Heilseffizienz aus Gemeinschaftssinn: Die Rosenkranzbruderschaft als innovative Form der Jenseitsvorsorge um 1500 9783110749120, 9783110745818, 9783110749199, 2021949434

The Confraternity of the Rosary presented a real innovation in purchasing insurance for the afterlife around 1500. Unlik

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German Pages 326 Year 2022

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1 Einleitung
2 Ausgangsbedingungen: Das vage Seelenheil
3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit als lokaler Akteur in der Jenseitsvorsorge
4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft als transregionaler Akteur in der Jenseitsvorsorge
5 Synthese: Heilseffizienz aus Dezentralität und Gemeinschaftssinn
6 Zusammenfassung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungen und Siglen
Quellen- und Literaturverzeichnis
Abbildungen
Personen- und Ortsregister
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Heilseffizienz aus Gemeinschaftssinn: Die Rosenkranzbruderschaft als innovative Form der Jenseitsvorsorge um 1500
 9783110749120, 9783110745818, 9783110749199, 2021949434

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Christian Ranacher Heilseffizienz aus Gemeinschaftssinn

Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens Neue Folge Im Auftrag der Dominikanerprovinz Teutonia herausgegeben von Elias H. Füllenbach OP (federführender Herausgeber) Ulrich Engel OP Paul Dominikus Hellmeier OP Ulrich Horst OP Klaus-Bernward Springer Begründet von Isnard W. Frank OP † Kaspar Elm † Ulrich Horst OP Walter Senner OP †

Band 26

Christian Ranacher

Heilseffizienz aus Gemeinschaftssinn

Die Rosenkranzbruderschaft als innovative Form der Jenseitsvorsorge um 1500

ISBN 978-3-11-074581-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-074912-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-074919-9 ISSN 0942-4059 Library of Congress Control Number: 2021949434 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Integra Software Services Pvt. Ltd. Druck und Bindung: Beltz Bad Langensalza GmbH www.degruyter.com

Inhaltsverzeichnis Vorwort

VII

1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

Einleitung 1 Hinführung und Erkenntnisinteressen 1 Stand und Perspektiven der Forschung 6 Quellenkorpus 14 Methodisches Vorgehen 21 Bruderschaften als Untersuchungsobjekt 25

2 2.1 2.2

Ausgangsbedingungen: Das vage Seelenheil 30 Charakteristika der spätmittelalterlichen Religiosität Bewährungsproblem: Fegefeuer und Partikulargericht

3

Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit als lokaler Akteur in der Jenseitsvorsorge 41 Gründung – Frühzeit als Kaland – Zäsuren 41 Intention der Vereinigung 48 Die Kreuzkirche als religiöses Zentrum 52 Organisation und Mitgliederstruktur 59 Religiöse Praxis 67 Das liturgische Jahr 67 Begräbnisfeiern 72 Anniversarien 76 Quatemberfeiern 81 Ablässe und Ablassgewährung 82 Perspektivenwechsel: Norm versus Lebenspraxis 89 Zwischenfazit I: Das Heilsangebot einer lokal agierenden Bruderschaft 94

3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 3.6 3.7

4 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.4 4.5 4.5.1 4.5.2

30 34

Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft als transregionaler Akteur in der Jenseitsvorsorge 95 Gründung und Gründungsmythos 95 Intention der Vereinigung 114 Die Rosenkranzbruderschaft im Spiegel ihrer Zeit 119 Einflussfaktoren und Reformströmungen 119 Zeitgenössische Resonanzen 130 Organisation: Dezentralität als Konzept 141 Ausbreitung und Expansion der Mitgliederzahl 160 Eine Bruderschaft für die ‚ganze Welt‘ 160 Fallbeispiel 1: Frankfurt am Main 168

VI

4.5.3 4.5.4 4.5.5 4.6 4.6.1 4.6.2 4.6.3 4.7

5

Inhaltsverzeichnis

Fallbeispiel 2: Freiburg im Breisgau 171 Fallbeispiel 3: Altenburg – oder: Von der Eigendynamik eines Trends 176 Gründe für die Ausbreitung 180 Religiöse Praxis 189 Rosenkranzgebet 189 Gestalt und Genese des Rosenkranzgebets 200 Ablässe und Ablassgewährung 214 Zwischenfazit II: Das Heilsangebot einer transregional agierenden Bruderschaft 230

5.4

Synthese: Heilseffizienz aus Dezentralität und Gemeinschaftssinn 231 Quantifizierung als Methode: Alter Wein in neuen Schläuchen? 231 Ökonomie und Jenseitsvorsorge: Zum Begriff Heilseffizienz Die ‚nützlichste‘ Bruderschaft? – oder: Das entgrenzte Seelenheil 240 Die Rosenkranzbruderschaft – Impulsgeber oder Sonderfall?

6

Zusammenfassung

5.1 5.2 5.3

Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis

247 253

255

Abkürzungen und Siglen

257

Quellen- und Literaturverzeichnis 261 Ungedruckte Quellen 261 Gedruckte Quellen 262 Forschungsliteratur 266 Abbildungen

287

Personen- und Ortsregister

309

235

243

Vorwort Das vorliegende Buch stellt die geringfügig überarbeitete Fassung meiner Dissertation dar, die ich im Wintersemester 2019/2020 an der Philosophischen Fakultät der Technischen Universität Dresden eingereicht habe. Die nachstehenden Zeilen möchte ich für einige Worte des Dankes an all diejenigen nutzen, die das Projekt und mich über die vergangenen Jahre begleitet haben. Als ich im Anschluss an meine Masterarbeit die Forschungen zu Frömmigkeit in spätmittelalterlichen Bruderschaften fortsetzen wollte, stand keineswegs fest, dass ausgerechnet die Rosenkranzbruderschaft einmal im Mittelpunkt meiner Studie stehen würde. Erst nach und nach zeigte sich, dass die Beschäftigung mit genau dieser Vereinigung ein ausgesprochen spannendes Untersuchungsgebiet eröffnen würde. Herr Prof. Dr. Uwe Israel, mein akademischer Lehrer und Doktorvater, hat diesen Entwicklungsprozess mit regem Interesse unterstützt, und mir von Beginn meiner Arbeit am Dresdner Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte an großen Freiraum in allen Belangen gewährt. Dafür danke ich ihm sehr herzlich. Ebenfalls danken möchte ich Herrn Prof. Dr. Thomas Prügl, nicht nur für die Übernahme des Zweitgutachtens, sondern auch für seine wertvollen Anregungen sowie die Empfehlung im Hinblick auf den Publikationsort. Es ist mir Freude und Ehre zugleich, dass sich die Herausgeber der „Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens – Neue Folge“ entschieden haben, meine Untersuchung in diese traditionsreiche Reihe aufzunehmen. Besonders bedanken möchte ich mich in diesem Zusammenhang bei Pater Elias H. Füllenbach OP für seine konstruktiven Hinweise zum Manuskript und die sonstige Unterstützung. Den rückblickend für die Ausrichtung der Studie wichtigen Fingerzeig, mein Augenmerk auf den Leipziger Dominikaner Marcus von Weida und seine Schrift über die Rosenkranzbruderschaft zu richten, verdanke ich Herrn Dr. Hartmut Kühne. Alle Archive und Bibliotheken, mit denen ich während meiner Quellenrecherche in Kontakt getreten bin, haben mir einen immer unkomplizierten Zugang zu ihren Beständen gewährt. Dieser Umstand und die mittlerweile oft vorhandenen Digitalisate erleichterten den Arbeitsprozess. Hilfreich waren des Weiteren der Austausch mit meinen Kolleginnen und Kollegen am Dresdner Institut für Geschichte sowie die Diskussionen im Rahmen verschiedener Kolloquiums- und Tagungsvorträge. An dieser Stelle möchte ich Dr. Reinhardt Butz und PD Dr. Markus Schürer für die stets anregenden Unterhaltungen beziehungsweise die Korrekturen danken. Auf vielfache Weise haben vor allem die Gespräche mit einer Reihe von guten Freundinnen und Freunden dieses Forschungsprojekt und meine Gedanken bereichert. Für Hinweise, Kritik, Korrekturen, gemeinsam verbrachte Zeit und nicht zuletzt für offene Ohren danke ich insbesondere Dr. Dirk Martin Mütze und Dr. Jens Klingner, sowie Martin Arnold, Anne-Kathrin Kupsch, PD Dr. Benjamin Müsegades, Martin Reimer, Dr. Henrik Schwanitz und Nancy Walter. https://doi.org/10.1515/9783110749120-203

VIII

Vorwort

Meine Eltern, Dr. Kathrin und Manfred Ranacher, haben meine Forschungsinteressen von Anfang an mit Neugier verfolgt und auf ihre Weise zum Gelingen dieses Projektes beigetragen. Ihre Unterstützung und Förderung weiß ich sehr zu schätzen. Am Schluss dieses Vorwortes möchte ich den beiden Menschen danken, die zweifelsohne an erster Stelle stehen: Meine Frau Catharina war mir über die gesamte Zeit der Dissertation hinweg die wichtigste und verlässlichste Stütze. Sie stand mir sprichwörtlich mit Rat und Tat zur Seite, hat einen Großteil des Korrekturlesens übernommen und mit sicherem Gespür immer dann für Abwechslung gesorgt, wenn diese nötig war. Mein Sohn Max hat die Drucklegung mit seiner eigenen, unvergleichbar wundervollen Art begleitet und mir die schönsten Pausen beschert. Ihnen beiden ist dieses Buch in Liebe gewidmet. Dresden, im August 2021

Christian Ranacher

1 Einleitung 1.1 Hinführung und Erkenntnisinteressen Ein Appell war es, den der Rostocker Dominikaner Joachim Ratstein († 1526) wohl im Jahr 1517 in der Offizin des hiesigen Druckers Ludwig Dietz († 1559) auf ein Flugblatt in der Größe eines halben Papierbogens aufbringen ließ.1 Adressiert war sein Aufruf an alle christgläubigen Menschen. Der Kern der Botschaft lautete: Tretet um des großen Nutzens willen sowie in Anbetracht des großen, zur Verfügung stehenden Ablasses in die Bruderschaft des Rosenkranzes der allerheiligsten Jungfrau Maria ein.2 Einige Zeilen weiter konkretisierte Ratstein noch einmal, welche Gründe genau für eine Mitgliedschaft in der Rosenkranzbruderschaft sprächen. Sein vierter und letzter Punkt ist zweifelsohne am aussagekräftigsten: To deme veerden male kamet und gaet yn desse broederschop, alle gy boetsamige mynschen, de gy begeren uthloesschynge der pyne yuwer sunde, de gy beruwet und bychtet hebben, maket yw deelafftich der groten gnade und aflaetes, dath hir to gegeven ys van so velen bysschoppen, dat se untellelick synt.3

In der Rosenkranzbruderschaft seien demzufolge aufgrund der großen Gnade und des unzählbaren Ablasses all diejenigen bußfertigen Menschen richtig aufgehoben, die nach der Auslöschung der Pein ihrer Sünden strebten. Wenngleich die Datierung des Appells in oder um das Jahr 1517 bereits Martin Luther († 1546) und dessen Ablasskritik, später auch seine Verurteilung der Bruderschaften, ins Gedächtnis rufen mag, ist es in erster Linie eine der dringlichsten Herausforderungen für die

1 UBR, Fa-1119(68).49. – Das Flugblatt misst 28,8 cm in der Höhe und 19,4 cm in der Breite; der Satzspiegel beläuft sich auf 22,2 cm x 15,2 cm; der Text ist in zwei Kolumnen gegliedert. Rückseitig ist ein großformatiger Holzschnitt in den Maßen 19,5 cm x 12,4 cm aufgedruckt. Zu sehen ist eine Strahlenkranzmadonna auf der Mondsichel, die das Jesuskind auf ihrem rechten Arm trägt. Umgeben ist sie von einer Rosenkranzmandorla, deren insgesamt 50 kleine Blüten in zeittypischer Ikonographie die 50 Ave Maria-Gebete eines Rosenkranzes symbolisieren, wohingegen die fünf dazwischen gesetzten großen Blüten für die fünf Vaterunser-Gebete stehen. Überschrieben ist die Abbildung mit den Worten O mater dei miserere mei. Siehe dazu Abb. 15 sowie S. 183 f. mit weiteren Erläuterungen. – LISCH, Buchdruckerkunst Meklenburg, Nr. 42 (S. 173), datiert das Flugblatt auf das Jahr 1527. WIECHMANN, Meklenburgs Literatur, T. 3, Nr. 194 (S. 55–58), der auch eine Transkription des Textes bietet, referiert knapp die Frage der zeitlichen Einordnung (mit weiteren Verweisen) und plädiert für 1517. Die Zuschreibung der Autorschaft des Druckes folgt PAULUS, Geschichte des Ablasses, Bd. 3, S. 126. Die am Textende verzeichneten Initialen F J R dürften für Bruder Joachim Ratstein stehen. 2 UBR, Fa-1119(68).49: Eyne korte vormanynge und toherdinge [sc. Ermahnung] aller cristloevygen mynschen, to gaende yn de broederschop der alderhilgesten yunkfrowen Marien eres rosenkrantzes umme der groten nutticheyt, de se dar uth hebbende werden und des groten aflaetes, dat dar to ghegeven ys. 3 UBR, Fa-1119(68).49. https://doi.org/10.1515/9783110749120-001

2

1 Einleitung

Gläubigen dieser Zeit, die hinter den Aussagen des Dominikaners steht: Die Überwindung des purgatorium – jene uthloesschynge der pyne yuwer sunde.4 Mannigfach waren allein die bildlichen Darstellungen, die den Zeitgenossen unter anderem im Kirchenraum auf Retabeln oder Epitaphen sinnfällig vor Augen zu führen wussten, dass ihren Seelen nach dem Tod – insofern sie nicht unmittelbar in die ewige Verdammnis einfuhren – eine (un)gewisse Verweildauer im Fegefeuer bevorstand.5 In dieser transzendenten Läuterungsinstanz mussten die sogenannten armen Seelen für ihre zu Lebzeiten noch nicht verbüßten Sündenstrafen leiden, bevor sie ‚gereinigt‘ in das Himmelreich einziehen konnten. Folglich war ihr Aufenthalt im purgatorium zwar zeitlich limitiert, jedoch konnte kein Einziger auch nur annähernd abschätzen, für wie viele Sünden er noch Buße zu leisten hatte.6 Die generelle Omnipräsenz und Expansion der Ablässe in der Lebenswelt um 1500 vermittelt allerdings schon einen ersten Eindruck davon, mit welch ausgedehnten Fegefeuerzeiten am Ausgang des Mittelalters kalkuliert wurde.7 Nicht grundlos ist daher auf dem Flugblatt von der Unzählbarkeit der Indulgenzen beziehungsweise der sie ausstellenden Bischöfe geschrieben worden. Weitaus sicherer hingegen schien das Wissen um das zu sein, was die ‚armen Seelen‘ im purgatorium erwarten würde: Unermessliche Qualen, die denen der Hölle durchaus vergleichbar waren.8 Ein Akzent, der die Angst um die Todesstunde und das Begehren der Menschen nach Möglichkeiten, für ihr Seelenheil vorzusorgen, immer weiter zu steigern vermochte. Der oben zitierte Aufruf spiegelt diese Sehnsucht, dieses begeren in aller Deutlichkeit wider. Vor diesem Hintergrund präsentierte Joachim Ratstein seinen Mitmenschen die Rosenkranzbruderschaft als klare Lösungsoption im Streben nach der Überwindung

4 Verwiesen sei hier nur exemplarisch auf die einschlägige Studie von LE GOFF, Geburt, sowie ergänzend auf DINZELBACHER, Hoch- und Spätmittelalter, S. 179–185, bzw. DINZELBACHER, Fegefeuer in der Katechese. Siehe dann vor allem Kap. 2.2. 5 Anschaulich dazu WEGMANN, Weg zum Himmel, bes. S. 225–321 (Katalog). Darüber hinaus zugleich PREISING/RIEF/VOGT (Hg.), Der gute Weg, und JEZLER (Hg.), Himmel, Hölle, Fegefeuer. 6 Vgl. JEZLER, Jenseitsmodelle, S. 18 f., der die theologischen Vorstellungen auch graphisch visualisiert hat. 7 Vgl. v. a. PAULUS, Geschichte des Ablasses, Bd. 3; ebenso HAMM, Ablass und Reformation, darin bspw. auf S. 19–23 die Frage des ‚Zeitverlaufs‘ im Fegefeuer. Dazu ähnlich DINZELBACHER, Fegefeuer in der Katechese, S. 121. 8 Ein zweifellos drastisches Bild zeichnete etwa der Passauer Theologe Paul Wann († 1489), der in einer seiner Predigten formulierte: „Wenn alle Peinen, die man sich auf Erden ausdenken kann, alle Folterungen, alle Krankheiten und Schmerzen mit der geringsten Fegfeuerstrafe verglichen werden, dann sind sie ein Trost. Jeder lebende Mensch würde, wenn er das Fegefeuer aus Erfahrung kennen würde, lieber bis zum Jüngsten Tag sämtliche Leiden ohne Linderung erdulden, die alle Menschen von Adam an bis jetzt, jeder einzelne gelitten hat, als nur einen Tag in der Hölle oder im Fegefeuer auch nur die geringste Strafe abbüßen, die es dort gibt.“ Die Übersetzung ist zitiert aus STABER, Altbayerischer Beichtspiegel, S. 9. Die Passage bei PAUL WANN, Promptuarium, S. 102 f. – Vgl. auch WEGMANN, Weg zum Himmel, S. 29 f., und JEZLER, Jenseitsmodelle, S. 18. – Siehe dazu genauer ergänzend Kap. 2.2.

1.1 Hinführung und Erkenntnisinteressen

3

des Fegefeuers. Am Ende des Textes resümiert er: Gaet denne alle to my, spreckt de broderschop Marien unde entfanget desse vorschrevenen fruchte unde nutticheyten yn dessem levende unde na dessem levende dat ewyge levent.9 Das Auffallende an diesem Satz ist, dass von einer Läuterung im purgatorium gar keine Rede mehr ist. Infolge der von ihm angeführten „Früchte und Nützlichkeiten“ der Rosenkranzbruderschaft könne nach dem irdischen unmittelbar das ewige Leben folgen. In Ratsteins Worten deutet sich bereits an, dass die Rosenkranzbruderschaft keineswegs als e i n e Variante in der Jenseitsvorsorge unter vielen anzusehen sei. In dem von dem Leipziger Dominikaner Marcus von Weida († 1516) einige Jahre früher, nämlich Ende 1514 verfassten und im März 1515 von Melchior Lotter dem Älteren († 1549) in Leipzig gedruckten Der Spiegel hochloblicher Bruderschafft des Rosenkrantz Marie / der allerreinsten Jungfrawen wird dieses Selbstverständnis explizit benannt: Wer in diser loblichen bruderschafft ist, die treulich helt biß an sein ende, dem kompt do von unseglicher nutz und frommen am leben, am letzten ende unnd noch dem tode. Derhalben ich auch wol mit warheit sagen mag, dz dise bruderschafft einem menschen, der in der gnade gots und die treulich heldt biß an sein ende, die aller nutzlichste bruderschafft ist noch etzlichen umbstenden, als er uff erden haben mag. Am leben ist dise bruderschafft die nutzlichste tzu des leibes und tzu der selen selickeit.10

Die Rosenkranzbruderschaft sei mithin d i e Wahl in der Jenseitsvorsorge. Diese Aussage steht am Beginn des zehnten Kapitels des Bruderschaftsspiegels, in dem es um den Nutzen der Rosenkranzbruderschaft geht. Der Leser oder die Leserin blickt dabei gleichzeitig auf einen neben den Text platzierten großformatigen Holzschnitt, der veranschaulichen soll, worin der Nutzen dieser Korporation lag (siehe Abb. 1): Abgebildet sind im linken unteren Bereich die lebenden Mitglieder der Rosenkranzbruderschaft. In vorderster Reihe – von links nach rechts – ein Dominikaner (zu identifizieren an der Tonsur, dem weißen Habit und der schwarzen Cappa), ein Kaiser (unverwechselbar an der Krone), ein Kardinal (charakteristisch ist besonders der rote Galero) und ein Papst (signifikant ist hier vor allem die Tiara). Alle knien, Kaiser und Papst halten sichtbar jeweils einen Rosenkranz in ihren zum Gebet gefalteten Händen. Dass sich diese vier Personen konkret benennen lassen, es sich zum Beispiel bei dem Kaiser um Friedrich III. († 1493) handelt, der als eines der ‚prominentesten‘ Mitglieder der Vereinigung immer wieder in Drucken oder auf Retabeln abgebildet worden ist, wird im Verlauf der Studie noch einmal Thema sein. Im unteren rechten Bereich sind die ‚armen Seelen‘ der verstorbenen Bruderschaftsmitglieder in den Banden des Fegefeuers zu sehen. Ein vom Himmel herabfliegender Engel ergreift in dem Moment, den das Bild eingefangen hat, die ausgestreckten Hände einer Seele, ein mittig positionierter Engel trägt eine erlöste, ‚gereinigte‘ Seele – in zeittypischer Ikonographie als Säugling dargestellt – zu Gottvater ins Himmelreich.

9 UBR, Fa-1119(68).49. 10 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 108r.

4

1 Einleitung

Der Holzschnitt kommuniziert somit zuallererst das Funktionieren und die Wirksamkeit der bruderschaftlichen praxis pietatis. Darüber hinaus weist er zugleich auf die enge Verbindung zwischen der Rosenkranzbruderschaft und der Mutter Gottes hin, denn der links oberhalb der Betenden abgebildete Engel bringt den Mitgliedern der Korporation einen Rosenkranz. Die Gottesmutter Maria ist exakt auf dieser horizontalen Bildachse über den Bruderschaftsmitgliedern und dem Engel platziert, ihr Blick scheint nach unten auf die Gemeinschaft gerichtet. Insofern sind alle drei Sphären, die himmlische, die irdische und die des Fegefeuers durch die Engel miteinander verwoben. Allerdings fallen das Flugblatt und der Bruderschaftsspiegel in eine Zeitspanne, die als Blütezeit der Bruderschaften charakterisiert werden kann. Genau genommen stehen sie sogar an deren Ende. In Köln bildeten sich beispielsweise die meisten der insgesamt 130 nachweisbaren Laienbruderschaften im 15. (immerhin 64) sowie in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (noch 32).11 Ähnliche Befunde zeigen sich ebenso in anderen Städten oder Regionen des Reiches. Exemplarisch seien die Bruderschaftsgründungen im linkselbischen Dresden, in Braunschweig, Hamburg oder jene im ländlichen Raum des Bistums Merseburg genannt.12 Das Bemühen, für das Seelenheil der Mitglieder zu sorgen, ist in dem Zusammenhang bei Weitem kein Alleinstellungsmerkmal der Rosenkranzbruderschaft. Die Schrift- und Bildzeugnisse der anderen spätmittelalterlichen Bruderschaften bieten vergleichbare Inhalte: Der dritte Ertrag ist die Förderung des Seelenheils, heißt es etwa in den 1503 niedergeschriebenen Statuten der Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit.13 Ein zweites Beispiel ist der Holzschnitt, der die Bruderschaft der heiligen Ursula metaphorisch als Schiff zeigt, das unter dem Mastbaum des gekreuzigten Christus in Richtung Erlösung segelt (siehe Abb. 2). In der oberen rechten Bildecke ist – ähnlich zu der Abbildung bei Marcus von Weida – die Befreiung einer Seele aus dem Fegefeuer abgebildet, hier aber nicht durch die Gebete dieser Bruderschaft, sondern durch die Messfeier.14 Die Ursache für diese Ähnlichkeiten ist, dass die Memoria, also all diejenigen Maßnahmen, die darauf ausgerichtet waren, die Leidenszeit der ‚armen Seelen‘ im purgato-

11 Vgl. MILITZER, Laienbruderschaften in Köln, S. XXX, sowie mit den hier wiedergegebenen, aktualisierten Zahlen MILITZER, Einleitung zu den Nachträgen, S. XVIII. 12 Vgl. zu den Bruderschaften in Dresden jetzt RANACHER, der bruderschaft, S. 22–27, bes. S. 26. Die Dresdner Bruderschaften erwähnt auch SIEWERT, ad honorandam, S. 78–80. Zu Braunschweig siehe die Untersuchung von RAHN, Bruderschaften Braunschweig, S. 63: „Während die testierenden Braunschweiger Bürger zu Beginn des 15. Jahrhunderts zehn Laienbruderschaften begaben, wenden sie ein Jahrhundert später 35 Laiengemeinschaften fromme Spenden zu.“ Für Hamburg sei auf BRANDES, Brüderschaften in Hamburg, verwiesen, eine Übersicht in T. 3 auf S. 98–110. Den ländlichen Raum des Bistums Merseburg bearbeitete unlängst COTTIN, Frömmigkeit im ländlichen Raum, S. 330–333, der anhand eines überlieferten Kopialbuches einige Aussagen zu Bruderschaften auf dem Land treffen konnte. 13 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Tertius fructus provisio salubris animarum [...]. 14 Der Holzschnitt steht am Beginn eines 1513 gedruckten Textes mit dem Titel Die Bruderschafft sancte Ursule. Siehe OÖLB, I-73248. Vgl. zu diesem Bildmotiv ebenfalls die Beschreibung bei ZEHNDER, Fahrgeld Ursulaschifflein, S. 306.

1.1 Hinführung und Erkenntnisinteressen

5

rium zu reduzieren und, nicht zuletzt, sie aus selbigem – im Wortsinn – zu entheben, als Kernanliegen der Bruderschaften bezeichnet werden muss.15 Weshalb soll nun ausgerechnet die verhältnismäßig spät, nämlich – offiziell – erst am 8. September 1475 in Köln gegründete Rosenkranzbruderschaft ‚nützlicher‘ sein als alle anderen Bruderschaften? Joachim Ratstein hat die große Gnade und die unzählbaren Ablässe genannt. Marcus von Weida kommt in diesem Zusammenhang unter anderem auf die Mitgliederzahl sowie die praxis pietatis der Vereinigung zu sprechen. Allein in Leipzig fänden sich 55.000 Namen in die Matrikel der Rosenkranzbruderschaft eingeschrieben. Doch sei Leipzig damit kein Sonderfall: Es ist oben gesagt, das in diser bruderschafft untzellich vil tausent menschen hin unnd wider in der heilgen cristenheit uffgenommen und eingeschriben sein aus allen Nation unnd tzungen [...], heißt es an anderer Stelle im Text.16 Dementsprechend wäre der Rosenkranzbruderschaft eine frappierende, außergewöhnliche Anziehungskraft zu attestieren. Ein Aspekt, der zu überprüfen sein wird. Im Rahmen seiner Ausführungen über die Gebetsvorschriften konstatiert Marcus von Weida: Es ist aber nymandt uber drey rosenkrentze in eyner wochen tzu bethen vorpflicht [...].17 Diese Anordnung findet sich nicht nur ebenfalls in den Statuten der Rosenkranzbruderschaft, sondern auch in zahlreichen anderen Quellen. Vorgeschrieben war für alle Brüder und Schwestern lediglich das wöchentliche Gebet von drei Rosenkränzen. Diese Aussage irritiert – und sie führt in Anbetracht unseres Kenntnisstandes über das Verständnis der Zeitgenossen von einer adäquaten Jenseitsvorsorge unmittelbar zu der Frage: Wie konnte die Rosenkranzbruderschaft einerseits den Anspruch vertreten, im Kontrast zu den anderen Korporationen die für das Seelenheil ‚nützlichste‘ Bruderschaft zu sein, andererseits aber gleichzeitig die praxis pietatis auf ausschließlich drei Rosenkranzgebete pro Woche reduzieren? Von der Forschung ist doch konstant herausgearbeitet worden, dass aus dem starken Heilsverlangen der Gläubigen des späten Mittelalters, dem gemeinhin eine große Heilsunsicherheit inhärent war, der Drang nach einer möglichst facettenreichen und massenhaften Frömmigkeit resultierte. Die Vielfalt und Vielzahl der betriebenen Frömmigkeitsübungen in den Jahrzehnten um 1500, die sich in den Quellen niedergeschlagen haben, geben hiervon immerhin ein beredtes Zeugnis.18 An dieser Irritation und der aufgeworfenen Frage setzt die vorliegende Studie an. Ziel soll es sein, zu untersuchen, ob und in welcher Form sich die Rosenkranzbruderschaft im Hinblick auf die Jenseitsvorsorge von den bisherigen, traditionellen Bruderschaften ihrer Zeit unterscheidet. Dabei geht es freilich nicht um die ohnehin empirisch keineswegs überprüfbare Einschätzung oder Bewertung der tatsächlichen

15 Vgl. dazu u. a. MILITZER, Totengedenken, S. 187, oder FRANK, Bruderschaften im Kirchenstaat, S. 15. – Siehe ausführlich dann auch Kap. 1.5 sowie Kap. 2. 16 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 30r (Anzahl in Leipzig) und 111v. 17 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 52v. 18 Vgl. dazu u. a. MOELLER, Frömmigkeit um 1500, bes. S. 81 f. – Siehe ausführlich dann auch Kap. 2.1.

6

1 Einleitung

Nützlichkeit, sondern um die Art und Weise der gemeinschaftlich ausgeübten praxis pietatis. Dazu ist selbstredend in einem ersten Schritt ein detailgenauer Blick auf die Jenseitsvorsorge in den traditionellen Bruderschaften zu richten. Im Anschluss daran wird die bislang gemeinhin nur kursorisch behandelte Rosenkranzbruderschaft im Schlaglicht stehen. Folgende Hypothese sei in diesem Rahmen formuliert: Auf dem Fundament einer innovativen Neukonzeption der bruderschaftlichen Organisation war die Rosenkranzbruderschaft in der Lage, das Gebetspensum für die Brüder und Schwestern signifikant zu verringern, das Heilsangebot hingegen erheblich zu steigern. Als Beschreibung für dieses Verfahren möchte ich den Begriff der H e i l s e f f i z i e n z vorschlagen. Dieser soll im Anschluss an die Quellenauswertung definiert werden und einen neuen Impuls, vor allem eine neue Perspektive auf die Frömmigkeitsgeschichte um 1500 in den Forschungsdiskurs einbringen.

1.2 Stand und Perspektiven der Forschung Die Untersuchung spätmittelalterlicher Bruderschaften ist keineswegs ein Novum in der mediävistischen Forschung. Ein namhaftes Beispiel hierfür mag der flämische Dominikaner und Historiker Gilles Gérard Meersseman sein, der mit seinem 1977 erschienenen, dreibändigen opus magnum „Ordo fraternitatis. Confraternite e pietà dei laici nel Medioevo“ ein seither immer wieder zitiertes Standardwerk zur Geschichte der Bruderschaften vorgelegt hat.19 Weitere Autoren mitsamt ihren Arbeiten, die in nahezu jeder wissenschaftlichen Bruderschaftsstudie zum Kern des Referenzbestandes zählen, sind beispielsweise Ludwig Remling, Malte Prietzel oder Thomas Frank. Das 1986 veröffentlichte Buch über die „Bruderschaften in Franken“ von Remling wird dabei ähnlich wie Meerssemans „Ordo fraternitatis“ behandelt und zählt jedenfalls innerhalb der deutschsprachigen Historiographie zweifelsohne zu den Pionierleistungen.20 Malte

19 MEERSSEMAN, Ordo fraternitatis, 3 Bde. Gegliedert ist das Werk in vier Teilbereiche. Zunächst untersucht der Autor die Bruderschaften in der karolingischen Zeit bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts. Einleitend äußert er sich aber erst noch zur Historiographie der Bruderschaftsforschung und entwirft dabei u. a. eine Definition für das, was überhaupt unter ‚Bruderschaft‘ verstanden werden soll (siehe dazu auch Kap. 1.5). Im zweiten Hauptkapitel geht es um die religiösen Strömungen des 11.–14. Jahrhunderts, im dritten um die alten dominikanischen Bruderschaften (in dem Rahmen behandelt er auch die Gründung und Entwicklung der Rosenkranzbruderschaft; siehe diesbezüglich besonders die Unterpunkte VI. und VII. in ebd., Bd. 3, S. 1144–1232) und im vierten Kapitel bietet Meersseman schließlich einen retrospektiven Blick auf die Bruderschaften. Herauszuheben ist zuletzt, dass jeder der drei Bände nicht nur die Ergebnisse aus der Untersuchung des historischen Materials präsentiert, sondern gleichzeitig eine Auswahl von Quellen zu den entsprechenden Abschnitten bereithält. 20 REMLING, Bruderschaften in Franken. Gemeinhin wird der Autor häufig aufgrund seiner Bruderschaftsdefinition zitiert (ebd., S. 49 f. – siehe dazu wiederum auch Kap. 1.5). Hingewiesen sei überdies auf seinen Forschungsbericht: REMLING, Bruderschaften als Forschungsgegenstand.

1.2 Stand und Perspektiven der Forschung

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Prietzel hat sich mit seiner Dissertation über „Die Kalande im südlichen Niedersachsen“ (1995) grundlegend zu den spätmittelalterlichen Priesterbruderschaften geäußert.21 Die 2002 publizierte Habilitationsschrift von Thomas Frank fokussiert entlang dreier Fallstudien die „Bruderschaften im spätmittelalterlichen Kirchenstaat“.22 Ergänzend muss Klaus Militzer angeführt werden. Er hat zwar keine monographische Arbeit vorgelegt, dafür aber nicht nur mit seiner Edition der Quellen der Kölner Laienbruderschaften eine opulente Materialsammlung für die Forschung bereitgestellt, sondern sich in gleicher Weise vermittels diverser Aufsätze, auf die verschiedentlich zurückzukommen sein wird, in den Diskurs eingebracht.23 Das Bestreben, nachfolgend in gleicher Weise die einschlägigen Arbeiten aus den umliegenden Ländern zu referieren, würde den Rahmen dieses Abschnittes bei Weitem sprengen. Allerdings ist es überhaupt nicht notwendig, hier derart ins Detail zu gehen, liegen doch bereits mehrere valide Forschungsberichte vor: Für England ist in dem Zusammenhang etwa das 2015 erschienene Buch von Gervase Rosser, „The Art of Solidarity in the Middle Ages“, zu nennen.24 Hierbei handelt es sich aber weniger um einen Bericht. Vielmehr präsentiert Rosser in Buchform eine Synthese der neueren Forschungen zu England. Des Weiteren sei noch auf Ken Farnhills Publikation „Guilds and the Parish Community in Late Medieval East Anglia“ (2001) verwiesen, die von Belang ist, da sie einleitend eine Zusammenschau der unterschiedlichen britischen Forschungsansätze bietet.25 1994 druckte die Zeitschrift „Trajecta“ den Beitrag „Middeleeuwse broederschappen in de Nederlanden“ des Historikers Paul Trio, der für einen ersten Einblick in die niederländischen Arbeiten herangezogen werden kann.26 Für Italien ist noch immer primär Marina Gazzini zu Rate zu ziehen. Im ersten Kapitel („Le confraternite italiane: periodi, problemi, storiografie“) ihres 2006 publizierten Buches „Confraternite e società cittadina nel medioevo italiano“ findet sich unter anderem eine umfangreiche, nach Regionen und Städten geordnete Bibliographie, die den

21 PRIETZEL, Kalande Niedersachsen. 22 FRANK, Bruderschaften im Kirchenstaat. – Beide, sowohl Prietzel als auch Frank, beschäftigen sich einleitend ebenfalls mit dem Bruderschaftsbegriff (siehe dazu Kap. 1.5). 23 Siehe hier nur MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, 4 Bde. Vgl. zum Wert von Militzers Edition SCHWERHOFF, ‘Vereinswesen’ und Religiosität. 24 ROSSER, Art of Solidarity. 25 FARNHILL, Guilds, hier bes. S. 12–20. 26 TRIO, Middeleeuwse broederschappen. Paul Trio publizierte eine ganze Reihe von – nicht ausschließlich in Niederländisch verfassten – Beiträgen zu den mittelalterlichen Bruderschaften. Jüngeren Datums ist bspw. der 2009 erschienene Aufsatz über die soziale Positionierung spätmittelalterlicher Bruderschaften in Flandern (TRIO, Social Positioning). Herausgehoben seien abschließend noch seine Forschungen zum Thema Bruderschaften und Musik. Siehe dazu u. a. TRIO/HAGGH, Confraternities in Ghent.

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1 Einleitung

Stand der Forschung zu den italienischen Bruderschaften zwischen 1900 und 2005 widerspiegelt.27 Für Böhmen referierte Hana Pátková 2016 knapp den derzeitigen Bearbeitungsstand, für Polen ebenfalls 2016 Krzysztof Ożóg.28 Daneben existieren noch verschiedene territorial übergreifende Darstellungen wie die häufig zitierte Forschungs- respektive Tagungsbilanz „Les confréries au Moyen Âge: esquisse d’un bilan historiographique“ mit dem Augenmerk auf die Länder Frankreich, Italien und Schweiz von 1986 aus der Feder des französischen Sozialhistorikers André Vauchez.29 Die Entwicklung sowie die Schwerpunkte innerhalb der Bruderschaftsforschung fasst auch Thomas Frank in bündiger Form zusammen.30 Einen komprimierten, aber zur schnellen Orientierung geeigneten Abriss lieferte Benjamin Laqua 2011.31 Zweifelsohne unterliegt auch die Beschäftigung mit Bruderschaften gewissen Wellen; und der Erkenntnisstand ist nicht nur aus der regionalhistorischen Perspektive heraus gesehen disparat.32 Ob nun aktuell von einer Konjunktur der Bruderschaftsforschung gesprochen werden kann, sei dahingestellt. Festzuhalten ist in erster Linie, dass es in den vergangenen Jahren nicht zuletzt von Seiten der Landesgeschichte wiederholt zu Publikationen kam, die Bruderschaften in den Blick nahmen. Gemeinhin geschah dies aber nicht in Gestalt von Einzelstudien, wie sie etwa Kerstin Rahn 1994 für Braunschweig, Bert Meister 2001 für Altenburg oder Benjamin Laqua in vergleichender Perspektive für Köln vorgelegt haben,33 sondern im Rahmen von übergeordneten frömmigkeitshistorischen Abhandlungen. Lediglich stellvertretend seien die Arbeiten von Julia Kahleyß (2013) und Martin Sladeczek (2018) angeführt.34 Benjamin Müsegades beschäftigt sich in seiner Untersuchung über „Heilige in der mittelalterlichen Bischofsstadt“ (2021) mit dem Thema der Patrozinien von Bruderschaften.35

27 GAZZINI, Confraternite e società, hier bes. 22–57. Relevant für die grundsätzliche Beschäftigung mit Bruderschaften ist fernerhin der 2009 von ihr herausgegebene Sammelband „Studi confraternali: orientamenti, problemi, testimonianze“ (GAZZINI, Studie confraternali). 28 PÁTKOVÁ, Frömmigkeit im spätmittelalterlichen Böhmen, hier bes. S. 17 f., und OŻÓG, Die spätmittelalterliche Frömmigkeit in Polen, hier bes. S. 105 f. 29 VAUCHEZ, Les confréries. – Wie Vauchez einleitend vermerkt (ebd., S. 467), handelt es sich bei diesem Text um die Zusammenfassung der 1985 in Lausanne veranstalteten Tagung „Le mouvement confraternel au Moyen Age (France, Suisse, Italie)“. 30 FRANK, Bruderschaften im Kirchenstaat, S. 4–13. 31 LAQUA, Bruderschaften und Hospitäler, S. 2 f. 32 Vgl. diesbezüglich u. a. LAQUA, Bruderschaften und Hospitäler, S. 2 f. bes. mit Anm. 10, der zugleich eine „Vernachlässigung der hochmittelalterlichen Jahrhunderte“ (ebd., S. 3) konstatiert; oder BÜNZ, Alltägliche Frömmigkeit, S. 36 mit Anm. 65 und 66. 33 RAHN, Bruderschaften Braunschweig; MEISTER, Religiöses Engagement; LAQUA, Bruderschaften und Hospitäler. – Auf die besondere ‚Eignung‘ von Bruderschaften für lokalhistorische Studien hat FRANK, Bruderschaften im Kirchenstaat, S. 7, verwiesen. 34 KAHLEYß, Bürger von Zwickau, S. 430–455; SLADECZEK, Vorreformation und Reformation, S. 142–158. 35 MÜSEGADES, Heilige, hier bes. S. 215–254.

1.2 Stand und Perspektiven der Forschung

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Die Fragestellungen, die an das Forschungsobjekt Bruderschaft herangetragen werden können, erschöpfen sich freilich nicht im Bereich der Frömmigkeitsgeschichte. Der in Kopenhagen wirkende Historiker Carsten Jahnke bezog die Bruderschaften beispielsweise in seine Untersuchungen zur „Moderne[n] Netzwerkforschung in der regionalen Hansegeschichte“ mit ein.36 Eine andere Facette beleuchtet der Aufsatz von Christian Ashauer, bei dem es vorrangig um wirtschaftliche Gesichtspunkte geht.37 Der Bruderschaft als einem „Kreditinstitut“ widmete sich der oben genannte Malte Prietzel, den „Bruderschaften als Bank“ auch Thomas Frank.38 Die Thematik Bruderschaft und (Kirchen-)Musik haben neben Paul Trio ebenfalls Franz Körndle für Köln und Pieter Mannaerts für die Niederlande bearbeitet.39 Der 2019 von Konrad Eisenbichler herausgebrachte Sammelband „A Companion to Medieval and Early Modern Confraternities“ beinhaltet einen mit „Arts and Letters“ überschriebenen Themenblock, in dem etwa Nerida Newbigin „Confraternities and Drama in Central Italy, 1400–1600“ behandelt hat.40 Mannigfaltig ist gleichfalls die Bandbreite der möglichen Quellen, anhand derer Aussagen über Bruderschaften gewonnen werden können. Davon zeugt unter anderem die Tagungspublikation „Material Culture“ (2018), die nach der Präsenz und Sichtbarkeit von Künstlern, Zünften und Bruderschaften anhand erhaltener Objekte fragt.41 Das Spektrum der potentiell zusätzlichen Wirkungsfelder von Bruderschaften kann insofern durchaus als vielschichtig eingeschätzt werden. In dem Zusammenhang ist vereinzelt der Begriff der Multifunktionalität als Wesenszug der Bruderschaften in den Forschungsdiskurs eingebracht worden. Ein aktuelles Beispiel hierfür stellt der 2018 von Elisabeth Lobenwein, Martin Scheutz sowie Alfred Stefan Weiß herausgegebene Tagungsband „Bruderschaften als multifunktionale Dienstleister der Frühen Neuzeit in Zentraleuropa“ dar.42 Der zeitliche Zuschnitt auf die Frühe Neuzeit braucht in zweifacher Hinsicht nicht zu irritieren. Erstens reichen einige der versammelten Beiträge ins 14. und 15. Jahrhundert zurück; zweitens findet sich jene Charakterisierung ebenfalls im genuin mittelalterlichen Kontext: In dem 2009 erschienenen Band „Mittelalterliche Bruderschaften in europäischen Städten“ schrieb bereits Monika Escher-Apsner von den „Bruderschaften als multifunktionale[n] Basisorganisationen“.43 Im Rahmen der vorliegenden Studie ist von diesem Verständnis allerdings in gewisser Weise Abstand zu nehmen – zumindest für die spätmittelalterlichen religiösen Bruderschaften. In Anbetracht der Bandbreite der 36 JAHNKE, Moderne Netzwerkforschung, hier bes. S. 54 f. Siehe auch JAHNKE, Zu Ehren Gottes. 37 ASHAUER, Rechnungsbuch, S. 85–102. 38 PRIETZEL, Göttinger Georgs-Kaland; FRANK, Bruderschaften als Bank. 39 KÖRNDLE, Musikpflege; MANNAERTS, Bruderschaften und Zünfte. 40 EISENBICHLER (Hg.), A Companion, hier S. 329–457; NEWBIGIN, Confraternities. 41 TACKE/MÜNCH/AUGUSTYN (Hg.), Material Culture. 42 LOBENWEIN/SCHEUTZ/WEIß (Hg.), Bruderschaften als multifunktionale Dienstleister. Welches Verständnis die Herausgeber von dem Begriff haben, erläutert SCHEUTZ, Frühneuzeitliche Bruderschaften, hier bes. S. 57–61. 43 ESCHER-APSNER, Mittelalterliche Bruderschaften, S. 9.

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1 Einleitung

Bezeichnung Bruderschaft für doch verschiedene Formen der Vergemeinschaftung mag die Tauglichkeit der Multifunktionalität als Untersuchungsperspektive nicht abgesprochen sein. Gewiss spielten zugleich in den religiösen Bruderschaften Aspekte von ‚Vernetzung‘ oder städtischer Repräsentation eine Rolle. Bezugnehmend auf das hier zugrunde gelegte Verständnis von Bruderschaft als einem zuallererst religiös motivierten Zusammenschluss scheint mir jedoch die Gefahr zu bestehen, diese Kernaufgabe, die im Übrigen deutlich aus dem Selbstverständnis der im Verlauf der Untersuchung betrachteten Bruderschaften heraustritt, zu verwässern, das heißt, sie als eine von vielen Funktionen zu verstehen. Die bestimmende Intention und die vordergründigen Handlungen blieben aber primär die gemeinschaftlich organisierte Jenseitsvorsorge.44 Nur angerissen sei, dass die Bruderschaften also kein allein mittelalterliches und selbstredend kein singulär christliches Phänomen waren. Das Judentum kennt zum Beispiel ganz ähnliche Zusammenschlüsse mit vergleichbaren Aufgaben. So bezeichnet der Begriff Ḥevra Kaddisha („Heilige Bruderschaft“) Korporationen, die sich zunächst ebenfalls primär dem (im weitesten Sinne) Totendienst verpflichtet sahen.45 Stellvertretend kann diesbezüglich auf die Studie „Crossing the Jabbok“ (1996) der französischen Judaistin Sylvie Anne Goldberg hingewiesen werden.46 Anschaulich sind hierzu ebenfalls die unter der Rubrik „Confraternities in a Transcultural World“ zusammengefassten Beiträge in dem zuvor genannten Band „A Companion to Medieval and Early Modern Confraternities“.47 Einen flüchtigen Ausblick in die Frühe Neuzeit werfend sind besonders die Arbeiten von Rebekka von Mallinckrodt, Rupert Klieber und Bernhard Schneider zu nennen.48 Gerade die Untersuchung Schneiders liefert einen breiten Einblick in die bruderschaftliche praxis pietatis.49 Wenngleich die gemeinschaftlich ausgeübte Jenseitsvorsorge als dominierendes Ansinnen der Bruderschaften zu bestimmen ist, lässt sich des Öfteren davon lesen, dass Informationen über das Innenleben von Bruderschaften und damit einhergehend über die Memoria häufig nur schwer zu gewinnen sind. So äußerten sich beispielsweise Malte Prietzel, Klaus Militzer oder auch Bert Meister.50 Militzer hat diesen Umstand, der aus einem Überlieferungsproblem resultiert, überzeugend erklärt. Als einen ausschlaggebenden Faktor führt er den Privatbesitz vieler Bruderschaftsdokumente in ‚Laienhand‘ an.51 Wie im folgenden Kapitel zu sehen sein 44 Kritisch zu dieser Charakterisierung ebenfalls SCHWERHOFF, ‘Vereinswesen’ und Religiosität, S. 111 f. 45 Vgl. GOLDBERG, Art. H . evra Kaddisha, S. 35–40. 46 GOLDBERG, Crossing. 47 EISENBICHLER (Hg.), A Companion, hier S. 235–325. 48 MALLINCKRODT, Struktur und Eigensinn; KLIEBER, Bruderschaften und Liebesbünde; SCHNEIDER, Bruderschaften Trierer Land. 49 Vgl. SCHNEIDER, Bruderschaften Trierer Land, bes. S. 314–467. 50 Vgl. PRIETZEL, Klerikerbruderschaften, S. 91; MILITZER, Totengedenken, S. 190; MEISTER, Religiöses Engagement, S. 34 f. 51 Vgl. MILITZER, Mittelalterliche Bruderschaftsbücher, S. 142 f.

1.2 Stand und Perspektiven der Forschung

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wird, kann für Dresden hingegen eine aussagekräftige Quellenlage konstatiert werden. Vor diesem Hintergrund möchte die vorliegende Arbeit einige ergänzende und neue Aussagen zum Kenntnisstand der Bruderschaftsforschung beisteuern. Was die Rosenkranzbruderschaft anbelangt, ist zunächst festzuhalten, dass die Vereinigung innerhalb der Forschung nicht unbekannt ist. Im Jahr 2003 erschien etwa in dem Sammelband „Der Rosenkranz. Andacht, Geschichte, Kunst“ ein Beitrag von Stefan Jäggi über die „Rosenkranzbruderschaften. Vom Spätmittelalter bis zur Konfessionalisierung“.52 Auch streift der in selbigem Buch enthaltene Aufsatz des Theologen Andreas Heinz über „Die Entstehung des Leben-Jesu-Rosenkranzes“ die Bruderschaft.53 Ohnehin wird sie in dieser Publikation immer wieder angesprochen. Ebenfalls 2003 brachte die Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek zu Köln das Buch „Der heilige Rosenkranz“ heraus. Hervorzuheben sind daraus in erster Linie die Ausführungen von Siegfried Schmidt über „Die Entstehung der Kölner Rosenkranzbruderschaft von 1475“.54 Die Gründung mitsamt den Gründungsumständen untersuchte gleichfalls Henri Dominique Saffrey OP in seinem 2001 veröffentlichten Text „La fondation de la Confrérie du Rosaire à Cologne en 1475“.55 Wichtige Erkenntnisse lieferte zudem Jean-Claude Schmitt, der sich der Niederlassung in Colmar sowie überhaupt der Rosenkranzbruderschaft im Elsass annahm.56 Einschlägig sind des Weiteren das 1963 publizierte Manuskript der Dissertation von Richard Kliem OP zur Rosenkranzbruderschaft in Frankfurt am Main, erschienen unter seinem bürgerlichen Namen Wolfgang Kliem, und die Arbeit von Stefano Orlandi OP aus dem Jahr 1965, in der er sich besonders mit Alanus de Rupe († 1475) sowie Michael Francisci († 1502) und deren Schriften auseinandergesetzt hat.57 Zu erwähnen sind schließlich die 1975 publizierte Begleitschrift zu der in Köln gezeigten Ausstellung „500 Jahre Rosenkranz“, die Ausführungen von Meersseman im dritten Band seines „Ordo fraternitatis“ sowie der 2002 in dem Sammelband „Gilder, lav og broderskaber i middelalderens Danmark“ abgedruckte Aufsatz Bjørn Poulsens über die Rosenkranzbruderschaft als Ausdrucksform spätmittelalterlicher Religiosität.58 Jüngeren Datums sind unter anderem die Beiträge von Hartmut Kühne.59

52 JÄGGI, Rosenkranzbruderschaften. 53 HEINZ, Die Entstehung. 54 SCHMIDT, Entstehung der Rosenkranzbruderschaft. 55 SAFFREY, La fondation. 56 SCHMITT, Confrérie du Rosaire; SCHMITT, Apostolat mendiant. 57 KLIEM, Frankfurter Rosenkranzbruderschaft; ORLANDI, Libro del Rosario. – Angesichts dessen, dass die Studie des Dominikaners Richard Kliem unter seinem bürgerlichen Namen veröffentlicht worden ist, wird auch im Folgenden von Wolfgang Kliem geschrieben. 58 500 Jahre Rosenkranz; MEERSSEMAN, Ordo fraternitatis, Bd. 3, S. 1144–1232; POULSEN, Rosenkransbroderskaberne. 59 Verwiesen sei auf KÜHNE, Fegefeuer und Rosenkranz, hier bes. S. 31–33, sowie KÜHNE, Die Rosenkranzbruderschaft.

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1 Einleitung

In der voranstehenden Auflistung ist bereits ein Kennzeichen angedeutet, das im Hinblick auf den Forschungsdiskurs zur Rosenkranzbruderschaft wichtig ist: Häufig wird die Korporation im Rahmen von Studien gestreift oder en passant behandelt, die vom Titel her zuallererst den Rosenkranz thematisieren. Als ein frühes Beispiel ist in dem Kontext der Dominikaner Thomas Esser mit seinem 1889 publizierten Buch „Unserer Lieben Frauen Rosenkranz“ zu nennen.60 Von Bedeutung ist diese Arbeit, da Esser darin das Fundament für eine Dekonstruktion des Narrativs von der Rosenkranzspende durch die Jungfrau Maria an den heiligen Dominikus (von Caleruega; † 1221) gelegt hat (siehe auch Kap. 4.3.1). 1909 erschien die von Jakob Hubert Schütz verfasste Abhandlung „Die Geschichte des Rosenkranzes [...]“ mit einem knappen Kapitel über die Rosenkranzbruderschaften, dem einige Quellen wie die Kölner Statuten oder die ersten Ablässe beigefügt sind.61 Zäsur setzend vornehmlich für die Geschichte des Rosenkranzgebets war die 1972 gedruckte, materialgesättigte Studie über „Adolph von Essen und seine Werke“ aus der Feder des Jesuiten Karl Joseph Klinkhammer. Die Aufmerksamkeit wird vor allem auf das zu richten sein, was er über die Gründung in Köln und die ihr vorausgehenden Entwicklungen geschrieben hat.62 Bedeutsam sind außerdem die Publikationen von Thomas Lentes, angeführt seien hier zunächst seine 1996 vorgelegte Dissertation „Gebetbuch und Gebärde“ und der Aufsatz „Bildertotale des Heils“ in dem oben verzeichneten Sammelband „Der Rosenkranz. Andacht, Geschichte, Kunst“.63 Wiederholt kommt die germanistische Mediävistin Anne Winston-Allen in ihrer Arbeit „Stories of the Rose“ (1997) auf die Rosenkranzbruderschaft zu sprechen.64 Ähnliches ist mit Blick auf die lediglich online veröffentlichte Dissertation von Moritz Jäger „Mit Bildern beten: Bildrosenkränze, Wundenringe, Stundengebetsanhänger“ (2011) festzustellen.65 Beachtenswert ist überdies der 2004 veröffentlichte Aufsatz von Bogusław Kochaniewicz OP über den Beitrag der Dominikaner zur Entwicklung des Rosenkranzes.66 Zuletzt seien hier die beiden Ausstellungskataloge „Edelsteine – Himmelsschnüre“ aus dem Jahr 2010 mit den für diese Studie relevanten Beiträgen von Andreas Heinz und Peter Keller sowie „Maria zwischen den Konfessionen“ von 2019 mit dem Beitrag von Hartmut Kühne angeführt.67 Hinzu treten vereinzelte Spezialuntersuchungen wie der 1990 von Frank Muller publizierte Aufsatz über die Holz-

60 ESSER, Frauen Rosenkranz, hier bes. S. 144–175. 61 SCHÜTZ, Die Geschichte, hier bes. S. 20–47. 62 KLINKHAMMER, Adolph von Essen, hier bes. S. 85–98. 63 LENTES, Gebetbuch und Gebärde; LENTES, Bildertotale des Heils. 64 WINSTON-ALLEN, Stories of the Rose. Herausgehoben seien vor allem ihr drittes Kapitel „One for Sorrow, Two for Joy: Confraternity Writings, the Fifteen Mysteries, and the Observant Reform“ (ebd., S. 65–80), in dem die Autorin – wenngleich jeweils komprimiert – die für die Geschichte der Bruderschaft zentralen Punkte wie Jakob Sprengers Statuten, die Rolle der Person des Dominikus von Preußen sowie die der Observanz anschneidet, und das fünfte Kapitel „Popular Promotion and Reception“ (ebd., S. 111–132). 65 JÄGER, Mit Bildern beten, hier u. a. S. 100–103. 66 KOCHANIEWICZ, Contribution of the Dominicans. 67 HEINZ, Der Rosenkranz; KELLER, Gemeinschaft und Masse; KÜHNE, „Herzlibes Sonichen“.

1.2 Stand und Perspektiven der Forschung

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schnitte im Bruderschaftsspiegel des Marcus von Weida, „Le Spiegel [...] et ses illustrations“.68 Nicht unerwähnt soll bleiben, dass dieses Kennzeichen freilich auch für thematisch anders zugeschnittene Arbeiten wie landeshistorische Untersuchungen gilt: Angaben zur Kölner Rosenkranzbruderschaft liefern der Dominikaner Gabriel Maria Löhr in seinem Aufsatz über „Die zweite Blütezeit des Kölner Dominikanerklosters“ (1949) und die eigentlich auf die Frühe Neuzeit ausgerichtete, 2005 erschienene Studie „Struktur und kollektiver Eigensinn“ von Rebekka von Mallinckrodt.69 Jan Gerchows Aufsatz über die „Bruderschaften im spätmittelalterlichen Freiburg i. Br.“ (1993) berührt auf einigen Seiten die dortige Rosenkranzbruderschaft.70 Berücksichtigung wird ebenfalls die Arbeit des Dominikaners Viliam Štefan Dóci zu den Kaschauer Predigerbrüdern im 18. Jahrhundert (2018) finden.71 Es ließe sich somit der Eindruck gewinnen, die Rosenkranzbruderschaft sei hinlänglich erforscht. Betrachten wir nun aber die bis hierhin aufgezählten Titel, fällt bereits auf, dass es allesamt Beiträge oder einzelne Kapitel beziehungsweise Teile von Kapiteln in thematisch breitgefassteren Büchern sind. Damit ist ein zweites Kennzeichen des Forschungsstandes beschrieben: Für die (spätmittelalterliche) Rosenkranzbruderschaft liegt keine monographische Studie vor. Das dritte Kennzeichen resultiert aus einem inhaltlichen Akzent: Vergleichen wir das über diese Korporation Geschriebene, wird schnell deutlich, dass es kaum, im Grunde genommen keine tiefschürfenden Ausführungen gibt – abgesehen von einigen Einzelfällen wie zum Beispiel Saffrey, der sich eingehender mit der Gründung auseinandergesetzt, damit aber wiederum nur ein Element in den Blickpunkt gerückt hat. Fernerhin zeigt sich, dass gemeinhin die geläufigen Informationen referiert werden. Angesichts dessen ist es ein Bestreben dieser Arbeit, eine möglichst facettenreiche Darstellung zur Geschichte und Genese der Rosenkranzbruderschaft in der zweiten Hälfte des 15. und in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts zu geben. In Bezug auf die Bedeutung der Rosenkranzbruderschaft hat bereits Klaus Militzer von einer „echte[n] Reform des mittelalterlichen Bruderschaftswesens“ gesprochen. Im Fokus steht bei ihm allerdings zuallererst die Offenheit der Bruderschaft, die es auch den Armen ermöglichen sollte, der Korporation beizutreten.72 Peter Stotz und Martina Wehrli-Johns charakterisierten die Rosenkranzbruderschaft als „neuartige Marienbruderschaft“ und wiesen auf deren Konzeption als „universelle Gebetsgemeinschaft“ hin, ohne sich dann aber eingehender mit diesem Aspekt zu beschäftigen.73 Hartmut Kühne konstatierte 2013 in einem knappen Katalogbeitrag,

68 MULLER, Le Spiegel. 69 LÖHR, Zweite Blütezeit, hier S. 226–228; MALLINCKRODT, Struktur und Eigensinn, hier S. 65–73. 70 GERCHOW, Bruderschaften Freiburg, hier S. 24–31. 71 DÓCI, Kaschauer Predigerbrüder, hier bes. S. 88–93 und 110 f. 72 MILITZER, Bruderschaften am Übergang, S. 252. 73 STOTZ/WEHRLI-JOHNS, Albert von Weissenstein, S. 363.

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1 Einleitung

dass die Rosenkranzbruderschaft aufgrund der zahlreichen Gebete und päpstlichen Ablässe ihren Mitgliedern ein Heilsangebot offerieren konnte, welches dasjenige der anderen Bruderschaften bei Weitem übertraf.74 Nähere Erläuterungen finden sich dazu hingegen nicht. Diese Überlegungen sollen aufgegriffen, hier aber erstmalig ausführlich entlang einer breiten Quellenbasis begründet werden. Vor allem sind diese Impulse jedoch weiterzuentwickeln, hin zu der von mir formulierten Hypothese der heilseffizienten Jenseitsvorsorge durch die Rosenkranzbruderschaft. Diese Einschätzung ist im Hinblick auf den Kenntnisstand der Bruderschaftsforschung und des bisherigen Verständnisses von Frömmigkeit in den Jahrzehnten um 1500 neu.

1.3 Quellenkorpus Zur Untersuchung der praxis pietatis der Dreifaltigkeitsbruderschaft wurden verschiedene Quellenbestände ausgewertet, die sich auf das Sächsische Staatsarchiv – Hauptstaatsarchiv Dresden und auf das Stadtarchiv Dresden verteilen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Urkunden, Akten, Rechnungsregister des hiesigen Brückenamtes, da die Finanzen der Kreuzkirche als dem religiösen Zentrum der Korporation gemeinsam mit denen der Elbbrücke verwaltet wurden, sowie um weitere Schriftstücke, worunter zum Beispiel das Regelbuch der Bruderschaft zu zählen ist. Die vorliegende handschriftliche Originalüberlieferung ist natürlich von der Forschung nicht gänzlich unbearbeitet geblieben. Für Dresden existieren bislang zwei Urkundenbücher: Zunächst das circa 1824 als sechster Band der von Johann Christian Hasche verfassten „Diplomatische[n] Geschichte Dresdens von seiner Entstehung bis auf unsere Tage“ erschienene „Urkundenbuch zur Dresdner Geschichte“.75 Im Jahr 1875 folgte das von Karl Friedrich von Posern-Klett bearbeitete „Urkundenbuch der Städte Dresden und Pirna“ als fünfter Band im zweiten Hauptteil des groß angelegten Editionsvorhabens „Codex diplomaticus Saxoniae regiae“, dem CDS.76 Des Weiteren liegen die erhaltenen Dresdner Stadtbücher mittlerweile vollständig in einer modernen Edition vor.77 Aus selbigen können vornehmlich Aussagen zur wirtschaftlichen Situation gewonnen

74 Vgl. KÜHNE, Die Rosenkranzbruderschaft, S. 115. Ebd., S. 114, findet sich die Aussage, die Mitgliedschaft in der Rosenkranzbruderschaft würde dazu verpflichten, „in jeder Woche mindestens drei Rosenkränze zu beten.“ Wie vor allem in Kap. 4.6.1 zu sehen sein wird, verpflichtete die Mitgliedschaft allerdings nicht zu „mindestens“, sondern zu allein drei Rosenkränzen. Für das – noch zu begründende – Konzept und die Innovation der Rosenkranzbruderschaft ist diese Differenz zentral. 75 HASCHE, Urkundenbuch. – Online verfügbar: http://digital.slub-dresden.de/id416713947/1 [zuletzt abgerufen: 24.08.2018]. 76 CDS II/5. – Online verfügbar: http://codex.isgv.de [zuletzt abgerufen: 24.08.2018]. 77 Von Relevanz für die vorliegende Untersuchung sind: KLINGNER/MUND (Bearb.), Die drei ältesten Stadtbücher; KLINGNER/MUND (Bearb.), Das vierte und fünfte Stadtbuch; KLINGNER/MUND (Bearb.), Die Stadtbücher Altendresdens, sowie KLINGNER/MUND (Bearb.), Registerband. Zitiert wird im Folgenden stets das konkrete Stadtbuch, z. B. StB DD I oder StB DD IV, und die entsprechende Nummer innerhalb der Edition.

1.3 Quellenkorpus

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werden, die für das hier verfolgte Erkenntnisinteresse jedoch nicht von herausgehobener Bedeutung sind.78 Trotz ihrer Verfügbarkeit spielten die beiden genannten Urkundenbücher für die Quellenauswertung eine nur nebensächliche Rolle. Der Grund dafür ist, dass sowohl bei Hasche als auch bei Posern-Klett eine erhebliche Menge von Urkunden nicht mit aufgenommen wurde. Wie umfangreich die Lücken sind, konnte Ulrike Siewert aufzeigen. Zwischen 2010 und 2016 arbeitete sie an der Neuauflage, das heißt an der Erweiterung des Dresdner Urkundenbuches.79 In ihrer Manuskriptfassung führt sie aus, dass „rund 1700 Urkunden ermittelt werden“ konnten, die im 1875 publizierten CDS fehlen.80 Was die Dresdner Bruderschaften anbelangt, ist zu resümieren, dass der von Siewert geäußerte Befund ganz besonders gilt. Während der alte CDS lediglich sieben (mit Altendresden acht) Nachweise für alle Bruderschaften enthält, kann die Zahl nunmehr signifikant ausgedehnt werden: Allein 35 Quellen betreffen die Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit.81 Die zudem eingesehenen Akten und Rechnungsregister sind in diesen Angaben noch nicht berücksichtigt. Mithin steht die Untersuchung nicht nur auf einer breiten, sondern vor allem auf einer in erheblichen Teilen bislang unbearbeiteten Materialgrundlage. Hilfreich für die Recherche und Bearbeitung der Quellen waren neben den Vorarbeiten zum neuen Dresdner Urkundenbuch in gleicher Weise die Exzerpte und Notizen zu den städtischen Bruderschaften, vor allem zur Dreifaltigkeitsbruderschaft im Nachlass der früheren Stadtarchivarin Elisabeth Boer, den das Hauptstaatsarchiv Dresden unter der Bestandsnummer „12657 Personennachlass Elisabeth Boer“ asserviert.82 Die

78 Vgl. diesbezüglich RANACHER, der bruderschaft, S. 75–78. Einen guten Überblick über die Dresdner Quellenlage mitsamt den verschiedenen Ämtern bietet der Beitrag von SIEWERT/KLINGNER/MUND, Städtische Überlieferung. 79 Vgl. zum Vorhaben SIEWERT, Dresdner Urkundenbuch. Bislang ist die Edition noch nicht erschienen. An der Fertigstellung des Bandes arbeiten inzwischen Stefan Petersen und Philipp Wollmann. Vgl. mit Informationen dazu SCHUFFELS, Stand der Arbeiten, S. 45 f. bes. mit Anm. 69. 80 CDS II/23, S. II. – Ich danke Frau Dr. Ulrike Siewert dafür, dass sie mir 2015 ihr Arbeitsmanuskript des Urkundenbuches überlassen hat. 81 CDS II/5, Nr. 85 (S. 70), 178 (S. 148), 249 (S. 194 f.), 264 (S. 201), 361 (S. 263 f.), 365 (S. 265), 370 (S. 268 f.; Altendresden), 384 (S. 280). Im neuen Urkundenbuch nach Stand der Fassung vom Januar 2015 wären es die Nummern: CDS II/23, Nr. 59, 110, 126, 128, 137, 139, 146, 201, 203, 219, 233, 242, 255, 260, 262, 272, 280, 288, 289, 299, 314, 319, 320, 340, 346, 349, 350, 359, 361, 369, 374, 389, 392, 394, 396. – Dass in der folgenden Studie allerdings immer die Archiv-Signaturen und nicht die Nummern des neuen CDS zitiert worden sind, hat zwei Gründe: Erstens ist mit den in diese Untersuchung einbezogenen Archivalien selbst im Original gearbeitet worden. Zweitens ist noch nicht abzusehen, wann das Dresdner Urkundenbuch erscheinen wird und ob die Nummerierung der Urkunden dann noch dem Stand von 2015 entspricht. Hinzu kommt, dass – wie im Verlauf der Arbeit zu sehen sein wird – einige Quellen anders interpretiert werden und sich damit einhergehend bspw. auch die Identifikation ändert, um welche Dresdner Bruderschaft es im jeweiligen Fall geht. 82 HStA DD, 12657 Personennachlass Elisabeth Boer. – Der Nachlass gliedert sich in sechs Kategorien: 1. Ausbildung, 2. Reisen, 3. Wissenschaftliches Werk, 4. Korrespondenz, 5. Familie, 6. Biblio-

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1 Einleitung

reichhaltige Materialsammlung enthält unter anderem Exzerpte aus Rechnungsregistern, Regesten verschiedener Urkunden und sogar Transkriptionen einiger Quellen. Aufgezeichnet ist alles handschriftlich auf kleinformatigen Zetteln, häufig Makulaturen, selten größer als im A5-Format.83 Ebenfalls enthalten sind zwei maschinengeschriebene und per Hand teils glossierte, teils kollationierte kurze Manuskripte zur Geschichte der „Dreifaltigkeitsbruderschaft zu Dresden“. Der Inhalt ist im Wesentlichen identisch, sodass die Texte als Etappen eines Arbeitsprozesses charakterisiert werden können.84 Veröffentlicht wurde das Manuskript, das vom Umfang her einem Aufsatz entspricht, allerdings nicht. Die überwiegende Mehrzahl der in die Untersuchung einbezogenen Quellen lagert im Stadtarchiv Dresden. Den größten Anteil stellen die Urkunden geistlicher und weltlicher Provenienz, die dem Bestand „1.1 Ratsurkunden“ zugeordnet sind.85 Hierin befindet sich auch das Directorium fraternitatis sancte et individue trinitatis et beate Marie virginis, das „Regelbuch der Bruderschaft der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit und der glückseligen Jungfrau Maria“, obgleich es de facto gar keine genuin diplomatische Quelle ist. Dieses 130 cm in der Länge mal 44 cm in der Höhe messende Schriftstück ist schon äußerlich ein beachtenswertes Zeugnis. Von besonderem Wert für die hier gestellten Fragen nach den Spielarten der religiösen Praxis ist es allerdings aufgrund seiner Aussagekraft. Das im Jahr 1503 von dem Dresdner Weltgeistlichen und Bruderschaftsmitglied Nikolaus Karis niedergeschriebene Dokument informiert detailreich über die Intentionen, die Organisation und die Memoria der Korporation. Der mittig positionierte, links und rechts von je einer Textseite flankierte Cisiojanus (siehe Kap. 3.5.3) verzeichnet die Namen derjenigen Personen, für die ein Jahrgedächtnis, ein Anniversar, durchgeführt werden sollte. Von den vier zusammenhängenden Papierbögen, deren Wasserzeichen sie als in einer Dresdner Papiermühle hergestellt ausweist, sind neben dem Anniversarienver-

thek. Die Punkte 3 und 5 haben wiederum eigene Untergruppen, z. B. 3.1 Archivarin am Dresdner Stadtarchiv, 3.2 Veröffentlichungen, Manuskripte und Forschungsarbeit, 3.3 Arbeit am Codex diplomaticus Saxoniae regiae Abt. I A, Bd. 3. Für die Recherche nach Bruderschaften wurde der gesamte Bestand gesichtet. Dabei hat sich gezeigt, dass auch an zunächst unvermuteter Stelle Relevantes aufzuspüren war: So findet sich bspw. eine entsprechende Sammlung zu Bruderschaften unter der Rubrik „Wirtschaftliche Angelegenheiten der Familie“ (HStA DD, 12657 Nachlass Elisabeth Boer, Nr. 052), eine andere bei den „Bau- und Personalangelegenheiten (1938–1956)“ (HStA DD, 12657 Nachlass Elisabeth Boer, Nr. 054). 83 So die hier benutzen Bestände HStA DD, 12657 Nachlass Elisabeth Boer, Nr. 039, 095, 122 und 144. 84 HStA DD, 12657 Nachlass Elisabeth Boer, Nr. 052 und 054. 85 StA DD, 1.1 Ratsurkunden. – Angesichts der immensen Verluste im Zuge der Bombardierung Dresdens 1945 sowie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sind zahlreiche Urkunden heute nur noch in Form von handschriftlichen Abschriften verfügbar. Sie werden im Stadtarchiv Dresden unter den Bestandsnummern „1.2 Abschriften“ sowie „1.3 Regesten“ in mehreren Zettelkästen verwahrt. Hieraus resultierend findet sich an denjenigen Quellen, die nicht mehr im Original, sondern lediglich in diesen Urkundenabschriften vorliegen, nach der ursprünglichen Signatur am Ende das Kürzel „(UA)“. Auf diese Weise ist transparent und nachvollziehbar, womit gearbeitet worden ist.

1.3 Quellenkorpus

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zeichnis noch drei Seiten im Fließtext beschrieben. Jede Seite ist in zwei Kolumnen gegliedert, der gesamte Text wird durch 20 rubrizierte Überschriften strukturiert. Das Schriftbild lässt eine spätgotische Kursive erkennen. Während die Textseiten lediglich eine Schreiberhand zeigen, weist der Kalender hingegen mehrere aus; mit ihm wird also ‚gearbeitet‘ worden sein.86 Die Erkenntnisse, die aus dem Regelbuch zu gewinnen sind, können anhand mehrerer Urkunden überprüft respektive kompiliert werden. Besonders aufschlussreich erscheint in diesem Rahmen etwa die Urkunde über die Vereinigung der Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit mit der Dresdner Laienbruderschaft Unser Lieben Frauen vom 26. Mai 1444. Hierin approbierte der Bischof von Meißen nicht nur den Zusammenschluss, er beschrieb außerdem zugleich die Ordnung für die Sonn- und Feiertagsmessen der Vereinigung.87 Ähnlich ist im Hinblick auf das von Karis erstellte Ablassverzeichnis zu verfahren (siehe Kap. 3.5.5). Auch konnte im Zuge der Bearbeitung eine Urkunde ausfindig gemacht beziehungsweise neu zugeordnet werden, die den frühesten und, weit wichtiger, einzigen Einblick in eine Facette der Jenseitsvorsorge gewährt, als die Dreifaltigkeitsbruderschaft ausschließlich als Priesterbruderschaft bestand (siehe Kap. 3.1).88 Aus den Kreuzkirchenrechnungen im Bestand „2.1.1 Ratsarchiv“ des Stadtarchivs können unter anderem Informationen über die praktische und tatsächliche Umsetzung der Anniversarien gewonnen werden.89 Darüber hinaus bieten einige Quellen zusätzliche Daten, die auf den ersten Blick, zum Beispiel aufgrund ihres Archivtitels, nicht unmittelbar auskunftsfähig erscheinen. Genannt seien hier das 1536 angefertigte Verzeichnis aller Dresdner Altäre, das für die Ausführungen zur Kreuzkirche als religiösem Zentrum der Dreifaltigkeitsbruderschaft von Relevanz ist (siehe Kap. 3.3), sowie eine Beschwerde über Kirchenangelegenheiten, die wohl zwischen 1503 und 1534 verfasst wurde und nutzbar gemacht werden kann, um die Art und Weise der Durchführung der Jahrgedächtnisse zu kontextualisieren.90 Das Bild, das anhand der Quellen gezeichnet werden kann, ist zweifellos vielschichtig. Dennoch bleibt eine wohlbekannte Einschränkung: Es handelt sich stets um normative Zeugnisse, die den Sollzustand widerspiegeln. Dem Ziel der vorliegenden Studie tut dies keinen Abbruch, geht es doch gerade um den ‚Idealtyp‘ der bruderschaftlichen praxis pietatis. Unabhängig davon ist aber dennoch zu fragen, inwiefern die Norm eigentlich der ‚Wirklichkeit‘ entsprach. Aussagekräftig wären diesbezüglich beispielsweise Ego-Dokumente wie Tagebuchaufzeichnungen oder

86 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. Vgl. zur Quellenbeschreibung RANACHER, Das Regelbuch, S. 21–24. 87 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 382 (UA). 88 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 269 (UA). 89 StA DD, 2.1.1 Ratsarchiv, A.XVb.36. 90 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/20 (Verzeichnis der Altäre), und HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/18, fol. 18r–18v (Beschwerde).

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1 Einleitung

auch die päpstlichen Pönitentiarie-Akten. Während Erstere für die Dreifaltigkeitsbruderschaft nicht bekannt sind, sind in den Bänden des „Repertorium Poenitentiariae Germanicum“ keine Mitglieder respektive Gesuche aufzuspüren.91 Allerdings haben sich mehrere Streitschriften erhalten, die über Konflikte innerhalb der Bruderschaft berichten. Diese Quellen befinden sich im Hauptstaatsarchiv Dresden.92 Dass sich aus ihnen ebenfalls Aussagen über die Jenseitsvorsorge der Korporation treffen lassen, wird in Kapitel 3.5.3 (ergänzend Kap. 3.6) dargelegt. Im Gegensatz nicht nur zu Dresden, sondern ebenfalls zu den meisten anderen spätmittelalterlichen Bruderschaften handelt es sich bei den Quellen über die Rosenkranzbruderschaft fast ausschließlich um Drucke. Dieser Umstand ist einerseits natürlich vor dem Hintergrund der relativ späten Gründung der Korporation im Jahr 1475 und der Verfügbarkeit der notwendigen Technik zu dieser Zeit zu erklären. Andererseits wird gerade Kapitel 4.5.5 aufzeigen, dass die Indienstnahme der Offizien eben auch als eine bewusste, nicht grundlos getroffene Entscheidung einzuschätzen ist. Eine erste wichtige Quellengruppe stellen die Ordnungen der Rosenkranzbruderschaft dar. An primärer Stelle sind hierbei die 1476 in Augsburg sowie in Basel gedruckten Statuten des Kölner Dominikanerpriors Jakob Sprenger († 1495) zu nennen. Der Text ist ediert in der von Klaus Militzer 1997 herausgegebenen Sammlung „Quellen zur Geschichte der Kölner Laienbruderschaften“, in der fernerhin noch eine Reihe zusätzlicher, in den lokalen Archiven aufgefundener Dokumente über die Rosenkranzbruderschaft enthalten sind.93 Vergleichend einbezogen wurden die Ordnungen der Niederlassungen in Venedig, gedruckt 1480, Colmar, gedruckt 1485, und Freiburg im Breisgau, entstanden wohl zu Beginn der 1490er Jahre. Der Text aus Colmar ist schon 1970 von Jean-Claude Schmitt ediert worden.94 Die Statuten aus Freiburg sind eine der wenigen handschriftlichen Zeugnisse, die heute zum Bestand der Universitätsbibliothek Freiburg gehören.95 Hingegen wird das benutzte Exemplar der Statuten für die venezianische Rosenkranzbruderschaft von der Bibliothèque nationale de France verwahrt.96 Als weitere zentrale Quellengruppe treten die Bruderschaftstraktate hinzu. Dabei sind zunächst diejenigen ins Feld zu führen, die aus der Korporation heraus, das heißt von ihren Organisatoren oder ‚Anhängern‘ verantwortet wurden. Sowohl der Chronologie als auch der Bedeutung Rechnung tragend ist mit Michael Francisci, dem Ordensbruder Sprengers, und der von ihm verfassten ‚Verteidigungsschrift‘ der

91 RPG, 11 Bde. 92 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/17, fol. 10r–10v und 13r–14r; HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/18, fol. 6r–8r und 9r–9v sowie fol. 11r–17r. 93 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35 (S. 507–529), sowie MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 3, Nr. 35 (S. 75 f.) 94 SCHMITT, Confrérie du Rosaire. 95 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch, Bl. 50r–52v. Die Matrikel der Bruderschaft findet sich ebd., Bl. 34r–49r. 96 BnF, D-80070.

1.3 Quellenkorpus

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Rosenkranzbruderschaft, dem Quodlibet de veritate fraternitatis rosarii seu psalterii beatae Mariae virginis, zu beginnen. Heribert Christian Scheeben hat sich mit dieser Schrift und ihrer Genese 1951 auseinandergesetzt. In dem Zusammenhang legte er auch eine Transkription des Textes vor, die jedoch vor allem auf die zweite Ausgabe beschränkt ist und überdies nicht den vollumfänglichen Wortlaut zur Verfügung stellt.97 Dessen ungeachtet ist im Folgenden mit dieser Transkription von Scheeben gearbeitet. An den Stellen, an denen Sätze fehlen, wurde das Original, im vorliegenden Fall konkret die erste Ausgabe des Quodlibet, zu Rate gezogen (was in den Fußnoten nachzuvollziehen ist). Die stark reduzierte Kurzfassung, die Derterminacio [sic] abbreviata de veritate fraternitatis rosarij sive psalterij beate Marie virginis, ebenfalls von Francisci erstellt, ist in der Edition von Militzer abgedruckt.98 Ein zweiter wichtiger Autor ist der Leipziger Dominikaner Marcus von Weida, dessen im März 1515 gedruckter Bruderschaftsspiegel als veritable Enzyklopädie über die Rosenkranzbruderschaft charakterisiert werden kann.99 Das Wertvolle an diesem Buch ist in erster Linie die Informationsdichte, die sich daraus ergibt, dass Marcus die Aussagen beziehungsweise das Wissen seiner Zeit über die Gemeinschaft kompiliert hat. Immer wieder beruft er sich beispielsweise auf Francisci, kommt aber auch auf andere Zeitgenossen wie etwa den Dominikaner Clemens Lossow zurück. Was den Bruderschaftsspiegel nachdrücklich von den umliegenden Texten abhebt, ist zudem, dass Marcus hierin das ausführlichste Ablassverzeichnis zusammengestellt hat.100 Herangezogen sind für die Studie außerdem Auszüge oder einzelne Kapitel aus den Predigtsammlungen von besagtem Clemens Lossow und Cornelis van Sneek († 1534), auch er Angehöriger des Dominikanerordens.101 Selbiges gilt für Schriften, die die Rosenkranzbruderschaft behandeln, entweder aber anonym verfasst oder sogar von ‚außerhalb‘ in den Diskurs eingebracht worden sind. Vielfach ist beispielsweise auf den anonym gebliebenen, von Ulrich Pinder († 1519) in Nürnberg gedruckten Der beschlossen gart des rosenkrantz marie rekurriert.102 Stellvertretend für Abhandlungen von außen sei der von dem Augustiner-Chorherren Johannes von Lambsheim († um 1500) verfasste Libellus perutilis de fraternitate sanctissima et Rosario beate marie virginis genannt.103 Nicht zu vergessen ist die von dem Dominikaner Alanus de Rupe verfasste Apologie mit dem Titel Apologeticus. id est tractatus 97 SCHEEBEN, Quodlibet. 98 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.2 (S. 518–523). – Im Sinne der Lesbarkeit im Folgenden wiedergegeben als Determinatio abbreviata de veritate fraternitatis rosarii sive psalterii beate Marie virginis bzw. verkürzt als Determinatio abbreviata. 99 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft. – Vgl. für einen Überblick zum Autor und zur Quelle RANACHER, Art. Marcus von Weida, sowie ausführlicher HONEMANN, Sächsische Fürstinnen, und RANACHER, Marcus von Weida. 100 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 115r–130r. 101 CLEMENS LOSSOW, Sermones rosarii; CORNELIS VAN SNEEK, Sermones. 102 Der beschlossen gart, darin bes. Bl. 1v–11r. 103 JOHANNES VON LAMBSHEIM, Libellus perutilis.

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1 Einleitung

responsorius magistri alani de rupe / de psalterio beate virginis marie Ad Venerabilem dominum. dominum Ferricum. de clunaco episcopum Tornacensem.104 Der Hintergrund, diese Verteidigungsschrift einzubeziehen, ist, dass Alanus gemeinhin als ‚Architekt‘ der Konzeption der Rosenkranzbruderschaft angesehen wird. Wenngleich der zeitliche Zuschnitt der vorliegenden Studie auf dem späten 15. sowie frühen 16. Jahrhundert liegt, sind dennoch die Texte von drei Autoren der Frühen Neuzeit mit untersucht: Aegidius Gelenius († 1656), Johann Andreas Coppenstein OP († 1638) und Adam Weitz OP († 1718).105 Alle drei nehmen in ihren Traktaten Bezug auf die Rosenkranzbruderschaft in den Jahrzehnten um 1500. Besonders Gelenius ist von vielen neuzeitlichen Forschern immer wieder rezipiert worden. Wie vor allem in den Kapiteln 4.1 und 4.5.1 deutlich werden wird, sind aber die von diesen drei Autoren vorgestellten Informationen kritisch zu hinterfragen. Eine dritte Quellengruppe stellen die gedruckten Einblattholzschnitte dar. Exemplarisch genannt seien hier das vermutlich 1517 gedruckte Blatt des Rostocker Dominikaners Joachim Ratstein,106 aus dem einleitend bereits kurz zitiert worden ist, und das am 24. März 1508 in Augsburg herausgebrachte ‚Informationsblatt‘, welches über die Ablässe, die Verpflichtungen und die Vorzüge der Rosenkranzbruderschaft für die Brüder und Schwestern berichtet (Hie nach volgent genad und applaß, lob und preiß, verpflichtung und andre stuck der loblichen bruderschaffte des rosenkrantz der iunckfrawen Marie).107 Gerade in Bezug auf die Ausführungen über die Gründe für die beachtliche Ausbreitung der Rosenkranzbruderschaft in Kapitel 4.5.5 wird dieser Quellentyp von Relevanz sein. Schließlich sind in die Untersuchung noch weitere Quellensammlungen einbezogen, so unter anderem die von Benedikt Maria Reichert OP edierten Akten der Generalkapitel der Dominikaner,108 die von Joseph Maria Larroca OP in den „Acta Sanctae Sedis [...]“ edierten Ablassurkunden zugunsten der Rosenkranzbruderschaft,109 diesbezüglich ebenso die im „Bullarium Ordinis FF. Praedicatorum“ verzeichneten Ablassurkunden110 wie auch die Bände zwei, sechs und 60 der Martin Luther-Gesamtausgabe.111 Im Hinblick auf die Zitation aus den bis hierhin angeführten Quellen orientiert sich die vorliegende Arbeit an den geläufigen Richtlinien.112 Dabei ist aber neben dem, was für diese Studie als erforderlicher Standard erscheint, zugleich auf die Lesefreund-

104 ALANUS DE RUPE, Apologeticus. 105 AEGIDIUS GELENIUS, De Admiranda Coloniae, Bd. 4, S. 464–468; JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis Rosarii Mariae. Die Chronik von Adam Weitz findet sich in AOP, Bd. 2, S. 113–127. Für die Identifikation des Kölner Dominikaners Weitz als Autor dieser Chronik siehe LÖHR, Zweite Blütezeit, S. 227. 106 UBR, Fa-1119(68).49. 107 BSB, Einbl. VII,51. – Eine kurze Quellenbeschreibung folgt in Kap. 4.5.5. 108 ACG, hier Bd. 3. 109 ASSOP, Bd. 2, T. 1–3. 110 BOP, Bd. 4, 5 und 7. 111 WA 2, 6 und 60. 112 Vgl. THUMSER, Zehn Thesen, sowie AULINGER u. a., Empfehlungen.

1.4 Methodisches Vorgehen

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lichkeit geachtet. Das heißt konkret: Alle Quellenzitate sind kursiv wiedergegeben, Ausnahmen dagegen explizit gekennzeichnet und erklärt. Die Großschreibung beschränkt sich auf Satzanfänge, Personen- und Ortsnamen. Der Bestand an Konsonanten und Vokalen ist gewahrt, die Buchstaben ‚u‘ und ‚v‘ sind entsprechend ihrem Lautwert angeglichen. Die Interpunktion der Quellen (zum Beispiel die Virgeln in den Drucken) ist durch heutige Satzzeichen ersetzt, der Satzbau orientiert sich an modernen grammatikalischen Vorgaben. Bei Titeln wird auf eine solche Normalisierung verzichtet. Abbreviaturen sind im Regelfall stillschweigend aufgelöst; ausgenommen sind die nach 1600 gedruckten Schriften, hier folgen die Zitate weitgehend der Vorlage mitsamt Kürzungen. Ergänzungen von verderbtem Quellentext sind durch Einfassung in eckige Klammern gekennzeichnet. Notwendige Erklärungen oder Einschübe stehen ebenfalls in eckigen Klammern. Römische und arabische Zahlzeichen werden der Quelle entsprechend übernommen. Die diakritischen Zeichen sind hingegen nicht dargestellt. Zitate, die aus Editionen stammen, sind unverändert wiedergegeben.113 Bei allen historischen Personen, deren Todesjahr zu ermitteln war, ist dieses im Zuge der ersten Nennung in Klammern hinter dem Namen ergänzt.

1.4 Methodisches Vorgehen Im Zentrum der vorliegenden Studie steht die These, dass die Jenseitsvorsorge der Rosenkranzbruderschaft im Vergleich zu den anderen spätmittelalterlichen Bruderschaften als heilseffizient definiert werden kann. Um diese Annahme zu begründen, muss die Untersuchung notwendigerweise komparatistisch ausgerichtet sein. Wie einleitend gesehen, haben bereits die zeitgenössischen Autoren der Rosenkranzbruderschaft ihr Urteil von der großen (der größten) Nützlichkeit der Korporation im Kontrast zu den übrigen Bruderschaften ausgesprochen. Die Vergleichsperspektive erscheint mithin als in zweifacher Hinsicht geboten.114 Praktisch resultiert aus dem Geschriebenen ein Vorgehen in drei Schritten: Zuerst ist auf die Tradition, das heißt die Jenseitsvorsorge in den klassischen, ortsgebundenen Bruderschaften einzugehen. Ziel ist es dabei, einerseits möglichst facettenreich das 113 In dem Zusammenhang ist nur auf eine Ausnahme hinzuweisen: Die in der Edition von MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, enthaltenen diakritischen Zeichen sind auch in diesem Fall nicht übernommen. Diese Entscheidung stellt zwar einen gewissen Eingriff in die Zitation aus der Edition dar, hier folge ich aber MALLINCKRODT, Struktur und Eigensinn (u. a. S. 68), die im Zuge ihrer Zitation aus Militzers Edition die diakritischen Zeichen ebenfalls nicht übernommen hat. Gleiches gilt für die Studie von GRIESE, Text-Bilder. 114 Grundlegend zum historischen Vergleich HAUPT/KOCKA, Historischer Vergleich, sowie KAELBLE, Historischer Vergleich. – Online verfügbar: http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.271.v1 [zuletzt abgerufen: 15.10.2019]. – Problemlos ließen sich hier zahlreiche weitere Autoren nennen. Verwiesen sei aber lediglich noch auf den meines Erachtens für die Reflexion des Vorgehens einschlägigen Beitrag von POHLIG, Vom Besonderen.

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1 Einleitung

Spektrum der potenziellen Spielarten der praxis pietatis in einer Bruderschaft vorzustellen. Hierfür eignet sich ein konkretes Fallbeispiel am besten. Andererseits müssen die Aussagen gleichzeitig verallgemeinerbar sein, um eine realistische Vergleichsfolie zu erhalten. Folglich ist – im Verständnis Max Webers – ein sogenannter Bruderschafts‚Idealtyp‘ zu konstruieren, um ausgehend von den exemplarischen auf die generellen Charakteristika der bruderschaftlichen Jenseitsvorsorge schließen zu können.115 Andernfalls könnte der Rosenkranzbruderschaft immer nur der spezifische Einzelfall gegenübergestellt werden. An zweiter Stelle steht die detailgenaue Untersuchung der Rosenkranzbruderschaft selbst. Allein die gründliche Analyse der Vereinigung kann das Material liefern respektive die Spezifika zutage fördern, anhand derer sich das Andersartige, die Innovation dieser Korporation identifizieren lässt.116 Zuletzt folgt aus der Zusammenführung beider Teile die Synthese mit der Erklärung des Konzepts und des Begriffs der Heilseffizienz. Strukturiert ist die Arbeit hingegen – abgesehen von 1. Einleitung sowie 6. Resümee – in vier Kapitel: 2. Ausgangsbedingungen, 3. Tradition, 4. Innovation und 5. Synthese. Wenngleich auf den ersten Seiten der Einleitung in diese Studie das Fegefeuer bereits kurz als ausschlaggebende Kulisse für das Bruderschaftswesen thematisiert worden ist, müssen dennoch noch einmal etwas präziser die handlungsleitenden Grundlagen für die Gläubigen des späten Mittelalters veranschaulicht werden. Hierauf ist das zweite Kapitel ausgerichtet. Vornehmlich wird es darum gehen, das aufgrund des Urteils im Partikulargericht und der sich anschließenden Läuterungszeit im Fegefeuer ‚vage‘ Seelenheil als Triebfeder für den Eintritt

115 Siehe zu Webers Verständnis des Idealtyps in Kürze ALBERT, Art. Idealtyp, S. 63–66. Vgl. zum Zusammenhang von Idealtyp und vergleichendem Vorgehen POHLIG, Vom Besonderen, S. 304. 116 2010 haben HESSE/OSCHEMA, Aufbruch im Mittelalter, S. 9, konstatiert, dass der Begriff der Innovation „zu einem wohlklingenden Schlagwort und Sammelbecken unterschiedlichster Vorstellungen und Konzepte geworden“ ist. Gleichwohl stellten sie fest, dass es innerhalb der Geschichtswissenschaft noch keine Definition von Innovation gäbe (ebd., S. 12). Schließlich heißt es: In Forschungsbeiträgen werde zwar gern mit dem Gegensatzpaar Tradition versus Innovation operiert, „allerdings ohne eine definitorische Eingrenzung der Begrifflichkeit auch nur anzustreben.“ Ebd., S. 13. Allein vor dem Hintergrund, dass auch in der vorliegenden Studie diese terminologische Dualität verwendet wird, muss hierauf kurz eingegangen werden: Was im Folgenden unter Tradition zu verstehen ist, ist bereits klar benannt. Innovation soll ganz allgemein gefasst das Neue beschreiben. MELVILLE, Innovation im Diskurs, S. 14, äußerte 2017, dass Innovationen das Ziel der „Lebensverbesserungen“ verfolgen. HESSE/OSCHEMA, Aufbruch im Mittelalter, S. 21, charakterisieren: „Bei der Innovation spielt die Neuerung eine zentrale Rolle, die auf die Optimierung bestehender Techniken und Praktiken oder deren Anpassung an geänderte Rahmenbedingungen abzielt und die sich durch nicht nur ökonomisch zu verstehende Relevanz, Nutzen und breite Rezeption auszeichnet.“ Wichtig ist somit auch, was MELVILLE, Innovation im Diskurs, S. 16, bemerkt: Er sieht Innovation nicht allein als einen Begriff für wie auch immer geartete Grenzüberschreitungen, sondern gleichzeitig als einen Geltungsbegriff. Gemeint ist, es solle eine Relevanz für (zeit-)aktuelle Bedürfnisse und eine Akzeptanz des Neuen erkennbar sein. Zuletzt sei ergänzt, dass weder Tradition noch Innovation eine wertende Einschätzung transportieren sollen.

1.4 Methodisches Vorgehen

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in die Bruderschaften offenzulegen, die als Bewältigungsstrategie für die postmortale Leidenszeit der Seelen verstanden werden sollen. Die benutzte Terminologie ist in diesem Rahmen nicht grundlos gewählt. Sie orientiert sich vielmehr an den Darlegungen des Religionssoziologen Ulrich Oevermann, dessen 2001 erschienene Abhandlung „Bewährungsdynamik und Jenseitskonzepte“ in die Erläuterung mit einbezogen ist.117 Seine Überlegungen erweisen sich als geeignet, um den Drang nach einer immerwährenden Jenseitsvorsorge zu erklären, ohne dabei ausschließlich auf die Angst vor dem Fegefeuer hinzuweisen. Kapitel drei nimmt darauf folgend stellvertretend am Fallbeispiel der Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit die Jenseitsvorsorge in einer lokal agierenden Korporation in den Blick. Dass die Auswahl auf diese Gemeinschaft gefallen ist, begründet sich vor allem aus der aussagekräftigen Quellenlage heraus (siehe Kap. 1.3). Die Binnengliederung des Kapitels beziehungsweise die darin gesetzten Schwerpunkte korrespondieren mit den Ausführungen in Kapitel 1.5: Bruderschaften als Untersuchungsobjekt. Zweck dieses letzten einführenden Abschnittes ist es, die Bruderschaft zunächst ganz allgemein anhand gewisser Kriterien aus dem weiten Feld der sozialen Gruppen des Mittelalters herauszuschälen. Am Ende wird eine Begriffsbestimmung wiedergegeben, die schon den Idealtyp der Bruderschaft beschreibt. Das Quellenmaterial aus Dresden soll dann in erster Linie – quasi deduktiv – dazu dienen, die praxis pietatis zu illustrieren.118 Denn wie in Kapitel 1.2 erwähnt, bestehen gerade an diesem Punkt Defizite innerhalb des Kenntnisstandes der Forschung. Immer wieder sollen im Verlauf des Textes die Dresdner Erkenntnisse an den vorliegenden Studien gespiegelt werden, um somit eben nicht zuletzt die Gefahr der Schilderung eines Sonderfalls zu umgehen. Diesbezüglich kann auf die im ersten Teil des Forschungsüberblicks genannten Autoren und deren Studien zurückgekommen werden. Die Untersuchung der Rosenkranzbruderschaft als transregional agierender Akteur in der Jenseitsvorsorge in Kapitel vier muss konsequenterweise auch die Analyse der einschlägigen Merkmale des Idealtyps Bruderschaft beinhalten, um so die Differenzen transparent machen zu können. In diesem Rahmen werden besonders die Intention

117 Vgl. OEVERMANN, Bewährungsdynamik. 118 Das Regelbuch der Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit (StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047), das für die Untersuchung der praxis pietatis der Dresdner Bruderschaft zweifellos die wichtigste Quelle darstellt, ist von mir bereits in meiner 2014 an der Philosophischen Fakultät der TU Dresden eingereichten Masterarbeit (RANACHER, der bruderschaft) untersucht worden. Die dabei gewonnenen, bisher nicht veröffentlichten Erkenntnisse sind hier zu großen Teilen in einzelne Abschnitte von Kap. 3, konkret in die Unterpunkte 3.2, 3.4 und 3.5 eingeflossen sowie in Ausschnitten auch übernommen. In Anbetracht der für diese Studie allerdings deutlich ausgeweiteten Quellenbasis (siehe Kap. 1.3) und den daraus resultierenden neuen Perspektiven ist das in der Masterarbeit Geschriebene für die vorliegenden Ausführungen in den drei genannten Unterpunkten jedoch vielfach ergänzt, neu angeordnet und nicht zuletzt auch inhaltlich überarbeitet worden.

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1 Einleitung

(Kap. 4.2), die Organisation (Kap. 4.4) mitsamt der nachvollziehbaren räumlichen gleichwie personellen Ausbreitung (Kap. 4.5) und die religiöse Praxis (Kap. 4.6) von herausgehobenem Interesse sein. Die ausführliche Begutachtung der Gründungsumstände einschließlich des Gründungsnarrativs in Kapitel 4.1 sowie die Betrachtung der die Konzeption beeinflussenden Faktoren in Kapitel 4.3.1 sind im Sinne einer Kontextualisierung wichtig. Die hieraus gewonnenen Informationen werden aber ebenfalls zum Beispiel für das Verständnis der Ausbreitung relevant sein. Ferner darf nicht vergessen werden, nach den zeitgenössischen Resonanzen im Anschluss an die Etablierung der Rosenkranzbruderschaft zu fragen (Kap. 4.3.2). Kapitel fünf soll schließlich als Synthese aus dem Voranstehenden den Begriff und das dahinterliegende Konzept der Heilseffizienz definieren. In einem ersten Schritt ist die ‚Methodik‘, derer sich die Rosenkranzbruderschaft bediente, kulturhistorisch zu verorten. Dabei wird zu prüfen sein, inwieweit sich die Organisatoren bekannte Verfahren angeeignet oder sie adaptiert haben (Kap. 5.1). Daran anknüpfend muss der Begriff Heilseffizienz erläutert werden; auch im Hinblick darauf, ob ein primär wirtschaftlich konnotierter, mit ökonomischen Inhalten gefüllter Terminus überhaupt als Beschreibungskategorie für die Jenseitsvorsorge in den Jahrzehnten um 1500 benutzt werden kann (Kap. 5.2). Nicht zuletzt wird das Konzept in die Forschungstradition einzuordnen sein. An dritter Stelle soll, wenngleich empirisch freilich nicht zu verifizieren, die von den Zeitgenossen in den Diskurs eingebrachte Aussage von der Rosenkranzbruderschaft als der für das Seelenheil ‚nützlichsten‘ Bruderschaft hinterfragt werden (Kap. 5.3). Abschließend sind kurz – ausblickend – die Nachwirkungen zu beleuchten: War die Rosenkranzbruderschaft ein Impulsgeber für weitere Bruderschaften oder selbst ein Sonderfall (Kap. 5.4)? Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine frömmigkeitshistorische Untersuchung, deren Ziel es ist, die Rosenkranzbruderschaft als neuen, innovativen Typ in der bruderschaftlich organisierten Jenseitsvorsorge um 1500 zu präsentieren. Methodisch wie konzeptionell bedeutet das, dass die Arbeit mehrgleisig respektive interdisziplinär ausgerichtet ist. Die Ergebnisse können – wie einleitend bereits skizziert – nur durch den historischen Vergleich gewonnen werden. Denn wie Hartmut Kaelble treffend bemerkt hat, eignet sich dieses Vorgehen nicht bloß, um Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zu beschreiben, sondern ebenso, um sie zu erklären und auch Typologien zu entwickeln.119 Das hierfür notwendige Datenmaterial, das in Kapitel drei und vier bereitgestellt werden soll, ist wiederum durch verschiedene grundlegende Methoden zu erarbeiten, die vor allem von den jeweiligen Quellen abhängig sind. Zuletzt sei erwähnt, dass eine frömmigkeits-, damit auch kirchenhistorische Untersuchung notwendigerweise interdisziplinär ausgerichtet sein muss, somit

119 Vgl. KAELBLE, Historischer Vergleich.

1.5 Bruderschaften als Untersuchungsobjekt

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auf diverse Forschungsfelder zurückgreift.120 Entsprechend ist auch die vorliegende Studie eng verknüpft mit der Alltags-, der Ideen- und Kulturgeschichte, der Theologie- und Kunstgeschichte, aber auch der mediävistischen Germanistik.

1.5 Bruderschaften als Untersuchungsobjekt Nicht ausschließlich, aber doch vornehmlich in den deutschsprachigen Studien finden sich einführend mehr oder minder umfangreiche Passagen, die der Definition des Forschungsgegenstandes Bruderschaft gewidmet sind.121 Diesen Wesenszug innerhalb der Historiographie stellte verschiedentlich Thomas Frank heraus, indem er etwa bemerkt: „[D]as Erbe der rechts- und stadtgeschichtlichen Tradition [bringt] bis heute viele deutsche Historiker dazu, an den Ausgangspunkt ihrer Arbeit eine Reflexion über den Bruderschaftsbegriff zu stellen.“122 Gleichwohl unternimmt er selbst den Versuch, eine „zumindest für mittelalterliche Bruderschaften sachlich angemessenere und heuristisch produktivere Bestimmung“ zu konzipieren.123 Der Hintergrund für diese nahezu kontinuierliche Beschäftigung mit den vermeintlich prägenden Wesensmerkmalen des zu erforschenden Objektes dürfte aber nicht nur aus den Entwicklungslinien der deutschen Geschichtsschreibung heraus zu erklären sein. Ein zweiter, zentraler Aspekt ist gewiss die Vielschichtigkeit in der Verwendung des Terminus Bruderschaft. Neben weiteren Autoren haben besonders Ludwig Remling und Malte Prietzel auf diesen Punkt aufmerksam gemacht: Bruderschaft, herkommend vom lateinischen Wort fraternitas, bezeichnete demnach zunächst eine Norm sozialen Handelns, wonach der Mitmensch ‚wie ein Bruder‘ behandelt werden sollte.124 Auf Gruppen respektive Zusammenschlüsse, deren Bestreben es war, diese Norm zu verwirk-

120 Vgl. dazu vor allem BÜNZ, Alltägliche Frömmigkeit, bes. S. 19–32, mit einem detailreichen und ausführlichen Forschungsabriss etwa zur Korrelation mit der Alltagsgeschichte (ebd., S. 21 mit Anm. 13), zum „Methodenpluralismus“ in der Frömmigkeitsforschung der vergangenen Jahrzehnte (ebd., S. 28 f.) usw. 121 An erster Stelle ist diesbezüglich zweifellos die Arbeit von REMLING, Bruderschaften in Franken, zu nennen. Seine Ausführungen zum Thema „Bruderschaften als Forschungsgegenstand“ sind fraglos am ausführlichsten (vgl. ebd., S. 7–53) und werden häufig zitiert. Allerdings wurden sie inzwischen auch mehrfach ‚korrigiert‘. Siehe dazu etwa PRIETZEL, Kalande Niedersachsen, hierin bes. S. 35–47, sowie FRANK, Bruderschaften im Kirchenstaat, S. 13–21. Zusammenfassungen dieses Forschungsdiskurses finden sich u. a. bei ESCHER-APSNER, Mittelalterliche Bruderschaften, S. 11–17. 122 FRANK, Bruderschaften im Kirchenstaat, S. 10. 123 FRANK, Bruderschaften, Memoria und Recht, S. 342. 124 Vgl. PRIETZEL, Kalande Niedersachsen, S. 35. Entsprechend äußert sich auch REMLING, Bruderschaften in Franken, S. 12: „Aus dieser vielfältigen Verwendung [sc. des Begriffs Bruderschaft] darf geschlossen werden, daß fraternitas nicht als Artbegriff für eine konkrete Institution gebräuchlich ist, sondern daß mit dem Wort eher auf einen bestimmten Aspekt hingewiesen wird, der verschiedenen sozialen Handlungsfeldern gemeinsam ist.“

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1 Einleitung

lichen, übertrug sich folgerichtig die Vokabel; oder wurde selbst übernommen. Wie Prietzel treffend formuliert, erzeugte somit die Norm sozialen Handelns die Form.125 Hieraus resultierend konnte mit dem Begriff Bruderschaft ein breites Spektrum an Phänomenen bezeichnet werden. Während beispielsweise im frühen Mittelalter Gebetsverbrüderungen des kirchlich-monastischen Bereichs gemeint sein konnten, handelte es sich im Spätmittelalter vorrangig um eigenständige Gruppen von Personen mit einer bestimmten Zielsetzung.126 Die Spannbreite war hiermit aber keineswegs reduziert. Klaus Militzer etwa konnte für Köln zeigen, dass mit fraternitas eine Kaufmannsgilde, eine Zunft, eine sogenannte Gaffel sowie ein Zusammenschluss der Schöffen und die „Richerzeche“ tituliert sein konnten.127 Abgesehen davon blieb es nicht bei dem einen Wort Bruderschaft (broederschop oder bruderschafft). In den Quellen begegnen uns darüber hinaus exemplarisch confraternitas oder societas, Kaland (fraternitates kalendarum), buchse beziehungsweise im Englischen gild.128 Allein aus der Benennung ließ sich ergo nicht immer präzise erschließen, welche Korporationsform vorlag.129 Die endgültige Engführung der Bezeichnung auf eine spezifische Gruppe fand erst im nachtridentinischen Katholizismus statt. Allerdings ist der heute von der Forschung gebrauchte Begriff de facto maßgeblich von dieser Eingrenzung beeinflusst.130 Ohne jetzt der erwähnten Tradition zu folgen und eine ausgedehnte Reflexion über die Terminologie anzuschließen, ist es doch geboten, zu berücksichtigen, dass der hier verwendete Ausdruck Bruderschaft nicht mehr nur ein den Quellen entlehntes Wort, sondern ein Terminus technicus der Forschung ist. Dessen inhaltliche Füllung, das heißt die Identifikation bestimmter symptomatischer Charakteristika, soll es ermöglichen, die Korporationsform Bruderschaft als eigenen Untersuchungsgegenstand aus dem weiten Feld der sozialen Gruppen des Mittelalters herauszuschälen.131 Denn Bruderschaften appellierten an religiöse und soziale Ideale, für die sich andere 125 Vgl. PRIETZEL, Kalande Niedersachsen, S. 35. 126 REMLING, Bruderschaften in Franken, S. 12, schreibt hierzu (jeweils mit Verweisen auf entsprechend passende Arbeiten): „Mit dem Wort fraternitas/Bruderschaft werden im Mittelalter unterschiedliche institutionelle Sachverhalte bezeichnet: – das politische Bündnis zwischen Herrschern oder Städten, der Erbvertrag zwischen hochadeligen Familien; – das gegenseitige Gebetsgedächtnis, die Gebetsverbrüderung von Klöstern und Bischöfen, häufig unter Einbeziehung von Laien; – die Vereinigung von Einzelpersonen, vor allem zur gegenseitigen Unterstützung.“ 127 Vgl. MILITZER, Laienbruderschaften in Köln, S. XI. 128 Auch dieser Punkt wird von vielen Arbeiten thematisiert. Vgl. etwa REMLING, Bruderschaften als Forschungsgegenstand, S. 94 f., und MÜSEGADES, Heilige, S. 214 sowie 215 f., mit dem Hinweis auf eine Besonderheit in der Quellenterminologie in England. Hingewiesen sei hier lediglich noch auf den frühen Beitrag von IRSIGLER, Zur Problematik der Gilde- und Zunftterminologie. 129 Vgl. hierzu eben MILITZER, Laienbruderschaften in Köln, S. XI. 130 Vgl. PRIETZEL, Kalande Niedersachsen, S. 35 f. 131 In Anbetracht des mittlerweile erreichten Umfangs kann hier keineswegs die Forschungsliteratur zur Thematik ‚soziale Gruppe‘ im Mittelalter ausführlich referiert werden. Aufmerksam gemacht sei stellvertretend auf O EXLE, Soziale Gruppen, darin S. 17–19 seine Definition von ‚Gruppe‘.

1.5 Bruderschaften als Untersuchungsobjekt

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Vereinigungen respektive Institutionen in gleicher Weise zuständig fühlten. Ein Aspekt, auf den Thomas Frank völlig zu Recht hingewiesen hat.132 Die angerissene Diversität dürfte das anschaulich gemacht haben. Insofern sind die Merkmale komprimiert zu rekapitulieren. Grundlegend wird unter Bruderschaft eine Gruppe von Personen gefasst. Das konnten entweder allein Geistliche, die sogenannten Kalande, oder allein Laien, aber auch Vereinigungen von Geistlichen und Laien sein, die explizit religiöse beziehungsweise religiös-karitative Zwecke verfolgten. Entsprechend formuliert zum Beispiel Christopher Black in seiner Studie über „Italien confraternities in the sixteenth century“: „A confraternity, for present purposes, will be taken to mean a voluntary association of people who come together under the guidance of certain rules to promote their religious life in common.“133 Verglichen mit den anderen, im Forschungsdiskurs zirkulierenden Ansätzen von Meersseman, Remling, Otto Gerhard Oexle, Jan Gerchow sowie Frank mutet die Definition Blacks recht pragmatisch an.134 Meersseman etwa arbeitete vier Merkmale heraus, die erfüllt sein müssten, um eine Gruppierung seiner Meinung nach als Bruderschaft zu bezeichnen: Erstens müsse es ein Zentrum geben, an dem sich die Mitglieder treffen konnten; zweitens müssten überhaupt regelmäßige Treffen stattfinden; drittens müsse eine Organisation erkennbar sein einschließlich, viertens, vorhandener Statuten.135 Ähnliche Kriterienkataloge finden sich bei Remling und Gerchow, um nur zwei Beispiele zu nennen.136 Überblickt man die existierenden Definitionsvorschläge, wird schnell deutlich, dass – wie Benjamin Müsegades es pointiert ausgedrückt hat – nach wie vor eher von einem „begrifflichen Minimalkonsens“ als von einer allgemein akzeptierten Erklärung gesprochen werden muss.137 Zwar eint nahezu alle Ansätze die Hervorhebung des religiösen Anliegens, sprich der Jenseitsvorsorge, die im Allgemeinen als wichtigstes distinktives Merkmal identifiziert wird, doch unterscheiden sich dann häufig einzelne Charakteristika. Ein Stück weit bedingt selbstredend die gleichermaßen regionale Vielfalt die wiederholte Überprüfung und potentielle Anpassung einzelner Kriterien. Das „eigentlich Unbefriedigende an den gängigen Definitionen“, schreibt Frank, sei eher, „daß sie ihrem Gegenstand den Charakter einer – soziologisch oder juridisch gekleideten – ‚Wesenheit‘ verleihen.“ Übersehen würde

REMLING, Bruderschaften in Franken, S. 50 Anm. 243, hat die Gefahren einer soziologischen Betrachtung der mittelalterlichen Bruderschaften benannt. 132 Vgl. FRANK, Bruderschaften, Memoria und Recht, S. 346. 133 BLACK, Italien confraternities, S. 1. 134 Ähnlich reduziert fasst auch HEUSINGER, Zunft im Mittelalter, S. 86, den Forschungsbegriff Bruderschaft. – Vgl. für einen knappen Überblick über einige der genannten Definitionsvorschläge MILITZER, Laienbruderschaften in Köln, S. XIIIf. 135 MEERSSEMAN, Ordo fraternitatis, Bd. 1, S. 8–21. 136 Vgl. REMLING, Bruderschaften in Franken, S. 49 f., und GERCHOW, Bruderschaften Freiburg, S. 6. 137 MÜSEGADES, Heilige, S. 214.

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1 Einleitung

damit jedoch, dass den Zeitgenossen selbst nicht immer eine unbestreitbare, klare Verortung gelang.138 Die Begriffsbestimmung, die er vorgelegt hat, lautet: „Mittelalterliche Bruderschaften waren auf Dauer angelegte Personenvereinigungen mit explizit religiösen, darunter oft auch karitativen, implizit sozialen und wirtschaftlichen Funktionen. Die aus diesen Funktionen entwickelten, meist rituell vollzogenen, nach innen wie nach außen wirkenden Handlungsweisen erzeugten in Auseinandersetzung mit den Kontrollansprüchen der Gesellschaft und den Mitgliederinteressen eine Gruppenidentität. Die Mitgliedschaft berührte den kirchenrechtlichen Status des einzelnen nicht.“139

Für die insbesondere im ersten Teil der Untersuchung im Fokus stehenden, lokal agierenden Bruderschaften stellt diese Definition in der Tat die brauchbarste dar. Wie Frank selbst ausführt, ist der Kern der Bruderschaften, das vor allen Dingen religiös motivierte, gemeinschaftliche Handeln unabhängig von der spezifischen Bezeichnung einer Vereinigung in den Quellen in diesem Verständnis erfasst. Gleichzeitig erscheint seine Schablone als feingliedrig genug, um die Bruderschaften unter anderem von den Gebetsverbrüderungen, von sogenannten Semireligiosengruppen, aber ebenso von den Zünften zu separieren.140 Zweifelsohne lassen sich angesichts der oben erwähnten Überschneidung von Interessen gerade zu den letztgenannten Zünften Parallelen eruieren. Die Kerndiskrepanz ist aber in der expliziten Jenseitsorientierung der Bruderschaften zu sehen. Prononciert haben Paul Trio und Barbara Haggh diese Differenz zwischen den beiden Gruppierungen zum Ausdruck gebracht, indem sie konstatieren: „[guilds] served the living, whereas confraternities [...] served the dead.“141 Gleichwohl ist nicht zu vergessen, dass es auch Bruderschaften gab, die aus den Zünften heraus entstanden sind und mit ihnen folglich engstens verbunden waren. Deren Kernaufgabe lag ebenfalls in der Memoria, allerdings trafen sich in diesen Bruderschaften vorrangig die Mitglieder eines Handwerks. Sabine von Heusinger hat in dem Zusammenhang von der Bruderschaft als einem Teilbereich der Zunft geschrieben.142 Abschließend sei ein letzter Gedanke Thomas Franks aufgegriffen. In einem seiner Aufsätze weist er darauf hin, dass die Existenz oder das Bestehen von Bruderschaften keineswegs als unumstößlicher Fakt angenommen werden könne. Vielmehr lassen die Quellen erkennen, dass sich die Bruderschaften stets in einem Spannungsfeld zwischen den Polen Norm und Praxis, Ideal und Realität bewegt haben.143 Als eine Konsequenz daraus regt er an, die Definition sowie das Verständnis von Bruderschaft – eben doch –

138 FRANK, Bruderschaften, Memoria und Recht, S. 342. Das Zitat ebd. 139 FRANK, Bruderschaften im Kirchenstaat, S. 15. 140 Vgl. FRANK, Bruderschaften im Kirchenstaat, S. 15. 141 TRIO/HAGGH, Confraternities in Ghent, S. 47. 142 Vgl. HEUSINGER, Zunft im Mittelalter, S. 47, 85–90, sowie HEUSINGER, Methodische Überlegungen, hier bes. S. 39 f. und 44 f. 143 Vgl. FRANK, Bruderschaften, Memoria und Recht, S. 346.

1.5 Bruderschaften als Untersuchungsobjekt

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immer auch selbst zu einem Teil der Fragestellung zu machen.144 Zu beachten ist diese Empfehlung im vorliegenden Rahmen aber nicht, um mit ihr die Entwicklung einer eigenen Bruderschaftsdefinition zu legitimieren. Vielmehr kann sie überleiten zu einer entscheidenden Aussage, die freilich am Ende der Arbeit noch etwas offenkundiger wird: Die Rosenkranzbruderschaft passt in keine der referierten Schablonen, nicht einmal in die von Frank.145 Indes verstanden die Organisatoren und ‚Anhänger‘ der Korporation, wie beispielsweise Marcus von Weida, die Rosenkranzbruderschaft dezidiert als eine der Bruderschaften ihrer Zeit, mit denen sie sich nicht zuletzt verglichen. Würden wir nun einen der von der Forschung konstruierten Definitionsmaßstäbe anlegen, könnte die Rosenkranzbruderschaft und ihre Jenseitsvorsorge gar nicht ohne Weiteres mit derjenigen der klassischen Bruderschaften verglichen werden. Wie die Quellen zeigen, würde dies allerdings am Verständnis der Zeitgenossen vorbei gehen.

144 Vgl. FRANK, Bruderschaften im Kirchenstaat, S. 14. 145 Auch MILITZER, Bruderschaften am Übergang, S. 252, bemerkte: „Man kann sich daher fragen, ob die Rosenkranzbruderschaft überhaupt noch als eine Laienbruderschaft anzusehen ist.“

2 Ausgangsbedingungen: Das vage Seelenheil 2.1 Charakteristika der spätmittelalterlichen Religiosität Ein „Tausendblumenteppich der Frömmigkeiten“, so Bernd Roeck, seien die Jahrhunderte von etwa 1200 bis 1400 gewesen.1 Selbst ohne tiefergehende Kenntnisse ruft diese einprägsame Metapher ein Bild vor Augen, dass vor allem die Vielschichtigkeit des religiösen Lebens zu imaginieren vermag. Beziehen wir nun die mittlerweile viel zitierte Feststellung des Göttinger Kirchenhistorikers Bernd Moeller mit ein, deren Aussage heute zweifelsohne dem Konsens der mediävistischen Forschung entspricht, kann, ja muss die Roecksche Metapher – umso mehr – auf das späte 15. und frühe 16. Jahrhundert übertragen werden. Bereits 1965 konstatierte Moeller nämlich: Man dürfe es „wagen, das späte 15. Jahrhundert in Deutschland [als] eine der kirchenfrömmsten Zeiten des Mittelalters zu nennen.“2 Seither ist diese These mit gewisser Kontinuität aufgegriffen, mit zahlreichen Beispielen unterlegt und somit nicht zuletzt aus verschiedenen Blickrichtungen verifiziert worden.3 Damit einhergehend ist zugleich die einseitig pejorative Bewertung der Kirchlichkeit in den Jahrzehnten um 1500 als größtenteils geprägt von Missständen, als deren notwendiges Resultat die Reformation Martin Luthers anzusehen sei, überwunden.4 Die Kriterien, aus denen sich das Urteil der beträchtlichsten Kirchlichkeit bildet, sind, bezogen auf die Frömmigkeit, also den gelebten Glauben, die erwähnte Mannigfaltigkeit in den Spielarten der praxis pietatis sowie der Drang nach Quantität in den unterschiedlichen religiösen Übungen: Vielfalt und Vielzahl. Deutlich werden diese miteinander korrelierenden Eigenheiten unter anderem im Bereich der Stiftungen. Der dem im Südwesten des Reiches ansässigen Adelsgeschlecht der Herren von Zimmern angehörende Graf Werner bestimmte beispielsweise, dass 1.000 Messen allein für sein persönliches Seelenheil gefeiert werden sollten. Bei dem Wiener Bürger Ulreich der Wild waren es 500.5 Freilich erscheinen gerade diese beiden Fälle als einträglich. Faktisch war nicht jeder Testator darum bemüht (oder in der Lage), eine solch opulente Anzahl von Messopfern zu beauftragen, wie Ralf Lusiardi in seiner Analyse des Stiftungsverhaltens in Stralsund aufzeigen konnte. Aber auch er stellte fest, dass 100 bis 200 Lesemessen keine Seltenheit in

1 ROECK, Morgen der Welt, S. 297. 2 MOELLER, Frömmigkeit um 1500, S. 79. 3 Lediglich stellvertretend sei hier verwiesen auf MORAW, Von offener Verfassung, S. 403 ff.; BOOCKMANN, Wort und Bild, bes. S. 239 f.; HAMM/LENTES, Vorwort, S. VII; ANGENENDT, Grundformen Frömmigkeit, S. 17 f., sowie jüngst BÜNZ/KÜHNE, Frömmigkeit um 1500, S. 24. 4 Vgl. BOOCKMANN, Das 15. Jahrhundert, der hierin die Wichtigkeit offengelegt hat, dass 15. Jahrhundert – und die freilich aufzuspürenden ‚Missstände‘ – nicht aus der Perspektive der kommenden Reformation zu betrachten. 5 Vgl. MORAW, Von offener Verfassung, S. 403; KÜHNEL, Frömmigkeit ohne Grenzen, S. 92. https://doi.org/10.1515/9783110749120-002

2.1 Charakteristika der spätmittelalterlichen Religiosität

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den Testamenten waren.6 Den Anstieg der Stiftungen ad pias causas im 15. Jahrhundert bezeugen anschaulich zudem die – wie Hartmut Boockmann treffend formuliert – „bis zum letzten Wandsegment, bis zum letzten Pfeiler mit den Resultaten bürgerlichen und adligen Stiftungswillens“ gefüllten Kirchen, allen voran die in den Städten.7 Als weitere typische Ausprägungen der Frömmigkeit können exemplarisch die Beteiligungen an Wallfahrten oder Pilgerreisen zu außergewöhnlich heilsversprechenden Orten wie zu den Bluthostien im brandenburgischen Wilsnack oder das Pilgern nach Rom oder Santiago de Compostela genannt werden.8 Des Weiteren ließen sich die wachsende Verehrung von Heiligen und Reliquien,9 die steigende Zahl von Heiltumsweisungen, Prozessionen und geistlichen Spielen10 sowie nicht zuletzt das Bestreben, möglichst viele und umfangreiche Ablässe zu erlangen, anführen.11 Wichtig ist bei alledem zu bemerken, dass die hier thematisierten Facetten der praxis pietatis nicht nur allein für sich standen und verfolgt wurden. Der den Zeitgenossen eigene Drang der Quantifizierung zeigt sich ebenfalls darin, dass sich die einzelnen Elemente überlagerten oder miteinander kombiniert werden konnten. Im Verlauf einer Pilgerfahrt konnte zum Beispiel häufig Ablass erworben werden, die Indulgenzen integrierten mitunter Teile der Buß- und Teile der ars moriendi-Frömmigkeit. Berndt Hamm hat mit Blick auf solche Überlagerungen von einem „Syndrom der Multiplizierung“ gesprochen.12 Verbunden mit dem in allen Variationen der praxis pietatis anzutreffenden Spezifikum der Massenhaftigkeit ist zudem das Bedürfnis der Gläubigen zu erkennen, möglichst alles zu zählen und zu berechnen. Eingängig wird dieses Phänomen in dem Begriff der ‚Heilsarithmetik‘.13 Gerade der Rosenkranz in seiner materiellen Gestalt als Gebetshilfe stellt ein anschauliches Beispiel dieser gezählten Frömmigkeit dar, für die gleichsam das Rosenkranzgebet steht.14 Auch die Ablässe offenbaren

6 Vgl. LUSIARDI, Stiftung und städtische Gesellschaft, S. 142. 7 BOOCKMANN, Spätes Mittelalter, S. 386. 8 Exemplarisch hierzu ESCHER/KÜHNE (Hg.), Die Wilsnackfahrt, oder MIEDEMA, Rompilgerführer. 9 Die Forschung hat gezeigt, dass sich gerade im Spätmittelalter regelrechte ‚Mode-Heilige‘ identifizieren lassen, angeführt sei diesbezüglich u. a. die heilige Anna. Exemplarisch hierzu DÖRFLERDIERKEN, Verehrung der heiligen Anna; allgemein ANGENENDT, Heilige und Reliquien, oder jüngst – auch mit Blick auf die Indienstnahme von Heiligen durch die Bruderschaften relevant – MÜSEGADES, Heilige. 10 Exemplarisch hierzu LÖTHER, Prozessionen in Städten; BUCHINGER/HILEY/REICHERT (Hg.), Prozessionen und Gesänge, oder HONEMANN, Geistliche Schauspiele. 11 Exemplarisch hierzu PAULUS, Geschichte des Ablasses, bes. Bd. 3; NEUHAUSEN, Ablaßwesen Köln, oder THALMANN, Ablaßpraxis. 12 HAMM, Theologie und Frömmigkeit, S. 270. 13 Siehe hierzu den ausführlichen Beitrag von ANGENENDT u. a., Gezählte Frömmigkeit, bes. S. 41–51, sowie die Studie von LENTES, Gebetbuch und Gebärde, bes. S. 561–586. 14 Vgl. ANGENENDT u. a., Gezählte Frömmigkeit, bes. S. 41.

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2 Ausgangsbedingungen: Das vage Seelenheil

das ausgefeilte System des Berechnens. Die durch unterschiedlichste religiöse Übungen zu erwerbenden Straferlasszeiten konnten dem ‚Schuldkonto‘ eines oder einer Gläubigen gutgeschrieben werden. Als Folge daraus reduzierte sich der Aufenthalt im Fegefeuer – wobei das Addieren hier nicht immer wortgenau zu nehmen ist (siehe dazu Kap. 3.5.5 sowie 4.6.3).15 Auf diese kommerziellen Züge der Jenseitsvorsorge wird im Rahmen der in Kapitel 5.2 zu entwickelnden Heilseffizienz noch einmal zurückzukommen sein. Gleichwohl scheinen in der praxis pietatis des Spätmittelalters auch Momente einer qualitativ intensivierten, einer etwa auf die innere Haltung der Menschen abzielenden Frömmigkeit auf.16 Die bis hierhin genannten Punkte sind in erster Linie dem Feld der Laienfrömmigkeit zuzurechnen. Im Bereich der klerikalen, der monastischen sowie der ‚semireligiosen‘ Welt kann eine gleichermaßen vielgestaltig intensivierte Religiosität eruiert werden.17 Nur schlagwortartig berührt seien hier die devotio moderna, deren Ursprünge bei den von dem Niederländer Geert Grote († 1384) initiierten Brüdern vom gemeinsamen Leben lagen, und die von ihr wiederum beeinflussten Reformströmungen der Bursfelder Kongregation innerhalb des Benediktinerordens, der Windesheimer Kongregation bei den Augustiner-Chorherren und die congregatio hollandiae bei den Dominikanern.18 Ohne Hindernisse ließe sich die Aufzählung fortsetzen, doch dürften diese Schlaglichter genügen, um einen Eindruck davon zu bekommen, woraus der ‚Tausendblütenteppich‘ gewebt war.19 Warum aber diese forcierte Frömmigkeit? Als ausschlaggebender Stimulus kann die allenthalben nachzuweisende Unsicherheit im Hinblick auf das Seelenheil identifiziert werden.20 Auch eine der Dresdner Quellen gibt hiervon ein beredtes Zeugnis: Nickel Richter, etwan burgermeister und kirchvater zcu Altendresden, mitsampt Dorothean seiner elichen wirtten, beide frischer gesuntheidt, rechter, gantzer ingebung bedenckende, das mensch-

15 Vgl. LENTES, Gebetbuch und Gebärde, bes. S. 566–581, sowie MIEDEMA, Gezählte Frömmigkeit, S. 459–481. 16 Anschaulich umreist bspw. HAMM, Theologie und Frömmigkeit, S. 276, diese Multidimensionalität von Frömmigkeit, deren Ausrichtungen mitunter auch gegeneinander laufen konnten. 17 Die Schwierigkeiten einer eindeutigen Klassifikation und Zuordnung des ‚Semireligiosentums‘ hat ELM, Vita regularis sine regula, S. 239–273, aufgezeigt. 18 Vgl. hier lediglich BASSE, Reformkonzilien, S. 130–143, und in Kürze ELM, Devotio moderna, bes. S. 21–24; ergänzend BOOCKMANN, Spätes Mittelalter, S. 380–382, u. a. mit einer Karte zur Ausbreitung der Bursfelder Kongregation. Allgemein mit Impulsen auch HAMM, Theologie und Frömmigkeit, S. 244–298. 19 Im Rahmen des vorliegenden Kapitels nur einige Schlaglichter zu werfen, erklärt sich auch vor dem Hintergrund, dass mittlerweile auf eine Vielzahl an einschlägigen Publikationen zurückgegriffen werden kann. Erwähnt seien hier vor allem ANGENENDT, Geschichte Religiosität; DINZELBACHER, Hoch- und Spätmittelalter; SCHREINER (Hg.), Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter; HAMM, Religiosität im Mittelalter, sowie BÜNZ/KÜHNE (Hg.), Alltag und Frömmigkeit. 20 Vgl. u. a. MOELLER, Frömmigkeit um 1500, S. 77; HAMM, Theologie und Frömmigkeit, S. 278 f.

2.1 Charakteristika der spätmittelalterlichen Religiosität

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liche natur allen uff diser werlde keine bleibende stadt, auch nichts eygens sunder alles von gott gelihen hat, nichts sichers, dan den todt, der dem menschen teglich anhanget und nichts ungewisers dan die stunde und zceit des todis, wollende nicht seiner vorfarn noch seiner zelen seilikeit vorgessenlich und unbedechtig von diser werlde gehen […].21

Diese Ansicht, mit der die Eheleute Nickel und Dorothea Richter am 17. Juni 1488, um die vesperzceit ader nahe dobey, vom Altendresdner Stadtschreiber in Gegenwart mehrerer Zeugen ihr Testament beginnen ließen, spiegelt sinnfällig wider, worin das Vage des Seelenheils lag: Der Gewissheit des früher oder später eintretenden Todes, dem die Menschen des Mittelalters ohnehin omnipräsent ansichtig waren, stand die Ungewissheit des faktischen Moments des Sterbens gegenüber. So ungewiss der Zeitpunkt des Todes aber war, so sicher waren sich die Gläubigen, dass ihren Seelen nach dem Ableben eine bestimmte Verweildauer im Fegefeuer bevorstand, um dort von den zu Lebzeiten noch nicht verbüßten Sündenstrafen geläutert zu werden. Insofern galt es als essentiell, einem vorbereiteten Tod ins Auge zu sehen. Zwei Akzente waren dabei für einen ‚guten Tod‘ von Relevanz: Erstens sollte das Sterben unter kirchlichem Beistand geschehen. Neben der unctio, der Salbung mit geweihtem Öl, spielte die Beichte mit der sich anschließenden Absolution sowie dem Reichen des viaticum, der konsekrierten Hostie aus der vom Priester im Versehgang mitgeführten Pyxis, eine besondere Rolle.22 Für einen ‚guten Tod‘, das heißt einen Tod in reuiger Buße und in der Hoffnung auf die Barmherzigkeit Gottes, waren der Empfang der Sterbesakramente und die geistliche Begleitung daher zentral. Diese ars moriendi, die Kunst des Sterbens, ist um 1500 in zahlreichen Drucken zugleich visuell dargestellt und verbreitet worden.23 Zweitens musste eben vermittels der praxis pietatis für das Seelenheil und für die Unterstützung der ‚armen Seelen‘ im purgatorium gesorgt werden. Denn wie lange der Aufenthalt in dieser Läuterungsinstanz andauern würde, konnte niemand abschätzen. Entscheidend war es daher, die Jenseitsvorsorge, die Memoria auch über den eigenen Tod hinaus zu sichern. Aufgrund der in der Gemeinschaft der Heiligen verbundenen gesamten Christenheit konnten unter anderem die Gebete der Lebenden, der ecclesia militans, den im Fegefeuer Ausharrenden, der ecclesia poenitens (beziehungsweise der ecclesia in purgatorio), zugutekommen.24 Mithin können als Memoria alle Maßnahmen bezeichnet werden, die darauf ausgerichtet waren, die Leidenszeit der ‚armen Seelen‘ im purgatorium abzukürzen.25 Exakt diese Intention der Jenseitsvorsorge und die Unsicherheit im Hinblick auf das Seelenheil waren es, die den Ausgangspunkt für die Etablierung von Bruder-

21 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 942 (UA). Das folgende Zitat ebd. 22 Vgl. BRÜCKNER, Der gute Tod, S. 91. 23 Nur exemplarisch dazu eine der jüngsten Publikationen: PREISING/RIEF/VOGT (Hg.), Der gute Weg. Allgemein zur Thematik auch RUDOLF, Ars Moriendi. 24 Vgl. hier u. a. WEHRLI-JOHNS, Fegefeuer als Sozialidee, S. 52 f. 25 Vgl. BÜNZ, Memoria, S. 96.

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2 Ausgangsbedingungen: Das vage Seelenheil

schaften gebildet haben.26 Bevor wir uns aber den Bruderschaften zuwenden, seien kurz die beiden für die Frömmigkeit dezisiven theologischen Konstrukte, das Fegefeuer und das Partikulargericht, beschrieben.

2.2 Bewährungsproblem: Fegefeuer und Partikulargericht Im folgenden Abschnitt soll es also um die beiden zentralen Instanzen gehen, deren angenommene Existenz und Beschaffenheit entscheidend auf die Frömmigkeit der spätmittelalterlichen Gläubigen eingewirkt haben – und zwar in wechselseitiger Form: das Partikulargericht (iudicium particulare) sowie das mehrfach angesprochene Fegefeuer. Beide Orte respektive Räume sind im postmortalen Jenseits zu verorten und gehören folglich der transzendenten Sphäre an.27 Den Zeitgenossen war die ‚Außerweltlichkeit‘ bewusst, wenngleich es von Seiten der Theologen zu verschiedenen Lokalisierungen des Fegefeuers kam. Albertus Magnus († 1280) beispielsweise verortet die Hölle und das purgatorium im Inneren der Erde; wobei er das Fegefeuer unmittelbar an die Hölle angrenzen lässt, das heißt, dass er es genau genommen als zu deren oberstem Teil zugehörig erklärt.28 Papst Innozenz IV. († 1254) hingegen ließ die Positionsbestimmung offen.29 Für ein plastisches Verständnis dieses Läuterungsraumes sorgten neben den Predigten und Visionsberichten nicht zuletzt die Altarretabel oder die anderweitig präsentierten Bilder.30 Die divergierenden Hypothesen, an welchen Punkt im Verlauf der Jahrhunderte die Ursprünge der Idee vom Fegefeuer auszumachen sind, sind in der Forschung bereits hinlänglich ausgebreitet worden.31 Für die vorliegende Untersuchung mag als Substrat dieses Diskurses genügen, dass sich zweifelsohne sowohl in spätantiker als auch frühmittelalterlicher Zeit Vorstellungen nachweisen lassen, die dem späteren Fegefeuergedanken entsprechen. Zu einer wirklichen Verdichtung und

26 PRIETZEL, Spätmittelalterliche Klerikerbruderschaften, S. 21, hat diesbezüglich in knappen Worten treffend formuliert: „Das verstärkte Streben nach frommer Lebensführung und die erhöhte Sorge um das Seelenheil fanden ihren Ausdruck nicht zuletzt darin, dass Geistliche wie Laien sich zu Genossenschaften zusammenschlossen, deren Zweck vor allem in der religiösen Tätigkeit lag.“ 27 Eine komprimierte Darstellung der dies- und jenseitigen „Räume des Glaubens“ bietet DINZELBACHER, Hoch- und Spätmittelalter, S. 170–191. Zusammenfassend und vor allem graphisch anschaulich JEZLER, Jenseitsmodelle, S. 13–26. 28 Vgl. ANZULEWICZ, Perspektive und Raumvorstellung, S. 283 f. 29 Vgl. WEGMANN, Weg zum Himmel, S. 14. 30 Vgl. WEGMANN, Das nicht erloschene Fegefeuer, S. 47f. (anschaulich das beschriebene Retabel aus Regensburg). Beispiele in Bezug auf die Visionsberichte bieten u. a. WEGMANN, Weg zum Himmel, S. 16–21, DINZELBACHER, Fegefeuer in der Katechese, S. 115–120, oder FELD, Ende des Seelenglaubens, bspw. S. 317. 31 Zäsur setzend für die ‚Geschichte‘ des Fegefeuers ist zweifellos LE GOFF, Geburt – allerdings nicht minder umstritten. Siehe dazu bspw. EDWARDS, Purgatory, S. 634–646, oder ANGENENDT, Geschichte Religiosität, S. 705–711.

2.2 Bewährungsproblem: Fegefeuer und Partikulargericht

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Verbreitung der sich herausbildenden Doktrin vom purgatorium kam es aber in der Tat erst im 12. und 13. Jahrhundert.32 Die für die Genese maßgebliche Autorität war dabei Thomas von Aquin († 1274). Sein Jenseitsverständnis respektive seine Jenseitstopographie entfaltete er vornehmlich in der Summa Theologica (entstanden zwischen 1265/1266 und 1273). In den Ergänzungen zum unvollendet gebliebenen dritten Teil schreibt er, dass die Seele unmittelbar nach der Loslösung von ihrem Körper entweder in die Hölle hinab- oder in den Himmel hinauffährt, sofern sie nicht durch irgendeine Schuld oder Sünde (reatu), von der sie zuvor noch gereinigt werden müsse (anima purgetur), zurückgehalten wird.33 Mit dieser Erklärung, auf die die nachkommenden Gelehrten immer wieder direkt oder indirekt rekurrieren sollten, war das Fundament für die drei elementaren Jenseitsräume sowie für den Sinngehalt des Fegefeuers konstruiert. Über die Art der Qualen, die von den ‚armen Seelen‘ im Verlauf ihres Läuterungsprozesses ertragen werden mussten, äußert sich Thomas von Aquin in dem von ihm verfassten Kommentar zu den Sentenzen des Petrus Lombardus († 1160). In seinen Anmerkungen zu Buch vier führt er aus, dass es im purgatorium zwei – gleichzeitig wirkende – Strafen gäbe: Die eine, die poena damni, bestünde in dem Verlust der Schau Gottes. Dieses Privileg des Sehens des dreieinigen Gottes erwartet die Seelen, wenn sie in den Himmel einziehen, einhergehend mit dem Hören der himmlischen Musik.34 Die andere, die poena sensus, läge in der Reinigung durch das Feuer. Über dessen Qualität vermerkt er, dass die kleinste Fegefeuerpein die größte irdische Pein übertrifft.35 Eine erste Definition des Fegefeuers von päpstlicher Seite ist von Innozenz IV. dokumentiert. In seinem auf den 6. März 1254 datierten Brief Sub catholicae professione, adressiert an den Bischof von Tusculum, behandelt er das Schicksal der Verstorbenen im Jenseits. Von Interesse ist dieses Schriftstück nicht so sehr wegen der enthaltenen Legitimation des Fegefeuers, die sich unter anderem mit 1. Kor 3,13–15 auf die einschlägigen Passagen bezieht, sondern erstens, weil Innozenz IV. den – wie er bemerkt: bisher namenlosen – Läuterungsort jetzt explizit nach seiner Funktion als purgatorium tituliert, sowie zweitens, weil er mit der zeitlichen Limitierung eine wichtige Eigenschaft fixiert hat, wonach die Qualen im Fegefeuer endlich sind.36 Sel-

32 Vgl. u. a. zusammenfassend RIEDEL, Jenseitsvorstellungen, S. 141 f. 33 THOMAS VON AQUIN, Summa theologica, Supplement, Quaestio 69,2 (Bd. 35, S. 11 f.): Et quia locus deputatur animabus secundum congruentiam praemii vel poenae, statim ut anima absolvitur a corpore, vel in infernum immergitur; vel ad caelum evolvat, nisi impediatur aliquo reatu, quo oporteat evolationem differri, ut prius anima purgetur. – Vgl. dazu auch WEGMANN, Weg zum Himmel, S. 11. 34 Siehe diesbezüglich OECHSLIN, Himmel der Seligen. 35 THOMAS VON AQUIN, In quattuor libros sententiarum, IV, Distinctio 21, Quaestio 1,1c (Bd. 1, S. 558): Ad tertiam quaestionem dicendum, quod in purgatorio erit duplex: una damni, inquantum scilicet retardantur a divina visione; alia sensus, secundum quod ab igne corporali punientur; et quantum ad utrumque poena purgatorii minima excedit maximam poenam huius vitae. 36 DENZINGER, Kompendium Glaubensbekenntnisse, Nr. 830–839 (hier Nr. 838, S. 1254): Nos, quia locum purgationis huiusmodi dicunt non fuisse sibi ab eorum doctoribus certo et proprio nomine indica-

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2 Ausgangsbedingungen: Das vage Seelenheil

ten erwähnt ist, dass sich allerdings bereits Innozenz III. († 1216) zum purgatorium geäußert hat. Auf ihn geht etwa die Bezeichnung der ecclesia in purgatorio innerhalb der ekklesiologischen Trichotomie zurück.37 Zu einer offiziellen Aufnahme des Reinigungsgedankens in den theologischen Kanon des Apostolischen Stuhls kam es im Zuge des Zweiten Konzils von Lyon 1274 unter Papst Gregor X. († 1276). In einem den Konzilsbeschlüssen anhängenden Text findet sich eine Definition des purgatorium, die allerdings auf den Wortlaut Clemens IV. († 1268) von 1267 zurückgeht. Darin wird erklärt, dass die Buße derjenigen Seelen, die zu Lebzeiten noch nicht vollends getilgt werden konnte, auch nach dem Tod im Fegefeuer abgeleistet werden könne. Die ausdrückliche Benennung purgatorium fehlt interessanterweise, genau wie die Läuterung durch das Feuer.38 Was den Seelen zugutekommen könne, waren zum Beispiel Messopfer, Gebete, Almosen und andere Werke der Frömmigkeit.39 Die Auseinandersetzung mit dem Thema war hiermit aber keineswegs an ihr Ende gelangt. Nur in Schlagworten seien etwa die Bulle Ne super his, verfasst von Johannes XXII. († 1334), veröffentlicht von seinem Nachfolger Benedikt XII. († 1342) am 3. Dezember 1334, oder die Konstitution Benedictus Deus vom 29. Januar 1336 aus der Feder Benedikts XII. genannt.40 Die bereits bei Thomas von Aquin geschilderte unvergleichbare Pein im Verlauf des Büßens kann als omnipräsent verankert im kollektiven Gedächtnis des Spätmittelalters bezeichnet werden. Der einleitend erwähnte Passauer Prediger Paul Wann beziehungsweise dessen Darlegungen über die Qualen im Fegefeuer können als ein einprägsames Beispiel in diesem Zusammenhang gelten.41 Aber die Qualen waren eben zeitlich begrenzt. Spätestens am Jüngsten Tag, mit dem zeitgleich einsetzenden Weltgericht (iudicium universale), sollte das purgatorium aufhören zu existieren. Aus diesem Grund finden sich beispielsweise in der Predigtliteratur immer wieder Berichte, die von einer gewissen Geduld der Seelen im Fegefeuer berichten

tum, illum quidem iuxta traditiones et auctoritates sanctorum Patrum »Purgatorium« nominantes, volumus, quod de cetero apud ipsos isto nomine appelletur. Illo enim transitorio igne peccata utique […]. 37 Vgl. IMKAMP, Das Kirchenbild, S. 154–156, der auf S. 155 darauf hingewiesen hat, dass die „doch relativ stark ausgebildet[e]“ Fegefeuerlehre von Innozenz III. „in den dogmen- und theologiegeschichtlichen Darstellungen der Fegefeuerlehre – abgesehen von der neuen Monographie Le Goffs – keinen Anklang und auch keine Darstellungen gefunden“ hat. Siehe entsprechend – kurz – LE GOFF, Geburt, S. 211–213, sowie ergänzend WEHRLI-JOHNS, Fegefeuer als Sozialidee, S. 52. 38 Vgl. LE GOFF, Geburt, S. 344–347. 39 DENZINGER, Kompendium Glaubensbekenntnisse, Nr. 851–861 (hier Nr. 856, S. 1274): Quod si vere paenitentes in caritate decesserint, antequam dignis paenitentiae fructibus de commissis satisfecerint et omissis: eorum animas poenis purgatoriis seu catharteriis, […] post mortem purgari: et ad poenas huiusmodi relevandas prodesse eis fidelium vivorum suffragia, Missarum scilicet sacrificia, orationes et eleemosynas et alia pietatis officia, quae a fidelibus pro aliis fidelibus fieri consueverunt secundum Ecclesiae instituta. 40 Vgl. WEGMANN, Weg zum Himmel, S. 15 f. 41 Siehe dazu das Zitat auf S. 2 in Anm. 8.

2.2 Bewährungsproblem: Fegefeuer und Partikulargericht

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(und so lident ir pin also gedulteklichen) und darlegen, selbige würde dem Umstand erwachsen, dass die Ausharrenden wüssten, wenne su ir pin us geliden, das su denn fur sich varent in daz ewig leben.42 Hieraus erklärt sich ebenfalls die zeittypische Ikonographie. Gemeinhin wurden zumindest einige der leidenden ‚armen Seelen‘ im Fegefeuer mit nach oben ausgestreckten Händen abgebildet. Ein Detail, welches auf die zu erwartende Erlösung hinweisen soll (siehe etwa Abb. 1).43 Die notwendige Bedingung für das Funktionieren des Fegefeuers als ein eigenständiger Satisfaktionsraum war allerdings, dass es für jedes Individuum direkt nach dem Tod zu einer Entscheidung, das heißt zu einem Urteil kam, für wie viele Sünden noch Buße geleistet werden müsse, wie lang somit der Aufenthalt im purgatorium anzudauern habe. Folgerichtig erscheint deshalb die Perspektive von einem vorgezogenen Gottesgericht, in dem bereits endgültig über das Jenseitsschicksal eines Individuums befunden wird. Erneut war es Thomas von Aquin, der die Denkfigur in den theologischen Diskurs der Hochscholastik eingebracht hat.44 Pontifikal sanktioniert wurde das Partikulargericht, besser gesagt ein Urteil über die Zeitspanne der Läuterung vor dem Jüngsten Tag, von dem zuvor genannten Papst Benedikt XII. in dem Text Benedictus Deus.45 Damit einhergehend kam es gleichzeitig zu einer Veränderung in der Gerichtseschatologie. In Anbetracht dessen, dass also unmittelbar nach dem Tod über das Judikat für eine Person zu Gericht gesessen wurde, kam dem Welt- respektive Universalgericht zum Jüngsten Tag (iudicium universale), welches existent blieb, nachfolgend lediglich die Aufgabe zu, das getroffene und bestehende Urteil zu ratifizieren. Somit hatte sich, wie Berndt Hamm es formuliert, die „Dramatik des Eschatons“ für den Einzelnen in den Moment der Todesstunde verlagert.46 Die spätmittelalterliche Frömmigkeit war von der Trias Himmel, Hölle und Fegefeuer signifikant bestimmt. Wie dominierend die Instanz des purgatorium für die Zeitgenossen gewesen war, wird unter anderem daran unverkennbar, wenn Michelle Fournié in ihrer Studie „Le Ciel peut-il attendre?“ darlegt, dass in der südfranzösischen Stadt Cordes-surCiel 58 sogenannte „prêtres du Purgatoire“, explizit auf die Durchführung der Totenämter spezialisierte Geistliche, zusätzlich zu dem regulären Pfarrklerus wirkten – und das bei einer Einwohnerzahl von circa 3.000.47 Nicht grundlos sind daher in der Forschung die Begriffe einer Fegefeuer- beziehungsweise Arme Seelen-Frömmigkeit präsent.48 Die

42 UBF, Hs. 194: Legende (Geistliche Sammelhandschrift), darin fol. 104r–127r eine Abhandlung „Über die armen Seelen“, das Zitat auf fol. 111r. Vgl. zu der Handschrift HAGENMAIER, Handschriften, S. 41–43, sowie zu dem Wesenszug der ‚Endlichkeit‘ JEZLER, Jenseitsmodelle, S. 18. 43 Anschaulich hierzu der Katalog bei WEGMANN, Weg zum Himmel, S. 225–321. 44 Vgl. HAMM, Iudicium particulare, S. 293. 45 Vgl. HAMM, Iudicium particulare, S. 293. Die relevante Passage bei DENZINGER, Kompendium Glaubensbekenntnisse, Nr. 1000–1002 (hier Nr. 1000, S. 1336). 46 HAMM, Iudicium particulare, S. 294. 47 Vgl. FOURNIÉ, Le Ciel, S. 194–196. Eine knappe Zusammenfassung der Studie findet sich bei DINZELBACHER, Fegefeuer in der Katechese, S. 146–150. 48 Vgl. u. a. HAMM, Iudicium particulare, S. 296.

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2 Ausgangsbedingungen: Das vage Seelenheil

Jenseitsängste der Menschen sowie die mit ihnen korrelierenden Handlungen der Jenseitsvorsorge hatten sich somit jedenfalls – wie Berndt Hamm notiert – primär „von der Ferneschatologie des Jüngsten Tages auf die Naheschatologie“ des persönlichen Todes verschoben.49 Ulrich Oevermann hat in seinem Aufsatz „Bewährungsdynamik und Jenseitskonzepte“ herausgearbeitet, dass Religiosität strukturell eine sogenannte nicht stillstellbare Bewährungsdynamik inhärent ist.50 Im Kern liegt dem zugrunde, dass er zunächst den Tod als den unumgehbaren Schlusspunkt der Lebenspraxis bestimmt. Das aber führt ihn zu dem Problem, dass erstens die Bewährung vor der Endgültigkeit des Todes an keiner Stelle als abgeschlossen gelten kann; und zweitens in Anbetracht des eben nicht prognostizierbaren Eintretens des Todes die „ausstehende Strecke der Bewährung unbekannt ist“.51 Oevermann folgert daraus: „[…] daß das Bewährungsproblem, obwohl grundsätzlich unabschließbar, dennoch idealerweise an jeder Sequenzstelle [sc. Entscheidungspunkte im Leben] so bewältigt sein müßte, daß aus der Retrospektive das mit dem Tod beendete Leben als bewährt gelten kann. Diese beiden Seiten der Nicht-Stillstellbarkeit des Bewährungsproblems, seine Unabschließbarkeit vor dem Tod und die Anforderung seiner Gelöstheit zu jeder Zeit […] machen in ihrer widersprüchlichen Einheit die Dynamik und Triebfeder der Lebensführung aus.“52

Übertragen wir diese Überlegungen auf die Lebenspraxis der Gläubigen um 1500: Angesichts der beschriebenen Heilsunsicherheit und unter Berücksichtigung der Auffassung von einer grundsätzlichen Sündhaftigkeit des Lebens konnte für die Zeitgenossen die Bewährung, also die fromme Lebensführung im Hinblick auf die Reduzierung der Läuterungszeit im Fegefeuer, ebenfalls zu keinem Moment als faktisch abgeschlossen gelten. Das Urteil über das Quantum der noch ausstehenden Buße im purgatorium wurde unmittelbar nach dem Tod von dem Partikulargericht gesprochen. Insofern konnte kein einziges Individuum antizipieren, wie lange voraussichtlich im Fegefeuer auszuharren war. Die in den Quellen verschiedentlich gehandelten Zeiten vermitteln jedoch ein eindrückliches Bild von der umfangreichen Dauer des imaginierten Aufenthaltes.53 Gleichzeitig war es daher entscheidend, stets ausreichend für den eigenen Tod und vor allem für die Jenseitsvorsorge getan zu haben. Gerade, weil die Bewährung eben ausschließlich im Diesseits erfolgen konnte, sei es durch die eigene, zu Lebzeiten ausgeübte oder die von anderen,

49 HAMM, Iudicium particulare, S. 296. 50 OEVERMANN, Bewährungsdynamik, S. 313. 51 OEVERMANN, Bewährungsdynamik, S. 317. Die Grundlage der Ausführungen Oevermanns ist das von ihm entwickelte Strukturmodell von Religiosität, auf das hier aber nicht näher einzugehen ist (und das freilich auch nicht eins zu eins auf das Mittelalter übertragbar ist). Für eine knappe Einführung und Zusammenfassung der wesentlichen Inhalte mitsamt kritischer Betrachtung siehe PICKEL, Religionssoziologie, S. 245–252. 52 OEVERMANN, Bewährungsdynamik, S. 317. 53 Vgl. u. a. DINZELBACHER, Fegefeuer in der Katechese, S. 121.

2.2 Bewährungsproblem: Fegefeuer und Partikulargericht

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noch lebenden Menschen für eine ‚arme Seele‘ im Fegefeuer durchgeführte praxis pietatis. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Vagheit des Seelenheils einerseits und mit ihr korrelierend die stetige Bewährung in Ausrichtung auf die nach Möglichkeit zu reduzierende Leidenszeit der Seelen im purgatorium andererseits den Hintergrund und den Stimulus für die in den Jahrzehnten um 1500 derart intensivierte Frömmigkeit beschreiben. In dieses handlungserfordernde Spannungsfeld ist die Entstehung und Etablierung der religiösen Bruderschaften zu verorten. Deren grundlegende Intention war es, vermittels einer am Gemeinsinn orientierten, kollektiven Frömmigkeit sowohl zu Lebzeiten als auch über den Tod hinaus für das Seelenheil ihrer Mitglieder vorzusorgen. Insofern lassen sich die Bruderschaften grundsätzlich als Bewältigungsstrategie für die Herausforderung der Überwindung des Fegefeuers bezeichnen. Marcus von Weida fasst diese Zielstellung in seinem Bruderschaftsspiegel in einer Art Rundumblick treffend zusammen und charakterisiert dabei zugleich das Wesen der Bruderschaften: Und aus dem grunde sein auch alle geistliche bruderschafften auffgerichtet, das ein mensche dem andern mit seinem gebethe und anderm am leben unnd noch dem tode sonderlich tzu hulffe komme, do mit wir entlich diste statlicher und eher die ewige selickeit erlangen mogen.54

Das Zitat veranschaulicht: Die Gemeinschaft der Bruderschaften umschloss die Lebenden genauso wie die Toten. Das explizite Ziel war die gute, vor allem die schnelle Überwindung des Fegefeuers. Diese sollte erreicht werden durch den Vollzug verschiedener Spielarten der praxis pietatis, von denen hier stellvertretend nur das gemeinschaftliche Gebet aufgezählt ist. Das Fegefeuer als Bewährungsproblem für die Brüder und Schwestern und die Ausrichtung der Frömmigkeit auf die Befreiung der Seelen aus selbigem erläutert Marcus von Weida ebenfalls. In seinen Ausführungen rekurriert er auf die Inhalte des Thomas von Aquin, wie sie oben wiedergegeben worden sind. Marcus erwähnt die doppelte Pein des Entzugs der Schau Gottes mit der Qual durch das reinigende Feuer und konstatiert, alle Gebete seien auf die Hilfe für die ‚armen Seelen‘ auszurichten.55 Klaus Militzer hat in seiner Untersuchung der Kölner Bruderschaften die Memoria eindeutig als das zentralste Element der Vereinigungen herausgefiltert und bemerkt, „daß ohne die Memoria kaum Bruderschaften in unserem Sinn gebildet worden wären.“ Dieser Befund als auch die beiden zuvor exemplarisch vorgestellten Beispiele decken sich mit der allgemeinen Forschungsperspektive. Allerdings hat Militzer ebenso betont: „Die meisten Bruderschaften haben in ihren Statuten keine genauen Vorschriften für das Totengedächtnis oder die Memorie festgelegt.“56

54 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 35r–35v. 55 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 110r–111v. 56 MILITZER, Totengedenken, S. 187 (erstes Zitat) und 190 (zweites Zitat).

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2 Ausgangsbedingungen: Das vage Seelenheil

Wiederum können diesbezüglich Parallelen etwa zu den Beobachtungen von Malte Prietzel oder Bert Meister gezogen werden.57 An dieser Stelle sei daher zu der ersten Fallstudie übergeleitet. Anhand der Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit soll so detailliert wie möglich die Jenseitsvorsorge von lokal ansässigen Bruderschaften nachvollzogen werden.

57 Vgl. PRIETZEL, Klerikerbruderschaften, S. 91, und MEISTER, Religiöses Engagemant, S. 34.

3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit als lokaler Akteur in der Jenseitsvorsorge 3.1 Gründung – Frühzeit als Kaland – Zäsuren Die Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit war eine von insgesamt fünf genuin religiösen Bruderschaften, die sich in den Jahrzehnten um 1500 im linkselbisch gelegenen Dresden nachweisen lassen.1 Nicht einbezogen sind hier die berufsständisch organisierten und ausgerichteten Bruderschaften, von denen sich in Dresden ebenfalls fünf belegen lassen. Die in der Literatur kursierende, von Alexandra-Kathrin Stanislaw-Kemenah in die Diskussion eingebracht Angabe von 26 innerstädtisch präsenten Bruderschaften, die außerdem allesamt an der Kreuzkirche lokalisiert waren, ist hingegen falsch.2 Ursprünglich wurde die Dreifaltigkeitsbruderschaft als eine Vereinigung ausschließlich von Priestern gegründet, vermutlich im Jahr 1390 oder nur wenig früher. Es handelte sich im Hinblick auf den Bruderschaftstyp also zunächst um einen so-

1 Vgl. für einen Überblick über die religiösen Bruderschaften in Dresden RANACHER, der bruderschaft, S. 23–28, und RICHTER, Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 309–311. – Erst im Rahmen dieser Untersuchung konnte mit der Annenbruderschaft die fünfte Korporation belegt werden. HStA DD, 10004 Kopiale, Nr. 84, fol. 33v, enthält den Eintrag, dass Konrad Schiller am 8. Mai 1518 den Vorstehern der Annenbruderschaft in der Kreuzkirche (sanct annenbruderschafft zum heyligen creutz zu Dresden) einen jährlichen Zins aus seinem Dorf wiederkäuflich verkauft hat. RICHTER, Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 259, führt aus, dass die berufsständische Bruderschaft der Steinmetze und Maurer im Jahr 1514 eine u. a. der heiligen Anna gewidmete Kapelle in dem Beinhaus auf dem Friedhof der Frauenkirche errichten ließ. Ob diese Bruderschaft allerdings die heilige Anna als ihre Patronin ansah, es sich also möglicherweise hier um die oder eine Annenbruderschaft gehandelt hat, wäre noch einmal zu prüfen. Der kopial überlieferte Eintrag ist jedenfalls der einzige, der unmittelbar eine Annenbruderschaft erwähnt. Aufgrund der klaren Zuordnung zur Kreuzkirche ist daher davon auszugehen, dass es sich bei ihr nicht um die berufsständische Bruderschaft der Steinmetze und Maurer handelt – deren Zentrum scheint in der Frauenkirche gewesen zu sein (siehe auch HASCHE, Urkundenbuch, Nr. 232.c [S. 452]). – Der Vollständigkeit halber erwähnt sei hier noch ein Rechnungsregister der „Bruderschaft zu Hofe“, welches die Einnahmen und Ausgaben dieser bisher nirgends belegten Bruderschaft zwischen 1515 und 1526 enthält. HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09842/34. Die darin regelmäßig verbuchten Ausgaben etwa für Begängnisse, Beerdigungen, Kerzen und Ähnliches zeigen, dass sich auch diese Gemeinschaft der Jenseitsvorsorge für ihre Mitglieder verpflichtet sah. Die Einordnung der Bruderschaft muss allerdings an anderer Stelle erfolgen. 2 Vgl. STANISLAW-KEMENAH, Kirche, geistliches Leben, S. 221. Die von ihr angeführte Menge von 26 entspricht der Anzahl der im Jahr 1536 dokumentierten Altäre in der Kreuzkirche. Vgl. diesbezüglich auch SIEWERT, ad honorandam, S. 75 f.; zu den in erster Linie berufsständischen Bruderschaften an der Frauenkirche vgl. RICHTER, Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 311. https://doi.org/10.1515/9783110749120-003

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

genannten Kaland.3 Eine Gründungsurkunde ist nicht überliefert. Dafür ist aber aus einem Schriftstück der Bruderschaft, welches zu Beginn des 16. Jahrhunderts im Zuge interner Streitigkeiten entstand, zu erfahren, dass die fraternitas sancte trinitatis cepta [sic] est per sacerdotes nominatos in prima confirmationis anno 90 et confirmata est per Rudulphum anno 1425 2 feria post Matthei.4 Demzufolge wurde die Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit von namhaften Priestern begonnen, 1390 das erste Mal und am 22. September 1425 durch den Meißner Bischof Rudolf von (der) Planitz († 1427) ein weiteres Mal bestätigt. Die Einrichtung liegt somit in der für Bruderschaftsgründungen typischen Phase, wenngleich sie eher an deren Anfang zu verorten ist, denn wie einleitend skizziert, ist doch gerade das 15. Jahrhundert als signifikante Blütezeit der Bruderschaften zu bezeichnen. Einige Zeilen weiter in dem Dokument heißt es: 1431 hat der Meißner Bischof Johannes IV. Hofmann († 1451) alles von Neuem anerkannt und Ablass hinzugefügt. Es kam folglich zu einer dritten Bestätigung der Bruderschaft – kein ungewöhnliches Unterfangen.5 In diesem Zusammenhang ist nun eine in den Urkundenabschriften des Stadtarchivs enthaltene Urkunde von Interesse, die der besagte Bischof Johannes IV. am 5. September 1431 in Stolpen ausgestellt hat. Enno Bünz bietet in seinem 2017 erschienenen Aufsatz über die „Ablässe im spätmittelalterlichen Bistum Meißen“ ein Regest der Quelle, welches inhaltlich im Wesentlichen den Vorarbeiten von Ulrike Siewert zur geplanten Neuauflage des Dresdner Urkundenbuches folgt. Einleitend ist zu lesen: „Bischof Johann IV. von Meißen bestätigt die von seinem Vorgänger Rudolf genehmigte Begräbnis- und Seelmessenbruderschaft sowie den von diesem verliehenen Ablass von 40 Tagen und einer Quadragene [...]“.6 Zwar gab es in Dresden keine Bruderschaft diesen Namens, dafür aber eine Bruderschaft aller christgläubigen Seelen, an die jene Formulierung zunächst denken lässt.7 Das eigentlich Herausstechende ist allerdings, dass die Titulierung nicht recht mit dem Wortlaut der Narratio zu vereinbaren ist. Johannes führt darin aus, Bischof Rudolf habe den Priestern in Dresden gestattet, eine Bruderschaft zu haben (Rudolffus, noster antecessor, clero in loco Dresden degenti assensit, ut fraternitatem habere liceret). Von Begräbnissen und Seelmessen ist erst im Rahmen der Schilderung der religiösen Praxis die Rede (siehe

3 Siehe speziell zu Fragen der Definition und Abgrenzbarkeit zu anderen Bruderschaftstypen PRIETKalande Niedersachsen, S. 35–47. 4 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/17, fol. 12r. 5 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/17, fol. 12r: Johannes episcopus Mißnensis omnia ista ratificavit novis adiectis indulgentiis 1431. – Vgl. zu dem Thema der wiederholten Bestätigung u. a. FRANK, Bruderschaften, Memoria und Recht, S. 335. Siehe ergänzend ebenfalls Kap. 4.1. 6 BÜNZ, Ablässe Meißen, S. 361. Siehe zukünftig auch CDS II/23, vermutlich Nr. 110. 7 Vgl. RANACHER, der bruderschaft, S. 23 f., sowie BUTTE, Geschichte Dresdens, S. 99. An die Bruderschaft aller christgläubigen Seelen, die allerdings lediglich retrospektiv in einer Quelle aus dem Jahr 1538 genannt wird, wäre zu denken, da ein sogenannter Requist u. a. wöchentlich sechs Seelämter für die Verstorbenen aus der Gemeinschaft halten sollte. ZEL,

3.1 Gründung – Frühzeit als Kaland – Zäsuren

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unten). Adressiert war die Urkunde also an eine Gemeinschaft von Priestern, an einen Kaland. Ergänzend bestätigt wird diese Zuschreibung einerseits dadurch, dass bei der folgend beschriebenen Zusammenkunft im Falle eines Todes aus den Reihen der Bruderschaft und den dann vorgeschriebenen Handlungen für die Jenseitsvorsorge nur die Priester angesprochen sind, andererseits durch die Formulierung im Zuge der Ablassgewährung (tumulationi defuncti sacerdotis de ipsa fraternitate).8 Insofern liegt uns hierin nicht die Urkunde für eine Begräbnis- und Seelmessenbruderschaft, sondern die der dritten Approbation der Dreifaltigkeitsbruderschaft vor. Wichtig ist diese Erkenntnis nicht, weil sie es ermöglicht, den ersten direkten Quellennachweis elf Jahre früher anzusetzen (bisher galt der Eintrag in das zweite Dresdner Stadtbuch im Jahr 1442 als früheste Nennung),9 auch nicht primär, um die Urkunde für das Thema der Ablässe nutzbar zu machen (siehe Kap. 3.5.5), sondern der besondere Wert zeigt sich vor allem darin, dass wir durch diesen Text den ersten und einzigen Einblick in die praxis pietatis der Dreifaltigkeitsbruderschaft vor ihrem Zusammenschluss mit der Dresdner Laienbruderschaft Unser Lieben Frauen im Jahr 1444 erhalten. Zusammengefasst ist zu lesen: Starb einer der Geistlichen, hatten sich die anderen zu versammeln, Vigilien zu singen und den Körper des Verstorbenen einem kirchlichen Begräbnis zu übergeben. Am Tag der Beerdigung sowie an allen Quatembern sollten Messen für den Toten gefeiert werden. Am Vorabend die Vigil und am Morgen das Requiem. Den Ablass, den Rudolf ausgelobt hatte, konnten diejenigen erhalten, die beispielsweise an den Messen oder Vigilien teilnahmen, diese lasen oder sangen, oder für das Seelenheil des Verstorbenen fünf Vaterunser und ebenso viele Ave Maria beteten, oder aus ihrer eigenen Hand etwas für das Begräbnis Notwendiges beisteuerten. Auf diese Weise konnte ein Nachlass der zeitlichen Sündenstrafen von 40 Tagen und einer Quadragene erlangt werden. Das entspricht auch der Quantität, wie sie später in der angesprochenen Übersicht aus dem 16. Jahrhundert angegeben ist.10 Bischof Johannes IV. fügte dann selbst

8 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 269 (UA). Siehe die ausführlichen Zitate in den folgenden Fußnoten. 9 StB DD II, Nr. 35 (S. 315). 10 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 269 (UA): Sane felicis recordationis quondam Rudolffus, noster antecessor, clero in loco Dresden degenti assensit, ut fraternitatem habere liceret, talem videlicet, quatenus, quotienscumque ipsorum aliquis obiret, omnes alii convenire, vigilias decantare, sepulture ecclesiastice tradere defuncti corpus, missas pro defunctis depositionis die ac singulis quatuor temporibus in loco Dresden, vigilias de sero, de mane missas pro defunctis legere et unam sollempniter decantare absque tamen plebani preiudicio et renitentia valerent. Et nihilominus clero ipsi et futuro ac omnibus etiam vere penitentibus, qui tumulationi alicuius de ipso clero vigiliis, missis talibus interessent, missas legerent, decantarent, vigilias decantare iuvarent, vel qui pro salute anime defuncti, cuius tunc commemoratio fieret, quinque orationes dominicas cum totidem ave Maria devote dicerent aut pro luminaribus et aliis in talibus defunctorum officiis necessariis manus suas porrigerent adiutrices, de quolibet premissorum quadraginta dies indulgentiarum et unam quadragenam condonavit. Siehe zum Vergleich HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/17, fol. 12r.

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

noch einmal einen 40-tägigen Ablass hinzu, wiederum für diejenigen, die an den Begräbnisfeiern eines verstorbenen Priesters teilnahmen und am Tag der Beerdigung sowie an den Quatembern zehn – bei Siewert und Bünz fälschlich fünf – Vaterunser und ebenso viele Ave Maria beteten oder die Rituale materiell unterstützten.11 Dokumentiert sind in der Urkunde also die Begräbniszeremonien und das vier Mal im Jahr im Rahmen der Quatemberzeiten stattfindende Gedächtnis für die Verstorbenen. Angesprochen sind hiermit die Tage Mittwoch, Freitag und Samstag in der Woche nach dem ersten Fastensonntag (variabel), nach Pfingsten (variabel), nach dem Fest der Kreuzerhöhung (14. September) sowie noch einmal in der Woche nach dem Fest der heiligen Lucia (13. Dezember).12 Vorgeschrieben waren in dem Zusammenhang die Vigil am Abend und die Totenmesse am folgenden Tag. Malte Prietzel hat in seiner Untersuchung über „Die Kalande im südlichen Niedersachsen“ vergleichbare Befunde eruiert, Julia Kahleyß für den Kaland in Zwickau.13 Im Hinblick auf die Bemerkung, den toten Körper einem christlichen Begräbnis zuzuführen (sepulture ecclesiastice tradere defuncti corpus), ist zu vermuten, dass damit neben den im Text genannten Elementen weitere der üblichen Rituale gemeint waren, wie etwa die Aufbahrung des Toten in der Kirche, das Besprengen des Leichnams mit Weihwasser, die Inzensation oder die Prozession zur Grabstätte. Aus dem Bistum Mainz ist exemplarisch für die Zeit um 1400 überliefert, dass der Priester mit der Schließung des Grabes begann, indem er drei Mal mit einer Schaufel Erde hineinwarf und begleitend die Worte „Aus Staub hast du mich gebildet und mit Fleisch hast du mich bekleidet, mein Erlöser“ sprechen sollte.14 Weiter unten

11 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 269 (UA): Nos igitur zelum cupientes animarum et earum augere suffragium, que se amplius iuvare non valent, affectantes antecessoris nostri vestigiis in hac parte inherendo licentiam habendi predictam fraternitatem per ipsum nostrum antecessorem clero in Dresden concessam ratificamus ordinationem etiam cleri ipsius de interessendo tumulationi confratrum eorum presbyterorum decantando vigilias, missas tam in die depositionis quam etiam in singulis quatuortemporibus saltem absque preiudicio et renitentia plebani in Dresden admittimus et ratificamus cum singulis datum ad hec indulgentiis et ut eo magis populus ad interessendum tumulationi defuncti presbyteri et officiis defunctorum excitetur clerus etiam devotius officia defunctorum exsolvat de nostra mera liberalitate omnibus christifidelibus, qui tumulationi defuncti sacerdotis de ipsa fraternitate vigiliis, missis tam in depositionis die quam in singulis quatuortemporibus interfuerint decem pater noster et totidem ave Maria devote pro salute anime et animarum, qui de ipsa fraternitate decesserunt, dixerint illis etiam presbyteris, qui quoti[e]nscumque vigilias, missas iuverint decantare private legerint quique etiam pro luminaribus et aliis in defunctorum officiis necessariis de suis iuste quesitis elemosinas porrexerint, vere contritis saltem et confessis de quolibet premissorum quadraginta dies de omnipotentis dei misericordia et beatorum eius Petri et Pauli apostolorum auctoritate confesi de iniunctis eis penitentiis misericorditer in domino relaxamus. – Siehe das Regest bei BÜNZ, Ablässe Meißen, S. 361, sowie im CDS II/23, vermutlich Nr. 110. 12 Bezüglich der Jahresgliederung durch die Quatember vgl. GROTEFEND, Zeitrechnung, S. 16. Siehe erklärend auch FRANZ, Art. Quatember, Sp. 357. 13 Vgl. PRIETZEL, Kalande Niedersachsen, S. 69, 161 ff., und KAHLEYß, Bürger von Zwickau, S. 436. 14 Ausführlich und weitaus detaillierter nachzulesen bei REIFENBERG, Sakramente, S. 443–454. Eine Zusammenfassung bietet KOCH, Pfarrkirche, S. 322 (das Zitat ebd.).

3.1 Gründung – Frühzeit als Kaland – Zäsuren

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wird in Kapitel 3.5.2 zu sehen sein, dass sich in den späteren Quellen die Aufbahrung und das Geleit zum Grab auffinden lassen werden. Eine prägende Zäsur in der Entwicklung der Korporation markiert schließlich der 26. Mai 1444. An diesem Tag vereinigte Johannes IV. die Dreifaltigkeitsbruderschaft mit der ebenfalls in Dresden bestehenden Laienbruderschaft Unser Lieben Frauen, die erstmalig 1428 in den Quellen auftaucht.15 Die Narratio der zu diesem Rechtsakt ausgefertigten Urkunde informiert darüber, dass die Zusammenführung auf Wunsch beider Bruderschaften hin geschehen sollte, zum Lob der Heiligen Dreifaltigkeit und zur Ehre der Jungfrau Maria. Der Bischof bestimmte, dass die Vereinigung fortan den Namen „Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit“ tragen sollte.16 Ein Überblick über die Quellen zeigt jedoch, dass nicht selten ein Doppelname benutzt wurde. So steht gerade in der ‚prominentesten‘ Quelle, den 1503 niedergeschriebenen Statuten: Directorium fraternitatis sancte et individue trinitatis et beate Marie virginis.17 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird allerdings die kürzere Bezeichnung benutzt. Weiterhin legte Johannes IV. in der Dispositio die Ordnung für die Sonn- und Feiertagsmessen fest, auf die weiter unten ausführlich einzugehen ist, und gewährte all denjenigen, die zum Beispiel an den Messen teilnehmen oder diese Korporation auf andere Weise unterstützen würden, einen 40-tägigen Ablass. Der Meißner Bischof Johannes VI. von Salhausen († 1518) bestätigte diese Regelungen am 17. November 1488 auf der Plica dieser Urkunde.18 Am 27. September 1491 approbierte er abermals den Zusammenschluss und die vereinte Bruderschaft mit einer eigenen, in Stolpen ausgestellten Urkunde und fügte selbst noch einmal Ablass hinzu.19 Das Regelbuch der Dreifaltigkeitsbruderschaft berichtet, die Vereinigung sei in sacello dive crucis opidi Dresden gegründet, aufgerichtet und bestätigt worden.20 Übersetzt man die Formulierung wortgenau, wäre das Heiligtum respektive die Kapelle

15 StB DD I, Nr. 401 (S. 204). – RICHTER, Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 310, führt als Ersterwähnung noch das Jahr 1429 an. 16 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 382 (UA): Sane nobis pro parte sacerdotum ac quorundam de plebe utriusque sexus opidi Dreßdin pro laude sancte trinitatis et honore sanctissime Marie virginis humiliter fuit supplicatum, ut fraternitates ipsorum, quas sacerdotes ibidem pro salute suorum antecessorum et omnium fidelium cum sibi adherentibus sub quadam fraternitatis nominatione inceperunt ac alii devoti utriusque sexus in adventu domini certas missas de incarnatione filii dei etiam sub quadam fraternitatis intitulatione sollempniter decantare procurarunt, in unam fraternitatem simul redigere, unire ac gratiose confirmare dignaremur. Nos vero Johannes episcopus antedictus [...] easdem petitiones ratas et gratas habentes duximus admittendas predictas fraternitates videlicet sancte et individue trinitatis atque intemerate virginis Marie in unam sub typo nomine ministerii beate trinitatis fraternitatem redigimus, colligimus atque unimus et in nomine domini presentibus, approbamus, admittimus, ratificamus [...]. 17 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 18 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 382 (UA). 19 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 962 (UA). 20 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Directorium fraternitatis sancte et individue trinitatis et beate Marie virginis in sacello dive crucis opidi Dresden fundate, erecte et confirmate [...].

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

(sacello) des Heiligen Kreuzes als Gründungsort festzuhalten. Eine solche Kapelle gab es an der Kreuzkirche. Sie entstand resultierend aus der seit 1234 einsetzenden Verehrung eines Partikels des Heiligen Kreuzes, das Konstanze von Österreich († 1243) durch ihre Heirat mit Markgraf Heinrich dem Erlauchten von Meißen († 1288) mit nach Dresden gebracht haben soll.21 Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass mit dieser Bezeichnung die Kreuzkirche selbst gemeint war. In ihrem 2013 erschienenen Beitrag zur geschichtlichen Entwicklung der Kreuzkirche wies Ulrike Siewert darauf hin, dass der Ausdruck capella sancte crucis in den Quellen keineswegs ausschließlich für die Kreuzkapelle, sondern gleichermaßen für das gesamte Gotteshaus benutzt wurde.22 Was hingegen nicht ausgesagt wird, ist, ob sich diese Formulierung auf die frühe Gründung als Kaland oder den Zusammenschluss im Jahr 1444 bezieht23 – wobei davon ausgegangenen werden kann, dass hier auch die erste Gründung erfolgt ist: Obgleich die innerstädtisch angesiedelte Kreuzkirche bis zur Einführung der Reformation 1539 rein kirchenrechtlich der extra muros gelegenen Pfarrkirche, der Frauenkirche untergliedert blieb, zeichnen die Quellen ein eindrückliches Bild davon, dass die Kreuzkirche in ihrer Bedeutung im Verlauf des Spätmittelalters die Frauenkirche immer mehr übertraf. Das wohl bereits vor 1400 an die Kreuzkirche verlegte Pfarrhaus gibt von diesem Prozess ein beredtes Zeugnis.24 Die im Wortsinn abschließende Zäsur setzt die eben gestreifte Einführung der Reformation im albertinischen Sachsen nach dem Tod Herzog Georgs des Bärtigen 1539.25 Aus der Perspektive Martin Luthers hatten die Bruderschaften in mehrfacher Hinsicht ihre Existenzberechtigung verloren. Nicht nur waren sie ein Ausweis der verurteilten Werkgerechtigkeit, vor allem würden die parteysche bruderschafften die vermittels der Taufe gegebene und in der Eucharistie evozierte wie repräsentierte Gemeinschaft aller Gläubigen mit Christus, die communio sanctorum, exklusiv ihren Mitgliedern vorbehalten. Das sei eyne geistliche boßheit, eyn falsche meynung. Auf diese Weise würden sich die Brüder und Schwestern dieser Vereinigungen anmaßen zu glauben, einen größeren Vorteil bei Gott zu haben und eben meinen, yhre bruderschafft sol niemant zu gute kummen, Dan [sc. als] alleyn yhn selbs.26 Auseinandergesetzt hat sich Luther mit den Bruderschaften in seinem 1519 veröffentlichten Sermon von dem hochwirdigen Sakrament des heiligen wahren Leichnams Christi und den Brüderschaften. Darin findet sich auch eine Art Zusammenfassung 21 Vgl. SIEWERT, ad honorandam, S. 72. 22 Vgl. SIEWERT, ad honorandam, S. 75 f. 23 In der Bestätigungs- und Ablassurkunde von Bischof Johannes VI. vom 27. September 1491 ist zu lesen (StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 962 [UA]): Preterea cum predecessor noster Johannes episcopus Misnensis ad instant[ia]m sacerdotum atque utriusque sexus hominum oppidi Dreßden nostre diocesis petitionem in capella sancte crucis ibidem quandam fraternitatem sub titulo excellentissime trinitatis individue unitas similiter illebate virginis Marie genitricis dei [...]. 24 Vgl. SIEWERT, ad honorandam, S. 74 f. 25 Vgl. etwa JUNGHANS, Einführung Reformation. 26 WA 2, S. 755 (beide Zitate), der Begriff der „parteiischen Bruderschaften“ auf S. 756.

3.1 Gründung – Frühzeit als Kaland – Zäsuren

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des bruderschaftlichen Lebens, als dessen Charakteristika er nicht nur die Gebühren (eyn gelt) oder die religiöse Praxis (eyn meß, eynerley gutwerck, eyn zeit) benennt, sondern konstatiert, es fände dort vor allem eyn bier, ein fressen und eyn sauffen statt.27 Diese pejorativ konnotierte Einschätzung Luthers dürfte sich in erster Linie auf die Bruderschaftstage mit dem rituell vollzogenen Mahl beziehen (siehe auch Kap. 3.6).28 Vor diesem Hintergrund kam es dazu, dass sich vielerorts, allen voran in den ‚Kernländern‘ der Reformation, zahlreiche (mitunter nahezu alle) Bruderschaften entweder sukzessive von innen heraus auflösten oder aufgehoben wurden, wie etwa in Zwickau der Fall.29 Freilich lassen sich auch Beispiele für Bruderschaften ins Feld führen, die im Spätmittelalter gegründet worden waren und die Reformationszeit überdauerten, exemplarisch sei hier die Stadt Köln genannt.30 Dennoch führt Bernhard Schneider aus, dass auch in den katholisch gebliebenen Territorien das Bruderschaftswesen nicht selten in dieser Zeit in eine Krise geriet.31 Für Dresden ist diesbezüglich kaum etwas erforscht. Auffallend erscheint zumindest die Beobachtung, dass die Dreifaltigkeitsbruderschaft im Rahmen der Visitation der Kirchen und Klöster in der Stadt allem Anschein nach nirgends erfasst worden ist. Anders die Fronleichnamsbruderschaft, von der ein Verzeichnis der Finanzen und der liturgischen Gegenstände vorliegt.32 Erklären ließe sich dieser Umstand womöglich aufgrund der Tatsache, dass in der Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit mehrere Protagonisten der hiesigen Oberschicht (siehe dazu Kap. 3.4) vertreten waren – und somit natürlich ebenfalls deren Kapital. Im Zuge der Reformation flossen die oft beachtlichen Vermögenswerte der Bruderschaften häufig in die Ausstattung der sogenannten Gemeinen Kästen oder wurden zur Finanzierung anderweitiger, reformatorisch initiierter Vorhaben verwendet.33 Allerdings handelt es sich hier ausdrücklich um eine erste Überlegung. Ein Fortbestehen der Bruderschaft in ihrem mittelalterlichen Sinn kann jedenfalls ausgeschlossen werden.34

27 WA 2, S. 756. 28 Vgl. hier nur beispielhaft RAHN, Rituelles Handeln, S. 107–110. – In knappen Worten zusammengefasst finden sich die Gründe Martin Luthers für die Ablehnung der Bruderschaften auch bei SCHNEIDER, Wandel und Beharrung, S. 67. 29 Vgl. KAHLEYß, Bürger von Zwickau, S. 449. 30 Vgl. MILITZER, Bruderschaften am Übergang, S. 242. Verwiesen sei in diesem Rahmen auch auf den Beitrag von HELBICH, Sakrale Gemeinschaft. Darin schreibt er, dass in Dortmund einige religiöse Bruderschaften auch in dem nach der Reformation evangelisch geprägten Ort weiterbestanden (ebd., S. 73f. und 77). 31 Vgl. SCHNEIDER, Wandel und Beharrung, S. 67. 32 HASCHE, Urkundenbuch, Nr. 232 (S. 455–457). 33 Vgl. bspw. MEISTER, Religiöses Engagement, S. 120, und RAHN, Bruderschaften Braunschweig, S. 158–164. 34 Dass die Netzwerke der Vereinigungen oder die Korporationen selbst nur in anderer Form weiterbestanden, müsste für jeden Einzelfall geprüft werden. Vgl. u. a. HELBICH, Sakrale Gemeinschaft, S. 77.

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

3.2 Intention der Vereinigung Im Eingangsteil der Bruderschaftsordnung mit den Ausführungen über deren Organisation und die praxis pietatis reflektiert Nikolaus Karis, der Verfasser des Directorium, ausführlich in drei Kapiteln über das Fundament der Gemeinschaft, über das Ziel und den Nutzen sowie über die Art und Weise, wie die Brüder und Schwestern Anteil an den geistlichen Gütern haben.35 Freilich muss dem Ansinnen der Bruderschaft angesichts des bisher Geäußerten hier nicht erst en détail nachgespürt werden. Selbstredend war die Jenseitsvorsorge für die Mitglieder das elementare Ziel. Eingängig heißt es dementsprechend beispielsweise am Schluss des Kapitels über den Hintergrund der Einrichtung: Die Dreifaltigkeitsbruderschaft existiere für den Ruhm Gottes und das Lob der Gottesmutter Maria, und gründe dazu in dem Bestreben, den Gläubigen, nämlich dem frommen Klerus und anderen Frommen beiderlei Geschlechts aus dem Volk, großen Nutzen und ewiges Seelenheil (multorum utilitatem eternamque salutem) zu verschaffen.36 Insofern kann es nicht verwundern, wenn die Jenseitsvorsorge sodann als eine von drei ‚Vorzügen‘ der Korporation genannt wird: Tertius fructus provisio salubris animarum.37 Auf den nachfolgenden Seiten sollen nun in komprimierter Form die wesentlichen Punkte aus diesen drei Kapiteln umrissen werden, vor allem in Bezug darauf, auf welchem Fundament Karis die Bruderschaft stehen sah und welches Selbstverständnis sich aus dem Text herauslesen lässt. Rufen wir uns zunächst das in Kapitel 2.2 wiedergegebene Anliegen der Bruderschaften in Erinnerung, wie es Marcus von Weida dargestellt hat. Die Triebfeder für die Zusammenschlüsse sei ihm zufolge die grundsätzlich in allen derartigen Vereinigungen praktizierte wechselseitige Hilfe eines Menschen für einen anderen, etwa in Form von Gebeten, um dadurch schneller das Seelenheil zu erreichen. Diese mutuale, die Lebenden gleichwie die Toten einschließende Unterstützung innerhalb der Gemeinschaft benennt Nikolaus Karis ebenfalls als den Ausgangspunkt für die Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit (auxiliorum mutua fratribus in vita pariter et in morte). Alle Brüder und Schwestern würden durch die Verbundenheit an den Verdiensten und ‚guten Werken‘ partizipieren. In diesem Zusammenhang erinnert er an die Paränese, die gegen Ende des Hebräerbriefes zu lesen ist (Hebr 13,16): 35 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. Die Überschriften lauten der Reihe nach: Institutionis itaque causa hec est et origo videlicet – Modus autem quo fratres sibi in bonis spiritualibus communicant – Finis vero atque fructus huius fraterne unionis triplex attenditur. 36 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Quamobrem ad dei gloriam et laudem Marie eius genitricis, necnon ad fidelium multorum utilitatem eternamque salutem commendabiliter et devotus clerus, et quidam alii devoti de plebe utriusque sexus opidi Dreßden ex speciali dilectione et devotione erga deum omnipotentem eiusque genitricem cum ingenti desiderio devotisque mentibus hanc bonam et utilem instituerunt fraternitatem volentes hanc congregationem sic pro divino officio in honore sancte et individue trinitatis et beate Marie virginis [...]. 37 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047.

3.2 Intention der Vereinigung

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„Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen; denn an solchen Opfern hat Gott gefallen.“38 Die theologische Grundlage für das Funktionieren dieser die irdische und die transzendente Sphäre verwebenden Einheit ist für Karis die in einem Teil des Apostolischen Glaubensbekenntnisses fixierte Gemeinschaft der Heiligen, die communio sanctorum. Sie schließe alle Brüder und Schwestern der Dreifaltigkeitsbruderschaft, die Lebenden und die Toten, jetzt und in Zukunft zu einer Gemeinschaft zusammen und ermögliche so die Teilhabe aller an den ‚guten Werken‘.39 Damit erklärt und legitimiert er die Korporation basierend auf einem substanziellen Gedanken des christlichen Glaubens: Das Verständnis von dem einen Leib der Kirche, der alle drei Teile der Ekklesia hierarchisch inkludiert und dessen Haupt Jesus Christus selbst ist (vgl. Kol 1,18), begründet in der Taufe gemäß dem Pauluswort in 1. Kor 12,13: „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen.“40 Aus dieser Denkfigur des geeinten Körpers entwickelte sich nicht nur der Anspruch einer umfassenden Solidarität (vgl. 1. Kor 12,26). Hierin ist zugleich die dezisive Voraussetzung dafür zu sehen, dass die Memoria – mit Joachim Wollasch gefasst – als „die tragfähigste Brücke über den Tod in die Gemeinschaft der Erlösten mit Christus, dem höchsten Ziel“, wirksam werden konnte.41 Einleitend in den Abschnitt über die geistlichen Güter und die Gemeinschaft zitiert Karis mit Gal 6,10 Paulus: „Deshalb wollen wir, solange wir noch Zeit haben, allen Menschen Gutes tun, besonders aber denen, die mit uns im Glauben sind.“42 Karis kommt somit auf einen Aspekt aus dem Gesetz Christi zu sprechen. Was Paulus in diesem Satz zum Ausdruck bringen wollte, ist nicht die Reichweite der den Christen gebotenen Nächstenliebe zu begrenzen, sondern den Gläubigen in erster Linie einen konkreten Ansatzpunkt für deren Ausrichtung zu geben.43 Es liegt allerdings nahe, in der Nutzung dieses Zitates im beschriebenen Kontext durchaus eine Engführung der Aussage auf die Mitglieder der Dreifaltigkeitsbruderschaft anzunehmen. Wiederholt führt Karis jedenfalls eine Passage an, der ein Appell zu einer gesteigerten Frömmigkeit inhärent ist.

38 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Institutionis itaque causa hec est et origo videlicet: Cultus divini augmentatio et spiritualium impenso auxiliorum mutua fratribus in vita pariter et in morte per communionem et participationem meritorum ac bonorum operum alterutrum adquisitorum, ad hanc siquidem apostolus ad Hebreos hortatur, beneficentie inquit et communionis nolite oblivisti, talibus hostiis enim promeretur deus. 39 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Fundatur enim hec nostra fraternitas in quodam articulo symboli, qui dicitur communio sanctorum, pro quo advertendum, quod omnes fratres et sorores huius charitative fraternitatis sunt et erunt participes pro se suiusque amicis, vivis et defunctis. 40 Vgl. dazu allgemein ANGENENDT, Geschichte Religiosität, S. 304–306. 41 WOLLASCH, Toten- und Armensorge, S. 374. 42 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 43 Siehe dazu SNT, Gal 6,10 – Kommentar (S. 369).

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

In dem Zusammenhang spielen die ‚guten Werke‘ eine wichtige Rolle. Sie halfen den Gläubigen, den Weg ins Himmelreich zu ebnen und die Leidenszeit der Seelen im Fegefeuer zu verkürzen. Die mittelalterliche Theologie subsumierte unter den ‚guten Werken‘ deutlich mehr Handlungen als die im Matthäusevangelium (Mt 25,34–40) festgeschriebenen sechs Werke der Barmherzigkeit wie etwa die Armenspeisung oder die Krankenpflege. Darüber hinaus trat das Totenbegräbnis gemeinhin als ein siebtes Werk der sogenannten leiblichen Barmherzigkeit hinzu.44 Über das Verständnis und die Vielfalt der in der Dreifaltigkeitsbruderschaft praktizierten ‚guten Werke‘ unterrichtet Karis, indem er das Fasten, die Enthaltsamkeit, die Messen, Vigilien und Gebete, die Almosen sowie die anderen gnadenreichen Praktiken erwähnt.45 Für die Bruderschaft(en) waren diese ‚guten Werke‘ allerdings nicht zuletzt für die Konstituierung der Gemeinschaft essentiell. Malte Prietzel hat dazu bemerkt: „Diese Solidarität zwischen Lebenden und Toten ist freilich keineswegs selbstverständlich; sie muß begründet und dann fortgeführt werden, ja geradezu erarbeitet durch gute Werke, seien es Gebete oder Spenden.“46 Der Nutzen der Dreifaltigkeitsbruderschaft für die Brüder und Schwestern sei nun ein dreifacher. Zuerst zählt Karis den in gleicher Weise weltlichen wie geistlichen Trost für die Lebenden (vivorum consolatio) durch die Gebete und ‚guten Werke‘ auf. Inwieweit mit dem Trost in weltlichen Dingen möglicherweise ebenfalls materielle Hilfen für die Mitglieder gemeint waren, zum Beispiel in Form zinsloser Darlehen oder Stipendien in Notsituationen, wie sie verschiedentlich in Bruderschaften zu belegen sind, könnte denkbar sein.47 Karis spezifiziert diesen Aspekt nicht näher. Vielmehr knüpft er direkt erneut mit Gal 6,9 ein paränetisches Zitat aus dem Gesetz Christi an, das ergänzend zu dem Aufruf, Gutes zu tun, jetzt auch einen Ausblick auf die Folgen eines derartigen Handelns gibt: „Lasst uns nicht müde werden, das Gute zu tun; denn wenn wir darin nicht nachlassen, werden wir ernten, sobald die Zeit dafür gekommen ist.“48 Die hingegen in den Rechnungen vereinzelt nachzuweisende Ausgabe von Almosen kann hier nur bedingt einbezogen werden. Natürlich kam der Dienst an den Armen zugleich den Spendern zugute. In dem Moment, in dem die beispielsweise mit einer Schuhstiftung Begünstigten für ihre Wohltäter beteten, wandelte sich – wie Arnold Angenendt formuliert – das Almosen „in ein religiöses Mittel, um die eigenen Sünden loszuwerden und bei Gott

44 Vgl. ANGENENDT, Geschichte Religiosität, S. 595 f. Neben die leiblichen traten ergänzend die sechs bzw. sieben geistlichen Werke der Barmherzigkeit wie etwa die Belehrung der Unweisen. Vgl. auch JEZLER, Jenseitsmodelle, S. 22. 45 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 46 PRIETZEL, Kalande Niedersachsen, S. 41. 47 Vgl. u. a. die Arbeit von MCREE, Charity and Gild, bes. S. 206. 48 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: [...] primus vivorum consolatio tam spiritualis quam temporalis in orationum ac spiritualium bonorum communione, quo sit, ut bonum facientes non deficiamus, quatenus tempore suo metamus non deficientes, ut dicit apostolus ad galatas VI [...].

3.2 Intention der Vereinigung

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Gnade zu erlangen.“49 Die Armen selbst waren allerdings keine Mitglieder zumindest dieser Bruderschaft, um die es Karis geht. An zweiter Stelle folgt die Bewahrung und Vermehrung der gegenseitigen Nächstenliebe (mutue charitatis). Der Verweis auf Gal 6,2: „Einer trage des anderen Last; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“ dürfte in zweifacher Hinsicht zu lesen sein: Einerseits expliziert er die Beteiligung in der Bruderschaft als ein besonders gottgefälliges Tun. Andererseits kann die Aussage für die ‚Erleichterung‘ stehen, die die reziproke Hilfe mit sich bringt.50 Der letzte und dritte Nutzen läge schließlich in der Vorsorge für das Heil der Seele (provisio salubris animarum). Als Begründung dient Karis mit Gal 6,3 wiederum Paulus: „Wer sich einbildet, etwas zu sein, obwohl er nichts ist, der betrügt sich selbst.“51 Jedoch ist der Bezug zu gerade dieser Stelle im Rahmen der Ausführungen über den Nutzen der Bruderschaft nicht unmitelbar zu erwarten oder offenkundig. Interpretieren ließe er sich dahingehend, als dass Karis hiermit auf die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Jenseitsvorsorge hinweisen möchte. Wie einführend und vor allem in Kapitel 2.2 dargelegt, konnte keiner der Zeitgenossen mit Gewissheit antizipieren, wie lange eine Seele im purgatorium für noch unverbüßte Sündenstrafen ausharren musste. Aufgrund dieser Heilsunsicherheit war es unerlässlich, im eintretenden Fall der Todesstunde einen vorbereiteten Tod zu sterben. Eine der in diesem Zusammenhang wichtigen Maßnahmen war es beispielsweise, das fortwährende Gedächtnis zu sichern (siehe dazu Kap. 3.5.3). Die Dreifaltigkeitsbruderschaft stellte diese Vorsorge, wie oben gesehen, in Aussicht (multorum utilitatem eternamque salutem). Darüber hinaus erinnert Gal 6,3 an das in Lk 18,9–14 wiedergegebene Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner. Die Botschaft, sich der eigenen Sündhaftigkeit gewahr zu sein und sich voll Demut an Gott zu wenden, passt ebenfalls zu dem Geschriebenen. Welche geistlichen Güter waren es schließlich, die diese Jenseitsvorsorge für die Mitglieder gewährleisten sollten? Karis führt eine ganze Reihe verschiedenster Akzente der bruderschaftlichen praxis pietatis an. Ohne den Ausführungen in Kapitel 3.5 vorzugreifen, erwähnt er die Messen, die wöchentlich am bruderschaftseigenen Altar in der Kreuzkirche gefeiert werden würden, die Gottesdienste an den Sonn- und Feiertagen oder die Messen und Vigilien, die im Verlauf der Beerdigungszeremonien stattfänden. Am Ende seiner Auflistung ist zu lesen, dass den Brüdern und Schwestern der Dreifaltigkeitsbruderschaft zusätzlich zu all den genannten Punkten noch einmal viele tausend Gebete und lobenswerte private ‚gute Werke‘ (multarum milium orationum et munerabilium bonorum operam privatorum)

49 ANGENENDT, Geschichte Religiosität, S. 592. 50 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Secundus fructus est conservatio et augmentatio mutue charitatis. 51 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Tertius fructus provisio salubris animarum, ait apostolus, si quis existimat se aliquid esse, cum nihil sit, ipse se seducit.

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

zugute kämen, die er, Karis, gar nich alle ans Licht bringen könne (ad lucem proferri).52 Gerade dieser letzte Ausspruch führt sinnfällig das Bemühen um eine möglichst vielfältige und intensive Frömmigkeit vor Augen. Gleichzeitig nutzt Karis die Bemerkung, um das Selbstverständnis der Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit zu kommunizieren: Penitentes remissionem peccatorum per multorum satisfactionem. Finem gratie sibi per multorum intercessionem hic in via, a purgatorio liberationem per vivorum superstitum suffragia et sacrificii oblationem.53

Aufgrund der großen Bußleistungen könne eine Reduzierung der Sündenstrafen erreicht werden, sodass es letztendlich vermittels der Fürbitten der Lebenden und durch das heilige Messopfer zur Erlösung der ‚armen Seelen‘ aus den Banden des Fegefeuers käme.

3.3 Die Kreuzkirche als religiöses Zentrum Die innerhalb der Stadtmauern Dresdens gelegene, leicht zurückversetzt an der Südostecke des Marktes errichtete Kreuzkirche, die frühere Nikolaikirche, stellte den zentralen Mittel- und Handlungspunkt der Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit dar. Im Folgenden soll es darum gehen, die Präsenz der Korporation in diesem Sakralraum und in gleicher Weise dessen Indienstnahme durch die Gemeinschaft zu illustrieren. Immerhin sind das lokale Zentrum und die örtliche Verankerung von der Forschung als zwei die Bruderschaften prägende Charakteristika bestimmt worden (siehe dazu auch Kap. 1.5). Wie aus dem Regelbuch von 1503 zu erfahren ist, besaß die Dreifaltigkeitsbruderschaft einen eigenen, selbst gestifteten Altar mit Trinitätspatrozinium im Chor der Kreuzkirche, an dem in jeder Woche vier Messen gefeiert werden sollten, sodass jährlich 212 Messen stattfänden.54 Spezifischere Informationen gewährt das Directorium hingegen nicht. Erweitern lässt sich der Kenntnisstand über diesen Altar durch mehrere in den Urkundenabschriften des Stadtarchivs enthaltene Quellen. Ein erster Blick ist dabei auf eine Urkunde von 1452 zu richten: Am 25. Januar dieses Jahres approbierte der Meißner Bischof Caspar von Schönberg († 1463) die mit Genehmigung des Dresdner Pfarrers erfolgte Stiftung und Ausstattung eines Altars, welcher sich im Chor der Kreuzkirche befand und der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht wurde. Als Konpatronin ist unter anderem die Mutter Gottes genannt. Das

52 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 53 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 54 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Primo ex fundatione altaris sancte et individue trinitatis in choro ex fratrum ordinatione erecti, ubi quatuor misse ebdomodatim celebrari consueverint, quasi ducentarum et duodecim missarum.

3.3 Die Kreuzkirche als religiöses Zentrum

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Patronats- beziehungsweise Kollationsrecht lag beim Rat der Stadt Dresden, der eingesetzte Altarist hatte wöchentlich vier Messen zu zelebrieren: Eine gesungene Messe am Sonntag, eine zweite in der Woche für die Brüder und Schwestern der Bruderschaft und die beiden anderen nach eigenem Belieben aus Schicklichkeit (iuxta decentiam). Der Zeitpunkt der Ausführung wurde in diesen beiden Fällen also nicht festgelegt. Des Weiteren ist im Hinblick auf den Altaristen unter anderem festgehalten worden, dass er kein anderes geistliches Lehen besitzen solle, Mitglied der Bruderschaft sein müsse sowie Erfahrung im Singen und Lesen mitzubringen habe. Verantwortlich für die Stiftung zeichneten die geistlichen und weltlichen Mitglieder der Dreifaltigkeitsbruderschaft, hier tituliert als de sancta et individua trinitate calendarium. Die Kalandswurzeln der Korporation schimmern folglich zu diesem Zeitpunkt noch durch. Wichtig(er) ist jedoch die Bezeichnung dieser Altarstiftung mit den Worten in summo altari. Sie legt den Schluss nahe, dass es sich um den Hochaltar gehandelt hat.55 Die Bemerkung iuxta dispositionem fraternitatis prenarrate in Verbindung mit der Messe am Sonntag könnte als ein Hinweis beziehungsweise als ein Rückblick auf die praxis pietatis in der Priesterbruderschaft gewertet werden. Ein Dreifaltigkeitsaltar mit mehreren Konpatrozinien ist in der Kreuzkirche erstmalig im Rahmen einer Ablassgewährung nachweisbar, die der Meißner Weihbischof Nikolaus († 1421), Titularbischof von Cathosia, stellvertretend für den Bischof Rudolf von (der) Planitz am 10. März 1420 ausstellte. Eine Verbindung zur Dreifaltigkeitsbruderschaft lässt sich aus dieser Indulgenzurkunde anhand der wenigen Angaben nicht herauslesen.56 Anders 1451: Am 11. Juni verkaufte der Dresdner Stadtrat an die von der Dreifaltigkeitsbruderschaft gestiftete Vikarie auf dem Hochaltar (hoen

55 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 497 (UA): Sane devoti nobis sinceriter dilecti opidani opidi Dresden utriusque sexus tam spirituales quam seculares de sancta et individua trinitate calendarium fratres et sorores divinitus inspirati ac zelo pie devotionis accensi augmentare divinum cultum satagentes beneficium quoddam de consensu pariter et expresso assensu plebani in summo altari chore capelle sancte crucis ibidem affectum erigere ad honorem summe sancteque individue trinitatis, sanctissime ac venustissime virginis Marie genitricis dei et Jesu Christi totiusque curie celestis atque fratrum et sororum de hac fraternitate defunctorum, necnon omnium christifidelium animarum in salutem singulariter in unum congregati cautius considerantes [...]. Nulli tamen alteri conferant nisi huic, qui actu in ordine sacerdotali nullum adeptus beneficium et in predicta fraternitate sit constitutus, [h]abilis, ydoneus, bone vite, laudabilis conversationis, expertus ad cantandum et legendum, semper habens personalem residentiam in eodem [sc. in Dresden]. Ad quatuor dumtaxat missas unam cantandam dominicis diebus per circulum anni solempniter iuxta dispositionem fraternitatis prenarrate, secundam in septimana pro fratribus et sororibus eiusdem fraternitatis defunctis stabit obligatus, alias duas ad libitum iuxta decentiam, secundum quod deus ex sue magnificentia gratie sibi inspiraverit, mane post elevationem prime misse congruo et licito tempore numquam tamen in preiudicium aut quamvis iacturam plebani perficiet [...]. – CDS II/5, Nr. 249 (S. 194 f.), bietet nur eine Teiledition der Urkunde. Vgl. zum Inhalt ergänzend RICHTER, Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 310 f. 56 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 204 (UA). Vgl. jetzt auch das Regest bei BÜNZ, Ablässe Meißen, S. 361. Er schreibt allerdings von dem Dreifaltigkeitsaltar in der Kreuzkapelle, ohne näher auf die Terminologie einzugehen. In Anbetracht der Tatsache, dass es zwar einerseits eine Kreuzkapelle in

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

altare yn des heiligen crewczs capelle) wiederkäuflich einen jährlichen Zins. Über die Verpflichtungen des Altarlehens heißt es, der Altarist solle alle sontage und obir die woche, wenn sichs gehoert, die Messe feiern.57 Leider wird zwar das Patrozinium des Hochaltars nicht genannt, doch ähneln sich die Bestimmungen für die Messe – wenngleich sie hier deutlich unpräziser verzeichnet sind und vor allem die genaue Anzahl der Messen fehlt. Beachtenswert ist diese Urkunde, weil sie entweder eine einzelne Vikariestiftung der Bruderschaft für den Hochaltar dokumentiert, unabhängig von dem im darauf folgenden Jahr bestätigten Altar. Oder aber der Hochaltar war mit dem Dreifaltigkeitsaltar identisch. Die zuvor wiedergegebene Formulierung in summo altari aus der Urkunde von 1542 würde diese Zuschreibung klar bestätigen.58 Der Hintergrund, diesen eigentlich unmissverständlichen Wortlaut hier zu hinterfragen, ist der jüngeren Forschungsliteratur geschuldet. Denn was den Hochaltar anbelangt, so wäre dieser nach den Ausführungen von Alexandra-Kathrin StanislawKemenah dem Heiligen Kreuz geweiht gewesen. Mit Blick auf den Wechsel des Patroziniums der Nikolai- hin zur Kreuzkirche schrieb sie 2005: „Erst seit dem 31. Oktober 1390 tritt nur noch die »Kirche zum Heiligen Kreuz« in den Urkunden auf, was wohl als Konsequenz einer neuen Weihe des Hochaltars am 10. Mai 1388 anzusehen ist.“59 Ähnlich äußerte sich Ulrike Siewert 2013.60 Gleichzeitig wies sie aber zumindest in einer Fußnote darauf hin, dass in der – übrigens von beiden – herangezogenen Quelle, einem knappen Vermerk in den Brückenamtsrechnungen, lediglich die Konsekration des Hochaltars und der Kirche per se protokolliert wurde: Dominus episcopus consecravit summum altare et ecclesiam.61 Über das Patrozinium respektive die Patrozinien ist also gar nichts zu lesen. Dementsprechend schrieb beispielsweise Herbert Helbig in seiner 1940 erschienenen Untersuchung der Kirchenpatrozinien in Sachsen lediglich von der 1388 erfolgten „Neuweihe der Kirche zu Ehren des Kreuzes“.62 Ausgehend von dieser Notiz in den Brückenamtsrechnungen und angesichts dessen, dass die frühere Nikolaikirche in den Quellen seither nur noch als Kreuzkirche (oder Kreuzkapelle) bezeichnet wurde, ist die Schlussfolgerung, der Meißner Bischof habe die Kirche an besagtem Tag dem Heiligen Kreuz geweiht, naheliegend. In gleicher Weise plausibel erscheint die Annahme, dass auch der Hochaltar dieses Patrozi-

der Kreuzkirche gab, andererseits mit der Bezeichnung Kreuzkapelle aber auch die ganze Kreuzkirche gemeint sein konnte (siehe Kap. 3.1), ist diese Lokalisierung schwierig, in jedem Fall unpräzise. 57 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 491 (UA). Siehe auch den kurzen Quellenauszug bei RICHTER, Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 310 Anm. 5. 58 Den Zusammenhang zwischen beiden Urkunden sieht ebenfalls RICHTER, Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 310. 59 STANISLAW-KEMENAH, Kirche, geistliches Leben, S. 205. 60 SIEWERT, ad honorandam, S. 74: „Am 10. Mai 1388 weihte schließlich Bischof Nikolaus I. von Meißen den Hochchor sowie die Kirche unter dem Patrozinium des heiligen Kreuzes und damit wurde auch offiziell der Patroziniumswechsel vollzogen.“ 61 CDS II/5, Nr. 89 (S. 75). Der Hinweis bei SIEWERT, ad honorandam, S. 74 Anm. 18. 62 HELBIG, Kirchenpatrozinien Sachsen, S. 169.

3.3 Die Kreuzkirche als religiöses Zentrum

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nium erhielt. Aber: In dem zitierten Passus fehlt diese Information eben. Mithin sind drei Denkweisen möglich: 1. Der Hochaltar könnte dem Heiligen Kreuz dediziert worden und somit der Dreifaltigkeitsaltar doch nicht mit selbigem identisch sein. 2. Das Patrozinium des Hochaltars könnte sich zwischenzeitlich noch einmal geändert haben. Zwischen 1403 und 1408 kam es zu größeren Umbaumaßnahmen an der Kreuzkirche, nur existieren keine detaillierten Nachrichten hierüber, und einen Hinweis auf eine erneute Altarneuweihe in diesen fünf Jahren gibt es nicht.63 3. Der Hochaltar war nicht dem Heiligen Kreuz, sondern der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht. Für die Frühzeit, vor allem für die Weihe von 1388, lässt sich die Frage kaum beantworten. Meines Erachtens sprechen aber mehrere Gründe dafür, den Dreifaltigkeitsaltar als Hochaltar zu identifizieren – spätestens jedenfalls seit 1452: Bereits angesprochen wurde die einschlägige Formulierung in summo altari im Zuge der Approbation der Altarstiftung 1452. Diese Bezeichnung findet sich ebenfalls in einer Urkunde, die Bischof Johannes VI. am 3. August 1513 ausgefertigt hat. Hierin genehmigte er, dass der Altarist des Dreifaltigkeitsaltars (altaris individue trinitatis in altari summo in ecclesia sancte crucis) aufgrund zurückgegangener Einkünfte für das Altarbenefizium nur noch drei anstelle der vorgeschriebenen vier Messen pro Woche feiern müsse. Explizit erwähnt wird die Dreifaltigkeitsbruderschaft nicht. Dafür lässt die Terminierung der Messen hellhörig werden: Eine gesungene Messe sollte der Tradition gemäß am Sonntag stattfinden, die beiden anderen Messen unter der Woche.64 Die Parallele zu dem oben Ausgeführten ist offenkundig. Weitere Argumente liefert das Verzeichnis sämtlicher Dresdner Altäre aus dem Jahr 1536. Darin sind 26 Altäre erfasst, die sich eindeutig der Kreuzkirche zuordnen lassen.65 Für die Untersuchung der einzelnen Altäre und für die städtische Frömmigkeitsforschung ist diese Auflistung ein ungemein wichtiges und aussagekräftiges Dokument. Protokolliert wurden das Patrozinium, die Patronatsrechte, die Anzahl der zu lesenden Messen, die Namen der Altaristen sowie die Einnahmen für den jeweiligen Altar. Somit ist diese Quelle weit detailreicher als etwa die Aufstellung der Altäre in der Meißner Bistumsmatrikel aus dem Jahr 1495.66 Überblickt man das Altarver-

63 Diesen größeren Umbau erwähnt STANISLAW-KEMENAH, Kirche, geistliches Leben, S. 205, allerdings ohne tiefergehende Informationen. 64 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1082: Statuentes quod predictus dominus Caspar [sc. Caspar Jenichen, der Altarist des Altars] et omnes eius successores solum ad missam cantabilem videlicet diebus dominicis iuxta antique confirmationis tenorum et duas legibiles singulis septimanis perpetuis futuris temproribus celebrandas [...]. 65 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/20. Vgl. auch SIEWERT, ad honorandam, S. 75–77. 66 Siehe HAUPT, Bistumsmatrikel. Für die Kreuzkirche sind dort einschließlich der Nachträge bis zum Jahr 1533 insgesamt 28 Altäre erfasst, darunter zwei mit Trinitätspatrozinium. Nach Ausweis des Eintrages handelte es sich bei dem zweiten Dreifaltigkeitsaltar um eine Neustiftung. Er stand nicht im Chor, sondern wohl im Kirchenschiff selbst (Trinitatis novum in testudine). Ebd., S. 15. Vgl. ergänzend auch ebd., S. 80 f.

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

zeichnis von 1536, so fällt auf, dass zwei Kreuzaltäre genannt werden: Crucis vorm kreuthkemmerleyn iiii messe sowie Crucis unterm seyger zum heilgen creutz iii messe.67 Ein der Heiligen Dreifaltigkeit dedizierter Altar ist dagegen nicht aufgeführt. Verzeichnet ist allerdings der hoe altar, dessen Patronatsrechte beim Rat der Stadt lagen. Über die wöchentlichen Messen an diesem Hochaltar ist dokumentiert: Eyne leßemeß, sontags singe messe und uber die ander wochen eyne messe auß wentzel goltschmids gestiffte und testament.68 Demnach wären aber die Verpflichtungen für das Altarbenefizium noch einmal reduziert worden, von drei auf zwei Messfeiern. Die dritte Messe wäre durch eine Stiftung des Dresdner Ratsherren Wenzel Goltsmid finanziert.69 Dass die Vikarie am Altar der Heiligen Dreifaltigkeit 1536 tatsächlich nur noch zwei Messfeiern umfasste, bezeugt eine Urkunde, die Bischof Johann VII. von Schleinitz († 1537) am 4. November 1528 ausgestellt hatte. Auf Bitten des Altaristen Johannes Krigkman sanktionierte er die Verminderung der Messverpflichtungen von ehemals drei auf zwei. Die im Rahmen der Dispositio gegebene Erklärung, um welche Messen es sich handeln sollte, ist mit derjenigen in dem Altarverzeichnis von 1536 identisch: Eine gesungene Messe am Sonntag, wie es von alters her festgeschrieben war (missam cantabilem videlicet die dominico iuxta antique confirmationis tenorem), und eine gelesene Messe unter der Woche (unam legibilem singulis septimanis).70 Zusammenfassend ist somit zu konstatieren: Der Hochaltar der Kreuzkirche war nicht dem Heiligen Kreuz, sondern der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht. Das Patrozinium der Kirche automatisch mit dem des Hochaltars gleichzusetzen, ist ein Zirkelschluss, den beispielsweise auch Gerhard Weilandt für die Sebalduskirche in Nürnberg aufgezeigt hat.71 Der Dresdner Hochaltar wurde von der Dreifaltigkeitsbruderschaft gestiftet, die damit über einen prominenten Anlaufpunkt, ja ein prominentes religiöses Zentrum innerhalb der Kreuzkirche verfügte.72 Verifizieren lässt sich diese Zuschreibung durch

67 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/20, fol. 5r und 8v. Bei dem zuerst genannten Altar Crucis vorm kreuthkemmerleyn mag es sich um den von dem Geistlichen Franz von Dippoldiswalde gestifteten Kreuzaltar handeln, der in einer am 26. September 1425 ausgestellten Urkunde belegt ist und über den es heißt, er sei gelegen uff der sacristen. CDS II/5, Nr. 171 (S. 142 f.). In der Meißner Bistumsmatrikel ist ebenfalls ein Altar Crucis in capella super sacristiam vermerkt. HAUPT, Bistumsmatrikel, S. 15. Wie BUTTE, Geschichte Dresdens, S. 90 und 93, ausführt, diente die ältere Kreuzkapelle als Sakristei. Die Formulierung vom „Kreuzkämmerlein“ dürfte sich hierauf beziehen. 68 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/20, fol. 3v. 69 Die Namensschreibung folgt den Dresdner Stadtbüchern. Siehe hier StB DD RB, S. 75. 70 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1153 (UA). Der eingetragene Name Joannis Krigkman, altariste altaris sancte individue trinitatis in altari summo ecclesie sancte crucis in nova Dresden lässt sich auch anhand der Dresdner Stadtbücher nicht auflösen. In dem Verzeichnis von 1536 wird als Altarist des Hochaltars ein Johannes Kuchemeister genannt (HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/20, fol. 3v), der aber ebenfalls bisher nicht anderweitig nachzuweisen ist. Siehe dazu StB DD RB. 71 Vgl. WEILANDT, Sebalduskirche Nürnberg, S. 493. 72 Interessant erscheint, dass SIEWERT, ad honorandam, S. 77, dann selbst schreibt, der in dem Altarverzeichnis von 1536 verzeichnete Hochaltar sei mit dem Dreifaltigkeitsaltar identisch. Auf die von ihr ebd., S. 74, geäußerte Patrozinienzuordnung geht sie hingegen nicht noch einmal ein.

3.3 Die Kreuzkirche als religiöses Zentrum

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die eindeutige Bezeichnung in den Quellen sowie ergänzend durch die Genese des Altarbenefiziums und die damit verbundene praxis pietatis. Obwohl wir über die Messstiftung des Wenzel Goltsmid keinen eigenständigen Beleg haben, ist doch abschließend zu erwähnen, dass er in dem Cisiojanus der Dreifaltigkeitsbruderschaft unter dem 21. Mai aufzufinden ist (siehe auch Kap. 3.5.3).73 Es ist insofern naheliegend, dass er die Messe an dem Altar ‚seiner‘ Bruderschaft einrichten ließ. Einen gravierenden Einschnitt in die Frömmigkeitsgeschichte der Bruderschaft markiert der große Stadtbrand vom 15. auf den 16. Juni 1491, da die Kreuzkirche bei diesem verheerenden Feuer völlig zerstört wurde. Der Neubau zog sich von 1492 (am 4. März erfolgte die Grundsteinlegung) bis 1499. Am 20. November dieses Jahres weihte der Meißner Bischof Johannes VI. von Salhausen die neu errichtete Kreuzkirche.74 In welcher Weise und vor allem an welchem Ort die Dreifaltigkeitsbruderschaft während dieser Zeitspanne ihre praxis pietatis vollzog, ist aus den Quellen nicht zu erfahren. Angesichts dessen ließe sich aber die von Nikolaus Karis im Regelbuch von 1503 getroffene Bemerkung, die Bruderschaft verfüge über einen selbst gestifteten Altar im Chor der Kreuzkirche (fundatione altaris sancte et individue trinitatis in choro) auch konkret in Bezug auf eine Neustiftung infolge des Stadtbrandes lesen.75 Im fünften Dresdner Stadtbuch dokumentiert jedenfalls ein Eintrag vom 18. Februar 1502 das Vorhandensein des Dreifaltigkeitsaltars in der wieder aufgebauten Kreuzkirche. Anhand des erwähnten Altaristen Michael Lemberg, der im Jahr 1497 neben Karis als einer der Vorsteher der Dreifaltigkeitsbruderschaft erscheint (siehe unten), tritt die Verbindung zwischen dem Dreifaltigkeitsaltar und der Korporation wiederum deutlich heraus.76 Über das Bildprogramm und das frühe Aussehen des Hochaltars ist nichts bekannt. Erst aus dem Jahr 1516 ist ein Vertrag zwischen dem Dresdner Pfarrer Peter Eisenberg, dem Bürgermeister Donat Conrad und dem Kirchvater Hans Hanstein mit dem Tischler Hans Degen aus Döbeln bezüglich der Anfertigung eines neuen Altarbildes für den 73 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 74 Vgl. KLINGNER, Stadtbrand 1491, S. 33, 40, sowie BUTTE, Geschichte Dresdens, S. 124 f. 75 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 76 StB DD V, Nr. 353 (S. 496). – Beachtenswert ist auf den ersten Blick noch eine am 25. April 1503 ausgestellte Urkunde, die aus den testamentarischen Bestimmungen der Anna von Miltitz resultiert. Darin ist von einer Vikarie geschrieben, die an dem newen altar uff der porkirchen in des heyligen creutz kirchen zw Dresden, der in der heyligen dreyfaltigkeyt ere sall geweyhet werden, einzurichten sei. StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1052 (UA). Dem Wortlaut zufolge, dürfte dieser Dreifaltigkeitsaltar in der Kreuzkirche nocht nicht vorhanden oder noch nicht geweiht gewesen sein. Inwiefern es sich hier möglicherweise um den in der Meißner Bistumsmatrikel genannten Altar Trinitatis novum in testudine handelt, ist nicht eindeutig zu bestimmen. Einerseits kennzeichnet ihn die Edition als nachträglich verzeichneten Altar. Siehe HAUPT, Bistumsmatrikel, S. 15. Andererseits ist er nicht in dem Verzeichnis der Altarstiftungen zwischen 1501 und 1533 aufgelistet. Vgl. ebd., S. 80. In dem Verzeichnis der Dresdner Altäre von 1536 ist er jedenfalls nicht (mehr) nachzuweisen. Siehe HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/20. Die von Anna von Miltitz bestimmte Vikarie mit ihren Messverpflichtungen und Patronatsrechten kann aber auch nicht an dem hier untersuchten Dreifaltigkeitsaltar belegt werden. Daher ist diese Urkunde im Rahmen der vorliegenden Studie nicht weiter zu verfolgen.

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

Hochaltar erhalten. Den Seltenheitswert eines solchen Werkvertrages hat Sabine Zinsmeyer 2015 benannt.77 Inhaltlich ist aus dem Schriftstück zu erfahren, dass der meyster Hans einen Fuß (sicher die Predella), einen Korpus mit sechs Flügeln (das eigentliche Retabel) und einen „Auszug“ herstellen sollte, szo weit und hoch als es des chors und der kyrchen hoe gelegenheit und die rechte masse fordern.78 Welche Motive oder Szenen die einzelnen Flügel beinhalten sollten, wurde in dem Vertrag nicht festgeschrieben. Allerdings lässt allein schon das in Auftrag gegebene Polyptychon erahnen, dass es sich um einen aufwendig gestalteten Altar gehandelt haben dürfte. Über die Rolle der Dreifaltigkeitsbruderschaft ist in diesem Rahmen allerdings leider nichts auszusagen.79 Ein interessantes Detail hinsichtlich der räumlichen (Neu-)Ausstattung der Bruderschaft innerhalb der Kreuzkirche infolge des Stadtbrandes gewährt eine Urkunde vom 17. August 1497. Die beiden Brückenmeister und Kirchväter der Kreuzkirche, Heinrich Kannengießer und Donat Conrad, hielten an diesem Tag schriftlich fest, den beiden Vorstehern der Dreifaltigkeitsbruderschaft, Nikolaus Karis und Michael Lemberg, ein „Kämmerlein“ im untersten Gewölbe der neuen Sakristei verkauft zu haben. Die Bruderschaft sollte jenen Raum fortan dauerhaft für ihre Zwecke nutzen können.80 Zwar wird in den erhaltenen Quellen nirgends explizit auf dieses Kämmerlein Bezug genommen, doch kann zumindest eine Verwendung plausibel gemacht werden: In den Statuten der Bruderschaft heißt es, dass alle wichtigen Dokumente mitsamt den Finanzen in einem eigens dafür bestimmten Schrank unter Verschluss aufbewahrt wurden (ad repositorium proprium fraternitatis).81 Anzunehmen ist, dass sich dieser Schrank in dem genannten Kämmerlein befand. Eine vergleichbare Handhabung ist unter anderem aus Göttingen belegt. Dem dortigen Georgs-Kaland war es gestattet, seine „Kalandskiste“ in der Sakristei der Kirche aufzubewahren.82

77 Vgl. ZINSMEYER, Schnitzaltäre als Frömmigkeitszeugnisse, S. 373. 78 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1099 (UA). – Vgl. dazu auch ZINSMEYER, Schnitzaltäre als Frömmigkeitszeugnisse, S. 373 f. 79 Vgl. zu dieser Thematik allgemein auch den Beitrag von MILITZER, Bruderschaften als Auftraggeber, bes. S. 44 f. 80 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1001 (UA): Wyr Henrich Kangisser und Donatus Conradi, kirchvetter und bruckenmeyster des heyligen kreutzkyrchen zu Dresden bekennen offintlich vor uns und unsere nochkomenden an dißem unßerm briffe vor allermenniglich, das wir den wirdigen hern magistro Nicolao Karys und Michel Lembergk, als vorstheer der gantzen bruderschaft der heyligen drivaldikeyt, eyn kemmerlein in der nawen sacristen, ßo wyr vor eym jor gebawet, an der alden sacristen gelegen, als man undin in dieselbige nawe sacristen gehit im understen gewelb vorkouft und fur ein schogk und zwentzigk groschen der besthen montz gegebin haben. Solch gelt uns die obgenanten vorstheer von wegen der bruderschaft barober betzalt und vorgenugt, welchs gelt wir kirchvetter an der kirchen baw gewant, sagen sye des queyd, ledigk und loß in kraft dis briffes, alßo das die gemelte bruderschaft und ire vorstheer solchs kemmerleins hinfurt zu ewigen getzeyten zu irem nutz und frommen genisßen und gebrauchen und hinfur der kirchen nichtis meher dovon zu geben vorpflicht sein sollen [...]. 81 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 82 Vgl. PRIETZEL, Kalande Niedersachsen, S. 282.

3.4 Organisation und Mitgliederstruktur

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3.4 Organisation und Mitgliederstruktur Im Folgenden soll in einem ersten Abschnitt die Verfasstheit der Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit abgebildet werden, wie sie aus dem Regelbuch von 1503 zu rekonstruieren ist. Ein zweiter Abschnitt wird zusammengefasst die Ergebnisse der Auswertung der in den Cisiojanus, dem Anniversarienverzeichnis der Bruderschaft, eingetragenen Personen präsentieren, um einen Eindruck von der räumlichen, sozialen und geschlechterspezifischen Mitgliederstruktur zu erhalten. Das erste Kapitel enthält die Bedingungen hinsichtlich des Eintritts in die Korporation. Um aufgenommen und eingeschrieben zu werden, mussten drei Prämissen erfüllt sein: Als erste, materielle Leistung waren der Anwärter beziehungsweise die Anwärterin gehalten, die Aufnahmegebühr in Form und Höhe von einem Talent Wachs, was einem Pfund entsprach, zu zahlen. Wie die erhaltenen Rechnungslegungen zeigen, konnte der Beitrag äquivalent durch eine Geldzahlung kompensiert werden. Beispielhaft sei Thomas Derwitzer genannt, der 21 Groschen zur Aufnahme in die Dreifaltigkeitsbruderschaft entrichtet hat.83 Die Zahlung einer gewissen Menge Wachs lässt sich bei vielen Bruderschaften nachweisen. Als eines der Grundmaterialien für den Vollzug der Liturgie war es insofern auch für die Dresdner Bruderschaft von Bedeutung.84 Die beiden anderen Voraussetzungen lassen sich als Verhaltensnormen klassifizieren. So musste der oder die Neuaufgenommene versprechen, die Statuten zu beachten, und sich bemühen, die Bruderschaft in allem voranzubringen.85 Malte Prietzel hat in seiner Studie über die Kalande dargelegt, dass analog zu den Gilden auch bei den Bruderschaften die Eidesleistung eine zentrale, weil vor allem die Gemeinschaft konstituierende Rolle gespielt hat. Im Fall des Seeburger Kalands beinhaltete der auf das Evangelium zu schwörende Eid etwa das Versprechen, die Statuten zu achten, dem Dekan gehorsam zu sein oder auch die Geheimnisse der Vereinigung zu bewahren. Ganz ähnlich gestaltet war der Eid im Göttinger Georgs-Kaland.86 Das Regelbuch der Dreifaltigkeitsbruderschaft kannte eine solche Eidesleistung ebenfalls. Im letzten Kapitel informiert Karis über das Gelöbnis und die Bezeugung der Mitglieder (De professione et protestatione fratrum generali). Eindeutig tritt dabei die Pflicht der Regelbefolgung heraus. Eine Missachtung

83 Siehe RICHTER, Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 313 Anm. 2, mit einigen Auszügen aus dem Rechnungsregister von 1534. 84 Vgl. mit ähnlichen Befunden z. B. MEISTER, Religiöses Engagement, u. a. S. 63, 72, oder RAHN, Bruderschaften Braunschweig. 85 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: [...] quod fraternitatem assumens et se inscribi faciens hec tria tenere debet, primum, ut unum talentum cere persolvat, secundum, ut statutorum regulam observare promittat, tertium, ut fraternitatem in omnibus promovere studeat. 86 Vgl. PRIETZEL, Kalande Niedersachsen, S. 417 f. sowie 176 (Seeburg) und 307 (Göttingen).

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

würde den Ausschluss aus der Bruderschaft nach sich ziehen.87 Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass mit dem in den Aufnahmeprämissen geforderten Versprechen, die Statuten zu beachten, ein Eid gemeint ist. Informationen über die konkrete Form oder die Inhalte sind allerdings nicht vermerkt. Zugleich fehlen Auskünfte über das spezifische Prozedere der Aufnahme. Einen aufschlussreichen Eindruck davon, wie der Eintritt in eine Bruderschaft aussehen konnte, vermitteln die Statuten der 1439 gestifteten Fronleichnamsbruderschaft aus Staßfurt (südlich von Magdeburg): Wer der Bruderschaft beitreten wollte, musste sich zunächst bei deren Kämmerern melden. Diesen oblag es dann, am Donnerstag, wenn die Messe von dem heiligen Leichnam Christi gesungen würde, dem Anwärter beziehungsweise der Anwärterin die Regeln der Bruderschaft vollständig vorzulesen. Im Anschluss daran war die Frage zu stellen, ob er oder sie diese Regeln befolgen wolle, unde dar tho schullen su ja oder neyn seggen. Sollte der oder die Befragte Zweifel hegen, wäre eine Bedenkzeit von acht Tagen zu gewähren. Die Aufnahme selbst musste schließlich vor dem Altar der Gemeinschaft durch den Priester vollzogen werden, der dabei die folgenden Worte zu sprechen hatte: Ek entphange dyk in dysse bruderschopp, dat du mogest deylhafftich werden aller guthen wergke, dy darinne gescheen in dem namen des vadders, des sones unde des heyligen geystes, amen.88 Die Mitgliedschaft von Frauen in der Dreifaltigkeitsbruderschaft wird bereits an dem Umstand ersichtlich, dass Karis im Text an verschiedenen Stellen explizit von den fratres layci vulgares et sorores spricht oder unterstreicht, die Gemeinschaft bestünde tam clerice quam utriusque sexus populi.89 Generell ist die Beteiligung von Frauen in den Bruderschaften jedoch keine Besonderheit.90 Klaus Militzer hat in seiner Untersuchung über die Kölner Bruderschaften konstatiert, dass neben den (teilweise hohen) Eintrittsgebühren zugleich vierteljährlich zu entrichtende Mitgliedsbeiträge vorgeschrieben waren, die „Quatertemperbeiträge“.91 Karis informiert ebenfalls über einen kontinuierlich von den Mitgliedern zu entrichtenden Beitrag, der im Rahmen der Quatember fällig war (De angariali contributo solvendo). Ohne Abweichung mussten alle Brüder und Schwestern, egal ob dem weltlichen oder geistlichen Stand angehörend, zu den vier Quatemberzeiten je vier Groschen bezahlen. Für die singenden Brüder und die Priesterbrüder, aber beispielsweise auch für diejenigen, die abwesend waren, bestand jedoch die Möglichkeit, sich durch eine Einmalzahlung in

87 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Et si fortasse, quod absit, quislibet presumtuose contradixerit vel contrafecerit, tanquam contemtor regule a fratrum communione sicut superius comprehensum est, privetur. 88 Der Text ist ediert in HERTEL, Brüderschaftsbuch, S. 53 f. 89 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 90 Vgl. hierzu eingehend RAHN, Bruderschaften Braunschweig, S. 102–105 (auch mit einem Blick auf die Forschungslage). Stichhaltig zugleich MEISTER, Religiöses Engagement, u. a. S. 54 f. 91 MILITZER, Laienbruderschaften in Köln, S. LXIII.

3.4 Organisation und Mitgliederstruktur

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Höhe eines Rheinischen Guldens dauerhaft von den Quatembergeldern freizukaufen.92 Im Falle einer Missachtung der Vorschrift, das heißt, wenn einer der Brüder über mehrere Jahre hinweg weder selbst noch durch einen Mitbruder den Beitrag entrichtet hatte, sei er aus der Gemeinschaft auszuschließen. Das schloss auch die Mitglieder ein, die abwesend waren und sich nicht ‚freigekauft‘ hatten.93 Die Strafe entspricht somit derjenigen, die im Rahmen des Eidbruches ausgesprochen wurde. Die Leitung und Verwaltung der Bruderschaft lag in den Händen von sechs sogenannten Senioren sowie von zwei Provisoren. Beide Ämter waren den Klerikern vorbehalten, die Laien(-brüder) hingegen blieben ausgeschlossen – so zumindest die Darstellung von Karis im Regelbuch (siehe auch Kap. 3.6). Das Leitungsgremium der Korporation bildeten die sechs Ältesten, die aus den Reihen der Altaristen von den Priesterbrüdern benannt wurden. Ihnen fiel die Aufgabe zu, die Ordnung der Bruderschaft sowie deren Ansehen zu überwachen, aufkommende Rechtsfälle zu verhandeln und die von den Provisoren erstellte Rechnungslegung abzunehmen. Darüber hinaus waren sie noch einmal unter Eid verpflichtet, die Geheimnisse der Vereinigung zu schützen.94 Über die Amtszeit der Senioren ist nichts vermerkt, allerdings könnte die Erläuterung, dass im Todesfall eines Ältesten (si quis seniorum electorum obierit vel discesserit) ein Nachfolger von den Priesterbrüdern (omnes clerici fratres) aus dem Kreis der Altaristen zu wählen sei, auf eine Ernennung auf Lebenszeit hinweisen.95 Gleichzeitig dürfte das dem obierit nachgesetzte discesserit nicht als ein zweites Verb für sterben, sondern für weggehen gewertet werden, womit auf eine Residenzpflicht für die Senioren zu schließen wäre. Bestärkt wird die Vermutung durch die Formulierung, dass auch der Nachfolger aus dem Kreis der örtlichen Altaristen zu benennen sei (ex altaristis in locum).96

92 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Omnes et singuli confratres et consorores utriusque status et sexus singulis quatuortemporibus quatuor denarios pro contributo solvere tenebuntur, sed fratres cantantes et absentiorum pene subiacentes cum provisoribus fraternitatis et ministrantibus et dominus plebanus cum predicatore ex capellanis suis et fratres presbyteri per unius florenus rheni pro contributo impositionem se liberam, si sunt exemti. Das voranstehende Zitat im Text ebd. 93 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Fratres autem sive presentes sive absentes, qui pluribus annis nec per se nec per alios contributum solverunt, cum ad residentiam venerint, vel fraternitatis gaudere volunt privilegiis aut solvent aut a fraternitatis consortio secludantur. 94 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: De seniorum fraternitatis electione: Placuit pro universo ordine et honestate totius congregationis nostre custodienda et retinenda, [...] eligere sex viros ydoneos et apertos altaristas tanquam principales et capitales supremosque fratrum directores et administratores, quibus [...] fraternitatem fideliter regant, confratres respiciant, regulas ordinationes ac consuetudines, que regulam fraternitatis dicitur, manuteneant. Ipsi quoque emergentes casus tractare, factionem vel computationem provisorum audire et assumere [...] atque fraternitatis secreta nostre et quasi sub iuraramento [sic] secrete servare debeant. Vgl. dazu ausführlich auch RANACHER, der bruderschaft, S. 48–50. 95 Vgl. mit einem solchen Beispiel PRIETZEL, Pfarrkirche und Kaland, S. 16. Wie RAHN, Bruderschaften Braunschweig, S. 71 ff., zeigt, konnten die Amtsperioden freilich auch variieren. 96 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. Die voranstehenden Zitate aus der Quelle ebd.

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

Die beiden Provisoren wiederum wurden von den Senioren ernannt. In erster Linie erstreckte sich ihr Aufgabenressort auf die finanzielle Administration der Bruderschaft: Sie waren etwa verantwortlich für die Einnahme der Quatembergelder und hatten das Gesamtkapital zu bewahren (census colligere et summas capitales conservare). Daneben waren sie zuständig für die Aushändigung der Stiftungsanteile, der Präsenzgelder für die Gottesdienste, Anniversarfeiern und Exequien.97 Jedes Jahr mussten sie in der Woche nach dem ersten Sonntag nach Ostern vor den Ältesten die Finanzen offenlegen. Verwahrt wurden diese Register in einem dafür vorgesehenen Schrank, der sich mutmaßlich in dem bruderschaftseigenen Kämmerlein in der Kreuzkirche befand (siehe Kap. 3.3).98 Ergänzend zu diesen pekuniären Pflichten fielen auch die Einberufung der Bruderschaftsversammlung und die Organisation der Anniversarien den Provisoren zu.99 Schließlich waren sie gehalten, alle abwesenden Mitglieder, die zum Beispiel bei den Jahrtagen fehlten, aufzuschreiben.100 Die Laienbrüder waren von diesen Ämtern ausgeschlossen. Sie scheinen sich nach dem Wortlaut der Bruderschaftsmatrikel in singende und nicht singende Brüder zu trennen. Karis schreibt des Öfteren von den fratres cantantes beziehungsweise den fratres layci cantantes, die er zugleich eindeutig von den Priesterbrüdern trennt (omnes fratres presbyteri et layci cantantes oder: fratrum sacerdotum aut fratrum cantantium), und konträr von den fratrum laycorum non cantantium. Eine von den Laien im Jahr 1510 aufgesetzte Beschwerde bestätigt diese Gruppierung (siehe Kap. 3.6). Die weiblichen Mitglieder der Dreifaltigkeitsbruderschaft wurden wohl nach ihren Männern diesen Kategorien zugeordnet: fratrum sacerdotum aut fratrum cantantium vel sua uxor legittima, que in fraternitate est, doch ist dies nicht klar zu sagen.101 Die Differenzierung in singende und nicht singende Brüder wirkte sich je-

97 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 98 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: [...] de quibus [sc. den Provisoren] omnibus singulis annis in ebdomoda post dominicam quasi modo geniti die congruentiori ad rationem reddendam obligabuntur. Cuius computationis registri exemplar cum tota peccunia in eadem computatione per ipsos presentata ad repositorium proprium fraternitatis ad hoc ordinatum locabitur. Vgl. dazu ausführlich wiederum RANACHER, der bruderschaft, S. 50–52. 99 So ist bspw. in einer von Bischof Johannes VI. von Salhausen am 17. Februar 1505 ausgestellten Bestätigungsurkunde über die Stiftung eines Mariä Verkündigungs-Altars in der Kreuzkirche durch Urban Hockendorf und seine Frau auch die Anweisung zur Finanzierung eines Anniversars für die beiden durch die Dreifaltigkeitsbruderschaft enthalten. Das Geld dafür solle jährlich den Provisoren der Bruderschaft übergeben werden, die für die dauerhafte Durchführung des Jahrgedächtnisses sorgen würden: [...] singulis annis sexagenam argenteam provisoribus fraternitatis sancte trinitatis pro disponendo anniversario perpetuo pro familia istorum de Hockendorff [...]. StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1060 (UA). 100 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Consentaneum quaque est, quod provisores ad omnia prefata officiosissime prospicere et absentes consignare debeant. An anderer Stelle ist fernerhin festgelegt, dass den Provisoren ebenfalls die Gründe für ein Fehlen mitzuteilen seien (absentie sue causam quisque fraternitatis provisoribus enarrare tenebitur). Ebd. 101 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. Die voranstehenden Zitate aus der Quelle ebd.

3.4 Organisation und Mitgliederstruktur

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denfalls auf die Aufgaben innerhalb der praxis pietatis sowie auf die Privilegien aus. Hier sei auf die oben erwähnte Chance für die singenden Laien verwiesen, sich wie die Priesterbrüder von den Quatembergeldern freizukaufen. In den von Kerstin Rahn oder Malte Prietzel untersuchten Bruderschaften tritt eine derartige Trennung der Laienbrüder nicht zu Tage.102 Von besonderer Bedeutung im bruderschaftlichen Leben war der jährlich zu gewissen Terminen durchgeführte Bruderschaftstag, die Versammlung aller Mitglieder einer Korporation. Im Rahmen dieser Zusammenkünfte konnte unter anderem das zentrale gemeinsame Mahl stattfinden und damit verbunden hatte zugleich die Memoria ihren Platz. Nicht selten wurden auch die Ämter innerhalb der Gemeinschaft neu besetzt oder die Finanzen besprochen.103 Aus Braunschweig ist beispielsweise von der Matthäusbruderschaft sogar die ‚Speisekarte‘ des Bruderschaftstages überliefert.104 Das Regelbuch der Dreifaltigkeitsbruderschaft enthält interessanterweise selbst keinerlei Aussagen über den Ablauf eines solches Tages, genau genommen wird nicht einmal die Durchführung überhaupt explizit benannt. Freilich bietet der Text aber Anhaltspunkte, die ein solches Treffen annehmen lassen. Ein Aspekt ist die oben erwähnte Verpflichtung für die Provisoren, am ersten Sonntag nach Ostern, das heißt an Quasimodogeniti, den Senioren die Finanzen offenzulegen. Ein weiteres Indiz ist die Regelung, dass die Senioren in schwerwiegenden Problemfällen, die zum Schaden für die ganze Bruderschaft führen können, nicht selbst entscheiden sollen, sondern diese Themen mussten ad fraternitatis concilium behandelt werden.105 Verifizieren lässt sich die Annahme eines Bruderschaftstages schließlich durch zwei Beschwerdeschriften, die Anfang des 16. Jahrhunderts entstanden sind. Aus ihnen ist herauszulesen, dass die Rechnungslegung einherging mit einem gemeinsamen Umtrunk und anfänglich anscheinend unter Beteiligung aller Laien sowie der Priester stattfand (siehe Kap. 3.6). Näheres über die Inhalte ist aber leider nicht auszusagen. Aufschluss über die Mitglieder der Dreifaltigkeitsbruderschaft gibt allein der zwischen die Statuten eingebundene Cisiojanus. Ein Bruderschaftsbuch mit einer gesonderten Mitgliederliste ist nicht überliefert. Insgesamt dokumentiert der Anniversarienkatalog 91 Personen, Kleriker wie Laien, denen im Verlauf eines Jahres gedacht werden sollte (siehe auch Kap. 3.5.3). Das Verhältnis ist fast paritätisch: 43 Geistlichen stehen 45 Laien gegenüber. Zwei Einträge wurden soweit rasiert, dass die Namen nicht mehr zu rekonstruieren sind (6. März und 12. November – siehe auch Abb. 5.1 und 5.2). Ein Eintrag ist überschrieben worden und dadurch ebenfalls nicht mehr zu lesen (1. März). Insofern war es lediglich möglich, Informationen über

102 103 104 105

Vgl. RAHN, Bruderschaften Braunschweig; PRIETZEL, Kalande Niedersachsen. Vgl. u. a. MILITZER, Laienbruderschaften in Köln, S. LVII. Vgl. RAHN, Rituelles Handeln, S. 107 f. StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047.

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

88 Personen zu gewinnen.106 Was die Hintergründe anbelangt, die zu den Löschungen geführt haben, lassen sich leider keine Aussagen treffen. Denkbar wäre, dass das Stiftungskapital für das Anniversar aufgebraucht war oder die Person durch eine Regelverletzung aus der Bruderschaft ausgeschlossen wurde. Womöglich könnte auch als gravierendster Grund eine damnatio memoriae ausgesprochen worden sein, wie sie Carsten Jahnke innerhalb der Lübecker Heilig-Leichnams-Bruderschaft nachweisen konnte.107 Ob die Namen eventuell an anderer Stelle wieder verzeichnet wurden, muss aufgrund der in allen drei Fällen marginalen Tintenreste offen bleiben. Der Eintrag des in Possendorf nahe Dresden wirkenden Geistlichen Caspar Heide unter dem 3. August zeigt eine lesbare Streichung ohne erneute Aufnahme.108 Die Untersuchung der verzeichneten Männer und Frauen hat zu folgendem Ergebnis geführt: 21 der 88 Personen stammten aus beziehungsweise lebten im Umkreis der Stadt Dresden. Bis auf Nikolaus Heyner, der gebürtig aus Dresden kam, dann aber in Leipzig unter anderem als Prediger und Unterpfarrer an der Nikolaikirche wirkte,109 und Johannes Mönch, der Altarist in Freiberg war, lokalisieren sich die Herkunfts- oder Tätigkeitsorte zumeist unmittelbar um das spätmittelalterliche Dresden herum. Exemplarisch seien hier Briesnitz, Fischersdorf, Plauen, Poppitz sowie Seidnitz, Unkersdorf, Altendresden und Dohna genannt.110 Obgleich Karis stetig von den Brüdern und Schwestern spricht, finden sich im Cisiojanus lediglich fünf Frauen eingetragen: Margaretha Hader, Margaretha Plote, Anne Poechel, Klara von Kötteritzsch und Klara Knaut. Das entspräche einem Anteil von nur 5,7 Prozent. Wie die dem Cisiojanus beigefügte Erklärung aber zeigt, wurden bei den Jahrgedächtnissen zugleich die Familien oder, bei den Geistlichen, die Wohltäter, also Stifter mit eingeschlossen. Allein im Fall der Margaretha Plote finden sich die Frau genannt und ihr Mann namenlos nachgeordnet: Margareta Ploetynne cum marite.111

106 Vgl. RANACHER, der bruderschaft, Anhang 4. Für jede der 88 Personen wurde ein kurzes Biogramm mit folgenden Rubriken erstellt: Name – Vollzug des Jahrgedächtnisses – Stand – Berufe/ Ämter – Belegstellen im (alten) CDS sowie in den Dresdner Stadtbüchern – Kurzbiographie. Für das Erkenntnisinteresse der hier vorliegenden Studie können und sollen die Ergebnisse zusammengefasst sowie an einigen ausgewählten Beispielen veranschaulicht werden. 107 Vgl. JAHNKE, Zu Ehren Gottes, S. 170 f. 108 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 109 Vgl. für die biographischen Daten zu Nikolaus Heyner ergänzend die Zusammenstellung bei BÜNZ, Leipziger Stattpfarrkirchen, S. 69. 110 Aus Briesnitz findet sich bspw. der Altarist und spätere Pfarrer Mattis Rentzsch unter dem 2. März in den Cisiojanus eingetragen. StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: dominus Mathei Rentzsch pastoris in Breßnitz. Die Namensschreibung Mattis folgt den Dresdner Stadtbüchern, in denen Rentzsch wiederholt belegt ist. Siehe u. a. StB DD IV, Nr. 360 (S. 199 f.), 410 (S. 222 f.), und StB AD, Nr. 497 (S. 251 f.), 518 (S. 265), 559 (S. 289), 605–607 (S. 317–319). Aus Poppitz ist unter dem 20. Juni der Richter Johannes Schermesser vermerkt. StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Johannis Schermesser in Poppewitz iudicis. Eine Parallelüberlieferung zu ihm bietet allein der CDS II/5, Nr. 280 (S. 211). 111 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047.

3.4 Organisation und Mitgliederstruktur

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Resultierend aus der Untersuchung der 45 Laien lassen sich elf Personen als Dresdner Ratsherren ermitteln: Peter Weißenberg, Nickel Seidel, Hans Radeberg, Wenzel Goltsmid, Hans Abend, Hans von Carlowitz, Johannes Schedinger, Balthasar von Lindenau, Nickel Pfeil, Nickel Petzoldt und Lorenz Vogel. Bis auf Wenzel Goltsmid und Nickel Petzoldt sind dabei alle durch den Zusatz consulis oder proconsulis dem Amt nach gekennzeichnet.112 Der Befund, wie ihn zum Beispiel Ludwig Remling für Kitzingen nahe Würzburg herausgearbeitet hat, wonach in den von ihm untersuchten Bruderschaften vor allem Angehörige der Ober- und höheren Mittelschicht vertreten waren, kann für die Dreifaltigkeitsbruderschaft im Wesentlichen geteilt werden: Von einem signifikanten Übergewicht der politischen Führungsschicht wie in der Kitzinger Priesterbruderschaft kann für die Dreifaltigkeitsbruderschaft bei einem Anteil von circa 12,5 Prozent nicht gesprochen werden.113 Selbst die Hinzurechnung der Richter Hans Plote, Johannes Schermesser und Georg Zahn (Landrichter, Amtmann und Schösser) verändert das Bild nicht.114 Allerdings darf nicht vergessen werden, dass es sich bei der Dreifaltigkeitsbruderschaft seit 1444 nicht mehr um einen genuinen Kaland handelte.115 Dennoch kann wohl festgehalten werden, dass auch in Dresden die Angehörigen des zumindest sozial gehobeneren Standes Wert darauf legten, dieser Bruderschaft anzugehören.116 Daneben sind in der Bruderschaft ebenfalls zahlreiche Vertreter verschiedener Gewerke aufzufinden: die Schneider Benedikt Thile und Nikolaus Fischer, der Schmiedemeister Merten Sommerfeld, der Färber Georg Kasch oder der Böttcher Johannes Schmidewaldt, um nur einige exemplarisch zu nennen.117 Mithin lässt sich an

112 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. Lediglich exemplarisch seien hier noch einmal Hans Abend, der unter dem 30. Mai als Johannis Obendt consulis in den Cisiojanus eingetragen worden ist, sowie Peter Weißenberg, dessen Name, Petri Weysenbergk consulis, unter dem 13. Januar steht, erwähnt. Für die Identifikation und biographische Kontextualisierung der genannten Personen sind in erster Linie die Dresdner Stadtbücher herangezogen worden, weshalb sich die Namensschreibungen wiederum an dieser Edition orientieren. Siehe hier StB DD RB. 113 Vgl. REMLING, Sozialgeschichtliche Aspekte, S. 161 f. und 165. 114 Georg Zahn (Georgii Zcann Schoesseri; StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047) wird in den Dresdner Stadtbüchern als Jorge Zahn geführt. Siehe StB DD RB, S. 206. 115 Vgl. REMLING, Sozialgeschichtliche Aspekte, S. 162. – Die Ausführungen von PRIETZEL, Kalande Niedersachsen, S. 212 f., veranschaulichen, dass Angehörige der Mittel- und Oberschicht einer Stadt freilich auch in eine Priesterbruderschaft hineinreichen konnten. 116 Siehe dazu auch RANACHER, der bruderschaft, S. 57 f. 117 Die Zuordnung der Berufe kann bei einem Teil der Personen durch den Eintrag selbst erfolgen, so z. B. im Fall des Nikolaus Fischer, der unter dem 6. September als Nicolai Fisscher ducalis sartoris, als herzoglicher Schneider im Cisiojanus verzeichnet worden ist, oder bei dem Böttcher Johannes Schmidewaldt: Johannis Schmidewaldt doleatoris (28. Juni). StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. Daneben gibt es einige Personen, deren Tätigkeit lediglich durch andere Quellen wie die Dresdner Stadtbücher oder den bisherigen CDS für Dresden erschlossen werden kann. Der unter dem 12. Februar eingeschriebene Benedikt Thile (Benedicti Thile; ebd.) etwa ist erst durch eine Urkunde im CDS II/5, Nr. 240 (S. 184–186), als Schneider zu identifizieren.

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

dieser Stelle schlussfolgern: Die in den Anniversarienkalender der Dreifaltigkeitsbruderschaft eingeschriebenen Laien entstammten, soweit sich biographische Momente ihres Lebens rekonstruieren ließen, der Mittel- bis Oberschicht Dresdens. Eine Dominanz der städtischen Führungsschicht ist hingegen nicht zu eruieren.118 Bei den verzeichneten Geistlichen, die identifiziert werden konnten, handelt es sich vollzählig um Weltgeistliche.119 Unter den 43 Namen klerikalen Standes sind beispielsweise 19 Altaristen sowie mehrere Pfarrer auszumachen. Während die Altaristen bis auf Johannes Mönch (Freiberg) und Lorenz Raue (Altendresden) in Dresden, die außerhalb der Stadtmauern liegenden Hospitäler eingeschlossen, tätig waren, lokalisieren sich die Pfarrer in einem weiteren Kreis um die Stadt herum. Mattis Rentzsch etwa war Pfarrer in Briesnitz, Paul Gommeral in Plauen oder Johannes Stoblinger in Altendresden. Natürlich sind aber auch Pfarrer aus Dresden selbst im Cisiojanus der Bruderschaft registriert, wie Johannes Terrembach oder sein Nachfolger Johannes Scriptoris.120 Ein letzter Befund sei noch hinsichtlich der Altaristen genannt: Überblickt man die Altarstellen, wird deutlich, dass sie über die gesamte Sakraltopographie Dresdens verteilt sind, und nicht nur Altaristen der Kreuzkirche Mitglieder der Dreifaltigkeitsbruderschaft waren.121

118 Vgl. für diese Einschätzung auch RANACHER, der bruderschaft, S. 58. 119 Dass wiederum in einer Priesterbruderschaft auch Ordensgeistliche in die Memoria eingebunden sein konnten, zeigt u. a. die Arbeit von KAHLEYß, Bürger von Zwickau, S. 434. 120 Über die Wirkungsorte informieren dabei die Einträge in den Cisiojanus. Ergänzend zu dem oben schon erwähnten Mattis Rentzsch sei hier noch der Dresdner Pfarrer Johannes Terrembach, dominus Johannis Therenbach plebani huius ecclesie, herausgegriffen, dessen Eintrag unter dem 2. Juni zu finden ist. StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. Die Namensschreibung folgt erneut den Dresdner Stadtbüchern, da Terrembach hier mehrfach belegt ist: Siehe StB DD I, Nr. 3 (S. 91 f.), 57 (S. 107 f.), 669 (S. 285 f.), und StB DD II, Nr. 15 (S. 309), 48 (S. 319), sowie des Weiteren CDS II/5, Nr. 206 (S. 167), 280 (S. 211), 290 (S. 218 f.). Die anderen genannten Pfarrer sind ebenfalls in den Dresdner Stadtbüchern vertreten. Siehe dazu StB DD RB. 121 Der unter dem 16. Februar eingetragene Franz Witte, dominus Francisci Witthe altarista (StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047), bspw. war Altarist im Dresdner Schloss. Siehe dazu CDS II/5, Nr. 257 (S. 199), 258 (S. 199) und 262 (S. 200). Die Namensschreibung dort lautet ebenfalls Witte, nach den Dresdner Stadtbüchern hingegen Witche. Vgl. StB DD I, Nr. 229 (S. 152), und StB DD III, Nr. 18 (S. 337 f.). Martin von der Hoe, der unter dem 11. November zu finden ist (dominus Martini von der Hoe; StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047), wirkte als Altarist am Marienaltar in der Frauenkirche. Siehe dazu StB DD III, Nr. 303 (S. 456; dort in der Schreibung Merten von der Hoe). Die Auskunft, an welchem Altar innerhalb der Sakraltopographie die Altaristen tätig waren, lässt sich folglich nur über die Parallelüberlieferung geben. Eine Ausnahme stellt lediglich Hermann Worgwitz dar, dessen Eintrag in den Cisiojanus die Lokalisierung seiner Altaristenstelle verrät: dominus Hermanni de Wurgewitz altarista novi hospitalis (9. Juni). StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047.

3.5 Religiöse Praxis

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3.5 Religiöse Praxis 3.5.1 Das liturgische Jahr Das gottesdienstliche Wirken oder die Gliederung des Kirchenjahres fanden in der bisherigen Bruderschaftsforschung zumeist keine gesonderte Betrachtung.122 Erklären dürfte sich dieser Befund wohl in erster Linie durch die Quellensituation. Informationen über die Ordnung und Abläufe mittelalterlicher Gottesdienste gewähren hauptsächlich die sogenannten libri ordinarii.123 Diese liturgischen Bücher enthalten Angaben zu Akteuren oder einzelnen Handlungen in den Gottesdiensten. Sie sind regelrechte Regiedokumente für Messen, Prozessionen etc.124 Angefertigt wurden die libri ordinarii in der Regel für eine ganz bestimmte Kirche. Inwieweit sich aus diesen übergreifenden Texten nun konkrete Hinweise auf die Gottesdienste einzelner Bruderschaften herauskristallisieren lassen, müsste je im Einzelfall geklärt werden.125 Es wäre also vor allem notwendig, dass sich solche Ordnungen beispielsweise in den Statuten einer Bruderschaft oder anderen Schriftstücken, etwa einer bischöflichen Approbation, niedergeschlagen haben. Für die Dreifaltigkeitsbruderschaft trifft beides zu: In der von dem Meißner Bischof Johannes IV. am 26. Mai 1444 ausgestellten Urkunde über die Vereinigung der Dreifaltigkeitsbruderschaft findet sich das erste Mal eine Ordnung der Sonn- und Feiertagsmessen.126 Im Kapitel De ordinatione divinorum officiorum in fraternitate des Regelbuches dokumentiert Nikolaus Karis ebenfalls die Chronologie des bruderschaftlichen Kirchenjahres mitsamt den Messen.127 Obschon diese Notizen keinesfalls mit einem liber ordinarius zu vergleichen sind, gestatten sie dennoch einen detailreichen und seltenen Einblick in die Organisation des liturgischen Jahres einer Bruderschaft. In einem ersten Teil findet sich eine Aufzählung der Sonn- und Feiertage, an denen die Mitglieder der Dreifaltigkeitsbruderschaft Gottesdienst feiern sollen (hec divina officia singulis dominicis diebus et festis sub isto ordine uniformiter fore decantanda).128 Ein-

122 So u. a. in den Untersuchungen von RAHN, Bruderschaften Braunschweig; PRIETZEL, Kalande Niedersachsen, oder MEISTER, Religiöses Engagement. Auch in den Kölner Bruderschaftsquellen scheint sich eine solche Ordnung nicht niedergeschlagen zu haben. Vgl. MILITZER, Laienbruderschaften in Köln, bes. S. LXXVIII–XCVII. Einige Beispiele bietet hingegen die auf die Frühe Neuzeit hin ausgerichtete Studie von SCHNEIDER, Bruderschaften Trierer Land, S. 415–430. 123 Die Bedeutung dieses Quellentyps für die Frömmigkeits- und Kirchengeschichte stellt BÄRSCH, Liber ordinarius, bes. S. 10 f., heraus. Grundlegend zum Thema Gottesdienst zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit auch ODENTHAL, Pfarrlicher Gottesdienst. 124 Vgl. ODENTHAL/FRAUENKNECHT, Liber Ordinarius des Speyerer Domes, S. 4. 125 Siehe dazu exemplarisch die Arbeiten von HAMANN, Liber Ordinarius; ODENTHAL, Liber Ordinarius St. Aposteln, sowie von ODENTHAL/FRAUENKNECHT, Liber Ordinarius des Speyerer Domes. 126 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 382 (UA): Preterea statuimus et ordinamus hec divina officia [...]. Siehe dazu auch weiter unten. 127 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 128 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047.

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

hergehend mit dem Festtag wird das entsprechende Offizium aufgeführt, woraus sich die folgende Ordnung ergibt (die Wiedergabe folgt zunächst der Reihenfolge des Textes): Am Tag der Auferstehung Jesu Christi und an den sich anschließenden Sonntagen bis Himmelfahrt, das heißt an den Sonntagen Quasimodogeniti, Misericordia, Jubilate, Cantate und Vocem iucundidatis, ist das officium de resurrectione, am Sonntag innerhalb der Oktav von Christi Himmelfahrt dann das officium de ascensione domini von den Brüdern zu singen. Zu Pfingsten wird das officium de sancto spiritu gesungen, an Trinitatis das officium de sancta trinitate und zum Sonntag in der Oktav von Fronleichnam das officium de corpore Christi.129 Die darauffolgenden Sonntage von Trinitatis über die Marienfeste wie Mariä Himmelfahrt (15. August) oder Mariä Geburt (8. September) bis in den Advent hinein sollen die Brüder ebenfalls miteinander begehen. Inhaltlich formuliert Nikolaus Karis dabei lediglich, dass „verschiedene Gottesdienste“ durchzuführen seien, eine spezifische Auswahl einzelner Offizien erfolgt für diesen Zeitraum nicht.130 Auffällig ist, dass er in der Aufzählung der Marienfeste als dritten Punkt das Ereignis von der Wiederauffindung des zwölfjährigen Jesus im Tempel (inventione pueri in templo) nennt. Dabei handelt es sich um kein Marienfest. Der Verlust des jungen Jesus ist allerdings als einer der sieben Schmerzen, und die Wiederauffindung als eine der Freuden Mariens innerhalb der Marienverehrung bedeutungsvoll.131 Dass Karis hierauf zu sprechen kommt, hat wohl aber zuallererst einen regionalspezifischen Hintergrund: Im Bistum Meißen wurde am Freitag nach dem Sonntag Exurge das festum inventionis pueri Jesu begangen.132 Genauere Bestimmungen begegnen wiederum für die Adventszeit: In diesen vier Wochen sollen die Brüder und Schwestern an jedem Sonntag, Montag, Mittwoch und Freitag das de beata virgine officium rorate zelebrieren, womit die Introitus-Antiphon rorate caeli gemeint sein dürfte. Zum Hochfest der Geburt Christi, dem 25. Dezember, ist das officium lux fulgebit vorgeschrieben. Am Sonntag inner-

129 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Preterea statutum est et ordinatum, hec divina officia singulis dominicis diebus et festis sub isto ordine uniformiter fore decantanda, videlicet in die resurrectionis domini et dominicis sequentibus usque ad ascensionem domini officium de resurrectione. Et dominica sub octava ascensionis domini de ascensione domini. In festo penthecostes de sancto spiritu. In festo sancte trinitatis de sancta trinitate. Et dominica sub octavis corporis Christi officium de corpore Christi. 130 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Dominicis vero sequentibus mixtim divina officia per eosdem fratres observentur. Sic qui una dominica de sancta trinitate et alia sequenti dominica de una festivitatum beate Marie virginis, videlicet assumtione [sc. assumptione], nativitate, inventione pueri in templo etc., pro ut dominus inspirabit, usque ad adventum vero domini cum debita solennitate ipsi fratres celebrabunt. 131 Vgl. HEINZ, Die Entstehung, S. 39, der ausführt, dass die Wiederauffindung des zwölfjährigen Jesusknaben auch liturgisch begangen wurde: „ehemals Evangelium am Sonntag nach Erscheinung des Herrn“ (ebd.). – Siehe allgemein auch NOLL, Maria. 132 Vgl. GROTEFEND, Zeitrechnung, S. 68.

3.5 Religiöse Praxis

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halb der Oktav der Geburt Jesu wird das officium de nativitate Christi gesungen, am Sonntag während der Oktav von Epiphanie (6. Januar) das Gebet „dieses Tages“. Das Fest der Wiederauffindung des zwölfjährigen Jesus, auf das Karis noch einmal zu sprechen kommt, sollten die Mitglieder der Bruderschaft mit einer Matutin samt Frühmesse feiern. Hieran schließt sich die Weisung an, wiederum die übrigen Sonntage bis Palmsonntag gemeinsam zu vollziehen. Zwei Offizien werden in dem Rahmen genannt: das officium de sancta trinitate und das officium de beata virgine. Am Palmsonntag soll schließlich das Offizium des Tages, das heißt das domine ne longe gesungen werden.133 Der letzte Abschnitt der Aufzählung betrifft zunächst die Oktavtage der vier Marienfeste Mariä Empfängnis (8. Dezember), Mariä Geburt, Mariä Heimsuchung (2. Juli) und Mariä Himmelfahrt. Sooft diese Festtage auf einen Sonntag fallen, sollen die Brüder und Schwestern der Dreifaltigkeitsbruderschaft daran teilnehmen. Vermutlich sind die an diesen Tagen stattfindenden Gottesdienste thematisiert. Zuletzt legen die Statuten fest, dass während der Oktav von Fronleichnam und Mariä Heimsuchung ebenfalls feierlich die kanonischen Stunden, die nächtlichen wie die über den Tag (nocturnas pariter et diurnas) gesungen werden sollen.134 In der folgenden Tabelle ist das bis hierhin Geschriebene zusammengefasst und im Hinblick auf die terminliche Strukturierung des bruderschaftlichen Kirchenjahres der Dreifaltigkeitsbruderschaft exemplarisch für das Jahr 1503 (beginnend mit dem Jahresende 1502) konkretisiert (siehe Tab. 1). Im zweiten, deutlich kürzeren Teil der Gottesdienstordnung finden sich einige allgemeine Richtlinien hinsichtlich der Durchführung. So sind die Sänger der Laienbrüder (fratres layci cantantes) unter Strafe – die hier allerdings nicht eingehender definiert wird – verpflichtet, an den dargestellten Gottesdiensten teilzunehmen. Die Priesterbrüder hingegen müssen nicht partizipieren, können aber ex devotione et bona voluntate den jeweiligen Hochämtern oder Messen beiwohnen. Diese Differenzierung resultiert wohl aus den unterschiedlichen Bestimmungen, denn die Regularien der Laienbrüder seien nicht verbindlich für die Kleriker: neque laycorum statuta clericos ligant. Des Weiteren folgt eine Art Verhaltensanweisung, wenn Karis aus-

133 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: In adventu vero domini singulis diebus dominici, secundis, quartis et sextis feriis de beata virgine officium rorate. In die nativitatis Christi officium lux fulgebit. Et dominica sub octava nativitatis Christi officium de nativitate Christi. Et dominica sub octava epiphanie officium festo de eodem. Et in festo inventionis pueri in templo matutinas cum matura missa de festo. Ceteris vero dominicis sequentibus usque ad palmas mixtim de sancta trinitate et beata virgine. In die vero palmarum officium de die, scilicet domine ne longe. 134 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Et diebus octavarum quatuor festorum, videlicet conceptionis, nativitatis, visitationis et assumtionis [sc. assumptionis] beate Marie virginis, quotienscumque in diem dominicum evenerint de eisdem festis ea devotione, qua expedit frequentabunt. Per octavas vero corporis Christi et visitationis beate Marie virginis horas canonicas, nocturnas pariter et diurnas, solenniter cantabunt.

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

Tab. 1: Liturgisches Jahr der Dreifaltigkeitsbruderschaft für 1503 (C.R.). Festtag

Termine für das Jahr 

Offizium

Adventszeit



27.11. bis 18.12.1502

– –

sonntags montags

IntroitusAntiphon rorate caeli

Weihnachten



Geburt Jesu Christi ..

officium lux fulgebit

Oktav-Sonntag nach Weihnachten



01.01.1503

officium de nativitate Christi

Oktav-Sonntag nach Epiphanie



08.01.1503

Offizium des Tages

Wiederauffindung -jähriger Jesus



24.02.1503

Matutin und Frühmesse

Sonntage bis Palmarum

– – – –

Circumded. 12.02.1503 Exurge 19.02.1503 Esto mihi 26.02.1503 Invocavit 05.03.1503

Palmarum



09.04.1503

domine ne longe

Ostern



Auferstehung 16.04.1503

officium de resurrectione

Sonntage der Osterzeit

– – –

Quasimod. 23.04.1503 Misericord. 30.04.1503 Jubilate 07.05.1503

Oktav-Sonntag nach Himmelfahrt



28.05.1503

officium de ascensione domini

Pfingsten



04.06.1503

officium de sancto spiritu

Trinitatis



11.06.1503

officium de sancta trinitate

Oktav-Sonntag nach Fronleichnam



08.06.1503

officium de corpore Christi

– –

– – – –

– –

mittwochs freitags

Reminisc. 12.03.1503 Oculi 19.03.1503 Letare 26.03.1503 Judica 02.04.1503

Cantate 14.05.1503 Vocem iucund. 21.05.1503

officium de sancta trinitate, officium de beata virgine

officium de resurrectione

3.5 Religiöse Praxis

71

Tab. 1 (fortgesetzt) Festtag

Termine für das Jahr 

Offizium

Sonntage ab Trinitatis bis Adventszeit

– –

18.06.1503 (1. Sonntag nach Trinitatis) bis 03.12.1503 (1. Adventssonntag)

mixtim divina officia

Marienfeste

– –

Mariä Himmelfahrt 15.08.1503 Mariä Geburt 08.09.1503

mixtim divina officia

führt, dass die im Chor befindlichen Brüder in ihren Handlungen keinesfalls behindert werden sollen.135 Die letzte Festlegung betrifft die Provisoren der Dreifaltigkeitsbruderschaft. Sie sind gehalten, den singenden Brüdern (fratribus cantantibus), womit an der Stelle sowohl die Laien- als auch die Priesterbrüder angesprochen sein dürften, an den Quatembertagen 15 Groschen für die Durchführung benannter Gottesdienste auszubezahlen. Dieser Betrag, so heißt es, solle die Brüder dazu anregen, die Stundengebete und Messen konzentriert, vor allem aber auch freudiger zu vollziehen.136 Hieran zeigt sich, dass die Gottesdienste beziehungsweise die liturgischen Handlungen wie auch die Anniversarfeiern der Dreifaltigkeitsbruderschaft mit Präsenzgeldern vergütet worden sind.137 Wie bereits oben erwähnt, enthält auch die Dispositio der Urkunde über die Vereinigung der Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit mit der Bruderschaft Unser Lieben Frauen vom 26. Mai 1444 eine Ordnung für die Sonn- und Feiertagsmessen. Aus dem Vergleich beider Textpassagen resultiert das Folgende: Bis zu der Vorschrift, dass am Palmsonntag das domine ne longe gesungen werden soll, gleichen sich die Regelungen nahezu eins zu eins im Wortlaut.138 Die erwähnte zweite Nennung des Festes Darstellung des Herrn mit der Vorschrift, dieses mit einer Matutin und Frühmesse zu begehen, findet sich hingegen nicht. Im Anschluss an die Bestimmung bezüglich der kanonischen Stunden, die während der Oktav von Fronleichnam und

135 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Fratres layci cantantes ad interessendum prescriptis officiis sub pena eorum consueta debent esse asstricti [sic]. Fratres vero sacerdotes ab interessentia huiusmodi sunt exempti, nisi aliquis eorum propter deum ex devotione et bona voluntate hoc facere voluerit, neque laycorum statuta clericos ligant. Regentes in choro electi seu eligendi non debent impediri per quemcumque. 136 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Item provisores fraternitatis fratribus cantantibus singulis quatuortemporibus quindecim grossos ministrare tenentur, ut horis et missis supramemoratis diligentius intersint libentiusque cantent. 137 Vgl. mit ähnlichen Befunden auch MILITZER, Totengedenken, S. 192, sowie PRIETZEL, Kalande Niedersachsen, bspw. S. 110. 138 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 382 (UA).

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

Mariä Heimsuchung gesungen werden sollen, leitet die Ordnung von 1444 unmittelbar zu den Messen und Vigilien über, die für die verstorbenen Mitglieder der Bruderschaft an allen vier Quatembern gefeiert werden sollten (siehe Kap. 3.5.4).139 Festzuhalten ist somit, dass sich die Bestimmungen hinsichtlich der durchzuführenden Gottesdienste zwischen 1444 und 1503 bis auf eine Ergänzung nicht geändert haben. Aus den diese Ordnung einleitenden, von Bischof Johannes IV. benutzten Verben statuimus und ordinamus ist abzuleiten, dass der liturgische Jahreslauf erst 1444 vorgeschrieben worden ist. In der in Kapitel 3.1 ausgewerteten Bestätigungsurkunde von 1431 für die Kalandsbruderschaft finden sich keinerlei Information zu einer solchen Gottesdienstordnung.140

3.5.2 Begräbnisfeiern Die Jenseitsvorsorge ist bereits wiederholt als das zentrale Wesensmerkmal der religiösen Bruderschaften definiert worden. Gleichwohl ist – Klaus Militzer folgend – zu bemerken, dass häufig genaue Aussagen über die Art und Weise der korporativen Memoria nur schwer getroffen werden können. Entweder weil keinerlei Zeugnisse tradiert wurden oder weil die Bruderschaften in ihren Statuten hierzu keine konkreten Angaben verankert haben.141 Für die Dreifaltigkeitsbruderschaft kann aber auf der Grundlage des Regelbuches eine profundere Darstellung über die Organisation und die Abläufe der Jenseitsvorsorge gegeben werden. In drei Kapiteln beschreibt Nikolaus Karis detailreich den Vollzug der Exequien, die Begehung der Jahrtage und die Seelenfeier während der Quatemberzeiten. Ein erster Blick soll auf die Totenbegängnisse (De funeralium exequiarum celebratione) gerichtet werden, ist doch gerade das letzte Geleit als die älteste Pflicht einer Bruderschaft zu bezeichnen.142 Am Beginn stand unweigerlich die Mitteilung des Todesfalles. Die Annenbruderschaft an St. Maria im Pesch in Köln hatte zum Beispiel in ihrer Ordnung fixiert, dass nach dem Tod eines Bruders oder einer Schwester zuallererst die sogenannten Brudermeister benachrichtigt werden sollten, die daraufhin ihrerseits den Pfarrer verständigten. Dieser hatte dann einen Termin festzulegen, der für alle Mitglieder obligatorisch war. Im Rahmen der eigentlichen Gedächtnisfeier wurden von der

139 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 382 (UA): [...] per octavas vero corporis Christi et visitationis beate Marie virginis horas canonicas, nocturnas pariter et diurnas, solempniter decantando persolvere atque missis et vigiliis in memoriam fratrum defunctorum singulis quatuor temporibus anni necnon depositionem sive sepulture fratrum sive sororum eorundem sive orando sive legendo aut decantando [...] . 140 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 269 (UA) und 382 (UA). 141 Vgl. MILITZER, Totengedenken, S. 190. 142 Vgl. MILITZER, Totengedenken, S. 195. Das Zitat entspricht der Überschrift, die Karis dem Kapitel vorangesetzt hat. StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047.

3.5 Religiöse Praxis

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Bruderschaft vier Kerzen entzündet, darüber hinaus fanden Vigilien sowie eine gesungene und vier Lesemessen statt.143 Eine ganz ähnliche Informationskette wird für die Dreifaltigkeitsbruderschaft evident: Im Todesfall mussten diejenigen, die sich um das Totenamt des oder der Verstorbenen kümmerten, die Provisoren unterrichten, damit jene ihrerseits die Priester und die übrigen Brüder (an dieser Stelle ist nur von den ceteros fratres geschrieben) zusammenrufen konnten. Bei den Priestern und singenden Laien ist vermerkt, dass eine Voraussetzung für die Durchführung der Totenbegängnisse die konstante Bezahlung der an den Quatembertagen fälligen Beiträge war.144 In Anbetracht der in Kapitel 3.4 erwähnten allgemeinen Beitragspflicht dürfte dies aber ebenso für die nicht-singenden Brüder und die Schwestern gegolten haben, wenn hier auch nicht explizit genannt. Verstarb ein Kleriker oder einer der singenden Laien beziehungsweise dessen Ehefrau, mussten die Priesterbrüder – unter der üblichen Strafe – an den Vigilien und dem Begräbnisgottesdienst in ihrem Chorgewand (cum solennitate et superpelliciis) partizipieren. Der Einschub „gemäß dem Brauch der Priesterbrüder“ (iuxta consuetudinem fratrum presbiterorum) ist wohl als Rückbezug auf die praxis pietatis zu lesen, als die Bruderschaft noch als Kaland bestand.145 Die Vorgaben decken sich zumindest mit dem oben in Kapitel 3.1 Dargelegten. Sollte der oder die Verstorbene aus eigenen Mitteln den Priesterbrüdern nichts bezahlen können, folgte daraus keine Verweigerung der Totenfeier. Vielmehr griff in dem Fall die von Prietzel beschriebene soziale Norm der fraternitas: Die Priesterbrüder mussten bei zu großer Armut das Totenbegängnis aus Liebe zur Bruderschaft sowie um den Willen Gottes trotzdem vollziehen.146 Beim Tod eines nicht-singenden Laien oder einer Schwester lautet die Anweisung: Können die Priester selbst nicht an den Begängnissen teilnehmen, müssen sie persönlich (privatim) eine Vigil und eine Messe für die Seele des oder der Verstorbenen aus bruderschaftlicher Liebe durchführen. Wenn allerdings einer der nicht-singenden Brüder nicht ausreichend Geld aufbringen konnte, mussten die Messen und Vigilien der Priesterbrüder zu den jährlichen Quatemberta-

143 Dazu MILITZER, Totengedenken, S. 195. Vgl. mit einem ähnlichen Befund u. a. RAHN, Bruderschaften Braunschweig, S. 45. 144 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Est ordinatum et statutum: Quotienscumque aliquis fratrum sacerdotum aut fratrum cantantium vel sua uxor legittima, que in fraternitate est, suumque contributum singulis quatuortemporibus solvit, a seculo discesserit, executores sui, qui pro eo vel ea exequias procurare debent, illud provisoribus fraternitatis intimare habent, ut per nunctium [sic] sacerdotes et ceteros fratres etiam convocent sub defuncti vel defuncte solario. – Weiter unten heißt es bezüglich der nicht-singenden Laien: Si quis autem fratrum laycorum non cantantium aut consororum e vita discesserit et provisoribus intimetur, ipsi per nunctium [sic] fraternitatis sub solario defuncti vel defuncte fratribus presbyteris nunctiare [sic] debent. 145 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 146 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Et si ille defunctus vel defuncta adeo pauper esset, quod de suis facultatibus presbiteris fratribus suis pro laboribus nihil ministrare posset, tunc ipsi sacerdotes hoc pium opus propter deum et amore fraternitatis facere tenebuntur [...].

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

gen beziehungsweise die Gebete der Laienbrüder und -schwestern für die Memoria genügen.147 Obschon die armen Mitglieder also sprichwörtlich nicht allein gelassen wurden, spiegelt diese Regelung doch klar die Hierarchie und nicht zuletzt die finanziellen Verpflichtungen in der Korporation wider. Den Laienbrüdern und -schwestern war im Zuge der Exequien auferlegt, sich zunächst am Aufbahrungsort des Toten, somit in der Kreuzkirche zu versammeln, um dann die Leiche zum Grab zu geleiten (funus ad tumulandum sequentes). Dort mussten sie für das Heil und die Befreiung der Seele des oder der Verstorbenen (pro anime remedio et liberatione) 15 Vaterunser und ebenso viele Ave Maria mitsamt einem Apostolischen Glaubensbekenntnis beten.148 Bereits die Wortwahl lässt darauf schließen, dass es sich um eine Prozession gehandelt haben wird, wie sie uns aus zahlreichen anderen Bruderschaften sowie zu verschiedenen Anlässen bekannt sind.149 Das Regelbuch bietet keine näheren Informationen über die Form des Geleits. Anhand der Sakraltopographie und kirchenrechtlichen Ordnung der Stadt Dresden im Spätmittelalter kann jedoch zumindest grob die Strecke konkretisiert werden. Wie schon in Kapitel 3.1 angerissen, war die innerstädtische Kreuzkirche bis 1539 der extra muros gelegenen Frauenkirche, der Pfarrkirche Dresdens, untergliedert. Aufgrund des Bedeutungszuwachses der Kreuzkirche kam es aber dazu, dass der Friedhof zwar an der Frauenkirche blieb, die Trauergottesdienste und somit zugleich die Aufbahrung der Leichen dagegen in der Kreuzkirche stattfanden. Folglich mussten die verstorbenen Bruderschaftsangehörigen von der Kreuzkirche (siehe Nr. 1 in Abb. 3) durch die Stadt zum Friedhof an der Frauenkirche (siehe Nr. 2 in Abb. 3) gebracht

147 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Et nisi ipsi fratres presbyteri ad exequiales vigilias salva presentiarum distributione consueta vocitati fuerint, specialiter unas vigilias [sic] et unam missam propter deum et amore fraternitatis pro anima defuncti vel defuncte privatim legere tenebuntur. [...] Si autem defunctus vel defuncta adeo pauper fuerit, quod sui executores a rectore scholarium et presbyteris vigilias et missas comparare non poterit, extunc defunctus vel defuncta contentabitur in vigiliis et missis sacerdotum privatis et publicis quatuortemporem anni et orationibus fratrum vulgarium ac sororum, que pro omnibus confratribus et consororibus celebrari, consueverint. 148 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Ceteri vero fratres layci vulgares et sorores quotienscumque per nunctium [sic] fraternitatis sub debito solario, quod ab executoribus defunctorum percipiet, convocantur, ad locum defuncti vel defuncte debent convenire et funus ad tumulandum sequentes, pro anime remedio et liberatione quindecim pater noster et totidem ave Maria cum uno symbolo diligenter orare obligabuntur. 149 Das Themenfeld der Teilnahme von Bruderschaften an städtischen Prozessionen ist weit gespannt, die folgenden Anmerkungen haben daher stellvertretenden Charakter. Vgl. zu den Prozessionen im Kontext der Memoria bspw. MILITZER, Laienbruderschaften in Köln, S. LXXXII. Des Weiteren partizipierten die Bruderschaften ebenfalls an Prozessionen, die für die Stadt als Sakralgemeinschaft wichtig waren, anschaulich dazu etwa BÜNZ, Denn tuchmachern. Nicht zuletzt sind sie in Prozessionen vertreten, die für die städtische Ordnung von Bedeutung sind respektive selbige abbilden und mitunter auch neu strukturien konnten. Einschlägig hierzu gerade mit Blick auf die Bruderschaften MUIR, Civic ritual, u. a. S. 189–211 (hier exemplarisch die besonders bedeutende Dogenprozession in Venedig).

3.5 Religiöse Praxis

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werden. Heinrich Butte äußerte, die Prozessionen mit einem Leichnam seien im Allgemeinen über den Markt und durch das Frauentor nahe der Frauenkirche (bei Nr. 2 in Abb. 3) zum dortigen Friedhof gezogen.150 Es liegt nahe, diese Route auch für die Beerdigungszeremonien der Dreifaltigkeitsbruderschaft anzunehmen. Abschließend finden sich in dem Kapitel über die Begängnisse einige Regularien, was die materielle Ausstattung der Begräbnisfeiern anbelangt. So wurden die Kleinodien der Bruderschaft wie Kerzen, Leuchter oder die üblichen wertvollen Gegenstände (spolium consuetum) allen Brüdern und Schwestern für die Beerdigungen bereitgestellt. Voraussetzung einer freien Nutzung war aber, dass die jährlichen Beiträge bezahlt waren (contributis solverunt). Beachtenswert ist die Notiz, die Kleinodien könnten auch von einer anderen Bruderschaft benutzt werden, insofern die Provisoren und Senioren dem zugestimmt hatten. Die Verwendung der eigenen Kleinodien außerhalb der Korporation war gegen eine Gebühr ebenfalls gestattet. Diese belief sich den Regelungen zufolge auf ein Pfund Wachs bei den weniger kostbaren und auf zwei Pfund Wachs für die besonders wertvollen Kleinodien (optimo vero spolio). Leider wird an keinem Punkt, im Übrigen auch nicht in den anderen Quellen, konkretisiert, um was für Gegenstände es sich hier gehandelt hat.151 Dass eine externe Nutzung der liturgischen Gegenstände der Bruderschaften in Dresden durchaus gängige Praxis gewesen zu sein schien, zeigt eine Beschwerde der Kirchväter aus dem Jahr 1486, die Otto Richter wiedergibt: „Im Jahre 1486 klagten die Kirchväter, daß dem heiligen Kreuze keine Spolien mehr zufielen, weil die Bruderschaften ihre Leichentücher, die Trinitatisbruderschaft ein goldenes, die anderen seidene, um Geld ausliehen.“152 Leider fehlt ein Nachweis, aus welcher Quelle Richter diese Beschwerde zitiert. In den durchgesehenen Dokumenten konnte sie nicht aufgespürt werden. Einen zweiten Beleg liefert dafür eine Urkunde vom 12. Juni 1446. Inhaltlich ging es um die Ausgestaltung einer Vikarie am Zwölfapostelaltar in der Frauenkirche, ausgehend vom Dresdner Stadtrat. In einem zweiten Teil der Dispositio wurde festgehalten, dass der Besitzer dieses Altars zugleich ein Jahrgedächtnis und Begängnis mit Vigilien und Seelmessen in der Kreuzkirche finanzieren wollte. Im Zuge der Regelung, wer dafür welche Summe erhalten sollte, heißt es: der bruderschaft der heiligen driefaldikeyt, yr spolium und kerczen dorzcu lihen, vier groschen.153

150 Vgl. BUTTE, Geschichte Dresdens, S. 168. 151 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Clenodia etiam fraternitatis videlicet candele vel lumina et spolium consuetum omnibus fratribus et sororibus in eorum tumulationibus, cum optaverint, concedenda sunt, alias fraternitatis consueta clenodia substitu et consensu provisorum et seniorum fraternitatis, qui pro temporis conditione haberi possint, extra fraternitatem nemini gredi debent. Et qui hiis concessis ali extra utitur, fraternitati unum talentum cere dare tenetur, de optimo vero spolio duo cere talenta dabuntur, quod tamen omnibus fratribus, tam sacerdotibus quam cantantibus et eorum uxoribus, que in fraternitate sunt, et contributis solverunt, gratis concedi solet. 152 RICHTER, Geschichte Dresden, S. 236 f. 153 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 410 (UA).

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

Einen Eindruck von den alltäglichen Besitztümern und liturgischen Gegenständen einer Bruderschaft gewährt das am 18. März 1534 angefertigte „Inventarium des Calands zu Insell“, eine Ortschaft heute gut zehn Kilometer südwestlich von Stendal entfernt. Aus dem Verzeichnis geht hervor, dass die dortige Korporation neben diversen Ornaten, zum Beispiel Kaseln aus schwarzem Samt, rotem Damast oder auch ein gulden stucke, einer Cappa, Tuniken für den Diakon und Subdiakon unter anderem über ein teilweise vergoldetes Bild der Jungfrau Maria verfügte, das die Brüder während des Gottesdienstes auf dem Altar platzierten (imaginem beate Marie virginis, in parte deauratam, superponendam altari quotiens fratres predicti pro peragendam divinis officiis convenerint).154 Die Kiste, in der sich dieses Bild befand, enthielt außerdem einen Baldachin sowie vier Stangen. Beides wurde zu den vier Quatemberzeiten benutzt, sicherlich für eine Prozession. Darüber hinaus gab es einen Kelch mitsamt einer Patene, aus Silber und vergoldet, ein goldenes Weihrauchgefäß und andere Dinge mehr. Aufbewahrt wurde alles in mehreren Kisten, die im Kirchenraum verteilt waren. Das Behältnis mit den Gewändern stand beispielsweise im Chor, dasjenige mit dem Baldachin, den Stangen und dem Marienbild in der Mitte der Kirche (in medio ecclesie positam).155

3.5.3 Anniversarien Ein zweiter, essentieller Baustein für die Jenseitsvorsorge war die Durchführung der Anniversarien. Die Ausführungen über die Begehung der Jahrtage der Dreifaltigkeitsbruderschaft (De anniversariorum commemorationibus) geben ungeachtet ihres Umfangs unmittelbar recht wenige Informationen über die damit einhergehende religiöse Praxis. Karis hält einleitend fest, dass die Priester entweder eine Vigil oder eine Messe (sive sint vigilie sive misse) feierlich, harmonisch, fromm und ohne Gemurmel (devote et sine murmure) feiern sollen.156 Demgegenüber werden die formalen Bestimmungen recht ausführlich offengelegt. Kursorisch seien nachfolgend nur einige wichtige Vorschriften für die Priesterbrüder referiert: Grundlegend mussten die fratres sacerdotes anwesend sein, um ihren Anteil an den Präsenzgeldern für die Anniversarien zu erhalten. Alle Abwesenden erhielten die Entlohnung folgerichtig nicht. Damit aber eine adäquate Durchführung erfolgen könne und die Priesterbrüder nicht ungerechtfertigt Geld ausbezahlt bekämen, weil sie faktisch gar nicht lückenlos teilgenommen haben, präzisiert Karis die Wertung der Anwesenheit: Wer nämlich in den Messen erst nach dem Kyrie eleison erscheine (in missis post kyrieleyson veniens), der wird

154 LASA, U 21 II 12, Nr. 17. 155 LASA, U 21 II 12, Nr. 17. – Diese Aufbewahrungsform nennt auch MILITZER, Laienbruderschaften in Köln, S. XVIII. 156 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047.

3.5 Religiöse Praxis

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behandelt, als wäre er gänzlich abwesend und erhält somit kein Präsenzgeld. Gleiches gilt für diejenigen, die bereits vorzeitig den Gottesdienst verlassen (et de immaturo egressu idem erit iudicium).157 Gewiss fand diese Konkretisierung nicht grundlos Eingang in das Regelbuch (siehe Kap. 3.6). Die Grundlage für die Durchführung der Anniversarien war die schriftliche Aufzeichnung der Namen.158 Für die spätmittelalterlichen Bruderschaften sind dabei mehrere Varianten der Dokumentation zu belegen: Einerseits konnten die verstorbenen Brüder und Schwestern in summarische Totenverzeichnisse eingetragen werden, die entweder ohne irgendeine chronologische beziehungsweise anderweitige Ordnung die Namen der Verstorbenen protokolliert haben, oder die nach Jahren gegliedert waren. Gerade die letztgenannte Form der jährlich strukturierten Totenliste war besonders verbreitet. Zumeist wurden diese Listen im Rahmen des allgemeinen Bruderschaftstages nach dem gemeinsamen Mahl verlesen. Anderseits existierten kalendarische Memorialverzeichnisse, in denen die Unterteilung des Jahres genau abgebildet werden konnte.159 Das in das Regelbuch zwischen die Statuten eingebundene Anniversarienregister stellt eine besondere Form des kalendarischen Nekrologs dar: Es ist ein sogenannter Cisiojanus. Jan Prelog charakterisiert ihn als mnemotechnisches Hilfsmittel, bei dem Merkverse zur Einprägung des Festkalenders halfen. Dabei sind die unbeweglichen Feste sowie zentrale Heiligentage mit ihren Anfangssilben verzeichnet, die Zwischenbereiche wurden mit Folgesilben und Bindewörtern aufgefüllt.160 Die zwölf einzelnen Merkverse für jeden Monat listet Hermann Grotefend auf.161 Der gewählte Ausschnitt aus dem kalendarium anniversaria spiegelt das von Prelog beschriebene System wider (siehe Abb. 4): In der ersten Spalte finden sich die nummerierten Kalendertage des jeweiligen Monats (im Bild: Januar), über die Anzahl der jeweiligen Tage informiert die entsprechende Überschrift: ianuarius habet dies xxxi; oder zum Beispiel: iunius habet dies xxx. Danach folgen in der zweiten Spalte die Merkverse des ci – si – o – ia – nus – e – pi (und so weiter), wobei die erste Silbe ci den Festtag

157 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 158 Grundlegend hierzu bes. WOLLASCH, Formen und Inhalte; OEXLE, Memoria und Memorialbild, sowie HUGENER, Buchführung. 159 Vgl. für diese Ausführungen RAUNER/ZECH, Zimmerleutebruderschaft Straßburg, S. 174, mit weiterführenden Literaturhinweisen und Beispielen zu den verschiedenen Formen. Knapp zusammenfassend auch RAHN, Rituelles Handeln, S. 104 f. 160 PRELOG, Art. Cisiojanus, Sp. 2101: „Die 12 Hexameterpaare (ausnahmsweise Distichen) eines lat. C. entsprechen den Monaten, ihre Silben in Anzahl und Reihenfolge den Monatstagen (Silbencisiojanus mit ingsgesamt 365 Silben). Die unbewegl. Herrenfeste und wichtigere Heiligentage sind mit ihren Anfangssilben vertreten; so beginnt der landläufige C. (»Cisio Ianus epi sibi vendicat ... «) mit ci für circumcisio domini = 1. Januar. Die Zwischenbereiche (Tage ohne bedeutende Feste) werden mit Folgesilben der Festbezeichnungen (epi von epiphania, cisio von circumcisio) und verbindenden Wörtern (sibi vendicat), darunter Monatsnamen (Ianus für Ianuarius), gefüllt, wobei sich streckenweise ein Sinn ergibt (»April in Ambrosii festis ovat atque Tiburci«).“ 161 Vgl. GROTEFEND, Zeitrechnung, S. 20.

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3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit

Beschneidung des Herrn (1. Januar), die sechste Silbe e Epiphanias (Erscheinung des Herrn; 6. Januar) kennzeichnet. Der Beginn eines jeden neuen Merkverses immer am Monatsanfang ist durch eine rubrizierte Initiale kenntlich gemacht. Die in die dritte Spalte eingetragenen Buchstaben zeigen den Wochentag an, zugeschnitten auf das Jahr 1503. Die ebenfalls rubrizierte Majuskel A markiert immer einen Sonntag (littera dominicalis), die Minuskeln stehen für die folgenden Wochentage von Montag (b) bis Samstag (g). Die Hervorhebung der Sonntage begründet sich nicht zuletzt aus der Durchführung der Jahrgedächtnisse. Die vierte Spalte enthält schließlich die Personennamen, im Bild zu sehen der Altarist Martin Behme (dominus Martini Behme altarista).162 Insgesamt führt der 1503 angelegte Cisiojanus 91 Einträge auf, davon können 88 Personen identifiziert werden (siehe Kap. 3.4). Die Schreibweise der Eintragungen ist disparat. Entweder wurde ausschließlich der Name notiert, wie im Fall des in Kapitel 3.3 erwähnten Wenzel Goltsmid (21. Mai: Wentzeslai Goldtschmidt – siehe auch Abb. 5.1), oder es findet sich ein erklärender Zusatz hinter dem Namen. Dieser Zusatz konnte auf den Beruf respektive auf ein Amt hinweisen, oder über den Herkunfts- beziehungsweise Wirkungsort (die klare Zuordnung war nicht in allen Fällen möglich) informieren.163 Die Geistlichen, die verzeichnet sind, lassen sich meist klar anhand zweier Kriterien erkennen. Entweder weist sie ein Zusatz wie zum Beispiel Altarist als solche aus, oder sie lassen sich durch das Signum d (dominus) vor ihrem Namen als Kleriker identifizieren.164 Der Eintrag des unter dem 2. Juni stehenden Pfarrers der Kreuzkirche Johannes Terrembach weist beide Daten auf (dominus Johannis Therenbach plebani huius ecclesie – siehe auch Abb. 5.1).165 Aufgrund der verschiedenen Schreiberhände ist davon auszugehen, dass mit diesem Verzeichnis über das Jahr ‚gearbeitet‘ wurde.166 Auffällig ist die Benutzung zweier Farben für die Eintragung der Namen. Hiermit sollten allerdings keine Standesunterschiede deutlich gemacht werden, wie sie beispielsweise Peter-Johannes Schuler nachweisen konnte,167 vielmehr sollte die Farbe die Art und Weise der Durchführung des Anniversars unmittelbar anzeigen. Unterhalb des Kalenders findet sich die Erklärung hierzu: Entweder wurden die Jahrtage direkt an den ihnen zugeordneten Tagen durchgeführt, sofern das Datum nicht gerade auf einen Sonntag oder auf ein Patroziniumsfest fiel, das betraf die rubrizierten Einträge; oder sie wurden innerhalb der entsprechenden Woche flexibel verschoben, was für sämtliche in schwarzbrauner Tinte eingeschriebenen Personen galt. Als Grund dafür nannte Karis die Beweglichkeit der Festtage. Bei den rot notierten Namen handelte es

162 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 163 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. Siehe dazu auch Kap. 3.4. 164 Siehe dazu ebenfalls Kap. 3.4. Vgl. darüber hinaus ausführlich RANACHER, der bruderschaft, S. 68 f. (mitsamt Anhang 4). 165 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. Siehe zu Johannes Terrembach auch Anm. 120 auf S. 66. 166 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. Vgl. für eine Handschriftenbeschreibung RANACHER, Regelbuch, S. 21. 167 Vgl. SCHULER, Anniversar, S. 78.

3.5 Religiöse Praxis

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sich demnach um festere Termine für das Gedächtnis. Die Durchführung für die schwarzbraun eingetragenen Namen war hingegen deutlich flexibler, hier sollte generell eine Überlagerung mit Sonn- und Festtagen vermieden werden.168 Dem Stiftungswillen der einzelnen Personen nachzukommen ist angesichts der marginalen Testamentsüberlieferung in Dresden kaum möglich. Ein Abgleich aller Namen mit den erhaltenen Stadtbüchern hat lediglich bei Paul Gommeral (26. Mai) und Hans Radeberg (25. April: Johanni[s] [Rad]eburg proconsulis – siehe auch Abb. 5.1) zu Informationen über deren Sterbevorsorge geführt.169 Während in dem Testament Gommerals allerdings allein von dem Wunsch nach Einrichtung eines Anniversars zu lesen ist, kann in dem Testament Radebergs ausdrücklich auch die Verbindung zur Dreifaltigkeitsbruderschaft nachgewiesen werden: Zcum ersten mole hat er [sc. Hans Radeberg] bescheiden und gegebin fumfczehen schog grosschin zcu der bruderschaft der Heiligen Dreifaldikeyt und domitte zcu bestellen ein anniversarium ewiclich zcu halden ym unde synen eldern zcu troste yren selen.170

Einige ergänzende Informationen über den Ablauf respektive die Ausstattung der Jahrgedächtnisse lassen sich aus einer Beschwerde gewinnen, die vermutlich zu Beginn des 16. Jahrhunderts von den Kirchvätern der Kreuzkirche vorgetragen wurde und an Herzog Georg adressiert war. Obwohl die Überschrift Etliche beschwerungen dy kyrche belangende zunächst nicht an eine Verbindung zur Dreifaltigkeitsbruderschaft denken lässt, besteht ab dem zweiten Abschnitt und der explizit angesprochenen bruderschafft trinitatis daran kein Zweifel mehr.171 Einleitend thematisiert der Text die Anniversarien, von denen 109 über das Jahr gehalten werden würden. Demnach müsste die Beschwerde nach 1503 mit der Niederschrift des Cisiojanus mit 91 Einträgen als Terminus post quem aber vor 1534 mit den 130 dokumentierten Namen im Rechnungsregister der Bruderschaft als Terminus

168 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: [...] ex duplici videlicet rubea et nigra anniversariorum signatura, ea ratione, nam rubea anniversaria in suis assignatis sillabis ce[lebr]abuntur, nisi vel patrocinia aut festa dominiceve dies illud vel anticipari vel postponi faciant, nigra vero anniversaria secundam formam hic assignatam per singulos annos, propter litterarum dominicalium et festorum mobi[litatem inter]vallique variationem ad suas ebdomades et dies erunt [r]educenda et reservanda. 169 Das Zitat in StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 170 StB DD III, Nr. 56 (S. 353). Zu Paul Gommeral siehe den Eintrag in StB DD IV, Nr. 178 (S. 112). – Ertragreich mag in dem Zusammenhang die Neufassung des Dresdner Urkundenbuches sein. So ist bspw. in den Urkundenabschriften der Ratsurkunden im Dresdner Stadtarchiv das Testament des Altaristen Lucas Kluge vom 1. April 1495 enthalten. Darin bestimmte Kluge u. a., dass der bruderschaft der heiligen drivaltigkeit in der cappellen des heiligen krewtzes zu newen Dresden uffgericht unde bestediget alle jar uff sunte Jacoffs tag unversewmlich ein silbern schogk zu einem jargedechtenis zu troste seiner selen gegeben werden sollte. StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 985 (UA). Im Cisiojanus der Dreifaltigkeitsbruderschaft findet sich sein Eintrag unter dem 20. Juli. StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 171 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/18, fol. 18r.

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ante quem abgefasst worden sein.172 Relevant ist die Quelle, weil nun eine Art Bestandsaufnahme zum Prozedere folgt: Zu einem jeden Jahrgedächtnis würden nämlich drei Glocken mit zwei „Pulsen“ läuten.173 Damit war die Pause gemeint, die zwischen den Anschlägen entstand. Im akustischen Raum der Städte war das Kirchengeläut omnipräsent und spielte eine wichtige, informierende Rolle. Nicht nur der Zeitpunkt, auch die Schlagfolge und die Intensität ließen die Zeitgenossen erkennen, zu welchem Anlass geläutet wurde.174 Die einzelnen Jahrtage auf diese Weise in Erinnerung zu rufen und präsent zu halten, dürfte nicht zuletzt mit Blick auf den erwerbbaren Ablass von Relevanz gewesen sein (siehe Kap. 3.5.5). Einen Vergleichsfall für die Indienstnahme der städtischen Glocken für einen Hinweis auf die praxis pietatis einer Bruderschaft bietet Staßfurt. Hier sollte das Geläut am Donnerstag die Brüder und Schwestern zur gemeinschaftlichen Messe zusammenrufen.175 In der Dresdner Beschwerdeschrift heißt es weiterhin, dass im Zuge der Anniversarien je eine Messe stattfände, mit zwei Lichtern, Wein und einem Ornat. Die Verwendung von Kerzen, die beispielsweise um das Grab oder auf dem Altar platziert wurden, ist – wie oben bereits erwähnt – typisch. Bei dem Ornat dürfte es sich um ein speziell für die Jahrgedächtnisse angefertigtes liturgisches Gewand gehandelt haben. Zuständig für die Vorbereitung der Anniversarien der Bruderschaft war anscheinend der Küster, der dafür Geld bekam. Jener Punkt war es auch, der die Beschwerde verursachte, denn dem Wortlaut nach zu urteilen, hatte die Vereinigung, wobei sicherlich die Geistlichen gemeint sein dürften, die Entschädigung des custodi ecclesie von sechs Groschen von eynem itzlichen anniversarien auf zwei Groschen reduziert.176 Die im Rechnungsregister von 1534 verzeichneten Ausgaben bestätigen, dass für die Durchführung der Jahrgedächtnisse noch weitere Personen zuständig waren. So wurden unter anderem vier Pfennige dem Prediger für die Ankündigung eines jeden Anniversars ausbezahlt. Vier Pfennige kostete das Läuten der Glocken, einen Groschen bekam der Küster, wobei seine Aufgaben hier nicht näher beschrieben werden.177 Allem Anschein nach kann anhand jener Quelle somit zugleich eine Aussage über den Misserfolg der Beschwerde getroffen werden.

172 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. Das Rechnungsregister ist enthalten in StA DD, 2.1.1 Ratsarchiv, A.XVb.36. Siehe dazu auch die Exzerpte aus dem Rechnungsregister von Elisabeth Boer in ihrem Nachlass in HStA DD, 12657 Nachlass Elisabeth Boer, Nr. 095. 173 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/18, fol. 18r. 174 Vgl. dazu RÖCKELEIN, Nonverbale Kommunikationsformen, S. 86, und grundsätzlich HAVERKAMP, „Glocke hängen“. 175 HERTEL, Brüderschaftsbuch, S. 54: So schullen dy kemmerer in desser bruderschapp schygken unde bestellen, dath man alle dornstage, so drygens tho der metthen geluth ist, meth der groten adder meth sunte Petris klogken erlyken dryens tho der messe luden [...]. 176 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/18, fol. 18r. 177 HStA DD, 12657 Nachlass Elisabeth Boer, Nr. 095.

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3.5.4 Quatemberfeiern Für die Memoria der Dreifaltigkeitsbruderschaft nahmen neben den Exequien und den Anniversarfeiern nicht zuletzt die vier Mal im Jahr stattfindenden Quatembertage (das mitunter sogenannte Fronfasten) eine relevante Position ein. Entsprechend führt Karis am Beginn des Kapitels De angariali peractione animarum aus: Für das Heil der Seele sollten Gott besondere Dienste geleistet werden.178 Zunächst handelt der Text von den Verpflichtungen der Priesterbrüder und der singenden Laien. Sie mussten für die verstorbenen Seelen aus der Gemeinschaft an jedem Quatembertag feierlich am Abend die Vigilien sowie am folgenden Morgen die Messe feiern. Den nicht-singenden Laienbrüdern und den Schwestern oblag es hingegen, während dieser Gottesdienste zum Lob Gottes und der Gottesmutter sowie für die Befreiung der Seelen (ad liberationem animarum) 15 Vaterunser und ebenso viele Ave Maria mitsamt einem Apostolischen Glaubensbekenntnis zu beten.179 In der Urkunde über den Zusammenschluss von 1444 werden die Vigil und die Messe für die Verstorbenen zu den vier Quatemberzeiten ebenfalls genannt. Die im Regelbuch vorgeschriebene Gebetspflicht für die nicht-singenden Laien ist hingegen nicht unmittelbar angeknüpft. Erst im Rahmen der mit der Vereinigung einhergehenden Ablassgewährung wird das Beten von 15 Vaterunser und 15 Ave Maria (ohne das Glaubensbekenntnis) erwähnt. Allerdings sind diese Gebete dann nicht ausschließlich an das Quatembergedenken gebunden.180 An dieser Stelle wurde die praxis pietatis 1503 also ausgeweitet. Der zweite Teil des Kapitels beschäftigt sich wiederum mit formalen Kriterien, vor allem mit der Anwesenheitspflicht. So verlieren zum Beispiel die Priesterbrüder in der Folge ihr Präsenzgeld, wenn sie ohne legitimen und vernünftigen Grund nicht an den Messen teilnehmen. Wie bei den Jahrtagen wird bestimmt, dass sie die gesamte Zeit zugegen sein müssen, um nicht als abwesend gezählt zu werden.181 Überdies unterliegen gleichfalls die Laien im Falle des Fehlens der gewohnten Strafe, die aber erneut nicht präzisiert wird.182 Abschließend betont Karis noch einmal: Alle Mit-

178 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Placuit communi diffinitione deo pro animarum redemtione [sc. redemptione] et salute specialia obsequia exhibere [...]. 179 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: [...] ut singulis quatuortemporibus pro animabus ex hac congregatione defunctis vigilias de sero, de mane missam absque tamen plebani preiudicio omnes fratres presbyteri et layci cantantes solenniter cantare debant. Seculares autem fratres aut vulgares et sine litteris ac consorores, ad gloriam omnipotentis dei eiusque gloriose genitricis laudem ac ad liberationem animarum ex hac fraternitate defunctorum quindecim pater noster et totidem ave Maria cum uno symbolo sub hiis officiis devote dicant. 180 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 382 (UA). 181 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Si quis vero sacerdotum absque legittima et rationabili atque inevitabili causa in hiis officiis a principio usque ad finem non perseveraverit aut se penitus absentaverit, in proximi anniversarii peractione sua portione canonica, quam ipse meruerit, carebit. 182 Es ist keineswegs unüblich, dass Verpflichtungen oder Aufgaben, die die Brüder und Schwestern einer Bruderschaft zu erfüllen hatten, im Falle einer Missachtung mit gewissen Sanktionen verknüpft

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glieder der Bruderschaft müssen an jedem Quatembertermin die Messen für die Toten aus der Gemeinschaft feierlich begehen und in jedem Fall an der Eucharistie teilnehmen. Die Priesterbrüder aber sind zudem verpflichtet, ungeachtet ihres Aufenthaltsortes an einem beliebigen Tag in der jeweiligen Quatemberwoche für die Verstorbenen der Bruderschaft eine Vigil zu beten und eine Messe zu lesen.183

3.5.5 Ablässe und Ablassgewährung Im letzten Abschnitt des Regelbuches listet Nikolaus Karis die Ablässe auf, die unter bestimmten Bedingungen von allen Christgläubigen, ob sie nun selbst der Dreifaltigkeitsbruderschaft angehörten oder nicht, erworben werden konnten (Indulgentie fraternitatis, que omnibus christifidelibus tam in ipsa fraternitate quam extra consistentibus largiuntur).184 Sechs Möglichkeiten des Ablasserwerbs sind hierin dokumentiert, unter anderem bei der Teilnahme an den Messen und anderen gesungenen Gottesdiensten, den Feiern der Jahrgedächtnisse oder den Exequien. Allerdings hat Karis nicht den gesamten Wortlaut der jeweiligen Urkunde respektive der Urkunden übernommen, sondern er gibt lediglich deren dispositiven Teil wieder.185 Die Überschriften (zum Beispiel: De missis ceterisque officiis decantandis) sind jeweils rubriziert hervorgehoben, die frommen Leistungen, die zu erbringen waren, sind darunter in schwarzbrauner Tinte verfasst. Die einzelnen Ablassquantitäten wiederum erscheinen visuell abgesetzt. Links findet sich der Vermerk indulgentiarum, in der Mitte folgen die entsprechenden Zeiten, etwa: lxxxta dies et unam carenam, und schließlich rechts der oder die Aussteller: a duobus episcopis.186 Alle drei Teile sind dabei rot unterstrichen, wobei die Ablassquantitäten durch zwei ebenfalls rubrizierte Klammern eingefasst sind (siehe Abb. 6). Diese Gestaltung dürfte in erster Linie für

waren. Vergleichsbeispiele bieten u. a. die Arbeiten von RAHN, Bruderschaften Braunschweig, S. 48, 50; PRIETZEL, Kalande Niedersachsen, S. 163, 173, sowie RAUNER/ZECH, Zimmerleutebruderschaft Straßburg, S. 179. 183 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Insuper omnes fratres utriusque status et sexus existentes in singulis quatuortemporum missis pro requie ex fraternitate defunctorum solenniter celebrandis ad offertorium ire sunt obligati. Illud quoque firmiter statutum est, quod omnes et singuli de fraternitate sacerdotes ubicunque locorum existentes in qualibet angariali ebdomoda die eis magis congruentiori unas vigilias [sic] orare et unam missam legere pro requie defunctorum fratrum et sororum consciente sub onere obligabuntur. 184 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 185 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. Nicht grundsätzlich zu klären ist in diesem Zusammenhang, ob es sich bei den knappen Texten um Formulierungen (vielleicht auch um Zusammenfassungen) von Nikolaus Karis handelt, oder ob er die Passagen tatsächlich wörtlich aus den Urkunden übernommen hat. Erkennbare Differenzen werden sich am Beispiel der Ablassmöglichkeit aufzeigen, die mit dem Gesang des o adoranda trinitas verbunden war. Ebenfalls wird zu hinterfragen sein, ob es sich bezüglich der genannten Aussteller immer um Sammelindulgenzen gehandelt hat. 186 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. Die voranstehenden Zitate im Text ebd.

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eine bessere Orientierung gewählt worden sein. Allerdings lässt das Erscheinungsbild der Quelle nirgends erahnen, dass das Regelbuch beispielsweise im Kirchenraum aufgehängt wurde, wie es für Ablassurkunden mitunter durch Einstichstellen in den Ecken nachvollziehbar ist. Ein öffentliches Auslegen auf Tischen ist in Anbetracht dessen wohl zu verneinen, da das Regelbuch bereits zu seiner Entstehungszeit zusammengeklebt war. Demzufolge hätte also das gesamte, 130 Zentimeter breite mal 44 Zentimeter hohe Dokument präsentiert werden müssen.187 Möglicherweise wurden die Ablassgelegenheiten im Rahmen des Bruderschaftstages verkündet. Immerhin wissen wir von einigen Bruderschaften, dass die Regeln während der Zusammenkünfte kundgetan werden sollten.188 Das theologische Fundament für das Ablasswesen bildete neben der Beicht- und Bußpraxis der hochmittelalterlichen Kirche vor allem die Vorstellung vom purgatorium (siehe auch Kap. 2.2).189 Einhergehend mit der Ausbreitung der Denkfigur einer postmortalen Läuterungsinstanz wandelte sich parallel dazu im Laufe des 13. Jahrhunderts zugleich die Funktionsweise der Ablässe. Sie galten nicht mehr als Ersatz für diesseitige Bußstrafen. Vielmehr stellten sie nun einen Ausgleich für jenseitig zu erleidende Fegefeuerqualen dar. Ablass bedeutete somit im engeren Sinn den Nachlass der zeitlichen Strafe im purgatorium für bereits vergebene Sünden.190 Gewährt wurde dieser Nachlass von einer kirchlichen Autorität aus dem thesaurus ecclesiae. Durch die Gemeinschaft der Heiligen konnten die Verdienste, die besonders Jesus Christus mit seinem Kreuzestod aber auch die Heiligen infolge ihrer Martyrien angesammelt hatten, den mit Gott versöhnten Sündern im Fegefeuer zugutekommen.191 Während der Papst vollständig über jenen Kirchenschatz verfügen konnte, hatten Kardinäle und Bischöfe hingegen begrenzt Zugriff. Diese hierarchische Differenzierung spiegelte sich in den Ablasszeiten wider, so durfte beispielsweise ein Bischof allein lediglich eine 40-tägige Indulgenz erteilen. Die Bemessung orientierte sich an den altüblichen Zeiten, das heißt ein Ablass nach Tagen, Quadragenen oder Jahren. Von Seiten des Papstes konnte aber auch ein vollkommener Erlass, ein sogenannter Plenarablass, gewährt werden.192

187 Vgl. für eine Quellenbeschreibung RANACHER, Regelbuch, S. 21. Bezüglich der Formen der Veröffentlichung von Ablass- und gerade von Sammelindulgenz-Urkunden vgl. u a. THALMANN, Ablaßpraxis, S. 241–248; NEUHAUSEN, Ablasswesen Köln, S. 47 und 191; HRDINA/STUDNIČKOVÁ, Sammelindulgenzen, S. 17. 188 Vgl. u. a. HERTEL, Brüderschaftsbuch, S. 62. 189 Nach wie vor grundlegend für das Thema sind PAULUS, Geschichte des Ablasses, 3 Bde., für das späte Mittelalter bes. Bd. 3, sowie POSCHMANN, Der Ablass; ergänzend ANGENENDT, Geschichte Religiosität, S. 652–657. Wichtig gerade für die in diesem Kapitel behandelten Ablässe ist ferner DOUBLIER, Ablass und Heilsaneignung. 190 Vgl. ROVA, Ablass, S. 234, sowie pointiert im Hinblick auf die Änderungen im 13. Jahrhundert DOUBLIER, Ablass und Heilsaneignung, S. 293 f. 191 Vgl. PAULUS, Geschichte des Ablasses, Bd. 2, S. 141–158. 192 Vgl. zu den verschiedenen Ablassquantitäten PAULUS, Geschichte des Ablasses, Bd. 2, u. a. S. 1–18 und 47–55.

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Bedingung für den Erwerb eines Ablasses war beispielsweise die Verrichtung bestimmter Gebete, die Teilnahme an Wallfahrten oder die Erbringung anderer frommer Leistungen. Im Vorfeld mussten die Gläubigen allerdings zwingend ihre Sünden beichten, und das mit echter Reue.193 Dementsprechend leitet auch Nikolaus Karis die erste Ablassmöglichkeit ein: Der Ablasserwerb bei der Teilnahme an den Messen und anderen gesungenen Gottesdiensten der Dreifaltigkeitsbruderschaft setzte die wahre Buße und Reue des Christgläubigen voraus (omnes christifideles vere penitentes et contriti). Zur Disposition standen 80 Tage mitsamt einem Nachlass von Strafen, der sonst ausschließlich in 40 Tagen (öffentlicher) Kirchenbuße erlangt werden konnte, eine sogenannte Karene (unam carenam). Es handelte sich also bei 80 Tagen um einen Ablass, für den zwei Bischöfe (duobus episcopis) verantwortlich zeichneten.194 Wie im weiteren Verlauf zu sehen sein wird, scheint es sich hier allerdings nicht um eine von zwei Bischöfen gemeinsam ausgestellte Sammelindulgenz zu handeln, sondern um eine von Karis vorgenommene Zusammenfassung zweier Ablässe. Die zu erbringenden Leistungen bestanden nach Ausweis des Regelbuches in der Teilnahme oder der singenden Unterstützung der bruderschaftlichen Messen und Festtage, so an den Sonntagsmessen und den Festtagen bis in den Advent; oder, indem die Gläubigen in der Oktav nach Fronleichnam und Mariä Heimsuchung den kanonischen Stundengebeten beiwohnten. Mithin greift der Ablass liturgische Termine auf, die in der Gottesdienstordnung wiederzufinden sind (siehe Kap. 3.5.1). Äquivalent konnten zehn Vaterunser und ebenso viele Ave Maria mitsamt einem Apostolikum gebetet werden. Die Indulgenz war dabei totiens quotiens zu erlangen, also für jede der Leistungen immer wieder und sooft es möglich war.195 In Summe konnte dadurch ein deutlich höherer Ablasszeitraum erworben werden. Diese Ergänzung findet sich bei allen Ablässen, die im Regelbuch verzeichnet sind. Einen 200-tägigen Straferlass, ausgegeben von zwei Kardinälen mitsamt 40 Tagen des Meißner Diözesans, konnten die Gläubigen erhalten, wenn sie in der Messe im Rahmen der Eucharistiefeier im Anschluss an die Elevation der Hostie kniend zur Ehre der Heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit das o adoranda trinitas sangen oder mehrfach (semel, bis vel ter) in der Haltung das Vaterunser und das Ave Maria beteten.196 Wiederum suggeriert die Darstellung im Regelbuch, dass dieser 193 Vgl. ROVA, Ablass, S. 234. 194 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. Bezüglich der Differenzierung in Karene und Quadragene vgl. PAULUS, Geschichte des Ablasses, Bd. 2, S. 62–68. 195 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: De missis ceterisque officiis decantandit. Omnes christifideles vere penitentes et contriti, qui interfuerint vel decantare iuverint in missis dominicis et festis diebus atque per adventum domini decantandis et horis per octavas corporis Christi et visitationis Marie virginis per fraternitatem peragendis aut sub officio quondam decim orationes dominicas totidemque angelicas salutationes cum uno symbolo devotius oraverint. Quotienscumque aliquid eorum devote fecerint habebunt indulgentiarum lxxxta dies et unam carenam a duobus episcopis. 196 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: De versibus o adoranda trinitas. Omnes et singuli, qui post elevationem eucharistie in missarum officiis ab reverentiam sancte et individue trinitatis o adoranda

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Nachlass auf die zeitlichen Sündenstrafen aus einer Sammelindulgenz hervorgeht. Konträr zu der von Nikolaus Karis zuerst niedergeschriebenen Ablassmöglichkeit, stellten hier zumindest die beiden Kardinäle gemeinsam eine Urkunde aus (siehe dazu weiter unten). Leider wird sich vor dem Hintergrund der Überlieferungssituation diese Frage für die folgenden Punkte nicht nachverfolgen lassen. Die nächste Ablassmöglichkeit bestand im Rahmen der Quatembertage. Alle Gläubigen, die zu den jeweils drei Fasttagen, die vier Mal jährlich stattfanden (im Jahr 1503 fielen die Mittwoche dieser vier Wochen beispielsweise auf den 8. März, den 7. Juni, den 20. September und den 20. Dezember), an den Vigilien und Messen für die Verstorbenen der Bruderschaft teilnahmen respektive selbige singend unterstützten, konnten 200 Tage Nachlass und darüber hinaus eine Karene und eine Quadragene von fünf Bischöfen erhalten. Alternativ zu dem Gesang konnten während der Offizien 15 Vaterunser und ebenso viele Ave Maria, wiederum mit einem Apostolischen Glaubensbekenntnis für die Seelen aus der Bruderschaft gebetet werden.197 Für die Priesterbrüder findet sich in dem Kontext noch eine gesonderte Bestimmung: Sie konnten 120 Tage sowie eine Quadragene und eine Karene von drei Bischöfen erzielen, wenn sie an den vorgenannten Offizien sowie binnen der Oktav der Quatembertage eine Vigil und eine Messe lasen.198 An vierter Stelle führt Karis die Ablässe auf, die im Rahmen der Exequien erlangt werden konnten. Bedingung für den Erwerb von 120 Tagen und einer Quadragene war die Teilnahme an den Messen und Vigilien für den oder die Verstorbene(n) aus der Bruderschaft. Gleichzeitig oblag es den Gläubigen, während der jeweiligen Vigilien, Messen oder im Zuge des Leichenbegängnisses 15 Vaterunser und 15 Ave Maria mitsamt einem Apostolikum pro remedio anime zu beten.199 Die Anniversarienfeiern boten die Chance, erneut 120 Tage sowie eine Karene und eine Quadragene, ausgestellt von drei Bischöfen, zu erwerben. Die frommen

trinitas etc. geniculando devote cantaverint aut qui semel, bis vel ter genibus flexis orationem dominicam et salutationem angelicam devote oraverint, quotienscumque id fecerint, habebunt indulgentiarum iic dies a duobus cardinalibus; xlta dies a dyocesano Mißnensis. 197 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: De angarialibus peractionibus. Omnes et singuli, qui in vigiliis et missis in quatuortemporibus per fraternitatem pro defunctis ex fraternitate ipsa servandis interfuerint et decantare iuverint aut sub officiis hiis quindecim pater noster et totidem ave Maria cum uno symbolo pro animabus ex fraternitate defunctis devote oraverint, totiens quotiens habebunt indulgentiarum iic dies; i carenam; i quadragenam a quinque episcopis. 198 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: Domini vero presbyteri prefata officia solenniter cantare iuvantes et infra octavam quatuortemporum semel vigilas et unam missam legentes, merentur indulgentiarum ic et xx dies; i carenam; i quadragenam a tribus episcopis. 199 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: De funeralibus exequiis in fratrum tumulationibus. Omnibus et singulis utriusque sexus et status fidelibus, qui in tumulatione defuncti sacerdotis autem alterius hominis de ipsa fraternitate vigiliis et missis tam in die depositionis quam in aliis peractionibus interfuerint et pro remedio anime quindecim pater noster et totidem ave Maria cum uno symbolo sub vigiliis, missa aut conductu funeris devotius oraverint, quotienscumque hoc contigerit, largiuntur indulgentiarum ic et xx dies; i quadragena a tribus episcopis.

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Leistungen, die die Gläubigen hierfür erbringen mussten, entsprechen dem bisher Geschriebenen: Für die Seelen derjenigen, die aus der Bruderschaft verschieden sind, sollten 15 Vaterunser und ebenso viele Ave Maria mit einem Apostolischen Glaubensbekenntnis gebetet werden. Ergänzend zu diesen Gebeten konnten all diejenigen, die am Grab noch einmal drei Vaterunser und ebenso viele Ave Maria beteten, zusätzlich 40 Tage von einem Bischof erhalten.200 Die letzte Ablassmöglichkeit berührt vorrangig einen materiellen Aspekt, der der Dreifaltigkeitsbruderschaft zugute kommt: die Testamente. Eine Indulgenz von 160 Tagen zusammen mit einer Karene und einer Quadragene, ausgestellt von vier Bischöfen, stand all denjenigen offen, die der Bruderschaft etwas vermachten oder stifteten. Gemeint waren hier Zuwendungen beispielsweise für das Licht oder für andere Dinge, die zur Durchführung der Totenämter notwendig waren (pro luminaribus et aliis in defunctorum officiis neccesariis et pro conservanda hiis fraternitate).201 Zusammenfassend lässt sich sagen: Bis auf die sechste Indulgenz können alle Ablässe, die im Regelbuch verzeichnet sind, als „Frömmigkeitsablässe“ charakterisiert werden. Hartmut Kühne versteht darunter einen Ablass, „der kaum Interesse an den finanziellen Leistungen der Gläubigen erkennen lässt, sondern vor allem die tätige Frömmigkeit der Einzelnen fördern sollte.“202 Sämtliche Indulgenzen waren darüber hinaus mit der Formel totiens quotiens (in wechselndem Wortlaut) versehen. Die Gläubigen, ob sie nun selbst Mitglied der Bruderschaft waren oder nicht, konnten mithin immer wieder diese Nachlässe der zeitlichen Sündenstrafen erwerben. Addiert man die einzelnen Ablassquantitäten, konnten ohne die Ergänzung totiens quotiens insgesamt 1.040 Tage sowie vier Karenen und vier Quadragenen für die Laienmitglieder beziehungsweise 1.080 Tage sowie fünf Karenen und fünf Quadragenen für die Kleriker innerhalb eines Jahres erreicht werden.203

200 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: De anniversariorum commemorationibus. Omnes et singuli utriusque sexus et status homines fideles, qui in anniversariorum officiis videlicet vigiliis et missis ex devotione pro animabus in Christo defunctis maxime tamen pro hiis, qui ex fraternitate discesserunt, quindecim pater noster et totidem ave Maria cum uno symbolo dixerint. De quolibet officio habebunt indulgentiarum ic et xx dies; i carenam; i quadragenam a tribus episcopis. Omnes etiam, qui etiam feretrum sub prefatis officiis videlicet in anniversariorum memoriis tria pater [sc. pater noster] et totidem ave Maria dixerint, quotienscumque id fecerint, observabunt xlta dies indulgentiarum ab uno episcopo. 201 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047: De testantibus et elemosina facientibus pro fraternitatis conservatione. Omnes et singuli, qui pro luminaribus et aliis in defunctorum officiis necccesariis et pro conservanda huius fraternitate aliquid legaverint, dederint aut testanti fuerint, dari, legari aut testari procuraverint [...] obtinebunt indulgentiarum ic et lxta dies; i carenam; i quadragenam a quatuor episcopis. 202 KÜHNE, Ablass Totenmemoria, S. 356. 203 BÜNZ, Ablässe Meißen, S. 349, schreibt, die Brüder und Schwestern konnten insgesamt 1.080 Tage, sechs Karenen und vier Quadragenen Ablass erhalten. Abgesehen von der inkorrekten Wiedergabe der Karenen und Quadragenen lässt er damit einerseits die Unterscheidung zwischen den Laien- und den Priestermitgliedern unberücksichtigt. Andererseits muss doch auch noch berücksichtigt werden, dass das Ablassquantum durch die Formulierung totiens quotiens erhöht werden konnte.

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Versuchen wir nachfolgend, die von Karis aufgezählten Indulgenzen anhand der städtischen Überlieferung zu kontextualisieren und auch zu verifizieren. Der erste, nachweisbare Ablass wurde am 5. September 1431 von dem Meißner Bischof Johannes IV. im Zuge seiner Bestätigung der Kalandsbruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit ausgegeben. Allen, die sowohl an den Vigilien und Messen während der Begräbniszeremonien für einen verstorbenen Priester als auch an dem vier Mal stattfindenden Gedächtnis zu den Quatemberzeiten teilnahmen und für das Seelenheil des Toten zehn Vaterunser und ebenso viele Ave Maria beteten, gewährte er 40 Tage Nachlass. Gleichzeitig approbierte er den von seinem Vorgänger Bischof Rudolf von (der) Planitz gewährten Ablass von 40 Tagen für das Gebet von fünf Vaterunser und fünf Ave Maria im Rahmen der Beerdigungen.204 Die nächste Ablassspende, die dokumentiert ist, erfolgte im Rahmen der Vereinigung der Dreifaltigkeitsbruderschaft mit der Laienbruderschaft Unser Lieben Frauen am 26. Mai 1444. Erneut gab Johannes IV. einen 40-tägigen Strafnachlass aus, den er an die Partizipation an den von ihm in der Dispositio zuvor festgelegten Gottesdiensten knüpfte. Möglich war aber auch das Gebet von 15 Vaterunser und 15 Ave Maria etwa bei der Memoria für die Verstorbenen; oder wenn die Bruderschaft auf materielle Weise unterstützt würde.205 Bischof Johannes VI. gewährte dann am 27. September 1491 korrelierend mit seiner Approbation des Zusammenschlusses ebenfalls 40 Tage: All denjenigen, die an den Gottesdiensten teilnahmen und für das Seelenheil der aus der Bruderschaft Verstorbenen fünf Vaterunser, fünf Ave Maria und ein Apostolisches Glaubensbekenntnis beteten.206 Die Ablässe von 1444 und 1491 sind also mit dem liturgischen Jahr verbunden. Würden wir sie zusammenziehen, wäre ein Strafnachlass von 80 Tagen, ausgegeben durch zwei Bischöfe, erwerbbar. Die Gebetsverpflichtung wäre dann, nehmen wir die Teilnahme an den bruderschaftlichen Gottesdiensten an, mit fünf Vaterunser, fünf Ave Maria und einem Apostolikum anzugeben. Bereits an dieser Stelle zeigt sich eine Differenz im Hinblick auf das, was Karis notiert: Die von ihm ge-

204 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 269 (UA). – Siehe dazu die Zitate auf S. 43 f. in Anm. 10 und 11. 205 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 382 (UA): [...] omnibus Cristi fidelibus vere penitentibus et contritis, qui huiusmodi missis, ut premittitur, [...] per eosdem fratres peragendis divinis officiis interfuerint et vel decantare iuverint aut sub officio quindecim orationes dominicas totidemque salutationes angelicas sive pro missis sive pro horis sive pro memoria defunctorum sub vigiliis, missa aut conductu funerum devotius oraverint vel qui pro luminaribus et aliis necessariis pro conservanda huiusmodi fraternitate aliquid legaverint, dederint aut testati fuerint, dari, legari aut testari procuraverint quovis modo quotienscumque aut quandocumque premissa seu aliquod eorundem devote fecerint, quadraginta dies indulgentiarum [...]. 206 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 962 (UA): [...] omnibus et singulis utriusque sexus hominum vere penitentibus, qui his intersint officiis et ex devotione pro animabus in Christum defunctis maxime tamen pro his, qui ex fraternitate decesserunt, quinque pater noster et tot[idem] ave Maria cum uno simbolo in honorem quinque vulnerum Christi devote oraverint, de iniunctis eis penitentiis de quolibet officio quadraginta dies indulgentiarum [...].

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nannten 80 Tage von zwei Bischöfen stimmen mit den Urkunden überein. Bei ihm ist allerdings noch eine Karene gewährt, und bei den Gebetspflichten ist von zehn Vaterunser, zehn Ave Maria und einem Apostolikum geschrieben, die allerdings als Äquivalent zur alleinigen Teilnahme an den Gottesdiensten angebenen sind. An dem folgenden Beispiel wird ersichtlich, dass das Ablassverzeichnis von Karis aber keinesfalls allein kritisch anzusehen ist: Am 11. Oktober 1473 stellten in Rom der Kardinalbischof von Avignon, Alain de Coëtivy (Alanus von Avignon; † 1474), und der Kardinaldiakon der Kirche St. Theodor in Rom (San Teodoro al Palatino), Theodorus, auf Bitten der Brüder der Dreifaltigkeitsbruderschaft hin (precibus ipsorum fratrum eiusdem fraternitatis) einen 100-tägigen Erlass auf die zeitlichen Sündenstrafen aus. Erhalten konnte ihn, wer in der Kreuzkirche im Anschluss an die Elevation der Hostie zur Ehre der Heiligen Dreifaltigkeit die Verse o adoranda trinitas, o veneranda unitas, per te sumus redempti fromm und mit gebeugten Knien sang; oder wer mehrfach (semel, bis aut ter) das Vaterunser und genau so oft das Ave Maria betete.207 Am 24. Dezember 1473 bestätigte der Meißner Bischof Dietrich III. von Schönberg († 1476) diese Indulgenz und erweiterte sie um 40 Tage.208 Mithin stimmt der Ablass sowohl im Hinblick auf die Aussteller als auch die Bedigungen mit dem überein, den Karis unter der Überschrift De versibus o adoranda trinitas notiert. An der entscheidendsten Stelle unterscheiden sie sich jedoch: Karis vermerkt 200 Tage, die Urkunde selbst hingegen nur 100. Hier dürfte er – ungeachtet ob bewusst oder nicht – folglich die 100 Tage als von jedem der beiden gewährt angesehen haben. Das dafür notwendige Wortpaar singuli nostrum fehlt in der Dispositio aber.209 Zuletzt sei noch auf einen Ablass verwiesen, den der Meißner Weihbischof Nikolaus, Titularbischof von Cathosia, am 10. März 1420 in Stellvertretung für den Bischof ausreichte. Verknüpft war diese Indulgenz mit einem Dreifaltigkeitsaltar, der die nachstehenden Konpatrozinien besaß: Gottesmutter Maria, Heiliges Kreuz, Apostel Philippus und Jakobus, heiliger Franziskus, heiliger Wenzel, 10.000 Märtyrer, heilige Ursula mit Gemeinschaft sowie die Heiligen Agnes und Hedwig. Einen 40-tägigen Bußerlass mit einer Karene konnten alle Gläubigen erwerben, die beispielsweise Stiftungen zugusten dieses Altars tätigten; oder, die vor dem 207 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 850 (UA): [...] omnibus et singulis christifidelibus vere penitentibus et confessis, qui in eadem capella sive ecclesia [sc. der Kreuzkirche] post elevationem sacratissimi domini nostri corporis ob reverentiam et honorem sancte et individue trinitatis hos versus o adoranda trinitas, o veneranda unitas, per te sumus redempti etc. humiliter genibus flexis et devote cantaverint, vel qui semel, bis aut ter orationem dominicam cum totidem ave Maria etiam genibus flexibus dixerunt, centum dies indulgentiarum de iniunctis eis penitentiis [...]. 208 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 850 (UA). 209 Erwähnt sei in diesem Zusammenhang die Bemerkung von DOUBLIER, Ablass und Heilsaneignung, S. 297, dass sich immer wieder auch Versuche von Ablass-Empfängern resp. Anbietern nachweisen lassen, den dispositiven Teil der Ablassurkunden „extensiv auszulegen“, um den Gläubigen dadurch ein ‚besseres‘ Ablassangebot unterbreiten zu können.

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Altar das Vaterunser und das Ave Maria mit gebeugten Knien beteten. Auch die Teilnahme an bestimmten Festtagen beziehungsweise der Besuch von Messen oder anderen Gottesdiensten ermöglichte den Ablasserwerb.210 Wie in Kapitel 3.3 ausgeführt, kann dieser Dreifaltigkeitsaltar zu der Zeit noch nicht mit Sicherheit mit der Bruderschaft in Verbindung gebracht werden. Wenngleich fraglos mehrere Indizien dafür sprechen, diese Verknüpfung herzustellen, sei sie hier nicht angenommen (siehe auch Kap. 3.3). Daher wird diese Ablassurkunde nicht mit einbezogen.211 Fassen wir die im Stadtarchiv vorhandene Gegenüberlieferung zum Regelbuch der Dreifaltigkeitsbruderschaft zusammen, können lediglich 300 Tage Nachlass dokumentiert werden. Die Indulgenz, die im Rahmen des Gesangs des o adoranda trinitas erworben werden konnte, hat gezeigt, dass die im Regelbuch verzeichneten Ablässe durchaus auf einzelne Urkunden zurückgeführt werden können, wiewohl auch nur in Teilen. Hingegen hat der Vergleich der Indulgenzen für den Besuch der Gottesdienste mit den Vorgaben im Regelbuch offengelegt, dass Ablässe zugleich summiert (anscheinend auch variiert) und unter einer inhaltlichen Kategorie vereint worden sind. Letztlich unterfüttern beide Beispiele die Annahme, dass die von Karis genannten Ablassmöglichkeiten beziehungsweise Ablasszeiten auf mehreren, in der Quelle subsumierten Indulgenzen gründen. Besonders deutlich dürfte damit einhergehend auch die Verlustrate in der Überlieferung der Ablässe geworden sein. Insofern ist das von Nikolaus Karis angefertigte Verzeichnis von großem Wert für die Frage nach den Ablässen. Abschließend sei bemerkt, dass das konkrete Zusammenrechnen der einzelnen Quantitäten für die Zeitgenossen, wie Nine Miedema unlängst vorgeführt hat, wohl ohnehin nicht entscheidend war.212

3.6 Perspektivenwechsel: Norm versus Lebenspraxis Das Regelbuch der Dreifaltigkeitsbruderschaft und die sonstigen in die Untersuchung einbezogenen Quellen verschaffen uns zweifelsohne eine facettenreiche Vorstellung von dem Innenleben einer spätmittelalterlichen Bruderschaft sowie von den Spielarten der gemeinsam praktizierten Frömmigkeit. Dennoch ist all dem bisher Geschriebenen ein nicht unwichtiges Defizit zu attestieren: Es handelt sich um eine Darstellung des Sollzustandes, basierend auf normativen Texten. Einen aufschlussreichen Einblick in das innere Spannungsverhältnis zwischen Norm und lebenspraktischer ‚Wirklichkeit‘ gewähren dagegen mehrere Schriftsücke, die in den Jahren zwischen 1508 und 1520 entstanden sind. Der Grund ihrer Abfassung war ein Konflikt zwischen den Laienmitgliedern und den Priesterbrüdern der Gemeinschaft. Abschließend sei ein Seitenblick

210 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 204 (UA). 211 Im Gegensatz dazu BÜNZ, Ablässe Meißen, S. 349. 212 Vgl. MIEDEMA, Gezählte Frömmigkeit, S. 480.

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auf diese Dokumente geworfen, wird in ihnen doch nicht zuletzt auch die praxis pietatis der Dreifaltigkeitsbruderschaft verhandelt. Worum es im Einzelnen ging, lässt sich anhand von zwei Papieren sehr klar nachvollziehen: Am 31. Januar 1510 trugen zuerst die singenden Laien (cantanten) und Laien der Dreifaltigkeitsbruderschaft dem Rat der Stadt ihre gebrechen vor, die sie mit der Priesterschaft selbiger Korporation hatten.213 Die Geistlichen reagierten darauf mit einem ausführlichen Schreiben, das zwar undatiert ist, mutmaßlich aber ebenfalls aus dem Jahr 1510 stammen dürfte.214 Die Anklage der Laien führt zunächst drei Punkte an, wonach sie 1. unrechtmäßig von der Prokuratur und Verwaltung der Bruderschaft sowie 2. in gleicher Weise von dem Rechenschaftsbericht der Priesterbrüder ausgeschlossen worden seien, und 3. würde die Priesterschaft nicht mehr zu den Frühmessen an den Oktaven von Fronleichnam beziehungsweise Mariä Heimsuchung erscheinen, obwohl doch bisher stets zwei Geistliche dazu verordnet waren, im Chor zu intonirn, psalmirn und praecontern, domit solche zceiten mit indulgentiis vorsehen werde. Der dem Schriftbild nach zu urteilen später hinzugefügte Vermerk villeicht ursachn: haben nicht praesentzias bietet einen Hinweis auf die mögliche Ursache.215 Demzufolge sahen die Laien die fehlenden Präsenzgelder als realistischen Beweggrund für das Wegbleiben an. Inhaltlich zielen die ersten beiden Vorwürfe auf die Organisation der Dreifaltigkeitsbruderschaft ab. Wie in Kapitel 3.4 dargelegt, sollte es gemäß den Statuten zwei Provisoren geben, die von den sechs Senioren ernannt wurden. Die weiteren Ausführungen in der Klageschrift zeichnen bei diesem Akzent ein anderes Bild. Hier heißt es, dass von alters her die Prokuratur gemeinschaftlich von zwei Priesterund zwei Laienbrüdern ausgeübt wurde.216 Ähnlich liest sich die Darstellung über den Rechenschaftsbericht. Nikolaus Karis schreibt, die Provisoren der Bruderschaft hätten an Quasimodogeniti, am ersten Sonntag nach Ostern, den Senioren selbigen vorzulegen. Dies spiegelt sich im zweiten Punkt der Beschwerde wider, wo davon geschrieben wird, dass die Rechnungslegung ausschließlich von acht Priestern verhandelt würde. Auch diesbezüglich äußerten die Laien, dass früher alle Brüder dazu aufgefordert waren, den Rechenschaftsbericht respektive die Rechnungslegung anzuhören und anzunehmen.217 Die Priesterbrüder, deren 13 Seiten umfassende Erwiderung an Herzog Georg adressiert war, führten jeden Beschwerdepunkt noch einmal auf, bevor sie ihre Pers-

213 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/17, fol. 10r–10v und 13r–14r. Auch enthalten in HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/18, fol. 6r–8r und 9r–9v. 214 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/18, fol. 11r–17r. 215 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/17, fol. 10r–10v. – Der Vermerk über die vermeintliche Ursache ist mit deutlich hellerer Tinte eingetragen, dürfte aber von derselben Schreiberhand stammen. 216 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/17, fol. 10r. 217 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/17, fol. 10r.

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pektive schilderten. Zu den ersten beiden Anschuldigungen erklärten sie: Das geistliche Recht verböte unter Strafe, dass Laien über geistliche Güter verfügen könnten. Deshalb hätten die Kantanten weder de iure noch de facto jemals die Befugnis zur Verwaltung des Bruderschaftsvermögens besessen. Mithin wäre es schlicht nicht möglich, sie um dieses Privileg zu berauben: Denn eynem nackenden kan nyemandt keyn rock abzihen. Fernerhin stellten sie fest, dass auch während der Existenz der Bruderschaft als Kaland nie ein Laie zur Rechnungslegung verordnet gewesen wäre.218 Obschon der Ausschluss von dem Rechenschaftsbericht eigentlich keiner weiteren Begründung bedürfe (denn wir mögen zcu unnser rechnung vordern oder nicht vordern, wen wir wollen), heißt es dazu: Die Dreifaltigkeitsbruderschaft sei ursprünglich von einem Pfarrer und der Priesterschaft gestiftet worden, lange Zeit seien in ihr folglich allein Geistliche Mitglieder gewesen. Als dann aber zunehmend Laien um Aufnahme in die Vereinigung ersuchten, teilte man ihnen den Tag, an dem die Priester die Finanzen offenlegten, mit. Allerdings sei dies nicht geschehen, um die Laien zur Unterstützung hinzuzuziehen. Vielmehr wollte man ihnen durch die Bekanntgabe des Termins die Möglichkeit geben, die noch offenen Geschäfte mit den Prokuratoren (Provisoren) zu erledigen. Die Laien jedoch wären etzlich mer umb der trunck willenn erschienen.219 Es kann also davon ausgegangen werden, dass das bruderschaftliche Mahl mit der Rechnungslegung zusammenfiel (siehe Kap. 3.4). Solange die Anzahl der Personen noch gering gewesen war, hätte man dieses Verhalten auch hingenommen. Als es dann aber immer mehr wurden, die sich so unzuchtig gehalden, sovil gezaengkes unnd haders bey den trincken verursacht hätten, sodass die Rechnungslegung sogar oftmals verschoben werden musste, hätte man im Einvernehmen mit den Bürgermeistern und anderen beschlossen, nur noch acht „Älteste“ aus den Reihen der Priester mit dieser Aufgabe zu betrauen (vermutlich waren damit die sechs Senioren und zwei Provisoren gemeint). Deshalb seien die Laien, aber nicht minder alle übrigen Geistlichen, seither von der Rechnungslegung ausgeschlossen.220 Den Vorwurf, sich zu intensiv dem Alkoholkonsum zu widmen, äußerten nicht erst die Priesterbrüder. Bereits in der Beschwerde der Laien ist davon die Rede, dass das Geld, welches die Kantanten, die singenden Laien, von den Priestern der Bruderschaft erhielten, um an einem Tag nach den beiden genannten Oktaven ein Treffen zu veranstalten, bei dem sie ihre Gesänge probten (ire cantua ubersunge), von den Geistlichen mittlerweile entwendet und anderweitig ausgegeben wurde: Bier und Wein würden sie davon kaufen. Außerdem ließen sie zu den Versammlungen jedermann kommen, mit zcechen, spilen und toppeln. Aus dem ehemals ehrlichen Treffen sei ein Wirtshaus (taberna) geworden, in dem der Gottesdienst ganz ausgesetzt wäre.221

218 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/18, fol. 11v. 219 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/18, fol. 12r–12v. 220 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/18, fol. 12v–13r. 221 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/17, fol. 13r.

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Einprägsam illustrieren die beiden Quellen damit, dass die Vorbehalte im Hinblick auf das für die Bruderschaften so zentrale Ritual des gemeinschaftlichen Mahls, das ohnehin seit Jahrhunderten, zurückreichend bis in die patristische Zeit, zwiespältig beäugt wurde, nicht nur von außen an die Gemeinschaften herangetragen, sondern in gleicher Weise intern als Argument im Rahmen von Streitigkeiten bedient worden ist. Und die Quellen machen ebenfalls deutlich, dass nicht erst Martin Luther den Vorwurf des „Fressens und Saufens“ in den Diskurs der Zeit eingebracht hat.222 Ergänzend sei bemerkt, dass das Thema der Finanzen nicht allein innerhalb der Korporation Konfliktpotential bot: Im September 1516 beschwerte sich der Dresdner Pfarrer Peter Eisenberg bei Herzog Georg über die Gebahren der Bruderschaft. Der landesherrliche Kanzler Johann Kehen dokumentierte die Beschwerde. Demnach hätten sich die Priester der Dreifaltigkeitsbruderschaft zu einem vorbundtniß zusammengeschlossen und durch etliche nawe statut dafür gesorgt, dass die Einnahmen sowohl von Eisenberg als auch von seinem Prediger sowie von den Kaplänen beeinträchtigt worden seien.223 Im Januar 1520 adressierte dann der Rat der Stadt eine Klageschrift gegen die Geistlichkeit an den Landesherren. Darin beanstandeten die Ratsherren unter anderem, dass alle Bruderschaften dem Rat keinerlei Einsicht in ihre Finanzen gewähren würden.224 Der Schiedsspruch, den Herzog Georg daraufhin gemeinsam mit dem Meißner Bischof Johann VII. am 14. Januar 1520 ausgegeben hatte, ordnete unter Punkt vier an, dass die weltlichen zu der rechenschaft der bruderschaft der heiligen dreyfaldigkeit zugelassen werden sollen.225 Der erste und ausführlichste Punkt thematisierte jedoch den Bier- und Weinausschank. Festgelegt wurde im Wesentlichen, dass in der Pfarrei grundsätzlich kein Bier oder Wein mehr zu verkaufen sei. Zudem sollten die Geistlichen die Laien auch nicht beauftragen, Wein oder Bier für die Zeche zu holen. Die Dreifaltigkeitsbruderschaft wird in dem Zusammenhang aber nicht explizit angesprochen.226 Von besonderem Interesse für die vorliegende Untersuchung ist selbstredend der dritte Artikel, den die Laien vorbrachten: Das Fehlen der Priesterbrüder bei den Frühmessen in den Oktaven von Fronleichnam und Mariä Heimsuchung. Anhand der Aufzeichnung lässt sich die Kritik noch etwas detaillierter nachvollziehen. So führten die Laien weiterhin aus, die Priester seien es zwar nicht schuldig, zu den genannten Ok-

222 Vgl. dazu zusammenfassend PRIETZEL, Kalande Niedersachsen, S. 14, und RAHN, Rituelles Handeln, S. 107–110. Grundlegend auch OEXLE, Gilden als soziale Gruppen, S. 314–321. 223 HStA DD, 10003 Diplomatarien und Abschriften, Nr. 7, fol. 514r–515v. 224 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/18. Die Quelle findet sich als Beilage 1 in RICHTER, Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 337–341, hier S. 338: Item dy bruderschafften handeln mit irem gelde noch irem gefallen dem radt gantz vorborgen. Es wirt auch als vor jharen keyner des rads zu der rechung gefordert und seint sulche bruderschafft wenig anders zu achten dan ein vorborgen ewige schatzunge des lands und der leuthe und ist ein schwert, das seynen ursacher vorletzt unnd schneidet. 225 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1115 (UA). 226 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1115 (UA).

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taven im Chor mitzuwirken, doch da sie die ‚Warte der Welt‘ (specula mundi) und von Gott hierfür vorgesehen wären, ersuche man darum, dass sie wie früher erscheinen würden, um somit das Volk anzureizen und Fehler im Gottesdienst zu vermeiden.227 Schließlich ist über die religiöse Praxis zu erfahren, dass die Kantanten an allen Sonntagen und Hochfesten früh eine Messe singend begleitet hätten. In dem Zuge seien die zcwene ministranten pristere mit yren dalmatiken vor den celebranten zum altare solempniter gangen, die den ir deputat davon haben. Dieses sei aber ausgesetzt worden, weshalb auch hier die Laien darum baten, die altbekannten Gewohnheiten wieder aufzunehmen.228 Die Norm, die das Regelbuch der Dreifaltigkeitsbruderschaft präsentiert, besagte, dass zu den beiden Oktavterminen die kanonischen Stundengebete durchgeführt werden sollten. Von der Messfeier wurde nichts geschrieben. Anders als die Geistlichen, waren die fratres layci cantantes unter Strafe zur Teilnahme an den Gottesdiensten verpflichtet. Allem Anschein nach hatten aber stets zwei Priesterbrüder sozusagen in Abordnung das Zeremoniell begleitet. Dass diese religiöse Praxis in der Tat mit einem möglichen Ablass (von 80 Tagen) verbunden war, bestätigt die im Ablassverzeichnis zuerst dokumentierte Indulgenz für die Beteiligung an den Gottesdiensten (siehe Kap. 3.5.5). In der Erwiderung äußerte zunächst der Pfarrer Lorenz Stumpf, weder durch ihn noch durch einen seiner Vorgänger sei es je zu einer Abordnung eines Priesters gekommen. Die Prokuratoren (Provisoren) ergänzten, dass viele, sofern sie nicht durch eine Messfeier oder andere Dinge verhindert gewesen wären, freiwillig partizipiert und mitgesungen hätten. Dabei seien sie allerdings in ihrem Gesang vom Stadtschreiber und etlichen anderen verhöhnt worden. Auch hätte die Gruppe öffentlich ausgesagt, sie wolle lieber ungeregiret von den Geistlichen bleiben. Diese unvernünftigen Worte mochten die Priesterbrüder nun ihrerseits nicht länger ertragen. Sollte es jedoch wieder zu einem maßvollen und freundlichen Umgang kommen, wurde man noch wol prister finden, die gern hineyn gingen mit helfen singen und lesen. Auf die Anspielung der fehlenden Präsenzgelder verteidigten die Priesterbrüder deren Einnahme mit den Worten, das wir, die dem altar dienen, von dem altar leben, presentz und stipendia haben sollen.229 Abgesehen davon brachten sie – nicht unpolemisch – den Zeitaspekt und die zahlreichen Messverpflichtungen der Ministranten in die Argumentation ein. Dass selbige, sobald sie ir epistel und evangeli gelesen hätten, teilweise schon zum nächsten Altar gängen, sei kein Wunder: der messen sint sovil, das wir solich ministranten nicht wol allweg gehaben mogen. Mit Blick auf die singenden Laien heißt es dann: So syngen ouch die cantanten zu

227 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/17, fol. 10r. Siehe ebenso HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/18, fol. 6v–7r. 228 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/17, fol. 13v. Siehe ebenso HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/18, fol. 7v. 229 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/18, fol. 14v–14r.

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zceyten so lang an eynem alten thanhewser, das meniglich verdrossen zu zehoeren. Der Lösungsvorschlag der Geistlichen: Wen aber die cantenten den chorgesangk gestracks unnd wie sich gepuret singen, könnte man die Situation beheben.230 Über den Ausgang dieses Streits ist im Gegensatz zu dem oben Stehenden nichts auszusagen.

3.7 Zwischenfazit I: Das Heilsangebot einer lokal agierenden Bruderschaft Die im linkselbisch gelegenen Dresden verankerte Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit mit der Kreuzkirche und dem dortigen Hochaltar als ihrem religiösen Zentrum entspricht zweifelsohne dem in Kapitel 1.5 beschriebenen Idealtyp einer spätmittelalterlichen Bruderschaft: Für die Zeitgenossen handelte es sich um eine auf Dauer angelegte, nach außen abgegrenzte Vereinigung, deren Intention zuallererst in der gemeinschaftlich organisierten Vorsorge für das Seelenheil aller Personen innerhalb der Gruppierung lag. Die zu diesem Zweck ausgeübte praxis pietatis war vielfältig und band alle Brüder und Schwestern, seien sie dem Laien- oder dem Stand der Geistlichen angehörend, auf unterschiedliche Weise vor Ort ein. Das jedem einzelnen Mitglied zugutekommende Heilsreservoir wurde dabei von zwei Seiten her generiert, wie auf der anhängenden Visualisierung zu sehen ist (siehe Abb. 7): Linker Hand sind die in den Statuten der Dreifaltigkeitsbruderschaft festgelegten Elemente der Jenseitsvorsorge und die damit einhergehenden Pflichten für die Brüder und Schwestern abgebildet. Sie können in vier Bereiche aufgeteilt werden: 1. die Gottesdienste im Verlauf des Kirchenjahres, 2. die Begräbniszeremonien und Anniversarfeiern, 3. die Quatembertage, 4. die Messen, die wöchentlich am Hochaltar in der Kreuzkirche für alle Mitglieder der Bruderschaft gefeiert wurden. Darüber hinaus verfügte die Korporation über verschiedene Ablässe, deren Nachlässe auf die zeitlichen Sündenstrafen im Fegefeuer zum Beispiel zu bestimmten Anlässen gegen eine festgelegte Anzahl von Gebeten erworben werden konnten. Einige dieser Ablässe waren dabei mit den ohnehin für die Brüder und Schwestern vorgeschriebenen Aufgaben wie der Beteiligung an den Exequien verbunden. Hinzu kamen einige Ablässe, die jedem Mitglied die Möglichkeit boten, individuell noch zusätzlich für das Seelenheil vorzusorgen. Diese Erweiterung der Jenseitsvorsorge ist rechter Hand abgebildet. Die immer wieder betonte gleichwie von allen Mitgliedern eingeforderte persönliche Anwesenheit bei den Ritualen der Korporation und die enge Bindung der praxis pietatis besonders an den Raum der Kreuzkirche zeigen die Bedeutung der lokalen Verankerung in der Jenseitsvorsorge dieser Bruderschaft.

230 HStA DD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09837/18, fol. 16v.

4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft als transregionaler Akteur in der Jenseitsvorsorge 4.1 Gründung und Gründungsmythos In der bruderschaftseigenen Historiographie und Identität spielen der Gründungsakt sowie die Ereignisse im Umfeld der Gründung eine wichtige Rolle. Das signifikanteste Narrativ ist dabei zweifelsohne, dass sich Kaiser Friedrich III. im Jahr 1475 in Köln im Anschluss an die die Gemeinschaft konstituierende Zeremonie persönlich mitsamt seiner Frau Eleonore (von Portugal; † 1467) und seinem Sohn Maximilian I. († 1519) in die neu gegründete Rosenkranzbruderschaft eingetragen hat (se ipsum inscripsit). Zahlreiche ebenfalls in der Stadt anwesende geistliche und weltliche Fürsten des Reiches sollen es ihm daraufhin gleichgetan und sich der Reihe nach händisch eingeschrieben haben (singula manu exarata). Der Kleriker und Kölner Geschichtsschreiber Aegidius Gelenius, nach eigener Aussage selbst Mitglied der Korporation, schildert den Vorgang in seinem Hauptwerk De Admiranda, Sacra, et Civili Magnitudine Coloniae (1645) detailreich und in aller Ausführlichkeit. Sogar die Reihenfolge der Protagonisten, die an dem Festakt teilgenommen haben sollen, weiß er wiederzugeben.1 Auf seinen – wohlgemerkt retrospektiven – Bericht wird im Folgenden noch zurückzukommen sein. Das Kölner Namensverzeichnis, das heute als verloren gilt, scheint im 17. und 18. Jahrhundert noch verfügbar gewesen zu sein.2 Johann Andreas Coppenstein und Adam Weitz, beide Angehörige des Dominikanerordens, zitieren in ihren Schriften über die Rosenkranzbruderschaft jedenfalls aus selbigem und vermögen in dem Zuge den Kaiser nebst anderen prominenten Personen seitengenau herauszunehmen.3 1 AEGIDIUS GELENIUS, De Admiranda Coloniae, Bd. 4, S. 464–468. Die beiden oben angeführten Zitate ebd. auf S. 476: Iamque dies erat dicta, nimirum Nativitati B. V. Mariae sacra, qua privatim uno abinde anno cepta institutaque fraternitatis sacra et publica authoritate, festiva solemnitate et memoranda posteris maiestate concelebraretur. Dies adest et caetera parata omnia procedit D. Imperator Augustus cum summis Romani imperii principibus caeterisque Dynastis. Ergo Legatum Apostolicum et Imperatorem Fredericum sequebatur Adolphus Archiepiscopus et elector Moguntinus, Ioannes Archiepiscopus et Elector Treverensis, Guilielmus Episcopus Aureacensis, Henricus Episcopus Monasteriensis, Episcopus Spirensis, Vangionum caeterisque plures: Albertus Dux et Elector Saxoniae, Albertus Dux et Elector Brandenburgicus [...] et caeteri Comites plures quinquaginta. [...] Quo peracto [sc. die Altarweihe durch Alexander Numai] inscriptionis in Fraternitatem actum auspicatur a se ipso nomenque suum dat eidem inscribendum. Imperator quoque se ipsum inscripsit, nec solum sed et Augustam suam Coniugem Leonoram ac serenissimum filium, postea in imperio Patris sucessorum Maximilianum. Trium horum nomina ab eadem inscripta sunt manu Imperatoria. Sequuntur Electorum ac Principum nomina singula manu exarata, alia atque alia [...]. 2 Vgl. bezüglich der Überlieferungssituation MILITZER, Laienbruderschaften in Köln, S. XIX und CXX. 3 JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis Rosarii Mariae, S. 376–378, sowie JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, Kurtzer Bericht, S. 65 f., wobei es sich hier um ein kürzeres Verzeichnis handelt. Die https://doi.org/10.1515/9783110749120-004

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Den Anlass für die Einschreibung soll das erfolgreiche Ende der Belagerung der Stadt Neuss gegeben haben, die durch den burgundischen Herzog Karl den Kühnen († 1477) bedroht und attackiert worden war.4 Angesichts dessen mutet die Einrichtung der Rosenkranzbruderschaft als aufs Engste mit den politischen Geschehnissen des Reiches verwoben an. Diese Verknüpfung spiegelt sich aber keineswegs allein in der frühneuzeitlichen schriftlichen Überlieferung wider. Auch in der bildlichen Darstellung aus der Zeit nach der Gründung ist sie omnipräsent vertreten. Exemplarisch aufgezählt sei hier zunächst das vermutlich zwischen 1510 und 1515 vom Meister von St. Severin geschaffene Retabel des Rosenkranzaltars in der Kölner Dominikanerkirche, welches in der Ikonographie der Schutzmantelmadonna die geistlichen Mitglieder der Bruderschaft gruppiert hinter Papst Sixtus IV. († 1484), die weltlichen Mitglieder gruppiert hinter Friedrich III. kniend und mit zum Gebet gefalteten Händen unter dem mit Hermelin gefütterten, purpurroten Umhang der Maria präsentiert.5 Des Weiteren kann der Holzschnitt im Bruderschaftsspiegel des Marcus von Weida genannt werden, der die päpstliche Bestätigung der Rosenkranzbruderschaft im Beisein des apostolischen Legaten Alexander Numai († 1483) und des Kaisers ins Bild setzt.6 Nicht zuletzt bringt das Titelblatt des um 1493 von dem Zinnaer Zisterzienser Hermann Nitzschewitz († 1503) verfassten, opulent illustrierten Nouum beate marie virgis [sic] psalterium den Kaiser und seinen Sohn mit der Rosenkranz- und Marienverehrung in Verbindung.7 Ein Querschnitt durch die bisherige Forschungsliteratur ergibt, dass das Narrativ gemeinhin übernommen und der Inhalt nicht selten als Besonderheit der Rosenkranzbruderschaft identifiziert worden ist. Andreas Heinz beispielsweise notierte 2003, dass sich am 8. September 1475 „kein Geringerer“ als Friedrich III. mitsamt seiner Frau Eleonore und seinem Sohn Maximilian in Anwesenheit zahlreicher Fürsten und anderer hoher Würdenträger des Reiches in die Bruderschaft eingeschrieben hätte.8 Ähnliche

Chronik von Adam Weitz findet sich in AOP, Bd. 2, S. 113–127, die Namens- bzw. Mitgliederliste auf S. 124–127. – Siehe dazu weiter unten sowie genauer die Ausführungen in Kap. 4.5.1. 4 AEGIDIUS GELENIUS, De Admiranda Coloniae, Bd. 4, S. 466: [...] De pace ex improviso facta letus et Deo Deiparaeque multum gratus, Fraternitatis pietatim ac meritum Rosarii vim et efficaciam suspicere et evehere laudibus fatis nequibat. Nec se cohibere quin ipse quoque in eam Fraternitatem caeterique Principes inscribi solemniter expeterent. Eine sehr verkürzte Darstellung bietet JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, Kurtzer Bericht, S. 61 f. 5 Siehe die jeweils kommentierte Abbildung (schwarz-weiß) bei CLEMEN (Hg.), Kunstdenkmäler Köln, Bd. 1 Abt. 4, S. 78 f. bzw. Tafel IX (hier allerdings nur die Mitteltafel des Triptychons), und BOOCKMANN, Stadt im Mittelalter, S. 304. Eine farbige Abbildung bieten – ohne nähere Kommentierung – HEINZ, Der Rosenkranz, S. 24, sowie jüngst – mit einer knappen Bildbeschreibung – HERBORN/DIETMAR, Köln im Spätmittelalter, S. 329. 6 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 18v. – Siehe auch Abb. 9. 7 HERMANN NITZSCHEWITZ, Nouum beate marie, Bl. 1r. 8 HEINZ, Die Entstehung, S. 39: „In deren Mitgliederverzeichnis trugen sich am 8. September 1475 kein Geringerer als Kaiser Friedrich III., seine Gemahlin und sein Sohn Maximilian ein. Es geschah

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Passagen finden sich ferner unter anderem bei Hatto Küffner (1975), Anne WinstonAllen (1997), Stefan Jäggi (2003), Hartmut Kühne (2013; 2015) oder Wolfgang Herborn und Carl Dietmar (2019).9 Kühne bemerkte zwar, dass die vermeintliche Schutzfunktion des Rosenkranzgebets für die Stadt Köln in der Gefahrensituation der Belagerung von Neuss wohl als eine spätere Legende einzustufen sei, konstatierte dann jedoch, die Anwesenheit des Kaisers und vieler Reichsfürsten habe der Gründung der Bruderschaft einen „grandiosen Rahmen“ verliehen.10 Bjørn Poulsen äußerte 2002: „Den 8. september 1475 lod kejser Friedrich sig indskrive i broderskabets medlemsliste sammen med hustruen Eleonore af Portugal og deres 16-årige søn Maximilian.“11 Konträr etwa zu Heinz ließ der Kaiser also sich und seine Familie in das Bruderschaftsbuch der Vereinigung einschreiben. Weshalb aber werden einleitend in dieses Kapitel überhaupt drei Geschichtsschreiber der Frühen Neuzeit als Kapazitäten bemüht? Die Antwort liegt in den Anmerkungsapparaten der soeben lediglich stellvertretend angeführten Publikationen. Aus diesen geht hervor, dass es tatsächlich größtenteils die Abhandlungen von Aegidius Gelenius beziehungsweise Johann Andreas Coppenstein waren, die als Referenztexte für die einzelnen Ausführungen gedient haben.12 Die gelegentlich, etwa bei Stephan Beissel (1972), Poulsen oder Christian Radtke (2006) anzutreffende Aussage, die Bruderschaft wäre schon 1474 in Köln ins Leben gerufen und im Jahr darauf schließlich offiziell etabliert worden, kann ebenfalls bei den beiden Historiographen nachgelesen werden.13 dies in der Kölner Dominikanerkirche in Gegenwart des päpstlichen Legaten, zahlreicher Fürsten und einer grossen Zahl von Gläubigen.“ 9 Vgl. KÜFFNER, Kölner Rosenkranzbruderschaft, S. 109; WINSTON-ALLEN, Stories of the Rose, S. 28; JÄGGI, Rosenkranzbruderschaften, S. 92; KÜHNE, Die Rosenkranzbruderschaft, S. 114, und KÜHNE Fegefeuer und Rosenkranz, S. 32, sowie HERBORN/DIETMAR, Köln im Spätmittelalter, S. 330. 10 KÜHNE, Die Rosenkranzbruderschaft, S. 114: „Mag die angebliche Empfehlung des Rosenkranzes als Mittel zum Schutz Kölns in der militärischen Notlage auch eine spätere Legende sein, so verlieh die Anwesenheit des Kaisers, zahlreicher Reichsfürsten und eines päpstlichen Legaten, die in Köln zum Friedensschluss mit Burgund zusammentrafen, der Gründung der Kölner Rosenkranzbruderschaft am 8. September 1475 einen grandiosen Rahmen.“ 11 POULSEN, Rosenkransbroderskaberne, S. 198. 12 So etwa bei JÄGGI, Rosenkranzbruderschaften, S. 103 Anm. 11, oder KÜHNE, Fegefeuer und Rosenkranz, S. 38 Anm. 70. In dem Band „500 Jahre Rosenkranz“ wird unter der Überschrift „Die Begründung der Kölner Rosenkranzbruderschaft“ der Bericht des Gelenius in Übersetzung (leider ohne Nennung des Übersetzers/der Übersetzerin) wiedergegeben (ebd., S. 102–108). In einigen Fällen wird auf diesen Beitrag (die Übersetzung) verwiesen – und somit letztlich nur erneut auf Aegidius Gelenius; siehe z. B. HEINZ, Die Entstehung, S. 47 Anm. 83. 13 AEGIDIUS GELENIUS, De Admiranda Coloniae, Bd. 4, S. 466: Itaque venerabilis Pater [sc. Jakob Sprenger] in crebris concionibus in Praedicatorum templo ad frequentem populum Rosarium praedicat. Fraternitatem instituit ac publicat. Formulam instituti explicat, inque propatulo legendam omnibus ac de plano cognescendam exponit. [...] cuncta haec contigere Anno Millesimo Quadringentesimo Septuagesimo quarto, mense Sextili sub festum Nativitatis almae V. Mariae, quando Novesium Carolinae [sc. Karl der Kühne] copiae iam obsidione premebant [...]. JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, Kurtzer

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Allein der Vergleich der Zitate von Heinz, Kühne und Poulsen weist allerdings schon auf einen augenscheinlich zunächst marginalen, inhaltlich hingegen nicht unerheblichen Unterschied hin: Trug sich der Kaiser selbst ein oder wurde er eingetragen – eigentlich sogar: Trugen sich auch Eleonore und Maximilian allein ein? War er/waren sie überhaupt Mitglied(er) der Rosenkranzbruderschaft? Coppenstein und Gelenius zufolge war eindeutig Ersteres der Fall. Friedrich III. trug sich selbst und seine Familie ein (Imperator quoque se ipsum inscripsit, nec solum sed et Augustam suam Coniugem Leonoram ac serenissimum filium [...]).14 Beziehen wir jetzt die spätmittelalterlichen Schriftquellen in die Betrachtung ein, werden die Kontraste noch weitaus stärker: Im Wortlaut der 1476 gedruckten Statuten tauchen weder die Belagerung der Stadt Neuss noch eine feierliche Gründungszeremonie noch die eigenhändige Einschreibung Friedrichs III. auf. Erst in der zweiten Version der von Michael Francisci verfassten Verteidigungsschrift (sowie in der diese begleitenden Kurzfassung) erscheinen die Ereignisse der politischen Bühne als impulsgebende Kulisse für die Einrichtung der Rosenkranzbruderschaft.15 Die enge Verbindung zwischen der Korporation und dem Kaiser ist dennoch keine Erfindung späterer Zeiten, sondern – wie oben umrissen und gerade erwähnt – bereits in den Schrift- und Bildzeugnissen der Jahrzehnte um 1500 allgegenwärtig. Insofern ist es unerlässlich, in den folgenden Absätzen in einem ersten Schritt den Gründungsumständen in Köln anhand der zeitgenössischen Quellen präzise nachzuspüren und dabei zugleich die Inhalte des Erzählstranges zu strukturieren. Die Beiträge von Henri Dominique Saffrey (2001) und Siegfried Schmidt (2003) bieten dafür eine adäquate Grundlage.16 In einem zweiten Schritt muss dann die Frage gestellt werden, warum die Nähe zu Kaiser Friedrich III. eine für die Rosenkranzbruderschaft derartige Relevanz besaß? Die frühesten Zeugnisse der Rosenkranzbruderschaft sind die im Jahr 1476 in Augsburg von Johann Bämler († 1503) und in Basel von Bernhard Richel († 1482) verlegten Statuten.17 Nur am Rand erwähnt sei, dass Klaus Militzer in seiner Edition den Augsburger Druck als den ältesten bestimmt. Saffrey argumentiert demgegenüber für Basel. Inhaltlich divergieren die Texte der Ordnung ausschließlich in der Schreibweise einzelner Wörter.18 Richten wir den Blick auf die enthaltenen Informationen bezüglich der Gründungsintention und der Gründungsumstände: Jakob Sprenger, der Kölner Dominikanerprior und Verfasser der Statuten, erklärt im Rahmen einer

Bericht, S. 61 f. – Vgl. BEISSEL, Verehrung Marias, S. 544; POULSEN, Rosenkransbroderskaberne, S. 198; RADTKE, Stadt und Kirche, S. 92. 14 AEGIDIUS GELENIUS, De Admiranda Coloniae, Bd. 4, S. 467 (siehe das Zitat hier auf S. 95 in Anm. 1); JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, Kurtzer Bericht, S. 65. 15 Vgl. auch SCHMIDT, Entstehung der Rosenkranzbruderschaft, S. 55 f. 16 SCHMIDT, Entstehung der Rosenkranzbruderschaft; SAFFREY, La fondation. 17 Siehe die Edition in MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 507–517). 18 Vgl. MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 507), sowie SAFFREY, La fondation, S. 157.

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Vorbemerkung, dass er zur Ehre der Jungfrau Maria am Tag ihrer Geburt (das heißt am 8. September) des Jahres 1475 das alt herkommen gebet des Rosenkranzes erneuert und in Gestalt einer Bruderschaft wieder aufgerichtet habe. Das zentrale Anliegen der Vereinigung sei es, in erster Linie den armen Menschen die Chance zu eröffnen, an einer Bruderschaft und deren geistlichen Gaben teilzuhaben. Denn, so der Prior des Kölner Dominikanerkonvents, es gebe in der Christenheit viele Korporationen, in die kein armer Mensch jemals aufgrund mangelnder finanzieller Ressourcen eintreten könne. Die Rosenkranzbruderschaft allerdings stünde uneingeschränkt allen offen. Dabei seien die Ärmsten und ‚Verächtetsten‘ sogar ganz besonders willkommen, immerhin würde ihr Gebet doch entsprechend der Heiligen Schrift von Gott gefälliger gehört.19 Sprenger äußert sich hier also vornehmlich über das Ansinnen der Bruderschaft, auf das im folgenden Kapitel gesondert eingegangen werden soll. Obschon die Schrift insgesamt der Schilderung weiterer Hintergründe entbehrt, treffen wir dennoch bereits auf den Kaiser. In Punkt acht kommt der Autor auf die Bestätigung der Rosenkranzbruderschaft durch den päpstlichen Legaten Alexander Numai, den Bischof von Forlí, zu sprechen. Ausschlaggebend für selbige sei das Bemühen Kaiser Friedrichs III. gewesen (von vleissigens gebets wegen des aller unüberwüntperlichisten unsers aller genädigisten herrnn keyser Fridrichs beweret, bestettiget mit einem offen brieve).20 Die von Numai tatsächlich am 10. März 1476 in Köln ausgestellte Urkunde bestätigt diese Protektion.21 Darüber hinaus enthält der Basler Druck einen beachtenswerten kolorierten Holzschnitt (siehe Abb. 8). Dargestellt ist Maria als Himmelskönigin sitzend auf einem Thron. In der linken Hand hält sie einen Rosenkranz, der ihr von einer im

19 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 508 f.): In der ere der werden mutter und unvermälgeten iunkfrawen Marie, hab ich bruder Jacob Sprenger, doctor der heyligen geschrifft und prior des grossen convents Prediger ordens zu Kölen, in dem finffundsibenczigisten iar an dem tag Unser Frawen geburt ernewert und wider aufgericht das alt herkommen gebet der rosen krentz Unser Lieben Frawen. So aber aigner nutz den menschen fleissiger macht dann ein nutz in der gemain, hat mich kommenlich und gut gedeücht, das in einer söllichen bruderschafft zu ennden, die da lautter und gantz stee auff der geystlichen gab des gebetes, das ein mensch dargibt auß miltikeyt des selbfliessenden geystes Cristi allczeitlich gab und güter und dise bruderschafft verrhindan geschlossen, wann also mügent die armen, dürfftigen und verschmächten mentschen in diser schalckhafftigen wellt den reychen auch geleych werden. Es seind vil bruderschafft in der cristenheyt, der dhein [sc. kein] armer mensch teylhafftig kan werden, in besunder wann er des gelltes nicht hat [...]. Aber in diser unser bruderschaffte wird dheinem [sc. keinem] menschen der weg verhalten [...]. – Siehe dazu dann Kap. 4.2. 20 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 516). SCHMIDT, Entstehung der Rosenkranzbruderschaft, S. 55, schreibt fälschlich, in den Statuten würde stehen, „dass der Legat eine offizielle Bestätigung der Bruderschaft durch Kaiser Friedrich III. erhalten habe.“ 21 ASSOP, Bd. 2, T. 3, Nr. 120 (S. 588): [...] piis supplicationibus Serenissimi Romani Imperatoris Frederici III semper Augusti super hoc inclinati praeteactam Fraternitatem auctoritate Apostolica nobis specialiter concessa approbamus, confirmamus, et ratificamus.

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Harnisch gekleideten Person gereicht wird. Anhand der Krone und durch das Reichsbanner, auf dem der seit 1433 verwendete doppelköpfige Adler abgebildet ist, kann diese Person eindeutig als Friedrich III. identifiziert werden. Beide, der Kaiser und die Gottesmutter, scheinen einander anzublicken. Mit der Rechten hält Maria das auf ihrem Schoß sitzende Jesuskind, das ebenfalls einen Rosenkranz übergeben bekommt; und zwar von einer Person, die wohl auf Alexander Numai hindeuten soll. Der Galero und das in der linken Hand gehaltene Vortragekreuz lassen diesen Schluss zu. Hinter beiden stehen zusätzliche Vertreter der geistlichen beziehungsweise weltlichen Seite. Der thronenden Maria zu Füßen knien abermals vier Menschen, ihr allesamt in gleicher Weise einen Rosenkranz darbietend. Ganz links ist ein Mann abgebildet, der eine bodenlange schwarze Cappa sowie ein gleichfarbiges Birett als Kopfbedeckung trägt. Hiermit dürfte Jakob Sprenger gemeint sein.22 In den 1476 in Augsburg gedruckten Statuten findet sich dieser Holzschnitt – anders als Siegfried Schmidt es schreibt – hingegen nicht.23 Erst die im darauffolgenden Jahr herausgebrachte zweite Auflage bringt ihn inhaltlich identisch, jedoch ohne Kolorierung.24 Es zeigt sich somit, dass die Verbindung zwischen der Rosenkranzbruderschaft (respektive der Rosenkranzfrömmigkeit) und dem Kaiser schon mit den frühesten Quellen auch auf der visuellen Ebene transportiert wurde. Saffrey konstatiert hinsichtlich der Bildaussage: „Tous ces personnages personnifient les premiers acteurs de la fondation de la Confrérie de Cologne [...].“25 Diese Einschätzung ist zutreffend. Aufgrund ihres Handelns können, nein müssen Friedrich III. und Alexander Numai unweigerlich als an der Bruderschaftsgründung beteiligte „Akteure“ charakterisiert werden. Die von Ersterem befürwortete (vielleicht erwirkte) und Letzterem ausgefertigte Approbation vermochte der jungen Korporation eine grundlegende und wichtige Legitimation zu verschaffen. Thomas Frank hat sich unter anderem 2005 am Beispiel italienischer Bruderschaften anschaulich zu diesem Sachverhalt geäußert und aufgezeigt, dass selbige „immer wieder gezwungen waren, nach Legitimationsgründen zu suchen, weil ihr Status stets um-

22 UBB, FP VII2 8:5. – Vgl. auch SAFFREY, La fondation, S. 157. Demgegenüber erklärt KOEGLER, Basler Inkunabel-Holzschnitte, S. 17, bei der Person linksseitig handele es sich um den heiligen Dominikus. Dafür sprechen allerdings weder die äußeren Merkmale (so fehlen bspw. die typischen ikonographischen Heiligenattribute) noch die Verknüpfung des Holzschnittes zur Gründungsgeschichte resp. zum Gründungsnarrativ der Rosenkranzbruderschaft. Das Birett ist als Hinweis auf die Doktorwürde Sprengers (siehe dazu auch Anm. 19 auf S. 99) zu lesen. – Zur Identifikation der Personen (hier vor allem bezogen auf Jakob Sprenger) sei ergänzend auf die Studie von HÜLSEN-ESCH, Gelehrte im Bild, verwiesen. 23 Siehe BSB, 4 Inc.c.a. 88, und vgl. SCHMIDT, Entstehung der Rosenkranzbruderschaft, S. 55. 24 Siehe SBBa, 22/JH.Inc.typ.IV.337, bzw. als ein weiteres Exemplar EDDK, Inc.a.0150. – Vgl. auch MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 507), sowie ergänzend SCHRAMM, Bilderschmuck der Frühdrucke, S. 16. SAFFREY, La fondation, S. 156, der das Fehlen des Holzschnittes in der ersten Ausgabe ebenfalls korrekt benennt, erklärt darüber hinaus, dass unterschiedliche Hölzer verwendet wurden und auch die Maße der Holzschnitte voneinander abweichen. 25 SAFFREY, La fondation, S. 157.

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stritten war.“26 Fernerhin wird ebenfalls der Prestigefaktor nicht zu unterschätzen sein. Ein Punkt, auf den im Folgenden noch einmal zurückzukommen ist. Kapitel 4.3.1 wird darüber hinausgehend dokumentieren, dass noch ein weiterer zentraler Akteur benannt werden muss: Michael Francisci, der Konventsbruder Jakob Sprengers. Er war es auch, der am 20. Dezember 1475 an der Kölner Universität (in scholis artium) den Fragen der Gelehrten Rede und Antwort stand und damit einhergehend die Gründung und Konzeption der Rosenkranzbruderschaft erläutert sowie verteidigt hat.27 Wenden wir uns an dieser Stelle der verschriftlichten Form der Disputation, dem Quodlibet de veritate fraternitatis rosarii seu psalterii beatae Mariae virginis, zu. Bezogen auf den Inhalt handelt es sich um die Ausführungen von Francisci (nicht um die Fragen der anderen). Daher ist im Prolog von der determinatio die Rede.28 Aus dem Kolophon ist zu erfahren, dass der Text 1480 bei Arnold ter Hoernen († 1483/1484) in Köln gedruckt wurde. Wie oben bemerkt, erschien zuvor aber bereits eine erste Fassung, vermutlich 1476.29 Im Rahmen dieses Kapitels ist von Belang, was über die Entstehungshintergründe gesagt wird. In der früheren Ausgabe heißt es, die Rosenkranzbruderschaft sei von Jakob Sprenger im Jahr 1475 mit der hauptsächlichen Absicht gegründet worden, die Verehrung der heiligen Jungfrau durch das Volk zu steigern und so nicht zuletzt den Beschwernissen der Zeit entgegenzuwirken.30 Ob die Formulierung tribulationibus tunc auf die Bedrohungslage um Köln herum anspielt, muss – wenngleich im Bereich des Möglichen – offen bleiben. Auf der letzten Seite ist schließlich die von Alexander Numai ausgestellte Approbationsurkunde zu finden. Schon im Textverlauf wird zuvor erwähnt, dass der päpstliche Legat in Gegenwart des Kaisers die Rosenkranzbruderschaft bestätigt und selbst demütig darum gebeten habe, in sie eingeschrieben zu werden (Non caruit autem, quia ad instantiam serenissimi imperatoris Friderici hanc legatus, qui tunc erat Coloniae, approbavit et in ea inscribi humiliter petiit ac voluit [...]).31 Das in den Statuten und von Numai benannte Bemühen des Kaisers um die Bestätigung wird dabei aber nicht ins Feld geführt. Dafür treten zwei neue Informationen hinzu: Die Anwesenheit Friedrichs III. im Rahmen der Ap-

26 FRANK, Bruderschaften, Memoria und Recht, S. 335. Vgl. u. a. auch PRIETZEL, Kalande Niedersachsen, S. 425 ff., der ausführt, dass bspw. das bruderschaftliche Mahl ein häufiger Kritikpunkt war. 27 Vgl. SCHEEBEN, Quodlibet, S. 107 f. 28 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 137. Vgl. dazu auch HOYE, Methode der Quaestio, hier bes. S. 168 f. 29 Vgl. SCHEEBEN, Quodlibet, S. 107 f. 30 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 100: Nota quod haec fraternitatis, de qua est sermo, instituta fuit Coloniae, immo potius renovata, in conventu Praedicatorum a. d. MCCCCLXXV a priore eiusden conventus fratre Iacobo Sprengher, conventus Basiliensis, sacrae theologiae professore, cuius principalis intendo fuit, ut populus devotius et frequentibus beatam virginem salutaret atque eam in suis tribulationibus tunc occurrentibus invocaret. 31 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 104.

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probation sowie das Verlangen nach Aufnahme in die Gemeinschaft von Seiten des Bischofs von Forlí. Dieser Wunsch lässt sich anhand des Wortlauts in der von Numai ausgestellten Urkunde verifizieren (in quam [sc. die Rosenkranzbruderschaft] recipi atque inscribi voluimus atque petivimus [...]).32 Was die Gegenwart des Kaisers anbelangt, ist dagegen Vorsicht geboten: Die Approbationsurkunde datiert auf den 10. März 1476, ausgestellt in Köln.33 Nehmen wir diesen Tag als den Vollzug der Bestätigung, kann Friedrich III. nicht teilgenommen haben. Anhand der „Regesta Imperii“ ist zu belegen, dass er sich zwischen dem 2. und 13. März 1476 in Wiener Neustadt (südlich von Wien) aufhielt.34 Aegidius Gelenius schreibt, Alexander Numai hätte die Rosenkranzbruderschaft auf Bitten des Kaisers bereits am 8. September 1475 im Rahmen der Gründungszeremonie bestätigt.35 Das widerspricht aber klar den Informationen, die der Urkundentext enthält. Davon abgesehen erscheint es als fraglich, dass das Ersuchen um die Approbation durch den Kaiser und deren Ausführung durch Alexander Numai sechs Monate auseinanderliegen, wenn beide doch im Rahmen der Belagerung von Neuss vor Ort waren. Im Oktober 1475 allerdings brach Friedrich III. aus Köln auf und ist dann in dem relevanten Zeitraum nicht mehr in der Stadt präsent.36 Anders hingegen liest sich der spätere, offizielle Druck. Michael Francisci schildert hierin ausführlich die Gründungsumstände und berichtet: 1475 wurde die bekannte Stadt Neuss am Rhein von Karl dem Kühnen, dem Herzog von Burgund, belagert. Für die Bürger der heiligen Stadt Köln stellte dies eine große Gefahr dar, weshalb sie sich mit Waffen und anderem Notwendigem ausstatteten. Gleichzeitig riefen sie ihre Patrone an, so die Heiligen Drei Könige, die heilige Ursula mitsamt ihren Gefährtinnen und besonders die Jungfrau Maria. Unter ihnen war auch ein bedeutender Eiferer der Jungfrau (virginis zelator), der Professor der Theologie und Prior des hiesigen Dominikanerkonvents (Jakob Sprenger). In völliger Hingabe an sie ersann und gelobte er demütig und fromm (humiliter et devote concepit et spopondit), eine Marienbruderschaft zu gründen und die ehrwürdige, für eine Zeit in Vergessenheit geratene Verehrung des Rosenkranzes zu erneuern, auf dass sie (Maria) die Stadt Köln vor den gegenwärtigen Gefahren beschützen und bewahren wolle. Unvermittelt geschah dann die wunderbare Sache, dass es, wo gerade noch ein großes Blutvergießen befürchtet wurde, plötzlich infolge des Rückzugs des

32 ASSOP, Bd. 2, T. 3, Nr. 120 (S. 588). 33 ASSOP, Bd. 2, T. 3, Nr. 120 (S. 589): Datum Coloniae anno Incarnationis Dominicae MCCCCLXXVI, indicatione nona, die vero decima mensis martii [...]. 34 Vgl. dazu die Abfrage der Urkunden-Datenbank der Regesta Imperii: http://f3.regesta-imperii. de/jahr.php?jahr=1476&monat=3 [zuletzt abgerufen: 26.05.2019]. 35 AEGIDIUS GELENIUS, De Admiranda Coloniae, Bd. 4, S. 467: [...] patratis ordine sacris Imperator ad Nuncium Apostolicum conversus petiuit, nomine totius confraternitatis praesentium et absentium, authoritate eam Apostolica datis desuper litteris solemniter approbari, quod et fecit Legatus [...]. 36 Vgl. CHMEL (Bearb.), Regesta Friderici III., S. 679 f.

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Fürsten (Karls des Kühnen) zu einer großen Hoffnung auf einen bevorstehenden Frieden kam; nicht ohne die Hilfe der Jungfrau und der Heiligen. Aus Dankbarkeit führte der Prior nach dem Ratschlag der Magister und Mitbrüder seines Konvents sowie durch die Bitten und Wünsche vieler Kölner Bürger aus, was er sich vorgenommen hatte. Am Fest Mariä Geburt richtete er zum Lob und zur Ehre der Jungfrau Maria und für die geistliche Erbauung der Menschen die genannte Bruderschaft ein. Bald darauf ließ er sie durch den apostolischen Stuhl bestätigen und mit vielen Ablässen ausstatten.37 Die explizit benannte Verbindung zwischen der Gründung der Rosenkranzbruderschaft und der Belagerung von Neuss ist hier mithin erstmalig zu greifen. Sie findet sich fernerhin in der um 1480 in Form eines Einblattdruckes publizierten Kurzfassung, der Determinatio abbreviata de veritate fraternitatis rosarii sive psalterii beate Marie virginis.38 Der Wortlaut birgt allerdings eine Differenz. Es wird berichtet, dass Jakob Sprenger die Bruderschaft bereits gegründet hat (instituit atque [...] incepit), um den Schutz der Jungfrau Maria zu gewinnen. Demnach wäre die Kausalität eine andere,

37 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 140 f.: De primo igitur nota quod anno domini M CCCC LXXV, illo videlicet tempore, quo Carolus, Burgundionum dux, Nyssiam, insigne Rheni oppidum, obsidebat, videntes sanctae civitatis Coloniensis cives periculum sibi non parvum immenere, nisi quam citius de remedio providerent opportuno, nedum armis et ceteris necessariis munierunt, sed et suos invocantes patronos, reges videlicet, martyres ac virgines et praecipue piisimam dei matrem virginem dico Mariam, maestorum consolatricem, ad orationis praesidium confugerunt. Inter hos autem quidam non parvus eiusdem virginis zelator, sacrae theologiae professor ac in conventu Praedicatorum eiusdem civitatis tunc prior, ad ipsam virginem Mariam se totum conferens, fraternitatem de ea instituere et devotionem illam antiquam de eiusdem virginis rosario, pro parte abolitam, renovare, ut ipsa virgo praedictam civitatem a periculis tunc imminentibus protegere et praeservare dignaretur, humiliter et devote concepit et spopondit. Mira res, sed non impossibilis ei, de cuius plenitudine accipiunt universi, nam ubi tunc magna sanguinis effusio timebatur, subito non sine virginis et sanctorum auxilio magna spes futurae pacis, recedente cum tranquillitate principe, supervenit. Cuius rei gratia, ne ingratitudinis mater oblivio misericordiae et pietatis fontem scaturientem exsiccaret et ut ipsa virgo in eiusdem populi protectione et custodia amplius perseveraret, idem praenominatus prior de consilio magistrorum et patrum sui conventus ad precesque et vota multarum utriusque sexus eiusdem civitatis devotarum personarum, quod conceperat, adimplevit atque praefatam fraternitatem certis sub limitibus, de quibus immediate dicetur, instituens, eam in festo nativitatis beatae virginis Mariae eiusdem anni ad laudem et gloriam ipsius virginis necnon et multorum aedificationem publicari et postmodum approbari per sedem apostolicam dotarique multis indulgentiis fecit et procuravit, ut magis infra patebit, quamvis tamen approbatione non eguerit, ut ex prima materia satis patuit. 38 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.2 (S. 519): De primo notandum, quod anno domini M CCCC LXXV, quando Karolus dux Burgundiorum Nussye, oppdium Coloniensis dyocesis, obsidebat, cives et incole Colonienses propter imminentia sibi et suis pericula deum et sanctos patronos suos sedule pro auxilio implorabant. Inter hos prior fratrum Predicatorum, sacre theologie professor, fraternitatem de rosario diu abolitam cum consensu fratrum suorum instituit atque in die Nativitatis eiusdem virginis incepit, ut ipsa beata virgo civitatem Coloniensem protegere ac pro ecclesia di intercedere dignaretur, quam postmodum approbari per sedem apostolicam dotarique multis indulgencijs fecit et procuravit, ut infra patebit, quamvis approbacione non eguerit.

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denn oben war zuerst von dem Gelöbnis die Rede (spopondit). Das Ereignis der Einrichtung ist aber ebenfalls auf den 8. September 1475 datiert, folglich auf den Zeitpunkt, an dem die Gefahr längst abgewendet war.39 Erklären ließe sich dieser Unterschied möglicherweise durch den stark reduzierten Umfang der Darstellung. Die den Worten inhärente Botschaft ist in beiden Fällen die Gleiche: Frömmigkeit als Schlachtenhilfe.40 Über die Approbation in Gegenwart des Kaisers sowie das Begehren Alexander Numais nach Aufnahme in die Rosenkranzbruderschaft informieren wiederum beide Texte, jedoch erst an späterer Stelle.41 Das Quodlibet druckt ebenfalls die Urkunde des Bischofs von Forlí ab. Erst aus deren Wortlaut ist dann von der Befürwortung der Bestätigung durch Friedrich III. zu lesen. Bezogen auf diesen Punkt sind die erste und zweite Ausgabe somit vergleichbar.42 Heribert Christian Scheeben notiert, dass Marcus von Weida 1514 die Schilderung der Gründungsumstände inhaltlich genau von Francisci übernommen habe.43 Was den gerade wiedergegebenen Bericht anbelangt, stimmt diese Aussage.44 Während Francisci jedoch seine Ausführungen mit dem Hinweis auf die päpstliche Approbation und die Ausstattung mit diversen Ablässen abschließt und erst im Vorfeld der Urkundenkopien auf die Anwesenheit des Kaisers zu sprechen kommt, heißt es bei Marcus von Weida unmittelbar anknüpfend: Dises thun ist auch an den allerdurchlauchtigsten fursten und hern, hern Friderich, romischen keiser den dritten des namens, ertzhertzogen tzu osterreich etc. gros loblicher gedechtnus getragen. Der hat es nicht alleine gelobet, sondern er hat sich auch in dise bruderschafft mit allen fursten und hoffdynern des merern teils, die er die tzeit tzu Collen bey sich gehabt, demuticklich einschreiben lassen und die gehalten. Und sonderlich hat der selbe keiser Friderich anno viertzen hundert lxxvi am x tage des monden marcii in eigner person den erwirdigsten in got vatter und hern, hern Alexander, bischoff tzu Forlivien bebstlichen legaten durch alle deutzsche lant mit voller gewalt etc., der des mal tzu Collen gewest, gutlich gebethen, solche bruderschafft aus bebstlicher gewalt tzu bestetigen. Das dann von ym gescheen, wie wol es nicht von noten gewest. Der selbe legat Allerander [sic] hat auch gebethen, sich selber in dise bruderschafft an tzu nemen und mit namen eintzuschreiben, wie die bulle seiner bestetigung aussaget.45

39 Vgl. METZDORF, Belagerung von Neuss, S. 185. – Siehe dazu auch weiter unten. 40 Vgl. zu dem Themenkomplex bes. GRAUS, Der Heilige als Schlachtenhelfer, sowie SCHREINER (Hg.), Märtyrer, Schlachtenhelfer. Eine überlieferungsgeschichtlich interessante und neuere Einzelstudie bietet BÜNZ, Barbara als Schlachtenhelferin. 41 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 148: Facit etiam ad huius fraternitatis dignitatem quoad causam efficientem, quod ipsa primo eodem anno institutionis suae ad instantiam serenissimi Romanorum imperatoris Frederici III, tunc praesentis in Coloniae, atque dicti prioris Coloniensis per dominum Alexandrum, Forliviensem episcopum, per Alemanniam legatum et tunc in Colonia praesentem, qui etiam in ea petiit inscribi humiliter [...]. MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.2 (S. 521 f.), mit einer ähnlichen Diktion. 42 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 148 f. 43 Vgl. SCHEEBEN, Quodlibet, S. 115. 44 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 20r–21v. 45 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 21v–22r.

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Vorangestellt ist dem Kapitel ein Holzschnitt (siehe Abb. 9). Dargestellt ist auf der rechten Seite eine Gruppe Dominikaner (charakteristisch der weiße Habit, die schwarze Cappa und die Tonsur), deren Kopf- und Handhaltung den Eindruck eines Gesprächs über das vermittelt, was vor ihnen stattfindet. Dort kniet einer der Brüder, nämlich Jakob Sprenger, vor einer linksseitig positionierten Personengruppe. Mittig steht ein Kardinal. Er trägt einen – in dem kolorierten Druck zu sehen: roten – Talar, anscheinend auch eine Mozetta und den Galero. In seiner linken Hand hält er eine zusammengefaltete Urkunde mit zwei an Presseln hängenden Siegeln, in seiner Rechten einen Stab mit Patriarchenkreuz. Es handelt sich bei dieser Person fraglos um Alexander Numai. Ihm zur Linken ist Friedrich III. abgebildet, eindeutig erkennbar an der Krone. Während sein Blick auf den päpstlichen Legaten gerichtet ist, weist er mit der linken Hand auf den vor ihnen knienden Jakob Sprenger. Dessen Augen scheinen auf den Kaiser gerichtet, seine Handhaltung lässt ihn als ‚aktiv‘ (augenscheinlich erklärend) erkennen. Das Bild soll folglich das kaiserliche Bemühen um Bestätigung der neu gegründeten Rosenkranzbruderschaft sowie den Moment der Approbation im Beisein Friedrichs III. inklusive einer hinter ihnen anwesenden Öffentlichkeit visualisieren. Ein beachtliches, nachgerade prestigeträchtiges ‚Statement‘. Nur kann sich dieses Ereignis – wenn überhaupt – so nicht am 10. März 1476 zugetragen haben. Wir sehen: Die Aussagen über den Vorgang der Bestätigung sind hier bereits weiter amalgamiert. Während die beiden Fassungen des Quodlibet zunächst allein von der Anwesenheit Friedrichs III. bei der Approbation schreiben (ohne dabei ein Datum klar zu benennen), terminiert Marcus von Weida das kaiserliche Ersuchen auf den 10. März 1476. Er setzt also Bitte und Durchführung auf den gleichen Tag. Basierend auf den oben genannten Aufenthaltsdaten muss dies als nachträgliche Vermischung charakterisiert werden. Die Annahme, dass die Bestätigung beispielsweise im Rahmen der Gründung der Rosenkranzbruderschaft stattfand und Alexander Numai die Urkunde dann erst sechs Monate später ausgefertigt hat, erscheint – wie geschrieben – fragwürdig. Abgesehen davon ist noch einmal eine neue Information dazu getreten: Friedrich III. soll außerdem, wie die anderen, in Köln versammelten Fürsten, um Aufnahme in die Bruderschaft gebeten haben. Allerdings wird eindeutig nicht von der eigenhändigen Eintragung berichtet; auch spielten Eleonore und Maximilian bisher keine Rolle. Der Bruderschaftsspiegel veranschaulicht darüber hinaus, wie das Gründungsnarrativ selbst innerhalb einer Quelle variieren konnte. Im Vorfeld der gerade zitierten Passage aus dem zweiten Kapitel ist wie bei Michael Francisci davon die Rede, dass sich der Kölner Prior mit vielen Gelehrten und geistlichen Würdenträgern über die Einrichtung der Rosenkranzbruderschaft beratschlagt hätte. Daraufhin sei es dann zur Gründung gekommen, über die auch Friedrich III. unterrichtet worden sei.46 Der

46 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 21v–22r: Und ist also dise lobliche bruderschafft des rosenkrantz Marie mit tzeitigem rathe vil gelerter und namhafftiger prelaten und

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Kaiser wäre demnach frühestens ab dem Punkt der Gründung involviert gewesen, dem Wortlaut folgend sogar erst im Anschluss. In Kapitel sieben hingegen, in dem Marcus von Weida noch einmal auf die Intention Sprengers zu sprechen kommt, heißt es dann: Derhalben er [sc. Sprenger] mit tzeitigem rath hern Friderichen, romischen keisers etc. hochloblicher gedechtnus und anderer prelaten und hern im aller besten funden [...].47 Nunmehr ist Friedrich III. sogar unmittelbar in die Phase der Konzeption eingebunden. Von Relevanz ist schließlich ein Blick in die 1480 gedruckten venezianischen Statuten. Diese sind wie die Kölner Ordnung kurz gehalten und lesen sich wie eine Übersetzung des Sprengerschen Textes. Die Einleitung beginnt analog in der IchForm und informiert über die Gründung der Rosenkranzbruderschaft am 8. September 1475 (Io frate Iacobo Sprenger [...] ho renovato e instituido lantiqua fraternitade dimandata del rosario over [sc. ovvero] psalterio de la gloriosa verzene [sc. vergine] Maria).48 Im Anschluss an die Schilderung der Gründungsintention (inhaltlich ebenfalls gleich) lesen wir allerdings: Die Vereinigung sei in dem genannten Jahr und dem genannten Tag (ergo am 8. September 1475) durch Alexander Numai vor Kaiser Friedrich III. (davanti el serenissimo imperatore) sowie vor vielen Erzbischöfen, Bischöfen und Einwohnern Kölns in der Kirche der Dominikaner mit päpstlicher Autorität bestätigt worden.49 Hier wurden mithin die Einrichtung und die Approbation auf einen Tag vereint; und wir lesen das erste Mal von der Teilnahme zahlreicher ‚Reichsgrößen‘ und einer Öffentlichkeit an der Gründung. Auf die spätmittelalterlichen Schriftquellen nördlich der Alpen scheint diese Information keinen Einfluss genommen zu haben (siehe dazu auch weiter unten). Anhand des Beispiels lässt sich allerdings eindeutig Siegfried Schmidt widersprechen, der in seinem Beitrag formuliert hat, es gäbe keine „frühen schriftlichen Zeugnisse“ für die von Aegidius Gelenius referierte Aussage, die „Bruderschaft sei bereits am 8.9.1475 päpstlich approbiert worden.“50 Aus dem bisher Geschriebenen lässt sich konstatieren: Die Gründung der Rosenkranzbruderschaft wird in den ‚eigenen‘ Schriften einheitlich auf den 8. September 1475 datiert. Alle angeführten Quellen informieren darüber hinaus über die

anderer leuthe in dem namen des hern am tage der geburt Marie der werden mutter gots, als man gesrhriben [sic] hat tausent vierhundert unnd in dem funff und sibentzigsten iare, am ersten tzu Collen offentlich von der cantzel vorkundiget, auffgerichtet, angefangen und vornawet worden. Dises thun ist auch an den allerdurchlauchtigsten fursten und hern, hern Friderich [...] getragen. 47 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 52r. 48 BnF, D-80070, unpag. 49 BnF, D-80070, unpag: La quale fraternitade ne lanno e zorno predicto el reverendissimo padremisser Alexandro episcopo Forliviensi legato de la tere per tutta la alemania cum plena auctoritade apostolica davanti el serenissimo imperatore Frederico iii semper augusto e molti archiepiscopi, episcopi, abbati, principi e zentilomeni populo Coloniese ne la chiesa di frati predicatori approbo, confirmo e ratifico cum auctoritade [...]. 50 SCHMIDT, Entstehung der Rosenkranzbruderschaft, S. 57 f.

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Bestätigung der Korporation durch den Bischof von Forlí. Abgesehen von den Statuten (Köln und Venedig) und der Determinatio abbreviata ist der Wortlaut der Urkunde jeweils enthalten. Dass der Approbation die Befürwortung des Kaisers zugrunde lag, erwähnen die Kölner Statuten und Marcus von Weida unmittelbar. In beiden Fassungen des Quodlibet kann dem ebenfalls nachgespürt werden, doch muss dazu der Urkundentext selbst gelesen werden. Dagegen findet sich bei Francisci die Aussage, die Bestätigung sei in Gegenwart Friedrichs III. erfolgt. Marcus von Weida hat dies übernommen, und auch die venezianischen Statuten enthalten diese Information. Die von Marcus genannte Datierung entspricht dem Ausstellungsdatum der Urkunde. Was den Zeitpunkt der Approbation anbelangt, kann Friedrich III. nicht anwesend gewesen sein, selbst bei einem signifikant ausgedehnten Zeitfenster. Dass die Bestätigung schon am 8. September 1475 erfolgt ist, wie es vor Gelenius lediglich in dem venezianischen Text heißt, dementiert die vorliegende Urkunde. Marcus von Weida scheint überdies der erste zu sein, der davon schreibt, der Kaiser und zahlreiche Fürsten hätten um die Einschreibung in die Rosenkranzbruderschaft gebeten. Sowohl in der ersten als auch in der zweiten Ausgabe des Quodlibet wurde allein das Aufnahmebegehren Alexander Numais kommuniziert. Die Bedrohung durch Karl den Kühnen als Stimulans für die Einrichtung der Rosenkranzbruderschaft benennt zuerst Michael Francisci 1480 unmittelbar.51 Richten wir den Blick exkursartig auf die politische Bühne und beziehen einige kontrastierende Quellen mit ein. Die Belagerung der Stadt Neuss ist historisch verbürgt. Sie war zentraler Bestandteil, ja Kulminationspunkt der sogenannten Kölner Stiftsfehde und gehört außerdem in die Anfangszeit der „Burgunderkriege“.52 Jens Metzdorf charakterisiert die Belagerung als eine der „bemerkenswertesten des ausgehenden Mittelalters“ und konstatiert: „Europa sah 1474 auf die alte kurkölnische Stadt Neuss am Rhein.“53 Der Hintergrund für die Stiftsfehde war die Absetzung des Kölner Erzbischofs und Kurfürsten Ruprecht von der Pfalz († 1480), Bruder des Kurfürsten Friedrich I. von der Pfalz († 1476), durch die Landstände im Jahr 1473. Als Hauptmann und Beschirmer des Erzbistums wurde der Kölner Domherr Hermann von Hessen († 1508) eingesetzt. Der seines Amtes enthobene Ruprecht reagierte hierauf, indem er Karl den Kühnen zum Stiftsvogt ernannte, um durch ihn die Ordnung wiederherstellen zu lassen. Dem expansionsbestrebten Herzog von Burgund kam dieser reichsinterne Konflikt durchaus entgegen. Nachdem es im Juni 1474 mit dem französischen König Ludwig XI. († 1483) zu einem Waffenstillstand gekommen

51 Insofern muss auch die von HERBORN/DIETMAR, Köln im Spätmittelalter, S. 330, getroffene Aussage, wonach es Jakob Sprenger gewesen sei, der im Anschluss an die Aufhebung der Belagerung von Neuss behauptete, allein die Gebete u. a. zur Gottesmutter hätten diesen positiven Ausgang bewirkt, in Anbetracht der Quellen als ungenau bezeichnet werden. 52 Siehe dazu BOOCKMANN/DORMEIER, Kirchen- und Reichsreform, S. 115–120, sowie LEUKEL, „all welt“, hier bes. S. 95–132. 53 METZDORF, Belagerung von Neuss, S. 167 (beide Zitate ebd.).

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war, begann er den Feldzug gegen Kurköln. Im Fokus stand dabei zuerst Neuss, in das sich Hermann von Hessen zurückgezogen hatte. Am 21. Juli brach Karl der Kühne mit seinem Heer auf, am 29. Juli wurden die Truppen vom Turm des Quirinusmünsters aus gesichtet, und am 30. Juli 1474 schließlich setzte die Einkreisung und Belagerung von Neuss, die fast ein Jahr währen sollte, ein.54 Kaiser Friedrich III., der als Folge dieser Aggression gemeinsam mit den Reichsständen dem Herzog von Burgund den Reichskrieg erklärt hatte, beauftragte die beiden Kurfürsten Albrecht Achilles von Brandenburg († 1486) und Erzbischof Adolf II. von Nassau-Wiesbaden-Idstein († 1475) ein Programm zur Aufstellung eines Reichsheeres zu entwerfen. Die einzelnen Etappen können unter anderem bei Metzdorf nachgelesen werden.55 Hartmut Boockmann und Heinrich Dormeier haben prägnant formuliert: „Es dauerte freilich eine ganze Weile, bis das mächtige Ersatzheer zusammengezogen war und sich unter der Führung des inzwischen 63-jährigen Kaisers im Mai 1475 dem Kriegsschauplatz näherte.“56 Eine große Schlacht zwischen beiden Parteien blieb allerdings aus. Der päpstliche Legat Alexander Numai, der am 26. April in Köln eingetroffenen war, konnte als Unterhändler eine Übereinkunft zwischen Friedrich III. und Karl dem Kühnen vermitteln.57 Er war es auch, der am 30. Mai Hermann von Hessen und den in Neuss Eingeschlossenen die Nachricht des Friedens überbrachte. Mit dem Abzug der Burgunder am 27. Juni 1475 war die elfmonatige Belagerung endgültig beendet.58 Die von Johann Koelhoff dem Jüngeren († 1502) verfasste Chronik der Stadt Köln, die sogenannte Koelhoffsche Chronik (1499), berichtet diesbezüglich: Item up sent Peters und Pauls dach quam der keyser mit synem heir wederumb zo Collen in. Die fursten und dye heren und der stede vrunde zoigen van stont heym.59 Demnach seien also am 29. Juni 1475 der Kaiser und das Reichsheer wieder in Köln eingezogen. Die Fürsten und anderen Unterstützer hätten daraufhin unmittelbar ihre Heimwege angetreten. Der zweite hierauf folgende Eintrag auf der nächsten Seite thematisiert die Gründung der Rosenkranzbruderschaft: In dem selven jair up unser liever vrauwen dach nativitatis wart angefangen tzo Coellen tzo den preitgeren die heylsame ind sere nutzliche broderschaff von dem rosenkrantz. Wye hoechlich die begifftiget sy mit genade ind aflais, wye oeberlich allen mynschen, dat wirt genoichsamlich uyssgeroiffen van den predikanten, vide folio cxlv.60

54 Vgl. METZDORF, Belagerung von Neuss, S. 168–173, sowie BOOCKMANN/DORMEIER, Kirchen- und Reichsreform, S. 117. 55 Vgl. METZDORF, Belagerung von Neuss, S. 171–180. 56 BOOCKMANN/DORMEIER, Kirchen- und Reichsreform, S. 118. 57 Vgl. METZDORF, Belagerung von Neuss, S. 185. Ausführlich zu Numai und seinen Verhandlungen mit Karl dem Kühnen siehe ERFLE, Alexander Numai, S. 43–60. 58 Vgl. METZDORF, Belagerung von Neuss, S. 186. 59 JOHANN KOELHOFF, Die Cronica van Coellen, Bl. 325v. 60 JOHANN KOELHOFF, Die Cronica van Coellen, Bl. 326r.

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Was Koelhoff benennt, sind einerseits die Einrichtung der Korporation am 8. September 1475 und den Ort selbiger (die Zugehörigkeit der Bruderschaft mit eingeschlossen), sowie andererseits das propagierte enorme Heilsangebot der Gemeinschaft. Nicht zur Sprache kommt dagegen eine Kausalität zwischen der Etablierung und der Belagerung von Neuss. Auch ein zeremonieller Festakt, gar unter Beteiligung des Kaisers und zahlreicher Fürsten, wie Aegidius Gelenius ihn in seinem Bericht schildert, ist nicht erwähnt – wie in keiner bisher untersuchten Quelle. Siegfried Schmidt aber schreibt, dass die Chronik Koelhoffs insofern einen Zusammenhang „in gewisser Weise“ herstellt, weil die Anwesenheit des Kaisers und die Gründung der Rosenkranzbruderschaft kurz hintereinander genannt werden.61 Allein aus dem Umstand der hintereinander mitgeteilten Ereignisse – innerhalb einer Chronik – auf eine Verbindung zu schließen, erweist sich als schwierig. Nüchtern betrachtet bestätigt der Text nur, dass die Rosenkranzbruderschaft am 8. September – um nicht immer von Gründung zu schreiben – in die Öffentlichkeit und damit in das kollektive Gedächtnis der Stadt getreten ist. Die Skepsis in Bezug auf das aufwendige Gründungsereignis steigert fernerhin die Aussage der Chronik, die Fürsten seien nach dem 29. Juni heimwärts gezogen. Die von Gelenius aufgerufene Liste der Teilnehmer hingegen imaginiert das Bild eines ‚roten Teppichs‘ des Reiches um 1500. Auf Kaiser Friedrich III. soll zuerst Adolf von Nassau-Wiesbaden-Idstein, der Erzbischof und Kurfürst von Mainz, in die Kölner Dominikanerkirche eingezogen sein.62 Er allerdings war zwei Tage zuvor, am 6. September 1475, in Eltville verstorben.63 Nach dem Erzbischof und Kurfürst von Trier, Johann von Baden († 1503), dem Fürstbischof von Eichstätt, Wilhelm von Reichenau († 1496), und weiteren prominenten Größen nennt Gelenius auch die beiden Wettiner Albrecht den Beherzten († 1500) und seinen Bruder Ernst († 1486). Dabei unterläuft ihm aber der Lapsus, Albrecht als Dux et Elector zu titulieren, obwohl die Kurwürde bei Ernst (hier nur Dux Saxoniae) lag.64 Wie in Kapitel 4.5.4 noch einmal genauer erläutert wird, war Herzog Albrecht zwar in der Tat im Rahmen der Unterstützung des Reichsheeres vor Ort (anders als sein Bruder), doch zog er unmittelbar nach dem Ende der Bedrohung ab und erreichte mit seinen Truppen schon am 14. Juli Weimar.65 Seine

61 SCHMIDT, Entstehung der Rosenkranzbruderschaft, S. 57: „Auch die Koelhoff’sche Chronik, [...] stellt einen Zusammenhang zwischen der Kölner Stiftsfehde und der Gründung der Rosenkranzbruderschaft 1475 in gewisser Weise her, da für dieses Jahr nacheinander folgende Ereignisse geschildert werden: Die Anwesenheit des Kaisers und seines Heeres in der Stadt Köln am Festtag Peter und Paul und der Abzug der Truppen nach der Aufgabe der Belagerung der Stadt Neuss durch Karl den Kühnen, die Zollfreiheit, die der Kaiser der Stadt Köln zum Ausgleich für den Schaden verlieh, [...] und die Gründung der Rosenkranzbruderschaft.“ 62 AEGIDIUS GELENIUS, De Admiranda Coloniae, Bd. 4, S. 467 (siehe das Zitat hier auf S. 95 in Anm. 1). 63 Vgl. BRÜCK, Art. Adolf II., S. 84 f. 64 AEGIDIUS GELENIUS, De Admiranda Coloniae, Bd. 4, S. 467 (siehe das Zitat hier auf S. 95 in Anm. 1). 65 Vgl. THIEME, Albrecht der Beherzte, S. 84.

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respektive ihre Teilnahme an dem Festakt ist also ebenfalls zu negieren. Allein diese beiden Stichproben zeigen, dass der feierliche Gründungstag, wie ihn Gelenius mitteilt, doch stark in Zweifel zu ziehen, wenn nicht sogar als in Gänze zurückzuweisen ist. Die von Marcus von Weida mitgeteilte Bitte um Aufnahme des Kaisers, seiner Familie und zahlreicher anderer Personen scheinen die frühneuzeitlichen Historiographen zu bestätigen. Johann Andreas Coppenstein beispielsweise zitiert in seiner Schrift De Fraternitatis SSmi Rosarii B. Virginis Mariae[.] Ortu, Progressu, Statu atque Praecellentia (1613) nach eigener Aussage aus dem Kölner Namensverzeichnis (Nomenclatura Fraternitatis solius Coloniensis) der Jahre zwischen 1475 und 1479.66 Angeführt wird die Liste von Kaiser Friedrich III., zu finden auf Folio 394 (Fridericus III Imperator Romanus fol 394). Anschließend folgen die Kaiserin Eleonore und Maximilian I., beide stünden ebenso auf Folio 394. Hier – und eben nicht in den spätmittelalterlichen Quellen – wird nun auch von der eigenhändigen Eintragung des Kaisers geschrieben.67 Auf die anderen prominenten Namen sei an dieser Stelle im Einzelnen nicht weiter eingegangen. Ein gravierendes Problem für die Überprüfung wurde bereits thematisiert: Das Namensbuch steht heute nicht mehr zur Verfügung. Stellen wir nun exemplarisch Friedrich III. als gewiss prominentestes Mitglied sowie Alexander Numai in den Mittelpunkt. Eine erste Beobachtung ist, dass der Bischof von Forlí in dem Exzerpt überhaupt keine Erwähnung findet. Zwar weißt Coppenstein darauf hin, er wolle mit seiner Aufzählung lediglich ein kleinen Beyspiegel absetzen, doch fällt dieser Umstand insofern auf, als dass Numai fraglos eine wichtige Rolle für die Etablierung der Rosenkranzbruderschaft gespielt hat.68 Was den Kaiser betrifft, lässt sich zunächst anhand der von Joseph Chmel bearbeiteten Reichsregistraturbücher sowie der online einsehbaren Urkunden-Datenbank zu Friedrich III. belegen, dass er sich im September 1475 in Köln aufhielt. Nicht unerheblich ist darüber hinaus, dass dem Kaiser eine ausgeprägte persönliche Frömmigkeit attestiert werden kann. Reinhard H. Gruber schreibt: „Friedrich war Mitglied in Bruderschaften und Gebetsgemeinschaften verschiedener Orden wie der Kartäuser, der Augustiner-Eremiten, Zisterzienser und Franziskaner.“69 Auch die Hinwendung an die Heiligen und die von ihnen ausgehende Protektion hat für ihn anscheinend eine große Rolle gespielt.70 Als ein für unsere Frage relevantes Beispiel kann das von Albert Haemmerle 1949 edierte Mitgliedsverzeichnis der St. Ulrichs-Bruderschaft aus Augsburg herangezogen werden. Darin finden sich Friedrich III. mit seiner Frau Eleonore und ihrem

66 JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis Rosarii Mariae, S. 376–378. 67 JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, Kurtzer Bericht, S. 65. 68 JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, Kurtzer Bericht, S. 65. 69 GRUBER, Frömmigkeit Friedrichs III., S. 243. Vgl. außerdem FENZL, Begräbnis Kaiser Friedrichs III., S. 73. 70 Vgl. GRUBER, Frömmigkeit Friedrichs III., S. 244.

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Sohn Maximilian I. eingetragen.71 Es ist also mindestens im Bereich des Möglichen, dass sich der Kaiser in die Rosenkranzbruderschaft aufnehmen ließ – wiewohl vermutlich unter weit unspektakuläreren Umständen. Vergrößern wir den Quellenradius abschließend um einige ‚externe‘ Schriften: 1494 erschien bei Konrad Kachelofen in Leipzig und 1495 bei Peter (von) Friedberg in Mainz der von dem Augustiner-Chorherren Johannes von Lambsheim verfasste Libellus perutilis de fraternitate sanctissima et Rosario beate marie virginis. Die in dem ersten Kapitel enthaltene Darstellung der Gründungsumstände entspricht nahezu wortgenau dem Text der Determinatio abbreviata Michael Franciscis. Einzig die Bemerkung, Jakob Sprenger habe die Korporation nicht allein im Ratschluss mit seinen Mitbrüdern, sondern auch unter Einbezug des gesamten Volkes (conhibentia [sic] totius populi) gegründet und erneuert (renovavit fehlt wiederum in der Determinatio abbreviata), ergänzt der Autor.72 Im Gegensatz dazu berichtet der anonym gebliebene, um 1500 von Johann Landen († 1521) in Köln herausgebrachte Liber fraternitatis rosacee corone ad honorem beatissime virginis marie lediglich, die Rosenkranzbruderschaft sei 1475 von höchst ehrenhaften Professoren der Theologie aus dem Kölner Dominikanerkonvent zur Ehre und zum Lob Gottes und der Gottesmutter sowie für das Heil vieler tausend Seelen erneuert worden.73 Es sticht heraus, dass hier erstmals die Einrichtung der Vereinigung nicht singulär auf Jakob Sprenger enggeführt wird. Damit bleibt das Buch dennoch kein Einzelfall. In dem im Jahr 1505 von Ulrich Pinder in Nürnberg gedruckten Der beschlossen gart des rosenkrantz marie heißt es in ähnlicher Weise: Darnach ward dye loblich bruderschafft des psalters Marie yn dem iar do man tzalt nach Cristi geburt tausent vierhundert und lxxv tzu Kolen von den prediger herren widerumb erneuert unnd gestifft [...].74 Die Belagerung von Neuss spielt in beiden Drucken keine Rolle. Der Liber fraternitatis rosacee erwähnt allerdings die Approbation durch Alexander Numai in Gegenwart des Kaisers.75

71 Vgl. HAEMMERLE (Hg.), St. Ulrichs-Bruderschaft, S. 15 und 18 f. 72 JOHANNES VON LAMBSHEIM, Libellus perutilis, Bl. 4r–4v: Pro institutione fraternitatis sciendum, quod anno domini mcccclxxv, quando Karolus dux burgundie nussiam oppidum coloniensis diocesis obsidebat, videntes cives et incole Coloniensis periculum sibi et suis imminere deum et sanctos patronos suos pro auxilio sedulo implorabant. Inter hos autem prior fratrum ordinis predicatorum predicte civitatis sacre theologie professor fraternitatem beate Marie virginis de rosario diu abolitam cum consensu et consilio magistrorum et fratrum sui conventus et conhibentia totius populi instituit atque in die nativitatis Marie virginis incepit ac renovavit, ut ipsa virgo civitatem Coloniensem protegere ac pro ecclesia dei intercedere dignaretur. – Siehe zum Textvergleich das Zitat auf S. 103 in Anm. 38. 73 Liber fraternitatis rosacee, Bl. A5r: [R]osacee corone fraternitas [...] anno domini mcccclxxv per nobilissimos sacre theologie professores ordinis predicatorum Colonie renovata est ad dei et sue genitricis gloriam et laudem et ad multorum milium animarum salutem. 74 Der beschlossen gart, Bl. 1v. 75 Liber fraternitatis rosacee, Bl. A5r: [A]nno domini millesimo quadrigentesimo septuagesimosexto ad instantiam serenissimi imperatoris Frederici tercii est hec fraternitas rosarii per dominum Alexandrum episcopem Forlimensem et legatum a latere confirmata [...].

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Zuletzt ist auf die bei Coppenstein und Gelenius zu lesende Angabe einzugehen, die Rosenkranzbruderschaft sei bereits 1474 begründet worden. Die bisher untersuchten zeitgenössischen Quellen haben kontinuierlich den 8. September 1475 als Datum der Einrichtung benannt. Indes informiert die Inschrift auf dem zwischen 1510 und 1515 entstandenen Retabel des Rosenkranzaltars in der Kölner Dominikanerkirche darüber, dass die Vereinigung im Jahr 1474 erneuert und mit sehr hohen Ablässen bedacht worden ist: ANNO 1474 IPSO CHRISTIFERAE VIRGINIS NATALI RENOVATA EST FRATERNITAS ROSARII ADMODUM INDULGENTIIS A DIVERSIS PONTIFICIBUS IN HOC ALTARI PRAEDOTATA.76

Die Ordnung der Rosenkranzbruderschaft aus Freiburg im Breisgau birgt eine Passage gleichen Inhalts: In dem ior unsers herren Jesu Christi vierhundert und vierentsibentzigtenn ist die lobliche bruoderschaft des rosenkrantz zu Köln durch die lerer der hailigen geschrifft prediger ordens zu aller grostem lob unnd untödtlicher ere Jesu Christi und der aller güetligsten junckfrawen Maria, seiner geliebten muotter, unnd zu hail und besserung viler menschen hailsamlich auffgesetzt. Jo warliger zu reden erneweret.77

Das Geschriebene bilanzierend möchte ich zu folgendem Fazit kommen: Der 8. September 1475 muss tatsächlich als das offizielle, nach außen getragene Gründungsdatum der Rosenkranzbruderschaft verstanden werden. Aus theologischer Perspektive ist die Auswahl des Festtages Mariä Geburt als Termin für die Einrichtung einer Korporation, die sich expressis verbis der Marienfrömmigkeit verschrieben hatte, evident und bedarf zweifelsohne keiner größeren Erklärung – wenngleich dies in der vorhandenen Forschung nirgends thematisiert worden ist. Wie oben skizziert, war die Bedrohung von Neuss Ende Juni 1475 abgewendet. Als Daten hätten somit zugleich der 2. Juli (Mariä Heimsuchung) oder der 15. August (Mariä Himmelfahrt) genutzt werden können. Die Anwesenheit des Kaisers in Köln wäre zu beiden Zeitpunkten gegeben gewesen.78 Doch ist es allen voran mit Blick auf die Symbolik nur stringent, die Vereinigung an Mariä Geburt offiziell ins Leben zu rufen. Die Inschrift auf dem Kölner Altarretabel sowie die einführende Bemerkung in den Statuten der Niederlassung aus Freiburg im Breisgau stellen zwei Indizien dar, die nahelegen, dass die Rosenkranzbruderschaft bereits früher, möglicherweise genau ein Jahr früher installiert worden ist. Ungeachtet des Umstandes, ob es 1474 faktisch zu einer (vielleicht ‚internen‘) Gründung gekommen ist, können wir mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Idee der Rosenkranzbruderschaft schon eher Einzug in den Kölner Dominikanerkonvent gefunden hat. Die zentrale Schnittstelle innerhalb dieses Ideentransfers dürfte Michael Francisci gewesen sein. Er kam An-

76 CLEMEN (Hg.), Kunstdenkmäler Köln, Bd. 1 Abt. 4, S. 79. 77 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch, Bl. 50v. 78 Vgl. CHMEL (Bearb.), Regesta Friderici III., S. 677 f.

4.1 Gründung und Gründungsmythos

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fang 1469 nach Köln und stand zuvor mit dem Dominikaner in Kontakt, der die erste derartige Gemeinschaft etabliert haben soll. Kapitel 4.3.1 wird sich ausführlich seiner Rolle und den Wurzeln der Bruderschaftskonzeption widmen. Das Öffentlichmachen der Gemeinschaft im Anschluss an die erfolgreich überstandene Belagerung von Neuss ist meiner Ansicht nach vornehmlich als ein strategischer Schachzug der Organisatoren zu bewerten. Besonders hervorzuheben ist die erwirkte Protektion Friedrichs III. Die Quellen schweigen zwar darüber, welche Gründe den Kaiser zu diesem Schritt veranlasst haben, doch drängt es sich auf, die Befürwortung der kirchlichen Approbation der Rosenkranzbruderschaft in der Tat der Dankbarkeit über den Abzug der burgundischen Truppen zuzuschreiben. In dem Zusammenhang ist es hilfreich, noch einmal seine ausgeprägte persönliche Frömmigkeit zu rekapitulieren. Reinhard Gruber, der nicht grundlos von Friedrich III. als „dem Frommen“ geschrieben hat, hat in seinem Beitrag unter anderem auf dessen besondere Verehrung der Gottesmutter Maria hingewiesen.79 Folglich kann es kaum verwundern, dass er in der Folge dieser ausgeprägten Krisensituation die Rosenkranzbruderschaft als eine offenkundig genuin marianische Korporation gefördert hat. Insofern erscheint zugleich sein Eintritt in die Vereinigung als denkbar. Die große Gründungszeremonie und die eigenhändige Einschreibung müssen dagegen als Narrative eingestuft werden, die später (in der Frühen Neuzeit) dazugekommen sind. Der Vergleich der Quellen hat aber gezeigt, dass die Gründungsgeschichte bereits in den ersten Jahrzehnten erweitert und variiert worden ist. Für die Rosenkranzbruderschaft selbst lag in dieser Unterstützung aber nicht nur eine wichtige Legitimation, sondern weit mehr noch ein eminentes soziales Kapital im Sinne Pierre Bourdieus, das darüber hinaus auch das symbolische Kapital der Vereinigung, das heißt, die Summe der gesellschaftlichen Anerkennung, elementar verstärkt haben dürfte.80 Anne Winston-Allen formuliert diesbezüglich treffend in ihrer Studie: „Although its premier member, Emperor Frederick III, lent prestige and credibility to the organization [...].“81 Abgesehen davon, dass sie die Mitgliedschaft Friedrichs III. als einen Fakt annimmt, ist dem zweiten Teil des Satzes vollends zuzustimmen. Die enge Verbindung zu der höchsten weltlichen Instanz, die schon in den ersten Zeugnissen der Bruderschaft und davon ausgehend immer wieder in Text und Bild vermittelt worden ist (siehe dazu Kap. 4.5.5), verschaffte der Korporation ein beachtliches Renommee. Ähnlich zu werten ist der Umstand, dass in den Abbildungen um 1500 nicht mehr nur der Kaiser und ein Kardinal, sondern Kaiser und Papst als den Rosenkranz betende Mitglieder präsentiert werden. Sixtus IV. hatte am 30. Mai 1478 zunächst zugunsten der Rosenkranzbruderschaft einen Ablass ausgesprochen und am 12. Mai 1479 den Rosenkranz für alle approbiert.82 Die me79 Vgl. GRUBER, Frömmigkeit Friedrichs III., S. 244. 80 Vgl. REUTER, Praxeologie, S. 186. 81 WINSTON-ALLEN, Stories of the Rose, S. 28. 82 ASSOP, Bd. 2, T. 1–2, Nr. 1 und 2 (S. 1–7).

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4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft

diale Vermittlung, dass die höchste weltliche gleichwie die höchste geistliche Instanz der Vereinigung angehörten, dürfte das Renommee und den ‚Werbeeffekt‘ noch weiter gesteigert haben. Eine Begründung für die Einbindung der Belagerung von Neuss in die Schilderung der Gründungsumstände bei Michael Francisci und den ihm nachfolgenden Autoren könnte in der Kritik an der Rosenkranzbruderschaft zu sehen sein, die allem Anschein nach frühzeitig aufkam (siehe dazu Kap. 4.3.2). Die Relevanz und Wirksamkeit der Gemeinschaft (Stichwort: Frömmigkeit als Schlachtenhilfe) konnte auf diese Weise untermauert werden.

4.2 Intention der Vereinigung Im vorangegangenen Kapitel über die Gründungsumstände wurde die aus den Statuten herauszulesende Intention des Kölner Priors bereits kurz berührt. Ausschlaggebend war demzufolge das Bestreben, allen Menschen gleich welchen Standes die Chance zu eröffnen, vermittels einer Bruderschaft für ihr Seelenheil vorzusorgen: Es seind vil bruderschafft in der cristenheyt, der dhein [sc. kein] armer mensch teylhafftig kan werden, in besunder wann er des gelltes nicht hat, das man dann in die brüderschafft raichen muß und beczalen. Aber in diser unser bruderschaffte wird dheinem [sc. keinem] menschen der weg verhalten, wie arm er ist, sunder ye ärmer, verschmächter, verächter, ye genämer, lieber und tewrer er in diser bruderschafft geachtet wird.83

Was Jakob Sprenger hier formuliert, kann als pastorales Motiv charakterisiert werden. Die folgende Begründung, dass das Gebet der Armen Gott behäglicher und gefelliger wäre als das der Reichen, greift freilich ein elementares Grundverständnis der christlich-mittelalterlichen Kirche auf.84 Nicht grundlos spielte der Dienst an den Armen auch bei anderen Bruderschaften eine erkennbare Rolle. Im Osteroder Kaland beispielsweise oblag es dem Dekan sowie den anderen Brüdern, zu bestimmten Terminen im Anschluss an die Seelmesse an zwölf Armen das mandatum pauperum, die rituelle Fußwaschung, auszuüben und ihnen ein Almosen zu geben.85 Belege für eine derartige oder anderweitige Armenfürsorge bieten ebenfalls die Braunschweiger, die Osnabrücker und die Kölner Quellen.86 Die Begünstigten waren ihrerseits in der

83 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 508 f.). 84 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 509): Darumb das derselbigen menschen gebet, als die heilig geschrifft sagt, got behäglicher und gefelliger, dann der reychen und hoch geachtten menschen ist. Erinnert sei diesbezüglich nur an das Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus in Lk 16,19–31. 85 Vgl. PRIETZEL, Kalande Niedersachsen, S. 110. 86 Vgl. RAHN, Bruderschaften Braunschweig, S. 124; QUECKENSTEDT, Die Armen und die Toten, S. 199–206; MILITZER, Laienbruderschaften in Köln, S. XCVf. Für Köln sei auch auf die das Hochmittelalter fokussierende Studie von LAQUA, Bruderschaften und Hospitäler, verwiesen. Die Arbeiten

4.2 Intention der Vereinigung

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Pflicht, für die Wohltäter zu beten. Angesichts der Wertschätzung der Mittellosen durch Gott wandelte sich, wie Arnold Angenendt bemerkt, das Almosen „in ein religiöses Mittel, um die eigenen Sünden loszuwerden und bei Gott Gnade zu erlangen.“87 Das heißt, beide Gruppen standen in einem reziproken Zweckverhältnis zueinander. Eine automatische Mitgliedschaft in einer Bruderschaft eröffnete dies allerdings nicht. Tatsächlich erhoben – in Kapitel 3.4 wurde davon geschrieben – die meisten Gemeinschaften Eintrittsgebühren; häufig waren darüber hinaus jährliche Beiträge zu entrichten.88 Insofern blieb den meisten armen Menschen der Zugang zu den Bruderschaften faktisch verwehrt.89 Sprenger war seiner Aussage gemäß daran gelegen, dem entgegenzuwirken. Das eigentliche distinktive Merkmal ist somit die pekuniäre wie überhaupt materielle Freiheit der Rosenkranzbruderschaft, die auf diese Weise eine egalitäre Korporation sein will. Ein Charakteristikum, das in den späteren Quellen immer wieder begegnet.90 Der Umstand, dass sich allem Anschein nach besonders an dem Aspekt der Finanzen die zeitgenössische Kritik entzündet hat und seitens der Vereinigung wiederholt sowie vehement die Absenz monetärer Verpflichtungen betont worden ist, dürfte bestätigen, dass mit diesem Anspruch etwas Neues in die (spät-)mittelalterliche Bruderschaftslandschaft eingebracht worden ist, das der gewohnten Tradition gegenüberstand (siehe dazu Kap. 4.3.2). Wie einfach der Weg in die Gemeinschaft und damit die Teilhabe an deren Seelenheilsreservoir sein sollte, zeigt sich nicht zuletzt an der Regelung, dass selbst eine bereits verstorbene Person aufgenommen werden konnte. Ja auch die todten laßt sie zu unnd macht thailhafft, wen do ist ein lebendiger, der für sie spricht die, gebett so vor gesagt send, so die Ordnung aus Freiburg im Breisgau.91 Die einzige Prämisse hierfür war, dass ein noch lebendes Individuum das wöchentliche Gebetspensum übernahm. Diese Bestimmung bekräftigt erneut die pastorale Intention. Der erste Abschnitt der Kölner Statuten offenbart jedoch, dass es noch einen zweiten Hintergrund für die Offenheit der Rosenkranzbruderschaft gegeben hat:

von FRANK, Bruderschaften und Armenfürsorge (Untersuchungsraum Italien), sowie ROSSER, Art of Solidarity (Untersuchungsraum England), veranschaulichen exemplarisch die Omnipräsenz des Themas in den Bruderschaften. 87 ANGENENDT, Geschichte Religiosität, S. 592. 88 Vgl. ergänzend u. a. MILITZER, Laienbruderschaften in Köln, S. LXIII, oder RAHN, Bruderschaften Braunschweig, S. 50. 89 Vgl. auch MILITZER, Bruderschaften am Übergang, S. 252. 90 In der Determinatio abbreviata des Michael Francisci heißt es: Sciendum etiam, quod hec fraternitas neminem excludit, sed omnes, scilicet religiosos et seculares, juvenes et senes, suscipit [...]. MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.2 (S. 519). In den venezianischen Statuten: Ne la quale possa intrare tutte le persone ecclesiastice e seculare, richi e poveri, homeni e donne. Ma niuno sia obligato pagare cosa alcuna per intrare ne la dicta fraternitade, azo che per paupertade o sia per inpotentia li poveri non siamo exclusi. BnF, D-80070, unpag. 91 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch, Bl. 51r. Diese Bestimmung findet sich natürlich auch in den Kölner Statuten: MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 514).

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4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft

Darumb aber dz czehen tausent mer betent dann eintausent, so ist auch der nucz mer in einer reichen gesellschafft dann in einer armen.92 Dem Prior war mithin zugleich daran gelegen, den Ertrag der bruderschaftlichen Jenseitsvorsorge zu maximieren, indem er schlicht die Anzahl der betenden Brüder und Schwestern erhöhte. Die zu diesem Zweck notwendige Änderung in der Organisation, die in diesem ersten Paragraphen bereits angelegt ist, soll dann in Kapitel 4.4 eigens und eingehend untersucht werden. An dieser Stelle ist aber bereits auf ein essentielles Novum hinzuweisen: Die Rosenkranzbruderschaft wollte nicht allein frei zugänglich innerhalb eines Ortes sein. Die Korporation verstand sich als eine von lokalen Grenzen unabhängige Gemeinschaft, eben als transregional. Bei Jakob Sprenger ist dieser Gedanke, dieses Spezifikum zwar impliziert, aber noch nicht derart explizit benannt wie beispielsweise in dem Wortlaut der Ordnung aus Venedig: E azo ordinato [sc. Sprenger] che sia una fraternitade de tutta la christianitade.93 Gleichzeitig tritt hier wie auch aus dem eingangs wiedergegeben Zitat ein grundsätzlicher Wesenszug der Dominikaner hervor, der sich schon bei dem Ordensmeister Humbert von Romans († 1277) nachlesen lässt: Das Verständnis, ausdrücklich dem Seelenheil aller Menschen – und nicht allein dem der eigenen Mitglieder – verpflichtet zu sein.94 Das hauptsächliche Ziel ist bei alledem selbstredend die Überwindung des Fegefeuers. Aus den Statuten schimmert dieses Anliegen zwar kontinuierlich heraus, ausdrücklich benannt wird es aber kaum. Punkt sechs ist der einzige, der konkret die Seelen im fegfewr erwähnt. Inhaltlich geht es um die eben erwähnte Aufnahme verstorbener Personen.95 Unter Punkt sieben, in dem Sprenger auf die zusätzliche praxis pietatis der Kölner Dominikaner zu sprechen kommt, findet sich die Formulierung: zu hilff den armen selen der menschen, die auß der bruderschafft abgestorben seind [...].96 Michael Francisci erklärt, die Rosenkranzbruderschaft sei allein als Gebetsgemeinschaft gegründet und organisiert. Das äußert Sprenger ebenso: Und in der besundern gemainsamen und teylhafftigkeyt dises gebetes steet der ganncz grund diser bruderschafft.97 Bei Francisci heißt es im Rahmen seiner Schilderung der Gebetsverpflichtungen für die Brüder und Schwestern: Wer zu den Mitgliedern der

92 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 510). 93 BnF, D-80070, unpag. Ergänzend kann auf die Statuten der Rosenkranzbruderschaft aus Florenz verwiesen werden, die diesen transregionalen Aspekt ebenfalls vermitteln. Siehe ORLANDI, Libro del Rosario, S. 216, sowie ebenfalls Kap. 4.4. 94 B. Humberti de Romanis, Bd. 2, S. 38 f.: Non solum autem institutus est ob salutem ingredientium; sed etiam communiter animarum, in quo excellit alios ordines, cum ipsi statuti fuerint solum ob salutem ingredientium [...]. 95 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 514). 96 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 515). 97 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 512). SCHEEBEN, Quodlibet, S. 141: [...] quod ipsa in sola dumtaxat quarundam orationum liberali communicatione fundata et instituta est.

4.2 Intention der Vereinigung

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Bruderschaft zählen und den Erlösung bringenden Nutzen erlangen will (fructum reportare salutarem), der müsse jede Woche drei Rosenkränze beten.98 Die Intention der Jenseitsvorsorge wird hier unmissverständlich verbalisiert. Nicht minder deutlich ist Marcus von Weida. Im zweiten Kapitel seines Bruderschaftsspiegels, welches die Gründung zum Thema hat, führt er – bevor er die Zeitumstände mit einbezieht – aus, dass durch all die ‚guten Werke‘, die Gott und die Heiligen ehren, der Mensch diste eher von der pein des fegfewrs erlost und getrostet werde. Daran anknüpfend hält er fest: Ein solche untreffliche warheit und gut werck ist die hochlobliche bruderschafft des rosenkrantz Marie der werden himelkeiserin, dorinnen im grunde von anbeginne nichts anders gesucht und noch, dann das gots und seiner allerhochwirdigsten gebererin lob und ere geweitert und in aller werldt außgebreitet heyl und selickeit cristglaubiger menschen, der lebenden unnd der toden gewurckt, domit wir entlich einer vor der andern in dem namen des hern vorsamelt, bittende, selig werden mogen.99

Abschließend ist noch auf eine beachtenswerte Bemerkung einzugehen, die Marcus von Weida einleitend in seinem siebten Kapitel anbringt. Inhaltlich geht es um die Frage, weshalb allein drei Rosenkränze obligatorisch waren: Er [sc. Jakob Sprenger] hat auch bedacht, das vil armer leuthe sein, die sich mit yrer sawern erbeit erneren mussen und offt kawm des tages yn so vil tzeit recht nehmen konnen, das sie das brot mit fryde ader ruhe essen. Es sein auch vil geistliche beiderley geschlechte allerley orden, die mit grosser unnd manchfeldiger erbeit in singen, predigen, bethen, lesen, studiren etc. not haben, yre tzeit tzu tzubringen. Also in allen stenden, einer hie der ander dort, in geistlichen und werntlichen sorgen bekommert sein. Derhalben er [sc. Sprenger] mit tzeitigem rath hern Friderichen, romischen keisers etc. hochloblicher gedechtnus und anderer prelaten und hern im aller besten funden, das die brudere und schwestern dieser bruderschafft gar nicht mit etwan untreglichen sollten beschwert werden. Und hat derhalben die regel diser bruderschafft dorauff gestellet: Noch dem es dem merern teile der menschen beschwerlich und villeichte auch etlichen unmoglich sein mochte, ein tag einen gantzen psalter Marie tzu bethen, als es wol vor alders gewest und mit grosser andacht gescheen. Desgleichen, so sie alle tage ein rosenkrantz bethen solten. Und hat es also geordent, das uffs wenigste itzlicher in eyner gantzen wochen ein psalter unser liben frawen und also iii rosenkrentze bethen solle.100

Die Menschen seien also unabhängig von Stand oder Profession grundsätzlich derart ausgelastet, dass es ihnen überhaupt nicht möglich wäre, jeden Tag einen Rosenkranz geschweige denn einen ganzen Marienpsalter zu beten (siehe bezüglich der hier angesprochenen Vorläufer Kap. 4.3.2). Aufgrund dessen sei es das Ansinnen Jakob Sprengers gewesen, den Mitgliedern der Rosenkranzbruderschaft nicht nur eine adäquate Vorsorge für ihr Seelenheil, sondern gleichzeitig eine Minderung

98 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 142: Itaque volens huius fraternitatis confratrum numero sociari et fructum reportare salutarem, debet omni hebdomada trias rosaria [...]. 99 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 17v [19v]. 100 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 52r–52v.

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4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft

der mit dieser Vorsorge verbundenen zeitlichen Verpflichtungen in Aussicht zu stellen. Dementsprechend würde sich die Bruderschaft durch zwei Wesenzüge auszeichnen: Offenheit hinsichtlich des Eintritts und hohe Alltagstauglichkeit der praxis pietatis. In Anbetracht des oben skizzierten und von der Forschung immer wieder nachgewiesenen Dranges der spätmittelalterlichen Frömmigkeit hin zu einer Quantifizierung lässt diese Aussage zweifelsohne aufmerken: Minimierung der religiösen Praxis bei gleichzeitiger Wirksamkeit der Jenseitsvorsorge. Damit sind wir direkt beim Kern der vorliegenden Untersuchung, denn es drängt sich die Frage nach der Umsetzung dieses Bestrebens auf. In der von Marcus von Weida vorgetragenen Form lässt sich dieser eindeutig Sprenger zugeschriebene Gedanke weder in den Kölner Statuten noch in der offiziellen Version des Quodlibet von Michael Francisci nachweisen. Dennoch gibt es eine Regelung in den Statuten, die in eine vergleichbare Richtung zielt. In Paragraph vier heißt es, dass ein Versäumen der wöchentlichen Gebetspflicht keine beichtpflichtige Schuld darstellt. Die Ursache dafür sei: Das Rosenkranzgebet sollte keinem Mitglied zur Last fallen (Und zu vermeyden ursach der beschwär des grübligen und vorchtsamen gewissens [...]).101 Es geht zwar nicht darum, das Pensum vor dem Hintergrund einer zu großen zeitlichen Auslastung zu reduzieren, aber der Verzicht auf eine von der Bruderschaft auferlegte Strafe mit der zitierten Begründung zielt doch in gleicher Weise darauf, die Brüder und Schwestern nicht noch mit weiteren „Sorgen zu bekümmern“, wie Marcus es formuliert. Bemerkenswert ist, dass diese Passage aber bei genauem Hinsehen eine Parallele zur ersten Ausgabe des Quodlibet aufweist. Hier wird zunächst die Gebetsverpflichtung in der von Alanus de Rupe konzipierten Rosenkranzbruderschaft thematisiert. Er hatte für die Mitglieder das tägliche Gebet des Marienpsalters vorgesehen. In Bezug auf die Kölner Regelungen dient diese Vorschrift nun als eine Art ‚Negativfolie‘, denn nun seien nur drei Rosenkränze, also ein Marienpsalter pro Woche zu beten. Der Grund dafür wäre, dass Jakob Sprenger an den Psalter gedacht hätte, der sich im Regelfall auch auf eine Woche verteilt. Die erste Begründung lautet jedoch: Er hätte die verschiedenen Geschäfte (also die Arbeit), Zerwürfnisse und Unandächtigkeiten der Menschen beachtet (varias attendens hominum occupationes, distractiones et etiam indevotiones), die dafür verantwortlich seien, dass die Mitglieder gar nicht jeden Tag ein so großes Gebetspensum entweder sprechen können oder wollen.102 In der zweiten Ausgabe des Quodlibet hingegen ist von der Bruderschaft des

101 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 512). 102 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 101: Sed huius fraternitatis, de qua est sermo, praetactus institutor in Colonia, varias attendens hominum occupationes, distractiones et etiam indevotiones, propter quas aut non possent aut non volunt omni die tantum numerum salutationum dicere, ut saltem semel in hebdomada talem numerum in honore virginis complerent, sua in fraternitate pie et secure instituit ad instar ecclesiae catholicae, quae psalterium Davidicum, quod Christi et virginis, ut infra dicetur, per nocturnos et psalmos ita divisit, ut, cum per hebdomadam de tempore agitur, totum compleatur.

4.3 Die Rosenkranzbruderschaft im Spiegel ihrer Zeit

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Alanus de Rupe nicht mehr die Rede. Es scheint mithin, dass Marcus von Weida ebenfalls die erste Fassung rezipiert hat.

4.3 Die Rosenkranzbruderschaft im Spiegel ihrer Zeit 4.3.1 Einflussfaktoren und Reformströmungen In den spätmittelalterlichen Quellen ist immer wieder zu lesen, die Rosenkranzbruderschaft (wahlweise auch das Rosenkranzgebet – respektive beide) sei 1475 in Köln „erneuert“ worden. Jakob Sprenger beispielsweise schreibt, er habe ernewert und wider aufgericht das alt herkommen gebet der rosen krentz Unser Lieben Frawen.103 Michael Francisci bringt in seiner ersten Fassung der Verteidigungsschrift die Formulierung: Die Bruderschaft ist eingerichtet, ja mehr noch erneuert worden (haec fraternitatis [...] instituta fuit Coloniae, immo potius renovata).104 Das Verb renovare begegnet ebenfalls in der zweiten, offiziellen Fassung, dort allerdings im Rahmen von Sprengers vermeintlichem Gelöbnis.105 Der Wortlaut immo potius renovata findet sich wiederum in der von Alexander Numai ausgestellten Ablassurkunde (hier seu potius renovata).106 Die Aufzählung könnte ohne Weiteres fortgesetzt werden, Belege bieten das Altarretabel in der Kölner Dominikanerkirche sowie die Ordnungen der Niederlassungen aus Colmar (hier mit dem Verb innovare) oder Freiburg im Breisgau.107 Fernerhin können die zuvor auf Seite 111 angeführten Beispiele aus dem Diskurs als zusätzliche Nachweise für die breite Streuung dieses Verständnisses betrachtet werden. Wenn von „erneuern“ oder „wiederaufrichten“ die Rede ist, liegt es nahe zu vermuten, dass die Rosenkranzbruderschaft keine völlige Neuerfindung Jakob Sprengers oder, in Anbetracht des unter Kapitel 4.1 Gesagten, Sprengers und Franciscis war. Aus der bisherigen Forschung ist zu erfahren, dass in der Tat nicht in Köln, sondern im flandrischen Douai die allererste Rosenkranzbruderschaft gegründet worden sein soll. Ihr Initiator sei der aus der Bretagne stammende Dominikaner Alanus de Rupe gewesen.108 Hingegen äußert der in dem Zusammenhang wenig rezipierte Heribert

103 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 508). 104 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 100. 105 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 141 (siehe dazu auch das Zitat auf S. 103 in Anm. 37). 106 ASSOP, Bd. 2, T. 3, Nr. 120 (S. 588). 107 Für die Inschrift des Kölner Altarretabels siehe oben S. 112. Die entsprechende Passage aus den Statuten aus Freiburg im Breisgau ebd. Bezüglich Colmar vgl. SCHMITT, Confrérie du Rosaire, S. 109. 108 So berichten es – innerhalb der neueren Forschungsliteratur – u. a. HEINZ, Die Entstehung, S. 38; JÄGGI, Rosenkranzbruderschaften, S. 92, oder KÜHNE, Die Rosenkranzbruderschaft, S. 114.

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4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft

Christian Scheeben, er halte es für „absolut unwahrscheinlich“, dass Alanus in Douai eine Bruderschaft gegründet habe.109 Ergänzend kommt hinzu, dass nicht selten der Name des Ordensgründers der Dominikaner fällt. Marcus von Weida etwa führt im ersten Kapitel seines Bruderschaftsspiegels aus: Der heilige Dominikus habe zu seinen Zeiten auf Befehl der Mutter Gottes hin den Marienpsalter, also den dreifachen Rosenkranz, gepredigt und damit einhergehend eine Bruderschaft, die sogenannte bruderschafft des psalters Marie, ins Leben gerufen.110 Auch dieses Narrativ findet sich an verschiedenen Stellen, sei es in der Approbationsurkunde Alexander Numais oder in dem bereits oben in die Untersuchung einbezogenen frühneuzeitlichen Bericht des Aegidius Gelenius.111 Es scheint mithin erneut geboten, die Stichhaltigkeit dieser Erzählungen zu prüfen. Gehen wir chronologisch zurück und richten den Blick zunächst auf Alanus de Rupe. Die von Gilles Gérard Meersseman, Karl Joseph Klinkhammer und Angelita Roncelli OP vorgelegten biographischen Skizzen zeigen, dass der Lebensweg von Alanus lediglich schlaglichtartig beleuchtet werden kann. Er soll um 1428 geboren worden sein und sich frühzeitig dem Dominikanerkonvent in Dinan angeschlossen haben. Nachweisbar sind fernerhin ein Studium und später eine Lehrtätigkeit zwischen 1460 und 1461 in Paris im Konvent Saint Jacques. Zwischenzeitlich, so informiert Meersseman, hatte sich Alanus in Lille aufgehalten. 1461 kehrte er dorthin zurück, offiziell gehörte er dem Konvent seit dem 2. April 1462 an.112 Alanus war damit in eine der Reformgemeinschaften gewechselt, die nur wenig später als congregatio hollandiae firmieren sollten. Hierbei handelte es sich um eine Reihe von Konventen, deren Mitglieder ihr Leben an der Observanz ausrichten wollten. Ausgangspunkt dieser Bewegung war Rotterdam.113 Der Dominikanerkonvent in Lille spielte insofern eine Zäsur setzende Rolle, als dass Anfang Oktober 1464 die Vertreter der einzelnen observanten Gemeinschaften hier zusammenkamen und Conrad von Asti († 1470) die Holländische Kongregation nun formell konstituierte.114 Im Zuge dieser Versammlung wurde Alanus nach Douai entsandt, wo er mindestens

109 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 132. 110 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 13v (siehe dazu genauer weiter unten). 111 ASSOP, Bd. 2, T. 3, Nr. 120 (S. 588 – siehe dazu genauer weiter unten). AEGIDIUS GELENIUS, De Admiranda Coloniae, Bd. 4, S. 464: De huius Archifraternitatis ortu et renovatione constat, quod cum Sanctissimus Praedicatorum Ordinis fundator Dominicus Albigensium Haeresi extinguendae, imo [sic] toti reducendo mundo strenue incumberet [...]. 112 Vgl. vorrangig MEERSSEMAN, Ordo fraternitatis, Bd. 3, S. 1148 f. Siehe ergänzend RONCELLI, San Domenico, S. 147–150, und KLINKHAMMER, Art. Alanus de Rupe, Sp. 102–104. 113 Vgl. WOLFS, Dominikanische Observanzbestrebungen, hier bes. S. 273. – Für einen allgemeinen Blick auf die Observanzbestrebungen im Orden vgl. HILLENBRAND, Observantenbewegung der Dominikaner. 114 Vgl. WOLFS, Dominikanische Observanzbestrebungen, S. 279.

4.3 Die Rosenkranzbruderschaft im Spiegel ihrer Zeit

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bis 1465 blieb. Es folgten mit Gent (1468 bis Mai 1470) und Rostock (1470 bis April 1475) weitere Stationen. In allen Niederlassungen ist er stetig in der Funktion eines Lektors zu greifen. Am 7. September 1475 starb er während einer Reise in Zwolle.115 Wann aber richtete Alanus de Rupe (s)eine erste Rosenkranzbruderschaft ein und was war der Impuls dazu? Über die Ursachen gibt er selbst Auskunft: Im letzten Jahr seines Lebens musste sich der Dominikaner bei dem Bischof von Tournai, Ferry de Clugny († 1482), erklären. Der Grund war, dass er aufgrund verschiedener Äußerungen bei selbigem verklagt worden war. Die 24 Kapitel umfassende Verteidigungsschrift mit dem Titel Apologeticus. id est tractatus responsorius magistri alani de rupe / de psalterio beate virginis marie Ad Venerabilem dominum. dominum Ferricum. de clunaco episcopum Tornacensem verfasste er in Lille und legte sie Ende Juni 1475 vor.116 Aus deren Inhalt geht hervor, dass ihm wiederholt die Gottesmutter Maria erschienen sei und ihm den Auftrag erteilt habe, sowohl ihren Psalter als auch ihre Bruderschaft zu predigen.117 Zeitlich sind diese von Alanus angeführten Visionen allem Anschein nach in die Zeit seines Aufenthalts in Douai zu datieren und setzten wohl 1464 ein. Die Etablierung der ersten Vereinigung ist für Gilles Gérard Meersseman eine unmittelbare Konsequenz aus diesen Ereignissen, weshalb er das Jahr 1464 als den Ausgangspunkt von Alanus Bruderschaft ansieht.118 Hingegen konstatiert zum Beispiel Stefan Jäggi: „Die erste Gründung einer Rosenkranzbruderschaft scheint dabei zwischen 1464 und 1470 in Douai erfolgt zu sein [...].“119 Häufig anzutreffen ist in der Forschung des Weiteren die konkrete Terminierung der Einrichtung auf das Jahr 1468,

115 Vgl. MEERSSEMAN, Ordo fraternitatis, Bd. 3, S. 1149–1151. – Michael Francisci schreibt in der zweiten Ausgabe des Quodlibet davon, dass Alanus am 8. September 1475 gestorben sei. SCHEEBEN, Quodlibet, S. 154: [...] nam anno M CCCC LXXV, eodem videlicet anno, immo eadem die, qua haec fraternitatis Coloniae instituta fuit, scilicet in die nativitatis b. Mariae virginis, in devotione virginis perseverans, ex hac luce migravit [sc. Alanus de Rupe]. Diese Datierung findet sich bspw. auch bei AEGIDIUS GELENIUS, De Admiranda Coloniae, Bd. 4, S. 465. Innerhalb der Forschungsliteratur haben sie Heribert Christian Scheeben und Karl Joseph Klinkhammer übernommen. Vgl. SCHEEBEN, Quodlibet, S. 107; KLINKHAMMER, Adolf von Essen, S. 87. Demzufolge wäre Alanus Tod genau auf das Fest Mariä Geburt, also genau auf den Tag der offiziellen Gründung der Kölner Rosenkranzbruderschaft gefallen, wie es Francisci besonders betont. Für die Kontinuität und Symbolik in der Geschichte der Rosenkranzbruderschaft fraglos das ‚geeignetere‘ Datum. Allerdings sei hier Meersseman als einem profunden Kenner der Quellen gefolgt. Vgl. ebenfalls RONCELLI, San Domenico, S. 150. 116 ALANUS DE RUPE, Apologeticus. 117 Diese Visionen gibt HOLZAPFEL, St. Dominikus, S. 21–23, wieder. 118 MEERSSEMAN, Ordo fraternitatis, Bd. 3, S. 1157 f.: „[...] sembra, quindi, che già nel 1464, subito dopo aver ricevuto tale missione, Alano abbia introdotto il salterio mariano nella confraternita di Douai. Questa data segna una svolta nella sua vita: l’inizio cioè, della propaganda del salterio mariano e della sua confraternita.“ (S. 1158) – KLINKHAMMER, Adolf von Essen, S. 91, schreibt dagegen, es stünde fest, dass Alanus den Marienpsalter bereits seit 1463 gepredigt hat. 119 JÄGGI, Rosenkranzbruderschaften, S. 92. Vgl. bspw. auch DÓCI, Kaschauer Predigerbrüder, S. 89.

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unter anderem bei Siegfried Schmidt, Hatto Küffner oder Andreas Heinz.120 Indes bleibt Anne Winston-Allen mit ihrer Formulierung, Alanus habe die Bruderschaft um 1470 ins Leben gerufen, wiederum bei einem Näherungswert.121 Geschuldet ist diese Heterogenität schlicht dem Fehlen eines Gründungsdokumentes. Es scheint daher angemessen, wie Jäggi das Zeitfenster zwischen 1464 und 1470 anzugeben: 1464 wäre mit dem ‚Erhalt des Auftrags‘ der Terminus a quo; 1470, genauer gesagt der 16. März 1470 der Terminus ad quem, denn an dem Tag wurde die Confratria virginis Mariae et divi Dominici ordinis fratrum praedicatorum durch den Generalvikar der congregatio hollandiae, Johannes Excuria, in die Gebetsverbrüderung der gesamten Kongregation aufgenommen.122 Auf welches Fundament sich die Festlegung auf 1468 stützt, bleibt dagegen fraglich – die genannten Autoren begründen sie nicht. Gleichwohl führt diese Quellensituation geradewegs zu der Frage, ob Alanus faktisch eine Rosenkranzbruderschaft ins Leben gerufen hat. Fraglos ist hier nicht der Ort oder die Notwendigkeit gegeben, dem Anliegen in extenso nachzugehen, geschweige denn, es abschließend zu klären. Aber es erscheint von Belang, die Thematik zumindest in ihren Facetten zu umreißen. Gesichert ist, dass Alanus de Rupe keine Bruderschaft neu initiiert hat. Vielmehr griff er auf eine bereits existierende Marienkorporation zurück und implementierte dort den (seinen) Marienpsalter als tägliche Gebetspflicht. Von weiteren strukturellen Änderungen ist nichts bekannt, auch behielt die Vereinigung ihren bisherigen Namen (den Namen Rosenkranz lehnte Alanus ab). Den Mitgliedern oblag es nunmehr, jeden Tag 150 Ave Maria und 15 Vaterunser zu beten, wobei sich an jedes einzelne Ave Maria noch eine sogenannte clausula anschloss. Dabei handelte es sich um einen thematischen Betrachtungspunkt aus dem Leben Jesu, der als Relativsatz an das Ave Maria angefügt

120 Vgl. SCHMIDT, Entstehung der Rosenkranzbruderschaft, S. 59; KÜFFNER, Kölner Rosenkranzbruderschaft, S. 111; HEINZ, Die Entstehung, S. 38. 121 Vgl. WINSTON-ALLEN, Stories of the Rose, S. 24, 66. 122 ASSOP, Bd. 2, T. 4–5, S. 1215 Anm. 1: [...] caritatis fraternitate motus recipio ipsos participes et praesentes et futuros in cunctis bonis praedicationum, ieiuniorum, vigiliarum, studiorum, et laborum caeterorum praesentium et futurorum, universorum Fratrum Congregationis nostrae Hollandiae, ut etiam et nos omnes simus participes uniformiter cunctorum meritorum Fratrum et Sororum huius sanctae Confratriae in sempiternum. – Obgleich in dem Text eindeutig der 16. März (decima sexta martii) festgehalten ist, notiert MEERSSEMAN, Ordo fraternitatis, Bd. 3, S. 1158, die Aufnahme sei im Mai, genauer gesagt am 15. Mai erfolgt. In dem von ihm wiedergegebenen Urkundentext (ebd., S. 1163 f.) steht entsprechend: Datum Duaci anno millesimo quadrigentesimo septuagesimo, decima quinta maii. Der Unterschied zum Wortlaut in den ASSOP besteht also in maii statt martii und der Varianz um einen Tag (s. o.). Denkbar ist, dass es sich im Hinblick auf die Monate um eine Verschreibung seitens Meersseman handelt. An dieser Stelle sei jedenfalls den ASSOP gefolgt. HEINZ, Die Entstehung, S. 38, datiert fälschlich auf den 16. Mai 1470 und schreibt dazu ungenau von der Approbation durch den Dominikanerorden.

4.3 Die Rosenkranzbruderschaft im Spiegel ihrer Zeit

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wurde (siehe dazu Kap. 4.6.2).123 Einer großflächigen Resonanz erfreute sich diese Bruderschaft allerdings nicht. Das mag einerseits an dem Gebetspensum gelegen haben. Wie in den Ausführungen über die Intention gesehen, erscheint diese umfangreiche praxis pietatis sogar in der ersten Ausgabe des Quodlibet von Michael Francisci als die die Kölner Bestimmungen kontrastierende ‚Negativfolie‘.124 Andererseits muss zugleich die fehlende Kommunikations- beziehungsweise ‚Marketingstrategie‘ beachtet werden (siehe dazu Kap. 4.5.5).125 Klinkhammer bekundet nun, Alanus habe weniger kirchenrechtlich gedacht als Sprenger und sich damit „begnügt“, die Zusammenschlüsse primär anzuregen und die Gründung selbst dann eher den örtlichen Pfarrern zu überlassen – allein die Quellen, die diese Einschätzung zulassen, fehlen. Dennoch identifiziert auch er den Bretonen sowie Douai als den Anfangspunkt der Rosenkranzbruderschaft.126 Die Kritik, die Scheeben vorbringt, fokussiert in ähnlicher Weise das Thema der Gründung, entzündet sich aber an den Aussagen, die in dem Dokument über die Aufnahme in die Gebetsgemeinschaft der Kongregation zu finden sind. Ihm zufolge soll es sich bei der Bruderschaft in Douai um eine rein lokal ansässige Vereinigung gehandelt haben, bei der keineswegs erwiesen ist, dass ihr Mitglieder von außerhalb angehörten. Die Übernahme des Marienpsalters als Pflichtgebet von Alanus de Rupe könne zwar „nicht geleugnet werden“, die insgesamt geringen Spuren würden jedoch Zeugnis davon ablegen, dass er keine Bruderschaft gegründet hat.127 Die Beobachtung, der ortsübergreifende Anspruch würde fehlen, ist nicht völlig unbegründet. Obwohl beispielsweise Jäggi konstatiert: „Dabei dachte der Dominikaner nicht an eine lokal begrenzte Bruderschaft, sondern propagierte eine universale, dem Rosenkranzgebet gewidmete Bruderschaft [...]“, erscheinen die Quellen unschärfer.128 Aus der Formulierung vom 16. März 1470 kann dieser Gedanke nicht herausgelesen werden. In seiner Verteidigungsschrift äußert Alanus mit Blick auf 123 Vgl. MEERSSEMAN, Ordo fraternitatis, Bd. 3, S. 1158, sowie KLINKHAMMER, Adolf von Essen, S. 92 f. (dort auch eine Erklärung für seine Ablehung des Namens „Rosenkranz“), und HEINZ, Die Entstehung, S. 38 f. 124 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 101: [...] Alanus de Rupe [...] renovans fraternitatem, ut confratres eiusdem omni die psalterium virginis, id est centum es [sic] quinquaginta Ave Maria, dicerent, [...]. Sed huius fraternitatis, de qua est sermo, praetactus institutor in Colonia, varias attendens hominum occupationes, distractiones et etiam indevotiones, propter quas aut non possent aut non volunt omni die tantum numerum salutationum dicere, ut saltem semel in hebdomada talem numerum in honore virginis complerent [...]. Vgl. dazu auch HEINZ, Die Entstehung, S. 38 f., und SCHMIDT, Entstehung der Rosenkranzbruderschaft, S. 59. 125 MEERSSEMAN, Ordo fraternitatis, Bd. 3, S. 1162, äußert diesbezüglich treffend: „Alano non era un organizzatore: ad una confraternita universale non poteva mancare un centro per la propaganda. Il famoso Giacomo Sprenger, priore dei Domenicani di Colonia, lo aveva capito.“ 126 KLINKHAMMER, Adolf von Essen, S. 91 (für seine Begründung siehe ebd., S. 343 Anm. 81). 127 Vgl. SCHEEBEN, Quodlibet, S. 132 f. (dort insgesamt fünf Kritikpunkte samt Interpretation). 128 JÄGGI, Rosenkranzbruderschaften, S. 92. Ähnlich bringt es auch KOCHANIEWICZ, Contribution of the Dominicans, S. 389, zum Ausdruck.

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4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft

die Bruderschaft: In dieser Gemeinschaft (societas) sind alle Verdienste, das heißt die ‚guten Werke‘, Gemeingut, kommen folglich allen zugute, im Leben gleichwie im Tod und bis in die Ewigkeit.129 Angesichts dessen, dass er hier allgemein den Charakter der (einer) Rosenkranzbruderschaft (Alanus selbst schreibt von der communitate sive sociatione servientium Mariae virgini in suo psalterio) definiert und dabei in dem Passus stets die Nomen im Singular verwendet, lässt sich durchaus interpretieren, er habe eine ‚universale‘ Korporation im Sinn gehabt.130 Dabei muss erwähnt werden, dass die Forschung annimmt, er habe nach Douai an seinen folgenden Wirkungsstätten auch derartige Bruderschaften ins Leben gerufen.131 Nur ist aber auch an dieser Stelle zu bemerken, dass es eben nicht derart explizit benannt wird wie im Fall der Kölner und folgenden Quellen. Meersseman wiederum, ein profunder Kenner der Materie, beantwortet diese Frage zweifelsfrei: „Dalla Apologia risulta che egli propagava un’unione universale di devoti del salterio mariano. In questo senso la sua confraternita non era concepita come una società organica locale.“132 Demnach habe Alanus eine überregional konzipierte Bruderschaft angestrebt.133 Davon abgesehen lassen die weiteren Bestimmungen doch bereits stark an das denken, was Jakob Sprenger in seinen Statuten ebenfalls fixieren wird: Sollte einmal ein Bruder oder eine Schwester das Gebet an einem Tag versäumen, wird er oder sie für diesen einen Tag der Verdienste beraubt. Erfolgt an einem anderen Tag dann wieder das Gebet, hat das Mitglied erneut Anteil an den ‚guten Werken‘. Darüber hinaus gibt es in dieser frommen Gemeinschaft kein Gelöbnis, keine Bestimmung sowie überhaupt keine Verpflichtung im Verständnis einer lässlichen oder einer Todsünde, lediglich die Gebetsverpflichtung und die eigene Strafe bei Unterlassung.134 Diese Regelungen werden nahezu wortgleich in den Kölner Statuten erneut zu lesen sein. Losgelöst von der stark institutionengeschichtlich konnotierten Perspektive Heribert Christian Scheebens spricht doch vieles dafür, Douai als die sprichwörtliche

129 KLINKHAMMER, Adolf von Essen, S. 344 f. Anm. 106: Primum est, quod in hac societate merita omnium sunt communia tam in vita quam in morte et post mortem usque in aeternum loquendo de communitate nedum in universali sed etiam in particulari, quod est maximum gratiae domum. 130 Das Zitat findet sich ebenfalls in KLINKHAMMER, Adolf von Essen, S. 344 f. Anm. 106. 131 Vgl. u. a. JÄGGI, Rosenkranzbruderschaften, S. 92, und KLINKHAMMER, Adolf von Essen, S. 91. 132 MEERSSEMAN, Ordo fraternitatis, Bd. 3, S. 1161. 133 KOCHANIEWICZ, Contribution of the Dominicans, S. 396, bemerkt aber, dass die hier in Kap. 4.2 erläuterte Offenheit der Rosenkranzbruderschaft für alle Menschen in Douai noch nicht vorhanden war. 134 Diese Passage findet sich auch bei KLINKHAMMER, Adolf von Essen, S. 344 f. Anm. 106: Secundum est, quod fratres et sorores in hac communitate debent orare dietim psalterium virginis Mariae; et quando dimittunt, pro illa die privabuntur aliorum meritis, sc. in particulari; si autem resumant alia die, particeps erunt sicut et alii. Tertium est, quod in ista sociatione devota nullum est votum, nullum statutum, nulla penitus obligatio ad quodcumque peccatum sive mortale sive veniale, sed tantum ibi est obligatio ad poenam privationis meritorum aliorum iam dictam.

4.3 Die Rosenkranzbruderschaft im Spiegel ihrer Zeit

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Wiege der Rosenkranzbruderschaft anzusehen. Wenngleich Alanus de Rupe im engen Wortsinn keine Bruderschaft gegründet, sondern eine bestehende umgewandelt hat, bereitete er damit nicht weniger das Fundament, auf dem die Kölner aufgebaut haben. In der Verbreitung und Entwicklung des Rosenkranzes spielte er angesichts dessen in jedem Fall eine Hauptrolle. Die voranstehenden Ausführungen haben ebenfalls auf einen gleichermaßen relevanten Punkt hingedeutet: Der Marienverehrung kam innerhalb des Dominikanerordens bereits vor der Etablierung der Rosenkranzbruderschaft eine beachtliche Bedeutung zu. Wie Gilles Gérard Meersseman anschaulich darlegen konnte, installierten die Dominikaner seit dem 13. Jahrhundert Bruderschaften, deren Aufgabe im Weitertragen der Marienfrömmigkeit lag.135 Infolgedessen waren sowohl die Marienverehrung als auch marianische Bruderschaften in der Ordenstradition präsent. Ein Umstand und Strukturen, an die Alanus de Rupe anknüpfen konnte – und es tat: Bei der Bruderschaft, die in Douai existierte, handelte es sich um eine solche Marienbruderschaft. Gleichwohl konstruierte bereits Alanus ein prägendes Element für die institutionelle Eigengeschichte der Rosenkranzbruderschaft, dem bis in die neuere Zeit Geltung zugebilligt wurde. Seinen Ausführungen zufolge, hätte die Jungfrau Maria dem heiligen Dominikus den Marienpsalter (dessen Ursprünge überdies schon bei den Wüstenvätern liegen sollten) als probates Mittel im Kampf gegen die Albigenser offenbart. Damit einhergehend sei es ebenfalls zur Gründung entsprechender Bruderschaften gekommen (deren Wurzeln nicht minder weit zurückreichen würden).136 Wenngleich schon die Bollandisten (Société des Bollandistes) in der Mitte des 18. Jahrhunderts das von Alanus verbreitete Narrativ anzweifelten, zeigt sich dessen Wirkmacht doch besonders eindrücklich daran, dass die Legende bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) im Römischen Brevier verankert war.137 Die Dekonstruktion dieser Erzählung haben vor allem die Arbeiten von Thomas Esser, ihm folgend Karl Joseph Klinkhammer und Rainer Scherschel bewirkt. Eine komprimierte Darstellung der Erkenntnisse bietet Andreas Heinz.138 Im Rahmen der vorliegenden Studie sei lediglich das Wesentliche wiedergegeben: Der Ausgangspunkt für den Rosenkranz war die Gebetskonzeption des in Trier lebenden Kartäusers Dominikus von Preußen († 1460). Kern seiner Idee war, die Gebetskette von 50 Ave Maria, die zu dieser Zeit geläufige Variante des Rosenkranzes, mit der Meditation des Lebens Jesu, die beeinflusst durch die devotio moderna einen wichtigen Stellenwert bekom-

135 Vgl. dazu ausführlich MEERSSEMAN, Les Congrégations de la Vierge, hier bes. S. 16–21 und 27– 32, sowie ergänzend KOCHANIEWICZ, Contribution of the Dominicans, S. 378 f. Knapp zusammengefasst bei DÓCI, Kaschauer Predigerbrüder, S. 88. 136 Vgl. RONCELLI, San Domenico, bes. S. 159–170. 137 Vgl. HEINZ, Die Entstehung, S. 23. Vgl. zur Arbeit der Bollandisten mit Bezug auf den Rosenkranz KLINKHAMMER, Entstehung des Rosenkranzes, S. 30 f. 138 Vgl. hier KLINKHAMMER, Adolf von Essen, S. 96; SCHERSCHEL, Rosenkranz, S. 98 f., und schließlich HEINZ, Die Entstehung, S. 23 f.

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4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft

men hatte, zu verbinden. Wie Alanus in Kapitel acht seiner Verteidigungsschrift erwähnt, sei ihm diese Trierer Gebetspraxis bekannt gewesen.139 Ein entsprechender Hinweis findet sich beispielsweise auch im Anhang der 1477 in Augsburg nachgedruckten Kölner Statuten.140 Klinkhammer bemerkt diesbezüglich: „Alanus de Rupe verwechselte wahrscheinlich den Dominikus der Trierer Kartause mit dem Stifter seines eigenen Ordens und steigerte sich in der Folge zur »Rechtfertigung« seines Irrtums in die fantastischen Dominikus-Visionen hinein.“141 Zugegebenermaßen könnte die Verwechslung den Einbezug des Dominikus erklären (wiewohl sich die Beweisführung als schwierig erweisen dürfte). Jedoch mag als Impuls für ein späteres, als sinnvoll erachtetes Nachdenken über diese Thematik zumindest ergänzt sein, dass die Indienstnahme des Ordensgründers vielleicht unmittelbar (und nicht erst als Reaktion im Sinne eines Vertuschens) intendiert war, um dadurch sowohl der Gebetsweise als auch der Bruderschaftskonzeption Legitimität sowie Autorität zu verleihen. Was die Forschung abseits dessen zuverlässig eruieren konnte, ist, dass es zu Lebzeiten des heiligen Dominikus gewiss den Brauch gab, eine Reihe von 50 oder 150 Ave Maria zu beten, allerdings handelte es sich dabei eben noch nicht um ein christozentrisches Meditationsgebet.142 Ausgehend von Alanus, der im Übrigen nicht allein Visionen, sondern zugleich Schriftzeugnisse für diese Traditionslinie angeführt hat, verbreitete sich das Narrativ omnipräsent und verwob die Dominikaner aufs Engste mit dem Rosenkranz und der Rosenkranzbruderschaft.143 In den Quellen der Korporation taucht es dementsprechend immer wieder auf. So steht etwa in der von Alexander Numai ausgefertigten Ablassurkunde: Die in Köln erneuerte Bruderschaft ist von Dominikus gepredigt worden, nachdem sie eine Zeit lang vernachlässigt worden war.144 Marcus von Weida informiert in seinem Bruderschaftsspiegel ebenfalls, dass bereits der Ordensgründer auf Befehl der Gottesmutter Maria hin den Rosenkranz von Neuem gepredigt und eine „Bruderschaft des Psalters Marie“ eingerichtet habe.145 Sukzessive

139 Vgl. KLINKHAMMER, Adolf von Essen, S. 97, sowie HEINZ, Die Entstehung, S. 24–26. 140 EDDK, Inc.a.0150, Bl. 146r: Das [sc. die Gebetsweise des Rosenkranzes] ist also bey vierczig jaren durch andaechtig vaeter kartuser orden mit hohem vleiß zusamen geseczt worden. 141 KLINKHAMMER, Adolf von Essen, S. 96. 142 Vgl. HEINZ, Die Entstehung, S. 24, sowie ausführlicher SCHERSCHEL, Rosenkranz, S. 56–64. 143 Vgl. HEINZ, Die Entstehung, S. 39. 144 ASSOP, Bd. 2, T. 3, Nr. 120 (S. 588): [...] seu potius renovata [sc. die Rosenkranzbruderschaft in Köln], quia per Beatissimum illius primum Patrem Dominicum legitur praedicta, licet ad tempus neglecta fuerit et oblivioni tradita [...]. 145 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 13v: Und furnemlich hat disen psalter Marie der heilge vatter sanctus Dominicus, der erste stiffter des heilgen prediger ordens, bey seinen getzeiten uff sondern befelh der mutter gots widder von newen gepredigt und tzu lobe und ere der selben werden mutter gots dovon in welchen landen, in hispanien, in franckreich und umligenden landen durch sich und seine brudere eine bruderschafft auffgerichtet, die do geheissen was die bruderschafft des psalters Marie [...].

4.3 Die Rosenkranzbruderschaft im Spiegel ihrer Zeit

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wurde die Erzählung dann dahingehend modifiziert, dass Dominikus unmittelbar zum Stifter der Rosenkranzbruderschaft avancierte, ohne die vermeintlich noch weiter zurückreichenden Wurzeln zu thematisieren. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist das von Pius V. († 1572) zum 17. September 1569 ausgegebene Breve Consueverunt, das als abschließende Sanktionierung des Rosenkranzgebets gilt. Wie Viliam Štefan Dóci ausführt, wird Dominikus darin als „Urheber und Verbreiter des Rosenkranzes [...] betrachtet.“146 Von Interesse ist fernerhin, zugleich nach den Informationskanälen und Verbindungen zwischen Douai beziehungsweise Alanus de Rupe und Köln zu suchen. Freilich war der Austausch von Wissen und Nachrichten im Dominikanerorden ohnehin sehr gut und Köln im Reich sowie innerhalb des Ordens von zentralem Rang. Dass die Idee der Rosenkranzbruderschaft ihren Weg in die Rheinmetropole fand, wird aber in nicht wenigen Publikationen vor allem einer besonderen Nähe zwischen Jakob Sprenger und Alanus de Rupe zugesprochen. So heißt es unter anderem, Sprenger sei ein großer Verehrer, gar ein Schüler des Alanus gewesen.147 Wie im voranstehenden Kapitel gesehen, nennen die Statuten auch lediglich den Namen des Kölner Priors mit Blick auf die Einrichtung. Doch bereits in der Studie von Anne WinstonAllen deutete sich an, dass Michael Francisci eine wegweisendere Rolle im Prozess der Gründung attestiert werden sollte. Sie schreibt, er sei der „Kommunikator“ zwischen Alanus zuletzt „verwirrenden“ Entwürfen für das Gebet und Sprengers konkreter Umsetzung gewesen. Des Weiteren unterstreicht sie, dass Francisci das Verdienst der Umarbeitung des Rosenkranzgebets in eine für einen deutlich breiteren Rezipientenkreis brauchbare Version zuzurechnen sei.148 Die Einschätzung der Persönlichkeit beiseitelassend, verifiziert sich Franciscis Einfluss natürlich schon vor dem Hintergrund, dass er es gewesen war, der die nun in Köln ‚erneuerte‘ Rosenkranzbruderschaft an der Universität erläutert sowie verteidigt hat. William J. Hoye hat in seinem Beitrag über „Die mittelalterliche Methode der Quaestio“ anschaulich dargelegt, dass die Quodlibeta innerhalb der Universität lediglich von Professoren gehalten werden durften.149 Dass Francisci über diesen Rang verfügte, erschließt sich einerseits aus der Titulation in seinem Quodlibet (sacrae theologiae professorem eiusdem ordinis) und wird andererseits durch die Matri-

146 DÓCI, Kaschauer Predigerbrüder, S. 92 f. – Vgl. auch HOLZAPFEL, St. Dominikus, S. 28 f. 147 HEINZ, Die Entstehung, S. 39, bezeichnet Sprenger als großen Verehrer des Alanus. So auch KLINKHAMMER, Adolf von Essen, S. 87. BEISSEL, Verehrung Marias, S. 544, schreibt, beide waren eng verbunden. JÄGGI, Rosenkranzbruderschaften, S. 92, und DÓCI, Kaschauer Predigerbrüder, S. 90, attestieren Sprenger die Schülerschaft bei Alanus. 148 WINSTON-ALLEN, Stories of the Rose, S. 67: „It was in Michael’s work that Alanus’s ideas were interpreted to a larger public in a form that was attractive and practical. Out of the many methods proposed by Alanus in his characteristically frenetic manner (contemporaries describe Alanus as a manic personality), Michael compiled one usable version.“ 149 Vgl. HOYE, Methode der Quaestio, S. 168 f.

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kel der Universität Köln bestätigt.150 Jakob Sprenger allerdings war ebenfalls seit 1472 Professor der Theologie.151 Als in den Quellen allseits identifizierter Initiator und Gründer der Kölner Rosenkranzbruderschaft hatte auch er die nötige Qualifikation, um an der Universität vorzutragen, jedoch überließ er es seinem Ordensbruder. Zudem spricht Michael Franciscis Werdegang dafür, in ihm die Scharnierstelle für den Ideentransfer zwischen Alanus de Rupe und Jakob Sprenger respektive Köln zu sehen: Francisci, der in Paris studiert hatte und 1460 zum Novizenmeister seines Heimatkonvents Lille ernannt wurde, soll sich im August 1461 erneut in die Stadt an der Seine begeben haben. Wie oben knapp dargelegt, weilte Alanus in diesem Jahr ebenfalls in Paris, wenngleich er mit dem Ende des dortigen Studienjahres nach Lille zurückkehrte. Es ist anzunehmen, dass sich die beiden hier begegnet sind. Zumal Francisci in seiner Verteidigungsschrift in einem Nebensatz formuliert, er habe sich einst als Schüler (discipulos [sic]) bei dem Magister Alanus bewährt.152 Eine nächste Überschneidung ergibt sich aus seiner Versetzung nach Douai im Juli 1465. Damit ist Michael Francisci an dem Ort, an dem Alanus seit Ende 1464 wirkt und, wie Meersseman notiert, vielleicht sogar bis 1466 wirken wird (möglicherweise auch länger, denn in Gent ist er wie erwähnt erst 1468 nachzuweisen).153 Viel wichtiger erscheint aber, dass Francisci ihn also zu genau der Zeit wiedertrifft und erlebt, in der Alanus die Visionen widerfahren sein sollen, die den Ausgangspunkt der Bruderschaftsgründung markieren. Er partizipiert mithin an einer Schlüsselphase für die Rosenkranzbruderschaft. Am 6. Februar 1469 wird Michael Francisci dann an der Universität Köln immatrikuliert.154 Seine Stationen innerhalb des Kölner Konvents können unter anderem bei Scheeben und Gabriel Maria Löhr nachverfolgt werden.155 Die Biographie von Jakob Sprenger hingegen lässt derartige Schnittmengen mit Alanus de Rupe nicht erkennen. Der aus Rheinfelden stammende Sprenger trat 1452 in Basel den Dominikanern bei und soll nach Bernhard Neidiger 1464 oder später nach Köln geschickt worden sein.156 Am 6. April 1467 wird er an der hiesigen Uni-

150 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 137; KEUSSEN (Bearb.), Matrikel Universität Köln, Bd. 1, S. 65: Michael Francisci wird hier seit dem Jahr 1475 als Professor der Theologie geführt. 151 KEUSSEN (Bearb.), Matrikel Universität Köln, Bd. 1, S. 65. Vgl. außerdem NEIDIGER, Basel, S. 274, und LÖHR, Kölner Dominikanerschule, S. 103–105. 152 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 154: [...] quod praefatus magister Alanus, cuius discipulos [sic] aliquando esse merui [...]. Entsprechend notiert auch MEERSSEMAN, Ordo fraternitatis, Bd. 3, S. 1149: „Durante l’insegnamento a Parigi ebbe come discepolo fra Michele Francisci di Lilla, il quale, più tardi, avrebbe esaltato la pietà mariana del maestro, il suo zelo per la diffusione del salterio della Vergine e della omonima confraternita.“ 153 Vgl. SCHEEBEN, Quodlibet, S. 106, und für Alanus MEERSSEMAN, Ordo fraternitatis, Bd. 3, S. 1149. 154 KEUSSEN (Bearb.), Matrikel Universität Köln, Bd. 1, S. 784. 155 Vgl. SCHEEBEN, Quodlibet, S. 106 f., und LÖHR, Kölner Dominikanerschule, S. 105 f. 156 Vgl. NEIDIGER, Basel, S. 274.

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versität eingeschrieben. Das Amt des Priors hatte er seit 1472 inne.157 Inwiefern Jakob Sprenger seinen Ordensbruder Alanus de Rupe ‚verehrt‘ haben mag, kann dahingestellt sein. Quellen, die auf eine Schülerschaft hinweisen, liegen jedenfalls nicht vor. Bleibt zuletzt die Frage, welche Bedeutung die congregatio hollandiae beziehungsweise die Reformströmungen im Dominikanerorden und außerhalb auf die Konzeption und Gründung der Rosenkranzbruderschaft hatten. Hierzu seien die folgenden Beobachtungen und Überlegungen angeführt: Wie oben umrissen, hatte sich Alanus de Rupe einem der Reformkonvente (nämlich Lille) angeschlossen und dort 1464 die die Kongregation konstituierende Versammlung miterlebt. Alle Dominikanerkonvente, in denen er im weiteren Lauf seines Lebens wirkte oder präsent war, gehörten ebenfalls dieser Reformgruppe an: Douai, Gent, Rostock und Zwolle.158 Köln wiederum war zwar nicht Mitglied der congregatio hollandiae – entgegen der Bemerkung Klinkhammers159 –, dafür aber seit 1464 selbst reformiert, mithin im übergeordneten Verständnis Teil der Reformbewegung innerhalb des Dominikanerordens;160 genauso Basel (seit 1429 reformiert), Jakob Sprengers Heimatkonvent.161 Führen wir uns nun diejenigen Orte vor Augen, aus denen vergleichsweise valide Informationen über im Anschluss an Köln ins Leben gerufene Niederlassungen der Rosenkranzbruderschaft vorliegen, fällt auf, dass dort meistens Dominikanerkonvente vertreten waren, die entweder direkt der Holländischen Kongregation angehörten oder eben reformiert waren. So beispielsweise Basel, Colmar, Frankfurt am Main, Ulm oder Leipzig (siehe auch Kap. 4.5.1).162 Gleichwohl stellt die von den Dominikanern in Freiburg im Breisgau initiierte Rosenkranzbruderschaft, in deren Ordnung auch expressis verbis die Verbindung zu Köln hergestellt wird, unmittelbar das erste Gegenbeispiel dar. Der Konvent verweigerte sich lange Zeit der Einführung der Reform.163 Mithin scheint es angebracht, nach dieser Stichprobe in einem eigenständigen Forschungsvorhaben zunächst ein ausführliches Repertorium der lokalen Niederlassungen der Rosen-

157 KEUSSEN (Bearb.), Matrikel Universität Köln, Bd. 1, S. 784. Vgl. außerdem NEIDIGER, Basel, S. 274 f., und LÖHR, Kölner Dominikanerschule, S. 103–105. 158 Vgl. BARY, Errichtung der Ordensprovinz, S. 107 f. Siehe ergänzend WOLFS, Dominikanische Obervanzbestrebungen. 159 Vgl. KLINKHAMMER, Adolf von Essen, S. 87. 160 Vgl. LÖHR, Zweite Blütezeit, S. 210–216, sowie allgemeiner HILLENBRAND, Observantenbewegung der Dominikaner, hier bes. S. 258 f. 161 Vgl. NEIDIGER, Basel, S. 200–205. 162 Die hier genannten Städte sind diejenigen, von denen gesicherte Informationen über das Vorhandensein von Niederlassungen der Rosenkranzbruderschaft vorliegen. Zum Abgleich ihrer Zugehörigkeit zur Observanzbestrebung siehe HILLENBRAND, Observantenbewegung der Dominikaner, S. 271. Bezüglich Leipzig vgl. WOLFS, Dominikanische Obervanzbestrebungen, S. 289. Siehe ergänzend zu diesem Thema auch WINSTON-ALLEN, Stories of the Rose, S. 77 f. 163 Vgl. hier zunächst nur DOLD, Studien zur Geschichte.

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kranzbruderschaft zu erstellen, anhand dessen ein Abgleich mit den Reformkonventen dann adäquater durchgeführt werden kann. Einen nicht zu verkennenden Einfluss übte fernerhin die devotio moderna aus. Diese Reformbewegung war besonders von dem Leitmotiv eines Nachvollzugs des Lebens Jesu (imitatio Christi) geprägt. Mithin spielte die meditative Betrachtung seines irdischen Daseins eine zentrale Rolle.164 Der von Dominikus von Preußen konzipierte Rosenkranz, der nun die Marienverehrung in Form der Ave Maria-Gebete mit der Vergegenwärtigung des Lebenswegs Jesu in Gestalt der Betrachtungspunkte (der clausulae) verband, konnte in diesem Rahmen besondere Bedeutung erlangen.165 Dabei spiegelt sich die Ausrichtung zugleich in der Gebetsarithmetik wider: Durch das tägliche Beten des Marienpsalters sollten zum Beispiel die insgesamt 5475 Wunden des leidenden Christus imaginiert und gewürdigt werden.166 Wie Kaspar Elm festhält, waren die Vorstellungen und Forderungen der devotio moderna ebenfalls an den Stellen des Ordenswesens vertreten, an denen im 14. und vor allem im 15. Jahrhundert Reformbemühungen und Observanzbestrebungen verfolgt wurden.167 Entsprechend lässt sich auch für die congragatio hollandiae belegen, dass sie sich an den Maximen respektive Inhalten der devotio moderna orientierte – wiewohl es keineswegs einer gewissen Ironie entbehrt, dass es Vertreter der Dominikaner waren, die auf dem Konstanzer Konzil gegen die Brüder vom Gemeinsamen Leben opponiert und selbige der Häresie bezichtigt hatten.168

4.3.2 Zeitgenössische Resonanzen Wie gar ubel die thun, die andere leuthe von diser lobliichen bruderschafft abetzyhen, die vorsprechen unnd do wider murmeln – so überschreibt Marcus von Weida das zwölfte und zugleich letzte Kapitel seines Bruderschaftsspiegels.169 Klar ist, er will sich in dem Abschnitt mit den Kritikern, mit den murmelern und afterkoßern, also den Verleumdern auseinandersetzen, die gegen die Rosenkranzbruderschaft agitieren. Der dem Text vorangestellte Holzschnitt visualisiert dabei auf den ersten Blick, dass es um die Verteidigung der Gemeinschaft gehen soll. Das mit den Lk 21,15 ins Gedächtnis rufenden Worten Die warheit uberwindet allezeit gefüllte Spruchband

164 Siehe dazu grundlegend VAN ENGEN, Sisters and Brothers, sowie die beiden Sammelbände von BOER/KWIATKOWSKI (Hg.), Devotio moderna, Bd. 1, und KWIATKOWSKI/Engelbrecht (Hg.), Devotio moderna, Bd. 2. 165 Vgl. HEINZ, Die Entstehung, S. 25 und 38. 166 Vgl. HEINZ, Die Entstehung, S. 38. 167 Vgl. ELM, Devotio moderna, S. 22. 168 Vgl. VAN ENGEN, Sisters and Brothers, S. 212–217; ergänzend in knappen Worten BASSE, Reformkonzilien, S. 133, und ELM, Devotio moderna, S. 23. 169 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 132r.

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sowie die Bildgestaltung eines zwar ringsum attackierten aber wehrhaften Turms lassen gleichzeitig die diesbezüglich selbstbewusste Haltung erkennen.170 Die Bemerkung, er habe solche Anfechtungen sogar persönlich erfahren, soll fernerhin die Authentizität des Geschriebenen unterstreichen. Marcus von Weida möchte nicht nur als referierender Betrachter, sondern als Zeuge auftreten.171 Für die vorliegende Untersuchung sind diese Ausführungen äußerst bedeutsam, da sie einen Eindruck von der Rezeption der jungen Bruderschaft vermitteln und dabei unmittelbar erkennen lassen, dass der neue Bruderschaftstyp von den Zeitgenossen keineswegs ausschließlich stillschweigend und in Anbetracht der Ausbreitung ‚begehrlich‘ angenommen wurde. Folgerichtig wird zu fragen sein, welche Punkte oder Argumente es waren, die gegen die Korporation vorgebracht wurden? Inwiefern der in den Frömmigkeitsdiskurs eingebrachte Wettbewerbsgedanke von einer größeren Nützlichkeit der Rosenkranzbruderschaft für das Seelenheil ihrer Mitglieder auf Resonanz gestoßen ist, wird ebenfalls zu prüfen sein. Überblicken wir die Quellen, wird schnell deutlich, dass Marcus von Weida keineswegs der Einzige war, der sich mit kritischen Stimmen konfrontiert sah. 1506 und 1508 erschien eine Sammlung mit Predigten über den Rosenkranz, die der Dominikaner Clemens Lossow gehalten hatte. In seiner siebten Predigt, deren Schlagrichtung schon aus dem Titel hervorgeht (Quantum peccant detractores huius fraternitatis, utrum ne peccatum, eorum sit maius peccato iude traditoris), berichtet auch Lossow von etlichen Verleumdern, die heimlich genauso wie öffentlich gegen ihn und seine Tätigkeit gelästert haben. Der Hintergrund: Der Dominikaner hatte in Hamburg, dem Ort des Geschehens, oft über den Rosenkranz gepredigt und, so zumindest der Wortlaut, dort zugleich eine große Rosenkranzbruderschaft ins Leben gerufen.172 Darüber

170 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 131v. – Vgl. für eine Bildbeschreibung und -interpretation MULLER, Le Spiegel, S. 142 f. Der abgebildete Turm bezieht sich auf den Turm Davids, der als ein Sinnbild für die Gottesmutter Maria zu verstehen ist. Sie ist auch unterhalb der Turmspitze als Mondsichelmadonna in einer Rosenkranzmandorla dargestellt. Von den Emporen werfen die Verteidiger einzelne Rosen aus Kränzen auf die Angreifer, die der irdischen wie der jenseitigen Welt entstammen. Wie wehrhaft dieser Turm, das heißt die Jungfrau Maria und die Bruderschaft, ist, geht nicht nur aus dem Text des Hohelieds (Hld 4,4), sondern besonders aus der über dem Turm platzierten Aussage Die warheit uberwindet allezeit hervor. 171 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 132r: Aber von anbeginne dißer bruderschaft und noch haben die, die es unbillich thun, solchs auch billich andern leuthen weren sollten, die auch sonderliche liphaber und vorfechter der iungfraulichen ere und des lobes der werden mutter gots sein wollen, diße lobliche bruderschafft in mancherley weise angefochten, heimlich auch tzu tzeiten offenlich do wider gemurmelt, auch wege und weiße hin und wider gesucht, die selbe nicht allein tzu underdrucken und tzu dempffen, sondern auch, ßo vil an yn gewest, gar außtzutilgen. Als ich des vor meine person vil erfaren habe, was sie aber dortzu bewegt, kan ich nicht achten. Es sey got und seiner werden mutter befolhen [sic]. 172 CLEMENS LOSSOW, Sermones rosarii, Bl. D4v (Beginn der Predigt) und E3r: Contigit anno domini m cccc lxxxiii dummodo ego frater Clemens predictus lector essem in Hamborch quod sepius ibidem de rosario predicavi et populum ad orandum quantum potui pro laude gloriose virginis instigavi fra-

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hinaus zeugen bereits die Verteidigungsschriften des Michael Francisci davon, dass die Korporation von Beginn an diversen Angriffen und Angreifern ausgesetzt war. Tertium est quia multi contra hanc fraternitatem peccant vel peccare possunt multipliciter, heißt es zum Beispiel zu Beginn des letzten Abschnittes in der Zusammenfassung des Quodlibet.173 Selbst das Praktizieren der Gebetsweise allein scheint Opponenten aufgerufen zu haben. Diese Wahrnehmung vermittelt jedenfalls die in der Narratio der am 12. Mai 1479 von Papst Sixtus IV. ausgestellten Urkunde zugunsten des Rosenkranzes enthaltene Petitionsformel: Der apostolische Stuhl möge diese Art des Betens bestätigen, um so die Münder etlicher Gegner zu verschließen (ad obstruendum ora aliquorum detrahentium).174 Wenn im einleitenden Absatz davon die Rede war, dass anhand solcher Äußerungen nach den Kritikpunkten gesucht werden soll, offenbart sich überdies die Quellensituation: Bis auf einen Autor sind – zumindest nach derzeitigem Kenntnisstand – keine Zeugnisse erhalten, die von außen und damit aus erster Hand gegen die Rosenkranzbruderschaft gerichtet sind. Ergo, und das hebt wiederum den Wert eines Marcus von Weida oder Clemens Lossow hervor, können die Anfechtungen lediglich aus den darstellenden Quellen seitens der Bruderschaft rekonstruiert werden. Das heißt auch, dass es sich hier zunächst vornehmlich um erste Annäherungen handeln kann. Ob das, was sich in den herangezogenen Texten widerspiegelt, die wesentliche, geschweige denn die gesamte Kritik war, oder es sich in Teilen möglicherweise auch um Formen einer selbst konstruierten Kritik handelt, mag an diesem Punkt nicht entschieden werden. Der oben genannte eine Autor ist Martin Luther. Er hat den von Marcus von Weida verfassten Bruderschaftsspiegel an mehreren Stellen durch Glossierungen am Seitenrand kommentiert.175 Hiervon soll am Ende dieses Kapitels gehandelt werden. Richten wir das Augenmerk zunächst auf das von Michael Francisci verfasste Quodlibet. Im Rahmen von Kapitel 4.1 ist davon geschrieben worden, dass das im Vergleich zu den Statuten und der ersten Fassung signifikant ausgeschmückte

ternitatemque magnam ipsius rosarii ibidem orginaliter institui. Quidam detractores ferre non valentes sepedictus [sic] meis clam et palam detrahebant. 173 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 158. 174 ASSOP, Bd. 2, T. 1–2, Nr. 2 (S. 6): Unde Dux, et Ducissa praefati [sc. Franz II. (von Étampes; † 1488), Herzog der Bretagne, und Margarete von Foix († 1486), Herzogin der Bretagne – siehe zu der Urkunde auch Kap. 4.6.3] propter singularem, et sinceram, quam ad ipsam Beatam Virginem Mariam gerunt devotionem, capiunt ritum, sive modum orandi praedictum [sc. das Rosenkranzgebet], ad obstruendum ora aliquorum detrahentium, per Sedem Apostolicam approbari. 175 Die Glossen sind ediert in WA 60, S. 183–191. Siehe ergänzend KAWERAU, Luthers Randglossen. Der entsprechende Druck im Bestand der ThULB ist inzwischen digitalisiert einsehbar über den Link urn: nbn:de:urmel-78986c58-0dab-4544-bb00-9b939e11a87 f8 [zuletzt abgerufen: 03.06.2019]. Vgl. dazu auch RANACHER, Marcus von Weida, sowie unlängst SCHILLING, Marcus von Weida, S. 167 f., mit einer Abbildung einer von Luther kommentierten Seite des Bruderschaftsspiegels (ebd., S. 168).

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Gründungsnarrativ ergänzend zu einem die Legitimation der Korporation befördernden Hintergrund wahrscheinlich auch als eine Reaktion auf Kritik an selbiger anzusehen ist. Das Vorhandensein wohl missbilligender Stimmen per se benennt Sprengers Konventsbruder, wie oben gesehen, eindeutig. Welche Inhalte lassen sich identifizieren, die dafür ausschlaggebend waren? Stein des Anstoßes dürfte in erster Linie das mit dem egalitären Anspruch der Rosenkranzbruderschaft einhergehende Fehlen von Eintritts- sowie Mitgliedsgebühren gewesen sein. Francisci betont dieses Charakteristikum ausdrücklich. In dem Abschnitt über die Form der Aufnahme schreibt er, dass nichts Zeitliches, also kein Geld oder sonstiges, in die Bruderschaft zu geben sei. Weder beim Eintritt, noch beim Austritt, noch dazwischen. Daran anknüpfend erklärt und mahnt er, dass diejenigen, die nach Gewinn trachten oder den Menschen das Geld entreißen wollen, in Wahrheit nichts anderes als falsche Propheten (pseudoprophetae) sind, die zu meiden und aus der Vereinigung auszuschließen seien. Denn sie vergiften und besudeln dadurch die Reinheit dieser, ihrer Bruderschaft (suae fraternitatis puritam sic inficiunt vel maculant). Nicht unerwähnt bleibt seine Befürchtung, die Jungfrau Maria höchstselbst werde diese Personen strafen.176 Heribert Christian Scheeben hat die Passage wie folgt interpretiert: „Diese scharfen Worte sind offenbar gegen Leute gerichtet, die Sprenger die Absicht unterschoben, die Bruderschaft zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Konventes gegründet zu haben.“177 Plausibel wird seine Einschätzung vor allem mit einem Seitenblick auf den Wortlaut in der ersten Ausgabe (der bei ihm leider nur verkürzt wiedergegeben ist). Die Ablehnung jeglicher weltlicher Verpflichtungen gegenüber der Bruderschaft findet sich hier in nahezu übereinstimmender Formulierung. Die explizit thematisierte Verurteilung von Geldforderungen in sowie der als Konsequenz aus einem solchen Handeln angedrohte Ausschluss aus der Gemeinschaft fehlen hingegen (Scheeben zitiert die Stelle zwar, verweist allerdings nicht auf die Differenz).178 Des Weiteren ist zu bemerken, dass die Statuten diesen Aspekt überhaupt nicht beinhalten. Dort steht lediglich: Aber in diser unser bruderschaffte wird dheinem [sc. keinem] menschen der weg verhalten, wie arm er ist [...].179 Wenngleich

176 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 141 f.: Itaque in ea [sc. die Rosenkranzbruderschaft] nullum temporale dandum est nec in ingressu nec in egressu vel progressu; unde si qui, quod absit, facerent eam quaestuariam aut per eam extorquere vellent pecunias, tunc revera tamquam pseudoprophetae sunt vitandi et excludendi a fraternitate ista et, ut timeo, puniendi ab ipsa gloriosa virgine Maria, utpote qui suae fraternitatis puritatem sic inficiunt vel maculant. 177 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 116 f. 178 MICHAEL FRANCISCI, Sequitur determinatio quodlibetalis, unpag.: Nullum etiam est in hac fraternitate statutum affirmativum vel negativum de conferendo aliquam pecuniam vel aliquod temporale sive in eius ingressu sive in progressu sive in egressu; sed solum hoc habet fraternitatis statutum, quod qui semel in ebdomoda pro se et confratribus pretactum dixerit virginis psalterium particeps erit omnium, que pro hac fraternitate fiunt bonorum [...]. 179 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 509).

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auch im weiteren Verlauf der Ordnung keine Eintrittsgebühren oder Mitgliedsbeiträge benannt werden und das Zitat freilich die ‚Freiheit‘ der Rosenkranzbruderschaft suggeriert, ist das Thema Geld dennoch nicht wortwörtlich ausgeschlossen. Es ist in Anbetracht dessen naheliegend, in Franciscis Darlegung tatsächlich eine Antwort auf von externer Seite zur Sprache gebrachte Vorwürfe zu erkennen. Der Umstand, dass die kategorische Negation innerhalb der ersten Fassung in der zweiten eben noch erweitert und um eine ‚Sanctio‘ ergänzt wurde, lässt vermuten, dass sich die Kritik noch verschärft hat. Die Ausführungen im Bruderschaftsspiegel erhärten und konkretisieren diese Lesart. Der erste Protest, den Marcus von Weida wiederholt, zielt auf die Modalitäten der Aufnahme und die Finanzen. Folgendes hätte man ihm angetragen: Es ist wol war, yr [sc. die Vertreter der Rosenkranzbruderschaft] sagt unnd predigt, man dorffe euch umb solch einschreiben ader auch der bruderschafft halben nichts geben. Ir tzyht aber die leuthe dodurch tzu euch, das sie euch diste meher geneigt werden, votiven, byr und anders mehr geben und begengnns bey euch bestellen, denn sust geschee. Und yr thut also andern clostern und pfarkirchen domit grossen schaden etc.180

Demnach sahen die Kritiker in den nicht geforderten pekuniären Abgaben eher eine ‚Marketingstrategie‘ als ein pastorales Motiv. Auf diese Weise sollten die Attraktivität der Korporation und, daraus resultierend, die Anzahl der Brüder und Schwestern gesteigert werden, die dann aufgrund der vermeintlichen Generosität freiwillig(er) und in größerer Menge Stiftungen und anderes mehr zugunsten der Rosenkranzbruderschaft vornehmen würden. Aus welcher Richtung dieser Einwand gekommen sein wird, muss Marcus von Weida nicht erst ausführen. Der letzte Satz macht noch einmal besonders deutlich, dass es sich um Welt- oder andere Ordensgeistliche gehandelt haben muss. Allen voran der Pfarrklerus, der sich angesichts der Ausbreitung der Mendikanten mit nicht unwesentlichen finanziellen Einbußen konfrontiert sah, fürchtete um seine eigenen Einnahmen, die ihm beispielsweise durch die Beauftragung mit einem Begängnis oder für abgehaltene Begräbnisse zufließen würden.181 Damit ist jedoch ein Vorwurf angesprochen, der weder neu noch spezifisch für die Rosenkranzbruderschaft war; überdies nicht einmal singulär die spätmittelalterlichen Bruderschaften betraf. Vielmehr barg gerade die Zuständigkeit der Seelsorge (mitsamt den daran geknüpften Geldern) in den Städten grundsätzlich ein beachtliches Konfliktpotential. Die Streitigkeiten zwischen Bruderschaften und Pfarrgeistlichen geben hiervon ein ebenso beredtes Zeugnis wie die der Bettelorden mit dem Pfarrklerus.182 Die jüngst erschienene – hier allein stellvertretend ge-

180 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 132v. 181 Vgl. für eine zunächst sehr allgemeine Perspektive u. a. ISENMANN, Stadt im Mittelalter, S. 638, und MELVILLE, Welt der Klöster, S. 249. 182 Anschauliche Fallbeispiele dokumentieren exemplarisch ISRAEL, Geiler von Kaysersberg, S. 76–79, und SICKERT, Klosterbrüder, S. 131 f.

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nannte – Studie von Viliam Štefan Dóci zeigt außerdem, dass sich derartige Konflikte zwischen der Rosenkranzbruderschaft und dem örtlichen Pfarrklerus auch noch im 18. Jahrhundert aufzeigen lassen.183 Das, was Marcus von Weida erwidert, liest sich beinahe abgeklärt. In einem ersten Schritt verweist er auf jene beiden Kapitel, in denen er die Thematik der Einschreibung ausführlich begründet hat. Daran anschließend nimmt er zu dem Vorwurf Stellung, die anderen Klöster und Pfarrkirchen würden Schaden nehmen: Dies anzunehmen, zeuge nicht nur von großer Torheit, sondern wäre auch vermessen. Als Entgegnung führt er zuerst Mt 7,1–5 an. Inhalt dieser Zeilen ist das „Richten“, in Vers fünf heißt es: „Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen!“184 Für Marcus legen derartige Vorwürfe offen, dass diejenigen, die sie artikulieren, mehr vleis und achtunge haben uff die wolle und uff die milch der schefflen Christi.185 Anders ausgedrückt: Sie sind weit weniger an der Sache, an der cura animarum interessiert als an den materiellen Dingen, den Wertgegenständen. Schließlich folgen noch zwei weitere Schriftzitate, bis er konstatiert, dass das Werk (will sagen: die Rosenkranzbruderschaft) gut sei und es niemandem zustehe, darüber zu richten.186 In einem nächsten Abschnitt will sich Marcus von Weida gegen diejenigen wenden, die die Rosenkranzbruderschaft in Gänze attackieren und die selbige gerne vordrucken und außtilgen wolten.187 Welche Anklagen ihm dabei konkret vor Augen standen, erfahren wir diesmal leider nicht. Allerdings weisen die zahlreichen, nacheinander vorgebrachten Autoritäten (er kommt unter anderem auf Rabban Gamaliel den Älteren, Thomas von Aquin, Jesaja und Paulus sowie auf das Kirchenrecht zu sprechen) darauf hin, dass es besonders um eine Replik auf die Verleumdung der Rosenkranzbruderschaft ging. Bezogen unter anderem auf den ersten Brief des Paulus an die Römer (Röm 1,30) formuliert er zum Beispiel: Affterkoßer sein goth gehaß. Sie mogen auch bedencken, das die heilgen rechte affterkoßer erger achten denn straffen rauber [...]. Sie werden geacht vor goth unnde der heilgen kirchen als geistliche morder und als unschuldiges bluts vorgisser.188

Mit deutlichen Worten kontert Marcus von Weida also all denen, die die Rosenkranzbruderschaft diffamieren. Die Konstruktion seiner Argumentation exemplifiziert, dass er versuchte, einer Debatte unmittelbar das Wasser abzugraben. Er sieht nicht die Bruderschaft allein angegriffen, sondern hebt den Diskurs auf die Ebene eines Affronts gegen Gott und die Kirche im Allgemeinen:

183 184 185 186 187 188

Vgl. DÓCI, Kaschauer Predigerbrüder, hier u. a. S. 134 und 158 f. MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 132v–133r. MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 133r. MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 133v. MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 133v. MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 134r.

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So denn diße lobliche bruderschafft als ein bluende geistlickeit, dorinnen got seiner gotlichen wolthat, wie oben vil gesagt ist, manchfeldig gedanckt wirt und der werden muter gots vil ere erbiethunge geschyt und nichts anders dorinnen furnemlich gesucht, denn der selen heil und selickeit. Mogen die vilgemelten vorfolger dißer loblichen bruderschafft in yre eigne gewissen gehen unnd bedencken, wie wol sie doran thun, das sie andere leute von dem lobe gots und seiner werden muter und von ßo vil furbethe frommer menschen und von ßo vil gnade und ablas aus einem blosen abegunst, do vor es wol mag geachtet werden, abetzyhen wollen.189

Die Gegner der Rosenkranzbruderschaft sollten sich dessen bewusst sein, dass sie – in der Perspektive unseres Autors – aus bloßer Missgunst letztendlich nur dazu beitrügen, die Ehrung Gottes und die der Maria zu schmälern. Gleichzeitig würde ein solches Handeln zur Folge haben, dass diese Menschen bei Gott selbst in Missgunst geraten würden, immerhin wären sie nichts anderes als „geistliche Mörder“, schlimmer noch als „Räuber“. Geschickt konvertiert Marcus von Weida hiermit die Kritiker der Bruderschaft zu Kritikern an Gott. Auf welche Aspekte sich im Übrigen die vielfach benannten Verleumdungen beziehen, ob auf den Nutzen oder womöglich die Organisation, verschweigt er. Die Erläuterung, mit der Rosenkranzbruderschaft werde nichts anderes beabsichtigt als die Unterstützung der Jenseitsvorsorge, lässt freilich vermuten, dass erneut auf die Unterstellung, man wolle Gelder nur auf andere Weise von den Mitgliedern erwerben als durch Eintrittsgebühren, repliziert wurde. Am Ende kommt Marcus von Weida auf Clemens Lossow zu sprechen. Im Zuge der Einleitung in dieses Kapitel wurde bereits erwähnt, dass der Dominikaner in einer seiner Predigten von einem Geschehnis berichtet, das ihm in Hamburg widerfahren sei. Dort hätten etliche Verleumder ebenfalls die Rosenkranzbruderschaft geschmäht. Weiter heißt es: Unter ihnen habe es eine Frau gegeben, die nicht hätte glauben können, dass der Rosenkranz wirklich mit den Ablässen ausgestattet sei, die durch die Bruderschaft mitgeteilt würden. Zugleich hätte sie bezweifelt, dass die kommunizierte Einschreibung und Aufnahme wahr sei.190 Anhand dieses Beispiels, das den Beginn einer Exempelerzählung markiert, bekommen wir wiederum einen etwas greifbareren Eindruck davon, was inhaltlich in Zweifel gezogen worden sein könnte: In dem Fall die in Aussicht gestellten Indulgenzen. Damit ist die Erzählung insofern von Interesse, als dass das erste Mal ein Element der praxis pietatis berührt wird. Marcus von Weida, der die Predigt wiedergibt, weitet den Inhalt sogar noch aus. Ihm zufolge hätte besagte Frau nicht wahrhaben wollen, das diße bruderschafft also wahrhafftig mit gnade und aplas begabet und got und seiner werden muter so angeneme were ader den menschen also nutzlich sein sollte, sich dorein tzuschreiben lassen und die tzu halten.191 Er

189 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 134v. 190 CLEMENS LOSSOW, Sermones rosarii, Bl. E3r: Inter quos erat quedam mulier, que credere non potuit, indulgentias esse veras de rosario beatae virginis, quas ibidem pronuntiaveram et fraternitatem atque inscriptionem et receptionem huiusmodi credere veras esse non potuit. 191 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 135r.

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verknüpft also den Argwohn gegenüber der Rosenkranzbruderschaft mit dem Aspekt der Nützlichkeit der Gemeinschaft. Was Clemens Lossow hierauf folgen lässt, ist keine Erwiderung entlang diverser Schriftzeugnisse, sondern der Kern der Exempelerzählung: Demnach sei jene Frau infolge ihrer Äußerungen von einer Krankheit des Hauptes getroffen worden, sodass sie weder tags noch nachts schlafen konnte, und auch ihr rechtes Ohr sei derart taub geworden, dass sie auf der linken Seite liegend nichts mehr hörte. Allerdings hätte sie immerzu das Schlagen der Glocke des hiesigen Dominikanerkonvents St. Johannis in ihrem Kopf vernommen. Ihre Mägde hingegen teilten ihr mit, sie würden nichts dergleichen bemerken. Deshalb überlegte sie, ob diese Krankheit mit ihrer Meinung über den Rosenkranz und die Bruderschaft zusammenhängen könnte. Daraufhin habe sie sich an Maria gewand, ihren Fehler eingestanden und um Heilung gebeten – einhergehend mit dem Versprechen, fortan an die Gottesmutter zu glauben und das erhoffte Wunder zu verbreiten. Unvorhergesehen sei ihr selbige zuteil geworden: Als sie zu Hause war, habe sie augenblicklich wiederholt niesen müssen, sodass Eiter aus ihrem Ohr floss. Auf diese Weise sei sie plötzlich von der Krankheit erlöst gewesen.192 Die Frage, ob sich die genannte Frau in Hamburg tatsächlich derart kritisch über die Rosenkranzbruderschaft geäußert hat, kann außer Acht gelassen werden. Das Anliegen von Clemens Lossow ist es, vor einer solchen Kritik zu warnen. Bezugnehmend auf diejenigen, die innerhalb der Rosenkranzbruderschaft unrechtmäßig Geld von den Brüdern und Schwestern verlangen würden, äußerte Michael Francisci seine Befürchtung, die Jungfrau Maria selbst werde diese Personen bestrafen. Das von Lossow geschilderte Exemplum will diese Sichtweise bestätigen und illustrieren, indem es darüber informiert, welche Folgen bereits aus einem Zweifeln an der Redlichkeit der Rosenkranzbruderschaft resultieren können. Die Wahl der Erzählform erklärt sich aus dem Wesen des Exemplum. Im vorliegenden Fall dient es sowohl der Belehrung als auch des Beweises und hat paränetischen Charakter. Nicht zu vergessen ist schließ-

192 CLEMENS LOSSOW, Sermones rosarii, Bl. E3r–E3v: Tandem deo annuente et beata virgine in infirmitatem capitis incidit, ita quod nec die nec nocte quiescere potuit. Surdaque in aure dextera facta quoddammodo nil audire potuit, et quin in sinistro iacebat latere penitus nihil audivit, sed semper in domo die noctuque vel ubi ivit, videbatur, quod nola conventus nostri ibidem apud sanctus Joannem, ut ibi monasterium nostrum appellatur, pulsaretur, et parva illa nola semper in capite suo sonabat. Sepe igitur ab ancillis quesivit, pulsatur ne inquit campana fratrum predicatorum apud sanctum Joannem, que dicebant non. At illa continue in opinione illa permanens cogitavit an, ne ex deo et beata virgine esset, ibat ad ecclesiam summam ibidem et cogitare cepit supra infirmitate sua et opinione rosarii. Tandem incidit menti eius et oravit dicens: o beata virgo Maria, si tibi placeat iste modus orandi tui rosarii prout dicet et predicatur apud predicatores et an vere sint indulgentie et valeat inscriptio seu receptio fratrum quemadmodum ibidem fit; sana caput meum et aures meas et te confitebor omni tempore et miracula tua pronuntiabo. Statimque in domum veniens in eadem devotione permansit et ecce, subito sternutare cepit et de aure sua dextera quasi ulcus crepans exivit et saniens queque sequebatur et subito sanata est. Siehe auch die Schilderung (bzw. Übersetzung) bei MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 135r–135v.

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lich, dass „das christliche Exemplum über eine eschatologische Perspektive [verfügt], d. h., es stellt nicht nur das Vorbildhafte schlechthin dar, sondern verweist auf die Folgen im Jenseits, die dessen Nachvollzug oder Nichtbeachtung zeitigen.“193 Die angerissenen Beispiele haben deutlich gezeigt: Mit der Gründung der Rosenkranzbruderschaft kam es auch zur Kritik an dieser. Ein mehrfach wiederholter Angriffspunkt betraf dabei die herausgestellte finanzielle Freiheit hinsichtlich der Aufnahme in die Korporation und der Mitgliedschaft in dieser. Während bei Michael Francisci der Vorwurf einer so gestalteten, eigenen Bereicherung anklingt, benennt Marcus von Weida diesen expressis verbis und ergänzt ihn um die Klage, den anderen geistlichen Institutionen würden dadurch Gelder abgegraben werden. Das bisher einzige zeitgenössische Zeugnis, das eine Kritik vor allem an dem Rosenkranzgebet aus erster Hand reflektiert, ist eine Ausgabe des Bruderschaftsspiegels, die Martin Luther aus dem Bestand der damaligen Wittenberger Universitätsbibliothek entliehen und wohl in der zweiten Hälfte der 1520er Jahre kommentiert hat.194 Es handelt sich um Unterstreichungen einzelner Textstellen und Glossierungen, die beide in der Hauptsache auf das erste Kapitel, welches den Marienpsalter (dessen Herkunft etc.) behandelt, ausgerichtet sind. Als Marcus von Weida etwa von Alanus de Rupe berichtet, der dargelegt hätte, dass neben dem heiligen Benedikt (von Nursia; † 547) zugleich andere Kirchenlehrer wie Augustinus (von Hippo; † 430) oder Ambrosius (von Mailand; † 397) diesen Psalter gebetet hätten, notiert Luther: Ey leug ynn aller teuffel namen. Ist den kein masse etc.195 Zur Beschaffenheit des Rosenkranzes und der Intention des Gebets heißt es unter anderem: Teuffel, Wo her so viel lugen und so mancherley.196 Die einzige Randbemerkung, die dezidiert in Verbindung mit der Rosenkranzbruderschaft steht, findet sich in Kapitel fünf, in dem es um den Namen des Gebets geht. Auf Blatt 38v schreibt Marcus von Weida, die goldfarbenen Körnchen eines Rosenkranzes würden auf den unaussprechlichen Lohn hinweisen, den die Brüder und Schwestern der Bruderschaft im Diesseits wie im Jenseits erhielten. Luther glossiert: und sonst niemand, auch die Apostel nicht.197

193 SCHÜRER, Art. Exemplum, S. 380. 194 Vgl. dazu die Einleitung in WA 60, S. 183 und 185. 195 WA 60, S. 187. Die Stelle bei MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 13r: [...] er [sc. Alanus de Rupe] schreibet auch das er gelesen, das der heilge Benedictus aus sonderlicher offenwarunge der werden iungfrawen Marie dißen psalter fleissicklich gebethet. Also schreibet er auch von den heilgen christlichen lerern Augustino, Hieronimo, Gregorio, Ambrosio, das die auch disen psalter tzu lobe und ere der heilgen gotlichen drifaltickeit und der werden gots gebererin Marie ungetzweifelt aus ursachen, die er do antzeiget, gebethet haben. 196 WA 60, S. 188. Die Stelle bei MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 14r. 197 WA 60, S. 190. Die Stelle bei MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 38v: Die goltfarben kornchen in den rosen mogen bedeuthen das unaussprechliche lon und vordinst, das hie, tzeitlich unnd dort, ewicklich entphaen und nehmen werden die brudere unnd schwestern diser loblichen bruderschafft, so sie die selbige treulich und fleissig halten werden.

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Auf die Kritik Martin Luthers an der Gebetsweise des Rosenkranzes sei hier nicht en détail eingegangen.198 Anstoß hat in erster Linie das ‚mechanische Abarbeiten‘ dieser praxis pietatis erregt, das ihm zufolge zu Lasten der inneren Hinwendung und Selbsteinschätzung vonstatten ginge: Aber wen wir in den kirchen sein unter der meß, da stehn wir wie die olgotzen, wissen nichts auff tzubringen noch zuklagen, da klappern die steinn [sc. Vaterunser-Perlen an der Rosenkranzgebetsschnur], rauschen die bletter und das maul plappert: da wirt nit mehr auß.199 Wie beispielsweise die Ausführungen von Johanna Thali zeigen, war dieser Kritikpunkt allerdings bereits im Frömmigkeitsdiskurs am ‚Vorabend‘ der Reformation präsent. Fernerhin hat auch Andreas Heinz dargelegt, dass die Gefahr, durch die stete Wiederholung von Ave Maria und Vaterunser in ein mechanisches ‚Geplapper‘ zu verfallen, schon im Entstehungsprozess des Rosenkranzgebets im 13. Jahrhundert (siehe dazu Kap. 4.6.2) angemahnt worden ist.200 Auf die konzentrierte innere Haltung während des Betens weist im Übrigen auch Marcus von Weida deutlich hin.201 Die Ablehnung der Rosenkranzbruderschaft aus reformatorischer Perspektive kann in Anbetracht des in Kapitel 3.1 Dargelegten kaum verwundern. Bei genauer Betrachtung ist jedoch zu konstatieren, dass die von Luther 1519 gegen die Bruderschaften vorgetragenen Punkte wie etwa die zügellos abgehaltenen Bruderschaftstage oder die Benachteiligung der Armen für die Rosenkranzbruderschaft nicht zutreffen. Wie in Kapitel 4.2 angerissen und im folgenden Abschnitt noch genauer zu sehen sein wird, verstand sich die Korporation explizit als eine Gemeinschaft für die gesamte Christenheit. Aufgrund der nicht erhobenen Eintritts- oder Mitgliedsgebühren sollte jeder Mensch, ungeachtet seiner finanziellen Ressourcen, in die Vereinigung eintreten können. In einem Nebensatz erklärt Luther, dass eine Bruderschaft, die nicht ihren eigenen Nutzen sucht und niemand ausschließt, sondern deren Mitglieder wie freye diener der gantzen gemeyn der Christenheit zu dienen bestrebt sind, nicht zu verurteilen wäre.202 In gewisser Weise kann die Rosenkranzbruderschaft mit ihrer Offenheit als eine solche Bruderschaft angesehen werden. Anhand der Glossierungen im Bruderschaftsspiegel lässt sich aber sagen, dass sich Luther mit den Akzenten der Organisation wohl nicht beschäftigt hat. Abschließend sei an einem letzten Punkt veranschaulicht, dass das Quellenmaterial für die Frage nach den zeitgenössischen Resonanzen zweifelsohne weiteres 198 Vgl. hierzu etwa OELKE, Rosenkranz im Zeitalter, oder KÜHNE, Fegefeuer und Rosenkranz, bes. S. 34–36. 199 WA 6, S. 240. – Vgl. dazu eingehender auch OELKE, Rosenkranz im Zeitalter, bes. S. 108–110. 200 Vgl. THALI, Strategien Heilsvermittlung, S. 266 f., und HEINZ, Die Entstehung, S. 31 f. 201 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 58r: Das ist aber not, das sich der mensche bedechtlich under dem gebethe nicht mit andern unnutzen dingen bekommere und also sein hertze willicklich tzustrawe, dz er nicht weis, was er thut ader wu er ist. Dem nach ist ditz mogliche andacht, das der mensche sovil ym moglich under disem und anderm gebethe alle fremde gedancken und sorge ausschlae [...]. 202 WA 2, S. 757.

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Potential für Untersuchungen bietet: Wie in Kapitel 4.3.1 erwähnt, basierte die Gründung der Rosenkranzbruderschaft in Köln wesentlich auf den Impulsen, die Alanus de Rupe mit seiner Bruderschaftskonzeption und -einrichtung im nordfranzösischen Douai zwischen 1464 und 1470 gelegt hatte. Einen Großteil der diesbezüglichen Informationen erhalten wir aus der von ihm verfassten Apologie, einer 1475 erschienenen Verteidigungsschrift, adressiert an den Bischof von Tournai. Beachtung soll an dieser Stelle exemplarisch allein Kapitel 24 finden, in dem Alanus von denjenigen schreibt, die den marianischen Psalter angreifen und die danach trachten, die heilige Bruderschaft (hier sanctam societatem) aus eigener Bosheit, aus Missgunst oder Unwissenheit plump und rücklings zu tadeln und zu behindern.203 Gegen diese schamlosen Aufrührer (protervis rebellibus) äußert er: Hii [sic] sunt draco scilicet magnus, faciens bellum contra mulierem, hoc est contra virginem Mariam [...].204 Das Bild, das Alanus mit diesen Zeilen imaginiert, ist kein anderes als das von dem Kampf Satans gegen das Volk Gottes, geschildert in Offb 12–14. Die in dieser Passage genannte Frau, die von Alanus bereits als Maria bezeichnet worden ist, konnte eben zugleich sinnbildlich für die gesamte Kirche stehen.205 Im Jahr 1624 brachte Johann Andreas Coppenstein die Schriften des Alanus (genauer gesagt diejenigen, die er ihm zuschrieb) unter dem Titel B. Alanvs De Rvpe Redivivvs De Psalterio Sev Rosario Christi Ac Mariae Eivsdemqve Fraternitate Rosaria neu heraus. Das Buch ist in fünf Teile untergliedert und beginnt mit der soeben behandelten Apologia.206 Mit Blick allein auf das 24. Kapitel zeigt ein Vergleich des Wortlauts beider Abschnitte, dass Coppenstein nicht nur mit der hinzugefügten Überschrift: Von den Verleumdern und Verdrehern des Psalters und von den Tadlern derselben Bruderschaft (De psalterii detractoribus ac depravatoribus, deque fraternitatis eiusdem vituperatoribus), sondern zugleich durch eine zugespitze Diktion die Erwiderungen verschärft hat. So wird nun beispielsweise von teuflischer Bosheit und Missgunst (malitia et invidia diaboli) geschrieben; bei Alanus hieß es malicia, invidia – und die Worte mala lingua avancieren zu pestilens lingua viperae.207 Folglich verspricht es ebenfalls aussagekräftig zu sein, den Blick zeitlich ‚nach vorn‘ zu richten und zu hinterfragen, welche Gründe sich für die Verstärkung rekonstruieren lassen. In diesem Rahmen mag auch das Forschungskonzept der „Invektivität“ mit in die Betrachtung einbezogen werden. Dessen Anliegen ist es, vermittels der Analyse von derartigen Kommunikationsereignissen auf die Konstellationen und Dynamiken von Herabsetzungen in Gesellschaftsprozessen zu schließen. Als ‚invektiv‘ sollen dabei all diejenigen Kommunikationsakte verstanden werden, die

203 ALANUS DE RUPE, Apologeticus, unpag. (Kap. 24). 204 ALANUS DE RUPE, Apologeticus, unpag. (Kap. 24). 205 Vgl. dazu auch NOLL, Maria, S. 35. 206 JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, Alanvs De Rvpe. 207 JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, Alanvs De Rvpe, S. 83 f. Siehe ebenso ALANUS ticus, unpag. (Kap. 24).

DE

RUPE, Apologe-

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darauf abzielen, eine Person oder eine Gruppe beispielsweise zu diskreditieren.208 Dass ein ausreichender Nährboden für ein weiteres, womöglich verstärktes invektives Äußern vorhanden war, zeigt einerseits schon Johann Andreas Coppenstein selbst. Er gab nicht ausschließlich Texte heraus, sondern verfasste darüber hinaus einige kontroverstheologische Schriften gegen Lutheraner und Calvinisten. Andererseits muss der historische Hintergrund berücksichtigt werden: Im Zuge der Neuausrichtung des Bruderschaftswesens auf dem Konzil von Trient (zwischen 1545 und 1563) konnten die Korporationen im Zeitalter der Konfessionalisierung als Instrumente für eine Rekatholisierung in Dienst genommen werden. Während zwar beispielsweise Bernhard Schneider bezugnehmend auf das Gesamtphänomen der Bruderschaften diese Einschätzung als „richtig und doch zu ungenau“ einstuft, konstatiert etwa Stefan Jäggi, dass den Rosenkranzbruderschaften diese Funktion durchaus zugesprochen werden kann.209 Erwähnt sei hier stellvertretend das von Pius V. zum 17. September 1569 ausgegebene Breve Consueverunt. Darin rekurriert der Papst auf den heiligen Dominikus und seinen Kampf gegen die Irrlehren und charakterisiert den Rosenkranz in dem Zusammenhang als ein erprobtes Gebet, das dazu dienen solle, die Häresien zurückzudrängen sowie das Licht des katholischen Glaubens erscheinen zu lassen (haeresum tenebrae remitti, et lux Catholicae Fidei aperiri).210 Insofern können hier weitere Forschungen angeschlossen werden.

4.4 Organisation: Dezentralität als Konzept Die zuerst 1476 gedruckten Statuten der Rosenkranzbruderschaft bestimmen die Organisation wie folgt: 1. Um in die Korporation aufgenommen zu werden, musste eine Person ihren Vor- und Zunamen sowie ihren individuellen Status (das heißt, ob verheiratet oder unverheiratet beziehungsweise ob dem geistlichen oder weltlichen Stand zugehörig) in ein Bruderschaftsverzeichnis eintragen lassen (in geschrifft geben). Die beiden lokalen Standorte, an denen diese Eintragung möglich sein sollte, waren der im Kölner Stadtbezirk Niederich gelegene Dominikanerkonvent Heilig Kreuz für den niederdeutschen und das in Augsburg befindliche Kollegiatstift St. Moritz für den oberdeutschen Raum.211 Dass die Aufnahme an keinerlei

208 Vgl. dazu ELLERBROCK u. a., Invektivität, hier S. 5–7, sowie eingehender SCHWERHOFF, Invektivität und Geschichtswissenschaft, bes. S. 11–20. 209 SCHNEIDER, Wandel und Beharrung, S. 68; JÄGGI, Rosenkranzbruderschaften, S. 94. 210 BOP, Bd. 5, Nr. 79 (S. 223). Vgl. dazu auch DÓCI, Kaschauer Predigerbrüder, S. 93. 211 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 509 f.): Der mensch, der in dise wirdige bruderschafft Marie der iunckfrawen kommen will, soll seinen namen mitsambt dem zunamen und statte, ob er eelichen oder ledig, geystlich oder welltlich sey, in geschrifft geben in den undern lannden gen Kölen, aber in obern tewtschen landen gen Augspurg als der stat, da Unser Frawen heymad und hauß ist, das ir got selber geweihet hat.

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pekuniäre Verpflichtungen geknüpft war, geht indirekt aus der Einleitung in den Text hervor und wurde bereits in Kapitel 4.2 erwähnt. Die nachfolgenden Punkte 2. bis 11. berühren überwiegend Aspekte der religiösen Praxis und die damit einhergehenden Pflichten der Mitglieder. Sie werden ausführlich in Kapitel 4.6.1 behandelt. Allein Abschnitt zehn scheint noch auf eine organisatorische Festlegung hinzudeuten, allerdings wird diese nicht explizit angesprochen: Jakob Sprenger führt hier die ihm bis Ende März beziehungsweise Mitte April 1476 vorliegenden Mitgliederzahlen aus Köln und Augsburg an. In der ein Jahr später gedruckten Neuauflage ist diese Angabe bereits aktualisiert. Demnach ließe sich vermuten, dass die Daten aus Augsburg wohl jeweils nach Köln gemeldet werden sollten, um dort gewissermaßen über ein Gesamtregister zu verfügen.212 In Anbetracht dessen, was die Statuten über die Organisation verraten, wäre also vielleicht eher die Frage zu stellen: Was regelt die vorliegende Ordnung der Rosenkranzbruderschaft nicht? Bezugnehmend auf den Eintritt wird beispielsweise von keiner Eidesleistung oder einem Gelöbnis, die Statuten dieser Vereinigung (etc.) zu achten, geschrieben. Wie aber unter anderem Malte Prietzel betont hat und wie auch anhand der vorausgehenden Fallstudie zu Dresden gezeigt werden konnte, spielte ein solcher Eid bei den Bruderschaften eine nicht minder wichtige, weil die Gemeinschaft konstituierende Rolle.213 Des Weiteren erfahren wir nichts über eine innere Struktur der Bruderschaft, weder über Vorsteher oder Ämter noch über eine entsprechende Hierarchie. Ebenfalls offen bleibt, inwiefern Köln und Augsburg nicht bloß Orte für die Einschreibung waren, sondern ob sie zugleich lokale Zentren mit regelmäßigen verbindlichen Treffen für die Brüder und Schwestern bilden sollten. Schließlich, um einen letzten Punkt anzuführen, finden sich keine Richtlinien für einen potentiellen Ausschluss von Mitgliedern, etwa wegen einer Regelmissachtung. Lediglich das Verfahren respektive die Folgen im Falle eines Versäumens der Gebetsverpflichtung werden thematisiert. Zu einer seitens der Bruderschaft auferlegten Strafe kommt es dabei aber nicht (siehe auch Kap. 4.6.1). Beziehen wir für eine kontrastierende Perspektive zunächst die Verteidigungsschrift des Michael Francisci mit ein. Nach der Darlegung der Gründungsumstände im ersten Kapitel lässt er ein zweites folgen, das über die Art und Weise der Einrichtung und den Eintritt in die Bruderschaft unterrichtet (de modo institutionis vel ingressus

212 In den 1476 gedruckten Statuten heißt es: Bis zum 25. März 1476, also knapp sechseinhalb Monate nach der offiziellen Gründung, seien in Köln 8.000 Brüder und Schwestern eingeschrieben gewesen. In Augsburg hätten sich zwischen dem 15. April und dem 1. November 1476 3.000 Menschen aufnehmen lassen. Siehe MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 517). Die 1477 erneut gedruckten Statuten berichten dagegen für Augsburg von bereits 21.000 Personen. EDDK, Inc.a.0150, Bl. 145r. 213 Vgl. PRIETZEL, Kalande Niedersachsen, hier S. 417 f., sowie ergänzend FRANK, Rechtsgeschichtliche Anmerkungen, S. 320 f.

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huius fraternitatis).214 Konträr zu den Statuten fokussiert die erste Erklärung unmittelbar den Sachverhalt der Gebührenfreiheit, der auch ausdrücklich festgeschrieben wird: Zu keinem Zeitpunkt, sei es beim Eintritt, Austritt oder in der Zwischenzeit, bräuchten die Mitglieder irgendetwas „Zeitliches“ entrichten. Sollte widererwartend doch einmal Geld gefordert werden, dann wären diejenigen, die dies täten, Pseudopropheten und aus der Vereinigung auszuschließen.215 Dass diese deutlichen Worte höchstwahrscheinlich die Antwort auf eine vorausgegangene Kritik an der Rosenkranzbruderschaft waren, wurde in Kapitel 4.3.2 hinlänglich erörtert. Die Eintragung hingegen spricht Francisci erst in der Zusammenfassung dieses Abschnittes an – mit einer überraschenden Aussage: Selbige wird nicht gefordert (nec requiritur inscriptio). Gleichwohl sei sie, genauso wie das Tragen der Zeichen, die Pater noster genannt werden (gemeint ist also die Gebetskette des Rosenkranzes216), gut, mithin jedem einzelnen anzuraten.217 Es liegt nahe, diesen ins Auge fallenden Unterschied hinsichtlich der Immatrikulation abermals im Kontext der Verteidigung der Rosenkranzbruderschaft gegen Kritiker zu verstehen. Die Wegnahme der Pflicht zur Einschreibung dürfte noch weniger Angriffsfläche geboten haben. Nichtsdestoweniger offenbaren die weiter hinten im Text des Quodlibet folgenden Ausführungen über die Vorteile einer derartigen Registrierung, dass Francisci, der die Eintragung unter anderem mit derjenigen in das Buch des Lebens parallelisiert, eben keineswegs eine andere Meinung als Jakob Sprenger vertreten haben dürfte.218 Hinzu kommt, dass in den meisten übrigen Quellen die Eintragung in ein Bruderschaftsbuch als maßgebliche und einzige Prämisse für die Aufnahme in die Rosenkranzbruderschaft angeführt wird. Marcus von Weida zum Beispiel spürt ausführlich den Gründen nach, weshalb die Brüder und Schwestern ihre Namen verzeichnen lassen sollten.219 Clemens Lossow widmet dieser Frage eine seiner Predigten (An nomina fratrum rosarii sint scribenda, ut sufficiat in receptione vocali seu manibus) und das 1508 in Augsburg in Umlauf gebrachte ‚Informationsblatt‘ über die Rosenkranzbruderschaft benennt die Einschreibung wiederum eindeutig als Bedingung.220 Auf diese Texte wird im Folgenden zurückzukommen sein. Den Kölner Statuten zufolge sinnt die Dokumentation aller Namen auf zweierlei Ziele. Einerseits sollte die Summe der Mitglieder zuallererst das sprichwörtliche

214 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 141. 215 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 141. – Siehe das Zitat auf S. 133 in Anm. 176. 216 Diese Bemerkung ist beachtenswert, denn während in der bildlichen Darstellung gemeinhin meist einige Mitglieder der Rosenkranzbruderschaft diese Gebetsschnur in den Händen halten, wird in den schriftlichen Quellen der Korporation das Tragen nirgends vorgeschrieben. – Über die Gebetsschnur selbst und die Bezeichnung vgl. RITZ, Rosenkranz. 217 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 143: [...] nec requiritur inscriptio vel signorum, quae Pater noster dicuntur, delatio de necessitate, sed solum de congruentia et de bene esse [...]. 218 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 156. – Siehe dazu auch das Zitat auf S. 146 in Anm. 237. 219 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Kap. 4 (Bl. 29r–36r). 220 CLEMENS LOSSOW, Sermones rosarii, Bl. D2r–D4v, sowie BSB, Einbl. VII,51.

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Pfund sein, mit dem die Korporation wuchern könne: Da der Nutzen in einer zahlenmäßig „reichen Gesellschaft“, so Jakob Sprenger, größer sei als in einer „armen“, cziech man den menschen also schneller und behender zu dem gebete Unser Frawen gesellschaft, die man also in czale mag dem menschen fürhalten.221 Die Anzahl der bereits immatrikulierten Brüder und Schwestern sollte folglich der Stimulus für andere Menschen sein, der Rosenkranzbruderschaft beizutreten, um so zugleich den Nutzen für die gesamte Gemeinschaft noch weiter zu erhöhen (ye grösser erscheynen ist, ye vleissiger der mensch wirt).222 Kurzum: Quantität als ‚Marketingstrategie‘. Andererseits – wobei dieser Punkt mit dem ersten korrespondiert – sollte die Erfassung den Wahrheitsgehalt der Bruderschaft sowie des von Sprenger Geschriebenen konsolidieren. Der Vorname war mitsamt dem Nachnamen zu notieren, damit man nicht vermainet, dz es ein gedichte und erfunden czal wäre.223 Die Ordnungen der Rosenkranzbruderschaften aus Venedig und Colmar führen die Einschreibung ebenfalls an. Es fehlt allerdings eine Begründung für diese Praxis. Gleichzeitig weist die Diktion gerade im Fall von Venedig eine (wenn auch marginale) Differenz in der Formulierung der Dringlichkeit auf. Die 1480 gedruckten Statuten, die sich durch die einleitende Wortwahl unmissverständlich als in der ‚Kölner Tradition‘ stehend präsentieren (Io frate Iacobo Sprenger [...] ho renovato [...]), erklären, jeder Mann und jede Frau könne in diese Bruderschaft eintreten und sich einschreiben lassen (possa intrare e farse srivere).224 Die Immatrikulation wird zwar genannt, der Text weist sie aber nicht als derart absolut aus, wie es in den Kölner Statuten der Fall ist („Wer eintreten will, soll ...“). Dagegen erscheint die Eintragung in der Wortwahl der aus Colmar tradierten Statuten aus dem Jahr 1485 einmal mehr als notwendige Bedingung: Wer dar in begert und die Rosenkrentz betten wil also vor statt sol der priester in schriben [...].225 Eine Ausnahme auf den ersten Blick stellt die Ordnung der zu Beginn der 1490er Jahre in Freiburg im Breisgau gegründeten Rosenkranzbruderschaft dar.226 Die Verbindung nach Köln ist auch hier offenkundig.227 Bezüglich der Einschreibung heißt es: Es ist auch nit notwendig die ein schreibung der namen, solches geschicht aber von merer bequemligkait, einhelligkait und besseres stands.228 Demzufolge wäre sie offiziell nicht zwingend geboten, würde jedoch sozusagen aus bewährter Manier praktiziert. Diese Bestimmung erinnert an die oben zitierte Aussage des Michael Francisci, 221 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 510). 222 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 510). 223 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 510). 224 BnF, D-80070, unpag. 225 SCHMITT, Confrérie du Rosaire, S. 107. 226 Vgl. den knappen historischen Abriss zur Rosenkranzbruderschaft bei GERCHOW, Bruderschaften Freiburg, S. 24–31 (zur Gründung S. 27). 227 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch, Bl. 50v: [...] ist die lobliche bruoderschafft des rosenkrantz zu Köln durch die lerer der hailigen geschrifft prediger ordens [...] hailsamlich auffgesetzt. 228 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch, Bl. 50v.

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wonach die Immatrikulation kein Zwang, aber eben von großem Vorteil sei. Letztendlich stellt die Freiburger Ordnung insofern nur auf den ersten Blick eine Ausnahme dar, als den Statuten die Matrikel der hiesigen Rosenkranzbruderschaft vorgelagert ist: Ein Register sämtlicher Mitglieder, in dem annähernd 2.500 Namen verzeichnet sind (siehe dazu Kap. 4.5.3).229 Hier veranschaulicht somit die Praxis die Norm und zeigt, dass in Freiburg im Breisgau der Eintritt in gleicher Weise an die Einschreibung gekoppelt war. Was hingegen in allen drei Quellen dezidiert fixiert wurde, ist die Gebührenfreiheit. Die Aufnahme sei ohne einen Lohn oder eine Bezahlung möglich (senza alcuno praemio e pagamento, ma liberamente sia recivuto [sic]), wie es in den venezianischen Statuten steht.230 Freiburg und Colmar warten mit analogen Sätzen auf, wobei der Colmarer Text wiederum jeglichen Einwand vorab zu entkräften sucht: Es dürften keinerlei Gelder genommen werden, damit sich die Bruderschaft nicht dem Vorwurf der Simonie ausgesetzt sehe.231 Wie oben erwähnt, bieten neben den Kölner Statuten auch die Bruderschaftstraktate Begründungen, weshalb die Brüder und Schwestern ihre Namen eintragen lassen sollten. In Kapitel vier seines Bruderschaftsspiegels beschäftigt sich zum Beispiel Marcus von Weida mit der Einschreibung als der Grundvoraussetzung für die Aufnahme. Überblicken wir seine Ausführungen, sind es vor allem vier Argumente, die er vorbringt: Als einen ersten Punkt identifiziert er das klare Bekenntnis eines Menschen zu der Rosenkranzbruderschaft. Denn so, wie sich ein Ritter mit dem Namen seines Herrn bezeichne und sich dadurch zu ihm bekenne, so würden sich auch die Mitglieder zu dem Lob der Gottesmutter bekennen.232 Des Weiteren vergleicht Marcus die Immatrikulation in die Bruderschaft mit der Einschreibung in das Buch des Lebens, einem zentralen Baustein christlicher Memoria.233 Als zweiten

229 Vgl. auch GERCHOW, Bruderschaften Freiburg, S. 29 f. 230 BnF, D-80070, unpag. 231 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch, Bl. 50v: Nit zeittliches gutt ist zu geben zu eingang diser bruoderschafft. SCHMITT, Confrérie du Rosaire, S. 107: Wer dar in begert und die Rosenkrentz betten wil also vor statt sol der priester in schriben, und do von nutz nemmen weder geltz noch geltz welt dar umb das nit hye werde bemerket oder volbrocht symonia das ist geistlich wucher etc. 232 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 29r–29v: Denn durch dise einschreibunge gibt sich der mensche an und opffert sich als einen sonderlichen willigen diner ader dinerin der werden mutter gots, das er tzu lobe und eren got und seiner liben mutter das gebethe des rosenkrantz vor andern menschen mogliches seines fleisses treulich sein leben lang halten wolle, gleich wie sich ein ritter ader ein soldener mit namen aufftzeichen ader einschreiben lest seinen hern, getrewe und gewehr tzu sein etc. [...]. Also geschyt auch nicht unbillich mit den brudern und schwestern diser loblichen bruderschaft, die sich sonderlich vor andern menschen begeben in die geistliche ritterschafft des dinstes der reinen gots gebererin. 233 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 29v–30r: Und dise einschreibunge ist ein bedeutunge der gotlichen eischreibunge und des buches des lebens, do von sant Thomas schreibet an dem gnanten ende. [...] Dorumb in dem, dz die brudere und schwestern diser bruderschafft mit namen eingeschriben werden wirt bedeuthet, dz wir bitten und begeren sollen, dz wir

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Punkt nennt er wie Jakob Sprenger den ‚Werbeeffekt‘ der immensen Mitgliederzahl: Dann so ein mensche hort, dz so manchhundert tausent geistlich und werntlich [...] sich haben hin und wider einschreiben lassen, so wirt er auch dister eher bewegt und gereizt [...].234 Unter drittens legt Marcus dar, dass die Einschreibung eine Demutsgeste gegenüber Gott und der Jungfrau Maria sei. Der vierte Punkt schließlich besagt: Das Verfahren der Aufzeichnung der Namen sei gängige Praxis bei allen Bruderschaften, warum also nicht auch bei der Rosenkranzbruderschaft – zumal die Immatrikulation hier ohne Gebühren vonstatten ginge.235 Ähnlich liest sich die Erläuterung auf dem 1508 in Augsburg gedruckten ‚Informationsblatt‘. Auch hier ist unter anderem davon geschrieben, dass mit der Eintragung in das Bruderschaftsbuch die Aufnahme in das Buch des Lebens angestrebt werde. Zudem sei es ein großer Trost für einen jeden Menschen, wenn er um die immense Zahl der mitbetenden Brüder und Schwestern wisse.236 Die Referenzquelle für die wiedergegebenen Darlegungen wird ohne Zweifel Michael Francisci gewesen sein. Der von ihm in seinem Quodlibet (in der offiziellen Ausgabe) skizzierte dreifache Nutzen der Immatrikulation benennt das Buch des Lebens, die Interzession respektive Protektion durch die Jungfrau Maria und den Vorzug der großen Mitgliederzahl mitsamt der damit einhergehenden Anreizfunktion.237 Indem ausgehend von Francisci die Einschreibung mit der Eintragung in das Buch des Lebens erklärt wird, legitimieren die Autoren selbige vor dem Hintergrund einer elementaren Grundkonstante der mittelalterlichen Memoria. Die schriftliche Aufzeichdurch die furbethe, schutz und schyrm Marie der hymmel keiserin nicht außgelescht, sondern eingeschriben befunden werden in dem buche des lebens und dz alles tzeuht sich tzu yrem lobe unnd got tzu eren. 234 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 30r. 235 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 30r–30v: Wir sehen auch, das diser gebrauch und ubunge gewonlich in allen andern bruderschafften gehalten, das man die brudere und schwestern der selben bruderschafften mit namen einschreibet. Worumb sal denn das nicht gescheen in der loblichen bruderschafft der werden mutter gots. Czu mal, so man nichts geben darff ader tzu geben schuldig. 236 BSB, Einbl. VII,51: Zum ersten sol man sich lassen einschreiben zu bezaichen, das wir Mariam bitten, das sy unß helff, das wir seyen und beleiben eingeschriben in dem buch des lebens. Item das wir ymmer gedencken, das wir dise zal des gebets volbringen. Item das wir trew ritter seyen zu berotten und beschirmen die ere unser lieben schwester und mutter. Auch so empfacht ain mensch ain grossen trost und sussigkait, so er sich [sc. sieht] durch geschrifft, das er so vil mitbruder und swester hat, die für yn bitten. 237 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 156: Et est utilis ad tria, quia primo est significativa illius inscriptionis, quae est per praedestinationem in libro vitae, a quo libro nos inscribendo in hac fraternitate petimus non deleri auxilio virginis gloriosae. Secundo est rememoratio vel quoad nos, ut ad salutandum virginem sub praetacto numero immemores non simus, vel quoad virginem, ut ipsa nos in speciali memoria coram filio commendatos habeat, ostendendo ei secundum Bernardum pectus et ubera. Tertio vero est consolatoria omnium de fraternitate, ut videlicet, dum tantos confratres nos habere gaudemus tantamque multitudinem inscriptam vidimus vel audivimus, de tanta confratrum numerositate et salutationum pro nobis multiplicatione et communicatione consulemur.

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nung von Namen spielte für das Gebetsgedenken die entscheidende Rolle. Zahlreiche Arbeiten haben diese Komponente herausgearbeitet.238 In Bezug auf die biblische Titulation und Tradition, vor allem in Offb 3,5; 17,8 und 20,12–15, wurden diejenigen Schriftstücke, in die die Namen der Verstorbenen eingetragen wurden, als libri vitae bezeichnet.239 Deren Funktionsweise beschreibt Joachim Wollasch prägnant wie folgt: „Wessen Name in einen der Libri vitae eingegangen war, der konnte darauf vertrauen, auch im himmlischen Buch des Lebens, das von Gott geführt wurde, einen Platz gefunden zu haben.“240 Diesem Verfahren ist eine lange Traditionslinie zu eigen, lassen sich seine Grundzüge doch bis in die spätantike, vorchristliche Zeit zurückverfolgen. Einen Höhepunkt erreichten jene Memorialaufzeichnungen in der monastischen Kultur des Mittelalters (siehe dazu auch Kap. 5.1). Die klösterlichen Lebensbücher gelten gemeinhin noch heute als ein Inbegriff der Memoria.241 Wie Wollasch aber ebenfalls zeigt, übernahmen im Spätmittelalter die städtischen Bruderschaften diese Form der Buchführung.242 Anhand der oben ausgeführten Studie zu Dresden und dem Cisiojanus der Dreifaltigkeitsbruderschaft kann dies verifiziert werden. Gleichzeitig bietet die Bruderschaftsforschung weitere Beispiele.243 Mithin nutzten Michael Francisci und ihm nachfolgend etwa Marcus von Weida diese Traditionslinie, um die Beitrittsprämisse zu sanktionieren. Zudem zeigen die zitierten Passagen, dass Marcus durchaus den Vergleich zu den anderen Bruderschaften, von denen sich die Rosenkranzbruderschaft abheben sollte, suchte und herausstrich. Die zahlreichen Exempla, die Marcus von Weida folgen lässt (unter anderem referiert er die Beispielerzählung aus der oben genannten Predigt des Clemens Lossow), brauchen hier nicht erschöpfend behandelt zu werden.244 Von Relevanz sind vielmehr die letzten beiden Aussagen seines vierten Kapitels: Das Recht, Menschen in die Bruderschaft einzutragen, stünde allein denen zu, die entweder von den Ordensoberen oder unmittelbar von dem Prior aus Köln den Auftrag dazu erhalten hätten.245 Über das Prozedere ist zu lesen:

238 Stellvertretend seien hier genannt: GEUENICH/LUDWIG (Hg.), Libri vitae; HUGENER, Buchführung; SCHMID/WOLLASCH (Hg.), Memoria. 239 Offb 3,5: „Wer siegt, wird ebenso mit weißen Gewändern bekleidet werden. Nie werde ich seinen Namen aus dem Buch des Lebens streichen, sondern ich werde mich vor meinem Vater und vor seinen Engeln zu ihm bekennen.“ Vgl. auch HUGENER, Buchführung, S. 31. 240 WOLLASCH, Formen und Inhalte, S. 41. 241 Exemplarisch sei hier verwiesen auf ERHART/KURATLI HÜEBLIN (Hg.), Bücher des Lebens, und GEUENICH/LUDWIG (Hg.), Libri vitae. 242 Vgl. WOLLASCH, Formen und Inhalte, S. 42. 243 Vgl. u. a. RAHN, Bruderschaften Braunschweig, S. 116–119. 244 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 30v–33r. 245 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 35v–36r: Es sal sich auch nymandt understehen die leuthe eintzuschreiben in dise bruderschafft, er habe denn des befelh von den prela-

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Das mag man aber wol thun, das man die nahmen der menschen, die andacht tzu diser bruderschafft haben unnd gerne eingeschriben sein wollen, ufftzeichene ader anschreibe und schicke die in das neste prediger closter, das ym gelegen ist, do weis man sicher forder wol tzu halten. Unnd das ist einem yderman wol erlaubet [...].246

Zwei Aspekte stechen heraus: 1. Die von Sprenger konzipierte binäre Anlage der Korporation, mit Köln und Augsburg als den zwei lokalen Standorten der Einschreibung, ist nunmehr zu einer transregionalen Organisation avanciert, bei der jede Niederlassung der Dominikaner als Ort der Aufnahme fungieren konnte. 2. Für die Einschreibung war es überdies nicht einmal nötig, persönlich vor Ort zu erscheinen. Die Möglichkeit, sich gewissermaßen postalisch in die Rosenkranzbruderschaft aufnehmen zu lassen, thematisiert nicht allein Marcus von Weida. Eine um 1483 gedruckte Inkunabel, die einem Druck über den Marienpsalter wie eine Art ‚Werbezettel‘ beigelegt worden ist, bestätigt diese Option (siehe auch Abb. 19). Der Text lautet: Wer sich will lassen ein schreiben yn die bruderschafft des psalters Marie [sc. die Rosenkranzbruderschaft], der soll kommen gen Ulm czu den predigern. Wer aber nit kommen kan gen Ulm, der sol das dienmutigklich bitten und begeren in geschrifft aines zedels und daran auch seinen namen schreiben mit dem zu namen und das schicken gen Ulm in das obgemelt kloster zu den predigern, do hat man gewalt von dem babst, die bruder unnd schwestern auff zenemen und ein zeschreiben.247

Es bedarf keiner langen Ausführungen, um zu sehen, dass beide Zitate die gleiche Botschaft vermitteln: Die Befugnis der Immatrikulation sollte bei den Dominikanern respektive den von ihnen Beauftragten liegen. Wer allerdings keinen Konvent (vielleicht auch eine Terminei) in der Nähe hatte, der konnte eben ‚brieflich‘ um die Aufnahme ersuchen. Dafür wiederum waren keine besonderen Personen notwendig. Freilich resultiert aus einer solchen Festlegung noch keine faktische Realisierung. In den konsultierten Archiven und Dokumenten konnten derartige Namenszettel nicht aufgespürt werden. Das von Klaus Militzer mit Blick auf die Bruderschaften festgestellte Überlieferungsproblem greift in diesem Kontext sicher besonders.248 Dennoch lässt sich anhand der tradierten Matrikeln aus Freiburg im Breisgau, Colmar und Frankfurt am Main die Umsetzung dieser Bestimmung plausibel machen. Die Register enthalten jeweils Eintragungen aus umliegenden Ortschaften. Wolfgang Kliem konnte beispielsweise nachweisen, dass 1.100 Auswärtige in das Frankfurter Bruderschaftsverzeichnis der Rosenkranzbruderschaft eingetragen wurden. Häufig seien diese Personen in Gruppen zusammengefasst und mit einem Ortsnamen versehen. Gleichzeitig finden sich auch Einzelpersonen mit einem beigefügten Ortsnamen

ten des heilgen prediger ordens ader von dem prior des selben ordens tzu Kollen ader andern vetern des ordens, den es befolhen ist. 246 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 36r. 247 BSB, 4 Inc.c.a. 316#Beibd.1. 248 Vgl. MILITZER, Mittelalterliche Bruderschaftsbücher, S. 142 f.

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verzeichnet.249 Der Radius der registrierten Orte reicht dabei „im Süden bis in den Odenwald, im Osten bis in den Spessart und im Norden bis Oberhessen und gelegentlich in den Westerwald“, umfasste folglich einen Raum von maximal 80 Kilometern.250 Die Größe der Gruppen beginnt im kleinen einstelligen Bereich (z. B. drei, vier, acht), der Großteil liegt im unteren zweistelligen Bereich (z. B. 13, 19, 21), abgesehen von einigen Ausnahmen (z. B. 64).251 Das Freiburger Verzeichnis präsentiert ähnliche Daten. Jan Gerchow konstatierte nach einem, wie er schreibt, ersten Blick, dass sich das Einzugsgebiet der Rosenkranzbruderschaft auf gut 70 Kilometer um die Stadt herum erstreckte (siehe dazu auch Kap. 4.5.2 und 4.5.3).252 Unwahrscheinlich ist, dass all die auswärtigen Personen selbst nach Frankfurt oder Freiburg kamen, um sich einschreiben zu lassen. Kliem kommt in diesem Zusammenhang auf die Dominikaner von Butzbach zu sprechen, die eben keine eigene Matrikel anfertigten, sondern die Namen nach Frankfurt schickten.253 An dieser Stelle tritt die Parallele zum System der klösterlichen Gebetsverbrüderung vermittels eines rotulus vor Augen. Bei den „Roteln“ (auch „Totenroteln“) handelte es sich gemeinhin um aufgerollte Schriftstücke, in welche die Namen von verstorbenen Mönchen oder Nonnen derjenigen Konvente aufgenommen werden konnten, die in die Gebetsgemeinschaft eines Klosters respektive Klosterverbundes strebten und Sorge dafür tragen wollten, dass das Gedächtnis für die Seelen ihrer Verschiedenen in einem größeren Rahmen besorgt wurde. Intention war also die reziproke Gebetsunterstützung. Der häufig sehr knapp gehaltene Vers orate pro nostris, quia oravimus pro vestris veranschaulicht dies.254 Zum Zweck der Einschreibung reiste ein Rotelträger in gewissen zeitlichen Abständen buchstäblich quer durch die Lande, von Kloster zu Kloster. Ein besonders prominentes Beispiel hinsichtlich der Weitläufigkeit stellen die Rotelboten aus dem Benediktinerkloster Admont in der Steiermark dar.255 Folglich lässt sich hier ebenfalls von einer transregionalen oder, wie Joachim Wollasch es ausgedrückt hat, „raumüberbrückend[en]“ Anlage sprechen (siehe auch Kap. 5.1).256 Der Eintritt in diese Gebetsgemeinschaft war möglich, ohne vor Ort, etwa in Admont, zu erscheinen. Das für die Rosenkranzbruderschaft entwickelte und, wie anhand von Butzbach zu sehen, auch praktizierte Verfahren ging jedoch einen entscheidenden Schritt weiter: Im Fall der Roteln ging es nicht um eine Aufnahme in die Gemeinschaft(en) selbst, sondern um eine Aufnahme in die Gebetsverbrüderung. Ein knappes Bei-

249 Vgl. KLIEM, Frankfurter Rosenkranzbruderschaft, S. 116. 250 KLIEM, Frankfurter Rosenkranzbruderschaft, S. 117. 251 Vgl. KLIEM, Frankfurter Rosenkranzbruderschaft, S. 112 f. 252 Vgl. GERCHOW, Bruderschaften Freiburg, S. 29. 253 Vgl. KLIEM, Frankfurter Rosenkranzbruderschaft, S. 117. 254 Die lateinische Phrase ist zitiert nach SIGNORI, Memorialpraktiken, S. 525. 255 Siehe dazu BÜNGER, Admonter Totenroteln (v. a. die Edition). 256 WOLLASCH, Lebensform Verbrüderung, S. 311.

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spiel: 1476 erscheint das erste Mal das Augustiner-Chorherrenstift St. Afra in Meißen in dem Rotulus aus Admont.257 Infolge der Eintragung waren die Meißner Chorherren aber keine faktischen Mitglieder des Admonter Konvents. Vereinfacht gesagt, hatte sich ‚lediglich‘ die Anzahl der für sie Betenden erhöht. Malte Prietzel hat in seiner Studie über die Priesterbruderschaften von der Differenz zwischen einer Mitgliedschaft in der Bruderschaft und der in der Memorialgemeinschaft einer Bruderschaft geschrieben und auf Folgendes hingewiesen: „[J]edes Mitglied der Bruderschaft [ist] auch ein Mitglied der Memorialgemeinschaft; umgekehrt galt dieses aber keinesfalls.“258 Allein die Aufnahme in eine Bruderschaft – geschweige denn in einen Klosterkonvent – aus der Ferne wäre allerdings auch überhaupt nicht denkbar gewesen, erinnert sei hier nur an den häufig abzuleistenden Eid beim Eintritt sowie an die grundsätzliche Ortsgebundenheit der Korporationen. Die Rosenkranzbruderschaft eröffnete hingegen genau das: Selbst mit einem an einen Dominikanerkonvent übersandten Namenszettel konnten die darauf verzeichneten Personen zu Mitgliedern werden. Mithin spielte der von Prietzel herausgearbeitete Unterschied hier keine Rolle. In der Rosenkranzbruderschaft waren alle Brüder und Schwestern sowohl ‚ordentlicher‘ Teil der Korporation als auch der Memorialgemeinschaft. Essentiell an der Organisation der Rosenkranzbruderschaft ist dabei, dass sie trotz der dezentralen Konzeption den Gemeinsinn nicht separiert hat: Obschon es verschiedene lokale Niederlassungen gab, sollten sich die Brüder und Schwestern dennoch als Mitglieder ausdrücklich e i n e r Korporation verstehen (siehe Abb. 10). Prononciert charakterisieren die venezianischen Statuten die Vereinigung als una fraternitade de tutta la christianitade.259 Michael Francisci erklärt zunächst in Anlehung an Jakob Sprenger, es sei besser, die Bruderschaft mit vielen als mit wenigen zu haben. Damit diese Gemeinschaft aber geeint und ungeteilt bleibe (una et indivisa), soll jeder Einzelne beim Beten seine Intention auf den Ursprungsort der Bruderschaft, nämlich den Konvent der Kölner Dominikaner, sowie auf alle Brüder und Schwestern hin ausrichten.260 Diese Formulierung offenbart fernerhin, welche Rolle Köln im Verständnis der Gründer spielen sollte: die eines in erster Linie ideellen Zentrums und Identifikationspunktes. Den

257 Vgl. BÜNGER, Admonter Totenroteln, S. 89 f. Siehe jetzt auch MÜTZE, St. Afra Meißen, S. 144 f. 258 PRIETZEL, Kalande Niedersachsen, S. 42. 259 BnF, D-80070, unpag. In den Statuten der Rosenkranzbruderschaft aus Florenz findet sich diese Aussage in gleicher Weise: Et ha ordinato [sc. Jakob Sprenger] che sia una confraternita di tutta la cristianità [...]. Siehe ORLANDI, Libro del Rosario, S. 216. 260 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 142: Quia etiam melius est habere fraternitatem cum multis quam paucis, ut patuit in prima huius materiae propositione, idcirco, ut haec fraternitatis una et indivisa maneat, expedit unumquemque praedicta legentem intentionem suam ad primarium fundationis locum, scilicet ad conventum Praedicatorum in Colonia et ad omnes illius fraternitatis fratres et sorores referre.

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transregionalen Anspruch bei gleichzeitiger Einheit der Gemeinschaft beschreibt Marcus von Weida wie folgt: Denn wer ein mal ein geschriben und dorumb gebethen, der ist ewig eingeschriben, er werde selig ader werde, das got wende, vordampt; wer auch an einem ortte, es sey wu es wolle, eingeschriben, der ist und bleibet uberall eingeschriben und wirt der bruderschaft teilhafftig in aller werlt, er komme hin wu er wolle.261

Die Lösung der lokalen Verankerung zeigt sich ebenfalls in den Bestimmungen über die Ausführung der Frömmigkeit, die hier bereits kurz angerissen seien. In den Statuten wird zunächst nur davon geschrieben, dass die Gebetsverpflichtung flexibel innerhalb einer Woche ausgeführt werden könne.262 Michael Francisci erklärt auch in diesem Fall ausführlich: Es sei weder nötig, die Gebete mit gebeugten Knien oder in einer Kirche, noch zusammen oder zu einer bestimmten Stunde respektive zu einem bestimmten Tag zu sprechen (nec oportet quod genibus flexis vel in ecclesia vel simul vel certa hora vel die dicuntur). Erst am Ende einer Woche müssten sie absolviert sein, egal ob nun gleichzeitig oder in Teilen.263 Das heißt, so wenig, wie die Aufnahme in die Rosenkranzbruderschaft an die persönliche Präsenz vor Ort gebunden war, so wenig waren die Brüder und Schwestern in der Ausübung ihrer praxis pietatis auf ein örtliches geistliches Zentrum wie eine Kirche oder einen Altar festgelegt (siehe dazu auch Kap. 4.6.1). Abschließend ist aber noch einmal auf das in den Kölner Statuten erwähnte zweite lokale Zentrum für die Einschreibung einzugehen. In Augsburg sollten sich alle Interessenten aus dem oberdeutschen Raum an den Pfarrer der Stiftskirche St. Moritz wenden. Diese in der Forschung bisher kaum hinterfragte Bestimmung erstaunt, immerhin handelt es sich hier doch um keine dem Dominikanerorden zugehörige Kirche. Weshalb Jakob Sprenger diesen Ort wählte, ist aus den Quellen nicht klar zu bestimmen. Einen möglichen Hinweis bietet sein Einschub, es handle sich bei Augsburg um die Stadt, in der Unser Frawen heymad und hauß ist, das ir got selber geweihet hat.264 Klaus Militzer wirft in diesem Kontext die Frage auf, ob es sich bei der Formulierung um eine Anspielung auf das Patrozinium der Kathedralkirche handeln könnte, die der Jungfrau Maria geweiht war.265 Allerdings wäre bei dieser Erklärung immer noch fraglich, warum Sprenger dann die Stiftskirche St. Moritz als zweites Zentrum für die Immatrikulation bestimmt hat – zumal es in Augsburg durchaus einen Dominikanerkonvent gab.266

261 262 263 264 265 266

MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 26r. MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 511 f.). SCHEEBEN, Quodlibet, S. 142. MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 509). MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 509 Anm. 4). Siehe dazu u. a. WIEDENMANN, Dominikanerkirche in Augsburg.

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Blicken wir zuerst auf die Auswahl der Kirche innerhalb der Stadt. Eine schlüssige Erklärung, dies sei vorweggenommen, kann noch nicht geboten werden. Aber es seien einige Beobachtungen eingebracht: Rolf Kießling führt in seiner 1971 erschienenen Studie aus, dass sich die Dominikaner (konträr übrigens zu den Franziskanern) im vornehmeren Kaufleuteviertel niederließen; und dass bei ihnen anhand der Stiftungen die Tendenz nachzuweisen ist, „möglichst enge Beziehungen zur Spitze der sozialen Pyramide der Stadt zu schaffen [...].“267 Das, wie Kießling schreibt, „einfache Bürgertum“ hatte eine besonders enge Bindung an St. Moritz.268 Ähnlich äußert sich Gernot Michael Müller, der das Kollegiatstift als die „wichtigste Augsburger Bürgerkirche“ identifiziert.269 Möglicherweise könnte hierin also eine Motivation für die Entscheidung Sprengers für St. Moritz liegen. Die Rosenkranzbruderschaft sollte schließlich gerade für die Armen und die wenig Begüterten offen sein. Allerdings bleibt es freilich unerlässlich, für diese Frage auch die archivalischen Quellen zur Geschichte des Dominikanerkonvents zu konsultieren. Die bisherigen Publikationen geben zu dieser konkreten Frage wenig Auskunft.270 Des Weiteren wäre – wie im Fall von Douai und Köln – nach persönlichen Verbindungen zu suchen.271 Im Rahmen der vorliegenden Studie können diese Ansätze nur anregende Impulse bleiben. Es gibt allerdings noch eine zweite, nicht minder wichtige Frage: Warum überhaupt Augsburg? Sprenger verweist, wie oben zitiert, auf die Marienverehrung in der Stadt, doch führt dieser Punkt nicht weiter. Meines Erachtens sollte die Entscheidung für Augsburg als ein in gleicher Weise strategischer Schachzug interpretiert werden, wie die in Kapitel 4.1 skizzierte offizielle Gründung der Rosenkranzbruderschaft. In diesem Rahmen sind zunächst die Lage und die Rolle der Stadt Augsburg von Bedeutung. Bernd Roeck etwa charakterisiert die Stadt als „eine Art Vorort Italiens“, des,

267 KIEßLING, Bürgerliche Gesellschaft, S. 265 (Zitat) sowie 36. 268 KIEßLING, Bürgerliche Gesellschaft, S. 255. 269 MÜLLER, St. Moritz in Augsburg, S. 19. 270 KLIEM, Frankfurter Rosenkranzbruderschaft, S. 68, und nach ihm WINSTON-ALLEN, Stories of the Rose, S. 77 f., erklären die Entscheidung für die Stiftskirche St. Moritz vor dem Hintergrund dessen, dass sich die Dominikaner in Augsburg nicht der Observanzbewegung angeschlossen hatten. Auf den zweifellos beobachtbaren Zusammenhang zwischen der Gründung einer Niederlassung der Rosenkranzbruderschaft und dem Vorhandensein eines reformierten Dominikanerkonvents in der jeweiligen Stadt ist zwar auch zuvor in Kap. 4.3.1 hingewiesen worden, indes hat das Beispiel Freiburg im Breisgau aber gezeigt, dass sich die Rosenkranzbruderschaft ebenfalls an einem nicht observanten Dominikanerkonvent etablieren konnte. Insofern erscheint es fraglich, ob dieser Umstand wirklich als Erklärung gelten kann. Die stadthistorischen Publikationen wie etwa die Arbeit von KIEßLING, Bürgerliche Gesellschaft, oder der Sammelband von MÜLLER (Hg.), Kollegiatstift St. Moritz, erwähnen die Verbindung zur Rosenkranzbruderschaft nicht. 271 Ein konkreter Ansatzpunkt wäre, nach solchen Beziehungen zwischen Jakob Sprenger und Johannes Molitoris, dem damaligen Pfarrer von St. Moritz, zu recherchieren. RUF, Pfarrer Molitoris, S. 405, bezeichnet ihn als von Sprenger Beauftragten und Bevollmächtigten im Zuge der Verbreitung der Rosenkranzbruderschaft. Siehe dazu den folgenden Exkurs.

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wie er weiter bemerkt, „wichtigsten Wirtschaftsraumes der damaligen Welt.“272 Hinzu kommt, dass Augsburg an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert einer der wichtigsten Verlagsorte Europas war.273 Mark U. Edwards beispielsweise konnte nachweisen, dass mehr als ein Drittel aller Flugschriften – er hat selbstredend die reformatorischen im Blick – aus dem Süden des Reiches stammten. Als zentrale Druckorte benennt er dabei vor allem Augsburg, Straßburg und Basel.274 Augsburg verfügte also über eine verkehrstechnisch ausgezeichnete Lage an den relevanten Handelsstraßen, prosperierte wirtschaftlich und war ein zentraler Verlagsort: Mithin alles exzellente Bedingungen, um die Idee und ‚Marke‘ Rosenkranzbruderschaft zu lancieren. Nicht grundlos dürften auch die Statuten der Korporation in Basel und Augsburg gedruckt worden sein. Immerhin kann die Entscheidung für diese Druckorte kaum daran gelegen haben, dass es in Köln nicht ebenfalls genügend Offizien hierfür gegeben hätte. Aber auch die Druckorte der Statuten sind bisher weitgehend unbeachtet geblieben.275 Zuletzt sei noch einmal auf das Stift St. Moritz zurückgekommen. Kießling notiert, dass die Kirche inmitten der großen Handelshäuser an der Nord-Süd-Achse der Stadt lag.276 Eventuell spielte also zugleich diese Lage eine Rolle bei der Auswahl. Gleichwohl muss zuletzt auf einen Satz hingewiesen werden, der das soeben Geschriebene hinsichtlich der Lokalisierung der Rosenkranzbruderschaft in Augsburg wiederum in Frage stellt. In dem 1508 in Augsburg gedruckten ‚Informationsblatt‘ über die Vorzüge und Ablässe der Korporation heißt es abschließend: Zu Augspurg in der predigerkloster da dise bruderschafft ist.277 Demnach wäre die Rosenkranzbruderschaft doch am hiesigen Dominikanerkonvent und nicht am Kollegiatstift St. Moritz präsent gewesen. Bislang konnten allerdings auch in Augsburg selbst keine weiteren Quellen aufgefunden werden, die nähere Informationen zu diesem Punkt bereitstellen. Aus dem vorab Geschriebenen kann konstatiert werden: Die Rosenkranzbruderschaft war dezentral organisiert, verstand sich aber als eine universale Gemeinschaft – una fraternitade de tutta la christianitade, wie es die venezianischen Statuten prononciert formulieren.278 Die verschiedenen lokalen Niederlassungen, seien es Augsburg, Ulm, Freiburg im Breisgau oder andere mehr, sollten in diesem Konzept keine autonomen Einheiten sein, sondern eher als neuralgische Schnittstellen fungieren, über die der Eintritt in die transregional agierende Korporation möglich war. Köln wiederum

272 ROECK, Geschichte Augsburgs, S. 84. 273 Vgl. ROECK, Geschichte Augsburgs, S. 94. 274 Vgl. EDWARDS, Printing, S. 28 sowie Tab. 4 auf S. 24 f. 275 Von Interesse dürfte in diesem Zusammenhang bspw. sein, erneut nach persönlichen Kontakten zu fragen und zu prüfen, inwieweit selbige hier möglicherweise eine Rolle spielten: Basel etwa ist der Heimatkonvent Jakob Sprengers. Vgl. dazu NEIDIGER, Basel, S. 274. 276 Vgl. KIEßLING, Bürgerliche Gesellschaft, S. 256. 277 BSB, Einbl. VII,51. 278 BnF, D-80070, unpag.

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kann in diesem Rahmen als das ideelle Zentrum respektive als ‚koronarer Knotenpunkt‘ bezeichnet werden, der alle einzelnen Standorte miteinander verwob. Das von Michael Francisci mitgeteilte Geheiß, die Brüder und Schwestern mögen ihre Gebete auf Köln hin ausrichten, veranschaulicht diesen Leitgedanken (ähnlich auch nachzulesen im Text der Freiburger Statuten: und sein meinung ordnen zu allen gebrider).279 Dem Dominikanerkonvent in Köln kam lediglich insoweit der Charakter eines faktischen lokalen Zentrums zu, als dass dort allem Anschein nach eine Art Zentralregister verwahrt und die in der Tat ortsgebundene zusätzliche Jenseitsvorsorge der vier Mal im Jahr stattfindenden Anniversarfeiern vollzogen werden sollte, auf die im Folgenden noch einzugehen sein wird (siehe dazu Kap. 4.6.1). Vor diesem Hintergrund verzichtete die Vereinigung auf die Konstruktion einer inneren Ordnung. Es bedurfte weder Bruderschaftsämtern noch einer selbige systematisierenden Hierarchie. Gleiches gilt für das Abhalten von Bruderschaftstagen oder ähnlichen Treffen. Aufgrund dessen, dass die Rosenkranzbruderschaft sowohl auf der institutionellen als auch auf der praktisch-ausführenden Ebene der Mitglieder losgelöst von einer lokalen Verankerung arbeitete, kann hier von Dezentralität als Grundkonzept gesprochen werden.

Exkurs: Johannes Molitoris und die Effizienz in der Aufnahme von Mitgliedern in die Rosenkranzbruderschaft? 1930 erschien in der „Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte“ ein Aufsatz von Paul Ruf mit dem Titel: „Der Augsburger Pfarrer Molitoris und sein Holzschnittsiegel“.280 Wie bereits der Titel klar erkennen lässt, beschäftigt sich der Autor hierin mit einem Typar, welches er dem Besitz des Pfarrers Johannes Molitoris († 1482) zuschreibt. Dieser war seit 1469 oder 1470 Kanoniker und Pfarrer von St. Moritz in Augsburg, mithin an dem Kollegiatstift, dass nach ausdrücklicher Bestimmung der Kölner Statuten den zweiten ‚neuralgischen Punkt‘ für die Eintragung von neuen Mitgliedern in die Korporation darstellen sollte. Von Relevanz für die vorliegende Studie erscheint insbesondere das Fazit Paul Rufs, was den Nutzungszweck des Siegels anbelangt: Demnach habe Molitoris es benutzt, um die in die ‚Tausende‘ gehenden Bruderschaftsbriefe besser ausfertigen zu können.281

279 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch, Bl. 50v. 280 RUF, Pfarrer Molitoris, S. 387–406. 281 RUF, Pfarrer Molitoris, S. 405: „[E]s [sc. das Siegel] wurde wahrscheinlich zur Beglaubigung der den einzelnen Mitgliedern ausgestellten Bruderschaftsbriefe benützt. Da sich die Zahl der Mitglieder schon im ersten halben Jahr auf Dreitausend belief und ein weiteres Steigen vorauszusehen war, empfahl es sich für den Pfarrer gewiß, die Bruderschaftsbriefe statt mit der umständlichen Besiegelung in Wachs mit einem einfach aufgedrückten Stempel zu beglaubigen.“

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Noch in der aktuellen Forschung spiegelt sich diese Beurteilung wider. Ein Beispiel hierfür mag der zuerst 2007 und dann erneut (überarbeitet sowie erweitert) 2018 veröffentlichte Aufsatz „Spätmittelalterliche Pfarrei- und Pfarrersiegel“ von Enno Bünz sein. Darin kommt auch er auf jenes Siegel zu sprechen und wiederholt in dem Rahmen die These Rufs: „Der Pfarrer war als Beauftragter des Dominikaners Jakob Sprenger für die Verbreitung der Rosenkranzbruderschaft tätig; der merkwürdige Stempel diente höchstwahrscheinlich dazu, den neuen Mitgliedern ihren Bruderschaftsbrief zu beglaubigen.“282 Was aber war der Ausgangspunkt, der Ruf und ihm nachfolgend Bünz zur Beschäftigung mit dem Holzschnittsiegel und schließlich zu dieser Einschätzung veranlasst hat? Die Besonderheit oder das Merkwürdige liegt in der Umschrift. Sie lautet: + S · IOHANNIS · PLEBANI · AD · S · MARICIVM · IN · AVGVSTA · Ao · Mo · CCCC · Λ (siehe Abb. 11). Der Wortlaut identifiziert das spitzovale Siegel folglich als das eines „Pfarrers Johannes von St. Moritz in Augsburg“. Das Bildprogramm zeigt in der etwas größeren oberen Hälfte den heiligen Mauritius (zu erkennen hier an seiner Darstellung in Rüstung mit Schild und Lanzenfahne), stehend auf einem Dreiberg. In der kleineren unteren Hälfte ist ein Geistlicher auf Knien und in Gebetshaltung dargestellt (sicher stilisiert der Siegelführer). Das eigentlich auffällige ist die Datumsangabe Mo · CCCC · Λ, die aufgelöst „147“ ergibt, es fehlt also eine Ziffer. Dass es sich hierbei nicht um eine ungewöhnliche Schreibung für 1407 handeln kann, klärt Ruf einleitend in den Text auf: In diesem Jahr gab es keinen Pfarrer Johannes an St. Moritz.283 Daher löst er die Datierung mit 1470 auf; allerdings mit einer Eigenheit, die sich aus der Einbindung von Johannes Molitoris in die Organisation der Rosenkranzbruderschaft heraus erklären soll. Die Funktion, die Jakob Sprenger dem Pfarrer von St. Moritz für die Aufnahme von neuen Mitgliedern zugeschrieben hat, ist im obigen Teil bereits thematisiert worden (alle Interessenten aus dem oberdeutschen Raum sollten über ihn immatrikuliert werden). Ruf sieht diese Tätigkeit durch zwei Schriftstücke bestätigt, in denen Johannes Molitoris im Zusammenhang mit der Rosenkranzbruderschaft erwähnt wird. Basierend auf diesen Quellen charakterisiert er ihn als Bevollmächtigten Sprengers, der das Holzschnittsiegel dazu genutzt habe, um die zahlreichen Bruderschaftsbriefe für die neuen Brüder und Schwestern auszufertigen.284 In diesem Zusammenhang sei das Fehlen der letzten Ziffer der Jahreszahl sogar beabsichtigt gewesen. Diese hätte

282 BÜNZ, Pfarrei- und Pfarrersiegel, S. 347. 283 Vgl. RUF, Pfarrer Molitoris, S. 387 f. und 392 f. Siehe auch GEFFCKEN, Pröpste, Dekane und Pfarrer, S. 604. 284 RUF, Pfarrer Molitoris, S. 404 f., nennt einen – vermeintlichen – Brief Sprengers, dessen Abschrift in der Bayerischen Staatsbibliothek verwahrt wird, sowie eine 1492 entstandene Handschrift aus dem Benediktinerkloster St. Ulrich und St. Afra in Augsburg. Aus beiden zitiert er jeweils nur einen Ausschnitt. Beide Texte müssten bezüglich der Bevollmächtigung noch einmal genauer eingesehen werden.

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jeweils händisch eingetragen werden müssen. Ein Verfahren, das wohl dazu dienen sollte, das vorauszusehende Ansteigen der Mitgliederzahlen in den nachfolgenden Jahren pragmatischer bearbeiten zu können, so Ruf.285 Die zuerst 1613 von Johann Andreas Coppenstein sowie später von Adam Weitz wiederholten exemplarischen Auszüge aus dem ‚zentralen‘ Kölner Bruderschaftsregister (siehe Kap. 4.5.1) scheinen diese Mitwirkung zu unterlegen. Beide zitieren eine Eintragung, nach der der Pfarrer von St. Moritz 32.000 Namen nach Köln geschickt habe.286 Dem hier verfolgten Forschungsinteresse käme diese Verfahrensweise in der Organisation der Aufnahme vollends gelegen. Immerhin ließe sich schon hierin eine Form der Effizienz respektive der Optimierung im Modus der Immatrikulation neuer Bruderschaftsmitglieder nachweisen. Durch die Benutzung des Typars wäre die Beglaubigung der Bruderschaftsbriefe beschleunigt worden. Zudem wäre das Siegel aufgrund der Aussparung der letzten Ziffer länger, nämlich – legt man die Gründung der Rosenkranzbruderschaft Ende 1475 zugrunde – vier weitere Jahre verwendbar gewesen. Dass es gerade infolge des Buchdrucks auch bei anderen Bruderschaften zu einer sichtbaren Optimierung in der Dokumentation der Aufnahme von neuen Mitgliedern kam, zeigen die gedruckten Bruderschaftsbriefe. Zwei Beispiele seien hier kurz skizziert: Ein Erstes stammt aus Augsburg selbst. Am dortigen Karmeliterkloster bestand seit Beginn des 15. Jahrhunderts eine Annenbruderschaft, die mit dem Aufleben der Verehrung der heiligen Anna am Ende jenes Jahrhunderts einen deutlichen Aufschwung erlebte.287 Bereits 1947/1948 veröffentlichte Albert Haemmerle einen knappen Beitrag über das Aufnahmeformular dieser Bruderschaft aus dem Jahr 1494, in dem er vor allem den Wortlaut des Textes wiedergibt.288 Darin heißt es, dass die Person x beispielsweise aller gottesdienstlichen Handlungen sowie aller Gebete teilhaftig werden würde.289 Weit mehr als der Inhalt interessiert an dieser Stelle jedoch das Formular an sich. So zeigt der gedruckte Text drei Leerstellen (siehe Abb. 12): Eine erste, längliche Aussparung findet sich links in Zeile drei. Hier konnte der Name der entsprechenden Person händisch eingetragen werden. Die beiden anderen Aussparungen sind in der letzten Zeile platziert, und zwar vor dem

285 Vgl. RUF, Pfarrer Molitoris, S. 405 f. 286 JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis Rosarii Mariae, S. 378 f.: Augusta Vindelicorum Pastor ad S. Mauritium misit triginta duo millia nominum in uno volumine f. 471. Siehe auch AOP, Bd. 2, S. 125. 287 Vgl. KIEßLING, Bürgerliche Gesellschaft, S. 292. DÖRFLER-DIERKEN, Bruderschaften der hl. Anna, erwähnt S. 56 f. zwar ebenfalls diese Annenbruderschaft, schreibt jedoch, selbige sei „erst für das Jahr 1494 zweifelsfrei belegt“ (ebd., S. 56), und im Stadtarchiv wäre hierzu nichts bekannt. Kießling hingegen führt eine Aufnahme in die Annenbruderschaft an, die auf das Jahr 1407 datiert – aus dem Stadtarchiv (KIEßLING, Bürgerliche Gesellschaft, S. 292 Anm. 23). Daher sei ihm gefolgt. 288 Vgl. HAEMMERLE, Aufnahmeformular Annenbruderschaft. Ein unausgefülltes Exemplar des Bruderschaftsbriefes befindet sich im Bestand der SBB, Inc 317.5 Einbl. 289 Vgl. HAEMMERLE, Aufnahmeformular Annenbruderschaft, S. 9 f.

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Tag und nach dem Monat: Geben zu Augspurg [...] im lxxxxiiii iar an __ tag des monetz __.290 Hier konnten also die spezifischen Daten der Ausstellung des Bruderschaftsbriefes manuell ergänzt werden. Folglich konnte das Formular zugleich für das gesamt Jahr verwendet werden. Zwar sollte das Schriftstück auch das Siegel des Priors tragen, allerdings nicht, um die Jahreszahl zu fixieren, zu dem der Bruderschaftsbrief ausgegeben wurde. Der 1492 aus Anlass des in Zwickau zusammengekommenen Provinzialkapitels der Sächsischen Franziskanerprovinz herausgegebene Bruderschaftsbrief für die Aufnahme in die Gebetsgemeinschaft der Franziskaner und Klarissen illustriert ebenfalls das soeben dargelegte Prinzip. Erneut finden sich auf dem Formular zwei Textlücken, in die der Name der um ihr Seelenheil besorgten Person eingeschrieben werden konnte. In dem von Bernd Schmies gezeigten Beispiel ist der ausgefüllte Bruderschaftsbrief für Hans Zothen und seine Ehefrau Anna zu sehen.291 Anders ist an dem Beispiel lediglich die Datierung, die unpräziser schlicht auf 1492 festgeschrieben wurde.292 Beide Inkunabeln veranschaulichen, dass es einhergehend mit der Technik des Druckens zu einer deutlichen Optimierung im Aufnahmeverfahren von Bruderschaftsmitgliedern kam. Mit den beschriebenen Bruderschaftsbriefen war es möglich, deren Ausgabe signifikant zu beschleunigen. Nicht nur, weil sie in gedruckter Form vorlagen, sondern besonders, weil sie nun den Charakter von standardisierten Formularen hatten. Gedruckt wurde ein für die jeweilige Korporation allgemeingültiger Text, der dann aufgrund der Leerstellen personalisiert werden konnte; und, wie die beiden Briefe zeigen, ein ganzes Jahr nutzbar war. Bernd Schmies schreibt mit Blick auf diese Drucke von einer ‚Inflationierung und Standardisierung‘ des Gebetsgedenkens in der Sächsischen Franziskanerprovinz.293 Von Standardisierung lässt sich zweifelsohne sprechen. Der Begriff der Inflationierung erscheint in diesem Zusammenhang hingegen unpassend, schwingt mit ihm doch der Aspekt einer ‚Entwertung‘ mit. Insofern halte ich auch hier den von mir vorgeschlagenen Begriff der Effizienz als besser geeignet: Mit geringerem Aufwand (etwa Schreibkraft für die Ausfertigung der diversen Briefe) konnte ein deutlich gesteigerter Ertrag (schnellere Aufnahme von neuen Mitgliedern) erzielt werden. Davon abgesehen sind die voranstehenden Sätze, was Molitoris Typar in Verbindung mit der Rosenkranzbruderschaft anbelangt, im Konjunktiv gehalten – und das nicht ohne Grund. Ein erster Zweifel stellt sich schon mit Blick auf die Umschrift selbst ein. An der Stelle, wo man einen Freiraum für die handschriftlich einzutragende Zahl erwarten würde, endet die Umschrift, und die sieben (Λ) grenzt direkt an

290 SBB, Inc 317.5 Einbl. 291 Vgl. SCHMIES, Bruderschaftsbrief Franziskaner, S. 305. Der Text findet sich bei CLEMEN (Hg.), Alte Einblattdrucke, S. 7 f. 292 CLEMEN (Hg.), Alte Einblattdrucke, S. 8. 293 SCHMIES, Bruderschaftsbrief Franziskaner, S. 305.

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das Kreuzsymbol. Die Möglichkeit einer ergänzenden Eintragung ist folglich nicht gegeben. Paul Ruf, dem dies ebenso nicht verborgen geblieben ist, schreibt diesen Fehler dem Siegelschnitzer zu: Dieser habe entweder die Absicht seines Auftraggebers nicht richtig verstanden oder möglicherweise den insgesamt zur Verfügung stehenden Raum falsch berechnet. Die letzte Ziffer hätte dementsprechend außerhalb des Siegelabdruckes verzeichnet werden müssen.294 Um dem nachzugehen, müssten die Bruderschaftsbriefe betrachtet werden. Das Problem daran ist, dass keine solchen Quellen von der Rosenkranzbruderschaft vorliegen. Auch hierzu hat Ruf allerdings eine Erklärung: So brauche es „nicht Wunder zu nehmen“, wenn „bis jetzt kein einziger derartiger Brief aufgetaucht ist“, immerhin seien „auch von den Rosenkranzbildern [...] nur einige wenige erhalten.“295 Ungeachtet dessen, wie groß die Zahl der Mitglieder faktisch gewesen ist oder wie weiträumig sich die Rosenkranzbruderschaft letzten Endes ausgebreitet hat, erstaunt es dann aber doch, dass in Anbetracht einer fraglos großen Verteilung nicht ein einziger Bruderschaftsbrief erhalten geblieben sein soll? Freilich könnten hierfür Äquivalente in der Forschungsliteratur aufgespürt werden. So konstatierte unlängst Gerald Hirtner, dass unter anderem für die Salzburger Skapulierbruderschaft eine beachtliche Überlieferungslücke klafft. Demnach datiert der erste nachweisbare Druck eines Bruderschaftsbriefes auf das Jahr 1747, gegründet wurde die Korporation jedoch bereits 1630. In diesen 117 Jahren waren mehr als 100.000 Personen in die Bruderschaft eingetreten. Anhand der Rechnungsbücher war es Hirtner möglich, nachzuweisen, dass gedruckte Bruderschaftsbriefe ebenfalls vor 1747 ausgegeben wurden.296 Und selbstredend ist in dem Rahmen an das zu denken, was Klaus Militzer grundsätzlich zu den Überlieferungsschwierigkeiten von Bruderschaftsquellen geäußert hat: Häufig wurden die Schriftstücke Laien respektive Privatpersonen übergeben, hinter denen keine Institution stand, die eine Archivierung ermöglicht oder befördert hätte. Das gilt natürlich umso mehr für die Bruderschaftsbriefe – gerade auch im Fall der Mitglieder der Rosenkranzbruderschaft.297 Das Fehlen von Bruderschaftsbriefen der spätmittelalterlichen Rosenkranzbruderschaft kann aber noch von einer anderen Richtung her begründet werden: Weder in den Statuten noch in einer der weiteren eingesehenen Quellen wird davon geschrieben, dass den neuen Mitgliedern im Anschluss an ihre Aufnahme in die Rosenkranzbruderschaft ein beglaubigter Bruderschaftsbrief auszustellen sei. Erst von

294 RUF, Pfarrer Molitoris, S. 406: „Freilich muß man dann annehmen, daß der Siegelschneider die Absicht seines Auftraggebers nicht ganz richtig verstanden und den nötigen Raum nicht frei gelassen oder den zur Verfügung stehenden Raum von vornherein schlecht berechnet hat, sodaß nun bei den Bruderschaftsbriefen, die mit dem Siegel beglaubigt waren, die letzte, handschriftlich einzusetzende Einserziffer außerhalb der Siegelumrahmung zu stehen kam.“ 295 RUF, Pfarrer Molitoris, S. 405. 296 Vgl. HIRTNER, Bruderschaften als Auftraggeber, S. 163 f. 297 Vgl. MILITZER, Mittelalterliche Bruderschaftsbücher, S. 143.

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den Rosenkranzbruderschaften der Frühen Neuzeit liegen derlei Schriftstücke (gedruckte Briefe, die dann in der Tat per Hand personalisiert werden konnten) vor.298 Im Rahmen seiner Ausführungen kommt Paul Ruf auch auf den umfangreichen Buch- und Handschriftenbesitz des Johannes Molitoris zu sprechen. Dabei listet er diejenigen Werke auf, in denen sich Abdrucke des Holzschnittsiegels finden. Dass das Siegel jedoch als „Buchbesitzerzeichen“ konzipiert war, schließt er vor allem hinsichtlich der „rechtliche[n] Eigenschaft“ des Stempels aus; wobei Ruf übrigens nicht erwähnt, ob denn in diesen Quellen die fehlende Zahl neben dem Abdruck notiert wurde.299 Mittlerweile können einige der Bände, die mit dem Stempel gekennzeichnet wurden, digitalisiert online eingesehen werden. Das Ergebnis ist: Nur in einem von vier zunächst exemplarisch geprüften Büchern ist ein senkrechter Strich über dem Siegel eingezeichnet.300 Ob es sich dabei allerdings wirklich um eine eins für 1471 handeln mag, zumal im Kontext eines Exlibris-Stempels, kann nicht schlüssig begründet werden.301 Günter Hägele hingegen schreibt zu dem Typar: „Sein Holzschnittsiegel, das er in seiner Eigenschaft als Schriftführer der noch jungen Kölner Rosenkranzbruderschaft für Süddeutschland führte, hat er in wenigstens 17 Handschriften und 20 Inkunabeln als Exlibris verwendet.“302 Hier vermischen sich also die beiden Punkte. Einerseits übernimmt Hägele die von Ruf geäußerte These, Molitoris habe das Siegel in seiner Funktion für die Rosenkranzbruderschaft genutzt. Andererseits stellt für ihn die gleichzeitige Indienstnahme des Stempels zur Kennzeichnung seines Buch- und Schriftbesitzes keinen Widerspruch dar. Abschließend ist zu erwähnen, dass nicht bekannt ist, wann Molitoris das Typar in Auftrag gegeben hat. Sollte die Auslassung also wirklich von ihm intendiert gewesen sein, denn auch für diese Aussage gibt es letztlich keinen Quellenbeleg, wäre es doch naheliegend, den Stempel ganz allgemein in seine Tätigkeit als Pfarrer zu verorten. Immerhin ist er ab 1469/1470 in dieser Position nachzuweisen. Dem Siegelschnitzer einen Lapsus hinsichtlich des nicht gewährten Freiraumes in der Umschrift zu unterstellen, wirkt bei alledem doch sehr spekulativ. Zusammenfassend lässt sich sagen: Fraglos handelt es sich bei der Jahresangabe um eine merkwürdige Form der Datierung. Was nicht in Zweifel gezogen werden soll, ist, dass mit dieser ‚Abbreviatur‘ womöglich die Nutzungsdauer des Holzschnittsiegels verlängert werden sollte; ebenso nicht, dass in diesem Zusammenhang bei der 298 Vgl. HIRTNER, Bruderschaften als Auftraggeber. 299 RUF, Pfarrer Molitoris, S. 404. Die Liste der Werke, in denen das Holzschnittsiegel abgedruckt ist, findet sich ebd., S. 397–401. 300 BAV, Pat. lat. 617, Bl. 80r. – Online verfügbar: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_ pal_lat_617/0167 [zuletzt abgerufen: 19.06.2019]. 301 Siehe dazu exemplarisch die folgenden beiden Handschriften: 1. BAV, Pat. lat. 1398, Bl. 43r. – Online verfügbar: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_lat_1398/0089 [zuletzt abgerufen: 19.06.2019]; 2. BSB, Clm 3509, Bl. 3v. – Online verfügbar: urn:nbn:de:bvb:12-bsb00026741-7 [zuletzt abgerufen: 19.06.2019]. 302 HÄGELE, Johannes Molitoris, S. 173.

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Benutzung die letzte Ziffer (gegebenenfalls) händisch zu ergänzen war. Weiterhin bieten die Quellen mehrere Anhaltspunkte, die auf eine Einbeziehung des Pfarrers von St. Moritz, in der Zeit Johannes Molitoris, in die Organisation der Rosenkranzbruderschaft hindeuten. Allerdings liegen keine Quellen vor, in denen Molitoris selbst diese Tätigkeit beschreibt. Gleiches gilt mit Blick auf die These Paul Rufs, sein Siegel habe er zum Beglaubigen der Bruderschaftsbriefe verwendet.

4.5 Ausbreitung und Expansion der Mitgliederzahl 4.5.1 Eine Bruderschaft für die ‚ganze Welt‘ Die weitläufige Verbreitung der Rosenkranzbruderschaft wird von den zeitgenössischen (und den späteren) Quellen immer wieder betont. So heißt es beispielsweise in dem bei Ulrich Pinder in Nürnberg gedruckten Der beschlossen gart des rosenkrantz marie (1505): dise bruderschafft ist nit allein in tewtzschen landen gestifft, sunder auch yn welschen landen, yn hispania, yn franckenreich, engeland, holandt, prabant, brittania und schir yn der ganntzen christenheit.303 Marcus von Weida konstatiert: Denn diße bruderschafft ist außgebreitet so weit die gantze cristenheit wendet unnd ist gesammelt aus maneherley nation, stenden, tzungen und geschlechten.304 Dass der Korporation tatsächlich eine weitläufige Ausbreitung attestiert werden kann, dürfte bereits aus den wenigen im Rahmen der Einleitung referierten Niederlassungen hervorgegangen sein. Nachfolgend soll nun versucht werden, diese generalisierenden Angaben aus den eben zitierten Quellen anhand weiterer Schriften sowie unter Einbezug der vorhandenen Forschungsliteratur ein wenig zu konkretisieren. Ein Repertorium aller um 1500 existierenden Niederlassungen kann dabei freilich nicht am Ende stehen – und muss es auch nicht (siehe dazu weiter unten). Vielmehr geht es darum, einen ersten differenzierteren Eindruck von der räumlichen Ausdehnung zu bekommen. Davon abgesehen erscheinen zwei andere Themen als fast noch wichtiger: Erstens wird zu prüfen sein, ob die opulenten Mitgliederzahlen überhaupt schlüssig begründet werden können? Erwähnt sei diesbezüglich lediglich Michael Francisci, der in der 1480 gedruckten Kurzfassung seiner Verteidigungsschrift, der Determinatio abbreviata, von 500.000 Brüdern und Schwestern berichtet, die bis 1479, also innerhalb von gerade einmal vier Jahren, in die Rosenkranzbruderschaft eingeschrieben worden seien.305 Zweitens ist vor allem danach zu fragen, wie sich diese großflächige und ungemein schnelle Verbreitung erklären lässt. Welche Katalysatoren sind in dem Zusammenhang zu identifizieren? 303 Der beschlossen gart, Bl. 10r. 304 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 106v–107r. 305 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.2 (S. 520): [...] quantitate, quia quarto institucionis sue anno [sc. 1479] quingenta milia inscriptorum habuit.

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Insgesamt gewähren die spätmittelalterlichen Schriften kaum spezifische Daten für eine über den Allgemeinplatz der allumfassenden Ausbreitung hinausreichende Aussage – unabhängig davon, ob sie aus dem inneren Kreis der Korporation stammen, wie der Bruderschaftsspiegel des Marcus von Weida, oder von Außenstehenden verfasst worden sind, wie zum Beispiel der von dem Augustiner-Chorherren Johannes von Lambsheim verfasste Libellus perutilis oder der anonym gebliebene Liber fraternitatis rosacee.306 Natürlich sind immer wieder Anhaltspunkte aufzuspüren: In dem von Pinder herausgebrachten Text ist davon die Rede, dass die zusätzlichen vier Anniversarfeiern, die jährlich von den Dominikanern in Köln für sämtliche Mitglieder dieser Gemeinschaft durchgeführt werden würden (siehe dazu Kap. 4.6.1), zugleich yn andern vil stetten und clostern prediger ordens, als tzu eslingen, pfortzen, gemund, amberg und gar nahend all umbendum yn prediger orden stattfänden.307 Somit ließe sich vermuten, dass in den angesprochenen Dominikanerkonventen in Esslingen, Pforzheim, Schwäbisch Gmünd und Amberg ebenfalls eine Rosenkranzbruderschaft präsent war, zumindest jedoch die Einschreibung möglich gewesen sein dürfte.308 Indizien auf weitere Niederlassungen der Rosenkranzbruderschaft bieten fernerhin die in einige Quellen eingewobenen Exempelerzählungen. Marcus von Weida berichtet unter anderem im sechsten Kapitel seines Bruderschaftsspiegels von drei Begebenheiten, anhand derer die Wirksamkeit des Rosenkranzgebets natürlich in Verbindung mit der Bruderschaft exemplifiziert werden soll. Ein erster Fall habe sich 1478 im holländischen Haarlem zugetragen. Hier konnte ein circa neunjähriger frommer Knabe (der hat dise bruderschaft angenommen) aufgrund der Interzession der Gottesmutter Maria in quasi letzter Minute vor seinem Tod durch Ertrinken bewahrt werden.309 Der zweite Fall datiert auf das gleiche Jahr, ereignete sich aber tzu Luttich, auch in nyderlanden. Wiederum äußert Marcus, die Protagonistin sei ein Mitglied der Rosenkranzbruderschaft gewesen und – weitaus wichtiger – hätte regelmäßig den Rosenkranz gebetet.310 Der Schauplatz des dritten Ereignisses ist Berlin. Aus dem Inhalt sei nur wiedergegeben, dass der Geselle eines Goldschmieds Predigten über das Rosenkranzgebet gehört habe und daraufhin der Bruderschaft beigetreten sei.311 Diese Beispielerzählung hat Marcus von Weida von Clemens Lossow übernommen. Sie findet sich in den in Köln gedruckten Sermones rosarii populo, am Ende der vierten Predigt. Wie schon in Kapitel 4.3.2 angerissen, ist überdies in der siebten Predigt zu lesen, dass Lossow in Ham306 JOHANNES VON LAMBSHEIM, Libellus perutilis; Liber fraternitatis rosacee. 307 Der beschlossen gart, Bl. 9v. 308 In Esslingen, Pforzheim und Schwäbisch Gmünd sind die Dominikaner zweifelsfrei nachzuweisen. Die drei Konvente gehörten der Ordensprovinz Teutonia an. Vgl. SPRINGER, Dominikaner, S. 12. Für Amberg ist dagegen kein Konvent belegt. Möglich wäre, dass es sich um eine Terminei gehandelt hat. Der Text spricht von „Stätten und Klöstern“. Allerdings kann dies nur spekuliert werden. 309 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 48v–49v. 310 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 49v–50r. 311 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 50r–51r.

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burg eine Rosenkranzbruderschaft gegründet habe.312 Nicht alle Exempla enthalten jedoch solche spezifischen Ortsangaben.313 Dementsprechend könnten wir die bisherige Liste der beispielsweise durch die einzelnen Statuten klar belegten Niederlassungen (Venedig, Colmar, Freiburg im Breisgau) um Haarlem, Lüttich, Berlin sowie Hamburg erweitern. Selbstredend müssten diese Orte in einem zweiten Schritt noch einmal durch lokale Recherchen überprüft werden. Gleiches gilt für Esslingen, Pforzheim, Schwäbisch Gmünd und Amberg.314 Die zeitgenössischen Traktate führen augenscheinlich nicht grundlegend weiter. Eine Option wäre, die vorliegende Forschungsliteratur zu nutzen. Dabei ist der Informationsgehalt sehr disparat. Anne Winston-Allen etwa bleibt mit ihrer Einschätzung, die Vereinigung „grew exponentially to become within a short time the largest such organization“, allgemein.315 Bjørn Poulsen bestätigt ebenfalls die großräumige Ausbreitung, indem er schreibt, dass angesichts der überlieferten Quellen für das Herzogtum Schleswig und das Königreich Dänemark eine Vielzahl an Rosenkranzbruderschaften anzunehmen ist.316 Sein Beitrag macht zudem deutlich, dass die Expansion der Korporation keineswegs auf das Gebiet des Heiligen Römischen Reiches beschränkt blieb. Konkrete Niederlassungen benennt hingegen Gilles Gérard Meersseman, der nicht allein die durch das von Albrecht Dürer († 1528) geschaffene Altarbild „Das Rosenkranzfest“ (1506) besonders prominent gewordene venezianische Vereinigung erwähnt, die im Verlauf dieser Arbeit auch schon wiederholt angeführt worden ist, sondern außerdem auf die Bruderschaften in Florenz, Rom, Perugia und Ravenna hinweist.317 Wolfgang Kliem untersuchte die Rosenkranzbruderschaft in Frankfurt am Main, Jan Gerchow diejenige in Freiburg im Breisgau. Beide Gemeinschaften werden im Folgenden noch einmal Thema sein.318 Des Weiteren können unter anderem die Arbeiten von Hana Pátková zur Rosenkranzbruderschaft in Teplá und von Carl Blasel zur Rosenkranzbruderschaft in Breslau aufgezählt werden.319 Eine Ausnahme ist bei alledem der Aufsatz von JeanClaude Schmitt, bietet er doch als einziger eine regionale Aufstellung aller nachweisbaren Rosenkranzbruderschaften des Elsass. Diese Liste führt 40 Orte an und

312 CLEMENS LOSSOW, Sermones rosarii, Bl. C3r–C3v sowie E3r–E3v. 313 So bspw. bei den im Der beschlossen gart, Bl. 10r–11r, aufgezeichneten Exempla. 314 Stellvertretend sei hier auf die ausführliche, dreiteilige Darstellung der Hamburger Bruderschaften durch Gertrud BRANDES, Brüderschaften in Hamburg, verwiesen. Eine Rosenkranzbruderschaft wird von ihr nicht erwähnt. Vgl. BRANDES, Brüderschaften in Hamburg 3, S. 98–110. 315 WINSTON-ALLEN, Stories of the Rose, S. 4. 316 POULSEN, Rosenkransbroderskaberne, S. 200: „Kilderne til andre danske rosenkransbroderskaber er spredte, skønt de lader ane, at der har været ganske mange.“ 317 Vgl. MEERSSEMAN, Ordo fraternitatis, Bd. 3, S. 1170–1205. Siehe ergänzend auch ORLANDI, Libro del Rosario, u. a. S. 130, mit der Nennung von Rom und Florenz (ebd., S. 215–225 auch die Statuten der Rosenkranzbruderschaft aus Florenz). 318 Vgl. KLIEM, Frankfurter Rosenkranzbruderschaft; GERCHOW, Bruderschaften Freiburg, S. 24–31. 319 Vgl. PÁTKOVÁ, Honoratiores ex statu; BLASEL, Rosenkranzbruderschaft.

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verzeichnet sogar die Anzahl der jeweiligen Mitglieder.320 Derartige lokale Repertorien sind dann erst wieder für die Frühe Neuzeit vorhanden, exemplarisch sei auf die Aufsätze von Stefan Jäggi mit dem Fokus auf die Zentralschweiz und von Christine Tropper mit dem Fokus auf Kärnten verwiesen.321 Für das Vorhaben, ein wirklich umfassendes Register der spätmittelalterlichen Niederlassungen der Rosenkranzbruderschaften zu erstellen, müsste zweifellos auch der Quellenradius erweitert werden. Lohnend dürfte es beispielsweise sein, die Stadtchroniken zu sichten. Viele dieser Quellen sind im Rahmen der „Chroniken der deutschen Städte“ ediert, können folglich recht problemlos geprüft werden. In der Chronik des Dietrich Westhoff († 1551) für Dortmund ist, um eine kurze Stichprobe zu nehmen, bezogen auf das Jahr 1475 zu lesen: Unser leiver Vrauwen broderschap des rosenkranzes ist to Coln den Predichern angevangen am dage Marien gebort, und derselvige broderschaft wort ouch binnen Dortmunde im Predichercloester gehalden.322

Als nützlich, weil hinweisgebend, könnten sich schließlich die diversen, in den letzten Jahren erschienenen und noch angekündigten Klosterbücher erweisen.323 Grundsätzlich muss aber beachtet werden, dass die Nennung einer Rosenkranzbruderschaft im Ort x noch kein Garant für eine ‚echte‘ Niederlassung dieser Korporation ist. Vielmehr hat sich gezeigt, dass es infolge der enormen Popularität sowohl der Gebetsform als auch der Gemeinschaft zu einer gewissen Eigendynamik in der Gründung von Ro-

320 Vgl. SCHMITT, Apostolat mendiant, hier bes. 84. – Siehe dazu ergänzend auch BARTH, Rosenkranzbruderschaften Elsass. Der Schwerpunkt liegt hier aber in der Frühen Neuzeit. 321 Vgl. JÄGGI, Rosenkranzbruderschaften, S. 100, und TROPPER, Rosenkranzbruderschaften, S. 236–238. 322 HANSEN (Hg.), Chronik Westhoff, S. 340. Vgl. dazu auch SCHILP, Seelenheil und Stadtkultur, S. 60. OBERSTE, Predigen in der Stadt, S. 42, zeigt eine Tafel des 1523 geschaffenen Rosenkranzaltars in der Dortmunder Dominikanerkirche. Abgebildet ist in der unteren Bildhälfte ein von der Kanzel predigender Dominikaner, ihm zur Linken kniet eine Gruppe weltlicher Personen, angeführt von zwei gekrönten Männern, einer älter, der andere jünger. Sicher sollen damit Kaiser Friedrich III. und sein Sohn Maximilian I. dargestellt sein. Zur Rechten des Dominikaners kniet eine Gruppe geistlicher Personen, angeführt von einem Papst und einem Kardinal. Die Ikonographie entspricht mithin der für die Rosenkranzbruderschaft zeittypischen Gestaltung. Die Tafel unterstützt somit das Vorhandensein einer Rosenkranzbruderschaft in Dortmund. Siehe zu dem Dortmunder Rosenkranzretabel eingehender auch HENKELMANN, Ausstattung von St. Johann, S. 336–345 und 350–360 sowie die hochauflösenden Abbildungen auf S. 563 f. 323 Das mögliche Potential lässt sich hier beispielhaft am Brandenburgischen Klosterbuch aufzeigen: In dem Artikel über den Dominikanerkonvent in Luckau ist zu lesen, dass die dortigen Brüder im Jahr 1493 eine Rosenkranzbruderschaft ins Leben gerufen haben sollen. Vgl. FAVREAU-LILIE/ CANTE/GAHLBECK, Luckau, S. 836. Des Weiteren kann wohl ebenso für Brandenburg an der Havel die Existenz einer Rosenkranzbruderschaft am hiesigen Dominikanerkonvent angenommen werden, die möglicherweise um 1483 von Clemens Lossow initiiert worden ist, wie SPRINGER/CANTE, Brandenburg/Havel, S. 296, schreiben.

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4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft

senkranzbruderschaften gekommen ist. In Kapitel 4.5.4 soll diese Entwicklung anhand des Fallbeispiels Altenburg verdeutlicht werden. Zuvor sei der Blick jedoch noch einmal zurück gerichtet, nicht auf die spätmittelalterlichen, sondern auf zwei frühneuzeitliche Zeugnisse, die beide versprechen, einen Eindruck von der Verbreitung der Rosenkranzbruderschaft bis 1479 zu vermitteln. Johann Andreas Coppenstein und später Adam Weitz, beide waren selbst Angehörige des Dominikanerordens, Weitz sogar Mitglied des Kölner Konvents,324 geben in ihren Schriften an, aus dem heute nicht mehr verfügbaren ‚zentralen‘ Verzeichnis aus dem Kölner Konvent zu zitieren. Ich will hieher ein kleinen Peyspiegel absetzen, zugleich das Blat, in welchem nach zusuchen, citiren, schreibt Coppenstein in seinem Kurtzer Bericht Von der uhralten / vnnd Gnadenreichen Bruderschafft deß h. Rosenkrantzes JEsu vnd Mariae. Den nachstehenden Ausführungen liegt aber sein ausführlicherer Traktat De Fraternitatis SSmi Rosarii B. Virginis Mariae zugrunde.325 Die Chronik von Adam Weitz ist gedruckt in den „Analecta sacri Ordinis Fratrum Praedicatorum“.326 Ein Abgleich der Listen von Coppenstein und Weitz offenbart, dass sie bis auf einige geringfügige Uneinheitlichkeiten identisch sind. Es ist also möglich, dass Weitz die Einträge von Coppenstein übernommen hat. Ob es sich bei den wenigen Differenzen eventuell um Korrekturen handeln könnte, kann hier nicht ausgesagt werden. In beiden Fällen beginnt die Aufzählung der Orte mit der Überschrift: Nomenclatura Rerumpublicarum, Civitatum, Communitatum, Paroeciarum, Regionum etc. Anschließend folgt eine kurze wortgleiche Erklärung über die Herkunft der Informationen (das in Köln verwahrte Register), den abgedeckten Zeitraum (1475 bis 1479) sowie über die Art und Weise der Buchführung.327 Auffallend ist, dass fast alle Einträge tatsächlich mit einer Seitenzahl versehen sind. Dieser hindurchschimmernde Anspruch von Transparenz lässt an die Bemerkung Jakob Sprengers denken, wonach die Namen der Brüder und Schwestern notiert werden sollten, damit man nicht vermainet, dz es ein gedichte und erfunden czal wäre.328 Die erste Eintragung entspricht völlig der genannten Vorlage Ex illo loco N. tot allata sunt nomina in Fraternitatem: „Ex Aquisgrano et circumiacente regione allata sunt nominum tredecim millia et quod ultra (fol. 52.).“329 Aus Aachen und den umliegenden Orten wurden demnach 13.000 Namen übermittelt. Ohne hier zunächst 324 Vgl. LÖHR, Zweite Blütezeit, S. 227, sowie BENZ, Tradition und Kritik, S. 579. 325 JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, Kurtzer Bericht. Das Zitat findet sich ebd., S. 65; die Namensliste ebd., S. 65–68. Dieses Verzeichnis ist im Vergleich zu dem lateinischen Text gekürzt. Vgl. JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis Rosarii Mariae, S. 376–381. 326 AOP, Bd. 2, S. 124–127. 327 JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis Rosarii Mariae, S. 378; AOP, Bd. 2, S. 125. 328 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 510). 329 AOP, Bd. 2, S. 125; JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis Rosarii Mariae, S. 378. – Dass die lateinischen Zitate hier nicht wie sonst im Rahmen dieser Arbeit kursiv, sondern wie Zitate aus der Forschungsliteratur in Anführungszeichen und recte gesetzt sind, hat den Hintergrund, die

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auf die Zahl zu achten, wäre mit diesem ersten Vermerk das in Kapitel 4.4 beschriebene Organisationsprinzip bestätigt: Der in Aachen bestehende Dominikanerkonvent hätte sowohl die städtischen als auch die Anwärter aus dem umliegenden Gebiet in die Rosenkranzbruderschaft aufgenommen und die Namen nach Köln geschickt. Dass allem Anschein nach ganze Bruderschaftsbücher weitergeleitet wurden, will der vierte Eintrag glaubhaft machen: „Augusta Vindelicorum Pastor ad S. Mauritium misit triginta duo millia nominum in uno volumine (fol. 471.).“330 Wie in den Kölner Statuten festgelegt, hätte der Pfarrer von St. Moritz, der oben behandelte Johannes Molitoris, 32.000 Namen aus Augsburg in einem Band übermittelt. Der Großteil der Einträge ist hingegen deutlich kürzer gestaltet: „Ex Selandia 402 nomina (fol. 401.)“ – aus der niederländischen Region Zeeland fänden sich 402 Namen; „Ex Bonna 200 nomina (fol. 401.)“ – aus Bonn 200 Namen oder „Ex Metis 628 (fol. 253.)“ – aus Metz 628 Namen.331 Eine Reihe von Städten, darunter Düsseldorf, Bamberg, Monheim am Rhein und ein weiteres Mal Bonn werden ohne die Angabe einer Mitgliederzahl aufgeführt. Dafür steht diesen insgesamt zehn Orten der Hinweis voran, dass jede einzelne Stadt ein umfangreiches Verzeichnis geschickt habe.332 Inwieweit nun gerade mit Blick auf solche verkürzten Angaben Coppenstein und Weitz in die vermeintliche Originalquelle eingegriffen haben, oder ob sie stets die Einträge ohne Veränderungen übernommen haben, lässt sich nicht prüfen. Dies gilt ebenfalls für Querverweise. An einer Stelle heißt es bei Coppenstein: „Horum et plurium locorum nomina sunt numerata: sicut f. 204 scribitur.“333 In der Liste von Adam Weitz fehlt dieser Eintrag jedenfalls.334 Dass in das Kölner Register vermutlich nur die Anzahl der Namen eingetragen wurde, dürfte sich nicht allein aus (arbeits-)pragmatischen Gesichtspunkten heraus erklären. Vielmehr sprechen zugleich die von Coppenstein und Weitz zitierten Folioangaben dafür. Neben den erwähnten Beispielen Bonn und Zeeland, die beide auf Folio 401 stehen sollen, wird dies vor allem an Folio 230 deutlich: Auf dem Blatt sollen 7.484 Namen aus Basel sowie über 600 Namen aus „Pforzen“ (vermutlich Pforzheim) vermerkt sein.335 Die summarische Aufnahme passt letztlich auch dazu, dass von einer an den Namen gekoppelten Memoria keine Rede ist.

Hervorhebungen, wie sie sich bei Weitz und Coppenstein finden, kenntlich zu machen. Das heißt: Die hier kursiv geschriebenen Wörter sind dort ebenfalls kursiv vorzufinden. 330 AOP, Bd. 2, S. 125; JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis Rosarii Mariae, S. 378 f. 331 AOP, Bd. 2, S. 126; JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis Rosarii Mariae, S. 379. 332 AOP, Bd. 2, S. 125: „Ex civitatibus permagni Catalogi singulis singuli:“; JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis Rosarii Mariae, S. 379. 333 JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis Rosarii Mariae, S. 379. 334 Siehe dazu AOP, Bd. 2, S. 125 f. 335 AOP, Bd. 2, S. 125: „Ex Basilea et ex vicina circum semel missa sunt 7484 nomina (fol. 230.)[;] Ex Pfortzen ultra 600 (fol. 230.)“. Siehe identisch dazu JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis Rosarii Mariae, S. 379.

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Des Weiteren enthält die Auflistung einige wenige Fälle, die ohne eine Ortsangabe aufgenommen sind. So heißt es beispielsweise an einer Stelle „Item alias 1287 (fol. 255.)“, eine Notiz, die sich selbst unter Berücksichtigung der umstehenden Einträge nicht dechiffrieren lässt; sowie an einem anderen Punkt: „Fr. Ioannes Kauffmann Supprior Praedicatorum ex suo termino attulit nomina 3000 et ultra (fol. 432.).“336 Demzufolge hatte ein Subprior aus dem Dominikanerorden 3.000 Namen „aus seinem Gebiet“ mitgeteilt. Woher die Namen gekommen sein sollen, verschweigt der Eintrag. Zusammengenommen führen Johann Andreas Coppenstein und Adam Weitz 43 Städte auf, darunter Aachen, Augsburg, Bamberg, Basel, Bonn, Colmar, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Lüttich, Mainz, Salzburg, Straßburg, Ulm und Worms. Hinzu kommen die neun Regionen beziehungsweise Territorien Brabant, Flandern, Friesland, Frankreich, Holland, Österreich, Schwaben, Zeeland (sowie Westfalen).337 Einige Einträge wie etwa Aachen, Frankfurt am Main, Brabant oder Zeeland sind mehrfach verzeichnet. Nach welcher Sortierung die Liste zusammengestellt wurde, erklären die Autoren nicht. Ein logisches System lässt sich aus heutiger Sicht nicht herauslesen. Weder scheinen die Daten nach der Quantität der Namen noch nach der ‚Relevanz‘ im Organisationssystem der Bruderschaft sortiert zu sein: So folgen auf Aachen mit 13.000 Namen der Reihe nach Rindorff mit bei Weitz genannten 220, bei Coppenstein genannten 240 Einträgen, Frankreich mit 2.400 und an vierter Stelle erst das eigentlich wichtige Augsburg mit 32.000 Namen. Dabei springen die Folioangaben von 52 für Aachen über 139 beziehungsweise 109 für Rindorff und 239 für Frankreich hin zu 471 für Augsburg.338 Ein alphabetischer Hintergrund ist in dem Zusammenhang also ebenfalls eindeutig auszuschließen. Im Übrigen bleibt auch der Gesamtumfang des Kölner Verzeichnisses im Dunkeln. Beziehen wir die beiden flankierenden Listen, die zuerst angeführten ‚prominenten‘ Personen („Nomenclatura Confratrum Principum, Ducum, Comitum etc.“) sowie die zuletzt genannten Konvente („Nomenclatura de Conventibus variorum Ordinum, qui se totos Fraternitati inscripserunt“) mit ein, denn von drei separaten Büchern wird nirgends gesprochen, wäre die erste zitierte Seite Folio 15 und die letzte Folio 647. Eine Kennzeichnung, ob die zitierten Angaben auf der Recto- oder Versoseite stehen, fehlt generell. Das Auffälligste und gleichsam Überraschendste ist allerdings, dass Köln selbst weder von Coppenstein noch von Weitz in diesem Kontext erwähnt wird.339 Die Mitgliederzahlen für einzelne Städte oder für Regionen reichen vom dreistelligen Bereich (insgesamt 22 Mal; z. B. Bonn: 200 oder Metz: 628) über mehrheitlich vierstellige Summen (insgesamt 32 Mal; z. B. Basel: 7.484, Brabant: 1.424, Colmar: 1.300 oder Salzburg: 4.823) bis hin zu wenigen fünfstelligen Angaben (allein vier

336 AOP, Bd. 2, S. 126; JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis Rosarii Mariae, S. 379 f. 337 AOP, Bd. 2, S. 125; JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis Rosarii Mariae, S. 378 f. 338 AOP, Bd. 2, S. 125; JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis Rosarii Mariae, S. 378 f. 339 Vgl. AOP, Bd. 2, S. 124–127; JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis Rosarii Mariae, S. 376–382.

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Mal; z. B. Aachen: 13.000 oder Augsburg: 32.000). Beachtenswert erscheint an den Quantitäten aber nicht nur, dass (wie oben bereits gezeigt) bei einigen Einträgen die Zahlen gänzlich fehlen, sondern auch, dass die Auflistung zwar auf der einen Seite sehr präzise Mengen angibt (bspw. 7.484, 1.424, 4.823), sich auf der anderen Seite aber gleichwohl unschärfere Informationen mit Formulierungen wie „ungefähr“ („circiter“) oder „unzählige“ („innumeri“) finden.340 Die eingangs unter anderem mit Blick auf die aus den Exempla zu gewinnenden Orte getroffene Bemerkung, diese müssten kritisch geprüft werden, gilt insofern unweigerlich auch für die von Johann Andreas Coppenstein und Adam Weitz mitgeteilten Daten. Einige Einträge werden freilich durch die voranstehenden Ausführungen respektive die spätmittelalterlichen Quellen gedeckt. Dass zum Beispiel in Basel eine Rosenkranzbruderschaft existiert haben muss, legen nicht nur die persönliche Verbindung Jakob Sprengers zu dem dortigen Konvent, seinem Heimatkonvent, und der in der Stadt erfolgte, wohl erste Druck der Statuten nahe, sondern auch, dass der Basler Prior Johannes Bötschner († nach 1488) die Dominikanerinnen von St. Gallen zum Beitritt in die Rosenkranzbruderschaft veranlasst hat.341 Des Weiteren sind Frankfurt am Main und Colmar klar belegt. Allerdings führt ein Vergleich der Informationen zu Unstimmigkeiten. Beide Autoren, Coppenstein und Weitz, weisen darauf hin, dass die von ihnen präsentierten Angaben aus dem Kölner Bruderschaftsregister der Jahre zwischen 1475 und 1479 stammen (siehe oben). Jean-Claude Schmitt hingegen datiert die Gründung der Rosenkranzbruderschaft in Colmar auf das Jahr 1484 beziehungsweise 1485.342 Wolfgang Kliem führt aus, dass das überlieferte Mitgliederverzeichnis der Frankfurter Vereinigung 1486 beginnt. Gleichzeitig bemerkt er, dass der von Coppenstein zitierte „Frater Helyas unter den Frankfurter Predigerbrüdern nicht zu finden ist.“343 Die „Vermittlung des Klosters“ nach Köln nimmt Kliem dessen ungeachtet an.344 In Anbetracht des in Köln nicht mehr vorhandenen Bruderschaftsregisters können diese konkreten Fragen hier nicht geklärt werden. Sie zeigen aber noch einmal exemplarisch auf, dass die Informationen von Coppenstein und Weitz kritisch zu prüfen sind. Parallel zu der Benennung konkreter Städte ist noch auf zwei zentrale Aspekte hinzuweisen: 1. Die Rosenkranzbruderschaft wollte basierend auf ihrer dezentralen Organisation transregional agieren. Jakob Sprenger definierte als Orte der Immatri-

340 AOP, Bd. 2, S. 126; JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis Rosarii Mariae, S. 379. 341 Vgl. dazu die Notiz bei MENGIS, Schreibende Frauen, S. 148. 342 In seinem 1970 publizierten Beitrag SCHMITT, Confrérie du Rosaire, S. 98, gibt er das Jahr 1485 an. Sein im darauffolgenden Jahr erschienener Aufsatz SCHMITT, Apostolat mendiant, S. 83, benennt hingegen 1484 als Gründungsjahr. 343 KLIEM, Frankfurter Rosenkranzbruderschaft, S. 91 f. Bei JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis Rosarii Mariae, S. 379, ist zu lesen: „Frater Helyas misit Francofurto 1100.“; dagegen in AOP, Bd. 2, S. 126: „Frater Helyas misit e Francofurto 1100 nomina.“ In beiden Fällen fehlt die Folioangabe. 344 KLIEM, Frankfurter Rosenkranzbruderschaft, S. 92.

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kulation den Konvent der Dominikaner in Köln und die Stiftskirche St. Moritz in Augsburg. In dem Bruderschaftsspiegel des Marcus von Weida ist dann zu lesen, die Aufnahme in diese Vereinigung könne letztlich über jeden Predigerkonvent erfolgen. Wir sehen daran, dass das Netz der Niederlassungen oder ‚Filialen‘ deutlich flächendeckender gewesen sein dürfte. Eine treffende Formulierung findet sich in der Ordnung aus Colmar, in der es heißt: Die Rosenkranzbruderschaft ist 1475 in Köln erneuert worden und hat sich daraufhin in verschiedenen Konventen unserer Provinz – Colmar gehörte der Dominikanerprovinz Teutonia an – etabliert (ac successive in varys nostre provincie conventibus instituta etc.).345 Es ist mithin möglich, dass die Korporation auch bei Konventen präsent war, die auf den ersten Blick keine diesbezüglichen Anhaltspunkte verraten. Ein anschauliches Beispiel dafür ist der in Kapitel 4.4 gestreifte Dominikanerkonvent Butzbach, der eben kein eigenes Mitgliederverzeichnis angelegt, sondern die Namen der Brüder und Schwestern nach Frankfurt geschickt hat. 2. Die Einschreibung in die Bruderschaft sollte ebenfalls möglich sein, indem man eine Liste mit Namen an einen nahegelegenen Konvent der Dominikaner schickte. Vor dem Hintergrund und der Festlegung, dass die Mitgliedschaft nicht mit der Bindung an einen lokalen Ort verbunden war, erweitert sich der Radius der Ausbreitung noch einmal, und es erschwert sich zugleich der immer genaue Nachweis. Nachfolgend soll es nun vor allem darum gehen, die in den Quellen mitgeteilten, immensen Mitgliederzahlen zu hinterfragen.

4.5.2 Fallbeispiel 1: Frankfurt am Main Die Rosenkranzbruderschaft in Frankfurt am Main sowie deren Mitgliederverzeichnis wurden bereits zu Beginn der 1960er Jahre von Wolfgang Kliem untersucht. Wenngleich Kliem die Korporation vornehmlich in lokaler Perspektive betrachtet hat, lohnt ein Blick in seine Arbeit doch vor allem angesichts der von ihm angestellten Auswertung und Auszählung des – nach dem Incipit zu urteilen – 1486 erstellten Registrum fraternitatis beate Marie virginis et dicitur fraternitas de rosario virginis marie.346 Folgende Zahlen lassen sich in Bezug auf die Neuaufnahmen anführen (siehe Tab. 2). Die Tabelle zeigt: Zwischen 1486 und 1520 traten insgesamt 8.074 Menschen der Rosenkranzbruderschaft in Frankfurt am Main bei. Kliem weist zwar darauf hin, dass die Jahreszahlen aufgrund der nicht immer gegebenen eindeutigen Zuordnung nur Näherungswerte sind, für die Identifikation gewisser Spitzen eignen sie sich dennoch. Die Höhepunkte der Beitritte waren die Jahre von 1486 bis 1493. Diese Daten passen klar zu der Phase der Ausbreitung der jungen Korporation (und sprechen im Übrigen dagegen, dass die Gemeinschaft schon viel früher in der Stadt prä-

345 SCHMITT, Confrérie du Rosaire, S. 109. 346 Vgl. KLIEM, Frankfurter Rosenkranzbruderschaft, S. 92.

4.5 Ausbreitung und Expansion der Mitgliederzahl

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Tab. 2: Mitgliederzahlen der Frankfurter Rosenkranzbruderschaft (nach Kliem).347 Folio

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sent war – siehe Kap. 4.5.1). Nach einer signifikanten Rezession der Aufnahmen Mitte der 1490er Jahre schnellen die Zahlen 1502 und 1516 noch einmal exponentiell nach oben. Nach 1517 sehen wir dann einen bezeichnenden Niedergang. Der Grund

347 KLIEM, Frankfurter Rosenkranzbruderschaft, S. 96. – Das Register beginnt offiziell auf Folio 12r. Allerdings finden sich auf Folio 11r einmal 74 Einträge, die diesem Verzeichnis zuzurechnen sind,

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4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft

für diesen lange Zeit währenden Schwund bedarf zweifellos keiner ausführlichen Erklärung. Er dürfte sich mit der Durchsetzung der Reformation erklären. Eine Auseinandersetzung mit den – sehen wir die zitierten Zahlen als Entwicklungskurve – Amplituden bietet der Autor leider nicht. Womöglich könnte eine Betrachtung der Daten im Spiegel der Stadt- oder Regionalgeschichte diesbezüglich Anhaltspunkte bieten. Des Weiteren notiert Wolfgang Kliem, dass sich in dem Verzeichnis 673 Angehörige von Klöstern und etwa 70 Mitglieder von Patrizier- beziehungsweise Adelsfamilien nachweisen lassen. Die Summe der auswärtigen Brüder und Schwestern beläuft sich auf 1.100, die Anzahl der in dem Rahmen vermerkten Orte überschreitet die 300er Marke. Auf den Radius der regionalen Ausbreitung ist bereits kurz eingegangen worden. Anhand der von Kliem mitgeteilten Punkte kann dieser auf einen Umkreis von circa 80 Kilometern um Frankfurt herum eingegrenzt werden. Für den Großteil der eingeschriebenen Personen – Kliem beziffert sie auf mehr als 7.300 – ist aber in Ermangelung von beigefügten Berufsbezeichnungen oder ähnlichen Angaben nichts über die Berufe, und somit letztlich wenig über die soziale Schichtung der Immatrikulierten auszusagen. Gleichzeitig deutet der Befund einer verhältnismäßig sehr kleinen Gruppe ‚Höhergestellter‘ darauf hin, dass die Rosenkranzbruderschaft ein wohl breites Spektrum abgedeckt hat.348 Für die vorliegende Studie und ihre Fragestellung respektive These spielt die Sozialstruktur der Brüder und Schwestern allerdings gar keine entscheidende Rolle. Viel wichtiger ist, dass das Bruderschaftsbuch aus Frankfurt am Main neben Colmar ein zweites Beispiel darstellt, an dem die Aussage, die Rosenkranzbruderschaft verfüge über einen opulenten Zustrom, unterlegt werden kann. Als ein dritter und letzter Beleg sei Freiburg im Breisgau beleuchtet.

wohl aus den Jahren 1487 bzw. 1520, und auf Folio 11v noch einmal 28, vermutlich aus dem Jahr 1494. Wie Kliem (ebd., S. 97) schreibt, handelt es sich bei den auf Folio 11r Verzeichneten um Dominikaner aus Frankfurt und weiteren Orten und bei den auf Folio 11v um Benediktiner aus der Abtei Seligenstadt. Seiner Einschätzung zufolge sind die Einträge den anderen Namen vorangestellt worden, um „diesen Angehörigen des geistlichen Standes innerhalb des Registers einen Vorrang zu geben.“ Ebd. Abgesehen davon, dass dieser Modus in gewisser Weise dem egalitären Anspruch der Rosenkranzbruderschaft entgegenstehen würde (wobei das Mitgliederverzeichnis aus Freiburg im Breisgau auch mit adligen Personen und dem dortigen Dominikanerkonvent beginnt – siehe dazu Kap. 4.5.3), bleibt Kliem hier vielmehr die Antwort auf die Frage schuldig, warum bspw. gerade Benediktinern aus Seligenstadt eine Vorrangstellung eingeräumt werden sollte. Schließlich zeigt seine Auswertung, dass immer wieder geistliche Gemeinschaften im Register zu finden sind (vgl. ebd., S. 99). 348 Vgl. zu dem Geschriebenen ausführlich KLIEM, Frankfurter Rosenkranzbruderschaft, S. 95–118.

4.5 Ausbreitung und Expansion der Mitgliederzahl

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4.5.3 Fallbeispiel 2: Freiburg im Breisgau Abgesehen von dem von Jan Gerchow verfassten, 1993 erschienenen Aufsatz über die Bruderschaften im spätmittelalterlichen Freiburg im Breisgau, ist die hiesige Rosenkranzbruderschaft nach wie vor als nahezu unerforscht einzustufen. Das Quellenmaterial, so Gerchow, sei zwar reichlich vorhanden, doch informiert er unmittelbar am Anfang seiner Ausführungen darüber, dass es eben noch weitgehend unerschlossen wäre.349 Für das in diesem Kapitel beabsichtigte Ziel, die Mitgliederzahlen zu plausibilisieren, muss freilich ein Schwerpunkt gesetzt werden und ist insofern zunächst lediglich eine Quelle in den Blick zu nehmen: Das Namensregister der Korporation, welches bislang ebenfalls weder prosopographisch noch in statistischer Hinsicht untersucht worden ist.350 Im Mittelpunkt sollen im Folgenden die Summe der Brüder und Schwestern sowie einige Stichproben zu den verzeichneten Personen stehen. Eine umfangreiche Auswertung für detaillierte Aussagen zur sozialen Schichtung oder zu Ähnlichem kann dabei nicht geleistet werden – ist allerdings analog zu dem oben Stehenden auch nicht notwendig. Vorzufinden ist das Mitgliederverzeichnis in einem Anniversarbuch des Freiburger Dominikanerkonvents, das 1482 begonnen worden ist. Gerchow zufolge entspricht dieses Jahr aber nicht dem Datum der Einrichtung der Rosenkranzbruderschaft. Er schreibt, die Gründung sei nicht lange nach 1492 erfolgt.351 Von Interesse ist, dass in dem von Jean-Claude Schmitt bearbeiteten Bruderschaftsbuch aus Colmar 79 Namen aus Freiburg eingetragen sind. Die dortige Niederlassung entstand 1484/1485.352 Dieser Befund könnte also als Indiz dafür gelesen werden, dass die Korporation in Freiburg zu diesem Zeitpunkt doch noch nicht bestand. Die Aufzeichnung beginnt auf Folio 34r mit einer markant in rot und blau gestalteten Initiale (Hie focht an die bruderschafft des rosenkrantz) und endet auf Folio 49r mit einem Eintrag, der nicht nur durch die beigefügte Datierung (1596), sondern vor allem durch das Schriftbild klar als spätere Ergänzung erkennbar ist. Alle Seiten weisen zwei Spalten auf. Was die Zuordnung der Namen zu Jahren anbelangt, gewährt diese Liste weit weniger Einblick als das Frankfurter Register. Obschon auf Folio 34v am Ende der rechten Spalte im Zusammenhang mit einem Eintrag das Jahr 1497 verzeichnet worden ist, sind darüber hinaus lediglich noch die nachstehenden Jahreszahlen vorzufinden: Folio 40v: 1518; 47r–48r: 1514–1519 (wobei die Jahre nicht chronologisch aufeinander folgen); 49r: 1540. Gerade die Angaben auf den Seiten 47r bis 48r legen den Schluss nahe, dass Einträge im Nachhinein ergänzt und/oder mit einer Datierung versehen worden sind. Als ein nächstes Beispiel hier-

349 Vgl. GERCHOW, Bruderschaften Freiburg, S. 24. 350 Siehe wiederum GERCHOW, Bruderschaften Freiburg, S. 25. 351 Vgl. GERCHOW, Bruderschaften Freiburg, S. 27. – Für die Beschreibung der Quelle im Ganzen vgl. HAGENMAIER, Handschriften, S. 5 f. 352 Vgl. SCHMITT, Apostolat mendiant, S. 84.

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4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft

für kann auf die auf Folio 34r an vierter Stelle eingeschriebene junckfrouw Barbel von windeg hingewiesen werden, die augenscheinlich später verzeichnet worden ist. Schließlich finden sich auf Folio 53r bis 55r noch Nachträge zu dem Mitgliederverzeichnis. Sie lassen sich wiederum eindeutiger auf die Jahre 1573, 1574, 1588 und 1598 datieren. Insgesamt weist das Verzeichnis mehrere Schreiberhände auf.353 Inhaltlich beginnt das Freiburger Bruderschaftsregister mit einem prominenten Aufschlag: Philippus von gotz gnoden pfaltzgroff bym ryn hertzoch in beyern. Wir lesen hier von dem Pfalzgrafen bei Rhein, Philipp I. († 1508). Die Bemerkung „Herzog in Bayern“ dürfte als Anspielung auf seine Heirat mit Margarete von BayernLandshut († 1501) 1474 in Amberg zu werten sein.354 Es folgen eine Reihe Breisgauer und Ortenauer Adlige: so ein grof Cuonrat von Dübingen (gemeint sein könnte Konrad III., Graf von Tübingen und Herr zu Lichteneck; † 1506),355 zwei Vertreter des Geschlechts derer von Lichtenfels (Hans von Lichtenfels und Wilhelm von Lichtenfels – letzterer gehörte seit 1465 dem Freiburger Rat an und war darüber hinaus mehrfach Bürgermeister), drei Mitglieder der Familie von Falkenstein (junckher Melchior von Valckenstein zum Beispiel war ebenfalls zwischen 1464 und 1512 Teil des Rates sowie wiederholt Bürgermeister der Stadt) oder die Familie von Blumeneck (hier etwa die genannte junpfrow Elßbett von Bluomneck).356 Auf Folio 34v, der Rückseite des ersten Blattes dieses Verzeichnisses, beginnt in der rechten Spalte mit meister Caspar Grunwald, doctor in der heiligen geschrifft eine Aufzählung von Angehörigen des Freiburger Dominikanerkonvents. Grünwald war zwischen 1490 und 1498 Prior. Nicht unerheblich erscheint, was Adolf Poinsignon über ihn zu berichten weiß: Grünwald stammte demnach aus Colmar, 1481 ist er in Freiburg an der Universität immatrikuliert und wurde 1488 deren Rektor.357 In ihm wäre folglich in Bezug auf das einleitend Geschriebene eine unmittelbare personelle Verbindung zwischen Colmar und Freiburg zu greifen. An zweiter Stelle ist bruder Jörg Rott notiert. Auch dieser Eintrag ist zu beachten, denn Georg Rott war bis zu seinem Tod 1490 Prior der Freiburger Dominikaner, mithin der Amtsvorgänger des Caspar Grünwald. Der Umstand, dass die Liste aber mit Grünwald beginnt, dessen Name zugleich in exaltierter Form zu Papier gebracht worden ist, führt zu dem Schluss, dass die Eintragungen erst mit dem Priorat von Grünwald erfolgten. Damit hätten wir ein weiteres Indiz für die Etablierung der hiesigen Rosenkranzbruderschaft nach 1490. Gleichzeitig wäre Rott dann ein Beispiel für die Aufnahme von

353 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch, Bl. 34r–49r und 53r–55r. Vgl. ergänzend HAGENMAIER, Handschriften, S. 6. 354 Vgl. u. a. LASCHINGER, Ambacher Hochzeit. – Online verfügbar: https://www.historisches-lexi kon-bayerns.de/Lexikon/Amberger_Hochzeit,_1474 [zuletzt abgerufen: 05.07.2019]. 355 Die Zuordnung ist nicht ganz einfach. Siehe dazu den Stammbaum bei KINDLER VON KNOBLOCH, Oberbadisches Geschlechterbuch, S. 255. 356 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch, Bl. 34r–34v. 357 Vgl. POINSIGNON, Prediger-Kloster, S. 22.

4.5 Ausbreitung und Expansion der Mitgliederzahl

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bereits Verstorbenen.358 Im weiteren Verlauf lassen sich zusätzliche Belege aufspüren. Auf Folio 42r etwa ist, neben den Eltern, der erste, verstorbene Ehemann der Anna Richwin mit vermerkt: Anna Richwinin, Hans Mader ir vatter und Els ir muter, Jacob Richwin ir man und Joerg Misner der ander man.359 Jan Gerchow zählt insgesamt 38 Konventualen, den Anschluss würden dann mit Balthasar Scholl Universitätsmitglieder bilden, danach kämen schließlich die Laien.360 Diese Ausführungen sind zu korrigieren: Die Auflistung von Caspar Grünwald bis Balthasar Scholl umfasst alles in allem 47 Brüder (einmal findet sich der Zusatz: ein leig bruder). Auch diese Zahl ist aber zu präzisieren: 37 Namen sind eindeutig als von einer Hand eingeschrieben zu charakterisieren. Auf Folio 34v wurden am unteren respektive unter dem Rand drei Brüder nachgetragen, auf Folio 35r in der linken Spalte oberhalb erneut drei (jedoch weisen diese Namen Streichungen auf) sowie unterhalb, vor dem Eintrag von Balthasar Scholl, vier. Die Laieneinträge setzen für Gerchow in der rechten Spalte von Folio 35r oben ein (Clewi Heininger und Elß Heinriczin sin husfrow). Welche Personen er genau zu den Universitätsmitgliedern rechnet, ob nur die auf Folio 35r registrierten vier meister oder auch die darunter vermerkten Brüder, bleibt offen.361 Die vier Magister, nämlich Balthasar Scholl, Wibrecht von Speyer, Jakob Hilbolt von Konstanz und Jakob Wirtenberger, tragen alle den Zusatz, sie seien Doktoren der Theologie. Anhand der frühen Arbeit von Adolf Poinsignon aus dem Jahr 1883 lässt sich nachweisen, dass Scholl und Wirtenberger aber nicht allein Mitglieder der Universität, sondern ebenfalls Angehörige des Freiburger Dominikanerkonvents in der Zeit um 1500 waren.362 Diese Probebohrung zeigt, dass selbst die Anzahl von 47 nach oben anzupassen ist. Nicht zuletzt wird es sich bei den unter den Magistern notierten Brüdern um Mitglieder des Konvents handeln, wenngleich es sich bei den in schwarzer Tinte verzeichneten ohne Frage wieder um spätere Ergänzungen handeln wird.363 Vergleichbar zu Frankfurt am Main können in dem Freiburger Verzeichnis mehrfach Gruppeneinträge nachgewiesen werden. Auf Folio 39r sind beispielsweise in der rechten Spalte beginnend mit frow Susanna Schedlin zwölf Frauen immatrikuliert, deren Namen durch eine Klammer zusammengefasst und mit dem Vermerk von Wundental versehen sind. Bei ihnen wird es sich um Zisterzienserinnen des Klosters Won-

358 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch, Bl. 34v. 359 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch, Bl. 42r. 360 Siehe GERCHOW, Bruderschaften Freiburg, S. 29 f. 361 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch [Seitenangaben wie im Text]. 362 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch, Bl. 35r: meister Balthassar Scholl ein doctor in der heiligen geschrifft[;] meister Wibrecht von Spir ein doctor in der heiligen geschrifft[;] meister Jacob Hilbolt von Costnicz ein doctor der heiligen geschrifft[;] meister Jacob Würdenberg von Strosburg ein doctor der heiligen geschrifft. Vgl. POINSIGNON, Prediger-Kloster, S. 22. 363 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch, Bl. 35r.

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4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft

nental bei Kenzingen nördlich von Freiburg handeln (siehe Abb. 13).364 Auf Folio 48r stehen in der linken Spalte zunächst fünf Frauen mit dem Hinweis zu sant Claray, unmittelbar darauf ist eine weitere Gruppe von Frauen mit der Ergänzung zu sant Katheriney aufgeschrieben. Es handelt sich bei ersteren um Angehörige des in Freiburg gelegenen Klarissenklosters St. Clara, das sogenannte Bickenkloster, und bei letzeren um Angehörige des Dominikanerinnenkonvents, ebenfalls innerhalb der Stadt.365 Ein exemplarischer Beleg für einzelne Einträge von Geistlichen von außerhalb mag der auf Folio 34v links zu findende Abt Michael aus dem Zisterzienserkloster Tennenbach circa 14 Kilometer nördlich von Freiburg bei Emmendingen sein (frater Michahel abbas porte celi alias Tennibach).366 Daneben sind auch Gruppeneinträge weltlicher Personen vorhanden, so unter anderem auf Folio 41v. Am oberen Rand der rechten Spalte ist zu lesen: de Eystat, die darunter verzeichneten 25 Brüder und Schwestern kamen folglich aus dem am Ostrand des Kaiserstuhls nahe Freiburg gelegenen Ort Eichstetten (siehe Abb. 14). Zuerst ist Paul Lienner, der örtliche Güterverwalter des Freiburger Dominikanerkonvents, mitsamt seiner Frau Katherina und seiner Tochter eingeschrieben: Paulus Lienner prediger schaffner und Katherina sin huß frow und Barbal sin dochter.367 Es folgen der markgräflich badische Obervogt von Eichstetten mit Frau und zwei Mägden sowie der hiesige Schulmeister, wiederum mit Frau und alle unser kund. Die sich anschließenden Namen können Thomas Steffens gemäß der „bäuerlichen Oberschicht von Eichstetten“ zugeordnet werden.368 Einen Querschnitt durch das gesamte Register ziehend konstatiert Gerchow: Bei dem Großteil der Einträge handelt es sich einerseits um ganze Familien, oft sind die Kinder mit eingeschlossen, und andererseits um einzelne oder als Gruppen verzeichnete Frauen. Was die Sozialstruktur anbelangt, schreibt er: „Das obere Zunftbürgertum ist, so weit bisher zu sehen ist, kaum vertreten.“369 Dem langjährigen Freiburger Stadtarchivar Thomas Steffens zufolge scheint diese Einschätzung zuzutreffen. Er vermutet auch, „dass sich die Bruderschaft zu einem erheblichen Teil aus dem einfachen, aber sozial-wirtschaftlich auskömmlich gestellten Zunfthandwerk rekrutierte.“ Mit Blick auf die zahlreichen Frauen ist nach Steffens auffällig, „dass sehr viele Frauen ohne Ehemann und ohne Kinder genannt werden.“370 Inwiefern unter selbigen allerdings eine große Zahl armer Frauen war, wie Gerchow es

364 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch [Seitenangaben wie im Text]. – Zum Kloster vgl. TREFFEISEN, Wonnental. 365 Vgl. allgemein zu beiden Klöstern DOERR, Klarissen und Dominikanerinnen. 366 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch [Seitenangaben wie im Text]. – RUPF, Tennenbacher Konvent, nennt keinen Abt Michael. 367 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch [Seitenangaben wie im Text]. 368 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch [Seitenangaben wie im Text]. – Für diese Information und auch die im folgenden Absatz wiedergegebene Einschätzung bezüglich der Sozialstruktur der in das Verzeichnis eingetragenen Personen danke ich herzlich Herrn Dr. Thomas Steffens. 369 GERCHOW, Bruderschaften Freiburg, S. 30. 370 STEFFENS, Jahrzeitbuch [mitgeteilt per E-Mail am 25. September 2018]. Das voranstehende Zitat ebd.

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äußert, dürfte kaum sicher auszusagen sein. Den Radius des Einzugsgebiets schätzen beide auf maximal 70 Kilometer um Freiburg herum ein. Eine für die Ausbreitung zu berücksichtigende Bemerkung bringt Steffens, der vermutet: „Maßgeblich war offenbar der geistliche, vielleicht auch grundherrliche Einfluss der Dominikaner“. Erinnert sei dabei an das genannte Beispiel Eichstetten.371 Die Gesamtsumme der bis 1520 immatrikulierten Menschen ist jedenfalls nach Gerchow auf annähernd 2.500 zu beziffern.372 Damit weist das Freiburger Register deutlich weniger Brüder und Schwestern auf, als die Quellen aus Colmar mit rund 7.000 Personen, wovon allein knapp 6.500 in sehr kurzer Zeit im Anschluss an die Gründung der Niederlassung in das dortige Verzeichnis eingetragen worden sind, und Frankfurt am Main mit rund 8.100 Namen.373 Dennoch ist diese Menge nicht minder herausragend, allein vor dem Hintergrund, dass die Niederlassung erst zu Beginn der 1490er Jahre etabliert worden ist, somit später als die anderen beiden. Dieser Punkt dürfte wohl auch für die anhaltende Popularität der Rosenkranzbruderschaft sprechen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Die etwa von Michael Francisci in Bezug auf die gesamte Rosenkranzbruderschaft mitgeteilten 500.000 aufgenommenen Brüder und Schwestern oder die von Marcus von Weida angeführten 55.000 ausschließlich für Leipzig erfüllen zweifellos weit mehr einen ‚Werbezweck‘, als dass sie als realistische Größen eingestuft werden können.374 Die drei Matrikeln aus Colmar, Frankfurt am Main sowie Freiburg im Breisgau lassen allerdings mit der immensen Mitgliederzahl von insgesamt gut 17.000 erkennen, dass die Rosenkranzbruderschaft einen Zustrom verzeichnen konnte, der innerhalb der Bruderschaftslandschaft singulär war. Freilich sind immer auch Ausnahmen zu verzeichnen, so weist beispielsweise das von Albert Haemmerle edierte Mitgliederverzeichnis der St. Ulrichs-Bruderschaft in Augsburg, welches die Jahre zwischen 1466 und 1521 umfasst, 4.725 Einträge mit über 5.000 immatrikulierten Individuen auf.375 Die Untersuchungen von Kerstin Rahn, Klaus Militzer, Anne Rauner und Kristin Zech oder Gertrud Brandes veranschaulichen aber, dass sich die Mitgliederzahlen spätmittelalterlicher Bruderschaften mehrheitlich wohl im zweistelligen oder dreistelligen Feld bewegt haben dürften.376 Nicht zuletzt

371 STEFFENS, Jahrzeitbuch. 372 Vgl. GERCHOW, Bruderschaften Freiburg, S. 29. 373 Vgl. für die Zahlen zu Colmar SCHMITT, Apostolat mendiant, S. 84, sowie SCHMITT, Confrérie du Rosaire, S. 101. Für die Angaben zu Frankfurt am Main siehe Kap. 4.5.2 und KLIEM, Frankfurter Rosenkranzbruderschaft, S. 116. 374 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.2 (S. 520), und MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 30r. 375 HAEMMERLE (Hg.), St. Ulrichs-Bruderschaft. Vgl. auch KIEßLING, Bürgerliche Gesellschaft, S. 292 Anm. 22. 376 Vgl. RAHN, Bruderschaften Braunschweig, S. 83–85; MILITZER, Laienbruderschaften in Köln, S. LIX–LXXVII; RAUNER/ZECH, Zimmerleutebruderschaft Straßburg, S. 179, und BRANDES, Brüderschaften in Hamburg 1, S. 141–144.

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ist in diesem Zusammenhang erneut die Konzeption der Rosenkranzbruderschaft zu beachten: Die einzelnen Niederlassungen sollten eben nicht getrennt stehen, sondern Teile eines Ganzen sein.

4.5.4 Fallbeispiel 3: Altenburg – oder: Von der Eigendynamik eines Trends Gleichwohl führt das Beispiel der vor Mai 1478 in Altenburg eingerichteten Rosenkranzbruderschaft anschaulich vor Augen, dass sich einhergehend mit der Popularität der neuen Korporation auch eine gewisse Eigendynamik in der Verbreitung beziehungsweise den (Neu-)Gründungen herausbildete. Dazu ist zunächst ein kurzer Blick auf die Situation vor Ort zu richten: Am 13. Mai des Jahres 1478 stellte der Naumburger Bischof Heinrich II. (von Stammer; † 1481) eine Urkunde aus, mit der er auf die Bitte der Margarethe von Österreich († 1486), der Witwe des sächsischen Kurfürsten Friedrichs II. († 1464), hin die in der Stadt bereits bestehende Rosenkranzbruderschaft bestätigte und ihr darüber hinaus einen eigenen, 40-tägigen Ablass gewährte.377 Dabei wird schon in der Narratio die Verbindung zu Köln als dem Gründungsort der Vereinigung geknüpft und auf die Beteiligung vor allem des Kaisers an dem Ereignis hingewiesen.378 Aus dem Wortlaut der Dispositio geht dann hervor, dass sich die Altenburger Rosenkranzbruderschaft in ihrem Funktionieren explizit an der Art und Weise sowie der Ordnung (modo et forma) der Kölner Bruderschaft ausrichten wollte. Allerdings scheinen hierfür nicht die Statuten, sondern der am 10. März 1476 ausgefertigte Ablassbrief des Bischofs von Forlí, Alexander Numai, als Referenzquelle gedient zu haben (in literis domini Episcopi forliviensis apostolici Nuncii pretacti expressatis).379 Über die genauen Hintergründe für die Einrichtung in Altenburg ist wenig bekannt. Bert Meister äußerte die Vermutung, Margarethe könne die Gründung for-

377 Den Urkundentext bietet HASE, St. Bartholomäikirche, Nr. 20 (S. 260–264). Die nachstehenden Zitate sind seiner Edition entnommen. Ein Regest findet sich zudem bei KÜHNE, Residenz und Frömmigkeit, Nr. 19 (S. 301). 378 HASE, St. Bartholomäikirche, Nr. 20 (S. 261): [...] quod licet fraternitas gloriosissime ac beatissime virginis dei bajule marie, dicta de Rosario, olim per beatum Dominicum primum ordinis predicatorum patrem extiterit predicta, ad tempus tamen hucusque neglecta, nunc per fratres prefati ordinis in colonia iterum sub certis limitibus instituta ac innovata [...] ad instanciam cesaree majestatis confirmata existat [...]. 379 HASE, St. Bartholomäikirche, Nr. 20 (S. 261). – MEISTER, Religiöses Engagement, S. 59, schreibt, der Bischof habe in der Urkunde mehrfach betont, dass er die Regelungen der Kölner Gründung wiederhole und auf diese Weise den Wirkungsbereich „einer als einheitlich aufgefaßten, überregionalen Bruderschaft lediglich auf Altenburg“ ausdehnen würde. Obzwar diese Formulierung ein demonstratives Beispiel dafür wäre, dass die dezentrale Konzeption der Rosenkranzbruderschaft auch von den Zeitgenossen wahrgenommen wurde, kann dieser Satz im Wortlaut der Urkunde nicht nachgewiesen werden.

4.5 Ausbreitung und Expansion der Mitgliederzahl

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ciert haben, weil sie entweder selbst in Köln zugegen war, oder aber ihre Söhne, Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht, die „nachweislich“ im Jahr 1475 an der Gründung teilgenommen haben, die Kunde mit nach Hause brachten.380 Als Beleg für die hier genannte Anwesenheit der beiden Wettiner beziehen sich Meister aber zum Beispiel auch Hartmut Kühne auf die Ausführungen des Aegidius Gelenius.381 Wie in Kapitel 4.1 bereits ausführlich dargelegt worden ist, informiert dieser in seinem Werk De Admiranda, Sacra et Civili Magnitudine Coloniae nicht nur über die Einrichtung der Rosenkranzbruderschaft, sondern detailreich zugleich über die im Rahmen des Gründungsaktes mutmaßlich versammelten Personen. Dabei nennt er zuerst Albrecht, den Herzog und Kurfürst von Sachsen, sowie etwas weiter unten Ernst, den Herzog von Sachsen.382 Auf die in dem Zusammenhang fälschlich Herzog Albrecht zugeschriebene Kurwürde, die de facto bei Ernst lag, ist ebenfalls schon eingegangen worden.383 Gegen die Teilnahme der beiden Wettiner an der vermeintlichen Gründungszeremonie am 8. September 1475, wie sie von Gelenius geschildert wird, spricht aber in erster Linie das, was über ihr Agieren in dieser Zeit rekonsturiert werden kann: Im Angesicht der Bedrohungslage durch Karl den Kühnen hatte Friedrich III. am 28. Juli 1474, zwei Tage bevor die Einkreisung und Belagerung von Neuss begann, in Schreiben unter anderem an Ernst und Albrecht um Rat in dieser Angelegenheit gebeten. Wie der Briefwechsel zeigt, verhielten sich die Wettiner allerdings zögerlich, vor allem im Hinblick auf die angeforderten Truppen.384 Nachdem der unter Zugzwang stehende Kaiser dann Mitte Oktober mit deutlich schärferer Wortwahl die Entsendung der sächsischen Unterstützung gefordert hatte, machte sich Herzog Albrecht mit einem 4.000 Mann starken Aufgebot im November 1474 an den Rhein auf. Anfang Dezember erreichte der Tross das Reichsheer bei Koblenz.385 Trotz der schnellen Beförderung Albrechts zu einem der drei Reichsfeldherren sowie der zentralen Rolle der sächsischen Abordnung im Zuge eines Angriffs Karls des Kühnen am 24. Mai 1475 beschränkte sich das Handeln der Wettiner insgesamt betrachtet, wie André Thieme konstatiert, auf „nicht mehr als die notwendigste Pflicht.“386 Als am 28. Mai ein Waffenstillstand und tags darauf der Frieden beschlossen wurde, rückte Herzog Albrecht sodenn auch zügig ab. Bereits am 14. Juli trafen er und seine Truppen in Weimar ein, von wo aus sie über Zeitz, Rochlitz und

380 MEISTER, Religiöses Engagement, S. 59. Vgl. auch KÜHNE, Residenz und Frömmigkeit, S. 292 f. 381 Vgl. etwa KÜHNE, Fegefeuer und Rosenkranz, S. 32. 382 AEGIDIUS GELENIUS, De Admiranda Coloniae, Bd. 4, S. 467. 383 Während KÜHNE, Fegefeuer und Rosenkranz, S. 38 Anm. 70, diesen Fehler thematisiert, lässt MEISTER, Religiöses Engagement, S. 59, ihn unkommentiert. 384 Vgl. THIEME, Albrecht der Beherzte, S. 84 f. 385 Vgl. THIEME, Albrecht der Beherzte, S. 83 f. 386 THIEME, Albrecht der Beherzte, S. 86.

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Altenburg nach Schellenberg reisten.387 Für ein erneutes Aufbrechen des Wettiners nach Köln gibt es keine Quellenbelege. Hinzu kommt, dass ohnehin allein Herzog Albrecht an dem Feldzug teilgenommen hatte, nicht aber sein Bruder, Kurfürst Ernst. Die Möglichkeit, dass der Herzog die Kunde von der Rosenkranzbruderschaft von seiner Reise mit nach Hause gebracht hat, mag natürlich nicht ausgeschlossen sein. Zumindest kann dieser Punkt weder falsifiziert noch verifiziert werden. Aus den Altenburger Quellen heraus, darauf weist auch Meister hin, kann nur festgestellt werden, dass Margarethe von Österreich um die Ausstellung der Bestätigungsurkunde gebeten hatte.388 Eine Beteiligung der Dominikaner ist für ihn hingegen nicht ersichtlich, habe es doch in Altenburg keine Niederlassung des Ordens gegeben.389 Diese Aussage ist zwar korrekt, allerdings unterschlägt Meister damit einen mindestens erwähnenswerten Punkt: In Altenburg existierte kein eigenständiger Konvent, der Orden wiederum war aber trotzdem in der Stadt vertreten. Seit 1320 hatten nämlich die Leipziger Dominikaner eine gemeinhin mit einem Ordensbruder besetzte Terminei an der Bartholomäuskirche.390 Folglich waren sie nicht nur in der Stadt, sondern genau an der Kirche präsent, an der die hiesige Rosenkranzbruderschaft eingerichtet wurde und bestand.391 Ob diese Koinzidenz aber eine Rolle für die Gründung spielte, scheint aus den von Meister eingesehen Quellen wohl nicht hervorgegangen zu sein (und wird sich vielleicht auch nicht eindeutig beantworten lassen). Möglich wäre ebenso, dass der Impuls für Leipzig von Altenburg ausging, wobei dagegen wohl der früh in den Leipziger Konvent erteilte Auftrag zur Predigt des Rosenkranzes sowie der Rosenkranzbruderschaft spricht (siehe dazu Kap. 4.5.5), oder eben beide unabhängig voneinander entstanden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann und muss dieser Aspekt jedenfalls nicht weiter verfolgt werden. Nach diesem kurzen Exkurs ist vielmehr der Blick zurück auf das ‚Wesen‘ der Altenburger Bruderschaft zu richten. Wie oben zitiert, war es der nachdrücklich formulierte Anspruch, eine in modo et forma der Kölner Rosenkranzbruderschaft äquivalente Korporation zu sein. Mehrfach wies Bischof Heinrich II. im Verlauf der Urkunde auf die angestrebte Gleichförmigkeit hin. Was das jedoch konkret für die Organisation und in dem Zusammenhang etwa für das Verfahren der Einschreibung bedeutete, wird nirgends spezifiziert. Grundsätzlich hätte die Aufnahme in die Verei-

387 Vgl. dazu LANGENN, Herzog Albrecht, S. 110. 388 Siehe HASE, St. Bartholomäikirche, Nr. 20 (S. 261). Vgl. auch MEISTER, Religiöses Engagement, S. 59. 389 Vgl. MEISTER, Religiöses Engagement, S. 59. 390 Vgl. HASE, Terminei, S. 493–495. – Siehe zum Terminierwesen der Leipziger Dominikaner (sowie der anderen Konvente auf dem Gebiet des heutigen Freistaates Sachsen) jetzt auch KLINGNER, alze sye terminierten, S. 311–314 und 333. 391 Vgl. HASE, St. Bartholomäikirche, Nr. 20 (S. 262): [...] predictam fraternitatem beate Marie virginis dictam de Rosario modo et forma [...] in prefato opido et ejus ecclesia parochiali sub titulo sancti Bartholomei consecrata servandam permittimus [...].

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nigung über die soeben genannte Terminei erfolgen müssen. Erinnert sei diesbezüglich zum Beispiel an die von Marcus von Weida geäußerte Feststellung, dass allein die Dominikaner über das Recht der Aufnahme verfügen würden. Für Altenburg wird diese Bedingung allerdings weder in der Bestätigungsurkunde noch in einem der weiteren überlieferten Schriftstücke erwähnt.392 Wenn hingegen in einer Urkunde vom 2. September 1482 von den „Vorstehern“ der Rosenkranzbruderschaft gesprochen wird, scheint die Differenz zur ämterfreien Kölner Bruderschaftskonzeption expressis verbis heraus.393 Über die religiöse Praxis ist zu erfahren, dass für das Seelenheil der lebenden wie der verstorbenen Mitglieder Vigilien und Messfeiern durchgeführt werden sollten. Unmissverständlich wird dabei die lokale Zusammenkunft aller Mitglieder der Korporation in der Bartholomäuskirche zum Zweck der Memoria erwähnt (in ecclesia parochiali sancti Bartholomei opidi Aldemburgk memorati convenire ibidemque). Des Weiteren oblag den Brüdern und Schwestern die regelmäßige Ausführung des Gesangs der marianischen Antiphonen, wobei der Schwerpunkt auf dem Salve Regina liegen sollte. Ebenfalls genannt wird unter Berufung auf den Ablassbrief Alexander Numais das gemeinschaftliche Begehen von vier Marienfesten (quatuor beate marie virginis festivitates).394 Der Bischof von Forlí führt in seiner Urkunde jedoch fünf Marienfeste an (siehe Kap. 4.5.5).395 Eine im Jahr 1482 ausgestellte Urkunde ergänzt die praxis pietatis der Altenburger Rosenkranzbruderschaft um weitere Inhalte wie etwa eine immer sonntags abzuhaltende Prozession.396 An dieser Stelle offenbart sich die Diskrepanz zur Kölner Rosenkranzbruderschaft mithin besonders stark: Die Jenseitsvorsorge der Altenburger Vereinigung war wie bei den traditionellen Bruderschaften an die örtliche Kirche und das tatsächliche Zusammenkommen der Brüder und Schwestern gebunden. Vor allem aber wird mit keiner Silbe, weder in der Bestätigungsurkunde von 1478 noch später, das wöchentliche Beten des Rosenkranzes vorgeschrieben. Demnach fand die zentralste und zugleich einzige Verpflichtung für die Mitglieder der Kölner Rosenkranzbruderschaft in Altenburg anscheinend keine Entsprechung. Somit kann die zwar

392 Vgl. MEISTER, Religiöses Engagement, S. 59 f. 393 Siehe HASE, St. Bartholomäikirche, Nr. 26 (S. 275): [...] daß die altherlute zcu sandt Bartholomeus vnd vorsteher vnnser liben Frauwenn bruderschafft vom Roßencrantz [...]. Zum Inhalt vgl. das Regest bei KÜHNE, Residenz und Frömmigkeit, Nr. 22 (S. 302). 394 HASE, St. Bartholomäikirche, Nr. 20 (beide Zitate S. 262). 395 ASSOP, Bd. 2, T. 3, Nr. 120 (S. 588; siehe das Zitat hier auf S. 216 in Anm. 542). – MEISTER, Religiöses Engagement, S. 60, schreibt von fünf Marienfesten und ergänzt, dass sich wohl aber nur die Feier von vier Marienfesten durchgesetzt hat. 396 Siehe HASE, St. Bartholomäikirche, Nr. 26 (S. 275): [...] vff eynn Sontag nach der vesper eyne vigilie mit dryen lectien, darczw das Crutze nach den drien lectienn vmb die kirchen mit inniger processien getragen, durch eynn pfarrer, kirchener vnd korschuler zcu haldenn bestalt, vnd vff den Mantag dornach volgende, zcu der hoemesse, etzliche zelmessenn zcu haldenn, allen glaubigenn zelenn zcu hulffe vnd trost, sunderlich die vß gemelter Bruderschafft vorscheydenn sindt [...].

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namensäquivalente, allerdings sowohl inhaltlich wie auch organisatorisch abweichende Rosenkranzbruderschaft in Altenburg nicht zu diesem neuen Typ Korporation hinzugerechnet werden.397 Warum aber die ausdrückliche Rückbindung an die Kölner Gründung? Die Erklärung hierfür scheint im Wortlaut der Bestätigungsurkunde selbst zu liegen: omnes Indulgencias per dominum episcopum forliviensem et apostolicum Nuncium ad orationes per fratres et sorores [...] in ipsius literis expressatas ac alias ab ipso quoque modo ad predictam fraternitatem datas approbamus – Bischof Heinrich II. gewährte nicht nur einen eigenen 40-tägigen Ablass, gleichzeitig bestätigte er, dass alle zugunsten der Kölner Rosenkranzbruderschaft ausgestellten Ablässe ebenfalls für die Altenburger Vereinigung gelten sollten.398 Die mehrmals behauptete Gleichförmigkeit dürfte sich in erster Linie aus der Inanspruchnahme der Ablassprivilegien begründen, die der Rosenkranzbruderschaft gewährt wurden.399 Aus dem Altenburger Beispiel folgen drei wichtige Schlüsse: 1. Die Nachricht von der Rosenkranzbruderschaft hatte sich wohl relativ schnell recht weiträumig verbreitet. 2. Einhergehend mit der Ausbreitung wird sich die ‚Attraktivität‘ der Korporation bezüglich der Jenseitsvorsorge, hier eben vorrangig durch den Ablass, herumgesprochen haben. 3. In dem Zuge ist wohl auch von einer gewissen Eigendynamik in der Verbreitung auszugehen, das heißt, dass vermutlich nicht hinter jeder Rosenkranzbruderschaft genannten Korporation die Kölner Konzeption steckte. Ein Umstand, der seinerseits wiederum eine Vorstellung von der großen Popularität der Rosenkranzbruderschaft in den Jahrzehnten um 1500 gibt.

4.5.5 Gründe für die Ausbreitung Eine valide Antwort darauf, was die Menschen faktisch zum Eintritt in die Bruderschaft bewogen hat, lässt sich in Anbetracht fehlender Selbstzeugnisse nur schwerlich geben. Als dominierende Stimuli können sicherlich der egalitäre Anspruch der Korporation und die damit verbundene Absenz von Beitrittsgebühren genannt werden. Desgleichen ist das Prestige respektive soziale Kapital der Rosenkranzbruderschaft insbesondere aufgrund der nach außen kommunizierten Protektion durch Kaiser Friedrich III., vor allem jedoch durch die ebenso medial immer wieder vermittelte Beteiligung des Habsburgers an der Vereinigung in Erinnerung zu rufen. Eine wichtige Rolle dürfte darüber hinaus die Approbation und Förderung von geistlicher Seite gespielt haben. Erwähnt sei hier lediglich die 1479 von Papst Sixtus IV. an alle Gläubigen ausgegebene Empfehlung, täglich den Rosenkranz zu beten. 397 Die Gleichsetzung der Altenburger mit der Kölner Rosenkranzbruderschaft sieht auch KÜHNE, Residenz und Frömmigkeit, S. 293, als problematisch an. 398 HASE, St. Bartholomäikirche, Nr. 20 (S. 263). 399 Vgl. auch KÜHNE, Residenz und Frömmigkeit, S. 293.

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Korrelierend mit diesem Aspekt müssen zuletzt die grundsätzlich hohe Bedeutung des Rosenkranzgebets in der Frömmigkeit um 1500 sowie natürlich die in der Hauptsache von den Dominikanern propagierte eminente Nützlichkeit der Rosenkranzbruderschaft für die Seelenheilsvorsorge der Mitglieder etwa infolge des großen und zur Verfügung stehenden Ablasses bedacht werden. Wie wirkmächtig dabei speziell das Heilsangebot gewesen zu sein schien, zeigen doch exemplarisch der in den voranstehenden Abschnitten nachverfolgte allgemeine Zustrom und das Fallbeispiel Altenburg, wo das Ablassversprechen als Ausgangspunkt für die Bruderschaftsgründung plausibel gemacht werden konnte. All diese inhaltlichen Aspekte sind als Gründe für die Ausbreitung zu berücksichtigen und von Belang. Indes erscheint es notwendig, den Blick im Folgenden nicht vornehmlich auf die thematische Seite zu richten, wie es beispielsweise Anne Winston-Allen getan hat, sondern vielmehr die Kommunikationswege und besonders die Kommunikationsmittel zu eruieren, über die die ‚Marke‘ Rosenkranzbruderschaft mitsamt ihren Vorzügen transportiert wurde.400 An erster Stelle ist selbstredend das Predigtamt der Dominikaner anzuführen, das zweifelsohne als Kernkompetenz sowie als ein Kernanliegen des Ordens charakterisiert werden kann.401 Jakob Sprenger beispielsweise soll dementsprechend nicht nur die Bruderschaft in Köln etabliert haben. Die Zeitgenossen rühmen auch sein Wirken, sein donnerndes Reden (te sepe tonante), das wesentlich zur Intensivierung der Rosenkranzfrömmigkeit im Volk beigetragen habe. So jedenfalls schildert es der Konventsbruder und Humanist Jakob von Gouda (Jacobus Magdalius Gaudensis; † kurz vor 1520) in der von ihm verfassten Elegie auf den Tod des Priors: Während dessen Predigten wäre zu beobachten gewesen, wie eine unzählbare Volksmenge Rosenkränze geflochten habe.402 Zweifelsohne handelt es sich bei diesen Ausführungen um eine in gleicher Weise metaphorische wie Sprenger idealisierende Darstellung. Es können jedoch eine ganze Reihe weiterer Vertreter aufgezählt werden, die den Rosenkranz und die Rosenkranzbruderschaft in Predigten weitergetragen haben. So erteilte bereits 1479 der Ordensmeister Leonardo Mansueti († 1480) dem Leipziger Dominikaner Conrad

400 Vgl. WINSTON-ALLEN, Stories of the Rose, S. 118–122. 401 Siehe dazu lediglich stellvertretend OBERSTE, Predigen in der Stadt, sowie FRANK, Dominikanerkloster als Kultzentrum, hier bes. S. 137–139. Zum Funktionieren der Predigt als Medium und ihrer Bedeutung sei auf RUSTER, Predigt im Mittelalter, verwiesen. 402 Das Zitat folgt LÖHR, Dominikanerhumanist Gaudanus, S. 300 f.: Ipse velim pressis si pertransire labellis, Te sineret numquam Virgo beata tegi. / Vidimus innumerum, te sepe tonante, popellum Candida purpureis fingere serta rosis, / Quas non humor alit pluvius, non educat estas, Sed redolens nutrit pectoris ara pii. Has licet indigni placida de mente solemus Ponere nonnumquam Virginis ante pedes. Siehe im Hinblick auf die Kommunikationswege, die Sprenger nutze, auch BLASEL, Rosenkranzbruderschaft, S. 31 f. – Dass Jakob Sprenger freilich nicht unumstritten war, davon zeugt z. B. die knappe Notiz bei KLIEM, Frankfurter Rosenkranzbruderschaft, S. 60, auf die hier lediglich ergänzend hingewiesen sei.

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Wetzel den Auftrag der Predigt des Rosenkranzes und seiner Bruderschaft.403 Des Weiteren sind in diesem Zusammenhang unter anderem Clemens Lossow, der eine Zeit lang als Lektor in Hamburg tätig war und dort nach eigener Aussage eine Niederlassung der Korporation ins Leben gerufen hat, Cornelis van Sneek, der sich in Rostock, Köln und Löwen aufhielt sowie als Generalvikar der congregatio hollandiae für das deutsche Gebiet zugleich andere Städte bereiste, oder Johann Tetzel († 1519), der im Mai 1497 von Thomas Cajetan († 1534), dem späteren Ordensmeister der Dominikaner, mit der Rosenkranzpredigt beauftragt und diesbezüglich zu Studienzwecken von Leipzig aus in die Ordensniederlassung nach Köln entsandt wurde, zu nennen.404 Ein Umstand, der noch einmal deutlich macht, dass Köln in der Tat als das neuralgische Zentrum der Rosenkranzbruderschaft und Rosenkranzfrömmigkeit bezeichnet werden kann. Nicht zuletzt spiegelt sich die Predigttätigkeit der Dominikaner und die Funktion der Predigt im Zuge der Verbreitung der Rosenkranzbruderschaft beziehungsweise der Belehrung über den Rosenkranz auch im zeitgenössischen Bild wider. Ein anschauliches Beispiel stellt das Rosenkranzretabel in der Dortmunder Dominikanerkirche dar.405 Der meines Erachtens gewiss bedeutendste Multiplikationsfaktor für die Ausbreitung der Rosenkranzbruderschaft dürfte aber in der Indienstnahme der Drucktechnik, mithin der neuen Medien liegen. Bereits Rebekka von Mallinckrodt konstatierte einleitend in ihrer Untersuchung über die „Kölner Laienbruderschaften im Zeitalter der Konfessionalisierung“, dass die Herausgabe von gedruckten Andachtsbüchlein als eine neue Form der Werbung und Vermittlung angesehen werden kann, die sich bei den von Laien gebildeten Vereinigungen im späten Mittelalter nicht nachweisen lässt.406 Nun haben die voranstehenden Kapitel allerdings gezeigt, dass das Spektrum der gedruckten Quellen weitaus mehr umfasst als die genannten Andachtsbücher. Faktisch handelt es sich bis auf einige wenige Ausnahmen bei den ausgewerteten Zeugnissen zur Rosenkranzbruderschaft um Inkunabeln beziehungsweise Drucke. Für eine dezidiert breitenwirksame Streuung scheinen aber weniger die ausführlichen

403 LÖHR (Hg.), Registrum litterarum Leonardi de Mansuetis, S. 52: fr Conradus predictus fuit factus predicator generalis secundum morem sue provincie cum auctoritate predicandi psalterium seu rosarium beate Marie virginis et eius fraternitatem a summo pontifice approbatam, et recipiendi ad dictam fraternitatem et committendi aliis, quod recipiant. 404 LÖHR (Hg.), Registrum litterarum Joachimi Turriani, S. 80 f.: fr Joannes Tezel conv. Lipsensis potest stare in quocumque conventu et predicare rosarium etc. Die 6. maii Rome. Idem assignatur Colonie in studentem honoris. Die 6. maii Rome. Vgl. bezüglich Tetzel auch WIEGAND, Netzwerke, S. 126. Siehe zudem die Predigtsammlungen von CLEMENS LOSSOW, Sermones rosarii, und CORNELIS VAN SNEEK, Sermones. Im Hinblick auf die Bruderschaftsgründung, die Lossow in einer seiner Predigten erwähnt, vgl. Kap. 4.3.2. Siehe für einige weitere Beispiele fernerhin WINSTON-ALLEN, Stories of the Rose, S. 78. 405 Vgl. dazu HENKELMANN, Ausstattung von St. Johann, bes. S. 350–359 und 564 mit einer farbigen Abbildung der entsprechenden Tafel. 406 Vgl. MALLINCKRODT, Struktur und Eigensinn, S. 71.

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Traktate wie die eines Michael Francisci oder Marcus von Weida, sondern nachgerade die Einblattdrucke förderlich gewesen zu sein – zumal sie häufig die Text- mit der Bildebene kombinieren und somit den Rezipientenkreis wesentlich erhöht haben dürften.407 So bemerkte auch David Ganz, dass die Rosenkranzverehrung ein „hochgradig mediales Phänomen“ gewesen sei, bei dem „das neue Massenmedium der Druckgrafik von Anfang an eine Schlüsselrolle“ gespielt hat.408 Nachfolgend soll deshalb anhand einiger Drucke exemplarisch die Medialität der Bruderschaft in den Fokus genommen werden. Rekapitulieren wir die ersten Seiten der vorliegenden Studie, wurde ein entsprechendes Beispiel schon vorgeführt: Joachim Ratstein, der Lektor des Dominikanerkonvents in Rostock, nutzte einen Einblattdruck, um seine Mitmenschen zum Eintritt in die Rosenkranzbruderschaft zu bewegen und die Vorteile, die ihnen hieraus resultierten, knapp darzulegen. Als Kern seiner Aussage kann fixiert werden: Die Bruderschaft verfüge unter anderem aufgrund des unzählbaren Ablasses über ein derart umfangreiches Heilsangebot, sodass die Pein der Seelen im Fegefeuer ausgelöscht werden könne.409 Wie gnadenreich dabei allein schon der Rosenkranz per se sei, illustriert der rückseitig aufgebrachte Holzschnitt (siehe Abb. 15). Abgebildet ist eine Strahlenkranzmadonna auf der Mondsichel, die das Jesuskind auf ihrem rechten Arm trägt. Umgeben ist sie von einer Rosenkranzmandorla, deren 50 kleine Blüten in zeittypischer Ikonographie die 50 Ave Maria-Gebete eines Rosenkranzes symbolisieren, wohingegen die nach jeweils zehn kleinen Blüten dazwischen gesetzten großen Blüten für die fünf Vaterunser-Gebete stehen. Die fünf Wundmale Christi, also die von den Nägeln durchbohrten Hände und Füße sowie die hier durch das Heiligste Herz versinnbildlichte Seitenwunde, sind den großen Blüten, sprich den Vaterunser-Gebeten aufgesetzt.410 In den vier Bildzwickeln sind die vier Evangelistensymbole zu sehen. Die Überschrift O mater dei miserere mei zeigt an, dass die Fürsprache und Interzession der Gottesmutter Maria erbeten wird. Die von Ratstein im Text angesprochene große Gnade, die infolge eines Eintritts in die Rosenkranzbruderschaft erlangt werden könnte, kommuniziert der Holzschnitt: Die Darstellung der Gottesmutter im Strahlenkranz auf der Mondsichel verweist auf die in der Offenbarung des Johannes (Offb 12,1–6) geschilderte sogenannte Apokalyptische Madonna. Wie Thomas Noll ausführt, kann dieses Marienmotiv im späten Mittelalter als das vermutlich wichtigste bezeichnet werden, denn es schloss alle Ehrentitel der Muttergottes in sich zusammen, so etwa die Maria umstrahlende Göttlichkeit oder

407 Vgl. u. a. GRIESE, Text-Bilder, hier S. 444–448; ferner HARMS, Historische Kontextualisierung, S. 21. 408 GANZ, Ein „Krentzlein“ aus Bildern, S. 153. 409 UBR, Fa-1119(68).49. Siehe das Zitat auf S. 1. 410 Wie HAMM, Typen Gnadenmedialität, S. 51, schreibt, wurde die Seitenwunde als Herzwunde verstanden.

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die leibliche Aufnahme in den Himmel.411 Die wiedergegebenen Wundmale Christi, die allesamt ein Quell für sein sühnendes Blut sind, weisen auf die „größtmögliche Gnadennähe“ hin.412 Der Rosenkranz umschließt die genannten Themen und vereint sozusagen diese gesamten heilsbringenden Elemente in sich. Nicht zu vergessen ist, dass das Bild der Strahlenkranzmadonna von Papst Sixtus IV. selbst zu einem Ablassbild erhoben wurde. Wer somit in der Betrachtung dieses Holzschnittes den Rosenkranz betete, erhielt nicht nur den mit dem Rosenkranzgebet verbundenen Ablass, sondern ebenfalls den mit diesem Bildmotiv verknüpften Nachlass auf die zeitlichen Sündenstrafen. Insofern kann hier mit Noll von einem „Indulgenzbild“ gesprochen werden.413 Besonders hervorzuheben sind auch diejenigen Exemplare, die Text und Bild auf einer Seite kombinieren. Als ein erstes Beispiel kann der kolorierte Holzschnitt ‚Anleitung‘ zum Rosenkranzgebet genannt werden, den bereits Sabine Griese in ihrer Studie „Text-Bilder und ihre Kontexte“ untersucht hat (siehe Abb. 16).414 Zu sehen ist in den oberen zwei Dritteln die auf einem Thron sitzende, von zwei Engeln bekrönte Mutter Gottes mit dem Jesuskind auf ihrem Schoß. Die sie beidseitig umgebenden, anhand ihrer Kleidung zu identifizierenden Menschen, links ein Dominikaner – Griese ergänzend dürfte damit Jakob Sprenger gemeint sein415 –, ein Kardinal (Alexander Numai) und ein Papst mit Tiara (sicher Sixtus IV.), rechts prominent ein das Reichsbanner haltender Kaiser (Friedrich III.), reichen der Gottesmutter und dem Jesuskind Rosenkränze dar. Damit handelt es sich um das zeittypische Bildmotiv für die Darstellung der Rosenkranzbruderschaft, wie es schon dargelegt worden ist. Umgeben ist die Gruppe von einem geflochtenen Rosenkranz, in den zehn Bildmedaillons mit je einer Station aus dem Leben Jesu eingewoben sind und die abwechselnd fünf Freuden und fünf Schmerzen der Maria beschreiben (siehe dazu auch Kap. 4.6.2). Das unter dem Bild verbleibende Drittel beherbergt in einem Textfeld eine Anleitung, wie der Rosenkranz zu beten sei, die Angabe, wie oft das Gebet innerhalb einer Woche durchgeführt werden soll, sowie schließlich den zu erwartenden Ablass. Die Bildmedaillons korrelieren inhaltlich mit den verzeichneten Ausrichtungen der Gebetssequenzen, zum Beispiel Mariä Verkündigung oben rechts.416

411 Vgl. NOLL, Albrecht Altdorfer, S. 61–63, sowie jüngst ebenfalls NOLL, Maria, S. 35. 412 HAMM, Typen Gnadenmedialität, S. 55. 413 Zum Begriff siehe NOLL, Albrecht Altdorfer, S. 56 f.; ergänzend NOLL, Maria, S. 35. Von Relevanz ist in diesem Rahmen zugleich der Beitrag von KÜHNE, Ablassvermittlung, denn er zeigt gerade am Beispiel eines Holzschnittes mit einer Strahlenkranzmadonna, dass solche Bilddrucke auch ohne explizite Anweisungen zum Gebrauch (Gebetsanleitung) von den Zeitgenossen als Indulgenzbilder wahrgenommen und benutzt werden konnten. Vgl. ebd., bes. S. 431–433. 414 Vgl. GRIESE, Text-Bilder, S. 193–197. – Die Blattgröße beläuft sich auf 37,8 cm in der Höhe und 25,6 cm in der Breite; der Druck misst 37,2 cm in der Höhe und 24,8 cm in der Breite. Siehe für diese Daten NGA, 1943.3.564. 415 Vgl. GRIESE, Text-Bilder, S. 194 mit Anm. 240. 416 NGA, 1943.3.564. Den Text in Edition bietet GRIESE, Text-Bilder, S. 195 f.

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Auffallend ist, dass lediglich der Ablass Alexander Numais vom 10. März 1476 angeführt ist. Über Papst Sixtus IV. heißt es nur, er habe all das vorher Geschriebene bestätigt.417 Dieser Befund irritiert in Anbetracht der Datierung dieses Druckes auf das Jahr 1485. Bis zu dem Zeitpunkt hätten von päpstlicher Seite in jedem Fall noch die zwei Ablässe von Sixtus IV. und eventuell der für die Jenseitsvorsorge besonders wichtige Plenarablass von Innozenz VIII. († 1492) ergänzt werden können (siehe Kap. 4.6.3). Griese erwähnt diesen Punkt nicht. Ob die Begrenzung auf eine Indulgenz von der ausführlicheren Gebetsanleitung und dem zwangsläufig begrenzten Platz herrührt, wäre zu prüfen.418 Eine offenkundig anders gewichtete Text- und Bildkomposition veranschaulicht ein dem verzeichneten Datum gemäß am 24. März 1508 in Augsburg hergestellter Druck (siehe Abb. 17).419 Die Bildebene beschränkt sich hier auf das in der Mitte platzierte, kolorierte Rosenkranzmedaillon. Zu sehen ist zentral abermals Maria als Himmelskönigin. Sie steht und trägt das einen Rosenkranz emporreckende Jesuskind auf ihrem rechten Arm. Zwei Engel halten ihren weiten Mantel über einer unter ihm versammelten Schar Personen, die allesamt knien. Maria ist folglich in der Ikonographie der Schutzmantelmadonna abgebildet. Die zuvorderst positionierten Individuen, links in gewohnter Manier ein Dominikaner und ein Papst, rechts ein Kaiser, haben alle einen Rosenkranz in der Hand. Ein Kranz aus 50 goldenen und 5 roten Blüten (Rosen), die nach jeder Zehnergruppe dazwischen gesetzt sind, umrahmt die Gruppe.420 Der erste Satz fasst den Inhalt dieses ‚Informationsblattes‘ selbst zusammen: Hie nach volgent genad und applaß, lob und preiß, verpflichtung und andre stuck der loblichen bruderschaffte des rosenkrantz der iunckfrawen Marie. Zunächst werden zahlreiche Ablässe aufgelistet, die der Korporation ausgestellt worden seien. In einigen Fällen wird überdies der Aufbewahrungsort der entsprechenden Urkunde bekannt gegeben. Daran anschließend informiert der Text über die Memoria, die für die Brüder und Schwestern der Gemeinschaft durch den Dominikanerorden geleistet werden würde. Es folgen fünf Gründe, weshalb gerade die Rosenkranzbruderschaft viele andere Bruderschaften übertrifft, sowie drei Punkte, in denen die Verpflichtungen für die Mitglieder aufgezählt werden. Am Ende steht eine Vorlage für die Beichte.421

417 Siehe GRIESE, Text-Bilder, S. 196. 418 Der Druck ist jedenfalls kein Einzelfall. Ein nahezu identisches Exemplar schuf der in München, später auch in Augsburg tätige Hans Schauer. Wie GRIESE, Text-Bilder, S. 197 f., schreibt, könnte dessen Druck bereits um 1480 hergestellt worden sein, als Schauer selbst noch keine eigene Offizin besaß. Er hätte dann möglicherweise sogar als Vorlage für die Ulmer Fassung dienen können. Allerdings kann diesbezüglich keine eindeutige Aussage getroffen werden. 419 BSB, Einbl. VII,51. – Die Blattgröße beläuft sich auf 43,5 cm in der Höhe und 30,5 cm in der Breite; der Satzspiegel misst 35 cm in der Höhe und 26 cm in der Breite; der mittig platzierte Holzschnitt umfasst 10 cm in der Höhe und 10 cm in der Breite. 420 BSB, Einbl. VII,51. 421 BSB, Einbl. VII,51.

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4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft

Demnach bietet dieser Einblattdruck in komprimierter Form alle essentiellen Aussagen, die beispielsweise Marcus von Weida später in weit ausführlicherer Weise darlegen wird. Die für die Gläubigen wichtige Botschaft präsentiert sogar das verhältnismäßig kleine Medaillon: Der Rosenkranz umrahmt die Szenerie, er ist die bestimmende Aufgabe für alle Brüder und Schwestern, gleichsam das dominierende Identifikationssymbol der Vereinigung. Die Vorzüge der Korporation, die der Wortlaut benennt, wie das dem Gebet innewohnende Heil oder das Privileg, die Jungfrau Maria als Patronin der Gemeinschaft zu haben (Item kain ander hailig so ain gemainer helffer, fürpiter und troester aller sundigen hertzen als Maria erfunden wirt), und nicht zuletzt das große Heilsreservoir, welches durch die unzähligen, alle Stände einschließenden Mitglieder generiert wird, versinnbildlicht die von dem Rosenkranz eingeschlossene, unter dem Schutzmantel der Maria kniende Gruppe.422 Zudem ist auf den ersten Blick der Bruderschaftskontext kommuniziert und der Druck somit für den Betrachter zuordenbar. Der im Zusammenhang mit der Visualisierung des opulenten Heilsreservoirs wohl beeindruckendste Typ ist der unter anderem von Erhard Schön († 1542) realisierte Holzschnitt des sogenannten himmlischen Rosenkranzes (siehe Abb. 18). Ohne hier zu sehr in den Detailreichtum einzutauchen, fasst diese Komposition innerhalb des Rosenkranzes in vier Registern die, wie Thomas Lentes es formuliert, gesamte himmlische Hierarchie der Heiligen ein.423 Zwischen dem umrahmenden Rosenkranz und seinem Innenleben ist ein zusätzlicher Wolkenkranz eingezogen, der in neun von Wolkenstrukturen begrenzten Parzellen die Chöre der Engel beherbergt. Oberhalb des ‚himmlischen‘ Rosenkranzes sind in der linken Ecke die Gregorsmesse, in der rechten Ecke die Stigmatisation des heiligen Franziskus (von Assisi; † 1226) durch den Seraph und dazwischen die von zwei Engeln gehaltene Vera Ikon, unterhalb links die den Rosenkranz betende geistliche Welt mit dem Papst an der Spitze und rechts die profane Welt mit dem Kaiser an der Spitze abgebildet. Wie in einem Querschnitt durch das Erdreich, auf dem die Gläubigen knien, erhalten wir Einblick in die transzendente Sphäre des Fegefeuers und sehen, wie einzelne Seelen von herabfliegenden Engeln aus ihrer Läuterung befreit werden.424 Fraglos erinnert die Gestaltung der beiden Gruppen von Betenden an die stilisierten Mitglieder der Rosenkranzbruderschaft. Über die Konstruktion und Aussagekraft dieses Holzschnittes hat Lentes treffend bemerkt, dass hier wie im Setzkasten alle zentralen Bildformulare des Spätmittelalters kombiniert wurden. Auf diese Weise entstand aus den bereits mit höchster Heilserwartung verwobenen Einzelszenen ein neuer Bildtypus, der, komplettiert durch die in jenen Jahrzehnten essentiellen Ab-

422 BSB, Einbl. VII,51. 423 Vgl. LENTES, Bildertotale des Heils, S. 71. 424 GNM, H577. – Die Blattgröße beläuft sich auf 44,7 cm in der Höhe und 29,9 cm in der Breite. – Vgl. auch die ausführliche Bildbeschreibung samt Abbildung bei UNBEHAUN, Das Rosenkranzgebet, S. 296 f.

4.5 Ausbreitung und Expansion der Mitgliederzahl

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lassbilder wie die Vera Ikon oder die Gregorsmesse, aus theologischer Perspektive die „Totale der Heilsgemeinschaft“ gleichwie visuell die „Totale der heilswirkenden Bilder“ bot.425 Über die tatsächliche Ausbreitung dieser Darstellungsform oder die Verbreitungswege lässt sich zwar kaum etwas berichten, doch äußert Lentes, dass die von ihm aufgespürten 22 Exemplare aus den ersten zwei Dezennien des 16. Jahrhunderts für eine durchaus weite Streuung des ‚himmlischen‘ Rosenkranzes sprechen.426 Wenngleich nun aufgrund der dargestellten Betenden die Verbindung zur Rosenkranzbruderschaft geknüpft werden kann, ist dennoch eine wichtige Abweichung zu konstatieren: Bei dem ‚himmlischen‘ Rosenkranz handelt es sich im Hinblick auf seine inhaltliche Gestaltung nicht um die Gebetsform des sogenannten Leben-Jesu-Rosenkranzes (siehe dazu bes. Kap. 4.6.2), der den Quellen zufolge von den Brüdern und Schwestern der Bruderschaft zu beten war. Aufgrund dessen bedarf es gerade für diese Spielart des Rosenkranzgebets (und deren mögliche Verbindung zur Rosenkranzbruderschaft) noch weiterer Forschungen.427 Aus dem bisher Geschriebenen lässt sich schlussfolgern: Die Rosenkranzbruderschaft nutzte im Hinblick auf die Bild-Text-Komposition verschiedene Formate des Einblattdrucks, um über das Rosenkranzgebet und die mit selbigem verwobene Korporation zu informieren. Dabei variieren die Drucke auch in ihrer inhaltlichen Ausfüllung. Text und Bild stehen aber gemeinhin in reziprokem Bezug zueinander. Sabine Griese schreibt bezogen auf das Gesamtphänomen dieser Einblattdrucke von „synoptischer Kopräsenz“.428 Ebenfalls führt sie aus, dass häufig umfangreichere Traktate als Kontexte der Bilder anzusehen sind, die Einblattdrucke demgegenüber als deren mediale Kurzform, in denen die Inhalte werbewirksam und vor allem illustrativ zusammengestellt worden sind. Das Augsburger ‚Informationsblatt‘, aber auch die ‚Anleitung‘ zum Rosenkranzgebet können diese Einschätzung bestätigen.429 Gerade die ‚Anleitung‘ veranschaulicht, wie die Art und Weise des Betens eines Rosenkranzes sowohl im Text als auch darüber hinaus im Bild präsentiert wird. Der Vorteil einer wiederholten Nutzung solcher Holzschnitte ist, dass ihnen damit nicht zuletzt eine mnemonische Funktion zu eigen ist, das heißt, dass sie dazu dienen, die Informationen zu memorieren.430 Obendrein waren die Einblattdrucke neben ihrer Übersichtlichkeit und Reduktion auf die entscheidenden Themen erheblich günstiger in der Produktion. Ein Aspekt, den zugleich Falk Eiser425 LENTES, Bildertotale des Heils, S. 81. 426 Vgl. LENTES, Bildertotale des Heils, S. 74. 427 Siehe zum Forschungsstand bzw. der Vernachlässigung des ‚himmlischen‘ Rosenkranzes LENTES, Bildertotale des Heils, S. 71 f. Über dessen inhaltliche Ausrichtung ebd., S. 75 f., sowie BEISSEL, Verehrung Marias, S. 564 f. 428 GRIESE, Text-Bilder, S. 444. 429 Vgl. GRIESE, Text-Bilder, S. 445. 430 Vgl. dazu GANZ, Ein „Krentzlein“ aus Bildern, S. 161 f., sowie ergänzend für eine erweiterte Perspektive JAHN, Chronik als Umschlagplatz, S. 11 f., der diese Funktion am Beispiel von in Chroniken eingebauten Holzschnitten erläutert hat.

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4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft

mann herausgestellt hat.431 Aufgrund dessen sind die Einblattdrucke fraglos als ein überaus geeignetes Medium für eine räumlich omnipräsente Werbung einzustufen.432 Damit einhergehend ist zu betonen, dass sie alle den für diese Drucke typischen persuasiven Charakter haben, die Menschen also zum Beitritt in die Rosenkranzbruderschaft bewegen wollten.433 Keineswegs unerheblich ist in diesem Rahmen, dass häufig die Volkssprache gewählt wurde. Hinzu kommt, dass den Drucken auch selbst Ablass inhärent sein konnte.434 Abschließend muss noch einmal erwähnt werden, dass die Rosenkranzbruderschaft von Beginn an ihre Drucke in den zu dieser Zeit bedeutenden Druckorten respektive in den verkehrsgünstig gelegenen Metropolen wie Augsburg oder Basel anfertigen ließ. Als geschickte ‚Marketingstrategie‘ kann fernerhin der bereits in Kapitel 4.4 erwähnte ‚Werbezettel‘ bezeichnet werden, welcher über die Varianten der Aufnahme in die Rosenkranzbruderschaft aufklärt. Inhaltlich heißt es in den wenigen Zeilen: Wer der Korporation beitreten will, soll entweder persönlich nach Ulm zu dem Predigerkonvent kommen oder aber einen Zettel nach Ulm schicken, auf dem der Name mitsamt dem Zunamen verzeichnet ist, dann könne die Immatrikulation auch aus der Ferne erfolgen.435 Von der Bedeutung dieser Möglichkeit innerhalb der Organisation der Bruderschaft ist schon gehandelt worden. Was hier interessiert, ist in Ergänzung dazu die Positionierung dieses ‚Werbezettels‘: Er findet sich am Ende eines 1483 von Konrad Dinckmut in Ulm gedruckten Marienpsalters (Von dem psalter marie der hochwirdigen muter gotes) und wurde dem eigentlichen Text beigebunden (siehe Abb. 19). Aufftraggeber waren in beiden Fällen die in Ulm ansässigen Dominikaner. Wie Sabine Griese nachgewiesen hat, sind zwei kurz hintereinander erfolgte Ausgaben dieses Einblattdruckes bekannt; erhalten sind lediglich zwei Exemplare.436 Thematisch kann die Schrift als ein dem Bruderschaftsspiegel des Marcus von Weida vergleichbarer Text bezeichnet werden. Die Leser erfahren unter anderem etwas von der Geschichte des Marienpsalters, den bereits die Wüstenväter gebetet hätten, später dann auch der heilige Dominikus, von seiner beachtlichen Wirksamkeit, die ausführlich in Form von diversen Exempla dargelegt wird, von der Praxis des Betens und schließlich von der großen Nützlichkeit der Bruderschaft.437 Die Grundlage für die

431 Vgl. GRIESE, Text-Bilder, S. 193, und EISERMANN, Ablass als Medienereignis, S. 138. 432 Vgl. für die Formen des Öffentlichmachens knapp auch EISERMANN, Bevor die Blätter, S. 291. Die breite Rezeption der Einblattdrucke und deren vielfältige Nutzung im Kontext der Frömmigkeit des Spätmittelalters stellt NOLL, Einblatt-Holzschnitte, hier bes. S. 121, heraus. 433 Vgl. HARMS, Historische Kontextualisierung, S. 21 und 25. 434 Vgl. LENTES, Bildertotale des Heils, S. 81 f.; übergreifend in diesem Rahmen auch EISERMANN, Ablass als Medienereignis. 435 BSB, 4 Inc.c.a. 316#Beibd.1. 436 BSB, 4 Inc.c.a. 316. – Vgl. GRIESE, Text-Bilder, S. 186 f. mit Anm. 224. 437 BSB, 4 Inc.c.a. 316. – Vgl. GRIESE, Text-Bilder, S. 184 f.

4.6 Religiöse Praxis

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Ausführungen sollen den einleitenden Worten gemäß die Ausführungen des Alanus de Rupe gebildet haben.438 Dinckmut druckte diese Schrift auch in den folgenden Jahren, so 1489, 1492 (in dem Jahr sogar zwei Mal) und 1496. Überdies wurden sie in der Offizin des Anton Sorg († 1493) in Augsburg bis 1502 verlegt.439 Nachdem die Rezipienten also die zahlreichen Vorzüge von Rosenkranzbruderschaft und Rosenkranzgebet mitgeteilt bekommen haben, eröffnet der beigebundene Einblattdruck, wie umstandslos die Aufnahme in die Gemeinschaft erfolgen könne. Dass das Fehlen von Eintrittsgebühren oder sonstigen Bedingungen hier nicht noch einmal eigens erwähnt wird, unterfüttert letztlich doch nur die Offenheit der Rosenkranzbruderschaft. Mithin zeigt dieses Beispiel, wie die Dominikaner als Organisatoren der Korporation auf innovative Art und Weise die vielgestaltigen Werbe- und Verbreitungsmöglichkeiten der neuen Medien zu nutzen wussten, um das Konzept und die ‚Marke‘ Rosenkranzbruderschaft zu lancieren. Wie Bernd Roeck unlängst bemerkt hat, trafen die Drucke grundsätzlich auf einen aufnahmebereiten Markt.440

4.6 Religiöse Praxis 4.6.1 Rosenkranzgebet Die Gebetsverpflichtung sowie die Art und Weise der Durchführung selbiger regeln die Kölner Statuten in Kapitel zwei und drei. Da heißt es: Jedes Mitglied solle pro Woche drei Mal den Rosenkranz beten. Gemeint war damit das Sprechen von jeweils 50 Ave Maria und fünf Vaterunser für einen Rosenkranz; und zwar dergestalt, dass zuerst zehn Ave Maria gebetet werden sollten, an die sich ein Vaterunser anschloss, danach wiederum zehn Ave Maria und ein Vaterunser – usw. Insgesamt hatten die Brüder und Schwestern somit 150 Ave Maria sowie 15 Vaterunser zu beten. Als Begründung für diese Anzahl liefert Jakob Sprenger die alttestamentarische Tradition des Psalters (siehe dazu Kap. 4.6.2).441 Einen konkreten Zeitpunkt für

438 BSB, 4 Inc.c.a. 316, Bl. A3r: Dise nachvolgende materi ist gezogen auß ainem biechlin, welches gemacht hatt maister Alanus brediger ordens von unser frowen psalter, geboren in britania und von dem convent dynant. 439 Vgl. GRIESE, Text-Bilder, S. 192 f. 440 ROECK, Morgen der Welt, S. 585. 441 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 511): Zu dem andern mal so sol der mensch beten all wochen drey rosen krentz. Das ist zu dreyen malen finffczig Ave Maria und zu dreyen malen finff Pater Noster. Das ist, nach czehen weissen rosen secz er ein rote rosen enczwischen, welche in dem pater noster bedeüttet wird, in dem ein mensch betrachtet das rosen rott plut Cristi Jhesu, das davon unser wegen unser vater got hat wöllen vergossen lassen werden. Und die czale diser Ave Maria machet samentlich ein gancze wochen anderthalb hundert, und der Pater Noster seind überal finffczehen. Und von des wegen hat man die czal außerwölet, das so vil seind der psalmen Davids. Des geleychen werdent auch die anderthalb hundert Ave Maria geheissen Unser Frawen psalter.

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die Umsetzung der drei Rosenkränze innerhalb einer Woche gab es nicht. Vielmehr stünde es jedem Einzelnen frei, sie entweder an einem Tag zu beten oder aber auf mehrere zu verteilen. Mit Blick auf die Intention der Gebete tritt abermals der bereits mehrfach genannte Gemeinsinn der Korporation zu Tage: Die Rosenkränze seien der Gottesmutter Maria zu opfern, für sich und alle die, die in diser bruderschafft seind.442 Abschnitt vier thematisiert die Sanktionierung im Falle eines Versäumens der Gebetspflicht. Genauer gesagt die Nicht-Sanktionierung, denn sollte ein Mitglied die drei Rosenkränze einmal nicht beten, wäre dies keine Schuld oder Sünde, weshalb der- oder diejenige das Unterlassene weder beichten noch wiederholen müsse (so ist es in dheinen [sc. keinem] weg schuldper noch dasselbig schuldig zu peychten). Allerdings bestrafe sich dieser Mensch letztlich selbst: Aber allein ist dz sein straffung und pein, dz der mensch die selben wochen oder längere czeit, in welcher er die rosen krentz nit gebetet hat, beraubt ist und nit teilhaftig wirt des gebetes der andern brüder und schwester, das in der czeit von jn gebetet ist.443

Wie oben in Kapitel 4.3.1 angerissen, findet sich diese Bestimmung bereits bei Alanus de Rupe.444 Der zugrunde liegende Gedanke ist der, dass die Gebetspflicht keinem Mitglied zur Last werden sollte (siehe auch Kap. 4.2).445 Wie lässt sich jedoch diese augenscheinliche Relativierung der immerhin für die Memoria essentiellen, weil einzigen Aufgabe theologisch erklären? Viliam Štefan Dóci hat diesbezüglich ausgeführt: Basierend auf der von Bernhard von Clairvaux († 1153) getroffenen Aussage Libertas ubi non est, nec meritum est war es nicht das Ziel, die Pflichten zu verwässern, sondern die Brüder und Schwestern anzureizen, vermittels der eigenen Freiheit noch größere geistliche Vorteile zu generieren. Des Weiteren führt Dóci aus, dass dieses „Prinzip der ‚freiwilligen Pflicht‘“ schon in der frühen Gesetzgebung der Dominikaner vorzufinden ist. In dem Zusammenhang verweist er einerseits auf die Konstitutionen des Ordens, in deren Prolog fixiert worden ist, die

442 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 511 f.): Und die drey rosen krencz mag der mensch beten auff einen tage oder auff mer in der wochen, wie es im aller fugelichest ist. Und disesgebet soll der mensch opffernn der werden gebererin gottes Marie für sich und alle die, die in diser bruderschafft seind, mit mainung, dz sy bey irem lieben sun den allen erwerb die genad der rechtfertigung von den sünden, willig und gehorsam in den geboten gottes und behärrigkeyt in guten wercken biß an das end. Und in der besundern gemainsamen und teylhafftigkeyt dises gebetes steet der ganncz grund diser bruderschafft. 443 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 513). Der zuvor zitierte Satz ebd. 444 KLINKHAMMER, Adolf von Essen, S. 344 f. Anm. 106: Tertium est, quod in ista sociatione devota nullum est votum, nullum statutum, nulla penitus obligatio ad quodcumque peccatum sive mortale sive veniale, sed tantum ibi est obligatio ad poenam privationis meritorum aliorum iam dictam. 445 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 512): Und zu vermeyden ursach der beschwär des grübligen und vorchtsamen gewissens, will ich, stiffter diser bruderschafft, die brüder und schwestern zu dem ob gemellten gebet nicht verpinden in dem gericht des gewissens, sunder dz sy frey und ledig und willig seyen in der gab des gebetes.

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Regelungen seien nicht unter Sünde, sondern ausschließlich unter Strafe zu befolgen.446 Andererseits kommt er auf den von Humbert von Romans verfassten Kommentar zu sprechen: Neben dem darin vorgetragenen Argument, Gott habe mehr Gefallen an Dingen, die ihm ohne Pflicht getan werden, wendet sich der Ordensmeister mit dem Standpunkt gegen eine Gleichsetzung einer Regelmissachtung mit einer Sünde, dass infolge dessen viele doch nur von einem Eintritt in den Dominikanerorden abgehalten werden würden.447 Die Parallele zum Anspruch der Rosenkranzbruderschaft ist offenkundig. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, was Rebekka von Mallinckrodt konstatiert hat: Ein Versäumnis der Gebetspflicht wurde nicht als Schaden für das Ansehen und, vor allem, für die Jenseitsvorsorge der gesamten Bruderschaft gewertet, sondern ‚lediglich‘ als Hemmnis für den Einzelnen.448 Mithin hebt Jakob Sprenger die Eigenverantwortlichkeit heraus. Obgleich zwar das Gewissen der Brüder und Schwestern nicht beschwert werden sollte, avanciert meines Erachtens dennoch das individuelle ‚Verantwortungsbewusstsein‘ zur prüfenden Instanz. Man könnte sagen: Kann ich angesichts einer nicht stillstellbaren Bewährungsdynamik im Hinblick auf die Überwindung des Fegefeuers und einer Allgegenwart des Todes wollen, dass mein Seelenheil in einer Woche oder mehreren gefährdet ist, indem ich nicht an dem großen Heilsreservoir der Korporation partizipiere? In diesem Punkt offenbart sich zugleich eine Differenz zu den bisherigen Bruderschaften: Dort, wo es möglich war, durch eine pekuniäre oder materielle Leistung die unterlassene Gebetsverpflichtung zu kompensieren, konnte sich ein Mitglied quasi freikaufen. Bei der Rosenkranzbruderschaft bestand diese Möglichkeit nicht. Insofern ist Mallinckrodt beizupflichten, wenn sie schreibt, dass sich das Gebet von einer „Vertragsleistung zu einer Gewissensfrage“ gewandelt hatte.449 Die Verantwortlichkeit für die erwartbaren negativen Folgen des Nicht-Betens wurden folglich nicht mehr extern definiert, sondern dem eigenen Inneren überantwortet. Im Rahmen der Ablassgewährung wird dieser Akzent noch einmal von Bedeutung sein. Michael Francisci beschreibt das Gebet von drei Rosenkränzen in der oben genannten Weise ebenfalls als erste Obliegenheit der Brüder und Schwestern. Analog zu seinen Ausführungen über die Organisation der Bruderschaft ist er abermals facettenreicher: 446 DÓCI, Kaschauer Predigerbrüder, S. 110. Vgl. ergänzend auch MEERSSEMAN, Ordo fraternitatis, Bd. 3, S. 1293–1295, sowie CYGLER, Zur Funktionalität, S. 405 f. 447 Vgl. DÓCI, Kaschauer Predigerbrüder, S. 110; in knappen Worten auch MELVILLE, Welt der Klöster, S. 210. Siehe dazu ausführlich CYGLER, Zur Funktionalität, S. 405–410, sowie CYGLER, Une nouvelle conception. 448 Vgl. MALLINCKRODT, Struktur und Eigensinn, S. 69. 449 MALLINCKRODT, Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, S. 21. Treffend erscheint überdies ihre Formulierung: „Auch wenn Jakob Sprenger das wöchentliche Gebet nicht zu einer Gewissenspflicht machte, legte er doch alle Spuren zu einer Gewissenserforschung.“ MALLINCKRODT, Struktur und Eigensinn, S. 69.

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Itaque volens huius fraternitatis confratrum numero sociari et fructum reportare salutarem, debet omni hebdomada tria rosaria, centum et quinquaginta Ave Maria cum quindecim Pater noster continentia, intermiscendo scilicet semper post decem Ave Maria unum Pater noster, per se vel per alium dicere vel legere, nec oportet quod genibus flexis vel in ecclesia vel simul vel certa hora vel die dicuntur, sed sufficit hoc totum dixisse simul vel per partes in fine hebdomodae.450

Die drei Rosenkränze konnten demnach sogar ausgelagert, sprich, von einem anderen für eine Person gebetet werden. Des Weiteren dehnt Francisci das Merkmal der Flexibilität bezüglich der Umsetzung der Gebete signifikant aus. Nicht mehr nur der Termin, auch der Ort, die Körperhaltung und die physische Gemeinschaft bei dem Gebet waren nicht vorgegeben. Gleichwohl betont er, dass die Intention während des Betens auf alle zu richten sei, die der Korporation angehören und in jener Woche selbst beten (suam intentionem actu vel habitu ad omnes, qui de hac sunt fraternitate et qui similia faciunt illa hebdomada, debet referre).451 Die in Kapitel 4.4 nachvollzogene Dezentralität der Rosenkranzbruderschaft bei gleichzeitiger Unität der Vereinigung zeigt sich demzufolge auch zentral in der praxis pietatis. Marcus von Weida führt dann – noch etwas lebensweltlicher – aus: Und dise drey rosenkrentze mag der mensche bethen uff einen tag ader uff tzwene ader drey tage, wen und wie es ym ebendt. Er mag die bethen uff einen sontag ader sust einen feyertag, so ist er die gantze woche loß. Er mag auch solch gebethe bethen in der kirchen ader in seinem hause ader uff dem felde, so er wandert, er gehe, reythe ader fare ader, so er schwach ader kranck, ligende ader sitzende, wie er das vorbringen mag. Er mag es auch, so er nicht zu bethen geschickt ader vorhindert, durch einen andern menschen, wen er will, vor sich bethen lassen.452

Erwähnenswert ist allerdings nicht allein die wiederholt nachzuweisende Dezentralität. In den zitierten Worten spiegelt sich fernerhin nichts weniger als ein prägnanter Wandel in der Ausübung der Frömmigkeit wider. Traditionell bestand das mittelalterliche Gebet aus der Trias von Herz, Mund und Körper. Während beispielsweise mit dem Herz das innere Hinwenden zu Gott angesprochen war, wies der Körper auf das Beten mit Gebärden hin. Damit konnte das Niederknien genauso gemeint sein wie verschiedene Formen einer körperlichen Mimesis im Zuge des Gebets, etwa das kreuzweise Ablegen der Hände auf dem eigenen Kopf bei der Betrachtung der Dornenkrone.453 Dem Geschriebenen nach, spielte diese körperliche Seite für das Rosenkranzgebet keine Rolle mehr (nec oportet quod genibus flexis). Eine bemerkenswerte Facette ist überdies die lediglich von Marcus von Weida vorgelegte Schilderung über den zeitlichen Aufwand für die Gebetsverpflichtung innerhalb der Rosenkranzbruderschaft:

450 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 142. 451 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 142. 452 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 23v. 453 Vgl. LENTES, Gebetbuch und Gebärde, S. 307–340.

4.6 Religiöse Praxis

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Und kann nymandt mit warheit wol sagen, das ym dises gebethe tzu lang adert zu schwer sey, den ein rosenkrantz kann uffs lengste in einer viertel von einer stunde gebethet werden; der mensche wolde denn vil sonderlicher beschaulickeit dorinnen haben. Also ist es eine gantze woche ungeverlich umb drey viertel stunden, die einer in disem gebethe tzu bringen muß. Got und seiner werden mutter tzu lobe unnd ere ist gegen der andern tzeit der gantzen wochen ein geringe sache.454

Ein einzelner Rosenkranz ließe sich also in einer Viertelstunde beten, das wöchentliche Pensum wäre somit nach ungefähr 45 Minuten erledigt. Marcus differenziert in seiner Beschreibung nicht zwischen geschulten respektive ‚Berufsbetern‘ und Laien, sodass davon ausgegangen werden kann, dass er einen allgemeingültigen Durchschnittswert angeben will. Nehmen wir die Gebetsweise, wie sie Jakob Sprenger und Michael Francisci festgeschrieben haben, das heißt, den Rosenkranz ohne die verschiedenen Betrachtungspunkte aus dem Leben Jesu (siehe dazu Kap. 4.6.2), kann diese Angabe als plausible Zeitspanne eingestuft werden. Die von Marcus von Weida angeschlagenen 45 Minuten für drei Rosenkränze können folglich als ausreichend bestimmt werden. Die oben stehende Formulierung, Michael Francisci habe die drei Rosenkränze als die erste Gebetspflicht für die Brüder und Schwestern der Rosenkranzbruderschaft festgeschrieben, ist nicht grundlos gewählt. Im Unterschied zu den Kölner Statuten führt er in seiner Schrift noch einen zweiten sowie dritten Punkt an. Entsprechend ist unter zweitens zu lesen: Außer den drei Rosenkränzen sollen die Mitglieder der Rosenkranzbruderschaft, insofern sie teilhaben wollen an dem überaus frommen Gesang des Salve Regina (devotissimi cantici Salve regina), welcher mit einer feierlichen Prozession jeden Samstag, Sonntag sowie an den Festtagen mitsamt den ihnen vorausgehenden Tagen vor dem Altar dieser Bruderschaft im Kölner Konvent am Abend gesungen wird, entweder persönlich an selbigem partizipieren, oder, wo auch immer sie zu diesem Zeitpunkt sein mögen, sieben Ave Maria für sich und die Mitbrüder beten. Das habe der Gründer der Rosenkranzbruderschaft, also Jakob Sprenger, festgesetzt und angeordnet (fundator statuit et ordinavit). Abschließend weißt Francisci darauf hin, dies sei freilich keine Verpflichtung im Sinne einer Sünde, die Strafe somit ähnlich zu handhaben wie im Fall des Unterlassens der Rosenkranzgebete (sed conformis poenae, quae tacta fuit).455 454 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 28r. 455 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 142: Secunda praeter ista tria rosaria, si quis huius fraternitatis frater vel soror illius devotissimi cantici Salve regina, quod cum sollemni processione singulis sabbatis, diebus dominicis, profestis et festis ante altare eiusdem fraternitatis in praedicto conventu de sero cantatur, participationem habere voluerit, ipsum debere se ibidem praesentare aut septem Ave Maria, ubicunque locorum tunc fuerit, pro se et confratribus dicere, praetactus fundator statuit et ordinavit absque tamen obligatione cuiuscunque culpae, sed conformis poenae, quae tacta fuit. – KLINKHAMMER, Adolf von Essen, S. 89, terminiert die Durchführung der Prozession auf die Samstage, Sonntage und „alle hohen und niederen“ Feste. In der Quelle ist allerdings von profestis et festis, den Festtagen und den ihnen vorausgehenden Tagen geschrieben. Interessanterweise übersetzt MARCUS

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Sein dritter Passus mit Blick auf die praxis pietatis resultiert aus der Verehrung der heiligen Anna. Er schreibt: Weil die heiligste Witwe Anna die Jungfrau Maria, die ihrerseits die Frucht des Lebens gebracht hat, als unsere wahrlich allerfrömmste Schwester (immo sororem piissimam) gebärt hat, sollen die Brüder und Schwestern dieser Bruderschaft aus Dankbarkeit zur Ehre der Mutter Anna, der Tochter Maria und deren Sohnes Jesu Christi jeden Dienstag drei Vaterunser und drei Ave Maria beten – auch füreinander (et sibiinvicem [sic] communicari). Wiederholt wird betreffs einer Strafe für mögliche Versäumnisse auf das vorab beschriebene Verfahren verwiesen (sub poena consimili praetacta). Ausschlaggebend für diese geforderten Gebete sei jedenfalls abermals Jakob Sprenger, der sie sich gewünscht habe (optavit et petivit).456 Außerdem könne jeder dem Gnadenschatz (thesauro) dieser großen Bruderschaft, das heißt dem Heilsreservoir der Gemeinschaft, weitere Rosenkränze, andere Gebete, Messen oder ‚gute Werke‘ hinzugeben – je nachdem, wie es ihm der Heilige Geist oder die Jungfrau selbst eingeben werde.457 In einer letzten Bemer-

WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 116v, im Zuge seiner Translation der von Alexander Numai ausgestellten Ablassurkunde, in der diese Salve Regina-Prozession auch erwähnt wird, das Wort profestis (siehe die Urkunde in SCHEEBEN, Quodlibet, S. 148 f.) mit werckeltagen. Demzufolge hätte die Prozession aber gewissermaßen an allen Tagen stattgefunden. Eine solche Angabe ist bei Marcus noch einmal zu lesen, als er von einem Ablass berichtet, den der Kardinal Raimund Peraudi ausgegeben hat (siehe dazu auch Kap. 4.6.3). Dort ist von dem Salve Regina geschrieben, dz man in den kirchen der prediger brudere teglich noch der complete pfleget tzu singen (MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 122v–123r). In der Urkunde Peraudis selbst, die Marcus einige Seiten weiter vorn im Wortlaut wiedergegeben hat (siehe ebd., Bl. 119v–120v), fehlt jedoch diese Information, an welchen Tagen die Salve Regina-Prozession stattfinden würde. In dem Druck Der beschlossen gart, Bl. 10r, heißt es hingegen: Auch singt man tzu Colen yn prediger closter fuer alle brueder und schwester all sambstag, all sontag unnd all gebotten feyer abent und feyer tag alweg tzu nach vor dem altar Marie, dar auff dise bruderschaht [sic] bestifft ist, ein salve regina [...]. Im Hinblick auf die Aufzählung der einzelnen Tage bei Michael Francisci ist daher hier profestis nicht mit „Werktagen“ übersetzt, sondern mit den Tagen, die den Feiertagen vorausgehen. STOTZ/ WEHRLI-JOHNS, Albert von Weissenstein, S. 363, führen dagegen fälschlich aus, die Salve ReginaProzession habe jeweils samstags und an den „Hauptmarienfesten“ stattgefunden. 456 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 142 f.: Tertio quia sanctissima illa vidua Anna nobis prolem hanc tam generosam, immo sororem piissimam, virginem dico Mariam, protulit, quae fructum vitae attulit, hinc est, quod pro aliquali gratitudine in honorem horum trium, scilicet matris Annae et filiae Mariae et filii Christi, dei et hominis, singulis tertiis feriis tria Pater noster et tria Ave Maria a confratribus et sororibus huius fraternitatis dici et sibiinvicem communicari sub poena consimili praetacta, praenominatus fundator optavit et petivit. – KLINKHAMMER, Adolf von Essen, S. 89 f., schreibt bezüglich des Wochentages nicht von Dienstag, sondern ungenau von „bestimmten Tagen“. Dass Francisci die Annenverehrung auf einen Dienstag (tertiis feriis) festlegt, erklärt sich aus der besonderen Verbindung zwischen der heiligen Anna und diesem Tag. Vgl. dazu u. a. DÖRFLER-DIERKEN, Verehrung der heiligen Anna, S. 112 ff. 457 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 143: Praeter autem ista, quae iam tacta sunt, poterit unusquisque huic thesauro tantae fraternitatis superaddere rosaria, orationes alias, missas vel bona opera, prout spiritus sanctus dederit et virgo ipsa inspiraverit; unde quidam legunt omni die rosarium, alii psalterium, VON

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kung führt Michael Francisci fernerhin aus, dass für all diejenigen Mitglieder der Rosenkranzbruderschaft, die verstorben sind, nach den vier Hauptfesten Mariens (post quatuor festa principalia virginis), nämlich Mariä Lichtmess (2. Februar), Mariä Verkündigung (25. März), Mariä Himmelfahrt (15. August) und Mariä Geburt (8. September) von den Kölner Dominikanern jeweils eine Anniversarfeier mit einer Vigil am Vorabend, mit Fürbittgebeten und einer Totenmesse (missa sollemni de requiem) am Altar der Bruderschaft stattfände. Wer diesen vier Jahrtagen beiwohne, könnte sogar einen Ablass von insgesamt 1.900 Tagen erhalten, ausgelobt von 19 Kardinälen.458 Demzufolge wäre die religiöse Praxis in der Rosenkranzbruderschaft doch merklich facettenreicher und mit mehr Verpflichtungen für die Brüder und Schwestern verbunden, als bisher geschrieben. Dies ist zu kommentieren: Auffällig ist, dass Francisci beide Punkte als von Jakob Sprenger ausgehend dargestellt hat. In den Statuten allerdings können lediglich die vier Anniversarfeiern nachgewiesen werden – gerade hier wird der Gründer aber nicht explizit als Impulsgeber genannt. Im Kölner Text steht dazu: Zu dem leczsten so hat sich verpunden der groß convent Prediger ordens zu Kölen, alle iar zu vier malen ein lannge vigili mit newn lection und ein selampt loblichen zu singen zu hilff den armen selen der menschen, die auß der bruderschafft abgestorben seind, und das geschicht auff die vier nämlich fest Unser Frawen, welches ein besunder gut barmherczig ist, wann vil menschen verscheyden auß disem czeit, den laider wenig gutes nach geschicht. Wider die selben versaumnuß mag sich der mensch bewaren und behüten, der da komment in dise bruderschafft.459

Sprenger äußert also auch, dass vier Mal im Jahr von seinem Konvent den verstorbenen Mitgliedern gedacht wird. Zu dem Zweck würden jeweils eine Vigil mit neun Lesungen sowie ein Requiem durchgeführt. Hingegen verschweigt die Passage, um welche Marienfeste es sich dabei im Einzelnen handelt. Darüber hinaus zeigt sich ein Unterschied in der Terminierung der Jahrgedächtnisse. Dem Wortlaut der Statuten gemäß, fänden sie an (auff) den vier Festen statt, bei Francisci war von einem danach (post) zu lesen. Schließlich mahnt Sprenger, keiner möge diese Ereignisse versäumen – nur definiert er im Vorfeld nirgends, dass die Brüder und Schwestern überhaupt daran

alii certas orationes vel opera superaddunt, quae distributor omnium bonorum unacum virgine Maria unicuique de fraternitate, prout opus est, distribuit. 458 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 143: Non est hic etiam silentio praetereundum, quod pro omnibus de hac fraternitate defunctis post quatuor festa principalia virginis, scilicet purificationis, annuntiationis, assumptionis et nativitatis anniversaria quatuor cum vigiliis de sero, commendationibus ac missa sollemni de requiem in altari huius fraternitatis praefatus fundator de communi consensu omnium patrum et fratrum sui conventus, etiam capitulariter congregatorum, perpetuo fieri statuit et ordinavit, in quibus quidem singulis anniversariis qui interfuerint, dies mille et nongentos indulgentiarum, a decem et novem cardinalibus datos, ut patet in bulla, quae in conventu nostro Coloniensi, ubi haec fraternitas fundata est, habetur, pro qualibet vice obtinebunt. 459 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 515).

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teilnehmen sollten. In der Verteidigungsschrift wiederum, die bezüglich des Salve Regina-Gesangs und der Annenverehrung auf das Thema der Nichteinhaltung eingeht, ist für die Anniversarfeiern kein derartiger Hinweis aufzufinden. Daneben erwähnen beide Quellen keine zusätzlichen, verpflichtenden Frömmigkeitsübungen, die von der gesamten Gemeinschaft in diesem Rahmen auszuführen seien. Erweitern wir an dieser Stelle das Spektrum und beziehen einige der folgenden Statuten und Traktate mit ein: Die 1480 gedruckte venezianische Ordnung führt die vier Jahrgedächtnisse, die in Köln sowie in vielen anderen Konventen der deutschen Ordensprovinz des Predigerordens (molti altri monasteri [...] in la provincia de la alemania) jedes Jahr für die Seelen der aus der Bruderschaft verstorbenen zelebriert werden würden, ebenso an. Als Termine werden hier deckungsgleich zu Francisci die oben bereits wiedergegebenen vier Marienfeste genannt, in deren Folge die Anniversarien stattfänden: El primo anniversario e el zorno [sc. giorno] seguente da po la festa de la purificatione de la Madona. Über die Art und Weise der religiösen Praxis informiert der Text hingegen nicht. Eine Verpflichtung für die Mitglieder wird nicht erwähnt.460 In den Statuten der Niederlassung aus Colmar heißt es lediglich mit Blick auf eine zusätzliche Memoria: Dar noch aller messen die an ettlichen enden zu den vier fron vasten gehalten werden sint sy ouch teilhafftig die darin geschriben sint.461 Obschon der Satz deutlich allgemeiner gefasst ist, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um einen Bezug auf die vier Anniversarfeiern handelt, wobei die Fokussierung auf die Verstorbenen der Bruderschaft fehlt. Als unübersehbar erscheint vor allem die Differenz in der Datierung, denn es ist nicht von vier Marienfesten, sondern von den vier sogenannten Fronfasten, also den Quatembern geschrieben. Gemeint sind damit die Tage Mittwoch, Freitag und Samstag von vier speziellen Wochen, nämlich die nach Pfingsten (variabel), Kreuzerhöhung (14. September), Lucia (13. Dezember) sowie nach dem ersten Fastensonntag (variabel), durch die das kirchliche Jahr in vier Teile untergliedert wird. Geprägt waren diese drei Tage durch Fasten und bestimmte Gottesdienste.462 Eine ähnliche Vorschrift findet sich einzig noch in dem 1508 in Umlauf gebrachten Augsburger ‚Informationsblatt‘ über die Rosenkranzbruderschaft: Alle Brüder und Schwestern sollten idealerweise (wa du kanst oder magst fügen) zu all quotember einmal dem Gedächtnis für die Verstorbenen beiwohnen, welches in Form einer Vigil

460 BnF, D-80070, unpag.: El monastier etiandio di frati predicatori de Colonia e molti altri monasteri del predicto ordine constituiti in la provincia de la alemania se anno obligato celebrare ogni anno quatro anniversarii per le anime di morti de questa fraternitade. El primo anniversario e el zorno [sc. giorno] seguente da po la festa de la prufificatione de la Madona. El segondo zorno e da po la festa de la anuntiatione. El terzo el zorno da po la festa de la asumptione. El quarto el zorno da po la festa de la nativitade de la gloriosa vergene Maria. 461 SCHMITT, Confrérie du Rosaire, S. 105. 462 Vgl. GROTEFEND, Zeitrechnung, S. 16, und FRANZ, Art. Quatember, Sp. 357.

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und einer Seelmesse stattfände. Der Ort wird dabei allerdings nicht präzisiert. Dafür steht als ein zweiter Inhalt, dass zugleich für die Lebenden eine Marien-Messe durchgeführt werden sollte. Interessanterweise ist in dem Zusammenhang von der Darreichung eines „Opfers“ die Rede. Damit dürfte wohl ein Obolus für die Kollekte gemeint sein – ein kritischer Punkt, wie in Kapitel 4.3.2 gezeigt. Allerdings sei diese Spende nicht zwingend. Der Hinweis hinsichtlich eines Versäumens der Teilnahme gleicht dann fast der in den Kölner Statuten und bei Michael Francisci anzutreffenden Regelung: Vermagst du es aber nit oder wagst nit kammen thust kain sünd nit, du beraubst allain die armen selen des gutes.463 Der Schluss des Satzes weist dagegen eine gravierende Differenz zu diesen beiden Texten auf: Während die Kölner Statuten nämlich lediglich den individuellen Nachteil infolge des Nicht-Betens thematisieren, wird hier augenscheinlich auf die Beeinträchtigung der gesamten Bruderschaft, explizit der ‚armen Seelen‘ im Fegefeuer, hingewiesen. Die Statuten der Niederlassung aus Freiburg im Breisgau nennen dagegen erneut klar die vier Anniversarien mit Vigil und Seelmesse, die nach den vier Hochfesten Mariä Lichtmess, Mariä Verkündigung, Mariä Geburt und Mariä Himmelfahrt abgehalten werden würden. Allein die letzten beiden sind im Vergleich zu Francisci in der Reihenfolge ihrer Aufzählung vertauscht.464 Marcus von Weida kommt in Kapitel zehn seines Bruderschaftsspiegels, in dem es um den Nutzen der Korporation geht, gleichermaßen auf die Jahrgedächtnisse zu sprechen. Er hält fest, dass in allen Konventen der Dominikaner, besonders jedoch in denen der deutschen Nation, wenigstens vier Mal im Jahr der Toten gedacht wird. Mitunter fänden solche Anniversarien allerdings auch so oft statt, wie es Marienfeste gäbe.465 Unmittelbar daran anknüpfend ist zu lesen: Es wirdt auch alle iar ierlich und ewicklich ein sonderlich begengnus gehalten in allen clostern prediger ordens vor alle mitbrudere und schwestern des ordens.466 Dem Wortlaut nach zu urteilen, wäre damit wie im Fall des eben zitierten ‚Informationsblattes‘ abermals eine

463 BSB, Einbl. VII,51.: Zum dritten, wa du kanst oder magst fügen, so solt du kommen all quotember ain mal (so mit ainer gesungen vigili und mit ainem gesungen selampt) aller todten auß diser bruderschafft gedechtnuß begat. Und mit ainer gesungen meß von unser lieben frawen allen lebentigen so sy in diser bruderschafft seind tzu hilff unnd tzu trost das Maria yn bestetig sey und dein opffer (ob du es vumagst) daraychen für all bruder und swester die in der bruderschafft seind. 464 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch, Bl. 51r: Item für alle abgestorbnen in diser bruoderschafft ist geordnet ein vigil und seelmess, die man hatt zu Cöln und zu ach [sc. Aachen] predigers orden und vil anderen closter unsers orden, die man volbringt nach den fier hochtzeitlichen festen unser frawen als nemlich liechtmess, verkündigung, der geburt und ir himmelfart. 465 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 114v: So werden gewonlich in allen clostern prediger ordens, sonderlich deutscher nation, ierlich alle die aus diser bruderschafft vorscheiden uffs wenigste iiii mal im iare an etzlichen enden auch als vil feste unser liben frawen sein begangen. 466 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 114v.

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zusätzlich Komponente der ergänzenden Jenseitsvorsorge aufgerufen. Näheres gibt der Text leider nicht preis. In den 1505 bei Ulrich Pinder in Nürnberg gedruckten Der beschlossen gart des rosenkrantz marie, um ein letztes Beispiel zu nennen, haben die Jahrtage der Rosenkranzbruderschaft gleichfalls Eingang gefunden. Die knappen, aber nicht minder detailreichen Ausführungen unter der Kapitelüberschrift „Von den Jahrtagen dieser löblichen Bruderschaft“ sind beachtenswert: Zunächst wird davon berichtet, dass es im Kölner Dominikanerkonvent als dem Ursprungsort der Vereinigung vier Mal im Jahr eine allgemeine Anniversarfeier für die Verstorbenen der Korporation mit einer Vigil und – hier gesteigert – vill messen gäbe. Der Zeitpunkt, wann diese Gedächtnisse stattfänden, bleibt allerdings offen. Dafür heißt es im weiteren Verlauf, dass die vier Jahrtage nicht nur in Köln, sondern ebenfalls in vielen anderen Konventen des Dominikanerordens durchgeführt werden würden, so unter anderem in Esslingen, Pforzheim, Schwäbisch Gmünd und Amberg. Wer nun die Gebetsverpflichtung von drei Rosenkränzen pro Woche erfüllt, der wird dieser guten Dinge teilhaftig. Des Weiteren würde man in Köln jeden Samstag für alle Brüder und Schwestern, die den Rosenkranz beten, ein loeblich ambt singen von unser lieben frawen. Von einem solchen Marienamt war oben im Wortlaut des in Augsburg publizierten ‚Informationsblattes‘ geschrieben, nur ohne die explizite Terminierung eines Wochentages. Am Ende dieses Kapitels ist schließlich von dem bei Michael Francisci genannten Salve Regina-Gesang zu lesen. Die Bestimmungen sind identisch, lediglich die 40 Tage erwerbbaren Ablass nennt Francisci nicht. Von Interesse erscheint, dass hier zwischen die gerade aufgezählten Aspekte eine Art Appell eingeflochten ist, der sowohl die Geistlichen als auch die Weltlichen adressiert, durch zusätzliche Gebete die Jenseitsvorsorge der Gemeinschaft zu unterstützen – die Laien etwa, indem sie nach der Messe mindestens ein Vaterunser und ein Ave Maria beten.467

467 Der beschlossen gart, Bl. 9v–10r: Zu Koelen yn dem prediger closter, do dan dise loebliche bruderschaft des psalters oder rosenkrantz Marie gestifft ist, do ist man alle yar tzu vier malen ym iar haben einen gemeynen iar tag mit einer vigile und mit vill messen fuer dye gestorben bruder und schwestern dyser loebliche bruderschafft des psalters Marie. Auch ist man yn disem closter alle sambtztag ein loeblich ambt singen von unser lieben frawe fuer all bruder und schwester, dye yn der selben wochen habend oder woellet beten ein psalter Marie. Und dise ob bestympte vier iartage ist man nit allein zu Koelen haben, sunder yn andern vil stetten und clostern prediger ordens, als tzu Eslingen, Pfortzen, Gemund, Amberg und gar nahend all umbendum yn prediger orden. Und wer yn diser loebliche bruderschafft ist, vil auff dz mynst all wochen betet ein psalter Marie, der wirdt teilhafftig aller gutheit, dy yn allen prediger clostern geschehent. Auch ein ytlicher munch ader briester, der sol alweg yn der meß yn seiner gedechtns gemeinlich bitten fuer all lebendig und tod bruder und schwester diser bruderschafft. Auch so wer gut, dz ein ytlicher leyescher bruder und schwester diser bruderschaft hintter einer ytlichen meß auff das mynst bete ein pater noster und ein ave Maria fuer alle bruder und schwester diser loebliche bruderschafft. [...] Auch singt man tzu Colen yn prediger closter fuer alle brueder und schwester all sambstag, all sontag unnd all gebotten feyer abent und

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Zusammenfassend lässt sich sagen: Die obligatorische, von allen Mitgliedern auszuübende praxis pietatis umschloss wöchentlich drei Rosenkränze. Das haben einerseits die bis hierhin untersuchten Quellen gezeigt. Andererseits sind es beispielsweise die in Kapitel 4.5.5 thematisierten Einblattdrucke, die von der Korporation vielfältig verwendet wurden, um die Vereinigung zu bewerben, in denen ebenfalls kontinuierlich die drei Rosenkränze als die entscheidende Verpflichtung für die Brüder und Schwestern angeführt werden. Der von Wolf Traut († 1520) um 1510 gedruckte Einblattdruck, der die ‚drei Rosenkränze‘ zeigt, macht dies exemplarisch anschaulich (siehe Abb. 20). Unterhalb des Bildes ist ein schmales Textfeld zu sehen, das mit dem Satz: Welcher mensch tailhaftig wil sein der bruderschaft des roßenkrancz Marie der aller reinsten iunckfrawen sprich in der wochen drey roßenkrentzlein beginnt.468 Ein zweites Beispiel für diese Verbreitung über verschiedene Medienformate sind zwei Strophen aus einem Gedicht über die Rosenkranzbruderschaft: Der drey krentz nit thut sprechen / und in geschriben ist, / Dem ist nit mer gebrechen / den das im do gebrist / Der selben wochen gutheit, / der bruderschafft gemein / hat er kein gemeynsamkeit / der selben zyl allein. Wan du dry krentz mit truwen / sprichst einer sel zu trost / Die im fegfür thut ruwen, / wirt so vil e erlost. / Zu koeln die prediger alle / und in vil andern lant / umb vier fest marie balle / vigily und selmeß hant.469

Auch diese Passage legt offen, dass das Rosenkranzgebet der bestimmende Inhalt für die religiöse Praxis der Korporation war. Die von Jakob Sprenger in den Kölner Statuten fixierten vier Jahrgedächtnisse für die verstorbenen Bürder und Schwestern, deren Durchführung er seinem Konvent zugeschrieben hat, wurden in der Folge gemeinhin übernommen und als Zusatzmemoria für die Jenseitsvorsorge ausgewiesen. Auffallend ist, dass Sprenger alle Eintretenden mahnt, diese Anniversarien nicht zu versäumen. Michael Francisci hingegen, der weitaus mehr Aufgaben anführt, erwähnt just bei dem Punkt keine Teilnahmeverpflichtung oder eine im Falle eines Nicht-Erscheinens kompensierende Gebetsleistung. Bis auf eine Quelle, das ‚Informationsblatt‘ aus Augsburg von 1508, wird auch in den übrigen Dokumenten eine Beteiligung an den Jahrtagen nicht thematisiert. Letztlich würde dies doch der dezentralen Organisation widersprechen. Demgegenüber verwundert es im Rahmen der transregionalen Konzeption der Rosenkranzbruderschaft nicht, dass die den Statuten folgenden Zeugnisse kommunizieren, diese vier Anniversarien würden in gleicher Weise in zahlreichen anderen Dominikanerkonventen durchgeführt. Inwieweit selbiges faktisch umgesetzt worden ist, mag hier hintangestellt sein. Sicher steht

feyer tag alweg tzu nach vor dem altar Marie, dar auff dise bruderschaht [sic] bestifft ist, ein salve regina, wer da bey ist, der hat viertzig tag ablas auffgesetzter puß, welcher aber bruder oder schwester nit darbey seind, dye sollent siben ave Maria beten dar fuer, so werden sie teilhafftig aller gutheit, dye bey dem salve geschicht gleich ob sye da weren gewesen. 468 BLB, Kb 21, Abb. 1. 469 WACKERNAGEL, Das Kirchenlied, Bd. 2, Nr. 1061 (S. 853).

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vor allem das Bild einer weitreichenden Frömmigkeit im Vordergrund. Die von Michael Francisci mitgeteilten Aufgaben im Zuge des Salve Regina-Gesangs sowie der Annenverehrung sind dagegen nicht als Pflichten anzusehen. In erster Linie, weil sie sich in dem Großteil der Quellen nicht widerspiegeln. Bezüglich der Hintergründe, weshalb Francisci diese beiden Absätze eingebaut hat, müsste noch einmal gesondert reflektiert werden.470 Die weiteren Inhalte, wie etwa das Marienamt oder der Appell, zusätzliche Gebete für die Mitglieder der Vereinigung zu beten, können ebenfalls als nicht für die gesamte Rosenkranzbruderschaft geltende, einzelne Zusätze gewertet werden.

4.6.2 Gestalt und Genese des Rosenkranzgebets Wie im voranstehenden Kapitel bereits erwähnt, bedeutete die Verpflichtung von drei Rosenkränzen pro Woche für die Brüder und Schwestern, dass sie drei Mal jeweils 50 Ave Maria und fünf Vaterunser beten mussten; und zwar dergestalt, dass nach zehn Ave Maria (czehen weissen rosen) immer ein Vaterunser (ein rote rosen) eingeschoben wurde. Weitere Anweisungen, etwa über den Text der beiden Gebete, bieten die 1476 gedruckten Sprengerschen Statuten nicht. Einzig am Ende wird in Abschnitt elf noch auf einen dem Rosenkranz voranzustellenden oder anzufügenden Satz hingewiesen, mit dem die Gunst der Gottesmutter Maria erlangt werden soll (siehe dazu weiter unten). Mithin scheint allgemein klar gewesen zu sein, welche Inhalte bei dem einen und welche bei dem anderen Gebet vorzutragen waren. Immerhin handelte es sich bei beiden Teilen auch um zwei Kernelemente der (spät-) mittelalterlichen praxis pietatis.471 Eine wichtige Bemerkung ist vornehmlich mit Blick auf das Ave Maria anzuführen: In seiner mittelalterlichen Form war es ausschließlich ein Gruß, der sich aus zwei Versen aus dem Evangelium nach Lukas zusammensetzte. Zuerst oblag es dem Betenden, die Worte des Erzengels Gabriel an Maria zu sprechen: „Sei gegrüßt,

470 In dem Zusammenhang äußern STOTZ/WEHRLI-JOHNS, Albert von Weissenstein, S. 363: „Mit der Verpflichtung zur Teilnahme an der Prozession wollte Sprenger erreichen, dass die Bruderschaft organisatorisch und geistig den Dominikanern verbunden blieb.“ Davon abgesehen, dass die Salve Regina-Prozession von Michael Francisci eingebracht worden ist (zumindest findet sie sich erst in seiner Verteidigungsschrift), erscheint die von Peter Stotz und Martina Wehrli-Johns getroffene Aussage in zweifacher Hinsicht als zu hinterfragen: Erstens kann eben nicht von einer tatsächlichen Verpflichtung zur Teilnahme gesprochen werden. Wie Francisci ausführt, konnten alternativ auch sieben Ave Maria gebetet werden, um ein Fehlen zu kompensieren. Zweitens würde eine solche Verpflichtung eine Bindung an einen Ort bedeuten und folglich dem Bestreben der Bruderschaft entgegenstehen, eine ortsunabhängige, transregionale Vereinigung zu sein. Siehe dazu ebenfalls die Beobachtungen und Überlegungen in Kap. 4.6.3. 471 Vgl. dazu u. a. DINZELBACHER, Hoch- und Spätmittelalter, S. 94 f., sowie ANGENENDT, Geschichte Religiosität, S. 40. Siehe im Hinblick auf die genannten Quellenauszüge das Zitat auf S. 189 in Anm. 441.

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Du Begnadete! Der Herr ist mit Dir!“ (Lk 1,28). Hieran wurde der Lobpreis Elisabeths, der Mutter Johannes des Täufers, angeschlossen, als Maria sie besuchen kam: „Gepriesen bist Du unter den Frauen, und gepriesen ist die Frucht deines Leibes!“ (Lk 1,42). Die Akklamation „Amen“ schloss das Gebet ab. Die an Maria adressierte Bitte um Fürsprache für „uns Sünder“ wiederum war zwar um die Mitte des 15. Jahrhunderts im Raum Mittelitalien schon bekannt (hier wohl gerade bei den Bruderschaften), wurde offiziell jedoch erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts von Papst Pius V. sanktioniert.472 Nur exemplarisch sei auf die Auslegung des Michael Francisci verwiesen, in der die genannten Sätze vorzufinden sind.473 Das mittelalterliche Ave Maria war folglich eine kürzere Fassung. Für das Vaterunser dagegen sind solche Varianzen nicht zu beschreiben. Es wurde entsprechend der Grundlage in Mt 6,9–13 gebetet.474 In den um 1500 veröffentlichten Frömmigkeitstraktaten spiegelt sich der Wortlaut wider, wenngleich die Deutungen der einzelnen Sätze voneinander abweichen. Der 1505 bei Ulrich Pinder verlegte Der beschlossen gart des rosenkrantz marie zum Beispiel widmet sich auf Blatt 4r bis 6r dem Herrengebet und seinen einzelnen „Bittungen“. Über die ersten Worte Geheiliget werd dein nam heißt es unter anderem: Dyse erste bittung unsers gebetz ist wider dye hoffart, wan so wir tzu gott rufen „geheiliget werd dein nam“ so bitten wir das er uns geb tzu furchten und tzu eren seinen namen.475 Diese Zeile wäre also gegen die Überheblichkeit der Menschen gerichtet. Marcus von Weida schreibt demgegenüber: In den worten geheiliget werde dein name bitten wir umb die libe unnd hulde ader gnade gots ane die wir nicht sein mogen rechte unnd angenehme kinder gots.476 Eine differenzierte Analyse der einzelnen theologischen Auslegungen kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung freilich nicht geleistet werden. Es sei hier allerdings erwähnt, dass gerade Marcus von Weida eine ausführliche Erläuterung sowohl des Vaterunser als auch des Ave Maria bietet.477 Hinsichtlich der Inhalte und der Anordnung der Gebetsteile eines Rosenkranzes offenbaren die Quellen, dass es noch keine allgemeingültige Festlegung gab; auch

472 Vgl. HEINZ, Der Rosenkranz, S. 23, und KLINKHAMMER, Entstehung des Rosenkranzes, S. 43–45. Eine theologische Erläuterung der Schriftstellen bietet SCHERSCHEL, Der Rosenkranz, S. 45–49. Er weist ebd., S. 45, auch darauf hin, dass in der Frühform selbst das abschließende „Amen“ noch fehlte. 473 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 147: [...] „Ave“; qui est tenebrosus, accedat ad tam illuminatam, ideo subditur „Maria“, quae illuminata vel illuminatrix interpretatur; qui est gratia vacuus, accedat ad hanc repletam, ideo sequitur „gratia plena“; qui maledictus, accedat ad hanc benedictam, ideo additur „benedicta tu in mulieribus“; qui est caelesti refectione privatus, accedat ad ipsam, tanto fructu dotatam, ideo finaliter concluditur „et benedictus fructus ventris tui“. 474 Vgl. dazu JUNGMANN, Missarum Sollemnia, Bd. 2, S. 343–363. 475 Der beschlossen gart, Bl. 4v. 476 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 44v. 477 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Kap. 6 und 8.

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nicht innerhalb der Rosenkranzbruderschaft. Den Kölner Statuten zufolge sollte mit den Ave Maria begonnen werden. Michael Francisci hält dies – wie dargelegt – ebenfalls fest. Die Ordnung der Niederlassung aus Colmar normiert das Gebet demgegenüber folgendermaßen: Am Beginn eines Rosenkranzes sollte zuallererst das Apostolische Glaubensbekenntnis stehen. Selbiges wird hier als die Schnur, als das reisselin dar uff man die rosen binden sol, beschrieben. Daran anschließend sollten die ersten zehn Ave Maria gebetet werden, dann das erste Vaterunser – und so weiter.478 Der Unterschied zu den Kölner Texten liegt ergo in der Hinzufügung des Apostolikums. Eine prägnante Änderung bezüglich der Abfolge zeigt sich in dem am 12. Mai 1479 von Papst Sixtus IV. ausgegebenen Ablass zugunsten all derer, die den Rosenkranz beten. In seiner Erläuterung der Gebetsweise ist festgehalten, dass das Vaterunser jedem Zehnersatz Ave Maria vorauszusetzen sei (singulis decem Salutationibus huiusmodi Orationem Dominicam semel praeponendo).479 In Anbetracht dessen, was soeben zu den 1485 gedruckten Statuten aus Colmar geschrieben wurde, ließe sich fragen, inwieweit die päpstliche Bulle, die nicht ausschließlich auf die Rosenkranzbruderschaft hin ausgerichtet ist, überhaupt Auswirkungen auf die interne religiöse Praxis der Korporation gehabt hatte. Die venezianische Ordnung aus dem Jahr 1480 zeigt jedoch, dass dieser Tausch durchaus zum Tragen kam (wenngleich in dem Text diese Urkunde nicht als Referenzquelle benannt worden ist): Der Rosenkranz sei zu beten, indem nacheinander zuerst ein Vaterunser und daran anschließend zehn Ave Maria gesprochen werden.480 Diese Komposition hat sich zugleich bei Marcus von Weida niedergeschlagen: So bethe wir tzuvor, eher wir das lob der muter gots mit dem heilgen engelischen grusse anheben, das heilge vater unnser, dorinnen wir sonderlich under andern bitten umb vorgebunge unserer sunde uff das wir das lob der werden mutter gots diste vordinstlicher unnd angenemer in dem heilgen ave Maria aussprechen mogen und die weile, die tzehende tzal ein rechte volkommene tzal ist, doruber man nicht kommen mag, dann ßo mann getzelt biß uff tzehene, so hebt man von newen an [...] so bethe wir auch alwege vor x ave Maria ein vater unser, domit wir alwege so offte wir widder anheben das lob der werden mutter gots betrachten und bedencken sollen, das wir sunder sein [...].481

Das Vaterunser sei somit den Ave Maria-Dekaden voranzustellen, um sich auf diese Weise im Vorfeld des Marienlobes kontinuierlich zu der eigenen Sündhaftigkeit zu bekennen. Die Zehnzahl der Ave Maria erklärt Marcus auf der Grundlage der Vollkommenheit der Zehn. In dem Zusammenhang ist nicht nur an die Zehn Gebote, sondern auch daran zu denken, dass der griechische Buchstabe χ, der als einer der beiden Elemente des Christusmonogramms χρ für Christus selbst steht, im römi478 SCHMITT, Confrérie du Rosaire, S. 106. Siehe zu dieser Passage auch das Zitat weiter unten. 479 ASSOP, Bd. 2, T. 1–2, Nr. 2 (S. 6). 480 BnF, D-80070, unpag.: [...] e cossi successive dir sempre uno pater nostro e diese [sc. dieci] ave Maria per fina al dito numero de quindese pater noster e cento e cinquanta ave Maria. 481 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 55v [45v].

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schen Alphabet dem Zahlwert Zehn entspricht.482 Die fünf Vaterunser hingegen erinnern an die fünf Wunden, die Christus im Zuge der Kreuzigung zugefügt worden sind.483 Erwähnenswert ist eine Bemerkung, die Marcus von Weida mit Blick auf das Glaubensbekenntnis innerhalb des Rosenkranzgebets macht: Ein teil leuthe bethen den glauben am ersten gleich als solle der glauben das reifflen ader schynlen sein, dorauff diser geistliche rosenkrantz gebunden. Der Leipziger Dominikaner rekurriert hier also auf die Praxis, wie sie beispielsweise die Statuten der Bruderschaft aus Colmar mitteilen. Zwar bleibe es letztlich jedem selbst überlassen, ob beziehungsweise an welchem Punkt er das Apostolikum bete, schließlich wird in den Bullen Papst Sixtus IV. diesbezüglich überhaupt nichts geschrieben. Marcus allerdings empfiehlt, den Rosenkranz mit dem Glaubensbekenntnis zu beenden.484 Ein erster Grund dafür sei: Gerade weil in der Urkunde Pastoris aeterni vom 30. Mai 1478 das Vaterunser zuerst genannt und selbiges in der darauf folgenden Urkunde Ea quae vom 12. Mai 1479 dem Ave Maria explizit präponiert worden ist, muss das Apostolikum am Schluss stehen.485 Hier ist jedoch zu bemerken, dass in Pastoris aeterni die 15 Vaterunser zugegebenermaßen zuerst erwähnt werden, allerdings geht es dabei nicht um die Anordnung der Gebetsteile in einem Rosenkranz.486 Als einen zweiten Grund führt er die gängige Praxis in der Kirche an, nach der auf das Vaterunser das Ave Maria und auf das Ave Maria eben das Glaubensbekenntnis folgt. Warum, fragt Marcus, wollen wir denn die ordenunge hie vorkeren?487 Des Weiteren nennt er drittens die ‚Vorsorgekraft‘ des Apostolikums gegen die Macht des ‚bösen Geistes‘, das

482 Vgl. MEYER/SUNTRUP, Zahlenbedeutungen, Sp. 591–615. 483 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 55v [45v]–46r: Es ist oben in dem ersten capittel gesagt, das die xv vater unnser, die man bethet, tzwuschen den anderthalb hundert ave Maria werden sonderlich gebethet tzu dancksagunge des bittern leidens Christi und seiner wunden. Szo dann der herre Christus under andern seinen heilgen wunden sonderlich v grosse wunden an dem stamme und galgen des heilgen creutzes entpfangen, als nemlich iiii an seinen heilgen henden und fussen in der annagelunge an das creutze, die uberschmertzlich und groß peinlich seint gewest, und die funffte, als er am creutze tod gehangen in seiner heilgen rechten seitten gleich gegen seinen gotlichen hertzen tzu [...]. 484 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 47r: Ich laß in dem falle einen yderman bey seiner andacht, denn die bullen der bestetigunge diser bruderschafft und des aplas, dortzu gegeben, sagen gar nichts von dem glauben. Derhalben man bethe den glauben vor ader nach ader auch gar nicht, so leit nichts sonderlichs daran. Aber meines einfeldigen bedenckens wirt billich dises gebethe [sc. der Rosenkranz] mit dem glauben beschlossen [...]. Das voranstehende Zitat ebd. 485 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 47v. 486 ASSOP, Bd. 2, T. 1–2, Nr. 1 (S. 2 f): [...] cuius confratres, et consorores [sc. der Rosenkranzbruderschaft] tribus diebus cuiuslibet hebdomadae Orationem Dominicalem quindecim, et Angelicam Salutationem centum et quinquaginta vicibus, omnibus tribus diebus eiusdem hebdomadae ad honorem eiusdem Beatae Mariae Virginis iuxta ipsius confraternitas instituta dicere consueverunt, quas quidem Orationes, et Salvationes Rosarium appellant [...]. 487 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 47v.

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4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft

heißt des Teufels, und viertens den Umstand, dass niemand ohne das Gebet selig werden mag – auch deshalb müsse es am Ende stehen.488 In den Statuten der zu Beginn der 1490er Jahre entstandenen Rosenkranzbruderschaft aus Freiburg im Breisgau spielt das Glaubensbekenntnis wiederum gar keine Rolle.489 Ein nicht minder disparates Bild zeichnen die Vorgaben in den Einblattdrucken. Der Text auf dem 1485 gedruckten Blatt aus Ulm (siehe auch Abb. 16) informiert darüber, dass das Apostolikum als dz reifflin daruff man die rösen binden sol am Anfang eines jeden Rosenkranzes zu stehen habe.490 Ebenfalls erwähnt wird es in dem Blatt aus Augsburg, welches wohl 1508 herausgegeben worden ist. Die Positionierung wird dabei aber nicht eindeutig festgelegt.491 Abschließend sei auf den um 1510 geschaffenen Druck von Wolf Traut hingewiesen (siehe Abb. 20). In dem Beispiel beherbergt das Textfeld im Gegensatz zu dem Druck aus Ulm keine Erläuterung im Hinblick auf die Bestandteile eines Rosenkranzes. Dafür weist die Darstellung vermittels der Blüten auf die 50 Ave Maria hin, die Bildmedaillons entsprechen den jeweils zu betenden fünf Vaterunser. Darüber hinaus wird anhand der 15 Bildmedaillons die inhaltliche Ausrichtung jedes einzelnen Rosenkranzes deutlich, auf die nachfolgend zurückzukommen sein wird; die Dreizahl macht den Umfang des Gebetspensums ersichtlich.492

488 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 47v–48r: Widder solche unnd der gleichen anfechtunge des boßen geistes dynt sonderlich das bekentnus ader das gebethe des heilgen glaubens. [...] Die weile nymandt an [sc. ohne] den glauben wie gehort selig werden mag. Szo beschliß wir dises lobliche gebethe [sc. den Rosenkranz] mit dem glauben der meinunge, das wir do durch antzeigen, das unnser gemuthe unnd wille sey, das wir, wil got, in einem rechten cristlichen glauben entlich sterben unnde do von bedechticklich nymmer meher biß in den todt weichen wollen. Das Zitat findet sich ebd., Bl. 48r. – Erwähnt sei hier noch, dass Marcus von Weida im Rahmen seiner Ausführungen über die ‚Vorsorgekraft‘ des Apostolikums auch kurz auf einen in seinem Verständnis idealtypischen Ablauf im Kontext der Sterbepraxis im Dominikanerorden zu sprechen kommt. Vgl. dazu RANACHER, Marcus von Weida. 489 UBF, Hs. 10: Anniversarbuch, Bl. 50v. 490 Das Zitat folgt GRIESE, Text-Bilder, S. 195: WEr [sic] ain andächtigen rosenkrantz betten wil zu lob vnd ere vnser lieben frowen der fähe an zu betten am ersten ain glouben der bedüt dz reifflin daruff man die rösen binden sol darnach x Aue maria [...]. 491 BSB, Einbl. VII,51: Zum andern sol ain yeglicher bruder und swester diser bruderschafft in ainer yeglichen wuchen drey rosenkrentz betten, das ist drey glauben, xv pater noster und hundert und l ave Maria. Also das ain yeglicher rosenkrantz begreifft l ave Maria, v pater noster und ain gelauben. 492 BLB, Kb 21, Abb. 1. In dem Textfeld: Welcher mensch tailhaftig wil sein der bruderschaft des roßenkrancz Marie der aller reinsten iunckfrawen sprich in der wochen drei roßenkrentzlein. Den ersten zu lob der menschw[erd]ung Christi von muterlicher liebe Marie. Den andern zu lob dem leiden Christi von mitlayden Marie. Den driten zu lob der glori Christi und Marie. Alß dan dyse figur dreier roßenkrentz antzaigt. So er solches pet [sc. Gebet] spricht in der liebe gottes, erlangt er alle wochen von den heiligen bebsten Sixto dem iiii, Urbano dem iiii, Johanne dem xxii, Alexandro bischoff von Forlivion, legatem teutscher nation xv iar und ix tausent hundert und xx tag ablaß. – Zum Ablass siehe Kap. 4.6.3.

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Diese Uneinheitlichkeit erklärt sich vor dem Hintergrund, dass der Rosenkranz in den Jahrzehnten um 1500 bei Weitem noch kein invariabel definiertes Gebetskonstrukt darstellt. Auf diesen Sachverhalt wird gleich noch zurückzukommen sein. Die Heterogenität jedenfalls lässt sich noch an einem weiteren Detail nachvollziehen. Gemeint sind diejenigen Sätze, die dem Rosenkranz vereinzelt voran- oder nachgesetzt wurden und von den Betenden entsprechend beachtet werden sollten. So heißt es etwa in den Kölner Statuten: Und auff das der mensch dester ee zu andacht komm und im die muter gotes lieben werd, so mag er vor oder nach dem gebet die muter gotes also anrüfen: Maria, jch bit dich durch gotes willen, sprich, dz du unser schwester seyest, umb das wir dein geniessen und dz uns wol sey umb deinen willen und dz wir leben von deiner genad wegen.493

Marcus von Weida äußert demgegenüber beispielsweise, man möge vor dem Rosenkranz die Worte aus dem 18. Kapitel des Lukasevangeliums: O got biß gnedig mir armen sunder sprechen. Die Aussage sei derart wirkmächtig, dass der in dem Text angesprochene Sünder sofort einen vollkommenen Sündenerlass erhalten habe.494 Marcus bezieht sich hier auf das in Lk 18,9–14 wiedergegebene Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner, dessen Intention darin liegt, die richtige Art eines christlichen Gebets zu veranschaulichen. Konträr zu dem Pharisäer weiß der Zöllner nämlich um die Sündhaftigkeit seines Lebens und wendet sich deshalb voll Demut an Gott mit dem Satz: „Gott, sei mir, dem Sünder, gnädig!“ (Lk 18,13). Aus diesem Charakterzug und Handeln resultiert, dass er die Anerkennung und das Wohlgefallen Gottes erhält.495 Die Parallele zu der oben skizzierten Argumentation von Marcus ist offenkundig. Die 1477 erneut herausgegebenen Statuten enthalten einen Zusatz, der darüber informiert, wie ein Maria besonders ehrender Rosenkranz gebetet werden könne. Demzufolge müsse man ebenfalls mit zehn Ave Maria beginnen. Am Ende eines jeden Gebets, wenn der Name Jesu Christi genannt wird, solle der Betende dann aber jeweils einen der im Folgenden verzeichneten Sätze unmittelbar anknüpfen. Auf diese Weise hätte man das gesamte Leben und Leiden Jesu vor Augen; und könne große Gnade sowie großen Ablass erwerben.496 Es zeigt sich, dass hier das von dem Kartäuser Dominikus von Preußen entwickelte Rosenkranzkonzept referiert ist, bei dem an jedes einzelne Ave Maria eine clausula, ein Betrachtungspunkt aus dem Leben Jesu relativisch angefügt wird. Der Text kennzeichnet die Herkunft

493 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 517). 494 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 56v–58r [57r]: Denn dise wort sein also krefftig gewest, das der selbe grosse sunder do durch von stundt vordint hat volkommene vorgebunge aller seiner sunde (ebd., Bl. 58r [57r]). 495 Siehe dazu SNT, Lk 18,13 – Kommentar (S. 159). 496 EDDK, Inc.a.0150, Bl. 146r.

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der Praxis: Das ist also bey vierczig jaren durch andaechtig vaeter kartuser orden mit hohem vleiß zusamen geseczt worden.497 Das Gebet würde entsprechend lauten: Ave Maria gegruesset seiest Maria vol genaden. Der herr mit dir, du bist gesegnet ob allen frawen und gesegnet ist die frucht deins leybs Jhesus Cristus; den du von dem heyligen geyst durch den engell Gabriel empfangen hast – amen. Ave Maria [...] Jhesus Cristus; mit dem du schwanger dein mumen Elizabeth hast heym gesucht – amen. Ave Maria [...] Jhesus Cristus; den du allerzameste iunckfraw one schmerczen in freuden geporn hast – amen.498

Diese wenigen Zeilen dürften das System des ‚Kartäuser‘-Rosenkranzes veranschaulicht haben. Der Text des Ave Maria entspricht den beiden oben zitierten Versen aus dem Lukasevangelium. Hinzugekommen ist lediglich die namentliche Benennung desjenigen, der gebenedeit ist. Andreas Heinz führt diesbezüglich aus, dass die sich von England her ausbreitende „Namen-Jesu-Verehrung“ dafür verantwortlich war, dass seit dem 13. Jahrhundert immer häufiger der Name Jesus respektive Jesus Christus dem Ave Maria beigegeben wurde.499 Folglich ist dies keine ‚Erfindung‘ des Dominikus von Preußen. Vielmehr kann für die Genese des Rosenkranzes eine längere Entwicklungslinie nachgezeichnet werden, die in dem unten stehenden Exkurs in lediglich groben Umrissen skizziert werden soll. Es ist insofern davon auszugehen, dass auch bei dem ‚regulären‘ Ave Maria der Name Jesus (Christus) genannt wurde. Die clausulae jedenfalls wurden an den Lobpreis Elisabeths angeschlossen; das Amen stand am Ende. Bindend für die Mitglieder der Rosenkranzbruderschaft scheint die Variante allerdings nicht gewesen zu sein. Das resultiert in erster Linie aus den Regelungen der Bruderschaftsordnung sowie ergänzend aus der wiedergegebenen Formulierung, die den ‚fakultativen‘ Charakter heraushebt. Ähnlich notiert Marcus von Weida, der sich im achten Kapitel seines Bruderschaftsspiegels in aller Ausführlichkeit (Bl. 55r–104r) den 150 Betrachtungspunkten widmet, zu Beginn: So aber ymandt mehr beschawlickeit und sonderliche andacht von der menschwerdunge Christi under dem ersten rosenkrantz suchen und haben will, der mag uf itzlich ave Maria des ersten rosenkrantze einen sonderlichen artickel der menschwerdunge Christi bedencken [...].500

Exakt an der Stelle griff schließlich auch eine der zentralen Vereinfachungen, die von den Kölner Organisatoren vorgenommen worden war: Der Verzicht auf die einzelnen Betrachtungspunkte, denn gerade sie ließen den Rosenkranz beziehungsweise den Marienpsalter zu einem hoch komplexen, mnemotechnisch anspruchsvollen Gebetskonglomerat werden.

497 498 499 500

EDDK, Inc.a.0150, Bl. 146r. EDDK, Inc.a.0150, Bl. 146r–146v. Vgl. HEINZ, Die Entstehung, S. 35 f. MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 57v.

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Der Umstand, dass der Rosenkranz in der hier untersuchten Zeitspanne immer wieder Modifikationen erfuhr, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass im weiteren Verlauf der Etablierung der Rosenkranzbruderschaft zusätzliche Spielarten des Gebets entstanden, die zwischen die beiden behandelten Formen – Rosenkranz inklusive versus exklusive Betrachtungspunkte – einzuordnen sind. Dabei handelt es sich um Varianten, die eine signifikant reduzierte Anzahl von Lebensgeheimnissen, den clausulae enthalten. Anstatt der insgesamt 150 waren unter anderem nur noch zehn pro Rosenkranz vorhanden. Demnach gab es nicht mehr zu jedem einzelnen Ave Maria einen Meditationsaspekt, sondern lediglich eine clausula, die mit zehn Ave Maria oder einem Vaterunser verwoben war. Die Statuten der Rosenkranzbruderschaft aus Colmar spiegeln eine dieser Rosenkranzversionen anschaulich wider: Wer einen rosenkrantz betten wil zu lob und ere unser lieben frowen, der vohe zum ersten an den glouben zu betten der betutet das reisselin dar uff man die rosen binden sol. Und dar noch X ave maria zu lob unser lieben frowen als sy von dem engel gabriel den gruss empfieng. Dar noch sprich das erste Pater noster dem liden Christi das er enpfieng an dem olberg do er schwitzet blutigen sweiss. Dar noch aber X ave maria zu lob unser lieben frowen als sy gieng uber das gebirg zu ir mumen elizabeth. Dar noch sprich das ander pater noster dem liden Christi das er enpfieng in der geislung. Dar noch aber X ave maria zu lob unser lieben frowen der froid die sy enpfieng als sy gebar unseren herren. Dar noch sprich das drijt pater noster dem liden Christi das er enpfieng in der durnen kronung. Dar noch aber X ave maria zu lob unser lieben frowen der froid die sy enpfieng do sy sant unseren herren sitzen in dem tempel mitten under den doctores. Dar noch sprich das vierde pater noster zu lob dem liden Christi das er enpfieng an dem gang sinder ussfurung. Dar noch sprich aber X ave maria zu lob der froide unser frowen die sy enpfieng in der abscheidung diser zit und uffur zu den himelen. Dar noch das funffte pater noster dem liden christi und dem schmertzen und bitteren tod den er leit am crutz.501

Die enumerierten zehn Stationen sind also: Verkündigung an Maria, Gebet Christi am Ölberg, Heimsuchung Mariens, Geißelung, Geburt, Dornenkrönung Christi, Jesus im Tempel, Kreuztragung Christi, Tod Mariens und Kreuzigung Christi. Es handelt sich mithin um fünf freudvolle sowie fünf leidvolle Szenen, die im Wechsel fünf Freuden und fünf Schmerzen der Jungfrau Maria repräsentieren sollen. Der oben thematisierte Einblattholzschnitt aus Ulm aus dem Jahr 1485 enthält identisch diese Stationen – sowohl im Text als eben auch im Bild (siehe Abb. 16).502 Ohne hier en détail die Genese des Rosenkranzes innerhalb des zeitgenössischen Diskurses zu referieren, muss noch auf einen prägnanten Entwicklungsschritt verwiesen werden: Die Reduzierung der Geheimnisse auf 15, das heißt auf fünf pro Rosenkranz. Andreas Heinz zufolge ist diese Verringerung als die entscheidende Voraussetzung dafür anzusehen, dass der sogenannte Leben-Jesu-Rosenkranz nunmehr zu einem Volksgebet avancieren konnte: Die 15 Betrachtungspunkte konnten weitaus einfacher memoriert werden und waren daher einer breiten Masse zugänglich.

501 SCHMITT, Confrérie du Rosaire, S. 106. 502 Vgl. ergänzend GRIESE, Text-Bilder, S. 195–197.

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Fernerhin ist hierin der Grundstock für die Bildung der drei ‚Themen‘-Rosenkränze zu sehen, die im Übrigen noch heute geläufig sind: Die fünf Geheimnisse des freudenreichen Rosenkranzes führen mit den Lebensstationen Mariä Verkündigung und Heimsuchung, Christi Geburt, Darstellung des Herrn sowie Wiederauffinden des zwölfjährigen Jesus im Tempel die Menschwerdung vor Augen; die fünf des schmerzhaften mit den Themen der Ölbergszene, Geißelung, Dornenkrönung, dem Tragen des Kreuzes sowie der Kreuzigung und die fünf des glorreichen Rosenkranzes mit den Meditationen der Auferstehung, Himmelfahrt, Aussendung des Heiligen Geistes, Mariä Himmelfahrt sowie die Krönung Mariens betrachten das Pascha-Mysterium, dessen Inhalte das Leiden, der Tod, die Auferstehung und Verherrlichung Jesu Christi sind.503 In seinen Ausführungen kommt Heinz auf das Beispiel der Ulmer Rosenkranzbruderschaft zu sprechen, in deren Schrift aus dem Jahr 1483 die genannten 15 Betrachtungspunkte bis auf eine Ausnahme bereits wörtlich vorlägen. Diese Information hat er von Karl Joseph Klinkhammer übernommen, wenngleich bei selbigem gar nicht explizit dieses ‚wörtliche‘ Vorhandensein der Rosenkranz-Geheimnisse erwähnt wird.504 Es ist richtig, dass der wiederholt verlegte Druck – dessen Inhalt sich jedoch zu großen Teilen aus den Darlegungen des Alanus de Rupe speist, der Text somit kein gänzlich originär von den hiesigen Dominikanern geschaffener ist505 – unter anderem drei Holzschnitte mit jeweils fünf Bildmedaillons darbietet, die alle von einem Kranz aus zehn Blüten umsäumt sind. Die Ikonographie offenbart, dass hier die drei Rosenkränze einschließlich der jeweils fünf genannten Betrachtungspunkte visualisiert worden sind. Allerdings mit der Ausnahme, dass das letzte Geheimnis des glorreichen Rosenkranzes nicht auf die Krönung Mariens, sondern auf das Jüngste Gericht abzielt. Anne Winston-Allen hat diese Schaubilder als die ersten Bildrosenkränze beschrieben.506 Der den Holzschnitten vorausgehende Text hingegen weicht eindeutig von dem Abgebildeten ab, indem er weitere Varianten, etwa mit deutlich mehr Betrachtungspunkten, vorstellt. Insofern kann der Druck exemplarisch für die in den Jahrzehnten um 1500 noch vielfältige Klaviatur des ‚einen‘ Rosenkranzgebets angesehen werden. Der folgende Satz aus dem Schluss dieses Kapitels fasst es anschaulich zusammen: Gefelt dir aber under den sechs obgemelten wegen kainer oder hast du mer andacht zu ainem anderen weg, so nim den selben für dich; allain das dises loblich gebet mit fleyß unnd andacht werd gesprochen [...].507 Bemerkenswert erscheint zudem, dass sich diese Themen bereits in den 1480 gedruckten venezianischen Statuten und damit einige Jahre früher nachweisen las-

503 Vgl. HEINZ, Die Entstehung, S. 39 f. 504 Vgl. HEINZ, Die Entstehung, S. 39, und KLINKHAMMER, Adolf von Essen, S. 95. 505 BSB, 4 Inc.c.a. 316, Bl. A3r. Siehe das Zitat auf S. 189 in Anm. 438. – Vgl. auch BEISSEL, Verehrung Marias, S. 535. 506 Vgl. WINSTON-ALLEN, Stories of the Rose, S. 33. – Zur Kreisform als Anordnungsmuster und der mit ihr verbundenen Vorstellung siehe GANZ, Ein „Krentzlein“ aus Bildern, S. 161 f. und 164. 507 BSB, 4 Inc.c.a. 316, Bl. C1r. – Vgl. auch BEISSEL, Verehrung Marias, S. 536.

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sen: Im Zuge des Betens der Rosenkränze sollen die 15 Geheimnisse in der Verfahrensweise meditiert werden, dass nach zehn Ave Maria und einem Vaterunser ein Geheimnis kommt. Die drei Ausrichtungen sind ebenso klar bestimmt: Sapi aduncha, che li primi iiiii misterii se dimanda gaudiosi. Li secondi cinque se dimanda dolorosi. Li tertii cinque se dimanda gloriosi. Anschließend werden die einzelnen misterii aufgezählt. Wie schon zuvor ist das Jüngste Gericht (misterio de la gloria del paradiso) der einzige Unterschied zu der heutigen Form.508 Für die theologische Beurteilung dieser Engführung von 150 Betrachtungspunkten auf nur 15 sei auf die Expertise von Andreas Heinz zurückgegriffen. Er konstatiert, dass mit der Ausrichtung auf die Inkarnation und das Ostergeheimnis die beiden Angelpunkte des Heilswerkes Jesu fixiert worden sind. Für ihn seien damit „theologisch die richtigen Schwerpunkte“ gesetzt. Während seine Bemerkung: „Leider hat sich der in der Ulmer Rosenkranzbruderschaft um 1483 geübte Gebetsbrauch [sc. Meditation der Wiederkunft Christi anstelle der Krönung Mariens] nicht durchgesetzt“ hier nicht unerwähnt, aber unkommentiert bleiben soll, ist sicher noch die folgende Beobachtung von Belang: „Die sinnvolle und [...] theologisch durchdachte Beschränkung auf 15 Gesätze, hatte den Nachteil, dass die Meditation des öffentlichen Wirkens Jesu ausfiel.“509 Exkurs: Über die Ursprünge des Rosenkranzgebets Es ist bereits davon geschrieben worden, dass die Wurzeln des Rosenkranzgebets weit tiefer reichen als bis zu Dominikus von Preußen. Einige wichtige Marksteine in dieser Entwicklung seien im Folgenden in aller Kürze angerissen. Fragen wir zuerst nach dem Nährboden für die Anzahl und Ordnung, ist der Blick auf den alttestamentlichen Psalter zu richten. In der oben zitierten Bulle von Papst Sixtus IV. vom 12. Mai 1479 heißt es zum Beispiel, das Ave Maria sei so oft zu sprechen, wie Psalmen in dem Psalter sind, nämlich 150 Mal (dicit [...] Ave Maria, quot sunt psalmi in psalterio Davidico, videlicet centies et quinquagies [...]).510 Marcus von Weida informiert ebenfalls über diese Verbindungslinie, genau wie Jakob Sprenger selbst.511 Die Dreiteilung wiederum, die als genuin christliches Einteilungsprinzip bezeichnet werden kann, scheint ihren Ausgangspunkt bei Origines († um 254) zu haben. Wie Andreas Heinz ausführt, gliederte er die 150 Psalmen in drei sogenannte Pentekontaden. Der Hintergrund hierfür dürfte vermutlich der Ge-

508 BnF, D-80070, unpag. – Vgl. ergänzend KLIEM, Frankfurter Rosenkranzbruderschaft, S. 54 f. 509 HEINZ, Die Entstehung, S. 39 f. 510 ASSOP, Bd. 2, T. 1–2, Nr. 2 (S. 6). 511 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 12r; MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 511).

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danke an die Trinität der göttlichen Person gewesen sein. Als ein weiterer Vertreter jener Dreiteilung kann Hilarius von Poitiers († 367) genannt werden.512 Besonders ausgeprägt war diese Segmentierung in der Psalmenfrömmigkeit der irischen Kirche, in welcher von dem Psalter als dem Gebet der „drei Fünfziger“ (im Altirischen: na tri coecait) gesprochen wurde.513 Der Wissenstransfer auf den Kontinent erfolgte vornehmlich über die von den iroschottischen Mönchen verbreitete Bußpraxis. Einem Pönitenten wurde dabei eine bestimmte, an der Trias des Psalters ausgerichtete Anzahl von Psalmen zur Abgeltung seiner Sünden auferlegt. Die Einheit von 50 Psalmen erhielt die Bezeichnung „Quinquagene“. Obgleich die Bußbücher seit der Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert sukzessive außer Gebrauch kamen, blieb das ‚irische‘ Gliederungsprinzip dennoch erhalten, allen voran im Bereich der persönlichen Frömmigkeit sowie im Totengebet.514 Für die Entstehung des Rosenkranzes ist nun als ein weiterer Baustein eine mit dem Psalter einhergehende Problemstellung von Belang: Er war weder für Laien noch für vom „Bildungsmonopol des Klerus“ ausgeschlossene Nonnen ohne Weiteres zu beten.515 Das Memorieren der 150 Psalmen erforderte eine beträchtliche Gedächtnisleistung. Das Ablesen hingegen setzte voraus, dass man einerseits lesekundig und andererseits im Besitz einer der gerade in dieser frühen Zeit kostbaren Psalmenhandschriften war. Als Folge dieser Widrigkeiten entstanden zunächst verschiedene Formen der Vereinfachung. Letztlich kam es dazu, dass der Psalmentext grundsätzlich durch ein alternatives, allseits bekanntes Gebet ersetzt wurde: durch das Vaterunser.516 Dass die als Zählhilfe benutzten Perlenschnüre paternostri genannt wurden, selbst, als in den Jahrzehnten um 1500 das Vaterunser lediglich noch ein Teil – wohlgemerkt: der ‚kleinere‘ – des Rosenkranzes war, resultiert aus diesem Entwicklungsschritt.517 Darüber hinaus drang das Herrengebet in den Bereich des Stundengebets vor. Nur exemplarisch sei auf die von Papst Honorius III. († 1227) am 29. November 1223 approbierte Regel für die Franziskaner (die „Bullierte Regel“), darin konkret auf die in Kapitel drei fixierten Vorgaben für die Laienbrüder verwiesen.518 Die nächste Zäsur markiert die wachsende Bedeutung des Ave Maria, das im Verlauf des 12. und 13. Jahrhunderts zum Kanon der christlichen Grundgebete hinzukam

512 Vgl. HEINZ, Die Entstehung, S. 28. Grundlegend zu diesem Exkurs auch HEINZ, Lob Mysterien, hier bes. S. 615, sowie SCHERSCHEL, Rosenkranz, und RITZ, Rosenkranz. 513 Vgl. GODEL, Irisches Beten, hier bes. S. 282–285. Zur Bedeutung der irischen Praxis notiert Godel (ebd., S. 282): „Der Paternosterpsalter, die Reimpsalterien des hohen Mittelalters und schließlich der marianische Psalter, der Rosenkranz, sind nur zu begreifen aus der durch die Iren volkstümlich gewordenen Tradition der Einteilung des Psalters in dreimal 50 Psalmen sowie seiner überaus eifrigen Benutzung.“ 514 Vgl. GODEL, Irisches Beten, S. 283 f., und HEINZ, Lob Mysterien, S. 615 f. 515 So HEINZ, Lob Mysterien, S. 617. 516 Vgl. HEINZ, Lob Mysterien, S. 617–619, und SCHERSCHEL, Rosenkranz, S. 62 f. 517 Vgl. RITZ, Rosenkranz, S. 54. 518 Vgl. HEINZ, Die Entstehung, S. 30.

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und, wie Gislind Ritz konstatiert, spätestens im 14. Jahrhundert zum „Allgemeingut“ gehörte.519 Hinsichtlich der Verbreitung waren es allen voran die Zisterzienser, die den Englischen Gruß (bezogen auf Lk 1,28) entscheidend förderten. Caesarius von Heisterbach († nach 1240) etwa wusste in seinem Oeuvre von zahlreichen Exempla zu berichten, anhand derer der hohe geistliche Stellenwert dieses Gebets illustriert werden sollte. So schildert er unter anderem im Dialogus magnus visionum ac miraculorum (entstanden zwischen 1219 und 1223), dass der Teufel zwar das Vaterunser und das Credo nachäffen könne, dafür aber keine einzige Silbe des Ave Maria über seine Lippen käme.520 Die Verfahrensweise des Betens glich dabei dem zuvor Beschriebenen: Das Ave Maria wurde repetitiv gesprochen, die Zusammenfassung von 50erGruppen ist auch hier anzutreffen.521 Der sich peu à peu steigernde Rang des Englischen Grußes mündete schließlich in dem Ergebnis, dass das Vaterunser zurückgedrängt wurde und sich das Psalterium Beatae Mariae Virginis herausgebildet hatte; wenngleich an diesem Punkt noch keineswegs von dem Marienpsalter beziehungsweise Rosenkranz gesprochen werden kann, um den es hier geht.522 Denn wie oben dargelegt, vereinte der Rosenkranz Ave Maria und Vaterunser zu einem gemeinsamen Gebetskonstrukt. Den frühesten Beleg für das System, die lange Reihe der Ave Maria-Gebete durch die Integration eines Vaterunser nach jeder zehnten Wiederholung zu partitionieren, um auf diese Weise das Beten übersichtlicher zu gestalten, bietet der Kartäuser Heinrich Egher von Kalkar († 1408). Allerdings dürfte der dem Verfahren zugrundeliegende Gedanke generell noch weiter zurückreichen.523 Entscheidend für die Herausbildung ‚unseres‘ Rosenkranzes ist schließlich, dass die Betrachtung des Lebens Jesu hinzutrat. Ohne Weiteres könnte diesbezüglich ein breites Panorama entfaltet werden, es sei jedoch wiederum bei einigen Schlaglichtern geblieben: Die Anfänge der mittelalterlichen Jesus-Frömmigkeit sind bereits im benediktinischen Schrifttum des 11. Jahrhunderts deutlich erkennbar. Als einen prominenten Autor nennt Andreas Heinz Johannes von Fécamp († 1078), bei dem sich die späteren Rosenkranzgeheimnisse in Ansätzen angelegt finden.524 Für das hier im Blickpunkt stehende Gebetskonstrukt sind aber erneut die von Zisterziensern gesetzten Impulse programmatisch. Ausgehend von Bernhard von Clairvaux, der in seinen Predigten zum Hohelied (Sermones in Cantica Canticorum) die meditierende Vergegenwärtigung der Stationen des Lebensweges Christi eingeführt sowie allen Brüdern anempfohlen hat, ist es speziell der in England wirkende Aelred von Rievaulx († 1167), der in seiner Schrift De institutione inclusarum die erste systematische Leben-Jesu-Meditation entwickelt hat, in der einleitend zu-

519 RITZ, Rosenkranz, S. 54 f. Vgl. auch SCHERSCHEL, Rosenkranz, S. 64. 520 Vgl. HEINZ, Die Zisterzienser, S. 288. 521 Vgl. HEINZ, Die Entstehung, S. 31. 522 Vgl. RITZ, Rosenkranz, S. 55. 523 Vgl. RITZ, Rosenkranz, S. 55. 524 Vgl. HEINZ, Die Entstehung, S. 32 f.

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gleich das Ave Maria als Wiederholungsgebet eingebunden ist. Dagegen fehlt an der Stelle noch die kontinuierliche Paarung von Ave Maria und Betrachtungspunkten.525 Die spezifische Eignung des Englischen Grußes als Ausgangspunkt für die Leben-Jesu-Meditation sei der dem Wortlaut inhärenten „christozentrischen Sinnspitze“ geschuldet. Andreas Heinz fasst diesen Aspekt folgendermaßen zusammen: „Das Ave Maria erinnert an das « sacramentum incarnationis », es ist der Gruß, « per quam initiata est humani generis redemtio ». Wegen dieser inneren Beziehung des Ave-Textes zum Geheimnis der Menschwerdung war dieses biblische Gebet besonders geeignet, in einer Meditationsübung, die das dem Menschen durch die Inkarnation des Sohnes Gottes zugekommene Heil betrachten wollte, Verwendung zu finden.“526

Darüber hinaus muss noch an den oben schon flüchtig thematisierten Umstand erinnert werden, dass sich seit dem 13. Jahrhundert die Gepflogenheit etabliert hatte, das Ave Maria mit dem Namen Jesus beziehungsweise Jesus Christus zu beenden. Für die Verbindung der beiden Einheiten liegt hierin die Scharnierstelle. Eine letzte Etappe auf dem Weg lenkt den Blick – noch – nicht nach Trier zu Dominikus von Preußen, sondern in das Zisterzienserinnenkloster St. Thomas an der Kyll nahe Himmerod in der Eifel. Von Belang ist dabei ein um 1300 geschriebenes Gebetbuch, dessen Text neben Psalmen, Offizien und anderen Inhalten eine Gebetsanleitung enthält, die vorschreibt, eine Reihe von 100 Ave Maria zu sprechen und am Ende eines jeden Grußes jeweils einen Satz (ein Geheimnis) anzufügen, in dem reflektiert werden soll, warum der Sohn der Maria es ‚wert‘ sei, gebenedeit zu werden. Das erste Ave Maria beispielsweise lautet in dem Entwurf in Erinnerung an Gen 1,27: „Sei gegrüßt [...] gebenedeit ist die Frucht deines Leibes: Weil er uns nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen hat“ (Ave Maria [...] benedictus fructus ventris tui: Quia nos ad ymaginem et similitudinem suam creavit).527 Abgesehen davon, dass augenscheinlich die Namensnennung Jesu Christi und das strukturierende Vaterunser in diesem Konstrukt fehlen, so zeigt sich doch unmissverständlich, dass das Grundkonzept des Leben-Jesu-Rosenkranzes faktisch vorliegt. Bis in die Trierer Kartause scheint diese Frühform allerdings nicht vorgedrungen zu sein.528 Folglich ist zu konstatieren: Die ‚Erfindung‘ des Dominikus von Preußen kann nicht als völliges Novum bezeichnet werden. Vielmehr offenbart sich die Herausbildung des Rosenkranzes als Prozess, in den eine ganze Reihe von Faktoren hineingewirkt haben und für dessen Genese weit mehr Stationen als allein die Trierer Kartause von Belang waren.529 Zweifelsohne müssen Dominikus von Preußen und Adolf von Essen aber dennoch als Schlüsselfiguren für die Entwicklung des Gebets-

525 526 527 528 529

Vgl. HEINZ, Die Entstehung, S. 33–35. HEINZ, Die Zisterzienser, S. 294. Siehe den Quellentext in HEINZ, Die Zisterzienser, S. 282. Vgl. HEINZ, Die Entstehung, S. 37. Vgl. HEINZ, Lob Mysterien, S. 636–639.

4.6 Religiöse Praxis

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konstruktes charakterisiert werden. Ersterer aufgrund seiner Konzeption und der inhaltlichen Ausrichtung, letzterer vor allem durch die aktiv beförderte Ausbreitung des Rosenkranzes.530 Wichtig erscheint fernerhin noch eine Bemerkung mit Blick auf die inhaltliche Seite: Auch bei Dominikus von Preußen bestand der Rosenkranz nur aus den Ave Maria-Gebeten und den Betrachtungspunkten. Die Segmentierung in fünf respektive 15 Zehnergruppen ist hier wie in St. Thomas an der Kyll nicht enthalten. Diese Gliederung des Ave-Fünfzigers, die wohl zuerst von dem Kartäuser Heinrich Egher von Kalkar gepflegt worden sein soll, führte erst Alanus de Rupe wieder ein, um ‚seinen‘ Marienpsalter zu strukturieren.531 Bleibt abschließend zu klären, weshalb dieses Gebetskonstrukt überhaupt als Rosenkranz bezeichnet wurde? Der Name resultiert aus einer Legende, die erstmals in dem gegen Ende des 13. Jahrhunderts verfassten Passional vorzufinden ist. Obschon das Legendar in den Kontext des Deutschen Ordens eingeordnet werden muss, führt das für unsere Frage zu untersuchende Marienmirakel „Marien Rosenkranz“ inhaltlich doch – bezeichnenderweise – wiederum in das zisterziensische Milieu.532 Folgendes Wunder schildert die Erzählung: Der Protagonist ist ein Schüler, der es nicht weiter gebracht hat als bis zu einem einfältigen Bakkalaureus (ein tumber betschelier). Seine einzige Tugend bestand darin, dass er es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, die Mutter Gottes täglich zu ehren, indem er sommers wie winters einer ihm bekannten Marienstatue einen Kranz aus frischen Blumen aufsetzte und dabei sagte: vrouwe, sprach er, sit daz ich / nicht vil gutes me vermac, / so la dir ieglichen tac / diz von mir ein dienst wesen. Eines Tages spürte er nun in seinem Herzen den Impuls, den Zisterziensern beizutreten. Der Alltag im Kloster aber ließ ihm keine Zeit mehr für die von ihm praktizierte Form der Ehrerbietung, weshalb er großen Kummer empfand. Ein alter Ordensbruder riet ihm daher, zusätzlich zu den Stundengebeten 50 Ave Maria zu sprechen und der Jungfrau diesen ‚Kranz‘ zu offerieren, immerhin könnten sich diese Grüße in einen solchen umwandeln (und wizze, daz si disen crantz / vur lilien und vur rosen nimt, / wand er ir verre baz gezimt). Einige Zeit später war dieser Mönch in Angelegenheiten seines Klosters unterwegs. Als er an einem Waldstück vorbeikam, in dem er zahlreiche frische Blumen erblickte, entschloss er sich, sein Gebet an dieser Stelle zu verrichten. Dabei beobachteten ihn zwei Räuber, die es

530 Vgl. HEINZ, Die Entstehung, S. 25 f. 531 Vgl. RÜTHING, Heinrich Egher, hier bes. S. 232–234, sowie HEINZ, Die Entstehung, S. 36–38, und ergänzend HEINZ, Lob Mysterien, S. 611 f. bes. mit Anm. 8. Eine Gegenperspektive, die hier nicht unerwähnt bleiben soll, bietet KOCHANIEWICZ, Contribution of the Dominicans, S. 391. Er schreibt: „However, we should note that these forms of prayer, developed in a Cistercian and a Carthusian environment, did not have any influence on the Psalter proposed by Alan de la Roche. He for the first time divided the 150 Aves into 15 decades each beginning with a Pater.“ 532 Vgl. KELLER, Rosen-Metamorphosen, S. 61, und SCHERSCHEL, Der Rosenkranz, S. 91 f., sowie zum Passional allgemein KUNZE, Art. Passional, Sp. 1769.

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auf sein Pferd abgesehen hatten. – Dieses Detail ist im Verlauf einer Mirakelnarration wichtig, denn die beiden Wegelagerer avancieren zu Augenzeugen, die sehen, was ansonsten klandestin bleibt. Sie repräsentieren insofern gleichzeitig stellvertretend die Ebene der Rezipienten dieses Wunders.533 – Was sie dann aber durch das Wirken Gottes erblickten (die valschaften diebe / liez unser herre schouwen), war die allerschönste Frau, die sie jemals gesehen hatten. Selbige trat zu dem betenden Mönch, und es geschah das Wunder, dass sich die von ihm gesprochenen Ave Maria zu Rosen metamorphosierten. Eine nach der anderen brach sie ihm vom Mund, genau fünfzig an der Zahl. Maria, um keine andere Frau handelt es sich hier, band die Rosen daraufhin auf ihren goldenen Reif und hob sich diesen vollkommenen (vollenkumen) rosen crantz auf ihr Haupt.534 Der Hintergrund, dieses Marienmirakel so ausführlich zu referieren, ist, dass das Narrativ auch innerhalb der Rosenkranzbruderschaft immer wieder vorzufinden ist, der Inhalt also tradiert wurde. Michael Francisci zum Beispiel gibt es im Rahmen seiner Ausführungen über den Namen der Bruderschaft wieder.535 Marcus von Weida zitiert die Passage aus der Schrift von Francisci in Kapitel drei des Bruderschaftsspiegels, in dem er die Herkunft der Bezeichnung Rosenkranz offenlegen will. Zwar steht die Erzählung dabei neben anderen, doch ist es eben nur der ‚Mönch mit dem Rosenkranz‘, der in dem dem Text voranstehenden Holzschnitt visualisiert wird.536

4.6.3 Ablässe und Ablassgewährung Im Verlauf der vorliegenden Studie sind bereits verschiedentlich einige der zugunsten der Rosenkranzbruderschaft ausgegebenen Ablässe kurz in den Fokus getreten. Auch ihre für die Vereinigung eminente Bedeutung dürfte deutlich geworden sein. Erinnert sei hier allein an die im Rahmen der Einleitung referierte Aussage des Rostocker Dominikaners Joachim Ratstein, der seinen Zeitgenossen empfahl, der Rosenkranzbruderschaft beizutreten und auf diese Weise an dem unzählbaren Ablass zu partizipieren. Entsprechend verwundert es nicht, dass die Thematik der Indulgenzen und besonders das aus selbigen resultierende große Gnadenreservoir ebenfalls auf allen von der Korporation bedienten Medienformaten präsent ist. So etwa in den Abhandlungen über die Bruderschaft, darüber hinaus natürlich gerade auf den verschiedenen Einblattdrucken, aber zum Beispiel auch im Liedgut oder in Gedichten, wie die beiden Strophen aus dem Gedicht Von mariae rosenkrantz anschaulich machen:

533 Vgl. KELLER, Rosen-Metamorphosen, S. 62. 534 RICHERT (Hg.), Marienlegenden, Nr. 21 (S. 115–130). Die zitierten Passagen ebd. – Vgl. den Inhalt auch bei KELLER, Rosen-Metamorphosen, S. 62 f., und SCHERSCHEL, Der Rosenkranz, S. 92–94. 535 Siehe dazu SCHEEBEN, Quodlibet, S. 144 f. 536 Siehe MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 36v.

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Groß gnad ist uff gestandenn / dar zu eyn bruderschafft / In allen cristen landen / groß heil der sel gemacht, / Zu lob den hoechstenn freyden / ia dort in hymmel thron / dem eyvigen unnd den drien / maria der muter fron. [...] Wer alle woch dry krentz ist bettenn / nit under wegenn lat, / Ist babst Innocens geben / groß aplaß und genad. / All sünd ist er vergeben / zwei mal, das sag ich dir, / am tod und eins ym leben, / das helff maria mir.537

Worum es im Folgenden gehen soll, ist erstens eine möglichst gründliche Zusammenstellung aller der Rosenkranzbruderschaft bis circa 1520 zugesprochenen Ablässe. Die für diesen Zweck benutzte Referenzquelle wird der Bruderschaftsspiegel des Marcus von Weida sein. Der Leipziger Dominikaner war freilich bei Weitem nicht der Einzige, dessen Schrift ein Kapitel über die Indulgenzen der Gemeinschaft enthält: Unter anderem widmet sich der Augustiner-Chorherr Johannes von Lambsheim in seinem 1495 verlegten Libellus perutilis im Anhang den vier Ablass- sowie Bestätigungsbullen (Quattuor bulle indulgentiarum et confirmationis).538 Etwas ausführlicher ist hingegen der um 1500 gedruckte, anonym gebliebene Liber fraternitatis rosacee. Hierin informiert Kapitel fünf über die Ablässe.539 Auch der Dominikaner Cornelis van Sneek ergänzte seine 1517 publizierten Predigten um die Rubrik Bullae apostolicae de indulgentiis fraternitatis rosarii.540 Marcus hebt jedoch unmittelbar heraus, dass er mit 32 Seiten den zweifelsohne umfassendsten Ablasskatalog seiner Zeit vorgelegt hat.541 Selbstredend werden die Angaben, die auf den Einblattdrucken wie dem ‚Informationsblatt‘ von 1508 zu finden sind, kontrastierend in die Darstellung einbezogen. Neben der Übersicht muss zweitens die nicht unerhebliche Frage der Ablassgewährung in den Blick genommen werden. Eine erste Indulgenz wurde der neu gegründeten Rosenkranzbruderschaft im Zuge ihrer Bestätigung in Köln durch den päpstlichen Legaten Alexander Numai, den Bischof von Forlí, am 10. März 1476 gewährt: Allen Mitgliedern spendete er zunächst jeweils 100 Tage an den fünf Marienfesten Mariä Verkündigung (25. März), Heimsuchung (2. Juli), Himmelfahrt (15. August), Geburt (8. September) und Lichtmess (2. Februar). Eine damit einhergehende Verpflichtung wird nicht genannt, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass der Ablass gewährt wurde, wenn ein Bruder oder eine Schwester ‚regulär‘ Mitglied war, also die drei Rosenkränze pro Woche gebetet hatte. Darüber hinaus gewährte Numai weitere 40 Tage sowohl für jeden zusätzlich gebeteten Rosenkranz als auch für die Teilnahme an dem Salve

537 WACKERNAGEL, Das Kirchenlied, Bd. 2, Nr. 1061 (S. 853). Er schätzt das undatierte Büchlein auf um 1470 (ebd., S. 854). Der enthaltene Plenarablass, den Papst Innozenz VIII. ausgestellt haben soll, wurde der Rosenkranzbruderschaft allerdings erst im Oktober 1484 gewährt (siehe dazu unten). Insofern kann das Gedicht nicht vor Oktober 1484 entstanden sein. – Ebd., S. 854 ff., mit weiteren Liedbeispielen. 538 JOHANNES VON LAMBSHEIM, Libellus perutilis, Bl. 16r–18v. 539 Liber fraternitatis rosacee, Bl. A5r–A5v. 540 CORNELIS VAN SNEEK, Sermones, Bl. R1r–R4r. 541 Vgl. zu den Entstehungsbedingungen der Schrift RANACHER, Marcus von Weida.

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Regina-Gesang, welcher an den Samstagen, den Festtagen sowie den ihnen vorausgehenden Tagen nach der Komplet vor dem Marienaltar, an dem diese Bruderschaft gegründet worden sei, durchgeführt wird.542 In die einbezogenen Schriften über die Rosenkranzbruderschaft ist die Urkunde immer vollständig inseriert, ausgehend von Michael Francisci bis hin zu Marcus von Weida, der sie zudem übersetzt hat.543 Die geschilderte Praxis hinsichtlich des Salve Regina stimmt mit dem überein, was Francisci in seinem Quodlibet niedergeschrieben hat. Lediglich der von ihm genannte Sonntag findet hier keine Entsprechung (siehe dazu Kap. 4.6.1). Auffallend ist aber, dass in Punkt fünf der gedruckten Statuten ausschließlich die 40 Tage Strafnachlass für jeden einzelnen Rosenkranz sowie die jeweils 100 Tage zu den genannten Marienfesten enumeriert werden. Über den möglichen Ablass im Kontext des Salve Regina-Gesangs wird kein Wort verloren.544 Als Erklärung für diese bisher unbeachtete Fehlstelle erscheint meines Erachtens nur denkbar, dass jener Teil bewusst nicht aufgenommen worden ist, um nicht zu suggerieren, die Mitglieder der Bruderschaft hätten doch mehr Verpflichtungen als die drei Rosenkränze pro Woche. Abgesehen von den Quellen, die den Wortlaut der Urkunde übernommen haben, werden zum Beispiel auf dem vermutlich 1485 in Ulm gedruckten Einblattdruck bei dem Ablass Alexander Numais ebenfalls allein die 40 und 100 Tage aufgezählt.545 Zuletzt sei die Beobachtung erwähnt, dass das Quodlibet des Michael Francisci zwar den Urkundentext enthält, er im Rahmen seiner Darle542 ASSOP, Bd. 2, T. 3, Nr. 120 (S. 588 f.): De Omnipotentisque Dei Misericordia, et Beatorum Apostolorum Petri et Pauli auctoritate confisi, omnibus et singulis utriusque sexus dictae fraternitatis confratribus et sororibus, in quinque praecipuis Beatae Virginis Festivitatibus, scilicet, Annuntiationis, Visitationis, Assumptionis, Nativitatis, Purificationis centum dies Indulgentiarum in qualibet dictarum Festivitatum die; atque quinquaginta Ave Maria, et quinque Pater noster continet, legerint, seu legi fecerint; seu Sabbatinis, profestis ac Festivis diebus ad Salve Regina, quod post Completorium apud eosdem Fratres Praedicatores coram altari Beatae Virginis, in quo eadem fraternitas fundata est, cantatur, interfuerint, quadraginta dies Indulgentiarum, pro qualibet vice de iniunctis eis poenitentiis misericorditer in Domino relaxamus. – Siehe zur Festlegung der Tage, an denen der Salve ReginaGesang stattfand, ergänzend auch S. 193 bes. mit Anm. 455. 543 Siehe bspw. SCHEEBEN, Quodlibet, S. 148 f. Die Urkunde in Übersetzung bei MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 115v–116v. 544 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 513 f.): Auch umb das, dz sich der mensch dester mer vleisse zu disem gebeth, hat der wirdigest herr, herr Alexander, bischoff zu Forliff, derselben czeit ein legatt von dem heyligen stul zu Rom in ganczem Tewtschenland, einen yegklichen, der einen rosenkrancz betet, so offt und er jn betet, es sey an einem tag zu czehen malen, zu czweinczig malen oder zu dreissig malen oder in mer tagen, von einem yegklichen krantz in besunderheydt vierczig tag ablaß geben und auf die fünff fest Unser Frawen einen yegklichen bruder und schwester in Tewtschem land hundert tag ablaß zu einem yegklichen fest, das ist auff Unser Frawen tag Kerczen weihung, Verkündigung, Heimsuchung, Schindung und den tag irer Geburt. 545 Das Zitat folgt GRIESE, Text-Bilder, S. 195 f.: Vnd vmb dz der mensch dester mer flyß zu dem gebett hab. Hat der wirdigest herr her Alexander bischoff [...] aim yeden der ain rosenkrancz bett als offt er es tut als offt hät er xl tag ablaß. Vnd vff die .v. vest vnser frowen aim yeglichen bruder vnd schwest[er] in tutschen landen hundert tag ablaß.

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gung des Salve Regina-Gesangs allerdings auch nicht auf die Ablassmöglichkeit hinweist, so, wie er es aber im folgenden Absatz mit Blick auf die Anniversarfeiern handhabt. Die einzige Abweichung ist sowohl in den Statuten der Rosenkranzbruderschaft aus Venedig als auch in denen aus Florenz zu finden. Unter dem Ablass Numais werden zuerst die 40 Tage für jedes Rosenkranzgebet und daran anknüpfend die jeweils 100 Tage zu den fünf Marienfesten genannt. Letztere werden allerdings eindeutig an das Beten des Rosenkranzes zu den Marienfesten gebunden. Über den Salve Regina-Gesang ist dagegen in beiden Texten gleichfalls nichts eingetragen.546 Der erste päpstliche Ablass und somit die zweite Indulgenz, die Marcus von Weida anführt, stammt von Sixtus IV. Am 30. Mai 1478 erließ er vermittels der Bulle Pastoris aeterni allen, die der Rosenkranzbruderschaft angehörten, an den drei Marienfesten Mariä Geburt, Verkündigung und Himmelfahrt jeweils sieben Jahre und sieben Quadragenen ihrer zeitlichen Sündenstrafen. Der Erwerb dieses Nachlasses setzte lediglich voraus, die in die Urkunde aufgenommene Gebetspraxis der Gemeinschaft zu befolgen: Alle Brüder und Schwestern sollten an drei beliebigen Tagen innerhalb einer Woche das Vaterunser 15 Mal und das Ave Maria 150 Mal zur Ehre der seligen Jungfrau Maria und in gleicher Weise für die Bruderschaft beten.547 Knapp ein Jahr später, am 12. Mai 1479, stellte Sixtus IV. eine weitere Ablassurkunde aus: Mit der Bulle Ea quae approbierte er auf die Initiative des Herzogs der Bretagne, Franz II., und dessen Ehefrau Margarete hin die Gebetsweise, bei der 150 Ave Maria, also so viele, wie Psalmen in dem Psalter sind, und 15 Vaterunser zusammen gebetet werden, wobei immer zehn Ave Maria ein Vaterunser voranzustellen sei. Gemeinhin würde dieser modus orandi als Marienpsalter tituliert. Für jeden fünfzigsten Teil dieses Psalters (das heißt für einen Rosenkranz) gewährte der Pontifex ausdrücklich allen Gläubigen, sooft sie ihn beten würden, weltweit jeweils fünf Jahre und fünf Quadragenen Ablass.548 Sixtus IV. bestätigte damit noch einmal

546 BnF, D-80070, unpag.: El reverendissimo etiamdio monsignore Alexandro episcopo de Forli [...] ha concesso a caduna persona quaranta di [sic] de indulgentia per ogni volta che la dira cinquanta ave Marie e cinque pater nostro. Item ha concesso a caduna persona cento di [sic] de indulgentia per ogni volta che la dira cinquanta ave Mariae e cinque pater nostro ne la festa de la anuntiatione, visitatione, assumptione, nativitate purificatione della vergene Maria. Die Statuten aus Florenz, die 1481 und somit ein Jahr nach den venezianischen gedruckt worden sind, enthalten diese Bestimmungen inhaltlich identisch. Siehe ORLANDI, Libro del Rosario, S. 219. 547 ASSOP, Bd. 2, T. 1–2, Nr. 1 (S. 2 f.): [...] cuius confratres et consorores tribus diebus cuiuslibet hebdomadae orationem dominicalem quindecim et angelicam salutationem centum et quinquaginta vicibus omnibus tribus diebus eiusdem hebdomodae ad honorem eiusdem beatae Mariae virginis iuxta ipsius confraternitatis instituta dicere consueverunt [...]. – Die Urkunde in Übersetzung bei MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 116v–117v. 548 ASSOP, Bd. 2, T. 1–2, Nr. 2 (S. 6 f.): Et, ut omnes, et singuli Christifideles ad devotionis opera, et praedicto modo orandum, eo ferventius inducantur quo exinde animarum suarum facilius salutem consequi speraverint, universis, et singulis Christifidelibus praefato modo orare volentibus, ubilibet

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expressis verbis das Rosenkranzgebet, dass er zugleich allen Menschen zur Rettung ihres Seelenheils empfahl. Wichtig ist zu bemerken: Die Rosenkranzbruderschaft selbst wird hier nicht erwähnt. Gleichzeitig begrenzt sich der Ablass nicht auf die Mitglieder der Vereinigung. Für das kollektive Gedächtnis der Bruderschaft spielt diese Urkunde jedenfalls keine minder zentrale Rolle. Die Übernahme des Wortlautes in verschiedene Schriften gibt hiervon ein beredtes Zeugnis.549 Bereits einen Tag vor der Ausfertigung von Pastoris aeterni, am 29. Mai 1478, sollen 19 Kardinäle einen Ablassbrief zugunsten der Rosenkranzbruderschaft ausgestellt haben. Darin wünschten sie, dass der Marienaltar in der Kirche des Kölner Dominikanerkonvents besucht und mit Leuchten, Büchern, Kelchen sowie mit anderem liturgischem Gerät ausgestattet und der Gottesdienst dadurch vermehrt werden möge. Allen Christgläubigen, die dazu beitrügen und an den vier Tagen, an denen der Verstorbenen der Bruderschaft gedacht wird, nämlich unterhalb der Feste Mariä Himmelfahrt, Geburt, Lichtmess und Verkündigung sowie am Tag der Altarweihe den Altar von den Vespern des vorigen Tages bis zu den folgenden Vespern besuchen würden, gewährten sie jeweils 100 Tage Ablass.550 Zusammengenommen stellten sie also einen Nachlass der zeitlichen Sündenstrafen von 1.900 Tagen in Aussicht. Ein „interessantes geistiges Angebot“, wie Christiane Laudage 2016 äußerte.551 Gewiss dürfte es sich hierbei um einen für die Gläubigen reizvollen Ablass gehandelt haben. Neben Laudage listet auch Klaus Militzer die Indulgenz in seiner Edition der Kölner Bruderschaftsquellen.552 Auf den ersten Blick scheint das nur konsequent zu sein, immerhin kommt Michael Francisci wie in Kapitel 4.6.1 gezeigt selbst auf diesen potentiell erwerbbaren Straferlass zu sprechen. Beziehen wir nun aber die Quellen ein, melden sich schnell Zweifel an: Weder bei Marcus von Weida noch in einer der anderen, oben aufgeführten Schriften taucht diese Indulgenz auf. Gleiches gilt für die hier untersuchten Einblattdrucke sowie den von Ulrich Pinder verlegten Der beschlossen gart des rosenkrantz marie.553 In dem Fall kann erneut

existentibus, praesentibus, et futuris, pro qualibet vice, qua sic, ut praemittitur, oraverint, pro qualibet quinquagena praefati Psalterii quinque annos, et totidem quadragenas Indulgentiae misericorditer in Domino relaxamus. – Die Urkunde in Übersetzung bei MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 118r–119r. 549 Siehe bspw. SCHEEBEN, Quodlibet, S. 150, oder CORNELIS VAN SNEEK, Sermones, Bl. R3r–R4r. 550 Den Wortlaut bietet – mit Auslassungen – SCHEEBEN, Quodlibet, S. 125. Er äußert auch, dass es möglicherweise Jakob Sprenger selbst war, der sich um diesen Ablass bemüht hatte (vgl. ebd., S. 126). An welchem Tag die Altarweihe stattfand, lässt sich aus den Quellen nicht ermitteln. 551 LAUDAGE, Geschäft mit der Sünde, S. 106. 552 Siehe MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.5 (S. 524). Das Regest findet sich ebenfalls in der 1994 publizierten Dissertation von Laudage: NEUHAUSEN, Ablaßwesen Köln, Nr. 264 (S. 263). 553 Hier sei nur der Nachweis für den Druck Der beschlossen gart, Bl. 9r–9v, ergänzend angeführt.

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davon ausgegangen werden, dass die Auslassung nicht grundlos erfolgt ist. Der von Heribert Christian Scheeben leider nur in Auszügen und ohne Beleg wiedergegebene Wortlaut forderte die Menschen explizit auf, die Rosenkranzbruderschaft in materieller Hinsicht zu unterstützen (luminaribus, libris, calicibus et aliis ornamentis ecclesiasticis decoretur et muniatur). Ein Akzent, der dem Anspruch der Korporation diametral zuwider lief. Welches Konfliktpotential diese ‚Freizügigkeit‘ in sich barg, davon ist schon gehandelt worden. Insofern erachte ich die Nicht-Nennung der Urkunde als beabsichtigt. Unterstützend tritt hinzu, dass Francisci genau genommen zwar die 1.900 Tage Ablass offeriert, die Bedingung für den Erwerb bei ihm allerdings allein in der Teilnahme an den vier Anniversarien liegt. Eine materielle Unterstützung erwähnt er hingegen mit keinem Wort.554 Einen nächsten päpstlichen Ablass stellte Innozenz VIII., der Nachfolger von Papst Sixtus IV., aus. Während des im Oktober 1484 in Rom tagenden Generalkapitels der Dominikaner soll er allen Brüdern und Schwestern der Korporation einen vollkommenen Nachlass ihrer zeitlichen Sündenstrafen, folglich einen sogenannten Plenarablass zugesprochen haben. Wirksam ein Mal im Leben und – noch essentieller – ein zweites Mal in der Todesstunde. Bekannt gemacht hat diese Indulgenz der Ordensmeister Bartholomäus Comatius per Rundschreiben, welches auf den 15. Oktober 1484 datiert. Daraus geht zugleich hervor, dass der Pontifex den Ablass nur mündlich verkündet hat (vivae vocis).555 Marcus von Weida schreibt diesbezüglich: Der babst Innocentius der viii des namens hat in gemeltem iare [sc. 1484] und in tzeiten gemelts gemeinen capittels prediger ordens tzu Rhome in gegenwertickeit des gemeinen obersten des gantzen prediger ordens und aller provintial unnd anderer vettere und brudere, do tzumal vorsammelt und vil cardinal, bischove und anderer prelaten uff demutige und fleissige bethe der vettere gnants capittels mit lebender aussprechender stymme und mit eignem munde redende allen brudern und schwestern diser loblichen bruderschafft und allen, die tzu ewygen tzeiten dorein kommen und die halten, gnedicklich vorlihen und gegeben volkommene vorgebunge aller yrer sunde, eins am leben und eins am letzten artickel des todes.556

554 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 143: [...] in quibus quidem singulis anniversariis qui interfuerint, dies mille et nongentos indulgentiarum, a decem et novem cardinalibus datos, ut patet in bulla, quae in conventu nostro Coloniensi, ubi haec fraternitas fundata est, habetur, pro qualibet vice obtinebunt. Die von Scheeben verkürzt wiedergegebene Ablassurkunde ebd., S. 125. 555 ANOP, Bd. 1, Appendix, Nr. 134 (Sp. 211 f.): Notum sit vobis, quod sanctissimus in Christo pater, et dominus dominus noster Innocentius divina providentia Papa octavus, attendens devotos beatae Virginis de Rosario, ac confratres dictae confraternitatis, adhunc et qui confratres non sunt ad Virginis obsequium propterea accendantur, hodie suae vivae vocis oraculo concessit nobis, quatenus omnes utriusque sexus ubique terrarum existentes confratres unum sibi possint eligere confessorem, qui eis plenariam indulgentiam semel in vita, et semel in mortis articulo concedat omnium delictorum suorum. – SCHEEBEN, Quodlibet, S. 127 f., und MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.11 (S. 526), datieren das Schreiben auch auf den 15. Oktober; PAULUS, Geschichte des Ablasses, Bd. 3, S. 251 bzw. 540 mit Anm. 49, nennt fälschlich den 21. Oktober 1484. 556 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 112v.

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Demnach war es das Generalkapitel, das sich um den Ablass bemüht hatte. In den Aufzeichnungen des Jahres 1484 findet sich dazu folgender Eintrag: Item omnibus receptis et recipiendis ad beneficia ordinis per litteras plenariam omnium peccatorum remissionem semel in vita et semel in morte concessit et eandem indulgenciam dedit omnibus dicentibus psalterium, quod de beata virgine seu rosarium dicitur et hiis, qui de societate seu confraternitate dicti psalterii nuncupantur.557

Klaus Militzer zitiert in seiner Regestensammlung zur Kölner Rosenkranzbruderschaft diesen Satz ebenfalls und vermerkt unter dem Datum des 10. Oktobers 1484: „Das Generalkapitel der Dominikaner gewährt einen einmaligen Sündenablass [...].“558 Aufgrund dessen, dass die Erteilung eines Plenarablasses aber ein dezidiert päpstliches Privileg war, kann das Generalkapitel nicht der Aussteller gewesen sein. Die Verben concessit und dedit beziehen sich zurück auf den zu Beginn der Aufzählung adressierten Innozenz VIII. (sua sanctitas).559 Davon abgesehen hat Scheeben darauf hingewiesen, dass sowohl die Meldung des Ordensmeisters als auch die Notiz in den Kapitelsakten durchaus Fragen aufwerfen: Nicht nur, dass der Marienpsalter und der Rosenkranz gleichgesetzt werden (psalterium, quod de beata virgine seu rosarium dicitur), vielmehr impliziert die Formulierung, der Ablass könne auch außerhalb der Bruderschaft erworben werden, solange der Psalter gebetet werde. Zudem ist in beiden Fällen nicht davon geschrieben, ob der Straferlass mit der wöchentlichen Gebetspflicht verwoben ist.560 Marcus von Weida beschränkt den Plenarablass jedenfalls klar auf die Mitglieder der Rosenkranzbruderschaft. Heribert Christian Scheeben vermutet, dass der Eintrag in den Akten des Generalkapitels nicht korrekt „redigiert“ worden sei. Als Korrektiv dient ihm die am 6. Oktober 1520 von Leo X. († 1521) ausgestellte Bulle Pastoris eterni.561 In dieser Urkunde, auf die weiter unten noch einmal zurückzukommen sein wird, listet der

557 ACG, Bd. 3, S. 382. – Das BOP, Bd. 4, Nr. 26 (S. 12 f.), verzeichnet eine Bulle, die Innozenz VIII. am 26. Juli 1486 ausgestellt haben soll, die Bulle Sacer praedicatorum ordo. Darin zählt er verschiedene Ablässe seiner Vorgänger auf und approbiert sie erneut, enthalten ist aber auch der Plenarablass für die Rosenkranzbruderschaft. Auffällig erscheint, dass die Formulierung, mit der er seinen Plenarablass wiedergibt, mit dem Wortlaut aus den Akten des Generalkapitels nahezu identisch ist. PAULUS, Geschichte des Ablasses, Bd. 3, S. 222, stuft diese Bulle als Fälschung ein, weshalb sie hier auch nicht offiziell angeführt wird. 558 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.10 (S. 526). 559 ACG, Bd. 3, S. 382. – MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.11 (S. 526), kommt im darauffolgenden Regest auf die Mitteilung des Generalmagisters Bartholomäus Comatius über den von Papst Innozenz VIII. erteilten Plenarablass zu sprechen. In Anbetracht des zuvor Geschriebenen und vor dem Hintergrund, dass in diesem Regest das Generalkapitel als Rahmen für die Verkündigung des Plenarablasses nicht genannt wird, ließe sich der Eindruck gewinnen, beide Regesten seien als unabhängig voneinander zu betrachten, was inkorrekt ist. 560 Vgl. SCHEEBEN, Quodlibet, S. 127 f. 561 Vgl. SCHEEBEN, Quodlibet, S. 128.

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Papst alle bekannten Ablässe auf, die zugunsten der Rosenkranzbruderschaft gewährt wurden, und approbiert diese erneut. Über den von Innozenz VIII. ausgegebenen Plenarablasses, der hier auf den 13. Oktober 1483 datiert wird, heißt es: [...] omnibus qui tunc erant, et in futurum essent de dicta Confraternitate, et per hebdomadam dicerent Psalterium Beate Mariae Virginis huiusmodi, plenarium omnium peccatorum suorum remissionem semel in vita, et semel in mortis articulo.562

Den Ablass konnten diejenigen erhalten, die der Rosenkranzbruderschaft entweder bereits angehörten oder ihr in Zukunft angehören würden und die wöchentlich den Marienpsalter nach der bekannten Art beten würden. Nunmehr hatte die Indulgenz also die notwendige Klarheit in der Formulierung erhalten, um sie unzweifelhaft mit der Rosenkranzbruderschaft zu verklammern. Die eingangs zitierte Strophe aus dem Gedicht Von mariae rosenkrantz ist ein Beleg dafür, dass der für die Bruderschaft wichtige Plenarablass unter den genannten Bedingungen kommuniziert worden ist.563 Unmittelbar an den Bericht über den Plenarablass anknüpfend, weiß Marcus von Weida fernerhin zu berichten: Als das Generalkapitel der Dominikaner 1484 in Rom zusammengetreten war, wurde beschlossen, die Brüder und Schwestern der Rosenkranzbruderschaft in die Bruderschaft des Ordens aufzunehmen. Fortan sollten sie aller Messen und Gebete, ja grundsätzlich aller ‚guten Werke‘ teilhaftig werden, die der Dominikanerorden in aller Welt generierte.564 Auch diese Information ist schon vor Marcus im kollektiven Gedächtnis der Vereinigung verankert, wenngleich in den Akten des Generalkapitels davon nichts zu lesen ist.565 Die vierte Ablassurkunde, die Marcus von Weida vollständig wiedergibt, ist von dem Kardinal Raimund Peraudi († 1505) ausgestellt worden. Bevor wir uns dem zuwenden, muss noch ein Blick auf die im „Bullarium Ordinis FF. Praedicatorum“ (1732) registrierten päpstlichen Indulgenzen zugunsten der Rosenkranzbruderschaft geworfen werden. Am 26. Februar 1491 soll Innozenz VIII. die Bulle Splendor pa-

562 BOP, Bd. 4, Nr. 115 (S. 392). 563 Siehe exemplarisch die Bemerkung in Der beschlossen gart, Bl. 9v: Der babst Innocentius der acht gibt allen brudern und schwestern diser loblichen bruderschafft, dye all wochen bettent den psalter Marie, einest ym leben und einest ym tod volkommen ablas aller sund. 564 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 112r: Es sein auch alß man geschriben hath noch Christi unsers herren geburt tausent vierhundert vierundachtzigk iar durch das gantze gemeine capitel des gantzen prediger ordens die tzeit tzu Rhome gehalten in den tzeiten des babst Innocentii des achten des nahmens mit bedechtigem rathe, do mit die lewthe tzu dem lobe gottes unnd seiner werden mutter diste eher unnd meher mochten gereitzt unnd beweget. Alle brudere und schwestern dißer loblichen bruderschafft, die das mal eingeschriben gewest unnd tzu ewigen tzeithen eingeschriben ader auffgenommen werden, genommen worden ein itzlich mensche in sonderheit in die bruderschafft des gantzen prediger ordens unnd sein in sonderheit teilhaftig gemacht am leben unnd noch yrem tode aller messen, alles gebethes, aller predigten, alles fasten, aller kasteiunge, aller walfarthen, aller busse, alles studirens, alles gehorsams, aller erbeit unnd aller anderer guthen wercke [...]. 565 ACG, Bd. 3, S. 374–390.

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4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft

terne glorie ausgegeben und den Mitgliedern der Rosenkranzbruderschaft darin zuerst einen Nachlass der zeitlichen Sündenstrafen von 60.000 Jahren und genauso vielen Quadragenen für jeden einzelnen gebeteten Rosenkranz gewährt haben – totiens quotiens. Noch einmal fünf Jahre sowie fünf Quadragenen bewilligte der Papst für das Aussprechen des Namens Jesu am Ende jedes Ave Maria-Gebets. Wie oben in Kapitel 4.6.2 dargelegt, war die Namensnennung seit dem Hochmittelalter üblich, sodass hieraus ein Erlass von zusammengenommen 750 Jahren und 750 Quadragenen pro Marienpsalter resultiert hätte. Schließlich wurde das Tragen eines materiellen Rosenkranzes mit weiteren 100 Jahren und 100 Quadragenen Ablass honoriert.566 Wie bereits Nikolaus Paulus herausgearbeitet hat, muss diese Bulle, die wohl erst im Lauf des 16. Jahrhunderts aufgetaucht ist, als Fälschung eingestuft werden.567 In den untersuchten zeitgenössischen Verzeichnissen wird sie nicht erwähnt, was den Befund von Paulus unterlegt. Der Inhalt dagegen ist im Ablassdiskurs der Rosenkranzbruderschaft keineswegs unbekannt. Die Summe von 60.000 Jahren für jeden Rosenkranz geht auf Alanus de Rupe zurück. In seinem an den Bischof von Tournai gerichteten Apologeticus berichtet er: Wer vor dem Bild des leidenden Christus (ante arma dominice passionis), gemeint ist die sogenannte Gregorsmesse, fünf Vaterunser und fünf Ave Maria betet, der bekäme dafür 20.000 Jahre Ablass. 1475, so Alanus weiter, habe der König von Dänemark – zu der Zeit Christian I. († 1481) – bei Sixtus IV. nachgefragt, ob dieser Ablass tatsächlich wahr sei. Der Papst habe dies bestätigt und erklärt, dass es sogar noch mehr Nachlässe gäbe als geschrieben (ymmo plures sunt ibi indulgentie quod scribant). Drei Rosenkränze, die 15 Vaterunser einschließen, würden besagte 60.000 Jahre generieren.568 Hiervon berichtet zugleich Marcus von Weida, der Alanus Verteidigungsschrift zitiert.569

566 BOP, Bd. 4, Nr. 94 (S. 67 f.): [...] omnibus, et singulis Christi fidelibus Confratribus, et Consororibus conscriptis, vere paenitentibus, et confessis, Rosarium quinquagenarium dicentibus, toties, quoties id dixerint, sexaginta millia Annorum, et totidem quadragenas Indulgentiarum de iniunctis sibi penitentiis misericorditer in Domino relaxamus. [...] Rosarium deferentibus, centum annos, et totidem quadragenas Indulgentiarum [...] atque etiam si predicti confratres Nomen Iesus in fine cuiuslibet Angelice salutationis nominaverint quinque annos, et totidem quadragenas [...]. 567 Vgl. PAULUS, Geschichte der Ablasses, Bd. 3, S. 253. 568 ALANUS DE RUPE, Apologeticus, unpag. (Kap. 13): Preterea ex collatione plurimorum pontificum summorum et episcoporum quicumque oraverint quinque pater noster et totidem ave Maria ante arma dominice passionis obtinebit adminus vigintimilia annorum indulgentiarum ut rome manifeste habent. 569 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 127r: Das alle, die in diser loblichen bruderschafft sein und yre meinunge in dem gebethe des rosenkrantz do hin ordenen, das sie in dem selbigen gebethe die v vater unser und v ave Maria tzu sonderer dancksagunge des bittern leidens Christi, solchen aplas sancti Gregorii und anderer beste [sc. Päpste] tzuuordinen bethen wollen. Und bethen also einen rosenkrantze mit gebougten knien in solcher meinunge und andacht vor der figur sancti Gregorii ader vor einer bethscheiben, die itzundt in disen landen sonderlich gemeine, ßo serre sie sunst in der gnade gots sein, solchen aplas sancti Gregorii und anderer beste [sc. Päpste] ungetzweivelt vordinen mogen. Und mogen also vordinen von einem itzlichem rosenkrantz uber allen an-

4.6 Religiöse Praxis

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Die Ablassgewährung für das Aussprechen des Namens Jesu Christi am Ende des Ave Maria-Gebets taucht ebenfalls bereits bei Alanus auf. Ihm zufolge soll schon Johannes XXII. neben einem Ablass von 24 Jahren, 34 Wochen und drei Tagen für das Beten eines ganzen Marienpsalters zusätzlich 60 Tage für ebenjene Namensnennung gewährt haben.570 Auch Michael Francisci führt diese Indulgenz an, nur in leicht variierter Form: Demnach bedachte zuerst Urban IV. († 1264) das Hinzufügen des Namens Jesu mit 30 Tagen. Johannes XXII. hätte den Ablass dann bestätigt und selbst um 30 Tage ergänzt.571 Die christliche Zahlensymbolik, die diesen Ablassquantitäten innewohnt, tritt offen zutage: Während die 24 vor allem auf Sachverhalte aus der Kirchenlehre sowie der Offenbarung hinweist, erinnert die Zahl 34 an das Lebensjahr, in dem Christi starb und die drei natürlich in erster Linie an die Trinität.572 Die Tatsache, dass es sich bei den skizzierten Indulgenzen um legendarische Ablässe handelt, spielte für die Zeitgenossen keine Rolle. In den Quellen sind sie selbstredend verzeichnet. Legen wir einige Einträge nebeneinander, werden wir der Varianten gewahr, die sich im Zuge der Tradierung ergeben haben. Exemplarisch sei das 1508 in Augsburg gedruckte ‚Informationsblatt‘ angeführt, in dem es heißt: Urbanus der vierd gibt xxx tag von den worten Jesus Cristus und xxx von dem wort Maria. Das bestetiget Johannes der xxii und gibt auch xl tag.573 Nunmehr war nicht mehr nur die Nennung des Namens Jesu mit einem Strafnachlass verknüpft, sondern ebenso die des Namens Maria. Der von Papst Johannes XXII. hinzugefügte Ablass stieg auf 40 Tage. In dem Der beschlossen gart des rosenkrantz marie steht: Urbanus babst der viert und Iohannes der xxii, dye tzwen gebend von disen tzwey worten Jhesus Christus ym ave Maria so oft man sye mit andacht spricht xl tag ablas aufgesetzter puß. Das wirt von einem ytlichen rosenkrantz vii iar ablas [...].574

dern ablas uffs wenigste xx tausent iar, so offte und dicke, als sie den gemelter meinnunge und weiße bethen unnd in der gnade gots sein. 570 ALANUS DE RUPE, Apologeticus, unpag. (Kap. 13): Unde in primis dominus papa Iohannes vigesimussecundus concessit orantibus psalterium virginis Marie vigintiquatuor annos indulgentiarum et trigintaquatuor septimanas cum tribus diebus. [...] Insuper idem summus pontifex concessit sexaginta dies indulgentiarum illis, qui posuerunt in fine salutationis angelice Ihesus Christus. Et sic psalterium virginis gloriose habet centiesquinquagesies sexaginta dies indulgentiarum [...]. – PAULUS, Geschichte des Ablasses, Bd. 3, S. 252, schreibt von „24 Jahre[n], 34 Wochen und 22 Tage[n]“. Im Text steht jedoch eindeutig cum tribus diebus. 571 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 147: Nec silentio praetereundum hic puto, quod Urbanus IV quibuscunque nomen Jesu in fine salutationis angelicae addentibus pro qualibet vice XXX dies indulgentiarum concessit, quas Johannes XXII, sucessor eius, confirmans alios XXX dies superaddidit, ut patet in bulla authentica, quae habetur in ecclesia Avionionensi, ubi praefatus Johannes XXII multis annis stetit. 572 Vgl. MEYER/SUNTRUP, Zahlenbedeutungen, Sp. 214–331, 679–684, 692–702. 573 BSB, Einbl. VII,51. 574 Der beschlossen gart, Bl. 9v.

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4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft

Demnach hätten die beiden Päpste gemeinsam 40 Tage für die Worte Jesus Christus in jedem Ave Maria gewährt. Auf die addierten sieben Jahre für einen Rosenkranz lässt sich allerdings auch dann nicht kommen, wenn man von jeweils 40 Tagen ausgeht. Die Bulle Illius qui, die Alexander VI. († 1503) am 13. Juni 1495 ausgestellt haben soll, wird von Paulus wie die vorher Genannte als Fälschung klassifiziert. Allem Anschein nach muss auch sie erst nach der Urkunde Leos X. von 1520 in Umlauf gekommen sein, denn in selbiger wird sie nicht genannt.575 Insofern muss sie an der Stelle nicht eingehender untersucht werden. Schwieriger gestaltet sich wiederum die Einordnung der auf den 4. Mai 1504 datierten Bulle Ineffabilia gloriosae virginis Mariae von Julius II. († 1513). Der Pontifex approbierte dem Wortlaut gemäß alle Privilegien und Ablässe, die der Rosenkranzbruderschaft oder dem Kölner Dominikanerkonvent von seinen Vorgängern gespendet wurden. Einen zusätzlichen, eigenen Strafnachlass sprach er nicht aus.576 Die nach 1504 erschienenen, hier in den Blick genommenen Quellen führen diese Urkunde nicht. Auch bei Nikolaus Paulus finden sich diesbezüglich keine Angaben. Was die päpstlichen Urkunden anbelangt, muss abschließend die oben bereits berührte Bulle Pastoris eterni Leos X. behandelt werden. Deren ausführliche Narratio ist besonders aufschlussreich, da der Papst darin zunächst die Gründungsumstände der Rosenkranzbruderschaft referiert, wie sie ihm von dem Prior und den Brüdern des Kölner Dominikanerkonvents zugetragen worden seien. Er kommt auf die durch den Krieg (gemeint ist also die Belagerung von Neuss) in Gefahr geratene Stadt Köln zu sprechen und auf das Bestreben, mit der Einrichtung dieser Korporation die Interzession der Gottesmutter Maria zu bewirken. Im Anschluss daran erläutert er die zugunsten der Bruderschaft ausgegebenen Ablässe: Auf Bitten Kaiser Friedrichs III. hin, habe Alexander Numai, der Bischof von Forlí, die neu gegründete Vereinigung bestätigt und Ablass gewährt. Die Ausführungen entsprechen dem Inhalt von Numais Urkunde. Es folgen korrekt wiedergegeben die beiden Indulgenzen von Papst Sixtus IV. An vierter Position steht der Plenarablass von Innozenz VIII., der hier eben als am 13. Oktober 1483 gewährt verzeichnet ist. Der fünfte und zuletzt genannte Ablass stammt von Raimund Peraudi, auf den gleich einzugehen sein wird.577 In der nachstehenden Dispositio bestätigt Leo X. nicht nur all diese Indulgenzen, er spendet darüber hinaus auch allen Brüdern und Schwestern der Ro-

575 Vgl. PAULUS, Geschichte des Ablasses, Bd. 3, S. 253. – Siehe die Urkunde in BOP, Bd. 4, Nr. 40 (S. 115 f.). 576 BOP, Bd. 7, Nr. 84 (S. 114). 577 BOP, Bd. 4, Nr. 115 (S. 392).

4.6 Religiöse Praxis

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senkranzbruderschaft, die drei Mal wöchentlich den Rosenkranz beten, einen Nachlass der zeitlichen Sündenstrafen von zehn Jahren und zehn Quadragenen.578 Der Ablass Raimund Peraudis führt zurück zu Marcus von Weida und leitet fernerhin über zu den von Kardinälen und Bischöfen ausgestellten Straferlässen. In seinem am 2. Februar 1503 ausgestellten Ablass sprach Peraudi, der als päpstlicher Ablasskommissar weithin Bekanntheit erlangt hat, allen Mitgliedern der Bruderschaft jeweils 100 Tage zu, wenn sie beispielsweise an den Festtagen der Jungfrau Maria (die hier nicht konkretisiert werden) oder zu einem beliebigen Zeitpunkt den Rosenkranz beteten; oder wenn sie dem Salve Regina beiwohnten, das noch der complete bey den selben prediger brudern vor dem altar der seligen iungfrawen gesungen wirdt.579 Wiewohl die Information darüber fehlt, an welchen Tagen der Salve ReginaGesang stattfindet, kann diese Aussage zweifelsohne als ein Bezug auf Köln gelesen werden.580 In der Urkunde Leos X. dagegen wird für den Ablass Raimund Peraudis lediglich der Erlass von 100 Tagen für jeden Rosenkranz angegeben.581 Alle weiteren Indulgenzen, die Marcus von Weida anführt, seien nachfolgend tabellarisch zusammengefasst, um einen ersten Überblick zu erhalten (siehe Tab. 3). Beigegeben werden kann dieser Auflistung ein 40-tägiger Nachlass der zeitlichen Sündenstrafen, den der Patriarch von Venedig, Maffeo Gherardi († 1492), allen Brüdern und Schwestern der Rosenkranzbruderschaft für jeden einzelnen Rosenkranz zugesprochen haben soll. Darüber hinaus erließ er weitere 40 Tage für diejenigen, die den Rosenkranz vor dem Bild der Jungfrau Maria, das in der Kapelle der

578 BOP, Bd. 4, Nr. 115 (S. 392): [...] Confratribus, et Consororibus ubilibet existentibus [...], qui ter in hebdomada dictum Rosarium devote oraverint, ut praeferetur, pro qualibus vice, alios decem annos, et totidem quadragenas, de iniunctis eis penitentiis misericorditer in Domino relaxamus. 579 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 120r–120v: Und von des almechtigen barmhertzickeit, auch der seligen Petri und Pauli seiner aposteln gewalt getrawende, allen und itzlichen beiderley geschlechte, gegenwertigen und tzukunfftigen mitbrudern und schwestern gesagter bruderschafften in den festen der allerseligsten iungfrawen Marie und die nestvolgenden tage dornach und wenne sust die begengnus der vorstorben gehalten werden unnd auch, so offte und dicke als sie durch sich selbst ader durch einen andern einen rosenkrantz der seligen iungfrawen, der in sich helt funfftzick ave Maria mit funff vater unser, lesen ader lesen lassen ader tzu dem salve regina, das noch der complete bey den selben prediger brudern vor dem altar der seligen iungfrawen gesungen wirdt, kommen ader an den dinstagen tzu ere der heilgen Anne ader alle tage frue und uff den abendt, so man leuthet ader schleht das ave Maria, drey ave Maria gantz aussprechen; vor ein itzlich fest, tag und gebethe vorgemelt hundert tag ablass vorlassen wir barmhertzicklich in dem hern von yren auffgesatzten bussen. 580 In seinem Ablasskapitel kommt Marcus von Weida an späterer Stelle noch einmal auf diese Indulgenz Peraudis zurück und schreibt über den Salve Regina-Gesang, diesen würde man in den kirchen der prediger brudere teglich noch der complete vollziehen. MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 122v–123r. Diese Angabe lässt sich allerdings mit keiner der anderen Quellen in Übereinstimmung bringen. Siehe dazu auch Kap. 4.6.1. 581 BOP, Bd. 4, Nr. 115 (S. 392).

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4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft

Tab. 3: Weitere Ablässe der Rosenkranzbruderschaft (C.R.). Aussteller

Ablass und Bedingung

Jahr

Albrecht von Brandenburg – († ) Kurfürst und Erzbischof – von Mainz

jeweils 100 Tage für jedes Vaterunser sowie für jedes Ave Maria eines Rosenkranzes jeweils 40 Tage für jedes Vaterunser sowie für jedes Ave Maria eines Rosenkranzes

Albrecht von Brandenburg – Kurfürst und Erzbischof von Mainz –

jeweils 100 Tage zu den Marienfesten (ohne o. A. Konkretisierung) jeweils 40 Tage zu den Marienfesten (ohne Konkretisierung)



Hieronymus (Schultz; † ) Bischof von Brandenburg und Havelberg



jeweils 40 Tage an allen Marienfesten

o. A.

Heinrich Bischof von Akkon



jeweils 40 Tage an allen Marienfesten

o. A.

Philipp von Henneberg († ) Fürstbischof von Bamberg; Thilo von Trotha († ) Bischof von Merseburg



jeweils 40 Tage für jeden gebeteten Rosenkranz

o. A.

Adolf II. von AnhaltKöthen († ) Bischof von Merseburg



jeweils 40 Tage für jeden gebeteten Rosenkranz

o. A.

Johannes VI. von Salhausen Bischof von Meißen; Johann III. von Schönberg († ) Bischof von Naumburg; Hieronymus (Schultz) Bischof von Brandenburg und Havelberg



jeweils 40 Tage für jeden gebeteten Rosenkranz

o. A.

4.6 Religiöse Praxis

227

Tab. 3 (fortgesetzt) Aussteller

Ablass und Bedingung

Jahr

Hermann von Hessen Erzbischof und Kurfürst von Köln; Ernst II. von Sachsen († ) Erzbischof von Magdeburg; Johann V. von Weißenbach († ) Bischof von Meißen; Giovanni Arcimboldi († ) Erzbischof von Mailand



jeweils 40 Tage für jeden gebeteten Rosenkranz

o. A.

Matthias Bischof von Gaden; Paulus Bischof von Askalon; Bartholomäus Bischof von Callene



jeweils 40 Tage für jeden gebeteten Rosenkranz

o. A.

Heinrich Bischof von Akkon



jeweils 40 Tage für jedes einzelne Vaterunser sowie für jedes einzelne Ave Maria eines Rosenkranzes

o. A.

Bruderschaft in der Kirche San Domenico in Castello zu finden ist, beten.582 Dieser zuerst in den Statuten der venezianischen Niederlassung belegte Ablass ist in mehrfacher Hinsicht von Interesse: Erstens unterstützt er die Annahme, dass die Rosenkranzbruderschaft deutlich früher in der Serenissima bestanden haben muss als 1504. Zweitens irritiert besonders die Zuordnung in der Sakraltopographie, ist doch von der Kapelle der Bruderschaft in der Kirche San Domenico in dem Sestiere Cas582 BnF, D-80070, unpag.: Item el reverendissimo patriarcha de Venetia miser Maffio Girardo ha concesso a caduno de questa fraternitate che dira el predicto psalterio per ogni cinquatena xxxx zorni [sc. giorni] de indulgentia. Item a concesso a caduno che dira la predicta oratione davanti la imagine de la gloriosa vergene la quale e posta in la capella de la dicta fraternitate in la chiesia [sic] di san Dominico de venetia xxxx zorni [sc. giorni] de indulgentia. In den Statuten aus Florenz ist dieser Ablass in verkürzter Form wiedergegeben: Item il reverendissimo patriarca di Vinegia Messer Maffio Girardo ha concesso a ciascheduno di questa confraternita che dirà il predetto psalterio, per ogni cinquantina, quaranta giorni d’indulgenzia. ORLANDI, Libro del Rosario, S. 220. Es fehlen also die 40 Tage, die den venezianischen Statuten zufolge für das Beten eines Rosenkranzes vor dem Bild der Jungfrau Maria in der Kapelle der Bruderschaft in San Domenico in Castello gewährt worden sein sollen. Erklären ließe sich das Fehlen dieser zweiten Ablassmöglichkeit, weil sie in Florenz selbst schlicht nicht zu erlangen war. Ohnehin ist zu bemerken, dass die Mitglieder somit doch wiederum einen konkreten Ort aufzusuchen hätten.

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4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft

tello die Rede. Gemeinhin wird die Rosenkranzbruderschaft in der Forschung aber der in dem Sestiere San Marco gelegenen Kirche San Bartolomeo nahe des Fondaco dei Tedesci zugeordnet, denn das von Albrecht Dürer geschaffene Retabel mit dem Rosenkranzfest wurde von der hiesigen Bruderschaft für deren Altar in San Bartolomeo in Auftrag gegeben.583 Mithin ließe sich auch fragen, ob es womöglich zwei Niederlassungen der Rosenkranzbruderschaft gegeben hat; oder ob es sich sogar um eine der Situation in Altenburg vergleichbare Konstellation handelt (s. Kap. 4.5.4). Einige der von Marcus von Weida ins Feld geführten bischöflichen Ablässe enthalten einen regionalen Bezug. Über den durch Albrecht von Brandenburg gewährten Strafnachlass zu den Marienfesten heißt es beispielsweise, er gelte für die Provinz sowie das Erzbistum Mainz.584 Der transregionalen Konzeption wie Intention scheint dies auf den ersten Blick zuwider zu laufen. Bei genauerer Betrachtung offenbart sich allerdings, dass der Regionen übergreifende Charakter und die Perspektive, eine vereinte Gemeinschaft zu sein, nicht minder vorhanden waren. Wie bei dem von dem Bischof von Brandenburg, Hieronymus, ausgestellten Ablass ist häufig zu lesen, der Erlass von 40 Tagen gelte durch das stifft tzu brandenburgk und sunst so weit die gantze cristenheit ist, wu es von den bischoven eins itzlichen orts bewilliget und angenommen wirt. Die passende Gegenperspektive spiegelt unter anderem der von Bischof Adolf II. von Anhalt-Köthen gespendete Ablass, bei dem laut Marcus zu lesen sein soll, der Merseburger habe ebenfalls alle anderen, von Bischöfen und Erzbischöfen gespendeten Ablässe für seine Diözese bekräftigt.585 An dem Punkt könnte nun sprichwörtlich das große Zusammenrechnen einsetzen, wie es den Zeitgenossen mit ihrem Drang nach „gezählter Frömmigkeit“ attestiert worden ist, um zu einer Aussage darüber zu kommen, wie hoch tatsächlich das zu erwerbende Ablassquantum gewesen ist. Marcus von Weida summiert selbst ein paar Mal die vorher genannten Ablasszahlen. Anknüpfend an den von Heinrich, dem Bischof von Akkon, ausgestellten Ablass von 40 Tagen für jedes Vaterunser und für jedes Ave Maria notiert er: Macht von itzlichem rosenkrantz sonderlich tzweytausent unnd cc tage.586 Doch fällt auf, dass er keineswegs bestrebt ist, am Schluss seiner Ausführungen eine Gesamtzahl anzugeben. Eine solche soll und braucht in Anbetracht der Erkenntnisse von Nine Miedema auch im Rahmen der vorliegenden Ausführungen nicht zu folgen: In ihrem 2017 publizierten Aufsatz mit dem Titel 583 Vgl. CALABI, Gli stranieri, S. 925, und ISRAEL, Fremde, S. 124; zum Fondaco dei Tedesci siehe ISRAEL, Fondaco. – Online verfügbar: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Fond aco_dei_Tedeschi [zuletzt abgerufen: 23.09.2019]. 584 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 123r. 585 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 123r (das voranstehende Zitat) und 124v: Seine f. g. [sc. Bischof Adolf II.] haben auch gnedicklich tzugelassen und angenommen allen ablas, der tzu dißem gebethe und tzu dißer bruderschafft des rosenkrantz von andern Ertzbischoven und Bischoven gegeben ist und ewicklich gegeben wirdt. Das der selbe in seiner f. g. [sc. Bischof Adolf II.] stifft stadt und krafft haben sal. 586 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 125v.

4.6 Religiöse Praxis

229

„‚Gezählte‘ und ‚zahlende‘ Frömmigkeit“ hat sie ausgeführt, dass die Ablassquantitäten in den Rompilgerführern „allenfalls noch symbolischen Wert“ besaßen. Die Texte würden vor allem vermitteln wollen, dass die Pilger in Rom eine Vielzahl verschiedener Ablässe erlangen konnten.587 Für die Ablässe der Rosenkranzbruderschaft kann der Befund vollends übernommen werden. Angesichts der Fülle sowohl der Indulgenzen selbst als auch der mit einem Nachlass versehenen Elemente, zum Beispiel Ablass für einen Rosenkranz per se, für die Namensnennung Jesu Christi innerhalb des Gebets oder für das einzelne Vaterunser beziehungsweise das einzelne Ave Maria, erscheint eine ‚realistische‘ Heilsarithmetik als enorm erschwert. Noch weniger praktikabel wird es, wenn Ablässe stellvertretend oder zusätzlich für ein anderes Mitglied der Gemeinschaft gesammelt werden sollten. Eine Möglichkeit, die die Rosenkranzbruderschaft ihren Mitgliedern einräumte. Zuletzt kommt Miedema auf den in einer Handschrift vorzufindenden, die Quelle beschließenden Hinweis zu sprechen, der die Unzählbarkeit der aufgenommenen Ablässe betont.588 Die Parallele zur Rosenkranzbruderschaft muss mit Blick auf die einleitend wiedergegebenen Worte Joachim Ratsteins nicht erneut erläutert werden. Wichtig erscheint dagegen, abschließend noch einmal den Aspekt der Bedingungen für den Ablasserwerb herauszuheben, wie ihn die Zeitgenossen kommuniziert haben. Die Teilhabe an den zahlreichen Ablässen sei mit dem regulären Beten der wöchentlich vorgeschriebenen Rosenkränze verbunden. Marcus von Weida konstatiert in diesem Zusammenhang: Wenn eine Person die Rosenkränze nicht betet, verliert sie auch den Ablass. Sobald sie jedoch mit dem Beten der drei Rosenkränze von Neuem beginnt, hat sie wieder Anteil an dem Heilsreservoir.589 Diese nach außen vermittelte Einfachheit im Hinblick auf den Ablasserwerb ist im Kontext der betonten großen Attraktivität der Vereinigung zu verstehen. Darüber hinaus ist an das in Kapitel 4.2 erwähnte Bestreben der Rosenkranzbruderschaft zu denken, eine möglichst hohe Alltagstauglichkeit für ihre Mitglieder zu gewährleisten.

587 MIEDEMA, Gezählte Frömmigkeit, S. 480: „Die Pilgerführer versprachen auf diese Art und Weise demjenigen, der den Weg nach Rom fand, eine Art Heilssicherheit: Ohne selbst den Status eines Ablassmediums zu erreichen, vermitteln sie, dass die in Rom erhältlichen Ablässe insgesamt so hoch waren, dass sie zur Tilgung der gesamten (eigenen und ggf. auch fremden) Sündenstrafen reichen sollten.“ 588 Vgl. MIEDEMA, Gezählte Frömmigkeit, S. 480. 589 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 26r: Die weile man die rosenkrentze nicht bethet, die selbe tzeit vordint man den aplas nicht. Aber von stundt, so der mensche widder anhebt und die iii rosenkrentze widder bethet, so ist er widder in der bruderschaft und wirt widder teilhafftig des gebethes der andern, vordint auch widder den aplas. Und darff auch nicht widder bethen was er vorseumpt hat, darff ym auch kein gewissen do von machen, dann er thut gar keine sunde doran. Er darff sich auch nicht widder von newen einschreiben lasseu [sic] ader umb die bruderschafft widder bitten. Denn wer ein mal ein geschriben und dorumb gebethen, der ist ewig eingeschriben [...].

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4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft

4.7 Zwischenfazit II: Das Heilsangebot einer transregional agierenden Bruderschaft Konträr zu den traditionellen Bruderschaften war die Rosenkranzbruderschaft nicht mehr an einen Ort gebunden, mithin war zugleich ihr Wirkungsfeld nicht mehr regional begrenzt. Vielmehr sind die einzelnen Niederlassungen der sich nach und nach ausbreitenden Vereinigung als Teile eines Ganzen zu verstehen, deren Gemeinsinn transregional ausgerichtet war – zumindest derjenigen Niederlassungen, die der Kölner Konzeption folgten. Somit flossen die Gebete aller Brüder und Schwestern, ganz unabhängig ihres jeweiligen Aufenthaltsortes, in das Heilsreservoir der Korporation ein und generierten selbiges. Die Grundlage hierfür war die dezentrale Organisation der Rosenkranzbruderschaft, die sich besonders auch in der Loslösung der Ausübung der religiösen Praxis von einem lokalen Zentrum wie einer Kirche zeigt. Vor allem aufgrund dieser Konzeption aber auch durch die Offenheit der Vereinigung infolge der fehlenden Beitritts- wie Mitgliedsgebühren gelang es der Rosenkranzbruderschaft, weitaus mehr Menschen anzuziehen, als es die ortsgebundenen Korporationen vermochten. Diese Quantifizierung der Betenden schuf das Fundament dafür, die praxis pietatis auf allein drei Rosenkränze pro Woche eng zu führen – ohne die Generierung des Heilsangebots zu gefährden. Ein entscheidender Faktor für die Ausbreitung der Vereinigung und das damit verbundene Lancieren der Vorzüge dieser Korporation war, dass sich die Rosenkranzbruderschaft gezielt die Möglichkeiten der neuen Medien zunutze machte und mit gedruckten Flugblättern und Schriften regelrecht für sich warb. Im Gegensatz zu den klassischen Bruderschaften konnte die Rosenkranzbruderschaft darüber hinaus deutlich mehr Indulgenzen akquirieren. Besonders hieran war, dass die in einem Großteil der Ablässe enthaltenen Nachlässe der zeitlichen Sündenstrafen nicht an weitere, zusätzliche Gebet geknüpft waren, sondern bereits mit der regulären wöchentlichen Gebetspflicht ‚verdient‘ wurden. Unterfüttert wurde die Jenseitsvorsorge der Rosenkranzbruderschaft durch die vier Mal jährlich zunächst in Köln, dann aber in gleicher Weise in zahlreichen anderen Dominikanerkonventen durchgeführten Anniversarfeiern zugunsten der Brüder und Schwestern sowie durch die Aufnahme der Vereinigung in die Gebetsgemeinschaft des Dominikanerordens. Die anhängende Visualisierung soll das Geschriebene – ausgehend von der links unten abgebildeten ortsübergreifenden Organisation – zusammenfassen (siehe Abb. 21).

5 Synthese: Heilseffizienz aus Dezentralität und Gemeinschaftssinn 5.1 Quantifizierung als Methode: Alter Wein in neuen Schläuchen? Jährlich 212 allgemeine Messen, 124 Vigilien und ebenso viele weitere Messen sowie Tausende von Gebeten seien es, die die lokal agierende Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit in Dresden – wohlgemerkt unter anderem – ihren Mitgliedern für deren wechselseitige Jenseitsvorsorge offerieren könne (siehe dazu bes. Zwischenfazit I, Kap. 3.7).1 Damit war sie kein Einzelfall. Das Begehren der Menschen nach vielfältigen gleichwie vielzähligen Strategien zur Absicherung ihres Seelenheils war gerade in den Jahrzehnten um 1500 in einer solchen Weise intensiviert, dass eine Reduzierung der bruderschaftlichen praxis pietatis auf den ersten Blick zweifelsfrei kontraproduktiv anmutet (siehe dazu auch Kap. 2). Doch genau eine derartige Begrenzung stellte die Rosenkranzbruderschaft den Zeitgenossen in Aussicht. Marcus von Weida etwa betont, dass nymandt uber drey rosenkrentze in eyner wochen tzu bethen vorpflicht sei.2 Selbstverständlich ohne dass bei diesem System die Vorsorge für das Seelenheil Schaden nehmen würde – im Gegenteil: Am ersten ist es yn gros nutzlich, wu sie in den banden des fegfewfs sein in dem, das manchfeldige furbete teglich vor sie geschyt [...] Do durch ane tzweivel vil selen in yrer pein getrostet unnd teglich erlost werden.3 Möglich wurde diese Engführung und Verringerung der praxis pietatis bei mindestens gleichbleibender ‚Sicherheitsgarantie‘ für die Mitglieder aufgrund der dezentralen Organisationsstruktur der Rosenkranzbruderschaft. Deren Funktionsweise wurde im oben stehenden Kapitel 4.4 bereits ausführlich erklärt und braucht daher hier nicht in extenso rekapituliert zu werden. Wichtig ist aber, sich noch einmal kurz den Kern dieses Prinzips zu vergegenwärtigen: Konträr zu den bisherigen Bruderschaften beschränkte sich die Gemeinschaft der Rosenkranzbruderschaft nicht auf die Mitglieder eines Orts. Vielmehr waren die einzelnen lokalen Niederlassungen Teil eines zusammenhängen1 Wiedergegeben sei hier noch einmal das Wesentliche aus der Zusammenfassung der praxis pietatis, die Nikolaus Karis selbst vorgelegt hat (StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047): Primo ex fundatione altaris sancte et individue trinitatis in choro ex fratrum ordinatione erecti, ubi quatuor misse ebdomodatim celebrari consueverint, quasi ducentarum et duodecim missarum. Insuper participes erunt omnium officiorum diebus dominicis et festis [...]. Item multarum vigiliarum et missarum publice et privatim celebrandarum in quatuor anni temporibus per fratres sacerdotes et cantantes participes erunt, utputa summatim centum et vigintiquatuor vigiliarum et ultra et totidem missarum. Multarum vigiliarum et missarum in tumulationibus fratrum et sororum defunctorum [...]. Denique multarum milium orationum et munerabilium bonorum operum privatorum [...]. 2 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 42v. 3 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 114r–114v. https://doi.org/10.1515/9783110749120-005

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5 Synthese: Heilseffizienz aus Dezentralität und Gemeinschaftssinn

den, transregionalen Verbundes. Ergo konnte die Rosenkranzbruderschaft erheblich mehr Heilsgüter akkumulieren, die dann wiederum an die Brüder und Schwestern ausgeschüttet werden konnten, als es die ortsgebundenen Bruderschaften vermochten. Marcus von Weida beschreibt dieses Spezifikum folgendermaßen: Es ist oben gesagt, das in diser bruderschafft untzellich vil tausent menschen hin unnd wider in der heilgen cristenheit uffgenommen und eingeschriben sein aus allen Nation unnd tzungen, under den vil geistliche beiderley geschlechte unnd sust auch vil unschuldige fromme menschen sein. [...] Der selbigen aller furbethe wirdt ein mensche, der in dißer bruderschafft ist unnd die heldt, teglich teilhafftig [...].4

Entscheidend war mithin – auch davon ist in Kapitel 4.4 schon gehandelt worden –, dass zugleich der Gemeinsinn im Hinblick auf die Teilhabe an den Heilsgütern transregional ausgerichtet und eben nicht auf einzelne Niederlassungen beschränkt war. Eindrücklich heißt es diesbezüglich beispielsweise in den venezianischen Statuten: una fraternitade de tutta la christianitade.5 Verschiedentlich werden die Brüder und Schwestern in den Ordnungen außerdem angehalten, die Intention ihrer Gebete auf alle (räumlich verstreuten) Mitglieder hin auszurichten, sodass, wie Michael Francisci schreibt, die Bruderschaft geeint und ungeteilt (una et indivisa) bleibe.6 Die Methode, derer sich die Rosenkranzbruderschaft bediente, kann folglich in Anlehnung an Joachim Wollasch als Konzept der ‚raumüberspannenden‘ Quantifizierung bezeichnet werden. Innerhalb der spätmittelalterlichen Bruderschaftslandschaft muss diese Technik insgesamt gesehen als Novum bezeichnet werden. Um lediglich ein Beispiel zu nennen: Weit verbreitet und in zahlreichen Städten nachzuweisen waren in den Jahrzehnten um 1500 auch die Bruderschaften der heiligen Anna.7 Obschon es sich bei all diesen Gemeinschaften um Korporationen gleichen Typs – wobei hier keine Eigenheiten der Organisation mit eingeschlossen sein sollen – handelte, blieb ihre Jenseitsvorsorge stets regional, nämlich auf die jeweilige Niederlassung hin ausgerichtet. Wollasch hat deshalb in Bezug auf die Verbrüderungspraxis der spätmittelalterlichen Bruderschaften geäußert, dass sie eben „nicht mehr zu grenzüberspringender, raumumspannender Einheit“ tendierte, sondern allein „stationär, an die jeweilige Stadt gebunden“ war.8 Wenngleich die Methode der Quantifizierung für die Jenseitsvorsorge bei den Bruderschaften neu war, ist sie aus der Perspektive der Kirchengeschichte hingegen als ‚bewährtes‘ Verfahren zu charakterisieren, dem eine lange Traditionslinie zugrunde liegt. Vor Augen tritt in diesem Zusammenhang die Memorialpraxis der monastischen Kultur des Mittelalters, treten die exorbitant gefüllten libri vitae, wie sie uns

4 5 6 7 8

MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 111v–112r. BnF, D-80070, unpag. SCHEEBEN, Quodlibet, S. 142. Siehe vor allem bezüglich der Verbreitung DÖRFLER-DIERKEN, Bruderschaften der hl. Anna. WOLLASCH, Lebensform Verbrüderung, S. 326 f.

5.1 Quantifizierung als Methode: Alter Wein in neuen Schläuchen?

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beispielsweise aus den großen Benediktinerabteien in St. Gallen, Pfäfers, Durham, Corvey oder auf der Reichenau, allein letztere mit einem Verbrüderungsbuch, in das über 38.000 Personen eingeschrieben waren, oder aus cluniazensischen Klöstern mit ihren nicht selten ebenfalls die 30.000er Marke überschreitenden Einträgen überliefert sind.9 Die Forschungen zu diesem Bereich sind längst Legion. Erwähnt sei hier nur stellvertretend der 2015 publizierte Sammelband „Libri vitae“, herausgegeben von Dieter Geuenich und Uwe Ludwig.10 Eine Zusammenstellung über die verschiedenen Formen der Verschriftlichung des Totengedenkens und die damit einhergehende Traditionsbildung hat 2014 Rainer Hugener vorgelegt.11 Die große Zahl eingeschriebener Personen resultierte aber nicht allein aus der Registratur eines einzelnen Klosters. Vielmehr handelt es sich um ein Ergebnis, dass aus der Verbrüderung einzelner Konvente entstand. Dabei tauschten zumeist mehrere Klöster ihre jeweiligen Namenslisten aus, um sich somit gegenseitig im Gebet beizustehen und die Memoria dauerhaft zu sichern.12 Wie Dieter Geuenich konstatiert, überspannte bereits im 9. Jahrhundert ein dicht gewebtes Netzwerk solcher Gebetsverbrüderungen das gesamte Karolingerreich (und reichte sogar über selbiges hinaus).13 Exemplarisch seien hier nur zwei besonders einschlägige Beispiele genannt, so unter anderem das Benediktikerkloster Admont, das sich mit 300 anderen Klöstern in Gebetsverbrüderung befand und dessen Radius bis zu dem – heute nordwestlich von Berlin liegenden – Prämonstratenserstift Havelberg reichte, oder die Reichsabtei Fulda, deren Verbrüderungsverbund bis zum späten Mittelalter auf insgesamt 350 Konvente angewachsen war.14 Das zentrale Medium für diese Netzwerke waren die Roteln/Totenroteln. Angesichts dessen ist zunächst festzuhalten, dass die von der Rosenkranzbruderschaft (wieder-)eingeführte Methode der Gebetsmaximierung durch ‚Radiuserweiterung‘ ihre Wurzeln im System der monastischen Gebetsverbrüderung hatte. Diese Parallelen sind schon insofern wenig verwunderlich, als dass – wie ebenfalls Joachim Wollasch dargelegt hat – im Verlauf der Transformation „Europa[s] von einer Klösterlandschaft zu einer Städtelandschaft“ die städtischen Bruderschaften so-

9 Anschaulich hierzu die verdichtete Darstellung von WOLLASCH, Formen und Inhalte, S. 33–55. Zu dem Reichenauer Verbrüderungsbuch siehe GEUENICH, Reichenauer Verbrüderungsbuch, S. 123–146. Darin auf S. 125 f. auch eine Übersicht einiger prominenter – und in dem Sammelband behandelter – Verbrüderungsbücher mitsamt den Summen der eingetragenen Personen. 10 GEUENICH/LUDWIG (Hg.), Libri vitae. Eindrucksvoll und nach wie vor ein Standardwerk SCHMID/ WOLLASCH (Hg.), Memoria. 11 HUGENER, Buchführung. 12 Vgl. exemplarisch GEUENICH, Reichenauer Verbrüderungsbuch, S. 132 f. Siehe allgemein auch den Beitrag von NEISKE, Theologie und Praxis. Illustrativ im Hinblick auf die ‚raumumspannende‘ Verbrüderungspraxis besonders die Karte von ERHART, Die Verbrüderungen der Abteien. 13 GEUENICH, Verbrüderungsverträge, S. 40. 14 Vgl. hier zusammenfassend HIRTNER, Netzwerk der Tugendhaften, S. 29.

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5 Synthese: Heilseffizienz aus Dezentralität und Gemeinschaftssinn

wohl die Formen als auch die Inhalte der im Mönchtum entwickelten Memoria übernahmen.15 Richten wir an dieser Stelle einen kurzen Rückblick auf die Gestaltung der Namensaufzeichnung von Bruderschaftsmitgliedern, kann diese Feststellung bestätigt werden: Die Dresdner Dreifaltigkeitsbruderschaft verzeichnete ihre Namen in einem Cisiojanus, einer spezifischen Form des Nekrologs (siehe dazu Kap. 3.5.3). Andere Vereinigungen führten dagegen einfache Listen, deren Einträge während des kollektiven Bruderschaftsmahls verlesen wurden. Auch die Aufzeichnungsform der Rosenkranzbruderschaft ähnelt stark einem liber memorialis (siehe dazu bes. Abb. 13 und 14). Allerdings ist gerade hier von einer Indienstnahme dieser Bücher für das Gedenken keine explizite Rede. Die Rosenkranzbruderschaft adaptierte demzufolge nicht nur eine im monastischen Bereich grundgelegte Erscheinungsform der Aufzeichnung, sondern mit dem Konzept der ‚raumüberspannenden‘ Verbrüderung allen voran eine signifikante Methode für die Optimierung der Jenseitsvorsorge, über die die lokal agierenden Bruderschaften nicht verfügten. Insofern ist Wollasch gleichzeitig zu widersprechen, wenn er die ‚europäische Weite‘ der Verbrüderung generalisierend allen Bruderschaften abspricht. Denn genau diese ‚europäische Weite‘, das heißt mehr noch die Weite der Christenheit, sollte nach dem Ansinnen der Organisatoren der Wirkungsraum der Rosenkranzbruderschaft sein. Lässt sich aber vor diesem Hintergrund überhaupt von einer Innovation sprechen? Oder scheint nicht die Metapher von ‚altem Wein in neuen Schläuchen‘ naheliegender zu sein? Bei sorgfältiger Prüfung zeigt sich, dass die Rosenkranzbruderschaft das Konzept der Quantifizierung an einer Stelle essentiell erweitert hat – und zwar im Hinblick auf die Generierung der Heilsgüter. Wie oben ausgeführt, konnte die Anzahl der Personen in den klösterlichen Memorialaufzeichnungen bis weit in die Tausende reichen. Dabei ist zu bedenken, dass der Eintrag in einen solchen liber vitae nur in den wenigsten Fällen mit einer Mitgliedschaft in der das Buch führenden Gemeinschaft gleichzusetzen ist. Der Jenseitsvorsorge stand dies freilich nicht im Weg. Zentral für uns ist vielmehr, dass sich die ‚Produzenten‘ der seelenheilswirksamen Güter, die den in dem Gedenkbuch verzeichneten Personen zugutekommen sollten, ausschließlich aus einer verhältnismäßig kleinen Gruppe zusammensetzte: den Mönchen, also den religiösen Virtuosen. Auch innerhalb der Rosenkranzbruderschaft wurde ein (kleiner) Teil der Memoria von dieser Gruppe, sprich von den Dominikanern übernommen. Gemeint sind die vier Mal jährlich stattfindenden allgemeinen Anniversarfeiern (siehe dazu Kap. 4.6.1). Der Großteil der Jenseitsvorsorge speiste sich jedoch aus den Gebeten ausdrücklich aller Brüder und Schwestern der Korporation. In den Statuten der Niederlassung aus Colmar findet sich die eingängige Feststellung: Darzu wirt der mensch ouch teilhafftig alles gebettes des rosenkrantz von allen bruderen und swestern geistlichen und weltlichen

15 WOLLASCH, Formen und Inhalte, S. 42.

5.2 Ökonomie und Jenseitsvorsorge: Zum Begriff Heilseffizienz

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personen also wit die gantz cristenheit ist.16 Folglich ist zu sagen, dass die Rosenkranzbruderschaft auch zentral die Bedeutung des Laiengebets angehoben hat. Gleichzeitig tritt die Rolle der Geistlichen insgesamt gesehen zurück.

5.2 Ökonomie und Jenseitsvorsorge: Zum Begriff Heilseffizienz Die These der vorliegenden Studie ist aber nicht allein, dass es aus der dezentralen Organisation zu einer Quantifizierung des Heilsreservoirs kam. Vielmehr soll vor allem die Heilseffizienz der Rosenkranzbruderschaft in der Jenseitsvorsorge herausgearbeitet werden. In einem ersten Schritt ist in dem Zusammenhang zunächst die Frage zu stellen, inwiefern solche von einem wirtschaftlichen Verständnis konnotierten Überlegungen überhaupt für eine Charakterisierung der Frömmigkeit in den Jahrzehnten um 1500 angewendet werden können, ohne Gefahr zu laufen, eine anachronistische Perspektive einzunehmen. Die dem lateinischen Substantiv efficientia (Wirksamkeit) entlehnte Effizienz als Beschreibungskategorie für die Wirtschaftlichkeit einer Sache respektive eines Prozesses ist offenkundig ein Terminus aus dem ökonomischen Bereich. Anknüpfend daran soll in einem zweiten Schritt der Begriff Heilseffizienz entlang der bis hierhin untersuchten Quellen entwickelt und in den Forschungsdiskurs eingebracht werden. Im Verlauf der Ausführungen über die Spezifika der spätmittelalterlichen Frömmigkeit ist bereits davon geschrieben worden, dass mit dem Drang nach Massenhaftigkeit zugleich das Bestreben einherging, möglichst alles zu zählen, zu messen und zu berechnen. Der materielle Rosenkranz als Zählhilfe für das – wie dargelegt – in sich selbst durch Einheiten, denen wiederum eine christliche Zahlensymbolik zugrunde liegt, strukturierte Rosenkranzgebet oder das Ablasswesen sind nur zwei diesbezügliche Beispiele. Blicken wir an dieser Stelle kurz auf die Hintergründe, konstatiert etwa Berndt Hamm, dass die auf einen Markt hin ausgerichteten kaufmännischen Denkweisen des Waren- und Geldverkehrs seit dem 12. Jahrhundert Einfluss auf die Beziehung zwischen Gott und den Menschen genommen haben. Ersichtlich würde diese Einwirkung unter anderem daran, dass „Gott Züge eines berechnenden, zählenden und wägenden Kaufmanns [...] gewinnt und dass man die Beziehung zu diesem Gott durch Prinzipien des ‚Do ut des‘, eines Tauschhandelns oder Wechsels regelt“.17 Die Motivlage für das Zählen und Berechnen tritt hier offen zutage. Wesentlich beeinflusst wurde diese Logik des Funktionierens der Jenseitsvorsorge von der in Kapitel 2.2 umrissenen Modifikation der Jenseitslehre und -topographie im Zusammenspiel mit dem Ablasswesen und der Lehre vom Kirchenschatz

16 SCHMITT, Confrérie du Rosaire, S. 105. 17 HAMM, Himmel kaufen, S. 304.

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5 Synthese: Heilseffizienz aus Dezentralität und Gemeinschaftssinn

(thesaurus ecclesie), aus dem die Reduzierungen für die zeitlichen Sündenstrafen, für die die Seelen im Fegefeuer noch Buße tun mussten, gewährt wurden. In Anbetracht des sowohl in Kapitel 3.5.5 als auch 4.6.3 Geschriebenen muss jetzt nicht mehr im Einzelnen erklärt werden, dass mit diesem Prinzip des Übertragens eines gewissen Ablassquantums von einem sprichwörtlich übervollen Konto, dem thesaurus ecclesie, auf das Schuldkonto eines reuigen Sünders oder einer Sünderin ebenfalls von theologischer Seite einer merkantil eingefärbten Jenseitsvorsorge die Bahn bereitet war.18 Das Spektrum der Quellen, aus denen sich Hinweise auf diese ökonomische Mentalität herauslesen lassen, ist jedenfalls breit gefächert. Entsprechend ist beispielsweise in der Studie von Mireille Othenin-Girard über „Ländliche Lebensweise [...] im Spätmittelalter“ von „Seelenrettungsökonomie“ die Rede, Hans-Jörg Gilomen untersuchte „Renten und Grundbesitz in der Toten Hand“ unter dem Aspekt „Realwirtschaftliche Probleme der Jenseitsökonomie“, und Rainer Hugener überschrieb seine Arbeit über das Totengedenken und die damit verbundenen Formen der Verschriftlichung mit dem Titel „Buchführung für die Ewigkeit“.19 Abgesehen davon bieten zugleich die im Rahmen dieser Studie ausgewerteten Quellen Belege für durch ein kaufmännisches Vokabular eingefärbte Ausdrucksweisen in Hinsicht auf das Seelenheil: So notiert Nikolaus Karis am Schluss seiner Darlegungen über den dreifachen Ertrag der Dreifaltigkeitsbruderschaft, die Brüder und Schwestern müssten die zeitlichen Güter verstreichen lassen, um nicht die ewigen zu verlieren (sic nos pertransire bona temporalia, ut non amittamus eterna).20 In einem Traktat über die 1476 in Straßburg gegründete Ursulabruderschaft ist sogar direkt von dem kouffmanschacz vnd rychtum in geistlichen güterern die Rede, der benutzt werden solle, um ein nuwes schifflin zu erbauen, zu faren vß dissem ellenden staden durch dz grymme sorgfeltiges mere gluckselich vnnd frolich ynn das vater lande der ewigen [...] seligkeit.21 Metaphorisch transportiert diese Passage das Selbstbild der Ursulabruderschaft, wobei das Schiff die Gemeinschaft der Brüder und Schwestern beschreibt, mit dem das stürmische Meer des Fegefeuers durchfahren werden soll, um in das Himmelreich einzulaufen (siehe dazu Abb. 2). Zusammenfassend ist somit zu sagen, dass die Indienstnahme wirtschaftlich geprägter Begriffe und Überlegungen keineswegs einen Anachronismus darstellt. Ganz im Gegenteil erscheint es vor dem Hintergrund der Quellenterminologie nur konsequent, solche Ausdrücke aufzugreifen.

18 Vgl. hierzu ergänzend HAMM, Himmel kaufen, S. 309–312. 19 OTHENIN-GIRARD, Ländliche Lebensweise; GILOMEN, Renten, und HUGENER, Buchführung. 20 StA DD, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047. 21 Die Zitate folgen der Edition von SCHNYDER, Ursulabruderschaften, S. 239 f. Siehe hierzu auch ANGENENDT u. a., Gezählte Frömmigkeit, S. 50 f., mit einem Abriss über die praxis pietatis dieser Bruderschaft.

5.2 Ökonomie und Jenseitsvorsorge: Zum Begriff Heilseffizienz

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Richten wir das Augenmerk jetzt also auf die Effizienz. Grundsätzlich beschreibt diese Vokabel in einem Arbeits- oder Handlungsprozess das Verhältnis von Aufwand (Input) versus Ergebnis (Output), dient also folglich der Kennzeichnung von Rentabilität. Anders als Effektivität, womit die Relation zwischen angestrebtem und tatsächlich erreichtem Ziel beschrieben wird, drückt Effizienz demgemäß aus, dass der Ertrag größer als der Einsatz ist.22 Angewendet auf die Untersuchung spätmittelalterlicher Frömmigkeit heißt das – in unserem Fall: Im Rahmen der Jenseitsvorsorge innerhalb einer religiösen Bruderschaft (= Arbeitsprozess) ist der Aufwand (= praxis pietatis) kleiner als der Nutzen (= kollektiv generiertes Heilsreservoir für die Brüder und Schwestern). Dass die Konzeption der Rosenkranzbruderschaft beeinflusst war von ökonomischen Erwägungen, zeigt sich schon an folgendem Urteil Sprengers: Darumb aber dz czehen tausent mer betent dann eintausent, so ist auch der nucz mer in einer reichen gesellschafft dann in einer armen.23 Das Zusammenrechnen und calculieren der immens großen Summen an Gebeten, die wöchentlich stattfänden, mit Blick auf die daraus resultierenden ‚riesigen‘ Vorteile der Bruderschaft, findet sich in gleicher Weise bei Michael Francisci oder in dem Druck Der beschlossen gart des rosenkrantz marie.24 Für die effiziente Jenseitsvorsorge der Rosenkranzbruderschaft ist die Quantifizierung der Frömmigkeit durch die dezentrale Organisation der Korporation das entscheidende Fundament. Aus diesem Spezifikum heraus konnte die Gebetspflicht des Einzelnen reduziert werden, ohne die Person gleichwie die gesamte Gemeinschaft dem Risiko auszusetzen, das ohnehin vage Seelenheil zu gefährden. Das obligatorische Gebetspensum von drei Rosenkranzgebeten pro Woche, die, wie Marcus von Weida konstatiert, nicht mehr als 45 Minuten Zeit in Anspruch nehmen sollten (siehe dazu Kap. 4.6.1), führte nicht nur zu der Teilhabe an dem von ‚abertausenden‘ Betern gespeisten Heilsreservoir; gleichzeitig war mit dem Erfüllen der Gebetspflicht ein immenses Ablassquantum verbunden, das jedem Bruder und jeder Schwester zugute kam. Die oben referierte Definition von Effizienz wohnt dieser Ordnung inne. Prononciert stellt Marcus von Weida, als er auf den beträchtlichen Nutzen der Rosenkranzbruderschaft für die Seelen der Mitglieder im Fegefeuer zu sprechen kommt, fest:

22 Vgl. hierzu etwa EICHHORN/MERK, Prinzip Wirtschaftlichkeit, S. 183 f. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Begriffe zwar aus dem ökonomischen Bereich entlehnt sind, ihnen im Rahmen dieser Studie aber dennoch ein ‚lebenspraktisches‘ Verständnis zugrunde liegt. Damit soll angesprochen sein, dass die fachspezifischen Eigenschaften dieser Termini bspw. im wirtschaftlichen Bereich freilich noch einmal deutlich konkreter sind. 23 MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.1 (S. 510). 24 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 147; Der beschlossen gart, Bl. 7r: [...] ytzund woelten mercken und calculieren, funfftzig tausent menschen, dy ytz all wochen lesend einen psalter oder drey rosenkrentz tzu sibentzig hundert malen tausendt und tzu siben malen hundert tausendt sprechend ave Maria und dar zu nach yetlichen tzehen malen Maria ein pater noster on dy sibentzig tausendt malen ave Maria und dar tzu neuntzig hundert malen tausent pater noster.

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5 Synthese: Heilseffizienz aus Dezentralität und Gemeinschaftssinn

[...] dz ye [sc. es] yderman ein hulfflicher trost ist, das er also mit diser wenigen cleinen muhe [sc. Gebetspflicht] ym noch seinem tode, so serre er in der gnade gots vorstorben und in der pein des fegfewers ist, sovil guts und ewige furbethe ane alles gelt vorschaffen und erlangen mag.25

Die kleine Mühe der drei Rosenkranzgebete hatte – in Kombination mit der zusätzlich durch die Dominikaner beigegebenen Frömmigkeit – aus Sicht der Vertreter der Rosenkranzbruderschaft die Überwindung des Fegefeuers zur Folge: Do durch ane tzweivel vil selen in yrer pein getrostet unnd teglich erlost werden.26 Anschaulich wird dieses ökonomische Kalkül, welches sich zwischen den beiden Polen aufzubringender Einsatz (Input) und erwartbarer Ertrag (Output) bewegt, ebenfalls an dem Vers aus dem Gedicht Von Mariae rosenkrantz: Wan du dry krentz mit truwen / sprichst einer sel zu trost / Die im fegfür thut ruwen / wirt so vil e erlost.27 Mithin kann die Jenseitsvorsorge der Rosenkranzbruderschaft mit dem Begriff der Heilseffizienz charakterisiert werden. Die angefertigte und zuvor auf Seite 230 besprochene Visualisierung (siehe Abb. 21) ist also um eine Ebene zu erweitern (siehe Abb. 22). Spiegeln wir das Geschriebene an der Forschung, ist sicher zuerst an Max Weber und seine Ausführungen zu Rationalität sowie Rationalisierung zu denken. Bedarf es demnach überhaupt eines neuen Begriffs wie dem der Heilseffizienz? Nach meinem Dafürhalten: ja. Dazu sei kurz auf Weber eingegangen: Grundsätzlich ist zunächst zu bemerken, dass Weber keine Theorie der – wie Hans-Peter Müller schreibt – „drei R“ vorgelegt hat.28 Uwe Schimank betont diesbezüglich, Max Webers Verständnis von Rationalität, Rationalismus und Rationalisierung sei von „tiefgreifenden Uneindeutigkeiten geprägt“ und verweist auf Rogers Brubaker, der 16 verschiedene Bedeutungen von Rationalität aus Webers Oeuvre herausgearbeitet hat.29 Der Hintergrund hierfür dürfte dem Umstand geschuldet sein, so Schimank weiter, dass Weber in zahlreichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens Rationalismen eruiert hat, deren zweifellos vorhandene Gemeinsamkeiten ihn einerseits zu dem Begriff des okzidentalen Rationalismus führen. Andererseits erkennt und markiert er aber auch die klaren Unterschiede zwischen diesen einzelnen Rationalismen. Wichtig für die hier zu beantwortende Frage sind nun vor allem die vier Arten von Rationalität respektive Rationalisierung, die Weber selbst bestimmt hat (und die eben zugleich die Gemeinsamkeiten der Rationalismen enthalten): Rationales Handeln kann so erstens zweckrational sein, zweitens auf theoretischer oder drittens auf formaler Rationalität sowie viertens auf Wertrationalität basieren.30 Im okzidentalen Rationalismus wirken dabei alle vier Ebenen parallel. 25 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 114v. 26 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 114v. 27 WACKERNAGEL, Das Kirchenlied, Bd. 2, Nr. 1061 (S. 853). 28 Siehe MÜLLER, Rationalität, S. 47. 29 SCHIMANK, Webers Rationalisierungsthese, S. 227. 30 Konzise zusammengefasst sowohl bei SCHIMANK, Webers Rationalisierungsthese, S. 230 f., als auch bei MÜLLER, Rationalität, S. 47–49.

5.2 Ökonomie und Jenseitsvorsorge: Zum Begriff Heilseffizienz

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Die Art und Weise der Jenseitsvorsorge der Rosenkranzbruderschaft ist in erster Linie dem zweckrationalen Handeln einzuordnen. Nach Weber kann diese Handlungsebene aber ebenso auf Effektivität hin ausgerichtet sein; somit auf einen Aspekt, der im Rahmen der vorliegenden Studie keineswegs überprüfbar ist. Die theoretische Rationalität beispielsweise überwindet nicht zuletzt ‚magische Praktiken‘, zu denen etwa die Gebete zuzurechnen wären.31 Insofern ist mit Webers Rationalität oder auch den „drei R“ ein zu vielschichtiges Konstrukt verbunden, welches hier deutlich unpräziser ist als der Begriff der Effizienz allein. Nicht abzusprechen ist freilich, dass sich durchaus Überschneidungen zu einzelnen Elementen aufzeigen lassen. Dass Max Webers Rationalisierungsgedanken aber auch für mittelalterliche Forschungsthemen nutzbar gemacht werden können, hat unter anderem David L. d’Avray gezeigt.32 Die eben angerissenen Rationalismen in zahlreichen Lebensbereichen sind aber in gewisser Weise stichwortgebend, denn die Rosenkranzbruderschaft ist keineswegs der einzige Fall aus der Lebenswelt um 1500, bei dem aus einer Innovation ein effizientes Handeln beziehungsweise Verfahren resultierte. Das zweifellos prominenteste Beispiel dürfte in dem Zusammenhang die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern sein. Diese technische Entwicklung führte dazu, dass in etwa derselben Zeit, in der ein Schreiber regulär ein Exemplar der Bibel kopieren konnte, die Offizin Johannes Gutenbergs (Gensfleisch; † 1468) in der Lage war, 180 Bibeln zu drucken. Gleichzeitig konnten aufgrund der steigenden Auflagen auch die Druckkosten sinken.33 Ein Fortschritt, den sich ebenfalls die Bruderschaften dienstbar machten (siehe etwa den Exkurs in Kap. 4.4 sowie Kap. 4.5.5). Ohne Weiteres ließen sich noch zusätzliche Beispiele anführen, verwiesen sei hier aber nur – zusammenfassend – auf Bernd Roeck, der 2017 vom „Innovationskontinent Europa“ geschrieben hat, und in dessen Darlegungen weitere Aspekte nachzuvollziehen sind.34

31 Vgl. SCHIMANK, Webers Rationalisierungsthese, S. 230. 32 In dem Zusammenhang sind in erster Linie seine beiden Bücher D’AVRAY, Rationalities, und D’AVRAY, Medieval Rationalities, zu nennen. Während sich die erste Publikation noch stärker systematisch dem Thema nähert, gleichwohl bereits ausgewählte Beispiele behandelt, ist der zweite Band – wie der Titel unschwer erkennen lässt – explizit auf das Mittelalter bezogen. Vgl. für einen knappen Querschnitt und eine Kritik beider Veröffentlichungen ZWIERLEIN, Sammelrezension zu D. L. d’Avray. 33 ROECK, Morgen der Welt, S. 583 f. 34 ROECK, Morgen der Welt, u. a. S. 150.

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5 Synthese: Heilseffizienz aus Dezentralität und Gemeinschaftssinn

5.3 Die ‚nützlichste‘ Bruderschaft? – oder: Das entgrenzte Seelenheil Im Rahmen der Einleitung ist das Selbstverständnis der Rosenkranzbruderschaft schon thematisiert worden. Deren Organisatoren respektive Anhänger sahen die Korporation hinsichtlich der Jenseitsvorsorge nicht als eine Möglichkeit unter vielen anderen, sondern als d i e Bewältigungsstrategie. Marcus von Weida beispielsweise konstatierte über die Qualität der Rosenkranzbruderschaft: Und sonderlich ist dise bruderschafft, seiner weise, noch etlichen umbstenden die nutzlichste tzu der selen selickeit [...].35 Ähnlich, lediglich um eine Nuance zurückhaltender, äußerte sich auch Michael Francisci in den Anfangsjahren der Vereinigung. Er schreibt, dass die Rosenkranzbruderschaft in Anbetracht all der stattfindenden praxis pietatis zahlreiche und beinahe alle geistlichen Bruderschaften in der Kirche überragt (excedit multas et pene omnes spirituales fraternitates in ecclesia).36 Nicht zuletzt spiegelt sich der vermeintlich besondere Vorzug der Rosenkranzbruderschaft in den diversen Exempla wider. So wird in einer Erzählung beispielsweise davon berichtet, dass die Leidenszeit einer ‚armen Seele‘ im Fegefeuer aufgrund der Rosenkranzgebete der Bruderschaft von 700 Jahren auf lediglich 15 Tage reduziert werden konnte.37 In den folgenden Absätzen sollen diese Aussagen aufgegriffen werden, um zu prüfen, inwiefern die Korporation möglicherweise doch als die ‚nützlichste‘ Bruderschaft zu charakterisieren ist. Vorweggenommen sei, dass sich die Wirksamkeit selbstredend nicht auf empirischer Grundlage verifizieren lässt. Nehmen wir in einem ersten Schritt die Begründungen der beiden Zeitgenossen in Augenschein. Francisci lässt dem wiedergegebenen Zitat eine Berechnung der wöchentlichen Gebete vorausgehen: Wenn 5.000 Menschen jeweils einen Marienpsalter, also die drei obligatorischen Rosenkränze, beten, würden daraus 700.000 Ave Maria resultieren. Hinzu kämen 90.000 Vaterunser sowie noch einmal 90.000 Ave Maria – und das sei bloß die Kalkulation für 5.000 Mitglieder, nicht für 500.000.38 Dieser Hinweis

35 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 108r. 36 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 147. In der Determinatio abbreviata bemerkt Francisci, es sei unmöglich, dass die Bitten der vielen Mitglieder nicht gehört würden (et impossibile est, preces multorum non exaudiri). MILITZER (Bearb.), Kölner Laienbruderschaften, Bd. 1, Nr. 35.2 (S. 520 f.). 37 Der beschlossen gart, Bl. 10r: Es ist gewesen ein edle iunckfraw, dye beten den psalter Marie. Nach yerem todt solt sy sein ym fegfewer siben hundert iar, da ward sie durch das gebet der bruder und swestern diese loebliche bruderschafft yn funfftzehen tagen erloest. – Auch hier wird noch einmal die bereits in Kap. 4.3.2 erwähnte eschatologische Perspektive des Exemplums ersichtlich. Vgl. dazu SCHÜRER, Art. Exemplum, S. 380. – Zum Bedeutungsgehalt der Zahl 15, die vor allem als ein Zeichen des Aufstiegs, so etwa des Aufstiegs von der Welt zu Gott, vom irdischen hin zum ewigen Leben verstanden werden kann und daher hier nicht grundlos gewählt sein dürfte, siehe MEYER/SUNTRUP, Zahlenbedeutungen, Sp. 654 f. 38 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 147: Nam si bene volumus calculare, quinque milia hominum legentium in hebdomada unum virginis psalterium septingenta milia, septem vicibus centum milia, dicunt salutati-

5.3 Die ‚nützlichste‘ Bruderschaft? – oder: Das entgrenzte Seelenheil

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zielt eindeutig auf die kolportierten exorbitanten Summen der immatrikulierten Brüder und Schwestern ab (siehe dazu Kap. 4.5.1). Die Zahlen selbst haben in erster Linie symbolischen Wert, denn 5.000 gebetete Rosenkränze beinhalten realiter 750.000 Ave Maria und 75.000 Vaterunser. Die zusätzlichen 90.000 Ave Maria sind hingegen zu ignorieren, liegt ihnen doch die Hinzufügung eines weiteren Ave Maria im Anschluss an das die regulären Ave Maria-Gebete in Zehnergruppen strukturierende VaterunserGebet zugrunde, was nicht der nachverfolgten Praxis entspricht (siehe dazu Kap. 4.6.1). In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf die Erkenntnisse von Nine Miedema zur ebenfalls vorrangig symbolischen Bedeutung der Ablassquantitäten in den Pilgerbüchern hingewiesen.39 Francisci erklärt den großen Nutzen hier folglich vor dem Hintergrund der Quantifizierung der Betenden. Marcus von Weida ist diesbezüglich ausführlicher. Er bringt insgesamt fünf Argumente vor, die seine These der ‚nützlichsten‘ Bruderschaft legitimieren sollen. Die ersten drei Punkte sind dabei theologischer Natur. Marcus erläutert, dass – erstens – das Rosenkranzgebet sowohl Gott als auch Maria besonders angenehm sei, – zweitens – die Ehre, die Maria durch dieses Gebet erführe, von Gott angenommen werde, als sei sie ihm selbst geschehen und – drittens – die Menschen als Mitglieder der Bruderschaft das Gesetz Gottes erfüllten.40 Auf diese Belege soll hier nicht näher eingegangen werden. Von Interesse sind vielmehr die beiden letzten Punkte. Das vierte Argument gliedert sich in drei Inhalte: An erster Stelle nennt Marcus auch die Masse der Betenden, die über die gesamte christliche Welt verstreut seien. Daran anschließend führt er die Aufnahme der Rosenkranzbruderschaft in die Gebetsgemeinschaft des Dominikanerordens ins Feld; zuletzt kommt er auf den zwei Mal wirksam werdenden Plenarablass von Papst Innozenz VIII. zu sprechen. Als fünftes Argument dienen ihm schließlich die der Korporation zugesprochenen Ablässe.41 Sowohl Michael Francisci als auch Marcus von Weida begründen mithin die – in ihren Augen – singuläre Qualität der Jenseitsvorsorge durch die Rosenkranzbruderschaft auf dem Fundament der aufgrund der Organisation besonders ertragreichen praxis pietatis. Bei Marcus spielt zudem der Ablass eine zentrale Rolle. Sie waren keineswegs die Einzigen, die diese Perspektiven in den Diskurs der Zeit einbrachten. In den voranstehenden Ausführungen sind bereits weitere Beispiele genannt worden. Rekapitulieren wir in einem zweiten Schritt nun einige zentrale, bisher gewonnene Ergebnisse, um das Geschilderte einzuordnen: Die tatsächliche Größe

onum, et cum post decem Maria unum Pater noster et unum Ave Maria subiungant, praeter illa septingenta milia salutationum adhunc nonaginta milia Pater noster et totidem Ave superaddunt; quod si ita est de quinque milia hominum, quid dicendum erit de quingentis milibus, qui in centuplo illos excedunt. 39 Vgl. MIEDEMA, Gezählte Frömmigkeit, S. 480. 40 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 108v–110r. 41 MARCUS VON WEIDA, Spiegel hochloblicher Bruderschafft, Bl. 111v–113v.

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5 Synthese: Heilseffizienz aus Dezentralität und Gemeinschaftssinn

der Rosenkranzbruderschaft lässt sich in Anbetracht des nicht überkommenen ‚Zentralregisters‘, aber zweifelsohne auch wegen der weiträumigen Ausbreitung nicht ermitteln. Die erhaltenen Verzeichnisse aus Frankfurt am Main mit rund 8.100, aus Freiburg im Breisgau mit rund 2.500 und aus Colmar mit rund 7.000 eingeschriebenen Brüdern und Schwestern haben jedoch in aller Deutlichkeit veranschaulicht, dass die Rosenkranzbruderschaft fraglos über weitaus mehr Mitglieder verfügte als die ‚durchschnittlichen‘ spätmittelalterlichen Bruderschaften – selbst ohne den transregionalen Akzent.42 Insofern ist auch die Anzahl aller Betenden in jedem Fall erheblich größer. Dieser Befund kann analog auf die Ablässe der Rosenkranzbruderschaft übertragen werden. Auf die Summen der Strafnachlässe, die beispielsweise Marcus von Weida nennt, muss nicht im Einzelnen Bezug genommen werden. Sie stehen gleichfalls vornehmlich für die Kommunikation des Faktors Quantität. Stellen wir das Ablassangebot der Rosenkranzbruderschaft exemplarisch dem der Dresdner Dreifaltigkeitsbruderschaft als dem Idealtyp einer lokal agierenden religiösen Bruderschaft gegenüber, wird das signifikante Übergewicht zugunsten der Rosenkranzbruderschaft schlagartig evident: Addieren wir zur Veranschaulichung lediglich die ersten drei Ablässe, einen von Alexander Numai, dem Bischof von Forlí, und zwei von Papst Sixtus IV., stand einem Mitglied der Rosenkranzbruderschaft, das entsprechend den Vorgaben betete, in einem Jahr ein Erlass auf die zeitlichen Sündenstrafen von 819,5 Jahren ergänzt um 801 Quadragenen in Aussicht.43 Gemäß den im Regelbuch der Dreifaltigkeitsbruderschaft aufgelisteten Ablässen konnte ein Laienmitglied der Dresdner Korporation demgegenüber 1.040 Tage (rund 2,8 Jahre) ergänzt um vier Karenen und vier Quadragenen erlangen (siehe Kap. 3.5.5). Eine der der Rosenkranzbruderschaft gewährten Indulgenzen ist in dem Rahmen von besonderer Bedeutung: der Plenarablass von Innozenz VIII. Hierin sagte der Pontifex allen Brüdern und Schwestern der Gemeinschaft die vollkommene Vergebung ihrer Sünden zu, wirksam einmal im Leben sowie ein zweites Mal in der Todesstunde (siehe Kap. 4.6.3). Berndt Hamm hat, was die Entwicklung der Ablässe im Mittelalter anbelangt, dem Ablasswesen eine sukzessive „Entgrenzungsdynamik“ zugeschrieben und gerade mit Blick auf die Plenarablässe beziehungsweise

42 Siehe für die hier genannten Zahlen bes. Kap. 4.5.2 und 4.5.3. 43 Zur Berechnung: 1. Alexander Numai gewährte am 10. März 1476 jeweils 100 Tage zu den fünf Marienfesten Mariä Verkündigung, Heimsuchung, Himmelfahrt, Geburt und Lichtmess sowie 40 Tage u. a. für jeden gebeteten Rosenkranz. Das heißt: 500 Tage + 6.240 Tage (3 Rosenkränze/Woche × 52 Wochen im Jahr – hier jeweils gerechnet mit 52 Wochen) = 6.740 Tage = rund 18,5 Jahre. 2. Sixtus IV. gewährte am 30. Mai 1478 jeweils sieben Jahre und sieben Quadragenen zu den drei Marienfesten Mariä Geburt, Verkündigung und Himmelfahrt. Das heißt: 21 Jahre und 21 Quadragenen. 3. Sixtus IV. gewährt am 12. Mai 1479 erneut für jeden gebeteten Rosenkranz fünf Jahre und fünf Quadragenen. Das heißt: 780 Jahre 780 Quadragenen (3 Rosenkränze/Woche × 52 Wochen – die Option, dass jeder natürlich für jeden zusätzlich gebeteten Rosenkranz weiteren Ablass erhält, wie auch bei dem Ablass von Numai, sei hier ausgeblendet). Summa summarum: 819,5 Jahre und 801 Quadragenen Ablass pro Jahr. Siehe für die Ablassurkunden im Detail Kap. 4.6.3.

5.4 Die Rosenkranzbruderschaft – Impulsgeber oder Sonderfall?

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deren Folgen eine „[t]endenzielle Entleerung des Fegefeuers“ attestiert.44 Allein der immense, regulär mit dem Rosenkranzgebet verbundene Ablass dürfte diese tendenzielle Entleerung unterstreichen. Die Konsequenz aus der Befreiung der Mitglieder von all ihren Sünden(-strafen) im Moment des Todes durch den vollkommenen Ablass kann dann folglich nur sein, dass die Läuterung im purgatorium für sie schlicht nicht mehr notwendig war. Eindrucksstark heißt es über die Wirkung des Plenarablasses in dem Augsburger ‚Informationsblatt‘: [...] also das du erlediget magst werden ain mal im leben, ain mal so du an tod noeten leist von allen dein sunden und von aller pein darumb, das du so lauter und rain wirst, als ob du erst auß dem tauff kemest und so du also stürbest, so ferst du en [sc. ohne] alle hindernuß oder verziehung in das ewig leben. O ewiger got was grosser genad das ist.45

In Kapitel 2.2 ist das Seelenheil angesichts des ungewissen Urteils im Partikulargericht als für die Zeitgenossen vage beschrieben worden; und die Lebenswelt der Gläubigen als geprägt von einer nicht stillstellbaren Bewährungsdynamik in Bezug auf die Jenseitsvorsorge. Hiermit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass die Gläubigen einerseits zu keinem Zeitpunkt sicher sein konnten, genug für ihre Jenseitsvorsorge getan zu haben, andererseits aber gleichzeitig eben doch immer bestrebt sein mussten, ausreichend für das Seelenheil vorgesorgt zu haben. Diese – wie Ulrich Oevermann schreibt – widersprüchliche Einheit46 konnte als Triebfeder für die spätmittelalterliche praxis pietatis plausibilisiert werden. Bei genauer Betrachtung offerierte die Rosenkranzbruderschaft ihren Brüdern und Schwestern die Lösung dieses Bewährungsproblems, denn all diejenigen, die wöchentlich die drei Rosenkränze gebetet haben, hätten Anteil an dem riesigen Heilsreservoir, wozu eben auch der Plenarablass gehörte. Das heißt, so ungewiss auch die Todesstunde blieb, die Mitglieder hätten davon ausgehen können, zu jedem Zeitpunkt das Fegefeuer überwunden zu haben. Der Plenarablass wurde zwar der ganzen Bruderschaft zugesprochen, sein Einsatz war aber individuell abhängig.

5.4 Die Rosenkranzbruderschaft – Impulsgeber oder Sonderfall? Am Schluss der vorliegenden Studie gilt es im Sinne eines knappen Ausblickes zu eruieren, inwieweit die Rosenkranzbruderschaft respektive deren Konzeption Einfluss genommen haben auf andere Korporationen in den Jahrzehnten um 1500. Oder handelt es sich doch um einen Einzelfall? Klaus Militzer schreibt in der Einleitung seiner Quellenedition zu den Kölner Laienbruderschaften, dass die Rosenkranzbruderschaft nicht

44 HAMM, Ablass und Reformation, S. 234 (erstes Zitat) und 80 (zweites Zitat). 45 BSB, Einbl. VII,51. 46 Vgl. OEVERMANN, Bewährungsdynamik, S. 317.

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5 Synthese: Heilseffizienz aus Dezentralität und Gemeinschaftssinn

gänzlich ohne Nachfolger geblieben sei.47 Eines der Beispiele, auf das er im Anschluss daran abhebt, ist die wohl 1476 in Straßburg von den Kartäusern, präziser gefasst von dem Ordensbruder Johannes Neuweiler gegründete Ursulabruderschaft, auch sant Ursula Schiflein genannt.48 Im Jahr 1496 wurde diese Bruderschaft von den Straßburger Dominikanerinnen erneuert. Als zentrale Charakteristika benennt Militzer die Offenheit für jedermann, die fehlenden Eintrittsgebühren sowie die nicht vorhandene strenge Organisation innerhalb der Vereinigung.49 Freilich erinnern diese Aspekte unmittelbar an die obigen Darlegungen zur Rosenkranzbruderschaft. Der Grund, dass er überhaupt auf diese Vereinigung zu sprechen kommt, ist die Existenz einer Ursulabruderschaft in Köln, wobei die Neuausrichtung der Straßburger Bruderschaft auf die Kölner eingewirkt haben soll.50 Thematisiert hat die Parallelen zwischen der Ursulabruderschaft und der Rosenkranzbruderschaft bereits André Schnyder 1986 in knappen Worten. Besonders frappierend ist die Übereinstimmung – gleichwohl die signifikanteste Differenz zu den klassischen Bruderschaften – zweifelsohne in dem Spezifikum der Ortsungebundenheit, die Schnyder ebenfalls der Ursulabruderschaft attestiert.51 Anschaulich heißt es diesbezüglich zum Beispiel in dem von dem Dominikaner Johannes von Lindau um 1500 verfassten Text Von sand Vrsulen schifflein vnd der xj tausent junckfrauen pruderschafft: Jn solher heiligen gotlichen mainung haben wir angefangen hie zu Tullen dise lobliche pruderschaft auch in aller mainung, weiß vnd maß, als zu Straspurg gehalten wirt vnd begangen, das wir all veraint werden vnd veraint sind mit einander in allem guten vnd gemainschaft mit got, mit sand Vrsula geselschaft vnd mit allen englen vnd heiligen, so weit dise pruderschaft raicht vnd verkunt wirt in der ganczen kristenhait [...].52

Ausgehend von Straßburg kam es also auch in Tulln (heute: Tulln an der Donau) zur Gründung einer solchen Ursulabruderschaft. Der in dem Auszug formulierte Anspruch was den Wirkungsgrad anbelangt, kann ohne Weiteres in gleicher Weise wie bei der Rosenkranzbruderschaft als transregional bezeichnet werden. Indes

47 Siehe MILITZER, Laienbruderschaften in Köln, S. CXXII. 48 So heißt es bspw. in dem 1513 bei Ulrich Pinder gedruckten Text Die Bruderschafft sancte Ursule: Von sant Ursula schiflein. Das ist die innige und geystliche bruderschafft genant sant Ursulen schiflein mit irer heyligen geselschafft der aylff tausent iunckfrawen. OÖLB, I-73248, Bl. aiir. 49 Vgl. MILITZER, Laienbruderschaften in Köln, S. CXXII, sowie SCHNYDER, Ursulabruderschaften, S. 49. – Während MILITZER, Laienbruderschaften in Köln, S. CXXII, allgemein von den Dominikanerinnen in Straßburg schreibt, konkretisiert SCHNYDER, Ursulabruderschaften, S. 49, die Bruderschaft sei von den Dominikanerinnen von St. Matthäus und St. Nikolaus erneuert worden. Gemeint ist damit der Straßburger Dominikanerinnenkonvent von St. Nikolaus in undis. 50 Vgl. MILITZER, Laienbruderschaften in Köln, S. CXXII, und MILITZER, Ursulabruderschaften in Köln, hier bes. S. 43–45. 51 Siehe SCHNYDER, Ursulabruderschaften, S. 427. 52 Das Zitat folgt der Edition von SCHNYDER, Ursulabruderschaften, S. 263.

5.4 Die Rosenkranzbruderschaft – Impulsgeber oder Sonderfall?

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wies schon Schnyder darauf hin, dass die Tullner Korporation faktisch aber nur in geringem Maße etwa Laien in ihren Reihen zählte.53 Für dezidierte Aussagen über die tatsächliche Vergleichbarkeit zwischen dieser Bruderschaft und der Rosenkranzbruderschaft müssten somit erst noch tiefergehende Untersuchungen angestellt werden. Erwähnenswert ist der Traktat des Johannes von Lindau aber nicht zuletzt im Hinblick auf die Schilderung der Umstände, die im Jahr 1476 zur Gründung der Straßburger Bruderschaft geführt haben sollen: Es sei nämlich Karl der Kühne gewesen, der gedroht hatte, die Stadt zu belagern. Aus großer Furcht vor diesem Kriegszug habe man daraufhin eine ganze Reihe der außerhalb der Stadtmauern gelegenen Klöster abgetragen, so etwa die drei Konvente der Dominikanerinnen St. Johannes Baptist, St. Markus (St. Marx) und St. Agnes.54 Auch die hiesigen Kartäuser befürchteten, dass ihrem Kloster dieses Schicksal bevorstehen würde. Daher beteten sie nicht nur inständig zu ihren Patronen, zu denen allen voran die heilige Ursula zählte, sondern malten zugleich ihren Kreuzgang mit Szenen aus dem ganzen Leben der heiligen Ursula sowie ihren 11.000 Gefährtinnen aus; selbst in die Glasfenster brannten sie die Bilder, auf das sie dadurch bewahrt würden vor dem grausamen wueterich herczog Karolo. Aus göttlicher Fügung sei es entsprechend gekommen, da der Herzog an anderer Stelle mit peystand des herczogen von Lutringen vnd der Sweiczer erschlagen worden sei. Gemeint ist hiermit die Schlacht von Nancy am 5. Januar 1477, in der Karl der Kühne einem „eidgenössisch-elsässisch-lothringischen Heer“ unterlag und sein Leben ließ.55 Aus Dankbarkeit für diese Wendung respektive Interzession hätten die Kartäuser eine Bruderschaft der heiligen Ursula und ihrer 11.000 Gefährtinnen gegründet.56 Die Analogie zum Gründungsnarrativ der Rosenkranzbruderschaft ist offenkundig. Basierend auf einem historischen Kern konstruierte der Dominikaner Johannes von Lindau für die zunächst von den Kartäusern initiierte Einrichtung der Ursulabruderschaft ebenfalls retrospektiv das Motiv ‚Frömmigkeit als Schlachtenhilfe‘ (siehe Kap. 4.1). Mithin ist als ein erster Befund festzustellen: Die Dominikaner scheinen die Konzeption der Rosenkranzbruderschaft mit den zentralen Markern der Beitrittsund Beitragsfreiheit sowie der dezentralen Organisation auch in einem weiteren Bruderschaftstyp (bezogen auf Patrozinium und praxis pietatis) implementiert zu haben. Einhergehend mit dieser Feststellung ergeben sich allerdings mehrere zentrale Fragen: Welche Ausbreitung der Ursulabruderschaft kann nachvollzogen oder

53 Vgl. SCHNYDER, Ursulabruderschaften, S. 49 f. 54 Vgl. dazu auch ISRAEL, Geiler von Kaysersberg, S. 69 mit Anm. 12. 55 Vgl. BOOCKMANN/DORMEIER, Kirchen- und Reichsreform, S. 119 (das Zitat ebd.). Siehe ergänzend ISRAEL, Geiler von Kaysersberg, S. 69 f. 56 Die Schilderung basiert auf der Edition von SCHNYDER, Ursulabruderschaften, S. 259 f. Die beiden Zitate ebd., S. 260.

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5 Synthese: Heilseffizienz aus Dezentralität und Gemeinschaftssinn

angenommen werden? Lassen sich in Bezug auf die Erneuerung der Straßburger Bruderschaft personelle Verbindungslinien zu den Kölner Organisatoren der Rosenkranzbruderschaft aufspüren? Als Gegenfrage zu dem von Militzer Geäußerten könnte hinterfragt werden, ob womöglich nicht die Straßburger Bruderschaft auf die Kölner, sondern die Kölner Ursulabruderschaft auf die in Straßburg eingewirkt hat. Die zeitlichen Rahmendaten würden diese Perspektive jedenfalls nicht ausschließen.57 Schließlich ist doch die Frage nach der Motivation für diese Bruderschaftsübernahme durch die Dominikaner zu stellen. Resultierte hieraus nicht eine Konkurrenzsituation im ‚eigenen Haus‘? Nach einer Durchsicht der bisher vorliegenden Quellen ist auszusagen, dass sich der Anspruch von der vergleichsweise ‚nützlichsten‘ Bruderschaft für die Jenseitsvorsorge bei der Ursulabruderschaft nicht aufspüren lässt. Das Verständnis, eine für die Brüder und Schwestern besonders hilfreiche Vereinigung im Hinblick auf deren Seelenheil zu sein, ist jedoch freilich gegeben (siehe Abb. 2).58 Fernerhin mutet die religiöse Praxis weitaus umfangreicher an als im Fall der Rosenkranzbruderschaft.59 In dieser Hinsicht wäre eine deutliche Differenz zwischen beiden Korporationen zu benennen. Denn als eines der signifikanten Charakteristika der Rosenkranzbruderschaft wurde mit der vorliegenden Arbeit die Heilseffizienz in der Jenseitsvorsorge herausgearbeitet. Insofern sind die voranstehenden Absätze vor allem als Impulse für eine weitergehende Untersuchung zu verstehen. Wichtig ist an dieser Stelle festzuhalten, dass einige valide Anhaltspunkte dafür dokumentiert werden konnten, dass das Konzept Rosenkranzbruderschaft nicht ohne Nachwirkungen geblieben ist.

57 Vgl. dazu MILITZER, Laienbruderschaften in Köln, S. CXXII. 58 Ergänzend zu dem bereits aussagekräftigen Holzschnitt sei hier die folgende Aussage aus dem Text Die Bruderschafft sancte Ursule wiedergegeben: Zum zwelfften, so wirdt den armen glaubigen selen, besunder die sich in irem leben oder ire freundt nach irem leben in dise bruderschafft vereyniget haben, durch solich groß gebet und messen und ander gutthet diser bruderschafft schiere und furderlichen geholffen auß grosser peyn, die sie gar lang zeyt leyden muestent, weren sie nit vereyniget mit diser seligen bruderschafft. OÖLB, I-73248, Bl. aiiir–aiiiv. Siehe ebenfalls das Zitat auf S. 236. 59 Siehe dazu SCHNYDER, Ursulabruderschaften, bes. S. 229–239. Einen Eindruck von der gesteigerten praxis pietatis bietet der Abriss bei ANGENENDT u. a., Gezählte Frömmigkeit, S. 50 f.

6 Zusammenfassung Die Gläubigen des späten Mittelalters sahen sich mit der Herausforderung einer nicht stillstellbaren Bewährungsdynamik im Hinblick auf ihren Tod konfrontiert: Auf der einen Seite mussten sie zu jedem Zeitpunkt ausreichend vorgesorgt haben, um im Angesicht des Partikulargerichts, welches die Dauer verkündete, die einer Seele nach dem Ableben und vor ihrem Einzug in das Himmelreich im Fegefeuer für noch nicht verbüßte Sündenstrafen bevorstand, vorbereitet zu sein. Gleichzeitig konnten die Gläubigen auf der anderen Seite aber niemals sicher sein, wirklich genug getan zu haben, um die Läuterungszeit im purgatorium idealerweise zu umgehen. Insofern galt es, zeitlebens kontinuierlich für das eigene Seelenheil vorzusorgen. Diese Herausforderung bildete den Nährboden, aus dem heraus die Bruderschaften erwuchsen. Grundsätzlich kann die gemeinschaftlich organisierte Jenseitsvorsorge als die Intention einer jeden Bruderschaft angesehen werden. Konkret bedeutete das, dass diese Zusammenschlüsse von Geistlichen und/oder Laien verschiedenste Formen der praxis pietatis ausübten, um auf die Weise sowohl für ihr eigenes als auch das Seelenheil ihrer innerhalb der Korporation zusammengeschlossenen Brüder und Schwestern vorzusorgen. Der Forschung ist dabei zwar bekannt, dass die Bruderschaften an einen Ort gleichwie an ein lokales religiöses Zentrum, gemeinhin an eine Kirche, gebunden waren; dass häufig die zu bestimmten Terminen stattfindenden Bruderschaftstage als zentrale Ereignisse eine wichtige Funktion einnahmen, gerade auch für die Memoria; und dass über das Jahr verteilt unterschiedliche fromme Praktiken im Hinblick auf die Jenseitsvorsorge respektive das Seelenheil durchgeführt wurden. Dennoch fehlen oft Quellen, die einen detaillierten Einblick in die spezifischen Abläufe und die Organisation dieser gemeinschaftlichen Frömmigkeit gewähren. In dem Zusammenhang konnte die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit als ein aussagekräftiges Beispiel vorgestellt werden. Anhand der erhaltenen Schriftstücke ließ sich ein facettenreiches Bild von der Jenseitsvorsorge dieser Korporation zeichnen. Im Wesentlichen konnten fünf Elemente benannt werden, aus denen sich das den Mitgliedern zur Verfügung stehende Heilsreservoir gespeist hat: 1. die Gottesdienste im Verlauf des Kirchenjahres, 2. die Begräbniszeremonien mitsamt den Anniversarfeiern, 3. die im Zuge der Quatembertage vollzogene praxis pietatis, 4. die vier Messen, die jede Woche am Hochaltar in der Kreuzkirche, dem Zentrum der Bruderschaft, für alle Brüder und Schwestern gefeiert wurden, 5. die Ablässe, die zu bestimmten Anlässen gegen eine festgelegte Anzahl von zum Beispiel Gebeten erworben werden konnten. Die hierfür erstellte Visualisierung fasst die Jenseitsvorsorge zusammen (siehe Abb. 7). Die Auswertung der bisher unbearbeiteten, teils ‚ungehobenen‘ Dresdner Quellen hat nicht nur zu einem vielschichtigen Eindruck von der bruderschaftlichen Frömmigkeit geführt. Darüber hinaus konnten einige für die Regionalgeschichte https://doi.org/10.1515/9783110749120-006

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wichtige, neue Akzente herausgearbeitet werden: Genannt seien hier vor allem die Änderung des dem Hochaltar der Kreuzkirche zugeschriebenen Patroziniums und die Identifikation einer Urkunde, die die erste und vermutlich einzige Kenntnis von der Jenseitsvorsorge der Dreifaltigkeitsbruderschaft vermittelt, als diese noch als reine Priesterbruderschaft, als ein sogenannter Kaland, existierte. Das zu Dresden Geschriebene hat dabei exemplarischen Charakter. Die Ausführungen stehen beispielhaft für die Jenseitsvorsorge in klassischen, ortsgebundenen Bruderschaften des Spätmittelalters, weisen also über den konkreten Einzelfall hinaus. Ergo kann die Dreifaltigkeitsbruderschaft als ein Fallbeispiel für den Idealtyp einer lokal agierenden Bruderschaft angesehen werden. Die in die Ausführungen immer wieder integrierten Bezüge zur Forschungsliteratur und dem darin enthaltenen Kenntnisstand über andere Bruderschaften haben diesen Umstand deutlich werden lassen. Deshalb kommt der Übersicht in Abbildung 7 in gleicher Weise ein exemplarischer Charakter zu. Die genauen Formen der praxis pietatis oder deren Termine sind freilich austauschbar. Entscheidend ist in erster Linie die auch andernorts nachzuweisende Vielfalt der Jenseitsvorsorge sowie deren Funktionsweise, das heißt die für alle Brüder und Schwestern an einen Ort gebundene, im Wortsinn kollektive Ausübung der Frömmigkeit zur Reduzierung der Leidenszeit im Fegefeuer. Die offiziell am 8. September 1475 in Köln gegründete Rosenkranzbruderschaft offerierte den Gläubigen hingegen, sie wäre für die Jenseitsvorsorge im Kontrast zu allen anderen Korporationen die ‚nützlichste‘ Bruderschaft. Allerdings führten die weiteren Aussagen in den Quellen unmittelbar zu einer Irritation, ist doch zu lesen: Die Rosenkranzbruderschaft sei die ‚nützlichste‘ Vereinigung, die Brüder und Schwestern müssten aber lediglich drei Mal wöchentlich den Rosenkranz beten – mehr nicht. Ein verhältnismäßig überschaubares Gebetspensum; zumal, wenn Marcus von Weida konstatiert, einen Rosenkranz könne jeder und jede problemlos in 15 Minuten beten, sodass nach maximal 45 Minuten die wöchentliche Gebetspflicht erledigt wäre. Vor dem Hintergrund des von der Forschung stets betonten Bestrebens der Zeitgenossen nach einer Quantifizierung der Frömmigkeit, besonders in den Jahrzehnten um 1500, kann diese Feststellung nur irritieren. Gleichwohl zog sie unweigerlich die Frage nach sich, wie die Korporation ihrem Anspruch gerecht werden wollte. Um diese Frage zu beantworten, ist die Rosenkranzbruderschaft erstmalig auf einer breiten Quellenbasis untersucht worden. Die Analyse der Quellen hat dabei sehr klar gezeigt, dass der Korporation im Vergleich zu den klassischen Bruderschaften ein diametral anderes Organisationskonzept zugrunde lag: Sowohl die Institution Rosenkranzbruderschaft als auch die Ausübung der praxis pietatis durch die Mitglieder war nicht mehr lokal an einen bestimmten Ort wie zum Beispiel die Kreuzkirche oder einen eng umrissenen Raum wie etwa Dresden gebunden, sondern dezentral angelegt. Das heißt: Die einzelnen regionalen Niederlassungen der Rosenkranzbruderschaft, zunächst waren es Köln und Augsburg, sukzessive folgten weitere Städte wie Ulm, Colmar, Frankfurt am Main oder Freiburg im Breisgau, sind

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erstens nicht als abgeschlossene Einheiten, sondern als Teile eines Ganzen anzusehen. Haec fraternitatis una et indivisa maneat, schreibt Michael Francisci – geeint und ungeteilt soll die Rosenkranzbruderschaft bleiben.1 Zweitens sind die Niederlassungen nicht einmal als eine Art von ‚Regionalverbund‘ in dem Sinne zu verstehen, als dass dort für die Brüder und Schwestern einer Region unter anderem regelmäßige Treffen stattfänden. Vielmehr sind sie in erster Linie, so zumindest in der Konzeption, als Anlaufstellen für die Einschreibung, also für die Aufnahme in die Rosenkranzbruderschaft vorgesehen. Wie weitreichend die Dezentralität dabei war, tritt vor allem an dem zitierten ‚Werbezettel‘ vor Augen, der darüber informiert, dass die Einschreibung allein durch die Zusendung des Namens auf einem Zettel erfolgen könne. Ein signifikanter Unterschied zu der Verfahrensweise, wie sie aus zahlreichen anderen Korporationen tradiert ist, bei denen an das persönliche Erscheinen nicht selten die Ableistung eines Eides gebunden war. Insofern kann die Rosenkranzbruderschaft konträr zu den lokal agierenden, klassischen Bruderschaften als transregionaler Akteur bezeichnet werden. Einhergehend mit dem Geschriebenen ist zugleich das Plädoyer verbunden, nicht mehr von einzelnen Rosenkranzbruderschaften, sondern von der Rosenkranzbruderschaft im Singular und Niederlassungen der Rosenkranzbruderschaft zu sprechen. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass sich die Niederlassungen in das Kölner Konzept einordnen lassen. Wie das Fallbeispiel Altenburg deutlich gemacht hat, kann das freilich nicht automatisch angenommen werden. Die Ausführungen über die regionale Ausbreitung und die Mitgliederzahlen haben gezeigt, dass die Rosenkranzbruderschaft in der Tat über erheblich mehr Mitglieder verfügt haben muss als die bisherigen Bruderschaften. Das allem Anschein nach im Kölner Dominikanerkonvent angelegte Generalverzeichnis ist zwar nicht überliefert, dafür konnte aber bereits anhand der drei Matrikeln aus Colmar, Frankfurt am Main und Freiburg im Breisgau eine Mitgliederzahl von – addiert – rund 17.600 Brüdern und Schwestern belegt werden. Schon diese Summe veranschaulicht den immensen Zustrom innerhalb von nur wenigen Jahren. Als Hintergründe für die extensive Verbreitung, sowohl in personeller wie in räumlicher Hinsicht, sind vor allem zwei Aspekte zu benennen: Erstens griff die Rosenkranzbruderschaft gezielt die neue Technik des Druckens auf und machte sich somit die Möglichkeiten der Medienrevolution zu Eigen. Diverse Einblattdrucke, die häufig die Bild- und Textebene kombinierten und dadurch nicht zuletzt den Rezipientenkreis erhöhten, geben hiervon ein beredtes Zeugnis. Vor allem aber präsentierten diese Einblattdrucke die zentralen Themen in komprimierter, verständlicher Form. Sie visualisierten auf den ersten Blick das dem Rosenkranz innewohnende Gnadenpotential und transportierten zugleich die Art und Weise, wie er zu beten war. In dem Zusammenhang dürfte sich auch die Wahl von verkehrstechnisch gut gelegenen Handelsmetropolen wie eben Basel oder Augsburg als Druckorte erklären. Zweitens spielte in

1 SCHEEBEN, Quodlibet, S. 142.

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gleicher Weise die institutionelle Eigengeschichte im Hinblick auf die Gründung der Rosenkranzbruderschaft eine ganz zentrale Rolle. Das Narrativ von der Protektion der jungen Korporation durch Kaiser Friedrich III. sowie dessen Eintritt mitsamt seiner ganzen Familie verschaffte der Bruderschaft ein beachtliches symbolisches Kapital. Wie die in die Studie einbezogenen Holzschnitte belegen, wurde diese Verbindung immer wieder bildhaft werbewirksam kommuniziert. Die große Popularität des Rosenkranzgebets und damit auch der Bruderschaft vermittelt eine Aussage der Brüder Heinrich und Joachim von Pflummern besonders anschaulich. In einem retrospektiven Blick auf das Leben in ihrer Heimatstadt Biberach an der Riß vor der Reformation äußern die beiden: Wer Khain patter Nosster Tragen hat oder bey Ihm gehabt hat, den hat man nit für ein Christenmenschen gehabt.2 Für die Jenseitsvorsorge und die Reduzierung der Gebetspflicht für die Mitglieder ist die dezentrale Organisation und transregionale Ausrichtung die entscheidende Innovation. Die auf diese Weise verhältnismäßig exponentiell gesteigerte Anzahl an Betenden schuf die Grundlage dafür, das Gebetspensum für jeden Bruder und jede Schwester essentiell zu verringern – ohne die Generierung des Heilsangebots zu gefährden. Darüber hinaus spielten auch die Ablässe gleichwie die Ablassgewährung eine wichtige Rolle. Einerseits ist zu konstatieren, dass die Rosenkranzbruderschaft viele und nicht zuletzt besonders ‚lukrative‘ Ablässe gewinnen konnte. Erwähnt seien lediglich die beiden Ablässe von Papst Sixtus IV. sowie der einmal im Leben und ein zweites Mal im Moment des Todes wirksam werdende Plenarablass von Innozenz VIII. Andererseits waren zahlreiche dieser Indulgenzen eben bereits mit der regulären wöchentlichen Gebetspflicht verbunden und mussten somit nicht erst durch weitere religiöse Praktiken erworben werden. Die anhängende Visualisierung fasst das Geschriebene zusammen (siehe Abb. 22). Als Bezeichnung für die Jenseitsvorsorge der Rosenkranzbruderschaft habe ich einen neuen Begriff vorgeschlagen, den der H e i l s e f f i z i e n z. Er ist in Kapitel 5.2 definiert worden und soll zum Ausdruck bringen, dass mit einem für jeden Einzelnen stark begrenzten Gebetspensum von lediglich drei Rosenkränzen pro Woche ein signifikant gesteigertes Heilsreservoir generiert werden konnte. Damit einhergehend ist eine neue Perspektive in den Forschungsdiskurs eingebracht: Bisher wurde der Frömmigkeit am Ausgang des Mittelalters primär ein allumfassender Drang zum Massenhaften attestiert. Der Faktor Quantität war für die Jenseitsvorsorge der Rosenkranzbruderschaft nicht minder zentral. Er griff im Prozess der Heilsgenerierung. Entscheidend war in dem Zusammenhang für die Organisatoren der Korporation aber nicht, dass die Brüder und Schwestern möglichst viel beteten, sondern, dass möglichst viele Brüder und Schwestern beteten. Dieser Grundgedanke der Rosenkranzbruderschaft ermöglichte es, das Massenhafte innerhalb der praxis pietatis für jedes einzelne Mitglied entscheidend

2 SCHILLING (Hg.), Reichsstadt Biberach, S. 176. Vgl. zu Heinrich und Joachim von Pflummern auch BOOCKMANN, Fürsten, Bürger.

6 Zusammenfassung

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zu verringern. Im Verständnis der Zeitgenossen sollte der Nutzen der Vereinigung davon keinerlei Schaden nehmen – im Gegenteil: Durch den Gemeinschaftssinn der Bruderschaft, den Sinn jedes Einzelnen für die Gesamtheit und umgekehrt den Sinn der Gesamtheit für jeden Einzelnen, hatten alle in der Rosenkranzbruderschaft verbundenen Gläubigen Anteil an dem generierten Heilsreservoir – H e i l s e f f i z i e n z aus Gemeinschaftssinn.

Abbildungsverzeichnis Abb. 1

Nutzen der Rosenkranzbruderschaft. Holzschnitt aus: Marcus von Weida, Spiegel hochloblicher Bruderschafft (1515), Bl. 107v. Vorlage: Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, Mon.typ 1515 4° 19 287 Abb. 2 Die Ursulabruderschaft als Schiff. Holzschnitt aus: Die Bruderschafft sancte Ursule (1513), Bl. air. Vorlage: Oberösterreichische Landesbibliothek, I-73248 288 Abb. 3 Übersichtsbild der Stadt Dresden nach einem Holzmodell von 1521, unbekannter Künstler. Vorlage: Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung, Museen der Stadt Dresden, Franz Zadnicek, 1977/k 467. Nummerierungen: Christian Ranacher 289 Abb. 4 Ausschnitt aus dem Cisiojanus der Dreifaltigkeitsbruderschaft (1503). Vorlage: Stadtarchiv Dresden, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047 289 Abb. 5.1 Cisiojanus der Dreifaltigkeitsbruderschaft, die Monate Januar bis Juni (1503), Vorlage: Stadtarchiv Dresden, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047 290 Abb. 5.2 Cisiojanus der Dreifaltigkeitsbruderschaft, die Monate Juli bis Dezember (1503), Vorlage: Stadtarchiv Dresden, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047 291 Abb. 6 Ausschnitt aus dem Ablassverzeichnis der Dreifaltigkeitsbruderschaft (1503). Vorlage: Stadtarchiv Dresden, 1.1 Ratsurkunden, Nr. 1047 292 Abb. 7 Jenseitsvorsorge in der Dreifaltigkeitsbruderschaft. Schaubild © Christian Ranacher 293 Abb. 8 Titelholzschnitt aus den Statuten der Rosenkranzbruderschaft (1476). Vorlage: Universitätsbibliothek Basel, FP VII2 8:5 294 Abb. 9 Gründung der Rosenkranzbruderschaft und Förderung durch Kaiser Friedrich III. Holzschnitt aus: Marcus von Weida, Spiegel hochloblicher Bruderschafft (1515), Bl. 18v. Vorlage: Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, Mon.typ 1515 4° 19 295 Abb. 10 Organisation und transregionale Ausrichtung der Rosenkranzbruderschaft. Schaubild © Christian Ranacher. Die Abbildung in der Mitte stammt aus: Marcus von Weida, Spiegel hochloblicher Bruderschafft (1515), Bl. 28v. Vorlage: Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, Mon.typ 1515 4° 19. Die Stadtansichten in den Bildkacheln sind für Augsburg, Köln, Ulm und Basel der Weltchronik des Hartmann Schedel (Hartmann Schedel, Liber Cronice [1493]) entnommen. Vorlage: Bayerische Staatsbibliothek München, 2 Inc.c.a. 2919, Bl. 90v, 91v, 190v und 243v, urn:nbn:de:bvb:12-bsb00034024-1. Die Stadtansicht von Freiburg im Breisgau stammt aus: Gregor Reisch, Margarita Philosophica, Liber IX, unpag. Vorlage: Universitätsbibliothek Freiburg i. Br. / Historische Sammlungen, Rara A 7315,m 296 Abb. 11 Aufdruck des Typars von Johannes Molitoris. Vorlage: Bibliothek des Herzoglichen Georgianums, Inkunabelsammlung 55 (vormals 2 Patr.lat. 60). Foto © Claudius Stein 297 Abb. 12 Bruderschaftsbrief der Augsburger Karmeliter, unausgefüllter Vordruck (1494). Vorlage: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Inc 317.5 Einbl 297 Abb. 13 Register der Rosenkranzbruderschaft in Freiburg im Breisgau, Auszug: Bl. 39r. Vorlage: Universitätsbibliothek Freiburg i. Br. / Historische Sammlungen, Hs. 10 „Lateinisch-deutsches Anniversarbuch [1482–1509]“ 298

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Abb. 14

Abb. 15 Abb. 16 Abb. 17

Abb. 18 Abb. 19

Abb. 20 Abb. 21 Abb. 22

Abbildungsverzeichnis

Register der Rosenkranzbruderschaft in Freiburg im Breisgau, Auszug: Bl. 41v. Vorlage: Universitätsbibliothek Freiburg i. Br. / Historische Sammlungen, Hs. 10 „Lateinisch-deutsches Anniversarbuch [1482–1509]“ 299 Flugblatt Joachim Ratsteins (wohl 1517), Holzschnitt auf der Rückseite. Vorlage: Universitätsbibliothek Rostock, Fa-1119(68).49. 300 ‚Anleitung‘ zum Rosenkranzgebet, Einblattholzschnitt (1485). Vorlage: National Gallery of Art Washington, 1943.3.564. 301 ‚Informationsblatt‘ zur Rosenkranzbruderschaft, Einblattholzschnitt (1508). Vorlage: Bayerische Staatsbibliothek München, Einbl. VII,51, urn:nbn:de:bvb:12bsb00098846-3 302 Der ‚himmlische‘ Rosenkranz, Einblattholzschnitt (1515/1520). Vorlage: Germanisches Nationalmuseum, H577. Foto © Georg Janßen 303 ‚Werbezettel‘ über die Einschreibung in die Rosenkranzbruderschaft, Einblattdruck (1483). Vorlage: Bayerische Staatsbibliothek München, Inc.c.a. 316#Beibd.1, urn:nbn:de:bvb:12-bsb00070433-1 304 Einblattholzschnitt Rosenkränze (um 1510). Vorlage: Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Kb 21, Abb. 1 305 Jenseitsvorsorge in der Rosenkranzbruderschaft. Schaubild © Christian Ranacher 306 Heilseffizienz in der Jenseitsvorsorge der Rosenkranzbruderschaft. Schaubild © Christian Ranacher 307

Tabellenverzeichnis Tab. 1 Liturgisches Jahr der Dreifaltigkeitsbruderschaft für 1503 (C.R.) 70 Tab. 2 Mitgliederzahlen der Frankfurter Rosenkranzbruderschaft (nach Kliem) Tab. 3 Weitere Ablässe der Rosenkranzbruderschaft (C.R.) 226

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Abkürzungen und Siglen Abb. Abt. AC ACG AdD AEA AFP Anm. ANOP AOP ARG Art. ASSOP AV BAV BBKL Bd./Bde. BDLG BHG BJV Bl. BLB BnF BOP BSB BZGA CanReg CDS DA Ders. DF DG Dies. EDDK EJGK FBG FDA fol GiK GJ GNM GöttJ GSLM GW H. HAB

Abbildung Abteilung Analecta Cisterciensia Acta Capitulorum Generalium Ordinis Praedicatorum Archiv der deutschen Dominikaner Archives de l’Eglise d’Alsace Archivum Fratrum Praedicatorum Anmerkung Annalium Ordinis Praedicatorum Analecta sacri Ordinis Fratrum Praedicatorum Archiv für Reformationsgeschichte Artikel Acta Sanctae Sedis […] Ordinis Praedicatorum pro Societate SS. Rosarii […] Archa Verbi Bibliotheca Apostolica Vaticana, Vatikanstadt Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Band/Bände Blätter für deutsche Landesgeschichte Bibliothek des Herzoglichen Georgianums, München Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde Blatt Badische Landesbibliothek, Karlsruhe Bibliothèque nationale de France, Paris Bullarium Ordinis FF. Praedicatorum Bayerische Staatsbibliothek, München Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde Canonici Regulares Codex diplomaticus Saxoniae regiae Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters derselbe Dritte Folge Dresdner Geschichtsbuch dieselbe/dieselben Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek Köln Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur Forschungsbibliothek Gotha Freiburger Diözesan-Archiv folio Geschichte in Köln Gutenberg-Jahrbuch Germanisches Nationalmuseum Göttinger Jahrbuch Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg Gesamtkatalog der Wiegendrucke Heft Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel

https://doi.org/10.1515/9783110749120-009

258

HC HLB HStA DD HZ JBS JEH JfV JGNKG JHK JWKG Kap. Kat.-Nr. KWZ LASA LexMa MGGO NASG NDB NF NGA NJL NR Nr. o. A. OCart OCist OFM o. J. o. O. OÖLB OP OSB OSBCam o. S. o. Sign. RH RhVjBl RJKG RPG SD SGDD Sign. SJ StA DD StB AD StB DD StB DD RB SBB

Abkürzungen und Siglen

Herbergen der Christenheit Historisches Lexikon Bayerns Sächsisches Staatsarchiv – Hauptstaatsarchiv Dresden Historische Zeitschrift Journal of British Studies Journal of Ecclesiastical History Jahrbuch für Volkskunde. Neue Folge Jahrbuch der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte Jahrbuch des Historischen Kollegs Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte Kapitel Katalognummer Kulturwissenschaftliche Zeitschrift Landesarchiv Sachsen-Anhalt Lexikon des Mittelalters Mittheilungen der Geschichts- und Alterthumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes Neues Archiv für sächsische Geschichte Neue Deutsche Biographie Neue Folge National Gallery of Art, Washington, D. C. Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte Neue Reihe Nummer ohne Autor bzw. ohne Angabe Ordo Cartusiensis Ordo Cisterciensis Ordo Fratrum Minorum ohne Jahr ohne Ort Oberösterreichische Landesbibliothek, Linz Ordo Fratrum Praedicatorum Ordo Sancti Benedicti Ordo Sancti Benedicti Eremitarum Camaldulensium ohne Seite ohne Signatur Revue Historique Rheinische Vierteljahrsblätter Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte Repertorium Poenitentiariae Germanicum Sacra doctrina Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung Signatur Societas Jesu Stadtarchiv Dresden Stadtbuch Altendresden Stadtbuch Dresden Registerband der Dresdner Stadtbücher Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Abkürzungen und Siglen

SBBa SNT T. Tab. Tbd. ThStKr ThULB UA UBB UBF UBR unpag. ULBD ULBSA VD 16 ViS VKGA VSWG WA ZAM ZBLG ZfdPh ZGO ZHG ZHVSN ZHF ZKTh […] [sc. …] [sic] †

Staatsbibliothek Bamberg Stuttgarter Neues Testament Teil Tabelle Teilband Theologische Studien und Kritiken Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena Urkundenabschriften Universitätsbibliothek Basel Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau Universitätsbibliothek Rostock unpaginiert Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts Volkskunde in Sachsen Vierteljahreshefte zur Kunst und Geschichte Augsburgs Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Zeitschrift für deutsche Philologie Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg Zeitschrift für Historische Forschung Zeitschrift für katholische Theologie Auslassung Erläuterung (scilicet) so lautet die Quelle (sic erat scriptum) gestorben

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Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen Bayerische Staatsbibliothek, München Clm 3509 Iustiniani Institutiones cum glossis Martini Gosiani aliorumque [u. a.] (Sammelhandschrift) Bibliotheca Apostolica Vaticana, Vatikanstadt Pat. lat. 617 Sallustius Crispus, Gaius (Sammelhandschrift) Pat. lat. 1398 Arzachel; Thebit ben Corat; Jafar [u. a.] (Sammelhandschrift) Landesarchiv Sachsen-Anhalt Bestand 01.03.01. Urkunden – U 21 II 12 Kalandsbruderschaften Nr. 17 Sächsisches Staatsarchiv – Hauptstaatsarchiv Dresden Bestand 10003 – Diplomatarien und Abschriften Nr. 7 Bestand 10004 – Kopiale Nr. 84 Bestand 10024 – Geheimer Rat (Geheimes Archiv) Loc. 09837/17 Dem Sankt Jakobhospital, auch der Dreifaltigkeitsbrüderschaft und der Priesterschaft zu Dresden, zu entrichtender Fleischerzins, sowie Irrungen zwischen jener Brüderschaft und der Priesterschaft Loc. 09837/18 Artikel der Beschwerung, so der Stadt Dresden von der Geistlichkeit zugefügt, hierbei ein Verzeichnis der Zinsen, so die Geistlichkeit in und um die Stadt Dresden gehabt Loc. 09837/20 Verzeichnis der Altäre zu Dresden, der Einkünfte, auch der Inhaber derselben Loc. 09842/34 Register der Bruderschaft zu Hofe (Rechnungen der, wie es scheint, ältesten Hofgrabegesellschaft zu Dresden enthaltend) Bestand 12657 – Personennachlass Elisabeth Boer Nr. 039, 052, 054, 095, 122, 144 Stadtarchiv Dresden Bestand 1.1 Ratsurkunden Nr. 204 (UA), 269 (UA), 382 (UA), 410 (UA), 491 (UA), 497 (UA), 850 (UA), 942 (UA), 962 (UA), 985 (UA), 1001 (UA), 1047, 1052 (UA), 1053 (UA), 1060 (UA), 1082, 1099 (UA), 1115 (UA), 1153 (UA) Bestand 1.2 Abschriften siehe oben, Bestand 1.1 Ratsurkunden (zur Erklärung vgl. S. 16 Anm. 85) Bestand 1.3 Regesten siehe oben, Bestand 1.1 Ratsurkunden (zur Erklärung vgl. S. 16 Anm. 85) https://doi.org/10.1515/9783110749120-010

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Bestand 2.1.1 Ratsarchiv, Hauptgruppe A A.XVb.36 Kreuzkirchenrechnungen 1414, 1480–1540 Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau Hs. 10 Lateinisch-deutsches Anniversarbuch Hs. 194 Legende – Rulman Merswin – Über die armen Seelen – Predigt

Gedruckte Quellen Bei allen vor 1600 gedruckten Quellen sind unter der bibliographischen Angabe die Bibliotheken oder Institutionen angegeben, in denen die Drucke der im Rahmen dieser Studie benutzten Exemplare heute verwahrt werden, mitsamt der jeweiligen Signatur, unter der sie im voranstehenden Fließtext zitiert worden sind. Darüber hinaus wurde ergänzend die Nummer im GW oder VD 16 hinzugefügt, soweit sie vorhanden war. Alle mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Verfasser sind unter ihrem Vornamen eingeordnet. Acta Capitulorum Generalium, Bd. 3 (Monumenta Ordinis Fratrum Praedicatorum Historica 8), hrsg. von Benedikt Maria Reichert OP, Rom 1900. AEGIDIUS GELENIUS, De Admiranda, Sacra, Et Civili Magnitvdine Coloniae Clavdiae Agrippinensis Avgvstae Vbiorum Vrbis. Libri IV […] [Köln 1645]. ALANUS DE RUPE, Apologeticus. id est tractatus responsorius magistri alani de rupe / de psalterio beate virginis marie Ad Venerabilem dominum. dominum Ferricum. de clunaco episcopum Tornacensem [Lübeck ca. 1479/1480]. Benutztes Exemplar: BSB, Sign.: Inc.s. a. 2 h; Nr. im GW: M3918420. Analecta sacri Ordinis Fratrum Praedicatorum seu vetera Ordinis Monumenta recentioraque Acta, Bd. 2, hrsg. von Andreas Frühwirth OP, Rom 1895. Annalium Ordinis Praedicatorum, Bd. 1, hrsg. von Vincentius Maria Ferretti OP, Rom 1756. Acta Sanctae Sedis necnon Magistrorum et Capitulorum Generalium sacri Ordinis Praedicatorum pro Societate SS. Rosarii, Confraternitatibus SS. Rosarii, sodalitiisque Rosarii-Viventis et Rosarii-Perpetui, Bd. 2, T. 1–3, hrsg. von Joseph Maria Larroca OP, Lyon 1891. B. Humberti de Romanis quinti Praedicatorum magistri generalis opera de vita regulari, Bd. 2, hrsg. von Joachim Joseph Berthier OP, Rom 1889. Bruder mathias schmid, maister der siben freyen künsten […] (Bruderschaftsbrief der Karmeliter in Augsburg, 1494). Benutztes Exemplar: SBB, Sign: Inc 317.5 Einbl.; Nr. im GW: M40867. Bullarium Ordinis FF. Praedicatorum, Bd. 4, 5, 7, hrsg. von Antoninus Bremond OP, Rom 1732–1739. BÜNGER, Fritz, Admonter Totenroteln (1442–1496) (Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Benediktinerordens 19), Münster in Westfalen 1935. CHMEL, Joseph, Regesta chronologico-diplomatica Friderici III. Romanorum Imperatoris (Regis IV.). Auszug aus den im k. k. geheimen Haus-, Hof- und Staats-Archive zu Wien sich befindenden Reichsregistraturbüchern vom Jahre 1440–1493, Bd. 3, Wien 1859. CLEMEN, Otto (Hg.), Alte Einblattdrucke (Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen 86), Bonn 1911. CLEMENS LOSSOW, Sermones rosarii populo predicabiles eximii sacre pagine professoris magistri Clementis losow ordinis predicatorum ac heretice prauitatis inquisitoris diligentissimi [Köln 1506]. Benutztes Exemplar: BSB, Sign.: Rar. 1241#Beibd.6; Nr. im VD 16: L 2844.

Gedruckte Quellen

263

CORNELIS VAN SNEEK, Sermones Magistri Cornelii de Snekis. sacre Theologiae professoris ordinis fratrum praedicatorum, denuo impressi cum additione plurium sermonum et introductionum super confraternitate de serto Rosaceo sacrosanctae dei genitricis semperque uirginis Mariae, quod rosarium beatae Mariae inscripsit […] [Rostock 1517]. Benutztes Exemplar: ULBSA, o. Sign.; Nr. im VD 16: S 6816. DENZINGER, Heinrich, Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, verbessert, erweitert, ins Deutsche übertragen und unter Mitarbeit von Helmut Hoping hrsg. von Peter Hünermann, Freiburg/Basel/Wien 42 2009. Der beschlossen gart des rosenkrantz marie [Nürnberg 1505]. Benutztes Exemplar: BSB, Sign.: ESlg/2 P.lat. 1237-1; Nr. im VD 16: P 2806. Die Bruderschafft sancte Ursule [Nürnberg 1513]. Benutztes Exemplar: OÖLB, Sign.: I-73248. D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Bd. 2, Weimar 1884; Bd. 6, Weimar 1888; Bd. 60, Weimar 1980. Eyne korte vormanynge und toherdinge aller cristloevygen mynschen […] (Flugblatt von Joachim Ratstein, wohl 1517). Benutztes Exemplar: UBR, Sign.: Fa-1119(68).49. Gegenwurff christenlichs gebets des hymelischen rosenkrantz […] (Der ‚himmlische‘ Rosenkranz, Einblattholzschnitt von Erhard Schön, 1515/1520). Benutztes Exemplar: GNM, Sign.: H577. GREGOR REISCH, Margarita Philosophica cum additionibus nouis, ab auctore suo studiosissima reuisione tertio superadditis [Basel 1508]. Benutztes Exemplar: UBF, Sign.: Rara A 7315,m; Nr. im VD 16: R 1036. HAEMMERLE, Albert (Hg.), St. Ulrichs-Bruderschaft Augsburg: Mitglieds-Verzeichnis 1466–1521, o. O. 1949 [unveröffentlichtes Manuskript]. HANSEN, Joseph (Hg.), Chronik des Dietrich Westhoff von 750–1550, in: Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte, Bd. 1: Dortmund, Neuß (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 20), Leipzig 1887, S. 147–477. HARTMANN SCHEDEL, Liber Cronice cum figuris et Imaginibus [Nürnberg 1493] (Weltchronik des Hartmann Schedel). Benutztes Exemplar: BSB, Sign.: 2 Inc.c.a. 2919; Nr. im GW: M40784. HASCHE, Johann Christian, Urkundenbuch zur Dresdner Geschichte. Urkundenband zu: Diplomatische Geschichte Dresdens von seiner Entstehung bis auf unsere Tage [Bd. 6], o. O. und J. [ca. 1824]. HASE, Eduard Friedrich, Zur Geschichte der St. Bartholomäikirche zu Altenburg, in: MGGO 5 (1862), S. 224–330. HAUPT, Walther (Hg.), Die Meißener Bistumsmatrikel von 1495 (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 4), Dresden 1968. HERMANN NITZSCHEWITZ, Nouum beate marie virgis [sic] psalterium de dulcissimis noue legis mirabilibus domini amoris refertis nouiter ad turci contritionem confectum [Zinna ca. 1493]. Benutztes Exemplar: BSB, Sign.: 4 Inc.s. a. 1521; Nr. im GW: M27158. HERTEL, Gustav, Das Brüderschaftsbuch der Brüderschaft Corporis Christi zu Staßfurt, in: GSLM 29 (1894), S. 51–89. Hie nach volgent genad und applaß, lob und preiß, verpflichtung und andre stuck der loblichen bruderschaffte des rosenkrantz der iunckfrawen Marie (‚Informationsblatt‘ zur Rosenkranzbruderschaft, Einblattholzschnitt, 1508). Benutztes Exemplar: BSB, Sign.: Einbl. VII,51. In spiritu penses hoc opus nec literam spectes Federis est vere cultus amicicie […] (Statuten der Rosenkranzbruderschaft Köln, 1476)

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Benutzte Exemplare: UBB, Sign.: FP VII2 8:5; BSB, Sign.: 4 Inc.c.a. 88; Nr. im GW: M43164 sowie M43168. In spiritu penses hoc opus nec literam spectes Federis est vere cultus amicicie […] (Statuten der Rosenkranzbruderschaft Köln, 1477). Benutzte Exemplare: SBBa, Sign.: 22/JH.Inc.typ.IV.337 (bzw. auch JH.Inc.typ.IV.337#0); EDDK, Sign.: Inc.a.0150; Nr. im GW: M43166. JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, De Fraternitatis SSmi Rosarii B. Virginis Mariae[.] Ortu, Progressu, Statu atque Praecellentia[.] Libri Tres [Köln 1613]. JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, Kurtzer Bericht Von der uhralten / vnnd Gnadenreichen Bruderschafft deß h. Rosenkrantzes JEsu vnd Mariae […] [Augsburg 1624]. JOHANN ANDREAS COPPENSTEIN, B. Alanvs De Rvpe Redivivvs De Psalterio Sev Rosario Christi Ac Mariae Eivsdemqve Fraternitate Rosaria [Köln 1624]. JOHANNES VON LAMBSHEIM, Libellus perutilis de fraternitate sanctissima et Rosario beate marie virginis fratris Johannis de Lamßheym Canonici regularis in Kirßgarten prope Uuormaciam [Mainz 1495]. Benutztes Exemplar: ULBD, Sign.: Inc II 283; Nr. im GW: M14218. JOHANN KOELHOFF, Die Cronica van der hilliger Stat van Coellen [Köln 1499]. Benutztes Exemplar: HAB, A: 131.2 Hist. 2° (2); Nr. im GW: 06688. KAWERAU, Gustav, Luthers Randglossen zum Marienpsalter 1515, in: ThStKr 90 (1917), S. 81–87. KEUSSEN, Hermann (Bearb.), Die Matrikel der Universität Köln, Bd. 1: 1389–1475 (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 8), Bonn 1928. KLINGNER, Jens/MUND, Robert (Bearb.), Die drei ältesten Stadtbücher Dresdens (1404–1476) (Die Stadtbücher Dresdens (1404–1535) und Altendresdens (1412–1528) 1), hrsg. von Thomas Kübler und Jörg Oberste, Leipzig 2007. KLINGNER, Jens/MUND, Robert (Bearb.), Das vierte und fünfte Stadtbuch Dresdens (1477–1505) (Die Stadtbücher Dresdens (1404–1535) und Altendresdens (1412–1528) 2), hrsg. von Thomas Kübler und Jörg Oberste, Leipzig 2008. KLINGNER, Jens/MUND, Robert (Bearb.), Die Stadtbücher Altendresdens (1412–1528) (Die Stadtbücher Dresdens (1404–1535) und Altendresdens (1412–1528) 4), hrsg. von Thomas Kübler und Jörg Oberste, Leipzig 2009. KLINGNER, Jens/MUND, Robert (Bearb.), Die spätmittelalterlichen Stadtbücher Dresdens und Altendresdens. Registerband (Die Stadtbücher Dresdens (1404–1535) und Altendresdens (1412–1528) Registerband), hrsg. von Thomas Kübler und Jörg Oberste, Leipzig 2013. Liber fraternitatis rosacee corone ad honorem beatissime virginis marie et ad salutem hominum editus continens in se maximas utilitates quam fraternitatem quicumque deuote seruauerit. impossibile est illum damnari quia maria mater gratie eum defendet [Köln ca. 1500]. Benutztes Exemplar: BSB, Sign.: 4 Inc.s. a. 1170 s; Nr. im GW: 10313. LÖHR, Gabriel Maria OP (Hg.), Registrum litterarum pro provincia Saxoniae. Leonardi de Mansuetis 1474–1480, Salvi Cassettae 1481–1483, Barnabae Saxoni 1486 (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 37), Köln-Rhein/Leipzig 1939. LÖHR, Gabriel Maria OP (Hg.), Registrum litterarum pro provincia Saxoniae. Joachimi Turriani 1487–1500, Vincentii Bandelli 1501–1506, Thomae de Vio Caietani 1507–1513. Nebst Fortsetzungen aus den Jahren 1524–1551 (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 40), Köln-Rhein/Wiesbaden 1952. MARCUS VON WEIDA, Der Spiegel hochloblicher Bruderschafft des Rosenkrantz Marie / der allerreinsten Jungfrawen / vff begere / der durchlauchtigen hochgebornen Furstin / vnd frawen / frawen Barbara geborn auß koniglichem Stamm czu Poln Hertzogin czu Sachssen, Lantgrauin in Doringen vnd Marggrauin czu Meyssen, czu Leyptzk gemacht / vnd gedruckt [Leipzig 1515]. Benutzte Exemplare: BSB, Sign.: Res/4 Asc. 1031 [nicht kolorierter Druck]; FBG, Sign.: Mon.typ 1515 4° 00019 [kolorierter Druck]; Nr. im VD 16: M 962.

Gedruckte Quellen

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Forschungsliteratur

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Abbildungen

Abb. 1: Nutzen der Rosenkranzbruderschaft. Holzschnitt aus: Marcus von Weida, Spiegel hochloblicher Bruderschafft (1515), Bl. 107v (FBG).

https://doi.org/10.1515/9783110749120-011

288

Abbildungen

Abb. 2: Die Ursulabruderschaft als Schiff. Holzschnitt aus: Die Bruderschafft sancte Ursule (1513), Bl. air (OÖLB).

Abbildungen

2

1

Abb. 3: Übersichtsbild der Stadt Dresden nach einem Holzmodell von 1521 (SGDD). Nummerierungen: C.R.

Abb. 4: Ausschnitt aus dem Cisiojanus der Dreifaltigkeitsbruderschaft (1503; StA DD).

289

290

Abbildungen

Abb. 5.1: Cisiojanus der Dreifaltigkeitsbruderschaft, die Monate Januar bis Juni (1503; StA DD).

Abbildungen

291

Abb. 5.2: Cisiojanus der Dreifaltigkeitsbruderschaft, die Monate Juli bis Dezember (1503; StA DD).

292

Abbildungen

Abb. 6: Ausschnitt aus dem Ablassverzeichnis der Dreifaltigkeitsbruderschaft (1503; StA DD).

Abb. 7: Jenseitsvorsorge in der Dreifaltigkeitsbruderschaft (C.R.). 4 Messfeiern / Woche

Messen (allg.) Altar

Gebete während Messen

Vigil und Frühmesse

Quatembertage

Durchführung des Jahrtages

Geleit zum Grab, Gebete

Vigil, Messe, Beerdigung

Anniversarien

Begräbniszeremonien

N. Karis (1503): tertius fructus provisio salubris animarum

Präsenz- und Gebetspflichten zu verschiedenen Anlässen

Erweiterung durch Ablässe

Ablass

Heilsangebot

Legende: PBr = Priesterbrüder | sL = singende Laien | nsL = nicht-singende Laien | allg. = allgemein

nsL

sL

PBr

Bruderschaft der Hl. Dreifaltigkeit

Teilnahme (partiell)

Teilnahme

Gottesdienste im Verlauf des Kirchenjahres

Heilsgenerierung durch religiöse Praxis

Abbildungen

293

294

Abbildungen

Abb. 8: Titelholzschnitt aus den Statuten der Rosenkranzbruderschaft (1476; UBB).

Abbildungen

295

Abb. 9: Gründung der Rosenkranzbruderschaft und Förderung durch Kaiser Friedrich III. Holzschnitt aus: Marcus von Weida, Spiegel hochloblicher Bruderschafft (1515), Bl. 18v (FBG).

Legende:

Abb. 10: Organisation und transregionale Ausrichtung der Rosenkranzbruderschaft (C.R.).

Aufnahmebedingung: Eintragung von Name und Stand

Aufnahme in Register der Rosenkranzbruderschaft

Freiburg im Breisgau

lokale Niederlassung der Rosenkranzbruderschaft mit umliegendem Einzugsbereich

Köln

Ulm

Basel

Augsburg

etc.

296 Abbildungen

Abbildungen

Abb. 11: Aufdruck des Typars von Johannes Molitoris (BHG).

Abb. 12: Bruderschaftsbrief der Augsburger Karmeliter, unausgefüllter Vordruck (1494; SBB).

297

298

Abbildungen

Abb. 13: Register der Rosenkranzbruderschaft in Freiburg im Breisgau, Auszug: Bl. 39r (UBF).

Abbildungen

Abb. 14: Register der Rosenkranzbruderschaft in Freiburg im Breisgau, Auszug: Bl. 41v (UBF).

299

300

Abbildungen

Abb. 15: Flugblatt Joachim Ratsteins (wohl 1517), Holzschnitt auf der Rückseite (UBR).

Abbildungen

Abb. 16: ‚Anleitung‘ zum Rosenkranzgebet, Einblattholzschnitt (1485; NGA).

301

302

Abbildungen

Abb. 17: ‚Informationsblatt‘ zur Rosenkranzbruderschaft, Einblattholzschnitt (1508; BSB).

Abbildungen

Abb. 18: Der ‚himmlische‘ Rosenkranz, Einblattholzschnitt (1515/1520; GNM).

303

304

Abbildungen

Abb. 19: ‚Werbezettel‘ über die Einschreibung in die Rosenkranzbruderschaft, Einblattdruck (1483; BSB).

Abbildungen

Abb. 20: Einblattholzschnitt Rosenkränze (um 1510; BLB).

305

Abb. 21: Jenseitsvorsorge in der Rosenkranzbruderschaft (C.R.).

Legende:

A

U



3 Rosenkränze / Woche

Gebete

Geistliche |

Bruderschaft OP Ergänzung: 4 Anniversarien OP Köln & 1484 Aufnahme in Bruderschaft des Ordens

Memoria Köln

Heilsangebot

Ablass

Laien | K = Köln | A = Augsburg | U = Ulm | […] = weitere Städte | OP = Ordo Fratrum Praedicatorum

Organisation: ortsübergreifende Einschreibung

K

Rosenkranzbruderschaft

Heilsgenerierung durch religiöse Praxis automatisch durch Ablass ergänzt

306 Abbildungen

Abb. 22: Heilseffizienz in der Jenseitsvorsorge der Rosenkranzbruderschaft (C.R.).

Legende:

A

U



3 Rosenkränze / Woche

Gebete

Geistliche |

Bruderschaft OP

Heilsangebot

Beitritts-/Mitgliedsgebühren

= keine | OP = Ordo Fratrum Praedicatorum

Ergänzung: 4 Anniversarien OP Köln & 1484 Aufnahme in Bruderschaft des Ordens

Memoria Köln

Laien | K = Köln | A = Augsburg | U = Ulm | […] = weitere Städte |

Organisation: ortsübergreifende Einschreibung

K

Rosenkranzbruderschaft

Ablass

Präsenzpflicht & Ortsgebundenheit |

Heilsgenerierung durch religiöse Praxis automatisch durch Ablass ergänzt

Gebetspflicht

Heilsangebot

Abbildungen

307

Personen- und Ortsregister Im nachstehenden Register sind alle Personen- und Ortsnamen erfasst worden, die sich im Fließtext und in den Fußnoten befinden. Davon ausgenommen sind die Namen von Autoren innerhalb einer bibliographischen Angabe; werden Autoren allerdings ausdrücklich angesprochen, sind sie hier ebenfalls verzeichnet. Moderne Verfasser finden sich unter ihrem Nachnamen eingeordnet; alle mittelalterlichen sowie frühneuzeitlichen Personen stehen hingegen unter ihrem Vornamen, wobei unter deren Familien- oder Herkunftsnamen auf die entsprechenden Vornamen verwiesen wird. Aachen 164, 166–167, 197 – Dominikanerkonvent 165 Abend, siehe unter Hans Adam Weitz OP 20, 95–96, 156, 164–167 Admont, Benediktinerkloster 149–150, 233 Adolf II. von Anhalt-Köthen, Bischof von Merseburg 226, 228 Adolf von Essen OCart 212 Adolf II. von Nassau-Wiesbaden-Idstein, Erzbischof von Mainz, Kurfürst 95, 108–109 Aegidius Gelenius 20, 95, 97–98, 102, 106–107, 109–110, 112, 120, 177 Aelred von Rievaulx OCist, Heiliger 211 Akkon 226–228 Alain de Coëtivy, Bischof von Avignon, Kardinal 88 Alanus de Rupe OP 11, 19–20, 118–129, 138, 140, 189–190, 208, 213, 222–223 Albertus Magnus OP 34 Albrecht (III.) Achilles, Markgraf von Brandenburg, Kurfürst 95, 108 Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz, Kurfürst 226, 228 Albrecht Dürer 162, 228 Albrecht der Beherzte, Herzog von Sachsen 95, 109, 177–178 Alexander VI., Papst 224 Alexander Numai, Bischof von Forlí 95–96, 99–102, 104–108, 110–111, 119–120, 126, 176, 179, 184–185, 194, 204, 215–217, 224, 242 Altenburg 8, 164, 176, 178–181, 228, 249 – Bartholomäuskirche 178–179 Altendresden 15, 32–33, 64, 66 Amberg 161–162, 172 – Dominikanerkonvent 161, 198 Ambrosius, Bischof von Mailand, Kirchenlehrer 138

https://doi.org/10.1515/9783110749120-012

Angenendt, Arnold 50, 115 Anna, Heilige 31, 41, 156, 194, 225, 232 Anna von Miltitz 57 Anna Richwin 173 Anna Zothen 157 Anne Poechel 64 Anton Sorg 189 Aquin, siehe unter Thomas Arcimboldi, siehe unter Giovanni Arnold ter Hoernen 101 Ashauer, Christian 9 Assisi, siehe unter Franziskus Asti, siehe unter Conrad Augsburg 18, 20, 98, 100, 110, 126, 141–143, 146, 148, 151–157, 165–168, 175, 185, 187–189, 196, 198–199, 204, 223, 243, 248–249 – Benediktinerkloster 155 – Karmeliterkloster 156 – Kollegiatstift St. Moritz 141, 151–156, 160, 165, 168 Augustinus, Bischof von Hippo Regius, Kirchenlehrer 138 Avignon 223 d’Avray, David L. 239 Balthasar von Lindenau 65 Balthasar Scholl OP 173 Bamberg 165–166, 226 Bämler, siehe unter Johann Barbal Lienner 174 Barbel von Windeg 172 Bartholomäus, Bischof von Callene 227 Bartholomäus Comatius OP, Ordensmeister 219–220 Basel 18, 98–99, 128, 153, 165–167, 188, 249 – Dominikanerkonvent 101, 129, 153 Behme, siehe unter Martin Beissel, Stephan SJ 97

310

Personen- und Ortsregister

Benedikt XII., Papst 36–37 Benedikt von Nursia OSB, Ordensgründer, Heiliger 138 Benedikt Thile 65 Berlin 161–162, 233 Bernhard von Clairvaux OCist, Heiliger 146, 190, 211 Bernhard Richel 98 Biberach an der Riß 250 Black, Christopher 27 Blasel, Carl 162 Blumeneck, Adelsgeschlecht, siehe unter Elsbett Boer, Elisabeth 15, 80 Bonn 165–166 Boockmann, Hartmut 31, 108 Bötschner, siehe unter Johannes Bourdieu, Pierre 113 Brandenburg an der Havel 163 – Dominikanerkonvent 163 Brandes, Gertrud 175 Braunschweig 4, 8, 63, 114 Breslau 162 Briesnitz 64, 66 Brubaker, Rogers 238 Bünz, Enno 42, 44, 155 Bursfelde, Benediktinerkloster 32 Butte, Heinrich 75 Butzbach 149 – Dominikanerkonvent 149, 168 Caesarius von Heisterbach OCist 211 Cajetan, siehe unter Thomas Caleruega, siehe unter Dominikus Carlowitz, Adelsgeschlecht, siehe unter Hans Caspar Grünwald OP 172–173 Caspar Heide 64 Caspar Jenichen 55 Caspar von Schönberg, Bischof von Meißen 52 Cathosia 53, 88 Chmel, Joseph 110 Christian I., König von Dänemark, Norwegen und Schweden 222 Clairvaux, siehe unter Bernhard Clara, siehe unter Klara Clemens IV., Papst 36 Clemens Lossow OP 19, 131–132, 136–137, 143, 147, 161, 163, 182

Clewi Heininger 173 Clugny, siehe unter Ferry Coëtivy, siehe unter Alain Colmar 11, 18, 119, 144–145, 148, 162, 166–168, 170–172, 175, 196, 202–203, 207, 234, 242, 248–249 – Dominikanerkonvent 129, 168 Comatius, siehe unter Bartholomäus Conrad, siehe unter Donat Conrad, siehe auch unter Konrad Conrad von Asti OP 120 Conrad Wetzel OP 182 Coppenstein, siehe unter Johann Cordes-sur-Ciel 37 Cornelis van Sneek OP, Generalvikar 19, 182, 215 Corvey, Benediktinerkloster 233 David, biblische Person 118, 131, 189, 209 Degen, siehe unter Hans Derwitzer, siehe unter Thomas Dietmar, Carl 97 Dietrich III. von Schönberg, Bischof von Meißen 88 Dietrich Westhoff 163 Dietz, siehe unter Ludwig Dinan, Dominikanerkonvent 120, 189 Dinckmut, siehe unter Konrad Dippoldiswalde, siehe unter Franz Döbeln 57 Dóci, Viliam Štefan OP 13, 127, 135, 190 Dohna 64 Dominikus von Caleruega OP, Ordensgründer, Heiliger 12, 100, 120, 125–127, 141, 176, 188 Dominikus von Preußen OCart 12, 125–126, 130, 205–206, 209, 212–213 Donat Conrad 57–58 Dormeier, Heinrich 108 Dorothea Richter 32–33 Dortmund 47, 163, 182 – Dominikanerkirche 163, 182 Douai 119–125, 127–128, 140, 152 – Dominikanerkonvent 129 Dresden 4, 11, 14–18, 23, 32, 40–48, 52–53, 55–58, 64–66, 74–75, 79–80, 92, 94, 142, 147, 231, 234, 242, 247–248 – Frauenkirche 41, 46, 66, 74–75 – Kreuzkirche 14, 17, 41, 45–46, 51–58, 62, 66, 74–75, 78–79, 88, 94, 247–248

Personen- und Ortsregister

Dürer, siehe unter Albrecht Durham, Benediktinerkloster 233 Düsseldorf 165–166 Edwards, Mark U. 153 Eichstätt 95, 109 Eichstetten am Kaiserstuhl 174–175 Eisenberg, siehe unter Peter Eisenbichler, Konrad 9 Eisermann, Falk 187–188 Eleonore von Portugal, römisch-deutsche Kaiserin 95–98, 105, 110 Elisabeth, Heilige 201, 206–207 Elm, Kaspar 130 Els Heinriczin 173 Els Mader 173 Elsbett von Blumeneck 172 Eltville 109 Emmendingen 174 Erhard Schön 186 Ernst, Kurfürst von Sachsen 109, 177–178 Ernst II. von Sachsen, Erzbischof von Magdeburg 227 Escher-Apsner, Monika 9 Essen, siehe unter Adolf Esser, Thomas OP 12, 125 Esslingen 161–162 – Dominikanerkonvent 161, 198 Excuria, siehe unter Johannes Falkenstein, Adelsgeschlecht, siehe unter Melchior Farnhill, Ken 7 Fécamp, siehe unter Johannes Ferry de Clugny, Bischof von Tournai 121 Fischer, siehe unter Nikolaus Fischersdorf 64 Florenz 116, 150, 162, 217, 227 Forlí 99, 102, 104, 106–107, 110–111, 176, 179–180, 204, 215–217, 224, 242 Fournié, Michelle 37 Francisci, siehe unter Michael Frank, Thomas 6–9, 25, 27–29, 100 Frankfurt am Main 11, 148–149, 162, 166–171, 173, 175, 242, 248–249 – Dominikanerkonvent 129 Franz von Dippoldiswalde 56 Franz (II.) von Étampes, Herzog der Bretagne 132, 217

311

Franz Witte 66 Franziskus von Assisi OFM, Ordensgründer, Heiliger 186 Freiberg 64, 66 Freiburg im Breisgau 18, 112, 115, 119, 129, 144–145, 148–149, 152–154, 162, 170–175, 197, 204, 242, 248–249 – Dominikanerinnenkonvent 174 – Dominikanerkonvent 171–174 – Klarissenkloster 174 Friedberg, siehe unter Peter Friedrich III., römisch-deutscher König, Kaiser 3, 95–102, 104–111, 113, 117, 163, 177, 180, 184, 224, 250 Friedrich I. (der Siegreiche), Pfalzgraf von der Pfalz, Kurfürst 107 Friedrich II. (der Sanftmütige), Kurfürst von Sachsen 176 Fulda, Benediktinerkloster 233 Gabriel (Erzengel), biblische Person 200, 206–207 Gamaliel, siehe unter Rabban Ganz, David 183 Gazzini, Marina 7 Geert Grote 32 Gelenius, siehe unter Aegidius Gensfleisch, siehe unter Johannes Gent 121, 128 – Dominikanerkonvent 129 Georg Kasch 65 Georg Rott OP 172 Georg (der Bärtige), Herzog von Sachsen 46, 79, 90, 92 Georg Zahn 65 Gerchow, Jan 13, 27, 149, 162, 171, 173–175 Geuenich, Dieter 233 Gherardi, siehe unter Maffeo Gilomen, Hans-Jörg 236 Giovanni Arcimboldi, Erzbischof von Mailand 227 Godel, Willibrord OSB 210 Goldberg, Sylvie Anne 10 Goltsmid, siehe unter Wenzel Gommeral, siehe unter Paul Göttingen 30, 58–59 Gouda, siehe unter Jakob Gregor (I.) der Große, Papst, Kirchenlehrer 138, 222

312

Personen- und Ortsregister

Gregor X., Papst 36 Griese, Sabine 184–185, 187–188 Grote, siehe unter Geert Grotefend, Hermann 77 Gruber, Reinhard H. 110, 113 Grünwald, siehe unter Caspar Gutenberg, siehe unter Johannes Haarlem 161–162 Hader, siehe unter Margaretha Haemmerle, Albert 110, 156, 175 Hägele, Günter 159 Haggh, Barbara 28 Hamburg 4, 131, 136–137, 162, 182 – Dominikanerkonvent/-kirche 137 Hamm, Berndt 31, 37–38, 235, 242 Hans, siehe auch unter Johann bzw. Johannes Hans Abend 65 Hans von Carlowitz 65 Hans Degen 57–58 Hans Hanstein 57 Hans von Lichtenfels 172 Hans Mader 173 Hans Plote 65 Hans Radeberg 65, 79 Hans Schauer 185 Hans Zothen 157 Hanstein, siehe unter Hans Hasche, Johann Christian 14–15 Havelberg 226 – Prämonstratenserstift 233 Heide, siehe unter Caspar Heininger, siehe unter Clewi Heinrich, Bischof von Akkon 226–228 Heinrich Egher von Kalkar OCart 211, 213 Heinrich Kannengießer 58 Heinrich (der Erlauchte), Markgraf von Meißen 46 Heinrich III. (XXVII. von Schwarzburg), Bischof von Münster 95 Heinrich II. von Stammer, Bischof von Naumburg 176, 178, 180 Heinrich von Pflummern 250 Heinriczin, siehe unter Els Heinz, Andreas 11–12, 96–98, 122, 125, 139, 206–209, 211–212 Heisterbach, siehe unter Caesarius Helbig, Herbert 54

Helyas OP, Angehöriger des Dominikanerkonvents in Frankfurt am Main 167 Henneberg, Adelsgeschlecht, siehe unter Philipp Herborn, Wolfgang 97 Hermann (IV.) von Hessen, Erzbischof von Köln, Kurfürst 107–108, 227 Hermann Nitzschewitz OCist 96 Hermann Worgwitz 66 Heusinger, Sabine von 28 Heyner, siehe unter Nikolaus Hieronymus, Kirchenlehrer 138 Hieronymus Schultz, Bischof von Brandenburg und Havelberg 226, 228 Hilarius, Bischof von Poitiers 210 Hilbolt, siehe unter Jakob Himmerod, Zisterzienserkloster 212 Hirtner, Gerald 158 Hockendorf, siehe unter Urban Hoe, siehe unter Martin Hoernen, siehe unter Arnold Hofmann, siehe unter Johannes Honorius III., Papst 210 Hoye, William J. 127 Hugener, Rainer 233, 236 Humbert von Romans OP, Ordensmeister 116, 191 Innozenz III., Papst 36 Innozenz IV., Papst 34–35 Innozenz VIII., Papst 185, 215, 219–221, 224, 241–242, 250 Insel 76 Jacob Richwin 173 Jäger, Moritz 12 Jäggi, Stefan 11, 97, 121–123, 141, 163 Jahnke, Carsten 9, 64 Jakob von Gouda OP 181 Jakob Hilbolt 173 Jakob Sprenger OP 12, 18, 97–103, 105–107, 111, 114–119, 123–124, 127–129, 133, 142–144, 146, 148, 150–153, 155, 164, 167, 181, 184, 189, 191, 193–195, 199–200, 209, 218, 237 Jakob Wirtenberger OP 173 Jenichen, siehe unter Caspar Jesaja, Prophet 135

Personen- und Ortsregister

Jesus Christus, biblische Person 1, 4, 46, 49, 53, 68, 83, 86–87, 99–100, 112, 118, 122, 125, 130, 135, 183–185, 189, 193–194, 202–209, 211–212, 219, 222–224 Joachim von Pflummern 250 Joachim Ratstein OP 1–3, 5, 20, 183, 214, 229 Johann, siehe auch unter Johannes bzw. Hans Johann (II.) von Baden, Erzbischof von Trier, Kurfürst 95, 109 Johann Bämler 98 Johann Andreas Coppenstein OP 20, 95, 97–98, 110, 112, 140–141, 156, 164–167 Johann Kehen 92 Johann Koelhoff der Jüngere 108–109 Johann Landen 111 Johann V. von Weißenbach, Bischof von Meißen 227 Johann VII. von Schleinitz, Bischof von Meißen 56, 92 Johann III. von Schönberg, Bischof von Naumburg 226 Johann Tetzel OP 182 Johannes, siehe auch unter Johann bzw. Hans Johannes, Evangelist 183 Johannes XXII., Papst 36, 204, 223 Johannes Bötschner OP 167 Johannes Excuria OP, Generalvikar 122 Johannes von Fécamp OSB 211 Johannes Gutenberg (Gensfleisch) 239 Johannes Kauffmann OP 166 Johannes Krigkman 56 Johannes Kuchemeister 56 Johannes von Lambsheim CanReg 19, 111, 161, 215 Johannes von Lindau OP 244–245 Johannes IV. Hofmann, Bischof von Meißen 42–43, 45–46, 67, 72, 87 Johannes VI. von Salhausen, Bischof von Meißen 45–46, 55, 57, 62, 87, 226 Johannes Molitoris 152, 154–155, 157, 159–160, 165 Johannes Mönch 64, 66 Johannes Neuweiler OCart 244 Johannes Schedinger 65 Johannes Schermesser 64–65 Johannes Schmidewaldt 65 Johannes Scriptoris 66

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Johannes Stoblinger 66 Johannes der Täufer, biblische Person 201 Johannes Terrembach 66, 78 Jörg Misner 173 Jorge Zahn, siehe unter Georg Zahn Julius II., Papst 224 Kachelofen, siehe unter Konrad Kaelble, Hartmut 24 Kahleyß, Julia 8, 44 Kannengießer, siehe unter Heinrich Karis, siehe unter Nikolaus Karl der Kühne, Herzog von Burgund 96–97, 102–103, 107–109, 111, 177, 245 Kasch, siehe unter Georg Kaschau 13 Katherina Lienner 174 Kauffmann, siehe unter Johannes Kehen, siehe unter Johann Keller, Peter 12 Kenzingen 174 Kießling, Rolf 152–153, 156 Kitzingen 65 Klara Knaut 64 Klara von Kötteritzsch 64 Klieber, Rupert 10 Kliem, Wolfgang (Ordensname: Richard) OP 11, 148–149, 162, 167–168, 170 Klinkhammer, Karl Joseph SJ 12, 120–121, 123, 125–126, 129, 208 Kluge, siehe unter Lucas Knaut, siehe unter Klara Koblenz 177 Kochaniewicz, Bogusław OP 12 Koelhoff, siehe unter Johann Köln 4–5, 7–9, 11–13, 18, 20, 26, 39, 47, 60, 67, 72, 95, 97–116, 118–119, 121, 123–129, 140–145, 147–148, 150–154, 156, 161, 163–168, 176–182, 189, 193, 195–199, 202, 205–206, 215, 218, 220, 224–225, 227, 230, 243–244, 246, 248–249 – Dominikanerkonvent/-kirche 96–97, 99, 101, 103, 106, 108–109, 111–112, 119, 123, 128–129, 141, 150, 154, 164, 168, 182, 193–196, 198, 218–219, 224, 249 – St. Maria im Pesch 72 Konrad, siehe auch unter Conrad Konrad Dinckmut 188–189 Konrad Kachelofen 111

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Personen- und Ortsregister

Konrad Schiller 41 Konrad III., Graf von Tübingen 172 Konstanz 130, 173 Konstanze von Österreich, Markgräfin von Meißen 46 Kopenhagen 9 Körndle, Franz 9 Kötteritzsch, Adelsgeschlecht, siehe unter Klara Krigkman, siehe unter Johannes Kuchemeister, siehe unter Johannes Küffner, Hatto 97, 122 Kühne, Hartmut 11–13, 86, 97–98, 177 Lambsheim, siehe unter Johannes Landen, siehe unter Johann Laqua, Benjamin 8 Larroca, Joseph Maria OP 20 Laudage, Christiane 218 Lausanne 8 Le Goff, Jacques 36 Leipzig 3, 5, 19, 64, 111, 129, 175, 178, 181–182, 203, 215 – Dominikanerkonvent 129, 178, 182 – Nikolaikirche 64 Lemberg, siehe unter Michael Lentes, Thomas 12, 186–187 Leo X., Papst 220, 224–225 Leonardo Mansueti OP, Ordensmeister 181 Lichtenfels, Adelsgeschlecht, siehe unter Hans, Wilhelm Lienner, siehe unter Barbal, Katherina, Paul Lille 120–121, 128 – Dominikanerkonvent 120, 128–129 Lindau, siehe unter Johannes Lindenau, Adelsgeschlecht, siehe unter Balthasar Lobenwein, Elisabeth 9 Löhr, Gabriel Maria OP 13, 128 Lombardus, siehe unter Petrus Lorenz Raue 66 Lorenz Stumpf 93 Lorenz Vogel 65 Lossow, siehe unter Clemens Lotter, siehe unter Melchior Löwen 182 Lübeck 64 Lucas Kluge 79 Lucia, Heilige 44, 196

Luckau, Dominikanerkonvent 163 Ludwig XI. (der Kluge), König von Frankreich 107 Ludwig Dietz 1 Ludwig, Uwe 233 Lukas, Evangelist 200 Lusiardi, Ralf 30 Luther, siehe unter Martin Lüttich 161–162, 166 Lyon 36 Mader, siehe unter Els, Hans Maffeo Gherardi OSB Cam, Patriarch von Venedig 225, 227 Magdeburg 60, 227 Mainz 95, 109, 111, 166, 226 Mallinckrodt, Rebekka von 10, 13, 182, 191 Mannaerts, Pieter 9 Mansueti, siehe unter Leonardo Marcus von Weida OP 3–5, 13, 19, 29, 39, 48, 96, 104–107, 110, 117–120, 126, 130–132, 134–136, 138–139, 143, 145–148, 151, 160–161, 168, 175, 179, 183, 186, 188, 192–194, 197, 201–206, 209, 214–222, 225, 228–229, 231–232, 237, 240–242, 248 Margarete von Bayern-Landshut 172 Margarete von Foix, Herzogin der Bretagne 132, 217 Margaretha Hader 64 Margaretha Plote 64 Margarethe von Österreich, Herzogin von Sachsen 176, 178 Maria, biblische Person 4, 12, 45, 48, 68, 76, 96, 99–100, 102–103, 112–113, 121, 125–126, 131–133, 136–138, 140, 146, 151, 161, 183–186, 190, 194–195, 197, 200–201, 203–209, 212, 214–215, 217, 223–225, 227, 241 Martin Behme 78 Martin Luther 1, 30, 46–47, 92, 132, 138–139 Martin von der Hoe 66 Matthias, Bischof von Gaden 227 Mattis Rentzsch 64, 66 Mauritius, Heiliger 155 Maximilian I., römisch-deutscher König, Kaiser 95–98, 105, 110–111, 163 Meersseman, Gilles Gérard OP 6, 11, 27, 120–122, 124–125, 128, 162

Personen- und Ortsregister

Meißen 17, 42, 45–46, 52–57, 67, 84–85, 87–88, 92, 150, 226–227 – Augustiner-Chorherrenstift St. Afra 150 Meister, Bert 8, 10, 40, 176–178 Melchior von Falkenstein 172 Melchior Lotter der Ältere 3 Merseburg 226, 228 Merten Sommerfeld 65 Metz 165–166 Metzdorf, Jens 107–108 Michael Francisci OP 11, 18–19, 98, 101–102, 104–105, 107, 111–112, 114–116, 118–119, 121, 123, 127–128, 132–134, 137–138, 142–144, 146–147, 150–151, 154, 160, 175, 183, 191–202, 214, 216, 218–219, 223, 232, 237, 240–241, 249 Michael Lemberg 57–58 Michael OCist, Abt des Zisterzienserklosters Tennenbach 174 Miedema, Nine Robijntje 89, 228–229, 241 Militzer, Klaus 7, 10, 13, 18–19, 26, 39, 60, 72, 98, 148, 151, 158, 175, 218, 220, 243–244, 246 Miltitz, Adelsgeschlecht, siehe unter Anna Misner, siehe unter Jörg Moeller, Bernd 30 Molitoris, siehe unter Johannes Mönch, siehe unter Johannes Monheim am Rhein 165 Muller, Frank 12 Müller, Gernot Michael 152 Müller, Hans-Peter 238 München 185 Münster 95 Müsegades, Benjamin 8, 27 Nancy 245 Naumburg 176, 226 Neidiger, Bernhard 128 Neuss 96–98, 102–103, 107–109, 111–114, 177, 224 – Quirinusmünster 108 Neuweiler, siehe unter Johannes Newbigin, Nerida 9 Nickel Petzoldt 65 Nickel Pfeil 65 Nickel Richter 32–33 Nickel Seidel 65

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Nikolaus Fischer 65 Nikolaus Heyner 64 Nikolaus Karis 16–17, 48–52, 57–62, 64, 67–69, 72, 76, 78, 81–82, 84–85, 87–90, 231, 236 Nikolaus, Weihbischof von Meißen 53, 88 Nikolaus I., Bischof von Meißen 54 Nitzschewitz, siehe unter Hermann Noll, Thomas 183–184 Numai, siehe unter Alexander Nürnberg 19, 56, 111, 160, 198 – Sebalduskirche 56 Nursia, siehe unter Benedikt Oevermann, Ulrich 23, 38, 243 Oexle, Otto Gerhard 27 Origines 209 Orlandi, Stefano OP 11 Osnabrück 114 Osterode 114 Othenin-Girard, Mireille 236 Ożóg, Krzysztof 8 Paris 120, 128 – Dominikanerkonvent 120 Passau 2, 36 Pátková, Hana 8, 162 Paul Gommeral 66, 79 Paul Lienner 174 Paul Wann 2, 36 Paulus, Apostel 44, 49, 51, 135, 216, 225 Paulus, Bischof von Askalon 227 Paulus, Nikolaus 222, 224 Peraudi, siehe unter Raimund Perugia 162 Peter Eisenberg 57, 92 Peter (von) Friedberg 111 Peter Weißenberg 65 Petersen, Stefan 15 Petrus, Apostel 44, 216, 225 Petrus Lombardus, Bischof von Paris 35 Petzoldt, siehe unter Nickel Pfäfers, Benediktinerkloster 233 Pfeil, siehe unter Nickel Pflummern, Adelsgeschlecht, siehe unter Heinrich, Joachim Pforzen, siehe unter Pforzheim Pforzheim 161–162, 165, 198 – Dominikanerkonvent 161, 198

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Personen- und Ortsregister

Philipp von Henneberg, Fürstbischof von Bamberg 226 Philipp I. (der Aufrichtige), Pfalzgraf von der Pfalz, Kurfürst 172 Pinder, siehe unter Ulrich Pius V., Papst 127, 141, 201 Planitz, Adelsgeschlecht, siehe unter Rudolf Plauen 64, 66 Plote, siehe unter Hans, Margaretha Poechel, siehe unter Anne Poinsignon, Adolf 172–173 Poppitz 64 Posern-Klett, Karl Friedrich von 14–15 Possendorf 64 Poulsen, Bjørn 11, 97–98, 162 Prelog, Jan 77 Preußen, siehe unter Dominikus Prietzel, Malte 6–7, 9–10, 25–26, 40, 44, 50, 59, 63, 73, 142, 150 Rabban Gamaliel der Ältere 135 Radeberg, siehe unter Hans Radtke, Christian 97 Rahn, Kerstin 8, 63, 175 Raimund Peraudi, Bischof von Gurk, Kardinal 194, 221, 224–225 Ratstein, siehe unter Joachim Raue, siehe unter Lorenz Rauner, Anne 175 Ravenna 162 Regensburg 34 Reichenau, Benediktinerkloster 233 Reichert, Benedikt Maria OP 20 Remling, Ludwig 6, 25, 27, 65 Rentzsch, siehe unter Mattis Rheinfelden 128 Richel, siehe unter Bernhard Richter, siehe unter Dorothea, Nickel Richter, Otto 75 Richwin, siehe unter Anna, Jacob Rievaulx, siehe unter Aelred Rindorf 166 Ritz, Gislind 211 Rochlitz 177 Roeck, Bernd 30, 152, 189, 239 Rom 31, 88, 162, 216, 219, 221, 229 – San Teodoro al Palatino 88 Romans, siehe unter Humbert Roncelli, Angelita OP 120

Rosser, Gervase 7 Rostock 1, 20, 121, 182, 214 – Dominikanerkonvent 129, 183 Rott, siehe unter Georg Rotterdam, Dominikanerkonvent 120 Rudolf von (der) Planitz, Bischof von Meißen 42–43, 53, 87 Ruf, Paul 154–156, 158–160 Rupe, siehe unter Alanus Ruprecht von der Pfalz, Erzbischof von Köln, Kurfürst 107 Saffrey, Henri Dominique OP 11, 13, 98, 100 Salhausen, Adelsgeschlecht, siehe unter Johannes Salzburg 158, 166 Santiago de Compostela 31 Schauer, siehe unter Hans Schedinger, siehe unter Johannes Schedlin, siehe unter Susanna Scheeben, Heribert Christian 19, 104, 120–121, 123–124, 128, 133, 219–220 Schellenberg 178 Schermesser, siehe unter Johannes Scherschel, Rainer 125 Scheutz, Martin 9 Schiller, siehe unter Konrad Schimank, Uwe 238 Schleinitz, Adelsgeschlecht, siehe unter Johann Schmidewaldt, siehe unter Johannes Schmidt, Siegfried 11, 98, 100, 106, 109, 122 Schmies, Bernd 157 Schmitt, Jean-Claude 11, 18, 162, 167, 171 Schneider, Bernhard 10, 47, 141 Schnyder, André 244–245 Scholl, siehe unter Balthasar Schön, siehe unter Erhard Schönberg, Adelsgeschlecht, siehe unter Caspar, Dietrich, Johann Schuler, Peter-Johannes 78 Schultz, siehe unter Hieronymus Schütz, Jakob Hubert 12 Schwäbisch Gmünd 161–162 – Dominikanerkonvent 161, 198 Schwarzburg, Adelsgeschlecht, siehe unter Heinrich Scriptoris, siehe unter Johannes Seeburg 59 Seidel, siehe unter Nickel

Personen- und Ortsregister

Seidnitz 64 Seligenstadt, Benediktinerkloster 170 Siewert, Ulrike 15, 42, 44, 46, 54 Sixtus IV., Papst 96, 113, 132, 180, 184–185, 202–204, 209, 217, 219, 222, 224, 242, 250 Sladeczek, Martin 8 Sneek, siehe unter Cornelis Sommerfeld, siehe unter Merten Sorg, siehe unter Anton Speyer 95 Speyer, siehe unter Wibrecht Sprenger, siehe unter Jakob St. Gallen – Benediktinerkloster 233 – Dominikanerinnenkonvent 167 St. Thomas an der Kyll, Zisterzienserinnenkloster 212–213 Stammer, Adelsgeschlecht, siehe unter Heinrich Stanislaw-Kemenah, Alexandra-Kathrin 41, 54 Staßfurt 60, 80 Steffens, Thomas 174–175 Stendal 76 Stoblinger, siehe unter Johannes Stolpen 42, 45 Stotz, Peter 13, 200 Stralsund 30 Straßburg 153, 166, 173, 236, 244–246 – Dominikanerinnenkonvent St. Agnes 245 – Dominikanerinnenkonvent St. Johannes Baptist 245 – Dominikanerinnenkonvent St. Markus (St. Marx) 245 – Dominikanerinnenkonvent St. Nikolaus in undis 244 – Kartäuserkloster 244–245 Stumpf, siehe unter Lorenz Susanna Schedlin OCist 173 Tennenbach, Zisterzienserkloster 174 Teplá 162 Terrembach, siehe unter Johannes Tetzel, siehe unter Johann Thali, Johanna 139 Theodorus, Kardinaldiakon 88 Thieme, André 177 Thile, siehe unter Benedikt Thilo von Trotha, Bischof von Merseburg 226 Thomas von Aquin OP, Heiliger 35–37, 39, 135, 145

Thomas Cajetan OP, Ordensmeister 182 Thomas Derwitzer 59 Tournai 121, 140, 222 Traut, siehe unter Wolf Trient 141 Trier 95, 109, 125–126, 212 – Kartäuserkloster 126, 212 Trio, Paul 7, 9, 28 Tropper, Christine 163 Trotha, Adelsgeschlecht, siehe unter Thilo Tübingen 172 Tulln an der Donau 244–245 Tusculum 35 Ulm 148, 153, 166, 185, 188, 204, 207–209, 216, 248 – Dominikanerkonvent 129, 148, 188 Ulreich der Wild 30 Ulrich Pinder 19, 111, 160–161, 198, 201, 218, 244 Unkersdorf 64 Urban IV., Papst 204, 223 Urban Hockendorf 62 Ursula, Heilige 4, 102, 244–245 Vauchez, André 8 Venedig 18, 106–107, 115–116, 144–145, 150, 153, 162, 196, 202, 208, 217, 225, 227, 232 – Dominikanerkirche 227 – San Bartolomeo 228 Vogel, siehe unter Lorenz Wann, siehe unter Paul Weber, Max 22, 238–239 Wehrli-Johns, Martina 13, 200 Weida, siehe unter Marcus Weilandt, Gerhard 56 Weimar 109, 177 Weiß, Alfred Stefan 9 Weißenbach, Adelsgeschlecht, siehe unter Johann Weißenberg, siehe unter Peter Weitz, siehe unter Adam Wenzel Goltsmid 56–57, 65, 78 Werner Graf von Zimmern 30 Westhoff, siehe unter Dietrich Wetzel, siehe unter Conrad Wibrecht von Speyer 173

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Personen- und Ortsregister

Wien 30, 102 Wiener Neustadt 102 Wild, siehe unter Ulreich Wilhelm von Lichtenfels 172 Wilhelm von Reichenau, Fürstbischof von Eichstätt 95, 109 Wilsnack 31 Windeg, Adelsgeschlecht, siehe unter Barbel Windesheim 32 Winston-Allen, Anne 12, 97, 113, 122, 127, 162, 181, 208 Wirtenberger, siehe unter Jakob Witte, siehe unter Franz Wittenberg 138 Wolf Traut 199, 204 Wollasch, Joachim 49, 147, 149, 232–234 Wollmann, Philipp 15

Wonnental, Zisterzienserinnenkloster 173–174 Worgwitz, siehe unter Hermann Worms 166 Würzburg 65 Zahn, siehe unter Georg Zech, Kristin 175 Zeitz 177 Zimmern, Adelsgeschlecht, siehe unter Werner Zinna, Zisterzienserkloster 96 Zinsmeyer, Sabine 58 Zothen, siehe unter Anna, Hans Zwickau 44, 47, 157 Zwolle 121 – Dominikanerkonvent 129