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German Pages 178 [210] Year 2020
Karl Braungart Neopfingstler in Honduras
Karl Braungart
Heiliger Geist und politische Herrschaft bei den Neopfingstlern in Honduras
Vervuert Verlag • Frankfurt am Main 1995
Gedruckt mit Unterstützung Der Deutschen Gesellschaft für Missionswissenschaft und der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Braungart, Karl : Heiliger Geist und politische Herrschaft bei den Neopfingstlern in Honduras / Karl Braungart. Frankfurt am Main : Vervuert, 1995 Zugl.: Heidelberg, Univ., Diss., 1994 ISBN 3-89354-071-7
© Vervuert Verlag, Frankfurt am Main 1995 Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Michael Ackermann Printed in Germany: Prisma, Frankfurt
Inhaltsverzeichnis I.
Einführung
9
1. 2.
Einleitung Die Bedeutung der Zunahme der Protestanten für Lateinamerika Honduras: Geschichte und Gesellschaft Geschichtlicher Überblick Politische und gesellschaftliche Strukturen Wirtschaft Soziale Struktur und soziale Probleme Militarisierung Der Katholizismus in Honduras Der Protestantismus in Honduras Überblick Geschichte des Protestantismus in Honduras Erscheinungsformen des Protestantismus Der Historische Protestantismus Der Evangelikaie Protestantismus Der Pfingstliche Protestantismus Der Neopfingstliche Protestantismus Parakirchliche Organisationen "Hombres Cristianos de Negocio", HCN (Füll Gospel Business Men's Fellowship International, FGBMFI) "Embajada Cristiana Jerusalen", ECJ (International Christian Embassy Jerusalem, ICE!) Besonderheiten
9
3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 4. 5. 5.1 5.2 5.3 5.3.1 5.3 2 5.3.3 5.3.4 5.4 5.4.1 5.4.2 5.5 n. 1. 2. 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3
11 13 13 16 19 21 22 25 29 29 31 37 37 38 39 41 43 44 46 47
Die Neopflngstkirchen - Strukturen und kirchliches Handeln
50
Voraussetzungen Strukturen Kirchenstrukturen Amor Viviente Vida Abundante Puerta al Cielo
50 51 51 52 53 55
Karl Braungart
6
2.1.4 2.1.5 2.2 2.3 2.4 3. 3.1 3.2 3.2.1 3.2.1.1 3.2.1.2 3.2.1.3 3.2.1.4 3.2.2 3.3
El Cenáculo Auswertung Sozialstruktur Internationale Verbindungen Finanzierung Kirchliches Handeln Das Wochenprogramm Der Gottesdienst Der Lobpreis Musik und Tanz Gebet Prophezeiungen Heilungen Predigt Schulungen für Mitglieder und Mitarbeiter
56 56 58 59 60 62 62 63 67 68 72 73 74 77 78
III.
Untersuchung theologischer Topoi unter dem Aspekt des Verhältnisses der Neopfingstler zur Welt
80
Weltbild Dichotomie Deutung Dämonologie Beziehung zur Welt Reichtum Vergnügungen Veränderung der Welt Evangelisation Nicht-Bekehrte Heiliger Geist Lehre vom Heiligen Geist Bekehrung und Taufe mit dem Heiligen Geist Exkurs: Eigene Erfahrung einer Fast - Geistestaufe Aufgabe und Wirken des Heiligen Geistes Macht durch den Heiligen Geist Prosperität Eschatologie Millenarismen Futurische Eschatologie Präsentische Eschatologie
80 81 84 85 91 91 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 105 106
1. 1.1 1.2 1.2.1 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.3.1 1.3.4 2. 2.1 2.2 2.2.1 2.3 2.3.1 2.3.2 3. 3.1 3.1.1 3.1.2
Inhaltsverzeichnis
4. 4.1 4.1.1 4.2 4.3 4.4 5. 5.1 5.2 5.3 5.4 6. IV. 1. 1.1 1.2 1.3 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 3. 3.1 3.2 4. 5.
Gottesbild Autoritäre Merkmale Exkurs über "Delegierte Herrschaft" (Autoridad Delegada) Persönliche Merkmale Gesellschaftliche Merkmale Zusammenfassung Bibelverständnis Die Bibel: "Handbuch unseres Lebens" Die Autorität der Bibel Die Bibel: "Die Zeitung von Morgen" Interpretation Zusammenfassung Wahrnehmung der Gesellschaft und der gesellschaftlichen Probleme Die größten Probleme der honduranischen Gesellschaft Spirituelle Probleme Gesellschaftliche Probleme Vertiefung der Problemstellung am zentralen Thema "Armut und Reichtum" Lösungsmöglichkeiten für die Probleme Spirituelle Ebene Moralische Ebene Inhaltliche Ebene Strukturelle Ebene Vertiefung der Problemstellung: Welche Politik wird tatsächlich gemacht - Die neoliberale Politik von Kirchenmitglied und Finanzminister Benjamin Villanueva Die Rolle der Christen in der Gesellschaft Die Rolle der Kirchen Die Rolle der Christen Individuelle Lebenshilfen: Persönliche Zeugnisse von Geschäftsleuten, wie Gott in ihrem Leben die Probleme gelöst hat Zusammenfassung
1
108 109 112 114 115 116 116 117 119 121 123 124 126 126 127 127 128 130 132 133 133 135 136 141 141 144 146 149
8
Karl Braungart
V.
Einschätzung und Beurteilung
1.
Otto Maduro: Religion und gesellschaftliche Auseinandersetzungen Der Bereich des Religösen als Produkt sozialer Konflikte Der religiöse Bereich als relativ autonomes Feld Der religiöse Bereich als aktiver Faktor in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen Zusammenfassung
1.1 1.2 1.3 2.
152 152 155 158 164 168
Quellen- und Literaturverzeichnis 1. 2.
Interviews Literaturverzeichnis
170 172
Anhang Anhang 1: Interviewleitfaden Anhang 2: Gebet von Pastor Evelio Reyes Anhang 3: Die Kirche in Prosperität - Auszug aus einer Predigt des Gastpredigers José Collado Anhang 4: Ein Sieg auf dem Vormarsch - Auszug aus einer Predigt von Evelio Reyes Anhang 5: Predigt von Evelio Reyes bei der Präsidentschaftskandidatenvorstellung Anhang 6: Auszug aus dem Interview Nr. 18 mit Finanzminister Benjamin Villanueva zur Wirtschaftspolitik und zur Rolle der Kirchen
I III VI XVI XVIII XXIX
I. Einführung 1. Einleitung Die folgende Forschungsarbeit beschäftigt sich im weitesten Sinne mit dem Protestantismus in Mittelaiperika. Die Idee dazu entstand nach einem Besuch in Guatemala 1988, bei dem ich von den sich ausbreitenden protestantischen Kirchen in Staunen versetzt und gleichzeitig meine Neugierde geweckt wurde. Vor einigen Jahren wurde die Ausbreitung protestantischer Kirchen in Mittelamerika in der deutschen Theologie noch kaum zur Kenntnis genommen und dementsprechend gab es darüber auch kaum Veröffentlichungen. In der Zwischenzeit hat sich das durch die Veröffentlichungen von H. Schäfer1 zwar geändert, doch bleiben immer noch Lücken: Honduras liegt zwar im Herzen Mittelamerikas, trotzdem ist es das Aschenputtel der mittelamerikanischen Länder, das auch in der wissenschaftlichen Erforschung im Vergleich zu den anderen zurückbleibt.2 Dieser Trend läuft parallel zur wirtschaftlichen und touristischen Erschließung. Die neopfingstlichen Kirchen in Mittelamerika sind ein neues und daher auch wenig studiertes Phänomen. Erst Mitte der 70er Jahre haben sie in Mittelamerika Fuß gefaßt. In Honduras zählen sie heute zu den am schnellsten wachsenden und dynamischsten Kirchen. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf die neopfingstlichen Kirchen in Honduras. Dabei soll neben ihrer Beschreibung vor allem die Frage nach ihrer Beziehung zur Welt im Mittelpunkt stehen. Die Anregung zu dieser Fragestellung kam von der Diskussion, die von Teilen der katholischen Kirche, aber auch von Basisgruppen geführt wurde, ob die "nordamerikanischen Sekten", zu denen pauschal alle protestantischen Kirchen gezählt wurden, vom CIA unterstützt und funktionalisiert wurden 1
Siehe Literaturverzeichnis.
2
Vgl. Andino R./Lawrence E./Driessler W.: Garnison Honduras - Ein bitterarmes Land im Griff des Pentagon, Wuppertal 1987,15. Auch im Englischen gibt es kaum Literatur über Honduras; dazu Akker, A.: Honduras - The making of a Banana Republic, Boston 1988, 1 lf.
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Karl Braungart
zur mentalen Counterinsurgency. Diese Frage wird die Forschungsarbeit nicht beantworten, da die Zielrichtung der Untersuchung eine andere ist. Es geht vielmehr um die theologischen Grundlagen der Neopfingstler in ihrer Beziehung zur Gesellschaft. Welches Gesellschaftsmodell wird durch die Theologie und kirchliche Praxis der honduranischen Neopfingstler gefördert oder stillschweigend vermittelt? Welche theologischen Topoi stehen im Mittelpunkt ihres religiösen Lebens und wie werden sie interpretiert? Der erste Teil der Arbeit ist eine Annäherung an das Thema, indem zuerst die geschichtliche und gesellschaftliche Lage in Honduras dargestellt wird, unter Berücksichtigung des mittelamerikanischen Kontextes. Danach soll in den honduranischen Protestantismus eingeführt werden, um dann zur Verortung der Neopfingstler im Protestantismus von Honduras zu kommen. Im zweiten Teil werden die Strukturen und das kirchliche Handeln der Neopfingstkirchen dargestellt und beschrieben. Der dritte Teil setzt sich mit den theologischen Topoi auseinander, die in den Aussagen der Interviewten und in den kirchlichen Äußerungen zentral waren. Geleitet wird die Darstellung von der Fragestellung nach dem Bezug zur Welt, der in den theologischen Vorstellungen und Aussagen vermittelt wird. Es wurde bewußt der Begriff "Welt" gewählt, weil er offen ist und sowohl für theologische als auch für soziologische Fragestellungen herangezogen werden kann. Im vierten Teil werden die gesellschaftlichen Probleme benannt, die nach Aussagen der neopfingstlichen Kirchenmitglieder die wichtigsten von Honduras sind. Es geht dann weiter um die Verantwortung der Christen in der Gesellschaft und um die Möglichkeiten einer Veränderung der gesellschaftlichen Situation. Im Schlußteil werden die Ergebnisse mit Hilfe des Entwurfs des venezolanischen Religionssoziologen Otto Maduro ausgewertet und interpretiert. Die Untersuchung basiert auf Interviews und Beobachtungen, die 1990 bei einem Feldforschungsaufenthalt in Honduras von mir gemacht wurden und auf schriftlichen Äußerungen der Neopfingstkirchen.
Neopfingstler in Honduras - Einflihrung
2.
11
Die Bedeutung der Zunahme der Protestanten für Lateinamerika
In den letzten zehn Jahren hat man viel von der Ausbreitung fundamentalistischer "Sekten" in Lateinamerika, vor allem in Mittelamerika, gehört. Diese "Sekten" gehören zum weiteren Umfeld des Protestantismus und haben fast alle ihren Ursprung in den USA. Oft werden sie mit der Strategie der US-amerikanischen Regierung und des Geheimdienstes CIA zur Aufstandsbekämpfung in den mittelamerikanischen Ländern in Zusammenhang gebracht, in denen starke soziale Spannungen bestehen und bis vor kurzem noch Bürgerkriege stattfanden oder noch stattfinden (Nicaragua, El Salvador, Guatemala). Zumindest werden sie mit der imperialistischen Ausdehnung des "american way of life" und damit der US-amerikanischen Wirtschaftsinteressen in Verbindung gebracht. Ihnen wird vorgeworfen, Dorfgemeinschaften zu spalten und die Kultur der einheimischen Bevölkerung durch eine "Coca Cola Kultur" zu ersetzen. Man hört vieles über diese "Sekten", manches ist richtig, vieles halbwahr und einiges auch erfunden. Seit Lateinamerika durch die Spanier und Portugiesen vor über 500 Jahren erobert wurde, galt der Subkontinent südlich der USA als katholisches Gebiet. Die katholische Kirche stand in enger Allianz mit den spanischen und portugiesischen Eroberern, die vom Papst beauftragt waren, die einheimische Bevölkerung im katholischen Glauben zu christianisieren. Der katholische Glaube wurde teilweise nur oberflächlich angenommen, so daß es den indígenas, den einheimischen Bewohnern Amerikas, gelang, Elemente ihrer eigenen Religion zu erhalten (z.B. in Mexiko, Guatemala, Peru und Bolivien). Wenn man von Lateinamerika als christlichem Kontinent spricht, dann vergißt man, daß es über Jahrhunderte hinweg immer auch die Religionen der indígenas gab, wenn auch oft versteckt oder mit dem Katholizismus vermischt. Dazu kommt die Religion der afrikanischen Sklaven, die in den afro-amerikanischen Religionen ihren Ausdruck gefunden hat. Diese sind eine Mischung von afrikanischen Religionen mit dem Christentum, wobei die afrikanische Identität erhalten geblieben ist und sich weiterentwickelt hat. Diese kommen vor allem in Brasilien (Macumba, Candomblé), auf Cuba (Santería) und an der Karibikküste Mittelamerikas vor und werden von einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung praktiziert.
12
Karl
Braungart
Der Katholizismus war zwar die stärkste Religion, jedoch nie die einzige. Wenn man nun von der religiösen Landschaft in Lateinamerika spricht, muß man diesen Sachverhalt berücksichtigen. Dadurch, daß die Protestanten noch hinzukommen, wird das religiöse Spektrum Lateinamerikas erweitert, so daß man künftig in Lateinamerika umso mehr von einem religiösen Pluralismus sprechen muß, in dem die katholische Kirche zwar eindeutig die größte Institution ist, in dem es aber starke, sehr aktive und wachsende Minderheiten gibt. Dieses Anwachsen des Protestantismus in seinen sehr unterschiedlichen Ausformungen ist in ganz Lateinamerika zu beobachten. In Brasilien z.B. ist die Zahl der Protestanten auf ca. 25 Mio. oder 15% der Bevölkerung angestiegen.3 In Südamerika ist jedoch der USamerikanische Einfluß in den neuen Kirchen geringer und der nationale Charakter überwiegt. Die folgende Fallstudie geht auf Mittelamerika, insbesondere auf Honduras, ein, um in einem Land eine bestimmte protestantische Strömung näher zu untersuchen. Die Ergebnisse der Untersuchung sind zwar nicht auf alle Länder Lateinamerikas übertragbar, sie lassen aber trotzdem Grundmerkmale erkennen, die in den anderen Ländern ähnlich sind. Die Ausbreitung des Protestantismus muß vielschichtig betrachtet werden und ist als Ausdruck einer tiefgreifenden wirtschaftlich-kulturellen Veränderung Lateinamerikas zu sehen. Alte, am Katholizismus orientierte Leitbilder werden ersetzt durch solche, die sich an nordamerikanisch und protestantisch geprägten Leitbildern orientieren. Dieses Verständnis läßt sich durch eine Assoziationskette verdeutüchen: Nordamerika - nordeuropäisch geprägt - protestantisch - industrialisiert - reich - strebsam - von Gott gesegnet; Lateinamerika - spanisch geprägt - katholisch - unterentwickelt arm - faul - von Gott nicht gesegnet. Dahinter verbirgt sich das US-amerikanische Gesellschaftsmodell, aufbauend auf dem calvinistisch orientierten Protestantismus, das Reichtum und Wohlergehen durch hartes Arbeiten und Ehrlichkeit zu erreichen verspricht. Das Anwachsen der Protestanten ist daher ein Zeichen für einen gesellschaftlichen Wandel Lateinamerikas, der sich in allen gesellschaftlichen Schichten vollzieht.
3
Freston, Paul: O protestantismo popular na política brasileira, in: N O T A S - jornal de ciencias da religiäo, Säo Bernardo do Campo, SP Brasilien, 1994, Ano 1, N" 3, 6.
Neopfingstler in Honduras - Einführung
3.
13
Honduras: Geschichte und Gesellschaft
Honduras ist von der Fläche her mit 112.088 km 2 das zweitgrößte Land in Mittelamerika. 75% des Landes sind sehr bergig "ohne klar definierte Bergketten".4 Nur etwa 43.000 km 2 sind landwirtschaftlich nutzbar. Im Land leben ca. 5 Mio. Menschen, von denen ca. 86% Mestizen, ca. 10% Indios, ca. 2% Weiße und ungefähr 2% afrikanischen Ursprungs sind.5 Das Bevölkerungswachstum im Zeitraum von 1980-89 betrug 3,5%. Die Hauptstadt Tegucigalpa hat ca. 640.000 Einwohner, gefolgt vom im nördlichen Küstentiefland liegenden schnell wachsenden Industrie- und Handelszentrum San Pedro Sula mit 429.000 Einwohnern.6 Das Land hat Zugang zum Pazifik und zum Atlantik und grenzt im Süden an Nicaragua, im Nordwesten an Guatemala und im Südwesten an El Salvador.
3.1
Geschichtlicher Überblick
Als Kolumbus 1502 an die honduranische Küste kam, traf er auf ein Land, das schon seit ca. 6.000 v.Chr. bewohnt war und dessen Bewohner sowohl kulturell als auch organisatorisch eine komplexe Gesellschaft entwickelt hatten.7 Das Maya Reich, das zwischen 250 und 850 n.Chr. seine Blütezeit hatte, erstreckte sich auch auf Honduras. Um 450 n. Chr. wurde die Mayasiedlung von Copán gebaut, die allerdings bei der Ankunft der Spanier schon nicht mehr bewohnt war. Die Eroberung durch die Spanier beschränkte sich anfangs nur auf die Küstengebiete der Karibikregion. Ab 1519 drangen sie jedoch in organisierter Form auch ins Landesinnere vor und warfen die einzelnen Stämme kriegerisch nieder. Die einheimische Bevölkerung wurde durch Krankheit, Ermordung, Versklavung und Verschleppung innerhalb weniger Jahre stark dezimiert.8 Es kam zu verschiedenen Aufständen der Einheimischen, z.B. 4
Andino/Lawrence/Driessler, 184.
5
Diese Zahlen sind Annäherungswerte, da es keine genauen Zahlen gibt. Vgl. Andino/Lawrence/Driessler, 184; Bueso, J.A.: El subdesarollo hondureno, Colección Realidad Nacional, Universidad Nacional Autonoma de Honduras, Editorial Universitaria, Tegucigalpa, 1987,17.
6
Barrata, M.v.: Der Fischer Weltalmanach 1992, Frankfurt a.M., 1991, 400. Diese Zahlen sind wegen der großen Zuwanderung aus dem Inland zu niedrig.
7
Becerra, L.: Evolución Histórica de Honduras, Baktun, Tegucigalpa, 1983, 23.
8
Vgl. Tojeira, J.M.: Panorama Histórico de la Iglesia en Honduras, CEDOH, Tegucigalpa, 1986, 10. Tojeira gibt für 1524 eine einheimische Bevölkerung von 400.000 an, die auf 5786 im Jahr 1600 zurückgegangen ist. Vgl. auch Becerra, 57.
14
Karl Braungart
1537, der von Lempira angeführt wurde, einem Angehörigen des Lenca Stammes.9 Die Entdeckung von Gold und Silber Mitte des 16. Jh. rückte das Land für kurze Zeit stärker in den Vordergrund des kolonialen Interesses, doch trat nach Nachlassen der Funde die ganze Region Mittelamerika wieder hinter Peru und Mexiko zurück. Neben dem Bergbau kam es nur zu einem bescheidenen Ausbau der Landwirtschaft und der Viehzucht. Die Provinz Honduras selbst führte auch innerhalb der mittelamerikanischen Region ein Schattendasein. Zentrale Institutionen des Großkapitanats Mittelamerika hatten ihren Sitz in Guatemala. Am Indigoboom, von dem Guatemala und El Salvador profitierten, hatte Honduras nur indirekt Anteil. Nach der Unabhängigkeit von Spanien 1821 gehörte Honduras zusammen mit den anderen Provinzen des Großkapitanats10 für kurze Zeit zum Kaiserreich Mexiko, bevor sie sich zur Zentralamerikanischen Föderation zusammenschlössen. Es kam zu Streitigkeiten innerhalb und zwischen den verschiedenen Provinzen. Der Honduraner Franzisco Morazän, zweimaliger Präsident der Föderation und heutiger Nationalheld, versuchte die Teilstaaten mit militärischen Mitteln zusammenzuhalten und liberale Reformen durchzuführen, was ihm aber die Feindschaft konservativer Kreise und der katholischen Kirche eintrug. 1838 löste sich die Föderation auf und Honduras wurde ein unabhängiger Staat. Unter der Führung des Liberalen Marco Aureliano Soto wurden politische und ökonomische Reformen durchgeführt, die die Infrastruktur verbesserten und die Wirtschaft für den Weltmarkt zuschnitten.11 In der Verfassung wurde die Trennung von Kirche und Staat festgeschrieben. "Die zuvor von einzelnen caudillos gewaltsam beherrschte politische Auseinandersetzung wich nun einer ständigen, nicht immer friedlichen Konfrontation zwischen liberalen und konservativen Gruppierungen, die sich vergleichsweise früh zu politischen Parteien zusammenschlössen (Partido Liberal, PLH: 1891; Partido Nacional, PNH: 1923)."12
9
Nach ihm wurde die honduranische Währung benannt.
10
Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua, Costa Rica.
11
Siehe Bendel, P.: Honduras, in: Nohlen, D./Nuscheler, F. (Hg.): Handbuch der Dritten Welt, Bd. 3, Mittelamerika und Karibik, Hamburg 1992, 148.
12
Ebd.
Neopfingstler in Honduras -
Einführung
15
Die Aufnahme der Bananenproduktion war für das Land von entscheidender Bedeutung. Ab 1899 wurde das Bananengeschäft hauptsächlich von US-amerikanischen Konzernen (United Fruit Company, Cuyamel Fruit Company) betrieben, die große Gebiete in der karibischen Küstenregion erschlossen und denen sehr große politische und wirtschaftliche Zugeständnisse gemacht wurden. Die einheimische Wirtschaft war zu schwach, um sich gegen die ausländischen Konzerne verteidigen zu können, so daß die honduranische Wirtschaft und Politik mehr und mehr von ausländischen Interessen bestimmt wurde. Im Norden des Landes entstanden US-amerikanische Wirtschaftsenklaven. Die Konzerne durften alles zu ihrem Betrieb Notwendige zollfrei einführen. Sie hatten die Verpflichtung, Eisenbahnen zu bauen, kamen ihr aber nur nach, soweit es in ihren Interessen lag.13 Die Kompanien mischten sich massiv in die Politik ein und organisierten den Sturz einer ihnen nicht genehmen Regierung, wobei die Cuyamel Company die Liberale Partei instrumentalisierte, die United Fruit Company die Nationale Partei.14 1932 wurde die Cuyamel Fruit Company von der United Fruit Company aufgekauft. Die Rivalität der beiden Gesellschaften war damit beendet, zugleich verringerte sich dadurch auch der Einfluß der Liberalen Partei. Die Nationale Partei kam unter der Führung des Diktators Tiburcio Carlas Andino (1933-49) an die Macht. Die Repression des autoritären Regimes, das mit Hilfe von Verfassungsreformen und einem Dekret des Kongresses die Amtszeit des Präsidenten wiederholt' verlängerte, traf vor allem die Arbeiterorganisationen, die sich in der Hauptsache auf den Bananenplantagen gebildet hatten. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die honduranischen Wirtschaft modernisiert und diversifiziert.15 Dies hatte einerseits zur Folge, daß die durch Rationalisierungen freigesetzten Bananenarbeiter in die Städte zogen, andererseits vergrößerten sich die Mittelschichten durch das Entstehen neuer regionaler Industrie- und Handelsbetriebe vor allem in San Pedro Sula. 1954 kam es zu einem ersten Streik ausgehend von den Bananenarbeitern, der im ganzen Land eingehalten wurde und die Gewerkschaftsorganisationen nachhaltig stärkte. In der Folge wurde die Militanz der Gewerkschaften un13
Die Hauptstadt wurde nie an das Schienensystem angeschlossen.
14
Lapper, R./Painter, J.: Honduras - state for sale, Latin America Bureau, London 1985, 26f.
15
Andino/Lawrence/Driessler, 122ff.
Karl Braungart
16
ter der Führung des US-amerikanischen Gewerkschaftsdachverband (AEL) geschwächt und unter die Kontrolle von gemäßigten Führern gebracht.16 Nach ihrer Professionalisierung, die 1954 infolge der Ausbildung und Ausrüstung durch die USA begann, übernahmen die Streitkräfte die Rolle eines politischen Schiedsrichters.17 Als einzige starke, zentralisierte Organisation wurde das Militär zur stärksten politischen Kraft, die in den 60er und 70er Jahren mehr und mehr das politische Vakuum besetzte, das die zwei großen Parteien nicht zu füllen in der Lage waren. Der erste Militärputsch 1956 markierte den Anfang einer Phase von Militärregierungen, die bis 1982 andauerte. Nach dem sogenannten "Fußballkrieg"18 zwischen Honduras und El Salvador wurden zwar Wahlen durchgeführt, doch blieb die zivile Regierung nur wenige Monate an der Macht. Erst 1981 wurden wieder Wahlen durchgeführt und 1982 konnte dann ein Zivilist das Präsidentenamt übernehmen.
3.2
Politische und gesellschaftliche Strukturen
Die honduranische Republik ist in 18 Regierungsbezirke (departamentos) eingeteilt und wird zentralistisch von Tegucigalpa aus regiert. Sie hat nach der jetzigen Verfassung (1982) einen Präsidenten, ein Einkammerparlament und eine unabhängige Justiz. Präsident und Abgeordnete werden alle vier Jahre gewählt. Die Wahlbeteiligung19 zwischen 76% und 84% in den 80er Jahren ist im Vergleich zu anderen mittelamerikanischen Ländern hoch. Es scheint, daß "die entscheidende Determinante des honduranischen Wahlverhaltens in einer stabilen, traditionellen Identifikation mit den seit Jahr16
Lapper/Painter, 38ff.
17
Vgl. Barry, T./ Norsworthy, K.: Honduras - A Country Guide, The Inter-Hemispheric Education Resource Center, Albuquerque NM, 1990, 33ff; Lapper/Painter, 41ff.
18
Der "Fußballkrieg" fand zwar im Anschluß an die Ausschreitungen bei einem Weltmeisterschaftsqualifikationsspiel zwischen Honduras und El Salvador stau, doch der eigentliche Grund für den Krieg waren die salvadorianischen Bauern, die infolge der extremen Konzentration des Landbesitzes in Händen weniger Großgrundbesitzer in El Salvador ins weniger dicht besiedelte Honduras strömten, "um dort als Subsistenzlandwirte oder Landarbeiter ihr Leben zu fristen". In dem Maße wie jedoch auch in Honduras das Landproblem an Bedeutung gewann, wollten dann die honduranischen Großgrundbesitzer die salvadorianischen Bauern wieder in ihr Heimatland abschieben, was aber die schon angespannte Landsituation in El Salvador noch weiter verschärft hätte. Dagegen sperrten sich die salvadorianischen Großgrundbesitzer. Die Landoligarchie in beiden Ländern hatte guten Grund, diesen Konflikt zu schüren, zumal zwischen beiden Ländern eine traditionelle Feindschaft bestand. Vgl. dazu Andino/Lawrence/Driessler, 133f.
19
Bendel, Honduras, 165.
Neopfingstler in Honduras - Einfiihrung
17
zehnten dominierenden Parteien sowie in deren Klientelismus- und Patronagesystem" liegt, "in Strukturen also, die aufgrund des Verbotes parteipolitischer Aktivitäten während der Militärherrschaft gewissermaßen als 'eingefroren' galten."20 Jede der beiden großen Parteien (Liberale Partei; Nationale Partei) versorgt nach einem Wahlsieg die eigene Klientel mit Posten in Regierung und Verwaltung. Die Mitglieder der anderen Partei werden entlassen. Das Vertrauen in die Staatsvertreter und die staatlichen Institutionen ist klein, denn ihre reale Macht ist gering und viele von ihnen sind korrupt. Efrain Diaz Arrivillaga, ein christdemokratischer Abgeordneter, meint 1983: "The great problems that afflict Honduran society, namely the problems of human rights, foreign policy and the economy, are rarely debated in the Congress. The Congress legitimises all the executive wants. In other words, it is not, practically speaking, an independent power; it does not maintain any control over the executive."21 Zum Vertrauensverlust der demokratischen Institutionen trug auch bei, daß die Bevölkerung in den 80er Jahren während demokratisch gewählter Regierungen erfahren mußte, wie ihr politischer Spielraum stärker eingeschränkt wurde, Repression und Menschenrechtsverletzungen zunahmen und Reformen zurückgenommen wurden im Vergleich zu nicht demokratisch gewählten früheren Regierungen. Im honduranischen Machtspektrum spielt der US-amerikanische Botschafter eine überaus wichtige Rolle. Neben Regierung und Militär ist die US-Botschaft das dritte Machtzentrum.22 Neben der wirtschaftlichen und militärischen Abhängigkeit war auch die Übereinstimmung der Interessen zwischen Weißem Haus und der honduranischen Führungsschicht die Grundlage für die Zusammenarbeit.23 Selbst die formaldemokratische Staatsform ist auf Druck der US-Regierung entstanden. Im zentralamerikanischen Konflikt war der Staat Honduras zwar formal neutral, ordnete sich aber trotz innerer Widerstände der Politik Washingtons gänzlich
20
Ebd.
21
Lapper/Painter, 98.
22
"Today the civilian president and Congress function largely in a public-relations role to explain and defend decisions made in the barracks, the banks, and the U.S. embassy". Barry/Norsworthy, 11.
23
A.a.O., 12. Nach seinem Wahlsieg 1989 betonte der neugewählte Präsident Leonardo Rafael Callejas die Übereinstimmung der Ziele mit den USA zum gegenseitigen Vorteil.
18
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Braungart
unter und duldete zwei ausländische Armeen, die antisandinistischen Contras und die US-Armee, auf seinem Territorium. Neben den beiden großen Parteien gibt es zwar auch kleinere Parteien, wie die reformorientierten Christdemokraten (Partido Cristiano de Honduras, PDCH) oder die bürgerliche Partei für Erneuerung und Einheit (Partido de Innovación y Unidad, PINU), doch gelang es ihnen nicht, einen größeren Rückhalt zu finden, was auch an den institutionellen Hindernissen für die Zulassung liegt. Wichtiger für die honduranische Gesellschaft sind die Interessensgruppen. Die Gewerkschaften und Bauernverbände sind gut organisiert und nehmen im Gegensatz zu den Parteien eine kämpferische Haltung ein, die auch eindeutige Stellungnahmen zu politischen Themen wie die US-amerikanische Militärpräsenz und Menschenrechte einschließen. Seit dem Streik von 1954 konnten sie durch ihren Druck auch unter den Militärregierungen begrenzte Reformen durchsetzen und ihren Einfluß vergrößern. Die Unternehmer haben sich im COHEP (Consejo Hondureño de la Empresa Privada) und in der Industrievereinigung ANDI (Asociación Nacional de Industrias) zusammengeschlossen, um nur die bedeutendsten zu nennen. Anfang der 80er spielte die APROH (Asociación para el Progreso de Honduras) unter der Führung des Armeechefs General Gustavo Alvarez Martínez eine sehr wichtige Rolle. Ziel dieser Organisation, in der Geschäftsleute, Militärs und konservative Gewerkschaftler zusammengeschlossen waren, war die Bekämpfung des Marxismus auf der ideologischen Ebene. APROH war bis zu ihrer Auflösung eine mächtige Denkfabrik für eine extrem rechtsgerichtete Politik.24 Die vier bekannten Guerillagruppen25 spielen im Gegensatz zu den Nachbarländern in Honduras nur eine geringe Rolle und verfügen in der Bevölkerung nur über eine geringe Unterstützung. Ihre Aktionen waren bis jetzt nur sporadisch und vereinzelt. 24
Lapper/Painter, lOlf; Barry/Norsworthy, 20,22,84; APROH wurde von CAUSA unterstützt, einer Organisation von San Myung Moon. Der jetzige Präsident Rafae] Leonardo Callejas und Finanzminister Benjamin Villanueva, ein Neopfingstler, waren führende Mitglieder der APROH. Zu CAUSA s. The Inter-Hemispheric Education Resource Center: Private Organizations with U.S. Connections - Honduras; Directory and Analysis, Albuquerque NM 1988, 29.
25
Movimiento Popular de Liberación 'Chinchoneros' (MPL); Fuerzas Populares Revolucionarias 'Lorenzo Zelaya'(FPR); Frente Morazanista de Liberación Nacional de Honduras (FMLNH); Partido Revolucionario de los Trabajadores Centroamericanos - Sección de Honduras (PRTC-H). Dazu: Bany/Norsworthy, 44ff; Lapper/Painter, 10.
Neopfingstler in Honduras - Einführung
3.3
19
Wirtschaft
Vor dem Einsetzen der Modernisierung nach dem Zweiten Weltkrieg war die honduranische Wirtschaft fast ausschließlich vom Handel mit einigen wenigen Agrarprodukten, besonders den Bananen, geprägt, die für den Export produziert wurden. Die übrige Landwirtschaft war auf Subsistenzwirtschaft ausgerichtet.26 Daneben spielte noch der Bergbau ein Rolle. Auch heute noch dominiert der Agrarsektor in der honduranischen Wirtschaft. Es kam jedoch zu einer Diversifizierung.27 Neben Bananen werden nun auch Kaffee, Baumwolle, Zuckerrohr, Tabak, Zitrusfrüchte und Palmen angebaut. Dazu kam die Ausbeutung der Wälder durch Holzwirtschaft. Die Viehzucht wurde intensiviert. Mit 24,1% Anteil am BIP liegt der Agrarsektor 1989 noch knapp vor der Industrie mit 23,4%.28 1980 sind rund 60% der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt. Das ist ein Rückgang um ca. 10% seit 1960. Dagegen stieg der Anteil der Erwerbstätigen in der Industrie von 10,6% im Jahr 1960 auf 16,2% im Jahr 1980.29 Bei der in den 50er Jahren begonnenen Industrialisierung handelt es sich vor allem um Leichtindustrie, die in Klein- und Mittelbetrieben in Tegucigalpa und San Pedro Sula angesiedelt sind. "Vier Fünftel der Produktion bestehen aus der Verarbeitung von Nahrungsmitteln (Molkereien, Schlachthäuser, Getreide- und Ölmühlen, Zuckerfabriken, Brauereien, Betriebe zur Herstellung von Obst- und Fleischkonserven, Pulverkaffee und Tabakwaren), aus Schuh- und Bekleidungsindustrie und aus der Herstellung von Konsumgütern aus Holz."30 Die meisten der Betriebe werden von US-amerikanischen Konzemen kon-
26
Bany/Norsworthy, 47f.
27
Ebd.
28
CEPAL 1991, zitiert nach: Bendel, Honduras, 152.
29
Ebd.
30
Bendel, Honduras, 159. Viele Betriebe sind Tochterunternehmen der großen Fruchtgesellschaften United Brands (früher: United Fruit) und Castle and Cooke (früher: Standard Fruit). Siehe dazu die Auflistung in: Lapper/Painter, 128f.
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trolliert.31 Das durchnittliche Wirtschaftswachstum zwischen 1960 und 1980 betrug etwas über 5%.32 Als Folge der Modernisierung kam es zu einer Verbreiterung hauptsächlich der städtischen Mittelschichten.33 Verschiedene Faktoren führten jedoch Ende der 70er Jahre zu einem Einbruch der honduranischen Wirtschaft. 34 Die Wachstumsrate betrug von 1980-1985 nur noch 0,6%, also bedeutend weniger als das Bevölkerungswachstum. Die Inflationsrate stieg auf 15% im Jahr 1980. "Infolge der Weltwirtschaftskrise sanken die Preise der honduranischen Agrarexportprodukte, während sich die Kapitalgüterimporte gleichzeitig verteuerten".35 Andere negative Faktoren waren die erhöhten Ölpreise seit 1979 und die unsichere politische Situation infolge der Bürgerkriege in den Nachbarländern, die zu Kapitalflucht und zum Rückgang der privaten Investitionen führten. Die Regierung versuchte, diese negativen Auswirkungen abzufangen, indem die Auslandsverschuldung erhöht wurde.36 Um die negative Zahlungsbilanz zu verbessern, wurde, im Zusammenhang mit den Umschuldungsverhandlungen mit IWF und Weltbank, ein Strukturanpassungsprogramm durchgeführt. Unrentable Staatsbetriebe wurden privatisiert, die Staatsausgaben gesenkt, die Einkommens- und Verkaufssteuem sowie die Preise für öffendiche Dienstleistungen erhöht und der honduranische Lempira abgewertet, wodurch die importierten Produkte teurer wurden, die exportierten Produkte jedoch billiger. Die Arbeitslosenrate stieg stark an. Ungefähr 35% der arbeitsfähigen Bevölkerung sind arbeitslos oder
31
Nach einer Studie des Instituts für Wirtschaftswissenschaften der Nationaluniversität werden die fünf größten Betriebe gänzlich von US-Konzernen kontrolliert. 82% der 50 größten Betriebe werden ebenfalls von US-Firmen kontroliert; aus: Barry, Tom/Preusch, Deb: The Central America Fact Book, Grove Press, New York 1986, 265.
32
Barry/Norsworthy, 49. Honduras bleibt damit hinter den anderen mittelamerikanischen Ländern zurück.
33
Die Einkommensverteilung änderte sich von 1970-1980 zugunsten einer stärkeren Beteiligung der unteren Schichten: Die 20% Ärmsten hatten 1980 einen Anteil von 4,3% (1970:3,0%), die 30% unter dem Durchschnitt liegenden Einkommen 12,7% (1970:7,7%), die 30% über dem Durchschnitt liegenden Einkommen 23,7% (1970:21,6%) und die 20% Reichsten 59,3% (1970:67,7%) am gesamten Einkommen. Quelle: CEPAL 1982, zitiert nach ÜCA/FLACSO: Centroamérica en Cifras, San José C R., 1991.
34
Dazu: Bendel, Honduras, 153.
35
Ebd.
36
1989 betrag die gesamte Auslandsverschuldung 3,351 Mrd. US $ (1978: 971 Mio. US $); Quelle: IICA/FLACSO; CEPAL zitiert nach Bendel, Honduras, 161.
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im informellen Sektor unterbeschäftigt.37 Die Kaufkraft der Löhne sank kontinuierlich.38 Von dieser Entwicklung waren auch die neuen Mittelschichten betroffen, die in der Hauptsache die Neopfingstkirchen tragen. Diese waren nicht von der Verelendung betroffen, wie die Unterschichten, aber ihnen drohte der soziale Abstieg und der Verlust ihres noch gar nicht so alten Wohlstandes.
3.4
Soziale Struktur und soziale Probleme
Ungefähr 57% der honduranischen Bevölkerung sind von absoluter Armut betroffen. Auf dem Lande sind es sogar ca. 80%.39 Die Einkommensunterschiede zwischen Reichen und Armen sind sehr groß. "Über die Hälfte der Bevölkerung hat keinen Anschluß an Trinkwasser, 75% der Haushalte verfügen nicht über Kanalisation."40 Die Kindersterblichkeit liegt bei 68,4 je 1000 Geburten (1970-75: 100,6).41 Sie ist damit auch im lateinamerikanischen Durchschnitt sehr hoch. Nach Bueso sind ca. 72% der Bevölkerung 1984 unter- oder fehlernährt.42 Die prekären hygienischen Verhältnisse und die Ernährungssituation sind der Grund für das häufige Vorkommen von Infektionen und Magen-Darmerkrankungen. Psychische Erkrankungen, wie z.B. Depressionen und Angstneurosen sind weit verbreitet, ebenso wie Alkoholismus, was nach Aussagen des Psychiaters Dr. Rosalio Zavala auf die bedrohliche sozio-ökonomische Situation zurückzuführen ist.43 Auffallend ist, daß sehr viele Frauen ihre Kinder, die sie oft von verschiedenen Männern haben, alleine aufziehen müssen, weil die Männer sich der Verantwortung entzogen haben. 37
Europa Yearbook 1988; zitiert nach: Barry/Norsworthy, 150. Zahl von 1986. Weller nennt 26,4% für 1990; Weller, Jürgen; Auswirkungen der Strukturanpassungspolitiken auf die Arbeitmärkte in Zentralamerika, in; Bendel, Petra (Hrsg.): Zentralamerika: Frieden - Demokratie - Entwicklung, Frankfurt 1993, 285.
38
Mindestlohnvergleich; Index 1980: 100%; 1978: 102,5%; 1987: 84,0%.; Quelle: Economic and Social Progress in Latin America: 1989 Report, Inter-American Development Bank; zitiert nach: Barry/Norsworthy, 150
39
Bendel, Honduras, 163.
40
Bendel, Honduras, 163.
41
Quelle: CEPAL 1990, zitiert nach Bendel, Honduras, 163.
42
Bueso, 22f.
43
A.a.O., 25. In El Salvador wurde in einer Studie das Anwachsen psychosomatischer Krankheiten um bis zu 20% als Folge von Repression und Bürgerkrieg nachgewiesen. Siehe dazu: Martin-Barö, I.: De la Gueira Sucia a la Guerra Psicolögica: El Caso de El Salvador, in: Revista de Psicologia de El Salvador, Vol.IX. No.35, 109-122, UCA, San Salvador, EI Salvador, 1990, 117f.
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Die Analphabetenrate 1985 betrug 40,5% im Landesdurchschnitt.44 Zwar besteht eine Schulpflicht, doch fehlt es an ausgebildetem Lehrpersonal und an Schulräumen und ebenso fehlt es an qualifizierten Arbeitskräften und an einer guten Hochschulausbildung.45 Obwohl das Land dünn besiedelt ist, sind die Konflikte um das Land in Honduras stark. Nach dem II. Weltkrieg kam es zu einer stärkeren Konzentration des Landbesitzes. Tausende von Kleinbauern wurden von ihrem Land vertrieben und suchten in den Städten nach Arbeit. "Um 1965 waren nach Angaben der CEPAL etwa 26% der Agrarbevökerung ohne Land".46 In den Städten führt das zu einem Anwachsen der Armensiedlungen. Auf Druck der Bauemorganisationen wurde Ende der 60er eine Landreform begonnen, die in der Zeit der reformistischen Militärregierung von Oswaldo Lopez Arellano (1972-75) am stärksten vorangetrieben wurde. Zwar ist das Problem der landlosen Bauern nicht so drängend wie in El Salvador, weil es in Honduras mehr Land gibt, das an die Bauern verteilt werden konnte, doch birgt die Landverteilung immer noch großen sozialen Zündstoff, der immer wieder in Landbesetzungen und Vertreibungen zum Ausdruck kommt. Die Landreform blieb weit hinter den gesteckten Zielen zurück.47 Die Binnenwanderung wurde in den 80er Jahren durch die Vertreibung vieler Menschen aus der nicaraguanischen Grenzregion und rund um die Lager der Contras infolge der kriegerischen Konflikte verstärkt. Viele Honduraner sind in den letzten Jahrzehnten wegen Menschenrechtsverletzungen, vor allem aber aus wirtschaftlichen Gründen, in die USA emigriert, so daß im Volksmund gesagt wird, New Orleans wäre die drittgrößte honduranische Stadt mit ungefähr 108.000 honduranischen Emigranten.
3.5
Militarisierung
Nach dem Sieg der sandinistischen Revolution in Nicaragua 1979 und dem Erstarken der Guerilla in El Salvador Anfang der 80er Jahre wurde Hondu-
44
Quelle: CEPAL 1990, zitiert nach Bendel, Honduras, 164.
45
Bueso, 45.
46
Bendel, Honduras, 157.
47
Dazu: Centro de Documentación de Honduras (CEDOH): 25 Años de Reforma Agraria, Boletín Especial No.34, März 1988, Tegucigalpa; Bueso, 77-144.
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ras systematisch von den USA aufgerüstet.48 US-amerikanisches Militär baute Basen in Honduras und führte zusammen mit honduranischem Militär Manöver durch, so daß zeitweilig bis zu 30.000 US Soldaten in Honduras oder im honduranischen Küstenbereich präsent waren.49 Zu den regulären Armeen kamen noch die 1990 aufgelösten Truppen der von den USA finanzierten antisandinistischen Contras von bis zu ca. 20.000 Mann.50 Die starke Präsenz des Militärs verursachte bei der Bevölkerung Angst und ein Gefühl der Bedrohung, zumal es Anfang der 80er Jahre schien, als General Gustavo Alvarez Martínez Militäroberbefehlshaber war, daß es zu einem Krieg mit Nicaragua kommen würde. Die weitverbreitete Kriegsangst war daher nicht unbegründet. Infolge der Bürgerkriege in Nicaragua, El Salvador und Guatemala kamen zehntausende von Flüchtlingen nach Honduras. Es entstanden Flüchtlingslager in den Grenzgebieten, in denen besonders Salvadorianer untergebracht wurden, weil ihnen eine Nähe zur salvadorianischen Guerilla FMLN unterstellt wurde. Bis zu Beginn der 80er Jahre waren die Berichte über Menschenrechtsverletzungen in Honduras sporadisch und standen hauptsächlich im Zusammenhang mit Gewerkschafts- und Agrarkonflikten.51 Ab dem Jahr 1981 nahmen die Menschenrechtsverletzungen stark zu und gewannen einen organisierten und systematischen Charakter. Es kam zu systematischen politischen Morden, Verschwindenlassen von Personen, Entführungen, zeitweisen Verhaftungen und Folter. Bei keinem anderen Staat konnte so deutlich die direkte Beteiligung des Militärs und der Sicherheitskräfte bei Menschenrechtsverletzungen, z.B. durch Bildung der Todesschwadron Batallion 3/16, nachgewiesen werden wie bei Honduras, wofür Honduras auch verschiedene Male vom Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt wurde.52 Die Zunahme der Menschenrechtsverletzungen begann mit der Übernahme des militärischen Oberbefehls 48
Von 1946-1979 erhielt Honduras 26,5 Mio. US-$ Militärhilfe von den USA. Von 1980-1987 waren es 359,7 Mio. US-$. aus: Barry/Norsworthy, 150.
49
Andino/Lawrence/Driessler, 97.
50
Centro de Documentación de Honduras (CEDOH): La Contra en Honduras, Boletín No.7, Abril de 1987, 24.
51
amnesty international: Honduras, Autoridad Civil - Poder Militar, Violaciones de los Derechos Humanos en la Década de 1980, London 1988, 3.
52
Dazu siehe: Centro de Documentación de Honduras (CEDOH): Otra Vez la Violencia Política, Boletín No. 99, Julio de 1989, Tegucigalpa, 3.
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durch General Gustavo Alvarez Martinez, einem Verfechter der Doktrin der Nationalen Sicherheit.53 Die Repression ließ nach seinem von seinen Offizierskollegen erzwungenen Rücktritt leicht nach. Die geschilderten Rahmendaten geben die Bedeutung der Militarisierung und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft nur unzureichend wieder. Anibal Pinto, der Vizepräsident des honduranischen Menschenrechtskomittees (CODEH) erklärt: "Die Doktrin der Nationalen Sicherheit plant die Eliminierung aller disfunktionalen Elemente der Gesellschaft, d.h. der einfache Kriminelle und der politische Dissident sind gleichermaßen der physischen Liquidierung ihres Lebens ausgesetzt".54 Armut, hohe Arbeitslosigkeit und Militarisierung, d.h. die Konfliktlösung durch Gewalt, tragen dazu bei, daß die Anwendung krimineller Gewalt angestiegen ist.55 Neben dem gezielten Terror gegen Dissidenten oder oppositionelle Organisationen hat die Militarisierung einschneidende, aber beabsichtigte psychische Auswirkungen. "Es geht darum, den Gegner als solchen zu vernichten, indem man seinen Kopf und sein Herz gewinnt".56 Mittel der psychologischen Kriegsführung sind die Schaffung von Unsicherheit und Angst in der Bevölkerung und die Isolierung von potentiell oppositionellen 53
Die Doktrin der Nationalen Sicherheit wurde während des Kalten Krieges in den USA entwickelt und von den Militärs in den 60er und 70er Jahren in Brasilien, Argentinien und Chile auf lateinamerikanische Verhältnisse zugeschnitten. Es geht dabei um die Verlagerung des externen Kampfes gegen den Kommunismus in ein Land hinein. Das Militar hat dabei das Recht, ohne demokratische Kontrolle auf allen gesellschaftlichen Ebenen mit allen Mitteln gegen "Kommunismus" und "Subversion" vorzugehen.
54
CEDOH, Boletín No. 99, 3. Zur Ermordung einfacher Krimineller nach erfolgter Festnahme, siehe: Comité para la Defensa de los Derechos Humanos en Honduras (CODEH): Así se mata en Honduras, Boletín Informativo No.54, Julio de 1989, Tegucigalpa.
55
Es kommt zu häufiger Gewaltanwendung durch Angehörige der Sicherheitskräfte im privaten Bereich, aber auch zu verstärkter Gewaltanwendung in den Familien und bei Verbrechen infolge der Militarisierung der Gesellschaft. Waffen sind in Honduras auch gerade nach Auflösung der Contras einfach und billig zu besorgen. Dazu siehe: Martín-Baró, Ignacio: La Violencia en Centroamérica: Una Visión Psicosocial, in: Revista de Psicología de El Salvador, Vol.IX, No.35, UCA, San Salvador, El Salvador, 1990, 125; ders.: La Violencia Política y la Guerra como Causas del Trauma Psicosocial en El Salvador, a.a.O., 92. Martín-Baros Untersuchungen sind nicht nur auf El Salvador zu beziehen.
56
Martín-Baró: De la Guerra Sucia, 114. Humanitäre Hilfe in Form von Lebensmittelgeschenken oder medizinische Versorgung durch Militärs oder US-Regierungsorganisationen dient ebenfalls im Sinne der "Low Intensity Conflict"- Doktrin zur Gewinnung der Herzen und Köpfe. Dazu: Barry, Tom: Low Intensity Conflict. The New Battlefield in Central America, The Inter-Hemispheric Education Resource Center, Albuquerque NM, 19862, 33ff; The Inter-Hemispheric Education Resource Center: Public and Private Humanitarian Aid. Legal and Ethical Issues, Albuquerque NM 1988; Duchrow, Ulrich/Eisenbürger, Gert/Hippler, Jochen: Totaler Krieg gegen die Armen. Geheime Strategiepapiere der amerikanischen Heere, München 1989.
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Gruppen, um die allmächtige und allgegenwärtige Macht der Sicherheitskräfte spüren zu lassen und die totale Unterwerfung unter das Diktat der Macht zu erreichen. Für viele Menschen ist das eine erzwungene Selbstentwertung und bedeutet die Aufgabe ihres Lebensprojektes und jeglicher Beteiligung an gesellschaftlicher Gestaltung, um nicht das eigene Leben oder das der Angehörigen zu riskieren. Psychosomatische Erkrankungen, z.B. nervöse Spannungen und Ängste, sind die Folge. Ein gesellschaftlicher Konsens wird verhindert, da die Gesellschaft weiter polarisiert wird. Die oberen Gesellschaftsschichten sind von dieser Entwicklung nicht in gleichem Maße wie die unteren Schichten betroffen. Sie begrüßen oftmals eine autoritäre Regierungsweise, wenn damit ihre Interessen gesichert werden. Trotzdem sind auch sie von der Militarisierung und der Zunahme der Gewalt betroffen durch die Bedrohung, verursacht durch die gestiegene Kriminalität, den fehlenden Investitionen infolge der gesellschaftlichen Konflikte und der Bedrohung ihres Lebensstiles durch bewaffnete und unbewaffnete gesellschaftliche Gruppen der Bevölkerungsmehrheit. Bei ihnen treten daher auch Ängste auf, die aber oft durch eine aggressive Verleugnung der Realität verdrängt werden.57
4.
Der Katholizismus in Honduras58
Bevor der Protestantismus untersucht wird, soll kurz das Augenmerk auf den Katholizismus gelenkt werden, weil er den Hintergrund bildet, auf dem sich der Protestantismus entwickelt. Ohne Berücksichtigung der Situation der katholischen Kirche ist die Ausbreitung der protestantischen Kirchen nicht zu verstehen. Die Ausführungen dazu sind aber kurz gehalten und stellen den Katholizismus nur insoweit dar - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - , als es für das Verständnis der vorliegenden Arbeit nötig ist. Die katholische Kirche kam mit den spanischen Eroberern nach Honduras. Am 14. August 1502 wurde am Strand des heutigen Trujillo die erste Messe gefeiert.59 1532 wurde die erste Diözese auf honduranischem Boden 57
Ders., G ü e r a y Salud Mental, in: Revista de Psicología de El Salvador, Vol.IX, No.35, UCA, San Salvador, El Salvador, 1990, 80f.
58
Siehe auch: Ballin, Monika: Die politische Rolle der Kirche in Zentralamerika - Eine vergleichende Länderanalyse, Kieler Schriften zur politischen Wissenschaft; Bd. 5; Frankfurt 1990, 126ff.
59
Tojeira, 14.
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errichtet mit Sitz in Trujillo.60 Bis heute ist die katholische Kirche die stärkste religiöse Organisation. Ihre erste, große institutionelle Herausforderung erfuhr sie in den Jahren nach der Unabhängigkeit 1821 durch die Spannungen mit dem Staat. Die Liberalen beschnitten die Privilegien der Kirche und der Orden und führten die formale Trennung von Kirche und Staat durch. In der Verfassung von 1848 wurde die private Ausübung anderer Kulte erlaubt, "wenn sie nicht die dominante Religion herabsetzten und die öffentliche Ordnung gefährdeten".61 Aus diesen Auseinandersetzungen ging die katholische Kirche zwar geschwächt hervor, blieb jedoch die halboffizielle Religion im Land. Bis zu den 60er Jahren dieses Jahrhunderts bewegte sich jedoch das religiöse Leben vieler Honduraner zwischen Magie und Volksglauben.62 Über eine formale Zugehörigkeit hinaus ist es der katholischen Kirche vor allem auf dem Land nicht gelungen, eine tiefere Durchdringung mit dem Evangelium und mit kirchlichen Strukturen zu erreichen. Ein Grund dafür liegt am enormen Priestermangel der honduranischen Kirche. 1942 waren nur 22% der zur adäquaten Betreuung notwendigen Priesterstellen besetzt. Zwischen 1945 und 1950 gab es nur 60 Gemeinden im ganzen Land.63 Dies änderte sich erst in den 50er Jahren, als auf Initiative der Bischöfe ausländische Priester und Orden ins Land geholt wurden, wodurch die Abhängigkeit vom Ausland bis heute verstärkt wurde.64 Ende der 50er Jahre führte die katholische Kirche Evangelisierungskampagnen durch, um die Gläubigen wieder zu einem größeren Vertrauen in die kirchlichen Institutionen zu bewegen und den kirchlichen Weg der Heilsvermittlung sicherzustellen. Ab 1965 werden auch 'Christenheitskurse' (Cursillos de Cristiandad) durchgeführt, in denen mit vorkonziliarer 60
Prien, Hans-Jürgen: Die Geschichte des Christentums in Lateinamerika, Göttingen 1978, 108.
61
Tojeira, 167.
62
Bianco, Gustavo/Valverde, Jahne: Honduras - Iglesia y Cambio Social, Editorial DEI, San José C R. 1987, 39.
63
Daten aus: Richard, Pablo/ Meléndez, Guillermo: La Iglesia de los pobres en Centro America, Editorial DEI, San José C.R. 1981, 322. Zitiert nach: Blanco/Valverde, 42. Zur Problematik des Priestermangels: Prien, 1063ff.
64
1989 waren von den 292 Diözesan- und Ordenspriestem in Honduras nur 70 gebürtige Honduraner. Die restlichen 222 Priester stammten aus dem Ausland, vor allem aus Spanien, Kanada und aus den USA. Daten aus: Secretarla de la Conferencia Episcopal de Honduras: Anuario de la Iglesia Catölica de Honduras 1989, Tegucigalpa, 4
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Theologie die Bindung der Laien an die Hierarchie gefestigt wird.65 In der Zeit der Reformregierung von Villeda Morales (1957-63) begann die Kirche, sich stärker auf sozialem Gebiet zu engagieren. Sie förderte Organisationen wie Cáritas, Asociación Cultural Popular Hondureña (ACPH) und Radio Católica, um bei den Bauern und Arbeitern präsent zu sein. Hintergrund war einerseits die Angst vor den Protestanten auf religiösem Gebiet, andererseits der Antikommunismus nach dem Generalstreik von 1954, den sozialistischen Bestrebungen des gestürzten Präsidenten Arbenz Guzmán in Guatemala und der kubanischen Revolution. Über die Alphabetisierung ihrer Mitarbeiter durch Radio Católica und den sich bildenden Kleingruppen entstand eine weitreichende Laienbewegung, die zur Herausbildung von Selbstorganisationen vor allem der ländlichen Bevölkerung unter kirchlichem Dach führte. Die Laien, die als "Delegados de la Palabra" (Delegierte des Wortes) leitende Funktionen in den verwaisten Gemeinden übernahmen, waren auch das Ferment für die "Ligas Campesinas" (Bauernligen) und die sich entwickelnden Christdemokraten, die sich später zu einer politischen Partei formierten. Aus anfangs rein spirituellen Gruppen entwickelte sich eine sozial engagierte Bewegung. Die Kirche wurde somit zu einem größeren Machtfaktor in der Gesellschaft, was vielen Konservativen und Großgrundbesitzern nicht gefiel. Neben einer großen Zahl von Entwicklungshilfeprojekten, wie der Gründung von Kooperativen, der Verbesserung der Wasserversorgung, Bildung, etc. wurden auch Bauern'gewerkschaften gebildet, die Landbesetzungen durchführten, um ihren Forderungen Nachdruck zu verschaffen. Die Kirche ist in dieser Phase nicht einheitlich. Nach Blanco und Valverde66 sind in den letzten 30 Jahren drei Strömungen zu beobachten: Die hierarchische, an Rom orientierte Strömung, der an spiritueller Partizipation der Laien gelegen ist, die sich ihrem Machtanspruch unterordnen. Zweitens die Strömung des 'Desarollismo', die sich nicht nur um die spirituellen Belange der Gläubigen kümmert, sondern sozial engagiert über Entwicklung die Verbesserung der Lebensumstände erreichen will. Die politische und ökonomische Konzeption ist dem Verständnis von Kennedys 'Allianz für den Fortschritt' ähnlich. Die dritte Strömung ist die propheti65
Dazu: Prien, 1098-1109.
66
Blanco/Valverde, a.a.O.
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sehe, für die der 'Desarollismo' zu kurz greift und die eine grundsätzliche Veränderung der Klassenstrukturen anstrebt. Ihre theologische Grundlage ist die Theologie der Befreiung. Die Repression nahm zu und die katholische Kirche wurde beschuldigt, mit Kommunisten zusammenzuarbeiten und subversiv zu sein. Die Hierarchie wies diese Vorwürfe energisch zurück. 1975 kam es zum "Schock von Olancho", als 12 Bauern und zwei Priester von Großgrundbesitzern und Militärs im Department Olancho ermordet wurden. Die Priester waren schon vorher mit dem Tod bedroht worden. Nach dem Massaker und einer Hetzkampagne zog sich die institutionalisierte Kirche aus den sozialen Organisationen zurück, so daß nicht nur der prophetische, sondern auch der 'Desarollismo'-Flügel der Kirche geschwächt wurde. Spirituelle Gruppen, wie die Charismatische Erneuerung und die Neokatechumenatgruppen erfuhren nun eine verstärkte Förderung. Trotzdem erhob die katholische Kirche ihre Stimme zu gesellschaftlichen Angelegenheiten, z.B. um die US- unterstützte Militarisierung des Landes und die staatlichen Menschenrechtsverletzungen67 zu kritisieren oder vor einem drohenden Krieg mit Nicaragua zu warnen, wenn auch diplomatischer und vorsichtiger als früher. Bei der Betreuung guatemaltekischer und salvadorianischer Flüchtlinge waren kirchliche Institutionen präsent. Die Diözese von Santa Rosa de Copän klagte die militärische Verfolgung der Flüchtlinge an und machte weltweit auf ihr Schicksal aufmerksam. Angesichts der Ausbreitung protestantischer Gruppen fühlt sich die katholische Kirche bedroht und herausgefordert. Die Reaktionen reichen von der Polemik, die die protestantischen Gruppierungen nur auf USamerikanischen, CLA-gesteuerten Neokolonialismus reduziert68 über Klagen über die aggressiven Methoden der Protestanten und deren Hetzkampagnen gegen die katholische Kirche bis hin zu einer ernsthaften, kritischen und auch selbstkritischen Auseinandersetzung69, die auch positive Seiten an den Protestanten wahrnimmt, wie z.B. ihre Wertschätzung der Bibel. Allerdings ist nach Ansicht des Sekretärs der Bischofskonferenz, P. Dioni67
"Obispos de Honduras condenan la violencia", El Tiempo, 27.1.89, 3.
68
So z.B. Möns. L.A. Santos, Bischof von Copán, in: El Tiempo 24.5.1989; ebenso Padre Alonso Tejedo, Sekretär von Erzbischof H.E. Santos, der die Sekten als fünfte Kolonne der USA bezeichnet.
69
Padre Dioniso Potvin gehört zu denen, die das Gespräch mit den Protestanten suchen.
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sio Potvin, die Stunde der Ökumene mit den protestantischen Kirchen noch nicht gekommen. Auf beiden Seiten bestünde noch zu viel Aggressivität. Mit der zweiten Generation der Protestanten, in 10-15 Jahren, bestehe die Hoffnung auf einen ökumenischen Austausch.
5. 5.1
Der Protestantismus in Honduras Überblick
Bevor eine Differenzierung des Protestantismus vorgenommen wird, soll an dieser Stelle auf eine Studie der neuen religiösen Bewegungen in Honduras eingegangen werden, die ein allgemeines Bild davon vermitteln kann, was in Honduras unter Protestantismus verstanden wird. Die Studie wurde von Sandra Verönica Dominguez im Auftrag der Lutherischen Kirche von Honduras erstellt.70 Es wurden Pastoren und Gemeindeleiter von 354 Gemeinden in Provinzen mit mehr als 200.000 Einwohnern nach dem Zufallsprinzip befragt. Die Daten wurden anonym ausgewertet und nicht nach Kirchentypen differenziert, doch dürften vor allem Gemeinden in den ärmeren Vierteln befragt worden sein. Die meisten Gemeinden in Honduras haben zwischen 20 und 40 Mitglieder und sind in den letzten 10 Jahren konstant gewachsen. In den südlichen Provinzen, an der Grenze zu Nicaragua, war in den Jahren der stärksten Flüchtlings- und Contrapräsenz eine verstärkte Zunahme zu verzeichnen, ebenso in der Provinz Comayagua, wo in den Jahren des schnellsten Wachstums die stärkste US- Militärpräsenz zu verzeichnen war. Als Sakramente gelten bei 95% die Wassertaufe, bei 35% das Abendmahl, bei 5% die Ehe, bei 28% die Fußwaschung und bei 14% die Präsentation der Kinder. Nur bei 36 Gemeinden ist die Taufe mit dem Heiligen Geist ein Sakrament. Die Fußwaschung bekommt angesichts des Schmutzes in den Elendsvierteln eine neue Bedeutung. Die überwiegende Mehrzahl praktiziert die Taufe durch Untertauchen der Personen in Flüssen, im Meer und in Schwimmbädern. Bis auf zwei Gemeinden glauben alle an die Trinität. Bei der Interpretation von Rom. 13,1-2 wird bei den meisten ein wörtliches 70
Iglesia Cristiana Luterana de Honduras: ¿Los Nuevos Movimientos Religiosos en Honduras al Servicio de Quién? 1980-1989, Tegucigalpa 1991.
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Textverständnis zugrunde gelegt. 18% strichen heraus, daß Gerechtigkeit und die göttlichen Gebote Vorrang hätten vor der menschlichen Obrigkeit. Die anderen postulierten eine unbedingte Unterordnung unter die Obrigkeit. In den Gottesdiensten spielt das Gebet die wichtigste Rolle, gefolgt von den Liedern, der Verkündigung und dem Lesen der Schrift. Die Predigten sind kurz und meistens mit einem persönlichen Zeugnis gemischt. Eine Beteiligung an kulturellen Bräuchen und Festen lehnen die meisten Kirchen ab. Die Mitglieder vieler Kirchen haben kein soziales Engagement in ihrem Ort. 22% beteiligen sich an kommunalen Organisationen zur Verbesserung der sozialen Situation, z.B. beim Bau einer Wasserleitung. 50% gestehen ihren Mitgliedern eine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft zu. Die nationale Situation wird zwar als chaotisch beschrieben, aber als Erfüllung der biblischen Prophezeiungen begriffen. Eine klar bestimmte politische Position haben die wenigsten Kirchen. Im Gegenteil: Man hat Angst vor politischer Einmischung. Die Kirchenstruktur ist hierarchisch. Die wichtigsten Entscheidungen in der Kirche werden vom Pastor, evtl. dem Präsidenten getroffen. Lange danach folgt die Vollversammlung oder der Ältestenrat. Bei abweichender Meinung erfolgt oft eine Spaltung der Kirche oder der Gemeinde. Bei 43% der Gemeinden können auch Frauen Leitungsaufgaben übernehmen. Die meisten Pastoren werden gewählt. Als Voraussetzungen für einen Pastor werden genannt: ein gutes Zeugnis sein, von Gott berufen sein und erst an dritter Stelle stehen Bibelstudium und theologische Ausbildung. Es ist von daher nicht verwunderlich, auf Pastoren zu treffen, die weder lesen noch schreiben können. 43% betreiben eine soziale Arbeit, die hauptsächlich im Spenden von Essen, Kleidung und finanzieller Unterstützung besteht. Mehr als dreiviertel der Kirchen erhalten keine Finanzierung von außen, sondern finanzieren sich ausschließlich durch Spenden und dem Zehnten. Sie sind dementsprechend arm. Die große Mehrzahl der religiösen Literatur stammt aus einem fremden Kontext, meistens aus den USA. 90% der Gemeinden führen Evangelisationskampagnen durch, entweder unter freiem Himmel oder durch Hausbesuche. Durch kontinuierliche Hausbesuche wird ein großer Erfolg erzielt.
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Ein ökumenischer Austausch mit der katholischen Kirche wird von den protestantischen Kirchen kaum praktiziert. Das Verhältnis ist eher durch Mißtrauen und Aggressivität gekennzeichnet. Unter den protestantischen Kirchen wird der Austausch gepflegt.
5.2
Geschichte des Protestantismus in Honduras71
Die meisten honduranischen protestantischen Kirchen sind dem Missionsprotestantismus zuzurechnen. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh. entstand ein nationaler Protestantismus. Ab Mitte des 17. Jh. kam es zu sporadischen Besetzungen der honduranischen Nordküste und der Islas de la Bahía durch englische Piraten, die fast ausschließlich Protestanten waren.72 Sie verstanden das Überfallen von spanischen Schiffen als einen "Heiligen Krieg gegen die Habsucht der Spanier und die Grausamkeit der Inquisition".73 Später siedelten sich englische Holzhändler an der Karibikküste unter der Protektion ihrer Regierung an. Unter ihnen kam es vermutlich auch zur Gründung von anglikanischen Gemeinden.74 Es entstand Kontakt zu Miskito Indígenas, die ihre Kinder im anglikanischen Glauben ausbilden ließen.75 1701 wurde in England die 'Society for the Propagation of the Gospel' gegründet, die die Evangelisation in den Kolonien zum Ziel hatte.76 Von ihr entsandt kam 1768 der erste Missionar, Christian Frederick Post, auf das honduranische Festland. 1739 wurde auf der Insel Roatán durch den Missionar M. Newport eine Schule gegründet und die Gemeinde organisiert.77 Dazu kamen im Laufe der Zeit Missionen der Methodisten (1844/45), der Baptisten (1846) und der Adventisten (ab 1887), die alle auf den Isias de la Bahía ihren Anfang nahmen und auf die englischsprachigen Einwan71
Protestanten, die in der Zeit der spanischen Eroberung nach Honduras kamen, werden hier nicht berücksichtigt, zumal sie für den heutigen Protestantismus keine Rolle spielen. Siehe Nelson, Wilton M.: El Protestantismo en Centro América, Editorial Caribe, San José C.R. 1982, 17-22.
72
Nelson, 15.
73
Caiger, Stephen, zitiert nach: Nelson, 16.
74
Ebd.
75
Holland, Clifton L. (Hg ): World Christianity, Vol.4, Central America and the Caribbean, Mission Advanced Research and Communication Center (MARC), Monrovia 1981, 89.
76
Bastian, Jean-Pierre: Historia del Protestantismo en America Latina, Ediciones CUPSA, Mexiko 1990, 58.
77
Holland, World Christianity, 90f.
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derer beschränkt blieben.78 Die Herrnhuter (Moravos) kamen 1849 nach Mittelamerika und missionierten unter den Miskitos.79 Erst 1896 kamen Missionare der Central American Mission aus den USA ins Land mit dem Ziel, die im Landesinneren lebenden spanischsprachigen Bewohner zu evangelisieren. 1898 folgten die Plymouth Brethren mit einer Mission in San Pedro Sula,80 1902 die Quäker (California Yearly Meeting of Friends).81 Auf der Weltmissionskonferenz von Edinburgh 1910 lehnten es die europäischen Kirchen ab, das katholische Lateinamerika als Missionsfeld zu betrachten, da die Mission von den europäischen Missionsgesellschaften auf die Mission "unter nicht-christlichen Völkern" beschränkt wurde.82 Die nordamerikanischen Missionsgesellschaften waren mit dieser Sichtweise nicht einverstanden und organisierten 1913 in New York die 'Foreign Missions Conference', die sich ausschließlich mit Lateinamerika beschäftigte. Es wurde beschlossen, ein ständiges 'Committee on Cooperation in Latin America' (CCLA) einzurichten, das "den Nöten von Millionen nicht evangelisierter Lateinamerikaner zu steuern und die Hilfe für sie zu koordinieren" hatte.83 Das CCLA organisierte 1916 in Panama den "Kongreß über christliche Arbeit in Lateinamerika",84 auf dem Vertreter des historischen und evangelikalen Protestantismus vertreten waren. 235 Delegierte von 44 US-amerikanischen Kirchen und Missionsgesellschaften, einer aus Kanada und einer aus Großbritannien nahmen daran teil. Lateinamerika wurde als ungläubig und irreligiös beschrieben und deswegen als Missionsfeld bestimmt. Als Hauptgrund für die herrschende Armut wurde die mangelnde Erziehung ausgemacht. Die oberen Gesellschaftsschichten sollten stärker angesprochen werden. Thematisiert wurde auch die Zusammenarbeit der verschiedenen Kirchen und Missionen. Es wurde beschlossen, die Arbeitsgebiete unter den Missionen regional aufzuteilen, 78
Ebd.
79
Nelson, 35f. Ab 1930 Mission durch die 'Moravian Church in North America'. Wilson, Samuel/Siewert, John (Hg.): Mission Handbook. North American Protestant Ministries Overseas, Monrovia, CA, Mission Advanced Research and Communication Center (MARC) 1986", 396.
80
Nelson, 57.
81
Wilson/Siewert, 395.
82
Zum folgenden siehe: Prien, 796ff, 914ff; Bastian, 158ff.
83
Prien, 797.
84
Ebd.
Neopfingstler in Honduras - Einführung
33
um die Konkurrenz zu beenden. Honduras wurde den Nordbaptisten zugesprochen, die aber ihre Aufgabe nicht wahrnahmen.85 Es kam jedoch 1921 'The Foreign Mission Board of the Evangelical Synod of North America' ins Land, aus deren Tätigkeit die 'Iglesia Evangélica y Reformada' entstand. 1950 kamen Missionare des 'Eastern Mennonite Board of Missions and Charities' ins Land, die neben der Mission auch Erziehungs- und Sozialarbeit leisteten. Die ersten Missionare nordamerikanischer Pfingstkirchen kamen wahrscheinlich schon in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts auf die Isias de la Bahía, jedoch kam es erát in den 30er Jahren zu Kirchengründungen. Im folgenden werden die größten aufgeführt. 1936/37 wurden nach einem Erdbeben von den 'Assemblies of God' Gemeinden auf dem Festland gegründet. 1944 kam die 'Church of God - Cleveland' dazu, die ebenfalls zuerst auf den Islas de la Bahía missionierte und von dort aus auch Gemeinden im Landesinneren gründete. 1951/52 kam die 'International Church of the Foursquare Gospel' nach Tegucigalpa. In den 70er Jahren entstanden neopfingstliche Gemeinden hauptsächlich in der Hauptstadt Tegucigalpa, die dem nationalen Protestantismus zugehören. 1974/75 gingen aus der Arbeit des mennonitischen Missionars Edward King mit Schülern und Studenten kleine Gruppen (Grupos de Amor Viviente) hervor, die begannen, eine charismatische Frömmigkeit zu praktizieren. Daraus entwickelte sich die heute zahlenmäßig größte und verbreitetste neopfingstliche Kirche 'Iglesia Amor Viviente'. Ebenfalls 1974 entstand nach einer Abspaltung von der 'Asamblea de Dios' die Kirche 'Centro Cristiano de Renovación Carismàtica - El Cenáculo'. Zuerst waren es nur kleine Gebets- und Anbetungsgruppen, die sich aber ab 1976 zu einer festen Gemeinde zusammenschlössen. 1979 entstand die 'Iglesia Cristiana Vida Abundante' als Folge einer Abspaltung von der 'Iglesia Evangélica Amigos' (Quäker). Differenzen über die Form des Gottesdienstes führten zum Ausschluß einer Gruppe von Kirchenmitgliedern, die daraufhin eine eigene Kirche gründeten. 1986 entstand aus einer Gebetsgruppe die 'Iglesia Puerta al Cielo'. Die Gründungsmitglieder gehörten zum Umfeld der Kirche 'El Cenáculo'. Hintergrund der Ausbreitung des US-amerikanischen Missionsprotestantismus in Honduras ist der wirtschaftliche und politische Hegemoniean85
Nelson, 67f.
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Karl Braungart
spruch der USA über Lateinamerika. Die Mission der Kirchen ist Teil der wirtschaftlichen und kulturellen Ausdehnung des kapitalistischen Systems unter der Vorherrschaft der USA. Dr. Richard S. Storrs sagte 1889 in einer Rede vor dem 'American Board of Commissioners for Foreign Mission', dessen Präsident er war: "... der Handel und das Evangelium befinden sich in Harmonie zumindest darin, daß beider Ziel kosmisch ist und die ganze Erde einbezieht... Nicht, daß unsere Missionare mit solcher Absicht hinausgingen, aber wo auch immer sie hingehen und ihre Lehren bekannt werden, dort ist der Weg offen für breitere Handelsbeziehungen".86 Durch die Betonung eines ethischen Lebens, das Triebverzicht bedeutete, wurde eine bäuerliche Gesellschaft auf die Eingliederung in das kapitalistisch- industrielle Arbeitsschema vorbereitet.87 Ausgehend vom Kongreß in Panama wurde der Protestantismus als "religiöser Aspekt des Panamerikanismus"88 unter der Hegemonie der USA verstanden. Der gemeinsame protestantische Glaube konnte als Vermittler für den Panamerikanismus dienen, der seine Wurzeln in der Monroedoktrin "Amerika den Amerikanern" hat. In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts nahm die Zahl der nordamerikanischen Missionen nur gering zu: 1905 waren drei Missionen in Honduras aktiv, 1935 waren es fünf. Nach 1945 stieg die Zahl stark an: 1945 waren 9 Missionen aktiv, 1955 bereits 17, 1975 waren es 37 und bis 1985 stieg die Zahl auf 56 an.89 1986 waren 358 US-amerikanische Missionare in Honduras tätig.90 Das Wachstum der protestantischen Kirchen im 20. Jh. verlief bis Mitte der 60er Jahre sehr langsam. Der protestantische Bevölkerungsanteil bewegte sich von 0,9% im Jahr 1938 auf 2,32% im Jahr 1967.91 Erst Mitte der 60er Jahre war eine starke Zunahme zu beobachten. Bis 1978 stieg der protestantische Anteil auf 7,15% und nahm noch zu, bis er 1985 bei 11,7% 86
Bastian, 133. deutsch: Schäfer, Heinrich: Protestantismus in Zentralamerika, Frankfurt a. M , 1992, 113.
87
Bastian, 127.
88
A.a.O., 160.
89
Schäfer, Protestantismus, 114, 308.
90
Wilson/Siewert, 396.
91
Schäfer, Protestantismus, 112, 308.
Neopfingstler in Honduras - Einführung
35
lag, was 447.939 Personen entspricht.92 Zwischen 1935 und 1956 lag die jährliche Wachstumsrate bei 2,2%. Sie erhöhte sich zwischen 1965 und 1980 auf 13,4% jährlich.93 Große Evangelisationskampagnen wurden aufgrund des antiprotestantischen Klimas im Land und der fehlenden zwischenkirchlichen Zusammenarbeit erst seit den 50er Jahren durchgeführt.94 1952 fand in Tegucigalpa eine Kampagne des Evangelisten Ernesto León aus Texas statt, die von vielen evangelischen Kirchen unterstützt wurde. Wichtiger jedoch war eine Evangelisationskampagne, die 1963/64 im Rahmen des 'Evangelismin-Depth' Programmes durchgeführt wurde.95 296 Gemeinden aus 14 verschiedenen Denominationen beteiligten sich an der Vorbereitung in Gebetsgruppen und Trainingskursen, um danach Besuche in über 75000 Häusern durchzuführen und ein Zeugnis ihres Glaubens zu geben. Der Evangelist Fernando Vangioni aus Argentinien predigte bei den Großveranstaltungen. Die Mitgliederzahlen einiger Gemeinden verdoppelten sich. "Diese Strategie hatte einen stärkenden Effekt auf die Kirchen; dies vor allem aufgrund der identitätsfestigenden Wirkung der missionarischen Aktivitäten auf die Laien-Aktivisten selbst, aber auch aufgrund eines realen Mitgliederzuwachses."96 1970/71 wurden von dem Luis Palau Team Evangelisationkampagnen durchgeführt, die von Radio- und Fernsehsendern übertragen wurden. Diese von der 'Iglesia Centroamericana' unterstützte Kampagne erhielt aber kein so großes Echo wie der 'Evangelisationsfeldzug' von 1963/64. Zur selben Zeit veranstalteten die 'Asambleas de Dios' ebenfalls eine Großevangelisation mit dem Prediger 'Hermano Pablo' (Paul Finkenbinder). 1980 führten die 'Füll Gospel Businessmen' in Tegucigalpa ein Bankett mit dem Astronauten Charles Duke durch und konnten damit in den oberen Gesellschaftsschichten neue Mitglieder dazugewinnen. Im Januar 1988, kurz vor seinem Sexskandal, führte der nordamerikanische Femsehprediger Jimmy Swaggart im Nationalstadion von 92
Zahl von 1978 aus: Schäfer, Protestantismus, 308. Von 1985 aus: Visión Mundial Internacional Honduras: Estudio Socio-Religioso de Honduras. Programa Latinoamericano de Estudios Socio-Religiosos, Tegucigalpa, 1986, 61. Diese Zahl enthält auch die Familienmitglieder. Sie wird berechnet durch die Multiplikation x3 der eingetragenen getauften Mtglieder.
93
Visión Mundial Internacional, 61.
94
Zum folgenden: Holland, World Christianity, 96.
95
Zu 'Evangelism in Depth' siehe: Prien, 1133ff.
96
Schäfer, Protestantismus, 116.
Karl Braungart
36
Tegucigalpa eine von den 'Asambleas de Dios' unterstützte Großkampagne durch, zu der jeden Abend 50.000 Menschen kamen und nach eigenen Aussagen 25.000 bekehrt wurden.97 Für das Erscheinungsbild des Protestantismus ist in den 80er Jahren die Zunahme US-amerikanischer 'Nongovernmental Organizations' (NGOs) ein bestimmendes Merkmal. Zwischen 1980 und 1989 hat sich die Zahl dieser Nichtregierungshilfsorganisationen in Honduras verdreifacht.98 Darunter sind zwar auch viele Organisationen, die nicht religiös motiviert sind. Es sind jedoch viele protestantische Organisationen darunter, die nach der Sandinistischen Revolution im Frontstaat Honduras eine soziale Arbeit betreiben, um den Kommunismus einzudämmen.99 Ein großer Teil der humanitären Hilfe für die antisandinistischen 'Contras' aus den USA wurde über protestantische, parakirchliche Hilfsorganisationen geleitet.100 Entwicklungshilfeprojekte wurden durchgeführt und Nahrungsmittelspenden verteilt, teilweise mit Unterstützung der staatlichen 'Agency for International Development' (AID).101
97
La Tribuna, Tegucigalpa, 29.2.1998. Jeder, der das Metier kennt, weiß, wie maßlos bei diesen Zahlen übertrieben wird.
98
The Inter-Hemispheric Education Resource Center, Private Organizations, 3.
99
Ex-Banker Rev. Allan Dansforth, "the US- President of World Gospel Outreach believes that Moscow has selected Honduras as a main target and says that his organization is trying to prevent communist revolution by serving the Honduran poor, particularly children whose 'minds are soft' and who are 'naturally dependent'. World Gospel Outreach feels that by making Honduran children believers in Christ they will be able to tum back the tide of communism." The Inter-Hemispheric Education Resource Center, Private Organizations, 64.
100 Zu diesen Organisationen gehören: Gospel Crusade Inc, Friends of the Americas, Christian Emercency Relief Team (CERT), International Christian Embassy Jerusalem, Club 700 des zu Pat Robertson gehörenden Christian Broadcasting Network (CBN), Jimmy Swaggarts Missions in Motion, Salt and Light. Siehe: Diamond, Sara: Spiritual Warfare. The Politics of the Christian Right, South End Press, Boston MA, 1989, 172ff, 202ff; The Inter-Hemispheric Education Resource Center, Private Organizations, 46; Barry, Tom/Preusch, Deb: The Soft War. The Uses and Abuses of U.S. Economic Aid in Central America, Grove Press, New York, 1988, 225. 101 AID Unterstützung erhalten oder erhielten z.B. Friends of the Americas, Feed the Children/Larry Jones' Ministries International, World Relief, World Vision. Siehe: The Inter-Hemispheric Education Resource Center, Private Organizations. Zur Bedeutung humanitärer Hilfe in Low Intensity Conflicts siehe Kap. 1.3.5 "Militarisierung"; The Inter-Hemispheric Education Resource Center: Public and Private Humanitarian Aid. Legal and Ethical Issues, Albuquerque NM 1988.
Neopfingstler in Honduras -
5.3
Einführung
37
Erscheinungsformen des Protestantismus
Da die meisten Kirchen ihren Ursprung in den USA haben oder zumindest von nordamerikanischen Missionaren beeinflußt sind, ist das Spektrum der Kirchen ähnlich wie in den USA. Die folgende Darstellung der Erscheinungsformen des Protestantismus in Honduras orientiert sich an der von H. Schäfer entwickelten Typologie des mittelamerikanischen Protestantismus102 und übernimmt weitgehend die inhaltliche Konkretisierung. M.E. trifft dieses Modell zu und ist beim Verständnis des mittelamerikanischen Protestantismus hilfreich. Bei der später folgenden eingehenden Untersuchung der Neopfingstler in Honduras kann es zu Abweichungen von Schäfers Darstellungen kommen, zumal Schäfers Untersuchungen sich hauptsächlich auf Guatemala und Nicaragua beziehen. Außerdem dient die Typologie vor allem der Schärfung des Vorverständnisses. Schäfers Modell basiert auf einer Systematisierung Christian Lalive d'Epinays in Chile und Argentinien. Es wurde für den mittelamerikanischen Kontext weiterentwickelt: Der Einwanderungsprotestantismus wurde weggelassen, weil er in Mittelamerika keine Rolle spielt, die Neopfingstkirchen wurden als Kategorie hinzugenommen. 5.3.1
Der historische Protestantismus
Die historischen Kirchen umfassen in Honduras nur ca. 5,7% des Protestantismus.103 Dazu gehören die 'Iglesia Cristiana Reformada', die 'Iglesia Episcopal', die 'Iglesia Evangelica Morava' (Hermhuter), die 'Iglesia Presbiteriana', die 'Iglesia Evangelica y Reformada', die 'Iglesia Evangelica Luterana' und 'The Methodist Church'. Diese Kirchen sind klein und haben bis zu sechs Gemeinden. Diese Kirchen sind innerhalb des honduranischen Protestantismus durch eine stark objektive Auffassung der Gnadenvermittlung gekennzeichnet. Im allgemeinen wird die Rechtfertigung des Sünders aus der Gnade allein, ohne Werke, betont. Die Gnade wird als souveräne Zuwendung Gottes erfahren, die von der Kirche in der Taufe, dem Abendmahl und dem Gottes102 Schäfer, Protestantismus, 90ff. 103 Zahlen für 1985 aus: Visión Mundial Internacional, 23ff. Diese Zahlen sind nicht genau, da nicht von allen Kirchen Zahlenangaben vorhanden sind.
Karl Braungart
38
dienst bezeugt und vermittelt wird. Der eigene Glaube ist aber für die Wirksamkeit der Sakramente wichtig. Eschatologische Fragestellungen spielen eine untergeordnete Rolle und sind auch nicht deutlich ausgeprägt. Die Pneumatologie ist insofern wichtig, als der Heilige Geist durch die Taufe von dem Getauften Besitz ergreift und ihn sein Leben lang begleitet und ihm im Rahmen der Kirche die Zuwendung Gottes deutlich macht. Eine Taufe mit dem Heiligen Geist wird nicht postuliert. Die Gottesdienste sind im allgemeinen liturgisch mit pietistischen Einflüssen. Die Bibelauslegung unterliegt einer historisch-kritischen Hermeneutik, wie auch der innerkirchliche Diskurs mit Einschränkungen an der Rationalität orientiert ist. Eine konversionistische Missionstätigkeit spielt eine geringe Rolle. Erziehung und Bildung nehmen eine wichtige Stellung ein. Dazu kommt eine Sozialethik, die das Gemeinwohl anstrebt unter Hervorhebung der christlichen Ausprägung. Eine Mitarbeit an sozialen und politischen Aufgaben ist möglich, wenn es dem Gemeinwohl dient. Die Mitglieder gehören zum Großteil der Mittelschicht und der Unterschicht an. 5.3.2
Der evangelikale Protestantismus
Die evangelikalen Kirchen umfassen laut World Vision - Honduras 45,7% des honduranischen Protestantismus.104 Dazu gehören die "Iglesia Centroamericana", die "Asociación de Iglesias 'Salas Evangélicas" (Plymouth Brethren), die "Iglesias Evangélicas de Santidad" und die "Convención Nacional de Iglesias Bautistas de Honduras" (in den USA: Southern Baptist Convention), um die größten zu nennen. Die Kirchen gehören mit bis zu 164 Gemeinden zu den größten im Land und sind auf das ganze Territorium verteilt. Im Vergleich zum historischen Protestantismus tritt beim Evangelikalismus ein stärker subjektives Verständnis der Gnadenvermittlung auf. Das Glaubenszentrum der evangelikalen Kirchen bildet die Bibel. Sie ist objektive Richtschnur, wird aber ungeschichtlich und unkritisch interpretiert. "Das Fehlen einer (selbst-) kritischen Hermeneutik unterwirft die Bibel als 104 Ebd.
Neopfingstler in Honduras - Einführung
39
Legitimationsquelle faktisch einer Normgebung durch das interpretierende Subjekt."105 Das Konversions- oder Heiligungserlebnis erfährt eine starke Betonung. Die Eschatologie wird durch ein dispensationalistisches Verständnis aus dem geschichtlichen Zusammenhang genommen und verbaut dadurch die Teilnahme an einer geschichtlichen Gestaltung der Gesellschaft, die über die Bewahrung des Status Quo hinausgeht.106 Der Heilige Geist ergreift erst Besitz vom Menschen nach der Taufe und der Bekehrung. Die bewußte Glaubensentscheidung ist eine Voraussetzung für die Geistpräsenz. Der Gottesdienst zielt kaum auf eine objektiv-liturgische Vermittlung göttlicher Gnade, sondern eher auf eine subjektive, fromme, auf den Einzelnen ausgerichtete lehrhafte Form. Die auf Konversion ausgerichtete Mission und das Wachstum der Kirche, besonders der eigenen, haben eine hohen Stellenwert. Eine politische Ethik tritt zugunsten einer starken Individualethik in den Hintergrund. Die Sozialethik beschränkt sich zum größten Teil auf karitative Zuwendung und dient oft der Mission.
5.3.3
Der pfingstliche Protestantismus
Der pfingstliche Protestantismus umfaßt in Honduras ca. 37% des gesamten Protestantismus.107 Er ist der Teil, der am schnellsten zunimmt. Die 105 Schäfer, Protestantismus, 99. 106 In dem in England entstandenen (J.N. Darby) und in den USA von C.I. Scofield überarbeiteten Dispensationalismus wird ein göttlicher Geschichtsplan entworfen, in dem es verschiedene Phasen (dispensations) göttlichen Handelns am Menschen gibt. Eine Phase ist die Periode, in der der Glaubensgehorsam eines Menschen in bezug auf Gottes Willen geprüft wird. Eine historische Bibelheimeneutik wird überflüssig, weil die unterschiedlichen Teile der Bibel verschiedenen Phasen zugeordnet werden und damit die unterschiedlichen biblischen Traditionen erklärt werden können. Das Eingehen auf geschichtlichen Wandel wird verhindert, indem die Geschichte als ein Kontinuum menschlicher Sünde begriffen wird, in der das Geprüftwerden des Menschen das Zentrale ist, bevor der wiederkommende Herr die Gläubigen vor dem Millenium durch die Entrückung zu sich holt. Geschichte wird für den Menschen zur Konstante von Prüfung und Versagen. Dazu siehe: Schäfer, Heinrich, Protestantismus 52ff; Neil, Stephen/ Anderson Gerald HV Goodwin, John (Hrsg.): Concise Dictionaxy of the Christian World Mission, Lutterworth Press, London 1971, Art. Dispensationalism, 170; Scherer-Emunds, Meinrad: Die letzte Schlacht um Gottes Reich. Politische Heilsstrategien amerikanischer Fundamentalisten, Münster 1989, 33ff. 107 Visión Mundial Internacional, 14; 23ff. In der Studie umfassen die Pfingstkirchen 38,9%. Darin sind jedoch auch die Neopfmgstkirchen mitaufgeführt. Deswegen muß die Zahl geringfügig nach unten gesetzt werden.
40
Karl Braungart
größten Kirchen sind: "Iglesia Internacional del Evangelio Cuadrangular" (International Church of the Foursquare Gospel), "Iglesia de Dios Evangélica" (Church of God, Cleveland), "Asambleas de Dios" (Assemblies of God), "Iglesia de Dios de la Profecia" (Church of God Prophecy), "Iglesia Evangélica Príncipe de Paz" (Ursprungsland: Guatemala), "Iglesia de Dios Pentecostal de Honduras" (Ursprungsland: Puerto Rico), "Iglesia Pentecostal Unida (United Pentecostal Church). Daneben gibt es noch eine Vielzahl kleiner pfingstlicher Gemeinden, die keinem größeren Zusammenschluß angehören. Das Zentrum der pfingstkirchlichen Theologie liegt in der Pneumatologie. Der Taufe mit dem Heiligen Geist kommt eine besondere Wichtigkeit zu. Die Evidenz der Geisttaufe kommt in der Glossolalie zum Ausdruck, so daß die subjektiv erfahrene Geistpräsenz von der Kirche objektiv verifiziert werden kann. Im Vergleich zum Evangelikaiismus tritt das subjektive Erlebnis der Geisttaufe in den Vordergrund. Die Glossolalie dient als Unterscheidungskriterium von der "Welt" und von Nicht-Pfingstlem und geht tendenziell einher mit einer Abkehr von der Gesellschaft. Eine prätribulationistisch, prämillenaristische Eschatologie108 "begründet den Rückzug auf das religiöse Subjekt mit der unabänderlichen Verlorenheit der Welt und der Unmöglichkeit die Geschichte zu gestalten"109. Der Heilige Geist ergreift erst nach der Konversionstaufe mit Wasser und dem subjektiven Erlebnis der Taufe mit dem Heiligen Geist Besitz vom Gläubigen. Prophetie und Heilungen kommen als Äußerungen des Geistes dazu, sind aber der Zungenrede untergeordnet. In den Gottesdiensten sind die individuellen Äußerungen des Einzelnen und sein subjektives Erleben das zentrale Element. Für den Einzelnen gibt es Raum zur Partizipation und zu ekstatischen Äußerungen. Liturgische oder lehrhafte Elemente treten in den Hintergrund. 108 Prätribulationismus: Erwartung der Entzückung der Kirche vor der großen Drangsal, die vor Anbruch des Tausendjährigen Reiches herrschen wird. Prämillenarismus: Wiederkehr Christi vor Beginn des Tausendjährigen Reiches. Postmillenarismus: Wiederkehr Christi nach dem Tausendjährigen Reich, als Ergebnis fortschreitender Christianisierung und Abschluß der Geschichte. Dazu: Burgess, Stanley MTMcGee, Gary BVAlexander, Patrick H. (Hrsg.): Dictionary of Pentecostal and Charismatic Movements, Grand Rapids (Michigan), 19893, Art. Eschatology, 264ff; Schäfer, Heinrich: Das Reich der Freiheit. Überlegungen zur Funktion Millenaristischer Eschatologie in den gesellschaftlichen Konflikten Mittelamerikas, in: Zeitschrift für Missionswissenschaft und Religionswissenschaft, Münster, Heft 2, 1989, 138-145. 109 Schäfer, Protestantismus, 100.
Neopfingstler in Honduras - Einfiihrung
41
Bei der Bibelauslegung dominiert der Fundamentalismus. Er erfährt aber eine Erweiterung durch den Heiligen Geist, so daß man von einer Zwischenstufe zwischen legalistischer und charismatischer Hermeneutik sprechen kann. Mission und Bekehrung von Nichtgläubigen hat für die Pfingstler eine große Bedeutung. Dabei werden auch die Christen nicht voll anerkannt, die die Taufe mit dem Geist noch nicht erfahren haben. Es dominiert eine strenge Individualethik, besonders bezüglich der Familie, die nach außen hin als Unterscheidungskriterium von der Welt dient. Sozialethisches Verhalten findet allenfalls in der Karitas eine Äußerungsmöglichkeit, ist jedoch der Mission untergeordnet. Gesellschaftliches Engagement wird im allgemeinen abgelehnt. Die Mitglieder kommen zum größten Teil aus den unteren Bevölkerungsschichten. 5.3.4
Der neopfingstliche Protestantismus
Der neopfingstliche Protestantismus umfaßt in Honduras 4 - 5 % des Protestantismus.110 Die größten Kirchen sind: "Iglesia Amor Viviente" (ca. 6.000 Mitglieder), "Iglesia Cristiana Vida Abundante" (ca. 3.500 Mitglieder), "Centro Cristiano de Renovación Carismàtica - El Cenáculo" (ca. 1.450 Mitglieder), "Iglesia Puerta al Cielo" (ca. 1.200 Mitglieder).'11 Die Kirchen haben bis zu 16 Gemeinden, dabei ist auffällig, daß die "Iglesia Amor Viviente" Tochterkirchen in Alajuela (Costa Rica), in New Orleans und in New York (USA) hat zur Betreuung honduranischer Emigranten. Nach Schäfer liegt das Zentrum der Lehre bei den Neopfingstlem wie bei den Pfingstlern in der Pneumatologie. Die Geisttaufe spielt eine wichtige Rolle beim Geistempfang. Im ekstatischen Erleben wird Vollmacht vermittelt, z.B. über Dämonen. Eine Evidenz der Geisttaufe in der Glossolalie ist nicht gefordert, sondern zeigt sich im ekstatischen Erleben, was ge110 Die Prozentzahl beruht auf Zahlenangaben der Pastoren über ihre Kirche in von mir durchgeführten Interviews im Jahr 1990. Dazu wurden aus dem Directorio von Visión Mundial Zahlen aus dem Jahr 1985 für "Brigadas de Amor Cristiano" und "Misión Elim" entnommen und auf die in dem Directorio angegebene Gesamtzahl in Beziehung gesetzt. Die Zahlenangabe ist daher nur ein Annährungswert. Im Directorio von 1985 waren noch nicht alle mir bekannten Neopfingstkirchen und deren Absplitterungen registriert, deshalb kommt es zu dieser Ungenauigkeit. 111 Die "Brigadas de Amor Cristiano" und "Misión Elim" wurden von mir nicht untersucht. Ihre Zugehörigkeit zum Neopentekostalismus kann von mir somit nicht eindeutig belegt werden.
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Karl Braungart
genüber den Pfingstlern noch einen weiteren Schritt in Richtung Subjektivismus darstellt, da für die Geistpräsenz kein objektiv verifizierbarer Erweis mehr existieren muß. Die Geisttaufe dient vornehmlich der Vermittlung von Macht in Kirche und Welt an die Mitglieder, nicht der Unterscheidung von der Welt. Eine Eschatologie, die sich im Transformationsprozeß von einer prämillenaristischen zu einer postmillenaristischen befindet, läßt eine Gestaltung von Geschichte zu, allerdings bleibt "der Zugang zur Gnadenvermittlung in der Zukunft insofern subjektivistisch, als das Millenium den konvertierten Mitgliedern der charismatischen Kirchen und der Verwirklichung ihrer Interessen vorbehalten bleibt"112. Die Gnade Gottes wird hauptsächlich über das Wirken des Heiligen Geistes erfahren. Die Gottesdienste sind gelenkt ekstatisch. Es herrscht ein fundamentalistisches Bibelverständnis vor, wobei allerdings "die direkte Eingabe göttlicher Wahrheit in inspirierte Personen eine große Rolle"113 spielt. Stärker als bei den traditionellen Pfingstlern wird ein charismatischer und damit subjektivistischer Zugang zur Bibel gewählt. Mission und Konversion, die eine bedeutende Rolle spielen, haben nicht nur das Ziel, neue Menschen dazuzugewinnen, sondern den inhaltlichen Einfluß auf bestehende kirchliche und gesellschaftliche Institutionen auszudehnen. Die Sozialethik beschränkt sich vorwiegend auf karitative Bereiche. Eine politische Ethik ist ausgeprägt. Die Mitglieder sollen gesellschaftliche und politische Funktionen übernehmen. "Die politische Ethik verfolgt dabei mehr oder weniger ungebrochen die Interessen der charismatischen Subjekte, welche im wesentlichen in Einklang stehen mit den herrschenden Interessen innerhalb eines neoliberalen politischen Systems. Eine Bindung an das Gemeinwohl existiert allenfalls vermittelt über das Postulat eines Nutzeffektes des Partikularinteresses für die Allgemeinheit."114 Die Mitglieder kommen vorwiegend aus Mittel- und Oberschicht.
112 Schäfer, Protestantismus, 101. 113 A.a.O., 102. 114 Ebd.
Neopfingstler in Honduras - Einführung
5.4
43
Parakirchliche Organisationen
Neben den Kirchen gibt es weitere Organisationen, die mit den Kirchen zusammenarbeiten und in ihren Gruppen Mitglieder verschiedener Kirchen versammeln, sogar Katholiken. Diese Organisationen oder Gruppen haben aber nicht den Anspruch, Kirche zu sein, sondern verstehen sich als Hilfsoder Dienstorganisationen für Kirchen, die in unterschiedlichen Bereichen tätig sind, z.B. Entwicklungshilfeorganisationen, Missionsgesellschaften und Spirituelle Gruppen. In Honduras spielen diese Gruppen eine sehr wichtige Rolle, weil sie viel stärker als die Kirchen vom Ausland abhängig sind, sowohl finanziell als auch personell und oft für die einheimischen Kirchen als Finanzquelle dienen. Die meisten dieser Gruppen kommen aus den USA. Sie sind in der Hauptsache Träger des US- amerikanischen Einflusses und verfolgen viel stärker als die Kirchen auch politische Ziele im Sinne der nordamerikanischen religiösen Rechten.115 M.E. dürfen sie aber nicht mit den einheimischen Kirchen in eine Reihe gestellt werden, denn dafür sind die Unterschiede zu groß. Für das Erscheinungsbild der Protestanten im Land sind sie jedoch gleichwohl sehr wichtig, und ihr Einfluß ist bedeutend. Durch Schulungen für kirchliche Führungsleute, Spenden, Lebensmittellieferangen, medizinischen Einrichtungen bekommen diese Organisationen Einfluß auf einheimische Kirchen. Oft erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen, sowohl zivilen als auch militärischen in den USA und in Honduras.116 Zwei Organisationen sollen im folgenden stellvertretend kurz beschrieben werden.
115 "Aside from its ideological slant, missionary work is seen as a means to organize social movements and development programs favorable to U.S. political and economic priorities... The thrust of the new short term and career missions is still evangelistic, but the increasing focus on humanitarian work is intended to address the material needs of underdeveloped societies and to compete with more progressive church groups which have recognized those needs for many y e a r s " Diamond, Spiritual Warfare, 206. 116 Die US-amerikanische konservative Zeitschrift "Christianity Today" schätzt 1975, daß 10-25 % der evangelischen und katholischen Missionare, die ihre Basis in den USA haben, Informationen an USGeheimdienste weitergegeben haben. Diamond, Spiritual Warfare, 207.
Karl Braungart
44
5.4.1
"Hombres Cristianos de Negocio", HCN (Füll Gospel Business Men's Fellowship International, FGBMFI) 117
Diese charismatische Organisation christlicher Geschäftsleute und Militärs wurde 1952 in Los Angeles von Demos Shakarian gegründet. 118 Oral Roberts hielt bei der Gründungsversammlung die Predigt. Inzwischen hat sie über 600.000 Mitglieder in 93 Ländern. In Honduras wurden die HCN 1978 gegründet, von denen es 1990 um die 20 Kapitel (Gebetsgruppen), davon drei in Tegucigalpa, gibt. Die Kapitel versammeln sich in exklusiven Hotels und Restaurants (Hotel Honduras Maya, Hotel Plaza, Countiy Club). Im Hotel Honduras Maya, der ersten Adresse in Tegucigalpa, findet Dienstags eine Gebetsgemeinschaft statt, Freitags gibt es ein Abendessen mit Andacht und Zeugnissen. Für das Abendessen mußten 15 Lempiras, was umgerechnet ungefähr 7,- D M entspricht, bezahlt werden. Frauen sind nicht zugelassen, außer zu den monatlichen Familienabenden.
Die Mitglieder gehören
verschiedenen
Kirchen an, viele davon Vida Abundante und Amor Viviente, einige gehen aber auch in keine Kirche. Man kann die HCN als "christlichen Rotary Club" bezeichnen, der auch zur Herstellung geschäftlicher Kontakte dient. Mitglieder sind Geschäftsleute, Militärs (Offiziere bis zu Angehörigen des Generalstabes), Politiker (Exminister, Exbürgermeister der Hauptstadt), höhere Angestellte. Bei den HCN geht es um eine Veränderung der Gesellschaft von oben nach unten. Sie zählen sich zur Elite, die die Vorgaben liefern muß und die Führung inne hat. Dafür werden neue Mitglieder geworben und durch ein altes Mitglied in die Gruppe
eingeführt.
"Hauptzweck dieser Vereinigung ist es, den Menschen zu verändern, den Menschen, der schon auf hohem Niveau steht. Schließlich muß sich die Veränderung von oben nach unten durchsetzen. Ist der Mensch einmal
117 Siehe dazu: The Inter-Hemispheric Education Resource Center: "Full Gospel Business Men's Fellowship International" Group Watch, Profiles of U.S. Private Organizations and Churches, Resource Center, Albuquerque NM, (Maschinensch, vervielfältigt), o J . 118 Mitglieder sind u.a.: Joseph Coors (Heritage Foundation), Sanford McDonnell (McDonnell Douglas Foundation), James Watt und Herbert Ellingwood (Mitglieder der Reagan-Regierung). Reagan selbst nahm schon in seiner Zeit als Gouverneur von Californien an verschiedenen Versammlungen teil und legte dort auch Zeugnis ab. Pat Robertson hat enge Verbindungen zum FGBMFI. Siehe: Resource Center, Group Watch, FGBMFI, 3.
Neopfingstler in Honduras - Einführung
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verändert, betrifft seine Sensibilisierung alle Bereiche. Das ist unsere wichtigste gesellschaftliche Arbeit."119 Theologisch gehören sie zu den Neopfingstlem. Viele erleben in den Versammlungen der HCN ihre Geistestaufe. Dem Gebet, auch in Zungen, wird breiten Raum gegeben. Die Gebetsanliegen werden zu Beginn auf ein Stück Papier geschrieben und eingesammelt, danach zerissen mit der Ankündigung, daß Gott die Anliegen erhört hat. Die HCN haben enge Verbindungen zu "World Gospel Outreach", die aus ihren antikommunistischen Aktivitäten kein Hehl machen. John Arevalo, Präsident der HCN, war ebenfalls Direktor von "World Gospel Outreach".120 Das Kapitel vom Hotel Honduras Maya ist Träger einer elitären Schule für Jungen, mit Namen "Nidos de Aguilas" (Adlerhorst), in der Nähe von Tegucigalpa, die militärisch getrimmt, auf Führungsaufgaben vorbereitet werden.121 Das Schulgeld ist hoch; der Besuch kostet das Zehnfache eines Polizistengehalts. Es herrscht eine militärische Disziplin, die Schüler werden von Anfang an in Dienstgrade (Zenturio, Tribun) eingeteilt. Ein Schüler: "Diese Schule ist..., ja, ihre Grundlage ist die Disziplin. Und ich sehe ein, daß das wichtig ist für unsere Zukunft. Durch ihre hierarchische Struktur hilft sie uns, unsere Führungseigenschaften weiterzuentwikkeln."122 Direktor ist Oberst i.R. Juan Angel Arias, ausgebildet in US-Militärschulen und früher einmal in einen Drogenskandal verwickelt. Ein nordamerikanisches Filmteam von Pat Robertsons CBN (Christian Broadcasting Network) wurde von HCN - Mitgliedern zum Filmen von Contralagern begleitet.123
119 John Arevalo, Präsident der HCN in Honduras, aus: Vandersypen, Dirk: Sekten in Honduras, Film in der Reihe "Gott und die Welt", ausgestrahlt in: WDR 3, 21.3.1987, Manuskript, 3. 120 Resource Center, Group Walch, FGBMFI, 2. 121 Vandersypen, lff. 122 A.a.O., 3. 123 Resource Center, Group Watch, FGBMFI, 2. Robertsons CBN sammelte 2 Mio. US $ für die Contras, nachdem der US-Kongress die Finanzhilfe eingestellt hatte. Bei einem Besuch eines Contralagers in Honduras sagte er vor den versammelten Kämpfern: "Dies ist eines der bewegendsten Ereignisse in meinem Leben, daß ich heute hier sein darf, euren Glauben sehen, euren Wunsch nach Freiheit und Liberalität, euren Mut und eure Disziplin. Wir wollen denen helfen, die Opfer des Kommunismus geworden sind... Es hat besonders auch religiöse Unterdrückung auf schockierende Weise in Nicaragua gegeben. Darum glaube ich, da6, wenn wir diesen Männern helfen beim Kampf für ihre Freiheit, dann erfüllen damit Gottes Plan." zitiert nach: Vandersypen, lOf.
46
5.4.2
Karl Braungart
"Embajada Cristiana Jerusalen", ECJ (International Christian Embassy Jerusalem, ICEJ)124
Die ICEJ wurde 1980 von Jan Willem van der Hoeven, Johann Luckoff und vier weiteren Personen gegründet, nachdem 13 Länder ihre Botschaften von Jerusalem nach Tel Aviv verlegten. Vorausgegangen war die Annexion Ost-Jerusalems durch die Israelis. Die ICEJ setzt sich für die offizielle Anerkennung Jerusalems als ungeteilte Hauptstadt Israels und für die Anerkennung der "West Bank" und des Gazastreifens als legitimem Teil des Staates Israel ein. Ihren Sitz hat die Organisation in Jerusalem. Regelmäßig führt sie Reisen nach Israel durch zum "Tabernakelfest". Die ICEJ sieht Israel als das auserwählte Volk und den Zionismus als Teil des göttlichen Planes vor der Wiederkunft Christi. In diesem Sinne ist ein vereinigtes Jerusalem für die ICEJ ein Zeichen für das Kommen des Herrn, dem noch andere Zeichen folgen müssen, wie z.B. das Kommen des Antichristen.125 Aus diesem Grund setzt sie sich für die Unterstützung Israels ein. In Honduras wurde die "Embajada Cristiana Jerusalen" 1984 von Gerald Derstine, dem Leiter von Gospel Crusade, Inc. gegründet. Heute wird die Organisation von Marta Rodriguez geleitet, deren Ehemann früher Gesundheitsminister war. In keinem Land außer in Honduras hat die Organisation einen halbdiplomatischen Status. Dadurch können Waren zollfrei aus dem Ausland eingeführt werden und unterliegen keiner Kontrolle.126 Die ECJ hat einige soziale Projekte im Land, z.B. ein Kinderkleidungs- und emährungsprojekt und eine Klinik und war auch bei der Durchführung von Jimmy Swaggarts Evangelisationskampagne 1987 beteiligt. Zusammen mit "Gospel Crusade" betreiben ECJ das Schulungs und- Freizeitheim "Betel", in dem "Missionary Action" aus Florida honduranische Pastoren für den Einsatz unter Moslems im Mittleren Osten ausbildet, da US-Staatsbürger 124 Dazu: The Inter-Hemispheric Education Resource Center: "International Christian Embassy Jerusalem" Group Watch, Profiles of U.S. Private Organization and Churches, Resource Center, Albuquerque NM, (Maschinensch, vervielfältigt), o -J. 125 Die ICEJ scheint in ihrem Engagement sehr weit zu gehen. Um die Wiederkunft des Herrn vorzubereiten, hat die ICEJ auch Leute finanziell unterstützt, die die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg in die Luft sprengen wollten, um damit den Bau des Dritten Tempels zu ermöglichen, nach ihrer Meinung eine Voraussetzung für das Kommen Christi. Dazu: Diamond, Spiritual Warfare, 203f. 126 So hat ECJ für die "Iglesia Cristiana Vida Abundante" vier Autos, die Musikausrüstung und Biirogeräte zollfrei eingeführt. Rodrfguez, Marta: Gespräch am 20.9.1990 im Büro von ECJ in Tegucigalpa.
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dort nicht gern gesehen werden und dunkelhäutige Honduraner dort weniger auffallen.127 Die ECJ gehört zu den Organisationen, die die Contras unterstützten. Für den Transport von Gütern nutzt die ECJ auch Transportkapazitäten des US-Militärs und zusammen mit "Gospel Crusade" auch die Schiffe der "Standard Fruit Company".128 Marta Rodríguez rühmt sich guter Kontakte zur honduranischen Regierung, zum Gesundheitsminister, zum Expräsidenten Ascona und auch zur ersten Dame des Landes, der sie auch manchmal einen kleinen Dienst erweise. Eine Einmischung in die Politik zur Durchsetzung der eigenen Interessen ist gewollt und wird durch Spenden an die Parteien unterstützt. Das Verhältnis zu den einheimischen Kirchen ist durch Spannungen getrübt aufgrund persönlicher Auseinandersetzungen der Leitungspersonen und Eifersucht oder durch gegenseitige Kooperationsunwilligkeit.129
5.5
Besonderheiten
Es gibt im religiösen Spektrum von Honduras Personen, die zwar nicht im engeren Sinne zum Protestantismus dazugehören, gleichwohl aber eine Wirkung auf ihn ausüben. Von einem Eremiten, Bruder Angel Hernández, gibt es Berichte über seine besondere Geistbegabung. Eine unfruchtbare Frau berichtet, daß Bruder Angel sie von ihrer Unfruchtbarkeit befreit habe,130 und verschiedene Männer von den "Hombres Cristianos de Negocio" berichteten sichtlich beeindruckt davon, wie sie durch Bruder Angel zum Glauben gefunden hätten. Auf dem Einband seines Buches steht: "Wir haben hier ein Kompendium erstellt, um Ihnen verschiedene Lehren des Heiligen Geistes vorzustellen, die durch Bruder Angel Hernández gegeben wurden, dem Diener Gottes, von 'Ihm' direkt 127 Diamond, Spiritual Warfare, 229. 128 The Inter-Hemispheric Education Resource Center: "Gospel Cmsade" Group Watch, Profiles of U.S. Private Organization and Churches, Resource Center, Albuquerque NM, (Maschinensch, vervielfältigt), o.J., 6f. "Gospel Crusade" Präsident Gerald Deistine rühmt sich, von Oliver North den Contrafiihrem Adolfo Calero und Enrique Bermúdez vorgestellt worden zu sein und mit ihnen Lebensmittel- und Kleiderlieferungen verabredet zu haben. Seine Reisen seien mit dem CIA und Außenministerium abgestimmt gewesen. 129 Frau Rodríguez war auf einige Pastoren nicht gut zu sprechen. Sie warf ihnen Egoismus, Schmoren im eigenen Saft und Eifersucht vor, weil die ECJ bald ein größeres Gebäude habe als manche Kirche. Außerdem würden die Pastoren nur kommen, wenn sie etwas brauchten. 130 Emma Pinel de Sosa, in: Hernández, Angel: Un Mejor Maestro, hg. v. Emma Pinel de Sosa, Centro Editorial, San Pedro Sula, Honduras, 1988, Vorwort, 9ff.
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berufen, zum Apostel erhoben durch die machtvolle Hand des Herrn in den Bergen des Valle Bonito, Comayagua, damit ein auserwähltes Volk unterrichtet und zu einem übriggebliebenen Heiligen geführt würde. Die Herrlichkeit Jehovas soll damit in ganz Honduras und im letzten Winkel der Erde sichtbar werden."131 In Tegucigalpa sind mir zwei Frauen aufgefallen, denen große Fähigkeiten zugeschrieben wurden, die der Heilige Geist ihnen eingegeben hätte. Bei einer Versammlung der "Hombres Cristianos de Negocio" erzählte mir ein ehemaliger, führender Politiker, daß diese Frauen die Gabe hätten, Personen zu durchschauen und durch das Gebet das Leben der betreffenden Person zu ordnen. Offensichtlich hatten schon mehrere Männer der christlichen Geschäftsleute für sie beeindruckende Erfahrungen mit den "heiligen" Frauen gemacht. Eine der Frauen ist Gloria de Ordönez. Früher war sie Diakonin bei den "Asambleas de Dios", seit 1986 hat sie ihre eigene Kirche, die "Iglesia Interdenominacional Misionera", in einem ärmeren Vorort von Tegucigalpa, die sie als Pastorin führt. Diese Kirche ist bekannt für ihre ekstatischen Gottesdienste. Die Teilnehmer tanzen oft bis zur Ohnmacht, was dann als Befreiung durch den Heiligen Geist verstanden wird. Beim ersten Gottesdienst, an dem ich teilnahm, kam Frau de Ordönez in Militäruniform, da sie gerade von einem Gottesdienst aus einer Kaserne kam. Bei den Contras hätte sie nur einmal gepredigt, obwohl sie oft von einem Herrn Guerrero aus Dallas/USA eingeladen worden wäre, der bei der "Embajada Cristiana Jerusal&i" gewesen sei. Der abgesetzte General Gustavo Alvarez Martinez war nach seiner Rückkehr aus dem nordamerikanischen Exil und vor seiner Ermordung ebenfalls Mitglied dieser Kirche.132 Laut Frau de Ordönez sei er sehr inbrünstig und aufrichtig bekehrt gewesen. Gloria de Ordönez hat keine Schulausbildung und ihren Lebensunterhalt zeitweise als Wäscherin verdient. Heute werde sie von reichen Leuten eingeladen, z.B. von den "Hombres Cristianos de Negocio", auch habe sie in den USA eine 131 Hernández, Angel: a.a.O., Deckblatt. 132 General Alvarez Martínez, der fiihere starke Mann des Landes bekehrte sich in Florida und kehrte nach Honduras zurück. Über die Hintergründe seiner Ermordung gibt es unterschiedliche Versionen: Die eine sagt, daß die Guerilla ihn erschossen hätte, weil sie ihm seine Brutalität nicht verziehen hätte, die andere sagt, daß seine ehemaligen Kameraden vom Militär ihn erschossen hätten, weil Alvarez Martínez angekündigt hatte, beim nächsten Gottesdienst in der "Iglesia Interdenominational Misionera" sein Lebenszeugnis ablegen zu wollen. Einige ehemalige Kameraden hätten Angst bekommen, daß Alvarez Martínez zu viel erzählen würde.
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Vortragsreise gemacht und dort Psychologievorlesungen gegeben, obwohl sie das nie studiert hätte. Der Herr habe es ihr eingegeben. Autofahren habe sie im Zimmer durch den Heiligen Geist gelernt, ohne eine Fahrstunde. Ebenso hätte sie ihr Auto und dazu noch 10 Lempiras, vermittelt durch den Heiligen Geist, geschenkt bekommen. Ein Angebot, in den USA Pastorin zu sein, hätte sie vorliegen. Die andere Frau ist Paz Esmeralda Moya, genannt "La Pacita", die ebenfalls Mitglied der "Iglesia Interdenominacional Misionera" ist, aber auch schon an eine eigene Kirche denkt. Sie erzählte mir von ihren Gebetserhörungen, z.B. wie der Herr ihr die Möbel für ihr Haus geschenkt hätte oder wie sie noch ein Auto bekommen würde. Sie sähe ihr Auto schon vor der Tür stehen, aber andere könnten es noch nicht sehen. Nach Israel werde sie auch fahren, "ich weiß zwar nicht wie, aber der Herr ist auch Besitzer von TAN SAHSA (hondur. Fluggesellschaft, K.B.) und er ist auch Besitzer des Dollars, auch wenn er jetzt steigt". Mir wurde bei einer Gebetsgemeinschaft, bei der 7 Personen im Kreis standen, sich an den Händen faßten und einer in Zungen betete, was "La Pacita" auslegte, prophezeit, daß ich größere Dinge vollbringen werde, als "Jorge Lutero" (Georg Luther). Anscheinend meinte sie Martin Luther. Beide sind zwischen 35 und 40 Jahre alt, sehr lebendig und dominante Persönlichkeiten. Sie haben eine starke Ausstrahlung und vermitteln eine Sicherheit, durch ihren Glauben und ihre Gebetserhörungen in ganz engem Kontakt zu Gott zu stehen. Für in die Krise gekommene Männer der oberen Schichten haben sie eine therapeutische Funktion bei der Ordnung des Lebens, der Identitätsfindung und Perspektivensuche. Beide Frauen sind sehr weibliche, mütterliche Typen. Untereinander sind sie Konkurrentinnen mit einem Prestigevorsprung von Gloria de Ordönez.
IL Die Neopfingstkirchen - Strukturen und kirchliches Handeln Im folgenden Kapitel konzentriert sich die Untersuchung auf die neopfingstlichen Kirchen "Vida Abundante", "Amor Viviente", und in etwas kürzerer Form auch auf "El Cenáculo" und "Puerta al Cielo".
1.
Voraussetzungen
Die Kirchen verfügen mit Ausnahme von "Puerta al Cielo" über große, neue und für honduranische Verhältnisse teure Kirchengebäude.1 Das erst vor ein paar Jahren erbaute Gebäude von "Vida Abundante" liegt in der Colonia "Las Colinas", einem besseren Wohnviertel der Mittelschicht in Tegucigalpa. Es faßt ca. 1.500 Personen. Im Gebäudekomplex sind Gruppenräume, Tonstudio und Verwaltungsräume untergebracht. Hinter dem Gebäude befindet sich ein überdachter Platz für Veranstaltungen. Mehr als 30 Personen sind vollzeit oder teilzeit angestellt. Wöchentlich wird ein Informationsblatt verteilt. Monatlich erscheint die Zeitschrift "Vida Abundante". Die interdenominationelle Monatszeitschrift "El Sembrador" mußte inzwischen wieder eingestellt werden. Von verschiedenen Radiosendern werden Sendungen der Kirche ausgestrahlt. "Amor Viviente" hat ihr zentrales Gebäude am südlichen Rand der Hauptstadt, in der "Colonia Godoy", neben der Einflugschneise des Flughafens Toncontin. Es ist erst ein paar Jahre alt und faßt ebenfalls ca. 1.500 Personen. In einem Nebengebäude befinden sich Gruppenräume, Büroräume und der kircheneigene Rundfunksender "Difusora Cristiana de Radio".
1
Der Sekretär der katholischen Bischofskonferenz Dionisio Potvin meinte, solche Gebäude könnte nicht einmal die katholische Kirche ohne ausländische Hilfe bauen.
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Handeln
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Das Gebäude von "El Cenáculo" befindet sich im zentralen, noblen Wohnviertel "Colonia Rubén Darío". Im Gebäudekomplex sind Gruppenräume, Büroräume, sowie die Arzt - und Zahnarztpraxis der Gemeinde untergebracht. "Puerta al Cielo" trifft sich bis jetzt noch in einer umgebauten Lagerhalle der Reisgroßhandlung "Cielito Lindo" an der nördlichen Ausfallstraße Tegucigalpas, im armen Stadtteil Comayaguela. Es gibt Pläne für ein neues Gebäude umgeben von Wohnhäusern für Mitarbeiter und Gemeinderäume in einer großzügigen Anlage.
2. 2.1
Strukturen Kirchenstrukturen
Da die Kirchen jung sind, sind die Strukturen der Kirchen noch nicht stark ausgeprägt. Mit der Terminologie Max Webers kann man die Organisationsform der neopfingstlichen Kirchen als "Charismatische Herrschaft" beschreiben, die allerdings schon je nach Kirche mehr oder weniger stark auf dem Weg der "Veralltäglichung des Charismas" ist.2 Nach Weber ist eine charismatische Herrschaft, die auf den außergewöhnlichen und außeralltäglichen Fähigkeiten der Führungsperson beruht, nur in statu nascendi, in Reinform, vorfindbar. Dauert'die Herrschaft aber an, wird sie "traditionalisiert oder rationalisiert (legalisiert) oder: beides in verschiedenen Hinsichten"3. "Charisma ist typische An/ongserscheinung religiöser (prophetischer) oder politischer (Eroberungs-) Herrschaften, weicht aber den Gewalten des Alltags, sobald die Herrschaft gesichert ist und, vor allem, sobald sie Massencharakter angenommen hat."4 Das treibende Motiv zur Veralltäglichung ist das Streben nach "Legitimierung der sozialen Herrenposition und ökonomischen Chancen für die Gefolgschaft und Anhängerschaft des Herrn."5
2
Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen, 1985 5 , 140ff.
3
A.a.O., 143.
4
A.a.O., 147.
5
Ebd.
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In allen untersuchten Kirchen dominieren die Pastoren, umgeben von einem größeren Stab von Mitarbeitern und Anhängern. Inzwischen haben sich aber durch die Größe der Kirchen rationale Herrschaftsstnikuren herausgebildet, die auf eine differenzierte Nachfrage der Anhänger reagieren können. Konflikte werden trotzdem oft personenorientiert ausgetragen. Ist eine Gruppe innerhalb der Kirche mit der Arbeit der Kirche nicht einverstanden oder fühlt sich nicht genügend respektiert, kommt es zu Abspaltungen.6 Dies ist umso wahrscheinlicher, wenn formale Institutionen fehlen, um Konflikte auszutragen. Konflikte erscheinen dann als Kampf um die Herrschaft zweier charismatischer Führungspersonen und ihrer Anhänger. 2.1.1
Amor Viviente
"Amor Viviente" hat als größte Neopfingstkirche die Herrschaftsform schon am stärksten rationalisiert und in Strukturen gefaßt. Hauptpastor René Peñalba dominiert zwar als zentrale Figur die Kirche, doch ist er formal einem Kontrollgremium unterworfen. Die 'Asamblea General' ist das oberste Vertretungsorgan der ganzen Kirche auf nationaler und internationaler Ebene. Ihr gehören die Pastoren und jeweils zwei Vertreter der Lokalkirchen an. Pro 50 Mitglieder erhält die Lokalkirche einen Vertreterplatz mehr. Sie trifft sich ein bis zwei Mal im Jahr. Die 'Asamblea General' wählt alle drei Jahre die 'Junta Directiva', die aus zehn Pastoren der Kirchen zusammengesetzt ist. Sie ist das Leitungsgremium der Kirche, das auch die Pastoren wählt, sie entsendet und die Arbeit der lokalen Kirchen koordiniert und kontrolliert. René Peñalba ist derzeit auch Präsident der 'Junta Directiva'. Die Strukturen auf lokaler Ebene sind je nach Gemeindegröße unterschiedlich. Alle Gemeinden werden aber vom "Pastor General" geleitet, dem eine Art Ältestenrat, die 'Coordinación General', als Beratungsorgan zugeordnet ist. Entscheidungen trifft der "Pastor General", möglichst im Einvernehmen mit der 'Coordinación General'. Mitglieder der 'Coordinación General' sind die Verantwortlichen der verschiedenen Aufgabenbereiche. Dazu kommen noch der 'Co-Pastor General' und der 'Administrador General', die für die Hauskreise bzw. die Verwaltung, Finanzierung und die Gebäude zuständig sind. "Pastor General" René Peñ6
z.B bei Vida Abundante.
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alba, ein einfühlsam und seelsorgerlich wirkender Mann, hat die Zügel fest in der Hand. Organisatorisches Rückgrat der Kirche sind die 'Grupos de Crecimiento' (deutsch: Wachstumsgruppen). Dies sind Kleingruppen, ähnlich den Hauskreisen, zwischen 10 und 20 Personen, die von einem Leiter geführt werden und sich in den Häusem treffen. Jedes Mitglied der Kirche sollte in einer dieser Gruppen sein. Sie dienen der Festigung der Gemeindeglieder, der Mission und der finanziellen Sicherung der Kirche. Weitere Bereiche mit eigenen Arbeitsgruppen sind: Gestaltung des Hauptgottesdienstes, Trainingskurse für Mitarbeiter, Seelsorgegruppen, Kinderarbeit, Schulungen für verlobte Paäre, allgemeinbildende Kurse (z.B. Sprachen), Musikgruppen, Theatergruppe, Besuchsdienst in Krankenhäusern, Verteilung von Stipendien und Alphabetisierungsgruppen. Dazu kommen noch Abteilungen für Mission in anderen Ländern, ein Rehabilitationszentrum für Drogenabhängige, ein Zentrum zur Erarbeitung von Schulungsmaterialien (Centro de Educación Cristiana) und eine Radiostation (Difusora Cristiana de Radio). 2.1.2
Vida Abundante
Die Struktur von "Vida Abundante" ist der von "Amor Viviente" ähnlich, jedoch weniger formal rationalisiert. Dadurch, daß die Kirche bis auf einen kleinen Ableger in Choluteca nur auf die Hauptstadt beschränkt blieb, war die Notwendigkeit einer formalen Rationalisierung nicht so stark gegeben wie bei "Amor Viviente". Dr. Evelio Reyes, ein Zahnarzt, ist der zweite "Pastor General" an der Spitze der Kirche. 1983 wurde er Pastor, nachdem der Vorgänger und Kirchengründer, Pastor Roberto Ventura, eine andere Missionsaufgabe übernommen hatte. Reyes, ein Mann mit starker Ausstrahlung und Charisma, ist ein feuriger Redner, der die Zuhörer mitreißen kann. Er ist autoritär, kämpferisch und wirkt unnahbar.7 Als Ventura später wieder zurückkommen wollte, kam es zum Konflikt der beiden Pastoren und ihrer Anhängerschaft, im Verlauf dessen sich Reyes durchsetzte und Ventura und seine Anhänger eine neue Kirche gründeten.8 7
Auf einer internationalen Konferenz von Kirchenführem in Tegucigalpa 1989 wurde Evelio Reyes zum "Apostel, Propheten und Pastor der Pastoren" erklärt.
8
Pastor Roberto Ventura gründete die Kirche "Centro Cristiano Monte de las Bendiciones 'Gerizim'", ca. 5 km außerhalb der Hauptstadt. Es kam zu weiteren kleineren Abspaltungen von "Vida Abun-
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Der "Pastor General", Dr. Evelio Reyes, ist oberster Vertreter der Kirche. Er entscheidet die wichtigsten Fragen. Den Kirchenaufbau bezeichnet er als "episkopales System". Ein festgelegtes Verfahren zur Ernennung des Pastors gibt es nicht. Reyes meint dazu: "Unsere Gemeinde ist noch jung, deshalb hat sie nur zwei Pastoren gehabt, den Gründer und ihren Diener, meine Wenigkeit. Ich arbeite seit 1983. Wir haben also noch keine Erfahrung bei der Ernennung von Pastoren." Ein Beratergremium, das sich aus den Verantwortlichen der einzelnen Arbeitsbereiche zusammensetzt, umgibt den "Pastor General". Für die verschiedenen Arbeitsgebiete wurden Ämter, die "Ministerios", eingerichtet, die jeweils von einer Person, dem Administrator, dem Hilfspastor oder der Hilfspastorin, geleitet werden. Es gibt ein "Ministerio" für Männer, für Frauen, für Jugendliche, für Kinder, für Lehre und Schulung und für die Verwaltung. Neben den Assistenten der Hilfspastoren in den "Ministerios" für Männer und für Frauen gibt es die "Hermanos Mayores" (ältere Brüder) oder "Hermanas Mayores" (ältere Schwestern). Ihre Aufgabe ist es, regelmäßig den Kontakt zu fünf bis sechs Gemeindegliedem, besonders zu Neubekehrten, zu halten. Sie setzen sich während der Woche mit ihnen in Verbindung, beten für sie und kontrollieren ihre Anwesenheit im Gottesdienst und bei anderen Veranstaltungen. Jede Woche treffen sich die "Hermanos/as Mayores", um ihre Tätigkeit zu besprechen und zu berichten. Auf diese Weise erfahrt der Männerpastor oder die Frauenpastorin, ob jemand krank ist, auf Reisen ist oder ein Problem hat. Für die "Hermanos/as Mayores" werden Seelsorgeschulungen durchgeführt. Die Kirche hat einen eigenen Kindergarten und eine eigene Schule bis zur Sekundarstufe. Eine weiterbildende Schule bis zur 12. Klasse ist geplant. Die "Abundant Life Christian School" bietet außerdem zweisprachige Kurse in Englisch und Spanisch zu folgenden Themen an: Christliche Prinzipien, Biblische Werte, Memorisation, Charakterentwicklung, christliche Lebenshaltung und Computerausbildung. Es gibt Bibelstudien- und Musikgruppen. Ein Arbeitsbereich beschäftigt sich mit der Herstellung von Video- und Audiocassetten von den Veranstaltungen, die verkauft oder ausgeliehen werden
dante" infolge von Streitereien, die dann ebenfalls zu Kirchengriindungen führten (Iglesia de las Naciones, Iglesia Cristiana Discípulos), die von Frauen angeführt werden (Maria Eugenia Gómez Márquez, Elba de Bautista, Noe Garcia).
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und zur Mission eingesetzt werden. Kurz vor der Inbetriebnahme steht der kircheneigene, christliche Fernsehkanal. Ebenso wie bei "Amor Viviente" ist der Kirchenaufbau straff hierarchisch organisiert. Die Hierarchie setzt sich fort vom "Pastor General" über die Hilfspastoren und die "Hermanos/as Mayores" zu den einzelnen Kirchenmitgliedern. Es gibt kein formales Organ, das den "Pastor General" bei seinen Entscheidungen kontrollieren und korrigieren könnte. Bei wichtigen Entscheidungen wird das Anliegen Gott im Gebet vorgetragen und dann entschieden. Ebenso wie bei "Amor Viviente" wird die Hierarchie als von Gott eingesetzt verstanden, als von Gott "delegierte Autorität". Ein Gemeindemitglied sagt das ausdrücklich: "Wir wissen alle, daß der Pastor von Gott eingesetzte Autorität ist, Punkt aus und fertig. Wir wissen, daß Suyapita (die Frauenpastorin, K.B.) von Gott eingesetzte Autorität über die Frauen ist, Punkt aus." Bei abweichender Meinung wird Unterordnung gefordert. 2.13
Puerta al Cielo
"Puerta al Cielo", die jüngste der vier Kirchen, hat in dreieinhalb Jahren eine effiziente presbyteriale Struktur ausgebildet. Sieben Älteste, denen der "Pastor General" als "leitender Ältester" vorsteht, bilden den Rat, die Leitung der Kirche. Danach kommen im zweiten "Beziehungskreis" (círculo de relación) die Supervisoren, die jeweils einige Pastoren der "Grupos de Crecimiento" beaufsichtigen. Im nächsten "Beziehungskreis" sind die Pastoren der "Grupos de Crecimiento", die die Gruppen leiten und Ansprechpartner für die einzelnen Gemeindeglieder sind. Sie bilden den letzten Beziehungskreis. Entscheidungen, die sich nur auf die Zuständigkeit des eigenen "Beziehungskreises" beziehen, werden in der Versammlung der Pastoren, bzw. der Supervisoren oder der Ältesten getroffen. Kommt der Ältestenrat zu keiner Entscheidung, entscheidet der "Pastor General". Der "Pastor General", Rolando Zelaya, ein studierter Betriebs- und Volkswirt, kam durch Berufung in sein Amt. Er sagt: "Bisher haben wir den Pastor nicht gewechselt. Wir glauben, daß ich von Gott berufen wurde, diese Arbeit zu errichten, eine apostolische Arbeit. Daran glauben wir. Wir wissen, daß wir andere Ältesten aufbauen werden für andere große Gemeinden, und der Herr hat mich hierher berufen, und hier bin ich und leite
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die Arbeit." Er gesteht zu, daß er auch an einen anderen Ort berufen werden könnte. Die Gemeinde betreibt eine eigenständige Kinderarbeit in den verschiedenen Stadtvierteln. Darüberhinaus betreibt die Gemeinde ein Sozialprogramm mit Kinderspeisung, medizinischer und medikamentöser Versorgung, Kleider- und Nahrungsmittelhilfe. 2.1.4
El Cenáculo
Bei "El Cenáculo" ist der Pastor, Dr. Fernando Nieto, ein Exilcubaner, das Haupt der Kirche, umgeben von einem Team von Diakonen (Equipo de Servicio). Er meint, daß er den Status eines Bischofs innehabe, obwohl in der Kirche dieser Begriff nicht benutzt würde. Entscheidungen werden vom Pastor getroffen, die Diakone sind nur die Berater. Pastor Nieto ist für seinen eigenmächtigen, "theokratischen" Führungsstil bekannt und bei manchen auch unbeliebt, so daß Mitglieder von "El Cenáculo" schon zu anderen Neopfingstkirchen abgewandert sind. Die Kirche arbeitet auch in Kleingruppen, die sie "Grupos de Extensión" nennt. Sie dienen der Vertiefung des Glaubens, des Gebets und der Mission. Mit diesen Gruppen ist sie in den Stadtteilen vertreten. Die Arbeitsgebiete sind in folgende Schwerpunkte aufgeteilt: Männer, Frauen, Jugendliche und Kinder, Bibelstudium und Studenten. Eine Arzt- und Zahnarztpraxis, eine juristische Beratungsstelle, eine psychologische Familienberatungsstelle und eine Schule werden von der Kirche ebenfalls betrieben. Parallel zur Kirche betreibt Pastor Nieto zusammen mit US-Organisationen Kinderspeisezentren in nicaraguanischen Flüchtlingslagern, Tegucigalpa und San Pedro Sula. 2.1.5
Auswertung
Die Kirchen sind gut organisiert und binden viele Personen durch Verteilung von Aufgaben und Delegation von Verantwortung in die Kirche ein. Damit wird eine enge innere Bindung des Einzelnen zur Kirche hergestellt, und er erfährt eine Bestätigung und Aufwertung seiner Person durch die Zuteilung einer Aufgabe. Durch die Ämter hat er die Gelegenheit, innerhalb der Kirche aufzusteigen und an Ansehen zu gewinnen. Durch den Wechsel von Massengottesdienst und Kleingruppen erfährt der Einzelne
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sowohl das Gefühl der Einbindung in eine große Massenbewegung, die mitreißt und begeistert, als auch Geborgenheit und das individuelle Eingehen auf seine Person und seine Probleme. Der Aufbau ist straff hierarchisch von oben nach unten durchorganisiert. Das ermöglicht schnelle Entscheidungen und bei geeigneten Leuten auch eine effiziente Handlungsweise. Im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Gruppen arbeiten die Neopflngstkirchen sehr organisiert und effizient. Sie unterscheiden sich damit erheblich von den korrupten und nichtfunktionierenden Organisationen des Staates und stellen ein stabiles und verläßliches Netzwerk in einer instabilen Umwelt dar.9 Damit entsprechen sie dem Bedürfnis ihrer Mitglieder nach Ordnung und einer funktionierenden Gemeinschaft und stellen einen identitätsstabilisierenden Faktor dar. Die Hierarchie wird nach unten weitergeführt, bis zum einzelnen Gemeindeglied. Die Leiter der einzelnen Arbeitsbereiche arbeiten relativ selbständig, sind aber dem "Pastor General" verantwortlich und seinen Weisungen unterworfen. Ebenso sind die Mitglieder der Grupos de Crecimiento ihrem Leiter untergeordnet.10 Dieses System der Unterordnung wird immer wieder betont und von den Leitenden auch eingefordert. Die Bibel wird herangezogen, um dieses System von kirchlicher Obrigkeit und Unterordnung zu begründen und zu legitimieren. Röm.l3,lff. und l.Petr.2,13f. dienen als Beleg für den Anspruch auf Herrschaft und Unterordnung. Damit wird dieses Herrschaftssystem zu einer göttlichen Setzung. In den untersuchten Kirchen wird von "delegierter Autorität" gesprochen, um zum Ausdruck zu bringen, daß die Herrschaftsform nicht selbstgefällig sein soll, sondern nur entlehnt ist. Deshalb wird von dem, der die Herrschaft ausübt, Milde und Bescheidenheit verlangt. Ideale Autorität ist für die Neopfingstler patemalistisch: jemand, der streng führt, aber auch fürsorgerlich ist. Die verschiedenen Arbeitsbereiche decken viele Lebensbereiche der Menschen ab. Zentrale Lebensrollen werden angesprochen und in eine Struktur gefaßt, z.B. die Männer-Rolle oder die Frauen-Rolle. Damit wird schon durch die Struktur vermittelt, daß wichtige Lebensbereiche und Probleme wie z.B. Partnerschaft, Krankheit, Ausbildung, Familie, Freizeit 9
Die Wahrnehmung dieses Gegensatzes läßt sich aus den Interviews entnehmen.
10
Ein Frau wollte mir erst ein Interview geben, nachdem sie bei ihren 'Autoritäten' um Erlaubnis gefragt hatte.
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ernst genommen werden und in der Kirche einen Raum haben, in dem sie thematisiert werden. Es werden Handlungsanleitungen für Lebensprobleme angeboten, die in den Kleingruppen individuell besprochen und angewendet werden können. Dem Bedürfnis nach Bildung wird breiter Raum gegeben. Berücksichtigt wird sowohl die berufliche Bildung als auch die Allgemein- und Charakterbildung. Anstelle der "Grupos de Crecimiento" ist bei "Vida Abundante" der Einzelne in ein brüderliches bzw. schwesterliches Betreuungsverhältnis eingebunden und erfährt auf diese Weise Geborgenheit und Anerkennung. Die Gemeinde kann damit aber auch eine genaue Kontrolle über ihre Mitglieder ausüben.
2.2
Sozialstruktur
Die folgende Beschreibung der Sozialstruktur basiert auf den Aussagen der befragten Kirchenmitglieder. Die Aussagen werden kontrolliert durch die Befragung von Pastor i.R. Mariano González von der Iglesia Centroamericana und José Daniel Sosa, der in einem armen Vorort wohnt und in verschiedenen Kirchen verkehrt. Dieses Vorgehen ist nicht dazu geeignet, genaue soziographische Angaben zu machen, was im Rahmen dieser Arbeit auch nicht beabsichtigt ist. Es reicht jedoch für eine Einschätzung und soziale Lokalisierung der Kirchen in der honduranischen Gesellschaft aus. Nach Aussagen von Reyes orientiert sich "Vida Abundante" hauptsächlich an 'profesionales', an gut ausgebildeten Fachleuten der mittleren und höheren Ebene. Ein großer Prozentsatz der Kirchenmitglieder hat einen oder zwei Universitätsabschlüsse. Allein 40 - 50 Ingenieure gehören neben Juristen, Ärzten und Architekten zu den Mitgliedern. González bestätigt dies und meint, daß "Leute der Macht, des Geldes und der politischen Macht und viele von der industriellen Macht, der kommerziellen und der akademischen" zu "Vida Abundante" gehören. Pastor Peñalba gibt an, daß bei "Amor Viviente" alle Schichten vertreten seien, arme Leute und auch 'profesionales'. Ganz Reiche gebe es nicht. Die meisten kämen aus der Mittel- und Unterschicht. Kirchenmitglied Zelaya konkretisiert diese Angabe und meint, daß 70 - 80 % der Mitglieder Personen wären, die Arbeit hätten und als Mechaniker, Zimmerleute oder Schreiner arbeiten würden. Etwa 10 - 15 % wären Universitätsabgänger und hätten eine gute Arbeit. González meint, daß auch bei "Amor Viviente" Leute
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von Rang wären, die sich mit ihresgleichen treffen wollten, in einem schönen, großen und wohlgestalteten Kirchengebäude mit einem gewißen Luxus. "Puerta al Cielo" hat nach Pastor Zelaya die meisten Mitglieder, ca. 80%, aus der unteren Mittelschicht bis Unterschicht, was sich schon aus der Lage der Kirche in einem armen Viertel ergebe. Mir scheint dies nicht ganz zuzutreffen. Vom ehrgeizigen Neubauplan des Kirchengebäudes und vom Augenschein her zu schließen, scheinen auch wohlhabendere Personen zur Mitgliedschaft zu gehören. Nach Pastor Nieto kommen die Mitglieder von "El Cenáculo" aus allen Schichten. Es seien Leute aus der Oberschicht, der Mittelschicht und der Unterschicht in seiner Kirche, wobei vielleicht die 'profesionales' die am meisten vertretene Gruppe wäre. González meint, daß "El Cenáculo" einige mächtige Leute hätte. Sosa beschreibt die Mitglieder als gutsituierte Leute mit Geld. Arme habe er nur wenige gesehen. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die meisten Mitglieder aus der Mittelschicht kommen, daß aber auch ein Teil aus der Oberschicht kommt. Dieser Teil ist bei "Vida Abundante" größer als bei "Puerta al Cielo". "Amor Viviente" und "El Cenáculo" liegen wohl dazwischen. Mitglieder aus der Unterschicht sind zwar auch vertreten, sie sind zahlenmäßig aber in der Minderheit.
2.3
Internationale Verbindungen
Alle vier Kirchen sind in Honduras entstanden und verstehen sich als eigenständige, nationale, honduranische Kirchen. Die Pastoren betonen, daß die Kirchen selbständig seien, auch finanziell, und von keiner ausländischen Organisation oder Kirche abhängig. Dennoch gibt es Verbindungen ins Ausland, vor allem in die USA. "Amor Viviente" ist die einzige Kirche, die als Mutterkirche Tochterkirchen im Ausland, in New York, New Orleans und Alajuela (Costa Rica) gebildet hat. Daneben hat die Kirche noch Beziehungen zum 'Easter Mennonite Board of Missions and Charities' in Salung, Pennsylvania, USA und ist Mitglied der Mennonitischen Weltkonferenz. "Vida Abundante" ist in keinen größeren internationalen Verbund eingebunden, hat aber freundschaftliche Beziehungen zu folgenden charismatischen Kirchen in den USA: "Golden Gate Church" in New York, "El
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Calvario" in Los Angeles und zur Kirche "Catedral del Pueblo" in Miami. Der Fernsehkanal wird unterstützt vom TBN (Trinity Broadcasting Network) des Fernsehpredigerehepaars Paul and Jan Crouch aus Kalifornien.11 "Puerta al Cielo" hat freundschaftliche Beziehungen zu folgenden Kirchen: "Iglesia sobre la Roca" in Houston, Texas, "Nuevo Vivir" und "Maranata" in Los Angeles, Kalifornien und "Iglesia Verbo" in Guatemala. "El Cenáculo" hat Verbindungen zum "General Council of the Assemblies of God" in Springfield, Missouri, zu "Don Stewart Ministry" in Phoenix, Arizona und zur "Jimmy Swaggart Association".12 Außerdem bestehen über enge persönliche Kontakte des Pastors Verbindungen zu "Feed the Children / Larry Jones' Ministries International" in Oklahoma City und zu "Fernando Nieto Ministry" in Melbourne, Florida.13 Nieto ist Mitglied bei den "National Religious Broadcasters" der USA und der "National Evangelical Association" der USA.14 Es ist sicherlich so, daß die Kirchen formal unabhängig und selbständig sind und mit der Zeit auch ein nationales Profil entwickeln. Der Einfluß der Glaubensbrüder aus den Vereinigten Staaten ist aber trotzdem groß. Regelmäßig kommen Gäste aus den USA, einzelne Prediger oder Gruppen, die die Gottesdienste gestalten oder Seminare durchführen. Die Anerkennung der geistlichen Meinungsführerschaft der nordamerikanischen Glaubensbrüder ist ungebrochen und damit auch deren Einflußmöglichkeiten. Ihnen wird von vornherein der Bonus des Besseren entgegengebracht.
2.4
Finanzierung
Alle Pastoren, außer Nieto, betonen, daß ihre Kirchen finanziell selbständig sind und auf eigenen Füßen stehen. Die Finanzierung läuft organisatorisch über das Einsammeln des "Zehnten", des zehnten Teils des gesamten Einkommens des Mitgliedes, als minimalen Beitrag. Darüberhinaus wird bei besonderen Projekten, z.B. Bauvorhaben, noch eine weitere finanzielle Beteiligung erwartet. Ein regelmäßiges Opfer wird ebenfalls erwartet. Als organisatorische Grundlage der Kirche kommt der Einsammlung der Finanzen große Bedeutung zu, die auch mit Nachdruck durchgeführt wird. 11
Diamond, Spiritual Warfare, 22ff.
12
Visión Mundial Internacional, Estudio, 29.
13
The Inter-Hemispfaeríc Education Resource Center, Prívate Organization, 30.
14
Zu "National Religous Broadcasters" siehe: Diamond, Spiritual Warfare, 40ff.
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Bei der Cenáculo-Kirche wird die Abgabe des Zehnten mit der alttestamentlichen Tradition des Zehnten (Gen.14,18-20, Abraham; Gen.28,22, Jakob und Lev.27,30-34) und mit l.Kor.9,13f begründet, wo steht, daß diejenigen, die das Evangelium verkünden, sich vom Evangelium ernähren sollen. Die Gabe soll, wie bei der Sammlung des Paulus für Jerusalem, freudig gegeben werden (2.Kor.9,7f). Bei "Amor Viviente" gibt es einmal im Jahr einen besonderen Gottesdienst, in dem festlich gekleidete Kinder symbolisch den Zehnten vor Gott bringen. Dadurch bekommt die Gabe des Zehnten fast einen sakramentalen Charakter. In einem Bibelkurs von "Vida Abundante" wird ein direkter Zusammenhang hergestellt zwischen menschlicher und ökonomischer Prosperität und dem Geben des Zehnten: "Gott will, daß wir (den Zehnten, K.B.) zuerst zur Kirche bringen, dann wird er uns prosperieren, damit wir helfen, sein Reich zu bauen". Auf meine Frage, ob die Cenáculo-Kirche Geld aus dem Ausland erhält, antwortete Pastor Nieto: "Wir brauchen das, aber wir wollen das nicht aus den USA, sondern aus Europa, weil dort das Geld ohne Verpflichtung gegeben wird. Die Hilfe, die aus den USA kommt, ist eng damit verbunden, Systeme und Dinge zu verteidigen... Ich habe immer sehr mit der lutherischen Kirche sympathisiert." Ohne Geld aus dem Ausland könnte "El Cenáculo" und Nieto ihre karitativen Projekte nicht durchführen. Dieses Geld war aber offensichtlich an ideologische Bedingungen geknüpft, die man in der Unterstützung "antikommunistischer" Aktivitäten, z.B. der humanitären Unterstützung der Contras in den Flüchtlingslagern vermuten kann. "Amor Viviente" hat für den Kirchenbau Gelder von den ausländischen Partnern erhalten, die jedoch durch eigene Leistungen um ein vielfaches übertroffen worden seien. Für "Vida Abundante" betont Pastor Reyes: "... alles, was wir haben, sind nur Lempiras und rein nationale Leistung." Die Kirche kann jedoch auf ausländische Geldspenden zählen, wie das Beispiel eines Bittbriefes an die ausländischen Glaubensgeschwister zur Finanzierung eines Femsehkanals zeigt. Für "Puerta al Cielo" wiederholt Pastor Zelaya die finanzielle Selbständigkeit seiner Kirche. Pastor i.R. González von der Iglesia Centroamericana hält den finanziellen Einfluß des Auslandes auf diese Kirchen für klein. Ausländische Gelder würden sich auf Projekte beschränken. M.E. könnte dies mit Ausnahme der Cenáculo-Kirche zutreffen.
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3. 3.1
Karl Braungart
Kirchliches Handeln Das Wochenprogramm
Alle vier Kirchen haben ein ausgefülltes Wochenprogramm mit vielfaltigen Aktivitäten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Angebot der Kirchen in Honduras auch die Funktion eines Freizeitprogramms hat. Selbst in der Hauptstadt ist das kulturelle und soziale Angebot für eine anspruchsvolle Freizeitgestaltung nicht groß. Staatliche Mittel für kulturelle Institutionen wie z.B. Theater oder Bildungseinrichtungen für Erwachsene stehen nur in geringem Umfang zur Verfügung. Nur reiche Leute können sich die Mitgliedschaft im Country Club leisten. Das kirchliche Programm hat deshalb auch dem Bedürfnis nach Kultur, Unterhaltung und Geselligkeit nachzukommen. Auch wenn in den Gottesdiensten Heilungen durchgeführt werden, hat dies immer einen Unterhaltungswert, da die Handlung oft als "Show" aufgezogen wird.15 Der Gottesdienst am Samstag oder Sonntag16 steht im Mittelpunkt der Gemeindeaktivitäten. Unter der Woche findet ebenfalls durchschnittlich ein Gottesdienst statt. Meistens ist es ein Lobpreis- und Anbetungsgottesdienst, in dem auch Krankenheilungen stattfinden können. Die Jugendlichen treffen sich freitags, bzw. samstags. An einem Abend treffen sich die "Grupos de Crecimiento" bzw. "Grupos de Extensión". Es finden regelmäßig Bibelkurse statt. Bei "Vida Abundante" z.B. ist die Sonntagsschule nach Alter aufgeteilt, so daß auch die Erwachsenen vor dem Gottesdienst Bibelunterricht bekommen. Die einzelnen Untergruppen organisieren ihre Treffen dann an den freien Tagen. Es kommen unregelmäßige Aktivitäten dazu, z.B. ein nationales Treffen christlicher Frauen, ein Konzert des Kirchenorchesters, eine Evangelisationsschulung, ein Festival der Talente zur Förderung der Gaben der Gemeindeglieder (Poesie, Malen, Fotographie, Handwerk, Backen), gesel-
15 Ein Paradebeispiel dafür war der Heilungsgottesdienst des Ehepaares Charles und Francis Hunter aus Texas am 2.6.1990 in der Iglesia Amor Viviente. Frau Hunter rief in die Menge: "Wollt Ihr ein Wunder sehen?" Die 2.000 Besucher antworteten laut. "Ja". Frau Hunter: "Das ist ganz einfach". 16 Bei Amor Viviente ist der Gottesdienst samstags von 17-19 llhr; bei Vida Abundante sonntags von 10-12 Uhr, bei El Cenáculo und Puerta al Cielo sonntags um 18.30 Uhr.
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lige Familiennachmittage, ein Vortrag über die christliche Familie, ein Theaterstück, ein Besinnungswochenende für Männer, etc. Man kann sagen, daß für jedes Gemeindeglied an zwei bis drei Tagen in der Woche eine Veranstaltung stattfindet. Der Besuch der Gottesdienste und der "Grupos de Crecimiento" bzw. der Kontakt zu den "Hermanos Mayores" wird erwartet. Die Beteiligung an anderen Veranstaltungen ist freigestellt, wird jedoch gern wahrgenommen. Durch die starke zeitliche Einbindung in die Gemeindeaktivitäten verstärkt sich die Bindung an die Kirche, und immer mehr Lebensbereiche und -rollen werden unter dem Dach der Kirche erlebt und erlernt. Dadurch wird die innere Übereinstimmung mit den Zielen der Kirche gesteigert.
3.2
Der Gottesdienst
Die Gottesdienste verlaufen in den einzelnen Kirchen sehr ähnlich. Auf den ersten Blick läßt sich der Verlauf der Gottesdienste in zwei Teile gliedern: Der erste Teil ist der Lobpreis (alabanza), der zweite die Predigt. Im folgenden soll auf den Ablauf näher eingegangen werden. Zur Anschaulichkeit werde ich auch persönliche Eindrücke einbringen. Schon ca. 20 - 30 Min. vor Beginn des Gottesdienstes bei "Amor Viviente" und Stunden vorher bei "Vida Abundante", weil kurz vor dem Gottesdienst die Sonntagsschule stattfindet, treffen sich Mitarbeiter zum Gebet. Während die Kirchenbesucher hereinkommen, steht die Mitarbeitergruppe auf der Bühne in einem Kreis und betet. Der Raum ist hell, die Wände weiß17, die Bühne ist mit farbigen Blumen geschmückt. Der Hintergrund der Bühne ist bei "Amor Viviente" augenfreundlich in pastellfarbenen Tönen gehalten, bei "Vida Abundante" in verschiedenen Blautönen. Selbst die Liturgen tragen bei "Amor Viviente" pastellfarbene Kleidung. Links vom Mikrophon steht ein kleiner Chor aus ca. fünf Personen beiderlei Geschlechts, rechts vom Mikrophon ist eine kleine Band plaziert mit Posaune, Trompete, Saxophon, Gitarren und Schlagzeug. Pünktlich zur festgesetzten Zeit betritt der Liturg oder die Liturgin die Bühne und begrüßt die Anwesenden mit überschwenglichen Worten. Die Musik fängt an zu spielen und die Liturgen rufen mit lauter, mitreißender 17
Eine Ausnahme bildet die ehemalige Lagerhalle von "Puerta al Cielo", die aber als Übergangsversanunlungsraum verstanden wird.
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Stimme Aufmunterungen, festgefügte Wendungen z.B. "¡Qué grande es nuestro Señor!" (Wie groß ist unser Herr) oder lesen kurze Bibelverse vor. Manche erheben ihre Arme und schließen die Augen. Die Texte der Lieder, die gesungen werden, werden mit einem Overheadprojektor an die Wand projiziert. Bald nach Beginn werden die Personen begrüßt, die zum ersten Mal im Gottesdienst sind. Sie werden aufgefordert aufzustehen, und dann werden sie von den in der Nähe Sitzenden mit Handschlag begrüßt, umarmt und gedrückt, und der oder die Neue bekommt von jedem, manchmal sind es 20 Personen, ein Segenswort zugesprochen, worin die Freude über seine Anwesenheit und der Wunsch, daß Gott ihn segnen möge, ausgedrückt werden. Für viele ist das eine überwältigende Erfahrung. Später stehen die Anwesenden auf, klatschen rhythmisch in die Hände und bewegen sich im Takt. Manche lassen sich in den Tanz fallen, bewegen sich jedoch nicht wild. Die emotionale Spannung steigt mit der Zeit an. Es kommt gelegentlich zu Trancezuständen: Menschen schreien, reden in Zungen und haben Schaum vor dem Mund. Ordner beruhigen diese Personen wieder. Gegen Ende der Lobpreisphase, ca. nach 4 5 - 6 0 Min., wird die Musik leiser und der Rhythmus langsamer. Leise oder laute Gebet werden gesprochen, verständlich oder in Zungen, während die Musik nur noch leise im Hintergrund spielt und die Gebete wie ein Raunen durch den Raum gehen, bis sie sich auf einer Wellenlänge zu treffen und den Raum auszufüllen scheinen. Dies ist der Moment, in dem Prophezeiungen laut verkündet werden können. Das ist nun der Höhepunkt des Lobpreises, und die Stimmung hat ihren Gipfel erreicht. Die Kirchenbesucher sind eingestimmt und gelöst. Nun wird bei ruhiger Musik das Opfer eingesammelt, indem Mitarbeiter kleine Säckchen durch die Reihen geben. Danach kommt entweder sofort die Predigt, oder es werden der Gemeinde noch wichtige Informationen gegeben, z.B. daß eine Evangelisationsschulung durch das Billy Graham Team stattfindet, oder es wird das neue Bauvorhaben der Gemeinde, eine Gymnastik- und Festhalle für 1.000 Leute, vorgestellt, mit Dias, Planvorlage, Rechenschaftsbericht und Spendenstand von 25.000 Lempiras (ca. 9.400 DM), oder es stellt sich eine USamerikanische Pantomimen-Theatergruppe vor, die gerade in Honduras missioniert.
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Danach betritt der 'Pastor General' die Bühne und predigt. Nun kann es sein, daß der Pastor noch einmal versucht, die Stimmung zu heben und auf der Bühne zu tanzen beginnt. Still steht er auf der Bühne fast nie. Manchmal nimmt er die Bibel in die Hand und hebt sie zur Verstärkung seiner Autorität und als Rückgriff auf ein gemeinsames Symbol hoch. Die Predigt variiert von einfühlsam, seelsorgerlich bis anklagend, machtvoll, agitatorisch. Die Pastoren sind durchweg Redner mit guten rhetorischen Fähigkeiten und eindringlichen, starken Stimmen. Die Predigt wird frei gehalten. Kein Pastor klammert sich an sein schriftliches Konzept, falls er eins hat. Der Pastor kann in die Predigt ein Gebet einbinden, laut sprechend, fast brüllend, währenddessen er mit erhobenem Arm auf und abgeht. Immer wieder ruft jemand "Amén" oder "Gloria a Dios" zur Bestätigung des Gesagten. Der Pastor hat auch die Freiheit, Menschen mit Problemen ("alle, die krank sind und Eheprobleme haben") aufzurufen, nach vorne zu kommen. Dort werden sie sofort von Mitarbeitern erwartet, die mit ihnen unter Handauflegung einzeln beten, während der Pastor auf der Bühne aufmunternde Worte spricht oder Bibelverse zitiert, die belegen, daß Gott den Schwachen hilft und Gebete erhört. Am Schluß wird noch einmal ein Gebet gesprochen, danach ist der Gottesdienst zu Ende. Der Ablauf ist nicht klar festgelegt wie in der Liturgie der historischen protestantischen Kirchen. Einige Elemente wie Gesang, Gebet, Opfereinsammlung und Predigt kommen jedoch immer vor. Trotzdem ist der Ablauf im voraus gut abgesprochen und wirkt sehr geplant, so daß der Gottesdienst an eine inszenierte "Show" erinnert, bei der auch das zu erwartende Verhalten der Gottesdienstteilnehmer von vornherein eingeplant ist. "Nichts geschieht aus Zufall, um etwas zu erreichen, braucht es Anstrengung und Engagement." Dieser Satz steht am Ende eines Leitfadens, der als Zusammenfassung einer Mitarbeitertagung von "Amor Viviente" erstellt wurde, die den Lobpreis im Gottesdienst zum Thema hatte. Die freien Elemente wie Tanz, Zungenrede und Gebet sind nicht vollkommen frei, sondern können eher als kontrollierte Handlungsweisen beschrieben werden, die von den Liturgen oder dem Pastor stimuliert werden. Sie sollen in vorgegebenen Grenzen ablaufen und auch wieder beendet werden, wenn
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die Liturgen oder der Pastor es wünschen.18 Durch die unterschiedlichen Aktionsformen im Gottesdienst, wie Tanz und lautes Gebet, werden Bereiche des Menschlichen einbezogen, wie der Körper und die Psyche, die in reinen Wortgottesdiensten nicht vorkommen. Diese Gottesdienstform entspricht mit ihren "gelenkt-ekstatischen"19 Ritualen der Veralltäglichung der Herrschaftsform. Durch die Stabilisierung der Kirche, der Herrschaft der Leitungspersonen und die Festigung der sozialen Kontrolle über die Mitglieder wird die Form der Rituale ebenfalls der Kontrolle unterworfen und kanalisiert. Eine stark kontrollierte Gemeinschaft hat demzufolge auch stark kontrollierte Rituale.20 Bei den Neopfingstlern ist dieser Prozeß der Reglementierung zu beobachten. Man könnte die Gottesdienstform als "elaboriertes" Ritual mit einer "restringierenden" Tendenz bezeichnen.21 Damit entspricht die Gottesdienstform dem sozialen Milieu der gesellschaftlichen Schicht, aus der sich die Neopfingstler hauptsächlich rekrutieren: der neuen, städtischen Mittelschicht, deren gesellschaftliche Stellung sich im Wandel befindet, durch die wirtschaftliche Krise vom Abstieg bedroht und noch nicht fest etabliert ist. Der neopfingstliche Gottesdienst bietet die Möglichkeit, die individuellen Gefühle auszuleben und von akademisch geschulten Personen anspruchsvolle Predigten zu hören. Die individuelle Freiheit kann ausgelebt werden, ohne jedoch die Kontrolle zu verlieren. Das, ebenso wie die starke Führung durch die Pastoren, entspricht dem Sicherheitsbedürfnis dieses sozialen Milieus . Im folgenden soll näher auf einzelne Elemente des Gottesdienstes eingegangen werden. Die Punkte 3.2.1 bis 3.2.5 gehören zum Gottesdienstteil "Lobpreis" (alabanza). Für die Neopfingstkirchen stellen sie eine Einheit dar. Das Lob Gottes ist das Rückgrat des Gottesdienstes und macht ihn lebendig. "Der Lobpreis ist nicht schön oder häßlich, es geht vor allem
18 Durch einen Vergleich mit pfingstlichen Gemeinden aus einem Elendsviertel, in denen die ekstatischen Äußerungen spontan und ungehemmt ablaufen, wird die Kontrolle bei den Neopfingstlern deutlich. 19
Schäfer, Protestantismus, 102.
20
Lang, Bernhard: Kleine Soziologie religiöser Rituale, in: Zinser, Hartmut (Hg.): Religionswissenschaft - Eine Einführung, Berlin 1988, 74ff. Lang stellt darin den Zusammenhang zwischen sozialem Milieu und Gestalt des Rituals dar, wobei er auf Untersuchungen von Douglas, Mary: Ritual, Tabu und Körpersymbolik, Frankfurt 1974, zurückgreift.
21
ebd.; Douglas Uberträgt die Termini aus der Linguistik auf die Ritualformen.
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zuerst darum, ob die Person den Herrn lobte oder nicht." Die Gefiihlslage der Lobenden steht im Hintergrund. 3.2.1
Der Lobpreis
Beim Lobpreis im Gottesdienst wechseln sich verschiedene Elemente wie Lieder, Aufmunterungen, Exklamationen, Gebete, Prophezeiungen und Schriftlesungen ab. Der Liturg oder die Liturgin verbindet die einzelnen Teile durch seine Erklärungen oder seine Ermunterungen. Dabei sollen sie nicht starr vorgehen, sondern Raum für Spontaneität lassen. Sie sollen sich in die Teilnehmer einfühlen und ihre Stimmung aufnehmen können. Der Lobpreis wird als gut empfunden, wenn alle sich beteiligen und eine gute Stimmung herrscht. Das würden die Kirchenführer aus theologischen Gründen so zwar nicht gelten lassen, weil doch Gott im Zentrum der Anbetung steht, aber in den Interviews mit Kirchengliedern kam diese Erwartung deutlich heraus. Der Lobpreis steht meist unter einem bestimmten Thema, in das sich der Liturg vorher eingearbeitet hat und das er im Gottesdienst immer wieder verbalisiert. Dies kann z.B. das Thema der Predigt sein oder Themen wie z.B die Taufe, die Heiligung oder die Befreiung von Dämonen, etc. Der Lobpreis hat das Ziel, die Gottesdienstbesucher zu stimulieren und sie anzuregen, sich mit dem Thema zu befassen, nicht nur auf rationaler, sondern auch auf emotionaler Ebene. Das geschieht, indem die einzelnen Ele mente des Lobpreises erlernt und geübt werden. Dadurch kommt es zu einer inneren Befreiung von emotionalen Spannungen und Verkrustungen. Der Ablauf hat einen inneren Spannungsbogen von starker Stimulation am Anfang, mit rhythmischer Musik und Tanz, bis zum eher meditativen Ende mit ruhigen Melodien und Gebet. Der Höhepunkt im Spannungsbogen befindet sich im Übergang von einer Phase zur anderen. Dies zeigt sich daran, daß es dabei oft zu Zungenrede und Prophezeiungen kommt. Nicht zufällig forderte der Liturg bei "Puerta al Cielo" in diesem Moment einen Applaus für die Präsenz des Königs ("Un aplauso para la presencia del rey"). Immer wieder ruft der Liturg "Gracias" (Danke), "Aleluya" (Halleluja), "Jesus" oder fordert einen Applaus für Gott.22 Er nimmt das "Ich" der Be22
Die Zitate stammen aus Gottesdiensten von "Amor Viviente" und "Vida Abundante"
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sucher ein und spricht an ihrer Stelle oder läßt sie nachsprechen, z.B. "Gracias, hay plena convicción en mi corazón" (Danke, in meinem Herzen ist vollkommene Überzeugung), "¡Digan: Te exaltemos Señor!" (Sagt: Wir loben dich, Herr!), "Digale, te amo Cristo" (Sag ihm, ich liebe dich, Christus!). Die thetischen Aussägen schaffen eine Beziehung zur gemeinsamen Voraussetzung und schreiben sie fest: den gemeinsamen Glauben. Die Aufforderung läßt die Gemeinde mit einer Stimme sprechen. Manchmal fragt der Liturg: "¿Quién es el Señor?" (Wer ist der Herr?); Antwort der Gemeinde: "Jesús". Immer wieder kommt die Vergewisserung der Größe Gottes: "Tu eres grande, tu eres majestuoso, el rey de reyes" (Du bist groß, du bist majestätisch, König der Könige). Der Name Jesu wird immer wieder bekenntnishaft ausgerufen: "Quiero, que te confiesen ese nombre, 'Jesús'; confesamos tu nombre Jesús" (Ich möchte, daß sie dir diesen Namen 'Jesus' bekennen; wir bekennen deinen Namen Jesus). Dabei kommt der Nennung des Wortes 'Jesús' eine fast magische Bedeutung zu. Der Liturg kann die Anbetung noch steigern und die Gläubigen auffordern, in Zungen zu reden, das er dann selber vormacht: "¡Cantad, adorate a él! ¡Adorad en nuevas lenguas! El es digno, - Señor" (Singt, weihe dich ihm! Betet an in neuen Sprachen! Er ist würdig, - Herr). Dazu werden zuerst immer wieder Gottesbezeichnungen wiederholt, wie "Jesús", "Rey de Reyes" (König der Könige) oder "Tu eres bueno, Jesús" (Du bist gut, Jesus), bis diese in die Zungenrede münden. Aus der Bibel werden Verse entnommen, die dann zur Stimulation akklamatorisch ständig wiederholt werden, z.B. Ps.47,1 "Pueblos todos, batid las manos, alabad a Dios con voz de júbilo" (Schlagt froh in die Hände, alle Völker, und jauchzt Gott mit fröhlichem Schall), Zeph. 2,14 "¡Da voz de alegria, pueblo de Israel! ¡Alégrate, alégrate de todo corazón! (Jauchze, du Tochter Zion! Frohlocke, Israel! Freue dich und sei fröhlich von ganzem Herzen!). 3.2.1.1 Musik und Tanz
Die Musik beim Lobpreis besteht sowohl aus Einzeldarbietungen, als auch aus Gemeindegesang, der durch eine Band geführt wird. Kommen die einzelnen Sänger oder Sängerinnen aus der Gemeinde, dann kann es sein, daß die Präsentation nicht ganz perfekt, aber voll guten Willens ist. Kommt der Sänger oder die Sängerin von außerhalb, z.B. aus
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den USA, dann ist die Präsentation perfekt gestaltet. Der Musikstil erinnert an amerikanische Unterhaltungsmusik, die mit christlichen Texten versehen wurde. Die Texte sind meistens in spanischer, manchmal auch in englischer Sprache. In den Gemeinden wird regelmäßig Gemeindemitgliedem, vom Kind bis zum Erwachsenen, die Möglichkeit gegeben, der Gemeinde ein Lied vorzutragen. Zur Auswahl werden Wettbewerbe durchgeführt. Dadurch wird den Menschen ein Anreiz gegeben, an den eigenen Fähigkeiten zu arbeiten und zu üben. Der Auftritt im Gottesdienst ist dann die Belohnung. Viel wichtiger jedoch' ist die Gemeindemusik. Sie bietet den Gottesdienstbesuchem die Möglichkeit zur Beteiligung durch Mitsingen und Tanzen und schafft somit Gemeinschaft. Ganz wichtig dabei ist die Band, denn ein guter Rhythmus ist für den Tanz wichtig. Die Lieder, die gesungen werden, haben meistens einfache Texte und einfache Melodien, die leicht erlernbar sind. Je nach Phase im Lobpreis, je nach Liturg oder je nach Thema des Lobpreises ist die Musik entweder stark rhythmisch, schnell und laut oder ruhig, meditativ und verschmelzend. Die Musik hat die Aufgabe, "... einen Raum zu schaffen, in dem sich die Macht Gottes entfaltet und sich die Gaben des Geistes zeigen. Gott, dem es gefällt, sein Volk zu sehen, wie es ihn lobt,... schenkt die Gaben. Im Hintergrund ist sie nützlich bei der Prophetie, bei der Anbetung in Zungen und bei der Stimulation der Anbetung in Momenten des Applauses oder Exklamationen"23. Die Lieder am Anfang haben einen starken Rhythmus. Der Text besteht oft nur aus wenigen Sätzen, die wiederholt werden und zu einem Potpourri zusammengesetzt werden, z.B. "Bendito sea Jehová su grandeza ya la vamos alabar Bendito sea Jehová su grandeza ya la vamos alabar Mi roca, mi escudo, mi castillo y mi libertador mi gloria, mi fuerza, en el confiaré. Mi roca, mi escudo, mi castillo y mi libertador mi gloria, mi fuerza, en el confiaré. lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala Cantaré a Jehová por siempre su diestra es todo poder Cantaré a Jehová por siempre su diestra es todo poder 23
Mitarbeiterleitfaden von Amor Viviente
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Echo a la mar quien lo perseguía jinete y caballo echo a la mar; echo a la mar quien lo perseguía jinete y caballo echo a la mar. Echo a la mar los carros del Faraón. lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala Mi padre es Dios y yo le exalto; mi padre es Dios y le exaltaré, Mi padre es Dios y yo le exalto; mi padre es Dios y le exaltaré, echo a la mar los carros del Faraón lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala."24 "Nuestro Capitán en Jefe es Cristo y sus huellas siempre seguiremos Nuestro Capitán en Jefe es Cristo y sus huellas siempre seguiremos no hay enemigos que nos pueda vencer. lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala."25
24
Dieses Potpourri ist nicht vollständig. Es wird viel gesungen bei "Vida Abundante" und "Puerta al Cielo". (Deutsch: "Gesegnet sei der Heu, seine Größe werden wir preisen / Gesegnet sei der Herr, seine GröBe werden wir preisen / Mein Fels, mein Schild, meine Burg und mein Befreier / mein Ruhm, meine Stärke, ihm werde ich vertrauen / Mein Fels, mein Schild, meine Burg und mein Befreier / mein Ruhm, meine Stärke, ihm werde ich vertrauen / lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala / lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala / Ich werde Jehova immer singen, seine Rechte ist allmächtig / Ich werde Jehova immer singen, seine Rechte ist allmächtig / Er warf ins Meer, die ihn verfolgten, RoB und Reiter / er warf ins Meer, die ihn verfolgten / RoB und Reiter warf er ins Meer / Die Wagen des Pharao warf er ins Meer / lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala / lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala / Gott ist mein Vater und ich preise ihn / Gott ist mein Vater und ich werde ihn preisen / Gott ist mein Vater und ich preise ihn / Gott ist mein Vater und ich werde ihn preisen / Die Wagen des Pharao warf er ins Meer / lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala / lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala.").
25
Dieser Vers wurde nach der gleichen Melodie bei einem Gottesdienst mit Soldaten gesungen (Deutsch: Unser Oberhauptmann ist Christus / und seinen Spuren werden wir immer folgen / Unser Oberhauptmann ist Christus / und seinen Spuren werden wir immer folgen / Es gibt keine Feinde, die uns besiegen könnten / lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala / lalalalalala lalalalalala lalalalalala lalalalalala).
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Dazu klatschen die Gottesdienstbesucher in die Hände, tanzen und hüpfen. Zusammen mit der Musik und den Ermunterungen durch den Liturgen werden dadurch ekstatische Äußerungen ermöglicht. Der Tanz wird als Äußerung des Heiligen Geistes verstanden, wie bei König David (2.Sam. 6,14), der zum Lobe Gottes dient und befreiend wirkt. Dadurch wird der ganze Mensch, nicht nur die Ratio, sondern auch die Emotionen und der Körper in den Gottesdienst einbezogen. Vor allem bei den ruhigen, meditativen Liedem fällt ihr Subjektivismus auf. Sie sind fast alle im "Ich-Stil" gehalten: "Te adoro" (ich verehre dich), "Te amo Jesus" (ich liebe dich, Jesus), "Vengo a exaltarte" (ich komme, dich zu preisen), "Quiero alabarte" (ich will dich anbeten) und "Vengo a ofrecerte todo lo que soy" (ich komme, dir alles anzubieten, was ich bin). Es wird nicht nur die Größe Gottes besungen, sondern gleichzeitig die Beziehung des Singenden zu Gott thematisiert. Er ordnet sich unter und verschmilzt immer mehr mit dem Angebeteten. Ein Beispiel: Vengo a exaltarte, oh mi Salvador Vengo a ofrecerte, todo lo que soy. Con todo mi amor y todo mi ser; Mis labios expresan hoy: Te amo Dios. Vengo a exaltarte, Oh mi Salvador; Vengo a ofrecerte, todo lo que soy. Con todo mi amor y todo mi ser; Mis labios expresan hoy: Abba Padre. Con todo mi amor y todo mi ser; Mis labios expresan hoy: Te amo Dios.26 Die Melodie ist bei diesem Lied sehr langsam und getragen, fast ohne Rhythmus. Die Menschen bewegen sich nur langsam und wiegen sich in der Melodie mit erhobenen Armen. Viele schließen die Augen.
26
Deutsch: Ich komme, dich zu loben, oh mein Retter / Ich komme, dir anzubieten, alles was ich bin. / Mit meiner ganzen Liebe und meinem ganzen Sein; / Meine Lippen sagen heute: Ich liebe dich, Gott (bei der 2. Strophe: Abba Vater.)
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3.2.1.2 Gebet Das Gebet ist integraler Bestandteil des Lobpreises. Die Anbetung durch Musik und Gesang geht oft fließend in Gebet über und umgekehrt. Das ist besonders am Ende des Lobpreises der Fall. Wie bei den anderen Teilen wird auch das Gebet vom Liturgen stimuliert und angeleitet. Die Gottesdienstteilnehmer stehen, oft mit erhobenen Armen und geöffneten Händen. Der Liturg betet laut und ermuntert immer wieder zum Mitbeten. Er sagt oft Sätze vor und fordert die Teilnehmer auf, sie nachzusprechen. Dies ist aber nur der Rahmen für eigenes freies Beten. Die Sätze sind meist sehr kurz, oft sind es nur einzelne Gottesbezeichnungen, wie "Jesus", "Heiliger Geist" oder Imperative "Betet weiter!", "Lobt den Herrn!", die mehrfach wiederholt werden. Auch die Teilnehmer beten laut, manche sogar sehr laut. Phasenweise betet der Liturg und die Gottesdienstteilnehmer in Zungen, aber nicht alle tun dies.27 Bei längeren Phasen der Zungenrede verändert sich die Sprache und wird einem Gesang ähnlich. Mir ist dabei nicht aufgefallen, daß die Zungenredner in Trance gewesen wären.28 Nur bei wenigen war ein tranceähnlicher Zustand zu beobachten. Es hatte eher den Anschein, daß die Zungenredner noch durchaus die Kontrolle über sich hatten und daß das unkontrolliert ekstatische Erleben eher die Ausnahme war. Mit Ausnahme der "Iglesia Interdenominacional Misionera", bei der das ekstatische Erleben durch Tanz, Musik und verbaler Stimulation bis zu Ohnmacht bezweckt ist, ist bei den eindeutigen Neopfingstkirchen die unkontrollierte Ekstase eine Randerscheinung. Sie wird eher als Grenzüberschreitung bewertet.29 Dieses Phänomen konnte ich zwar auch beobachten, doch wurde die Frau, die am ganzen Leib zitterte und Schaum vor dem 27
Zur Zungenrede: Mills, Watson E. (Hg.): Speaking in Tongues - A Guide co Research on Glossolalia, Eerdmans Publishing Company, Grand Rapids, Michigan, 1986. In dieser Aufsatzsammlung werden verschiedene Forschungsansätze und Interpretationen aus unterschiedlichen Disziplinen vorgestellt; Goodman, Felicitas D.: Ekstase, Besessenheit, Dämonen - Die geheimnisvolle Seite der Religion, Gütersloh 1991, bes. 32ff und 92ff; Hollenweger, Walter J.: Enthusiastisches Christentum - Die Pfingstbewegung in Geschichte und Gegenwart, Wuppertal / Zürich 1969, 389ff; ders.: Geist und Materie, Interkulturelle Theologie III, München 1988, 314ff.
28
Bei Goodman wird die Glossolalie nur in ekstatischen Zuständen beschrieben, wogegen Hollenweger auch von der "kalten" Zungenrede berichtet, bei der die Zungenredner sich in keiner Ekstase befinden, s. Hollenweger, Enthusiastisches Christentum, 393.
29
Auf einer Arbeitstagung für Mitarbeiter der Kirche Amor Viviente zum Thema Lobpreis und Anbetung im Gottesdienst wurde im Kapitel über Prophezeiung aufgelistet, was man nicht machen darf. Dort heißt es u.a.: "In emotionale Ekstase fallen".
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Mund hatte, von den Mitarbeitern gestützt, beruhigt und unter Kontrolle gebracht. Der Einzelne betet zwar mit anderen, doch ist er unter den anderen mit seinem Gott allein. Dem Einzelnen wird keine feste Form vorgegeben, sondern er kann selbst aktiv werden und seinen Dank oder seine Bitte vortragen. Dadurch, daß jeder laut betet, hat dies auch einen bekenntnishaften Charakter vor den anderen. Ein Beispiel eines Gebets am Ende des Lobpreises, das sich auf die vorige Schriftlesung Kol.1,9-14 bezieht, wird im Anhang dokumentiert.30 3.2.1.3
Prophezeiungen
Im Lobpreis des Gottesdienstes ist auch Raum für Prophezeiungen. Die Mitarbeiter werden sensibilisiert, im Gottesdienst dafür Raum zu lassen und sie zu stimulieren, da Prophezeiungen als eine gute Gabe Gottes (1.Kor. 14,39) angesehen werden, zur Erbauung der Gemeinde. Die Prophezeiungen kommen meistens am Ende der Lobpreisphase vor, nach dem Gebet und der Zungenrede. Sie stellen ein demokratisches Element dar gegen die Dominanz des Pastors, dadurch daß von Gott beauftragte Gemeindeglieder öffentlich im Gottesdienst den Willen Gottes interpretieren dürfen. Für die Gemeindeglieder wird durch Prophetie die Geistpräsenz sichtbar und erlebbar. Gott spricht auch noch heute hörbar. Die Prophezeiungen werden entweder sofort in Trance verkündet oder später erzählt. Inhaltlich sind es oft Ermahnungen an die Gemeinde, Worte der Erbauung und des Trostes oder Visionen z.B. von der Schönheit des Himmels. Manchmal bestätigt die Prophezeiung das Handeln der Gemeinde und ist wie eine "Kraftspritze". Prophetie ist damit ein "pastorales Instrumentarium der Seelsorge"31. Zwei Beispiele sollen diese Funktion verdeutlichen. Das erste Beispiel ist ein Auszug aus einer Prophezeiung einer Frau, das zweite die ganze Vision eines Mannes: "....Hört genau zu, spricht der Herr, es ist an der Zeit, daß jedes Mitglied sich beeilt, so zu funktionieren, wie es funktionieren sollte. Weil der Herr spricht: Ich habe es eilig, eilig! Ich bin in Eile.
30
Gottesdienst am 10.6.90 bei "Vida Abundante". Liturg ist Pastor Reyes. Anhang 2.
31
Hollenweger, Geist und Materie, 317.
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Weil ich das alles sehe, alles das, sagt der Herr.... Geh! Geh! Geh! Flieg! Flieg! So spricht der Herr, Oooh."32 "Bevor Bruder Evelio gesagt hat, wir sollen unsere Hände zum Himmel strecken, habe ich eine Vision gehabt. Ich sah tausende von Händen, weiße, zum Himmel gestreckt. Und am Himmel erschienen zwei Hände, zierliche und schöne, rosenrote und ausreichend um jede erhobene Hand zu ergreifen. Jedem Bruder, der diese schönen Hände ergriff, wurde zugestanden, daß seine Hände auch rosenrot wurden."33 Ob es zu Voraussagen kommt, kann ich nicht beurteilen, die Neopfingstler rechnen zwar mit dieser Möglichkeit, sind diesen gegenüber aber eher skeptisch eingestellt.34 Beurteilungskriterium für eine legitime Prophetie ist durchgehend, daß sie sich im Rahmen der Heiligen Schrift bewegt und ihr nicht widerspricht. 3.2.1.4
Heilungen
Ein weiteres Element des Lobpreises sind Heilungen. Zwar fmden unregelmäßig Heilungsgottesdienste statt, die diesen thematischen Schwerpunkt haben, aber auch in jedem anderen Gottesdienst ist Platz dafür. Denn für die Neopfingstler sind Heilungen Zeichen der Präsenz Gottes. Aufgrund der sozialen Situation werden die Heilungen stark in Anspruch genommen. Pastor Penalba führt die starke Inanspruchnahme von Heilungen im Gottesdienst wenigstens zum Teil darauf zurück, daß viele Menschen in Honduras die Arzt- und Medikamentenkosten nicht bezahlen können. Ein weiterer Grund liegt sicherlich auch im anderen Verständnis von Krankheit, das Heil und Heilung in einem sieht. Krankheit ist in erster Linie eine Folge der Sünde und des Ungehorsams gegenüber Gott oder auf eine Einwirkung Satans zurückzuführen. Deshalb ist für die Neopfingstler der Glaube die Voraussetzung für eine Heilung: "Der Glaube ist ein bestimmender Faktor, um die wunderbare Gesundheit Gottes zu empfangen. ... Wenn der Glaube fehlt, gibt es keine Gesundheit"35. "Überschwengliche 32
Prophezeiung einer Frau im Gottesdienst von Vida Abundante am 10.6.90.
33
Vision eines Mannes im Gottesdienst von Vida Abundante am 10.6.90.
34
So z.B. Pastor Peñalba.
35
Mitarbeiterkurs von Amor Viviente. Vgl. im NT aber auch die Stellen, in denen vom Glaube des Kranken nicht die Rede ist, z.B. Mt. 8,1-4; 8,14f; Mt, 12, 9ff.
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und andauernde Gesundheit war und ist das Ergebnis des Friedens mit Gott, in seiner Präsenz zu leben und jeden Tag bereit zu sein, seinen Rat in die Tat umzusetzen."36 Darunter fällt auch, sich nicht nur auf Heilungen zu verlassen, sondern auch auf Hygiene, regelmäßigen Schlaf, gesunde Ernährung und ein moralisches Leben zu achten. Ein ungesundes Leben zu führen ist Sünde. Der Heilungsbegriff und damit auch der Gesundheitsbegriff erfahrt eine Differenzierung, indem vom allgemeinen Begriff der "Sanidad Divina" (Göttliche Heilung)37 die "Sanidad Interior" (Innere Heilung) unterschieden wird. Die "Innere Heilung" bezieht sich auf seelische Krankheiten, die gemäß einer Arbeitshilfe, möglicherweise in Erfahrungen der Kindheit, traumatischen sexuellen Erfahrungen, zerbrochenen Beziehungen und Erfahrungen der Minderwertigkeit liegen können. Für Probleme dieser Art wurde eine psychologisch orientierte Seelsorgemethode erarbeitet, die dem Kranken die Möglichkeit zum Erzählen seiner Erfahrungen gibt und anschließend, als Deutungsmuster, das Werk des Teufels und seine Auswirkungen darin erkennt. Die Voraussetzung für eine Heilung ist auch hier eine Hinwendung zu Christus durch Reue und Vergebung. Auch denen soll vergeben werden, die an dem Kranken schuldig geworden sind. Dann kann auch hier, ebenso wie bei den 'rein körperlich' Kranken, die göttliche Heilung durchgeführt werden. Es kann jedoch auch sein, daß die seelischen Probleme eines Menschen auf dämonische Besessenheit zurückgeführt werden, dann muß zur Heilung der Dämon ausgetrieben werden. In der Praxis geschieht eine Heilung folgendermaßen: Der Liturg oder der Pastor ruft die Kranken oder die Menschen, die ein Problem haben auf, nach vorne zu kommen und dann die Heilung zu erfahren. Es kommt meistens eine kleine Gruppe zusammen, die dann von Mitarbeitern empfangen werden. Die Mitarbeiter beten einzeln mit den Personen und legen ihnen die Hand auf. Manchmal werden auch Kranke auf die Bühne gebeten, wo dann die Heilung coram publico erfolgt. Es geschieht, daß Kranke bei der Heilung umfallen, deshalb steht hinter der Person ein Mitarbeiter, der den
36
Aus einer Wochenzeitschrift von Vida Abundante
37
Was ist die göttliche Heilung? Die göttliche Heilung ist der Prozeß, durch den Gott auf übernatürliche Weise Leben, Gesundheit und Stärkung für Körper und Geist, die von der Krankheit betroffen sind, gewährt." Aus Schulungsmaterialien von Amor Viviente.
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Umfallenden auffängt.38 Die Kranken erfahren dabei die Aufmerksamkeit der ganzen Gemeinde, die mit ihnen betet. Damit wird ihr Leid für eine Zeit in den Mittelpunkt der Gemeinde gestellt, und ihr Alleinsein mit ihrer Krankheit wird durchbrochen. Dies wird den Kranken körperlich über die Berührung durch den Mitarbeiter vermittelt. Im Ablauf der Heilung konnte man unterschiedliche Krankheitsverständnisse ausmachen: Einmal kommt ein mechanistisch - kausales Verständnis zum Vorschein, das in der Heilung nur einen Austausch von kranken Teilen durch Gott sieht und in pseudomedizinischen Untersuchungen auf der Bühne die Kraft Gottes injiziert, wie man Penizillin injiziert,39 ein andermal kommt ein soziales Verständnis von Krankheit zum Vorschein, das das soziale Umfeld bei der Erkrankung sieht und "Kranke und Menschen mit familiären Problemen" nach vorne ruft40. Ein Beispiel soll das Dargestellte erläutern: ....(Während der Liturg spricht, singt die Gemeinde sehr getragen: "Halleluja, Halleluja, Halleluja, Halleluja, Halleluja, Halleluja, Halleluja, Halleluja. Ich liebe dich, Ich liebe dich, Ich liebe dich, Ich liebe dich, Ich liebe dich, Ich liebe dich, Ich liebe dich, Ich liebe dich. Christus heilt, Christus heilt, Christus heilt, Christus heilt, Christus heilt, Christus heilt, Christus heilt, Christus heilt.") "Christus tut Wunder in dieser Nacht. Er heilt in dieser Nacht (.7.) Er heilt in dieser Nacht.... Empfange das Wunder in dieser Nacht. Christus heilt (Gemeinde singt: Christus heilt). Eine Person ist hier mit einem kranken Herzen. Ihr Herz ist geschwächt. Es transportiert das Blut nicht richtig. Diese Person ist hier, erhebe dich Bruder! (.?.) Komm her, Bruder, Halleluja. Diese Person hat eine schlechtes Herz. Eine (andere Person, K.B.) mehr. Menschen, die ein schlechtes Herz haben, hebt eure Hände! Komm her, komm her, komm einfach her! (Gemeinde singt immer noch: Christus heilt). Komm nach vorne. Gesundheit ist in deinem Herzen! Christus wird dich heilen. Bring Gesundheit in dieses Herz! Bring Ge38
Ich bin der Frage nicht nachgegangen, wieviele Personen überhaupt und wie lange nach einer Heilung gesund waren. Einige mir bekannte Personen, z.B. Patricia de Rodriguez, Interview 25, wurden ihren Aussagen nach dauerhaft geheilt.
39
Heilungsgottesdienst von Charles und Francis Hunter aus den USA bei Amor Viviente am 2.6.1990: "You need new parts", "You need a new disk".
40
Pastor Rene Penalba im Gottesdienst bei Amor Viviente am 30.6.1990.
Die Neopfingstkirchen
- Strukturen und kirchliches
Handeln
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sundheit in dieses Herz mit deinem Geist! Satanas, ich habe dir und deiner Macht im Namen Jesu Christi befohlen: Du hast in diesen Körpern nichts zu suchen! Du hast in diesem Herz nichts zu suchen! (.?.) (.?.)- Dieses Herz transportiert das Blut ganz normal. Im Namen Jesu Christi, empfange Heilung! Empfange Heilung im Namen Jesu Christi! Satan, du mußt weichen in diesem Augenblick! Du hast in diesen Körpern nichts zu suchen (.?.). Im Namen Jesu Christi, (laut) Im Namen Jesu Christi, erkläre dich gesund in dieser Nacht! Bekenne Heilung! Bekenne Heilung! Bekenne Heilung im Namen Jesu Christi. Im Namen von Jesus Christus. Bekenne Heilung in dieser Nacht. Oh, Halleluja. Danke, Christus." ... (Weitere Heilungen von Personen mit anderen Krankheiten folgen.)«» 3.2.2
Predigt
Die Predigt nimmt von der Zeit her fast die andere Hälfte des Gottesdienstes ein. Sie wird meistens vom Hauptpastor, seltener von einem Gastprediger, der Missionar oder Hauptpastor einer befreundeten Kirche sein kann, gehalten. Manchmal dürfen auch dazu beauftragte Mitarbeiter predigen. Die Predigt hat meistens ein bestimmtes Thema, zu dem Bibeltexte herangezogen werden, die dann als Grundlage für die Predigt dienen. Viele Gottesdienstteilnehmer lesen die Bibeltexte in ihrer Bibel mit, einige machen sich Notizen. Die Teilnehmer spornen den Prediger an und signalisieren ihre Bestätigung für die Predigt nonverbal, indem sie applaudieren oder verbal durch Rufe von "Amén" oder "Gloria a Dios" (Dem Herrn sei Ehre). Einem Verzeichnis der aufgenommenen Predigten bei "Vida Abundante" und eigenen Beobachtungen zufolge, liegt ein thematischer Schwerpunkt der Predigten in der persönlichen Lebensgestaltung und in der Glaubensfestigung der Gemeindeglieder, was an Themenkomplexen wie z.B. Angst, Krisen, siegreiches Leben, Freude, Egoismus und Liebe, Übereinstimmung mit Gott, Gebet, Glaubenswachstum, Sünde, Prosperität und Familie, deutlich wird. Ein konversionistischer Impetus ist jedoch in allen Predigten zu spüren, da nur durch die Hinwendung zu Jesus die Lebens- und Glaubensangelegenheiten geregelt werden können.
41
Gottesdienst der Iglesia Puerta al Cielo am 16.9.1990.
Karl Braungart
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Die Art und Weise des Umgangs mit den Themen entspricht der Mitteibis Oberschichtsklientel der Neopfingstkirchen. Wenn z.B. Prosperität42 thematisiert wird, bekommt die Predigt einen legitimatorischen Charakter für den Wohlstand, der nach Gottes Willen für alle bereitstehe.43 Das Schwache, die Armut und die Mutlosigkeit werden in den Bereich der Gottesferne gerückt. Gott selber ist reich und gibt seinen Gläubigen die Formel für Reichtum in die Hand, die im Glauben liegt. Beim siegreichen Leben durch die Vermittlung von Macht durch den Heiligen Geist ist der Zusammenhang immer der Kampf gegen geistliche Mächte der Finsternis. In diesem Zusammenhang ist der Sprachgebrauch in der Predigt dann oft militaristisch.44 Sowohl bei der Prosperität als auch beim siegreichen Leben geht es um die Vergewisserung, den Schlüssel für das eigene Geschick in der Hand zu haben, durch ein gottgefälliges Leben zu Wohlstand kommen zu können und die Widrigkeiten des Lebens, repräsentiert durch übernatürliche Mächte, zum eigenen Vorteil verändern zu können. Dadurch bekommen die Predigten immer eine optimistische und ermutigende Aussage: Jeder kann es schaffen, jeder kann stark, erfolgreich, optimistisch und gesund sein. Für die Mittelschicht eines krisengeschüttelten Landes sind diese Predigten ein Ansporn, individuell, durch eigene Leistung zu wirtschaftlicher und menschlicher Prosperität zu gelangen, sich gegen verschlechternde Weltmarktbedingungen, gegen den drohenden sozialen Abstieg und gegen Angst und Resignation einzusetzen.
3.3 Schulungen für Mitglieder und Mitarbeiter Für die Mitglieder und Mitarbeiter der Gemeinden wird schriftliches Schulungsmaterial erstellt, das von den Gemeinden selbst produziert wird. Neuhinzugekommene und Neubekehrte werden in Kursen in den zentralen Inhalten des christlichen Glaubens neopfingstlicher Prägung unterwiesen, z.B. der Trinität, dem Leben im Geist, der Schrift, dem Menschen und der Sünde, der Rettung in Christus, der Bergpredigt, dem Gebet. Den Kursen 42
Prosperität meint bei den Neopfingstlem ein umfassendes Wohlergehen, das Seele, Körper (Gesundheit) und vor allem auch materiellen Besitzstand und wirtschaftlichen Erfolg miteinschlieBt.
43
Siehe Beispiel "Die Kirche in Prosperität" in Anhang 3.
44
Dies zeigt sich schon am Titel der Predigt "Kriegstaktiken" vom 10.6.1990 im Gottesdienst von Vida Abundante. Diese Predigt wurde allerdings von einem Gastprediger gehalten. Eine Ansprache von Pastor Rene Penalba von "Amor Viviente" hat den Titel "Geistliche Schlacht".
Die Neopfingstkirchen
- Strukturen und kirchliches
Handeln
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liegt eine schriftliche Ausarbeitung zugrunde, die zum selbständigen Bibelstudium anregt. Die Materialien haben meistens einen erklärenden Teil mit Bibelstellen und zur Lernkontrolle Fragen oder Aufgaben, die der Lernende ausfüllen soll. In den Kirchen, in denen es 'Grapos de Crecimiento' gibt, werden solche Kurse auch in diesen Gruppen durchgearbeitet. Für Mitarbeiter gibt es weiterführendes Schulungsmaterial. Die Beteiligung an den Leitungskursen wird im Gottesdienst immer wieder stimuliert und durch Erwähnung honoriert. In diesem Material werden grundlegende Fragen der Gruppenführung, der Arbeitsmethoden, der Seelsorge, der Mitarbeiterrekrutierung, der Evangelisierung, der Jugendarbeit bis. hin zur organisatorischen Planung einer Gruppensitzung samt Protokoll angesprochen. Der dreiteilige Leitungskurs bei Amor Viviente hat z.B. folgenden Aufbau: Niveau 1: a) Die Herrschaft Christi und die christliche Haushalterschaft, b) Geistliche Autorität (Teil 1), c) Der Leiter und seine persönliche Andacht, d) Unterweisung im geistlichen Dienst (ministrar): Rettung, Taufe mit dem Heiligen Geist, Leitung des Lobpreises, Göttliche Heilung. Niveau 2: a) Geistliche Autorität (Teil 2), b) Grundprinzipien der Verwaltung, c) Grundlagen des Bibelstudiums, der Predigt und der Schriftunterweisung, d) Geistliche Seelsorge. Niveau 3: a) Unterweisung im geistlichen Dienst (ministrar): Innere Heilung und Befreiung von Dämonen, b) Die Geistesgaben, c) Visionen, Ziele und Haushalterschaft, d) Organisationsstrüktur und Leitung. Die gute Mitarbeiterschulung trägt mit zum Erfolg der Neopfingstkirchen bei. Der Einzelne wird nicht allein gelassen, sondern ihm werden ganz praktische Kenntnisse vermittelt. Dabei fällt auf, daß sich die Neopfingstler moderner gruppendynamischer Mittel bedienen. Die Mitarbeiter der verschiedenen Arbeitsbereiche werden spezifisch ausgebildet, damit die Arbeit transparenter wird. Vor allem bei den praktischen Kursen steht die Effizienz des kirchlichen Handelns im Vordergrund.
III. Untersuchung theologischer Topoi unter dem Aspekt des Verhältnisses der Neopfingstler zur Welt1 Dieses Kapitel wendet sich als Ausgangspunkt zuerst dem Weltbild der Neopfingstler zu, um dann in einem zweiten Schritt auf die Lehre vom Heiligen Geist einzugehen, als Strategie zur Bewältigung der Welt. In der Eschatologie äußert sich dann die historische Konkretisierung einer Utopie. Danach folgt eine Untersuchung des Gottesbildes und des Bibelverständnisses auf dem Hintergrund von Weltbild und Eschatologie. Die Ausfuhrungen müssen von der gesellschaftlichen Situation her verstanden werden, die in Kapitel I beschrieben wurde: eine Krisensituation, die sich auf alle Bereiche der Gesellschaft erstreckt und die neopfingstlichen Christen, die in der Mehrzahl den neuen Mittel- bis Oberschichten angehören, in ihrem ökonomischen und sozialen Status bedroht. Auf diesem Hintergrund entwickelt die "neopfingstliche Theologie" eine starke Dynamik, die die Welt als Ganzes verständlich macht und dem Einzelnen eine Perspektive für ein gelingendes Leben verheißt.
1.
Weltbild
Die Verständigung auf eine bestimmte Weltsicht ermöglicht es den Mitgliedern der Neopfingstlichen Kirchen, ihre Erfahrungen in der Welt zu verstehen und ihnen eine sinnhafte Deutung zu geben. Da dies eine Funktion aller Religionen ist,2 ist die inhaltliche Konkretisierung aufgrund der besonderen Erfahrung in Honduras von Interesse. "Die von einer gesellschaftlichen Gruppe aufgrund einer langen und komplexen gemeinsamen 1
"Welt" wird hier phänomenologisch in Anlehnung an Husserl als räumlich - zeitlicher Erfahrungshorizont verstanden.
2
Dux, Günter: Die Logik der Weltbilder - Sinnstnikturen im Wandel der Geschichte, Frankfurt a.M. 19903, 149.
Untersuchung theologischer Topoi
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Erfahrung geteilte Sicht der Welt erlaubt es dieser Gruppe, sich in ihrer natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt zu situieren, zu orientieren und dann dort auch zu handeln." 3
1.1
Dichotomie
Die Welt ist in der Vorstellung der Neopfingstler in zwei Teile geteilt, die dadurch charakterisiert sind, daß sie entweder dem Einflußbereich Gottes oder Satans zugeordnet werden. Nach der Schöpfung der Welt durch Gott hat Satan Adam und Eva .verführt und betrogen und als Konsequenz die Welt unter seine Herrschaft gebracht. Sünde und Tod sind Ausdruck dieser Herrschaft. Eine biblische Begründung findet diese Vorstellung bei Paulus, 2.Kor.4,4, wo von dem "Gott dieser Welt" gesprochen wird und bei Johannes, Joh.12,31; 14,30; 16,11, wo von dem "Fürst dieser Welt" geredet wird. In diesem Sinne wird mit "Welt" die von Gott getrennte Schöpfung bezeichnet, die unter dem Einfluß Satans steht. Pastor Nieto bezeichnet sie als einen "verwesenden Kadaver", der Satan als König hat. Pastor Zelaya spricht von zwei Reichen, dem Reich des Lichts und dem Reich der Finsternis. Im folgenden Schema werden diese beiden Reiche durch die Begriffe konkretisiert, die von den Interviewpartnern in diesem Zusammenhang genannt wurden: 4
Reich des Lichts:
Reich der Finsternis:
Herrschaft Christi Reich Gottes Kraft Gottes Botschaft Gottes Christen (Träger der Offenbarung Gottes)
Teufel Nichtchristen Bosheit Heidentum
Reichtum Ehrlichkeit 3
Raub Haß Lüge Gotteslästerung Unordnung
Maduro, Otto: Religion und gesellschaftliche Auseinandersetzung, Freiburg (Schweiz), 1986, 158. Siehe dazu Kap.V.4.
4
Ich habe eine Synopse erstellt aus den Abschnitten, in denen die Interviewten auf "Welt" im Sinne der von Gott abgewandten Schöpfung zu sprechen kamen. Dabei wurden die aufgelisteten Begriffe verwendet, um die beiden Reiche zu charakterisieren.
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Industrialisierung Strebsamkeit Befreiung Gerechtigkeit für alle Kapitalismus
Gewalt Kriege Faulheit Bürokratie Unterdrückung (auch durch reiche Länder) Nachrede Luxus Neid Homosexualität Freie Liebe Auflösung der Familie Libertinismus Dummheit (bes. in der Kunst) Drogen Korruption Selbstzerstörung der Menschen Ökologische Achtlosigkeit falsches Wertesystem Ziellosigkeit Besitzstreben Versagen der politischen Systeme Streiks Kommunismus Sozialismus Östliche Religionen Neue Ideen (New Age)
Es fällt auf, daß in manichäistischer Weise die Dichotomie der Welt metaphorisch mit "Licht" und "Finsternis" beschrieben wird. Diese Metaphorisierung ist auch in den Predigten üblich und weit verbreitet. Daß für das Reich des Lichts weniger Konkretionen genannt wurden, liegt an der Fragestellung. Es wurde nach der "Welt" gefragt und nach dem Ziel der Evangelisation.5 Da "Welt" negativ besetzt ist, kommen Gegenvorstellungen zur "Welt" nur in Abgrenzung dazu vor. Trotzdem ist daraus ersichtlich, daß die Christen - dazu zählen die "Creyentes" (die Gläubigen), die sich bekehrt haben und einer evangelischen Kirche angehören, aber normalerweise nicht die Katholiken - zum Reich des Lichts gehören und der S
Frage 25 und 27 des Leitfadens; siehe Anhang 1.
Untersuchung
theologischer
Topoi
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Herrschaft Christi unterworfen sind. Den Christen wurde auch die Offenbarung Gottes anvertraut, als privilegiertes Wissen, das die anderen nicht haben. Im Reich des Lichts ist die Kraft Gottes zu spüren. Sie äußert sich in Reichtum und Industrialisierung, alles Möglichkeiten, die der Kapitalismus bietet. Voraussetzungen dafür sind Strebsamkeit und Ehrlichkeit. Befreiung von Mächten und Zwängen und Gerechtigkeit für alle sind weitere Charakteristika der Herrschaft Christi. Wenn man diese Auflistung mit der Realität in Honduras vergleicht, dann ist festzustellen, daß für die honduranische Gesellschaft gerade diese Eigenschaften nicht zutreffen. Reichtum und Industrialisierung sind in Honduras eine Marginalerscheinung, von der nur wenige profitieren. Der ökonomische Druck in der Gesellschaft ist groß, auch gerade für die neuen Mittel- und Oberschichten. Für sie sind protestantische Tugenden wie Ehrlichkeit und Strebsamkeit, die ihrer Meinung nach im überwiegend katholischen Honduras zu spärlich verbreitet sind, Äußerungen des Reiches Gottes. Dieses Verständnis läßt sich durch eine Assoziationskette verdeutlichen: Nordamerika - nordeuropäisch geprägt - protestantisch - industrialisiert - reich - strebsam - von Gott gesegnet; Lateinamerika - spanisch geprägt - katholisch - unterentwickwelt - arm - faul - von Gott nicht gesegnet. Dahinter verbirgt sich das US-amerikanische Gesellschaftsmodell, aufbauend auf dem calvinistisch orientierten Protestantismus, das Reichtum und Wohlergehen durch hartes Arbeiten und Ehrlichkeit zu erreichen verspricht.6 Das Reich der Finsternis ist besser beschrieben, bietet doch die honduranische Gesellschaft dafür eine konkretere Anschauung. Einige der genannten Begriffe erinnern an den Lasterkatalog in Rom. 1,24-32 und gehören wohl zu vorgeprägten Beschreibungen. Das sind: Bosheit, Heidentum, Raub, Haß, Lüge, Gotteslästerung, Nachrede, Neid. Die Nichtchristen - diejenigen, die nicht bekehrt sind und keiner evangelischen Kirche angehören - gehören zum Einflußbereich Satans und "tun strenggenommen, die Arbeit für Satan". Sie sind seiner Macht unterworfen und werden von ihm verführt und gelenkt. Abweichendes Sexualverhalten wird ebenfalls der Finsternis zugeordnet, z.B. die Homosexualität, und ebenso die 'freie Liebe', die in Honduras angesichts der vielen Frauen mit 6
Vgl. Weber, Max: Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, in: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. 1, Tübingen 1988®, 17-206.
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Kindern, die von den Männern allein gelassen werden, ein großes gesellschaftliches Problem darstellt.7 Unterdrückung durch die reichen Länder und ökologische Achtlosigkeit werden gesellschaftskritisch genannt. Die Unterdrückung wird auf die reichen Länder bezogen, die dem kleinen Land Honduras die Entwicklungsmöglichkeiten verweigern. Gesellschaftliche Hindernisse, die dem Interesse der neopfingstlichen Klientel nach wirtschaftlichem Fortschritt und Industrialisierung entgegenstehen, gehören zum Reich Satans. Genannt werden: Unordnung, Bürokratie, Korruption, Faulheit8, Versagen der politischen Systeme und Streiks. Andere Gesellschaftsformen, wie Kommunismus und Sozialismus, die das Erreichte der Neopfingstler grundsätzlich in Frage stellen könnten, werden mit Zerstörung in Verbindung gebracht und damit eindeutig dem Wirken Satans zugeschrieben. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die "Welt" unter der Herrschaft des Teufels steht und nach seinen Prinzipien abläuft. Diese Prinzipien werden symbolisch verknüpft mit gesellschaftlichen Phänomenen, die dem an den USA orientierten Gesellschaftmodell der Neopfingstler entgegenstehen. Im Reich des Lichts jedoch ist die Gesellschaftsform symbolisch repräsentiert, die den Interessen der neuen Mittel- bis Oberschicht entspricht.
1.2
Deutung
Die Welt als Schauplatz zweier sich widersprechender Mächte erfahrt eine zweifache Deutung. Ein Interpretationsmuster, das am deutlichsten von Pastor Nieto vertreten wird, sieht im Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa und im Golfkrieg Zeichen des Streites der Mächte. In ihnen, ebenso wie in der Ausbreitung der östlichen Religionen und des 'New Age' in der westlichen Hemisphäre, werde der Geist des Antichristen nach 2.Thess.2 sichtbar. Noch sei es nicht der Antichrist selbst, sondern dessen Geist. Die Richtung, in der die Entwicklung der Welt weitergehen werde, sei damit aber schon sichtbar. Dieser Zustand der Welt ist aber nach Nieto für Christen nichts Unvorhergesehenes, weil diese Ereignisse in der Bibel schon vorhergesagt seien. Das bedeutet, daß die Welt so sein muß, wie sie 7
Siehe Kap. 1.3.4.
8
Dienstmädchen, die einer protestantischen Kirche angehören, sind beliebt, weil diese angeblich ehrlicher und arbeitsamer sind als andere. Vgl. dazu: Weber, Protestantische Ethik, 47, Uber "Mädchen pietistischer Provenienz".
Untersuchung theologischer Topoi
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ist, weil es so schon prophezeit wurde. Die Geschehnisse sind somit innerhalb von Gottes Plan. Die Welt ist nicht außer Kontrolle, sondern folgt einem vorgegebenen Schema. Eine andere Interpretation vertritt der Männerpastor von Vida Abundante, Rafael González. Er sieht zwar auch die "Mächte des Bösen" voranschreiten, doch parallel dazu sieht er auch die Ausbreitung des Wortes Gottes. "Wo die Sünde mächtig ist, da ist die Gnade noch viel mächtiger. Ich glaube, so wie es stimmt, daß die Mächte des Bösen in unserer Umwelt kriegerisch und hart arbeiten, so stimmt es auch, daß das Wort Gottes voranschreitet." Er sagt mit einem Refrain eines verbreiteten Liedes, "die Mauern fallen". Das bedeutet für González nicht nur der Fall der Berliner Mauer und des Kommunismus, sondern auch die Möglichkeit für das Wort Gottes, in neue Länder vorzudringen. Diese Sichtweise betont die Chancen, die die Welt bietet, ohne apokalyptischen Determinismus. Die Auseinandersetzungen zwischen dem Reich des Lichts und dem Reich der Finsternis finden nicht nur im materiellen, sichtbaren Bereich statt. 1.2.1
Dämonologie
Die Welt erfährt eine zweite Teilung in einen materiellen und einen spirituellen Bereich. Im spirituellen Bereich kämpfen die Dämonen, auch als Geister der Finsternis bezeichnet, gegen die guten Geister Gottes. Der materielle Bereich ist in diesem Kampf der sichtbare Ort der Auseinandersetzung. Die Kräfte, Ideen und Verführungen, die den materiellen Bereich beeinflussen, kommen jedoch aus dem spirituellen Bereich. Besonders Eph.6,12 wird zur Begründung dieser Auffassung herangezogen: "Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel". Die Geister der Finsternis, von denen es Millionen gibt, sind laut Pastor Peñalba in Fürstentümern organisiert, ähnlich den weltlichen Regierungen. Die Drähte des Kampfes werden im spirituellen Bereich gezogen, so als läge er hinter einem Vorhang verborgen, der die Einsicht dem normalen Menschen verwehrt und den Blick nur für die Menschen freigibt, die der Heilige Geist dafür befähigt hat. Der Mensch ist zwar "in gewisser Weise gut", aber er ist
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ein Verführter, einer, der, wenn er sich nicht auf die Seite Gottes stellt diese Freiheit hat er - nur dem Walten der bösen Mächte ausgeliefert ist. Selbst guter Wille ändert nichts daran, daß er, wenn er nicht bekehrt ist, von Gottes Offenbarung abgeschnitten ist und "von der Welt angesteckt ist, es (die Welt, K.B.) schlechter zu machen". Das bedeutet, daß dem spirituellen Bereich eine höhere Realität zugeschrieben wird als dem materiellen Bereich. Wie in Piatons Höhlengleichnis9, in dem die Gefangenen die reale Welt nur durch die Schatten sehen können, die an die Wand ihres Höhlengefangnises geworfen werden, sind bei den Neopfingstlern die Ereignisse in der materiellen Welt nur die Auswirkungen des Kampfes im spirituellen Bereich. Die wahre Welt, die spirituelle, bleibt den Menschen verborgen. Sie kann nur durch den Heiligen Geist erkannt werden. Die Dämonen beeinflussen nicht nur einzelne Menschen, sondern dehnen ihren Machtbereich auf Territorien und Länder aus. So wird auch die wirtschaftliche Unterentwicklung Honduras1 dem Vorherrschen der Geister der Finsternis zugeschrieben. Rita Cabezas, eine aus den USA stammende, aber in Costa Rica ansässige Psychologin, die auch bei den Neopfingstlern in Honduras Seminare über dämonische Besessenheit durchführte, schreibt in einer Einladung zu einem Vortrag über "Krieg gegen dämonische Fürstentümer" in San José (Costa Rica): "Es ist mehr als ein Vortrag, es ist ein Aufruf an das Volk von Costa Rica, sich spirituell zu einem offenen Krieg gegen die territorialen Fürsten zusammenzuschließen, die über unserer Nation sind."10 Auf dämonische Einflüsse wurden in den Interviews folgende persönliche und gesellschaftliche Phänomene zurückgeführt: Alkoholismus, Glücksspiel, seelische Belastungen, negative Lebenseinstellung, Neurosen, sich nicht lieben lassen, Krankheiten, Zorn, Angst, Schlaflosigkeit, Ablenkung beim Lobpreis, sexuelle Verhaltensweise wie Promiskuität, Verstärkung und Steuerung von Problemen, wirtschaftliche Unterdrückung durch mächtige Länder, New Age, Katholizismus (wenn er mit heidnischen Kulten vermischt ist), gesellschaftliche Bestrebungen zur Schaffung eines neuen antichristlichen Systems, Kommunismus, Drogenhandel. 9
Piaton: Sämtliche Werke, Bd. 3, Phaidon, Politela, Hamburg 1958, Politeia, 7. Buch, 514ff.
10
Cabezas, Rita: Einladungshandzettel zu einem Vortrag Uber "Krieg gegen dämonische Fürstentümer" am 1.9.1990 im Restaurante Kamakiri in San José, Costa Rica. Frau Cabezas hielt in Manila auf der 2. Konferenz für Weltevangelisation (Lausanne II) 1989 einen Vortrag über: "Der Unterschied zwischen der Austreibung von Dämonen bei Personen und ihrer Vertreibung aus Territorien".
Untersuchung
theologischer
Topoi
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Alle Befragten hielten eine dämonische Besessenheit für möglich, jedoch nur bei Nichtchristen. Ob Christen von Dämonen besessen sein können, darüber gab es keine Einigkeit. Einige bejahten dies, andere verneinten dies. Pastor Penalba forderte eine differenzierte Betrachtung der Besessenheit. Auf die Frage, ob Personen von Dämonen besessen sein könnten, antwortete er: "Ja. Aber das bedarf einer Erklärung. Wir glauben nicht, daß jede beliebige Person von einem Dämon besessen sein kann. Es gibt Fälle von Besessenheit, das sind Extremfälle, in Verbindung mit einem Gesamtphänomen im Leben dieser Person von wahrscheinlich wahnsinnigem Verhalten. Es ist eine ganze Geschichte von vielleicht dämonischer Aktivität. Aber im Leben der Gläubigen, die ' wiedergeboren sind, die ein Leben in Christus führen, verneinen wir diese Möglichkeit vollkommen. Auf der anderen Seite glauben wir, daß Satan die Menschen unterdrücken kann mit seinen Mächten und mit seinen ... mit seinen Operationen, aber streng genommen kann man dabei nicht von dämonischer Besessenheit reden." Im Leitungskurs von Amor Viviente wird der dämonische Einfluß je nach Grad der Einflußnahme differenziert." Jimmy Swaggart wurde als Beispiel genannt, daß auch Christen dämonischen Mächten und ihren Verführungen ausgesetzt sind. Die meisten Befragten hatten schon Kontakt mit Besessenen und konnten von einer Dämonenaustreibung berichten.12 Folgende Symptome einer Besessenheit bei Personen wurden genannt 11 Bei Amor Viviente wird die Differenzierung wie folgt vorgenommen: 1.: 'Satanische Unterwerfung' (obsesión (sujeción) satánica): Satan übt Kontrolle über den Verstand und Denken der Person aus; 2.: 'Satanische Unterdrückung' (opresión satánica): durch eine externe Kraft übt Satan die Kontrolle über eine Person aus, die dann gegen den eigenen Willen handelt; 3.: 'Satanische Besessenheit' (posesión satánica): Satan nimmt Besitz von einem Menschen, als wenn dieser sein Eigentum wäre, ohne aber gleichzeitig die vollkommene Kontrolle über den Willen des Menschen zu haben. 12 Pastor Reyes und andere Mitglieder von Vida Abundante erzählen von einem besessenen Mädchen, das ein paar Wochen vor Aufnahme der Interviews im Gottesdienst von Dämonen befreit wurde. Pastor Reyes fühlte während des Gottesdienstes, daS er für jemanden beten müsse. Er hat dann von einem Ende zum anderen in die Menge der Gottesdienstbesucher geblickt, bis sein Blick an einem Mädchen hängenblieb und Gott zu ihm sagte: "Die ist es". Er rief sie nach vorne, um ihr die Hände aufzulegen und mit ihr zu beten, aber sie wich ihm aus und rannte davon. Auf der Straße wurde sie eingeholt und in ein Bürozimmer gebracht, wo Pastor Reyes und andere Brüder für das Mädchen beteten. Als er sich ihr nähern wollte, beschimpfte sie ihn und drohte ihn zu zerstören. Als er ihr ganz nahe war, sagte er: "im Namen Jesu". Sie fing an zu schreien: "Füge mir keinen Schaden zu! Erwähne diesen Namen nicht, er tut mir weh!" Als er sie ansah, brüllte sie: "Schau mich nicht an! Mir tut das weh!" Sie beteten weiter, und dann wäre das Mädchen auf eine sehr schöne Art befreit worden (Interview 9)
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Brüllen aus dem Innern, etwas Fremdes treibt eine Person um (z.B. eine Last), Krämpfe, wilde Gestikulation, Grimassen, Schaum vor dem Mund, grüner Auswurf, körperliche Verdrehungen, Veränderungen ins Häßliche, übermenschliche Kräfte, Beschimpfungen von Christus und Bibel, schlechte Gerüche, Aggressivität, Beleidigungen, obszöne Äußerungen, blasphemische Worte, Person spricht mit der Stimme des anderen Geschlechts (z.B. Mädchen spricht mit Männerstimme), Abwehrhaltung bei der Nennung des Namens Jesu. Diese Auflistung der Symptome stimmt weitgehend mit den traditionellen Besessenheitsmerkmalen der katholischen Kirche, aber auch mit Erfahrungen in China und Indien überein und ist nichts typisch Neopfingstliches.13 Die Dämonen haben verschiedene Namen, die sich nach den Auswirkungen richten, die sie bewirken oder nach Ereignissen, durch die sie in die Person eingetreten sind. Cabezas führt eine Liste von über fünfzig Namen auf. Daraus einige Beispiele: Verlassenheit, Aggressivität, Defaitismus, Angst, Geiz, Eifersucht, Götzendienst, Homosexualität, Ungeduld, Laszivität, Stolz, Einsamkeit, Selbstmord, Folter, Traurigkeit, Zorn.14 Im schon erwähnten Leitungskurs für Mitarbeiter von Amor Viviente werden vier Möglichkeiten genannt, wie Dämonen in einen Menschen eindringen können: 1. durch Flüche und Bindungen als Erbe von den Vorfahren, 2. durch ein exzessives Leben in der Sünde, 3. durch wissentliche Öffnung für Satan (Okkultismus, Drogen, geistige Passivität, östliche Meditationen, Auflehnung als Lebensform) und 4. durch traumatische Erfahrungen (Unfälle, sexueller Mißbrauch, seelische Wunden). Es werden Verhaltensweisen aus verschiedenen Lebensbereichen genannt, die eine Dämonenbefreiung notwendig machen: 1. bei Bindungen durch die Vorfahren, die sich äußern in: Raub, Alkoholismus, Drogenkonsum, sexueller Perversion, Unzucht, Homosexualität oder in psychischen Krankheiten oder in Armut und mangelnder Prosperität. 2. bei zwanghaften Pastor Zelaya von Pucrta al Cielo berichtet von vielen Dämonenaustreibungen bei Puerta al Cielo, die dafür ein eigenes Amt hat, so daß es schon notwendig gewesen sei, 'die Türen zu schließen', weil die Nachfrage überhand genommen habe und Gott ihm gesagt habe, daß die Gemeinde so nicht weitermachen solle. Viele Ungebildete führten emotionale Störungen auf Dämonen zurück. (Interview 23). 13
Dazu: Goodman, Ekstase, 149ff. Rita Cabezas führt 32 Merkmale einer dämonischen Besessenheit auf, die mit den Beschreibungen in den Interviews übereinstimmten. Cabezas, Rita: Desenmascerado, Miami, Florida, Editorial Unilit, 1990 2 ,133f.
14
Cabezas, Desenmascerado, 125f.
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Abhängigkeiten von Personen, Erinnerungen und Gefühlen infolge von sexuellen Praktiken und Kontakten zu falschen Religionen (z.B. Freimaurern). 3. bei sexuellen Bindungen, die sich äußern in unerlaubten Sexualpraktiken in der Ehe, Unzucht, sexuellen Verirrungen (z.B. Homosexualität, Exhibitionismus, Sadismus) und sexuellen Phantasien. 4. bei chronischen, vererbten, psychischen und unheilbaren Krankheiten. 5. bei destruktiven Verhaltensweisen wie Lügen, Eifersucht, Streitsucht. 6. bei Okkultismus. Eine Austreibung der Dämonen erfolgt durch Gebet, mit oder ohne Handauflegen, in dem Jesüs angerufen wird. Nach der Identifikation des Dämons wird in Jesu Namen dem Dämon befohlen, die betreffende Person zu verlassen. Passagen aus der Bibel werden zitiert, um Jesu Handeln zur Befreiung der Menschen zu vergegenwärtigen. Um Dämonen aus einem Land zu vertreiben, braucht es den geeinten Kampf der Christen unter dem Haupt Jesus Christus. Darüber, wie dieser Kampf konkret vonstatten geht, liegen mir keine Informationen vor. Eine dämonologische Weltdeutung ist zuerst einmal nicht besser oder schlechter als irgendeine andere Weltdeutung, sei sie soziologisch, philosophisch oder psychologisch. Wichtig ist, daß sie für die Interpreten die Wirklichkeit adäquat beschreibt und deutet. Sie kann sich darauf berufen, daß im Neuen Testament ebenfalls ein dämonologisches Weltbild vorausgesetzt wird, das allerdings weitgehend vom antiken Judentum übernommen ist.15 Es ist jedoch schon bei Jesus, besonders aber bei Matthäus und Paulus, eine spiritualisierende Umdeutung des Dämonismus zu erkennen, was eine "Entmythologisierung" des Dämonismus einschloß und ansatzweise diesen in Frage stellte.16 Religionsgeschichtlich ist die Dämonologie der Neopfingstler eine aktualisierte und spiritualisierte Form der traditionellen Dämonenvorstellungen, die Sexualität, Krankheiten, Andersgläubige und gesellschaftlich abweichendes Verhalten thematisiert.17 Neu ist der konkrete gesellschaftliche Bezug. Andere Ordnungen als die kapitalistische werden in den Bereich der dämonischen Einflüsse gebracht. 15
Böcher, Otto: Art. Dämonen IV (Neues Testament), in: TRE, Bd. 8, 279ff.
16
A.a.O., 286.
17
Vgl.: Böcher, Otto: Art. Dämonen I (Religionsgeschichtlich), in: TRE, Bd. 8,270-274.
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Wenn die Teilnahme am kapitalistischen System nicht gelingt, weil jemand arm ist und nicht prosperiert, dann wird dahinter dämonischer Einfluß vermutet. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, daß die Teilnahme auf der Gewinnerseite des Kapitalismus allen möglich ist. Ökonomischer Mißerfolg gehört zum Dämonischen. Daß auch die 'Unterdrückung durch mächtige Länder' als dämonischer Einfluß gekennzeichnet wurde, macht deutlich, daß auch strukturelle Merkmale in die Dämonologie mit aufgenommen werden können, ohne daß grundsätzlich strukturelle Gründe zur Erklärung von Armut verwendet werden. In den Interviews überwiegen jedoch die individuellen Probleme, die auf dämonischen Einfluß zurückgeführt werden. Darin wird zum großen Teil die Situation der neopfingstlichen Klientel reflektiert. Die grundlegenden Lebensbedürfnisse (z.B. Ernährung, Wohnung) sind befriedigt, deshalb werden sie auch nicht genannt. Die neopfingstliche Klientel leidet unter psychischen Problemen, wie Neurosen, Ängsten, Schlaflosigkeit, einer negativen Lebenseinstellung und unter Alkoholismus. Dazu kommt die individuelle Angst vor einem anderen System, wie dem Kommunismus, die sich auf den Einzelnen als psychische Belastung auswirkt.18 Ein dichotomisch-dämonisches Weltbild bietet nach Maduro die Möglichkeit der Identitätsstiftung, indem sich die Glaubenden als wichtige Akteure im kosmischen Kampf um die Welt begreifen. Ihnen kommt die Rolle des guten Kerns zu, der inmitten alles Bösen den Samen des Guten weiterträgt. Diese Dichotomie hat zur Folge, daß das Andere nicht in seiner Verschiedenheit bestehen bleibt, sondern in das System eingeordnet wird, als zu uns gehörig, gut, christlich oder als nicht zu mir gehörig, böse, dämonisch, antichristlich.19 Eine dritte Möglichkeit besteht nicht. Von daher trägt dieses Weltbild den Samen der Intoleranz in sich. Es ist gut für eine gesellschaftliche Gruppe zur Durchsetzung ihrer Interessen geeignet, weil es die Gegner deutlich benennt, ausgrenzt und die eigene Gruppe stabilisiert.
18
Dazu siehe Kap. 1,3.4.
19
Vgl. Todorov, Tzvetan: Die Eroberung Amerikas - Das Problem des Anderen, Frankfurt a.M. 1985, 177ff.
Untersuchung
1.3
theologischer
Topoi
91
Beziehung zur Welt
Die Beziehung der Neopfingstler zur Welt ist durch die dichotomische Weltsicht geprägt. Einerseits ist der Rückzug aus der Welt gefordert, andererseits auch ihre aktive Veränderung durch Mission und ethisches Handeln.20 An den Themen "Reichtum" und "Vergnügungen" soll dies verdeutlicht werden. 1.3.1
Reichtum
Dazu steht in einem Traktat von Vida Abundante: "Die irdischen Besitztümer dürfen nicht als sündig an sich betrachtet werden. Keinem Christen legt das Wort Gottes Armut auf. Es gab Christen, und sie gibt es immer noch, die für große Güter ausersehen wurden und in der Lage waren, sehr christlich zu leben. Ihre Reichtümer waren für sie kein geistliches Hindernis, sondern im Gegenteil ein Instrument, um Gott zu dienen." Es folgt eine Warnung, sich nicht vom Reichtum vereinnahmen zu lassen: "Wir wiederholen noch einmal, dieses (einen höheren materiellen Wohlstand zu erreichen, K.B.) ist keine Sünde an sich, solange nur legitime Mittel gebraucht werden. Aber es beinhaltet eine große Gefahr. Das Geld ist nichts Schlechtes, aber die Liebe zum Geld ist schlecht; etwas sehr Schlechtes. Sie ist 'die Wurzel allen Übels ." Reichtum ist erlaubt, wenn er unter der Herrschaft Christi bleibt. Das ethische Grundprinzip für die Erwirtschaftung von Reichtum ist die 'Goldene Regel' in Mt.7,12. "Dies ist der Vers, auf dem die ganze Geschäftsethik beruht, die sich an den biblischen Prinzipien orientiert." In der Haltung zum Reichtum findet kein Rückzug von der "Welt" statt. Neopfingstler partizipieren daran. Sie unterweifen sich aber einem individualethischen Postulat für die Erwirtschaftung, dem allerdings die Einbettung in eine Sozialethik fehlt. 1.3.2
Vergnügungen
Zerstreuung und Vergnügungen werden zwar grundsätzlich als menschliches Bedürfnis akzeptiert und gutgeheißen, jedoch sind nicht alle Orte der Zerstreuung für Christen erlaubt, die in Christus geheiligt sind und deren Körper ein Tempel des Heiligen Geistes ist. Es gibt Orte, wie das Kino, das 20
Weber. Max: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen, 19855, 328f.
Karl Braungart
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zwar ein "Instrument der Unterweisung und Bildung" sein kann, "im allgemeinen aber zu kommerzialisiert ist und die Funktion hat, wollüstig zu ergötzen und weit davon entfernt ist, zu bilden, sondern ein Feuer der Wollust und Gewalt entfacht".21 Es wird auch darauf hingewiesen, daß man durch sein Verhalten keinem anderen Christen eine Glaubensanfechtung bereiten und deshalb auf manche Vergnügungen verzichten solle. Wenn aber der Christ auf seine Berufung und auf die Größe des ewigen Lebens schaut, dann fällt ihm der Verzicht auf viele Vergnügungen leicht. Die Erholung und Entspannung werde ihm dann trotzdem nicht mangeln. Im Konkreten erfährt die grundsätzliche Bejahung für Vergnügungen eine starke Einschränkung, weil die meisten Vergnügungen zur "Welt" gehören, deshalb bieten die Kirchen ein Freizeitprogramm22 an. 1.33
Veränderung der Welt
"...Ich lehre meine Gemeinde, daß der Christ nicht aus der Welt fliehen darf, sondern in die Welt gehen muß und sich in die Welt einmischen muß. Das heißt, das Licht ist dazu da, daß man es in die Finsternis bringe... Der Gläubige soll nicht in seiner Kammer bleiben, an einem abgetrennten Ort. Er muß in diese Welt gehen und diese Welt verändern!" Pastor Reyes hat diese in fast allen Interviews betonte Haltung am deutlichsten formuliert. Eine Veränderung der Welt kann nur als spiritueller Kampf gesehen werden, bei dem die guten Mächte des Lichts die Mächte der Finsternis besiegen. Eine Veränderung der materiellen Welt reicht nach Auffassung der Neopfingstler nicht aus. Die Veränderung muß vielmehr auf der spirituellen Ebene erfolgen. Die Aufgabe der Christen in diesem Kampf ist es, Licht in die Dunkelheit zu bringen. Denn die Christen sind die einzigen, die Gott zur Veränderung der Welt gebrauchen kann. Motivation des Handeln ist einerseits der Missionsbefehl Jesu, andererseits das Mitleid für die Nichtgläubigen, die im Reich der Finsternis gefangen und verloren sind. Dazu kommt ein konkretes Leiden an den Mißständen in der Gesellschaft, wie Elend und Hunger, die auf menschliches Versagen zurückgeführt werden. Veränderung heißt für eine Journalistin deshalb: "Den Menschen der Welt spüren lassen, daß es eine Hoffnung für ihn gibt, daß ihn das ewige Leben 21
Traktat von Vida Abundante.
22
Siehe dazu Kap. Ü.3.1.
Untersuchung theologischer
Topoi
93
erwartet, daß das, was passiert, nicht etwas ist, das er nicht kontrollieren kann. Er kann es kontrollieren, er kann es verändern, und er kann es verbessern." In diesem Sinne ist Veränderung der Welt Kampf gegen die Hoffnungslosigkeit und Apathie der Menschen. Veränderung der Welt geschieht vor allem im kleinen dadurch, daß man persönlich ein Beispiel gibt und im Glaubensgehorsam lebt und dadurch auch die Ökonomie verändert. Aufgabe der Christen in der Welt ist aber vor allem die Evangelisation, das Predigen des Evangeliums aller Kreatur. Das ist für die Neopfingstler der Hauptbeitrag für eine Veränderung der Welt, weil damit die Menschen dem Machtbereich Satans entrissen werden. 1.3.3.1
Evangelisation
"... Wir glauben nicht, daß der Mensch und die Kirche dazu berufen sind, die Welt zu verändern. Wir sind berufen, die Botschaft des Evangeliums zu predigen. Der, der die Macht hat, alles vollständig zu verändern, wird Christus bei seiner Wiederkunft sein." Diese Haltung wurde so nur von Pastor Peñalba geäußert. Sie stimmt mit den Äußerungen der anderen Interviewten in der Betonung der Evangelisierung der Welt überein, zumal eine Veränderung der Welt für die Neopfingstler grundsätzlich nur eine Funktion der Evangelisierung ist. Ziel der Evangelisation ist, daß alle Menschen mit dem Evangelium erreicht werden. Sie sollen für Jesus Christus bekehrt und im Glauben instruiert werden. Methodisch sollen alle Kommunikationsmittel genutzt werden. Schwerpunkt soll die persönliche Evangelisation jedes Gemeindegliedes sei. Jeder Christ soll in seinem privaten Bereich oder am Arbeitsplatz andere Menschen evangelisieren. Besondere Aufmerksamkeit soll den Angehörigen der gleichen Berufsgruppe zukommen, z.B. sollen Ärzte andere Ärzte für Christus gewinnen. Dadurch sei der Erfolg am größten. Dazu kommen Großevangelisationskampagnen und Sendungen in Radio und Fernsehen. Als Konsequenz der Evangelisation, wenn alle Menschen für Christus gewonnen wären, würde sich die Welt verändern, meint die Frauenpastorin von Vida Abundante. Der Egoismus würde verschwinden und die Nächstenliebe würde unter den Menschen herrschen, so daß sie bereit wären, mit anderen zu teilen. "Für mich ist (das Ziel der Evangelisation, K.B.), daß sie die Fülle in Christus haben und die Welt wird verändert sein, weil es dann
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Karl Braungart
Liebe geben wird und die Liebe alles verändert." Evangelisation im neopfingstlichen Sinn ist auf die Bekehrung des einzelnen Nichtgläubigen ausgerichtet, auf die Rettung seiner Seele. Im Unterschied zur neopfingstliche Auffassung meint ein Pastor der Iglesia Evangelica de Santidad über die Evangelisation: "Ich begreife die Evangelisation nicht in dem Sinne, sich an eine Ecke zu stellen und den Passanten vier Dinge zu predigen: Bekehrt euch, hört auf zu rauchen, hört auf zu trinken und geht nicht ins Kino! Ich begreife die Evangelisation nicht nur so, sondern sie ist für mich eine integrale Mission der Kirche, wie z.B. den Armen zu helfen, das soziale Engagement der Kirche, die Beteiligung in der Politik (...), aber nicht im Sinne der Mächtigen, die Beteiligung in der Bildung, in allen Bereichen also." 13.4
Nicht-Bekehrte
Nicht-Bekehrte gehören zum Einflußbereich Satans und haben das Miüeid der neopfingstlichen Gemeindeglieder. In den Interviews wurde Traurigkeit darüber geäußert, daß diese Menschen verloren sind und eine große Chance für ein glückliches Leben im anderen Leben verpassen. Sie sind deshalb in erster Linie Objekte der Mission. Auf die Frage, ob Nicht-Bekehrte in erster Linie Objekte der Mission sind, antwortete Pastor Nieto: "Ja, es muß die Priorität des Gläubigen sein, andere zu Christus zu bekehren. Es muß die Mission sein. Ich glaube, daß Christus uns erreicht, damit wir andere erreichen." In den Interviews mit den Pastoren wurde betont, daß diese Mission nicht plump geschehen soll, sondern mit Einfühlungsvermögen und vielen Gesprächen.23 Dabei soll die Situation, in der sich die Menschen gerade befinden, analysiert und in der Gesprächsführung berücksichtigt werden, um so eine Vertrauensbasis zu schaffen. Sie sollen nicht als Feinde betrachtet werden, die man anklagt, sondern als Möglichkeit, Menschen für Christus zu gewinnen. Sie sind einerseits selbst schuld, wenn sie verloren gehen und von Gott die Rechnung für ihr Leben bekommen, denn heutzutage sei das Evangelium fast schon überall gepredigt worden, andererseits
23
Empathie als Mittel zum Verständnis des anderen war schon die 'Missionsstrategie' Cortés' bei der Eroberung des Aztekenreichs. Dort hatte das Verständnis die Zerstörung der Kultur Mexikos zur Folge. Vgl. Todorov, 121ff, Cortés und die Zeichen.
Untersuchung theologischer
Topoi
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wird aber auch betont, daß die Menschen keine Schuld hätten, weil sie irregeleitet seien und ein Leben in der Dunkelheit führten. Kirchenmitglied Ochoa meint, daß Nicht-Bekehrte bei der Verbesserung der Welt keine Verbündete sein können, weil diese streng genommen in Satans Dienst stehen würden. Auf strikt materieller Ebene aber, z.B. in Gewerkschaften, sei eine Zusammenarbeit jedoch möglich, solange es gewaltfrei zugehe. Im Vordergrund des Verhältnisses zu den Nicht-Bekehrten steht das Trennende. Der Glaube wird zum Ausgrenzungsfaktor, der für die neopfingstlichen Kirchen eine Identität schafft, aber für christliches Handeln außerhalb der Kirche, außer zur Mission, keine Möglichkeiten läßt. Nicht-Bekehrte müssen sich entweder assimilieren, oder sie werden ausgegrenzt. Ein solidarisches Handeln mit ihnen ist kaum möglich, weil Neopfingstler sich schon mit den Zielen von Nicht-Bekehrten nicht identifizieren können. Die Haltung eines eher befreiungstheologisch orientierten Pastors der Iglesia Evangelica de Santidad ermöglicht mehr Gemeinsamkeiten mit Nicht-Bekehrten: "Gut, ich glaube, daß sie (die NichtBekehrten, K.B.) Teil der Sorge Gottes sind und daß ich auch mit ihnen solidarisch sein soll, in ihrem Leiden, in ihren Kämpfen und in ihren Wünschen. Ich darf mich von ihnen nicht isolieren, denn das wäre gegen das, was Jesus sagt."
2.
Heiliger Geist
Der Heilige Geist spielt in der neopfingstlichen Theologie eine überaus wichtige Rolle. Viel stärker als im historischen Protestantismus, in dem der Heilige Geist durch das "Nadelöhr der Christologie"24 hindurch muß, hat er bei den Neopfingstlern eine eigenständige Rolle. In den Gottesdiensten ist er präsent, was durch Zungenrede, Heilungen und Prophezeiungen erkennbar ist. Ebenso ist er regelmäßig Adressat von Gebeten, wenn es um die praktische Lebensgestaltung geht. In Jesus Christus findet man das Heil, im Heiligen Geist findet man die Anwendung des Heils in der Welt, so könnte man in einem Satz die Rolle des Heiligen Geistes beschreiben. Der Heilige Geist ist somit der Schlüssel zum Handeln der Neopfingstler in der Welt. 24
Hollenweger, Geist und Materie, 305, Anm.3.
Karl
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Braungart
Mit seiner Hilfe ist es möglich, in der durch dämonische Mächte beherrschten Welt ein Leben im Licht, in Christus zu führen.
2.1
Lehre vom Heiligen Geist
In einem Studienheft von Amor Viviente wird eine Lehre vom Heiligen Geist entfaltet. Sie bewegt sich im Rahmen der traditionellen protestantischen Dogmatik, und begründet ihre Lehrsätze durch einen biblischen Eklektizismus. Einzig die Betonung der Verleihung von Macht und Gaben durch den Heiligen Geist ist eine Besonderheit. Das ist der dogmatische Niederschlag der neopfingstlichen Erfahrung und Praxis im Gottesdienst und im Alltag. Zuerst wird die Wichtigkeit des Heiligen Geistes herausgestellt, weil durch ihn Gott Vater und Gott Sohn in den Gläubigen präsent sind. Physisch sind die Menschen von Gott Vater und Gott Sohn geschieden (l.Tim.6,16; Lk.24,51)25, deshalb bedarf es des Heiligen Geistes als Vermittlungsinstanz der Präsenz Gottes. Ohne sein Eingreifen ist kein Erkennen der eigenen Sünde und der Heilstaten Jesu Christi möglich. Von daher gibt es auch kein ewiges Leben nach dem Tod ohne den Heiligen Geist (Röm.8,11). Der Heilige Geist ist göttlich, weil er Eigenschaften hat, die nur Gott hat: er ist ewig (Hebr.9,14) und omnipräsent (Ps. 139,7-10). Er ist eine Person, weil in der Bibel Eigenschaften von ihm genannt werden, die nur auf eine Person zutreffen: er hat einen Willen (1.Kor. 12,11), er hat Gefühle (Eph.4,30), und er besitzt Intelligenz (Neh.9,20). Als dritte Person der Gottheit war der Hl. Geist an der Schöpfung beteiligt (Gen. 1,2). Die Ungläubigen überzeugt er von ihrer Sünde (Joh.16,8) und bekehrt sie. Er zeugte Jesus (Lk.l,34ff), fuhr auf ihn herunter (Lk.3,22) und gab ihm Macht (Lk.4,14). Er führte Jesus zu seinen Lebzeiten (Mk.1,12). Jesus wurde nach seinem Tod von Gott Vater durch ihn wieder zum Leben erweckt (Röm.8,11). Im Leben der Gläubigen bewirkt er, daß sie sich zu einem Leib, der Ekklesia, zusammenschließen (l.Kor.12,13). Er wohnt in jedem einzelnen (l.Kor.3,16). Er hilft den Gläubigen, wenn sie schwach sind (Eph.3,16; Röm.8,26f) und offenbart ihnen die Erkenntnis Gottes und seines Willens 25
Die Bibelstellen werden im Studienheft aufgeführt.
Untersuchung
theologischer
Topoi
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in allen Entscheidungen (Joh. 14,26a). Er gibt den Gläubigen Macht (Apg.1,8) und befähigt sie zum Dienst durch Gaben (l.Kor,12,4;ll), die allen Gläubigen zukommen können. Der Heilige Geist bewirkt in den Gläubigen all das, was Jesus ist (Röm.8,29) und macht sie zu seinen Ebenbildern. "Um diesen Charakter Christi zu erreichen, produziert der Heilige Geist (Früchte des Geistes, K.B.) in uns (Gal.5,22)."
2.2
Bekehrung und Taufe mit dem Heiligen Geist
Bekehrung und Empfang des Heiligen Geistes sind bei den Neopfingstlem zwei verschiedene Erfahrungen. Die Bekehrung ist die Antwort des Menschen auf Gottes Ruf, der in Jesus Christus allen Menschen das Heil anbietet (Joh. 3,16). Um das Heil zu empfangen, muß der Mensch seine Sünden bereuen und an Jesus Christus glauben. Darauf empfängt der Glaubende Sündenvergebung, Rechtfertigung, Erlösung, Sühne, Heiligung, Adoption zum Kind Gottes und Verwandlung des sterblichen Körpers in einen verherrlichten Körper für die Wiederkunft Christi Die Bekehrung ist die Voraussetzung für die Errettung durch Jesus Christus: durch sie empfängt der Glaubende Christus. Den Heiligen Geist empfängt der Glaubende normalerweise noch nicht bei der Bekehrung, sondern erst bei der Taufe mit dem Heiligen Geist, was gewöhnlich nach der Bekehrung geschieht. Bei der Geistestaufe ist der Taufende Christus. "Gleich wie der Pastor uns ins Wasser eintaucht, so taucht uns Christus in den Heiligen Geist". Für beide Erfahrungen gibt es eine Begleitung durch Christen, die schon den Geist empfangen haben. Bekehrung oder Geisttaufe werden "ministriert", so daß zu den Personen, die bekehrt werden sollen oder die Geisttaufe erleben sollen, häufig gesagt wird "ich ministriere dich".26 Den Menschen wird die Hand aufgelegt und gebetet, wobei der Ministrierende, Pastor oder Mitarbeiter, oft sagt: "ich ministriere dich, empfange Rettung" oder "empfange den Heiligen Geist". In einem Leitungskurs werden als Bedingung für die Taufe mit dem Heiligen Geist genannt: Kind Gottes sein, Glaube an Christus, Anerkennung der Verherrlichung Christi und Empfang der Geistestaufe als Geschenk. In den 26
Span.: "ministrar" und "yo te ministro". Der Begriff ist schwer ins Deutsche zu übersetzen. Wahrscheinlich wurde er aus dem Englischen "to minister" übernommen und bedeutet "spenden, darreichen. dienen, behilflich sein".
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Karl Braungart
Interviews wird die Taufe mit dem Geist als ein "erhabener Akt" beschrieben, für den man rein sein, die Schrift kennen und das Bewußtsein haben müsse, daß der Schritt, den Heiligen Geist zu empfangen, für immer sei. Auch wird erwähnt, daß man sensibel sein müsse, um sich vom Heiligen Geist führen zu lassen. Einer, der die Geisttaufe noch nicht erfahren hatte, führte dies darauf zurück, daß er sich noch nicht genügend im Gehorsam dem Herrn übergeben hätte. Die Erfahrung der Taufe mit dem Heiligen Geist wird von allen als ein einschneidendes Ereignis beschrieben. "Sie begannen für uns zu beten; es ist einfach etwas Schönes; es ist wie ein Feuer Gottes, die Präsenz von Gott selbst, die sich in der Gabe der Zungenrede zeigt." Eine Frau meint, daß die Taufe mit dem Heiligen Geist das Leben schön und fröhlich mache, eine andere meint, daß sie persönlich fröhlicher und toleranter geworden sei und die Schrift besser verstehe. Ein Mann sagt, daß man die Wirkung der Geisttaufe jeden Tag spüre und jeden Tag im Glauben wachse. 2.2.1
Exkurs: Eigene Erfahrung einer Fast - Geisttaufe
Nach dem Gottesdienstbesuch bei Amor Viviente am Samstag, dem 23.6.90, bin ich mit zwei Kirchenmitgliedern, die auch Mitglieder der Geschäftsleute des Vollen Evangeliums sind, nach Hause gefahren. Sie wollten noch ins Hotel Honduras Maya fahren, wo ich aussteigen wollte. Auf der Fahrt wurde ich gefragt, ob ich den Heiligen Geist hätte. Ich antwortete, daß ich Christ sei und daher auch den Heiligen Geist habe. Die Frage, ob ich mit dem Geist getauft sei, verneinte ich. Sie ftagten mich, ob ich mit dem Geist getauft werden wolle, was ich auch verneinte, - vielleicht zu zögerlich. Beim Aussteigen, auf dem Parkplatz des Hotels, legte einer mir seine Hände auf und der andere erhob seine Arme in Segenshaltung. Einer betete in Zungen, so daß ich nur ab und zu einzelne Worte wie "Gott", "tritt ein", "befreie ihn von allen Versuchungen" verstand. Ich war müde und wollte nicht. Trotzdem war die Wirkung auf mich so, daß ich in dem Moment spürte, daß ich nur zwei Möglichkeiten hatte, darauf zu reagieren: entweder zu lachen oder weinend zusammenzubrechen. Bei der zweiten Möglichkeit hätte ich mich auf die Geistestaufe eingelassen und mich dann nicht mehr unter Kontrolle gehabt. Ich hatte das Gefühl, in einen Strom zu kommen, der mich mitreißt. Ich fand dann die Bemühungen der beiden
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theologischer
Topoi
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Männer eher belustigend, daß sie doch noch versuchten, mich mit dem Geist zu taufen, obwohl ich es nicht wollte. Eine Kraft, die an mir zog, habe ich aber trotzdem gespürt, mich aber für die Selbstkontrolle entschieden. Christen, die nicht die Erfahrung der Geisttaufe gemacht haben, werden bei den Neopfingstlem zwar als Christen, die durch den Glauben an Jesus Christus gerettet sind, akzeptiert, doch fehlt ihnen etwas. Erst durch die Taufe mit dem Heiligen Geist wird man zu einem vollwertigen Christen. Jemand, der diese nicht erlebt hat, kann im Alltag dem Herrn nicht dienen, weil ihm die Kraft dazu fehlt. Er kann in dieser von den Mächten der Finsternis beherrschten Welt nicht "siegreich" Gott dienen. Ein Neopfingstler wie z.B. Finanzminister Villanueva, der die TmHG noch nicht erfahren hat, wird sich, wenn er hört, wie schön diese Erfahrung ist, immer unvollkommen vorkommen, zumal er seine Unvollkommenheit immer wieder zu spüren bekommt, wenn alle anderen um ihn herum ihre Geistesgaben zeigen.
2.3
Aufgabe und Wirken des Heiligen Geistes
Der Heilige Geist wirkt nach Aussagen der Interviewpartner in allen Lebensbereichen der Christen. Er stellt die Verbindung her zwischen den Menschen und Gott. Er führt zu Christus und vermittelt seine Präsenz in der Welt. Den Sündern hält er ihre Sünden vor und überführt sie, den Christen gibt er die Kraft, ihre Aufgaben zu erfüllen. Er ist es auch, der das Wachstum der Kirchen bewirkt. Er heiligt die Christen für ein besseres Leben und beschützt sie vor bösen Mächten. Vor allem verleiht er den Gläubigen Macht. Im einzelnen wurden folgende Wirkungsweisen des Heiligen Geistes im Leben einer Person genannt:27 Er verleiht Macht, Weisheit, Schutz, Gelassenheit, Liebe, Glaube, Freude, Hoffnung, Festigkeit, Glaubenswachstum; er gibt Rat bei Problemen, die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit, die Freiheit zum Loben und Helfen, Kraft in den Dienst zu gehen, Erleuchtung und Verständnis beim Bibellesen, Kraft zum Predigen, Wissen, Macht für die Kirchen; er ist die Quelle der Kraft, wie ein Feuer, Anwalt, Führer, Helfer; er macht alles; er bewahrt Menschen vor der Selbstzerstörung; er weckt Verantwortung; er be27
Siehe Anhang 1, Frage 13.
Karl Braungart
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kämpft Egoismus; er motiviert; er weckt Mitleid; er macht Jesus ähnlich; er bewirkt Verständnis für andere, Reue, Heiligung an Körper und Geist; er wohnt in uns schon vor der Bekehrung; er beschützt vor bösen Mächten; er hält im Glauben lebendig; er überwindet Angst; er zerstört Barrieren und Zwänge Satans in Armee und Familie (z.B. Komplexe); er bewirkt im Gottesdienst Zungenrede, Anbetung, Lobpreis, Prophetie, Heilungen, Wunder; er bewirkt Besserung der Menschen, Prosperität, Heiligung für eine bessere Zukunft; er hält uns die Sünde vor; er zeigt Fehler des Glaubens auf; er führt, tröstet, inspiriert, zieht hoch. In den Aussagen dominiert der Bezug zur persönlichen Frömmigkeit, zur Lebensgestaltung. Der Begriff "Poder" (Macht, Kraft) wurde im Zusammenhang mit dem Heiligen Geist am häufigsten genannt. Er bedarf einer eingehenderen Untersuchung. 2.3.1
Macht durch den Heiligen Geist
Auf dem Hintergrund des dichotomischen Weltbildes ist die Verleihung von Macht durch den Heiligen Geist von höchster Bedeutung. Neben der Verleihung von "fuerza" und "fortaleza" (Kraft; Stärke), die für die Bewältigung der einzelnen Erfordernisse des Alltagslebens von Bedeutung sind, meint die Verleihung von "Poder" (Macht) die grundsätzliche Beteiligung an der Macht Gottes. Damit wird der geistbegabte Christ in der Welt aus dem Machtbereich der finsteren Mächte herausgenommen. Er ist nicht mehr den bösen Mächten ausgeliefert, sondern ist mit der Macht des Heiligen Geistes ausgestattet und kann in der Auseinandersetzung mit den Mächten der Finsternis siegreich bestehen. "In der Bibel steht, daß wir von dem Heiligen Geist erfüllt sein müssen, um Macht zu haben. Der Heilige Geist muß in uns sein, damit wir die Macht haben, die Kräfte des Feindes auszuschalten und den Teufel anzugreifen, der danach trachtet, uns zu vernichten." Die Ausstattung mit Macht ermächtigt die Christen ein Leben zu führen, das aus einer Kraftquelle schöpft, die über die bisherigen menschlichen Möglichkeiten hinausgeht. Die Verleihung des Heiligen Geistes ist eine Ermächtigungsstrategie zur Dominierung der Welt und zur Entgrenzung der eigenen Handlungsmöglichkeiten: "Ich verstehe unter Macht diese übernatürliche Energie, die uns zu den großen Dingen treibt, nicht um die Unmöglichkeit dieser Dinge zu sehen, sondern vielmehr, um die Möglichkeiten Gottes zu sehen. Sie basieren mehr auf Gottes Möglichkeiten, als auf
Untersuchung theologischer Topoi
101
unseren eigenen menschlichen Möglichkeiten. Es geht dabei um Inspiration und um Aktion, einschließlich des (geistlichen, K.B.) Wachstums." (L.R. González) Die Kirchen, die auf die Macht des Geistes vertrauen, wachsen. Sie können ihre Aufgaben erfüllen und durch Mission noch mehr Menschen für Christus gewinnen. Für die neopfingstlichen Christen besteht in der durch die Taufe mit dem Heiligen Geist erworbenen Macht die Möglichkeit, die dämonisch bestimmte Wirklichkeit der honduranischen Gesellschaft zu verändern. Zeichen dieser Veränderung sind in den Geistesgaben sichtbar. Damit sind ihnen die symbolischen Mittel gegeben, den Kampf für das Reich des Lichts zu führen in der Gewißheit, zu den Siegern zu gehören. Der Kampf auf der geistlichen Ebene ist schon entschieden, weil in Jesu Tod Satan besiegt wurde. Auf der materiellen Ebene muß dieser Sieg noch nachvollzogen werden. Daß dies geschieht, ist für die Neopfingstler daran erkennbar, daß Gott den Seinen Prosperität im umfassenden Sinne schenkt.28 2.3.2
Prosperität
Durch den Heiligen Geist wiid den Christen Prosperität geschenkt. "Prosperität in unserem Verständnis ist nicht nur ökonomisch, sondern auf allen Ebenen. Aber wir lehren auch, daß die wirtschaftliche, die materielle Prosperität Teil des Glaubens ist. Wir sehen zum Beispiel Abraham, wie er prosperierte. Die Segnungen enthielten auch eine materielle Prosperität. Der Apostel Johannes sagt, so wie eure Seelen prosperieren, so sollt ihr in allem prosperieren und Gesundheit haben. Die Prosperität schließt also Geld oder wirtschaftliche Güter, Frieden, Hoffnung, Freude und Gesundheit mit ein." (Reyes) Dies geschieht aber nur in dem Maße, wie gut jeder einzelne mit dem von Gott Anvertrauten haushalten kann. "Wir können Prosperität erreichen in dem Maße, wie wir Gott treu sind..." (A. Rodríguez). Derjenige, der treu ist, der wird von Gott mit Prosperität belohnt. Treue zu Gott drückt sich auch in Pflichterfüllung und Tüchtigkeit in der Arbeit aus. "Demjenigen, der arbeitet und die Bibel befolgt, dem gibt Gott (Prosperität, K.B.)." (Nieto) "Ich werde das, was ich zu tun habe, qualitativ ausgezeichnet machen." (Delfina de Lezama). 2g
Siehe dazu Anhang 3.
102
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Zu einem Leben in der Macht des Heiligen Geistes gehört die Prosperität, die von Gott geschenkt wird, wenn der Gläubige seinen Teil durch Pflichterfüllung und Arbeit beiträgt. Es wird die Hoffnung vermittelt, daß es möglich ist, in Prosperität zu leben, wenn man viel arbeitet, denn das ist Gott wohlgefällig. Pastor Zelaya berichtet, daß der Heilige Geist wundersame Verhaltensänderungen bewirkt habe und arme Menschen durch den Heiligen Geist zu Wohlstand gekommen seien. Es gehe aber nicht darum, sich zu bereichem, sondern das Erhaltene im Geben für Gott einzusetzen, weil im eigentlichen Sinne deijenige reich sei, der zufrieden sei und Gott habe.29 In Zeugnissen von Mitgliedern der "Hombres Cristianos de Negocio" wird berichtet, wie Christus ihnen zu Reichtum verholfen hätte. Ein Mexikaner, der in Honduras eine Sprachenschule betreibt, berichtet, wie er zu Gott gebetet hätte, damit er wieder das Geld von rückständigen Schuldnern erhalte, auf das er wegen Verjährung schon keinen Rechtsanspruch hätte. Durch Gottes Hilfe hätten die Schuldner ihre Schulden bezahlt. Er hätte kein Haus gehabt, aber durch Gottes Hilfe hätte er nicht nur eine, sondern acht Wohnungen bekommen. Im neopfingstlichen Verständnis von Prosperität wird einerseits der Geschenkcharakter betont, andererseits aber auch der menschliche Beitrag gefordert. Beides zusammen gesehen, läßt den gesellschaftlichen Wohlstand in der honduranischen Gesellschaft möglich erscheinen, wenn der einzelne Christ tüchtig arbeitet. Im Gegenzug dazu muß Armut dann als Folge von Faulheit und Gottesferne erscheinen oder als Folge von Ungerechtigkeit, die durch die Mächte der Finsternis bewirkt wird und nur wenigen großen Reichtum bringt.
3.
Eschatologie
Im folgenden soll den eschatologische Vorstellungen nachgegangen werden. Sie können angesichts der gesellschaftlichen Situation in Honduras und des neopfingstlichen Weltbildes die Erwartungen an Gottes Handeln und die Möglichkeit oder Unmöglichkeit menschlichen Handelns in der Geschichte begründen. Was erhoffen sich die Mitglieder der neopfingstlichen Kirchen in Honduras von der Zukunft? 29
Nicht jeder Reichtum sei von Gott Satan könne auch materielle Reichtümer verteilen. (Ochoa)
Untersuchung
theologischer
Topoi
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Die Erwartung der baldigen Wiederkunft Christi ist für die neopfingstlichen Kirchen grundlegend. Von Christus erwarten sie, daß er wieder auf die Erde kommt und sein Reich errichtet. Alle Interviewpartner sind überzeugt, daß dies sehr bald sein wird. Ihre Naherwartung stützen sie auf Zeichen der Zeit, die vor 15-25 Jahren noch nicht sichtbar gewesen, nun aber überall auf der Welt erkennbar wären. Diese Zeichen seien in der Bibel, in Mt.24, schon prophezeit worden: Seuchen, Kriege, Kriegsgerüchte, Haß der Söhne gegen ihre Väter, Haß der Väter gegen ihre Söhne und die Auflösung der Familie. Niemand wisse aber genau, wann Christus wiederkomme. Die Christen müßten jedoch bereit sein.30 Die persönliche Haltung zum Kommen Christi ist gespalten. Einerseits drücken die Interviewpartner freudige Erwartung aus, denn bei Christus erwartet sie etwas Schöneres, ohne die Probleme dieser Welt, andererseits verspüren sie Traurigkeit für die Menschen, die noch nicht bekehrt sind und deshalb die schlimme Erfahrung des Verlorenseins machen müssen. Eine Verunsicherung, ob man vom Kommen Christi nicht überrascht wird, ist ebenfalls vorhanden. 3.1
Millenarismen 3 1
Darüber, wie die Wiederkunft Christi stattfinden wird, besteht bei den Neopfingstlern in Honduras keine einheitliche Meinung. Pastor Zelaya glaubt zwar an eine baldige Wiederkunft Christi, weigert sich aber, darüber eine Lehre zu entwickeln, weil die unterschiedlichen Lehren den Leib ChriIm Gottesdienst von Amor Viviente am 2.6.1990 konkretisierte die texanische Predigerin Francis Hunter die Zeit der Wiederkunft Christi. Sie fragte die Gottesdienstbesucher: "Wer glaubt, daß Christus bald wiederkommt?" Fast alle hoben die Hand. Dann meinte sie: "Er kommt früher, als ihr glaubt!" Sie erzählte zur Verstärkung ihrer Aussage eine Geschichte, die sich in der Nähe von Houston / Texas ereignet habe. Ein gläubiger Kirchenältester und seine Frau waren unterwegs mit dem Auto, als sie an einem jungen Anhalter vorbeifuhren. Obwohl sie normalerweise keine Anhalter mitnahmen, hielten sie dieses Mal an, von einer inneren Kraft getrieben, und nahmen den jungen Mann mit. Er setzte sich auf den Rücksitz. Sie erzählten ihm von Jesus und von seiner Wiederkunft. Der Anhalter fragte sie: "Was glaubt ihr, wann er wiederkommt?" Das Paar antwortete, er käme bald, noch in diesem Jahrzehnt, aber höchstens in IS Jahren. Der Anhalter antwortete: "Er kommt noch früher, als ihr glaubt" und verschwand unsichtbar aus dem Auto. Vor Schreck steuerte der Fahrer das Auto in Schlangenlinien, bis er von einem Polizisten angehalten wurde. Als sie ihm die Geschichte erzählten, sagte er: "Wenn sie mir die Geschichte noch vor zwei Wochen erzählt hätten, hätte ich ihnen das nicht geglaubt, aber in den letzten zwei Wochen habe ich IS Fahrer gestoppt, die mir alle das Gleiche erzählt haben." Frau Hunter versicherte, Kirchenleute hätten den Wahrheitsgehalt der Geschichte nachgeprüft. 31
Vgl. Kap 1.5.3.2. und 1.5.3.3.
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sti nur spalten würden. Pastor Nieto hingegen bezeichnet sich selber als Prämillenaristen. Die Wiederkunft Christi findet nach seinem Verständnis in zwei Etappen statt. Die erste Parusie Christi bleibt der Welt verborgen und findet nur für die "Seinen", die Kirche, statt.32 Die Christen werden dabei von der Welt entrückt. Diese Entrückung geschieht prätribulationistisch, vor der großen Trübsal. Die Welt, ohne die Christen und den Heiligen Geist, bleibt auf sich selbst gestellt, der Herrschaft des Antichristen ausgeliefert. Danach kommt Christus ein zweites Mal, als Herrscher, auf die Welt und besiegt den Antichristen in der Schlacht von Armageddon und errichtet sein Tausendjähriges Reich.33 Die Aussagen der anderen Interviewpartner sind nicht so genau ausgearbeitet, lassen aber auf einen diffusen Postmillenarismus schließen. Diese Vorstellungen sind für das neopfingstliche Selbstverständnis bedeutsamer als prämillenaristische. Grundlegend dabei ist die Erwartung der baldigen Wiederkunft Christi. Diese ist noch nicht geschehen, weil Gott den Nichtgläubigen noch eine letzte Chance gibt, sich zu bekehren und gerettet zu werden. Wenn allen Menschen das Evangelium gepredigt wurde, kommt Christus wieder. Bis dahin ist es die Aufgabe der Christen, aktiv zu sein, um möglichst viele Menschen mit dem Evangelium zu erreichen und das Reich Gottes auszudehnen. Die Tribulation findet dabei zwar keine explizite Erwähnung, sie ist aber schon im Weltbild integriert durch die Herrschaft Satans über die Welt. Am Kampf gegen diese Herrschaft sind die Christen aktiv beteiligt, dadurch daß sie für die Verbreitung des Reiches Gottes kämpfen. Die Tribulation wird also nicht nur als begrenzter Zeitraum verstanden, "der sich nur auf einige Jahre unmittelbar vor dem 1.000jährigen Reich beschränkt, sondern als ein Ausdruck gesellschaftlicher Herrschaft im Verlauf der gesamten Geschichte"34. Die eschatologischen Vorstellungen weisen sowohl futurische als auch präsentische Aspekte auf. Diese sollen nun nachgezeichnet werden, um die Übergänge der beiden millenaristischen Vorstellungen und ihre ethischen Auswirkungen differenzierter beschreiben zu können, da bei den Neopfingstlern in Honduras eher Mischformen zwischen post- und prämillenaristischen Erwartungen vorherrschen. 32
Nieto stützt sich dabei auf folgende Bibelstellen: l.Kor.15,51; 2.Thess.; l.Thess.4,15ff.
33
Vgl. Schäfer, Das Reich der Freiheit, 140f.
34
Schäfer, Das Reich der Freiheit, 141.
Untersuchung theologischer Topoi
3.1.1
105
Futurische Eschatologie
Stärker als der Postmillenarismus ist der Prämillenarismus auf das futurische Ereignis der Parusie Christi ausgerichtet. Die Gegenwart ist Schauplatz des sich ausbreitenden Reiches des Antichristen. Ein Engagement der Christen in der Welt, außer zur Rettung nichtgläubiger Menschen, ist daher nicht angebracht, weil dies nicht der Plan Gottes für die Welt ist.35 "Die Identifizierung des Weltgeschehens mit dem in der Bibel Prophezeiten legt es als vorhergesehen und damit als vorherbestimmt fest."36 Der Blick ist auf die zukünftige Parusie gerichtet als Beendigung der Geschichte, zuerst für die Gläubigen, danach für die ganze Welt. Ebach nennt als Ort apokalyptischer Vorstellungen in der Bibel die "geographischen und gesellschaftlichen Ränder, die politische Peripherie".37 Nach Schäfer sind die prämillenaristischen Vorstellungen in Mittelamerika bei den Pfmgstkirchen der unteren Schichten am stärksten verbreitet.38 Angesichts von Ungerechtigkeit und Unterdrückung halten sie an der "Forderung nach Gerechtigkeit"39 fest, die aber erst nach dem Ende der Geschichte eingelöst werden soll. Bei den Neopfingstlem in Honduras wird die Notwendigkeit des Kommens Christi nicht mit der Forderung nach einer ausgleichenden Gerechtigkeit begründet, sondern mit dem Zustand der Welt. Wenn Christus nicht wiederkäme, dann drohe die Selbstzerstörung der Menschen oder zumindest eine Willkürherrschaft. Pastor Penalba führt dies am deutlichsten aus: "...das Kommen Christi ist deswegen von Bedeutung, weil der Zustand der Welt von totaler Unterdrückung auf allen Ebenen gekennzeichnet ist: auf der wirtschaftlichen Ebene, auf der Ebene der Gerechtigkeit, der sozialen Ebene einschließlich der Sünde, des Libertinismus, der Aufgeblasenheit oder genauer der Dummheit... Die Welt will ihre eigenen Idole schaffen, ihre eigenen Götter, weil sie keinen Sinn hat. Wir sind daher auf dem Weg der Auflösung auf allen Bereichen, kulturell, sozial und wirtschaftlich. Wenn Christus nicht käme, wenn die Möglichkeit nicht existierte, daß 35
Ders., Protestantismus, 47.
36
Ebach, Jürgen: Apokalypse - Zum Ursprung einer Stimmung, in: Marquardt, Friedrich-Wilhelm/ Schellong, Dieter/ Weinrich, Michael (Hg.): Einwürfe 2, München 1985,26.
37
A.a.O., 32.
38
Schäfer, Das Reich der Freiheit, 142.
39
Ebach, 43.
106
Karl Braungart
Christus kommt, dann, glaube ich, zerstörten wir uns selbst oder zumindest entstünde etwas, eine Bewegung, eine Regierung, die alle beherrschte, die Schwachen beseitigte und entschiede, wer die einzigen sind, die zu leben verdienen." Diese Aussage beinhaltet ein Interesse daran, daß die Welt weitergeht, aber nicht so wie bisher. Penalba stellt sich den Wechsel durch die Wiederkunft Christi als radikalen Eingriff in die Geschichte vor, "bei dem alle Systeme verändert werden in eine neue Dimension, in eine neue Facette für die menschliche Rasse". Diese Perspektive vermittelt den Gläubigen eine Entlastung für die Gegenwart, weil sie eine gute Zukunft erwartet, die sie selbst nicht gestalten müssen, sondern die vom wiederkommenden Christus gestaltet wird. Diese Perspektive wird auch zum Unterscheidungsmerkmal von der Welt, von den Nichtgläubigen, die keine gute Zukunft haben. Somit dient die Zukunftsverheißung als Trost und Anreiz zum Ausharren, bis Christus kommt. Eine andere Auswirkung der futurischen Eschatologie ist die Motivation der Gemeinde, vor dem Kommen Christi noch aktiver im Glauben und im Wirken für das Reich Gottes, z.B. in der Evangelisation, zu sein. "Die Naherwartung intensiviert den von der Zukunftsvorstellung ausgehenden ethischen Impuls. Daß Christus zur Parusie in allernächster Zeit kommen wird, rüttelt die Lauen aus dem Schlaf...".40 3.1.2
Präsentische Eschatologie
Die Gegenwärtigkeit des Heils wird in postmillenaristisch orientierten Vorstellungen stark betont. Bei den Neopfingstlern in Honduras wird die Gegenwart des durch Christus vermittelten Heils vor allem durch die Ekklesiologie und die Pneumatologie vermittelt. Durch die Kirche der Gläubigen wird der Sieg Jesu Christi am Ende der Zeit schon jetzt vorweggenommen. Es ist jetzt schon möglich, ein "Leben im Sieg" zu führen.41 Es ist ein Sieg über die Widrigkeiten des Lebens und über die Mächte der Finsternis. Von Sieg wird deshalb gesprochen, weil die gegenwärtige Situation eine Kampfsituation mit den Mächten der Finster40
Lampe, Peter: Die Apokalyptiker - ihre Situation und ihr Handeln, in: Merklein, Helmut/ Zenger, Erich (Hg.): Eschatologie und Friedenshandeln; Stuttgarter Bibelstudien 101, Stuttgart, 1981, 106.
41
Ein oft gesungenes Lied bei den 'Hombres Cristianos de Negocio' lautet: "Ich gehe von Sieg zu Sieg mit dem Heim...".
Untersuchung
theologischer
Topoi
107
nis ist, die verhindern, daß Gottes Herrlichkeit hier und jetzt voll erfahrbar ist. "Wir sind in der vollen Hitze des Kampfes. Wir drängen die Finsternis zurück"42, sagt Pastor Reyes und drückt damit aus, daß dort, wo sich die Kirche verbreitet, die Herrlichkeit Gottes sich ausbreitet und wirkt. Dort ist Gottes Handeln spürbar, weil andere Prinzipien gelten. Reyes führt aus: "Als Sieger auf dem Vormarsch haben wir den Ruhm Gottes gesehen. Menschen, die die Welt zerstört hat, die die Welt ausgebeutet hat. Menschen, die ihren Lebensmut verloren hatten. Wir haben gesehen, wie sie auferstanden, sich erhoben, wieder grünten, blühten und im Übermaß Früchte trugen. Wir haben gesehen, wie Männer und Frauen neu geboren wurden. Wir haben gesehen, wie Männer und Frauen sich aus ihren Gräbem erhoben. Wir haben gesehen, wie Männer und Frauen ins Leben zurückkehrten wie Lazarus auf das Wort Jesu hin, unseres großen Herrn, Heilandes und Meisters. Ehre sei ihm.... Wissen Sie, warum ich predige? ... Weil ich das Himmelreich Gottes (Gloria de Dios) gesehen habe. Weil ich gesehen habe, wie sich Männer und Frauen über ihr Elend erhoben, ein neues Leben kennenlernten und sich in einer anderen Dimension bewegten."43 Das Reich Gottes ist schon im hier und jetzt erfahrbar durch Gottes Handeln, das sich in der Kirche konkretisiert. Durch die Ausbreitung der Kirche breitet sich Gottes Reich in der Welt aus. Das ist laut R. González "ein Anzeichen, daß sich das Reich Gottes in unsere Mitte bewegt". Deshalb kann Reyes auch sagen. "Wir sind ein Sieg auf dem Vormarsch. Vida Abundante ist ein Sieg auf dem Vormarsch."44 Ein Leben im Sieg bedeutet, durch den Heiligen Geist in den Charismen die Realität des Reiches Gottes zu erfahren. Im Lobpreis in den Gottesdiensten nehmen die neopfíngstlichen Kirchen den vollkommenen Sieg Christi schon vorweg und feiern ihn. Somit wird in jedem Gottesdienst der Sieg Christi über die Welt vergegenwärtigt und in Zeichen und Wundern erlebt. Jede Heilung ist ein sichtbares Zeichen der Präsenz des Heils. Ein Leben im Sieg bedeutet auch, im ökonomischen Bereich zu den Siegern zu gehören und zu prosperieren. Prosperität wird zu einem theologischen Begriff, der die Präsenz des Reiches Gottes anzeigt. Dort, wo Menschen prosperieren, ist Gottes Heil präsent. In dem Maße, wie sich der 42
Reyes, Evelio: Una Victoria en Marcha, Predigt; Anhang 4.
43
Ebd.; ausführlich dazu siehe Anhang 4.
44
Ebd.
Karl Braungart
108
Glaube an Christus ausbreitet, werden die Menschen prosperieren. Der Gastprediger Collado sagt deutlich: "Prosperität ist der Plan Gottes. Zerstörung und Armut ist der Plan des Teufels."45 Diese Prosperität ist als Verheißung für die Gläubigen hier in der Gegenwart möglich. Eschatologie ist hier nicht die Infragestellung alles dessen, was ist, damit es nicht so weitergeht wie bisher. Die Richtung, in die es weitergehen soll, soll nur korrigiert werden. Es ist möglich, daß sich in der Gegenwart Gottes Heil zeigt, allerdings nur im Bereich der Kirche und im individuellen Bereich der Gläubigen. Für die neopfingstlichen Gläubigen werden gesellschaftliche Probleme damit zum Teil gelöst, weil hier und jetzt das Heil erfahren werden kann in einem Leben auf der Siegerseite und in Prosperität. In Reinform ist diese Haltung jedoch nicht anzutreffen. Die gesellschaftlichen Mißstände, von einem unterentwickelten, abhängigen und armen Land aus gesehen, lassen diese Perspektive auch nicht eindeutig zu. Deshalb kommt es in Honduras wohl auch zu einer diffusen Mischform von futurischer und präsentischer Eschatologie in verschiedenen millenaristischen Vorstellungen.
4.
Gottesbild
Die neopfingstlichen Christen berufen sich in den Predigten bei ihrer Rede von Gott auf die biblische Tradition des Alten und Neuen Testaments. In der Predigt bei der Vorstellung der Präsidentschaftskandidaten beschrieb Pastor Reyes Gott so: "... Welcher Gott? Der Gott der Bibel. Der Gott Abrahams. Der Gott Isaaks. Der Gott Jakobs. Der Gott des Paulus. Der Gott Jesu Christi. Unser Gott, der gerade mitten unter uns ist."46 An diesem Zitat irritiert, daß vom Gott Jesu Christi gesprochen wird, obwohl Jesus Christus auch bei den Neopfingstlern selbst Gott ist. Es zeigt sich eine unmittelbare Anknüpfung an biblische Traditionen vor allem des alten Testaments und deren Fortführung in der Gegenwart.
45
Collado, Predigt, Anhang 3.
46
Reyes, Evelio: Predigt bei der Vorstellung der Präsidentschaftskandidaten am 26.10.1989 im Gottesdienst von Vida Abundante, Anhang 5.
Untersuchung theologischer
Topoi
109
Es wird auch häufig von "Jehovä de los ejercitos"47 (Jehova der Heerscharen) gesprochen oder vom "gran creador y sustentador del universo, nuestro Dios"48 (dem großen Schöpfer und Erhalter des Universums, unserem Gott). Gott kommt vor allem als der mächtige, übernatürliche Gott, der Gott als Sieger, der sich nicht ändert, zur Sprache. Andererseits ist Gott sehr nahe, geradezu zum Anfassen. Dies kommt in einer Predigt bei Puerta al Cielo zum Ausdruck, wenn gesagt wird: "Willst du Gott berühren? Dann berühre deinen Nachbarn (sie! K.B.), denn Gott ist anwesend in deinem Nachbarn"49. Dadurch wird der einzelne Mensch aufgewertet, weil Gott in ihm präsent ist. In den Interviews kommt einerseits ein autoritäres Gottesbild zum Ausdruck, andererseits auch ein sehr persönlicher Gott, der sich um die Belange des Einzelnen kümmert und eine Zukunft ermöglicht. Eine klare Trennung der Merkmale in den Aussagen der Interviews ist aber nicht immer möglich. Autoritäre Merkmale können durchaus auch ein persönliches Gottesbild enthalten. 4.1
Autoritäre Merkmale
Das Gottesbild der Neopfingstler ist stark von autoritären Denkmustern geprägt. Gott ist hauptsächlich stark, allmächtig und der Herr. Diese Vorstellung wird vor dem Hintergrund des Weltbildes wieder verständlich, in dem es um den Kampf Gottes mit den Dämonen geht. Ein leidender Gott hat, wenn es um den Sieg geht, wenig Platz im kosmischen Kampf. In den Interviews lassen folgende Redeweisen über Gott autoritäre Merkmale des Gottesbildes erkennen: Gott, der Vater; wir sind Kinder Gottes; Gott ist heilig; Gott führt die Kirche; Gott gibt die Richtung an; wir müssen Gottes Führung erbitten; Gott der Vater, der König, der absolute Herr sagt mir wohin, was tun, wann und wo; Gott gibt Autorität; Autorität Gottes; Gott ist kein Unterdrücker; Gott ist mächtig und weise; er ist ein mächtiger Gott; Gott stellt sich nicht gegen irdische Autorität; Gott unterstützt delegierte Autorität; Gott kontrolliert die Nationen; Gott 47
Reyes, Evello: De acuerdo con Dios, Predigt gehalten im Gottesdienst der Iglesia Cristiana Vida Abundante, Januar 1988.
48
Ebd.
49
Predigt des Gastpredigers Pantoja von "El Verbo" aus Guatemala im Gottesdienst von Iglesia "Puerta al Cielo"; am 16.9.1990.
110
Karl Braungart
ist souverän; er ändert sich nicht; er segnet ein Land; jeder Christ muß ein klares Konzept von Gott haben; Vor allem die Verwandschaftsmetapher im Bild Vater - Kind wird sehr häufig genannt und drückt m. E. das neopfingstliche Gottesbild am treffendsten aus. Damit wird auch ein Autoritätsverhältnis beschrieben, das dem Vater einen Anspruch auf Gehorsam zubilligt und bei Ungehorsam Sanktionen einschließt. Allerdings gehört zu diesem Verhältnis auch Liebe, Güte, Vertrauen und Fürsorge für die Kinder.50 Die Kinder sind dem Vater unterworfen, können aus dieser Unterwerfung aber auch Nutzen ziehen, wenn sie dem Vater gehorsam sind, denn der Vater erfüllt die Wünsche der Kinder.51 Das Ziel ist, dem Willen des Vaters immer besser zu entsprechen. Er gibt im privaten wie auch im kirchlichen Bereich die Richtung an. Damit wird die Autorität eines Führers angesprochen, der im Leben "Ortsunkundige" zum Ziel führt. Es werden auch Herrschaftsmetaphern archaischer Gesellschaftsformen verwendet: Gott als König, Gott als absoluter Herr, der absolut souverän ist. Dem entspricht, daß die Vorstellungen, die "Konzepte" von Gott, klar sein müssen, ohne jeden Zweifel. Im Leitungskurs von Amor Viviente wird der Herrschaft Christi (El Señorío de Cristo) ein eigenes Kapitel gewidmet. Darin wird eine Christologie der Herrschaft anhand der Begriffe "Herr" (Kyrios) und "Diener" (Dulos) entworfen. Im neutestamentlichen Gebrauch hätte der Begriff "Herr" drei Bedeutungen: 1. Besitzer, Eigentümer; jemand, der alle Rechte über Güter und Personen (Sklaven) besitzt. 2. Oberste Autorität; jemand, der Befehle und Instruktionen gibt, denen gehorcht werden muß, wie z.B. im Verhältnis Vater - Sohn oder Offizier Soldat. 3. Gott; eine Person, die auch als göttlich betrachtet wird, wie z.B. Jesus Christus oder der römische Kaiser. "Diener" hätte demgegenüber folgende Bedeutungsebenen: 1. Sklave; er ist Eigentum eines Herrn und hat dadurch keine Rechte und Privilegien: Er verliert seine Freiheit, seinen Willen und seine Identität. 50
Popp, Ulrike: Mythen und Motive autoritären Handelns - Ein kulturpsychologischer Beitrag zur Autoritarismusforechung, Frankfurt/New York 1989, 109.
51
Reyes, Evelio: De acuerdo con Dios.
Untersuchung theologischer
Topoi
111
2. Bedingungsloser Diener; er dient ohne Vorbedingungen, weil er seine Arbeit tun muß. 3. Abhängige Person unter Herrschaft anderer; er ist so abhängig vom Herrn, daß er es nicht wagt, eigene Entscheidungen für sein Leben zu treffen, sondern er richtet sich ganz am Herrn aus. In diesem Verhältnis befindet sich der Christ zu Christus. Jesus Christus ist aus zwei Gründen der Herr: 1. Als Sohn Gottes hatte er in der Ewigkeit aufgrund seiner göttlichen Natur den Titel Gott. Aber die Position des "Herrn" bekam er erst von Gott Vater aufgrund seines Gehorsams im irdischen Leben. "Aufgrund dieses Gehorsams machte ihn Gott Vater zum HERREN ÜBER ALLES UND VON ALLEN." Phil.2,5-11 dient dafür als Beleg. 2. Christus ist Herr über unsere Leben, weil er den Preis dafür bezahlt hat (l.Kor.6,19-20). Er hat die Menschen von Satan freigekauft, an den die Menschen nach dem Sündenfall versklavt wurden. Somit ist er der rechtmäßige Eigentümer. "Von nun an in Ewigkeit hat er das Recht über unser Leben. Der HERR bezahlte den Preis, um uns zu besitzen, und er hat nun alle Rechte über sein Eigentum." Christus hat die Herrschaft über die Engel im Himmel, über die "geistigen Kräfte der Bosheit" und über die Menschen. Er sitzt zur Rechten Gottes und regiert von diesem Orte aus, an dem er angebetet wird von seinen Dienern. Für die Gläubigen hat dies zur Konsequenz, daß Christus der Herr über ihr Leben ist. Sie sind nur noch Haushalter über ihr Leben. Es geht jetzt darum, die eigenen Wünsche und Vorstellungen zurückzustellen und nur noch danach zu streben das zu tun, was der Herr von ihnen will. Dafür werden sie auch an der Macht des Herrn beteiligt, so wie ein Militär an der Autorität seiner Vorgesetzten beteiligt ist. Die Herrschaft von Menschen über andere ist von der Herrschaft Gottes abgeleitet.
Karl
112
4.1.1
Braungart
Exkurs über "Delegierte Herrschaft" (autoridad delegada) 52
Im schon erwähnten Leitungskurs von Amor Viviente werden dem Thema "Delegierte Herrschaft" zwei Kapitel gewidmet. Der Begriff "Herrschaft" (autoridad) wird definiert als Gewalt, Kraft, Befugnis und Souveränität. Herrschaft hat eine Person über eine untergeordnete Person, z.B. der Vater über den Sohn oder der Vorgesetzte über seine Untergebenen. Der Ursprung jeglicher Herrschaft ist in Gott. "Die Bibel lehrt, daß der Ursprung der Herrschaft in Gott ist. Das umfassendste und konkreteste Verständnis von Herrschaft, konzentriert sich in Gott selbst. Sein Thron gründet sich auf Herrschaft." Gott ist allmächtig, souverän und der Schöpfer. Ihm gehört das Reich, die Kraft und der Ruhm. Vom ihm geht alle Macht aus, und er kann sie nach seinem Belieben ausüben. Von den Christen wird erwartet, daß sie sich der Herrschaft Gottes unterordnen. Jegliche Auflehnung (rebeldía) hat ihren Ursprung in Satan. Für die Unterordnung gelten fünf Prinzipien: 1. Man muß mit der Herrschaft Gottes Erfahrung haben (vgl. Paulus, Apg.9,3-6). 2. Um die Herrschaft Gottes zu verstehen, bedarf es einer Offenbarung im Herzen. 3. "Damit es zur Ergebenheit kommt, müssen wir das 'ich' aus unseren Herzen ausschließen und Gott in unseren Leben die Priorität geben." 4. Jesus war das beste Beispiel für Gehorsam. 5. "Um Ergebenheit zu lernen, müssen wir zuerst den Unterschied zwischen Gehorsam und Ergebenheit verstehen: Gehorsam: Den Willen eines anderen tun. Dies kann geschehen aus Furcht vor der Herrschaft. ES IST EIN ÄUSSERER AKT. Ergebenheit: Ehrfurcht, Unterordnung, die sich in Worten und Handlungen zeigt. Der Gehorsam ist hier nicht etwas Äußerliches, sondern etwas, was im Herzen vor sich geht bezüglich der Herrschaft. ES IST EINE INNERE HALTUNG." Die Herrschaft Gottes wird an Menschen delegiert. Rom. 13,1 wird herangezogen, um zu zeigen, daß jede Herrschaft, die in der Welt existiert, von Gott errichtet und an Menschen delegiert wurde. Sieben Lebensbereiche
52
"Autoridad" wird hier mit "Herrschaft" übersetzt, weil dieser Begriff im Deutschen dem spanischen Begriff "autoridad" in diesem Kontext am ehesten entspricht.
Untersuchung theologischer
Topoi
113
werden genannt, in denen Gott seine Herrschaft an Menschen delegiert hat, an: 1. Regierende (l.Petr.2,13-17; Titus 3,1). 2. Patrone, Eigentümer oder Chefs (l.Petr.2,18; Eph.5,5-7). 3. Ehemänner (Eph.5,21-24). 4. Eltern (Eph.6,1-3). 5. Pastoren (Hebr.13,17). 6. Andere, den Pastoren nachgeordnete Kirchenführer (l.Thess.5,12f). 7. Alle spirituellen Führer, die in der Arbeit des Herrn stehen (l.Kor.l6,15f). Dazu werden zehn Prinzipien aufgestellt, von denen einige zitiert werden sollen: "2. Alle Herrschaftsverhältnisse sind von Gott errichtet worden. Von daher muß man ihnen gehorchen. ... 3. Wir müssen anerkennen, daß die an eine Person delegierte Herrschaft von Gott ausgeht. 4. Wenn wir schwierige Anweisungen bekommen, müssen wir ihnen folgen, in dem Wissen, daß wir nicht der Person gehorchen, sondern dem Prinzip der Herrschaft, die von Gott errichtet wurde. Dies ist eine Haltung des Glaubens und hängt nicht vom Verstand ab. 5. Wie wir uns der direkten Herrschaft Gottes unterordnen müssen, so müssen wir uns auch der delegierten Herrschaft unterordnen. 6. Gott will nicht nur, daß wir gehorsam sind, sondern auch, daß wir der delegierten Herrschaft ergeben sind. 7. Der einzige Fall, in dem wir den Anordnungen der delegierten Herrschaft nicht gehorchen müssen, ist, wenn diese gegen unser eigenes Gewissen oder gegen unsere christlichen Uberzeugungen verstoßen. 8. Derjenige, der die delegierte Herrschaft ablehnt, lehnt Gott selbst ab. Derjenige, der gegen die delegierte Herrschaft Widerstand leistet, leistet Gott selbst Widerstand. ..." Die Ausübung von Herrschaft soll jedoch nicht der Willkür jedes einzelnen überlassen bleiben: "Eine delegierte Herrschaft muß die Herrschaft Gottes repräsentieren und darf nie meinen, daß sie die Herrschaft aus sich selbst hat oder einen größeren Verdienst hat, als die anderen." Derjenige, der
114
Karl Braungart
Herrschaft ausübt, muß sich selbst verneinen und in dauernder Kommunion mit dem HERRN sein. Zu den anderen muß er liebenswert und fürsorglich sein. Die mißbräuchliche Ausübung der delegierten Herrschaft führt zur Bestrafung durch Gott (vgl. Mose; Num.20,1-13). Was die Herrschaft des Staates anbetrifft, gibt es nach Pastor Reyes einige Einschränkungen und Bedingungen. Ausgehend von dem Jesuswort "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist" (Mt.22,21) entwickelt Reyes das Verhältnis zum Staat. Er schreibt: "Der erste Teil der Aussage Jesu ist eine völlige Verteidigung des Respekts und des Gehorsams der zivilen Obrigkeit gegenüber, die sich legitim konstituiert hat und vom Volk akzeptiert ist. Die Auswirkung der zeitlichen Macht hat einen weiten Horizont: Sie umfaßt all das, was auf das Wohl der Gemeinschaft ausgerichtet ist im Rahmen eines juristisch legalen Rahmens, der durch die Mehrheit des Volkes oder durch seine legitimen Vertreter akzeptiert ist. Man muß der Regierung in allen Gesetzen und Nonnen gehorchen, die die Menschenrechte und daraus abgeleitete Pflichten als Leitlinie haben. Im Gegenzug hat die zivile Obrigkeit ihre Grenzen in allem, was sich gegen die Bürger richtet. Denn die Exekutive hat als Aufgabe nur den effektiven Dienst am Volk, das sie gewählt und akzeptiert hat. Wenn die Obrigkeit den legalen Rahmen verläßt, innerhalb dessen sie regieren darf und soll, dann hat sie keinen Anspruch auf Gehorsam. Und was ist, wenn sie gegen die göttlighen Gesetze verstößt? Hier ist dann die zweite Beschränkung der zivilen Macht, die sich gründet in der Aussage Jesu: 'Gebt Gott, was Gottes ist'. Das bedeutet, daß die menschliche Autorität nicht absolut ist."
4.2
Persönliche Merkmale
Neben autoritären Merkmalen hat das Gottesbild auch persönliche Charakteristika, die Nähe zu Gott schaffen und Geborgenheit vermitteln. Diesen Aspekt lassen folgende Redeweisen erkennen: er hört; er hilft; er übt Kontrolle über alle Situationen meines Lebens aus; er hat mich vorgesehen; er ist immer mit uns; er ist an unserer Seite; er nährt uns jeden Tag; er gibt jeden Tag Kraft; er ruft uns; er redet im Gebet; er will, daß es uns gut geht; er spricht auch heute; er erhört Gebete; Gott hat ein Ziel für mein Leben; ich bin ein Instrument Gottes; wir sind Ebenbilder Gottes; Gott hat uns
Untersuchung theologischer Topoi
115
ausgesucht; Gott ist wunderbar; Gott ist treu; Gott gebraucht Christen; bei Gott gibt es keine sozialen Klassen; er beruft Menschen, Licht zu sein; er ist unbedingte Liebe; er zeigt uns, was wahre Liebe ist, wenn er in uns wohnt; er wertet Menschen auf; er ist ein Gott des Lebens; ein Gott der Wunder; Christen leben in der Kraft Gottes; Der Einzelne erfährt in Gott Hilfe. Gott ist der ständige Begleiter im Leben und wenn man ihn braucht, ist er immer da. Der Einzelne wird in Gottes Handeln in der Welt miteinbezogen, so daß sein Leben in einem größeren Kontext steht und Sinn bekommt. Jeder einzelne Tag wird somit zu einem Austausch mit Gott, der eine Aufgabe hat und die Kraftquelle ist, die für die Aufgabe nötig ist. Der mächtige Gott bindet den gläubigen Menschen ein in sein Handeln: "Gott braucht dich, um zu lieben. Wenn ich jemandem sage, ich liebe dich', 'ich akzeptiere dich', 'ich verzeihe dir', 'ich mache dir Mut', dann ist es Gottes Liebe, die diese Person liebt durch mich"53. Es zeigt sich die weiche Seite Gottes, die integriert, statt ausgrenzt.
4.3
Gesellschaftliche Merkmale
Gott beschränkt sich nicht nur auf den individuellen Bereich, sondern hat Auswirkungen auf die Gesellschaft, indem er dem Land Honduras eine Zukunft ermöglicht. Folgende Redeweisen lassen dies erkennen: Gott gibt andere Arbeit (bei Arbeitslosigkeit); er bringt Situationen wieder in Ordnung; er befähigt zur Arbeit für das Land; er will alle retten; bei gutem Verhältnis zu Gott verbessert sich die Wirtschaft; Gott gibt mir, dann bin ich reich; Krankheiten sind nicht Gottes Plan, deshalb können sie geheilt werden; wir hoffen auf ein neues System, das Gott einrichtet; Gott wird sein Volk prosperieren lassen; wenn die Regierung durch Gottes Leute besetzt ist, dann werden sich unsere Probleme ändern; wer Gottes Wahrheit leugnet, geht verloren; Leute ohne Gottesfurcht fürchten sich vor überhaupt nichts; an der Gemeinde gefällt mir die Organisation, durch die Gott uns mit allem versieht; in der Befreiungstheologie kommt es zu einer Manipulation des guten, gebenden Gottes der Liebe, des Friedens, des gerechten Gottes; Gott will, daß wir alle einig sind. Gott ist der Garant für ein System des umfassenden Wohlbefindens, das für wirtschaftliche Prosperität und gesellschaftliche Ordnung sorgt. 53
Reyes, De acuerdo con Dios.
Karl Braungart
116
4.4
Zusammenfassung
Das Gottesbild der Neopfingstler enthält stark autoritär ausgerichtete Strukturen. Vom Gottesbild ausgehend, wird eine durch alle menschlichen Beziehungen sich ziehende vertikale Herrschaftsstruktur entworfen. Sie geht von oben nach unten. Davon abgeleitet erfährt auch eine staatliche Herrschaft ihre Legitimation durch die göttliche Delegation an die Regierenden mit der Verpflichtung, sich an Gott auszurichten. Es ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, ob die staatliche Herrschaft durch Wahlen legitimiert ist oder nicht. Ebenso verhält es sich mit kirchlicher Herrschaft, die bis jetzt, wie schon weiter oben beschrieben, stark autoritär geprägt ist und kaum formal demokratisch legitimiert ist. Dem starken, mächtigen Gott auf der einen Seite entspricht auf der anderen Seite ein für die Gläubigen weicher, fürsorglicher und allzeit bereiter Gott. Um Gottes fürsorgliche Seite kennenzulernen, wird aber Gehorsam verlangt. Andernfalls erfolgt die Strafe, wie bei einem strengen Vater. Belohnt werden die Gläubigen für ihren Gehorsam durch Geborgenheit und eine bessere Zukunft. Als allmächtiger Gott ermöglicht er den Menschen eine bessere Zukunft, wenn sie ein Leben im Gehorsam führen. Ein freies Leben ist in diesem Gottesbild nur in Abhängigkeit von Gott möglich, da die Menschen durch Jesus Christus von Satan freigekauft wurden. In diesem Sinne gibt es Freiheit nur durch Unterordnung unter eine Herrschaft, die Freiheit von der Finsternis nur durch Unterordnung unter Gott: "Die Freiheit von einem Träger der Autorität wird durch die Unterordnung unter einen anderen Träger der Autorität möglich"54.
5.
Bibelverständnis
Die Bibel spielt bei den Neopfingstlem eine vielschichtige Rolle. Von den Katholiken wird die protestantische Liebe zur Bibel anerkannt und als Vorbild dargestellt. Der Sekretär der katholischen Bischofskonferenz führt dazu aus: "Ich glaube, daß diese Liebe zur Bibel, zum Wort Gottes, eine großartige Sache ist, die für uns ein Beispiel sein könnte. In diesem Sinne müssen wir noch viel lernen." Die neopfingstlichen Gemeindeglieder wer54
Popp, Mythen und Motive, 112.
Untersuchung
theologischer
Topoi
117
den zur täglichen Bibellese und Meditation über biblische Texte angehalten. Die Bibel ist der Angelpunkt des neopfingstlichen Weltverständnises und der neopfingstlichen Theologie. Mit ihr können sich die neopfingstlichen Christen in der Welt verorten. Die Bibel ist im neopfingstlichen Alltag mehr als nur das Buch der Offenbarung der Botschaft Christi. Sie hat symbolischen Charakter und steht als Garant für das Weltbild. Sie dient durch Bibellese der täglichen Vergewisserung des Glaubens.
5.1
Die Bibel: "Handbuch unseres Lebens"
Die Bibel ist bei den neopfingstlichen Christen vor allem ein praktisches Buch, das Hilfe zum richtigen Leben gibt. Als "Handbuch unseres Lebens" enthält sie eine Anleitung fürs Leben. "Sie hat das letzte Wort" in allen Lebenssituationen. Sie ist ein "aktuelles Buch" für die heutige Zeit, mehr noch sogar, sie ist "die Zeitung von morgen" (Nieto), weil in der Bibel schon geschrieben steht, was morgen passiert. Sie ist auch die "Botschaft der Inspiration, der Ermutigung" (Reyes). Die Bibel kritisiert den Leser, nicht umgekehrt. Durch die regelmäßige Bibellese bilden sich Themen und Kapitel in der Bibel heraus, die für den einzelnen besondere Bedeutung haben. Folgende Themen wurden als Antwort auf die Frage "Welche Themen der Bibel gefallen Ihnen am besten?"55 genannt: Heiliges Leben; korrektes Leben; Licht sein vor Gott; alles, was Gott für uns will: Gesundheit, Prosperität, Weisheit; Prophezeiungen, die sich ereignen werden, aber mich nicht betreffen, weil Gott mich beschützt; praktisches Christentum, das hilft; Familie; Brüderlichkeit der Kirche; Aktivitäten der Urkirche; Leben Jesu als Beispiel; Geschichte des Alten Testaments; Musik und Lobpreis; Glaube; Liebe; Hoffnung; Vergebung; Amt Jesu; Herrschaft Christi; Autorität Gottes; Heiligkeit; Schöpfung; Gericht; Auferstehung; Kreuzigung; Erlösung der Welt durch Christus; Hochschätzung des Menschen; Versprechen Gottes bzgl. Heilung, Prosperität, seine unbedingte Präsenz. Bei den Themen läßt sich ein Schwerpunkt bei der praktischen Lebensgestaltung erkennen. Die Themen, die das christliche Leben in seiner Praxis 55
Frage 16 des Leitfadens; siehe Anhang 1.
118
Karl Braungart
hier und jetzt und die individuellen Sorgen der Menschen betreffen. Einen zweiten Themenschwerpunkt bilden die biblischen Vorbilder im Alten und Neuen Testament. Ihr Beispiel dient zur Orientierung der eigenen Lebenspraxis. Danach kommen Glaubensthemen, die am häufigsten genannt wurden, wie Liebe, Glaube und Hoffnung. Ein anderer Themenstrang bezieht sich auf Gottes Person und Handeln, besonders in Christus. Christus ist der Garant für die neue Lebenspraxis, die durch die biblischen Vorbilder bezeugt wird und von den neopfmgstlichen Kirchen angestrebt wird. Folgende biblische Bücher oder Kapitel, die ihnen am besten gefallen, nannten die Interviewpartner (in biblischer Reihenfolge aufgelistet): Esra; Nehemia; Psalmen; Weisheit; Sprüche; Jesaja; Evangelien bes. Johannes, Matthäus, Lukas; Apostelgeschichte; Paulusbriefe, bes. Römerbrief; Ex.3 (brennender Busch, der nicht verbrennt); Ps.3;4;23;27;51;91; Mt.6 (Sorget nicht; Angst); Apg.2 (Leben der Urgemeinde); l.Kor.5 (Ausschluß der Unzüchtigen). Bei den biblischen Texten war auffällig, daß drei Personen gesagt haben, daß ihnen die Apokalypse nicht gefalle, weil sie ihnen Angst mache oder weil sie zu schwierig sei. Als Lieblingstext wurde die Apokalypse nie genannt, sie wird aber in die Prophetie miteinbezogen. Ein Schwerpunkt liegt bei den Psalmen und den Büchern der Weisheit. Die Psalmen wurden insgesamt am häufigsten genannt, besonders der Ps.23. Psalmen gibt es für alle Aspekte des Lebens, wie z.B. Gesundheit, familiäre Einheit und Harmonie, in denen sie Trost spenden und zur Stärkung dienen. Die Sprüche und das Buch Weisheit enthalten eine "gute Lehre" und entsprechen der Bibel als Handbuch des Lebens. Esra und Nehemia werden als "Männer, die das Werk Gottes tun" gesehen. Sie sollten nach Oberst Väsquez auch heute zur Schulung von Managern und Unternehmern für den Umgang mit Mitarbeitern herangezogen werden. Die Prophetie wurde in den Interviews nur auf die Vorhersage des Zukünftigen bezogen. Die gesellschaftskritische Rolle der Prophetie wurde nicht erwähnt.56 Die Evangelien wurden gelesen, weil sie über das Leben Jesu berichten, allerdings unter unterschiedlichen Aspekten. Das Johannesevangelium sei eher zum Einstieg geeignet und im Lukasevangelium erfahre 56
In einigen Predigten aber kam die gesellschaftkritische Rolle der Prophetie zum Ausdruck. Siehe z.B. Reyes, Predigt bei der Vorstellung der Präsidentschaftskandidaten, Anhang 5.
Untersuchung
theologischer
Topoi
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man viel über die Geburt Jesu, vor allem aber über sein Leiden. Neben den Evangelien werden die Apostelgeschichte und die Paulusbriefe vor allem als Bücher gelesen, die das Leben Jesu und das der Apostel als gutes Beispiel für das eigene Leben darstellen. Die einzelnen Psalmen wurden als "wertvolle Perlen" bezeichnet. In Mt.6 wird die Angst thematisiert und in der Sorge Gottes für den Menschen aufgelöst. In Apg.2 wird das Leben der ersten Gemeinden vorbildlich dargestellt. Die Nennung von l.Kor.5 und der explizite Bezug auf den Ausschluß der Unzüchtigen ist in diesem Zusammenhang eher untypisch und von daher schlecht interpretierbar. Ein Vergleich mit Aussagen von Mariano González, einem pensionierten Pastor der evangelikalen Kirche "Iglesia Centroamericana", zeigt Übereinstimmungen mit den Aussagen der neopfingstlichen Christen, was die biblischen Texte (Johannes - und Lukasevangelium) angeht. Bei den biblischen Themen nennt er die Rettung (salvación), das Amt des Heiligen Geistes in der Welt, die Wiederkunft Christi und das Reich Gottes als Themen, die ihm am besten gefallen, neben anderen Themen, die er auch für wichtig hält. Damit steht er den Aussagen der neopfingstlichen Interviewpartner nahe. Bei einem eher befreiungstheologisch orientierten Pastor der "Iglesia Santidad" zeigt sich eine größere Differenz. Für ihn sind die Bücher Amos und Exodus wichtig und von daher auch die prophetische Stimme der Kirche, die Befreiung des Volkes Israel und das Lehramt der Kirche. Die Gewichtung bei ihm liegt stärker auf der kritischen Anwendung der biblischen Themen auf die gesellschaftliche Situation. Der Blickwinkel der neopfingstlichen Interviewpartner auf die Bibel ist geprägt von der Suche nach persönlicher Orientierung in der Lebensgestaltung. Biblische Vorbilder vermitteln die Orientierung, und die Texte über Gottes Heilsplan mit den Menschen vermitteln die Gewißheit, daß dieser Plan zum Wohl der Christen Wirklichkeit wird. Die Bibel dient dabei als Garant für Gottes Plan mit der Welt, in dem jeder Christ seinen Platz hat.
5.2
Die Autorität der Bibel
Die Bibel bekommt ihre Autorität durch die Inspiration Gottes, wie in einem Materialheft für neue Gemeindeglieder von Vida Abundante erklärt wird: "Die Bibel enthält das inspirierte Wort Gottes. In ihr befinden sich die Satzungen und Regeln, nach denen sich unser Leben richten soll. Ihr
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Studium hat Priorität für jeden Christen:...". Die göttliche Inspiration der Bibel wird durch Bibelzitate belegt, z.B. durch 2.Tim.3,16: "Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Aufdeckung der Schuld, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit,..."; durch 2.Petr.l,21: "Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht; sondern von dem heiligen Geist getrieben haben Menschen im Namen Gottes geredet". Die göttliche Inspiration wird aber nicht grundsätzlich als Verbalinspiration verstanden. Es wird eher ein Weg gesucht, wie das Verständnis der Inspiration durch Gott selbst mit einer moderaten Bibelforschung in Einklang gebracht werden kann. In Studienmaterialien von Amor Viviente wird dieser Weg gegangen. Darin wird ausgeführt, daß die Apostel Petrus und Paulus in den oben angeführten Bibelstellen davon ausgehen, daß die biblischen Schriften von Gott inspiriert seien. Da aber noch nicht alle biblischen Bücher zu den Zeiten der Apostel geschrieben worden wären, könne nur davon ausgegangen werden, daß die Apostel vom Alten Testament gesprochen hätten. Da mit der Zeit immer mehr Schriften, auch mit geringer spiritueller Qualität, aufgetaucht wären, hätte sich die Kirche gezwungen gesehen festzulegen, welche Schriften ins Neue Testament zu übernehmen wären und welche nicht. Es sei daher ein Glaubensakt zu akzeptieren, daß die Schriften von Gott inspiriert seien. Es seien auch nicht alle biblischen Texte von Gott diktiert, nur die, in denen dies ausdrücklich geschrieben wäre. Trotzdem seien alle Schriften von Gott inspiriert, weil: "Inspiration ist der Einfluß des Geistes Gottes auf die Schreiber der Bibel, damit diese das schreiben, was er will unter Berücksichtigung ihrer Persönlichkeit und Bildung." Die Bedeutung der Bibel ergibt sich aus verschiedenen Gründen: 1. "durch sie lernen wir Jesus Christus kennen und können gerettet werden"; 2. "durch sie können wir Gott in persönlicher Weise kennenlernen und mit seiner Weisheit voll werden"; 3. "sie ist eine Waffe, die uns erlaubt, die Fallen des Teufels zu entdecken und seine Angriffe siegreich zu bestehen"; 4. "sie führt uns zur Erkenntnis der Wahrheit und bringt damit Freiheit"; 5. "sie hilft uns zu erkennen, wenn wir in ungeistlicher Weise handeln. Sie bringt die Intentionen unseres Herzens ans Licht";
Untersuchung theologischer Topoi
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6. "damit die Schrift ihre Wirkung entfalten kann, müssen wir immer in ihr bleiben". Im anderen Schulungsheft wird die Überlieferungsgeschichte der Bibel beschrieben. Es werden die Materialien (Papyrus und Pergament), die Art der Schriftstücke (Rollen und Kodizes), die Art der Schrift (Manuskripte), die Sprachen (Hebräisch, Aramäisch, Griechisch, später Latein) beschrieben. Es wird auf die spätere Kapitel - und Verseinteilung, auf die Übersetzungen in andere Sprachen und den Buchdruck eingegangen. Die Glaubwürdigkeit der Bibel wird belegt durch die Art der Überlieferung (Masoreten), den Fund der Schriftrollen vom Toten Meer und des Codex Sinaiticus durch Konstantin von Tischendorf. "Man ist so nah an den Originaltext herangekommen, daß einige Experten (Christen und Nichtchristen) versichern, daß 98,33 % des Neuen Testaments mit aller Sicherheit der Originaltext ist, und daß der restliche Prozentsatz (1,66 %) kein Gewicht hat, um irgendeine wichtige Doktrin der Bibel zu beeinflussen." Damit ist die Autorität der Bibel bestätigt, weil bei der Überlieferung der Urtext nicht verfälscht wurde, denn nur dieser ist göttlich inspiriert. Mit det göttlichen Inspiration geht der Anspruch auf Unfehlbarkeit einher. Dies ist von besonderer Bedeutung für die Auswirkungen auf ein Weltbild, das von der Bibel abgeleitet wird. Wenn die Bibel ohne Fehler ist, dann ist sie das Fixum in einer instabilen Welt. Ihre Aussagen, eigentlich die Interpretation ihrer Aussagen, bestimmen dann Weltbild und Handlungsmöglichkeiten in der Welt, auch wenn die Autorität und Inspiration der Bibel wiederum von Aussagen der Bibel selbst abgeleitet werden und die Ableitung logisch ein Zirkelschluß ist. Dies ist dann ein Glaubensakt.
5.3
Die Bibel: "Die Zeitung von Morgen"
Die Bibel bildet das interpretative Vermittlungsglied zwischen den Ereignissen der Welt und ihrer Bedeutung im Rahmen des Planes Gottes. Die Ereignisse geschehen nicht planlos oder aufgrund eines Zusammenwirkens verschiedener Ursachen. Sie ereignen sich vielmehr gemäß dem Plan Gottes, der in der Bibel vorgezeichnet ist. Dieser geschichtliche Biblizismus ermöglicht es seinen Anhängern, konkrete geschichtliche Ereignisse mit Prophezeiungen der Bibel zu identifizieren und damit einen Geschichtsfahrplan abzuleiten. Wenn ein Ereignis als von der Bibel prophezeit identifiziert werden kann, dann läßt sich daran die irrtumslose Wahrheit der
122
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Prophezeiung ableiten. Besonders Pastor Nieto von "El Cenáculo" ist ein Vertreter dieser Sichtweise. Auf die Frage, was ihm in der Bibel am besten gefalle, antwortete er: "Die ganze Bibel. Mich interessiert alles, besonders die Prophetie. Die Prophetie interessiert besonders, weil man mit der Archäologie und den geschichtlichen Ereignissen die Wahrheit der biblischen Offenbarung nachprüfen kann. Aber für mich ist die ganze Bibel ein faszinierendes Buch. Es ist ein Buch der fortlaufenden Neuigkeiten. Ich bezeichne die Bibel als die Zeitung von morgen. Ich muß morgen keine Zeitung lesen, um zu wissen, was passieren wird. Ich lese die Bibel heute und weiß dann schon, was die Zeitungen morgen berichten werden. Alles ist schon offenbart. (...) Frage: Aber können Sie die Ereignisse unterscheiden? Nieto: Warum denn nicht? Liest man z.B. im 1. und 2. Thessalonicherbrief Kapitel 2, dann steht da, daß der Geist des Antichrists schon in der Welt ist. Also nicht dsi Antichrist, sondern der Geist. D.h., wir sehen jetzt schon, wir spüren jetzt schon, wie das System und der Mensch sein werden, die Antichrist genannt werden, nach der Entrückung der Kirche. Wir können also an den Zeichen die Zeit erkennen, so sagt Christus. Man sieht den Geist des Antichrists in der Welt, das Erscheinen der östlichen Religionen mit ihrem Mystizismus in diesem Teil der Welt. Wir sehen, wie neue Ideen, wie das New Age und andere Religionen auftauchen. Wie Menschen aufgetreten sind, die sich Christus genannt haben, wie (.?.) und andere mehr. Das alles gibt uns eine Regel an die Hand, um konkrete und bestimmte Ereignisse zu bezeichnen, die uns klar machen, daß wir der Wiederkunft Christi nahe sind. Frage\ Wie interpretieren Sie dann gesellschaftliche Phänomene? Setzen Sie diese auch mit der Bibel in Beziehung? Nieto: Klar! Nichts ist in der Gesellschaft ohne... es gibt kein isoliertes Ereignis. Alle Ereignisse sind in einem gewissen Sinn miteinander verkettet, die sozialen Probleme, wie z.B. jetzt der Zerfall des Kommunismus in Europa. Das wurde in der Bibel vorhergesehen. Es gab viele falsche Propheten in der Vergangenheit, die sogar die christlichen Kirchen glauben machen wollten, daß der Kommunismus am Ende triumphieren wird. Ich habe das nie geglaubt, weil der, der die erste Seite der Bibel geschrieben hat, auch die letzte schreiben wird, und das ist Gott. Von daher sind alle diese Dinge, z.B. der Niedergang des kommunistischen Systems in der Welt, eine Bestätigung für mich, eine konkrete Bestätigung, daß wir in den letzten Tagen leben. All diese Sehnsucht nach Freiheit, die
Untersuchung theologischer
Topoi
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diese Leute haben, die geistliche Erweckung, die es in diesen Ländern gibt. Dies alles wird die letzte weltweite Erweckung in der Kirche hervorrufen."
5.4
Interpretation
Es lassen sich drei Interpretationsweisen ausmachen. Vor allem die Pastoren benutzen Kommentare, Lexika, Konkordanzen, Landkarten und andere theologische Bücher von vertrauenswürdigen Leuten. Sie halten diese für eine verantwortliche Bibelexegese für "absolut notwendig" oder zumindest für "hilfreich". Pastor Zelaya hält ein Nichtbenutzen von Kommentaren sogar für "plumpe Ignoranz", weil mit dem Privileg, die Bibel auslegen zu dürfen, nicht verantwortlich umgegangen wird. Ohne adäquate Vorbereitung bestehe die große Gefahr, sich zu irren und nur das eigene Wort, statt Gottes Wort zu verkünden. Er beklagt, daß es in Honduras nicht viel theologische Literatur gäbe, weswegen er sich aus den USA Bücher mitgebracht habe oder mitbringen lasse. Theologische Literatur wird für wichtig gehalten, um den geschichtlichen und kulturellen Kontext sowie die geographischen Fakten berücksichtigen zu können. Auch einige Gemeindeglieder nehmen bei der Bibellektüre christliche Literatur, wie Kommentare von "Leuten, die unseren Respekt verdienen", zur Hand, weil diese die eigene Offenbarung erweitern und vervollständigen können. Für die meisten sind aber das von der Kirche erstellte Schulungsmaterial und die Auslegungen der Pastoren wichtiger. Manchmal sind sie sogar die einzigen Hilfen für das Bibelstudium. Dadurch sind die Beeinflussungsmöglichkeiten der Pastoren sehr groß. Ihrer Auslegung kommt maßgebende Bedeutung zu, zumal sie durch das Prinzip der delegierten Herrschaft legitimiert wird. Die wenigsten neopfingstlichen Gemeindeglieder verlassen sich bei der Bibelauslegung nur auf die Intuition durch den Heiligen Geist. Von allen wird aber betont, daß die Führung durch den Heiligen Geist die Grundvoraussetzung für die richtige Bibellektüre sei. Pastor Penalba faßte so zusammen: "Wir brauchen die Hilfe des Heiligen Geistes, aber wir brauchen auch unsere eigene Intelligenz und auch einige Bücher". Die Bibel als von Gott inspiriertes Buch erfordert nach Pastor Reyes noch eine andere Leseweise. Er fordert eine "pneumatische Lektüre der Bi-
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bei", um die Bibel als lebendige Botschaft zu erfahren und sich existentiell ansprechen zu lassen. Das Bibelverständnis läßt sich als intuitiv - fundamentalistisch beschreiben, jedoch mit bedingter wissenschaftlicher Korrektur.
6.
Zusammenfassung
Der Ausgangspunkt dieses Kapitels war das Weltbild der Neopfingstler. Es wurde dargestellt, daß die Welt als in ein Reich des Lichts und in ein Reich der Finsternis gespalten wahrgenommen wird. Die Welt wird dem Bereich der Finsternis zugerechnet, in der Satan herrscht. Das Reich der Finsternis wird konkretisiert durch gesellschaftlich abweichendes Verhalten und durch gesellschaftliche Phänomene, die dem Interesse des neopfingstlichen Klientel an wirtschaftlichem Fortschritt und Industrialisierung entgegenstehen. Zur Überwindung dessen bedarf es nicht nur einer Veränderung dieser Phänomene, sondern auch einer Bekämpfung der Dämonen, die in der spirituellen Welt für diesen Zustand verantwortlich sind. Die Evangelisation der Nichtbekehrten ist für die Neopfingstler die adäquateste Form der Veränderung der Welt, weil Nichtgläubige zum Bereich Satans gehören. Diese unheile Welt kann bewältigt werden durch die in der Taufe mit dem Heiligen Geist erworbenen Macht. Mit ihr kann die dämonisch bestimmte Wirklichkeit der honduranischen Gesellschaft verändert werden. Dadurch ist für jeden Gläubigen ein Leben in Prosperität möglich. Der Heilige Geist wird damit zum Schlüssel zur Bewältigung der konfliktiven Welt. In der Eschatologie wird die Wirklichkeit einerseits relativiert, indem eine andere, zukünftige Wirklichkeit gegenüber gestellt wird, andererseits ist diese zukünftige Wirklichkeit im Gottesdienst und im privaten Bereich schon erlebbar. Die gesellschaftliche Situation in Honduras ist damit veränderbar. Es zeichnet sich eine neue systemübergreifende Veränderung ab, die in ein neues System mündet, aber ebenso jetzt schon für geistgetaufte Christen erfahrbar ist. Durch das Gottesbild erfahren gesellschaftliche und kirchliche Machtstrukturen ihre Legitimation. Damit ist das Gottesbild der Grund-
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pfeiler für die Stabilität von Gesellschaft und Kirche. Aber ebenso geht von Gott eine Geborgenheit aus, die die autoritäre Ordnung für den einzelnen erträglich und wünschenswert macht. Durch die Bibel wird die komplizierte Wirklichkeit verständlich und bekommt einen Sinn. Die Christen erhalten praktische Lebenshilfe durch ein schwarz auf weiß geschriebenes Handbuch für private Lebensgestaltung und einen Fahrplan für die Geschichte und für die Interpretation derselben.
IV. Wahrnehmung der Gesellschaft und der gesellschaftlichen Probleme Im vorigen Kapitel wurde das religiös bestimmte Weltbild der Neopfingstler in Honduras untersucht und beschrieben. In diesem Kapitel soll nun untersucht werden, wie aufgrund dieses Weltbildes die honduranische Gesellschaft konkret wahrgenommen wird und welche Möglichkeiten die neopfingstlichen Christen sehen, diese Gesellschaft zu gestalten. Der inhaltliche Zugang dazu ist die Frage nach den größten wirtschaftlichen, sozialen und politischen Problemen des Landes und die Rolle der Kirche und der Christen in dieser Situation.1
1.
Die größten Probleme der honduranischen Gesellschaft2
Auf die Frage nach den größten Problemen in Honduras wurden folgende Themen genannt: Das Grundproblem ist spirituell: keine Gottesfurcht, daher auch keine Furcht vor nichts und niemandem; Egoismus; Fehlen wirklich christlicher Bildung im Worte Gottes; Nichtrespektierang von Autorität; menschliche Krise, keine Systemkrise; Armut; Arbeitslosigkeit; Wohnungsnot; fehlende Bildung; Ungerechtigkeit; schlechte Verteilung des Reichtums; Abhängigkeit vom Ausland; Auslandsschulden; Kombination von schlechten Regierungen und Belastungen durch das Ausland; Landwirtschaft zu technisiert und daher vom Ausland abhängig; kein Geld; Korruption; fehlendes Bewußtsein für das Regieren eines Landes; viele bereichern sich nur; ungläubige Politiker verhalten sich skrupellos und bereichem sich; Vergeudung von Ressourcen; Streiks; Drogen; Gewalt; Kriege; Kriminalität; Klassenkonflikte; Promiskuität; Faulheit; Überschwemmungen; 1
Siehe Leitfaden, Anbang 1, Fragen 28 - 30.
2
Vgl. dazu Kap. 1.3.
Wahrnehmung der Gesellschaft
127
Die Auflistung wurde nach inhaltlichen Kriterien gegliedert. Es fällt auf, daß die Themen teilweise mit denen übereinstimmen, die in Kap. III. 1.1. als Charakterisierung des Reiches der Finsternis genannt werden. Von daher ist es verständlich, daß ein Teil der Probleme dem spirituellen Bereich zugeschrieben werden.
1.1
Spirituelle Probleme
Die gesellschaftlichen Probleme haben nach Meinung der neopfingstlichen Christen ihre Ursache in einem "spirituellen Grundproblem". Darunter wird die fehlende Gottesfurcht der honduranischen Bevölkerung verstanden, die sich in fehlenden ethischen Werten, Egoismus und Nichtachtung von Autorität äußert. Alle anderen Probleme sind nach diesem Verständnis nur eine Folge der mangelnden Gottesfurcht. Vom neopfingsüichen Weltverständnis her ist diese Auffassung konsequent, denn sie schreibt dem Spirituellen eine höhere Wertigkeit zu. Mit dem spirituellen Grundproblem werden auch die Autoritätskonflikte und Anomien in der honduranischen Gesellschaft thematisiert, die sich in der faktischen Nichteinhaltung von Gesetzen und Nonnen äußem.
1.2
Gesellschaftliche Probleme
Als Probleme wurden Themen genannt, die auch von wissenschaftlichen Untersuchungen als Hauptproblembereiche des Landes genannt werden und typisch sind für Länder der Dritten Welt, wie Armut, Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und fehlende Bildung. Man kann also sagen, daß die Neopfingstler nach sozialwissenschaftlichen Kriterien die Probleme des Landes richtig erkannt und benannt haben. Mit zu den Problemen der Gesellschaft werden die Ursachen für diesen Zustand gezählt. Die problematischen gesellschaftlichen Phänomene sind eine Folge von Ungerechtigkeit, der ungleichen Verteilung des Reichtums, schlechten Regierungen und Abhängigkeit vom Ausland, also eine Folge menschlichen Verhaltens und gesellschaftlicher Strukturen. Diese Ungerechtigkeit ist verursacht durch menschliches Fehlverhalten, wie die skrupellose Korruption nichtgläubiger Politiker. Das Nichtfunktionieren der Gesellschaft wird somit zu einem Charakteristikum eines von Nichtgläubigen regierten Landes: "Auf kollektiver Ebene gibt es eine Beziehung zwischen dem Glauben als Gotteserfah-
Karl
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Braungart
ning und der Praxis einer gerechten Sozialmoral"3. Von daher ist die Einschätzung, zu der Pastor Reyes kommt, Teil der Problemwahrnehmung der honduranischen Neopfingstler: "Ich habe kein großes Vertrauen in ein Gericht, das Gott nicht achtet! Ich habe kein großes Vertrauen in einen Kongreß und in Richter, die Gott nicht an die erste Stelle setzen."4 Es werden auch Phänomene genannt, wie Streiks, Drogen, Gewalt, Kriminalität und Klassenkonflikte. Diese werden aber kaum in einen gesellschaftlichen Rahmen eingeordnet, sondern als menschliche Defizite aufgefaßt. Finanzminister Villanueva jedoch sieht einen deutlichen Bezug zwischen der Armut und Problemen der honduranischen Gesellschaft: "Die Tatsache, daß wir hier so viele Randgruppen der Armut und der Arbeitslosigkeit haben, schafft großen sozialen Druck, großen politischen Druck. Wir haben hier starke Gewerkschaften und starke Bauemorganisationen. Fast immer spiegelt sich das in Streiks und Demonstrationen, ohne daß wir viel anzubieten hätten. Das ist ein großes Problem." Als Fazit läßt sich feststellen, daß die Mängel deutlich wahrgenommen und benannt werden. Es kommt aber zu keiner grundsätzlichen Problematisierung der honduranischen Gesellschaft. Der Status Quo wird nicht grundsätzlich als Problem empfunden. Infolge menschlichen Fehlverhaltens kommt es zu Mängeln in der Gesellschaft, die aber ihre Grundursache in der mangelnden Gottesfurcht haben.
1.3
Vertiefung der Problemstellung am zentralen Thema "Armut und Reichtum"
Die Problemwahrnehmung blieb bisher noch allgemein und unkonkret. Deshalb soll nun an einem Thema die Problemstellung vertieft werden, um näher zu erfahren, was die Nennung der Probleme im Konkreten bedeutet. "Armut" wurde in den Interviews häufig als Problem der honduranischen Gesellschaft genannt, deshalb soll dieses Thema vertieft werden, um zu erfahren, was es für die neopfingstlichen Christen bedeutet. Um das Thema
3
Reyes, Predigt bei der Vorstellung der Präsidentschaftskandidaten, Anhang 5.
4
Ebd.
Wahrnehmung der Gesellschaft
129
pointierter herausarbeiten zu können, wurde es in Kontrast zu "Reichtum" gestellt.5 Folgende Aussagen zum Thema wurden gemacht: Arme und Reiche gibt es immer; die Reichen haben hier (in Honduras, K.B.) nicht viel und die Armen sind zu arm; es muß so sein: Arme und Reiche gab es schon immer - man muß damit zufrieden sein; die christliche Lehre sagt, daß man Armut als Teil des Lebens akzeptieren muß; Arme leiden und mühen sich ab, Reiche nutzen sie aus, aber sie müssen es tun, um sich selber zu erhalten; Reichtum ist ein Segen Gottes; wer Gott hat, ist reich, Geld ist nicht alles; wenn wir Gott gehorsam sind, verbessert sich auch unsere Ökonomie; Reichtum ist etwas Geistliches, wer Christus hat, ist reich; die Liebe zum Geld ist das Problem; es gibt große Unterschiede zwischen Armen und Reichen; jemand ist reich, weil er viel gearbeitet hat; Armut ist oft eine Folge von Lasterhaftigkeit und Faulheit; Reiche verändern sich durchs Evangelium und geben gerechtere Löhne; der Reiche muß den Armen Arbeit geben, nicht ihnen etwas schenken; Armut ist das Produkt von Ungerechtigkeit und Ausbeutung der Mehrheit; wirtschaftlich und politisch wurde immer für die Reichen auf Kosten der Armen entschieden. Aus den Aussagen läßt sich ersehen, daß das Verständnis von Armut und Reichtum als gesellschaftliches Phänomen uneinheitlich ist. Es lassen sich fünf Verständnismuster erschließen: Erstens: Armut und Reichtum werden deterministisch hingenommen als etwas Vorgegebenes, als ein Kontinuum in der Geschichte, mit dem man sich wohl oder übel abfinden muß. Zweitens: Armut und Reichtum werden spiritualisiert und damit aus ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang genommen. Reichtum wird zu etwas Geistlichem, zum Segen Gottes, Armut zwangsläufig zu einem Mangel an Segen Gottes. Drittens: Ein anderes Verständnismuster ist individuell handlungsorientiert. Armut und Reichtum werden dem eigenen Verhalten zugeschrieben. Wer viel arbeitet, ist reich, wer faul und verschwenderisch ist, ist arm.
5
In den Interviews habe ich meistens an die Frage nach den gesellschaftlichen Problemen die Frage nach Armut und Reichtum angeschlossen, etwa in der Form: "Was denken Sie über Arme und Reiche?"
130
Karl Braungart
Viertens: In einigen Aussagen ist ein moralischer Anspruch erkennbar. In den Aussagen wird impliziert, daß es Arme nicht geben soll, deshalb sollen die Reichen den Armen gerechtere Löhne und Arbeit geben. Fünftens: Ein Interviewpartner brachte Armut in den Zusammenhang von gesellschaftlichen Strukturen und politischen Entscheidungen. Armut ist hier eine Folge ungerechter Produktionsbedingungen und einer Politik für die Reichen auf Kosten der Armen. Die ersten drei Muster bieten Erklärungen, die den Status Quo der Gesellschaft hinsichtlich des befragten Themas rechtfertigen. Armut wird zwar als Problem wahrgenommen, verliert aber seinen Stachel durch diese Erklärungsmuster. Diese Sichtweise wird wahrscheinlich von eher wohlhabenden Menschen vertreten, die damit von der menschlichen Verantwortung entlastet werden. Nur die letzten beiden Muster erkennen in der Armut im Zusammenhang mit Reichtum einen Zustand, der der menschlichen Veränderung bedarf, weil er eigentlich nicht sein soll.
2.
Lösungsmöglichkeiten für die Probleme
Nachdem explizit nach den Problemen der honduranischen Gesellschaft gefragt wurde, ist es nun von Interesse zu hören, welche Vorstellungen für mögliche Lösungen in den neopfingstlichen Kirchen Verbreitung haben.6 Mein Augenmerk richtete sich auf den Umgang mit den wahrgenommenen Problemen und welche Möglichkeiten gesehen wurden für ein veränderndes gesellschaftliches Handeln. Ein durchdachtes Konzept wurde nicht erwartet, sondern eher allgemeine Vorstellungen über die Möglichkeit gesellschaftlichen Handelns. Wie schon bei der Problemwahmehmung lassen sich spirituelle und gesellschaftlich - strukturelle Lösungsvorstellungen erkennen. Folgende Vorstellungen kamen zur Sprache: Man muß das Innere des Menschen, das Herz, ändern, sonst ändert sich nichts; den Politiker für Christus gewinnen; gemeinsames Gebet; Gebet für den Präsidenten um Wissen, Weisheit und Frieden; nur Christus kann helfen; es gibt keine politische Lösung; nur Gott 6
Falls von dem Interviewpartner keine Aussagen Uber Lösungen für die gesellschaftlichen Probleme gemacht wurden, habe ich nachgefragt, welche Lösungen es für ihn gebe und ob es für ihn auch eine politische Lösung gebe.
Wahrnehmung der Gesellschaft
131
kann helfen; man muß die Botschaft erzählen, dann kommt es auch zu einer sozialen Verbesserung; nur durch Gott kann sich etwas verändern, weil das System hier nur ihr Klientel begünstigt; es gibt keine Lösung, weil in der Bibel steht, daß es so passieren muß; man muß sich in die Politik einmischen zum Wohle des Landes; die Reichen sollen gerechter sein und den Angestellten höhere Löhne bezahlen; weniger egoistisch sein; Regierungen müssen sich für die Mehrheiten interessieren; die Regierung hätte schon früher mit der Reorganisation der Wirtschaft beginnen müssen durch langsame Erhöhung der Preise und Löhne; ein regionaler Nationalismus wäre gut; eine gesunde, starke Wirtschaft bekommen durch Industrialisierung und Bildung; man muß eine "Demokratisierung des Kapitals" durchführen; die Anpassungsmaßnahmen treffen die Ärmsten am stärksten, das macht uns schuldig - uns bleibt aber nichts anders übrig; den Gewerkschaften fehlt die Bildung - sie sollen nicht so schnell streiken; komplexe Lösungen: den Menschen die Liebe zum Eigenen geben, zum Vaterland, zur Kultur, zum Menschen, zur Familie; Entwicklungshilfe gegen Analphabetismus; die Agrarreform ist gescheitert; die Agrarreform nutzt nichts, weil dann weniger produziert wird; bei der Agrarreform funktionieren die Kooperativen und "Volksläden" am besten, die von Christen geführt werden, deshalb ist eine Bekehrung notwendig, dann verändert sich alles andere; die Sandinisten hatten ein gutes Ideal, gingen aber den falschen Weg; die Sandinisten kopierten zu sehr die Kubaner und beschnitten die Freiheit; die Sandinisten leisteten einen guten Beitrag - unsere Kirche war nie antisandinistisch, sondern ideologisch nicht festgelegt; Strukturveränderungen, wie sie von Sandinisten durchgeführt wurden, funktionieren nicht; der Sozialismus hat die Bedürfnisse der Menschen nicht erfüllt - er ist gescheitert; Es fällt auf, daß keine utopischen Vorstellungen entworfen werden, sondern daß die Skepsis in der Rede über die Problemlösungen überwiegt und sogar bei zwei konkreten Lösungsansätzen, der Agrarreform und des Sandinismus auf gänzliche Ablehnung stößt. Die Aussagen lassen drei Ebenen erkennen: die spirituelle, die moralische und die gesellschaftlich - strukturelle.
132
2.1
Karl
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Spirituelle Ebene
Entsprechend ihrem Weltbild und ihrer Problemwahmehmung kommt für die neopfingstlichen Christen einer spirituellen Problemlösung die höchste Bedeutung zu. Gesellschaftliche Strukturen gehören für die Neopfingstler zum Äußeren, das von einer verderbten Substanz bestimmt wird. Da diese Substanz vom Bösen bestimmt wird, kann es nur durch die Veränderung des Inneren zu einer tatsächlichen Veränderung kommen. Reyes vergleicht diesen Zustand mit einer alten Wasserpumpe, die an eine vergiftete Quelle angeschlossen ist. Es reicht nicht aus, die Pumpe neu zu streichen, solange sie vergiftetes Wasser pumpt. Nur durch Gott kann es zu einer Lösung der Probleme des Landes kommen. Das geschieht zu allererst durch die Bekehrung der Menschen. Über das Gebet soll auf Politiker Einfluß genommen werden, damit sie das Richtige tun. In der Aussage, daß nur Christus helfen kann, verbirgt sich eine starke Skepsis gegenüber dem herrschenden System. Offenbar ist die Enttäuschung vom System so groß, daß man nicht an die Möglichkeit einer wirklichen Veränderung glaubt. Diese resignative Grundstimmung in bezug auf die menschlichen Möglichkeiten bei der Gestaltung der Gesellschaft führt zu einem allgemeinen politischen Mißtrauen, bis hin zur Verweigerung eines breiten politischen Engagements. Das führt dazu, daß keine eigene politische Ethik ausgebildet wird. Politisches Engagement beschränkt sich auf die Unterstützung wiedergeborener Politiker, die die Politik an ihrer Stelle gestalten. Diese Politiker sind aber nur mit einer individuellen Moral ausgestattet, die sich in persönlicher Integrität, Ehrlichkeit und Tüchtigkeit äußern soll. Pastor Reyes versucht, neue Akzente zu setzen, indem er die Politiker darauf anspricht, daß Gott Gerechtigkeit von ihnen erwartet.7 Damit ist vor allem gemeint, daß Politiker nicht korrupt sein dürfen, was wiederum auch der neopfingstlichen Klientel zugute kommt, die das Arbeitsethos vertritt, daß man durch Tüchtigkeit zu wirtschaftlichem Erfolg kommen kann. Dieses personenorientierte Politikverständnis führt zu dem Anspruch, daß "eigene" Leute in öffentliche Ämter kommen, um christliche Politik zu betreiben. Dies geht wiederum nur, wenn auch Mitchristen in andere politi-
7
Reyes, Predigt bei der Vorstellung der Präsidentschaftskandidaten, Anhang 5.
Wahrnehmung der Gesellschaft
133
sehe Ämter kommen, die diese Einstellung mittragen.8 In indirekter Weise hat Reyes diesen Anspruch so formuliert: "Wir haben Jahr um Jahr die gleiche Tragödie erlebt. Oft haben wir einen Mann im Regierungspalast, der guten Willens ist, aber sich leider nicht mit Männern umgibt, die sensibel auf die Stimme Gottes hören und ihn dann scheußlich beraten."9 Zusammenfassend ist festzustellen: Einer resignativen Entpolitisierung aufgrund von Erfahrungen steht ein aktiver politischer Anspruch durch Delegation an christliche Persönlichkeiten gegenüber.
2.2
Moralische Ebene
Einige Aussagen haben im Gegensatz zur vorher dargestellten Skepsis einen moralischen Impetus. Sie fordern ein politisches Handeln, bleiben aber auf einer allgemeinen moralischen Ebene: man muß sich in die Politik einmischen, die Reichen sollen gerechter sein, man soll weniger egoistisch sein. Diese Aussagen stehen zuerst einmal gegen die Aussagen von der Unmöglichkeit menschlicher Lösungen für die Probleme des Landes. Dies könnte auf unterschiedliche Auffassungen zurückzuführen oder aber die andere Seite einer Medaille sein. Im Sinne einer Evangelisierung der Welt gehört auch die Durchdringung der Politik mit dem Evangelium dazu. Das sollen nicht alle tun, aber diejenigen, die Gott dazu berufen hat. In seinem persönlichen Umfeld soll jeder ein Zeugnis sein für andere, indem er sich gerechter verhält und weniger egoistisch ist.
2.3
Inhaltliche Ebene
Die gesammelten Äußerungen lassen keine repräsentativen Schlüsse auf "die" neopfingstlichen Wirtschaftsvorstellungen zu; dazu müßten mehr Interviews geführt werden. Es lassen sich trotzdem Tendenzen erkennen, wie in den Augen vieler neopfingstlicher Christen die gesellschaftlichen Probleme gelöst werden könnten. Die Aussagen beziehen sich hauptsächlich auf die Wirtschaft.
8
Vgl. dazu Guatemala. Dort wurden in der Regieningszeit von den neopfingstlichen Präsidenten General Ríos Montt und später Elias Serrano viele Glaubensbrüder in öffentliche Ämter geholt.
9
Reyes, Predigt bei der Vorstellung der Präsidentschaftskandidaten, Anhang 5.
134
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Ein Teil der Aussagen bezieht sich auf das neoliberale Strukturanpassungsprogramm10 der derzeitigen Regierung. Dieses wird im Grundsatz für richtig gehalten, jedoch der Zeitpunkt seiner Durchführung wird kritisiert: es hätte früher und schrittweise durchgeführt werden sollen. Die sozialen Lasten, die die gesellschaftlich Schwachen treffen, seien ein Übel, das dabei in Kauf genommen werden müsse, denn es gäbe keine andere Möglichkeit. Es soll zu einer "Demokratisierung des Kapitals" kommen. Darunter wird eine Beteiligung der Arbeiter am Kapital ihres Betriebs verstanden. Grundsätzlich soll die Industrialisierung vorangetrieben und die Bildung verbessert werden. Andere Aussagen konzentrieren sich auf die Nation. Es wird eine stärkere Konzentration auf nationale Interessen gefprdert. Damit wird versucht, einen nationalen Konsens herzustellen, der bei der momentanen Zersplitterung der Gesellschaft nicht vorhanden ist. Der Bezug auf die Nation könnte als sozialer Kitt für eine gespaltene Gesellschaft dienen, ohne die Kluften zu beseitigen. Die Lösung der Probleme wird eingebettet in eine Stärkung des Selbstwertgefühls der Honduraner. Die Krise in Honduras wird damit indirekt psychologisch als Selbstwertkrise beschrieben, die in der Ausbildung und Stärkung des Eigenen ihre Lösung findet. Dies hätte sicherlich Auswirkungen auf die wirtschaftliche Struktur und auf das Verhältnis zu den USA und vor allem auf das Verhältnis zu den ausländischen Unternehmen im Land. Eine Äußerung bezieht sich auf die Gewerkschaften. Hinter der immer wieder zu hörenden Aussage, daß es den Menschen im Land an Bildung fehle, verbirgt sich in diesem Fall das Bedürfnis nach einem neuen Diskurs zwischen den Gewerkschaften einerseits und Unternehmern und Regierung andererseits. Die Gewerkschaften würden zu schnell zu ihrer schwersten Waffe, dem Streik, greifen und würden damit die Wirtschaft schädigen, andererseits würde die Regierung zu schnell mit Gewalt reagieren. Beide Seiten sollten sich zum Gespräch treffen und damit die Probleme im Kompromiß lösen, anstatt die Konfrontation zu suchen. Damit wird eine neuer sozialer Diskurs gefordert.
10 Dazu: Bendel (Hrsg.). Zentralamerika, 233-314.
Wahrnehmung der Gesellschaft
2.4
135
Strukturelle Ebene
Strukturelle Lösungen sowohl innerhalb des bestehenden Systems, wie die Agrarreform, als auch außerhalb des bestehenden Systems wie die sandinistische Revolution wurden von den Befragten abgelehnt. Die Agrarreform wurde abgelehnt, weil sie nicht funktioniere. Die von Christen geleiteten Kooperativen und "Volksläden" würden zwar am besten funktionieren, im allgemeinen würde aber durch die Reform nur weniger produziert werden.11 In den Äußerungen wird nicht weiter auf die Bedingungen der Reform und den Produktionsbedingungen der Kooperativen eingegangen. Damit wird die Frage nach Gerechtigkeit in der Struktur einer Gesellschaft vermieden und eine gesellschaftliche Umverteilung abgelehnt. Dies entspricht einem Weltverständnis, das Strukturen dem Äußeren, der verderbten "Welt", zuordnet, und eine Veränderungsmöglichkeit nur für den Einzelnen aus seinem Innern heraus für möglich hält. Die Ablehnung struktureller Lösungen findet ihre Fortsetzung in der Ablehnung der gesellschaftlichen Alternative des Sandinismus in Nicaragua. Bei der Beantwortung dieser Frage mag es eine Rolle gespielt haben, daß das sandinistische Projekt nach der Wahlniederlage der Sandinisten 1990 fürs erste gescheitert war. Eine gewisse Sympathie wird dem Nationalismus der Sandinisten und ihren Idealen zu Beginn ihres Wirkens entgegengebracht, deswegen wird ihr Beitrag auch geschätzt. Grundsätzlich wird einer Systemveränderung, wie der sandinistischen, jedoch keine Chance gegeben, zumal sich die Sandinisten zu sehr an Kuba und am Sozialismus orientiert hätten.12 Dem Sturz des Diktators Somoza würden die Neopfingstler wohl noch zustimmen, aber die anschließende Neugestaltung durch die Sandinisten lehnen sie ab, weil sie ihnen zu sozialistisch ist. Als Kontrast soll die Position eines Pastors der Iglesia Evangelica Santidad aufgeführt werden. Die sozialen Probleme begreift er auch als theologische. Er führt an: Preisanstieg, verursacht durch die Auslandsschulden, die die 11
Dazu nur eine Äußerung der Weltbank als Gegenüberstellung: "In manchen Fällen waren tiefgreifende Umwälzungen von Grund und Boden erfolgreich. In Japan und in der Republik Korea war zum Beispiel die Umverteilung des Bodens von zentraler Bedeutung für die Verringerung der Armut auf dem Land... Wo es möglich ist, sollte die Umverteilung von Grund und Boden nachhaltig unterstützt werden. Die politischen Hindernisse für derartige Reformen sind jedoch groß." aus: Weltentwicklungsbericht der Weltbank, 1990, 4; zitiert nach Stamm, Andreas: Strukturanpassung im zentralamerikanischen Agrarsektor, in: Bendel (Hrsg.), Zentralamerika, 275, Anm.19.
12
Deijenige, der sich am negativsten geäußert hat, war ein Exilkubaner.
136
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Ärmsten bezahlen müßten; fehlende Meinungsfreiheit; Menschenrechtsverletzungen; Korruption der Justiz; Landproblematik; die Präsenz ausländischer Armeen: die Contras und die US-Soldaten und darausfolgend das Auftreten von AIDS13. Er fordert eine Agrarreform, die nicht nur das Land verteilt, sondern auch technische Hilfe vermittelt und Darlehen zur Verfügung stellt und damit den Erfolg der Reform fördert.
2.5
Vertiefung der Problemstellung: Welche Politik wird tatsächlich gemacht - Die neoliberale Politik von Kirchenmitglied uiid Finanzminister Beqjamin Villanueva14
Nach dem Regierungswechsel 1990, nachdem Rafael Leonardo Callejas die Präsidentschaft übernommen hatte, wurde in Honduras mit einem tiefgreifenden wirtschaftlichen Strukturanpassungsprogramm begonnen.15 Als Finanzminister hat Benjamin Villanueva, Mitglied bei Iglesia Cristiana Vida Abundante, großen Anteil an diesem Wirtschaftsprogramm. Die Politik von Villanueva kann nun nicht einfach als die neopfingstliche Wirtschaftspolitik bezeichnet werden, jedoch lassen sich Übereinstimmungen durchaus feststellen, wenn auch die Konzeptionen Villanuevas politisch akzentuierter sind. Die Politik Villanuevas ist auch deshalb von Interesse, weil Villanueva in den Augen vieler neopfingstlichen Christen, als Christ "die Politik der Christen" macht und in Personen wie ihn großes Vertrauen und auch große Erwartungen gesetzt werden. Reyes sagt dazu: "Ich bin richtig beeindruckt, was die Gläubigen alles in Honduras machen. Zum Beispiel sind in der derzeitigen Regierung so viele Christen wie nie zuvor. Ich weiß, daß sie es besser machen, als es eine ungläubige Person machen würde, und ich glaube, daß wir in den nächsten Jahren noch mehr Personen haben werden, die in Ämtern und in der Regierung sein werden. Alle Kirchen auf nationaler Ebene lehren ihre Mitglieder, daß wir Licht sein müssen, daß wir das Ferment der Veränderung sein müssen, daß wir uns von der Teilnahme an den Werken der Finsternis fernhalten müssen. Mehr noch: Wir müssen sie anklagen, um die ungerechten Strukturen zu 13
In Comayagua, der Stadt, die neben dem größten US-Stützpunkt liegt, sind bei Prostituierten AIDS Infektionen aufgetreten.
14
Siehe den Auszug aus dem Interview mit Benjamin Villanueva in Anhang 6.
15
Vgl. Kap. 1.3.3.
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verändern, um allen Sektoren eine Chance zu geben, damit es zu einer besseren Verteilung der Ressourcen kommt, etc.." Wie wird dieser hohe Anspruch verwirklicht? Angesichts der tiefen wirtschaftlichen Krise des Landes, die Ende der 70er Jahre einsetzte und einen industriellen Boom beendete, entstand die Notwendigkeit einer Neuorientierung der Wirtschaftspolitik.16 Eine durch struktur-, zoll- und wechselkurspolitische Lenkung der Wirtschaft praktizierte "importsubstituierende Industrialisierung" war gescheitert. Ab 1990 wurde mit einem "neoliberalen" Strukturanpassungsprogramm begonnen. Zwar wurde die Notwendigkeit einer Reform der Wirtschaft auch in Lateinamerika gesehen, dennoch geschah dies "auf Druck der internationalen Finanzorganisationen, die z.T. sehr konkrete Forderangen zur Liberalisierung der Wirtschaft stellten und deren Erfüllung zur Voraussetzung für die Kreditvergabe machten"17. Von daher steht die Politik Villanuevas unter starkem ausländischen Druck, der seinen Handlungsspielraum einschränkt. Das Wirtschaftsprogramm ist gekennzeichnet durch eine Liberalisierung der Wirtschaft in der Annahme, daß die Kräfte des Marktes dafür sorgen werden, daß "die Ressourcen in Bereichen mit Wettbewerbsvorteilen eingesetzt werden"18. Das Ziel ist, den Markt zu deregulieren, um zu realen Preisrelationen und damit zu einer realen Ressourcenallokation zu gelangen.19 16
Dazu: Altenburg, Tilman: Strukturanpassung im Industriesektor - Neue, exportgetriebene Dynamik oder Deindustrialisierung?, in: Bendel (Hrsg.), Zentralamerika, 233.
17
A.a.O., 237.
18
Ebd.
19
Einzelne Maßnahmen des Strukturanpassungsprogramms, das in allen mittelamerikanischen Ländern durchgeführt wurde, sind: " - Abbau des (nominellen) Zollschutzes von teilweise über 100% auf maximal ¿0%. Dadurch wird der Wettbewerbs- und Modemisieningsdruck erhöht; - Angleichung der verbleibenden Zölle auf niedrigem Niveau (zwischen 5% und 20%). Auf diese Weise wird keine Branche favorisiert, Ressourcen werden in diejenigen Aktivitäten gelenkt, die tatsächlich wettbewerbsfähig sind; - Liberalisierung der Wechselkurse. Die nationalen Währungen sollen sich bei ihrem realen Marktwert einpendeln, so daß die überbewertungsbedingte Wettbewerbsverzerrung (anti-exportbias) entfällt; - Liberalisierung des Bankwesens. Kredite sollen nicht mehr nach entwicklungspolitischen Kriterien, sondern nach der bestehenden Nachfrage vergeben werden; - Verteuerung der Kredite auf das Niveau freier Kapitalmärkte. Das Zinsniveau soll die realen Kapitalkosten reflektieren; - Senkung der Lohnkosten und Flexibilisierung "rigider" arbeitsrechtlicher Normen. Die Löhne sollen der geringen Produktivität der Arbeitskraft entsprechen, damit Investitionen in arbeitsintensive Branchen getätigt werden;
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Karl Braungart
"In Honduras fanden die ersten Reformen, etwa eine versteckte Abwertung der Lempira, Ende der 80er Jahre statt. Aber erst 1990 wurde eine entschiedene Liberalisierung nach IWF-Muster eingeleitet. Die Importzölle wurden binnen zwei Jahren auf das geforderte Niveau von maximal 20 % gesenkt. Die Abwertung erfolgte um fast 200 %. Letzteres verteuerte die Importe und trieb damit die Inflation in die Höhe, was durch erhöhte Steuern und Kreditkosten noch verschärft wurde. Die Inflationsrate, die traditionell um die 5 % gelegen hatte, stieg 1991 auf 34 %, sank allerdings 1992 wieder auf unter 20 % ab, nachdem der erste Anpassungsschock überwunden war. Da die Lohnentwicklung hinter der Inflation zurückblieb, sanken die Reallöhne deutlich. Die Binnennachfrage ging zurück, die Unterbeschäftigung nahm zu, und das Bruttoinlandsprodukt stagnierte (Noe Pino)." 20 Die Kraftstoff- und Heizölpreise wurden zwischen 48 % und 64 % erhöht. Wenn man die Reallohnentwicklung betrachtet, läßt sich feststellen, daß die Lohnabhängigen die größte Bürde des Anpassungsprogramms tragen und daß sozial Schwache elementar in ihren Lebensgrundlagen betroffen sind. Deshalb wurden soziale Ausgleichsprogramme wie der 'Fondo Hondureño de Inversión Social' und Arbeitsbeschaffungsprogramme gestartet, um die negativen Folgen der Strukturanpassung zu lindem.21 Die Auswirkungen des Programms auf die honduranische Wirtschaft bedürfen einer differenzierten Betrachtung, denn sie sind für die verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche unterschiedlich. Es kommt zwar zu keiner Deindustrialisierung, wie von Kritikern befürchtet, jedoch findet ein Strukturwandel statt. Altenburg beschreibt den Strukturwandel in bezug auf drei Typen des verarbeitenden Gewerbes: "1. mittlere und große Betriebe, die überwiegend auf den Binnenmarkt ausgerichtet sind und Nutznießer des alten Entwicklungsmodells waren (überwiegend Importsubstitutionsindustrien); 2. freie Produktionszonen und Lohnveredelungsindustrien; 3. verarbeitende Betriebe des informellen Sektors."22
- Abbau von Preiskontrollen; - Reduzierung des Haushaltsdefizits, insbesondere durch Abbau des Staatsapparates, der Sozialausgaben und der Subventionen sowie durch Privatisierung von Staatsbetrieben." A.a.O., 237f. 20
A.a.O., 239.
21
Villanueva, Anhang 6.
22
Altenburg, 240.
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Typ 1, die traditionelle, hauptsächlich importsubstituierende Industrie mußte bis jetzt keine erhöhte Zahl von Konkursen oder eine Verminderung der Beschäftigungszahlen hinnehmen. Dafür gibt es vielfältige Erklärungen, die hier nicht alle ausgeführt werden können. Oft konnte die sinkende Inlandsnachfrage durch Exporte ausgeglichen werden. Die Gewinnspanne ging jedoch erheblich zurück. Die weitere Entwicklung ist jedoch noch nicht absehbar. Typ 2, die freien Produktionszonen23 und Lohnveredelungsindustrien24: Diese Weltmarktfabriken, die meist für Länder mit hohen Produktionskosten arbeiten, montieren häufig elektronische Teile zusammen oder nähen Bekleidungsstücke nach vorgefertigten Schnitten. Dieser Typ profitiert von der Reform mehr als Sektor eins. In diesen Industrien steigt die Zahl der Beschäftigten stetig an. Für die Entwicklung eines Landes hat dieser Industrietyp jedoch weniger positive Impulse als Typ eins: Die Vernetzung mit der nationalen Industrie ist minimal. Ein Technologietransfer findet kaum statt. Devisen werden nur begrenzt ins Land gebracht. Diese Industrie ist in Honduras vor allem in San Pedro Sula und in Puerto Cortés angesiedelt, wo es einen gut ausgebauten Flughafen und einen Hafen gibt. Typ 3, der informelle Sektor25, ist von dem Programm am stärksten und negativsten betroffen. In diesem Bereich gab es die stärksten Einkommenseinbußen, und die meisten Arbeitskräfte wurden hier freigesetzt. Die Importkonkurrenz ist besonders dramatisch, z.B. bei Schneidern und Schuhmachern. Auch das neue Programm benachteiligt Kleinbetriebe gegenüber Großbetrieben, die z.B steuervergünstigt importieren können. Eine weitere Barriere sind die fehlenden Sicherheiten für Kredite. In diesem Bereich ist vor allem die arme Bevölkerung betroffen. 23
24
25
"Freie Produktionszonen sind Enklaven, die nicht zum Zollgebiet gehören. Hier ansässige Unternehmen können also Waren aus Drittländern zollfrei importieren, weiterverarbeiten und reexportieren. Zudem werden diesen Unternehmen weitere Vergünstigungen gewährt, wie langfristige Steuerbefreiungen, freier Devisenverkehr, freie Repatriierbarkeit der Gewinne und dergleichen." A.a.O., 244. "Lohnveredelungsindustrien (LVI) befinden sich innerhalb des Zollgebiets. Sie müssen Eingangsabgaben auf Einfuhren aus dem Ausland bezahlen, erhalten diese jedoch zurück, wenn sie diese Waren nach einer Be- oder Verarbeitung wieder ausführen (drawback). Für die Lohnveredelungsindustrien gelten ähnliche Sonderkonditionen wie für die freien Produktionszonen." ebd. "Der informelle Sektor setzt sich aus Kleinbetrieben zusammen, in denen traditionelle Verfahren mit geringer Produktivität zur Anwendung kommen. Solche Betriebe konzentrieren sich in Branchen, in denen zur Betriebsgnindung weder ein größeres Startkapital noch besondere Qualifikationen erforderlich sind. Sie bieten damit Einkommensmöglichkeiten für arme und schlecht ausgebildete Bevölkerungsgruppen, die im formellen Sektor keine Beschäftigung finden." ebd.
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Die Auswirkungen auf die Armen haben die katholischen Bischöfe dazu veranlaßt, dieses Programm scharf zu kritisieren und eine gerechtere Verteilung der Lasten zwischen den verschiedenen Schichten zu fordern. Die Mennonitische Kirche hat ebenfalls in einer Zeitungsanzeige die Wirtschaftspolitik scharf kritisiert und die Regierung mit Bibeltexten aus Jes. 10,1-3 und Arnos 8,4-7 aufgefordert, Gerechtigkeit zu üben und die Armen zu schützen. Zusammenfassend läßt sich sagen: Das Strukturanpassungsprogramm führt in Honduras zu einer Verschärfung der gesellschaftlichen Ungleichheit. "Die Lasten der Krise und die Aufbringung der Transferleistungen im Zusammenhang mit den Auslandsschulden wurden von Lohnabhängigen und informellem Sektor getragen."26 Dieses soziale Ungleichgewicht wird zwar auch von Villanueva gesehen und beklagt, und es wird ihm durch Sozialprogramme entgegengesteuert, aber grundsätzlich ist das Programm nicht an einer gerechteren gesellschaftlichen Verteilung ausgerichtet, sondern an den Bedürfnissen der Mittel- oder Oberschicht. Es orientiert sich, was den Industriesektor angeht, an den Bedürfnissen einer ausgebildeten Schicht, den "profesionales", die den Kern der neopfingstlichen Kirchenmitglieder darstellen. Sie profitieren von dem wirtschaftlichen Umbau. Von daher entspricht die Politik Villanuevas den Vorstellungen vieler Neopfmgstler, die den Status Quo verbessern wollen, aber keine strukturellen Maßnahmen zur Verteilung des Reichtums und der Lasten durchführen wollen. Der Anspruch von Reyes nach gerechterer Verteilung der Ressourcen wird durch dieses Programm nicht eingelöst. Bei der Einschätzung dieser Politik muß berücksichtigt werden, daß in anderen Ländern ebenfalls solche Strukturanpassungsprogramme durchgeführt wurden, ohne daß Mitglieder einer neopfingstlichen Kirche dafür die Verantwortung trugen. Trotzdem entspricht diese Politik dem in Kapitel III. 1.1. geschilderten neopfingstlichen Weltbild und den gesellschaftlichen Vorstellungen der Interviewten.
26
Weiler, Jürgen: Auswirkungen der Strukturanpassungspolitiken auf die Arbeitsmärkte in Zentralamerika, in: Bendel (Hrsg.), Zentralamerika, 295.
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3.
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Die Rolle der Christen in der Gesellschaft
Welche Rolle haben die Christen nach Ansicht der neopfingstlichen Kirchenmitglieder in der Gesellschaft angesichts der existierenden Probleme? Welchen Beitrag können sie leisten, um die Gesellschaft zu gestalten? Dieses Thema soll in zwei Bereichen behandelt werden, um zum einen die Rolle der Christen als Kirche herauszuarbeiten und zum andern die Rolle des einzelnen Christen beschreiben zu können.27
3.1
Die Rolle der Kirchen
Zur Rolle der Kirchen kamen in den Interviews folgende Aussagen: Die Rolle der Kirchen ist groß und entscheidend; die katholische Kirche hat stark gelenkt und das war gut; Kirchen sollen Essen, Kleider und Geld spenden; sie sollen Schulungen und Besuche durchführen; sie sollen für die Erkenntnis Gottes sorgen; sie sollen den Leuten helfen, gute Christen zu werden; sie sollen für das Land beten, die Botschaft predigen, ein Lebenszeugnis geben; sie sollen den Menschen bewußt machen, daß sie sich ändern können; sie sollen für die Kirchen beten; sie sollen biblische Orientierung geben; sie sollen Antwort sein durch biblische Unterweisung; sie haben eine spirituelle Rolle: Seelen für Christus gewinnen, aber mit Brot im Magen; sie sollen die Menschen geistlich ernähren als spirituelle Führer; sie sollen die Welt verändern; sie sollen dafür sorgen, daß das verdiente Geld für Gott eingesetzt wird zur Verbesserung der Welt; sie sollen zum Evangelium bekehren für Frieden und Harmonie; die Kirche richtet sich an Arme und Reiche; die Kirche ist die Stimme des Ausgleichs; keinen Unterschied machen bzgl. Rasse und Bildung; "mit der Kirche fängt die Bildung an"; Kirchen sollen sich in die Politik einmischen als Beobachter und Kritiker; keine Parteipolitik betreiben, sondern die Leute für die Verantwortung vorbereiten; die Kirchen sollen sich nicht in die Politik einmischen, aber behilflich sein; die katholische Kirche steht nicht mehr auf Seiten der Mächtigen; die evangelischen Kirchen sollen nicht mehr zu Ungerechtigkeit schweigen; die Kirchen sollen sich nicht nur um das Spirituelle kümmern, sondern sich auch in die Politik einmischen und z.B. Ungerechtigkeit anklagen wie Vida Abundante - Amor Viviente schneidet da nicht gut ab; 27
Siehe Leitfaden, Frage 29 und 30, Anhang 1.
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Vida Abundante ist in der Regierung, in den Straßen, in der Kaserne und in den Fabriken; Kirche soll ihren politischen Einfluß über Individuen einbringen; Politik und Wirtschaft soll die Kirche den Regierenden überlassen; sie soll die Regierenden den Gläubigen verständlich machen. Den Kirchen wird bei der Lösung der gesellschaftlichen Probleme, wie der gesellschaftlichen Gestaltung überhaupt, große Bedeutung zugemessen. Die katholische Kirche hat bisher eine Lenkungsfunktion in der Gesellschaft ausgeübt, was lobend erwähnt wurde. Jedoch sähen die Befragten es lieber, wenn diese Funktion von ihnen ausgeübt werden würde. Auf fünf Ebenen wird den Kirchen eine Rolle zuerkannt: Erstens: Diakonische Aufgaben. Diese Rolle beschränkt sich auf die traditionellen Aufgaben kirchlicher Diakonie in der Versorgung Notleidender. Dabei geht es um konkrete Hilfe für Menschen, denen es an Nahrung und Kleidung fehlt. Durch Schulungen und Besuche sollen die Menschen betreut werden, wobei nicht klar ist, ob sich die Betreuung nur an die Kirchenmitglieder richtet oder offen für alle ist. Zweitens: Spirituelle Aufgaben. Die Kirchen sollen sich darauf konzentrieren, das Evangelium zu predigen und für das Land zu beten. Ihre Aufgabe ist es, Menschen zu Christus zu bekehren und ihnen eine biblische Orientierung zu geben. Dies ist die Grundaufgabe der Kirchen, ihr eigentlicher Auftrag. Darin sind sich alle einig. Nur bei der Beschränkung auf diese Aufgaben gehen die Voten auseinander. Drittens: Motivation zur Veränderung der Welt. Diese Rolle steht in engem Zusammenhang mit dem spirituellen Bereich, ist jedoch stärker auf die Welt ausgerichtet und hat einen moralischen Anspruch auf Weltveränderung. Zum Spirituellen gehört diese Rolle, weil für die Neopfingstler Weltveränderung eine Funktion der Evangelisation ist. Wie in früheren Aussagen ist die Veränderung auf das moralische Verändern des Verhaltens des Einzelnen ausgerichtet. Der Einzelne soll sein Geld für Gott einsetzen und damit die Welt verbessern. Viertens: Stimme des Ausgleichs. Die Aussage "mit der Kirche fängt die Bildung an" ist nicht nur auf Schulbildung bezogen, sondern auf kultiviertes, zivilisiertes Verhalten. Insofern wäre die Rolle der Kirchen die Schaffung einer zivilen Gesellschaft durch Ausgleich. Gesellschaftliche Unterschiede, wie die durch Armut und Reichtum oder Bildung oder Rassenunterschiede bedingten, sollen unter dem Evangelium zum Verschwinden ge-
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der
Gesellschaft
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bracht werden. Eine Anfrage an die neopfingstlichen Kirchen wäre, ob sie dies leisten können angesichts der Tatsche, daß die meisten Mitglieder ihrer Kirchen aus den höheren Schichten kommen. Eine offene Ausgleichsfunktion der Kirchen in Honduras könnte die Gesellschaft insgesamt weiterbringen, jedoch nur, wenn die tatsächlichen Gegensätze nicht harmonisierend verdeckt werden. Fünftens: Politische Einmischung. Zu dieser Rolle gehen die Aussagen auseinander. Ein Teil der Befragten verneint die politische Einmischung der Kirchen und verlangt die Beschränkung auf ihre spirituellen Aufgaben. Finanzminister Villanueva hat diese Position am deutlichsten vertreten: "Ich glaube, daß die Rolle der Kirche sehr klar ist: die geistliche Ernährung der menschlichen Person. Ich unterscheide: Überlaßt die politische und die wirtschaftliche Funktion uns, die wir in der Regierung sind; die Kirche soll den Menschen geistlich ernähren, denn der Mensch braucht geistliche Nahrung - als geistliche Führung. Aber sie soll sich nicht in wirtschaftliche und strukturelle Probleme einmischen, denn da hat sie meiner Meinung nach wenig beizutragen."28 Ein anderer Teil bejaht eine stärkere politische Einmischung und sieht gerade darin ein Defizit bei den protestantischen Kirchen in Honduras. Laut Pastor Penalba hat sich die katholische Kirche von der Seite der Mächtigen gelöst, die Protestanten aber noch nicht zu einer politischen Rolle gefunden, die Ungerechtigkeit anklagt, wobei er seine Kirche, Amor Viviente, ausdrücklich erwähnt. Es hat den Anschein, daß sich von den Neopfingstkirchen Vida Abundante am stärksten ihrer politischen Rolle bewußt ist und sie auch versucht auszuüben.29 Das liegt an der Person von Pastor Reyes, dessen Konzeption vor allem die persönliche Beeinflussung von Personen ist. Kirche soll nicht direkt politisch aktiv sein, sondern indirekt durch ihren Einfluß auf Entscheidungsträger. In diesem Sinn ist Vida Abundante politisch aktiv und durchzieht mit ihren Mitgliedern verschiedene Entscheidungsebenen in der Regierung, in den Kasernen, Straßen und Fabriken. Von den Befürwortern einer politischen Rolle der Kirchen wird nicht eine Parteipolitik gefordert, sondern eine Position außerhalb des poli-
28
Anhang 6.
29
Z.B. durch die Vorstellung der Präsidentschaftskandidaten in einem Spezialgottesdienst 1989.
Karl Braungart
144
tischen Feldes, die Beobachtung und Kritik ermöglicht. Die Anklage von Ungerechtigkeit gehört zu dieser Position dazu.
3.2
Die Rolle der Christen
Die Rolle der Christen im gesellschaftlichen Prozeß wird folgendermaßen beschrieben: Christen sind Agenten der Veränderung; Christen sollen Vorbilder sein; den Leuten helfen; Gerechtigkeit schaffen; ehrlich sein; Obrigkeit respektieren und unterstützen; einschreiten, wenn Dinge Gott nicht gefallen; jeder Christ infiltriert seinen Bereich und wird damit Agent der Veränderung; andere Menschen beeinflussen; ein Christ sagt "nein" zu Unterdrückung; manche sind zur prophetischen Stimme berufen; Christen verhalten sich anders; öffentliche Ämter übernehmen; Sprecher gegen Korruption und Ausbeutung sein; bei individueller politischer Teilnahme Tüchtigkeit und Ehrlichkeit zeigen; mehr Christen sollen in die Regierung; Christen haben keine direkten Aufgaben; nicht unbedingt in Politik einmischen; Christen sollen das Wort predigen; für die Menschen beten; für die Führer beten; Predigen, damit sich die Menschen verändern; Der überwiegende Teil der Befragten erkannte den Christen bei der Lösung der gesellschaftlichen Probleme eine Aufgabe zu. Die Aussagen lassen sich in vier Ebenen gliedern: Erstens: Vorbildliches Verhalten. Durch vorbildliches Verhalten können Christen Agenten der Veränderung sein. Die Veränderung bezieht sich entsprechend dem Weltbild auf die Veränderung der Welt vom Reich der Finsternis zum Reich des Lichtes.30 Sie ist das Ergebnis des siegreichen Lebens durch den Heiligen Geist.31 Die religiöse Konstruktion des Weltbildes findet ihren konkreten Niederschlag in den benannten Aufgaben für christliches Handeln in der Gesellschaft. Die Vorbildfunktion der Christen ist ein hoher moralischer Anspruch an das eigene Handeln, denn sie beinhaltet, daß die Christen im gesellschaftlichen Handeln besser sind als Nichtchristen. Der Anspruch schließt die Überzeugung mit ein, daß die Christen Lösungen für die Gesellschaft gefunden haben und damit eine Leitfunktion erfüllen können. Die Christen sind damit ein elitärer Kern, 30
Siehe Kap. m . 1.1.
31
Siehe Kap. in.2.3.
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145
von Gott mit seiner Erkenntnis ausgestattet. Im Konkreten wird ein moralisches Verhalten postuliert, das den anderen hilft und die Obrigkeit unterstützt. Diese Forderung kann als Reaktion auf die faktische Nichteinhaltung von Normen und Gesetzen in Honduras verstanden werden. Dazu kommt die Forderung, Gerechtigkeit zu schaffen und einzuschreiten, wenn Gottes Regeln verletzt werden. Im gleichen Sinn ist das "Nein" zur Unterdrückung zu verstehen, das eine obrigkeitskritische Position ermöglicht. Zweitens: Übernahme von Ämtern. Durch die Übernahme von öffentlichen Ämtern sollen die Christen ihren Beitrag leisten zur Lösung der honduranischen Probleme. Dabei zeigt sich wiederum, daß hinter diesem Anspruch kein inhaltliches Konzept steht außer der schon erwähnten Forderung nach Gerechtigkeit, sondern die Überzeugung, daß Christen ehrlicher und effektiver sind als Nichtchristen. Drittens: Die Christen haben keine direkten Aufgaben. Diese Meinung wird nur von einer Minderheit der Befragten geäußert. Viertens: Spirituelle Aufgaben. Die spirituellen Aufgaben der Kirchen werden ebenso den einzelnen Christen zugeschrieben: Verkündigung und Gebet. Die Verkündigung durch den einzelnen Christen dient der Veränderung der gegenwärtigen Situation durch die Veränderung von Menschen. Konkreter als die Aussagen in den Interviews ist ein Artikel, den Pastor Reyes zur politischen Verantwortung des Christen geschrieben hat. Darin wird als Grundlage die Hinwendung zu Christus als lebendigem Herrn vorausgesetzt. In zehn Punkten stellt er die christliche Verantwortung dar:32 1. "Respekt": Man muß die Regierung als von Gott eingesetzt emst nehmen und respektieren. 2. "Gehorsam gegenüber Gesetzen und Obrigkeiten". 3. "Zahlen der Steuern"'. Keine Steuern zu zahlen wäre eine Handlung, die gegen den Staat gerichtet wäre und damit auch gegen Gott, der den Staat eingerichtet hat. 4. "Gebet": Es ist eine christliche Pflicht, für jede Obrigkeit zu beten, ob sie nun christlich ist oder nicht. 5. "Zeugnis für Christus": Jeder Gläubige hat die Pflicht, vor der Obrigkeit ein Zeugnis in Worten und Werken abzulegen. 6. "Verantwortliche Beteiligung": Unter normalen Umständen gehört es zur christlichen Verantwortung, an den Wahlen teilzunehmen. 32
Vgl. in Kap. III.4 1. den Exkurs über "Delegierte Herrschaft"
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7. "Aufrichtiges Bestreben, sich vollständig und genau zu informieren": Je nach Begabung muß man sich informieren, durch Zeitungen, durch Bücher, die die Hintergründe erläutern und durch staatliche Berichte. 8. "Kritik": Die Regierung, ihre Politik, die Politiker bedürfen der Kritik im Lichte des Evangeliums, denn selbst in autoritären Staaten schuldet der Gläubige der Regierung keinen unbedingten Gehorsam, viel weniger noch in Demokratien. 9. "Unermüdliche Unterstützung einer gerechten und menschlichen Politik": Einer ungerechten und unmenschlichen Politik soll sich der Gläubige entgegenstellen. Dies soll er auf legale Weise tun, z.B. durch persönliche Gespräche; Briefe an Abgeordnete, Minister, Presse; Mitgliedschaft in einer politischen Partei oder Austritt aus derselben; Aktivität im Wahlkampf; öffentliche Veranstaltungen, etc. 10. "Bestreben, ein reifer Christ zu sein": Jeder soll bestrebt sein, ein reifer Christ zu sein, der den Willen Gottes kennt und auf die Schrift hört.
4.
Individuelle Lebenshilfen: Persönliche Zeugnisse von Geschäftsleuten, wie Gott in ihrem Leben die Probleme gelöst hat
Anhand von persönlichen Lebenszeugnissen soll nun veranschaulicht werden, wie im Leben von einzelnen Christen durch Gott Probleme gelöst wurden. Die Zeugnisse wurden zum Lob Gottes in den Versammlungen der "Hombres Cristianos de Negocio" von verschiedenen Männern erzählt.33 Sie lassen erkennen, wie Probleme gelöst werden, wenn das spirituelle Grundproblem, die fehlende Gottesfurcht, gelöst ist. Die Zeugnisse verdeutlichen wie in der Vorstellung neopfingstlicher Geschäftsmänner auf individueller Ebene durch das Eingreifen Gottes Krisen bewältigt werden, wenn man unter Gottes Führung steht. Dahinter steht ein naives Gottvertrauen, das mit Gottes Eingreifen rechnet, wenn man sich zu ihm bekennt. Durch Gottes Eingreifen werden eigenes Fehlverhalten oder negative Umstände wieder ausgeglichen, so daß der Betreffende nicht zu Schaden kommt oder die Fehler und das Widerfahrene ihm zum Besten dienen. M.E. steht dieses Modell hinter den Lösungsvorschlägen vieler neopfingstlicher 33
Versammlungen des Kapitels Hotel Honduras Maya am 22.6.1990,29.6.1990 und 21.9.1990.
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Christen. Keine komplizierten Konzepte führen aus der Krise, sondern schlicht das Vertrauen auf Gott, der durch Gebet auf die Probleme aufmerksam gemacht wird und dem dadurch Ehre erwiesen wird. Den Einzelnen, die sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden, werden konkrete Lebensperspektiven angeboten. Verunsicherte Menschen finden einen neuen Lebenssinn. Die persönliche Einbindung des Einzelnen in einen großen "Weltenplan", der für den Betreffenden in den verschiedenen Lebensbereichen auch Erfolg hat, was die Zeugnisse vermitteln wollen, scheint die Stärke der Neopfingstler zu sein. Es sollen nun einige Zeugnisse aufgeführt werden. Zeugnis 1: Ein junger Militärrichter bedankt sich für die Möglichkeit eines Auslandsstipendiums, um dort seinen "Master de Ley" (Magister in Jura) zu machen. Zeugnis 2: Ein Ingenieur dankt Gott für die Bewahrung und den Sieg, die er bei seiner letzten Geschäftsreise nach San Pedro Sula erlebt habe. Dort seien zwei Frauen auf sein Zimmer gekommen und hätten ihn verführen wollen, doch glücklicherweise seien dann die Reinigungsfrauen gekommen, und er sei vor der Verführung bewahrt worden, was ihm allerdings den Ruf eingebracht habe, er sei "vom anderen Ufer". Er fährt fort, daß Gott auch der Pastor unseres Geldes sei und wir nur die Verwalter seien. Das sei ihm deutlich geworden, als er bei einem Freund Geld deponiert habe. Als er es wieder zurückholte, habe er es dreifach zurückbekommen. Er sei krank gewesen, aber von dieser Krankheit geheilt worden, als er mit einem Freund telefonierte und die Hand auf die kranke Stelle legte und sie dabei beteten. Zeugnis 3: Ein Staatsanwalt erzählt, daß Gott Macht habe, aber daß auch Satan große Macht habe, am allermeisten sogar, wenn man glaube, daß er gar nicht existiere. Als er von den Verfehlungen von Jim Baker gelesen habe, sei er sehr deprimiert gewesen, daß Satan sogar Macht über einen Mann Gottes habe. Darauf habe er gedacht, Gott existiere nicht, dann könne er auch wieder rauchen. Drei Tage habe er in Angst verbracht, und nur durch Gottes Barmherzigkeit sei er noch gläubig. Seine Frau habe für ihn gebetet, daß er nicht mehr die Sünde der Menschen sähe, sondern das Gesicht des Herrn.
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Zeugnis 4\ Ein Geschäftsmann erzählt, daß das Gebet große Macht habe. Er habe kein Haus besessen, sondern nur ein Apartment. Heute hätte er acht Apartments. Neulich habe sein Buchhalter ihm eröffnet, daß sie noch viele Rechnungen offenstehen hätten. Er sei zornig geworden, aber bei den meisten sei der Zahlungsanspruch schon verfallen gewesen. Dann sei er darauf gekommen, daß in der Bibel so viele Versprechen stünden. Er sei dann ohne Rechtsanwalt, nur mit seinem Buchhalter, losgegangen, um das Geld einzutreiben. Vorher hätten sie gebetet und die Sache Gott anbefohlen. Doch zum Lobe Gottes hätten sie 90% des Geldes eintreiben können. Zeugnis 5: Ein ehemaliger Bürgermeister von Tegucigalpa und Architekt berichtet aus seinem Leben. Nach seiner Zeit als Bürgermeister und seinem Ausstieg aus der Politik habe er drei Jahre keine Arbeit gehabt. Er habe manchmal nicht gewußt, wie er sich ernähren oder die Stromrechnung bezahlen solle. Er und seine Frau hätten in der Zeit bis zu 14 Stunden am Tag die Bibel gelesen. Dann habe er ein Kirchengebäude entwerfen sollen. Der Entwurf dafür sei ihm im Traum erschienen. Er habe ihn aufgezeichnet, und sein Vorschlag sei einstimmig angenommen worden.34 Sein Vater habe sterbend im Krankenhaus gelegen. Er habe sich auf den Sterbenden gelegt und befohlen: "Im Namen Gottes komm raus aus ihm". Dieser sei aber ohne Gott und mit einem Witz auf den Lippen gestorben, was ihn stark belastet habe. Er habe die Bibel aufgeschlagen und für sich eine Antwort erhalten auf seine Fragen. Dort habe gestanden, daß Gott die Aufrechten erretten wird. Einen Monat später habe er Arbeit gefunden bei der 'Seguridad Social' und habe somit Zugang zu den Krankenhäusern gehabt. Dies habe ihm ermöglicht, mit den Kranken zu beten und ihnen von Jesus zu erzählen. Doch einige Zeit später sei ihm gekündigt worden. Er habe es akzeptieren müssen, weil jede Autorität von Gott sei. Er habe dann für die Universität einen Plan gemacht, doch ohne Gebet und ohne Salbung. Darauf habe er seine schlimmste Erfahrung gemacht. Im Traum habe er zwei Männer miteinander kämpfen sehen. Der eine sei weiß gewesen, der andere schwarz. Er sei schweißüberströmt aufgewacht und habe mit seiner Frau gebetet. Offensichtlich sei er von den Geistern des Todes angegriffen worden. Er glaube, daß Gott ihn deswegen von der 'Seguridad Social' weggenommen 34
Bau der imposanten Zentralkirche der Mormonen in Tegucigalpa.
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habe, weil dort böse Geister und Geister der Krankheit gewesen seien. Jetzt fange er jede Sache mit Gott an, oder er lasse sie sein, wenn er darüber keinen Frieden finde. Er habe 1982 den Herrn auf Knien angenommen und sei von der Finsternis ins Licht gebracht worden. Das sei ein Geschenk gewesen. Er sei vier Jahre krank gewesen, habe 760.000 Lempiras35 an Schulden abbezahlen müssen. In der Politik habe er nicht über die Partei reden können, sondern habe über Christus reden müssen und seinen Herrn bekennen müssen. Das habe ihm Verfolgung eingebracht. Bei einer Versammlung, bei der ungefähr 200 Menschen anwesend waren, hätten ihn zwölf umbringen wollen, aber er habe währenddessen gebetet, und keiner habe ihn umbringen können, sondern nach der Versammlung seien sie zu ihm gekommen und hätten geweint. Er sei von der Politik weggegangen, weil er nicht mehr dort sitzen wollte, wo die Spötter sitzen. Letzte Woche habe er einem anderen Politiker, der ihm früher geschadet habe, gesagt: "Du bist mein Freund, ich vergebe dir". Der andere habe geheult. Durch Christus habe er dem anderen Liebe entgegenbringen können. Deswegen sei Christus der einzige, der Honduras ändern könne. Daher solle man sich auch nicht gegen die Obrigkeit auflehnen, denn Gott müsse sie anrühren. Zeugnis 6: Ein Mann berichtet, daß er seine Arbeit satt habe, weil er so viel arbeiten müsse. Er sagt: "Ich bin ein Mann des Erfolgs durch den Herrn, das bekenne ich ihnen... Wir Christen arbeiten im Geschäft, wie wenn wir für Christus arbeiten würden." Er bittet, für ihn zu beten, damit er nach der Kündigung auch seine Abfindung ausbezahlt bekomme, denn "wir sind Kopf und nicht Schwanz. Wir sind doch Führungspersonen mit gutem Auto und allem...".
5.
Zusammenfassung
Erstens: Das Grundproblem der honduranischen Gesellschaft ist nach Meinung der Neopfingstler die fehlende Gottesfurcht. Daraus resultieren alle anderen Probleme. Daher liegt die Lösung der Probleme in der Evangelisation und Bekehrung der Bevölkerung, vor allem aber der einflußreichen Personen. Die Bekehrung wird als grundsätzliche Veränderung der Lebenskonzeption verstanden. 35
Ca. 350.000 DM.
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Zweitens: Gesellschaftliche Probleme werden deutlich benannt. Der Status Quo wird aber im Grunde nicht in Frage gestellt, sondern soll eine Verbesserung erfahren, indem bekehrte Christen das gesellschaftliche Handeln bestimmen. Drittens: Von einer Minderheit werden strukturelle Kategorien zur Beschreibung der Gesellschaft herangezogen. Meistens wird die gesellschaftliche Realität jedoch spiritualisiert oder auf persönliches Verhalten reduziert, besonders, wenn es um die konkrete Interpretation von Phänomenen wie Armut und Reichtum geht. Viertens: Nach Meinung der neopfingstlichen Christen kann nur Gott die Probleme der Gesellschaft lösen. Diese Haltung steht im Zusammenhang mit einer Skepsis gegenüber gesellschaftlichen Lösungsansätzen, bis hin zu einer Verweigerungshaltung, weswegen es nicht zur Bildung einer politischen Ethik kommt. Strukturelle Ansätze für eine Änderung der Gesellschaft werden abgelehnt. Fünftens: Es wird zwar ein moralischer Anspruch formuliert, sich für Gerechtigkeit einzusetzen, doch bleibt dieser auf das Individuum beschränkt. Politisches Handeln geschieht vor allem durch Delegation an einzelne Personen, die 'christliche Politik' betreiben sollen, worunter hauptsächlich persönliche Integrität und Tüchtigkeit verstanden wird. Die Zugehörigkeit zu einer neopfingstlichen Kirche bietet soniit auch die Möglichkeit, Ämter, Geld und Prestige zu erlangen. Sechstens: Faktisch wird in Honduras eine Politik betrieben, mitverantwortet von neopfingstlichen Christen, die an den Bedürfnissen der Mittel und Oberschichten, der neopfingstlichen Klientel, ausgerichtet ist und die ärmeren Schichten benachteiligt. Angesichts dessen bleiben die Forderungen vieler Neopfingstler nach Gerechtigkeit unkonkret und wirkungslos. Hier zeigt sich das Fehlen einer Sozialethik. Siebtens: Die Meinungen zur Rolle der Christen im gesellschaftlichen Prozeß sind uneinheitlich. Einigkeit besteht bei den spirituellen und diakonischen Aufgaben der Kirche. Bei der politischen Rolle der Kirche gehen die Meinungen auseinander und reichen bis zur gänzlichen Ablehnung einer politischen Funktion. Es hat jedoch den Anschein, daß die Pastoren Reyes
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und Penalba für eine politische Rolle der Kirche eintreten als prophetische Stimme gegen Ungerechtigkeit. Die bisherige Rolle der eigenen Kirche wird in diesem Zusammenhang einer Kritik unterzogen. Achtens: In den Zeugnissen neopfingstlicher Männer kommen den individuellen Problemen und deren göttlicher Lösung große Bedeutung zu. Hier wird nicht Armut thematisiert, sondern die Sinnkrise und der wirtschaftliche Erfolg einer Oberschicht, die diesen auf eine gottbewirkte Ordnung zurückführen.
V. Einschätzung und Beurteilung Zur Auswertung und Beurteilung des Erforschten greife ich auf den Entwurf "Religion und gesellschaftliche Auseinandersetzungen" des venezolanischen Religionssoziologen Otto Maduro zurück.1 Dieser bildet den Rahmen für die Interpretation. Für den Ansatz Maduros spricht, daß er von einem Lateinamerikaner geschrieben wurde, ausgehend von der Situation Lateinamerikas. Er hat damit die von mir untersuchte Wirklichkeit besser im Blick als europäische oder nordamerikanische Autoren. Zudem ist sein Ansatz auf den Zusammenhang von politischer Herrschaft und Formen der Religion ausgerichtet und entspricht damit einigen der hier formulierten Fragestellungen.
1.
Otto Maduro: Religion und gesellschaftliche Auseinandersetzungen
Mit seiner 1978 fertiggestellten Arbeit will der Katholik Maduro das Verhältnis von Kirche und Gesellschaft in Lateinamerika in seiner Entwicklung verstehen und der Frage nachgehen, "welche Veränderungen dieser Verhältnisse heute möglich sind und auf welche Weise sie bewerkstelligt werden sollen".2 Maduro tut dies mit Hilfe der marxistischen Religionstheorie, die er korrigiert und neu formuliert. "Ein orthodoxer Marxist wird in dieser Neuformulierung wenig von seinem geliebten und verehrten Marx wiederfinden. Das kümmert mich kaum: Ich habe keinen Augenblick lang versucht, Marx 'treu' zu bleiben, sondern ich habe mir, einem lateinamerikanischen Katholiken des Jahres 1978, einige religionssoziologische Fragen beantworten wollen."3 Maduro gesteht sich ein, damit nicht alle Aspekte dieses Themenkomplexes erfassen zu können. Sein Ziel ist 1
Maduro, Otto: Religion und gesellschaftliche Auseinandersetzungen, Freiburg (Schweiz) 1986.
2
A.a.O., 25.
3
A.a.O., 26.
Einschätzung und Beurteilung
153
"eine kritisch-politische Religionssoziologie, die von der lateinamerikanischen Praxis der Befreiung ausgeht".4 Für ihn soll die Soziologie die Wirklichkeit nicht nur erforschen, erklären und sie als unabänderbar hinnehmen. Vielmehr soll sie von der Veränderbarkeit der Gesellschaft ausgehen und ihren Beitrag dazu leisten.5 Die heutige lateinamerikanische Gesellschaft wird als Klassengesellschaft verstanden, "in welcher die Macht und die Verantwortung sehr ungleich verteilt sind".6 In Abgrenzung zur bisherigen religionssoziologischen Tradition Lateinamerikas strebt er keine wissenschaftliche Neutralität an, sondern tritt für eine Parteilichkeit ein, die ihr Vorverständnis benennt: "Gegenüber der spontanen Naivität der lateinamerikanischen soziologischen Tradition in der Frage nach den verschiedenen Formen von Religion in der Gesellschaft schlagen wir eine Religionssoziologie vor, die sich ihrer Parteilichkeit bewußt ist und sie selbstkritisch hinterfragt."7 Für Maduro gibt es verschiedene mögliche und legitime Optionen für die soziologische Arbeit in Lateinamerika. "Was uns angeht, haben wir uns unter den vielen möglichen parteilichen soziologischen Standpunkten für die Mitarbeit an einer lateinamerikanischen Religionssoziologie entschlossen, die ausgeht von der auf bewußte, kohärente und selbstkritische Perspektive des Engagements in den Kämpfen der unterdrückten Bevölkerungsgruppen Lateinamerikas um ihre Selbstbefreiung und um den Aufbau einer selbstbestimmten sozialistischen Gesellschaft."8 In der Theologie wird diese Option von den Theologen der Befreiung eingenommen. Ausgehend von der Problematik einer genauen Klärung des Religionsbegriffs definiert Maduro, aufgrund seiner Erfahrung und Forschung in Lateinamerika, Religion folgendermaßen: "Religion ist die einer sozialen Gruppe gemeinsame Struktur von Rede- und Handlungsweisen, welche sich auf bestimmte Mächte beziehen, die von den an sie Glaubenden als vor ihrer natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt existierend und über ihr stehend, als personifiziert oder unpersönlich, als Vielzahl oder als Einheit be4
A.a.O., 63.
5
A.a.O., 71f.
6
A.a.O., 72.
7
A.a.O., 62.
Karl Braungart
154
trachtet werden und angesichts derer die Glaubenden zum Ausdruck bringen, daß sie sich von ihnen geschaffen, regiert, geschützt, bedroht... und daher abhängig wissen, wobei sie sich zudem zu einem bestimmten gesellschaftlichen Verhalten ihren 'Ebenbildern' gegenüber verpflichtet fühlen."9 Maduro arbeitet drei Aspekte des Verhältnisses von religiösem Bereich10 und Gesellschaft heraus. Der erste ist, daß der religiöse Bereich durch die sozialen Konflikte aufgrund der Produktionsverhältnisse wenigstens teilweise bestimmt ist. Der zweite Aspekt ist die relative Autonomie des religiösen Bereichs, der sich im jeweiligen Kontext eine eigene Wirklichkeit schafft und eigene Aktivitäten entwickelt. Dadurch hat er auch eine Stabilität in diesem Kontext. Der religiöse Bereich ist jedoch nicht nur Objekt gesellschaftlicher Einflüsse mit eigener Dynamik. Er wirkt auch aktiv auf gesellschaftliche Prozesse und Konflikte ein. Der dritte Aspekt ist daher die Frage nach den gesellschaftlichen Funktionen der Religion. Im folgenden sollen diese drei Aspekte bei der Auswertung das Augenmerk leiten und die Beziehung der Neopfingstler in Honduras zur Gesellschaft verdeutlichen. Zuvor soll noch eine Schwäche des Entwurfs Otto Maduros erwähnt werden. Maduro geht fast ausschließlich von der katholischen Kirche aus und nimmt andere religiöse Gruppen, wie indianische Religionen oder Protestanten, nur am Rande zur Kenntnis. Die katholische Kirche wird damit synonym für den religiösen Bereich gebraucht. Auch 1978 schon gab es starke religiöse Minderheiten in Lateinamerika, so daß diese Einseitigkeit des Katholiken Maduro nur durch sein offengelegtes Vorverständnis entschuldigt werden kann. Abweichend vom Sprachgebrauch Maduros verwende ich nicht den Begriff "Klasse", sondern "Schicht" zur Bezeichnung gesellschaftlicher Gruppen. Damit meine ich nicht, daß die gesellschaftlichen Verhältnisse Lateinamerikas nicht als "Klassengesellschaft" bezeichnet werden können,
8
A.a.O., 67.
9
A.a.O., 33.
10
"François Houtait definiert den Bereich des Religiösen als 'den durch die Gesamtheit der religiösen Institutionen und der religiös Handelnden in ihren gegenseitigen Beziehungen konstituierten Ausschnitt des gesellschaftlichen Raums'." A.a.O., 73, Anm. 1.
Einschätzung
und
Beurteilung
155
sondern benutze "Schicht" deshalb, weil dieser Begriff differenzierter gebraucht werden kann.11
1.1
Der Bereich des Religiösen als Produkt sozialer Konflikte
Nach Maduro orientiert sich das religiöse Handeln und die Verkündigung nach der sozialen Position der religiös Handelnden.12 Je nach Position in der Gesellschaft werden die Handelnden ihr religiöses System so ausrichten, wie es ihrer jeweiligen Position entspricht. Eine gesellschaftliche Schicht, die an der Macht beteiligt ist, wird sich ein religiöses System wählen oder schaffen, das ihre materielle, physische Macht durch eine symbolische Macht auf der Ebene der Religion, Moral, Kunst und Erziehung unterstützt.13 Eine gesellschaftliche Schicht oder eine Fraktion derselben, die nach einer Beteiligung an gesellschaftlicher Macht strebt, wird versuchen, eine größtmögliche materielle und symbolische Autonomie von der herrschenden Schicht zu erlangen.14 Dies kann innerhalb des vorherrschenden religiösen Systems geschehen oder außerhalb in abweichenden religiösen Gruppen und Sekten. In der Religion sind daher verschiedene Möglichkeiten angelegt, von der symbolischen Absicherung der Herrschaft bis zu ihrer Infragestellung durch andere Symbolsysteme. Die Mehrzahl der neopfingstlichen Kirchenmitglieder kommt aus der Mittelschicht, ein kleinerer Teil aus der Oberschicht oder der Unterschicht.15 Bei der Mittelschicht handelt es sich hauptsächlich um Angehörige der neuen Mittelschicht, die infolge der Modernisierung und Indu11
Auf die hinter der Begrifflichkeit sich verbergende Diskussion in der Forschung über soziale Ungleichheit kann ich hier nicht eingehen. Die neueren in Deutschland verwendeten sozialwissenschaftlichen Entwürfe Uber soziale Ungleichheit lassen die Klassen- und Schichtentheorien hinter sich und orientieren sich an sozialen Lagen, Milieus und Lebensstilen. Diese lassen sich aber nur auf fortgeschrittene Industriegesellschaften beziehen und sind auf mittelamerikanische Verhältnisse nicht anwendbar, (vgl. Hradil, Stefan: Sozialstrukturanalyse in einer fortgeschrittenen Gesellschaft, Opladen 1987) Ich gebrauche "Schicht" als analytische Kategorie zur Bezeichnung von Strukturen in asymmetrischen Gesellschaften, die sowohl durch den Zugang zu den Produktionsmitteln als auch durch den sozialen Status bestimmt werden, z.B. durch gesellschaftliche Funktionen, Bildung und Leistung. Damit kann auf die durch Modernisierung und Industrialisierung neu entstandenen Gruppen in Honduras besser eingegangen werden als durch den Begriff "Klasse". Dazu: Berger, Gerhard: Art. "Klasse"; Vaskovics, Laszlo A.: Art. "Schicht", in: Endruweit, Günter / Trommsdorff, Gisela (Hrsg.): Wörterbuch der Soziologie, Stuttgart 1989, 332-337 und 557-564.
12
Maduro, 105.
13
A.a.O., 112f.
14
A.a.O., 116f.
15
Vgl. Kap. n.2.2.
156
Karl Braungart
strialisierung in den 60er Jahren entstanden ist.16 Dazu gehören Ärzte, Architekten, Ingenieure, Juristen und andere Freiberufler oder Angestellte im Management und in der Verwaltung. Diese Gruppe konnte in den 70er Jahren ihren Anteil am gesellschaftlichen Reichtum gegenüber den traditionellen Oberschichten17 vergrößern, bevor Ende der 70er Jahre dieser Wohlstand durch die Wirtschaftskrise bedroht wurde. Da die neue Mittelschicht nicht über Landbesitz oder großes Betriebskapital verfügt, sondern über erlernte Fähigkeiten und individuelle Leistung zu Wohlstand gekommen ist, ist ihre Position bedrohter als die der traditionellen Oberschicht und ständiger Konkurrenz ausgesetzt. Eine Beteiligung an der Macht wird in Folge von Absprachen und Korruption durch die herrschenden Schichten erschwert. Zwar ist die neue Mittelschicht mit der Oberschicht assoziiert, doch hat sie aufgrund ihrer sozialen Position andere Interessen. Ihr geht es darum, daß Politik und Wirtschaft eine vertikale Mobilität aufgrund von Leistung ermöglichen. Eine Mobilität wird durch politische und wirtschaftliche Reglementierung verhindert; deshalb treten die Angehörigen der neuen Mittelschicht für eine liberale Wirtschaftspolitik ein, die ihnen Chancen für die Verwirklichung ihrer Ziele bietet. Dafür sind im jetzigen honduranischen Kontext politische Reformen notwendig. Durch diese wird sowohl auf den Druck der unteren Schichten reagiert, die eine größere und gerechtere Beteiligung am gesellschaftlichen Reichtum fordern und dies durch Streiks und Landbesetzungen untermauern, als auch auf das Bedürfnis nach sozialer Ruhe der Mittelschichten. Für diese ist soziale Ruhe als Voraussetzung für Investitionen und Industrialisierung wichtig. An einer strukturellen Gesellschaftsveränderung sind sie nicht interessiert, weil diese ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten zugunsten anderer Schichten einschränken würde.18 Weiter oben wurde schon auf die gesellschaftliche Krisensituation in Honduras eingegangen, die Bürgerkriege in den Nachbarländern, die sozialen Spannungen und die Militarisierung der Gesellschaft. Die Verteilungs- und Machtkämpfe zwischen den verschiedenen Gesellschaftsschichten bedrohen die soziale Ruhe und das Leben von Menschen aller
16
Vgl. Kap. 1.3.3; Schäfer, Protestantismus, 137.
17
Dazu: Ders., Protestantismus, 134.
IS
Vgl. dazu Nicaragua.
Einschätzung
und Beurteilung
157
Schichten. Dies führt zu einer Verunsicherung in der honduranischen Gesellschaft. Ausgehend von der These Maduros, daß der religiöse Bereich wenigstens teilweise das Produkt sozialer Konflikte ist, in denen die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, je nach ihrer Position, versuchen, ihre Herrschaft oder ihre gesellschaftlichen Interessen, z.B. den sozialen Aufstieg, durch ein religiöses System abzusichern, entspricht die neopfingstliche Theologie und Praxis ihrer Klientel, der neuen Mittelschicht und den durch gleiche Interessen verbundenen Fraktionen der Ober- und Unterschicht. Die neopfingstlichen Kirchen gehen auf die Lebensunsicherheit in einer Krisengesellschaft ein, indem sie stabile Normensysteme und konkrete Handlungsanweisungen anbieten. Diese bleiben auf den individuellen Bereich beschränkt, auch wenn einzelne im politischen Bereich tätig sind. Durch ein festes Weltbild, das durch die Bibel, den Garant für die göttliche Wahrheit, begründet scheint, wird dem schwankenden Boden der Gesellschaft ein festes System entgegengestellt, das eine Zukunft ermöglicht. Die eigene Position im gesellschafdichen Kampf wird auf symbolischer Ebene aufgenommen und gestärkt: Die Welt wird als Kampfplatz dämonischer Mächte gedeutet, die von den Engeln des Lichts besiegt werden. Dies steht schon fest. Die neopfingstlichen Gläubigen sind in diesen Kampf durch Identifikation mit den Engeln des Lichts einbezogen und werden damit selbst zu Siegern. Dem Bedürfnis nach gesellschaftlicher Macht der neuen Mittelschichten entspricht die Teilhabe an der göttlichen Macht durch den Heiligen Geist, die ein Leben in Wohlstand und Prosperität verspricht. Wirtschaftlicher Erfolg wird damit erreichbar und göttlich legitimiert. Die eigene Leistung wird gefördert und als von Gott gewünscht verstanden. Die neopfingsdiche Theologie und Praxis ist demnach eine Religion des Sieges und Erfolgs und entspricht den Interessen einer Schicht, die durch ihre eigene Leistung um wirtschaftliche Macht kämpft. Durch die engen Beziehungen zu Glaubensgeschwistem in den USA bekommen die neopfingstlichen Gläubigen starke Verbündete in ihrem gesellschaftlichen Kampf. An die Stelle eines nationalen religiösen Konsenses unter dem Dach der katholischen Kirche treten internationale Verbindungen und Solidaritätsbeziehungen zu Partnern in den USA. Diese Allianz erstreckt sich nicht nur auf den religiösen Bereich, sondern auch auf den
Karl
158
Braungart
wirtschaftlichen, indem gemeinsame ideologische Grundlagen für wirtschaftliche Beziehungen geschaffen werden, die auch, durch die Ausweitung der Märkte, im Interesse der Regierung der USA sind und daher auch international unterstützt werden. Die neopfingstliche Theologie und Praxis ist demnach ein Teil der Strategie der neuen Mittelschicht und ihr verbundener Fraktionen der Oberund Unterschicht zur Erlangung sozialer, wirtschaftlicher und politischer Macht. Es ist unerheblich, ob sich die neopfingstlichen Christen dessen bewußt sind. Es kann davon ausgegangen werden, daß diese Strategie nicht geplant ist, sondern unbewußt abläuft. In Abgrenzung dazu ist die katholische Kirche in Honduras stärker an der Landbevölkerung orientiert als an der neuen Mittelschicht, die ein städtisches Phänomen ist. Für die Interessen dieser Schicht läßt sie sich nicht mobilisieren, weil sie einerseits die Herrschaftsreligion der traditionellen Oberschicht ist, andererseits aber auch über die "Kirche des Volkes" revolutionäre Bewegungen initiierte und unterstützte. Im honduranischen Kontext ist die katholische Kirche als sozialkritisch einzuschätzen, vor allem was die neoliberale Wirtschaftspolitik angeht.19
1.2
Der religiöse Bereich als relativ autonomes Feld
Der religiöse Bereich, als in Mittelamerika wichtigster Bereich der symbolischen Deutung von kollektiven Erfahrungen, wird jedoch nicht nur von den sozialen Konflikten bestimmt, sondern hat seine eigene Dynamik. Nach Maduro haben "die Strukturen, Konflikte und Veränderungen der Gesellschaft als Ganzer (...) keinen unmittelbaren, mechanischen oder automatischen Einfluß auf die Ebene der religiösen Rede- und Handlungsweisen", sondern werden über den religiösen Bereich vermittelt.20 D.h.: "Nur auf dem Weg über die unterschiedliche religiöse Nachfrage der verschiedenen Klassen und Klassenfraktionen wirkt die Struktur der Gesellschaft auf die Dynamik des religiösen Bereichs, also auf die religiöse Produktionsaktivität und deren Änderungen ein. Auch die verschiedenen Formen der religiösen Nachfrage dringen jedoch nicht unmittelbar in den religiösen Bereich ein, sondern erreichen diesen nur vermittels mehrerer institutionell verschiedener 19
Siehe dazu Anhang 6.
20
Maduro, a.a.O., 127.
Einschätzung
und
Beurteilung
159
religiöser Instanzen (Organisationen, Orden, religiöse Gruppen usw.)-"21 Für die relative Autonomie des religiösen Bereichs gibt es nach Maduro drei Gründe: Durch Verinnerlichung eines religiösen Systems (Weltanschauung) und durch einen Gesamtkomplex von gemeinsamen Rede- und Handlungsweisen bekommt dieses System Kontinuität und erschwert Veränderungen. Durch Institutionalisierung in festen Körperschaften mit organisierten Funktionären wird die Stabilität religiöser Gruppen verstärkt und schnelle Veränderungen werden verhindert.22 Der religiöse Bereich ist in verschiedener Hinsicht konfliktiv. Er ist Konfliktfeld verschiedener konkurrierender Gruppen, die versuchen, den religiösen Bereich zu monopolisieren. Weiterhin kommt es zur Spezialisierung der religiösen Produktion, indem diese an eine Spezialistengruppe (Klerus; Theologen) delegiert wird oder eine Gruppe sich die religiöse Produktion aneignet.23 Dadurch kommt es zu einer Spaltung in Kleriker und Laien, die die religiöse Produktion konsumieren. Innerhalb der Laienschaft kommt es entsprechend der gesellschaftlichen Verhältnisse zu einer Spaltung in verschiedene Pole: die herrschende Klasse, die eher eine Religion verlangt, die sie in der Gesellschaft als herrschende Klasse situiert und bestätigt, und die beherrschten Klassen, die eher eine Kompensation für ihre Unterordnung suchen oder die herrschende Ordnung destabilisiert sehen wollen durch die Religion. Auch innerhalb der Amtsträger kommt es zur Spaltung in höhere und niedere Funktionäre. Neben einer Diversifizierung der religiösen Tätigkeit auf organisatorischer und diskursiver Ebene ist auch eine "Systematisierung und Moralisierung des religiösen Diskurses notwendig".24 Die Systematisierung dient der Vereinheitlichung der religiösen Rede- und Handlungsweisen, um Konflikte zu reduzieren. Die Moralisierung ist auf Sakralisierung und Stabilisierung von Verhaltensnormen zur Festigung der religiösen Ordnung ausgerichtet. Im religiösen Bereich können verschiedene Formen der Religiosität in Konkurrenz zu einander treten und attraktivere können die alten Formen
21
A.a.O., 138f.
22
A.a.O., 127f.
23
A.a.O., 132ff.
24
A.a.O., 135.
160
Karl
Braungart
ablösen. Dies kann durch Integration in das eigene System oder auch durch Disqualifizierung des Alten geschehen.25 Die religiöse Nachfrage wird zu einem großen Teil von der gesellschaftlichen Position der Laien bestimmt. Jede gesellschaftliche Gruppe entwickelt entsprechend ihrer Herkunft, ihrer Geschichte, ihrer Situation und ihrer Strategie "einen Gesamtkomplex religiöser Erwartungen und Forderungen", die sich zum Teil von denen anderer Gruppen unterscheiden.26 Wenn diese Gruppe mit ihren Erwartungen und Forderungen eine institutionelle Instanz findet, die sich ihrer annimmt und wenn sie im religiösen Bereich mit einfem institutionellen Interesse übereinstimmen, z.B. einer Offenheit oder Schwäche, dann wird ihnen durch die religiöse Produktion entsprochen werden. Die religiöse Produktion wird vorherrschend von der inneren Struktur des religiösen Bereichs, den Klerikern, bestimmt. Jede Klerikergruppe bestimmt je nach ihrer Herkunft, sozialen Position und ihrer Strategie innerhalb des religiösen Bereichs, welche religiösen Rede- und Handlungsweisen produziert werden. Diese Produktion entspricht nicht immer der Nachfrage der Laien, sondern ist ihr manchmal ganz fremd, z.B. die Zölibatsdiskussion in der katholischen Theologie. Nach Maduro kann die religiöse Produktion die religiöse Nachfrage nicht erzeugen, sondern nur mittelbar auf sie einwirken, wenn sie die Nachfrage kurzfristig befriedigt und langfristig die Entwicklung der Nachfrage beeinflußt.27 Der religiöse Konsum ist vom Bedürfnis der Laien und dem religiösen Angebot abhängig: "Die Nachfrage wählt unter den vom religiösen Bereich produzierten und angebotenen Gütern diejenigen aus, die das besondere religiöse Interesse der betreffenden gesellschaftlichen Gruppe zu befriedigen scheinen."28 Die Machtstrukturen innerhalb des religiösen Bereichs konzentrieren sich auf die Institution Kirche. Hier geht Maduro m.E. zu stark von der katholischen Perspektive aus, denn er definiert Kirche in Beziehung zu Macht "als jenen Gesamtkomplex religiös handelnder Individuen und Institutionen (...), die zu einer bestimmten Zeit in einer Gesellschaft das Monopol der legitimen Ausübung der religiösen Macht inneha25
A.a.O., 130f.
26
A.a.O., 140.
27
A.a.O., 142.
Einschätzung und Beurteilung
161
ben. Eine Kirche ist dieser soziologischen Definition nach ein religiöses System, das festlegen kann, wer auf legitime Weise handeln darf und wer nicht, welche Handlungen legitim sind und welche nicht."29 Der Kirche geht es neben der Befriedigung der religiösen Nachfrage der Laien um die Erhaltung ihrer Macht durch Erhaltung und Ausweitung ihres Publikums und durch Vermeidung von Abspaltungen. Für diese Strategie ist sie auch bereit, die Bedürfnisse der Laien zu vernachlässigen. Diese Machtposition ist immer wieder durch Propheten gefährdet, die unbefriedigt gebliebene Bedürfnisse von Laien und Klerikern bündeln, mobilisieren und neue Diskurse produzieren.30 Die soziologische Realität einer religiösen Institution wird, nach Maduro, durch verschiedene Faktoren bestimmt, die ihre Handlungsmöglichkeiten festlegen. Diese sind: ihre Geschichte, ihre Tradition, ihr grundlegender Diskurs, ihre Organisationsform, ihre Position innerhalb des religiösen Bereichs, ihre gesellschaftliche Zusammensetzung, ihr Publikum und ihre Ressourcen.31 Im vorigen Kapitel wurde auf den Einfluß von sozialen Konflikten auf die Neopfingstkirchen in Honduras eingegangen. Jedoch können diese Kirchen als Teil des religiösen Bereichs nicht nur aus sozialen Konflikten erklärt werden, sondern man muß ihre eigene Dynamik innerhalb des honduranischen religiösen Kontextes sehen. Der religiöse Bereich wird dominiert durch die katholische Kirche, die lange Zeit eine Monopolstellung innehatte. Dieses religiöse Monopol wurde durch Institutionalisierung und Verinnerlichung von religiösen Systemen und Diskursen abgesichert. Die katholische Kirche als religiöses System war so lange erfolgreich und konnte ihre Stellung halten, solange sie die religiöse Nachfrage befriedigen konnte und keine anderen religiösen Alternativen zur Verfügung standen. Sie konnte die gesellschaftliche Fragmentisierung in sich aufnehmen und den gesellschaftlichen Gruppen entsprechende religiöse Angebote schaffen, solange bis neue gesellschaftliche Schichten, die durch Strukturveränderungen in der Gesellschaft ent28
A.a.O., 143.
29
A.a.O., 145.
30
A.a.O., 148f.
31
A.a.O., 153f.
162
Karl Braungart
standen waren, nach neuen und differenzierteren Angeboten nachfragten. Nach Maduros Theorie hätte dies noch nicht zu Neugründung von religiösen Gruppen, wie den neopfingstlichen Kirchen, führen müssen, wenn nicht durch Mission aus den USA entsprechende religiöse Angebote präsent gewesen wären, die für die Bedürfnisse der neuen Mittelschichten attraktiver waren und die eine große Offenheit zeigten für neue Mitglieder. Sie waren deshalb attraktiver, weil in den neuen Kirchen eine vertikale Mobilität möglich war. Der Aufstieg in die Spezialistengruppe (Klerus) der religiösen Produktion war für alle charismatisch Begabten ohne formale Zulassungskriterien möglich. In diesem Sinne könnte man die neopfingstlichen Kirchen als Aneignung der religiösen Produktionsmittel durch eine bestimmte Laienfraktion verstehen, die allerdings anfangs durch andere Kleriker, nordamerikanische Missionare, unterstützt wurde. Attraktiver waren die Neopfingstler auch deshalb, weil sie die gesellschaftliche Strategie einer Laienfraktion durch ein neues religiöses Weltbild unterstützte. Man kann also nicht sagen, daß die Neopfingstkirchen durch die religiöse Produktion von außen, z.B. durch den CIA oder mit ihm zusammenarbeitende USamerikanische religiöse Gruppierungen aufgebaut und gesteuert werden.32 Dies könnte nur mittelbar geschehen, indem kurzfristig die religiöse Nachfrage befriedigt wird und langfristig die Entwicklung der Nachfrage beeinflußt wird, nicht aber direkt.33 Der Konsum der religiösen Produktion der Neopfingstler erfolgt vielmehr aufgrund der Nachfrage und des adäquaten Angebots. In Honduras, wie auch im restlichen Lateinamerika, kann man nicht mehr von einem einheitlichen, durch die katholische Kirche monopolistisch strukturierten religiösen Bereich ausgehen, sondern man muß von einer pluralen Situation ausgehen. Viele verschiedene Kirchen und Gruppen teilen sich das religiöse Feld, auf dem die katholische Kirche zwar noch die Mehrheit hat, aber mit starken Minderheiten konkurrieren muß. Mit dieser Konkurrenz tut sich die katholische Kirche noch schwer und begegnet anderen religiösen Gruppierungen teilweise mit Disqualifizierung und Ausgrenzung, um ihre Macht zu erhalten. Eine Form der Disqualifizierung ist,
32
So Möns. L.A. Santos, Bischof von Copän und Padre Alonso Tejedo, Sekretär von Erzbischof H.E. Santos.
33
Maduro, 142.
Einschätzung
und
Beurteilung
163
wenn pfingstliche oder neopfingstliche Gruppen pauschal und generalisierend mit dem US-amerikanischen Imperialismus gleichgestellt werden. Ihre Position auf dem religiösen Feld sichern die Neopfingstkirchen durch neue Rede- und Handlungsweisen ab und suchen sie durch Mission zu erweitern. In Zusammenarbeit mit anderen pfingstlich - charismatisch ausgerichteten Gruppen erarbeiten die Neopfingstler Schulungsmaterialen und Kurse, um ihren religiösen Diskurs zu stabilisieren, indem sie ihre Mitglieder mit Wissen und Kenntnissen ausstatten, die ihnen gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften, wie z.B. auch der katholischen Kirche, Vorteile verschaffen.34 Damit wird ihre Lehre vereinheitlicht und systematisiert. Die hierarchische Gemeindestruktur wird durch die Ableitung der Autorität von Gott sakralisiert und dadurch gefestigt. Dies scheint notwendig zu sein, weil die Herrschaft des Klerus (Hauptpastor, Hilfspastoren, Hermanos Mayores), die als charismatische Herrschaft35 bezeichnet werden kann, noch nicht sehr stabil ist und immer wieder von Führungskonflikten bedroht ist, die auch zu Spaltungen führen. Die Dimension von religiösem Erleben kommt in Maduros Herangehensweise zu kurz, ist aber für das Verständnis der Neopfingstler im honduranischen religiösen Bereich bedeutsam, deshalb wird hier auf eine Anregung des nordamerikanischen Religionssoziologen Charles Glock zurückgegriffen.36 Das religiöse Erleben ist in der neopfingstlichen Praxis zentral. Es hat eine stabilisierende Wirkung durch die Erfahrbarkeit Gottes im Gottesdienst, denn dadurch wird die Praxis und damit auch die Institution durch Gott bestätigt. Durch Wunder und ekstatische Äußerungen wird Gott direkt erfahren, ohne Vermittlung. Die individuelle Heils- und Rettungserfahrung ist für alle sichtbar und vermittelt die Gegenwart Gottes. Das Erleben Gottes läßt diesen als eine Macht erscheinen, der vertraut werden kann. Daraus können die Gläubigen "unmittelbare Belohnungen"37 bekommen, wie Vertrauen zum Leben, Geborgenheit in Gott, seelischen Frieden und materiellen Erfolg. Dazu kommt die Vermittlung einer Zukunftsperspektive durch Erlösung und ewiges Leben. Zusammen bestärken 34
Vgl. dazu: Religiöses Wissen (die intellektuelle Dimension), in: Giock, Charles Y.: Über die Dimensionen der Religiosität, in: Matthes, Joachim (Hrsg.): Kirche und Gesellschaft. Einführung in die Religionssoziologie II, Hamburg 1969, 163ff.
35
Weber, Wirtschaft, 140ff.
36
Glock, 161f.
37
A.a.O., 165.
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164
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die religiösen Erfahrungen den Einzelnen und machen ihn damit für seine gesellschaftliche Strategie stärker und erfolgreicher. 13
Der religiöse Bereich als aktiver Faktor in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen
Der religiöse Bereich ist nicht nur ein Produkt der gesellschaftlichen Konflikte und auch nicht nur ein autonomes Feld mit einer Eigendynamik, sondern er ist nach Maduro auch ein Bereich, der aktiv in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungea eingreift und die Beziehungen zwischen den verschiedenen Menschen und Schichten definiert. Aufgrund einer gemeinsamen, durch Erfahrung entstandenen Weltsicht situieren, orientieren und handeln Menschen in ihrer Gesellschaft und gestalten sie.38 Die gemeinsame Sicht der Welt ermöglicht erst ein gemeinsames Handeln, legt aber auch die Grenzen dieses Handelns fest. "In Gesellschaften und Gruppen, die Träger eines religiösen Interesses sind, funktioniert die Religion als ein Bereich der Vermittlung des sich auf den Menschen beziehenden Handelns mit dem Handeln in der gesellschaftlichen und natürlichen Umwelt."39 Aufgabe der Religion ist es, die objektive gemeinsame Erfahrung für den Einzelnen subjektiv zu strukturieren oder das gesellschaftlich Erlebte in gesellschaftlich Gedachtes zu verwandeln. Sie definiert damit, was denkbar und undenkbar, was erwünscht und unerwünscht, was möglich und unmöglich und was wichtig und zweitrangig ist. "Durch diese Strukturierung der kollektiven Erfahrung ermöglicht die Religion das Einwirken der an sie Glaubenden auf ihre natürliche und gesellschaftliche Umwelt. (...) Die Glaubenden erkennen ihre Welt, nehmen sie wahr und denken über sie nach auf der Grundlage ihrer religiösen Sicht der Welt. Daher werden sie auch bei ihrem Handeln in der Welt von dieser religiösen Weltanschauung geleitet. Ebenfalls auf der Grundlage der religiösen Sicht der Welt, nämlich einer Welt, in der sie einen zentralen Platz einnehmen, erkennen die Glaubenden auch sich selbst. Daher werden sie durch die von ihrer Religion ermöglichte, bestimmte und orientierte Selbstwahmehmung zu einer Gruppe zusammengeschlossen und finden in ihr ihre Identität.' 40 38
Maduro, 157ff.
39
A.a.O., 159.
40
A.a.O., 160. Vgl. Kap.m.l.
Einschätzung
und
Beurteilung
165
Maduro wendet sich gegen die funktionalistische Religionstheorie41, nach der Religion durch einen Komplex verschiedener, für alle Gesellschaften gleicher, individueller und gesellschaftlicher Funktionen definiert wird und gegen die marxistische Religionstheorie, in der Religion normalerweise nur die Funktion der Stabilisierung der Gesellschaft hat. Für ihn kann Religion je nach den historischen, strukturellen und konjunkturellen Bedingungen der Gesellschaft unterschiedliche Funktionen und Bedeutung haben. Der religiöse Bereich ist als eines der Vermittlungsfelder zu verstehen, von dem aus der Kampf der verschiedenen Klassen beeinflußt wird. Dabei haben die herrschenden Klassen die Sicherung ihrer Hegemonie zum Ziel, die untergeordneten Klassen die Erlangung oder Festigung ihrer Autonomie.42 Die herrschende Klasse wird, nach Maduro, die religiösen Funktionsträger in ihre Strategie miteinbeziehen, damit Praktiken und Diskurse produziert werden, die die gegenwärtige Herrschaft legitimieren und sakralisieren und den Personen und Bewegungen die Legitimität abgesprochen wird, die gegen diese Herrschaft opponieren. Die Vereinnahmung der Funktionsträger verläuft unbewußt und auf verschieden Ebenen, um sich den Klerus zu verpflichten und in die wirtschaftliche Organisation der Gesellschaft einzubinden: wirtschaftlich (Privilegien), familiär (Heirat), juristisch-politisch, pädagogisch-kulturell (Schulen), repressiv (Unterdrückung anderer Religionen).43 Der Klerus wird nun seine religiöse Produktion, wiederum unbewußt, so ausrichten, daß das Weltbild und die Interpretation der Welt mit den Interessen der Herrschenden übereinstimmen und sein Publikum entsprechend handelt. Maduro nennt einige Beispiele, wie ein herrschaftslegitimierender religiöser Diskurs in obigem Sinne aussehen kann. Hier nur einige Beispiele: "b) die Produktion eines religiösen Diskurses, der nicht die in einer Klassengesellschaft tatsächlich gegebenen Konflikte und Kämpfe als solche benennt bzw. für vorrangig erklärt, sondern dafür andere Kämpfe und Konflikte in den Vordergrund rückt; (...) j) die Produktion eines religiösen Diskurses, der die Inhaber der Macht als Vertreter einer sakralen und ewigen Ordnung darstellt, 41
Als Vertreter nennt Maduro: Talcott Parsons, Bronislaw Malinowski, Robert K. Merton.
42
Maduro, 165.
43
Maduro geht hier wieder vom offiziellen lateinamerikanischen Katholizismus aus.
Karl Braungart
166
die als solche zu respektieren ist und erhalten werden muß und der zu gehorchen ist, will man der Strafe Gottes entgehen."44 Wenn eine neue Klasse die Herrschaft anstrebt, so muß sie auch das religiöse System unter ihre Kontrolle bringen. Falls ihr das nicht durch Einbeziehung des alten Klerus gelingt, dann wird sie ein anderes bisher untergeordnetes religiöses System unterstützen und stärken, um die Macht des alten religiösen Systems zu schwächen, große Teile der Bevölkerung, die bisher hinter dem alten System gestanden sind, für sich zu gewinnen und um für die eigene Herrschaft Zustimmung zu erhalten. Religiöse Systeme vom Typus Kirche45 haben durch ihren mehrdeutigen Diskurs aufgrund der Klassenvielfalt ihres Publikums notwendigerweise eine konservative Funktion, indem sie die in einer Klassengesellschaft bestehenden Konflikte verdecken und sie in der Transzendenz zu überwinden trachten. Eine Kirche muß notwendigerweise einen mehrdeutigen Diskurs produzieren, weil eine eindeutige gesellschaftliche Position das Risiko in sich birgt, daß sich eine Gruppe abwendet, für die nicht Position bezogen wurde. Durch ihren hierarchischen Aufbau trägt sie dazu bei, daß eine Gehorsamshaltung eingeübt und verinnerlicht wird, die dann allgemein auf Herrschaftsstrukturen übertragen wird. Doch der religiöse Bereich muß nicht zwangsläufig eine konservative Funktion haben in bezug auf Herrschaftsbeziehungen. Er kann in bestimmten historischen Situationen Praktiken, Diskurse und Institutionen entwickeln, die dem Streben nach Autonomie der untergeordneten Klassen entsprechen und sie fördern.46 Mit ihrem dichotomischen Weltbild haben die Neopfingstler einen Interpretationsrahmen geschaffen, der ihre gemeinsame Erfahrung strukturiert. Die 44
Maduro, 171f.
45
In Anlehnung an Troeltsch grenzt Maduro Kirche von Sekte und religiöser Bewegung ab und definiert sie soziologisch mit folgenden Charakteristika: "a) ein relativ gleichbleibendes, recht zahlreiches Publikum, das aus verschiedenen, sowohl herrschenden als auch beherrschten Klassen der Gesellschaft herstammt; b) eine bereits einige Generationen alte Geschichte in dieser Gesellschaft; c) eine sich in einer alten und traditionellen Lehre niederschlagende Ansammlung verschiedener monotheistischer Glaubensinhalte und moralischer Nonnen; d) eine zentralistisch organisierte und stabile Hierarchie von Funktionsträgern, die auch schon seit wenigstens einigen Generationen existiert; e) die Vorherrschaft im religiösen Bereich der betreffenden Gesellschaft, die sie allgemein innehat oder mit anderen Kirchen teilt." A.a.O., 176f. Nach dieser Definition gibt es in Lateinamerika nur eine Kirche: die katholische.
46
A.a.O., 181ff.
Einschätzung
und
Beurteilung
167
Erfahrungen der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und der bedrohten eigenen sozialen Position bekommen eine sinnhafte Deutung im Kontext eines spirituellen Kampfes übermenschlicher Mächte. Die individuelle Alltagserfahrung wird verallgemeinert und in eine mit anderen neopfingstlichen Christen kommunizierbare Gemeinschaftserfahrung verwandelt. Diese gemeinsame Sicht der Welt als dämonischer Kampfplatz mit Beteiligung der Menschen enthebt einerseits die Menschen der Verantwortung für ihre jetzige Situation, weil diese von anderen Mächten verursacht ist, andererseits gibt sie die Möglichkeit der Veränderung, indem man sich am Kampf beteiligt. Durch das Weltbild ist auch das Innen und Außen, das was sein soll und was nicht sein soll, das Reich des Lichts und das Reich der Finsternis definiert. Wie in den obigen Ausführungen gezeigt, wird das Innen mit Verhaltensweisen beschrieben, die wirtschaftlichen Erfolg, Prosperität und die Beteiligung an der Macht ermöglichen sollen. Das Außen wird mit Verhaltensweisen und Gesellschaftsstrukturen beschrieben, die diesem entgegenstehen. Damit werden auch die Möglichkeiten des Handelns und das, was erstrebenswert ist, vorgegeben. Konkretisiert wird diese Handlungsorientierung in einer bewußten oder unbewußten Strategie, die sich in der Produktion von Diskurs- und Handlungsweisen zeigt. Bei den Neopfingstlem stehen diese Diskurs- und Handlungsweisen im Interesse der neuen Mittelschicht, die nach einer Beteiligung an der wirtschaftlichen und politischen Macht strebt. Um dies zu erreichen, werden politisch einflußreiche Personen, wie z. B. die Präsidentschaftskandidaten angesprochen. Über Bekehrung und Mitgliedschaft versucht man, diese Personen in die eigene Strategie zu integrieren oder schon bewährte Mitglieder in einflußreiche Stellungen zu bekommen. Das Schielen nach wichtigen gesellschaftlichen Personen ist bei den Hombres Cristianos de Negocio besonders stark und läßt auf ein elitäres Gesellschaftsverständnis schließen. Bei den anderen Neopfingstkirchen ist diese Denkweise ebenfalls vorhanden, aber nicht so stark ausgeprägt. Der Blick auf die Gesellschaft erfolgt von "oben", von einer Führungselite her. Diese Strategie bewirkt, daß die Umwelt mit den Augen einer Führungselite oder eine Gruppe, die danach strebt Führungselite zu sein, gesehen wird. Der Kontakt mit den einflußreichen Personen kann zur Einbindung der neopfingstlichen Funktionsträger in die Strategie der herrschenden Schicht
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führen. Eine Unterstützung oder Vorteile für die eigene religiöse Institution sind die Folge oder stehen in Aussicht. Der religiöse Diskurs der Neopfingstler ist grundsätzlich heirschaftslegitimierend. Reformistisch ist er in bezug auf gesellschaftliche Mobiiitat und Wirtschaftsstruktur, zum Zweck einer stärkeren Beteiligung der eigenen Klientel. Herrschaftslegitiniatorisch ist er durch seine Individualisierung und Spiritualisierung gesellschaftlicher Mißstände wie Armut und Reichtum. Zwar wird Armut als Folge von Ungerechtigkeit angesprochen, die Erklärungen dafür sind aber überwiegend deterministisch, spiritualisierend oder werden der fehlenden individuellen Tüchtigkeit zugeschrieben. Wirtschaftlicher Erfolg wird der göttlichen Gnade, vermittelt durch den Heiligen Geist, zugeschrieben. Diese Gnade entfaltet sich nur aufgrund der eigenen Tüchtigkeit. Strukturelle Gründe sind in diesem Diskurs nur ansatzweise vorhanden. Durch die starke Betonung der Prosperität und der Möglichkeit des wirtschaftlichen Erfolgs wird eine soziale Aufstiegsmöglichkeit für alle suggeriert, die strukturellen Bedingungen dafür werden verschleiert. Strukturelle gesellschaftliche Veränderungen, wie Agrarreformen oder sozialistische Gesellschaftsmodelle werden abgelehnt und teilweise sogar in den Bereich des Dämonischen gebracht. Jede Herrschaft wird von Gott abgeleitet. Sie wird damit sakralisiert und legitimiert. Von den Gemeindegliedern wird eine Gehorsamshaltung verlangt, die in den Gemeinden eingeübt und verinnerlicht wird und auf die gesellschaftlichen Herrschaftsstrukturen übertragen wird. Durch diese Diskurse haben die Neopfingstler eine aktive Funktion im gesellschaftlichen Kontext von Honduras, indem sie den Status Quo stützen.
2.
Zusammenfassung
Die neopfingstlichen Kirchen befriedigen die Nachfrage der neuen Mittelschichten in Honduras. Diese, in den 80er Jahren in eine Krise geraten, strebten nach einer Absicherung ihrer gesellschaftlichen Position und nach einer größeren Beteiligung an wirtschaftlicher und politischer Macht. Die katholische Kirche konnte diese Nachfrage nicht in ausreichendem Maße befriedigen, zumal mit den neopfingstlichen Gruppen eine attraktive Alter-
Einschätzung und Beurteilung
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native zur Stelle war. Im pluralen religiösen Bereich konnten die Neopfingstkirchen inzwischen ihre Position institutionell und diskursiv festigen. Mit ihren Rede- und Handlungsweisen unterstützen sie auf symbolischer Ebene die Interessen ihrer Klientel. Sie ist eine Religion des Sieges und Erfolgs und entspricht den Interessen einer Schicht, die durch ihre eigene Leistung um wirtschaftliche Macht kämpft. Damit haben sie eine aktive Rolle in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in Honduras. Im Sinne der neuen Mittelschichten treten sie für eine Reform der Gesellschaft (Liberalisierung) ein, grundsätzlich aber sind ihre Rede- und Handlungsweisen auf Legitimierung des derzeitigen Systems und seiner Herrschaftsstrukturen ausgerichtet.
Quellen- und Literaturverzeichnis 1.
Interviews
Interview 1 mit Dr. Fernando Nieto, Pastor des Centro Cristiano de Renovación Carismàtica - El Cenáculo, am 5.6.1990 in Tegucigalpa. Interview 2 mit José Daniel Sosa, am 6.6.1990 in Tegucigalpa. Interview 3 mit Mariano González, Pastor i.R. der Iglesia Centroamericana, am 7.6.1990 in Tegucigalpa. Interview 4 mit Alicia de Osorio, Mitglied des Centro Cristiano de Renovación Carismàtica- El Cenáculo und Estela de Madrid, Mitglied der Iglesia Cristiana Vida Abundante, am 8.6.1990 in Tegucigalpa. Interview 5 mit Renieri Antonutti, Kirchenbesucher von Iglesia Cristiana Vida Abundante, Iglesia Amor Viviente und Mitglied der Hombres Cristianos de Negocio, am 11.6.1990, in Tegucigalpa. Interview 6 mit Rolando Zelaya, Mitglied der Iglesia Amor Viviente, am 12.6.1990, in Tegucigalpa. Interview 7 mit Padre Alonso Tejedo, Sekretär des Erzbischofs von Tegucigalpa, am 13.6.1990, in Tegucigalpa. Interview 8 mit Padre Dionisio Potvin, Sekretär des katholischen Episkopats von Honduras, am 14.6.1990, in Tegucigalpa. Interview 9 mit Dr. Evelio Reyes, Hauptpastor der Iglesia Cristiana Vida Abundante, am 14.6.1990, in Tegucigalpa. Interview 10 mit einem Pastor der Iglesia Evangélica Santidad (auf Wunsch bleibt der Gesprächspartner anonym), am 18.6.1990. Interview 11 mit Suyapa Delfina de Lezama, Frauenpastorin der Iglesia Cristiana Vida Abundante, am 19.6.1990, in Tegucigalpa. Interview 12 mit Héctor Wagner, Mitglied der Iglesia Amor Viviente, am 21.6.1990, in Tegucigalpa.
Quellen- und
Literaturverzeichnis
171
Interview 13 mit Laura de Matute, Mitglied der Iglesia Amor Viviente, am 22.6.1990, in Tegucigalpa. Interview 14 mit Augusto César Vásquez, Oberst, Mitglied der Hombres Cristianos de Negocio, am 23.6.1990, in Tegucigalpa. Interview 15 mit Froilan Ochoa, Mitglied der Iglesia Cristiana Vida Abundante und Hombres Cristianos de Negocio, am 23.6.1990, in Tegucigalpa. Interview 16 mit Luis Rafael González, Männerpastor der Iglesia Cristiana Vida Abundante, am 27.6.1990. Interview 17 mit Rene Penalba, Hauptpastor der Iglesia Amor Viviente, am 28.6.1990, in Tegucigalpa. Interview 18 mit Benjamín Villanueva, Finanzminister von Honduras, Mitglied der Iglesia Cristiana Vida Abundante, am 2.7.1990, in Tegucigalpa. Interview 19 mit Catalina Herrera Flores, Mitglied der Iglesia Cristiana Vida Abundante, am 5.7.1990, in Tegucigalpa. Interview 20 mit Milgia Hernández, Mitglied der Iglesia Cristiana Vida Abundante, am 5.7.1990. Interview 21 mit Alfredo Rodríguez, Mitglied der Iglesia Cristiana Vida Abundante, am 6.7.1990, in Tegucigalpa. Interview 22 mit Gloria de Ordóñez, Pastorin der Iglesia Interdenominacional Misionera, am 17.9.1990 in Tegucigalpa. Interview 23 mit Rolando Zelaya, Hauptpastor der Iglesia Puerta al Cielo, am 26.9.1990, in Tegucigalpa. Interview 24 mit Reina de Barahona, Mitglied der Iglesia Cristiana Vida Abundante, am 27.9.1990, in Tegucigalpa. Interview 25 mit Patricia de Rodríguez, Mitglied der Iglesia Amor Viviente, am 28.9.1990, in Tegucigalpa.
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2.
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Anhang
Anhang 1 Interviewleitfaden 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Zu welcher Denomination gehören Sie? Seit wann existiert ihre Gemeinde? Seit wann existiert ihre Kirche? Wie fing ihre Kirche in Honduras an? Wieviele Gemeinden hat ihre Kirche? Gibt es Missionsstationen? Wann fing die Kirche an zu wachsen? Wie ist die soziale Zusammensetzung der Kirche? Welchen Berufen gehören die Mitglieder an? 9. Welche Struktur hat ihre Kirche? Gibt es Ämter? Älteste? Presbyter? 10. Wenn eine Entscheidung getroffen wird: Gibt es eine Person oder ein Gremium, die das letzte Wort haben? 11. Können Sie mir ein Zeugnis geben: Wie haben Sie den Herrn kennengelernt? (Wann? In welcher Situation waren Sie vorher? Beruf?) 12. Welches Thema des Glaubens beeindruckt und begeistert Sie am meisten? 13. Was macht der Heilige Geist in einer Person? Hat er eine besondere Aufgabe in der Welt? 14. Sind Sie mit dem Heiligen Geist getauft? 15. Was halten Sie von der Wiederkunft des Herrn? 16. Welche Themen der Bibel gefallen Ihnen am besten? 17. Wie legen Sie die Bibel aus? Benutzen Sie z.B. Kommentare der Bibelwissenschaften?
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18. Interpretieren Sie die Bibel ausschließlich mit Hilfe des Heiligen Geistes? 19. Kann der Heilige Geist den Leitern Ihrer Kirche zusätzliche Informationen geben? 20. Glauben Sie, daß Menschen von Dämonen besessen sein können? 21. Was beeindruckt und begeistert Sie am meisten im Leben der Gemeinde? 22. Haben Sie Erfahrungen mit Hauskreisen gemacht? - Gibt es eine Person, die diesen Kreis leitet? 23. Gibt es eine Person, die die Kirche leitet? - Wer entscheidet? 24. Mir wurde erzählt, daß es in Ihrer Kirche auch das Amt zum Austreiben von Dämonen gibt: Können Sie mir darüber etwas erzählen? 25. Was denken Sie von der Welt? 26. Was denken Sie von den Nicht-Bekehrten? 27. Welches Ziel hat die Evangelisation in der Welt? 28. ("Gut, jetzt haben wir viel über die Welt geredet: Es gibt viele Probleme:") Welche sind Ihrer Meinung nach die größten Probleme? (Ich beziehe mich auf die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Probleme, die das Land durchlebt, z.B. Arme und Reiche) 29. ("Wir haben viel über die Welt und die Politik geredet. Kommen wir zur Kirche zurück") Ich frage mich, ob die Kirche nicht eine besondere Aufgabe hat hinsichtlich der Situation, die wir gerade beschrieben haben. Was würden Sie sagen? 30. Haben die Christen eine besondere Aufgabe in dieser sozialen, politischen und wirtschaftlichen Situation des Landes?
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Anhang
Anhang 2 Gebet von Pastor Evelio Reyes am 10.6.1990 im Gottesdienst von "Vida Abundante" (Schriftbezug: Kol.1,9-14).1 ... Sagt: Verzeih, Herr. Sagt: Herr, ich bekenne die Sünde der Auflehnung (rebeldía), ich bekenne meine Sünde der Lauheit. Verzeih, Herr, daß ich einen Moment vorhatte, mich von dir zu entfernen, daß ich gewünscht habe, mich beiseitezusetzen und auszuruhen. Sagt dem Herrn an diesem Morgen: Ich bitte dich, ich bitte dich an diesem Morgen um deine Erkenntnis. Sagt: Ich empfange von dir Weisheit des Himmels. Sagt: Ich empfange hier an diesem Morgen Einsicht von dir. Sagt: Herr, ich erkläre, daß du Gott über mein Leben bist. Sagt: Im Namen Jesu empfange ich von dir diese Kraft, die mir gegeben wurde, diese Autorität, die mir gegeben wurde. Im Namen Jesu, glaube ich, bekenne ich, daß ich von der Finsternis ins rettende Licht versetzt wurde. Ich erkläre, ich werde nicht mehr in der Finsternis wandeln! Sagt im Namen Jesu: ich verachte die Finsternis. Ich vertreibe sie aus meinem Leben, weil sie nicht mehr meine Welt, nicht mehr meine Umgebung ist. Ich bin vom Licht geboren, um im Licht zu wandeln. Sagt im Namen Jesu: Ich widerstehe dem Dämon (laut), ich widerstehe, ich widerstehe, ich widerstehe. Dein Wort sagt: Widersteht dem Teufel und bewahre die anderen. Im Namen Jesu. Betet weiter! Ich kann nicht für euch beten. Nur ihr könnt euer eigenes Gebet sprechen im Innersten eures Herzens, in aller Einfachheit, in absoluter Ehrlichkeit bekennt vor Gott und sucht. Steht auf und sucht. Kniet nieder, wenn ihr wollt, denn im Namen des Herrn erkläre ich öffendich an diesem Morgen, um heiliger zu sein, geweihter zu sein, um ein Leben (.?.) zu führen. Der Kampf dafür ist heftig, und wir können nicht durchhalten, wenn wir uns nicht ihm übergeben. Sag an diesem Morgen: ich übergebe mich dir! Umarmt den Herrn an diesem Morgen und sagt "nein" zur Welt, "nein" zu ihren Wünschen, "nein" zum Teufel, der dich ablenkt, "nein" zu seinen Lüsten. Sagt: Herr, hier bin ich! (leise und ruhig) Und sagt: Herr, ich beende diesen Tag nicht, bevor du mich segnest. Tu das an diesem Morgen! Sag Gott: Verzeih mir! Ich war (.?.). Ich war faul. Ich war lau. Ich war egoistisch. Ich habe nach meinem Gefallen gelebt und nicht nach deinem. 1
Der eigene Kommentar wurde kursiv
geschrieben.
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Ich wollte (.?.) und nicht deinen. Verzeih mir, Herr! Verzeih mir, Herr! Ich habe das faule Leben eingeübt durch ein mattes Leben, durch ein lauwarmes Leben. Verzeih mir, Herr! Und entzünde mich nun mit dem Feuer Jesu Christi. Sagt: Herr an diesem Morgen will ich (.?.) mit dem Feuer Jesu Christi. (erhebt Stimme) Oh, heilige Gottesliebe. Jetzt, Herr! Jetzt, Herr! Erhebe deine Stimme! Im Himmel soll man sie hören! Sag es, daß man es auf der Erde hört! Sagt, Christus, ich erkläre dich zum Herrn meines Lebens! Sagt, Christus, du allein bist Gott, und nur dir werde ich mein Leben übergeben. Sag, Christus, Christus, nur du bist in meinem Leben (Gemeinde wird lauter). Sag, Christus, nichts wird mich von dir trennen. Bekenne es! (laut, heftig) Sage es mit lauter Stimme! Du mußt dich selbst hören! Dein Nachbar muß dich hören! Die ganze Welt muß wissen, daß du dich heute für Gott entscheidest! (leiser) Danke, Vater! Heute ist Jesus mit mir. Jesus, du bist mein Herr. Du bist mein alles, mein alles. Ich lebe, weil du lebst, und ich lebe für dein Werk und für deine Ehre, Herr. Danke, Gott! Danke, Gott! Danke, Herr! (lauter) An diesem Morgen stehen wir auf. An diesem Morgen bekennen wir den Sieg, an diesem Morgen gehen wir voran (Gemeinde wird lauter). An diesem Morgen gehen wir nicht zurück. An diesem Morgen schießen wir auf die Feinde im mächtigen Namen Jesu. (leiser) Danke, Vater. Gott segnet sein Volk. Gott segnet sein Volk. (lauter) Gott ist mit uns. Ich empfange Segen, ich empfange Festigung: Danke, Vater. Danke, Vater. Lobe den Herrn! Lobe den Herrn! Im Namen Jesu. Laßt uns den Herrn loben. Nicht durch einen Heiligen, sondern mit unseren eigenen Hymnen. Erhebt eure Hände! Wir müssen sie heute frei machen. Wir müssen (.?.). Im mächtigen Namen Jesu. Lobe den Herrn, lobe den Herrn! (Gemeinde betet lauter) (.?.) Im Namen des Herrn. Oooh, Gott, wir loben dich, wir segnen dich, Halleluja — Zungenrede — Halleluja, Herr. (Gemeinde betet jetzt sehr laut) Lobe den Herrn! Lobe den Herrn! Widerstehe dem Teufel! Widerstehe dem Teufel! Lobe den Herrn! Danke, Herr. Lobe den Herrn! Allmächtiger Gott, wir loben dich! Christus, Christus (.?.)(.?.) (Gemeinde sehr laut) Danke, Herr. Immer Mächtiger, danke Vater. Bete weiter! Bete weiter! Bete weiter! (Gebet der Gemeinde wird melodisch) Wir müssen die Stimme erheben! Wir müssen (.?.). Lobe den Herrn! Lobe den Herrn! Lobe den Herrn! Der Feind muß zurückweichen! Der Teufel muß vernichtet sein! (,?.unverständlich) Bete weiter! Bete weiter! Lobe den Herrn! Lobe den
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Herrn! Lobe den Herrn! Lobe den Herrn! (Gemeinde betet sehr laut) Lobe den Herrn! Lobe den Herrn! Ooooh! Danke Vater, danke Vater, danke Vater. Ooooh (erhobene Stimme, fast singend) - Zungenrede — Sagt: Herr! Sagt: Herr! Jesus! Oooohooohooooh (singend) Halleluja. Heiliger Geist! Heiliger Geist! — Zungenrede — (Liturg und Gemeinde in Zungenrede singend) — Halleluja. Macht weiter! Macht weiter! Macht weiter! Erhebe deine Stimme! Macht weiter! Macht weiter! - Ooohooooh - Die Ketten werden gesprengt. Das Joch wird entfernt. Die Kranken werden gesund. Die Feinde werden (.?.) gebracht. Heilig, heilig, heilig. Jesus, Jesus reg dich! Jesus reg dich! (^.unverständlich) Ooohooh - Zungenrede — Ich empfange, ich empfange, ich empfange, ich empfange. Ich empfange deine Erkenntnis, ich empfange Offenbarung von dir. Ich empfange, ich empfange. Ich erkläre es heute. Ich erkläre dich heute zu meinem Herrn. Ich widerstehe. Ich gehe voran (,?.unverständlich) Herr, Herr, Herr (ruhiger) Danke Herr. Danke Herr. (Gebet hört auf - eine Frau prophezeit).
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Anhang 3 Die Kirche in Prosperität Auszug aus einer Predigt des Gastpredigers Jose Collado gehalten im Gottesdienst von Vida Abundante (dokumentiert durch 'ministerio de müsica y sonido' von Vida Abundante ohne Datumsangabe) Wir wollen über die Kirche in Prosperität sprechen, und wir wollen ihnen sagen, daß die Kirche Jesu Christi, des Herrn, eine prosperierende Kirche sein soll. Ich sagte, daß die Kirche Jesu Christi eine prosperierende Kirche sein soll. Ich habe nicht Hamburger, Pommes Frites und Guachü gesagt. Die Kirche Jesu Christi soll eine prosperierende Kirche sein! Warum? Weil ich das sage? Nein, weil es Gott sagt. Es reicht jetzt mit dem Evangelium des Leidens! Das Evangelium der Freude soll anfangen, jedes Leben auszufüllen, jedes Heim und jeden Platz auf der Welt. Weil Jesus eine Botschaft von großer Freude verkündete. Das Evangelium der Freude. Die Engel sangen das Freudenevangelium bei der Geburt Jesu und dieses Evangelium verkünden wir heute an allen Orten. (...) An diesem Morgen möchten wir mit dem Volk Gottes an allen Orten über die Kirche in Prosperität reden. Zuerst möchten wir sagen, daß Prosperität der Plan Gottes ist. Prosperität ist der Plan Gottes. Zerstörung und Armut ist der Plan des Teufels. Christus hat gesagt, ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt, damit ihr das Leben im Überfluß habt. Er sagte nicht im Mangel. Im Überfluß. Das Evangelium Christi ist ein Evangelium des Überflusses, nicht des Mangels. Wenn Sie Christ sind und im Mangel leben, dann werde ich Ihnen an diesem Tag die Formel geben, die Ihnen helfen wird, sich zu sammeln, sich zu motivieren und den Mangel hinter sich zu lassen und nach oben zu marschieren, nach oben, nach oben, in allen Bereichen Ihres Lebens. (Rufe: Amen) Prosperität ist der Plan Gottes! Die Tradition, die Liturgie, die Religiosität und die falsche Interpretation der biblischen Texte haben eine Atmosphäre der Schwäche und der Armut im chrisdichen Volk auf der ganzen Welt geschaffen. Ich wiederhole, die Tradition hat uns gelehrt, daß wir ungenügend sind, daß wir nichts wert sind, daß wir wie ein Wurm sind, während die Bibel sagt, daß wir mehr
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noch als Sieger in Jesus Christus sind. (Rufe: Amen) Uns wurde durch die Tradition, durch Dogmen, durch Gewohnheit gelehrt; die Texte der Bibel wurden falsch interpretiert, und die Atmosphäre um das Volk Gottes wurde angefüllt mit Schwäche und Armut, obwohl das Gegenteil der Fall sein sollte. Der Räuber kommt, um zu töten, zu rauben und zu zerstören, ich komme, damit ihr Leben im Überfluß habt. Die Bibel spricht immer von Dingen in Fülle. Sie spricht von den überfließenden Reichtümern Gottes, so im Epheserbrief, sie sagt, daß Gott die Kirche füllen werde mit überfließendem Reichtum an Ruhm, (immer schneller) Die Bibel sagt, daß uns der Geist nicht tröpfchenweise gegeben wurde, denn Gott gibt den Geist nicht nach Maß, sondern im Überfluß, (sehr schnell mit erhobener Stimme) Alles, was Gott gibt, gibt er in Fülle. Gott ist groß, deshalb muß das Seine auch groß sein. (Rufe: Amen) Wenn Sie heute ein anderes Verständnis Ihrer selbst haben, dann wird Ihre Selbstachtung durch das Wort Gottes steigen, im Namen Jesu. Dem Christen in der ganzen Welt wurde ein Evangelium der falschen Demut beigebracht. Ich sage es noch einmal: Den Christen wurde überall ein Evangelium der falschen Demut2 gelehrt. Demut wurde losgelöst von der eigentlichen Bedeutung und vom Kontext interpretiert. Demut bedeutet nicht Armut, in keinem Fall. Ein Reicher kann demütig sein, und ein Armer kann demütig sein. Demut ist nicht Armut. Es wurde so ausgelegt, daß demütig sein arm sein bedeutet, heruntergekommen, zur sozialen Klasse der Hemdlosen zu gehören. Aber das ist nicht Demut, wie es die Bibel versteht. Demut ist eine christliche Tugend! Sie ist keine menschliche Bedingung. Und weil sie eine christliche Tugend ist, kann es keine menschliche Bedingung sein. Demut ist Teil von Gottes Plan für die Kirche, aber niemals ist es Armut. Es bedeutet auch nicht Schmutz. Man dachte, demütig sein wäre das gleiche wie schmutzig sein. Wie können wir denn ein wohlriechendes Leben in Christus führen, wenn wir stinken? Deswegen habe ich Ihnen gesagt, daß ihre Selbstachtung heute steigen wird, daß aber vieles passieren wird und ihr Leben ändern wird, wenn Sie diesem Evangelium der falschen Demut anhängen. In keinem Augenblick gehörten Armut, Schmutz und Vernachlässigung zum Evangelium Christi. Ich halte Jesus nicht für einen unmanierlichen Menschen. Ich halte Jesus für einen Menschen, der sich in seiner Zeit an 2
Spanisch: humildad. Amie, einfache Menschen sind 'gente humilde'.
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das System angepaßt hat, an seine Umgebung. Er konnte sich mit den reichsten Leuten der Welt zum Essen an einen Tisch setzen, wie er sich auch mit den Ärmsten an einen Tisch setzen konnte, um mit ihnen das gleiche Evangelium zu teilen. (Rufe: Amen, Amen) Es ist eine falsche Interpretation, daß Jesus ein armer Mann gewesen sei. Uns wurde beigebracht, daß Jesus ein armer Mann gewesen sei. Man hat sich vor allem auf einen Text gestützt. Als Jesus im Feld war und ganz Galiläa und Judäa durchreiste, da hat er nicht im Sheraton, im Hilton oder im Maya übernachtet, weil es damals solche Hotels noch gar nicht gab. Damals gab es nur Herbergen, in denen Pilger und Händler übernachteten. Damals hatten sie gar nicht die Möglichkeiten, die wir in unserer heutigen Welt kennen. Es gab keine Herbergen wie unsere. Bei der falschen Auslegung, daß Jesus ein armer Mann war, hat man sich auf ein Wort Jesu gestützt, als er auf einem Feldzug war außerhalb des Ortes, in dem er wohnte, auf dem Feld: Der Menschensohn hat nicht, wo er sein Haupt hinlege. Das ist doch klar, er ist ja auf einem Feldzug in den Bergen, in den Feldern, auf den Straßen, in den Tälern und auf den Hügeln. Unter einem Baum hat er seinen Kopf halt auf einen Stein gelegt. Er sagte: Die Vögel haben ihr Nest und die anderen Tiere haben ihre Höhlen, aber ich habe nichts, wo ich mein Haupt hinlege. Damit will er sagen: Die Vögel haben ihr Nest und die Tiere haben ihre Höhlen auf dem Feld, aber ich habe nichts, worauf ich meinen Kopf legen kann, weil ich nicht in meinem Haus übernachte. Ich lege meine Kopf nun auf einen Stein, weil ich auf dem Feld bin. Wie kann ich wissen, daß Jesus ein Haus hatte? Wie kann ich wissen, daß Jesus kein armer Mann war? Und wie kann ich wissen, daß Jesus weder reich noch arm war? (.?.) Ich kann mir einen Gott, dem ich diene, nicht als Bettler vorstellen, der vor einer Kirche um Almosen bettelt. Erstens ist Gott kein Almosenempfänger. Er braucht nichts von uns. Zweitens, weil er die Fülle ist und mit den Seinen in Fülle umgeht. Man hat also gesagt, daß Jesus arm war, und man hat auch gesagt, daß seine Jünger, die Apostel, arm gewesen seien. An diesem Morgen jedoch werden wir drei oder vier Texte des Wortes Gottes betrachten, und durch die Schrift selber werden wir uns von dem Irrtum oder der falschen Sicht befreien, daß Armut Teil unseres Evangeliums sei. Das stimmt nicht! Den ersten Text finden wir in Mk. 1,19-20 (Text). Man hat gesagt, daß Jesus an den See Genezareth gekommen sei, (ironisch) und man hat einen melodramatischen Ton aufgesetzt, um die Geschichte zy erklären, daß
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Jesus an den See kam und die armen Fischerchen sah, die statt eines Böötchens (sie.!) ein Schiff hatten. Dann hat man die Geschichte interpretiert, daß Jesus die barfußigen, armen Männer sah und ihnen sagte: folgt mir nach, ich will euch zu Menschenfischern machen. Und weil sie nichts zurückzulassen hatten, folgten sie Jesus leicht nach und ließen die Armut zurück, in der sie waren. Aber das sagt der Text nicht! So hat man den Text nur interpretiert. Sie im Radio und Sie im Saal haben gehört: Als Jesus Jakobus und seinen Bruder Johannes berief, die beide Fischer waren und die Netze flickten, da haben sie bei dem Vater die Tagelöhner zurückgelassen, die bei dem Vater arbeiteten. Das heißt: Dieser Mann hatte Tagelöhner. Wenn der Vater von Johannes, wenn der Vater von Jakobus Tagelöhner, Handlanger, Arbeiter, Angestellte hatte, dann deshalb, weil er kein Hungerleider war. Sie haben kein Leben in Armut zurückgelassen, sondern eine Fischereiflotte. Denn es heißt, daß sie den Vater und die Tagelöhner zurückließen, die für den Vater arbeiteten. In einigen Ländern ist es schwierig oder unmöglich, Angestellte zu haben. Und in der damaligen Zeit hatte nicht jeder Angestellte. Das heißt dann doch, daß der Papa von Johannes und Jakobus kein altes Männlein war, das auf einem Bettsack schlief. Er war wohlhabend. Und als Johannes und Jakobus, zwei der ersten Apostel, die Jesus, der Herr, berief, ihm nachfolgten, da haben sie den Vater, die Netze und die Tagelöhner, die für den Vater arbeiteten, zurückgelassen. Sie waren also nicht so mittellos, wenn sie Angestellte hatten. Der zweite Beweis: Jesus Christus hatte ein Haus, in dem er wohnte. Ob es gemietet war, weiß ich nicht. Jesus lebte nicht in die Welt hinein wie die Vögel. Er hatte ein Haus. Wir werden das sehen in Mk.2,1 und Joh.l,38-39. Zuerst lesen wir Mk.2,1. (Text) Jesus kam nach vielen Tagen wieder nach Kapernaum und man hörte, er sei im Haus. Wo? Im Haus! Wo? Im Haus! In wessen Haus? Es heißt nicht im Haus Simons, des Pharisäers, noch im Haus Maria Magdalenas, noch im Haus eines reichen Mannes, noch daß er von Levi oder einer Frau namens Martha empfangen wurde. Er war im Haus! In wessen Haus? In seinem Haus! Jesus hatte ein Haus, in dem er lebte. Er irrte nicht durch die Welt wie ein herumstreunender Jude. Er wohnte in einem Haus und Joh.l.,38-39 nimmt das auf, wiederholt es und verstärkt es. (Text) Jesus sieht zwei Männer, die ihm folgen. Er wendet sich um, um zu sehen, wer es ist und was sie wollen. Er gibt ihnen eine Auskunft. Sie sagen: "Meister, wir wollen deine Lehre!". "Dann kommt und
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seht, wo ich wohne!" Dann hat er sie in sein Haus gebracht, er wohnte ja nicht in einem Zimmerchen, einer Bude, einer Hütte oder einem Palmenverschlag. Er wohnte in einem Haus, und sie blieben bei ihm. Wenn er nicht genügend Platz gehabt hätte, hätte er sie auch nicht eingeladen. Das heißt zum ersten: Die Jünger Jesu waren keine armseligen Leute. Zum zweiten: Jesus irrte nicht in der Welt umher, sondern hatte einen festen Wohnort, hatte ein Haus. Zum dritten werden wir sehen, daß Jesus ein Mann war, der sich gut kleidete. Warum? Weil man aus Joh. 19,23-24 schließen kann, daß Jesus nicht gerade mit Fetzen bekleidet war, vielleicht sogar noch mit geflickten. Was sagt Johannes? (Text) Hören Sie einen Moment zu! Wenn Jesus mit Lumpen bekleidet gewesen wäre, dann hätten die Soldaten doch nicht die Kleider in vier Teile aufgeteilt. Die Soldaten waren in der damaligen Zeit besser bezahlt als die Juden, denn sie gehörten zu einer ausländischen Besatzungsmacht. Wenn er gerade mal eine Hose angehabt hätte, dann hätten sie doch die Kleider Jesu nicht in vier Teile geteilt. Sogar die Kleider, mit denen unser Herr ans Kreuz ging, waren begehrenswert. Sie haben doch den Film gesehen 'Leben, Leiden und Tod Jesu'. Jesus ging nicht ans Kreuz nur mit einem Tuch umwickelt. Er trug eine Tunika. Und diese Tunika teilten sie in vier Teile. Und wenn sie den Rock begehrten, dann, weil er kaum für einen reichte.... Die Segnung kommt - wir sprechen ja über Prosperität - wenn du in den Bereich der Prosperität eintrittst, nicht nur, weil du schon etwas hast, sondern weil Gott andere benutzt, damit sie dir geben, nicht das Unnütze, das Schlechte, sondern das Beste. (Gemeinde: Applaus) Schaut! Gott gab euch das Beste. Als er seinen Blick und seine Hände durch das himmlische Inventar gehen ließ, da hat er das Beste herausgesucht. Er sagte zu sich: Ich kann nicht irgendeine Sache auf die Erde schicken, nicht einen Erzengel oder einen Engel oder (.?.) Ich muß den Besten schicken, und der Beste ist Christus. Ich werde ihm die ganze Erde schenken und der ganzen Welt das Beste, was ich habe. Gott gibt immer das Beste, was er hat, und wird weiterhin seinen Kinder das Beste geben. (Gemeinde: Amen) Aufgrund dieser drei Erklärungen können wir sagen, daß die Armut und die Armseligkeit nicht Teil unseres Evangeliums sind. ... Uns wurde offenbart, daß Gott einen Plan hat für die Kirche. Und dieser Plan ist uns offenbart. Wir können ihn unser Evangelium nennen, weil es ein Plan ist, den Gott mir und dir offenbart hat. Dies möchte ich mit dir heuten teilen. In dieser
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Offenbarung, in diesem Evangelium, das Gott in seiner Gnade uns hat entdecken lassen, fanden wir - hört gut hin! - die Formel für Prosperität. Beim Studium des Wortes, beim Studieren der Heiligen Bibel haben wir die Formel für die Prosperität entdeckt. Wir wollen sie heute mit euch teilen. Gott selbst gibt diese Formel. Wir sehen nun im Overheadprojektor zwei Texte, die wir als Grundlage nehmen für die Formel Gottes in seiner Kirche und für seine Kirche. Sehen wir nun den ersten Text an. (Text) Es heißt dort: Der Pfad, der Weg, der Ort auf dem die Gerechten gehen - wer sind die Gerechten? Wir, die aus Glauben Gerechtfertigten! Wir sind gerechtfertigt. Der Pfad, der Weg, der Boden, auf dem die Gerechten, die Gläubigen, gehen ist - wie? - ist wie das aufgehende Morgenlicht. Wie sieht man die Morgenröte? Wird sie kleiner bis zur totalen Armut, zur Dunkelheit und zur Mutlosigkeit? Es heißt da, das Morgenlicht, das größer wird. Das Schlüsselwort ist hier 'größer werden', 'größer werden'. Das ist der Pfad, der Weg, auf dem laut Sprüche 4,18 ein Gotteskind geht, ein Geschöpf Gottes. Ein Christ ist wie das morgendliche Licht, das größer wird. Wie weit wird das Licht größer, bis wohin? Wo ist die Grenze, der Gipfel, das letzte Ziel? Die ultima Ratio, der Höhepunkt, der Plan Gottes? Bis Sie perfekt sind! (Rufe: Amen, Lobt den Herrn) Ay, wir sind doch menschlich (ironisch), wir sind doch schwach. Das würden Sie sagen. Ich aber sage, ich bin mehr als ein Sieger in Jesus Christus. (Gemeinde: Amen, Amen; Applaus) (laut) Wir sind mehr als Sieger in Jesus Christus! (Applaus) "Aber Bruder, ich kann nicht heucheln. Manchmal fühle ich mich schwach." Dann mach das, was Joel 3,10 (muß Joel 4,10 heißen, K.B.) sagt. Joel 3,10 sagt, daß der Schwache nie sagen soll, er sei schwach, und der Arme soll nie sagen, er sei arm, und der Kranke soll nie sagen, er sei krank, weil dort steht: Der Schwache soll das Gegenteil sagen: Ich bin stark! (Gemeinde: Amen; Applaus) Das ist nichts Befremdliches, denn es ist biblisch, weil die Bibel in Röm.4,17 sagt, daß man Dinge nennen soll, die nicht sind, als ob sie wären. Wenn Sie sich weiterhin zu Armut, Traurigkeit, Angst, Schwäche und Unvermögen bekennen, was wird dann passieren? Sie werden arm, schwach, unvermögend und 'hemdlos' bleiben. Aber wenn Sie beginnen, sich auf das Wort zu gründen, dem Wort zu glauben, das Wort zu leben und danach zu streben, daß ihr Licht größer wird, dann wird Gott die Mittel und die Möglichkeiten
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schaffen, daß Sie es (die Prosperität, K.B.) in Jesus Christus erreichen. (Rufe: Amen, Amen) Schauen wir uns den zweiten Text an. Wir finden ihn im 3.Joh.l,2. (Text) Geliebte - wer sind die Geliebten Gottes? Wer? Sagt es laut! (Gemeinde: wir) Wir sind die Geliebten Gottes. Du mußt heute abend erfahren: Gott liebt dich! (Gemeinde: Amen, Amen) Gott liebt dich. Und er hat einen Plan für dich. Du bist heute abend hier, weil Gott dich liebt und er einen Plan für dich hat, den er dir zeigen will. Geliebter, ich will - es ist mein Wunsch, meine Sehnsucht, meine oberster Wunsch für dich - daß du arm sein sollst (Gemeinde: Nein!) Was steht da? Was sollst du sein? Was? Schlagt Eure Bibeln auf und lest selber, Uberzeugt euch selber: Geliebter, ich will, daß es euch in einigen Dingen gut gehe3. (Gemeinde: Nein!) In allen Dingen! Es ist eine Prosperität in allen Bereichen. Du sollst in aaaallen Bereichen prosperieren. Welche sind es? In allen! Alle Dinge sind alle Dinge! (Rufe: Amen, Amen, Halleluja) Alle Dinge heißt alles. Was ist alles? Deine Schuhe, deine Wäsche, deine Kleider, dein Schrank, dein Schlafzimmer, dein Eßzimmer, dein Häuschen, dein Auto, deine Arbeit, dein Studium, deine Henne, deine Kuh, bis zu (.?.) alles prosperiert in Gott. (Rufe: Halleluja; Applaus) Weißt du, was Gott sagt? Gott hat seinem Volk gesagt im Alten Testament: Wenn du dich in diesem Wort bewegst, das ich mit dir teile, und ihm gehorchst, dann werde ich dich immer nach oben bringen und niemals nach unten. Du wirst immer der Verstand, der Kopf sein, niemals der Schwanz. Du wirst immer oben sein, niemals unten. Du wirst an viele leihen, aber von niemandem ausleihen müssen. Ich segne deine Kinderstube, deine Tiere; ich segne dein Haus, deine Arbeiter und deine Arbeit. Dein Ausgang und Eingang soll gesegnet sein. Aber du mußt dich auf mein Wort gründen, und ich verspreche Dir, sagt Gott, und ich lüge nicht, Dir dies alles zu geben. Nun aber, wenn du der Schwanz sein willst, dann sei Schwanz! Schwanz zu sein hat halt das Problem, daß er nur zum Verscheuchen von Fliegen taugt und immer schmutzig ist. Aber ich will nicht Schwanz sein, weil mir Gott in seinem Wort sagt, daß ich Kopf bin und nicht Schwanz und daß es für mich Prosperität gibt und daß ich sie erlangen werde, (ironisch) Bruder, ist diese Prosperität nur spirituell? Die Bibel irrt sich nicht. Gott ist nicht dumm. Ich weiß, daß für euch dieses Wort ein bißchen zu stark ist. Aber Gott ist nicht von Sinnen. Gott sagt, ich 3
Im Spanischen heißt das 'prosperar' (prosperieren).
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will, daß ihr in allem prosperiert. Und, daß du gesund seiest. Wohlergehen in allen Dingen. Der zweite Teil sagt, du sollst gesund sein. Hier heißt es nicht: 'du sollst krank sein und deine Krankheit sei Gott zur Ehre'. Die Krankheit rühmt niemanden, außer den Teufel. Gott schickte nicht die Krankheit, damit sein Name geehrt werde, obwohl viele das Evangelium so interpretiert haben. Aber die Bibel sagt das Gegenteil. Jeder gute Mut und jede perfekte Gabe kommt von oben, vom Vater des Lichts. Wenn jede gute Gabe und jedes gute Ding von oben, vom Vater des Lichts kommt, dann kommt die Krankheit nicht von Gott. (Gemeinde: Applaus) Was kommt dann von Gott? Die Gesundheit. Denn es heißt im Text: "und du gesund seiest". Gottes Plan für dich ist, daß dir's in allen Dingen wohlergehe und du in göttlicher Gesundheit4 wandelst. Das ist etwas Erreichbares, weil es Gott sagt, und ich glaube Gott mehr als den Menschen. (Gemeinde: Amen, Amen) Dies soll sich ereignen: "Mein Lieber, ich wünsche, daß dir's in allen Stücken wohlergehe und du gesund seiest, so wie es deiner Seele wohlergeht". Hier haben wir die magische Formel dafür, daß die Kirche in dieser Welt Wohlergehen erfährt. (...) Beginnen wir und analysieren wir den Vers von hinten her. Beginnen wir bei der göttlichen Formel. Die göttliche Formel ist: Erstens soll es deiner Seele Wohlergehen, zweitens sollst du gesund sein, und dann sollst du in allen anderen Dingen prosperieren. Was ist also das Geheimnis für Prosperität, auch im physischen Sinn, in der Gesundheit, im materiellen, metallischen Sinn, in allen Sachen, die du besitzt (.?.)? Wo sollst du prosperieren? Im Spirituellen, in deiner Seele! Hier sehen wir also die mathematische Proportion Gottes, die sagt, 'auf die gleiche Weise'. Das ist eine Gleichung. In der gleichen Weise, wie du spirituell prosperierst, so ist mein Plan, so soll es dir auch körperlich wohlgehen und so sollst du auch alle Dinge haben. Versteht ihr? In der gleichen Weise, wie deine Seele prosperiert, in der gleichen Form, in der gleichen Größe, wirst du auch körperlich und wirtschaftlich in allen Dingen prosperieren. Das war also das Geheimnis. Du kannst geistlich wachsen, das lehrt auch der Pastor dieser Kirche 'Vida Abundante' jeden Sonntag, indem wir uns unter Gottes Wort stellen in einem Leben der Anbetung und uns in Gottes Hände begeben. Je mehr du dich Gott widmest, je mehr du den Glauben lebst, je mehr Autorität du 4
Spanisch: sanidad divina.
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bekommst, je mehr du in 'göttlicher Gesundheit' wandelst, je mehr du in Anbetung lebst, in Gemeinschaft mit Gott lebst, je mehr du spirituell wächst, desto besser wird es dir gesundheitlich gehen, und desto besser wird es dir wirtschaftlich gehen. Zum Schluß werde ich euch noch einen Text zeigen, der für euch wie eine Atombombe sein wird. (...) Wie heißt die Formel? Sehr einfach. Beginnen wir uns dem Materiellen zuzuwenden. Gott ist reich, sagt die Schrift. Mehr noch, Gott ist reich in seinen überschwenglichen Reichtümern des Ruhmes. Die Bibel spricht von Gott immer als reich. Vielleicht ist die menschliche Wahrnehmung der Gesellschaft mit einem Vorurteil gegen die Reichen behaftet. Aber dieses Vorurteil können wir nicht gegen Gott richten. Gott ist reich, sagt die Bibel. Gott ist reich im Überfluß, an Barmherzigkeit, an Liebe, in allen Dingen ist Gott reich. Gott verhält sich nicht wie knausrige Leute. Gott ist kein Geizhals. Nein, nein. Und wenn Gott gibt, dann gibt er. Er gibt uns ein Beispiel, wir haben es heute gesehen. Dir soll es materiell gut gehen! Wem sollen die materiellen Güter dieser Welt gehören? Schaut, als das Volk Israel Ägypten verließ, was machten da die Ägypter, die weltlichen, die in Sünde lebenden? Was machten sie? Wem gaben sie allen ihren Besitz? Den Israeliten. Als das Volk Israel Ägypten verließ, gingen sie nicht mit leeren Händen. Gott dankte ihnen, und alle Leute gaben ihnen das, was sie hatten, die (.?.), die Schätze, die Halsketten, den Schmuck, alles. Woraus haben sie das goldene Kalb gemacht am Sinai, als Mose das Gesetz empfing? (...) Es gibt auch ein Evangelium, das das Volk arm machen will und ihm den Segen Gottes rauben will, um es in Armut und Hilflosigkeit zu werfen. (...) Wenn du dies erreichst (Prosperität, K.B.), dann ruh dich nicht aus! Such dir neue Ziele, setz dich nicht nieder! Und wenn du diese erreichst, nimm dir neue Ziele vor, bis du, wie die aufgehende Sonne, vollkommen bist. Wenn du sagst, gut Bruder, ich habe alles, ich habe ein Haus, ein Landgut, Autos, Angestellte, dann überlege dir neue Ziele und besitze noch mehr! Oh, Bruder, was soll das? Dem, der hat, dem wird noch mehr gegeben, und dem, der nicht hat oder der das, was er hat, nicht zu gebrauchen weiß, dem wird auch das noch genommen. Ach, ich habe das noch gar nicht in diesem Kontext gesehen. Darum, damit euch nichts weggenommen wird, schaut zu, daß ihr etwas habt. Einige Brüder haben mir gesagt: Das funktioniert nur in den USA, wo es Dollars gibt. Nein! Das funktioniert überall, weil
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der Gott in den USA derselbe ist wie in Mexiko, in Guatemala, in Panama, in Honduras, in Costa Rica und in allen Ländern der Welt, weil Gott kein Gott ist, der ein Land so behandelt und ein anderes anders. Dies funktioniert in allen Ländern. Diese Kirche 'Vida Abundante' ist eine Realität, die zeigt, daß es funktioniert, weil diese Kirche nicht mit Dollars, sondern mit Lempiras funktioniert. (Rufe: Amen; Applaus) Dies funktioniert überall auf der Welt, weil Gott derselbe ist. (...)
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Anhang 4 Ein Sieg auf dem Vormarsch (Una victoria en marcha) Auszug aus einer Predigt von Evelio Reyes im Gottesdienst von 'Iglesia Cristiana Vida Abundante' (dokumentiert durch 'ministerio de müsica y sonido' von Vida Abundante ohne Datumsangabe) Wir sind der Sieg auf dem Vormarsch. Vida Abundante ist ein Sieg auf dem Vormarsch. Ich habe gesehen, wie dieser Sieg Schritt für Schritt geschmiedet wurde. Ich habe jeden einzelnen von euch gesehen, wie er ankam und sich dem voranschreitenden Sieg anschloß. Ich sage "Sieg", weil er durch den Kampf geschmiedet wurde. Es war nicht leicht, es ist nicht leicht, und es wird nicht leicht sein. Nein! Wir sind in der vollen Hitze des Kampfes. Wir drängen die Finsternis zurück. Das ist gewiß nicht einfach. Das ist schwierig. Doch es macht unseren Sieg größer. Lob sei dem Herrn dafür, daß es im Volk 'Vida Abundante' Männer und Frauen gibt, die das Herz auf dem richtigen Fleck haben. Das Herz, das ihnen brennt und sie entflammt, damit sie sich dem voranschreitenden Sieg anschließen. Lob sei Gott. Es sind Männer und Frauen hier, in denen das junge Herz schlägt, das in Josua und Kaleb schlug.... Niemand und nichts kann uns von Gottes Liebe trennen, weil wir mehr als nur Sieger sind. Als Sieger auf dem Vormarsch haben wir wunderbare Dinge gesehen. Als Sieger auf dem Vormarsch haben wir den Ruhm Gottes gesehen. Menschen, die die Welt zerstört hat, die die Welt ausgebeutet hat. Menschen, die ihren Lebensmut verloren hatten. Wir haben gesehen, wie sie auferstanden, sich erhoben, wieder grünten, blühten und im Übermaß Früchte trugen. Wir haben gesehen, wie Männer und Frauen neu geboren wurden. Wir haben gesehen, wie Männer und Frauen sich aus ihren Gräbern erhoben. Wir haben gesehen, wie Männer und Frauen ins Leben zurückkehrten wie Lazarus auf das Wort Jesu hin, unseres großen Herrn, Heilandes und Meisters. Ehre sei ihm. Oft schon habe ich erklärt, warum ich predige. Wissen Sie, warum ich predige? ... Weil ich das Himmelreich Gottes (Gloria de Dios) gesehen habe. Weil ich gesehen habe, wie sich Männer und Frauen über ihr Elend erhoben, ein neues Leben kennenlernten und sich in einer anderen Dimen-
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sion bewegten. Die Botschaft Christi ist gültig, auch heutzutage, und sie ist die einzige Hoffnung. Darum predige ich. Deswegen stehe ich vor euch. Ich habe Jugendliche gesehen, die von niemandem, nicht mal von ihren Eltern, geliebt wurden. Aber ich habe ihnen gesagt, und wir alle haben ihnen gesagt: Christus liebt dich, Christus liebt dich. Und sie fangen wieder an zu lachen. ... Was sagen wir über die Ehen? Was können wir über die Ehen sagen? Hunderte von Ehen, hunderte von Ehen sind zu neuer und wahrhaftiger Liebe wiedergeboren. Wo es vorher nur Leidenschaft und andere Interessen gab, fangen sie nun an, mit der Liebe Gottes, die in ihr Herz ausgegossen wurde, zu leben. Zu leben in Harmonie und in Frieden. Auf diese Art und Weise haben wir erneuerte Ehen gesehen. Gott sei Ruhm, weil diese Kirche so einen starken Dienst in der Erneuerung von Ehen hat. Wir haben, als voranschreitende Sieger, die Menschen gelehrt, daß sie außer den Beinen auch Hügel haben. Wir haben sie auch gelehrt, sie zu benutzen, damit sie fliegen können, sie auszubreiten in Flughaltung; sich zu erheben über die Dürftigkeit und Misere der Weit und den Himmel zu durchziehen ohne Grenzen. Ohne Grenzen. Das haben wir gemacht als voranschreitende Sieger. Alle, die wir hier versammelt sind, haben gelernt zu fliegen. Wir haben gelernt, den blauen Himmel zu durchstreifen auf der Suche nach neuen Horizonten. Ehre im Namen des Herrn! Wir sind also Sieger auf dem Vormarsch. Gott will es, wir wollten es und wollen es noch. Und wir werden es immer wollen, weil dies der Wille Gottes ist. Gott will, daß sich seine Kirche in Vollmacht bewegt. Und sie bewegt sich in Erwartung und in neuem Leben. Seine Kirche kam in die Welt mit Macht und wird von hier auch wieder mit Macht weggehen. Ruhm sei seinem Namen! Christus kommt! Hört gut zu! Christus kommt durch eine glorreiche, unbefleckte Kirche. Ich glaube nicht, daß sich die Kirche in Dekadenz bewegen soll! Nein! Tausendmal "nein"! Die Kirche muß von "viel" zu "größer" gehen. Die Kirche muß vorwärts und nach oben gehen! Christus kommt durch eine glorreiche, siegreiche und unbefleckte Kirche. Christus kommt nicht mit ein paar Engeln und einer Tragbahre, um darauf die moribunde Kirche zu legen mit einer angelegten Transfusion, damit sie nicht vorher stirbt, bevor sie verlegt wird. Nein! Siegreich ist sie gekommen, und siegreich wird sie wieder gehen. Amen. Wir freuen uns im Namen Jesu....
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Anhangs Predigt von Evelio Reyes bei der Präsidentschaftskandidatenvorstellung am 26.10.1989 im Gottesdienst von Vida Abundante Gerade haben wir gesagt, wie groß ist doch unser Gott. Und wie groß ist der Mensch, geschaffen zu seinem Ebenbild. Gerade haben wir gesagt, daß es eine Farce wäre, die Rechte Gottes zu proklamieren und die Rechte des Menschen zu verschweigen. Wir haben gerade gesagt, daß es eine Heuchelei wäre, die Größe und das Recht Gottes zu predigen und dabei den Menschen zu vergessen, der zu seinem Bild geschaffen wurde und an seiner Herrlichkeit teilhat. Wie groß ist unser Gott! Welcher Gott? Der Gott der Bibel. Der Gott Abrahams. Der Gott Isaaks. Der Gott Jakobs. Der Gott des Paulus. Der Gott Jesu Christi. Unser Gott, der gerade jetzt mitten unter uns ist. (Applaus) Er ist der große Gott. Er ist der in Jesus Christus geoffenbarte Gott. Kein Götze! Nein! Viele haben an seine Stelle einen Götzen gesetzt und befinden sich deswegen in (.?.). Es gibt viele, die sich etwas einbilden, aber wenige die glauben.5 Deswegen ist in unserer Umgebung, wie in anderen Ländern auch, die sich christliche nennen, der Ausbeuter ein Christ und der Ausgebeutete auch. Der Kriminelle und der Räuber nennt sich Christ und ebenso sein Opfer. Das erste, was wir bei diesem großen Gott entdeckt haben und was uns die Heilige Schrift offenbart hat, ist, daß er ein Gott ist, der immer auf der Seite des Lebens steht. Er ist ein Gott, der immer für das Leben ist. Jesus Christus, der Höhepunkt der Offenbarung Gottes, ist gerade deshalb gekommen, um uns Leben, und zwar Leben im Überfluß zu bringen. (Applaus) Jesus Christus ist der Ruf an uns, uns vollständig als Person zu verwirklichen. Deswegen will ich heute abend in aller Öffentlichkeit sagen: Das Christentum ist nicht das Opium des Volkes. Das Christentum ist nicht Nichtstun. Im Gegenteil: Es ist eine Transfusion, die Leben eingibt, Leben im Überfluß6. 5
Wortspiel von creerse (sich etw. einbilden) und creer (glauben).
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"Leben im Überfluß" (Joh.10,10) im Spanischen "vida en abundancia" spielt auf den Namen der Kirche von Pastor Reyes "Vida Abundante" an.
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Heute an diesem Abend feiern wir die Anwesenheit prominenter Führer in unserer Mitte. Wir feiern, daß sie da sind. Danke, daß ihr gekommen seid. Wir segnen euch aufrichtig. Danke auch in diese Richtung - vielen politischen Führern und danke in die andere Richtung - an viele Bedienstete, die uns auch ehren mit ihrer Anwesenheit. Ich wiederhole: Wir drücken unsere Zufriedenheit darüber aus, daß sie hier sind, um das Wort Gottes zu hören. Dies wollen wir feiern. Wir wollen mit ihnen den Rat Gottes teilen. Wir wollen Ihnen an diesem Abend in aller Kürze sagen, was Gott von Ihnen erwartet. Verehrte Kandidaten, Nachfolger in den Ämtern, und andere Aspiranten auf öffentliche Wahlämter. Gott erwartet von Ihnen allen, daß Sie Gerechtigkeit üben. Aber ich will Ihnen sagen ...(Applaus) Ich will aber wiederholen, daß Sie nicht Gerechtigkeit üben können ohne Gott. Sie können nicht Gerechtigkeit schaffen, wenn Sie Gott ignorieren, ihm den Rücken zuwenden und nach ihrem eigenen Willen handeln und dabei Gottes Willen mißachten. Die Bibel lehrt uns, daß es unmöglich ist, Gerechtigkeit zu schaffen ohne Gott. Ich will deshalb heute abend alle dazu aufrufen, zu ihm zurückzukehren, sich ihm zuzuwenden und nicht hinter anderen Göttern her zu sein. Der Umgang mit fremden Göttern endet immer in der Versklavung. Heute abend rufen wir dazu auf, auf Gott zu hören und seinen Rat zu empfangen. Wir haben Jahr um Jahr die gleiche Tragödie erlebt. Oft haben wir einen Mann im Regierungspalast, der guten Willens ist, aber sich leider nicht mit Männern umgibt, die sensibel auf die Stimme Gottes hören und ihn dann scheußlich beraten. (Applaus) Die Bibel sagt uns, daß, wenn wir Gerechtigkeit schaffen wollen und in Frieden leben wollen, wir zuerst das Reich Gottes suchen und seine Gerechtigkeit und Gott über alle, über alle Dinge lieben müssen. (Applaus) Dies gilt für die persönliche Ebene. Auf kollektiver Ebene gibt es eine Beziehung zwischen dem Glauben als Gotteserfahrung und der Praxis einer gerechten Sozialmoral. Nehmen wir das Buch Jesaja. Hören Sie aufmerksam auf das Wort Gottes. Das ist mehr als Papier und Tinte. Es ist das lebendige Wort Gottes und durchdringender als ein zweischneidiges Schwert. Es ist der hilfreiche Rat Gottes. Hören Sie, was die Bibel sagt. Im Buch Jesaja erfahren wir zuerst, daß das Volk Israel Gott verlassen hat. Sie haben Gott verlassen, etwas, was nicht einmal die Tiere tun würden, sagt die Schrift. Danach finden wir
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die Erklärung all der Zeichen, die das Verlassen Gottes mit sich bringen. Danach finden wir den Ruf, doch zu Gott zurückzukehren. Hören Sie die Schrift. Es heißt dort: Höret, ihr Himmel, und Erde, nimm zu Ohren, denn der HERR redet! Ich habe Kinder großgezogen und hochgebracht, und sie sind von mir abgefallen! Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt's nicht, und mein Volk versteht's nicht. (Jes.l.lf) Nun hören Sie die Konsequenzen des Abfalls von Gott: Wie geht das zu, daß die treue Stadt zur Hure geworden ist? Sie war voll Recht, Gerechtigkeit wohnte darin; nun aber - Mörder. Dein Silber ist Schlacke geworden und dein Wein mit Wasser verfälscht. Deine Fürsten sind Abtrünnige und Diebsgesellen, sie nehmen alle gern Geschenke an und trachten nach Gaben. Den Waisen schaffen sie nicht Recht, und der Witwen Sache kommt nicht vor sie. (Jes. 1,21-23) Das sind Zeichen des Abfalls von Gott. Gott ruft dann und sagt später: Kommt zurück! Kommen wir zur Vernunft! So kommt denn und laßt uns miteinander rechten, spricht der HERR. Wenn eure Sünde auch blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden, und wenn sie rot ist wie Scharlach, soll sie doch wie Wolle werden. (Jes.1,18) Gott will nicht nur Reiche. Gott will nicht nur eine Religion vom Typ (.?.) oben aufgesetzt ohne Verwurzelung im Herzen und ohne Änderung des Verhaltens. Gott will etwas, das bis in die tiefste Stelle unseres Seins reicht und sich zeigt im Lebenswandel als Wiedergeborener. Hören Sie, was er sagt: Bringt nicht mehr dar so vergebliche Speisopfer! Das Räucherwerk ist mir ein Greuel! Neumonde und Sabbate, wenn ihr zusammenkommt, Frevel und Festversammlung mag ich nicht! Meine Seele ist feind euren Neumonden und Jahresfesten; sie sind mir eine Last, ich bin's müde, sie zu tragen. Und wenn ihr auch eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen vor euch; und wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Blut. Wascht euch, reinigt euch, tut eure bösen Taten aus meinen Augen, laßt ab vom Bösen! Lernet Gutes tun, trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schafft den Waisen Recht, führet der Witwen Sache! (Jes.l,13-17) Und nun spricht der Apostel Paulus mit den gleichen Worten. Hören Sie, was der Apostel Paulus in Röm.l sagt. Wir finden hier drei Zeitstufen. Nr.l: Der Mensch verläßt Gott. Und als er Gott verläßt, fällt auf ihn ein Regen von Götzen, und er verfällt dem Götzendienst. Nach depi Götzendienst
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kommt die Unmoral. Lesen wir Rom. 1,21-23: Sie wußten, daß ein Gott ist und haben ihn nicht gepriesen als einem Gott noch ihm gedankt, sondern haben ihre Herzen dem Nichtigen zugewandt, und ihr unverstätuiiges Herz ist verfinstert. Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden und haben verwandelt die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes in ein Bild gleich dem eines vergänglichen Menschen und der Vögel und der vierfüßigen und der kriechenden Tiere. Hier haben wir den Götzendienst. Nun kommt die Unmoral: Darum hat sie auch Gott dahingegeben in ihrer Herzen Gelüste, in Unreinigkeit, zu schänden ihre eigenen Leiber an sich selbst, sie, die Gottes Wahrheit verwandelt haben in Lüge und haben geehrt und gedient dem Geschöpf statt dem Schöpfer, der da gelobt ist in Ewigkeit. Amen. Darum hat sie Gott auch dahingegeben in schändliche Lüste; denn ihre Weiber haben verwandelt den natürlichen Umgang in den unnatürlichen; desgleichen auch die Männer haben verlassen den natürlichen Umgang mit dem Weibe und sind aneinander entbrannt in ihren Lüsten und haben Mann mit Mann Schande getrieben und den Lohn ihrer Verirrung, wie es ja sein mußte, an sich selbst empfangen. Und gleich wie sie es für nichts erachtet haben, daß sie Gott erkannten, hat sie auch Gott dahingegeben in verworfenen Sinn, zu tun, was nicht taugt, voll alles Unrechten, Schlechtigkeit, Habsucht, Bosheit, voll Neides, Mordes, Haders, List, Tücke; Ohrenbläser, Verleumder, Gottesverächter, Frevler, hoffärtig, ruhmredig, auf Böses sinnend, den Eltern ungehorsam, unvernünftig, treulos, lieblos, unbarmherzig. (Rom. 1,24-31) Es heißt auch noch, daß sie dieses nicht nur tun, sondern auch noch Gefallen an denen finden, mit denen sie es tun. Daher heute abend: wenn es einen Rat Gottes für unsere Führer und Regierenden gibt, dann den, wendet euch Gott zu, weil man außerhalb Gottes keine Gerechtigkeit schaffen kann. Deswegen (Applaus) ... was ist das Nötigste - was ist in diesem Moment am Nötigsten? Das Allerdringlichste für unser Volk sind nicht Bataillone, sind nicht Waffen, ist nicht die Stärkung der Armee! Nein! Es ist die Hinwendung zu Gott! Es ist die Hinwendung zu Gott! (Applaus) Es ist die Hinwendung zu Gott! Ohne Gott gibt es keine Gerechtigkeit und ohne Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden. Wie kann man zu Gott zurückkehren? Die Bibel sagt, wie man zu Gott zurückkehren kann. Das erste, was wir tun müssen, ist, daß wir bereuen, unsere Grenzen anerkennen. Wir müssen den Altar verlassen, den wir uns
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gemacht haben, um an seine Stelle den einzigen und mächtigen Gott zu stellen. Danach müssen wir zu Jesus Christus kommen. Die Bibel lehrt im Johannesevangelium, daß Jesus Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist und daß niemand zum Vater kommt außer durch ihn. Wenn in der Bibel irgendetwas kategorisch feststeht, dann dies: Wir können zu Gott nur durch Jesus Christus kommen. Es gibt einige Schriftstellen, die ich heute abend nicht unbeachtet lassen will. Im Timotheusbrief heißt es: Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen ncimlich der Mensch Christus Jesus. (l.Tim.2,5) In der Apostelgeschichte gibt es ebenfalls eine wunderbare Stelle, die uns den Weg weist, wie man zu Gott zurückkehren kann. Die Bibel sagt in Apg.4,12: In keinem anderen ist das Heil, ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden. Es gibt keinen anderen Namen, es gibt kein anderes Mittel, um zu Gott zurückzukehren. Nur und einzigallein Jesus Christus. (Applaus) Der Mensch, der zu Jesus Christus gekommen ist, deijenige, der sich Gott zugewendet hat, ist biblisch gesprochen neugeboren. Es heißt, daß er neu geboren ist, daß er ein Kind Gottes ist und daß er gerechtfertigt ist. Und weil er gerechtfertigt ist, kann er Gerechtigkeit schaffen. Auf welche Art und Weise kann er Gerechtigkeit schaffen? Indem er die Wahrheit in Aktion bringt. Wie bringt die Wahrheit Gerechtigkeit? Die Wahrheit in Aktion! Unser Volk hat das ganze Recht, gut informiert zu sein und immer - immer die Wahrheit zu kennen und nur die Wahrheit. Wir brauchen im Lichte der Schrift Führer, die vertrauenswürdig sind, die wahrhaftig sind, Führer, die ein durchsichtiges Wesen haben, damit man sieht, was drin steckt. (Applaus) Nur die Wiedergeborenen in Gott, nur die Gottesfürchtigen, nur die, die Gott anerkennen, können Gerechtigkeit schaffen, indem sie das Gesetz anerkennen, erfüllen und dafür sorgen, daß das Gesetz von anderen erfüllt wird. Gesetz wird hier als die Ordnung des Gemeinwohls verstanden. Nur die Gottesfürchtigen machen aus dem Gesetz nicht etwas Ahnliches wie Kaugummi, der gezogen und zusammendrückt wird und von Mund zu Mund geht, d.h. von Arbeitsmappe zu Arbeitsmappe, von Person zu Person, von Schreibtisch zu Schreibtisch ohne seinen Zweck zu erfüllen. Nur ein Neugeborener, ein Gottesfiirchtiger, der über sich selbst etwas Absolutes akzeptiert, kann mit Reife Gesetze erlassen. Das Kind ist von Natur aus ein Tyrann. Für das Kind existieren andere
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Rechte nicht. Ihn interessieren die anderen nicht. Meine Kinder z.B. haben vor einigen Jahren von einer Familie aus der Kirche ein Häschen geschenkt bekommen. In bin in ihrer Nähe, aber sie können mich nicht sehen. Sie sind zufrieden, daß sie jetzt ein Häschen haben, aber durch den natürlichen Egoismus dieser Kinder wollen sie nicht, daß andere ihr Häschen sehen und berühren. Sie haben ein kleines Häuschen gebaut und beginnen, miteinander zu sprechen. Niemand außer uns soll den Hasen sehen. Deswegen muß ein Gesetz erlassen werden, eine Ordnung erstellt werden. Der Jüngste von ihnen war fünf Jahre alt, die Älteste zehn. Daher kommt es zu folgender Regelung: Es ist verboten, diesen Ort zu betreten für Kinder unter fünf Jahren und für ältere als zehn Jahre. - Und so formulieren sie ihr Gesetz. Plötzlich erinnert sich einer an ein Vetterchen, das erst vier Jahre alt ist. Er sagt: 'Das darf nicht sein, er gehört doch zur Familie. Er soll auch hereinkommen und sich am Hasen freuen dürfen. Reformieren wir das Gesetz!' Jetzt heißt es: Es ist verboten, diesen Ort zu betreten für Kinder unter vier Jahren und für ältere als zehn Jahre. Später erinnert sich eine an eine Freundin, die elf Jahre alt ist und draußen bleiben muß. Sie sagt: 'man muß etwas machen; sie ist meine Busenfreundin und hat das Recht dazu. Sie gehört zur Gruppe, daher muß man etwas machen.' So wird das Gesetz wieder geändert. Jetzt heißt es: Es ist verboten, diesen Ort zu betreten für Kinder unter vier Jahren und für ältere als elf Jahre. Ich habe nur zugehört. Welche Unreife! Kinder denken nur an sich, an ihre Familie, an ihre Gruppe, an ihre Interessen. Ich sagte: Allmächtiger Gott, befreie uns von einem infantilen Kongreß, befreie uns von Abgeordneten, die nur denken an ...(Applaus), befreie uns von einem infantilen Kongreß, der nur Gesetze macht für die Freunde, für die Verwandten, für die eigene Gruppe. Nein! Das Gesetz sucht das Allgemeinwohl. (Applaus) Deswegen heißt das Wort Gottes bei Jesaja: Es gibt Leute, die ungerechte Gesetze machen, die Tyrannei einführen, um die Armen von der Rechtsprechung fernzuhalten und den Bedrückten meines Volkes das Recht zu nehmen, die die Witwen berauben und die Waisen bestehlen. Wehe, sagt der HERR, wehe über sie. Weißt du warum? Gott läßt nicht mit sich spotten. Alles, was der Mensch sät, das emtet er auch. (Applaus) Nur der wiedergeborene, der gottesfürchtige Mensch hat vor den Gesetzen Achtung und hat in seinem Leben einen Kodex, der ebenfalls absolut ist, und er versucht auch nicht, diesen zu rationalisieren und zu manipulieren. Daher wiederhole ich noch einmal, was
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ich schon immer gesagt habe: Ich habe kein großes Vertrauen in ein Gericht, das Gott nicht achtet! Ich habe kein großes Vertrauen in einen Kongreß und in Richter, die Gott nicht an die erste Stelle setzen. (Applaus) Nur der Mensch, der Gott kennt, der im dauernden Gespräch mit ihm ist, kann Gerechtigkeit schaffen, indem er jedem einzelnen das gibt, was er ihm schuldet. Es geht nicht darum, anderen etwas zurückzugeben, jenen, die beraubt wurden. Nein! Nur durch das Geben wird man zur Person. Nur diejenigen, die das tun, werden sich richtig verwirklichen. Verehrte und gesegnete Führungskräfte, es ist nötig, daß wir Prioritäten setzen, um jedem Honduraner das geben zu können, das er braucht, um sich so verwirklichen zu können, wie Gott ihn will und wie Gott es fordert. Hören Sie an diesem Tag, der nun zu Ende geht. Heute an diesem Tag, der nun zu Ende geht, sind in unserer Welt 10.000 Personen an Hunger gestorben. Aber wurden auch zwei Milliarden US Dollar für Armeen und Waffen ausgegeben. Kann die Kirche Jesu Christi das gutheißen? Niemals! Nicht hier und an keinem anderen Ort! (Applaus) Ich würde gern an diesem Abend wissen, wieviele Honduraner, besonders Kinder, heute an Hunger gestorben sind. Ich würde heute abend gern wissen, wieviel tausend Lempiras heute verpulvert wurden für Dinge, die nicht notwendig sind. Es geht nicht nur darum, dem anderen Geld zu geben, wirtschaftlich zu helfen, nein! Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Jedoch vom Brot auch! Es gibt viele Dinge, die wir dem anderen geben müssen. Das unterstreicht ein Aufruf in der Schrift. Die Heilige Schrift lehrt: Wohltaten ohne Gerechtigkeit ist ein Schlag gegen die Menschen und gegen Gott. (Applaus) Ein Almosen zu geben, ohne die Ursachen der Ungerechtigkeit zu beseitigen, gefällt Gott nicht. Das ist so lächerlich und verletzend, wie wenn "barmherzige Banditen", in Anführungszeichen, ihrem Opfer 20 Centavos für den Bus zurückgeben, nachdem sie es vorher ausgeraubt hatten. Man muß dafür sorgen, daß sich etwas ändert und vor allem müssen wir unsere Leute ausbilden. Wir alle, oder die meisten von uns, wissen, daß das größte Problem unseres Volkes die Unwissenheit ist. Wir brauchen Bildung! Man muß unser Volk bilden! Man muß ihm etwas beibringen! (Applaus) Ein alter griechischer Weiser sagte, die Esel ziehen das Stroh dem Gold vor. Vor mehr als tausend Jahren hat dies der Weise gesagt, als Griechenland auf dem Höhepunkt war und (.?.) erfunden wurde.
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Die Japaner machten in den vierziger Jahren etwas sehr Überraschendes. Vor dieser Zeit war Japan nicht produktiver oder reicher oder organisierter als irgendeines unserer Länder Lateinamerikas. Aber sie machten etwas seltsames, indem sie den größten Teil ihrer öffentlichen Gelder in die Bildung steckten. Es kommt der 2. Weltkrieg, und sie werden besiegt und erniedrigt. Wäre es nun nicht am klügsten gewesen, Waffen zu kaufen und die Armee zu stärken, damit so eine Demütigung nicht mehr vorkommt? Sie investierten weiterhin in die Bildung. Geduldig bildeten sie ihr Volk aus. Heute ist Japan keine Supermacht, was Waffen und Heeresstärke angeht. Aber es ist die Spitze der industrialisierten und reichsten Länder. Ich sage es noch einmal heute abend. Vor mehr als 2.000 Jahren wurde dieser Satz schon gesagt. Die Esel ziehen das Stroh dem Gold vor, und es gibt immer noch Stroh, und es gibt immer noch Gold, und es gibt immer noch Esel, und traurigerweise gibt es immer noch Fehlentscheidungen. Heute abend jedoch will ich unsere Führer ermutigen. Ich will heute abend, daß Sie sich daran erinnern, daß wir Gerechtigkeit schaffen müssen, daß wir unsere Leute ausbilden müssen, daß wir sie aus dem spirituellen, moralischen und intellektuellen Elend holen müssen. Das ist Christentum in Aktion. Das ist Christentum in Aktion. Hören Sie gut zu! Christentum ist kein Gesetz. Christentum ist kein Pflichtenkatalog. Christentum ist keine Philosophie. Christentum ist keine Ideologie, weder eine rechte, noch eine linke. Christentum ist eine Person. Christentum ist Jesus Christus. (Applaus) Jesus hat immer die Armen geliebt. Er liebte die Marginalisierten und hat immer Leben und Erneuerung gesät. Sein Ruf galt immer einem besseren Leben. Honduras nennt sich christlich. Im Namen Christi, handeln wir wie Christus! Handeln wir wie Christus! Ghandi sagte: "Meiner Meinung nach ist das westliche Christentum, wenn man es nach seinem Handeln beurteilt, eine Negation Christi." Alles wäre anders, wenn man die Bergpredigt kennen würde und nach ihr leben würde. Darum hat Ghandi gesagt, mir gefällt Christus, aber nicht die Christen, weil wir den Glauben nicht leben, weil wir nicht leben, was Jesus Christus lehrt und von uns erwartet. Brüder und Schwestern, laßt uns zu Gott zurückkehren, denn ohne Gott können wir keine Gerechtigkeit schaffen. Laßt uns zum Wort zurückkehren, denn ohne das Wort können wir Christus nicht kennenlernen und durch ihn zu Gott kommen. Ich sage es noch einmal: Es gibt eine Gerechtigkeit und sie
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kommt aus dem Glauben. Der Imperativ des Glaubens, die absolute Forderung des Evangeliums heißt Gerechtigkeit. Heißt Gerechtigkeit. Heißt Gerechtigkeit. Was ist die Folge dieser Gerechtigkeit? Nun, in erster Linie Erhöhung. Hören Sie, was die Schrift in Sprüche 14 sagt. Wie schön ist doch dieses Wort: Gerechtigkeit erhöht ein Volk; aber die Sünde ist der Leute Verderben. (Spr. 14,34) Und in Ps.35 heißt es, daß die Frucht der Gerechtigkeit der Friede sein wird. Die Bibel sagt, daß die Gerechtigkeit und der Friede sich küssen. Sie sagt, daß die Konsequenz der Gerechtigkeit der Friede sein wird. Frieden erhält man nicht durch Gewehre. Frieden wird man nicht erhalten durch die'Gewalt der Kanonen oder durch das Tosen der Flugzeuge, die Bomben abwerfen. Nein! Friede wird immer die Folge der Gerechtigkeit sein. Es gibt keine Alternative. Es gibt wirklich keine andere Alternative. Wenn wir die Wahrheit in Aktion setzen, wenn wir das Gesetz akzeptieren, es halten und dafür sorgen, daß es andere auch halten, wenn wir das Leben und seine Integrität respektieren und wenn wir jedem das geben, das er zu seiner Verwirklichung braucht, dann wird es als Konsequenz davon Frieden geben, denn Gott hat es so eingerichtet. Ich möchte heute abend nicht aufhören, ohne die Tatsache zu wiederholen, daß dieser große Gott, den wir anbeten und zu dem wir heute abend gesungen haben, seinen Kindern, den Menschen, einen außergewöhnlichen Wert gibt. Hören Sie dies! Im Heidentum ist alles heilig, außer der Mensch. Im Heidentum ist der Tempel heilig und der Altar; es gibt heilige Pfade, Orte und Quellen, zu denen das Volk hinpilgert. Im Heidentum gibt es heilige Tiere, daher gibt es auch heutzutage noch Länder, in denen ein Mensch neben einer Kuh stirbt, die als heilig angesehen wird. Im Christentum aber ist nichts heilig, außer der Mensch, weil er Ebenbild Gottes und Tempel des Heiligen Geistes ist. Ich kann ihn nicht zertreten. Ich kann nicht gegen ihn murren. Ich kann ihn nicht klein machen, ohne mich über Gott hinwegzusetzen. Gott erbarmt sich aller seiner Kinder. Das sind wir als Kirche; das ist die Botschaft, die wir predigen. Wir sind dazu berufen, Salz zu sein. Salz gibt Geschmack und bewahrt außerdem vor Korruption. Wir sind außerdem dazu berufen, Sauerteig, Ferment für die Veränderung und Licht zu sein. Die Bibel sagt... machen wir jetzt eine kleine Übung. Die Bibel sagt, die Welt und Honduras ohne Gott, ohne Christus, ohne Christen sind absolut in der Finsternis, absolut in der Finsternis. Die Bibel lehrt, daß Sie und ich Licht sind. Ohne Licht ist alles
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finster, in Finsternis, in Dunkelheit. - Kann man nun für einen Moment die Lampen ausschalten, bitte (Stille). Honduras ohne Gott, Honduras ohne Christus (Beifallsrufe), Honduras ohne Christen wäre in Finsternis, in Finsternis. (Applaus) Christus ist das Licht. Die Christen sind das Licht. Sie sind das Licht. - Wir bitten nun wieder, daß das Licht wieder angeschaltet wird. Ein Christ, ein anderer Christ, noch ein Christ, noch ein Christ, noch ein Christ, noch ein Christ, noch ein Christ, noch ein Christ, die alle das Licht Jesu Christi tragen. Wir wollen Honduras erleuchten. Bruder und Schwester, laßt uns mit dem Licht Christi leuchten. Wir wollen Honduras erleuchten. Leuchte! Leuchte im Licht Christi! Wenn es Christen im Regierungspalast gibt, dann wird dort Licht sein. Wenn es Christen im Kongreß gibt, dann wird es dort licht sein. Schämt euch nicht für Christus! Versteckt Christi Licht nicht! Was sagt die Bibel dazu? Niemand entzündet ein Licht und stellt es unter das Bett, sondern er stellt es an einen hohen Ort, damit es erleuchte. Ich fordere die Christen an diesem Abend auf: Laßt uns Licht sein! Laßt uns leuchten! Es gibt kein (.?.) ohne die Öffentlichkeit zu erleuchten! (Applaus) Halleluja.Oihh! Gloria! Erhebt euch! (Applaus) Christus lebt! Er will unser Volk erleuchten! Er will unser Volk erleuchten! (Applaus) Es gibt eine Hoffnung für Honduras! Es gibt eine Hoffnung für Honduras! Es gibt eine Hoffnung für Honduras! (Beifallsrufe) Fangen wir bei dir an, fangen wir bei mir an, fangen wir bei Ihnen an und dann bei Ihnen. Es gibt eine Hoffnung für Honduras. Gloria dem Namen des HERRN. Verharren wir noch eine Weile in der Stille. Das Wort Gottes wurde ausgelegt. (Stille) ... Gott will Frieden. Halleluja.... Aber er will ihn durch Menschen machen. Durch Menschen, die sich ihm zuwenden. Menschen, die ihn nicht mißachten und von ihm die nötige Kraft und das Vermögen erhalten, um Gerechtigkeit zu schaffen, um die Wahrheit in Aktion zu setzen, um das Gesetz zu respektieren und um ihm Geltung zu verschaffen, um (.?.), um diejenigen anzuklagen, die gegen das Leben des anderen verstoßen; Menschen, die "nein" sagen zur Ausbeutung, die "nein" sagen zur Folter, die "nein" sagen zu allem, was den Bruder herabsetzt und entwürdigt. Gott will Frieden. Wir setzen uns für Gerechtigkeit ein, weil die Frucht der Gerechtigkeit Frieden sein wird. Im Namen Jesu. An diesem Abend, Honduras, bete und höre unsere Proklamation! Wir brauchen Führer, die Gott fürchten. Wir brauchen Führer, die moralische und spirituelle
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Vorbilder sind, weil sonst immer unsere Jugend gegen die Heuchelei ihrer Führer rebelliert, die nur eine Fassade zeigen und nur Werte aus Weichplastik proklamieren. Im Namen Jesu, heute abend. Führer, die ihr heute abend hier seid - du, der du das Präsidentenamt anstrebst, du, der du für das Rathaus kandidierst, du der du ein Abgeordnetenmandat anstrebst und du, der du dieses Volk regieren willst! Wende dich Gott zu! Suche ihn! Gib ihm Raum in deinem Leben. Werde sensibel für ihn. Ich werde euch große Dinge zeigen. Ich werde euch Wege zeigen, auf denen ihr gehen sollt. Ich werde euch zeigen, wie man Gerechtigkeit schafft. Konsequenz dieser Gerechtigkeit wird der Friede sein. Nicht der Friede der Friedhöfe, den uns die Gewalttätigen geben, die ihn mit Waffengewalt erzwingen wollen. Nein! Es ist auch nicht der Friede der Welt! Nein! Es ist der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft. An diesem Abend ruft Gott dich! Bereue! Suche Gott! Lerne von ihm und mach für unser Honduras das, was viele abgelehnt haben zu tun, aus (.?.), aus Ignoranz oder aus Übermut, weil sie Gott nicht kannten. Danke HERR. Danke HERR. (...)
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Anhang 6 Auszug aus dem Interview Nr. 18 mit Finanzminister Benjamin Villanueva zur Wirtschaftspolitik und zur Rolle der Kirchen K.B.: Ich habe in den Zeitungen gelesen, daß ihre Regierung Maßnahmen ergriff, die vor allem die Armen und die Mittelschicht betrifft. Was sagen Sie als Minister und als Christ dazu? Villanueva: Das stimmt. Aber die Maßnahmen, die ergriffen werden, sollen wieder Ordnung in die Wirtschaft bringen. Wir haben bisher noch keine Form gefunden, die Probleme zu lösen, die die große arme Mehrheit betreffen. Es ist egal, wie einer die Wirtschaft in Ordnung bringen will, immer sind die Ärmsten diejenigen, die am meisten betroffen sind, weil sie am härtesten geschlagen werden, wenn die Lebenshaltungskosten um 30 % steigen. Diejenigen leiden am meisten, die am wenigsten Kapazität haben, sich anzupassen. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen, haben wir noch keine Lösung gefunden. Und es ist klar, wenn wir eine finden würden, würden wir sie anwenden. Aber von den Ländern, die in solchen Problemen stecken wie wir, hat auf dieser Welt kein Land eine Lösung gefunden. Das ist etwas, was uns ein Gefühl der Schuld gibt. Wir werden weiterhin nach Lösungen suchen, um die Ärmsten zu unterstützen. Wir haben Hilfsprogramme für die ärmsten Gruppen geschaffen, um die Buspreise für sie stabil zu halten und Arbeit zu beschaffen. Wir geben alleinstehenden Müttern in Armenvierteln mit Kindern in der Schule Bons. Wir gründen Fonds zur Erhaltung von Arbeitsplätzen, zur Neuschaffung von Zeit- und Dauerarbeitsplätzen. Wir haben aber tatsächlich noch keine Lösung für das Problem der Armut gefunden und - und ich finde dafür auch keine Lösung im christlichen Leben, weil im Christentum mehr oder weniger gesagt wird, daß man die Armut als Teil unseres Lebens auf dieser Erde akzeptieren muß. Es ist nicht einfach, Antworten zu finden. Ich merke schon, daß das Programm - es ist nicht das Programm an sich, das die Ärmsten betrifft, sondern die Krisensituation, die einer Lösung bedarf. Und bei der Lösung der Probleme sind es die Ärmsten, die am meisten leiden.
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K.B.: Welches sind Ihrer Meinung nach die größten Probleme? Ich beziehe mich auf die wirtschaftliche, politische und soziale Situation, die das Land gerade durchläuft? Villanueva: Ich glaube, das, was ich gerade gesagt habe, ist das größte Problem. Die Tatsache, daß wir hier so viele Randgruppen der Armut und der Arbeitslosigkeit haben, schafft großen sozialen Druck, großen politischen Druck. Wir haben hier starke Gewerkschaften und starke Bauemorganisationen. Fast immer spiegelt sich das in Streiks und Demonstrationen, ohne daß wir viel anzubieten hätten. Das ist ein großes Problem. Wenn wir die Probleme lösen wollen, merken wir, daß wir nicht genug Devisen haben, um die Probleme angehen zu können. Wir können nicht einfach Geld drucken, wie man das früher gemacht hat, weil das wieder andere Probleme schafft, wie Inflation und stärkere Abwertung des Geldes, was sich am Schluß wieder gegen die Armen richtet. Wir suchen die Hilfe von befreundeten Ländern, damit sie uns mit umfangreicheren sozialen Entwicklungshilfeprogrammen unterstützen. Wir haben zwar auch Sozialprogramme, aber nur sehr kleine. Wir wollen größere durchführen, um zu den Mehrheiten zu gelangen. Währenddessen können wir eine produktivere und wettbewerbsfähigere Wirtschaft entwickeln: mehr Export, mehr Arbeitsplätze, mehr Industrie. K.B.: Ist es nicht so, daß hier wenige Leute sehr viel Geld haben und die Mehrheit kaum Geld hat? Gut, ich weiß jetzt auch keine Lösung dafür, aber ist das nicht ein strukturelles Problem? Villanueva: Das ist eindeutig ein strukturelles Problem. Das Problem ist, daß es sehr einfach ist zu sagen, "das ist ein strukturelles Problem", aber das gibt uns noch lange keine Antwort, wie es zu lösen ist, z.B. wenn hier 10 % der Bevölkerung mehr als 50 % des Kapitals haben. Wir können nun daran gehen, die Kapitalerträge zu besteuern, damit diese Leute mehr Vermögenssteuer bezahlen oder damit die Reichen mehr selektive Steuern auf den Konsum bezahlen, damit der, der einen Mercedes Benz oder andere Luxusautos oder Farbfernseher hat, mehr an Steuern bezahlt. Aber das ist auch keine Lösung. Wir wollen die Demokratisierung des Kapitals fördern, damit mehr Arbeiter, mehr Angestellte, sich in Kapitalisten verwandeln, damit sie mehr Zugang zum Kapital bekommen. Wir haben zum Beispiel
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schon ein Unternehmen privatisiert, das wir an die Arbeiter verkaufen wollen, die mit dem Gewinn des Unternehmens die Aktien bezahlen. K.B.: Wie heißt das Unternehmen? Villanueva: CETNA, das Centro Tipolitográfico Nacional, das zu diesem Ministerium gehört. Wir haben es geschlossen und werden die Aktien an die Arbeiter verkaufen. Das wollen wir mit weiteren Betrieben machen, um den Arbeitern und Kooperativen mehr Beteiligung zu geben, damit das Kapital ein bißchen besser verteilt wird. Aber das sind kleine Schritte. Das bringt uns noch zu keinem strukturellen Wandel. Wir haben den strukturellen Wandel versucht bei der Agrarreform. Aber, wenn ich ehrlich bin, glaube ich, daß das einzige, was wir erreicht haben, die Senkung der landwirtschaftlichen Produktion ist. Wir haben bäuerliche Genossenschaftsbetriebe entwickelt, eine Art Teilhabergesellschaften für Campesinos, die rundweg gescheitert sind. Und dann sind die Campesinos gekommen und wollten lieber wieder als Arbeiter zu einer Bananengesellschaft als Besitzer ihres eigenen Unternehmens sein. Die Struktur zu verändern ist also nicht einfach. Es gibt viele Bildungsschranken, viele Barrieren in den Leuten drin, die wir verändern wollen, die dann das Leben schwer machen. K.B.: Welche Rolle könnten die Christen bei diesem Prozeß spielen? Villanueva: Ich würde sagen, sie sollen es innerhalb den Bedingungen, unter denen wir leben, besser machen. Das ist eher eine pragmatische Position, um nicht näher auf stärker ideologische Positionen einzugehen, wie z.B. die einiger Anhänger der Theologie der Befreiung, die eine kämpferischere Position eingenommen haben. Ich hatte ein Gespräch mit Führern der Katholischen Kirche, die diese Position einnehmen, aber überhaupt keine Lösung anbieten. Sie kommen und kritisieren die Regierung. Sie sagen: "Ihr unterstützt die Reichen; es gibt nicht genügend Unterstützung für die Armen. Warum macht ihr das mit diesem Unternehmen? Wir möchten, daß billige Medizin in jeden Winkel des Landes kommt". Dann sagen wir zu ihnen: "Und womit sollen wir die Medizin bezahlen?" Dann sagen sie: "Verlangt von den Reichen mehr Steuern". Aber sie sagen nicht, welche Steuern. Mit mehr Steuern auf die Reichen ist es nicht getan. Damit kann man das Problem nicht lösen. "Senkt die Preise für Kraftstoff!" Das kostet mich 150 Millionen Lempiras, aber sie sagen nicht, wo ich die 150
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Millionen hernehmen soll. Dann kommt der Vorschlag: "Löst die Armee auf!" Das ist auch nicht konstruktiv. Wir müssen also auf eine realistische, mögliche Ebene innerhalb der Struktur kommen. Ich bin davon überzeugt, daß es besser ist, das zu machen innerhalb der Beschränkungen, was möglich ist, als kämpferische Haltungen einzunehmen. Wenn wir das nicht tun, haben wir keine konkrete Antwort auf die Probleme, die uns umgeben. Daher halte ich auch nicht viel von dieser Befreiungstheologie, die einige Leute predigen. Ich ziehe es vor, die Probleme zu lösen, wo sie sich einem stellen. Das einzige, was einer erbittet, ist, daß Gott einen erleuchtet, damit die Lösungen konsequent und die besten sind innerhalb der Umstände. K.B.: Welche Rolle könnten die evangelischen Kirchen spielen, z.B. Vida Abundante oder Amor Viviente? Villanueva: Ich glaube, daß die Rolle der Kirche sehr klar ist: die geistliche Ernährung der menschlichen Person. Ich unterscheide: Überlaßt die politische und die wirtschaftliche Funktion uns, die wir in der Regierung sind; die Kirche soll den Menschen geistlich ernähren, denn der Mensch braucht geistliche Nahrung - als geistliche Führung. Aber sie soll sich nicht in wirtschaftliche und strukturelle Probleme einmischen, denn da hat sie meiner Meinung nach wenig beizutragen. Das ist mein persönlicher Eindruck. Sie hat viel anzubieten im spirituellen Bereich, aber sehr wenig im ökonomischen Bereich, im Bereich internationaler Beziehungen und im Bereich von politischen Gruppen. Ich meine, das ist nicht die Aufgabe der Kirche. Sie hat die Rolle zu führen, um den Christen zu helfen, die Regierenden zu verstehen. Das ist eine bescheidenere Rolle, als die, die ein Teil der Katholischen Kirche eingenommen hat. Sie haben der Regierung gegenüber eine sehr kritische Haltung eingenommen, eine kämpferische. Meiner Meinung nach ist das nicht die Rolle der Kirche. Wenn einer keine Alternative anzubieten hat, dann sollte er besser die Themen nicht anschneiden. Das ist meine private Meinung zu diesem Thema.