portugiesen vor und dieselbe Bereitschaft bei sich selbst, manchmal Erklärungen zu finden, die am Ende der 1960er andernorts schon eher nicht mehr herangezogen wurden. Angesichts voller Schulen mit Grundschülern und Schwarzen, die ein Handwerk lernten, aber nur einen bis zwei Prozent Eingeborenenanteil in Mittelschulen notierte er  : »Allerdings dürfte der allgemein bekannte Abfall des geistigen Aufnahmevermögens der Neger, das dem der weißen Rasse besonders in den höheren Klassen immer mehr zurückbleibt, auch in diesem Teil Afrikas nicht ohne Bedeutung sein.« Unabhängigkeitsbestrebungen gäbe es nur sporadisch und ohne konkrete Pläne für die Zukunft, ansonsten lebe man in einem großen Desinteressement dahin. Portugal brauche seine Kolonien für den wirtschaftlichen Austausch, da es nur dort seine Waren absetzen könne. Die Portugiesen hätten »zugegebenermaßen eine recht glückliche Hand in der Behandlung ihrer schwarzen Einwohner«. Das Verkehrswesen würde ausgebaut und österreichische Firmen hätten bereits Chancen wahrgenommen wie Wagner-Bíro in Moçamedes, andere hätten noch Chancen – etwa beim Straßenbau. Gohn bemerkte die starke Präsenz japanischer Handelswaren vom Auto bis zum Radio. Auf Nachfrage, warum dies so sei, erklärte man ihm, die Japaner würden auch für kleine Geschäfte Manager persönlich nach Afrika schicken, österreichische Firmen würden nur schriftlich verkehren und das nur sehr lax. Die Österreicher versuchten möglichst wenig Aufhebens um die Reise ihres Botschafters zu machen, um sie nicht als Propagandafahrt für das Regime erscheinen zu lassen. Gohn war sogar entsprechend instruiert worden, die Publizität nicht zu suchen.298 Auch sein Nachfolger Heinrich Calice wurde 1973 zu einer Informationsreise nach Angola und Moçambique eingeladen. Nachdem Österreich zu diesem Zeitpunkt aber Mitglied des Sicherheitsrates der un war, war man besonders vorsichtig und wollte am internationalen Parkett nicht auffallen. Daher wurden Erkundigungen eingeholt, ob die anderen aktuellen Missionschefs in Lissabon diese Reise schon gemacht hätten. Zudem sollte eine etwaige Reise nicht während der von den un ausgerufenen Solidaritätswoche für die in Afrika um ihre Unabhängigkeit kämpfenden Völker durchgeführt werden.299 Vieles musste nun beachtet werden. Bei der jährlichen Portugalresolution enthielt sich Österreich 1973 der Stimme.300 Die Informationsreise konnte trotzdem angetreten werden.

298 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 154.869-Pol/69, Zl. 154.869-Pol/69. Eindrücke aus Angola und Moçambique. Gohn an Waldheim vom 18.3.1969, do. Zl. 2-Pol/69. 299 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 30.463-Pol/73, Zl. 31.408-Pol/73. Botschafter Dr. Calice, Dienstreise nach Angola und Moçambique. AV und EB vom 26.1.1973. 300 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 30.800-Pol/73, 49.872-Pol/73. 28. UN-GV  ; Portugal-Resolution  ; Abstimmung im Plenum. AV und Depesche vom 21.11.1973, do. Zl. 55569.

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Medien Portugal und sein Regime trafen in Österreich medial durchaus auch auf positive Resonanz. 1957 veröffentlichte Hans Sokol in Graz eine erste deutschsprachige Biographie Salazars, die eher zur Hagiographie geriet und verursachte damit einen – wenn auch kleinen – Skandal. Er wurde mit seinem Buch sogar in Die Zeit besprochen, fiel dort aber aufgrund seiner einseitigen Kritiklosigkeit völlig durch. Die Rezensentin schrieb  : »Aber wie schlecht hat er das gemacht  : Dem Autor ist nämlich viel weniger daran gelegen, eine Lücke in unserem Wissen zu schließen, als daran, seine eigene ständisch-autoritäre Ideologie an den Mann zu bringen.«301 Hubert von Breisky veröffentlichte 1959 sein Buch »Der Koloss  : Ein Afrika-Roman«, das in der portugiesischen Presse sehr positiv besprochen wurde, da es die portugiesischen Gebiete in Afrika und deren Verwaltung äußerst positiv darstellte und auch in Bezug auf die Eingeborenen dem »erzieherischen« Duktus der portugiesischen Regierung übernahm. Zitiert wurde er mit folgenden Sätzen  : »Im Vergleich mit anderen afrikanischen Gebieten, in denen Europa dem Schwarzen gegenüber falsch gehandelt hat, besteht dort kein Klassenunterschied zwischen weiß und schwarz. Der Neger hat eine kindliche Mentalität und Kindern kann man kein rein abstraktes Wissen, sondern eben sittliche und ethische Grundsätze beibringen.« Zur Aufholung des »kulturellen Rückstandes« bräuchte es »vor allem Zeit und Ruhe, Bedingungen, welche in den afrikanischen Überseeprovinzen Portugals bereits vorhanden sind und die dort weiterhin bestehen werden«, so der portugiesische Rezensent.302 Breisky war in Wien geboren worden, lebte aber immer wieder in Portugal und starb auch dort 1967. Ein Mann, der uns schon begegnet ist und der für die Beziehungen zwischen Österreich und Portugal noch wichtig werden sollte, fiel am Tejo ebenfalls zuerst als Publizist auf  : Lujo Tončić-Sorinj. Im Mai 1959 wurde im Diário da Manhã ein Artikel Tončićs im Europa-Archiv besprochen, der sich mit dem portugiesischen Kolonialreich befasste und die Leistung seiner Errichtung wie jene seiner Erhaltung bis ins 20. Jahrhundert als »Zeugnis abendländischer Tatkraft, auf das alle Europäer stolz sein können«, darstellte. Hervorgehoben wurde darin auch die Gleichberechtigung vor dem Gesetz ohne Rassenunterschiede. Der Estado Novo wird in dieser Beschreibung von Tončićs Artikel als »Wiedergeburt [zitiert], welche diejenige der pombalinischen Zeit weit übertrifft«.303 Solche publizistischen Äußerungen ausländischer

301 »Philosoph und Diktator« Die Zeit vom 24.10.1957. http://www.zeit.de/1957/43/philosoph-und-diktator/komplettansicht. 302 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 74.240-Pol/60, Zl. 74.240-Pol/60. »Jornal do Comércio« vom 22.1.1960. »Horizont«, do. Zl. 800-A/60. 303 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl., o.Zl. »Diário da Manhã« vom 5.5.1959. »Ein ausgezeichneter Artikel der österr. Rundschau ›Europa-Archiv‹ über die portugiesische Kultur in Asien« do. Zl. 1621-A/59.

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Politiker und Wissenschaftler passten gut ins Bild der portugiesischen Propaganda und wurden gerne genutzt. Tončić-Sorinj stand dabei mit seiner Einschätzung nicht alleine da und seine Tätigkeit fand Widerhall in offiziellen portugiesischen Kreisen  : Der Nationalratsabgeordnete der övp wurde von der portugiesischen Regierung eingeladen, Angola und Moçambique zu besuchen. Davor wurde ihm eine Audienz bei Salazar gewährt, keine Selbstverständlichkeit, und da der Ministerpräsident ausländische Gäste lieber alleine empfing, durfte der österreichische Botschafter nicht mit.304 Tončić-Sorinj verfasste eine detaillierte Aufzeichnung über sein einstündiges Gespräch mit Salazar, das ihm zufolge in sehr herzlicher und ungezwungener Atmosphäre stattfand. Auch er beschreibt die einfache Lebensführung des Ministerpräsidenten in fast klösterlicher Einfachheit. Salazar sei gealtert, aber rüstig, zudem nicht – wie oft behauptet würde – in der Vergangenheit verhaftet, sondern aufgeschlossen für die aktuellen Probleme. Salazar befragte Tončić über Österreich, etwa die Lage in der Koalition oder die Haltung zur ewg, wobei er deren politischen Charakter hervorhob und die damit verbundenen Probleme. Er zeigte sich wohl informiert über den Ostblock und meinte, dass die Sowjetunion in längstens einer Generation ihre Satelliten nicht mehr würde kontrollieren können. Zu Albanien, bei dem ihn der Einfluss Chinas interessierte, meinte er  : »Österreich hat vor dem ersten Weltkrieg Albanien gegründet, Albanien ist Ihre Aufgabe.« So wie Portugal freie Hand in seinen überseeischen Gebieten bräuchte, müsste die Politik Österreichs wegen seiner Aufgabe im Osten auch in Wien entschieden werden und nicht anderswo. Nach einer tour d’horizon durch die aktuelle Weltpolitik bezeichnete er Angola und Moçambique nach der Verbesserung der militärischen Lage als »westliche Länder auf afrikanischem Boden«. Zum Schluss betonte er, Europa habe eine zivilisatorische Aufgabe, deren Nichterfüllung auch ein Verbrechen an jenen wäre, deren Wunsch es durch seinen Rückzug erfülle. Das zu erkennen unterscheide die historischen Nationen von denen, die keine solchen wären.305 Tončićs Epilog auf diesen Ausspruch Salazars zeigt eine ideologische Nähe, wie wir sie schon bei einigen österreichischen Funktionsträgern beobachten konnten  : »Und darin ist wohl das eigentliche Testament Salazars zu sehen  : Es gibt kein Europa ohne eine europäische Weltmission. Damit steht er absolut im Einklang mit denen, die vor einem Jahrtausend Portugal gegründet haben. Deren Grundidee findet dann später im Zeitalter der Entdeckungen ihre klarste Ausprägung. Die Schwierigkeiten des heutigen Portugals liegen eben darin, dass dieser Geist Salazars für die Gegenwart weitgehend unverständlich ist. Seine geschichtliche Aufgabe besteht offensichtlich darin, ein Licht, wenn man dies so 304 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 138.728-Pol/65, Zl. 138.728-Pol/65. Abg. zum NR Dr. Lujo Tončić  ; Unterredung mit Ministerpräsident Salazar. Gohn an Kreisky vom 21.6.1965, do. Zl. 8-Pol/65. 305 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 138.728-Pol/65, Zl. 138.728-Pol/65. Tončić an Kreisky vom 21.6.1965.

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ausdrücken darf, aus der Vergangenheit durch die Dunkelheit der Gegenwart in die Zukunft zu tragen. Es ist daher auch verständlich, dass Salazar bei dieser Unterredung offen zu einem Vertreter eines Volkes gesprochen hat, das auch er zu den historischen Völkern rechnet.«306 Zehn Monate nach dieser Unterredung wurde Tončić-Sorinj für knapp zwei Jahre Außenminister der Republik Österreich. Trotz vieler Salazar-Adepten war der Tenor kein völlig einheitlicher  : Botschafter Gohn sprach in Bezug auf Salazar im Gegensatz dazu anlässlich der Wahlen des Jahres 1965 etwa davon, dass er sich »mit der ganzen Starrköpfigkeit seines Alters gegen den Strom der Zeit stemmt«.307 Beim Maiaufmarsch 1964 hieß es dann in der Arbeiter-Zeitung auch schon »Auch Afrika marschierte mit Wiens Sozialisten«. Dabei ist die Rede von »jungen Kämpfern aus Angola, Kongo und Njassaland«, die allerdings nur Lehrlinge in einer Wiener Metallwerkstätte waren.308 Der Unterschied zum Leitartikel »Tohuwabohu im Kongo« derselben Zeitung nur vier Jahre zuvor, in dem von den dortigen »Wilden« die Rede ist, könnte nicht größer sein (s. o.).309 Trotzdem befleißigten sich die österreichischen Medien aller Couleurs eines wesentlich konzilianteren Tones, vor allem gegenüber Portugals Kolonialpolitik, als dies in anderen Ländern der Fall war. Dies wurde von den Portugiesen auch wahrgenommen und gewürdigt.310

Das Bild Österreichs in Portugal Wenig verwunderlich ist Österreich in den Aussagen portugiesischer diplomatischer Vertreter und der durch Vorzensur gelenkten portugiesischen Presse quasi ein Instrument der lusitanischen Innenpolitik. Österreich wird als Bollwerk gegen den Kommunismus verstanden. Dies kommt etwa in Berichten über die portugiesischen Pressestimmen zu österreichischen Wahlgängen zum Ausdruck. 1949 führte dies zu einem Leitartikel in der Regierungszeitung Diário da Manhã in dem es heißt, die österreichischen Wähler hätten mit ihrer Entscheidung gegen den Kommunismus für die Freiheit optiert und »den Vormarsch des Kommunismus zum lateinischen Meer« aufgehalten. Wenn der österreichische Berichterstatter vermeldet, es handle sich dabei um eine »vereinfachende Darstellung der Probleme des österreichischen 306 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 138.728-Pol/65, Zl. 138.728-Pol/65. Tončić an Kreisky vom 21.6.1965. 307 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 132.669-Pol/65, Zl. 145.135-Pol/65. Nochmals  : die Wahlen zur portugiesischen Nationalversammlung 1965. Gohn an Kreisky vom 12.11.1965, do. Zl. 15-Pol/65. 308 »Auch Afrika marschierte mit Wiens Sozialisten«, Arbeiter-Zeitung, 3.5.1964, 4. 309 »Das Tohuwabohu im Kongo«, Arbeiter-Zeitung, 10.8.1960, 1f. 310 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 32.444-Pol/67, Zl. 35.529-Pol/67. Grundbericht über Portugal, Neufassung. Gohn an BMfAA vom 9.12.1967, do. Zl. 2648-A/67.

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Wahlentscheides«,311 wird – obwohl der Leitartikel sicherlich keine komplexe Reflexion der Wahlen war – ein weiteres Element des portugiesisch-österreichischen Verhältnisses deutlich. Besonders während der ersten Phase der Nachkriegsbeziehungen, die konservativ bzw. großkoalitionär geprägt waren, aber auch danach, bestand in Österreich ein breiter antikommunistischer Konsens. Abgesehen von der ideologischen Komponente sollte das Land um jeden Preis aus der sowjetischen Einflusssphäre herausgehalten werden. Die Wahlergebnisse seit 1945 spiegeln diesen Konsens deutlich wider. Dass dieser antikommunistische Konsens auch so deutlich an- und ausgesprochen wurde, entsprach jedoch nicht den Wünschen österreichischer Realpolitik. Vor allem vor 1955 wollte und durfte man es sich nicht mit der Sowjetunion verscherzen, der Kurs zwischen den Blöcken und die spätere ausgesprochene Neutralität verboten eine solch klare Stellungnahme, auch wenn sie ideologisch wohl dem österreichischen Zeitgeist entsprochen hätte. Ein autoritärständestaatlich-halbfaschistisches Regime wie jenes Salazars war eben nicht der beste Leumund auf der internationalen Bühne. Dies spiegelt sich in der inhaltlich konziliant, fast zustimmenden Haltung der österreichischen Diplomaten dem Regime Salazars gegenüber, bei gleichzeitiger formaler Verurteilung desselben. Wie in jedem bilateralen Verhältnis – noch dazu bei geographisch so entfernten Beteiligten – spielen Besuche von politischen Funktionären in der gegenseitigen Wahrnehmung eine besondere Rolle und sind Gelegenheit für größere mediale Aufmerksamkeit. 1951 besuchte Julius Raab als Präsident der Bundeswirtschaftskammer anlässlich des 13. Kongresses der Internationalen Handelskammern Portugal, was Anlass zu einem Interview der Regierungszeitung Diário da Manhã gab. Der wenig spektakuläre Inhalt über den Wiederaufbau in Österreich und die Marshallplanhilfe sowie die Wahl Theodor Körners zum neuen Bundespräsidenten wurde mit einem bemerkenswerten »Zitat« Raabs aufgefrischt, das auch die Schlagzeile bildete  : »In Österreich empfinden wir tiefen Respekt für Salazar. Wir halten ihn für einen großen Staatsmann. In den Fragen der Finanzen sehen wir ihn ihm ein Vorbild für alle Völker der Welt.« Unaufgeregt berichtete der österreichische Resident dazu  : »Der letzte Absatz des Interviews (…) ist eine Zugabe der Redaktion, die allen interviewten Notabilitäten in den Mund gelegt wird.«312 In einem anderen Fall hatte eine Schlagzeile mit Österreichbezug weniger mit der Propagandamaschine des Regimes zu tun als mit einem rührigen slowakischen Ex-Offizier, der sich in Lissabon publizistisch betätigte und sich Gedanken über eine Neuordnung Mitteleuropas machte. Er schaffte es auf das Titelblatt des Diário 311 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 88.191-Pol/49, Zl. 88.191-Pol/49. Die öst. Wahlen in der port. Presse. Halusa an Vollgruber vom 12.10.1949, do. Zl. 14-Pol. 312 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 131.752-Pol/51, Zl. 136.636-Pol/51. Presseinterview mit Bundesminister a.D. Raab. Halusa an öst. Ges. Paris vom 13.6.1951, do. Zl. 23-Pol.

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da Manhã. Unter der Schlagzeile »Es ist notwendig, ein neues Österreich zu erfinden« trat er dafür ein, eine Donaukonföderation mit Wien als Zentrum zu bilden, die Tschechoslowakei – vor allem wegen des tschechisch-slowakischen Antagonismus – zu zerschlagen und so unter Einschluss Ungarns und unter Führung Wiens ein stabiles Mitteleuropa zu schaffen. Der Autor Ferdinand Miksche war tschecho­ slowakischer Offizier in der Armee de Gaulles, danach tschechoslowakischer Militärattaché in Paris gewesen und nach der kommunistischen Machtübernahme in Prag Militärberater der Regierung in Lissabon geworden. Halusa maß ihm nur deswegen Bedeutung bei. Ohne diese politische Vernetzung Miksches hätte er den Artikel seinen eigenen Angaben zufolge »für einen durch den kürzlichen Besuch Ottos von Habsburg ausgelösten monarchistischen Propagandaversuch gehalten und dementsprechend ignoriert«.313 Wegen seiner halboffiziellen Rolle hatte er auch genügend Einfluss, um es mit seinem Programm, das in seinen antikommunistischen Zügen der Regierung des Estado Novo natürlich zusagte, auf die Titelseite des Regierungsorganes zu bringen. Ein weiterer Artikel im World Review veranlasste die österreichische Gesandtschaft in London dazu, Miksches Kritik an der Tschechoslowakei als neuem Staatsgebilde nach dem 1. Weltkrieg als »interessant« zu bezeichnen, ihre Bildung hätte zur »Balkanisierung von Mitteleuropa« geführt.314 Bei nächster Gelegenheit wurde Miksche von Halusa selbst auf seine Absichten angesprochen. Dieser hoffte, dass nach einem für den Westen siegreichen Krieg gegen den Ostblock die Möglichkeit bestünde, eine Neuordnung herbeizuführen. Da die Tschechoslowakei und Ungarn handlungsunfähig seien, könnte Österreich seinen Führungsanspruch durchsetzen. Miksche wollte auch in westlichen Führungskreisen und tschechoslowakischen Emigrantenzirkeln für diese Idee werben.315 Im November 1951 war Miksche mit seinen Thesen sogar Autor in der Londoner World Review. Unter dem Titel »The Federation of the Danube« erläuterte er seine für Österreich sehr vorteilhaften Thesen erneut. Miksche hatte um Zusendung einer österreichischen Geschichte der Zwischenkriegszeit ersucht und Legationsrat Halusa bat in der Folge um Weisung, wie er sich etwaigen Wünschen Miksches um finanzielle Unterstützung gegenüber verhalten sollte. Diese Publikation sollte im österreichischen politischen Establishment aber weitere Kreise ziehen. Außenminister Gruber entschied, dass der Artikel Bundeskanzler Figl und Unterrichtsmi-

313 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 131.752-Pol/51, Zl. 135.126-Pol/51. Österreich und die künftige Gestaltung des Donauraumes. Halusa an Schmid vom 10.4.1951, do. Zl. 12/Pol. 314 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 131.752-Pol/51, Zl. 141.422-Pol/51. Die Donau-Föderation  ; Artikel eines ehemaligen tschechoslowakischen Militärattachés. Österr. Ges. London an BKA-AA vom 16.11.1951, do. Zl. 5915/51. 315 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 131.752-Pol/51, Zl. 137.399-Pol/51. Gespräch mit Obstlt. Miksche. Halusa an Schmid vom 4.7.1951, do. Zl. 30-Pol.

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nister Kolb vorgelegt werden sollte, was bald darauf auch geschah.316 Eine weitere Reaktion ist nicht überliefert. Persönliche Kontakte und Beziehungen zum Land spielten bei einer solchen Distanz eine nicht zu unterschätzende Rolle, gerade wenn diese in der Folge auch politische Auswirkungen zeitigten. Einer dieser österreichischen Politiker war wiederum Lujo Tončić-Sorinj. 1951 noch Abgeordneter zum Nationalrat bereiste er Portugal und gab in dieser Eigenschaft dem Lissaboner Abendblatt Diário Popular ein längeres Interview. Dieses wurde unter dem Titel »Das österreichische Wunder« abgedruckt. Tončić-Sorinj legte dabei geschickt – so beurteilte es auch Legationsrat Halusa – die völkerrechtliche Stellung Österreichs dar. Man bräuchte keinen Friedensvertrag, da man keinen Krieg geführt hätte, man fühle sich befreit und nicht besiegt und die Besatzung wäre eine gänzlich andere als etwa in Deutschland. Kommunisten und ehemalige Nationalsozialisten umfassten nur knapp zehn Prozent der Wählerschaft, das demokratische Österreich stünde also nicht nur wirtschaftlich als drittgrößter Öllieferant Europas und Stromlieferant aus Wasserkraft, sondern auch politisch gut da. Tončić-Sorinj verknüpfte dabei auch österreichische und portugiesische Geschichte und Politik  : So wäre die österreichische Freiheit etwa durch das sowjetische Veto zur Wiederaufnahme der Beziehungen mit Portugal eingeschränkt worden (s. o.). Österreich wäre am portugiesischen Korporativsystem interessiert, Portugal könne dagegen vom österreichischen Sozialversicherungssystem lernen. Zuletzt strich TončićSorinj »den Dienst an der Christenheit« als gemeinsames Merkmal der Geschichte der beiden Länder heraus. Beide hätten sie verteidigt, Portugal, indem es »die Ungläubigen verjagte und den Glauben über die Meere verbreitete, Österreich, indem es die Einfälle der aus dem Osten kommenden Ungläubigen zurückschlug«.317 Er handelte also bereits ganz als Diplomat, wie ihm die Kollegen aus dem Ministerium bestätigten und als Kenner bzw. Freund Portugals. Dass er 15 Jahre später als Außenminister der Republik Österreich in derselben Rolle sein würde, war damals noch nicht abzusehen. Das Interesse am portugiesischen Korporativsystem kam nicht von ungefähr, hatte man in Österreich doch ein System aus Sozialpartnern geschaffen, das faktisch durchaus korporative Züge trug und in gewisser Weise ein – wenn auch indirektes – Erbe der Ersten Republik darstellte. Der Vergleich der beiden Länder als »Verteidiger der Christenheit« ist nicht nur eine einladende historische Reminiszenz, um die Geschichte der beiden Länder in Verbindung zu bringen. Zum einen ist hier die Doppeldeutigkeit, dass mit der Vertreibung der Ungläubigen durch Portugal 316 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 147.165-Pol/52, Zl. 147.165-Pol/52. Gespräch mit Lt. Col. F. O. Miksche, Verfasser des Artikels »The Federation oft he Danube«. Halusa an Schmid vom 12.1.1952, do. Zl. 2-Pol/52 und AV vom 6.2.1952. 317 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 131.752-Pol/51, Zl. 134.165-Pol/51. Vorlage eines Zeitungsartikels über Österreich. Halusa an österr. Ges. Paris vom 30.3.1951, do. Zl. 10/Pol.

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nicht nur die Reconquista gegen den Islam, sondern auch die Vertreibung der Juden zu Ende des 15. Jahrhunderts in den Sinn kommt (ohne Tončić-Sorinj hier einen bewusst gesetzten antisemitischen Unterton unterstellen zu wollen), zu nennen. Zum anderen ist diese Wendung eine kaum verhüllte Darstellung der Gemeinsamkeit im Antikommunismus, die die zuvor getätigte Aussage, man brauche sich aufgrund der wenigen kpö und vdu-Wähler nicht an Deutschland oder Russland anzulehnen, klarer werden lässt. Dies waren Aussagen, die im Portugal Salazars den Nagel auf den Kopf trafen, wo in der politischen Rhetorik Christentum und Antikommunismus als Synonyme verwendet wurden. Ein wichtiger – wenn auch nur zeitweiliger – Faktor in der publizistischen und kulturellen Präsenz Österreichs in Portugal war Aba Ehrlich. Als Generalkonsul a. D. versuchte er als ehrenamtlicher Mitarbeiter des Bundespressedienstes stetig und mit recht großem Erfolg, österreichische kulturelle Belange in portugiesischen und spanischen Publikationen zu lancieren. Er knüpfte viele Kontakte auch in Österreich, wie Dankschreiben von Julius Raab, Felix Hurdes, der Außenhandelsstelle der Wirtschaftskammer und anderer Institutionen belegen. Eine Auflistung von Ende 1949 bis Herbst 1951 erfolgreich publizierter Artikel im Sinne Österreichs umfasste 26 Positionen. Ehrlich gab in weiterer Folge auch ein eigenes Österreich-Bulletin in portugiesischer Sprache heraus. Darüber hinaus dürften er und sein Bruder am erfolgreichen Abschluss mancher Handelsgeschäfte zwischen den beiden Ländern Anteil gehabt haben, so etwa eines betreffend Hämatitroheisen und Schiffsbleche.318 Ehrlich war jedoch kein österreichischer Staatsbürger. Die Gründe für seine Ausbürgerung liegen nicht vor, dürften allerdings im Verlust der Staatsbürgerschaft aufgrund der nationalsozialistischen Rassengesetze liegen. Er dürfte vor Verfolgung rechtzeitig aus Österreich geflohen sein und suchte dann um Wiedereinbürgerung an, was jedoch auf Schwierigkeiten stieß. Seine Aktivitäten in Bezug auf eine Musikveranstaltung in Salzburg führten im bk a-a a zu dem knappen Aktenvermerk, dass dies »nicht auf die Aktivseite seiner Tätigkeit im Interesse der österreichischen kulturellen Auslandsbeziehungen gebucht werden« könne. Er solle sich ans Unterrichtsministerium wenden.319 Selbst ein Empfehlungsschreiben des Bundespressedienstes, in dem auf sein jahrelanges Wirken im Dienste Österreichs hingewiesen wurde, wurde ignoriert und ein ebensolches des Generalsekretärs des bk a-a a 320 blieb vorderhand erfolglos. Die erfolgreichen Bemühungen Ehrlichs zur Herstellung von Kontakten im Sinne der Beteiligung Portugals und Spaniens an einer »Musikolympiade« in Salzburg und sein 318 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 131.749-Pol/51, o.Zl. Bobleter an Ehrlich vom 10.7.1951. 319 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 131.749-Pol/51, Zl. 133.527-Pol/51. Dr. Aba Ehrlich  ; Kulturtätigkeit in Portugal. AV vom 2.5.1951. 320 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 131.749-Pol/51, o.Zl. BKA-Sektion III, Stellungnahme des Bundespressedienstes vom 15.5.1951.

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Hinweis, er habe »aus dem Nichts« einen österreichischen Pressedienst auf der Iberischen Halbinsel aufgebaut, zeitigten offenbar nicht die gewünschte Wirkung. Es scheint diesbezüglich ein gewisser Unwillen bestanden zu haben. Die Stadt Wien teilte auf Anfrage mit, sie habe »die Bearbeitung des Einbürgerungsaktes (…) vorläufig zurückgestellt«.321 Sein Kulturbulletin fiel auch anderen Kulturdiplomaten in Lissabon auf. Die Anglo-Portuguese News, die der britischen Botschaft nahestanden, vermeldeten ihre Freude über die Existenz des Cultural Bulletin of the Austrian Press Services – faktisch Ehrlichs Werk, auch wenn die Formulierung bemerkenswert war  : Man bezeichnete diese österreichische Publikation als »the first printed matter of its kind to be sent out here by any of the former Axis countries« und es wäre »ironical that is fallen upon Austria to represent however unofficially the whole of the Germanic peoples«.322 Diese Einschätzung lag wohl eher nicht im Sinne der österreichischen Kulturdiplomatie, auch wenn sie durchaus positiv gemeint war. Auf ein Schreiben Ehrlichs an den Generalsekretär des bk a-a a, in dem er seine Tätigkeit noch einmal beschreibt und die »Aufbauphase seines österreichischen Presse- und Kulturdienstes in der Iberischen Halbinsel« für beendet erklärt und seiner Hoffnung Ausdruck gibt, dass dieser nun auf eine andere Basis gestellt würde,323 findet das bk aa a eine Antwort, die als bemerkenswert feindselig gelten muss  : »Der Gefertigte hat im Auftrage des Herrn Generalsekretärs lr Dr. Halusa privatbrieflich gebeten, dem Dr. Ehrlich bedeuten zu wollen, dass er mit seinen Ergüssen nicht den Herrn Generalsekretär direkt belästigen möge, sondern diese – wenn dies schon sein muss – an das bk a-a a, adressieren solle.«324 Er ließ sich dadurch offenbar nicht beirren. Im November vermeldete Ehrlich, er habe in der Tageszeitung Notícias in Lourenço Marques erfolgreich eine Meldung über den Abschluss eines österreichisch-portugiesischen Warenaustausch- und Zahlungsabkommens lanciert, zwei Tage bevor in der Presse der Kolonie die diesbezügliche amtliche Verlautbarung der Lissaboner Regierung erschien. Was er als Erfolg betrachtete, rief den Unwillen Wiens hervor. Man stellte in Frage, ob es gut wäre, wenn ein ehrenamtlicher Korrespondent dem amtlichen Kommuniqué zuvorkäme. Zumindest in der wirtschaftspolitischen Abteilung fand er aber einen Fürsprecher. Dieser meinte, man sollte aus diesem »Fehler« keine Konsequenzen ziehen, da der »rührige und gewissenhafte« Ehrlich sonst in »seinem

321 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 131.749-Pol/51, Zl. 133.527-Pol/51. Dr. Aba Ehrlich  ; Kulturtätigkeit in Portugal. AV vom 19.7.1951. 322 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl.131.749-Pol/51, Zl. 138.879-Pol/51. Ehrlich an Gen. Sekr. Vollgruber vom 7.9.1951. 323 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 131.749-Pol/51, Zl. 138.967-Pol/51. Ehrlich an Gen. Sekr. Vollgruber vom 16.9.1951. 324 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl.131.749-Pol/51, Zl.138.967-Pol/51. Dr. Aba Ehrlich, Lissabon. AV vom 24.9.1951.

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Elan gebremst« oder »verstimmt sein könnte.325 Ehrlich gab ab Juni 1955 die Notícias da Áustria in Lissabon heraus,326 die über das nun wieder über seine volle Souveränität verfügende Österreich in portugiesischer Sprache informierten. Darin wurde ein breites Themenfeld von Kunst bis Wirtschaft abgedeckt. Mit dieser Publikation im Rücken versuchte Ehrlich ein höheres Gehalt vom Bundespressedienst und den Titel eines (Honorar-)Kulturattachés zu erhalten, um bei portugiesischen Behörden besser auftreten zu können bzw. um gegen etwaige Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Pressezensur besser gewappnet zu sein. Der nunmehrige Gesandte Claus Winterstein befürwortete diese Wünsche nach mehr Geld und Infrastruktur, wenn er auch der Meinung war, Ehrlich sei zwar sehr tüchtig, brauche aber auch ständige Kontrolle.327 Das bk a-a a lehnte Ehrlich schließlich als Kulturattaché aus budgetären Gründen ab.328 Trotz fachlich korrekter Arbeit geriet Ehrlich immer wieder in Konflikt mit dem Bundespressedienst und wurde schließlich mit Ende 1956 gekündigt. Damit endete auch das Erscheinen des Informationsbulletins über Österreich, von dem zuvor 200 Exemplare in Portugal und 50 in den Überseegebieten zirkuliert worden waren. Eine Weiterführung war aus Geld- und Personalmangel nicht möglich, wurde vom Botschafter aber auch als nicht zweckmäßig eingestuft.329 Zwar hatte Österreich keine Kolonien, für deren Erhalt es in der Weltpresse Öffentlichkeitsarbeit betreiben musste, Gelegenheiten zur Werbung für das Land wurden jedoch auch hier finanziell unterstützt. Der Bundespressedienst veranstaltete Pressereisen, die auch in Portugal auf fruchtbaren Boden fielen. So führte die Teilnahme eines Redakteurs des Jornal de Notícias in Porto im Jahr 1954 zur einer Serie von 12 teils bebilderten, ausführlichen und sehr positiv gehaltenen Artikeln.330 Die geographische Entfernung und die Kleinheit des Landes führten also trotz allem nicht zu einer »publizistischen Leerstelle«, wie dies in den 1950ern sogar bei Nachbarn Österreichs wie etwa der Slowakei passieren konnte. Der »Eiserne Vorhang«, die ideologische Konfrontation und die Gleichschaltung durch Moskau entfalteten 325 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl.131. 131.749-Pol/51, Zl. 141.647-Pol/51. Ehrlich an Gen.Sekr. Vollgruber vom 25.11.1951, AV Abt. Pol vom 7.12.1951 und AV Abt. W-Pol vom 6.12.1951. 326 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 322.935-Pol/55, Zl. 322.935-Pol/55. Noticias da Áustria (Nachrichten aus Österreich). Fischer an BKA-AA vom 7.6.1955, do. Zl. 959-A/55. 327 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 334.659-Pol/55, Zl. 326.070-Pol/55. Dr. H. Aba Ehrlich  ; Ersuchen um Bestellung zum Pressereferenten der Ges. Lissabon. Winterstein an Meznik vom 3.11.1955, do. Zl. 2102A/55. 328 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 334.659-Pol/55, Zl. 334.659-Pol/55. Dr. H. Aba Ehrlich  ; Anfrage wegen Bestellung zum Kulturattaché ad honorem. AV vom 10.8.1955. 329 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 76.575-Pol/60, Zl. 76.575-Pol/60. Beantwortung der Fragen betreffend die pressepolitische Tätigkeit dieser Vertretungsbehörde. 330 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 145.327-Pol/54, Zl. 145.327-Pol/54. Antonio Brochado. Artikel-Serie über Österreich im Jornal de Noticias in Porto. Österr. Gesandtschaft Lissabon (Seemann  ?) an BKA-AA vom 16.7.1954, do. Zl. 759-A/54.

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dort ihre Wirkung.331 Mit Portugal verband Österreich jedoch die westliche Ausrichtung und so manch ideologische Gemeinsamkeit zumindest der schwarzen »Reichshälfte«. Dies führte – neben historischen Reminiszenzen – zu stärkerer gegenseitiger Aufmerksamkeit, als dies der ausschließliche Blick auf die Landkarte oder die Handelsstatistik vielleicht wahrscheinlich erscheinen ließen. 1956 führten die Ereignisse in Ungarn auch zu verstärktem Interesse der Weltpresse an Österreich und seiner Rolle bei der Aufnahme von Flüchtlingen und seiner Haltung zu den Vorgängen so kurz nach der Erreichung des Abzugs der Besatzungstruppen. Auch portugiesische Medien versuchten ein authentisches Bild von der Lage an der Donau zu erhalten. Der Pressechef der portugiesischen Einheitspartei União Nacional führte in Wien ein Interview mit Bundeskanzler Raab, das am 22. November 1956 in der Zeitung Diário da Manhã erschien. Gewürzt mit viel geschichtlichem Pathos und Reminiszenzen an Metternich wurde zunächst Raabs Werdegang geschildert. Neben seiner Tätigkeit als Abgeordneter wurde nur mehr seine Zugehörigkeit zum letzten Kabinett vor dem Anschluss erwähnt. Nach 1945 wurden u. a. seine Verdienste um die schließlich erfolgreichen Verhandlungen mit den Sowjets gewürdigt. Die Frage nach den Beziehungen zwischen beiden Ländern beantwortete Raab dem Bericht zufolge zuallererst damit, dass man es Portugal nicht vergessen werde, dass es nach 1945 tausende Kinder zu Erholung bei sich aufgenommen hat. Bezugnehmend auf die damals aktuelle Situation der vielen ungarischen Flüchtlinge bedankte sich der Bundeskanzler für portugiesische Angebote, auch solche aufzunehmen. Die unvermeidliche Frage nach Raabs Einschätzung Salazars führte zu denselben Lobeshymnen auf wirtschaftliche und politische Stabilität, die in den diplomatischen Berichten aus Lissabon immer wieder auftauchten. Der Titel war eines jener »Zitate«, die portugiesische Zeitungen gerne fremden Interviewpartnern in den Mund legten  : »Die gesicherte Stellung, welche Portugal in der Welt einnimmt, verdankt es der politischen Klugheit und dem bemerkenswerten wirtschaftlichen Lebenswerk von Prof. Oliveira Salazar, erklärt Bundeskanzler Julius Raab.«332 Am selben Tag erschien ein – auch in der Schilderung historischer Reminiszenzen des Ballhausplatzes – fast wortgleiches Interview eines anderen Korrespondenten mit Raab.333 Diese Parallelaktion der zensurierten portugiesischen Medien spiegelt wohl das große Interesse der Regierung an der Haltung Österreichs als westlicher Vorposten während der Ungarnkrise wider. Man kannte diese Vorgangsweise erfundener Jubelzitate bereits (s. o.), fand darin al331 Vgl. Schriffl, Grenze, 155ff. 332 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 515.391-Pol/56, Zl. 791.998-Pol/56. Reportage eines Interviews mit Bundeskanzler Julius Raab von Ramíro Valadão im Diário da Manhã vom 22.11.1956. Winterstein an BKAAA vom 11.12.1956, do. Zl. 2485-A/56. 333 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 515.391-Pol/56, Zl. 791.568-Pol/56. Reportage eines Interviews mit Bundeskanzler Raab von Eurico da Costa im Diário de Lisboa vom 22.11.1956. Winterstein an BKA-AA vom 29.11.1956, do. Zl. 2413-A/56.

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lerdings keinen Grund zu einer Intervention, möglicherweise weil diese Propagandaeinschübe zwar etwas aufgesetzt und übertrieben daherkamen, die grundlegende Aussage dahinter jedoch vom Wiener Außenamt im Wesentlichen geteilt wurde. Etwa zur selben Zeit erschienen in derselben Zeitung auch zwei Interviews mit dem damaligen Präsidenten des Nationalrates Felix Hurdes und dem Rektor der Universität Wien Hans Schima. Der Titel des ersteren passt zum Interview mit Raab  : »Die Persönlichkeit Salazars und die portugiesische korporative Organisation lebhaft bewundert vom Präsidenten des österreichischen Nationalrates Dr. Felix Hurdes.« Nach erneuten Bemerkungen zum ungarischen Flüchtlingsproblem und der Rolle der un sei Hurdes nach besonderem Lob für Salazar dazu übergegangen, die korporative Organisation in Portugal zu loben, die Wichtigkeit der Berufsstände hervorzuheben und hätte darüber hinaus auch noch das »österreichische Experiment von 1933« erwähnt und vermeldet, dass Schuschnigg in seiner letzten Rede Portugal und Salazar als beispielhaft bezeichnet hätte.334 Die fantasievollen Schilderungen über die erste Garnitur der österreichischen Innenpolitik als Adepten Salazars ist bemerkenswert genug  ; dass dabei den konservativen Vertretern Österreichs auch ein Lob des österreichischen Ständestaates in den Mund gelegt wird, ist schon sehr mutig. Wiederum ist ein Protest von österreichischer Seite nicht überliefert, obwohl es äußerst unwahrscheinlich ist, dass diese Aussagen so getätigt worden sind. Noch dazu wurde das Prinzip der phantasievollen Ausschmückung von »Interviews« zugunsten Salazars bereits zuvor vom Vertreter in Lissabon als lokale Normalität erklärt. Interessant ist, dass ein solcher positiver Rückblick auf das Dollfuß-Schuschnigg-Regime aus portugiesischer Sicht nachvollziehbar erscheint, aus österreichischer Sicht aber wegen der großkoalitionären Tabuisierung desselben so nicht geäußert werden konnte. Die Ungarnkrise führte – wie in anderen Ländern Europas – auch in Lissabon zu Kundgebungen zugunsten der Ungarn. Medikamente und Sachspenden des portugiesischen Roten Kreuzes wurden per Flugzeug nach Wien verbracht, um vor Ort den Flüchtlingen helfen zu können.335 Dazu passt auch die beschriebene publizistische Nachbereitung der österreichischen Rolle bei der Versorgung der Flüchtlinge durch die beiden portugiesischen Korrespondenten. Doch auch in umgekehrter Richtung gab es Aktivitäten zum Ausbau der medialen Berichterstattung. So ersuchte Emil Portisch in seiner Funktion als Außenpolitikchef des Volksparteiblattes Südost-Tagespost bei der portugiesischen Gesandtschaft in Wien um Unterstützung für seine für Anfang 1958 geplante Pressereise nach Portu334 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 515.891-Pol/56, Zl. 791.676-Pol/56. Reportage eines Interviews mit dem Präsidenten des österr. Nationalrates Dr. Felix Hurdes und Univ. Prof. Dr. Hans Schima von Ramíro Valadão im Diário da Manhã vom 27.11.1956. Winterstein an BKA-AA vom 5.12.1956, do. Zl. 2457-A/56. 335 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl., Zl. 520.263-Pol/56. Bericht über die gegenwärtige internat. Lage. Winterstein an Figl vom 6.11.1956, do. Zl. 9-Pol/56.

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gal an. Ziel sollten Interviews mit führenden Persönlichkeiten des Landes sein und in weiterer Folge die Ausweitung des österreichischen Fremdenverkehrs nach Portugal.336 Die portugiesische Vertretung wandte sich an das bk a-a a um Auskunft.337 Dieses unterstütze das Vorhaben und bezeichnete ihn schon 1957 als »Bruder des bekannten Journalisten Dr. Hugo Portisch«.338 Mit der Unterzeichnung des Handelsvertrages 1957 und vor allem mit der Erhebung der Gesandtschaften in den Rang von Botschaften 1959 ging in der portugiesischen Presse ein erhöhtes mediales Interesse an Österreich einher. Ganze Artikelserien über Land und Leute, aber auch Innen- und Außenpolitik passten gut zu den sich verdichtenden Beziehungen vor allem auch im wirtschaftlichen Bereich, wo der Gedanke zur Bildung einer Freihandelszone außerhalb der »Sechs« konkretere Formen annahm. Das führte auch zu etwas exaltierten Artikeln wie jenem über das Schicksal Karls I. Anlass war der Tod seiner Schwiegermutter, der letzten Tochter des ehemaligen portugiesischen Königs Miguel I. Darin kommen krude Thesen – wie jene, dass die Umgebung Karls ohne dessen Wissen die Ermordung Franz Ferdinands eingefädelt hätte – ebenso vor wie fehlende Berührungsangst mit der Monarchie, wenn etwa Zita als »regierende Kaiserin« angesprochen wird. Karl wird jedenfalls als gescheiterter Friedensvermittler porträtiert und es schließlich als »große Ehre« tituliert, dass gerade Portugal die beiden als Exilland aufnehmen durfte.339 Antikommunistisches wurde selbstverständlich gerne gebracht, etwa die Proteste gegen das kommunistische Weltjugendfestival in Wien 1959. Dieses hatte im Westen allgemein eine schlechte Presse und wurde in Österreich von den Medien – abgesehen von den Meldungen über Probleme und Ausschreitungen – systematisch ignoriert, um ihm keine zusätzliche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.340 Die portugiesische Politik fühlte sich sogar bemüßigt, Maßnahmen gegen dieses Festival unter kommunistischer Federführung zu setzen  : Im Juli 1959 wurde die Gültigkeit aller portugiesischen Reisepässe für Österreich gesperrt, offenbar um zu verhindern, dass auch portugiesische Bürger daran teilnehmen konnten. Erst nach einer Intervention des österreichischen Gesandten wurde diese Bestimmung wieder aufgehoben.341 336 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 227.988-Pol/57, Zl. 227.988-Pol/57. Portugal-Reise des Journalisten Emil Portisch von der Grazer Süd-Ost-Tagespost. Portisch an port. Gesandtschaft Wien vom 13.11.1957. 337 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 227.988-Pol/57, Zl. 227.988-Pol/57. Verbalnote der port. Gesandtschaft vom 18.12.1957, do. No. 68. 338 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 227.988-Pol/57, Zl. 227.988-Pol/57. Portugal-Reise des Journalisten Emil Portisch von der Grazer Süd-Ost-Tagespost. Verbalnote vom 30.12.1957. 339 ÖStA/AdR, BKA-AA, o.Gr.Zl., o.Zl. »Der letzte Habsburger«. Diário da Manhã vom 14.8.1959, do. Zl. 2963-A/59. 340 Schriffl, Grenze, 171. 341 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 76.575-Pol/60, Zl. 76.575-Pol/60. Tätigkeitsbericht Botschaft Lissabon für 1959. Winterstein an BMfAA vom 6.1.1960, do. Zl. 121-A/60.

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Die Lage Österreichs am Eisernen Vorhang war ebenfalls immer wieder Gegenstand der medialen Berichterstattung. Der Schub durch die Marshallplanhilfe wurde im raschen Wiederaufbau und der Nachkriegsprosperität auch für portugiesische Beobachter deutlich sichtbar. Die Neutralität wurde dabei gerne als »seltsam« bezeichnet und als beredtes Zeugnis dieser Eigenartigkeit wurde die fortgesetzte Existenz des »Russendenkmals« in Wien gedeutet, nachdem ähnliche Denkmäler 1956 in Ungarn niedergerissen worden waren und sie »in Warschau (…) Anlass zu wirkungslosem Spott« seien.342

Zusammenfassung Die Beziehungen Österreichs zu Portugal zwischen 1945 und 1974 waren geprägt von der Stabilität des Salazar-Regimes und der Dauerhaftigkeit konservativer Einstellungen auf österreichischer Seite. Die große geographische Entfernung und der bereits vor dem Krieg nicht sehr umfangreiche Handelsaustausch ließen nach Kriegsende eine rasche Wiederanknüpfung der Beziehungen von beiden Seiten nicht als erste Priorität erscheinen. Das erste große Bindeglied zwischen beiden Ländern wurde die von der portugiesischen Caritas gemeinsam mit ihrer österreichischen Schwesterorganisation durchgeführte Kinderverschickungsaktion. Waren schon zuvor keine bilateralen Probleme vorhanden gewesen, so konnten die Beziehungen jetzt von den herzlichen Banden zehren, die durch die Kinderaufenthalte geflochten worden waren, gespickt durch Reminiszenzen an eine monarchische Vergangenheit an die Österreich oft weniger gern erinnert wurde als Portugal gern an sie erinnerte. Österreichs Status als befreites Land mit limitierter Souveränität legte der Wiederaufnahme in Gestalt der Sowjetunion erste Hindernisse in den Weg. Doch diese wurden faktisch schon viel früher, aber sogar formal noch vor Ende der Besatzungszeit in Österreich beseitigt. Sehr bald nach dem gemeinsamen un-Beitritt wurde und blieb ein Thema das beherrschende zwischen beiden Partnern  : die Frage der portugiesischen Kolonien. Sogar der wirtschaftliche Austausch rückte im Vergleich dazu in den Hintergrund, alles wurde dafür geopfert. Portugal konnte in dieser Frage aber auf österreichischer Seite auf sehr viel mehr Verständnis hoffen als bei vergleichbaren anderen europäischen Ländern. Den patriarchalen Zugang zur schwarzen Bevölkerung der Überseeprovinzen, wie sie bald genannt wurden, teilten sich die beiden Partner. Diese eigentlich durchwegs positive Haltung wurde in den Sitzungen der un sehr deutlich, wo Österreich versuchte, möglichst portugalfreundlich abzustimmen ohne eigene Interessen zu sehr 342 ÖStA/AdR, BKA-AA, Gr.Zl. 73.693-Pol/60, Zl. 73.693-Pol/60. Diário Popular vom 9.2.1960. »Zwei Auffassungen hinsichtlich der Neutralität. Was der Staatsvertrag Österreich auferlegt« do. Zl. 800-A/60.

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zu gefährden. Hier wird auch klar, wie sehr der persönliche Faktor in die Entscheidungen hineinspielte. Das Verständnis der österreichischen Funktionsträger für die portugiesische Politik hatte direkte Rückwirkungen auf die österreichische Politik. Am deutlichsten wird dies in der Amtszeit Lujo Tončić-Sorinjs als Außenminister. Noch konturierter tritt dieser Faktor hervor, wenn mit seinem Nachfolger im Amt, Kurt Waldheim, unmittelbar all das an persönlichem Bezug wegfällt und andere Interessen ausschlaggebend werden. Diese Phase ist allerdings nur kurz. Österreich schwenkt viel später auf eine Unterstützung der Opposition in Portugal ein als andere Länder, ist aber flexibel genug, diesen »Nachholbedarf« nicht zum Problem für die Beziehungen werden zu lassen. Den deutlichsten Ausdruck findet dies 1974 in der Antwort des Ballhausplatzes auf die Frage aus Lissabon, ob Wien die neue Junta anerkennen würde  : Nach österreichscher Praxis würden nur Staaten, nicht aber Regierungen anerkannt, sodass keine solche notwendig wäre.343 Auch die gemeinsame efta-Gründung und -Mitgliedschaft zeigen Wirkung  : Die daraus abgeleitete Solidarität mit dem efta-Partner wiegt für Österreich viel schwerer als für Portugal. Für dieses ist sie nur Vehikel, nur Mittel zum Zweck. Der autoritäre Charakter des Regimes wirkte viel schwächer in die Beziehungen hinein, als man das vielleicht annehmen würde. Abgesehen von Kurt Waldheim ist es dabei auch gar nicht wesentlich, welcher Partei der jeweilige österreichische Außenminister angehört, auch oder gerade wenn er Bruno Kreisky heißt. Man legt auf dem internationalen Parkett ebenso Pragmatismus an den Tag, wie das die Portugiesen in Verfolgung ihres zentralen Ziels tun – der Erhaltung ihres Imperiums.

343 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 167.03.01/Pol/74, Zl. 167.03.01/Pol/74. Botschaft Lissabon  ; Regimewechsel in Portugal, Frage der österr. Anerkennung. Depesche vom 8.5.1974, do. Zl. 58004.

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Abbildungen Portugal

Abb. 1  : Ankunft österreichischer Kinder in Lissabon 1948. © Österreichische Botschaft Lissabon/Mag. Ingo König

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Abb. 2  : Lujo Tončić-Sorinj bei der Angelobung als Außenminister der ÖVP-Alleinregierung unter Bundeskanzler Klaus am 19. April 1966. © Barbara Pflaum/Imagno/picturedesk.com

Abb. 3  : Der portugiesische UN-Botschafter Vasco Garin folgt den Ausführungen des sowjetischen UN-Botschafters Valerian Zorin in der Sitzung des Sicherheitsrates am 7. Juni 1961. © Personalities/TopFoto/picturedesk.comg

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Abb. 4  : António de Oliveira Salazar an seinem Schreibtisch mit einem Bild Mussolinis vor 1940. Danach ersetzte er das Bild des italienischen Diktators durch eines von Papst Pius XII. © AFP/picturedesk.com

Abb. 5  : Der portugiesische Außenminister Franco Nogueira spricht vor der UN-Generalversammlung am 18. Oktober 1962. © Personalities/TopFoto/picturedesk.com

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Abb. 6  : Demonstration vor der portugiesischen Botschaft in Wien am 3. Mai 1964.© Zentrales Parteiarchiv der KPÖ, Plakatsammlung

Abb. 7  : Angolanisch-portugiesische Soldaten nehmen am 4. April 1961 einen Verdächtigen nach einem Angriff der MPLA auf das Gefängnis im Fort São João Baptista fest. © AFP/picturedesk.com

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Adamantios T. Skordos

Die Beziehungen Österreichs zur griechischen Junta (1967–1974)  : zwischen Verachtung und Pragmatismus1

Vorwort Das letzte Kapitel dieser Studie verfolgt das Ziel, die politisch-diplomatischen Beziehungen Österreichs zur griechischen Militärdiktatur der Jahre 1967–1974 zu untersuchen. Es handelt sich dabei um ein Forschungsgebiet der österreichischen und griechischen Zeitgeschichte, das bis dato weder in den beiden Ländern noch in der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft Berücksichtigung fand. Im Allgemeinen stellen die griechisch-österreichischen Beziehungen in der Zeit des Kalten Krieges auf den Gebieten der Politik-, Diplomatie- und Kulturgeschichte weitgehend Terra incognita dar. Dieses Kapitel versteht sich als ein erster Schritt zur Füllung dieser klaffenden Lücke. Erwähnt sei, dass bei diesem Versuch kein Anspruch auf Vollständigkeit hinsichtlich Forschungszielen und Quellenmaterial erhoben wird. Im Gegenteil  : Vielmehr sollen mit diesem Beitrag erste Weichen für zukünftige Forschungsarbeiten gestellt werden. Dementsprechend lag der Fokus dieser Untersuchung auf der erstmaligen gründlichen Ausarbeitung der im Österreichischen Staatsarchiv (ÖStA), insbesondere im Archiv der Republik (AdR) aufbewahrten Archivbestände des österreichischen Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten (BMfAA – heute Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres) zu den griechisch-österreichischen Beziehungen während der Athener Militärdiktatur der Jahre 1967–1974. Vor allem wurden die Akten der Politischen Sektion des Außenamtes für diesen Zeitraum ebenso durchgehend wie ausführlich gesichtet. Diese Akten bestehen größtenteils aus zahlreichen, sehr detailliert verfassten Berichten der österreichischen Botschaft in Athen zur politischen Lage in Griechenland nach dem Staatsstreich des 21. April 1967. Verfasst wurden diese in der Regel durch den österreichischen Missionschef in Griechenland, Ludwig Steiner, nach seiner Abberufung 1972 durch seinen

1 Der Verfasser dieses Kapitels dankt dem Institut für Byzantinistik und Neogräzistik der Universität Wien, insbesondere Prof. Dr. Maria A. Stassinopoulou, und dem Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) an der Universität Leipzig, insbesondere Prof. Dr. Stefan Troebst, für die Zustimmung zur Ausarbeitung dieses Forschungsberichts als Nebentätigkeit während seiner hauptamtlichen Aufgaben in der Funktion des Universitätsassistenten bzw. wissenschaftlichen Mitarbeiters.

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Nachfolger, Simon Koller, sowie gelegentlich durch die Geschäftsträger, Richard Wotawa und Franz Pernegger. Die Einsicht in die Korrespondenz der österreichischen Botschaft in Athen mit dem Außenamt in Wien bietet zum einen wichtige Informationen zur Politik der griechischen Junta auf verschiedenen Gebieten der Innen- und Außenpolitik. In Anbetracht des bis dato nur stiefmütterlich behandelten Themas der sogenannten Obristendiktatur – auch bzw. vor allem von der griechischen Geschichtswissenschaft2 – sind die daraus zu gewinnenden Erkenntnisse für die Zeitgeschichtsforschung von großer Bedeutung. Zum anderen ermöglichen die besagten Archivalien einen guten Einblick in die österreichische Politik gegenüber dem Athener Militärregime. Diese Politik war, wie in den Anweisungen Wiens an die Missionschefs in Athen wiederholt beteuert wurde, durch den Grundsatz der Erhaltung zwar »nicht freundschaftlicher, dafür aber durchaus korrekter und normaler Beziehungen« zu den griechischen Junta-Regierungen geprägt.3 Ob und wie dieser Grundsatz in die Tat umgesetzt wurde, auf diese und auf andere relevante Fragen soll dieser Forschungsbericht erste Antworten geben.

Vom Griechischen Bürgerkrieg zur Militärdiktatur Die Zeitgeschichte Griechenlands ist durch den Bürgerkrieg zwischen dem prowestlich-bürgerlichen Lager und der moskautreuen Kommunistischen Partei Griechenlands (kke) während der zweiten Hälfte der 1940er Jahre stark geprägt. Dieser hatte bereits in der Besatzungszeit als Partisanenkrieg zwischen rechtsmonarchistischen und linksrepublikanischen Widerstandsorganisationen begonnen. Nach der Befreiung des Landes im Oktober 1944 eskalierte dieser Partisanenkrieg zu einer militärischen Auseinandersetzung größeren Ausmaßes zwischen den Truppen der bürgerlichen Regierung in Athen und der kommunistischen Demokratischen Armee Griechenlands. Der Griechische Bürgerkrieg endete mit der kommunistischen Niederlage im Spätsommer 1949. Nachdem das bürgerliche Lager in den Jahren 1946–1949 seine militärische Auseinandersetzung mit dem kommunistischen mittels US-amerikanischer Unterstützung für sich entscheiden konnte, etablierte sich im Griechenland der sich selbst als »nationalgesinnt« bezeichnenden Bürgerkriegssieger ein politisches System, das der äußeren Gestalt nach einer westlichen Demokratie ähnelte. Unter der Oberfläche 2 Vgl. dazu Adamantios T. Skordos, Die Diktatur der Jahre 1967 bis 1974 in der griechischen und internationalen Historiographie. In  : Stefan Troebst (Hg.), Postdiktatorische Geschichtskulturen im Süden und Osten Europas. Bestandsaufnahme und Forschungsperspektiven (Göttingen 2010) 122–204. 3 Vgl. z. B. ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 160.014-6/Pol/72, DZ. Zl. 2477-GS/72 vom 10.7.1972. Neuer Missionschef in Griechenland. Informationen der Sektion II. AV vom 16.8.1972.

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existierte allerdings ein repressiver Staatsmechanismus, der einerseits die »nationalgesinnten« Griechen bevorzugte, andererseits die mit den Bürgerkriegsverlierern sympathisierenden Bürger ökonomisch und sozial diskriminierte und politisch unterdrückte. Zwar waren in der Verfassung von 1952 die Meinungs- und Pressefreiheit, die politischen Freiheiten sowie die Gleichheit vor dem Gesetz verankert. Dennoch wurden diese Freiheiten durch eine Reihe von Beschlüssen, Verfassungsakten, Dekreten und Notgesetzen, die größtenteils während der Bürgerkriegsjahre als »außerordentliche Maßnahmen« erlassen worden waren und in die verfassungsrechtliche Geschichte Griechenlands als »Nebenverfassung« (Parasyntagma) eingingen, stark eingeschränkt. Ein aussagekräftiges Beispiel dafür, wie mittels letzterer die in der Verfassung von 1952 garantierten Freiheiten sowie die postulierte Gleichheit aller Bürger wieder außer Kraft gesetzt wurden, ist das 1948 verabschiedete und nach Bürgerkriegsende weiter bestehende Notgesetz 516 »über die Loyalitätskontrolle der öffentlichen Bediensteten«. Darin wurde festlegt, dass Bewerber für eine Stelle im öffentlichen Dienst ein von den Polizeibehörden ausgestelltes »Zeugnis sozialer Gesinnung« bei den dafür eigens eingerichteten Loyalitätsausschüssen vorzuweisen hätten. Bürgern, die einer kommunistischen oder linken politischen Ausrichtung verdächtigt wurden, blieb dieses Zeugnis verwehrt.4 Neben außerordentlichen Maßnahmen und Notgesetzen, die, wie bereits erwähnt, die Bürgerrechte und die politischen Freiheiten der nicht »nationalgesinnten« Bevölkerung massiv einschränkten, bedienten sich die Bürgerkriegssieger eines parastaatlichen Netzwerkes, das die Zeitgenossen als »Nebenstaat« oder »Parallelstaat« (Parakratos) bezeichneten. Der »Neben«- oder »Parallelstaat« setzte sich aus zahlreichen Organisationen zusammen, die entweder staatlich geduldet waren oder sogar in Zusammenarbeit mit den staatlichen Sicherheitsdiensten tatsächliche oder vermeintliche Regimegegner, insbesondere auf dem Land, einschüchterten. Höhepunkt ihrer Tätigkeit war die Ermordung des linken Parlamentsabgeordneten Grigoris Lamprakis während einer Friedensveranstaltung 1963 in Thessaloniki.5 Begründet wurden diese unfreien Verhältnisse durch die Beschwörung einer permanenten kommunistischen Gefahr, der Griechenland ausgesetzt sei. Die Erinnerung an den Bürgerkrieg, und zwar nicht als solcher, sondern als »slawokommunistischer Angriff« 4 Hagen Fleischer, Authoritarian Rule in Greece and its Heritage. In  : Jersy Borejsza, Klaus Ziemer (Hg.), Totalitarian und Authoritarian Regimes in Europe. Legacies and Lessons from the Twentieth Century (New York 2006) 237–273, 241  ; Nikos Alivizatos, The »Emergency Regime« and Civil Liberties, 1946– 1949. In  : John Iatridis (Hg.),Greece in the 1940s. A Nation in Crisis (Hanover 1981) 220–228, 241–245  ; ders., To syntagma kai oi echthroi tou sti neoelliniki istoria, 1800–2010 (Athen 2011), 364–370  ; Theodoros Lagaris, Innerer Feind, Nation und Demokratie. Zum Legitimationsprozeß in Griechenland nach dem Bürgerkrieg (Baden-Baden 2000) 105 f. 5 Fleischer, Authoritarian Rule in Greece, 241, 250  ; David Close, The Legacy. In  : Ders. (Hg.), The Greek Civil War, 1943–1950. Studies of Polarization (London u. a. 1993) 214.

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auf die staatliche und territoriale Integrität Griechenlands, spielte bei der Exemplifizierung dieser Bedrohung eine wichtige Rolle.6 Aufgrund seiner schwerwiegenden demokratischen Defizite bezeichnete der renommierte griechische Politologe und Historiker Ilias Nikolakopoulos das politische System, das zwischen dem Ende des Griechischen Bürgerkriegs und dem Beginn der siebenjährigen Militärdiktatur in Griechenland existierte, als »kränkelnde Demokratie« – ein Begriff, der sich mittlerweile in der wissenschaftlichen ebenso wie breiten Öffentlichkeit Griechenlands als terminus technicus durchgesetzt hat.7 In den repressiven Staatsmechanismus war neben der Polizei und den parastaatlichen Organisationen auch das Militär involviert. Letzteres stellte mit seiner langen Interventionsgeschichte in die griechische Politik sowie seiner 1944 gegründeten konspirativen Offiziersorganisation Heiliger Bund Griechischer Offiziere neben dem Königshaus und den rechtskonservativen Regierungen von Alexandros Papagos (1952–1955) und Konstantinos Karamanlis (1955–1963) den dritten Machtpol im antikommunistischen Griechenland des Kalten Krieges dar. Die Berufung auf den »inneren« kommunistischen Feind diente dem Militär als eine raison d’être und war ein erforderliches Instrument zur Legitimierung seiner erweiterten politischen Rolle. Angesichts des hohen Stellenwerts, der der kommunistischen Gefahr im »nationalgesinnten« Griechenland beigemessen wurde, verstand sich ein Teil der Militäroffiziere als Garant der Reproduktion der bürgerlichen Machtverhältnisse und hielt sich selbst für regierungsfähig im Falle einer Unfähigkeit der politischen Klasse, das Fortbestehen des Machtsystems zu sichern.8 In der Tat geriet das »nationalgesinnte« Machtgefüge spätestens ab Ende der 1950er Jahre zunehmend in Bedrängnis. Die »asymmetrische« Industrialisierung, die Anfang der 1960er Jahre ihren Höhepunkt erreichte, führte trotz des allgemeinen Anstiegs des Volkseinkommens zu einer Verschärfung der sozialen Gegensätze, die wiederum in einer politischen Massenmobilisierung für mehr Demokratie, Gleichberechtigung und Verstärkung des Parlamentarismus mündete. Der wirtschaftliche Aufschwung hatte u. a. auf einer während der Besatzungsjahre entstandenen Kapitalanhäufung, staatlichen Subventionen an Nutznießern des Systems und auf der Niedrighaltung der Löhne basiert. Folge dieser Entwicklung war eine Vergröße6 Vgl. Adamantios T. Skordos, Giechenlands Makedonische Frage  : Bürgerkrieg und Geschichtspolitik im Südosten Europas, 1945–1992 (Göttingen 2012)  ; ders., Die Besatzungs- und Bürgerkriegsjahre 1941– 1949 in der griechischen Erinnerungs- und Geschichtskultur – unter besonderer Berücksichtigung des griechischen »Historikerstreits«, Zeitgeschichte, 41 (2014) 1, 19–38. 7 Fleischer, Authoritarian Rule in Greece, 246  ; Ilias Nikolakopoulos, I kachektiki dimokratia. Kommata kai ekloges, 1946–1967 (Athen 2001). 8 Thanos Veremis, The Military in Greek Politics. From Indepedence to Democracy (London 1997) 151f  ; Thanasis Diamantopoulos, I elliniki politiki zoi  : eikostos aionas. Apo tin provenizeliki sti metapapandreïki epochi (Athen 1997) 23f.

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rung der bereits bestehenden Kluft zwischen Zentrum und Peripherie, Stadt und Land, bürgerlicher Schicht und Bauern. Die zu Ungunsten großer Teile der Bevölkerung vorgenommene Einkommensverteilung überschnitt sich wiederum mit einer Zunahme der sozialen Mobilität. Indem die arme Landbevölkerung im Zuge der Urbanisierung immer öfters in die bürgerlich dominierten Großstädte übersiedelte, wurde sie sich ihrer ökonomischen Misere stärker bewusst.9 Demzufolge sah sich das bürgerliche Establishment Ende der 1950er Jahre mit einer großen Unzufriedenheit in der Bevölkerung konfrontiert, die erstmals in den Wahlen von 1958 durch die beachtliche Stärkung der Partei der Einheitlichen Demokratischen Linken (Eniaia Dimokratiki Aristera, eda) zum Ausdruck kam.10 Die eda wurde seitens der Staatssicherheit verdächtigt, unter dem Einfluss der griechischen Exilkommunisten zu stehen.11 (Letztere hatten als Folge ihrer Niederlage im   9 Spyros Sakellaropoulos, Ta aitia tou aprilianou praxikopimatos, 1949–1967 (Athen 1998) 153–161  ; Marios Nikolinakos, Widerstand und Opposition in Griechenland. Vom Militärputsch 1967 zur neuen Demokratie (Darmstadt 1974) 108–115. 10 Aus den Wahlen des 5. März 1950, den ersten nach Ende des Bürgerkriegs, ging eine Zentrumsregierung mit Nikolaos Plastiras als Premierminister hervor, die sich allerdings nur vier Monate an der Macht halten konnte. Darauf folgte eine weitere Zentrumsregierung, die dieses Mal von Sofoklis Venizelos angeführt wurde, der wiederum für den 9. September 1951 Neuwahlen ausrief. Diese Wahlen konnten die Zentrumsparteien erneut für sich entscheiden, sodass die Liberalen der Freiheitlichen Partei mit Venizelos an der Spitze und die Nationale Fortschrittliche Zentrumsunion von Plastiras eine neue Koalitionsregierung bildeten. Aber auch diese Regierung schaffte es nicht, mehr als eineinhalb Jahre an der Macht zu bleiben. Die Wahlen vom 16. November 1952 gewann schließlich Feldmarschall Alexandros Papagos mit seiner gerade gegründeten ultrakonservativen Partei Griechische Sammlung. Nach seinem Tod 1955 übernahm sein Minister Konstantinos Karamanlis – nach Intervention des Hofes zu seinen Gunsten – die Regierungsgeschäfte. Dieser gründete kurz danach seine eigene Partei, die Nationale Radikale Union (Ethniki Rizospastiki Enosi, ERE). Karamanlis blieb bis 1963 an der Macht. Die Wahlen im November 1963 und die im Februar 1964 konnte die Zentrumsunion (Enosis Kentrou, EK) von Georgios Papandreou für sich entscheiden, die sich allerdings im Juli 1965 in zwei Lager spaltete. Ein Teil der EK, die sogenannten »Abtrünnigen« (Apostates), übernahmen mit der Unterstützung des Königshauses und der ERE die Regierungsverantwortung. Die für Mai 1967 ausgerufenen Wahlen fanden aufgrund des Militärputsches vom 21. April 1967 nie statt. Vgl. u. a. Sotiris Rizas. I elliniki politiki meta ton emfylio. Koinovouleftismos kai dimokratia (Athen 2008), 154–172  ; Diamantopoulos, I elliniki politiki zoi  : eikostos aionas. Apo tin provenizeliki sti metapapandreïki epochi, 93–115. 11 Die EDA war die einzige politische Kraft, die sich klar vom vorherrschenden Antikommunismus distanzierte. Verschiedene linke Kräfte hatten sich 1951 zu diesem Bündnis geschlossen, das seine Mitglied- und Anhängerschaft hauptsächlich aus den Reihen der illegalen KKE rekrutierte. Die EDA plädierte u. a. für Frieden und Zusammenarbeit zwischen den beiden Blöcken, eine neutrale Stellung Griechenlands innerhalb der bipolaren Weltordnung, die Annäherung des Landes an die kommunistischen Nachbarstaaten, für mehr soziale Gerechtigkeit sowie die Amnestie der kommunistischen Bürgerkriegsverlierer. Trotz der kommunistischen Vergangenheit vieler ihrer Mitglieder und Anhänger distanzierte sich allerdings die EDA deutlich von einem marxistischen Gesellschaftsmodell und zielte keineswegs auf einen Umsturz der parlamentarischen Demokratie. Vgl. u. a. Tasos Trikkas, EDA, 1951–1967. To neo prosopo tis aristeras (Athen 2009).

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Bürgerkrieg Griechenland verlassen und im Ostblock Zuflucht gefunden.) Die politische Klasse sah sich gezwungen, die Reproduktion der sozialen Verhältnisse durch neue Strategien zu sichern. Während der konservative Ministerpräsident Karamanlis mit seinem Programm der sogenannten »bürgerlichen Modernisierung« eine Politik bezweckte, die durch die Stärkung der exekutiven Gewalt und die Einschränkung des politischen Einflusses des Königs bei gleichzeitiger Erhaltung der autoritären Strukturen gekennzeichnet war, bemühte sich die liberale ek unter der Führung von Georgios Papandreou um eine »demokratischere« Lösung. Er strebte einen Kompromiss zwischen der Bewahrung der alten Machtstrukturen und einem an das Lager der Bürgerkriegsverlierer gerichteten Versöhnungs- und Integrationsprozess an. Seine Lösung, für die er immer mehr Unterstützung bei der Bevölkerung erhielt, brachte zwangsläufig eine Stärkung des Parlamentarismus mit sich, die ein Teil der führenden politischen und ökonomischen Eliten, die Monarchie und vor allem die Armee als eine Bedrohung ihrer herrschenden Position innerhalb des Staates interpretierten.12 Bei den Wahlen von 1961 konnte eine Regierungsübernahme der ek durch Wahlbetrug und unter Anwendung von Einschüchterungsmethoden in der Provinz noch abgewendet werden. Der Sieg Karamanlis’ und seiner von König und Militär unterstützten konservativen ere erwies sich allerdings als ein Pyrrhussieg. Papandreou akzeptierte das Wahlergebnis nicht, gab sich kompromisslos und rief zum Sturz der Regierung auf. Griechenland befand sich von diesem Moment an in offenem Aufruhr. Die Forderung nach Neuwahlen wurde von der Opposition und ihren Anhängern wiederholt gestellt und trotz Massenprotesten verweigert. Papandreou konnte schließlich nach den gewonnenen Wahlen vom Februar 1964 die Regierung übernehmen, und die Hoffnung vieler Menschen auf mehr Demokratie und Gerechtigkeit schien tatsächlich in Erfüllung zu gehen. Allerdings spaltete sich im Juli 1965 die ek aufgrund eines Konflikts zwischen dem Premierminister und dem jungen König Konstantin II. über die Kontrolle der Armee in zwei Lager. Ein Teil der Partei, die sogenannten »Abtrünnigen«, gründeten eine neue Partei namens Liberales Demokratisches Zentrum und bildeten im September 1965 mit Unterstützung des Königs und der konservativen ere ein neues Regierungskabinett. Der gestürzte Papandreou sprach von einem »königlichen Putsch« und rief seine Anhänger erneut zu einem »unnachgiebigen Kampf« auf. Sein Sohn Andreas ging sogar soweit, die Absetzung des Königs und die Ausrufung der Republik zu fordern unter Verweis darauf, dass der Hof schon immer einen negativen Einfluss auf die politischen Entwicklungen in Griechenland genommen habe.13 Der jüngere Papandreou, der es in den usa zum 12 Dimitris Charalampis, Stratos kai politiki exousia. I domi tis exousias stin metemfyliaki Ellada (Athen 1985) 104f. 13 Die Monarchie stellte in der Tat seit eh und je aufgrund der zahlreichen Eingriffe des Königshauses in die

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renommierten Ökonomieprofessor geschafft hatte und erst 1959 nach Griechenland griechische Innenpolitik einen permanenten Destabilisierungsfaktor dar. Die »Verfassungsrevolte« von 1843 hatte dem königlichen Absolutismus, der seit der neugriechischen Staatsgründung die Regierungspraxis bestimmte, ein Ende gesetzt. Mit der Verabschiedung einer Verfassung im März 1844 änderte sich die Staatsform von einer absoluten zu einer konstitutionellen Monarchie. Der von der bayrischen Königsfamilie stammende erste griechische Monarch, Otto I., wurde gezwungen, ein allgemeines Wahlrecht einzuführen und eine durch das Volk gewählte Regierung zu akzeptieren. Ab diesem Zeitpunkt waren Otto und seine Nachfolger auf dem hellenischen Thron, die ab 1863 ihre Herkunft aus dem Königshaus Glücksburg hatten, immer wieder bemüht, in das politische Tagesgeschehen einzugreifen und die demokratisch-parlamentarischen Spielregeln zu unterlaufen. Im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert machten mittlerweile Politiker mit einer republikanischen Grundausrichtung, wie etwa die liberalen Ministerpräsidenten Charilaos Trikoupis und Eleftherios Venizelos, hauptsächlich die königliche Interventionspraxis für die politische Instabilität und die Entwicklungsprobleme Griechenlands verantwortlich. Nur sehr ungern machte König Georg I. 1875 das Zugeständnis, dass der Monarch von nun an die Regierungsverantwortung an den Wahlsieger und nicht an eine politische Kraft seiner Präferenz zu übertragen habe. Das Verhältnis zwischen Monarchie und Republikanern wurde zunehmend konfliktträchtiger. Die Unstimmigkeit zwischen Premier Venizelos und dem germanophilen König Konstantin I. in der Frage des Eintritts Griechenlands in den Ersten Weltkrieg auf Seiten der Entente hatte schließlich die »Nationale Spaltung« zwischen republikanischen Venizelisten und antivenizelistischen Royalisten zur Folge. Die griechische Innenpolitik der Zwischenkriegszeit war im Wesentlichen durch diese Spaltung bzw. durch die Staatsformfrage geprägt. 1924 wurde mit Unterstützung republikanischer militärischer Kreise die erste Griechische Republik ausgerufen, nachdem zuerst König Georg II. zum Verlassen des Landes abgehalten worden war. Die Republik erwies sich aber als kurzlebig. Als Folge des royalistischen Wahlsieges 1933 kam es 1935 zur Restauration der Monarchie. Der auf den griechischen Thron zurückgekehrte Georg II. unterstützte 1936 die Errichtung einer faschistoiden Diktatur unter General Ioannis Metaxas. Während des Griechischen Bürgerkriegs führte er bis zu seinem Tod 1947 die »nationalgesinnten« Kräfte gegen die kommunistischen an. Sein Brüder, Paul I., stieg in einer sehr kritischen Phase des Bürgerkriegs auf den Thron, als dessen Ausgang noch völlig offen war. Unter seiner Führung vereinten sich Venizelisten und Anti-Venizelisten im gemeinsamen Kampf gegen den Kommunismus. Der Einfluss des Hofes auf die Regierungspolitik wurde durch den bürgerlichen Sieg erheblich verstärkt. Die neue Verfassung von 1952 trug wesentlich zur politischen Krise der 1960er Jahre bei, zumal sie die Kompetenzen des Königs bei der Regierungsbildung und -umbildung nicht genügend konkretisierte und einen erweiterten Spielraum für Interpretationen ließ. Diesen Spielraum nutze dann Mitte der 1960er Jahre der junge und unerfahrene König Konstantin II., um nach dem eindeutigen Wahlsieg der EK im Februar 1964 den Demokratisierungs- und Liberalisierungsprozess aufzuhalten. Sein Hauptanliegen bestand darin, die Armee weiterhin unter königlicher Kontrolle zu behalten. Als Premier Georgios Papandreou Ende Juni 1965 den königstreuen Verteidigungsminister Petros Garoufalias entlassen und selbst das Amt übernehmen wollte, weigerte sich Konstantin II., diesen Wechsel anzunehmen und die entsprechende Urkunde zu unterzeichnen. Daraufhin reichte Papandreou seinen Rücktritt ein, der wider Erwarten vom König angenommen wurde. Die Krise des politischen Systems spitzte sich weiter zu, als der Monarch keine Neuwahlen, wie Papandreou forderte, ausrief, sondern im September 1965 nach zwei zunächst gescheiterten Versuchen die neue Regierung Stefanopoulos aus einem abtrünnigen Teil der EK ernannte. Vgl. u. a. Ioannis Zelepos, Kleine Geschichte Griechenlands. Von der Staatsgründung bis heute (München 2014) 56-–60, 76–78, 181–203  ; Nikolakopoulos, I kachektiki dimokratia, 339–352  ; Richard Clogg, A Concise History of Greece, 3. Aufl. (Cambridge u. a. 2013) 51–53, 63, 91–97, 142–160.

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zurückgekehrt war, führte den radikaleren Teil der ek an. Dieser schloss eine Zusammenarbeit mit der linken eda auf Regierungsebene nicht aus und forderte vehement die Beendung des US-amerikanischen Einflusses in Griechenland. Die Radikalität der Positionen A. Papandreous und seiner Mitstreiter kombiniert mit zahlreichen populistischen Versprechen sorgten für größte Unruhe beim Hof und in Washington ebenso wie unter den Militärs. Während G. Papandreou niemals – selbst nach den Juli-Ereignissen von 1965 – die Staatsform und die antikommunistisch-prowestliche Grundausrichtung Griechenlands in Frage gestellt hatte, ließ sein immer populärer werdender Sohn alle Optionen für die Zukunft offen. Außer dem König nahm er die »Verräter« aus den eigenen Reihen, die sich von der ek abgespaltet und die »Regierung der Abtrünnigen« gebildet hatten, ins Visier.14 Die vom König eingesetzte »Regierung der Abtrünnigen« konnte sich trotz des ununterbrochenen Beschusses der beiden Papandreous und ihrer Anhänger nahezu anderthalb Jahre an der Macht halten, bis die ere ihr die Unterstützung entzog. Daraufhin wurden für den 27. Mai 1967 Neuwahlen ausgerufen und alles deutete auf einen neuen klaren Sieg Papandreous hin.15 Dazu sollte es aber nie kommen. In der Nacht vom 20. auf den 21. April 1967 war es eine fünfzehnköpfige Gruppe von 14 Obristen und einem Brigadier, die wegen der »Gefahr« einer Demokratisierung des politischen Systems durch die ek einen Umsturz durchführte und die Staatsgewalt übernahm. Die führende Troika innerhalb dieser Gruppe setzte sich aus dem zukünftigen Diktator, Oberst Georgios Papadopoulos, Brigadier Stylianos Pattakos und Oberst Nikolaos Makarezos zusammen. Die Teilnahme von Brigadier Pattakos an der Verschwörung war für den Erfolg des Staatsstreiches insofern von großer Bedeutung, als er die in Athen stationierte Panzereinheit befehligte, die alle strategischen Punkte der Hauptstadt besetzte. Entscheidend für das Gelingen des Putsches war auch die Tatsache, dass sich in den ersten kritischen Stunden der Generalstabchef Georgios Spantidakis den Putschisten anschloss und der Armee den Befehl zur Ausführung des Prometheus-Planes, der in Zusammenarbeit mit der nato für den Fall einer kommunistischen Revolte entworfen worden war, erteilte. Daraufhin wurde die gesamte politische Führung des Landes in Gewahrsam genommen oder unter Hausarrest gestellt und rund 8.000 Bürger, die in den Sicherheitsakten als »Kommunisten« eingetragen waren, festgenommen. Viele von ihnen wurden in den nächsten Tagen auf abgelegene Inseln gebracht, wie etwa Giaros, wo seit Bürgerkriegszeiten konzentrationslagerähnliche Einrichtungen existierten. Der König, der formell Oberbefehlshaber der Streitkräfte war, versuchte noch in den frühen Morgenstunden des 21. April, den Staatsstreich rückgängig zu 14 Nikolakopoulos, I kachektiki dimokratia, 339–371. 15 Ebd., 239–242  ; Solon Grigoriadis, Istoria tis synchronis Elladas, 1941–1974. Diktatoria 1967–1974, Bd. 3 (Athen 2011, Neuauflage v. 1973) 949–498.

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machen, musste dennoch sehr schnell zur Kenntnis nehmen, dass Papadopoulos und seine Komplizen bereits große Teile der Armee unter ihre Kontrolle gebracht hatten und nicht bereit waren, sich seinem Willen zu beugen. Um ein Blutvergießen innerhalb des Militärs zu vermeiden, sah sich der Monarch gezwungen, einzulenken und am Nachmittag des 21. April 1967 die erste Junta-Regierung zu vereidigen. Immerhin konnte er durchsetzen, dass die Putschisten den königstreuen Generalstaatsanwalt Konstantinos Kollias als Premierminister akzeptierten. Eine der ersten Maßnahmen dieser Regierung bestand darin, alle Artikel der Verfassung, durch die politische Freiheiten garantiert wurden, außer Kraft zu setzen.16 Der Putsch selbst kam weniger überraschend als die Information über seine Urheber. Das Szenario eines königlichen Putsches zur Abwendung der bevorstehenden Mai-Wahlen zirkulierte seit Längerem in der Öffentlichkeit. Und in der Tat war in den letzten Monaten des Jahres 1966 eine Verschwörung des Königs, mehrerer Generäle und einiger konservativer Politiker – nachträglich als die »große Junta« bekannt – im Gang.17 Der König und seine Komplizen forderten allerdings in ihren Gesprächen mit den US-amerikanischen Entsandten in Athen ein eindeutiges Zugeständnis seitens Washingtons zur Durchführung des Putsches. Nachdem dieses nicht gegeben wurde, zögerte der König, seinen Generälen das grüne Licht für einen Umsturz zu geben.18 Angesichts der Unentschlossenheit Königs Konstantin II. zu handeln, mobilisierte sich die bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend unbekannte Obristengruppe unter der Führung der besagten Papadopoulos, Makarezos und Pattakos, um Griechenland in »allerletzter Minute« vor einem »erneuten kommunistischen Machtergreifungsversuch«, dem politischen Chaos und der »Filzokratie« der politischen Klasse zu retten – so die offizielle Junta-Diktion.19 Diktator Papadopoulos verglich in seiner Auftaktrede als neuer Staatskanzleiminister Griechenland mit einem schwer kranken Patienten, der solange im »Gipsverband« bleiben müsse, bis er sich wieder auf dem sicheren Weg der Genesung befinde.20 Auch wenn bis heute noch viele Griechen davon überzeugt sind, dass die Obristen am 21. April 1967 auf direkten Befehl Washingtons gehandelt haben und deshalb die usa für die Militärdiktatur verantwortlich machen, ist der Staatsstreich vor allem als die Folge der graduellen Abkoppelung der Armee seit den Bürgerkriegsjahren von der politischen 16 Vgl. ebd., 73–75  ; Tasos Kontogiannidis, I agnosti nychta tis 21. Apriliou 1967 kai ta onomata ton 6.135 sylliftenton (Athen 1997)  ; Heinz A. Richter, Griechenland 1950–1974  : Zwischen Demokratie und Diktatur (Ruhpolding 2013), 352–389. 17 Tasos Vournas, Istoria tis synchronis Elladas, 1967–1974. Chounta – Fakelos Kyprou (Athen1986) 7f. 18 Alexis Papachelas, O viasmos tis ellinikis dimokratias (Athen 2007) 237  ; Rizas, I elliniki politiki meta ton emfylio. Koinovouleftismos kai dimokratia, 486. 19 Grigoriadis, Istoria tis synchronis Elladas, 106f. 20 Meletis Meletopoulos, I diktatoria ton syntagmatarchon. Koinonia – Ideologia – Oikoniomia, 2 Aufl. (Athen 2000) 34.

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Elite und der Monarchie zu betrachten. Zunehmend verstanden sich die Militärs als politischer Pol, der der Monarchie und der politischen Elite keineswegs untergeordnet sei, sondern im Notfall selbständig agieren könne.21 Die Tatsache, dass die »kleine Junta« Papadopoulos’ und seiner Mitverschwörer der »großen Junta« des vor einem coup d’état zögernden Königs und der auf dessen Befehl wartenden Generäle zuvorkam, hatte für die Zukunft der Monarchie in Griechenland schwerwiegende Konsequenzen  : Nachdem Konstantin II. am 14. Dezember 1967 infolge eines gescheiterten »Gegenputsches« Griechenland verlassen musste,22 schufen die sogenannten »Aprilianer« im Sommer 1973 die parlamentarische Monarchie als Staatsform ab und ersetzten diese durch die einer (angeblich) präsidialen Republik. Junta-Chef Papadopoulos ernannte sich damals selbst zum ersten Präsidenten der Republik – er sollte seinen Vorstellungen nach bis Juni 1981 in diesem Amt bleiben – und ließ seine Berufung auf die neu erworbene Spitzenposition in Griechenland sogar durch ein Plebiszit bestätigen. Im letzterem, das am 29. Juli 1973 unter repressiven Bedingungen stattfand, sollen sich 72,2 Prozent der Wählerschaft für den Staatsformwechsel ausgesprochen haben.23 Das politische Ende für Papadopoulos kam dennoch abrupt. Die von ihm 1973 aufgrund des ausländischen Drucks eingeleitete Liberalisierung des Regimes begünstigte im November 1973 im Athener Polytechnikum den Ausbruch eines Studentenaufstands. Seiner blutigen Niederschlagung, die mindestens 23 Menschen das Leben kostete, folgte die Absetzung Papadopoulos’ durch den Hardliner Brigadier Dimitrios Ioannidis. Dieser, zum Zeitpunkt der Amtsenthebung Papadopoulos’ Chef der Militärpolizei, führte die nächsten sieben Monate die Regierungsgeschäfte hinter 21 Vgl. dazu Nikos Mouzelis, Neoelliniki koinonia. Opseis ypoanaptixis (Athen 1978) 269f.  ; ders., Koinovouleftismos kai ekviomichanisi stin imi-peripheria. Ellada, Valkania, Latiniki Ameriki (Athen 1987) 233f.  ; ders., On the Rise of Postwar Military Dictatorships  : Argentina, Chile, Greece, Comparative Studies in Society and History, 28 (1986) 1, 55–80  ; Charalampis, Stratos kai politiki exousia, 104f. 22 Die am 13. Dezember 1967 durchgeführte Operation des Königs, die Kontrolle über »seine« Armee zurückzugewinnen, war ausgesprochen schlecht organisiert. Insbesondere fand sie unter Verkennung der Tatsache statt, dass die Putschisten die neuralgischen Positionen im Militär mit ihnen ergebenen Offizieren besetzt hatten. Vor allem entscheidend war in dieser Hinsicht, dass General Odysseas Angelis, der Oberkommandierende der drei Waffen (Heer, Marina, Luftwaffe), dem König seine Unterstützung verweigerte und den Streitkräften den Befehl erteilte, dem Regime loyal zu bleiben. Die wenigen Generäle, die sich an die Seite des Königs stellten, wurden von jüngeren, juntatreuen Offizieren niedrigeren Ranges verhaftet. Es dauerte weniger als 24 Stunden, bis Konstantin die Hoffnungslosigkeit der Situation erkannte und mit seiner Familie nach Rom flüchtete. Begleitet wurde er bei seiner Flucht von Ministerpräsident Kollias, an dessen Stelle Diktator Papadopoulos höchstpersönlich trat. Zugleich wurde von der Junta Generalleutnant Georgios Zoitakis zum Regenten ernannt, der den König in der Zeit seiner Abwesenheit und bis zu seiner Rückkehr in all seinen Funktionen vertreten sollte. Vgl. u. a. Rizas, I elliniki politiki, 437  ; Zelepos, Kleine Geschichte Griechenlands, 205f. 23 Alivizatos, To syntagma, 412–415.

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den Kulissen – deswegen auch »unscheinbarer Diktator« genannt – bis seine Intervention auf Zypern gegen den dortigen Staatspräsidenten, Erzbischof Makarios, zum türkischen Eingriff auf der Insel führte.24 Die Zypern-Frage, deren Eskalation im Sommer 1974 das Ende der griechischen Junta herbeiführte, war seit der erlangten Unabhängigkeit der Insel von der britischen Kolonialherrschaft 1960 ein Dauerthema der griechischen Innen- und Außenpolitik. Seitens Athens betrachtete man die Staatswerdung Zyperns, das von einer griechischsprachigen Mehrheitsbevölkerung bewohnt war, aber auch eine große türkischsprachige Minderheit im Norden beheimatete, nur als eine Zwischenphase im Prozess der Eingliederung der östlichen Mittelmeerinsel in den griechischen Staat. Dieser Plan fand unter den Griechen Zyperns großen Zuspruch, während die zypriotischen Türken und Ankara strikt dagegen waren. Papadopoulos hatte unmittelbar nach dem Putsch des 21. April 1967 erfolglos versucht, die griechisch-zypriotische Vereinigung mit der Türkei auszuhandeln und durch einen außenpolitischen Erfolg sein Regime im Inland zu etablieren. Das schlecht vorbereitete Unterfangen endete in einem Fiasko für die Obristen. Danach musste die Junta in der Zypern-Frage eine deutlich passivere Haltung einnehmen, zumal der griechisch-zypriotische Präsident Makarios gegen eine Union mit Griechenland und für die Unabhängigkeit Zyperns war, während die usa Athen und Ankara zugleich von einer gewalttätigen Intervention auf Zypern abrieten. Allerdings übernahmen Ende 1973 jene Junta-Kräfte in Griechenland die Macht, die seit Längerem die Beseitigung des aus ihrer Sicht nicht »kooperationswilligen« und kommunistisch angehauchten Makarios unterstützten. Nachdem der besagte Ioannidis und seine Mitstreiter die indifferente Haltung des US-amerikanischen Außenministers, Henry Kissinger, gegenüber ihren Umsturzplänen auf Zypern als ein Zugeständnis der Großmacht für die Vereinigung Zyperns mit dem griechischen »Vaterland« gedeutet hatten, gaben sie ihren Verbündeten auf der Insel für den Putsch gegen Makarios grünes Licht. Die türkische Entschlossenheit, als Folge des Putsches eine militärische Invasion auf Zypern durchzuführen, und die fehlende Bereitschaft der usa, Ankara davon abzuhalten, überraschten Ioannidis und die Führung der griechischen Streitkräfte, die aus unerklärlichen Gründen tatsächlich glaubten, die Türkei würde nicht eingreifen. Die griechische Armee war für einen Notfall nicht entsprechend vorbereitet.25 In der aussichtslosen Situation, in der sich aufgrund der Machenschaften Ioannidis’ Nikosia und Athen befanden, entschloss sich nun die Führung der griechischen Streitkräfte am 23. Juli 1974 zur Beendigung der Militärdiktatur und die Rückgabe 24 Grigoriadis, Istoria tis synchronis Elladas,763  ; Rizas, I elliniki politiki, 465–468. 25 Sotiris Rizas, Oi Inomenes Politeies, i diktatoria ton syntagmatarchon kai to kypriako zitima 1967–1974, 2. Aufl. (Athen 2004)  ; Grigoriadis, Istoria tis synchronis Elladas, 857–870.

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der Macht an die vordiktatorische politische Klasse. Der »unscheinbare Diktator«, dem zahlreiche mittelranginge Offiziere weiterhin blind gehorchten, musste versprechen, diese Entscheidung zu respektieren, obgleich er dagegen war. Staatspräsident General Faidon Gizikis und die Oberbefehlshaber der griechischen Streitkräfte (General Grigorios Bonanos, General Andreas Galatsanos, Admiral Petros Arapakis und Luftmarschall Alexandros Papanikolaou) trafen die Entscheidung, die Militärdiktatur zu beenden, nicht nur unter dem Druck des auf Zypern vorrückenden türkischen Militärs, sondern auch aufgrund der (letztendlich unbestätigt gebliebenen) Nachricht, dass 250 in Nordgriechenland stationierte Offiziere bereit seien, gegen die Junta zu revoltieren. Diese Offiziere, so die am 22. Juli 1974 in Athen eingetroffene Nachricht, hätten unter der Führung von General Ioannis Davos, dem Kommandanten des schlagkräftigen Dritten Armeekorps, die unverzügliche Übergabe der Macht an den König und die Politiker gefordert, andernfalls würden sie sich mit den ihnen unterstellten Truppen Richtung Athen bewegen. Die Generäle und die Vertreter der politischen Klasse, die an den Krisenverhandlungen teilnahmen, legten sich auf die vom konservativen Politiker Evangelos Averof und Admiral Arapakis vorgeschlagene »Lösung Karamanlis« fest. Zum einen genoss Karamanlis aus seiner früheren Regierungszeit das Vertrauen des siegreichen antikommunistischen Bürgerkriegslagers, zum anderen schien er zu diesem Zeitpunkt als einziger über die notwendige Autorität zu verfügen, um Griechenland aus dem zypriotischen Desaster zu führen und einen möglichen erneuten Putschversuch Junta-treuer Elemente des Militärs zu verhindern.26

Der Staatsstreich und die »Verantwortung« Andreas Papandreous Der erste Bericht der Österreichischen Botschaft Athen (öba) nach Wien, kurz nachdem in den frühen Morgenstunden des 21. April die von Papadopoulos angeführte Obristengruppe gegen die Regierung und den König geputscht hatten, verrät durch den Flüchtigkeitsfehler am Datum des Putsches, das um einen Tag nach vorn verlegt wurde, eine gewisse Aufregung und Verwirrung des Verfassers dieses Berichts. Verfasst wurde der Bericht von Botschafter Ludwig Steiner, seit 1964 österreichischer Missionschef in Griechenland und Zypern. Wie anschließend hier noch gezeigt wird, hatten er und die Mehrheit der anderen ausländischen Beobachter den aus dem linken Lager kommenden Warnungen vor der Gefahr eines Staatsstreichs wenig Glauben geschenkt. In diesem ersten Bericht nach dem Staatsstreich sind außerdem die ersten Eindrücke Steiners von den neuen Machthabern sowie seine Einschätzung zur 26 Ebd., 949–451  ; Rizas, I elliniki politiki, 486  ; StavrosPsycharis. Ta paraskinia tis allagis (Athen 2010, Neuauflage v. 1975)  ; ders., Oi 70 krisimes meres (Athen 1976).

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kurzen Dauer der Militärdiktatur festgehalten. Seine Prognose über einen schnellen Rückzug von der Politik der ihm von Anfang an unbeliebten Obristen sollte sich nicht bewahrheiten. Als er 1972 Griechenland verließ, befand sich Diktator Papadopoulos am Höhepunkt seiner Macht – und dies obwohl die Ausgangslage für sein Regime, wie sie Steiner in seinem Bericht vom 21. April 1967 schilderte, alles andere als günstig war  : »In der Nacht vom 19. auf den 20. April 1967 [sic  !] haben die bewaffneten Streitkräfte in Form eines Putsches die Macht an sich gerissen. […] Von Stunde zu Stunde zeichnet sich immer klarer ein betont nationalistischer Kurs der Offiziersjunta ab, die allenfalls am ehesten mit einem ›rechten Nasserismus‹ umschrieben werden könnte, obwohl vielleicht die treffendste Bezeichnung ›Nationalsozialismus‹ wäre. […] Das Militär hat [befohlen] neben den demagogischen Volkstribunen der Linken praktisch alle demokratischen Persönlichkeiten und Kreise, die in der Lage waren, dem neuen Regime Schwierigkeiten zu bereiten, außer Aktion zu setzen. […] Ich habe bereits in meinen Vorberichten zur innenpolitischen Situation darauf hingewiesen, dass eine Militärdiktatur in Griechenland aller Voraussicht keinen allzu langen Bestand haben wird. Dieser Meinung bin ich nach wie vor. Der unruhige und von Freiheitswillen stark beseelte Charakter des griechischen Volkes dürfte es den neuen Machthabern sehr schwer machen, ihre Herrschaft lange zu behaupten. Der Putsch wird nämlich nicht nur von den Linkskräften, sondern praktisch von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung verurteilt, die wie kaum eine zweite auf die Ausübung ihrer demokratischen Rechte pocht, die sie sich im Laufe ihrer Geschichte schwer genug und mit einem hohen Blutzoll beladen erkämpfen musste. D[em] neuen Regime […] dessen Slogans zum Teil an die Zeiten des Dritten Reiches erinnern, [wird es] daher schwer fallen, gegen den Willen der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung auf die Dauer zu regieren. Noch dazu in einem Land, das schon wegen seiner geographischen Zersplitterung für die Erhaltung einer Gewaltherrschaft zum Teil unüberwindliche Schwierigkeiten organisatorischer Art mit sich bringt. Zudem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Griechen im Laufe ihrer bewegten Geschichte schon öfters bewiesen haben, dass sie beherzte Kämpfer sind, die um ihre Rechte auch mit der Waffe in der Hand zu streiten wissen. Ich glaube daher, dass sich die neuen Machthaber nicht auf die Dauer in Griechenland werden halten können.«27

Steiner war ein sorgfältiger Beobachter und dementsprechend guter Kenner der innenpolitischen Situation Griechenlands. Aus seinen zahlreichen Berichten nach Wien geht hervor, dass er überwiegend die Ansichten des rechten Lagers teilte und 27 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 13-Pol/67. Militärputsch in Griechenland. Steiner an Tončić-Sorinj vom 21.4.1967.

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in der Regel dessen Perspektive auf die Ursachen der politischen Krise übernahm. Wie den meisten Griechen und ausländischen Vertretungen war auch ihm durch die griechische Presse das düstere Szenario eines militärischen Staatsstreiches zur Abwendung einer Regierung der Zentrumsunion (EK) bekannt. Wie das konservative Establishment hielt aber auch er diese Gefahr für gering und machte für ihre Heraufbeschwörung den »Linkspopulisten« Andreas Papandreou und die ihm gutgesinnte Presse verantwortlich. So berichtete er etwa am 2. März 1966 Außenminister Bruno Kreisky von den in der Öffentlichkeit zunehmenden Spekulationen über einen möglichen Eingriff des Militärs Folgendes  : »In der Athener Presse hören die Anspielungen auf die Möglichkeit einer Militärdiktatur in Griechenland seit einigen Wochen nicht mehr auf. […] Griechenland ist politisch zweifellos das Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten. Deshalb wäre es sicherlich falsch, auch nur irgendeine Variante, und scheint sie noch so unmöglich, außer Acht zu lassen. Bisher fehlt zur Bildung einer Militärjunta jede reale Basis. Insbesondere gibt es in der griechischen Armee keinen politisch so versierten, als Persönlichkeit genug profilierten und in der Öffentlichkeit allgemein anerkannten Offizier, der eine allfällige Militärrevolte anführen könnte. […] Ich glaube daher, dass eine griechische Militärdiktatur wenigstens in der nächsten Zeit nicht über die Zeitungsspalten der Papandreou-Presse hinauskommen wird.«28

Ein halbes Jahr später sah sich Botschafter Steiner erneut veranlasst, zur Frage einer möglichen Intervention der Armee in die griechische Innenpolitik Stellung zu nehmen. Grund dafür waren die Äußerungen A. Papandreous am 12. Oktober 1966 bei seiner Ankunft in Athen nach einer Skandinavien-Reise, in denen er nachdrücklich vor der Gefahr eines Militärputsches warnte. In diesem Zusammenhang verkündete er, dass im Fall eines Staatsstreiches die dänische und schwedische Regierung ihm und allen anderen »demokratischen Kräften« Griechenlands ihre uneingeschränkte Unterstützung zugesichert hätten. Steiner, der ein sehr negatives Bild von A. Papandreou hatte und diesem, wie hier noch gezeigt wird, die Hauptverantwortung für die politische Eskalation in Griechenland anlastete, spielte in seinem Bericht an den neuen Außenminister Lujo Tončić-Sorinj erneut die reale Gefahr eines Putsches herunter. Er tat dies vor allem, indem er die Glaubwürdigkeit A. Papandreous in Frage stellte  : »Die Idee, dass in Griechenland die Errichtung einer Diktatur unmittelbar bevorsteht, ist eine der zwar nicht mehr neuen, aber in letzter Zeit mit ganz besonderer Lautstärke vorgebrachten Gespenstergeschichten des linken Zentrums. Die griechische Regie28 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 11-Pol/66. Gerüchte über eine mögliche Militärdiktatur in Griechenland. Steiner an Kreisky vom 2.3.1966.

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rung hat nach dieser Erklärung Papandreous jun. den dänischen und schwedischen Botschafter in das Außenministerium zitieren lassen und eine Stellungnahme der dänischen und schwedischen Regierung verlangt. […] Daraus kann man wohl nur den Schluss ziehen  : Man hüte sich vor Besuchen Andreas Papandreous.«29

Bereits vor und noch lange nach dem Putsch des 21. April 1967 erhoben Botschafter Steiner und der Botschaftsgeschäftsträger Wotawa schwere Vorwürfe gegen A. Papandreou, was seine Mitschuld an der politischen Instabilität und folglich an der Errichtung einer Militärdiktatur betraf. Die beiden Diplomaten übernahmen zu einem großen Teil die Sicht des rechten Lagers, das A. Papandreou als eine der größten Bedrohungen für die Demokratie und das Königshaus in Griechenland darstellte. Steiner und Wotawa trauten dem erst 1961 aus den usa nach Griechenland zurückgekehrten und kurz darauf in die ek eingetretenen politischen Jungstar eine eigennützige und daher völlig skrupellose Politik zu. Im Gegensatz zu seinem Vater und Anführer der ek Georgios Papandreou, der eine Zusammenarbeit mit der »kryptokommunistischen« eda ausdrücklich ausschloss, würde sein Sohn, so Steiner Ende März 1967 in seiner Berichterstattung an das Außenministerium, die Bildung einer Volksfront anvisieren, bestehend aus dem linksliberalen Flügel der ek und den kommunistischen Kräften des Landes, nur um an die Macht zu gelangen. Steiner hegte sogar die Befürchtung, dass nach der Machtübernahme durch diese Volksfront und »mit dem Anbrechen einer Ära des jungen Papandreou in Griechenland voraussichtlich auch der Anfang vom Ende der Demokratie in Griechenland gekommen und der Beginn für eine ›gelenkte Demokratie‹ im Stile Nassers, dessen Regime Andreas offenbar als Traumziel vorschwebt, gemacht wäre«.30 Selbst in seinem besagten ersten Bericht nach dem Putsch hielt Steiner A. Papandreou und seine vermeintlichen Absichten zur Errichtung eines autoritären Regimes unter sozialistischen Vorzeichen nach dem Vorbild der Diktatur von Gemal Abdel Nasser in Ägypten als die weit größere Gefahr im Vergleich zur Offiziersjunta Papadopoulos’ und seiner Komplizen. Während er letzterer, wie gesagt, keine dauerhaften Überlebenschancen zutraute, machte er sich weit mehr Sorgen darüber, was nach der Absetzung des Obristenregimes folgen könnte. Insbesondere befürchtete Steiner, dass letztendlich die »umstürzlerische Linke« um A. Papandreou am meisten und in einer langfristigen Perspektive von dem Militärputsch profitieren würde  : »Der Zusammenbruch der Militärdiktatur wird aber eines sicherlich zur Folge haben  : Die Reaktion der Bevölkerung auf die Vorgänge beim Putsch und seine Vorgeschichte 29 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 42-Pol/66. Vorsicht bei Besuchen von Andreas Papandreou. Steiner anTončićSorinj vom 17.10.1966. 30 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 10-Pol/67. Steiner an Tončić-Sorinj vom 31.3.1967.

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wird eine unerhörte Stärkung der Linkskräfte zur Folge haben, die, dem Ziel des jungen Papandreou folgend, wahrscheinlich ein sozialistisches Regime a la Nasser einzuführen bestrebt sein werden. […] Demokratische Wahlen mögen nunmehr in die Ferne gerückt sein, der Tag wird aber hoffentlich auch wieder kommen, wo solche möglich sein werden. Leider wird aber in einem solchen Fall voraussichtlich der Pendelschlag in die andere Richtung gehen. Dem Chaos, das die radikalen Rechtskräfte jetzt verursacht haben, wird wahrscheinlich ein Chaos folgen, das von der Linken ausgeht. So kann man der Zukunft dieses Landes nur mit größter Besorgnis entgegensehen. Der Teufelskreis, der sich noch schneller als erwartet um dieses Land gelegt hat, wird leider Griechenland für lange Zeit voraussichtlich nicht mehr aus seinen Klauen lassen.«31

Steiner hielt A. Papandreou nicht nur für mitschuldig an dem Putsch, sondern gab ihm die Hauptschuld dafür. Mit seiner kompromisslosen und unversöhnlichen Haltung gegenüber seinen politischen Gegnern und dem Königshaus sowie seiner populistischen Hetzkampagne habe er die politische Verständigung zwischen der liberalen ek und der rechten ere gezielt torpediert und Ängste bei ultrakonservativen Kreisen des Staatsapparats und des Militärs auf unverantwortliche Weise geschürt. Beispielhaft für diese negative Bewertung der Rolle A. Papandreous in der griechischen Innenpolitik durch den österreichischen Missionschef ist die Reaktion Steiners im März 1968 auf die Nachricht über die Entscheidung der schwedischen Regierung, den mittlerweile sich im Exil befindenden Papandreou als offiziellen Repräsentanten der griechischen politischen Emigration anzuerkennen. In seinem einschlägigen Bericht an Außenminister Kurt Waldheim ließ der Diplomat seiner Entrüstung über diese Entscheidung freien Lauf und berichtete bei dieser Gelegenheit noch einmal von den »Untaten« des griechischen Politikers in der vordiktatorischen Zeit  : »Dass gerade Andreas Papandreou von der schwedischen Regierung auserkoren worden ist, dem griechischen Volk die Demokratie wiederzubringen, klingt wie ein Hohn, hat doch dieser griechische Politiker wie kein anderer unermüdlich an dem Durcheinander gearbeitet, der dann die griechische Demokratie den Putschisten wie eine reife Frucht in die Hände fallen ließ. In weitesten Kreisen der griechischen Bevölkerung, ohne Unterschied der Partei-Bindungen, ist es so gut wie unbestritten  : Andreas Papandreou ist einer der Hauptverantwortlichen dafür, dass die griechische Demokratie so gar kein Lebenszeichen mehr gab, als sie von den Obersten verscharrt wurde. […] Andreas dürfte an eine einzige Ideologie glauben, an einem einzigen Vaterland hängen und einer einzigen Partei angehören, nämlich der des Andreas Papandreou. […] Könnte man das Rad der Geschichte nur den knappen Zeitraum eines Jahres zu31 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 13-Pol/67. Militärputsch in Griechenland. Steiner an Tončić-Sorinj vom 21.4.1967.

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rückdrehen, so würde einem auf der politischen Bühne Griechenlands als dominierender Faktor Andreas Papandreou wieder begegnen, der durch demagogische und aufpeitschende Reden, die er zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit hält, das innenpolitische Leben Griechenlands in einen Hexenkessel zu verwandeln droht. […] Es war auch Papandreou jr. der durch seine politischen Umtriebe und Intrigen jeden Ansatzpunkt einer Verständigung, der sich Anfang vergangenen Jahres zwischen den gemäßigten Elementen der Zentrumsunion und der rechtsstehenden ere-Partei anzubahnen schien, zunichtemachte. […] So hat Andreas Papandreou geglaubt, in der Schaffung eines immer hitzigeren innenpolitischen Klimas, das bei den politisch leicht zu fanatisierenden Griechen und bei den demagogischen Fähigkeiten der beiden Papandreous leicht herbeizuführen war, seine Chancen suchen zu müssen.«32

Es ist bezeichnend für die Fixierung der öba auf A. Papandreou, dass ihr Führungspersonal selbst im Sommer 1968, als die Konsolidierung des Obristenregimes endgültig eingetreten war, ihre Aufmerksamkeit vorwiegend auf das »verantwortungslose Treiben« des Exilpolitikers richtete, obgleich eine zeitnahe Rückkehr Griechenlands zur Demokratie alles andere als möglich erschien und somit auch keinerlei »Gefahr« einer Regierungsübernahme durch A. Papandreou bestand. Vor allem das im August 1968 in Rom geschlossene Abkommen A. Papandreous mit der seit der Bürgerkriegszeit illegalen kke für ein gemeinsames Vorgehen inner- und außerhalb Griechenlands mit dem Ziel des Sturzes des Militärregimes hielt die Botschaft, im konkreten Fall ihr Geschäftsträger Wotawa, für einen »politischen Streich«, der erahnen ließe, was Griechenland bevorstünde, wenn einmal Papandreou an die Macht käme. Ohne es explizit zu sagen, bewertete der österreichische Diplomat so eine Entwicklung genauso negativ, wenn nicht sogar noch negativer als jene der Errichtung der Militärdiktatur. Dies wird insbesondere in seiner Feststellung deutlich, dass das Abkommen zwischen A. Papandreou und der kke »geradezu eine nachträgliche Rechtfertigung für den Putsch der Militärs darstellt, die nun selbstgefällig darauf hinweisen können, dass die Packelei der Zentrumsunion mit den Kommunisten, die unter der Hand schon seit jeher betrieben worden sei, nunmehr vor aller Welt auch in schriftlicher Form offenkundig geworden sei«.33 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Botschafter Steiner und Geschäftsträger Wotawa mit ihrem negativen Andreas Papandreou-Bild unter den ausländischen Beobachtern nicht alleine waren. Viele andere im »westlichen« Lager vertraten ähnliche Ansichten. Vor allem für US-amerikanische Diplomaten und Geheimdienste 32 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 16-Pol/68. Andreas Papandreou. Steiner an Waldheim vom 1.3.1968. 33 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 38-Pol/68. Andreas Papandreou setzt sein unheilvolles Wirken zum Schaden Griechenlands fort – Pakt mit den Kommunisten zum Sturz der Militärregierung. Wotawa an Waldheim vom 8.8.1968.

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hatte sich in den 1960er Jahren der Antiamerikanismus Papandreous junior »zu einer Art Psychose« entwickelt, sodass ihre Meinung über ihn von einer »dauerhaften Voreingenommenheit« geprägt war.34 Beispielhaft für die US-amerikanische Aversion gegen A. Papandreou ist ein Bericht des Mitarbeiters der US-amerikanischen Botschaft in Athen, Norbert Anschutz, vom 5. September 1965, in dem er den griechischen Politiker als »ehrgeizig, unmoralisch und emotional unbeständig« beschreibt. Laut demselben Bericht sei A. Papandreou ein »Freund der Neutralität«, der im Falle einer Machtübernahme »die griechischen Militärausgaben erheblich reduzieren und Griechenland aus der Nato führen würde«. Außerdem würde er versuchen, den sich zunächst durch den Bruch mit der Nato ergebenen Nachteil der »Einschränkung der westlichen ökonomischen Hilfe« für Griechenland mit einer »Anlehnung an den Sowjetblock« zu kompensieren. Der Bericht von Anschutz an das State Department endete mit der Feststellung, dass »die natürlichen Verbündeten« A. Papandreous »die radikale Linke und die Kommunisten« seien.35 Die negative Bewertung A. Papandreous von Seiten der usa änderte sich auch nicht durch den Staatsstreich des 21. April 1967. Im Gegenteil  : Man sah in diesem Ereignis eine Bestätigung der früheren Einschätzung, dass A. Papandreou die »Wurzel aller Übel« Griechenlands sei. Wie Botschafter Steiner und Geschäftsträger Wotawa, so erklärte ihn auch das Griechenland-Büro des State Department in seinen Berichten nach dem 21. April 1967 zum »Hauptverantwortlichen« für den Putsch. A. Papandreou habe »durch seine Drohungen und Angriffe gegen die Monarchie, mit seinen wiederholten Versuchen, die eine soziale Klasse gegen die andere aufzuhetzen, sowie mit seiner Fixierung auf dem Thema der Einmischung der usa und der Nato in die griechische Politik, die politischen Spannungen dermaßen an die Spitze getrieben, dass diese nach den [Bürgerkriegs-]Jahren 1947–1949 erstmals wieder 1967 am Zenit standen«. Vor dem Eintritt A. Papandreous in die Politik, so die Meinung der Griechenland-Experten im US-amerikanischen Außenministerium, sei ein Machtwechsel zwischen den Parteien möglich gewesen, »ohne dass dadurch grundlegende Veränderungen in der Struktur des politischen Systems [Griechenlands] eintraten«. Aufgrund allerdings der »wiederholten Angriffe« A. Papandreous, die auf die »Untergrabung der politischen Institutionen abzielten«, seien die »konservativen Kräfte der griechischen Gesellschaft 1967 zur Erkenntnis gelangt, dass Griechenland die Folgen eines Wahlsieges Andreas Papandreous nicht überstehen würde«.36 Aus dieser Einschätzung wird klar, dass 34 Aristotelia Peloni, Ideologia kata realismou. I amerikaniki politiki apenanti stin Ellada, 1963–1976 (Athina 2010) 195. 35 Telegram from the Embassy in Greece to the Deprtment of State/1/, Athens, 5.9.1965, No. 209, in  : FRUS  : United States Department of State, The Foreign Relations of the United States, 1964–1968, Bd. 16  : Cyprus, Greece, Turkey, Washington DC. Zit. n. Peloni, Ideologia kata realismou, 204. 36 Zit. n. David F. Schmitz, The United States and Right-Wing Dictatorships, 1965–1989 (New York 2006) 388.

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das State Department und die Johnson-Administration im Allgemeinen Papandreou jr. für den Hauptverantwortlichen für den Putsch hielten und somit in dieser Frage derselben Meinung mit dem Führungspersonal der öba war. Lediglich erwähnt sei hier am Rande, dass A. Papandreou auf der anderen Seite den usa die direkte Schuld für den Staatsstreich des 21. April gab. 1970 veröffentlichte er im Ausland das Buch »Democracy at Gunpoint«, in dem er neben vielen anderen auch die Behauptung aufstellte, dass die cia der von Papadopoulos angeführten Obristen-Gruppe den Eingriff anordnete, um die immer stärker werdende Forderung des griechischen Volkes nach mehr Demokratie zu zerschlagen, um die Zypern-Frage zugunsten der US-amerikanischen Interessen zu lösen und um das Fortbestehen Griechenlands als wichtiger Nato-Stützpunkt zu sichern.37 A. Papan­ dreou war nicht der einzige, der die Urheber des Putsches auf der anderen Seite des Atlantiks lokalisierte. Dasselbe taten auch viele andere Politiker und Journalisten, die im erweiterten Sinne dem linken politischen Spektrum angehörten. Schon während der Militärdiktatur, als sie sich noch im ausländischen Exil befanden, und vor allem nach der Wiederherstellung der Demokratie 1974 entwickelten sie eine rege Publikationstätigkeit in Hinsicht auf die Ursachen der Obristendiktatur. In ihren Überlegungen wurden sie vom besagten Buch A. Papandreous sowie von den weltweit verbreiteten Spekulationen über die federführende Rolle Washingtons bei der Errichtung von Militärjunten in Lateinamerika stark beeinflusst. In zahlreichen Büchern und unzähligen Zeitungsartikeln besprachen sie die negative Rolle des »US-amerikanischen Imperialismus« in der griechischen Zeitgeschichte vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zur türkischen Invasion in Zypern und zogen daraus die Schlussfolgerung, dass Washington für nahezu jede in Griechenland eingetretene negative Entwicklung (Bürgerkrieg, Junta, Zypern-Krise) hauptverantwortlich sei.38 Der bis heute noch in Griechenland weitverbreitete Antiamerikanismus ist zu einem großen Teil auf diese frühen postdiktatorischen, die usa im Zentrum ihrer Argumentation habenden Erklärungsversuche der Errichtung der Obristendiktatur zurückzuführen.

Die Anerkennungsfrage Nach dem Putsch des 21. April 1967 und der schnellen Ernennung einer neuen Regierung mit dem Generalstaatsanwalt des Obersten Gerichtes, Konstantinos Kollias als Premierminister, stand Österreich, wie alle anderen Staaten auch, vor dem Problem des Umgangs mit den neuen Machthabern. Eine Frage der offiziellen An37 Andreas Papandreou, Democracy at Gunpoint. The Greek Front (New York 1970). 38 Vgl. dazu ausführlicher Skordos, Die Diktatur der Jahre 1967 bis 1974, 122–204.

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erkennung der Regierung Kollias stellte sich nach Auffassung des österreichischen Außenministeriums nicht, da das Staatsoberhaupt, nämlich König Konstantin II., nach dem Staatsstreich in seiner Position blieb, sodass aus völkerrechtlicher Sicht kein Regimewechsel stattgefunden habe. Ähnliches galt auch für die diplomatische Delegation Österreichs, die nicht nur bei der Regierung, sondern auch beim König akkreditiert war. Daher stellte sich auch in dieser Hinsicht keine Frage der Anerkennung der neuen Junta-Regierung.39 Auf dasselbe Argument beriefen sich auch andere Staaten, wie etwa die usa, deren Botschafter ebenso beim König akkreditiert war.40 In den ersten Tagen nach dem coup d’état blieb allerdings zunächst unklar, ob der König mit der Junta weiter kooperieren oder man ihn andernfalls von Seiten des neuen Regimes zu einer Amtsniederlegung nötigen würde. Dementsprechend fragte vorsichtshalber Botschafter Steiner in Wien an, wie in so einem Fall vorzugehen wäre. Insbesondere wollte er wissen, ob sich im Fall einer »gewaltsamen Ausschaltung des Königs« die Frage der Anerkennung eines neuen Regimes durch Österreich stellen würde.41 Die Frage erübrigte sich, nachdem Steiner am 26. April nach Wien meldete, dass der König seine Funktion in repräsentativer Hinsicht weiterhin ausübe, indem er u. a. Delegationen und ausländische Beobachter empfange.42 Im Weiteren ließ man in Wien in Erfahrung bringen, wie andere Staaten in der Anerkennungsfrage vorgingen. Beispielsweise berichtete aus Oslo der österreichische Botschafter Wetzler am 20. Mai 1967, dass die Norweger die Entscheidung trafen, eine Politik der Fortsetzung der bisherigen diplomatischen Beziehungen mit Griechenland zu verfolgen. Trotzdem würde dies aus ihrer Sicht »keinesfalls eine de jure Anerkennung oder moralische Billigung des neuen Regimes« bedeuten.43 Dieselbe Haltung nahm schließlich auch Österreich ein. Wie in einem späteren »Dienstzettel« der Sektion II des Außenministeriums aus dem Jahr 1972 anlässlich der Ernennung des Botschafters Simon Koller zum neuen Missionschef in Griechenland festgehalten wird, sind »die österreichisch-griechischen Beziehungen nach der Machtübernahme durch die Militärregierung zwar korrekt geblieben, aber [diese] österreichischerseits durch Reserviertheit gegenüber dem griechischen

39 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 111.946-6-Pol/68, EA Zl. 10.602 PrM/68 vom 18.1.1968, BKA. Ehem. Abg. z .NR, MB a. D. Franz Olah. Vorschläge betr. die österr.-griech. Beziehungen. AV vom 31.1.1968. 40 Argyris Fatouros, Nomikes parametroi tis prsofatis politikis ton IPA prost in Ellada kai tin Kypro. In  : Theodoros Kouloumpis, Salie Hicks (Hg.), I amerikaniki exoteriki politiki gia tin Ellada kai tin Kypro (Athen 1976) 89–104. 41 ÖStA/AdR, BMfAA, Depesche, E-B-Zl. 21335. ÖBA an das BMfAA vom 24.4.1967. 42 ÖStA/AdR, BMfAA, Z1. 17-Pol/67. Die Rolle des Königs beim Militärputsch in Griechenland. Steiner an Tončić-Sorinj vom 26.4.1967. 43 ÖStA/AdR, BMfA, Zl. 1023/A/67. Norwegen und das Militärregime in Griechenland. Wetzler an das BMfAA vom 20.5.1967.

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Regime gekennzeichnet«.44 Die offizielle Position Österreichs in der griechischen Frage hatte auf Anfrage der Opposition auch Außenminister Tončić-Sorinj am 28. Juni 1967 im Nationalrat zum Ausdruck gebracht  : »[E]ine Entwicklung der Lage in Griechenland [wird] von Österreich aufmerksam verfolgt. Ich habe darauf hingewiesen, dass sich die Regierung bei ihren Erwägungen auch vor Augen zu halten habe, dass die Souveränität anderer Staaten respektiert werden müsse. Eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Griechenlands ist nur dann möglich, wenn es sich um die Frage der Einhaltung konkreter, von den betreffenden Staaten eingegangener völkerrechtlicher Verpflichtungen handelt. Solche konkrete Verpflichtungen könnte Griechenland allenfalls durch die Unterzeichnung der Europäischen Menschenrechtskonvention eingegangen sein, die im Rahmen des Europarates geschaffen wurde. Die Lage in Griechenland ist derzeit Gegenstand von Verhandlungen in den verschiedenen Organen des Europarates.«45

Diese Argumentation ist auch in den Antworten des Außenministeriums auf diverse Anfragen und Aufforderungen zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit dem diktatorischen Griechenland anzutreffen, indem u. a. festgehalten wurde, »dass Österreich im Rahmen seiner Neutralitätspolitik diplomatische Beziehungen mit anderen Staaten ohne Rücksicht auf deren Innenpolitik aufrechterhält«. Während es Einzelpersonen oder nicht-staatlichen Organisationen in Österreich freistehe, zu den innenpolitischen Vorgängen in anderen Staaten Stellung zu nehmen, müsse sich die Bundesregierung diesbezüglich strenge Zurückhaltung auferlegen. Dieses Prinzip, so die Position des Außenministeriums im Weiteren, würde nicht nur in der griechischen Frage, sondern auch hinsichtlich anderer Staaten Anwendung finden.46 Die Anerkennungsfrage sollte sich während der Zeit der Militärdiktatur noch einmal nach der Flucht des Königs am 13. Dezember 1967 ins Ausland eindringlich stellen. Vorangegangen war ein erfolgsloser Gegenputsch, den im Auftrag Konstantins ihm treu gebliebene Offiziere verübten. Nachdem der junge König damit gescheitert war, die Kontrolle über »seine« Armee zurückzugewinnen und der Junta Papadopoulos’ ein Ende zu setzen, verließen er, seine Familie und Vertraute fluchtartig Griechenland und ließen sich zuerst in Rom, später dann in London nieder. Daraufhin setzte die Obristendiktatur einen Regenten ein, der den König in all seinen Funktio44 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 160.011-4a/Pol/72, Zl. 2477-GS/72 vom 10.7.1972. Neuer Missionschef in Griechenland. Information der Sektion II. AV vom 16.8.1972. 45 ÖStA/AdR, BMfAA. Gr.Zl. 29.495-4a/Pol/67. Lage in Griechenland. Erklärung des Herrn Bundesministers im Parlament. Beigelegt  : Nationalratsprotokoll der 62. Sitzung vom 28.6.1967, 4938-4939. AV vom 28.8.1967. 46 ÖStA/AdR, BMfAA. Gr.Zl. 30.476-6/Pol/67. FÖJ. Vorsprache am 6.9.1967 bei Ges. Dr. Schlumberger betr. Griechenland. AV vom 25.10.1967.

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nen des Staatsoberhaupts bis zu seiner Rückkehr nach Griechenland vertreten sollte. Mit dem Posten wurde Generalleutnant Georgios Zoitakis betraut. Außerdem wurde eine neue Regierung eingesetzt, in der sich Diktator Papadopoulos zum Premierminister ernannte – an Stelle des gemeinsam mit dem König geflüchteten Kollias.47 Die erste Reaktion der meisten Staaten auf diese Entwicklung war, die diplomatischen Beziehungen zum Regime und zur neuen Regierung Papadopoulos »einzufrieren«. Am 10. Januar 1968 berichtete Botschafter Steiner aus Athen, dass »der letzte Stand der Beziehungen der Botschaften in Athen zur gegenwärtigen griechischen Regierung« der sei, dass »noch immer zwischen keiner ausländischen Botschaft und dem griechischen Außenministerium formelle Kontakte« bestünden.48 Von verschiedenen Seiten wurde der endgültige Bruch des Königs mit den Obristen zum Anlass genommen, um die österreichische Regierung erneut mit der Anerkennungsfrage zu konfrontieren und einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zum Junta-Regime zu fordern. Dies tat etwa der frühere Innenminister Franz Olah in seiner Funktion als Vorsitzender der Demokratisch-Fortschrittlichen Partei. Unmittelbar nach dem gescheiterten königlichen Gegenputsch am 14. Dezember 1967 telegraphierte er dem Bundeskanzler Dr. Josef Klaus mit der Aufforderung, einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen herbeizuführen, indem der österreichische Missionschef in Griechenland zu Konsultationen nach Wien zurückberufen und Österreich der neuen Regierung Papadopoulos die Anerkennung verweigern sollte. Eine dringliche Anerkennungsfrage würde sich aus Sicht Olahs bereits deshalb stellen, weil der Botschafter beim Staatsoberhaupt akkreditiert sei, der aber widerrechtlich abgesetzt worden sei und sich nun im Exil befinde  : »Sehr geehrter Herr Bundeskanzler durch den neuerlichen Putsch in Griechenland um die widerrechtliche Absetzung des Staatsoberhauptes und des Ministerpräsidenten, die sich beide gezwungenermaßen im Ausland befinden, erlischt von selbst die Akkreditierung der Republik Österreich beim Königreich Griechenland. Österreich könnte nun als neutrales Land eine Initiative entwickeln, die seine Bestrebungen im Rahmen der Menschenrechtskonvention des Europarates und der Vereinigten Nationen unterstützen würde und beispielgebend für alle anderen demokratischen Staaten sein könnte, ohne in den Verdacht zu geraten, sich in innere Angelegenheiten eines anderen Staates einzumengen. [Es muss] die sofortige Rückberufung des österreichischen Botschafters zur Berichterstattung nach Wien und die nicht Anerkennung des

47 Vgl. Thanasis Diamantopoulos, I diktatoria ton syntagmatarchon 1967–1974. To apriliano kathestos. In  : Evangelos Kofos (Hg.), Istoria tou ellinikou ethnous. Synchronos ellinismos apo to 1941 eos to telos tou aiona, Bd. 16 (Athen 2000) 266–285. 48 ÖStA/AdR, BMfAA. Zl. 4-Pol/68. Das Problem der Zur-Kenntnisnahme des griechischen Militärregimes. Steiner an Waldheim vom 10.1.1968.

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nunmehr eindeutig jeder verfassungsmäßigen Grundlage entbehrenden Regimes in Griechenland [erfolgen].«49

In der Flucht des Königs ins Ausland sah auch Botschafter Steiner eine Möglichkeit, eine neue Nichtanerkennungspolitik Österreichs gegenüber der griechischen Junta einzuleiten, da seiner Meinung nach für »die Einsetzung der Regierung Papadopoulos und die Ernennung eines Regenten keinerlei Rechtsgrundlage« vorhanden sei. »Allerdings«, mahnte der österreichischen Missionschef, wäre »eine solche Politik der Nichtanerkennung nur dann nicht chancenlos, wenn ein ungewöhnlich hohes Maß an internationaler Solidarität in dieser Frage zustande kommt und der König vom Exil aus eine solche Politik durch sein Verhalten und seine Verhandlungspolitik unterstützte«.50 Steiner versuchte am 18. Dezember 1967 seine Regierung zu einem mit anderen Staaten koordinierten Vorgehen gegen die neue Regierung Papadopoulos zu bewegen, indem er die Einmaligkeit dieser Chance hervorhob. Zudem warnte er vor den Konsequenzen, wenn man diese einmalige Gelegenheit nicht nutze  : »Gelingt es aber nicht, jetzt eine Regierungsänderung oder wenigstens eine Demokratisierung herbeizuführen, so haben in den nächsten Jahren Freiheit und Demokratie in Griechenland keine Chance.«51 In einem Schreiben am 10. Januar 1968 wiederholte Steiner sein Anliegen, von der durch die Absetzung des Königs ins Ausland sich eröffneten Möglichkeit Gebrauch zu machen, ein gemeinsames Vorgehen mit anderen europäischen Regierungen gegen das Junta-Regime zu vereinbaren. Diese Aktion sollte unter Berufung auf die fehlende Legitimität der neuen, vom Regenten Zoitakis ernannten Regierung Papadopoulos stattfinden  : »Die rein formaljuristische Situation ist in der Tat kompliziert genug und fast einmalig. Der Monarch, bei dem wir alle akkreditiert sind, befindet sich außer Landes, hat keinen formellen Vertreter eingesetzt, andererseits ist die Monarchie nicht abgeschafft. Es wurde schon in früheren Berichten betont, dass von einer Legalität dieser Regierung oder des Regenten keine Rede sein kann. Darf ich nochmals den Vorschlag wiederholen, man möge unsererseits versuchen, mit anderen europäischen Regierungen Kontakt aufzunehmen, um ein möglichst gleichmäßiges Vorgehen in der Haltung gegenüber der griechischen Regierung in absehbarer Zeit zu gewährleisten.«52 49 ÖStA/AdR, BMfAA. Gr.Zl. 111.946-6/Pol/68, EA Zl. 10.602 PrM/68 vom 18.1.1968, BKA. Ehem. Abg. z .NR, MB a. D. Franz Olah. Vorschläge betr. die österr.-griech. Beziehungen, AV vom 31.1.1968. 50 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 35.967-6/Pol/67, Depesche, E-B-Zl. 24.740. Neue griechische Regierung. Haltung der ÖBA. ÖBA an BMfAA, CHI-FS 25073 vom 18.12.1967, 25073 zu 25072. AV vom 19.12.1967. 51 Ebd. 52 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 4-Pol/68. Das Problem der Zur-Kenntnisnahme des griechischen Militärregimes. Steiner an Waldheim vom 10.1.1968.

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Trotz der mehrmaligen Aufforderungen Steiners, gegen die griechische Junta tätig zu werden, zeigte sich Wien zunächst zurückhaltend und versuchte, zunächst die Schweizer Haltung zu erkunden. Dementsprechend beauftragte man Steiner, in Erfahrung zu bringen, wie andere »vergleichbare« Staaten, vor allem die Schweiz, aber auch Schweden vorzugehen gedachten.53 Zugleich stellte man ihm in Aussicht, ihn möglichst schnell nach Wien zu Konsultationen in der Angelegenheit der letzten Entwicklungen in Griechenland zu berufen. Das wäre laut Außenamt auch schon geschehen, wenn nicht just zuvor die österreichische Regierung den Wiener Besuch des griechischen Junta-Ministers für soziale Angelegenheiten gecancelt hätte, was schon für Verstimmungen im griechisch-österreichischen Verhältnis gesorgt habe.54 Am 26. Januar 1968 bekam Steiner erneut die Anweisung, er wolle »ohne vorherige Weisungseinholung keine Normalisierung der Beziehungen unternehmen und laufend über das Verhalten vergleichbarer Staaten drahtberichten«.55 Bis eine endgültige Entscheidung getroffen würde, sollte die öba die Haltung der »Nichtzurkenntnisnahme der griechischen Junta« beibehalten. Mit Ausnahme der Türkei und der Republik Kongo-Kinhasa, die Mitte Januar 1968 ihre diplomatischen Beziehungen zur Regierung Papadopoulos normalisierten,56 verhielten sich die anderen diplomatischen Vertretungen ähnlich. Dennoch drängte man ihrerseits auf eine Lösung. Am 15. Januar 1968, am Tag, an dem der türkische Botschafter Außenminister Panagiotis Pipinelis einen Besuch abstattete und somit ein Zeichen der Normalisierung der griechisch-türkischen Beziehungen setzte, informierte Steiner Wien über den wachsenden Unmut seiner Kollegen wegen der weiterhin ungeklärten Situation, da sie diese »als eine mit jedem Tag immer mehr spürbare Sackgasse empfinden« würden.57 Ende Januar 1968 bezog man erstmals im österreichischen Außenministerium Stellung in der durch die Flucht des Königs aufgekommenen Anerkennungsfrage. Eine Frage der Anerkennung der griechischen Regierung, so die interne Mitteilung, würde sich im Allgemeinen nicht stellen, weil Österreich ausschließlich Staaten und nicht ihre Regierungen anerkenne.58 Diese Position wurde letztendlich auch nach 53 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 35.967-6/Pol/67, Depesche, E-B-Zl. 24.740. Neue griechische Regierung. Haltung der ÖBA. ÖBA an BMfAA, CHI-FS 25073 vom 18.12.1967, 25073 zu 25072. AV vom 19.12.1967. 54 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 111.437-6/Pol/68, Depesche [Ohne E-B-Zl.]. Haltung gegenüber der neuen griechischen Regierung. Einberufung Botschafter Steiners. BMfAA an ÖBA. CHI-FS 55009. AV vom 26.1.1968. 55 Ebd. 56 ÖStA/AdR, BMfAA, Depesche, E-B-Zl. 20265. ÖBA an BMfAA. CHI-FS 25005 zu Bericht 6-Pol/68 vom 15.1.1968. 57 ÖStA/AdR, BMfAA. Zl. 6-Pol/68. Die Frage der Zurkenntnisnahme des griechischen Regimes. Steiner an Waldheim vom 15.1.1968. 58 Ebd.

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außen so vertreten. Im Antwortschreiben des Außenministers an Franz Olah, der, wie erwähnt, den Bundeskanzler anlässlich der Ernennung eines Regenten an Stelle des Königs aufgefordert hatte, in der griechischen Frage zu intervenieren, hieß es diesbezüglich  : »Österreich folgt dem Grundsatz, dass nur Staaten, nicht aber Regierungen anerkannt werden. Das heißt, dass sich die Frage der Anerkennung nur beim Entstehen eines neuen Staates, nicht aber bei der Bildung einer neuen Regierung stellt.«59 Dieses Argument hatten andere Staaten schon vor Österreich vorgebracht, sodass davon auszugehen ist, dass sich Österreich in der aufgekommenen Anerkennungsfrage an der Haltung anderer »vergleichbarer Staaten« orientiert hat. Am 20. Dezember 1967 hatte der österreichische Missionschef in Helsinki Dr. Pichler über die Haltung der finnischen Regierung Folgendes nach Wien berichtet  : »Wie der politische Direktor im finnischen Außenministerium Dr. Risto Hyvärinen dieser Tage gesprächsweise sagte, bestehe für die finnische Regierung keine Ursache, ihre Einstellung Griechenland gegenüber zu ändern. Finnland verfolge sehr aufmerksam die Entwicklung der Lage, die jedoch noch recht unklar sei. In Bezug auf die Anerkennung des griechischen Militärregimes bemerkte Dr. Hyvärinen, Finnland anerkenne prinzipiell Staaten bei deren Gründung, nicht jedoch die jeweilige Regierung nach einem Regierungswechsel. Es sei die Angelegenheit jedes einzelnen Staates, welche Regierung er habe.« 60

Ein zusätzliches Argument, auf das man sich in Wien berief, um die heikle Anerkennungsfrage zu umgehen, war jenes, dass »sich die Rechtslage durch den missglückten Gegenputsch im Dezember d. v. J. nicht geändert hat« – so die Stellungnahme der für politische Angelegenheit zuständigen Sektion II des Außenministeriums.61 Auch mit diesem Standpunkt stand Österreich nicht allein da. Andere Staaten teilten diese Sicht auf die politische Entwicklung in Griechenland nach dem Gegenputsch vom 13. Dezember 1967 und die darauffolgende Flucht des Königs außer Landes. Der österreichische Missionschef in Oslo Willfort bestätigt dies z. B. in Hinsicht auf die norwegische Regierung, die unter sehr starken öffentlichen Druck geriet, in der Anerkennungsfrage der umgebildeten Regierung Papadopoulos eine klar ablehnende Position einzunehmen. Am 28. Januar 1968 meldete er Außenminister Waldheim,

59 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 111.946-6/Pol/68, EA Zl. 10.602 PrM/68 vom 18.1.1968, BKA. Ehem. Abg. z .NR, MB a. D. Franz Olah. Vorschläge betr. die österr.-griech. Beziehungen. AV vom 31.1.1968. 60 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 120-Pol/67. Die finnische Einstellung zur Entwicklung in Griechenland. Dr. Pichler an Tončić-Sorinj vom 20.12.1967. 61 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 110.571-6/Pol/68, Zl.1-Pol/68. Grundsätzliche Stellung zum griechischen Militärregime. Steiner an Tončić-Sorinj vom 3.1.1968.

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dass »von Seiten der hiesigen Regierung [dem öffentlichen Druck] jedoch mit der rechtlich gewiss durchaus stichhaltigen Begründung entgegengetreten [wird], der norwegische Botschafter sei bei König Konstantin akkreditiert und in der Person des Souveräns sei keine Änderung eingetreten, auch nicht durch die Einsetzung eines Regenten«.62 Denselben Standpunkt vertrat auch die US-amerikanische Regierung, die erklärte, dass sich aus ihrer Sicht keine Anerkennungsfrage stelle, da die Obristen den König weiterhin als Staatsoberhaupt anerkannten und in seinem Namen regierten.63 Dieses Argument war eindeutig leichter angreifbar als dieses der »ausschließlichen Anerkennung von Staaten«. Geschwächt wurde es vor allem durch den von Seiten der Regimegegner erhobenen Einwand, dass die Einsetzung des Regenten Zoitakis nicht vom König beschlossen oder zumindest nachträglich bestätigt bzw. legitimiert wurde. Wie unangreifbar man sich dagegen mit der Berufung auf das Argument der ausschließlichen Anerkennung von Staaten machte, zeigte sich im Sommer 1973, als die Junta am 1. Juni die konstitutionelle Monarchie als Staatsform abschaffte und an ihrer Stelle eine präsidiale Republik installierte. In Wien sah man keine Notwendigkeit, sich erneut mit einer Anerkennungsfrage eingehend zu beschäftigen, da man ja diese ausschließlich auf Staatsgründungen bezog. Demzufolge bestimmte das Außenministerium in einem Schreiben an die Athener Botschaft die Haltung der österreichischen Regierung gegenüber dem vorgenommenen Staatsformwechsel in Griechenland wie folgt  : »Das griechische Verfassungsgesetz vom 1. Juni stellt nach unserer Auffassung völkerrechtlich gesehen zumindest formell eine Änderung der Staatsform Griechenlands dar. Wenn es auch sehr zweifelhaft erscheint, ob diese Regierungsänderung legal zustande gekommen ist, scheint es aus völkerrechtlichen Erwägungen für dritte Staaten nicht angezeigt, eine Verurteilung einer allfälligen Verfassungswidrigkeit der Vorgänge zum Ausdruck zu bringen. Die Note des griechischen Außenministeriums [zur Kenntnisnahme der Abschaffung der Monarchie] wolle daher nur mit einer bloßen Empfangsbestätigung beantwortet werden. In gleicher Weise wird unter einer inhaltlich gleichlautenden Note der hiesigen Botschaft von h.o. beantwortet.« 64

Diese grundsätzlich nicht ablehnende Haltung führte dazu, dass am 23. August 1973 der Geschäftsträger der öba, Botschaftsrat Pernegger, stellvertretend für den sich 62 ÖStA/AdR, BMfAA. Zl. 1-Pol/68. Die diplomatischen Beziehungen zu Griechenland. Willfort an Waldheim vom 28. Jänner 1968. 63 Fatouros, Nomikes parametroi, 96. 64 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 39.499-6/Pol/73, DZ Zl. 24.073-VR/73 vom 5.6.73. Abschaffung der Monarchie in Griechenland. AV vom 6.61973

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im Urlaub befindenden Botschafter Koller an einem Empfang, den der neue Präsident Papadopoulos zu seiner Beglückwünschung durch die ausländischen Missionschefs gab, teilnahm. Zuvor hatte er für die entsprechende Erlaubnis aus Wien angefragt, indem er darauf verwies, dass nach derzeitigem Kenntnisstand der schwedische und der Schweizer Missionschef die Einladung annehmen würden.65 Von Seiten des Außenministeriums wurde ihm daraufhin mitgeteilt, dass sich die österreichische Regierung in dieser Angelegenheit dem »Vorgehen vergleichbarer Staaten anschließen« werde. Die konkreten Handlungsanweisungen, die dementsprechend Pernegger vom Außenamt erhielt, lauteten folgendermaßen  : »Falls, wie berichtet, schwedischer und Schweizer Missionschef an den Zeremonien teilnehmen, wollen sie ebenfalls teilnehmen. Falls beide fernbleiben, wollen sie auch fernbleiben. Falls nur einer der genannten Missionschefs teilnimmt, der andere fernbleibt, wollen sie unbedingt erneut rückfragen.« 66

In der Tat schickten die schwedische und die Schweizer Botschaft ihren zu diesem Zeitpunkt vor Ort befindenden höchstrangigen Diplomaten zur »Gratulationszeremonie«. Demzufolge und entsprechend der Instruktionen aus Wien konnte auch Pernegger daran teilnehmen. Laut seinen Angaben seien die Missionschefs aller anderen diplomatischen Vertretungen ebenso vollständig erschienen. Während der »schwedische Botschafter Bergman neben dem Auftrag, zur Präsentation zu gehen, keine Instruktionen bezüglich abzugebender Erklärungen hatte und der schweizerische Geschäftsträger Coign von Bern instruiert war, ›de transmettre le vœux de Conseil Fédéral‹«, hielt es der österreichische Vertreter »für die beste Lösung, dem Herrn Präsidenten und seinem Stellvertreter kurz und ohne Zusatz die ›meilleurs vœux‹ zum Ausdruck zu bringen«.67 Österreich beließ es, wie die Mehrheit der Staatengemeinschaft, bei diesem Akt der Anerkennung der in Griechenland durch die Junta vorgenommenen Veränderung der Staatsform und der Beglückwünschung des Diktators zu seiner Ernennung zum »Präsidenten der Republik«. Die einzigen Staaten, die Papadopoulos auf hohem politischen Niveau gratulierten und somit auch den Staatsformwechsel auf ähnlich offizielle Weise anerkannten, waren interessanterweise Jugoslawien, Rumänien und Albanien, deren Staatsoberhäupter dem neuen Präsidenten Glückwünsche zukommen ließen.68 65 ÖStA/AdR, BMfAA, Depesche [Ohne E-B-Zl.]. BMfAA an ÖB Stockholm. CHI-FS 85050 (43.551-6/ Pol/73) vom 17.8.1973. 66 ÖStA/AdR, BMfAA, Depesche [Ohne E-B-Zl.]. BMfAA an ÖBA. CHI-FS 55026 (53.551-6/Pol/73) zu 25049 vom 16.8.1973. 67 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 130-Res/73. Präsident Papadopoulos empfängt die ausländischen Missionschefs. Details am Rande, do. CHI-FS 55026 (Zl. 43.551-6/Pol/73). Pernegger an das BMfAA vom 24.8.1973. 68 Ebd.

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Einfrieren der Besuchsdiplomatie Schon seit den ersten Tagen des Regimes sah sich die Staatengemeinschaft mit den Anstrengungen der Putschisten konfrontiert, ihre internationale Isolation durch offizielle Besuche fremder Minister und Staatsoberhäupter in Griechenland zu durchbrechen und diese Besuche auf symbolischer Ebene als Unterstützungsgesten für die »Revolution des 21. April« zu instrumentalisieren. Gleichermaßen bemüht war man in Athen, Einladungen eigener Regierungsmitglieder von fremden Staaten zu erwirken, die man dann im Inland als ein Zeichen für die internationale Akzeptanz des Regimes präsentierte. Die internationale Staatengemeinschaft war sich der großen Bedeutung einer »normalisierten« Besuchsdiplomatie für die Konsolidierung der griechischen Junta bestens bewusst und in ihrer Mehrheit vermied sie konsequent, in direkten Kontakt mit Repräsentanten des Regimes in Form von Staatsbesuchen zu kommen. Insbesondere in den ersten Jahren, als im Ausland noch die Hoffnung auf eine schnelle Rückkehr Griechenlands zu demokratischen Verhältnissen bestand, war man in dieser Hinsicht äußerst vorsichtig, zumal auch der öffentliche Druck sehr groß war, den Athener Machthabern keinerlei Sympathie zu bekunden. Lediglich afrikanische Staaten, etwa Ägypten, Äthiopien und Libyen, zeigten sich von Anfang an für Staatsbesuche von hochranginge Regime- und Regierungsvertretern offen. In späteren Zeiten und im Zuge der Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Militärdiktatur und den Ostblockstaaten fand auch mit letzteren, vor allem mit den Nachbarländern Bulgarien und Jugoslawien sowie mit Rumänien, eine rege Besuchsdiplomatie statt. Der mit Abstand größte Erfolg, den das Regime dabei verzeichnen konnte, war der Besuch des US-amerikanischen Vizepräsidenten griechischer Abstammung, Spiro Agnew, im Oktober 1971. Österreich nahm über die sieben Jahre der Militärdiktatur in der Frage der Besuchsdiplomatie eine konsequente Haltung ein, die im Wesentlichen darin bestand, jeden offiziellen Kontakt zum Regime zu vermeiden, der seinerseits als ein Akt der Unterstützung gedeutet und entsprechend propagandistisch missbraucht werden könnte. Allerdings erfolgte in der Regel diese Kontaktvermeidung so, dass es nicht zu schwerwiegenden Komplikationen im griechisch-österreichischen Verhältnis kam. Schon wenige Tage nach dem Putsch warnte Botschafter Steiner seine Regierung vor einem möglichen Versuch der Putschisten, eine seit Längerem geplante Konferenz der Unterrichtsminister der Mitgliedsstaaten des Europarates in Athen dafür zu instrumentalisieren, um vor allem der eigenen Bevölkerung einen Schein der Akzeptanz der »Revolution des 21. April« von Seiten der internationalen Gemeinschaft zu vermitteln. In Anbetracht dieser Gefahr forderte Steiner Wien auf, sich im Europarat für eine Absage oder zumindest Verschiebung der Konferenz einzusetzen. Dabei berief er sich auf das »Gewissen« der europäischen Staaten, die stets ein großes Interesse an Menschenrechtsfragen bekundet hätten  :

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»Dem Vernehmen nach beabsichtigt die neue Regierung, alles zu unternehmen, um die Unterrichtsminister-Konferenz in Athen planmäßig stattfinden zu lassen. Es bedarf wohl keiner besonderen Erwähnung, dass gerade ein solches Revolutionsregime, die erste Gelegenheit benutzt, um der eigenen Bevölkerung, aber auch dem Ausland gegenüber zu demonstrieren, welch hohes internationales Ansehen es genießt. […] Für viele Griechen wird die Abhaltung oder Nichtabhaltung einer solchen Veranstaltung des Europarates der Prüfstein dafür sein, ob die schönen Worte, die man über die Wahrung der Menschenrechte im Europarat zu oft zu hören bekommt, auch wirklich ernst gemeint sind. […] Es dürfte vermutlich nicht allzu schwer sein, einen Anlass zur Absage dieser Konferenz oder zumindest eine langfristige Verschiebung zu erreichen. […] Ich bin durchaus kein Schwärmer und Utopist, der etwa meint, dass in der Politik immer nur moralische Werte zur Anwendung kommen können. Die gegenständliche Angelegenheit scheint mir aber doch von grundsätzlicher Wichtigkeit und zumindest so bedeutend zu sein, dass die demokratischen Staaten Westeuropas wenigstens im Anfangsstadium des neuen Gewaltregimes in Griechenland die nachteilige Optik, die die Abhaltung der gegenständlichen Konferenz unter den gegenwärtigen Zuständen in Griechenland zwangsweise mit sich bringen würde, nicht unbeachtet lassen sollten.« 69

Zur Enttäuschung Steiners war im Außenamt die Resonanz auf diesen Vorschlag schwach. Im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern, die allesamt einen kompromisslosen Kurs einschlugen, indem sie ihre Unterrichtsminister die Teilnahme an der Konferenz absagen ließen, nahm zunächst Österreich eine eher moderate Haltung ein. Als im Europarat die Frage der Absage der Konferenz diskutiert wurde, votierte die österreichische Vertretung nicht für die Ernennung eines neuen Gastgeberlandes, sondern nur für eine Vertagung der Veranstaltung. Es dauerte nicht lange, bis man sich in Wien mit den Folgen dieser »griechenlandfreundlichen« Position im Europarat konfrontiert sah. Von Seiten der griechischen Junta wurde dieses Votum als eine Unterstützungsgeste für das neue Regime wahrgenommen und demzufolge erhoffte man sich, dass Österreich weitere »Unterstützung« für die Abhaltung der Konferenz in Griechenland leisten würde. Anfang Juni 1967 stattete der griechische Botschafter Konstantinos Triantafyllakos Außenminister Waldheim einen Besuch ab, um »bei diesem eine positive Entscheidung zur Abhaltung einer Konferenz« in Athen zu erlangen und um die Unterstützung Österreichs im Europarat zu ersuchen. Im pro memoria der griechischen Botschaft zu dieser Unterredung wurde Folgendes festgehalten  :

69 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 14-POL/67. Politische Aspekte zur bevorstehenden Tagung der Unterrichtsminister der Mitgliedstaaten des Europarates in Athen, zu CHI-FS Zl. 58008 v. 25.4.1967. Steiner an TončićSorinj vom 26.4.1967.

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»1. Die Königliche Griechische Botschaft hat nicht verfehlt, die zuständigen Stellen in Athen in Kenntnis zu setzen über die wohlwollende Einstellung Österreichs gegenüber Griechenland in der Frage der 6. Konferenz der Unterrichtsminister der Staaten des Europarates, deren Tagung ursprünglich vom 8. bis 12. Mai 1967 in Athen stattfinden sollte. 2. Die zuständigen Stellen in Athen verfolgen mit besonderer Genugtuung die ständig wachsende Vertiefung der kulturellen Beziehungen zwischen Österreich und Griechenland und achten dabei speziell den wichtigen Beitrag seiner Exzellenz des Herrn Bundesministers für Unterricht. 3. In Anbetracht obiger Ausführungen und der zu Gunsten Griechenlands abgegebenen Stimme Österreichs, als im Europarat die Frage erörtert wurde, ob infolge der jüngsten Entwicklung in Griechenland die Tagung in Athen stattfinden sollte, würde es die Königliche Griechische Regierung besonders schätzen, wenn die Bundesregierung, auf ihrem bisherigen Standpunkt weiter bestehend, sich neuerlich zu Gunsten Athens als Sitz dieser bisher noch nicht stattgefundenen und an einem bestimmten Termin noch festzusetzenden Konferenz der Unterrichtsminister erklären würde.«70

Außenminister Waldheim wies in seiner Antwort darauf hin, dass »seitens der griechischen Regierung die baldige Wiederherstellung geordneter demokratischer Zustände in Aussicht gestellt« werden müsse, und gab der Meinung Ausdruck, dass »es wohl zweckmäßiger wäre, mit der Betreibung der Abhaltung einer solchen Konferenz bis noch dahin zuzuwarten«.71 Der Hinweis auf die Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse in Griechenland als Voraussetzung für eine österreichische Unterstützung im Europarat für die Abhaltung der Unterrichtsminister-Konferenz am ursprünglich vorgesehenen Ort war eine in all ihrer Vorsichtigkeit unmissverständliche Ablehnung der derzeitigen politischen Situation in Griechenland. Die Frage, wie der griechische Botschafter oder das Regime in Athen darauf reagierten, kann leider mit den hier zur Verfügung stehenden Quellen nicht beantwortet werden. Trotz bzw. aufgrund der negativen Antwort des Außenministers befürchtete man am Ballhausplatz, dass nun die griechischen Behörden versuchen könnten, den Bundesminister für Unterricht »zu einer allfälligen Konferenz oder unabhängig davon« direkt nach Athen einzuladen. Aus Sicht des Außenministeriums wäre die »Annahme einer Einladung nach Athen durch den Herrn Bundesminister für Unterricht im Augenblick außenpolitisch höchst inopportun«. Demzufolge empfahlen die Mitarbeiter der Sektion II, dass man in der einschlägigen Note an das Bundesministerium für Unterricht 70 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 23.815-6/Pol/67, EA Zl. 317.998-Kult-mult/67 vom 26.5.1967. Intervention des Griechischen Botschafters betreffend Unterrichtsministerkonferenz des Europarates in Athen. Beigelegt  : Pro Memoria, Ambassade Royal de Grece a Vienne, No. 596/Z/6. AV vom 8.6.1967. 71 Ebd.

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die »ablehnende Haltung« des Außenministeriums sehr deutlich zum Ausdruck bringe, »etwa durch die Fassung, dass es aus außenpolitischen Rücksichten dringend geboten erscheine, gegenüber einer Einladung Zurückhaltung zu üben«.72 Auf der anderen Seite zeigte man sich im Außenministerium erleichtert darüber, dass der griechische Botschafter während seines Besuchs aus Anlass der vertagten UnterrichtsministerKonferenz »mit keinem Wort die von der früheren [griechischen] Regierung ausgesprochene Einladung an den Herrn Bundesminister [für Auswärtige Angelegenheiten] erwähnt« habe und demzufolge »dieser Besuch als verschoben gelten könnte«.73 Allerdings hielt diese Erleichterung nicht lange an, und die Befürchtung, dass das Regime Wien mit der Anfrage eines offiziellen Besuches des österreichischen Außenministers in Verlegenheit bringen würde, bewahrheitete sich. Im August 1967 stattete Geschäftsträger Wotawa dem vor kurzem neubestellten Leiter der für Mittelund Westeuropa zuständigen zweiten politischen Direktion des griechischen Außenministeriums, Gesandten Dimitrios Nikolareïsis, einen »Höflichkeitsbesuch« ab. Der erfahrene Diplomat Nikolareïsis nutzte diese Gelegenheit, um den nur wenige Tage vor dem Staatsstreich vereinbarten offiziellen Besuch Griechenlands durch den österreichischen Außenminister in Erinnerung zu rufen. Am 19. April hatte der damalige griechische Botschafter in Wien, Andreas Pappas, dem Außenminister Lujo Tončić-Sorinj eine offizielle Einladung seines griechischen Kollegen überreicht. Von Seiten der damaligen griechischen Übergangsregierung hatte man gegenüber Wien die große Bedeutung der Annahme dieser Einladung betont, zumal der österreichische Außenminister bereits zugesagt hatte, noch im Laufe des Jahres 1967 die Türkei offiziell zu besuchen. Das griechische Außenministerium hatte in diesem Zusammenhang vor möglichen negativen Auswirkungen des Türkei-Besuchs auf die »besonders freundschaftlichen« bilateralen Beziehungen zwischen Griechenland und Österreich gewarnt, sollte Griechenland nicht dieselbe Ehre wie seinem »Erzfeind« erwiesen werden.74 Schließlich wurde die griechische Einladung von Tončić-Sorinj beim besagten Treffen am 19. April mit Botschafter Pappas mündlich angenommen. Allerdings verzichtete der Außenminister angesichts seines »umfangreichen Reiseprogramms« zunächst auf die Festlegung eines konkreten Datums.75 Unmittelbar nach dem Staatsstreich der Obristen wurde im österreichischen Außenministerium die kürzlich angenommene Einladung zum Thema, hegte man doch die begründete Befürchtung, dass die neue Junta-Regierung schnell auf die

72 Ebd. 73 Ebd. 74 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 17447-6/Pol/67. Einladung des Herrn Bundesministers zu einem Besuch in Griechenland. AV vom am 8.3.1967. 75 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 18551, Z1. 18.551-6/Pol/67. Einladung des Herrn Bundesministers zu einem offiziellen Besuch in Griechenland e. o. AV vom 23.3.1967.

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mündliche Zusage des Außenministers zurückkommen würde und die Durchführung des offiziellen Besuchs verlangen könnte. Statt für eine Absage im gegebenen Fall entschied man sich im Vorhinein und vorsichtshalber für eine Verschiebung des Besuchs in die unbestimmte Zukunft. Da dem griechischen Botschafter noch keine verbindliche Terminzusage für das heurige Jahr gegeben wurde, entschloss sich der Außenminister, »seinen Besuch in Griechenland nicht mehr im heurigen Jahr durchzuführen, jedenfalls nicht vor seinen Besuchen in Spanien und Portugal«. Außerdem würde sich »im Hinblick auf die gegenwärtige Entwicklung in Griechenland eine weitere Veranlassung« erübrigen.76 Geschäftsträger Wotawa war also entsprechend vorbereitet, als sein griechischer Kollege Nikolareïsis die angenommene Einladung erwähnte und »der Hoffnung Ausdruck gab, dass dieser Besuch bald realisiert werden könnte«. Er »wies auf die zahlreichen in- und ausländischen Verpflichtungen des Herrn Bundesministers in den kommenden Monaten und den Umstand hin, dass eine Terminzusage auch schon seinerzeit infolge der Terminnot, unter der der Herr Bundesminister leide, nicht gegeben werden könne«. In seinem Bericht nach Wien über das Gespräch mit dem Gesandten Nikolareïsis warnte Wotawa das Außenministerium, dass die »griechische Seite in Zukunft des Öfteren an die Einladung an den Herrn Bundesminister, Griechenland in offizieller Eigenschaft zu besuchen, erinnern« werde und dass wohl der »neuernannte griechische Botschafter in Österreich gleich zu Beginn seiner Amtstätigkeit einen allfälligen Besuch des Herrn Bundesministers in Griechenland zum Gegenstand von Besprechungen im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten machen« würde. Seine warnende Prognose stützte sich auf die Beobachtung, »dass das derzeit außenpolitisch vollkommen isolierte griechische Militärregime nunmehr internationale Erfolge anstrebt und die Anerkennung durch das Ausland zu erreichen bemüht sein wird«. In diesem Zusammenhang informierte er Wien, dass »seit dem Militärputsch kein einziger offizieller Besuch hier [in Griechenland] stattgefunden hat, noch griechische Regierungsmitglieder offizielle Besuche im Ausland gemacht haben«.77

Die griechische Frage im Europarat Die griechische Junta sah sich in den ersten Jahren an der Macht nicht nur mit der Weigerung der internationalen Gemeinschaft konfrontiert, ihr gegenüber durch 76 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 20.541-6/Pol/67. Besuch des Herrn Bundesministers in Griechenland e. o. AV vom 29.4. 1967. 77 ÖStA/AdR, BMfAA, Z1. 96-Res/67. Allfälliger Besuch des Herrn Bundesministers in Griechenland. Wotawa an das BMfAA vom 25.8.1967.

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offizielle Besuche Akzeptanz zu signalisieren, sondern auch mit einer feindlichen Haltung mehrerer Staaten im Europarat. Das Thema der griechischen Junta wurde schon früh durch die skandinavischen Länder vor den Europarat gebracht. Mitte Mai 1967 beschlossen die Regierungschefs Norwegens, Dänemarks und Schwedens die Einberufung des Ministerkomitees des Europarates zu einer Sondersitzung in der griechischen Frage zu beantragen und gaben diese Entscheidung in einer gemeinsamen Pressekonferenz bekannt.78 Die Initiative soll vom dänischen Premierminister Jens Otto Krag ausgegangen sein.79 Ähnliche Vorstöße gegen das Athener Regime unternahmen zeitgleich Norwegen und Dänemark beim ständigen NatoRat in Paris.80 Ende August 1967 trafen sich die nordischen Außenminister zu einer Konferenz in Helsinki, bei der erneut die Lage in Griechenland zur Sprache kam. Nachdem zwischen leitenden Juristen des schwedischen, des dänischen und des norwegischen Außenministeriums beraten wurde, fassten die drei Länder den Beschluss, die Menschenrechtskommission des Europarates zur Prüfung eines möglichen Verstoßes der griechischen Militärregierung gegen mehrere Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention anzurufen.81 Am 21. September 1967 reichten Norwegen, Schweden und Dänemark ihre Klage gegen die griechische Regierung bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte ein. Mit einer Verspätung von einer Woche schlossen sich auch die Niederlande dieser Klage an – auch wenn ihrerseits nicht alle Punkte der Anklageschrift übernommen wurden.82 Seither und bis zum erzwungenen Austritt Griechenlands aus dem Europarat im Dezember 1969 beschäftigten sich zwei Gremien intensiv mit der griechischen Frage  : die Beratende Versammlung und die Europäische Menschenrechtskommission. Im Gegensatz zu den skandinavischen Regierungen war die österreichische nicht bereit, das Obristenregime vor dem Europarat offiziell anzuklagen und sich der Vorreitergruppe der Junta-Gegner aus Skandinavien anzuschließen. Kurz vor der besagten Helsinki-Konferenz, am 21. August 1967, hatte der niederländische Geschäftsträger von Kassenich das Außenamt am Ballhausplatz besucht und beim Generalsekretär zum Thema des bevorstehenden Vorgehens der Skandinavier in 78 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 12-Pol/67. Skandinavische Einstellung zum griechischen Militärregime. Wetzler an Tončić-Sorinj vom 13.5.1967. 79 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 13-Pol/67. Schwedische Reaktionen zur Errichtung einer Militärdiktatur in Griechenland. Forderung zur Entsendung einer parlamentarischen Kommission nach Griechenland, Verfolg ho. FS 25025 vom 9.5.1967. Marquet an Tončić-Sorinj vom 11.5.1967. 80 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 10-Pol/67. Dänemark und die Lage in Griechenland, zu Bericht Zl. 9-Pol/67 vom 1.5.1967. Tschöp an Tončić-Sorinj vom 10.5.1967. 81 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 22-Pol/67. Schwedischer Protest beim Europarat gegen die griechische Militärregierung. Luegmayr an Tončić-Sorinj vom 14.9.1967. 82 Arne Trehold, Europe and the Greek Dictatorship. In  : Richard Clogg, George Yannopoulos (Hg.), Greece under Military Rule (London 1972) 210–227, 214.

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Den Haag vorgesprochen. Er überreichte die Nachricht, dass das niederländische Außenministerium daran interessiert sei, in Erfahrung zu bringen, welche Haltung Österreich im Fall einer gegen Athen erhobenen skandinavischen Anklage einnehmen würde. Zudem ließ er den Generalsekretär wissen, dass, »falls Österreich irgendwelche Schritte in der Menschenrechtskommission des Europarates zu unternehmen gedenke, sich die Niederlande diesen anschließen würden, vorausgesetzt jedoch, dass auch andere Staaten dies tun« würden. Unter Verweis auf die Erklärung des Außenministers Tončić-Sorinj im Nationalrat vom 28. Juni 1967 zur Lage in Griechenland, in der die strikte Einhaltung des Prinzips der Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten als Grundsatz der österreichischen Neutralitätspolitik unterstrichen wurde, antwortete der Generalsekretär auf die Anfrage seines niederländischen Kollegen, »dass, soweit ihm bekannt sei, gegenwärtig keine österreichische Aktion geplant« sei. Sollte jedoch eine Veränderung in dieser Haltung eintreten und österreichischerseits doch noch eine Initiative ergriffen werden, dann würde man die Niederlande unverzüglich verständigen.83 Aber von Österreich kam keine Initiative – weder zu diesem Zeitpunkt noch später. Man überließ anderen, insbesondere den Skandinaviern, die undankbare Rolle des Anklägers und bevorzugte stattdessen für sich die des Vermittlers zwischen den Streitparteien oder sogar die des passiven Zuschauers. Gerechtfertigt wurde diese Haltung immer wieder durch die Neutralität des Landes. Bezeichnend dafür ist die Antwort des Außenamtes auf die besagte Aufforderung des Vorsitzenden der Demokratisch-Fortschrittlichen Partei Franz Olah an die Regierung, nach der »widerrechtlichen Absetzung« des Königs infolge seines Gegenputsches gegen die Junta durch die »sofortige Rückberufung des österreichischen Botschafters« ein Zeichen zu setzen. Während Olah die Neutralität Österreichs als wichtigstes Argument für eine Wiener Initiative zur Wiederherstellung der Demokratie in Griechenland anführte, berief sich das Ministerium in seiner Antwort auf dasselbe Argument, um die passive Haltung Österreichs in der griechischen Frage zu rechtfertigen. Aus dem Antwortschreiben geht deutlich hervor, dass die österreichische Außenpolitik nicht bereit war, im Europarat eine regimefeindliche Position einzunehmen, auch wenn man einräumen musste, dass aufgrund der Mitgliedschaft Griechenlands in dieser Organisation und vor allem der Unterzeichnung der Europäischen Menschenrechtskonvention seinerseits politische Maßnahmen gegen die Junta völkerrechtliche Legitimität genossen. »Österreich hat nun in seiner gesamten Außenpolitik vom Standpunkt der immerwährenden Neutralität auszugehen. Selbst wenn sich in einem anderen Staat politische 83 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 29.341-6/Pol/67. Vorsprache des niederländischen Geschäftsträgers über die österreichische Haltung zu Griechenland e. o. AV vom 23.8.1967.

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Entwicklungen abzeichnen, die den Prinzipien des neutralen Staates entgegenstehen, muss dieser von einer direkten oder indirekten Intervention absehen, ohne dass hierfür eine besondere völkerrechtliche Grundlage vorhanden ist. Eine solche ist im konkreten Fall durch das Statut des Europarates und die auch von Griechenland unterzeichnete Europäische Menschenrechtskonvention gegeben. Durch andere Mitgliedstaaten wurde bereits ein Verfahren vor der Menschenrechtskonvention in Gang gesetzt. Über den Bericht der Menschenrechtskommission wird das Ministerkomitee des Europarates zu entscheiden haben, in dem auch Österreich vertreten ist. Österreich wird bei seiner Entscheidung selbstverständlich dem Geist und dem Buchstaben des Statutes des Europarates und der Menschenrechtskonvention Rechnung tragen.«84

Wenn man sich die Haltung der österreichischen Regierung im Europarat vor Augen führt, dann gelangt man zum Ergebnis, dass Wien die innenpolitische Situation in Griechenland eindeutig für verwerflich und veränderungsbedürftig hielt. Dennoch scheute man sich davor, so offensiv gegen die Obristendiktatur anzutreten wie es Schweden, Dänemark, Norwegen oder Holland taten und dadurch den Zorn Athens auf sich zu ziehen. Auf der anderen Seite wollte man sich aber auch auf keinen Fall im Europarat den Anschein des Verteidigers der griechischen Junta geben. Dementsprechend verhielt sich nach eigener Einschätzung die österreichische Vertretung im Außenministerrat bei der Behandlung der Griechischen Frage bis zur allesentscheidenden Sitzung des Führungsgremiums des Europarates im Dezember 1969 »rezeptiv«.85 Die Vorgänge bestätigen diese Selbsteinschätzung  : Nachdem Max van der Stoel im Auftrag der Beratenden Versammlung des Europarates drei vernichtende Berichte zur Menschenrechtslage im diktatorischen Griechenland vorgelegt hatte, schlug die Versammlung dem Ministerkomitee den unverzüglichen Ausschluss Griechenlands aus dem Europarat vor. Dieser nahm die griechische Frage in seine Tagesordnung für die Sitzung am 12. Dezember 1969 auf, an der auch der österreichische Außenminister Waldheim teilnahm. Im Vorfeld der Vorbereitung auf diese Sitzung kristallisierten sich drei Grundhaltungen heraus  : die skandinavische für einen unverzüglichen Ausschluss Griechenlands aus dem Europarat  ; die deutsche für eine vorläufige Suspendierung  ; und die französisch-türkisch-zyprische gegen jegliche Sanktionierung Griechenlands. Als Arbeitsdokumente, auf deren Grundlage das griechische Problem in der Sitzung des 12. Dezember diskutiert wurde, setzten sich die skan84 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 111.946-6/Pol/68, EA Zl. 10.602 PrM/68 vom 18.1.1968. Ehem. Abg. z .NR, MB a.D. Franz Olah. Vorschläge betr. die österr.-griech. Beziehungen. AV vom 31.1.1968. 85 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 113279-6/Pol/68, EA, Zl. 112.423-4a/Pol/68 vom 21.2.68. Griechenland. Europarat. Empfehlung 498. Antwort des Ministerkomitees an die Beratende Versammlung. AV vom 25.2.1968.

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dinavische Position des Ausschlusses und die deutsche einer Suspendierung durch, während der französisch-türkisch-zyprische Vorschlag auf keinerlei Resonanz stieß.86 Anders als die meisten anderen Staaten vertrat Österreich bis zur Sitzung am 12. Dezember keine eindeutige Position. Dies bot Freiraum für Spekulationen, die hauptsächlich von griechischer Seite genährt wurden. Anfang Dezember wurde in der gleichgeschalteten griechischen Presse die Nachricht gebracht, dass Österreich gemeinsam mit der Schweiz entweder gegen einen skandinavischen Vorschlag zum Ausschluss Griechenlands votieren oder sich zumindest enthalten würde. Begleitet wurde diese Mitteilung vom Kommentar, dass diese Haltung ein Beweis dafür sei, dass »Österreich für die griechische Regierung« sei. Interessanterweise ließ zur selben Zeit der griechische Außenminister Pipinelis einzelnen Mitgliedern des diplomatischen Korps in Athen die Information zukommen, dass »sich Österreich gegenüber dem skandinavischen Vorschlag der Stimme enthalten, für die Vermittlung einer Griechenland-freundlichen Resolution arbeiten und unter allen Umständen für eine Zweidrittelmehrheit im Falle einer Abstimmung über den Ausschluss eintreten wird«.87 Insbesondere für Botschafter Steiner waren Meldungen in der griechischen Presse sehr ärgerlich, wonach er im griechischen Außenministerium eine »formelle Erklärung« der Bestätigung dieser Absichten Österreichs, insbesondere in Hinsicht auf ein Abstimmungsverfahren mit einer Zweidrittelmehrheit, abgegeben habe.88 Als er sich darüber beschwerte, teilte ihm das griechische Außenministerium Folgendes mit  : »[M]an wisse sowohl vom Generalsekretär des Europarates, dass Österreich sich der Stimme enthalten werde und man habe auch vom griechischen Botschafter in Wien Berichte, nach denen sich Österreich mit aller Kraft bemühen werde, einen für die griechische Regierung akzeptablen Vermittlungsvorschlag herbeizuführen. Kompetente Wirtschafts- und Handelskreise hätten dies in Wien dem griechischen Botschafter zum wiederholten Male versichert.«89

Botschafter Steiner, dem Wien unerklärlicherweise bis zum 15. Dezember keinerlei Informationen über die österreichische Haltung im Europarat zukommen ließ und der sich nachträglich auch darüber beschwerte, konnte »nur darauf verweisen, dass die österreichische Regierung keinerlei Beschlüsse in dieser Richtung gefasst hätte« 86 Idryma Andrea G. Papandreou, The Council of Europe fights for Democracy in Greece, 1967–1969. In  : Andreas G. Papandreou Foundation, http://www.agp.gr/agp/content/Document.aspx?d=7&rd=5499005 &f=1426&rf=1866356962&m=4735&rm=9703031&l=1 (19.2.2015). 87 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 31-Pol/69. Zur Lage Griechenlands nach dem Rückzug aus dem Europarat. Steiner an Waldheim vom 17.12.1969. 88 Ebd. 89 Ebd.

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und dass ihm »jedenfalls von einer Festlegung der Haltung der österreichischen Regierung in dieser Sache nichts bekannt sei.«90 Trotz der vielfältigen Anstrengungen des Athener Regimes es zu verhindern, stand letztendlich am 12. Dezember 1969 im Ministerrat des Europarates ein kombinierter skandinavisch-westdeutscher Suspendierungsantrag zur Diskussion und Abstimmung. Österreich unternahm noch während der Debatte den Versuch, eine Kompromisslösung zu erzielen, die sowohl für die griechische Junta als auch für ihre unversöhnlichen Gegner im Europarat akzeptabel gewesen wäre. Insbesondere Außenminister Waldheim war »dazu geneigt«, dem Regime »vor einer endgültigen Entscheidung die in einem vertraulichen Bericht der Europäischen Menschenrechtskommission enthaltenen Vorschläge« zur Annahme zu empfehlen. Die Kommission hatte in einem ihrer zahlreichen kritischen Berichte zur Menschenrechtslage in Griechenland einen Zehnpunktevorschlag unterbreitet, wie das Land zur Demokratie und zur Achtung der Menschenrechte zurückkehren könnte. Die österreichische Vertretung plädierte nun dafür, dass man die Suspendierungsentscheidung zunächst vertage und dem Obristenregime noch eine letzte Chance einräume, die sich aus der Menschenrechtskonvention ergebenden Verpflichtungen wahrzunehmen und insbesondere den besagten Zehnpunktevorschlag umzusetzen. Zugleich erklärte sich Österreich aber auch dazu bereit, dem Suspendierungsantrag zuzustimmen, sollte sich die Mehrheit der Mitgliedsstaaten dafür aussprechen. Im Laufe der Diskussion zeigte sich, dass in der Tat die »überwiegende Mehrheit der Mitgliedsstaaten diesem Antrag zustimmen würde«. Bevor es zur Abstimmung kommen konnte, gab Pipinelis den Austritt Griechenlands aus dem Europarat bekannt und kündigte zugleich die Menschenrechtskonvention auf. Rechtswirksamkeit erlangte der Austritt Griechenlands am 1. Januar 1971.91 Trotz der österreichischen Bereitschaftserklärung, für einen gegen Griechenland gerichteten Austrittsvorschlag zu stimmen, hatte die Athener Junta die Haltung Wiens im Ministerkomitee des Europarates ihr gegenüber als freundlich und positiv eingeschätzt. Das lag vor allem am besagten Vorstoß Österreichs, den griechischen Rauswurf aus dem Europarat doch noch durch die Aussprache einer Empfehlung an Athen auf der Grundlage des besagten Zehnpunktevorschlags abzuwenden. Dieser stieß zwar bei den anderen Mitgliedsstaaten auf keine Resonanz, dennoch wurde er von Seiten des Regimes Österreich hoch angerechnet. Bezeichnend dafür ist, dass der griechische Botschafter in Wien, Triantafyllakos, in seiner Vorsprache beim Außenministerium am 5. Januar 1970 zum anstehenden Besuch des Regimegegners Andreas Papandreou in Österreich »einleitend ausführte, dass seine Regierung und 90 Ebd. 91 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 160.012-4b/Pol/72, Zl. 2477-GS/72 vom 10.7.1972. Neuer Missionschef in Griechenland. AV vom 13.7.1972.

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besonders Außenmister Pipinelis für die Haltung des Herrn Bundesministers bei der Tagung des Ministerrates des Europarates in Paris dankbar seien.«92 Außerdem nahm man in Athen positiv auf, dass Österreich gemeinsam mit anderen Staaten zusätzlich dafür intervenierte, dass es nicht zu einem schmachvollen formellen Ausschluss, sondern zu einem »freiwilligen« Austritt Griechenlands aus dem Europarat kam. Diese Aktion wurde auch von anderen Staaten begrüßt. So berichtete etwa am 22. Januar 1970 der österreichische Botschafter in Belgrad, Dr. Walther Peimsipp, nach Wien, dass man im blockfreien Jugoslawien »es mit Erleichterung aufgenommen habe, dass einige Staaten, darunter auch Österreich, dem Europarat einen Weg gewiesen hätten, der der Aktion ihre Schärfe nahm, denn ein Hinauswurf Griechenlands hätte, so wie man die Griechen kennt, deren nationale Empfindlichkeit geweckt«. Insbesondere habe ihm gegenüber, so Botschafter Peimsipp im Weiteren, ein »hoher Funktionär des jugoslawischen Außenministeriums unterstrichen, dass man [in Belgrad] die mäßigende Haltung einiger Staaten, darunter Österreich, sehr zu schätzen weiß, wodurch ein formeller Ausschluss Griechenlands mit allen daraus allenfalls resultierenden außenpolitischen Extratouren der Obersten vermieden wurde«. Der jugoslawische Diplomat fügte noch in Hinsicht auf die Haltung seines Landes gegenüber der Athener Militärdiktatur hinzu, dass »Jugoslawien, das selber das Prinzip der Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Staaten leidenschaftlich verficht, sich nicht dazu berufen sieht, sich in die Angelegenheiten des griechischen Nachbarn einzumischen«.93 Diese »gemäßigte« österreichische Haltung im Europarat weckte in Athen die Erwartung, dass Wien zukünftig in ähnlichen Fällen erneut eine »pro-griechische« Haltung einnehmen würde. So stattete etwa der griechische Botschafter in Wien, Triantafyllakos, am 18. Februar 1970 dem Generalsekretär des Außenministeriums einen Besuch ab, um ihm u. a. ein mögliches Aufgreifen der griechischen Frage in den Vereinten Nationen anzukündigen und sich nach der österreichischen Position dazu zu erkundigen. Vorausgegangen war eine aus griechischer Sicht beunruhigende Initiative Schwedens, Norwegens und Dänemarks, den sehr kritischen Bericht der Menschenrechtskommission des Europarates zur Situation in Griechenland unter den uno-Mitgliedsstaaten zu verteilen. In Athen hegte man die Befürchtung, dass die drei skandinavischen Staaten versuchen könnten, in der Dritten Kommission der Vereinten Nationen eine Beschwerde gegen Griechenland wegen Verletzungen der Menschenrechte einzubringen. Da dies nach Auffassung Athens eine weitere Einmischung in die inneren Angelegenheiten Griechenlands bedeutete und dementsprechend auch in Widerspruch zur Charta der Vereinten Nationen stünde, ersuchte der 92 ÖStA/AdR, BMfAA. Gr.Zl. 80.096-II-70. Vorsprache des griechischen Botschafters. AV vom 5.1.1970. 93 ÖStA/AdR, BMfAA. Zl. 1-Pol/70. Die derzeitigen Beziehungen Jugoslawien-Griechenland, zu Zl. 80.163-II/70, Belgrad. Dr. Walther Peimsipp an Waldheim vom 22. Jänner 1970.

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griechische Botschafter im Namen seiner Regierung, dass sich Österreich gegebenenfalls »ähnlich wie bei der Tagung des Europarates verhalte«. Im entsprechenden Aktenvermerk zur Vorsprache von Triantafyllakos wurde im Weiteren festgehalten, dass »griechischerseits die Hoffnung bestehe, dass Österreich eine Behandlung [der Griechischen Frage] in den Vereinten Nationen ablehnen werde«. Die Reaktion des Generalsekretärs auf dieses griechische Anliegen ließ alle Möglichkeiten offen. Einerseits bekundete er sein Unwissen über eine Befassung der Menschenrechtskommission der uno mit Griechenland, andererseits schloss er aber auch eine derartige Entwicklung nicht von vornherein aus. In jedem Fall, informierte er seinen griechischen Kollegen, könnte die österreichische Regierung erst dann eine Entscheidung über ihre Haltung treffen, wenn genauere Angaben über einen eventuellen Vorstoß der Skandinavier gegen Griechenland bekannt seien.94 Die Vorsprachen des griechischen Botschafters Anfang 1970 am Ballhausplatz lassen keinen Zweifel daran, dass die griechische Junta die Haltung der österreichischen Regierung im Europarat als eine ihr gutgesinnte bewertet hatte. Nicht gleichermaßen glücklich war man allerdings in Athen über das Verhalten anderer Vertreter Österreichs, die im Rahmen des Europarats in der Untersuchung der griechischen Frage involviert waren. Insbesondere die Haltung des renommierten österreichischen Völkerrechtlers Felix Ermacora, der in die Unterkommission berufen wurde, die im Auftrag des Europarats die Menschenrechtslage in Griechenland untersuchte, habe man laut Botschafter Triantafyllakos »als unfreundlich betrachtet«.95 Ermacora war bereits seit 1958 Mitglied der Europäischen Menschenrechtskommission und der UN-Menschenrechtskommission. Während die griechische Botschaft noch im Februar 1969 die in der österreichischen Presse verbreitete Nachricht über eine Erklärung Ermacoras zur Persona non grata in Griechenland auf das Schärfste dementiert hatte,96 brachte Triantafyllakos ein Jahr später gegenüber dem österreichischen Außenministerium das Missfallen Athens wegen des feindlichen Verhaltens des Wiener Hochschullehrers in der Unterkommission vehement zum Ausdruck. Aller Wahrscheinlichkeit nach hegte Athen die Befürchtung, dass Ermacora aufgrund seiner besagten Doppelfunktion in den Menschrechtskommissionen des Europarats und der Vereinten Nationen eine unterstützende Rolle bei der Einbringung einer skandinavischen Beschwerde gegen Griechenland in der Dritten uno-Kommission spielen könnte.97 Der explizite Hinweis des griechischen Botschafters auf die von Seiten seiner Regierung als »unfreund94 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 82.276-6-Pol-70. Vorsprache des griechischen Botschafters. Fall Apostolakos. AV vom 18.2.1970. 95 Ebd. 96 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 153254-6/69. Angebliche Erklärung Prof. Dr. Ermacora zur Persona non grata in Griechenland. Dementi der hiesigen griechischen Botschaft. AV vom 24.2.1969. 97 ÖStA/AdR, BMfAA. Gr.Zl. 82.276-6/Pol/70. Vorsprache des griechischen Botschafters. Fall Apostolakos. AV vom 18.2.1970.

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lich« betrachtete Haltung Ermacoras ist als indirekte Aufforderung an das österreichische Außenministerium zu verstehen, bei Ermacora dahingehend zu intervenieren, keine Aktion gegen Griechenland in den Vereinten Nationen auszuführen oder zu unterstützen. Die Frage, ob die österreichische Regierung dieser Aufforderung nachkam, kann auf der Grundlage des hier zur Verfügung stehenden Quellenmaterials nicht beantwortet werden. Einiges spricht jedenfalls dagegen, wie etwa die Tatsache, dass Ermacora 1970 für weitere sechs Jahre zum Mitglied der Menschenrechtskommission des Europarats als Vertreter Österreichs gewählt wurde.98

Spannungen zwischen Wien und Athen  : prominente Besuche Während man in Athen die österreichische Haltung in internationalen Organisationen, insbesondere im Europarat, als »positiv« und »freundlich« betrachtete, rief beim Regime der Freiraum, der griechischen Oppositionellen in Österreich für regimefeindliche Aktionen zur Verfügung stand, mehrmals Unmut hervor. Daher sahen sich Botschafter Triantafyllakos, der im Sommer 1967 nach der Enthebung des griechischen Missionschefs in Wien, Pappas, auf dessen Posten gefolgt war, sowie der Botschaftssekretär Konstantinos Ailianos immer wieder veranlasst, die Unzufriedenheit ihrer Regierung darüber zum Ausdruck zu bringen. Vor allem die Besuche der prominenten Oppositionellen Melina Merkouri und Andreas Papandreou in Österreich auf Einladung des Vereins der Freunde der griechischen Demokratie führten die beiden Diplomaten wiederholt zum Ballhausplatz, um dagegen Protest zu erheben. Die seit ihrer Protagonisten-Rolle im Film »Sonntags nie« international bekannte Schauspielerin Merkouri besuchte vom 29. März bis 1. April 1968 Wien im Rahmen einer internationalen, vermeintlich künstlerisch und nicht politisch ausgerichteten Tournee. Neben Österreich gehörten die Schweiz, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Belgien, die Niederlande, Dänemark, Schweden und Norwegen zu den Stationen der Tournee. Da die in Paris lebende Exil-Griechin bereits zu diesem Zeitpunkt eine rege antidiktatorische Tätigkeit entwickelt hatte, war die österreichische Regierung über ihren Besuch sehr beunruhigt. Um eventuellen Problemen im Verhältnis zu Athen vorzukommen, versuchte man präventiv einzugreifen, indem man u. a. Kontakt zu den Organisatoren der Tournee aufnahm, um sicherzustellen, dass »Frau Merkouri bei ihren öffentlichen Äußerungen und sonstigen Aktivitäten die österreichischen Gesetze beachten werde«.99 Des Weiteren intervenierte 98 Vgl. Directorate of Human Rights, Council of Europe (Hg.), Yearbook of the European Convention on Human Rights 1970 (The Hauge 1972) 32. 99 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 116.370-6/Pol/68. Melina Merkouri. Parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Dr. Otto Scrinzi. AV vom 27.5.1968.

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im Auftrag von Außenminister Waldheim das Außenamt bei der Stadt Wien mit der Bitte, »der Bürgermeister möge von einem Empfang von Frau Merkouri Abstand nehmen«. Zu diesem Zweck hatte man sogar erfolglos versucht, Bundesminister a. D. Bruno Kreisky zu überreden, auf Bruno Marek Einfluss zu nehmen, um »Frau Merkouri nicht im Rathaus offiziell zu empfangen«. Auch ohne die Unterstützung Kreiskys rang man schließlich dem Bürgermeister das Zugeständnis ab, den Empfang in seiner Amtswohnung statt in den offiziellen Räumen des Rathauses und ohne Anwesenheit von Politikern, sondern ausschließlich von Künstlern zu veranstalten.100 Im Weiteren beschloss man »zu verhindern, dass an von Merkouri geplanten Veranstaltungen amtliche Vertreter (wie z. B. auch der Herr Bürgermeister) als Sponsoren teilnehmen«, denn »ohne eine solche offizielle Ägide würde es sich um eine reine Privatveranstaltung handeln, bei der Amtspersonen in offizieller Funktion nur zu Ordnungszwecken zugegen sein würden«.101 Außerdem »sollte es unbedingt vermieden werden, dass auch Mitglieder der Bundesregierung (wie dies die griechische Botschaft aufgrund angeblicher Informationen befürchtet) an einzelnen Veranstaltungen persönlich teilnehmen«.102 Schließlich wurden anlässlich des Besuches Merkouris »besondere« polizeiliche Maßnahmen zum Schutz der griechischen Botschaft und zur Vermeidung von Ausschreitungen in der Innenstadt in Erwägung gezogen, da nach Angaben des Innenministeriums »tausende von griechischen Studenten aus allen Teilen Österreichs in Autobussen der spö nach Wien befördert werden« sollten, sodass man mit einer »massiven Demonstration« rechnete. Große Sorge bereiteten den Sicherheitsbehörden zweierlei Umstände  : zum einen die Tatsache, dass es sich »bei einem großen Teil der Griechen um politische Flüchtlinge« handelte, zum anderen die »massive Unterstützung« des Besuchs Merkouris und der aus diesem Anlass geplanten Protestaktionen durch »die größte Oppositionspartei« Österreichs. Diese Unterstützung der spö für Protestaktionen gegen das Athener Junta-Regime würde laut Sektionschef Seidler vom Bundesministerium für Inneres ein energisches Einschreiten, etwa in der Form des Verbots »jede[r] unerwünschten politische[n] Tätigkeit unter Berufung auf das Gastrecht«, verhindern, da ein solches Vorgehen, obgleich »vom außenpolitischen Standpunkt wünschbar«, zu »einer Staatskrise führen könnte«. Aus demselben Grund wurde auch ein »hartes Durchgreifen der Polizei gegen Demonstranten« als Option abgelehnt. Demzufolge würde es sich beim geplanten »besonderen Polizeischutz« um »eine rein akademische Maßnahme« handeln, »da ein Eingreifen der Polizei vom innenpolitischen Standpunkt aus au100 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 114.952-Pol 6/68. Österreichisch-griechische Beziehungen. AV vom 21.3.1968. 101 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 114.535-6/Pol/68. Österreichisch-griechische Beziehungen. Vorsprache des griechischen Botschafters beim Generalsekretär. AV vom 15.3.1968. 102 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 115.495-Pol/68. M. Merkouri. Aufenthalt in Wien. AV vom 29.3.1968.

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ßerordentlich delikat wäre«.103 Ein Versuch Botschafter Heinrich Haymerles in seiner Funktion als Leiter der politischen Abteilung, noch kurzfristig vor Beginn des Merkouri-Programmes eine »Besprechung über die gesamte Problematik der gegen die griechische Regierung gerichteten Aktivität in Österreich« mit Beteiligung der Opposition zu organisieren, scheiterte an der Abwesenheit des engsten Vertrauten Kreiskys im Außenamt, Dr. Peter Jankowitsch, der sich zu diesem Zeitpunkt im Urlaub befand. Seine Anwesenheit wurde insofern für notwendig gehalten, als »diese Probleme ohne Fühlungnahme mit der Opposition zu keiner Lösung gebracht werden könnten«.104 In Anbetracht dieser ungünstigen Ausgangsposition gelangte man am Ballhausplatz resigniert zur Schlussfolgerung, dass es »auf Beamtenebene nicht möglich ist, weitere Schritte zur Verminderung eines Eklats zu unternehmen, der die österreichisch-griechischen Beziehungen aufs äußerste belasten würde«.105 Die intensive Beschäftigung der österreichischen Behörden mit dem Besuch Merkouris und den aus diesem Anlass geplanten Protestdemonstrationen gegen die Athener Junta ging auf mehrere Interventionen Botschafters Triantafyllakos beim Außenamt zurück, in denen er vor »einer schwersten Belastung der österreichischgriechischen Beziehungen« durch den Besuch Merkouris warnte.106 In seiner ersten Vorsprache dazu beim Generalsekretär am 15. März 1968 protestierte er heftig gegen den Besuch, da sich Merkouri ausschließlich mit politischen Absichten nach Wien begebe, insbesondere »um hier eine Protestversammlung gegen die griechische Regierung zu organisieren«. Der Wiener Aufenthalt der griechischen Schauspielerin diene ihrer international angelegten Kampagne zur Mitteleintreibung »für den Aufbau einer Organisation im Ausland, die den Umsturz des griechischen Regimes zum Zweck« habe. In diesem Zusammenhang beschwerte sich Triantafyllakos über die »Bildung eines anti-griechischen Komitees« in Österreich, »das solche Geldsammlungen unterstützt und dem nicht nur von sozialistischer Seite die Abgeordneten Dr. Pittermann und Firnberg, sondern auch das ehemalige Regierungsmitglied Abgeordneter Dr. Kranzlmayr der övp angehört«. Gemeint war wohl damit der besagte Verein der Freunde der Griechischen Demokratie. Insbesondere die Teilnahme des övp-Nationalratsabgeordneten Otto Kranzlmayr an dem Verein wurde vom griechischen Botschafter als höchst problematisch empfunden, da es sich um einen »Abgeordnete[n] der Regierungspartei, noch dazu ein ehemaliges Regierungsmitglied« handle, das »für solche Bestrebungen seinen Namen« hergeben würde. Ausgehend von dieser Vereinsbeteiligung Kranzlmayrs zog Triantafyllakos 103 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 115.461-6/Pol/68. Österreich-griechische Beziehungen. Gespräch mit Herrn Sektionschef Seidler. AV vom 27.3.1968. 104 Ebd. 105 ÖStA/AdR, BMfAA. Gr.Zl. 115.495-Pol/68. M. Merkouri. AV vom 29.3.1968. 106 Ebd.

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die österreichische Regierung im Allgemeinen zur Verantwortung. »Es sei«, so die sinngemäße Wiedergabe seiner Aussage im Gesprächsprotokoll, »mit dem Bestehen normaler diplomatischer Beziehungen schwer vereinbar, wenn von offizieller Seite eine Organisation unterstützt werde, die es sich zum Zweck mache, auf den Umsturz der Regierung des anderen Staates hinzuarbeiten«. Auch Österreich »könnte wahrscheinlich nicht ruhig zusehen, wenn etwa in einem seiner Nachbarländer eine ähnliche Organisation zum Zweck eines gewaltsamen Umsturzes in Österreich gegründet werde«.107 Der griechische Missionschef brachte schließlich den Besuch der regimefeindlichen Schauspielerin in Wien auf Einladung des »anti-griechischen Komitees« Pittermanns in Verbindung zu einer Reihe weiterer Vorfälle, durch welche »in letzter Zeit die doch immer so harmonisch verlaufenden Beziehungen zwischen Griechenland und Österreich so getrübt worden seien«. Insbesondere nannte er die Absage des Gastspiels einer griechischen Bühne bei den Wiener Festwochen durch die österreichische Seite, die »Störung eines Vortrages von LS Schubert an der Universität Wien durch eine Gruppe sozialistischer Studenten« sowie die »Affäre« um den gestrichenen Besuch des griechischen Sozialministers in Österreich.108 Triantafyllakos sprach noch zwei weitere Male zur Causa Merkouri beim stellvertretenden Generalsekretär, Botschafter Heinrich Haymerle, vor. Die zweite Vorsprache fand einen Tag vor der Ankunft der Schauspielerin am 29. März statt. Neben den bereits angeführten Einwänden, Klagen und Vorwürfen, die der griechische Missionschef allesamt wiederholte, bemühte er nun zusätzlich das Argument der Neutralität Österreichs, um den Besuch Merkouris noch in allerletzter Minute zu verhindern. Er tat dies, indem er auf die ebenso neutrale Schweiz verwies, die seiner Meinung nach einen Besuch der griechischen Schauspielerin verhindert hätte. Triantafyllakos gab sich sicher, dass die Schweiz gegebenenfalls so gehandelt hätte, weil er lange Zeit im benachbarten Staat Botschafter war und das Land dementsprechend gut kenne. Sollten die von Merkouri in Österreich geplanten Aktionen trotz der ausdrücklichen Einwände seiner Regierung doch stattfinden, dann würde dies »im krassen Widerspruch zur Neutralität« Österreichs stehen. Der griechische Botschafter berief sich erneut auf die Schweiz als »positives Vorbild«, als er in Zusammenhang mit dem Merkouri-Besuch auch das Thema einer von griechischen regimefeindlichen Studenten gegründeten Vereinigung ansprach. Obwohl diese Vereinigung Geld zur Unterstützung eines Umsturzes des Regimes in Griechenland sammeln würde, habe Österreich diesen Studenten das politische Asyl nicht widerrufen. Auch dies wäre in der Schweiz unmöglich gewesen.109 107 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 114.535-6/Pol/68. Österreichisch-griechische Beziehungen. Vorsprache des griechischen Botschafters beim Generalsekretär. AV vom 15.3.1968. 108 Ebd. 109 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 115.459-6/Pol/68. Melina Merkouri. Aufenthalt in Wien, do. Gr.Zl. 114.628-6/Pol/68. AV vom 28.3.1968.

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Botschafter Haymerle bemühte sich, seinen griechischen Gesprächspartner zu beruhigen und seine Befürchtungen, auch was die Sicherheit der Botschaft betraf, zu mildern. Dabei erwähnte er die strengen Vorkehrungen zum Schutz des Botschaftsgebäudes, die das Innenministerium in Absprache mit dem Außenamt traf, sowie die ausdrückliche Zusicherung Merkouris an die österreichische Regierung über die ausschließlich »humanitären« Ziele ihrer Reise nach Wien. In seinem Versuch, Triantafyllakos zu besänftigen, spielte Haymerle die Bedeutung des Auftritts Merkouris in Wien herunter, indem er sich überzeugt gab, dass die Wirkung der Besuchsdiplomatie nachlassen und bald in Vergessenheit geraten würde. Andererseits sah sich der österreichische Diplomat gezwungen, als Triantafyllakos »immer wieder auf Einzelheiten seines Vordringens zurückkehrte, schließlich in aller Deutlichkeit darauf« hinzuweisen, »dass in einem demokratischen Staat wie Österreich nicht nur die Möglichkeiten des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten, sondern auch der Bundesregierung nicht unbeschränkt seien, schon gar nicht in einem Falle, in dem die Opposition sich ganz offen zum Patron der Frau Merkouri erklärt« habe. Demzufolge könne man auch dem Bürgermeister von Wien, der »als Landes­hauptmann auf seinem Territorium souverän sei«, nicht verbieten, Melina Merkouri zu empfangen. Der enorme Druck des griechischen Botschafters auf seinen Gesprächspartner, vor allem beim Treffen am 28. März, mit dem hochgesteckten Ziel der kurzfristigen Absage des Merkouri-Besuchs hatte letztendlich das Unbehagen Haymerles zur Folge. Dieser verwies mit besonderem Nachdruck auf die demokratisch-freiheitlichen Verhältnisse in Österreich und bemängelte somit indirekt die repressive Situation in Griechenland. Auch wohl deshalb »zeigte sich der griechische Botschafter vom Verlauf der Unterredung wenig befriedigt«.110 Von der Verteidigung zum Angriff war der stellvertretende Generalsekretär Haymerle auch während der Vorsprache Triantafyllakos’ am 18. März übergegangen, als er sich bei seinem Kollegen zur Haltung der griechischen Regierung »gegenüber ihrem Nato-Partner usa bezüglich der von Frau Merkouri dort ausgeübten Aktivität« erkundigte. Auch wenn sich der griechische Missionschef »über die Aktivitäten Merkouris in den usa ganz uninformiert zeigte«, dürfte dieser erkannt haben, dass Haymerle nun das von Seiten der Athener Junta in der Causa Merkouri so oft vorgebrachte Neutralitätsargument gewissermaßen umdrehte, wobei die implizite Botschaft folgendermaßen lautete  : Man sollte an das neutrale Österreich nicht Forderungen stellen, die selbst für Nato-Verbündete unannehmbar seien.111 Trotz seiner vorgetäuschten Unwissenheit war natürlich Triantafyllakos mit der regimefeindlichen Tätigkeit Merkouris, die sie in den usa kurz nach dem Putsch des 110 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 115.460-6/Pol/68. Vorsprache des griechischen Botschafters. AV vom 28.3.1968. 111 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 115.459-6/Pol/68. Melina Merkouri. Aufenthalt in Wien. AV vom 28.3.1968.

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21. April aufnahm, gut vertraut. Die international bekannte Schauspielerin befand sich zur Zeit des Staatsstreiches in den usa, wo sie gerade am Broadway spielte. Nach einem vierzigtägigen Zögern in Anbetracht der möglichen Konsequenzen – etwa in der Form eines Rückreiseverbots – nahm die sich noch in den usa aufhaltende Merkouri eine äußerst kritische Haltung gegenüber den Obristen ein. Sie rief u. a. die Tourismusbranche zu einem Boykott Junta-Griechenlands auf und schloss jeden Abend ihre Vorstellung am Broadway mit verbotenen Liedern des zunächst inhaftierten, dann ins französische Exil entlassenen Komponisten Mikis Theodorakis ab. Für weltweite Schlagzeilen sorgten ihre Aussagen unmittelbar nachdem JuntaInnenminister Stylianos Pattakos sie zum »Volks- und Staatsfeind« erklärt hatte und ihr die griechische Staatsbürgerschaft entzogen worden war  : »Ich bin als Griechin geboren und werde als Griechin sterben, Pattakos ist als Faschist geboren und wird als Faschist sterben.« Insbesondere ihre Ausbürgerung löste in den usa eine riesige Sympathiewelle für Merkouri aus. Auf der anderen Seite hatte diese Aufmerksamkeit, die sie auf sich zog, auch Konsequenzen  : Je berühmter Merkouri als »Widerstands- und Freiheitskämpferin« wurde, desto mehr häuften sich die Gefahren für ihr Leben. Schließlich veranlassten Morddrohungen die US-amerikanischen Behörden dazu, sie unter den Schutz des fbi zu stellen.112 Der Unmut in Athen über den in den usa Merkouri zugestandenen Freiraum zur Entfaltung ihrer ebenso zahlreichen wie mannigfaltigen regimefeindlichen Aktivitäten war dermaßen groß, dass die Unkenntnis des griechischen Botschafters in Wien darüber äußerst unglaubwürdig wirkte. Der Besuch Merkouris hatte letztendlich, wie von Triantafyllakos auch befürchtet, einen ausgeprägten politischen Charakter. In den einschlägigen Berichten der Polizeidirektion Wien sind mindestens zwei Veranstaltungen mit der griechischen Schauspielerin als Ehrengast dokumentiert, die politische und nicht künstlerische Ziele verfolgten  : die erste im Verein Griechischer Studenten, die zweite im großen Konzerthausaal, organisiert durch den Verein Freunde der Griechischen Demokratie, an der auch »die Nationalräte Dr. Pittermann, Dr. Kreisky, Probst, Czernetz, Gratz und Lang, Stadtrat Pfoch und der österreichische Dramatiker Hochwälder teilnahmen.«113 Vor allem die Zusammenkunft mit den Mitgliedern des Vereins Griechischer Studenten aus Anlass des vorangegangen griechischen Nationalfeiertages fand ganz im Zeichen des antidiktatorischen Kampfes Merkouris statt. Die Schauspielerin wurde nach Angaben des anwesenden Kriminalinspektors »mit stürmischem Applaus begrüßt« und sprach in der Folge einige Worte an die Studenten. 112 Christiane Schlötzer-Scotlant, Politik. In  : Cathrin Callweit (Hg.), Jahrhundertfrauen  : Ikonen – Idole – Mythen, 2. Aufl. (München 2001) 14-47, 30f. 113 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 115.630-6/Pol/68. Melina Merkouri. Aufenthalt in Österreich. Beigelegt  : BMfI, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit. Tagesbericht vom 1.4.1968. AV vom 5.4. 1968.

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Nachdem sie ein Gedicht auf Griechisch aufgesagt hatte, »schloss sie mit dem fanatisch dargebrachten Ruf ›Nieder mit dem Faschismus‹«. Der bei dieser Veranstaltung anwesende Präsident des Vereins Freunde der Griechischen Demokratie, Pittermann, äußerte daraufhin den Wunsch, dass die Griechen so schnell wie möglich ihren Nationalfeiertag wieder in Freiheit feiern könnten und rief zu diesem Zweck auf, die »Hilfskräfte« zu verdoppeln und den »Leuten die Maske vom Gesicht zu reißen, die jetzt zur Junta halten«. Die Unterstützung des Kampfes für die Wiederherstellung der Demokratie sei nichts weniger als eine moralische Pflicht gegenüber dem Geburtsland der Demokratie.114 Schließlich fand am 1. April aus Anlass des Besuchs Merkouris in Wien eine Demonstration vor der griechischen Botschaft statt, während der »250 Demonstranten einer ebenso großen Zahl von Polizisten« gegenüberstanden. Auch wenn nach Einschätzung der Wiener Polizeidirektion aufgrund des enormen polizeilichen Aufgebots »keinerlei Ausschreitungen gegen die griechische Botschaft möglich« gewesen seien, meldete sich vorsichtshalber der griechische Botschafter telefonisch beim Gesandten Dr. Georg Schlumberger, um sicherzustellen, dass die »entsprechenden Vorkehrungen zum Schutz der Botschaft getroffen worden seien« und sprach außerdem den Wunsch aus, dass die Demonstranten verhaftet würden. Zugleich nutzte er die Gelegenheit, um das Außenamt darauf hinzuweisem, »dass seine Vorhersage sich nun bewahrheitet habe, dass nämlich bei den Veranstaltungen mit Melina Merkouri keine humanitären, sondern rein politische kämpferische Ziele verfolgt werden«.115 Am 1. April, am Abreisetag der griechischen Schauspielerin, hatte der griechische Botschafter die Möglichkeit, dem Missfallen seiner Regierung über den Besuch Merkouris in Wien ein allerletztes Mal mit einer Vorsprache auf höchster Ebene Ausdruck zu verleihen. In seiner Vorsprache bei Außenminister Waldheim wiederholte Triantafyllakos die Einwände Athens gegen die Haltung, die die österreichische Regierung in der Causa Merkouri vor und während des Besuches der Regimegegnerin einnahm. Er verlangte insbesondere eine Erklärung dafür, warum Österreich Merkouri nicht »unverzüglich« ausgewiesen hätte, obwohl diese »in einem neutralen Land zu einem gewaltsamen Kampf gegen die Regierung Griechenlands aufgerufen« und »ausdrücklich erklärt« habe, »dass sie das Geld, das sie hier einnehme, dazu verwenden werde, um mit Gewalt die griechische Regierung zu stürzen«. Es sei die Pflicht Österreichs gewesen, die Ausweisung einer Ausländerin zu veranlassen, »die zu einer Eliminierung der Regierung eines Landes aufgerufen hat, mit der 114 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 115.495-Pol/68. M. Merkouri. Aufenthalt in Wien. Beigelegt  : Polizeidirektion Wien, Abteilung I. Betr.  : Freunde der griechischen Demokratie. Zusammenkunft mit den Mitgliedern des Vereins griechischer Studenten. Thema  : Der griechische Nationalfeiertag. AV vom 29.3.1968. 115 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 115690-6/68. Melina Merkouri. Demonstration vor der griechischen Botschaft am 1.4.68. AV vom 2.4.1968.

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Österreich diplomatische Beziehungen unterhält«. Anschließend griff der griechische Botschafter sein beliebtes Thema des Vergleichs mit der Schweiz auf, »wo ein derartiges Vorgehen von Frau Merkouri unmöglich gewesen wäre«, da »es in der Schweiz untersagt sei, politische Erklärungen abzugeben«. Immerhin erklärte sich Triantafyllakos bereit zu akzeptieren, dass »österreichische Staatsbürger, wie Vizekanzler a. D. Pittermann und die Mitglieder seiner Gruppe« das Recht hätten, Erklärungen gegen die griechische Regierung abzugeben. Aber »eine subversive Propaganda von Ausländern sei ihm unverständlich«. Zum Schluss bat der griechische Missionschef, dass »in Zukunft derartige Vorfälle verhindert würden«. Leider wurde im Gesprächsprotokoll die Antwort des Bundesministers auf die zahlreichen Klagen und Aufforderungen Triantafyllakos’ nicht festgehalten.116 Der Besuch Merkouris wurde schließlich auch zum Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage, die fpö-Nationalratsabgeordneter Dr. Otto Scrinzi Ende Mai 1968 an den Außenminister richtete. Scrinzi wollte von Waldheim wissen, ob dieser »innerhalb der Bundesregierung gegen die Duldung des politischen Auftretens der exilierten griechischen Schauspielerin Melina Merkouri« Einwände vorgebracht habe, »zumal diese auch die Anwendung von Waffengehalt gutgeheißen hat«. Österreich als neutraler Staat, der zu Griechenland diplomatische Beziehungen unterhält, hätte aus Sicht des Parlamentariers ein derartiges Verhalten nicht tolerieren dürfen. Die Antwort Waldheims verrät sein persönliches Missfallen, aber auch das seiner Regierung über die Wendung, die der Besuch Merkouris trotz der im Vorfeld getroffenen Vereinbarungen und Vorkehrungen nahm  : »Frau Melina Merkouri hat sich auf Grund einer Einladung des Vereins der Freunde der Griechischen Demokratie vom 29. März bis 1. April 1968 in Wien aufgehalten. Die vorbereitenden Kontaktaufnahmen der Organisatoren der Tournee der Künstlerin mit den zuständigen österreichischen Behörden haben Grund zur Annahme gegeben, dass Frau Merkouri bei ihren öffentlichen Äußerungen und sonstigen Aktivitäten die österreichischen Gesetze beachten werde. Das Verhalten Frau Merkouris in Wien und die hierbei gemachten Äußerungen waren Gegenstand mehrfacher Diskussionen im Ministerrat, wobei ich nicht ermangelt habe, auf die völkerrechtlichen Aspekte des Problems zu verweisen.«117

Anfang 1970 sah man sich in Wien erneut mit dem Problem des bevorstehenden Besuchs eines prominenten Gegners der Obristendiktatur konfrontiert. Dieses Mal war 116 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 115.573-Pol/68. Vorsprache des griechischen Botschafters beim Herrn Bundesminister. AV vom 14.4.1968. 117 ÖStA/AdR, BMfAA. Gr.Zl. 116.370-6-Pol-68. Melina Merkouri. Parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Dr. Otto Scrinzi. AV vom 27.5.1968.

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es der griechische Exilpolitiker Andreas Papandreou, der vom Verein der Freunde der Griechischen Demokratie nach Österreich eingeladen wurde. Angesichts seiner umstrittenen Rolle in der Innenpolitik Griechenlands zwischen 1965 und 1967 als »linksradikaler Unruhestifter«118 sowie seiner federführenden Mitwirkung an der Organisation eines im Ausland koordinierten Widerstands gegen die Athener Junta119 stellte für die griechische Regierung der Österreich-Besuch A. Papandreous ein noch größeres Problem als der von Merkouri dar. Botschafter Triantafyllakos, der am 5. Januar 1970 aus diesem Grund im Außenministerium vorsprach, leitete sein Anliegen mit dem Verweis auf den Besuch Merkouris ein, der »griechischerseits mit Bedauern aufgenommen wurde«, um anschließend davor zu warnen, dass »einer Agitation des Politikers Papandreou gegen die griechische Regierung wesentlich größere Bedeutung zukommen würde als den Erklärungen der Filmschauspielerin Merkouri«. In Anbetracht der »großen Gefahr«, dass die »freundschaftlichen Beziehungen« zwischen Österreich und Griechenland durch »eine politische Aktivität von Papandreou gestört werden könnten«, verlangte Triantafyllakos »entweder ein Einreiseverbot Österreichs an Papandreou, oder, wie es die Schweiz mit Ausländern machen würde, dessen Zusage, dass er sich in Österreich nicht politisch betätigen würde«. Andernfalls wäre eine »Verschlechterung der bilateralen Beziehungen« nicht auszuschließen. Es zeugt von der großen Bedeutung, die das Obristenregime dem Besuch A. Papandreous beimaß, dass diese Warnungen bzw. Drohungen unmittelbar nach der moderaten und in Athen sehr positiv aufgenommenen Haltung Österreichs im Europarat zur griechischen Frage ausgesprochen wurden.120 Trianta­ fyllakos hatte sich noch zu Beginn seiner Vorsprache im Namen seiner Regierung und insbesondere Außenministers Pipinelis noch einmal »für die Haltung des Herrn Bundesministers bei der Tagung des Ministerrates des Europarates in Paris« bedankt. Trotzdem warnte er Wien vor »schwerwiegenden Konsequenzen« für das griechisch-österreichische Verhältnis im Fall eines politisch gefärbten ÖsterreichBesuches A. Papandreous.121 Allerdings waren für das Athener Regime dieses Mal die Voraussetzungen, die regimefeindliche Aktivität eines prominenten Exilgriechen in Österreich zu unterbinden, noch ungünstiger als beim Besuch Merkouris. In Anbetracht der bevorstehenden Nationalratswahlen am 1. März 1970 wollte die övp-Regierung Josef Klaus’ der 118 Vgl. dazu den Abschnitt »Der Staatsstreich und die ›Verantwortung‹ Andreas Papandreous« im vorliegenden Beitrag. 119 Zu diesem Zweck gründete er im Februar 1968 in Stockholm die Panhellenische Befreiungsbewegung (Panellinio Apeleftherotiko Kinima, PAK). Siehe dazu ausführlicher Panagiotis Kritikos, Antistasi kata tis diktatorias 1967–1974 (Athen 1996). 120 Zur österreichischen Haltung im Europarat siehe den Abschnitt »Die Griechische Frage im Europarat« im vorliegenden Beitrag. 121 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 80.096-II-70. Vorsprache des griechischen Botschafters. AV vom 5.1.1970.

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Opposition nicht die Möglichkeit geben, die griechische Frage, insbesondere durch den Vorwurf der Unterstützung eines undemokratischen Regimes in Griechenland, zum Gegenstand des Wahlkampfes zu machen. Dementsprechend traf der Ministerrat vom 13. Jänner 1970, in dem die Frage des Besuches A. Papandreous ausführlich besprochen wurde, den Entschluss, dass »angesichts der besonderen Umstände des Besuches sowie der innenpolitischen Situation von Demarchen im Sinne der Wünsche des griechischen Botschafters Abstand zu nehmen« sei. Zugleich wurde Innenminister Franz Soronics aufgefordert, sich um die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen während des Besuches zu kümmern.122 Die Österreich-Reise A. Papandreous fand letztendlich nicht, wie ursprünglich geplant, Ende Jänner 1970, sondern erst im April desselben Jahres statt. Grund für die dreimonatige Verschiebung waren laut einer Presseaussendung des griechischen Exilpolitikers »dringende Angelegenheiten im Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit«. Ob Zufall oder nicht, A. Papandreou traf am 21. April, am Tag der Ernennung der ersten Regierung Bruno Kreiskys, der wiederum mit dem dritten Jahrestag des Staatsstreichs zusammenfiel, in Wien ein, um von dort aus seine Österreich-Tournee zu starten. Außer der österreichischen Hauptstadt standen Auftritte bzw. Vorträge in Linz, Steyr und Graz auf seinem Programm.123 Im Gegensatz zum Besuch Merkouris, den Botschafter Triantafyllakos bis zur allerletzten Minute noch zu verhindern versucht hatte, unternahm er im Fall A. Papan­dreous keine weiteren Anstrengungen diesbezüglich. Obwohl der griechische Missionschef sich noch mehrmals vor dem Eintreffen A. Papandreous in Wien aus anderen Gründen zum Ballhausplatz begab, sprach er dieses für seine Regierung so wichtige Thema nicht mehr an – nicht einmal bei seiner Vorsprache am 22. April beim Gesandten Dr. Georg Schlumberger, als es um eine mögliche Fälschung des Reisepasses des früheren Politikers und Ministers Christos Apostolakos ging und A. Papandreou schon in Österreich war.124 Diese »Zurückhaltung« könnte mit dem aus Athener Sicht »ungünstigen« Regierungswechsel in Österreich zusammenhängen. Die aus den Wahlen des 1. März 1970 als stärkste Partei hervorgegangene spö hatte in der Opposition eine dezidiert regimefeindliche Haltung eingenommen. Eines ihrer prominentesten Mitglieder, der Präsident der Sozialistischen Internationale, Bruno Pittermann, hatte die Vorsitzfunktion des Vereins der Freunde der Griechischen Demokratie inne. Auch Bruno Kreisky, der zukünftige Kanzler, hatte seine feindliche Haltung gegenüber dem Obristenregime mehrmals klar zu erken122 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 12-K-70. Aufenthalt des griechischen Exilpolitikers Papandreou in Wien. AV vom 14.1.1970. 123 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 85.210-Pol-70. Aufenthalt von Papandreou in Wien e. o. AV vom 20.4.1970. 124 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 85419. Christos Apostolakos  ; ehemaliger griechischer Minister. AV vom 22.4.1970.

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nen gegeben, indem er etwa bei der Festveranstaltung des von Pittermann geführten Vereins zu Ehren Merkouris anwesend war oder am 10. April 1970 als mittlerweile designierter Kanzler die Galapremiere des oppositionellen Filmes »Z« von Costa Gavras besuchte.125 In seiner Anwesenheit rief dort Pittermann alle freien Länder auf, ihren Kampf gegen die griechische Militärdiktatur zu intensivieren.126 In einer hoch symbolischen Aktion empfing schließlich Kreisky A. Papandreou am Tag seiner Angelobung als Bundeskanzler.127 Da die Zeichen aufgrund der politischen Entwicklungen in Österreich für eine Einflussnahme auf die dortige Regierung so schlecht wie noch nie standen, griff die griechische Botschaft auf andere Methoden zurück, um die für das Regime schädliche Wirkung des Besuches A. Papandreous in Wien zu minimieren. Schenkt man der bei der Polizeidirektion Wien vorgebrachten Klage des Vorsitzenden des Vereins Griechischer Studenten und Akademiker in Wien, Stefanos Ganas, Glauben, dann versuchte die Botschaft, ihn und die anderen Vereinsmitglieder von einer Teilnahme an Veranstaltungen, die im Rahmen des Aufenthalts Papandreous in Österreich stattfinden würden, unter Anwendung von offenen Drohungen abzuhalten. In seiner Vernehmung berichtete er davon, dass er am 16. April 1970 eine Vorladung vom griechischen Konsul Konstantinos Ailianos zu einer dringenden Unterredung in der griechischen Botschaft erhielt, welcher er auch am nächsten Tag Folge leistete. In dieser Unterredung habe ihn Ailianos informiert, dass diejenigen von seinem Verein, die an den Auftritten Papandreous oder an anderen im Rahmen dieses Besuchs organisierten Aktionen teilnehmen würden, »mit einer Bestrafung der griechischen als auch der österreichischen Regierung zu rechnen« hätten. Konkret drohte der griechische Konsul mit der »Entziehung der Pässe, Rückgängigmachung des Aufschubes vom Militärdienst« sowie mit »Interventionen« zur »Vereitelung der Inskription an den Hochschulen«. Die Anschuldigungen des griechischen Studenten, die er publik machte, versetzten die regimefeindlichen Kreise in Österreich in Aufruhr. Pittermann z. B. führte eine parlamentarische Anfrage durch, in der er von der Regierung eine unverzügliche Klärung des Sachverhalts forderte.128 Die im Zuge der Besuche Merkouris und Papandreous aufgetretenen Reibungen zwischen Athen und Wien wirkten sich nicht nachhaltig auf die Beziehungen der 125 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 84.811-11/70. Anfrage der deutschen Botschaft über den Prozess in Athen e. o. Beigelegt  : BMfI, Die Bundespolizeidirektion Wien. Abteilung I berichtet am 11.4.1970 mit Tagesrapport. AV vom 11.4.1970. 126 Griechenland-Nachrichten, Der Film »Z« in Wien, 26.4.1970, Nr. 4, 8. 127 Griechenland-Nachrichten, Professor Papandreou in Österreich, 26.4.1970, Nr. 4, 8. 128 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 85.210-Pol/70. Aufenthalt von Papandreou in Wien e. o. Beigelegt  : Bericht des BMfI zur Einschüchterung griechischer Studenten durch die Botschaft. AV 20.4.1970. Siehe auch ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 90351-6/Pol/70, EA BMfI Zl. 32.357-17/70 vom 23.7.1970. Angebliche Bedrohung durch die griechische Botschaft. AV vom 31.7.1970.

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beiden Länder aus. Die griechische Militärdiktatur war international zu isoliert und stand permanent unter zu großem Druck, um ihre Warnungen und Drohungen in die Tat umzusetzen und dadurch einen Bruch mit Österreich zu riskieren. Dies war wohl auch den österreichischen Regierungen von Klaus und Kreisky bewusst, die sich weigerten, gegenüber dem Obristenregime und seinen Forderungen in der Frage der beiden Besuche einzulenken. Auf der anderen Seite wollten sie eine Verschlechterung der bilateralen Beziehungen soweit wie möglich vermeiden und bemühten sich dementsprechend, das Ausmaß regimekritischer und -feindlicher Aktivitäten zu begrenzen. Wie noch hier gezeigt wird, gewannen ökonomische Zielsetzungen zunehmend die Oberhand im österreichischen Umgang mit dem diktatorischen Griechenland und das Interesse an einem guten Verhältnis zum Obristenregime nahm zu. Trotzdem blieb »das Prestige Österreichs als Freund der griechischen Demokratie nach wie vor sehr hoch« – so die Einschätzung Botschafters Steiner 1972 kurz vor seiner Ablösung auf dem Posten des österreichischen Missionschefs in Griechenland.129 Die im Rahmen ihres antidiktatorischen Kampfes durchgeführten Österreich-Besuche von Merkouri und Papandreou, die auf Einladung des Vereins der Freunde der Griechischen Demokratie stattfanden, trugen ihren Teil dazu bei.

» Geschäfte« mit den Obristen Im Sommer 1972, anlässlich der Ernennung des neuen Missionschefs in Griechenland, Simon Koller, rekapitulierte die Sektion II des Außenamts in einem Bericht die Grundzüge der griechisch-österreichischen Beziehungen seit dem Putsch des 21. April wie folgt  : »Die österreichisch-griechischen Beziehungen sind nach der Machtübernahme durch die Militärregierung zwar korrekt geblieben, sind aber österreichischerseits durch Reserviertheit gegenüber dem griechischen Regime gekennzeichnet. Österreich hat auf multilateraler Ebene wiederholt das politische Regime in Athen verurteilt. […] Derart ist es seit 1967 zu keiner positiven Fortentwicklung der österreichisch-griechischen Beziehungen, insbesondere auch zu keiner Besuchsdiplomatie, gekommen.«130

In dieser Beschreibung wird nur eine Dimension des bilateralen Verhältnisses berücksichtigt, nämlich die politische. Demzufolge ist das im Bericht der Sektion II 129 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 1-Pol/72. Erhöhte politische Aktivität der Opposition. Steiner an Kirchschläger vom 8.1.1972. 130 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 160.014-6/Pol/72, DZ Zl. 2477-GS/72 vom 10.7.1972. Neuer Missionschef in Griechenland. Information der Sektion II. AV vom 16.8.1972.

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gezeichnete Bild der griechisch-österreichischen Beziehungen insofern nicht vollständig, als bei der Einschätzung über fehlende Fortschritte in der Entwicklung der griechisch-österreichischen Beziehungen andere Bereiche ausgeblendet wurden bzw. unberücksichtigt blieben. Vor allem auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Zusammenarbeit fanden ab 1971 nennenswerte Entwicklungen statt. Insbesondere das 1972 im Großraum von Thessaloniki gestartete »Steyr-Projekt« signalisiert einen entscheidenden Wendepunkt in dieser Hinsicht. Auf der Grundlage des für diese Arbeit vorliegenden Quellenmaterials kann leider keine sichere Aussage darüber getroffen werden, wann genau die erste Kontaktaufnahme zwischen der Steyr-Daimler-Puch-AG und der Athener Militärregierung zur Erzeugung von Nutzfahrzeugen aller Art in Nordgriechenland erfolgte. Bei Vertragsabschluss im April 1972 war jedenfalls die Rede von zweijährigen Verhandlungen, die zwischen dem oberösterreichischen Industrieunternehmen und den griechischen Behörden stattgefunden hatten. Ebenso ist es schwer, den exakten Anteil der Regierung Kreisky am Zustandekommen der großangelegten Steyr-Investition im Junta-Griechenland festzulegen. Eindeutig geht aus den Quellen lediglich hervor, dass das offizielle Österreich ein großes Interesse an der Realisierung des griechischen »Steyr-Projektes« hatte. Bezeichnend dafür ist ein Bericht Botschafter Steiners nach Wien im Sommer 1971, als österreichischerseits die Befürchtung aufkam, dass ein möglicher Personalwechsel an der Spitze des griechischen Koordinationsministeriums – aufgrund von Spannungen im Verhältnis des Ressortleiters Nikolaos Makarezos mit Ministerpräsident Georgios Papadopoulos – den bevorstehenden Deal zwischen der Obristenregierung und dem österreichischen Fahrzeugunternehmen zur Errichtung einer Produktionsstätte für Steyr-Traktoren und -lastwagen in Nordgriechenland platzen lassen könnte  : »Gestern abends hat mir ein Juniormitglied der Regierungsmannschaft mit allen Anzeichen der Bestürzung mitgeteilt, dass seiner Meinung nach eine großangelegte Änderung der Regierung Papadopoulos in den nächsten Tagen vorgesehen sei. […] Mein Gesprächspartner war offenkundig einer der von der drohenden Auswechslung Betroffenen. Seit geraumer Zeit gibt es Gerüchte und auch Tatbestände, die auf eine starke Spannung Papadopoulos-Makarezos hinweisen, die in den letzten Wochen zuals abgenommen hat. […] Die Lohn-Preis-Welle ist in vollem Schwung, ohne dass die Regierung bisher regulierende Maßnahmen zu ergreifen vermochte. Für all diese wirtschaftlichen Misslichkeiten, die dem Regime lebensgefährlich werden können, sucht nun der Ministerpräsident einen Sündenbock, obwohl er selbst für viele Missgriffe voll verantwortlich ist. Eine Änderung in der Leitung des Koordinationsministeriums ist für uns zur Zeit wegen des schwebenden Steyr-Projektes von großer Bedeutung, denn mit dem Minister würde sicherlich auch die führende Beamtenschaft ausgetauscht. Bereits in den letzten Wochen haben sich die personellen Spannungen in diesem Ministe-

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rium für das Steyr-Projekt als außerordentlich verzögernd erwiesen. Als vermutlicher Nachfolger Makarezos’ steht sein Stellvertreter Fthenakis, der das volle Vertrauen des Ministerpräsidenten genießt. Aber gerade Fthenakis hat sich bei verschiedenen Projekten als gewagter Geschäftsmacher erwiesen. Fthenakis hat zugunsten von Westdeutschland und Frankreich viele in Gang gekommene große Projekte, insbesondere mit der ddr, abgewürgt. […] Der Staatssekretär im Außenministerium, den ich auf eine mögliche Regierungsumbildung angesprochen habe, hat eine solche Umbildung in seiner Antwort durchaus nicht ausgeschlossen, zeigte sich aber was seine Person betrifft, sehr selbstsicher.«131

Für das Interesse der Regierung Kreisky am Zustandekommen der Steyr-Investition in Griechenland spricht auch die Tatsache, dass die Repräsentanten der Firma Wien über den Verlauf ihrer Verhandlungen mit der Junta-Regierung detailliert in Kenntnis setzten. So informierten etwa die »Unterhändler von Steyr« Botschafter Steiner über die Absicht Premierministers Papadopoulos, in seiner für den 18. Dezember 1971 geplanten Rede zur Lage der Nation das »Steyr-Projekt« als eine der positiven Errungenschaften der Wirtschaftspolitik seiner Regierung zu erwähnen. Dass es letztendlich zu keiner solchen Erwähnung kam, erklärte Steiner damit, dass »das Gerede davon offenkundig nur dazu [diente], die abschließenden Verhandlungen mit der Firma Steyr ein bisschen unter Zeitdruck zu stellen«.132 Der Vertragsabschluss zwischen dem Steyr-Generaldirektor Karl Rabus und der griechischen Militärregierung fand am 13. April 1972 statt. Dieser sah die Errichtung eines Werkes zur Erzeugung von Lastwagen, Traktoren, Motorrädern, Mopeds und Fahrrädern in der Industriezone von Thessaloniki vor. Die in Griechenland zu diesem Zweck gegründete Tochterfirma trug den Namen »Steyr-Hellas«. Ihre Leitung übernahm der griechische Unternehmer Ioannis Laïnopoulos, der einen großen Anteil am Zustandekommen des »Steyr-Projekts« hatte. Im Namen des griechischen Staates unterzeichneten den Vertrag Wirtschaftsminister Georgios Pezopoulos und Finanzminister Ioannis Koulis in Anwesenheit des Vize-Premierministers Makarezos, der bis August 1971 die Position des Koordinationsministers innehatte und aller Wahrscheinlichkeit nach an den Verhandlungen beteiligt war. Bei der Vertragsunterzeichnung war auch Botschafter Steiner anwesend, der zum feierlichen Anlass die Repräsentanten der beiden Vertragsparteien zu sich nach Hause zum Mittagessen einlud.133 Die Errichtung einer 70.000 Quadratmeter großen Steyr-Produktionsstätte für Traktoren, Lastwagen, Motor- und Fahrräder in der staatlich geförderten 131 ÖStA/AdR, BMfAA,Depesche, E-B-Zl. 22277. CHI-FS 25019. ÖBA an BMfAA vom 9.7.1971. 132 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 38-Pol/71. Rede Ministerpräsident Papadopoulos. Steiner an Kirchschläger vom 20.12.1971. 133 ÖStA/AdR, BMfAA, Depesche, E-B-Zl. 21204. CHI-FS 25036. ÖBA an BMfAA vom 14.4.1972.

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Industriezone von Thessaloniki, an der bis zu 4.000 Menschen beschäftigt werden sollten, war die »größte Auslandsinvestition eines österreichischen Unternehmens seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und zugleich eines der größten Industrievorhaben in ganz Griechenland«.134 Obwohl Bruno Pittermann als Präsident der Sozialistischen Internationale im März 1968 während des Wien-Besuches Merkouris vollmundig verkündet hatte, dass »kein sozialdemokratischer Staat auch nur einen einzigen Schilling ins faschistische Griechenland investieren« würde, nahm letztendlich das sozialdemokratische Österreich vier Jahre später auf indirekte Weise eine 1,2 Milliarden Schilling teure Investition in Griechenland vor. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang, dass zum Zeitpunkt der Investition die staatliche Creditanstalt Mehrheitsaktionär bei Steyr war, sodass die Möglichkeiten der positiven oder negativen Einflussnahme von Seiten der österreichischen Regierung groß gewesen sein dürften. Vieles spricht dafür, dass die Regierung Kreisky angesichts der großen Bedeutung der Investition für die wirtschaftlichen Interessen Österreichs keine Rücksicht auf die innenpolitische Situation in Griechenland nahm. Bezeichnend in dieser Hinsicht sind auch die Äußerungen Botschafters Steiner anlässlich des Vertragsabschlusses. Im Namen seiner Regierung dankte er all denen, die sich daran beteiligt hatten, vor allem dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Makarezos für seine von Anfang positive und auch in den schwierigen Phasen der Verhandlungen unverändert gebliebene Grundeinstellung gegenüber dem Steyr-Projekt. Überdies bekundete Steiner das große Interesse, das seine Regierung an dem Projekt bereits vom ersten Tag seiner Planung hatte, zumal man in Wien »diese Art der ökonomischen Zusammenarbeit« zwischen Griechenland und Österreich für »sehr wichtig« halten würde. Schließlich äußerte der österreichische Botschafter die Hoffnung, dass dieses Abkommen neue Perspektiven in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beider Länder eröffnen könnte.135 Die Anwesenheit des österreichischen Missionschefs bei der Unterzeichnung des Vertrags und seine Ansprache bestätigen die Annahme, dass die sozialdemokratische Regierung Kreisky die Großinvestition der Steyr-Daimler-Puch-AG im diktatorischen Griechenland stark befürwortete und unterstützte, obwohl diese zur weiteren Festigung des Obristenregimes beitrug. Diese Haltung war insofern inkonsequent, als sich die spö-Führung während ihrer Oppositionsjahre mit den griechischen Regimegegnern und deren Kampf zur Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse solidarisch gezeigt hatte. Die Bereitschaft der österreichischen Sozialdemokraten, in der griechischen Frage ihre ideologischen Prämissen für einen durch ökonomische Prioritäten be134 Der Spiegel, Österreich  : Gar vielerlei, 26/1972, 80. 135 Makedonia, Ependysis 34.000.000 Dollarion. Entos 18 minon tha leitourgisi eist in Thessaloniki to ergostasion aftokiniton, 14.4.1972, 5.

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stimmten Pragmatismus zu opfern, dürfte mit der ähnlichen Politik anderer Staaten zusammenhängen. Insbesondere das starke Engagement westdeutscher Unternehmen (Krupp, Siemens, Triumph Universal) und des westdeutschen Finanzkapitals (Deutsche Bank, Commerzbank AG) in Griechenland, das die Unterstützung sowohl der Regierung Willy Brandt als auch einzelner hochrangiger cdu/csu-Politiker genoss, blieb österreichischerseits nicht unbemerkt.136 Spöttisch berichtete im März 1971 Steiner nach Wien über »die Liebedienerei von deutschen Stellen und Repräsentanten großer deutscher Firmen dem Regime gegenüber«, welche die »Junta in der Überzeugung bestärkt hat, dass man nun die richtige Daumenschraube gefunden habe«, um politische Anliegen gegenüber Bonn durchsetzen zu können, wie etwa die Einstellung der juntafeindlichen Sendungen der Deutschen Welle. Diese »Daumenschraube« sei Steiner zufolge das sehr große westdeutsche Interesse an Projektaufträgen in Griechenland kombiniert mit der Bonner Befürchtung, dass die griechischen Obristen bei der Vergabe von Großaufträgen ddr-Firmen bevorzugen würden. Diese Befürchtung war nicht unbegründet. Ostberlin verfolgte gegenüber dem Athener Obristenregime, wie die anderen Ostblockstaaten auch, eine »Realpolitik«, die in mehreren Handelsvereinbarungen zwischen Griechenland und der ddr, im Austausch ständiger Handelsmissionen sowie in der Betätigung volkseigener Betriebe im südosteuropäischen Land mündete.137 Aus Sicht des österreichischen Missionschefs in Athen habe die »allzu große [westdeutsche] Perfektion in Unterwürfigkeit«, die, wie gesagt mit der deutschen Teilung in enger Verbindung stand, der griechischen Junta erst überhaupt erlaubt, erpresserische Forderungen zu stellen.138 Dieser Bericht von Steiner nach Wien lässt die Vermutung zu, dass die österreichischen Bedenken gegen eine Verstärkung der Handelsbeziehungen zur griechischen Junta durch die rege Investitionstätigkeit der beiden deutschen sowie auch vieler anderer ebenso »westlicher« wie sozialistischer Staaten im diktatorischen Griechenland entkräftet wurden. Wien war wohl nicht bereit, tatenlos zuzusehen, wie andere Staaten die eigenen Firmen in ihren Expansionsbestrebungen auf dem griechischen Markt unterstützten, während Österreich aus »moralischen« Grün136 Zu den br d-griechischen Wirtschaftsbeziehungen in den Junta-Jahren siehe Marios Nikolinakos, Deutsches Kapital in Griechenland. In  : Günther Wallraff (Hg.), Unser Faschismus nebenan (Köln 1975) 84–94. 137 Die Verbesserung und Intensivierung der griechisch-ostdeutschen Wirtschaftsbeziehungen in der Zeit der Militärdiktatur führten zu einer wichtigen Entwicklung auch im politischen Bereich  : Am 25. Mai 1973 entschied sich die griechische Junta, diplomatische Beziehungen zur ddr aufzunehmen und mit Ostberlin diplomatische Vertreter im Range von außerordentlichen und bevollmächtigten Botschaftern auszutauschen. Vgl. dazu Andreas Stergiou, Im Spagat zwischen Solidarität und Realpolitik. Die Beziehungen zwischen der ddr und Griechenland und das Verhältnis der SED zur KKE (Mannheim 2001). 138 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 6-Pol/71. Gerüchte über Drachmenabwertung. Junta droht deutschen Firmen. Steiner an Kirchschläger vom 15.3.1971.

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den eine ökonomische Zusammenarbeit mit dem Athener Militärregime ablehnen würde. Für das international ausgerichtete österreichische Unternehmen SteyrDaimler-Puch-AG, das in einem harten Konkurrenzkampf mit westdeutschen, britischen und US-amerikanischen Weltmarktführern stand, war das griechische Projekt von großer Bedeutung. So befanden sich etwa unter den angesehenen Konkurrenten, die die Oberösterreicher im Wettbewerb für das Exklusivrecht der Herstellung von Nutzfahrzeugen in Griechenland ausstechen konnten, Daimler-Benz und Ford. Der Steyr-Generaldirektor Rabus nannte zwei Faktoren, die bei der Durchsetzung seines Unternehmens gegenüber den anderen Konkurrenten eine entscheidende Rolle gespielt hätten  : zum einen sei »Österreich ein Kleinstaat«, zum anderen hätten die Steyr-Werke den Vorteil, »eine Art Gemischtwarenladen« zu sein, die »gar vielerlei erzeugen« würden.139 Leider führte Rabus nicht weiter aus, in welcher Hinsicht sich die »Kleinstaatlichkeit« Österreichs positiv auf die Projektvergabe an die SteyrDaimler-Puch-AG auswirkte. Aller Wahrscheinlichkeit nach war er aber der Meinung, dass die Obristen seinem Unternehmen gegenüber positiv eingestellt waren, weil Österreich ungefähr gleich groß wie Griechenland sei. Interessanterweise war dieses Argument des »kleinen Staates« bereits früher von Seiten des Regimes vorgebracht worden, einige Monate nach dem Putsch des 21. April, als sich Innenminister Stylianos Pattakos in einem Interview für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit Griechenlands mit Österreich und der Schweiz stark machte.140 Allerdings ging man in Österreich zu diesem Zeitpunkt noch von einer schnellen Rückkehr Griechenlands zu demokratischen Verhältnissen aus, sodass der Offerte Pattakos’ keine allzu große Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Außerdem wollte man in dieser frühen Phase keineswegs zur Konsolidierung des Regimes beitragen, wohl wissend, dass die um internationale Anerkennung und Akzeptanz ringenden neuen Machthaber jede Art von Zusammenarbeit propagandistisch ausgeschlachtet hätten. Dies tat man allerdings in Athen auch sechs Jahre später, indem das Militärregime den feierlich abgeschlossen Vertrag mit Steyr-Daimler-Puch in Anwesenheit des österreichischen Botschafters für innenpolitische Ziele instrumentalisierte. Wie Steiner am 18. April 1972 das Außenministerium informierte, wurde »die letztwöchige Finalisierung des Projektes der Steyr-Daimler-Puch-AG in Griechenland von der griechischen Tagespresse in großer Aufmachung gebracht«.141 Das semi-offizielle Regierungsblatt Eleftheros Kosmos (Freie Welt) präsentierte z. B. die österreichische Großinvestition als einen Beweis des ausländischen Vertrauens in die politische Stabilität in Griechenland. Denn keine ausländische Firma, so das Argument der Zei139 Der Spiegel, Österreich  : Gar vielerlei, 26/1972, 80. 140 Siehe dazu ausführlicher den Abschnitt »Das Argument des ›kleinen Staates‹« im vorliegenden Beitrag. 141 ÖStA/AdR, BMfAA, Depesche E-B-Zl. 21234. CHI-FS 25038, Verfolg ho. FS 25037 vom 14.4.1972. ÖBA an das BMfAA vom 18.4.1972.

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tung, hätte eine derartig große Investition in einem Land mit interner Instabilität und zweideutiger außenpolitischer Orientierung, wie es etwa Griechenland vor der »Revolution des 21. April« gewesen sei, riskiert.142 Auf ähnliche Weise hat auch der stellvertretende Ministerpräsident Makarezos die Steyr-Investition in Griechenland (innen-)politisch instrumentalisiert. In seiner Ansprache während des besagten Mittagessens bei Botschafter Steiner hielt er fest, dass »den Erfolg dieser Investition« außer dem »hohen technologischen Niveau von Steyr-Daimler« vor allem die »günstigen Verhältnisse von Frieden, Sicherheit und Fortschritt, die zur Zeit in Griechenland herrschten«, garantierten.143 Das Militärregime nahm das Abkommen zum griechischen Steyr-Werk zum Ausgangspunkt, um die mit Österreich intensivierten Handelsbeziehungen in politische aufzuwerten. Auf Vermittlung des Steyr-Generaldirektors Karl Rabus wurde ein Besuch des Vize-Wirtschaftsministers Antonis Choriatopoulos für Anfang Mai 1972 in Österreich vereinbart. Der Vize-Wirtschaftsminister der Junta-Regierung, in dessen Zuständigkeitsbereich die Industrie fiel, sollte den österreichischen Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie, Josef Staribacher, treffen und das Steyr-Stammwerk besuchen. Wie noch hier gezeigt wird, war der österreichischen Regierung dieser Besuch alles andere als genehm, man nahm ihn aber im Rahmen der Unterstützung der österreichischen Investitionstätigkeit hin. In Athen wurde im geplanten Besuch Choriatopoulos’ dagegen eine weitere Möglichkeit gesehen, um die Weichen für eine Normalisierung der griechisch-österreichischen Besuchsdiplomatie zu stellen. So berichtete etwa Botschafter Steiner am 14. April 1972 nach Wien, dass ihn Choriatopoulos beim Mittagessen nach der Unterzeichnung des Steyr-Vertrags um »ein Gespräch unter vier Augen« ersuchte. Sein Ziel war zu erkunden, ob eine Einladung des Bundeskanzlers zu einem offiziellen Besuch nach Griechenland, die er, Choriatopoulos, während seines Wiener Aufenthalts aussprechen würde, »zweckmäßig« sei. Die Antwort Steiners war zwar ablehnend, schloss dennoch gegenüber seinem griechischen Gesprächspartner eine völlige Normalisierung der Besuchsdiplomatie in der näheren Zukunft nicht aus  : »Meine Antwort war, dass ich persönlich das Gefühl hatte, dass die Einladung für einen solchen Besuch etwas früh komme und dass ich glaube, dass die Zeiteinteilung des Herrn Bundeskanzlers wegen verschiedener anstehender Probleme und Besuche ziemlich ausgelastet sei. Außerdem wäre es vielleicht nicht gerade zweckmäßig, Besuche auf Regierungsebene sofort mit dem Regierungschef zu beginnen. Es könnte zweckmäßiger sein, vorerst Fachministerbesuche ins Auge zu fassen. Herr Choriatopoulos 142 Ebd. 143 Makedonia, Ependysis 34.000.000 Dollarion. Entos 18 minon tha leitourgisi eist in Thessalonikin to ergostasion aftokiniton, 14.4.1972, 5.

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bedankte sich für diese Offenheit und sagte, er werde sich darnach bei seinem Besuch in Wien richten.«144

Sowohl Steiner in Athen wie auch die österreichische Regierung selbst erfreute, wie gesagt, der Besuch eines Junta-Ministers in Österreich wenig, da dieser von dem Obristenregime, aber auch von seinen Gegnern, als ein symbolischer Akt der Befürwortung der undemokratischen Verhältnisse in Griechenland gedeutet werden könnte. Außerdem war die Einladung an Choriatopoulos in gewisser Hinsicht eine Geste der Rücksichts- und Respektlosigkeit gegenüber diesen hochrangigen spö-Funktionären, die dem Verein der Freunde der Griechischen Demokratie angehörten und die Wiederherstellung der Demokratie in Griechenland zum Hauptziel ihrer politischen Tätigkeit gemacht hatten, wie etwa Bruno Pittermann. Aber die Regierung Kreisky ging im Rahmen ihrer vielseitigen Unterstützung der Steyr-Investition im diktatorischen Griechenland auch diesen Schritt, der in den ersten Jahren der Militärdiktatur undenkbar gewesen wäre. Der Druck, den nun die Wirtschaftselite auf sie ausübte, politische Zugeständnisse gegenüber der Athener Junta zu machen, wurde zunehmend größer. Laut einer Reportage der deutschen Zeitschrift Der Spiegel erfolgte die Einladung Choriatopoulos’ nur auf Verlangen und nachdrückliches Insistieren des Steyr-Chefs Rabus, der »nach der Vertragsunterzeichnung den sozialistischen Wiener Handelsminister Staribacher zu einer demonstrativen Freundschaftsgeste für die bislang gemiedenen Obristen zwang«.145 Dass man sich im sozialdemokratischen Wien mit dem Besuch des Vize-Wirtschaftsministers der griechischen Junta äußerst schwer tat, bezeugt die Tatsache, dass »das Treffen [zwischen Staribacher und Choriatopoulos] Anfang Mai [1972] unter beinah perfekter Geheimhaltung« stattfand – so in derselben Spiegel-Reportage zu lesen.146 »Die Gastgeber«, d. h. die österreichische Regierung und das Steyr-Unternehmen, »ließen ihren Besucher nur ganz kurz in Schönbrunn spazieren gehen, ehe sie ihn zu einer Weinreise ins abgeschiedene Burgenland schickten«. Von dem Staatsbesuch »waren TV- und Radioreporter ausgeschlossen«, während »die sozialistischen Zeitungen schwiegen«. Griechische und österreichische Regimegegner erfuhren erst vom Besuch, nachdem der »unerwünschte« Gast wieder abgereist war. Selbst Pittermann soll nach Mutmaßung eines Beamten des Handelsministeriums nur nachträglich über die Anwesenheit Choriatopoulos’ in Österreich informiert worden sein.147 Im Gegensatz zur österreichischen Regierung, die den Besuch des Junta-Ministers der Öffentlichkeit geheim hielt, verordnete das Regime in Athen den griechischen 144 ÖStA/AdR, BMfAA, Depesche E-B-Zl. 21204. CHI-FS 25036. ÖBA an das BMfAA vom 14.4.1972. 145 Der Spiegel, Österreich  : Gar vielerlei,26/1972, 80. 146 Ebd. 147 Ebd.

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Medien, über die Gespräche zwischen Choriatopoulos und seinem Kollegen Staribacher ausführlich zu berichten und dabei das Bild eines außen- und wirtschaftspolitischen Erfolgs zu vermitteln. In der Presse war zu lesen, dass die Verhandlungen zwischen den beiden Ministern in einer »sehr herzlichen Atmosphäre« stattgefunden hätten. Zugleich gab man sich zuversichtlich, dass die Reise Choriatopoulos’ nach Wien Anlass für eine Intensivierung der österreichisch-griechischen Handelsbeziehungen werden könnte. In diesem Zusammenhang wurde in der griechischen Presse die Entsendung einer 60-köpfigen Delegation von Vertretern österreichischer Großunternehmen nach Griechenland angekündigt, um in Gesprächen mit den staatlichen Behörden weitere Investitionsmöglichkeiten zu erkunden. Außerdem gaben die griechischen Zeitungen die Ansprachen Choriatopoulos’ und Staribachers während eines Arbeitsessens der beiden Delegationen mit Vertretern der österreichischen Wirtschaft wieder. Während der österreichische Handels-, Gewerbe- und Industrieminister die zunehmenden Anstrengungen zur Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen seinem Land und Griechenland begrüßte, nutze Choriatopoulos die Gelegenheit, um Werbung für das Obristenregime zu machen. Wie bereits Vize-Premier Makarezos hob auch er »die fünf Jahre des ungestörten inneren Friedens hervor«, in denen das »fremde Kapital das notwendige Vertrauen und Sicherheitsgefühl entwickelte«, um in Griechenland zu investieren. »Wir sind uns sicher«, ergänzte er, »dass auch die österreichischen Unternehmer diese einzigartige Möglichkeit nutzen werden«.148 Im Weiteren schenkte die griechische Presse einem Interview große Aufmerksamkeit, das Staribacher anlässlich des Besuches Choriatopoulos’ der Athener Presseagentur gab. In diesem betonte der österreichische Minister die große Bedeutung der Steyr-Investition für den Beginn einer erweiterten griechisch-österreichischen Zusammenarbeit und brachte seine Gewissheit zum Ausdruck, dass andere große österreichische Unternehmen dem Beispiel Steyrs folgen und in Griechenland investieren würden. Zudem kündigte er die Zunahme österreichischer Importe von griechischen Produkten an.149 Schließlich spielte die griechische Presse die Reise der besagten Vertretung österreichischer Unternehmer nach Griechenland, die vom 14. bis zum 20. Mai stattfand, in den Vordergrund.150 In Begleitung Botschafter Steiners besuchten die Delegationsmitglieder in Athen den Vize-Wirtschaftsminister für Handelsfragen Athanasios

148 Makedonia, Ai epafai tou k. Choriatopoulou. Epikodomitikai ai synomiliai di’ oikonomikin synergasian metaksy Ellados kai Afstrias,3.5.1972, 4. 149 Makedonia, Ellas kai Afstria echoun dynatotitas na paraschoun diefkolynseis di’ eleftheran apothikefsin proïonton, 5.5.1972, 10. 150 Makedonia, I afstriaki apostolic eis Athinas kai Thessaloniki, 14.5.1972, 19.

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Pallantios.151 In Thessaloniki wiederum waren sie beim prominenten Junta-Mitglied und Vize-Minister für das griechische Zentral- und Westmakedonien Oberst Dimitrios Gantonas zu Gast. Die Zeitung Makedonia veröffentlichte dazu einen Beitrag unter dem Titel »Die Mitglieder der österreichischen Wirtschaftsdelegation führten interessante Gespräche in Thessaloniki«. Dieser war auch mit einem Bild versehen, auf dem außer Gantonas der Missionsleiter Franz Forster, der Wirtschaftsberater der Österreichischen Botschaft Athen Deizig und der österreichische Honorarkonsul in Thessaloniki Koufas abgebildet waren.152 Obwohl Botschafter Steiner beim Vertragsabschluss des Steyr-Projekts anwesend war und zum feierlichen Anlass die Vertreter der Vertragsparteien sogar zu sich nach Hause einlud und außerdem auch den Besuch der österreichischen Wirtschaftsdelegation beim Vize-Wirtschaftsminister Pallantios begleitete, gab er sich in seiner Korrespondenz mit Wien über die politische Instrumentalisierung der zugenommenen Handelsbeziehungen zwischen Griechenland und Österreich durch das Athener Regime äußerst besorgt. Bezeichnend dafür ist sein Chiffre-Schreiben vom 14. April 1972 unmittelbar nach der Unterzeichnung des Steyr-Vertrags und dem besagten Gespräch mit Vize-Wirtschaftsminister Choriatopoulos, bei dem letzterer die Möglichkeit eines Griechenland-Besuches des österreichischen Bundeskanzlers erörterte  : »Meine persönliche Meinung ist, dass Österreich nun durch den feierlich abgeschlossenen Vertrag zwischen Steyr-Daimler-Puch und der griechischen Regierung und durch den Besuch Choriatopulos’ in Wien hier [in Griechenland] propagandistisch sehr stark in den Vordergrund gerückt ist, es könnte also zweckmäßig sein, eine gewisse Periode der Abstinenz von spektakulären Freundschaftsgesten einzulegen.«153

Diese Einschätzung Steiners über die besorgniserregende Propaganda des JuntaRegimes wurde in Wien geteilt. Die Sektion II des Außenamtes hielt im Juli 1972 anlässlich des Missionschefwechsels in Athen im entsprechenden Dienstzettel an das Generalsekretariat diesbezüglich Folgendes fest  : »Athen zeigte sich wiederholt an einer Intensivierung der Beziehungen interessiert. Den diesbezüglichen griechischen Bestrebungen wird von österreichischer Seite jedoch konsequenterweise mit Zurückhaltung begegnet. So musste auch das Ergebnis des Besuches des griechischen Vize-Industrieministers Choriatopoulos in Österreich

151 Makedonia, O k. Pallantios eiche makran synergasian me ta meli tis afichtheisis eis Athinas afstriakis emporikis antiprosopeias, 16.5.1972, 11. 152 Makedonia, Ta meli tis afstriakis oikonomikis apostolis eichon endiaferousas epafas eis Thessalonikin, 20.5.1972, 3. 153 ÖStA/AdR, BMfAA, Depesche, E-B-Zl. 21204. CHI-FS 25036. ÖBA an das BMfAA vom 14.4.1972.

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im Mai d. J. hinter den politischen Erwartungen der griechischen Regierung zurückbleiben. (Der Vizeminister hatte sich eine Vorsprache beim Herrn Bundespräsidenten und beim Herrn Bundeskanzler erhofft). Der Vertragsabschluss zwischen SteyrDaimler-Puch und der griechischen Regierung […] und der vorerwähnte griechische Besuch in Österreich wurden in Athen propagandistisch- politisch sehr stark in den Vordergrund gespielt und als Beweis für das Vertrauen österreichischer Firmen in die politische Stabilität des Landes hingestellt.«154

Trotz der Einsicht am Ballhausplatz, dass die Athener Junta die Zunahme der griechisch-österreichischen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen innenpolitisch instrumentalisierte, wurden daraus keine Konsequenzen gezogen. Im April 1973 stattete der ehemalige övp-Vizekanzler und derzeitige Präsident der sich mehrheitlich in staatlichen Händen befindenden Creditanstalt, Dr. Fritz Bock, Athen einen sechstägigen offiziellen Besuch ab, indem er einer Einladung des Presse- und Informationsamtes der griechischen Regierung folgte. In seiner Begleitung befanden sich seine Ehegattin sowie der Generalsekretär des Donaueuropäischen Instituts, Günther Granser, und dessen Ehefrau. Botschafter Koller zufolge benutzte Bock seinen Aufenthalt, »um im Zuge von Höflichkeitsbesuchen bei verantwortlichen Persönlichkeiten der griechischen Regierung und des Geld- und Kreditwesens allgemeine Probleme der beiderseitigen wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu erörtern und insbesondere sich um die Errichtung einer Repräsentanz des Donaueuropäischen Instituts in Griechenland zu bemühen«.155 Das 1947 in Wien gegründete Donaueuropäische Institut, das mittlerweile in Organization for International Economic Relations umbenannt wurde, ist eine »business platform to promote peace and international cooperation through economic development«.156 In ihren Bemühungen, das Athener Regime für die »allfällige Beteiligung Griechenlands an der Verwirklichung der Bestrebungen dieser Institution« zu gewinnen, aber auch die »Zusammenarbeit der [griechischen und österreichischen] Banken im Interesse einer Förderung der beiderseitigen Wirtschaftsbeziehungen« voranzutreiben, trafen sich Bock und Granser mit der ökonomischen Führungselite des Regimes. Darunter befanden sich der für wirtschaftliche Angelegenheiten verantwortliche Vize-Präsident Makarezos, der Vize-Wirtschaftsminister für die Industrie Choriatopoulos, der Vize-Wirtschaftsminister für den Handel Michalis Balopoulos sowie der Gouverneur der Griechischen Bank für Industrielle Entwicklung Konstantinos Papagiannidis. Erwähnenswert ist, 154 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 160.014-6/Pol/72, DZ Zl. 2477-GS/72 vom 10.7.1972. Neuer Missionschef in Griechenland. Information der Sektion II. AV vom 16.8.1972. 155 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 12-Pol/73. Vizekanzler a. D. Dr. F. Bock in Griechenland. Koller an Kirchschläger vom 16.4.1973. 156 History. In  : Organization for International Economic Relations, http://www.oier.eu/ (18.10.2014).

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dass bei diesen Treffen auf »ausdrücklichen Wunsch« Bocks auch Botschafter Koller anwesend war. Er habe seinerseits »die Gelegenheit wahrgenommen, um im Verlaufe der Besuche Dr. Bocks auf die Bedeutung des Steyr-Hellas-Projektes für die weitere Entwicklung der beiderseitigen Wirtschaftsbeziehungen hinzuweisen und die Wichtigkeit einer speziellen Förderung dieser besonderen Form der wirtschaftlichen Zusammenarbeit durch die griechische Seite zumindest in ihrem Anlaufstadium zu betonen«.157 Der Besuch Bocks in Athen sowie die Anwesenheit des österreichischen Botschafters bei seinen Treffen mit griechischen Regierungsmitgliedern wurde, wie zu erwarten, von Seiten des Regimes propagandistisch ausgenutzt. So berichtete etwa die Zeitung Makedonia von »herzlichen Gesprächen« zwischen der österreichischen und der griechischen Vertretung, welche die »guten Absichten und den Geist der ehrlichen Zusammenarbeit«, wie diese seit der Aufnahme des Steyr-Projektes existierten, bestätigt hätten. Vermutlich um den propagandistischen Effekt zu verstärken, wurden in der griechischen Öffentlichkeit Bocks frühere Funktionen, nämlich die des Vize-Kanzlers und langjährigen Handelsministers, hervorgehoben, während interessanterweise seine damalige des Präsidenten der Creditanstalt unerwähnt blieb.158

Das Argument des »kleinen Staates« Wie bereits erwähnt, hatte sich der Steyr-Generaldirektor Karl Rabus die Präferenz des Athener Junta-Regimes für sein Unternehmen u. a. damit erklärt, dass »Österreich ein Kleinstaat« sei.159 Dabei griff er ein Argument auf, das nicht sein eigenes war, sondern ursprünglich Vertreter der griechischen Junta vorgebracht hatten. Diese forderten in ihren Aussagen die Entstehung einer Solidargemeinschaft zwischen kleineren Staaten, um ihre Interessen gegenüber größeren Staaten effizienter zu verteidigen. So plädierte etwa Innenminister Pattakos, der zur Führungstroika der griechischen Junta gehörte, in einer im Oktober 1967 gegenüber dem Athener apa-Korrespondenten und einem Schweizer Pressevertreter abgegebenen Erklärung für die »wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Griechenland und den kleineren Staaten Europas, in erster Linie mit Österreich und der Schweiz«. Er unterstrich die Bedeutung, die für ihn die ähnliche Staatsgröße als Grundlage einer guten Zusammenarbeit hatte, indem er die zusätzliche Erläuterung gab, dass »das 157 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 12-Pol/73. Vizekanzler a. D. Dr. F. Bock in Griechenland. Koller an Kirchschläger vom 16.4.1973. 158 Makedonia, Diepistothi i yparxis eilikrinous synergasias eis tas ellinoafstriakas emporikas scheseis. Gevma pros timin tou proin antikangellariou, 10.4.1973, 11. 159 Der Spiegel, Österreich  : Gar vielerlei, 26/1972, 80.

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kleine Griechenland kleine Partner auf der Basis der Gleichberechtigung« suchen würde. Pattakos versuchte, die Bereitschaft seines Regimes zur Zusammenarbeit mit den »kleinen Staaten« Europas dadurch zu begründen, dass er die Großmächte für die zahlreichen innergriechischen Konflikte seit der Staatsgründung verantwortlich machte  : »Wir mussten lange genug ansehen, wie die ausländischen Mächte unsere inneren Zwistigkeiten schüren, um daraus für ihren Export Nutzen zu ziehen.«160 Dass die Vorstellung einer sich an der Staatsgröße orientierenden Außen- und Wirtschaftspolitik kein exklusives Gedankengut Pattakos’, sondern im Kreis der Putschisten weit verbreitet war, belegt ein Leitartikel der regimenahen Athener Zeitung Estia vom 16. November 1967. Am Tag zuvor hatte die griechische Presse die Meldung gebracht, dass der österreichische Außenminister Dr. Lujo Tončić-Sorinj in Kopenhagen gegenüber der dänischen Zeitung Aktuelt die Aussage gemacht hätte, dass »die kleinen Länder Griechenland in Ruhe lassen müssen« und dass »wir nicht alle zu Kritikern und Richtern eines fremden Landes werden können«.161 Diese bezüglich Griechenland abgegebene Erklärung des österreichischen Außenministers wurde laut Botschafter Steiner »in der hiesigen, gelenkten Presse mit Aufmerksamkeit registriert«.162 Auf der Grundlage der für diese Arbeit zur Verfügung stehenden Quellen ist es leider nicht möglich, den Wahrheitsgehalt der griechischen Berichterstattung zu prüfen. Auch Botschafter Steiner war, wie er nach Wien berichtete, der »genaue Wortlaut« der Aussage von Tončić-Sorinj nicht bekannt.163 Die besagte Estia kommentierte jedenfalls die vermeintliche Aussage über die »kleinen Länder« so, als ob der österreichische Außenminister die Ansichten der griechischen Junta über eine solidarische Haltung zwischen europäischen Staaten vergleichbarer Größe teilen würde  : »Es wurde gestern aus Kopenhagen telegraphiert, dass der österreichische Außenminister dem linksstehenden dänischen Blatt Aktuelt – welches für seine wilde Polemik gegen das bürgerliche griechische Regime und zugunsten des Trotzkisten Andreas Papandreou bekannt ist – erklärt habe, dass die kleinen Länder Griechenland in Ruhe lassen sollten  ! ›Wir können nicht alle zu Kritikern und Richtern eines fremden Landes und der Art, in der sein Volk regiert werden will, werden‹, fügte er hinzu. Der österreichische Minister hat den unverschämten Dänen das Richtige gesagt  ; Österreich hat das bequeme Schicksal der absoluten Neutralität gewählt, die es ihr verbietet, über die Politik der anderen 160 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 31.962-6/Pol/67. Griechischer Innenminister. Erklärung gegenüber APAKorrespondenten. Wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Österreich. AV vom 5.10 1967. 161 Vgl. z. B. Makedonia, Eis danikin efimerida  : »Ai mikrai chorai prepei na afisoun isychon tin Ellada«, 15.11.1967, 1. 162 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 34.517-67Pol/67, Z1. 4.173-A/67 vom 17.11.67. Griechische Reaktionen auf die Erklärungen des Herrn Bundesministers in Kopenhagen zur Griechenlandfrage. AV vom 7.12.1967. 163 Ebd.

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souveränen Staaten eine Meinung zu äußern  ; […]. Aus dem gleichen Grund sollte auch die Regierung der ebenfalls neutralen Schweiz vorsichtiger sein, die es gern sieht, dass die wichtigsten schweizerischen Publikationen durch verschiedene Lügen Griechenland verleumden. [D]ie ausländischen Mächte, ob nun große oder kleine, haben kein Recht, Griechenland zu kritisieren und auch nicht, ihm heute Ratschläge zu erteilen. Nur eine Ausnahme – nicht natürlich eine Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten, sondern nur die Erteilung guter Ratschläge – könnte für die usa gemacht werden, die uns einerseits mit der Truman-Doktrin gegen den von fremden Mächten gesteuerten Einfall der Slawen unterstützt haben, und andererseits auch heute einen ähnlichen Kampf wie wir gegen den Einfall des Kommunismus in Vietnam führen.«164

Botschafter Steiner bezeichnete den mit der Überschrift »Kleine und Große« versehenen Artikel »als typisches Beispiel, wie daraus ein offizielles österreichisches Wohlwollen für die griechische Militärdiktatur abgeleitet wird«.165 Die Kleinstaatlichkeit Österreichs als Argument wurde aber auch im umgekehrten Sinn benutzt, nämlich jenem einer geeigneten Voraussetzung für eine juntafeindliche Haltung. Ein gutes Beispiel dafür ist das Gespräch vom 10. Dezember 1970 zwischen Botschafter Steiner und dem sich im Römer Exil befindenden König Konstantin II. Dieses kam auf Initiative des Letzteren zustande, der »durch Vermittlung des cypriotischen Botschafters in Athen den dringenden Wunsch geäußert hatte«, den österreichischen Missionschef in Griechenland »im Laufe der nächsten Wochen in Rom zu sprechen«. Nachdem dieser nach Wien gemeldet hatte, dass er es »aus einer Reihe von Gründen« für »zweckmäßig« hielte, wenn ein Gespräch mit dem König zustande käme«, wurde er von Außenminister Kirchschläger angewiesen, die Einladung des Königs anzunehmen und sich zu einem Treffen mit ihm nach Rom zu begeben.166 Das Gespräch verlief laut Steiner »in einer sehr freundlichen Atmosphäre. Das griechische Staatsoberhaupt bedankte sich zunächst beim ihm, »dass die österreichische Botschaft für viele griechische Demokraten der einzige Ort der Begegnung und zum Teil des Trostes« sei. In diesem Zusammenhang stellte Konstantin fest, »dass man österreichischerseits mit der Unterstützung der Demokratie und der Demokraten in Griechenland eine hervorragende Tat begangen habe, die richtungsweisend und sehr hoffnungsvoll für die europäische Politik der Zukunft sein könnte«. Diese Meinung begründete er damit, dass Österreich mit seiner Griechenland-Politik bewiesen hätte, »dass verhältnismäßig kleine Staaten – die keine machtpolitischen Interessen verfolgen – moralisch mehr leisten könnten als Groß164 Ebd. 165 Ebd. 166 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 95.632-6/Pol/70, Zl.154-Res/70 vom 9.11.1970. Dienstreise Botschafter Dr. Steiners nach Rom. AV vom 16.11.1970.

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mächte«. Dieses »österreichische Beispiel«, so der König im Weiteren, »sei deshalb so ermutigend, weil gerade die griechische Demokratie erfahren habe müssen, wie wenig Großmächte die von ihnen selbst aufgestellten Grundsätze in entscheidender Stunde beachten«. Seine Kritik an den Großmächten bezog sich insbesondere »auf die auf kurzfristige Tagesziele ausgerichtete Politik der usa, die den Antiamerikanismus im griechischen Volk hochgezüchtet hat«, sowie auf die udssr, »die auch kein Interesse an einem echt demokratischen Land« habe.167 Die Ausführungen des griechischen Königs zum kleinen Staat Österreich, der in der griechischen Frage im Gegensatz zu den Großmächten eine »moralische Kraft« aufbringe, die man in der »Weltpolitik« allzu sehr vermisse, sind auf mehrere Gründe zurückzuführen  : Zum einen hatte zu diesem Zeitpunkt Konstantin endgültig erkannt, dass die usa und die Sowjetunion nicht bereit waren, Druck auf die Obristen auszuüben, um ihm die Rückkehr auf seinen Thron zu ermöglichen. Insbesondere Washington räumte der Aufrechterhaltung seiner militärischen Sonderposition in Griechenland weit größere Bedeutung ein als der Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse im Land. Auch die Königs- bzw. Staatsformfrage wurde von US-amerikanischer Seite auf der Grundlage dieser Prioritätensetzung behandelt, sodass man ihr nur geringe Bedeutung beimaß.168 Moskau war ebenso wenig daran interessiert, des griechischen Königshauses wegen eine Verschlechterung seiner von politischem und ökonomischem Pragmatismus geprägten Beziehungen zum Athener Militärregime zu riskieren. Es war nicht allein die Erinnerung an den radikalen Antikommunismus dieser Institution, die die sowjetischen Machthaber von einer Intervention zugunsten des Monarchen abhielt. Eine wohl noch wichtigere Rolle bei ihren Überlegungen spielte die Erkenntnis, dass man mit einer moderaten und offenen Politik gegenüber der griechischen Junta die südöstliche Flanke der Nato erheblich schwächen könnte. Denn die Obristen hatten sich, wie gesagt, dem Ostblock immer wieder angenähert, wenn sie im »westlichen« Lager zu sehr unter Druck gerieten und infolgedessen nach alternativen Wegen suchten, ihre internationale Isolierung zu durchbrechen.169 Angesichts dieser Haltung der beiden Großmächte erhoffte sich König Konstantin, dass andere, »kleinere« Staaten, wie etwa Österreich, die aus seiner Sicht in Griechenland keine politischen oder ökonomischen Interessen verfolgten, sich weit stärker als die Großmächte für eine Beendigung der griechischen Militärdiktatur einsetzen, und ihm dadurch die Rückkehr auf den Thron ermöglichen

167 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 48-Pol/70. Griechenland und ER – Reibereien innerhalb der Junta. Besuch bei König Konstantin. Steiner an Kirchschläger vom 16.12.1970. 168 Vgl. Theodoros Kouloumpis, Provlimata ellinoamerikanikon scheseon. Pos antimetopizetai i exartisi (Athen 1978). 169 Vgl. Sotirs Valnten, I elliniki diktatoria kai oi anatolikes chores, Elliniki Epitheorisi Politikis Epistimis, 13 (1999), 123-139  ; ders., Paratairoi etairoi. Elliniki diktatoria, kommounistika kai Valkania (Athen 2009).

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würden. Konstantin musste spätestens im April 1972 nach dem besagten Vertragsabschluss zur Steyr-Investition in Griechenland einsehen, dass auch solche Staaten, kleine und neutrale, ihre Politik in der griechischen Frage nicht nur nach Prinzipien, sondern auch nach Interessen gestalteten. Die Meinung des griechischen Königs, dass Österreich zu jenen Ländern gehöre, die sich besonders für die Demokratie und die Demokraten in Griechenland einsetzten, geht schließlich auf die zahlreichen »humanitären Interventionen« der österreichischen Regierung zur Rettung politischer Gefangener vor der Willkür des Obristenregimes zurück. Zwar blieben die meisten dieser Interventionsversuche, wie hier noch gezeigt wird, erfolglos, dennoch trugen sie dazu bei, dass das ÖsterreichBild der Regimegegner ein positives war.

»Humanitäre Interventionen« Die von dem griechischen Militärregime begangenen Menschenrechtsverletzungen waren ein Dauerthema in den Beziehungen Griechenlands sowohl zu seinen NatoVerbündeten und anderen »westlichen« Ländern als auch zu den Ostblockstaaten. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, brachten die skandinavischen Länder dieses Problem vor den Europarat mit der Folge des erzwungenen Austritts Griechenlands aus dieser internationalen Organisation. Österreich hatte bei der Behandlung der griechischen Frage in den Europaratsgremien eine Position eingenommen, die mehr für als gegen das Regime war. Diese Haltung befand sich sicherlich nicht im Einklang mit der öffentlichen Meinung in Österreich, die eine strikte Verurteilung der militärischen Machthaber Athens und ihre Isolierung durch die internationale Staatengemeinschaft verlangte und die Menschenrechtssituation in Griechenland anprangerte. Die österreichischen Regierungen von Klaus und Kreisky sahen sich während der siebenjährigen Militärdiktatur einem permanenten Druck ausgesetzt, zugunsten politischer Gefangener, Angeklagter und durch die Junta anderweitig unterdrückter Bürger zu intervenieren. Dieser Druck kam sowohl von Seiten österreichischer Politiker, Vereine und Organisationen als auch griechischer Oppositioneller und Verwandter politisch Verfolgter. Aufgefordert zu intervenieren wurde Wien auch durch andere Staaten, etwa die Niederlande oder die skandinavischen Länder, die in der Regel die Vorreiterrolle übernahmen, wenn es darum ging, Menschenrechte im diktatorisch regierten Griechenland zu verteidigen und nach Verbündeten in dieser Angelegenheit zu suchen. So fragte etwa im Jänner 1968 der niederländische Botschafter Dr. H. R. van Houten am Ballhausplatz an, ob Österreich bereit wäre, sich gemeinsam mit anderen Staaten an einer humanitären Aktion für kranke politische Gefangene in Griechenland zu beteiligen. Van Houten hielt den Generalsekretär des Außenministeriums, Wilfried Platzer, über die Entwicklung der Sondierungsgesprä-

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che mit anderen »befreundeten Regierungen« auf dem Laufenden. Enttäuscht ließ er ihn am 19. Januar 1968 wissen, dass »die niederländische Regierung offensichtlich die einzige ist, die Fühlung mit dem Roten Kreuz gesucht hat« und »glaubt« daher, »vorläufig keine weitere Initiative nehmen zu können«.170 Die erste nennenswerte Intervention Österreichs humanitären Charakters fand im November 1968 statt. Am 17. November hatte das Athener Militärgericht Alekos Panagoulis wegen seines gescheiterten Attentatsversuchs auf Diktator Papadopoulos im August desselben Jahres zum Tode verurteilt. Das Todesurteil sollte innerhalb weniger Tage vollstreckt werden. Die Militärregierung sah sich daraufhin mit zahlreichen heftigen Protestaktionen im Ausland konfrontiert. In Italien beispielsweise legten die Bediensteten im öffentlichen Verkehr am Tag nach der Urteilsverkündung den Dienst für fünf Minuten nieder und die Fahrgäste wurden aufgefordert eine Schweigeminute zu halten.171 Auch in der österreichischen Öffentlichkeit gab es einen Aufschrei gegen das Todesurteil und eine Mobilisierung einflussreicher Akteure für die Rettung Panagoulis’ fand statt. Hochrangige spö-Politiker, wie etwa der Vorsitzende des Bundesrates, Alfred Porges, und der frühere Vize-Kanzler Pittermann, setzten sich für eine Aussetzung der Vollstreckung des Todesurteils ein. Während Porges direkt eine Depesche an die »griechische Regierung« schickte, in der er an sie appellierte, »das über Alexander Panagoulis verhängte Todesurteil nicht zu vollstrecken«, stellte Pittermann eine parlamentarische Anfrage, in der er sich an die österreichische Regierung mit der Aufforderung zur Intervention wandte. In seiner Begründung berief er sich auf »barbarische körperliche Folter«, der Panagoulis während der Untersuchungshaft ausgesetzt war, die »in Griechenland, dem einstigen Mutterland der Demokratie, heute zum politischen Alltag gehören« würde. Porges wiederum versuchte die Athener Machthaber von der Hinrichtung Panagoulis’ abzuhalten, indem er sie darauf hinwies, dass diese Aktion »in Österreich als legalisierter politischer Mord betrachtet werden und dem Ansehen Griechenlands schwersten Schaden zufügen würde«.172 Auch die kommunistische Freie Österreichische Jugend verlangte von der österreichischen Regierung eine Intervention zugunsten Panagoulis. Ihr Sekretär Otto Podolsky ersuchte Außenminister Waldheim in einem Schrei170 ÖStA/AdR, BMfAA. Gr.Zl. 111.073-6-Pol-68. Humanitäre Aktion für kranke politische Gefangene in Griechenland. Niederländische Sondierung. Schr. des nl. Botsch. an GS vom 19.1.1968. AV vom 25. 1.1968. 171 Ilias Nikolaïdis  : I thavmasti zoi tou Alekou Panagouli, in  : To Vima, 22.11.2011, http://www.tovima.gr/ vimamen/guys/article/?aid=431513 (25.10.2014). 172 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 129972-6/68. Griechisches Militärgerichtsurteil gegen Alexander Panagoulis. Depesche des Vorsitzenden des Bundesrates, Alfred Porges, an die griech. Regierung. AV vom 25.11.1968  ; ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 129.495-6-Pol-68, Zl. 959/J-NR/1968 vom 13.11.68. Parlamentarische Anfrage des Abgeordneten DDr. Pittermann gen. betreffend die Respektierung der Menschenrechte durch die griech. Militärregierung. AV vom 20.11.1968.

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ben vom 18. November 1968, »alles Ihnen Mögliche zu unternehmen, damit auch die Republik Österreich das ihre zur Rettung des Verurteilten beiträgt«.173 Diese Aufforderung war allerdings bereits hinfällig, denn am selben Tag hatte der »Herr Bundesminister nach Rücksprache mit dem Herrn Bundeskanzler angeordnet, die Botschaft Athen anzuweisen, bei der griechischen Regierung zu intervenieren und dieses Faktum bekanntzugeben«. Das Telegramm für Missionschef Steiner mit der Anweisung, im Fall Panagoulis tätig zu werden, lautete folgendermaßen  : »Wollen Sie sofort bei griechischer Regierung in geeignet erscheinender Weise dahingehend vorstellig werden, das gegen Panagoulis ausgesprochene Todesurteil nicht zu vollstrecken bzw. diesen zu begnadigen. Wollen Sie gleichzeitig erklären, dass unsere Intervention ausschließlich aus humanitären Gründen erfolgt, zumal es in Österreich keine Todesstrafe gebe. Es wäre auch klarzustellen, dass es sich bei der österreichischen Demarche selbstverständlich in keiner Weise um eine Einmischung in innergriechische Angelegenheiten handle und diese auch keinerlei politische, sondern, wie bereits erwähnt, rein humanitäre Zwecke verfolge.«174

Botschafter Steiner führte die angeordnete Intervention beim Generalsekretär des griechischen Außenministeriums, Alexandros Kountouriotis, umgehend durch, indem er, der Anweisung aus Wien folgend, den »rein humanitären Charakter der Intervention« betonte und jegliche »Einmischung der Bundesregierung in innergriechische Angelegenheiten« abstritt. Darüber hinaus machte er seinen Ansprechpartner auf die große Beunruhigung aufmerksam, die in Österreich die Nachricht über die Exekution verursachte, da dort die Todesstrafe seit Langem abgeschafft sei. Ferner betonte Steiner, »dass in der österreichischen Bevölkerung ein tiefes Gefühl der Freundschaft für das griechische Volk herrsche und dass es bedauerlich wäre, wenn durch die Vollstreckung des Todesurteiles diese freundschaftlichen Gefühle in Mitleidenschaft gezogen werden würden«. Generalsekretär Kountouriotis legte zunächst in seiner Erwiderung großen Wert darauf, »dass Österreich sich jeder Intervention in die inneren Angelegenheiten Griechenlands enthalten wolle«. Dies nahm er, wie er gegenüber Steiner unterstrich, »sehr gern zur Kenntnis«. Anschließend erklärte er den Standpunkt seiner Regierung, dem zufolge »es sich beim Verurteilten keineswegs um einen Helden handele«, sondern um eine allgemeine Bedrohung. Denn Panagoulis habe nicht nur das Leben des Ministerpräsidenten, sondern auch vieler anderer unschuldiger Menschen gefährdet, da er in wenigen Monaten mehrere 173 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 129.582-6/Pol/68. Todesurteil gegen Alexander Panagoulis. Eingabe der FÖJ. AV vom 18.11.68. 174 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 129.561-6/Pol/68. Prozess gegen Panagoulis. Intervention wegen Begnadigung. AV vom 18.11.1968.

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Bombenanschläge verübt habe. Botschafter Steiner reagierte darauf mit dem Hinweis, dass die österreichische Bundesregierung immer wieder »Gewalt als Instrument der Politik in jeder Form abgelehnt habe«, trotzdem sei sie der Meinung, dass »dieser Kreis Gewalt-drakonische Strafe-Gewalt« unterbrochen werden müsse.175 Steiners ursprüngliche Absicht war, die Intervention auf höchster politischer Ebene, nämlich bei Ministerpräsident Papadopoulos persönlich, vorzunehmen. Obwohl es anfänglich positive Anzeichen gab, dass der Diktator einem Treffen zustimmen würde, fand dieses doch nicht statt. Steiner führte diese Entwicklung »nicht zuletzt darauf zurück«, dass die Mitteilung über seine »bevorstehende Intervention bei der griechischen Regierung wiederholt über den österreichischen Rundfunk« ausgestrahlt und somit den griechischen Stellen bekannt wurde. Damit kritisierte indirekt der österreichische Missionschef in Griechenland das Vorgehen seiner Regierung, die bevorstehende Intervention bekanntzugeben. Steiner lag mit seiner Einschätzung, dass die Veröffentlichung der österreichischen Intervention dem Zustandekommen seines Treffens mit Papadopoulos nicht entgegenkam, sicherlich richtig, allerdings war dies nicht der ausschlaggebende Grund für das Scheitern dieser Aktion. Die Vorsprache des österreichischen Botschafters beim Premierminister hätte die Causa Panagoulis nur zusätzlich aufgewertet, und dies wäre aus Sicht des Regimes alles andere als eine anzustrebende Entwicklung gewesen. Am Ballhausplatz dürfte man sich der Tatsache bewusst gewesen sein, dass die frühzeitige Bekanntmachung der bevorstehenden Intervention den Auftrag Steiners zusätzlich erschweren würde. Trotzdem traf man die Entscheidung, es zu tun, vermutlich unter dem besagten inländischen Druck, zur Rettung Panagoulis’ einzuschreiten. Man ging sogar so weit »eine amtliche Verlautbarung« in der Wiener Zeitung vom 19. November 1968 zu publizieren, in der informiert wurde, dass »der Botschafter in Athen beauftragt« wurde, »bei der griechischen Regierung unter Hinweis auf humanitäre Erwägungen vorstellig zu werden«.176 Österreich war weder der einzige noch der erste Staat, der beim griechischen Militärregime für die Begnadigung Panagoulis’ intervenierte. Der schwedische Geschäftsträger in Athen hatte bereits am 16. November, also drei Tage vor Steiner, dem griechischen Außenministerium einen Besuch abgestattet, um das Anliegen seiner Regierung vorzutragen. In seiner Argumentation berief er sich auf eine kurz nach dem Staatsstreich abgegebene Erklärung der griechischen Junta-Regierung vor der Kommission für Menschenrechte des Europarats, in der versichert wurde, keine Todesurteile zu vollstrecken. Des Weiteren wies er seine griechischen Gesprächspartner darauf hin, dass »eine Begnadigung mit den für alle Staaten maßgeblichen humanitären Grundsätzen und den Bemühungen der Vereinten Nationen um Abschaffung 175 ÖStA/AdR, BMfAA, Depesche, E-B-Zl. 25294. CHI-FS 25090 (Zl. 169-res/68), zu FS 55047 (Zl. 129.561-6/68). ÖBA an das BMfAA vom 19.11.1968. 176 Ebd.

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der Todesstrafe in Übereinstimmung« wäre. Die Kenntnis dieser schwedischen Intervention durch die österreichische Regierung hat möglicherweise auch eine Rolle bei der entsprechenden Entscheidung Wiens gespielt, vor allem wegen der Neutralität Schwedens.177 Letztendlich haben, wie Steiner am 22. November 1968 nach Wien meldete, »die Missionschefs aller demokratischen Staaten Europas und der usa zugunsten des Verurteilten interveniert«. Nach seinem Informationsstand habe der Botschafter der br d die »schärfste Intervention« durchgeführt, indem er im Falle der Vollstreckung des Todesurteils mit wirtschaftlichen Sanktionen drohte. Lediglich bei der Schweiz war man sich im diplomatischen Korps nicht sicher, ob zur Rettung Panagoulis’ interveniert wurde oder nicht, da von Seiten der Schweizer Botschaft keine Auskunft darüber erteilt wurde.178 Die zahlreichen Interventionen, darunter auch die österreichische, zeigten ihre Wirkung. Unter dem Druck des internationalen Aufschreis wurde die innerhalb von drei Tagen zu vollziehende Hinrichtung auf unbestimmte Zeit verschoben. Panagoulis blieb bis August 1973 in Haft. Dann erließ das Regime im Rahmen eines Liberalisierungsversuchs, den Diktator Papadopoulos einleitete, eine Generalamnestie für politische Gefangene, die auch Panagoulis betraf. Nach seiner Freilassung verließ er Griechenland in Richtung Italien. Panagoulis kehrte erst wieder nach Ende der Militärdiktatur in seine Heimat zurück.179 Österreich sah sich im April 1970 mit einem ähnlichen Fall wie dem von Panagoulis konfrontiert. 34 Mitglieder der Widerstandsorganisation Dimokratiki Amyna (Demokratische Verteidigung) standen angeklagt wegen zahlreicher Bombenanschläge auf staatliche Einrichtungen vor dem Militärgericht. Ihnen drohte die Todesstrafe, deren Vollziehung insbesondere nach dem Austritt Griechenlands aus dem Europarat durchaus möglich war. Schon bevor das Gerichtsurteil ausgesprochen wurde, nahm Botschafter Steiner Kontakt mit Wien auf, um die Genehmigung für eine im Notfall vorzunehmende Intervention einzuholen. Dabei verwies er auf ähnliche Vorbereitungen anderer Staaten und erläuterte die Schwierigkeiten und Besonderheiten eines derartigen Vorhabens  : »Mein italienischer und mein deutscher Kollege haben bereits Weisungen, im Falle von Todesurteilen sofort bei der griechischen Regierung im Sinne der Nichtvollstreckung des Todesurteiles zu intervenieren. Mein holländischer und mein belgischer Kollege erwarten heute noch eine entsprechende Weisung. Falls österreichischerseits

177 ÖStA/AdR, BMfAA, Depesche, E-B-Zl. 25258. CHI-FS 25101, Zl. 380-Res/68. Schwedische Initiative zur Begnadigung der Urheber des Attentats auf griechischem Premierminister. ÖB Stockholm an das BMfAA vom 16.11.1968. 178 ÖStA/AdR, BMfAA. Depesche, E-B-Zl. 25372. CHI-FS 25092 (Zl. 4222-a/68). ÖBA an das BMfAA vom 22.11.1968. 179 Nikolaïdis, I thavmasti zoi tou Alekou Panagouli.

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eine ähnliche Aktion wie im Falle Panagoulis beabsichtigt sein sollte, bitte ich um eine rechtzeitige Weisung. Selbstverständlich wäre eine solche Intervention eine außerordentlich schwierige und delikate Angelegenheit und sie müsste sich meiner Meinung nach auf die humanitären Aspekte der Angelegenheit beschränken. Da Griechenland zu Zeiten der Affäre Panagoulis im Europarat war, fällt selbst ein Argument, das damals gebraucht wurde, weg. So sehr schwierig jede Intervention ist, so muss andererseits doch festgestellt werden, dass das hiesige Regime sehr auf seinen internationalen Ruf bedacht sein muss und dass daher eine allfällige Intervention, auch wenn sie formell brüsk zurückgewiesen würde, ihren Eindruck zugunsten der Angeklagten nicht verfehlen wird. […] Ich bitte um eine Weisung, ob im Falle der Verhängung von Todesstrafen österreichischerseits eine Intervention ins Auge gefasst wird.«180

Einen Tag später, am 11. April 1970, kurz vor der Urteilsverkündung, nahm der westdeutsche Botschaftsrat in Wien, Krieg, zum österreichischen Außenministerium Kontakt auf, um eine koordinierte Reaktion zugunsten der 34 Angeklagten des Athener Gerichtsprozesses zu vereinbaren. Ausgangspunkt dafür war die Absicht Schwedens, Norwegens und Dänemarks, eine neue Beschwerde vor dem Europarat gegen Griechenland vorzubringen. Diese Beschwerde sollte neben dem Vorwurf der Folterung der Angeklagten ein Ansuchen zur Aussetzung der drohenden Todesurteile beinhalten. Angesichts dieser Entwicklung ersuchte Krieg im Namen der Bonner Regierung um eine Mitteilung über die Haltung Österreichs in der Frage der Intervention zur Rettung der von der Hinrichtung bedrohten Regimegegner.181 Vermutlich auch aufgrund dieses westdeutschen Vorstoßes erhielt unmittelbar danach Steiner aus Wien grünes Licht, »im Falle der Verhängung von Todesurteilen […] in einer Ihnen geeignet erscheinenden Weise auf entsprechendem Niveau im dortigen Außenamt unserer Besorgnis über verhängte Urteile Ausdruck zu geben und die Hoffnung auszusprechen, dass diese nicht vollstreckt werden«. Diese Aktion sollte »nach enger Fühlungnahme mit den Missionen vergleichbarer Staaten« stattfinden und unter Betonung der Tatsache, »dass unsere Initiative ausschließlich aus humanitären Gründen erfolgt und wir damit keinerlei Einmischung in innergriechische Angelegenheiten beabsichtigen«.182 Letztendlich kam es nicht zum befürchteten Todesurteil. Stattdessen verhängte das Militärgericht über die 34 Angeklagten hohe Freiheitsstrafen, für den Anführer

180 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 84870/II/70, Depesche E-B-Zl. 21167. CHI-FS 2507. Militärgerichtsprozess gegen 34 Angeklagten der »Demokratischen Abwehr«. ÖBA an das BMfAA vom 10.4.1970. 181 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 84.811-11/70. Anfrage der Deutschen Botschaft über den Prozess in Athen e. o. AV vom 11.4.1970. 182 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 84870/II/70, Depesche E-B-Zl. 21167. CHI-FS 2507. Militärgerichtsprozess gegen 34 Angeklagten der »Demokratischen Abwehr«. ÖBA an das BMfAA vom 10.4.1970.

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Sakis Karagiorgas die höchste, nämlich lebenslänglich. »Aufgrund dieses Urteils«, telegrafierte Steiner am 11. April 1970 nach Wien, »hat sich die Intervention laut obzitierter Weisung erübrigt«. Diese positive Entwicklung dürfte zu einem großen Teil die Folge der angedrohten Interventionen gewesen sein. Mit Ausnahme von Frankreich, der Türkei und Zypern seien laut Steiner alle »nicht-kommunistischen europäischen Staaten zu Interventionen im Falle von Todesurteilen bereit« gewesen. Diese Interventionsbereitschaft wurde gegenüber dem Regime entsprechend signalisiert, indem mehrere Botschafter, unter ihnen auch der österreichische, bereits vorsorglich Termine im Außenministerium für den Tag des Gerichtsurteiles verlangten. Außerdem hatten Schweden und die usa sogar gegen eine »allfällige Verhängung von Todesurteilen« vonvornherein protestiert. Schließlich hatte die br d, wie im Fall Panagoulis’, den nach Einschätzung Steiners »am schärfsten formulierten Protest vorbereitet«. Diese Aktionen hatten, so der österreichische Botschafter in seinem Chiffrefernschreiben nach Wien, »den durchaus erwünschten Nebeneffekt, den griechischen Stellen klarzumachen, dass eine große Protestwelle im Heranrollen ist«, was »sicherlich« beim Regime »nicht ohne Eindruck geblieben« sei.183 Die Frage einer humanitären Intervention stellte sich für die österreichischen Regierungen nicht nur anlässlich prominenter Regimegegner, denen die Todesstrafe drohte. Während der siebenjährigen Diktaturzeit in Griechenland trafen im Außenamt in Wien und in der österreichischen Botschaft in Athen mehrere Ansuchen griechischer Staatsbürger zur Gewährung eines politischen Asyls ein. Beispielhaft dafür ist der Fall von Nikolaos Lithoxopoulos aus der nordöstlichen Grenzstadt Drama, dessen Bruder Konstantinos in der österreichischen Hauptstadt ansässig war und »führend bei den mehrfachen Demonstrationen der letzten Jahre vor und in der griechischen Botschaft in Wien« sowie enge Beziehungen zum Comité Central des Réfugiés Politiques Grecs pflegte. Nikolaos, der früher auch in Wien studiert und ebenso an den Protestkundgebungen gegen die Junta teilgenommen hatte, wendete sich mit seiner Anfrage der »politischen Asylgewährung« an die österreichische Botschaft in Athen. Er begründete sein Anliegen damit, dass ihm die griechischen Behörden einen Pass und damit auch eine Ausreiserlaubnis verwehrt hätten. Botschafter Koller führte dieses Ausreiseverbot auf eben diese antidiktatorische Tätigkeit der beiden Brüder in Wien zurück und vermutete in diesem Zusammenhang »einige Spitzel« innerhalb der griechischen Studentengemeinschaft.184 183 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 84870/II/70, Depesche E-B-Zl. 21194. CHI-FS 25028 (Zl. 57-Res/70) zu FS 55011 vom 11.4.1970. Militärgerichtsprozess der 34 Angeklagten der »Demokratischen Abwehr«. ÖBA an das BMfAA vom 13.4.1970. 184 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 65.03-AO/1-6/74. Nikolaos Lithoxopoulos, griechischer Staatsbürger. Ausreise aus Griechenland, EA Zl. 229.381-12/73 vom 12.12.1973. AV vom 8.1.1974.

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Die Anfrage Lithoxopoulos’ wurde dem Völkerrechtsbüro des österreichischen Außenministeriums zur Überprüfung vorgelegt. Dieses verwies in seiner Stellungnahme auf die »grundsätzliche Unzulässigkeit des diplomatischen Asyls« und somit auf die Völkerrechtswidrigkeit der Aufnahme von Lithoxopoulos in die österreichische Botschaft. Nach dem »gegenwärtigen Stand der Völkerrechtsentwicklung« würde die Exterritorialität die diplomatischen Missionen nicht von der Verpflichtung befreien, »die Rechtsvorschriften, also auch das Strafrechts des Empfängerstaates […] auch innerhalb der Missionsräumlichkeiten anzuwenden«. Eine Ausnahme wäre nur aus »humanitären Erwägungen zulässig, um den Asylsuchenden gegen eine Verfolgung zu schützen, die nicht einem menschenrechtswürdigen Mindeststandard entspricht, auf dessen Einhaltung jeder Mensch, also auch der politische Delinquent, Anspruch hat«. Anschließend wurde auf den chilenischen »Präzedenzfall« Bezug genommen, bei dem das »österreichische Vorgehen« der Asylgewährung aus humanitären Gründen »mit den erwähnten Regeln des Völkerrechts insofern vereinbar war, als die chilenische Regierung der Aufnahme von ihren Staatsangehörigen in die österreichische Vertretungsbehörde zumindest stillschweigend zugestimmt hat«. Allerdings sei im griechischen Fall die »Konstruktion« eines derartigen »pactum tacitum« nicht denkbar, da eine »stillschweigende Zustimmung von den griechischen Behörden nicht zu erwarten« sei. Abschließend wies das Völkerrechtsbüro des Außenamtes in seiner Stellungnahme auf die alternative Option des territorialen statt diplomatischen Asyls hin, dessen Gewährung aber nicht in den Zuständigkeitsbereich des Außen-, sondern in die des Innenministeriums fiele. Allerdings entbehrte diese Möglichkeit jeder realistischen Grundlage, da sich Lithoxopoulos für die Beantragung eines territorialen Asyls bereits in Österreich befinden müsste. Wie bereits erwähnt, hatte ihm die Junta ein inoffizielles Ausreiseverbot in der Form der Verweigerung der Ausstellung eines Reisepasses erteilt.185 Am Fall Lithoxopoulos’ wird ersichtlich, dass humanitäre Interventionen zum Schutz griechischer Dissidenten schwer über den Weg des politischen Asylverfahrens vorzunehmen waren, da dieser Alleingang aller Wahrscheinlichkeit nach zu schwerwiegenden Komplikationen im Verhältnis zu Athen geführt hätte. Demzufolge konzentrierte man sich im Außenamt und in der Athener Botschaft auf solche humanitäre Interventionsfälle, in denen es für möglich gehalten wurde, das Einverständnis des Regimes aufgrund des schlechten gesundheitlichen Zustands des politischen Häftlings zu gewinnen. Große Anstrengungen unternahm beispielsweise Botschafter Steiner im Sommer 1969 zugunsten des politischen Gefangenen Nikolaos Karamanlis, der an einem so gefährlichen Augenleiden erkrankt war, »dass 185 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 65.03-AO/1-6/74. Nikolaos Lithoxopoulos, griechischer Staatbürger. Ausreise aus Griechenland, EA Zl. 229.381-12/73 vom 12.12.1973. Einsichtsbemerkung des Völkerrechtsbüros zu Zl. 229.391-12/73, Zl. 29.336-VR/73. AV vom 8.1.1974.

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mit seiner totalen Erblindung gerechnet werden« musste. In einem Chiffreschreiben nach Wien beschrieb er, wie er plante, unter Berufung auf den Gesundheitszustand Karamanlis’ und zurückgreifend auf die wertvolle Erfahrung aus dem PanagoulisFall, seine humanitäre Intervention zu vollziehen  : »Die Angelegenheit Nikolaos Karamanlis könnte in den Grundzügen in ähnlicher Weise behandelt werden, wie der Fall Panagoulis. Ich könnte versuchen, im [griechischen] Außenministerium eine Intervention durchzuführen, unter Hinweis auf die rein humanitären Aspekte und darauf, dass es sich dabei um keine Beurteilung des Falles an sich durch uns handle und dass jede Einmischung in innere Angelegenheiten uns fern liege. Weiters könnte ich durchblicken lassen, dass eine menschliche Geste des hiesigen Regimes einen sehr guten Eindruck auf die öffentliche Meinung in Österreich machen würde. [Auf die Frage] warum gerade die Intervention von österreichischer Seite erfolgt, da wäre es zweckmäßig, wenn ich z. B. etwas vorbringen könnte [wie], dass ein namhafter Wiener Augenarzt n. n. von der schweren Erkrankung des Nikolaos Karamanlis gehört habe und das Außenministerium habe wissen lassen, dass er bereit wäre, Nikolaos Karamanlis in seiner Klinik zu behandeln, wobei er sich in erster Linie von humanitären Erwägungen leiten lasse, aber an dem Fall auch wissenschaftliches Interesse habe.«186

Besonders erschwerend auf den humanitären Interventionsversuch Steiners wirkte sich die Tatsache aus, dass Nikolaos Karamanlis »eindeutig der kommunistischen Partei angehörte«. Auch wenn der österreichische Missionschef der Meinung war, dass die »politische Gesinnung bei der Beurteilung der menschlichen Tragik seines Gesundheitszustandes keine Rolle spielen« sollte, wusste er andererseits gut, wie wenig kooperationswillig und kompromissbereit sich das Regime verhielt, wenn der Inhaftierte Mitglied der seit 1947 in Griechenland verbotenen Kommunistischen Partei war.187 Die Bemühungen Steiners, Karamanlis zu einer Behandlung seines Augenleidens nach Österreich zu überführen, blieben letztendlich erfolglos. Im Juni 1973 befand sich dieser weiterhin in Haft, sodass der Nachfolger Steiners, Botschafter Koller, einen erneuten Interventionsversuch unternahm. Die Schilderung seines diesbezüglichen Gesprächs im griechischen Außenministerium ist nicht nur ein weiteres Beispiel für eine immer demselben Muster unterliegende Interventionsstrategie Österreichs, sondern bezeugt auch eindrücklich, wie gereizt man von Seiten des Regimes auf derartige Aktionen reagierte, insbesondere wenn es sich beim Betroffenen um einen »erklärten Kommunisten« handelte  : 186 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 157.979-6/Pol/69, Depesche [Ohne E-B-Zl.]. CHI-FS 25028. Nikolaos Karamanlis. ÖBA an das BMfAA vom 5.5.1969. 187 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 157.979-6/Pol/69, Depesche [Ohne E-B-Zl.]. CHI-FS 25035. Nikolaos Karamanlis, Intervention. ÖBA an das BMfAA vom 21.5.1969.

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»Die Botschaft beehrt sich zu berichten, dass der gefertigte Missionschef am 20. Juni 1973 bei dem auch für Österreich zuständigen Direktor im griechischen Außenministerium, Botschafter Konstantin Miliaresis, vorgesprochen und diesen gebeten hat, sich dafür einzusetzen, damit Herr Karamanlis möglichst bald aus der Haft entlassen werde. Obwohl hierbei ausdrücklich betont wurde, dass es sich um keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten, sondern lediglich um eine aus humanitären Erwägungen vorgebrachte Bitte handle, da Herr Karamanlis schwer augenleidend sei, erklärte Botschafter Miliaressis, er komme nicht umhin festzustellen, dass es sich um eine klare Einmischung in innere Angelegenheiten handle, die bisher nur in gewissen LändernKolonien üblich gewesen sei. Letzten Endes war er dann dennoch bereit, eine auf den Gegenstand bezügliche Notiz entgegenzunehmen und diese an die zuständigen Stellen weiterzuleiten. In diesem Zusammenhang darf jedoch bemerkt werden, dass Herr Rechtsanwalt Karamanlis, wie aus den hier vorhandenen Akten entnommen werden kann, ein erklärter Kommunist ist oder ein solcher war. Obwohl dieser Sachverhalt hinsichtlich Bemühungen aus humanitären Erwägungen keine Rolle spielen sollte, werden diese durch die Tatsache erschwert, dass die Kommunisten in diesem Lande als Staatsfeinde Nr. 1 angesehen werden und kaum mit Milde rechnen können.«188

Der politische Gefangene wurde erst als Folge der am 19. August 1973 erlassenen Generalamnestie aus der Haft entlassen.189 Auch in anderen Fällen, wie etwa von Charalampos Protopappas, Eleni Voulgari und Alexandros Zografos, intervenierte Österreich zugunsten griechischer politischer Gefangener hauptsächlich aufgrund ihrer angeschlagenen Gesundheit. Protopappas war Mitbegründer der besagten Widerstandsorganisation Demokratische Verteidigung und wurde im April 1970 zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt. Sein gesundheitlicher Zustand, der bereits vor seiner Inhaftierung angeschlagen war, verschlechterte sich innerhalb von zwei Jahren dramatisch, sodass er im Herbst 1972 in Lebensgefahr schwebte. Demzufolge trat der frühere liberale Industrieminister Ioannis Zigdis an den österreichischen Botschafter Koller heran, um »dringenderweise Aufmerksamkeit auf den Fall Protopappas zu lenken«. Insbesondere regte Zigdis an, dass »ein namhafter österreichischer Politiker an die griechische Regierung zugunsten der Entlassung des schwerkranken Protopappas aus der Haft öffentlich appellieren sollte« und schlug ganz konkret den dem Athener Regime eindeutig feindlich gegen-

188 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 92-Res/73. Rechtsanwalt Nikolaos Karamanlis. Haft in Griechenland. Bitte um Enthaftung aus humanitären Erwägungen, zu Erlass Zl. 38.351-6/Pol/73. Koller an das BMfAA vom 1.6.1973. 189 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 44.493-6/Pol/73, Zl. 139-Res/73. Nikolaos Lithoxopoulos. Verweigerung der Ausreise aus Griechenland, zu Erlass Zl. 44.493-6/POL/73 vom 6.9.1973. Pernegger an das BMfAA vom 12.9.1973.

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überstehenden spö-Politiker Pittermann vor.190 Aber auch in Österreich setzte man sich für den inhaftierten Widerstandskämpfer ein. Wie das Außenamt am 20. Oktober 1972 an Botschafter Koller in Athen meldete, waren »in der gegenständlichen Angelegenheit bereits verschiedene Organisationen an das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten herangetreten und haben um Intervention für Protopappas gebeten und erklärt, für die Weiterbehandlung des Herrn Protopappas in Österreich Sorge tragen zu wollen«. Wien erteilte schließlich dem österreichischen Missionschef den Auftrag, »bei den zuständigen griechischen Stellen vorstellig zu melden und auf das große Interesse, das viele österreichische Organisationen dem Schicksal des Herrn Protopappas entgegenbringen, hinzuweisen«. Sodann sollte Koller versuchen, die griechischen Behörden zu überzeugen, »eine Behandlung des Herrn Protopappas außerhalb des Gefängnisses, allenfalls auch außerhalb Griechenlands zu ermöglichen«. Wie auch in vorhergehenden Fällen bekam die Botschaft die Anordnung, dass bei der Intervention »von allem Anfang klargestellt« werden sollte, »Österreich wolle sich nicht in die innere Angelegenheiten Griechenlands einmischen«. Daher sei es wichtig, gegenüber den griechischen Ansprechpartnern den »rein humanitären Aspekt wiederholt zu betonen«. Den Vorschlag Zigdis’ des öffentlichen Appells einer österreichischen Persönlichkeit des politischen Lebens, etwa Pittermanns, zur Freilassung von Protopappas hielt man am Ballhausplatz für kontraproduktiv, da sich das Regime dadurch zusätzlich provoziert sehen würde. Derselben Meinung war auch Pittermann, der über die Angelegenheit informiert wurde.191 Im Fall der inhaftierten Eleni Voulgari kam wiederum der Anstoß zur Überprüfung einer humanitären Intervention durch die dänische Sektion von Amnesty International. Ihr Leiter, Finn Olsen, hatte im Sommer 1973 in dieser Angelegenheit Bundeskanzler Kreisky höchstpersönlich kontaktiert und ihn auf ihre Gesundheitsprobleme aufmerksam gemacht. Daraufhin lud das österreichische Außenministerium die Athener Botschaft ein, »nach Möglichkeit über den Gesundheitszustand von Frau Voulgari Informationen in Erfahrung zu bringen« und entsprechend zu handeln. Konkret hieß dies folgendermaßen  : »Sollte nach do. Auffassung einer unter Betonung des rein humanitären Charakters vorgebrachten österreichischen Intervention irgendwelche Erfolgsaussichten eingeräumt werden können, so wäre eine solche bei sich bietender Gelegenheit durchzuführen.«192 Wie im Fall des besagten 190 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 164.974-6/Pol/72, Depesche, E-B-Zl. 23630. CHI-FS 25082. Haftsache Charalambos Protopappas. Griechenland, Österreichische Intervention. ÖBA an das BMfAA vom 20.10.1972. 191 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 164.974-6/Pol/72, Depesche [Ohne E-B-Zl.] . CHI-FS 23630 zu FS 25082. BMfAA an ÖBA vom 20.10.1972. 192 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 41.905-6/Pol/73. Politische Gefangene in Griechenland. Eingabe des Herrn Finn Olsen an den Herrn Bundeskanzler betreffend Frau Eleni Voulgari, zu Erlass Zl. 40.134-4/Pol/73. Für den Bundesminister in Vertretung Torovsky an ÖBA vom 29. Juni 1973.

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Karamanlis stellte allerdings auch hier die enge Beziehung der Inhaftierten zur illegalen kommunistischen Partei ein unüberwindbares Hindernis für einen Rettungsversuch dar. Bei ihr handelte es sich sogar um eine schon in den vordiktatorischen Jahren wegen »Spionage zugunsten der Sowjetunion« verurteilte Person. Demzufolge meldete Geschäftsträger Pernegger nach Wien, dass der Botschaft »eine ho. Intervention für diese nach wie vor moskautreue Kommunistin im gegenwärtigen Zeitpunkt aussichtlos erscheint und darüber hinaus schwerlich bona fide zu begründen wäre«.193 Pernegger dürfte angesichts der bereits gemachten negativen Erfahrungen mit Fällen, in denen die Ausgangsposition für einen Erfolg weit günstiger als bei Voulgari war, in seiner Einschätzung zur Aussichtslosigkeit dieses konkreten Interventionsversuches richtig gelegen haben. Dass die Athener Junta in der Frage der Freilassung politischer Gefangener gegenüber Österreich nur äußerst schwer und sehr selten einknickte, selbst wenn Bundeskanzler Kreisky »aus humanitären Gründen besonderes Interesse« an dem Schicksal des Häftlings nahm, zeigt der Fall des Journalisten und Schriftstellers Alexandros Zografos. Für ihn hatte sich wiederholt die deutsche Elisabeth Haitz nicht nur bei Kreisky, sondern auch bei anderen europäischen Regierungschefs eingesetzt. Als schließlich der gesundheitlich sehr angeschlagene Zografos im August 1972 in das Gefängnis auf Korfu verlegt wurde, das für seine besonders schlechten Haftbedingungen bekannt war, ordnete das österreichische Außenamt im Auftrag Kreiskys die Botschaft in Athen an, »Sondierungen im dortigen Außenministerium über Möglichkeiten einer Hafterleichterung durchzuführen«. Dabei sollte auch in diesem Fall, wie in allen anderen, »auf den rein humanitären Aspekt der österreichischen Intervention verwiesen und ausdrücklich festgehalten werden, dass durch den österreichischen Schritt eine Einmischung in innergriechische Gelegenheiten nicht beabsichtig sei«.194 Geschäftsträger Pernegger, der aufgrund des zu diesem Zeitpunkt stattfindenden Missionschefwechsels von Steiner zu Koller die Vorsprache bei Botschafter Miliaresis übernahm, legte »weisungsgemäß den Schwerpunkt der Intervention auf den humanitären Aspekt«. Dennoch musste er sich bei seinem griechischen Gesprächspartner eine Abfuhr holen. Miliaresis teilte ihm mit, dass »diese ganzen Interventionen zu nichts führten«. »Objektiv gesehen«, so dieser weiter, »sei es doch schwer verständlich, wieso sich die ausländischen Regierungen derart um ca. 350 politische Gefangene in Griechenland kümmerten, wo doch diese Zahl niemals so

193 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 123-Res/73. Politische Gefangene in Griechenland. Eingabe des Herrn Finn Olsen an den Herrn Bundeskanzler betreffend Frau Eleni Voulgari, zu Erlass Zl. 41.905-6/Pol/73 vom 25. Juli 1973, im Verfolg ha. Bericht Zl. 118-Res/73 vom 6. August 1973. Pernegger an das BMfAA vom 6.8.1973. 194 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 162.823-6/Pol/72. Alexander Zografos. Ersuchen der Frau Elisabeth Haitz um Intervention. PE vom 21.8.1972. AV vom 22.9.1962.

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niedrig in der griechischen Geschichte der letzten Jahrzehnte gewesen sei.195 Kreisky, den anscheinend das Leiden Zografos’ sehr beschäftigte, verordnete neben der Intervention in Athen auch eine Bekanntmachung des Falles bei den Vereinten Nationen. Sein Kabinettssekretär, Dr. Hans Knitel, ließ im September 1972 dem österreichischen Vertreter bei der uno, Dr. Peter Jankowitsch, alle Unterlagen betreffend Zografos zukommen mit der Anweisung, nach Mitstreitern für seine Rettung zu suchen. Jankowitsch, ein enger Vertrauter des Bundeskanzlers, konnte kurze Zeit danach in der Angelegenheit einen gewissen Erfolg vermelden. Anfang Oktober berichtete er nach Wien, dass er die »Gelegenheit hatte, mit Frau Erica Daes, Vizepräsidentin der 3. Kommission der Generalversammlung, diese Angelegenheit zu erörtern« und sie dazu zu überreden, »sich mit dem Anwalt von Zografos in Verbindung zu setzen und die Möglichkeiten einer Haftaussetzung aus gesundheitlichen Gründen zu prüfen«.196 Trotz des Einsatzes von Daes trat für den politischen Gefangenen Zografos letztendlich keine positive Entwicklung ein. Dieser konnte, wie auch Karamanlis, nur nach der generellen Amnestie vom 19. August 1973 das Gefängnis verlassen.197 Die hier angeführten Fälle »humanitärer Intervention«, wie von offizieller österreichischer Seite die an das Junta-Regime gerichteten Ansuchen zur Freilassung oder Schonung griechischer politischer Gefangener bezeichnet wurden, erlauben die Schlussfolgerung, dass Wien trotz der großen Anstrengungen seiner diplomatischen Vertretung in Athen nahezu ausschließlich Ablehnungen kassierte, wenn es im Alleingang, also nicht gemeinsam mit anderen Staaten, zugunsten gesundheitlich angeschlagener Inhaftierter tätig wurde. Dies änderte sich auch nicht in den Jahren 1971–1973, als die österreichische Investitionstätigkeit im diktatorischen Griechenland rasant zunahm. In den Akten ist kein Fall dokumentiert, in dem von österreichischer oder griechischer Seite ein Vertragsabschluss wirtschaftlicher Natur in Verbindung mit diesen humanitären Interventionsversuchen gebracht wurde. Die Regierung Kreisky unterstützte die Investitionen österreichischer Unternehmen in Griechenland, ohne von der Junta dafür ein Entgegenkommen in der Frage der Verbesserung der Menschenrechtssituation zu verlangen. Die Obristen wiederum gaben österreichischen Investoren, wie etwa der Steyr-Daimler-Puch-AG, den Vorzug ungeachtet der Tatsache, dass bei ihnen Wien mit seinem Interesse an dem Wohlergehen politischer Gefangener Unmut hervorrief. Auch wenn die humanitären Interventionen erfolglos blieben, beriefen sich die österreichischen Regierungen 195 ÖStA/AdR, BMfAA. Gr.Zl. 164.061-6/Pol/72,Zl. 142-Res/72. Alexander Zografos. Ersuchen der Frau Elisabeth Haitz um Intervention der Botschaft Athen. AV vom 23.10.1972. 196 ÖStA/AdR, BMfAA. Gr.Zl. 164.995-6/Pol/72. Alexandros Zografos. Intervention Österreichische Vertretung bei den Vereinten Nationen. AV vom 23.10.1972. 197 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 44.493-6/Pol/73, Zl. 139-Res/73. Nikolaos Lithoxopoulos, Verweigerung der Ausreise aus Griechenland, zu Erlass Zl. 44.493-6/Pol/73 vom 6.9.1973. Pernegger an das BMfAA vom 6.9.1973.

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darauf, wenn es darum ging, ihre Sensibilität für die Menschenrechtsverletzungen unter Beweis zu stellen. So reagierte beispielsweise Außenminister Kirchschläger im November 1973 auf die an die Regierung Kreisky gerichtete Aufforderung des Zentralkomitees der Politischen Flüchtlinge aus Griechenland (Comité Central des Réfugiés Politiques Grecs), sich für »die Rückkehr der nach dem Bürgerkrieg geflüchteten kommunistischen Griechen« einzusetzen, mit dem Hinweis, dass Österreich »verschiedene Maßnahmen des griechischen Regimes bei zahlreichen Gelegenheiten, so insbesondere auch vor dem Europarat in Straßburg, entschieden […] verurteilt« und dass »überdies die österreichische Regierung, geleitet von rein humanitären Erwägungen, zu wiederholten Malen zugunsten von Einzelpersonen interveniert« habe. Österreich würde »auch in Zukunft für eine ehestbaldige und echte Rückkehr zur Demokratie« eintreten, die man »als alleinigen Garanten für einen dauerhaften Frieden in Griechenland und als die Lösung des leidvollen Problems der griechischen politischen Flüchtlinge« betrachte.198 Wie in anderen, die griechische Militärdiktatur betreffenden Angelegenheiten, so etwa in der Anerkennungsfrage, beabsichtigte Wien, bei einigen seiner humanitären Interventionsaktionen sein Handeln an dem »vergleichbarer Staaten« zu orientieren. Dies war z. B. der Fall, als das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (ikrk) Anfang 1970 angesichts der Knappheit der zur Verfügung stehenden Mittel, um seine »Rotkreuzaktion« in Griechenland weiter zu finanzieren, an mehrere europäische Staaten, darunter auch Österreich, mit dem Anliegen der finanziellen Unterstützung herantrat. Das ikrk unterhielt auf der Basis eines Abkommens mit dem griechischen Regime eine ständige Mission in Athen, die politische Gefangene und deren Familienangehörige betreute. Ihre Bedeutung war insofern groß, als sie die einzige internationale Organisation mit solch einer Funktion war. Der ikrk-Delegierte in Griechenland, Marty, hatte bereits im Januar 1970 Botschafter Steiner und andere ausländische Missionschefs in Griechenland über die angespannte finanzielle Situation der von ihm geleiteten ständigen Mission unterrichtet und von ihnen Geldspenden für die Weiterführung seiner humanitären Tätigkeit erbeten. Verantwortlich für die Notlage, in der sich die Aktion des Roten Kreuzes für griechische politische Häftlinge befand, machte er die Genfer Zentrale, die sich ausschließlich mit dem BiafraNigeria-Problem befassen und alle Ressourcen in diese Richtung leiten würde.199 Die erste Reaktion am Ballhausplatz auf das Ansuchen Martys war ablehnend. Eines der

198 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 256.907-6/Pol/73. Griechische politische Flüchtlinge. Intervention wegen Repatriierung. Schreiben an den Herrn Bundeskanzler. AV vom 12.12.1973  ; ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 257.806-6/Pol/73. Griechische politische Flüchtlinge. Intervention wegen Repatriierung. Schreiben an den Herrn Bundeskanzler. Kabinett vom 20.12.73. AV vom 8.1.1974. 199 ÖStA/AdR, BMfAA, Zl. 24-Res/70. Griechenland-Aktion des Internationalen Roten Kreuzes, zu ha. Bericht Zl. 169-A/70 (CHI-FS 25004) vom 4.1.1970. Steiner an das BMfAA vom 7.2.1970.

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größten Hindernisse sah man im Außenamt darin, dass die finanzielle Unterstützung auf Verlangen des Athener Militärregimes im Geheimen erfolgen müsste  : »Allein im Hinblick auf die vom ikrk als unerlässlich angesehene besondere Diskretion dürfte ein Beitrag der Bundesregierung nur schwer möglich sein, da ja Budgetmittel herangezogen werden müssten, deren Verwendung auch in der Öffentlichkeit zu vertreten wäre. Hingegen schiene es durchaus zweckmäßig, wenn Herr Marty vom Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten die Wege zu privaten Organisationen geebnet werden könnte.«200

Diese Position, der zufolge eine finanzielle Unterstützung der ständigen Mission des ikrk in Griechenland unter Ausschluss der österreichischen Öffentlichkeit unmöglich sei, änderte sich im Frühjahr 1970. Am 16. April hatte sich die Führung des ikrk an die österreichische Vertretung in Genf gewendet, um die Bitte an die Bundesregierung zu richten, »einen außerordentlichen Beitrag entweder direkt oder durch die Österreichische Gesellschaft vom Roten Kreuz zur Verfügung zu stellen«. Hinsichtlich der Höhe des Beitrags, der von Österreich erwartet wurde, machte man von Seiten der ikrk-Vertreter keine Angaben. Sie erwähnten lediglich gegenüber ihrem österreichischen Gesprächspartner, dass für die Erhaltung der GriechenlandMission bis Ende 1970 zusätzliche Mittel von insgesamt drei Millionen Schilling benötigt würden. Schließlich informierte man die österreichischen Behörden, dass das Militärregime diese Finanzaktion stillschweigend tolerieren werde, aber nur unter der Voraussetzung, dass ihre Durchführung mit »äußerster Diskretion« stattfinden würde. Die Bundesregierung entschied sich am 5. Mai zunächst für die Option, »eine Hilfe im Wege über die Österreichische Gesellschaft vom Roten Kreuz« bereitzustellen. Zugleich aber wurde »gebeten, die Praxis der Schweiz und Schwedens [in dieser Angelegenheit] zu erforschen, um sowohl den Weg anderer vergleichbarer Staaten als auch eine Größenordnung für die Hilfe kennen zu lernen«.201 Die Erforschung der schwedischen und schweizerischen Praxis ergab überraschenderweise, dass das »ikrk bisher an die br d, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Großbritannien, Österreich, Italien, Irland, nicht jedoch an die Schweiz herangetreten« war. »Sollte letzteres später der Fall sein«, so im Weiteren der österreichische Informationsstand bezüglich der Schweiz, »würde ein allfälliger Schweizer Beitrag direkt überwiesen«. Was die Haltung Schwedens betraf, ergaben die österreichischen Nachforschungen, dass 200 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 80.220-6/Pol/70, Vertretung Genf, Zl. 6346-A/69 vom 6.1.1970. IKRK, Griechenlandaktion. AV vom 31.1.1970. 201 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 85.283-6/Pol/70, Vertretung Genf, Zl. 1920-A/70 vom 17.4.70. Griechenlandaktion. Bitte um einen finanziellen Beitrag der Bundesregierung. AV vom 8.5.1970.

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»die schwedische Regierung beschlossen hat, einen Beitrag von 100.000 Skr, d. s. ca. 500.000 ö. S., zur Verfügung zu stellen« und dass sie »ihren Beschluss nicht veröffentlicht hat, um Schwierigkeiten mit der griechischen Regierung zu vermeiden«.202 Nachdem man außerdem in Wien in Erfahrung bringen konnte, dass die Niederlande und die br d den Weg der »direkten Überweisung« für ihren Unterstützungsbeitrag genutzt hatten, traf letztendlich die österreichische Regierung die Entscheidung, »eine Einschaltung der nationalen Rotkreuzgesellschaft auszuschließen« und stattdessen dem westdeutschen und niederländischen Beispiel zu folgen und »die direkte Überweisung durch die Vertretung in Genf vorzuziehen«. Der zu überweisende Betrag betraf 50.000 S, die Österreich infolge einer Anordnung Außenministers Kirchschläger »zu Lasten des Kredites 1/2008/7296 dem ikrk zur Griechenland-Aktion« zukommen ließ.203 Die Höhe des Betrags orientierte sich aller Wahrscheinlichkeit nach an den Beiträgen anderer Staaten, insbesondere an dem der br d von 25.000 DM und der Dänen, die eine Hilfe von ca. 50.000 S zur Verfügung gestellt hatten.204 Eine letzte Kategorie von österreichischen Interventionen bei der griechischen Junta, die an dieser Stelle erwähnt werden muss, sind die Interventionen, die zugunsten österreichischer Staatsbürger durchgeführten wurden. Ein Beispiel dafür ist der Fall des Korrespondenten der apa (Austrian Press Agentur) und des Österreichischen Rundfunks Heinz Gstrein, der sich aufgrund seiner regimekritischen Haltung stets im Visier der militärischen Machthaber in Athen befand. Während einer öffentlichen Kundgebung Anfang November 1968 in Athen war der österreichische Journalist verhaftet und noch auf offener Straße verhört und geschlagen worden.205 Botschafter Steiner, dem der Vorfall gemeldet wurde, »suchte am 5.  11.  1968 den Staatssekretär des Äußeren, Herrn Christopoulos, auf, dem er am Ende eines längeren Meinungsaustausches über die internationale Lage pflichtgemäß den Vorfall mit dem österreichischen Journalisten in Athen, Herrn Gstrein, vorbrachte«, wobei er ihm auch eine »Verbalnote überreichte, in der ein Protest und das Ersuchen ausgedruckt wurden, dass in der Zukunft solche Fälle vermieden werden«. Die Antwort Staatssekretärs Christopoulos bezeugt einmal mehr, dass sich das Regime von Interventionsversuchen wenig beeindrucken ließ. Zwar kündigte er eine Überprüfung der Angelegenheit an, fügte dennoch hinzu, »dass ähnliche Fälle es naturgemäß mit sich bringen, dass solche Vorkommnisse stattfinden können und aus diesem Grunde Aus-

202 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 85.283-6/Pol/70, Zl. 3672-A/70 vom 19.5.70. Griechenlandaktion. Bitte um finanzielle Unterstützung. Reaktionen Schwedens und der Schweiz. AV vom 9.6.1970. 203 Ebd. 204 Ebd. 205 Ansgar Skriver, Europas Bananenrepublik. Zwei Jahre Diktatur in Griechenland vom 18.4.1969. In  : Zeit Online, http://www.zeit.de/1969/16/europas-bananenrepublik (27.11.2014).

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länder es vermeiden sollten, sich in öffentliche Kundgebungen zu mischen«.206 Somit wurde Gstrein noch vor der angekündigten Untersuchung des Falles die Hauptschuld zugewiesen, da er nach Ansicht von Christopoulos den »Fehler« begangen hatte, an einer regimekritischen Kundgebung teilzunehmen bzw. diese im Rahmen seiner Korrespondententätigkeit zu begleiten. Österreich musste Gstrein noch zwei weitere Male bei seinen Problemen mit der Athener Militärregierung Beistand leisten. Im September 1969 erhielt man in Wien die Information, dass »die griechische Regierung beschlossen haben soll, die Ende September ablaufende Aufenthaltsbewilligung für apa-Korrespondenten nicht zu verlängern«. Daraufhin erteilte man umgehend der Botschaft in Athen den Auftrag, den »Sachverhalt zu erheben und zweckdienlich erscheinende Schritte zugunsten Gstreins durchzuführen«. Nachdem Botschafter Steiner in dieser Angelegenheit bei den griechischen Behörden vorgefühlt hatte, teilte er dem Außenamt mit, dass nach »Ansicht der österreichischen Botschaft in Athen, ein Gesuch um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung kaum Aussicht auf Erfolg haben würde«. Angesichts der geringen Erfolgsaussichten auf eine Aufenthaltsverlängerung sowie der vielen Schwierigkeiten, die die griechische Seite dem österreichischen Journalisten bei der Ausübung seines Berufes immer wieder bereitet hatte, entschied sich letztendlich Gstrein, »das Land vor Ablauf seiner Aufenthaltsgenehmigung am 16. 10. zu verlassen und keinen Antrag auf Erneuerung der Aufenthaltsgenehmigung zu stellen«.207 Obwohl der österreichische Journalist keinen Versuch unternahm, in Griechenland weiter zu arbeiten und das Land auch schließlich im Oktober 1970 verließ, setzten sich seine Probleme mit dem Obristenregime fort. Im März 1970 sah sich Botschafter Steiner erneut veranlasst, eine Intervention im griechischen Außenministerium vorzunehmen, da die griechischen Behörden Gstrein die Möglichkeit verwehrten, seine noch bestehende Wohnung in Athen aufzulösen. Der österreichische Missionschef ersuchte Geschäftsträger Petrounakos darum, »auch seinerseits seinen vorgesetzten Behörden den Wunsch Österreichs nach einer Aufhebung der gegen Dr. Gstrein verfügten Maßnahmen zur Kenntnis zu bringen«. Petrounakos nahm gegenüber dem österreichischen Ansuchen eine harte Position ein, indem er Botschafter Steiner wissen ließ, dass »seine Regierung einer Einreise Gstreins nach Griechenland aus beruflichen Gründen nicht mehr zustimmen würde«, da dieser »in den zwei Jahren, die er als Korrespondent in Griechenland verbracht habe, laufend

206 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 129514-6/68. Mitteilung des BMfAA in der Wiener Zeitung vom 6.11.Vorsprache des griechischen Botschafters. AV vom 15.11.1968. 207 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 164020-6/Pol/69, Depesche [Ohne E-B.Zl.] . CHI-FS 55035 (164020-6/69). ÖBA an das BMfAA vom 24.9.69  ; ÖStA/AdR, BMfAA [Ohne Gr.Zl.]. Dr. Heinz Gstrein. APA-Korrespondent in Griechenland. Bericht in der NZZ über seine beabsichtigte endgültige Ausreise aus Griechenland. AV vom 30.9.1969.

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falsche Meldungen über die Verhältnisse in diesem Land ins Ausland weitergegeben […] und die österreichisch-griechischen Beziehungen geschädigt habe«. Steiner versuchte es einige Tage später »in der Sache Dr. Gstrein« erneut, indem er dieses Mal bei Geschäftsträger Tranos vorsprach. Aber auch von ihm bekam er »mitgeteilt, dass die griechischen Behörden keine Einreise Gstreins unter welchem Titel immer, genehmigen werden«. Das einzige Zugeständnis, das Steiner den griechischen Behörden abringen konnte, war dass sich diese bereit erklärten, der Ehefrau Gstreins »die Einreise zur Regelegung der Übersiedlung zu gestatten«.208

Schlussbetrachtung Obwohl in Athen seit 1964 Botschafter Steiner im Amt war, der sehr aufmerksam die innenpolitischen Entwicklungen Griechenlands verfolgte und Wien detailliert darüber informierte, kam für Österreich, wie auch für alle anderen Staaten, der Staatsstreich des 21. April überraschend. Es war nicht nur, dass die österreichische Botschaft in Athen das länger schon in der griechischen Öffentlichkeit zirkulierende Szenario eines möglichen Putsches für unglaubwürdig hielt und als »linkes Hirngespinst« abtat. Für noch größere Überraschung und Verwirrung als der Staatsstreich selbst sorgte die Nachricht über den Urheber dieses Coup d’État, nämlich eine unbekannte Gruppe von Obristen, die ihre militärischen Vorgesetzten sowie den König, den Oberbefehlshaber der griechischen Streitkräfte, übergingen und die Macht an sich rissen. In der Frage des Umgangs mit dem neuen Regime orientierte sich mehrmals das neutrale Österreich an dem Verhalten anderer Staaten, insbesondere »vergleichbarer Staaten«, wie etwa der Schweiz und Schwedens. Dies war nicht nur in der Anfangsphase der Militärdiktatur, sondern während der ganzen Zeit ihres siebenjährigen Bestehens der Fall. Bei Angelegenheiten betreffend die Athener Junta waren die österreichischen Regierungen von Klaus und Kreisky in der Regel bemüht, zunächst die Haltung »vergleichbarer Staaten« zu erkunden und dann die österreichische soweit wie möglich damit abzustimmen. Nach Einschätzung des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten pflegte Österreich zum diktatorischen Griechenland über den gesamten Zeitraum der sieben Jahre »korrekte«, dennoch von »Reserviertheit« gekennzeichnete Beziehungen. Die Neutralität Österreichs spielte in der Griechenland-Frage als Argument in vielerlei Hinsicht eine wichtige Rolle. Von Seiten der österreichischen Regierungen berief man sich konsequent darauf, wenn es vor allem darum ging, die Weiterführung der diplomatischen Beziehungen zum Athener Militärregime und die Nicht208 ÖStA/AdR, BMfAA, Gr.Zl. 131471-Pol/70. Dr. Heinz Gstrein Einreiseverbot für Griechenland. Gespräch mit dem griechischen Geschäftsträger. AV vom 19.3.1970.

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Einmischung in die inneren Angelegenheiten Griechenlands gegenüber Kritikern dieser Politik zu rechtfertigen. Die Unterstützer einer entgegengesetzten Politik, die eine Unterbrechung jeden Kontakts mit den militärischen Machthabern in Athen und die strikte Verurteilung des Regimes forderten, sahen wiederum genau in dieser Neutralität Österreichs eine günstige Voraussetzung dafür, dass Wien eine federführende Rolle bei der Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse in Griechenland übernehmen könnte. Auch andere Staaten versuchten Wien dazu zu überreden, indem sie auf die österreichische Neutralität verwiesen. Die Neutralität wurde als Argument sowohl für wie gegen eine »moderate« Politik Österreichs gegenüber der griechischen Junta eingesetzt. Es ist schwierig, eine eindeutige Aussage zu der Junta-Politik der österreichischen Regierungen zwischen 1967–1974 zu treffen, da diese mehrere Widersprüche in sich beinhaltete  : So versuchte etwa auf der einen Seite die konservative Regierung Klaus, den Austritt Griechenlands aus dem Europarat wegen schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und ernte dafür den Dank des Regime, rief aber auf der anderen Seite den Unmut der Athener Obristen hervor, indem sie die Besuchsdiplomatie komplett einstellte und prominenten Exilgriechen erlaubte, ihren international angelegten »antidiktatorischen Kampf« auch in Österreich aufzunehmen. Ebenso von Gegensätzen gekennzeichnet war die Griechenland-Politik der sozialdemokratischen Regierungen. Während sich die spö schon in den Jahren der Opposition mit den Regimegegnern solidarisch gezeigt hatte und später als Regierung zahlreiche »humanitäre Interventionen« zugunsten politischer Gefangener vornahm, kam es ausgerechnet in der Zeit ihrer Regierungsverantwortung unter Kreisky zu einer Zunahme der Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern und sogar zum ersten offiziellen Besuch eines Junta-Ministers in Österreich. Die Junta-Politik der österreichischen Regierungen war von Anfang an ambivalent und blieb auch bis zum Ende der griechischen Militärdiktatur im Wesentlichen eine Gratwanderung zwischen der Unterstützung der Rückkehr Griechenlands zu demokratischen Verhältnissen und eines hauptsächlich von wirtschaftlichen Interessen bestimmten Pragmatismus, der in ökonomierelevanten Bereichen zum Kontakt und zur Zusammenarbeit mit der griechischen Junta führte. Somit unterschied sich die Politik Österreichs gegenüber dem Obristenregime wenig von der der meisten anderen Staaten, die sich für die Rückkehr Griechenlands zur Demokratie stark machten, während sie gleichzeitig mit der Athener Militärdiktatur Verträge zur ökonomischen und militärischen Zusammenarbeit abschlossen. Dass Österreich trotz dieser »realpolitischen« Grundeinstellung ein hohes Ansehen als Unterstützer der griechischen Demokratie genoss, verdankt es hauptsächlich Privatinitiativen, wie etwa den zahlreichen Aktionen des Vereins der Freunde der Griechischen Demokratie, der vom früheren Vize-Kanzler und Vorsitzenden der Sozialistischen Internationalen Bruno Pittermann geführt wurde.

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Abbildungen Griechenland

Abb. 1  : Die erste Junta-Regierung, angelobt von König Konstantin II. (in der Mitte) am 21.4.1967. Erste Reihe unten links  : Staatskanzleiminister Georgios Papadopoulos. Zweite Reihe, direkt hinter dem König links  : Koordinationsminister Nikolaos Makarezos. Rechts hinter dem König  : Innenminister Stylianos Pattakos (APA-Picturedesk).

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Abb. 2  : Melina Merkouri bei ihrer Pressekonferenz zur griechischen Junta, Wien, im März 1968 (APA-Picturedesk).

Die Beziehungen Österreichs zur griechischen Junta Abb. 3  : Die Fassade der griechischen Botschaft in Wien, Argentinierstraße 14, im Mai 1968 (APA-Picturedesk).

Abb. 4  : Andreas Papandreou mit Bruno Pittermann im April 1970 in Wien (APA-Picturedesk).

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Adamantios T. Skordos Abb. 5  : Botschafter a. D. Ludwig Steiner als Vorsitzender des Österreichischen Versöhnungskomitees im Dezember 2004 (APA-Picturedesk).

Abb. 6  : Demonstration gegen die griechische Militärdiktatur in Graz am 4.5.1973 (Archiv für Gesellschaftsgeschichte – ASKI, Athen).

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Abb. 7  : Aktion gegen die griechische Junta in Graz am 28.7.1972 (Archiv für Gesellschaftsgeschichte – ASKI, Athen).

Abb. 8  : Aktion gegen die griechische Junta in Graz am 21.4.1971 aus Anlass des 4. Jahrestages des Staatsstreiches (Archiv für Gesellschaftsgeschichte – ASKI, Athen).

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Adamantios T. Skordos

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Die Beziehungen Österreichs zur griechischen Junta

325

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Personenregister Adenauer, Konrad, 37, 61 Ailianos, Konstantinos, 274, 284 Allmayer-Beck, Johann, 75 Androsch, Hannes, 104, 111 Anschutz, Norbert, 252 Apostolakos, Christos, 283 Arapakis, Petros, 246 Averof, Evangelos, 246 Bacher, Gerhard, 45, 59, 116 Balopoulos, Michalis, 295 Balzen, Hartwig, 39 Barcenas, Juan, 49–51, 53 Beda-Döbrentei, Gabriel, 60–61 Benya, Anton, 101, 109 Bielka, Erich, 55, 98, 101, 175 Bischoff, Norbert, 135, 137–138, 142, 157 Blecha, Karl, 193 Bobleter, Carl Heinz, 76 Bock, Fritz, 68, 72, 77, 80, 86, 295–296 Bonanos, Grigorios, 246 Bragança, Adelaide, 196 Bragança, Duarte Nuno, 186, 194–195, 197 Bragança, Filipa, 196 Brandt, Willy, 77, 82, 92, 100, 104, 289 Breisky, Hubert von, 214

Craveiro Lopes, Francisco, 148, 150, 161, 182, 206 Cunha, Paulo, 146, 149, 195 Cunha, Vasco da, 150 Czernetz, Karl, 95, 105, 279 Daes, Erica, 312 Dalma, Alfons, 45, 46, 59, 116 Davos, Ioannis, 246 Degrelle, Léon, 33 Delgado, Humberto, 189, 191–193 Derkowitsch, Klaus, 94 Dignös, Oscar, 31, 84 Dollfuß, Engelbert, 147, 224 Drimmel, Heinrich, 70, 71–72, 77

Ehrlich, Aba, 160, 220–222 Eijo Garay, Leopoldo, 40 Ender, Rudolf, 152, 173, 187–189, 210–212 Erice, José Sebastian de, 46, 55, 56, 66, 67, 71–72, 76, 77 Ermacora, Felix, 273–274 Fernández de Valderrama, Gabriel, 89, 90 Figgures, Frank, 164 Figl, Leopold, 35, 44, 48–49, 51, 53–56, 58, 60, 61, 72, 151, 218 Filz, Erich, 41, 42, 63–56, 69, 121, 143–148, 183– 185, 187, 190, 195, 202, 204, 206 Cabral, Amílcar, 201 Firnberg, Hertha, 276 Caeiro da Mata, José, 138 Forster, Franz, 294, Caetano, Marcello, 182, 187, 189–190, 201 Fraga Iribarne, Manuel, 75, 97, 100, 102 Calice, Heinrich, 213 Franco, Francisco, 21–25, 29, 31, 35, 37, 38, 40–45, Canaval, Gustav, 44–46, 59, 70, 74, 116 46, 58–59, 68, 69, 78–79, 80, 86, 88, 91, 93, 98, Carlos, Juan, 16, 43, 86, 91, 93, 96–99, 101, 103, 105, 183–184 107–109, 111–114, 118–119, 124, 125 Franz Ferdinand (Habsburg), 225 Carmona, António Óscar de Fragoso, 195 Fthenakis, Emmanouil, 287, Carrero Blanco, Luis, 75, 91, 92 Funder, Friedrich, 22, 44 Casa Rojas, José de, 47–48 Castiella, Fernando María, 63, 80, 81, 86–87, 117 Galatsanos, Andreas, 246 Choriatopoulos, Antonis, 291–295 Galler, Anton, 32 Correia de Oliveira, José, 162–163, 174 Galván, Enrique Tierno, 97, 103

328

Personenregister

Ganas, Stefanos, 284 Gantonas, Dimitrios, 294 Garin, Vasco, 229 Garoufalias, Petros, 241 García Barrado, Manuel, 112 García Comín, Eduardo, 22, 24 Gaupp-Berghausen, Georg von, 98 Gavras, Costa, 284 Georg I, König, 241 Georg II, König 241 Gerstenmaier, Eugen, 58 Gil Robles, José Maria, 20, 97, 102 Gizikis, Faidon, 246 Gohn, Hermann, 190, 212–213, 216 González, Felipe, 78, 92, 96–97, 99, 100, 102, 104, 108, 114 Gorbach, Alfons, 74, 75 Granser, Günther, 295 Gratz, Leopold, 99, 110, 155, 279 Gruber, Karl, 34, 39, 64–66, 76, 117, 141, 144, 218 Gstrein, Heinz, 315–317 Gunert, Johann, 83–84 Habsburg, Otto von, 14, 42–44, 60–61, 74, 76, 116– 117, 122, 195–197, 218 Hafner, Paul Maria, 32 Haitz, Elisabeth, 311 Halusa, Arno, 34, 36, 40, 41, 143, 180–183, 195, 197–198, 218–219, 221 Haymerle, Heinrich, 51–55, 58, 80, 276–278, 328 Heible, Gerhard, 64, 65 Hefel, Ernst, 45, 75 Hiltl, Eleonora, 45, 59, 70, 72 Hinteregger, Gerald, 92–93, 96–99, 102, 104, 106, 109–111, 113–114, 118 Hitler, Adolf, 187 Hochwälder, Fritz, 279 Höller, Wolfgang, 30, 55, 86–87, 90–92 Hohenlohe-Langenburg, Max Egon, 26, 31 Horthy, Miklós, 196 Houten van, H. R., 300 Hoyos, Maximilian, 22 Hoyos-Sprinzenstein, Rudolf, 22 Hurdes, Felix, 61, 72, 220, 224 Hyvärinen, Risto, 259 Ignacio Escobar, José, 43, 44, 58–60

Ioannidis, Dimitrios, 244–245 Innitzer, Theodor, 39, 61 Jakoncig, Guido, 59, Jankowitsch, Peter, 276, 312 Jäger, Richard, 58, 76 Johnson, Lyndon B., 212 Karagiorgas, Sakis, 306 Karamanlis, Konstantinos, 238–240, 246 Karamanlis, Nikolaos, 307–312 Karl I. (Habsburg), 225 Kirchschläger, Rudolf, 55, 77, 87–91, 93, 101, 112, 124, 298, 313, 315 Kisinger, Henry, 245 Klaus, Josef, 45, 74, 75, 80, 87, 116, 153, 256, 282, 285, 300 Knitel, Hans, 312 Kolb, Ernst, 219 Körner, Theodor, 56, 217 Koller, Simon, 236, 254, 261, 285, 295–296, 306, 308–311 Kollias, Konstantinos, 243, 253–254 Konstantin I, König, 241 Konstantin II, König, 240–244, 246, 254–260, 268, 298–300, 317, 319 Krag, Jens Otto, 267 Kranzlmayr, Otto, 276 Kreisky, Bruno, 52–54, 65, 73, 77, 80, 86–87, 89, 92, 95, 97–109, 112, 114, 117–119, 124, 125, 151, 153, 174, 210, 227, 248, 275–276, 279, 283–288, 292, 300, 310- 313, 317–318 Kroll, Gerhard, 42 Konecny, Albrecht, 94 Koulis, Ioannis, 287 Kountouriotis, Alexandros, 302 Lamprakis, Grigoris, 237 Lanner, Sixtus, 102 Laval, Pierre, 33 Lazar, Josef Hans, 27–31, 59, 115 Lechner, Hans, 75 Ledebour, Graf Josef, 27, 31, 34 Lithoxopoulos, Konstantinos, 306 Lithoxopoulos, Nikolaos, 306–307 López Bravo, Gregorio, 86, 87, 89 López Rodó, Laureano, 91, 93, 102

Personenregister Lorenz, Willy, 45, 59, 116 Lütgendorf, Karl, 98, 99 Lovrek, August, 45 Lumumba, Patrice, 212 Maisel, Karl, 39 Makarezos, Nikolaos, 242–243, 286–288, 291, 293, 295, 319 Makarios, Präsident, 245 Manzanares, Carlos, 37, 51, 53–55 Marek, Bruno, 275 Mata, Enrique de la, 101, 109, 110, 118 Mathias, Marcello, 140–141 Matscher, Franz, 36, 62, 120, 121 Martín-Artajo, Alberto, 31–32, 39, 42–43, 46, 50, 53, 62, 63 Matscher, Franz, 36, 62, 120, 121 Merkatz, Hans-Joachim von, 57, 58 Merkouri, Melina, 274–285, 288, 320 Metaxas, Ioannis, 241 Metternich, Klemens Wenzel von, 223 Michelet, Edmond, 57, 74, 76 Miguel I. (Bragança), 197, 225 Miksche, Ferdinand Otto, 218 Miliaresis, Konstantinos, 309, 311 Möbius, Reinhold, 59 Molden, Fritz, 45, 116 Mondlane, Eduardo, 201 Mussolini, Benito, 187 Nasser, Gemal Abdel, 249 Navarro Rubio, Mariano, 68, 69 Nehru, Jawaharlal (Pandit), 205 Nenning, Günter, 94, 95 Nikolakopoulos, Ilias, 238 Nikolareïsis, Dimitrios, 265–266 Nogueira, Franco, 151, 153–154, 165, 169, 230 Norton de Matos, Luis, 151 Obrador, Damían Barceló, 87, 99, 100–103, 106– 108, 118 Olah, Franz, 256, 259, 268 Olsen, Finn, 310 Oreja, Marcelino, 101, 102, 105–106, 111, 113, 114, 115, 118 Orlitsch, Josef, 53–54, 117 Otto I, König, 241

329

Pahr, Willibald, 104–106, 118 Pallantios, Athanasios, 294 Panagoulis, Alexandros, 301–306, 308 Papagiannidis, Konstantinos, 295 Papagos, Alexandros, 239 Papadopoulos, Georgios, 242–247, 249, 253, 255– 259, 261, 286–287, 301, 303–304, 319 Papandreou, Andreas, 240, 242, 246, 248–253, 271, 274, 282–285, 297, 321 Papandreou, Georgios, 239–242 Papanikolaou, Alexandros, 246 Pappas, Andreas, 265, 274 Pattakos, Stylianos, 242–243, 279, 290, 296–297, 319 Paul I, König, 241 Peimsipp, Walther, 272 Pereira da Cunha, Vasco, 145, 147 Pérez Escolar, Rafael, 100, 102 Pernegger, Franz, 236, 260–261, 311 Petrounakos, Dimitrios, 316 Pezopoulos, Georgios, 287 Pfoch, Hubert, 279 Pichler, Erich, 259 Pile, Miguel de Almeida, 149, 205 Pinto de Lemos, Abílio de Andrade, 151, 192 Pipinelis, Panagiotis, 258, 270–272, 282 Pirkham, Otto Peter, 26, 27 Pittermann, Bruno, 72, 77, 276–281, 283–284, 288, 292, 301, 310, 318, 321 Pla y Deniel, Enrique, 38–39, Plastiras, Nikolaos, 239 Platzer, Wilfried, 300 Podolsky, Otto, 301, Porges, Alfred, 301 Portisch, Emil, 224 Portisch, Hugo, 225 Probst, Otto, 73, 279 Protopappas, Charalambos, 309–310 Raab, Julius, 44, 45, 57, 61, 69, 72, 217, 220, 223, 224 Rabus, Karl, 287, 290- 292, 296 Randa, Alexander, 75 Rauter-Schurian, Juan, 34 Redondo, Nicolas, 109 Reichart, Wilhelm, 59 Reimann, Viktor, 45 Royo Villanova, Segismundo, 77 Ruiz, José Solis, 77

330

Personenregister

Sakskoburggotski, Simeon (Simeon II.), 97, 98, 122 Salazar, António de Oliveira, 134–137, 139, 143, 150, 153, 161, 166, 173, 176, 180–192, 196–197, 201, 214–217, 220, 223–224, 226, 230 Sanchez-Bello, Alfredo, 42, 43 Schallenberg, Wolfgang, 35, 36 Schima, Hans, 224 Schlumberger, Georg, 280, 283 Schmid, Heinrich, 144 Scheidl, Josef, 59, 72 Schuschnigg, Kurt, 23, 44, 224 Scrinzi, Otto, 178, 281 Seefried, Franz Josef, 30–34, 50, 71, 115 Seemann, Rudolf, 146–149, 195 Skorzeny, Otto, 31–33, 115 Soares, Mário, 99 Sokol, Hans, 214 Soronics, Franz, 283 Spantidakis, Georgios, 242 Spitzy, Reinhard, 26–27, 29 Stalin, Josef, 144, 149, 187 Standenat, Heinrich, 78, 79, 80, 82–83, 85, 117 Staribacher, Josef, 90, 291–293 Steiner, Ludwig, 235, 246–252, 254–258, 262–263, 270, 285–294, 297–298, 302–308, 311, 313, 315–317, 322 Stepan, Karl Maria, 59 Strachwitz, Ernst, 45 Strauß, Franz Joseph, 57, 75 Ströer, Alfred, 73, 109 Suárez, Adolfo, 100, 101–102, 105, 107, 109 Súñer, Ramón Serrano, 29–31, 84 Taus, Josef, 86, 101 Tertsch, Ekkehard, 27, 115 Theodorakis, Mikis, 279 Thür, Hans, 45, 75

Tončić-Sorinj, Lujo, 15, 36, 45, 48, 74, 80, 116, 153–154, 167, 175–177, 179, 214–216, 219–220, 227, 229, 248, 255, 265, 268, 297 Triantafyllakos, Konstantinos, 263, 271–274, 276–283 Trikoupis, Charilaos, 241 Tursky, Johann, 47–48 Ullastres, Alberto, 68, 75, 78 Valadão, Ramiro, 134 Venizelos, Eleftherios, 241 Venizelos, Sofoklis, 239 Villacieros, Antonio, 59, 112 Vollgruber, Alois, 49, 50, 51, 138–141, 144–145 Voulgari, Eleni, 309–311 Waldbrunner, Karl, 152 Waldburg-Zeil, Erich von, 43 Waldheim, Kurt, 55–56, 86, 87, 123, 154, 175–179, 227, 250, 259, 263–264, 269, 271, 275, 280–281, 301 Weinbacher, Jakob, 38–39 Weisbier, Erich, 77, 78 Wildner, Heinrich, 39, 205 Wildmann, Karl, 50, 51, 146 Wildner, Clemens, 56, 57, 60–63, 65, 120, 121 Willfort, Johannes, 259 Winterstein, Claus, 150–152, 169, 192, 207, 222 Wolf, Franz Ferdinand, 45, 116 Wotawa, Richard, 236, 249, 251–252, 256, 266 Zigdis, Ioannis, 309–310 Zita, von Bourbon-Parma, 225 Zografos, Alexandros, 309, 311–312 Zoitakis, Georgios, 244, 256–257, 260 Zorin, Valerian, 229

Die Autoren Stefan A. Müller studierte in Graz, Madrid und Wien. Arbeitsschwerpunkte europäische Zeitgeschichte und internationale Beziehungen. Seit 2006 freier Historiker, Autor und Journalist. Redakteur für die Österreich-Seiten der ZEIT. David Schriffl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Neuzeit- und Zeit­ geschichtsforschung der österreichischen Akademie der Wissenschaften. Forschungs­ schwerpunkte sind die österreichisch-slowakischen Beziehungen, Österreich und Portugal in Beziehung und Vergleich sowie die Geschichte Mittel- und Ostmitteleuropas. Adamantios T. Skordos ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig. Er forscht und lehrt zur modernen Geschichte Südosteuropas.

SCHRIFTENREIHE DES FORSCHUNGSINSTITUTES FÜR POLITISCH-HISTORISCHE STUDIEN DER DR.-WILFRIED -HASLAUER-BIBLIOTHEK HERAUSGEGEBEN VON ROBERT KRIECHBAUMER, HUBERT WEINBERGER UND FRANZ SCHAUSBERGER EINE AUSWAHL

BD. 22 | ROBERT KRIECHBAUMER DIE ÄRA KREISKY

BD. 17 | ROBERT KRIECHBAUMER

ÖSTERREICH 1970–1983 IN DER

EIN VATERLÄNDISCHES BILDERBUCH

HISTORISCHEN ANALYSE, IM URTEIL DER

PROPAGANDA, SELBSTINSZENIERUNG

POLITISCHEN KONTRAHENTEN UND IN

UND ÄSTHETIK DER VATERLÄNDISCHEN

KARIKATUREN VON IRONIMUS

FRONT 1933–1938

2006. XIII, 553 S. 31 KARIKATUREN. GB.

2002. 272 S. 263 S/W-ABB. GB.

ISBN 978-3-205-77262-0

ISBN 978-3-205-77011-4 BD. 23 | ROBERT KRIECHBAUMER (HG.) BD. 18 | FRANZ SCHAUSBERGER (HG.)

ÖSTERREICH! UND FRONT HEIL!

ENGAGEMENT UND BÜRGERSINN

AUS DEN AKTEN DES

HELMUT SCHREINER ZUM GEDENKEN

GENERALSEKRETARIATS DER

2002. 471 S. ZAHLR. S/W-ABB. AUF 36 TAF.

VATERLÄNDISCHEN FRONT

GB. MIT SU | ISBN 978-3-205-77072-5

INNENANSICHTEN EINES REGIMES 2005. 436 S. GB. MIT SU.

BD. 19 | LAURENZ KRISCH

ISBN 978-3-205-77324-5

ZERSPRENGT DIE DOLLFUSSKETTEN DIE ENTWICKLUNG DES NATIONAL­

BD. 25 | ULRIKE ENGELSBERGER,

SOZIALISMUS IN BAD GASTEIN BIS 1938

ROBERT KRIECHBAUMER (HG.)

2003. 272 S. 16 S/W-ABB. 156 TAB. UND

ALS DER WESTEN GOLDEN WURDE

GRAFIKEN. GB. MIT SU.

SALZBURG 1945–1955 IN US­

ISBN 978-3-205-77129-6

AMERIKANISCHEN FOTOGRAFIEN 2005. 270 S. 263 S/W-ABB. GB. MIT SU.

BD. 20 | OSWALD PANAGL,

ISBN 978-3-205-77325-2

ROBERT KRIECHBAUMER (HG.) STACHEL WIDER DEN ZEITGEIST

BD. 26 | FRANZ SCHAUSBERGER

POLITISCHES KABARETT, FLÜSTERWITZ

ALLE AN DEN GALGEN!

UND SUBVERSIVE TEXTSORTEN

DER POLITISCHE »TAKEOFF« DER

2004. 216 S. BR | ISBN 978-3-205-77199-9

»HITLERBEWEGUNG« BEI DEN SALZBURGER GEMEINDEWAHLEN 1931

BD. 21 | OSKAR DOHLE,

2005. 278 S. 29 S/W-ABB. GB. MIT SU.

NICOLE SLUPETZKY

ISBN 978-3-205-77340-5

ARBEITER FÜR DEN ENDSIEG ZWANGSARBEIT IM REICHSGAU SALZBURG 1939–1945 2004. 254 S. 47 S/W-ABB. BR.

SQ472

ISBN 978-3-205-77255-2

böhlau verlag, wiesingerstrasse 1, a-1010 wien, t: + 43 1 330 24 27-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

SCHRIFTENREIHE DES FORSCHUNGSINSTITUTES FÜR POLITISCH-HISTORISCHE STUDIEN DER DR.-WILFRIED -HASLAUER-BIBLIOTHEK BD. 27 | ROBERT KRIECHBAUMER (HG.)

BD. 31 | HERBERT DACHS ,

»DIESES ÖSTERREICH RETTEN«

ROLAND FLOIMAIR, HERBERT MOSER,

PROTOKOLLE DER CHRISTLICH­

FRANZ SCHAUSBERGER (HG.)

SOZIALEN PARTEITAGE DER ERSTEN

WOLFGANG RADLEGGER

REPUBLIK

EIN MITGESTALTER SEINER ZEIT

2006. 485 S. GB. MIT SU.

2007. 196 S. 32 S/W-ABB. GB.

ISBN 978-3-205-77378-8

ISBN 978-3-205-77590-4

BD. 28 | HERBERT DACHS (HG.)

BD. 32 | RICHARD VOITHOFER

ZWISCHEN WETTBEWERB

POLITISCHE ELITEN IN SALZBURG

UND KONSENS

EIN BIOGRAFISCHES HANDBUCH

LANDTAGSWAHLKÄMPFE IN ÖSTER­

1918 BIS ZUR GEGENWART

REICHS BUNDESLÄNDERN 1945–1970

2007. XXIV, 374 S. 24 S/W-ABB. GB.

2006. 469 S. 56 S/W-ABB. UND ZAHLR.

ISBN 978-3-205-77680-2

TAB. BR | ISBN 978-3-205-77445-7 BD. 33 | ROBERT KRIECHBAUMER BD. 29 | CHRISTIAN DIRNINGER,

ZEITENWENDE

JÜRGEN NAUTZ, ENGELBERT THEURL,

DIE SPÖ­FPÖ­KOALITION 1983–1987 IN

THERESIA THEURL

DER HISTORISCHEN ANALYSE, AUS DER

ZWISCHEN MARKT UND STAAT

SICHT DER POLITISCHEN AKTEURE UND

GESCHICHTE UND PERSPEKTIVEN DER

IN KARIKATUREN VON IRONIMUS

ORDNUNGSPOLITIK IN DER ZWEITEN

2008. 626 S. 16 KARIKATUREN. GB.

REPUBLIK

ISBN 978-3-205-77770-0

2007. 555 S. ZAHLR. TAB. UND GRAFIKEN. GB | ISBN 978-3-205-77479-2

BD. 35 | FRANZ SCHAUSBERGER (HG.) GESCHICHTE UND IDENTITÄT

BD. 30 | HEINRICH G. NEUDHART

FESTSCHRIFT FÜR ROBERT KRIECH­

PROVINZ ALS METROPOLE

BAUMER ZUM 60. GEBURTSTAG

SALZBURGS AUFSTIEG ZUR FACH­

2008. 504 S. GB. MIT SU.

MESSE­HAUPTSTADT ÖSTERREICHS

ISBN 978-3-205-78187-5

VON DEN ANFÄNGEN BIS ENDE DER 1970ER JAHRE

BD. 36 | MANFRIED RAUCHENSTEINER (HG.)

2006. 191 S. 27 S/W-ABB. 26 TAB. GB.

ZWISCHEN DEN BLÖCKEN

ISBN 978-3-205-77508-9

NATO, WARSCHAUER PAKT UND ÖSTERREICH 2010. 817 S. ZAHLR. S/W-ABB. KT. TAB. UND GRAFIKEN. GB. MIT SU.

SQ472

ISBN 978-3-205-78469-2

böhlau verlag, wiesingerstrasse 1, a-1010 wien, t: + 43 1 330 24 27-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

SCHRIFTENREIHE DES FORSCHUNGSINSTITUTES FÜR POLITISCH-HISTORISCHE STUDIEN DER DR.-WILFRIED -HASLAUER-BIBLIOTHEK BD. 37 | REINHARD KRAMMER,

BD. 41 | HERBERT DACHS, CHRISTIAN

FRANZ SCHAUSBERGER,

DIRNINGER, ROLAND FLOIMAIR (HG.)

CHR ISTOPH KÜHBERGER (HG.)

ÜBERGÄNGE UND VERÄNDERUNGEN

DER FORSCHENDE BLICK

SALZBURG VOM ENDE DER 1980ER

BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE ÖSTER­

JAHRE BIS INS NEUE JAHRTAUSEND

REICHS IM 20. JAHRHUNDERT

2013. 893 S. 38 S/W-ABB. UND GRAFIKEN

FESTSCHRIFT FÜR ERNST HANISCH

GB. MIT SU | ISBN 978-3-205-78721-1

ZUM 70. GEBURTSTAG 2010. 505 S. 3 S/W-ABB. ZAHLR. TAB. UND

BD. 42 | ROBERT KRIECHBAUMER,

GRAFIKEN. GB. MIT SU.

PETER BUSSJÄGER (HG.)

ISBN 978-3-205-78470-8

DAS FEBRUARPATENT 1861 ZUR GESCHICHTE UND ZUKUNFT DER

BD. 38 | ERNST BEZEMEK,

ÖSTERREICHISCHEN LANDTAGE

MICHAEL DIPPELREITER

2011. 238 S. 7 S/W-ABB. GB. MIT SU.

POLITISCHE ELITEN IN

ISBN 978-3-205-78714-3

NIEDERÖSTERREICH EIN BIOGRAPHISCHES HANDBUCH

BD. 43 | ROBERT KRIECHBAUMER ,

1921 BIS ZUR GEGENWART

FRANZ SCHAUSBERGER (HG.)

2011. 393 S. 14 S/W-ABB. GB. MIT SU.

DIE UMSTRITTENE WENDE

ISBN 978-3-205-78586-6

ÖSTERREICH 2000–2006 2013. 848 S. ZAHLR. FARB. UND S/W-ABB.,

BD. 39 | HUBERT STOCK

TAB. UND GRAFIKEN. GB. MIT SU.

»… NACH VORSCHLÄGEN DER VATER-

ISBN 978-3-205-78745-7

LÄNDISCHEN FRONT« DIE UMSETZUNG DES CHRISTLICHEN

BD. 45 | ROBERT KRIECHBAUMER

STÄNDESTAATES AUF LANDESEBENE,

UMSTRITTEN UND PRÄGEND

AM BEISPIEL SALZBURG

KULTUR­ UND WISSENSCHAFTSBAUTEN

2010. 185 S. 40 S/W-ABB. ZAHLR. GRAFI-

IN DER STADT SALZBURG 1986–2011

KEN UND TAB. BR.

2012. 268 S. 64 FARB. ABB. GB.

ISBN 978-3-205-78587-3

ISBN 978-3-205-78860-7

BD. 40 | RICHARD VOITHOFER

BD. 46 | ROBERT KRIECHBAUMER

»… DEM KAISER TREUE UND

ZWISCHEN ÖSTERREICH UND

GEHORSAM …«

GROSSDEUTSCHLAND

EIN BIOGRAFISCHES HANDBUCH DER

EINE POLITISCHE GESCHICHTE DER

POLITISCHEN ELITEN IN SALZBURG

SALZBURGER FESTSPIELE 1933–1944

1861 BIS 1918

2013. 445 S. 70 S/W-ABB. UND 8 TAB. GB.

2011. 195 S. 10 S/W-ABB. BR.

MIT SU | ISBN 978-3-205-78941-3

SQ472

ISBN 978-3-205-78637-5

böhlau verlag, wiesingerstrasse 1, a-1010 wien, t: + 43 1 330 24 27-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

SCHRIFTENREIHE DES FORSCHUNGSINSTITUTES FÜR POLITISCH-HISTORISCHE STUDIEN DER DR.-WILFRIED -HASLAUER-BIBLIOTHEK BD. 47 | ROBERT KRIECHBAUMER

BD. 51 | CHRISTIAN DIRNINGER, THOMAS

»... STÄNDIGER VERDRUSS UND VIELE

HELLMUTH, ANTON THUSWALDNER

VERLETZUNGEN.«

SALZKAMMERGUT SCHAUEN

DIE REGIERUNG KLIMA/SCHÜSSEL

EIN BLICK INS UNGEWISSE

UND DIE BILDUNG DER ÖVP­FPÖ­REGIE­

REGIONALE IDENTITÄTEN 1

RUNG. ÖSTERREICH 1997–2000

2015. 236 S. 23 S/W-ABB. GB. MIT

2014. 432 S. 54 TAB. GB. MIT SU.

SU | ISBN 978-3-205-79643-5

ISBN 978-3-205-79570-4 BD. 52 | CLAUS REITAN BD. 48 | OSKAR DOHLE,

FRANZ SCHAUSBERGER

THOMAS MITTERECKER (HG.)

POLITIKER – HISTORIKER – EUROPÄER

SALZBURG IM ERSTEN WELTKRIEG

BIOGRAFISCHE ANNÄHERUNG AN

FERNAB DER FRONT – DENNOCH IM

EINEN VIELSEITIGEN

KRIEG

2015. 217 S. 52 S/W-ABB. GB. MIT SU.

2014. 492 S. 154 S/W- UND FARB. ABB.

ISBN 978-3-205-79653-4

GB | ISBN 978-3-205-79578-0 BD. 53 | KÄRNTNER LANDESARCHIV, BD. 49 | ANDREA BRAIT,

JOHANNES HÖRL UND DIETMAR

MICHAEL GEHLER (HG.)

SCHÖNDORFER (HG.)

GRENZÖFFNUNG 1989

DIE GROSSGLOCKNER

INNEN­ UND AUSSENPERSPEKTIVEN

HOCHALPENSTRASSE

UND DIE FOLGEN FÜR ÖSTERREICH

ERBE UND AUFTRAG

2014. 544 S. 6 S/W-ABB. ZAHLR. TAB.,

2015. 504 S. 463 S/W- UND FARB. ABB.

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GB | ISBN 978-3-205-79688-6

SU | ISBN 978-3-205-79496-7 BD. 54 | STEFAN MÜLLER, DAVID BD. 50 | LOTHAR HÖBELT (HG.)

SCHRIFFL, ADAMANTIOS SKORDOS

AUFSTIEG UND FALL DES VDU

HEIMLICHE FREUNDE

BRIEFE UND PROTOKOLLE AUS

DIE BEZIEHUNGEN ÖSTERREICHS

PRIVATEN NACHLÄSSEN 1948–1955

ZU DEN DIKTATUREN SÜDEUROPAS

2015. 346 S. GB | ISBN 978-3-205-79634-3

NACH 1945: SPANIEN, PORTUGAL, GRIECHENLAND 2015. 330 S. 23 S/W-ABB. GB.

SQ472

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böhlau verlag, wiesingerstrasse 1, a-1010 wien, t: + 43 1 330 24 27-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar