Harmonisierung der Alterssicherung?: Vortrag gehalten vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 29. Februar 1984 9783110905083, 9783110102123


179 12 2MB

German Pages 30 [32] Year 1984

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
I. Zum Thema
II. Das Objekt einer Harmonisierung: Die Alterssicherung
III. Notwendigkeit einer Harmonisierung der Alterssicherung?
IV. Der Vergleich der Systeme - notwendige Voraussetzung für eine Harmonisierung
V. Maßstäbe für eine Harmonisierung
VI. Der Beitrag der Sachverständigen-Kommission zu der gekennzeichneten Harmonisierungsproblematik
VII. Ausblick
Recommend Papers

Harmonisierung der Alterssicherung?: Vortrag gehalten vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 29. Februar 1984
 9783110905083, 9783110102123

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Bernd v. Maydell Harmonisierung der Alterssicherung?

Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft zu Berlin Heft 87

W DE G 1984

Walter de Gruyter • Berlin • New York

Harmonisierung der Alterssicherung?

Von Bernd v. Maydell

Vortrag gehalten vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 29. Februar 1984

w DE

G

1984

Walter de Gruyter • Berlin • New York

Dr. jur. Bernd v. Maydell Professor an der Universität Bonn Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit

ClP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen Bibliothek

Maydell, Bernd von: Harmonisierung der Alterssicherung? : Vortrag, gehalten vor d. Jur. Ges. zu Berlin am 29. Februar 1984 / von Bernd v. Maydell. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1984. (Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft zu Berlin ; H. 87) ISBN 3-11-010212-9 NE: Juristische Gesellschaft (Berlin, West): Schriftenreihe der Juristischen...

© Copyright 1984 by Walter de Gruyter U Co. 1000 Berlin 30 Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany Satz und Druck: Saladruck, Berlin 36 Bindearbeiten: Verlagsbuchbinderei Dieter Mikolai, Berlin 10

1. Zum Thema 1. Rechtliche

Fragestellung?

Das Thema „Harmonisierung der Alterssicherung" - mit oder ohne Fragezeichen - wirft zunächst ein Legitimitätsproblem auf. Ist denn - so könnte man fragen - ein Jurist überhaupt berufen, eine solche Thematik, die doch wohl der Sozialpolitik zuzuordnen ist, zu behandeln? Das Ausräumen dieses Vorbehalts hat eine mehr subjektive und eine mehr objektive Komponente. Zum einen könnte ich nämlich die Kompetenz damit zu begründen versuchen, daß ich auf die Mitarbeit in der Wissenschaftler-Gruppe des Sozialbeirats und der SachverständigenKommission Alterssicherungssysteme verweise - beide Gremien haben sich teilweise oder überwiegend mit der Problematik der Harmonisierung beschäftigt. Dem könnte man allerdings entgegenhalten, daß schon darin eine wissenschaftliche Grenzverletzung liegt. Das bedeutet: Es ist eine Entscheidung darüber nötig, welcher Wissenschaftsdisziplin die Frage nach einer Harmonisierung der Alterssicherung und damit nach der Notwendigkeit einer Veränderung des gegenwärtigen Systems zuzuordnen ist. Letztlich geht es dabei um das Verhältnis von Sozialpolitik und Sozialrecht 1 . Sozialrecht ist realisierte Sozialpolitik. Das heißt aber gleichzeitig, daß die Überlegungen der Sozialpolitik sich auch und in besonderem Maße auf die Änderung des Sozialrechts beziehen 2 . Sozialpolitik umfaßt insoweit einen Teilbereich der Rechtspolitik, soweit diese Rechtspolitik sich mit den sozialen Problemen befaßt. Daß damit das Tätigkeitsfeld der wissenschaftlichen Sozialpolitik 3 nicht abschließend abgesteckt ist, bedarf keiner besonderen Betonung. Wenn sozialpolitische Erwägungen im Sinne von Überlegungen über die Veränderung der bestehenden Sozialrechtsordnung nicht in ihrer rechtspolitischen Relevanz erkannt werden, obwohl doch z. B. niemand einem Familienrechtler Gedanken über eine Änderung des Scheidungsrechts verwehren würde, so kann dies nur auf eine mangelnde Präsenz der Sozialrechtswissenschaft zurückzuführen sein. Die erst langsam sich entwickelnde Sozialrechtswissenschaft - das gilt auch für den personellen Aspekt - war zunächst voll und ganz damit beschäftigt, sich um die

' Zu diesem Verhältnis vgl. Zacher, Sozialpolitik, Verfassung und Sozialrecht im Nachkriegsdeutschland, in: Alterssicherung als Aufgabe für Wissenschaft und Politik. Festschrift für Helmut Meinhold, 1980, S. 123. 2 Vgl. dazu Bley, Sozialrecht, 4. Aufl. 1982, S . 3 7 f f . (A II). 3 Als spezieller Teilbereich der Wirtschaftspolitik.

6

vorhandenen sozialrechtlichen Normen zu kümmern. Daß diese Aufgabe nicht gering zu achten ist, wird jeder Kenner zugeben. Daneben wurde die rechtspolitische Aufgabe, d. h. die Frage nach Veränderungen des Sozialrechts, nur punktuell wahrgenommen. Das führte dazu, daß bei der Erörterung von Reformen im Bereich des Sozialrechts die Sozialrechtswissenschaft sich nur vereinzelt äußert und daher auch nur zum Teil herangezogen wird. Diese mangelnde Präsenz sagt aber über die Legitimität juristischer Äußerungen zu Fragen der Änderungen des Sozialrechts nichts aus. Diese Legitimität ist - im Verhältnis zu anderen Lebensbereichen - für den Bereich des Sozialrechts noch offensichtlicher, weil das Sozialrecht in einem ständigen Wandel begriffen ist" und daher konkrete Sozialpolitik, Sozialreform und Sozialrecht in einem kaum trennbaren Kontext stehen5.

2. Der Begriff der Harmonisierung Der Begriff der Harmonisierung ist zu einem Reizwort in der sozialpolitischen Debatte geworden, obwohl dieser Begriff vom ursprünglichen Wortsinne her - Herstellung von Harmonie - an sich positiv belegt ist. Kennzeichnend für die Animosität gegenüber diesem Begriff ist, daß er in der Arbeit der Sachverständigen-Kommission Alterssicherungssysteme6 peinlich gemieden wurde; das gilt auch für den Auftrag der Bundesregierung an diese Kommission 7 . Dort ist ausschließlich von der Abstimmung der Systeme die Rede, bisweilen wird auch von Annäherung der Systeme gesprochen. Diese Berührungsängste sind nur verständlich, wenn der Blick verengt wird auf eine Realisierungsform der Harmonisierung, nämlich auf die Angleichung. Versteht man unter Harmonisierung lediglich die Gleichmacherei unterschiedlicher Systeme, so sind die Vorbehalte allerdings berechtigt. Eine solche Verengung ist jedoch weder im ursprünglichen Wortsinne angelegt, noch ergibt sie sich aus der Natur der Sache, um die 4 Zu den Auswirkungen dieses ständigen Wandels vgl. v. Maydell, Zum Stil sozialpolitischer Gesetzgebung, in: Festschrift 125 Juristische Gesellschaft zu Berlin, 1984, S.407. 5 Kennzeichnend für diesen Zusammenhang ist, daß Zacher bei seiner Aufgliederung in vier Ebenen auch einen sozialpolitischen Sozialrechtsbegriff aufführt (Was ist Sozialrecht? in: Festschrift für Schieckel, 1978, S.371, 373). ' Vgl. das Gutachten der Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme, das Ende 1983 von dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung veröffentlicht worden ist; es umfaßt 2 Berichtsbände und 2 Anlagebände und wird nachfolgend schlicht als „Gutachten" zitiert. 7 Beschluß der Bundesregierung vom 10. Juni 1981, abgedruckt im Berichtsband 1 des Gutachtens, S. 179.

7

es geht 8 . D a s Herstellen von H a r m o n i e und damit Stimmigkeit im R e c h t s system ist eine allgemeine und generell anerkannte Aufgabe, die auf sehr verschiedenen E b e n e n relevant werden kann. So dient z. B . die Kodifikation des Sozialrechts im Sozialgesetzbuch auch diesem Ziele und kann daher als Harmonisierungsaufgabe im weiteren Sinne qualifiziert werden. A b e r auch zwischen ganz unterschiedlichen Rechtssystemen ergibt sich die N o t w e n d i g k e i t einer Koordinierung und Abstimmung 9 ; man denke nur an das Verhältnis von Sozialrecht einerseits und Steuerrecht oder Familienrecht andererseits. Steuerrechtliche Regelungen z u m Familienlastenausgleich oder familienrechtliche Institute, wie der Versorgungsausgleich, k ö n n e n sozialrechtliche Institute ganz oder teilweise ersetzen, nämlich die Kindergeldregelung und die G e s c h i e d e n e n - W i t w e n - R e n t e . Zahlreiche weitere Beispiele ließen sich im Verhältnis von Sozialrecht und Arbeitsrecht nennen, wie z . B . die arbeitsrechtliche Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle und das sozialrechtliche Krankengeld 1 0 . D i e s e Fälle, in denen alternativ durch Institute aus verschiedenen Rechtsbereichen bestimmte Bedürfnisse abgedeckt werden, zeigen besonders deutlich, daß die R e c h t o r d n u n g nicht verstanden werden kann als eine A n s a m m l u n g voneinander getrennter einzelner Teilrechtssysteme, vielmehr bestehen zahlreiche Querverbindungen. Dies heißt aber gleichzeitig, daß die Einzelsysteme in ihrem Nebeneinander als Teil eines G a n z e n gesehen werden müssen. Funktioniert dieses Miteinander nicht und dies ist in A n b e t r a c h t der ständigen Komplizierung des R e c h t s immer häufiger der Fall - , so entsteht Harmonisierungsbedarf 1 1 . E b e n s o vielfältig, wie die Anlässe und die E b e n e n für eine Harmonisierung sein k ö n n e n , sind ganz unterschiedliche Reaktionen auf den Befund, es bestehe ein Harmonisierungsbedarf, denkbar. 8 Gegen eine Verfälschung des Begriffsinhalts v. Maydell, Harmonisierung von Systemen sozialer Sicherheit, Sozialgerichtsbarkeit (SGb.) 1984, S. 142 ff. 9 Ausführlich zur Harmonisierungsproblematik siehe v. Maydell, Rechtliche Probleme einer Harmonisierung der Alterssicherungssysteme, Gutachten, erstattet für den Sozialbeirat, veröffentlicht durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung in: Langfristige Probleme der Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland, 1983, Bd. 3, S. 1 ff. 10 Vgl. z. B. Behn, Krankenbezüge und Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder aus einer zusätzlichen Altersversorgung (§37 Abs. 2 Unterabs. 5 Buchst, b BAT) - Zur punktuellen Harmonisierung der Sicherungssysteme, SGb. 1983, S. 141 ff. 11 In diesem Referat wird nur die Harmonisierung innerstaatlicher Rechtssysteme behandelt. Daneben kann eine Harmonisierung auch auf internationaler Ebene in Betracht kommen, indem verschiedene nationale Systeme einander angenähert oder miteinander koordiniert werden. Für den sozialrechtlichen Bereich ist insoweit vor allem an die Harmonisierungsbestrebungen im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften zu erinnern, vgl. v. Maydell (s. Fn. 9), S. 15.

8

1. Die Entwicklung des Rechtssystems oder die tatsächlichen Rahmenbedingungen können dazu führen, daß bestehende Unterschiede in Teilsystemen nicht mehr zu rechtfertigen sind. In diesem Falle kommt eine Angleichung in Betracht, wobei diese Angleichung eine vollständige oder partielle sein kann. Ein Beispiel für eine solche partielle Angleichung ist die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Annäherung der Besteuerungsregelung für Pensionen und Renten 12 . 2. Die Analyse des bestehenden Zustandes kann aber auch ergeben, daß in Anbetracht der unterschiedlichen Grundstrukturen der verschiedenen Systeme auch unterschiedliche Instrumente bestehen müssen, um einen vergleichbaren Regelungsbedarf angemessen zu befriedigen. Dies kann bedeuten, daß unterschiedliche Regelungen bestehen oder geschaffen werden müssen, so daß auch die Schöpfung differenzierender Regelungen Inhalt einer Harmonisierung sein kann. Ein Beispiel mag der Krankenversicherungsschutz für Beamte sein, die nicht sozialversicherungspflichtig sind und für die demgemäß die besondere Einrichtung der Beihilfe sachgerecht und sinnvoll ist. 3. Bei parallelen Sicherungssystemen, aber auch bei Regel- und Ergänzungssystemen 1 ', kann sich ein besonderes Problem insoweit stellen, als der Ubergang von einem System zum anderen und das Zusammenspiel der verschiedenen Systeme möglichst reibungslos funktionieren sollte. D a z u bedarf es häufig besonderer Koordinierungsregeln, die dieses Nebeneinander oder das Zusammenspiel gewährleisten. Die Formulierung solcher N o r m e n kann ebenfalls Gegenstand einer Harmonisierung sein. 4. Schließlich ist eine Harmonisierung nicht nur in bezug auf das bestehende Recht denkbar, sondern auch bei Reformvorhaben stellt sich eine ähnliche Situation. Wird für ein System ein Reformmodell entwikkelt, so ist jeweils zu fragen, welche zusätzlichen Regelungen in anderen Systemen dadurch notwendig werden. Insbesondere ist zu entscheiden, ob in parallelen Sicherungssystemen die gleichen, entsprechende oder ähnliche Regelungen eingeführt werden sollen. Ein Beispiel ist insoweit die Reform der Hinterbliebenensicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung 14 . Würde man z. B. in der gesetzlichen Rentenversicherung das Beschluß vom 2 6 . 3 . 1 9 8 0 , B V e r f G E 54, 11. Zu dieser Begriffsbildung nachfolgend unter II 3. M Es war daher folgerichtig, daß die Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme sich nicht nur mit der Frage der Annäherung beschäftigen sollte, sondern auch mit den Auswirkungen einer Reform der Hinterbliebenensicherung in der Rentenversicherung auf die anderen Alterssicherungssysteme (vgl. Beschluß der Bundesregierung, s. Fn. 7). D a bis zum Zeitpunkt des Abschlusses der Arbeiten der Kommission kein Reformvorschlag der Bundesregierung vorlag, mußte dieser Teil des Auftrages unerledigt bleiben (vgl. Gutachten, Berichtsband 1, S. 22). 12

13

9

Teilhabemodell realisieren, so wäre dies o h n e eine - zumindest - grundsätzliche Ü b e r t r a g u n g auf die anderen Regelsicherungssysteme

kaum

möglich 1 5 . D i e Ubertragungsproblematik ist daher eine Spezialfrage im R a h m e n der allgemeinen Harmonisierungsfrage 1 '.

3. Zum weiteren

Vorgehen

Bereits diese kurze Analyse des Begriffs der Harmonisierung zeigt, wie vielfältig die P r o b l e m e einer Harmonisierung sind, und zwar selbst dann, wenn man sich auf die Alterssicherung beschränkt. Dies versetzt einen in die schwierige Lage, auswählen und weglassen zu müssen. W e n n man sich darauf beschränken würde, nur die Empfehlungen der SachverständigenK o m m i s s i o n vorzutragen, so würde das allein schon die zur Verfügung stehende Zeit erheblich überschreiten, und dabei nehmen diese E m p f e h lungen nur einen kleinen Bruchteil des Gesamtgutachtens der K o m m i s sion ein 17 . B e i der somit notwendigen Auswahl soll das Schwergewicht auf die grundsätzliche Problematik und die methodischen Schwierigkeiten einer H a r m o n i s i e r u n g gelegt werden, weniger dagegen auf die konkreten V o r schläge der K o m m i s s i o n . D i e s e m e h r methodischen und grundsätzlichen Fragen k o n n t e n in der K o m m i s s i o n - schon in Anbetracht ihrer pluralistischen, d. h. die Interessenten berücksichtigenden Zusammensetzung' 8

-

n u r am R a n d e angesprochen werden, o b w o h l die Klärung dieser Fragen eigentlich eine Voraussetzung für die Arbeit der K o m m i s s i o n hätte sein müssen. A u f die dadurch bedingten Schwierigkeiten wird nachfolgend n o c h z u r ü c k z u k o m m e n sein.

15 So die Sachverständigenkommission für die soziale Sicherung der Frau und der Hinterbliebenen in ihrem Gutachten, 1979, S.75. Anders stellt sich die Ubertragungsproblematik bei Zusatzsicherungssystemen, vgl. dazu v. Maydell, Die betriebliche Altersversorgung und die Reform der gesetzlichen Rentenversicherung, in: Höfer (Hrsg.), Gegenwart und Zukunft der betrieblichen Altersversorgung, 1982, S. 1 ff. 16 Vgl. dazu v. Maydell (s. Fn. 9), S. 75 ff. 17 S. 140 bis 177 des Berichtsbandes 1 des Gutachtens. 18 Die Kommission setzte sich entsprechend dem Beschluß der Bundesregierung wie folgt zusammen: 2 Vertreter der Volkswirtschaftslehre, je 1 Vertreter der Sozialrechtswissenschaft, der Steuerrechtswissenschaft, der Verfassungsrechtswissenschaft, der Finanzwissenschaft und der Sozialversicherungspraxis, 2 Vertreter der Länder, je 1 Vertreter der Fraktionen des Deutschen Bundestages, 2 Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes, 1 Vertreter der Deutschen Angestelltengewerkschaft, 1 Vertreter des Deutschen Beamtenbundes, 2 Vertreter der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und 1 Vertreter des Deutschen Frauenrates. Die betroffenen Institutionen waren durch sachverständige Berater an der Arbeit der Kommission beteiligt.

10

Unter

Berücksichtigung

dieser

Schwerpunktbildung

werde

zunächst etwas über das O b j e k t der Harmonisierungsüberlegung, Alterssicherung

der

Bundesrepublik

Deutschland,

sagen.

ich die

Dieser

Bestandsaufnahme wird sich eine Untersuchung darüber anschließen, wieso es im gegenwärtigen System einer Harmonisierung bedarf. In einem weiteren T e i l meines Referates werde ich mich den notwendigen Voraussetzungen jeder Harmonisierung, dem Vergleich der verschiedenen E i n zelsysteme, zuwenden, insbesondere auch der Frage der Vergleichbarkeit. A u f der Grundlage dieses Vergleichs ist zu entscheiden, o b festgestellte U n t e r s c h i e d e bestehenbleiben sollen oder vielleicht sogar bestehenbleiben müssen, oder o b eine Annäherung oder Angleichung erfolgen sollte. F ü r diese Entscheidung bedarf es eines Wertungsmaßstabes. Es sind daher in einem Kriterienraster die Ziele und Bestimmungsfaktoren zu nennen, die der B e w e r t u n g zugrunde gelegt werden sollen. Schließlich sollen in einem letzten T e i l einige P u n k t e aus den Empfehlungen der Sachverständigen-Kommission

herausgegriffen werden, ohne daß eine

Vollständigkeit auch nur angestrebt werden könnte.

II. Das Objekt einer Harmonisierung: Die Alterssicherung 1. Beschränkungen der Darstellung W i l l man das oder -

besser -

die Systeme der Alterssicherung in

D e u t s c h l a n d beschreiben, so läßt sich die Situation am besten durch die Feststellung kennzeichnen, daß es w o h l in der gesamten Bundesrepublik niemanden geben dürfte, der von sich sagen könnte, er sei Experte für den gesamten Bereich der Alterssicherung 1 9 , einen Bereich, der nicht nur die Beamtenversorgung, die Rentenversicherung in ihren verschiedenen A u s prägungen und die berufsständischen Versorgungswerke, sondern auch die betriebliche Altersversorgung und F o r m e n der Privatversicherung umfaßt. Es liegt nahe, daß sich eine solche Vielfalt nicht in einer knappen Beschreibung, schon gar nicht im R a h m e n eines Referats, einfangen läßt. I c h m ö c h t e insoweit auf die Einzelgutachten im R a h m e n des K o m m i s sionsgutachtens

im Berichtsband 2 verweisen;

diese

Einzelgutachten

befassen sich ausführlich mit den einzelnen Alterssicherungssystemen und

15 Dieser Befund gilt jedenfalls für den rechtlichen Bereich der Alterssicherung; im sozialpolitischen Schrifttum finden sich dagegen Untersuchungen, die von einem umfassenden Ansatzpunkt ausgehen, vgl. z . B . Schmähl, Alterssicherung und Einkommensverteilung, 1977.

11

geben, wie ich meine, einen bisher nicht vorhandenen, umfassenden Uberblick. Zur Kennzeichnung der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der verschiedenen Alterssicherungssysteme sollen nachfolgend einige Differenzierungskriterien genannt werden, die auch etwas über das Gesamtsystem aussagen können, insbesondere soweit es die Harmonisierungsproblematik anbelangt20. 2. Die erfaßten

Personengruppen

Eine Einteilung der Alterssicherungssysteme ist danach möglich, welche Personengruppen erfaßt werden. Diese Einteilung knüpft an die historische Entwicklung an, während der sich jeweils für die einzelnen Personengruppen spezifische Sicherungssysteme herausgebildet haben. Es lassen sich grob vier Gruppierungen unterscheiden; es wären weitere Unterscheidungen möglich, auf die jedoch hier verzichtet werden muß. 1. Die Beamten: Sie erhalten aufgrund des auch nach der Pensionierung fortbestehenden Rechtsverhältnisses zu ihrem Dienstherrn eine Alimentation, die sich unter Berücksichtigung der Dienstzeit auf der Grundlage der letzten aktiven Bezüge berechnen läßt21. 2. Die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes: Sie sind als Arbeitnehmer pflichtversichert in der gesetzlichen Rentenversicherung22, wofür sie Beiträge entrichten müssen, ebenso wie der öffentliche Arbeitgeber. Neben der dadurch begründeten gesetzlichen Rente erhalten sie eine tarifvertraglich vereinbarte Zusatzversorgung23, die allein vom öffentlichen Arbeitgeber durch Umlage finanziert wird und die die Rente - nach 35 anrechenbaren Jahren - auf eine Gesamtversorgung von 75 % der letzten Bruttobezüge aufstockt. Durch die starke Belastung der Arbeitsentgelte mit Steuern und Beiträgen - im Gegensatz zu den Renten - führt diese Gesamtversorgung dazu, daß der begünstigte Personenkreis nicht

20 Vgl. z. B. bereits v. Maydell, Basisversorgung (Beamtenpension und Altersruhegelder der gesetzlichen Rentenversicherung) und Ergänzungsversorgungen (Zusatzversorgungen im öffentlichen Dienst und in der gewerblichen Wirtschaft einschließlich der Privatversicherung), in: Uber- und Unterversorgung bei der Alterssicherung, Schriftenreihe des Deutschen Sozialgerichtsverbandes, Bd. XVII, 1978, S. 24 ff. 21 Vgl. Zacher, Versorgung der Beamten, Richter und Soldaten, Gutachten, Berichtsband 2, S. 127 ff. 22 Vgl. Kolb, Gesetzliche Rentenversicherung (Arbeiterrentenversicherung, Angestelltenversicherung, knappschaftliche Rentenversicherung, Handwerkerversicherung), Gutachten, Berichtsband 2, S. 7 ff. 2J Vgl. Schneider, Zusatzversorgung der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, Gutachten, Berichtsband 2, S. 207 ff.

12

nur den Beamten gleichgestellt wird - was beabsichtigt war - , sondern sogar eine höhere Netto Versorgung, nämlich über 100% der letzten Nettobezüge, beziehen konnte. Diese Uberversorgung ist durch einen neuen Tarifvertrag 2 '' eingegrenzt worden, so daß in Zukunft lediglich eine Gesamtversorgung von etwa 90 % der letzten Nettobezüge möglich sein soll. 3. Die Arbeiter und Angestellten der Privatwirtschaft: Sie werden erfaßt durch die gesetzliche Rentenversicherung, für die sie und ihre Arbeitgeber die Beiträge aufbringen. Hinzu kommen Staatszuschüsse in unterschiedlicher Höhe; sie sind am höchsten in der Knappschaft, der Sozialversicherung für die Bergleute. Die Arbeiter und Angestellten der Privatwirtschaft erhalten zu einem Teil zusätzlich zu ihrer Rente eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung 25 , die allerdings nach H ö h e und Ausgestaltung regelmäßig nicht die Bedeutung der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst erlangt. Zwar gibt es auch in der Privatwirtschaft vereinzelt Gesamtversorgungszusagen, sie sind jedoch untypisch. Daneben stehen andere Leistungspläne, die u . U . nur relativ geringe Festbeträge vorsehen. Vor allem aber ist zu berücksichtigen, daß von den heutigen Rentnern nur etwa 20 bis 30 % eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung erhalten26. Dieser Prozentsatz dürfte sich allerdings in Zukunft erhöhen. Man schätzt, daß etwa 65 % der heute aktiven Arbeitnehmer eine betriebliche Ruhegeldzusage besitzen, von der allerdings nicht feststeht, ob sie in der Zukunft realisiert werden kann. 4. Die Selbständigen: Der Personenkreis der Selbständigen wird zum Teil von der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung erfaßt, und zwar in Form der Antragsversicherung 27 , der besonders ausgestalteten Versicherung für Handwerker 28 und der freiwilligen Versicherung 2 '. Teil-

24

Auf diesem Tarifvertrag beruht die 19. Änderung der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder vom 10. November 1983. 25 Vgl. v. Maydell, Betriebliche Altersversorgung, Gutachten, Berichtsband 2, S. 243 ff. 26 Eine im Auftrag des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung von Infratest durchgeführte Untersuchung kam 1983 zu dem Ergebnis, daß 23 % der 61- bis unter 80jährigen, die für einen Bezug von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in Frage kamen, tatsächlich eine Betriebsrente aus eigener Berufstätigkeit erhalten. Diese Studie ergibt auch, daß die Betriebsrenten der privaten Wirtschaft erheblich niedriger sind als die Leistungen der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst (vgl. dazu auch den Bericht im Handelsblatt v. 30./31.3.1984, S. 5). 27 §1227 Abs. 1 Ziffer 9 R V O . 28 Handwerkerversicherungsgesetz v. 8 . 9 . 1 9 6 0 (BGBl. I S.737). " §1233 R V O .

13

weise gibt es auch eigene Sozialversicherungseinrichtungen für Selbständige, wie die Altershilfe für Landwirte. Schließlich bestehen spezifische Sicherungseinrichtungen für einige Berufe, die auf Landesrecht und Berufsrecht beruhenden berufsständischen Versorgungswerke 30 . In Anbetracht der Vielzahl sehr unterschiedlicher Regelungen läßt sich über die Alterssicherung der Selbständigen kaum etwas allgemein Gültiges aussagen31. 5. Diese nach Personengruppen gegliederte Ubersicht verdeckt zwei wichtige Faktoren: Zum einen wird nicht berücksichtigt, daß es Personen gibt, die von keinem Sicherungssystem erfaßt werden bzw. nur eine abgeleitete Sicherung haben. Hierzu zählen insbesondere die nicht berufstätigen Ehefrauen 32 . Die Einbeziehung dieser Personen in das Sicherungssystem ist mit dem Versorgungsausgleich für den Fall der Ehescheidung versucht worden; die Reform Vorstellungen bezüglich der Hinterbliebenenversicherung im Falle des Todes in Form einer Teilhaberente sind jedoch inzwischen aufgegeben worden 33 , statt dessen wird die Ausdehnung der Witwenrentenregelung auf Witwer bei gleichzeitiger Anrechnung bestimmter anderer Einkommen erwogen34. Ein zweiter Aspekt bleibt bei der vorgenannten Aufzählung unbeachtet. Es ist dies der Umstand, daß neben den üblichen Sicherungssystemen, die auf bestimmte Personengruppen bezogen sind, noch freiwillige Sicherungsformen bestehen, die nicht gruppenspezifisch ausgestaltet sind. Hier ist vor allem die Lebensversicherung 35 zu nennen, die für alle Personengruppen die Möglichkeit einer zusätzlichen freiwilligen Sicherung, die den jeweiligen Bedürfnissen angepaßt ist, zur Verfügung stellt. Im Bild

30 Vgl. dazu Kolb, Berufsständische Versorgung, Gutachten, Berichtsband 2, S. 351. 31 Die Sachverständigenkommission hat daher die Alterssicherungssysteme der Selbständigen - getrennt von den Systemen für die Beschäftigten - einem eigenen Vergleich unterzogen (vgl. Kolb, Vergleich der Alterssicherungssysteme für Selbständige, Gutachten, Berichtsband 1, S. 85). 32 Vgl. zu dieser Sicherungslücke insbesondere das Gutachten der Sachverständigenkommission für die soziale Sicherung der Frau und der Hinterbliebenen, 1979, S. 17 ff. 53 Vgl. Ruf, Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung, Die Sozialversicherung 1984, S. 38 ff.; Maier, Die erforderliche Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung unter dem Diktat der Zeitnot und des knappen Geldes, Rentenversicherung 1983, S. 183ff.; siehe auch v. Maydell, Die Neuordnung der sozialen Alterssicherung der Frau, 1982. 34 Zu den Bedenken gegen dieses Vorgehen vgl. v. Maydell, Zur Problematik einer Anrechnung von betrieblichen Ruhegeldern auf Hinterbliebenenrenten, Die Angestelltenversicherung (DAngVers) 1984, S. 101 ff. 35 Vgl. v. Maydell, Lebensversicherung, Gutachten, Berichtsband 2, S. 405 ff.

14

von der Drei-Säulen-Sicherung - man spricht auch von dem Drei-Schichten-Modell - ist die Lebensversicherung die dritte Säule. 3. Unterscheidung

in Basis- und

Zusatzsicherungssysteme

Stellt man es auf die Funktion der Alterssicherungssysteme ab, so lassen sich Basis- oder Regelsicherungssysteme einerseits und Zusatzsysteme andererseits unterscheiden 3 '. Die ersteren sollen allein eine Vollsicherung, zumindest aber eine Basissicherung gewährleisten. Demgegenüber haben Zusatzsysteme die Funktion, die Basissysteme zu ergänzen und aufzustocken. Zusatzsysteme sind vor allem die betriebliche Altersversorgung und die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes. Auch die Lebensversicherung kann man als Zusatzsicherungssystem bezeichnen, wobei allerdings diese Funktion der Zusatzsicherung nicht auf eine bestimmte Basissicherung bezogen ist. Zusatzsysteme können mit Basissystemen koordiniert sein; man spricht in diesem Falle von einem Gesamtversorgungssystem (Beispiele: Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, aber auch einzelne betriebliche Versorgungssysteme), sie können aber auch isolierte Leistungen vorsehen, die ohne Rücksicht auf die Höhe der Basisleistung gewährt werden. Das gilt vor allem für die meisten betrieblichen Ruhegelder und die private Lebensversicherung. Inwieweit Zusatzsicherungssysteme eine sozialpolitisch notwendige Funktion ausüben, hängt primär von den Regelleistungen des Basissicherungssystems ab. Gewährleisten diese Leistungen bereits ein Aufrechterhalten des Lebensstandards im Alter, so sind koordinierte Zusatzsysteme entbehrlich. Ein individueller Zusatzbedarf im Alter kann durch die Lebensversicherung abgedeckt werden. Die gesetzliche Rentenversicherung ist mit der Rentenreform des Jahres 1957 mit dem Anspruch aufgetreten, eine Vollsicherung zu gewährleisten. Bedingt durch verschiedene Umstände ist dieses Ziel jedenfalls dann nicht voll erreicht worden, wenn man von einer Vollsicherung die Absicherung des in der aktiven Phase erreichten Lebensstandards versteht. Eine Vollsicherung stellt dagegen von der Grundstruktur und der tatsächlichen Ausgestaltung her die Beamtenversorgung dar. Sie vereinigt insoweit die Funktion der Grundsicherung mit der Zusatzsicherung in einem System, das daher als bifunktional bezeichnet werden kann37.

36 Zu dieser Unterscheidung vgl. v. Maydell (s. Fn.20), S.33ff.; siehe auch Gutachten, Berichtsband 1, S. 141 ff. 37 Zu dieser im Anschluß an Zacher geprägten Begriffsbildung vgl. Gutachten, Berichtsband 1, S. 142 ff.

15

4. Ausgestaltung

der

Leistungsverhältnisse

Das Rechtsverhältnis zwischen Leistungsträger im weiteren Sinne und Leistungsempfänger kann öffentlich-rechtlich ausgestaltet sein. Das ist insbesondere für die Sozialversicherung und die Beamtenversorgung, aber auch für die berufsständischen Versorgungswerke der Fall. D a s R e c h t s verhältnis kann jedoch auch ein privatrechtliches sein; es kann z. B . auf einem Versicherungsvertrag, einem Arbeitsvertrag oder einem Tarifvertrag beruhen. M i t dieser Ausgestaltung korrespondiert regelmäßig ein weiterer Unterschied, nämlich der Charakter der Sicherung als einer obligatorischen oder einer freiwilligen Einrichtung. D i e s e Differenzierung ist offensichtlich dann von Bedeutung, wenn der Gesetzgeber eine Änderung der bestehenden Regelung durchsetzen will. Soweit die L e i stungsverhältnisse vertraglich geregelt sind, ist eine solche Änderung nur unter einschränkenden Voraussetzungen möglich 3 '.

5. Organisation der

Leistungsträger

Eine weitere Unterscheidung knüpft an die Organisationsform des Leistungsträgers an. Es kann sich um einen öffentlich-rechtlichen Träger handeln, der T r ä g e r kann jedoch auch ein Subjekt des Privatrechts sein. Regelmäßig wird die Trägerschaft der Ausgestaltung des Leistungsverhältnisses entsprechen, doch ist dies nicht zwingend so, wie z. B . die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder ( V B L ) zeigt, die öffentlich-rechtlich organisiert ist, o b w o h l das Leistungsverhältnis auf Tarifrecht beruht.

6.

Finanzierung

Ein weiterer Unterschied betrifft die Finanzierung. D i e Leistungsansprüche auf eine Alterssicherung können durch eigene Beiträge oder Prämien oder durch Beiträge und Prämien D r i t t e r , wie den Arbeitgeber, begründet werden, sie k ö n n e n jedoch auch aus Steuermitteln gewährt werden. J e weitgehender ein System durch den Versicherten selbst finanziell getragen

wird, desto

weniger Möglichkeiten

bestehen

für

den

G e s e t z g e b e r , in bestehende Anwartschaften einzugreifen. Das kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts selbst dann unter dem A s p e k t des Eigentumschutzes gemäß Art. 14 G G beachtlich werden, wenn es sich um öffentlich-rechtliche Positionen handelt". Vgl. im einzelnen dazu v. Maydell (s. Fn.9), S. 21/22. So BVerfGE 53, 257; zuletzt - allerdings restriktiv - BVerfG NJW 1983, S.2433. Zu den Auswirkungen dieser Rechtsprechung auf die Ausgestaltung der Rentenversicherung siehe Rische/Terwey, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die 38

39

16

D a s schließt allerdings nicht aus, daß auch Anwartschaften aus Systemen verfassungsrechtlich geschützt sind, die nicht auf eigenen, offen ausgewiesenen Beiträgen b e r u h e n ; dies ist vor allem für die Pensionsanwartschaften von Bedeutung, soweit der Schutz des A r t . 33 A b s . 5 G G eingreift 4 0 . A u c h kann der Vertrauensgrundsatz eine R o l l e spielen. M i t diesen Stichworten soll der kurze U b e r b l i c k über die verschiedenen Alterssicherungssysteme und ihre Unterschiede abgeschlossen werden. E r sollte dazu dienen, die Vielfalt der Regelungen deutlich zu machen und damit zeigen, von welchen Sachverhalten jede Überlegung zu einer H a r monisierung ausgehen m u ß .

III. Notwendigkeit einer Harmonisierung der Alterssicherung? 1.

Ausgangspunkt

B e v o r man sich im einzelnen der Harmonisierungsproblematik nähert, m u ß man sich zunächst darüber Klarheit verschaffen, o b eine solche H a r m o n i s i e r u n g - in welcher F o r m auch immer - notwendig ist. Will man die bestehenden Systeme einander annähern und damit Änderungen im geltenden R e c h t durchführen, so m u ß zunächst der Harmonisierungsbedarf nachgewiesen werden, d. h. es ist zu untersuchen, o b das geltende R e c h t den gegenwärtigen oder den zukünftigen Erfordernissen

nicht

m e h r entspricht. I m m e r h i n ist daran zu erinnern, daß bis vor kurzer Zeit das

Nebeneinander

verschiedener

Systeme

fast allgemein

akzeptiert

wurde. E s stellt sich also die Frage, inwieweit heute eine N o t w e n d i g k e i t zur Harmonisierung bestehen soll. D i e Analyse ergibt allerdings, daß eine Vielzahl von Aspekten dafür spricht, die bestehenden Systeme zu überprüfen 4 1 . Diese Aspekte haben dazu geführt, daß die funktionalen Gemeinsamkeiten aller Alterssicherungssysteme, soziale Sicherung im Alter zu gewährleisten, stärker als früher empfunden werden:

Gestaltung des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung, Deutsche Rentenversicherung 1983, S. 273 ff. 40 Zum Umfang dieser Gewährleistung vgl. Ruland, Möglichkeiten und Grenzen einer Annäherung der Beamtenversorgung an die gesetzliche Rentenversicherung, Gutachten, Anlageband B. 41 Vgl. dazu v. Maydell, Ursachen, Kriterien und Maßstäbe für die Harmonisierung der Alterssicherungssysteme, Sozialer Fortschritt 1984, S. 53 ff.; siehe auch Gutachten der Wissenschaftlergruppe des Sozialbeirats zu längerfristigen Entwicklungsperspektiven der Rentenversicherung, BR-Drucks. 284/81, Ziffer 204 ff.

17

1. Die gesetzliche Rentenversicherung hat mit beträchtlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, die u. a. auf großzügige Sozialgesetze der Vergangenheit, Probleme des Staatshaushalts und seiner Finanzierung, die wirtschaftliche Lage, die hohe Arbeitslosigkeit, um nur einige Punkte zu nennen, zurückzuführen sind. Diese Schwierigkeiten haben in den letzten Jahren zu einer Vielzahl von Eingriffen geführt, die überwiegend zu Lasten der Rentner gegangen sind. Man denke nur an die verminderte Anpassung in den Jahren 1979, 1980 und 1981. Nicht nur die Rentner fragten sich, ob alle anderen Bezieher von Altersleistungen von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht tangiert werden durften und sollten. 2. Das gegenwärtige System weist offensichtlich Disharmonien auf, die z. B. auf eine mangelnde Koordination zurückzuführen sind. Ein Beispiel dafür ist die Überversorgung in der Zusatzversorgung, die auf die unterschiedliche Belastung von Aktiven und Rentnern mit Steuern und Abgaben bei gleichzeitiger Orientierung der Gesamtversorgung an den Bruttobezügen zurückzuführen ist. Auch wenn diese Überversorgung durch die 19. Änderung der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder vom 10. November 1983 in der Zukunft für diesen Bereich abgebaut wird 42 , so bleibt dieser Fall doch ein Beispiel für eine unzureichende Koordination in unserer Alterssicherung. Problematische Kumulationen hat es auch im Verhältnis von Beamtenversorgung und gesetzlicher Rentenversicherung gegeben, und zwar insbesondere dadurch, daß beide Leistungssysteme in gewissem Umfange ein und dieselbe Zeit anrechneten. In mehreren Schritten hat der Gesetzgeber diese Fälle der Überversorgung abgebaut, zu verweisen ist insoweit auf die Vorschrift des § 55 Beamtenversorgungsgesetz". D a s Kumulationsproblem stellt sich aber auch im Rahmen eines Systems. So kann heute eine Frau neben der eigenen Rente auch eine Hinterbliebenenrente beziehen, und zwar selbst dann, wenn die eigene Rente den Lebensbedarf abdeckt und kein Unterhaltsausfall durch den T o d des Ehegatten festzustellen ist, der durch eine Hinterbliebenenrente auszugleichen wäre 44 . Vgl. oben F n . 2 4 . Kritisch zu dieser Entwicklung Fürst/Loschelder, Versorgungsgerechtigkeit beim Zusammentreffen von Ruhegehalt und Rente. Konzeptionelle und verfassungsrechtliche Einwände gegen § 55 BeamtVG, Zeitschrift für Beamtenrecht 1983, S. 2 ff. 44 Daher hat die Sachverständigenkommission für die soziale Sicherung der Frau und der Hinterbliebenen bereits 1979 einen Wegfall der kleinen Witwenrente und im übrigen die Einführung der sog. Teilhaberente vorgeschlagen, die eine Zusammenschau der beiderseitigen Anwartschaften ermöglicht (vgl. Gutachten, Ziffer 135 ff.). 42 43

18

Die Beispiele problematischer Leistungskumulationen ließen sich vermehren. Sie zeigen, wie wenig konsistent und aufeinander abgestimmt die einzelnen Systeme sind. Dadurch bedingte Uberversorgungen sind besonders problematisch in einer Zeit, in der andererseits die Fälle der Unterversorgung, in denen auf die Sozialhilfe zurückgegriffen werden muß, zunehmen. 3. Außerhalb der rechtlichen Regelungen, die als solche nach wie vor unterschiedlich sind, haben sich in einer Praxis Querverbindungen und Parallelitäten zwischen verschiedenen Systemen ergeben, die eine Uberprüfung der rechtlichen Konstruktionen erforderlich machen. Besonders bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die Tarifpraxis. Obwohl Arbeitsentgelt und Beamtengehalt juristisch ganz unterschiedlich zu qualifizieren sind, hat sich in der Vergangenheit fast ein Automatismus zwischen den Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst und den jährlichen Erhöhungen der Beamtengehälter ergeben. Die Erhöhung der Beamtengehälter schlägt aber unmittelbar durch auf die Beamtenpensionen, so daß insoweit eine von der Lohndynamik im arbeitsrechtlichen Bereich bestimmte Anpassungsautomatik sich entwickelt hat. Bestimmen aber die Tarifvertragsparteien praktisch über die Entwicklung der Beamtenpensionen, so muß man sich fragen, ob die These von der grundsätzlichen Trennung der verschiedenen Systeme in der bisherigen strikten Form aufrechterhalten bleiben kann. 4. Das Bundesverfassungsgericht hat, nachdem in der Vergangenheit die Besonderheiten der Systeme sehr stark betont und gerechtfertigt worden sind, in neuererer Zeit die Vergleichbarkeit der verschiedenen Alterseinkünfte herausgestellt; dies ist vor allem in der Entscheidung über die Besteuerung der Alterseinkünfte geschehen, durch die dem Gesetzgeber ausdrücklich aufgegeben wird, die bestehenden Unterschiede abzubauen45. 5. Der Gesetzgeber selbst hat Regelungen geschaffen, in denen er die verschiedenen Alterseinkünfte als gleichartig behandelt hat. Zu erwähnen ist neben der Regelung über die Einbeziehung anderer Alterseinkünfte in die Beitragspflicht zur Krankenversicherung der Rentner vor allem der Versorgungsausgleich, in den alle regelmäßigen Alterseinkünfte einbezogen worden sind, obwohl dies - wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung der Leistungen - in der Praxis große Schwierigkeiten bereitet, z.B. bei der Frage, welche Anwartschaften als dynamisch anzusehen sind und welche nicht46. 45

BVerfGE 54, 11 ff. Vgl. z. B. Morawietz, Die Bewertung teildynamischer Betriebsrentenanwartschaften im Versorgungsausgleich, 1981. 46

19

6. Im Rahmen der Rentenversicherung steht eine Reihe von Änderungen bevor; erwähnt seien nur die Invaliditätsrenten47, die beitragslosen Zeiten4' und die Hinterbliebenensicherung, die sogenannte 1984er Regelung49. Vor allem die beiden zuletzt genannten Regelungskomplexe werden die Frage aufwerfen, ob eine isoliertere Reform in der gesetzlichen Rentenversicherung möglich ist oder ob nicht eine Übertragung oder zumindest Koordinierungsregeln notwendig werden. Ganz offensichtlich wäre dies der Fall, wenn die Teilhaberente, wie sie von der Sachverständigenkommission zur Reform der Hinterbliebenensicherung vorgeschlagen worden ist, realisiert worden wäre. 7. Die demographische Entwicklung wird in Zukunft erhebliche Veränderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung erzwingen, und zwar auf der Beitrags- wie auf der Leistungsseite, denn die Realisierung eines prognostizierten Beitragssatzes von ca. 34 % im Jahre 203050 erscheint kaum möglich. Verlangt man aber in Zukunft weitgehende Opfer von Rentnern und Beitragszahlern, so wird man fragen müssen, ob die Bezieher sonstiger Altersleistungen, vor allem also die Beamten, von der demographischen Entwicklung unbeeinträchtigt bleiben können. Das ist kaum vorstellbar, jedenfalls aber nicht vertretbar, da der Geburtenrückgang kein Umstand ist, dessen Folge nur ein Teil der Gesellschaft, die Arbeitnehmer nämlich, zu tragen hätte51. Damit soll die Aufzählung der Gründe, die eine Harmonisierung in der Zukunft notwendig machen, abgeschlossen werden, wobei allerdings darauf hinzuweisen ist, daß dieser Handlungszwang schon heute besteht,

47 Zu dieser Problematik vgl. Ruland/Rische, Die „Erwerbsminderungsrente" als Möglichkeit zur Reform der Sicherung bei Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, Deutsche Rentenversicherung 1980, S. 12 ff. 48 Siehe dazu Hauck, Einordnung der gesetzlichen Rentenversicherung in das Sozialgesetzbuch als Teil der Strukturreform, Mitteilungen der LVA Ober- und Mittelfranken 1983, S.474, 478. 49 Zu den sich allein im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung ergebenden Harmonisierungsaufgaben siehe Ruland, Überlegungen zur Eingliederung des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung in das Sozialgesetzbuch, SGb. 1982, S. 506 ff.; Hauck/Niemeyer, Einordnung der gesetzlichen Rentenversicherung in das Sozialgesetzbuch als Teil der Strukturreform, Deutsche Rentenversicherung 1983, S. 659 ff. 50 Vgl. dazu im einzelnen Grohmann, Die gesetzliche Rentenversicherung im demographischen Wandel, Gutachten für den Sozialbeirat, veröffentlicht durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung in: Langfristige Probleme der Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland, 1983, Bd.2, S . l , 21, 88. 51 Vgl. dazu insbesondere auch das Gutachten der Wissenschaftlergruppe des Sozialbeirats (s. Fn.41), Ziffer 27 ff.

20

denn es geht u m langfristige P r o b l e m e , die nicht durch ad h o c - M a ß n a h m e n in den G r i f f zu b e k o m m e n sind 52 .

IV. Der Vergleich der Systeme - notwendige Voraussetzung für eine Harmonisierung 1. Rechtlicher und empirischer Vergleich J e d e H a r m o n i s i e r u n g setzt unterschiedliche Regelungen voraus, die harmonisiert werden sollen. D i e s e Unterschiede müssen zunächst durch einen Vergleich ermittelt werden. D e r Vergleich ist somit der erste k o n k r e t e Arbeitsschritt. D i e im Vergleich festgestellten

Unterschiede

müssen danach daraufhin überprüft werden, o b sie gerechtfertigt oder vielleicht sogar notwendig oder o b sie nicht gerechtfertigt sind 53 . Diese B e w e r t u n g setzt M a ß s t ä b e voraus, auf die nachfolgend noch einzugehen sein wird. A b e r bereits die Phase des Vergleiches bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Zunächst liegt es nahe, von den Versorgungslagen auszugehen, die durch die einzelnen Systeme gewährleistet werden, indem man empirisch die H ö h e der Versorgungen ermittelt und anhand der Lebensverläufe analysiert, wie sich diese Leistungshöhe erklärt. D a f ü r ist ein umfassendes Zahlenmaterial notwendig, das z u m Anfang der Arbeit der Sachverständig e n - K o m m i s s i o n nicht - jedenfalls nicht ausreichend - vorhanden war. I m Laufe der Kommissionsarbeiten sind einige Untersuchungen angeregt und z u m Teil auch abgeschlossen worden, ohne daß eine volle A u s w e r tung möglich war 5 4 . Mangels ausreichender Kenntnisse über die tatsächliche Versorgungssituation der von den einzelnen Systemen erfaßten Personen ist von M o d e l len auszugehen. So fragt man, welche Versorgung ein R e n t n e r oder ein Pensionär bei einem bestimmten aktiven E i n k o m m e n nach 40 Jahren erhält. O b die dabei gewonnenen Ergebnisse aussagekräftig sind, hängt davon ab, wie wirklichkeitsgetreu die A n n a h m e n sind. I m m e r h i n läßt sich sagen, daß die prozentuale Versorgung, bezogen auf das letzte E i n k o m -

52 Auf den Umstand, daß die Probleme schon heute angegriffen werden müssen, weist sehr deutlich Meinhold hin (Ergebnisse der Sachverständigenkommission „Alterssicherungssysteme", Sozialer Fortschritt 1984, S.49, 52). 53 Vgl. dazu im einzelnen v. Maydell (s. Fn. 9), S. 35 ff. 54 Zusammenfassend zum Beitrag der Kommission zur empirischen Aufbereitung vgl. Krupp, Sozialpolitische Ziele und der empirische Vergleich der Alterssicherungssysteme für abhängig Beschäftigte, Sozialer Fortschritt 1984, S. 57 ff.

21

men, bei den Arbeitern und Angestellten im öffentlichen Dienst am besten ist. Es folgen die Beamten, Bei den Arbeitern und Angestellten in der Privatwirtschaft hängt es davon ab, ob sie ein betriebliches Ruhegeld beziehen oder nicht. Rentner ohne eine solche Zusatzversorgung liegen jedenfalls am Ende der Versorgungsskala 55 . Geht man von diesen Feststellungen aus, so kann man die Gründe für diesen Befund durch einen juristischen Vergleich der verschiedenen Systeme herausarbeiten. Allerdings betritt man auch mit einem solchen Vergleich Neuland. Es gibt keine wissenschaftlich anerkannten Methoden dafür. Am ehesten lassen sich noch Anleihen bei der Rechtsvergleichung machen56. Insbesondere ergeben sich folgende methodischen Probleme: a) Einwand der Unvergleichbarkeit Häufig wird bereits die Möglichkeit des Vergleichens mit dem Argument in Frage gestellt, daß die einzelnen Regelungen und Systeme unvergleichbar seien. Unvergleichbares könne man aber nicht miteinander vergleichen. So hat z. B. der Deutsche Beamtenbund in einer Stellungnahme zum Kommissionsgutachten behauptet, die Kommission habe bei dem Vergleich zwischen Rentenversicherung und Beamtenversorgung „rechtlich Unvergleichbares miteinander verglichen"57. Dem ist entgegenzuhalten, daß gleiche Regelungen überhaupt keines Vergleichs bedürfen, es genügt die Feststellung ihrer Identität. Vergleich setzt also Unterschiedlichkeit voraus. Voraussetzung für einen Vergleich ist allerdings, daß die zu vergleichenden Objekte in einem Punkt übereinstimmen, es muß also eine Vergleichsebene vorhanden sein58. Fehlt eine solche und damit ein Vergleichsansatz, so wird ein Vergleich unsinnig. Bezogen auf die Alterssicherungssysteme ist offensichtlich, daß eine solche Vergleichsebene vorliegt, nämlich die Funktion der einzelnen Systeme, die Lebensführung im Alter materiell zu ermöglichen. Der Einwand der Unvergleichbarkeit ist damit entkräftet. b) Vergleichsobjekte Eine weitere Schwierigkeit stellte sich bei der Bestimmung der Vergleichsobjekte. Sicherlich können Zusatzsysteme miteinander verglichen

55

Vgl. dazu Gutachten, Berichtsband 1, S. 59 ff. Ausführlicher zu den methodischen Fragen siehe v. Maydell (s. Fn. 9), S. 36. 57 So Rundschreiben des Deutschen Beamtenbundes an die Mitgliedsverbände v. 13.12.1983, S.2. 58 Zur Problematik des Vergleichs vgl. auch v. Maydell (s. Fn.8), SGb. 1984, S. 142 ff. 54

22

werden, also etwa die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst mit der betrieblichen Altersversorgung. Aber schon die Einbeziehung der privaten Lebensversicherung bereitet Schwierigkeiten, weil ihre Zusatzfunktion nicht allein oder überwiegend auf die gesetzliche Rentenversicherung bezogen ist. Noch schwieriger ist der Vergleich verschiedener Regelsicherungssysteme, also z.B. der Beamtensicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung, der berufsständischen Versorgungswerke. Die Schwierigkeiten beruhen darauf, daß die Beamtenversorgung in sich die Basis- mit der Zusatzsicherung vereinigt, also als bifunktional bezeichnet werden kann, während die gesetzliche Rentenversicherung häufig durch eine Zusatzsicherung ergänzt wird. Die Lösung dieses Problems kann nur lauten, daß dennoch ein Vergleich von Beamtenversorgung und Rentenversicherung sinnvoll ist, weil es nämlich Personengruppen gibt, die nur auf die gesetzliche Rentenversicherung angewiesen sind 5 '. Daneben ist es natürlich notwendig, die Beamtenversorgung auch mit Gesamtversorgungssystemen zu vergleichen, also mit der Gesamtversorgung im öffentlichen Dienst und den Gesamtversorgungssystemen der Privatwirtschaft, soweit solche nachweisbar vorhanden sind. In Anbetracht der Besonderheiten bei der Alterssicherung der Selbständigen hat die Kommission insoweit einen eigenständigen Vergleich der Systeme für Selbständige - neben dem Vergleich der Sicherungssysteme für Beschäftigte - für notwendig erachtet. c) Gesamtvergleich oder Einzelvergleich? Beim Vergleich der Alterssicherungssysteme stellt sich eine weitere methodische Schwierigkeit insoweit, als die Frage auftaucht, ob man die Systeme insgesamt miteinander vergleichen soll, also die Beamtenversorgung mit der Rentenversicherung und den berufsständischen Versorgungswerken (Gesamtvergleich), oder ob man die einzelnen Elemente der Sicherung, wie z. B. den erfaßten Personenkreis, das Zeitelement, die Leistungshöhe etc., miteinander in Vergleich setzen soll. Die Kommission hat sich für letzteres Verfahren entschieden60, da von einem Gesamtvergleich konkrete Aussagen nicht erwartet werden können. Das liegt daran, daß es kein Bewertungssystem dafür gibt, wie Vor- und Nachteile eines Systems miteinander saldiert werden können. So läßt sich nicht bestimmen, welche Nachteile in der Alterssicherung einem Beamten dafür abverlangt werden können, daß er während seiner aktiven Zeit kein Arbeitsplatzrisiko getragen hat. 5

' So letztlich auch die Sachverständigenkommission, Gutachten, Berichtsband 1, S. 28. 60 Gutachten, Berichtsband 1, S. 25 ff.

23

Andererseits' 1 m u ß man natürlich sehen, daß ein Vergleich einzelner Institute und Regelungen zu erheblichen Mißverständnissen führen kann, w e n n man nicht erkennt, daß ein und dieselbe F u n k t i o n in verschiedenen Systemen durch unterschiedliche Institute erfüllt wird. So bedarf es z. B . in der Beamtenpension in A n b e t r a c h t der Mindestpension und des degressiven Steigerungssatzes keiner Regelung einer Zurechnungszeit, wie sie in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht. D i e F u n k t i o n eines sozialen Mindestschutzes wird in den verschiedenen Systemen also durch ganz unterschiedliche Institute w a h r g e n o m m e n . E s k o m m t eine weitere Schwierigkeit hinzu. Manche Institute sind so spezifisch ausgestaltet, daß sie nur mit den Besonderheiten des jeweiligen Systems, aus dem sie stammen, erklärt werden können. Ein Beispiel insoweit ist die H o f a b g a b e r e n t e im R a h m e n der Altershilfe für Landwirte. In solchen Fällen ist ein Rückgriff auf das Gesamtsystem und seine Ausgestaltung notwendig, wenn man in vernünftiger Weise vergleichen will. Dies bedeutet, daß man auch bei einem Einzelvergleich das G e s a m t system mit seinen Besonderheiten im H i n t e r k o p f behalten m u ß .

V. Maßstäbe für eine Harmonisierung 1. Notwendigkeit

einer Wertung

H a t man festgestellt, daß relevante Unterschiede bestehen, so ist zunächst zu entscheiden, o b diese Unterschiede gerechtfertigt sind oder nicht. D a n a c h bedarf es der weiteren Entscheidung, o b und ggf. welcher Handlungsbedarf besteht. Beide Stufen dieses Vorgehens beinhalten einen W e r t u n g s p r o z e ß . D a f ü r sind Wertungsmaßstäbe und Beurteilungskriterien notwendig, die in beiden Stufen, allerdings in unterschiedlicher Intensität und Zielrichtung, heranzuziehen sind' 2 .

2.

Wertungsmaßstäbe

a) Zunächst ist auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinzuweisen". I n Betracht k o m m e n vor allem -

die Staatszielbestimmungen: Sozialstaatsprinzip, Rechtsstaatsprinzip (insbesondere Rechtssicherheit und Vertrauensschutz),

" Zu den Vor- und Nachteilen des Einzel- und des Gesamtvergleichs siehe v. Maydell (s. Fn.9), S.38. 62 Vgl. dazu bereits v. Maydell (s. Fn.41), Sozialer Fortschritt 1984, S. 53. 63 Im einzelnen dazu v. Maydell (s. Fn. 9), S. 55.

24

- der allgemeine Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 GG) und die Gleichbehandlung von Männern und Frauen (Artikel 3 Abs. 2 und 3 GG), - freie Entfaltung der Persönlichkeit (Artikel 2 Abs. 1 und 12 GG), - Schutz von Ehe und Familie (Artikel 6 GG), - Eigentumsschutz (Artikel 14 GG), - hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums (Artikel 33 Abs. 5 GG), - Tarifautonomie (Artikel 9 Abs. 3 GG). Diese Verfassungsprinzipien können zu der Beurteilung führen, daß bestehende Unterschiede ungerechtfertigt sind, sie können im Einzelfall aber auch diese Unterschiede rechtfertigen und ihre Einebnung verhindern oder jedenfalls erschweren (vgl. z.B. Artikel 33 Abs.5 GG). b) Neben den verfassungsrechtlichen Vorgaben sind vor allem sozialpolitische Wertungen und Zielsetzungen zu berücksichtigen. Solche Zielvorstellungen, zusammengefaßt in Kriterien- und Zielkatalogen, finden sich regelmäßig in Reformgutachten, nämlich z . B . der 1984er-Kommission64, der Wissenschaftlergruppe des Sozialbeirats65 und der TransferEnquete-Kommission 66 . Insbesondere ist auf das von Krupp dem Sozialbeirat erstattete Gutachten über „Grundlagen einer zielorientierten und integrierten Alterssicherung" zu verweisen67. 3. Mögliche

Entscheidungssituationen

Nach der Entscheidung darüber, ob festgestellte Unterschiede gerechtfertigt oder nicht gerechtfertigt sind, stellt sich die weitere Frage, was zu tun ist, wobei diese Frage mit der ersten - nach der Rechtfertigung der Unterschiede - häufig zusammenfallen wird. Hier sind nun verschiedene Entscheidungssituationen möglich: 1. Die Unterschiede verstoßen gegen Verfassungsgrundsätze. In diesem Falle ist ein Tätigwerden des Gesetzgebers notwendig, er hat keinen Spielraum bei der Frage, ob er harmonisieren will oder nicht. 2. Eine Änderung ist zwar sozialpolitisch wünschenswert, ihr stehen aber verfassungsrechtliche Hindernisse, z. B. die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, entgegen. Auch die Tarifautonomie könnte ein Tätigwerden des Gesetzgebers ausschließen.

64 Vorschläge zur sozialen Sicherung der Frau und der Hinterbliebenen, S. 37 Ziffer 89. 65 Gutachten der Wissenschaftlergruppe des Sozialbeirats (s. Fn. 41) Ziffer 34 ff. 66 Das Transfersystem in der Bundesrepublik Deutschland, 1981, Ziffer 166 ff. 67 Veröffentlicht vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung in: Langfristige Probleme der Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, S., 95 ff.

25

3. Es liegt ein nicht gerechtfertigter Unterschied vor, dessen Beseitigung verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten ist. In diesem Fall ist zu entscheiden, ob und welche Harmonisierungsmaßnahmen sinnvoll sind. Auch das ist wiederum eine Wertungsentscheidung, bei der teilweise die bereits zuvor herangezogenen Kriterien zu berücksichtigen sind, teilweise aber auch spezifische Maßstäbe heranzuziehen sind. Solche Maßstäbe sind u. a.: - Läßt sich eine Abstimmung der Systeme ohne zusätzliche finanzielle Aufwendung realisieren? - Inwieweit bestehen in dem jeweiligen System systemimmanente Grundstrukturen, die die einzelne, im Vergleich zu den anderen Sicherungssystemen unterschiedliche Regelung erklären, rechtfertigen oder jedenfalls eine Abstimmung erschweren? - Läßt sich die Abstimmung in allen jeweils vergleichbaren Systemen realisieren, oder müssen in einzelnen Systemen unterschiedliche Regelungen erhalten bleiben? - Werden die Alterssicherungssysteme durch eine Abstimmung vereinfacht und transparenter gestaltet? - Wird die Mobilität zwischen den Systemen erleichert? - Ist die Nahtlosigkeit zwischen Invaliditätssicherung und Alterssicherung gewährleistet? Werden Aufgaben und Funktionen der Alterssicherung durch Invaliditätssicherung wahrgenommen? - Sind die Alterssicherungssysteme unter Berücksichtigung der Aktiven-Einkommen und ihrer Besteuerung mit den Prinzipien des Steuerrechts koordiniert? - Ist eine Abstimmung der Systeme durch isolierte Änderungen der konkreten Regelungen, die bisher unterschiedlich ausgestaltet waren, möglich, oder wären in Fällen einer Abstimmung weitere Maßnahmen im jeweiligen Alterssicherungssystem selbst oder in einem externen System (Familienrecht, Steuerrecht, Arbeitsrecht etc.) notwendig? - Erfordert eine Abstimmung längere Ubergangszeiten und besondere Übergangsregelungen ? - Inwieweit werden zukünftige Reformen der Alterssicherung, insbesondere die Reform der sozialen Sicherheit der Frau und der Hinterbliebenen, erleichtert? - Beeinflußt eine Abstimmung der Alterssicherungssysteme die gerechte Verteilung der - durch die demographische Entwicklung bedingt - zukünftig auf die Alterssicherung zukommende Belastung? Das sind nur einige Aspekte. Sie zeigen bereits die Schwierigkeit der Entscheidung, zumal die Kriterien u. U. widersprüchliche Antworten provozieren.

26

VI. Der Beitrag der Sachverständigen-Kommission zu der gekennzeichneten Harmonisierungsproblematik Nachdem die methodischen Schwierigkeiten eines Vergleichs und einer Harmonisierung skizziert worden sind, soll nachfolgend darauf eingegangen werden, welchen Beitrag die Sachverständigen-Kommission zu der Problematik einer Harmonisierung geleistet hat.

1. Die methodischen Fragen Die Sachverständigen-Kommission hat mit der Erarbeitung eines Vergleichs große Schwierigkeiten gehabt. Das ist, wenn man sich die pluralistische Zusammensetzung der Kommission vergegenwärtigt 68 , auch nicht erstaunlich. Dennoch sind einige Forderungen und Empfehlungen der Kommission vor allem auch unter diesem Aspekt der methodischen Schwierigkeiten zu sehen. Das gilt vor allem für die Forderung nach einer Intensivierung der Ermittlung der empirischen Daten über die Versorgungslagen", ebenso aber auch für die Forderung nach einer kontinuierlichen Beobachtung und Analyse der Alterssicherungssysteme, wobei über die institutionelle Form der Wahrnehmung dieser Aufgabe keine Einigkeit in der Kommission bestand70. Schließlich ist eine der wichtigsten materiellen Forderungen, der Beitrag der Beamten zu ihrer Alterssicherung71, auch unter dem Aspekt der besseren Vergleichbarkeit zu sehen. Bislang ist jeder Vergleich zwischen Rentenversicherung und Beamtensicherung durch das Argument belastet, die Beamten hätten bereits ihren Beitrag für die Alterssicherung durch einen verdeckten Gehaltsverzicht geleistet. Die Verifizierung dieser These ist schwierig. Ein offener Beitrag, der je nach den Belastungen in den anderen Sicherungssystemen verändert werden könnte und müßte, wäre ein Beitrag zu mehr Transparenz und damit einer besseren Vergleichbarkeit.

2. Die sozialpolitische Zielsetzung einer Harmonisierung Es ist dargelegt worden, daß jede Harmonisierungsüberlegung an einem Beurteilungsmaßstab zu messen ist. Soweit es sich um zwingende rechtliche Vorgaben handelt, wie insbesondere Art. 33 Abs. 5 GG, dessen Tragweite durch ein besonderes Gutachten für die Kommission 72 ausgelo-

68 Vgl. oben Fn. 18. " Gutachten Berichtsband 1, S. 140. 70 Gutachten Berichtsband 1, S. 177. 71 Gutachten Berichtsband 1, S. 144 ff. 72 S. Fn. 40.

27

tet worden ist, hat die Kommission sich in diesem Rahmen gehalten. Ahnlich feste Vorgaben fehlen, soweit es die sozialpolitische Zielsetzung anbelangt, insbesondere also die Frage, welches Versorgungsziel durch die gesetzlich geregelten Alterssicherungssysteme angestrebt werden soll. Die Kommission hat sich schwer getan, sich auf einen bestimmten Katalog von Zielvorstellungen zu einigen. Es finden sich im Kommissionsgutachten insoweit nur relativ wenige Aussagen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, wie die Kommission in ihrer Arbeit diese Problematik behandelt hat. Ganz zu Beginn der Kommissionstätigkeit wurde der Versuch gemacht, sich über die sozialpolitischen Zielvorstellungen zu einigen. Sehr schnell ergab sich, daß eine solche Einigung nicht möglich erschien, was letztlich auch nicht verwunderlich sein dürfte. Bei dieser Sachlage gab es nur den pragmatischen Weg, mit einem Vergleich der einzelnen Elemente der verschiedenen Sicherungssysteme zu beginnen. Der Mangel einer allgemeinen Meßlatte führte jedoch dazu, daß praktisch die am weitesten verbreitete Sicherungsform, die gesetzliche Rentenversicherung, zum Ausgangspunkt des Vergleichs gemacht wurde und die anderen Systeme primär mit der gesetzlichen Rentenversicherung verglichen wurden 73 . Bei der Formulierung der Empfehlungen ist dann nochmals der Versuch gemacht worden, gewisse Aussagen über die Zielvorstellungen zu machen. So gibt es in den Empfehlungen einen Abschnitt über die allgemeinen Sicherungsziele74, wonach ein altersgemäßer Lebensstandard gewährleistet werden soll, der von der Mehrheit der Kommission nach 40 bis 45 Jahren Dienst- oder Versicherungszeit mit 70 bis 90 % des Nettoarbeitseinkommens angegeben wird. Es folgen dann noch gewisse Aussagen über eine Bandbreite bei der Bestimmung der Unter- und Uberversorgung. Der Versuch, sozialpolitische Zielaussagen zu machen, hat seinen Niederschlag schließlich auch in dem Fragenkatalog gefunden, der der Arbeit der Kommission zugrunde gelegen hat, nicht aber von der Kommission verabschiedet wurde 75 . 3. Konkrete

Harmonisierungsvorschläge

Was den Inhalt der konkreten Harmonisierungsvorschläge anbelangt, so ist insgesamt im Gutachten der Sachverständigen-Kommission eine

73

Gutachten Berichtsband 1, S.25. Vgl. Gutachten Berichtsband 1, S. 141 ff. 75 Der Fragenkatalog ist im Anlageband A zum Gutachten, S. 307 ff., abgedruckt. 74

28

zurückhaltende Grundtendenz festzustellen. Es bestand Einverständnis darüber, daß das bestehende komplexe System beibehalten werden sollte. Insbesondere hat die Kommission auch die Eigenständigkeit und Notwendigkeit der privatrechtlich organisierten Zusatzsysteme, wie vor allem die betriebliche Altersversorgung, anerkannt und insoweit keinen Harmonisierungsbedarf gesehen". Auch die verschiedenen öffentlich-rechtlichen Regelsicherungssysteme sollten nicht etwa durch ein Einheitssystem abgelöst werden. Vielmehr sollte nur ein Instrumentarium geschaffen werden, das in Zukunft die Vergleichbarkeit dieser Grundsysteme ermöglicht und gleichzeitig die Möglichkeit schafft, zukünftige Belastungen gleichgewichtig auf die verschiedenen Systeme zu verteilen. Im Mittelpunkt der Betrachtung stand dabei die gesetzliche Rentenversicherung und die Beamtenversorgung, wobei sich Änderungen im System der Beamtenversorgung letztlich auf die Gesamtversorgung der Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes auswirken würden. Was die Annäherung der Beamtenversorgung und der gesetzlichen Rentenversicherung anbelangt, so sind vor allem drei Hauptvorschläge der Kommission zu nennen. Es geht zum einen um die Einführung einer Beitragszahlung für die Beamten77; dieser Punkt wurde bereits erwähnt, er ist im übrigen in der Presse als besonders spektakulär herausgegriffen worden. Zum anderen hat die Kommission vorgeschlagen, in der Beamtenversorgung ebenfalls einen linearen Steigerungssatz einzuführen 78 . Die Kommission hat schließlich empfohlen, in Zukunft bei der Anpassung der Renten und Pensionen einen Gleichklang sowohl zwischen Aktiven und Altersleistungsbeziehern als auch zwischen den verschiedenen Regelsicherungssystemen anzustreben, wobei sie auf verschiedene mögliche Wege hingewiesen hat, auf denen man zu diesem Ziel gelangen kann 7 '. 4. Wachsendes

Problembewußtsein

Abgesehen von den konkreten Vorschlägen der Kommission, deren Realisierungschancen zumindest im gegenwärtigen Zeitpunkt skeptisch zu beurteilen sind, hat die Arbeit der Kommission sicherlich dazu beigetragen, daß das Problembewußtsein gewachsen ist. Viele Fragestellungen

76 Vgl. für die betriebliche Altersversorgung Gutachten, Berichtsband 1, S. 158; für die private Lebensversicherung vgl. Körber, Das Gutachten der Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme. Kritische Betrachtung aus der Sicht der Lebensversicherung, Versicherungswirtschaft 1984, S. 112 ff. 77 Gutachten Berichtsband 1, S. 144 f. 71 Gutachten Berichtsband 1, S. 148. 79 Gutachten Berichtsband 1, S. 149.

29

sind völlig neu gewesen. Das gilt insbesondere auch für die Erkenntnis von den funktionalen Gemeinsamkeiten der verschiedenen Alterssicherungssysteme. Auch ist es wichtig, daß durch die von der Kommission angeregten Untersuchungen mehr Transparenz geschaffen worden ist und gleichzeitig zu hoffen ist, daß die empirischen Untersuchungen im Bereich der Alterssicherung weitergehen werden. Schießlich ist es wahrscheinlich auch kein Zufall, daß gerade im Laufe der Arbeit der Kommission die Tarifpartner des öffentlichen Dienstes zu einer Einigung über die Begrenzung der Überversorgung gelangt sind, auch wenn ein unmittelbarer Zusammenhang naturgemäß nicht nachweisbar sein dürfte.

VII. Ausblick Ich habe relativ wenig über die Empfehlungen der Sachverständigenkommission im einzelnen berichtet. Es schien mir wichtiger - und auch interessanter - zu den grundsätzlichen Fragen der Harmonisierung und damit zum Hintergrund des Gutachtens etwas zu sagen. Die Notwendigkeit dafür ergibt sich vor allem in Anbetracht der Reaktion, die das Gutachten erfahren hat. Daß die unmittelbar Betroffenen, vor allem also die Beamtenverbände, protestiert haben, ist verständlich. Problematischer erscheint, wenn darüber hinaus von zahlreichen Persönlichkeiten und Institutionen das Gutachten - häufig vor einer auch nur oberflächlichen Lektüre - mit der Argumentation abgelehnt wird, es handele sich dabei um den Versuch, das bewährte gegliederte System unserer Alterssicherung durch eine Einheitsversorgung abzulösen. Bei einer ernsthaften Prüfung der Vorschläge der Kommission wird man m. E. zugeben müssen, daß sie sich um eine Aufrechterhaltung des bestehenden Systems bemüht hat und nur Einzelkorrekturen vorschlägt. Vor allem aber muß man fragen, auf welchem anderen Wege die Voraussetzungen dafür geschaffen werden sollen, die gegenwärtigen und zukünftigen Probleme unserer Alterssicherung in den Griff zu bekommen. M . E. bieten die Vorschläge der Kommission den Ansatz dafür. Die wirkliche Gefährdung unseres gegenwärtigen Systems wird dann entstehen, wenn nicht rechtzeitig die notwendigen Schritte für eine Stabilisierung getan werden. Viel gefährlicher als die Konzeption der Kommission erscheint es mir, die Politik der ad hoc-Maßnahmen fortzuführen, die bisweilen - bei kritischer Betrachtung - außerordentlich systemgefährdend sein können, ohne daß dies in der politischen Öffentlichkeit mit der nötigen Klarheit erkannt wird. Als Beispiel soll nur der Plan des Bundesarbeitsministerums

30

genannt werden, wonach die Hinterbliebenenrentenreform so gestaltet werden soll, daß eine unbedingte Hinterbliebenenrente an Witwen und Witwer gewährt wird, anderweitiges Einkommen aber angerechnet werden soll80. Das bedeutet, daß z.B. eine eigene Betriebsrente zu einer Minderung oder einem Wegfall der Hinterbliebenenrente führen kann81. Etwas überspitzt könnte man sagen, daß die Rentenversicherung auf Kosten der betrieblichen Altersversorgung entlastet werden kann. Dieser Vorschlag mißachtet nicht nur die Natur der betrieblichen Altersversorgung als einer freiwilligen Zusatzleistung, er ist auch mit dem Versicherungsgedanken in der gesetzlichen Rentenversicherung unvereinbar. Wirkliche Gefahren für den Fortbestand unseres Alterssicherungssystems drohen von solchen Plänen, allerdings auch von einer Verdrängungshaltung gegenüber den Problemen der Zukunft.

80 Gegen eine Anrechnung hat sich bereits Schewe, Problematik der Anrechnung von Einkommen auf Sozialleistungen, in: Im Dienst des Sozialrechts. Festschrift f ü r Wannagat, 1981, S. 443 ff., ausgesprochen. 81 Dagegen v. Maydell (s. Fn.34), DAngVers 1984, S. 101 ff.

w DE

G

Walter de Gruyter Berlin-New York

Neuerscheinung

Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin Herausgegeben von Dieter Wilke Groß-Oktav. XVI, 8 7 0 Seiten. 1984. Ganzleinen. DM 2 6 8 , -

Inhalt HERMANN OXFORT, G e l e i t w o r t . DIETHER DEHNICKE, V o r w o r t .

PETER BADURA, Der Eigentumsschutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes gegenüber der staatlichen Intervention im Bereich der Wirtschaft. GÜNTHER BARBEY, Amtshilfe durch Informationshilfe und „Gesetzesvorbehalt". ERNST BENDA, Berliner Rechtsprechung zum Grundgesetz. JOACHIM BURMEISTER, Über die Notwendigkeit einer neuen „Theorie des Staatseigentums" im demokratischen Verfassungsstaat. UWE DIEDERICHSEN, Der logische Dissens. FRIEDRICH EBEL, D i e S a v i g n y - S t i f t u n g . HANS-UWE ERICHSEN, S c h u l e u n d

Parlamentsvorbehalt.

KLAUS FINKELNBURG, Zum Schutz von Baudenkmalen in Berlin. KLAUS GEPPERT, Zum Einsichtsrecht des Strafgefangenen in die anstaltsärztlichen Krankenunterlagen. DIETER GIESEN, Kolonialpolitik zwischen Irritation und Illusion. Prolegomena zu einer Rechts- und Sozialgeschichte deutscher Kolonialbestrebungen im Pazifik am Beispiel Samoas (1857-89). PETER HANAU, Arbeitsrecht in der sozialen Marktwirtschaft. DIETER HECKELMANN, Konkurrenzschutz privater Makler gegenüber den öffentlich-rechtlichen Sparkassen im Bereich der Immobilienvermittlung. HANS PETER IPSEN,

Der

Stadtstaat

als

Unternehmer

und

Träger

der

Fachaufsicht. Lehren aus dem Hamburger „Fall Brokdorf". HANS D.JARASS, Beschränkungen des Anlagenbetriebs und des Kraftfahrzeugverkehrs bei austauscharmen Wetterlagen. GÜNTHER KAISER, Die gesetzliche Regelung über den Vollzug der Untersuchungshaft und ihre Reform. MICHAEL KLOEPFER, Zur Zulässigkeit der Bescheidlösung im Abwasserabgabengesetz. ^

WERNER KNOPP, Juristische Aspekte von Gründung und Arbeit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. HORST KONZEN, Gesetzentwurf und Revisionsurteil. PETER LERCHE, Aspekte verfassungsgerichtlicher Subsidiarität in Deutschland und Osterreich. ULRICH VON LÜBTOW, Savigny und die Historische Schule. BERND BARON VON MAYDELL, Z u m S t i l s o z i a l p o l i t i s c h e r

Gesetzgebung.

THEO MAYER-MALY, Gesetzesflut und Gesetzesqualität heute. DETLEF MERTEN, Landesgesetzgebungspflichten kraft Bundesrahmenrechts? HEINZ MÜLLER-DIETZ, R e c h t u n d A p h o r i s t i k .

REINHARD MUSSGNUG, öffentlich-rechtliche Vorfragen im Zivilprozeß. WERNER OGRIS, Verbietet mir keine Zensur! Goethe und die Preßfreiheit. HANS-JÜRGEN PAPIER, Staatliche Einwirkungen auf die Energiewirtschaft. CHRISTIAN PESTALOZZA, Berlin unter Europäischem Rechtsschutz. GÜNTER PÜTTNER, Der schwierige Weg der Verfassungsgerichtsbarkeit. ALBRECHT RANDELZHOFER, Kriegsrecht und westliches Verteidigungskonzept. Ein sicherheitspolitischer Preis für das Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte? REINHARDT RICHARDI, A r b e i t n e h m e r b e g r i f f u n d A r b e i t s v e r t r a g . GERD ROELLECKE, R e c h t u n d

Prüfungen.

HERBERT SCHAMBECK, E n t w i c k l u n g s t e n d e n z e n d e r

Demokratie.

KARSTEN SCHMIDT, Die Rechtspflicht des Staates zur Stabilitätspolitik und der privatrechtliche Nominalismus. Ein Versuch über Reaktions- und Legitimationszusammenhänge zwischen öffentlichem und privatem Recht. RUPERT SCHOLZ, Technik und Recht. GUNTHER SCHWERDTFEGER, Verbrauchslenkung durch Information. Die Transparenzkommission beim Bundesgesundheitsamt. HUGO SEITER, Der Verhandlungsanspruch der Tarifvertragsparteien. HORST SENDLER,

Zur

Makulaturproduktion

des

Gesetzgebers.

Zum

Wahrheitsgehalt der Kirchmannschen These von den drei berichtigenden Worten des Gesetzgebers. WERNER VON SIMSON, Einmischung oder nicht? Zur Durchlässigkeit der europäischen Staatsgrenzen. ERNST STEINDORF, K o n z e n t r a t i o n s k o n t r o l l e

und

Niederlassungsfreiheit.

Ein Beitrag zur Konsultationspflicht der Staaten nach Art. 5 EWGV. CARL HERMANN ULE, Über das Wirken des Präsidenten des Preußischen Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. B. Drews in der Zeit nach 1933. GEORG-CHRISTOPH VON UNRUH, Die Deutsche Verwaltungsgeschichte. THEO VOGLER, Auslieferung und Asylrecht. DIETER WILKE, Wiederaufgreifen oder Wiederaufnahme von Verwaltungsverfahren? § 5 1 Verwaltungsverfahrensgesetz im Lichte der Zivilprozeßordnung.

Preisänderung vorbehalten